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German Pages 429 Year 2009
Schriften zum Gesundheitsrecht Band 15
Rechtsfragen der Transplantationsmedizin aus deutscher und europäischer Sicht
Von Daniela Norba
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
DANIELA NORBA
Rechtsfragen der Transplantationsmedizin aus deutscher und europäischer Sicht
Schriften zum Gesundheitsrecht Band 15 Herausgegeben von Professor Dr. Helge Sodan, Freie Universität Berlin, Direktor des Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht (DIGR), Präsident des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin a.D.
Rechtsfragen der Transplantationsmedizin aus deutscher und europäischer Sicht
Von Daniela Norba
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Universität Rostock hat diese Arbeit im Jahre 2008 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-1385 ISBN 978-3-428-12835-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meiner Berusch
Vorwort Das Vorwort ist der Ort um Danke zu sagen. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. iur. Heinrich Lang, Dipl.-Sozialpädagoge, der mich stets ermutigt hat, diese Arbeit berufsbegleitend fertig zu stellen. Ihm ist es gelungen, mein Interesse an wissenschaftlichem Arbeiten zu wecken und aufrechtzuerhalten. Dies ist nicht zuletzt auch der durch ihn geprägten Themenwahl dieser Arbeit geschuldet. Während der gesamten Bearbeitungszeit stand er mir jederzeit als Ansprech-, aber auch als Diskussionspartner zur Verfügung. Bedanken möchte ich mich auch bei meinem Zweitgutachter, Herrn Prof. Dr. iur. Ralph Weber, für die rasche Anfertigung des Gutachtens. Selbstverständlich waren für diese Arbeit eine Vielzahl von Gesprächen mit Freunden und Kollegen prägend. An dieser Stelle gilt mein Dank ganz besonders Herrn Dr. iur. Günter Krings, MdB. Auch möchte ich Herrn Prof. Dr. med. Günter Kirste, medizinischer Vorstand der DSO, danken, unter dessen Anleitung ich die europäischen Projekte Alliance-O und DOPKI betreuen durfte. Die Zusammenarbeit mit ihm hat mir insbesondere auch einen praxisbezogenen Einblick in die Transplantationsmedizin ermöglicht. Für die sorgfältigen Korrekturarbeiten an meiner Reinschrift danke ich meiner Mutter, Herrn Sebastian Hirsch, Frau Nadine Bülow und Herrn Franz Schaub. Abschließend hat Herr Dr. rer. pol. Thomas Beck, Vorstand der DSO, meine Reinschrift Korrektur gelesen, wofür ich auch ihm meinen ganz herzlichen Dank aussprechen möchte. Schließlich möchte ich noch Herrn Rechtsanwalt Jan Erik Wetzel danken, der entscheidend zu dem Entschluss der Erstellung dieser Arbeit beigetragen hat. Die Arbeit widme ich meiner Mutter. Frankfurt am Main, Oktober 2008
Daniela Norba
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Anlass der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 1 Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
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A. Organtransplantation als Therapie der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erfordernis einer Nierentransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Hämodialyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Peritonealdialyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Erfordernis einer Lebertransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Spenderorgan als Voraussetzung einer Organtransplantation . . . . . . . . . . . . . . I. Postmortale Organspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Hirntodkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Todeskriterien: Hirntod, Gesamthirntod, Teilhirntod, Herzkreislauftod und biologischer Zelltod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesamthirntod und Herzkreislauftod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verlauf des Sterbeprozesses bei führender Herzerkrankung . . bb) Verlauf des Sterbeprozesses bei führender Hirnerkrankung . . b) Gesamthirntod und sog. Teilhirntod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Heart-Beating-Donation (HBD) in Abgrenzung zur Non-Heart-Beating-Donation (NHBD) – die vier Maastricht Kategorien . . . . . . . . . . a) Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das sog. Maastricht Protokoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Maastricht Kategorie I: Dead on arrival (Tod bei Ankunft) bb) Maastricht Kategorie II: Unsuccessful resuscitation (erfolglose Reanimation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Maastricht Kategorie III: Awaiting cardiac arrest bzw. controlled death (kontrolliertes Sterben) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis dd) Maastricht Kategorie IV: Cardiac arrest in a brain – dead donor (Herzstillstand während oder nach Hirntoddiagnose) . . II. Lebendspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung und Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arten der Lebendspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Niere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Leber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Lunge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Pankreas und Dünndarm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Exkurs: AB0-inkompatible Nierenlebendspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vor- und Nachteile der Lebendspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorteile der Lebendspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Für den Empfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Für den Spender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Für die Solidar- und Sozialgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nachteile und Risiken der Lebendspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Für den Empfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Für den Spender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gesundheitlicher Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Niere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Leber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Nachteile nicht gesundheitlicher Natur . . . . . . . . . . . . . . . cc) Für die Solidar- und Sozialgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sonderfall „Dominotransplantation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
C. Organisatorischer Ablauf einer Transplantation, basierend auf einer postmortalen Organspende eines hirntoten Spenders – inklusive Allokation, Transplantation und „Follow-up“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Spendeprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Erkennung“ eines potentiellen Spenders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Todesfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Meldung eines potentiellen Spenders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Organprotektive Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Spender- bzw. Organgeeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Durchzuführende Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Absolute Kontraindikationen, relative Kontraindikationen, marginale Organe, erweiterte Spenderkriterien, Risikoabwägung . . . 7. Meldung an eine Vermittlungsstelle zum Zwecke der Empfängerauswahl (Allokation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Organentnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Konservierung, Kühlung, Verpackung und Transport . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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10. Wiederherstellung des Leichnams und Abschluss der Organspende 11. Nachbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Organallokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Transplantation und Follow-up . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Transplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Technik der Nierentransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Technik der Lebertransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Allgemeine Risiken einer Transplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abstoßungsreaktion und Immunsuppression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Statistiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 2 Rechtliche Ausgestaltung der Organspende und Transplantation in der Bundesrepublik Deutschland
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A. Normative Grundlagen der Organspende und Transplantation . . . . . . . . . . . . . I. Transplantationsgesetz und dessen Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . II. Landesausführungsgesetze der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Richtlinien der BÄK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Richtlinien gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 TPG . . . . . . . 2. Sonstige Richtlinien der BÄK zur Organspende und -transplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. (Verfassungs-)rechtliche Zulässigkeit gesetzesvertretender Richtlinien der BÄK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Postmortale Organspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Organspende als Gemeinschaftsaufgabe der beteiligten Akteure und Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Spenderkrankenhäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzliche Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechte und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Spendermeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Regionaler Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Aufwandserstattung der Spenderkrankenhäuser . . . . . . . . . . . 2. Transplantationszentren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzliche Grundlage der Transplantationszentren . . . . . . . . . . . . b) Rechte und Pflichten der Transplantationszentren . . . . . . . . . . . . . aa) Führung der Wartelisten und Entscheidung über die Annahme zur Organübertragung und die Aufnahme auf die Warteliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Entscheidungskriterien für die Aufnahme auf die Warteliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis cc) Verpflichtung zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften bei Organentnahme und Transplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Empfängersicherheit durch spezifische Dokumentationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Sicherstellung der psychischen Betreuung . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Qualitätssicherung in der Transplantationsmedizin . . . . . . . . . (1) Defizite in der Analyse und Evaluierung der Transplantationszentren und Transplantationsergebnisse . . . . . (2) Abhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Weitere aus dem TPG resultierende Rechte und Pflichten der Transplantationszentren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO), Koordinierungsstelle i. S. d. § 11 TPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzliche Grundlage der DSO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsnatur, Finanzierung und finanzielle Unabhängigkeit der DSO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Genehmigungs- und Überwachungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechte und Pflichten der DSO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Aufgaben im Spendeprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Maßnahmen zum Schutz der Organempfänger . . . . . . . . (2) Organisation des Spendeprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Unterstützung der Spenderkrankenhäuser . . . . . . . . . . . . . bb) Zusammenarbeit mit der Vermittlungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . cc) Unterstützung der Transplantationszentren bei Maßnahmen der Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zusammenarbeit zwischen DSO, Spenderkrankenhäusern und Transplantationszentren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Aufklärung der Bevölkerung zum Thema Organspende . . . . ff) Berichtspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Eurotransplant International Foundation (ET), Vermittlungsstelle i. S. d. § 12 TPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzliche Grundlage und Rechtsnatur der Eurotransplant International Foundation (ET) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechte und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Führung der bundeseinheitlichen supranationalen Warteliste und Entgegennahme der Spendermeldung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verpflichtung zur Einhaltung der gesetzlichen Allokationsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kontrolle der Vermittlungsentscheidungen (Dokumentations- und Berichtspflichten) . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Aufwandserstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Probleme im Hinblick auf die Beauftragung von ET . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis aa) Vermittlungsstellenentscheidung als Ausübung hoheitlicher Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Fehlende verfassungsrechtliche Legitimation . . . . . . . . . . . . . cc) Unzureichendes Kontrollregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rechtsschutzfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ergebnis und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Wahrung des Ordre public-Vorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zentrale rechtliche Voraussetzungen der postmortalen Organentnahme 1. Gesamthirntod als Vorraussetzung der postmortalen Organspende . . a) Feststellung des Gesamthirntodes als Mindestvoraussetzung . . . aa) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Klinische Symptome des Ausfalls der Hirnfunktionen und deren Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Nachweis der Irreversibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die sog. NHB-Spende in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . 2. Zustimmung zur postmortalen Organspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zustimmungs- bzw. Einwilligungsberechtigter . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erteilung der Einwilligung durch den Spender . . . . . . . . . . . . (1) Wirksamkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schriftliche Dokumentation der Spendebereitschaft . . . (3) Probleme bei „nur“ mündlich geäußertem Spenderwillen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Informationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zustimmung anderer Personen gemäß § 4 TPG . . . . . . . . . . . (1) Entscheidungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Nächster Angehöriger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Dem nächsten Angehörigen gleichstehende Personen . . b) Umfang der Zustimmung und Auslegung der Erklärung (Bedingte Zustimmung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Umfang und Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zustimmung zur Gewebeentnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zustimmung zur Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bedingte Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zulässigkeit von Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtliche Konsequenz einer unzulässigen Bedingung (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Allokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Registrierung zum Zwecke einer Organzuteilung – Zugang zur Warteliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Annahme als Transplantationskandidat und Aufnahme in die Warteliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einheitliche Warteliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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129 131 131 134 136 137 138 138 140 141 142 143 143 145 145 145 146 147 148 150 151 152 154 156 157 157 158 159 160 160 162 164 164 166 167 170
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Inhaltsverzeichnis c) Kriterien für die Aufnahme in die Warteliste nach der geltenden Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kritische Anmerkungen zur Wartelistenrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . aa) Die sog. Compliance, ein umstrittenes Kriterium für die Aufnahme in die Warteliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Konsequenzen fehlender Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konkrete Allokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nierenallokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Blutgruppenregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das Punktesystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) HLA-mismatches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sog. Mismatch-probability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Wartezeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Pädiatrischer Bonus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Distanz zwischen Spenderkrankenhaus und Transplantationszentrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) National Net Kidney Exchange Balance . . . . . . . . . . . . . . (7) Besondere Dringlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (8) Regelfallallokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (9) Sonderprogramm: Eurotransplant Senior Program (ESP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Leberallokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einführung des MELD-Scores . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Reihung der Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wartezeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Blutgruppenregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Allokationsschema Leber für Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gesetzlicher Rahmen für die Organvermittlung . . . . . . . . . . . . . . . aa) Setzungsmacht für die Vermittlungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Legitimation der die Vermittlungsregeln erstellenden Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) (Verfassungs-)rechtliche Defizite der gesetzlichen Ausgestaltung der Organallokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Organvermittlung nach medizinischen Kriterien . . . . . . . (2) Erfolgsaussicht und Dringlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Wesentlichkeitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Abhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ausgewählte Sonderprobleme bei der Allokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
171 172 174 174 176 177 178 180 180 182 182 183 183 184 184 184 185 185 186 189 189 190 191 192 192 194 195 197 198 200 201 202
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 I. Gesetzliche Beschränkungen der Lebendspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 1. Informierte Einwilligung des Spenders und Untersuchung der Spendereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
Inhaltsverzeichnis a) Aufklärung und informierte Einwilligung des Spenders – Erfordernis eines Lebendspenderregisters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Untersuchung der Spendereignung und Empfängerschutz . . . . . . aa) Spenderindikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Empfängerindikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Subsidiaritätsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kritik am Subsidiaritätsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Normative Wirkung des Subsidiaritätsgrundsatzes und der Subsidiaritätsgrundsatz in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfassungsgemäßheit des Subsidiaritätsgrundsatzes . . . . . . . . . . . d) Internationale Geltung des Subsidiaritätsgrundsatzes . . . . . . . . . . 3. Beschränkung des Empfängerkreises einer Lebendspende . . . . . . . . . a) Auf Grundlage der Lebendspende transplantierbare Organe . . . . b) Sinn und Zweck der Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfassungsgemäßheit einer Beschränkung des Empfängerkreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vereinbarkeit mit dem Zitiergebot (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vereinbarkeit des § 8 Abs. 1 letzte Alternative TPG mit dem Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vereinbarkeit des § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG mit Grundrechten des Spenders und des potentiellen Empfängers . . . . . . . . . . . (1) Vereinbarkeit mit dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG normierten Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit des potentiellen Empfängers . . . . . . . . . . (a) Legitimes Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne . . . . . . . . . . . (2) Vereinbarkeit mit dem in Art. 2 Abs. 1 GG normierten Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit des Spenders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bestimmung des Empfängerkreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Näheverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Offenkundigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zulässigkeit der Überkreuz-Lebendspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen des 8 Abs. 1 Satz 2 letzte Alternative TPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Überkreuz-Lebendspende als verbotenes Handeltreiben gemäß §§ 17, 18 TPG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Stellungnahme der Kommission gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 TPG . . .
15
206 208 208 210 211 211 211 212 213 215 216 216 217 217 217 218 219
219 220 220 221 222
223 224 224 225 226 226 227 229 231
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Inhaltsverzeichnis a) Zusammensetzung, rechtliche Grundlage und Verfahren der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt, Umfang und Bindungswirkung der Entscheidung . . . . . . . aa) Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kein Organhandel i. S. d. § 17 TPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Besondere persönliche Verbundenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rechtsnatur und Bindungswirkung der Kommissionsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Finanzielle und versicherungsrechtliche Absicherung des Spenders . . . . 1. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzliche Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere finanzielle Einbußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sonderfall Dominotransplantation aus juristischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . 1. Alte und neue Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einwilligung und Allokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
231 233 233 234 234 234 236 237 238 240 241 241 242
Kapitel 3 Rechtliche Ausgestaltung der Organspende und Transplantation in der Tschechischen Republik
245
A. Normative Grundlagen der Organspende und Transplantation in der Tschechischen Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Weg zum Transplantationsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regelungsgegenstand und Anwendungsbereich des TZ . . . . . . . . . . . . . . . III. Ziele des TZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Auf Grundlage des TZ ergangene gesetzliche Vorschriften . . . . . . . . . . . . V. Änderungen seit Inkrafttreten des TZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
245 245 248 249 250 251
B. Postmortale Organspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beteiligte Akteure und Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Koordinacni stredisko transplantaci (KST) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzliche Grundlage und Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechte und Pflichten des KST . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Spenderkrankenhäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzliche Grundlage und Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechte und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verpflichtung zur Spendermeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Dokumentationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zusammenarbeit mit den Registern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Spendereignung und Empfängerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Obduktionspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Spendereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Nachsorge für Empfänger und Lebendspender . . . . . . . . . . . .
251 252 252 252 253 254 255 255 255 256 257 258 258 259 262
Inhaltsverzeichnis
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ff) Pflichten im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit gg) Sonstige Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Transplantationszentren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzliche Grundlage der Transplantationszentren . . . . . . . . . . . . b) Rechte und Pflichten der Transplantationszentren . . . . . . . . . . . . . 4. Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nationales Warteregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nationales Spenderregister Gewebe und Organe . . . . . . . . . . . . . . c) Nationales Empfängerregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nationales Register der Personen, welche der postmortalen Entnahme von Geweben und Organen nicht zustimmen (NROD) . . II. Zentrale rechtliche Voraussetzungen der postmortalen Organspende . . . 1. Tod des Organspenders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nachweisverfahren bei dissoziiertem Hirntod (Hirntoddiagnose) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Organentnahme bei irreversiblem Ausfall der Herzkreislauffunktion (NHBD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzliche Ausgestaltung der Widerspruchslösung . . . . . . . . . . . . . . a) Widerspruchsberechtigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzliche Anforderungen an den Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . aa) Widerspruch gemäß § 16 Abs. 1 TZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Registrierung im Widerspruchregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Andere Möglichkeiten den Widerspruch zu erklären . . . . . . dd) Gelebte Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Identifikation des Verstorbenen nicht möglich . . . . . . . . . . . . bb) Organentnahme bei Ausländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Umfang des Widerspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Umfang des Widerspruchs im Hinblick auf bestimmte Organ- und Gewebetypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Entnahme zu Forschungszwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Widerspruch unter auflösender Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . III. Allokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zugang zur Warteliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konkrete Allokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Setzungsmacht für die Erstellung von Allokationsregeln . . . . . . . b) Prinzipien, welche den Allokationsregeln zu Grunde liegen . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Angewandte Allokationsregeln in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Nierenallokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Dringlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Full House . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
262 262 263 263 263 264 264 264 265 265 266 266 267 268 269 270 271 271 272 272 273 274 274 275 276 276 277 278 278 280 280 283 283 284 285 285 285 285 286
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Inhaltsverzeichnis (3) Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Besonderer Vorrang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Langzeit-Wartelistenpatienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Zentrumsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Leberallokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
286 286 286 286 287
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzliche Beschränkungen der Lebendspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Informierte Einwilligung des Spenders und Untersuchung der Spendereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Informierte Einwilligung des Spenders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Untersuchung der Spendereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Subsidiaritätsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Empfängerkreis: Zulässige Empfänger einer Lebendspende . . . . . . . . a) Erfordernis eines verwandtschaftlichen oder sonstigen Näheverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonderfall: Personen im Strafvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Lebendspende zu Gunsten nicht nahe stehender Personen . . . . . . 4. Errichtung, Zusammensetzung und Aufgaben der Ethikkommission a) Errichtung und Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahren und Verfahrensdefizite der Kommissionsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Finanzierung der Lebendspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Exkurs: Zulässigkeit der Lebendspende bei minderjährigen und geschäftsunfähigen Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Sonderfall Dominotransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verbote, Ordnungswidrigkeiten, Bußgeld- und Straftatbestände . . . . . . . . 1. Verbote nach § 28 TZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausschluss von Ansprüchen gegen den Spender oder Empfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbot der Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Handelsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bußgeldvorschriften und Ordnungswidrigkeitentatbestände . . . . . . . . 3. Unerlaubter Handel mit Gewebe und Organen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Strafbarkeit der dem TZ zuwiderlaufenden Organentnahmen gemäß § 209 a Abs. 1 des tschechischen Strafgesetzbuchs . . . . . . . aa) Tatbestandsmäßige Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtfertigung durch Notstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Strafbarkeit der Überkreuzspende als Organhandel gemäß § 209 a Abs. 2 des tschechischen Strafgesetzbuchs . . . . . . . . . . . .
289 289 289 289 290 292 292 293 294 294 295 297 297 298 299 299 300 300 301 301 301 303 303 304 305 305 306 307
Inhaltsverzeichnis
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Kapitel 4 Vergleich der grundlegenden deutschen mit den tschechischen Regelungskonzepten A. Regelung der postmortalen Organspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Koordinierung der Organspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zuständigkeitsbereich der Koordinierungsstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gemeinschaftliche Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regelung der zentralen rechtlichen Voraussetzungen der postmortalen Organspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tod des Organspenders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Heart-Beating-Spende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Non-Heart-Beating-Spende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zustimmung zur Organspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zustimmungs- und Widerspruchslösung im europäischen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die (tschechische) Widerspruchslösung ein „black letter law“? c) Korrelation zwischen gesetzlicher Ausgestaltung der Zustimmung zur Organspende und dem Organspendeaufkommen? . . . . d) Zustimmungslösung vs. Widerspruchslösung – eine Abwägung pro und contra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Die Widerspruchlösung aus verfassungsrechtlicher Sicht in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Informationslösung und Erklärungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Allokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zugang zur Warteliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Setzungsmacht für die Erstellung der Allokationskriterien . . . . . c) Zielkonflikt: Erfolgsaussicht und Dringlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . d) Positive Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ausgestaltung der Lebendspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Empfänger-Spender-Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erfordernis einer Kommissionsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Errichtung, Aufgaben und Befugnisse der Lebendspendekommissionen IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
308 308 308 308 309 310 310 310 311 311 312 316 318 320 322 322 326 328 330 330 330 331 331 332 332 333 333 334
20
Inhaltsverzeichnis Kapitel 5 Das deutsche und das tschechische Transplantationsgesetz im europäischen und internationalen Kontext
336
A. Recht der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsetzungskompetenz der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgestaltung der ergänzenden Zuständigkeit gemäß Art. 152 Abs. 4 lit. a EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kompetenzen gemäß § 152 Abs. 4 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 152 Abs. 4 lit. a EG: Maßnahmen zur Festlegung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Organe und Substanzen menschlichen Ursprungs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Materiellrechtlicher Rahmen – historische Auslegung . . . . . . bb) Materiellrechtlicher Rahmen – teleologische Auslegung . . . cc) Ergebnis und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fördermaßnahmen nach Art. 152 Abs. 4 lit. c EG . . . . . . . . . . . . . c) Empfehlungen nach Art. 152 Abs. 4 letzter Satz EG . . . . . . . . . . . 4. Art. 95 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Art. 29, 31 Abs. 1 lit. e und 34 Abs. 2 b EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sekundäres Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Charta der Grundrechte der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
336 337
B. Andere internationale Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Europarat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Biomedizinkonvention und Zusatzprotokoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Expertenkomitee des Europarates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dokumente des (SP-CTO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Empfehlungen (Recommendations) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Neuordnung des Expertenkomitees im Jahr 2007 . . . . . . . . . . . . . . II. WHO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Institutionen, Einrichtungen, Projekte der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Organspende und Organtransplantation . . . . . 1. European organ exchange organisations (EOEO) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. European Transplant Network (ETN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Europäische Vereinigungen und Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Internationale Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
347 347 347 348 348 349 351 352 353 353 354 354 355
C. Ausgewählte Probleme mit grenzüberschreitendem Bezug . . . . . . . . . . . . . . . . I. Transplantation von Fremdpatienten (sog. Non-Residents) . . . . . . . . . . . . . 1. Bestehende Rechts- und Datenlage in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . a) TPG und Richtlinien der BÄK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelung im ET-Manual . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Inhalt der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
356 356 356 357 358 358
338 339 340
340 341 342 343 343 344 344 345 345 346
Inhaltsverzeichnis bb) Fehlende Regelungskompetenz Eurotransplants . . . . . . . . . . . c) Zahlenmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestehende Rechts- und Datenlage in der Tschechischen Republik . . 3. Rechtslage in anderen Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schweiz, Belgien und Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelungen von Scandiatransplant und UNOS . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Möglichkeiten und Grenzen der rechtlichen Ausgestaltung der Non-Resident-Problematik am Beispiel der Bundesrepublik . . . . . . . . . . a) Erfordernis einer Regelung aus rechtlicher oder tatsächlicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verfassungsrechtliches Gebot einer Zugangsbeschränkung in Deutschland – Schutzpflicht des Staates? . . . . . . . . . . . . . . (1) Erfordernis einer Dreiecksbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Weitergehende Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Tatsächliche Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine Regelungskompetenz Eurotransplants oder der BÄK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Regelungskompetenz der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Definitionskriterien für eine mögliche Empfängergemeinschaft aa) Personalitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Territorialitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt . . . . . . . . . . . . . . (2) Sozialversicherungspflicht und -berechtigung . . . . . . . . . (3) Aufenthaltsrechtlicher Status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vereinbarkeit einer Zugangsbeschränkung von Non-Residents mit dem Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 1 Abs. 1 GG (Schutz und Achtung der Menschenwürde) . . b) Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beeinträchtigung des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Abwehrrechtliche Komponente des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Teilhaberechtliche Komponente des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtfertigung der Beeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21 359 359 360 360 360 362 362 363 363 364 364 365 365 366 367 367 368 368 368 369 370 371 372 373 374 375 377 377 378 379 380 380 380 381 381
22
Inhaltsverzeichnis (4) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Art. 3 Abs. 3 GG (Spezieller Gleichheitssatz) . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Art. 3 Abs. 1 GG (Allgemeiner Gleichheitssatz) . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beeinträchtigung des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtfertigung der Ungleichbehandlungen bzw. Benachteiligungen – Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verhältnismäßigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Vereinbarkeit mit europarechtlichen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . a) VO (EWG) Nr. 1408/71 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Persönlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sachlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Aufgabe und Reichweite der Sicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Diskriminierungsverbot nach Art. 3 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beschränkungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtfertigung von Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Andere primärrechtliche Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Internationaler Austausch „überzähliger“ Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungen in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfahren bei „überzähligen“ Organen im Eurotransplantverbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Angebote von Organen aus dem „ET-Ausland“ . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tschechische Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen für den internationalen Austausch von Gewebe oder Organen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Angebot von Organen ins Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Annahme von Organen aus dem Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Doppellistung und gegenseitige Anrechnung von Wartezeit . . . . . . . . . . .
382 384 384 385 385 386 387 388 388 389 390 390 390 393 393 393 393 394 395 396 397 397 397 398 398 400 401 401 402 403
Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426
Einleitung A. Anlass der Untersuchung Seit ihren Anfängen in den 50er1 und 60er2 Jahren hat sich die Transplantationsmedizin rapide weiterentwickelt. Die Transplantation vermittlungspflichtiger3 Organe hat sich mittlerweile als allgemein anerkanntes medizinisches (Standard)Behandlungsverfahren etabliert.4 Für viele Menschen, deren eigene Organe versagen, bedeutet eine Organtransplantation häufig die einzige Überlebenschance, zumindest aber eine deutliche Steigerung der Lebensqualität.5 Die Klassifizierung als Standardbehandlung weist für den Patienten große Vorteile auf. So ist z. B. die Erfolgsquote einer Organübertragung heute deutlich höher und auch die Finanzierung durch die (gesetzlichen) Krankenkassen bereitet im Regelfall keine größeren Schwierigkeiten. Die Kehrseite der Medaille ist, dass die Zahl der Wartelistenpatienten kontinuierlich steigt. Ein Grund dafür ist auch die Entwicklung in der Transplantationsmedizin, dank derer früher nicht transplantierbare Patienten heute transplantiert werden können. In Deutschland sterben pro Jahr etwa 1000 Personen, die auf der Warteliste für eine Transplantation stehen, weil ihnen nicht rechtzeitig ein geeignetes Spenderorgan zur Verfügung gestellt werden konnte.6 Ungeachtet allen medizinischen Fortschritts zeichnet sich daher in der Transplantationsmedizin ein zentraler limitierender Faktor ab: chronischer 1 Am 23. Dezember 1954 führten J. Murray und J. Merrick in Boston die erste klinisch erfolgreiche Nierentransplantation durch, vgl. Hohmann, S. 25. 2 Erst nach Entwicklung differenzierter Medikamente zur Immunsuppression Anfang der 60er Jahre waren auch allogene Transplantationen, d.h. die Transplantation von Organen zwischen genetisch unterschiedlichen Individuen erstmals erfolgreich, vgl. Breyer/van den Daele/Engelhard/Gubernatis/Kliemt/Kopetzki/Schlitt/Taupitz, im Vorwort auf S. 13. 3 Vgl. § 9 TPG. 4 Hildebrandt, S. 3; Stellungnahme des Nationalen Ethikrats vom 24. April 2007, Die Zahl der Organspenden erhöhen – Zu einem drängenden Problem der Transplantationsmedizin in Deutschland, S. 7; Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, S. 1 ff. 5 Hildebrandt, S. 3; Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, S. 1 ff. 6 Breyer/van den Daele/Engelhard/Gubernatis/Kliemt/Kopetzki/Schlitt/Taupitz, im Vorwort auf S. 1; Dufkova, MedR 2000, 408.
24
Einleitung
Organmangel. Spendermangel ist aber nicht nur ein zentrales Problem der Transplantationsmedizin. So stellt sich auch in rechtlicher Hinsicht die Frage nach Möglichkeiten zur Erweiterung des Spenderpools durch die jeweilige rechtliche Ausgestaltung des Transplantationswesens. Einen unmittelbaren Einfluss darauf haben insbesondere: • Die Wahl zwischen Zustimmungslösung und Widerspruchslösung • Verpflichtung zur Meldung potentieller Spender • Zulässigkeit des Rückgriffs auf herzkreislauftote Spender (sog. NonHeart-Beating-Donor)7 • Erweiterung der Spendekriterien • Ausgestaltung der Lebendspende Einen mittelbaren positiven Einfluss auf die Bereitschaft der Bevölkerung zur postmortalen Organspende versprach sich zudem der deutsche Gesetzgeber durch die Schaffung eines klaren rechtlichen Handlungsrahmen, welcher, vor in Kraft treten des Transplantationsgesetzes (TPG), bestehende Rechtsunsicherheiten ausräumen sollte.8 Im Gesetzgebungsverfahren und in der breiten Öffentlichkeit wenig Beachtung fand die zweite zentrale juristische Frage, welche aus dem chronischen Organmangel resultiert. Die Frage nach der Verteilung des Mangels.9 Wem darf, gerade im Zuge einer immer größer werdenden Europäischen Union und zunehmender Globalisierung, der Zugang zu einer (lebensrettenden) Standardbehandlung verwehrt werden? Beispielhaft sei der Fall einer Nigerianerin erwähnt, die nicht der Patientengruppe angehört, welche in Großbritannien vorrangig ein Transplantat erhalten10, eine Herztransplantation verwehrt wurde.11 Wäre so etwas auch in Deutschland möglich? Darf der Zugang zur Transplantationsmedizin von Wohnsitz oder Staatsangehörigkeit abhängig gemacht werden, müssen die „einheimischen“ Wartelistenpatienten vor einer „Überschwemmung“ der nationalen Wartelisten durch Ausländer geschützt werden? Die Grenzziehung muss zum einen im Lichte des Verfassungsrechts aber auch unter Beachtung europäischen Primär- und Sekundärrechts erfolgen. Neben der ständig präsenten Frage 7
Zur Begriffsklärung siehe unten, Kapitel 1, B. I. 4. a). BT-Drucks. 13/4355, S. 11. 9 So der Titel eines Buches: Conrads, Rechtliche Grundsätze der Organallokation. Verteilung des Mangels oder Mängel der Verteilung. 10 Vgl. dazu unten, Kapitel 5, C. I. 3. a). 11 DÄBl. vom 18.05.06, „London – Eine herzkranke junge Frau aus Nigeria ist in Großbritannien gestorben, nachdem die dringend benötigte Transplantation wegen ihrer ausländischen Staatsbürgerschaft verzögert worden war.“, http://www.aerzte blatt.de/v4/news/. 8
A. Anlass der Untersuchung
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nach einer effektiven und gerechten Organallokation ist dies eine der aktuellen Problemstellungen in der rechtlichen Betrachtung der Transplantationsmedizin und wird in Kapitel 5 Gegenstand dieser Bearbeitung sein. Mittels eines Rechtsvergleichs soll der Versuch unternommen werden, Antworten auf die soeben aufgeworfenen Fragen zu finden. Zu diesem Zweck wurde das tschechische Gesetz 285/2002 Sb. über die Spende, Entnahme und Transplantation von Geweben und Organen und über die Änderung einiger Gesetze (TZ)12, welches am 1. September 2002 in Kraft trat, für den Vergleich mit dem deutschen Transplantationsgesetz, welches am 5. November 2007 zehn Jahre in Kraft sein wird,13 ausgewählt. Die Tschechische Republik gehört zu den neuen EU-Beitrittsländern des Jahres 2005. Das tschechische Transplantationsgesetz war unter anderem um Vereinbarkeit mit der Biomedizinkonvention14 und dem entsprechenden Zusatzprotokoll15 bemüht.16 Der tschechische Gesetzgeber konnte darüber hinaus von den bereits gemachten Erfahrungen anderer Länder in der gesetzlichen Ausgestaltung eines Transplantationssystems profitieren. Im Zuge der EU-Osterweiterung stellt sich einmal mehr die Frage nach einer möglichen Harmonisierung der einzelstaatlichen Regelungen im Bereich der Organtransplantation. Vor diesem Hintergrund führte das Generaldirektorat Gesundheit und Verbraucherschutz der EU-Kommission (DG SANCO) eine offene Konsultation im September 2006 durch.17 Nach eigenen Angaben wird die EU – die Ergebnisse der Umfrage zu Grunde legend 12 Zakon c. 285/2002 Sb ze dne 30. kvetna 2002 o darovani, odberech a transplantacich tkani a organu a o zmene nekterych zakonu (transplantacni zakon). 13 Die Umsetzung der EU-Geweberichtlinie (Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Qualitätsund Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichem Gewebe und Zellen) durch das Gesetz über Qualität und Sicherheit von menschlichen Geweben und Zellen (Gewebegesetzes), welches am 01.08.2007 in Kraft getreten ist, läßt die Regelungen der postmortalen Organspende sowie der Lebendorganspende im wesentlichen unberührt, vgl. dazu auch unten Kapitel 2, A. I. 14 Das Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin – Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin vom 4. April 1997; vgl. dazu auch unten, Kapitel 5, B. I. 1. 15 Zusatzprotokoll vom 24. Januar 2002 zum Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin bezüglich der Transplantation von menschlichen Organen und Geweben; vgl. dazu auch unten, Kapitel 5, B. I. 1. 16 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, S. 1 ff. 17 Open consultation: Policy options for organ donation and transplantation at EU-level, http://ec.europa.eu/health/ph_threats/human_substance/oc_organs/ oc_organs_en.htm.
26
Einleitung
– bemüht sein, die Qualität und Sicherheit bei der Organtransplantation zu verbessern, allen Patienten in den EU-Mitgliedstaaten einen effizienten Zugang zur Transplantationsmedizin zu ermöglichen und Organknappheit und Organhandel zu bekämpfen.18 Für Juli 2007 war ein erstes Expertentreffen anberaumt, weitere folgten. Am 15.01.2008 hat das Europäische Parlament den Entwurf eines Berichts über Organspende und -transplantation: Maßnahmen auf EU-Ebene vorgelegt. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Aus tatsächlicher Sicht mögen die Organspendezahlen in den verglichenen Ländern für sich sprechen. In der Bundesrepublik stieg die Zahl der Organspender im Jahr 2006 auf immerhin 15,3 Spender pro eine Million Einwohner (pmp) gegenüber 14,8 pmp im Vorjahr.19 Eine Steigerung von 3,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ungeachtet dessen bleibt die Bundesrepublik hinter den tschechischen Zahlen 18,8 (pmp) zurück. Es darf aber nicht übersehen werden, dass die Schaffung eines rechtlichen Rahmens im Bereich der sich rasant fortentwickelnden Transplantationsmedizin nicht allein der Steigerung der Organspende dienen kann. Im Gegenteil, mit der Schaffung von Rechtssicherheit20, Stärkung der Patientenautonomie21 oder dem gesetzgeberischen Willen Organhandel zu verbieten22, gehen allesamt auch Restriktionen der Transplantationsmedizin einher. Meines Erachtens lässt sich Wert und Erfolg eines Transplantationsgesetzes nicht ausschließlich an der Höhe der Organspendezahlen messen, denn „jede Regelung der Organtransplantation muss in einem Grenzbereich von medizinischen Möglichkeiten, ethischen Anforderungen und gesellschaftlichen Vorstellungen einen Ausgleich schaffen. Dieser Ausgleich einander widerstreitender, zudem jeweils grundrechtlich fundierter Interessen, ist in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers.“23
B. Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes Ziel dieser Bearbeitung ist es darzustellen, welchen Weg der jeweilige Gesetzgeber gewählt hat, die widerstreitenden Interessen der Beteiligten sowohl im Rahmen der postmortalen als auch der Lebendspende gegeneinan18
Vgl. dazu unten, Kapitel 5, A. I. Vgl. dazu www. dso.de. 20 BT-Drucks. 13/4355, S. 11; Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, S. 1 ff. 21 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, S. 1 ff. 22 § 17 ff. TPG, § 209 a des tschechischen Strafgesetzbuchs (trestni zakon). 23 BVerfG, Beschl. v. 11.08.1999 – 1 BvR 2181/98 –, NJW 1999, 3399, 3401. 19
B. Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes
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der abzuwägen. Dabei werden Vor- und Nachteile sowie die Defizite der getroffenen Regelungen erörtert. Im Zentrum dieser Bearbeitung soll dabei die „herkömmliche Transplantation“ menschlicher parenchymatöser (durchbluteter) innerer Organe stehen. Unter herkömmlicher Transplantation ist die Standardbehandlung schwerstkranker Menschen zur Lebensrettung oder Leidensminderung zu verstehen.24 Parenchymatöse Organe bezeichnet man häufig auch als solide Organe. Aufgrund zahlreicher Besonderheiten, nehmen solide Organe eine tatsächliche, biologisch-medizinische und rechtliche Sonderstellung unter den Transplantaten menschlichen Ursprungs ein. Sie unterliegen sowohl im TPG als auch im TZ zahlreichen Sonderregelungen. Auch in der EU-Gesetzgebung hat man sich für eine strikte Trennung von Organen und Geweben entschieden, um den unterschiedlichen Anforderungen Rechnung tragen zu können. Zum einen übersteigt der Bedarf an diesen Organen zu Transplantationszwecken bei weitem die Anzahl der zur Verfügung stehenden Spenderorgane25, und zum anderen weisen sie zahlreiche medizinische Besonderheiten auf. Eine Lagerung ist (derzeit) nicht möglich. Im Gegenteil, es ist für die Qualität und damit Überlebensrate des Transplantats sowie dessen Empfänger unerlässlich, die sog. kalte und warme Ischämiezeit (Mangeldurchblutungszeit26) auf ein Minimum zu reduzieren. So erwachsen nicht nur aus der Knappheit der „Ressource“ Organ, sondern auch aufgrund des durch die Überlebensdauer von Organen vorgegebenen knappen Zeitrahmens, welcher für den Gesamtablauf von Organspende und Transplantation zur Verfügung steht, zahlreiche medizinische, organisatorische und rechtliche Problemkonstellationen. Die Knappheit einer überlebenswichtigen Ressource führt dazu, Qualitätsabstriche bei den zu gewinnenden Organen zum Zwecke der Lebensrettung in Erwägung zu ziehen und die Spenderkriterien zu erweitern. Die Entnahme, Transplantation und Verwendung eines jeden vermittlungspflichtigen Organs weist in der Regel medizinisch bedingte Besonderheiten auf, welche auch auf die rechtliche Seite durchschlagen. Die Darstellung im Rahmen dieser Bearbeitung beschränkt sich exemplarisch auf die Organe Niere und Leber. Diese beiden Organe können sowohl im Wege der postmortalen als auch der Lebendspende gewonnen und übertragen werden. 24
Hildebrandt, S. 3; Engel/Badura-Lotter/Schicktanz, in: Engel/Badura-Lotter/ Schicktanz, S. 3. 25 Vgl. zu den Spenderzahlen und ebenso den Wartelistenzahlen, die Tabelle 1.2. in Kapitel 1, D. 26 Eine nähere Erläuterung der kalten und warmen Ischämiezeit findet sich unten, Kapitel 1, C. I. 9.
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Einleitung
C. Gang der Untersuchung Kapitel 1 soll dem Leser zunächst medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin vermitteln. Nur so kann der dazugehörige Rechtsrahmen sinnvoll dargestellt und auf tatsächliche und daraus resultierende rechtliche Fragestellungen und Problemfelder hingewiesen werden. Zu diesem Zweck sollen tatsächliche Abläufe bei einer „normalen“ Transplantation, also deren wesentliche Phasen, bestehend aus Organspende, Organallokation, der eigentlichen Transplantation sowie dem sog. „Follow-up27“, vorgestellt werden. Im Rahmen der Ausführungen zur postmortalen Organspende sollen auch Begrifflichkeiten der beiden Spendertypen Heart-Beating-Donor (hirntoter Spender) und Non-Heart-Beating-Donor (herzkreislauftoter Spender) eingehend erläutert werden. Schließlich sollen noch Möglichkeiten und Risiken im Rahmen der Lebendspende aufgezeigt werden, um zu verdeutlichen, warum auch in rechtlicher Hinsicht eine klare Differenzierung zwischen postmortaler Organentnahme und Lebendspende erforderlich ist. Aktuelle Spende- und Transplantationszahlen am Ende des ersten Kapitels sollen die Informationen zu den medizinischen Grundlagen ergänzen und den aktuellen Stand aufzeigen. Die Darstellung der rechtlichen Ausgestaltung der postmortalen Organspende sowie der Lebendspende in Deutschland und in der Tschechischen Republik bleibt den Kapiteln 2 und 3 vorbehalten. In beiden Kapiteln werden zunächst die Organisationsstrukturen der postmortalen Organspende und im Anschluss daran die zentralen Voraussetzungen einer postmortalen Organentnahme dargestellt. Dies sind zum einen der Tod des Organspenders und zum anderen die gesetzliche Ausgestaltung der Zustimmung zur postmortalen Organspende. Der Schwerpunkt der Bearbeitung liegt dabei auf der Erörterung der genauen Ausgestaltung der sog. erweiterten Zustimmungslösung in der Bundesrepublik sowie der engen Widerspruchslösung in der Tschechischen Republik. Daran schließt sich die Darstellung und die kritische Auseinandersetzung mit der Ausgestaltung des Zugangs zur Warteliste sowie der eigentlichen Allokation in den jeweiligen Länderkapiteln an. In beiden Kapiteln wird jeweils am Ende gesondert die rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende thematisiert. Neben der Aufklärung des Lebendspenders sind dabei insbesondere die Beschränkungen der Lebendspende durch eine Begrenzung des Empfängerkreises, das Erfordernis einer Kommissionsentscheidung und des Subsidiaritätsgrundsatzes von besonderem Interesse. Dabei werden auch die Möglichkeiten der Überkreuzlebendspende in beiden Ländern diskutiert. 27 Unter Follow up wird die individuelle Nachsorge für den Patienten und wissenschaftliche Ergebnis- und Prozessanalyse verstanden.
C. Gang der Untersuchung
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In Kapitel 4 werden die Themenschwerpunkte der beiden vorangegangenen Kapitel aufgegriffen und die von den Gesetzgebern gewählten Lösungsansätze miteinander verglichen. Anlässlich der geplanten Maßnahmen der Europäischen Union wird in Kapitel 5 zunächst das ob und wie einer europäischen Rechtsetzungsbefugnis untersucht. Des Weiteren findet sich dort eine Übersicht europäischer Rechtsquellen, Organisationen, Register und Projekte zum Thema Organspende, um den rechtsvergleichenden Charakter dieser Bearbeitung zu vervollständigen. In dem letzten Schwerpunkt der Bearbeitung wird der Frage nachgegangen, wie der Zugang von Fremdpatienten (sog. Non-Residents) in Deutschland und der Tschechischen Republik sowie anderen europäischen Ländern geregelt ist. Es werden neben der Notwendigkeit einer Beschränkung auch ihre Grenzen im Lichte des Grundgesetzes, als auch der europarechtlichen Gesetzgebung erörtert.
Kapitel 1
Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin Das erste Kapitel dient der Darstellung der medizinischen Grundlagen der Transplantationsmedizin. Erläutert werden die Chancen und Risiken der postmortalen Organspende und der Lebendspende. Im dritten Teil wird schließlich der Ablauf einer Transplantation, basierend auf einer postmortalen Organspende eines hirntoten Spenders inklusive Allokation-, Transplantations-, und Follow-up-Phase, dargestellt.
A. Organtransplantation als Therapie der Wahl Transplantiert werden vor allem Nieren1, gefolgt von Lebern2, Herzen3, Lungen4 und Bauchspeicheldrüsen (Pankreata)5. Seit einiger Zeit werden auch Dünndarmsegmente erfolgreich transplantiert.6 Neben diesen Organen können auch Organteile, Gewebe und Zellen übertragen werden: die Hornhaut des Auges, Herzklappen, Knochengewebe, Gehörknöchelchen, Gefäße, Haut, Blutstammzellen (Knochenmark) und Insulin produzierende Inselzellen der Bauchspeicheldrüse sowie Leberzellen. Auf einzelne Fälle beschränkt sich noch die Transplantation verlorener Gliedmaßen oder anderer Körperteile, wie beispielsweise die Übertragung des Kehlkopfes. In Be1 Im Jahr 2006 wurden in der Bundesrepublik 2776 Nieren transplantiert; Quelle: www.dso.de. 2 Im Jahr 2006 wurden in der Bundesrepublik 971 Lebern transplantiert; Quelle: www.dso.de. 3 Im Jahr 2006 wurden in der Bundesrepublik 412 Herzen transplantiert; Quelle: www.dso.de. 4 Im Jahr 2006 wurden in der Bundesrepublik 253 Lungen transplantiert; Quelle: www.dso.de. 5 Im Jahr 2006 wurden in der Bundesrepublik 141 Bauchspeicheldrüsen transplantiert; Quelle: www.dso.de. 6 Von 1987 bis Mai 2002 wurden weltweit ca. 800 Transplantationen bei 750 Patienten durchgeführt. Derzeit leben noch gut 50 Prozent dieser Patienten. In den letzten Jahren konnten die Überlebensraten deutlich verbessert werden. Dies gilt insbesondere für die isolierte Dünndarmtransplantation, Bechstein/Wullstein, S. 94.
A. Organtransplantation als Therapie der Wahl
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tracht kommen ferner Uterustransplantationen sowie neuerdings auch Gesichtstransplantationen.7 Darüber hinaus beschäftigt sich die wissenschaftliche Forschung mit der Entdeckung und/oder Perfektionierung alternativer Behandlungsverfahren als Ersatz für die Übertragung menschlicher Organe. Zu denken ist dabei an die Entwicklung künstlicher Organe wie Kunstherz oder Kunstlunge, die Herstellung von Organen aus embryonalen und adulten Stammzellen oder die Verwendung von Tierorganen zur Übertragung auf den Menschen (sog. Xenotransplantation8).
I. Erfordernis einer Nierentransplantation Eine Nierentransplantation ist indiziert bei irreversiblem, terminalen Nierenversagen, also dem Funktionsverlust beider Nieren, der unbehandelt innerhalb weniger Tage zum Tod führen würde und daher eine lebenslange Nierenersatztherapie erforderlich macht.9 Die Ursachen für ein Versagen der Nierenfunktion sind mannigfaltig. Doch kann den Betroffenen in der Regel dank moderner Dialyseverfahren, die einen großen Teil der Nierenfunktion simulieren können, sofort geholfen werden. Allerdings ist die Dialyse, „die künstliche Niere“, wie die Nierenersatztherapie auch genannt wird, nicht nur mit erheblichem zeitlichen und finanziellem Aufwand, sondern auch mit physischen als auch psychischen Beeinträchtigungen unterschiedlichen Ausmaßes verbunden. Bei den Dialysetechniken unterscheidet man zwischen dem extrakorporalen Verfahren der Hämodialyse und der Peritonealdialyse (Bauchfelldialyse). Beide Verfahren sind darauf angelegt, das Blut von Stoffwechselprodukten (z. B. Harnstoff und Kreatinin) mittels eines Filtrationsverfahrens zu befreien. Man bedient sich dabei einer semipermeablen (halbdurchlässigen) Membran, deren Porengröße so bemessen ist, dass kleinmolekulare Substanzen wie Elektrolyte, Harnstoff und Kreati7 So wurde im Dezember 2005 erstmalig bei einer 38-jährigen Französin eine großflächige Gesichtstransplantation durchgeführt. Dabei wurden Teile von Nase, Wangen und Mund, also nicht nur Haut, sondern auch Unterhautgewebe, kleine Gesichtsmuskeln und arterielle und venöse Elemente einer toten Spenderin verpflanzt vgl. Süddeutsche Zeitung, München 01.12.05 Seite 16 rechts „Teil eines Gesichts transplantiert Nach Hundeangriff: Französin bekommt neuen Mund und Nase“. Die rechtlichen und ethischen Aspekte sind vielschichtig, von den medizinischen und psychologischen Schwierigkeiten abgesehen. Den Medien gelang es, sowohl Spenderin als auch Empfängerin zu identifizieren. Bei der Spenderin handelte es sich um eine Frau die den Freitod gewählt hatte. 8 Vesting/Müller, MedR 1996, 203. 9 Bechstein/Wullstein, S. 32; Tullius/Pfitzmann/Neuhaus, in: Organtransplantation S. 181, 182.
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Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
nin durchtreten können. Großmolekulare Substanzen wie Eiweiße und Blutzellen passieren die Membran hingegen nicht.10 1. Die Hämodialyse Die Hämodialyse muss in der Regel dreimal wöchentlich mit einer Dauer von drei bis fünf Stunden erfolgen. Dabei wird die gesamte Blutmenge durch den Dialysator gepumpt und gereinigt, was 10 bis 30 Mal wiederholt wird. Die Dialysebehandlung ist in der Lage, etwa 15 bis 20 Prozent der normalen Nierenfunktion zu erreichen und damit über viele Jahre ein Überleben zu sichern. Allerdings ist die Lebensqualität erheblich eingeschränkt, da neben der Abhängigkeit von der Behandlung auch die physische Belastung nicht zu unterschätzen ist. Zum einen besteht die Urämie (Harnvergiftung, welche das Herz, das zentrale Nervensystem, die Magen- und Darmschleimhäute schädigt und die Blutgerinnung stört) fort.11 Die fehlende Hormonfunktion der Niere muss medikamentös kompensiert werden.12 Die Dialysebehandlung selbst strapaziert zudem auch das Herz-Kreislaufsystem. Auch erfordert die Hämodialyse die Legung eines speziellen Gefäßzugangs (den sog. Shunt oder einer arterio-venösen Fistel), welcher dann bei der Dialyse zur Blutentnahme und zur Blutzurückführung punktiert werden muss. Eine Prozedur, bei der zahlreiche Komplikationen möglich sind, welche die Behandlung erschweren oder gar unmöglich machen. 2. Peritonealdialyse Eine Alternative stellt die Peritonealdialyse (Bauchfelldialyse) dar, die der Patient selbst durchführen kann. Bei der Bauchfelldialyse wird das Bauchfell, welches ungefähr die Fläche von einem Quadratmeter hat und die Bauchorgane überzieht sowie den Bauchinnenraum auskleidet, als semipermeable Membran genutzt.13 Durch eine Operation wird ein Silikonschlauch in die Bauchhöhle eingebracht, dessen Ende unterhalb des Nabels liegt und mit einer Verschlusskappe steril verschlossen und gesichert wird. Über diesen Schlauch wird die Dialyseflüssigkeit in die Bauchhöhle geleitet (beim Erwachsenen 1,5 bis 2,5 Liter), wo sie für mehrere Stunden verbleibt. Während dieser Zeit treten Giftstoffe aus den Blutgefäßen des Bauchraums über das Bauchfell in die 10 11 12 13
Echterhoff/Oser/Firnhaber, Echterhoff/Oser/Firnhaber, Echterhoff/Oser/Firnhaber, Echterhoff/Oser/Firnhaber,
S. S. S. S.
108, Achilles, S. 69. 110. 103. 104.
A. Organtransplantation als Therapie der Wahl
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Dialyseflüssigkeit über. Die Behandlung wird täglich, kontinuierlich über 24 Stunden des Tages durchgeführt. Die Dialyseflüssigkeit wird etwa viermal pro Tag durch den Patienten selbst gewechselt.14
II. Bewertung Es ist zutreffend, dass die Dialyse eine lebensrettende alternative Behandlungsmöglichkeit darstellt, allerdings dürfte bereits die medizinisch sachliche Schilderung der beiden Dialyseverfahren im Rahmen dieser Bearbeitung deutlich gemacht haben, mit welchen physischen und psychischen Belastungen sie einhergehen, und zwar bereits ohne Komplikationen. Hinzu kommen eine strenge salz-, kalium- und eiweißarme Diät sowie die rigorose Einschränkung der Trinkmenge.15 Für viele dieser Patienten stellt die Dialyse dennoch die einzige Behandlungsmöglichkeit dar, denn nicht für jeden kommt eine Organtransplantation in Betracht. Genauso ist auch der umgekehrte Fall denkbar, dass die Dialyse keine Behandlungsalternative bietet und der Patient ohne eine Transplantation versterben würde, z. B. wenn keine intakten Blutgefäße zur Legung eines Shunts mehr vorhanden sind. Auch soll nicht verschwiegen werden, dass es gleichsam umgekehrt Patienten gibt, welche sich sehr wohl mit einer unter Umständen lebenslangen Dialysepflichtigkeit arrangieren und ihr Leben gestalten können. Die Belastungen sind insoweit sehr individuell, wie wohl auch die Leidensfähigkeit des Einzelnen. Ebenso gibt es Menschen, die sich bewusst gegen eine Transplantation entscheiden, sei es weil sie die Risiken scheuen oder eine Transplantation aus den unterschiedlichsten Gründen ablehnen.
III. Erfordernis einer Lebertransplantation Wenn die Funktion der Leber z. B. infolge einer Vergiftung oder einer Entzündung (Hepatitis) endgültig versagt, ist bisher lediglich eine kurzfristige „Leberersatztherapie“ möglich. Kandidaten für eine Lebertransplantation sind Patienten mit einer akuten oder chronisch progredienten (fortschreitenden), irreversiblen Lebererkrankung, für die keine internistische oder chirurgische Behandlungsalternative mit gleichen Erfolgschancen besteht.16 Die Transplantation stellt in diesen Fällen die einzige potentiell lebensrettende Therapie dar. Dieser entscheidende Unterschied gegenüber der Situation bei Niereninsuffizienz wirkt sich z. B. bei der Leberallokation aus. 14 15 16
Echterhoff/Oser/Firnhaber, S. 104. Echterhoff/Oser/Firnhaber, S. 108. Bechstein/Wullstein, S. 51.
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Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
IV. Zusammenfassung Die Transplantation gewährt Menschen im Falle der Nierentransplantation eine Alternative zur lebenslangen Dialyse, im Falle anderer Organe die Hoffnung auf ein Überleben.
B. Spenderorgan als Voraussetzung einer Organtransplantation Die Besonderheit bei der sog. allogenen Transplantation17 ist das Erfordernis eines Transplantats, welches dem Körper einer dritten Person zu Lebzeiten oder postmortal entnommen wird. Eine Lebendspende kommt nur eingeschränkt bei paarigen oder regenerierbaren Organen in Betracht. Bei allen anderen Organen bleibt man auf eine postmortale Organspende angewiesen. Die Lebendspende ist zudem auch mit Risiken für den Spender verbunden. Sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht ist eine Unterscheidung zwischen der postmortalen und der Lebendspende zwingend geboten und wird sowohl vom deutschen als auch vom tschechischen Transplantationsgesetz vorgenommen.
I. Postmortale Organspende In der Öffentlichkeit wird die medizinische Möglichkeit der Organtransplantation positiv bewertet,18 auch die beiden großen christlichen Kirchen haben sich in einer gemeinsamen Erklärung19 wohlwollend zur Organtransplantation geäußert. Der parlamentarische Gesetzgeber hat, sowohl in Deutschland als auch in der Tschechischen Republik, der Organtransplantation und Organspende einen rechtlichen Rahmen gegeben und damit eine Entscheidung für die Organspende und Transplantation getroffen. Dennoch bestehen in der Öffentlichkeit viele Befürchtungen über den Missbrauch dieser Therapieform: Es wird befürchtet, dass der Todeszeitpunkt zum Zwe17
Transplantationen, bei denen das Transplantat von einem Organismus auf einen anderen artengleichen Organismus im Wege operativer Einpflanzung übertragen wird, nennt man allogene (früher homogene, homologe) Transplantation. Abzugrenzen ist dies von der sog. autogenen Transplantation, bei der ein Transplantat lediglich an eine andere Stelle desselben Organismus verpflanzt wird, vgl. Vesting/Müller, MedR 1996, 203 f. 18 Vgl. dazu Kirste, in Krukemeyer/Lison (Hrsg.), S. 41, 43. 19 Die (katholische) Deutsche Bischofskonferenz und der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland haben im Jahr 1990 eine gemeinsame Erklärung zur Organtransplantation herausgegeben.
B. Spenderorgan als Voraussetzung einer Organtransplantation
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cke der Organentnahme manipuliert wird, Organe ungerecht verteilt, Leichen „ausgeschlachtet“ und bei der Xenotransplantation die Grenzen zwischen Mensch und Tier aufgeweicht werden. In Ländern mit großer Armut würde der Mensch zum Gegenstand eines ausbeuterischen Organhandels gemacht werden.20 Dies erklärt zumindest teilweise die Ergebnisse von Umfragen zur Organspende. Während über 80 Prozent der Befragten für sich selbst im Bedarfsfall eine Organtransplantation in Anspruch nehmen würden21, so sind demgegenüber nur 67 Prozent einer postmortalen Organspende gegenüber positiv eingestellt.22 Aber ein weit geringerer Prozentsatz (12 Prozent) besitzt einen Organspendeausweis.23 Die postmortale Organspende ist aber zwingende Voraussetzung – sieht man von der Möglichkeit der Lebendspende im Hinblick auf manche Organe ab – für eine Organtransplantation. 1. Terminologie Als Schlagwörter im Zusammenhang mit der postmortalen Organentnahme fallen regelmäßig Hirntod, Gesamthirntod, Teilhirntod und Herzkreislauftod. Die Verwirrung wird komplett durch den angelsächsischen Sprachgebrauch von dem sog. Heart-Beating-Donor (HBD) und dem sog. Non-Heart-Beating-Donor (NHBD)24, welche, anders als der Laie dem ersten Anschein nach vermuten könnte, beides Spenderkategorien im Rahmen der postmortalen Organspende bilden und beide den Hirntod als Kriterium des Todes zugrunde legen. Nachfolgend sollen insbesondere auch einige Begrifflichkeiten erläutert werden. Es ist daher unabdingbar, deutlich zu machen, dass die Diskussion um den Tod des Menschen auf mehreren Ebenen stattfindet. Um Begriffsverwirrungen zu vermeiden, werden in der Regel drei Ebenen unterschieden: 1. Ebene: Todesdefinition („Was ist der Tod?“) 2. Ebene: Todeskriterien („Woran lässt sich der Tod erkennen?“) und 3. Ebene: Testverfahren („Wie lässt sich der Tod – also die dafür ausschlaggebenden Kriterien – nachweisen?“).25 Dabei besteht zwischen diesen Ebenen ein wechselseitiger Zusammenhang. Das Todeskriterium und dessen Akzeptanz hängen entscheidend von der Todesdefinition ab, welche man zugrunde legt. So dient das Kriterium 20
Vgl. Ach/Anderheiden/Quante, S. 12. Dazu Kirste, in: Krukemeyer/Lison (Hrsg.), S. 41, 43. 22 BT-Drucks. 15/4542, S. 5. 23 BT-Drucks. 15/4542, S. 5. 24 In der US-amerikanischen Literatur findet sich zudem die Bezeichnung Donation after Cardiac Death (DCD) vgl. dazu Bernat et al. AJT 2006, 281 f. 25 Oduncu, Hirntod und Organtransplantation, S. 13; Imbach, in: Roxin/Schroth (Hrsg.), Medizinstrafrecht, S. 189, 201. 21
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Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
als Indikator für das Erfülltsein der in der Definition geforderten Merkmale.26 Die Definition des Todes ist wiederum abhängig vom Subjekt, dessen Tod festgestellt werden soll. Damit wird man mit der Frage konfrontiert, was den Menschen und menschliches Leben eigentlich ausmacht. Erst wenn Klarheit über das Todeskriterium besteht, sind auf der Ebene der Todesdiagnostik Untersuchungsmethoden festzulegen, mit denen das Kriterium nachgewiesen werden kann. 2. Das Hirntodkonzept Sowohl in der Bundesrepublik als auch in der Tschechischen Republik gilt die sog. „dead donor rule“.27 D.h. mit Ausnahme der Lebendspende unter den gesetzlich normierten Voraussetzungen ist der Tod des Patienten zwingende Voraussetzung für eine postmortale Organentnahme. Zu diesem Zweck definiert in der Tschechischen Republik § 2 lit. e TZ den Tod als den nicht behebbaren Funktionsausfall des gesamten Gehirns einschließlich des Hirnstamms. Das deutsche TPG hingegen enthält keine Legaldefinition, legt aber, indem es in § 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG den endgültigen, nicht behebbaren Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms als Mindestvoraussetzung für die postmortale Organentnahme normiert, den sog. Gesamthirntod in formaljuristisch korrekter Weise als Todeskriterium zugrunde.28 Diese Konstruktion ist Ausfluss der sog. Hirntoddebatte, in der es auch nach Verabschiedung des TPG darum geht, ob man den Hirntod als Tod des Menschen qualifizieren muss oder ob er lediglich ein bedeutsamer Einschnitt im Sterbeprozess ist. Im letzteren Fall bildet er bloß ein formelles Entnahmekriterium für die Organtransplantation, im ersteren Fall könnte man vom Hirntoten als Toten sprechen. Das TPG spricht vom Hirntoten als Toten, indem es im zweiten Abschnitt die Organentnahme bei toten Organspendern normiert. Folglich gehen beide Gesetzgeber vom sog. Hirntodkonzept aus.29 Für das Hirntodkonzept wird angeführt, dass das Gehirn des Menschen das zentrale Steuerungsorgan der menschlichen Körperfunktionen ist. Der Funktionsausfall aller Hirnareale führt zum Verlust jeglicher Steuerungs- und Integrationsleistung.30 Nach dem üblichen Wortsinn versteht man unter dem biologischen Leben eines Menschen die prinzipielle Möglichkeit des Daseinsvollzugs.31 Unter biolo26
Ach/Anderheiden/Quante, S. 32. Vgl. zum Begriff „Dead donor rule“, Truog, in: Firnkorn (Hrsg.), S. 83, 90. 28 Vgl. dazu unten die Ausführungen in Kapitel 2, B. II. 1. a). 29 Das Hirntodkonzept findet sich z. B. auch in Art. 10 des Schweizer Bundesgesetzes über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen. 30 Spittler, Medizinethische Materialien, Heft 112, S. 14; Quante, in: Ach/Quante (Hrsg), S. 21, 34; Schreiber, in: Firnkorn (Hrsg.), S. 44, 47. 27
B. Spenderorgan als Voraussetzung einer Organtransplantation
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gischen Gesichtspunkten ist ein Mensch daher nicht erst dann tot, wenn alle Organe oder Zellen abgestorben sind, sondern wenn die Fähigkeit, einzelne Organe und Organsysteme zentral zu steuern und zu einem einheitlichen Ganzen zu integrieren, verloren gegangen ist.32 Der Tod des Menschen ist folglich sein Ende als Organismus in seiner funktionellen Ganzheit, wobei es entscheidend darauf ankommt, dass der Organismus selber nicht mehr in der Lage ist, die Steuerungs- und Integrationsleistung auszuüben.33 Mit Ausfall aller zerebralen Funktionen ist ein autonomes Weiterleben des Menschen nicht möglich. Ausgeschlossen ist auch jedes weitere subjektive (Er)Leben, da nach heutigem neurologischen Kenntnisstand menschliche Wahrnehmungen ohne ein Funktionieren gewisser Gehirnareale nicht vorstellbar sind.34 Ein Mensch, dessen Gehirn abgestorben ist, kann nicht mehr aus seinem Inneren und seiner Umgebung empfinden, wahrnehmen, beobachten und beantworten, nichts mehr denken und nichts mehr entscheiden.35 Mit dem völligen und endgültigen Ausfall der Tätigkeit seines Gehirns hat der betroffene Mensch aufgehört ein Lebewesen in körperlichgeistiger oder leiblich-seelischer Einheit zu sein.36 Deshalb ist ein Mensch tot, dessen Gehirn völlig und endgültig ausgefallen ist.37 Immerhin wird auch der Hirntod allgemein als derjenige Moment im Sterbeprozess angesehen, ab dem Behandlungsmaßnahmen spätestens abgebrochen werden dürfen; es wäre wenig verständlich, wenn die Wertung bezüglich des zulässigen Zeitpunkts der Organentnahme hiervon abwiche.38 Kritik an diesem Konzept wurde durch die „Lehre vom Systemtodkonzept“ geäußert. Nach dem Systemtodkonzept39 tritt der Tod nicht schon mit der Funktionsunfä31 Vgl. Kluth/Sander, DVBl. 1996, 1285, 1287; so wohl auch Spittler, Medizinethische Materialien, Heft 112, S. 14. 32 Birnbacher, in: Hoff/in der Schmitten (Hrsg.), S. 28, 34; Birnbacher, in: Ach/ Quante (Hrsg), S. 49, 55, Quante, Zeitschrift für Transplantationsmedizin 1997, 211, 213; Birnbacher, in: Ach/Quante (Hrsg), S. 49, 55. 33 Birnbacher, in: Hoff/in der Schmitten (Hrsg.) S. 28, 34; ders. in: Ach/Quante (Hrsg), S. 49, 55. 34 Wiedemann, in: Umbach (Hrsg.), Art. 2 Abs. 2 GG, Rn. 297. 35 Angstwurm, in: Oduncu/Schroth/Vossenkuhl, (Hrsg.), S. 28, 33; Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie, der Deutschen Gesellschaft für Neurologie sowie der Deutschen Physiologischen Gesellschaft (FAZ v. 28.09.94 Wissenschaftsbeilage N 3; Angstwurm, in: Hoff/in der Schmitten (Hrsg.), S. 41, 45. 36 Angstwurm, in: Firnkorn (Hrsg.), S. 7, 8. 37 Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie, der Deutschen Gesellschaft für Neurologie sowie der Deutschen Physiologischen Gesellschaft (FAZ v. 28.09.94 Wissenschaftsbeilage N 3; Angstwurm, in: Hoff/in der Schmitten (Hrsg.), S. 41, 45. 38 Taupitz, JuS 1997, 203, 207.
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Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
higkeit eines einzelnen Organs ein, sondern erst mit dem unwiderruflichen Ausfall aller Organe, die an einer Konstituierung des menschlichen Organismus als Einheit wesentlich beteiligt sind. Namentlich Herz, Lunge und Gehirn. Der Mensch definiere sich nämlich nicht „über den Kopf“40 und ein fortdauerndes subjektives (Er-)Leben – welcher Qualität auch immer – sei auch beim Hirntoten nicht auszuschließen.41 Die Organentnahme zu einem früheren Zeitpunkt ist danach eine Organexplantation von einem lebenden – wenn auch sterbenden – Menschen. Der deutsche Gesetzgeber ist der Kritik am Hirntodkonzept nicht gefolgt und hat sich dem weltweit anerkannten Hirntodkonzept angeschlossen.42 Während ein Kriterium wissenschaftlich bestätigt oder widerlegt werden kann, kann eine Definition sich niemals als richtig oder falsch erweisen. Sie kann nur adäquat oder unzweckmäßig, sinnvoll oder sinnlos sein. Es wäre utopisch, davon auszugehen, dass eine pluralistische Gesellschaft eine einheitliche Todesdefinition etablieren kann. Das Hirntodkonzept wird als Todeskriterium dieser Bearbeitung zugrunde gelegt, da es als Ergebnis eines Kompromisses jedenfalls als formales Entnahmekriterium und gesetzliche Mindestvoraussetzung mit rechtsverbindlicher Wirkung in § 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG normiert ist.43 Die vorangestellt umrissene Diskussion bleibt ohne Einfluss auf die praktische Arbeit mit dem TPG durch Rechtsanwender und Transplantationsmediziner.44 Dies gilt umso mehr, als dass die Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften zur postmortalen Organspende und dabei inzident die Regelung zum Gesamthirntod vom BVerfG45 nicht beanstandet wurde. Bis zu einem gegenteiligen Ausspruch durch das BVerfG beansprucht ein Gesetz die Vermutung der Verfassungsgemäßheit für sich.46 Es ist also bei der diesbezüglichen Regelung des TPG als geltendes Recht auszugehen.47 Aus diesem 39 Höfling, MedR 1996, 6 ff., Beckmann, ZRP 1996, 219 ff., Grewel, ZRP 1995, 217 ff. 40 In diese Richtung Höfling, der das Hirntodkonzept als Folge einer „eindimensionalen Zerebralideologie“ bezeichnet, JZ 1995, 26, 32 und MedR 1996, 6, 7. 41 Vgl. Begründung des Alternativentwurfs von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Transplantationsgesetz vom 7.11.1995, BT-Drucks. 13/2926, S. 12. 42 Mit Ausnahme Japans und Nord-Koreas, vgl. Magreiter, in: Schwarz/Bonelli, S. 191. 43 Schmidt-Recla, MedR 2004, 672, 673. 44 Krüger, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 3 TPG, Rn. 28. 45 BVerfG, Beschl. v. 28.01.1999 – 1 BvR 22261/98 –, EuGRZ 1999, 242. 46 St. Rspr. seit BVerfG, Beschl. v. 07.05.1953 – 1BvL 104/52 –, BVerfGE 2, 266, 282. 47 Krüger, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 3 TPG, Rn. 29; Birnbacher rechtfertigt das Hirntodkriterium als pragmatischen Kompromiss weist aber neuerdings darauf hin, dass die Hirntoddefinition aus der Sicht einer an wissenschaftlichen Kriterien orientierten Explikation unbefriedigend ist, weil sie auch nur moderaten Ko-
B. Spenderorgan als Voraussetzung einer Organtransplantation
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Grunde soll die Diskussion, deren umfassende Darstellung bereits andere Arbeiten zum Inhalt haben48, hier nicht weiter dargelegt oder vertieft werden. In der Tschechischen Republik hat eine „Hirntoddebatte“ im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens nicht stattgefunden. 3. Todeskriterien: Hirntod, Gesamthirntod, Teilhirntod, Herzkreislauftod und biologischer Zelltod Um zu verstehen, warum in manchen Ländern trotz Zugrundelegung des Hirntodkonzepts eine postmortale Organentnahme beim herzkreislauftoten Spender zulässig ist, sollen nachfolgend die medizinischen Grundlagen des Gesamthirntods in Abgrenzung zum Herzkreislauftod dargelegt werden. Im Anschluss daran soll noch der Gesamthirntod vom Teilhirntod abgegrenzt werden. a) Gesamthirntod und Herzkreislauftod Auf der Begriffsebene des Todeskriteriums beschreiben sowohl der Gesamthirntod als auch der Herzkreislauftod zunächst einmal lediglich einen pathologischen Zustand. Aus medizinisch-naturwissenschaftlicher Sicht definiert sich der Gesamthirntod als nicht behebbarer Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirnes und des Hirnstammes.49 Der Herzkreislauftod liegt bei irreversiblem Ausfall des Herzkreislaufsystems vor.50 Weniger missverständlich wäre es meines Erachtens mit Blick auf die Tatsache, dass es nur einen Tod geben kann,51 anstelle vom Tod von einem (irreversiblen) Funktionsausfall der jeweiligen Organe zu sprechen. Dabei sind Herzkreislauftod und Hirntod Kriterien für denselben Sachverhalt.52 Ohne die Erfolge der kardio-pulmonalen Reanimationsmedizin (Herzmassage, künstliche Beatmung) wäre ein Herz-Kreislaufstillstand regelmäßig irreversibel. Mit ihrer Entwicklung bzw. Fortentwicklung in den 60er Jahren härenzansprüchen nicht genügt, z. B. der nach Symmetrie zwischen Lebensbeginn und Lebensende, vgl. Birnbacher, Ethik in der Medizin 2006, 315, 318 f. 48 Vgl. Höfling/Rixen, S, 48 ff. Ach/Anderheiden/Quante, S. 29 ff.; Quante, in: Ach/Quante (Hrsg.), S. 21, Imbach, in: Roxin/Schroth (Hrsg.), Medizinstrafrecht, S. 189, Schmidt-Recla, MedR 2004, 672 ff.; Borowy, S. 92 ff. 49 Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 30, 24. Juli 1998 (53), A 1861. 50 Bonelli, in: Schwarz/Bonelli, S. 83, 84. 51 Angstwurm, in: Hoff/in der Schmitten (Hrsg.), S. 41, 46; Bonelli, in: Schwarz/ Bonelli, S. 83, 111. 52 Vgl. Birnbacher, in: Hoff/in der Schmitten (Hrsg.), S. 28, 33; Bonelli, in: Schwarz/Bonelli, S. 83, 111; Schreiber/Wolfslast MedR 1992, 189, 193.
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Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
wurde es erstmals möglich, einen eingetretenen Herz-Kreislaufstillstand (welcher bis dahin als einziger medizinisch-naturwissenschaftlicher Tod galt) wieder umzukehren.53 Anders als der Ausfall der Gesamtfunktion des Gehirns ist der Ausfall der Herz-Kreislauffunktion also noch umkehrbar.54 Es können im Wesentlichen also zwei Sterbeverläufe unterschieden werden. So ist die Abfolge der krankhaften Organschädigungen bei primären Hirnkrankheiten eine andere als bei primären Erkrankungen anderer Organe, die das Gehirn sekundär in Mitleidenschaft ziehen. aa) Verlauf des Sterbeprozesses bei führender Herzerkrankung Der Verlauf des Sterbeprozesses bei führender (primärer) Erkrankung anderer Organe soll anhand eines tödlich verlaufenden Herzinfarkts skizziert werden. Bei einem ausgedehnten Herzinfarkt kommt es mit einem akuten Funktionsversagen der übrigen noch funktionsfähigen Herzmuskulatur zu einem Herz-Kreislaufstillstand. Das Blut wird nicht mehr durch die Lunge und anderen Organe gepumpt, CO2 nicht mehr abtransportiert und ausgeatmet, kein Sauerstoff mehr aufgenommen und nicht mehr zu den Organen transportiert. Dies führt in allen Organen zu unterschiedlich schnell eintretenden Schädigungen, bei denen der Funktionsverlust mit Wiederbelebbarkeit (reversibel) von Absterbevorgängen (irreversibel) unterschieden werden kann.55 Das Gehirn hat die niedrigste Sauerstoffmangeltoleranz. Der Funktionsverlust setzt für die geistig-seelischen Leistungen in Form der Bewusstlosigkeit spätestens innerhalb einer Minute, die unwiederbringlichen Hirnschäden spätestens 10 Minuten nach Kreislaufstillstand ein.56 Anders verläuft der Sterbeprozess im Falle von Wiederbelebungsmaßnahmen. Nach einem akuten Herz-Kreislaufstillstand folgt die Bewusstlosigkeit als Ausdruck des Hirnfunktionsausfalls, anhand derer der Herzstillstand meistens erst bemerkt wird. Es folgen wenige Minuten, in denen die Herz-KreislaufAtemfunktion durch Wiederbelebungsmaßnahmen wiederhergestellt werden kann, ohne dass eine Hirnschädigung eingetreten sein muss. Bei verzögerter Wiederbelebung kann ein schwerwiegender Hirnschaden eingetreten sein, ohne dass andere Organe geschädigt sein müssen, denn sie sind für Sauerstoffmangel weniger empfindlich. Falls die Herz-Kreislauffunktion unter Beatmung nicht wieder in Gang kommt, werden die Reanimationsmaßnahmen nach 30 bis 60 Minuten abgebrochen. Für den Fall, dass die Wiederbelebungsmaßnahmen – wenn auch nur kurzfristig – eine effektive Sauerstoff53
Vgl. Roth/Dicke, in: Hoff/in der Schmitten (Hrsg.), S. 51. Nagel, in: Firnkorn (Hrsg.), S. 20, 22. 55 Spittler, Medizinethische Materialien, Heft 112, S. 6. 56 Spittler, Medizinethische Materialien, Heft 112, S. 7; Bonelli, in: Schwarz/Bonelli, S. 83, 84. 54
B. Spenderorgan als Voraussetzung einer Organtransplantation
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versorgung des Gehirns und des übrigen Körper erreicht haben, tritt erst nach deren Abbruch innerhalb von Minuten der Hirntod ein.57 Der irreversible Herzkreislauf-Stillstand ist als Tod des Menschen anzuerkennen, er zieht, wegen der geringsten Sauerstoffmangeltoleranz des Gehirns, unweigerlich den Gesamthirntod nach sich.58 Allgemein ist der Herzstillstand erst dann irreversibel, wenn das Gehirn als das zentrale Steuerungsorgan vollständig erloschen ist.59 So dass sich sagen lässt, dass auch dem „Herzkreislauftod“ das Hirntodkonzept zugrunde liegt.60 Einen empirischen Nachweis, wann eine Reanimation nicht mehr möglich ist, gibt es ebenso wenig, wie darüber, zu welchem Zeitpunkt nach Unterbrechung der Sauerstoffversorgung des Gehirns ein Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstammes eintritt. So lässt sich bisweilen der Zeitpunkt des Eintritts nicht bestimmen. Im Augenblick des Eintretens ist der Hirntod an keiner Messgröße unzweifelhaft zu erkennen.61 Mittels äußerer sicherer Todeszeichen (Totenflecke62, Leichenstarre, Fäulnis, Verwesung) oder einer Hirntoddiagnose lässt sich lediglich feststellen, dass der Hirntod eingetreten ist, nicht aber zu welchem Zeitpunkt.63 bb) Verlauf des Sterbeprozesses bei führender Hirnerkrankung Der Sterbeprozess kann aber auch durch eine führende Hirnerkrankung eingeleitet werden. Das typische zum Hirntod führende Krankheitsbild ist die Hirnschädigung durch mechanische Gewalteinwirkung, das SchädelHirn-Trauma (SHT). Im Gegensatz zu den Anfangszeiten der Organtransplantation ist in den letzten Jahren der Anteil im Hirntod Verstorbener mit SHT (meist infolge von Unfällen) kontinuierlich zurückgegangen und beträgt jetzt nur noch 25 Prozent. Dies hat zahlreiche Ursachen. Die verbesserte intensivmedizinische Betreuung als auch die verbesserte Verkehrssicherheit sind nur einige davon. In drei Viertel der Fälle liegen internistisch neurologische Ursachen des Hirntodes vor, meist intrazerebrale Massenblutungen oder ausgedehnte Hirninfarkte. Dementsprechend ist auch der Anteil der Spender gestiegen, bei denen Vorerkrankungen wie Hypertonie, Diabetes oder degenerative Herz- und Gefäßerkrankungen bestanden haben.64 Dies wirkt sich natürlich nachteilig auf die Organqualität aus. 57 58 59 60 61 62 63
Spittler, Medizinethische Materialien, Heft 112, S. 7. Vgl. Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, Vor §§ 3, 4 TPG, Rn. 14. Schreiber, in: Firnkorn (Hrsg.), S. 44, 46. Vgl. Bonelli, in: Schwarz/Bonelli, S. 83, 111. Spittler, Medizinethische Materialien, Heft 112, S. 8. Sie treten 15–20 Minuten nach dem Herzstillstand ein, vgl. Karl S. 35. DÄBl. 95, Heft 30, 24. Juli 1998 (53), A 1861.
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Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
Infolge intensiv-medizinischer Behandlung unter Einsatz maschineller Beatmung oder sonstiger künstlicher Aufrecherhaltung der Atmungs- und Kreislauffunktion (z. B. Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine)65 ist es möglich geworden, dass der Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstammes (Gesamthirntod) eintreten kann, ohne dass es infolge dessen zu einem (endgültigen) Stillstand von Atmung, Herzschlag und Kreislauf kommt. Der Gesamthirntod kann also dem Herzkreislaufstillstand deutlich zeitlich vorgelagert eintreten. Man spricht insoweit vom dissoziierten Hirntod.66 Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand ist ein Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstammes (Gesamthirntod) irreversibel. Es handelt sich also unbestrittener Maßen um den sog. „point of no return“.67 Nach Beendigung der Beatmung schlägt das Herz noch wenige Minuten weiter, bis die Sauerstoffund Energievorräte der Zellen aufgebraucht sind.68 Danach folgt ebenso wie bei führender Herzerkrankung der Absterbeprozess des übrigen Körpers: Zunächst der Tod (Funktionsausfall) der übrigen Organe. Ab diesem Zeitpunkt lässt sich der Hirntod auch an den sicheren äußeren Todeszeichen ablesen. Es folgt das Absterben der relativ stoffwechselarmen, lang überlebenden Gewebe, wie z. B. Hornhäute. Am Ende dieses biologischen Prozesses steht der Zelltod. Seit rund 30 Jahren gilt der irreversible Ausfall aller Hirnfunktionen als Kriterium, welches den Tod des Menschen definitiv anzeigt.69 Den Hirntod hat es aber immer schon gegeben, er ist zwingende Folge eines irreversiblen Herz-Kreislaufstillstands. Neu ist lediglich, dass er dissoziiert bei apparativer Aufrechterhaltung des Herz-Kreislaufsystems eintreten kann und die Möglichkeit besteht, den Eintritt – wenn auch nicht dessen Zeitpunkt – ohne die sicheren äußeren Todeszeichen zu diagnostizieren.
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Molzahn, in Handbuch Transplantation, S. 5, 12. Erst seit Ende der 50er Jahre ist es mit der Entwicklung von Respiratoren möglich geworden, den Verlust der Fähigkeit zu atmen längerfristig, maschinell zu ersetzen, vgl. Schlake/Roosen, S. 12. 66 Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, Vor §§ 3, 4 TPG, Rn. 14; Spittler, Medizinethische Materialien, Heft 112, S. 8. 67 Tröndle, in: Firnkorn (Hrsg.), S. 53, 54; Rixen, NJW 1999, 3389, 3390 der den Hirntod als unumkehrbaren Zustand auf dem Weg in den mit irreversibeln HerzKreislaufversagen erfolgenden Tod bezeichnet; Grewel, ZRP 1995, 217, 218; Schreiber, in: Ach/Quante (Hrsg.), S. 199, 205; Eibach, MedR 2005, 215, 216. 68 Spittler, Medizinethische Materialien, Heft 112, S. 9. 69 Vgl. Kluth/Sander, DVBl. 1996, 1285, 1286. 65
B. Spenderorgan als Voraussetzung einer Organtransplantation
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b) Gesamthirntod und sog. Teilhirntod Abzugrenzen vom Gesamthirntod sind schließlich noch die unterschiedlichen Teilhirntodkonzepte. In Großbritannien zum Beispiel genügt für eine postmortale Organentnahme bereits die Feststellung des Hirnstammtodes (brain stem death). So kann nach einer schweren infratentoriellen Hirnstammschädigung die Durchblutung des Großhirns erhalten bleiben und seine Funktion zumindest teilweise einen längeren Zeitraum fortbestehen. Dies lässt sich z. B. durch die noch vorhandenen Hirnströme im EEG nachweisen.70 Ungeklärt ist, was eine solche isolierte, ausschließlich apparativ erfassbare Aktivität der Hirnrinde für den betroffenen Patienten bedeutet.71 Es ist nicht nachzuweisen, dass die Möglichkeit zum (Er)leben beim bloßen Hirnstammtod nicht mehr besteht. Aus diesem Grunde wurde der Nachweis des Funktionsausfalls aller Hirnareale als Voraussetzung für eine Organentnahme nach dem TPG, als auch dem TZ normiert.72 Spiegelbildlich zum Ausfall der Hirnstammfunktion (Hirnstammtod) verhält sich das Phänomen des Hirnrindentods (Kortikaltod). Es findet sich ein irreversibler Verlust der Großhirnfunktion mit dauerhaft erloschener EEGTätigkeit, aber noch erhaltener Hirnstammfunktion.73 Die Diagnosemöglichkeiten sind noch nicht ausgereift.74 Die Unterschiede zwischen dieser Art des Teilhirntodes und dem Gesamthirntodkonzept werden bei der rechtlichen Beurteilung der Organspende von sog. anencephalen Neugeborenen75 und Menschen mit Apallischem Syndrom76 relevant. Nach dem Teilhirntodkonzept sind Apalliker und anencephale Neugeborene tot77, mit der Folge, 70
Schlake/Roosen, S. 70. Schlake/Roosen, S. 70. 72 Ebenso in Art. 10 des Schweizer Bundesgesetz über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen. 73 Schlake/Roosen, S. 71. 74 Vgl. Karl, S. 39. 75 Etwa 0,5–1% aller Neugeborenen kommt mit einer Anenzephalie zur Welt; dabei fehlen der knöcherne Hirnschädel, die Hirnhäute sowie das Großhirn vollständig; auch Zwischen-, Klein- und Mittelhirn können gänzlich fehlen oder sind hochgradig missgebildet. Nur das Stammhirn ist strukturell und funktionell mehr oder minder intakt, einschließlich einer vorhandenen (aber im Verlauf zunehmend insuffizienten) Spontanatmung; vgl. Schlake/Roosen, S. 73. 76 Das Apallische Syndrom (auch Wachkoma genannt) ist ein Krankheitsbild in der Neurologie, das durch eine schwerste Schädigung des Großhirns hervorgerufen wird. Dabei kommt es zu einem funktionellen Ausfall der gesamten Großhirnfunktion, während Funktionen von Zwischenhirn, Hirnstamm und Rückenmark erhalten sind. Dadurch werden die Betroffenen wach, haben aber kein Bewusstsein und keine Möglichkeit der Kommunikation mit ihrer Umwelt. In Deutschland wird von wenigstens 3000 Betroffenen ausgegangen. 77 Funck, MedR 1992, 182, 188. 71
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Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
dass auch eine Organentnahme zulässig wäre. Nach dem Gesamthirntodkonzept sind sie hingegen als lebende Menschen zu behandeln.78 Das Teilhirntodkonzept wurde in keinem der Entwürfe zum TPG aufgegriffen und stand auch bei der Verabschiedung des TZ nicht zur Diskussion. Aus diesem Grund wird es auch in dieser Bearbeitung nicht weiter thematisiert. 4. Heart-Beating-Donation (HBD) in Abgrenzung zur Non-Heart-Beating-Donation (NHBD) – die vier Maastricht Kategorien Nachfolgend soll nun eine Einführung in die Terminologie Non-HeartBeating-Donor und Heart-Beating-Donor gegeben werden. a) Begriffsbestimmungen Bei den Begriffen Non-Heart-Beating-Donor und Heart-Beating-Donor handelt es sich nicht um Todesdefinitionen oder Kriterien, sondern um Klassifizierungen unterschiedlicher Spendeabläufe. Es wird der (pathologische) Zustand des Spenders im Zeitpunkt der geplanten Organentnahme bezeichnet.79 Unproblematisch erscheint mir, zunächst festzuhalten, dass ein Spender bei dem der Gesamthirntod bei gleichzeitiger apparativer Aufrechterhaltung des Herz-Kreislaufsystems einen sog. Heart-Beating-Donor darstellt.80 Der Begriff leitet sich aus dem noch vorhandenen Herzschlag zum Zeitpunkt des Beginns der Organentnahme ab. Die Besonderheit und der Vorteil dieser Spendesituation liegen darin, dass die Organe trotz nachgewiesenem Hirntod über den Herzkreislauf mit Sauerstoff versorgt werden. Mit Blick auf die Hirntodkonzeption, welche grundsätzlich auch der NonHeart-Beating-Spende zugrunde liegt,81 überzeugt die Übersetzung des Non-Heart-Beating-Donors mit dem Terminus herzkreislauftoter Spender nicht gänzlich, suggeriert es doch, beim herzkreislauftoten Spender läge der Hirntod anders als beim hirntoten Spender nicht vor. Wie oben bei der Darstellung des Sterbeprozesses bei führender Herzerkrankung dargelegt, folgt 78 79 80
Borowy, S. 117; Kloth, MedR 1994, 180, 181. Vgl. Kootstra, Transplantation 63 (1997), 917. Wenn man davon absieht, dass in manchen Ländern das Teilhirntodkonzept
gilt. 81
Das Hirntodkonzept liegt auch dem TZ zugrunde. § 2 lit e TZ definiert den Tod als irreversiblen Ausfall aller Gehirnfunktionen inklusive des Hirnstamms, gemäß § 10 Abs. 3 lit a TZ kann der Tod i. S. d. § 2 lit e TZ aber durch Nachweis des irreversiblen Herzkreislaufstilltand (sog. Herzkreislauftod) festgestellt werden; vgl dazu auch van Wezel et al. Transplantation Proceedings 27 (1995), 2926.
B. Spenderorgan als Voraussetzung einer Organtransplantation
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auf einen irreversiblen Herzkreislaufstillstand einige Minuten später zwangsläufig der Hirntod. Um sicherzugehen, dass auch der Hirntod eingetreten ist, schreiben die Entnahmeprotokolle der Länder in denen eine NHB-Spende zulässig ist, die Einhaltung einer sog. No-Touch-Phase vor. Bei der No-Touch-Phase handelt es sich um die Zeitspanne zwischen der für Toterklärung aufgrund irreversiblen Herzkreislaufstillstandes82 und dem Beginn invasiver Maßnahmen bzw. Manipulationen.83 Dahinter steckt die Überzeugung, dass nach Ablauf einer (zehnminütigen) No-Touch-Phase bei dem Patienten infolge fehlender Sauerstoffversorgung des Gehirns der Hirntod eingetreten sein muss.84 Die Bezeichnung als Non-Heart-Beating-Donor (NHBD) besagt also – in einfacher Ableitung der Begrifflichkeit – zunächst einmal lediglich, dass die Funktion des Herz-Kreislaufsystems ausgefallen ist.85 Dieser Ausfall kann vor, während oder auch nach Abschluss der Hirntoddiagnose (unkontrolliert) eintreten, so dass bei näherem Hinsehen die pauschale Aussage, eine Organentnahme sei bei einem Non-Heart-Beating-Donor in Deutschland unzulässig, nicht absolut korrekt ist. Auch ist der Non-Heart-BeatingDonor keine neuzeitliche Erfindung. Noch bevor überhaupt die Möglichkeit bestand, dass bei Patienten der Hirntod zeitlich vor dem Herzkreislaufstillstand (dissoziierter Hirntod) eintreten und auch festgestellt werden konnte, fanden in den 50er Jahren die ersten Transplantationen mit Nieren von Non-Heart-Beating-Donors statt. Eine apparative Aufrechterhaltung der Herzkreislauffunktionen war zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich. Mit Ausfall der Herz-Kreislauffunktion setzt zeitgleich die warme Ischämie86 ein. Sie führt zunächst einmal wegen der geringsten Sauerstoffmangeltoleranz des Gehirns zum Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms (Gesamthirntod). Mit andauerndem Sauerstoffmangel verschlechtert sich auch die Qualität der zu Transplantationszwecken geeigneten Organe bis hin zum Funktionsausfall und anschließendem Absterben. Die so entnommenen Organe hatten im Vergleich zu Organen lebender oder hirntoter Spender87 eine deutlich schlechtere kurz- und langfristige Funktionsprognose, so dass dieser Weg zunächst vollständig verlassen wurde und man sich auf Organentnahmen bei den „Heart-Beat82 Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt des endgültigen Abbruchs der Wiederbelebung, vgl. Spittler, Medizinethische Materialien, Heft 112, S. 12. 83 Vgl. Koffman/Gambaro, Journal of Nephrology 2003, 334–341. 84 Vgl. Kootstra/Daemen/Oomen, Transplantation Proceedings 27 (1995), 2893; Arnold/Youngner, Transplantation Proceedings, 27 (1995), 2913. 85 In Großbritannien hat sich hingegen der Begriff asystolic (asystolisch) donor als Synonym durchgesetzt, vgl. Kootstra, Transplantation 63 (1997), 917. 86 Zum Begriff der warmen und kalten Ischämie siehe unten, Kapitel 1, C. I. 9. 87 Gemeint sind Spender, bei denen ein dissoziierter Hirntod vorliegt.
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Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
ing-Donors“ konzentrierte.88 Der zunehmende Mangel an Spenderorganen führte mit Beginn der 90er Jahre dazu, die Rekrutierungsmöglichkeiten von Spendern der Kategorie Non-Heart-Beating-Donor wieder in Erwägung zu ziehen.89 Dazu beigetragen hat auch die Entwicklung der „In-situ-Kühlung“.90 Die Problematik der Organentnahme beim Non-Heart-Beating-Donor kann wie folgt zusammengefasst werden: Eine Hirntoddiagnose nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft ist, wegen des begrenzten zeitlichen Rahmens, nicht möglich. Ebenso wenig kann das Eintreten der den Hirntod nachweisenden sicheren äußeren Todeszeichen abgewartet werden, will man funktionsfähige Organe entnehmen. Derzeit gibt es aber keine Möglichkeit, genau festzustellen, zu welchem Zeitpunkt der Gesamthirntod nach irreversiblem Herzkreislaufstillstand eintritt.91 Der Ausfall der Herzkreislauffunktion führt zu einer irreversiblen Schädigung des Gehirns spätestens innerhalb von 8 bis 10 Minuten.92 In der Regel sind es wenige Minuten, im Einzelfall aber z. B. bei Unterkühlung und insbesondere bei Kindern kann dieses Zeitintervall verlängert sein.93 Ein weiteres Problem ist, dass die einzuhaltende Zeitdauer von Reanimationsmaßnahmen bis die Irreversibilität des Herz-Kreislaufstillstandes festgestellt werden kann, ebenfalls nicht empirisch geklärt ist.94 b) Das sog. Maastricht Protokoll Abläufe einer Organentnahme beim Non-Heart-Beating-Donor wurden erstmals im sog. Pittsburgh Protokoll festgelegt und auch öffentlich gemacht.95 Nur kurze Zeit später wurde das sog. Maastricht Protokoll veröffentlicht. Bei dem Maastricht Protokoll aus dem Jahre 1995 handelt es sich um 12 Empfehlungen/Stellungnahmen, die am Ende des „First Interna88
Schlake/Rosen, Hirntod, S. 78. Bos, Transplantation Proceedings 27 (1995), 2929; Annaise/Rapaport, Transplantation Proceedings, 25 (1993), 2153, 2154. 90 Obermann/Nagel/Pichelmayr, Transplantation Proceedings 27 (1995), 2924. 91 Vgl. dazu Kapitel 1, B. I. 3. a) bb). 92 Bonelli, in: Schwarz/Bonelli, S. 83, 84; spätestens nach 10 Minuten Kreislaufstillstand, vgl. Spittler, Medizinethische Materialien, Heft 112, S. 7. 93 Schlake/Roosen, S. 25. 94 Schlake/Roosen, S. 81; Das Tschechische Transplantationsgesetz schreibt eine Reanimation von mind. 30 Minuten vor, vgl. § 10 Abs. 4 lit b TZ. 95 Es handelt sich dabei um ein krankenhausinternes Protokoll des weltweit größten Transplantationszentrums in Pittsburgh, welches den Ablauf einer NHBD Spende unter Berücksichtigung ethischer und rechtlicher Aspekte standardisiert festlegte. 89
B. Spenderorgan als Voraussetzung einer Organtransplantation
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tional Workshop on Non-Heart-Beating-Donors, welcher vom 30. bis 31. März 1995 in Maastricht (Niederlande) stattfand, als Zusammenfassung hervorgegangen sind.96 Das Maastricht Protokoll fiel in eine Zeit, in der in vielen Ländern noch kein parlamentarisches Transplantationsgesetz existierte. Es verdeutlicht den Wunsch der beteiligten Akteure nach Handlungsund Rechtssicherheit. Die Verabschiedung von gemeinsamen Stellungnahmen, Empfehlungen oder gar Kodizes dient der rechtlichen und ethischen Absicherung und wird gern öffentlichkeitswirksam als internationaler Standard zur Rechtfertigung herangezogen. In dieser Tradition stehen zahlreiche Ausarbeitungen des Expertenkomitees des Europarates97, aber auch der Transplantationskodex der Deutschen Transplantationsgesellschaft vom 13.11.1987, welcher bis zur Verabschiedung des TPG mehrfach fortgeschrieben wurde98, oder die Richtlinien, Empfehlungen und Stellungnahmen der Bundesärztekammer, welche nicht auf Grundlage des § 16 Abs. 1 Satz 1 TPG ergehen. Es handelt sich dabei um Fälle nicht unumstrittener gesellschaftlicher Selbstregulierung.99 Besondere Bedeutung hat das Maastricht Protokoll im Hinblick auf die in Statement No 6100 vorgenommene Kategorisierung des Non-Heart-BeatingDonors erlangt. Zweck dieser Kategorisierung ist eine einheitliche, kontinuierliche Terminologie. Diese ist unerlässlich für ein besseres Verständnis der unterschiedlichen Problemgestaltungen und ermöglichte den Workshop-Teilnehmern seinerzeit eine strukturierte Diskussion.101 Eine Bezugnahme von Reporten und Analysen auf diese Kategorien vereinfacht das Verständnis dieser Dokumente. Die vier getroffenen Kategorien unterscheiden sich nicht nur in ihren tatsächlichen, medizinischen und logistischen Besonderheiten, sondern bergen auch in rechtlicher Hinsicht unterschiedliche Problem- und Fragestellungen. Da es sich bei den Maastricht Kategorien um ein international anerkanntes Klassifizierungssystem in der Transplantationsmedizin handelt102, sollen nachfolgend die vier Kategorien dargestellt werden. 96 Die sog. „Statements“ sind von Kootstra, dem Chairman des Workshops in Kootstra, Transplantation Proceedings 27 (1995), 2965 aufgeführt. 97 Vgl. dazu unten, Kapitel 5, B. I. 2. State of the art report on serological screening methods for the most relevant microbiological diseases of organ and tissue donors welche streckenweise identisch mit der europäischen Richtlinie Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen sind. 98 Abgedruckt samt Anlage in Transplantationsmedizin 1995, S. 154 ff. 99 Zur Begriffsbildung „gesellschaftliche Selbstregulierung“ vgl. Schmidt-Aßmann, S. 96. 100 Kootstra, Transplantation Proceedings, 27 (1995), 2965. 101 Kootstra/Daemen/Oomen, Transplantation Proceedings 27 (1995), 2893, 2894.
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aa) Maastricht Kategorie I: Dead on arrival (Tod bei Ankunft) Im Rahmen der Maastricht Kategorie I handelt es sich um Patienten, welche einen Herz-Kreislaufstillstand (Asystolie) erlitten haben und welche in die Notaufnahme gebracht werden, nachdem man bereits auf dem Weg ins Krankenhaus die erfolglose Reanimation eingestellt oder gar nicht erst begonnen hat.103 Daher die Bezeichnung Dead on arrival. Oft werden die Verstorbenen direkt in die Pathologie und gar nicht erst in die Notaufnahme gebracht. Bei dieser Kategorie wird ein großes Spenderpotential vermutet. Das medizinische Hauptproblem ist darin begründet, dass der Zeitpunkt des Herzstillstandes und damit die Dauer der infolge dessen einsetzenden warmen Ischämiezeit (Mangeldurchblutungszeit) unbekannt ist.104 Ausreichende Erkenntnisse darüber, wie lange diese Zeit zwischen Kreislaufstillstand und Beginn der Kühlung sein darf, um noch funktionsfähige Organe zu generieren, liegen nicht vor. Aus logistischen Gründen werden Spenden in dieser Kategorie nur selten realisiert. So müsste eine In-situ-Kühlung schon während des Transports ins Krankenhaus erfolgen.105 Das Team, welches die In-situ-Kühlung vornehmen müsste, wäre dabei mit dem Team, welches für die Wiederbelebungsmaßnahmen verantwortlich ist, identisch. Die möglichen Interessenkonflikte liegen dabei auf der Hand.106 In der Bundesrepublik kommen Verstorbene dieser Kategorie allenfalls als Gewebespender in Betracht. Aufgrund der Regelung des § 10 Abs. 4 lit. a TZ gilt dies auch für die Tschechische Republik. bb) Maastricht Kategorie II: Unsuccessful resuscitation (erfolglose Reanimation) Bei Spendern der Maastricht Kategorie II handelt es sich um Unfalloper oder internistische Notfallpatienten, welche einen Herzstillstand erlitten haben und bei denen in der Notaufnahme, trotz aller Reanimationsmaßnahmen die Herz-Kreislauffunktion nicht wiederhergestellt werden konnte.107 Sie stellen den mengenmäßig größten Anteil der Non-Heart-Beating-Donors.108 102 Vgl. St. Peter/Imber/Lopez de Cenarruzabeitia/Friend, Transplantation Reviews 2002, 51. 103 Rahmel, in: Krukemeyer/Lison (Hrsg.), S. 65, 72. 104 Kootstra/Daemen/Oomen, Transplantation Proceedings 27 (1995), 2893. 105 Vgl. Kootstra, Transplantation 63 (1997), 917, 919. 106 Vgl. Kootstra, Transplantation 63 (1997), 917, 919. 107 Vgl. Kootstra/Daemen/Oomen, Transplantation Proceedings 27 (1995), 2893; Schlake/Roosen, S. 79. 108 Kootstra, Transplantation 63 (1997), 917, 919.
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Wie bereits oben dargelegt, besteht zum einen Unklarheit darüber, wie lange eine Reanimation dauern muss, bis der irreversible Herzkreislaufstillstand und damit der Tod des Menschen festgestellt werden kann. Zum anderen lässt sich der Zeitpunkt des Ausfalls aller cerebralen Funktionen nicht bestimmen. Aus diesem Grund drängt das Maastricht Protokoll in Statements No. 7109 auf die Einhaltung einer zehnminütigen No-TouchPhase. D.h. nachdem die Reanimation als erfolglos eingestellt wurde, werden zehn Minuten lang keinerlei Maßnahmen am Patienten vorgenommen. Um dem Vorwurf zu begegnen, eine unter Umständen mögliche Reanimation würde mit Blick auf den potentiellen Empfänger verfrüht eingestellt, wird in Statement Nr. 10 die Trennung zwischen Reanimationsteam und chirurgischen Transplantationsteam gefordert.110 Die Autoren des Maastricht Protokolls sind überzeugt, dass nach Ablauf einer zehnminütigen NoTouch-Phase bei dem Patienten infolge fehlender Sauerstoffversorgung des Gehirns der Hirntod eingetreten sein muss.111 In der im Anschluss an einen Artikel von Arnold und Younger112 dokumentierten Diskussion während der Maastrichter Konferenz geht deutlich hervor, dass die beteiligten Mediziner überzeugt davon sind, dass bei 10 Minuten fehlender Versorgung des Gehirns mit Sauerstoff über den Blutkreislauf alle Hirnareale einen irreversiblen Funktionsausfall erlitten haben. Nicht ohne Polemik weisen einige darauf hin, dass sie bereits im ersten Studienjahr gelernt hätten, dass der Hirntod nach drei Minuten fehlender Sauerstoffzufuhr eintritt und daher auch fünf Minuten statt 10 genug sein müssten. Die meines Erachtens entscheidende Antwort in dieser Diskussion darauf war: „Lets proove it then!“.113 Dies ist bislang allerdings nicht gelungen. Trotz des Maastricht Protokolls besteht folglich keine Einigkeit darüber, von welcher Dauer die No-Touch-Phase sein muss und daher auch keine einheitliche internationale Praxis.114 So beträgt die No-Touch-Phase in dieser Kategorie in Großbritannien 5, in Frankreich 10, in Spanien 5 und in Italien 20 Minuten.115 In 109
Zusammengefasst von Kootstra, Transplantation Proceedings 27 (1995), 2965. Kootstra, Transplantation Proceedings 27 (1995), 2965: Dies ist in vielen Krankenhäusern aber organisatorisch nicht immer zu leisten. 111 Vgl. Kootstra/Daemen/Oomen, Transplantation Proceedings 27 (1995), 2893; Arnold/Youngner, Transplantation Proceedings 27 (1995), 2913. 112 Arnold/Youngner, Transplantation Proceedings 27 (1995), 2913. 113 „Dann lasst es uns auch beweisen.“ 114 In der Schweiz wird entsprechend dem Maastricht Protokoll an einer zehnminütigen No-Touch-Phase festgehalten, vgl. die Medizinisch-ethischen Richtlinien zur Feststellung des Todes mit Bezug auf Organtransplantationen der SAMW (Schweizer Akademie der Medizinischen Wissenschaften); nach dem niederländischen Transplantationsgesetz ist die Einhaltung einer fünfminütigen No-TouchPhase vorgeschrieben. In den USA variiert dies von Klinik zu Klinik, wobei es in Pittsburgh nur zwei Minuten sind. 110
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Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
Tschechien wird mit einer No-Touch-Phase von 5 bis10 Minuten experimentiert.116 Transplantationsmediziner sind allerdings bestrebt, die No-Touch-Phase nur für so lange als nötig einzuhalten, denn wie bereits oben dargelegt, verlängert sie die Zeit der warmen Ischämie, welche ja nicht erst mit der für Toterklärung aufgrund irreversiblen Herzstillstands einsetzt, sondern bereits seit dem Herzkreislaufstillstand und während der gesamten Dauer der erfolglosen Reanimation bestanden haben kann. Nur durch die In-situ-Kühlung117 oder das total body cooling118 kann der Prozess, welcher auch zum Funktionsausfall der für eine Transplantation geeigneten Organe führt, verlangsamt werden. Auch wenn man davon ausgeht, dass der Patient nach Ablauf der NoTouch-Phase hirntot ist, stellt die Perfusion/Kühlung unstrittig eine invasive postmortale Maßnahme dar119, die allein dem potentiellen Empfänger dient. Der Eingriff in die Rechtsphären des Verstorbenen und/oder dessen Angehöriger, darf grundsätzlich nicht ohne Zustimmung erfolgen.120 Die Verfasser des Maastricht Statements halten das Zustimmungserfordernis für unproblematisch bei der sog. Widerspruchsregelung (opting-out = presumed consent) gegeben.121 Dort heißt es, die Spenderkonditionierung könne noch vor dem Kontakt mit der Familie beginnen. 115
Alliance-O, WP 7 Legal and ethical aspects, Deliverable 7.1. S. 21. Diese Informationen stammen aus einer Präsentation von Dr. Hasman und Kollegen vom 24.05.2005, welche der Bearbeiterin freundlicherweise vom KST zur Verfügung gestellt wurden. 117 Bei dieser wohl populärsten Methode der Organkonservierung im Rahmen einer Non-Heart-Beating-Spende wird eine In-Situ-Kühlung der Nieren (und ggfs. weiterer in Frage kommender Organe) des Betroffenen vorgenommen, indem nach Punktion der Beinarterie in der Leiste ein Spezieller Ballonkatheter in den hauptsächlichen Organarterien (und ein zweiter in den abführenden Hauptvenen) platziert und eine Durchspülung der Organe mit einer gekühlten Speziallösung erfolgt. Zusätzlich wird eine künstliche Beatmung unter äußerer Herzdruckmassage durchgeführt, vgl. Schlake/Roosen, Hirntod, S. 80, vgl. auch Bos, Transplantation Proceedings 27 (1995) 2929. 118 Vgl. Kootstra, Transplantation 63 (1997), 917; Valero, et al. Transplantation Proceedings 27 (1995), 2899 ff. 119 Bos, Transplantation 79 (2005), 1143, 1145. 120 Bos, Transplantation 79 (2005), 1143, 1145. 121 Vgl. Statement No 12 in Kootstra, Transplantation Proceedings 27 (1995), 2965; so soll nach dem spanischen Transplantationsgesetz, welches die Widerspruchsregelung zugrunde legt, die Spenderkonditionierung zulässig sein, bevor abschließend die weiteren Voraussetzungen einer Spende geklärt werden. Wenn das spanische Gesetz die NHBD-Spende zulasse, so müsse zwangsläufig auch die dafür erforderliche Spenderkonditionierung ermöglichen, vgl. dazu die Ausführungen von Alvarez-Rodriguez et al. Transplantation Proceedings 27 (1995), 2933. 116
B. Spenderorgan als Voraussetzung einer Organtransplantation
51
Diese Argumentation übersieht, dass es unterschiedliche Ausgestaltungen der Widerspruchslösung gibt. Oft dient der Kontakt mit der Familie des potentiellen Spenders ja gerade der Ermittlung, ob ein Widerspruch vorliegt.122 Bei modifizierten Widerspruchregelungen kann der Widerspruch sogar von der Familie stellvertretend geäußert werden. So dürfte eine Konditionierung vor Feststellung des Nichtvorhandenseins eines Widerspruchs nicht ohne weiteres erfolgen. Ungleich schwieriger gestaltet sich diese Form der Spende natürlich bei Vorliegen einer sog. Zustimmungslösung.123 In den Niederlanden löst man dieses Problem auf der gesetzlichen Ebene dahingehend, dass die Spenderkonditionierung noch vor Kenntnis bzw. Erteilung der Zustimmung durch die Angehörigen in jedem Fall erfolgen darf. Dadurch wird die erforderliche Zeit gewonnen. Die dahinter stehende Argumentation ist, dass man – gestützt auf Umfragen – davon ausgeht, dass 80 Prozent der Bevölkerung der Organspende gegenüber positiv eingestellt sind und ihr auch zustimmen.124 Diese Menschen sollen nicht der Möglichkeit beraubt werden, zu spenden. Ein invasiver Eingriff, auch in die Rechte derer, welche unter Umständen die Zustimmung ablehnen, ist dadurch gerechtfertigt.125 Weitere rechtliche Schwierigkeiten ergeben sich unter Umständen auch im Hinblick auf die Allokation solcher Organe. Zum einen wäre es denkbar, dass die Empfänger sie aufgrund der oben dargelegten Gründe und dem fehlenden Nachweis des Hirntodes ablehnen126, vorausgesetzt man informiert sie darüber. Auch unter Medizinern ist nicht abschließend geklärt, ob die von den Non-Heart-Beating-Donors dieser Kategorie gewonnenen Organe qualitativ gleichwertig mit denen der Heart-Beating-Donors sind. Unter Umständen muss, um dies zu kompensieren, eine kürzere Ischämiezeit sichergestellt werden.127 Ein weiteres Problem, welches auf dem engen Zeitrahmen beruht, ist dass für die erforderlichen Testverfahren und Untersuchungen zur Empfängersicherheit ebenfalls weniger Zeit zur Verfügung steht. 122 In diesem Sinne auch Bos, Transplantation 79 (2005), 1143, 1145, wenn er vom sog. „weak presumed consent“ spricht. 123 Bos, Transplantation Proceedings 27 (1995), 2929, 2930. 124 Bos, Transplantation 79 (2005), 1143, 1145. 125 Bos, Transplantation 79 (2005), 1143, 1145. 126 In den Niederlanden werden die potentiellen Empfänger darauf hingewiesen, dass auch die Möglichkeit besteht, dass ihnen das Organ eines NHBD angeboten werden kann. Eine andere Allokation findet angeblich nicht statt da man bei den niederländischen Protokollen, welche klare Obergrenzen der zulässigen warmen Ischämie bei den NHBD festgesetzt haben, davon ausgeht, dass es sich nicht um marginale Organe handelt, vgl. dazu Bos, Transplantation 79 (2005), 1143, 1145. 127 In der Tschechischen Republik zählen sie zu den sog. marginalen Spendern. Diese Informationen stammen aus einer Präsentation von Dr. Hasman und Kollegen, welche der Bearbeiterin freundlicherweise vom KST zur Verfügung gestellt wurden.
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Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
cc) Maastricht Kategorie III: Awaiting cardiac arrest bzw. controlled death (kontrolliertes Sterben) Im Zusammenhang mit Spendern der Maastricht Kategorie III wird häufig auch vom controlled death (kontrolliertes Sterben) gesprochen. Es handelt sich um bereits in der Regel über einen längeren Zeitraum hospitalisierte Patienten, welche als „unheilbar krank“ gelten und bei denen man sich entweder gemäß des eigenen Willens des Patienten oder des der Angehörigen zur Abschaltung aller lebenserhaltenden Maßnahmen entschließt. Eng verknüpft ist dies mit der Frage nach Zulässigkeit und Vorraussetzungen der passiven in Abgrenzung zur aktiven Sterbehilfe (Euthanasie).128 Im Einzelfall hängt dies sehr von der nationalen Rechtslage ab, was die Beschreibung dieser Spenderkategorie erschwert, so dass rechtliche und ethische Problemstellungen nur angedeutet werden können. Die Zustimmung zur Organentnahme vorausgesetzt, wird im Wesentlichen wie folgt vorgegangen: Nach Einstellung aller lebenserhaltenden Maßnahmen wartet man auf den Eintritt des Herzstillstands, welcher sich klinisch im EKG darstellt. Deswegen auch die Bezeichnung awaiting cardiac arrest. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die No-Touch-Phase, die laut Statement No 7 des Maastricht Protokolls 10 Minuten nicht unterschreiten soll.129 Das Pittsburgh Protokoll sah in diesen Fällen lediglich eine Wartezeit von zwei Minuten vor. Nach Ablauf der No-Touch-Phase wird mit der Spenderkonditionierung (insbesondere Kühlung) begonnen. Der Vorteil bei dieser Kategorie im Hinblick auf die geplante Transplantation besteht darin, dass bei der kontrollierten Herbeiführung des Herzkreislaufstillstandes der Zeitpunkt des Beginns der warmen Ischämie genau bekannt ist. Die warme Ischämiezeit ist zudem für einen Non-Heart-Beating-Donor besonders kurz, Testergebnisse im Hinblick auf die Spendereignung und Empfängersicherheit liegen regelmäßig bereits vor und auch alle weiteren notwendigen Maßnahmen konnten in der Regel bereits vorbereitet werden und der Zeitpunkt der Spende auch noch auf die Bedürfnisse der krankenhausinternen Organisation abgestimmt werden. All dies zusammengefasst, ist es möglich, neben Nieren auch Leber, Pankreas und ggfs. auch Lunge zu Transplantationszwecken zu entnehmen.130 In dem gleichen Umfang wie sich diese Kategorie aus medizinischer und Transplantatempfängersicht als vorteilhaft erweist, erweist sie sich als rechtlich und ethisch 128 129 130
Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland und Tschechien verboten. Kootstra, Transplantation Proceedings 27 (1995), 2965. Kootstra/Daemen/Oomen, Transplantation Proceedings 27 (1995), 2893, 2894.
B. Spenderorgan als Voraussetzung einer Organtransplantation
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schwierig. Problematisch ist unter anderem, dass eine durchaus noch mögliche Reanimation unterlassen wird. So mag nach Ablauf von 10 Minuten nicht aber bei 2 Minuten sichergestellt sein, dass auch tatsächlich der Hirntod eingetreten ist.131 Die Grenzen zu einer Lebendspende durch todkranke Menschen werden dadurch verwischt. dd) Maastricht Kategorie IV: Cardiac arrest in a brain – dead donor (Herzstillstand während oder nach Hirntoddiagnose) Bei der Maastricht Kategorie IV handelt es sich um eine Kategorie von Patienten, welche während oder im Anschluss an die Hirntoddiagnose einen unerwarteten Herzstillstand „erleiden“. In jedem Fall also bevor der Herzstillstand im Rahmen einer „normalen“ Organentnahme nach Abschaltung der Geräte und Perfusionsbeginn eintritt.132 Im ersteren Fall erfolgt damit eine Umstellung der „normalen“ Entnahmeprozedur auf die Prozedur nach dem jeweiligen NHBD-Protokoll.133 Hier wird deutlich, dass die Entnahme von Organen bei Spendern dieser Kategorie, sofern der zeitliche Rahmen es noch hergibt, auch in der Bundesrepublik zulässig ist. Denn die postmortale Organentnahme erfordert im Hinblick auf die Todesfeststellungsvoraussetzung ja lediglich die Feststellung des Hirntodes, nicht aber, dass dieser zwingend dem Herzkreislaufstillstand zeitlich vorgelagert eintreten muss. Die Tabelle auf der folgenden Seite gibt einen Überblick über Zulässigkeit und Praxis der NHB-Spende in 12 europäischen Ländern.
131 So behaupten Obermann/Nagel/Pichelmayr, Transplantation Proceedings 27 (1995), 2924, 2925, dass unmittelbar nach dem Herzstillstand eine Wahrnehmung der Vorbereitungshandlungen seitens des Patienten nicht ausgeschlossen werden kann. Dies wird auch von van Norman, Current Opinion in Organ Transplantation, 2005/10, 105, 108 für möglich gehalten. 132 Kootstra/Daemen/Oomen, Transplantation Proceedings 27 (1995), 2893, 2894. 133 Kootstra, Transplantation 63 (1997), 917, 919.
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Programme
Maastricht Kategorie III
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+, nach abgeschlossener Hirntoddiagnose
+, nach abgeschlossener Hirntoddiagnose
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Rechtlich zulässig
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Testphase
Programme
Maastricht Kategorie IV
134 Angaben für die Tabelle sind Alliance-O, WP 7 Legal and ethical aspects, Deliverable 7.1. S. 22 entnommen und um Informationen zur Tschechischen Republik erweitert.
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Programme
Rechtlich zulässig
Rechtlich zulässig
Programme
Maastricht Kategorie II
Maastricht Kategorie I
Frankreich
Land
Tabelle 1.1. Übersicht über die Zulässigkeit der NHBD-Spende in ausgesuchten Ländern134 54 Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
B. Spenderorgan als Voraussetzung einer Organtransplantation
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II. Lebendspende Nachfolgend werden die medizinischen Grundlagen der Lebendspende sowie deren Vor- und Nachteile erörtert. 1. Einleitung und Problemaufriss Die Lebendspende stellt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eine Besonderheit in der Organtransplantation, wenngleich schon längst keine Seltenheit mehr, dar. So hat sich der Anteil der aufgrund einer Nierenlebendspende erfolgten Nierentransplantationen in den letzten zehn Jahren in der Bundesrepublik vervierfacht. Während 1994 rund vier Prozent der insgesamt durchgeführten Nierentransplantationen auf einer Lebendspende basierten sind es heute 18,8 Prozent.135 Dies ist eine Rate von knapp fünf Nierenlebendspenden pro Mio. Einwohner (pmp). Deutschland befindet sich damit im europäischen Mittelfeld zwischen Ländern mit deutlich niedrigerem Anteil an Nierenlebendspenden [Belgien 8,4 Prozent (3,9 pmp), Spanien 4,7 Prozent (2,3 pmp)136] und anderen mit weit höheren Lebendspendeanteilen [Norwegen 37,7 Prozent (17,0 pmp), Schweden 33,5 Prozent (14,4 pmp)137]. Die Lebersegmentspende nahm bis zum Jahr 2001 in Deutschland deutlich zu und sinkt seit 2002 im Trend ab. Ihr Anteil an der Lebertransplantation betrug 2006 acht Prozent.138 Diese deutliche Steigerung, zumindest bei der Nierenlebendspende, hat eine Vielzahl von Gründen. Sie ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die Anzahl postmortal gespendeter Organe bei weitem nicht ausreicht, um alle Patienten, bei denen eine Organtransplantation als Therapie der Wahl indiziert ist, rechtzeitig zu versorgen. Die Lebendspende erfährt sowohl in der Bevölkerung als auch in der Transplantationsmedizin eine größere Akzeptanz.139 Entscheidend ist zudem, dass die medizinische Kompetenz der Transplantationszen135
Quelle: www.dso.de. Quelle: Newsletter Transplant 2007, Vol. 12 No 1 International Figures on organ donation and transplantation, Council of Europe, www.ont.es./noticiasHome/ ficherosPDF/NEWSLETTER.pdf. 137 Quelle: Newsletter Transplant 2007, Vol. 12 No 1 International Figures on organ donation and transplantation, Council of Europe; www.ont.es./noticiasHome/ ficherosPDF/ NEWSLETTER.pdf. 138 Quelle: www.dso.de. 139 AOK, Schriftliche Stellungnahme Dr. Bernhard Egger zur öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“ Kom.-Drucks. 15/136, S. 2; Neuhaus, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“ Kom.-Drucks. 15/151 S. 2. 136
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Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
tren zunimmt.140 Dies führt dazu, dass behandelnde Ärzte eher auf potenzielle Spender zugehen und diese besser über die Möglichkeit der Lebendspende informiert sind.141 Mit der mengenmäßigen Steigerung wächst auch die Bedeutung der damit verknüpften rechtlichen Probleme. Die rechtlichen Frage- und Problemstellungen im Bereich der Lebendspende sind vielschichtig. Auch hier muss eine Vielzahl widerstreitender Interessen gegeneinander abgewogen werden. Die Besonderheit der Lebendspende besteht darin, dass bei einem völlig gesunden Menschen ein ärztlicher Eingriff vorgenommen wird, der nicht zu Heilungszwecken erfolgt, sondern aus medizinischer Sicht fremdnützig ist und kaum Vorteile für den Spender bereithält. Bestenfalls trägt der Spender also keine gesundheitlichen Langzeitprobleme davon. Es stellt sich also zwangsläufig die Frage, ob und in welchem Umfang gesetzliche Regelungen erforderlich und zulässig sind, um den Spender vor einem therapeutisch nicht gerechtfertigten, fremdnützigen Eingriff in die körperliche Integrität zu schützen. Jede staatliche Beschränkung der Lebendspende, welche unter Umständen eine Versagung lebensrettender oder zumindest leidensmindernder Therapie darstellt, muss aber gleichzeitig dahingehend geprüft werden, ob sie nicht grundrechtsrelevante Rechte von Spender und Empfänger verletzt. Diesen Fragen wird bei der rechtlichen Ausgestaltung der Lebendspende in Kapitel 2 und 3 nachgegangen. 2. Arten der Lebendspende Derzeit kommen neben der am häufigsten praktizierten Nierenlebendspende142 auch Lebendspenden bei der Leber143 und sehr selten der Lunge, des Pankreas und des Dünndarms in Betracht.144 Einen Sonderfall der Lebendspende stellt die „Dominotransplantation“ dar.145 140 AOK, Schriftliche Stellungnahme Dr. Bernhard Egger zur öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“ Kom.-Drucks. 15/136, S. 2. 141 Biller-Andorno, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“ Kom.-Drucks. 15/149, S. 2 S. 1; Lilie, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“ Kom.-Drucks. 15/147; S. 3. 142 Im Jahr 2006 wurden in Deutschland 522 Nierentransplantationen nach Lebendspende durchgeführt, Quelle: www.dso.de. 143 Im Jahr 2006 wurden in Deutschland 83 Lebertransplantationen nach Lebendspende durchgeführt, Quelle: www.dso.de. 144 BT-Drucks. 15/5050, S. 12; BT-Drucks. 15/4542, S. 29 f.; in Deutschland werden aktuell nur Niere und Teile einer Leber gespendet, vgl. Hopf, Rheinisches Ärzteblatt 2005, 20. 145 Vgl. dazu unten, Kapitel 1, B. II. 5.
B. Spenderorgan als Voraussetzung einer Organtransplantation
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a) Niere Bei der Niere handelt es sich um ein paariges Organ, wobei sowohl beim Spender, als auch beim Empfänger in der Regel die Kapazitäten einer gesunden Niere ausreichend sind. b) Leber Aufgrund der Regenerationsfähigkeit bzw. der Funktionsreserve der Leber ist eine Leberteillebendspende möglich. Die Leberlebendspende wird seit rund fünfzehn Jahren insbesondere bei Kindern praktiziert. Dabei wird ihnen ein kleines Stück des linken Leberlappens des Spenders eingepflanzt. Aber auch die Leberlebendspende zugunsten von Erwachsenen, bei der rund 60 Prozent der gesamten Lebermasse entfernt werden, wird zunehmend öfter durchgeführt. Der entnommene Leberlappen bildet sich nicht neu, der verbleibende Teil der Leber wächst aber zur früheren Größe nach und regeneriert sich vollständig innerhalb eines Jahres.146 Der transplantierte Leberteil wächst je nach Bedarf und Körpergewicht des Empfängers innerhalb weniger Wochen auf die normale Größe heran, bei Kindern wächst er entsprechend mit.147 c) Lunge Bei dem derzeit praktizierten Verfahren bei der Lungenlebendteilspende wird dem Spender ein Lungenlappen (also ein Drittel bis die Hälfte eines Lungenflügels) entfernt. Der dann einen ganzen Lungenflügel des Empfängers ersetzt. Damit eignet sich dieses Verfahren vor allem für Kinder und kleine erwachsene Empfänger.148 Da Lungentransplantationen typischerweise bei Krankheiten durchgeführt werden, bei denen eine beidseitige Lungentransplantation erforderlich wird (z. B. Mukoviszidose), besteht die Besonderheit der Lungentransplantation zudem darin, dass nicht nur ein sondern zwei Spender benötigt werden.
146
Bechstein/Wullstein, S. 62. Sengler, in: Kirste (Hrsg.), S. 100, 108; Enquete-Kommission, BT-Drucks. 15/5050, S. 11. 148 Kirste (2002), Zum Stand der Lebendorganspende, in Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 2002 (45), S. 768, 773. 147
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Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
d) Pankreas und Dünndarm Pankreas und Dünndarmteillebendspenden werden bislang nur vereinzelt und vorwiegend in den USA durchgeführt.149 e) Zusammenfassung Bei den Teillebendspenden fallen auf den ersten Blick zwei Besonderheiten auf. In der Regel handelt es sich um die einzige lebensrettende Maßnahme. Ersatztherapien, wie bei der Niere die Dialyse, gibt es nicht. Damit wird der Druck auf den Lebendspender ungleich erhöht. Gleichzeitig ist das Mortalitäts- und Morbiditätsrisiko höher. 3. Exkurs: AB0-inkompatible Nierenlebendspende Ein Beispiel für die stetige und rasante Fortentwicklung der Transplantationsmedizin ist die Möglichkeit einer AB0-inkompatiblen Nierenlebendspende. So galt bislang die Blutgruppenübereinstimmung (sog. Blutgruppenkompatibilität) zwischen Spender und Empfänger als unabdingbare (medizinische) Voraussetzung für eine Transplantation. Die AB0-inkompatible Nierentransplantation mittels eines Filters zur Immunadsorption, der selektiv Anti-A oder Anti-B-Körper aus dem Blut des Empfängers eliminiert und eine blutgruppen-inkompatible Transplantation ohne Entfernen der Milz und ohne eine gegenüber der blutgruppenkompatiblen Transplantationen erhöhte Immunsuppression erlaubt, wurde im Mai 2004 erstmalig in der Bundesrepublik Deutschland von Kirste durchgeführt.150 Seither wurden zahlreiche erfolgreiche Lebendspenden dieser Art vorgenommen. Ergebnisse der Literatur belegen eine Erfolgsaussicht, die geringfügig unter der Erfolgsaussicht der AB0-kompatiblen Lebendspenden aber deutlich über der Erfolgsaussicht der postmortalen Organspende liegt.151 Als Nachteile dieser Therapie werden die hohen immunologischen Risiken und die extrem aufwendige und kostenintensive Therapie nach der Nierentransplantation aufgeführt.152 149
BT-Drucks. 15/5050, S. 12. Dieser Filter wurde in Schweden entwickelt und hat sich dort im klinischen Einsatz bewährt, vgl. Kirste, in: Rittner/Paul (Hrsg.), S. 79, 81; Kirste, Zfme 2007, 17, 24. 151 Vgl. Kirste, in: Rittner/Paul (Hrsg.), S. 79, 81. 152 Hamza/Loertzer/Wicht/Rettkowski/Koch/Fornara, Urologe 45 (2006), 60, 65. Die Autoren halten die AB0-inkompatible Nierentransplantation nicht für die Transplantation der 1. Wahl und weisen auf eine schlechtere Überlebenszeit des Transplantats hin. 150
B. Spenderorgan als Voraussetzung einer Organtransplantation
59
4. Vor- und Nachteile der Lebendspende Nachfolgend sollen mögliche Vor- und Nachteile einer Lebendspende aufgezeigt werden. Dabei erscheint es sinnvoll, bei den medizinischen Vorund Nachteilen nicht nur zwischen den einzelnen Organen (Niere und Leber) zu differenzieren, sondern auch zwischen Spender und Empfänger. Schließlich sollen noch mögliche Auswirkungen auf die Allgemeinheit bzw. Solidargemeinschaft skizziert werden. a) Vorteile der Lebendspende Pauschal betrachtet liegen der Nutzen bei der Lebendspende beim Organempfänger und die medizinischen Risiken offensichtlich beim Spender. aa) Für den Empfänger Für den Empfänger, für welchen eine Organtransplantation die Therapie der Wahl darstellt, sind die Vorteile überwiegend. Die Leberlebendspende kann für Menschen mit lebensbedrohlicher Lebererkrankung, für die bislang eine etablierte Organersatztherapie – wie etwa die Dialyse – nicht zur Verfügung steht, lebensrettend sein. Aber auch bei Nierenpatienten führen längere Wartezeiten, die zwar an der Dialyse überbrückt werden können, zu schweren Gesundheitsschäden, die sich auch negativ auf die dann noch erfolgende postmortale Nierentransplantation auswirken.153 Die durchschnittliche Wartezeit auf der Warteliste für eine postmortale Nierenorganspende beträgt in der Bundesrepublik derzeit fünf Jahre.154 In Tschechien beträgt die durchschnittliche Wartezeit für alle Organe ein Jahr.155 Es kommt nicht selten vor, dass Patienten als vorübergehend nicht transplantierbar eingestuft oder gar von der Warteliste gestrichen werden müssen, weil ihr schlechter Allgemeinzustand eine Transplantation nicht mehr erlaubt. Täglich versterben zwei bis drei Patienten auf der Warteliste.156 Die Transplantation wird daher als der Dialyse deutlich überlegene Behandlungstherapie angesehen. Der physische aber auch der psychische Zustand 153
Bechstein/Wullstein, S. 32. Quelle: www.dso.de. 155 Angaben des Medizinischen Direktors des KST im Gesprächsinterview am 21.05.2007. Es ist darauf hinzuweisen, dass bei einem länderübergreifenden Vergleich der durchschnittlichen Wartezeit Unterschiede nicht nur aus der Höhe des Spendeaufkommens resultieren, sondern auch mitunter die Kriterien für den Zugang zur Warteliste variieren. 156 Breyer/van den Daele/Engelhard/Gubernatis/Kliemt/Kopetzki/Schlitt/Taupitz, im Vorwort auf S. 1. 154
60
Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
der Transplantatempfänger verbessert sich deutlich im Vergleich zu Dialysepatienten. Sie haben eine höhere Lebenserwartung und Lebensqualität, die häufig dem Niveau der Allgemeinbevölkerung entspricht.157 Hinzu kommt, dass zumindest bei Erwachsenen Erfolgsaussichten einer Transplantation basierend auf einer Nierenlebendspende gegenüber postmortal gespendeten Nieren besser sind. Dies zeigt sich in der Praxis an besseren Funktionsraten gegenüber postmortal gespendeten Nieren.158 Nach Angaben der DSO, basierend auf CTS Studien, sind nach einem Jahr bei der Implantation postmortal gespendeter Organe noch 84 Prozent der Transplantate intakt, nach der Implantation eines Organs aus Lebendspende 93 Prozent. Nach fünf Jahren funktionieren noch 68 bzw. 82 Prozent der Transplantate.159 Dies wiederum hat unterschiedlichste Gründe. Zwei Drittel aller postmortal entnommenen Organe sind beeinträchtigt.160 Negativfaktoren bei den postmortalen Spenderorganen sind Hirntod, Unfallschock und Intensivbehandlung (z. B. Qualität der organprotektiven Therapie). Das Alter der postmortalen Organspender steigt stetig.161 Der durchschnittliche Organspender in Deutschland war 2005 50,9 Jahre alt.162 Lebendorgane hingegen werden in der Regel Spendern mit hervorragendem Gesundheitsund damit auch Organzustand entnommen.163 Die bessere Qualität liegt zudem an der kurzen Zeitspanne zwischen Explantation und Implantation, welche die kalte Ischämiezeit verkürzt164, denn diese Operationen lassen 157 Kirste, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der EnqueteKommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, Kom.-Drucks. 15/132, S. 12. 158 Bechstein/Wullstein, S. 35; Ugowski, S. 22; Kirste, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, Kom.-Drucks. 15/132, S. 2; Neuhaus, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, Kom.-Drucks. 15/151, S. 2; Bickeböller/Grossmann/Kramer/Scheuermann, Zeitschrift für Medizinischen Ethik 1998, 325. 159 Deutsche Stiftung Organstransplantation, Nierentransplantation, www.dso.de/ transplantation/organe/niere_bottom.html (13. Januar 2005); BT-Drucks. 15/5050, S. 14. 160 Neuhaus, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der EnqueteKommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, Kom.-Drucks. 15/151, S. 2. 161 Bösebeck/Gabel, Bayerisches Ärzteblatt 2004, 328, 329. 162 Das durchschnittliche Spendenalter bei der postmortalen Organspende in der BRD betrug im Jahr 1996 41,0 Jahre und stieg stetig bis auf 50,9 Jahre im Jahr 2005; Quelle: interner Jahresbericht Organspende und Transplantation in Deutschland, 2005. 163 Neuhaus, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der EnqueteKommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, Kom.-Drucks. 15/151, S. 2.
B. Spenderorgan als Voraussetzung einer Organtransplantation
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sich zeitlich optimal koordinieren.165 Hinzu kommt die Möglichkeit der präoperativen Beeinflussung des Immunsystems des Empfängers, so kann durch eine gezielte medikamentöse Manipulation des Immunsystems über mehrere Wochen eine schonendere Immunabwehr erreicht werden.166 Die Empfänger eines lebend gespendeten Organs zeigen in der Regel auch eine deutlich höhere Medikamenten-Kompliance aufgrund des empfundenen „Verantwortungsgefühls“ gegenüber dem Spender.167 Hinzu kommt, dass durch eine wesentlich geringere Wartezeit der Allgemeinzustand des Empfängers keinen negativen Einfluss auf den Transplantationserfolg hat.168 Schließlich liegt ein weiterer Vorteil der Lebendspende gegenüber der postmortalen Organspende auch in der erhöhten Sicherheit bezüglich der Übertragung von Infektionen (z. B. HIV) vor.169 bb) Für den Spender Bei der Frage nach Vorteilen für den Spender im Rahmen einer Lebendspende erscheint eine Antwort ungleich schwerer. In der Informationsbroschüre einer tschechischen Patientenvereinigung der Dialysepatienten wird darauf hingewiesen, dass eine Spende auch das Leben des Spenders retten kann, denn aufgrund der allumfassenden Untersuchung werden zum Teil Krankheiten entdeckt, die nun rechtzeitig behandelt werden.170 Auch im Rahmen der Nachsorge finden regelmäßige und gründliche Untersuchungen des Lebendspenders statt, so dass mögliche Krankheiten, welche nicht im Zusammenhang mit der Spende stehen müssen, frühzeitig erkannt und behandelt werden können. Dies ist aber kein Argument für eine Lebendspende, sondern ein positiver Nebeneffekt. Aus medizinischer Sicht hat die 164 Theodorakis/Illner/Stangl/Hillebrand/Schneewind/Land, in: Kirste (Hrsg.), S. 150, 163; Kirste, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, Kom.-Drucks. 15/132, S. 2. 165 Ugowski, S. 21; Besold/Rittner, MedR 2005, 502. 166 Achilles, S. 111, Ugowski, S. 22. 167 Kirste, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der EnqueteKommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, Kom.-Drucks. 15/132, S. 3; Kirste, Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz (45), S. 768, 769. 168 Rogiers, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der EnqueteKommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, Kom.-Drucks. 15/138, S. 1. 169 Ugowski, S. 22; Neuhaus, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, Kom.-Drucks. 151/S. 6. 170 Stezen, 2003 (3), S. 12.
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Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
Lebendspende für den Spender keine Vorteile. Vorteile für den Spender können lediglich auf der Motivationsebene bestehen und sind daher in der Regel sehr individuell. So mag die Spende zur Befriedigung des Helferwunsches (Minderung des Leidens des Empfängers oder Abwendung des Todes) oder auch aus teilweise „egoistischen“ Motiven (Verhinderung des Verlusts eines geliebten Menschen, Verlust des Ernährers, Steigerung des Selbstwertgefühls, gesellschaftliche Anerkennung) erfolgen. Eine eingehende Erforschung dieser Motivbündel muss aber anderen Fachrichtungen vorbehalten bleiben. cc) Für die Solidar- und Sozialgemeinschaft Zunächst einmal ist festzuhalten, dass mit jedem Lebendspender mehr postmortal gespendete Organe für die übrigen Patienten auf den Wartelisten zur Verfügung stehen.171 Trotz ihrer hohen Kosten von rund 46.000 Euro ist z. B. die Nierentransplantation auch aus ökonomischer Sicht gegenüber der Dialysebehandlung für welche im Jahr durchschnittlich 33.000 Euro nebst zusätzlichen Behandlungskosten von 7.600 Euro zu veranschlagen sind, also rund 40.000 Euro jährlich, vorzugswürdig. Zwar kostet die jährliche Behandlung eines Nierentransplantierten ca. 10.000 Euro, durch den Wegfall der Dialysebehandlung werden die direkten Kosten der Organtransplantation, sofern keine Retransplantation erforderlich wird, jedoch sehr bald wieder ausgeglichen.172 Es existiert aber soweit ersichtlich keine repräsentative Datengrundlage über den finanziellen Gesamtaufwand bei den verschiedenen Transplantationsarten (Organlebendspende, Postmortalspende) und transplantierten Organen. Dies betrifft sowohl die in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer Organtransplantation entstehenden Kosten, als auch erst recht die im Laufe einer „Patientenkarriere“ mittel- und langfristig entstandenen Gesamtaufwände für die Krankenkasse oder weitere Kostenträger.173 Auch darf nicht vergessen werden, dass in der Regel diese Menschen wieder einer geregelten Arbeit nachgehen können, also Steuern zahlen und nicht auf Unterstützung wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit angewiesen sind. Dagegen müssen die Kosten, verursacht durch die Lebendspende, z. B. bei Komplikationen, gestellt werden. Neben der betriebswirtschaftlichen Perspektive von einzelnen Kostenträgern 171 Zumindest wenn man unterstellt, dass die Steigerung der Lebendspende keinen Negativeinfluss auf die postmortale Organspende hat. 172 Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, BT-Drucks. 15/5050. 173 AOK, Schriftliche Stellungnahme Dr. Bernhard Egger zur öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“ Kom.-Drucks. 15/136, S. 12.
B. Spenderorgan als Voraussetzung einer Organtransplantation
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müsste zu einer umfassenden Beurteilung der Vorteile einer Nierenlebendspende auch die volkswirtschaftliche Perspektive herangezogen werden. Die Überlegungen zu den finanziellen Gesichtspunkten greifen allerdings nur für die Nierenlebendspende aufgrund der alternativen Behandlungsmöglichkeit der Dialyse. Fehlt es an alternativen Behandlungsmethoden wie z. B. bei Funktionsversagen der Leber, dient die Transplantation allein der Lebensrettung. Eine wirtschaftliche Kosten-Nutzenanalyse erübrigt sich daher. b) Nachteile und Risiken der Lebendspende Die Lebendspende birgt neben Vorteilen auch zahlreiche Nachteile insbesondere für den Spender. aa) Für den Empfänger Jede Transplantation birgt zahlreiche Risiken für den Organempfänger. Allerdings bestünde die Hauptgefahr für den Empfänger darin, nicht rechtzeitig ein geeignetes Transplantat – in der Regel wegen Organknappheit – zu erhalten.174 Dies ist aber kein Risiko der Organspende, sondern vielmehr Grund für das Erfordernis, auf die Lebendspende zurückgreifen zu müssen. So besteht zum einen das Risiko des operativen Eingriffs, zum anderen z. B. das Erfordernis der lebenslangen Einnahme von Immunsuppressiva. Die Faktoren, welche den klinischen Erfolg einer Organtransplantation beeinflussen, sind sehr komplex, insbesondere aufgrund der Interaktion zweier unterschiedlicher biologischer Systeme (Spender und Empfänger). Dabei sollen schließlich die zu erwartenden Vorteile die Risiken rechtfertigen.175 Für die Empfänger hat die erfolgreiche Transplantation eines Organs in der Regel überwiegend positive Effekte, zumal bei der Lebendspende eine Übertragung von Infektionskrankheiten und Tumorzellen von Fachleuten als außerordentlich gering und unwahrscheinlich eingeschätzt wird, ohne dass man sie auch bei der Lebendspende völlig ausschließen kann. Das Risiko ist aber deutlich geringer als bei der postmortalen Organspende, da eine wesentlich bessere medizinische Untersuchung des Lebendspenders im Vergleich zum postmortalen Spender erfolgen kann.176 174 Guide to safety and quality assurance for the transplantation of organs, tissues and cells, 3rd edition, S. 8. 175 Guide to safety and quality assurance for the transplantation of organs, tissues and cells, 3rd edition, S. 10. 176 Kirste, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der EnqueteKommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, Kom.-Drucks. 15/132, S. 13; Neuhaus, Schriftliche Stellungnahme zur
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Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
Es sind aber psychische Beeinträchtigungen des Empfängers denkbar, die aus der ex ante Sicht nur schwer zu überblicken sind: z. B. veränderte Familiendynamik, psychologische Abhängigkeit vom und Verpflichtung gegenüber dem Spender, belastende Dankesgefühle. Dennoch sind psychische Probleme mit der Akzeptanz eines fremden Organs eher selten, da sich der Patient länger mit der Thematik auseinandergesetzt hat. Mit entsprechender psychotherapeutischer Beratung und Nachsorge kann dem in der Regel begegnet werden.177 bb) Für den Spender Der Lebendorganspender setzt sich zahlreichen Risiken aus. Dies können Komplikationen medizinischer, chirurgischer, sozialer, finanzieller und psychologischer Natur sein.178 (1) Gesundheitlicher Natur Die Lebendorganspende hat für den Spender keine gesundheitlichen Vorteile. Wenn man von dem wenig überzeugenden Argument absieht, dass der Spender eine außerordentliche Untersuchung erhält und bei ihm ggfs. Krankheiten diagnostiziert werden, die andernfalls unentdeckt und unbehandelt geblieben wären. Zumal er in diesen Fällen unter Umständen als Spender ausscheiden dürfte. Die Lebendspende ist kein Heileingriff. Sie schädigt den Spender zumindest körperlich irreversibel, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, und kann ihn unter Umständen gesundheitlich gefährden.179 Bestenfalls trägt der Organspender keinerlei gesundheitliche Langzeitbeeinträchtigungen davon und steht nach der Entnahme nicht schlechter da als davor.180 Die Risiken und Belastungen der Organspender sind unter anderem abhängig von dem zu entnehmenden Organ, der Entnahmetechnik und Erfahrung des Zentrums sowie dem gesundheitlichen Zustand des Spenders und des Empfängers.181 Grundsätzlich bestehen bei allen Lebendorganspenden Risiken im Rahmen der notwendigen Voruntersuchungen, wie z. B. öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, Kom.-Drucks. 151/S. 6. 177 Kirste, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der EnqueteKommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, Kom.-Drucks. 15/132, S. 14. 178 Guide to safety and quality assurance for the transplantation of organs, tissues and cells, 3rd edition, S. 8. 179 Sengler, in: Kirste (Hrsg.), S. 100, 102. 180 Besold/Rittner, MedR 2005, 502, 503. 181 Pisarski/Kirste, in: Kirste (Hrsg.), S. 145.
B. Spenderorgan als Voraussetzung einer Organtransplantation
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Leberbiopsie, Angiographie oder Spiegelungen182, sowie die allgemeinen operativen Risiken wie Blutungen, Infektionen, Verletzung von Nachbarorganen etc. sowie das Narkoserisiko. Daneben bestehen langfristige Risiken wie beispielsweise Verwachsungen und deren Komplikationen (z. B. Darmverschluss nach Bauchoperation), Entwicklung von Narbenbrüchen oder fehlende Reservekapazität bei der Entnahme etwa von Niere, Leberlappen oder Pankreas.183 Bei der Bewertung von Komplikationen und Risiken der Organlebendspende besteht das Hauptproblem darin, dass „Followup“-Studien bislang oft nur sehr kleine Fallzahlen und kaum mehr als den Zeitraum von einem Jahr nach der Lebendspende erfassen. Zu Langzeitfolgen ist auch bei der Nierenlebendspende derzeit noch wenig bekannt.184 (a) Niere Bei der Nierenlebendspende wird das Risiko von Frühkomplikationen direkt nach der Operation (Narkoserisiko, Wundinfekte, Nachblutungen, Harnwegsinfekte, Thrombosen, Lungenembolien und Lungenentzündungen) überwiegend als sehr gering eingeschätzt.185 Das Risiko an einer Nephrektomie zu versterben, beträgt ca. 0,03 bis 0,06 Prozent.186 Das Risiko schwerwiegender, aber auch leichter Komplikationen liegt bei 3,1 Prozent.187 Auch im Langzeitverlauf bestehen nach überwiegender Ansicht nur minimale Risiken von Komplikationen wie z. B. Hautgefühlsstörungen im operierten Bereich, Narbenbrüche, geringfügige Eiweißausscheidung im Urin.188 Es besteht kein erhöhtes Risiko für Nierenerkrankungen oder Diabetes. Extrem selten kann aufgrund einer schweren Erkrankung der verbliebenen Niere (Tumor, schwere Verletzung) beim Spender eine Dialysebehandlung oder eine Nierentransplantation notwendig werden.189 Es sind 182 Guide to safety and quality assurance for the transplantation of organs, tissues and cells, 3rd edition, S. 42. 183 Enquete-Kommission BT-Drucks. 15/4542, S. 29. 184 Vgl. Enquete-Kommission BT-Drucks. 15/4542 15, 16 m. w. N. 185 Kirste, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der EnqueteKommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, Kom.-Drucks. 15/132, S. 12; Neuhaus, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, Kom.-Drucks. 15/151/S. 5. 186 Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, BT-Drucks. 15/5050, S. 15. 187 Pisarski/Kirste, in: Kirste (Hrsg.), S. 145. 188 Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, BT-Drucks. 15/5050, S. 16. 189 Das Risiko, durch einen Unfall oder spontanes Auftreten eines bösartigen Nierentumors in der verbliebenen Niere selbst Dialysepatient zu werden, wird mit unter
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Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
aber auch einzelne, wenige Fälle schwerer Komplikationen sowie erheblicher psychischer Störungen, Depressionen, Anpassungs- und Angststörungen beobachtet worden.190 (b) Leber Für die Leberteil-Lebendspende muss von einer deutlich höheren Rate an tödlichen Komplikationen ausgegangen werden als bei der Nierenlebendspende. Verlässliche Zahlen gibt es derzeit kaum. Weil die transplantierte Lebermasse wesentlich größer ist, sind die Häufigkeit und Schwere der Folgen für den Lebendspender bei der Entnahme von Lebersegmenten für Erwachsene deutlich höher. Das Komplikationsrisiko wird insgesamt mit bis zu 30 bis 40 Prozent angegeben, das Sterberisiko beträgt mindestens 0,5 bis 1 Prozent.191 Aufgrund des größeren chirurgischen Eingriffs192 ist auch die Wahrscheinlichkeit allgemeiner chirurgischer Komplikationen höher als bei einer Nierenlebendspende. Das Risiko eines transfusionspflichtigen Blutverlustes für den Spender muss mit mindestens 10 bis 20 Prozent beziffert werden.193 Aussagen über Langzeiteffekte sind aufgrund oben genannter Gründe und der Neuheit des Verfahrens nicht möglich.194 (2) Nachteile nicht gesundheitlicher Natur Neben physischen und psychischen Beeinträchtigungen des Spenders kann sich eine Lebendspende auch finanziell und wirtschaftlich nachteilig auswirken. Komplikationen können z. B. zu vorzeitiger Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit führen. Bislang gibt es diesbezüglich keine repräsentativen und empirisch gesicherten Erfahrungen. Zu den versicherungsrechtlichen und finanziellen Aspekten der Lebendspende wird auf Kapitel 2 verwiesen. 0,01 Prozent im Lauf eines Lebens angeben vgl. Stiftung Lebendspende, Die medizinischen und ethischen Aspekte der Lebendspende, http://www.stiftunglebend spende.de (14. Januar 2005). Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, BT-Drucks. 15/5050, S. 16. 190 Smith, Transplantation 76 (2003), S. 807 f. 191 Neuhaus, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der EnqueteKommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, Kom.-Drucks. 15/5050, S. 5. 192 Vgl. dazu unten, Kapitel 1, C. III. 1. b). 193 Enquete-Kommission BT-Drucks. 15/4542, S. 16. 194 Neuhaus, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der EnqueteKommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, Kom.-Drucks. 15/151, S. 5.
B. Spenderorgan als Voraussetzung einer Organtransplantation
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cc) Für die Solidar- und Sozialgemeinschaft Die Lebendspende hat auch für die Allgemeinheit zwei Seiten der Medaille. So muss bei allen Initiativen zur Steigerung der Lebendspende unbedingt darauf geachtet werden, die postmortale Organspende nicht zu vernachlässigen. Des Weiteren trägt die Sozial- und Solidargemeinschaft in der Regel die Kosten einer Lebendspende, insbesondere im Falle von Komplikationen.195 Die Lebendspende birgt schließlich noch, anders als die postmortale Organspende, ein erhöhtes Risiko des Organhandels, zu dessen Ächtung sich der deutsche Gesetzgeber in §§ 17, 18 TPG und der tschechische Gesetzgeber gemäß § 209 a des tschechischen Strafgesetzbuches entschlossen haben. Denn gänzlich ausschließen lassen sich weder Unfreiwilligkeit noch Bezahlung des Lebendspenders. 5. Sonderfall „Dominotransplantation“ Die „Dominotransplantation“ ist eine besondere Variation der Lebendspende, welche auch aus rechtlicher Sicht einige Besonderheiten aufweist.196 „Dominotransplantate“ sind Organe, die Patienten im Rahmen einer Transplantation aus medizinischen Gründen entnommen werden und grundsätzlich auf andere Patienten übertragbar sind.197 Im Rahmen einer Dominotransplantation kann es in sehr seltenen Fällen sogar zu einer Herzlebendspende kommen. So wird bei einer Lungentransplantation die Übertragung von Lunge und Herz als Einheit bevorzugt, so dass das Herz des Empfängers ebenfalls entnommen werden muss. Dieses wiederum oder zumindest Teile davon (z. B. Herzklappen) können auf einen anderen Patienten übertragen werden. Ein weiterer, häufiger auftretender Fall der Dominotransplantation ist die Domino-Leberspende. Diese kommt z. B. in Betracht, wenn der Empfänger, welcher dann gleichzeitig Spender wird, an Amyloidose, einer seltenen Erbkrankheit198, leidet. Die Anzahl der jährlich durch195
Siehe dazu unten, Kapitel 2, C. II. 2. Vgl. dazu Kapitel 2, C. III. 197 Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Organvermittlung) jeweils II. 4.3.1. in der Fußnote. 198 Die Amyloidose ist ein Gendefekt, welcher zu mangelhaftem Einweißabbau führt. Derzeit kann nur ein Austausch des Organs die Erkrankung stoppen. Durch eine Lebertransplantation kann die Krankheit zumindest gestoppt werden; oft nehmen die Beschwerden ab. Die entnommene Leber kann wiederum einem anderen leberkranken Patienten übertragen werden, der nicht an Amyloidose leidet (Dominotransplantation). In der Leber selbst wird kein Amyloid abgelagert. Dem Empfänger der Amyloidose-Leber wird zwar auch der Gendefekt mittransplantiert, so dass es ebenfalls zu Ablagerungen im Körper kommt. Allerdings setzen die Beschwerden erst nach 30 Jahren ein. Die Patienten sollten deshalb zum Zeitpunkt der Transplan196
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Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
geführten Dominotransplantationen ist sehr gering. Im Jahr 2004 wurden in Deutschland 7 und im Jahr 2005 10 Dominolebern verpflanzt.199 Eine Domino-Herztransplantation hat zuletzt 2001 stattgefunden.
C. Organisatorischer Ablauf einer Transplantation, basierend auf einer postmortalen Organspende eines hirntoten Spenders – inklusive Allokation, Transplantation und „Follow-up“ Die Abb. 1 gibt schematisch die einzelnen Phasen eines Organspendeprozesses und der Transplantation wieder. Es handelt sich um ein Grundschema, welches nicht länderspezifisch ist. In unterschiedlicher Ausgestaltung sind diese Phasen in jedem Organspendeprozess vorhanden. Die Reihenfolge ist teilweise zwingend aus rechtlichen und naturgesetzlichen Gründen vorgegeben; teilweise greifen die Phasen auch ineinander oder laufen parallel. Dies hängt zum einen vom konkreten Einzelfall, als auch der rechtlichen Ausgestaltung dieses Ablaufs im jeweiligen Land ab. Nachfolgend soll der Inhalt der einzelnen Phasen kurz skizziert werden und gegebenenfalls auf rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten hingewiesen werden. Die Darstellung bezieht sich auf die Heart-Beating-Spende, da in der Bundesrepublik eine postmortale Organspende nur im Falle des diagnostizierten Hirntodes möglich ist. In der Tschechischen Republik liegt der Anteil der NHB-Spender bei weniger als einem Prozent, da sich die NHBSpende noch in einer Testphase befindet.
I. Spendeprozess 1. „Erkennung“ eines potentiellen Spenders Die Identifizierung von Patienten, bei denen möglicherweise der irreversible Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstammes (sog. Hirntod) eingetreten ist, als mögliche Organspender beginnt im Krankenhaus auf der Intensivstation. Klinisch kündigt sich der tation mindestens 50 Jahre alt sein. Da viele Patienten welche auf eine Leber warten, ohne Transplantation innerhalb weniger Jahre an ihrer Lebererkrankung sterben würden und derzeit nicht genügend Spenderorgane für alle Patienten zur Verfügung stehen, bietet ihnen die Übertragung des Amyloidose-Organs eine Chance auf einige Jahrzehnte beschwerdefreien Lebens. 199 Eurotransplant International Foundation, Annual Report 2004, S. 41 und 2005, S. 42.
C. Organisatorischer Ablauf einer Transplantation Erkennung eines möglichen Organspenders Todesfeststellung Meldung an Koordinierungsstelle Rechtliche Voraussetzung
Erfüllung der Aufnahmekriterien
Organprotektive Therapie Spenderuntersuchung und Eignung
Registrierung im Empfängerpool
Organeignung Meldung an Vermittlungsstelle Entnahme
Allokation = Auswahl eines geeigneten Empfängers aus dem Empfängerpool
Konservierung/ Kühlung/ Verpackung Transplantation Transport Wiederherstellung des Leichnams
Follow-up
Nachbereitung
Abb. 1: Organspende und Transplantation im schematischen Überblick
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Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
Hirntod eines Patienten mit einer schweren akuten Hirnschädigung, dessen Herzkreislauffunktion apparativ aufrechterhalten wird, durch ein tiefes Koma und einen Ausfall der Hirnstammreflexe an. Zu diesem Zeitpunkt obliegt es dem behandelnden Personal über Hirntoddiagnose, Einstellung der Behandlung und damit einhergehend über die Möglichkeit der Organspende nachzudenken. 2. Todesfeststellung Sowohl in Deutschland als auch in der Tschechischen Republik muss der Hirntod des Patienten vor der Organentnahme festgestellt werden. Zum Feststellungsverfahren nach den nationalen Vorschriften wird auf Kapitel 2 und 3 verwiesen. Die Todesfeststellung ist in jedem Fall zu dokumentieren. 3. Meldung eines potentiellen Spenders Sowohl das TPG als auch das TZ haben die Verpflichtung des Spenderkrankenhauses gesetzlich verankert, einen potentiellen Spender an die zuständige Stelle, welche für die Koordinierung und ggf. auch Vermittlung der Organspende zuständig ist, zu melden. Ein potentieller Spender ist ein Verstorbener ohne medizinische Kontraindikationen, bei dem die Hirntoddiagnostik eingeleitet bzw. abgeschlossen ist.200 Absolute Kontraindikationen liegen vor, wenn der Spender an einer übertragbaren unheilbaren Krankheit litt, aufgrund derer in jedem Fall eine Organtransplantation ausscheidet. Eine verbindliche, enumerative Auflistung absoluter Kontraindikation liegt weder in Deutschland noch in der Tschechischen Republik vor. Derzeit gelten in Deutschland als absolute Kontraindikation bei denen unter keinen Umständen eine Transplantation vorgenommen würde:201 – nachgewiesene HIV-Infektion – floride Tuberkulose – Sepsis (Blutvergiftung) bei nachgewiesenen multiresistenten Keimen – nicht kurativ behandeltes Malignom (mit Ausnahme einiger Hirntumore) Natürlich würde auch z. B. eine diagnostizierte Creuzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) sowie jede andere übertragbare, nicht heilbare Krankheit, gegen 200 Wesslau/Grosse/Krüger/Kücük/Mauer/Nitschke/Manecke/Polster/Gabel, DÄBl. 2006, 1, 3. 201 Lauchart, Viszeralchirurgie 2004 (39), 427, 429; Kirste in Krukemeyer/Lison (Hrsg.), 41, 50 wobei aber nicht HBV und HCV als absolute Kontraindikation aufgelistet sind.
C. Organisatorischer Ablauf einer Transplantation
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die kein Impfschutz besteht, eine Organentnahme ausschließen. Hingegen ist ein hohes Alter eines Spenders in der Bundesrepublik keine Kontraindikation. Die Liste der absoluten Kontraindikationen wird bewusst kurz gehalten, damit die Spenderkrankenhäuser im Zweifel einen Spender melden. 4. Rechtliche Voraussetzungen Neben der Pflicht zur Feststellung des Todes vor der Organentnahme normieren die Transplantationsgesetze beider Länder weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen. Abgesehen davon, dass im Falle eines unnatürlichen Todes (z. B. Autounfall) auch eine rechtliche Freigabe zur Organspende, z. B. durch die Staatsanwaltschaft oder Gerichtsmedizin, erfolgen muss, hängt die Zulässigkeit einer postmortalen Organentnahme im Wesentlichen von der Zustimmung zur postmortalen Organspende ab. Eine ausführliche Darstellung der jeweiligen gesetzlichen Regelung bleibt den Kapiteln 2, 3 und 4 vorbehalten. 5. Organprotektive Therapie Um eine Organtransplantation zu ermöglichen, ist eine spezifische organprotektive Intensivtherapie und künstliche Beatmung des potentiellen Organspenders bis zur Organentnahme erforderlich. Diese dient der Aufrechterhaltung der Organfunktion und ist entscheidend für die Qualität der Organe und damit für den Transplantationserfolg.202 Durch diese Intensivtherapie kann die Anzahl und die Qualität der gewonnenen Organe gesteigert und die Transplantatfunktion beim Empfänger positiv beeinflusst werden.203 Die Behandlung umfasst in der Regel die Substitution hormoneller Ausfälle; die Aufrechterhaltung der Homöostase, die lungenprotektive Therapie und Beatmung und schließlich die Temperaturregulation des Patienten. Der Zeitraum, über welchen die Kreislauffunktionen und die Funktionsqualität der Organe aufrechterhalten werden können, variiert aufgrund medizinischer Gegebenheiten und kann wenige Stunden bis zu mehreren Tagen umfassen.204 Mit Feststellung des Hirntodes wird also von der zerebroprotektiven Behandlung auf die organprotektive Behandlung umgestellt.
202 Lauchart, Viszeralchirurgie 2004, 427, 430; Bösebeck, in: Oduncu/Schroth/ Vossenkuhl (Hrsg.), Transplantation, S. 20, 27; Mauer/Hessenauer/Werther/Gabel, Ärzteblatt Reinland-Pfalz 2003, 18, 20. 203 Mauer/Nehammer/Bösebeck/Wesslau, Intensivmedizin 2003, 574, 575. 204 Schlake/Roosen, S. 15.
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Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
6. Spender- bzw. Organgeeignetheit Es gibt Standarduntersuchungen, welche bei jedem postmortalen Organspender aus Gründen des Empfängerschutzes vorgenommen werden. a) Durchzuführende Untersuchungen Dies sind virologische Untersuchungen (insbesondere HIV205, HBV,206 HCV,207 CMV208) und bakteriologische Untersuchungen (Urin, ggf. Blutkulturen, Trachealsekret, Abstriche von Kathetern und ggf. äußeren Verletzungen). Zur Beurteilung der Transplantationseignung der jeweiligen Organsysteme werden bereits im Vorfeld der Entnahme laborchemische und apparative Untersuchungen wie abdominelle Sonographie, Röntgen des Thorax, Bronchoskopie, Koronarangiographie und ggfs. Echokardiographie209 durchgeführt.210 Allerdings kann sich eine Ungeeignetheit (z. B. wegen Tumorbefall) auch erst während oder nach der Explantation oder durch eine Biopsie zeigen. Im Rahmen dieser Untersuchungen werden auch der vollständiger Blutgruppenstatus und die HLA-Typisierung vorgenommen, welche für die Organvermittlung von Bedeutung sind. Dem Spender werden zu diesem Zweck Blut- und Gewebeproben entnommen, um gewebetypische Merkmale festzustellen, die für die Übereinstimmung von Spender und Empfänger von Bedeutung sind.211 205
Humanes Immundefizienzvirus. Hepatitis-B-Virus. 207 Hepatitis-C-Virus. 208 Cytomegalie-Virus. 209 Molzahn, in Handbuch Transplantation. S. 5, 18. 210 Kirste, in: Krukemeyer/Lison (Hrsg.), S. 41, 54; Lauchart, Viszeralchirurgie 2004, 427, 430. 211 Neben dem AB0-System der Blutgruppenübereinstimmung, von dem schon lange bekannt ist, dass eine Inkompatibilität bei der Organabstoßung eine wichtige Rolle spielt, sind es vor allem die sog. Transplantationsantigene, die bei fehlender Kompatibilität eine Abstoßung triggern. Diese auch als MHC (major histocompatibility complex = Hauptgewebverträglichkeitskomplex) bezeichneten Substanzen sind auf allen Zellen des Körpers zu finden und spielen eine wichtige Rolle bei der Antigenpräsentation im Rahmen der normalen Immunantwort. Die menschlichen MHC-Moleküle werden als HLA-Moleküle (human leukocyte antigens = menschliche Leukozyten Antigene) bezeichnet. Beim Menschen sind die verschiedenen Gene des MHC-Komplexes auf Chromosom 6 kodiert. Es gibt eine große Anzahl verschiedener MHC-Gene, die in unterschiedlichen Formen vorkommen und zusätzlich verschieden kombiniert werden können. Hierdurch existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Oberflächenstrukturen. Es ist daher extrem unwahrscheinlich, dass zwei Menschen in allen diesen Merkmalen übereinstimmen. Eine komplette Übereinstimmung findet sich nur bei eineiigen Zwillingen. Von den verschiedenen HLA206
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Um das Risiko der Übertragung von Infektionen und Krankheiten zu minimieren, müssen aus Anamnese und Vorbefunden mögliche Infektionsrisiken erkannt und gegebenenfalls entsprechende (weitergehende) Untersuchungen eingeleitet werden, z. B., wenn sich aus der Vorgeschichte Hinweise auf zurückliegende Reisen in endemische Gebiete bzw. Impfkontakte ergeben.212 Trotz aller Untersuchungen kann das Risiko einer Krankheitsübertragung nur minimiert, aber nicht gänzlich ausgeschlossen werden. So kann z. B. das sog. „diagnostische Fenster“ – beispielsweise bei einer HIVInfektion, nicht gänzlich geschlossen werden. Hat sich der Spender erst wenige Tage vor seinem Versterben mit dem Virus infiziert, so ist dies durch die heute zur Verfügung stehenden Testverfahren nicht nachzuweisen. Aus diesem Grund ist im Rahmen der Anamnese auf mögliche Risikofaktoren einer erhöhten Ansteckungsgefahr (z. B. intravenöser Drogenkonsum) zu achten. Für bestimmte Krankheiten gibt es keine oder zumindest keine im zeitlichen Rahmen einer Organspende durchführbaren Testverfahren, so z. B. bei der Tollwut. Welche Tests wann vorzunehmen sind, ist in Deutschland mittlerweile in der Richtlinie der BÄK zur medizinischen Beurteilung von Organspendern und zur Konservierung von Spenderorganen gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4a und 4b TPG geregelt. In der Tschechischen Republik regelt die Bekanntmachung des Gesundheitsministeriums gemäß §§ 6 Abs. 5, 11 Abs. 3 TZ vom 03.10.2002 die näheren Bedingungen der Beurteilung der gesundheitlichen Eignung und den Umfang der Untersuchung des lebenden oder verstorbenen Organ- oder Gewebespenders zu Transplantationszwecken.213 Molekülen wurden für die Organtransplantation vor allem drei Genorte identifiziert, die von besonderer Wichtigkeit für das Transplantatüberleben sind. Da jeder Mensch zwei Chromosomen besitzt, können hier also maximal 6 Übereinstimmungen gefunden werden. Daneben existieren jedoch noch wesentlich mehr Oberflächenstrukturen, die ebenfalls an Abstoßungsreaktionen beteiligt sind, so dass ohne entsprechende Medikamente trotz maximaler Übereinstimmung dieser drei Genorten das Organ abgestoßen würde. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass ein gutes HLA-Match mit einem längeren Transplantatüberleben bei der Niere korreliert. Um die Stärke der Immunantwort zu vermindern, versucht man, einen Spender zu finden, dessen sechs HLA-Hauptmerkmale eine möglichst große Übereinstimmung aufweisen. Stimmen sie auf allen drei Genorten überein, so spricht man auch von einem „Full House“. Vgl. Breidenbach, in: Handbuch Transplantation. S. 155, 160; Nagel/Schmidt S. 80 f. Im Falle eines Nieren- oder Pankreasangebots muss vor der endgültigen Vermittlung eine Kreuzprobe (Cross-match) zwischen Zellmaterial des Spenders und Serum des Empfängers durchgeführt werden, um eine Präimmunisierung des Empfängers gegen HLA-Antigene des Spenders auszuschließen. Hierzu müssen die Seren der Wartelistenpatienten regelmäßig entnommen und an die entsprechenden Labore verteilt werden vgl. Molzahn, in: Handbuch Transplantation, S. 5, 18. 212 Lauchart/Wachsmuth, Intensivmed 2004, 207, 208.
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In der Anlage dieser Bekanntmachung findet sich eine Auflistung der Krankheiten, welche die Eignung des potentiellen Lebend- oder postmortalen Organspenders im Einzelfall ausschließen können. b) Absolute Kontraindikationen, relative Kontraindikationen, marginale Organe, erweiterte Spenderkriterien, Risikoabwägung Die Spenderkriterien haben sich in den letzen Jahren entscheidend verändert. Inzwischen werden Organe von Spendern akzeptiert, die vor einigen Jahren noch abgelehnt worden wären.214 Dies wird einerseits durch die stetige Verbesserung der Transplantationsmedizin (z. B. neue Operationstechniken, zunehmendes Verständnis von bestimmten Erkrankungen) ermöglicht, andererseits ist es bedingt durch die chronische Knappheit an Spenderorganen.215 Die Zahl der Wartelistenpatienten steigt. Dies liegt zum Teil auch daran, dass durch die Entwicklung der Transplantationsmedizin früher nicht transplantierbare Patienten heute transplantiert werden können. Das Spektrum möglicher (Empfänger)Indikationen hat sich also erweitert und damit auch der Bedarf an Spenderorganen. Bei vielen Patienten muss das Risiko einer Krankheitsübertragung und das Risiko ohne Transplantat zu versterben gegeneinander abgewogen werden. So können z. B. bei Nachweis einer akuten Hepatitisinfektion überlebenswichtige Organe wie Herz, Lunge oder Leber in Abwägung der Dringlichkeit der Transplantation und der Möglichkeit einer antiviralen Therapie für den einzelnen Patienten akzeptiert werden. Organe von Spendern mit ausgeheilter Hepatitisinfektion werden für Empfänger akzeptiert, die entweder gegen HBV geimpft sind oder bereits eine HBV- oder HCV-Infektion durchgemacht haben.216 Die Entscheidung hierzu liegt in der Verantwortung der für die Empfänger verantwortlichen Ärzte in Absprache mit dem Empfänger.217 Im Nachfolgenden sollen die Begrifflichkeiten absolute Kontraindikationen, relative Kontraindikationen, marginale Organe, erweiterte Spenderkriterien und Risikoabwägung näher erläutert werden, da diese häufig simultan verwendet und zum Teil ineinander übergreifen und nur schwer einer Defi213 Vyhlaska Ministerstva zdravotnictvi c.437/2002 Sb. ze dne 3. rijna 2002, kterou se stanovi blizsi podminky posuzovani zdravotni zpusobilosti a rozsah vysetreni zijiciho nebo zemreleho darce tkani a organu pro ucely transplantaci. 214 Lauchart, Viszeralchirurgie 2004; 39, 427, 429. 215 Vgl. Kirste, Forum Organspende, DJ-4 05, S. 39. 216 Lauchart, Viszeralchirurgie 2004; 39, 427, 429; vgl. auch Anlage zur Bekanntmachung Nr. 437/2002 Sb in der Tschechischen Republik. 217 Lauchart, Viszeralchirurgie 2004; 39, 427, 429.
C. Organisatorischer Ablauf einer Transplantation
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nition zugänglich sind. Absolute Kontraindikationen sind zunächst von den relativen Kontraindikationen abzugrenzen. Dabei haben manche Länder eine längere Liste absoluter Kontraindikationen. So war selbst die ausgeheilte Hepatitisinfektion in Spanien und Frankreich bis vor kurzem eine absolute Kontraindikation. Kennzeichnend für die absoluten Kontraindikationen ist aber in jedem Fall, dass bei ihrem Vorliegen eine Transplantation ausscheidet. Anders bei den sog. relativen Kontraindikationen. Relative Kontraindikationen stellen nur für einen bestimmten Empfängerkreis eine (absolute) Kontraindikation dar, während sie anderen Patienten in der Regel als Organ mit erweiterten Spenderkriterien angeboten werden. Z. B. im Fall der ausgeheilten Hepatitis. In diesem Fall bildet das erweiterte Spenderkriterium gleichzeitig eine relative Kontraindikation. Gemäß den Richtlinien der BÄK nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 5 TPG liegen erweiterte Spenderkriterien und damit eine schwere Vermittelbarkeit der Organe beispielsweise bei – Virushepatitis (jeweils alternativ HBS AG+, anti-HBC+ oder anti-HCV+) – Sepsis mit positiver Blutkultur – Meningitis – maligner Tumor in der Anamnese – Drogenabhängigkeit vor.218 Es gibt weltweit keine eindeutig belegbaren Kriterien, die ein Transplantat als verwendbar oder nicht verwendbar klassifizieren können.219 So gibt es Fälle, in denen ein scheinbar ungeeignetes Organ perfekt funktioniert. Ebenso wie der umgekehrte Fall denkbar ist.220 Allein für die Leber sind die erweiterten Spenderkriterien in der Richtlinie der BÄK wie folgt spezifiziert:221 – Alter des Spenders > 65 Jahre – Intensivtherapie einschließlich Beatmung des Spenders > 7 Tage 218 Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. (Richtlinien für die Organvermittlung) jeweils II. 4. 2. 219 Kirste, Organe mit erweiterten Spenderkriterien, Forum 05, S. 39. 220 Kirste, Organe mit erweiterten Spenderkriterien, Forum 05, S. 39, 40. 221 Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. (Richtlinien für die Organvermittlung) Leber, II. 4. 2.
1 Nr. 2 und Nr. 5 Organspende, DJ- 4 Organspende, DJ- 4 1 Nr. 2 und Nr. 5
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Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
– Adipositas des Spenders mit BMI > 30 – Fettleber (histologisch gesichert) > 40 Prozent – S-Natrium > 165 mmol/l (letzter Wert vor der Spendermeldung) oder – SGOT oder SGPT > 3 X normal (letzter Wert vor der Spendermeldung) oder – S-Bilirubin > 3 mg/dl (letzter Wert vor der Spendermeldung) Sofern die erweiterten Spenderkriterien nicht gleichzeitig eine relative Kontraindikation darstellen und damit für bestimmte Empfänger von vornherein nicht in Betracht kommen, hängt die Entscheidung, ein Organ mit erweiterten Spenderkriterien anzunehmen, davon ab, wie dringlich ein Patient auf ein Organ wartet. Bei Organen mit erweiterten Spenderkriterien liegt in der Regel eine Beeinträchtigung der Organqualität vor. Qualitätseinbußen können aber durch eine kürzere Ischämiezeit oder auch bessere HLA-Übereinstimmung kompensiert werden. Ungeachtet dessen handelt es sich um ein Organ minderer Qualität, also ein sog. marginales Organ. Dies macht eine Risikoabwägung erforderlich, bei der die Gefahr, ohne dieses Organ zu versterben, gegen das Risiko ein Organ minderer Qualität implantiert zu bekommen, abgewogen werden muss. Die erweiterten Spenderkriterien bzw. marginalen Organe, auch in Form einer relativen Kontraindikation, haben eines gemeinsam: Die Unzulänglichkeit des Spenderorgans ist bekannt. Nicht bekannt ist lediglich, wie gut es im Einzelfall funktionieren wird, da dies von einer Vielzahl von Faktoren abhängt und weil zum Teil noch wenig gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen. Diese Fälle sind abzugrenzen von denjenigen, bei denen aufgrund der Anamnese ein nicht ermittelbares erhöhtes Risiko, z. B. aufgrund unbekannter Todesursache oder Reisen in endemische Gebiete, einer Krankheitsübertragung besteht, da Testverfahren nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen. In Anlehnung an die polizei- und ordnungsrechtliche Terminologie kann man in diesen Fällen also lediglich von einem Gefahrenverdacht sprechen. Letztendlich ist auch hier im Einzelfall eine Risikoabwägung erforderlich, bei der unter anderem auch die Dringlichkeit, mit der ein Empfänger auf ein Organ wartet, in Rechnung zu stellen ist. Die Darlegung der unterschiedlichen Terminologien und die Schwierigkeit, bestimmte medizinische Sachverhalte klar voneinander abzugrenzen, resultieren unter anderem aus der Vielfältigkeit der medizinischen Einzelfälle, welche sich kaum durch abstrakt generelle Regelungen beherrschen lassen. Erweiterte Spenderkriterien nicht zuzulassen, könnte aufgrund des großen Spendermangels eine unzulässige Beschränkung des Rechts des Empfängers auf Zugang zu Heilungsmöglichkeiten bedeuten. Gleiches könnte für das Recht, das Risiko einer Selbstschädigung mit Blick auf eine
C. Organisatorischer Ablauf einer Transplantation
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mögliche Lebensrettung einzugehen, gelten. Über das zusätzliche Risiko, welches über das ohnehin bestehende Risiko bei einer Transplantation hinausgeht, ist der Empfänger gesondert aufzuklären. Dabei sind die strengen Maßstäbe wie bei der Aufklärung bei experimenteller Therapie zugrunde zu legen. Es besteht allerdings die Gefahr, dass durch ein Übermaß an Aufklärungspflichten sowohl die ärztliche Initiative und Eigenverantwortung, als auch gerade die autonome Entscheidungsfähigkeit des kognitiv überforderten Patienten nicht unerheblich leiden.222 Problematisch ist insoweit auch der Zeitpunkt der Aufklärung. So werden drei Zeitpunkte diskutiert, welche entweder kumulativ oder alternativ vorgeschlagen werden. Bei Aufnahme in die Warteliste, in regelmäßigen Abständen während der Wartezeit und schließlich noch im Zeitpunkt des Organangebots. 7. Meldung an eine Vermittlungsstelle zum Zwecke der Empfängerauswahl (Allokation) In Deutschland erfolgt eine Meldung geeigneter Spender an die Koordinierungsstelle, diese gibt dann alle erforderlichen Daten an die Vermittlungsstelle. Denkbar ist aber auch, dass diese beiden Institutionen identisch sind, so wie in der Tschechischen Republik. Dort erfolgt die Spendermeldung an das KST, welches gemeinsam mit den Transplantationszentren über die konkrete Organzuteilung entscheidet. Die Ausgestaltung der Empfängerauswahl ist in beiden Ländern unterschiedlich geregelt und wird in Kapitel 2 und 3 dargestellt. Am Ende des konkreten Allokationsprozesses steht die Auswahl eines Empfängers. Die endgültige Entscheidung über die Tauglichkeit und Verwendungsmöglichkeit des angebotenen Organs für den jeweiligen Empfänger bleibt allerdings beim zuständigen Arzt des Transplantationszentrums.223 8. Organentnahme Die Organentnahme selbst findet, wie ein normaler chirurgischer Eingriff, im Operationssaal unter Sterilbedingungen statt.224 Die Organentnahme hat lege artis und durch approbierte Ärzte zu erfolgen, denn neben Pietätsgründen ist die korrekte Entnahme eines Organs maßgeblich für den Erfolg einer Transplantation. Zwar ist eine Anästhesie bei diagnostiziertem Hirntod 222
Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Begr.), Art. 2 Abs. 2 GG, Rn. 70. Vgl. hierzu Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 a und b TPG unter 3., DÄBl. (2005)102; A 2968, 2971 und § 5 Abs. 5 des Vermittlungsstellenvertrages. Dies gilt auch für die Tschechische Republik. 224 Molzahn, in Handbuch Transplantation, S. 5, 16. 223
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Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
zur Schmerzausschaltung nicht erforderlich, da nach überwiegender Auffassung in der Medizin mit dem Hirntod eine Schmerzrezeption nicht mehr stattfinden kann225 und analgetische Medikamente wegen Perfusionsausfalls ihren Wirkungsort das Gehirn nicht mehr erreichen können, jedoch können bei Hirntoten spinale Reflexe mit Spontanbewegungen der Extremitäten sowie – ebenfalls spinal-reflektorisch ausgelöste Blutdruck – und Herzfrequenzanstiege auftreten. Die Fortführung der Intensivüberwachung und -therapie ist daher auch im Operationssaal notwendig. Zur Ausschaltung der spinal-reflektorischen Aktivitäten erfolgt meist eine Muskelrelaxation ggf. Opiatgabe.226 Abhängig von dem Umfang der Zustimmung – beide Rechtsordnungen ermöglichen die Beschränkung auf die Entnahme bestimmter Organe oder Gewebe – und der Spender- bzw. Organgeeignetheit können ein oder mehrere Organe entnommen werden. Bei einer Entnahme mehrerer Organe (Multiorganentnahme) erfolgt in der Regel eine Entnahme in der folgenden Reihenfolge: Herz, Lunge, Leber, Pankreas/Dünndarm, Nieren.227 Die thorakalen Organe228 werden wegen der geringeren Ischämietoleranz zuerst entnommen. Üblicherweise legen die Herz- und Lungenchirurgen größten Wert darauf, die Organe, welche sie implantieren, auch selbst zu begutachten und zu entnehmen. Die Entnahme der abdominellen Organe229 erfolgt hingegen regelmäßig durch regionale Entnahmeteams. Danach müssen noch zusätzliche Gewebe wie Milz und Lymphknoten entnommen werden, die eine HLA-Typisierung ermöglichen und für das Crossmatch benötigt werden.230 Den Organen, in der Regel bei Leber und Pankreas, werden noch einige ebenfalls entnommene Gefäße beigefügt, um das Spenderorgan später an den Empfängersitus anzupassen und im Bedarfsfall schwierige Gefäßsituationen im Empfänger zu beheben.231 9. Konservierung, Kühlung, Verpackung und Transport Wie eingangs bereits erwähnt, liegt die Besonderheit der vermittlungspflichtigen Organe darin, dass es sich um durchblutete Organe handelt, deren Funktionsfähigkeit von der ausreichenden Versorgung mit Sauerstoff ab225 226
Förderreuther/Angstwurm, Intensivmedizin 2003, S. 673, 675. Reis, Intensiv, 2004, 229, 230 f.; Kirste, in: Krukemeyer/Lison (Hrsg.), S. 41,
56. 227 Bechstein/Wullstein, S. 19; Reis, Intensiv, 2004, 229, 232; Mauer/Hesse, Ärzteblatt Rheinland-Pfalz 2008, 11, 12. 228 Thorakale Organe sind Herz und Lunge. 229 Abdominelle Organe sind Niere, Leber, Pankreas und Dünndarm. 230 Nagel/Schmidt, S. 35. 231 Reis, Intensiv, 2004, 229, 233.
C. Organisatorischer Ablauf einer Transplantation
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hängt. Die Zeit der Nichtdurchblutung, also der fehlenden Sauerstoffversorgung, nennt man Ischämiezeit. Ein Spenderorgan ist zwischen Entnahme und Wiederanschluss verschiedenen Formen der Ischämie ausgesetzt. Man spricht von der ersten warmen Ischämiezeit für den Zeitraum zwischen Unterbrechung der Durchblutung und einer effektiven Kühlung. Als kalte Ischämiezeit wird dann der folgende Zeitraum bis zum Wiederanschluss bezeichnet, weil in dieser Zeit die Kühlung der Organe erfolgt.232 Bis zum Zeitpunkt der Entnahme der Organe aus dem Körper muss der Kreislauf des Spenders künstlich aufrechterhalten werden, um die Organe weiterhin mit den erforderlichen Nährstoffen und mit Sauerstoff zu versorgen. Sofort nach der Ausschaltung aus dem körpereigenen Kreislauf werden die Organe mit einer speziellen gekühlten Konservierungslösung durchspült und die Temperatur wird auf ca. 4ºC gesenkt (Perfusion).233 Die Bauchorgane werden von der Bauchschlagader und der Pfortader aus perfundiert, das Herz gesondert vom oberen Teil der Hauptschlagader aus. Insgesamt beträgt die Perfusionsdauer etwa 10 Minuten. Durch die Zusammensetzung der Lösung kommt es zum Stillstand des Herzens. Zu diesem Zeitpunkt wird auch die künstliche Beatmung beendet. Nach der Entnahme werden die Organe in drei sterile Plastikbeutel verpackt. In den ersten wird das Organ in Konservierungslösung frei schwimmend gelegt. Dieser Beutel kommt in einen zweiten Beutel mit kalter Ringerlösung und Eis, bevor er in einen Dritten trockenen Beutel gepackt wird. Die so verpackten Organe werden anschließend in spezielle mit Eis gefüllte Styroporboxen zum Versand verpackt.234 Die Dauer sowohl der kalten als auch der warmen Ischämiezeit sollte, da sie für den Verlauf und den Erfolg nach der Transplantation entscheidend ist, so kurz wie möglich sein. Die maximalen Konservierungszeiten betragen bei der Niere 24 bis 30 Stunden und bei der Leber rund 12 Stunden. Bei Herz und Lunge sind sie mit 3 bis 4 bzw. 5 bis 6 Stunden deutlich kürzer.235 Die Versendung erfolgt entsprechend der Entfernung und möglichen Konservierungszeit mit dem Auto oder Flugzeug. Gelegentlich wird noch die Implantationszeit als zweite (warme) Ischämiezeit bezeichnet, weil während dieser Zeit keine effektive Kühlung mehr besteht.236
232 233 234 235 236
Ulrich/Schindler, in: Handbuch Transplantation, S. 103. Ulrich/Schindler, in: Handbuch Transplantation, S. 103; Nagel/Schmidt, S. 34. Reis, Intensiv, 2004, 229, 233. Molzahn, in: Handbuch Transplantation. S. 5, 17. Frei/Schindler, in: Handbuch Transplantation, S. 99, 103.
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Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
10. Wiederherstellung des Leichnams und Abschluss der Organspende Nach der Organentnahme werden alle vorhandenen Katheter und Zugänge entfernt und der Leichnam mit Naht verschlossen.237 In Tschechien ist nach jeder Organspende eine Obduktion vorzunehmen.238
11. Nachbereitung Auch wenn der „akute Spendeprozess“ mit der Implantation endet, so muss die Spende zu Abrechnungs- und Evaluierungszwecken sowie aus Gründen des Empfängerschutzes noch dokumentiert werden. Der juristische Anknüpfungspunkt liegt hier insbesondere auf der Ebene datenschutzrechtlicher Vorschriften und der Wahrung der Anonymität zwischen Spender und Empfänger.239
II. Organallokation Die Organallokation, an deren Ende ein Empfänger für ein Organ ausgewählt wird, ist das Bindeglied zwischen Spender und Empfänger. Bei der Allokation sind im Wesentlichen zwei Ebenen zu unterscheiden. Zum einen der Zugang zur Warteliste und zum anderen die konkrete Allokation im akuten Fall einer Spende. Wegen der großen Unterschiede in der Ausgestaltung des Zugangs zur Warteliste für ein Organ und der konkreten Allokation in den beiden zu vergleichenden Ländern, bleibt eine Darstellung den Kapiteln 2 und 3 vorbehalten.
237 Molzahn, in Handbuch Transplantation. S. 5, 17; Bösebeck, in: Oduncu/Schroth/ Vossenkuhl (Hrsg.), S. 20, 27. 238 Vgl. § 13 Abs. 1 TZ. 239 Spenderkrankenhaus und – auf Wunsch – die Angehörigen bekommen in der Bundesrepublik eine anonymisierte Information über die Transplantation der Organe und das kurzfristige Ergebnis. In einigen Regionen stellt die DSO Angehörigen von Organspendern, die dies wünschen, Betreuungsangebote zur Verfügung, um Fragen und Probleme im Zusammenhang mit der Organspende aufzuarbeiten. Der Organspendeprozess wird elektronisch dokumentiert, wobei die Identität des Spenders pseudonymisiert wird. Der Zugang zu den Spenderdaten ist auf solche Fälle beschränkt, in denen aus Gründen des Empfängerschutzes ein Rückgriff auf die Krankenakte im Spenderkrankenhaus notwendig ist, vgl., in Handbuch Transplantation, S. 5, 17.
C. Organisatorischer Ablauf einer Transplantation
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III. Transplantation und Follow-up Auf der anderen Seite der Organspende steht der im Rahmen der konkreten Allokation ermittelte Empfänger. Mit dem operativen Eingriff, der sog. Implantation, ist der Gesamtprozess Transplantation nur auf den ersten Blick beendet. Unter chirurgisch-technischen Aspekten stellen die meisten Transplantationen heute einen Routineeingriff dar. Der Erfolg einer Transplantation, gemessen am Überleben von Patient und Transplantat, zeigt sich aber erst im weiteren postoperativen Verlauf. Das eigentliche und zentrale Problem liegt nach wie vor in der Beherrschung der immunologischen Auseinandersetzung des Empfängers mit dem Transplantat. Denn bei der Transplantation von Organen genetisch unterschiedlicher Individuen240 kommt es ohne entsprechende Behandlung zu einer Abstoßung. Die lebenslange tägliche Einnahme von Medikamenten zur Unterdrückung der Immunreaktion (sog. Immunsuppressiva) ist daher unerlässlich.241 Sie ist Teil des sog. individuellen „Follow-up“, also der medizinischen Nachsorge für den Patienten, ohne das ein Transplantatverlust eintreten würde. Unerlässlich für die Verbesserung und Fortentwicklung der Transplantationsmedizin sind aber auch die wissenschaftliche Analyse und Evaluierung der einzelnen Prozessphasen und des postoperativen Zustands des Patienten. Zu diesem Zweck sind die Ergebnisse der Transplantationen, die im Rahmen der Nachsorgeuntersuchungen ermittelt werden, zu dokumentieren und zu analysieren. Hinsichtlich beider Aspekte des „Follow-up“ ist man auf die Kooperation der transplantierten Patienten angewiesen. 1. Transplantation Nachfolgend soll ein kurzer Überblick über Transplantationsoperation und Transplantationsimmunologie vermittelt werden. a) Technik der Nierentransplantation Da eine einzelne funktionierende Niere ausreicht, wird – bis auf Ausnahmefälle – nur eine Niere übertragen. Die Transplantation der Spenderniere erfolgt heterotop, d.h., sie wird zusätzlich zu den eigenen Nieren des Empfängers, die in der Regel nicht entfernt werden, in das kleine Becken des Empfängers übertragen, so dass dieser insgesamt drei Nieren hat. 240
Alle außer eineiigen Zwillingen. Bechstein/Wullstein, S. 42; Eickhoff, Die Schwester Der Pfleger 45. Jahrg. 4/06, 284, 285. 241
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Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
Dadurch wird der Eingriff möglichst klein und kurz gehalten.242 Sehr kleine Nieren243 können in Einzelfällen auch paarweise „en bloc“ übertragen werden. b) Technik der Lebertransplantation Die Lebertransplantation erfolgt in der Regel in orthotoper Position, d.h. an der Stelle, an der sich die eigene Leber befindet. Es muss deshalb vor der Implantation des neuen Organs die erkrankte Leber des Empfängers entnommen werden.244 Auch ist die Morphologie der Leber bei der Auswahl eines geeigneten Empfängers maßgeblich und muss bei der Allokation ebenfalls berücksichtigt werden. Unter bestimmten Umständen kommt die sog. Splitleberprozedur in Betracht, so dass eine Leber zwei Empfängern zur Verfügung steht. c) Allgemeine Risiken einer Transplantation An zahlreichen Stellen in diesem Kapitel wird auf die Risiken einer Transplantation hingewiesen, sie lassen sich für medizinische Laien wie folgt zusammenfassen: – Transplantatversagen wegen inadäquatem, beschädigten, schlecht präpariertem Organ (primäres Transplantatversagen) – Risiken, welche aus dem Transplantationsprozess hervorgehen – Übertragung von Krankheiten (Infektionen, bösartige Tumoren) – Akute oder spätere Transplantatabstoßung – Kontamination oder Beschädigung des Transplantats während des Transports – Komplikationen bei der Immunsuppression oder anderen konkomitierenden Therapien – Widerauftreten der Grunderkrankung/ursprünglichen Erkrankung245 Darüber hinaus kann auch eine postmortale Organspende psychische Belastungen und Krankheiten hervorrufen, welche mitunter auch eine Bedeu242
Nagel/Schmidt, S. 107 f.; Bechstein/Wullstein, S. 38. Nieren von Kleinkindern. 244 Nagel/Schmidt, S. 147 ff. 245 Guide to safety and quality assurance for the transplantation of organs, tissues and cells, 3rd edition, S. 8 f. 243
C. Organisatorischer Ablauf einer Transplantation
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tung für das Langzeitüberleben des Transplantats haben. Wie Eingangs erwähnt, ist nicht nur das Patientenüberleben sondern auch das Transplantatüberleben Indikator einer erfolgreichen Transplantation. Die Funktionsdauer transplantierter Nieren hat sich in den letzten Jahren aufgrund der erweiterten Behandlungsmöglichkeiten sowie der intensiven Betreuung der Transplantatempfänger kontinuierlich verbessert. So funktionieren heute ein Jahr nach postmortaler Organspende circa 88 Prozent der Nieren. Die Lebensdauer einer transplantierten Niere beträgt heute im Durchschnitt 12 bis 15 Jahre.246 Mitentscheidend für die Funktion und das Überleben des Transplantats ist die Immunsuppression zur Unterbindung der Abstoßungsreaktion.
2. Abstoßungsreaktion und Immunsuppression Die Abstoßungsreaktion ist die natürliche Abwehrreaktion des Körpers auf das fremde Organ. Man unterscheidet dabei zwischen der sog. akuten Abstoßung und der chronischen Abstoßung (= chronisches Transplantatversagen).247 Die sog. hyperakute Abstoßung wegen einer bestehenden Vorsensibilisierung gegen unverträgliche Spenderantigene ist zwar theoretisch möglich, ist aber wegen Durchführung des Crossmatches248 nur noch sehr selten.249 Bei der akuten Abstoßung handelt es sich um eine aufflammende Immun- und Entzündungsreaktion. Die Gefahr einer solchen Abstoßung ist in den ersten drei Monaten nach der Transplantation (Adaptionsphase) am größten.250 Sie kann, muss aber dank moderner Medikamente nicht zur Schädigung des Transplantats oder gar zu dessen Verlust führen. Der Begriff der chronischen Abstoßung wird oft synonym mit einer chronischen Verschlechterung der Transplantatfunktion verwandt. Der Prozess kann wenige Monate bis zu vielen Jahren dauern. Inzwischen wird zunehmend deutlich, dass die Ursachen der chronischen Transplantatdysfunktion (CTD) multifaktoriell sind und nicht rein immunologischer Natur, wie der Begriff 246
Vgl. dazu Kirste, in: Krukemeyer/Lison (Hrsg.), S. 41, 42. Largiarder, S. 56 f.; Nagel/Schmidt, S. 83 f.; Frei/Schindler, in: Handbuch Transplantation, S. 99, 115. 248 Im Falle eines Nieren- oder Pankreasangebots muss vor der endgültigen Vermittlung eine Kreuzprobe (Crossmatch) zwischen Zellmaterial des Spenders und Serum des Empfängers durchgeführt werden, um eine Präimmunisierung des Empfängers gegen HLA-Antigene des Spenders auszuschließen. Hierzu müssen die Seren der Wartelistenpatienten regelmäßig entnommen und an die entsprechenden Labore verteilt werden vgl. Molzahn, in: Handbuch Transplantation, S. 5, 18. 249 Vgl. Nagel/Schmidt, S. 83; Frei/Schindler, in: Handbuch Transplantation, S. 99, 115. 250 Breidenbach, in Handbuch Transplantation, S. 162. 247
84
Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin
der chronischen Abstoßung zunächst vermuten lässt. Die Therapie unterscheidet sich entsprechend der Ursachen.251 Da aber viele Ursachen, welche zum chronischen Transplantatversagen führen, noch nicht geklärt sind, sind auch die Therapiemöglichkeiten begrenzt.252 Um einen Transplantatverlust infolge akuter Transplantatabstoßung zu verhindern und das chronische Transplantatversagen aufzuhalten, ist die eingangs erwähnte Immunsuppression wesentlicher Bestandteil der Nachsorge beim Empfänger. Hier sei darauf hingewiesen, dass erst vor ca. 30 Jahren die Entdeckung von Ciclosporin, einer Substanz, mit der erstmals Abstoßungsreaktionen langfristig unterdrückt und die Überlebenszeiten der transplantierten Organe deutlich verbessert werden konnten, zum entscheidenden Erfolg der Transplantationsmedizin beigetragen hat. Ziel weiterer Forschungen war es, die Immunsuppression noch weiter zu verbessern und andererseits verträglicher zu machen. In den vergangenen 10 Jahren sind weitere Immunsuppressiva wie Tacrolimus, Mycophenolat, Mofetil, Sirolimus entwickelt worden. Häufig werden mehrere dieser Medikamente parallel eingenommen. Trotz alldem führt die Einnahme vom Immunsuppressiva, insbesondere in der ersten Zeit nach der Transplantation, zu einer Schwächung der körpereigenen Abwehr gegen Infektionen. Diese stellen die häufigste Komplikation nach der Organtransplantation dar. Sie sind heute, dank neuer Medikamente gegen bakterielle Infektionen, Viren und Pilze, nicht mehr so bedrohlich. Wie bereits oben dargelegt, führt auch die zunehmende Qualität der Nachsorge zu einer Verbesserung der Funktionsraten. Sie besteht in der lückenlosen regelmäßigen medikamentösen Therapie und Kontrolle des Abwehrsystems. Gleichzeitig gilt es, die Nebenwirkungen253, die Veränderungen von Blutdruck oder Herzfunktion sowie der Laborwerte zu kontrollieren. Gleichsam ist es erforderlich, die Funktion und den Zustand des Implantats regelmäßig zu kontrollieren. Ziel der Nachsorge ist es, den Gesundheitszustand des Patienten und die Funktion des Transplantats möglichst lange zu erhalten. Sie ist in den ersten Wochen und Monaten sehr engmaschig ausgestaltet. Später werden die Abstände der Untersuchungen je nach Gesundheitszustand des Patienten immer länger. All die bereits gewonnen Erkenntnisse zur Immunsuppression und Transplantatvaskulpatie wären ohne medizinwissenschaftliche Forschung und Datensammlung nicht möglich gewesen. Die Medizin ist eine empirische Wissenschaft. Um die Behandlung, insbesondere zukünftiger Transplanta251
Frei/Schindler, in: Handbuch Transplantation, S. 99, 118 f. Breidenbach, in: Handbuch Transplantation, S. 155, 162. 253 Einschränkung der Nieren- oder Leberfunktion sowie leicht erhöhte Rate an Tumorerkrankungen im Langzeitverlauf, vgl. Largiader (Hrsg.), Checkliste Organtransplantation, S. 104. 252
D. Statistiken
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tionspatienten, noch weiter zu verbessern und zu optimieren, ist eine wissenschaftliche Analyse der Transplantationsergebnisse und der postoperativen Behandlung unerlässlich. Hierfür wiederum ist eine umfassende Datenerfassung erforderlich, möglichst sogar noch mit einer Rückkopplung an die entscheidenden Spendermerkmale, insbesondere z. B. beim Einsatz der sog. marginalen Organe.254 Dieses Erfordernis gilt es mit den datenschutzrechtlichen Grundlagen des jeweiligen Landes in Einklang zu bringen. Nur so können die Gründe für eine chronische Transplantatabstoßung weiter erforscht oder aber der Einsatz marginaler Organe optimiert werden. Nur ein ausreichender Datensatz ermöglicht die Erforschung der Faktoren, welche zu einer Verbesserung der Transplantationsergebnisse führen. Bereits an dieser Stelle sei noch auf einige rechtlich relevante Aspekte der Nachsorge hingewiesen. Die Nachsorge erfordert die Mitwirkung und Mitarbeit des Transplantierten. Gerade bei Adoleszenten kommt es besonders häufig zu einer Verweigerung z. B. bei der täglichen Einnahme von Immunsuppressiva.255 Die Frage der Bereitschaft bzw. Fähigkeit zur sog. Compliance hat zu einer breiten Diskussion geführt.256 Daran geknüpft ist die Frage, ob eine Pflicht der Transplantatempfänger besteht, sorgsam mit dem wertvollen (da knappen) Gut umzugehen. Und ebenso die Frage, ob nicht jemanden aufgrund zu erwartender fehlender Compliance der Zugang zu einem Transplantat verwehrt werden kann oder soll.
D. Statistiken Im Anschluss an diese Einführung in die vielfältige Problematik der Transplantationsmedizin soll das Bild durch einige Zahlen abgerundet werden. Sie sind bewusst an das Ende dieser Einführung gestellt worden, da sie wie alle statistischen Größen nicht nur interpretationsfähig, sondern auch interpretationsbedürftig sind. So erklären sich die verhältnismäßig niedrigen Wartelistenzahlen in der Tschechischen Republik, nicht allein durch die höheren Organspendezahlen, sondern auch durch die erhebliche Selektion der Patienten beim Zugang zur Warteliste.257
254 255 256 257
Vgl. dazu unten, Kapitel 2, B. I. 2. b) ff) (2). Nonnast-Daniel, Transplantationsmedizin 2005/17, 22 ff. Vgl. dazu Kapitel 2, B. III. 1 d) aa). Vgl. dazu Kapitel 3, B. III. 1.
86
Kap. 1: Medizinische Grundlagen der Transplantationsmedizin Tabelle 1.2. Ausgesuchte Werte in Deutschland und in der Tschechischen Republik258
Größe
Deutschland
Tschechische Republik
82,4
10,3
Anzahl der Organspenden
1259
192
Anzahl der Organspenden pro 1 Mio. Einwohner
15,3
18,8
Multiorgan in Prozent
81,8
54,4
0
2 (0,2)
2776 (33,7)
395 (38,8)
18,8
9,3
522 (18,8)
33 (3,2)
1063 (12,9)
99 (9,6)
8261
1
83262 (1,01)
1 (0,1)
Einwohnerzahl 2006 in Mio. Organspenden: 2006
NHBD in absoluten Zahlen (pmp in Klammern) Niere: 2006 Anzahl der Nierentransplantationen259 (pmp in Klammern) Anteil der Nierenlebendspenden Prozent Anzahl der Lebendspenden (pmp in Klammern) Leber: 2006 Anzahl der Lebertransplantationen260 (pmp in Klammern) Anteil der Lebersegmentspenden Prozent Anzahl der Lebendspenden (pmp in Klammern)
258
Zahlen sofern nicht anderweitig angegeben entstammen aus Newsletter Transplant 2007, Vol. 12 No 1 International Figures on organ donation and transplantation, Council of Europe, www.ont.es./noticiasHome/ficherosPDF/NEWSLETTER. pdf. Die Zahlenwerte pmp wurden von der Bearbeiterin berechnet um eine Vergleichbarkeit der unterschiedlich großen Länder zu erzielen. 259 Einschließlich Lebendspendetransplantationen. 260 Einschließlich Lebendspendetransplantationen. 261 Quelle: www.dso.de. 262 Quelle: www.dso.de.
D. Statistiken Größe
87 Deutschland
Tschechische Republik
11879 (145)
797 (77)
Anzahl der Patienten die für eine Nierentransplantation zum Stichtag 31.12.2006/ 31.12.2004264 registriert waren (pmp in Klammern)
8473 (103)
608 (59)
Anzahl der Patienten die für eine Lebertransplantation zum Stichtag 31.12.2006/registriert waren (pmp in Klammern)
1855 (23)
46 (4,5)
Nierenprogramme
40
7
Leberprogramme
23
2
Wartelistenzahlen: Aktive Warteliste zum Stichtag 31.12.2006/31.12.2004263 für alle Organe (pmp in Klammern)
Transplantationszentren 2006:
263 Für die Tschechische Republik gab es für 2005 und 2005 keine validen Daten, so dass hier auf die Zahlen von 2004 aus Zahlen dem Newsletter Transplant 2005, Vol. 12 No 1 International Figures on organ donation and transplantation, Council of Europe, www.ont.es./noticiasHome/ficherosPDF/NEWSLETTER.pdf. zurückgegriffen werden musste, diese unterscheiden sich aber aller Erfahrung nach nicht wesentlich innerhalb einiger Jahre. 264 Für die Tschechische Republik gab es für 2005 und 2005 keine validen Daten, so dass hier auf die Zahlen von 2004 aus Zahlen dem Newsletter Transplant 2005, Vol. 12 No 1 International Figures on organ donation and transplantation, Council of Europe, www.ont.es./noticiasHome/ficherosPDF/NEWSLETTER.pdf. zurückgegriffen werden musste, diese unterscheiden sich aber aller Erfahrung nach nicht wesentlich innerhalb einiger Jahre, vgl. dazu auch Kapitel 3, B. III. 1.
Kapitel 2
Rechtliche Ausgestaltung der Organspende und Transplantation in der Bundesrepublik Deutschland In Kapitel 2 werden zunächst die normativen Grundlagen der Transplantationsmedizin und die Organisation der postmortalen Organspende in der Bundesrepublik dargestellt. Den ersten Schwerpunkt der Bearbeitung bilden die Regelungen zum Tod des Organspenders sowie dessen Zustimmung zur Organentnahme. Den zweiten Schwerpunkt bilden die Allokationsregeln. Der letzte Teil dieses Kapitels befasst sich mit der gesetzlichen Ausgestaltung der Lebendspende.
A. Normative Grundlagen der Organspende und Transplantation Im ersten Teil werden die normativen Grundlagen der Organspende und Transplantation dargestellt.
I. Transplantationsgesetz und dessen Anwendungsbereich Normative Grundlage der Organspende und Transplantation in der Bundesrepublik ist das am 1.12.1997 in Kraft getretene Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen (Transplantationsgesetz – TPG). Das TPG hatte trotz des hohen gesundheitspolitischen Stellenwertes der Thematik und der Vielzahl der Befürworter einer gesetzlichen Regelung eine ungewöhnlich lange Vorlaufzeit von fast einem Vierteljahrhundert.1 Am 01. August 2007, also rund zehn Jahre nach Inkrafttreten des TPG, trat das Gesetz über Qualität und Sicherheit von menschlichen Geweben und Zellen (Gewebegesetz) in Kraft. Das Gewebegesetz dient in erster Linie der Umsetzung der Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und 1
Zur Entstehungsgeschichte des TPG vgl. König, in: Schroth/König/Gutmann/ Oduncu, Einl., Rn. 2 ff.; Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, Einführung, Rn. 18 ff.; Rixen, in: Höfling (Hrsg.), § Einführung, Rn. 1 ff.; Sasse, in: Barta/Weber, S. 105 ff.
A. Normative Grundlagen der Organspende und Transplantation
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des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichem Gewebe und Zellen (Geweberichtlinie).2 Auf Grundlage dieser Richtlinie sind zwei Durchführungsrichtlinien erlassen worden3, welche ebenfalls umsetzungspflichtig waren. Das Gewebegesetz sieht zahlreiche Änderungen des Transplantationsgesetzes vom 5. November (TPG) 1997 sowie des Arzneimittelgesetzes (AMG) vor. Die rechtliche Ausgestaltung der Spende, Entnahme und Übertragung vermittlungspflichtiger Organe4 bleibt von diesen Änderungen aber unberührt. Der Deutsche Bundestag hat aber das Bundesministerium für Gesundheit gebeten, den weiteren Fortgang der Transplantationsmedizin auf Grundlage der Erfahrungen der beteiligten Stellen zu evaluieren und sodann dem Deutschen Bundestag im Jahre 2008 einen Bericht zur Situation der Transplantation in Deutschland vorzulegen, der insbesondere Fragen der Gewinnung und Vermittlung von Organen sowie gegebenenfalls möglichen Änderungsbedarf aufzeigt.5 Neu – und auch mit Blick auf die Regelungen betreffend solider Organe erwähnenswert – ist der Katalog der Begriffsbestimmungen in § 1 a TPG. Während früher gemäß der Klammerdefinition Organe i. S. des TPG sowohl menschliche Organe als auch Organteile und Gewebe waren, sind Organe nunmehr in § 1 a Nr. 1 TPG und Gewebe in § 1 a Nr. 4 TPG legaldefiniert. In einem Rundschreiben an die obersten Landesbehörden vom 14. März 2008 hat das Bundesgesundheitsministerium zudem zur Abgrenzung des Organbegriffs (§ 1 a Nr. 1 TPG) vom Gewebebegriff (§ 1 a Nr. 4 TPG) Stellung genommen. Danach bilden Gefäße, die unmittelbar mit einem Organ verbunden und für eine erfolgreiche Übertragung des Organs auf einen anderen Menschen erforderlich sind, mit dem Organ eine funktionale Ein2
Vgl. BT-Drucks. 16/3146, S. 21. Richtlinie 2006/17/EG der Kommission vom 8. Februar 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichem Gewebe und Zellen und Richtlinie 2006/86/EG der Kommission vom 24. Oktober 2006 zur Umsetzung der Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 hinsichtlich der Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit, der Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und unerwünschter Reaktionen sowie bestimmter technischer Anforderungen an die Kodierung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen. 4 Vgl. § 1 b Nr. 2 TPG. 5 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu der dritten Beratung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung – Drucksache 16/3146 – Entwurf eines Gesetzes über Qualität und Sicherheit von menschlichen Geweben und Zellen (Gewebegesetz) vom 16.05.2007. 3
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
heit und unterfallen somit dem Organbegriff. Ebenso die vermittlungspflichtigen Organe, welche früher in § 9 TPG definiert waren, sind jetzt in § 1 a Nr. 3 TPG legaldefiniert. Nach wie vor erstreckt sich der Anwendungsbereich des TPG gemäß § 1 TPG lediglich auf Organe und Gewebe menschlichen Ursprungs. Die Regelungen des TPG gelangen ferner nur zur Anwendung, soweit die Organe und Gewebe zum Zwecke der Übertragung auf andere Menschen entnommen werden.6 Neu ist, dass der Anwendungsbereich auf embryonale und fetale Organe und Gewebe erweitert wurde. Eine entsprechende Regelung der Entnahme bei toten Embryonen und Föten findet sich nunmehr in § 4 a TPG. Neben der allogenen (früher homogene, homologe) Transplantation, also einer Transplantation, bei der ein Transplantat von einem Organismus auf einen anderen artengleichen Organismus im Wege operativer Einpflanzung übertragen wird7, finden sich in § 8 c TPG Sonderregelungen für die sog. autologe Transplantation. Bei der autologen Transplantation wird ein Transplantat lediglich an eine andere Stelle desselben Organismus verpflanzt.8 Ebenfalls neu sind die Regelungen zur allogenen Knochenmarkstransplantation in § 8 a TPG. Folglich hat sich der Anwendungsbereich des TPG durch das Gewebegesetz erheblich erweitert. Schließlich bleibt noch anzumerken, dass die sog. Xenotransplantation (Übertragung tierischer Organe, Organteile und Gewebe auf den Menschen) nicht vom TPG erfasst wird.9 Die Xenotransplantation richtet sich nach dem Arzneimittelgesetz (AMG), den §§ 223 ff. StGB und dem ärztlichen Berufsrecht, wobei sich die Zulässigkeit der Entnahme tierischer Organe nach dem Tierschutzgesetz richtet.10 Der überwiegende Teil der neuen Regelungen im TPG befasst sich mit der Entnahme, Gewinnung sowie Untersuchung, Aufbereitung, Be- oder Verarbeitung, Konservierung, Kennzeichnung, Verpackung und Aufbewahrung von Gewebe. In § 1 a Nr. 8 TPG ist die sog. Gewebeeinrichtung legaldefiniert. Zahlreiche Neuregelungen des Gewebegesetzes haben die Rechte und Pflichten der Gewebeeinrichtungen zum Inhalt (vgl. §§ 7, 8 d, 8 e, 8 f TPG). § 16 a TPG enthält eine Verordnungsermächtigung, welche das Bundesministerium für Gesundheit ermächtigt, Anforderungen an Qualität und Sicherheit der Entnahme von Geweben und deren Übertragung zu regeln. Von dieser Ermächtigung hat das Minis6 Vgl. Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 1 TPG, Rn. 3 zur Regelung vor Inkrafttreten des Gewebegesetzes. 7 Vesting/Müller, MedR 1996, 203 f. 8 Vesting/Müller, MedR 1996, 203 f. 9 Die Xenotransplantation befindet sich noch im experimentellen Stadium. Die große Hoffnung liegt darin, mit ihrer Hilfe eines Tages die Probleme der Organknappheit zu überwinden. Doch abgesehen von ethischen Problemen und der massiven Abstoßungsproblematik sind noch viele andere Probleme, wie z. B. die potentielle Übertragung von tierischen Erregern auf den Menschen, nicht gelöst. 10 Vgl. Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 1 TPG, Rn. 8.
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terium bereits Gebrauch gemacht. Gleichzeitig kann die Bundesärztekammer gemäß § 16 b TPG Richtlinien zum Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zur Entnahme von Geweben und deren Übertragung erlassen.
II. Landesausführungsgesetze der Länder Das Gebiet der Organtransplantation gehört gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG zur konkurrierenden Gesetzgebung. Nach Art. 71 GG haben die Länder im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund nicht von seiner Gesetzgebungsbefugnis durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Der Bund hat die Organtransplantation größtenteils durch das TPG, welches am 1.12.1997 in Kraft getreten ist, gesetzlich geregelt. Raum für Regelungsmöglichkeiten der Länder verbleibt vornehmlich auf folgenden Gebieten: – Bestimmung der für die Aufklärungsarbeit zuständigen Stellen, neben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und der Krankenkassen, § 2 Abs. 1 TPG – Regelung für die Kommissionen zur Prüfung der Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit der Lebendspende, insbesondere Zusammensetzung der Kommissionen, Verfahren und Finanzierung, § 8 Abs. 3 TPG – Anerkennung der Transplantationszentren, § 10 TPG – Schaffung struktureller Grundlagen für die Zusammenarbeit der Krankenhäuser, der Transplantationszentren und der Koordinierungsstelle zur Organisation der Organentnahme, insbesondere die Festlegung von Rahmenbedingungen für die Bestellung von Transplantationskoordinatoren in den Krankenhäusern, § 11 Abs. 4 TPG.11 Einen konkreten Gesetzgebungsauftrag auf Landesebene enthält das TPG nur in § 8 Abs. 3 Satz 4 TPG im Hinblick auf die Errichtung einer Ethikkommission zur Überprüfung der Lebendspende.12 Hinsichtlich der in den §§ 10 und 11, insbesondere Abs. 4, normierten Pflichten der Transplantationszentren und Spenderkrankenhäusern stellt die Gesetzesbegründung klar, dass es Aufgabe der Länder ist, im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenz 11 Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, B – TPG – Ausführungsregelungen, Einführung, S. 1. 12 Um den Ländern die für die Regelung der Kommission erforderliche Zeit zu gewähren, wurde der Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 8 III S 2 und 3 TPG gemäß § 26 I S. 2 TPG auf den 1.12.1999 gelegt. Ab diesem Zeitpunkt ist daher eine Lebendspende in Bundesländern, die die Kommission landesrechtlich nicht geregelt und eingesetzt haben, rechtlich nicht mehr zulässig.
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
zur Krankenhausplanung und -finanzierung die strukturellen Grundlagen für die Zusammenarbeit nach § 11 Abs. 4 TPG zu sichern.13 Dabei kann z. B. bestimmt werden, dass die Mitteilung nach § 11 Abs. 4 Satz 2 TPG zum Versorgungsauftrag der Transplantationszentren und der anderen Krankenhäuser gehört. Ebenso können die strukturellen Voraussetzungen für die Bestellung von Transplantationskoordinatoren in den Transplantationszentren und von Transplantationsbeauftragten in anderen Krankenhäusern festgelegt werden.14 Seit Inkrafttreten des TPG sind, wie bereits an anderer Stelle erwähnt, zahlreiche Ausführungsgesetze zum Transplantationsgesetz auf Länderebene verabschiedet worden. Allerdings in unterschiedlicher Ausgestaltung. So verfügen derzeit Rheinland-Pfalz, Bayern, Sachsen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, das Saarland und seit kurzem auch NordrheinWestfalen und Schleswig-Holstein über entsprechende Ausführungsgesetze. Bis auf das Saarländische Ausführungsgesetz ist in all diesen Landesgesetzen die Etablierung von Transplantationsbeauftragen vorgesehen. In BadenWürttemberg ist mit § 30 b des Landeskrankenhausgesetzes am 1. Februar 2006 ebenfalls eine Regelung zu den Transplantationsbeauftragten ergangen. Insbesondere in den erst kürzlich verabschiedeten Landesregelungen in Sachsen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein wird die Position des Transplantationsbeauftragten genauestens durch Rechte und Pflichten definiert und erheblich gestärkt. Nachfolgende Übersicht gibt den Stand der Ausführungsgesetze zum TPG von Januar 2008 wieder.
Gesetzliche Regelung
Regelungsinhalt der Gesetze
Baden-Württemberg: Kammergesetz vom 16. März 1996 zuletzt geändert durch, BWGBl. 1995, Nr. 13 v. 17.05.1995, 31315
Zusammensetzung, Verfahren und Finanzierung der Kommission nach § 8 Abs. 3 Satz 2 TPG
Gesetz zur Änderung des Kammergesetzes vom 25.11.1999, BWGBl. 1999, Nr. 19 v. 30.11.1999, 453 Bestellung von TransplantationsbeaufGesetz zur Änderung des Landeskrankenhausgesetzes vom 14. Februar 2006, tragten (§ 30b) 16 BWGBl. 2006, Nr. 2 v. 17.02.2006, 18
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BT-Drucks. 13/4355, S. 25. BT-Drucks. 13/4355, S. 25. 15 Zusammensetzung, Verfahren und Finanzierung der Kommission nach § 8 Abs. 3 Satz 2 TPG. 16 Bestellung von Transplantationsbeauftragten (§ 30b). 14
A. Normative Grundlagen der Organspende und Transplantation Gesetzliche Regelung
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Regelungsinhalt der Gesetze
Bayern: Gesetz zur Ausführung des Transplantationsgesetzes und des Transfusionsgesetzes (AGTTG) vom 24. Nov. 1999, BayGVBl. 1999, Nr. 25 v. 30.11.1999, 463
– Zusammensetzung und Verfahren der Kommission nach § 8 Abs. 3 Satz 2 TPG – Annerkennung von Transplantationszentren – Bestellung von Transplantationsbeauftragten – Zuständigkeiten
Verordnung über die Vergütung für die Tätigkeit der Transplantationsbeauftragten nach Art. 9 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes zur Ausführung des Transplantationsgesetzes und des Transfusionsgesetzes (Transplantationsbeauftragtenvergütungsverordnung – TBV), BayGVBl. 2001, Nr. 26 v. 31.12.2001, 1075 geändert durch Verordnung vom 13. Dezember 2005, BayGVBl. 2005, Nr. 26 v. 31.12.2005, 696
Finanzierung der Transplantationsbeauftragten
Verordnung über die Höhe der VerFinanzierung der Kommission nach § 8 gütung nach Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes Abs. 3 Satz 2 TPG zur Ausführung des Transplantationsgesetzes und des Transfusionsgesetzes (AGTTG) und über die Kostenerstattung nach Art. 5 Abs. 2 AGTTG, BayGVBl. 2001, Nr. 12 v. 29.06.2001, 310 Berlin: 8. Gesetz zur Änderung des Berliner Kammergesetzes vom 5. Oktober 1999 (§ 4 d), GVBl. für Berlin 55, Nr. 42 v. 09.10.1999, 537
Zusammensetzung und Verfahren der Kommission nach § 8 Abs. 3 Satz 2 TPG
Brandenburg: Verordnung zur Ausführung des Transplantationsgesetzes (TPGAV) vom 9. Dez. 1999, GVBl. II./2000 Nr. 2 v. 28.01.2000, 24
Zusammensetzung und Verfahren der Kommission nach § 8 Abs. 3 Satz 2 TPG
(Fortsetzung Seite 94)
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
(Fortsetzung) Gesetzliche Regelung
Regelungsinhalt der Gesetze
Bremen: Gesetz über die Berufsvertretung, die Zusammensetzung, Verfahren und Berufsausübung, die Weiterbildung und Finanzierung der Kommission nach Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahn§ 8 Abs. 3 Satz 2 TPG ärzte Psychotherapeuten, Tierärzte und Apotheker (Heilberufsgesetz) in der Fassung vom 5. Januar 2000, BremGBl. 2000 Nr. 3 v. 28.01.2000, 9 Hamburg: Hamburgisches Kammergesetz für die Zusammensetzung und Verfahren der Heilberufe (HmbKGH) vom 14. Dezem- Kommission nach § 8 Abs. 3 Satz 2 ber 2005, Hamburgisches GVBl. 2005, TPG Nr. 42 v. 20.12.2005, 495 Hessen: Hessisches Gesetz zur Ausführung des Transplantationsgesetzes (HAGTPG) vom 29. Nov. 2000, GVBl. I 2000 Nr. 27 v. 06.12.2000, 514 zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes zur Ausführung des Transplantationsgesetzes vom 14. Dezember 2006, GVBl. I 2006 Nr. 24 v. 27.12.2006, 711 Verordnung über die Höhe der Aufwandsentschädigung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 und die Kostenerstattung nach § 3 Abs. 2 des Hessischen Gesetzes zur Ausführung des Transplantationsgesetzes vom 19. März 2001, GVBl. I 2001 Nr. 9 v. 10.04.2001
– Zusammensetzung und Verfahren und der Kommission nach § 8 Abs. 3 Satz 2 TPG – Bestellung von Transplantationsbeauftragten
– Finanzierung der Kommission nach § 8 Abs. 3 Satz 2 TPG
Mecklenburg-Vorpommern: Landesverordnung zur Regelung von Kompetenzverteilung zwischen SozialZuständigkeiten und zur Übertragung ministerium und Ärztekammer von Verordnungsermächtigungen nach dem Transplantationsgesetz (Zuständigkeitslandesverordnung zum Transplantationsgesetz – ZustLVOTPG M-V) vom 7. Juni 1999 (GS Meckl.-Vorp. Gl. Nr. 200-1-127), GVOBl. M.-V. 1999 Nr. 13 v. 25.06.1999, 402
A. Normative Grundlagen der Organspende und Transplantation Gesetzliche Regelung
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Regelungsinhalt der Gesetze
Gesetz zur Ausführung des Transplanta- – Zusammensetzung, Verfahren und tionsgesetzes (TransplantationsausfühFinanzierung der Kommission nach rungsgesetz – TPGAG M-V) vom § 8 Abs. 3 Satz 2 TPG 24. November 2000 (GS Meckl.-Vorp. – Bestellung von TransplantationsGl. Nr. 212-7), GVOBl. M.-V 2000. beauftragten Nr. 19 v. 29.11.2000, 541 Niedersachsen: Kammergesetze für die Heilberufe und Zusammensetzung und Verfahren der zur Errichtung einer Psychotherapeuten- Kommission nach § 8 Abs. 3 Satz 2 kammer vom 19. Juni 1996 zuletzt ge- TPG ändert durch Gesetz vom 16. Dez. 1999, Nds.-GVBl. Nr. 25/1999 v. 23.12.1999, 423 Nordrhein-Westfalen: Gesetz zur Ausführung des Transplanta- Zusammensetzung, Verfahren und tionsgesetzes (AG-TPG) vom 9. Nov. Finanzierung der Kommission nach 1999, GVBl.-NRW 1999 Nr. 45 v. § 8 Abs. 3 Satz 2 TPG 19.11.1999, 599 Geändert durch Gesetz zur Änderung Anpassung der Entschädigungsregelung von landesrechtlichen Vorschriften aus in § 1 Abs. 6 AG-TPG Anlass des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Landeskostenänderungsgesetz – LKostÄndG) vom 5. April 2005, GVBl.-NRW 2005 Nr. 19 v. 04.05.2005, 408 Zuletzt geändert durch KrankenhausBestellung eines Transplantationsgestaltungsgesetz des Landes Nordrhein- beauftragten Westfalen (KHGG NRW) und Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Transplantationsgesetzes (AG-TPG vom 11. Dezember 2007, GVBl.-NRW 2007 Nr. 34 v. 28.12.2007, 702 Rheinland-Pfalz: Landesgesetz zur Ausführung des Trans- – Zusammensetzung, Verfahren und plantationsgesetzes (AGTPG) vom 30. Finanzierung der Kommission nach November 1999, GVBl. Rheinland-Pfalz § 8 Abs. 3 Satz 2 TPG 1999 Nr. 23 v. 10.12.1999, 424 – Bestellung von Transplantationsbeauftragten (Fortsetzung Seite 96)
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
(Fortsetzung) Gesetzliche Regelung
Regelungsinhalt der Gesetze
Abgelöst durch: Kooperationsvereinbarung RheinlandPfalz zur Förderung der postmortalen Organ- und Gewebespende vom 26. Oktober 2006
Konkretisierung der Aufgaben der Krankenhäuser nach § 11 Abs. 3 TPG und umfangreiche Unterstützung der Krankenhäuser bei Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 11 Abs. 4 TPG durch die DSO
Saarland: Saarländisches Ausführungsgesetz zum Transplantationsgesetz (AGTPG) vom 26. Januar 2000, Saarl. AmtsBl. v. 02.06.2000, 886 Verfahrensordnung nach § 2 Abs. 5 des Saarländischen Ausführungsgesetzes zum Transplantationsgesetz (erlassen durch die Lebendspendekommission)
– Aufklärung der Bevölkerung, Bereithaltung von Organspendeausweisen – Zusammensetzung, Verfahren und Finanzierung der Kommission nach § 8 Abs. 3 Satz 2 TPG – Detaillierte Regelung des Verfahrens der Kommission nach § 8 Abs. 3 Satz 2 TPG
Sachsen: Sächsisches Ausführungsgesetz zum Transplantationsgesetz (SächsAGTPG) vom 7. Nov. 2005, Sächs. GVBl. 2005 Nr. 9 v. 25.11.2005, 274
– Zusammensetzung, Verfahren und Finanzierung der Kommission nach § 8 Abs. 3 Satz 2 TPG – Bestellung von Transplantationsbeauftragten
Sachsen-Anhalt: Gesetz zur Änderung des Gesundheitsdienstgesetzes vom 14. Juni 2000, GVBl. Sachsen-Anhalt 21/2000 v. 20.06.2000, 424
Verordnungsermächtigung für das Ministerium für Arbeit, Frauen, Gesundheit und Soziales; hiervon wurde jedoch noch kein Gebrauch gemacht
Schleswig-Holstein: Schleswig-Holsteinisches Gesetz zur Ausführung des Transplantationsgesetzes vom 09.04.2008 (GS Schl.-H. II, Gl. Nr. 212-2)
– Zusammensetzung, Verfahren und Finanzierung der Kommission nach § 8 Abs. 3 Satz 2 TPG – Bestellung von Transplantationsbeauftragten
Thüringen: Thüringer Heilberufegesetz (ThürHeilBG) 29. Januar 2002, GVBl. Thür. 2002 Nr. 2 v. 07.02.2002, 125
– Zusammensetzung, Verfahren und Finanzierung der Kommission nach § 8 Abs. 3 Satz 2 TPG
A. Normative Grundlagen der Organspende und Transplantation
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III. Richtlinien der BÄK Die Bundesärztekammer hat eine Vielzahl von Richtlinien zur Organspende und zur Organtransplantation verabschiedet. 1. Die Richtlinien gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 TPG § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 TPG ermächtigt die Bundesärztekammer, Richtlinien zu unterschiedlichen Fragestellungen der Organspende und -transplantation zu erlassen. Dies sind: Gemäß § 16 Abs. 1 Satz Nr. 1 TPG die Regeln zur Feststellung des Todes nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 TPG und die Verfahrensregeln zur Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG, einschließlich der dazu jeweils erforderlichen ärztlichen Qualifikation, welche als Richtlinien zur Feststellung des Hirntodes – Dritte Fortschreibung 1997 mit Ergänzungen gemäß Transplantationsgesetz – umgesetzt wurde.17 Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TPG die Regeln zur Aufnahme in die Warteliste nach § 10 Abs. 2 Nr. 2, einschließlich der Dokumentation der Gründe für die Aufnahme oder die Ablehnung der Aufnahme und § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TPG, die Regeln zur Organvermittlung nach § 12 Abs. 3 Satz 1, welche in der Richtlinie zur Organtransplantation in der Fassung vom 28.02.2003 verabschiedet wurden und organspezifische Regelungen zur Warteliste und Organvermittlung enthält.18 Die Richtlinie hat seitdem zahlreiche Änderungen erfahren. Die jeweils aktuellste Fassung findet sich auf der Homepage der BÄK19 und wird jeweils im Deutschen Ärzteblatt publiziert. Zehn Jahre Inkrafttreten des TPG ist die Richtlinie zur ärztlichen Beurteilung nach § 11 Abs. 4 Satz 2 TPG (Beurteilung der Spendereignung) gemäß 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TPG im Dezember 2007 ergangen.20 Sie regelt unter 1. die ärztlichen Konsile zu transplantationsmedizinischen Fragen und Mitteilungen möglicher Organspende und wiederholt unter 2., dass die Hirntodfeststellung Bedingung der postmortalen Organspende ist. Unter 3. finden sich Ausführungen zur Beurteilung von Verstorbenen als mögliche 17 DÄBl. 95, Heft 30, 24. Juli 1998 (53), A–1861 ff. Diese Richtlinie wurde seitdem nicht geändert. 18 Dadurch wurden die bis dahin geltenden Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 5 TPG aufgehoben. 19 Wegen der ständigen Fortschreibung dieser Richtlinien sei für die jeweils aktuelle Fassung auf http://www.bundesaerztekammer.de/30/Richtlinien/Richtidx/ Organ/10OrgantransNeu/Organtransplantation.pdf hingewiesen. 20 DÄBl. 104, Heft 49, 7. Dezember 2007, A–3428 ff.
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
Organspender sowie zu deren Akzeptanz unter 4. Des Weiteren finden sich unter 5. Hinweise zu Maßnahmen in der Zeit zwischen der abgeschlossenen Todesfeststellung und der Entscheidung über eine Organentnahme und unter 6. zum Angehörigengespräch. Ebenfalls verspätet ist die Richtlinie zur medizinischen Beurteilung von Organspendern und zur Konservierung von Spenderorganen gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 a und 4 b TPG am 29.10.2005 in Kraft getreten. Diese Richtlinie enthält, anders als der Titel vermuten lässt, keine Angaben zur Beurteilung der Spendereignung. Gemäß der Gesetzesbegründung wären dies die Kriterien, ob eine Spende von Herz, Niere, Leber, Lunge, Pankreas oder Darm in Betracht kommt (z. B. absolute Kontraindikationen) und ob medizinische Maßnahmen zur Erhaltung der Transplantierfähigkeit dieser Organe für eine gewisse Zeit möglich sind, um während dieser Zeit die Zulässigkeit einer vorgesehenen Organentnahme zu klären.21 Die Richtlinie zur medizinischen Beurteilung von Organspendern und zur Konservierung von Spenderorganen gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 a und 4 b TPG regelt in Anlage 1 die Untersuchungen und Verlaufsdaten, die für die Meldung von Organspendern notwendig sind. Dies war bislang nur im Vertrag nach § 11 Abs. 2 TPG in der Anlage zu Nr. 2 Abs. 3 letzter Satz des Vertrags geregelt. Aus den durchzuführenden Untersuchungen lassen sich aber keine Kriterien für die Spendereignung ablesen. Unter 3. werden die Anforderungen an die Qualität der entnommenen Organe und Qualifikation des explantierenden Arztes geregelt. Die Anforderungen an die Gewebetypisierung bei Empfänger und Spender sowie die lymphozytäre Kreuzprobenuntersuchung (Cross-Match) sind unter 4. dargelegt. Die Anforderungen an die Transplantatkonservierung finden sich unter 5. und an die Organaufbereitung unter Punkt 6. Die Anforderungen an die Aufbewahrung unter 7. und schließlich unter 8. an die Beförderung. Punkt 9 regelt die Dokumentation des Organspendeprozesses. Bereits am 28.08.2001 ist die Richtlinie „Anforderungen an die im Zusammenhang mit einer Organentnahme und -übertragung erforderlichen Maßnahmen zur Qualitätssicherung“ in Kraft getreten, welche auf § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 TPG zurückgeht. Eine Umsetzung dieser Richtlinie in der Praxis ist aber noch immer nicht erfolgt. Die Vorschrift des § 16 Abs. 1 Satz 2 TPG soll die Wirkung von Richtlinien der BÄK als Entscheidungshilfen im Hinblick auf die Verpflichtung des Arztes zur gewissenhaften Berufsausübung verdeutlichen. Es gilt im Einzelfall die widerlegbare Vermutung, dass bei Beachtung der Richtlinien der Stand der medizinischen Wissenschaft eingehalten ist.22 21
BT-Drucks. 13/4355 S. 28.
A. Normative Grundlagen der Organspende und Transplantation
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2. Sonstige Richtlinien der BÄK zur Organspende und -transplantation Neben diesen explizit im TPG vorgesehenen Richtlinien hat die BÄK die Richtlinie für die Transplantation außerhalb des Bereichs von Eurotransplant International Foundation entnommener Organe in Deutschland verabschiedet.23 Dieser Richtlinie fehlt, anders als den nach § 16 Abs. 1 Satz 1 TPG erlassenen Richtlinien, die parlamentsgesetzliche Legitimationsgrundlage und Anerkennung24 bzw. die Verbindlichkeit.25 Ebenso hat die BÄK zahlreiche weitere Empfehlungen und Stellungnahmen auf dem Gebiet der Organtransplantation erlassen. So z. B. die Empfehlungen für die Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern und Transplantationszentren bei der postmortalen Organentnahme,26 Organentnahme nach Herzstillstand („Nonheart-beating donor“)27 und Empfehlungen zur Lebendorganspende.28 Diese Empfehlung der BÄK lässt sich als bloße Fortführung der allgemeinen Grundsätze zur ärztlichen Aufklärungspflicht begreifen.29 Nach eigenen Angaben der BÄK wollen Empfehlungen und Stellungnahmen der BÄK die Aufmerksamkeit der Ärzteschaft und der Öffentlichkeit auf änderungsbedürftige und beachtenswerte Sachverhalte lenken. Sie haben folglich keinerlei Bindungswirkung. 3. (Verfassungs-)rechtliche Zulässigkeit gesetzesvertretender Richtlinien der BÄK Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Richtlinienkompetenz der Bundesärztekammer ist im Allgemeinen30 sowie im Speziellen, also auch im Rahmen ihrer Richtlinienkompetenz gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 TPG31, umstritten und noch nicht abschließend geklärt.32 Darauf wird im Rahmen der Erörterung der Allokationsrichtlinien noch zurückzukommen sein.33 22
BT-Drucks. 13/4355 S. 29. Richtlinien für die Transplantation außerhalb des ET-Bereichs postmortal entnommener Organe in Deutschland, DÄBl. 97 (2000), A 3290. 24 Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 12 TPG, Rn. 20. 25 Taupitz, NJW 2003, 1145, 1147. 26 DÄBl. 96 (1999), A 2044–2046. 27 DÄBl. 95 (1998), A 3235. 28 DÄBl. 97 (2000), A 3287–3288. 29 Sasse, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 2 TPG, Rn. 43. 30 Vgl. Krüger, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 3 TPG, Rn. 14; Heberlein, S. 143 ff. 31 Vgl. dazu: Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 16 TPG, Rn. 16 ff.; Lang, MedR 2005, 269 ff.; Taupitz, NJW 2003, S. 1145 ff.; Gutmann, NJW 2002, 3365 ff. 32 Vgl. Krüger, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 3 TPG, Rn. 14. 23
100
Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
B. Postmortale Organspende I. Organspende als Gemeinschaftsaufgabe der beteiligten Akteure und Institutionen Kaum eine medizinische Behandlung umfasst so viele Akteure wie die Organtransplantation aufgrund einer postmortalen Organspende. Dies liegt in der Natur der Sache, da zwingendes Erfordernis einer Organtransplantation die Organspende ist. Es bedarf also eines Spenders, welcher in einem Krankenhaus mit Intensivstation oder Beatmungsbett im Hirntod bei gleichzeitiger apparativer Aufrechterhaltung der Herzkreislauffunktionen verstirbt. Bei diesem Krankenhaus spricht man vom sog. Spenderkrankenhaus, auch wenn es zum Teil verwaltungsorganisatorisch mit dem Transplantationszentrum identisch sein kann und im Einzelfall sogar in eben diesem Krankenhaus in seiner Funktion als Transplantationszentrum auch die Implantation des explantierten Organs erfolgt. Und zwar in dem Fall, dass einem Patienten dieses Transplantationszentrums (= Krankenhauses) ein Organ durch die Vermittlungsstelle Eurotransplant International Foundation (ET) zugeteilt wird. Die Mitarbeiter des Spenderkrankenhauses spielen also eine entscheidende Rolle. Ferner müssen durch die Regelung der postmortalen Organspende die Rechte des Spenders gewahrt werden. Dazu gehört unter anderem, dass die Zulässigkeit einer Organentnahme von der Zustimmung des Verstorbenen abhängt. In der überwiegenden Zahl der Fälle in der Praxis obliegt es den nächsten Angehörigen oder diesen gleichgestellten Personen, über die Zulässigkeit einer Organtransplantation zu entscheiden und somit das postmortale Persönlichkeitsrecht des Spenders, welches über Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt ist, durch Wahrnehmung ihres Totensorgerechts34, bei dem es sich um ein absolutes Recht im Sinne von §§ 823, 1004 BGB handelt,35 zu vertreten.36 Ebenso an dem Spendeprozess beteiligt ist die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO), welche diesen begleitet und organisiert. Sie ist spätestens nach Abschluss der Hirntoddiagnose gemäß § 11 Abs. 4 Satz 2 TPG im Falle eines potentiellen Organspenders zu benachrichtigen, kann aber auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Wege des beratenden Konsils in den Prozess eingebunden werden. Die DSO liefert alle für eine Organvermittlung entscheidenden Spenderdaten an ET. ET ist wiederum für die Auswahl eines geeigneten Empfängers für das gemeldete Spenderorgan zuständig. Die Explantation 33
Vgl. dazu unten, Kapitel 2, B. III. 2. c) bb). BT-Drucks. 13/8027, S. 10. 35 LG Kiel, Urt. vom 5.7.1985, FamRZ 1986, 56, 57 f.; Krüger, in: Miserok/ Sasse/Hall/Seidenath, § 4 TPG, Rn. 59. 36 Vgl. Krüger, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 4 TPG, Rn. 42. 34
B. Postmortale Organspende
101
übernimmt im Falle abdominaler Organe ein regionales Explantationsteam, im Falle thorakaler Organe ist es meist das Transplantationsteam selbst, welches für die Entnahme anreist. Der von ET ermittelte Empfänger wiederum ist bei einem bestimmten Transplantationszentrum registriert, welches dann auch die Transplantation des „zugeteilten“ Organs durchführt. All dies vorausgeschickt wird deutlich, dass eine der Hauptaufgaben eines Transplantationsgesetzes darin liegt, die Rechte und Pflichten der Beteiligten zu regeln. In der Bundesrepublik wurde in § 11 Abs. 1 TPG die Entnahme vermittlungspflichtiger Organe als gemeinschaftliche Aufgabe der Transplantationszentren und der anderen Krankenhäuser festgelegt. Zur Organisation dieser Aufgabe ist die Koordinierungsstelle (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 TPG) berufen. Es erfolgt dabei eine klare Trennung der Zuständigkeiten von Organspende und deren Koordinierung, der Allokation und der Transplantation. Wobei das Gesetz keine Trennung der Verantwortlichkeit für die Organentnahme und die Organübertragung vorsieht, sondern nur eine Trennung dieser Verantwortlichkeiten von der Organvermittlung.37 Die Trennung von Organtransplantation und Vermittlung dient der Vermeidung von Interessenskonflikten im Vorfeld. Eine Trennung von Organentnahme und Vermittlung ist meines Erachtens aber nicht zwingend, insbesondere da keine Interessenskonflikte zu befürchten sind.38 Dies deckt sich auch mit der Empfehlung des Europarates zum Hintergrund, Funktionen und Verantwortung nationaler Transplantationsorganisationen39 und steht daher auf einem breiten europäischen Konsens. Nachfolgend werden Rechte und Pflichten der vier maßgeblich am Organspendeprozess beteiligten institutionellen Akteure: Spenderkrankenhäuser, Transplantationszentren, Deutsche Stiftung Organtransplantation und Eurotransplant International Foundation untersucht, wie auch ihre Pflicht zur Zusammenarbeit.
37
Lilie, in: Festschrift für Deutsch, S. 643, 646; Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 11 TPG, Rn. 6. 38 So wohl aber die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 13/4355, S. 14. 39 Recommendation Rec (2006) 15 of the Committee of Ministers to member states on the background, functions and responsibilities of a national transplant organisation (NTO), abgedruckt in: Newsletter Transplant 2007, Vol. 12 No 1 International Figures on organ donation and transplantation, Council of Europe, S. 42, www.ont.es./noticiasHome/ficherosPDF/NEWSLETTER.pdf.
102
Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
1. Spenderkrankenhäuser Im Nachfolgenden als Spenderkrankenhäuser bezeichnete Krankenhäuser sind solche, welche über eine für die Entnahme parenchymer Organe erforderliche Intensivstation oder zumindest Beatmungsbetten verfügen. Dies sind in Deutschland zurzeit rund 1450 Krankenhäuser.40 a) Gesetzliche Grundlage Die Zulassung dieser Krankenhäuser erfolgt gemäß § 108 SGB V oder § 30 GewO. Anders als die Zulassung von Transplantationszentren ist die Zulassung von Spenderkrankenhäusern an keine speziellen Voraussetzungen geknüpft.41 Dabei können aber Transplantationszentren, verwaltungsorganisatorisch betrachtet, gleichzeitig auch Spenderkrankenhäuser sein. Dadurch erklärt sich auch die an zahlreichen Stellen auftauchende Formulierung „Transplantationszentren und andere Krankenhäuser“ in § 11 Abs. 1 und Abs. 4 TPG. b) Rechte und Pflichten Den Spenderkrankenhäusern kommt im Organspendeprozess eine zentrale Aufgabe zu. Ihnen obliegt es, mögliche Organspender als solche zu erkennen und alle für eine Organspende erforderlichen Maßnahmen einzuleiten. aa) Spendermeldung Der Mitwirkung der Spenderkrankenhäuser, insbesondere durch Erfüllung der Meldepflicht nach § 11 Abs. 4 Satz 2 TPG, kommt eine Schlüsselrolle für die allseits geforderte Steigerung der postmortalen Organspende zu.42 Die Vorschrift des § 11 Abs. 4 TPG verdeutlicht die Organentnahme als gemeinschaftliche Aufgabe der Transplantationszentren und der anderen Krankenhäuser nach § 11 Abs. 1 Satz 1 TPG. Die Verpflichtung aller Spenderkrankenhäuser zur Mitteilung möglicher Spender von vermittlungspflichtigen Organen ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass die vorhandenen Möglichkeiten zur Organspende künftig besser wahrgenommen werden können, was bei der Knappheit an Spenderorganen dringend 40
Vgl. DOPKI, D 2. 1 Report on the general European situation: technical, legal and socio-sanitary point of view, S. 124. 41 Lang, in: Höfling (Hrsg.), § 10 TPG, Rn. 12. 42 Bundesregierung in: BT-Drucks. 15/4542, S. 4, 16, 27 f.
B. Postmortale Organspende
103
geboten ist.43 Die Verpflichtung zur Meldung, welche neben der Organspendebereitschaft der Bevölkerung eine zentrale Voraussetzung für die Versorgung der Patienten auf den Wartelisten mit Spenderorganen darstellt, ist erstaunlicherweise an „eher versteckter“ Stelle normiert.44 Von den rund 1450 Spenderkrankenhäusern (Krankenhäuser mit Intensivstation oder Beatmungsbetten) sind im Jahr 2003 durchschnittlich 40 Prozent der Verpflichtung zur Spendermeldung nachgekommen.45 Dabei partizipierten 90 Prozent der Krankenhäuser der Maximalversorgung, 67 Prozent der Zentralversorgung, 39 Prozent der Regelversorgung und 18 Prozent der Grundversorgung.46 Im Jahr 2005 waren es durchschnittlich 45 Prozent der Krankenhäuser mit Intensivstation.47 Die Verletzung der Meldepflicht ist weder mit Strafe noch mit Geldbuße bewehrt. Auch anderweitige Sanktionsmechanismen existieren derzeit nicht. bb) Regionaler Vergleich Die starken Unterschiede im Spendeaufkommen in den einzelnen DSORegionen48 /Bundesländern legen nahe, dass das Organspendepotential für die Bundesrepublik noch nicht erschöpft ist (vgl. Tabelle 2.1.). Derzeit existieren in den meisten Bundesländern aber keine verlässlichen Daten darüber, wie viele mögliche Organspender es überhaupt in den Krankenhäusern gibt. Daher ist nach Ansicht der Verfasserin die Erfassung aller Patienten auf den Intensivstationen, welche in Folge einer primären oder sekundären Hirnschädigung versterben und damit letztendlich auch die Qualitätssicherung nach Maßgabe der Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) ermöglichen, unerlässlich. Mit einer systematischen Erfassung wäre es nicht nur möglich, diese Frage im Grundsatz zu beantworten, sondern auch Schwachstellen im Krankenhaus zu analysieren, die der Erkennung und Meldung entgegenstanden. Die so erzielbare Datentransparenz beendet die Spekulation über das erreichbare Niveau der Organspende und entlastet gleichzeitig die Krankenhäuser vor ungerechtfertigten Vorwürfen. Besonders hervorzuheben sind insoweit das am 5. Oktober 2005 verabschiedete Sächsische Ausführungsgesetz zum Transplantationsgesetz 43
BT-Drucks. 13/4355 S. 24; Bruns/Debong/Andreas, Arztrecht 1998, 283, 286. Deutsch, NJW 1998, 777, 779. 45 BT-Drucks. 15/4542, S. 4 f. 46 BT-Drucks. 15/4542, S. 4 f. 47 Deutsche Stiftung Organtransplantation 2006, Organspende und Transplantation in Deutschland. Bundesweiter Jahresbericht 2005, Neu-Isenburg. 48 Vgl. zur Organisationsstruktur der DSO unten, Kapitel 2, B. I. 3. a) dd). 44
104
Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD Tabelle 2.1. Organspenden pro Mio. Einwohner in den Organspenderegionen und Bundesländern 2004, 2005 und 200649
Regionen/Bundesländer
2004
2005
2006
Bayern
13,2
18,1
14,7
Baden-Württemberg
12,0
12,9
15,4
Mitte
13,7
13,2
13,1
Rheinland-Pfalz
17,5
14,5
13,8
Saarland
17,0
17,1
20,1
Hessen
10,5
11,7
11,4
NRW
8,6
10,9
12,0
Nord
13,9
13,8
16,1
Bremen
24,2
22,6
27,1
Hamburg
23,6
25,3
25,8
Niedersachsen
11,7
11,5
12,9
Schleswig-Holstein
11,7
11,3
16,6
Nord-Ost
20,2
23,1
21,0
Mecklenburg-Vorpommern
36,5
25,7
30,0
Berlin
15,6
23,9
22,4
Brandenburg
15,2
20,3
13,3
Ost
15,5
16,7
19,2
Sachsen-Anhalt
17,5
14,9
17,5
Sachsen
14,9
19,4
18,8
Thüringen
14,0
13,6
22,0
Deutschland (gesamt)
13,1
14,8
15,3
49
Quelle Statistikabteilung DSO.
B. Postmortale Organspende
105
(SächsAGTPG)50; das Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes zur Ausführung des Transplantationsgesetzes vom 14. Dezember 200651, das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Transplantationsgesetzes vom 11. Dezember 2007 in Nordrhein-Westfalen52 sowie das Schleswig-Holsteinische Gesetz zur Ausführung des Transplantationsgesetzes vom 09.04.2008. Neben der genauen und detaillierten Festschreibung der Rechte und Pflichten der sog. Transplantationsbeauftragten wird dort auch die Ermächtigungsgrundlage für die oben erwähnte Datenerfassung geschaffen.53 Die Aufgaben der Spenderkrankenhäuser sind, abgesehen von der in § 11 Abs. 4 TPG normierten Meldepflicht, welcher bislang nur unzureichend nachgekommen wird, weder im TPG noch im Vertrag der Koordinierungsstelle ausreichend konkretisiert. Die gewählte Konstruktion mittels eines Vertrags zu Lasten Dritter (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 1 TPG) hat sich als nicht ausreichend erwiesen. Ebenso kommen die Bundesländer ihren Pflichten, die Rahmenvoraussetzungen für die Zusammenarbeit nach § 11 Abs. 1 und Abs. 4 TPG zu schaffen, nur sehr unzureichend nach. Lediglich sieben von 16 Bundesländern54 haben die gesetzlichen Voraussetzungen für die Etablierung eines Transplantationsbeauftragten bestimmt, welchem eine zentrale Bedeutung bei der Erkennung und Meldung potentieller Organspender zukommt. Der nationale Ethikrat führt den Missstand der unzureichenden Befolgung der Meldepflicht auf mangelnde Anreize für Krankenhäuser, sich an der Organspende zu beteiligen, als auch auf mangelnde Sanktionen für die Nichtbeteiligung, zurück.55
50
GVBl. Sachsen 2005, 274. GVBl. Teil I, Hessen 2006, 711. 52 GVBl.-NRW 2007 Nr. 34 v. 28.12.2007, 702. 53 Auch in einigen anderen Regionen stellt die DSO bereits jetzt den Spenderkrankenhäusern sog. Erhebungsbögen zur Verfügung. So ermöglicht das zeitnahe Ausfüllen der von der DSO zu diesem Zwecke entwickelten Erhebungsbögen, eine effektive und kostengünstige Möglichkeit einer erforderlichen Potentialanalyse sowie Schwachstellen im Organspendeprozess zu analysieren und zu evaluieren, um das Organspendeaufkommen in ganz Deutschland zu steigern und möglichst alle Patienten auf den Wartelisten zu versorgen. Eine umfassende Datenerhebung ist dabei Grundlage der Analyse und Qualitätssicherung. Der Erfolg einer solchen Datenerfassung wird insbesondere in der Region Nord-Ost sichtbar. 54 Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, NordrheinWestfalen und Rheinland-Pfalz (allerdings besteht in Rheinland-Pfalz nach Auslaufen des Ausführungsgesetzes lediglich eine Kooperationsvereinbarung). 55 Stellungnahme des Nationalen Ethikrats vom 24. April 2007, Die Zahl der Organspenden erhöhen – Zu einem drängenden Problem der Transplantationsmedizin in Deutschland, S. 16. 51
106
Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
cc) Aufwandserstattung der Spenderkrankenhäuser Die Bundesregierung begrüßte das seit dem 01. Januar 2004 eingeführte Modulsystem zur Aufwandserstattung für die Spenderkrankenhäuser.56 So stellt insbesondere die Regelung, wonach die Aufwandserstattung auch dann für in diesem Rahmen jeweils erbrachten Leistungen zu bezahlen ist, wenn es nachfolgend im Einzelfall nicht zur Entnahme transplantierbarer Organe gekommen ist57, eine wesentliche finanzielle Verbesserung dar. Damit soll verhindert werden, dass das immer bestehende Risiko erfolgloser Maßnahmen zur Organspende (sog. frustraner Organspendeversuch58) finanziell einseitig zu Lasten der Krankenhäuser geht.59 Gleichzeitig wurden die seit über 20 Jahren unveränderten Aufwandserstattungen für entnommene und transplantierte Organe erheblich angehoben. Zudem wurde eine Evaluierung der Aufwandserstattung vereinbart, um künftig erforderliche Anpassungen sachgerecht vornehmen zu können.60 Diese Neuregelung wurde durch die Vereinbarung über die Durchführungsbestimmungen zur Aufwandserstattung nach § 8 Abs. 2 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG für die am Organspendeprozess Beteiligten verbindlich. Sie wurde durch Schreiben vom 8. März 2004 vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziales (BMGS) genehmigt. Die Vereinbarung wurde am 17. April 2004 im Bundesanzeiger bekannt gemacht. Die Pauschalen des Modulsystems vergüten die Kosten für die zur Aufrechterhaltung der Homöostase notwendigen räumlichen, sächlichen und personellen Strukturen der Krankenhäuser. Beispielsweise beinhalten diese routinemäßig vorgenommenen Laboruntersuchungen (Serum, Harnstoff, Kreatinin, etc.), bakteriologische Untersuchungen des Urins und ggf. des Bronchialsekrets, EKG, Röntgenuntersuchungen, Echokardiographie, etc.61 Nicht in den Pauschalen des Modulsystems enthalten, da diese Dienste von der DSO übernommen bzw. erstattet werden, sind die Organerhaltung (Perfusionsdienste, Perfusionslösungen etc.), Boden- oder Flugtransporte für die Organe und Explantationsteams, Maßnahmen für die Organallokation (immunologische Untersuchungen, Gewebetypisierung, Registrierung der Pa56
BT-Drucks. 15/4542, S. 16 f. Z. B. weil Organe mangels Einwilligung nicht entnommen werden durften oder sich erst nach einer Organentnahme herausstellte, dass das betreffende Organ nicht transplantierbar ist. 58 Höchstetter/Schmidt/Walger, das Krankenhaus 5/2004, 364, 366. 59 BT-Drucks. 15/4542, S. 16 f.; Höchstetter/Schmidt/Walger, das Krankenhaus 5/2004, 364, 366. 60 BT-Drucks. 15/4542, S. 17. 61 Höchstetter/Schmidt/Walger, das Krankenhaus 5/2004, 364, 366. 57
B. Postmortale Organspende
107
tienten auf der Warteliste bei Eurotransplant), bakteriologische, virologische und toxikologische Untersuchungen (falls nicht bereits vorab im Behandlungsprozess bestimmt).62 Bei erfolgten Organentnahmen finden folgende Vergütungssätze Anwendung: 1. Die Einorganentnahme ist mit einer Aufwandserstattung in Höhe von 2.090 Euro versehen.63 2. Bei Mehrorganentnahmen beträgt die Pauschale 3.370 Euro.64 Bei „frustranen Organspendeversuchen“ werden die bis zu diesem Zeitpunkt erbrachten Leistungen erstattet: 1. Bei Abbruch des Postmortalspendeprozesses aufgrund einer Ablehnung durch die Angehörigen bzw. durch die Staatsanwaltschaft, wenn diese hinzuzuziehen ist, beträgt die Pauschale für die bis zu diesem Zeitpunkt erbrachten Leistungen 200 Euro. 2. Bei Abbruch des Organspendeprozesses während der Intensivstationsphase nach erhaltener Zustimmung ist eine Pauschale in Höhe von 1.270 Euro zu erstatten, z. B. bei Eintreten eines irreversiblen Herz-/Kreislaufstillstands. 3. Bei Abbruch des Postmortalspendeprozesses im Operationssaal beträgt die Pauschale 2.090 Euro.65 Der Nationale Ethikrat kritisiert, dass diese Erstattungsmodalitäten nicht in allen Fällen dazu geeignet sind, die tatsächlich in den Spenderkrankenhäusern anfallenden Kosten zu decken.66 Er schlägt darüber hinaus vor, dass Krankenhäusern für die Meldung potenzieller Organspender Anreize geboten werden. Vorraussetzung für die Maßnahmen ist allerdings, dass sie keine Auswirkung auf die lebenserhaltende Versorgung der jeweiligen Patienten hat. Ergänzende negative Sanktionen für kooperationsunwillige Krankenhäuser sind ebenfalls nicht von vornherein zu verwerfen.67 62
Höchstetter/Schmidt/Walger, das Krankenhaus 5/2004, 364, 366. In dieser Erstattungspauschale ist nicht die Vergütung der Entnahmechirurgen enthalten. Diese werden von der DSO gesondert vergütet. 64 In dieser Erstattungspauschale ist nicht die Vergütung der Entnahmechirurgen enthalten. Diese werden von der DSO gesondert vergütet. 65 Höchstetter/Schmidt/Walger, das Krankenhaus 5/2004, 364, 366 f. 66 Stellungnahme des Nationalen Ethikrats vom 24. April 2007, Die Zahl der Organspenden erhöhen – Zu einem drängenden Problem der Transplantationsmedizin in Deutschland, S. 16. 67 Stellungnahme des Nationalen Ethikrats vom 24. April 2007, Die Zahl der Organspenden erhöhen – Zu einem drängenden Problem der Transplantationsmedizin in Deutschland, S. 17, 18. 63
108
Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
Ein grenzüberschreitender Vergleich der Aufwandserstattungen für Spenderkrankenhäuser mit Großbritannien, Spanien, Frankreich, Italien, Portugal und Ungarn im Rahmen des Alliance-O Projektes68 erwies sich leider nicht als zielführend.69 Der bloße Vergleich der Aufwandserstattung der Spenderkrankenhäuser in diesen Ländern, losgelöst von der finanziellen Organisationsstruktur des gesamten Gesundheitswesens, entzieht sich jeglicher verantwortungsbewusster Schlussfolgerung. Anzumerken bleibt allerdings, dass in Spanien die Spenderkrankenhausfinanzierung in öffentlichen Krankenhäusern zum Teil von ihrer Teilnahme an der Organspende abhängig gemacht wird. Die Aufwandserstattung für eine Multiorganentnahme in Spanien lag bereits im Jahr 1999 bei rund 6.000 Euro und ist damit doppelt so hoch wie in Deutschland.70 Die Spenderzahlen sind in Spanien Grundlage des jährlichen Budgets der Krankenhäuser,71 so dass darin ein indirekter Sanktionsmechanismus zu sehen ist. Ein ähnliches Konzept verfolgt auch § 482.45 des kalifornischen Gesundheitsgesetzes, welches eine Verpflichtung der Spenderkrankenhäuser zur Spendermeldung vorsieht. Kommen Krankenhäuser dieser Verpflichtung nicht nach, können Sie weder an Medicare noch an Medicaid Programmen teilnehmen, was große finanzielle Einbußen für die Krankenhäuser bedeutet und somit greift auch hier ein indirekter Sanktionsmechanismus.72 Die Bearbeiterin teilt insoweit die in der Stellungnahme des Nationalen Ethikrats geäußerte Aufforderung, die Möglichkeit Anreize zur Spendermeldung erneut zu diskutieren: Es gilt sicherzustellen, dass die Teilnahme an der Organspende mangels ausreichender Finanzierung keinen negativen Anreiz bietet und auch über mögliche Sanktionsmechanismen nachzudenken, da zunehmend auch die Krankenhäuser Gesetzen der Wirtschaftlichkeit unterliegen. Dabei sind indirekte Sanktionsmaßnahmen, welche die Budgetierung der Krankenhäuser betreffen, strafrechtlichen Sanktionen vorzuziehen. 2. Transplantationszentren Transplantationszentren im Sinne des TPG sind nur diejenigen Krankenhäuser oder Einrichtungen an Krankenhäusern, die für die Übertragung der gemäß § 9 TPG vermittlungspflichtigen Organe zugelassen sind (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 TPG). 68
Vgl. dazu unten, Kapitel 5, B. III. Alliance-O, WP 7 Legal and ethical aspects, Deliverable 7.1. S. 24 f. 70 Matesanz, Nefrologias 2001, 59, 64. 71 Alliance-O, WP 7 Legal and ethical aspects, Deliverable 7.1. S. 25; Matesanz/ Dominguez-Gil, Transplantation Reviews, 2007, 177, 183. 72 Federal Register/Vol. 63. No. 119/Monday, June 22, 1998/Rules and Regulations. 69
B. Postmortale Organspende
109
a) Gesetzliche Grundlage der Transplantationszentren § 10 Abs. 1 TPG normiert kein besonderes Zulassungsverfahren für Transplantationszentren, sondern verweist auf § 108 SGB V. Krankenhäusern, welche nur Privatpatienten behandeln und deshalb nicht den Vorschriften des SGB V unterliegen, muss eine Konzession nach § 30 GewO erteilt sein.73 Gemäß § 108 SGB V sind drei Zulassungsmöglichkeiten für Transplantationszentren denkbar: 1. Zulassung nach dem Hochschulbauförderungsgesetz bei Transplantationszentren, welche im Rahmen einer Uniklinik errichtet werden (§ 108 Nr. 1 SGB V), 2. Zulassung in Krankenhäusern, die in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen worden sind (Plankrankenhäuser, § 108 Nr. 2 SGB V), 3. Abschluss eines Versorgungsauftrages mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen (§ 108 Nr. 3 SGB V).74 Die für die Zulassung erforderlichen personellen, apparativen und sonstigen strukturellen Anforderungen sind im jeweiligen Zulassungsverfahren zu prüfen.75 Das BVerwG hat entschieden, dass die Zulassung als Transplantationszentrum nach § 10 Abs. 1 TPG eine bewusste, eindeutige und ausdrückliche Entscheidung der zuständigen Stelle nach den materiell-rechtlichen Kriterien des TPG voraussetzt, dass in einem Krankenhaus die Übertragung genau bezeichneter Organe vorgenommen werden darf.76 Dadurch soll sichergestellt werden, dass durch eine entsprechende Spezialisierung auf die Übertragung bestimmter Organe, die ein Organ empfangenden Patienten bestmöglich medizinisch und psychologisch versorgt und betreut werden.77 Bei der Zulassung nach § 108 SGB V haben die Transplantationszentren gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 TPG Schwerpunkte für die Übertragung solider Organe zu bilden, um eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung und darüber hinaus auch die erforderliche Verfahrens- und Ergebnisqualität dieses kostenintensiven Teils der Hochleistungsmedizin zu sichern.78 Die jeweiligen Zulassungstatbestände sind aber nicht auf die Aufnahme von Privatpatienten oder Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bezogen. Daher kann ein nach 73 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 10 TPG, Rn. 2; Lang, in: Höfling (Hrsg.), § 10 TPG, Rn. 16 f.; Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 10 TPG, Rn. 1. 74 Lang, in: Höfling (Hrsg.), § 10 TPG, Rn. 9; Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 10 TPG, Rn. 1; Clement S. 161 f. 75 BT-Drucks. 13/4355 S. 22. 76 BVerwG, Urt. v. 13.09.2001 – 3 C 41.00 –, MedR 2002, 586, 588. 77 Lang, in: Höfling (Hrsg.), § 10 TPG, Rn. 12. 78 BT-Drucks. 13/4355 S. 22; Nickel, MedR 2002, 578, 579.
110
Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
§ 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus auch Privatpatienten aufnehmen.79 Ein nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus ist also ein Transplantationszentrum im Sinne des § 10 Abs. 1 TPG, wenn die Übertragung solider Organe zu seinem Versorgungsauftrag für gesetzlich krankenversicherte Patienten gehört.80 Dieser Versorgungsauftrag wird durch den Versorgungsvertrag im Sinne des § 109 Abs. 1 SGB V für die Hochschulkliniken, die Plankrankenhäuser und die anderen in § 108 SGB V genannten Krankenhäuser festgelegt.81 b) Rechte und Pflichten der Transplantationszentren § 10 Abs. 2 TPG enthält eine enumerative Aufzählung der obligatorischen Aufgaben der Transplantationszentren nach dem TPG. Die Verletzung dieser Pflichten kann aufsichtsrechtliche Maßnahmen oder Schadensersatzansprüche nach sich ziehen. Die Aufsicht über die Transplantationszentren, welche in aller Regel Universitäten zugeordnet sind, liegt bei den für die Universitäten zuständigen Landesministerien.82 aa) Führung der Wartelisten und Entscheidung über die Annahme zur Organübertragung und die Aufnahme auf die Warteliste Zentrale Aufgabe der Transplantationszentren ist, zunächst darüber zu befinden, ob ein Patient für eine Transplantation in Frage kommt oder nicht. Bei Bejahung der Voraussetzungen ist dieser Patient auf die sog. Warteliste, deren Führung ebenfalls dem Transplantationszentrum obliegt, aufzunehmen. Die Ansiedlung der Wartelistenführung bei den Transplantationszentren soll gewährleisten, dass bei den Patienten, bei denen eine Organübertragung vorgesehen ist, die für die Vermittlung nach § 12 TPG erforderlichen Daten erhoben und der Vermittlungsstelle mitgeteilt werden, um diese im Eurotransplant Network Information System (ENIS)83 zu registrie79 Lang, in: Höfling (Hrsg.), § 10 TPG, Rn. 8: ein nach § 30 GewO zugelassenes Krankenhaus kann freilich keine Leistungen zu Lasten der GKV erbringen. 80 Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 10 TPG, Rn. 1. 81 Nickel, MedR 2002, 578, Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 10 TPG, Rn. 2; vgl. dazu auch die weitergehenden Ausführungen bei Clement S. 162. 82 Lang, Probleme der rechtsstaatlichen Einbindung (Aufsicht, Rechtsschutz), Vortrag im Rahmen der 3. Kölner Gespräche zu Recht und Ethik der Gesundheitsversorgung. Zehn Jahre Transplantationsgesetz. Entwicklungen, Steuerungsschwächen, Reformoptionen. 83 Bei ENIS handelt es sich um das zentrale Netzwerk bei Eurotransplant. Es ist de facto das supranationale Registrierungssystem (Warteliste) aller ET-Mitgliedsländer. Auch für ENIS gibt es ein sog. Manual und zahlreiche sog. user guides.
B. Postmortale Organspende
111
ren. Des Weiteren sind sie für die Aktualisierungen, Dringlichkeits- und Statusänderungen sowie die Abmeldungen ihrer Patienten verantwortlich.84 Aus diesem Grund haben die Transplantationszentren darauf hinzuwirken, dass bei allen Patienten auf der Warteliste regelmäßige Kontrolluntersuchungen stattfinden.85 Der Patient ist jeweils über seinen Meldestatus auf der Warteliste von einem Arzt des Transplantationszentrums zu unterrichten.86 Damit ist z. B. seine Einstufung in den einzelnen Dringlichkeitsstufen oder eine vorübergehende Nichttransplantierbarkeit, nicht aber ein Rang auf der Warteliste gemeint.87 Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 11 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG hat die Koordinierungsstelle die Transplantationszentren bei der Führung der Wartelisten zu unterstützen. Von dieser Möglichkeit wird nur noch vereinzelt Gebrauch gemacht. Aus den Richtlinien der Bundesärztekammer geht ferner hervor, dass der Patient vor Aufnahme auf die Warteliste über die Risiken, Erfolgsaussichten und längerfristigen medizinischen, sozialen und psychischen Auswirkungen einer Transplantation aufzuklären ist. Dies schließt die Aufklärung über die notwendige Immunsuppression mit den potentiellen Nebenwirkungen und Risiken und die Notwendigkeit regelmäßiger Kontrolluntersuchungen ein.88 Damit wird der ständigen Rechtsprechung des BGH zur Rechtzeitigkeit der Aufklärung89 Rechnung getragen. Ebenso ist im Rahmen der Aufklärung das Profil des Patienten (sog. Patientenprofil) zu ermitteln, insb. mit Blick auf die Möglichkeit und seine Bereitschaft, auch ein Organ mit erweiterten Spenderkriterien90 zu akzeptieren. Dieses muss sich mit dem Behandlungsspektrum des Transplantationszentrums (sog. Zentrumsprofil) decken, so dass möglicherweise ein anderes Transplantationszentrum geeigneter ist, worüber der Patient ebenfalls aufzuklären ist.91 Da die Patienten mitunter mehrere Jahre auf die Zuteilung eines Organs warten müssen und auch im Hinblick auf ein Angebot eines mit erweiterten Spenderkriterien 84 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 10 TPG, Rn. 2; Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 10 TPG, Rn. 4. 85 Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 jeweils I. 5; ET-Manual, Kapitel 3.1.3. 86 Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Warteliste) jeweils I. 5; ET-Manual, Kapitel 3.1.3. 87 Vgl. dazu unten, Kapitel 2, B. III. 1. 88 Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Warteliste) jeweils I. 4. 89 BGH, Urt. v. 07.04.1992 – VI ZR 192/91 –, NJW 92, 2351 ff.; BGH, Urt. v. 14.06.1994 – VI ZR 178/93 –, NJW 94, 3009, 3010; BGH, Urt. v. 17.02.1998 – VI ZR 42/97 –, NJW 98, 1784 ff. 90 Vgl. zum Begriff erweiterte Spenderkriterien, oben, Kapitel 1, C. I. 6. b). 91 Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Warteliste) jeweils I. 6.
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
(es sind immer individuelle Risiken zu beachten) sollte zudem eine Wiederholung der Aufklärung in regelmäßigen Abständen und kurz vor der geplanten Operation diskutiert werden. Bei der Entscheidung über die Annahme zur Organübertragung und die Aufnahme auf die Warteliste gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 1 TPG handelt es sich um eine zentrale Vorschrift die Verteilung von Spenderorganen betreffend. Es wird insoweit auf die Ausführungen zur Allokation verwiesen.92 bb) Entscheidungskriterien für die Aufnahme auf die Warteliste Gemäß dem erst aufgrund einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit eingefügten § 10 Abs. 2 Nr. 2 TPG93 sind der Entscheidung über die Aufnahme des Patienten auf die Warteliste Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft, insbesondere Notwendigkeit und Erfolgsaussicht einer Organübertragung entsprechen, zu Grunde zu legen. Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TPG wurde die BÄK dazu ermächtigt, diesen „Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft“ festzustellen. Auch hier wird wegen der besonderen Bedeutung dieser Regelung für die Empfängerauswahl auf eine ausführliche Darstellung weiter unten verwiesen.94 cc) Verpflichtung zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften bei Organentnahme und Transplantation Die deutschen Transplantationszentren sind, ebenso wie in der Tschechischen Republik,95 verpflichtet, nur solche postmortalen Spenderorgane zu verpflanzen, welche das gesetzlich vorgeschriebene Allokationsverfahren durchlaufen haben. Dazu gehört zwangsläufig, dass nur registrierte Patienten ein Transplantat erhalten. Die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Nr. 3 TPG soll der Einhaltung der auf Grund der §§ 11 und 12 TPG getroffenen Regeln zu Organentnahme und Organvermittlung dienen und ergänzt damit die Vorschriften des § 9 Satz 2 und 3.96 Gleichzeitig wird deutlich, dass ne92
Vgl. dazu unten, Kapitel 2, B. III. 1. Die Änderungen erfolgten auf Beschlussempfehlung des federführenden Bundestagsausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) – BT-Drucks. 13/8017 S. 12 f. durch Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages vom 25 Juni 1997 – BRDrucks. 635/97, S. 5 ff. 94 Vgl. dazu unten, Kapitel 2, B. III. 1. a). 95 Vgl. § 22 Abs. 2 lit. b TZ. 96 Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 10 TPG, Rn. 15; Nickel/ Schmidt-Preisigke/Sengler, § 10 TPG, Rn. 11. 93
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ben der Implantation vermittlungspflichtiger Organe auch deren Entnahme zu den Aufgaben der Transplantationszentren zählt.97 Wie eingangs bereits dargelegt, ist eine zwingende organisatorische Trennung zwischen Entnahme- und Implantationsteams vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. dd) Empfängersicherheit durch spezifische Dokumentationspflichten Der Zeitraum für die Durchführung der für den Empfängerschutz erforderlichen Untersuchungen ist begrenzt. Zum Teil stehen auch keine oder keine in der Kürze der Zeit durchführbaren Untersuchungsmethoden, wie z. B. bei der Tollwut, zur Verfügung. Ebenso wenig können Fehler bei den durchgeführten Untersuchungen gänzlich ausgeschlossen werden. Wenn nun Organe eines Spenders verschiedenen Empfängern eingepflanzt wurden und sich bei nur einem dieser Empfänger eine gesundheitliche Gefährdung oder eine Gefahr durch das transplantierte Organ realisiert – z. B. durch Übertragung einer zuvor nicht beim Spender festgestellten Krankheit – muss gewährleistet sein, dass die behandelnden Ärzte der anderen Empfänger über diese Umstände informiert werden.98 Diese können dann unverzüglich geeignete Maßnahmen zum Schutz der übrigen Empfänger einleiten. Die in § 10 Abs. 3 Nr. 4 TPG normierten Dokumentationspflichten sollen eben diese lückenlose Rückverfolgung aller Organe vom Empfänger zum Spender ermöglichen. Die Zulässigkeit der Zusammenführung von Angaben aus der Dokumentation mit personenbezogenen Daten in solchen Fällen richtet sich nach § 13 Abs. 2 TPG.99 Die Aufzeichnungspflichten nach ärztlichem Berufsrecht bleiben hiervon unberührt.100 ee) Sicherstellung der psychischen Betreuung § 10 Abs. 3 Nr. 5 TPG stellt klar, dass eine im Zusammenhang mit einer Organübertragung erforderliche Betreuung des Organempfängers sowie im Falle des Lebendspenders gemäß § 8 TPG sicherzustellen ist. Dazu gehört die psychische Betreuung zur Krankenhausbehandlung im Sinne des § 39 Abs. 1 SGB V. Sie ist daher, soweit im Einzelfall für die medizinischen Versorgung bei einer Organübertragung notwendig, auch im Rahmen einer teilstationären, einer vor- und nachstationären sowie einer ambulanten Behandlung im Krankenhaus sicherzustellen.101 97
Vgl. Lilie, in: Festschrift für Deutsch, 643, 646 f. BT-Drucks. 13/4355 S. 22. 99 Vgl. BT-Drucks. 13/4355 S. 22. 100 Vgl. dazu § 15 der Muster-Berufsordnung für die deutschen Ärzte, DÄBl. 1996, B 327–333. 98
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
ff) Qualitätssicherung in der Transplantationsmedizin Analyse und Evaluierung der Transplantationszentren sowie der Transplantationsergebnisse sind essentiell sowohl für die Patientenaufklärung als auch zur Aufrechterhaltung und Verbesserung von Qualität und Sicherheit bei der Durchführung von Transplantationen. Die Bestimmung des § 10 Abs. 3 Nr. 6 TPG knüpft insoweit an die Vorschriften des § 137 SGB V über Maßnahmen zur Qualitätssicherung in der stationären medizinischen Versorgung an. Diese können sich auch auf die Indikation zur Transplantation und damit auf medizinische Kriterien für die Annahme zur Organübertragung und die Führung der Warteliste erstrecken. Entsprechend § 137 SGB V wird klargestellt, dass durch die Qualitätssicherungsmaßnahmen auch Vergleiche der Transplantationszentren untereinander ermöglicht werden müssen.102 (1) Defizite in der Analyse und Evaluierung der Transplantationszentren und Transplantationsergebnisse Die Evaluierung der Transplantationszentren das sog. „Centermonitorig“ wie es z. B. von UK Transplant in Großbritannien bereits seit Jahren praktiziert wird103 steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Erste Schritte in diese Richtung wurden von der Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung (BQS) unternommen, aber ohne nennenswerte Ergebnisse. Ebenso unzureichend ist in Deutschland die Evaluierung der Transplantationsergebnisse. Die Richtlinie der BÄK gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 TPG wartet immer noch auf ihre Umsetzung in die Praxis. Derzeit sieht das ET-Manual die Sammlung der Transplantationsergebnisse durch ET in Kooperation mit den Internationalen Wissenschaftlichen Registern für die Niere Collaborative Transplant Studies (CTS), für die Leber European Liver Transplant Registry (ELTR), für Herz und Lunge die International Society for Heart and Lung Transplantation (ISHLT) und für Pankreata das International Pancreas Transplant Registry (IPTR) vor.104 Weder die Datenlieferung an ET noch an die internationalen Register ist für die Transplantationszentren verpflichtend. Dies führt in der Praxis dazu, dass eine bundes101
Vgl. BT-Drucks. 13/4355 S. 22. Vgl. § 15 der Muster-Berufsordnung für die deutschen Ärzte, DÄBl. 1996, B 327–333. 103 Alliance-O, WP 5, Coordination of evaluation of methodologies of transplantation performance, Deliverable 5.1., S. 31 ff. 104 ET-Manual, Kapitel 2.1.10 (zur Datensammlung); 2.1.12. (Kooperation mit internationalen Registern). 102
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einheitliche Sammlung von Daten und Evaluierung der Transplantationsergebnisse entsprechend den nationalen Bedürfnissen nicht stattfindet. Bloße Augenwischerei ist in dieser Hinsicht die Verpflichtung der DSO gemäß § 11 Abs. 5 TPG zur Veröffentlichung eines Berichts über die Tätigkeit jedes Transplantationszentrums. So mag dieser Bericht der Herstellung von Transparenz über die Aktivitäten der Transplantationszentren dienen, er ist aber nicht auf eine Analyse und Evaluierung der Transplantationsergebnisse oder der Leistung der Transplantationszentren angelegt. Zusammenfassend muss konstatiert werden, dass in Deutschland weder eine zufriedenstellende wissenschaftliche Evaluierung der Leistungen der Transplantationszentren noch der Transplantationsergebnisse stattfindet. (2) Abhilfe Eine strukturierte Datensammlung im Hinblick auf Leistung der Transplantationszentren sowie der Transplantationsergebnisse ist mit Blick auf Qualitätssicherung und Patientenaufklärung unerlässlich. Nach Ansicht der Bearbeiterin bedarf es dringend einer zentralen bundesweiten/nationalen umfassenden Datenerfassung zur Evaluierung der Transplantationsergebnisse in der Bundesrepublik Deutschland. Die Datenlieferung muss verbindlich festgeschrieben werden. Ebenso ist eine den datenschutzrechtlichen Vorschriften Rechnung tragende Vernetzung von Spender- und Empfängerdaten wünschenswert.105 Ein nationales Register ist insbesondere im Hinblick auf die Verwendung von Organen mit erweiterten Spenderkriterien von besonderer Bedeutung. Nur eine valide Datensammlung und deren Auswertung können eine Bestimmung erweiterter Spenderkriterien ermöglichen und Grundlage umfassender Patienteninformation bzw. Aufklärung sein. Bei nicht ausreichend zur Verfügung stehenden Fallzahlen bietet sich insoweit auch eine europäische Kooperation an.106 gg) Weitere aus dem TPG resultierende Rechte und Pflichten der Transplantationszentren Aus den in § 11 TPG beschriebenen Aufgaben der DSO resultieren schließlich noch weitere Pflichten der Transplantationszentren. So sind sie insbesondere damit betraut, die Entnahme von vermittlungspflichtigen Organen als gemeinschaftliche Aufgabe mit den anderen Krankenhäusern in 105
Vgl. zu dieser Problematik Lilie, in: Festschrift für Deutsch, S. 643, 655. In diese Richtung weist auch der Entwurf eines Berichts über Organspende und -transplantation: Maßnahmen auf EU-Ebene (2007/2210(INI)) des Europäischen Parlaments. 106
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
regionaler Zusammenarbeit wahrzunehmen. Diese Zusammenarbeit wird von der DSO organisiert. Zu diesem Zweck hat die DSO mit allen Transplantationszentren einen Rahmenvertrag/Grundlagenvertrag geschlossen, welcher unter anderem Rahmenvorgaben für die Organisation der Organentnahme und Hirntoddiagnostik enthält. Die Abgeltung von Leistungen, welche das Transplantationszentrum im Rahmen der Organentnahme (insbesondere Explantation107 und Hirntoddiagnose108) erbringt, ist über die Regelung des § 8 Abs. 2 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG hinaus auch in diesem Grundlagenvertrag geregelt. Die Erstattung dieser Leistungen wird aus der Organisationspauschale entrichtet. Die angemessene Vertretung der Transplantationszentren in der Koordinierungsstelle, wie sie § 11 Abs. 1 Satz 4 TPG vorgeschrieben ist, wird durch die Besetzung der Regionalen- und Bundesfachbeiräte verwirklicht. Zu den aus § 11 Abs. TPG. 4 erwachsenen Pflichten des Transplantationszentrums in seiner Funktion als Spenderkrankenhaus wird nach oben verwiesen. Es bleibt lediglich anzumerken, dass die Verantwortung für das vermittlungspflichtige Organ mit Ausnahme der Vermittlung bis zur Übergabe an das Transplantationszentrum in der Verantwortung der DSO verbleibt.109 Die endgültige Entscheidung, ob ein Organ dem ermittelten Empfänger implantiert wird, obliegt aber wiederum dem Transplantationschirurgen.110 107 Für die Explantation von Organen gibt es sog. Entnahmedienste, welche personell von den Transplantationszentren gestellt werden. Bei den abdominellen Organen handelt es sich in der Regel um regionale Entnahmeteams, welche sich auch gegenseitig vertreten müssen. Bei den thorakalen Entnahmediensten wird auf regionale Entnahmeteams verzichtet, da die Transplantationschirurgen, welche die Transplantation von Herz und/oder Lunge vornehmen in der Regel darauf bestehen, die Entnahme selbst vorzunehmen. Zum einen, um die Eignung des Organs selbst zu prüfen, zum anderen um sicherzustellen, dass die für die Implantation beim Empfänger erforderlichen Gefäße etc. ihren Vorstellungen entsprechend entnommen werden. Vgl. hierzu auch Krüger, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 4 TPG, Rn. 34; § 3 TPG Rn. 20. 108 Eine Vielzahl der Spenderkrankenhäuser verfügt nicht über zwei voneinander unabhängige und den Qualifikationen der Richtlinie der BÄK gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TPG entsprechend qualifizierte Ärzte zu Durchführung der Hirntoddiagnose. Sie werden häufig personell von den Transplantationszentren, welche gleichzeitig Unikliniken sind, gestellt. 109 § 2 Abs. 1 Satz 2 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG. 110 Vgl. hierzu Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 a und b TPG unter 3., DÄBl. (2005)102; A 2968, 2971 und § 5 Abs. 5 des Vermittlungsstellenvertrages. Dies gilt gleichermaßen auch für die Tschechische Republik (vgl. §§ 22 i. V. m. § 21 TZ), Frankreich, Italien, Ungarn, UK, Portugal und Spanien vgl. Alliance-O, WP 4, Increase safety and quality of organ transplantation, Deliverable 4.3., S. 8 ff.; vgl. Dazu auch unten, Kapitel 2, B. III. 2. c) dd).
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3. Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO), Koordinierungsstelle i. S. d. § 11 TPG Der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) kommt eine zentrale Rolle im Organspendeprozess zu. a) Gesetzliche Grundlage der DSO In § 11 Abs. 1 Satz 1 TPG wird die Entnahme vermittlungspflichtiger Organe als gemeinschaftliche Aufgabe der Transplantationszentren und der anderen Krankenhäuser in regionaler Zusammenarbeit festgelegt. § 11 Abs. 1 Satz 2 TPG bestimmt, dass die Organisation dieser Zusammenarbeit durch eine von den Spitzenverbänden der Krankenkassen gemeinsam, der Bundesärztekammer und der deutschen Krankenhaushausgesellschaft oder den Bundesverbände der Krankenhausträger gemeinsam errichtete oder beauftragte Koordinierungsstelle erfolgen soll. § 11 Abs. 1 Satz TPG normiert, welche Anforderungen an diese Koordinierungsstelle gestellt werden. So muss diese auf Grund einer finanziell und organisatorisch eigenständigen Trägerschaft, der Zahl und Qualifikation ihrer Mitarbeiter, ihrer betrieblichen Organisation sowie ihrer sachlichen Ausstattung die Gewähr dafür bieten, dass die Maßnahmen nach Satz 1 in Zusammenarbeit mit den Transplantationszentren und den anderen Krankenhäusern nach den Vorschriften dieses Gesetzes durchgeführt werden. aa) Historische Entwicklung § 11 TPG ermöglichte die schon vor Inkrafttreten des TPG vorhandenen Strukturen zu nutzen.111 Der bis zur Verabschiedung des TPG geltende Vertrag über die Vermittlung von Herzen, Nieren, Lebern, Lungen und Bauchspeicheldrüsen vom 19. Juni 1989, den DSO, Kuratorium für Heimdialyse (KfH)112 und die Krankenkassenverbände auf Bundesebene mit Eurotransplant geschlossen haben und die darauf beruhenden Verträge haben sich laut der Gesetzesbegründung bewährt.113 Durch den am 16.07.2000 in Kraft getretenen Vertrag zwischen der Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) und den Spitzenverbänden der Krankenkassen gemeinsam, der Bundesärztekammer und der deutschen Krankenhaushausgesellschaft gemeinsam wurde der DSO formell die Funktion der bundesweiten Koordinie111
König, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 11TPG, Rn. 1. Das Kuratorium für Heimdialyse hat die DSO als Tochterunternehmen bereits 1984 gegründet. Seit dem 01.12.1999 ist die DSO aber vom KfH unabhängig. 113 BT-Drucks. 13/4355 S. 23. 112
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rungsstelle übertragen. Die Notwendigkeit einer bundesweiten nationalen Koordinierungsstelle erwuchs insbesondere aus dem Umstand, dass das TPG eine Abkehr von der zentrumsbezogenen Organallokation und die Einführung der patientenorientierten Organvermittlung statuiert.114 So konnte die bundesweite, ja sogar grenzüberschreitende Organisation der Organentnahme nicht mehr alleinige Aufgabe der grundsätzlich auf ihr räumliches und sachliches Handlungsfeld ausgerichteten Transplantationszentren sein.115 Die Bündelung der Organisation an einer spezialisierten Stelle verspricht zudem eine effektive Ressourcennutzung.116 bb) Rechtsnatur, Finanzierung und finanzielle Unabhängigkeit der DSO Die zentralen Regelungsinhalte des Vertrages zur Beauftragung der DSO als nationale Koordinierungsstelle sind in § 11 Abs. 2 Satz 2 TPG normiert. Die Vorschrift gibt dabei gleichsam den Mindestinhalt vor. Bei der finanziellen und organisatorischen Unabhängigkeit kam es den Auftraggebern insbesondere auf die Unabhängigkeit von medizinisch therapeutischen Leistungen, die nicht der Organübertragung dienen – also insbesondere Dialysebehandlung, welche in die Zuständigkeit des KfH fällt – an.117 Die DSO ist eine rechtsfähige gemeinnützige Stiftung des Bürgerlichen Rechts. Die finanzielle Unabhängigkeit wird durch das Stiftungskapital gewährleistet. Die Finanzierung der Tätigkeit der DSO als Koordinierungsstelle erfolgt mittels einer Organisationspauschale für jedes transplantierte postmortal gespendete Organ. cc) Genehmigungs- und Überwachungspflicht Gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 TPG ist eine Genehmigung des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG, dessen Rechtnatur unklar ist, erforderlich. Diese Genehmigung hat das zuständige Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erteilt.118 Die Überwachung der Einhaltung der Vertragsbestimmungen obliegt gemäß § 11 Abs. 3 Satz 3 TPG den Auftraggebern bzw. Vertragspartnern der Koordinierungsstelle. In § 10 Abs. 1 des Vertrages gemäß § 11 Abs. 2 TPG wird zu diesem Zweck die Errichtung einer Überwachungs114 115 116 117
Vgl. dazu auch unten, Kapitel 2, B. III. 2. c) cc). Lilie, in: Festschrift für Deutsch, 643, 647. Lilie, in: Festschrift für Deutsch, 643, 647. Vgl. BT-Drucks. 13/8017, S. 42; § 1 Abs. 3 des Vertrages gemäß § 11 Abs. 2
TPG. 118
Eine Bekanntmachung ist am 27. Juni 2000 im Bundesanzeiger erfolgt.
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kommission vorgeschrieben und der Koordinierungsstelle in Abs. 3 Auskunfts- und Vorlagepflichten auferlegt. Das BMG bzw. das diesem unterstehende Bundesversicherungsamt (vgl. §§ 214, 208 Abs. 2 SGB V, §§ 87 bis 90 Abs. 1 SGB IV) ist insoweit also nur mittelbar als staatliche Aufsichtsbehörde eingebunden, als ihm auf Verlangen jederzeit über die Einhaltung der Vertragsbestimmungen Bericht zu erstatten ist.119 § 11 Abs. 2 Satz 1 TPG schließt nach dem Willen des Gesetzgebers Regelungen über eine vertragliche Kündigungsmöglichkeit bei Vertragsverletzungen der Koordinierungsstelle ein.120 Dem trägt § 11 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG, welcher Laufzeit und Kündigung des Vertrages regelt, Rechnung. dd) Organisationsstruktur Aus der Gesetzesbegründung geht hervor, dass die Koordinierungsstelle eine der Zusammenarbeit nach § 11 Abs. 1 Satz 1 TPG entsprechende regionale Untergliederung erhalten soll.121 Gemäß § 5 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG hat die DSO sieben Organspenderegionen gebildet: Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Mitte, Nord, Nord-Ost und Ost. Jede Region wird von einem geschäftsführenden Arzt geleitet, der dem Vorstand unterstellt ist, und hat eine Organisationszentrale sowie ein bis zwei Organisationsschwerpunkte, die eine flächendeckende Koordinierung der Organspende ermöglichen.122 Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) arbeitet mit einem einheitlichen Qualitätsmanagementsystem, das erstmalig im April 2006 nach DIN EN ISO 9001:2000 für folgende Geltungsbereiche zertifiziert wurde: „Koordination, Organisation und Krankenhausbetreuung bei postmortalen Organspenden“ sowie „Zentrale Beschaffung von Arzneimitteln“.123 b) Rechte und Pflichten der DSO Wie bereits oben ausführlich dargelegt, ist die DSO durch Vertrag nach § 11 Abs. 2 Satz 2 TPG als Koordinierungsstelle beauftragt. Die Aufgaben der Koordinierungsstelle werden in § 2 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG geregelt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 hat die Koordinierungsstelle die Zusammenarbeit zur Organentnahme und Durchführung aller weiteren bis zur Transplantation erforderlichen Maßnahmen, die Organvermittlung aus119 120 121 122 123
BT-Drucks. 13/4355 S. 24. BT-Drucks. 13/4355 S. 23. BT-Drucks. 13/4355 S. 23. Mauer/Gabel/Eisenreich/Smit, Intensivmed 2003, 538, 542. Unzutreffend insoweit die Kritik von Höfling, JZ 2007, 481, 482.
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
genommen, unter Beachtung der Richtlinien nach § 16 Abs. 1 Satz 1 TPG effektiv und effizient zu organisieren, um die vorhandenen Möglichkeiten der Organspende wahrzunehmen und durch Entnahme und Bereitstellung geeigneter Spenderorgane für Transplantationen die gesundheitlichen Risiken der Organempfänger so gering wie möglich zu halten. § 2 Abs. 3 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG regelt, welche (konkreten) Maßnahmen die Koordinierungsstelle zur Erfüllung der in § 2 Abs. 1 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG zu treffen hat. Dem tragen auch § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 5 TPG Rechnung. aa) Aufgaben im Spendeprozess Nachfolgend werden die Aufgaben der DSO im Spendeprozess dargestellt. (1) Maßnahmen zum Schutz der Organempfänger Im Zusammenhang mit einer Organentnahme und den sie vorbereitenden Maßnahmen ist eine Vielzahl medizinischer Untersuchungen und anderer Maßnahmen notwendig, um die Eignung der Verstorbenen für eine Entnahme transplantierbarer Spenderorgane festzustellen und deren Transplantierbarkeit bis zur Transplantation zu erhalten.124 Neben der Ermittlung der Blutgruppe und der Gewebemerkmale zum Zwecke der Allokation geht es dabei vor allem um die Verhinderung der Übertragung von Krankheiten und Krankheitserregern auf den Organempfänger. Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 3 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG ist die DSO verpflichtet, die Durchführung der notwendigen Untersuchungen, insbesondere hinsichtlich Organfunktion, Immunologie, Virologie, Bakteriologie, Blutgruppenbestimmung und Pathologie sicherzustellen und (in Zusammenarbeit mit den Transplantationszentren) zu klären, ob die Voraussetzungen der Organentnahme vorliegen. Welche Untersuchungen dies im Einzelnen sind, ist der Anlage zu § 2 Abs. 3 letzter Satz des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG im Detail zu entnehmen. Mittlerweile hat die BÄK, acht Jahre nach Inkrafttreten des TPG, von ihrer Richtlinienkompetenz gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 a und b Gebrauch gemacht und die Anforderungen an die im Zusammenhang mit einer Organentnahme zum Schutz der Organempfänger erforderlichen Maßnahmen einschließlich ihrer Dokumentation, insbesondere die Anforderungen an 124
Dazu gehören beispielsweise die organprotektive Therapie beim Spender, ordnungsgemäße Entnahme, Kühlung und Transport der Organe, vgl. dazu Kapitel 1, C. I. 5. ff.
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a) die Untersuchung des Organspenders, der entnommenen Organe, um die gesundheitlichen Risiken für die Organempfänger, insbesondere das Risiko der Übertragung von Krankheiten, so gering wie möglich zu halten, b) die Konservierung, Aufbereitung, Aufbewahrung und Beförderung der Organe, um diese in einer zur Übertragung oder zur weiteren Aufbereitung und Aufbewahrung vor einer Übertragung geeigneten Beschaffenheit zu erhalten, geregelt. Die Richtlinien der BÄK werden auch bei der aus § 2 Abs. 3 Nr. 4 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG resultierenden Verpflichtung der DSO, die Entnahme und Konservierung von Organen zu organisieren, relevant. (2) Organisation des Spendeprozesses Des Weiteren koordiniert die DSO die Zusammenarbeit der Beteiligten bei der Vorbereitung der Entnahme, Durchführung der Entnahme, Vorbereitung der Vermittlung, Verpackung und Transport. Zu diesem Zweck ist in § 2 Abs. 3 Nr. 1 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG die Organisation der Entnahme von vermittlungspflichtigen Organen als gemeinschaftliche Aufgabe der Transplantationszentren und anderen Krankenhäuser noch einmal an zentraler Stelle hervorgehoben. Aus der gesetzlich zugelassenen Konstruktion einer Beauftragung der Koordinierungsstelle und einer bloßen Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit den anderen im Bereich der Transplantationsmedizin tätigen Institutionen folgt aber, dass der DSO weder gegenüber den Transplantationszentren, noch gegenüber sonstigen Krankenhäusern oder der Vermittlungsstelle Weisungsbefugnisse zustehen.125 Es handelt sich, dies ergibt sich aus der Formulierung des § 11 Abs. 2 Satz 1 TPG „mit Wirkung für die Transplantationszentren und die anderen Krankenhäuser“, um einen Vertrag zu Lasten Dritter. Zudem ist es Aufgabe der DSO, die notwendigen nationalen und internationalen Transporte der Entnahmeteams und/oder der entnommenen Organe zu organisieren (vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 4 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG). (3) Unterstützung der Spenderkrankenhäuser Die Krankenhäuser werden insbesondere bei der Feststellung der Voraussetzungen für die postmortalen Organspenden auf ihr Verlangen durch die regionale Untergliederung der Koordinierungsstelle unterstützt (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 1 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG). Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG gilt dies insbesondere für die 125
Lang, in: Höfling (Hrsg.), § 11 TPG, Rn. 11.
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Unterstützung bei der Hirntoddiagnose. Die DSO unterhält zu diesem Zwecke neurologische Dienste für den Fall, dass die Spenderkrankenhäuser nicht selbst in der Lage sind, eine den Anforderungen der BÄK-Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TPG entsprechende Hirntodfeststellung zu veranlassen. bb) Zusammenarbeit mit der Vermittlungsstelle Die Zusammenarbeit zwischen Koordinierungsstelle und Vermittlungsstelle ist in § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 TPG geregelt. Die Vorschrift umfasst die Regelungsbefugnis für alle Fragen, die für die Erfüllung der Aufgaben der Beteiligten nach diesem Gesetz erheblich sind, insbesondere auch die Durchführung der Koordinierungsstelle nach den §§ 13 bis 15 TPG obliegenden Aufgaben.126 Die Verpflichtung zur Zusammenarbeit und zum Erfahrungsaustausch mit Eurotransplant als Vermittlungsstelle ist in § 2 Abs. 3 Nr. 12 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG aufgenommen worden. Näheres ergibt sich aus der Anlage zu § 2 Abs. 3 letzter Satz des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG. § 2 Abs. 3 Nr. 6 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG entspricht der in § 13 Abs. 1 Satz 1 TPG normierten Verpflichtung der Koordinierungsstelle, die Verschlüsselung der personenbezogenen Daten des Organspenders (in einem mit dem Transplantationszentrum abgestimmten Verfahren) zu gewährleisten. So wie § 2 Abs. 3 Nr. 7 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG der Verpflichtung der Koordinierungsstelle gemäß § 13 Abs. 1 Satz 4 TPG entspricht, die für die Organvermittlung erforderlichen Daten und die entsprechende Kenn-Nummer an die Vermittlungsstelle zu melden. § 2 Abs. 3 Nr. 8 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG enthält die Verpflichtung, wie sie sich auch aus § 13 Abs. 1 Satz 4 TPG ergibt, nach der Entscheidung der Vermittlungsstelle die Begleitpapiere in das für den ermittelten Empfänger zuständige Transplantationszentrum zu übermitteln. Die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen des § 14 TPG sowie die in § 15 TPG normierten Aufbewahrungs- und Löschungsfristen sind ebenfalls in § 2 Abs. 3 Nr. 9 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG niedergelegt. Darüber hinaus verpflichtet Nr. 9 die Koordinierungsstelle, ein geeignetes Datenverarbeitungssystem vorzuhalten.
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cc) Unterstützung der Transplantationszentren bei Maßnahmen der Qualitätssicherung Die Unterstützung der Transplantationszentren bei Maßnahmen der Qualitätssicherung durch die Koordinierungsstelle ist in § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 TPG und darüber hinaus in § 2 Abs. 3 Nr. 10 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG geregelt. Wie bereits oben dargelegt, sind Maßnahmen der medizinischen Qualitätssicherung unverzichtbar, um die erforderliche Verfahrens- und Ergebnisqualität der Übertragung lebenswichtiger Organe zu sichern.127 Die Transplantationszentren sind dabei auf klinische, immunologische und andere Daten der Organspender angewiesen. Diese Daten und die Erfahrung der Koordinierungsstelle sind in Zusammenarbeit mit der Vermittlungsstelle, den Transplantationszentren und den anderen Krankenhäusern für die Qualitätssicherung nutzbar zu machen.128 dd) Zusammenarbeit zwischen DSO, Spenderkrankenhäusern und Transplantationszentren Die Einzelheiten der in § 11 Abs. 1 Satz 1 TPG geregelten Verpflichtung zur Zusammenarbeit bei der Entnahme vermittlungspflichtiger Organe, welche von der DSO zu organisieren sind, sind in § 11 Abs. 4 TPG normiert. Flankiert wird diese Vorschrift neben den bereits dargelegten Verpflichtungen aus § 2 Abs. 3 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG auch von § 3 dieses Vertrages. Die bereits oben ausführlich erörterte Pflicht aller Krankenhäuser zur Meldung potentieller Spender ist zwingende Voraussetzung für jegliches Tätigwerden der Koordinierungsstelle. Um diese Meldungen entgegenzunehmen, gewährleistet sie gemäß ihrer Verpflichtung aus § 2 Abs. 3 Nr. 13 und Abs. 5 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG eine 24 Stunden Telefonbereitschaft.129 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es nicht mehr der Praxis entspricht, dass die Spenderkrankenhäuser zunächst die Transplantationszentren, welche dann wiederum die Koordinierungsstelle informieren, benachrichtigen. Die Regelung ist ein Relikt aus der Zeit der zentrumsorientierten Allokation mit starkem regionalem Bezug, in der Spenderkrankenhäuser in die Zuständigkeit des regionalen Transplantationszentrums fielen. Mit der Abkehr von der zentrumsorientierten Allokation zur patientenorientierten Allokation ist für ein Spenderkrankenhaus nicht absehbar, wo gegebenenfalls entnommene Organe implantiert werden, so 127 128 129
22.
Vgl. dazu oben, Kapitel 3, B. I. 2. b) ff). BT-Drucks. 13/4355 S. 24. Vgl. Bösebeck, in: Oduncu/Schroth/Vossenkuhl (Hrsg.), Transplantation, S. 20,
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dass direkt eine Meldung an die Koordinierungsstelle bzw. der für das Spenderkrankenhaus zuständigen Organisationszentrale erfolgt.130 ee) Aufklärung der Bevölkerung zum Thema Organspende Die Koordinierungsstelle unterstützt nach Abstimmung mit den Vertragspartnern die nach dem TPG zuständigen Stellen bei der Aufklärung der Bevölkerung über das Anliegen der Organspende, die Voraussetzungen der Organentnahme und die Bedeutung der Organübertragung (vgl. § 2 Abs. 4 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG). Dies ist für den Bund insbesondere die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA). Die nach Landesrecht zuständigen Stellen werden größtenteils durch die Landesausführungsgesetze bestimmt. Nach Angaben der Bundesregierung wurden zu diesem Zweck der BzGA im Jahr 1998 nach Inkrafttreten des TPG 4.289.899 DM zur Verfügung gestellt. Im Jahr 2004 waren es dann nur noch 540.000 e.131 Zu den gemeinsamen Projekten der DSO mit der BzGA gehört z. B. das kostenlose Infotelefon.132 Die Informations- und Presseabteilung der DSO betreibt eine Homepage,133 bietet Informationsbroschüren an, entwickelt Film- und Lehrmaterial (für Schulen) und unterstützt zahlreiche Kampagnen, um auf das Thema Organspende aufmerksam zu machen.134 ff) Berichtspflichten Die Pflicht zur Erstellung des sog. Tätigkeitsberichts gemäß § 11 Abs. 5 TPG ist erst im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens aufgenommen worden. Sie soll dem Ziel dienen, in der Öffentlichkeit für mehr Transparenz über das Transplantationsgeschehen bei lebenswichtigen Organen zu sorgen, da dies eine wesentliche Grundlage für die gesellschaftliche Akzeptanz der Transplantationsmedizin sowie für gesundheitspolitische Entscheidungen 130
Es ist bedauerlich, dass das Gesetz über Qualität und Sicherheit von menschlichen Geweben und Zellen (Gewebegesetz) an dieser Stelle keine Korrektur vorgenommen hat, um das Transplantationsgesetz an die aus organisatorischen Gründen erforderliche Praxis anzupassen. Dies ist wohl darauf zurückzuführen, dass das Gewebegesetz ausschließlich auf die Umsetzung der Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichem Gewebe und Zellen (Geweberichtlinie) angelegt ist. 131 BT-Drucks. 15/4542, S. 10 f. 132 0800-9040400. 133 Quelle: www.dso.de. 134 Vgl. dazu Kirste, in: Krukemeyer/Lison (Hrsg.), 41, 44.
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auf diesem Gebiet der Hochleistungsmedizin ist.135 Die Regelung des § 6 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG konkretisiert die Anforderungen an den Tätigkeitsbericht und ergänzt die Berichtspflicht um einen Ergebnisbericht über die Entwicklung der Organspende und Transplantation in Deutschland. Wie bereits oben dargelegt, sind zu diesem Zweck die Transplantationszentren und die Krankenhäuser verpflichtet, die erforderlichen Daten zur Verfügung zu stellen.136 Dieser Tätigkeitsbericht ist zu unterscheiden von dem Jahresbericht gemäß § 9 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG, in welchem die Koordinierungsstelle den Auftraggebern über die vertraglich übernommenen Aufgaben berichten muss. Der Bericht umfasst die Tätigkeit der einzelnen Zentren im Hinblick auf die Zusammensetzung der Wartelisten, die durchgeführten Transplantationen und deren Ergebnisse sowie die Nachsorge der Organtransplantationen. Gesondert aufgeführt sind jeweils die Transplantationen aus postmortalen Organspenden und aus Lebendspenden. Der jährliche Tätigkeitsbericht kann auf der Homepage der DSO abgerufen werden.137 4. Eurotransplant International Foundation (ET), Vermittlungsstelle i. S. d. § 12 TPG Während § 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 TPG Vorgaben für die konkrete Allokation von Organen enthalten, auf welche dann detailliert unter III. Allokation eingegangen wird, enthalten die übrigen Teile des § 12 TPG vorrangig Verfahrensfragen der Einrichtung, Beauftragung und Arbeitsweise der Vermittlungsstelle. a) Gesetzliche Grundlage und Rechtsnatur der Eurotransplant International Foundation (ET) § 12 Abs. 1 Satz 1 trifft die Grundentscheidung, dass die Vermittlungsstelle nicht als öffentlich rechtliche Körperschaft unter unmittelbarer Staatsaufsicht organisiert werden, sondern auf privatrechtlichem Weg durch die Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam, die BÄK und die Deutsche Krankenhausgesellschaft oder die Bundesverbände der Krankenhausträger errichtet bzw. beauftragt werden soll. Die Organvermittlung ist keine zwingende Staatsaufgabe, so dass auch private – nicht der Staatsverwaltung zugehörige – Träger mit den Aufgaben der Vermittlungsstelle beauftragt werden könnten. Der Gesetzgeber muss aber durch Rechtsvorschriften die Ge135 136 137
BT-Drucks. 13/8017, S. 42. Vgl. dazu oben, Kapitel 2, B. I. 2. b) ff) (1). Quelle: www.dso.de.
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währ für eine sachgerechte Verteilung der knappen Spenderorgane an geeignete Empfänger gewährleisten.138 Ebenso wie die Koordinierungsstelle muss auch die Vermittlungsstelle auf Grund einer finanziell und organisatorisch eigenständigen Trägerschaft, der Zahl und Qualifikation ihrer Mitarbeiter sowie ihrer sachlichen Ausstattung die Gewähr dafür bieten, dass die Organvermittlung nach den Vorschriften dieses Gesetzes erfolgt (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 2 TPG). § 12 Abs. 2 Satz 1 TPG eröffnet die Möglichkeit der Beauftragung einer geeigneten Einrichtung mit Sitz außerhalb der Bundesrepublik, sofern die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen und eine angemessene Datenschutzaufsicht gewährleistet ist (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 2 TPG).139 Auch aus der Gesetzesbegründung wird deutlich, dass die Vorschrift mit Blick auf Eurotransplant International Foundation konzipiert wurde. Mit Vertrag vom 20.04.2000 wurde dann auch Eurotransplant International Foundation (Eurotransplant, ET), eine private gemeinnützige Stiftung niederländischen Rechts mit Sitz in Leiden (Niederlande), als Vermittlungsstelle im Sinne des § 12 Abs. 1 TPG beauftragt. Der Vertrag, dessen Rechtsnatur unklar bleibt, wurde gemäß dem Erfordernis des § 12 Abs. 5 Satz 1 TPG am 27.06.2000 ministeriell genehmigt und anschließend im Bundesanzeiger bekannt gemacht.140 Er trat am 16.7.2000 in Kraft. Dem Eurotransplantverbund gehören heute Belgien, Österreich, Niederlande, Luxemburg, Deutschland, Slowenien und seit kurzem auch Kroatien an.141 Ein Beitritt der Tschechischen Republik scheiterte buchstäblich in der letzten Sekunde an der Unterschrift des tschechischen Gesundheitsministeriums. Über Gründe – z. B. die hohen Kosten für die Registrierung oder die Befürchtung zum Exporteur von Organen zu werden – lässt sich allenfalls spekulieren.
138
BT-Drucks. 13/4355 S. 15. Vgl. die detaillierte und aktuelle Darstellung der datenschutzrechtlichen Aspekte bei Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 12 TPG, Rn. 8. 140 BAnz (2000)131 a, S. 13 ff. 141 Eurotransplant wurde bereits 1967 im Rahmen ärztlicher Selbstorganisation für die Vermittlung von Nieren gegründet. Ziel war es, eine besonders gute Gewebeübereinstimmung zwischen Spender und Empfänger zu finden, denn in dieser Zeit gab es noch nicht die heute zur Verfügung stehenden Immunsuppressiva, so dass man auf einen großen Spender- bzw. Empfängerpool angewiesen war. Später kam auch die Vermittlung anderer Organe hinzu, allerdings war eine Vermittlung über Eurotransplant nicht verpflichtend. 139
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b) Rechte und Pflichten Die Aufgaben der Vermittlungsstelle regelt im Wesentlichen der Vertrag gemäß § 12 Abs. 4 TPG. Die Rechtsnatur des Vertrages bleibt unklar. In § 12 Abs. 4 Nr. 1 bis 8 TPG ist der Mindestvertragsinhalt normiert.
aa) Führung der bundeseinheitlichen supranationalen Warteliste und Entgegennahme der Spendermeldung § 12 Abs. 4 Nr. 1 TPG und damit korrespondierend § 3 des Vermittlungsstellenvertrages regelt die Führung einer bundeseinheitlichen Warteliste bei Eurotransplant sowie welche Daten potentieller Empfänger die Transplantationszentren zu diesem Zwecke zur Verfügung stellen müssen. § 12 Abs. 4 Nr. 2 TPG und die Korrespondenzvorschrift in § 4 des Vermittlungsstellenvertrages regeln die Spendermeldung und die Übertragung der für die von Eurotransplant für eine Vermittlungsentscheidung benötigen Spenderdaten. bb) Verpflichtung zur Einhaltung der gesetzlichen Allokationsvorschriften Gemäß § 12 Abs. 4 Nr. 3 TPG und § 5 Abs. 1 des Vermittlungsstellenvertrages verpflichtet sich ET, die Vermittlungsentscheidung gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 TPG nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, insbesondere nach Erfolgsaussicht und Dringlichkeit, zu treffen. ET erstellt zu diesem Zweck Anwendungsregeln für die Organvermittlung auf der Grundlage der jeweils geltenden Richtlinien der Bundesärztekammer (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TPG) und der in diesem Vertrag enthaltenen Bestimmungen und leitet sie den Auftraggebern sowie dem Bundesministerium für Gesundheit in der jeweils geltenden Fassung zu. Bei diesen Anwendungsregeln handelt es sich um das sog. ET-Manual. Zur Problematik, welchen Umfang die Setzungsmacht ETs hat sowie der Umsetzung der Richtlinien der BÄK, wird auf die untenstehenden Ausführungen verwiesen.142 Darüber hinaus regelt § 5 Abs. 5 des Vermittlungsstellenvertrages das Verfahren der Organvermittlung. Der Einhaltung der Vorgaben aus § 12 Abs. 1 Satz 4 TPG, dass nur Organe nach Deutschland vermittelt werden dürfen, welche im Einklang mit dem am Ort der Entnahme geltenden Rechtsvorschriften entnommen worden sind und die Entnahme darüber hinaus mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen 142
Vgl. dazu unten, Kapitel 2, B. III. 2. c) aa).
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Rechts, insbesondere mit den Grundrechten vereinbar sein muss (sog. ordre public-Vorbehalt)143, trägt § 6 des Vermittlungsstellenvertrages Rechnung.
cc) Kontrolle der Vermittlungsentscheidungen (Dokumentations- und Berichtspflichten) § 12 Abs. 4 Nr. 4 TPG schreibt die regelmäßige Überprüfung der Vermittlungsentscheidungen durch eine von den Vertragspartnern bestimmte Prüfkommission vor. Die Errichtung einer solchen Kommission regelt § 10 des Vermittlungsstellenvertrages.144 Aus diesem Grund trifft ET auch eine Dokumentationspflicht unter Angabe der Gründe für jede Vermittlungsentscheidung (vgl. § 12 Abs. 3 Satz 3 TPG). Die in § 12 Abs. 4 Nr. 5 und 6 TPG vorgesehenen Regelungen zur Zusammenarbeit und zum Erfahrungsaustausch mit der Koordinierungsstelle und den Transplantationszentren sowie die Pflicht zur regelmäßigen Berichterstattung der Vermittlungsstelle an die anderen Vertragspartner werden insbesondere durch die Regelungen der §§ 8 und 9 des Vermittlungsstellenvertrages umgesetzt. dd) Aufwandserstattung Der Ersatz angemessener Aufwendungen der Vermittlungsstelle für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem TPG (vgl. § 12 Abs. 4 Nr. 7) erfolgt, wie sich aus § 11 des Vermittlungsstellenvertrages ergibt, über eine Registrierungspauschale, die von der Krankenkasse des Empfängers zu bezahlen ist. Nach der Anlage 2 zum Vermittlungsstellenvertrag erstattet die Vermittlungsstelle für jedes vermittlungspflichtige Organ, das in Deutschland gewonnen, aber außerhalb der Bundesrepublik implantiert wurde, eine einvernehmlich festzulegende Verrechnungseinheit pro Organ. Gleiches gilt für vermittlungspflichtige Organe, die im Ausland gewonnen und über die Vermittlungsstelle deutschen Transplantationszentren zur Verfügung gestellt und hier transplantiert wurden.
143
Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 12 TPG, Rn. 9. An der Effektivität dieser Sicherungsmaßnahme wird gezweifelt, da zwar die Kommission verpflichtet wurde, die Ergebnisse ihrer Prüfungen schriftlich festzuhalten und den Vertragspartnern mitzuteilen, nicht aber diese öffentlich zu machen, vgl. Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 12 TPG, Rn. 55. 144
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c) Probleme im Hinblick auf die Beauftragung von ET Die Beauftragung einer privaten niederländischen Stiftung mit der Organallokation begegnet nicht unerheblichen Bedenken. aa) Vermittlungsstellenentscheidung als Ausübung hoheitlicher Gewalt Als privatrechtliche Stiftung niederländischen Rechts ist ET nicht unmittelbar deutschem öffentlichen Recht unterworfen; anderseits aber unterliegt sie den vertraglich vereinbarten Steuerungs- und Kontrollrechten deutscher Stellen gemäß § 1 Abs. 4 und § 10 des Vermittlungsstellenvertrags.145 Dies ist insoweit problematisch, als dass die Vermittlungsentscheidung Eurotransplants keine bloß medizinisch-praktische Vollzugentscheidung rein operationeller Natur auf Basis der Richtlinien der BÄK darstellt.146 Darüber hinaus gestaltet sich das Zusammenwirken Eurotransplants und der Bundesärztekammer bei der Erstellung der Vermittlungsregeln sowohl aus rechtlicher als auch organisatorischer Sicht als überaus problematisch.147 So liegt im Akutfall zwar grundsätzlich eine computergestützte Entscheidung vor, dieser liegen aber die zuvor erstellten Algorithmen von ET zugrunde, in welche vorab getroffene Wertungen einfließen.148 Das algorithmische Berechnungsverfahren deckt sich zwar im Wesentlichen mit den Richtlinien der BÄK. ET verbleibt aber dennoch ein erheblicher Spielraum, der noch durch die sog. Entwicklungsklausel149 – weniger wohlwollend Experimentierklausel150 genannt – des § 5 Abs. 7 des Vermittlungsstellenvertrages erweitert wird, welche der Gewinnung eines besseren bzw. neueren Erkenntnisstandes der medizinischen Wissenschaft dienen soll.151 Von dieser Klausel hat ET u. a. in Form des Eurotransplant Senior Program (ESP) Gebrauch gemacht.152 Dieses Programm ermöglicht es, Nieren von Spendern über 65 allein an über 65 Jahre alte Empfänger zu alloziieren. Dabei wird auf eine hohe Gewebeverträglichkeit verzichtet und gleichzeitig wird ein hoher re145
Schmidt-Aßmann, S. 106; Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 12 TPG, Rn. 14. Vgl. dazu Riedel, Organmangel – gesetzgeberischer Handlungsbedarf bei der postmortalen Organspende?, Vortrag bei der Jahrestagung der Deutschen Transplantationsgesellschaft in Rostock, 24.09.2005; Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/ Oduncu, § 12 TPG, Rn. 10; Schmidt-Aßmann, S. 106. 147 Vgl. dazu unten, Kapitel 2, B. III. 2. c) aa). 148 Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 12 TPG, Rn. 10. 149 Vgl. Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 12 TPG, Rn. 27. 150 Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 12 TPG, Rn. 34. 151 Vgl. Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 12 TPG, Rn. 27. 152 Eurotransplant Senior Program (ESP), ET-Manual, Kapitel 4.2.7. 146
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gionaler Bonus zur Minimierung der kalten Ischämiezeit gewährt.153 Hierin liegt ein Verstoß gegen das Gebot der Einheitlichkeit der Warteliste. Auch darüber hinaus kann es vorkommen, dass im Einzelfall aus medizinischen Gründen Entscheidungen, abweichend von dem computergestützten Verfahren, getroffen werden müssen. Droht der Verlust der Spenderorgane, z. B. bei Kreislaufinstabilität des Spenders oder aufgrund logistischer oder organisatorischer Schwierigkeiten, ist Eurotransplant zur beschleunigten Vermittlung berechtigt154, ebenso wenn drei verschiedene Zentren aus spender(organ)bedingten medizinischen Kriterien das Angebot einer Leber, eines Herzens oder einer Lunge abgelehnt haben und zugleich die Vermittlungsangebote für sämtliche geeignete Patienten der höchsten Dringlichkeitsstufe der jeweiligen Warteliste zurückgewiesen wurden.155 Für Nieren darf ein beschleunigtes Vermittlungsverfahren erst nach Ablehnung eines Organangebots aus medizinischen Gründen durch fünf verschiedene Zentren einsetzen. Im beschleunigten Verfahren reduziert sich die Erklärungsfrist für die Annahme auf maximal 30 Minuten. Nach Ablauf der Frist gilt ein Angebot als abgelehnt.156 In diesen Fällen „sollen vorrangig die Organisationsstrukturen der Region genutzt werden. Die Vermittlungsstelle stellt dabei dem Zentrum/den Zentren eine Liste von potentiellen Empfängern zur Verfügung, nach der das Zentrum den am besten geeigneten Empfänger in der Reihenfolge der Auflistung auswählt. Wenn Zentren konkurrieren, erhält derjenige Patient die Organzuteilung, für den die Akzeptanzerklärung des betreuenden Zentrums bei der Vermittlungsstelle zuerst eingegangen ist.“157 Das beschleunigte Vermittlungsverfahren wird häufig auch als sog. „Rescue-Allokation“ bezeichnet und findet sich bis dato nicht im EurotransplantManual wieder.158 All dies vorausgeschickt, muss davon ausgegangen werden, „dass die Vermittlungsstelle wegen des ihr gesetzlich zuerkannten Vermittlungsmonopols in das Transplantationswesen in einer Weise eingebunden ist (§ 9 TPG), die – wäre sie eine Stelle deutschen Rechts – als Ausübung öffentlicher Gewalt einzustufen wäre“.159 153 Zu weiteren Einzelheiten des Eurotransplant Senior Program (ESP) vgl. unten, Kapitel 2, B. III. 2. a) bb) (9). 154 Rahmel, in: Krukemeyer/Lison (Hrsg.), 65, 79. 155 Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Vermittlung Nieren) II. 3.3.2. 156 Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Vermittlung Nieren) II. 3.3.2. 157 Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Vermittlung Nieren) II. 3.3.2. 158 Berichte aus der Praxis legen die Vermutung nahe, dass die Rescue-Allokation eigenen Regeln unterliegt.
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bb) Fehlende verfassungsrechtliche Legitimation Die Vermittlungsstelle und damit das gesamte Vermittlungssystem besitzen derzeit keine hinreichende verfassungsrechtliche Basis.160 Denn obwohl ET Hoheitsrechte ausübt, ist sie als Stiftung niederländischen Rechts nicht dem deutschen öffentlichen Recht unterworfen.161 Dieser Zustand ist aber angesichts der existentiellen Entscheidungsbefugnisse von Eurotransplant nicht tragbar.162 Die Übertragung von Hoheitsrechten auf ausländische Organisationen ist lediglich in dem gemäß Art. 24 Abs. 1 GG vorgesehenen Rahmen möglich. Demzufolge ist eine Übertragung nur auf zwischenstaatliche Einrichtungen möglich.163 Als derartige Einrichtung ist jede durch Völkerrechtssubjekte geschaffene Einrichtung anzusehen.164 Art. 24 Abs. 1 GG ermächtigt hingegen nicht zur Übertragung von Hoheitsrechten auf Körperschaften, die einem anderen Staat eingegliedert sind oder gar auf von Privaten geschaffene Einrichtungen.165 Eurotransplant als private niederländische Stiftung erfüllt die Anforderungen, welche gemäß Art. 24 Abs. 1 GG an die Übertragung von Hoheitsrechten gestellt werden, nicht. Erforderlich wäre vielmehr ein völkerrechtlicher Vertrag aller an ET beteiligten Staaten zur Errichtung einer Vermittlungsstelle, welche aber keinesfalls identisch mit ET als privater nationaler Stiftung wäre. Dieser Einrichtung müssten dann durch förmliches Bundesgesetz in Verbindung mit einem entsprechenden völkerrechtlichen Vertrag die in Rede stehenden Hoheitsrechte übertragen werden.166 cc) Unzureichendes Kontrollregime Zu Recht wird in der Literatur auch das unzureichende Kontrollregime des § 11 Abs. 5 TPG gerügt,167 da die präventive staatliche Genehmigung gemäß § 11 Abs. 5 Satz 1 und 2 TPG und die Ausgestaltung der Über159
Schmidt-Aßmann, S. 106; Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 12 TPG, Rn. 14. Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 12 TPG, Rn. 15; Gutmann, in: Schroth/König/ Gutmann/Oduncu, § 12 TPG, Rn. 11; Clement, S. 150. 161 Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 12 TPG, Rn. 11. 162 Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 12 TPG, Rn. 15. 163 Schmidt-Aßmann, S. 107; Clement, S. 151. 164 Jarass/Pieroth, Art. 24 GG, Rn. 7. 165 Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, Art. 24 GG, Rn. 44 ff., 52; Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 12 TPG, Rn. 11; Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 12 TPG, Rn. 15. 166 Jarass/Pieroth, Art. 24 GG, Rn. 7. 167 Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 12 TPG, Rn. 40 ff.; Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 12 TPG, Rn. 59. 160
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wachungspflichten gemäß § 12 Abs. 5 Satz 3 TPG nicht dem Umstand der weitreichenden Entscheidungsbefugnis bei der „Zuteilung von Lebenschancen“, welche ET de facto eingeräumt wird, Rechnung tragen. Der Genehmigungsvorbehalt ist nämlich nur zum Teil Ausfluss der Staatsaufsicht und zwar lediglich über die Spitzenverbände der Krankenkassen.168 Die deutsche Krankenhausgesellschaft, die Bundesärztekammer und Eurotransplant hingegen unterliegen lediglich einer Aufsicht in Form der Überwachung privater Tätigkeiten.169 Die Genehmigung selbst ist eine gebundene Entscheidung („ist zu erteilen“) und auf reine Rechtskontrolle („den Vorschriften dieses Gesetzes und sonstigem Recht“) beschränkt. Eine Zweckmäßigkeitsprüfung erfolgt daher nicht.170 Die Genehmigung ist zudem nur auf den Vertragsschluss begrenzt und erfasst keine weiteren Vertragsänderungen.171 § 12 Abs. 5 Satz 3 TPG delegiert die Überwachung der Einhaltung der Vertragsbestimmungen auf die Auftraggeber. Die Errichtung der sog. Überwachungskommission zu diesem Zweck ist schließlich in § 14 des Vermittlungsstellenvertrages172 geregelt. Die Überwachungskommission dürfte de facto mit der gemäß § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 TPG i. V. m. § 10 des Vermittlungsstellenvertrages zu bildenden Prüfkommission identisch sein.173 § 14 des Vermittlungsstellenvertrages legt ET Auskunfts- und Berichtspflichten auf. Der Prüfungsinhalt ist auf die Überwachung der Einhaltung der Vertragsbestimmungen beschränkt und wird zudem von den Auftraggebern gesteuert. Conrads spricht zutreffend von einem „kontrolliert(en) kontrollieren“.174 Außer dem vertraglichen Kündigungsrecht, das bei Vertragsverletzungen der Vermittlungsstelle ausgeübt werden kann, verfügen die drei Verbände jedoch über keine weiteren Sanktionsmöglichkeiten. Das Bundesministerium besitzt hingegen nur mittelbar die Möglichkeit, sich über die Einhaltung der Vertragsbestimmungen zu informieren.175 Zu den Auftraggebern gehört insbesondere die BÄK, deren Richtlinienkompetenz, gerade was die Vermittlungsregeln anbelangt, als verfassungsrechtlich problematisch angesehen wird.176 So unterliegt die Bundesärztekammer bei der 168 Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben daher der Aufsichtsbehörde auf deren Verlangen jederzeit über die Einhaltung der Vertragsbestimmungen Bericht zu erstatten vgl. BT-Drucks. 13/4355, S. 26, 27. 169 Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 12 TPG, Rn. 43. 170 Vgl. BT-Drucks. 13/8017, S. 43. 171 Holznagel, DVBl. 1997, 393, 398. 172 Sowie in § 4 der Grundlagenvereinbarung der Auftraggeber vom 18.12.1998 zur Erfüllung der ihnen zugewiesenen Aufgaben aus dem TPG. 173 Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 12 TPG, Rn. 46. 174 Conrads, S. 205. 175 Holznagel, DVBl. 1997, 393, 397. 176 Vgl. dazu unten, Kapitel 2, B. III. 2. c) bb).
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Erstellung der Richtlinien nach § 16 TPG auch keiner gesetzlich verankerten unmittelbaren Kontrolle.177 Einen Genehmigungsvorbehalt für die Richtlinien gibt es nicht. Insgesamt ist es also überaus fraglich, ob das in § 12 Abs. 5 TPG eingerichtete Kontrollregime den Vorgaben, die den Gesetzgeber von Verfassungswegen verpflichten, durch Überwachung sicherzustellen, dass sich die von ihm gewählten Maßnahmen zum Schutz der gefährdeten Rechtsgüter als ausreichend erweisen, genügt.178 Grundrechtsbeeinträchtigungen – hier Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG – können auch in der Unterlassung von Schutz erfolgen.179 Grundrechtsdogmatisch ist damit also die Schutzpflichtenkomponente der Grundrechte angesprochen.180 „Dem Gesetzgeber wie der vollziehenden Gewalt kommt bei der Erfüllung dieser Schutzpflichten ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich zu.“181 Trotz dieses Gestaltungsspielraums liegt eine unzulässige Beeinträchtigung vor, „wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Regelungen und Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückbleiben.“182 Zur Erfüllung seiner Schutzpflicht muss der Staat ausreichende Maßnahmen normativer und tatsächlicher Art ergreifen, die dazu führen, dass ein angemessener und als solcher wirksamer Schutz erreicht wird.183 Für die Reichweite der Schutzvorkehrungen ist die Bedeutung und die Schutzbedürftigkeit der betroffenen Rechtsgüter – hier Leben und körperliche Unversehrtheit – maßgeblich. Darüber hinaus wird der Gestaltungsspielraum durch das Untermaßverbot limitiert.184 Das Untermaßverbot zieht die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen.185 Wenn wie hier die Rechtsgüter Leib und 177 Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 12 TPG, Rn. 46; Gutmann, in: Schroth/König/ Gutmann/Oduncu, § 12 TPG, Rn. 62. 178 Besonders kritisch insoweit: Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 12 TPG, Rn. 47; Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 12 TPG, Rn. 62; Holznagel, DVBl. 1997, 393, 398. 179 Jarass/Pieroth, Vorbemerkung vor Art. 1 GG, Rn. 53. 180 Holznagel, DVBl. 1997, 393, 395. 181 BVerfG, Beschl. v. 29.10.1987 – 2 BvR 624, 1080, 2029/83 –, BVerfGE 77, 170, 214; ähnlich BVerfG, Urt. v. 28.05.1992 – 2 BvF 2/90 und 4,5/92 –, BVerfGE 88, 203, 262; BVerfG, Beschl. v. 27.01.1998 – 1 BvL 15/87 –, BVerfGE 97, 169/176. 182 BVerfG, Urt. v. 10.01.1995 – 1 BvF 1/90, 1 BvR 342, 348/90 –, BVerfGE 92, 26, 46; BVerfG, Beschl. v. 29.10.1987 –2 BvR 624, 1080, 2029/83 –, BVerfGE 77, 170, 215; BVerfG, Urt. v. 28.05.1992 – 2 BvF 2/90 und 4,5/92 –, BVerfGE 88, 203, 251 ff., 254 f. 183 Zippelius/Würtenberger, § 24 I 3; BVerfG, Urt. v. 28.05.1992 – 2 BvF 2/90 und 4,5/92 –, BVerfGE 88, 203, 254. 184 Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 12 TPG, Rn. 47.
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Leben irreparabel gefährdet sind, dürfte die Grenze des Untermaßverbots erreicht sein, so dass eine Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers greift.186 dd) Rechtsschutzfragen Das komplizierte Geflecht der Zuständigkeiten im Kontext der Organspende und Transplantation führt auch in diesem Zusammenhang zu der Problematik der Rechtsschutzfragen187, die hier nur angedeutet werden kann. Dies gilt sowohl für den Zugang zur Transplantationsmedizin188 sowie der hier virulenten Frage nach dem Rechtsschutz von Patienten gegen Vermittlungsentscheidungen von Eurotransplant.189 Eine verwaltungsrechtliche Konkurrentenklage in dem Sinne, dass ein auf der Warteliste geführter Patient die Übertragung eines Organs auf einen anderen verhindern und gegebenenfalls die Übertragung auf sich selbst erwirken kann, würde aufgrund der kurzen Ischämiezeit und der möglichen Folge, dass das Organ im Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr transplantierbar wäre, den Rechtsschutz gegen die Verteilungsentscheidung ad absurdum führen.190 Dies lässt aber die Möglichkeit, präventiven oder nachgehenden Rechtsschutz zu suchen, unberührt.191 Unstreitig dürfte eine fehlerhafte Vermittlungsentscheidung, welche gesetzliche als auch verfassungsrechtlichte Kriterien bei der Allokationsentscheidung missachtet, in die grundrechtlich geschützten Rechte des übergangenen Patienten eingreifen.192 Bei den in Rede stehenden Grundrechtspositionen kommt insbesondere ein Eingriff in die in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG geschützte körperliche Unversehrtheit als auch das Recht auf Leben in Betracht. Nach nicht unbestrittener Auffassung des BVerfG ist im Falle des § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG die abwehrrechtliche Verbürgung des 185
BVerfG, Urt. v. 28.05.1992 – 2 BvF 2/90 und 4,5/92 –, BVerfGE 88, 203,
254. 186 Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 12 TPG, Rn. 47; vgl. grds. zur Nachbesserungspflicht: BVerfG, Beschl. v. 14.01.181 – 1 BvR 612/72 –, BVerfGE 56, 54, 78 f. 187 So weist Gutmann pointiert darauf hin, dass das Transplantationswesen als weißer Fleck auf der Karte justizieller Rechtsstaatlichkeiten zu begreifen sei, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 12 TPG, Rn. 39; § 8 TPG; Rn. 65 und § 10 Rn. 13. 188 Vgl. dazu Lang, in: Höfling (Hrsg.), § 10 TPG Rn. 70 ff. 189 Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 12 TPG, Rn. 58 ff. 190 Vgl. Baltzer, SGb 98, 437, 438; Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 12 TPG, Rn. 1; Clement, S. 158. 191 Vgl. Schmidt-Aßmann, S. 109; Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 12 TPG, Rn. 39. 192 Vgl. Lilie, in: Festschrift für Deutsch, S. 643, 663; Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 12 TPG, Rn. 39.
B. Postmortale Organspende
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Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG „berührt, wenn staatliche Regelungen dazu führen, dass einem kranken Menschen eine nach dem Stand der medizinischen Forschung prinzipiell zugängliche Therapie, mit der eine Verlängerung des Lebens mindestens aber eine nicht unwesentliche Minderung des Leidens verbunden ist, versagt bleibt.“193 Allerdings stellt sich neben der Frage nach der deutschen Gerichtsbarkeit und dem Rechtsweg auch die Frage des Wogegen: TPG, Richtlinien der BÄK, ET-Anwendungsregeln, konkrete Vermittlungsentscheidung von ET?194 Auch sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass am Ende der Entscheidungskette der Transplantationschirurg über die Annahme oder Ablehnung eines Organangebots für seinen Patienten entscheidet.195 Zunächst einmal auf Grundlage der ihm von ET übermittelten Informationen und schlussendlich bei Vorliegen des Organs im Transplantationszentrum. Eine Stellungnahme in der Literatur, wie diese Entscheidung des Transplantationschirurgen rechtlich zu qualifizieren ist, findet sich derzeit nicht196. Das Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes untersagt es jedenfalls, den Rechtssuchenden mit solchen Schwierigkeiten zu konfrontieren.197 Die Justizgewährungspflicht verwehrt es dem deutschen Staat, nicht-deutschen Stellen die Möglichkeiten von Rechtsbeeinträchtigungen zu eröffnen, die sich in Deutschland niederschlagen, ohne für einen ausreichenden Gerichtsschutz zu sorgen.198 Zwar ist der Rechtsschutz vor einem niederländischen Gericht nicht ausgeschlossen, aber die Unsicherheiten über Ort, Weg, Gegenstand und Modalitäten sowie die Problematik der Vollstreckbarkeit von Urteilen im Ausland dürfte eine Missachtung der verfassungsrechtlich in Art. 19 Abs. 4 GG verankerten Rechtswegklarheit und Justizgewährungspflicht darstellen.199
193
BVerfG, Beschl. v. 11.08.1999 – 1 BvR 2181/98 –, NJW 1999, 3399, 3400. Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 12 TPG, Rn. 39. 195 Vgl. hierzu Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 a und b TPG unter 3., DÄBl. (2005)102; A 2968, 2971 und § 5 Abs. 5 des Vermittlungsstellenvertrages. 196 Dieses Problem wird leider auch von Clement, welcher im Rahmen seiner Dissertation zum Rechtsschutz der potentiellen Organempfänger nach dem Transplantationsgesetz Stellung nimmt, nicht aufgegriffen. 197 Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 12 TPG, Rn. 39; Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 12 TPG, Rn. 47. 198 Schmidt-Aßmann, S. 112; BVerfG, Urt. v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134, 2159/92 –, BVerfGE 89, 155, 174 f. 199 Schmidt-Aßmann, NVwZ 01, SH 59, 61; Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 12 TPG, Rn. 60; Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 12 TPG, Rn. 40. 194
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
ee) Ergebnis und Stellungnahme All dies vorausgeschickt, erstaunt es, dass der Gesetzgeber Probleme im Falle der Beauftragung einer ausländischen und noch dazu privatrechtlich organisierten Einrichtung mit den Aufgaben einer Vermittlungsstelle nur im datenschutzrechtlichen Bereich sah.200 Meines Erachtens kommt man nicht umhin, das Konzept einer Vermittlungsstelle außerhalb der Bundesrepublik angesichts der oben aufgezeigten rechtlichen Defizite in Frage zu stellen. Dabei sollten auch organisatorische und wirtschaftliche Vor- und Nachteile einer innerstaatlichen Vermittlungsstelle gegenüber der derzeitigen Praxis erwogen werden. Die Verabschiedung der Vermittlungsregeln im Wege des kollegialen Einvernehmens aufgrund einer kaum mehr zu durchschauenden Verantwortungsteilung vermag nicht zu überzeugen.201 Eine medizinisch zwingende Notwendigkeit besteht bei einer Bevölkerungszahl von ca. 82 Mio. Einwohnern wohl nicht. Zunächst hat die Gewebeverträglichkeit dank moderner Immunsuppressiva nicht mehr den gleichen Stellenwert wie zu Gründungszeiten Eurotransplants. Des Weiteren bietet eine Bevölkerung von ca. 124 Millionen202 gegenüber einer Bevölkerung von ca. 82 Millionen keine höhere Wahrscheinlichkeit, einen kompatiblen Empfänger für ein Spenderorgan zu finden.203 Darüber hinaus wären Kooperationen mit anderen Staaten zumindest bei hochdringlichen Fällen und Patienten mit seltenen physiologischen Eigenschaften denkbar. Vorbilder einer überzeugenden Organvermittlung gibt es auf internationaler Ebene wenig. In den europäischen Nachbarländern wird zwar die Organspende und Transplantation überwiegend staatlich organisiert. Dies allein ist aber kein Garant für ein gerechtes Allokationssystem. Vielfach sind die sog. National Transplant Organisations (NTO), bei denen es sich um öffentlich-rechtliche Einrichtungen handelt, wie z. B. die Agence de la Biomedicine (Frankreich), UK Transplant (Großbritannien), Organizacion Nacional Transplantes (Spanien) auch für die Allokation zuständig.204 Allerdings hat sich bislang in keinem dieser Länder eine strikt patientenorientierte Allokation durchsetzen können. So bleibt die zweite Niere in Großbritannien der zentrumseigenen Allokation vorbehalten205 und in Frankreich sorgen lediglich nationale Prioritäten, z. B. bei der Leber, dafür, dass ein Zentrum nicht in jedem Fall die Leberallokation selbst vornehmen kann.206 Lediglich das Schweizer Transplantations200
BT-Drucks. 13/4355, S. 25 f. Vgl. dazu auch unten, Kapitel 2, B. III. 2. c) aa). 202 Gesamtbevölkerung aller ET-Mitgliedsländer. 203 Vgl. auch Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 12 TPG, Rn. 11. 204 Alliance-O, WP 4, Increase safety and quality of organ transplantation, Deliverable 4.3., S. 8 ff. 205 Alliance-O, WP 3, Allocation, Deliverable. 3.1. S. 58 ff. 201
B. Postmortale Organspende
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gesetz sieht eine nationale Vermittlungsstelle bei gleichzeitiger patientenorientierter Allokation vor.207 In Deutschland eröffnet der gesetzliche Rahmen des § 12 TPG ebenfalls die Übertragung der Vermittlungsentscheidung auf eine innerstaatliche Einrichtung. Es bedürfte also keiner gesetzlichen Änderung. Der Vermittlungsstellenvertrag ist gemäß seinem § 16, wie es auch § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 8 TPG vorsieht, mit einer Jahresfrist zum 31.12. des jeweiligen Jahres kündbar. Neben der Beseitigung der rechtlichen Defizite der derzeitigen Praxis wäre zu hoffen, dass sich durch eine innerstaatliche Vermittlungsstelle die häufig bemühte Transparenz der Vermittlungsentscheidung endlich herstellen ließe. Dies kann sich allenfalls positiv auf die Organspendebereitschaft in Deutschland auswirken. Auch würde eine Vermittlungsstelle mit Sitz in Deutschland in der deutschen Öffentlichkeit unter Umständen bewusster wahrgenommen, was zur Akzeptanz der postmortalen Organspende beitragen könnte.208 ff) Wahrung des Ordre public-Vorbehalts In § 12 Abs. 1 Satz 4 a. E. TPG wurde der bereits oben erwähnte ordre public-Vorbehalt209 aufgenommen. Klassisches unstrittiges Beispiel für Fälle, die hierdurch ausgeschlossen werden sollen, wäre die Vermittlung von Organen aus dem Ausland in Deutschland, die einem Hingerichteten entnommen worden sind.210 Fraglich ist hingegen, inwieweit auch die Fälle einer Organentnahme nach Herzstillstand, ohne dass zuvor der Gesamthirntod diagnostiziert wurde (sog. NHBDs), darunter fallen. Dies wird zum Teil mit dem Hinweis darauf bejaht211, dass bei nicht zweifelsfrei nachgewiesenem Tod eine Organentnahme gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts (Art. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) verstoße. Ein Non-Heart-BeatingDonor Programm haben alle ET-Verbundstaaten mit Ausnahme Deutschlands.212 Auch außerhalb des ET-Verbundes gibt es in Europa zahlreiche 206
Alliance-O, WP 3, Allocation, Deliverable. 3.1. S. 10 ff. Art. 19 des Schweizer Bundesgesetzes über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen. Die Aufgabe wird von Swisstransplant, einer nicht staatlichen Einrichtung, übernommen. 208 Vgl. dazu Riedel, Organmangel – gesetzgeberischer Handlungsbedarf bei der postmortalen Organspende?, Vortrag bei der Jahrestagung der Deutschen Transplantationsgesellschaft in Rostock, 24.09.2005. 209 Vgl. Art. 6 EGBGB, § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. 210 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 12 TPG, Rn. 6. 211 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 12 TPG, Rn. 6; Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 12 TPG, Rn. 60. 212 Vgl. DOPKI, D 2. 1 Report on the general European situation: technical, legal and socio-sanitary point of view, S. 87. 207
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weitere Staaten, welche ebenfalls ein entsprechendes Programm haben.213 Eine Vermittlung von Organen eines Non-Heart-Beating-Donors nach Deutschland wird von ET mit Hinweis auf § 6 Abs. 2 Vermittlungsstellenvertrag nicht vorgenommen.214 Gleiches müsste für ein Organangebot aus Großbritannien gelten, wenn lediglich der Hirnstammtod nachgewiesen ist. Zuweilen wird darauf hingewiesen, der ordre public-Vorbehalt würde streng genommen auch die Vermittlung von Organen aus Ländern mit Widerspruchslösung verbieten. So dass eine Vermittlung von Organen, insbesondere aus den ET-Ländern Österreich, Belgien und Luxemburg, welche diese Regelung gewählt haben, unzulässig wäre. Wie in Kapitel 4 dargestellt, geht die vorliegende Bearbeitung von der Verfassungskonformität der Widerspruchsregelung in Deutschland aus215, so dass insoweit kein Verstoß gegen den ordre public-Vorbehalt durch die Vermittlung von Organen aus Ländern mit Widerspruchslösung besteht.
II. Zentrale rechtliche Voraussetzungen der postmortalen Organentnahme Der nachfolgende Abschnitt stellt die zentralen rechtlichen Voraussetzungen – Gesamthirntod und Zustimmung zur postmortalen Organspende – in der Bundesrepublik dar. 1. Gesamthirntod als Vorraussetzung der postmortalen Organspende § 3 Abs. 1 Nr. 2 TPG normiert die Feststellung des Todes nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, als zentrale Voraussetzung für die Organentnahme bei toten Organspendern.216 Mindestvoraussetzung für die postmortale Organentnahme ist gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG die nach Verfahrensregeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, vorzunehmende Feststellung des nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnsstamms (sog. Gesamthirntod). Durch diese Konstruktion hat es der Gesetzgeber unterlassen, eine verbindliche Definition für den Tod des Menschen im Gesetz aufzunehmen, indem er 213 So z. B.: Spanien, Frankreich, Portugal, Großbritannien, Tschechien und die Schweiz; vgl. dazu DOPKI, D 2. 1 Report on the general European situation: technical, legal and socio-sanitary point of view S. 87. 214 ET-Manual, Kapitel 4.2.8.; 5.2.8. 215 Vgl. dazu unten, Kapitel 4, A. II. 2. f). 216 Vgl. Überschrift des zweiten Abschnitts.
B. Postmortale Organspende
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den nachgewiesenen Gesamthirntod lediglich zur unabänderlichen Mindestvoraussetzung einer Organentnahme normiert hat. Es verwundert daher nicht, dass durch die Regelung des § 3 TPG die Diskussion um den Hirntod als juristischen Tod des Menschen (sog. Hirntoddebatte) nicht zur Ruhe gekommen ist.217 Seit es die Intensivmedizin ermöglicht, die Herzkreislauffunktion auch nach Eintritt des Hirntodes künstlich aufrechtzuerhalten, hat sich in der Medizin die Auffassung durchgesetzt, den Hirntod und damit das Erlöschen der menschlichen Persönlichkeit als maßgebliches Todeskriterium anzuerkennen218 und wird auch von der überwiegenden juristischen Literatur getragen.219 Demzufolge stellt die Hirntoddiagnose lediglich eine Präzisierung des Todeszeitpunkts dar. Während sich diese Ansicht in der Medizin als ganz herrschende durchgesetzt hat, sind gegen die rechtliche Gleichsetzung von Hirntod und menschlichem Tod beachtliche Einwände erhoben worden, da sie den Zeitraum zwischen Hirntod und klinischem Tod (Herz-Kreislauftod) dem Sterbeprozess zurechnen.220 Die Menschenwürde gebiete es, den Ablauf dieses Prozesses zu achten und das Leben auch in seinem letzten Stadium nicht durch einen vorgelagerten Todeszeitpunkt des Schutzes nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG zu berauben. Solange der Sterbevorgang nicht eindeutig abgeschlossen sei, gelte der Grundsatz „in dubio pro vita“.221 Eine Transplantation nach Eintritt des Hirntodes lasse sich allerdings durch eine lebzeitige Zustimmung des Betroffenen rechtfertigen.222 Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Definition des Todes im Transplantationsgesetz vermieden hat, ist auf erhebliche Kritik gestoßen.223 Wie 217
Vogt-Weber/Weber, Traditio et Innovatio 2000, 33 ff.; Weber, ZfL 2002, 94 ff. Murswiek, in: Sachs (Hrsg), Art. 2 GG, Rn. 142; Wiedemann, in: Umbach (Hrsg.), Art. 2 Abs. 2 GG, Rn. 295 ff.; Rixen, S. 55 ff.; Kluth, Zfl, 1996, 3 ff.; in der Schmitten, in: Höfling, (Hrsg.) Anhang zu § 3 TPG Rn. 36 ff.; Grewel, ZRP 1995, 217, 218. 218 Schlake/Roosen, S. 11 ff.; Oduncu, Hirntod und Organtransplantation, S 181; Angstwurm, in: Oduncu/Schroth/Vossenkuhl, Wilhelm (Hrsg.), Transplantation, S. 28, 32; Nagel, in: Firnkorn (Hrsg.), S. 20, 21 f.; a. A. in der Schmitten, in: Höfling (Hrsg.), Anhang zu § 3 TPG, Rn. 36 ff. 219 Sengler/Schmidt, MedR 1997, 241, 246; Heun, in: Firnkorn (Hrsg.), S. 57, 58; Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, Vor §§ 3, 4 TPG, Rn. 29; Nickel/ Schmidt-Preisigke/Sengler, § 3 TPG, Rn. 7; Kluth/Sander, DVBl. 1996, 1285, 1288; Schreiber, in: Ach/Quante (Hrsg.), S. 199, 205; Schreiber, in Firnkorn (Hrsg.), S. 44, 48; Stern, Staatsrecht Bd. III/1 § 79 IV 5 b, S. 1058. 220 Höfling, in: Firnkorn (Hrsg.), S. 78, 80; Weber, ZfL 2002, 94 ff. 221 Höfling/Rixen, S. 74 f.; Murswiek, in: Sachs (Hrsg), Art. 2 GG, Rn. 142; Tröndle, in: Firnkorn (Hrsg.), S. 53; Höfling, in: Firnkorn (Hrsg.), S. 78, 81; Rixen, ZRP, 1995, 461, 462. 222 Höfling/Rixen, S. 83 ff.; Grewel, ZRP 1995, 217. 223 Lilie, Rechtsphilosophische Hefte, Band VIII (1998), 89, 94.
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
bereits in Kapitel 1 dargelegt, ist ungeachtet dessen der Gesamthirntod als formales Entnahmekriterium und gesetzliche Mindestvoraussetzung mit rechtsverbindlicher Wirkung in § 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG normiert.224 Bis zu einem gegenteiligen Ausspruch durch das BVerfG beansprucht ein Gesetz die Vermutung der Verfassungsgemäßheit für sich.225 Die Regelung des TPG ist folglich geltendes Recht und daher für Rechtsanwender und Transplantationsmediziner maßgeblich.226 a) Feststellung des Gesamthirntodes als Mindestvoraussetzung Nachdem sich aus dem Zusammenspiel des § 3 Abs. 1 Nr. 2 und § 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG der Gesamthirntod als entscheidendes Kriterium für die Organentnahme darstellt und gleichzeitig die Mindestvoraussetzung für eine Organentnahme festlegt,227 ist nunmehr der Frage nachzugehen, mittels welcher Untersuchungsmethoden der eingetretene Gesamthirntod festgestellt werden kann. Zunächst finden sich auf gesetzlicher Ebene Verfahrensregeln für die Feststellung des Todes. Gemäß § 5 Abs. 1 hat die Feststellung durch zwei voneinander unabhängige, für diese Feststellung qualifizierte Ärzte zu erfolgen. § 5 Abs. 2 TPG bestimmt ferner, dass diese Ärzte weder an der Entnahme noch an der Übertragung der Organe des Organspenders beteiligt sein dürfen (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 TPG). Darüber hinaus dürfen sie auch nicht Weisungen eines Arztes unterstehen, der an diesen Maßnahmen beteiligt ist (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 2 TPG). Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TPG stellt die Bundesärztekammer zum einen Regeln für die Feststellung des Todes nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 TPG, zum anderen zu den Verfahrensregeln zur Feststellung des Gesamthirntodes nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG einschließlich der dazu jeweils erforderlichen ärztlichen Qualifikation auf.228 Das Todesfeststellungsverfahren bzw. Nachweisverfahren wird also vom TPG-Gesetzgeber nicht geregelt. Dies gilt auch für eine Vielzahl anderer Länder.229 In der Tschechischen Republik wurden Eckdaten des Nachweisverfahrens zur Feststellung des Hirntodes in der Anlage 2 zum Transplantationsgesetz verabschiedet. Auch wenn an zahlreichen Stellen dieser Bear224
Vgl. dazu oben, Kapitel 1, B. I. 2. St. Rspr. seit BVerfG, Beschl. v. 07.05.1953 – 1 BvL 104/52 –, BVerfGE 2, 266, 282. 226 Krüger, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 3 TPG, Rn. 29. 227 Vgl. Borowy, S. 118. 228 Zu den Anforderungen an die ärztliche Qualifikation zur Hirntodfeststellung vgl. DÄBl. 95 (1998), A 1861, 1864. 229 So z. B. auch in Österreich, vgl, Barta/Kalchschmid, in: Barta/Kalchschmid,/Kopetzki (Hrsg.) S. 13, 25. Aber auch in Großbritannien (Codes of Practice (Faculty of the Royal Colleges); Schweiz (Richtlinien der SAMS). 225
B. Postmortale Organspende
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beitung auf die (verfassungs-)rechtlichen Bedenken bzgl. der Richtlinienkompetenz der BÄK, wie sie sich in § 16 TPG darstellt, hingewiesen wurde, so steht fest, dass die Untersuchungsmethoden, mittels derer sich der Gesamthirntod zweifelsfrei nachweisen lässt, in die Kompetenz der medizinischen Wissenschaft fallen.230 Allerdings ist explizit darauf hinzuweisen, dass dies allein für das Nachweisverfahren, nicht aber für die anderen relevanten Beschreibungsebenen und somit auch nicht für die juristische Definition des Todeszeitpunktes gilt.231 Der wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer legt in den Richtlinien zur Feststellung des Hirntodes gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TPG ein dreistufiges Diagnoseschema zur Feststellung des Gesamthirntodes fest.232 1. Voraussetzungen233, 2. Klinische Symptome des Ausfalls der Hirnfunktionen und deren Untersuchung sowie 3. Nachweis der Irreversibilität durch erneute Untersuchung nach angemessener Beobachtungszeit oder durch apparative Zusatzuntersuchungen. Wie bereits in Kapitel 1 dargelegt234, kann der tatsächliche Zeitpunkt des Eintritts des Gesamthirntods nicht festgestellt werden, so dass gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 TPG nur der Zeitpunkt des Abschlusses der Hirntoddiagnose dokumentiert werden kann.235 Die Richtlinien der BÄK enthalten zu diesem Zweck einen Protokollbogen.236 aa) Voraussetzungen Grundvoraussetzung für die Einleitung der Hirntoddiagnose ist der zweifelsfreie Nachweis einer schweren primären oder sekundären Hirnschädigung. Bei primären Hirnschädigungen hat das schädigende Ereignis das Gehirn selbst unmittelbar betroffen (z. B. bei Blutungen, Durchblutungsstörungen, Tumoren).237 Sekundäre Hirnschädigungen entstehen indirekt durch einen Sauerstoffmangel des Gehirns als Folge schwerwiegender Funktionsstörungen in der Körperperipherie (z. B. Herzinfarkt, Ertrinken, Ersticken oder ein Blutzuckerkoma).238 Bei Patienten im Kreislaufschock, bei Vergiftungen, Unterkühlungen, Stoffwechselentgleisungen oder bestimmten medi230 231 232 233
Borowy, S. 124; Beckmann, ZRP 1996, 219, 220. Beckmann, ZRP 1996, 219, 220. DÄBl. 95 (1998), A 1861. Zustand aufgrund dessen eine Hirntoddiagnose in Erwägung gezogen werden
kann. 234
Vgl. dazu oben, Kapitel 1, B. I. 3. a) aa). DÄBl. 95 (1998), A 1861, 1865. 236 DÄBl. 95 (1998), A 1861, A1866. 237 Schlake/Roosen, S. 28; Eickhoff, Die Schwester Der Pfleger 45. Jahrg. 3/06, 182, 184. 238 Schlake/Roosen, S. 28. 235
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
kamentösen Vorbehandlungen muss mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Gewissheit sichergestellt sein, dass keiner dieser Faktoren an der bestehenden Hirnfunktionsstörung in reversibeler Weise mitbeteiligt ist und damit die Hirntodfeststellung beeinflussen könnte.239 bb) Klinische Symptome des Ausfalls der Hirnfunktionen und deren Untersuchung Erst wenn die unter aa) dargestellten Voraussetzungen erfüllt sind, erfolgt eine Untersuchung der klinischen Ausfallsymptome.240 Dies sind eine tiefe Bewusstlosigkeit (Koma), Ausfall aller Hirnstammreflexe (Hirnstamm-Areflexie) sowie der Ausfall der Spontanatmung (Apnoe).241 Als tiefes Koma wird ein Zustand definiert, in dem der Patient jegliche Reaktionen spontaner Art oder auf stärkste äußere Reize vermissen lässt.242 Der Nachweis der Hirnstamm-Areflexie erfolgt durch Prüfung fünf verschiedener Reflexmuster, welche die Funktionen des Hirnstamms auf unterschiedlichen anatomischen Ebenen repräsentieren: Pupillenreaktion, Fehlen des okulozephalen Reflexes („Puppenkopfphänomen“), Fehlen des Hornhautreflexes (Kornealreflex), Fehlen einer Schmerzreaktion im Gesicht (Trigeminusreflexes) und das Fehlen des Würgereflexes (Pharyngealreflex).243 Erst ganz zum Schluss, wenn alle vorangegangenen Untersuchungen auf den eingetretenen Hirntod hindeuten, wird wegen einer möglichen Gefährdung des Patienten der Ausfall der Spontanatmung mittels des sog. „Apnoe-Tests“ durchgeführt.244 Heutige Beatmungsgeräte machen es möglich, die Spontanatmung zu überprüfen, ohne den Patienten von der Beatmung „abzuhängen“.245 Hierzu wird das Beatmungsgerät so eingestellt, dass jede – auch noch so geringfügige – Atemanstrengung mit einem (äußerlich deutlich erkennbaren) maschinellen Atemzug beantwortet wird. Durch Abschaltung oder Reduktion der maschinellen Beatmung kommt es zu einem stetigen Anstieg des Gehaltes von Kohlendioxid im Blut. Dieses Endprodukt des Stoffwechsels stellt 239 DÄBl. 95 (1998), A 1861; vgl. dazu auch lit A. der Anlage 2 zum TZ, welche genau diese Zweifelsfälle aufzählt; Binder/Pinter/Helscher, in: Schwarz/Bonelli, S. 113. 240 Schlake/Roosen, S. 30. 241 DÄBl. 95 (1998), A 1861; vgl. auch lit B. der Anlage 2 zum TZ. 242 Pschyrembel, Stichwort Koma; Stolke, Krankenhaus Arzt, 1998, 15, 18; Schlake/Roosen, S. 30. 243 DÄBl. 95 (1998), A 1861, A 1862; vgl. auch lit B. der Anlage 2 zum TZ und zur anschaulichen Erörterung der Prüfung der Hirnstamm-Areflexie: Schlake/Roosen, S. 30 oder Stolke, Krankenhaus Arzt, 1998, 15, 18. 244 DÄBl. 95 (1998), A 1861, A 1863. 245 Schalke/Roosen, S. 33.
B. Postmortale Organspende
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durch direkte Stimulation des Atemzentrums im Hirnstamm den stärksten physiologischen Antrieb für die Spontanatmung dar. In den Richtlinien der BÄK wurde ein bestimmter Mindest-Partialdruck im Blut (pCO2 60 mm Hg; normal: 40 5 mm Hg) festgelegt,246 welcher erreicht werden muss, ohne dass ein spontaner Atemzug des Patienten erkennbar ist. Es ist dann von einem unwiederbringlichen Ausfall des Atemzentrums im Hirnstamm auszugehen.247 cc) Nachweis der Irreversibilität Der Nachweis der Irreversibilität des Ausfalls der Gesamtfunktionen des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnsstamms ist erst dann abgeschlossen, wenn die unter bb) beschriebenen klinischen Untersuchungen bei Erwachsenen nach 12 Stunden, bei Kleinkindern bis zum vollendeten 2. Lebensjahr nach 24 Stunden, bei Neugeborenen und Säuglingen bis zur 4. Lebenswoche nach 72 Stunden wiederholt werden. Bei sekundären Hirnschädigungen ist generell eine Beobachtungszeit von 72 Stunden vorgeschrieben.248 Alternativ zur Einhaltung des Beobachtungszeitraums kann auf ergänzende apparative Untersuchungsmethoden zurückgegriffen werden. Methodisch lassen sich hierbei zwei grundsätzliche Verfahrensweisen unterscheiden. Der elektrophysiologische Nachweis eines Funktionsverlustes [Nulllinien EEG (Elektroenzephalographie), erloschene frühe akustisch evozierte Potenziale (AEP, BERA) und somatosensibel evozierte Potentiale (SEP)] oder der Nachweis eines Stillstandes der Hirndurchblutung (Angiographie, Doppler-Sonographie, Hirnszintigraphie).249 b) Die sog. NHB-Spende in der Bundesrepublik Deutschland Immer wieder heißt es, die Entnahme von Organen nach Herzstillstand (Non-Heart-Beating-Donor) sei aufgrund der in § 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG normierten Mindestvoraussetzung, welche die Feststellung des irreversiblen Ausfalls der Gesamtfunktionen des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms nach Verfahrensregeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, vorschreibt,250 in Deutschland nicht zu246
DÄBl. 95 (1998), A 1861, A 1863, Anmerkung 3 b. Schalke/Roosen, S. 33. 248 DÄBl. 95 (1998), A 1861, 1862. 249 Vgl. zu den ergänzenden apparativen Untersuchungen Schlake/Roosen, S. 38 ff. 250 Krüger, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 3 TPG, Rn. 23; Nickel/SchmidtPreisigke/Sengler, § 3 TPG, Rn. 18. 247
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
lässig. Wie bereits in Kapitel 1 aufgegriffen, ist dies nur zum Teil zutreffend.251 So kann der Herzkreislaufstillstand unmittelbar nach Abschluss der Hirntoddiagnose erfolgen, so dass zumindest eine Organentnahme entsprechend der Maastricht Kategorie IV252 möglich ist. Darüber hinaus ist aber anzumerken, dass das Gesetz die Non-Heart-Beating-Spende nicht explizit verbietet. Es fehlt derzeit lediglich an einem Nachweisverfahren, welches mit der gleichen Sicherheit, wie die oben dargestellte Hirntoddiagnose, den Nachweis der Irreversibilität des Ausfalls der Gesamtfunktionen des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms unmittelbar nach Eintritt des Herzkreislaufstillstand ermöglicht. Bei einem Herzkreislaufstillstand von mehreren Minuten und der damit einhergehenden Mangeldurchblutung des Gehirns spricht für den Eintritt des Hirntods lediglich eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit. Meines Erachtens ist daher die Mitteilung der BÄK zur Organentnahme nach Herzstillstand („Non heart-beating donor“)253, in der es heißt, „ein Herz- und Kreislaufstillstand von 10 Minuten bei normaler Körpertemperatur ist bisher nicht als sicheres „Äquivalent zum Hirntod“ nachgewiesen und kann deshalb nicht die Todesfeststellung durch Nachweis von sicheren Todeszeichen ersetzen“, vorsichtig zu lesen. Mit Blick auf die erforderliche Differenzierung zwischen Definition, Kriterium und Nachweisverfahren ist die Mitteilung dahingehend zu verstehen, dass ein Herz-Kreislaufstillstand von 10 Minuten bei normaler Körpertemperatur bisher nicht als sicheres Äquivalent zum Nachweis des Hirntodes mittels der in den Richtlinien gemäß § 16 Abs. 1 Satz Nr. 1 TPG vorgeschriebenen Hirntoddiagnose gesehen werden kann. Es geht insoweit allein um das Nachweisverfahren, welches derzeit zur zweifelsfreien Hirntodfeststellung nach Eintritt des Herzkreislaufstillstandes in einem Zeitrahmen, welcher die Entnahme von transplantierbaren Organen zuließe, nicht existiert. Daher sei klarstellend darauf hingewiesen, dass man auch bei der Non-Heart-Beating-Spende vom Hirntod als Kriterium des Todes des Menschen ausgeht. Allein der Umstand, dass bislang nicht bewiesen ist, wie lange der Herzstillstand bestanden haben muss, bis die Funktion aller Gehirnareale ausfällt, der Hirntod im Zeitpunkt seines Eintritts oder unmittelbar danach also nicht messbar ist, verhindert derzeit eine Non-Heart-Beating-Spende in der Bundesrepublik. De facto ist also derzeit eine Non-Heart-Beating-Spende mit Ausnahme der Eingangs geschilderten Sonderkonstellation in der Maastricht Kategorie IV in Deutschland unzulässig.
251 252 253
Vgl. dazu oben, Kapitel 1, B. I. 4. b) dd). Vgl. dazu oben, Kapitel 1, B. I. 4. b) dd). DÄBl. 95 (1998), A 3235.
B. Postmortale Organspende
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In jedem Fall verbietet die in § 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG normierte Mindestvoraussetzung auch eine Organentnahme bei Vorliegen des sog. Teilhirntodes, wie dies z. B. in Großbritannien ausreichend ist.254 Und zwar auch dann, wenn die Wissenschaft herausfinden sollte, dass bereits der Hirnstammtod ein sicheres Todeszeichen ist. 2. Zustimmung zur postmortalen Organspende Der deutsche Gesetzgeber hat die Zulässigkeit der postmortalen Organentnahme von der erklärten Einwilligung des Organspenders abhängig gemacht.255 Diese ist notwendig, da mit der Organentnahme in das postmortale Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) des Organspenders eingegriffen wird.256 Die Befugnis anderer Entscheidungsberechtigter die Zustimmung zu erteilen, ist subsidiär und greift nur, wenn der Wille des Verstorbenen weder bekannt noch feststellbar ist.257 a) Zustimmungs- bzw. Einwilligungsberechtigter Die Zustimmung zur postmortalen Organspende kann entweder durch den Spender zu Lebzeiten selbst, eine vom Spender zuvor bestimmte Person oder durch nächste Angehörige erfolgen. Wer nächster Angehöriger ist, war in § 4 Abs. 2 Satz 1 TPG und ist nun im Gewebegesetz in § 1 a Nr. 5 TPG gleichlautend legaldefiniert. aa) Erteilung der Einwilligung durch den Spender Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 TPG ist eine Organentnahme nur zulässig, wenn der Organspender in die Entnahme eingewilligt hat. Sie ist gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 TPG unzulässig, wenn die Person, deren Tod festgestellt ist, der Organentnahme widersprochen hatte. Sowohl Widerspruch als auch Einwilligung können bei der postmortalen Organentnahme naturgemäß nur zu Lebzeiten erklärt werden. § 2 Abs. 2 TPG legt drei grundlegende Entscheidungsmöglichkeiten fest, zwischen denen der Organspender wählen kann, namentlich die Einwilligung, den Widerspruch oder die Übertragung der Entscheidung auf eine dritte Person. Aus § 2 Abs. 2 Satz 3 TPG ergibt sich, 254
Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, vor §§ 3, 4 TPG, Rn. 40. Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 3 TPG, Rn. 2. 256 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 3 TPG, Rn. 3. 257 Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 3 TPG, Rn. 2; Nickel/ Schmidt-Preisigke/Sengler, § 8 TPG, Rn. 8. 255
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
dass eine Einwilligung ab dem vollendeten sechzehnten, der Widerspruch ab dem vollendeten vierzehnten Lebensjahr erklärt werden kann.258 Die Erteilung der Einwilligung zu Lebzeiten des Spenders ist an keine Formvorschrift gebunden.259 Sie kann sowohl mündlich als auch schriftlich erteilt werden. Erforderlich ist aber in jedem Fall, dass der Spendewillige seine Einwilligung in die postmortale Organspende nach außen kommuniziert. Die Möglichkeit der Dokumentation der Einwilligung in einem Organspenderegister ist zwar gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 TPG vorgesehen, das Gesundheitsministerium hat aber von der in § 2 Abs. 3 Satz 1 TPG eingeräumten Verordnungsermächtigung zur Errichtung eines solchen Registers bislang keinen Gebrauch gemacht. Die Errichtung eines Organspenderegisters ist auch in naher Zukunft nicht vorgesehen. (1) Wirksamkeitsvoraussetzungen Eine rechtswirksame Einwilligung ist immer dann anzunehmen, wenn der Betroffene in verständlicher Form zum Ausdruck bringt, dass er die Entnahme von Organen und Geweben zum Zwecke der Transplantation gestattet. Sie ist wirksam, wenn der Erklärende einsichtsfähig gewesen ist und diese Entscheidung nicht widerrufen hat.260 Nach im Schrifttum vertretener Auffassung muss die Einwilligung in eine postmortale Organspende nicht den Anforderungen genügen, die von der Rechtsprechung für die Einwilligung in einen ärztlichen (Heil-)Eingriff bei lebenden Menschen gestellt werden.261 Der Gesetzgeber geht davon aus, dass sich jeder zu Lebzeiten mit der postmortalen Organspende auseinandersetzen kann und in der Lage ist, sich hinreichende Informationen zu besorgen. Einer individuellen Aufklärung bedarf es nicht.262 Allerdings müssen die zuständigen Stellen Organspendeausweise und geeignete Aufklärungsunterlagen bereithalten. Wirksam ist eine Erklärung zur postmortalen Organspende aber auch, wenn sie nicht auf Grundlage gezielter Informationen oder individueller Aufklä258 Hinsichtlich des 16. Lebensjahr hat sich der Gesetzgeber an den Regelungen zur Testierfähigkeit (§ 2229 BGB) orientiert, beim Widerspruch an Art. 4 Abs. 1 GG, der die sog. Religionsmündigkeit mit dem 14. Lebensjahr annimmt. Es kommt aber in jedem Fall auf eine entsprechende Einsichtsfähigkeit an. 259 Vgl. BT-Drucks. 13/4255, S. 17; Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/ Oduncu, § 2 TPG, Rn. 8; Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 3 TPG, Rn. 4; Rixen, in: Höfling (Hrsg.), § 2 TPG, Rn. 32. 260 Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 2 TPG, Rn. 3. 261 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 2 TPG, Rn. 10; Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 2 TPG, Rn. 7; Sasse, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 2 TPG, Rn. 15. 262 Sasse, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 2 TPG, Rn. 15.
B. Postmortale Organspende
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rung abgegeben wurde.263 Ebenso wenig erforderlich ist, dass die Einwilligung frei von Willensmängeln ist. Der Eingriff in das postmortale Persönlichkeitsrecht ist bereits dann berechtigt, wenn eine zwangsfreie Entscheidung zur Organentnahme, die nach außen hin deutlich geworden ist, festgestellt werden kann.264 (2) Schriftliche Dokumentation der Spendebereitschaft Für die schriftliche Dokumentation der Spenderbereitschaft bietet sich zunächst die Nutzung eines Organspendeausweises an. § 2 Abs. 5 TPG enthält die Ermächtigung für das Bundesgesundheitsministerium, durch allgemeine Verwaltungsvorschrift mit Zustimmung des Bundesrates ein Muster für einen Organspendeausweis festzulegen und im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Von dieser Ermächtigung hat das Ministerium Gebrauch gemacht.265 Dieses Muster räumt insgesamt fünf Möglichkeiten ein, sich zur postmortalen Organspende zu erklären: 1. Ja, ich gestatte, dass nach der ärztlichen Feststellung meines Todes meinem Körper Organe und Gewebe entnommen werden. 2. Ja, ich gestatte dies, mit Ausnahme folgender Organe/Gewebe: 3. Ja, ich gestatte dies, jedoch nur für folgende Organe/Gewebe: 4. Nein, ich widerspreche einer Entnahme von Organen oder Geweben 5. Über ein Ja oder Nein soll dann folgende Person entscheiden: Darüber hinaus wird Platz für Anmerkungen/Besondere Hinweise eingeräumt. Der Organspendeausweis räumt also ausdrücklich die Möglichkeit ein, einer Organ- und Gewebeentnahme nur beschränkt zuzustimmen.266 Auch wird dem Inhaber die Möglichkeit eröffnet, seinen Widerspruch zu dokumentieren, damit ist aber die Bezeichnung Organspendeausweis irreführend, da seine Inhaberschaft nicht gleichzusetzen ist mit der Einwilligung zu Organspende. Die Kenntnis dieses Umstandes ist in der Bevölkerung nicht weit verbreitet – zumal ältere Modelle eines Organspendeausweises267 tatsächlich nur darauf ausgerichtet waren, die Bereitschaft zur postmortalen Organspende zu dokumentieren. Darüber hinaus eröffnet der Ausweis die 263
Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 2 TPG, Rn. 7. Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 3TPG, Rn. 10. 265 Das Muster ist im Bundesanzeiger Nr. 103 a. v. 6. Juni 98 abgedruckt; Neufassung aufgrund des Gewebegesetzes vgl. BR-Drucks. 902/07. 266 Vgl. dazu auch unten, Kapitel 2, B. II. 1. 267 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 2 TPG, Rn. 25. 264
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
Möglichkeit, eine stellvertretende Entscheidung zuzulassen (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 TPG). Dieses Muster lässt natürlich die Möglichkeit unberührt, die Erklärung zur Organspende in anderer Form abzugeben.268 In Betracht kommt z. B. eine Patienten – bzw. Betreuungsverfügung.269 Ungeeignet ist hingegen eine Regelung im Testament, weil mit der Entscheidung über eine Organentnahme aus medizinischen Gründen in der Regel nicht bis zur Testamentseröffnung gewartet werden kann.270 Die Einwilligung kann nur persönlich erklärt werden, so können auch die Sorgerechtsberechtigten keine Entscheidung zu Lebezeiten des Kindes treffen, sondern nur eine Entscheidung nach § 4 TPG in Ausübung ihres Totensorgerechts.271 (3) Probleme bei „nur“ mündlich geäußertem Spenderwillen Das Transplantationsgesetz bindet die Erklärung zur Organspende nicht an eine bestimmte Form.272 Die Einwilligung in die Organspende kann folglich auch mündlich wirksam abgegeben werden. Wie bereits eingangs angedeutet, birgt der lediglich mündlich geäußerte Spendewille die Gefahr, dass der Wille des Verstorbenen nicht nach außen kommuniziert wurde. Ob eine mündliche Einwilligung vorliegt und welchen Umfang sie hat, bzw. ob ein Widerspruch zur postmortalen Organentnahme erklärt wurde, kann durch eine Befragung nächster Angehöriger, wie dies § 4 Abs. 1 Satz 1 TPG vorsieht, ermittelt werden. Das Vorliegen einer mündlichen Einwilligung kann nach wohl überwiegender Ansicht im Schrifttum, aber auch durch einen Zeugen, welcher nicht naher Angehöriger ist, bekundet werden.273 Es kommt bei der in § 4 Abs. 2 TPG getroffenen Regelung nicht darauf an, dass die Zeugen Angehörige sind.274 So können auch andere Personen als die Angehörigen oder diesen gleichstehende Personen, wie z. B. Rettungssanitäter, Seelsorger oder Pflegepersonal, denen der Verstorbene seinen letzten, aktuellen Willen zur Organspende mitgeteilt hat, den mündlich geäußerten Willen des Verstorbenen zur Organspende bekunden.275 Dies muss gleichermaßen für Freunde und Bekannte gelten, welche nicht 268 Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 2 TPG, Rn. 16; Rixen, in: Höfling (Hrsg.), § 2 TPG, Rn. 34. 269 Sasse, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 2 TPG, Rn. 17. 270 BT-Drucks. 13/4355, S. 17. 271 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 2 TPG, Rn. 7 § 3 TPG, Rn. 5. 272 Rixen, in: Höfling (Hrsg.), § 2 TPG, Rn. 32. 273 Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 2 TPG, Rn. 9; Nickel/ Schmidt-Preisigke/Sengler, § 2 TPG, Rn. 11; Sasse in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 2 TPG, Rn. 20; Walter, FamRZ 1998, 201, 206, Nickel/Schmidt-Preisigke/ Sengler, § 3 TPG, Rn. 19. 274 Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 2 TPG, Rn. 9.
B. Postmortale Organspende
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die Qualifikation der besonderen persönlichen Verbundenheit für die Gleichstellung mit den nahen Angehörigen gemäß § 4 Abs. 2 Satz 4 TPG erfüllen. Da das Selbstbestimmungsrecht des Verstorbenen immer Vorrang vor dem Willen der Angehörigen hat, haben auch die Angehörigen zunächst lediglich die Funktion eines Boten oder Zeugen und haben den Willen des Verstorbenen zu bekunden.276 § 4 Abs. 2 Satz 2 TPG gibt den Hinweis, dass eine eigene Entscheidungsbefugnis des nächsten Angehörigen nur unter der Voraussetzung des persönlichen Kontakts vor dem Tod des Organspenders besteht. Folglich hängt eine bloße Auskunftsbefugnis in Abgrenzung zur Entscheidungsbefugnis im Umkehrschluss nicht von diesem qualifizierten Erfordernis ab.277 Nicht überzeugend ist hingegen die Gegenansicht Borowys, der selbst für die Auskunftspflicht des nahen Angehörigen die Qualifikation des § 4 Abs. 2 Satz 2 TPG (persönlicher Kontakt in den letzen 2 Jahren) angewandt wissen will,278 gleichzeitig aber empfiehlt, im Einzelfall bei einer Auskunftsperson mit der Annahme „einer besonderen persönlichen Verbundenheit“ nicht zu restriktiv zu verfahren.279 Denn eine solche Qualifikation macht m. E. nur Sinn, wenn es um die stellvertretende Entscheidung, vorrangig unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens, nicht aber die bloße Bekundung des Willens geht. Die Begrenzung des Kreises entscheidungsberechtigter Angehöriger durch § 4 Abs. 2 Satz 2 TPG soll sicherstellen, dass der Entscheidungsbefugte eine Entscheidung im Sinne des Verstorbenen trifft.280 Ein eigenes Entscheidungsrecht greift aber erst dann, wenn der tatsächliche Wille des Verstorbenen nicht bekannt ist. Ließe man ein (eindeutiges) Zeugnis einer Person, welche nicht gemäß § 4 Abs. 2 Satz TPG den Angehörigen gleichsteht, nicht zu, hätte dies zur Konsequenz, dass das Selbstbestimmungsrecht des Verstorbenen beschnitten würde.281 Der nächste Angehörige ist daher, sofern vorhanden, im Falle einer fehlenden Erklärung zur Organspende ein zwingend, aber nicht ausschließlich zu hörender Zeuge.282 Der Gesetzgeber kann nicht einerseits eine formfreie Zustimmung ermöglichen, diese dann aber z. B. wegen möglicher Missbrauchsgefahr283 bei einer Bekundung des mündlich geäußerten 275 Sasse, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 2 TPG; a. A. Rixen, in: Höfling (Hrsg.), § 4 TPG, Rn. 5 und Borowy, S. 162 ff. 276 Vgl. Sasse, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 2 TPG, Rn. 20. 277 Walter, FamRZ 1998, 201, 206. 278 Borowy, S. 163. 279 Borowy, S. 164. 280 BT-Drucks. 13/8027, S. 10. 281 So auch Walter, FamRZ 1998, 201, 206. 282 So auch Walter, FamRZ 1998, 201, 206. 283 Auf diese weist zutreffend Borowy, S. 163 hin.
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
Willens durch Dritte ablehnen. Wäre dies gewollt, so hätte der Gesetzgeber die Zustimmung an Formerfordernisse knüpfen müssen. Allerdings ist in diesen Fällen zu verlangen, dass dem Zeugen der eindeutige Wille des Verstorbenen im Hinblick auf die postmortale Organentnahme und deren Umfang bekannt ist. Die Bekundung von Anhaltspunkten für einen mutmaßlichen Willen allein reicht nicht. Der mutmaßliche Wille ist allein bei der Entscheidung des Angehörigen oder diesem gleichstehenden Personen maßgeblich. Die stellvertretende Entscheidung also, auf Grundlage des mutmaßlichen Willens oder wenn dieser nicht ermittelt werden kann nach eigenem ethisch verantwortbaren Ermessen284, kann ausschließlich von einer nach § 4 Abs. 2 TPG qualifizierten Person getroffen werden. Dies hat zur Konsequenz, dass für den Fall, dass ein potentieller Organspender keine Angehörigen hat oder diese nicht kontaktiert werden können, durchaus auch eine Befragung Dritter in Betracht kommt. Sie ist aber nicht gesetzlich verpflichtend.285 Allerdings ist gerade in der Praxis darauf zu achten, dass in diesen Fällen eine klare Differenzierung erfolgt und sichergestellt ist, dass Dritte lediglich die Zeugenfunktion wahrnehmen, nicht aber eine eigene stellvertretende Entscheidungsbefugnis ausüben. Letzteres wäre eindeutig contra legem. In der Praxis empfiehlt es sich sicherlich, das Ergebnis der Befragung der Zeugen, welche nicht Angehörige oder diesen gleichstehende Personen gemäß § 4 Abs. 2 Satz 6 TPG sind, analog § 4 Abs. 4 TPG zu dokumentieren. Auch wäre eine schriftliche Zeugenaussage, welche zu den Spenderakten zu nehmen ist, aufgrund einer möglicherweise abschreckenden Wirkung geeignet, eventuellem Missbrauch vorzubeugen. Zwingend ist dies allerdings von Gesetzeswegen nicht. (4) Informationspflicht § 3 Abs. 3 Satz 1 TPG normiert die Unterrichtung der nächsten Angehörigen i. S. d. § 4 TPG über die beabsichtigte Organentnahme. Die Vorschrift greift also, wenn bereits eine Einwilligung des Verstorbenen zur Organentnahme vorliegt und bekannt ist.286 Dies gebietet nicht nur das Pietätsempfinden, sondern ist auch Ausprägung des gewohnheitsrechtlich entwickelten und von der Rechtsprechung anerkannten Totensorgerechts.287 Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, dadurch dem nächsten Angehörigen die 284
BT-Drucks. 13/8027, S. 9; Walter, FamRZ 1998, 201, 208. Sasse, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 2 TPG, Rn. 20; Walter, FamRZ 1998, 201, 206. 286 Krüger, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 4 TPG, Rn. 23. 287 Vgl. Borowy, S. 75. 285
B. Postmortale Organspende
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Möglichkeit der Kontrolle im Hinblick auf eine ihm bekannte Erklärung des Verstorbenen zur Organspende zu geben.288 bb) Zustimmung anderer Personen gemäß § 4 TPG § 4 TPG ist im Hinblick auf das Zustimmungserfordernis von ungleich größerer praktischer Bedeutung als § 3 TPG. In der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle hat der Verstorbene keine Erklärung zur Organspende abgegeben, so dass eine Befragung der Hinterbliebenen erforderlich ist. Aus Umfragen ist bekannt, dass die Bereitschaft zur Organspende hoch ist. Fast drei Viertel (67 Prozent) der Bürger sind bereit, nach dem eigenen Tod schwer kranken Menschen mit einer Organspende eine Lebenschance zu geben.289 Doch lediglich 12 Prozent haben nach diesen Umfragen ihre Entscheidung in einem Organspendeausweis dokumentiert.290 Ohne eine Regelung wie der des § 4 TPG käme es in deutlich weniger Fällen zu einer Explantation.291 Es handelt sich also um eine zentrale Vorschrift des TPG.292 Das TPG behandelt den nächsten Angehörigen als Sachwalter des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Verstorbenen.293 Die Vorschrift des § 4 TPG trägt dem Umstand Rechnung, dass der Gesetzgeber sich gegen eine enge Zustimmungslösung entschieden hat, welche insbesondere von denjenigen gefordert wurde, die in dem endgültigen, nicht behebbaren Ausfall der gesamten Hirnfunktion bei künstlich aufrechterhaltener Atmungs- und Kreislauffunktion kein Zeichen für den eingetretenen Tod des Menschen sehen und daher nur dem Spender selbst ein Recht auf Entscheidung zugestehen.294 Sie ist Ausdruck der sog. erweiterten Zustimmungslösung, bei der eine fehlende Erklärung zur Organspende weder als Ablehnung noch als Zustimmung gewertet wird, sondern lediglich als Nichterklärung. Deshalb sind in diesem Fall die Angehörigen einzuschalten.295 Dies entspricht der vor Inkrafttreten des TPG geltenden Rechtspraxis, nach der die Angehörigen in diesem Fall der Entnahme zustimmen konnten.296 288
Vgl. BT-Drucks. 13/4355, S. 18. BT-Drucks. 15/4542, S. 5. 290 BT-Drucks. 15/4542, S. 5. 291 Vgl. dazu das Rechenbeispiel bei Höfling/Rixen, in: Höfling (Hrsg.), § 3 TPG, Rn. 6. 292 Kühn, MedR 1998, 455, 456. 293 BT-Drucks. 13/8027, S. 9; Krüger, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 4 TPG, Rn. 42. 294 Vgl. BT-Drucks. 13/4355, S. 13; vgl. Höfling/Rixen, S. 83 ff. Siehe auch Schachtschneider/Siebold, DÖV 2000, 129, 135 die lediglich eine enge Zustimmungslösung für rechtmäßig halten, da nur die Einwilligung in höchstpersönlicher Selbstbestimmung eine Legalität der Organentnahme begründen könne. 295 Vgl. BT-Drucks. 13/4355, S. 13. 289
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
Liegen also weder eine schriftliche Einwilligung noch ein schriftlicher Widerspruch des möglichen Organspenders/Verstorbenen vor und ist dem vom Arzt befragten nächsten Angehörigen oder diesen gleichstehenden Personen (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 6 TPG) auch ein mündlich geäußerter Wille des Verstorbenen nicht bekannt, so ist eine Organentnahme nur zulässig, wenn der nächste Angehörige über eine in Frage kommende Organentnahme unterrichtet wurde und dieser zugestimmt hat (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 TPG). Die vom Betroffenen selbst abgegebene Erklärung hat grundsätzlich Vorrang vor der Erklärung anderer Personen,297 denn das Selbstbestimmungsrecht des Menschen für den Zeitraum nach dem Tod hat in der Regel Vorrang vor dem den Angehörigen zustehenden Totensorgerecht.298 In der Praxis kommt der Arzt, welcher die Angehörigen über die Entnahme gemäß § 3 Abs. 3 TPG unterrichten muss, trotz dieses juristisch eindeutig begründbaren Vorrangs in Bedrängnis, wenn die Angehörigen widersprechen. Insbesondere wenn sie behaupten, der Verstorbene habe seine Ansicht geändert. Dem Arzt wird mangels Widerlegbarkeit dieser Behauptung – ein Widerspruch ist jederzeit formfrei möglich – von einer Organentnahme abgeraten.299 Im Übrigen ist nicht auszuschließen, dass in der Praxis, selbst bei expliziter Zustimmung des Verstorbenen zu Lebzeiten, bei entsprechendem Widerspruch der Angehörigen auf eine Organentnahme verzichtet würde, um negative Schlagzeilen, welche der Organspende schaden könnten, zu vermeiden. (1) Entscheidungsgrundlage Der Angehörige hat zunächst bei seiner Entscheidung den mutmaßlichen Willen des möglichen Organspenders/Verstorbenen zu beachten (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 3 TPG). Der Angehörige ist darauf vom Arzt hinzuweisen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 4 TPG). Für die Ermittlung des mutmaßlichen Willens sind alle wesentlichen Anhaltspunkte, die die Einstellung des Verstorbenen zur Frage der postmortalen Organspende vermuten lassen, heranzuziehen: so beispielsweise die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft, welche die Organspende ablehnt (z. B. Zeugen Jehovas) oder mündliche oder schriftliche Äußerungen des Verstorbenen, welche nicht die Qualität einer Erklärung zur Organspende erreichen.300 Ist dem Angehörigen weder ein 296 Kühn, MedR 1998, 455; Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 4 TPG, Rn. 2; Krüger, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 4 TPG, Rn. 2. 297 Sasse, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 2 TPG, Rn. 32; Rixen, in: Höfling (Hrsg.), § 4TPG, Rn. 5. 298 BGH, Urt. v. 26.11.1954, I ZR 266/52, BGHZ 15, 249 ff.; Sasse, in: Miserok/ Sasse/Hall/Seidenath, § 2 TPG, Rn. 32. 299 Sasse, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 2 TPG, Rn. 36.
B. Postmortale Organspende
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ausdrücklicher noch ein mutmaßlicher Wille des Verstorbenen bekannt – in der Praxis die Regel301 – so ist der nächste Angehörige im Rahmen seines Totensorgerechts nach eigenem ethisch verantwortbaren Ermessen302 zu einer Entscheidung über die postmortale Organentnahme berufen.303 Von allgemeinen Wertvorstellungen braucht sich der nächste Angehörige bei seiner Entscheidung nicht leiten zu lassen. Er trifft sie vielmehr freiverantwortlich im Rahmen seines Totensorgerechts, bei dem es sich um ein absolutes Recht im Sinne von §§ 823, 1004 BGB handelt.304 Hatte der Verstorbene zu Lebzeiten keine Erklärung zur Organspende abgegeben und sind keine nächsten Angehörigen vorhanden oder auffindbar, so ist eine Organentnahme unzulässig.305 Aus diesem Grund bedarf es in der Bundesrepublik auch keinerlei gesonderter Regelung wie z. B. mit ausländischen Staatsbürgern ohne Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland zu verfahren ist. Entnimmt der Arzt dennoch Organe, so ist der Straftatbestand des § 19 Abs. 1 TPG erfüllt. Hat der mögliche Organspender eine Person ermächtigt, über eine Organentnahme bei ihm zu entscheiden, so ist diese Person allein entscheidungsbefugt. Dies ergibt sich aus § 4 Abs. 3 TPG. Im Vorfeld der Zustimmung ist der nächste Angehörige über die in Frage kommende Organentnahme zu unterrichten (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 TPG).306 In der Praxis führt das Gespräch mit den Hinterbliebenen zumeist der behandelnde Arzt, also ein Mediziner der Intensivstation gegebenenfalls unter Beteiligung eines Mitarbeiters der Koordinierungsstelle (sog. Koordinator).307 Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 5 TPG kann der nächste Angehörige 300 Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 3 TPG, Rn. 11; Krüger, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 4 TPG, Rn. 50. 301 Wesslau/Grosse/Krüger/Kücük/Mauer/Nitschke/Manecke/Polster/Gabel, DÄBl. 2006, 1, 8. 302 BT-Drucks. 13/8027 S. 9. 303 BT-Drucks. 13/8027 S. 9; Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 3 TPG, Rn. 5; Krüger, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 4 TPG, Rn. 58. 304 LG Kiel, Urt. v. 05.07.1985 – 5 O 97/85 –, FamRZ 1986, 56, 58; Krüger, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 4 TPG, Rn. 59. 305 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 3 TPG, Rn. 8; Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 3 TPG, Rn. 18; Rixen, in: Höfling (Hrsg.), § 4 TPG, Rn. 24. 306 Krüger, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 4 TPG, Rn. 41. 307 Krüger, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 4 TPG, Rn. 35. Völlig praxisfremd und leider ebenso wenig wie § 11 Abs. 4 Satz 2 TPG – vgl. dazu unten, Kapitel 4, A. II. 2. h) – durch das neue Gewebegesetz korrigiert, ist die gesetzliche Vorschrift insoweit, als der entnehmende Arzt um die Zustimmung zur Organspende bittet. Dies kann allein der den Verstorbenen behandelnde Arzt tun, welcher nie mit dem explantierenden Chirurgen identisch ist. Denn wie bereits dargelegt, gibt es abdominelle und thorakale Entnahmeteams, welche nicht in die Behandlung des verstorbenen Patienten eingebunden sind.
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
mit dem Arzt auch vereinbaren, dass er seine Erklärung innerhalb einer bestimmten, vereinbarten Frist widerrufen kann. Die Vereinbarung bedarf der Schriftform (§ 4 Abs. 3 Satz 3 TPG). Zu beachten ist im Hinblick auf die Frist, dass die intensivmedizinischen Maßnahmen zur künstlichen Aufrechterhaltung der Atmungs- und Herzkreislauffunktion beim hirntoten Organspender lediglich bedingt Gewähr dafür bieten, dass es nicht auch zu einem endgültigen Herz-Kreislaufstillstand kommt und so eine Entnahme parenchymer Organe verunmöglicht wird.308 (2) Nächster Angehöriger § 1 a Nr. 5 TPG definiert den Begriff des nächsten Angehörigen und das Rangverhältnis der nächsten Angehörigen legal.309 Die Reihenfolge stellt sich wie folgt dar: (a) Ehegatte oder eingetragener Lebenspartner (b) volljährige Kinder (c) Eltern oder sonstige Sorgeinhaber (d) volljährige Geschwister (e) Großeltern Der Personenkreis ist unter zu Hilfenahme der entsprechenden zivilrechtlichen Vorschriften genau bestimmbar. Lediglich bei den Eltern oder sonstigen Sorgeinhabern (§ 1a Nr. 5 lit. c TPG) ist anzumerken, dass entscheidungsbefugt nur der Inhaber des Sorgerechts ist. Haben beide Elternteile das Sorgerecht, so müssen sie gemeinschaftlich einer Organentnahme zustimmen.310 So dass im Ergebnis jedem Elternteil ein Vetorecht zusteht. Mehrere gleichrangige Angehörige haben ebenfalls jeweils ein Vetorecht. Widerspricht ein gleichrangiger Angehöriger, so ist die Entnahme eines Organs unzulässig (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 4 TPG).311 Allerdings dürften in der Praxis die Ränge teilweise ineinander übergreifen, da die Entscheidung häufig im Familienverband getroffen wird.312 Es ist daher gut vorstellbar, dass sich in der Diskussion um eine Entscheidung die volljährigen Kinder ge308
Bei den meisten Patienten tritt ein Herzstillstand nach wenigen Tagen bis maximal einer Woche ein; in Einzelfällen sind allerdings erheblich längere Weiterbehandlungszeiten nach Eintritt des Hirntodes beschrieben worden. Vgl. Schlake/Roosen, S. 15. 309 Sasse, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 2 TPG, Rn. 15. 310 Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 3TPG, Rn. 24. 311 Krüger, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 4 TPG, Rn. 175. 312 Wachsmuth, Augenbanken 2002, S. 29, 30; Krüger, in: Miserok/Sasse/Hall/ Seidenath, § 4 TPG, Rn. 171.
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genüber dem erstrangigen Ehegatten durchsetzen. Dies trifft insbesondere für Familien aus anderen Kulturkreisen zu, in denen z. B. der älteste Sohn vorrangig vor der Ehefrau des Verstorbenen entscheidungsbefugt ist. Zwar trifft es zu, dass diese Praxis auf die Rechtsverbindlichkeit der von Gesetzes wegen vorgesehenen Reihenfolge ohne Einfluss bleibt,313 ungeachtet dessen kann man sich dieser Realität nicht verschließen. Auch stellt sich die Frage, was passiert, wenn z. B. die Großeltern eines Verstorbenen gleichzeitig die Anforderungen des § 4 Abs. 2 Satz 6 TPG erfüllen. Stehen dann auch sie dem nächsten Angehörigen also z. B. den Eltern gleich? Es kann schließlich nicht angehen, dass das Bestehen eines Verwandtschaftsverhältnisses sich insoweit nachteilig gegenüber einem Nichtbestehen eines Verwandtschaftsverhältnisses auswirkt. Ebenfalls einen Einfluss darauf, wer letztendlich die Entscheidung trifft, haben die Umstände, welcher der Angehörigen erreichbar ist. So bestimmt § 4 Abs. 2 Satz 5 TPG, dass, wenn ein vorrangiger Angehöriger innerhalb angemessener Zeit nicht erreichbar ist, die Beteiligung und die Entscheidung des nächsterreichbaren, nachrangigen Angehörigen genügt. Die angemessene Zeit bemisst sich danach, wie lange nach Eintritt des Todes die betreffenden Organe noch transplantierfähig entnommen werden können.314 Ebenfalls maßgeblich ist der Grund der Nichterreichbarkeit, so wird der Arzt, wenn die Nichterreichbarkeit lediglich vorübergehender Natur ist, abwarten müssen.315 Wenn der entscheidungsbefugte Angehörige nach der Unterrichtung untätig bleibt, ist, sofern keine anderen gleichrangigen Angehörigen erreichbar sind, welche eine Zustimmung erteilen, eine Organentnahme unzulässig.316 Die Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 TPG soll garantieren, dass der nächste Angehörige auch in der Lage ist, den mutmaßlichen Willen des potentiellen Organspenders zu erschließen.317 Demgemäß ist der nächste Angehörige nur dann entscheidungsbefugt, wenn er in den letzten zwei Jahren vor dem Tod des möglichen Organspenders zu diesem persönlichen Kontakt hatte. Ob dies der Fall war, soll der Arzt gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 TPG erfragen. Geht es tatsächlich nur darum, mehr über den mutmaßlichen 313
Vgl. Krüger, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 4 TPG, Rn. 171. Rixen, in: Höfling (Hrsg.), § 4 TPG, Rn. 22; Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 4 TPG, Rn. 26. 315 Krüger, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 4 TPG, Rn. 183. 316 Sasse, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 2 TPG, Rn. 47; Krüger, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 4 TPG, Rn. 171, 177, 188; Walter, FamR 1998, 201, 207; a. A. Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 4 TPG, Rn. 40 demzufolge der nächste Angehörige dann als nicht erreichbar gelten soll. 317 BT-Drucks. 13/8027 S. 10; Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 4 TPG, Rn. 35. 314
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Willen zu erfahren, so erscheint das Abstellen auf einen den Anforderungen des persönlichen Kontakts318 genügenden Kontakt fehlgehend, denn entweder kann jemand Rückschlüsse auf den mutmaßlichen Willen ziehen oder nicht. (3) Dem nächsten Angehörigen gleichstehende Personen Mit dem Angehörigen gleichrangig sind Personen, die mit dem potentiellen Organspender in einer besonderen Verbundenheit, die offenkundig war, bis zum Zeitpunkt des Todes nahe standen.319 Der Begriff hat hier eine andere Bedeutung als in § 8 Abs. 1 Satz TPG. Es soll eine angemessene Verwirklichung der Rechte, insbesondere die Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens des Verstorbenen sichergestellt werden.320 Ob es eine solche Person gibt, kann der Arzt nur durch Befragung der Angehörigen ermitteln, sofern ihm nicht eine Person bekannt ist, welche den Verstorbenen im Verlauf der vorangegangenen ärztlichen Behandlung und beim Sterben begleitet hat, was gleichzeitig ein Indiz für eine besondere Verbundenheit sein kann.321 Eine Verbundenheit zeichnet sich durch im Biografischen verwurzelte Zusammengehörigkeitsgefühle aus.322 Es gilt wohl die Faustregel: Je intensiver die Kontakte, umso kürzer kann die Zeit des Sich-Kennens veranschlagt werden und je weniger Kontakte gepflegt wurden, umso länger muss die Zeit des Sich-Kennens gedauert haben.323 Das Merkmal der Offenkundigkeit ist als Arbeits- und Beweiserleichterung für den Arzt dahingehend zu verstehen, dass ihn keine besonderen Nachforschungspflichten treffen, es muss für jeden Außenstehenden einfach und eindeutig zu ermitteln sein.324 In erster Linie sind mit diesem Merkmal nichteheliche Lebensgemeinschaften angesprochen325, in Ausnahmefällen kommen aber auch platonische Freundschaften in Betracht.326 Auch hier wird deutlich, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der erweiterten Zustimmungslösung dem 318 Vgl. dazu Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 4 TPG, Rn. 22; Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 4 TPG, Rn. 35. 319 Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 4 TPG, Rn. 27. 320 Krüger, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 4 TPG, Rn. 122 ff., 126. 321 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 4 TPG, Rn. 20; Rixen, in: Höfling (Hrsg.), § 4 TPG, Rn. 24. 322 Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 4 TPG, Rn. 29. 323 Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 4 TPG, Rn. 29. 324 Krüger, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 4 TPG, Rn. 150; Nickel/SchmidtPreisigke/Sengler, § 4 TPG, Rn. 20. 325 BT-Drucks. 13/8027 S. 11; Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 4 TPG, Rn. 17. 326 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 4 TPG, Rn. 18; Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 4 TPG, Rn. 34.
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mutmaßlichen Willen des Verstorbenen in größtmöglichen Umfang Rechnung tragen und auch die subsidiäre Entscheidungsbefugnis nur ausgewählten Personen übertragen wollte. Nichts desto trotz handelt es sich, sofern Rückschlüsse auf den mutmaßlichen Willen nicht möglich sind, um eine eigenständige Entscheidungsbefugnis einer dritten Person, welche sich nicht mit dem Willen des Verstorbenen decken muss. Studien belegen, dass in rund 90 Prozent der Fälle den Entscheidungsbefugten der Wille des Verstorbenen nicht bekannt ist. Ungeachtete dessen, dass 67 Prozent der Bürger einer Organspende positiv gegenüberstehen, entscheiden sich nur 50 Prozent der Entscheidungsbefugten für eine Zustimmung zur Organentnahme.327 In dem Bemühen, alternativen Partnerschaftsmodellen Rechnung tragen zu wollen328 und möglichst eine Entscheidung angelehnt an den mutmaßlichen Willen sicherzustellen329 und somit einer Vielzahl von nicht voraussehbaren Einzelfällen gerecht zu werden, wurden Sonderregelungen geschaffen, welche aufgrund der daraus resultierenden Auslegungsprobleme wenig praxistauglich sind. Die Klärung von zum Teil strittigen Auslegungsfragen dürfte Ärzte und Koordinatoren gleichermaßen überfordern. Dies darf nicht als Plädoyer der Verfasserin für die enge Zustimmungslösung missverstanden werden. Vielmehr stellt sich die Frage, warum der Gesetzgeber, statt des wenig überzeugenden Kompromisses einer erweiterten Zustimmungslösung, sich nicht konsequent für die Widerspruchslösung entschieden hat. Insoweit wird auf die Ausführungen in Kapitel 4 verwiesen.330 b) Umfang der Zustimmung und Auslegung der Erklärung (Bedingte Zustimmung) Im nachfolgenden Abschnitt wird dargestellt, ob Beschränkungen oder Bedingungen bei der Zustimmung zur postmortalen Organspende erklärt werden können und welche Konsequenzen aus einer unzulässigerweise erklärten Bedingung resultieren. aa) Umfang und Auslegung Die uneingeschränkte Einwilligung gilt für die Entnahme aller Organe und Gewebe, die bei dem Spender in Betracht kommen und umfasst auch die für die Organentnahme und -transplantation notwendigen Vorbereitungs327 Wesslau/Grosse/Krüger/Kücük/Mauer/Nitschke/Manecke/Polster/Gabel, DÄBl. 2006, 1, 8 ff. 328 § 4 Abs. 2 Satz 5 TPG. 329 § 4 Abs. 2 Satz 2 TPG. 330 Vgl. dazu unten, Kapitel 4, A. II. 2. d).
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handlungen wie z. B. die organprotektive Therapie mit Fortführung intensivmedizinischer Maßnahmen, insbesondere die maschinelle Beatmung,331 die Blutentnahme und ggfs. die Entnahme eines Teils der Milz zur Feststellung der für die Organvermittlung relevanten medizinischen Werte wie z. B. Blutgruppe, HLA-Typ, Antikörper-Sensibilisierung.332 Aus § 2 Abs. 2 Satz 2 TPG geht hervor, dass die Organentnahme auf bestimmte Organe und/ oder Gewebe beschränkt werden kann. Dies kann sowohl durch den Verstorbenen zu Lebzeiten, als auch durch die nachrangig entscheidungsbefugte Person gemäß § 4 TPG erfolgen. So hat der Verstorbene eine uneingeschränkte Einwilligung erteilt, wenn er im Organspendeausweis ausschließlich „Ja, ich gestatte, dass nach der ärztlichen Feststellung meines Todes meinem Körper Organe und Gewebe entnommen werden“, angekreuzt hat.333 Kreuzt er hingegen „Ja, ich gestatte dies, mit Ausnahme folgender Organe/Gewebe“ an, so widerspricht der Erklärende einerseits der Entnahme bestimmter Organe und willigt andererseits in die Entnahme der anderen (nicht genannten) Organe und Gewebe, die nach seinem Tod zur Transplantation auf andere Menschen medizinisch in Betracht kommen, ein. Durch die Formulierung „Ja, ich gestatte dies, jedoch nur für folgende Organe/Gewebe“, wird die Spende auf die vom Spender bezeichneten Organe beschränkt. Hinsichtlich aller anderen Organe liegt ein Widerspruch vor.334 Hat der Erklärende mehrere Optionen angekreuzt, ist im Einzelfall eine Auslegung erforderlich, wie auch bei widersprüchlichen Erklärungen. (1) Zustimmung zur Gewebeentnahme Diskutiert wird in der Literatur die Frage, wie der Fall zu beurteilen ist, dass der Erklärende einer Organentnahme zugestimmt, aber der Entnahme von Geweben widersprochen hat und nunmehr das zu Transplantationszwecken entnommene Organ (z. B. Herz) sich als Ganzes als nicht transplantierbar erweist, wohl aber Teile hiervon (z. B. Gefäße oder Herzklappen) zu Transplantationszwecken geeignet wären. In der Regel dürfte eine Auslegung des Willens des Erklärenden nach dem Erst-Rechtschluss (a majore ad minus) nahe liegen. So dass, wenn jemand einer Herzentnahme zu Transplantationszwecken zugestimmt hat, davon auszugehen ist, dass diese Zustimmung auch die Verwendung von Teilen dieses Herzens zu Transplantationszwecken erfasst für den Fall, dass sich das Herz als Ganzes als nicht 331 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1 GG, Rn. 206; Kluth/Sander, DVBl 1996, 1285. 332 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 2 TPG, Rn. 8; Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 3 TPG, Rn. 13. 333 Sasse, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 2 TPG, Rn. 23. 334 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 2 TPG, Rn. 13.
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transplantierbar erweist. Dem könnte allenfalls entgegengehalten werden, dass die Vorstellung von einer unmittelbar erfolgenden lebensrettenden Herztransplantation eine andere sei, als die von der Prozessierung und Lagerung von Herzklappen zu Transplantationszwecken in unbestimmter Zukunft. In der Regel wird sich der Erklärende aber keine Gedanken über diese Details und den konkreten medizinischen Eingriff gemacht haben, so dass, wenn keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen, welche eine ErstRechtschluss-Argumentation ausschließen, von einer Einwilligung zur Nutzung der Organteile zu Transplantationszwecken auszugehen ist.335 Die Verwendung von Organteilen statt der vollständigen Organe ist damit immer dann zulässig, wenn diese Teile beim Empfänger in ihrer spezifischen Funktion eingesetzt werden. Liegt also eine Einwilligung in die Herzentnahme vor, so kann sich auch die Verpflanzung der Herzklappen auf diese Einwilligung stützen.336 (2) Zustimmung zur Forschung Von der Einwilligung zur Organ- und Gewebeentnahme nicht erfasst ist die Verwendung der nicht zur Transplantation geeigneten Organe und Gewebe zu Forschungszwecken oder Qualitätssicherungsmaßnahmen.337 Dieser Zweck gehört nicht mehr in den Anwendungsbereich des TPG338 und unterscheidet sich auch grundlegend von einer Organübertragung, welche der Erklärende mit seiner Einwilligung ermöglichen wollte.339 Eine Verwendung der nicht transplantierbaren Organe und Gewebe zu Forschungszwecken kommt auch dann nicht in Betracht, wenn sich erst nach der Entnahme deren Transplantationsuntauglichkeit erweist. Für die Verwendung in diesen Fällen ist eine gesonderte Einwilligung des Berechtigten erforderlich.340 Hat der Patient vor seinem Tode keine wirksame Erklärung abgegeben, so steht das Bestimmungsrecht hinsichtlich der Leiche, da es nicht zum Vermögen des Verstorbenen gehört, nicht den Erben, sondern den nächsten Angehörigen zu.341 335
Sasse, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 2 TPG, Rn. 24. Vgl. Herrig, S. 196 f. 337 Vgl. dazu Laufs/Uhlenbruck, § 133, Rn. 24. 338 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 1 TPG, Rn. 3. 339 Sasse, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 2 TPG, Rn. 26. 340 Freund/Weiss, MedR 2004, 315, 316; zu einem anderen Ergebnis käme wohl Dufkova, die eine Art Informationslösung bei der klinischen Sektion vertritt, derzufolge Angehörige über die beabsichtigten ärztlichen Maßnahmen sowie auf das ihnen innerhalb angemessener Frist zustehende Widerspruchsrecht besonders hinzuweisen sind, MedR 1999, 454, 547 und Dufkova, MedR 1998, 304. 341 Laufs/Uhlenbruck, § 133, Rn. 22; OLG Zweibrücken, Urt. v. 28.5.1993 – 4 U 3/93 –, MDR 1993, 878. 336
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bb) Bedingte Zustimmung Neben den nach § 2 Abs. Satz 2 TPG zulässigen Beschränkungen, insbesondere hinsichtlich der Art der zu entnehmenden Organe und Gewebe, stellt sich die Frage, inwieweit andere Bedingungen an die Einwilligung geknüpft werden dürfen. (1) Zulässigkeit von Bedingungen Nach wohl herrschender Ansicht ist es zulässig, die Einwilligung zur Organspende an Bedingungen zu knüpfen.342 Die Grenze wird dort gezogen, wo die Bedingung gesetzes- oder sittenwidrig ist.343 In Betracht kommen dabei insbesondere Grundrechtsverstöße, namentlich Verstöße gegen Art. 3 Abs. 3 GG. So treten immer wieder Fälle in der Praxis auf, in denen Angehörige der Organspende nur zustimmen wollen, wenn sichergestellt wird, dass die Organe Deutschen zugute kommen. In der juristischen Literatur wird zudem die Möglichkeit erörtert, die Einwilligung davon abhängig zu machen, ob der Empfänger in eine Organspende eingewilligt hat.344 Ebenfalls wurde bereits der Wunsch (durch den Verstorbenen selbst oder die Erklärungsberechtigten) geäußert, die Organe für einen kranken Verwandten zu verwenden, was aus medizinischen Gründen nur in Betracht käme, wenn die erforderliche Blutgruppenkompatibilität bzw. bei der Nierenspende die Übereinstimmung der HLA-Merkmale vorläge. In der Praxis werden die entscheidungsberechtigten Angehörigen auf diesen Umstand hingewiesen und erteilen im Falle des Nichtvorliegens der Kompatibilität ihre unbedingte Zustimmung zur Organentnahme. Für nicht unerhebliches Aufsehen in der Presse sorgte Anfang 2006 der Fall einer Ehefrau, die seit Jahren auf der Wartliste für eine Nierentransplantation stand und an den Allokationsrichtlinien vorbei die Niere ihres verstorbenen Mannes erhielt. Der Mann hatte bereits zu Lebzeiten seiner seit Jahren dialysepflichtigen Frau eine Nierenlebendspende angeboten, welche sie aus Sorge um die Gesundheit ihres Mannes ablehnte. Die Familie des Verstorbenen teilte also dem Arzt, welcher um 342
Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 2 TPG, Rn. 4 f. und § 3 TPG, Rn. 11; Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 2 TPG, Rn. 9; Sasse, in Miserok/ Sasse/Hall/Seidenath, § 2 TPG, Rn. 27; A. A. Rixen, in: Höfling (Hrsg.), § 2 TPG, Rn. 27 zufolge ist eine beschränkende Erklärung, die sich auf andere Themen als die zu explantierenden Organe bezieht, vom Gesetz nicht vorgesehen und auch unbeachtlich. Im Ergebnis ebenso Borowy, S. 155. 343 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 2 TPG, Rn. 9; Sasse, in: Miserok/Sasse/ Hall/Seidenath, § 2 TPG, Rn. 27. 344 Kliemt, in: Ach/Quante, S. 271, 276; Kühn, MedR 1998, 455, 459 f.; Lang, MedR 2005, 269, 279.
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die Zustimmung zur Organspende bat, mit, es sei sowohl im Sinne des Verstorbenen als auch in ihrem Sinne, dass Organe zur Transplantation entnommen würden, unter der Bedingung, dass die Ehefrau eine Niere ihres Verstorbenen Mannes erhalte.345 Diesem Wunsch wurde entsprochen unter Zugrundelegung einer rechtlich umstrittenen Argumentation, namentlich der Rechtfertigung durch Notstand.346 Die Ehefrau bekam eine Niere. Darüber hinaus profitierten noch weitere Organempfänger von dieser Entscheidung. Ebenfalls nicht selten wird der Wunsch geäußert, Organe nicht an Raucher oder Alkoholiker spenden zu wollen. Darüber hinaus ist eine unendliche Vielzahl von Bedingungen denkbar, welche auf den Ausschluss oder die Bevorzugung unterschiedlicher Personengruppen abzielen.347 Unzulässig sind der Kommentarliteratur zur Folge also Bedingungen, welche sitten- oder gesetzeswidrig sind.348 Der Rechtsgedanke des § 134 BGB soll insoweit Anwendung finden.349 So müssen sich Beschränkungen auf ein bestimmtes Geschlecht, auf eine Rasse, auf Personen einer bestimmten Herkunft, eines bestimmten Glaubens an dem Maßstab der Sittenwidrigkeit und der Gesetzmäßigkeit messen lassen. So vielgestaltig diese Kriterien auch sein mögen, im Einzelfall muss genau geprüft werden, ob sie z. B. gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG verstoßen. Eine Diskriminierung wegen Staatsanghörigkeit fällt nicht unter die speziellen Diskriminierungsverbote.350 So dass die oben geschilderte Bedingung, derzufolge nur Deutsche ein Organ erhalten sollten, „lediglich“ einen Verstoß gegen §§ 9, 12 Abs. 3 TPG i. V. m. mit den Richtlinien gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 5 TPG darstellt. Anders aber, wenn die Bedingung zum Beispiel schwarze Empfänger ausschließen soll, dann läge eine Diskriminierung wegen Rasse vor. Einen bloßen Verstoß gegen das TPG stellt die Bedingung, dass Raucher oder Alkoholiker das Organ nicht erhalten sollen, dar. Wegen Verstoßes gegen die im TPG normierten Allokationsregeln ist daher auch die Bedingung, das Organ nur an einen bestimmten Empfänger zu spenden, unzulässig.351 Dies gilt zumindest für vermitt345 Gemeinsame Presseinformation der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), der Vermittlungsstelle Eurotransplant (ET) und des Vorsitzenden der Ständigen Kommission der Bundesärztekammer (BÄK) vom 8. Februar 2006. 346 Gemeinsame Presseinformation der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), der Vermittlungsstelle Eurotransplant (ET) und des Vorsitzenden der Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer (BÄK) vom 8. Februar 2006. 347 Vgl. dazu die Beispiele in Kapitel 3, B. II. e) cc). 348 So im Ergebnis auch Borowy, wenn er anderweitige Beschränkungen wegen eines Konflikts mit § 12 Abs. 3 TPG für unzulässig hält, vgl. Borowy, S. 155. 349 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 2 TPG, Rn. 9; Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 3 TPG, Rn. 11. 350 Jarass/Pieroth, Art. 3 GG, Rn. 126.
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lungspflichtige Organe.352 Eine Privilegierung von Verwandten sieht das derzeitige TPG nicht vor.353 Mit Blick auf den oben geschilderten Sonderfall der Ehefrau wird eine Änderung der Vermittlungsregeln gefordert, so dass zukünftig eine vorrangige Berücksichtigung von Personen, die mit dem Verstorbenen verwandt sind oder diesem in besonderer, persönlicher Verbundenheit nahe stehen (vgl. 8 Abs. 1 Satz 2 TPG), ohne den zweifelhaften Rückgriff auf den rechtfertigenden Notstand möglich wäre.354 Eine Gesetzesänderung wäre auch erforderlich, wenn man die Einwilligung zur Organspende von der Spendebereitschaft des Empfängers abhängig machen wollte. (2) Rechtliche Konsequenz einer unzulässigen Bedingung Soweit die Einwilligung an eine unzulässige Bedingung geknüpft ist, muss durch Auslegung im konkreten Einzelfall ermittelt werden, ob die Einwilligung dennoch gültig ist oder ob die Beschränkung conditio sine qua non für die Gültigkeit der Einwilligung war.355 Ungeachtet dessen, ob man eine solche Erklärung für von vornherein unbeachtlich hält356 oder nur für unzulässig erachtet, stellt sich also die Frage, welche Konsequenz eine unzulässige Bedingung für die Einwilligung zur Organentnahme hat. Die Angehörigen oder auch andere Zeugen können bei der Auslegung zu Rate gezogen werden.357 Es ist also durch Auslegung der Erklärung des Verstorbenen zu ermitteln, ob dieser ohne diese Bedingung nicht in die Organspende eingewilligt hätte oder ob sie dahingehend zu interpretieren ist, dass er dennoch – in Kenntnis der Unwirksamkeit dieser Bedingung – in die Organspende einwilligen wollte.358 Zum Teil wird in der Literatur durch entsprechende Anwendung des Rechtsgedanken des § 139 BGB formuliert, dass grundsätzlich die Einwil351 Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 3 TPG, Rn. 11; Borowy, S. 154 f. 352 Sasse, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 2 TPG, Rn. 28 f. 353 Sasse, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 2 TPG, Rn. 27. 354 Eine solche Regelung gibt es z. B. in Korea, vgl. Chu, S. 179. 355 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 2 TPG, Rn. 9; Sasse, in: Miserok/Sasse/ Hall/Seidenath, § 2 TPG, Rn. 30; hält man wie Rixen, in: Höfling (Hrsg.), § 2 TPG, Rn. 27 eine Beschränkung, die sich auf andere Themen als die zu explantierenden Organe bezieht, für unbeachtlich, erübrigt sich die Möglichkeit einer Auslegung, nicht aber die Entscheidung darüber, wie sich dies auf die Einwilligung auswirkt. 356 Rixen, in: Höfling (Hrsg.), § 2 TPG, Rn. 27. 357 Sasse, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 2 TPG, Rn. 30. 358 So auch, Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 2 TPG, Rn. 9; Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 3 TPG, Rn. 12.
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ligung in eine postmortale Organentnahme Ausdruck der Bereitschaft sei, schwerkranken Menschen zu helfen. Deswegen habe eine zusätzliche, nicht erfüllbare bzw. nichtige Bedingung im Zweifel – entsprechend dem Rechtsgedanken des § 139 BGB – nicht die vollständige Nichtigkeit der Einwilligung zur Folge.359 Folgt man konsequent dieser Auffassung, könnte man unzulässige Bedingungen getrost ignorieren, sie hätten keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Zustimmung oder Einwilligung zur Organspende. Rixen hingegen schlussfolgert mit Hinweis auf § 139 BGB, dass im Falle einer unzulässigen Beschränkung die Erklärung zur Organspende als ganze unwirksam sei.360 Dem ist zuzustimmen, denn die Gegenauffassung kehrt die Zweifelsregelung des § 139 BGB in unzulässiger Weise um und ignoriert, dass, wenn die Nichtigkeit eines Teils eines Rechtsgeschäfts nicht zur Gesamtnichtigkeit führen soll, gegenteilige Anhaltspunkte vorliegen müssen, aus denen geschlossen werden kann, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. In der Regel ist aber von einer Gesamtnichtigkeit auszugehen. Übertragen auf die vorliegend in Rede stehenden unzulässigen Bedingungen kann also nur dann eine uneingeschränkte Zustimmung angenommen werden, wenn dies auf entsprechende Anhaltspunkte zurückzuführen ist. Ansonsten ist von einer Unwirksamkeit der Zustimmung auszugehen. Damit ist aber zumindest eine Organentnahme unter Rückgriff auf § 4 TPG eröffnet. Denn eine Einwilligung, welche eine Entscheidungsbefugnis der Angehörigen sperrt, liegt nur vor, wenn sie Rechtsfolgen zeitigt, also wirksam ist.361 Eine dritte Ansicht hält den Grundsatz des § 139 BGB im vorliegenden Falle für nicht anwendbar, da es sich bei der Einwilligung nicht um eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung handele.362 Die Einwilligung sei eine eigene Institution, die es erlaube, in die Rechte der Person, die eingewilligt hat, einzugreifen und welche die Aufgabe habe, die autonome Entscheidung des potentiellen Organspenders zu sichern. In sofern sei sie nach den Regeln der strafrechtlichen Einwilligung, die die gleiche Funktion hat, zu beurteilen.363 Dieser Ansicht zu Folge ist der Wille des Organspenders zu interpretieren. Leider lässt Schroth offen, was Konsequenz einer unmöglichen Interpretation ist. In der Regel kann eine Interpretation nur auf entsprechende Auskunft der Angehörigen oder Dritter erfolgen, da es sich gerade nicht allein durch die vorliegende Bedingung ermitteln lässt, was der Verstorbene im Zweifel gewollt hätte. 359 360 361 362 363
Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 2 TPG, Rn. 9. Rixen, in: Höfling (Hrsg.), § 2 TPG, Rn. 28. Rixen, in: Höfling (Hrsg.), § 2 TPG, Rn. 28. Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 3 TPG, Rn. 12. Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 3 TPG, Rn. 12.
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
Ist eine Interpretation nicht möglich, liegt also eine zweideutige Erklärung vor, müsste in dubio pro reo von einer Einwilligung auszugehen sein, die zumindest zu einer Straflosigkeit der Organentnahme führen müsste. Diese Konstruktion überzeugt indes nicht, da anders als bei der strafrechtlich relevanten Einwilligung das TPG die Möglichkeit einer stellvertretenden Einwilligung in § 4 TPG eröffnet. (3) Ergebnis Im Ergebnis ist also der Ansicht von Rixen zuzustimmen. Sofern die unzulässige oder unbeachtliche Bedingung zur Gesamtnichtigkeit der Zustimmung führt, ohne das eine Auslegung ergibt, dass im Falle der Unzulässigkeit ein Widerspruch erklärt worden wäre, wird der Rückgriff auf § 4 TPG ermöglicht. Eine Zustimmung kann dann durch die Angehörigen erfolgen. Sind es die Angehörigen selbst, welche eine unzulässige Bedingung stellen, sind sie auf die Unzulässigkeit der Bedingung hinzuweisen und dazu zu befragen, ob sie die Zustimmung auch ohne diese Bedingung erteilen wollen. Lehnen sie es ab, auf die Erfüllung einer unbeachtlichen oder unzulässigen Bedingung zu verzichten, so ist eine Organentnahme unzulässig.
III. Allokation Ungeachtet der Tatsache, dass Eurotransplant bereits im Jahre 1967 gegründet wurde, existierte lange Zeit ein undurchsichtiges Geflecht von Allokationspolitiken in der Bundesrepublik. Eine Allokation über ET fand nur statt, wenn die Transplantationszentren ein Organ „freigaben.“ In der Regel aber galt das Selbstbehaltprinzip und es wurde ein Empfänger von der krankenhausinternen Warteliste ausgewählt.364 Die ständig fortschreitende Entwicklung der Transplantationsmedizin, welche mit der zunehmenden Organknappheit einherging, veranlasste die Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Transplantationszentren e. V. zur Verabschiedung eines sog. Transplantationskodex im Jahre 1987.365 In der Anlage zu diesem Kodex, welche die seinerzeitigen Empfehlungen zum Organaustausch bzw. Organvermittlung enthielt, wurde unter anderem festgelegt, wann eine Allokation über ET zu erfolgen habe und wann das Organ im Wege des Selbstbehalts an eigene Patienten übertragen werden durfte. Demzufolge sollte ein Selbstbehalt ausscheiden, wenn eine sog. Full-House-Übereinstimmung im Eurotransplantverbund vorlag oder aber sich auf der hauseigenen Warteliste kein Patient mit mindestens zwei HLA Übereinstimmungen befand.366 Allerdings war 364 365
Conrads, MedR 1996, 300, 304. Abgedruckt samt Anlage in Transplantationsmedizin 1995, S. 154 ff.
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der Kodex rechtlich nicht verbindlich. Eine Verletzung der Allokationsregeln wurde nicht sanktioniert, abgesehen von etwas unangenehmen Nachfragen seitens des Vorsitzes der deutschen Transplantationsgesellschaft. Auch wurde erstmals ET veranlasst, ihre Blutgruppenregelungen, welche insbesondere Patienten mit der Blutgruppe 0 benachteiligten, zu ändern. In allen übrigen Fällen oblag die Allokation allerdings den Transplantationszentren, welche ihren Wartelistenpatienten die Organe nach hausinternen Regeln zuteilten. Es ist unschwer ersichtlich, dass diese Regeln von Zentrum zu Zentrum, wenn nicht sogar von diensthabendem Arzt zu diensthabendem Arzt, variierten. Die Verabschiedung des TPG 1997 führte zu einschneidenden Änderungen im deutschen Transplantationswesen, insbesondere was die Organallokation anbelangt. Das Transplantationsgesetz führte zu einer Dreiteilung der folgenden Aktivitäten: Allokation (ET), Organentnahme und deren Koordination (DSO) und Transplantation (Transplantationszentren, welche auch die Wartelisten führen).367 Damit sollten Kompetenzkonflikte vermieden und Transparenz geschaffen werden. Es seien Zweifel erlaubt, ob letzteres geglückt ist. Die langfristige Idee dahinter war, dass dadurch die Organspende positiv beeinflusst und mittelbar gefördert würde.368 Auffällig und daher erwähnenswert scheint, dass im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens – anders als im Hinblick auf die Hirntoddebatte und die Debatte Zustimmungs- versus Widerspruchslösung – die Regeln zur Organvermittlung in der öffentlichen Diskussion vernachlässigt wurden.369 Mit der Beauftragung als Vermittlungsstelle wurde ET schrittweise verpflichtet, ein patientenorientiertes Allokationssystem zu etablieren. Bereits im März 1996 wurde der von Opelz und Wujciak entwickelte X-COMB Algorithmus für die Nierenallokation von ET übernommen.370 Dieser findet in den wesentlichen Zügen auch heute noch Anwendung.371 Seit Inkrafttreten des TPG müssen alle vermittlungspflichtigen Organe über die DSO zu Vermittlungszwecken an Eurotransplant gemeldet werden. Erst im Juli 2000 installierte ET mit ELAS (Eurotransplant Liver Allocation Scheme) auch ein patientenorientiertes Leberallokationssystem, basierend auf einer Kombination von Dringlichkeitsstufen auf der Basis des Child-Pugh-Turcotte-Scor366
Transplantationsmedizin 1995, S. 154 ff. BT-Drucks. 13/4355 S. 14. 368 BT-Drucks. 13/4355 S. 11. 369 Vgl. Lilie, in: Festschrift für Deutsch, S. 643, 645. 370 Vgl. Schmidt, in: Gutmann/Schneewind/Schroth/Elsässer/Land/Hillebrand, Organverteilung, S. 9, 13; Gerling, KfH Aspekte, 4/2005, 12. 371 Dieser Algorithmus wurde entsprechend den Vorgaben der nationalen Gesetzgebungen bereits mehrfach angepasst und ist im sog. ET-Manual in Kapitel 4 geregelt und beschrieben. 367
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ing-System372 und eines Punktesystems. Damit wurde im Hinblick auf die Leber die gesetzliche Vorgabe eines patientenorientierten Systems erst sehr spät umgesetzt. Mittlerweile ist über ET ein „patientenorientiertes“ Allokationssystem für alle vermittlungspflichtigen Organe etabliert. Anfang 2007 wurde die Leberallokation grundlegend durch eine Umstellung auf den sogenannten MELD-Score geändert. Die Abkürzung steht für Model for End Stage Liver Disease (Modell der Lebererkrankung im Endstadium). Das allgemeine Prinzip, welchem MELD folgt, basiert auf dem sogenannten „Sickest first“-Prinzip, d.h. Empfänger mit schwersten Lebererkrankungen, gemessen durch den MELD-Score, erhalten zuerst ein Organangebot. Damit soll das Risiko, auf der Warteliste zu versterben, so gering wie möglich gehalten werden.373 1. Registrierung zum Zwecke einer Organzuteilung – Zugang zur Warteliste Das deutsche TPG differenziert zwischen dem Zugang zu einer Behandlung im Wege der Organtransplantation, was untechnisch gesprochen die Aufnahme in die Warteliste bedeutet, und der konkreten Allokationsentscheidung im Falle einer „anfallenden/akuten“ Organspende. Es gibt also zwei Auswahlebenen bzw. Stufen.374 Um bei der Allokationsentscheidung von ET berücksichtigt zu werden, ist eine Registrierung auf der Warteliste eines Transplantationszentrums erforderlich. Dies ergibt sich aus den §§ 9 i. V. m. § 12 Abs. 3 TPG. Wartelisten werden gemäß § 9 TPG für jedes vermittlungspflichtige Organ geführt. Wobei meines Erachtens der Begriff der Warteliste eher irreführend ist. So erscheint der Begriff Registrierung vorzugswürdig, auch wenn der überwiegende internationale Sprachgebrauch mit „waiting list“ wohl (noch) als vorherrschend zu bezeichnen ist. Allerdings ist eine Abkehr von dieser Begriffswahl auch auf internationaler Ebene zu verzeichnen. So heißt es nun auch in der dritten Auflage des „Guide to safety and quality assurance for the transplantation organs, tissues and cells“,375 dass jeder Staat ein geeignetes Registrierungssystem zur 372 Das Child-Turcotte-Pugh-Scoring-System war das erste System zur Klassifizierung von Leberkrankheiten im Endstadium. Die von Child entwickelte Klassifikation hat seitdem zahlreiche Modifikationen erfahren. Sie wird häufig durch allgemein gültige Einteilungen der groben Leistungsfähigkeit, z. B. nach WHO – oder Karnofsky, ergänzt, vgl. Bechstein/Wullstein, S. 53. 373 Gerling, Lebenslinien aktuell Ausgabe 2/2006, 1; eine detaillierte Darstellung der Leberallokation findet sich unten, Kapitel 2, B. III. 2. b). 374 Oehlert, S. 89. 375 Guide to safety and quality assurance for the transplantation organs, tissues and cells, 3rd edition, S. 12.
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Verfügung stellen soll. Der Begriff Warteliste wurde durch Registrierungssystem ersetzt. Dies ist zu begrüßen, denn der Begriff Warteliste suggeriert, es gebe eine Liste, deren Reihenfolge sich allein nach dem Datum der Eintragung richtet und sobald der zuoberst stehende Patient ein Organ erhalte, die anderen Patienten um je einen Rang nach oben aufrückten. Dies ist unzutreffend. Die Wartezeit auf ein Organ ist vielmehr lediglich ein bei der Organverteilung zu berücksichtigender punktwerter Faktor. So wird zum Beispiel bei der Allokation einer Niere nicht die Zeit auf der Warteliste mit Punkten belohnt, sondern maßgeblich ist der Zeitpunkt des Beginns der Dialyse. Die Rangfolge der potentiellen Empfänger wird erst bei dem Angebot eines konkreten Spenderorgans im Wege eines objektivierten Verfahrens durch ein algorithmisches Computerverfahren bei jedem Organangebot neu ermittelt. Neben Punkten für die Wartezeit gibt es z. B. Punkte für die Gewebeübereinstimmung. Der Empfänger mit der höchsten Punktzahl erhält das Organ. Es handelt sich, obwohl die Zeit auf der Warteliste – bzw. im Fall der Niere die Dialysezeit – für die Reihung bedeutsam ist, um keine reine Warteliste, da sich aufgrund der anderen punktwerten Faktoren der Rang auf der Warteliste ungeachtet dieser Wartezeit täglich verändert. Die Registrierung ist, wie eingangs erwähnt, maßgeblich, um im konkreten Allokationsverfahren bei der Organzuteilung berücksichtigt zu werden. Gutmann spricht insoweit zutreffend von einem „Eingangstrichter“ mit erheblicher Filterwirkung.376 Bereits auf dieser Ebene ist eine Selektion möglich,377 so dass die Entscheidung, einen Patienten nicht aufzunehmen, mit mindestens vergleichbarer Intensität in die Grundrechtspositionen des Patienten eingreifen kann, wie es die Verteilungskriterien nach § 12 Abs. 3 TPG tun.378 Aus diesem Grund ist eine kritische Auseinandersetzung mit der gesetzlichen Ausgestaltung dieser ersten Allokationsebene erforderlich. a) Annahme als Transplantationskandidat und Aufnahme in die Warteliste Die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Warteliste sind gesetzlich in den §§ 10 Abs. 2, 13 Abs. 3 TPG und darüber hinaus in den Richtlinien der BÄK gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TPG geregelt. In § 10 Abs. 2 376
Gutmann/Fateh-Moghadam, in: Gutmann/Schneewind/Schroth/Elsässer/Land/ Hillebrand, Organverteilung, S. 59, 81 und Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/ Oduncu, § 10 TPG, Rn. 9: Es sei davon auszugehen, dass das Gros der Selektion auf dieser Ebene stattfindet zuungunsten älterer und anderer „suboptimaler“ Patienten. So dass auch die gegenwärtigen Wartelisten nur einen Teil des tatsächlichen Bedarfs widerspiegelten. 377 Nagel, Ethik Med 2000, 226, 230. 378 Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 10 TPG, Rn. 9.
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Nr. 1 TPG heißt es diesbezüglich: „Die Transplantationszentren sind verpflichtet, Wartelisten der zur Transplantation angenommenen Patienten mit den für die Organvermittlung nach § 12 erforderlichen Angaben zu führen sowie unverzüglich über die Annahme eines Patienten zur Organübertragung und seine Aufnahme in die Warteliste zu entscheiden und den behandelnden Arzt darüber zu unterrichten, ebenso über die Herausnahme eines Patienten aus der Warteliste.“ Gemäß § 13 Abs. 3 TPG hat der behandelnde Arzt „Patienten, bei denen die Übertragung vermittlungspflichtiger Organ medizinisch angezeigt ist, mit deren schriftlicher Einwilligung unverzüglich an das Transplantationszentrum zu melden, in dem die Organübertragung vorgenommen werden soll. Die Meldung hat auch dann zu erfolgen, wenn eine Ersatztherapie durchgeführt wird. Die Transplantationszentren melden die für die Organermittlung erforderlichen Angaben über die in die Wartelisten aufgenommenen Patienten nach deren schriftlicher Einwilligung an die Vermittlungsstelle.“ Wenn also der Patient an einer Krankheit leidet, welche durch eine Transplantation geheilt oder gelindert werden kann, muss der behandelnde Arzt den Patienten an ein Transplantationszentrum überweisen. Unterlässt ein Arzt dies, so stellt dies eine Verletzung des Behandlungsvertrages dar und er macht sich u. U. schadenersatzpflichtig.379 Der Gesetzestext differenziert zwischen der Entscheidung zur Annahme zur Organübertragung und zur Aufnahme in die Warteliste, so dass sich zunächst die Frage stellt, ob der im Gesetz getroffenen Differenzierung eine Bedeutung zukommt. Anders als für die Entscheidung über die Aufnahme in die Warteliste formuliert das Transplantationsgesetz für die Annahmeentscheidung der Zentren hingegen keine inhaltlichen Vorgaben.380 Entsprechend der Gesetzesbegründung soll beides zusammen „Voraussetzung und Bestandteil eines Vertrages über die Krankenhausbehandlung zum Zwecke der Organtransplantation“381 sein. Dies gibt aber keinen Aufschluss darüber, ob sich die beiden Aspekte voneinander trennen lassen. Zum einen könnte die „Und-Verknüpfung“ bedeuten, dass beiden Aspekten gleichermaßen eine eigenständige (rechtliche) Bedeutung zukommt. Richtigerweise wird man aber wohl davon ausgehen müssen, dass die beiden Aspekte untrennbar miteinander verknüpft sind. Denn eine Annahme zur Organübertragung beinhaltet zwar die Bereitschaft des Krankenhauses, diese bei dem in Rede stehenden Patienten durchzuführen, ist aber ohne die Anmeldung auf die Warteliste bei ET sinnlos. So ist eine Registrierung die einzige legale Möglichkeit, ein solides postmortales Organ zu Transplantationszwecken vermittelt und implantiert zu bekommen. Die §§ 11 Abs. 1 Nr. 4, 27 Abs. 1 Satz 2 379 380 381
Junghans, S. 234 f. Conrads, Organallokation, S. 41. BT Drucks. 13/4355, S. 22 f.
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Nr. 5, 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V begründen einen Anspruch des Versicherten, in einem zugelassenen Krankenhaus behandelt zu werden.382 Mit der Zulassung eines Krankenhauses ist damit zugleich die grundsätzliche Verpflichtung verbunden, im Rahmen des jeweiligen Versorgungsauftrages, Versicherte zu behandeln. Zu den in § 39 SGB V erwähnten Leistungen zählt auch die Organtransplantation.383 Dies schließt es aus, dass ein Transplantationszentrum einem Patienten trotz Vorliegens entsprechender Indikation die Aufnahme in das Krankenhaus verweigert.384 Mit der Zulassung als Transplantationszentrum nach § 10 Abs. 1 TPG setzt sich ein Krankenhaus im Rahmen seiner Kapazität und des von ihm angebotenen Behandlungsspektrums weitestgehend Kontrahierungszwängen aus.385 Dies gebietet auch die Chancengleichheit aller Patienten, welche der Organzuteilung nach dem TPG zugrunde liegt.386 Nichtsdestotrotz ist zumindest in zeitlicher Hinsicht zwischen Annahme und Aufnahme zu unterscheiden. Der Entscheidungsprozess über die Annahme als Transplantationspatient beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Patient im Transplantationszentrum vorstellig wird und dauert bis zu der Entscheidung über seine Annahme als Patient des in Rede stehenden Zentrums an. Zunächst müssen alle erforderlichen Untersuchungen durchgeführt werden, um festzustellen, ob für den jeweiligen Patienten eine Transplantation die Therapie der Wahl darstellt. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Überweisung durch den behandelnden Arzt an ein Transplantationszentrum diesbezüglich eine abschließende Entscheidung darstellt. Für die Registrierung ist ein bestimmter aktueller medizinischer Datensatz erforderlich, um eine Vermittlung durch Eurotransplant überhaupt zu ermöglichen. Die dafür erforderlichen Untersuchungen sind also ebenfalls vorzunehmen. Ferner ist zu beachten, dass nicht jedes Transplantationszentrum das gleiche Behandlungsspektrum anbietet. So sind z. B. nicht alle Zentren in der Lage oder bereit, sog. schwer vermittelbare Organe zu transplantieren. Damit würde dem Patienten unter Umständen die Möglichkeit genommen, ein solches Organ zu akzeptieren und dadurch die Wartezeit zu verkürzen, was für diesen Patienten unter Umständen lebensrettend ist. Man spricht insoweit auch von dem sog. Zentrumsprofil.387 Über dieses Profil ist der Patient aufzuklären. Denn unter Umständen bietet das Trans382
Lang, in: Höfling (Hrsg.), § 10 TPG, Rn. 12. Lang, in: Höfling (Hrsg.), § 10 TPG, Rn. 12. 384 Lang, in: Höfling (Hrsg.), § 10 TPG, Rn. 12. 385 Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 10 TPG, Rn. 12; a. A. Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 10TPG, Rn. 10. 386 BT-Drucks. 13/4355, S. 22, 23. 387 Vgl. Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Warteliste) für die Niere und Leber jeweils unter, I. 11. 383
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plantationszentrum nicht die optimale Behandlung für ihn, so dass eine Annahme zur Transplantation an einem anderen Zentrum für den Patienten vorteilhafter sein kann. An seiner grundsätzlichen Geeignetheit zur Organübertragung und folglich seinem Anspruch für eine Organspende registriert zu werden, ändert dies nichts. All dies vorausgeschickt, wird also deutlich, dass zumindest in temporärer Hinsicht eine Unterscheidung zwischen Annahme und Aufnahme gemacht werden kann. Ungeachtet dessen ist die Annahme zur Organtransplantation untrennbar mit der Aufnahme in die Warteliste verbunden. Mit der Annahme zur Organübertragung ist auch gleichzeitig die Aufnahme beschlossen, auch wenn diese aus den oben dargelegten Gründen zeitversetzt erfolgt. Die Anmeldung ist also als logische Konsequenz der Annahme zu verstehen. Die Annahme des Transplantationspatienten verpflichtet in jedem Fall, ihn dann auf die Liste zu setzen. Denn die Annahme hat ohne die Aufnahme auf die „ET-Warteliste“ keinen Sinn, da dann rechtlich eine Transplantation mangels transplantierbaren Organs nicht möglich ist. Umgekehrt ist es im Rahmen des Kontrahierungszwanges auch nicht möglich, die Voraussetzungen für die Aufnahme zu bejahen, die Annahme des Patienten aber abzulehnen. Es handelt sich also um einen Entscheidungsprozess, welcher mit dem Vorstelligwerden des Patienten im Transplantationszentrum beginnt und an dessen Ende die Entscheidung über Registrierung bei ET steht. Dieser Entscheidung sind schließlich auch die Richtlinien über die Aufnahme in die Warteliste zugrunde zu legen. b) Einheitliche Warteliste Wenn es in § 12 Abs. 3 Satz 2 TPG heißt, „die Wartelisten der Transplantationszentren sind dabei als einheitliche Warteliste zu verstehen“, so ist dies dahingehend zu verstehen, dass die Transplantationszentren ein eigenes Registrierungssystem (zentrumsinterne Warteliste) bereit halten, bei dem alle für die spätere Transplantation und das Follow-up erforderlichen Daten erfasst werden. Die zentrumsinternen Wartelisten sind an ET angekoppelt. Um bei einer Allokation berücksichtigt werden zu können, muss ein Zentrum den Patienten im zentralen Register von Eurotransplant anmelden. Zu diesem Zweck hat Eurotransplant 1995 ENIS (Eurotransplant Network Information System) installiert. Über dieses Netzwerk erfolgt die Anmeldung der potentiellen Empfänger bei ET. So hat ET direkt eine Übersicht über den gesamten Empfängerpool. Die zentrumsinternen Wartelisten können z. B. bei der sog. Splitleberprozedur oder aber auch im Rahmen des modifizierten oder beschleunigten Verfahrens relevant werden. Darüber hinaus haben sie keine eigenständige Bedeutung für die Organzuteilung. Die Registrierung in ENIS wird bei ET nicht kontrolliert und auch auf nationa-
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ler Ebene gibt es kein Gremium, welches die Rechtmäßigkeit der Aufnahmen auf die Warteliste oder deren Ablehnung überprüft. Da die Aufnahme in die Warteliste Voraussetzung für den Erhalt eines Transplantats und somit für den Patienten ggfs. von überlebenswichtiger Bedeutung ist, ist im TPG ein Recht auf Aufnahme in die Warteliste verbrieft (vgl. § 10 Abs. 2 Nr. 2 TPG) und somit der Zugang zur Warteliste als Anspruch ausgestaltet worden.388 Dieses Recht muss für seine wirksame Ausübung auch notfalls gerichtlich durchsetzbar sein. Zum Rechtsschutz schweigt das TPG aber bedauerlicherweise.389 Zu begrüßen wäre daher ein Gremium, welches die Rechtmäßigkeit aller Aufnahmen und Ablehnungen überprüft und gegen dessen Entscheidung ein einheitlicher Rechtsweg zur Verfügung stünde. c) Kriterien für die Aufnahme in die Warteliste nach der geltenden Rechtslage Das Bestehen des Rechts auf Aufnahme in die Warteliste = Registrierung in ENIS bestimmt sich gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 2 TPG nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, insbesondere nach Notwendigkeit und Erfolgsaussicht einer Organübertragung. Zutreffenderweise hat bei der Frage der Registrierung die Dringlichkeit einer Transplantation keine Relevanz. Sie erlangt erst bei der konkreten Allokation Bedeutung. Folglich besteht bei Vorliegen der medizinischen Indikation zu Organtransplantation (Notwendigkeit) und Abwesenheit von medizinischen Kontraindikationen (Erfolgsaussicht) ein Anspruch auf Registrierung.390 Dabei ist insbesondere auf eine, die grundrechtlichen Betrachtungen aufnehmende Auslegung des Merkmals Erfolgsaussicht zu achten. Im Hinblick auf das oben genannte subjektive Recht auf Zugang zur Warteliste und darauf, dass die „Lebenswertindifferenz“ des Grundrechts 388 Lang, in: Höfling (Hrsg.), § 10 TPG, Rn. 104; Gutmann, in: Schroth/König/ Gutmann/Oduncu, § 10 TPG, Rn. 10. 389 Clement, S. 32. 390 „Die Vorschrift stellt im Hinblick auf die Bedeutung der Aufnahme auf die Warteliste für die Behandlungschance einer unter Umständen lebensrettenden Organübertragung klar, dass die Entscheidung über die Aufnahme nach medizinisch begründeten Regeln vorzunehmen ist, die unter medizinischen Gesichtspunkten für die Notwendigkeit der jeweiligen Arten von Organübertragungen und ihren Erfolg von Bedeutung sind. Die Regelung dient angesichts der Knappheit an Spenderorganen der Chancengleichheit nach Maßgabe medizinischer Kriterien. Sie schließt aus, die Aufnahme in die Warteliste von nichtmedizinischen, zum Beispiel finanziellen oder sozialen Erwägungen abhängig zu machen.“ BT Drucks. 13/4355, S. 22/23 bzw. Erläuterung der Änderungen in dem Bericht des 14. Ausschusses (BT Drucks. 13/8017, S. 42).
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aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG es untersagt, zwischen mehr und weniger „lebenswertem“ Leben zu differenzieren bzw. die Leben der Grundrechtsträger für allokative Zwecke nach ihrer medizinischen oder sonstigen Qualität oder voraussichtlichen Dauer zu unterscheiden, dürfen die Anforderungen an das Kriterium der „Erfolgsaussicht“ keines Fall zu hoch angesetzt werden.391 In § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TPG ist vorgesehen, dass die BÄK den Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft in Richtlinien für die Aufnahme in die Warteliste festlegt. Von dieser Kompetenz hat die BÄK auch Gebrauch gemacht. Sowohl die Richtlinienkompetenz als solche, als auch der Umfang, in dem die BÄK von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht hat, sind auf erhebliche Kritik gestoßen.392 d) Kritische Anmerkungen zur Wartelistenrichtlinie Die Richtlinien der BÄK enthalten sowohl organspezifische als auch allgemeine Kriterien für und gegen die Aufnahme in die Warteliste. Organspezifisch sind daher auch die Indikationen für die Nieren- als auch die Lebertransplantation geregelt.393 Hinsichtlich der medizinischen Einzelheiten erlaube ich mir, auf die jeweils aktuellen organspezifischen Richtlinien zu verweisen,394 da die Detaildarstellung der einzelnen Krankheitsbilder, bei denen eine Transplantation indiziert ist, für eine rechtliche Bearbeitung des Themas keinen Mehrwert darstellt und in dieser Arbeit sicherlich nicht bewertet werden soll und kann. So sind es vielmehr die Kontraindikationen, welche für rechtliche Bedenken sorgen. Grund für eine Versagung der Aufnahme ist in erster Linie die fehlende Erfolgsaussicht, wobei als Kriterien des Erfolges einer Transplantation von der BÄK das Überleben des Empfängers, die längerfristig gesicherte Transplantatfunktion sowie die verbesserte Lebensqualität genant werden. Wie bereits oben dargelegt, sind die Anforderungen an die prognostizierte Dauer des „Überlebens des Empfängers“ bzw. die „gesicherte Transplantatfunktion“ sowie die Nachhaltigkeit 391 Gutman/Fateh-Moghadam, in: Gutmann/Schneewind/Schroth/Elsässer/Land/ Hillebrand, S. 59, 81; Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 10 TPG, Rn. 11; § 16 TPG, Rn. 13; so auch Lang, MedR 2005, 269, 279. 392 Vgl. Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 16 TPG, Rn. 12; Kühn, MedR 1998, 455, 459; Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 16TPG, Rn. 16 ff.; Lang, MedR 2005, 269 ff.; Taupitz, NJW 2003, S. 1145 f.; Gutmann, NJW 2002, 3365 ff. 393 Auch hier beschränkt sich die Darstellung dieser Bearbeitung lediglich auf diese Organe. 394 Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Warteliste) für die Niere II. 1.; Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Warteliste) für die Leber II. 1.
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der „Verbesserung der Lebensqualität“ nicht zu hoch anzusetzen. So gibt es eine Vielzahl rein medizinischer Diagnosen, welche als Kontraindikation normiert wurden.395 Auch sie sollen nicht Gegenstand dieser Bearbeitung sein.396 Anders als in der ersten Fassung der Richtlinien stellt mittlerweile eine HIV-Infektion keinen generellen Ausschlussgrund mehr dar.397 Die Formulierungen der BÄK räumen den Entscheidungsträgern, also den entscheidenden Ärzten, ein Höchstmass an individueller Entscheidungsbefugnis ein. So soll die Entscheidung über die Aufnahme in die Warteliste organunabhängig aufgrund einer individuellen Würdigung des seelischen und körperlichen Gesamtzustands erfolgen.398 Damit bleibt Raum für individuelle Einzelfallentscheidungen, was durchaus zu begrüßen ist. Eine so offene Formulierung birgt aber auch die Gefahr, dass nicht nur rein medizinische Kriterien der Aufnahme in die Warteliste zugrunde gelegt werden, sondern unzulässiger Weise Wertungen sozialer, psychologischer und rechtlicher Natur einfließen. In den Richtlinien heißt es ferner, dass bei der Abwägung nach den in der Richtlinie genannten Kriterien die jeweiligen aktuellen Veröffentlichungen der Fachgesellschaften und die internationale Fachliteratur zu berücksichtigen sind.399 Dies legt die Vermutung nahe, dass die Richtlinien nicht ausreichen, um den aktuellen Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft wiederzugeben. Darüber hinaus enthält die Richtlinie den Hinweis, dass eine Diskriminierung aufgrund finanzieller und sozialer Stellung unzulässig ist. Dies ist redundant, denn § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 10 Abs. 2 Nr. 2 TPG ermächtigt die Bundesärztekammer lediglich zur Normierung medizinischer Kontraindikationen.400 Eine solche Feststellung ist aber unschädlich, da 395 Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Warteliste) für die Niere II. 2.; Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Warteliste) für die Leber II. 2. 396 So ist das Erfordernis einer 6-monatigen Alkoholabstinenz, wie es sie Richtlinien für die Leber vorsehen, auf erhebliche Kritik gestoßen, vgl. dazu Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 16 TPG, Rn. 15. 397 Jetzt heißt es in den Richtlinien explizit: „Die Entscheidung über die Aufnahme in die Warteliste für eine Organstransplantation muss auch bei Patienten mit HIV nach Prüfung aller Einzelumstände erfolgen. Die „Deutsche Aids Hilfe“ und die ausführenden Transplantationszentren sollen über die Organtransplantation bei Menschen mit HIV jährlich einen Bericht vorlegen.“ Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Warteliste) für die Niere und Leber jeweils, II. 2. 398 Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Warteliste) für die Niere, II. 2. 399 Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Warteliste) für die Niere, II. 2. 400 Vgl. BT Drucks. 13/4355, S. 22, 23.
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zutreffend. Anders hingegen verhält es sich Ausschlussgrund der fehlenden sog. Compliance.401 aa) Die sog. Compliance, ein umstrittenes Kriterium für die Aufnahme in die Warteliste Der Begriff Compliance, welcher unter das Merkmal Erfolgsaussicht subsumiert werden kann und die Vorhersage fehlender Compliance also als Kontraindikation gilt, hat in der Vergangenheit zu einigen Kontroversen geführt. Compliance bedeutet Einhaltung, Zustimmung, Folgsamkeit oder Befolgung. Es ist unbestritten, dass der Erfolg einer Transplantation, aufgrund der chronischen Transplantatabstoßung, von der Bereitschaft der lebenslangen Einnahme von Immunsuppressiva abhängt und ebenso von der Durchführung der Nachsorgeuntersuchungen. In den Richtlinien heißt es, Compliance eines potentiellen Organempfängers bedeute über die Zustimmung zur Transplantation hinaus seine Bereitschaft (beeinflussbar)402 und Fähigkeit (unbeeinflussbar)403, an den vor und nach einer Transplantation erforderlichen Behandlungen und Untersuchungen mitzuwirken. Den Richtlinien zu Folge ist Compliance kein unveränderliches Persönlichkeitsmerkmal, sie kann aus verschiedenen Gründen im Lauf der Zeit schwanken, gehört aber zu den Grundvoraussetzungen für den Erfolg jeder Transplantation. Beispielsweise führen Sprachschwierigkeiten nicht per se zu einem Ausschluss von einer Transplantation.404 bb) Konsequenzen fehlender Compliance Wie bereits oben angedeutet, ist zunächst zwischen Fähigkeit und Bereitschaft zur Compliance zu differenzieren. So kann diese Fähigkeit z. B. bei kleinen Kindern, bei geistig behinderten Menschen oder bei krankhafter Alkoholabhängigkeit fehlen. Da die Fähigkeit zur Compliance nicht beein401 Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Warteliste) für die Niere, II. 2. 402 Durch die Bearbeiterin hinzugefügt. 403 Durch die Bearbeiterin hinzugefügt. 404 Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Warteliste) für die Niere, II. 2. Seit ihrer Verabschiedung haben die Wartelistenrichtlinien zahlreiche Änderungen erfahren. So ist die Klarstellung, dass Sprachschwierigkeiten nicht per se zu einem Ausschluss von einer Transplantation führen, auf den Fall einer Türkin zurückzuführen, der wegen mangelnder Deutschkenntnisse die Aufnahme auf die Warteliste versagt wurde. Dies führte durch entsprechende Darstellung in den Medien für so große Empörung, dass die Patientin an allen anderen vorbei transplantiert wurde – leider aber dennoch verstarb.
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flussbar ist, kann sie nicht zum Ausschluss vom Zugang zur Transplantationsmedizin führen. Aus der fehlenden Fähigkeit kann sich bei Adoleszenten mitunter auch eine fehlende Bereitschaft entwickeln. So belegen Studien, dass transplantierte Kinder in der Pubertät häufig gegen die ständige Medikamentengabe rebellieren.405 Bei der Bereitschaft zur Compliance handelt es sich nicht um eine medizinische Kontraindikation. Denn objektiv eignet sich der Patient grundsätzlich für eine Transplantation. Dennoch stellt sich bei offensichtlich fehlender Bereitschaft am Mitwirken des Gelingens der Transplantation bzw. der Verhinderung einer Transplantatabstoßung im Lichte der chronischen Organknappheit unweigerlich die Frage, inwieweit man die anderen Patienten, welche auf ein lebensrettendes Organ warten, vor einer „Verschwendung“ eines Organs und damit der „Vergeudung einer Lebenschance“ schützen darf. So ist das Beispiel denkbar, dass ein potentieller Empfänger ankündigt, er halte nichts von Immunsuppression und werde es, komme was wolle, ohne Immunsuppressiva versuchen, was nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft unweigerlich zu einer Transplantatabstoßung führen muss. Diese Situation ist zu unterscheiden von der Frage der fehlenden Erfolgsaussicht aufgrund medizinischer Begebenheiten, wenn also feststeht, dass ein Patient trotz Transplantation innerhalb kürzester Zeit versterben wird. Auch hier stellt sich die häufig diskutierte Frage, ob der Grundsatz der Lebenswertindifferenz eine Grenze hat und wenn ja, wo diese verläuft. Bei einer Woche, einem Tag, einer Stunde? Auf das Beispiel hinsichtlich fehlender Compliance zurückkommend ist zunächst festzuhalten, dass grundsätzlich auch selbstgefährdendes Verhalten über Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist. Aber auch hier stellt sich die Frage nach der Grenzziehung. Darf jemandem, der zu übermäßigem Alkoholkonsum neigt oder gefährliche Sportarten ausübt, wegen fehlender Compliance die Aufnahme in die Warteliste versagt werden? Es kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die Vergabe eines so seltenen Gutes (Organ) an jemanden, der diese Chance vorsätzlich nicht nutzt, zum (sinnlosen) Versterben anderer führt. Aus diesem Grund muss auch der grundrechtlich gewährleistete Schutz selbstgefährdenden Verhaltens eine Grenze haben. Wenn aufgrund des voraussehbaren Verhaltens des Patienten zwingende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass einer Transplantation kein Erfolg beschieden sein kann, so kann die Aufnahme in die Warteliste verweigert werden.406 Dies lässt sich meines Erachtens durch Rückgriff auf den Rechtssatz venire contra factum proprium rechtfertigen. So dass in dem oben gewählten Beispiel der Verweigerung der Einnahme von Immunsuppressiva wegen des widersprüchlichen Verhaltens und der im Ergebnis nicht 405 406
Nonnast-Daniel, Transplantationsmedizin 2005/17, 22 ff. Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 16 TPG, Rn. 16.
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ernsthaft gewünschten Heilung der Zugang zur Wartliste verweigert werden könnte. Allerdings ist eine sehr restriktive Handhabung der fehlenden Compliance als Kontraindikation angezeigt. Ungeachtet dessen ist festzuhalten, dass fehlende Compliance keine medizinische Kontraindikation darstellt. Will man auf die fehlende Bereitschaft zur Compliance die Ablehnung der Aufnahme in die Warteliste stützen, so nimmt der Entscheidungsträger eine Abwägung verfassungsrechtlicher Güter vor. Eine solche Entscheidungsbefugnis sollte aber nicht (allein) einem Mediziner eingeräumt bzw. aufgebürdet werden, sondern obliegt dem Gesetzgeber. 2. Konkrete Allokation Im Falle einer Organspende in der Bundesrepublik wird Eurotransplant von der Koordinierungsstelle über die zu vermittelnden Organe informiert. Zu diesem Zeitpunkt sind die anderen rechtlichen Voraussetzungen der Organspende (Hirntod und Zustimmung) bereits abgeklärt und absolute Kontraindikationen für eine Spende (auf Spenderseite) sind ausgeschlossen. Der DSO-Koordinator veranlasst die erforderlichen Labortest (Blutgruppe, HLA-Typisierung, Virologie). Bereits zu diesem Zeitpunkt wird ET telefonisch informiert und die Blutgruppe des potentiellen Spenders, sofern diese bekannt ist, durchgegeben. Alle weiteren für die Vermittlung erforderlichen Daten werden per Fax oder elektronisch mittels eines sog. „Donor Information Form“ an ET weitergeleitet. Die DSO bekommt für die Rückverfolgbarkeit eine ET-Donor-Nr. zugeteilt. Die Spenderdaten sind zusammen mit den Daten der Wartelistenpatienten Grundlage für die nun mittels eines computergestützten Algorithmus erfolgende Empfängerauswahl. Am Ende dieses Prozesses steht eine Liste mit genau festgelegter Rangfolge der potentiellen Empfänger. Dieser Prozess ist weitestgehend operationalisiert. Zunächst bietet ET demjenigen Transplantationszentrum, bei dem der auf der Liste für das betreffende Organ an erster Stelle stehenden Patient gemeldet ist, das Organ verbindlich an. Dem Transplantationszentrum wird eine Frist zur Annahme dieses Angebots gestellt. Unmittelbar nach diesem Angebot wird das Organ dem Transplantationszentrum, bei dem der nächste auf der Rangliste stehende Patient gemeldet ist, unverbindlich angeboten. Das Angebot an das zweite Transplantationszentrum wird verbindlich, wenn das erste Zentrum das Organangebot ablehnt, bzw. die Frist zu Annahme verstreichen lässt.407 Die Entscheidung zur Annahme eines solchen Angebots liegt beim Transplantationschirurgen.408 407 In der Praxis ist Festzustellen, dass die Transplantationszentren den Empfänger erst nach Ablehnung durch das erste Zentrum benachrichtigen, so dass unter Umständen wertvolle Zeit verloren geht. 408 Vgl. dazu oben, Kapitel 2, B. I. 2. b) gg).
B. Postmortale Organspende
177
Hinter dem Allokationsverfahren steht nicht nur medizinisches Fachwissen und mathematische Formeln sondern auch ein juristisches Gerüst, in welches das Allokationsverfahren eingebunden ist. Gesetzliche Vorgaben zur Regelung der Vermittlung solider Organen finden sich in § 9, 12 Abs. 3 und § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TPG. Gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 TPG sind die vermittlungspflichtigen Organe von der Vermittlungsstelle „nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, insbesondere nach Erfolgsaussicht und Dringlichkeit für geeignete Patienten zu vermitteln. Die Wartelisten der Transplantationszentren sind dabei als einheitliche Warteliste zu behandeln“. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TPG ermächtigt die BÄK, in Richtlinien den Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft für die Regeln zur Organvermittlung festzustellen. Gemäß § 5 Abs. 1 des Vermittlungsstellenvertrages wird ET verpflichtet, die Vermittlungsentscheidung gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 TPG nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, insbesondere nach Erfolgsaussicht und Dringlichkeit zu treffen. ET erstellt zu diesem Zweck Anwendungsregeln für die Organvermittlung auf der Grundlage der jeweils geltenden Richtlinien der Bundesärztekammer (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TPG) und der in diesem Vertrag enthaltenen Bestimmungen und leitet sie den Auftraggebern sowie dem Bundesministerium für Gesundheit in der jeweils geltenden Fassung zu. Es wird also deutlich, dass die Anwendungsregeln zur Organvermittlung schlussendlich von ET erstellt werden, so dass nachfolgend exemplarisch die Grundlagen für die Vermittlungsentscheidung für die Niere und die Leber, wie sie sich aus dem ET-Manual ergeben, skizziert werden sollen. Denn auf diesen Regeln basiert der computergestützte Algorithmus. a) Nierenallokation Die Vermittlung von Nieren richtet sich nach dem Nierenallokationssystem ETKAS (ET Kidney Allocation System) und ist im sog. Eurotransplant-Manual (ET-Manual) in Kapitel 4 beschrieben. ETKAS basiert auf dem von Wujciak/Opelz entwickelten Algorithmus, der im Detail etwas modifiziert, aber nicht grundsätzlich verändert wurde.409 Demzufolge gibt es fünf Dringlichkeitskategorien (vgl. untenstehende Tabelle 2.2.), welche abgesehen von der HU-Kategorie aber nichts mit medizinischer Dringlichkeit zu tun haben. HI und I spielen nur insoweit eine Rolle, als das sie bei der Berechnung der sog. Mismatch-probability relevant werden, dazu sogleich. 409
19.
Schmidt, in: Gutmann/Schneewind/Schroth/Elsässer/Land/Hillebrand, S. 9,
178
Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD Tabelle 2.2 Dringlichkeitskategorien für die Nierenallokation
HU
High Urgency (Hochdringlich)
Hochdringlichkeit setzt die Erfüllung folgender Kriterien voraus: – bei schwerer (urämischer) Polyneuropathie, – bei Unfähigkeit mit der Dialyse umzugehen und gleichzeitig bestehendem hohen Selbstmordrisiko, – bei schweren Blasenproblemen (Hämaturie, Zystitis, usw.) infolge eines Versagens des Nierentransplantats nach einer gleichzeitigen Nieren- und Bauchspeicheldrüsentransplantation vorausgesetzt, das Bauchspeicheldrüsentransplantat ist unter Verwendung der Blasendrainagetechnik eingesetzt worden und funktioniert zulänglich
T
Transplantable (Transplantierbar)
% PRA410 < 6
I
Immunized (Immunisiert)
% PRA 6 and < 85
HI
Highly Immunized (Hochimmunisiert)
% PRA 85
NT
Not transplantable (Nicht transplantierbar)
aa) Blutgruppenregeln Im Vorfeld der Allokation steht zunächst die Blutgruppenübereinstimmung. Möglich wären nach allgemeinen Blutgruppenverträglichkeitsregeln (sog. Blutgruppenkompatibilität) folgende Übertragungen:
410
% PRA steht für Percentage of panel reactive allo-antibodies, also die Reaktivität beim Antikörperscreening. Patienten mit 85 bis 100 Prozent Reaktivität beim Antikörperscreening gelten als hochimmunisierte Patienten. Diese Patienten haben Antikörper gegen spezielle Fremdantigene entwickelt. Häufigste Ursache hierfür sind vorausgegangene Transplantation, Gaben von Blutkonserven oder Schwangerschaften; Rahmel, in: Krukemeyer/Lison (Hrsg.), S. 65, 75; Smit/Gerling/de Boer, Intensivmed 2005, 1, 4.
B. Postmortale Organspende Spenderblutgruppe
179
Empfängerblutgruppe
A
A und AB
B
B und AB
AB
AB
0
A, B, AB und 0
Daraus ergibt sich, dass AB die optimale (universelle) Empfängerblutgruppe ist, während 0 die optimale (universelle) Spenderblutgruppe ist.411 Da aber insbesondere Blutgruppe 0 besonders selten in der Bevölkerung vorkommt, wären durch eine nicht modifizierte Regelung die Empfänger der Blutgruppe 0 doppelt benachteiligt. Spenderorgane mit der Blutgruppe 0 sind ohnehin selten und da sie zudem jedem Empfänger gegeben werden können, wird die Wahrscheinlichkeit, ein Spenderorgan zu erhalten, noch einmal reduziert. Denn anders als die anderen können sie keine Spende einer anderen Blutgruppe empfangen. Andererseits würde man, legte man Blutgruppenidentität als Voraussetzung zu Grunde, nicht den hochdringlichen Patienten helfen können. Deswegen gelten für unterschiedliche Empfängergruppen unterschiedliche Regelungen.412 Bei Eurotransplant finden sich folgende Blutgruppenregeln: 1. Acceptable Mismatch Program (AM)413 Spenderblutgruppe
411
Empfängerblutgruppe
A
A und AB
B
B und AB
AB
AB
0
A, B, AB und 0
Rahmel, in: Krukemeyer/Lison (Hrsg.), S. 65, 73. Rahmel, in: Krukemeyer/Lison (Hrsg.), S. 65, 73. 413 Bei Patienten, welche dem Acceptable Mismatch (AM) Programm angehören, handelt es sich um hochsensibilisierte Patienten, welche durch eine bestehende oder historische HLA-Sensibilisierung immunologisch bei der Verteilung benachteiligt sind. In dieses Programm werden Patienten aufgenommen, die sog. Panel Reactive Antibodies (PRA) > ã 85% haben, vgl. Nagel, in: Becchi/Bondolfi/Kostka/Seelmann (Hrsg.), S. 63, 66. 412
180
Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD 2. T, I, HI und HU – 000 HLA mismatch Spenderblutgruppe
Empfängerblutgruppe
A
A und AB
B
B und AB
AB
AB
0
B und 0
3. T, I, HI und HU – 1HLA mismatch Spenderblutgruppe
Empfängerblutgruppe
A
A and AB
B
B and AB
AB
AB
0
0
bb) Das Punktesystem Das nachfolgend dargelegte System vergibt Punkte für eine Reihe von Faktoren, die es nach einem bestimmten Schlüssel gewichtet. Den Zuschlag für eine gegebene Spenderniere erhält der Patient mit der höchsten Punktzahl. Es wird also nicht ein geeignetes Organ für einen Empfänger sondern ein geeigneter Empfänger für ein Organ gesucht.414 (1) HLA-mismatches Ausgehend von der Blutgruppenkompatibilität zwischen Transplantat und potentiellen Organempfängern wird auf einer ersten Bewertungsstufe die Gewebeverträglichkeit an der Übereinstimmung bei den Humanen-Leukozyten-Antigenen (HLA)415 gemessen. Dabei handelt es sich um einen Indika414
Lang, MedR 2005, 269, 276. HLA: Die Gewebeübereinstimmung zwischen Transplantat und Empfänger richtet sich nach dem Major Histocompatibility Complex (MHC, Hautgewebeverträglichkeitskomplex), für den vor allem die Humanen-Leukozyten-Antigene maßgeblich sind. Diese auf den Blutzellen zu findenden Moleküle werden anhand eines Chromosomenstücks auf dem kurzen Arm des Chromosoms Sechs charakterisiert. 415
B. Postmortale Organspende
181
tor für die prognostizierte Erfolgsaussicht, der mit 40 Prozent416 oder maximal 400 Punkten am stärksten gewichtet wird.417 Hierzu wird die Übereinstimmung auf den immunologisch bedeutsamen Loki HLA-A, -B und -DR überprüft; je mehr Nichtübereinstimmungen (mismatches) festzustellen sind, desto geringer die erzielte Punktsumme. Die potentiellen Empfänger können sich nur danach unterscheiden, ob sechs, fünf, vier, drei, zwei oder gar keine ihrer Antigen-Merkmale mit denen des Transplantats übereinstimmen. Der Grad der erreichten Kompatibilität wird mit einem Punktwert ausgedrückt, der 0 Punkte (keinerlei Übereinstimmung) bis 400 Punkte (ideale Übereinstimmung auf allen sechs HLA-Loki) umfassen kann.418 Der Punktwert für die Anzahl der Nichtübereinstimmungen auf den HLA-A, HLA-B und den HLA-DR Loki wird nach der folgenden Formel errechnet: 400 [1– ( broad HLA-A, -B, -DR mismatches/6].419 Dieses Chromosomenstück umfasst einen Satz eng aneinander gekoppelter Genorte (Loki), die mittels Buchstaben (z. B. HLA.-A, HLA-.B unterschieden werden. Jeder Lokus kommt in diversen Ausprägungen (Allele, z. B. HLA-A2, HLA-DR5) vor, von denen der Mensch pro Genort zwei ausbildet. Der Übereinstimmung auf diesen Allelen wird für erfolgreiche Langzeit-Transplantationsergebnisse hohes Gewicht beigemessen. Als Halotyp bezeichnet man einen vollständigen HL-Antigensatz, von dem jeder Mensch aufgrund seines doppelten Chromosomensatzes zwei besitzt, vgl. auch Schmidt, S. 29 ff. 416 Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Vermittlung Nieren) II. 1.2. 417 Schmidt, in: Gutmann/Schneewind/Schroth/Elsässer/Land/Hillebrand, Organverteilung, S. 9, 19. Es ist allerdings unter Medizinern umstritten, in welchem Umfang die Übereinstimmung der HLA-Merkmale sich auf den Erfolg der Transplantation auswirkt. So mag sich die Übereinstimmung auf 4 Loki nicht anders auswirken als die auf 5 Loki. 418 Conrads, S. 50 f. 419
Anzahl der Nichtübereinstimmungen
Anzahl der Punkte [im Falle pädiatrischer Empfänger (< 16 im Zeitpunkt der Registrierung) verdoppelt sich der Punktwert]
0 = sog. Full House
400.00
1
333.33
2
266.67
3
200.00
4
133.33
5
66.67
6
0.00
182
Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
(2) Sog. Mismatch-probability Zur Kompensation für eine aus genetischen Gründen verminderte Wahrscheinlichkeit, ein immunologisch gut passendes Organ zu erhalten, bekommen Patienten, deren HLA-Merkmale nur selten vorkommen, eine seltene Blutgruppe oder eine hohe Sensibilisierung aufweisen (sog. erhöhte Mismatch-probability420), einen Bonus von 10 Prozent421, also maximal 100 Punkten.422 (3) Wartezeit Patienten mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland erhalten 0.137 Punkte pro Tag und somit 50 Punkte im Jahr. Die Wartezeit beginnt mit dem ersten Tag der Dialysebehandlung und ist unabhängig vom Zeitpunkt der Registrierung. Eine Begrenzung der zu erreichenden Punkte gibt es nicht.423 Die Berechnung der Wartezeit ab der ersten Dialysebehandlung hat den Vorteil, dass aus der Wahl des Zeitpunkts der Registrierung kein Nachteil entstehen kann. Dadurch wird dem immer wieder geäußerten Vorwurf entgegen getreten, einzelne Dialysezentren würden ihre Patienten lieber an der Dialyse behalten als sie zur Transplantation anzumelden.424 So stellt es z. B. auch kein Problem dar, wenn ein Patient zuvor im ET-Ausland gelebt hat. Die Bundesärztekammer gewichtet die Wartezeit mit 30 Prozent.425 Da es keine Begrenzung der zu erreichenden Punktzahl gibt, kann die Gewichtung nach der ET-Praxis also auch höher liegen.
420 Die Mismatch-probability bezeichnet die errechnete Wahrscheinlichkeit, ein weitgehend in den HLA – Merkmalen übereinstimmendes Organ angeboten zu bekommen. Grundlage der Berechnung ist die Verteilung der HLA Merkmale in der Bevölkerung. Gemäß einer im ET-Manual einsehbaren Formel wird die Wahrscheinlichkeit berechnet, aus 1000 Nieren eine mit 0 oder 1 HLA-A, B oder DR Nichtübereinstimmungen angeboten zu bekommen. Bei der Berechnung werden HLA-Merkmale, die Blutgruppenregeln und das PRA-Screening berücksichtigt. 421 Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Vermittlung Nieren) II. 1.3. 422 Vgl. dazu auch Rahmel, in: Krukemeyer/Lison (Hrsg.), S. 65, 74. 423 Auffällig ist, dass die Patienten aus anderen ET-Ländern max. 33 Punkte jährlich bekommen. Dafür bekommen deutsche Patienten bei sog. Distanzfaktor 100 bis max. 200 Punkte, wenn die Spende in der Bundesrepublik Deutschland anfällt, während die Niederländer 300 Punkte bekommen. 424 Kirste, in: Becchi/Bondolfi/Kostka/Seelmann (Hrsg.), S. 91, 94. 425 Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Vermittlung Nieren) II. 1.4.
B. Postmortale Organspende
183
(4) Pädiatrischer Bonus Kindern wird ein zusätzlicher Bonus von maximal 100 Punkten zuteil.426 Die Richtlinien der BÄK nehmen insoweit keine Gewichtung vor.427 Anders als in anderen europäischen Ländern428 und der früher üblichen Praxis429 gibt es derzeit also keine bevorzugte Verteilung kindlicher Nierenspenden an kindliche Empfänger. Sondern eben nur diesen Bonus sowie die Verdopplung der Punktzahl für Mismatches. (5) Distanz zwischen Spenderkrankenhaus und Transplantationszentrum Wenn der Spender aus Deutschland stammt, bekommen potentielle deutsche Empfänger 100 Punkte. Stammt der potentielle Empfänger zu dem aus derselben DSO Region wie der Spender, bekommt er weitere 100 Punkte.430 In den Richtlinien wird dies über die Ischämiezeit mit einer Gewichtung von 20 Prozent in Ansatz gebracht.431 Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass Patienten aus anderen ET-Ländern bis zu 300 Punkten auf diesem Wege erhalten können. Mit Blick auf die mittlerweile eingeführte Länderaustauschbilanz ist diese Regelung nicht ganz verständlich. Hinzukommt, dass die Begründung dieser Regelung mit der kürzeren Ischämiezeit, nicht gänzlich überzeugt.432 426
< 6 Jahre
Zusätzlich 100 Punkte
6 und < 11 Jahre
Zusätzlich 33.3 Punkte
11 und ã 85% haben, vgl. Nagel, in: Becchi/Bondolfi/Kostka/Seelmann (Hrsg.), S. 63, 66. 434
B. Postmortale Organspende
185
(9) Sonderprogramm: Eurotransplant Senior Program (ESP) Inoffiziell heißt das Eurotransplant Senior Program (ESP) auch old for old (alt für alt). Das heißt, Spenderorgane von Verstorbenen 65 Jahre werden ohne Rücksicht auf HLA-Typisierung, mit dem Ziel die kalte Ischämiezeit möglichst kurz zu halten, vorrangig an Patienten/Empfänger alloziert, welche 65, nicht immunisiert sind und ihre erste Transplantation oder Retransplantation erwarten.436 Die üblichen Allokationsrichtlinien werden dabei zunächst außer Acht gelassen. Die Verteilung erfolgt vorrangig lokal (DSO-Sub-Region)437 und regional (DSO-Region). Erst wenn lokal und regional kein geeigneter Empfänger zu finden ist, erfolgt die Allokation nach dem regulären ETKAS Verteilungsverfahren. Die Teilnahme an diesem Programm ist nicht verpflichtend – es handelt sich vielmehr um ein Versuchsprojekt, welches im Zuge des Organmangels eingeführt wurde, denn Organe von Spendern über 65 dürften nach wie vor zu den sog. schwer vermittelbaren Organen zu rechnen sein. Bei der Angabe des Patientenprofils können sich Empfänger, welche 65 und älter sind, zur Teilnahme an dem ESP-Programm bereit erklären.438 Sie werden aber weiterhin auch bei der normalen Verteilung berücksichtigt. Ihre Chance auf ein Spenderorgan ist damit also ungleich höher. Deswegen wird darin im Schrifttum auch eine Benachteiligung der anderen Empfänger und ein Verstoß gegen die einheitliche Warteliste gesehen.439 b) Leberallokation Nachfolgend soll die Leberallokation, wie sie sich aus dem ET-Manual ergibt, dargestellt werden.
436 ET-Manual, Kapitel 4.2.7.; vgl. dazu auch Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Vermittlung Nieren) II. 1.11. und Rahmel in: Krukemeyer/Lison (Hrsg.), S. 65, 75. 437 Die 7 DSO-Regionen untergliedern sich weiter in sog. ESP-Subregionen, ETManual, Kapitel 4.2.7.2.2.2. 438 Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Vermittlung Nieren) II. 1.11; ET erhebt darüber auch gesondert Daten, um zu sehen, ob dieses Programm zu guten Ergebnissen führt, Smits, Jaqueline et al., Evaluation of the Eurotransplant Senior Program. The results of the First Year, AJT 2002, 664; Fritsche et al., AJT 2003, 1434 ff. 439 Höfling, JZ 2007, 481, 485.
186
Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
aa) Einführung des MELD-Scores Anfang des Jahres 2007 hat das ET Liver Allocation System (ELAS)440, welches Grundlage der Vermittlung postmortal gespendeter Lebern im ETVerbund ist, grundlegende Änderungen durch die Einführung des sogenannten MELD-Score erfahren. MELD steht für Model End-stage Liver Disease = Model der Lebererkrankung im Endstadium. Das MELD-Punktesystem wurde in den USA von den nationalen Organisationen OPTN (Organ Procurement and Transplantation Network) und UNOS (United Network for Organ Sharig) entwickelt und dort im Februar 2002 implementiert. Seitdem findet es auch zunehmende Verwendung in Europa. Damit löst der MELDScore das bis dahin verwendete Klassifizierungssystem Child-TurcottePugh-Scoring-System ab, welches nach Ansicht im Schrifttum eine präzisiere Einschätzung des Leberschadens erlaubt.441 Das ET-Manual teilt die Patienten in vier Dringlichkeitskategorien, welche sich aus der nachfolgenden Übersicht442 ergeben. Grundsätzlich haben Patienten der beiden ersten Kategorien Vorrang. Bei diesen Patienten kommt es auch nicht auf den MELD-Score an. Die Kategorie T auf Basis des MELD-Scores löst nunmehr die bis dahin bestehenden Kategorien T2 (chronische Erkrankung und akute Schädigung bzw. Verschlechterung), T3 (Chronische Erkrankung mit Komplikationen) und T4 (Chronische Erkrankung ohne Komplikationen), denen das sog. ChildTurcotte-Pugh-Scoring-System zugrunde lag, ab. Seinerzeit wurde kritisiert, dass Patienten in den Dringlichkeitskategorien T3 und T4 kaum Berücksichtigung bei der Allokation fanden, da ausschließlich der Faktor Dringlichkeit eine Rolle spielte. Ob sich daran etwas durch die Einführung des MELD Scores ändert, kann bezweifelt werden, denn, wie bereits an anderer Stelle dargelegt, folgt MELD dem „Sickest first“-Prinzip. Die Einstufung in eine der in der Tabelle 2.3. aufgezeigten Kategorien, welche elementar wichtig sind, um bei der Organverteilung vorrangig berücksichtigt zu werden, kann nicht von den registrierenden Transplantationszentren selbst erfolgen, sondern über die Aufnahme wird vielmehr im Wege eines sog. Auditverfahrens durch die medizinische Belegschaft von ET entschieden. Zweifelsfälle werden von der sog. ELAC (Liver Advisory Committee) entschieden. Die Kalkulation des individuellen MELD-Scores eines Patienten beruht auf drei Parametern: Bilirubin, Kreatinin und Blutgerinnungszeit (gemessen 440 441 442
ET-Manual, Kapitel 5. Vgl. statt vieler Bechstein/Wullstein, S. 53. Erstellt auf Basis des ET-Manuals, Kapitel 5.2.
B. Postmortale Organspende
187
Tabelle 2.3. Dringlichkeitsstufen bei der Leberallokation Medizinische Dringlichkeit
Priorität
Verpflichtung zum Angebot
1. Rang international
Ja
ACO Approved Combined Organ444 (Kombinierte Transplantation)
2. Rang international
Ja
T
Elective patients (Elektiv wartende Patienten)
MELD-scores in descending order (MELD-score in absteigender Reihenfolge)
Nein
NT
Temporarily not transplantabel (Vorübergehend nicht transplantierbar)
Not matched (keine Berücksichtigung)
–
HU
High Urgency443 (Hochdringlich)
anhand der INR = international normalized ratio).445 Diese Werte wurden als die zuverlässigsten Prädiktoren des Verlaufs einer schweren, transplantationsbedürftigen Lebererkrankung (und damit der relativen Schwere der Krankheit und der erwarteten verbleibenden Lebensdauer) herausgefiltert.446 Das ET-Manual differenziert zudem zwischen folgenden MELD-Definitionen447: 443 Das ET Manual spezifiziert in Kapitel 5.2., wann die sog. High Urgency vorliegt: – bei akutem Leberversagen (ALF) nach der Definition des King’s College oder den Clichy-Kriterien, – bei akutem Versagen des Transplantats (in weniger als 15 Tagen nach der Transplantation), – bei rasch fortschreitendem Morbus Wilson, – bei rasch fortschreitendem Budd-Chiari Syndrom, – bei lebensbedrohlicher Leberverletzung (Lebertrauma), – bei anhepatischem Zustand zusätzlich zu einem akuten Leberversagen mit toxischem Lebersyndrom. 444 Das ET-Manual spezifiziert in Kapitel 5.2, wie ein Patient in die Kategorie Approved Combined Organ (ACO) eingestuft wird: Patients in need of a multi-organ liver transplant – except liver+kidney – can be requested for status ACO. 445 ET-Manual, Kapitel 5.1; vgl. dazu auch Rahmel, in: Krukemeyer/Lison (Hrsg.), S. 65, 76. 446 Gerling, Lebenslinien aktuell Ausgabe 2/2006, 1; Rahmel, in: Krukemeyer/ Lison (Hrsg.), S. 65, 76.
188
Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD Tabelle 2.4. MELD-Definitionen
MELD
Beschreibung
Lab MELD
MELD-Scores berechnet nach Eingabe der Laborwerte, aber auch MELD-Scores, die durch ein sog. „downgrading“448 (runterstufen) entstanden, wenn der MELD-Score nicht rezertifiziert449 wurde
Pediatric MELD450 PELD-Alternative für Kinder unter 12 Jahren Exceptional MELD MELD-Scores, die für Ausnahmefälle, sog. standard exceptions (SE)451, zuerkannt wurden. 447
ET-Manual, Kapitel 5.1.1.2. Im Falle einer versäumten Rezertifizierung wird der Wartepatient eine Stufe niedriger eingestuft. Das Transplantationszentrum hat zu jeder Zeit die Möglichkeit, Wartepatienten nach Einstufung in einem niedrigeren lab Meld durch Eingabe von aktuellen Laborwerten, sofort wieder in einen lab MELD bringen, der seinen aktuellen Krankheitsgrad widerspiegelt. Zuvor aufgebaute Wartezeit bleibt erhalten. 449 Jeder MELD hat ein „Verfallsdatum“, d.h., in genau festgelegten Abständen muss ein Zentrum den lab MELD mit neuen, aktualisierten Laborwerten rezertifizieren. Das Prinzip beinhaltet, dass Wartepatienten mit einem hohen lab MELD häufiger rezertifiziert werden müssen als solche mit einem niedrigeren lab MELD: Rezertifizierung bedeutet, dass neue Laborwerte eingegeben werden müssen, so dass der neue lab MELD berechnet und sofort eingesetzt werden kann. Dadurch wird gewährleistet, dass sich in der Gruppe der Patienten mit dem höchsten MELD wirklich nur diejenigen befinden, die den für eine schnelle Transplantation benötigten lab aktuell vorweisen können. 450 In den USA wird der sog. PELD (Pedeatric Endstage Liver Disease) verwendet. ET hat sich entschlossen, diesen nicht zu verwenden. Stattdessen werden Kinder in zwei Gruppen eingeteilt: in die zum Zeitpunkt der Registrierung unter 12 Jahre alten und die zwischen 12 und 16 Jahre alten Kinder. Letztgenannte Gruppe wird primär nach dem Prinzip des lab Meld behandelt; die jüngeren Wartepatienten erhalten mit dem pediatric MELD eine Bonusregelung analog den standard exceptions, um ihre Chance auf eine rechtzeitige Transplantation zu erhöhen. Unverändert bleibt jedoch, dass bei Kinderspendern, d.h. solchen unter 46 kg Körpergewicht, die Leber erst Kindern unter 16 Jahren und dann erst allen Personen über 16 Jahren angeboten wird. 451 Die Gruppe der Standardausnahmen beinhaltet eine Anzahl definierter Krankheiten. Für Deutschland sind dies: hepatozelluläres Karzinom (HCC), nicht-metastasierendes Hepatoblastom, Adulte Polyzystische Degeneration der Leber (APDL), Primäre Hyperoxalurie Typ 1 (PH1), small-for-size Syndrom nach Lebertransplantation/persistierende Dysfunktion, Cystische Fibrose (Mukoviszidose), Familiäre Amyloidtische Polyneuropathie (FAP), Hepato-Pulmonales Syndrom (HPS), Harnstoffzyklusdefekte und das Cholangiokarzinom. (Vgl. auch Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Vermittlung Nieren) II. 1.2.1.2.2.2.). Jeder dieser Ausnahmen ist eine Liste mit Kriterien zugeordnet, die ein Empfänger erfüllen muss, bevor er den Status SE zuerkannt be448
B. Postmortale Organspende
189
Für die Allokation wird der MELD-Score eines individuellen Patienten berechnet. Dies kann jeder der oben genannten Scores sein, in jedem Fall gilt aber der für den Patienten günstigste MELD-Score. Man spricht insoweit vom sog. Match MELD. Eine Berechnungsformel, wie der jeweilige MELD-Score zu berechnen ist, findet sich im ET-Manual.452 Da die Transplantationszentren den MELD-Score ihrer Patienten angeben, besteht Missbrauchsgefahr, da bestimmte Werte, die den MELD-Score ausmachen, manipulierbar sind – z. B. Kreatinin. Deswegen ist es erforderlich, regelmäßig den aktuellen MELD-Score zu ermitteln, eine Rezertifizierung zu verlangen und ggfs. eine Rückstufung vorzunehmen.453 Es ist nur zu hoffen, dass dieser Sanktionsmechanismus, welcher die Rezertifizierung des lab MELD sicherstellen soll, nicht auf Kosten der Patienten geht. Der Vorteil des MELDScores soll darin bestehen, dass er den Tod auf der Warteliste reduziert.454 bb) Reihung der Patienten Gemäß Kapitel 5.3. des ET Manuals basiert die Auswahl und die Reihung der Patienten auf Dringlichkeit, AB0-Blutgruppenregeln, Spendergewicht (Morphologie)455, ENIS Patientenprofil456, Wartezeit und Spenderregion. Dabei finden zum Teil länderspezifische Regeln Anwendung. (1) Wartezeit Die generelle Wartezeit, welche mit der Anmeldung des Patienten auf die Warteliste in einer aktiven Dringlichkeitsgruppe (HU, ACO oder T) beginnt, kommt. Diese Liste kann je nach ET-Land variieren. Die Standardausnahmen wurden geschaffen, da der lab MELD nicht in allen Fällen in der Lage ist, den Schweregrad einer Lebererkrankung widerzuspiegeln. Der SE Status wird Patienten für die Dauer von 90 Tagen erteilt, danach muss der Patient erneut vorstellig werden um zu überprüfen, ob er weiterhin die Kriterien erfüllt. Neben den sog. standard exceptions (Standardausnahmen) gibt es zudem noch die Non-standard exeptions (NSE), also nicht standardisierte Ausnahmen. Eine Aufnahme in diese Gruppe setzt ein nationales Auditverfahren voraus. (ET-Manual, Kapitel 5.1.1.4.2). Die Zusammensetzung der Auditgruppen ergibt sich aus Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Vermittlung Leber) II 3. 452 ET Manual, Kapitel 5. 453 Gerling, Lebenslinien aktuell Ausgabe 2/2006, 1. 454 Gerling, Lebenslinien aktuell Ausgabe 2/2006, 1. 455 Bei der Leber spielt die Morphologie (Größe) eine entscheidende Rolle bei der Organzuteilung. Zwar ist eine Verkleinerung der Leber durch entsprechenden Zuschnitt möglich, dies geht aber häufig zu Lasten der Qualität. 456 Jedes Transplantationszentrum muss ein Zentrums- und Patientenprofil angeben.
190
Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
berechnet sich nach Tagen. Die akkumulierte Zeit hat keine Kappungsgrenze. Darüber hinaus gibt es die dringlichkeitsspezifische Wartezeit in der Kategorie HU oder ACO. Hier wird die Wartezeit in der jeweiligen Dringlichkeitsstufe berechnet. Patienten mit der längeren dringlichkeitsspezifischen Wartezeit haben Vorrang in der jeweiligen Dringlichkeitsstufe. Auch bei den T-Patienten spielt Wartezeit eine, wenn auch untergeordnete, Rolle. Sie ist nur dann ausschlaggebend, wenn bei der Organzuteilung zwischen Wartepatienten mit demselben MELD-Score zum Zeitpunkt des Organangebots entschieden werden muss. In Deutschland erhält unter den Wartepatienten mit demselben MELD-Score derjenige den Vorrang, der in einem Zentrum gemeldet ist, das in derselben DSO-Spenderregion liegt, in der die Spenderleber entnommen wird.457 Danach wird geprüft, wer von diesen Wartepatienten wie lange im aktuellen MELD-Score bzw. davor in einem höheren MELD-Score gewartet hat. Derjenige, der dann die längste „Teilwartezeit“ hat, steht innerhalb dieser Gruppe obenan. Dieses Prinzip setzt sich dann über die ganze Warteliste fort. Die gesamte Wartezeit spielt erst dann eine Rolle, wenn sich Patienten finden, die die gleiche „Teilwartezeit“ aufweisen.458 Vorgenanntes ergibt sich für die konkrete Anwendung der Regeln in der Praxis aus dem ET-Manual, Kapitel 5 und spiegelt sich weitestgehend auch in den Richtlinien der BÄK wider. Es bleibt allerdings anzumerken, dass durch das nunmehr geschaffene Leberallokationssystem nicht transparent dargestellt ist, welche Gewichtung den einzelnen Faktoren Dringlichkeit und Erfolgsaussicht zukommt. Der regionale Bonus, welcher, wenn man ihn mit kurzer Ischämiezeit begründet, wohl dem Faktor Erfolgsaussicht zuzuordnen wäre, findet sich eher an versteckter Stelle. (2) Blutgruppenregeln Auch bei der Lebertransplantation ist die Blutgruppenkompatibilität zwischen Spender und Empfänger zwingende Voraussetzung. Um eine gleichmäßige und zeitgerechte Verteilung zu gewährleisten,459 erfolgt die Allokation nach einem sehr ausdifferenzierten Blutgruppensystem, welches in den Richtlinien der BÄK460 sowie im ET-Manual461 dargestellt ist. Ebenso wie bei der Nierenallokation, handelt es sich um ein Verfahren zur Herstellung der Chancengleichheit und nicht um rein medizinische Kriterien. 457
Gerling, Lebenslinien aktuell Ausgabe 2/2006, 1, 3. Gerling, Lebenslinien aktuell Ausgabe 2/2006, 1, 3. 459 Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Vermittlung Leber) II. 1.1. 460 Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 (Richtlinien für die Vermittlung Leber) II. 1.1. 461 ET-Manual, Kapitel 5.3.7. 458
B. Postmortale Organspende
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cc) Allokationsschema Leber für Deutschland Offene Obligationen ersetzen bei der Leber die Länderaustauschbilanzen. Eine offene Obligation entsteht, wenn eine Spenderleber aus dem ET-Ausland einem Patienten in HU oder ACO transplantiert wurde. Um diese Obligation zu schließen, muss das Empfängerland die nächste zur Verfügung stehende Leber der gleichen Blutgruppe dem seinerzeitigen Spenderland für seine Patienten zukommen lassen. Für Deutschland ergibt sich daher folgender Algorithmus462: Tabelle 2.5. Allokation einer Leber von einem kindlichen Spender < 46 kg463 Zuerst An kindliche HU-Patienten (wenn mehr als ein HU-Patient, dann zählt die Wartezeit in HU) Dann
An erwachsene HU-Patienten (wenn mehr als ein HU-Patient, dann zählt die Wartezeit in HU)
Dann
An kindliche ACO – Patienten (wenn mehr als ein ACO-Patient, dann zählt die Wartezeit in ACO)
Dann
An erwachsene ACO-Patienten (wenn mehr als ein ACO-Patient, dann zählt die Wartezeit in ACO)
Dann
An kindliche Patienten in Ländern/Zentren mit offener Obligation mit höchstem MELD-Score
Dann
An kindliche Patienten im Spenderland, gemäß den Richtlinien der BÄK, mit dem höchsten MELD-Score
Dann
An kindliche Patienten im ET-Ausland mit dem höchsten MELD-Score
Dann
An erwachsene Patienten < 55 kg in Ländern/Zentren mit offener Obligation mit höchstem MELD-Score
Dann
An erwachsene Patienten 55 kg in Ländern/Zentren mit offener Obligation mit höchstem MELD-Score
Dann
An erwachsene Patienten < 55 kg im Spenderland mit höchstem MELD-Score
Dann
An erwachsene Patienten 55 kg im Spenderland mit höchstem MELD-Score
Dann
An erwachsene Patienten < 55 kg ET-Ausland mit höchstem MELD-Score
Dann
An erwachsene Patienten 55 kg ET-Ausland mit höchstem MELD-Score
462 463
ET-Manual, Kapitel 5.4.2. und 5.4.3. ET Manual, Kapitel 5.4.2.1.1.
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD Tabelle 2.6. Allokation einer Leber von einem Erwachsenen Spender ( 46 kg)464
Zuerst An kindliche und erwachsene HU-Patienten (wenn mehr als ein HU-Patient, dann zählt die Wartezeit in HU) Dann
An kindliche und erwachsene ACO-Patienten (wenn mehr als ein ACO-Patient, dann zählt die Wartezeit in ACO)
Dann
An kindliche und erwachsene Patienten in Ländern/Zentren mit offener Obligation mit höchstem MELD-Score
Dann
An kindliche und erwachsene Patienten im Spenderland mit dem höchsten MELD-Score
Dann
An kindliche und erwachsene Patienten im ET-Ausland mit dem höchsten MELD-Score
c) Gesetzlicher Rahmen für die Organvermittlung Schwierigkeiten bereitet die Beurteilung des Zusammenspiels dieser in der Praxis angewandten Vermittlungsregeln bzw. deren Rückkopplung an die Richtlinien der BÄK und die parlamentsgesetzlichen Vorgaben. aa) Setzungsmacht für die Vermittlungsregeln Aus § 5 Abs. 1 des Vermittlungsstellenvertrages geht deutlich hervor, dass die Anwendungsregeln für die Organvermittlung auf Grundlage der jeweils geltenden Richtlinien der BÄK (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TPG) zu erstellen sind. Anders als es der Gesetzeswortlaut vorsieht, hat die BÄK nicht nur den Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft für die Regeln zu Organvermittlung, sondern, wie der Blick auf die Richtlinien für die Organvermittlung zur Nieren und Lebertransplantation zeigt, Regeln für die Vermittlung selbst aufgestellt. Gemäß der Gesetzesbegründung sind die Vermittlungsregeln entsprechend den Vorgaben des § 12 Abs. 3 TPG „unter Einbeziehung von Richtlinien der BÄK“465 nach § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TPG verbindlich zu vereinbaren. Die Richtlinien sind auch im Falle der Beauftragung einer ausländischen Vermittlungsstelle heranzuziehen.466 Allerdings ist umstritten, ob die BÄK lediglich Feststellungen zum Stand der medizinischen Wissenschaft für die Organvermittlung oder darüber hi464 465 466
ET Manual, Kapitel 5.4.3.1.1. BT-Drucks. 13/4355, S. 26. BT-Drucks. 13/4355, S. 26.
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naus auch die materiellen Verteilungskriterien und deren Gewichtung festlegen darf.467 Bei der Beantwortung dieser Frage hilft m. E. auch die Gesetzesbegründung zu § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 TPG nicht weiter,468 in der es lediglich heißt, dass die Richtlinien die medizinischen Kriterien und Verfahrensregeln zur Organvermittlung umfassen.469 Ein klarer Auftrag des Gesetzgebers für eine so umfangreiche Richtlinientätigkeit ist also weder den TPG-Normen noch den Gesetzesbegründungen zu entnehmen. Ebenso wie das ET-Manual enthalten auch die BÄK-Richtlinien Blutgruppenregeln sowie Gewichtungen der einzelnen Allokationsfaktoren. Die Wahl der Allokationsfaktoren für die Niere und deren Gewichtung sowie die Einteilung der Dringlichkeitsstufen bei der Leber in den Richtlinien stimmen im Wesentlichen mit denen des ET-Manuals überein. Darüber hinaus finden sich im ET-Manual Regelungen, welche in den Richtlinien der Bundesärztekammer keinen Niederschlag gefunden haben, so z. B. die Länderaustauschbilanzen, ebenso wenig die Full-House Regelung oder die Reglementierung des Zugangs von Fremdpatienten (sog. Non-ET-Residents). Umgekehrt sucht man im ET-Manual vergeblich nach Regeln zum beschleunigten und modifizierten Vermittlungsverfahren. Wie die Vermittlungsstelle Eurotransplant mit der Bundesärztekammer bei der Erstellung sowie Anpassung und Korrektur der Richtlinien zusammenwirken, kann im Rahmen dieser Bearbeitung nicht abschließend erörtert werden. Festzuhalten ist allerdings, dass die sich in den Richtlinien und dem ET-Manual widerspiegelnde Zweigleisigkeit dem Bemühen um Transparenz im Allokationsverfahren nicht förderlich ist. So ist nicht eindeutig, unstrittig und klar zu ermitteln, bei wem die Setzungsmacht im Ergebnis liegt. ET hat sog. Allokationskomitees eingerichtet. Die wissenschaftlichen Gesellschaften der Mitgliedsländer sind berechtigt, in die Allokationskomitees (bei ET) einzelner Organe Mitglieder nach festem Proporz zu entsenden.470 Die einzelnen Allokationskomitees haben die Aufgabe, die tägliche Allokationspraxis zu überprüfen, Vorschläge aus einzelnen Mitgliedsstaaten zu bearbeiten und gegebenenfalls Empfehlungen an den Eurotransplant – Ausschuss zu erarbeiten, die dann verbindlich für alle Mitgliedsstaaten eingeführt werden.471 Unbestritten ist, dass ET dabei durch die gesetzlichen Regelungen der Mit467
Dies wird von Gutmann/Fateh-Moghadam, in: Gutmann/Schneewind/Schroth/ Elsässer/Land/Hillebrand, Organverteilung, S. 37, 57 sowie von Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 12 TPG, Rn. 33 verneint; a. A. Taupitz, der von einem erheblichen Beurteilungsspielraum bei der Richtlinienformulierung ausgeht, NJW 2003, 1145, 1149. 468 A. A. wohl Junghans, S. 207 f. 469 BT-Drucks. 13/4355, S. 29. 470 ET-Manual, Kapitel 1.3.2. 471 Kirste, in: Becchi/Bondolfi/Kostka/Seelmann (Hrsg.), S. 91, 95.
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
gliedsländer gebunden ist. Problematisch ist allerdings, inwieweit die BÄK Richtlinien eins zu eins umgesetzt werden müssen oder mit Blick auf die Allokationskomitees auch umgesetzt werden können. Als einer der Auftraggeber der Vermittlungsstelle dürfte die BÄK zumindest faktisch nicht unerheblichen Einfluss auf die Vermittlungsregeln haben.472 Eine Pflicht, die Richtlinien der BÄK zu beachten, ergibt sich zudem auch aus § 5 Abs. 1 des Vermittlungsstellenvertrags. So dass im Ergebnis/in der Praxis beide Institutionen gemeinsam die Ausgestaltung der Vermittlungsregeln betreiben. Angesichts möglicher fachlicher Meinungsverschiedenheiten und auch der unterschiedlichen Interessenlage – Eurotransplant ist für sieben Länder und die BÄK lediglich für Deutschland zuständig – ist dieser Zustand aber nicht unbedenklich. So wirken sich letztendlich eine Vielzahl von Faktoren auf die Erstellung der Vermittlungsregeln aus, die in kollegialem Einvernehmen gelöst werden müssen. So dass zu befürchten ist, das lediglich der kleinste gemeinsame Nenner verwirklicht werden kann. Eine Umsetzung der Richtlinien eins zu eins ist daher schwerlich zu erwarten. Die Erstellung der Vermittlungsregeln ist von einer Verantwortungsfragmentierung473 gekennzeichnet, welche im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip bereits als solche problematisch erscheint.474 bb) Legitimation der die Vermittlungsregeln erstellenden Institutionen Sowohl die Zuständigkeit Eurotransplants als auch der BÄK475 für die Erstellung der Vermittlungsregeln ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht unproblematisch.476 Dies ist zum einen dadurch bedingt, dass die verabschiedeten Vermittlungsregeln eben nicht auf rein medizinische Kriterien gestützt werden (können)477 und daher zwangsläufig zahlreiche Wertungen in die Richtlinien einfließen.478 Dementsprechend treffen die Richtlinien, ohne dass dies durch hinreichende parlamentarische Vorgaben gesteuert würde, substanziell eigene Festlegungen. Letzterer Einwand hebt auf die 472 Auch darf nicht unerwähnt bleiben, dass auf Grund der Finanzierungssystematik von Eurotransplant die Wartelistenpatienten aus der BRD die Haupteinnahmequelle sind und somit Eurotransplant sehr am Verbleib der BRD im Eurotransplantverbund interessiert ist. 473 Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 12 TPG, Rn. 13. 474 Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 12 TPG, Rn. 30. 475 Lang, MedR 2005, 269, 279, Kühn, MedR1998, 455, 459; Schmidt-Aßmann, S. 101 ff. 476 Vgl. hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Legitimation von Eurotransplant, oben, Kapitel 2, B. I. 4. c) bb). 477 Lang, MedR 269, 275 ff. 478 Taupitz, NJW 2003, 1145, 1149; Schmidt-Aßmann, S. 103.
B. Postmortale Organspende
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Wesentlichkeitsrechtsprechung des BVerfG ab, wonach der Gesetzgeber verpflichtet ist, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen.479 Dazu sogleich. Daneben werden Bedenken gegen die Übertragung auf eine nichtstaatliche Organisation erhoben.480 Die Richtlinien(gesetz)gebung der Bundesärztekammer, speziell nach § 16 TPG, stellt eine Tätigkeit dar, die der demokratischen Legitimation i. S. d. Art. 20 Abs. 2 GG bedarf.481 Dies ergibt sich aus der Bedeutsamkeit der Regelungsmaterie und der Bindungswirkung, welche die Richtlinien entfalten sollen.482 Anders als die Landesärztekammern, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts ihre Rechtsgrundlage in den entsprechenden Landesgesetzen haben, ist die BÄK lediglich eine Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärztekammern in der Rechtsform eines nicht eingetragenen Vereins483, womit es ihr letztendlich an organisatorisch personeller Legitimation fehlt.484 Sie ist lediglich eine berufständische Vertretung.485 Die Verabschiedung der Richtlinien erfolgt durch den Vorstand der BÄK. Dessen Mitglieder sind Repräsentanten funktionaler Selbstverwaltung. Die Richtlinien gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TPG können aber nicht der Selbstverwaltungstätigkeit zugeordnet werden. Aus den nachfolgenden Ausführungen wird zudem deutlich, dass die fehlende organisatorisch personelle Legitimation auch noch von einem Defizit in der sachlich inhaltlichen Legitimation der BÄK flankiert wird. cc) (Verfassungs-)rechtliche Defizite der gesetzlichen Ausgestaltung der Organallokation Die Umstellung von der sog. zentrumsorientierten auf die patientenorientierte Organvermittlung, einhergehend mit der Ausgestaltung als Punktesystem und damit der Absage an das bis zum Erlass des TPG geltende „Local donor“-Prinzip (Selbstbehaltsverfahren), ist zu begrüßen. Das „Local donor“-Prinzip bevorzugte einzelne Transplantationszentren insoweit, dass sie die selbst gewonnenen Organe zur Transplantation der 479 BVerfG, Beschl. v. 14.10.1975 – 1BvR 370/72 und 1 BvR 2190/73 –, BVerfGE 40, 237, 248 ff.; BVerfG, Beschl. v. 26.06.1991 – 1 BvR 779/85 –, BVerfGE 84, 212, 226; BVerfG, Beschl. v. 02.03.1993 – 1 BvR 1213/85 –, BVerfGE 88, 103, 111. 480 Deutsch, NJW 1998, 777, 780; Laufs, NJW 1998, 1750, 1755. 481 Schmidt-Aßmann, S. 103. 482 Schmidt-Aßmann, S. 103. 483 Kühn, MedR 455, 459; Junghans, S. 179. 484 Lang, MedR 2005, 269, 274; Schmidt-Aßman, S. 105. 485 Lang, MedR 2005, 269, 274.
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
Patienten des eigenen Zentrums verwenden durften.486 Eine zentrumsorientierte Allokation – selbst wenn sie nicht am Selbstbehaltsverfahren festhielte – teilt das gespendete Organ einem Transplantationszentrum zu, welches dann aus den bei ihm gelisteten Patienten einen Empfänger auswählt. Bei dem patientenorientierten Allokationsverfahren wird der geeignete Empfänger aus einem bundeseinheitlichen Empfängerpool mittels eines vorab definierten (objektivierten) Verfahrens zentral ausgewählt.487 Dies ergibt sich so nun auch aus § 9 i. V. m. § 12 Abs. 3 TPG. Transplantationsmedizin ist kaum denkbar, ohne den Ärzten den notwendigen Ermessensspielraum zuzugestehen. Dieser Ermessenspielraum birgt freilich die Gefahr, dass unsachgemäße und willkürliche Zuteilungsaspekte zum Zuge kommen könnten. Dieser Gefahr begegnet ein patientenorientiertes Allokationssystem indem es, meist unter Zuhilfenahme eines Punktesystems, das konkrete Allokationsverfahren objektiviert und zentralisiert und so in größtmöglichem Umfang sicherstellt, dass im Falle der konkreten Allokation subjektive Wertungen oder gar willkürliche Entscheidungen auf ein Mindestmaß reduziert werden. So wird auch die Überprüfung der konkreten Allokationsentscheidung erleichtert, denn sie korrespondiert mit dem gewählten Verfahren oder eben nicht. (Zentrale) Punktesysteme in der Organallokation – wie sie neben ET z. B. auch von UNOS (United Network for organ sharing)488 verwendet werden – haben vor allem den Vorteil, die Verteilung transparent und operationalisierbar zu machen. Sie minimieren den Einfluss des „Squeaky-wheel“-Prinzips,489 also lobbyistische Bemühungen bestimmter Patienten, die zumeist nicht ohne Wirkung bleiben. Ebenfalls können Vorurteile nicht mehr in die Entscheidung einfließen und ad hoc Entscheidungen werden auf ein Mindestmaß reduziert. Diese Systeme haben zudem ab einer bestimmten Größe der verwalteten Patientenpopulation (UNOS/ET) den nicht verzichtbaren Vorteil, per Computer schnell und definitiv Allokationsentscheidungen treffen zu können.490 Aber auch die Einführung einer patientenorientierten Allokation auf Basis eines Punktesystems vermag das grundlegende Problem nicht zu lösen und zwar, welche Allokationskriterien dem Punktesystem zugrunde zu legen und wie sie zueinander zu gewichten sind. Während die Abkehr von der zentrumsorientierten zur patientenorientierten Allokationspraxis unter Ge486
Oelert, S. 132. Kirste, in: Becchi/Bondolfi/Kostka/Seelmann (Hrsg.), S. 91, 93. 488 UNOS ist die für die Organallokation zuständige Organisation in den Vereinigten Staaten. 489 Conrads, Organallokation, S. 132; Land, Dialyse Journal 1994, 31, 36. 490 Conrads, Organallokation, S. 169. 487
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rechtigkeitsaspekten durchaus zu begrüßen ist,491 ist die darüber hinausgehende Ausgestaltung der Organvermittlung gerade mit Blick auf die zu wählenden Allokationskriterien und ihrer Gewichtung im TPG eher defizitär. Die Allokationspolitik ist darauf angewiesen, Legitimation letztlich durch Verfahren herzustellen. Prozedurale Gerechtigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang: transparente, nachvollziehbare und öffentliche Entscheidungsregeln sowie die ständige Überwachung, Evaluierung und Fortentwicklung der Allokationspolitiken.492 (1) Organvermittlung nach medizinischen Kriterien Die rudimentären parlamentsgesetzlichen Vorgaben für die Vermittlungsentscheidung, welche den Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen sollen, insbesondere nach Erfolgsaussicht und Dringlichkeit, begegnen durchgreifenden Bedenken. Der Blick auf die Gesetzesbegründung, in der wie folgt ausgeführt wird: „Die Organallokation ist nach medizinisch begründeten Regeln vorzunehmen. Für diese sind Kriterien heranzuziehen, die unter medizinischen Gesichtspunkten für Dringlichkeit und Erfolgsaussicht der Transplantation von Bedeutung sind. Die Dringlichkeit wird in erster Linie durch den Gesundheitszustand des Patienten im Hinblick auf seine verbleibenden Überlebenschancen gekennzeichnet, die Erfolgsaussicht durch die Blutgruppe, die Gewebeverträglichkeit (gemessen an der HLAKompatibilität; insbesondere bei Nierentransplantationen) und Größe und Gewicht des Transplantats (bei anderen Organen, insbesondere Herz und Leber). Darüber hinaus sind in angemessener Gewichtung weitere Umstände, die nach medizinischer Beurteilung Einfluss auf Dringlichkeit und Erfolg einer Transplantation haben können, wie z. B. die bereits verstrichene und eine weitere Wartezeit hinsichtlich eingetretener oder absehbarer gesundheitlicher Belastungen, einzubeziehen. Zu den Vermittlungsregeln gehören auch Kriterien, nach denen im Konfliktfall Dringlichkeit und Erfolgsaussicht gegeneinander abzuwägen sind.“493
legt den Schluss nahe, dass man davon ausging, medizinische Kriterien wären Synonym für Objektivität und damit Garant für ein gerechtes Verfahren. Dabei wird übersehen, dass die Empfängerauswahl in Zeiten großen Organmangels nur begrenzt mittels medizinischer Kriterien erfolgen kann.494 So trifft es zu, dass Blutgruppe, Gewebeverträglichkeit495 sowie Morpholo491 Gutmann/Fateh-Moghadam, in: Gutmann/Schneewind/Schroth/Elsässer/Land/ Hillebrand, S. 105, 113. 492 Conrads, Organallokation, S. 170. 493 BT-Drucks. 18/4355, S. 14, 15. 494 So auch Gutmann/Fateh-Moghadam, in: Gutmann/Schneewind/Schroth/Elsässer/Land/Hillebrand, S. 37, 39; Schmidt, Ethik in der Medizin 1998, 5, 11. 495 Die Bedeutung der Gewebeverträglichkeit wird im Zeitalter der modernen Immunsuppressiva zumindest bestritten, vgl. Holznagel, DVBl. 1997, 393, 395.
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gie496 bei der Empfängerauswahl für eine „erfolgreiche“ Transplantation berücksichtigt werden müssen und bei deren Nichtbeachtung eine Transplantation von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre. Aufgrund des chronischen Organmangels konkurrieren aber auch nach Einhaltung dieser elementaren Transplantationsgrundregeln immer noch eine Vielzahl von Patienten um ein konkretes Organ. Medizinische Kriterien können insoweit dazu herangezogen werden, die Dringlichkeit einer Organstransplantation zu prognostizieren und anhand von Erfahrungswerten die Erfolgsaussicht einer Transplantation zu bewerten. Eine Notwendigkeit für eine Transplantation hingegen besteht bei allen Patienten gleichermaßen, denn sonst wären sie nicht auf der Warteliste. Eine Auswahl unter diesen Patienten kann aber schlechterdings nicht auf medizinische Kriterien gestützt werden. Medizinische Gründe, eine Heilung oder Verlängerung des Lebens, die möglich ist, nicht zu versuchen, gibt es nämlich nicht.497 (2) Erfolgsaussicht und Dringlichkeit Die Organallokation bezeichnet vielmehr ein materielles Gerechtigkeitsproblem.498 Die Zielkriterien Erfolgsaussicht und Dringlichkeit sind für sich genommen bereits tendenziell widersprüchlich.499 Viele Patienten werden im Laufe ihrer Erkrankung so schwer betroffen, dass sie zweifellos außerordentlich dringlich transplantiert werden müssen. Die Erfolgsaussicht kann zu diesem Zeitpunkt aber bereits so eingeschränkt sein, dass eine Transplantation nicht mehr sinnvoll erscheint.500 Der Zielkonflikt zwischen Erfolgsaussicht (als Ziel einer Maximierung des aggregierten Transplantationserfolgs im Patientenkollektiv oder aber auch der individuelle Patientennutzen501) und Dringlichkeit (Größe und Unmittelbarkeit der Gefahr für die Rechtsgüter des individuellen Patienten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), mithin die Frage nach einer gerechten Verteilung des knappen Guts502, stellt das normative Grundproblem der Organallokation schlechthin dar.503 Eine 496 Nach Ansicht Holznagels verliert dieser Umstand auch bei der Lebertransplantation an Bedeutung, seit Lebern „zugeschnitten“ werden können, DVBl. 1997, 393, 395. 497 Lang, MedR 2005, 269, 275; Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 12 TPG, Rn. 25; Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 12 TPG, Rn. 21. 498 Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 12 TPG, Rn. 27, Lang, MedR 269, 274. 499 Lang, MedR 269, 277; Oelert, S. 125; Junghans, S. 170, Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 12 TPG, Rn. 20, 24; Schreiber/Haverich, DÄBl. 1997, A 385, A 386. 500 Kirste, in: Becchi/Bondolfi/Kostka/Seelmann (Hrsg.), S. 91, 94. 501 Vgl. Schmidt, S. 110. 502 Vgl. Schmidt, in: Gutmann/Schneewind/Schroth/Elsässer/Land/Hillebrand, S. 2.
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Entscheidung dieses Dilemmas hätte dem Gesetzgeber oblegen, welcher wie die Gesetzesbegründung zeigt, das Bestehen eines solchen Konflikts erkennt.504 So soll es auch zu den Vermittlungsregeln gehören, im Konfliktfall Dringlichkeit und Erfolgsaussicht gegeneinander abzuwägen. Zunächst ist festzuhalten, dass es schwerlich praktikabel sein dürfte, erst im konkreten Konfliktfall – zumal in der Regel nicht zwei Patienten um ein Organangebot konkurrieren sondern dutzende –, anhand wie auch immer gearteter Entscheidungsregeln zwischen Dringlichkeit und Erfolgsaussicht abzuwägen. Diese Entscheidung muss bereits im Vorfeld getroffen werden.505 Die Abwägung kann allerdings nicht mittels der Vermittlungsregeln durch BÄK oder ET selbst vorgenommen werden, sondern ist aufgrund der grundrechtlichen Relevanz bereits im Vorfeld durch den parlamentarischen Gesetzgeber zu treffen. Ungeachtet der Tatsache, dass der Staat die konkrete Vermittlung von Organen einer privaten Einrichtung übertragen hat, müssen die Allokationskriterien unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten mit den Grundrechten auf Schutz der Menschenwürde, auf Leben und körperliche Unversehrtheit sowie dem grundrechtlichen Anspruch auf Gleichbehandlung in Einklang stehen.506 Der Staat nimmt nämlich ein faktisches und rechtliches Monopol bei Organzuteilung für sich in Anspruch.507 Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass der Staat Selbsthilfe verbietet, indem er Organhandel unter Strafe stellt und die Übertragung eines Organs entgegen § 9 TPG mit Bußgeld bewährt, so dass ein Patient auf die Vermittlung von Eurotransplant angewiesen ist, will er rechtmäßig ein postmortales Organ zu Transplantationszwecken erhalten.508 Wie die Formulierung „insbesondere“ in § 12 Abs. 3 Satz 1 TPG nahe legt, sind Erfolgsaussicht und Dringlichkeit zudem nicht die einzigen Allokationskriterien. In Betracht kommt insbesondere auch die Chancengleichheit, welche bereits bei der einheitlichen Warteliste zum Tragen kommt.509 Es stellt sich also die Frage, ob darüber hinaus z. B. auch Nachteile von Patienten, welche über eine seltene Blutgruppe oder seltene Gewebetypen verfügen und daher in der Regel wesentlich länger auf ein Organ warten müssen510, auszugleichen sind. Sowohl das ET-Manual als auch die Richtlinien tragen dem durch besondere Blutgruppenregeln und die Berechnung 503
Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 12 TPG, Rn. 24. Vgl. BT-Drucks. 18/4355, S. 14, 15. 505 Auch dass ist einer der Vorteile eines computergestützten Punktesystems. 506 Conrads, S. 177. 507 Gutmann/Fateh-Moghadam, in: Gutmann/Schneewind/Schroth/Elsässer/Land/ Hillebrand, S. 59, 69. 508 Lang, VSSR 2002, 21, 28. 509 Chu, S. 166. 510 Rahmel, in: Krukemeyer/Lison (Hrsg.), S. 65, 73. 504
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der sog. Mismatch-probability Rechnung. Es handelt sich dabei aber nicht um medizinische Allokationskriterien sondern um Gerechtigkeitsgesichtspunkte. (3) Wesentlichkeitstheorie Indem der Staat es unterlässt, den oben dargelegten Zielkonflikt zu lösen und die Art und das Rangverhältnis der Auswahlkriterien zu bestimmen und dies de facto der BÄK in Zusammenarbeit mit Eurotransplant überlässt, verstößt er gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes in der spezifischen Ausprägung, die dieser durch die „Wesentlichkeitsrechtsprechung“ des BVerfG511 erfahren hat.512 Dieser Rechtsprechung zufolge muss der Gesetzgeber wesentliche Entscheidungen selbst treffen und kann diese nicht auf andere delegieren. Welche Bereiche als „wesentlich“ nur durch förmliches Gesetz geregelt werden können, ist dabei jeweils mit Blick auf die Regelungsmaterie und die Intensität des Eingriffs zu entscheiden.513 Wie der „Numerus-clausus“-Entscheidung des BVerfG514 zu entnehmen ist, greift der Wesentlichkeitsgrundsatz gerade in den Fällen, in denen „Lebenschancen zugeteilt“ werden. Dort ging es um die Chance auf die Zuteilung eines Studienplatzes, hier um die Zuteilung eines vielleicht lebensrettenden Organs. Zwar trifft es zu, dass es Sachverhalte gibt, welche einer gesetzlichen Regelung nur schwer zugänglich sind, so dass gerade bei dynamischen Sachverhalten, wie sie auch die Transplantationsmedizin darstellt, der Gesetzgeber nur die Regelungsziele vorgeben und in Generalklauseln auf den Stand der Wissenschaft oder auf den Stand der Technik Bezug nehmen kann.515 Die Entscheidung des Zielkonflikts zwischen Erfolgsaussicht und Dringlichkeit sowie über die Zulässigkeit anderer nicht medizinischer Allokationskriterien unterliegt aber nicht einer solchen Dynamik.516 Darüber hinaus soll nicht in Abrede gestellt werden, dass auch die Verteilungsregeln, dem Erfordernis einer ständigen Überprüfung und Anpassung mit 511 BVerfG, Beschl. v. 14.10.1975 – 1BvR 370/72 und 1 BvR 2190/73 –, BVerfGE 40, 237, 248 ff.; BVerfG, Beschl. v. 26.06.1991 – 1 BvR 779/85 –, BVerfGE 84, 212, 226; BVerfG, Beschl. v. 02.03.1993 – 1 BvR 1213/85 –, BVerfGE 88, 103, 111. 512 Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 12 TPG, Rn. 10; Gutmann/ Fateh-Moghadam, in: Gutmann/Schneewind/Schroth/Elsässer/Land/Hillebrand, S. 37, 39. 513 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.08.1978 – 2 BvL/77 –, BVerfGE 49, 89 ff., 127. 514 BVerfG, Urt. v. 18.07.1972 – 1 BvL 32/70 und 25/71 –, BVerfGE 33, 303, 345 f. 515 Vgl. Junghans, S. 187. 516 Im Ergebnis ebenso Gutmann/Fateh-Moghadam, in: Gutmann/Schneewind/ Schroth/Elsässer/Land/Hillebrand, S. 37, 43.
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Blick auf die rasch fortschreitende Entwicklung medizinische Entwicklung Rechnung tragen müssen und somit nicht gänzlich in die Hand des parlamentarischen Gesetzgebers gegeben werden können. Allerdings gebe ich an dieser Stelle zu bedenken, dass z. B. die Allokationsrichtlinien bei der Niere, was rein medizinische Kriterien anbelangt, seit ihrer Einführung 1996 kaum Änderungen aufgrund der fortschreitenden Entwicklung der medizinischen Wissenschaft erfahren haben. So wurden z. B. die Länderaustauschbilanzen eingeführt, welche sich unstrittig nicht als medizinische Kriterien darstellen. Auch der Kinderbonus, welcher hier nicht in Abrede gestellt werden soll, ist streng genommen kein medizinisches Kriterium. Gleiches gilt für das 2002 eingeführte Acceptable Mismatch Programm517, um sicherzustellen, dass hochsensibilisierte Patienten in einem absehbaren Zeitraum ein Organ angeboten bekommen. Auch dies ist kein medizinisches Allokationskriterium sondern ein Aspekt der Chancengleichheit. Um die Allokationsrichtlinien der stetigen medizinischen Entwicklung anzupassen, wäre meines Erachtens eine regelmäßige Hinterfragung, z. B. mittels Simulationsmodellen, erforderlich. dd) Abhilfe Wie oben dargelegt, darf sich der Gesetzgeber nicht der Aufgabe entziehen, den bei der Verteilung eines Mangels im Hinblick auf medizinische Güter immanenten Zielkonflikt zwischen Dringlichkeit und Erfolgsaussicht aufzulösen.518 Es sollte klargestellt werden, welche Kriterien, neben den diskriminierende Kriterien,519 wie sie sich auch aus Art. 3 Abs. 2 und 3 GG verbieten,520 bei der Erstellung von Allokationskriterien ebenfalls keine Bedeutung erlangen dürfen: Gemeint sind andere nicht-medizinische Kriterien (materieller, wirtschaftlicher oder sozialer Natur), welche nicht die Schwelle des Art. 3 Abs. 2 und 3 GG erreichen. Solche Kriterien dürfen insbesondere nicht dazu führen, dass die Lebenswertindifferenz des Lebens in Frage gestellt wird.521 Im umgekehrten Sinn ist explizit zu regeln, welche nichtmedizinischen Kriterien, wie z. B. die Herstellung von Chancengleichheit, Berücksichtigung finden dürfen und sollen. An dieser Stelle müsste auch bedacht werden, inwieweit eine vorrangige Verteilung an Personen, die in 517 Vgl. zum Zeitpunkt der Einführung: Nagel, in: Becchi/Bondolfi/Kostka/Seelmann (Hrsg.), S. 63, 66. 518 Vgl. Lang, MedR 2005, 269, 278. 519 Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 12 TPG, Rn. 30. 520 Lang, MedR 2005, S. 269, 279; Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/ Oduncu, § 12 TPG, Rn. 46. 521 Lang, MedR 2005, S. 269, 279; Gutmann/Fateh-Moghadam, in: Gutmann/ Schneewind/Schroth/Elsässer/Land/Hillebrand, S. 59, 80.
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
besonderem Verhältnis zum Verstorbenen stehen, möglich ist – z. B. in Anlehnung an die Vorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG.522 Ebenso ließe sich auch die Diskussion um Gegenseitigkeitsmodelle bzw. Reziprozitätsmodelle zur Steigerung der Spendebereitschaft523, welche 10 Jahre nach Erlass des TPG nur unwesentlich gestiegen ist, wieder aufgreifen. Darüber hinaus bestehen keine Bedenken, wenn der Gesetzgeber die Feststellung des „Standes der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft“ für die medizinischen Kriterien einer Indikation und Kontraindikation für den Zugang zur Transplantationsmedizin oder der Beurteilung der medizinischen Dringlichkeit sowie Prognosen der Erfolgsaussicht auf eine fachlich geeignete Stelle überträgt. Allerdings mit der Maßgabe, dass die Ausgestaltung des Erlassverfahrens, die Entscheidungsweise sowie die Zusammensetzung und Berufung des Gremiums vorzugsweise vom Gesetzgeber selbst vorgegeben wird.524 Man spricht insoweit von einer normativen Vorsteuerung durch den Gesetzgeber. Auch sollte die Mitwirkung staatlicher Instanzen vorgesehen werden525, wie z. B. die Genehmigungspflicht durch das zuständige Ministerium.526 Dies würde auch die Fragen des Rechtsschutzes vereinfachen. Nur so kann man mit Sicherheit, Transparenz und Kontrollierbarkeit der Allokationsentscheidungen die Spendebereitschaft langfristig steigern.
IV. Ausgewählte Sonderprobleme bei der Allokation Die Thematik des Zugangs von Fremdpatienten den sog. „Non-Residents“ wird wegen der europarechtlichen Komponente erst in Kapitel 5 aufgegriffen. Aus aktuellem Anlass soll noch der Frage nachgegangen werden, inwieweit die Koordinierungsstelle verpflichtet ist, die Anonymität zwischen Spender und Empfänger zu wahren. Erst kürzlich bat ein amerikanischer Journalist die DSO, den Kontakt zu Empfängern von Spenderorganen, wel522
Vgl. dazu oben, Kapitel 2, B. II. 2. b) bb) (1). Schmidt-Aßmann, S. 22; Breyer/van den Daele/Engelhard/Gubernatis/Kliemt/ Kopetzki/Schlitt/Taupitz, S. 116; Stellungnahme des Nationalen Ethikrats vom 24. April 2007, Die Zahl der Organspenden erhöhen – Zu einem drängenden Problem der Transplantationsmedizin in Deutschland, S. 21. 524 Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 16 TPG, Rn. 20; Gutmann, in: Schroth/König/ Gutmann/Oduncu, § 16 TPG, Rn. 29; Taupitz, NJW 2003, 1145, 1150; Holznagel, DVBl. 1997, 393, 400. 525 Höfling, in: Höfling (Hrsg.), § 16 TPG, Rn. 21; Gutmann, in: Schroth/König/ Gutmann/Oduncu, § 16 TPG, Rn. 29; Taupitz, NJW 2003, 1145, 1150; Schmidt-Aßmann, 105. 526 Lang, MedR 269, 279. 523
B. Postmortale Organspende
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che von amerikanischen Soldaten stammen, herzustellen. So gehört das Militärhospital in Landstuhl zu den Spenderkrankenhäusern, welche potentielle Spender der DSO melden. In den USA ist es durchaus üblich, dass der Kontakt zwischen den Spenderfamilien und Empfängern hergestellt wird. In Europa ist dies eher unüblich.527 Fraglich ist also, ob die DSO im Einzelfall einer solchen Bitte nachkommen darf, oder ob ihr dies von Gesetzes wegen untersagt ist. Aus datenschutzrechtlichen Gründen dürfen die Angehörigen eines Organspenders den Namen des Organempfängers nicht erfahren, ebenso der Organempfänger nicht den Namen des Organspenders. Deshalb verpflichtet § 14 Abs. 2 Satz 1 TPG die an der Mitteilung und Übermittlung nach § 11 Abs. 4 TPG sowie die an der Organentnahme, -vermittlung oder -übertragung beteiligten Personen dazu, die Identität von Spender und Empfänger geheim zu halten, d.h. gegenüber Dritten nicht zu offenbaren.528 Verstöße dagegen sind in § 19 Abs. 3 TPG unter Strafe gestellt. Die Regelung lässt aber bei Organen Verstorbener im Einzelfall Angaben zu Geschlecht, Alter und Todesursache des Organspenders zu, wenn dadurch eine Identifizierung des Organspenders oder des Organempfängers nicht ermöglicht wird.529 Eine Unterrichtung der nächsten Angehörigen über den Erfolg der Transplantation des entnommenen Organs ist daher ebenfalls als zulässig anzusehen.530 Fraglich ist allerdings, ob die Verpflichtung zur Wahrung der Anonymität zwischen Spenderfamilie und Empfänger auch bei Vorliegen einer Einwilligung sowohl der Spenderfamilie als auch des Empfängers besteht? Die Strafvorschrift des § 19 Abs. 3 TPG ist eine „subsidiäre Vorschrift“ zur strafrechtlichen Ahndung von Verstößen gegen bestimmte Geheimhaltungspflichten. Die Subsidiarität drückt sich in der den Tatbestand eingefügten Subsidiaritätsklausel aus, wonach § 19 Abs. 3 TPG nur anwendbar ist, „wenn die Tat nicht in § 203 des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist.531 Sie ist in das TPG aufgenommen worden, da aus Sicht des TPG-Gesetzgebers, mit Blick auf das in die Spendermeldung involvierte Verwaltungs- und Hilfspersonal, nicht abschließend zu klären war, ob es sich dabei um ärztliches Hilfspersonal i. S. d. § 203 Abs. 3 StGB handelt,532 der Adressatenkreis des § 203 StGB also nicht umfangreich genug war. Der Bruch der in § 203 StGB normierten Schweigepflicht als auch des in § 14 Abs. 2 TPG normierten Offenbarungsverbots kann aber ausnahmsweise gerechtfer527 528 529 530 531 532
Alliance-O, WP 7, Legal and ethical aspects, Deliverable 7.1., S. 35 f. BT-Drucks. 13/4355, S. 27. BT-Drucks. 13/4355, S. 27. Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 14 TPG, Rn. 3 f. Vgl. Rixen, in: Höfling (Hrsg.), § 19 TPG, Rn. 48. BT-Drucks. 13/4355, S. 31/32.
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
tigt sein. So kommt eine Rechtfertigung durch die Notstandsregelung gemäß § 34 StGB in Betracht.533 Fraglich ist indes, ob auch eine rechtfertigende Einwilligung des Trägers, bzw. der Träger der Daten, also Spender, Angehörige und Empfänger, in Betracht kommt. Problematisch ist eine tatbestandsausschließende Einwilligung in der vorliegenden Fallkonstellation in zweierlei Hinsicht. Zum einen kann der Verstorbene seine Einwilligung nicht mehr erteilen. Der Schutz des § 203 StGB dauert auch über den Tod des Geschützten fort.534 Bei § 14 Abs. 2 TPG ergibt sich dies bereits aus dem logischen Zusammenhang, denn der Spender einer postmortalen Organspende ist immer tot. In diesem Fall kommt es darauf an, wie die Schutzwürdigkeit nach der mutmaßlichen Einwilligung des Verstorbenen unter Berücksichtigung seines Todes zu beurteilen ist.535 Zum anderen stellt sich die Frage, ob die Datenträger über das Rechtsgut frei verfügen dürfen. Dies wird bei § 203 StGB bejaht.536 Bedenken ergeben sich im Ergebnis auch nicht im Hinblick auf § 14 Abs. 2 TPG. Zwar schützt die Vorschrift den Empfänger über den Datenschutz hinaus vor unzulässigen Forderungen oder Druck in sonstiger Form von Seiten der Angehörigen des Organspenders, es bestehen allerdings keine Bedenken, dass der Empfänger sich auch dieses Schutzes begeben darf. Besondere über den Datenschutz hinausgehende Gemeinschaftsschutzgüter, die nicht zur Disponibilität der Datenträger stünden, sind vorliegend nicht erkennbar. Die Gesetzesbegründung stellt allein auf den lückenlosen Datenschutz ab. So dass, sofern man eine wirksame Einwilligung aller Datenträger im Einzelfall bejahen kann, Ausnahmen von der Anonymität zwischen Spender und Empfänger möglich wären. Dies bedeutet aber nicht, dass der Empfänger oder die Angehörigen des Spenders einen Anspruch darauf haben, dass z. B. die DSO ein Verfahren zu Verfügung stellt, indem ermittelt wird, ob bei den beteiligten Datenträgern eine solche Einwilligung vorgelegenen hat. Derzeit werden bei der DSO Anfragen obiger Natur also konsequent abgelehnt und dies mit gutem Grund. Zur Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen ist die DSO nicht nur aus dem TPG sondern auch gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 9 des Vertrages nach § 11 Abs. 2 TPG verpflichtet. Das Gesetz geht vom Grundsatz der Anonymität zwischen Spender und Empfänger aus. Den Mitarbeitern der DSO kann eine rechtsverbindliche Klärung, ob eine tatbestandsausschließende Einwilligung aller Beteiligten vorliegt, nicht zugemutet werden. Die Wahrung der Anonymität in allen Fällen ohne Ausnahmen zuzulassen, dient der einheitlichen und auch sichersten Hand533 534 535 536
Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 19 TPG, Rn. 211. Schünemann, ZStW 90 (1978), 11, 59; Tröndle/Fischer, § 203 StGB, Rn. 5. Vgl. Tröndle/Fischer, § 203 StGB, Rn. 5; Solbach, DRiZ 78, 204 ff. Tröndle/Fischer, Vor § 32 StGB, Rn. 3b.
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende
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habung und deckt sich mit der gesetzgeberischen Entscheidung. Will man Treffen bzw. den Austausch zwischen Spenderfamilien und Empfängern wie in den USA zur Regel machen, so müsste über eine wirksame Verfahrensausgestaltung nachgedacht werden, denn der Datenschutz darf dadurch nicht ausgehebelt werden. Die Vor- und Nachteile einer solchen Regelung müssten aber zuvor diskutiert werden.
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende Bis zum Inkrafttreten des TPG 1997 setzten lediglich allgemeine strafrechtliche und zivilrechtliche Vorschriften sowie berufsständische Vorschriften der Möglichkeit einer Lebendspende Grenzen. Damit war die Lebendspende in wesentlich weiterem Umfang als heute zulässig. Die Behauptung, mit Einführung der Regelung zur Lebendspende im TPG seien die Möglichkeiten einer Lebendspende erheblich erweitert worden, ist unzutreffend. Das Gegenteil trifft zu, die Lebendspende hat durch das TPG wesentliche Einschränkungen erfahren.
I. Gesetzliche Beschränkungen der Lebendspende Die rechtlichen Voraussetzungen der Lebendorganspende in der Bundesrepublik Deutschland sind in § 8 TPG geregelt. Die Vorschrift lässt eine Organspende zu Lebzeiten nur in engen Grenzen und unter besonderen Voraussetzungen zu, weil – so die Gesetzesbegründung537 – die Organentnahme für den Spender kein Heileingriff ist, sondern ihm grundsätzlich schadet und ihn gesundheitlich gefährden kann. Dies gelte umso mehr, als die Transplantationsmedizin die Möglichkeiten der Lebendspende von der Entnahme einer Niere auf die Entnahme von Teilen anderer Organe wie Leber, Lunge und Bauchspeicheldrüse erweitert hat. Zulässig ist die Lebendorganspende gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a TPG nur, wenn der Spender volljährig und einwilligungsfähig ist.538 Des Weiteren ist gemäß § 8 Abs. 1 Satz Nr. 1 lit. b TPG eine Einwilligung in Folge einer den Anforderungen des § 8 Abs. 2 TPG entsprechenden Aufklärung erforderlich. Auch muss der Spender nach ärztlicher Beurteilung geeignet sein. Er darf durch die Entnahme nicht über das Operationsrisiko 537
BT-Drucks. 13/4355, S. 20. Eine Sonderregelung für bestimmte (regenerierbare) Gewebetypen, um die Gewebeentnahme bei minderjährigen oder geschäftsunfähigen Personen zu ermöglichen, enthielt das TPG bislang nicht. Mit Inkrafttreten des Gewebegesetzes wird die Entnahme von Knochenmark bei minderjährigen Personen in § 8 a TPG geregelt. 538
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
hinaus gefährdet oder über die unmittelbaren Folgen der Entnahme hinaus gesundheitlich schwer beeinträchtigt werden (vgl. § 8 Abs. 1 Satz Nr. 1 lit. c TPG). Die Übertragung des Organs muss ferner geeignet sein, das Leben des Empfängers zu erhalten oder bei ihm eine schwerwiegende Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Beschwerden zu lindern (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TPG). Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TPG darf im Zeitpunkt der Organentnahme ein geeignetes postmortal gespendetes Organ nicht verfügbar sein (Subsidiaritätsgrundsatz). Die Organentnahme ist von einem Arzt vorzunehmen (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TPG). Darüber hinaus muss gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG zwischen Empfänger und Spender ein Verwandtschafts- oder ein besonderes Näheverhältnis bestehen und gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 TPG ist in jedem Fall die gutachterliche Stellungnahme einer Lebendspendekommission erforderlich. Die Entnahme von Organen bei einem Lebenden darf nur durchgeführt werden, wenn sowohl Spender als auch Empfänger sich zu einer ärztlich empfohlenen Nachbetreuung bereiterklärt haben (vgl. § 8 Abs. 3 Satz 1 TPG). 1. Informierte Einwilligung des Spenders und Untersuchung der Spendereignung § 8 TPG normiert die Aufklärung und informierte Einwilligung des Spenders als auch die Spendereignung sowie den Empfängerschutz. a) Aufklärung und informierte Einwilligung des Spenders – Erfordernis eines Lebendspenderregisters Die gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. b TPG erforderliche Einwilligung ist zentrale Voraussetzung der Lebendorganspende. Eine fehlerhafte oder unterlassene Aufklärung kann neben strafrechtlichen Sanktionen auch Schadensersatzansprüche des Lebendspenders auslösen.539 § 8 Abs. 2 Satz 1 TPG stellt an die Aufklärung und Einwilligung strenge Anforderungen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich um einen Eingriff ohne jeglichen therapeutischen Nutzen für den Spender handelt.540 Der Arzt hat den Spendewilligen über die Art des Eingriffs und den Umfang der beabsichtigten Organentnahme, auch über mittelbare Folgen sowie Spätfolgen und Langzeitrisiken für seine Gesundheit aufzuklären. Dazu gehört selbstverständlich die Aufklärung über das Mortalitäts- und Morbiditätsrisiko. Ebenso ist der Spender über die Erfolgsaussicht der Transplantation541 so539
Baltzer, SGb 1998, 437, 438. Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 8 TPG, Rn. 25; Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn. 92. 540
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende
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wie sonstige Umstände, denen er erkennbar eine Bedeutung für die Organspende beimisst, aufzuklären. Dazu gehört auch die Aufklärung über Behandlungsalternativen sowie die Nachrangigkeit der Lebendspende.542 Die Aufklärung und die Einwilligungserklärung müssen nach § 8 Abs. 2 Satz 2 TPG in Anwesenheit eines zweiten Arztes, der weder an der Organentnahme noch an der Organübertragung beteiligt und von den transplantierenden Ärzten unabhängig ist und, sofern erforderlich, weiterer sachverständiger Personen erfolgen. Die Hinzuziehung einer weiteren sachverständigen Person ist erforderlich, wenn der aufklärende Arzt nicht hinreichend sachkundig ist, z. B. im Hinblick auf psychische, moralische oder soziale Komplikationen und Konsequenzen einer Lebendorganspende. Gleiches gilt für die versicherungsrechtliche und damit auch finanzielle Absicherung der gesundheitlichen Risiken. Es dürfte also regelmäßig zu empfehlen sein, psychologische Fachkräfte sowie Sachverständige zur versicherungsrechtlichen Seite der Organspende hinzuzuziehen. Der transplantierende Arzt sollte daher die Sollvorschrift als Mussvorschrift auffassen.543 § 8 Abs. 2 Satz 3 TPG dient der Verfahrenssicherung. Sowohl der Inhalt der Aufklärung als auch die Einwilligungserklärung sind schriftlich niederzulegen und vom Spender und den aufklärenden Personen sowie dem hinzugezogenen Arzt zu unterzeichnen. § 8 Abs. 2 Satz 4 TPG verlangt darüber hinaus auch die Dokumentation darüber, dass die versicherungsrechtliche Absicherung der gesundheitlichen Risiken nach Satz 1 erörtert wurde. Dies impliziert eine Aufklärung zu diesem Thema und die Hinzuziehung eines entsprechenden Sachverständigen, da kaum davon ausgegangen werden kann, dass ein Mediziner ausreichend über die derzeit sehr unübersichtliche, zum Teil auch unklare Rechtslage aufklären könnte.544 Die Einwilligung kann jederzeit formlos widerrufen werden.545 Nicht zuletzt, um den strengen inhaltlichen Anforderungen an die Spenderaufklärung Rechnung zu tragen, ist m. E. die Schaffung eines Lebendspenderregisters, welches eine ausreichende, langfristige Datensammlung über den fortlaufenden Gesundheitszustand des Spenders ermöglicht, zwingend erforderlich.546 Ein solches Register würde erstmalig ein standardisier541
Vgl. dazu: Schroth, in: Schroth/Schneewind/Gutmann/Fateh-Moghadam, S. 79,
97. 542 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 8 TPG, Rn. 27; Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 19 TPG, Rn. 69. 543 Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn. 99; Edelmann, VersR 1999, 1065, 1068. 544 Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 45. 545 Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn. 107. 546 So auch Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 43; Gutmann, Neues Transplantationsgesetz, S. 85 ff.
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
tes Nachsorgeverfahren – § 8 Abs. 3 Satz 1 TPG verpflichtet Spender und Empfänger zu Teilnahme an einer Nachbetreuung – in Deutschland etablieren. Ein solches Register würde zudem die für eine Qualitätssicherung, zu der die Transplantationszentren nach Maßgabe des SGB V verpflichtet sind, erforderlichen Daten erheben, es würde langfristig die Evaluierung von kurz- und langfristigen Risiken, möglichen mittelbaren Folgen als auch Spätfolgen ermöglichen. Zudem würde es auch eine epidemiologische Datenbasis als Voraussetzung für die Möglichkeit von Risikoversicherungen bei der Organlebendspende schaffen.547 Ebenso würde eine Evaluierung der psychologischen, sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen einer Lebendspende ermöglicht. In Anbetracht der überschaubaren Zahl an Lebendspendern (2006: Niere 522; Leber: 83)548 in Deutschland ist die Errichtung eines bundeszentralen Registers erforderlich. Zudem ist eine Verknüpfung nationaler Lebendspenderregister auf europäischer Ebene in Erwägung zu ziehen, da es gerade bei kleineren Fallzahlen sinnvoll ist, sich auszutauschen.549 In der Bundesrepublik gibt es derzeit lediglich ein privates Lebendspenderegister, die Datenlieferung ist nicht verpflichtend. Es wird von der Stiftung Lebendspende seit Januar 2004 betrieben, erfasst aber derzeit nur die Nierenlebendspende. Der abgefragte Datensatz ist überschaubar. Er kann, wie auch weitere Einzelheiten zu diesem Register, auf der Homepage abgerufen werden.550 b) Untersuchung der Spendereignung und Empfängerschutz Nachfolgend werden die Spender- und die Empfängerindikation untersucht. aa) Spenderindikation Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. c TPG muss der Spender gesundheitlich geeignet sein und darf nicht über das Operationsrisiko hinaus gefährdet oder über die unmittelbaren Folgen der Entnahme hinaus gesundheitlich schwer beeinträchtigt werden (sog. Spenderindikation551). Diese Vorschrift dient allein dem Schutz des Spenders. Gemeint ist seine medizinische Eignung im Hinblick auf seine eigenen gesundheitlichen Interessen.552 Bei der 547
Enquete-Kommission, BT-Drucks. 15/5050, S. 55. www.dso.de. 549 Vgl. zum vorbildlichen Schweizer Lebendspender-Gesundheitsregister (SOLDHR), Thiel/Nolte/Tsinalis, Therapeutische Umschau 2005, 449 ff. 550 Http://www.stiftung-lebendspende.de. 551 Koch, Zentralb Chir 1999, 718, 721. 548
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende
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Beurteilung der gesundheitlichen Eignung des Spenders kommt es allein auf die Ex-ante-Beurteilung („voraussichtlich“) an.553 Bei dem zunächst angesprochenen Operationsrisiko handelt es sich ausweislich der Gesetzesbegründung um das „allgemeine“ Operationsrisiko,554 also die Gefahren, die etwa mit einer Narkotisierung einhergehen. Demzufolge muss einem Spendewilligen mit einem erhöhten Operationsrisiko (über das allgemeine Risiko hinaus) die Möglichkeit der Lebendspende verwehrt werden.555 Die Frage, wann eine über die Folgen der Entnahme hinaus bestehende gesundheitliche Beeinträchtigung des Spenders zu befürchten ist, ist vom jeweiligen Arzt, welcher die Entnahme vornimmt, zu beurteilen.556 Er muss sich dabei an Erfahrungswerten orientieren. Diese Einschränkung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar wird durch die Maßgabe der Spendereignung im Einzelfall in das vom Spendewilligen von Art. 2 Abs. 1 GG umfasste Autonomierecht, über die körperliche Integrität zu verfügen, eingegriffen, denn „auch selbstgefährdendes Verhalten ist Ausübung grundrechtlicher Freiheit“557 und genießt den Schutz des Grundgesetzes.558 Angesichts der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Selbstbestimmung des Einzelnen stellt der Schutz des Menschen vor sich selbst grundsätzlich keinen eine Freiheitsbeschränkung rechtfertigenden Zweck dar.559 Wegen der aus gefährlichen Tätigkeiten möglicherweise resultierenden Lasten für das Gemeinwesen (Sozial-, Krankenversicherung etc.) sind aber in bestimmten Fällen staatliche Einschränkungen nach Maßgabe gesetzlicher Eingriffsnormen zulässig.560 Zu dem gleichen Ergebnis einer bestehenden Rechtfertigung für den Grundrechtseingriff kommt man über die Grenzen der Drittbeeinträchtigungsbefugnis, wie in diesem Fall § 216 und § 228 StGB, denn die selbstschädigende Handlung 552 BT-Drucks. 13/4355, S. 20; Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 13. 553 BT-Drucks. 13/4355, S. 20; Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 8 TPG, Rn. 7; Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn. 40. 554 BT-Drucks. 13/4355, S. 20; so auch Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn. 42.; Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 8 TPG, Rn. 7 a. A. Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 14, welcher eine weite verfassungskonforme Auslegung des § 8 Abs. 1 Satz Nr. 1 lit c TPG verlangt. 555 Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn. 42. 556 Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn. 43. 557 BVerfG, Beschl. v. 11.08.1999 – 1 BvR 2181/98 –, NJW 1999, 3399, 3401. 558 Vgl. Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn. 43. 559 Hillgruber, in: Umbach (Hrsg.), Art. 2 Abs. 1 GG, Rn. 153; Murswiek, in: Sachs (Hrsg), Art. 2 GG, Rn. 108 d; Schwabe, JZ 1998, 66, 70. 560 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1 GG, Rn. 50; Murswiek, in: Sachs (Hrsg), Art. 2 GG, Rn. 108 d, Schwabe, JZ 1998, 66, 70 f.; Holznagel, DVBl 2001, 1629, 1634.
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
wird im Rahmen der Organentnahme nicht vom Spender, sondern von einem Dritten (Arzt) vorgenommen.561 bb) Empfängerindikation Die Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TPG stellt laut Gesetzesbegründung562 klar, dass die Lebendspende nur in Betracht kommen kann, wenn das zu entnehmende Organ gesund ist und damit das Leben eines bestimmten Menschen erhalten oder eine schwerwiegende Krankheit geheilt oder gelindert werden kann (sog. Empfängerindikation563). Entscheidend ist auch hier die ärztliche Beurteilung vor dem Eingriff.564 Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 a TPG ist es Aufgabe der BÄK, die Anforderungen an die zum Schutz der Empfänger erforderlichen Maßnahmen zu regeln.565 Die Richtlinien statuieren die durchzuführenden Untersuchungen beim postmortalen Spender, welche überwiegend auch für den Lebendspender Geltung beanspruchen dürften. Allerdings enthalten sie keinerlei Vorgaben für die Beurteilung der Geeignetheit des Lebendspenders. Das Spenderorgan muss funktionsfähig, zur Übertragung auf den konkreten Empfänger – beispielsweise in Bezug auf (Blutgruppe), Gewebeverträglichkeit und das Risiko der Übertragung von Krankheiten – geeignet sein. In Anbetracht der Tatsache, dass im Bereich der postmortalen Spende die Spenderkriterien erweitert werden566, ist auch bei der Lebendspende eine generelle Aussage bzgl. der Tauglichkeit/Eignung des lebend gespendeten Organs nicht möglich. So kann ein nicht optimal funktionierendes Organ eines Lebendspenders jedenfalls besser als ein postmortal gespendetes Organ mit erweiterten Spenderkriterien sein. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TPG sollte daher als Minimalerfordernis angesehen werden, um zu verhindern, dass ein Lebendorganspender in einer „klinisch hoffnungslosen“ Situation herangezogen wird. D.h. wenn die Spende schlechthin nicht geeignet ist, das Leben des Empfängers zu erhalten oder bei ihm eine schwerwiegende Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Beschwerden zu lindern.567 Besondere Bedeutung erlangt aus diesem Grund die qualifizierte Aufklärung des Spenders, zu der auch die Aufklärung über die Erfolgsausichten der Transplantation gehört sowie die Aufklärung des Emp561 562 563 564 565 566 567
Siehe dazu Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn. 45. BT-Drucks. 18/4355, S. 20. Koch, Zentralb Chir 1999, 718, 720. Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn. 50. Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 8 TPG, Rn. 8. Vgl. dazu oben, Kapitel 1, C. I. 6. b). Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 21.
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende
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fängers über die Risiken der konkreten Transplantation. Auch hier ist eine valide Datensammlung und deren Analyse unabdingbar. c) Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit Aus § 8 Abs. 3 Satz 2 TPG geht hervor, dass die Spende freiwillig568 und unentgeltlich erfolgen muss. 2. Subsidiaritätsgrundsatz Der in § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TPG normierte Subsidiaritätsgrundsatz besagt, dass die Lebendspende nur zulässig ist, wenn ein geeignetes, postmortales Spenderorgan im Zeitpunkt der Organentnahme nicht zur Verfügung steht. Laut der Gesetzesbegründung verdeutlicht der Subsidiaritätsgrundsatz im Interesse des Lebendspenders, dass die Lebendspende nur die letzte Möglichkeit sein darf, wenn ein geeignetes Organ eines postmortalen Spenders nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung steht. Die gesundheitlichen Belange des Spenders sind vorrangig.569 Er soll vor voreiligem Handeln geschützt werden.570 Die Subsidiarität der Lebendspende soll ferner verhindern, dass das Bemühen um postmortale Organspenden vernachlässigt wird.571 a) Kritik am Subsidiaritätsgrundsatz Kritisiert wurde dieses Prinzip mit dem Vorwurf, es handele sich um einen verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Eingriff in Grundrechte des Empfängers, namentlich das durch Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Recht auf körperliche Unversehrtheit, das durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrecht und gegebenenfalls auch die durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Religionsfreiheit.572 Dem potenziellen Empfänger werde eine medizinisch vorzugswürdigere Therapie vorenthalten und eine medizinisch eindeutig schlechtere Therapie aufgezwungen.573 Dies sei mit den moralischen und ethischen 568 Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn. 33; dies gilt auch für die Zulässigkeit der Lebendspende aus ethischer Sicht vgl. dazu Schockenhoff, Zentralb Chir 1999, 725, 726. 569 BT-Drucks. 13/4355 S. 20. 570 Sengler, in: Kirste (Hrsg.), S. 100, 102. 571 BT-Drucks. 13/4355 S. 20. 572 Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 22. 573 Edelmann, VersR 1999, 1065, 1068; Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/ Oduncu, § 8 TPG, Rn. 22 m. w. N.
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
Wertvorstellungen einer Gesellschaft nicht vereinbar.574 Es sei außerdem kaum zu rechtfertigen, ein postmortal entnommenes Organ einem Patienten, der ein Lebendorgan erhalten könnte und möchte, aufzudrängen und damit zugleich dem nächstplatzierten Anwärter auf der Wartleiste das postmortal gespendete Organ vorzuenthalten.575 Die Regelung der Subsidiarität stelle zudem gesetzgeberischen Paternalismus dar.576 Ebenfalls betroffen sei das Grundrecht des Spenders auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). b) Normative Wirkung des Subsidiaritätsgrundsatzes und der Subsidiaritätsgrundsatz in der Praxis Zunächst ist festzuhalten, dass der Subsidiaritätsgrundsatz in der Praxis aufgrund des Mangels an postmortal gespendeten Organen und der dadurch verursachten langen Wartezeiten kaum zur Anwendung kommt. Selbst im Falle des gleichzeitigen/rechtzeitigen Angebots eines postmortal gespendeten Organs stellt sich in Anbetracht der zunehmend älteren Spender577 und sich mehrenden erweiterten Spenderkriterien die Frage, ob ein solches Organ tatsächlich geeignet ist. Das Merkmal geeignet muss in diesem Fall streng ausgelegt werden.578 So dass die Konkurrenz zwischen dem angebotenem, postmortal gespendeten Organ und dem Organ aus Lebendspende so gelöst werden kann, dass letzteres als geeigneter anzusehen ist.579 Der Patient bzw. sein Arzt hat immer das Recht, ein konkretes Organangebot abzulehnen. Auch kann sich der Empfänger jederzeit von der Warteliste streichen lassen. Nach allgemeiner Ansicht gilt die Nachrangigkeit der Lebendspende nicht absolut. So soll sie zum Beispiel keine Geltung gegenüber Patienten beanspruchen, welche z. B. aus religiösen Gründen, ausschließlich ein lebend gespendetes Organ als Transplantat akzeptieren.580 Ein Verstoß gegen den Subsidiaritätsgrundsatz ist nicht gemäß § 18 oder 19 TPG strafbewehrt. Es handelt sich insoweit um eine sog. lex imperfecta.581 Zwar ist die Aufzählung der Fälle der Nichtanwendbarkeit sowie der Möglichkeiten den Subsidiaritätsgrundsatz zu umgehen, kein Argument für 574
Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn. 59. Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 22. 576 Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 22; Rittner/Besold/Wandel, MedR 2001, 118 ff. 577 Vgl. hierzu oben, Kapitel 1, B. II. 4. aa). 578 Koch, Zentralb Chir 1999, 718, 722; Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/ Oduncu, § 8 TPG, Rn. 23. 579 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 8 TPG, Rn. 9. 580 Statt vieler Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 8 TPG, Rn. 10. 581 Koch, Zentralb Chir 1999, 718, 722. 575
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende
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diesen, da er sich dann insbesondere dem Vorwurf der Überflüssigkeit stellen müsste. So trifft es wohl zu, dass es sich bei der Frage nach der Zulässigkeit des Subsidiaritätsgrundsatzes um ein eher rechtstheoretisches Problem handelt. Die Frage spitzt sich also auf die Frage zu, ob man einem Empfänger eine Transplantation mittels Lebendspende versagen dürfte, sofern ein geeignetes Organangebot rechtzeitig zur Verfügung stünde und er keinerlei persönlichen Vorbehalte gegen eine postmortale Organspende hegt? Darf man Schroth glauben, dass es dem Empfänger in der Regel am schwersten fällt, die Lebendspende und die damit immer einhergehende Gefährdung einer besonders nahe stehenden Person anzunehmen,582 so müsste sich jeder verantwortungsbewusste Empfänger für dieses postmortal gespendete Organ entscheiden, denn im Falle eines Transplantatversagens bleibt ja der Rückgriff auf die Lebendspende nach wie vor bestehen. c) Verfassungsgemäßheit des Subsidiaritätsgrundsatzes Nach nicht unbestrittener Auffassung hielt das BVerfG im Falle des § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG die abwehrrechtliche Verbürgung des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG für „berührt, wenn staatliche Regelungen dazu führen, dass einem kranken Menschen eine nach dem Stand der medizinischen Forschung prinzipiell zugängliche Therapie, mit der eine Verlängerung des Lebens mindestens aber eine nicht unwesentliche Minderung des Leidens verbunden ist, versagt bleibt.“583 Auf dem Prüfstand stand allerdings die Beschränkung des Empfängerkreises gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG und nicht der Subsidiaritätsgrundsatz. Ein Eingriff in das über Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Recht auf körperliche Unversehrtheit dürfte aber auch mit Blick auf den Subsidiaritätsgrundsatz anzunehmen sein. So dass sich auch hier die Frage nach der verfassungsgemäßen Rechtfertigung stellt. Der Subsidiaritätsgrundsatz soll im Interesse des Lebendspenders verdeutlichen, dass die Lebendspende nur die letzte Möglichkeit sein darf.584 Zudem soll die Lebendspende nicht dazu führen, dass das Bemühen um postmortale Organspender vernachlässigt wird.585 Es geht also sowohl um den Schutz des Lebendspenders als auch um Allgemeinwohlbelange, also um einen legitimen Zweck. Der Subsidiaritätsgrundsatz ist auch geeignet und erforderlich, um diesem Zweck Rechnung zu tragen. Meines Erachtens ist der Schutz des potenziellen Lebendspenders mindestens genauso hoch 582
Interview mit Schroth, Ärzte Zeitung 20.04.05 Ausgabe: 2005/7, S. 5. BVerfG, Beschl. v. 11.08.1999 – 1 BvR 2181/98 –, NJW 1999, 3399, 3400; so auch Krings, S. 213. 584 BT-Drucks. 13/4355 S. 20. 585 BT-Drucks. 13/4355 S. 20. 583
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
zu bewerten wie die Aussichten des Empfängers auf eine optimale Therapiemöglichkeit. Wegen der irreversiblen Schädigung des gesunden Spenders kann es kein automatisches Recht des Organempfängers auf die bevorzugte therapeutische Option des Organempfängers geben.586 Bei einer Lebendspende besteht immer das Risiko einer gesundheitlichen Gefährdung. Realisiert sich eine solche Gefahr, z. B. wenn Komplikationen zur Invalidität und damit zur Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit führen, so geht dies regelmäßig zu Lasten der Sozialversicherung. Gleiches gilt für die Rentenansprüche für die Hinterbliebenen im Falle des Versterbens des Lebendspenders. Die operative Entfernung eines Organs bei einem gesunden Menschen lässt sich daher nur rechtfertigen, wenn es keine andere (adäquate) Option gibt.587 Ungeachtet der Tatsache, dass der Subsidiaritätsgrundsatz eher ein „zahnloser Tiger“ ist, würde seine gänzliche Abschaffung ein falsches Signal setzen. Es ist unerlässlich, dass auch weiterhin alle Bestrebungen darauf abzielen, alle Möglichkeiten auf dem Gebiet der postmortalen Organspende auszuschöpfen. Zum einen, da es der Respekt vor der Leistung der Lebendspender gebietet, nicht unnötig auf sie zurückzugreifen.588 Zum anderen ist man bei zahlreichen Organen immer noch auf die postmortale Organspende angewiesen. Beispiele aus dem Ausland (Niederlande, Großbritannien, Schweiz) zeigen, dass die Gefahr besteht, mit der Ausweitung und Förderung der Lebendspendeprogramme die postmortale Organspende zu vernachlässigen.589 In der Praxis stellt der Subsidiaritätsgrundsatz keine Behinderung der Lebendspende dar, so dass die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne bejaht werden kann. Ebenso wenig führt der Subsidiaritätsgrundsatz zu einer Verletzung von Grundrechten des Spenders. In Rede steht das über die allgemeine Handlungsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Recht auf Selbstschädigung. Einerseits gibt Art. 2 Abs. 1 GG das Recht zur Selbstschädigung an Leben oder Gesundheit590, andererseits erlaubt Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG dem Staat die Handlungsfreiheit des Betroffenen im Interesse von Leben und Gesundheit zu beschränken.591 Die Rechtfertigung ergibt sich, wie oben bereits dargelegt, nicht allein aus 586 So auch Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 8 TPG, Rn. 10; Enquete-Kommission, BT-Drucks. 15/5050, S. 75. 587 Biller-Andorno, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“ Kom.-Drucks. 15/149, S 5, als nicht adäquat wird auch international insbesondere die Alternativbehandlung der Dialyse bei der Nierentransplantation angesehen. 588 Kliemt, in: Rittner/Paul (Hrsg.), S. 17. 589 Vgl. DOPKI, D 2. 1 Report on the general European situation: technical, legal and socio-sanitary point of view, S. 119. 590 Schwabe, JZ 1998, 66, 69. 591 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Art. 2 GG, Rn. 84.
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende
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der Selbstgefährdung, sondern nur aus Aspekten der Gefährdung Dritter oder sozialer Folgekosten.592 d) Internationale Geltung des Subsidiaritätsgrundsatzes Der Subsidiaritätsgrundsatz ist auch in Art. 19593 des Übereinkommens zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin – Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin (Biomedizinkonvention) und Art. 9594 des Zusatzprotokolls normiert. Dieser internationale Konsens findet sich auch in den WHO Dokumenten zur Organtransplantation wieder – namentlich in Nr. 3 der „Draft guiding principles on human organ transplantation“595. Dem steht meines Erachtens auch die Resolution der Weltgesundheitsversammlung vom 22.05.2004 (WHA 57.18), welche die Mitgliedstaaten auffordert, Lebendorganspenden in Ergänzung zur Spende Verstorbener so weit wie möglich auszuweiten, nicht entgegen.596 Wie in Kapitel 3 zu lesen ist, gilt der Subsidiaritätsgrundsatz auch in der Tschechischen Republik. Darüber hinaus findet er z. B. in Italien, Spanien und Portugal eine gesetzliche Grundlage.597 Unbekannt ist er hingegen in Großbritannien, Frankreich oder Polen.598
592 Murswiek, in: Sachs (Hrsg), Art. 2 GG, Rn. 108 d; Di Fabio, in: Maunz/ Dürig, Art. 2 Abs. 1 GG, Rn. 50; Schwabe, JZ 1998, 66, 69 f. 593 Art. 19: „Einer lebenden Person darf ein Gewebe oder Organ zu Transplantationszwecken nur zum therapeutischen Nutzen des Empfängers und nur dann entnommen werden, wenn weder ein geeignetes Organ oder Gewebe einer verstorbenen Person verfügbar ist, noch eine alternative verfügbare therapeutische Methode von vergleichbarer Wirksamkeit besteht.“ 594 Art. 9: „Removal of organs or tissue from a living person may be carried out solely for the therapeutic benefit of the recipient and where there is no suitable organ or tissue available from a deceased person and no other alternative therapeutic method of comparable effectiveness.“ 595 Guiding principle 3: „Organs for transplantation should be removed preferably from the bodies of deceased persons.“ 596 A. A. aber Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 23, der dies für eine internationale Abkehr vom traditionellen Subsidiaritätsdenken hält. 597 Vgl. DOPKI, D 2. 1 Report on the general European situation: technical, legal and socio-sanitary point of view, S. 89. 598 Vgl. DOPKI, D 2. 1 Report on the general European situation: technical, legal and socio-sanitary point of view, S. 89.
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
3. Beschränkung des Empfängerkreises einer Lebendspende Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG darf eine Entnahme von Organen, die sich nicht wieder bilden können, nur zum Zwecke der Übertragung auf Verwandte ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, Lebenspartner,599 Verlobte oder andere Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahe stehen, erfolgen. Diese Vorschrift wird durch den Straftatbestand des § 19 Abs. 2 TPG ergänzt, nach dessen letzter Alternative es unter Strafe steht, entgegen § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG ein Organ von einer lebenden Person zu entnehmen. a) Auf Grundlage der Lebendspende transplantierbare Organe Nicht regenerierungsfähige, im Rahmen einer Lebendspende derzeit transplantierbare Organe oder Organteile sind die Nieren, Lungenlappen, Teile des Dünndarms und der Bauchspeicheldrüse.600 Umstritten war bis zum Inkrafttreten des Gewebegesetzes, inwieweit auch Lebersegmente dieser restriktiven Bestimmung unterliegen. Zum Teil wurden Lebersegmente mit der Begründung, die verbleibende Leber vergrößere sich zwar, um den Gewebeverlust auszugleichen und der transplantierte Teil der Leber wachse beim Empfänger zur vollen Funktionsgröße heran bzw. bei einem kindlichen Empfänger mit, die Lebersegmente des entnommenen Teils der Leber wachsen aber an der Leber des Spenders nicht nach, so dass ein nicht regenerierungsfähiges Organ vorläge,601 unter § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG subsumiert. In der ursprünglichen Gesetzesbegründung ist die Leberteilspende nicht beispielhaft erwähnt.602 Gerade die Leberteilspende birgt besondere Risiken und müsste ebenso streng geregelt werden wie die Nierenlebendspende. Nach anderer Ansicht erlaubten aber weder Wortlaut noch Gesetzesbegründung eine Subsumtion unter § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG,603 dessen Missachtung strafbewehrt ist. Wegen der Strafbewehrtheit verböte sich eine Analogie.604 Mit Inkrafttreten des Gewebegesetzes wurden in § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG die Wörter „von Organen, die sich nicht wieder bilden können“ 599 Die „Lebenspartner“ wurden durch Art. 3 § 7 Nr. 2 G v. 16.02.2001, BGBl. I 266 mit Wirkung zum 1.8.2001 eingefügt. 600 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 8 TPG, Rn. 13; Gutmann, in: Schroth/ König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 31; Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn. 64. 601 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 8 TPG, Rn. 13. 602 BT-Drucks. 13/4355, S. 20. 603 Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 31; Gutmann/ Schroth, S. 18; Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn. 64. 604 Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 31.
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durch „einer Niere, des Teils einer Leber oder anderer nicht regenerierungsfähiger Organ“ ersetzt. Damit hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Lebersegmentspende ebenfalls unter § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG fällt. b) Sinn und Zweck der Beschränkung Der Empfängerkreis wird beschränkt, um die Freiwilligkeit der Lebendspende sicherzustellen und der Gefahr des Organhandels zu begegnen.605 Die Regelung geht davon aus, dass grundsätzlich eine verwandtschaftliche oder vergleichbare enge persönliche Beziehung die beste Gewähr für die Freiwilligkeit der Organspende bietet und durch die Beschränkung auf Verwandte der Gefahr eines (verdeckten) Organhandels entgegengewirkt werden kann.606 c) Verfassungsgemäßheit einer Beschränkung des Empfängerkreises Nachfolgend wird die Vereinbarkeit der Beschränkung des Empfängerkreises gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG mit den Grundrechtsnormen untersucht. aa) Vereinbarkeit mit dem Zitiergebot (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG) Gerügt wurde zunächst die formelle Verfassungswidrigkeit des § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG wegen des Verstoßes gegen das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Gesetzgeber habe mit § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG die Therapiemöglichkeit von Patienten, welche auf ein Spenderorgan angewiesen sind, kausal zurechenbar nachhaltig beeinträchtigt. Es läge insoweit ein zielgerichteter finaler Eingriff in das Grundrecht der potentiellen Empfänger aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG vor.607 Diese Ansicht teilt das BVerfG in seinem Kammerbeschluss nicht. Zwar findet das Bestimmtheitsgebot auf Grundrechte, die aufgrund ausdrücklicher Ermächtigung vom Gesetzgeber eingeschränkt werden dürfen, Anwendung, dennoch habe das BVerfG darüber hinaus stets betont, dass Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG nur für Gesetze gilt, die darauf abzielen, ein Grundrecht über die in ihm selbst angelegten Grenzen hinaus einzuschränken. Als Formvorschrift bedürfe die Norm enger Auslegung, wenn sie nicht zu einer leeren Förmlichkeit erstarren und den die verfassungsmäßige Ordnung konkretisierenden Gesetzgeber in seiner 605 606 607
BT-Drucks. 13/4355, S. 20. BT-Drucks. 13/4355, S. 20. Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 27.
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
Arbeit unnötig behindern soll. Gemessen daran, verstoße § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG nicht gegen Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG. Zwar gehöre das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit grundsätzlich zu den Grundrechten, auf die das Zitiergebot Anwendung finde. Ein zielgerichteter (finaler) Grundrechtseingriff, der notwendig wäre, um das Zitiererfordernis auszulösen, sei in § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG jedoch nicht zu sehen. Dagegen spreche schon, dass potentielle Organempfänger nicht Adressaten der Regelung sind. Sie seien lediglich aufgrund des dreipoligen Verhältnisses zwischen Organspender, Arzt und Organempfänger, die für eine erfolgreiche Organtransplantation zusammenwirken, grundrechtlich betroffen. Das allein begründe aber keinen zielgerichteten und unmittelbaren Eingriff in das Grundrecht.608 Gegen einen gezielten und gewollten Eingriff in das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit spreche ferner, dass die Regelungen des TPG eine Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit weder durch den Staat noch durch Dritte zu ermöglichen oder befördern, sondern im Gegenteil zu verhindern suchen. Dem Gesetzgeber sei es nicht darum gegangen, um bestimmter Ziele willen die durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechtsgüter zu beeinträchtigen. Im Gegenteil sei das TPG von dem – letztlich lebens- und gesundheitsschützenden – Ziel getragen, durch einen klaren rechtlichen Handlungsrahmen Rechtsunsicherheiten auszuräumen und die dadurch bedingte Zurückhaltung bei der Organspende zu überwinden (vgl. BT Drucks 13/4255 S. 11).609 Aus den genannten Gründen ist die Finalität des Eingriffs zu verneinen. Sofern ein Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit des Spenders gerügt wird, so finde auf diesen Art. 19 Abs. 1 Satz GG ohnehin keine Anwendung.610 bb) Vereinbarkeit des § 8 Abs. 1 letzte Alternative TPG mit dem Bestimmtheitsgrundsatz Das BVerfG hat in seiner Entscheidung (Beschluss) vom 11.8.1999 ebenso einen Verstoß des § 8 Abs. 1 Satz 2 letzte Alternative TPG und den darauf bezogenen Straftatbestand des § 19 Abs. 2 TPG gegen die rechtstaatlichen Erfordernisse als auch das in Art. 103 Abs. 2 GG normierte Bestimmtheitsgebot verneint. Zwar sei der Personenkreis mit „Personen, die 608
Vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.08.1999 – 1 BvR 2181/98 –, NJW 1999, 3399,
3400. 609
Vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.08.1999 – 1 BvR 2181/98 –, NJW 1999, 3399,
3400. 610
3400.
Vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.08.1999 – 1 BvR 2181/98 –, NJW 1999, 3399,
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dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahe stehen“ nicht hinreichend bestimmt, mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden ließe sich der Inhalt der Norm jedoch feststellen. Insbesondere fänden sich im Gesetzesentwurf zum TPG ausführliche Hinweise zur Auslegung des Begriffs der „besonderen persönlichen Verbundenheit“. Die gleichwohl verbleibenden Auslegungsschwierigkeiten überstiegen nicht das rechtstaatlich hinnehmbare Maß an Unbestimmtheit oder die Grenzen des Art. 103 Abs. 2 GG.611 Diese Argumentation mag zwar mit Blick auf die Verfassungsgemäßheit zutreffend sein, ungeachtet dessen wird aber mit der Formulierung des § 8 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbsatz TPG dem Gesetzeszweck – Schaffung von Rechtssicherheit für die beteiligten Personen – nicht Rechnung getragen. Die Auslegung wird einem für diesen Fall nicht geschulten Mediziner übertragen. Denn die Kommission, der auch eine Person mit Befähigung zum Richteramt angehören soll, urteilt laut § 8 Abs. 3 TPG nur darüber, ob Anhaltspunkte für Unfreiwilligkeit oder unerlaubten Organhandel der Lebendspende vorliegen, befindet aber nicht darüber, ob ein besonderes Näheverhältnis vorliegt. Dies ist dringend korrekturbedürftig.612 cc) Vereinbarkeit des § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG mit Grundrechten des Spenders und des potentiellen Empfängers Zu prüfen ist ferner, ob die in § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG vorgesehene Beschränkung des Empfängerkreises gegen das in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Grundrecht des Empfängers auf Leben und körperliche Unversehrtheit oder das in Art. 2 Abs. 1 GG normierte Grundrecht des Spenders auf allgemeine Handlungsfreiheit verletzt. (1) Vereinbarkeit mit dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG normierten Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit des potentiellen Empfängers Das BVerfG hielt im Falle des § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG die abwehrrechtliche Verbürgung des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG für „berührt, wenn staatliche Regelungen dazu führen, dass einem kranken Menschen eine nach dem Stand der medizinischen Forschung prinzipiell zugängliche Therapie, mit der eine Verlängerung des Lebens mindestens aber eine nicht unwesentliche 611 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.08.1999 – 1 BvR 2181/98 –, NJW 1999, 3399, 3400; a. A. Schroth, Anmerkung zur Entscheidung des BSG vom 10.12.2003, JZ 2004, 469, 471. 612 Vgl. dazu unten, Kapitel 2, C. I. 4. b) cc).
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
Minderung des Leidens verbunden ist, versagt bleibt“.613 Der Gesetzgeber habe mit § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG zwar nicht zielgerichtet und final in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG eingegriffen. Als Abwehrrecht sichert das Grundrecht den Einzelnen aber grundsätzliche auch gegen staatliche Maßnahmen, die lediglich mittelbar zu einer Verletzung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit führen.614 In Anbetracht der Bedeutung der Schutzverbürgungen des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG erreichen die von § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG ausgehenden Beeinträchtigungen der Therapiemöglichkeiten von Patienten, die auf Ersatzorgane, insbesondere eine Ersatzniere, angewiesen sind, Eingriffsqualität.615 Gleichzeitig hielt das BVerfG diesen Eingriff aber für gerechtfertigt. (a) Legitimes Ziel Die Literatur erkennt die Sicherstellung der Freiwilligkeit und Verhinderung von Organhandel616 unbestritten als legitimes Ziel an, verneint aber, mit dem Hinweis auf fehlende Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahme, die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs.617 Es stellt sich also die Frage, ob die Beschränkung des Empfängerkreises auf „emotional verwandte“618 Personen geeignet ist, die Freiwilligkeit des Lebendspenders sowie die Unentgeltlichkeit sicherzustellen. (b) Geeignetheit Das Kriterium der Freiwilligkeit ist nur zu einem begrenzten Grad überprüfbar, da es sich auf der Willensebene abspielt. Die Freiheit von Zwang ist relativ, denn auch auf einem als Spender in Betracht kommenden Familienmitglied kann ein enormer psychischer Druck lasten. Ebenso wird sich nicht gänzlich vermeiden lassen, dass im familiären Umfeld dem Spender finanzielle Vorteile gewährt werden – denn Schenkungen und Erbschaften sind gerade innerhalb familiärer Verbünde üblich. Der Gesetzgeber geht aber davon aus, dass grundsätzlich eine verwandtschaftliche oder vergleichbare enge persönliche Beziehung die beste Gewähr für eine Freiwilligkeit 613 614
BVerfG, Beschl. v. 11.08.1999 – 1 BvR 2181/98 –, NJW 1999, 3399, 3400. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.08.1999 – 1 BvR 2181/98 –, NJW 1999, 3399,
3401. 615
Vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.08.1999 – 1 BvR 2181/98 –, NJW 1999, 3399,
3401. 616
BT-Drucks. 13/4355, S. 20. Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 29. 618 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 8 TPG, Rn. 14; Besold/Rittner, MedR 2005, 502, 503. 617
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende
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bietet. Es scheint zumindest vertretbar, dort, wo das Leiden eines anderen Menschen als besonders intensiv empfunden wird – nämlich bei dem Spender nahe stehenden Personen – auch die Freiwilligkeit zur Spende anzunehmen. So dass eine objektive Untauglichkeit der Restriktion des Spenderkreises nicht festgestellt werden kann.619 Auch fällt es der Verfasserin schwer, zu glauben, dass sich Menschen finden, die ohne eine besondere Nähebeziehung zum potentiellen Empfänger sowohl das Kriterium der Unentgeltlichkeit als auch der Freiwilligkeit erfüllen. Etwas anderes mag allenfalls bei der sog. Überkreuz Lebendspende gelten.620 Bei allen anderen Spendewilligen stellt sich überspitzt formuliert die Frage „lunatic or saint?“621 – geisteskrank oder heilig? Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass es vereinzelt Menschen gibt, welche bereit wären, einem Fremden bzw. einer Person, welche nicht die in § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG erforderliche Nähebeziehung aufweist, freiwillig und unentgeltlich zu Lebzeiten ein Organ zu spenden. Allerdings ist zu bedenken, wie viele Personen nicht bereit sind, sich zu Lebzeiten für den Fall ihres Versterbens zu einer postmortalen Organspende zu entscheiden. In Anbetracht des Mangels an Knochenmarkspendern, ja sogar an Blutspendern, ist meines Erachtens eine signifikante Zahl622 von anonymen Lebendspendeangeboten nicht zu erwarten, so dass zumindest kein relevanter Einfluss auf die Reduzierung der Organknappheit zu erwarten wäre. Die Gefahr einer vom Gesetzgeber nicht erwünschten Motivation für eine Lebendspende dürfte bei nicht nahe stehenden Personen ungeachtet aller auch im familiären Umfeld bestehenden Bedenken ungleich höher sein. Die Beschränkung des Empfängerkreises auf „emotional Verwandte“623 Personen ist also zumindest geeignet, die Gefahr einer unfreiwilligen und entgeltlichen Spende zu minimieren. Ein zusätzlicher Kontrollmechanismus wurde durch das Erfordernis der Stellungnahme einer Kommmission geschaffen. (c) Erforderlichkeit Zur Zweckerreichung erforderlich ist eine Regelung, „wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder 619
Besold/Rittner, MedR 2005, 502, 504. Zur Problematik der Überkreuz-Lebendspende vgl. unten, Kapitel 2, C. I. 3. e). 621 Henderson et al. AJT 2003, 203 ff. 622 Kühn, MedR 1998, 455, 458; anders auch, Besold/Rittner, MedR 2005, 502, 505, welche meines Erachtens zu Unrecht davon ausgehen, dass eine Streichung der Beschränkung des Spenderkreises und des Subsidiaritätsgrundsatzes und die damit zulässige Umsetzung bestimmter Spendermodelle das Aufkommen lebend gespendeter Organe signifikant erhöhen würde. 623 Besold/Rittner, MedR 2005, 502, 503. 620
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können“.624 Insoweit steht dem Gesetzgeber ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu.625 Es wird die Ansicht vertreten, mittels psychodiagnostischer Mittel und eines medizinpsychologischen Beratungsverfahrens ließe sich auch die Freiwilligkeit einer Fremdspende überprüfen.626 Eine Unentgeltlichkeit könnte durch Anonymität zwischen Spender und Empfänger sichergestellt werden.627 Ob eine Anonymität zwischen Spender und Empfänger, wenn diese z. B. im gleichen Krankenhaus operiert werden, gewährleistet werden kann, scheint fraglich. Nur so könnte aber der Empfänger vor Forderungen finanzieller oder Beeinträchtigungen sonstiger – psychosozialer – Art durch den Spender geschützt werden. Auch darf bezweifelt werden, ob eine wie auch immer geartete Kommission – davon sind die derzeitigen Kommissionen nicht ausgenommen – die Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit abschließend zu beurteilen vermag, so dass ein gleichermaßen wirksames Mittel kaum zur Verfügung stehen dürfte. Die Prüfung durch Ethikkommissionen hat also lediglich eine zusätzliche Schutzfunktion, macht eine Nähebeziehung aber nicht entbehrlich. Als Willensentscheidung ist die Freiwilligkeit der Spenderentscheidung, die der Gesetzgeber als unerlässliche Vorraussetzung einer Lebendspende erachtet, immer nur in begrenztem Umfang für Dritte feststellbar. Unter diesen Umständen bleibt es stets eine Frage der Einschätzung, ob ein bestimmtes Verfahren tatsächlich geeignet ist, die Freiwilligkeit des Willensentschlusses zu verifizieren. Diese Frage hat der Gesetzgeber im Grundsatz verneint und ist davon ausgegangen, dass die Freiwilligkeit der Organspende grundsätzlich nur bei einem Näheverhältnis vermutet werden kann.628 Die darin liegende Einschätzung des Gesetzgebers ist in Ansehung seines weiten Beurteilungsspielraums von Verfassungswegen nicht zu beanstanden.629 (d) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne Auch bei der Bejahung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist der Entscheidung des BVerfG zuzustimmen. Den herausragenden Rechtsgütern 624 BVerfG, Beschl. v. 09.03.1994 – 2 BvL 43, 51, 64, 64, 70, 80/92, 2 BvR 2031/92 –, BVerfGE 90, 145, 172; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Vorb., Rn. 148; Pieroth/Schlink, 272. 625 Enquete-Kommission, BT-Drucks. 15/5050, S. 40. 626 Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 29. 627 Rittner/Besold/Wandel, MedR 2001, 118, 122. 628 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.08.1999 – 1 BvR 2181/98 –, NJW 1999, 3399, 3402. 629 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.08.1999 – 1 BvR 2181/98 –, NJW 1999, 3399, 3402.
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende
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des potentiellen Empfängers stehen auf der anderen Seite wichtige Gemeinwohlbelange von hoher Bedeutung gegenüber. Auch die Lebendspende muss durch ein Höchstmaß an Seriosität und Rechtssicherheit geprägt sein, damit auch die Bereitschaft der Menschen zur postmortalen Organspende langfristig gefördert wird.630 Auf die Erhaltung der Lauterkeit des Systems sind derzeit rund 12.000 potentielle Empfänger auf den deutschen Wartelisten angewiesen. (2) Vereinbarkeit mit dem in Art. 2 Abs. 1 GG normierten Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit des Spenders Seit dem grundlegenden Elfes-Urteil des Bundesverfassungsgerichts631 wird nach heute ganz herrschender Meinung Art. 2 Abs. 1 GG als allgemeine Handlungsfreiheit im umfassenden Sinne aufgefasst. Jedes Tun und Lassen nach dem eigenen Willen und damit letztlich jede Freiheit von staatlichem Zwang werden, vorbehaltlich vorrangiger Spezialgrundrechte, vom Schutzbereich erfasst.632 Selbstgefährdende Tätigkeiten fallen unter den Grundrechtsschutz des Art. 2 Abs. 1 GG.633 Die bloße Überlegung, dass der Einzelne – in einer behütenden Denkweise – vor sich selbst geschützt werden soll, genügt unter Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit nicht ohne weiteres.634 Wegen der aus gefährlichen Tätigkeiten möglicherweise resultierenden Lasten für das Gemeinwesen (Sozial-, Krankenversicherung etc.) sind aber in bestimmten Fällen staatliche Einschränkungen nach Maßgabe gesetzlicher Eingriffsnormen zulässig, auch wenn Dritte nicht unmittelbar gefährdet sind.635 Insoweit wird auf die Argumentation im Hinblick auf die Ausführungen zur Verfassungsmäßigkeit des Subsidiaritätsgrundsatzes verwiesen636, so dass im Ergebnis eine Grundrechtsverletzung des Spenders ebenfalls verneint werden kann.
630
Vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.08.1999 – 1 BvR 2181/98 –, NJW 1999, 3399,
3402. 631
BVerfG, Urt. v. 16.01.1957 – 1 BvR 253 56 –, BVerfGE 6, 32. Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1 GG, Rn. 12. 633 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 429; Jarass/Pieroth, Art. 2 GG, Rn. 8, 100.; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1 GG, Rn. 50; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 2 Abs. 1 GG, Rn. 124. 634 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.) Art. 2 GG, Rn. 84. 635 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1 GG; Rn: 50; Schwabe; JZ 1998, 66, 70 f. 636 Vgl. dazu oben, Kapitel 2, C. I. 2. c). 632
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
d) Bestimmung des Empfängerkreises Das Gesetz benennt den als Empfänger für eine Lebendspende zulässigen Personenkreis überwiegend konkret. Zu den genannten Verwandten ersten oder zweiten Grades zählen Eltern, Kinder, Geschwister, Großeltern und Eltern (vgl. § 1589 Abs. 1 Satz 3 BGB). Diese sind ebenso wie die Ehegatten (vgl. §§ 1303 ff. BGB) und Partner einer eingetragenen Lebensgemeinschaft (§ 13 EGBGB) konkret bestimmbar, ebenso die Verlobten. Problematisch ist insoweit nur, dass die Verlobung gemäß §§ 1297 ff. BGB keinerlei Formvorschrift bedarf und somit nicht mit endgültiger Sicherheit verifiziert werden kann. Missbrauch kann daher nicht gänzlich ausgeschlossen werden. aa) Näheverhältnis Auslegungsschwierigkeiten bereitet hingegen die Bestimmung von anderen „Personen, die dem Spender in besonders persönlicher Verbundenheit offenkundig nahe stehen“ (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2 am Ende TPG). Unstrittig nicht davon erfasst sind Lebendorganspenden unter einander fremden Menschen – gleich welche Motivation für die Lebendspende besteht.637 Damit ist auch die Implementierung von Austauschmodellen für Lebend- und Leichenorgane ausgeschlossen.638 Darüber hinaus ist jeweils im Einzelfall konkret zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG vorliegen.639 Wie oben bereits dargelegt, hält das BVerfG den Personenkreis in § 8 Abs. 1 Satz 2 am Ende TPG für mittels der zur Verfügung stehenden Auslegungsregeln für bestimmbar, insbesondere aufgrund der umfangreichen Gesetzesbegründung. In der Gesetzesbegründung heißt es, dass eine besondere persönliche und sittliche Verbundenheit z. B. zwischen Partnern einer auf Dauer angelegten, d.h. nicht nur befristeten oder zufälligen häuslichen Lebensgemeinschaft bestehen könne. Grundlage einer solchen Verbindung wird in der Regel eine gemeinsame Lebensplanung mit innerer Bindung sein.640 Damit stellt der Gesetzgeber offenbar auf die Konzepte eheähnlicher Lebensgemeinschaften ab und unterscheidet diese von bloß ökonomisch motivierten Zweckwohngemeinschaften, also z. B. StudentenWGs. Auch weist der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung darauf hin, dass ein solches persönliches Verhältnis mit gemeinsamer Lebensplanung und innerer Bindung auch bei in räumlicher Trennung lebenden Personen 637 Seidenath, MedR 1998, 253, 254; Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/ Oduncu, § 8 TPG, Rn. 35. 638 Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 35. 639 Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn: 74. 640 BT-Drucks. 13/4355, S. 21.
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende
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möglich ist.641 Trotz dieser umfangreichen Begründung bleiben zahlreiche Fragen offen.642 Die systematische und teleologische Auslegung legten es nahe, dass zwischen den Personen, die sich in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahe stehen, ein Assoziationsgrad in äußerer und innerer Hinsicht bestehen müsse, bei dem sich – wie etwa bei Verwandten – typischerweise die Vermutung aufstellen ließe, dass der Entschluss zur Organspende ohne äußeren Zwang und frei von finanziellen Erwägungen getroffen wurde.643 Das BVerfG räumt ein, dass gleichwohl Auslegungsschwierigkeiten verbleiben.644 Es mutet seltsam an, dass das Bestehen einer persönlichen Verbundenheit mittels der vermuteten Freiwilligkeit begründet werden soll. Soll doch gerade die enge persönliche Verbundenheit für die Freiwilligkeit streiten. Dies ist zirkelschlüssig. Nicht erforderlich ist aber eine eheähnliche Gemeinschaft, eine gefühlsmäßige Bindung bei platonischen engen freundschaftlichen Banden kann ebenfalls ausreichend sein.645 Dies ergibt sich aus der Überlegung, dass die in der letzten Alternative in § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG persönliche Verbundenheit ihrer Art nach den konkret benannten Beziehungen (Verwandtschaft ersten und zweiten Grades, Ehe, Verlöbnis) in etwa entsprechen sollte. Es erscheint nicht sachgerecht, für die letzte Alternative in § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG eine gemeinsame Lebensplanung zu verlangen, diese mag für eine persönliche Verbundenheit streiten, ist aber keine Bedingung für diese. Die Beziehung zwischen Verwandten und Ehegatten weist nämlich auch erhebliche Unterschiede mit Blick auf Ausgestaltung und Intensität der Verbundenheit auf.646 bb) Offenkundigkeit Das Merkmal der Offenkundigkeit bedeutet, dass die besondere Verbundenheit bei näherer Betrachtung zweifelsfrei feststehen muss. Nicht erforderlich ist, dass dies ohne weiteres für jeden ersichtlich oder erkennbar sein muss, sich also Erkundigungen und Ermittlungen geradezu verböten.647 Ausreichend ist vielmehr, dass die Merkmale der besonderen Verbundenheit 641 642 643
BT-Drucks. 13/4355, S. 21. Koch, Zentralb Chir 1999, 718, 720. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.08.1999 – 1 BvR 2181/98 –, NJW 1999, 3399,
3400. 644
Vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.08.1999 – 1 BvR 2181/98 –, NJW 1999, 3399,
3400. 645
Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 8 Rn. 16; so auch Schroth, Anmerkung zur Entscheidung des BSG vom 10.12.2003, JZ 2004, 469, 470. 646 So auch BSG, Urt. v. 10.12.2003 – B 9 VS 1/01 R – BSGE 92, 19, 28. 647 LSG NRW; MedR 2003, 469, 474.
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
z. B. für den Arzt, der an dem Prozess der Entscheidung beteiligt ist, erkennbar sind.648 cc) Ergebnis Ungeachtet der Auslegungsschwierigkeiten im Einzelfall, lässt sich grundsätzlich ermitteln, ob eine enge persönliche Verbundenheit vorliegt; notfalls unter zu Hilfenahme eines Psychologen sowie eines Juristen, so dass meines Erachtens nicht die Gefahr besteht, dass eine Vielzahl von Lebendspenden an der Unmöglichkeit der Beurteilung einer besonderen Nähebeziehung scheitert.649 Zu diesem Zweck sollte die Stellungnahme der Kommission auch die Beurteilung des Näheverhältnisses einschließen. Die darüber hinausgehende Gefahr einer Fehlentscheidung, welche eine Einzelfallentscheidung immer mit sich bringt, ist in Kauf zu nehmen, will man die Lebendspende für Nichtverwandte nicht gänzlich verbieten.
e) Zulässigkeit der Überkreuz-Lebendspende Die Überkreuz-Lebendspende650 ist ein besonderer Fall der Lebendspende. Es stehen sich zwei Personenpaare, beispielsweise zusammengesetzt aus Ehepartnern oder Verwandten, die jeweils aus einem potentiellen Organempfänger und einem potentiellen Organspender bestehen, gegenüber. Die Voraussetzung der engen persönlichen Beziehung zwischen Spender und Empfänger erfüllen die Paare. Die Spende an den eigenen Partner ist aber dennoch aus medizinischen Gründen – etwa wegen fehlender Gewebeverträglichkeit – ausgeschlossen. Es wäre jedoch aus medizinischer Sicht möglich, dass die Spender ihre Organe dem jeweiligen anderen Empfänger des anderen Paares geben. Aus medizinischer Sicht ist die Zahl der für eine Überkreuz-Lebendspende geeigneten Paare innerhalb der Bundesrepublik als außerordentlich gering einzuschätzen.651 Zeitungsberichte legen die Ver648 Vgl. BSG, Urt. v. 10.12.2003 – B 9 VS 1/01 R – BSGE 92, 19, 32; Nickel/ Schmidt-Preisigke/Sengler, § 8 TPG, Rn. 24; Sengler, in: Kirste, Nieren-Lebendspende, 2000, S. 100, 106; Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 34. 649 A. A. Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 35. 650 Auch Cross-over-Spende/Crosspende genannt. 651 Nach Einschätzung von Kirste fünf bis sechs Überkreuz-Lebendspenden pro Jahr, bei einer Gesamtheit von 522 Nierenlebendspenden im Jahr 2006. Kirste, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, Kom.Drucks. 15/132, S. 8; vgl. dazu auch die Diskussionsdarstellung im Anschluss von Riedel, in: Kirste (Hrsg.), S. 76.
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende
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mutung nahe, dass die Überkreuz-Lebendspende in der Bundesrepublik praktiziert wird.652 Aus juristischer Sicht ist die Zulässigkeit der Überkreuz-Lebendspende in Deutschland nicht unproblematisch. Zum einen stellt sich die Frage, ob die Überkreuzspender die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 2 letzte Alternative TPG erfüllen können. Darüber hinaus ist zu thematisieren, ob die Überkreuz-Lebendspende den Tatbestand des verbotenen Organhandels gemäß §§ 17, 18 TPG erfüllt. Die Überkreuz-Lebendspende birgt aber auch zahlreiche ethische und psychologische Probleme. Insbesondere dann, wenn eines der Transplantate versagt.653 Gegenstand dieser Bearbeitung sollen allein die juristischen Fragestellungen sein. aa) Voraussetzungen des 8 Abs. 1 Satz 2 letzte Alternative TPG Die Besonderheiten einer Überkreuz-Lebendspende wurden, soweit ersichtlich, nicht in die parlamentarischen Beratungen einbezogen und dementsprechend enthält auch die Gesetzesbegründung zum TPG keinerlei Hinweise auf ihre Zulässigkeit. Es ist daher im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob die Überkreuz-Lebendspende von der derzeitigen gesetzlichen Regelung zur Lebendspende gedeckt ist. Abzulehnen ist die Konstruktion der mittelbaren Lebendspende, welche zu einer allgemeinen generellen Vereinbarkeit der Überkreuz-Lebendspende mit dem TPG führt.654 In diesem Sinne soll die eigene Spende zweckgerichtet die Spende für den eigenen Spendepartner herbeiführen, der wiederum zulässiger Empfänger des Organs sei. Da die Freiwilligkeit hier, ebenso wie bei einer unmittelbaren Spende für den eigenen Partner einzuschätzen sei und ein Organhandel angesichts dessen, dass sich die Spenden gegenseitig kompensieren, nicht zu befürchten sei, bewege sich eine solche Spende im Rahmen der Norm.655 Dies tut sie gerade nicht. Eine sol652 Ärzte-Zeitung vom 26.09.2005, „Cross-over-Lebendspende wird in Deutschland etabliert – fast unbemerkt von der Öffentlichkeit“, http://www.aerztezeitung. de/docs/2005/09/26/171a0203.asp; Welt am Sonntag vom 6.11.05 (http://www. wams.de/data/2005/11/06/799422.html?prx=1-), „Überkreuz leben spenden“; FAZ vom 19.10.05, Beglaubigte Freundschaft, Wie Überkreuzlebendspenden möglich gemacht werden, S. N1; Süddeutsche Zeitung vom 22.09.05, „Transplantation unter Fremden, In Deutschland wurden die ersten Nieren zwischen einander Unbekannten getauscht“, S. 11 sowie Hamza/Loertzer/Wicht/Rettkowski/Koch/Fornara, Urologe 45 (2006), 60, 64. 653 Thiel, in: Kirste (Hrsg.), S. 169, 174. 654 So auch Nickel/Preisigke, MedR 2004, 307, 308; Neft, NZS 2004, 519, 521. 655 Schreiber, Lebendspende, S. 132 ff.; Koch, Zentralb Chir 124, 1999/8, 718, 721; Edelmann, VersR 1999, 1065, 1067; Seidenath, MedR 1998, 253, 256.
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
che Konstruktion widerspricht dem klaren Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG. Eine solche extensive Auslegung ist auch nicht durch eine systematische Auslegung gedeckt, denn in allen Fällen ist eine persönliche Verbundenheit des Spenders für den konkreten Empfänger erforderlich.656 Der Gesetzgeber fordert insoweit nämlich unmissverständlich eine unmittelbare Beziehung gerade zwischen dem konkreten Organspender und dem konkreten Organempfänger eines Organs.657 Mithin hängt die Beurteilung der Zulässigkeit der Überkreuz-Lebendspende davon ab, ob ein besonderes persönliches Näheverhältnis zwischen dem jeweiligen Spender und dem konkreten Empfänger gegeben ist. Erforderlich ist also eine Einzelfallbetrachtung. So stellt sich zunächst die Frage, ob die besondere persönliche Verbundenheit zwischen Spender und Empfänger unabhängig von einer Lebendspende entstanden sein muss oder ob diese gesetzliche Voraussetzung auch dann erfüllt ist, wenn sich eine solche Verbundenheit erst aus diesem Anlass, d.h. im Hinblick auf eine mögliche Spende, entwickelt hat. Nach dem Wortsinn der Vorschrift muss die besondere persönliche Verbundenheit jedenfalls im Zeitpunkt der Spende bestehen. Die besondere persönliche Verbundenheit muss gerade im Hinblick auf die beabsichtigte Transplantation als tragfähig angesehen werden können. Dabei ist die bis zur Operation zurückgelegte Dauer der Beziehung von Bedeutung, jedoch kein allgemein entscheidendes Kriterium.658 Zutreffend hält das Bundessozialgericht (BSG) fest, dass die Bejahung der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG nicht bereits deshalb ausgeschlossen werden darf, weil sich die Spender und Empfänger erst anlässlich der Suche nach einem für eine Überkreuz-Lebendspende geeigneten Paar kennen gelernt haben.659 Wenn und soweit bei einer Überkreuz-Lebendspende die in § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG normierten Voraussetzungen jeweils erfüllt sind, begegnet sie keinen rechtlichen Bedenken.660 Keinesfalls ausreichend ist aber, dass sich der persönliche Kontakt zwischen den Partnern der Lebendspende einzig auf den Zweck der Durchführung der Organspende beschränkt; dies käme der Situation des Ringtausches oder der anonymen Spende zu nahe.661 Ebenso wenig kann man per se aufgrund der unter den Paaren be-
656
Vgl. BSG Urt. v. 10.12.2003 – B 9 VS 1/01 R – BSGE 92, 19, 27. Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn. 82; Schroth, Anmerkung zur Entscheidung des BSG vom 10.12.2003, JZ 2004, 469, 470. 658 Vgl. BSG, Urt. v. 10.12.2003 – B 9 VS 1/01 R – BSGE 92, 19, 29. 659 Vgl. BSG, Urt. v. 10.12.2003 – B 9 VS 1/01 R – BSGE 92, 19, 30; so auch Schroth, Anmerkung zur Entscheidung des BSG vom 10.12.2003, JZ 2004, 469, 470. 660 Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn. 84. 661 Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn. 85. 657
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende
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stehenden Schicksalsgemeinschaft oder dem Gleichklang der Lebensverhältnisse eine enge persönliche Verbundenheit annehmen.662 Folgt man der weiten Interpretation des BSG, so bleibt es potentiellen Überkreuzspendepaaren aber unbelassen, untereinander ein persönliches Näheverhältnis zu begründen, das die Spende möglich macht.663 Eine Überkreuz-Lebendspende ist folglich auf Basis des TPG nicht von vornherein unzulässig,664 wohl aber ohne die qualifizierte Verbundenheit.665 Sie darüber hinaus zuzulassen, obliegt der Entscheidung des Gesetzgebers. Eine Zulassung brächte eine Vielzahl neuer Probleme mit sich. So müssten organisatorische Vorkehrungen getroffen werden, um die vollständige Parallelität der Organentnahme und Transplantation sicherzustellen, da sich das jederzeitige Widerrufsrecht der Einwilligung wohl kaum beschränken ließe. Es würde sich zudem die Frage nach der Zulässigkeit von Begrenzungen der Überkreuz-Lebendspende stellen. Ließe man also eine Viererkonstellation zu, würde die Frage aufgeworfen, warum nicht auch eine sog. Tripple Spende oder ein Pool-Modell zulässig sein sollte. Auch hier kommt also das sog. „slippery slope“ (schiefe Bahn) Argument zum Tragen. In Kapitel 1 wurde auf medizinische Alternative – in Form der AB0 inkompatiblen Lebendspende – zu einer Überkreuz-Lebendspende hingewiesen.666 Diese könnte zunehmend Anlass und die Notwendigkeit einer Überkreuz-Lebendspende entfallen lassen. bb) Überkreuz-Lebendspende als verbotenes Handeltreiben gemäß §§ 17, 18 TPG? Für den Fall, dass bei einer Überkreuz-Lebendspende die Anforderungen des § 8 Abs. 1 Satz 2 letzte Alternative TPG an den Empfängerkreis erfüllt und somit die Überkreuz-Lebendspende nicht vom Straftatbestand des § 19 Abs. 2 TPG erfasst wird, ist ungeachtet dessen noch die Frage zu klären, ob die Überkreuz-Lebendspende nicht ein Handeltreiben i. S. d. §§ 17 Abs. 1 Satz 1, 18 Abs. 1 TPG darstellt und damit den Tatbestand des strafbaren Verbots des Organhandels erfüllt.
662 Vgl. BSG, Urt. v. 10.12.2003 – B 9 VS 1/01 R – BSGE 92, 19, 30; a. A. Seidenath, MedR 1998, 253, 256. 663 Schlussfolgerung und Empfehlung der Enquete-Kommission BT-Drucks. 15/5050, S. 73; in diese Richtung auch Seidenath, MedR 2000, S. 33, 34. 664 Seidenath, MedR 1998, 253, 256. 665 Enquete-Kommission, BT-Drucks. 15/5050 S. 42; so auch Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 19. 666 Vgl. dazu oben, Kapitel 1, B. II. 3.
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
Die §§ 17 und 18 TPG enthalten keine Legaldefinition des Tatbestandsmerkmals „Handeltreiben“. Der Gesetzesbegründung ist aber zu entnehmen, dass für die Auslegung des Begriffs des „Handeltreibens“ die Auslegung entsprechend dem Betäubungsmittelgesetz heranzuziehen ist.667 Danach ist unter Handeltreiben jede eigennützige, auf Güterumsatz gerichtete Tätigkeit zu verstehen, selbst wenn es sich nur um eine gelegentliche, einmalige oder vermittelnde Tätigkeit handelt. Typischerweise wird damit die gewerbliche Organvermittlung erfasst.668 Das Tatbestandsmerkmal Handeltreiben besteht aus drei Elementen: 1. Handlung: umfasst sind vor allem alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Abschluss von Rechtsgeschäften.669 Dabei kann es sich also auch um Tausch oder Schenkungsgeschäfte handeln.670 2. Ziel des Güterumsatzes: Es ist also weder die Zuwendung eines Geldbetrages noch der Zufluss der Gegenleistung an den Handeltreibenden erforderlich671, es reicht, wenn das vom Täter entfaltete Verhalten auf Umsatz (einvernehmliche Übertragung) ausgerichtet ist.672 3. Eigennutz: Eigennützig handelt, wer sich vom Streben nach Gewinn oder einem anderen Vorteil leiten lässt. Immaterielle Vorteile sind einbezogen, wenn sie einen objektiv messbaren Inhalt haben und den Empfänger in irgendeiner Weise besser stellen.673 Die Überkreuz-Lebendspende könnte also als Handeltreiben in diesem Sinne angesehen werden. Es handelt sich um zwei Paare mit jeweils einem transplantationsbedürftigen Partner, für den der eigene Angehörige aus medizinischen Gründen nicht in Betracht kommt. Dieser kann aber dem erkrankten Partner des anderen Paares ein Organ spenden; dafür erhält der eigene Partner ein Organ von dem gesunden Partner des anderen Paares. Bei formaler Betrachtung kommt man also zu dem Ergebnis, dass der Tatbestand des Handeltreibens gemäß § 17 TPG bei einer Überkreuz-Lebendspende erfüllt ist.674 Andererseits können Zuwendungen, bei denen sich eine Beeinträchtigung der Schutzgüter Gesundheit, Entscheidungsfreiheit, Unentgeltlichkeit der Organspende und der Menschenwürde ausschließen lässt, unter Umständen im Wege der teleologischen Reduktion vom Tatbestand ausgenommen wer667
BT-Drucks. 13/4355, S. 29. BT-Drucks. 13/4355, S. 29. 669 König, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 17 TPG, Rn. 19. 670 Vgl. BSG, Urt. v. 10.12.2003 – B 9 VS 1/01 R – BSGE 92, 19, 25; Sengler, in: Kirste, Nieren-Lebendspende, S. 100, 112; Besold/Rittner, MedR 2005, 502, 506. 671 Schroth, MedR 1999, 67. 672 König, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 17 TPG, Rn. 20. 673 König, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 17 TPG, Rn. 21; Nickel/ Schmidt-Preisigke/Sengler, § 17 TPG, Rn. 5. 674 Nickel/Preisigke, MedR 2004, 307, 308; Neft, NZS 2004, 519, 520. 668
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende
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den. Wieder bedarf es also bei der Überkreuz-Lebendspende, diesmal im Hinblick auf das Vorliegen des Merkmals Handeltreibens, insbesondere der Frage, ob Eigennutz vorliegt, einer Einzelfallbetrachtung. Die ÜberkreuzLebendspende ist nicht per se Organhandel.675 Das Organ erhält der jeweilige Partner. Der immaterielle Vorteil, dass er dessen Rettung bewirkt, genügt für die Annahme von Eigennutz noch nicht, anders aber wenn es ihm um eine Vermögensmehrung und nicht um Zuneigung und Liebe geht.676 Dies ist aber dann kein Sonderfall der Überkreuz-Lebendspende, sondern ist bei allen Lebendspenden zu überprüfen. Der zu erwartende Nutzen für den Organspender ist in seiner Art und Qualität kein anderer als bei der sonst zulässigen Lebendspende eines Organs.677 4. Stellungnahme der Kommission gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 TPG § 8 Abs. 3 Satz 2 TPG normiert als weitere Vorraussetzung der Lebendspende eine gutachterliche Stellungnahme einer nach Landesrecht zuständigen Kommission zur Fragestellung, ob begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Einwilligung in die Organspende nicht freiwillig erfolgt oder dass das Organ Gegenstand verbotenen Handeltreibens nach § 17 TPG ist. Gemäß der Gesetzesbegründung ist in jedem Einzelfall die Motivation für die Bereitschaft zur Lebendspende zu prüfen, um auszuschließen, dass die Spende unfreiwillig, unter Druck oder durch Vorteilsgewährung erfolgt.678 Zu diesem Zweck sollen insbesondere psychodiagnostische Mittel und medizinisch-psychologische Beratungsverfahren eine begründete und verantwortliche Beurteilung sowohl hinsichtlich der Einschätzung der Freiwilligkeit des Spenderentschlusses als auch hinsichtlich der Untersuchung und Bewertung der Beweggründe für die Organspende ermöglichen.679 a) Zusammensetzung, rechtliche Grundlage und Verfahren der Kommission Das TPG selbst bestimmt, lediglich im Hinblick auf die Zusammensetzung der Kommission, dass dieser ein Arzt, ein Volljurist und eine in psy675
König, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 17 TPG, Rn. 31. König, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 17 TPG, Rn. 31. 677 Nickel/Preisigke, MedR 2004, 307, 308; Gutmann, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, Kom.-Drucks. 15/135, S. 16. 678 BT-Drucks. 13/4355, S. 21. 679 BT-Drucks. 13/4355, S. 21. 676
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
chologischen Fragen erfahrene Person angehören müssen. Im Hinblick auf das ärztliche Mitglied wird zudem näher bestimmt, dass dieses weder an der Entnahme, noch an der Übertragung von Organen beteiligt sein, noch Weisungen eines Arztes unterstehen darf, der an solchen Maßnahmen beteiligt ist. Das Nähere, insbesondere zur Zusammensetzung, zum Verfahren und zur Finanzierung wird durch Landesrecht bestimmt. Sieben Länder680 haben eigene Ausführungsgesetze zum TPG erlassen, andere Länder681 haben die Regelungen in ihre Landesgesundheitsgesetze oder Heilberufe- und Kammergesetze integriert, wieder andere682 haben lediglich eine Verordnungsermächtigung erlassen und die weiteren Regelungen auf die Ebene einer Verordnung durch das Landesministerium delegiert. Diese wenig übersichtlichen Regelungen enthalten zum Teil selbst detaillierte Regelungen zur Organisation, Zusammensetzung, Finanzierung und Verfahren der Kommission, teilweise enthalten sie Ermächtigungen für die Landesärztekammer, solche Regelungen durch Satzung oder Geschäftsordnung zu erlassen. Insgesamt gibt es in der Bundesrepublik 23 Lebendspendekommissionen.683 Die Zusammensetzung der Kommissionen folgt, bis auf Bremen,684 den bundesgesetzlichen Vorgaben. Zum Teil685 wurden die Anforderungen an die in psychologischen Fragen erfahrene Person konkretisiert. Aus der Gesetzesbegründung geht hervor, dass psychodiagnostische Mittel und medizinisch-psychologische Beratungsverfahren zur Beurteilung der Freiwilligkeit herangezogen werden sollen, was nahe legt, dass es sich nicht um einen Laien handeln soll.686 Des Weiteren stellen einige Länder687 auch die Unabhängigkeit der anderen Kommissionsmitglieder durch entsprechende gesetzliche Regelungen sicher. In Rheinland-Pfalz gibt es die zusätzliche Institution eines Spender-Advokaten. Die Kommissionen werden auf Antrag des Transplantationszentrums tätig,688 allerdings ist sowohl die Art der Regelung als auch der Inhalt des Verfahrens in den einzelnen Kommissionen sehr unterschiedlich ausgestaltet. Die meisten Regelungen sehen die persönliche Anhörung des Spenders vor, nur Bayern und Sachsen haben ebenfalls die Anhörung des Empfängers als verpflichtend geregelt. Auch bei der Ent680 Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz, Saarland, Sachsen. 681 Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Thüringen. 682 Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein. 683 Stand 22.12.2005 laut Sievers/Neitzke, Deutsche Medizinische Wochenschrift 2006/12, 83. 684 In Bremen gibt es einen zusätzlichen Patientenvertreter, was der eigentlich erforderlichen Homogenität der Kommissionen zuwider läuft. 685 Z. B. Mecklenburg-Vorpommern. 686 Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn. 118. 687 Bayern, Berlin/Brandenburg. 688 Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn. 129.
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende
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scheidungsfindung, also der Frage, ob einstimmig oder mit Stimmenmehrheit entschieden wird, unterscheiden sich die Konzepte. b) Inhalt, Umfang und Bindungswirkung der Entscheidung Nachfolgend werden der Prüfungsinhalt sowie Umfang und Bindungswirkung der Entscheidung der Lebendspendekommission dargestellt. aa) Freiwilligkeit Laut Vorgabe des TPG hat die Kommission zunächst die Freiwilligkeit der Einwilligung in die Organspende zu begutachten. Es bleibt allerdings unklar, ob damit allein die Einwilligung des Spenders oder auch die des Empfängers gemeint ist. Von dieser Auslegung hängt auch der Prüfungsumfang ab. In der Literatur wird es zumindest als sachlich geboten angesehen, auch die informierte Einwilligung des Empfängers von der Kommission zu prüfen.689 Dies ist begrüßenswert, auch wenn es sich meines Erachtens nicht aus dem Telos der Vorschrift ableiten lässt.690 Denn in § 8 Abs. 1 Nr. 1 TPG geht es eindeutig um die Person des Spenders. In der Tschechischen Republik wird auch die informierte Einwilligung des Empfängers explizit im Gesetz geregelt. Auch scheint es mir unerlässlich, um die Freiwilligkeit des Spenders weitestmöglich beurteilen zu können, auch die Person des Empfängers persönlich zu befragen. Die persönliche mündliche Anhörung von Spender und Empfänger sollte verbindlich im TPG normiert werden.691 Die Freiwilligkeit setzt zunächst die Einwilligungsfähigkeit und die Einwilligung infolge der umfassenden Aufklärung nach § 8 Abs. 2 TPG voraus. Die Einwilligung darf nicht durch Täuschung zu Stande gekommen sein. Schließlich muss sie frei von äußerem Zwang erklärt werden, dass heißt, die Einwilligung darf nicht infolge einer nach § 240 StGB tatbestandsmäßigen Handlung zustande gekommen sein.692 Es trifft sicherlich zu, dass ebenfalls eine stabile Entscheidung des Spenders zu fordern ist.693 Nur ist das m. E. kein Merkmal der Freiwilligkeit, sondern eine Frage nach der psychischen Eignung des Spenders, welche nach dem derzeitigen Wort689 Preisigke, in: Festschrift für Schreiber, S. 833, 839; Fateh-Moghadam, MedR 2003, 245, 250. 690 So aber Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 57. 691 So auch die Empfehlung der Enquete-Kommission, BT-Drucks. 15/5050 S. 75. 692 Zur Arbeitsweise der Lebendspendekommissionen bei der Beurteilung der Freiwilligkeit siehe Fateh-Moghadam/Schroth/Gross/Gutmann, MedR 2004, S. 19 ff. 693 So Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 56.
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
laut nicht in den Prüfungsumfang der Kommission fällt. Dies sollte aber zuforderst bei der Prüfung der Eignung des Spenders gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 c TPG Berücksichtigung finden. bb) Kein Organhandel i. S. d. § 17 TPG Eine ebenso schwierige Aufgabe der Kommission ist es, zu erforschen, ob Handlungen vorliegen, welche den Tatbestand des Handeltreibens (s. o.) erfüllen sowie deren Subsumtion unter dieses Merkmal.694 Sie wird also zumindest inzident zu ihrem Verständnis von §§ 17, 18 TPG Stellung nehmen müssen695 cc) Besondere persönliche Verbundenheit In Anbetracht der Tatsache, dass die Prüfung der besonderen persönlichen Verbundenheit zwischen Spender und Empfänger mitunter erhebliche Schwierigkeiten bereitet und der den Spender betreuende Arzt mit dieser Fragestellung im Einzelfall überfordert sein dürfte, wäre es sehr wünschenswert, auch die Beurteilung dieser Fragestellung der Kommission anheim zu stellen. Dies fordert auch die Enquetekommission in ihrer Stellungnahme zur Lebendspende.696 In der Praxis wird dies von den Kommissionen unterschiedlich gehandhabt697 und es liegt nahe, insbesondere auch die Art des Spender-Empfänger-Verhältnisses bei der Beurteilung der Freiwilligkeit zu berücksichtigen. Dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 Satz 2 TPG ist eine Kompetenz zur Beurteilung des Bestehens einer solchen Verbundenheit nicht zu entnehmen.698 dd) Rechtsnatur und Bindungswirkung der Kommissionsentscheidung Das Votum der Kommission stellt lediglich eine gutachterliche Stellungnahme dar.699 Im Jahr 2002 war von den Kommissionen über insgesamt 631 Anträge zu bescheiden. Die Ablehnungsquote lag bei lediglich 1,3 Pro694 Zur Arbeitsweise der Lebendspendekommissionen bei der Beurteilung, ob Organhandel vorliegt siehe Fateh-Moghadam/Schroth/Gross/Gutmann, MedR 2004, S. 82 ff. 695 Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 58. 696 Enquete-Kommission, BT-Drucks. 15/5050 S. 75. 697 Fateh-Moghadam/Schroth/Gross/Gutmann, MedR 2004, S. 82, 87 f. 698 Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 59. 699 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 8, Rn. 37.
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende
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zent (n = 8).700 Die Nichtbeachtung des Votums oder der gänzliche Verzicht auf ein solches sind nicht strafbewehrt, auch wenn sie als zwingend701 anzusehen ist. Darüber hinaus ist das Ergebnis für die behandelnden Ärzte nicht bindend.702 Die Kommmissionsentscheidung entlastet den transplantierenden Arzt nicht davon, sich seinerseits über das Vorliegen einer rechtswirksamen Einwilligung des Spenders und das Fehlen von Anhaltspunkten für kommerzielle Motive und Hintergründe zu vergewissern.703 Die gutachterliche Stellungnahme bietet für den verantwortlichen Arzt lediglich eine zusätzliche verfahrensrechtliche Sicherheit.704 Es ist richtig, dass der behandelnde Arzt nicht von seiner strafrechtlichen Verantwortung durch eine bindende Stellungnahme entbunden werden kann. Dies wäre nicht sachdienlich, denn durch den unmittelbaren Patientenkontakt erfährt er unter Umständen Tatbestände, welche der Kommission unzugänglich bleiben. In der Praxis werden die Voten der Kommission vom transplantierenden Arzt jedoch mit wenigen Ausnahmen übernommen.705 Die Stellungnahme der Lebendspendekommission oder das Unterlassen eines abschließenden Votums hat ungeachtet ihres gutachterlichen Charakters de facto eine erhebliche präjudizierende Wirkung. Mit der Entscheidung steht oder fällt in der Regel die Transplantation. Damit werden durch die (ablehnende) Entscheidung grundrechtlich geschützte Positionen, das Grundecht der allgemeinen Handlungsfreiheit und das Persönlichkeitsrecht des Spenders (Art. 2 Abs. 1 GG) ebenso wie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit des potenziellen Organempfängers (Art. 2 Abs. 2 GG) berührt, denn die Tätigkeit der Lebendspendekommission hat verhaltenssteuernde Wirkung.706 Die Konstruktion des Gesetzgebers, mittels der Ausgestaltung der Kommissionsentscheidung als gutachterliche Stellungnahme, welche nicht rechtlich angreifbar sein soll707, übersieht also, dass mittels der faktischen Wirkung der Kommissionsentscheidung eine unter Umständen lebensrettenden Therapie verhindert wird. Dies ist unter dem Aspekt des Gebots des effekti700
Sievers/Neitzke, Deutsche Medizinische Wochenschrift 2006; 1283, 1284. Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn. 114. 702 Lilie, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der EnqueteKommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, Kom.-Drucks. 15/147, S. 8. 703 BT-Drucks. 13/4355, S. 21; Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn. 110. 704 BT-Drucks. 13/4355, S. 21; Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn. 110. 705 Neuhaus, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der EnqueteKommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, Kom.-Drucks. 15/151, S. 3. 706 Höfling, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der EnqueteKommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, Kom.-Drucks. 15/143, S. 6. 707 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 8 TPG, Rn. 37. 701
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
ven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht hinnehmbar.708 Wenngleich den Kommissionen ein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen von Anhaltspunkten für die Unfreiwilligkeit der Organspende und für Organhandel zukommen sollte, um der Vielgestaltigkeit der Einzelfälle Rechnung zu tragen, ist es nicht tolerabel, dass auch wesentliche Verfahrensfehler mit Auswirkungen auf das Ergebnis oder gar willkürliche oder diskriminierende Praktiken von Kommissionen der gerichtlichen Kontrolle entzogen sein sollen.709 Gemäß des Fazits der Enquetekommission zur Lebendspende hat sich das Kommissionsverfahren in der Praxis grundsätzlich bewährt.710 Ihre Existenz dürfte zumindest präventive Wirkung entfalten711, allerdings ist der Enquetekommission beizupflichten, dass der Bundesgesetzgeber die Voraussetzungen für die Einführung einheitlicher Verfahrens- und Entscheidungsstandards für die Lebendspendekommissionen schaffen sollte. Die Verfahrensvorschriften sollten Rechte und Pflichten der Verfahrensbeteiligten, Mindeststandards für den Antrag, die zwingende persönliche Anhörung von Spender und Empfänger sowie Zusammensetzung und Entscheidungsfindung der Kommission enthalten.712 Eine schriftliche Begründungspflicht der Kommissionsentscheidung ist sowohl für die Entscheidung des Arztes als auch für eine Überprüfbarkeit der Entscheidung unabdingbar.
II. Finanzielle und versicherungsrechtliche Absicherung des Spenders Neben physischen und psychischen Beeinträchtigungen des Spenders kann sich eine Lebendspende für diesen auch wirtschaftlich nachteilig auswirken. Insbesondere bei Komplikationen. Bislang gibt es keine repräsentativen und empirisch gesicherten Erfahrungen diesbezüglich. Sinn des Organhandelsverbotes der § 17, 18 TPG ist es, den gewinnorientierten Umgang mit menschlichen Organen und die gewinnorientierte Ausnutzung existenzieller Notlagen von Menschen zu unterbinden.713 Die Gewährung eines Entgelts bzw. finanziellen Vorteils für eine Organspende ist daher un708 Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 65; EnqueteKommission, BT-Drucks. 15/5050, S. 51. 709 Esser, in: Höfling (Hrsg.), § 8 TPG, Rn. 133; Gutmann, in: Schroth/König/ Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 6. 710 Enquete-Kommission, BT-Drucks. 15/5050 S. 54. 711 Lilie, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der EnqueteKommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, Kom.-Drucks. 15/147, S. 9. 712 Enquete-Kommission, BT-Drucks. 15/5050 S. 75. 713 BT-Drucks. 13/4355, S. 29.
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende
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zulässig und mit Strafe bedroht. Die Zahlung eines angemessenen Entgelts für die zur Erreichung des Ziels der Heilbehandlung durch Organtransplantation gebotenen Maßnahmen, insbesondere der Ausgleich der notwendigen finanziellen Aufwendungen, die für die „Beschaffung“ des Organs erforderlich sind, ist dagegen zulässig. Diese Kosten dürfen und müssen vom Organempfänger bzw. seiner Krankenversicherung übernommen werden.714 Nach ständiger Rspr. des BSG gehören die im Zusammenhang mit der Organtransplantation beim Organspender entstehenden Aufwendungen als Vor- und Nebenleistungen zu der dem Organempfänger zu gewährenden Krankenhilfe.715 1. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) des Empfängers716 und im entsprechenden Rahmen bewegt sich auch die Leistungszuständigkeit der privaten Krankenversicherung717, hat demzufolge die Kosten der Durchführung der Organspende und der Behandlung des Organspenders, einschließlich der zur Vorbereitung der Organentnahme erforderlichen ambulanten und stationären Maßnahmen (auch wenn es nicht zur Organspende kommt), die Kosten der Untersuchung des Organspenders zur Feststellung, ob die medizinischen und sonstigen im Transplantationsgesetz geregelten Voraussetzungen einer Lebendspende gegeben sind718 sowie die Kosten der Organentnahme zu tragen. Ebenfalls zu erstatten sind Fahrt- und Unterbringungskosten sowie der Verdienstausfall719 des Spenders.720 Gleiches gilt für die Kosten der Nachbehandlung nach der Organentnahme einschließlich einer mit dem Spender vereinbarten somatischen oder psychischen Nachsorge. Auch die Kosten für die ärztlich empfohlene Nachbetreuung, welche 714
Enquete-Kommission, BT-Drucks. 15/5050, S. 59. Vgl. BSG, Urt. v. 12.12.1972 – 3RK 47/70 –, BSGE 35, S. 102 ff.; SG Freiburg (Breisgau), Urt. v. 26.06.2001 – S 9 U 3427/99. 716 Dies ergibt sich aus § 27 SGB V. Die Krankenkasse des Organspenders steht für eine Übernahme der bei der Organexplantation entstehenden (unmittelbaren und mittelbaren) Kosten generell nicht zur Verfügung, da der Spender die für ihn entstehenden nachteiligen Folgen vorsätzlich herbeiführt hat (vgl. § 52 SGB V). 717 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 23 TPG, Rn. 5. 718 Vgl. § 8 Abs. 1, Abs. 2 (medizinische Feststellung, Aufklärung), Abs. 3 (Gutachten der Lebendspendekommission), S. 2 ff.; § 10 Abs. Nr. 5 (psychische Betreuung). 719 Die Höhe des Krankengelds ist auf 90% des ausgefallenen Nettoentgelts und die Beitragsbemessungsgrenze beschränkt, vgl. Kraushaar, in: Kirste (Hrsg.), S. 74, 76. 720 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 23 TPG, Rn. 2; Gutmann, in: Schroth/ König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 46. 715
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
Pflicht ist (vgl. § 8 Abs. 3 Satz 1 TPG), sind von der Krankenkasse des Organempfängers zu tragen (vgl. §§ 115 a Abs. 2 Satz 7 und Abs. 4 SGB V).721 Die Leistungspflicht der Krankenkasse besteht bis zum Lebensende des Spenders. Als nachwirkende Leistungspflicht greift sie auch über den Tod des Organempfängers hinaus.722 Ist der Organempfänger ausnahmsweise nicht gesetzlich oder privat krankenversichert, besteht nach ganz überwiegender Ansicht keine Eintrittspflicht der Krankenversicherung des Organspenders.723 Benötigt ein nicht krankenversicherter, schwerwiegend erkrankter Hilfesuchender im Sinne der Sozialhilfevorschriften (SBB XII) zur Besserung oder Heilung seiner Krankheit eine Organtransplantation, hat er einen Anspruch auf Krankenhilfe nach dem Sozialhilferecht, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen gegeben sind. Das SGB XII verweist zum Umfang der Leistungen auf die gesetzlichen Vorschriften der Krankenbehandlung.724 Die Kosten der Behandlung des Organspenders sind Teil der Krankenhilfe für den Organempfänger.725 Darüber hinaus müssen auch die Fälle der Finanzierung bei nicht Hilfesuchenden und nicht krankenversicherten Spendewilligen bei der Dokumentationspflicht nach § 8 Abs. 2 Satz 4 TPG gesondert geklärt werden. 2. Gesetzliche Unfallversicherung Ergänzend zu den Leistungen der Krankenversicherungen soll gemäß § 23 TPG i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. b SGB VII das gesundheitliche Risiko des Organspenders im Zusammenhang mit der Organspende durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt werden. Diese Vorschrift ist im Gesetzgebungsverfahren erst nachträglich eingefügt worden. Bei dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung für Organlebendspender handelt es sich um einen Fall der sog. unech721
Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 23 TPG, Rn. 2. Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 23 TPG, Rn. 2; Besold/Rittner, MedR 2005, 502, 509. 723 Enquete-Kommission, BT-Drucks. 15/5050, S. 61. 724 § 48 SGB XII; konkret wird auf das „Dritte Kapitel, Fünfter Abschnitt, Erster Titel des SGB V“ verwiesen, derzeit sind dies die §§ 27 bis 43 b SGB V. Dabei gehen aber die Regelungen zur Krankenbehandlung nach § 264 SGB V den Leistungen der Hilfe bei Krankheit nach den o. g. Vorschriften vor (§ 48 S. 2 SGB XII.). 725 Vgl. BSG, Urt. v. 12.12.1972 – 3RK 47/70 –, BSGE 35, S. 102 ff.; SG Freiburg (Breisgau), Urt. v. 26.06.2001 – S 9 U 3427/99 –, siehe dazu ferner die weiteren Ausführungen der Enquete-Kommission insb. im Hinblick auf die nicht erstattungsfähigen Kosten und die somit bestehenden Differenzen zum gesetzlich krankenversicherten Empfänger, Enquete-Kommission, BT Drucks 15/5050 S. 61. 722
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ten Unfallversicherung, wonach für Tätigkeiten, die im Allgemeininteresse liegen, Versicherungsschutz nach dem SGB VII gewährt wird.726 Der Versicherungsschutz umfasst das Risiko gesundheitlicher Schäden, die über die gesundheitliche Beeinträchtigung durch die Entnahme körpereigener Organe bei komplikationslosem Verlauf727 hinausgehen und in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Entnahme stehen.728 Erst Komplikationen auf Grund der Organentnahme können als Unfall anzusehen sein.729 Die Vorschrift des § 2 Abs. SGB VII erfasst also nicht Schäden, die durch die Spende als solche unvermeidbar eintreten. So kann z. B. der Spender einer Niere keinen Rentenanspruch im Hinblick auf den Verlust seiner Niere geltend machen.730 Die infolge einer Organspende eintretende Komplikation ist also keine „Verschlimmerung“ im unfallversicherungsrechtlichen Sinne, sondern der „Unfall“, also das erste Glied in der Ursachenkette.731 Folglich wird die spätere Erkrankung, Erwerbsminderung oder Arbeitsunfähigkeit durch die Organspende einem „Arbeitsunfall“ gleichgestellt, so dass die gesetzliche Unfallversicherung für Heilbehandlung, Unterstützung und Rente aufkommt.732 Ebenfalls vom Unfallversicherungsschutz erfasst sind die Risiken gesundheitlicher Schäden bei Vornahme der anderen im Zusammenhang mit der Entnahme und ihrer Vor- und Nachbereitung erforderlichen Maßnahmen.733 Ob eine Krankheit auf die Organentnahme zurückzuführen ist, stellt allerdings mitunter ein Beweislastproblem dar, für das der Spender die Beweislast trägt.734 Mitunter sind auch Abgrenzungen, welcher Ver726
Lang, in: Höfling (Hrsg.), § 23 TPG, Rn. 4. Vgl. BSG, Urt. v. 12.12.1972 – 3RK 47/70 –, BSGE 35, S. 102 ff.; BSG, Urt. v. 16.07.1996 – 1RK 15/95 –, BSGE 79, 53 f. 728 Lang, in: Höfling (Hrsg.), § 23 TPG, Rn. 4; Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 23 TPG, Rn. 7. 729 Lang, in: Höfling (Hrsg.), § 23 TPG, Rn. 8. 730 Ugowski, S. 135; Ricke, in: Kasseler Kommentar, § 2 SGB VII, Rn. 71; BSG, Urt. v. 12.12.1972 – 3RK 47/70 –, BSGE 35, S. 102 ff.; BSG, Urt. v. 16.07.1996 – 1RK 15/95 –, BSGE 79, 53 f. 731 In der Literatur wird z.T. die Norm als handwerklich verfehlt betrachtet. Nach dem Wortlaut der Vorschrift begründen etwaige Komplikationen nach der Organentnahme zwar das Versicherungsverhältnis, für die Leistungspflicht des Versicherungsträgers müsse jedoch noch ein „Arbeitsunfall“ i. S. d. §§ 7, 8 SGB VII, also eine weitere äußere Ursache für die Gesundheitsbeschädigung hinzukommen. Für viele mittel- und langfristige Komplikationen der Lebendspende, wie Wundheilungsstörungen, treffe dies nicht zu, so dass ein großer Bereich der Komplikationen entgegen dem Willen des Gesetzgebers vom gesetzlichen Unfallschutz nicht abgedeckt sei, vgl. Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 23 TPG, Rn. 408 oder Besold/Rittner, MedR 2005, 502, 509. 732 Ugowski, S. 136. 733 Lang, in: Höfling (Hrsg.), § 23 TPG, Rn. 8; Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 23 Rn. 7. 734 Besold/Rittner, MedR 2005, 502, 503, 510. 727
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
sicherungsträger eintrittspflichtig ist, schwierig. Es kommt regelmäßig zu Streitigkeiten, welche eine zusätzliche Belastung für den Spender darstellen.735 Es wäre daher wünschenswert, die finanzielle Absicherung des Lebendspenders im TPG explizit zu regeln und eventuelle Unklarheiten zu beseitigen.736 3. Weitere finanzielle Einbußen Ungeachtet der soeben beschriebenen Versicherungsleistungen kann es beim Lebendspender zu nicht unerheblichen (weiteren) finanziellen Einbußen kommen. So dauert es bei komplikationslosem Verlauf 40 bis 50 Tage bis der Spender wieder seiner geregelten Arbeit nachgehen kann. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß §§ 3, 4 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) besteht jedoch nicht, denn es handelt sich um eine gezielt herbeigeführte Arbeitsunfähigkeit.737 Wegen der §§ 611, 614 BGB entfällt naturgemäß auch der Vergütungsanspruch. Zwar wird der Verdienstausfall von der Krankenkasse des Empfängers erstattet, allerdings nur in Form von Pauschalen. Insbesondere bei Organspendern mit sehr hohem Einkommen oder auch Freiberuflern stellt dies aber in der Regel eine finanzielle Einbuße dar.738 Auch nehmen die Nachuntersuchungen Zeit in Anspruch, für die unter Umständen Urlaub genommen werden muss.739 Hinzu kommt auch die Weiterführung der Sozialversicherung, welche ohne Beitragszahlung nur vier Wochen besteht. Nicht zu vergessen sind mögliche Risikozuschläge bei Neuaufnahme in privater Krankenversicherung740 und Lebensversicherungen. Auch die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung sind von vornherein auf eine Mindestabsicherung begrenzt, die den Lebensstandard eines Organspenders mit höherem Einkommen nicht erhalten kann.741 Darüber hinaus bestehen Versicherungslücken bei vorzeitiger Arbeits-, Berufsoder Erwerbsfähigkeit des Spenders.742 All dies vorausgeschickt erscheint 735 Zu weiteren Einzelheiten des Umfangs der Unfallversicherung, der Rentenund der Pflegeversicherung sowie der Konkurrenz der Versicherungsträger vergleiche die detaillierte Darstellung der Enquete-Kommission, BT-Drucks. 15/5050 S. 62 ff. 736 So auch Ugowski, S. 137. 737 Vgl. BAGE 52, S. 313. 738 Besold/Rittner, MedR 2005, 502, 503, 509. 739 Besold/Rittner, MedR 2005, 502, 503, 509. 740 Laut Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, § 23 TPG, Rn. 5 gilt dies nicht für den Standardtarif. 741 Enquete-Kommission, BT-Drucks. 15/5050 S. 64; weswegen nicht selten bei Kindern der schlechter verdienende Elternteil – in der Regel immer noch die Mutter – als Lebendspender ausgewählt wird. 742 Besold/Rittner, MedR 2005, 502, 503, 510.
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende
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die in der Diskussion vorgeschlagene private Absicherung mittelbarer Risiken, Spät- und Folgeschäden743 des Lebendspenders durchaus erstrebenswert. So könnte z. B. die Krankenkasse des Organempfängers verpflichtet werden, die Kosten für eine private Risikoversicherung für den Fall der Invalidität oder den Tod des Organspenders zu tragen.744 Um dem in §§ 17, 18 TPG normierten Organhandelsverbot Rechnung zu tragen, könnte eine Beschränkung der Versicherungsleistung auf spendenbedingte Invalidität oder Tod erforderlich sein. Allerdings sind die Erfahrungen im Zusammenhang mit der Lebendspende, was Spätkomplikationen anbelangt, begrenzt. Was die Kalkulation einer Versicherungsprämie für die Versicherung spendenbedingter Risiken betrifft, sind die Erkenntnisse ebenfalls noch sehr gering.745 Auch an dieser Stelle ist also auf die Vorteilhaftigkeit eines Lebendspenderegisters hinzuweisen.
III. Sonderfall Dominotransplantation aus juristischer Sicht In Kapitel 1 wurde bereits auf den Sonderfall Dominotransplantation aus medizinischer Sicht hingewiesen. Nachfolgend wird diese nunmehr im Hinblick auf die rechtliche Problematik erörtert werden. 1. Alte und neue Rechtslage Der deutsche Gesetzgeber hat die Dominospende – anders als zum Beispiel der tschechische Gesetzgeber – (zunächst) übersehen. So stellte sich insbesondere die Frage nach dem Anwendungsbereich des TPG, der Einwilligung des Dominospenders in die Verwendung der entnommenen Organe zu Transplantationszwecken sowie deren Allokation, also danach, ob es sich um vermittlungspflichtige Organe i. S. d. § 9 TPG handelt. Es war umstritten, ob die Dominospende in den Anwendungsbereich des TPG fällt. Dies wurde zum Teil abgelehnt, da § 1 Abs. 1 Satz 1 TPG voraussetze, dass die Entnahme des Organs (nur) zum Zweck der Übertragung auf einen anderen Menschen erfolgt. Bei einer kurativen Operation werde der Eingriff primär im Interesse der Heilung des Patienten vorgenommen.746 Eine solche Auslegung schrieb der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz TPG meines Er743 744
Besold/Rittner, MedR 2005, 502, 503, 510. Im TZ ist der Abschluss einer solchen Versicherung gesetzlich vorgeschrie-
ben. 745
Enquete-Kommission, BT-Drucks. 15/5050 S. 66. Sasse, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 1 TPG, Rn. 21; Herrig, S. 71; Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, vor § 8 TPG, Rn. 6. 746
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
achtens nicht vor. Es war nicht zwingend, dass die Entnahme zu Transplantationszwecken der einzige Zweck oder der ausschließliche Anlass für die Entnahme ist.747 Das Transplantationsgesetz enthält nunmehr einen neuen § 8 b (Entnahme von Organen und Geweben in besonderen Fällen) in dem Abschnitt zur Lebendspende. § 8 b Abs. 1 TPG regelt, dass, wenn Organe oder Gewebe bei einer lebenden Person im Rahmen einer medizinischen Behandlung dieser Person entnommen wurden, ihre Verwendung zur Übertragung auf eine andere Personen nur zulässig ist, wenn die Person einwilligungsfähig und entsprechend § 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 TPG aufgeklärt worden ist und in die Verwendung der Organe und Gewebe eingewilligt hat.748 Darunter ließen sich nun auch die Dominospenden subsumieren. Ein Blick auf die Gesetzesbegründung zeigt aber, dass der Gesetzgeber bei dieser Vorschrift nicht an die „klassische Dominospende“ der Leber oder des Herzens gedacht hat. So werden beispielhaft Operationsreste und die Plazenta aufgezählt.749 Dies erklärt auch, warum sich im neuen § 8 b TPG keine Regelung zur Allokation dieser Organe findet. Die in § 8 b TPG normierte Verpflichtung zur Einwilligung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 TPG mutet mit Blick auf die Dominospende etwas seltsam an, denn es ist nicht verständlich, warum der Dominospender z. B. über die Erfolgsaussicht beim Empfänger der Dominoleber informiert werden sollte. Dies mag für die „klassischen“ Lebendspender bei der Abwägung, ob er zu einer Lebendspende bereit ist, eine Rolle spielen, nicht aber für den Dominospender, dem z. B. die Leber im Zuge der Heilbehandlung ohnehin entnommen werden muss. Die Unsinnigkeit der Vorschrift lässt sich also nur damit erklären, dass der Gesetzgeber den Sonderfall Dominospende nicht gesehen hat. Sie stiftet mehr Verwirrung als Klarheit. 2. Einwilligung und Allokation Im Hinblick auf die Frage der Allokation verbietet sich eine unmittelbare Anwendbarkeit der §§ 9 i. V. m. 1 a Nr. 2 TPG bereits aufgrund des Wortlauts der Vorschrift, welche unmissverständlich nur die soliden Organe von Verstorbenen für vermittlungspflichtig erklären.750 Eine Anwendbarkeit des 747 So auch Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 3; Sasse, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 1 TPG, Rn. 23; Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, vor § 8 TPG, Rn. 6. 748 BT-Drucks. 16/3146, S. 11. 749 BT-Drucks. 16/3146, S. 29. 750 Sasse, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 1 TPG, Rn. 25; Nickel/SchmidtPreisigke/Sengler, vor § 9 TPG, Rn. 4.
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende
243
§ 8 Abs. 1 TPG mit Blick auf die Allokation würde, wegen der engen Regelung des Spender-Empfänger-Verhältnisses, die Verwendung der Dominospendeorgane faktisch unmöglich machen.751 Ebenso ergeben weder die speziellen Aufklärungsvoraussetzungen des § 8 Abs. 2 TPG noch die Durchführung eines Kommissionsverfahrens nach § 8 Abs. 3 TPG viel Sinn.752 Die Frage nach der Einwilligung als auch danach, wie der Empfänger eines solchen Organs zu ermitteln ist, lässt sich also nicht unmittelbar aus den Vorschriften des TPG beantworten. Daran hat sich mit Einfügung des § 8 b TPG nichts geändert. Ungeachtet dessen war und ist eine Einwilligung des Patienten erforderlich, wenn ein ihm entnommenes Körperteil auf einen Dritten übertragen werden soll, auch wenn es sich dabei um Abfallprodukte der chirurgischen Entnahme handelt. Dies gebietet das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG).753 Das entnommene Organ darf nur dann zu Transplantationszwecken weiterverwendet werden, wenn der Spender hierüber angemessen aufgeklärt wurde und der Weiterverwendung zugestimmt hat.754 § 8 b TPG stellt dies nunmehr klar, schießt aber mit dem Verweis auf § 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 TPG aus oben dargelegten Gründen über das Ziel hinaus. Derzeit ist die Allokation der Dominotransplantate in den Richtlinien der Bundesärztekammer geregelt. Auf sie soll das modifizierte Vermittlungsverfahren Anwendung finden.755 Die Regelung im ET-Manual sieht vorrangig eine Vergabe an einen Patienten des Entnahmezentrums und erst dann eine über ET vor.756 Die entsprechende Anwendbarkeit der Regeln für vermittlungspflichtige Organe wird mit dem Hinweis auf Art. 3 Abs. 1 GG757 751
Sasse, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 1 TPG, Rn. 23. Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 8 TPG, Rn. 5. 753 Freund/Weiss, MedR 2004, 315, 316 f.; Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, vor § 8 TPG, Rn. 6. 754 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, vor § 8 TPG, Rn. 6. 755 Organe aus einem Dominotransplantationsverfahren gelten als schwer vermittelbare Organe und unterliegen bei der Allokation dem sog. modifizierten Vermittlungsverfahren. D.h., sie werden nur solchen Transplantationszentren angeboten, die gegenüber der Vermittlungsstelle ihre Bereitschaft zur Akzeptanz dieser Organe entsprechend den zuvor mitgeteilten Zentren- und Patientenprofilen erklärt haben. Die Vermittlung durch die Vermittlungsstelle erfolgt hierbei nach den allgemeinen Regeln für die jeweiligen Organe, wobei aber nur diejenigen Patienten der Warteliste berücksichtigt werden, für die die Zentren im Vorfeld anhand der Patientenprofile die grundsätzliche Bereitschaft zur Akzeptanz des schwer vermittelbaren Organs erklärt haben, Richtlinien zur Organtransplantation gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 TPG (Richtlinien für die Organvermittlung) jeweils II. 4.3.1. 756 ET-Manual, Kapitel 6.3.6. und 5.2.7. 757 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, vor § 9 TPG, Rn. 4. 752
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Kap. 2: Rechtliche Ausgestaltung der Organspende in der BRD
bzw. die Anwendbarkeit der Richtlinien der BÄK mit dem Hinweis, dass diese als Ausgestaltung des allgemeinen ärztlichen Berufsrechts zu beachten sind,758 begründet. Dieser Praxis ist im Ergebnis zuzustimmen, allerdings setzt sie meines Erachtens eine entsprechende Ergänzung des § 9 TPG voraus, da sie von diesen Begründungen nicht getragen wird.759 Es ist daher misslich, dass der Gesetzgeber im Zuge der Reformierung TPG die Dominospende offenbar übersehen hat.
758
Sasse, in: Miserok/Sasse/Hall/Seidenath, § 1 TPG, Rn. 25. Vgl. dazu die ausführlichen Erläuterungen bei Gutmann, in: Schroth/König/ Gutmann/Oduncu, § 9 TPG, Rn. 9. 759
Kapitel 3
Rechtliche Ausgestaltung der Organspende und Transplantation in der Tschechischen Republik In Kapitel 3 werden die Regelungen des tschechischen Transplantationsgesetzes zur postmortalen Organspende sowie der Lebendspende untersucht. Nach einer Darstellung der normativen Grundlagen der Transplantationsmedizin, wird die Organisation der postmortalen Organspende in Tschechien dargestellt. Den ersten Schwerpunkt der Bearbeitung bilden die Regelungen zum Tod des Organspenders sowie dessen Zustimmung zur Organentnahme. Den zweiten Schwerpunkt bilden die Allokationsregeln. Der letzte Teil dieses Kapitels befasst sich mit der gesetzlichen Ausgestaltung der Lebendspende.
A. Normative Grundlagen der Organspende und Transplantation in der Tschechischen Republik Im ersten Teil werden die normativen Grundlagen der Organspende und Transplantation dargestellt.
I. Der Weg zum Transplantationsgesetz Bis zum Erlass eines Transplantationsgesetzes im Mai 2002 war das Transplantationswesen in der Tschechischen Republik sehr unzulänglich, größtenteils durch untergesetzliche Normen,1 welche noch aus der Zeit der Tschechoslowakei (CSSR) und somit dem kommunistischem Regime stammten, geregelt. Diese galten auch nach der staatlichen Umstrukturierung Anfang der neunziger Jahre unverändert fort. Eine einheitliche Anwendung bzw. Auslegung der bestehenden Vorschriften erfolgte nicht und die Rechtsprechung hat die gesamte Problematik, gemäß dem Motto „wo kein Kläger, da kein Richter“, schweigend ignoriert.2 Vor Erlass des Transplantationsgesetzes konnte daher schwerlich von einer gesetzlichen Regelung des 1 2
Hlavackova, S. 31. Brychtova, Spravni pravo 2002/5–6, 297.
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Kap. 3: Rechtliche Ausgestaltung in der Tschechischen Republik
Transplantationswesens gesprochen werden.3 Im Wesentlichen beschränkte sich die Normgesetzgebung auf eine Vorschrift, die nicht viel mehr leistete, als die Existenz von Transplantation zu erwähnen.4 Es handelt sich dabei um § 26 eines aus dem Jahr 1966 datierten Gesetzes über die Gesundheitspflege5 und eine Bekanntmachung des Gesundheitsministeriums von 19886 über die Vorgehensweise im Falle des Todes und der Bestattung einer Person sowie eine Richtlinie des Gesundheitsministeriums aus dem Jahre 1977 in ihrer Ausgestaltung von 19847 über die außergewöhnliche Entnahme von Geweben und Organen aus dem Körper verstorbener Personen. In § 26 Abs. 1 des Gesetzes über die Gesundheitspflege wurde lediglich festgehalten, dass zum Zwecke der Heilung und Forschung die Gesundheitseinrichtungen neben Blut auch Organe und Gewebe entnehmen.8 In § 26 Abs. 2 des Gesetzes über die Gesundheitspflege hieß es dann weiter, dass die Blutentnahme und die Entnahme von Organen und Gewebe bei lebenden Personen nur mit Einwilligung des Spenders erfolgen und seinen Gesundheitszustand nicht gefährden dürften. Dem Spender würde eine erhöhte Gesundheitsfürsorge zu teil werden. Dies war die einzige Vorschrift mit Gesetzesqualität. Die postmortale Organspende war in Grundzügen in der Bekanntmachung aus dem Jahre 1988 geregelt:9 Absatz 1 dieser Bekanntmachung gestattete die Gewebeentnahme bei Verstorbenen zu Forschungs- und Heilzwecken, sofern dadurch lebende Personen nicht gefährdet wurden. Absatz 2 ließ unter bestimmten Voraussetzungen die Organentnahme vor Ablauf einer Zweistundenfrist ab Todesfeststellung zu. Absatz 3 gestattete die Organentnahme ferner nur, wenn dadurch die Obduktion nicht vereitelt würde, insbesondere bei dem Verdacht auf eine Straftat. Absatz 4 normierte des Weiteren noch einige Ausschlusskriterien. So war die Gewebe- und Organentnahme ausgeschlossen, wenn der Verstorbene ihr schriftlich zu Lebzeiten widersprochen hatte. Die sog. Widerspruchslösung hat in Tschechien also Tradition.10 Ebenso sollte eine postmortale Entnahme ausgeschlossen sein, wenn der untersuchende Arzt die Todesursache 3
Brychtova, S. 61; Jakesova, Zdravotnictvi a Pravo 2005/5, 28, 30. Jakesova, Zdravotnictvi a Pravo 2005/5, 28, 30. 5 Zakon c. 20/1966 Sb., o peci o zdravi lidu, ve zneni pozdejsich predpisu. 6 Vyhlaska Ministerstva zdravotnictvi c. 19/1988 o postupu pri umrti a o pohrebnictvi. 7 Smernice Ministerstva zdravotnictvi CSR c. 24/1977 Vest. MZ CSR, ve zneni smernice c. 1/1984 Vest. MZ CSR o mimoradnim odnimani tkani a organu z tel mrtvich. 8 Haderka, Spravni pravo 1994/6, 377; Naceova, Pravni rozhledy 1997/10, 502, 504. 9 Naceova, Pravni rozhledy 1997/10, 502, 505. 10 Brychtova, Spravni pravo 2002/5–6, 297; Buchtova, Zdravotnictvi a Pravo 2002/12, 2, 3. 4
A. Normative Grundlagen in der Tschechischen Republik
247
nicht feststellen konnte oder eine übertragbare Krankheit als Todesursache vermutete. Schließlich schied auch eine postmortale Organentnahme bei Personen im Strafvollzug aus. Es ist offensichtlich, dass diese gesetzliche Regelung weder den behandelnden Ärzten noch den Patienten ausreichende Rechtssicherheit, geschweige denn Rechtsschutz bot.11 Es war schließlich die Ratifikation des Übereinkommens zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin: Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin vom 4. April 1997 (Biomedizinkonvention), welche am 1.10.2001 in Tschechien in Kraft trat und den tschechischen Gesetzgeber zu einer schnellen Ausarbeitung eines Transplantationsgesetzes zwang.12 So finden sich auch in der amtlichen Begründung zahlreiche Hinweise auf die Biomedizinkonvention und das Zusatzprotokoll.13 Bislang hat die Tschechische Republik das Zusatzprotokoll aber nicht ratifiziert. Zwar wurde die Verabschiedung des Transplantationsgesetzes in der Tschechischen Republik begrüßt, aber es mehrten sich die Stimmen, welche die Ausarbeitung unter diesem enormen Zeitdruck kritisieren, da dies zu Lasten der Qualität des TZ gegangen sei.14 Es bleibt noch anzumerken, dass die Tatsache, dass die Biomedizinkonvention in Tschechien bereits vor der Verabschiedung eines Transplantationsgesetzes in Kraft getreten ist, dazu führt, dass sich der tschechische Gesetzgeber keinerlei Vorbehalte zu dieser ausbedingen konnte, da es im Zeitpunkt der Ratifikation keine bestehenden Regelungen gab, auf deren Bestand sich Tschechien hätte berufen können.15 Am 30.05.2002 hat dann das Tschechische Parlament Transplantationsgesetz verabschiedet und zwar das Gesetz 285/2002 Sb. über die Spende, Entnahme und Transplantation von Geweben und Organen und über die Änderung einiger Gesetze (TZ).16 Das TZ trat am 01.09.2002 in Kraft.
11
Cisarova, S. 127; Brychtova, S. 62. Brychtova, S. 36. 13 Additional Protocol to the convention on human rights and biomedicine concerning transplantation of organs and tissues of human origin, vgl. dazu unten, Kapitel 5, B. I. 1. 14 Brychtova, Spravni pravo 2002/5–6, 297; Buchtova, Zdravotnictvi a Pravo 2002/12, 2, 3 f. 15 Cisarova, trestni pravo, S. 141 – z. B. Spende von Nieren bei minderjährigen eineiigen Zwillingen. 16 Zakon c. 285/2002 Sb ze dne 30. kvetna 2002 o darovani, odberech a transplantacich tkani a organu a o zmene nekterych zakonu (transplantacni zakon). 12
248
Kap. 3: Rechtliche Ausgestaltung in der Tschechischen Republik
II. Regelungsgegenstand und Anwendungsbereich des TZ Das TZ regelt die Voraussetzungen der Entnahme und Transplantation von Organen und Gewebe menschlichen Ursprungs zu Heilungszwecken (vgl. § 1 TZ). Nicht vom Regelungsbereich des TZ erfasst ist die Xenotransplantation.17 § 2 TZ enthält einen Katalog von Legaldefinitionen für Organe, Gewebe, Zellen, Spender, Wartender, Empfänger, Entnahme, Spende und Transplantation für den Anwendungsbereich des TZ. Aus der Legaldefinition für Gewebe in § 2 lit. b TZ geht hervor, dass Blut und dessen Bestandteile, Geschlechtszellen (Ei und Samenzellen), embryonales und fetales Gewebe und Organe, Haare, Nägel, die Plazenta und Abfallprodukte des körperlichen Metabolismus aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen sind. Auffällig ist, dass der tschechische Gesetzgeber die Organ- und Gewebespende in einem Gesetz regelt. Leider wird nicht immer sinnvoll zwischen Regelungen zur Organspende bzw. Transplantation und Regelungen zur Gewebespende bzw. Transplantation differenziert. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Knochenmarkspende. Nach den allgemeinen Bestimmungen des Kapitels I regelt das Kapitel II in den §§ 3 bis 16 die Entnahme von Geweben und Organen. Dabei ist es in drei Abschnitte untergliedert. Abschnitt 1 regelt in den §§ 3 bis 9 die Organ- und Gewebespende ex vivo; Abschnitt 2 die postmortale Organentnahme in den §§ 10 bis 14. Abschnitt 3 besteht zum einen aus § 15, der die Pflicht zur Information nahe stehender Personen über die beabsichtigte postmortale Entnahme zum Inhalt hat und zum anderen § 16, welcher die Voraussetzungen eines möglichen Widerspruchs des Organspenders bzw. dessen gesetzlichen Vertreters regelt. § 17 ist der Auswahl und dem Schutz des Empfängers gewidmet. § 18 des Kapitel IV ist die zentrale Vorschrift für die Errichtung zahlreicher nationaler Register im Zusammenhang mit Organspende und Transplantation. In Kapitel V werden in den §§ 19 bis 25 die Pflichten der an der Transplantation von Gewebe und Organen beteiligten medizinischen Einrichtungen und Institutionen aufgeführt. Kapitel VI enthält in den §§ 26 ff. Regelungen zur internationalen Zusammenarbeit. Die Aufklärung der Öffentlichkeit über Organspende und Transplantation soll § 27 sicherstellen. § 28 verbietet den Organhandel und andere finanzielle Vorteile. Bußgeldvorschriften zur Ahndung der Verstöße gegen das TZ enthält Kapitel VIII. Kapitel IX beendet schließlich den ersten Teil des TZ mit Übergangsvorschriften. Fast der gesamte zweite Teil des TZ ist der Änderung oder Erweiterung zahlreicher von dem Transplantationsgesetz flankierter Gesetze vorbehalten. 17
Buchtova, Zdravotnictvi a Pravo 2002/12, 2, 4.
A. Normative Grundlagen in der Tschechischen Republik
249
Von besonderem Interesse ist dabei die Einfügung eines § 209 a in das Strafgesetzbuch, welcher den Organhandel unter Strafe stellt sowie die Normierung neuer Ordnungswidrigkeitentatbestände. Das Gesetz über die Gesundheitspflege von 1966 ist ebenfalls von den Änderungen betroffen, was unter anderem für die Finanzierung der Organentnahme maßgeblich ist. Das TZ endet mit § 39, welcher das Inkrafttreten des Gesetzes zum 01.09.2002 regelt. In den zwei Anlagen zum Gesetz finden sich zum einen ein Formularprotokoll zur Todesfeststellung (Anlage 1) sowie Regelungen zur Feststellung des Hirntodes (Anlage 2).
III. Ziele des TZ Im allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung18 heißt es, dass die Schaffung eines neuen Transplantationsgesetzes erforderlich wurde, da die Organ- und Gewebetransplantation mittlerweile fester Bestandteil der Gesundheitsfürsorge zur Lebensrettung oder zumindest Verbesserung der Lebensqualität sei. Neben medizinischen Vorteilen berge die Transplantation aber auch Risiken und Gefahren – sowohl medizinischer als auch rechtlicher Natur – für alle am Transplantationsprozess Beteiligten. So seien Vorschriften zur Aufklärung der Öffentlichkeit ebenso erforderlich wie zur Verhinderung des Missbrauchs und Kommerzialisierung der Organtransplantation. Ziel des Transplantationsgesetzes sei es, die rechtlichen Grundlagen für den gesamten Transplantationsvorgang zu statuieren und die Rechte der Lebendund der postmortalen Spender genauso zu sichern wie die der Empfänger. Des Weiteren soll das Gesetz den Anforderungen der Biomedizinkonvention und dem noch nicht in Kraft getretenen Zusatzprotokoll, betreffend die Organ- und Gewebetransplantation, gerecht werden. Dabei geht das Gesetz von folgenden grundlegenden Prinzipien aus19: 1. Vermutete Zustimmung zur postmortalen Organ- und Gewebeentnahme 2. Gerechtigkeit bei der Organ- und Gewebeallokation 3. Verpflichtende Registrierung der Empfänger auf einer nationalen Warteliste 4. Erfordernis eines unabhängigen Koordinierungszentrums für Transplantationen 18 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, S. 1 ff. 19 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, S. 1 ff.
250
Kap. 3: Rechtliche Ausgestaltung in der Tschechischen Republik
IV. Auf Grundlage des TZ ergangene gesetzliche Vorschriften Im Hinblick auf einige Unzulänglichkeiten des TZ, welche in der praktischen Umsetzung des Gesetzes zu Tage traten, erging am 25.09.2002 eine Regierungsverordnung20 zur Durchführung des TZ, welche am 11.10.2002 in Kraft trat. An zahlreichen Stellen ermächtigt das Gesetz das Gesundheitsministerium zum Erlass von Durchführungsvorschriften (provadecich predpisu). Dementsprechend sind bis zum heutigen Tag folgende Bekanntmachungen des Gesundheitsministeriums ergangen: 1. Bekanntmachung des Gesundheitsministeriums gemäß §§ 6 Abs. 5, 11 Abs. 3 TZ vom 03.10.2002, welche die näheren Bedingungen der Beurteilung der gesundheitlichen Eignung und den Umfang der Untersuchung des lebenden oder verstorbenen Organ- oder Gewebespenders zu Transplantationszwecken regelt (Bekanntmachung 434/2002 Sb).21 In der Anlage dieser Bekanntmachung findet sich eine Auflistung der Krankheiten, welche die Eignung des potentiellen Lebend- oder postmortalen Organspenders ausschließen können. Die Bekanntmachung ist am 11.10.2002 in Kraft getreten. 2. Bekanntmachung des Gesundheitsministeriums gemäß § 10 Abs. 7 TZ vom 01.09.2002 über die erforderliche fachliche Qualifikation der Ärzte, welche den Hirntod feststellen und bestätigen (Bekanntmachung 479/2002 Sb).22 3. Bekanntmachung des Gesundheitsministeriums vom 12.07.2004 gemäß § 18 Abs. 4 TZ über die Einzelheiten des Umfangs, welcher zwingend in das Nationale Register der nicht zustimmenden Personen mit der postmortalen Organentnahme einzutragen ist (Bekanntmachung 434/2004 Sb).23 Diese ist am 31.08.2004 in Kraft getreten. 20 Narizeni vlady c. 436/2002 Sb., kterym se provadi zakon c. 285/2002 Sb., o darovani, odberech a transplantacich tkani a organu a o zmene nekterych zakonu (transplantacni zakon). 21 Vyhlaska Ministerstva zdravotnictvi c.437/2002 Sb. ze dne 3. rijna 2002, kterou se stanovi blizsi podminky posuzovani zdravotni zpusobilosti a rozsah vysetreni zijiciho nebo zemreleho darce tkani a organu pro ucely transplantacni. 22 Vyhlaska c. 479/2002 Sb. ze dne 1. listopadu 2002, kterou se stanovi odborna zpusobilost lekaru zjistujicich smrt a lekaru provadejicich vysetreni potvrzujici nevratnost smrti pro ucely odberu tkani nebo organu urcenych pro transplantaci. 23 Vyhlaska c. 434/2004 Sb. ze dne 12. c ˇ ervence 2004 o podrobnostech rozsahu a obsahu povinneˇ uvádeˇných dat do Národního registru osob nesouhlasících s posmrtným odbeˇrem tkání a orgánu˚.
B. Postmortale Organspende
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4. Amtliche Mitteilung des Gesundheitsministeriums zum Widerspruchregister.24
V. Änderungen seit Inkrafttreten des TZ § 23 des Gesetzes zur Kontrolle des Handels mit Produkten, deren Besitz in der Tschechischen Republik aus Sicherheitsgründen eingeschränkt werden muss,25 welches am 16. Juni 2005 in Kraft trat, regelt Änderungen des TZ in § 21 und 26. Hinter § 26 TZ wurden §§ 26 a bis 26 g TZ eingefügt. §§ 26 ff. TZ regeln den Import und Export von Organen und Geweben. Die Einzelheiten des grenzüberschreitenden Organaustausches werden in Kapitel 5 erörtert.26 In § 29 TZ wurden zusätzliche Bußgeldtatbestände in Zusammenhang mit den §§ 26 ff. TZ ergänzt.
B. Postmortale Organspende Sowohl in medizinischer als auch in rechtlicher Hinsicht muss zwischen der Organ- und Gewebespende ex mortuo und ex vivo unterschieden werden. Der tschechische Gesetzgeber beachtet diese Differenzierung. Auch wenn die Lebendspende im TZ vorrangig geregelt wurde, soll aus systematischen Erwägungen, insbesondere im Hinblick auf den auch im tschechischen Transplantationsgesetz geltenden Subsidiaritätsgrundsatz27, zunächst die Regelung der postmortalen Organspende dargestellt und erörtert werden. Schließlich überwiegt sie auch im Hinblick auf ihre Quantität. 2006 gab es lediglich 3328 Nierenlebendspenden in der Tschechischen Republik. Die Anzahl der transplantierten postmortal gespendeten Nieren belief sich immerhin auf 36229, so dass die Lebendspende nicht einmal einen prozentualen Anteil von 10 Prozent erreicht.
24 Národní registr osob nesouhlasících s posmrtným odbe ˇ rem tkání a orgánu˚; Veˇstník ministersta zdravotnitctvi Ceske Republiky, Rocˇník 2004, Cˇástka 10, Str. 34. 25 Zakon c. 238/2005 Sb ze dne 16. cervna 2005 o kontrole obchodu s vyrobky, jejichz drzeni se v Ceske republice omezuje z bezpecnostnich duvodu, a o zmene nekterych zakonu. 26 Vgl. dazu unten, Kapitel 5, C. II. 27 Knap/Svestka/Jehlicka/Plecity, S. 246; Kordikova, Pravo a rodina 2004/7, 16, 21. 28 Statistik auf der Homepage des KST, www.kst.cz. 29 Statistik auf der Homepage des KST, www.kst.cz.
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Kap. 3: Rechtliche Ausgestaltung in der Tschechischen Republik
I. Beteiligte Akteure und Institutionen Ebenso wie in der Bundesrepublik Deutschland sind in der Tschechischen Republik eine Vielzahl von Personen und Institutionen in eine postmortale Organspende und die anschließende Organtransplantation eingebunden. Kapitel V des TZ regelt daher die Pflichten der medizinischen Einrichtungen im Zusammenhang mit der Organ- und Gewebespende sowie der Organund Gewebetransplantation. 1. Koordinacni stredisko transplantaci (KST) Eines der vier Grundprinzipien des TZ ist, wie eingangs dargelegt, die Errichtung eines unabhängigen Koordinierungszentrums.30 a) Gesetzliche Grundlage und Rechtsnatur Das Koordinierungszentrum für Transplantation (Koordinacni stredisko transplantaci, KST) wurde am 07.07.2003 zur Sicherstellung und Vermittlung von Transplantationen gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 TZ vom Gesundheitsministerium errichtet.31 Bei der Errichtung des KST hatte das Ministerium darauf zu achten, dass dessen Unabhängigkeit von den Transplantationszentren im Hinblick auf die räumliche, sachliche und technische Ausstattung sowie Lage der Zentren gewahrt wird (vgl. § 25 Abs. 1 Satz 2 TZ). Daher darf das Personal des Krankenhauses, welches gleichzeitig Transplantationszentrum ist, nicht in einem arbeitsrechtlichem oder vergleichbaren Verhältnis zu dem KST stehen (vgl. § 25 Abs. 1 Satz 3 TZ). Gemäß der Gesetzesbegründung zu § 25 TZ soll das KST als besondere Einrichtung der gesundheitlichen Fürsorge gemäß dem Gesetz über gesundheitliche Einrichtungen errichtet werden.32 Die Finanzierung der Aufgaben des KST erfolgt unmittelbar aus dem Haushalt des Gesundheitsministeriums. Dadurch wird die in § 25 Abs. 1 Satz 2 TZ vorgeschriebene Unabhängigkeit sichergestellt.33 Das KST ist 30 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, S. 1 ff. 31 Hlavackova, S. 43. 32 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 41. 33 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 41.
B. Postmortale Organspende
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eine öffentlich-rechtliche Gesundheitseinrichtung.34 Der medizinische Direktor des KST wird vom Gesundheitsministerium ernannt.35 Seit Juni 2006 ist das Management des KST gemäß ISO 9001:2000 zertifiziert.36 b) Rechte und Pflichten des KST Aufgabe des KST ist es, Transplantationen im Einklang mit den Erkenntnissen der modernen Medizin, Ethik und Recht zu koordinieren. Ziel des KST ist dabei, nach bestem Können zur Verbesserung der Lebensqualität bzw. Lebensrettung der Patienten auf den Wartelisten beizutragen.37 Die gesetzlich normierten Pflichten des KST ergeben sich überwiegend aus § 25 Abs. 2 TZ und stellen sich wie folgt dar: – Führung des Nationalen Warteregisters – Führung des Nationalen Spenderregisters von Geweben und Organen – Führung des Nationalen Empfängerregisters – Koordinierung der Entnahme- und Transplantationsteams der einzelnen Transplantationszentren – Organallokation – Erstellung eines Jahresberichts über die durchgeführten Entnahmen, Transplantationen und ihre Ergebnisse für das Ministerium38 – Koordinierung der Tätigkeit des Zentrums für die Suche nach Knochenmarkspendern – Koordinierung der internationalen Zusammenarbeit und Austausch von Organen und Geweben (mit Ausnahme von Knochenmark). Des Weiteren können dem KST gemäß § 25 Abs. 2 lit. i TZ weitere Aufgaben durch das Gesundheitsministerium übertragen werden. Bis dato sind keine weiteren hinzugekommen. Gemäß § 20 Abs. 1 TZ sind die medizinischen Einrichtungen zur Wahrung der Anonymität des postmortalen Spenders gegenüber dem Empfänger verpflichtet. Diese Regelung gilt folglich auch für das KST. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, die vertrauliche Behandlung von Spender34
Vgl. Art. I. des Statuts des KST vom 14.12.2004. Vgl. Art. IV. des Statuts des KST vom 14.12.2004. 36 Der Vyrocni zprava (Jahresbericht des KST) vom 28. Februar 2007, S. 9, ist unter www.kst.cz abrufbar. 37 Nachzulesen auf der Homepage des KST: www.kst.cz. 38 Der Vyrocni zprava (Jahresbericht des KST) 2005 vom 28. Februar 2006 und der Jahresbericht 2006 vom 28. Februar 2007 sind unter www.kst.cz abrufbar. 35
254
Kap. 3: Rechtliche Ausgestaltung in der Tschechischen Republik
daten sicherzustellen, wobei aber immer eine Identifikation des Spenders möglich bleiben muss. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, dass ein Spender mehreren Empfängern dienen kann.39 Wird also beim Spender nachträglich eine die Empfänger möglicherweise gefährdende Krankheit festgestellt, so muss die Möglichkeit bestehen, dass alle Empfänger ermittelt und ggfs. informiert werden können. Dies ist zum Schutz der Empfänger unerlässlich.40 Damit gilt auch in der Tschechischen Republik das grundlegende Prinzip der Anonymität des Spenders gegenüber dem Empfänger. Ein Verstoß hiergegen wird mit Geldstrafe in Höhe von bis zu 100.000 Kronen41 geahndet.42 Das KST, welches als Institution völlig neu gegründet wurde, kann auf keinerlei gewachsene Strukturen zurückgreifen. Der Gesetzgeber rechnete mit einem Übergangszeitraum von zwei Jahren seit Inkrafttreten des TZ. Ziel war es, dass bis dahin alle institutionellen Adressaten des TZ ihre Funktionen gemäß dem TZ aufnehmen. Dies ist mit Blick auf die Vielzahl der zu errichtenden Register nicht gelungen. Neben finanziellen, organisatorischen und strukturellen Anlaufschwierigkeiten musste sich das KST insbesondere gegenüber dem größten Transplantationszentrum in Prag (IKEM), welches bis dato eine Vielzahl der Aufgaben des KST erfüllte, positionieren und durchsetzen. Bis Mitte 2005 stellte das KST in Zusammenarbeit mit IKEM die Koordinierung der Transplantation sicher. Gemäß einem Protokoll zur Übergabe dieser Aktivitäten zum 1. April 2005 sind alle Koordinierungstätigkeiten und die Allokation von Organen in die Kompetenz des KST übergegangen.43 Die neuen Register sollen Ende 2007 zur Verfügung stehen.44 2. Spenderkrankenhäuser Nachfolgend werden die Rechte und Pflichten der tschechischen Spenderkrankenhäuser, wie sie sich auch dem TZ ergeben, dargestellt.
39 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 35. 40 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 35. 41 Das entspricht ca. 3.500 Euro. 42 Beverly, S. 26. 43 Vyrocni zprava (Jahresbericht des KST) 2005 vom 28. Februar 2006, S. 11. 44 Vyrocni zprava (Jahresbericht des KST) 2005 vom 28. Februar 2006, S. 11.
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a) Gesetzliche Grundlage und Rechtsnatur Auch wenn in § 21 Abs. 1 Satz. 1 TZ zunächst nur Einrichtungen, welche Gewebeentnahmen und Transplantation vornehmen dürfen, aufgeführt sind, so wird bei der genauen Lektüre des § 21 TZ in der Zusammenschau mit der Regelung des § 22 TZ deutlich, dass diese Vorschrift die Pflichten aller (Organ- und Gewebe) Spenderkrankenhäuser regelt. Die Erlaubnis zur Durchführung der Entnahme (von Organen und Geweben) und Transplantationen von Geweben und deren Umfang ergeben sich aus § 39 des Gesetzes Nr. 20/1966 Sb sowie dem Gesetze Nr. 160/1992 Sb. über die Gesundheitspflege in nicht staatlichen Einrichtungen (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 1 TZ). b) Rechte und Pflichten Aus § 21 Abs. 1 TZ ergeben sich eine Vielzahl von Rechten und Pflichten der Spenderkrankenhäuser.45 Der Rechte- und Pflichtenkatalog des § 21 Abs. 1 TZ ist aber nicht abschließend. So finden sich in zahlreichen weiteren Paragraphen des TZ, etwas verstreut, weitere Vorschriften, welche die Rechte und Pflichten der Spenderkrankenhäuser normieren. aa) Verpflichtung zur Spendermeldung Auch im tschechischen Transplantationsgesetz ist die Spendermeldung eher versteckt und nicht im zentralen Pflichtenkatalog der Spenderkrankenhäuser und Transplantationszentren geregelt. § 20 Abs. 2 TZ verpflichtet die medizinischen Einrichtungen, unverzüglich das nächste Transplantationszentrum über mögliche (mozny) Spender zu informieren. Das KST wird allein zum Zwecke der Allokation informiert und ist am Spendeprozess, anders als die DSO in Deutschland, nicht beteiligt. § 2 lit. c TZ enthält eine Legaldefinition eines möglichen Spenders. Demzufolge ist ein möglicher Spender ein Patient, bei dem mit Blick auf seinen Gesundheitszustand der Hirntod vermutet wird46 und die Möglichkeit einer Organ- oder Gewebeentnahme besteht. Als möglicher Spender kommt ebenfalls der Körper einer verstorbenen Person, bei welcher der Tod nachgewiesen wurde und die Möglichkeit einer Organ- oder Gewebeentnahme besteht, in Betracht (Vgl. § 2 lit. c 2. Halbsatz TZ). Der Blick auf § 22 Abs. 2 lit. d TZ, der das Transplantationszentrum verpflichtet, nach Erhalt der Information gemäß 45
Hlavackova, S. 41. Wann dieser Zustand vorliegt, ergibt sich aus der Anlage 2 zum TZ. Es handelt sich dabei um die erste Stufe der Hirntoddiagnose; siehe hierzu auch Kapitel 2, B. II. 1. a) aa). 46
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Kap. 3: Rechtliche Ausgestaltung in der Tschechischen Republik
§ 20 Abs. 2 TZ festzustellen, ob die Voraussetzungen für eine Entnahme (§§ 10 und 11 TZ) vorliegen, legt die Vermutung nahe, dass die Benachrichtigung des Transplantationszentrums bereits vor der Durchführung der Hirntoddiagnose erfolgen muss. Die Pflicht zur Spendermeldung ist erst nachträglich und scheinbar etwas zusammenhangslos in das Gesetz eingefügt worden. Einen Sanktionsmechanismus sieht das Gesetz nicht vor. Zwar enthalten die §§ 29 f. TZ Bußgeldvorschriften für den Fall der Nichterfüllung bestimmter durch das TZ vorgeschriebener Verpflichtungen oder eines Verstoßes gegen Verbotsnormen, insbesondere seitens der medizinischen Einrichtungen; der Verstoß gegen die Vorschrift des § 20 Abs. 2 TZ fällt allerdings nicht in den Bußgeldkatalog.47 Laut Auskunft des medizinischen Direktors des KST48 beteiligen sich derzeit rund 10 Prozent der Spenderkrankenhäuser an der Organspende. Überwiegend stammen die Spender aus den Krankenhäusern mit angeschlossenem Transplantationszentrum. Dies wird insbesondere darauf zurückgeführt, dass die Krankenhäuser das gesamte Spendermanagement in der Praxis nur über Pauschalen erstattet bekommen, aber kein eigenes Budget für die Organentnahme haben. Theoretisch ist die Versicherung des Empfängers verpflichtet, alle Kosten im Zusammenhang mit der Organentnahme zu erstatten. Problematisch ist allerdings, dass bei einer Multiorganentnahme einem Empfänger mehrere Spender von in der Regel unterschiedlichen Krankenkassen gegenüber stehen und derzeit kein System für eine anteilige Berechnung etabliert wurde. Der Direktor des KST war zurückhaltend im Hinblick auf die Aussage, dass es einen Mangel an Spenderorganen gäbe und bezweifelte, dass ein erhöhtes Spenderaufkommen mit den derzeitigen Kapazitäten (Entnahmeteams, Operationssäle, Intensivbetten für Organspender und Empfänger) überhaupt zu bewältigen sei.49 bb) Dokumentationspflichten § 21 Abs. 1 lit. f TZ verpflichtet die medizinischen Einrichtungen, alle Entnahmen und Transplantationen zu dokumentieren und den Verbleib bzw. 47 Dies wurde auch von Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 93 kritisch angemerkt. 48 Gesprächsinterview vom 21.05.2007 mit dem medizinischen Direktor und dem rechtlichen Berater des KST. 49 Gesprächsinterview vom 21.05.2007 mit dem Medizinischen Direktor und dem rechtlichen Berater des KST. Es bleibt ferner anzumerken, dass nach Ansicht der Verfasserin eine erhebliche Selektion beim Zugang zur Warteliste stattfindet.
B. Postmortale Organspende
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den Bestimmungsort der Gewebe und/oder Organe zu protokollieren. § 21 Abs. 2 TZ verpflichtet zudem das medizinische Personal, welches an der Entnahme oder Transplantation von Gewebe oder Organen mitgewirkt, die Verwendung (nakladani) der entnommenen Gewebe oder Organe im Protokoll, welches dem entnommenen Gewebe oder Organ beigefügt wird, zu vermerken. In diesem Protokoll sollen Datum und Ort der Entnahme und die endgültige Bestimmung der entnommenen Gewebe oder Organe vermerkt werden. Soweit die entnommenen Gewebe oder Organe für eine Transplantation verwendet werden, sind im Protokoll Datum, Ort und Empfänger zu vermerken. Soweit entschieden wurde, dass die entnommenen Gewebe oder Organe für eine Transplantation ungeeignet sind, wird protokolliert, warum sie für ungeeignet befunden wurden, ebenso die Art ihrer weiteren Verwendung. Das Protokoll muss dem KST innerhalb von 7 Tagen zugesandt werden. § 67 b des Gesetzes c. 20/1966 Sb. verpflichtet medizinische Einrichtungen zur Führung von Patientenakten. § 12 TZ konkretisiert diese Vorschrift, um die Führung der Patientenakten den Bedürfnissen einer späteren Transplantation anzupassen und normiert aufgrund der zahlreichen gesundheitlichen Risiken für den Empfänger erhöhte Anforderungen an diese Dokumentationspflichten. Zwar ist man bestrebt, insbesondere die Übertragung von Krankheiten durch umfangreiche Untersuchungen des Spenders zu verhindern, aber gerade im Bereich der postmortalen Organ- und Gewebespende wird oft gegen die Zeit gearbeitet. Es muss daher gewährleistet werden, dass die den Empfänger behandelnden Ärzte Zugang zu den Untersuchungsergebnissen und Krankenakten des Spenders haben.50 Daher sollen auch alle entnommen Organe und Gewebe und deren geplanter Verwendungszweck in der Krankenakte des Spenders vermerkt werden. § 17 Abs. 4 TZ dient der Sicherheit des Empfängers und bestimmt, dass in seiner Krankenakte auch gesundheitsrelevante Angaben über den Spender enthalten sein müssen. Obwohl eine Rückverfolgbarkeit des Spenders erforderlich ist, muss dennoch durch geeignete Vorkehrungen dessen Anonymität gewahrt werden. cc) Zusammenarbeit mit den Registern Die Spenderkrankenhäuser sowie die Transplantationszentren51 sind zur Zusammenarbeit mit den beim KST errichteten Registern verpflichtet. Es obliegen ihnen daher die folgenden Meldepflichten: 50 51
Mach, S. 253. Dies ergibt sich aus dem Verweis in § 22 Abs. 1 TZ.
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– Meldung der Personen, bei denen eine Entnahme durchgeführt wurde an das nationale Organ- und Gewebespenderegister (vgl. § 21 Abs. 2 lit. a TZ) – Meldung durchgeführter Transplantationen an das nationale Empfängerregister für Organe und Gewebe (vgl. § 21 Abs. 2 lit. b TZ) – Zusammenarbeit mit dem KST durch Weitergabe von Daten über Spender, über durchgeführte Gewebeentnahmen, über Gewebetransplantationen sowie Daten über das Follow-up der Empfänger von Gewebetransplantaten (vgl. § 21 Abs. 2 lit. c TZ) Darüber hinaus sind alle Entnahmeeinrichtungen verpflichtet, sich vor der geplanten Entnahme zu vergewissern, dass kein Widerspruch des Verstorbenen vorliegt. Daher obliegt den Entnahmeeinrichtungen die – Verpflichtung, vor der Entnahme im Widerspruchregister Informationen über einen möglichen Widerspruch einzuholen sowie den dort erklärten Widerspruch zu respektieren (vgl. § 21 Abs. 2 lit. d TZ) und die – Verpflichtung, sich zu vergewissern, dass kein Widerspruch in einer anderen gesetzlich wirksamen Form vorliegt und einen so erklärten Widerspruch ebenfalls zu respektieren (vgl. § 21 Abs. 2 lit. e TZ). dd) Spendereignung und Empfängerschutz Den Spenderkrankenhäusern obliegt ferner die Prüfung der Spendereignung zum Zwecke des größtmöglichen Schutzes der Empfänger. (1) Obduktionspflicht Gemäß § 13 Abs. 1 TZ ist der Körper eines jeden Verstorbenen, bei dem Organe oder Gewebe entnommen wurden, zu obduzieren. Eine unnatürliche Todesursache ist also in der Tschechischen Republik keine Obduktionsvoraussetzung. Die Obduktion soll in einem zeitlichen Rahmen durchgeführt werden, der es ermöglicht, Krankheiten, die eine Gefahr für den oder die Empfänger darstellen, so schnell wie möglich zu ermitteln, um gegebenenfalls eine erforderliche medizinische Behandlung der Empfänger einzuleiten.52 Im ersten Entwurf des TZ war vorgesehen, dass zunächst eine Organimplantation beim Empfänger bis zum Abschluss der Obduktion unterblei52
Vgl. § 12 Abs. 2 TZ.
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ben sollte, um das Risiko der Übertragung von Krankheiten noch weiter zu minimieren. Dies wurde aber im Hinblick darauf, dass dadurch letztendlich der Erfolg der Organtransplantation – z. B. wegen der Verlängerung der kalten Ischämiezeit – vereitelt würde, auf Protest der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Transplantationsmediziner fallen gelassen.53 Die Untersuchung des postmortalen Spenders gemäß § 11 Abs. 3 i. V. m. der Bekanntmachung 437/2002 Sb soll insoweit also zum Schutz der Empfänger ausreichend sein.54 § 14 stellt eine Pietätsvorschrift dar und soll einen würdevollen Umgang mit dem Leichnam, sowohl bei der Entnahme als auch der Obduktion gewährleisten. Ferner soll der Leichnam möglichst in seine ursprüngliche Form versetzt werden. (2) Spendereignung Gemäß § 11 Abs. 1 lit. b TZ darf eine Entnahme nicht erfolgen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Verstorbene an einer Krankheit oder einem Zustand litt, welche die Gesundheit oder das Leben des Empfängers gefährden könnten. Die Verantwortung für die Eignung des Spenders trägt die medizinische Einrichtung, welche die Entnahme durchführt. Gemäß § 11 Abs. 2 TZ schreibt der die Spendereignung beurteilende Arzt einen Vermerk über die Spendereignung. Dieser ist untrennbarer Bestandteil der Krankenakte des Spenders. Einzelheiten über die Voraussetzungen der Beurteilung der Spendereignung wurden gemäß § 11 Abs. 3 in der Bekanntmachung 437/2002 Sb.,55 welche die näheren Bedingungen der Beurteilung der gesundheitlichen Eignung und den Umfang der Untersuchung des lebenden oder verstorbenen Organ- oder Gewebespenders zu Transplantationszwecken regelt, normiert. In der Anlage dieser Bekanntmachung findet sich eine Auflistung der Krankheiten, welche die Eignung des potentiellen Lebend- oder Leichenspenders ausschließen können. Die Kommentarliteratur zum Thema Spendereignung und Empfängerschutz beschränkt sich auf einen Hinweis auf diese Regelung.56 Die Bekanntmachung mutet auf den ersten Blick aufgrund der medizinischen Fachter53
Teryngel, zdravotnictvi a Pravo 12/2002, S. 6, 7; Brychtova, S. 74. Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 27. 55 Vyhlaska Ministerstva zdravotnictvi c.437/2002 Sb. ze dne 3. rijna 2002, kterou se stanovi blizsi podminky posuzovani zdravotni zpusobilosti a rozsah vysetreni zijiciho nebo zemreleho darce tkani a organu pro ucely transplantaci. 56 Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 83. 54
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Kap. 3: Rechtliche Ausgestaltung in der Tschechischen Republik
mini sehr technisch an, so dass leicht der Eindruck entsteht, die Spendereignung ließe sich anhand objektiver medizinischer Kriterien bejahen oder verneinen. Dies ist aber, wie bereits in Kapitel 1 dargelegt, nicht der Fall und wird auch bei genauerer Betrachtung der Bekanntmachung 437/2002 Sb und der entsprechenden Anlage deutlich. § 2 Abs. 1 der Bekanntmachung Nr. 437/2002 Sb. stellt zunächst klar, dass der die medizinische Eignung beurteilende Arzt alle ihm zugänglichen Untersuchungsergebnisse der Beurteilung zu Grunde zu legen hat. Gemäß § 2 Abs. 1 der Bekanntmachung Nr. 437/2002 Sb sind bei der Beurteilung des Spenders die zu Lebzeiten vorgenommen Untersuchungsergebnisse sowie die Untersuchungsergebnisse post mortem zu berücksichtigen. Zur postmortalen Untersuchung gehören die Begutachtung des Verstorbenen, die Ergebnisse der Autopsie,57 serologische Tests (insbesondere zum Ausschluss von Syphilis, Hepatitis B und C sowie HIV). Ebenso ist die Organfunktion der Organe, welche zu Transplantationszwecken entnommen werden sollen, zu untersuchen. Darüber hinaus sollen Untersuchungen durchgeführt werden, um festzustellen, ob der Spender an einer Krankheit, Beeinträchtigung oder einem Zustand litt, welcher in der Anlage zu Bekanntmachung Nr. 437/2002 Sb aufgelistet ist. Die Zusatzuntersuchungen sollen aber nur dann erfolgen, wenn der untersuchende Arzt eine begründete Vermutung hat, dass eine solche Krankheit, Beeinträchtigung oder Zustand vorliegen.58 Folglich liegt es im ärztlichen Ermessen, zu beurteilen, wann zusätzliche Untersuchungen erfolgen sollen. § 2 Abs. 2 der Bekanntmachung Nr. 437/2002 Sb enthält eine weitere Auflistung von Aspekten, denen der untersuchende Arzt bei seiner Beurteilung Bedeutung zumessen sollte: – Anamnese – Todesursache – Alter – Besondere Anforderungen an die Funktion von Organen und Geweben, welche für eine Transplantation bestimmt sind – Überlebensfähigkeit der Organe und Gewebe, sofern dies für Ihre klinische Verwendung erforderlich ist – Makroskopische Untersuchungen, welche erst während der Entnahme durchgeführt werden können und im Zweifel eine Biopsie. 57 Bei Organen kann dies nur zu einer präventiven Behandlung des Empfängers berücksichtigt werden, da naturgemäß die Transplantation vor dem Vorliegen der Autopsieergebnisse erfolgt. 58 Vgl. § 2 Abs. 2 lit d 2 der Bekanntmachung Nr. 437/2002 Sb.
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§ 2 Abs. 3 der Bekanntmachung Nr. 437/2002 Sb regelt schließlich, wann eine Spendereignung nicht attestiert werden kann: – Funktionsuntauglichkeit der zu spendenden Organe – wenn festgestellt wurde, dass der Spender an einer Krankheit, Beeinträchtigung oder einem Zustand litt, welcher in der Beilage zur Bekanntmachung Nr. 437/2002 Sb aufgelistet ist – die Organentnahme erst nach 12 Stunden (wenn keine Kühlung des Körpers erfolgt ist) bzw. 24 Stunden (wenn eine Kühlung auf 4ºC erfolgt ist) erfolgen würde oder – die Durchführung der Transplantation von Organen oder Geweben der Gesundheit des Empfängers mehr schaden als nutzen würde. § 2 Abs. 4 der Bekanntmachung Nr. 437/2002 Sb erklärt dann aber die Attestierung der Spendereignung trotz Ungeeignetheit des Spenders für zulässig, sofern das Risiko für das Leben des Empfängers bei Nichtfreigabe dieses Spenders im Vergleich zu einer lebensrettenden Transplantation zu vernachlässigen wäre. Offen bleibt, ob die Abwägung im Hinblick auf den konkreten Empfänger gemeint sein soll, oder aufgrund des chronischen Organmangels im Allgemeinen die Verwendung von Organen mit erweiterten Spenderkriterien legitimiert. Auch hier wird schnell deutlich, dass § 2 Abs. 3 der Bekanntmachung Nr. 437/2002 Sb. bei der Beurteilung der Spendereignung die Ausübung ärztlichen Ermessens voraussetzt. Die Auflistung der Krankheiten und Zustände, welche eine Organentnahme ausschließen sollen, ist keine Auflistung von absoluten Kontraindikationen. So liegt es im Ermessen des Arztes, zu beurteilen, wann ein Verdacht auf eine Creutzfeldt-Jakob- oder andere Prionenerkrankungen vorliegt oder welches Verhalten das Risiko einer HIVErkrankung erhöht. Die Hepatitisinfektion ist bei positiven Empfängern ebenfalls keine absolute, sondern nur eine relative Kontraindikation. Interpretationsfähig ist auch die nicht ausreichende Funktionsfähigkeit der zur Transplantation bestimmten Organe oder Gewebe. Folglich muss, abgesehen von einigen absoluten Kontraindikationen59, eine Risikoabwägung hinsichtlich der Verwendung von Organen mit erweiterten Spenderkriterien erfolgen. Die Bekanntmachung 437/2002 Sb kann dem die Spendereignung beurteilenden Arzt allenfalls Entscheidungshilfen an die Hand geben. Die Einzelfallabwägung, ob ein unter Umständen nicht optimal geeignetes Organ zu Transplantationszwecken zu verwenden ist, muss meines Erachtens aber dem den Empfänger behandelnden Arzt obliegen, der dabei die Unter59
HIV, aktive TBC, +HBsAg, VHC, Malaria und fulminante Sepsis sowie bestimmte maligne Tumoren, vgl. Präsentation von Eva Pokorna, Stefan Vitko (IKEM), nachzulesen unter www.transplant.cz.
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suchungsergebnisse des den Spender examinierenden Arztes zugrunde legt. Hier wurde also offensichtlich übersehen, dass diese beiden Ärzte regelmäßig nicht personenidentisch sind. ee) Nachsorge für Empfänger und Lebendspender § 21 Abs. 2 lit. g i. V. m. § 22 Abs. 2 TZ verpflichtet die Spenderkrankenhäuser und Transplantationszentren zudem, die medizinische Sonderversorgung der Lebendspender als auch der Transplantatempfänger sicherzustellen. Zugunsten von Lebendspendern ist der Abschluss einer Versicherung für den Fall eines gesundheitlichen Schadens, welcher dem Lebendspender im Zusammenhang mit der Entnahme erwachsen könnte, abzuschließen. Der Versicherungsumfang muss in angemessenem Verhältnis zu den mit der Entnahme verbundenen Risiken stehen (vgl. § 21 Abs. 2 lit. h TZ).60 ff) Pflichten im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit § 23 des Gesetzes zur Kontrolle des Handels mit Produkten, deren Besitz in der Tschechischen Republik aus Sicherheitsgründen eingeschränkt werden muss,61 fügte dem Pflichtenkatalog des § 21 TZ noch einen weiteren Buchstaben hinzu. In § 21 Abs. 1 lit. i TZ heißt es nunmehr, dass die Gesundheitseinrichtungen zur Ein- oder Ausfuhr von Organen und Geweben im Rahmen des internationalen Austausches gemäß § 26 eine Ein- bzw. Ausfuhrgenehmigung des Ministeriums benötigen. gg) Sonstige Pflichten Die in § 20 Abs. 1 TZ normierte Verpflichtung zur Wahrung der Anonymität zwischen Spender und Empfänger gilt auch für die Spenderkrankenhäuser. § 19 TZ regelt zudem weitere Informationspflichten der medizinischen Einrichtungen, welche Entnahmen und Transplantationen von Geweben und Organen durchführen.
60 Die Gesetzesbegründung und das Schrifttum schweigen leider zu den Details einer solchen Versicherung. 61 Zakon c. 238/2005 Sb ze dne 16. cervna 2005 o kontrole obchodu s vyrobky, jejichz drzeni se v Ceske republice omezuje z bezpecnostnich duvodu a o zmene nekterych zakonu.
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3. Transplantationszentren In der Tschechischen Republik gibt es derzeit insgesamt sieben Transplantationszentren62, welche alle ein Nierentransplantationsprogramm haben. Es gibt darüber hinaus je zwei Programme für die Herz- und die Lebertransplantation63, eines für Lungen64 und eines für Pankreastransplantation.65 a) Gesetzliche Grundlage der Transplantationszentren Gemäß § 22 Abs. 1 TZ dürfen Transplantationszentren nur mit Genehmigung des Gesundheitsministeriums und zwar als Teil eines Krankenhauses errichtet werden.66 Der Umfang, in welchem ein Transplantationszentrum zur Durchführung von Entnahmen und Transplantationen von Knochenmark und Organen berechtigt ist, ergibt sich aus der Entscheidung über die Berechtigung einer medizinischen Einrichtung, welche aufgrund einer gesonderten gesetzlichen Vorschrift67 ergeht (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 2 TZ). b) Rechte und Pflichten der Transplantationszentren Zunächst treffen die Transplantationszentren die gleichen Pflichten wie die übrigen Spenderkrankenhäuser. Dies ergibt sich aus § 22 Abs. 2 TZ. Darüber hinaus erweitert sich der Pflichtenkatalog der Transplantationszentren gemäß § 22 Abs. 2 a bis e TZ. Von herausragender Bedeutung sind die Befugnisse der Transplantationszentren im Hinblick auf die Entscheidung über die Aufnahme in die Warteliste und Zusammenarbeit mit dem KST bei der Erstellung der Allokationsregeln. Gemäß § 22 Abs. 2 lit. a TZ sind die Transplantationszentren zunächst verpflichtet, Personen, die für eine Transplantation indiziert sind, an das Warteregister zu melden. Mittlerweile wurde ein solches Register beim KST errichtet. Diese Registrierung ist zwingende Vorraussetzung, um bei der konkreten Allokation berücksichtigt zu werden (vgl. § 22 Abs. 2 lit. b TZ). Dennoch besteht häufig die Gefahr, dass nicht alle Personen, welche für eine Transplantation indiziert sind, auch wirklich über die Möglichkeit der Transplantation informiert werden. Bereits an dieser Stelle sei darauf 62
Zwei in Prag, Brünn, Ostrau, Olmütz, Pilsen, Königsgrätz. IKEM in Prag, Brünn. 64 Motol in Prag. 65 IKEM in Prag. 66 Hlavackova, S. 42. 67 Zakon c ˇ . 160/1992 Sb. o zdravotni pécˇi v nestátních zdravotnických zarˇízeních ve zneˇní pozdeˇjších prˇedpisu˚. 63
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hingewiesen, dass keine verbindlichen Regelungen existieren, anhand derer über die Aufnahme in die Warteliste entschieden wird. Die Entscheidung über die Aufnahme oder Nichtaufnahme liegt allein bei den Transplantationszentren. Auch wenn das Register vom KST geführt wird, überprüft dieses nicht die Voraussetzungen der Registrierung. Gemäß § 22 Abs. 2 lit. c TZ sind die Transplantationszentren verpflichtet, darüber hinaus mit dem KST bei der Auswahl des am besten geeigneten Empfängers des Organs zusammenarbeiten. Sie wirken folglich auch bei der Erstellung der Allokationsregeln mit. Die Bedenken, hinsichtlich der Kompetenz der Transplantationszentren über die Aufnahme in die Warteliste zu entscheiden als auch deren Beteiligung an der Erstellung der Allokationsregeln, werden unten ausführlich dargelegt.68 4. Register Das TZ sieht vier wichtige Register vor.69 Drei dieser Register sind dem KST unterstellt und sollen Ende 2007 in Betrieb genommen werden70: a) Nationales Warteregister § 18 Abs. 1 TZ regelt die Errichtung eines Nationalen Registers der Personen, welche auf eine Organtransplantation warten (Warteregister). In § 18 Abs. 4 TZ ist bestimmt, dass Einzelheiten der im Warteregister zu erfassenden Daten durch ministerielle Bekanntmachung geregelt werden. Diese gibt es bis dato nicht. Das nationale Warteregister ist mittlerweile beim KST angesiedelt. Es verknüpft die Wartelisten aller Transplantationszentren zu einem nationalen Register. So gibt es für jedes Organ eine nationale Warteliste. Daneben bestehen noch zentrumseigene Wartelisten.71 Auch in Tschechien ist die Warteliste als ein Registrierungssystem zu verstehen, der Rang der Patienten beurteilt sich dabei täglich anhand der definierten Allokationsregeln neu, sobald ein Organangebot vorliegt. b) Nationales Spenderregister Gewebe und Organe Im nationalen Spenderregister für Gewebe und Organe werden alle Spender postmortal und lebend gespendeter Organe und Gewebe erfasst. Dieses 68 69 70 71
Vgl. dazu unten Kapitel 3, B. III. 2. a). Kordikova, Pravo a rodina 2004/8, 15, 17; Hlavackova, S. 40. Vyrocni zprava (Jahresbericht des KST) 2005 vom 28. Februar 2006, S. 11. Vgl. Ausführungen unter Kapitel 3, B. III. 2. d) aa).
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Register wird beim KST Ende 2007 in Betrieb genommen. Leider ist im Hinblick auf die Lebendspende nicht vorgesehen, dieses Register für das Follow-up des Lebendspenders und die Evaluierung der Auswirkungen der Lebendspende auf den Spender zu untersuchen. c) Nationales Empfängerregister Auch das nationale Empfängerregister gilt für die Empfänger von Organen und Geweben aus postmortaler und Lebendspende. Es soll ebenfalls Ende 2007 beim KST in Betrieb genommen werden. Derzeit ist über die zahlenmäßige Erfassung der Empfänger hinaus kein weitergehendes Follow-up oder eine Analyse der Transplantationsergebnisse mittels des Registers vorgesehen. d) Nationales Register der Personen, welche der postmortalen Entnahme von Geweben und Organen nicht zustimmen (NROD) Neben den drei Registern, welche der Leitung der KST unterstellt sind, regelt § 18 Abs. 1 TZ die Errichtung des Nationalen Registers der Personen, welche der postmortalen Entnahme von Geweben und Organen nicht zustimmen (NROD72), im Nachfolgenden nur noch Widerspruchsregister genannt. Aus § 18 Abs. 3 TZ ergibt sich die Zuständigkeit des sog. Koordinierungszentrums für Ressortgesundheitssysteme (KRZIS) für den Betrieb des Widerspruchsregisters. Das Register wurde, anders als die drei anderen die Organspende und Transplantation betreffenden Register, nicht der Leitung des KST unterstellt, um den Vorwurf von Interessenkonflikten von vornherein auszuschließen.73 Über die Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen wacht die Behörde für Information und Statistik im Gesundheitswesen (UZIS CR). Einzelheiten ergeben sich aus § 18 Abs. 2 TZ, welcher auf weitere datenschutzrechtliche Bestimmungen verweist. Nachfragen beim KRZIS haben ergeben, dass bis dato circa 600 Personen in der Tschechischen Republik die Möglichkeit genutzt haben, sich im Widerspruchsregister registrieren zu lassen. Weitere Einzelheiten zu diesem Register, welches bereits frühzeitig in Betrieb genommen wurde, ergeben sich aus einer amtlichen Mitteilung des Gesundheitsministeriums zum Widerspruchsregister sowie der Bekanntmachung des Gesundheitsministeriums vom 12.07.2004 gemäß § 18 Abs. 4 TZ über die Einzelheiten des Umfangs der 72
Narodni registr osob nesouhlasicich s posmrtnym odberem tkani a organu. Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 22. 73
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zwingend in das Widerspruchregister einzutragenden Daten (Bekanntmachung 434/2004 Sb)74, welche am 31.08.2004 in Kraft getreten ist. Auf die Art und den Inhalt der Registrierung wird bei der Erörterung der konkreten Ausgestaltung der Widerspruchslösung näher eingegangen.75
II. Zentrale rechtliche Voraussetzungen der postmortalen Organspende Die zentralen Voraussetzungen der postmortalen Organentnahme in der Tschechischen Republik finden sich in § 10 TZ, welcher die Feststellung des Todes regelt, § 11 TZ, welcher die Gründe, die einer postmortalen Organentnahme entgegenstehen, normiert sowie in § 16 TZ, welcher schließlich die näheren Details des Widerspruchs regelt. 1. Tod des Organspenders Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 TZ ist eine postmortale Entnahme von Geweben und Organen nur zulässig, wenn der Tod des Spenders festgestellt wurde. Anders als das TPG enthält das TZ eine juristische Definition des Todes.76 So ist der Tod in § 2 lit. e TZ als irreversibler Verlust der gesamten Gehirnfunktionen, einschließlich des Hirnstammes legaldefiniert. Kriterien des Todes sind gemäß § 10 Abs. 3 lit. a TZ der irreversible Ausfall der Herzkreislauffunktionen oder gemäß § 10 Abs. 3 lit. b TZ der irreversible Verlust der gesamten Gehirnfunktionen, einschließlich des Hirnstammes (Hirntod)77, bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Atmung und Herzkreislauffunktion.78 Die Todesfeststellung muss in beiden Fällen durch zwei voneinander unabhängige, entsprechend qualifizierte Ärzte erfolgen.79 Diese dürfen weder an der Entnahme noch an der Transplantation beteiligt sein.80 Ebenso von den Untersuchungen zur Todesfeststellung ausgeschlossen sind die den Empfänger behandelnde Ärzte (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 74 Vyhlaska c. 434/2004 Sb. ze dne 12. c ˇ ervence 2004 o podrobnostech rozsahu a obsahu povinneˇ uvádeˇných dat do Národního registru osob nesouhlasících s posmrtným odbeˇrem tkání a orgánu˚. 75 Vgl. dazu unten, Kapitel 2, B. II. 2. b) bb). 76 Brychtova, S. 72; Beverly, S. 44. 77 Vgl. Cisarova, S. 130. 78 Hierbei handelt es sich um den sog. dissoziierten Hirntod. 79 Jakesova, Zdravotnictvi a Pravo 2005/5, 28, 30. 80 Hlavackova, S. 37.
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TZ).81 § 10 Abs. 7 TZ ermächtigt das Gesundheitsministerium zur Festlegung der fachlichen Qualifikation der Ärzte, welche die Hirntoddiagnose vornehmen dürfen, mittels Bekanntmachung. Von dieser Kompetenz hat das Ministerium Gebrauch gemacht und die Bekanntmachung 479/2002 Sb verabschiedet.82 Die Todesfeststellung ist genauestens in einem Protokoll entsprechend Anlage 1 zum TZ zu protokollieren. a) Nachweisverfahren bei dissoziiertem Hirntod (Hirntoddiagnose) Der Nachweis des Hirntodes kann erfolgen, wenn sich der Patient in einem Zustand befindet, auf dessen Grundlage eine Hirntoddiagnose in Erwägung zu ziehen ist (vgl. § 10 Abs. 5 a TZ). Es müssen daraufhin die klinischen Symptome des Hirntodes festgestellt werden (vgl. § 10 Abs. 5 b TZ) und im Anschluss daran die Irreversibilität des Hirntodes (vgl. § 10 Abs. 5 b TZ). Das TZ zeichnet also, ebenso wie die Richtlinien der Bundesärztekammer, ein dreistufiges Diagnoseschema vor. Darüber hinaus finden sich in Anlage Nr. 2 zum TZ Erläuterungen zu den einzelnen Stufen der Hirntoddiagnose. So beschreibt lit. A der Anlage den Zustand, aufgrund dessen eine Hirntoddiagnose in Erwägung gezogen werden kann. Lit. B listet die klinischen Symptome des Ausfalls der Hirnfunktionen auf. Lit. C erläutert, mittels welcher apparativer Untersuchungen die Irreversibilität des Hirntodes nachgewiesen werden kann.83 § 10 Abs. 7 TZ ermächtigt das Gesundheitsministerium darüber hinaus zur Festlegung der Einzelheiten zur Durchführung der Untersuchung der klinischen Symptome des Ausfalls der Hirnfunktionen sowie der Untersuchungen zum Nachweis der Irreversibilität des Hirntodes. Gleiches gilt für die Untersuchung des irreversiblen Ausfalls der Herzkreislauffunktion. Von dieser Ermächtigung hat das Ministerium derzeit noch keinen Gebrauch gemacht. Laut Gesetzesbegründung zu § 10 TZ wurde die Form einer Bekanntmachung einer gesetzlichen Regelung durch Parlamentsgesetz vorgezogen, um möglichst flexibel auf mögliche Veränderungen des medizinischen Entwicklungsstandes reagieren zu können.84 In der Literatur wird die Befürch81
Hlavackova, S. 37. Vyhlaska c. 479/2002 Sb. ze dne 1. listopadu 2002, kterou se stanovi odborna zpusobilost lekaru zjistujicich smrt a lekaru provadejicich vysetreni potvrzujici nezvratnost smrti pro ucely odberu tkani nebo organu urcenych pro transplantaci. 83 Im Hinblick auf die Hirntoddiagnose kann im Wesentlichen auf die Ausführungen oben in Kapitel 2, B. II. 1. a) cc) verwiesen werden. 84 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 24 f. 82
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Kap. 3: Rechtliche Ausgestaltung in der Tschechischen Republik
tung geäußert, dass die gewählte detaillierte Regelung der Todesfeststellung in Form eines Parlamentsgesetzes in Zukunft im Hinblick auf die rasch fortschreitende medizinische Entwicklung die Ärzte an der für Toderklärung des Patienten hindern könne und somit die Möglichkeit einer Organbzw. Gewebeentnahme reduziere.85 Diese Befürchtung vermag die Verfasserin nicht zu teilen, denn die gesetzlichen Vorschriften zur Hirntoddiagnose sind rudimentär. Für die Detailregelungen wurde die Form einer Bekanntmachung gewählt. b) Organentnahme bei irreversiblem Ausfall der Herzkreislauffunktion (NHBD) Erfolgt der Nachweis durch Feststellung des irreversiblen Herzkreislaufstillstandes, sind weitere in § 10 Abs. 4 TZ normierte Voraussetzungen zu erfüllen, damit eine Organentnahme zulässig ist. Zwar ermächtigt § 10 Abs. 7 Satz 2 TZ das Ministerium, Einzelheiten hinsichtlich der erforderlichen Untersuchungen zur Feststellung des Todes und der Irreversibilität des Herzkreislaufstillstandes zu normieren. Von dieser Ermächtigung wurde derzeit aber noch nicht Gebrauch gemacht. Es handelt sich dabei um eine Organentnahme beim herzkreislauftoten Spender (Non-Heart-Beating-Donor).86 Gemäß § 10 Abs. 4 TZ ist neben NHB-Spendern der Maastricht Kategorie IV nur eine Entnahme im Rahmen der Maastricht Kategorie II zulässig. So ist gemäß § 10 Abs. 4 lit. a TZ eine Organentnahme vor Ablauf einer Zweistundenfrist nach Feststellung des irreversiblen Herzkreislaufstillstandes nur zulässig, wenn der Zeitpunkt der Todesfeststellung bekannt ist und der Tod in einer medizinischen Einrichtung – namentlich auf der Intensivstation, im Operationssaal oder in der Notfallaufnahme festgestellt wurde. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 lit. b TZ müssen kumulativ hinzutreten. Demzufolge müssen der Todesfeststellung erfolglose Wiederbelebungsmaßnahmen vorangegangen sein. Die Wiederbelebungsmaßnahmen müssen von einem Arzt mindestens 30 Minuten mittels künstlicher Beatmung und Herzmassage durchgeführt worden sein. Sinn und Zweck dieser Regelung besteht darin, Kenntnis über den ungefähren Zeitpunkt des Beginns der warmen Ischämiezeit zu haben.87 Nachfolgende Übersicht verdeutlicht, welche Maastricht Kategorien gesetzlich zulässig sind und ob ein entsprechendes Transplantationsprogramm existiert: 85
Cisarova, S. 130. Zur Terminologie vgl. Kapitel 1, B. I. 4. a). 87 Gesprächsinterview vom 21.05.2007 mit dem Medizinischen Direktor und dem rechtlichen Berater des KST. 86
B. Postmortale Organspende
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Maastricht Kategorie
Gesetzliche Zulässigkeit
Programm
I
Nein
Nein
II
Ja
III
Nein
IV
Ja
Experimentelles Stadium 88
Nein Nein
Auch wenn das tschechische Transplantationsgesetz die NHB-Spende gemäß der Maastricht Kategorie II zulässt, so befindet sich diese Form der postmortalen Organentnahme noch in einem experimentellen Stadium. Die klinische Praxis wurde erstmalig in Pilsen im Januar 2002 aufgenommen. Im Zeitraum von 2002 bis 2004 gab es im Rahmen dieses Programms acht Spender, denen insgesamt 16 Nieren entnommen wurden. Neun dieser Nieren wurden transplantiert. Organe eines NHB-Spenders gelten stets als marginale Organe. Das Protokoll sah eine No-Touch-Phase89 von 5 bis 10 Minuten vor.90 2. Gesetzliche Ausgestaltung der Widerspruchslösung Der tschechische Gesetzgeber hat sich für eine strenge (enge) Widerspruchslösung entschieden. Demzufolge ist eine postmortale Organentnahme zulässig, wenn der Verstorbene dieser zu Lebzeiten nicht widersprochen hat. Liegt kein Widerspruch vor, so wird die Zustimmung zur Organspende vermutet. Ein Großteil der EU-Mitgliedstaaten hat sich für die Widerspruchslösung entschieden.91 Nachfolgend wird die gesetzliche Ausgestaltung der Widerspruchslösung in der Tschechischen Republik dargestellt, denn Widerspruchslösung ist nicht gleich Widerspruchslösung. So bestehen Unterschiede dahingehend, wer neben dem Verstorbenen widerspruchberechtigt ist und auch, welche gesetzlichen Anforderungen an einen wirksamen Widerspruch gestellt werden. Darüber hinaus stellt sich noch die Frage, inwieweit ein bedingter Widerspruch zulässig ist. Abschließend ist dann noch die Umsetzung der tschechischen Widerspruchslösung in der täglichen Praxis zu untersuchen. 88
Aktive Sterbehilfe ist in der Tschechischen Republik unzulässig. Begriffserklärung oben in Kapitel 1, B. I. 4. a). 90 Diese Informationen stammen aus einer Präsentation von Dr. Hasman und Kollegen, welche der Bearbeiterin freundlicherweise vom KST zur Verfügung gestellt wurden. 91 Vgl. dazu Kapitel 4, Tabelle 4.1. 89
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Kap. 3: Rechtliche Ausgestaltung in der Tschechischen Republik
a) Widerspruchsberechtigter § 11 Abs. 1 lit. a TZ bestimmt, dass eine Organentnahme zulässig ist, wenn ihr der Verstorbene oder dessen gesetzlicher Vertreter zu Lebzeiten nicht gemäß § 16 TZ widersprochen hat. Kann ein Widerspruch nicht nachgewiesen (prokazano) werden, so gilt, dass der Verstorbene der Organentnahme zugestimmt hat (vgl. § 16 Abs. 3 TZ). Widerspruchsberechtigt ist gemäß § 16 Abs. 1 TZ zunächst einmal der Verstorbene. Naturgemäß muss der Widerspruch dann zu Lebzeiten erfolgt sein. Im Falle einer minderjährigen oder geschäftsunfähigen Person kann der Widerspruch vom gesetzlichen Vertreter erklärt werden (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 1 lit. c TZ). Die Vorschrift wurde erst nachträglich im Gesetzgebungsverfahren eingefügt. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 TZ ist der gesetzliche Vertreter über die Möglichkeit, einen Widerspruch nach § 16 Abs. 1 Satz 1 lit. c TZ zu erklären, aufzuklären. Es fällt aber auf, dass keine Regelung für den Fall getroffen wurde, dass sich beide Elternteile nicht einig werden. Folglich ist davon auszugehen, dass jedem Elternteil ein Vetorecht zusteht92, denn nach dem Tschechischen Bürgerlichen Gesetzbuch steht das Sorgerecht beiden Elternteilen gemeinsam zu.93 Die Besonderheit besteht darin, dass der Vertreter den Widerspruch sowohl zu Lebzeiten des Vertretenen, als auch noch nach dessen Tod in Anwesenheit des behandelnden Arztes sowie eines weiteren Zeugen erklären kann. Allerdings hat der Gesetzgeber es versäumt, einen zeitlichen Rahmen für die Entscheidung der Vertretungsberechtigten „nach dem Tod“ des Vertretenen gesetzlich zu verankern.94 Nicht möglich ist hingegen die Registrierung des Vertretenen durch den Vertreter im Widerspruchsregister. Ein stellvertretendes oder gar eigenes Widerspruchsrecht für die Angehörigen, außer im Falle der gesetzlichen Vertretung, sieht das TZ nicht vor.95 Der Gesetzgeber lehnte die Möglichkeit eines stellvertretenden Widerspruchs durch Familienangehörige unmissverständlich ab. Ein solches stellvertretendes Widerspruchrecht berge die Gefahr, nicht der Wille des Verstorbenen – und dieser sei allein maßgeblich – sondern der Wille der Angehörigen würde umgesetzt.96
92
Brychtova, S. 78. Kordikova, Pravo a rodina 2004/8, 16, 17. 94 Beverly, S. 20. 95 Knap/Svestka/Jehlicka/Plecity, S. 253; Brychtova, S. 76; Beverly, S. 21. 96 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 29. 93
B. Postmortale Organspende
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b) Gesetzliche Anforderungen an den Widerspruch Nachfolgend werden die gesetzlichen Anforderungen an die wirksame Erklärung eines Widerspruchs zur postmortalen Organentnahme dargestellt. aa) Widerspruch gemäß § 16 Abs. 1 TZ Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 TZ gilt der Widerspruch als nachweislich erklärt (nesouhlas se povazuje za prokazatelne vysloveny), wenn entweder der Verstorbene seinen Widerspruch im nationalen Widerspruchsregister (NROD) registriert hat (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 2 lit. a TZ) oder noch zu Lebzeiten in einer medizinischen Einrichtung vor dem behandelnden Arzt und einem weiteren Zeugen seinen Widerspruch zur postmortalen Organentnahme erklärt hat (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 2 lit. b TZ). Anstelle des minderjährigen oder geschäftsunfähigen Verstorbenen kann der gesetzliche Vertreter in einer medizinischen Einrichtung vor dem behandelnden Arzt und einem weiteren Zeugen den Widerspruch zur postmortalen Organentnahme für den Vertretenen erklären (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 2 lit. c TZ). Erfolgt die Erklärung des Widerspruchs gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 lit. b oder c TZ, so bestimmt § 16 Abs. 2 TZ, dass der Widerspruch protokolliert und von den Beteiligten zu unterschreiben ist. Die Protokollierung wird untrennbarer Bestandteil der Krankenakte. Die medizinische Einrichtung ist zudem verpflichtet, innerhalb einer Dreitagesfrist die protokollierte Erklärung an das Widerspruchsregister weiterzuleiten. Die Errichtung des nationalen Widerspruchsregisters ist, wie oben dargelegt, in § 18 TZ geregelt. In dem Bestreben, ein mit der Biomedizinkonvention und dem Zusatzprotokoll zu vereinbarendes Transplantationsgesetz zu schaffen, sieht der tschechische Gesetzgeber die Erforderlichkeit, jeder Person ein Widerspruchsrecht hinsichtlich der postmortalen Organ- und Gewebespende einzuräumen.97 Zur Erhöhung der Rechtssicherheit ist im TZ die Errichtung des nationalen Widerspruchsregisters normiert, in dem sich Personen, welche einer postmortalen Organentnahme nicht zustimmen, registrieren lassen können.98 Um sicherzustellen, dass ein solcher Widerspruch Beachtung findet, sind die behandelnden Ärzte verpflichtet, vor der geplanten Organ- oder Gewebeentnahme das Vorliegen bzw. nicht Vorliegen eines Widerspruchs durch Einsicht in das Register zu prüfen.99 97 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 29. 98 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 29.
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Kap. 3: Rechtliche Ausgestaltung in der Tschechischen Republik
bb) Registrierung im Widerspruchregister Wie die Registrierung im Widerspruchsregister zu erfolgen hat, ist im TZ selbst nicht geregelt. In § 18 Abs. 4 TZ ist lediglich geregelt, welche Daten für eine Registrierung erforderlich sind. Dies sind Vor- und Zuname, Geburtsort und Adresse. Weitere Einzelheiten dazu sind der Bekanntmachung des Gesundheitsministeriums vom 12.07.2004 gemäß § 18 Abs. 4 TZ über die Einzelheiten des Umfangs, der zwingend in das Widerspruchregister einzutragenden Daten (Bekanntmachung 434/2004 Sb),100 welche am 31.08.2004 in Kraft trat, zu entnehmen. In der amtlichen Mitteilung des Gesundheitsministeriums wird die Nutzung des auf der Homepage des Widerspruchsregisters zur Verfügung stehenden Formulars, welches man sich auch zuschicken lassen kann, empfohlen.101 Eine Verpflichtung, es zu nutzen, besteht aber, wie sich aus dem Wortlaut der amtlichen Mitteilung ergibt, nicht. Eine telefonische Nachfrage beim KRZIS hat ergeben, dass letzterer Umstand den Betreibern des Registers nicht bekannt ist. Die Wirksamkeit des Widerspruchs durch Eintragung in das Widerspruchsregister setzt gemäß § 1 Abs. 3 der Bekanntmachung 434/2004 Sb. eine amtlich beglaubigte Unterschrift voraus. Der schriftliche Widerspruch ist darüber hinaus persönlich oder mittels Einschreiben (dorucenkou) zuzustellen. Dies mag zwar mit Rechtssicherheitsaspekten begründet werden und missbräuchlichen Registrierungen vorbeugen, allerdings fehlt es meines Erachtens an einer Ermächtigung, im TZ, die Registrierung im Widerspruchregister an zusätzliche Form- und Zustellungserfordernisse zu knüpfen. Dadurch wird die Schwelle zur Registrierung in unzulässiger Weise erhöht. Kritik ist auch an der unzureichenden Umsetzung der in § 27 TZ normierten Pflicht des Gesundheitsministeriums zur Information der Bevölkerung über die Möglichkeiten der Nichtzustimmung zur postmortalen Organspende zu üben. cc) Andere Möglichkeiten den Widerspruch zu erklären Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob auf Grundlage des TZ Raum für einen wirksamen Widerspruch bleibt, welcher nicht die Anforderungen des § 16 Abs. 1 Satz 2 lit. a bis c TZ erfüllt. Der Wortlaut 99
Vgl. § 21 Abs. 1 lit d i. V. m. 22 Abs. 2 TZ. Vyhlaska c. 434/2004 Sb. ze dne 12. cˇervence 2004 o podrobnostech rozsahu a obsahu povinneˇ uvádeˇných dat do Národního registru osob nesouhlasících s posmrtným odbeˇrem tkání a orgánu˚. 101 Národní registr osob nesouhlasících s posmrtným odbe ˇ rem tkání a orgánu˚; ˇ Vestník ministersta zdravotnitctvi Ceske Republiky, Rocˇník 2004, Cˇástka 10, Str. 34. 100
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des § 16 Abs. 1 Satz 2 TZ lautet: „Der Widerspruch gilt als nachweislich erklärt, wenn eine der Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Satz 2 lit a bis c TZ erfüllt ist.“ Handelt es sich bei den Varianten a bis c um eine abschließende Regelung für die Erklärung eines wirksamen Widerspruchs oder aber lediglich eine gesetzliche Vermutung, dass ein wirksamer Widerspruch jedenfalls in diesen Fällen als erklärt gilt? Träfe Letzteres zu, hieße das, dass unter Umständen der Widerspruch des Verstorbenen zu Lebzeiten auch schriftlich oder mündlich erklärt werden dürfte, wobei die Angehörigen befragt werden müssten, ob ihnen eine solche Willenserklärung bekannt ist. Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 2 TZ ließe Raum für einen solchen Widerspruch, allerdings heißt es in der amtlichen Begründung zu § 16, dass ein wirksamer Widerspruch vom Verstorbenen zu Lebzeiten lediglich (pouze) gemäß der im Gesetz aufgeführten Varianten erklärt werden kann. Insbesondere die Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 2 lit. b und c legt nahe, dass ein wirksamer Widerspruch ohne Registrierung im Widerspruchregister erhöhten Anforderungen als einer mündlichen oder einfachen Schriftform unterliegt. Darüber hinaus normiert § 15 TZ, welcher im Gesetzgebungsverfahren erst nachträglich eingefügt wurde, sehr detailliert die Verpflichtung des behandelnden Arztes, nahe stehende oder vom potentiellen Spender anderweitig bestimmte Personen über die geplante Organentnahme – also vorher – zu informieren. Trotz der sehr detaillierten Regelung findet sich kein Hinweis darauf, dass den Arzt eine Verpflichtung zur Befragung dieser Personen zur Ermittlung des Willens des Verstorbenen träfe oder gar den Angehörigen die Möglichkeit einer Entscheidung über die Organentnahme einzuräumen sei. Es handelt sich vielmehr um eine reine Informationspflicht.102 Die Voraussetzungen für einen wirksamen Widerspruch sind mithin abschließend in § 16 Abs. 1 TZ geregelt. Eine formfreie mündliche oder schriftliche Äußerung des Widerspruchs ist also nicht ausreichend. Allein ein lebzeitiger Widerspruch des Verstorbenen selbst ist möglich. dd) Gelebte Praxis Die in § 15 TZ normierte Informationspflicht ist zu begrüßen. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Spender die Rechtmäßigkeit bei der Vorgehensweise der postmortalen Organentnahme nicht überprüfen kann. Seine postmortalen Persönlichkeitsrechte können nur Angehörige bzw. andere lebende Personen wahrnehmen. Es erscheint also durchaus sinnvoll, diesen ein umfassendes Informationsrecht einzuräumen, denn nur so können sie die Einhaltung der Rechte des Verstorbenen überhaupt kontrollieren. Der zu informierenden Person wird in § 15 TZ ein Fragerecht hinsichtlich Umfang 102
Brychtova, S. 76.
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und Zweck der geplanten Entnahme, unter Wahrung der Anonymität des Empfängers, eingeräumt. All dies ist zudem in der Krankenakte zu dokumentieren. Allerdings birgt ein solches Informationsrecht in der Praxis auch die Gefahr, dass Angehörige vortragen, der Verstorbene hätte eine Organentnahme nicht gewollt. Es dürfte für einen Arzt ungleich schwerer sein, trotz des massiven Widerstands eines Angehörigen, die Entnahme durchzuführen, insbesondere dann, wenn dieser darauf hinweist, diese widerspräche dem Willen des Verstorben. Erfahrungen und Informationen aus anderen Ländern zeigen, dass eine strenge Widerspruchslösung in kaum einem Land praktiziert wird. Selbst dann nicht, wenn die gesetzliche Regelung eine strenge Widerspruchslösung vorsieht. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. So kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Spender eine Organentnahme nicht gewünscht hätte, ohne in der vom Transplantationsgesetz vorgesehen Weise seinen Widerspruch geäußert zu haben. Das Krankenhauspersonal und die Koordinatoren haben große Schwierigkeiten eine Organentnahme durchzuführen, wenn sie im Zweifel über die Bereitschaft des Verstorbenen zur Organspende sind oder unter Protest der Angehörigen. Schließlich fürchtet man auch negative Schlagzeilen und ist bemüht, dass alle Beteiligten und die Angehörigen Organspende als etwas grundsätzlich Positives in Erinnerung behalten.103 Gemäß den Aussagen des medizinischen Direktors des KST beträgt die Widerspruchsrate der Angehörigen rund 15 Prozent.104 c) Sonderfälle Nachfolgend sollen noch die Besonderheiten einer postmortalen Organentnahme bei Ausländern sowie Verstorbenen, deren Identifikation nicht möglich ist, erörtert werden. aa) Identifikation des Verstorbenen nicht möglich § 11 Abs. 1 lit. c TZ regelt den Fall, dass der Verstorbene nicht identifiziert werden kann. In diesem Fall darf eine Entnahme nicht erfolgen. Dies ist nur konsequent, denn ist die Identität des Verstorbenen nicht ermittelbar, kann auch nicht überprüft werden, ob nicht vielleicht ein Widerspruch nach den nationalen Vorschriften vorliegt. 103 Alliance-O, WP 7 Legal and ethical aspects, Deliverable 7.1., S. 14 f.; dies wurde der Bearbeiterin so auch von Mitarbeitern des KST bestätigt. 104 Gesprächsinterview vom 21.05.2007 mit dem Medizinischen Direktor und dem rechtlichen Berater des KST.
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bb) Organentnahme bei Ausländern In den Sommermonaten 2005 warnten der ADAC und zahlreiche andere Presseartikel, es bestünde die Möglichkeit – ohne entsprechende Vorkehrungen – in Italien und Österreich gegen den eigenen Willen postmortaler Organspender zu werden, da in diesen Ländern die Widerspruchslösung gelte.105 Die Deutsche Verfügungszentrale bot anlässlich dieser „Gefahr“ die Möglichkeit an, sich in einem von ihr zur Verfügung gestellten internationalen Widerspruchsregister registrieren zu lassen. Die Einsicht in dieses Register sei für alle Krankenhäuser verbindlich. Dies war und ist unzutreffend. Für die Registrierung verlangte die Verfügungszentrale eine entsprechende Gebühr. Der Betrieb und die Werbung für ein solches Register wurde der Deutschen Verfügungszentrale gerichtlich untersagt.106 Als Reaktion darauf stellt die Deutsche Stiftung Organtransplantation Spenderausweise in diversen europäischen Sprachen auf ihrer Homepage zur Verfügung. In der Tschechischen Republik wie z. B. auch in Ungarn107 besteht diese „Gefahr“ für Ausländer, anders als z. B. in Österreich108, nicht.109 Gemäß § 11 Abs. 4 dürfen einem in Tschechien verstorbenen Ausländer110 postmortal Gewebe oder Organe nur aufgrund internationaler Vereinbarungen entnommen werden. Eine solche Vereinbarung wurde bis dato nicht getroffen, so dass nach dem derzeitigen Stand eine postmortale Entnahme bei Ausländern ausscheidet und zwar selbst dann, wenn dieser es gewünscht hätte.111 Dies ist bedauerlich, zumal der Gesetzgeber sich dadurch in Widerspruch zum Gesetzeszweck, nämlich der Umsetzung des Willens des 105 Bild Zeitung online vom 09.05.05, „wer in Österreich oder Italien stirbt, verliert seine Organe, Neue Ruhr Zeitung vom 11.07.2005, „Die Angst vor dem Nieren-Klau“, S. 11. 106 LG Dresden, Urt. v. 03.03.06 – Az. 44 O 0356/05 – nicht veröffentlicht. 107 Alliance-0, WP 7 Ethical and legal aspects, Deliverable 7.1., S. 15. 108 Das österreichische Transplantationsrecht trifft keine Unterscheidung zwischen österreichischen und ausländischen Organspendern vgl. Barta/Kalchschmid in: Barta/Kalchschmid,/Kopetzki (Hrsg.) S. 13, 28. Allerdings ist auch für Österreich darauf hinzuweisen, dass diese Gefahr gegen Null tendiert. Wie mir das ÖBIG (Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen) bestätigte, erfolgt eine Organentnahme bei Ausländern nicht ohne den Versuch zu unternehmen, die Spenderfamilie zu kontaktieren. Ein Widerspruch des Spenders oder der Familie ist beachtlich. Derzeit sind rund 1000 deutsche Staatsbürger für diesen Fall im österreichischen Widerspruchregister gemeldet. 109 Knap/Svestka/Jehlicka/Plecity, S. 252. 110 Wer Ausländer ist, ergibt sich aus Zakon c. 326/199 Sb., o pobytu cizincu na uzemi Ceske republiky a o zmene nekterych zakonu ve zneni pozdejsich predpisu. 111 Vyrocni zprava (Jahresbericht des KST) 2005 vom 28. Februar 2006, S. 7; Beverly, S. 19.
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Verstorbenen, setzt. Das KST vermisst solche internationalen Vereinbarungen, insbesondere im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit der Slowakischen Republik, aber auch mit der Ukraine.112 Um diese Vorschrift zu umgehen, wurde daher erst kürzlich eine im Hirntod verstorbene slowakische Ärztin, welche die Organentnahme laut Auskunft ihres Mannes gewünscht hatte, zum Zwecke der Organentnahme in die Slowakei überführt. Einige ihrer Organe wurden dann im Rahmen der tschechisch-slowakischen Kooperation nach Tschechien reimportiert und dort tschechischen und slowakischen Empfängern implantiert. Eine Gesetzesänderung ist geplant.113 d) Zwischenergebnis Die Widerspruchslösung in der Tschechischen Republik stellt sich also als eine sog. strenge (enge) Widerspruchslösung dar, derzufolge ein Widerspruch nur zu Lebzeiten gemäß den Anforderungen aus § 16 Abs. 1 TZ erklärt werden kann. Dies bewahrt die Ärzte vor Auslegungsschwierigkeiten. Allerdings setzt eine solche Regelung voraus, dass die Bevölkerung entsprechend aufgeklärt wird, um überhaupt die Möglichkeit zu erhalten, einen den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Widerspruch zu erklären. Dies hat das tschechische Gesundheitsministerium, welches gemäß § 27 TZ für die Aufklärung der Öffentlichkeit zuständig ist, im Zuge der Verabschiedung des TZ und der Errichtung des Widerspruchsregisters durch zahlreiche Zeitungsinserate und Werbespots getan. Ungeachtet dessen sind die hohen Hürden für die Registrierung zu bemängeln. Auch reicht eine punktuelle Aufklärung meines Erachtens nicht, sondern müsste in regelmäßigen Abständen wiederholt werden. e) Umfang des Widerspruchs Es stellt sich des Weiteren die Frage, ob der Widerspruch auf bestimmte Organe oder Gewebe begrenzt werden oder gar unter einer auflösenden Bedingung erfolgen darf. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob ein fehlender Widerspruch auch eine Zustimmung zur Entnahme von Organen zu anderen Zwecken als zur Transplantation beinhaltet.
112 113
Vyrocni zprava (Jahresbericht des KST) 2005 vom 28. Februar 2006, S. 7. Vyrocni zprava (Jahresbericht des KST) 2006 vom 28. Februar 2007, S. 15.
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aa) Umfang des Widerspruchs im Hinblick auf bestimmte Organ- und Gewebetypen In § 18 Abs. 4 Satz 1 TZ werden die verpflichtenden Angaben für eine Registrierung im Widerspruchsregister normiert: Name und Vorname, die Geburtsnummer und Wohnort der Person, die der postmortalen Entnahme von Geweben und Organen widerspricht. Zudem sind auch unerlässliche Angaben über den Umfang des Widerspruchs einzutragen. Was die unerlässlichen Angaben über den Umfang des Widerspruchs sind, ergibt sich aus der Bekanntmachung des Gesundheitsministeriums vom 12.07.2004 gemäß § 18 Abs. 4 TZ über die Einzelheiten des Umfangs, welcher zwingend in das Nationale Register der nicht zustimmenden Personen mit der postmortalen Organentnahme einzutragen ist (Bekanntmachung 434/2004 Sb),114 welche am 31.08.2004 in Kraft getreten ist. § 1 Abs. 1 lit. a der Bekanntmachung 434/2004 Sb legt fest, dass ein Widerspruch alle Organe oder Gewebe umfassen kann oder aber gemäß § 1 Abs. 1 lit. b der Bekanntmachung 434/2004 Sb der Entnahme konkreter Organe oder Gewebe widersprochen werden kann. Diese Vorgaben wurden in einem entsprechenden Formular, welches das Widerspruchsregister zur Erklärung des Widerspruchs anbietet, wie folgt umgesetzt.115 Das Formular ermöglicht ein Ankreuzen folgender Varianten: 1. Ich widerspreche der Entnahme aller Gewebe und Organe. 2. Ich widerspreche der Entnahme dieser Organe, wobei folgende Organe angekreuzt werden können: Herz, Leber, Lunge, Dünndarm, Niere und Bauchspeicheldrüse. 3. Ich widerspreche der Entnahme dieser Gewebe, wobei folgende Gewebe angekreuzt werden können: Knochen-, Augen-, Herz-, Gefäß-, Haut-, Binde-, Sehnengewebe sowie „anderes“. Hat der Erklärende die erste Variante angekreuzt, steht unproblematisch fest, dass er jeglicher Organ- und Gewebeentnahme widerspricht. Hat er bei der zweiten oder dritten Variante bestimmte Organe oder Gewebe angekreuzt, so ist lediglich die Entnahme der angekreuzten Organ- und Gewebetypen unzulässig; alle anderen Organe und Gewebe dürfen entnommen werden. 114 Vyhlaska c. 434/2004 Sb. ze dne 12. c ˇ ervence 2004 o podrobnostech rozsahu a obsahu povinneˇ uvádeˇných dat do Národního registru osob nesouhlasících s posmrtným odbeˇrem tkání a orgánu˚. 115 Das Formular ist über die Homepage (www.nrod.cz) des Widerspruchsregisters erhältlich.
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In einer weiteren Zeile wird freier Raum für „Weitere Präzisierung des Widerspruchs zur postmortalen Gewebe- und Organentnahme“ eingeräumt. Dies ist von der Bekanntmachung 434/2004 Sb nicht vorgesehen. Die daraus resultierenden Schwierigkeiten sind unter f) dargelegt. bb) Entnahme zu Forschungszwecken Eine Entnahme von Organen und Geweben zu andern Zwecken als zu Transplantationszwecken, z. B. Forschungszwecken, ist vom Regelungsbereich des TZ nicht umfasst.116 Sie bedarf einer gesonderten informierten Einwilligung.117 Einzelheiten der Entnahme von Teilen des menschlichen Körpers im Zusammenhang mit Vorbeugung, medizinischer Wissenschaft, Forschung und Lehre sind in § 26 des Gesetzes über die Gesundheit der Bevölkerung118 geregelt. Aus Abs. 5 dieser Vorschrift geht hervor, dass eine schriftliche Einwilligung des Verstorbenen erforderlich ist. Anders als bei der Organentnahme kann diese Einwilligung alternativ auch von einer nahe stehenden Person erteilt werden.119 Nicht geregelt ist der Fall, dass Organe oder Gewebe zu Transplantationszwecken entnommen wurden, zu diesem Zweck aber wider Erwarten nicht verwendet werden können. Aufgrund der obigen Ausführungen dürfte eine anderweitige Verwendung, sofern eine schriftliche Einwilligung des Verstorbenen dies nicht regelt, nur mit entsprechender Einwilligung einer nahe stehenden Person erfolgen. cc) Widerspruch unter auflösender Bedingung Wie eingangs erwähnt, enthält das Formular die Möglichkeit, den Widerspruch zu präzisieren. So dass sich unweigerlich die Frage stellt, wie dies zu verstehen ist und ob damit dem Widersprechenden ermöglicht werden soll, seinen Widerspruch unter eine auflösende Bedingung zu stellen, oder sich dies allenfalls auf den Umfang des Widerspruchs im Hinblick auf die nicht zur Entnahme freigegebenen Organe und Gewebe bezieht. Ungeachtet dessen, was sich die Verfasser des Formulars dabei gedacht haben – auch das KRZIS konnte mir darauf keine Antwort geben – stellt sich die Frage, wie zu verfahren ist, wenn jemand sich in das Widerspruchregister eintragen lässt und von dieser Leerzeile Gebrauch macht. So ist eine nicht abschließend bestimmbare Vielzahl von Möglichkeiten denkbar, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen sollen: 116 117 118 119
Brychtova, S. 64. Brychtova, S. 46 ff. Zakon c. 20/1966 Sb., o peci o zdravi lidu. Brychtova, S. 50.
B. Postmortale Organspende
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„Ich widerspreche einer postmortalen Organentnahme im Falle fehlender Hirntoddiagnose also der NHBD-Spende.“ „Ich widerspreche einer postmortalen Organentnahme, soweit ich im Todeszeitpunkt nicht 60 Jahre alt war.“ „Ich widerspreche einer postmortalen Organentnahme, sofern das Organ nicht vorrangig an a) bedürftige Familienangehörige b) Kinder c) Frauen d) Personen, welche einer Organentnahme nicht widersprochen haben. etc. vermittelt wird.“ „Ich widerspreche einer postmortalen Organentnahme, sofern der Empfänger ein Schwarzer, ein Jude oder ein Zigeuner ist.“ „Ich widerspreche einer postmortalen Organentnahme, sofern der Empfänger ein Alkoholiker/Raucher ist.“ „Ich widerspreche einer postmortalen Organentnahme, sofern der Empfänger seine Krankheit selbst verschuldet hat.“ „Ich widerspreche einer postmortalen Organentnahme, sofern der Empfänger Herr/Frau X ist, der Partei Y angehört.“ „Ich widerspreche einer postmortalen Organentnahme, sofern die Bestattungskosten nicht vom Staat/Empfänger übernommen werden.“ „Ich widerspreche einer postmortalen Organentnahme, sofern der Empfänger nicht den Betrag X an meine Hinterbliebenen zahlt.“ Diese Liste kann beliebig fortgeführt werden. Die Beispiele sind angelehnt an bereits gestellte Bedingungen in der Praxis.120 Zunächst ist daher zu klären, ob Bedingungen, welche sich auf eine andere Thematik als den Umfang der Organ- und Gewebespende beziehen, überhaupt zulässig sein sollen. Solche Bedingungen sind weder vom § 18 Abs. 4 TZ noch der in Bekanntmachung 434/2004 Sb vorgesehen. Mit Beverly und Cisarova ist daher von der Unzulässigkeit weiterer Bedingungen, welche nicht die Präzisierung der Organentnahme hinsichtlich bestimmter Organ und Gewebetypen zum Inhalt haben, auszugehen.121 Unbeantwortet 120 Anfragen bei der DSO oder von Familien im Rahmen der Angehörigengespräche geäußerte Wünsche und Bedingungen. Bis dato hat es in der Tschechischen Republik keinen potentiellen Spender gegeben, welcher im NROD registriert war, so dass man sich bis dato mit dem Thema nicht auseinandergesetzt hat.
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bleibt allerdings die Frage, ob und inwieweit sich eine unzulässige Bedingung auf die Wirksamkeit des erklärten Widerspruch auswirkt. Cisarova hält den gesamten Widerspruch für unwirksam, bleibt aber leider eine Erklärung schuldig.122 Aufgrund der geringen Zahl der Registrierungen scheint es durchaus praktikabel zu sein, diejenigen, welche zusätzliche Bedingungen bei der Registrierung äußern, auf die Unzulässigkeit dieser Bedingungen hinzuweisen. Ebenso wären sie darauf hinzuweisen, dass dies zur Unwirksamkeit ihres Widerspruchs führen kann.
III. Allokation Aufgrund der Tatsache, dass das TZ ein relativ neues Gesetz ist, die finanziellen Mittel im tschechischen Gesundheitswesen knapp sind und das KST, als völlig neue Institution, sich erstmal in den bestehenden Strukturen des von IKEM123 dominierten, Transplantationswesens etablieren und behaupten muss, sind bislang noch nicht alle Vorschriften und geplanten Register umgesetzt worden. Wie bereits oben dargelegt, befindet sich die Ausgestaltung des nationalen Warteregisters immer noch in der Übergangsphase.124 Zunächst soll daher also die Allokation von Organen, wie sie sich gemäß dem TZ darstellt, dargelegt werden. Informationen zur derzeitigen Allokationspraxis entstammen einem im Mai 2007 geführten Interview mit dem medizinischen Direktor des KST. 1. Zugang zur Warteliste § 17 Abs. 3 TZ soll sicherstellen, das niemand gegen seinen Willen transplantiert und Empfänger einer postmortalen Organtransplantation werden kann.125 Der Empfänger oder dessen gesetzlicher Vertreter muss einer Transplantation schriftlich nach vorheriger vollständiger Aufklärung zustimmen. Folglich kann niemand gegen seinen Willen auf der Warteliste registriert werden. Gemäß § 22 Abs. 2 lit. a TZ sind die Transplantationszentren verpflichtet, Personen, welche für eine Organtransplantation indiziert sind, dem na121
Beverly, S. 20; Cisarova, trestni pravo, S. 132. Cisarova, trestni pravo, S. 132. 123 Größtes Transplantationszentrum der Tschechischen Republik in Prag. 124 Vgl. dazu oben, Kapitel 2, B. I. 4. 125 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 31. 122
B. Postmortale Organspende
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tionalen Warteregister zu melden. Während die Untersuchungen des postmortalen und Lebendspenders bis ins kleinste Detail gesetzlich geregelt wurden, fehlt es an einer Regelung, welche die Indikation zur Registrierung auf die Warteliste normiert. Die Führung des nationalen Warteregisters gemäß § 25 Abs. 2 lit. a TZ fällt in die Zuständigkeit des KST, die Entscheidungsbefugnis über die Aufnahme liegt allerdings weiterhin bei den Zentren. Das KST hat soweit nur eine operationelle und organisatorische Zuständigkeit für die Warteliste. Das KST wählt gemäß §§ 25 Abs. 2 lit. e, § 22 Abs. 2 lit. c TZ in Zusammenarbeit mit den Transplantationszentren den Empfänger ausschließlich aus dem Nationalen Warteregister aus. Da gemäß § 22 Abs. 2 lit. b TZ Organe nur an registrierte Patienten vermittelt werden dürfen, formt auch in der Tschechischen Republik die Registrierung im Warteregister einen Eingangstrichter,126 um bei der konkreten Allokation berücksichtigt zu werden. Die Wartelistenzahlen pro Million Einwohner127 und das Gesprächsinterview mit der medizinischen Direktorin des KST128 verdeutlichen, dass bereits an dieser Stelle eine erhebliche Selektion stattfindet und über Lebenschancen entschieden wird. Damit scheitert meines Erachtens der tschechische Gesetzgeber in seinem Vorhaben, ein „gerechtes“ Allokationssystem zu schaffen,129 bereits auf dieser Stufe. Vor diesem Hintergrund der vorangestellten Darstellung bekommen die beklemmenden Empfehlungen der tschechischen Transplantationsgesellschaft (Cˇeska Transplantacni Spolecnost, CˇTS) zur Aufnahme von Patienten auf die Wartelisten für eine Transplantation130 eine andere Lesart. Geradezu erschreckend aus rechtstaatlicher Sicht ist in diesem Zusammenhang das Konsens-Papier aus dem Jahr 2005 der CˇTS, wobei wenig zu trösten vermag, dass dieses skandalöse Papier131 keine Rechtsverbindlichkeit entfaltet, da anzunehmen ist, dass dieses Papier faktisch zum Ausschluss bestimmter Personen von der Transplantationsmedizin führen kann. Dem Papier zu 126 Vgl. Gutmann/Fateh-Moghadam, in: Gutmann/Schneewind/Schroth/Elsässer/ Land/Hillebrand, S. 59, 81 und Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 10 TPG. 127 Am 22.05.2007 befanden sich 35 Patienten auf der Warteliste für Leber: 35 (3,5 pmp) für Herz: 45 (4,5 pmp) für Niere: 370 (37 pmp); vgl. dazu auch Tabelle 1.2. in Kapitel 1, D. 128 21.05.2007: Die durchschnittliche Wartezeit auf ein Organ beträgt ein Jahr. 129 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava. 130 www.transplant.cz. 131 Konsens der Arbeitsgruppe des CST zusammengefasst von Seeman, abrufbar unter www. transplant.cz.
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Folge stellen folgende Faktoren aus psycho-sozialer Sicht absolute Kontraindikationen für die Aufnahme in die Warteliste für eine Niere dar: – Alkoholismus – Drogenabhängigkeit – Psychotische nicht medikamentös behandelbare Störungen – Schwere geistige Zurückgebliebenheit (IQ < 35) – Unfähigkeit des Patienten zur Zusammenarbeit (non-compliance). Relative Kontraindikationen auf Empfängerseite sind: – mittelschwere geistige Zurückgebliebenheit (IQ 35–49) bei der eine Registrierung möglich ist, wenn die nachfolgenden drei Voraussetzungen erfüllt sind: – es handelt sich um einen kooperierenden Patienten mit zuverlässigem Pfleger – der Patient hat eine lange Lebenserwartung – Fähigkeit zur Einnahme von Medikamenten unter Kontrolle. Für die Leber findet sich eine solche Liste mit „nicht medizinischen“ Kontraindikationen wider Erwarten nicht. Allerdings weisen die Empfehlungen für die Indikation zur Lebertransplantation darauf hin, dass, obwohl das Alter des Patienten kein generelles Ausschlusskriterium für eine Organtransplantation darstellt, eine Transplantation eines über 70 jährigen nur in Ausnahmefällen erfolgt.132 Ganz zum Schluss wird auf ein großes medizinisches und ethisches Problem hingewiesen und zwar die Entscheidung der Indikation bei besonderen Fällen. Es werden beispielhaft Strafgefangene, Kinder ohne familiären Halt, geistig zurückgebliebene und vereinsamte alte Menschen aufgelistet. Gesonderter Betrachtung bedürften auch Personen mit Abhängigkeitsproblemen z. B. Alkoholismus.133 Wie bereits oben angemerkt, zeitigen diese Regelungen trotz rechtlicher Unverbindlichkeit mit großer Wahrscheinlichkeit faktische Wirkung. Darüber hinaus ist zu befürchten, dass die Kriterien, welche über die Aufnahme in die Warteliste entscheiden, von Transplantationszentrum zu Transplantationszentrum und darüber hinaus von behandelndem Arzt zu behandelndem Arzt variieren. So können neben medizinischen Kriterien vielleicht auch wenig sachgerechte Kriterien wie Sympathie, Mitleid oder entsprechendes Durchsetzungsvermögen seitens des Patienten über die Aufnahme in die möglicherweise lebensrettende Warteliste entscheiden. Auch können finanzielle Aspekte nicht gänzlich ausgeschlossen werden. 132 133
MUDr. Pavel Trunecka, http://www.transplant.cz/transplant/postupy.php?t=4. MUDr. Pavel Trunecka, http://www.transplant.cz/transplant/postupy.php?t=4.
B. Postmortale Organspende
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Ein Recht auf Aufnahme in die Warteliste bei entsprechender medizinischer Indikation bei gleichzeitiger Abwesenheit medizinischer Kontraindikationen normiert das TZ nicht. Zwar ist es dem Patienten unbenommen, eine sog. second opinion (Zweitmeinung) in einem weiteren Transplantationszentrum einzuholen, aber auch dies ändert nichts daran, dass der Gesetzgeber, obwohl er in § 17 Abs. 1 TZ die Gleichheit der auf eine Transplantation Wartenden normiert, es leider unterlassen hat, das Prinzip der Gleichheit beim Zugang zur Warteliste (einfach)gesetzlich festzuschreiben. 2. Konkrete Allokation Die Allokation ist in ein zweistufiges Verfahren untergliedert.134 Zu unterscheiden ist neben der ersten Stufe (Zugang zur Warteliste) die zweite Stufe, die sog. konkrete Allokation. Im Rahmen dieser zweiten Stufe stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien und unter Zugrundelegung welcher Prinzipien die konkrete Allokation, also die Auswahl aus den im Warteregister gelisteten Personen, erfolgt. a) Setzungsmacht für die Erstellung von Allokationsregeln Mit der Allokation als auch der Ausarbeitung der Allokationsregeln ist gemäß § 25 Abs. 2 lit. e TZ das KST beauftragt. Der Umstand, dass der die Organentnahme koordinierenden Einrichtung auch die Allokation von Organen übertragen wurde, ist noch nicht weiter bedenklich. Ein Interessenkonflikt ist an dieser Stelle nicht zu befürchten. Insbesondere dann nicht, wenn diese Organisation nicht über den Zugang zur Warteliste entscheidet. Eine solche Regelung entspricht durchaus der rechtlich nicht zu beanstandenden europäischen Praxis.135 Bedenken hingegen bestehen hinsichtlich der in § 22 Abs. 2 lit. c TZ normierten Verpflichtung der Transplantationszentren bei der Auswahl der geeigneten Empfänger, also der Erstellung der Allokationsregeln, mit dem KST zusammenzuarbeiten. Hier scheint ein Interessenkonflikt vorprogrammiert, denn die Stellung des KST ist weder in rechtlicher noch tatsächlicher Hinsicht ausreichend gestärkt. Die Formulierung in § 22 Abs. 2 lit. c TZ legt Nahe, dass den Transplantationszentren nicht lediglich eine beratende oder unterstützende Funktion, um z. B. das 134
Vgl. dazu oben, Kapitel 2, B. III. 1. Recommendation Rec (2006) 15 of the Committee of Ministers to member states on the background, functions and responsibilities of a national transplant organisation (NTO) abgedruckt in: Newsletter Transplant 2007, Vol. 12 No 1 International Figures on organ donation and transplantation, Council of Europe, S. 42, www.ont.es./noticiasHome/ficherosPDF/NEWSLETTER.pdf; Alliance-O, WP 4, Increase safety and quality of organ transplantation, Deliverable 4.3., S. 8 ff. 135
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Kap. 3: Rechtliche Ausgestaltung in der Tschechischen Republik
KST von deren Expertise profitieren zu lassen, zukommen soll. Während ohnehin nur ein Lungenprogramm existiert, konkurrieren bei Leber und Herz immerhin zwei und bei der Niere sieben Transplantationszentren um die gespendeten Organe. Es ist verständlich, dass das Transplantationszentrum, welches die Entnahme durchführt, die entnommenen Organe auch selber implantieren möchte.136 Ebenfalls muss bemängelt werden, dass es an einem vorgeschriebenen Verfahren, wie die Regelungen zu verabschieden oder nach außen zu kommunizieren sind, fehlt. Diese internen Regelungen entziehen sich jeglicher Überprüfbarkeit, auch ist nicht klar, ob diese Regelungen verbindlich gelten und wie sie gegebenenfalls fortzuschreiben sind. Eine Kontrollfunktion oder gar Genehmigungspflicht seitens des Gesundheitsministeriums ist ebenso wenig vorgesehen. Eine Kontrolle erfolgt ausschließlich durch die Transplantationszentren, welche darauf bedacht sind, möglichst viele Organe für bei Ihnen registrierte Patienten zu bekommen und welche jederzeit den Allokationsprozess nachvollziehen können.137 b) Prinzipien, welche den Allokationsregeln zu Grunde liegen § 17 Abs. 1 TZ bestimmt, dass die Auswahl des am besten geeigneten Organempfängers auf dem Prinzip der medizinischen Dringlichkeit und auf der Gleichheit der Wartenden basiert. Bei gleicher medizinischer Dringlichkeit wird auch die Gesamtdauer der Registrierung im Staatlichen Register der auf eine Organtransplantation wartenden Personen berücksichtigt. Prima facie scheint es, als hätte der tschechische Gesetzgeber zumindest den Zielkonflikt zwischen Dringlichkeit und Erfolgsaussicht zu Gunsten der Dringlichkeit entschieden. Die unauffällig wirkende Formulierung „des am besten geeigneten Organempfängers“ wirft aber unweigerlich die Frage auf, wer der am besten geeignete Empfänger ist. Beste genetische Kompatibilität, höchste Überlebensdauer des Organs bzw. Empfängers, größter Gewinn an Lebensqualität, der zuverlässigste im Hinblick auf Nachsorge? Das TZ gibt darauf keine Antwort. Deutlich wird durch diese Fragen aber, dass diese Formulierung zwanglos die Möglichkeit eröffnet, Kriterien der Erfolgsaussicht in die Allokationsregeln einfließen zu lassen. Diese Kriterien fließen bereits bei der Registrierung (z. B. Compliance, Alter) als auch bei der konkreten Allokation (z. B. HLA-Übereinstimmung) in die Vermittlungsentscheidung ein. 136 In der Praxis erfolgt die Erstellung der Allokationsregeln in der Zusammenarbeit mit der Tschechischen Transplantationsgemeinschaft. 137 Gesprächsinterview vom 21.05.2007 mit dem medizinischen Direktor und dem rechtlichen Berater des KST.
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c) Fazit Eines der klar definierten gesetzgeberischen Ziele bei der Verabschiedung des TZ war die Schaffung von Gerechtigkeit bei der Organzuteilung.138 Dieses Ziel hat der tschechische Gesetzgeber meines Erachtens verfehlt. Die gesetzliche Ausgestaltung im Hinblick auf die Organzuteilung ist auf beiden Stufen defizitär. d) Angewandte Allokationsregeln in der Praxis Die Allokationsalgorithmen sind nicht öffentlich.139 aa) Nierenallokation Bei der Niere konkurrieren sieben Zentren um die gespendeten Organe. Derzeit wird ein Empfänger für eine Niere wie folgt ausgewählt: Zunächst erfolgt eine Vorauswahl über die Blutgruppe und es werden alle Empfänger mit der gleichen Blutgruppe des Spenders ausgewählt. Ausgeschlossen werden dann Empfänger, bei welchen ein positives crossmatch140 vorliegt. Die so zusammengestellte Liste wird darauf hin überprüft, ob sich unter den potentiellen Empfängern ein Empfänger aus der Gruppe „verpflichtender Austausch“ (povinna vymena) befindet. Die nachfolgenden (Patienten)Gruppen werden im Wege des verpflichtenden Austausches in absteigender Folge vorrangig berücksichtigt. (1) Dringlichkeit Absoluten Vorrang haben dringliche Patienten. Dabei handelt es sich in der Regel um Empfänger, bei denen alternative Behandlungsmöglichkeiten, insb. Dialyse, erschöpft sind und eine Transplantation zur Lebensrettung erforderlich ist.
138
Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, S. 1 ff. 139 Die Darstellung der konkreten Allokationsregeln folgt einem am 21.05. und 22.05.2007 geführten Gesprächsinterview mit dem medizinischen Direktor und weiteren Mitarbeitern des KST. 140 Vgl. zur Begriffsbestimmung oben, Kapitel 2, A. III. 1.
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(2) Full House Nach den dringlichen Patienten haben Patienten mit einem sog. Full House, also einer absoluten HLA-Übereinstimmung auf allen sechs HLALoki141, Vorrang vor allen anderen Patienten. (3) Kinder Gibt es keinen Empfänger in den vorgenannten Kategorien, genießen Kinder bis zum 18. Lebensjahr (18 Jahre + 364 Tage) Vorrang. Kinder werden nur in einem Transplantationszentrum in Prag (Motol) transplantiert. Das Transplantationszentrum kann individuell die Anforderungen an die HLA-Übereinstimmung oder bestimmte Spenderkriterien (z. B. Alter) stellen. (4) Besonderer Vorrang Des Weiteren haben Patienten, welche eine z. B. kombinierte Transplantation benötigen oder bei denen andere urologische Schwierigkeiten bestehen und eine operative Behandlung ohne gleichzeitige Transplantation erfolglos wäre, besonderen Vorrang. (5) Langzeit-Wartelistenpatienten Ebenso werden Patienten, welche länger als 5 Jahre (z. B. wegen Hypersensibilisierung) auf eine Transplantation warten, vorrangig berücksichtigt. Gezählt wird allerdings nur die aktive Wartezeit, d.h. Zeiten, in denen der Patient nicht transplantierbar war, werden nicht mitgerechnet. (6) Zentrumsbilanz Empfänger eines Zentrums, welches eine sog. positive Bilanz142 aufweist und mehr als 6 Nieren an die Warteliste abgegeben hat, welche es nicht selber transplantiert hat, bilden die letzte Gruppe des vorrangigen Austauschs. Erst wenn sich kein Empfänger in den oben aufgeführten Kategorien befindet, greift der „normale“ Allokationsvorgang, der sich in etwa143 wie 141 D.h. keine (000) HLA-A, – B und DR mismatches. Vgl. dazu auch die Erläuterungen oben, Kapitel 2, B. III. 2. a) bb) (1). 142 Die Zentrumsbilanzen werden täglich neu berechnet.
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folgt darstellt: Auf die erste Niere (in der Regel die linke144) hat das Transplantationszentrum einen Anspruch, welches die Niere entnommen hat.145 Neben der nationalen Warteliste gibt es parallel zentrumseigene Wartelisten. Die nationale Warteliste ist also nichts anderes als die Gesamtheit aller Wartenden, sie ist aber für die eigentliche Allokation nicht maßgeblich, da eine zentrumsorientierte Allokation stattfindet. So wird die Niere zunächst einem Zentrum und nicht einem konkreten Patienten zugeteilt. Aus dieser zentrumseigenen Warteliste wählt nun das KST (also nicht das Transplantationszentrum) entsprechend einem vordefinierten Algorithmus den Empfänger für diese Niere aus. Dabei spielen die Faktoren HLA-Übereinstimmung, Grad der Sensibilisierung und Wartezeit eine entscheidende Rolle. Die zweite Niere (in der Regel die rechte) wird allen übrigen Zentren wie folgt angeboten. Das Zentrum, welches die beste Bilanz hat (also die meisten Organe in den Pool eingebracht hat, ohne diese selbst transplantiert zu haben), erhält dabei als erstes das Organangebot für einen bei ihm gelisteten Patienten. Gibt es in diesem Zentrum keinen geeigneten Empfänger, erfolgt das Angebot an ein Zentrum mit der zweitbesten Bilanz, usw. Gesperrt sind zunächst Zentren mit einer negativen Bilanz. Diese erhalten das Organangebot erst dann, wenn kein anderes Zentrum die Niere für seinen Patienten akzeptiert. Auch hier erfolgt erst in einem zweiten Schritt die Auswahl des Empfängers aus der zentrumsspezifischen Warteliste durch das KST entsprechend einem vordefinierten Algorithmus. Die stark zentrumsbasierte Allokation wurde gewählt, um die Zentren zu motivieren, Organe in ihren Regionen zu entnehmen und die Akzeptanz der Zentren für das Allokationssystem sicherzustellen.146 bb) Leberallokation Bei der Leber konkurrieren lediglich zwei Zentren um die gespendeten Organe. Vorrangig erhalten Patienten der Dringlichkeitskategorie eine Leber. Welche Patienten als dringlich eingestuft werden, entscheiden die 143 Es ist eine Vielzahl von Sondersituationen denkbar, so z. B. dass nur eine Niere eines Spenders zur Verfügung steht. Für jede mögliche Sondersituation gibt es wiederum einen eigens definierten Algorithmus. Der Übersichtlichkeit halber wurde auf eine detaillierte Darstellung verzichtet. 144 Nach Auskunft des medizinischen Direktors des KST wird diese wegen der besseren Gefäßsituation bevorzugt; Gesprächsinterview vom 21.05.2007 mit dem Medizinischen Direktor und dem rechtlichen Berater des KST. 145 Jedes Zentrum ist für die Entnahme in „seiner“ Regeln zuständig. Die Regionen, für die ein Transplantationszentrum zuständig ist, sind historisch gewachsen. 146 Gesprächsinterview vom 21.05.2007 mit dem Medizinischen Direktor und dem rechtlichen Berater des KST.
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Kap. 3: Rechtliche Ausgestaltung in der Tschechischen Republik
Transplantationszentren anhand zwischen beiden Zentren abgesprochener Kriterien. Befindet sich in keinem dieser Zentren ein dringlicher Patient, bekommt das entnehmende Zentrum den Vorzug. Gibt es in diesem Zentrum keinen Patienten mit der Blutgruppe des Spenders, so wird das Organ dem anderen Zentrum angeboten. Wenn sich in beiden Zentren kein Patient mit Blutgruppenübereinstimmung mit dem Spender befindet, so wiederholt sich der oben beschriebene Auswahlmodus, mit dem Unterschied, dass jetzt Blutgruppenkompatibilität147 ausreicht. Die Zentren haben zuvor, mit Blick auf die bei der Lebertransplantation erforderliche Morphologie, ein entsprechendes Patientenprofil erstellt, dem das KST bei der Zuteilung Rechnung trägt. Auch bei der Leberallokation dominiert der regionale Faktor aus den oben genannten Gründen. Die Leberallokation ist daher, da es nur zwei Transplantationszentren in der Tschechischen Republik gibt, sehr vereinfacht und räumt den Zentren bei der Auswahl der Empfänger einen erheblichen Spielraum ein. Problematisch erscheint dieser stark zentrumsorientierte Ansatz mit Blick auf die vom Gesetzgeber vorgegebenen Allokationskriterien Dringlichkeit, Erfolgsaussicht und insbesondere Gleichheit aller Wartenden. Die Zentrumsbilanzen bei der Niere und der Vorrang des entnehmenden Zentrums bei der Leber, sofern es keinen dringlichen Patienten gibt, dienen allein der einer „gerechten“ Verteilung der Spenderorgane unter den Zentren, nicht aber unter den Patienten. Es wird hier nicht einmal die unter Umständen kürzere Ischämiezeit dem Deckmantel der Erfolgsaussicht zugeordnet. Dahinter steht die ganz pragmatische Erwägung, dass ansonsten die Transplantationschirurgen wenig Anreiz hätten, in der Regel zu nächtlicher Zeit „raus zu fahren“, um Organe zu entnehmen. Damit besteht zumindest die Gefahr, dass Patienten, welche bei einem Zentrum mit hoher Entnahmefrequenz gelistet sind, einen Vorteil haben. Allerdings haben diese Zentren häufig auch eine größere Warteliste. Allein ein Vergleich der durchschnittlichen Wartezeit in den jeweiligen Zentrumslisten könnte Anhaltspunkte für eine Be147
Eine Vermittlung ist entsprechend untenstehender Übersicht möglich: Spenderblutgruppe
Empfängerblutgruppe
A
A und AB
B
B und AB
AB 0
AB A, B, AB und 0
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende
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nachteiligung von Patienten bestimmter Zentren geben. Leider stehen der Bearbeiterin keine entsprechenden Daten zur Verfügung. Auch wären diese mit Vorsicht zu analysieren, da die Zentren auch unterschiedliche Aufnahmekriterien haben, was ebenfalls erheblichen Einfluss auf die Größe der Wartliste und somit auch die Wartezeit hat.
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende Der dritte Teil dieses Kapitel ist der Darstellung der rechtlichen Ausgestaltung der Lebendspende gewidmet. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den gesetzlichen Beschränkungen zum Schutz des Spenders und dem Verbot des Organhandels.
I. Gesetzliche Beschränkungen der Lebendspende Die Entnahme von Organen und Gewebe vom lebenden Spender ist im Wesentlichen in den §§ 3 bis 9 TZ geregelt. Darüber hinaus sind für die Bewertung der Rechtmäßigkeit der Lebendspende auch die straf – und ordnungsrechtlichten Vorschriften §§ 28 bis 30 TZ sowie § 209 a des Tschechischen Strafgesetzbuches maßgeblich. 1. Informierte Einwilligung des Spenders und Untersuchung der Spendereignung Voraussetzung für die Zulässigkeit der Lebendspende in der Tschechischen Republik sind zunächst die informierte (qualifizierte) Einwilligung des Spenders und dessen Eignung als Spender.148 a) Informierte Einwilligung des Spenders Die Lebendspende von Geweben und Organen ist in der Tschechischen Republik nur zulässig, wenn sie dem Empfänger zu Heilungszwecken dient.149 Grundlage jeder Lebendspende ist eine umfassende ärztliche Aufklärung sowie die schriftliche informierte Einwilligung des Spenders (vgl. § 3 Abs. 1 lit. c TZ).150 Detaillierte Regelungen zur Aufklärung und Einwilligung finden sich in § 7 TZ. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 TZ muss der Arzt den Spender über den Sinn und Zweck, Art, Umfang und Konsequen148 149 150
Beverly, S. 23; Hlavackova, S. 36; Brychtova, S. 67. Brychtova, S. 67. Beverly, S. 23; Hlavackova, S. 36.
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Kap. 3: Rechtliche Ausgestaltung in der Tschechischen Republik
zen einer Organ- bzw. Gewebespende sowie über die damit verbundenen Risiken, einschließlich der Langzeitfolgen und -Risiken aufklären.151 Bestandteil der Aufklärung ist auch die Information über die aus dem TZ resultierenden Rechte des Spenders.152 Dem Lebendspender wird in § 7 Abs. 1 Satz 2 TZ explizit das Recht eingeräumt dem Arzt zu den in Satz 1 aufgezählten Punkten, Fragen zu stellen. Der Arzt ist verpflichtet, sie zu beantworten.153 Gemäß § 7 Abs. 3 TZ ist der Arzt, welcher die Entnahme vornimmt, unmittelbar vor der Entnahme verpflichtet, die Aufklärung des Spenders gemäß § 7 Abs. 1 TZ zu wiederholen. § 7 Abs. 4 TZ normiert die qualifizierten Anforderungen an die Einwilligung des Spenders.154 Die Einwilligung muss aufgrund der in Abs. 1 festgelegten vollständigen Aufklärung erfolgen und frei, informiert und konkret sein. Sie bedarf der Schriftform. Sowohl die Aufklärung als auch die Einwilligung sind zu dokumentieren und werden dann Bestandteil der Krankenakte des Spenders. § 7 Abs. 5 TZ räumt dem Lebendspender ein jederzeitiges Widerrufsrecht ein und verpflichtet den Arzt, diesen Widerruf zu respektieren. § 8 Abs. 2 TZ regelt den Fall, dass das entnommene Organ bzw. Gewebe der vom Spender bestimmten Person, z. B. wegen Veränderung deren Gesundheitszustands oder gar Tod, nicht implantiert werden kann. Eine dann unter Umständen mögliche anderweitige Verwendung des Organs oder Gewebe zu Transplantationszwecken setzt eine vorherige Zustimmung des Spenders voraus.155 Um Missbrauch auszuschließen, müssen die Gründe, warum die ursprünglich geplante Implantation nicht erfolgen konnte, schriftlich in der Krankenakte des Spenders und des bestimmten Empfängers dokumentiert werden. Wie bereits in Kapitel 1 und 2 dargelegt, setzt die Aufklärung über Risiken und insb. Langzeitfolgen einer Lebendspende ausreichende Kenntnisse bzw. Erkenntnisse über diese voraus. b) Untersuchung der Spendereignung § 3 Abs. 3 lit. a TZ verbietet eine Lebendspende, wenn dadurch die Gesundheit des Spenders ernsthaft gefährdet würde. Ebenso ist gemäß § 3 Abs. 3 lit. c TZ eine Lebendspende untersagt, wenn der Spender an einer 151 152 153 154 155
Beverly, S. 23; Hlavackova, S. 36. Beverly, S. 23; Hlavackova, S. 36. Beverly, S. 23; Brychtova, S. 68. Brychtova, S. 67 f. Hlavackova, S. 37.
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende
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Krankheit oder einem Zustand leidet, der das Leben oder die Gesundheit des Empfängers gefährden würde. Ausgenommen sind die Fälle geringer Gesundheitsbeeinträchtigungen des Empfängers. Erforderlich ist eine Einzelfallabwägung. Danach soll eine Implantation eines marginalen Organs insbesondere dann in Erwägung gezogen werden, wenn ansonsten dem Empfänger der sichere Tod droht.156 Die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung des Lebendspenders ist in § 6 TZ sehr detailliert geregelt. Auf Grundlage des § 6 Abs. 5 ist die Bekanntmachung 437/2002 Sb., welche die näheren Einzelheiten der Beurteilung der gesundheitlichen Eignung des Lebendspenders und den Umfang der Untersuchung des lebenden oder verstorbenen Organ- oder Gewebespenders zu Transplantationszwecken regelt,157 ergangen. § 1 Abs. 2 der Bekanntmachung 437/2002 Sb. regelt detailliert, welche Untersuchungen des Lebendspenders durchzuführen sind. Ebenfalls gibt § 1 Abs. 6, mit Hinweis auf die in der Anlage zu Bekanntmachung 437/2002 Sb. aufgelisteten Kontraindikationen, Anhaltspunkte dafür, wann eine Spende zum Schutz des Empfängers ausgeschlossen ist. Wie bereits an anderer Stelle dargelegt, handelt es sich dabei nicht um absolute Kontraindikationen.158 Eine Auslegung ist im Einzelfall mit Blick auf die Empfängersituation erforderlich. Die Vorschriften des § 6 TZ sowie die Bekanntmachung 437/2002 Sb. dienen sowohl dem Schutz des Spenders als auch dem des Empfängers.159 Obwohl in § 6 TZ als auch in der Ministerialbekanntmachung Angaben zu einer psychologischen Untersuchung fehlen, geht aus der amtlichen Begründung zu § 6 TZ eindeutig hervor, dass eine psychologische Untersuchung des Spenders ebenfalls erfolgen soll.160 Angesprochen wird insbesondere die Gefahr, dass der Spender ein ungesundes Verhältnis zum Empfänger dahingehend entwickeln könnte, diesen bzw. das gespendete Organ als sein Eigentum zu betrachten.161 Meines Erachtens wäre es daher 156 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 13. 157 Vyhlaska Ministerstva zdravotnictvi c.437/2002 Sb. ze dne 3. rijna 2002, kterou se stanovi blizsi podminky posuzovani zdravotni zpusobilosti a rozsah vysetreni zijiciho nebo zemreleho darce tkani a organu pro ucely transplantaci. 158 Kapitel 3, B. I. 2. b) dd). 159 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 19. 160 Knap/Svestka/Jehlicka/Plecity, S. 251. 161 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 19.
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Kap. 3: Rechtliche Ausgestaltung in der Tschechischen Republik
konsequent gewesen, die Pflicht zur psychologischen Untersuchung zum Schutz des Lebendspenders zumindest in der Ministerialbekanntmachung festzuschreiben. Für die Beurteilung der medizinischen Eignung des Lebendspenders ist gemäß § 6 Abs. 2 TZ die medizinische Einrichtung, welche die Lebendspende durchführt, verantwortlich. Die Untersuchung ist in der Krankenakte des Lebendspenders zu dokumentieren. Darüber hinaus ist die Entnahmeeinrichtung gemäß § 6 Abs. 4 TZ zur Gewährleistung besonderer Pflege des Spenders verpflichtet. Welche Untersuchungen des Lebendspenders nach erfolgter Organentnahme durchzuführen sind, ergibt sich aus § 1 Abs. 8 der Bekanntmachung 437/2002 Sb. c) Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit Aus § 7 Abs. 4 TZ geht hervor, dass die Lebendspende die Freiwilligkeit des Spenders voraussetzt. Die Unentgeltlichkeit ergibt sich aus § 28 Abs. 1 TZ, welcher, anknüpfend an Art. 21 der Biomedizinkonvention, festlegt, dass menschliche Körper und Teile davon nicht zur Erzielung finanziellen Gewinns verwendet werden dürfen. Problematisch ist aber, z. B. mit Blick auf die Überkreuzspende, die über Art. 21 der Biomedizinkonvention hinausgehende Ergänzung, dass auch die Erzielung anderer – wie auch immer gearteter – Vorteile verboten ist.162 Ein Verstoß gegen diese Verbotsnorm des § 28 Abs. 1 TZ kann strafrechtlich verfolgt werden (vgl. § 209 a des tschechischen Strafgesetzbuchs).163 2. Subsidiaritätsgrundsatz In § 3 Abs. 1 lit. b TZ ist der sog. Subsidiaritätsgrundsatz verankert. Dieses Prinzip ist, wie bereits in Kapitel 2 dargelegt, auch in Art. 19 der Biomedizinkonvention164 niedergelegt. An diese ist die Tschechische Republik völkerrechtlich gebunden. Dem tschechischen Subsidiaritätsgrundsatz zufolge ist eine Lebendspende von Gewebe und Organen nur zulässig, wenn weder ein geeignetes Leichenorgan noch eine alternative Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung steht. Aus der Gesetzesbegründung zu § 3 162
Vgl. dazu unten, Kapitel 3, C. II. 3. b). Jelinek, § 209 a trestni zakon, S. 221. 164 Art. 19 Abs. 1 der Biomedizinkonvention: „Einer lebenden Person darf ein Gewebe oder Organ zu Transplantationszwecken nur zum therapeutischen Nutzen des Empfängers und nur dann entnommen werden, wenn weder ein geeignetes Organ oder Gewebe einer verstorbenen Person verfügbar ist noch eine alternative verfügbare therapeutische Methode von vergleichbarer Wirksamkeit besteht.“ 163
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende
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Abs. 1 TZ geht hervor, dass z. B. die Dialyse keine Behandlungsalternative zur Nierentransplantation darstellt, da die durch die erfolgreiche Transplantation erreichte Lebensqualität nicht mit einem Leben an der Dialyse vergleichbar ist.165 3. Empfängerkreis: Zulässige Empfänger einer Lebendspende Von vornherein ausgeschlossen ist gemäß § 8 Abs. 1 TZ lediglich eine Lebendspende an eine vom Spender nicht näher bestimmte Person. § 8 Abs. 1 TZ bestimmt, dass eine Lebendspende zugunsten einer gemäß § 3 Abs. 2 TZ bestimmten Person zulässig ist. Eine anonyme Spende an einen dem Spender nicht bekannten Empfänger ist ausgeschlossen.166 Nicht ausgeschlossen hingegen ist, dass der Lebendspender dem Empfänger gegenüber anonym bleibt.167 Dies ergibt sich aus § 20 Abs. 1 lit. b TZ.168 § 3 Abs. 2 TZ regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Lebendspende erfolgen darf, sofern die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 TZ (Heilungszweck, Subsidiaritätsgrundsatz, Geschäftsfähigkeit und paariges Organ169) erfüllt sind. Im Einzelnen regelt § 3 Abs. 2 lit. a TZ die Spende zugunsten eines dem Spender nahe stehenden Empfängers. § 3 Abs. 2 lit. b TZ regelt die zusätzlichen Anforderungen an die Zulässigkeit der Lebendspende an einen nicht nahe stehenden Empfänger. Aus der Gesetzesbegründung geht hervor, dass die in § 3 TZ getroffene Regelung der Umsetzung der Biomedizinkonvention Rechnung tragen soll.170
165 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 12. 166 Brychtova, S. 68; Knap/Svestka/Jehlicka/Plecity, S. 249. 167 Brychtova, S. 70. 168 Allerdings dürfte der Gesetzgeber da eher die Knochenmarkspende vor Augen gehabt haben als die anonyme Organlebendspende. 169 Nach dem strikten Wortlaut dieser Vorschrift wäre eine Leberteilspende unzulässig. Sie wird aber in der Tschechischen Republik, wenn auch nur in geringem Umfang, durchgeführt, vgl. dazu Brychtova, S. 11 mit dem Hinweis auf die erstmalig durchgeführte Leberteilspende in Prag im Jahr 2003. 170 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 12.
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Kap. 3: Rechtliche Ausgestaltung in der Tschechischen Republik
a) Erfordernis eines verwandtschaftlichen oder sonstigen Näheverhältnisses Gemäß § 3 Abs. 2 lit. a TZ ist eine Lebendspende zu Gunsten einer sog. nahe stehenden Person ohne die Erfüllung zusätzlicher Voraussetzungen zulässig. Bei welchen Personen es sich um eine nahe stehende Person handelt, ist den §§ 116, 117 des tschechischen Zivilgesetzbuchs (obcanski zakonik)171 zu entnehmen. § 116 des tschechischen Zivilgesetzbuches enthält eine Legaldefinition der nahe stehenden Personen. Keinerlei Auslegungsschwierigkeiten mangels Auslegungsspielraum bereitet § 116 1. Halbsatz des tschechischen Zivilgesetzbuches. Demzufolge sind Verwandte direkten Grades172, also Eltern und Kinder, Geschwister sowie Ehegatten, nahe stehende Personen. Ebenfalls als sich gegenseitig nahe stehende Personen zu betrachten sind gemäß § 116 2. Halbsatz des tschechischen Zivilgesetzbuches „Personen, die in familiärem oder vergleichbarem Verhältnis zueinander stehen. Erforderlich ist, dass diese beiden Personen den jeweils von der anderen Person erlittenen Nachteil begründeterweise als eigenen Nachteil empfinden.“ Es ist unschwer erkennbar, dass diese Formulierung einer vielfältigen Interpretation zugänglich ist und einer Vielzahl von Auslegungsmöglichkeiten Tür und Tor öffnet. Ein Blick in die Kommentarliteratur dieser Vorschrift bestätigt dies.173 Die Bejahung eines „Näheverhältnisses“ ist aber, anders als in der Bundesrepublik, keine zwingende Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Lebendspende. Es entfällt lediglich das Erfordernis einer notariell beglaubigte Einwilligung sowie der Genehmigung durch eine Ethikkommission. b) Sonderfall: Personen im Strafvollzug § 3 Abs. 3 lit. b TZ schränkt die Möglichkeiten der Lebendspende für Spender, welche sich im Strafvollzug oder einer sonstigen geschlossenen Anstalt befinden, weiter ein. Eine Spende ist nur im Verhältnis zwischen 171
§ 116 „Osobou blízkou je prˇíbuzný v ˇradeˇ prˇímé, sourozenec a manžel; jiné osoby v pomeˇru rodinném nebo obdobném se pokládají za osoby sobeˇ navzájem blízké, jestliže by ffljmu, kterou utrpeˇla jedna z nich, druhá du˚vodneˇ poci’ovala jako ffljmu vlastní.“ § 117 „Stupenˇ prˇíbuzenství dvou osob se urcˇuje podle pocˇtu zrození, jimiž v rˇadeˇ prˇímé pochází jedna od druhé a v ˇradeˇ pobocˇné obeˇ od nejbližšího spolecˇného prˇedka.“ 172 Der direkte Grad bestimmt sich wie bei uns der erste Grad durch eine vermittelnde Geburt, vgl. § 117 des tschechischen Zivilgesetzbuches. 173 Svestka, in: Oldrich/Svestka/Skarova, § 116 obcansky zakonik, S. 394; Plecity/ Kocourek, § 116 obcansky zakonik, Rn. 2.
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Eltern und ihren Kindern, Geschwistern und zwischen Ehegatten zulässig. Während die Gründe für den Ausschluss von der Lebendspende von Personen, die sich in einer geschlossenen Anstalt befinden, nachvollziehbar sind, sind es die davon wiederum gemachten Ausnahmen nicht. Das Risiko des Missbrauchs einer Zwangslage ist bei diesen Personen besonders hoch, so dass lediglich medizinische Gründe – also das Erfordernis genetischer Übereinstimmung – eine Gegenausnahme rechtfertigen würden. Warum dann gerade die genannten Personen einer Ausnahmeregelung unterfallen sollen, ist insoweit nicht erkennbar, da auch nach tschechischem Recht zwischen Ehegatten kein Verwandtschaftsverhältnis besteht. Die Wahrscheinlichkeit einer genetischen Kompatibilität zwischen Ehegatten ist also nicht höher als zwischen anderen nahe stehenden Personen. Insoweit gibt es keinen nachvollziehbaren Differenzierungsgrund im Hinblick auf andere nahe stehende Personen. c) Lebendspende zu Gunsten nicht nahe stehender Personen § 3 Abs. 2 lit. b TZ regelt die Möglichkeit und die Voraussetzungen einer Lebendspende zugunsten von Personen, welche dem Spender nicht gemäß §§ 116, 117 des tschechischen Zivilgesetzbuches nahe stehen. So knüpft § 3 Abs. 2 lit. b TZ die Zulässigkeit einer Lebendspende an das Vorliegen einer qualifizierten, schriftlichen und notariell beglaubigten Zustimmung des Spenders, welche untrennbarer Bestandteil der Krankendokumentationsakte wird sowie an die Genehmigung durch eine Ethikkommission gemäß § 5 Abs. 5 TZ.174 Wie bereits oben dargelegt, ist im Einzelfall mittels Auslegung zu ermitteln, ob der Empfänger eine dem Spender nahe stehende Person ist und das Schicksal des schwerkranken Empfängers von dem Spender wie ein eigener Nachteil empfunden wird. Die Formulierung des § 116 des tschechischen Zivilgesetzbuches begegnet also vergleichbaren Auslegungsschwierigkeiten wie § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG. Es stellt sich auch hier die Frage, ob eine solche Bewertung des Verhältnisses zwischen Spender und Empfänger von dem behandelnden Arzt vorgenommen werden kann und darf. Aufgrund des weiten Auslegungsspielraums besteht meines Erachtens eine nicht unerhebliche Missbrauchsgefahr. So könnten die strengeren Anforderungen an die Zulässigkeit einer Lebendspende gemäß § 3 Abs. 2 lit. b TZ dadurch unterlaufen werden, dass der Spendewillige als nahe stehende Person vom Transplantationszentrum (behandelnden Arzt) eingestuft wird. Darüber hinaus stellt sich die Frage, welche Fälle von § 3 Abs. 2 lit. b TZ erfasst 174
Beverly, S. 25.
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werden. Eine anonyme Lebendspende, z. B. an den Pool der auf der Warteliste registrierten, scheidet jedenfalls aus. Wie bereits in Kapitel 2 stellt sich auch hier unweigerlich die Frage, wer einer ihm nicht nahe stehende Person im Sinne des § 116 2. Halbsatz des tschechischen Zivilgesetzbuches eine seiner Nieren spenden wird, und zwar freiwillig und ohne finanzielle Gegenleistung?175 Einzig und allein im Hinblick auf die Ermöglichung einer Überkreuzlebendspende macht diese Vorschrift Sinn. Allerdings lassen sich den Gesetzesmaterialien keinerlei Angaben hierzu entnehmen. Dort heißt es allein im allgemeinen Teil der Begründung, dass mit Hilfe des neuen Transplantationsgesetzes Missbrauch und die Gefahr der Kommerzialisierung der Organspende ausgeschlossen werden sollen.176 Diese Gefahren birgt naturgemäß insbesondere die Lebendspende in Form der Alternative nach § 3 Abs. 2 lit. b TZ. Aber auch bei Familienangehörigen und nahe stehenden Personen kann Organhandel nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Es ist daher unverständlich, warum der tschechische Gesetzgeber allein die Fälle des § 3 Abs. 2 lit. b TZ von der Genehmigung durch eine Ethikkommission abhängig gemacht hat. Die Vorschrift erscheint umso mehr missglückt, da eine Kommissionsentscheidung ohne größere Schwierigkeiten umgangen werden kann. Die Gesetzesmaterialien geben im Hinblick auf die Ratio des § 3 Abs. 2 lit. b TZ lediglich Aufschluss darüber, dass die Vorschrift erlassen wurde, um den Anforderungen der Biomedizinkonvention und dem Zusatzprotokoll gerecht zu werden.177 Die Biomedizinkonvention selbst enthält keine Angaben zum Lebendspenderkreis. Anders das Zusatzprotokoll. So ist eine Lebendspende gemäß Art. 10 des Zusatzprotokolls zulässig, wenn zwischen Spender und Empfänger eine „enge Beziehung“ besteht oder aber ein geeignetes, unabhängiges Gremium seine Zustimmung erteilt. Wann eine „enge“ Beziehung besteht muss sich durch Gesetz bestimmen lassen. Als Beispiele für eine enge persönliche Bindung bzw. Beziehung werden Familienangehörige, langjährige Partnerschaften, Pateneltern genannt.178 Bereits hier wird deutlich, dass der Personenkreis der nahe stehenden Person sehr begrenzt zu verstehen ist. Sinn und Zweck der Beschränkung des Spenderkreises oder alternativ des Zustimmungserfordernis einer Ethikkommission ist es, der potentiellen Gefahr des Organhandels oder einer unzulässigen Beeinflus175
Vgl. dazu oben, Kapitel 2, C. I. 3. c) cc) (1). Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava. 177 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 12. 178 Explanatory Report to the Additional Protocol to the Convention on human rights and biomedicine. Art. 10, Rn. 62 ff. 176
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sung des Spenders entgegenzuwirken.179 Aus den dargelegten Gründen erscheint die Regelung des § 3 Abs. 2 TZ missglückt. Das Ziel, Rechtssicherheit bei Durchführung von Transplantationen unter anderem auch für das daran beteiligte medizinische Personal zu schaffen180, wurde verfehlt. 4. Errichtung, Zusammensetzung und Aufgaben der Ethikkommission Die Errichtung, Funktion und der Aufgabenbereich der Ethikkommission sind in § 5 TZ geregelt.181 a) Errichtung und Zusammensetzung § 5 Abs. 1 TZ stellt noch einmal klar, dass die Errichtung der Ethikkommission für die Fälle des § 3 Abs. 2 lit. b TZ sowie für die Fälle der Entnahme regenerierbaren Gewebes (insb. Knochenmark) bei minderjährigen oder geschäftsunfähigen Personen erfolgt. Die Errichtung einer solchen Kommission kann gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 TZ sowohl in Form einer ständigen als auch einer ad hoc Kommission erfolgen.182 § 5 Abs. 2 und 3 TZ regeln die Zusammensetzung der Kommission und die Anforderungen an ihre Mitglieder sowie deren Pflichten. Die Ethikkommission soll aus mindestens 5 Mitgliedern, darunter neben Medizinern, aus einem klinischen Psychologen und einem Juristen bestehen. Mindestens 2/3 der Mitglieder dürfen nicht in einem arbeitsrechtlichen oder vergleichbaren Abhängigkeitsverhältnis zum Transplantationszentrum stehen. Keines der Mitglieder darf an der Durchführung der Organtransplantation gemäß § 3 Abs. 2 lit. b TZ oder der Gewebetransplantation gemäß § 4 TZ beteiligt sein. Dies soll die Unabhängigkeit des Gremiums, wie es auch Art. 19 des Zusatzprotokolls zur Biomedizinkonvention vorschreibt, wahren.183 § 5 Abs. 3 TZ statuiert die Schweigepflicht der Ethikkommission über die im Zuge ihrer Tätigkeit erworbenen Informationen. Insbesondere auch im Hinblick auf die Wahrung der Anonymität zwischen Spender und Empfänger für den Fall, dass der Spender die Wahrung seiner Anonymität wünscht.184 179
Explanatory Report to the Additional Protocol to the Convention on human rights and biomedicine. Art. 10, Rn. 62 ff. 180 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava. 181 Beverly, S. 25. 182 Beverly, S. 25. 183 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 16.
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b) Verfahren und Verfahrensdefizite der Kommissionsentscheidung § 5 Abs. 6 regelt die Formalien für den schriftlichen Antrag auf Entscheidung durch die Kommission. § 5 Abs. 4 TZ regelt das Abstimmungsverfahren in der Kommission und § 5 Abs. 5 TZ verpflichtet die Kommission, eine schriftliche Entscheidung, in der sie der Lebendspende zustimmt oder diese ablehnt, zu treffen. In § 5 Abs. 7 TZ ist die Beiladung von Personen zum Zwecke der Entscheidungsfindung geregelt. Zwingend ist die persönliche Anhörung des Organspenders i. S. d. § 3 Abs. 2 lit. b TZ. Der Empfänger kann, wenn dies notwendig sein sollte, beigeladen werden. Bedauerlicherweise ist die Beiladung des Empfängers nicht verpflichtend. § 5 Abs. 8 TZ enthält die begrüßenswerte Regelung, dass die Ethikkommission in den ihr übertragenen Fällen über die ordnungsgemäße Durchführung der Transplantation und die Wahrung der Rechte der Spender wacht. § 5 Abs. 9 TZ schließlich statuiert Dokumentationspflichten der Ethikkommission. Trotz der detaillierten Regelung zur Ethikkommission finden sich in § 5 TZ keinerlei Maßgaben, wie die Kommission zu einer Entscheidung im Fall des § 3 Abs. 2 lit. b TZ (Spende an eine nicht nahe stehende Person) gelangen soll. So heißt es lediglich in § 5 Abs. 5 lit. c TZ, dass die Kommission die Gründe des Spenders für die Organspende ermitteln und bewerten soll. § 5 schweigt aber z. B. dazu, welche Gründe/Kriterien eine Genehmigung ausschließen würden. Aus der amtlichen Begründung zu § 5 TZ geht zunächst hervor, dass die Ethikkommission die Einhaltung der Vorschriften des TZ gewährleisten soll. Sie soll weittestmöglich sicherstellen, dass auf den Spender kein Zwang oder Druck ausgeübt wurde und/oder er sich nicht aufgrund des Versprechens von Vorteilen für sich oder nahe stehende Personen zu der Organspende entschlossen hat.185 Auch hier wird nochmals deutlich, warum eine Kommissionsentscheidung in allen Fällen der Lebendspende wünschenswert wäre. Schließlich ist noch zu bemängeln, dass die Regelung des § 5 TZ keine Angaben darüber enthält, ob und wie gegen eine Ablehnung der Genehmigung durch die Kommission vorgegangen werden kann. Für den Empfänger handelt es sich um eine im Wortsinn lebenswichtige Entscheidung, die einer rechtlichen Überprüfbarkeit nicht entzogen werden sollte. 184 Zwar verlangt § 3 Abs. 2 lit b TZ eine Spende zugunsten eines bestimmten Empfängers. Der Spender kann aber gemäß § 20 Abs. 1 lit b TZ dem Empfänger gegenüber anonym bleiben. 185 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 18.
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5. Finanzierung der Lebendspende Wie oben bei den Pflichten der medizinischen Einrichtungen bereits dargelegt, ergibt sich aus § 22 Abs. 2 i. V. m. § 21 Abs. 1 lit. g TZ, dass den Lebendspendern besondere Fürsorge zuteil werden soll. Dies wird durch § 6 Abs. 4 TZ, welcher die Entnahmeeinrichtung ebenfalls zur Gewährleistung besonderer Pflege des Spenders verpflichtet, untermauert. Darüber hinaus ist die medizinische Einrichtung gemäß § 22 Abs. 2 i. V. m. § 21 Abs. 1 lit. h TZ zum Abschluss einer Versicherung zugunsten des Lebendspenders für den Fall von Schäden, die ihm im Zusammenhang mit der Entnahme entstehen, verpflichtet. Mit der Einführung des TZ wurden auch Unklarheiten der Finanzierung der Organ- und insb. Lebendspende beseitigt. § 35 a des Gesetzes über die öffentliche Krankenversicherung186 bestimmt nunmehr, dass die Krankenkasse des Lebendspenders für alle Kosten im Zusammenhang mit der Lebendspende aufzukommen hat. Für die Kosten der Entnahme beim postmortalen Spender hat die Kasse des Verstorbenen aufzukommen.187 6. Exkurs: Zulässigkeit der Lebendspende bei minderjährigen und geschäftsunfähigen Personen Eine Lebendorganspende von minderjährigen oder geschäftsunfähigen Personen ist ausgeschlossen. Dies ergibt sich aus § 4 Abs. 1 TZ. Demzufolge ist allenfalls die Lebendspende regenerierungsfähigen Gewebes zulässig und das auch nur unter engen Voraussetzungen.188 So darf eine Lebendspende nur dann erfolgen, wenn kein volljähriger und geschäftsfähiger Spender zur Verfügung steht, es sich bei dem Empfänger um ein Geschwisterteil handelt, die Spende eine Möglichkeit zur Lebensrettung darstellt, der gesetzliche Vertreter der Lebendspende zustimmt und eine Genehmigung der Ethikkommission gemäß § 5 Abs. 5 lit. b TZ erteilt wurde.189 Die vorangestellten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.190 Die Entnahme ist unzulässig, wenn der potentielle Spender dies nicht wünscht. Diese Ausnahmevorschrift soll die Knochenmarkspende minderjähriger Geschwister ermöglichen, denn bei der Knochenmarkspende bedarf es eines genetisch kompatiblen Spenders. Diese Voraussetzungen erfüllen Geschwis186 Zakon c. 48/1997 Sb., o verejnem zdravotnim pojisteni a o zmene a doplneni nekterych souvisejicich zakonu. 187 Brychtova, S. 37. 188 Beverly, S. 33. 189 Brychtova, S. 70. 190 Brychtova, S. 71.
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ter am ehesten.191 Die Regelung des TZ steht im Einklang mit der Biomedizinkonvention und dem dazu ergangenen Zusatzprotokoll. 7. Sonderfall Dominotransplantation § 9 TZ regelt den Fall, dass einem Patienten Gewebe oder Organe zu anderen als zu Transplantationszwecken entnommen wurden. Zu ihrer Verpflanzung bedarf es einer vorherigen oder nachträglichen Zustimmung des Patienten. Laut Gesetzesbegründung hatte der Gesetzgeber den Fall vor Augen, dass einem Patienten, welcher eine kombinierte Herz-LungenTransplantation braucht, der Einfachheit halber beide Organe transplantiert werden und z. B. das entnommene Herz oder dessen Teile noch weiter zu Transplantationszwecken verwendet werden könnten.192 Es handelt sich folglich um eine Regelung der Dominolebendspende. Bedenklich erscheint mir aber insoweit die Möglichkeit einer nachträglichen Genehmigung. Dies ist nicht praktikabel. Was soll geschehen, wenn der Dominolebendspender die nachträgliche Zustimmung verweigert? Das bereits weiterverpflanzte Herz kann dem neuen Empfänger schwerlich wieder herausoperiert werden. Die Möglichkeit einer nachträglichen Zustimmung ist daher völlig verfehlt. Ungeklärt ist auch im TZ, wie die Allokation eines Dominoorgans zu erfolgen hat.
II. Verbote, Ordnungswidrigkeiten, Bußgeld- und Straftatbestände § 28 TZ normiert zunächst einige Verbotsvorschriften. Die §§ 29, 30 TZ enthalten Bußgeldvorschriften für den Fall der Nichterfüllung bestimmter durch das TZ vorgeschriebener Verpflichtungen oder Verstöße gegen Verbotsnormen, insbesondere seitens der medizinischen Einrichtungen.193 Des Weiteren wurden neue Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbestände geschaffen. So hat § 33 TZ die Änderung des Strafgesetzbuches zum Inhalt. Es wurde § 209 a neu eingefügt, welcher die Überschrift unerlaubter Handel mit Gewebe und Organen trägt. § 35 TZ ändert das Gesetz über Ordnungs191 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 14. 192 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 22. 193 Durch § 23 des Gesetzes zur Kontrolle des Handels mit Produkten, deren Besitz in der Tschechischen Republik aus Sicherheitsgründen eingeschränkt werden muss, werden in § 29 zusätzliche Bußgeldtatbestände ergänzt.
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widrigkeiten. § 29 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten wurde dadurch um drei Tatbestände, § 29 lit. k bis m, erweitert. 1. Verbote nach § 28 TZ Wie bereits oben dargelegt, ist in § 28 Abs. 1 TZ das Verbot menschliche Körper und Teile davon als solche zur Erzielung finanziellen Gewinns oder anderer Vorteile zu verwenden, normiert.194 Gerade die Formulierung anderer Vorteile bereitet Schwierigkeiten. Die amtliche Begründung zu § 28 TZ schweigt hierzu. In der Kommentarliteratur heißt es dazu lediglich, die Vorschrift solle verhindern, dass sich Personen ausschließlich aus gewinnsüchtigen Motiven zu einer Spende entschließen.195 Es stellt sich also auch hier die Frage, inwieweit sich auch die Überkreuzlebendspende unter die Verbotsvorschrift subsumieren ließe. Denn dort spendet ja der Spender um ein Organ eines anderen für seinen Partner zu erhalten, was sicherlich ein Vorteil für seinen Partner und unter Umständen auch ihn selbst darstellt. Ob die Überkreuzlebendspende daher strafbewehrt ist, wird nachfolgend noch zu erörtern sein.196 a) Ausschluss von Ansprüchen gegen den Spender oder Empfänger § 28 Abs. 2 TZ verbietet dem Spender und Dritten, Ansprüche gegen den Empfänger geltend zu machen. Damit wird klargestellt, dass der Spender, dessen Angehörige oder sonstige Dritte keine Ansprüche gegen den Empfänger für das gespendete Organ haben. Entgegenstehende Vereinbarungen sind nichtig. Darüber hinaus schützt die Vorschrift den Empfänger vor jeglichen Schadensersatzansprüchen des Spenders, z. B. wenn es zu Komplikationen bei der Lebendspende kommt oder dem Spender später Nachteile wegen der Einnierigkeit erwachsen.197 Dazu gehören auch finanzielle Einbußen aufgrund der Lebendspende. Auch kann der Lebendspender kein Schmerzensgeld geltend machen.198 b) Verbot der Werbung § 28 Abs. 3 TZ verbietet Inserate und Werbung zum Zwecke der Nachfrage nach oder des Angebots von Geweben oder Organen. Gemäß § 29 194 195 196 197 198
Cisarova, Zdravotnictvi a Pravo 2002/7–8, 17, 18. Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 88. Vgl. dazu unten, Kapitel 3, C. II. 3. b). Teryngel, Zdravotnictvi a Pravo 2002/12, 6, 8. Teryngel, Zdravotnictvi a Pravo 2002/12, 6, 8.
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Abs. 2 lit. a und b TZ und § 35 TZ i. V. m. § 29 Abs. 2 lit. k des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (Zakon o prestupcich ) drohen bei Verstößen hiergegen Geldstrafen i.H.v. bis zu 50.000 Kronen199 und Berufsverbot. Ausgenommen von diesem Verbot wird lediglich ein Vorgehen nach § 27 TZ. § 27 TZ regelt die Aufklärung der allgemeinen und der Fachöffentlichkeit. Aufgrund des Mangels an Organen ist laut amtlicher Begründung zu § 27 die fachliche und laienhafte Öffentlichkeit über die Erfolge und Vorteile der Transplantationsmedizin zu informieren. Es sei erforderlich, die Bereitschaft zur postmortale Organ- und Gewebespende zu fördern und zu propagieren, ebenso die freiwillige Knochenmarkspende.200 Mit dieser Vorschrift trägt der tschechische Gesetzgeber unter anderem Art. 28 der Biomedizinkonvention Rechnung, welcher den Vertragsparteien die Pflicht zur öffentlichen Diskussion von Grundsatzfragen auferlegt, die sich im Zuge medizinischer und biologischer Entwicklung stellen.201 Öffentliche Werbeund Aufklärungskampagnen sind also von der Verbotsvorschrift ausgenommen. Fraglich ist allerdings, ob es sich dabei um die einzige zulässige Ausnahme handelt. Im Schrifttum wird kritisiert, dass der Gesetzgeber hier keine ausreichende Differenzierung vorgenommen bzw. nicht ausreichend die Konsequenzen bedacht hat, die eine wortgetreue Auslegung der Verbotsvorschrift mit sich brächte.202 Deutlich wird die Problematik bei der nachfolgenden Auswahl von möglichen Fallkonstellationen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass diese Vorschrift für die Organ- und Gewebespende gleichermaßen Geltung beansprucht. Mithin auch für die Knochenmarkspende. Der private Aufruf im Freundeskreis oder der medialen Öffentlichkeit sich als Knochenmarkspender für eine dringend benötigte Knochenmarkspende testen zu lassen und gegebenenfalls zu spenden, wäre dieser Vorschrift zu Folge unzulässig. Gerade bei der Auffindung eines geeigneten Knochenmarkspenders ist man wegen der erforderlichen genetischen Übereinstimmung auf das Erreichen einer breiten Öffentlichkeit angewiesen, soweit sich im unmittelbaren familiären Umfeld kein kompatibler Spender findet. Aber nicht nur im Bereich der Gewebespenden erscheint die Vorschrift des § 28 Abs. 3 TZ problematisch. Was ist mit dem Arzt, der im Rahmen 199
Das sind ca. 1750 Euro. Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 43. 201 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 43. 202 Mach, S. 267; Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 88. 200
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der Patientenaufklärung dem Kranken und dessen Angehörigen oder sonstigen nahe stehenden Personen die Möglichkeit der Lebendspende erläutert? Könnte das bereits bei strikter Anwendung des § 28 Abs. 3 TZ als Werbung zum Zwecke der Nachfrage verstanden werden? Was ist mit der Vermittlung oder der Suche nach einem geeigneten Paar für die Überkreuzlebendspende? Kann es sein, dass der Gesetzgeber die Bitte um eine altruistische Organ- und Gewebespende von privater Seite verbieten wollte, wo er sie doch in § 3 Abs. 2 lit. b TZ gerade zulässt? Meines Erachtens ist die Vorschrift in jedem Fall korrekturbedürftig. Lediglich Werbemaßnahmen, welche als Vorbereitungshandlung zu kommerziellen Organhandel diesem Vorschub leisten, sind unter Strafe zu stellen. Da eine amtliche Begründung, welche über Sinn und Zweck dieser Vorschrift Aufschluss gibt, fehlt, bereitet auch eine teleologische Reduktion Schwierigkeiten, zumal der Wortlaut ja eine abschließende Ausnahme von der Verbotsvorschrift vorsieht. c) Handelsverbot In 28 Abs. 4 TZ wird schließlich der Handel mit zu Transplantationszwecken entnommenen Organen oder Geweben verboten. 2. Bußgeldvorschriften und Ordnungswidrigkeitentatbestände § 29 TZ ist die zentrale Bußgeldvorschrift und soll die Einhaltung der durch das TZ geschaffenen Verpflichtungen und Verbote sicherstellen.203 Naturgemäß richten sich die Bußgelder auch gegen die medizinischen Einrichtungen und sonstigen Institutionen. Bußgeldbewehrt sind aber allein die explizit in § 29 Abs. 2 aufgelisteten Pflichten. Leider liefert die amtliche Begründung keine Anhaltspunkte, warum sich der Gesetzgeber gerade für die Ahndung der aufgelisteten Verstöße gegen das TZ entschieden hat, während andere ausgespart wurden. So z. B. § 20 Abs. 2 TZ, der die Verpflichtung der Spenderkrankenhäuser zur Meldung möglicher Organspender vorschreibt, dessen Verletzung sanktionslos bleibt. Ebenfalls eine Geldstrafe von bis zu 50.000 Kronen204 oder Berufsverbot droht demjenigen, der eine finanzielle Belohnung oder sonstige Vorteile für die Auffindung eines Organ- oder Gewebespenders anbietet (vgl. § 29 Abs. 1 lit. l des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten). 203 204
Pospisil, Zdravotnictvi a Pravo 2002/12, 10. Das sind ca. 1750 Euro.
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Eine Geldstrafe droht darüber hinaus auch demjenigen, welcher die Anonymität zwischen Spender und Empfänger nicht wahrt (vgl. § 29 Abs. 1 lit. m des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten). 3. Unerlaubter Handel mit Gewebe und Organen Mit der Einführung des TZ wurde auch eine neue Strafvorschrift geschaffen, welche, anders als bei uns, nicht im TZ selber verankert ist, sondern in das Strafgesetzbuch inkorporiert wurde: „§ 209 a Unerlaubter Handel mit Gewebe und Organen (1) Wer im Widerspruch zur gesonderten gesetzlichen Bestimmung 2a)205 dem Körper eines toten Menschen Gewebe oder Organe entnimmt, wird mit Freiheitsentzug bis zu zwei Jahren oder Berufsverbot bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern, mit entnommenem menschlichen Gewebe oder Organen im Widerspruch zur gesonderten gesetzlichen Bestimmung 2a)206 handelt.“
Die weiteren Absätze enthalten zudem noch Qualifizierungstatbestände für wiederholte Verstöße, organisierte Kriminalität, Gewinnerzielung in besonders großem Umfang sowie grenzüberschreitende organisierte Kriminalität. Systematisch wurde § 209 a dem Abschnitt 5 des tschechischen Strafgesetzbuchs (grobe Störungen des menschlichen Zusammenlebens) zugeordnet.207 § 209 a Abs. 1 und Abs. 2 des tschechischen Strafgesetzbuchs stellen zwei voneinander völlig unabhängige Straftatbestände dar.208 Beide Absätze erfassen lediglich die vorsätzliche Tatbegehung und nicht die Fahrlässigkeit.209 Die Ratio des § 209 a Abs. 1 des tschechischen Strafgesetzbuchs ist es, zum einen zu einer gesetzesmäßigen Durchführung der Transplantationen anzuhalten und zum anderen der missbräuchlichen Verwertung von entnommenem menschlichen Geweben oder Organen zu kommerziellen Zwecken vorzubeugen.210
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Verwiesen wird in der Gesetzestextfußnote auf das TZ in Gänze. Verwiesen wird in der Gesetzestextfußnote auf das TZ in Gänze. 207 Samal, § 209 a trestni zakon, Rn. 1. 208 Samal, § 209 a trestni zakon, Rn. 1. 209 Mach, S. 271; Samal, § 209 a trestni zakon, Rn. 9. 210 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 47 f.; Samal, § 209 a trestni zakon, Rn. 2. 206
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende
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a) Strafbarkeit der dem TZ zuwiderlaufenden Organentnahmen gemäß § 209 a Abs. 1 des tschechischen Strafgesetzbuchs Gemäß § 209 a Abs. 1 des tschechischen Strafgesetzbuchs wird eine dem TZ zuwider laufende Organ- oder Gewebeentnahme bei Verstorbenen unter Strafe gestellt.211 aa) Tatbestandsmäßige Handlung Unter den Begriff toter Körper fallen jegliche Körperteile, unabhängig davon, ob sie noch eine Einheit bilden oder vom Körper getrennt worden sind (z. B. bei einem Verkehrsunfall oder einer Explosion).212 Nicht von dieser Vorschrift erfasst ist also die TZ-widrige Entnahme bei lebenden Personen. Der Lebendspender sei bereits durch die vorhandenen Strafrechtsvorschriften – namentlich der fahrlässigen, einfachen und schweren Körperverletzung213 bis hin zum Totschlag oder Mord214 geschützt.215 Aus diesem Grund habe man zum Zwecke der besseren Übersichtlichkeit und zur Vermeidung der Duplizität von Strafvorschriften nur die TZ-widrige postmortale Entnahme in den § 209 a Abs. 1 aufgenommen.216 Im tschechischen Schrifttum wird in diesem Zusammenhang mit der Lebendspende aber auf eine weitere Problematik der strafrechtlichen Verantwortung der am Transplantationsprozess beteiligten Mediziner hingewiesen.217 Die Entnahme eines Organs beim Lebendspender, zum Zwecke der Verpflanzung, dient in der Regel nicht Heilungszwecken, sondern stellt auch nach dem tschechischen Strafgesetzbuch tatbestandlich eine Körperverletzung dar, und zwar auch hier eine qualifizierte, namentlich die dauerhafte Verstümmelung gemäß § 89 Abs. 7 lit. a des tschechischen Strafgesetzbuchs. Dies steht im Widerspruch zum TZ, welches in § 3 ff. die Voraussetzungen der Organentnahme ex vivo festlegt und somit zulässt.218 Es bliebe also nur die Rechtfertigungsebene. Auch in Tschechien gilt der 211
Jelinek, § 209 a trestni zakon, S. 221. Samal, § 209 trestni zakon, Rn. 4; vgl. auch Cisarova, trestni pravo, S. 137. 213 §§ 221, 222 trestni zakon. 214 § 219 trestni zakon. 215 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 48. 216 Parlament Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 48. 217 Cisarova, trestni pravo, S. 139. 218 Cisarova, trestni pravo, S. 139. 212
306
Kap. 3: Rechtliche Ausgestaltung in der Tschechischen Republik
Grundsatz „volenti non fit iniuria“. Er wird aber wohl von der herrschenden Meinung im Hinblick auf die Straftaten gegen das Leben und die Gesundheit abgelehnt.219 Reformen sind aber geplant.220 Trotz dieser Widersprüche ist derzeit davon auszugehen, dass die Durchführung einer Lebendspende, welche entsprechend den Vorschriften des TZ durchgeführt wurde, strafrechtlich nicht verfolgt werden kann.221 bb) Rechtfertigung durch Notstand Fraglich ist darüber hinaus, inwieweit andere Rechtfertigungsgründe bei einer tatbestandsmäßigen Handlung nach § 209 a Abs. 1 des tschechischen Strafgesetzbuchs greifen. So zum Beispiel in dem Fall, dass ein Arzt einem Verstorbenen, welcher im Widerspruchsregister seinen Widerspruch zur postmortalen Organentnahme erklärt hat, Organe oder Gewebe entnimmt. Unstrittig ist § 209 a Abs. 1 des tschechischen Strafgesetzbuchs tatbestandlich erfüllt.222 Fraglich ist aber, ob die Entnahme in bestimmten Fällen nicht gerechtfertigt sein könnte, wenn sonst ein Patient auf der Warteliste versterben würde. Das tschechische Strafgesetzbuch kennt den Rechtfertigungsgrund der sog. krajni nouze223 (Notstand). Zu beachten ist dabei der Grundsatz der Proportionalität, d.h. das zu rettende Rechtsgut muss wesentlich höher wiegen, als das verletzte. Vorliegend wären Leben und/oder Gesundheit eines oder mehrer Menschen (es können ja durchaus auch mehrere sein wegen der Vielzahl zu entnehmender Organe) gegen moralische Werte und Pietät. gegeneinander abzuwägen.224 Des Weiteren ist der Grundsatz der Subsidiarität zu wahren. D.h. die Gefahr darf nicht anders abwendbar sein. Bei dem herrschenden Organmangel dürfte in der Regel auch diese Voraussetzung wie in dem vorliegenden Beispiel erfüllt sein. Wo sind aber die Grenzen zu ziehen? Wird dadurch das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen und das Totensorgerecht der Angehörigen nicht gänzlich ausgehebelt? Denn wiegt nur das Leben oder auch die Gesundheit/Verbesserung der Lebensqualität eines in der Regel Schwerkranken höher? Laut Teryngel ergibt sich sowohl aus der Verfassung der Tschechischen Republik und internationalen Abkommen, dass das Leben immer höher zu bewerten ist, als moralische Wertvorstellungen/Wertesysteme.225 Ließe man eine solche Argumentation zu, näherte sich die tschechische Widerspruchregelung 219 220 221 222 223 224 225
Cisarova, trestni pravo, S. 139. Brychtova; S. 197. Brychtova, S. 197. So auch Teryngel, Zdravotnictvi a Pravo,12/2002, S. 6, 8. Vgl. § 14 des tschechischen Strafgesetzbuchs. Vgl. Teryngel, Zdravotnictvi a Pravo,12/2002, S. 6, 8. Vgl. Teryngel, Zdravotnictvi a Pravo,12/2002, S. 6, 8.
C. Rechtliche Ausgestaltung der Lebendspende
307
der sog. Notstandsregelung an.226 Dies entspricht aber meines Erachtens nicht dem Willen des Gesetzgebers. b) Strafbarkeit der Überkreuzspende als Organhandel gemäß § 209 a Abs. 2 des tschechischen Strafgesetzbuchs § 209 a Abs. 2 des tschechischen Strafgesetzbuchs soll die Fälle des Handelns mit menschlichen Organen und Geweben, welche unter Verstoß gegen das TZ mit der Absicht, sich oder einen Dritten zu bereichern, entnommen wurden, unter Strafe stellen. Dieser Absatz erfasst sowohl die postmortale als auch die Lebendspende.227 Die Strafvorschrift soll die Einhaltung von § 28 Abs. 1 und 2 TZ sicherstellen.228 Handel soll dabei jedwedes Verhalten einer Person sein, welche mit dem entnommenen Organen und Geweben in Berührung gekommen ist und welches nicht im Einklang mit dem TZ erfolgte.229 Unter Bereicherung sei dabei die Vermehrung der Eigentumsrechte des Täters oder eines Dritten zu verstehen. Darunter fielen sowohl die Erweiterung der Vermögensposition als auch die Ersparnis von Aufwendungen. Die Absicht der Drittbereicherung müsse sich nicht auf eine konkrete Person beziehen.230 Zur Tatbestandsverwirklichung ist es auch nicht erforderlich, dass eine Bereicherung tatsächlich erfolgt.231 Die Überkreuz-Lebendspende dürfte bereits das Tatbestandsmerkmal der Bereicherung i. S. einer Vermögensmehrung nicht erfüllen. Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem Zusammenhang die Forderung von Cisarova, beim Entgelt für eine Lebendspende zu differenzieren. Die Entgegennahme von Leistungen nach Abschluss der Transplantation soll den Straftatbestand des Organhandels nicht erfüllen, soweit der Spender nicht im Hinblick auf diesen zukünftigen Gewinn gehandelt hat.232 Wegen § 28 Abs. 2 TZ könnte er die Belohnung auch nicht einfordern. Diese Argumentation erscheint nicht unbedenklich, denn wie soll man überprüfen, ob nicht schon im Vorfeld eine Belohnung versprochen wurde. Damit würde Schutzbehauptungen Tür und Tor geöffnet. 226
Vgl. zur Notstandslösung Fußnote 1291. Samal § 209 a trestni zakon, Rn. 10; Cisarova, trestni pravo, S. 138. 228 Teryngel, Zdravotnictvi a Pravo,12/2002, S. 6, 9. 229 Samal § 209 a trestni zakon, Rn. 11, welcher den häufigsten Anwendungsfall in einem Verstoß gegen § 12 III. TZ sieht, welcher vorschreibt, dass entnommenes Gewebe zur weiteren Verarbeitung der Gewebebank zu übergeben ist. 230 Cisarova, trestni pravo, S. 138; Samal § 209 a trestni zakon, Rn. 12; Ostrizek/ Man/Schelle, Pravni uprava, S. 91. 231 Samal § 209 a trestni zakon, Rn. 12; Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 91. 232 Cisarova, trestni pravo, S. 138. 227
Kapitel 4
Vergleich der grundlegenden deutschen mit den tschechischen Regelungskonzepten Im vorliegenden Kapitel werden die grundlegenden Konzepte der gesetzlichen Ausgestaltung der postmortalen Organspende als auch der Lebendspende in Deutschland und der Tschechischen Republik miteinander verglichen.
A. Regelung der postmortalen Organspende In Teil 1 werden die zentralen Regelungen der postmortalen Organspende einem Vergleich unterzogen. Dazu gehören die Organisation der postmortalen Spende, die gesetzlichen Voraussetzungen der Entnahme sowie die Allokation der zu Transplantationszwecken entnommenen Organe.
I. Koordinierung der Organspende Sowohl in der Bundesrepublik als auch in der Tschechischen Republik hat der Gesetzgeber eine zentrale Organisation für die Koordinierung der Organspende etabliert. 1. Zuständigkeitsbereich der Koordinierungsstellen Während in Deutschland der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) lediglich die Koordinierung der Organspende übertragen, die Allokation aber zu Eurotransplant ausgelagert wurde, ist das tschechische Koordinierungszentrum für Transplantation (KST) sowohl für die Spende als auch die Allokation zuständig, wobei der Schwerpunkt auf der Allokation liegt. Eine Trennung von Koordinierung der Spende und Allokation ist nach Ansicht der Verfasserin nicht erforderlich, da keinerlei potenzielle Kompetenzkonflikte ersichtlich sind. Die Zuständigkeit einer sog. National Transplantation Organisation (NTO) für Spende und Allokation entspricht der Praxis in einer Vielzahl der europäischen Nachbarländern, wie z. B.
A. Regelung der postmortalen Organspende
309
Großbritannien, Spanien, Italien oder Frankreich1 und findet sich so auch in den Empfehlungen des Europarates wieder.2 Erforderlich ist hingegen die Trennung zwischen Allokation und Transplantation. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Transplantationszentren daran interessiert sind, möglichst viele Transplantationen durchzuführen und somit Allokationsregeln favorisieren, welche Ihnen möglichst viele Spenderorgane zuweisen. In Deutschland erfolgt diese Trennung durch die Zuweisung der Allokationstätigkeit an Eurotransplant. Auch dem tschechischen Gesetzgeber war insbesondere an der räumlichen, sachlichen und finanziellen Unabhängigkeit des KST von den Transplantationszentren gelegen (vgl. § 25 Abs. 1 Satz 3 TZ). Inkonsequent erscheint es daher, eine Zusammenarbeit der Transplantationszentren mit dem KST bei der Erstellung von Allokationsregeln in § 22 Abs. 2 lit. c TZ zu normieren. Zwar ist das KST auf die Expertise der Transplantationszentren sowie deren Akzeptanz der entwickelten Allokationsregeln angewiesen, mit dieser Verknüpfung wird aber die Unabhängigkeit des KST aufgeweicht und dem Vorwurf von Interessenkonflikten Vorschub geleistet.3 2. Gemeinschaftliche Zusammenarbeit Sowohl § 11 Abs. 1 und 4 TPG als auch § 21 TZ verpflichten die zentralen Einrichtungen und die an der Organspende und Transplantation beteiligten Akteure zur gemeinschaftlichen Zusammenarbeit. Während das TPG die bestehenden Strukturen aufgriff, hat man in der Tschechischen Republik die Neuregelung zur Etablierung neuer Institutionen, wie z. B. des KST, und der Schaffung zahlreicher Register genutzt. Es bleibt aber abzuwarten, ob sich das neugegründete KST z. B. gegen IKEM, das größte Transplantationszentrum in Prag, wird durchsetzen können. Bis auf das Widerspruchsregister befinden sich alle Register in der Aufbauphase, das Gesetz enthält keine näheren Angaben zur geplanten Ausgestaltung. Es bleibt also die weitere Entwicklung abzuwarten. Angesichts der Tatsache, dass die Erkennung und Meldung potentieller Spender einen entscheidenden Faktor für die Steigerung der Organspende 1
Vgl. dazu oben, Kapitel 3, B. III. 2. a). Recommendation Rec (2006) 15 of the Committee of Ministers to member states on the background, functions and responsibilities of a national transplant organisation (NTO), abgedruckt in: Newsletter Transplant 2007, Vol. 12 No 1 International Figures on organ donation and transplantation, Council of Europe, S. 42, www.ont.es./noticiasHome/ficherosPDF/NEWSLETTER.pdf. 3 Vgl. dazu Kapitel 3, B. III. 2. aa). 2
310
Kap. 4: Vergleich der Regelungskonzepte
darstellt,4 ist es begrüßenswert, dass beide Gesetze5 die Verpflichtung zur Meldung potentieller Spender normieren.6 Keines der Gesetze tut dies allerdings an prominenter Stelle. Darüber hinaus ist auch keine Sanktionierung bei Nichtbefolgung vorgesehen und sowohl DSO als auch KST beklagen die unzureichende Umsetzung dieser Vorschrift.7
II. Regelung der zentralen rechtlichen Voraussetzungen der postmortalen Organspende Zentrale Voraussetzungen einer jeden postmortalen Organspende sind die Feststellung des Todes sowie die Zustimmung des Organspenders oder dessen Angehörigen zur Organentnahme. 1. Tod des Organspenders Anders als das TPG enthält das TZ eine juristische Definition des Todes. So ist der Tod in § 2 lit. e TZ als irreversibler Verlust der gesamten Gehirnfunktionen, einschließlich des Hirnstammes, legaldefiniert. Eine solche Festlegung hat der deutsche Gesetzgeber gescheut, aber eine Konstruktion gewählt, die letztendlich ebenfalls den festgestellten Gesamthirntod als Voraussetzung für eine postmortale Organentnahme normiert (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 TPG).8 a) Heart-Beating-Spende Das TZ zeichnet, ebenso wie die Richtlinien der Bundesärztekammer, ein dreistufiges Diagnoseschema für die Hirntodfeststellung vor. Sowohl in Deutschland als auch der Tschechischen Republik muss der Hirntod durch 4 Stellungnahme des Nationalen Ethikrats vom 24. April 2007, Die Zahl der Organspenden erhöhen – Zu einem drängenden Problem der Transplantationsmedizin in Deutschland, S. 15 f. Dies ist in der Tschechischen Republik nicht anders zu bewerten. 5 § 11 Abs. 4 Satz 2 TPG; § 20 Abs. 2 TZ. 6 Eine gesetzliche Verpflichtung, potentielle Spender zu melden, besteht z. B. neben Deutschland, Tschechien auch in Italien, Polen, Kroatien und Slowenien. In keinem der Länder gibt es Kontroll- oder Sanktionsmechanismen bei Nichtbefolgung. Vgl. DOPKI, D 2. 1 Report on the general European situation: technical, legal and socio-sanitary point of view, S. 75. 7 Gesprächsinterview vom 21.05.2007 mit dem medizinischen Direktor und dem rechtlichen Berater des KST; Mauer/Gabel/Smit/Kirste, DÄBl 2005, A 260; Mauer/ Schleede/Venhaus, Hessisches Ärzteblatt 2001, 360, 364. 8 Vgl. dazu oben, Kapitel 2, B. II. 1.
A. Regelung der postmortalen Organspende
311
zwei voneinander unabhängigen entsprechend qualifizierten Ärzten festgestellt werden, die weder an der Entnahme noch an der Transplantation beteiligt sein dürfen. Was den Gesamthirntod als Voraussetzung der Organentnahme und dessen Nachweis anbelangt, gibt es in den zu vergleichenden Ländern keine nennenswerten Unterschiede. b) Non-Heart-Beating-Spende Anders als in Deutschland eröffnet der tschechische Gesetzgeber in gewissem Umfang die Organentnahme vom sog. Non-Heart-Beating-Donor. Ausgeschlossen ist dabei die Maastrichtkategorie III9, da, ebenso wie in Deutschland, in der Tschechischen Republik aktive Sterbehilfe unzulässig ist. Ein Transplantationsprogramm mit Spendern der Maastrichtkategorie II10 befindet sich in der Erprobungsphase.11 Die gesetzliche Regelung der Entnahme beim herzkreislauftoten Spender überzeugt indes nicht. Die Gesetzesmaterialien schweigen hierzu. Zu keinem Zeitpunkt wurde im Gesetzgebungsverfahren die Problematik der Feststellung der Irreversibilität des Herzkreislaufstillstandes diskutiert. Auch die juristische Literatur schweigt zu den schwer verständlichen Absätzen 3 und 4 des § 10 TZ. § 10 Abs. 7 Satz 2 TZ ermächtigt das Gesundheitsministerium, Einzelheiten hinsichtlich der erforderlichen Untersuchungen zur Feststellung des Todes und der Irreversibilität des Herzkreislaufstillstandes zu normieren. Von dieser Ermächtigung hat das Ministerium bis dato aber noch nicht Gebrauch gemacht. Das Gesetz enthält keine Hinweise auf einzuhaltende Protokolle, welche zumindest Auskunft über die Dauer der einzuhaltenden No-Touch-Phase geben könnten. § 10 Abs. 4 lit. b TZ verlangt eine 30-minütige Widerbelebung, die aber, wie in Kapitel 1 dargelegt12, nicht als empirischer Beweis für die Irreversibilität des Herzkreislaufstillstands gilt. Die Regelungen zur NonHeart-Beating-Spende glänzen durch Abwesenheit und die in der Experimentierphase befindlichen Transplantationsprogramme der Maastricht Kategorie II bewegen sich weitestgehend im rechtsfreien Raum. 2. Zustimmung zur Organspende Bei der Ausgestaltung der Zustimmung zur Organspende wurde sowohl in Deutschland als auch in der Tschechischen Republik die bestehende Praxis in der gesetzlichen Regelung umgesetzt.13 Während in Deutschland im 9
Vgl. dazu oben, Kapitel 1, B. I. 4. b) cc). Vgl. dazu oben, Kapitel 1, B. I. 4. b) bb). 11 Vgl. dazu oben, Kapitel 3, B. II. 1. b). 12 Vgl. dazu oben, Kapitel 1, B. I. 3. a) aa). 10
312
Kap. 4: Vergleich der Regelungskonzepte
Gesetzgebungsverfahren keine Einigkeit darüber herrschte, welcher Lösung der Vorzug zu gewähren ist, und selbst die erweiterte Zustimmungslösung auf erhebliche Kritik stieß14, wurde die Widerspruchslösung, welche in der Tschechischen Republik seit je her praktiziert wurde, ohne nennenswerte parlamentarische Diskussion auch gesetzlich verankert.15 a) Zustimmungs- und Widerspruchslösung im europäischen Kontext In Europa herrscht Einigkeit darüber, dass eine postmortale Organentnahme nicht ohne Einwilligung erfolgen darf.16 Neben der Erkennung potentieller Spender und deren Meldung an die Entnahmeorganisationen ist die Bereitschaft der Bevölkerung, Organe zu spenden, der Hauptfaktor für das (beeinflussbare) Organspendeaufkommen.17 Um eine Einwilligung für einen Zeitpunkt, in dem der Spender naturgemäß keine mehr erteilen kann, zu erlangen, haben sich zwei Grundkonzepte entwickelt. Die sog. Zustimmungslösung setzt voraus, dass der Spender zu Lebzeiten explizit (mündlich oder schriftlich) seine Bereitschaft zur postmortalen Organspende nach außen kommuniziert hat. Unterlässt er eine Zustimmung zu Lebzeiten, so ist eine Organentnahme mangels Zustimmung unzulässig.18 Die sog. Widerspruchslösung hingegen fingiert die Zustimmung für den Fall, dass der Verstorbene nicht zu Lebzeiten, entsprechend den nationalen Regelungen, seinen Widerspruch zur Organspende erklärt hat. Besonders deutlich wird dies durch die angloamerikanische Terminologie des sog. presumed consent (oder auch opting out).19 Ein Schweigen des Verstorbenen wird also als Zustimmung gewertet.20 13 Allen in Tabelle 4.1. dargestellten Ländern ist gemeinsam, dass die bereits praktizierte Lösung in Gesetzesform gebracht wurde. In Italien ist 1991 die Einführung der Widerspruchslösung statt der praktizierten Zustimmungslösung gesetzlich verankert worden. Bis dato wird aber nichts desto trotz die Zustimmungslösung praktiziert. 14 Vgl. dazu den Änderungsantrag der Abgeordneten v. Schmidt-Jortzig, Knoche u. a. BT-Drucks. 13/8030 und die Begründung zu § 4 Einwilligung; Höfling/Rixen, S. 83 ff.; Schachtschneider/Siebold, DÖV 2000, 129, 135. 15 Brychtova, Spravni pravo 2002, roc. 35, c. 5–6, 297. 16 Dies negiert lediglich die sog. Notstandslösung, derzufolge eine postmortale Organentnahme ohne Einwilligung und ggfs. gegen den Willen des Verstorbenen im ausschließlichen Interesse der Organempfänger zulässig ist. Sie wurde in Bulgarien praktiziert, vgl. Schroth, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, Vor §§ 3, 4 TPG, Rn. 44; der EU Beitritt im Jahr 2007 zwang Bulgarien aber zu einer Neuregelung in Form der Widerspruchsregelung. 17 Alliance-O, WP 7, Legal and ethical aspect, Deliverable 7.2., S. 4 ff. 18 BT-Drucks. 13/4355, S. 13. 19 Presumed consent heißt nichts anderes als vermutete Einwilligung. In der Tschechischen Republik gilt eine wörtliche Übersetzung: „Predpokladany souhlas“.
A. Regelung der postmortalen Organspende
313
Die untenstehende Tabelle zeigt, für welche gesetzliche Regelung sich 16 europäische Länder entschieden haben. In der letzten Spalte wurde die Zahl der sog. effektiven Organspender21 pro eine Million Einwohner im Jahr 2006 in den jeweiligen Ländern ergänzt. Tabelle 4.1. Widerspruchslösung und Zustimmungslösung in 16 Ländern sowie die postmortalen Spenden pro eine Million Einwohner (pmp) des Jahres 200622 Land
Widerspruchslösung
Zustimmungslösung
Organspende (pmp) 2006
Österreich
þ
–
25,2
Belgien
þ
–
27,1
Kroatien
þ
–
12,9
Tschechische Rep.
þ
–
18,8
Frankreich
þ
–
20
Deutschland
–
þ
14
Ungarn
þ
–
17
Italien
þ
–
21,7
Luxemburg
þ
–
12
Niederlande
–
þ
12,8
Polen
þ
–
13
Portugal
þ
–
20,1
Slowenien
–
þ
15
Spanien
þ
–
33,8
Schweiz
–
þ
12
Großbritannien
–
þ
12,9
20
BT-Drucks. 13/4355, S. 13. Spender, denen mindestens ein Organ zu Transplantationszwecken entnommen wurde. Zahlen beinhalten sowohl Heart-Beating-Donors als auch Non-Heart-Beating-Donors. 22 Vgl. DOPKI, D 2. 1 Report on the general European situation: technical, legal and socio-sanitary point of view; Organspendezahlen für das Jahr 2006 aus Newsletter Transplant 2007, Vol. 12 No 1 International Figures on organ donation and transplantation, Council of Europe, www.ont.es./noticiasHome/ficherosPDF/NEWS LETTER.pdf. 21
314
Kap. 4: Vergleich der Regelungskonzepte
Tabelle 4.1. enthält allerdings eine sehr vereinfachte Darstellung.23 Denn Widerspruchslösung ist nicht gleich Widerspruchslösung, und ebenso wenig ist Zustimmungslösung gleich Zustimmungslösung. In der jeweiligen rechtlichen Ausgestaltung der Lösungsalternativen unterscheiden sich die oben aufgeführten Länder sehr, worauf leider nur vereinzelt eingegangen werden kann.24 Bei der Zustimmungslösung wird zwischen der engen und der erweiterten Zustimmungslösung unterschieden. Die enge Zustimmungslösung, wie sie zum Teil auch in Deutschland gefordert wurde25, stellt allein auf die vom Spender zu Lebzeiten erteilte Einwilligung ab. Unterlässt es der Spender, zu Lebzeiten eine Erklärung zur Organspende abzugeben – dies ist sein verfassungsrechtlich verbürgtes Recht26 – so kann eine Organentnahme nicht erfolgen. Die enge Zustimmungslösung wird in keinem der in der Tabelle 4.1. aufgelisteten Länder praktiziert und auch darüber hinaus ist der Verfasserin kein europäisches Land bekannt, welches die enge Zustimmungslösung als gesetzliche Grundlage der Organspende gewählt hätte. Naturgemäß werden an die Erteilung der Zustimmung keine hohen Anforderungen geknüpft. So gibt es zwar in den Niederlanden, Slowenien und Großbritannien ein Register für die Erklärung der Bereitschaft postmortal Organe zu spenden, allerdings ist daneben immer auch eine andere schriftliche oder mündliche Erklärung möglich.27 Bei der Ausgestaltung der Widerspruchslösung gibt es ebenfalls großen Gestaltungsspielraum. Zunächst können an die Erteilung des Widerspruchs zu Lebzeiten unterschiedliche Anforderungen gestellt werden. In manchen Ländern gibt es ein sog. Widerspruchsregister28, in dem der Widerspruch dokumentiert werden muss. 23 Es ist darauf hinzuweisen, dass die Zahlen mancher Länder auch die herzkreislauftoten Spender beinhalten. 24 Vgl. dazu DOPKI, D 2. 1 Report on the general European situation: technical, legal and socio-sanitary point of view, S. 77 ff.; Alliance-O, WP 7, Legal and ethical aspect, Deliverable 7.1., S. 13 ff. 25 Und zwar insbesondere von denjenigen, die in dem endgültigen, nicht behebbaren Ausfall der gesamten Hirnfunktion bei künstlich aufrechterhaltener Atmungsund Kreislauffunktion kein Zeichen für den Tod des Menschen sehen und daher nur dem Spender selbst ein Recht auf Entscheidung zugestehen, vgl. BT-Drucks. 13/4355, S. 13, vgl. z. B. Höfling/Rixen, Verfassungsfragen der Transplantationsmedizin, S. 83 ff. 26 Es ist Ausfluss der in Art. 2 Abs. 1 GG garantierten „negativen Selbstbestimmungsfreiheit“, sich nicht mit der Frage nach der eigenen Organspendebereitschaft zu befassen oder gar diese entscheiden zu müssen, vgl. Borowy, S. 70; SchmidtDidczuhn, ZRP 1991, 264, 266 f. 27 Vgl. DOPKI, D 2. 1 Report on the general European situation: technical, legal and socio-sanitary point of view, S. 80. 28 Ein Widerspruchsregister gibt es in Österreich, Belgien, Kroatien, Tschechische Republik, Frankreich, Ungarn, Niederlande (obwohl in den Niederlanden die Zustimmungslösung gilt, kann hier sowohl ein Widerspruch als auch die Zustim-
A. Regelung der postmortalen Organspende
315
In anderen reicht die mündliche oder schriftliche Äußerung des Widerspruchs zu Lebzeiten.29 Darüber hinaus kann man zwischen einer strengen (engen)30 und einer modifizierten (erweiterten)31 Widerspruchslösung differenzieren. So spricht man, sofern die Angehörigen ausschließlich über die geplante Organentnahme informiert werden, auch von einer strengen Widerspruchslösung. Werden die Angehörigen gefragt, ob Ihnen ein Widerspruch des Verstorbenen bekannt ist oder kommt den Angehörigen darüber hinaus ein eigenes Widerspruchsrecht für den Fall zu, dass ihnen der Wille des Verstorbenen nicht bekannt ist, so liegt lediglich eine modifizierte Widerspruchslösung vor. Diese wird z. B. in Frankreich und Spanien praktiziert.32 Ungeachtet dessen, kann man in der Praxis nicht verhindern, dass Angehörige, wenn sie eine Organentnahme nicht wünschen, einfach behaupten, der Verstorbene habe zu Lebzeiten widersprochen. In keinem Land wird der Wille der Angehörigen, sofern keine Erklärung des Verstorbenen bekannt ist, gänzlich ignoriert.33 Befragungen der jeweiligen Organisationen haben ergeben, dass die Praxis sich in der Regel nicht am strengen Gesetzeswortlaut orientiert und an den Widerspruch nicht so hohe Ansprüche gestellt werden, wie vom Gesetz vorgesehen.34
mung registriert werden), Polen, Portugal. Eine Einsicht in das Widerspruchsregister vor Organentnahme ist in allen Ländern verpflichtend; vgl. DOPKI, D 2. 1 Report on the general European situation: technical, legal and socio-sanitary point of view, S. 79 Auffällig ist, dass in Spanien ein solches Register nicht existiert. In Italien gibt es trotz Widerspruchslösung lediglich ein Zustimmungsregister. Weitere Einzelheiten zur Ausgestaltung der Register in den Nachbarländern finden sich in der Empfehlung des SP-CTO: Rec (2003)12 of the Committee of Minister to member states on organ donor registries sowie bei Gäbel, Annals of Transplantation 2004, 15 f. und Gäbel, Transplantation Proceedings, 2003, 997 ff. 29 Belgien, Frankreich, Polen, Spanien; vgl. DOPKI, D 2. 1 Report on the general European situation: technical, legal and socio-sanitary point of view, S. 83. 30 So die Terminologie in der Stellungnahme des Nationalen Ethikrats vom 24. April 2007, Die Zahl der Organspenden erhöhen – Zu einem drängenden Problem der Transplantationsmedizin in Deutschland, S. 21. 31 So die Terminologie in der Stellungnahme des Nationalen Ethikrats vom 24. April 2007, Die Zahl der Organspenden erhöhen – Zu einem drängenden Problem der Transplantationsmedizin in Deutschland, S. 21. 32 Alliance-0, WP 7 Ethical and legal aspects, Deliverable 7.1., S. 14. 33 DOPKI, D 2. 1 Report on the general European situation: technical, legal and socio-sanitary point of view, S. 83; Alliance-0, WP 7 Ethical and legal aspects, Deliverable 7.1., S. 13 ff. 34 DOPKI, D 2. 1 Report on the general European situation: technical, legal and socio-sanitary point of view, S. 83; Alliance-0, WP 7 Ethical and legal aspects, Deliverable 7.1., S. 13 ff.
316
Kap. 4: Vergleich der Regelungskonzepte
b) Die (tschechische) Widerspruchslösung ein „black letter law“? Sowohl die gesetzliche Ausgestaltung der Widerspruchslösung in der Tschechischen Republik als auch die amtliche Begründung hierzu machen deutlich, dass der tschechische Gesetzgeber eine strenge Widerspruchslösung gewählt hat.35 Dem gesetzgeberischen Willen zu Folge kann ein verbindlicher Widerspruch nur vom Verstorbenen selbst zu Lebzeiten geäußert werden.36 Die Erklärung des Widerspruchs knüpft der Gesetzgeber an verhältnismäßig strenge Formvorschriften.37 Der Familie wird ein bloßes Informationsrecht zugestanden.38 Aus der amtlichen Begründung zu § 15 TZ geht hervor, dass die Zustimmungslösung abgelehnt wird, da dies zu erheblichen Einschränkungen der Transplantationsmedizin führte. Die Widerspruchslösung stehe in Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben; die Angehörigen seien lediglich über die geplante Entnahme zu informieren, ein stellvertretendes Widerspruchsrecht der Angehörigen würde das Selbstbestimmungsrecht des Verstorbenen beeinträchtigen.39 Nach Auskunft des KST verhält es sich in der Praxis aber anders. Mittlerweile haben Patientenrechte einen anderen Stellenwert in der Tschechischen Republik erlangt. So bestätigte der medizinische Direktor des KST der Bearbeiterin, dass entgegen den erklärten Willen der Angehörigen eine Organentnahme nicht erfolgen würde.40 Man fürchtet insoweit insbesondere die nachteilige Berichterstattung, z. B. der Presse, welche der Organspende schaden könnte, so dass man lieber auf den einzelnen Organspender verzichtet, um größeres Aufsehen zu vermeiden.41 Dies ist auch das Ergebnis der Arbeitsgruppe zu ethischen und rechtlichen Aspekten der Organspende im Rahmen des Alliance-O Projektes, welches in Kapitel 5 vorgestellt wird.42 Die Argumentation der im Projekt vertretenen Länder mit Widerspruchslösung (Frankreich43, Spanien44, Ungarn45, Italien46 und Portugal47) stellt sich wie folgt dar. Es sei nicht aus35
Vgl. dazu oben, Kapitel 3, B. II. 2. Vgl. dazu oben, Kapitel 3, B. II. 2. d). 37 Vgl. dazu oben, Kapitel 3, B. II. 2. d). 38 Vgl. dazu oben, Kapitel 3, B. II. 2. b) cc). 39 Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 28 f. 40 Gesprächsinterview vom 21.05.2007 mit dem medizinischen Direktor und dem rechtlichen Berater des KST. 41 Vgl. dazu oben, Kapitel 3, B. II. 2. b) dd). 42 Vgl. dazu unten, Kapitel 5, B. III. 43 Vertreten durch die Agence de la Biomédecine (ABM). 44 Vertreten durch Centro Nacional de Trasplantes y Medicina Regenerativa (Cenatmer). 45 Vertreten durch Hungarotransplant (HT). 36
A. Regelung der postmortalen Organspende
317
zuschließen, dass eine Organentnahme dem Willen des Verstorbenen widerspricht, selbst wenn er seinen Widerspruch nicht in der vom Gesetzgeber vorgegebenen Form erklärt hat. Darüber hinaus kann er auch jederzeit seine Meinung geändert haben, so dass es sich anbietet, die Angehörigen dazu zu befragen, auch wenn dies die Gefahr erhöht, dass die Angehörigen nicht immer zwischen dem Willen des Verstorbenen und ihrem eigenen differenzieren. Das Krankenhauspersonal und die Koordinatoren würden sich unwohl fühlen, entgegen dem ausdrücklichen Willen der Angehörigen eine Organentnahme vorzunehmen.48 Im Ergebnis führt, wie Mitarbeiter von UK Transplant49 bestätigten, die Einbindung der Familien soweit, dass, selbst wenn eine Zustimmung des Verstorbenen z. B. im nationalen Spenderregister vorliegt und das Gesetz das Selbstbestimmungsrecht des Verstorbenen an vorderste Stelle stellt, ein Widerspruch der Angehörigen wohl respektiert würde.50 Gleiches dürfte für Deutschland gelten. In der Praxis nähern sich Widerspruchslösung und Zustimmungslösung also sehr weit an, so dass im Ergebnis nur ein klarer Unterschied auszumachen ist. Nämlich für den Fall, dass weder der Wille des Verstorbenen bekannt, noch Angehörige auffindbar sind. Während in dieser Situation im Rahmen einer Zustimmungslösung eine Organspende unzulässig wäre, würde die Widerspruchslösung die Organentnahme legitimieren.51 Aber auch hier handelt es sich mehr um einen konzeptionellen Unterschied, dessen Aufweichung in den Widerspruchsländern in der Praxis nicht auszuschließen ist. Da in regelmäßigen Zeitabständen in der Literatur aber auch auf der politischen Ebene die Einführung der Widerspruchslösung als probates Mittel zur Steigerung der Organspende vorgeschlagen wird52, wird im nachfolgenden Abschnitt die Korrelation zwischen gesetzlicher Ausgestaltung der Zustimmung zur Organspende und dem Organspendeaufkommen untersucht.
46
Vertreten durch Centro Nazionale Trapianti (CNT). Vertreten durch Organizac˛ão Portuguesa de Transplantac˛ão (OPT). 48 Alliance-0, WP 7 Ethical and legal aspects, Deliverable 7.1., S. 14. 49 In Großbritannien ist die erweiterte Zustimmungslösung im Human Tissue Act 2004, welcher 2006 in Kraft trat, gesetzlich verankert. 50 Alliance-0, WP 7 Ethical and legal aspects, Deliverable 7.1., S. 14. 51 Alliance-0, WP 7 Ethical and legal aspects, Deliverable 7.1., S. 14. 52 Zuletzt wieder anlässlich der Stellungnahme des Nationalen Ethikrats vom 24. April 2007, Die Zahl der Organspenden erhöhen – Zu einem drängenden Problem der Transplantationsmedizin in Deutschland. 47
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Kap. 4: Vergleich der Regelungskonzepte
c) Korrelation zwischen gesetzlicher Ausgestaltung der Zustimmung zur Organspende und dem Organspendeaufkommen? Wie aus Tabelle 4.1. ersichtlich wird, haben von den 16 befragten Ländern lediglich fünf Länder die Zustimmungslösung gewählt. Schaut man sich die Organspendezahlen (pmp) in den aufgeführten Ländern an, so zeichnet sich eine Tendenz ab, dass in den Ländern mit Widerspruchslösung in der Regel auch höhere Organspendezahlen erreicht werden, was unmittelbar die Frage aufwirft: Hat die gesetzliche Ausgestaltung der Einwilligung zur Organspende einen beachtlichen Einfluss auf die Organspendezahlen? Diese Vermutung wurde nicht selten geäußert.53 Die Gleichung Widerspruchslösung = mehr Organspender greift meines Erachtens zu kurz. Als weitere maßgebliche Aspekte für die Höhe des Organspendeaufkommens werden Faktoren wie die Dialysemöglichkeiten, Öffentlichkeitsarbeit, öffentliches Bewusstsein und organisatorische Aspekte genannt.54 Dies erscheint einleuchtend, denn wäre allein die Widerspruchslösung der Schlüssel zum Erfolg, so ließe sich nicht erklären, warum gerade Spanien – mit rund 35 Spendern (pmp) absoluter Spitzenreiter – ein so hohes Organspendeaufkommen verzeichnen kann und dass, obwohl gerade in Spanien eine sehr modifizierte Widerspruchslösung praktiziert wird und die Angehörigen explizit um ihre Zustimmung zur Organspende gebeten werden. Wie bereits oben dargelegt, ist ein weiterer maßgeblicher Faktor für die Höhe der Organspendezahlen die Erkennung und Meldung potentieller Organspender.55 Vergleicht man Deutschland und Spanien wird z. B. auch eine völlig andere Krankenhausstruktur deutlich. Während in Deutschland rund 1400 Spenderkrankenhäuser zu betreuen sind, sind es in Spanien lediglich rund 300. Auch ist die Aufwandserstattung für die Spenderkrankenhäuser in Spanien deutlich höher.56 Ebenfalls mit in die Berechnung eingeschlossen sind die sog. herzkreislauftoten Spender (Non-Heart-Beating-Donors), welche z. B. in Deutschland unzulässig sind. Wie der Regionenvergleich in Deutschland in Kapitel 2 zeigt57, lassen sich auch mit der Zustimmungslösung Spendezahlen von mehr als 20 (pmp) erzielen. Ungeachtet dessen wird man der gesetzlichen Grundlage einen Einfluss auf die Organspendequote dennoch nicht gänzlich absprechen können.58 Dies zeigt ein Blick auf die sog. Konversionsraten (siehe unten Tabelle 53 54 55 56 57 58
Vgl. Borowy, S. 51 m. w. N. Kirste, in: Becchi/Bondolfi/Kostka/Seelmann (Hrsg.), S. 91. Vgl. dazu oben, Kapitel 4, A. II. 2. a). Vgl. dazu oben, Kapitel 2, B. I. 1. b) cc). Vgl. dazu oben, Kapitel 2, B. I. 1. b) bb). So aber Coppen, Transplant International 2005, 1275 ff.
A. Regelung der postmortalen Organspende
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4.2.). Bei der klassischen Konversionsrate wird berechnet, wie viele potentielle Spender (Verstorbene, bei denen der Hirntod diagnostiziert wurde und keine Kontraindikationen vorliegen) in sog. effektive Spender (Verstorbene, bei denen mindestens ein Organ zu Transplantationszwecken entnommen wurde) umgewandelt werden konnten. Bei den potentiellen Spendern spielt also der Faktor Erkennung und Meldung keine Rolle mehr, insoweit geht man also von der gleichen Ausgangssituation aus. Es fällt auf, dass gerade in den Ländern mit Zustimmungslösung – Deutschland, Großbritannien und Slowenien – die klassische Konversionsrate im Vergleich zu den Ländern mit Widerspruchslösung – Kroatien, Ungarn, Italien, Polen, Slowenien, Frankreich und Spanien – deutlich geringer ausfällt (vgl. Tabelle 4.2.). Gleiches gilt für die Konversionsrate A59, wie sich ebenfalls aus Tabelle 4.2. ergibt. Bei der Konversationsrate A wurde die Quote der Umwandlung potentieller Spender in Spender mit Zustimmung zur Organspende berechnet. Die Tabelle zeigt, dass die Umwandlungsrate in den Ländern mit Zustimmungslösung im Vergleich zu Ländern mit Widerspruchlösung deutlich geringer ausfällt. Die Unterschiede werden aber eingeebnet, wenn man sich die Konversionsrate B60 in der Tabelle 4.2. anschaut. Bei dieser Umwandlungsrate wird ermittelt, wie hoch der Anteil der effektiven Spender aus den Spendern mit Zustimmung ist. Auf dieser Ebene gilt für alle Länder wieder eine vergleichbare Ausgangssituation. Eine Zustimmung zur Organentnahme liegt vor. In diesem Stadium haben lediglich medizinischen Faktoren (z. B. Herzkreislaufversagen oder das Entdecken eines Tumors erst nach Öffnung des Situs) einen Einfluss darauf, ob tatsächlich eine Organentnahme zu Transplantationszwecken erfolgt oder nicht. Diese medizinischen Faktoren treten in allen Ländern statistisch betrachtet gleichermaßen häufig auf. Die vorliegende Analyse legt also die Vermutung nahe, dass die gesetzliche Ausgestaltung der Erklärung zur Organspende in Form von Zustimmungslösung und Widerspruchslösung nicht ohne Einfluss auf die Organspendezahlen ist. Es ist allerdings zuzugestehen, dass mangels ausreichend zur Verfügung stehender Daten61 diese Analyse mit Vorsicht zu genießen ist.62
59
Potentieller Spender/Spender mit Zustimmung %. Effektiver Spender/Spender mit Zustimmung %. 61 DOPKI, D 2. 1 Report on the general European situation: technical, legal and socio-sanitary point of view, S. 100 zeigt die Verfügbarkeit von Daten in den Teilnehmerländern. Leider wurden von KST keine Daten geliefert, so dass die Tschechische Republik nicht berücksichtigt werden konnte. 62 Nicht erklären lässt sich auch die Konversionsrate B von 100% in einigen Ländern. Insoweit wird das gelieferte – aber von den Organisationen bestätigte – Zahlenmaterial in Zweifel gezogen. 60
320
Kap. 4: Vergleich der Regelungskonzepte
Tabelle 4.2. Durchschnittswerte der Jahre 2003–2005 für potentielle Spender, Spender mit Zustimmung und effektive Spender sowie ausgesuchte Konversionsraten63 Potentielle Spender
Spender mit Zustimmung
Effektive Spender
DE
2151,3
1173,7
1129,3
54,6
52,5
96,2
HR
83,3
47,3
47,3
56,9
56,9
100,0
HU
223,3
207,3
167,3
92,9
74,6
80,8
IT
1964,7
1378,7
1146,0
70,2
58,3
83,1
PL
613,7
547,7
547,7
89,2
83,2
100,0
SI
40,3
28,3
28,3
69,9
69,9
100,0
UK
1350,5
696,5
667,3
51,5
50,2
97,51
ES
1877,7
1536,7
1494,7
81,8
89,9
97,2
FR
2048
1260,3
KonverKlassische Konversionsrate A Konver- sionsrate B [%] sionsrate [%] [%]
61,5
n Länder mit Zustimmungslösung d) Zustimmungslösung vs. Widerspruchslösung – eine Abwägung pro und contra Aufgrund der oben aufgezeigten Untersuchungsergebnisse der Korrelation und der niedrigen bundesweiten Organspenderate ist es verständlich, dass auch in Deutschland die Forderungen nach der Einführung einer Widerspruchslösung nie gänzlich verstummen. Die Argumente für und wider die Zustimmungslösung bzw. für und wider die Widerspruchlösung sind hinlänglich bekannt. So lehnt der deutsche Gesetzgeber die Widerspruchslösung mit der Begründung ab, die Bereitschaft zur Organspende könne nicht vom Gesetzgeber durch eine Regelung unterstellt werden, so dass sich der Einzelne gegen eine postmortale Organentnahme zu Lebzeiten wehren müsse.64 63 t-Test p = 0,037 conversion rate (eff/pot [%]) countries with informed consent to countries with presumed consent t-Test p = 0,004 „conversion rate“ (con/pot [%]) countries with informed consent to countries with presumed consent, vgl. zu dieser Tabelle DOPKI, D 2. 1 Report on the general European situation: technical, legal and socio-sanitary point of view, S. 105. 64 So BT-Drucks. 13/4355, S. 13.
A. Regelung der postmortalen Organspende
321
Schweigen gelte in der deutschen Rechtsordnung grundsätzlich gerade nicht als Zustimmung.65 Die Zustimmungsfiktion greife in unverhältnismäßiger Weise in das negative Selbstbestimmungsrecht des Spenders (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) ein und beschneide in unzulässiger Weise die Rechtsposition der Hinterbliebenen.66 Die Widerspruchslösung berge zudem die Gefahr, dass auch jemandem entgegen seinem Willen Organe entnommen werden, nur weil er es versäumt hat – vielleicht aus Unkenntnis – einen Widerspruch entsprechend den gesetzlichen Anforderungen zu äußern.67 Gleiches gilt aber meines Erachtens auch, wenn man die Zustimmungslösung derart erweitert und den Angehörigen ein eigenes Entscheidungsrecht zubilligt. Eine eigene Entscheidung der Angehörigen ist der Regelfall und in rund 90 Prozent der Fälle kennen die Entscheidungsbefugten den Willen des Verstorbenen nicht.68 Nur rund 50 Prozent von ihnen entscheiden sich für eine Organentnahme.69 Und das, obwohl Umfragen zu Folge rund 67 Prozent der Bürger einer postmortalen Organspende positiv gegenüber eingestellt sind.70 Die erweiterte Zustimmungslösung muss sich auch den Vorwurf gefallen lassen, den Entscheidungsbefugten (Angehörigen) eine schwere Entscheidung in einer Ausnahmesituation aufzubürden.71 Bei der engen als auch der erweiterten Zustimmungslösung besteht wiederum die Gefahr, dass eine Organentnahme wegen fehlender Zustimmung unterlassen wird, obwohl der Verstorbene diese unter Umständen gewünscht hätte. Allein die enge Zustimmungslösung wiederum bietet die größtmögliche Gewähr dafür, dass eine Entnahme nicht dem Willen des Verstorbenen entgegensteht.72 Sie bietet aber keine Gewähr dafür, dass der tatsächliche Wille des Verstorbenen beachtet wird und wie bereits oben dargelegt, steht die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung einer postmortalen Organspende positiv gegenüber. Dennoch würde die enge Zustimmungslösung, da nur etwa 12 Prozent der Bevölkerung ihren Willen zur Organentnahme schriftlich oder mündlich dokumentiert haben, die Transplantationsmedizin am stärksten limitieren. Eine Widerspruchlösung legt hingegen die Ver65
Taupitz, JuS 1997, 203, 204; Mauer, DÖV 1980, 7, 12; Borowy, S. 52. Borowy, S. 52; Chu, S. 101. 67 Borowy, S. 52. 68 Wesslau/Grosse/Krüger/Kücük/Mauer/Nitschke/Manecke/Polster/Gabel, Organspender-Potenzial ist nicht ausgeschöpft, DÄBl abrufbar unter www.aerzteblatt. de/ aufsaetze/0906, S. 8, 10; zu einem ähnlichen Ergebnis – 83,4% – kommen Muthny/ Smit/Molzahn, Intensivmedizin 2004, 255, 256. 69 Wesslau/Grosse/Krüger/Kücük/Mauer/Nitschke/Manecke/Polster/Gabel, DÄBl 2006, 1, 10. 70 BT-Drucks. 15/4542. S. 5. 71 Vgl. Taupitz, JuS 1997, 203, 205; Chu, S. 104. 72 Chu, S. 103. 66
322
Kap. 4: Vergleich der Regelungskonzepte
mutung nahe, dass der Mangel an geeigneten Spenderorganen verringert werden könnte.73 e) Zwischenergebnis Im Ergebnis ist festzuhalten, dass weder die Widerspruchslösung noch die Zustimmungslösung die Gewähr dafür bieten, dass der tatsächliche Wille des Verstorbenen umgesetzt wird, solange man keine Pflicht zur Entscheidung statuiert. Gleichzeitig bieten beide Lösungen für den Einzelnen die Möglichkeit, durch Erklärung zu Lebzeiten sicherzustellen, dass der eigene Wille Beachtung findet. Bejaht man eine erweiterte Zustimmungslösung, so überzeugen die gegen die Widerspruchslösung vorgetragenen Argumente nicht mehr. Sowohl die erweiterte Zustimmungslösung als auch die modifizierte Widerspruchslösung stellen Kompromisslösungen dar, welche jeweils die Argumente für oder gegen die jeweils andere Konzeption verwässern oder gar entkräften. Insofern überzeugt die klare Entscheidung des tschechischen Gesetzgebers für eine enge Widerspruchslösung in ihrer Konsequenz. Zu kritisieren ist allerdings die unzureichende Aufklärung der Bevölkerung über die Organspende und die Möglichkeit des Widerspruchs wie sie in § 27 TZ vorgesehen ist. f) Die Widerspruchlösung aus verfassungsrechtlicher Sicht in der Bundesrepublik Deutschland Sowohl Widerspruchslösung als auch die erweiterte Zustimmungslösung haben, wie oben dargelegt, gemeinsam, dass sie den Einzelnen zur Erklärung eines Widerspruchs verpflichten, wenn er sicherstellen will, dass ihm postmortal keine Organe entnommen werden. Vor dem Hintergrund, dass sich nach Ansicht der Verfasserin die strenge Widerspruchslösung als die klarste und konsequenteste Regelung darstellt, stellt sich schlussendlich die Frage, ob einer Einführung der Widerspruchslösung in Deutschland verfassungsrechtliche Bedenken entgegenstünden. Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts sah sich bereits mehrfach mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen zur postmortalen Organspende konfrontiert. In allen drei Beschlüssen74 hat die Kammer die Verfassungsbeschwerde, welche sich gegen die Ausgestaltung der Zustimmungsregelung in §§ 3, 4 TPG wandte, nicht zur Ent73
Vgl. auch Taupitz, JuS 1997, 203, 204. BVerfG, Beschl. v. 14.10.1998 – 1 BvR 1526/98 –, NJW 1999, 858; BVerfG, Beschl. v. 28.1.1999 – 1 BvR 2261/98 –, EuGRZ 1999, 242; BVerfG, Beschl. v. 18.02.1999 – 1 BvR 2156/98 –, NJW 1999, 3403 f. 74
A. Regelung der postmortalen Organspende
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scheidung angenommen, mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe es selbst in der Hand, den befürchteten Grundrechtsverletzungen vorzubeugen. Dass sie in ihren Grundrechten bereits dadurch verletzt werden, dass sie zur Abwehr der behaupteten Grundrechtsverletzung einen Widerspruch erklären müssen, sei nicht ersichtlich.75 Es ist bedauerlich, dass die Kammer die materiellverfassungsrechtliche Frage unbeantwortet lässt76; ein Nichtannahmebeschluss entfaltet keine Bindungswirkung i. S. d. § 31 Abs. 1 BVerfGG.77 Die Formulierung legt aber die Vermutung nahe, dass die Kammer selbst eine Widerspruchregelung nicht generell für verfassungswidrig hält. Dies soll nachfolgend untersucht werden. Die Widerspruchslösung fingiert eine entsprechende Einwilligung des Verstorbenen zur postmortalen Organspende, sofern die Person nicht gemäß den gesetzlichen Vorgaben zu Lebzeiten widerspricht. Danach ist der Einzelne verpflichtet, einen Widerspruch zu Lebzeiten zu äußern, um sicherzustellen, dass keine postmortale Organentnahme stattfindet. Eine solche Regelung greift in das durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte (negative) Selbstbestimmungsrecht ein.78 So ist das negative Selbstbestimmungsrecht beeinträchtigt, wenn demjenigen, der die Integrität seines Körpers auch nach dem Tode gewahrt wissen will, zugemutet wird, diese Entscheidung positiv zu treffen und zu erklären.79 Jenseits eines gewissen unaufgebbaren Kerns von Selbstbestimmung, der der Menschenwürde zuzuordnen ist, steht das Recht auf Selbstbestimmung aber gemäß Art. 2 Abs. 1 GG unter ausdrücklichem Gesetzesvorbehalt.80 Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist die Widerspruchsregelung nur zulässig, wenn sie geeignet ist und einen legitimen Zweck, also die Zahl der zu Heilungszwecken verfügbaren Organe, zu steigern, verfolgt. Ungeachtet der Schwierigkeiten einer Prognose dürfte diese Bedingung erfüllt sein. Es ist auch kein milderes, aber gleichermaßen wirksames Mittel als die Widerspruchsregelung zur Erreichung dieses Ziels ersichtlich. Die 75
BVerfG, Beschl. v. 18.02.1999 – 1 BvR 2156/98 –, NJW 1999, 3403 f. Vgl. Sachs, JuS 2000, 394. 77 Vgl. Rixen, NJW 1999, 3889, 3991. 78 Kluth/Sander, DVBl. 1996, 1285, 1292; Schmidt-Didczuhn, ZRP 1991, 264, 266, 268; Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Begr.), Art. 2 Abs. 1 GG, Rn. 206; Nickel, MedR 1995, 139, 141. 79 Schmidt-Didczuhn, ZRP 1991, 264, 268. 80 Vgl. BVerfG, Urt. v. 16.01.1957 – 1 BvR 253/56 –, BVerfGE 6, 32, 41; BVerfG, Beschl. v. 31.01.1973 – 2 BvR 454/71 –, BVerfGE 34, 238, 245; BVerfG, Beschl. v. 23.05.1980 – 2 BvR 854/79 –, BVerfGE 54, 143, 146; BVerfG, Beschl. v. 14.09.1989 – 2 BvR 1062/87 –, BVerfGE 80, 367, 373; Schmidt-Didczuhn, ZRP 1991, 264, 266; Stellungnahme des Nationalen Ethikrats vom 24. April 2007, Die Zahl der Organspenden erhöhen – Zu einem drängenden Problem der Transplantationsmedizin in Deutschland, S. 32. 76
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Kap. 4: Vergleich der Regelungskonzepte
Erfahrungen in Deutschland 10 Jahre nach Einführung des Transplantationsgesetzes zeigen, dass die Aufklärung der Bevölkerung nicht zu einer ausreichenden Deckung des Organbedarfs führt,81 und das, obwohl Umfragen zu Folge die Mehrheit der Bevölkerung (67 Prozent) angibt, sich für eine Organspende entscheiden zu wollen.82 Als kollidierendes rechtliches Interesse stehen dem Selbstbestimmungsrecht des Spenders (Über-)Leben und Gesundheit der Empfänger von Transplantaten gegenüber.83 Greift man in das durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte negative Selbstbestimmungsrecht insoweit ein, dass man den Rechtsgutträger verpflichtet, seinen Widerspruch – z. B. in einem Widerspruchsregister – zu dokumentieren, um eine postmortale Organentnahme auszuschließen, so stellt dies keinen Eingriff in den Kernbereich privater Lebensgestaltung (Intimsphäre) dar. Auf der anderen Seite hat das BVerfG mit seiner Entscheidung zur Lebendspende darauf abgestellt, dass die Vereitelung einer medizinisch machbaren Behandlung einen Eingriff in das in Art. 2 Abs. 2 GG geschützte Recht auf Leben darstellt.84 Dieses Recht der potentiellen Organempfänger steht in der vorliegenden Fallkonstellation dem negativen Selbstbestimmungsrecht eines jeden Bürgers gegenüber. Beim Selbstbestimmungsrecht sind Abstufungen im Bereich privater Lebensgestaltung möglich. Das BVerfG differenziert zwischen einem absolut geschützten Kernbereich, also einem unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung, und einem Bereich privater Lebensgestaltung, der im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots eingeschränkt werden darf.85 Hingegen gilt beim Recht auf Leben der „Alles oder Nichts-Grundsatz“: es gibt keinen Kernbereich, der einen Mindestschutz definiert, weil es beim Recht auf Leben kein mehr oder weniger gibt. Das Verfassungsgut „menschliches Leben“ ist seiner Natur nach absolut, unteilbar und jeglicher wertenden Abstufung entzogen.86 Die Unterlassung einer lebensrettenden Transplantation, mangels ausrei81 Stellungnahme des Nationalen Ethikrats vom 24. April 2007, Die Zahl der Organspenden erhöhen – Zu einem drängenden Problem der Transplantationsmedizin in Deutschland, S. 35. 82 BT-Drucks. 15/4542, S. 5. 83 Kluth/Sander, DVBl. 1996, 1285, 1292; Mauer, DÖV 1980, 7, 11. 84 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.08.1999 – 1 BvR 2181/98 –, NJW 1999, 3399, 3400. 85 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.07.1969 – 1 BvL 19/63 –, BVerfGE 27, 1, 6, BVerfG, Urt. v. 16.01.1957 – 1 BvR 253/56 –, BVerfGE 6, 32, 41; BVerfG, Beschl. v. 31.01.1973 – 2 BvR 454/71 –, BVerfGE 34, 238, 245; BVerfG, Beschl. v. 23.05.1980 – 2 BvR 854/79 –, BVerfGE 54, 143, 146; BVerfG, Beschl. v. 14.09.1989 – 2 BvR 1062/87 –, BVerfGE 80, 367, 373. 86 Wiedemann, in: Umbach (Hrsg.), Art. 2 Abs. 2 GG, Rn. 298.
A. Regelung der postmortalen Organspende
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chend zur Verfügung stehender Organe, führt zur unwiderruflichen Vernichtung des Lebens des potentiellen Empfängers. Nach dem Prinzip des schonendsten Ausgleichs konkurrierender grundgesetzlich geschützter Positionen unter Berücksichtigung des Grundgedankens des Art. 19 Abs. 2 GG muss deshalb dem Lebensschutz der Vorzug gegeben werden87, wenn die Gefahr besteht, dass dieses sonst vernichtet würde. In der Entscheidung zur Lebendspende bejahte das BVerfG ebenfalls einen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit in all jenen Fällen, „wenn staatliche Regelungen dazu führen, dass einem kranken Menschen eine nach dem Stand der medizinischen Forschung prinzipiell zugängliche Therapie, mit der eine Verlängerung des Lebens, mindestens aber eine nicht unwesentliche Minderung des Leidens, verbunden ist, versagt bleibt.“88 Auch dieses Recht auf Gesundheit potentieller Organempfänger gilt es im Wege der praktischen Konkordanz gegen das negative Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen abzuwägen. Auch in den Fällen, in denen Ersatztherapien – wie z. B. die Dialyse – zur Verfügung stehen, bedeutet die Transplantation nicht nur einen Gewinn an Lebensqualität, sondern ist auch die einzige Möglichkeit, den schwerwiegenden gesundheitlichen Nebenfolgen der apparativen Ersatztherapie zu entgehen.89 Bei schwersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen,90 welche durch eine Organtransplantation erheblich gelindert werden können, erscheint es daher ebenfalls sachgerecht, auf Abstufungen im Sinne eines „mehr oder weniger“ zu verzichten und diesem Rechtsgut Vorrang vor dem negativen Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen einzuräumen. Die negative Komponente des Selbstbestimmungsrechts und die damit verbundene Handlungspflicht des potenziellen Organspenders, zu Lebzeiten einen Widerspruch zu erklären, ist also im Ergebnis weniger schutzwürdig als die verfassungsrechtlich verankerten Interessen schwerkranker Menschen, deren Gesundheit durch eine Organtransplantation oft erheblich verbessert und deren Leben damit verlängert werden kann.91 87 So im Hinblick auf den Lebensschutz des Nasciturus das BVerfG, Urt. vom 25.02.1975 – 1 BvF, 1,2,3,4,5,6/74 –, BVerfGE 39, 1 ff., 42 f., welches dem Lebensschutz des Nasciturus Vorrang vor dem durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten (unantastbaren) Kernbereich der privaten Lebensgestaltung einräumte. 88 BVerfG, Beschl. v. 11.08.1999 – 1 BvR 2181/98 –, NJW 1999, 3399, 3400. 89 Sengler/Schmidt, DÖV 1997, 718, 725; vgl. zu den Beeinträchtigungen durch eine Dialysebehandlung, Kapitel 1, A. II. 90 Nur bei diesen ist eine Organtransplantation indiziert. 91 Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Begr.), Art. 2 Abs. 1 GG, Rn. 206; Kluth/Sander, DVBl. 1996, 1285, 1292; Schmidt-Didczuhn, ZRP 1991, 264, 268; Koppernock, S. 177.
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Kap. 4: Vergleich der Regelungskonzepte
Die verfassungskonforme Ausgestaltung der Widerspruchsregelung setzt allerdings die Errichtung eines Widerspruchsregisters voraus, welches zwingend vor jeder Explantation zu konsultieren ist. Denn nur so kann meines Erachtens sichergestellt werden, dass ein Widerspruch in jedem Fall Beachtung findet. Auch muss etwa durch staatliche oder staatliche initiierte Informationen sichergestellt werden, dass der potenzielle Spender noch zu Lebezeiten über das Erfordernis eines Widerspruchs informiert wird und eine entsprechende verbindliche Willensbestimmung treffen kann.92 g) Informationslösung und Erklärungsmodell Anlässlich der Stellungnahme des Nationalen Ethikrats am 24. April 2007 werden nachfolgend, der Vollständigkeit halber, die sog. Informationslösung als auch die sog. Erklärungslösung skizziert. Die Terminologie Informationslösung ist auf internationaler Ebene nicht gebräuchlich und selbst Ländern, welche die Informationslösung gewählt haben sollen,93 ist diese Terminologie fremd. Der Gesetzesbegründung zum TPG zur Folge soll die Informationslösung eine Verknüpfung der Widerspruchs- und erweiterten Zustimmungslösung darstellen.94 Liegt keine Erklärung zur Organentnahme vor, so sind die Angehörigen über die geplante Organspende zu unterrichten. Wenn die Angehörigen innerhalb einer bestimmten, ihnen mitgeteilten oder mit ihnen vereinbarten Erklärungsfrist der Organentnahme nicht widersprochen haben, darf sie vorgenommen werden.95 Es wird dabei also nicht die Zustimmung des Organspenders, sondern die der Angehörigen fingiert, sofern diese nicht im Rahmen einer bestimmten Frist widersprechen. Nach der sog. Erklärungslösung96 soll jeder Deutsche, z. B. im Zusammenhang mit der erstmaligen Beantragung oder Verlängerung des Personalausweises, verpflichtet werden, eine zustimmende oder ablehnende Erklärung über seine Bereitschaft zur Organspende abzugeben.97 Ungeachtet dessen muss für den Fall, dass er keine Entscheidung treffen will, seine Zustimmung (oder Widerspruch) fingiert oder eine anderweitige Regelung98 getroffen werden. 92 Vgl. auch Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Begr.), Art. 2 Abs. 1 GG Rn. 206; Koppernock, S. 177. 93 Laut Chu, S. 106 z. B. Frankreich und Italien. 94 BT-Drucks. 13/4355, S. 13. 95 BT-Drucks. 13/4355, S. 13; Forkel, Jura 2001, 73, 77. 96 Schmidt-Didczuhn, ZRP 1991, 264, 269; zum Teil auch als Pflichtentscheidungsmodel (mandated choice) bezeichnet, vgl. Kühn, MedR 1998, S. 455, 460. 97 Kluth/Sander, DVBl. 1996, 1285, 1292 in Fn. 91.
A. Regelung der postmortalen Organspende
327
Der Vorschlag des nationalen Ethikrates, welcher die Erklärungsregelung, also der Aufforderung, sich für oder gegen eine Organspende zu erklären, mit einer Widerspruchsregelung kombiniert,99 ist also nicht neu. Das vorgeschlagene Stufenmodell des Nationalen Ethikrates verbindet diese Elemente in der nachfolgenden Weise100: „a) Danach wird der Staat verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Bürger – in einem geregelten Verfahren zu einer persönlichen Erklärung darüber aufgefordert werden, ob sie der Organspende (gegebenenfalls bezogen auf bestimmte Organe) zustimmen oder ihr widersprechen und – darüber informiert sind, dass die Organentnahme bei unterbliebener Erklärung gesetzlich erlaubt ist, sofern die Angehörigen ihr nicht widersprechen. b) Unter den Prämissen von (a) sollte eine Organentnahme bereits dann zulässig sein, wenn keine Anhaltspunkte für einen Widerspruch vorliegen und auch die Angehörigen der Verstorbenen der Organentnahme nicht widersprechen. Vorauszusetzen ist, dass vor der Organentnahme zumutbare Anstrengungen unternommen worden sind, den Willen des Verstorbenen bzw. den Willen der Angehörigen zu ermitteln. c) Zudem müssen Vorkehrungen dafür getroffen werden, dass eine ausreichende Information der Bürger über die Folgen eines unterlassenen Widerspruchs gegen die Organentnahme gewährleistet ist. d) Das hier vorgeschlagene Model ist in der Übergangsphase stufenweise einzuführen. Bevor die Widerspruchsregelung als solche in Kraft treten kann, muss die Bevölkerung hinreichend über die Folgen eines unterlassenen Widerspruchs informiert sein. e) Für die Dokumentation der Erklärung nach (a) bieten sich neben dem Organspendeausweis z. B. die Krankenversicherungskarte bzw. die Gesundheitskarte oder ein zentrales Register an.“101
98 Wenig überzeugend ist es, dem Entscheidenden auch die Möglichkeit zu eröffnen, „derzeit keine Erklärung“ abgeben zu wollen, vgl. dazu Schmidt-Didczuhn, ZRP 1991, 264, 269. 99 Stellungnahme des Nationalen Ethikrats vom 24. April 2007, Die Zahl der Organspenden erhöhen – Zu einem drängenden Problem der Transplantationsmedizin in Deutschland, S. 24. 100 Stellungnahme des Nationalen Ethikrats vom 24. April 2007, Die Zahl der Organspenden erhöhen – Zu einem drängenden Problem der Transplantationsmedizin in Deutschland, S. 39 f. 101 Stellungnahme des Nationalen Ethikrats vom 24. April 2007, Die Zahl der Organspenden erhöhen – Zu einem drängenden Problem der Transplantationsmedizin in Deutschland, S. 39 f.
328
Kap. 4: Vergleich der Regelungskonzepte
h) Ausblick Die Stellungnahme des Nationalen Ethikrates wurde in der Presse größtenteils undifferenziert als Aufforderung zur Einführung der Widerspruchslösung gewertet.102 In der Tat stellt das vorgeschlagene Erklärungsmodell ein Einfallstor dar, um eine erweiterte Widerspruchslösung zu etablieren. Erweitert insoweit, dass den Angehörigen ein eigenes Widerspruchrecht zustehen soll. Der Vorschlag birgt durchaus die Gefahr, dass sich eine Vielzahl von Personen in der Bevölkerung im Zweifel gegen eine Organentnahme entscheiden. Die Widerspruchsregelungen in den anderen Ländern profitierten häufig auch von der Zurückhaltung der Bevölkerung sich in einem Widerspruchsregister eintragen zu lassen. Dies zeigt an dieser Stelle deutlich die Zahl der Registrierten im tschechischen Register. Gerade mal 600 Personen haben sich bis dato registrieren lassen. Auch im österreichischen Widerspruchsregister sind nur ca. 10.000 Personen eingetragen.103 Dieser Lethargie soll aber eine groß angelegte Informationskampagne entgegenwirken, was für eine verfassungskonforme Einführung der Widerspruchslösung auch unerlässlich ist. Damit würde aber der Zweck der Einführung der Widerspruchlösung – namentlich die Steigerung der Organspenden – unter Umständen konterkariert. Des Weiteren vermag der Vorschlag einer erweiterten Widerspruchslösung aus den oben aufgezeigten Gründen104 gegen eine modifizierte/erweiterte Widerspruchslösung nicht zu überzeugen. Immerhin hat aber die Stellungnahme des Nationalen Ethikrates das Thema Organspende ohne negative Schlagzeilen in die öffentliche Diskussion gebracht. Eine fundamentale Änderung der derzeitigen Ausgestaltung der Organspende im Gesetz ist nach Ansicht der Verfasserin aber nicht zu erwarten. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zeigte sich deutlich – auch bedingt durch die Hirntoddebatte – dass die Widerspruchslösung, die unter anderem dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung aus dem Jahr 1978105 sowie dem Entwurf eines rheinland-pfälzischen Transplantationsgesetzes von 1994106 zugrunde lag, für Deutschland keine Alternative darstellte. Die erweiterte Zustimmungslösung ist, wenn sie auch nur einen wenig überzeugenden Kompromiss darstellt, jedoch ein Kompromiss, der im Deutschen 102 Welt online, vom 02.05.07, www.welt.de/politik/article846354/Organspende_ heisst_weiterleben.html; Tagesschau vom 24.04.2007, www.tagesschau.de/aktuell/ meldungen/0,1185,OID6660746,00.html. 103 Von denen 1.000 deutsche Staatsbürger sind, Auskunft von ÖBIG (Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen) am 4. April 2007. 104 Vgl. dazu oben, Kapitel 4, A. II. 2. d) und e). 105 BT-Drucks. 8/2681. 106 LT Drucks. 12/2094/5037.
A. Regelung der postmortalen Organspende
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Bundestag eine breite Mehrheit fand.107 Das Gesetzgebungsverfahren zum Gewebegesetz hat deutlich gemacht, dass der Gesetzgeber das TPG im Hinblick auf die Organspende und Organtransplantation im Wesentlichen unangetastet lassen will. Selbst Redaktionsversehen, wie die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 2 TPG, wurden nicht korrigiert. Immer wieder ist auf das Problem der doppelten Todesfeststellung im TPG hingewiesen worden108, die vom Bundesministerium als „Redaktionsfehler“ bezeichnet wurde. Historisch überholt ist auch der in § 11 Abs. 4 Satz 2 TPG normierte Weg der Spendermeldung über die Transplantationszentren. Ebenso völlig praxisfern ist die Normierung in § 4 Abs. Satz 1, dass der Arzt, welcher die Organentnahme vornehmen soll, anstelle des den Verstorbenen vormals behandelnden Arztes die Zustimmung der Angehörigen einholen soll.109 Unabhängig davon, ob die Widerspruchslösung oder die Zustimmungslösung gewählt wurde, zeigen die Zahlen Spaniens ebenso wie der deutsche Regionenvergleich, dass eine Steigerung der Organspendezahlen in allen Ländern möglich ist. Zu diesem Zweck gilt es, zunächst das Potential zu analysieren.110 Studien aus der DSO-Region Nord-Ost zeigen, dass dieses bei etwa 40 Spendern pro Million Einwohner liegt.111 Dies reflektiert sich derzeit aber nicht in der Anzahl der bundesweiten Spendermeldungen.112 Aus diesem Grund sollten zuerst die Möglichkeiten im bestehenden Rechtsrahmen ausgeschöpft werden. Zwar hält die Verfasserin die strenge Widerspruchslösung für die konsequenteste Lösung, allerdings ist diese derzeit in Deutschland nicht konsensfähig. Eine wie auch immer modifizierte Widerspruchslösung hätte meines Erachtens keinerlei praktische Auswirkung, denn wie die Erfahrungen anderer Länder zeigen, erfolgt eine Organentnahme nicht ohne Zustimmung der Angehörigen.113
107 Für das Transplantationsgesetz stimmten 426 Abgeordnete bei insgesamt 635 abgegebenen Stimmen, vgl. BT Plenarprotokoll 13/183 v. 25.06.1997, S. 16479. 108 Vgl. hierzu im Detail Herrig, S. 106 ff.; Parzeller/Henze/Bratzke, Krit V 4/04, 371, 375 ff.; Diettrich, S. 38 f. 109 Vgl. dazu oben, Kapitel 4, A. II. 2. h). 110 Zum Erfordernis grundlegender Datenerhebung für eine Potentialanalyse vgl. oben, Kapitel 2, B. I. 1. b) bb). 111 Wesslau/Grosse/Krüger/Kücük/Mauer/Nitschke/Manecke/Polster/Gabel, DÄBl 2006, 1, S. 10; Wesslau/Grosse/Krüger/Kücük/Nitschke/Norba/Manecke/ Polster/Gabel, Transplant International 20 (2007) 147 ff. 112 Wesslau/Grosse/Krüger/Kücük/Mauer/Nitschke/Manecke/Polster/Gabel, DÄBl 2006, 1, S. 10. 113 Vgl. dazu oben, Kapitel 4, A. II. 2. b).
330
Kap. 4: Vergleich der Regelungskonzepte
3. Allokation Ein weiterer Eckpfeiler einer Regelung der postmortalen Organspende ist die Ausgestaltung der Organverteilung bei vorliegendem Organmangel. a) Zugang zur Warteliste Sowohl das TPG als auch das TZ haben die Errichtung einer einheitlichen nationalen Warteliste normiert. In beiden Ländern müssen Empfänger, um bei der konkreten Allokation berücksichtigt zu werden, registriert sein, so dass in jedem Fall der Zugang zur Warteliste Voraussetzung ist, um bei der Allokation eine Chance auf Organzuteilung zu erhalten.114 Das tschechische System ist aber insoweit defizitär, als dass der Zugang zur Warteliste nicht eindeutig als Anspruch ausgestaltet ist und der Zugang zur Warteliste keinen klaren verbindlichen Regeln folgt und somit bereits im Vorfeld eine erhebliche Selektion stattfindet.115 Zwar wird dieser Vorwurf auch im Hinblick auf den Zugang zum deutschen Transplantationswesen erhoben116, nichts desto trotz ist aber der Zugang zur Warteliste als Recht ausgestaltet.117 Im Hinblick auf beide Gesetze ist schließlich kritisch anzumerken, dass sie den Rechtsschutz abgelehnter Patienten aussparen. b) Setzungsmacht für die Erstellung der Allokationskriterien Auch die Setzungsmacht für die Erstellung der Allokationskriterien ist in beiden Regelungssystemen nicht unproblematisch ausgestaltet. Wie bereits in Kapitel 2 kritisch erörtert wurde, begegnet nicht nur die Auslagerung der Allokation zu Eurotransplant ins niederländische Leiden, sondern auch das undurchsichtige Geflecht fragmentarischer Setzungsmacht bei der Verabschiedung der letztendlich angewandten Allokationsrichtlinien verfassungsrechtlichen Bedenken.118 In der Tschechischen Republik wurde das KST mit der Ausarbeitung von Regeln für die konkrete Organallokation gemäß § 25 Abs. 2 lit. e TZ beauftragt. Bedenken wurden in Kapitel 3 dahingehend geäußert, dass die Transplantationszentren gemäß § 22 Abs. 2 lit. c TZ zur Zusammenarbeit mit dem KST bei der Auswahl der geeigneten 114 Gutmann/Fateh-Moghadam, in: Gutmann/Schneewind/Schroth/Elsässer/Land/ Hillebrand, S. 113 zu den gelungenen Vorschriften des Transplantationsgesetzes. 115 Dies ist zumindest mitursächlich für die verhältnismäßig kurzen Wartezeiten auf ein postmortales Organ von ca. 1. Jahr, vgl. dazu Kapitel 1, B. II. 4. a) aa). 116 Vgl. Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, § 10 TPG, Rn. 9. 117 Vgl. dazu oben, Kapitel 2, B. III. 1. b). 118 Vgl. dazu oben, Kapitel 2, B. III. 2. c).
A. Regelung der postmortalen Organspende
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Empfänger verpflichtet werden, was Interessenskonflikten Vorschub leistet und sich in der stark zentrumsorientierten Allokation widerspiegelt.119 Beide Regelungskonzepte lassen darüber hinaus Transparenz120 bei der Verabschiedung als auch geeignete Kontrollmechanismen vermissen. c) Zielkonflikt: Erfolgsaussicht und Dringlichkeit In Kapitel 2 wurden die rudimentären parlamentsgesetzlichen Vorgaben für die Vermittlungsentscheidung, welche den Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen und sich insbesondere an den Kriterien Erfolgsaussicht und Dringlichkeit orientieren sollen (vgl. § 12 Abs. 3 TPG), bemängelt.121 Damit gibt der Gesetzgeber ohne das materielle Gerechtigkeitsproblem in verfassungskonformer Weise aufzulösen, den mit der Erstellung der Vermittlungsregeln beauftragten Institution, namentlich der Bundesärztekammer, zwei tendenziell widersprüchliche Zielkriterien an die Hand. Die Frage nach einer gerechten Verteilung des knappen Guts und insbesondere die Auflösung des Dilemmas zwischen Erfolgsaussicht und Dringlichkeit sowie die Klarstellung, welche Kriterien bei der Allokation ebenfalls zu Tragen kommen sollen, hätte dem parlamentarischen Gesetzgeber selbst oblegen. Dieser Verpflichtung ist der deutsche Gesetzgeber nicht nachgekommen. Aber auch der tschechische Gesetzgeber unterlässt es, Vorgaben zu machen, wie der Zielkonflikt zwischen Erfolgsaussicht und Dringlichkeit aufzulösen ist.122 Die Ausarbeitung der Allokationsregeln wird gänzlich dem KST überlassen. d) Positive Ansätze Ungeachtet der oben dargelegten Defizite der Allokationsregelungen ist positiv hervorzuheben, dass sich sowohl in Deutschland als auch Tschechien eine einheitliche nationale Warteliste durchsetzen konnte. Auch verfügen beide Länder über einen im Vorfeld definierten Allokationsalgorithmus, so dass die Auswahl der Empfänger weitestgehend automatisiert ist und nicht – von Ausnahmen z. B. bei der Rescue Allocation abgesehen – dem Transplantationszentrum anheim gestellt wird. Obwohl die tschechischen Allokationsregeln eine stark zentrumsorientierte Zuteilung vor119
Vgl. dazu oben, Kapitel 3, B. III. 2. d). Weder der Allokationsalgorithmus von ET noch vom KST sind öffentlich. Das ET-Manual ist nur über die Mitgliederseite, www.eurotransplant.org. einsehbar. 121 Vgl. dazu oben, Kapitel 2, B. III. 2. c) cc) (1). 122 Vgl. dazu oben, Kapitel 3, B. III. 2. b). 120
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Kap. 4: Vergleich der Regelungskonzepte
sehen, so erfolgt die Empfängerauswahl beim Zentrum, welches ein Organ zugeteilt bekommt, den vordefinierten Regeln des KST.
B. Ausgestaltung der Lebendspende Sowohl im TPG als auch im TZ ist neben der postmortalen Spende auch die Lebendspende geregelt. Beiden Regelungen ist gemeinsam, dass sie von der Subsidiarität der Lebendspende gegenüber der postmortalen Organspende ausgehen. Die Tschechische Republik ist dazu auf Grund der Biomedizinkonvention und der geplanten Ratifizierung des entsprechenden Zusatzprotokolls verpflichtet. Ebenso besteht Gleichlaut hinsichtlich des Erfordernisses einer informierten Einwilligung, welche Sinn und Zweck, Art, Umfang und Konsequenzen einer Organ- bzw. Gewebespende sowie über die damit verbundenen Risiken, einschließlich der Langzeitfolgen und Risiken, umfassen soll. Auch besteht Einigkeit dahingehend, dass die Spende grundsätzlich freiwillig und unentgeltlich zu erfolgen hat, was durch entsprechende strafrechtliche Vorschriften, welche den Organhandel unter Strafe stellen, klargestellt wird. Die entscheidenden Unterschiede der zu vergleichenden gesetzlichen Regelungen der Lebendspende finden sich in den unterschiedlichen Anforderungen an den Spender und Empfängerkreis sowie Arbeit und Zuständigkeit der Ethikkommission. Daher soll bei der nachfolgenden Untersuchung diesen Unterschieden besonderes Augenmerk zu teil werden.
I. Empfänger-Spender-Beziehung Der deutsche Gesetzgeber hat den möglichen Empfängerkreis einer Lebendspende sehr restriktiv ausgestaltet. Eine Lebendspende ist nur zugunsten eines Verwandten ersten oder zweiten Grades, eines Ehegatten oder eines eingetragenen Lebenspartners, eines Verlobten oder zugunsten einer Person, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahe steht, zulässig (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2 TPG). Gemäß dem tschechischen TZ kann der Empfänger einer Lebendspende eine beliebige Person sein. Lediglich eine anonyme Spende zu Gunsten eines dem Spender unbekannten Empfängers ist unzulässig (vgl. § 3 Abs. 2 lit. b TZ). Während der deutsche Gesetzgeber gemäß § 8 Abs. 3 TPG in jedem Fall die Zulässigkeit der Lebendspende von der Stellungnahme einer Ethikkommission abhängig macht, besteht diese Restriktion im TZ allein dann, wenn es sich beim Empfänger um eine dem Spender nicht nahe stehende Person gemäß § 116 des tschechischen Zivilgesetzbuches handelt. Da sowohl in Deutschland als auch in der Tschechischen Republik der Personenkreis der nahe
B. Ausgestaltung der Lebendspende
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stehenden Person nicht bestimmt, sondern lediglich bestimmbar ist123, resultieren daraus nicht unerhebliche Auslegungsschwierigkeiten. In Deutschland steht und fällt die Zulässigkeit einer Lebendspende aber mit Bejahung eines Näheverhältnisses, sofern keine Verwandtschaft ersten oder zweiten Grades vorliegt. In der Tschechischen Republik hingegen begründet ein fehlendes Näheverhältnis zwischen Lebendspender und Empfänger das Erfordernis einer Entscheidung der Ethikkommission sowie der notariell beglaubigten Zustimmung, schließt aber eine Lebendspende gerade nicht aus. Schließlich ist noch anzumerken, dass die Überkreuz-Lebendspende nach dem Tschechischen Transplantationsgesetz ohne weiteres zulässig ist, in der Praxis aber einen absoluten Einzelfall darstellt.124
II. Erfordernis einer Kommissionsentscheidung Auch wenn die Möglichkeiten einer wie auch immer gearteten Kommission zur Beurteilung von Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit beschränkt sind,125 so hat sie zumindest präventive Funktionen bei der Unterbindung möglichen Organhandels.126 Wie bereits in Kapitel 2 dargelegt, ist auch die Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit einer Lebendspende im familiären Umfeld nicht per se gewährleistet.127 Daher ist es empfehlenswert, bei jeder Lebendspende eine Kommissionsentscheidung vorzuschalten.
III. Errichtung, Aufgaben und Befugnisse der Lebendspendekommissionen Abgesehen von der Besetzung der Lebendspendekommissionen mit einem unabhängigen Arzt, einem Juristen und einer in psychologischen Fragen erfahrenen Person, überträgt der deutsche Bundesgesetzgeber in § 8 Abs. 3 Satz 4 TPG die nähere Ausgestaltung der Errichtung und Funktionsweise der Lebendspendekommissionen den Ländern. Dies führt zu einer unterschiedlichen und unübersichtlichen Ausgestaltung auf Landesebene und erschwert den länderübergreifenden Vergleich. 123
Vgl. dazu für Deutschland, oben, Kapitel 2, C. I. 3. d); für die Tschechische Republik, oben Kapitel 3, C. I. 3. a). 124 Gesprächsinterview vom 21.05.2007 mit dem medizinischen Direktor und dem rechtlichen Berater des KST. 125 Siehe dazu oben, Kapitel 2, C. I. 3. c) cc). 126 Vgl. Lilie, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung der EnqueteKommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ zum Thema „Organlebendspende“, Kom.-Drucks. 15/147, S. 9. 127 Siehe dazu oben, Kapitel 2, C. I. 3. c) cc).
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Kap. 4: Vergleich der Regelungskonzepte
Aus diesem Grunde überzeugt zumindest, was die Regelungen zur Errichtung, Verfahrensausgestaltung, Abstimmungsverhalten anbelangt, das Konzept einer einheitlichen nationalen Regelung, wie sie sich in § 5 TZ findet. Leider ist, wie in vielen deutschen Landesgesetzen auch, gemäß § 5 Abs. 7 TZ lediglich die persönliche Anhörung des Spenders zwingend, was bedauernswert ist. Eine Anhörung des Empfängers ist meines Erachtens zwingend erforderlich um einen ganzheitlichen Eindruck des Spender-Empfänger-Verhältnisses zu vermitteln. Schließlich leidet auch das TZ, wie auch alle deutschen Landesregelungen, an dem Mangel, dass der Kommission kein Prüfungsmaßstab an die Hand gegeben wird um letztendlich über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Lebendspende zu entscheiden. In beiden Ländern wäre zudem zu wünschen, dass die Kommission zum Bestehen eines Näheverhältnisses Stellung nimmt.128 Ein weiteres Manko beider Gesetze besteht darin, dass offen gelassen wird, wie gegen eine ablehnende Entscheidung einer Kommission vorgegangen werden kann, welche für den potentiellen Empfänger meist eine lebenswichtige Entscheidung darstellt.
IV. Fazit Wie in diesem Kapitel dargelegt, unterscheiden sich die hier verglichenen Gesetze im Bereich der Zustimmung zur Organspende auf der rechtlichen Ebene erheblich. Die Unterschiede werden jedoch in der gelebten Praxis eingeebnet. Die in Tschechien gewählte enge Widerspruchsregelung überzeugt durch ihre Konsequenz, welche aber in der Praxis nicht umgesetzt wird und in der Bundesrepublik derzeit nicht konsensfähig ist. Der Fokus der Bemühungen zur Steigerung der Organspendezahlen sollte daher auf der Realisierung der flächendeckenden Spendermeldungen liegen um das vorhandene Spendenpotenzial von rund 40 Spendern (pmp) auszuschöpfen. Die Einführung von Non-Heart-Beating-Donor-Programmen, mit welchen in der Bundesrepublik in naher Zukunft nicht zu rechnen ist, bedarf eines formellen juristischen Rahmens, den zumindest die tschechische Lösung vermissen lässt. Die Defizite in der Allokationsgesetzgebung in beiden Ländern sind vergleichbar. Offenbar scheut in beiden Ländern der Gesetzgeber die Auflösung des Zielkonflikts zwischen Erfolgsaussicht und Dringlichkeit und bemüht den Deckmantel rein medizinischer Kriterien. Schließlich ist noch das Fehlen von Transparenz und Kontrollmechanismen der Allokationsalgorithmen als nachteilig zu vermerken. Es bleibt abzuwarten, wie lange das Prin128
Vgl. dazu oben, Kapitel 2, C. I. 4.
B. Ausgestaltung der Lebendspende
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zip „Wo kein Kläger, da kein Richter“ aufrecht zu halten ist, insbesondere mit Blick auf die in Tschechien stattfindende erhebliche Selektion beim Zugang zu den Wartelisten. Die verhältnismäßig liberale Ausgestaltung der Lebendspende in der Tschechischen Republik vermag nicht zu überzeugen. In beiden Systemen bereitet die Bestimmung einer nahe stehenden Person nicht unerhebliche Auslegungsschwierigkeiten. Zwar könne Unentgeltlichkeit und Freiwilligkeit nicht mit absoluter Gewissheit sichergestellt werden, ungeachtet dessen dürfte die Vorschaltung einer Kommission zumindest eine präventive Filterungsfunktion entfalten, auf die nicht verzichtet werden sollte. Die Kommissionsverfahren sind also verfahrenstechnisch so auszugestalten, dass eine Beurteilung des bestehenden Näheverhältnisses in den Prüfungskanon aufgenommen wird. Auch sollten justiziable Verfahrensregeln für die Kommissionsentscheidung erstellt werden.
Kapitel 5
Das deutsche und das tschechische Transplantationsgesetz im europäischen und internationalen Kontext Im ersten Teil des Kapitels 5 wird untersucht, welche europäischen und internationalen Rechtsquellen eine Regelung der Organspende und Transplantation zum Inhalt haben. Aus aktuellem Anlass richtet sich das besondere Augenmerk der Bearbeitung auf die Rechtsetzungskompetenz der europäischen Union auf diesem Gebiet des Gesundheitswesens. Anschließend wird in Teil 2 die Arbeit des Europarates und der WHO zum Themenkomplex Organspende und Transplantation skizziert und auch die Institutionen, Einrichtungen und Projekte der internationalen Zusammenarbeit in diesem Bereich vorgestellt. Der dritte Teil dieses Kapitels beschäftigt sich mit Fragestellungen mit grenzüberschreitendem Bezug. Der Schwerpunkt der Bearbeitung befasst sich mit dem Zugang von Fremdpatienten (Non-Residents) zur Transplantationsmedizin. Das Kapitel endet mit der Darstellung des Rechtsrahmens zum grenzüberschreitenden Austausch von Organen in Deutschland und in Tschechien.
A. Recht der Europäischen Union Im Zuge der Osterweiterung und der zunehmenden Globalisierung stellt sich immer häufiger die Frage nach einer möglichen Harmonisierung der einzelstaatlichen Regelungen im Bereich der Organtransplantation. Vor diesem Hintergrund führte das Generaldirektorat Gesundheit und Verbraucherschutz der EU-Kommission (DG SANCO) eine offene Konsultation im September 2006 durch. Die Ergebnisse der Stellungnahme wurden in einem „Report on the open consultation: Policy options for organ donation and transplantation at EU-level“ zusammengefasst und sind auf der Homepage1 der DG SANCO einsehbar. Im Juli 2007 hat ein erstes Expertentreffen in Brüssel stattgefunden. Am 15.01.2008 hat das Europäische Parlament den Entwurf eines Berichts über Organspende und -transplantation: Maßnahmen 1
htm.
Http://ec.europa.eu/health/ph_threats/human_substance/oc_organs/oc_organs_en.
A. Recht der Europäischen Union
337
auf EU-Ebene vorgelegt. Es ist also mit Maßnahmen der EU und mit großer Wahrscheinlichkeit auch mit einer Richtlinie zu rechnen. Die EU plant eigenen Angaben zu Folge vier Aktionsfelder: Verbesserung von Qualität und Sicherheit bei der Organtransplantation, Bekämpfung der Organknappheit, Effizienter Zugang aller EU-Mitgliedstaaten zur Transplantationsmedizin und Bekämpfung von Organhandel.2 Diese Entwicklung auf der EU-Ebene zum Anlass nehmend, soll zunächst der Frage nach der Regelungskompetenz der EU im Bereich Organspende- und Transplantation nachgegangen werden.
I. Rechtsetzungskompetenz der Europäischen Union Untrennbar mit der Frage nach bestehenden europarechtlichen Regelungen im Zusammenhang mit Organspende und Organtransplantation ist die Fragestellung nach der Regelungskompetenz der Europäischen Gemeinschaft auf dem sensiblen Gebiet der Transplantationsmedizin verbunden. Bevor auf die Kompetenz der EG, in diesem speziellen Bereich des Gesundheitswesens Regelungen zu erlassen, näher eingegangen wird, nachfolgend zunächst einige grundlegenden Ausführungen im Hinblick auf die Rechtsetzungsbefugnis der Europäischen Gemeinschaft. Anders als der nationale Gesetzgeber hat diese nämlich keine Kompetenz-Kompetenz. Die Rechtsetzung in der Europäischen Gemeinschaft unterliegt gemäß Art. 5 Abs. 1 EG dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung.3 Rechtsetzungsbefugt ist allein der Rat unter Mitwirkung des Parlaments und aufgrund der Vorschläge der Kommission (Sog. Vorschlagsmonopol)4. Zu unterscheiden sind die ausschließliche, konkurrierende, parallele und ergänzende Zuständigkeit der Gemeinschaft. Einzelheiten ergeben sich stets aus Einzelvorschriften des EG-Vertrages. Eine solche Kompetenznorm im Hinblick auf Organe und Substanzen menschlichen Ursprungs stellt Art. 152 Abs. 4 lit. a EG dar.5
2 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat, Organspende- und Transplantation: Maßnahmen auf EU-Ebene, vom 30.05.2007 (KOM) 275 abrufbar unter: http://ec.europa.eu/health/ph_threats/human_substance/docu ments/organs_com_de.pdf. 3 Fischer, Rn. 163; Streinz, § 6, Rn. 498. 4 Art. 192 Abs. 2, 208 EG; Fischer, Rn. 102. 5 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, Einführung Rn. 16.
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Kap. 5: Das deutsche und das tschechische Transplantationsgesetz
1. Ausgestaltung der ergänzenden Zuständigkeit gemäß Art. 152 Abs. 4 lit. a EG Art. 152 EG begründet lediglich eine ergänzende Zuständigkeit der Gemeinschaft.6 Ausgestaltet ist die ergänzende Zuständigkeit des Art. 152 EG in Form einer parallelen Zuständigkeit. Bei der parallelen Zuständigkeit können sowohl die Gemeinschaft als auch die Mitgliedstaaten rechtsetzend tätig werden, ohne dass die nationale Gesetzgebung durch das Gemeinschaftsrecht verdrängt wird. Konflikte werden über den Vorrang des Gemeinschaftsrechts gelöst. Die Besonderheit der parallelen Zuständigkeit liegt darin, dass der Schwerpunkt der Handlungsbefugnisse bei den Mitgliedstaaten liegt und die Gemeinschaft darauf beschränkt ist, die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zu koordinieren, zu ergänzen oder zu unterstützen.7 Flankiert wird die Gesetzgebungskompetenz der Gemeinschaft, sofern diese nicht ausschließlich ist, durch das Subsidiaritätsprinzip. Dies gilt auch im vorliegenden Fall der ergänzenden Zuständigkeit. Der Subsidiaritätsgrundsatz ist ein allgemeines Handlungsprinzip von EU und EG, welches durch den Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 eingeführt wurde.8 Allgemein bestimmt Art. 2 Abs. 2 EUV, dass die Ziele der Union unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips gemäß Art. 5 EG verwirklicht werden. Es soll dazu beitragen, dass die Entscheidungen in der Union möglichst bürgernah getroffen werden und betrifft die Frage des „ob“ des gemeinschaftlichen Handelns. Seine inhaltliche Ausgestaltung findet der Subsidiaritätsgrundsatz in Art. 5 Abs. 2 EG. Aus dieser Vorschrift folgt, dass die Gemeinschaft in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig wird, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfanges oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene geregelt werden können. In ihrem Zuständigkeitsbereich darf die Gemeinschaft also nur unter der doppelten Voraussetzung tätig werden, dass die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahme nicht ausreichend auf mitgliedstaatlicher Ebene und daher ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen wegen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können.9 Beide Kriterien müssen kumulativ erfüllt sein, damit im Ergebnis ein europäischer Mehrwert erzielt wird.10 Bei der Frage, 6
Schmidt am Busch, in: Grabitz/Hilf, Art. 152 EG, Rn. 26. Fischer, Rn. 170. 8 Fischer, Rn. 171; Streinz, § 3 Rn. 145 a. 9 Geiger, Art. 5 EG, Rn. 11; Streinz, § 3 Rn. 166. 10 Geiger, Art. 5 EG, Rn. 11; Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Art. 5 EG, Rn. 39. 7
A. Recht der Europäischen Union
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ob Maßnahmen der Mitgliedstaaten nicht ausreichen und ein Handeln der Gemeinschaft zu besseren Ergebnissen führt, soll berücksichtigt werden, ob der zu regelnde Bereich transnationale Aspekte aufweist und ein Handeln der Gemeinschaft deutlich vorteilhaft wäre.11 Das „Wie“ des gemeinschaftlichen Handelns wird durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. Art. 5 Abs. 2 EG) in dem Sinn bestimmt, dass die Maßnahmen der Gemeinschaft nicht über das Maß hinausgehen dürfen, das für die Erreichung der Ziele des Vertrages erforderlich ist.12 Zunächst ist festzuhalten, dass die Hauptverantwortung für die öffentliche Gesundheit auch nach der Neufassung des Art. 152 im Amsterdamer Vertrag bei den Mitgliedstaaten verbleibt.13 Gemäß Art. 152 Abs. 5 EG sind insbesondere die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung vom Anwendungsbereich des Art. 152 EG ausgenommen worden. Damit sollen vor allem die nationalen Gesundheitssysteme ausgeklammert werden.14 Dementsprechend garantiert auch Art. 35 der Charta der Grundrechte der EU das „Recht auf Zugang zur Gesundheitsvorsorge“ nur nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten.15 2. Zwischenergebnis Die Kompetenz der Gemeinschaft wird in mehrfacher Hinsicht deutlich eingeschränkt. Dies kommt zunächst darin zum Ausdruck, dass es sich lediglich um eine ergänzende Zuständigkeit handelt, was die schwächste Form der Intervention aus Sicht der Gemeinschaftsorgane darstellt.16 In Art. 152 Abs. 1 EG heißt es mehrfach, die Gemeinschaft „ergänzt“ die Gesundheitspolitik der Mitgliedstaaten. In Art. 152 Abs. 2 EG ist von Förderung der Zusammenarbeit und Unterstützung die Rede. Ferner gilt für die Inanspruchnahme der Kompetenz des Art. 152 EG durch die Organe der Gemeinschaft auch das in Art. 5 Abs. 2 EG normierte Subsidiaritätsprinzip. Damit ist die schwache Eingriffsintensität der Gemeinschaft doppelt abgesichert.17 Im Bereich dieser eingeschränkten Kompetenz darf sie also nur 11
Fischer, Rn. 174. Geiger, Art. 5 EG, Rn. 13 ff. 13 Schmidt am Busch, in: Grabitz/Hilf, Art. 152 EG, Rn. 25; Bardenhewer-Rating/Niggemeier, in: Bardenhewer-Rating/Grill/Thinam/Wölker, Art. 152 EG, Rn. 8; Lurger, in: Streinz (Hrsg.), Art. 152 EG, Rn. 8. 14 Schmidt am Busch, in: Grabitz/Hilf, Art. 152 EG, Rn. 17; Fischer, in: Lenz/ Borchardt (Hrsg.), Art. 152, Rn. 7. 15 Wichard, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.) – Vorauflage, Art. 152 EG, Rn. 8. 16 Schmidt am Busch, in: Grabitz/Hilf, Art. 152 EG, Rn. 26. 17 Schmidt am Busch, in: Grabitz/Hilf, Art. 152 EG, Rn. 25. 12
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Kap. 5: Das deutsche und das tschechische Transplantationsgesetz
dann tätig werden, wenn die verfolgten Ziele auf Mitgliedstaatsebene nicht ausreichend, sondern besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können. Auch bei der Auswahl der zur Verfügung stehenden Handlungsnorm greift der Subsidiaritätsgrundsatz.18 Ausschlaggebend dürfte dabei vor allem die Notwendigkeit transnationaler Zusammenarbeit zur Bekämpfung einer Gesundheitsgefährdung sein.19 3. Kompetenzen gemäß § 152 Abs. 4 EG Gemäß Art. 152 Abs. 4 lit. a EG sind Maßnahmen nur zur Festlegung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Organe und Substanzen menschlichen Ursprungs zulässig. Die ausdrückliche Regelung wurde geschaffen, um die genannten Organe und Substanzen aus der wirtschaftlichen Logik des Binnenmarkts herauszunehmen.20 Damit entfaltet Art. 152 EG auch eine Sperrwirkung im Hinblick auf andere Rechtsgrundlagen für Maßnahmen der Gemeinschaft.21 a) Art. 152 Abs. 4 lit. a EG: Maßnahmen zur Festlegung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Organe und Substanzen menschlichen Ursprungs Nach einhelliger Ansicht wird durch den Begriff „Maßnahmen“ das gesamte Instrumentarium gemeinschaftsrechtlicher Handlungsformen eröffnet. Also auch Richtlinien und Verordnungen (Art. 249 EG), welche Regelungscharakter haben und verbindlich sind.22 Der materiellrechtlich zulässige Rahmen einer Maßnahme muss aber im Lichte des Art. 152 Abs. 5 EG ermittelt werden. Art. 152 Abs. 5 EG nimmt insbesondere die einzelstaatlichen Regelungen über die Spende und die medizinische Verwendung von Organen und Blut von der Gemeinschaftskompetenz aus.23
18
Lurger, in: Streinz (Hrsg.), Art. 152 EG, Rn. 36. Fischer, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), Art. 152, Rn. 12. 20 Schmidt am Busch, in: Grabitz/Hilf, Art. 152 EG, Rn. 30; Wichard, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Art. 152 EG, Rn. 14. 21 Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, Einführung, Rn. 16; vgl. dazu auch unten, Kapitel 5, A. I. 6. 22 Lurger, in: Streinz (Hrsg.), Art. 152 EG, Rn. 37; Schmidt am Busch, in: Grabitz/Hilf, Art. 152 EG, Rn. 28. 23 Fischer, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), Art. 152, Rn. 14; Schmidt am Busch, in: Grabitz/Hilf, Art. 152 EG, Rn. 29. 19
A. Recht der Europäischen Union
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aa) Materiellrechtlicher Rahmen – historische Auslegung Die Beschränkung der Handlungskompetenz durch Art. 152 Abs. 5 EG beruht nicht zuletzt darauf, dass die meisten Mitgliedstaaten – so auch die Bundesrepublik Deutschland – zur Zeit der Aushandlung des Amsterdamer Vertrages schon differenzierte nationale Regelungen zu den Bereichen Blutund Organspende hatten. Es stellt sich also die Frage, was von den einzelstaatlichen Regeln über die Spende und der medizinischen Verwendung von Organen erfasst und damit einer Regelungskompetenz durch die EU entzogen wird. In der Kommentarliteratur heißt es dazu lediglich, dass Maßnahmen im Hinblick auf die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Organentnahme nicht auf Art. 152 Abs. 4 lit. a EG gestützt werden können.24 Regelungen zur Spende sind die Voraussetzungen einer Organentnahme; also Zustimmung, Hirntod sowie der organisatorische Ablauf der Spende, einschließlich des Verfahrens zur Auswahl des Spenders. Medizinische Verwendung kann eigentlich nichts anderes bedeuten als Allokation der Organe, also Auswahl des Empfängers aus medizinischer Sicht. Aspekte der Qualität und Sicherheit sind Hauptanliegen der in Art. 152 Abs. 2 lit. a EG normierten Regelungskompetenz. Dies ist daher problematisch, da Fragestellungen der Qualität und Sicherheit letztendlich auch bei der Spende und Allokation relevant werden können. Bei der Verabschiedung dieser Vorschrift ging es in erster Linie um Screening-Tests, Qualitätsbewertungskriterien und Aufklärung über die optimale Verwendung von Blut und Blutprodukten sowie grundlegende Kriterien für die Inspektion und die Ausbildung der Inspektoren.25 Es geht bei dem Aspekt Sicherheit also insbesondere um den Schutz vor übertragbaren Krankheiten. Die Festlegung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards soll eine qualitativ hochwertige Versorgung im gesamten Gebiet der EG gewährleisten und gesundheitliche Risiken in der Kette vom Spender bis zum Empfänger ausschalten.26 Grund für die Verabschiedung dieser Vorschrift war ein Skandal um mit dem HIV-Virus verseuchte Blutkonserven im Jahr 1993.27 Allerdings gelten für Organe niedrigere Sicherheits-/Risikostandards als beispielsweise für Blut (höchster Sicherheitsstandard) oder für Gewebe (zweithöchster Sicherheitsstandard). Da Organe aufgrund ihrer 24
Nickel/Schmidt-Preisigke/Sengler, Einführung, Rn. 16. Schmidt am Busch, in: Grabitz/Hilf, Art. 152 EG, Rn. 29. Vorschläge der Kommission in Europäische Kommission (HrsG) Öffentliche Gesundheit in Europa, 1997, S. 24–26. 26 Fischer, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), Art. 152 EG, Rn. 14. 27 Schmidt am Busch, in: Grabitz/Hilf, Art. 152 EG, Rn. 30; Vorschläge der Kommission in Europäische Kommission (HrsG) Öffentliche Gesundheit in Europa, 1997, S. 24. 25
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Kap. 5: Das deutsche und das tschechische Transplantationsgesetz
Ischämieintoleranz unmittelbar nach der Entnahme eingepflanzt werden müssen und somit für die Durchführung erforderlicher bzw. zur Verfügung stehender Testverfahren nur ein limitierter Zeitrahmen zur Verfügung steht, hat sich die EU in der Venedig-Konferenz zu einer gesonderten Bewertung von soliden Organen menschlichen Ursprungs entschieden und bereits Richtlinien im Hinblick auf Gewebe erlassen.28
bb) Materiellrechtlicher Rahmen – teleologische Auslegung Wenn die Spende und Verwendung von mitgliedstaatlichen Regelungen nicht erfasst werden, kann dies eigentlich nur bedeuten, dass lediglich ein Mindeststandard an durchzuführenden Testverfahren für die Spender- und Organgeeignetheit festgelegt werden darf. Die Ergebnisse dieser Tests müssen dann den Transplantationszentren (auch grenzüberschreitend) zur Verfügung gestellt werden, um individuell über die Möglichkeit der Verwendung des Organs zu entscheiden. Nicht geregelt werden darf hingegen die Entscheidung, welche Organe verwendet werden und welche nicht, denn dies ist die Frage nach der medizinischen Verwendbarkeit und ist insbesondere entscheidend hinsichtlich der Verwendung sog. marginaler Organe.29 Die medizinische Verwendung von Substanzen menschlichen Ursprungs unterliegt der ärztlichen Therapiefreiheit unter Beachtung des Berufsethos, des nationalen Rechts und internationaler Behandlungsstandards (lege artis).30 Aus diesem Grund scheiden Regelungen zur Spenderauswahl, z. B. in Form von Altersbeschränkungen, aus. Die Beurteilung der Eignung eines Organs für eine Transplantation ist begriffsnotwendig Teil der Entscheidung über die medizinische Verwendbarkeit und zwar mit Blick auf den individuellen konkreten Empfänger.31 Im Hinblick auf den Subsidiaritätsgrundsatz und die erforderliche transnationale Relevanz ist ferner anzumerken, dass der grenzüberschreitende Austausch von Organen, abgesehen vom ET – Verbund, gegen Null tendiert.32 Bei den Testverfahren orientieren sich die EUStaaten bereits jetzt am „Guide to safety and quality assurance for the transplantation of organs, tissues and cells“ einer Expertengruppe des Euro28
Vgl. dazu unten, Kapitel 5, A. II. Vgl. zur Bergriffsbestimmung eines marginalen Organs die Ausführungen oben, Kapitel 1, C. I. 6. b). 30 Bardenhewer-Rating/Niggemeier, in: Bardenhewer-Rating/Grill/Thinam/Wölker, Art. 152 EG, Rn. 35. 31 Schmidt am Busch, in: Grabitz/Hilf, Art. 152 EG, Rn. 29. 32 Vgl. dazu, Newsletter Transplant, September 2005, Vol. 10, No 1, International Figures on organ donation and transplantation, Council of Europe, S. 34 ff.; www. ont.es./noticiasHome/ficherosPDF/NEWSLETTER.pdf. 29
A. Recht der Europäischen Union
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parates (SP-CTO).33 Ein europäischer Mehrwert über die bestehenden nationalen Regelungen hinaus ist daher nicht zu erwarten. cc) Ergebnis und Ausblick All dies vorausgeschickt wird deutlich, dass der Spielraum der EU für harmonisierende Maßnahmen in diesem sensiblen Bereich des Gesundheitswesens sehr eingeschränkt ist. Die Ausklammerung der Gesundheitssysteme in Art. 152 Abs. 5 EG kann jedoch nicht verhindern, dass die Bestimmungen zum Gemeinsamen Markt, insbesondere die Grundfreiheiten sowie das allgemeine Diskriminierungsverbot, zunehmend Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Gesundheitssysteme haben.34 So dass es, unter Beibehaltung der nationalen Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation des Gesundheitswesens, zu einem verstärkten Angleichungsprozess in allen Bereichen des Gesundheitswesens kommen wird. Ziel ist die Entwicklung eines hohen Gesundheitsschutzes und nicht zuletzt auch eines gemeinsamen Verständnisses von Qualitäts- und Sicherheitsstandards in der medizinischen Versorgung.35 In den Rechtssachen Decker und Kohll36 hat der EuGH darauf hingedeutet, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, ihre Gesundheits- und Sozialsysteme in einer Weise zu organisieren und zu finanzieren, die mit den Regeln des gemeinsamen Marktes übereinstimmt.37 Diese Rechtsprechung wird ganz besonders bei der Frage nach dem Zugang von Unionsbürgern zur Transplantationsmedizin in Deutschland relevant.38 b) Fördermaßnahmen nach Art. 152 Abs. 4 lit. c EG Im gesamten Kompetenzbereich des Art. 152 EG darf die Gemeinschaft Fördermaßnahmen erlassen. Der Begriff Fördermaßnahmen ist in Art. 249 EG nicht enthalten. Es handelt sich dabei um Tätigkeiten, mit denen die 33 Guide to safety and quality assurance for the transplantation of organs, tissues and cells, 3rd edition, Council of Europe, December 2006, vgl. dazu unten, Kapitel 5, B. I. 2. a). 34 Wichard, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Art. 152 EG, Rn. 8; Fischer, in: Lenz/ Borchardt (Hrsg.), Art. 152 EG, Rn. 7. 35 Bardenhewer-Rating/Niggemeier, in: Bardenhewer-Rating/Grill/Thinam/Wölker, Art. 152 EG, Rn. 39. 36 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.04.1998, Rs. C-156/96, Kohll gegen Union des caisses de maladie, Slg. 1998, I 1931, Rn. 16 ff.; EuGH, Urt. vom 28.04.1998, Rs. C-120/95, Decker gegen Caisse de maladie des employes prives, Slg. 1998, I-1831, Rn. 23. 37 Schmidt am Busch, in: Grabitz/Hilf, Art. 152 EG, Rn. 18. 38 Vgl. dazu unten, Kapitel 5, C. I. 6. b) aa).
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Kap. 5: Das deutsche und das tschechische Transplantationsgesetz
EU entweder Maßnahmen der Mitgliedstaaten inhaltlich ergänzt oder unterstützt oder mit denen sie die diesen durch Abs. 2 aufgegebene Zusammenarbeit in organisatorischer Hinsicht fördert.39 Buchstabe c stellt klar, dass Fördermaßnahmen in keinem Fall harmonisierend bzw. materiell rechtsetzend in die Kompetenz eingreifen dürfen. Folglich müssen sie, soweit es um Inhalte geht, unverbindlich sein.40 In der Regel handelt es sich dabei um sog. Aktionsprogramme. c) Empfehlungen nach Art. 152 Abs. 4 letzter Satz EG Schließlich kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission Empfehlungen erlassen. Die Empfehlungen können jedes Thema aus dem Bereich öffentlicher Gesundheit zum Gegenstand haben, müssen aber wie alles andere Gemeinschaftshandeln, die Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für die Organisation und die individualmedizinische Versorgung respektieren.41 Empfehlungen sind, wie sich aus Art. 249 EG ergibt, unverbindlich, bringen aber nichts desto trotz Zielvorstellungen zum Ausdruck. 4. Art. 95 EG Vorschriften, welche sowohl den Gesundheitsschutz, als auch das Funktionieren des Binnenmarkts (z. B. über Arzneimittel, gefährliche Produkte, etc.) als Ziele verfolgen, können auf die wesentlich weiter reichende Kompetenznorm des Art. 95 EG gestützt werden. Allerdings dient diese Vorschrift der Harmonisierung, welche gerade über Art. 152 Abs. 4, Abs. 5 EG nicht erfolgen soll. Aus diesem Systemzusammenhang wird deutlich, dass Art. 152 Abs. 4 lit. a EG als lex specialis42 insoweit Sperrwirkung entfaltet43 und über Art. 152 Abs. 5 Satz 2 EG bestimmte Bereiche vollständig der Zuständigkeit der Gemeinschaft entzieht. Die in Art. 152 ausdrücklich vorgenommenen Einschränkungen dürfen auf keinen Fall ihrerseits eingeschränkt bzw. umgangen werden.44 Ein Rückgriff auf Art. 95 EG im Bereich der Organspende oder Transplantation ist damit ausgeschlossen.45 39
Wichard, in: Calliess/Wichard (Hrsg.), Art. 152 EG, Rn. 16. Lurger, in: Streinz (Hrsg.), Art. 152 EG, Rn. 40; Fischer, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), Art. 152, Rn. 16. 41 Bardenhewer-Rating/Niggemeier, in: Bardenhewer-Rating/Grill/Thinam/Wölker, Art. 152 EG, Rn. 14. 42 Schmidt am Busch, in: Grabitz/Hilf, Art. 152 EG, Rn. 56. 43 Lurger, in: Streinz (Hrsg.), Art. 152 EG, Rn. 29. 44 Fischer, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), Art. 152, Rn. 22, 23. 40
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5. Art. 29, 31 Abs. 1 lit. e und 34 Abs. 2 b EUV Im Bereich des Organhandels stellt sich zudem die Frage, ob die EU Maßnahmen im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit ergreifen könnte. In Betracht käme beispielsweise ein Rahmenbeschluss gemäß Art. 29 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. 31 lit. e, 34 Abs. 2 b EUV. Art. 29 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. 31 EUV lit. e ermächtigen zu einem gemeinsamen Vorgehen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit mittels der schrittweisen Annahme von Maßnahmen zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen. Die Harmonisierung materiellen Strafrechts ist ein besonders empfindlicher Eingriff in den nationalen Souveränitätsbereich. Aus diesem Grund wird besonders hervorgehoben, dass die Annäherung der Strafvorschriften auf das Erforderliche zu beschränken ist.46 Gemäß Art. 34 EUV stehen dem Rat, als zentralem Handlungsorgan im Bereich der Zusammenarbeit in Strafsachen, als Handlungsformen gemeinsame Standpunkte, Rahmenbeschlüsse, Beschlüsse und Übereinkommen zur Verfügung. Im Hinblick auf die Harmonisierung von Strafrechtsvorschriften kommt allein ein Rahmenbeschluss nach Art. 34 Abs. 2 lit. b EUV in Betracht. Rahmenbeschlüsse sind wie Richtlinien von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen, werden jedoch im Unterschied zu diesen in keinem Fall unmittelbar wirksam.47 Ein griechischer Rahmenbeschluss-Entwurf vom Februar 2003 richtet sich gegen den Organhandel als Form der organisierten Kriminalität, ist aber bislang noch nicht weiterverfolgt worden.48
II. Sekundäres Gemeinschaftsrecht Im Bereich der Gewebespende hat die Gemeinschaft bereits von ihrer Kompetenz gemäß Art. 152 Abs. 4 lit. a EG Gebrauch gemacht und die Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichem Gewebe und Zellen (im Nachfolgenden Geweberichtlinie) sowie die Richtlinie 2006/17/EG der Kommission vom 8. Februar 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/23/EG des Europäi45 Unzutreffend insoweit Herrig, S. 66 f., welche offenbar die Sperrwirkung des Art. 152 Abs. 5 EG übersieht. 46 Geiger, Art. 29 EUV, Rn. 11. 47 Geiger, Art. 34 EUV, Rn. 6. 48 Vgl. König, MedR 2005, 22, 25.
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Kap. 5: Das deutsche und das tschechische Transplantationsgesetz
schen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichem Gewebe und Zellen (im Nachfolgenden Gewebedurchführungsrichtlinie) erlassen. Eine zweite Richtlinie zur Umsetzung der Geweberichtlinie ist in Form der Richtlinie 2006/86/EG der Kommission vom 24. Oktober 2006 zur Umsetzung der Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 hinsichtlich der Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit, der Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und unerwünschter Reaktionen sowie bestimmter technischer Anforderungen an die Kodierung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen ergangen. Die Umsetzung dieser Richtlinien in nationales Recht erfolgte durch das nunmehr in Kraft getretene Gewebegesetz.49 Im Hinblick auf solide Organe gab es bislang nur einen Entwurf einer Entschließung des Gesundheitsrates vom 5.6.1997 „über die Qualität und die Sicherheit von zu medizinischen Zwecken bestimmten Organen und Geweben menschlichen Ursprungs“ und die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14.9.1993 für ein Verbot des Organhandels. Wie bereits oben erläutert, sind neue Maßnahmen der EU auf dem Gebiet der Organspende und Transplantation in naher Zukunft zu erwarten.
III. Charta der Grundrechte der Europäischen Union Aus Art. 3 Abs. 2 Spiegelstrich 3 der EU-Grundrechtscharta, welcher das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit normiert, geht explizit das Verbot, den menschlichen Körper und Teile davon als solche zur Erzielung von Gewinnen zu nutzen, hervor. Gemäß Art. 51 gilt die Charta für die Organe und Einrichtungen der Union. Für die Mitgliedstaaten gilt sie ausschließlich bei der Durchführung des Rechtes der Union. Die Charta bildet den Teil II des Europäischen Verfassungsvertrages, wie er am 29. Oktober 2004 unterzeichnet wurde und 2007 in Kraft treten sollte. Durch Inkrafttreten des Vertrages über eine Verfassung für Europa würde die Charta rechtlich verbindlich. Durch die gescheiterten Referenden zum Verfassungsvertrag ist nun auch die Zukunft der Charta ungewiss.
49
Vgl. dazu oben, Kapitel 2, A. I.
B. Andere internationale Rechtsquellen
347
B. Andere internationale Rechtsquellen Nachfolgend sollen internationale Rechtsquellen aufgezeigt werden, welche die Organspende und Transplantation zum Thema haben.
I. Europarat Eine besonders aktive Rolle kommt auf dem Gebiet der Organspende und Transplantation dem Europarat zu. 1. Biomedizinkonvention und Zusatzprotokoll Das Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin – Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin (sog. Biomedizinkonvention) wurde am 4. April 1997 in Oviedo zur Unterzeichnung aufgelegt und trat am 1. Dezember 1999 nach der Ratifikation durch 5 Vertragsparteien in Kraft. Von den 46 Mitgliedstaaten des Europarates haben bisher 33 Staaten die Konvention unterzeichnet und 19 davon haben sie auch ratifiziert.50 Die Bioethikkonvention enthält in Kapitel VI Regelungen zur Entnahme von Organen und Geweben von lebenden Spendern zu Transplantationszwecken und in Kapitel VII ist das Verbot des finanziellen Gewinns mit Teilen des menschlichen Körpers normiert. Im Gegensatz zur Tschechischen Republik51 wurde die Konvention von der Bundesrepublik nicht unterzeichnet und ist daher in Deutschland nicht verbindlich. Das Zusatzprotokoll vom 24. Januar 2002 zum Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin bezüglich der Transplantation von menschlichen Organen und Geweben52 ist am 1. Mai 2006, nachdem nunmehr auch dieses von fünf Mitgliedstaaten ratifiziert wurde, in Kraft getreten.53 Berechtigt zur Unterzeichnung sind nur die Vertragsparteien, die bereits die Biomedizinkonvention unterzeichnet oder ratifiziert haben. Folglich kommt eine Bindungswirkung auch hier nur für die Tschechische Republik in Betracht. Allerdings hat die Tschechische Republik das Zusatzprotokoll bis dato weder unterzeichnet noch ratifiziert und das, obwohl in der Gesetzesbegrün50
Stand 31.07.2007. Die Tschechische Republik hat die Konvention am 24.06.1998 unterzeichnet und am 22.06.2001 ratifiziert, worauf hin sie dort am 1.10.2001 in Kraft trat. 52 Additional Protocol to the convention on human rights and biomedicine concerning transplantation of organs and tissues of human origin. 53 Stand 31.07.2007. 51
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Kap. 5: Das deutsche und das tschechische Transplantationsgesetz
dung an zahlreichen Stellen auf die Vereinbarkeit mit dem Zusatzprotokoll hingewiesen wird. 2. Expertenkomitee des Europarates Infolge der dritten Konferenz der EU-Gesundheitsminister 1987 in Paris zu ethischen, organisatorischen und rechtlichen Aspekten der Organtransplantation wurde ein Expertenkomitee zu organisatorischen Aspekten der Koordinierung der Organtransplantation (Committee of Experts on Organisational Aspects of Cooperation in Organ Transplantation, SP-CTO) gegründet. Die übergeordneten Prinzipien, welche die Arbeit des Expertenkomitees bestimmen sollten, waren die Achtung der Menschenwürde, Einhaltung von Menschen und Bürgerechten und die Nicht-Kommerzialisierung von Substanzen menschlichen Ursprungs sowie der Schutz von Spendern und Empfängern. Im Zuge dieser Arbeit hat das Expertenkomitee einen Unterausschuss gegründet, welcher im Hinblick auf die Qualität und Sicherheit von Organspenden drei wichtige Dokumente erarbeitet hat: a) Dokumente des (SP-CTO) (1) Guide to safety and quality assurance for the transplantation of organs, tissues and cells des SP-CTO. 3rd edition, Council of Europe, December 2006 (Guide to quality and safety). (2) State of the art report on serological screening methods for the most relevant microbiological diseases of organ and tissue donors. (3) International Consensus Document – Standardization of organ donor screening to prevent transmission of neoplastic diseases. Insbesondere der Guide to quality und safety spielt in der Praxis eine bedeutende Rolle. Trotz seiner Unverbindlichkeit orientieren sich viele nationalstaatliche Regelungen, welche im Hinblick auf Empfänger und Spender – Sicherheit erlassen werden, an diesem Dokument. Gerade die ost- und mitteleuropäischen Länder, in welchen die Transplantationsmedizin noch nicht so lange etabliert ist, finden in diesen Dokumenten eine Hilfestellung. Darüber hinaus wurde eine Vielzahl von Empfehlungen verabschiedet. Auch sie sind unverbindlich, spiegeln aber zumindest den gemeinsamen Nenner in den Mitgliedstaaten wider.
B. Andere internationale Rechtsquellen
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b) Empfehlungen (Recommendations) Nachfolgende Auflistung soll einen Überblick über das weite Betätigungsfeld der Expertengruppe verschaffen: – Recommendation Rec (2006) 15 of the Committee of Ministers to member states on the background, functions and responsibilities of a national transplant organisation (NTO)54 – Recommendation Rec (2006) 15 of the Committee of Ministers to member states on quality improvement programs for organ donation.55 – Recommendation Rec (2005) 11 on the role and training of professionals for organ donation (transplant donor coordinators)56 – Recommendation Rec (2004) 19 of the Committee of Ministers to member states on criteria for the authorisation of organ transplantation facilities57 – Recommendation Rec (2004) 8 on autologous cord blood banks and explanatory58 – Recommendation Rec (2004) 7 of the Committee of Ministers to member states on organ trafficking59 – Recommendation Rec (2003) 12 of the Committee of Ministers to member states on organ donor registers60 – Recommendation Rec (2003) 10 on xenotransplantation and explanatory memorandum – State of the art report in the field of xenotransplantation61 54
Abgedruckt in: Newsletter Transplant 2007, Vol. 12, No 1, International Figures on organ donation and transplantation, Council of Europe, S. 42, www.ont.es./ noticiasHome/ficherosPDF/NEWSLETTER.pdf. 55 Abgedruckt in: Newsletter Transplant 2007, Vol. 12, No 1, International Figures on organ donation and transplantation, Council of Europe, S. 45, www.ont.es./ noticiasHome/ficherosPDF/NEWSLETTER.pdf. 56 Abgedruckt in: Newsletter Transplant, September 2005, Vol. 10, No 1, International Figures on organ donation and transplantation, Council of Europe, S. 34 ff.; www.ont.es./noticiasHome/ficherosPDF/NEWSLETTER.pdf. 57 Abgedruckt in: Newsletter Transplant, September 2005, Vol. 10, No 1, International Figures on organ donation and transplantation, Council of Europe, S. 34 ff.; www.ont.es./noticiasHome/ficherosPDF/NEWSLETTER.pdf. 58 Http://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?id=744641&BackColorInternet=B9BDEE&Back ColorIntranet=FFCD4F&BackColorLogged=FFC679. 59 Http://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?id=744621&BackColorInternet=9999CC&Back ColorIntranet=FFBB55&BackColorLogged=FFAC75. 60 Http://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?id=45951&BackColorInternet=9999CC&Back ColorIntranet=FFBB55&BackColorLogged=FFAC75.
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Kap. 5: Das deutsche und das tschechische Transplantationsgesetz
– Recommendation 1611 (2003) of the Parliamentary Assembly on trafficking in organs in Europe62 – Recommendation Rec (2001) 5 of the Committee of Ministers to member states on the management of organ transplant waiting lists and waiting times63 – Recommendation Rec (2001) 4 on the prevention of the possible transmission of variant Creutzfeldt-Jakob Disease (vCJC) by blood transfusion64 – 1999 Meeting the organ shortage: Current status and strategies for improvement of organ donation – a European consensus document65 – 1997 Recommendation No. R (97) 16 on liver transplantation form living related donors66 – 1997 Recommendation No. R (97) 15 on xenotransplantation67 – 1994 Recommendation No. R (94) 1 – Human tissue banks68 – 1994 Recommendation 1240 of the Parliamentary Assembly on the protection of material of human origin69 – Resolution 78 (29) On harmonisation of legislation of member states relating to removal, grafting and transplantation of human substances.70
61 Http://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?id=45827&BackColorInternet=9999CC&Back ColorIntranet=FFBB55&BackColorLogged=FFAC75. 62 Http://assembly.coe.int/Main.asp?link=/Documents/AdoptedText/ta03/EREC 1611.htm. 63 Http://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?id=190641&BackColorInternet=9999CC&Back ColorIntranet=FFBB55&BackColorLogged=FFAC75. 64 Http://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?id=190373&BackColorInternet=B9BDEE&Back ColorIntranet=FFCD4F&BackColorLogged=FFC679. 65 Http://www.coe.int/t/e/social_cohesion/health/Activities/Organ_transplantation/ 04MEETING%20THE%20ORGAN%20SHORTAGE%20PUB%20Eng.asp. 66 Http://wcd.coe.int/com.instranet.InstraServlet?Command=com.instranet.CmdBlobGet&DocId=578864&SecMode=1&Admin=0&Usage=4&InstranetImage =43031. 67 Http://wcd.coe.int/com.instranet.InstraServlet?Command=com.instranet.CmdBlob Get&DocId=578834&SecMode=1&Admin=0&Usage=4&InstranetImage=43029. 68 Http://wcd.coe.int/com.instranet.InstraServlet?Command=com.instranet.CmdBlob Get&DocId=508794&SecMode=1&Admin=0&Usage=4&InstranetImage=43321. 69 Http://assembly.coe.int/Main.asp?link=/Documents/AdoptedText/ta94/EREC 1240.htm. 70 Http://www.coe.int/t/e/social_cohesion/health/recommendations/Res(78)29.pdf.
B. Andere internationale Rechtsquellen
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c) Neuordnung des Expertenkomitees im Jahr 2007 Die Arbeit des SP-CTO wird nun unter dem European Directorate for Quality of Medicines and Health Care beim Europarat zunächst bis zum 31. Dezember 2009 fortgesetzt. Zu diesem Zweck gibt es nun eine Kommission mit folgendem Titel: European Committee (Partial Agreement) on organ transplantation (CD-P-TO). Bei der Kommission handelt es sich um eine sog. Steering Committee, welche direkt dem Ministerkomitee berichtet. Von der Kommission zu beachten sind die folgenden Richtlinien „Terms of reference“. Die Kommission arbeitet daher unter Berücksichtigung: – der Bedeutung des Vervollkommnens (auch: Spezifizierens) und Förderns des Prinzips der Nichtkommerzialisierung der Organspende, des Verstärkens von Maßnahmen zur Verhinderung von Organhandel und allgemein des Vervollkommnens (auch: Spezifizierens) hoher Ethik-, Qualitäts- und Sicherheitsstandards im Bereich der Organtransplantation; – des Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin (ETS NO. 164) und dem Zusatzprotokoll zur der Transplantation von menschlichen Organen und Gewebe (ETS No. 186); – der Positionen der siebten Gesundheitsministerkonferenz (Oslo, 2003) unter dem Titel „Gesundheit, Würde und Menschenrechte“ und – der Entscheidung des Ministerkomitees vom 25. Oktober 2006 (CM/Del/ Dec(2006)978/6.1), das Programm „Gesundheitswesen und Qualitätsstandards“, inklusive der zwischenstaatlichen Aktivitäten bezüglich der Transplantation von Organen, auf die Europäische Arzneibuchkommission („EDQM“) zu übertragen. Unter der Aufsicht des Ministerkomitees soll das „Steering Committee“ die folgenden Maßnahmen durchführen: – Überprüfen von Fragen im Zusammenhang mit der Transplantation von Organen, Gewebe und Zellen, namentlich bezüglich von Qualitäts- und Sicherheitsstandards und deren Anwendung; – Überprüfen von organisatorischen Strukturen bezüglich Organtransplantation mit dem Ziel, diese Strukturen zu verbessern und sich mit den Gründen für die Organknappheit zu befassen; – Entwickeln von europaweiten Verbindungen zwischen den Austauschorganisationen; – Berücksichtigung von ethischen Aspekten, Aufstellen von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die berufliche Anwendung;
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Kap. 5: Das deutsche und das tschechische Transplantationsgesetz
– Sicherstellung des Austauschs von Wissen und Expertise sowie Entwicklung von Kompetenzen (Fähigkeiten) der Experten durch Training und Vernetzung; – Einen Beitrag leisten für die Steigerung des allgemeinen Bewusstseins in der Bevölkerung für die Organspende zu Transplantationszwecken; – Unterbreiten von Vorschlägen für Entschließungen; – Überwachen der Durchführung der oben genannten Aktivitäten und insbesondere Überarbeiten und Aktualisieren jeglicher (entstehender) Dokumente bezüglich Organtransplantation inklusive des Handbuchs zur Sicherstellung von Sicherheit und Qualität von Organen, Gewebe und Zellen (Guide to safety and quality assurance for organs, tissues and cells); – Zusammenarbeit mit dem Steering Committee on Bioethics (CDBI) in der Umsetzung sämtlicher Aspekte der Transplantation, die von dem Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin (ETS NO. 164) und dessen Zusatzprotokoll zur der Transplantation von menschlichen Organen und Gewebe (ETS No. 186) umfasst sind; – Unter Berücksichtigung des eigenen Arbeitsfortschritts eigenverantwortliches Vorbereiten von Vorschlägen für das Aktionsprogramm der nächsten Jahre.
II. WHO Auch die WHO hat einige Papiere zur Organtransplantation verabschiedet. Am 14.10.2005 gab es erstmalig einen internationalen Tag der Organspende in Genf, anlässlich dessen die Resolution WHA 57.18 vorgestellt wurde.71 Bereits 1991 hat die WHO in ihren „Guiding principles on human organ transplantation“ Stellung genommen.72 Im Januar 2008 soll ein neuer Entwurf, die sog. „Draft Guiding Principles for Cell, Tissue and Organ 71 WHO Fifty-Seventh World Health Assembly (2004), Human organ and tissue transplantation. 72 World Health Organization (1991), Guiding principles on human organ transplantation. (Geneva: WHO). Published in Lancet 337(8755):1470-1. Weitere Informationen finden sich in den nachfolgenden der Vollständigkeit halber erwähnten Dokumenten: – World Heath Organization (2003), Human organ and tissue transplantation. Report by the Secretariat. EB112/5 (Geneva: WHO) – World Heath Organization (1998), Xenotransplantation: Guidance on Infectious Disease – Prevention and Management. WHO/EMC/ZOO/98.1 (Geneva: WHO). – World Heath Organization (1991), Human organ transplantation: a report on developments under the auspices of WHO (1987–1991). (Geneva: WHO).
B. Andere internationale Rechtsquellen
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Transplantation“, in die Weltgesundheitsversammlung eingebracht werden, der folgende Themenaufstellung umfasst: 1. Zustimmung zur postmortalen Organspende 2. Kein Konflikt der Ärzte, welche den Tod feststellen mit Ärzten, welche die Entnahme durchführen 3. Postmortale Spende und Lebendspende 4. Minderjährige und Geschäftsunfähige 5. Kein Verkauf und keine Bezahlung 6. Werbung für Organspende, nicht für Organvermittlung 7. Verantwortung der Transplantationschirurgen für Ursprung des Transplantats 8. Angemessene Bezahlung des beteiligten Personals 9. Allokationsregeln 10. Qualität und Sicherheit der Verfahren und Transplantate 11. Transparenz und Anonymität
III. Institutionen, Einrichtungen, Projekte der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Organspende und Organtransplantation Im nachfolgenden Abschnitt sollen schließlich noch die Institutionen, Einrichtungen und Projekte der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Organspende und Organtransplantation vorgestellt werden. 1. European organ exchange organisations (EOEO) Die Vertreter der European organ exchange organisations (EOEO), dazu gehören unter anderem neben Skandiatransplant und Eurotransplant, die DSO, Nederlandse Transplantatie Stichting (Niederlande), Swisstransplant (Schweiz), UK Transplant (Großbritannien), CNT (Italien), ABM (Frankreich), Poltransplant (Polen), Hungarotransplant (Ungarn), ONT (Spanien) und OPT (Portugal), treffen sich seit neun Jahren einmal jährlich. Es handelt sich von der Idee her um ein Treffen zum Erfahrungsaustausch über praktische Probleme im Bereich des internationalen Austauschs von Organen. Es wurde z. B. ein gemeinsames Formblatt zur Erfassung von Spenderdaten zum Zwecke des grenzüberschreitenden Organaustausches entwickelt. Das neunte Treffen fand am 27. April 2007 in Bern statt. Losgelöst von der
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Thematik eines grenzüberschreitenden Organaustausches werden zudem aktuelle Probleme der Organspende und Transplantation erörtert, wie z. B. die Existenz und Arbeitsweise von Lebendspenderegistern, die Non-ResidentProblematik73, die Frage nach der Anrechnung von Wartezeit oder nach Möglichkeiten, die Mehrfachlistungen zu verhindern.74 2. European Transplant Network (ETN) Bei European Transplant Network (ETN) handelt es sich um ein von den Gesundheitsministerien ins Leben gerufenes Netzwerk zum Zwecke der Kooperation auf dem Gebiet der Organtransplantation. Insbesondere soll ein Austausch der Mitglieder auch zu Fragen der Gesetzgebung, Logistik (Informationstechnologien: z. B. Wartelistenführung; Allokationsalgorithmen), Qualität und Sicherheit sowie der Ausbildung von Fachpersonal (insb. Koordinatoren) erfolgen. Hauptziel ist auf lange Sicht der Austausch von Organen im Rahmen dieses Netzwerks. So sollen Möglichkeiten zum internationalen Organaustausch zwischen diesen Ländern, welche an dem „westeuropäischen“ Kooperations- und Austauschsystem aus den verschiedensten Gründen nicht immer beteiligt werden, gefunden werden. Mitglieder dieses Netzwerkes sind: Österreich, Kroatien, Zypern, Tschechische Republik, Griechenland, Ungarn, Italien, Polen, Slowenien, Litauen, Malta, Slowakische Republik. Die Besonderheit dieses Zusammenschlusses besteht darin, dass er auf Ministerialebene zustande gekommen ist. Insbesondere Italien übernimmt bei diesem Netzwerk eine Mentorposition. Über das sog. Italian Gate to Europe sind z. B. Organe, für welche es in der Tschechischen Republik keinen Empfänger gab, nach Italien vermittelt worden.75 3. Europäische Vereinigungen und Projekte Ebenfalls zu erwähnen sind ETCO (European Transplant Coordinators Organisation76 und ESOT (European Society for Organ Transplantation)77, dabei handelt es sich um europäische Fachkongresse für Koordinatoren und Transplantationschirurgen. Schließlich fördern zahlreiche Generaldirektionen der EU länderübergreifende Forschungsprojekte zum Thema Organ73
Vgl. dazu unten, Kapitel 5, C. I. Vgl. dazu unten, Kapitel 5, C. III. 75 Gesprächsinterview vom 21.05.2007 mit dem medizinischen Direktor und dem rechtlichen Berater des KST; vgl. zum Italian Gate to Europe (IGE), Pretagistini, R. et al. Organs, Tissues and Cells, 2007, 46 ff. 76 Siehe: www.etco.org/. 77 Siehe: www.esot.org/. 74
B. Andere internationale Rechtsquellen
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spende und Transplantation: Alliance-O (European Group for Coordination of National Research Programmes on Organ Donation and Transplantation),78 DOPKI (Improving the knowledge and practice in organ donation),79 Eurocet als Nachfolger zu Eurodonor (European registry on organs, cells and tissues)80 und demnächst ETPOD (European Training Program on Organ Donation) und AGIS (Organ trafficking). Vom 1. bis 4. April 2007 fand ein von der EU geförderter Kongress zu rechtlichen, ethischen und psychologischen Aspekten der Organtransplantation statt. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen lassen sich auf der neugegründeten Pattform nachlesen.81 4. Internationale Register Im Nachfolgenden sollen noch die wichtigsten internationalen Register (sog. „Scientific Registries“), welche Daten über Ergebnisse der Organtransplantation sammeln, aufgelistet werden. Sie sind wegen ihrer Kooperation mit ET als auch ihrer Funktion gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 TPG von besonderer Bedeutung: – Niere: CTS (Collaborativ Transplant Studies)82 – Leber: European Liver Transplant Registry83 – Herz und Lunge: International Society for Heart and Lung Transplantation84 – Pankreas: International Pancreas Transplant registry.85 Bei diesen Registern handelt es sich um private Initiativen. Die Teilnahme der Transplantationszentren aus Deutschland erfolgt freiwillig. Im ET-Manual ist auch eine entsprechende Kooperation und der Datenaustausch der Register mit ET geregelt.86 Derzeit läuft also jegliche zentrumsübergreifende Analyse und Evaluation der Transplantationsergebnisse über diese Register. Die Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 TPG, welche bereits am 28.08.2001 in Kraft trat, ist bis dato nicht effektiv umgesetzt worden. Es gibt folglich keine nationale oder internationale Einrichtung, an 78 79 80 81 82 83 84 85 86
Weitere Einzelheiten unter www.alliance-o.org. Weitere Einzelheiten unter www.dopki.eu. Weitere Einzelheiten unter www.eurodonor.org/eurocet/. Siehe: www.elpat.eu. Siehe: www.ctstransplant.org. Siehe: www.eltr.org. Siehe: www.ishlt.org. Siehe: www.iptr.umn.edu. ET-Manual, Kapitel 2.1.12.
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Kap. 5: Das deutsche und das tschechische Transplantationsgesetz
welche die deutschen Transplantationszentren verpflichtend die „Followup“-Daten liefern müßten. Auf dieses Defizit wurde bereits in Kapitel 2 hingewiesen.87
C. Ausgewählte Probleme mit grenzüberschreitendem Bezug Im dritten Teil dieses Kapitels werden die Problem- und Fragestellungen der Transplantationsmedizin mit grenzüberschreitendem Bezug erörtert. Den Schwerpunkt der Bearbeitung stellt die Transplantation von Fremdpatienten dar. Aber auch die Regelungen zum grenzüberschreitenden Organaustausch werden dargestellt.
I. Transplantation von Fremdpatienten (sog. Non-Residents) In der Praxis stellt sich zunehmend häufiger die Frage, inwieweit Fremdpatienten, also Ausländern bzw. Personen ohne gewöhnlichen Wohnsitz (Non-Residents88) in Deutschland, bei Organversagen medizinisch in der Bundesrepublik behandelt werden und damit gleichzeitig die Frage, ob Sie einen Anspruch auf Aufnahme in die Warteliste haben. In diesem Abschnitt soll daher der Frage nachgegangen werden, ob und ggfs. wie Fremdpatienten bzw. Non-Residents der Zugang zur Transplantationsmedizin verwehrt oder dieser eingeschränkt werden kann. Einschränkungen sind auf zwei Stufen – in unterschiedlichster Ausgestaltung – denkbar. Zunächst beim Zugang der Fremdpatienten zu der nationalen Warteliste für postmortal gespendete Organe oder aber in Form einer nur nachrangigen Berücksichtigung im Rahmen der tatsächlichen Allokation. 1. Bestehende Rechts- und Datenlage in Deutschland Im Nachfolgenden wird daher zunächst die bestehende Rechts- und Datenlage in Deutschland und Tschechien sowie anderen europäischen Ländern zusammengefasst, um anschließend Grund und Grenzen der rechtlichen Ausgestaltung der Non-Resident-Problematik am Beispiel der Bundesrepublik zu erörtern. 87
Vgl. dazu oben, Kapitel 2, B. I. 2. b) ff) (1). Ungeachtet einer fehlenden verbindlichen Definition für sog. Non-Residents sind darunter Patienten mit in der Regel nicht deutscher Staatsangehörigkeit und Wohnsitz im Ausland zu verstehen. 88
C. Ausgewählte Probleme mit grenzüberschreitendem Bezug
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a) TPG und Richtlinien der BÄK Der Zugang zur Transplantationsmedizin, also die Aufnahme in die Warteliste, bestimmt sich im Wesentlichen nach den §§ 10 i. V. m. 16 TPG und den gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TPG erlassenen Richtlinien der BÄK. Aus diesen Vorschriften geht hervor, an welche Voraussetzungen die Annahme als Transplantationspatient und die Aufnahme in die Warteliste geknüpft sind.89 Eine Zugangsbeschränkung im Falle nicht-deutscher Staatsangehörigkeit oder fehlenden Wohnsitzes in Deutschland90 ist diesen Regelungen nicht zu entnehmen. Ebenso wenig finden sich im Gesetz oder den Richtlinien Anhaltspunkte dafür, dass Deutsche vorrangig und Ausländer nur nachrangig bei der konkreten Allokation zu berücksichtigen seien. In Betracht kommen allenfalls faktische oder mittelbare Zugangsbeschränkungen, welche in der Regel häufiger bei Fremdpatienten auftreten können. So hängt in der Praxis die Aufnahme in die Zentrumswarteliste und die damit einhergehende Aufnahme in die ET-Warteliste davon ab, ob die Kostenübernahme sichergestellt ist.91 Angesichts des weit reichenden Leistungsangebots, des dichten Netzes an Krankenversicherungen in Deutschland und des Umstandes, dass Organtransplantationen inzwischen eine Standardtherapie darstellen, dürfte die Verweigerung dieser Heilbehandlung wegen fehlender Kostendeckung für Deutsche bzw. Inhaber deutschen Krankenversicherungsschutzes praktisch nicht vorkommen. Bereits 1972 hat das Bundessozialgericht entschieden: „Die Übertragung von körpereigenem Gewebe auf einen Dritten (Organtransplantation im weitesten Sinne) ist ein Teil der Krankenhilfe für den Organempfänger“.92 An diesem vom Bundessozialgericht dargelegten Grundsatz hat sich durch die Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung im Fünften Sozialgesetzbuch (SGB V), das insoweit auch keine ausdrückliche Neuregelung enthält, nichts geändert.93 Nachrangig ist die Sozialversicherung zuständig, denn die Kosten der Behandlung des Organempfängers sind zwangsläufig auch Teil der Krankenhilfe gemäß § 48 SGB XII. Auf Krankenhilfe haben gemäß § 23 Abs. 1 SGB XII auch Ausländer, welche nicht der deutschen Sozialversicherung unterfallen, die sich aber im Inland tatsächlich aufhalten, Anspruch. „Sind sie zum Zweck einer Behandlung oder Linderung einer Krankheit einge89
Vgl. dazu unten, Kapitel 2, B. III. 1. c). In den Richtlinien der BÄK gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 5 wird sogar explizit eine Diskriminierung wegen Wohnsitzes ausgeschlossen – auch wenn dies vor dem Hintergrund gesehen werden muss, dass man damit der zentrumsorientierten Allokation eine Absage erteilen wollte. 91 Vgl. Conrads, S. 49. 92 BSG Urt. v. 12.12.1972 – Az. 3RK 47/70 –, BSGE 35, 102. f. 93 SG Freiburg (Breisgau) 9. Kammer, Urt. v. 26.06.2001, Az. S 9 U 3427/99. 90
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reist, soll Hilfe bei Krankheit insoweit nur zur Behebung eines akut lebensbedrohlichen Zustandes oder für eine unaufschiebbare und unabweisbar gebotene Behandlung einer schweren oder ansteckenden Erkrankung geleistet werden“ (Vgl. § 23 Abs. 1 SGB XII). Für mittellose Ausländer dürfte es aber ungleich schwerer sein, die Kostendeckungsfrage mit dem Transplantationszentrum abzuklären. Des Weiteren könnten sich mittelbare Beschränkungen aus § 8 Abs. 3 Satz 1 TPG ergeben. Die Verpflichtung zur Teilnahme an einer ärztlich empfohlenen Nachsorge trifft auch Empfänger postmortaler Organe, denn nur so kann sichergestellt werden, dass auch eine geeignete Nachsorge stattfinden kann.94 Dies deckt sich insbesondere mit dem Kriterium der Erfolgsaussicht, welches sowohl beim Zugang zur Warteliste als auch bei der konkreten Allokation eine Rolle spielt. Ebenso deckt sich dies auf untergesetzlicher Ebene bei der geforderten – wenn auch umstrittenen95 – sog. Compliance in den Richtlinien der BÄK gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 5 TPG. Es ist also durchaus möglich, dass manche Fremdpatienten keinen Zugang zu erforderlichen Nachsorge in ihrem Herkunftsland haben. Ungeachtet aller tatsächlichen Hindernisse für Fremdpatienten gelten für alle Personen auf dem Gebiet der Bundesrepublik grundsätzlich die gleichen Kriterien für die Aufnahme in die Warteliste und für die tatsächliche Allokation. Die Regelung des TPG ist insoweit eindeutig. b) Regelung im ET-Manual Einzig das ET-Manual enthält in Kapitel 2 beschränkende Regelungen zur Registrierung/Aufnahme von Non-Residents in ENIS (ET-Warteliste). aa) Inhalt der Regelung Gemäß dem ET-Manual ist: „A non-resident patient is a patient who has his permanent address outside and is treated outside the ET region.“96 Für diese „Non-Resident-Patients“ gelten entsprechend dem Manual besondere Regeln.97 So ist eine Registrierung für eine Nieren- und Pankreastransplantation von „Non-Resident-Patients“ nicht möglich. Bei der Leber und den thorakalen Organen gilt eine 5-Prozent-Klausel für jedes Transplantationszentrum.98 Aus94
Zum Erfordernis der Nachsorge vgl. Kapitel 1, B. III. 2. Vgl. dazu oben, Kapitel 2, B. III. 1. d) aa). 96 ET-Manual, Kapitel 2.1.5. 97 ET-Manual, Kapitel 2.1.5. 98 D.h. der Anteil der Non-Residents aus der Gesamtzahl der Transplantationskandidaten eines Zentrums soll 5% nicht übersteigen. Nicht gemeint ist damit eine bundesweite 5%-Klausel. 95
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nahmen gelten für Süd-Tirol oder Alto-Adige sowie Patienten, welche für eine Retransplantation im gleichen Transplantationszentrum gelistet sind, welches die vorangegangene Transplantation vorgenommen hat. Ferner heißt es im Manual, dass die Transplantationszentren vor der Registrierung von „Non-Residents“ organisatorische und finanzielle Angelegenheiten klären und die notwendige Nachsorge sicherstellen sollen.99 bb) Fehlende Regelungskompetenz Eurotransplants Die Regelung im ET-Manual, welche den Zugang von „Non-ET-Residents“ zur (inter)nationalen Warteliste begrenzt, stellt allenfalls eine unverbindliche Empfehlung dar. Eine Kompetenz Eurotransplants, Regelungen für die Aufnahme in die Warteliste zu erstellen, ist weder durch § 12 TPG noch den Vermittlungsstellenvertrag vorgesehen. Ungeachtet dessen stellt ET diese Empfehlung nach außen als verbindlich dar.100 So gibt es sogar eine Regelung zur Überwachung der 5-Prozent-Klausel. Die Einhaltung wird auf monatlicher Basis überprüft. Nähert sich ein Zentrum dieser Grenze, erhält es eine schriftliche Warnung; wird sie überschritten, wird der ET-Vorstand informiert.101 Es ist daher nicht auszuschließen, dass diese Regelung trotz ihres unverbindlichen Charakters faktische Wirkung zeitigt. c) Zahlenmaterial ET kann nicht überprüfen, ob es sich bei dem angemeldeten Patienten um einen „Non-Resident-Patient“ handelt, es sei denn, dieser wird offiziell vom Transplantationszentrum als „Non-Resident-Patient“ registriert. Eine Umgehung der 0-Prozent- bzw. 5-Prozent-Klausel kann also im Einzelfall seitens ET nur vermutet werden, wenn z. B. das Universitätswohnheim als Adresse angegeben wird oder etwa bei Häufigkeiten markanter Geburtsdaten wie etwa dem 1. Januar des jeweiligen Geburtsjahres.102 Die von ET und der DSO für die Jahre 2003 bis 2005 in der Arbeitsgruppe der Bundesärztekammer „Transplantationen von Non-ET-Residents in Deutschland“ vorgelegten Daten weisen übereinstimmend für Deutschland einen Anteil von unter einem Prozent von Transplantation von „NonET-Residents“ in Deutschland, gemessen an der Gesamtzahl der in 99
ET-Manual, Kapitel 2.1.5. Vgl. z. B. Dijkstra, Beitrag im Eurotransplant Newsletter, 202, August 2005, S. 8 abrufbar unter: www. Eurotransplant.nl/files/newsletter. 101 ET-Manual, Kapitel 2.1.5.2.2. 102 Gerade in den arabischen Staaten wird das Geburtsdatum anders berechnet als bei uns, so dass immer der 1. Januar des jeweiligen Geburtsjahres angegeben wird. 100
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Deutschland durchgeführten Transplantationen, auf.103 Über eine darüber hinausgehende Dunkelziffer und deren Höhe lässt sich allenfalls spekulieren. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ohne die ET Regelung eine deutlichen Zunahme von Registrierungen von Non-Residents zu befürchten stünde. So ist auch nicht bekannt, wie hoch die Zahl der (Fremd)Patienten ist, welche hinsichtlich einer Organtransplantation in einem Transplantationszentrum angefragt haben und eine abschlägige Antwort erhielten, z. B. mit Verweis auf die (unbeachtliche) Regelung im ET-Manual. 2. Bestehende Rechts- und Datenlage in der Tschechischen Republik Aus dem TZ und den sonstigen gesetzlichen oder untergesetzlichen Bestimmungen lassen sich keinerlei Beschränkungen des Zugangs Fremdpatienten ableiten. Derzeit ist dort das Problem nicht virulent. Im Zeitraum vom 1.1.2006 bis zum 21.5.2007 gab es insgesamt drei Non-Residents, welche auf die Warteliste aufgenommen wurden. Der Prozentsatz liegt also bei unter einem Prozent.104 3. Rechtslage in anderen Ländern Im europäischen Ausland findet sich, soweit ersichtlich, eine Regelung dieser Thematik auf gesetzlicher Ebene lediglich im Schweizer Bundesgesetz über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen vom 8. Oktober 2004, welches im Juni 2007 in Kraft getreten ist sowie dem belgischen Arrete royal relatif au prelevement et a l’allocation d’organes d’origine humaine vom 24. November 1997 bzw. Art. 8 des loi modifiant la loi due 13 juin 1986 sur le prelevement et la transplantation d’organes vom 25. Februar 2007. a) Schweiz, Belgien und Großbritannien Gemäß den §§ 17 und 21 des schweizerischen Transplantationsgesetz105 sind im Hinblick auf den Zugang zur Transplantationsmedizin ausländische 103
ET hat alle Patienten, die offiziell als Non-Resident gemeldet waren, sowie diejenigen mit auffälligem Geburtsdatum und Wohnsitz im Klinikum und die DSO alle Empfänger mit ausländischem Wohnsitz recherchiert. Die Zahlen wurden entsprechend abgeglichen und waren weitestgehend deckungsgleich. 104 Angaben des medizinischen Direktors des KST im Gesprächsinterview vom 21.05.2007. 105 Schweizerisches Bundesgesetz über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen (Transplantationsgesetz) vom 8. Oktober 2004.
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Staatsbürger gleich den Inhabern der Schweizer Staatsangehörigkeit oder eines Wohnsitzes in der Schweiz zu behandeln. Bei der Zuteilung werden aber Personen mit Wohnsitz in der Schweiz vorrangig berücksichtigt. Gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 2 des schweizerischen Transplantationsgesetzes legt der Bundesrat fest, welche Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz in die Warteliste aufgenommen werden.106 Gemäß Art. 17 Abs. 3 Nr. a des schweizerischen Transplantationsgesetzes kann eine Person ohne Wohnsitz in der Schweiz ein verfügbares Organ nur zugeteilt bekommen, wenn die Transplantation medizinisch dringlich ist und keine Person mit Wohnsitz in der Schweiz sich in der gleichen Situation befindet oder gemäß Art. 17 Abs. 3 Nr. b des schweizerischen Transplantationsgesetzes, wenn die Transplantation medizinisch nicht dringlich ist und kein Empfänger mit Wohnsitz in der Schweiz ermittelt werden kann. Daraus ergibt sich folgende Reihenfolge: 1. „HU-Residents“, 2. „HU-Non-Residents“ 3. Residents und schließlich 4. Non-Residents. Es ist zu beachten, dass es allein auf den Wohnsitz und nicht die Staatsangehörigkeit ankommt. Schweizer Staatsangehörige mit Wohnsitz außerhalb der Schweiz werden also ebenfalls nachrangig berücksichtigt. Der neue Art. 13 des belgischen Transplantationsgesetzese normiert eine vorrangige Organzuteilung an belgische Staatsbürger sowie Personen mit „Domizil“ in Belgien sowie Staatsbürger eines oder Personen mit „Domizil“ in einem der ET-Mitgliedstaaten. Erst wenn sich kein Spender in dieser Empfängergruppe findet, ist eine nachrangige Organzuteilung möglich. Eine weitere Differenzierung nach Dringlichkeitsstatus erfolgt dem Gesetz zu Folge, anders als in der Schweiz, nicht. Ähnlich wie in Belgien gestaltet sich der Zugang von Non-Residents in Großbritannien. In Großbritannien können sich alle Personen, bei denen eine Organtransplantation indiziert ist, in der nationalen Datenbank registrieren lassen. Bei der konkreten Allokation werden allerdings Patienten der sog. ersten Gruppe bevorzugt. Zur ersten Gruppe gehören Personen, welche 106 Derzeit liegt lediglich ein Entwurf einer Verordnung über die Zuteilung von Organen zur Transplantation (Organzuteilungsverordnung) vor: Art. 4 Zusätzliche Voraussetzungen für Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz: Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz werden in die Warteliste aufgenommen, wenn sie die Voraussetzungen nach Artikel 3 erfüllen, im Ausland nicht in einer Warteliste eingetragen sind und wenn: a) bei ihnen eine Transplantation medizinisch dringlich ist; b) sie der Versicherungspflicht nach Artikel 1 der Verordnung vom 27. Juni 1995 über die Krankenversicherung unterstehen; c) sie Grenzgängerinnen bzw. Grenzgänger oder nichterwerbstätige Familienangehörige von Grenzgängerinnen bzw. Grenzgängern sind; oder d) sie nach der kantonalen Gesetzgebung zur medizinischen Betreuung in der Schweiz zugelassen sind.
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Zugang zu National Health Service (NHS) haben, also britische Staatsangehörige, EU-Bürger sowie Personen aus Ländern, mit welchen Großbritannien ein Gesundheitsabkommen unterhält.107 Patienten der sog. zweiten Gruppe (also alle, die nicht der ersten Gruppe angehören) werden bei der Organzuteilung nur berücksichtigt, wenn sich kein geeigneter Empfänger in der ersten Gruppe findet.108 Auch hier erfolgt eine vorrangige Behandlung der ersten Gruppe, ungeachtet des Dringlichkeitsstatus. Bereits an dieser Stelle sei angemerkt, dass die nur nachrangige Berücksichtigung von Non Residents im Lichte des chronischen Organmangels – zumindest dann, wenn keine Differenzierungen für hochdringliche Patienten vorgesehen sind – dazu führt, dass diese Patienten in der Regel kein lebensrettendes Organ erhalten. b) Regelungen von Scandiatransplant und UNOS Des Weiteren gibt es Regelungen von Scandiatransplant109 und United Network for Organ Sharing (UNOS)110. Die Richtlinie von Scandiatransplant111 macht den Zugang zur Transplantation vom Zugang zum nationalen Gesundheitssystem abhängig. UNOS112 hingegen statuiert in seiner Regelung eine 10-Prozent-Klausel.113 Die Verbindlichkeit dieser Richtlinien richtet sich nach der Regelungskompetenz dieser Institutionen, welche hier nicht weiter untersucht werden kann. Die Vermutung liegt aber nahe, dass sie Richtlinien/Empfehlungen darstellen, welche unter Umständen einer rechtlichen (bzw. gerichtlichen) Überprüfung nicht standhielten. 4. Möglichkeiten und Grenzen der rechtlichen Ausgestaltung der Non-Resident-Problematik am Beispiel der Bundesrepublik Angesichts der Unbeachtlichkeit der Regelung im ET Manual und der chronischen Organknappheit stellt sich die Frage, ob Handlungsbedarf in 107
Alliance-O, WP 7, Ethical and legal aspects, Deliverable 7.1, S. 28 f. Alliance-O, WP 7, Ethical and legal aspects, Deliverable 7.1, S. 28 f. 109 Zuständig für die Organvermittlung in Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland und Island. 110 Zuständig für die Organvermittlung in den USA. 111 Siehe: www.scandiatransplant.org. 112 Siehe: www.unos.org. 113 Die tatsächliche Beschränkung des Zugangs zur Transplantationsmedizin in den USA ist aber ökonomischer Natur, vgl. Goldberg/Simmerling/Frader, Transplantation 2007, 17; Friedman/Friedman, Transplantation 2007, 21 ff. 108
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Deutschland besteht. So ist zu überlegen, ob Personen, welche der Sozialund Solidargemeinschaft in Deutschland angehören und letztendlich in finanzieller und personeller Hinsicht das Gesundheitswesen tragen und Transplantation nicht zuletzt auch durch die Spenden der Mitglieder dieser Gemeinschaft ermöglicht werden, bei der Verteilung des knappen „Guts“ Organ vorrangig zu berücksichtigen sind.114 a) Erfordernis einer Regelung aus rechtlicher oder tatsächlicher Sicht Nachfolgend wird untersucht, inwieweit das Erfordernis einer Regelung, welche den Zugang von Non-Residents zur Transplantationsmedizin in Deutschland beschränkt, aus rechtlicher oder tatsächlicher Sicht erforderlich ist. aa) Verfassungsrechtliches Gebot einer Zugangsbeschränkung in Deutschland – Schutzpflicht des Staates? Im Schrifttum wird zuweilen darauf verwiesen, jeder Staat habe im Rahmen des Möglichen seiner Verpflichtung zur Sorge um die einschlägigen Grundrechte seiner Staatsangehörigen als Wartelistenpatienten nachzukommen. So könne für einen Staat die Rate gelisteter Non-Residents ab einem bestimmten Höchstwert mit seiner Verpflichtung zum Schutz der Grundrechte seiner organkranken Staatsbewohner unvereinbar sein.115 Unklar ist allerdings, woraus sich diese staatliche Schutzpflicht in der Bundesrepublik ableiten lassen soll. In Betracht kommt allenfalls eine Beeinträchtigung des durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Neben der klassischen Abwehrfunktion des Grundrechts auf Leben entfaltet dieses auch eine Schutzfunktion.116 Aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1GG ergibt sich für den Staat die Pflicht, „sich schützend und fördernd vor das Leben zu stellen; d.h. vor allem, es auch vor rechtswid114 Eine solche Argumentation ist z. B. bei Prottas, Transplantation Proceedings 1989, 3426 f. zu finden; a. A. Goldberg/Simmerling/Frader, Transplantation 2007, 17, 18. 115 Conrads, S. 39: Ausdruck dessen seien zum Beispiel die Länderaustauschbilanzen bei ET, die aus der Schutzpflicht – in diesem Fall z. B. des Österreichischen Staates für seine Bürger – erwachsen. So sollen diese vorrangig von der Tatsache profitieren, dass das Organspendeaufkommen in Österreich weit über dem in der BRD liegt. Dies sei mit einer im Vorfeld der eigentlichen Organallokation geschaffenen Zugangsbeschränkung vergleichbar. 116 Wiedemann, in: Umbach (Hrsg.), Art. 2 Abs. 2 GG, Rn. 325; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 2 GG, Rn. 91.
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rigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren“.117 Diese Schutzpflicht besteht auch zugunsten der körperlichen Unversehrtheit.118 (1) Erfordernis einer Dreiecksbeziehung Zum Teil wird im Schrifttum für die Begründung einer Schutzpflicht eine „Dreiecksbeziehung“ verlangt. Die Staatliche Schutzpflicht erfasse daher insbesondere solche Gesundheitsstörungen und -gefahren nicht, die auf Erbanlagen oder einem natürlichen Alterungsprozess beruhen oder die Folge einer besonderen eigenen Beanspruchung des Körpers sind.119 Die staatliche Reglementierung der Organtransplantation ist aus dem Blickwinkel des auf ein Spenderorgan angewiesenen Patienten zumindest insoweit kein Anwendungsfall grundrechtlicher Schutzpflichten, als es hier im Regelfall um die Wiederherstellung seiner Gesundheit geht120 und nicht um die Heilung von durch Dritte beigebrachter Verletzungen.121 Zwar schmälert jeder zugelassene „mitwartende“ Non Resident die Chance des individuellen Wartelistenpatienten, ein (lebensrettendes) Organ zugeteilt zu bekommen, dies stellt aber regelmäßig keinen rechtswidrigen Eingriff eines Dritten dar. Bejahte man in der vorliegenden Fallkonstellation einen rechtwidrigen Eingriff eines Dritten, so würde jeder neue Patient, der zur Warteliste zugelassen wird, in die Rechte der bereits zuvor Registrierten eingreifen und zwar unabhängig von dessen Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz. Der im Schrifttum vertretenen Ansicht zu Folge, eine Schutzpflicht setze eine Dreiecksbeziehung voraus, ist die Schutzpflichtenkomponente des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht beeinträchtigt, wenn der Staat auch Fremdpatienten Zugang zur Warteliste gewährt. (2) Weitergehende Schutzpflichten Die Gegenansicht verzichtet auf das Erfordernis einer Dreiecksbeziehung und bejaht eine weitergehende Schutzpflicht des Staates auch bei Bedro117
BVerfG Urt. v. 16.10.1977 – 1 BvQ5/77 –, BVerfGE 46, 160, 164; BVerfG Urt. v. 21.06.1977 – BvL 14/76 –, BVerfGE 45, 187, 254 f.; BVerfG Urt. v. 28.01.1992 – 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83 und 10/91 –, BVerfGE 85, 191, 212; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 2 GG, Rn. 91; Wiedemann, in: Umbach (Hrsg.), Art. 2 Abs. 2 GG, Rn. 325; Isensee, in: Firnkorn (Hrsg.), S. 69, 74; Schmidt-Aßmann, S. 19. 118 Vgl. BVerfG, Urt. v. 28.01.1992 – 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83 und 10/91 –, BVerfGE 85, 191, 212; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 2 GG, Rn. 91. 119 Krings, S. 210. 120 Vgl. Kluth/Sander, DVBl. 1996, 1285, 1289; Krings, S. 211. 121 Krings, S. 211.
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hung durch Naturgewalten122 und bei bewusster Selbstgefährdung oder Selbstschädigung.123 Darüber hinaus könnten u. U. noch objektivrechtliche Schutzpflichten des Staates in Bezug auf Grundrechte im Bereich der Außen- und Verteidigungspolitik gegenüber fremden Staaten begründet werden.124 Dies ist der militärischen Schutz der Inländer und der diplomatische Schutz Deutscher im Ausland gegen die staatlichen Organe fremder Staaten.125 Die vorliegende Fallkonstellation, mit dem Ziel bestimmte Mitwartende auszuschließen, lässt sich unter keine der erweiterten Schutzpflichten subsumieren, so dass die Zulässigkeit erweiterter Schutzpflichten dahingestellt sein kann. (3) Ergebnis Eine staatliche Schutzpflicht kann also nicht für eine Zugangsbeschränkung von Non-Residents oder für eine vorrangige Berücksichtigung von Deutschen gegenüber Ausländern fruchtbar gemacht werden. Im Gegenteil, bejahendenfalls würde eben diese Schutzpflicht dem Staat auch gegenüber Ausländern obliegen, da es sich beim Recht auf Leben und Recht auf körperliche Unversehrtheit um Jedermanngrundrechte handelt. bb) Tatsächliche Erwägungen Wie bereits oben dargelegt, existieren keine absolut verlässlichen Informationen über den wirklichen Anteil Non-Residents auf den deutschen Wartelisten. Auch lässt sich nicht feststellen, inwieweit der geringe prozentuale Anteil von registrierten Non-Residents in der Bundesrepublik auf die zumindest präventiv abschreckende Wirkung der von ET statuierten 0-Prozent- bzw. 5-Prozent-Klausel zurückzuführen ist. So ist nicht auszuschließen, dass die ET-Regelung zwar keine rechtliche, wohl aber faktische Bindungswirkung entfaltet. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass ohne die ET-Regelung eine deutliche Zunahme von Registrierungen von Non-Residents zu befürchten stünde. In der Literatur wird auf die mögliche 122 Holznagel, DVBl. 1997, 393, 396; Dietlein, S. 102 f.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Bd. III/1, 1988, S. 734 f.; Kluth/Sander, DVBl. 1996, 1285, 1289. 123 Holznagel, DVBl. 1997, 393, 396. 124 BVerfG Beschl. v. 16.12.1983 – 2 BvR 1160, 1565, 1714/83 –, BVerfGE 66, 39, 61; Klein, DÖV 1977, 704, 706 ff.; Klein, DÖV 1979, 39, 40. Problematisch ist insbesondere bei den Jedermanngrundrechten die Begrenzung der Schutzpflicht auf Deutsche vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Bd. III/1, 1988, S. 735, Fn. 142; Dietlein, S. 102 f. 125 Krings, S. 199.
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Gefahr hingewiesen, dass die Spendebereitschaft in der Bevölkerung sinken könnte, wenn ein zu großer Anteil an „Fremdpatienten“ an den im Inland generierten Organen partizipieren würde.126 Trotz des im europäischen Vergleich geringen postmortalen Spendeaufkommens und der damit verbundenen längeren Wartelisten in Deutschland127 ist es nicht völlig auszuschließen, dass die Bundesrepublik aufgrund der besonderen Ausgestaltung des Zugangs zu den Wartelisten sowie der sog. intelligenten,128 patientenorientierten Allokationskriterien Ziel eines Transplantationstourismus würde. Andererseits werden zuweilen auch Fremdpatienten (Non-Residents) zu Organspendern in der Bundesrepublik. So dass nicht ausgeblendet werden kann, dass auch Menschen außerhalb der Sozial -und Solidargemeinschaft einen Beitrag im Wege einer Spende leisten.129 Angesichts dieses Umstandes wäre zu überlegen, für den Fall, dass man den Zugang von Non-Residents mittels einer Quotenregelung beschränken wollte, die Höhe der Quote am Prozentsatz der Non-Resident-Spender zu orientieren.130 Auch dürfen meines Erachtens Wohlfahrtsgesichtspunkte bei einem wohlhabenden Land wie Deutschland nicht unberücksichtigt bleiben. So dass zumindest eine Quote, für solche Patienten aus dem Ausland, welche gar keinen Zugang zur Transplantationsmedizin haben, ermöglicht werden sollte. So gibt es beispielsweise in Spanien ein zentral ausgestaltetes Antragsverfahren, welches den Zugang von ausländischen Personen regelt, welche nachweisen, dass sie in ihrem eigenen Land keinen Zugang zur Transplantationsmedizin haben.131 Schließlich darf auch nicht vergessen werden, dass die deutsche Transplantationsmedizin von Forschung im Ausland, welche unter Umständen sogar in der Bundesrepublik untersagt ist, profitiert.132 Gleiches gilt für jegliches Know-how und Personal.133 b) Regelungskompetenz Zunächst stellt sich die Frage, wer zum Erlass einer beschränkenden Regelung befugt wäre. 126
Darauf weist Conrads, S. 38 f. hin. Vgl. dazu Kapitel 1, D. 128 Z. B. die Blutgruppenregeln und die Mismatchprobability. 129 So ein Einwand von Schmidt, S. 62. 130 Problematisch ist insoweit, dass es in der BRD keine Statistiken über den Anteil von Fremdpatienten auf der Spenderseite gibt. 131 Vgl. dazu Alliance-O, WP 7, Ethical and legal aspects, Deliverable 7.1., S. 31. 132 So auch die Argumentation von Kleinig, Transplantation Proceedings 21 (1989), 3430. 133 Kleinig, Transplantation Proceedings 21 (1989), 3430. 127
C. Ausgewählte Probleme mit grenzüberschreitendem Bezug
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aa) Keine Regelungskompetenz Eurotransplants oder der BÄK Wie bereits an anderer Stelle dargelegt, scheidet eine Regelungskompetenz von Eurotransplant aus.134 Dies gilt nicht nur für die Regelung, welche den Zugang zur Warteliste limitiert, sondern würde gleichermaßen für Vermittlungsregeln gelten, welche eine nachrangige Berücksichtigung von Fremdpatienten vorsehen. Ebenso scheidet eine Regelung der BÄK im Rahmen der Richtlinien gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TPG zum Zwecke der Beschränkung des Zugangs zur Warteliste anhand des unbestritten nicht medizinischen Kriteriums der deutschen Staatsangehörigkeit oder Wohnsitzes in Deutschland oder im Rahmen der Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 Satz Nr. 5 TPG in Form einer nachrangigen Berücksichtigung bei der konkreten Allokation aus. Beide Regelungen stellten einen Eingriff in die über Art. 2 Abs. 2 Satz GG geschützten Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit dar.135 Wegen der außerordentlichen Intensität, die staatliche Eingriffe in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG haben können, ergibt sich aus der Wesentlichkeitslehre bzw. der Lehre vom Parlamentsvorbehalt, dass für Eingriffe in das Leben und regelmäßig auch für Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit ein Parlamentsgesetz erforderlich ist.136 Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG. bb) Keine Regelungskompetenz der EU Bei der Frage nach dem Zugang von Fremdpatienten zu Transplantationsmedizin handelt es sich zwar um ein nationales Problem. Es ist aber fast allen europäischen Ländern mit einem hohen Standard in der Transplantationsmedizin gemeinsam, so dass sich die Frage stellt, ob nicht eine Regelung auf Gemeinschaftsebene in Betracht käme. Wie bereits oben dargelegt, ermächtigt Art. 152 Abs. 4 EG zum Erlass von Regelungen zur Festlegung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Organe.137 Qualitäts- und Sicherheitsstandards stehen vorliegend aber nicht in Rede. Ungeachtet dessen kann die EU beispielsweise von ihrer Kompetenz zum Erlass von Regelungen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit für die Herstellung 134
Vgl. dazu oben, Kapitel 5, C. I. 1. b) bb). Vgl. dazu unten, Kapitel 5, C. I. 5. b) aa). 136 Wiedemann, in: Umbach (Hrsg.), Art. 2 Abs. 2 GG, Rn. 311; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 2 Abs. 2 GG, Rn. 198 Murswiek, in: Sachs (Hrsg), Art. 2 GG, Rn. 167 (vgl. grundlegend BVerfG, Beschl. v. 28.10.1975 – 2 BvR 883/73 und 379, 479, 526/74 –, BVerfGE 40, 237, 248 ff.; BVerfG, Beschl. v. 08.08.1978 – 2 BvL 8/77 –, BVerfGE 49, 89, 126 f. 137 Vgl. dazu oben, Kapitel 5, A. I. 3. a). 135
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Kap. 5: Das deutsche und das tschechische Transplantationsgesetz
der Freizügigkeit der Arbeitnehmer gemäß Art. 42 EG Gebrauch machen und so mittelbar Einfluss auf die nationalstaatliche Gesundheitspolitik nehmen. Ebenso sind bei der Ausgestaltung des nationalen Gesundheitswesens die vorrangigen primär- und sekundärrechtlichen Regelungen der EU zu berücksichtigen. cc) Ergebnis Folglich kann eine Regelung, welche den Zugang von Fremdpatienten zur Transplantation beschränken würde, – soweit sie überhaupt erforderlich ist – nur vom parlamentarischen Gesetzgeber erlassen werden. c) Definitionskriterien für eine mögliche Empfängergemeinschaft Besondere Schwierigkeiten bereitet die Erarbeitung von Definitionskriterien für eine mögliche Empfängergemeinschaft. Dabei ist in erster Linie über einen Rückgriff auf staatbürger-, aufenthalts- oder sozialversicherungsrechtliche Vorschriften nachzudenken. Es wird im Nachfolgenden untersucht, mittels welcher Kriterien sich der Empfängerkreis bestimmen ließe. Dabei sollen auch Praktikabilitätsgesichtspunkte Berücksichtigung finden. aa) Personalitätsprinzip Zunächst bietet sich als Abgrenzungskriterium die Inhaberschaft der deutschen Staatsbürgerschaft an (Personalitätsprinzip). Wer Deutscher ist, bestimmt sich nach Art. 116 Abs. 1 GG bzw. dem Staatsangehörigkeitsgesetz. Im Umkehrschluss bedeutet es, dass Ausländer jeder ist, der nicht Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG ist. Art. 116 Abs. 1 GG knüpft in erster Linie an den Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit an. Ob jemand im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit ist, ergibt sich aus dem Staatsangehörigkeitsgesetz. Zwar ist das Abstellen auf das Innehaben der deutschen Staatsbürgerschaft aus praktischen Gesichtpunkten sicherlich die vorzugswürdigste Lösung. Eine solche Begrenzung wäre aber vor dem Hintergrund, dass auch Personen, welche seit vielen Jahren in der Bundesrepublik leben, arbeiten und die Sozial- und Solidargemeinschaft mit tragen, ohne deutsche Staatsbürger zu sein, nicht zu rechtfertigen. Darüber hinaus begegnet eine solche Privilegierung neben verfassungsrechtlichen, insbesondere auch europarechtlichen Bedenken.138 Von der Staatsbürgerschaft zu unterscheiden ist die Unionsbürgerschaft gemäß 138
Vgl. dazu unten, Kapitel 5, C. I. 5. und 6.
C. Ausgewählte Probleme mit grenzüberschreitendem Bezug
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Art. 17 EG. Demzufolge sind alle Personen im Besitz der Staatsangehörigkeit eines der EU-Mitgliedsstaaten Unionsbürger. Ob jemand die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der EU hat, richtet sich jeweils nach den nationalen Vorschriften. Aus europarechtlicher Sicht ist eine Diskriminierung von Unionsbürgern gemäß Art. 12 EG in Verbindung mit der jeweiligen Anknüpfungsnorm (z. B. Art. 18, 39, 43, 49 EG) unzulässig. Es handelt sich um eine direkte Diskriminierung, welche – wenn überhaupt – nur sehr eingeschränkt gerechtfertigt werden kann. Auch die Unionsbürgerschaft ist sicherlich ein praktikables Abgrenzungskriterium. Nicht gelöst wäre damit aber die Problematik der in Deutschland dauerhaft bzw. über einen längeren Zeitraum lebenden Nicht-EU-Bürger sowie derjenigen Personen, welche ihre Rechte von ihrem Verhältnis zu einem Unionsbürger ableiten, ohne selbst Unionsbürger zu sein.139 bb) Territorialitätsprinzip Lehnt man eine Privilegierung allein aufgrund von Staatsbürgerschaft ab, um auch den in Deutschland lebenden und arbeitenden Ausländern gerecht zu werden, so stellt sich zwangsläufig die Frage, wie man Residents von Non-Residents sonst noch abgrenzen könnte. Zu denken ist insbesondere an Anleihen beim Sozialrecht. § 30 SGB I statuiert für alle Bereiche des SGB das Territorialitätsprinzip. Das Territorialitätsprinzip besagt im völkerrechtlichen Sinn, dass staatliche Hoheitsgewalt nur innerhalb der räumlichen Grenzen des eigenen Hoheitsbereichs, also insbesondere auf dem Staatsgebiet, ausgeübt werden darf. Für das Sozialrecht wurde daraus der Grundsatz abgeleitet, dass inländisches Recht nur Sachverhalte erfasst, die im Inland eintreten; zumindest muss der für die Anwendung inländischen Rechts erhebliche Anknüpfungspunkt im Inland liegen. Territoriale Anknüpfungspunkte können unter anderem das Wohnsitzprinzip als auch das Beschäftigungsortprinzip sein.140 Entscheidend für die Anwendung der Vorschriften des SGB ist danach im Regelfall nicht die Staatsangehörigkeit des Betroffenen (Personalitätsprinzip), sondern dessen Wohnsitz oder ständiger Aufenthalt im Bundesgebiet.141 Unberührt bleiben abweichende Regelungen in den besonderen Teilen des SGB (vgl. 139
Beispielsweise Ehegatten. Vgl. Seewald, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 3 SGB IV, Rn. 2. 141 Dabei kann im Sozialrecht der Wohnsitz bzw. Aufenthalt in zweierlei Hinsicht Bedeutung erlangen. Zum einen als materiel-rechtliche Anspruchsvoraussetzung (i. d. R. Auszahlung von Leistung), zum anderen für Fragen der Versicherungs- und Beitragspflicht, vgl. Seewald, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 30 SGB I, Rn. 2. 140
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§ 37 SGB I). Für die Bereiche der Sozialversicherung (gesetzliche Renten-, Unfall-, Pflege- und Krankenversicherung) ist insbesondere die Ergänzung des § 30 SGB I durch die §§ 3 bis 6 SGB IV zu beachten, welche in erster Linie an den Beschäftigungs- bzw. Tätigkeitsort anknüpfen. (1) Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt sind in § 30 Abs. 3 SGB I legaldefiniert. Die Definition ist dem Steuerrecht entnommen und identisch mit den Definitionen aus §§ 8, 9 Abgabenordnung (AO): „Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.“ Der sozialrechtliche Begriff des Wohnsitzes weicht von dem zivilrechtlichen Wohnsitzbegriff des § 7 BGB insoweit ab, als hier ausschließlich auf objektive und nicht auf subjektive Merkmale abgestellt wird. Danach hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er diese Wohnung beibehalten und benutzen wird. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtshofs (BSG) erfordert die Unterhaltung eines Wohnsitzes (sowie auch eines gewöhnlichen Aufenthaltes) ein reales Verhalten bezogen auf einen Lebensmittelpunkt.142 Nach einhelliger Ansicht in der Kommentarliteratur und Rechtsprechung zu § 30 SGB I als auch zu §§ 8, 9 AO ist es unerheblich, wo eine Person polizeilich gemeldet ist.143 Es kommt also allein auf die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale „Wohnung“ und „Innehaben“ an, um einen Wohnsitz zu begründen. Da aber eine Legaldefinition für die Begriffe Wohnung und Innehaben fehlt, ist es weitgehend Auslegungsfrage, was als Wohnung (angemietetes Pensionszimmer bis Luxusvilla) gilt und ob diese zudem von der in Rede stehenden Person innegehabt wird. Folglich ist auch der objektivierte Wohnsitzbegriff des Sozial- und Steuerrechts nicht frei von subjektiven Elementen. Ob sich jemand in einem Gebiet aufhält oder nur vorübergehend dort verweilt, lässt sich nur im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise entscheiden, wobei alle für die Beurteilung der künftigen Entwicklung bei Beginn eines streitigen Zeitraums erkennbaren Umstände zu berücksichtigen sind.144 § 9 AO enthält darüber hinaus noch die unwi142 Seewald, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 30 SGB I, Rn. 7. 143 Vgl. statt vieler: Lippross, Basiskommentar Steuerrecht, Band I, § 8 AO, Rn. 5.
C. Ausgewählte Probleme mit grenzüberschreitendem Bezug
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derlegliche Vermutung, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt bei einem zeitlich zusammenhängenden Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer vorliegt, wobei kurzfristige Unterbrechungen unberücksichtigt bleiben. Allerdings gilt die Vermutung nicht, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur oder ähnlichen privaten Zwecken genommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert. Bei Streitigkeiten, ob ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich des SGB besteht, trägt die Beweislast derjenige, der das Recht oder die Leistung für sich beansprucht (objektive Beweislast).145 Es bleibt festzuhalten, das Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt i. S. d. § 30 SGB I und §§ 8, 9 AO ein auslegungsbedürftiges Begriffspaar sind. Zwar ist bestimmbar, ob jemand seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik hat, allerdings dürften die Transplantationszentren mit dieser Bestimmung gerade in den Zweifelsfällen regelmäßig überfordert sein. Aus diesem Grund stellt sich die Frage, welche Kriterien – z. B. die polizeiliche Meldung – Indizwirkung entfalten oder gar Grundlage von Vermutungsregeln sein könnten. Nachfolgend soll untersucht werden, inwieweit das Innehaben von deutschem Krankenversicherungsschutz als Vermutungsregel für das Bestehen eines Wohnsitzes in Deutschland herangezogen werden könnte. (2) Sozialversicherungspflicht und -berechtigung Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung in der Bundesrepublik leitet ihren Krankenversicherungsschutz aus der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ab. So sind etwa 90 Prozent der Bevölkerung in der GKV versichert.146 Ob jemand der GKV unterfällt, richtet sich nach dem persönlichen und räumlichen Gestaltungsbereich der Sozialversicherung. Zentrale Vorschrift ist dabei § 3 SGB IV, welcher § 30 SGB I ergänzt. Dies bedeutet für die in SGB V normierte gesetzliche Krankenversicherung und insb. die Versicherungspflicht gemäß §§ 5 ff. SGB V bzw. die freiwillige Mitgliedschaft § 9 SGB V, dass zunächst auf die Beschäftigung im Inland und erst nachrangig, insb. bei der freiwilligen Versicherung, auf den Wohnsitz im Inland angeknüpft wird. So dass sich folgende Konstellationen ergeben können, welche zur Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung berechtigen: 144 Vgl. Seewald, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 30 SGB I, Rn. 10. 145 Seewald in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand Januar 2006, § 30 SGB I, Rn. 5. 146 Vgl. Kraushaar, in: Kirste (Hrsg.), S. 74, 75.
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Wohnsitz/st. Aufenthalt in BRD
Arbeitnehmer in BRD
Deutsche (gesetzliche) Krankenversicherung
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þ
þ
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þ
–
þ
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–
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–
Ferner ist zu beachten, dass der Gesetzgeber auch die Möglichkeit privater Krankenversicherung einräumt. Allerdings gelten insoweit vergleichbare Aufnahmekriterien. Ohne Wohnsitz in der Bundesrepublik dürfte es aufgrund der Gesundheitsprüfung, welche Versicherungsschutz für bestehende Diagnosen ausschließt, extrem schwierig sein, in den Genuss einer deutschen privaten Krankenversicherung zu kommen. Schließlich müsste noch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass rund 300.000 Personen147 mit deutscher Staatsangehörigkeit bzw. Wohnsitz im Inland gewollt oder ungewollt keinerlei Krankenversicherung haben. Diesen wird man aber deswegen nicht den Zugang zur Transplantationsmedizin verwehren können. Ungeachtet dieser Schwierigkeiten könnte das Innehaben deutschen Krankenversicherungsschutzes zumindest Indizwirkung entfalten. Dies trifft umso mehr zu, wenn, wie im Rahmen der Gesundheitsreform geplant, eine Sozialversicherungspflicht aller Bürger eingeführt würde. (3) Aufenthaltsrechtlicher Status Schließlich ist zu überlegen, ob der aufenthaltsrechtliche Status als Vermutungsregel für einen Wohnsitz in Deutschland fruchtbar gemacht werden könnte. Aus § 4 AufenthaltsG ergibt sich, dass die Einreise und der Aufenthalt im Bundesgebiet für Ausländer (Nicht-Deutsche) an das Erfordernis eines Aufenthalttitels (Visum, Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis) gebunden ist. Etwas anderes gilt lediglich für Unionsbürger und ergibt sich unmittelbar aus dem EG, Sekundärrecht (Europäische Verordnungen oder Richtlinien) oder dem Gesetz über die allg. Freizügigkeit von Unionsbürgern. Ergänzend zu beachten sind zudem das Asyl- und das Flüchtlingsrecht, welche bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zu einem rechtmäßigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt.148 147
Laut ZDF Magazin WISO, Sendung vom 30.01.2006. Asylbewerber: Einem Ausländer, der um Asyl nachsucht (Asylbewerber), ist zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt in der Bundesrepublik gestattet 148
C. Ausgewählte Probleme mit grenzüberschreitendem Bezug
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Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, die sich unerlaubt und ohne Kenntnis der zuständigen Behörden in Deutschland aufhalten, werden in der öffentlichen Diskussion als „Illegale“ bezeichnet. Im Übrigen wird zwischen nachfolgenden Aufenthaltstiteln unterschieden: 1. Visum (§ 6 AufenthaltG), welches außer dem sog. nationalen Visum nur für einen Zeitraum von 3 Monaten erteilt wird. 2. Aufenthaltserlaubnis (§ 7 AufenthG), welche ein befristeter Aufenthaltstitel ist, bei dem sich die Befristung in der Regel am Aufenthaltszweck orientiert 3. Die Niederlassungserlaubnis (§ 9 AufenthG) schließlich gewährt ein unbefristetes Aufenthaltsrecht. Sowohl bei der Niederlassungserlaubnis, als auch bei der Aufenthaltserlaubnis spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Inhaberschaft eines Wohnsitzes in Deutschland. Sie eignen sich daher ebenfalls als brauchbare Indizien. cc) Zusammenfassung Wie bereits oben dargelegt, begegnet eine Bevorzugung allein aufgrund des Personalitätsprinzips mit Blick auf die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden und arbeitenden Ausländer erheblichen Bedenken, so dass es nahe liegt, zumindest alternativ auf den Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland abzustellen, was wiederum zu erheblichen Auslegungsproblemen führen könnte. Dem könnte allenfalls mit der Aufstellung von Ver(§ 55 Abs. 1 AsylVfG). Die Aufenthaltsgestattung erlischt u. a. bei Unanfechtbarkeit der Entscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge. Mit der Anerkennung als Asylberechtigter oder Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention hat ein Ausländer Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, die zur Ausübung der Erwerbstätigkeit berechtigt (§ 25 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG). Flüchtlinge: Gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) sind Flüchtlinge Personen, die sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung außerhalb des Landes befinden, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, oder die sich als Staatenlose aus der begründeten Furcht vor solchen Ereignissen außerhalb des Landes befinden, in dem sie ihren persönlichen Aufenthalt hatten. Als Konventionsflüchtlinge werden Ausländer bezeichnet, die in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention in Deutschland Abschiebungsschutz genießen, auch wenn sie keinen Anspruch auf Asyl nach Art. 16a Grundgesetz haben. Die Anerkennung als ausländischer Flüchtling erfolgt in Deutschland im Rahmen des Asylverfahrens durch Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 1 AufenthG. Asylberechtigte genießen auch die Rechtsstellung von Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention (§ 2 Abs. 1 AsylVfG) vgl. http://www.zuwanderung.de/2_neues-gesetz-a-z/auslaender.html.
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mutungsregeln begegnet werden. Erste Anknüpfungspunkte für solche Vermutungsregeln wurden aufgezeigt. Des Weiteren ist auch bei einer Benachteiligung wegen Wohnsitzes außerhalb der Bundesrepublik zu prüfen, ob dies im Einzelfall keinen Verstoß gegen europarechtliche Vorschriften darstellt und zwar in Form einer indirekten Diskriminierung wegen Staatsangehörigkeit. Auch ist bei einer Einschränkung von Rechten immer die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, insbesondere also auch mit Verfassungsrecht, zu prüfen. Gerade bei Patienten, welche den HU-Kategorien angehören, begegnet aufgrund der drohenden Lebensgefahr jede Beschränkung des Empfängerkreises beim Zugang zur Transplantationsmedizin verfassungsrechtlichen Bedenken, so dass beim Ausschluss bestimmter Personengruppen von einer lebensrettenden (Standard) Maßnahme die Vereinbarkeit mit Grundrechten zu überprüfen ist.149 Schließlich wird aufgrund der Mitgliedschaft Deutschlands im Eurotransplantverbund die Ausgestaltung einer solchen Beschränkungsregel zusätzlich erschwert. Zum einen, wenn sich herausstellte, dass eine Beschränkung auf der Ebene des Zugangs zu Warteliste in Deutschland verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen wäre. Zum anderen wären Ausnahmeregelungen für ET Residents erforderlich, denn nicht jeder Wohnsitzinhaber in einem der ET-Länder ist gleichzeitig Unionsbürger. Mittlerweile ist auch Kroatien, welches kein EU-Mitglied ist, Vollmitglied bei ET. All dies vorausgeschickt wird deutlich, dass vier Regelungskreise beachtet werden müssen: 1. „Residents“ mit deutscher Staatsangehörigkeit und/oder Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland 2. Non-Residents mit Wohnsitz in einem „ET-Mitgliedsstaat“ (ET-Resident) 3. „Non-(ET) Residents“ mit Unionsbürgerschaft 4. „Non-(ET) Residents“ ohne Unionsbürgerschaft 5. Vereinbarkeit einer Zugangsbeschränkung von Non-Residents mit dem Grundgesetz Nachfolgend sollen Regelungen, welche den Zugang von Fremdpatienten zur Transplantationsmedizin entweder durch eine Begrenzung beim Zugang zur Warteliste oder durch eine nachrangige Berücksichtigung bei der konkreten Allokation beschränken bzw. verhindern, auf ihre Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht überprüft werden. Ausgehend von der Prämisse, dass sich die herkömmliche Transplantation mittlerweile als Standardbehandlung etabliert hat und sie gleichzeitig in vielen Fällen die einzige potentiell le149
Vgl. dazu unten, Kapitel 5, C. I. 5.
C. Ausgewählte Probleme mit grenzüberschreitendem Bezug
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bensrettende Maßnahme darstellt, zumindest aber zu einer erheblichen Leidensminderung führen kann, kommen bei Ausschluss von bestimmten Personengruppen von dieser Behandlung Beeinträchtigungen der in Art. 1 Abs. 1 (Menschenwürde), Art. 2 Abs. 2 Satz 1 (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) sowie in Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 GG (allgemeiner Gleichheitsgrundsatz und spezielle Gleichheitsrechte) geschützten Rechte eben dieser Personen in Betracht. a) Art. 1 Abs. 1 GG (Schutz und Achtung der Menschenwürde) Die Vorenthaltung einer Transplantation durch generelles Zugangsverbot oder eine nur nachrangige Berücksichtigung bei der konkreten Allokation könnte eine Beeinträchtigung der in Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Menschenwürde darstellen. Mit Menschenwürde ist der soziale Wert- und Achtungsanspruch gemeint, der dem Menschen wegen seines Menschseins zukommt.150 Die Bestimmung des Schutzbereichs bereitet nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Nach der Objektformel des BVerfG widerspricht es der Würde des Menschen, ihn zum bloßen Objekt im Staat zu machen.151 Das gebieten die „sittliche Persönlichkeit“ und der „soziale Wert- und Achtungsanspruch“ des Menschen.152 Im Schrifttum wird der Nachteil dieser Formel darin gesehen, dass sie zu unbestimmt ist153, so dass nur versucht werden kann, die spezifischen Gefährdungen der Menschenwürde nach Bereichen, in denen sie – besonders nach historischer Erfahrung – auftreten können, zu konkretisieren.154 Zur besseren Erfassung des Schutzbereichs unterscheidet Höfling vier Problemdimensionen.155 1. Achtung und Schutz körperlicher und geistiger Integrität 2. Sicherung menschengerechter Lebensgrundlagen 3. Gewährleistung elementarer Rechtsgleichheit 4. Wahrung der personalen Identität 150 BVerfG, Beschl. v. 14.10.1992 – 2 be 14/90 –, BVerfGE 87, 209, 228; Jarass/ Pieroth, Art. 1 GG, Rn. 5; Höfling, in Sachs (Hrsg.), Art. 1 GG, Rn. 54; Manssen, § 9, Rn. 195. 151 BVerfG, Urt. v. 21.06.1977 – 1 BvL 14/76 –, BVerfGE 45, 187, 228; BVerfG, Beschl. v. 26.05.1981 – 2 BvR 215/81 –, BVerfGE 57, 250, 275. 152 BVerfG, Beschl. v. 04.02.1959 – 1 BvR 197/53 –, BVerfGE 9, 167, 171; BVerfG, Urt. v. 21.06.1977 – 1 BvL 14/76 –, BVerfGE 45, 187, 228. 153 Höfling, in: Sachs (Hrsg), Art. 1 GG, Rn. 12; Pieroth/Schlink, Rn. 360. 154 Pieroth/Schlink, Rn. 361. 155 Höfling, in: Sachs (Hrsg), Art. 1 GG, Rn. 19, vgl. auch – auf fünf Komponenten abstellend – Podlech, in AK-GG, Art. 1 Abs. 1 GG, Rn. 17 ff., dem zustimmend Pieroth/Schlink, Rn. 361 f., ähnlich Dreier, in: Dreier (Hrsg.) Art. 1 Abs. 1 GG, Rn. 44.
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Fremdpatienten den Zugang zur Transplantationsmedizin zu versagen, könnte die Pflicht des Staates zum Schutz körperlicher Integrität verletzen. Jeder Eingriff in die Menschenwürde ist zugleich ein Verstoß gegen diese.156 In die erste Problemdimension fallen insbesondere Folterungen, archaische Strafsanktionen und staatlicher Mord. Alle hier diskutierten Zweifelsfälle befassen sich mit der aktiven Tötung (finaler Rettungsschuss, Tötung unbeteiligter Dritter, Todesstrafe) sowie Folter. Selbst bei drohender Todesstrafe bei Ausweisung wird vorrangig auf die Grundrechtsgewährleistung des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verwiesen.157 Aus der Zusammenschau mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 GG wird zudem deutlich, dass obwohl das Recht auf Leben als auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit einen Menschenwürdekern haben, nicht bereits jede Tötung oder Verletzung der körperlichen Integrität eine nicht zu rechtfertigende Menschenwürdeverletzung darstellt.158 Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG ermöglicht es, diese Rechte aufgrund eines Gesetzes einzuschränken.159 Eingriffe in das Leben oder die körperliche Unversehrtheit sind daher vorrangig an Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu messen.160 Nur besondere Eigenschaften bzw. Begleitumstände der Eingriffshandlung können ausnahmsweise dazu führen, dass neben Art. 2 Abs. 2 GG auch Art. 1 Abs. 1 GG als verfassungsrechtlicher Kontrollmaßstab heranzuziehen ist.161 Das Unterlassen einer Heilbehandlung (bei nicht berücksichtigten Patienten) kann nicht mit einer Lebensbeendigung durch aktives Tun auf eine Stufe gestellt werden,162 eine Beeinträchtigung der Menschenwürde ist daher zu verneinen. Die Sicherung menschengerechter Lebensgrundlagen zielt auf die Gewährung eines Existenzminimums ab. Denjenigen, welche aus nicht vertretbaren Gründen nicht die Möglichkeit zur Eigensicherung haben, steht ein Anspruch auf das materielle Existenzminimum zu.163 Beim Zugang zu einer medizinischen Behandlung ist allerdings der Teilhabeanspruch auf 156 Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 1 GG, Rn. 4; Jarass/Pieroth, Art. 1 GG, Rn. 12. 157 Höfling, in: Sachs (Hrsg), Art. 1 GG, Rn. 20; Jarass/Pieroth, Art. 2 GG, Rn. 98 und Art. 102 GG, Rn. 3; BVerfG, Beschl. v. 04.05.1982 – 1 BvR 1457/81 –, BVerfGE 60, 348, 354. 158 Vgl. Ipsen, Rn. 202; Manssen, § 12, Rn. 251, 251; Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), Art. 2 GG, Rn. 170. 159 Vgl. Ipsen, Rn. 237; Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), Art. 2 GG, 164; Lang, VSSR 2002, 21, 30. 160 Höfling, in: Sachs (Hrsg), Art. 1 GG, Rn. 60, Steiner, der Schutz des Lebens durch das Grundgesetz, 1992, S. 11 ff. 161 Höfling, in: Sachs (Hrsg), Art. 1 GG, Rn. 60; Murswiek, in: Sachs (Hrsg), Art. 2 GG, Rn. 170. 162 Junghans, S. 57. 163 Höfling, in: Sachs (Hrsg), Art. 1 GG, Rn. 25.
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gesundheitliche Versorgung aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG vorrangig einschlägig.164 Ebenso steht hier nicht eine Verletzung elementarer Rechtsgleichheit in Rede, denn diese verbietet neben Sklaverei und rassischer Diskriminierung lediglich vergleichbar demütigende Ungleichbehandlungen.165 Die Diskriminierung bestimmter Personengruppen anhand von Wohnsitz und Staatsangehörigkeit ist vorrangig an Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 GG zu messen, da sie vorliegend nicht die Qualität einer Demütigung erreicht. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Begrenzung des Zugangs für Fremdpatienten zur Transplantationsmedizin nicht am Maßstab des Art. 1 Abs. 1 GG zu messen ist. b) Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) Die Vorenthaltung einer Transplantation durch generelles Zugangsverbot oder eine nur nachrangige Berücksichtigung bei der konkreten Allokation könnte eine Verletzung der in Art. 2 Abs. 2 GG geschützten Rechte darstellen. aa) Beeinträchtigung des Schutzbereichs Das in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verbriefte Grundrecht auf Leben schützt das körperliche Dasein, die biologisch-physische Existenz, die Aufrechterhaltung des Lebens.166 Das Recht auf körperliche Unversehrtheit schützt vor allen Einwirkungen, die die menschliche Gesundheit im biologisch-physiologischen Sinne beeinträchtigen.167 Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schützt als Jedermanngrundrecht168 auch das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Fremdpatienten. Fraglich ist also, ob durch die Versagung des Zugangs zur Warteliste oder eine nur nachrangige Berücksichtigung bei der konkreten Allokation von Fremdpatienten, eine Beeinträchtigung des Rechts auf Leben und der körperlichen Unversehrtheit vorliegt.
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Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 2 GG, Rn. 94. Höfling, in: Sachs (Hrsg), Art. 1 GG, Rn. 27; Podlech, in: AK-GG, Art. 1 Abs. 1 GG, Rn. 30 ff. 166 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 2 GG, Rn. 81. 167 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.01.1981 – 1 BvR 612/72 –, BVerfGE 56, 54, 73 f.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 2 GG, Rn. 82; Ipsen, Rn. 240. 168 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 2 GG, Rn. 84; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 2 GG, Rn. 1. 165
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(1) Abwehrrechtliche Komponente des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG Der so genannte „klassische Eingriffsbegriff“ zeichnet sich nach verbreiteter Auffassung durch Rechtsförmigkeit, imperativen Gehalt, Finalität und Unmittelbarkeit aus.169 In der vorliegenden Fallkonstellation soll Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit oder ohne deutschen Wohnsitz der Zugang zur Transplantationsmedizin entweder gänzlich versagt werden oder aber es sollen diese Personen lediglich nachrangig bei der konkreten Organzuteilung berücksichtigt werden. Aufgrund der Organknappheit führt auch letzteres in der Regel de facto zu einer Versagung der Behandlungsmöglichkeit. Auf der anderen Seite nimmt der Staat ein faktisches und rechtliches Monopol bei der Organzuteilung für sich in Anspruch.170 Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass der Staat Selbsthilfe verbietet, indem er Organhandel unter Strafe stellt und eine gegen § 9 TPG verstoßende Übertragung eines Organs mit Bußgeld bewehrt (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 2 TPG). Ein Patient ist also auf eine Organzuteilung durch Eurotransplant angewiesen, will er rechtmäßig ein postmortales Organ zu Transplantationszwecken erhalten. Um von Eurotransplant bei der Vermittlung berücksichtigt zu werden, muss ein Patient auf der Warteliste registriert sein. Wird einem Patienten durch eine gesetzliche Regelung der Zugang zur Warteliste untersagt, wird ihm die einzige legale Möglichkeit entzogen, ein postmortal gespendetes Organ zugeteilt zu bekommen. Darin liegt ein Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechte in Form eines „klassischen Eingriffs“. Die gleiche Eingriffsqualität hat auch eine Regelung, welche die nachrangige Berücksichtigung bestimmter Patienten bei bestehender Mangelsituation anordnet. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass das BVerfG bereits in der mittelbar hervorgerufenen Verletzungen durch die Beschränkung des Empfängerkreises bei der Lebendspende die abwehrrechtliche Verbürgung des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG für „berührt“ hielt, „wenn staatliche Regelungen dazu führen, dass einem kranken Menschen eine nach dem Stand der medizinischen Forschung prinzipiell zugängliche Therapie, mit der eine Verlängerung des Lebens, mindestens aber eine nicht unwesentliche Minderung des Leidens verbunden ist, versagt bleibt.“171 Die vorliegend diskutierten Zugangsbeschränkungen untersagen aber nicht lediglich einen bestimmten Weg der Zurverfügungstellung und Beschaffung 169 Ipsen, Rn. 130; Pieroth/Schlink, Rn. 238; Dreier, in: Dreier (Hrsg.) Vorb., Rn. 124. 170 Gutmann/Fateh-Moghadam, in: Gutmann/Schneewind/Schroth/Elsässer/Land/ Hillebrand, S. 59, 69. 171 BVerfG, Beschl. v. 11.08.1999 – 1 BvR 2181/98 –, NJW 1999, 3399, 3400.
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einer Heilungschance, sondern sie versperren, wie oben bereits dargelegt, den einzigen Weg, ein postmortal gespendetes Organ zu bekommen. Dies stellt einen Eingriff in das gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz GG geschützte Recht auf Leben sowie das Recht auf körperliche Unversehrtheit dar. (2) Teilhaberechtliche Komponente des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG Neben der abwehrrechtlichen Komponente des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG könnte durch die in Rede stehenden Regelungen auch die schutzrechtliche Komponente in Form von Teilhaberechten berührt sein. Es ist umstritten, ob sich aus dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ein eigenständiger (originärer) Anspruch auf die medizinische (Mindest)Versorgung ableiten lässt.172 Dies kann aber dahingestellt bleiben, ebenso wie die Frage, was die Mindestversorgung umfasst, da nach einhelliger Ansicht, unabhängig von der Frage der Leistungsansprüche, ein durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 geschützter Teilhabeanspruch des Individuums besteht, auf sachgerechte (derivative) Teilhabe an vorhandenen Einrichtungen der öffentlichen Hand;173 beispielsweise zu staatlichen Krankenanstalten und der dortigen Behandlung entsprechend den Regeln der ärztlichen Kunst.174 Aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich also ein derivativer Teilhabeanspruch auf gleichen Zugang zu staatlichen ärztlichen Leistungen oder zu vorhandenen Organtransplantationskapazitäten.175
172
Vgl. Wiedemann, in: Umbach (Hrsg.), Art. 2 Abs. 2 GG, Rn. 376, der einen Leistungsanspruch in Form einer medizinischen Mindestversorgung als gesundheitliche Grundlage der Existenzsicherung aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 ableitet; ebenso Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Begr.), Art. 2 Abs. 2 GG, Rn. 94, demzufolge es bestimmte Bereiche geben kann, in denen sich aus den grundrechtlichen Gewährleistungen des Grundgesetzes – teilweise in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip – Leistungsansprüche für eine Grundversorgung ableiten lassen. A. A. Jarass/Pieroth, Art. 2 GG, Rn. 94, der einen eigenständigen Anspruch auf medizinische Mindestversorgung verneint. Auch Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 2 GG, Rn. 60 zu Folge kann Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG subjektiven Ansprüchen auf medizinische Versorgung keine tragfähige Grundlage zu geben, leitet aber als wertsetzendes Programm objektivrechtlich und in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zum Aufbau und zur Unterhaltung einer leistungsfähigen medizinischen Versorgungsstruktur an; ähnlich Murswiek, in: Sachs (Hrsg), Art. 2 GG, Rn. 225. 173 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 2 GG, Rn. 94, Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 2 Abs. 2 GG, Rn. 211; Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Begr.), Art. 2 Abs. 2 GG, Rn. 94; Kübler, S. 101. 174 Wiedemann, in: Umbach (Hrsg.), Art. 2 Abs. 2 GG, Rn. 378. 175 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.) Art. 2 GG, Rn. 84; Gutmann/Fateh-Moghadam, in: Gutmann/Schneewind/Schroth/Elsässer/Land/Hillebrand, S. 59, 69.
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(3) Zwischenergebnis Eine Regelung, welche bestimmt Patientengruppen vom Zugang zur Transplantationsmedizin ausschließt, beeinträchtigt sowohl die abwehrrechtliche als auch die teilhaberechtliche Komponente der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechtsgüter. bb) Rechtfertigung der Beeinträchtigungen Die Grundrechte auf Leben und auf körperliche Unversehrtheit stehen unter dem Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG. Wegen der außerordentlichen Intensität, die staatliche Eingriffe in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG haben können, ergibt sich aus der Wesentlichkeitslehre bzw. der Lehre vom Parlamentsvorbehalt, dass für Eingriffe in das Leben und regelmäßig auch für Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit ein Parlamentsgesetz erforderlich ist.176 Lediglich für unwesentliche Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit mag ein Gesetz im materiellen Sinn ausreichen.177 Patienten, welche grundsätzlich für eine Organtransplantation indiziert sind, werden einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt, wenn man ihnen den Zugang zur Transplantationsmedizin untersagt. Das Parlamentsgesetz muss ferner die Rechtfertigungsanforderungen des Verhältnismäßigkeitssatzes erfüllen. Es muss also der Erreichung eines legitimen Zwecks dienen und zur Erreichung dieses Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen bzw. verhältnismäßig im engeren Sinne sein.178 (1) Legitimer Zweck Aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip wird zum Teil im Schrifttum eine Verpflichtung zur Unterhaltung einer leistungsfähigen medizinischen Versorgungsstruktur, also eines funktionsfähigen Gesundheitssystems, abgeleitet.179 Dazu gehört in der Bundesrepublik 176
Wiedemann, in: Umbach (Hrsg.), Art. 2 Abs. 2 GG, Rn. 311; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 2 Abs. 2 GG, Rn. 198; Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), Art. 2 GG, Rn. 167 (vgl. grundlegend BVerfG, Beschl. v. 28.10.1975 – 2 BvR 883/73 und 379, 479, 526/74 –, BVerfGE 40, 237, 248 ff.; BVerfG, Beschl. v. 08.08.1978 – 2 BvL 8/77 –, BVerfGE 49, 89, 126 f. 177 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 397. 178 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.06.1963 – 1 BvR 790/58 –, BVerfGE 16, 194, 202; BVerfG, Beschl. v. 25.06.1963 – 1 BvR 542/62 –, BVerfGE 17, 108, 117; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 2 GG, Rn. 96; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Vorb., Rn. 146.
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Deutschland auch das Transplantationssystem. Der 1994 eingefügte Kompetenztitel für gesetzliche „Regelungen zur Transplantation von Organen und Geweben“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG) ist ein Indikator für diese Staatsaufgabe.180 Das Transplantationssystem fußt insbesondere auf der Spendebereitschaft der Bevölkerung. Würde die Spendebereitschaft aufgrund zunehmender Versorgung ausländischer Patienten bzw. Patienten ohne Wohnsitz in Deutschland in der Bundesrepublik sinken, wäre die Funktionsfähigkeit des deutschen Transplantationssystems gefährdet. So ist denkbar, dass eine entsprechende Berichterstattung in den Medien darauf hinweist, dass zunehmend (wohlhabende) Personen aus dem Ausland (z. B. Russland oder naher Osten) mit in Deutschland lebenden Personen um die ohnehin knappen Organe konkurrieren. Dies könnte sich negativ auf die Bereitschaft der in Deutschland ansässigen Bevölkerung zur Organspende auswirken. Die Abwendung dieser Gefahr stellt dann ein legitimes Gemeinschaftsinteresse dar.181 Auch ließe sich argumentieren, dass der Staat ein Interesse daran hat, im Staatsgebiet lebende Personen vorrangig zu transplantieren, damit diese wieder ein „normales“ Leben führen und wieder am Wirtschafts- und Arbeitsleben teilnehmen können. Im Idealfall zahlen die transplantierten Patienten wieder Steuern, versorgen wieder ihre Familienangehörigen und fallen dem Sozialstaat nicht zur Last. Hinzukommt, dass eine Nierentransplantation in der Regel eine große Kostenersparnis für die gesetzlichen Krankenkassen bedeutet.182 (2) Geeignetheit Sowohl die Begrenzung des Zugangs zur Warteliste als auch die nachrangige Berücksichtigung von Personen ohne Wohnsitz in Deutschland bei der konkreten Allokation sind geeignete Mittel zur Erreichung der aufgezeigten Ziele. (3) Erforderlichkeit Eingehender Erörterung bedarf aber das Merkmal der Erforderlichkeit. Der Zweck darf nämlich nicht durch ein gleich wirksames, aber weniger 179 Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 2 GG, Rn. 60; Murswiek, in: Sachs (Hrsg.) Art. 2 GG, Rn. 225. 180 Isensee, in: Firnkorn (Hrsg.), S. 69, 74. 181 So auch Junghans, S. 102 f. 182 Wie bereits in oben in Kapitel 1, B. II. 4. a) cc) dargestellt, ist eine Transplantation im Vergleich zur Dialysebehandlung langfristig die kostengünstigere Alternative.
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belastendes Mittel erreichbar sein.183 Prima facie zeichnet sich ab, dass eine Zugangsbeschränkung bereits auf der Ebene des Zugangs zur Warteliste dem Erforderlichkeitskriterium nicht standhalten dürfte. Verwehrt man Fremdpatienten bereits den Zugang zur Warteliste, so wird diesen die einzige Chance auf Organzuteilung in Deutschland auf legalem Wege genommen. Bei einer Regelung, welche eine nachgeordnete Berücksichtigung bei der konkreten Allokation anordnet, besteht hingegen zumindest die theoretische Möglichkeit auf Zuteilung eines Organs, nämlich dann, wenn sich kein geeigneter Empfänger in der bevorzugten Personengruppe findet. Da eine nachrangige Berücksichtigung bei der bestehenden chronischen Organknappheit de facto in der Regel dazu führt, dass diese Personen nicht transplantiert werden, stellt sich die Frage, ob nicht eine quotenmäßige Beschränkung die vorzugswürdigere Alternative darstellt. Für den Fremdpatienten, welcher im Rahmen dieser Quotenregelung unter gleichen Bedingungen wie ein „Resident“ transplantiert würde, wäre eine solche Regelung sicherlich vorteilhafter als eine Regelung, die allenfalls eine nachrangige Berücksichtigung vorsieht. Außen vor blieben aber alle Patienten denen der Zugang versagt würde, sobald die Quote erreicht ist. Diese Patienten hätten noch nicht einmal die Chance einer Zuteilung. Folglich ist auch eine Regelung, welche nur eine nachrangige Berücksichtigung vorsieht, das mildere Mittel. (4) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne Rechtsprechung und herrschende Lehre gewinnen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit schließlich unter dem Begriff der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne noch ein letztes Kriterium ab und verlangen, dass der Eingriff bzw. die Beeinträchtigung, die der Eingriff für den Einzelnen bedeutet und der mit dem Eingriff verfolgte Zweck, in recht gewichtetem und wohl abgewogenen Verhältnis zueinander stehen.184 Der Einriff muss also mit anderen Worten proportional185, angemessen oder zumutbar sein.186 Derzeit gibt es, wie bereits dargelegt, keine genauen Zahlen über die Non-Residents auf den Wartelisten für die einzelnen Organe.187 Auch gibt 183 BVerfG, Beschl. v. 09.03.1994 – 2 BvL 43, 51, 64, 64, 70, 80/92, 2 BvR 2031/92 –, BVerfGE 90, 145, 172; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Vorb., Rn. 148; Pieroth/Schlink, 272. 184 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.06.1963 – 1 BvR 790/58 –, BVerfGE 16, 194, 202; BVerfG, Beschl. v. 25.06.1963 – 1 BvR 542/62 –, BVerfGE 17, 108, 117; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 2 GG, Rn. 96; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Vorb., Rn. 146; Stern, StR III/2, S. 782; Pieroth/Schlink, Rn. 272. 185 Stern, StRIII/2, S. 782. 186 Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Vorb., Rn. 149.
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es keine Zahlen darüber, wie häufig Non-Residents der Zugang mit Hinweis auf die ET-Regelungen oder unzureichende Kostenerstattung verwehrt wurde. Die vorhandenen Zahlen bewegen sich im einprozentigen Bereich.188 Über eine Dunkelziffer lässt sich allenfalls spekulieren. Ebensowenig gibt es derzeit konkrete Hinweise auf eine sinkende Spendenbereitschaft, z. B. aufgrund bestimmter Presseberichte. So ist beispielsweise kaum vorstellbar, dass die Presseberichte über die „niedliche“ vierjährige Japanerin Shuri, welche in Deutschland auf ein Spenderherz wartete, da sie in Japan mangels kindlicher Spender189 nicht transplantiert werden konnte, einen negativen Einfluss auf die Organspendebereitschaft der deutschen Bevölkerung hätten.190 Mit Blick auf die zu befürchtenden Grundrechtsverletzungen ist daher zu differenzieren. Während bei der Nierentransplantation in der Regel die Möglichkeit der Ersatztherapie durch Dialysebehandlung besteht, gibt es diese Alternative bei anderen Organen nicht. Aber auch bei Patienten, bei welchen z. B. eine Lebertransplantation indiziert ist, kann zwischen Patienten unterschieden werden, bei denen eine sofortige Transplantation die einzige Möglichkeit zur Lebensrettung darstellt – beispielsweise wegen eines akuten Leberversagens191 – und solchen, die nicht in eine Dringlichkeitskategorie fallen. Eine nachrangige Berücksichtigung von Non-Residents bei der Nierentransplantation bei gleichzeitiger Dialysemöglichkeit192 erscheint angemessen, insbesondere im Hinblick auf die möglichen Ersparnisse durch eine Transplantation für das deutsche Gesundheitssystem und die Sozialkassen. Anders verhält es sich bei einer nur nachrangigen Berücksichtigung im Falle akuter Lebensgefahr. Hier führt die nachrangige Berücksichtigung in der Regel zur Existenzvernichtung. Insoweit wird auf die Ausführungen in Kapitel 4 zum „Alles oder Nichts“-Grundsatz beim Recht auf Leben verwiesen.193 In diesen Fällen wäre wohl der Grundsatz der Proportionalität verletzt, unterließe man die lebensrettende Behandlung. Von der Vorrangstellung des Lebensschutzes könnte der Gesetzgeber allenfalls dann abweichen, wenn die mangelnde Akzeptanz der Mitversorgung von Fremdpatien187
Vgl. dazu oben, Kapitel 5, C. I. 1. c). Vgl. dazu oben, Kapitel 5, C. I. 1. c). 189 In Japan ist die postmortale Organentnahme bei Personen, welche das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, unzulässig. Bei der Herzspende ist aber die übereinstimmende Morphologie des Spenderherzens mit dem Empfängerherz für die Möglichkeit einer Transplantation entscheidend. 190 Neue Westfälische, Bad Oeynhausener Kurier vom 8. März 2007, S. 23. 191 Z. B. in Folge einer Pilzvergiftung oder Hepatitis. 192 Unter Umständen wäre eine andere Beurteilung bei Personen, denen im Herkunftsland diese Therapiemöglichkeit gar nicht zur Verfügung steht, erforderlich. 193 Vgl. dazu oben, Kapitel 4, A. II. 2. f). 188
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ten zu einem Rückgang der Spendebereitschaft und damit, aufgrund der Organknappheit, zu einer Gefährdung der Voraussetzungen der Transplantationsmedizin führte. Dies setzt aber voraus, dass die Inanspruchnahme der Transplantationsmedizin durch ausländische Patienten ihren Ausnahmecharakter verliert. Dies ist derzeit nicht erkennbar. (5) Ergebnis Verfassungskonform wäre also z. B. eine Regelung, welche in den hochdringlichen Kategorien eine Gleichbehandlung von Residents und Non-Residents normiert, in allen übrigen Kategorien aber eine Bevorzugung von Residents aufgrund der oben dargestellten Erwägungen zulässt. Auch eine dem Art. 17 des schweizerischen Transplantationsgesetzes entsprechende Regelung, welche eine nachrangige Berücksichtigung auf der jeweiligen Dringlichkeitsstufe vorsieht und damit hochdringlichen Patienten eine reelle Chance auf Organzuteilung einräumt, könnte als noch verhältnismäßig einzustufen sein. c) Art. 3 Abs. 3 GG (Spezieller Gleichheitssatz) Die Vorenthaltung einer Transplantation durch generelles Zugangsverbot oder eine nur nachrangige Berücksichtigung bei der konkreten Allokation von Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit oder inländischen Wohnsitz könnte eine Verletzung des in Art. 3 Abs. 3 GG normierten speziellen Gleichheitssatzes darstellen. Der sachliche Schutz- bzw. Anwendungsbereich der speziellen Gleichheitsrechte setzt eine Ungleichbehandlung, also eine unterschiedliche Behandlung vergleichbarer Sachverhalte voraus, und zwar durch die gleiche Stelle. Die Ungleichbehandlung muss dabei in Abhängigkeit von bestimmten Merkmalen des Grundrechtsinhabers erfolgen. Notwendig ist also eine merkmalsbezogene Ungleichheit.194 Vorliegend kommen allenfalls die Merkmale Heimat und Herkunft in Betracht. Mit Heimat ist die örtliche Herkunft eines Menschen nach Geburt oder Ansässigkeit im Sinne der emotionalen Beziehung zu einem geographisch begrenzten, einzelnem mitprägenden Raum (Ort, Landschaft) gemeint.195 Heimat ist demzufolge nicht mit dem Wohnsitz oder dem gewöhnlichen Aufenthalt gleichzusetzen.196 Herkunft ist nicht örtlich zu verstehen, son194
Jarass/Pieroth, Art. 3 GG, Rn. 118. BVerfG, Urt. v. 14.03.2000 – 1 BvR 284, 1659/96 –, BVerfGE 102, 41, 53; Jarass/Pieroth, Art. 3 GG, Rn. 118. 195
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dern meint die „ständisch-soziale Abstammung und Verwurzelung“197, insbesondere die soziale Stellung der Eltern.198 Beide Merkmale sind vorliegend also nicht einschlägig. Eine Differenzierung wegen fehlender deutscher Staatsangehörigkeit oder fehlendem inländischem Wohnsitz und damit eine Sonderbehandlung von Ausländern wird von keinem der Kriterien des Art. 3 Abs. 3 GG erfasst.199 d) Art. 3 Abs. 1 GG (Allgemeiner Gleichheitssatz) Da die speziellen Gleichheitsrechte nicht einschlägig sind, ist nachrangig die Vereinbarkeit einer beschränkenden Zugangsregelung für Non-Residents zur Warteliste mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz zu prüfen.
aa) Beeinträchtigung des Schutzbereichs Der Sachliche Schutz- bzw. Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 GG setzt lediglich eine Ungleichbehandlung voraus, d.h. eine unterschiedliche Behandlung zweier vergleichbarer Sachverhalte.200 Anknüpfungspunkt der Grundrechtsprüfung ist die Frage, ob das zu prüfende Gesetz wesentlich gleiches ungleich behandelt. Bei einer Zugangsbeschränkung von Non-Residents würde die Regelungsgruppe, Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz in der Bundesrepublik (Residents)201, bei denen eine Transplantation indiziert ist, anders als die Vergleichsgruppe, Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz in der Bundesrepublik (NonResidents)202, bei denen eine Transplantation indiziert ist, behandelt wer196 Jarass/Pieroth, Art. 3 GG, Rn. 123; BVerfG, Beschl. v. 22.10.1974 – 1 BvL 30/73 –, BVerfGE 38, 128, 135; BVerfG, Urt. v. 10.01.1995 – 1 BvF 1/90, 1 BvR 342, 348/90 –, BVerfGE 92, 26, 50; BVerfG, Urt. v. 14.03.2000 – 1 BvR 284, 1659/96 –, BVerfGE 102, 41, 53 f. 197 BVerfG, Beschl. v. 30.05.1978 – 1 BvL 26/76 –, BVerfGE 48, 281, 287 f.; BVerwG, Urt. v. 03.09.1998, – BVerwG 9 C 3.97 –, BVerwGE 106, 191, 194; Rüfner, in: BK, Art. 3, Rn. 845; Jarass/Pieroth, Art. 3 GG, Rn. 123. 198 BVerfG, Beschl. v. 22.01.1959 – BvR 154/55 –, BVerfGE 9, 124, 129; Jarass/ Pieroth, Art. 3 GG, Rn. 124. 199 Vgl. Jarass/Pieroth, Art. 3 GG, Rn. 126; BVerfG, Beschl. v. 20.03.1979 – 1 BvR 111/74 und 283/78 –, BVerfGE 51, 1, 30 im Hinblick auf Differenzierung wegen Staatsangehörigkeit, ebenso BVerfG, Beschl. v. 09.02.1994 – 1 BvR 1687/92 – BVerfGE 90, 27, 37. 200 Heun, in: Dreier (Hrsg.) Art. 3 GG, Rn. 23; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 3 GG, Rn. 10. 201 Bzw. in einem Staat des ET-Verbundes. 202 Bzw. in einem Staat des ET-Verbundes.
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den. Der gemeinsame Bezugspunkt ist die Indikation für eine Organtransplantation. Anknüpfungspunkt für die Ungleichbehandlung ist der unterschiedliche Sachverhalt (Staatsangehörigkeit und Wohnsitz). Die Beeinträchtigung des Art. 3 Abs. 1 GG setzt voraus, dass die Ungleichbehandlung von einem Grundrechtsadressaten vorgenommen wird und für den Betroffenen zu einem Nachteil führt.203 Die Benachteiligung kann auch in der (ungleichen) Verweigerung der Teilhabe an einer öffentlichen Einrichtung bestehen.204 Vorliegend soll Patienten ohne deutsche Staatsangehörigkeit oder inländischem Wohnsitz der Zugang zur Warteliste verweigert werden. Zumindest ist eine nur nachrangige Berücksichtigung bei der konkreten Allokation vorgesehen. Beide Regelungskonzepte führen zu einem erheblichen Nachteil für Non-Residents. Eine solche Ungleichbehandlung bedarf einer Rechtfertigung. bb) Rechtfertigung der Ungleichbehandlungen bzw. Benachteiligungen – Prüfungsmaßstab Eine Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte muss keineswegs Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Art. 3 Abs. 1 GG ist ein Menschenrecht, das für In- und Ausländer wie Staatenlose gilt. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Staatangehörigkeit kein zulässiges Differenzierungskriterium ist. Die Differenzierung ist vielmehr nach den allgemeinen Kriterien zu rechtfertigen. Zwar darf das menschenrechtliche Gleichheitsgebot durch dieses Differenzierungskriterium nicht unterlaufen werden, aber der Verfassungsgeber selbst hat durch die Beschränkung einiger Grundrechte auf Deutsche205 im Geltungsbereich dieser Grundrechte eine derartige Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit gerade für zulässig gehalten. Auch Art. 3 Abs. 3 GG untersagt dieses Differenzierungskriterium nicht. Ferner sind auf einfachgesetzlicher Ebene eine Reihe von Gründen denkbar, die eine Ungleichbehandlung von Deutschen und Ausländern rechtfertigen.206 Letztlich wird in diesen Fällen die Staatsangehörigkeit meist nur der äußere rechtliche Anknüpfungspunkt, nicht der eigentliche Rechtfertigungsgrund sein.207 Vorliegend steht eine Ungleichbehandlung von Ausländern nur dann in Rede, wenn sie zudem keinen inländischen Wohnsitz haben. Die Ungleichbehandlung kann durch einen „hinreichend gewichtigen Grund“ gerechtfertigt sein.208 Die aus Art. 3 Abs. 1 GG resultierenden An203 204 205 206 207
Jarass/Pieroth, Art. 3 GG, Rn. 9. Jarass/Pieroth, Art. 3 GG, Rn. 11. Vgl. Art. 8, 9, 11, 12, 16 Abs. 2, 33 und 38 Abs. 1 GG. Heun, in: Dreier (Hrsg.) Art. 3 GG, Rn. 43. Heun, in: Dreier (Hrsg.) Art. 3 GG, Rn. 43.
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forderungen an den Differenzierungsgrund fallen unterschiedlich aus. Eine strenge Prüfung ist vorzunehmen, wenn verschiede Personengruppen und nicht nur verschiedene Sachverhalte ungleich behandelt werden.209 Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Benachteiligten den begünstigten Sachverhalt in ihrer Person nicht oder nur schwer erfüllen können,210 wenn sie nicht in der Lage sind, „durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale, nach denen unterschieden wird“, zu beeinflussen.211 Hierher gehört die Benachteiligung von Ausländern, sofern sich keine spezielle verfassungsrechtliche Rechtfertigung findet.212 Die Anforderungen an die sachlichen Gründe steigen, je mehr sich die personenbezogenen Merkmale (einer Differenzierung) den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten annähern und je größer deshalb die Gefahr ist, dass eine an sie anknüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt.213 Aus den vorgenannten Gründen ist vorliegend ein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen. cc) Verhältnismäßigkeitsprüfung Im Einzelnen muss die Differenzierung zunächst geeignet sein, das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen. Weiter darf i. S.d. Erforderlichkeit keine weniger belastende Differenzierung zur Verfügung stehen.214 Der verfolgte Zweck muss die Ungleichbehandlung in ihrem gesamten Ausmaß legitimieren. Schließlich ist die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne zu beachten215: „Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund müssen in einem angemessenen Verhältnis zu einander stehen.“216 Die Differenzierungs208
BVerfG, Urt. v. 28.04.1999 – 1 BvL 11/94, 33/95, 1 BvR 1560/97 –, BVerfGE 100, 138, 174; Jarass/Pieroth, Art. 3 GG, Rn. 14. 209 Jarass/Pieroth, Art. 3 GG, Rn. 19; BVerfG, Beschl. v. 26.01.1993 – 1 BvL 38, 40, 43/92 –, BVerfGE 88, 87, 96 f.; BVerfG, Beschl. v. 02.02.1999 – 1 BvL 8/97 –, BVerfGE 100, 195, 205. 210 BVerfG, Beschl. v. 07.10.1980 – 1 BvL 50, 89/79, 1 BvR 240/79 –, BVerfGE 55, 72, 89; BVerfG, Beschl. v. 04.05.1982 –1 BvL 26/77 und 66/78 –, BVerfGE 60, 329, 346; BVerfG, Beschl. v. 02.12.1992 – 1 BvR 296/88 –, BVerfGE 88, 5, 12. 211 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.01.1993 – 1 BvL 38, 40, 43/92 –, BVerfGE 88, 87, 96; BVerfG, Beschl. v. 27.01.1998 – 1 BvL 15/87 –, BVerfGE 97, 169, 181; BVerfG, Urt. v. 24.11.1998 – 1 BvL 2/91 –, BVerfGE 99, 367, 388; Heun, in: Dreier (Hrsg.) Art. 3 GG, Rn. 31. 212 Jarass/Pieroth, Art. 3 GG, Rn. 19. 213 Heun, in: Dreier (Hrsg.) Art. 3 GG, Rn. 31. 214 Jarass/Pieroth, Art. 3 GG, Rn. 27. 215 Jarass/Pieroth, Art. 3 GG, Rn. 27. 216 BVerfG, Beschl. v. 30.05.1990 – 1 BvL 2/83, 9, 10/84, 3/85, 11, 12, 13/89, 4/90 und 1 BvR 764/86, BVerfGE 82, 126, 146; ähnlich BVerfG, Beschl. v. 11.02.1992 – 1 BvL 29/87 –, BVerfGE 85, 238, 245.
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gründe müssen „von solcher Art und solchem Gewicht“ sein, „dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können“;217 die durch die Ungleichbehandlung bewirkte Belastung „darf nicht weiter greifen, als der die Verschiedenbehandlung legitimierende Zweck es rechtfertigt“218 Aufgrund des hier anzulegenden strengen Prüfungsmaßstabes entspricht die Prüfung der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung der Verhältnismäßigkeitsprüfung, welche im Rahmen Prüfung des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG erfolgte. Daher wird nach oben verwiesen.219 e) Ergebnis Ein genereller Ausschluss von Non-Residents vom Zugang zur Warteliste stellt eine Verletzung der in Art. 2 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 1 GG geschützten Rechte dar. Eine nur nachrangige Berücksichtigung von Non-Residents ist zumindest dann noch angemessen, wenn sichergestellt wird, das NonResidents zumindest bei unmittelbarer Lebensgefahr eine Transplantation ermöglicht wird. Im Übrigen wäre eine nachrangige Berücksichtigung wohl zulässig. Vorraussetzung ist in jedem Fall eine parlamentsgesetzliche Regelung. 6. Vereinbarkeit mit europarechtlichen Vorschriften Eine Regelung, welche den Zugang von Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit oder inländischen Wohnsitz zur Transplantationsmedizin beschränkt, ist ferner am Maßstab des primären und sekundären Gemeinschaftsrechts zu messen. Die EU-Mitgliedstaaten haben primäres und sekundäres Gemeinschaftsrecht, welches unmittelbare Geltung beansprucht, bei ihrer Rechtsetzung zu beachten. Dies ergibt sich aus der in Art. 10 EG normierten Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit, welche unter anderem die Mitgliedstaaten verpflichtet, eine gemeinschaftsrechtswidrige Gesetzgebung zu unterlassen.220 Diese Pflicht kann auch nicht durch Formulierung untergesetzlicher Regelungen – z. B. Richtlinien der BÄK – umgangenen werden. Sofern nicht von vornherein auch Unionsbürger (Art. 17 EG) und de217 Jarass/Pieroth, Art. 3 GG, Rn. 27; BVerfG, Beschl. v. 09.04.2003 – 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 –, BVerfGE 108, 52, 68; BVerfG, Urt. v. 08.04.1997 – 1 BvR 48/94 –, BVerfGE 95, 267, 317; BVerfG, Urt. v. 14.03.2000 – 1 BvR 284, 1659/96 –, BVerfGE 102, 41, 54; BVerfG, Urt. v. 03.04.2001 – 1 BvR 81/98 –, BVerfGE 103, 225, 235. 218 BVerfG, Beschl. v. 11.02.1992 – 1 BvL 29/87 –, BVerfGE 85, 238, 245. 219 Vgl. dazu oben, Kapitel 5, C. I. 5. b) bb). 220 Fischer, S. 105; Geiger, Art. 10 EG, Rn. 4; Kohl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Art. 10, Rn. 2, 12 f.; Streinz, § 3, Rn. 160 f.
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ren Familienangehörige von der Regelung ausgenommen werden sollen, ist daher die Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit europäischem Primärund Sekundärrecht zu prüfen. Eine zentrale Rolle spielt bei dieser Betrachtung die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern sowie die Verordnung (EWG) des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71.221 Die Verordnung als Rechtsakt des Rates und der Kommission hat gem. Art. 249 Abs. 2 EG allgemeine Geltung, ist demnach in all ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in den Mitgliedstaaten.222 a) VO (EWG) Nr. 1408/71 Seit ihrem Inkrafttreten wurde die VO (EWG) Nr. 1408/71 aus unterschiedlichem Anlass häufig verändert und liegt derzeit in der konsolidierten Fassung vom 28. April 2006 vor.223 Die Verordnung dient der Koordination der Systeme der sozialen Sicherheit. Die Kommission unterbreitete Ende 1998 Vorschläge zur Änderung dieser Verordnung, welche in der VO (EG) Nr. 883/2004 verwirklicht wurden. Entgegen weitergehenden, auf drastische Vereinfachung und Neugestaltung zielenden Vorschlägen führt diese neue Koordinierungsverordnung die Prinzipien des bisherigen Rechts fort.224 Die VO (EG) Nr. 883/2004 wird ebenso wie Nr. 574/72, welche voraussichtlich Mitte 2009 in Kraft tritt, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Durchführungsverordnung aufgehoben. Das System dieser Verordnungen hat die Funktion, Versicherten bei Wahrnehmung ihrer im EG-Vertrag garantierten Freizügigkeitsrechte (Art. 48 ff., 52 ff. EG) im Hinblick auf ihren sozialen Schutz keine Nachteile erwachsen zu lassen.225
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Die Durchführungsverordnung normiert die administrative Umsetzung. Jäger-Lindemann, S. 31. 223 Durch die Verordnungen VO (EG) Nr. 629/2006 (CELEX 32006R0629) vom 5. April 2006, VO (EG) 1791/2006 (CELEX 32006R1791) vom 20. November 2006 und VO (EG) Nr. 1992/2006 (CELEX 32006R1992) vom 18. Dezember 2006 wurden nur die Anhänge von VO (EWG) Nr. 1408/71 geändert. Gründe der Änderungen waren meist Änderungen in mitgliedsstaatlichen Gesetzen sowie die EU-Erweiterung. 224 Diese Bearbeitung arbeitet mit Synopsen, da im Zeitpunkt der Bearbeitung nur Literatur zur VO(EWG) Nr. 1408/71 zur Verfügung stand. Sofern für diese Bearbeitung maßgebliche Änderungen in Rede stehen, wird darauf gesondert hingewiesen. 225 Heinze/Giesen, BB 1996, 1830, 1831. 222
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aa) Persönlicher Geltungsbereich Der persönliche Geltungsbereich der VO (EWG) Nr. 1408/71 ist durch den sozialökonomischen Status, die Staatsangehörigkeit sowie den Familienstatus des Einzelnen bestimmt. Art. 2 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 = Art. 2 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 bezieht Arbeitnehmer, Selbständige und Studierende eines Mitgliedstaates sowie deren Familienangehörige und Hinterbliebenen in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung ein. Den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten stehen die in einem Mitgliedstaat als Flüchtling oder Staatenloser Wohnenden gleich. Den Unionsbürgern (Art. 17 EG) stehen die Staatsangehörigen der EWRStaatsangehörigen226 und der Schweiz gleich.227 Danach fällt derjenige in den persönlichen Anwendungsbereich der Verordnung, der Staatsangehöriger eines Mitgliedsstaates, eines EWR-Staates oder der Schweiz ist. Außerdem muss er in einem der in Art. 1 lit. a VO (EWG) Nr. 1408/71 genannten Systeme versichert sein. Es genügt die abstrakte Unterworfenheit unter ein nationales System, die konkrete Einbeziehung ist nicht erforderlich.228 Heute fällt der größte Teil der Bevölkerung der Gemeinschaft in den Anwendungsbereich der Verordnung, so dass der Anspruch auf Krankenbehandlung in den anderen Mitgliedstaaten beinahe zum „Bürgerrecht“ geworden ist.229 bb) Sachlicher Geltungsbereich Nach Art. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71 = Art. 3 VO (EG) Nr. 883/2004 gilt die Verordnung für bestimmte Zweige der sozialen Sicherheit. Zu diesen gehören unter anderem auch die Leistungen bei Krankheit, welche vorliegend von besonderem Interesse sind. cc) Aufgabe und Reichweite der Sicherung Für die grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Leistungen bei Krankheit finden sich entsprechende Regelungen in den Art. 18–24 VO (EWG) Nr. 1408/71 = Art. 17–21 VO (EG) Nr. 883/2004. Maßgeblich ist vorliegend Art. 19 VO Abs. 1 (EWG) Nr. 1408/71 = Art. 17, 21 Abs. 1 226 Island, Lichtenstein und Norwegen. Die Schweiz hat ein eigenes Assoziierungsabkommen mit der EU geschlossen, dass sich an das EWR-Abkommen weitgehend anlehnt. 227 Eichenhofer, Rn. 70; Eichenhofer, in: NKES, Art. 2 VO (EWG) Nr. 1408/71, Rn. 4. 228 Eichenhofer, Rn. 101; Jäger-Lindemann, S. 35. 229 Jäger-Lindemann, S. 35.
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VO (EG) Nr. 883/2004, welcher die Gewährung von Sachleistungen regelt, wenn der Anspruchsberechtigte in einem anderen Mitgliedstaat als dem zuständigen Staat230 wohnt. Insbesondere ist auch Art. 22 Abs. 1 lit. a VO (EWG) Nr. 1408/71 = Art. 19 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 von Bedeutung. Dieser regelt die Voraussetzungen, unter denen ein Berechtigter in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat oder dem Wohnstaat Leistungen beanspruchen kann. Nach dem diesen Vorschriften zugrunde liegendem Prinzip der aushelfenden Sachleistungsgewährung werden Sachleistungen in Deutschland nach dem hier geltenden Recht und üblichen Modalitäten erbracht und dann dem eigentlich zuständigen Sozialleistungsträger in Rechnung gestellt (vgl. Art. 19 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 = Art. 17, 20 VO (EG) Nr. 883/2004).231 Als Teil der Krankenhilfe232 ist die Organtransplantation grundsätzlich als Sachleistung zu erbringen. Da im Falle der Begründung des Wohnsitzes in Deutschland der Unionsbürger ohnehin nicht in seinem Zugang zur Transplantationsmedizin beschränkt werden soll, liegt das besondere Augenmerk auf Art. 22 Abs. 1 lit. a VO (EWG) Nr. 1408/71 = Art. 19 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004, bei dem der vorübergehende Aufenthalt nicht die Qualität der Wohnsitznahme erreicht. Gemäß Art. 22 Abs. 1 lit. a) VO (EWG) Nr. 1408/71 hat ein Arbeitnehmer oder Selbständiger, bei dessen Zustand sich Sachleistungen während eines Aufenthalts im Gebiet eines Mitgliedstaates unter Berücksichtigung der Art der Leistungen und der voraussichtlichen Aufenthaltsdauer als medizinisch notwendig erweisen, Anspruch auf eben diese. Dies entspricht im wesentlichen Art. 19 VO (EG) Nr. 883/2004.233 Der alte Text der VO enthielt noch als einzige Voraussetzung in Unterabschnitt a) die Anforderung, dass der „Zustand unverzügliche Leistungen erfordert.“ Die Auslegung des Begriffs „unverzüglich“ bereitete bisweilen Schwierigkeiten. Lediglich eine unaufschiebbare Behandlung sei demgemäß 230 Der Mitgliedstaat in dessen Gebiet der zuständige Träger seinen Sitz hat, vgl. Art. 1 lit q VO (EWG) Nr. 1408/71. 231 Jäger-Lindemann, S. 37; Steinmeyer, in: Hanau/Steinmeyer/Wank, § 23 VO (EWG) Nr. 1408/71, Rn. 18. 232 BSG Urt. v. 12.12.1972 – Az. 3RK 47/70 –, BSGE 35, 102. f.; SG Freiburg (Breisgau) 9. Kammer, Urt. v. 26.06.2001, Az: S 9 U 3427/99; BAGE 52, 313. 233 Artikel 19 (Aufenthalt außerhalb des zuständigen Mitgliedstaats) (1) Sofern in Absatz 2 nichts anderes bestimmt ist, haben ein Versicherter und seine Familienangehörigen, die sich in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat aufhalten, Anspruch auf die Sachleistungen, die sich während ihres Aufenthalts als medizinisch notwendig erweisen, wobei die Art der Leistungen und die voraussichtliche Dauer des Aufenthalts zu berücksichtigen sind. Diese Leistungen werden vom Träger des Aufenthaltsorts nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften für Rechnung des zuständigen Trägers erbracht, als ob die betreffenden Personen nach diesen Rechtsvorschriften versichert wären.
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zu erbringen und auch nur soweit, wie dies der Erkrankungszustand unaufschiebbar und unabweisbar gebietet, „die Behandlung mithin nicht hinausgeschoben werden kann, ohne Gefahr der Erschwerung der Krankheit oder des Gesundheitszustandes des Versicherten“.234 Nach anderer Ansicht entspricht es nicht der durch Art. 22 Abs. 1 lit. a) VO (EWG) Nr. 1408/71 geschützten Freizügigkeit und einer freizügigkeitsfreundlichen Interpretation, Leistungen nur dann für unverzügliche notwendig zu halten, wenn Dringlichkeit oder gar ein Notfall vorliegt oder der Krankheitszustand so schwer ist, dass dem Versicherten eine Rückkehr nicht zugemutet werden kann.235 Da Art. 22 VO (EWG) Nr. 1408/71 die Freizügigkeit schützen soll, darf über die Versagung von KV-Leistungen kein Druck zur Rückkehr in den Heimatstaat ausgeübt werden.236 So wurde bereits vor der Änderung der VO vertreten, dass als weiteres Kriterium für die Begriffsbestimmung der „Unverzüglichkeit“ die Länge der Aufenthaltsdauer heranzuziehen sei.237 Dieses Kriterium ist jetzt auch in der neuen Regelung enthalten. Unproblematisch fällt also die Behandlung von Patienten mit HU-Status sowohl unter die alte als auch die neue Regelung, unabhängig davon, welcher Literaturansicht man folgt. Fraglich ist indes, inwieweit z. B. auch eine Nierentransplantation, bei gleichzeitiger Möglichkeit einer Nierenersatztherapie, darunter fiele. Bei kürzerer Dauer dürften notwendige medizinischen Leistungen weniger umfangreich sein als bei langer Aufenthaltsdauer.238 So wird man sicherlich aufgrund eines Urlaubs von einigen Wochen nicht einen Anspruch auf eine Nierentransplantation bejahen können. Verhindert werden soll nach Sinn und Zweck der Vorschrift ein Sozialtourismus innerhalb der EU, d.h. das Bürger einen Kurzurlaub zur Behandlung eines bereits lange bestehenden Grundleidens nutzen.239 Da lediglich eine Behandlung geschuldet ist, welche auch den eigenen Staatsangehörigen zuteil wird, wäre aufgrund der langen Wartezeiten auf ein Organ eine Organtransplantation ohnehin schwerlich im Rahmen eines Kurzurlaubs denkbar. Je nach Schwere des Krankheitszustandes ergibt sich eine abgestufte Behandlungssequenz, die neben der generell von der Vorschrift erfassten Symptombehandlung im Einzelfall auch die Behandlung des Grundleidens erfassen kann.240 Folglich kann auch im Einzelfall eine Transplantation von Patienten ohne HU-Status 234
Eichenhofer, Rn. 194. Bieback, in: NKES, Art. 22 VO (EWG) Nr. 1408/71, Rn. 7. 236 Bieback, in: NKES, Art. 22 VO (EWG) Nr. 1408/71, Rn. 8. 237 Bieback, in: NKES (2. Auflage), Art. 22 VO (EWG) Nr. 1408/71, Rn. 7; Steinmeyer, in: Hanau/Steinmeyer/Wank, § 23 VO (EWG) Nr. 1408/71, Rn. 29; 386; Haverkate/Huster 1999, Rn. 171. 238 Bieback, in: NKES, Art. 22 VO (EWG) Nr. 1408/71, Rn. 8. 239 Heinze/Giesen, BB 1996, 1830, 1834. 240 Bieback, in: NKES, Art. 22 VO (EWG) Nr. 1408/71, Rn. 9. 235
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in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen. Auch für diese Patienten gilt dann das Diskriminierungsverbot. dd) Diskriminierungsverbot nach Art. 3 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 Gemäß Art. 3 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 = Art. 4 VO (EG) Nr. 883/2004 haben alle Personen, die im Gebiet eines Mitgliedsstaats wohnen und in den persönlichen Geltungsbereich dieser Verordnung fallen, aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates die gleichen Rechte und Pflichten wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Zwar ist eine Diskriminierung wegen fehlendem Wohnsitz staatsangehörigkeitsneutral formuliert, stellt aber den klassischen Fall einer indirekten Diskriminierung dar, da Gebietsfremde dort meist ihren Wohnsitz nicht haben und sich eine solche Regelung daher zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirkt.241 Das Gebot der Gleichbehandlung gilt strikt. Es kann nur durch die Verordnung selbst eingeschränkt werden.242 Vorliegend ergeben sich keine Einschränkungsmöglichkeiten. ee) Zwischenergebnis Im Einzelfall ist es möglich, dass Patienten, ohne gleichzeitig den HUStatus inne zu haben, welche in den sachlichen Geltungsbereich der VO (EWG) Nr. 1408/71 fallen, einen Anspruch auf eine Transplantation gemäß Art. 22 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 haben. Wie bereits oben dargelegt, ist der überwiegende Teil der EU-Bevölkerung vom sachlichen Geltungsbereich erfasst. Bezüglich aller anderen Unionsbürger ist im Nachfolgenden zu prüfen, ob nicht andere Gemeinschaftsvorschriften die Begrenzung des Zugangs zur Transplantationsmedizin für Personen ohne Wohnsitz in der Bundesrepublik untersagen. b) Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49 EG aa) Anwendungsbereich Das Gemeinschaftsrecht lässt die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten zur Regelung ihrer sozialen Sicherungssysteme unberührt.243 Deswegen stellt 241 Geiger, Art. 12 EG, Rn. 8, Fischer, Rn. 337; EuGH, Rs. C-29/95, Pastoors, Slg. 1997, I-285, Rn. 17 m. w. N. 242 Eichenhofer, in: NKES, Art. 3VO (EWG) Nr. 1408/71, Rn. 10. 243 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.04.1998, Rs. C-156/96, Kohll gegen Union des caisses de maladie, Slg. 1998, I 1931, Rn. 17 m. w. N.
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sich die Frage, ob bei der Ausgestaltung von Sozialleistungen überhaupt Rücksicht auf die Grundfreiheiten genommen werden muss oder ob die VO (EWG) Nr. 1408/71 als abschließende Regelung zu verstehen ist und damit das Gebiet der sozialen Sicherheit von den Regeln über den freien Dienstleistungsverkehr ausgenommen ist. In den Entscheidungen Kohll und Decker hat der EuGH bestätigt, dass die Grundfreiheiten grundsätzlich uneingeschränkt auch für den Bereich der sozialen Sicherheit Geltung beanspruchen, es sei denn, der EG-Vertrag enthält selbst eine Ausnahme.244 Der Anspruch auf medizinische Behandlung, den ein Krankenversicherungssystem gewährt, ist Ausfluss der passiven Dienstleistungsfreiheit.245 Dies gilt auch für die stationäre Behandlung.246 Im Rahmen dieser begibt sich der Dienstleistungsempfänger in einen anderen Mitgliedstaat, um vom dort ansässigen Leistungserbringer die Leistung entgegenzunehmen. Dabei muss der Grenzübertritt nicht allein durch den Empfang der Dienstleistung motiviert sein.247 Die Grundfreiheiten gelten auch dann, wenn die Leistungen, wie im niederländischen oder deutschen System der Krankenversicherung, ganz vom Sachleistungsprinzip geprägt sind, die Versicherten also gar nicht selbst oder direkt für die Leistungen zahlen. Es ist also unerheblich, dass die Kostenerstattung u. U. über Dritte z. B. Krankenkassen erfolgt.248 bb) Beschränkungsverbot Unzulässig sind nach ständiger Rechtsprechung alle Maßnahmen, die die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen.249 Eine trennscharfe Unterscheidung zwischen indirekter Diskriminierung und sonstigen Behinderungen wird seitens des EuGH nicht immer vorgenommen.250 Eine auch nur nachrangige Berücksichtigung bei der Allokation bei fehlendem Wohnsitz in Deutschland, mit der Folge, dass 244 Vgl. EuGH, Urt. v. 28.04.1998, Rs. C-156/96 Kohll gegen Union des caisses de maladie, Slg. 1998, I-1931, Rn. 16 ff.; EuGH, Urt. vom 28.04.1998, Rs. C-120/95, Decker gegen Caisse de maladie des employes prives, Slg. 1998, I-1831, Rn. 23. 245 Bieback, in: NKES, Art. 22 VO (EWG) Nr. 1408/71, Rn. 30. 246 Jäger-Lindemann, S. 77. 247 Jäger-Lindemann, S. 46. 248 Vgl. EuGH Urt. v. 12.07.2001, Rs. C-157/99, Smits gegen Stichting Ziekenfonds VGZ und Peerboms gegen Stichting CZ Groep Zorgverzekerungen), Slg. 2001, I-5743, Rn. 56 f. = EuZW 2001, 464. 249 EuGH, Urt. vom 3.10.2000, Rs. C-58/98, Corsten, Slg. 2000, I-7919, Rn. 33 m. w. N. = EuZW 2000, 763. 250 Fischer, Rn. 519.
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ein Transplantat in der Regel nicht zugeteilt wird, beschränkt naturgemäß die Dienstleistung Transplantationsmedizin in erheblichem Maße. Es läge also eine indirekte Diskriminierung vor. cc) Rechtfertigung von Beschränkungen Es ist umstritten, ob eine indirekte Diskriminierung nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt (vgl. Art. 55 EG i. V. m. Art. 46 Abs. 1 EG) werden kann oder ob zwingende Gründe des Allgemeinwohls als Rechtfertigung ausreichen. Dies kann vorliegend dahingestellt sein, da die öffentliche Gesundheit nach der Rechtsprechung des EuGH ein Allgemeininteresse darstellt.251 Der Schutz der Gesundheit wird in drei Unterpunkte aufgegliedert:252 – Sicherung der Qualität der ärztlichen Leistung – Kontrolle der Qualität der Leistungserbringung und – Erhalt einer ausgewogenen Versorgungsstruktur im eigenen nationalen System. Unter letzterem ist das Bestreben, einen bestimmten Umfang der medizinischen und pflegerischen Versorgung oder eines bestimmten Niveaus der Heilkunde im Interesse der Gesundheit oder gar des „Überlebens“ der Bevölkerung zu gewährleisten und eine Aufrechterhaltung einer ausgewogenen, allen offen stehenden ärztlichen Versorgung zu erreichen, zu verstehen.253 Allerdings ist in den vom EuGH entschiedenen Fällen der Schutz des nationalen Gesundheitssystems desjenigen Staates angesprochen, welchen der Bürger verlässt, um die Leistung in einem anderen Mitgliedsstaat zu empfangen und so die Gefahr besteht, dass z. B. das Angebot qualitativ hochwertiger Krankenhausversorgung, das ständig zugänglich ist, nicht gewährleistet werden kann, wenn diese Leistung von den Bürgern nicht angenommen wird, weil diese es vorziehen, sich im Ausland behandeln zu las251
EuGH, Urt. vom 28.04.1998, Rs. C-120/95, Decker gegen Caisse de maladie des employes prives, Slg. 1998, I-1831, Rn. 39; EuGH Urt. v. 12.07.2001, Rs. C-368/98, Vanbraekel u. a. gegen ANMC, Slg 2001, I-5363, Rn. 47; vgl. EuGH Urt. v. 12.07.2001, Rs. C-157/99, Smits gegen Stichting Ziekenfonds VGZ und Peerboms gegen Stichting CZ Groep Zorgverzekerungen), Slg. 2001, I-5743, Rn. 72 = EuZW 2001, 464. 252 Bieback, in: NKES, Art. 22 VO (EWG) Nr. 1408/71, Rn. 45. 253 EuGH, Urt. v. 28.04.1998, Rs. C-156/96, Kohll gegen Union des caisses de maladie, Slg. 1998, I 1931, Rn. 51; EUGH Urt. v. 12.07.2001, Rs. C-368/98, Vanbraekel u. a. gegen ANMC, Slg 2001, I-5363, Rn. 49; EuGH Urt. v. 12.07.2001, Rs. C-157/99, Smits gegen Stichting Ziekenfonds VGZ und Peerboms gegen Stichting CZ Groep Zorgverzekerungen, Slg. 2001, I-5743, Rn. 74 = EuZW 2001, 464.
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sen. Das Bestehen einer solchen Gefahr kann die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen.254 Vorliegend will aber ein Staat, welcher die Leistung erbringen soll, sich der Verpflichtung, diese Leistung zu erbringen, entziehen. Zwar ist generell die Auslastung deutscher Krankenhäuser auch durch ausländische Patienten aus Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten erwünscht, im Falle der Transplantation ist hingegen das nicht ausreichende Spendeaufkommen der maßgeblich limitierende Faktor. Fraglich ist also, ob der Ausländeranteil aus den anderen EU-Staaten auf den deutschen Wartelisten so erheblich ist, dass er sich derart nachteilig auf die Organspendebereitschaft auswirkt, dass einem funktionierenden Transplantationswesen die Grundlage entzogen wird. Derzeit ist eine solche Gefahr meines Erachtens nicht zu erkennen, so dass sich die streitige Regelung nicht aus Gründen des Gesundheitsschutzes rechtfertigen ließe. Sollte sich dies ändern, z. B. wenn sich herumspräche, dass in Deutschland unbegrenzter Zugang zu den Wartlisten gewährt werden würde, ist bereits jetzt im Hinblick auf eine mögliche Regelung festzuhalten, dass die betreffende Regelung nicht über dasjenige hinausgehen darf, was zu diesem Zweck objektiv notwendig ist und dass das gleiche Ergebnis nicht durch weniger einschneidende Regelungen erreicht werden können darf.255 Durch die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Gemeinschaftsrecht wird deutlich, dass sich auch wegen Art. 49 EG ein genereller Ausschluss von Transplantationskandidaten oder in Form von Quotenregelungen auf der Ebene des Zugangs zur Warteliste nicht rechtfertigen ließe.256 c) Andere primärrechtliche Vorschriften Sowohl die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 39 EG) als auch die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG) ermöglichen es Unionsbürgen und deren Familienangehörigen, unter bestimmten Voraussetzungen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland zu nehmen. Eine Wohnsitznahme ist auch in Ausübung der Freizügigkeit gemäß Art. 18 EG i. V. m. der Richtlinie 2004/38 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, möglich. Diese Richtlinie wurde im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes durch das Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU – FreizügG/EU) mit Wirkung ab dem 1.1.2005 in deut254
Jäger-Lindemann, S. 111. EuGH, Urt. v. 4.12.1986, Rs. 205/84, Kommission/Deutschland, 29 Slg. 1986, 3755, Rn. 27. 256 Vgl. insoweit auch die Verhältnismäßigkeitsprüfung oben, Kapitel 5, C. I. 5. b) bb) (4). 255
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sches Recht umgesetzt. Damit wird die Freizügigkeit lediglich unter den Vorbehalt von Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel gestellt.257 Sowohl im Hinblick auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit als auch auf die Niederlassungsfreiheit normiert der EG-Vertrag Diskriminierungsverbote. Da aber die unter den Schutz dieser Grundfreiheiten fallenden Personen gleichzeitig in den Anwendungsbereich der VO (EWG) Nr. 1408/71 fallen, kann auf nähere Ausführungen zum Umfang des Schutzes vor Diskriminierungen verzichtet werden. Das in Art. 12 EGV normierte allgemeine Diskriminierungsverbot ist ebenfalls subsidiär. d) Fazit Sofern der Unionsbürger sowie EWR-Staatsangehörige keinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland begründen, stehen seiner nur nachrangigen Berücksichtigung bei der Organallokation die Vorschriften VO (EWG) Nr. 1408/71 sowie der Schutz des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 49 EG) entgegen. Folglich ist eine Gleichbehandlung von Unionsbürgern und EWR-Staatsangehörigen beim Zugang zur Transplantationsmedizin sicherzustellen. Die 0 bzw. 5 Prozent-Regelung von Eurotransplant ist nicht nur unverbindlich, sie verstößt im oben dargelegten Umfang auch gegen Verfassungsrecht und europarechtliche Vorschriften.
II. Internationaler Austausch „überzähliger“ Organe Auch wenn in Zeiten chronischen Organmangels der Fall, dass in der Bundesrepublik bzw. im Eurotransplantverbund kein geeigneter Empfänger für ein Organ gefunden wird, ungleich seltener vorkommt als in der Tschechischen Republik, so stellt sich dennoch die Frage, wie nach den nationalstaatlichen Vorschriften in einem solchen Fall zu verfahren ist, um das Organ nicht ungenutzt zu lassen. 1. Regelungen in der Bundesrepublik Deutschland Weder das TPG noch die Allokationsrichtlinien gemäß Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 5 TPG der BÄK geben eine Antwort auf die Frage, wie mit Organen, welche zu Transplantationszwecken entnommen wurden, zu verfahren ist, wenn sich im Zuständigkeitsbereich von Eurotransplant kein geeigneter Empfänger findet.
257
Fischer, Rn. 357.
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a) Verfahren bei „überzähligen“ Organen im Eurotransplantverbund Gemäß § 7 des Vermittlungsstellenvertrages ist ET berechtigt, unter Beachtung von § 5 Abs. 3 des Vermittlungsstellenvertrages, auch außerhalb des Geltungsbereiches des TPG Organe anzubieten und dorthin zu vermitteln. Auf die schriftliche Anfrage bei Eurotransplant, wie im Falle eines Organs, für das sich kein geeigneter Empfänger im Eurotransplantverbund findet, verfahren wird, bekam die Verfasserin folgende Antwort: Wenn kein geeigneter Empfänger für ein solides Organ von guter/vernünftiger Qualität in der Eurotransplantregion gefunden wird, bietet Eurotransplant das Organ entsprechenden, für die Organvermittlung in den anderen europäischen Staaten zuständigen Organisationen im Rahmen logistischer Möglichkeiten (Entfernung, kalte Ischämiezeit) wie folgt an: 1. Zunächst für HU-Patienten, welche ET gemeldet wurden. 2. Organisationen aus dem „first circle“ um ET, welche ET besser bekannt sind: UK Transplant, Scandiatransplant, Swisstransplant, Frankreich (Agence de la Biomedecine, ABM), Italien (Centro Nationale Trapianti, CNT), Spanien (Organización Nacional de Trasplantes, ONT), Portugal (Organizac˛ão Portuguesa de Transplantac˛ão, OPT) und Griechenland. 3. Organisationen aus dem „second circle“ um ET oder zu denen ET weniger Kontakt hat: Türkei, Tschechische Republik, Slovakei, Polen, Ungarn, Baltische Staaten 4. In Ausnahmefällen und nur mit Genehmigung des ET-Direktors wird eine Niere auch außerhalb Europas angeboten. b) Angebote von Organen aus dem „ET-Ausland“ Aus rechtlicher Sicht weitaus problematischer ist ein Organangebot der oben aufgezeigten Organisationen an Eurotransplant und dessen Vermittlung in der Bundesrepublik. Aus § 12 Abs. 1 Satz 3 TPG geht hervor, dass Organe, welche außerhalb der Bundesrepublik entnommen wurden, nur dann in Deutschland vermittelt werden dürfen, wenn gewährleistet ist, dass die zum Schutz der Organempfänger erforderlichen Maßnahmen nach dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft durchgeführt werden. Darüber hinaus normiert § 12 Abs. 1 Satz 4 TPG den ordre publicVorbehalt.258 Folglich ist ein Import von Organen aus dem Ausland vom TPG vorgesehen. In § 6 Abs. 1 des Vermittlungsstellenvertrages wird ET 258
Vgl. dazu oben, Kapitel 2, B. I. 4. b) bb).
C. Ausgewählte Probleme mit grenzüberschreitendem Bezug
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verpflichtet, die für die Vermittlung von Organen nach den Vorschriften des TPG erforderlichen Daten und Angaben auch für die Organspenden aus dem Ausland zu erheben sowie die nach dem TPG und nach diesem Vertrag geltenden Vorschriften auf diese Organe anzuwenden. § 6 Abs. 2 des Vermittlungsstellenvertrages verbietet die Vermittlung von Organen, welche nicht entsprechend den Vorschriften des jeweiligen Landes entnommen wurden, nach Deutschland zu vermitteln. Gerade mit Blick auf den Schutz der Organempfänger muss Eurotransplant also sicherstellen, dass die nunmehr in der Richtlinie zu medizinischen Beurteilung von Organspendern und zur Konservierung von Spenderorganen gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 a und 4 b TPG festgelegten Untersuchungen stattgefunden haben. Problematisch erscheint mir aber, wie Eurotransplant sicherstellt, dass diese Untersuchungen den in Deutschland geltenden Standards entsprechend vorgenommen wurden. Dies zu erforschen wäre insbesondere unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten interessant, kann jedoch leider nicht im Rahmen dieser Dissertation erarbeitet werden. Der Vollständigkeit halber soll noch auf eine „Richtlinie“ der BÄK für die Transplantation außerhalb des ET-Bereichs entnommener Organe in Deutschland259, die anlässlich zahlreicher sog. Twinningverträge, welche zwischen einzelnen deutschen Transplantationszentren und osteuropäischen Transplantationseinrichtungen zum Zwecke der medizinischen, technischen und organisatorischen Unterstützung beim Aufbau des Transplantationswesens bestanden, erstellt wurde, hingewiesen werden. Dort heißt es unter anderem, dass auch überzählige Organe, welche in den Twinning-Einrichtungen entnommen werden, der Vermittlung durch Eurotransplant unterliegen. Ferner heißt es in der Richtlinie im Hinblick auf die Qualität und Sicherheit: „Die Todesfeststellung muss den Richtlinien der Bundesärztekammer entsprechen. Das jeweilige deutsche Zentrum ist in jedem einzelnen Fall dafür mitverantwortlich, dass die Richtlinien zur Todesfeststellung und die Richtlinien zum Schutz der Organempfänger eingehalten worden sind. Es muss hierfür die Qualität und die Plausibilität der Daten des einzelnen Spenders und des einzelnen Organs überprüfen. Dies ist praktisch nur möglich, wenn ein in der Explantation bewährter Arzt die Organentnahme vornimmt oder überwacht. Zur Vermittlung jedes einzelnen Organs in den ET-Bereich muss eine Erklärung der nationalen Transplantationorganisation vorliegen, dass es im Spenderland nicht transplantiert werden kann. Dann muss das Organ mit den üblichen Begleitpapieren bei Eurotransplant angemeldet werden und unterliegt den gleichen Verteilungs-Richtlinien wie jedes in Deutschland von einem Transplantationszentrum in einer Region postmortal entnommene Organ.“ 259 Richtlinien für die Transplantation außerhalb des ET-Bereichs postmortal entnommener Organe in Deutschland, DÄBl. 97, Heft 48, S. A-3290).
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Es wird deutlich, dass die Richtlinie speziell auf die Gewinnung von Organen im Rahmen von Twinning-Projekten zugeschnitten und als Handlungsanweisung für die Transplantationszentren gedacht ist, sich aber nicht an Eurotransplant richtet. Im Hinblick auf die oben gemachten Ausführungen sind es aber nicht die Transplantationszentren, welche für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben für die Vermittlungsentscheidung verantwortlich sind, sondern Eurotransplant. 2. Tschechische Republik In der Tschechischen Republik ist die internationale Zusammenarbeit zum Zwecke des Austauschs von Organen in den §§ 26 ff. TZ geregelt. Durch § 23 des Gesetzes zur Kontrolle des Handels mit Produkten, deren Besitz in der Tschechischen Republik aus Sicherheitsgründen eingeschränkt werden muss,260 welches am 16. Juni 2005 in Kraft trat, wurde ein neuer Absatz 3 in § 26 TZ und hinter § 26 die §§ 26 a bis g TZ eingefügt. Um eine optimale Effizienz und Qualität der nationalen Transplantationsprogramme zu gewährleisten, ist die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Gewebe- und Organtransplantation unerlässlich.261 Ziel der internationalen Zusammenarbeit soll laut der Gesetzesbegründung zum einen die Transparenz der jeweiligen Transplantationssysteme sein. Zu diesem Zweck sollen Informationen über die Ausgestaltung und Organisation frei zugänglich gemacht werden. Zum anderen sollen die den einzelnen Ländern zur Verfügung stehenden Ressourcen optimal genutzt werden. Das Erfordernis grenzüberschreitender Vernetzung der Transplantationssysteme wird z. B. deutlich, wenn der Gesundheitszustand eines Patienten besonders kritisch ist oder dieser seltene Gewebemerkmale aufweist und geeignetes Gewebe oder Organe im Inland nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen. Gerade bei der Knochenmarkspende ist eine Übereinstimmung der Gewebemerkmale unerlässlich, so dass die Suche geeigneter Spender auf einen möglichst weiten Bevölkerungskreis ausgedehnt werden sollte. Des Weiteren soll die Möglichkeit eröffnet werden, Organe und Gewebe, für die es im Inland keine geeigneten Empfänger gibt, Patienten außerhalb der Tschechischen Republik zugänglich zu machen.262
260 Zakon c. 238/2005 Sb ze dne 16. cervna 2005 o kontrole obchodu s vyrobky, jejichz drzeni se v Ceske republice omezuje z bezpecnostnich duvodu, a o zmene nekterych zakonu. 261 Parlement Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 42.
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a) Voraussetzungen für den internationalen Austausch von Gewebe oder Organen Voraussetzung für den internationalen Austausch von Gewebe oder Organen ist gemäß § 26 Abs. 1 TZ, dass sie der Auffindung des am besten geeigneten Empfängers oder der Abwendung unmittelbarer Lebensgefahr eines Wartelistenkandidaten dient. Darüber hinaus darf ein solcher Austausch nur auf Grundlage einer Mitgliedschaft in einer internationalen Transplantationsorganisation oder aufgrund internationaler Verträge erfolgen. Derzeit ist die Tschechische Republik weder Mitglied in einer solchen Organisation, noch bestehen entsprechende internationale Verträge. Die gesetzliche Verankerung der Möglichkeit einer Mitgliedschaft in einer internationalen Transplantationsorganisation sollte eine Mitgliedschaft der Tschechischen Republik im Eurotransplantverbund ermöglichen. Wie bereits an anderer Stelle dargelegt, hat das Gesundheitsministerium buchstäblich in letzter Minute von einer solchen Mitgliedschaft Abstand genommen.263 b) Angebot von Organen ins Ausland Die Zulässigkeit eines Angebots von Organen oder Gewebe ins Ausland setzt voraus, dass sich auf der Warteliste kein geeigneter Empfänger findet (vgl. § 26 Abs. 2 1. Halbsatz TZ), es sei denn, der Austausch erfolgt im Rahmen einer internationalen Transplantationsorganisation (vgl. § 26 Abs. 2 2. Halbsatz TZ). Auch an dieser Stelle wird nochmals deutlich, dass der tschechische Gesetzgeber den gesetzlichen Rahmen für eine Mitgliedschaft in einem Verbund wie z. B. Eurotransplant schaffen wollte. Der Blick auf den nun neu eingefügten Abs. 3 bestätigt dies. Dort wird die Möglichkeit eines Organangebots ins europäische Ausland erweitert. Ein Angebot ins Ausland ist zulässig, wenn das Gesundheitsministerium eine entsprechende Genehmigung gemäß § 26 a TZ erteilt hat. Voraussetzung für die Erteilung dieser Genehmigung ist auch hier, dass sich auf der Warteliste kein geeigneter Empfänger findet. Hinzu kommt, dass die Tschechische Republik weder aufgrund der Mitgliedschaft in einer internationalen Transplantationsorganisation noch aus einem internationalen Vertrag zum Angebot der Organe und Gewebe verpflichtet sein darf. Die erforderliche Genehmigung muss den Krankenhäusern erteilt werden. Sie ist 90 Tage im Voraus zu beantragen und gilt für ein Jahr. Bei Beantra262 Parlement Ceske Republiky, Poslanecka snemovna 2001, III. volebni obdobi, Vladni navrh 1053, Duvodova zprava, abgedruckt in: Ostrizek/Man/Schelle, Pravni uprava, S. 42. 263 Vgl. dazu oben, Kapitel 2, B. I. 4. a).
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gung der Genehmigung muss angegeben werden, in welche Länder ausgeführt werden soll, ebenso die Anzahl der Organe und Gewebe. Da man weder im Voraus weiß, wohin der Export erfolgen wird, noch welche Gewebe und Organe überzählig sind, geben viele Krankenhäuser als Länder z. B. alle Länder der EU oder Mitglieder der WHO an. Auch bei der Anzahl der Organe wird eine willkürliche Zahl gewählt. Das KST bestätigt dann lediglich in jedem Einzelfall, dass im Inland keine Verwendung für dieses Organ bzw. Gewebe besteht.264 Bislang wurde lediglich eine Leber nach Italien seit Bestehen des TZ exportiert.265 c) Annahme von Organen aus dem Ausland Die Voraussetzungen, unter denen ein Organangebot aus dem Ausland angenommen werden darf, sind in § 26 Abs. 4 TZ aufgelistet. Es muss sichergestellt sein, dass das Organ in einer zur Organentnahme autorisierten Einrichtung entnommen und gesundheitliche Eignung des Spenders festgestellt wurde und jederzeitiger Einblick in die entsprechenden Spender(kranken)akten und die Spendendokumentation möglich ist. Die Entnahme muss des Weiteren im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen des Ursprungslands durchgeführt worden sein. Einen ordre public-Vorbehalt266 kennt das TZ nicht. Im Hinblick auf die Feststellung der gesundheitlichen Eignung des Spenders bleibt anzumerken, dass allein die Ärzte in der Tschechischen Republik letztendlich über die Eignung befinden können. Die Ärzte des Ursprungslandes können in der Regel nur sicherstellen, dass alle Standarduntersuchungen durchgeführt wurden. Es liegt aber meist in der Natur der Sache, dass Organe mit erweiterten Spenderkriterien angeboten werden, da es aufgrund des chronischen Mangels an Spenderorganen in den europäischen Nachbarländern kaum „überzählige Organe bester Qualität“ geben dürfte.
264 Gesprächsinterview vom 21.05.2007 mit dem medizinischen Direktor und dem rechtlichen Berater des KST. 265 Gesprächsinterview vom 21.05.2007 mit dem medizinischen Direktor und dem rechtlichen Berater des KST. 266 Vgl. zur Terminologie oben, Kapitel 2, B. I. 4. b) bb).
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III. Doppellistung und gegenseitige Anrechnung von Wartezeit In der internationalen Transplantationsgemeinschaft (z. B. Expertengruppe des Europarates, Mitglieder des EOEO) herrscht Konsens darüber, dass es unethisch sei, wenn Patienten auf Wartelisten in mehreren Ländern registriert sind.267 Weder in Deutschland noch in der Tschechischen Republik ergibt sich aus dem jeweiligen Transplantationsgesetz, dass der Zugang zur Warteliste verweigert werden könnte, wenn feststeht, dass der Patient noch auf einer weiteren Warteliste in einem anderen Staat registriert ist.268 Zumindest in Deutschland besteht nach der derzeitigen Gesetzeslage keine Möglichkeit, einem Patienten den Zugang zur Warteliste zu versagen, selbst wenn er auf zehn weiteren Wartelisten außerhalb des Eurotransplantverbundes gelistet ist. Der Umstand einer anderweitigen Listung ist kein medizinisches Kriterium, so dass auch im Rahmen der Richtlinien der BÄK eine solche Regelung nicht zulässig wäre. Will der Gesetzgeber eine Doppellistung verhindern, so müsste er dies im TPG festschreiben. Ungeachtet dessen bestehen aber auch hinsichtlich der praktischen Durchsetzbarkeit erhebliche Bedenken. So lässt sich meines Erachtens nicht kontrollieren, ob eine anderweitige Registrierung vorliegt, da die ausländischen Register aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen nicht befugt sein dürften, Empfängerdaten an Dritte weiter zu geben. Hinzu kommt, dass, wenn man eine Mehrfachlistung untersagen will, sichergestellt sein müsste, dass Patienten, welche z. B. infolge eines Umzugs ins Ausland, sich in einem anderen Land registrieren lassen müssen, auch die Wartezeit in einem anderen Register angerechnet bekommen.
267
Vgl. Protokoll des EOEO Treffens vom 24.04.2007. Soweit der Bearbeiterin bekannt ist gibt es innerhalb der EU allein in Frankreich eine gesetzliche Regelung, welche die gleichzeitige Registrierung auf der Warteliste eines anderen Landes verbietet, sofern man auf die französische Warteliste möchte. Allerdings gibt es auch hier keine Möglichkeit dies zu verifizieren. 268
Schlussbetrachtung Gegenstand dieser Bearbeitung war die herkömmliche Transplantation, welche sich für eine Vielzahl von Patienten als Therapie der Wahl und heutzutage eine Standardbehandlung darstellt. Die Besonderheit dieser Therapieart ist das Erfordernis eines Spenderorgans. Dieses kann im Wege der postmortalen Organspende oder aber, insbesondere bei der Niere oder Leber, durch eine Lebendspende zur Verfügung gestellt werden. Der Spendermangel manifestiert sich in der traurigen Tatsache, dass jährlich 1000 Patienten, welche in Deutschland auf ein Spenderorgan warten, versterben. Die Hoffnung, dass die Einführung eines Transplantationsgesetzes im Jahr 1997 zu einer deutlichen Steigerung der Organspende führen würde, wurde enttäuscht. Die Steigerung der Organspendezahlen kann aber nur einen positiven Nebeneffekt eines Transplantationsgesetzes bilden. Hauptaufgabe des deutschen als auch des tschechischen Transplantationsgesetzes war es, Rechtssicherheit und damit einhergehend auch Transparenz im Bereich der Organspende und Transplantation herzustellen. Das Erfordernis eines Spenderorgans zwingt den jeweiligen Gesetzgeber zu einer Abwägung der Spender- und der Empfängerinteressen. Dies gilt sowohl für die postmortale als auch die Lebendspende. Aufgrund des großen Mangels an Spenderorganen müssen darüber hinaus die Interessen der um ein Spenderorgan konkurrierenden potentiellen Empfänger abgewogen werden. Die vorliegende Bearbeitung hat die Regelungskonzepte des deutschen und des tschechischen Transplantationsgesetzes daraufhin untersucht, welchen Weg der jeweilige Gesetzgeber gewählt hat, die erwähnten Interessen auszugleichen. Dabei ist zwischen der postmortalen und der Lebendspende zu differenzieren. In der europäischen Union herrscht Konsens darüber, dass für die postmortale Organentnahme die Zustimmung des Verstorbenen zu Lebzeiten oder der Angehörigen erforderlich ist. Um die Zustimmung des Verstorbenen zu erlangen, haben sich zwei Grundkonzepte herausgebildet. Die Zustimmungslösung und die Widerspruchslösung. Während die Widerspruchslösung die Zustimmung des Verstorbenen fingiert, sofern dieser zu Lebzeiten, entsprechend den nationalen Vorgaben, nicht widersprochen hat, ist nach der Zustimmungslösung die explizite Zustimmung zur Organspende erforderlich. Die Widerspruchslösung bürdet also jedem einzelnen die Verantwortung auf, sich gegen eine Organspende auszusprechen, sofern er eine postmortale Organentnahme nicht wünscht. Deutschland hat sich für eine erweiterte Zustimmungslösung entschieden, welche neben der
Schlussbetrachtung
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Zustimmung des Verstorbenen zu Lebzeiten auch die Zustimmung der Angehörigen für den Fall, dass der Verstorbene keine Willenserklärung abgegeben hat, ausreichen lässt. Der tschechische Gesetzgeber hingegen hat die strenge Widerspruchslösung gesetzlich verankert, welche den Angehörigen ein eigenes Widerspruchsrecht abspricht. Diese sind lediglich über die geplante Organentnahme zu informieren. Die strenge Widerspruchslösung überzeugt auf der gesetzgeberischen Ebene durch ihre Konsequenz und erscheint daher vorzugswürdig. Ungeachtet dessen ist aber festzustellen, dass in der Praxis weder in der Tschechischen Republik noch in anderen europäischen Ländern, welche die Widerspruchslösung gewählt haben, ein Widerspruch der Angehörigen unbeachtlich ist. Dadurch werden die konzeptionellen Unterschiede zwischen Widerspruchslösung und Zustimmungslösung weitestgehend eingeebnet. Änderungsbedarf besteht daher – entgegen anders lautenden Forderungen – in der Bundesrepublik nicht, zumal dafür auch der gesellschaftliche Konsens fehlen dürfte. Die rechtliche Ausgestaltung der Zustimmung zur postmortalen Organspende ist nur ein Teilaspekt bei der Frage, wie eine Steigerung der Organspende herbeigeführt werden kann. Der Fokus der Bemühungen sollte daher auf Erfüllung der Meldepflicht durch die Spenderkrankenhäuser, die Aufklärung der Bevölkerung und das Angehörigengespräch gelegt werden. Zweites zentrales Problem einer gesetzlichen Regelung der postmortalen Organspende ist die Verteilung der knappen Ressource Organ. Sowohl Deutschland als auch die Tschechische Republik haben eine bundeseinheitliche bzw. nationale Warteliste etabliert, um die Chancengleichheit der auf ein Organ wartenden Patienten zu erhöhen. Diese Chancengleichheit kommt aber nur den Patienten zu Gute, welche in die Warteliste aufgenommen werden. Insbesondere in der Tschechischen Republik erfolgt eine erhebliche Vorselektion, welche rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht immer gerecht wird. Die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine ablehnende Entscheidung über die Aufnahme in die Warteliste sind bescheiden. Insoweit sind beide zu vergleichenden gesetzlichen Regelungen defizitär. Gleiches gilt für die konkrete Allokation. Hauptproblem sind die mangelnde Transparenz und Kontrolle der Allokationsregeln. Beide Gesetzgeber begnügen sich damit, Chancengleichheit, Erfolgsaussicht und Dringlichkeit als Rahmen für die Erstellung von Allokationsregeln vorzugeben und unterlassen es dabei, den Zielkonflikt zwischen Erfolgsaussicht und Dringlichkeit aufzulösen. Damit scheitern beide parlamentarischen Gesetzgeber, einen rechtsstaatlichen Grundsätzen gerecht werdenden Interessenausgleich zwischen den um ein Spenderorgan konkurrierenden potentiellen Empfängern herzustellen. Bei der Ausgestaltung der Lebendspende sollen durch die gesetzlichen Regelungen die Interessen des Lebendspenders gegen die des Empfängers abgewogen werden. Die gesetzlichen Regelungen zur Lebendspende sind
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Schlussbetrachtung
allesamt als Beschränkungen der Lebendspende ausgestaltet. Sie dienen zum einen dem Schutz des Lebendspenders und sollen zudem verbotenem Organhandel entgegenwirken. Sie greifen damit in das Recht des Spenders auf allgemeine Handlungsfreiheit, welches über Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, sowie in die in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit ein. Aus diesem Grunde bedürfen der Subsidiaritätsgrundsatz, die Beschränkung des Empfängerkreises, das Erfordernis der Entscheidung einer Ethikkommission und das Verbot des Organhandels einer verfassungsmäßigen Rechtfertigung. Für Deutschland bleibt festzuhalten, dass die Regelungen in § 8 TPG einer Grundrechtsprüfung standhalten. Unterschiede in Deutschland und Tschechien bestehen gerade im Hinblick auf den zulässigen Empfängerkreis. Dieser ist in Deutschland auf Verwandte und Personen mit einem besonderen Näheverhältnis beschränkt. In jedem Fall ist eine gutachterliche Stellungnahme einer Ethikkommission erforderlich. In Tschechien hingegen ist lediglich eine anonyme Spende zugunsten eines dem Spender unbekannten Empfängers ausgeschlossen. Nur wenn kein Näheverhältnis vorliegt, ist eine Kommission hinzuzuziehen. Der kaum beschränkte Empfängerkreis erscheint bedenklich, da aus Sicht der Bearbeiterin nicht allzu viele Personen bereit sein dürften, ohne ein Näheverhältnis zum Spender zu unterhalten, eine Niere oder ein Stück ihrer Leber zu spenden. Die Vermutung liegt nahe, dass eine solche Spende gegen Entgelt oder unfreiwillig erfolgt und birgt daher eine nicht unerhebliche Gefahr des Organhandels in sich. Da Unfreiwilligkeit und Entgeltlichkeit auch im familiären Umfeld nicht ausgeschlossen werden können, sollte bei jeder Lebendspende eine Kommission verpflichtend hinzugezogen werden. Die Verfahrensausgestaltung der Hinzuziehung und Entscheidung einer Kommission kann in beiden Ländern verbessert werden. Die aktuellen Entwicklungen auf der europäischen Ebene im Hinblick auf die Organspende und Transplantation zum Anlass nehmend, wurde in Kapitel 5 die Regelungskompetenz der EU in diesem Bereich untersucht. Nach Ansicht der Verfasserin ist die Kompetenz, zumindest was verbindliche Regelungen anbelangt, sehr beschränkt und das Erfordernis einer europäischen Regelung mangels transnationaler Relevanz eher zweifelhaft. Allenfalls Maßnahmen, welche die Aufklärung über und Steigerung der Organspende bezwecken, sind zu befürworten. Ebensowenig kann der Zugang von Fremdpatienten (Non-Residents) zur Warteliste auf europäischer Ebene gelöst werden. Regelungen, welche den Zugang von Non-Residents zur Transplantationsmedizin beschränken, sind allerdings nicht nur an den nationalen Verfassungen zu messen, sondern unterliegen auch Einschränkungen durch europäisches Primär- und Sekundärrecht. Aus diesem Grund scheidet ein genereller Ausschluss von Non-Residents von der Transplantationsmedizin sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene am
Schlussbetrachtung
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Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es ist in jedem Fall die Behandlung hochdringlicher Patienten zu gewährleisten. Allenfalls wenn nicht unmittelbare Lebensgefahr droht, ist eine nur nachrangige Berücksichtigung von Non-Residents bei der konkreten Allokation vertretbar.
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Sachwortverzeichnis 5-Prozent-Klausel 359 AB0-inkompatible Nierenlebendspende 58 Absolute Kontraindikationen 70, 74–75 Alliance-O 108 Allokation 164, 176, 280, 283, 330 Allokationskriterien 330 Allokationsregeln 283–284 anencephale Neugeborene 43 anonyme Lebendspende 296 Anonymität zwischen Spender und Empfänger 204, 262 Apalliker 43 Aufklärung 206 Aufnahme auf die Warteliste 112, 166–168, 170–171 Aufwandserstattung 106–108, 128, 318 Ausführungsgesetze 92, 232 Austausch überzähliger Organe 397 autologe Transplantation 90 BÄK 195 Bedingte Zustimmung 157, 160 Biomedizinkonvention 347 Blutgruppenkompatibilität 178, 190 Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung 114 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 124 Child-Pugh-Turcotte-Scoring-System 166, 186 ChildTurcottePughScoringSystem 186 Compliance 174
Deutsche Stiftung Organtransplantation 117, 308 Dialyse 32 Diskriminierungsverbot 161 dissoziierten Hirntod 42 Dokumentation 257 Dominospende 241–242, 244 Dominotransplantation 67, 241, 300 Dringlichkeit 177, 197–199, 331 Einwilligung 146 Empfängerindikation 210 Empfängerkreis 216–217, 219, 221, 224, 293, 332 Erfolgsaussicht 172, 177, 197–199, 331 ergänzende Zuständigkeit 338 Erklärungsmodell 326 erweiterte Spenderkriterien 74, 76, 111 erweiterte Zustimmungslösung 312 Ethikkommission 294, 297 Ethikrat 105, 107, 327–328 ET-Manual 177 Europäisches Parlament 26, 336–337 Europarat 347 European organ exchange organisations (EOEO) 353 European Transplant Network (ETN) 354 Eurotransplant International Foundation 125 Eurotransplant Senior Program (ESP) 129 Euthanasie 52 Expertenkomitee des Europarates 348
Sachwortverzeichnis Finanzielle und versicherungsrechtliche Absicherung des Spenders 236 Finanzierung der Lebendspende 299 Follow-up 81, 265 Forschung 159, 278 Freiwilligkeit 225, 233, 333 Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit 211, 292 Fremdpatienten 356, 377, 382 Gemeinschaftsaufgabe 100, 101, 309 Gesamthirntod 39, 41–42, 138–140 Gesetzliche Unfallversicherung 238 Gesetzliche Krankenversicherung 237 Gewebeeinrichtung 90 Gewebegesetz 88 Geweberichtlinie 345 Guide to safety and quality 348 Hämodialyse 31–32 Heart-Beating-Donor 35, 44 Herzkreislauftod 39 Hirnstammtod 43 Hirntod 266 Hirntoddebatte 36, 39, 139 Hirntodkonzept 36, 38–39, 41 HumanenLeukozytenAntigenen (HLA) 180 Immunsuppression 83–84 Immunsuppressiva 81, 84 Informationslösung 326 informierte Einwilligung 206, 289 Ischämie 27, 45, 48, 50, 52, 79 Kommission 231, 233–234, 298, 333 Kommissionsentscheidung 298, 333 Kontrollregime 131, 133 Konversionsrate 319 Koordinacni stredisko transplantaci (KST) 252
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Koordinierungszentrum für Transplantation 252 Kosten 62 KST 252–253, 308 Länderaustauschbilanzen 183, 201 Landesausführungsgesetze 91 Lebendspende 55–56, 59, 61, 63, 67, 205, 289, 295, 332 Lebendspendekommission 333 Lebendspenderregister 206 Leberallokation 287 Leberteil-Lebendspende 66 Lebertransplantation 33, 82 Maastricht Kategorien 44 Maastricht Kategorie I 48 Maastricht Kategorie II 48, 269, 311 Maastricht Kategorie III 52 Maastricht Kategorie IV 53 Maastricht Protokoll 46–47, 49 marginale Organe 74, 76 Meldepflicht 103 MELDScore 166, 186 Mismatchprobability 182 Multiorganentnahme 78, 256 Näheverhältnis 224, 294, 333 Nationales Empfängerregister 253, 265 Nationales Register der Personen, welche der postmortalen Entnahme von Geweben und Organen nicht zustimmen (NROD) 265 Nationales Spenderregister 253, 264 Nationales Warteregister 253, 264 Nierenallokation 285 Nierenersatztherapie 31 Nierenlebendspende 65 Nierentransplantation 31, 81 Non-Heart-Beating-Donor 35, 44–46, 143, 268, 311, 334
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Sachwortverzeichnis
Non-Resident 356, 359, 360–361, 365–366, 374, 382–385, 388 No-Touch-Phase 45, 49 Obduktion 80 opting out 50, 312 Ordre public Vorbehalt 137, 398, 402 Organentnahme 77 Organentnahme bei Ausländern 275 Organhandel 229, 231, 234, 307 Organprotektive Therapie 71 Organspendeausweis 147 patientenorientierte Allokation 123, 196 Peritonealdialyse 31–32 postmortales Persönlichkeitsrecht 145 presumed consent 50, 312 Punktesystem 180 Qualitätssicherung 114, 208 Rechtsetzungskompetenz der europäischen Union 336, 367 Rechtsschutz 110, 134–135, 171 Register 114, 264, 355 relative Kontraindikationen 74–75 Rescue-Allokation 130 Richtlinien 97 Scandiatransplant 362 Schutzpflicht 364 Selbstbehaltsverfahren 195 Selbstbestimmungsrecht 323–325 Selbstverwaltung 195 Spenderindikation 208 Spenderkrankenhäuser 102, 254–255 Spendermeldung 255–256 Sterbeprozess 36, 40–42, 44 Subsidiaritätsgrundsatz 211–213, 215, 292, 339, 342
Teilhirntod 35, 39, 43–44 Totensorgerecht 150, 153 Transplantationsbeauftrage 92, 105 Transplantationskoordinatoren 91 Transplantationszentren 108, 263 Twinningverträge 399 Überkreuz-Lebendspende 226–228, 307 Überwachungskommission 132 Unentgeltlichkeit 333 UNOS 362 verfassungsrechtliche Legitimation 131 Vermittlungsmonopol 130 Vermittlungsregeln 192, 194 Vermittlungsstelle 125 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 389 Versorgungsauftrag 92 Verteilungskriterien 193 VO (EG) Nr. 883/2004 389–391, 393 VO (EWG) Nr. 1408/71 389–391, 393, 397 Warteliste 167, 280–281, 330 Wartezeit 182, 189 Wesentlichkeitstheorie 200, 367 WHO 352 Widerspruch unter auflösender Bedingung 278 Widerspruchslösung 51, 269, 278, 312, 315–317, 319–320, 322, 328–329 Widerspruchsregister 265, 270–271 Xenotransplantation 31, 35, 90 Zelltod 39 Zentrumsprofil 111, 169 Zustimmungslösung 145, 311–312, 314, 317, 320–321, 329