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German Pages 180 [181] Year 2003
VOLKER SCHUMACHER
Rechtsfragen der sozialen Bemessung von kommunalen Gebühren
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 933
Rechtsfragen der sozialen Bemessung von kommunalen Gebühren
Von Volker Schumacher
Duncker & Humblot • Berlin
Die Juristische Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Jahre 2001/2002 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten © 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428- 10949-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©
Vorwort Die Dissertation ist im Sommersemester 2001 an der juristischen Fakultät der Universität zu Köln angenommen worden. Das Promotionsverfahren habe ich im Februar 2002 beendet und konnte Literatur und Rechtsprechung bis zum Sommer 2002 berücksichtigen. Ich möchte meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Höfling herzlichst danken. Er hat mir die Anregung zu diesem Thema gegeben und bei der Ausarbeitung jeden wissenschaftlichen Freiraum gelassen. Herrn Prof. Dr. Schmitt-Kammler danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Großen Dank schulde ich meinen Eltern Hildegard und Werner Schumacher. Ohne ihre Unterstützung wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Meinem Vater danke ich besonders für das Korrekturlesen. Meinem Bruder Jörg, der mir auch viel geholfen hat, wünsche ich jetzt viel Glück für seine eigene Dissertation. Größter Dank gilt meiner Freundin Eva-Katharina Lindenau. Ihr ist die Arbeit gewidmet. Hamburg im September 2002
Volker Schumacher
Inhaltsverzeichnis Einleitung
15 Teil 1 Grundlagen
A. Die I. II. III.
Funktionen kommunaler Gebühren Kommunale Gebühren als Finanzierungsinstrument Berücksichtigung außerfiskalischer Zwecke durch Gebühren Sozialförderung durch Gebühren 1. Sozialförderung durch Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit 2. Wirkungen leistungsfähigkeitsbezogener Tarife 3. Soziale Staffellungen in der kommunalen Gebührenpraxis
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B. Historisch-finanzwissenschaftliche Grundlagen der sozialen Funktion von Abgaben I. Steuern 1. Merkantilismus und Liberalismus 2. Anfänge eines sozialen Steuerrechts Ende des 19. Jahrhunderts 3. Finanzwissenschaft des 20. Jahrhunderts II. Gebühren 1. Ältere Finanzwissenschaft 2. Moderne Finanzwissenschaft
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C. Entwicklung des Meinungsstandes zu sozialen Gebührentarifen in der Rechtswissenschaft I. Ältere rechtswissenschaftliche Stellungnahmen II. Neuere Diskussion
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Teil 2 Verfassungsrechtliche Grenzen A. Kompetenzielle Grenzen I. Kompetenzielle Anforderungen an lenkende Gebühren 1. Gebührenkompetenz als Annexkompetenz 2. Erfordernis der Sachkompetenz a) Keine zusätzliche Sachkompetenz erforderlich b) „These der Kompetenzakzessorietät" c) Sachkompetenz aus der Summe aller Kompetenzen II. Kompetenzielle Grenzen einer kommunalen Sozialförderung durch Gebühren.
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Inhaltsverzeichnis
8 1. 2. 3. 4.
Erfordernis der Örtlichkeit der Angelegenheit Sozialpolitische Maßnahmen als örtliche Angelegenheiten Soziale Gebtihrenstaffelung als örtliche Angelegenheit Sperrwirkung durch Bundesrecht?
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B. Grenzen aus dem Begriff der Gebühr I. Notwendigkeit eines verfassungsrechtlichen Gebührenbegriffs II. Gewinnung des Gebührenbegriffs aus dem Steuerbegriff III. Formeller oder Materieller Gebührenbegriff 1. Formeller Gebührenbegriff 2. Materieller Gebührenbegriff 3. Gebührenbegriffe in der höchstrichterlichen Rechtsprechung a) Gebührenbegriff des Bundesverfassungsgerichts b) Gebührenbegriff des Bundesverwaltungsgerichts 4. Stellungnahme 5. Konsequenz für Sozialtarife
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C. Grenzen aus verfassungsrechtlichen Bemessungsprinzipien I. Äquivalenzprinzip 1. Historische Grundlagen 2. Rechtliche Inhalte und dogmatische Ableitung a) Äquivalenzprinzip in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts b) Äquivalenzprinzip in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aa) Ablehnung des Äquivalenzprinzips bb) Rückgriff auf allgemeine Verfassungsgrundsätze c) Literatur und verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung aa) Verfassungsrang des Äquivalenzprinzips bb) Ablehnung des Äquivalenzprinzips d) Stellungnahme zum Verfassungsrang des Prinzips 3. Konsequenzen für Sozialtarife II. Kostendeckungsprinzip 1. Historische Grundlagen 2. Verfassungsrechtliche Inhalte und Herleitung a) Höchstrichterliche Rechtsprechung b) Literatur und verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung aa) Verfassungsrang des Kostendeckungsprinzips bb) Ablehnung des Verfassungsrangs 3. Stellungnahme 4. Konsequenzen für Sozialtarife III. Prinzip der speziellen Engeltlichkeit 1. Inhalte und Terminologie 2. Historische Grundlagen 3. Ansichten zum Verfassungsrang des Grundsatzes a) Keine verfassungsrechtliche Geltung des Prinzips b) Anerkennung des Verfassungsrangs c) Stellungnahme
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Inhaltsverzeichnis 4. Konsequenzen für Sozialtarife D. Grenzen aus dem Gleichheitssatz I. Inhaltliche Anforderungen und dogmatische Struktur des Gleichheitssatzes ... 1. Vom Willkürverbot zur „neuen Formel" 2. Anwendungsbereiche der „neuen Formel" a) Beibehalten der Willkürformel b) Kriterien für die erhöhte Kontrolldichte aa) Allgemeine Kriterien (1) Ungleichbehandlung von Personen statt Sachverhalten (2) Freiheitsbeeinträchtigung durch Ungleichbehandlung (3) Interne und externe Zwecke als Abgrenzungskriterium bb) Bereichsspezifische Anforderungen (1) Art. 3 Abs. 1 GG im Steuerrecht (2) Art. 3 Abs. 1 GG im Gebührenrecht (a) Art. 3 GG und das Verhältnis der Gebührenhöhe zur Leistung (b) Art. 3 und das Verhältnis der Gebührenschuldner untereinander (c) Grundsatz der Abgabengerechtigkeit 3. Dogmatische Struktur des Gleichheitssatzes a) Anpassung in die zweigliedrige Struktur b) Übertragung der Eingriffsdogmatik c) Stellungnahme 4. Ergebnis für die weitere gleichheitsrechtliche Untersuchung II. Der Gleichheitssatz und soziale Ermäßigungen 1. Ziele sozialer Ermäßigungen 2. Legitimation durch das Sozialstaatsprinzip a) Die Staatszielbestimmung Sozialstaatsprinzip und Art. 3 Abs. 1 GG b) Inhalt des Sozialstaatsprinzips c) Sozialstaatsprinzip im Steuerrecht d) Sozialstaatsprinzip im Gebührenrecht aa) Rechtfertigung von Sozialtarifen bb) Einschränkung der Rechtfertigung auf „sozialstaatliche Leistungen"? cc) Anspruch auf soziale Staffelung? 3. Legitimation von Sozialstaffelungen durch Art. 6 Abs. 1 GG 4. Abwägung der sozialen Ziele gegen die Ungleichbehandlung 5. Ergebnis III. Der Gleichheitssatz und sozialmotivierte Erhöhungen 1. Ungleichbehandlung leistungsstarker Gebührenschuldner 2. Rechtfertigung a) Die besondere Verantwortlichkeit einzelner Abgabenpflichtiger b) Verantwortlichkeit leistungsstarker Gebührenschuldner? 3. Ergebnis IV. Art. 3 Abs. 1 GG und die Ausgestaltung sozialer Ermäßigungen 1. Konflikt zwischen Einzelfallgerechtigkeit und Typengerechtigkeit bei Sozialtarifen
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Inhaltsverzeichnis 2. Anforderungen für die Rechtfertigung von Typisierungen 3. Einkommensabhängige Sozialtarife a) Einkommen als Indikator für die Leistungsfähigkeit b) Ausgaben zur Erzielung der Einkünfte c) Berücksichtigung von Verlusten d) Abzugsfähigkeit von Unterhaltslasten e) Abzug von Vorsorgeaufwendungen f) Abzug der auf das Einkommen entrichteten Steuern g) Zwischenergebnis Einkommensbegriff h) Einkommensermittlung in subjektiver Hinsicht i) Höhe der einzelnen Tarife 4. Ermäßigungen für bestimmte Gruppen von Gebührenpflichtigen a) Aus Praktikabilitätsgründen b) Aufgrund anderer „sozialpolitischer" Zielsetzungen 5. Ergebnis
E. Sonstige verfassungsrechtliche Fragen I. Sozialtarife und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung II. Sozialtarife und Parlamentsvorbehalt
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Teil 3 Einfachgesetzliche Grenzen A. Bundesrechtliche Vorgaben I. § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII 1. Entstehungsgeschichte 2. Gesetzgebungskompetenz des Bundes 3. Teilnehmerbeiträge und Gebühren 4. Bemessungsgrundlage 5. Beurteilung der Norm II. Abschließende Sozialförderung durch Bundesrecht
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B. Landesrechtliche Vorgaben I. Soziale Bemessungsmöglichkeiten nach dem Kommunalabgabengesetz 1. Begriff der Gebühr a) Trennung von Benutzungs-und Verwaltungsgebühren b) Kommunalabgabengesetzlicher Gebührenbegriff und Sozialtarife 2. Benutzungsgebühren a) § 6 Abs. 3 Satz 3 KAG NW - Der Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit b) Ausnahmenregelungen zu §6 Abs. 3 Satz 1 KAG NW c) § 6 Abs. 3 Satz 1 KAG NW und der historische Kontext d) Gewohnheitsrechtliche Rechtfertigung von Ermäßigungen e) Rechtslage in anderen Bundesländern 3. Privatrechtliche Entgelte 4. Verwaltungsgebühren 5. Änderungsvorschäge zum KAG
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Inhaltsverzeichnis II. Soziale Bemessung der Elternbeiträge nach dem Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder 1. Rechtsnatur der Elternbeiträge a) Rechtslage nach § 14 Kindergartengesetz NW b) Eltembeitrag nach § 17 GTK NW - Gebühr oder Abgabe sui generis ... 2. Inhaltliche Ausgestaltung der sozialen Gebührenbemessung nach § 17 GTK NW a) Regelungen zur Bemessungsgrundlage b) Verfahren zur Ermittlung des Elterneinkommens c) Beurteilung der Regelungen in § 17 GTK NW
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Zusammenfassung der Ergebnisse
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Literaturverzeichnis
164
Sachwortverzeichnis
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Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen Abs. AfK Anm. AO AöR BAFöG BauR Bay BayVBl BB Bd BErzGG BGH BGHZ BK BKGG Brem Bspw. BT Buchholz BVerfGE BVerwGE BW DB DemG Ders. DGStZ DÖV DV DVB1 EStG ESVGH Etc FEVS FinArch FS
Absatz Archiv für Kommunalwissenschaft Anmerkung Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Bundesausbildungsförderungsgesetz Baurecht Bayern, bayerisch Bayrische Verwaltungsblätter Betriebs-Berater Band Bundeserziehungsgeldgesetz Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bonner Kommentar zum Grundgesetz Bundeskindergeldgesetz Bremen, bremisch Beispielsweise Bundestag Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, herausgegeben von K. Buchholz Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Baden-Württemberg, baden-württembergisch Der Betrieb Die Demokratische Gemeinde Derselbe Deutsche Gemeinde Steuer Zeitung Die öffentliche Verwaltung Die Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Einkommensteuergesetz Entscheidungssammlung des Hessischen und des Baden-Württembergischen Verwaltungsgerichtshofs Et cetera Fürsorgerechtliche Entscheidungen der Verwaltungs- und Sozialgerichte Finanz Archiv Festschrift, Festgabe
Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen GemH GG GO GS GTK H/H/Sp Hamb HdBFinW HdBW HdWStRW Hess HKWP HStR HVerfR i.V. m. JA Jura JurAn JuS JZ KAG KB KJHG KStZ LPK LT m. w. N. M/D/H MDR MP Nds NdsVbl NF NJW NuR NVwZ NW NWVB1 OVG OVGE
Pr PrOVGE PrVBl RAO
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Der Gemeinde Haushalt Grundgesetz Gemeindeordnung Gedächtnisschrift Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder Hepp/Hübschmann/Spitaler: Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar Hamburg, hamburgerisch Handbuch der Finanzwissenschaft Handbuch der Wirtschaftswissenschaft Handwörterbuch der Staatsrechtswissenschaften Hessen, hessisch Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis Handbuch des Staatsrechts Handbuch des Verfassungsrechts in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Juristische Ausbildung Juristische Analysen Juristische Schulung Juristenzeitung Kommunalabgabengesetz Kommunalpolitische Blätter Kinder- und Jugendhilfegesetz Kommunale Steuer-Zeitschrift Lehr- und Praxis Kommentar zum SGB VIII Landtag mit weiteren Nachweisen Maunz/Dürig/Herzog: Kommentar zum Grundgesetz Monatsschrift für Deutsches Recht Mecklenburg-Vorpommern, mecklenburg-vorpommerisch Niedersachsen, niedersächsisch Niedersächsische Verwaltungsblätter Neue Folge Neue Juristische Wochenschrift Natur und Recht Neue Verwaltungsrechts Zeitung Nordrhein-Westfalen, nordrhein-westfälisch Nordrhein-westfälische Verwaltungsblätter Oberverwaltungsgericht Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster sowie für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg Preußen, preußisch Entscheidungen des preußischen Oberverwaltungsgerichts Preußische Verwaltungsblätter Reichsabgabenordnung
14 Rdn. RP RR Saarl Sächs SachsAnh S-B/K SGB SH St. Rspr. StG StGH StuW Thür UPR Verf VerwArch VerwRspr. VG VGH Vgl. vM/K vM/K/P vM/K/S Vor. VVDStlR VWB1BW WiVerw W/M/O/S WohnGG WuR ZfJ ZfSH ZKF
Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen Randnummer Rheinland-Pfalz, rheinland-pfälzisch Rechtsprechungsreport Saarland, saarländisch Sächsisch Sachsen-Anhalt, sachsen-anhaltinisch Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz Sozialgesetzbuch Schleswig Holstein, schleswig-holsteinisch Ständige Rechtsprechung Der Städte und Gemeindetag Staatsgerichtshof Steuer und Wirtschaft Thüringen, thüringisch Umwelt- und Planungsrecht Verfassung Verwaltungsarchiv Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Vergleiche von Münch/Kunig: Grundgesetzkommentar von Mangold/Klein/Pestalozza: Das Bonner Grundgesetz, Kommentar. Band 8: Art. 70-75 GG von Mangold/Klein/Stark: Das Bonner Grundgesetz, Kommentar. Band 1: Art. 1-19 GG Vorbemerkung Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsblätter Baden-Württemberg Wirtschaft und Verwaltung Wiesner/Morsberger/Oberkamp/Struck, Sozialgesetzbuch VIII Kinder- und Jugendhilferecht Wohngeldgesetz Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrecht Zentralblatt für Jugendrecht Zeitschrift für Sozialhilfe Zeitschrift für Kommunalfinanzen
Einleitung Sozialförderung ist ein Grundanliegen staatlicher Politik und Rechtsetzung. Trotz leerer öffentlicher Kassen hat die Profilierung durch engagierte Sozialpolitik im Kampf um Wählerstimmen erheblich an Bedeutung gewonnen. Kaum eine Partei hat sich nicht ein „Mehr" an sozialer Gerechtigkeit auf ihre Fahne geschrieben. Dementsprechend wird zur Verwirklichung sozialpolitischer Vorstellungen auf Bundes-, Landes- aber auch Gemeindeebene recht beachtliche Aktivität entfaltet. Eine Maßnahme der kommunalen Sozialpolitik ist es, die kommunalen Gebühren nach der Leistungsfähigkeit der Abgabepflichtigen zu bemessen. Diese Indienstnahme des Gebührenwesens für soziale Zwecke diskutieren die Rechtsprechung und das Schrifttum schon seit mehr als hundert Jahren. Obgleich es sich um einen Dauerbrenner des Gebührenrechts handelt, sind die Ansichten aber keinesfalls festgefahren. Gerade im letzten Jahrzehnt ist auf diesem Gebiet einiges in Bewegung geraten. Die kommunale Praxis zu einer einkommensabhängigen Staffelung der Kindergartengebühren wurde durch § 90 SGB VIII und die entsprechenden Kindergartengesetze der Länder in Gesetzesform gegossen. Das hat wiederum zu einer Flut von Entscheidungen geführt. Lehnte die Rechtsprechung noch zu Ende der achtziger Jahre einkommensabhängige Gebührentarife überwiegend ab, so wird die Zulässigkeit derartiger Vergünstigungen heute zumeist grundsätzlich bejaht. Selbst das Bundesverfassungsgericht hat unlängst in diese Richtung Stellung bezogen. Ungeachtet einer sich formierenden herrschenden Meinung für einkommensabhängige Kindergartengebühren bleiben jedoch viele Einzelfragen unbeantwortet. Dies mag daran liegen, daß die rechtlichen Probleme sozialer Gebührenstaffelungen äußerst vielschichtig sind. Sie verschärfen sich zudem auf kommunaler Ebene. Die Gemeinden sind bei der Gebührenerhebung nicht nur an verfassungsrechtliche Vorgaben gebunden, sondern haben überdies bundes- und landesrechtliche Vorschriften zu beachten, mit denen das kommunale Gebührenrecht weiter ausgestaltet wird. Insgesamt muß man feststellen, daß es an umfassenden Untersuchungen fehlt, die auf sämtliche Aspekte einer sozialen Bemessung kommunaler Gebühren eingehen und der neueren Entwicklungen in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur Rechnung tragen. Mit der vorliegenden Arbeit soll diese Lücke geschlossen werden. Der Gang der nachfolgenden Untersuchung ist dadurch bestimmt, daß für die Zulässigkeit kommunaler Gebührenstaffelungen sowohl das Grundgesetz als auch bundesrechtliche Sozialgesetze und die Kommunalabgaben- und Kindergartengesetze der Länder eine Rolle spielen. Es wird deswegen zwischen verfassungsrecht-
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Einleitung
liehen und einfachgesetzlichen Grenzen kommunaler Handlungsspielräume getrennt. Den Schwerpunkt der Arbeit bilden die verfassungsrechtlichen Fragen. Von diesen ausgehend wird zunächst untersucht, ob die Kommunen überhaupt die Kompetenz für eine sozialpolitisch motivierte Bemessung ihrer Gebühren besitzen. Danach wird erläutert, ob sich eine soziale Tarifgestaltung in den Grenzen hält, die das Grundgesetz für die Gebührenbemessung zieht. Zu klären ist dabei, inwieweit der Gebührenbegriff und etwaige Gebührenbemessungsprinzipien Verfassungsrang beanspruchen können und einer sozialen Ausgestaltung der Abgabe entgegenstehen. Dem folgt eine Auseinandersetzung mit der Frage, inwiefern der Gleichheitssatz die Gewährung und Ausgestaltung sozialer Gebührentarife beschränkt. In diesem Zusammenhang wird auch auf die neueren Entwicklungen der Gleichheitsdogmatik eingegangen. Bei der hieran anschließenden Untersuchung der einfachgesetzlichen Grenzen wird zunächst auf § 90 SGB VIII eingegangen und geklärt, ob andere bundesrechtliche Sozialgesetze implizite Beschränkungen für kommunale Sozialtarife beinhalten. Im Rahmen der landesrechtlichen Vorgaben bleibt zu untersuchen, in welchem Maße das Kommunalabgabengesetz NW eine soziale Gebührenbemessung zuläßt. Zum Ende der Arbeit wird noch die Sonderregelung des § 17 GTK NW näher beleuchtet. Bevor jedoch auf diese rechtlichen Fragestellungen eingegangen wird, soll ein Grundlagenteil aufzeigen, daß kommunale Gebühren in erster Linie ein Finanzierungsinstrument sind, jedoch durch entsprechende Ausgestaltung ihres Tarifs als Mittel der Sach- und Sozialpolitik eingesetzt werden können. Darüber hinaus werden die historischen Grundlagen eines sozialen Abgabenwesens betrachtet und die Entwicklungen des Meinungsstandes zu sozialen Gebührentarifen dargestellt.
Teil 1
Grundlagen A. Die Funktionen kommunaler Gebühren I. Kommunale Gebühren als Finanzierungsinstrument Kommunale Leistungen werden von uns jeden Tag wahrgenommen. Die Wasserversorgung und Müllentsorgung, der Betrieb der Straßenbahn, das Unterhalten von Kindergärten, Schwimmbädern, Bibliotheken, Theatern und Museen ist eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, für deren Erfüllung die Gemeinde verantwortlich ist. Zur Bewältigung dieser vielfältigen Aufgaben muß die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gemeinden sichergestellt sein. Die Selbstverwaltungsgarantie in Art. 28 Abs. 2 GG beinhaltet daher nach überwiegender Auffassung ein Recht auf angemessene Finanzausstattung.1 Das Grundgesetz trägt dem Finanzbedarf der Gemeinden darüber hinaus Rechnung, indem es ihnen an anderer Stelle diverse Einnahmen garantiert. Art. 106 Abs. 5 und 5 a und auch Abs. 7 GG beteiligen die Gemeinden beispielsweise am Ertrag der Einkommens- und Umsatzsteuer. Art. 106 Abs. 6 GG weist ihnen das Aufkommen aus den Realsteuern sogar alleinig zu und verleiht ihnen zusätzlich ein Hebesatzrecht.2 Es bestehen aber nicht nur diese verfassungsrechtlich verbürgten Finanzgarantien. Die Länder haben den Kommunen zudem das Recht eingeräumt, ihre Aufgaben auch über eigene Abgaben zu finanzieren. 3 In den von ihnen geschaffenen Kom1 Vgl. bspw., Jarass/Pieroth-Pieroth, Art. 28 GG Rdn. 14; Gern, Rdn. 661; Stober, S. 83 f; Winands, JuS 1986, 942f; Brinkmeier, S. 5; P. Kirchhof, HKWP VI, S. 1 ff, offengelassen in BVerfGE 83, 363 (386); 71,25 (36f); vgl. auch NdsStGH, DÖV 1998, 382ff; 1995,994ff, wo betont wird, daß ein solches Recht zumindest aus Art. 57 Abs. 4, 58 NdsVerf. folgt. 2 Der durch Änderungsgesetz vom 4.8.1997 eingefügte Art. 28 Abs. 2 S. 3 HS. 2 GG garantiert nunmehr, daß den Gemeinden jedenfalls eine wirtschaftsbezogene, mit Hebesatzrecht ausgestattete Steuerquelle zur Verfügung stehen muß. Ein neuerfinanzverfassungsrechtlicher Tatbestand ist hierdurch allerdings nicht geschaffen worden, vgl. Sachs-Niehaus, Art. 28 GG Rdn. 70; Maunz/Dürig/Herzog-Scholz, Art. 28 GG Rdn. 84 d; von Münch/Kunig-Löwer, Art. 28 GG Rdn. 88 ff. 3 Vereinzelt wird angenommen, ein solches Recht folge nicht erst aufgrund staatlicher Verleihung, sondern bereits direkt aus Art. 28 Abs. 2 GG, vgl. Holzkämper, S. 8 m. w. N.; Tiedemann, DÖV 1990,1 (7); Mohl, S. 47 ff. Begründet wird dies damit, daß von einer durch Art. 28 Abs. 2 GG verbürgten eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung nur die Rede sein könne,
2 Schumacher
Teil 1: Grundlagen
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munalabgabengesetzen werden die Kommunen ermächtigt, Steuern, Gebühren und Beiträge zu erheben. Die Gebühr ist als Einnahmequelle für die Kommunen von erheblicher Bedeutung. Ihr Anteil am kommunalen Haushalt ist in den alten Bundesländern stetig auf derzeit über 15 % angewachsen. In den neuen Ländern liegt er bei etwa 10 %, wobei auch hier die Tendenz steigend ist. 4 Die gewachsene Beliebtheit als Finanzierungsmittel erklärt sich dadurch, daß die Gebühr gegenüber den anderen kommunalen Abgaben manchen Vorteil für sich beanspruchen kann. 5 I m Gegensatz zur Steuer ist die Gebühr weitgehend konjunkturunempfindlich. 6 Benutzungsgebühren können deswegen selbst in schwierigen Zeiten den Bestand kommunaler Einrichtungen sichern. Die Gebühr ist auch den kommunalen Beiträgen überlegen. Der Beitrag erscheint wegen seiner Einmaligkeit für die Finanzierung kommunaler Aufgaben oft wenig attraktiv. 7
II. Berücksichtigung außerfiskalischer Zwecke durch Gebühren Die Gebühr ist aber nicht nur Finanzierungsinstrument. M i t der Abgabe lassen sich auch sachpolitische Ziele verfolgen, indem man ihre Bemessung entsprechend ausgestaltet. Die außerfiskalischen Zwecke, denen die Gebühr dienen kann, sind dabei recht unterschiedlich. 8 Beispielsweise kann durch Einheimischenabschläge und wenn die Kommunen auch das Recht besäßen, diese Aufgaben durch eigene Abgaben zu finanzieren. Die herrschende Meinung geht dagegen zu Recht davon aus, daß ein Recht zur Abgabenerhebung erst aufgrund staatlicher Verleihung bestehen kann, vgl. bspw. Jarass/PierothPieroth, Art. 28 GG Rdn. 14; Sachs-Nierhaus, Art. 28 GG Rdn.46; Stern, Bd. 2, S. 1124; Winands, JuS 1986, 942 (943); Grawert, in FS-Unruh, S.942 (943); auch Flach, S.30. Art. 28 Abs. 2 GG garantiert den Gemeinden zwar, daß ihnen finanzielle Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben bereitgestellt werden müssen, trifft aber keine Aussage darüber, wie dies zu geschehen hat. Der Finanzbedarf der Gemeinden kann in anderer Weise, als durch die Erhebung eigener Abgaben gedeckt werden. Zu denken ist hier an die oben genannten verfassungsrechtlich verbürgten Ertragsgarantien. Insbesondere das mit der Ertragszuweisung der Realsteuern gemäß Art. 106 Abs. 5 S. 2 GG verbundene Hebesatzrecht wird einer eigenverantwortlichen Einnahmebeschaffung gerecht. 4 Statistiken für die alten Bundesländer bei Münstermann, ZKF 1998,74 (74); für die neuen Länder, ders., ZKF 1996,147 (147); vgl. auch Schmitt, S. 178. 5 Begünstigt wird der „Trend zur Gebühr" auch durch die Tatsache, daß die Finanzlast der Kommunen insgesamt gestiegen ist. Insbesondere im Bereich der Abfallbeseitigung und Abwasserentsorgung sind wegen gestiegener Baupreise und höherer technischer Standards erhebliche Kosten entstanden, die refinanziert werden müssen, vgl. Heer, S. 13. 6 Siehe hierzu Zimmermann, VerwArch 1971, 16 (18); auch Schmitt, S.77. 7 Vgl. Heer, S. 12, 115. 8 Es wird zumeist von lenkenden Gebühren gesprochen, soweit mit der Gebühr nichtfiskalische Zwecke verfolgt werden. Allerdings will nicht jede außerfiskalisch motivierte Gebührenbemessung im Sinne einer Verhaltenslenkung auf den Abgabepflichtigen einwirken. Teilweise soll keine Steuerung menschlichen Handelns erfolgen, sondern nur eine über die Finan-
A. Die Funktionen kommunaler Gebühren
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Auswärtigenzuschläge aktive Kommunalpolitik betrieben werden. Ebenso läßt sich die Benutzungszeit einer öffentlichen Einrichtung mit der Gebührenbemessung steuern. Zu denken ist hier an günstige „Mondscheintarife" im Gegensatz zu höheren Tarifen zu Spitzenzeiten der Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel. 10 Im Mittelpunkt des politischen und wissenschaftlichen Interesses steht der Einsatz der Gebühr als ökologisches Steuerungsmittel.11 Man hat erkannt, daß auf dem Umweltsektor ordnungsrechtliche Maßnahmen nur in Teilbereichen wirkungsvoll sind. Zur Optimierung des Umweltschutzes bedarf es aber einer Ergänzung durch flexible ökonomische Steuerungsinstrumente wie Benutzungsgebühren.12 Die Lenkung zu einem ökologischen Verhalten durch Gebühren kann dabei auf zweierlei Weise erfolgen. Zum einen können in den Gebührenkalkulationen neben den rein betriebswirtschaftlichen Kosten sogenannte externe Kosten einbezogen werden, die den Wertverzehr an Umweltresourcen ausmachen.13 Durch die Berücksichtigung solcher Kostenelemente werden öffentliche Leistungen wie Abfallbeseitigung und Abwasserentsorgung für den Bürger teurer. Er wird über den Preis zu einer möglichst reduzierten Inanspruchnahme der gebührenpflichtigen Einrichtung angehalten und damit zu umweltfreundlicherem Verhalten gebracht. Ein praktisches Problem liegt jedoch in der richtigen Bewertung der Umweltgüter. 14 Eine andere Möglichkeit der Verhaltenssteuerung ist, umweltpolitisch unerwünschtes Benutzerverhalten mit einem Tarifzuschlag zu ahnden und umgekehrt erwünschtes Verhalten durch einen Abschlag zu belohnen. Diese Art von Verhaltenszierung der Leistung hinausgehende sachpolitische Auswirkung erzielt werden. Dies ist auch gerade der Fall, wenn mit der Gebührenbemessung sozialpolitische Vorstellungen berücksichtigt werden. Genauer ist es daher, solche Gebühren nicht „lenkende", sondern „wirkende" Gebühren zu nennen, vgl. Burmeister/Becker, DVB1 1996,651 (656); Heer, S. 141. Zu den Zielen „lenkender" Gebühren bspw. Bonner Kommentar-Vogel/Waldhoff, vor. Art. 104a-115 GG Rdn.419; P. Kirchhof, HStR IV, §88 Rdn. 189f; Hansmeyer/Fürst, S.43ff; Bohley, S. 132ff; Friedel, KStZ 1996, 181 ff; Driehaus-Dahmen, §4 KAG Rdn. 55 ff. 9 Vgl. hierzu BVerwGE 104, 60ff; Heer, S. 157ff; Dahmen, KStZ 1978, 228ff; Gern, VB1BW 1996, 201 ff; Püttner/Lingemann, JA 1984, 121 (125 f); Rüttgers, KStZ 1979, 125 ff. 10 Vgl. bspw. Bonner Kommentar-Vogel/Waldhoff, Vor. Art. 104a-115 GG Rdn.419; P. Kirchhof, HStR IV, § 88 Rdn. 189 f. 11 In neuerer Zeit an umfassenden Untersuchungen bspw. Jörn Heimlich, „Die Verleihungsgebühr als Umweltabgabe"; Susanne Meyer, „Gebühren für die Nutzung von Umweltresourcen"; insbesondere für kommunale Gebühren Erik Gawel, „Die kommunalen Gebühren - ökonomische, ökologische, und rechtliche Ansätze einer gesamtwirtschaftlichen Neuorientierung"; hierzu auch Chantalau/Möker, „Ökologisierung kommunaler Abgaben"; Holzkämper, S.80ff; Friedel, KStZ 1996, 181 (203ff); Mohl/Wegener, KStZ 1996, 87 ff. 12 Vgl. bspw. Kloepfer, JZ 1991, 737 (741); Breuer, DVB1 1992, 485 (486); Heer, S. 213 ff m. w. N. 13 Vgl. hierzu z.B. Mohl/Wegener, KStZ 1996, 87ff; Gawel, S. 147f; 234ff; Zimmermann, KStZ 1991, 221 ff; Bals/Nölke, KStZ 1990, 201 ff; Höfling, S.321 (326ff). 14 Für Lösungsansätze insbes. Bals/Nölke, KStZ 1991, 201 ff; Gawel, S. 234ff. 2*
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Teil 1: Grundlagen
Steuerung umgeht das Problem einer exakten Bewertung externer Kosten dadurch, daß sie ökologisch Wünschenswertes pauschal berücksichtigt. Diese Zu- und Abschlagmodelle sind einfacher zu handhaben und deswegen auf kommunaler Ebene auch häufiger zu finden. 15
I I I . Sozialförderung durch Gebühren 1. Sozialförderung durch Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit Ein besonderer Fall der Berücksichtigung anderer als fiskalischer Aspekte ist die Indienstnahme des Gebührenwesens als Mittel der Sozialpolitik. Das geschieht, wenn bei der Abgabenbemessung nicht nur die Finanzierung der Leistung, sondern auch die finanzielle Situation des Gebührenschuldners eine Rolle spielt. Die Einbeziehung der Leistungsfähigkeit des Abgabepflichtigen als Faktor der Gebührenbemessung kann unterschiedlich weit reichen. Einerseits kann die Gebühr für sozialschwache Schuldner ermäßigt werden, denkbar ist aber auch, daß sie zudem für leistungsstarke Gebührenschuldner erhöht wird. Diese zwei Konstellationen entsprechen der Sache nach den eben aufgezeigten Ab- und Zuschlagmodellen bei anderen lenkenden Gebühren. Man bezeichnet sie bei sozialmotivierten Tarifgestaltungen jedoch meist als Ermäßigungen und Erhöhungen. Ebenso werden sie als degressive und progressive Staffelung oder Staffelung nach unten und oben unterschieden.16 Es läßt sich oft nicht auf den ersten Blick sagen, ob die anhand der Vermögenssituation des Schuldners ausgestalteten Staffeltarife nur Ermäßigungen sind oder ob sie zudem sozialmotivierte Erhöhungen in sich tragen. Dies kann man erst bestimmen, wenn man den höchsten Tarif im Verhältnis zu den entstandenen Verwaltungskosten sieht.17 Liegt diese Höchstgebühr nicht über den Verwaltungskosten, so stellen die Abschläge hiervon reine soziale Ermäßigungen dar. Ein Rechenbeispiel mag dies verdeutlichen: Entspricht der auf den einzelnen entfallende Kostenanteil einer Leistung 100, so zahlen die leistungsstarken Schuldner (A) höchstens eine Normalgebühr von 100. Die leistungsschwachen (B) entrichten demgegenüber 100-x. Die staatliche Leistung muß hier zu x durch allgemeine Haushaltsmittel bezuschußt werden. Eine kommunale Einrichtung kann folglich nie kostendeckend be15 Vgl. Breuer/Fassbender WiVerw 1995 S. 1 (27ff); Chantalau/Möker, S.47ff; Hendler, VB1BW 1991,121 ff; Gern, Rdn. 1097; Gawel, S. 183 ff (193 f) der den umweltschützenden Effekt solcher Modelle allerdings kritisch beurteilt. Die Berücksichtigung ökologischer Belange hat mittlerweile zudem in einigen KAG Niederschlag gefunden. So bestimmt § 14 Abs. 2 SächsKAG, daß „umweit- und rohstoffschonende Lenkungsziele" ermäßigend oder erhöhend berücksichtigt werden können. Nach §7 Abs. 1 S.4 KAG RP können manche Benutzungsgebühren so bemessen werden, „daß sie Anreiz zu umweltschonendem Verhalten" bieten. 16 Besonders deutlich wird der Unterschied betont bei F. Kirchhof, „Gebühr", S. 143 ff; Henneke Jura 1990,113 (116f); Brückmann, KStZ 1988,21 ff; Rogosch, S. 133ff; Gußen, S. 86ff, auch Jestaedt, DVB1 2000, 1820 (1827). 17 Vgl. bspw. F. Kirchhof, „Gebühr", S. 143 f; Rogosch, S. 133 f.
A. Die Funktionen kommunaler Gebühren
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trieben werden, soweit die Gebührentarife für ihre Nutzung ermäßigt gestaffelt werden.18 Kostendeckungsgrade von 100% sind in der kommunalen Praxis eine seltene Ausnahme. Im Bereich der Abwasser- und Abfallbeseitigung werden jedoch die Kosten der staatlichen Leistung recht weitgehend mit Gebühren refinanziert. 19 Will die Kommune hier eine Gesamtkostendeckung beibehalten, aber trotzdem die Gebührentarife sozial verträglich gestalten, so müssen die leistungsstarken Gebührenschuldner zur Finanzierung der sozialen Abschläge herangezogen werden. Ihre Gebühr kann sich in diesem Fall nicht mehr bloß an ihrem Kostenanteil orientieren. Sie muß über den Kostenanteil hinaus erhöht werden, um zusätzlich den durch die Ermäßigungen eingetretenen Ausfall abzudecken. Soll wie im obigen Rechenbeispiel B nur 100-x zahlen, aber kein Zuschuß von x aus dem Haushalt fließen, muß As Gebühr von 100 auf 100 + x erhöht werden. Die Belastung von A ermöglicht damit den günstigen Tarif für B. Beide Konstellationen unterscheiden sich deswegen letztlich in der Frage, wer die verbilligten Tarife finanziert - der „Steuerzahler" oder der vermögende Gebührenschuldner. 2. Wirkungen leistungsfähigkeitsbezogener Tarife Zwei verschiedene soziale Auswirkungen und damit auch Ziele der leistungsfähigkeitsorientierten Bemessung sind zu erkennen. Einerseits wird den Sozialschwachen durch den günstigen Tarif die Inanspruchnahme der Leistung erleichtert, im Einzelfall sogar erst ermöglicht. Eine sozial ausgestaltete kommunale Nutzungsgebühr gewährleistet daher, daß auch Bedürftige den Zugang zu Leistungen im Bereich der Daseinsvorsorge nicht scheuen müssen. Durch einen für sie erschwinglicheren Preis können sie sich die Benutzung einer öffentlichen Einrichtung leisten.20 Hinzu tritt aber eine weitere „soziale Auswirkung", die Dorn im Auge der Kritiker einer sozialen Ausgestaltung des Gebührenwesens ist. Die Bemessung nach der Leistungsfähigkeit führt zu einer Veränderung der Vermögensverhältnisse der Abgabeschuldner.21 In Bezug auf solche Verteilungswirkungen sozialer Tarife sind wiederum die obengenannten Konstellationen zu unterscheiden. Der distributive Effekt ist offensichtlich, wenn soziale Ermäßigungen und Erhöhungen vorliegen. Die Sonderbelastung der leistungsstarken Abgabenschuldner um x dient der Finanzierung der um x ermäßigten Tarife. Eine derartige „Subvention 18
Vgl. F. Kirchhof, „Gebühr", S. 143 f; Henneke, Jura 1990, 113 (116); Brückmann, KStZ 1988, 21 (23 f); auch Kempen, NVwZ 1995, 1163 (1166). 19 Statistiken über die Kostendeckungsgrade bei Gern, Rdn.663. 20 Vgl. u.a. Friedel, KStZ 1996, 181 (200); Gern, DVB1 1984, 1164 (1170); Brückmann KStZ 1988, 21 (23); Driehaus-Dahmen, §4 KAG Rdn. 139. 21 Hierzu vor allem Brückmann, KStZ 1988, 21 ff; Kempen NVwZ 1995, 1163 ff; Bonner Kommentar-Vogel/Waldhoff, Vor. Art. 104a-115 GG Rdn. 420; ders., Anm. zu VGH Kassel, NJW 1977, 452 (454f); F. Kirchhof, „Gebühr", S. 145 (147 ff).
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Teil 1: Grundlagen 22
aus privater Tasche" verteilt das Einkommen von den leistungsstarken Gebührenpflichtigen zu den leistungsschwachen in Höhe von x um. Aus diesem Grund wird bei progressiven Gebührenstaffelungen teilweise nicht mehr von einem sozialen Zweck, sondern von einem Umverteilungszweck gesprochen.23 Bei aus Haushaltsmitteln finanzierten Ermäßigungen findet zwar keine direkte Umverteilung statt, es kommt aber auch hier zu einer Korrektur der Vermögensverhältnisse.24 Die Ermäßigung bewirkt, daß der leistungsschwache Schuldner weniger für die gleiche Leistung aufwenden muß als der Leistungsstarke. Betrachtet man das Verhältnis der Vermögenssituation beider Schuldnergruppen vor und nach Zahlung der Gebühr, so hat sich diese zugunsten der Leistungsschwachen verschoben. Das wird aus einem anderen Blickwinkel besonders deutlich. Durch die Ermäßigung werden dem Gebührenschuldner staatliche Mittel zugewendet, denn seine Ermäßigung ist durch die Haushaltsmittel finanziert. Diese Zuwendung findet für die leistungsstarken Schuldner nicht oder in geringerem Maß statt. Dem einen Gebührenschuldner wird mehr gegeben als dem anderen. Die Vermögenssituation der Abgabenpflichtigen korrigiert sich daher zwangsläufig im Verhältnis zueinander. Die Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit bei Gebühren hat aber nicht nur „soziale" Wirkungen. Empfängerbezogene Tarife können zudem ökonomische Begleiterscheinungen mit sich bringen. 25 Durch sie kann sich die Nachfrage auf die angebote Leistung verändern. Reine Ermäßigungen können zu einer Steigerung der Nachfrage führen, da der günstige Preis einer größeren Gruppe die Inanspruchnahme der Leistung nahelegt. Erhöhte Tarife können das Gegenteil bewirken. Der leistungsstarke Schuldner wird die Zahlung des erhöhten Entgelts vermeiden, soweit ihm dies möglich ist. Voraussetzung für einen Effekt auf die Nachfrage ist freilich, daß ein Markt für die kommunale Leistung besteht. Ökonomische Auswirkungen sozialer Tarifgestaltungen sind daher immer dann ausgeschlossen, wenn die Kommune eine monopolartige Stellung als Leistungsanbieter besitzt. Die Nachfrageeffekte durch leistungsfähigkeitsorientierte Tarifgestaltungen sind indes im vorhinein schwer abzusehen und damit für die Kommunen kaum kalkulierbar. Günstige Tarife für leistungsschwache Abgabenschuldner dürften deswegen fast ausschließlich aus sozialen Motiven gewährt werden.
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So Isensee, S. 11; F. Kirchhof, „Gebühr", S. 147; Seeger, GemH 1976, 271 (272). So F. Kirchhof, „Gebühr" S. 147ff; ders., „Grundriß" Rdn. 183; Koch-Scholz, § 3 AO Rdn. 14/9; S. Meyer, S. 211; vgl. auch Bonner Kommentar-Vogel/Waldhoff, Vor. Art. 104 a-115 GG Rdn. 420; Kempen, NVwZ 1995, 1163 (1164); Isensee, S. 11, 34. 24 Hierzu Brückmann, KStZ 1988, 21 (23 f). 25 Vgl. hierzu Langenbrink, S.41 f; Brückmann, KStZ 1988, 21 (22f). 23
B. Grundlagen der sozialen Funktion von Abgaben
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3. Soziale Staffellungen in der kommunalen Gebührenpraxis Das Einbeziehen der Leistungsfähigkeit ist der kommunalen Gebührenpraxis nicht fremd. Sozialtarife finden sich in unterschiedlichem Ausmaß bei Gebühren für die verschiedensten kommunalen Leistungen. Bekanntes Beispiel ist die soziale Ausgestaltung der Kindergartengebühren. Diese Gebühren werden seit längerem in vielen Kommunen nach dem Einkommen des Gebührenpflichtigen bemessen.26 Eine am Vermögen oder Einkommen orientierte Staffelung ist ebenfalls bei Friedhofsgebühren geläufig. Demgegenüber ist sie in anderen Bereichen gebührenfinanzierter Leistungen wie Abfall- und Abwasserentsorgung gänzlich unbekannt.27 Das Einkommen ist zwar ein genauer Indikator der Leistungsfähigkeit, seine Ermittlung erfordert jedoch erheblichen Verwaltungsaufwand. Für die Gewährung günstiger Gebührentarife wird daher häufiger auf die Zugehörigkeit des Schuldners zu einer bestimmten als leistungsschwach empfundenen Gruppe abgestellt.28 Ermäßigungen für Rentner, Studenten, Wehr- und Ersatzdienstleistende, Familien usw. bei kommunalen Schwimmbädern, Theatern, Museen etc. dürften jedem vertraut sein, der eine solche Einrichtung besucht hat. Bei diesen Einrichtungen im Bereich Kultur und Sport liegen Ermäßigungen fast immer vor. 29
B. Historisch-finanzwissenschaftliche Grundlagen der sozialen Funktion von Abgaben Leistungsfähigkeitsorientierte Gebührentarife sind in den größeren Kontext der sozialen Funktion von Abgaben einzuordnen. Dies ist ein Problemkreis, der nicht nur die Rechtswissenschaft beschäftigt hat, sondern vor allen Dingen Gegenstand finanzwissenschaftlicher Untersuchungen war und ist. Zwar können aufgrund der unterschiedlichen Analysemethoden beider Wissenschaften finanzwissenschaftliche Erkenntnisse für die Lösung rechtlicher Probleme nur bedingt nutzbar gemacht werden, dennoch sind sie zum Verständnis der weiteren Problemdimension hilfreich. 30 26
Zu den Kindergartengebühren ausführlich Teil 3 B.II. Vgl. zur kommunalen Praxis Gern, NVwZ 1995, 1145 (1154f). 28 Vgl. hierzu Friedel, ZKF 1999, 152 (155); Seeger, GemH 1976, 269 (271); DriehausLichtenfeld, §6 KAG Rdn.752; Schmid, ZKF 1985, 28 (28). 29 Zum Nachweis für die Berechtigung eines verbilligten Gebührentarifs haben die Kommunen teilweise eigens hierfür vorgesehene Benutzerausweise geschaffen. Diese werden zumeist mit dem Namen der jeweiligen Kommune bezeichnet, bspw. „Köln"-Pass; „Bonner"-Aus weis usw., vgl. hierzu Nordrhein-westfälisches Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, „Zum halben Preis", passim. 30 Die Finanzwissenschaft handelt von der koordinativen Wirkungslehre von Abgaben. Das Finanzrecht, als Teil der Rechtswissenschaft, hat demgegenüber die Darstellung des geltenden Finanzrechts unter Beachtung und Durchsetzung spezifischer Reichweiten und Grenzen rechts- und sozialstaatlicher Handlungsformen zum Gegenstand, vgl. Richtsteig, S.9ff; zum Verhältnis der beiden Wissenschaften auch Feigenbutz, S. 158; Kreft, S. 23 ff; Reinhard, S. 62. 27
Teil 1: Grundlagen
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Im folgenden soll daher die Entwicklung der finanzwissenschaftlichen Forschung zur sozialen Funktion von Abgaben kurz dargestellt werden.
I. Steuern 1. Merkantilismus und Liberalismus Erste Ansätze der Berücksichtigung sozialer Aspekte durch das Abgabenrecht finden sich bereits bei den Kameralisten Mitte des 18. Jahrhunderts. So heißt es bei Johann Wilhelm von der Lith unter den Grundsätzen der Besteuerung: „Ein weiser Regent wird mithin die Steuern dazu anwenden, um die gemeldete Ungleichheit des Vermögens seiner Untertanen zu vermindern." 31 Die Bedeutung einer solchen Bemerkung sollte aber nicht überschätzt werden. Obgleich sich die Steuer zu jener Zeit nicht nur als Einnahmequelle des Staates etablierte, sondern auch als wirtschaftspolitisches Institut begriffen wurde, fanden sozialpolitische Nebenzwecke bei bedeutenden Kameralisten wie von Justi und Sonnenfels keine Erwähnung. 32 Auch von der Lith selbst relativiert seine Bemerkung schon im nächsten Satz, wenn er darauf hinweist, daß der Regent die Vermögensunterschiede zumindest nicht durch Steuern vermehren solle.33 Mit der Ablösung des Merkantilismus durch den Finanzliberalismus Anfang des 19. Jahrhunderts treten außerfiskalische Steuerzwecke völlig in den Hintergrund. 34 Nach liberaler Auffassung beeinträchtigt jeder steuerliche Eingriff in die Marktwirtschaft die aus ihr folgende maximale Güterversorgung. Es liegt auf der Hand, daß mit der Ablehnung wirtschaftspolitischer Nebenzwecke der Steuer soziale Korrekturen durch die Abgabe erst recht undenkbar sind. Zumal die historisch überkommene Einkommens- und Vermögensverteilung als einzig gerechte wie ökonomisch rationalste Ordnung der Dinge verstanden wird. 35 Der Gedanke, daß die Besteuerung die relative Lage der einzelnen Bevölkerungsschichten zueinander nicht verändern darf, findet seinen Ausdruck in der „Leave them as you find them rule", 36 als klassische Steuermaxime der Zeit. 2. Anfänge eines sozialen Steuerrechts Ende des 19. Jahrhunderts Eine weitergehende finanzwissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Berücksichtigung sozialer Aspekte im Steuerrecht beginnt erst in der zweiten Hälfte 31
von der Lith, S.21. Vgl. hierzu Bickel, in FS-Grossmann, S. 16 (17 f). 33 von der Lith, S.21. 34 Hierzu Knies, S. 13; Bickel, in FS-Grossmann, S. 16 (18). 35 Vgl. Knies, S. 19; Bickel, in FS-Grossmann, S. 16 (18). 36 Zur sogenannten Edinburgher-Regel Mann, S. 222ff (246f); Schmölders, „Steuerlehre", S.49; Knies, S. 14ff. 32
B. Grundlagen der sozialen Funktion von Abgaben
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des 19. Jahrhunderts. 37 Die Verarmung weiter Teile der Bevölkerung läßt sozialpolitische Reformen unumgänglich werden. Der Gedanke, daß der Staat nicht nur „beim Geben, sondern auch im Nehmen"38 soziale Verantwortung trägt, ist am deutlichsten bei Adolf Wagner formuliert. Seiner Auffassung nach ist „die Steuer (...) nicht nur ein Mittel zur Deckung des Finanzbedarfs, sondern zugleich ein solches Mittel, was bei freier Conkurrenz entstandene Einkommens und Vermögensvertheilung corrigierend eingreift." 39 Der Steuerbegriff wird von ihm sozialpolitisch instrumentalisiert und der bislang ausschließlich fiskalische Steuerzweck um eine sozialpolitische Komponente erweitert. 40 Wagners sozialpolitische Steuertheorie hat, wie es Albert Schäffele, ein anderer zeitgenössischer Finanzwissenschaftler, ausdrückt, zu „wissenschaftlicher Aufregung" 41 geführt. Fast einhellig lehnte die Literatur die von Wagner vehement verfochtene Dienstbarmachung der Steuer für Zwecke staatlich gelenkter und sozial „gerechter" Nettodistribution ab.42 Eine sozialpolitisch geprägte Steuer war für die vom fiskalischen Steuerbegriff des Liberalismus geprägte herrschende Lehre nicht denkbar.43 Es bestand aber gleichwohl weitgehend Einigkeit über die Forderungen, welche Wagner aus dem sozialpolitischen Zweck der Steuer ableitete. Dies erklärt sich dadurch, daß den konkreten „sozialen" Zielen Wagners nichts „Grundstürtzendes" 44 zu entnehmen war. Es fiel seinen Gegnern deswegen nicht schwer, Wagners tatsächliche Absichten mit ihrer fiskalischen Steuertheorie in Einklang zu bringen.45 Beispielsweise forderte dasfinanzwissenschaftliche Schrifttum nahezu übereinstimmend, statt der Vielzahl von indirekten Steuern eine das Einkommen progressiv belastende Personalsteuer zum Eckpfeiler des deutschen Steuersystems zu machen. Dies erklärt sich dadurch, daß sich zu dieser Zeit ein Wandel von der äquivalenztheoretischen Steuerrechtfertigung zu einer opfertheoretischen Begründung der Steuerpflicht vollzog. Konsequenterweise setzte sich der Gedanke durch, daß im Einkommen die geeignetste Bemessungsgrundlage für die betragsmäßige Erfassung der persönlichen Leistungs- bzw. Opferfähigkeit liegt. 46 Damit einher ging, daß eine Steuerprogression nunmehr allgemein befürwortet wurde, obgleich sie 37
Vgl. Oechsle, S.97ff; Schmölders, „Steuerlehre", S.51 ff; Knies S. 18 ff; Mann, S. 305 ff. Mann, S. 305. 39 Wagner, „Finanzwissenschaft" II, S. 389. 40 Wagner, „Finanzwissenschaft" II, S. 207ff; Wagner, „Grundlegung", S.745; im selben Sinne Frantz, S.45ff; zu Wagners Steuerbegriff, Oechsle, S.97ff; Knies S. 19 ff; Bickel, in FSGrossmann, S. 16 (20f); Neumark, „Grundsätze", S. 186ff. 41 Schäffele, S.34. 42 Aus der damaligen Finanzwissenschaft u.a., R. Meyer, S. 397ff (332); Schäffele, S. 34ff; F. J. Neumann, S. 99; v. Lötz, S. 218 f; Übersicht über das Wagner kritisierende Schrifttum bei Ritschel, S.89f; D. Schmidt, S.47f. 43 Vgl. hierzu Knies, S. 12. 44 Schäffele, S.34. 45 Knies, S.22f. 46 Hierzu Birk, „Leistungsfähigkeitsprinzip", S.24ff; Oechsle, S.93ff; Vogel, Der Staat 25 (1986) S.481 (488 ff); zum Äquivalenzprinzip vgl. auch Teil 2 C.1.1. 38
Teil 1: Grundlagen
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noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts heftigst abgelehnt wurde. 47 Im Unterschied zu Wagner, der dies aus dem sozialpolitischen Zweck der Steuer begründete, fanden seine Gegner aus opfertheoretischen Gesichtspunkten zu diesem Ergebnis. 48 Insbesondere durch die sogenannte Grenznutzentheorie wurde ein Instrumentarium vorgelegt, mit dem sich die Gleichheit der Opfer mathematisch bestimmen ließ. 49 Mit ihr gelang es, die Notwendigkeit einer Progression „schon rein steuerwissenschaftlich" 5 0 zu erklären und sie gegen einen sozialpolitischen Steuerbegriff abzuschirmen.51 Die unterschiedlichen Begründungsansätze zeigen sich ebenfalls bei der zum Schutz kleiner Einkommen geforderten Steuerfreiheit des Existenzminimums.52 Wagner hält die Freiheit des Existenzminimums vom finanzpolitischen Standpunkt nicht geboten, wohl aber vom sozialpolitischen.53 Die Gegner der sozialpolitischen Steuertheorie, wie beispielsweise Robert Meyer, finden dagegen eine derartige Einschränkung fiskalischer Interessen schon im Grundsatz der Steuergerechtigkeit ausreichend begründet. 54 3. Finanz Wissenschaft des 20. Jahrhunderts Ende des 19. Jahrhunderts setzt sich damit zwar der Sache nach ein „soziales" Steuerrecht durch, die Anerkennung einer gleichwertig neben den Fiskalzweck tretenden wirtschafts- und auch sozialpolitische Funktion der Steuer begann jedoch erst im Laufe der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts. 55 Entscheidender Einfluß auf diesen Wandel muß den Beschäftigungstheorien von J. M. Keynes zugesprochen werden. 56 Eine redistributive Besteuerung wird hier nicht mehr aus vorwiegend sozial-ethischen Motiven gefordert, sondern aus einem sozial-ökonomischen Programm abgeleitet. Effektive Nachfrage soll durch Nivellierung der Einkommens47
Vgl. Darstellung bei Grabein, FinArch (13) 1896, 111 (113f); Oechsle, S. 102f. Neumann, S. 141 ff; R. Meyer, S.329ff; Schäffele, S.279f; Grabein, FinArch (13) 1896, S. 111 (136); vgl. auch Oechsle, S. 103; Schmölders, „Steuerlehre", S.52. 49 Zur Grenznutzentheorie, Sax, S. 508 ff; vgl. auch Birk, „Steuerrecht", Rdn.35. 50 Schäffele, S. 530. 51 Birk, „Leistungsfähigkeitsprinzip", S.29f; Knies, S.22. 52 Ausführlich hierzu Lehner, S. 22 f. 53 Wagner, „Finanzwissenschaft" II, S. 402ff. 54 R. Meyer, S.290ff und S.410; vgl. zur Steuerfreiheit des Existenzminimums ebenfalls Neumann, S. 154ff; v. Lötz, S. 258. Ein weiterer sozialpolitischer Gedanke, der sich großer Beliebtheit erfreut ist, daß Besitzeinkommen ein größeres Maß an Leistungsfähigkeit vermittle, als Arbeitseinkommen gleicher Höhe. Dementsprechend wird die Einführung von Erbschaftsund Vermögenssteuer gefordert, vgl. hierzu bspw. Wagner, „Finanzwissenschaft" II, S. 456ff; Neumann, S. 177ff; Schäffele, S.280ff; R. Meyer, S.325; zum Ganzen auch Mann, S.308f; Oechsle, S. 104. 55 Knies, S. 31 ff; Neumark, „Wirtschaftsprobleme", S. 145 ff, S. 279ff (280), vgl. auch Bikkel, in FS-Grossmann, S. 16 (21 f). 56 Zu diesem Befund, Knies, S.36; Neumark, „Wirtschaftsprobleme", S. 144. 48
B. Grundlagen der sozialen Funktion von Abgaben
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unterschiede erreicht werden. Der nichtfiskalische Zweck der Steuer ist nicht mehr nur auf einzelne Sektoren oder Gruppen beschränkt, die Abgabe wird vielmehr ein Mittel zur Ordnung des gesamtwirtschaftlichen und sozialen Prozesses.57 Die deutsche Finanzwissenschaft hat zwar extreme Positionen der „Fiscal-Policy" nicht übernommen, jedoch wird unter ihrem Einfluß in der Nachkriegsliteratur von einer rein fiskalischen Steuertheorie endgültig Abschied genommen.58 In der modernen Finanzwissenschaft werden die Zwecksetzungen finanzpolitischer Maßnahmen nunmehr nach einem Vorschlag von R. A. Musgrave zumeist auf Allokations-, Stabilitäts- und Umverteilungsziel hin unterschieden.59 Von einer Umverteilungsfunktion, also einem sozialen Zweck der Steuer, wird dann gesprochen, wenn sie so ausgestaltet ist, „daß die individuelle Verteilung der Steuerlasten über das zur Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips erforderliche Maß einen progressiven Verlauf nimmt." 60 Das „Ob" einer solchen sozialen Besteuerung steht in der heutigen Finanzwissenschaft außer Frage. Staat dessen sind das volkswirtschaftlich verträgliche Ausmaß einer sozialen Umverteilung und die optimalen Realisierbarkeit dieses Ziels maßgebliche Untersuchungsgegenstände.61 Die Erkenntnis, daß die gesetzlich gewollte Belastungsentscheidung (formale Inzidenz) und die tatsächliche erreichte Steuerbelastung (materielle Inzidenz) oftmals auseinanderfallen, hat zu einer kritischen Bewertung steuerlicher Redistributionseffekte geführt. 62 Insbesondere die einkommensteuerrechtliche Progression, das Rückrat der Umverteilung im deutschen Steuersystem, führt zu einer weit geringeren Veränderung der Haushaltseinkommen als ursprünglich vermutet. 63 Dies hängt mit der Erfahrung zusammen, daß selbst die zunächst als nichtübertragbar geltende Einkommensteuerlast zumindest teilweise am Markt auf andere übergewälzt wird. Die umverteilende Wirkung der Progression wird aber vor allen Dingen durch eine Vielzahl von steuerlicher Vergünstigungen konterkariert. Diese können faktisch nur 57
Schmölders, „Steuerlehre", S.70; Knies S.32. Vgl. Knies, S. 37. Beispielhaft für den Wandel der deutschen Finanzwissenschaft in ihrer Haltung zur Zulässigkeit außerfiskalischer Steuerzwecke ist die Auffassung Gerloffs. Während er sich in der ersten Auflage des Handbuchs der Finanzwissenschaft (1926) noch deutlich vom sozialpolitischen Steuerbegriff Wagners absetzt, findet sich in der 2. Auflage (1956) im Kapitel Ordnungssteuer eine eingehende Auseinandersetzung mit den außerfiskalischen Zwecken der Steuer, vgl. Gerloff, „Steuerwirtschaftslehre", HdBFinW 1. Auflage, S.436ff (440ff) und „Steuerwirtschaftslehre", HdBFinW 2. Auflage, S. 257 ff. 59 Musgrave, FinArch NF (17) 1956/57, S. 333 ff; Musgrave/Musgrave/Kulmer, S.5f; vgl. hierzu auch Andel, S. 15 f. 60 Neumark, „Grundsätze", S. 195. 61 Neumark, „Grundsätze", S.208; Andel, S. 16f; vgl. auch Zimmermann/Henke, S. 217; Petersen, S.226 und 234; Schmölders, „Finanzpolitik", S.374; Wittmann, IV S.76. 62 Vgl. Andel, S.460f; Schmölders, „Finanzpolitik", S. 353 f und S.374 ff; ders., „Steuerlehre", S. 133ff; Rürup/Kömer, S.223f; Albers, HdBW VII, S. 110 (112f). 63 Schmölders, „Finanzpolitik", S.375; vgl. auch Neumark, „Grundsätze", S.211; Wittmann, IV S.79. 58
Teil 1: Grundlagen
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von Unternehmen oder Beziehern höherer Einkommen in Anspruch genommen werden. 64 Insgesamt beurteilt man die Verteilungseffizienz von Transferleistungen an Privathaushalte weitaus günstiger als die der Besteuerung. Der entscheidende Vorteil dieses Instruments der Sozialgestaltung liegt darin, daß der Mittelzufluß direkt zum Empfänger gelenkt wird. Das Risiko unerwünschter Überwälzungen durch Marktprozesse ist somit bei den Transferleistungen wesentlich geringer als bei Steuern. Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß ein gutes Jahrhundert nach Adolf Wagner die sozialpolitische Aufgabe der Besteuerung in der Finanzwissenschaft anerkannt ist. Die Euphorie der ersten Generation über die Steuer als Mittel der Sozialpolitik ist jedoch der nüchternen Erkenntnis über die tatsächlichen Möglichkeiten dieses Instruments gewichen.
II. Gebühren 1. Ältere Finanz Wissenschaft Die Gebühr beginnt sich als Staatseinnahme im Sinne einer gegenleistungsabhängigen Abgabe erst Mitte des 19. Jahrhunderts zu etablieren. 65 In der Gebührendiskussion der damaligen Zeit ist zwar vieles umstritten. 66 Eine den Steuern vergleichbare Kontroverse um die soziale Ausgestaltung der Abgabe hat es jedoch nie gegeben. Seit Beginn derfinanzwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Abgabe war anerkannt, daß fiskalische Gesichtspunkte nicht die einzigen Faktoren sind, die 64
Zur ganzen Problematik Andel, S.460; Wittmann, IV S.78; Rürup/Körner, S. 234. Vgl. Hansmeyer/Fürst, S.9ff. Die wohl früheste Gebührendefinition in diese Richtung stammt von K. H. Rau, so Vögel, in FS-Geiger, S. 518 (521); S. Meyer, S. 43; Hansmeyer/Fürst, S. 12. Rau beschreibt die Abgabe als „Auflagen, die bei besonderer Berührung der Bürger mit der Regierung gefordert werden und daher als Vergütung für einzelne mit Kosten verbundene Maßregeln der vollziehenden Gewalt erscheinen. Sie werden erhoben, wenn der Bürger von gewissen Staatsanstalten Gebrauch macht, wenn ihm eine Begünstigung zu Theil wird oder wenn sonst eine Staatsbehörde sich mit seinen Angelegenheiten beschäftigen muß.", vgl. Rau, S. 105 f. Der Begriff der Gebühr findet sich in der Literatur zwar auch schon in der kameralistischen Epoche Anfang des 14. Jahrhunderts, er wird zu dieser Zeit allerdings noch nicht spezifisch finanzwissenschaftlich, sondern allgemein gebraucht. Unter einer Gebühr verstand man damals nur das, was jemandem gerechterweise zufällt oder zukommt beziehungsweise was ihm gebührt, vgl. hierzu Eisner, S. 172; Ganter, S. 17. 66 Es bestand vor allem keine Einigkeit über den Begriff der Gebühr, ausführlich hierzu S. Meyer, S.43ff. Allen damaligen Definitionen ist allerdings gemein, daß sie von einer einseitigen Auferlegung, dem öffentlich-rechtlichen Charakter, und der Gegenleistungsabhängigkeit der Abgabe ausgehen, so schon Jellinek, S. 389. Die begriffliche Problematik hat die Finanzwissenschaft sehr lange bewegt. Noch 1970 wird der Begriff der Gebühr von Schmölders als „Schmerzenskind der Finanzwissenschaft" bezeichnet, Schmölders, „Finanzpolitik", S.298. 65
B. Grundlagen der sozialen Funktion von Abgaben
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auf ihre Bemessung Einfluß nehmen können. Die Gebührenhöhe sollte sich gerade auch nach dem „Wesen und Zweck der Gebühr" 68 richten. Ein solcher Gedanke läßt sich sogar schon bei den Kameralisten nachweisen. So forderte von Justi, daß die zufälligen Einnahmen, die den heutigen Gebühren sehr nahe kommen, erhoben werden sollen, „ohne daß die gemeinschaftliche Glückseligkeit des Staates Nachtheil dabei leiden darf." 69 Im Zusammenhang mit der Ausgestaltung der Gebührenhöhe anhand ihrer verwaltungspolitischen Zwecke ist eine soziale Orientierung des Gebührenwesens wiederum von Adolf Wagner deutlich formuliert worden. Er verlangt, daß Rechts- und Verwaltungsgebühren, Gebühren für Gesundheits-, Bildungs- und Unterrichtswesen, möglichst niedrig anzusetzen sind.70 In der damaligen Finanzwissenschaft ist zudem anerkannt, daß Leistungsfähigkeitsaspekte bei Bemessung der einzelnen Gebühr berücksichtigt werden können. Die äquivalenztheoretische Rechtfertigung der Abgabenerhebung behält zwar im Bereich der Gebührendogmatik Geltung, Konsequenzen hat dies aber in erster Linie für die Obergrenze der Gebühr. 71 Diese soll entweder die mit der Erbringung der Verwaltungsleistung entstanden Kosten nicht überschreiten oder durch den beim Empfänger realisierten Nutzen begrenzt sein.72 Sowohl die Vertreter der Kosten-, als auch die der Nutzen- oder Werttheorie halten jedoch abseits von der streitigen Obergrenze sozialmotivierte Ermäßigungen bis zum vollkommenen Gebührenverzicht für zulässig.73
2. Moderne Finanzwissenschaft Während die Gebühr in den Anfängen des Steuerstaates ein typischer Untersuchungsgegenstand der Finanzwissenschaft war, ließ das Interesse an der Abgabe im Laufe des letzten Jahrhunderts erheblich nach.74 Soweit in der modernen Finanzwissenschaft dennoch auf die soziale Funktion der Gebühr eingegangen wird, besteht weitgehend Einigkeit, daß sich die Abgabe nicht als primäres Instrument der Bela67
Hansmeyer/Fürst, S. 10ff; Wendt, S.3ff. v. Stein, S. 216; vgl. auch Wagner, „Finanzwissenschaft" I, S. 324. 69 v. Justi, S. 95. 70 Wagner, „Finanzwissenschaft" II, S. 172. 68
71
Wendt, S.5f; Clausen, S. 13 ff; Kreft, S.72. Zum Streit zwischen Kosten- und Nutzentheorie, vgl. Gerloff, „Gebühren", HdBFinW II, S. 203 (207); Clausen, S. 13 ff; Kreft, S.72 ff; Heimlich, S.44ff. Aus dem damaligen Schrifttum für die ältere Kostentheorie, Rau, S. 109f; Toepfer, FinArch (26) 1909, 491 (512ff); Wagner, „Finanzwissenschaft" I, 313 f; Umpfenbach, S.56ff, 64f; v. Eheberg, S. 163; Fleiner, S.426f. Für die Nutzentheorie maßgeblich, Ehlers, FinArch (13) 1896, 439 (475); auch v. Hock, S.230ff; v.Schall, S. 105, 107; v.Heckel, S.514. 73 Wagner, „Finanzwissenschaft" I, S.324; v.Ehlers, FinArch (13) 1896,439 (476f); Toepfer, FinArch (26) 1906, S.547; vgl. auch Wendt, S.5f. 74 Bohley, S. 12. 72
Teil 1: Grundlagen
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stungspolitik eignet.75 Maßgeblich für diese Erkenntnis ist die Tatsache, daß der Anteil an Gebührenausgaben in den privaten Haushalten heute relativ gering ist. Ihr Einsatz zu verteilungspolitischen Zwecken wird zudem dadurch behindert, daß ihre Zahlung davon abhängt, ob der Verbraucher die angebotene Leistung überhaupt abnimmt. Darüber hinaus wird die Belastungsentscheidung ohnehin, wie auch bei der Besteuerung, durch Marktprozesse vom Abgabepflichtigen auf andere Personen übergewälzt. Ungeachtet der mangelnden primären Eignung der Gebühr zu Zwecken sozialpolitisch motivierter Einkommensredistribution, steht die Berechtigung der belastungspolitischen Komponente in der Gebührenpolitik als Nebenziel außer Frage. 76 Soziale Tarife führen nämlich in jedem Fall dazu, daß leistungsschwache Verbrauchergruppen für bestimmte Güter nur mit einem geringen Teil ihres Einkommens beansprucht werden. Auf diese Weise wird ihnen die Entgegennahme der staatlichen Leistung erleichtert. Außerdem können nur mit sozialen Tarifstaffelungen regressive Verteilungswirkungen bei der Erhebung von Benutzungsgebühren vermieden werden, soweit der Betrieb der gebührenpflichtigen Einrichtung auch durch Haushaltsmittel finanziert wird. 77 Bietet man eine staatliche Leistung allen Nutzern zu einem gleichermaßen subventionierten, günstigen Tarif an, so profitierten auch jene davon, die einen kostenechte Gebühr ohne weiteres bezahlen könnten.78 Eine solche Subvention nach dem Gießkannenprinzip wird dagegen durch leistungsfähigkeitsorientierte Tarife verhindert. Die staatlichen Zuschüsse werden hierdurch nur zu den Nutzem gelenkt, die einer Förderung bedürfen.
C. Entwicklung des Meinungsstandes zu sozialen Gebührentarifen in der Rechtswissenschaft I. Ältere rechtswissenschaftliche Stellungnahmen Die soziale Ausgestaltung des Gebührenwesens hat in der Rechtswissenschaft zu mehr Auseinandersetzungen geführt als in der Finanzwissenschaft. Erstaunlicherweise beginnt eine tiefergehende Kontroverse aber erst unter der Geltung des Grundgesetzes. In der älteren rechtswissenschaftlichen Literatur und Rechtsprechung bestand Einigkeit darüber, daß bei der Gebührenbemessung auch Leistungs75
Hansmeyer/Fürst, S. 88ff; Bohley, S. 138; Gawel, S. 149f; Mackscheidt/Steinhausen, S. 147; differenzierend Brückmann, KStZ 1988, 21 (25); zu Distributionswirkungen bei kommunalen Gebühren v g l auch Friedel, KStZ 1996, 181 (200ff); ders., ZKF 1999, 152 (53f); Bals/Nölke, KStZ 1990, 201 (206 f); Rehm, ZKF, 1982, 228 (229 f); Zimmermann, DVB1 1989, 901 (903). 76 Hansmeyer/Fürst S.90, vgl. auch Friedel, KStZ 1996, S. 181 (200ff). 77 Brückmann, KStZ 1988, 21 (23 f). 78 Friedel, KStZ 1996,181 (201); ders., ZKF 1999,152 (153f); Brückmann, KStZ 1988,21 (23); Rehm, ZKF 1982, 228 (229 f).
C. Soziale Gebührentarife in der Rechtswissenschaft
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fähigkeitsgesichtspunkte berücksichtigt werden dürfen. Die zulässige Reichweite sozialer Staffelungen wurde allerdings unterschiedlich beurteilt. Ausgangspunkt der damaligen Diskussion war die Auslegung von § 7 Satz 2 des preußischen Kommunalabgabengesetzes vom 14.7.1893 und des hierzu ergangenen Deklarationsgesetzes vom 24.7.1906. § 7 prKAG besagte: „Gebühren sind im Voraus nach festen Normen und Sätzen zu bestimmen. Eine Berücksichtigung Unbemittelter ist nicht ausgeschlossen." In der Konkretisierung durch das Deklarationsgesetz hieß es: „Die §§7, 20, 27 des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 stehen einer Abstufung der Gebühren und Steuersätze nicht entgegen. Insbesondere ist es zulässig, die Gebührensätze nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit bis zur gänzlichen Freilassung abzustufen." Das überwiegende damalige Schrifttum maß dem Deklarationsgesetz nur klarstellende Bedeutung zu. Es ging davon aus, daß Gebühren ohnehin durchgehend nach dem Einkommen der Pflichtigen bemessen werden dürften. Eine soziale Staffelung nach unten wie auch nach oben wurde als zulässig angesehen.79 Das preußische Oberverwaltungsgericht entschärfte demgegenüber das sozialpolitische Steuerungspotential des § 7 prKAG mit einer restriktiven Auslegung des Deklarationsgesetzes. Es solle „bei dem Vorhandensein der vollen Leistungsfähigkeit dabei bleiben, daß eine stufenweise Steigerung, des der normalen Leistungsfähigkeit entsprechenden Satzes, nach dem Verhältnis eines höheren Grades der Leistungsfähigkeit nach wie vor unzulässig ist." 80 Sozialmotivierte Gebührenerhöhungen waren damit nach Auffassung des Gerichts ausgeschlossen. Die Zulässigkeit sozialer Ermäßigungen wurde jedoch auch vom preußischen Oberverwaltungsgericht nicht in Frage gestellt.81
II. Neuere Diskussion Eine intensivere Auseinandersetzung mit nichtfiskalischen und damit auch sozialen Gebührenzwecken beginnt erst Ende der sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts. 82 Nach nunmehr dreißigjähriger Kontroverse ist die grundsätzliche Zulässigkeit lenkender Gebühren vorherrschende Auffassung. 83 Die Verfolgung sozialpoli79
In diesem Sinn Adickes, S. 287; Nöll-Freund-Suren, §7 prKAG Anm.9; so schon vor Erlaß des Deklarationsgesetztes, Nöll-Freund, § 7 prKAG Anm. 4. 80 PrOVGE 50,55 (60); auch PrOVG, PrVBl 36,507 (509); ebenso Hausmann, § 1 Anm. 8 e. 81 Zum Ganzen, Hansmeyer/Fürst, S. 117ff. 82 Maßgeblich hierfür waren die Arbeiten von Michael, „Die lenkende Gebühr", AöR 97 (1972), 232 ff und Rudolf Wendt, „Die Gebühr als Lenkungsmittel", 1975. 83 Aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung, BVerfGE 97, 332 (345 ff), 50, 217 (226f); BVerwGE 107, 188 (193 f); 80, 36 (41 f); BVerwG, DÖV 1975, 856 (857); NVwZ 1995, 173 (174); DVB1 1997, 1062 (1063); umfassende Darstellung der Literatur und Rechtsprechung beispielsweise bei Arndt, WiVerw 1990,1 (20ff); Hendler, VB1BW 1991,124 (126ff); S. Meyer, S. 203 ff; Murswiek, S.60ff; Selmer/Brodersen/Nicolaysen, S.59ff; Breuer/Fassbender,
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Teil 1: Grundlagen
tischer Ziele ist aber ungeachtet dessen bis heute ein besonders kontroverses Thema des Gebührenrechts geblieben. War die Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit bei der Gebührenbemessung zu Zeiten des preußischen Kommunalabgabengesetzes zumindest im Grundsatz anerkannt, so ist sie unter Geltung des Gerundgesetzes immer wieder vehement abgelehnt worden. 84 In Anbetracht der kommunalen Praxis ist die Zulässigkeit von Sozialstaffelung meist nur für Kindergartengebühren problematisiert worden. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung läßt sich bis etwa Ende der achtziger Jahre ein Überwiegen der kritischen Meinungen in der Literatur und vor allen Dingen in der Rechtsprechung ausmachen.85 Als grundlegendes Judikat der Zeit ist das Urteil des hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28.9.1976 anzusehen. Diese Entscheidung ist zwar keineswegs unumstritten geblieben,86 die Entscheidungsgründe sind jedoch vielfach nicht nur Richterspruch geblieben, sondern haben sich verkürzt wiedergegeben praktisch zur verselbständigten Lehrbuchsentenz entwickelt.87 In der Tat spricht die Entscheidung einige wesentliche Argumente der Gegner sozialer Tarife an. Nach Auffassung des Gerichts verstößt die Staffelung gegen den Gleichheitssatz und den einfachgesetzlichen Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit. Diese gebührenrechtlichen Grundsätze könnten auch nicht ohne weiteres durch das Sozialstaatsprinzip aufgeweicht werden. Eine Bemessung der Gebühr nach dem Einkommen sei überdies formenmißbräuchlich, denn der Gesetzgeber hätte anstelle der Gebühr eine Steuer erheben müssen. Seit Beginn der neunziger Jahre etabliert sich bei den Gerichten eine herrschende Meinung für die soziale Tarifgestaltung. 88 Insbesondere ein Zuständigkeitswechsel der Senate führte dazu, daß nunmehr der VGH Kassel89 und das OVG Lüneburg 90 WiVerw 1995, 1 ff; Heimlich, S. 207ff; auch Jarass, S.30ff; Bonner Kommentar-Vogel/Waldhoff, Vor. Art. 104a-l 15 GG Rdn.419; Sachs-Siekmann, vor Art. 104 a GG Rdn. 82 ff. 84 Vgl. aus der älteren Rechtsprechung und Literatur insbesondere VGH Kassel, NJW 1977, 452ff; OVG Lüneburg, OVGE 35, 455 ff; Leisner, in GS-Peters, 730 (732); Stephan, JurAn 1970, 867 (869); Vogel, Anm. zu VGH Kassel, NJW 1977, 452 (454f); Windemuth, KStZ 1978, 103 ff; Webersinn, DÖV 1978, 165 ff; von Rosen-von Hoevel, HKWP III, S.454 (463), der die Regelung des Deklarationsgesetztes ausdrücklich für unvereinbar mit dem Gleichheitssatz und gebührenrechtlichen Prinzipien hält. Aus dem neueren Schrifttum bspw. Brohm, in FS-Knöpfle, 57 ff; Bonner Kommentar-Vogel/Waldhoff, Vor. Art. 104a-115 GG Rdn. 420; Sachs-Siekmann, vor Art. 104a GG Rdn. 80; Kempen, NVwZ 1995, 1163 (1165ff). 85 Ein guter Überblick über den damaligen Meinungsstand findet sich bei Rogosch, S. 133 ff; Urban, KStZ 1993, 161 (161 f); Reinhardt, S. 158 ff. 86 Bspw. Menger, VerwArch 1977,389 ff; Schmidt, KB 1977,168 ff; auch Webersinn, DÖV 1978,165 (167), der die Staffelung aber aus anderen Gründen ablehnt; Voigt, DÖV 1977,673. 87 Zu diesem Befund, Reinhard, S. 159. 88 Den zeitlichen Anfang markiert eine Entscheidung des OVG Bremen, in der es sogar heißt, die Staffelung der Kindergartengebühren seien nicht nur zulässig, sondern auch geboten, OVG Bremen, DVB1 1988, 250ff; für die Zulässigkeit der Staffelungen ebenfalls OVG Koblenz, FEVS 48, 259ff; KStZ 1989, 38ff; VGH Mannheim, NVwZ 1994, 194ff; (261 f). 89 NVwZ 1995,406ff.
C. Soziale Gebührentarife in der Rechtswissenschaft
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ihre ehemals ablehnende Haltung aufgegeben haben. Zudem haben sich nunmehr das Bundesverwaltungsgericht 91 und unlängst auch das Bundesverfassungsgericht 92 für die Zulässigkeit einkommensabhängiger Kindergartengebühren ausgesprochen. Einzig das OVG Münster vermag die Staffelung der Entgelte für den Kindergartenbesuch bisher nur über einen Kunstgriff zu bejahen. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei dem nordrhein-westfälischen Elternbeitrag gerade nicht um eine Gebühr, da bei der Gebühr eine soziale Bemessung unzulässig sei. Gleichwohl sei die einkommensabhängige Bemessung des Elternbeitrag gerechtfertigt, denn es handele sich dabei um eine sozialrechtliche Abgabe sui generis. 93 Das Schrifttum geht mittlerweile ebenfalls zu einem überwiegenden Teil von der Zulässigkeit sozialer Gebührenstaffelungen aus.94 Jedoch mehren sich neuerdings wieder die Stimmen derjenigen, die einer sozialen Ausgestaltung von Gebühren grundsätzlich kritisch gegenüberstehen.95 Die konkrete Ausgestaltung einkommmensabhängiger Kindergartengebühren ist erst seit kurzer Zeit ein Thema. Hierbei läßt sich feststellen, daß die Gerichte dem Gesetzgeber bei der Bestimmung des Einkommensbegriffs weitgehende Gestaltungsfreiheit zubilligen. 96 In der Literatur werden die Spielräume des Gebührengläubigers dagegen enger gezogen.97 Es wird sich aber ohnehin kaum zu dieser Frage geäußert. Die Staffelungsmöglichkeiten von Gebühren für andere kommunale Leistungen ist ebenfalls wenig untersucht.98 Vereinzelt wird behauptet, nur bei Gebühren für sozialstaatliche Leistungen, wie beispielsweise Kindergärten, sei eine Sozialtarifie90
NVwZ 1990, 91 ff. BVerwGE 107, 186ff; BVerwG NVwZ 1995, 173 ff; auch NVwZ 1995, 790 (790). 92 BVerfGE 97, 332ff. 93 Vgl. OVG Münster, OVGE 44, 107 (110); NWVB1 1998, 188 (189); in diese Richtung schon OVG Münster, NWVB11988,377 (379 f), KStZ 1984,78 (79); zur Kritik an diesem Weg VGH Kassel, NwVZ 1995, 406 (407); Urban, NVwZ 1995, 143ff; zum Ganzen siehe Teil 3 B.II. l.b). 94 Bspw. Kämper, S. 143 ff; Gern, NVwZ 1995, 1145 (1154), ders., DVB1 1984, 1164 (1166ff); Friedel, ZKF 1999, 145ff; Bock-Pünder, S.336ff; Henneke, Jura 1990, 113 (116); Driehaus-Lichtenfeld, § 6 KAG Rdn. 752; S. Meyer, S. 211; Sachs-Osterloh, Art. 3 GG Rdn. 173; grundsätzlich auch Urban, KStZ 1993, 161 ff. 95 Vgl. Jestaedt, DVB12000, 1820 ff, Brohm, in FS-Knöpfle, 57 ff; Bonner Kommentar-Vogel/Waldhoff, Vor Art. 104a-115 Rdn. 420; Sachs-Siekmann, vor Art. 104aGG Rdn. 80; Kempen, NVwZ 1995,1163 (1165ff); Aulehner, JA 1995,842 (844f); siehe auch Burmeister/Bekker, DVB1 1996, 651 ff. 96 Bspw. BVerwGE 107, 188 (190); BVerwG NVwZ 1995, 173 (174); NVwZ 1995, 790 (790); OVG Koblenz, FEVS 48, 259 (261 f); OVG Münster, NWVB1 1998, 14 (15 f); NWVB1 1998, 188 (189ff); OVGE 44, 107(112ff); VGH Kassel, NVwZ 1995,406 (408ff); OVG Lüneburg, NdSVBl 1998, 93 (94). 97 Vgl. Urban, NVwZ 1995, 143 ff; ders., NWVB1 1993, 371 ff; ders., KStZ 1993, 161 ff. 98 Allerdings detaillierter für Abwassergebühren, Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 ff, vgl. zum Ganzen auch Jestaedt, DVB1 2000, 1820 (1824). 91
3 Schumacher
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Teil 1: Grundlagen
rung möglich. Bei Gebühren für Abwasser- und Müllentsorgung soll diese hingegen ausscheiden." Kaum Stellungnahmen liegen auch zur Frage nach der Kompetenz der Kommunen für die Indienstnahme des Gebührenwesen zur Sozialpolitik vor. 100 Obgleich sich nunmehr eine herrschende Meinung für die Zulässigkeit gestaffelter Kindergartengebühren herausgebildet hat, bleibt die Frage nach der sozialen Ausgestaltung des kommunalen Gebührenwesens ein aktuelles Thema des Gebührenrechts. Eine tiefergehende Auseinandersetzung mit allen verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Fragen unter Berücksichtigung der neueren Entwicklung in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur steht jedoch noch aus.101 Die nachstehende Untersuchung soll diese Lücke schließen.
99 Vgl. bspw. OVG Lüneburg, NVwZ 1990,91 (93); OVG Bremen, DVB1 1988,250 (251 f), Kämper, S. 142ff; Friedel, KStZ 1996, 181 (201); ders., ZKF 1999, 152 (155); Bößl, KStZ 1975, 84 (86); Menger, VerwArch 1977, 389 (396); Kottmann, KStZ 1985,41 (43f). 100 Soweit ersichtlich nur Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 (656 ff). 101 Vgl. Friedel, ZKF 1999, 145 (145 f); Sachs/Windhorst, JuS 1999, 857 (861), Jestaedt, DVB1 2000, 1820 (1824) die daraufhinweisen, daß auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch Raum zur Diskussion besteht.
Teil 2
Verfassungsrechtliche Grenzen Für die Möglichkeiten einer Sozialstaffelung kommunaler Gebühren ist zunächst entscheidend, inwiefern die Verfassung eine solch differenzierte Tarifgestaltung der Abgabe zuläßt. Unabhängig von den einfachgesetzlichen Konkretisierungen des Gebührenrechts durch Bund und Länder ist der kommunale Gesetzgeber an die verfassungsrechtlichen Grenzen in jedem Fall gebunden.
A. Kompetenzielle Grenzen I. Kompetenzielle Anforderungen an lenkende Gebühren Eine erste verfassungsrechtliche Schranke für die Verfolgung sozialer Zwecke durch kommunale Gebühren kann sich aus der allgemeinen Kompetenzordnung des Grundgesetzes ergeben. Gerade hier stellt sich die Kompetenzfrage in verschärfter Form, denn sozialpolitisch motivierte Gebührennormen beschränken sich nicht nur auf die Regelung des Abschöpfungs- oder Entzugsvorgangs. Sie bedienen sich zudem eines weiteren Handlungsparameters. Es drängt sich deswegen die Frage auf, ob der Gebührengesetzgeber nicht nur einer Erhebungskompetenz, sondern auch einer zusätzlichen kompetenziellen Abstützung hinsichtlich des Sozialzwecks bedarf. 1. Gebührenkompetenz als Annexkompetenz Die Gebühr wird in der Verfassung lediglich an zwei Stellen eher beiläufig erwähnt. Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG regelt die konkurrierende Bundesgesetzgebungskompetenz für die Erhebung und Verteilung von Gebühren für die Nutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen. In Art. 80 Abs. 2 GG wird bestimmt, daß vorbehaltlich anderer Regelungen Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder des Bundesministers über Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen der Bundeseisenbahn und des Post- und Fernmeldewesens der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Eine geschlossene Gesetzegebungsmaterie Gebührenrecht kennt das Grundgesetz daher nicht. Die Erhebungskompetenzen müssen sich deshalb aus den allgemeinen Zuständigkeitsregeln ergeben. Hierfür werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. 3*
36
Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
Einerseits wird die Gebührenkompetenz als direkt der Sachkompetenz folgend angesehen.1 Zum anderen wird die Kompetenz zur Regelung von Gebührenerhebungen aus der Kompetenz von Verwaltungsorganisation und Verwaltungsverfahren, in der Regel also aus Art. 84 Abs. 1 GG, abgeleitet.2 Art. 84 GG begründet allerdings selbst keine eigene Gesetzgebungszuständigkeit, sondern er setzt die allgemeine Sachgesetzgebungskompetenz nach Art. 73ff GG voraus.3 Im Ergebnis ist daher auch hier das Innehaben der Sachkompetenz für die Gebührenkompetenz entscheidend. Richtiger ist jedoch die erste Ansicht, denn die Regelung der Entgeltlichkeit ist Annex zur Regelung eines staatlichen Leistungsangebots. Nur für Verwaltungsgebühren kann die Kompetenz aus der Regelungszuständigkeit für das Verwaltungsverfahren folgen. 4 2. Erfordernis der Sachkompetenz a) Keine zusätzliche Sachkompetenz erforderlich Für die Handlungsspielräume des Gebührengesetzgebers in Bezug auf das außerfiskalische Abgabenziel sind mehrere Lösungsmöglichkeiten denkbar. Die weitestreichende wäre, nur eine Kompetenzgrundlage für die Gebührenregelung als solche zu fordern, dem Gebührengesetzgeber aber im übrigen freie Hand zu lassen, welche sachpolitischen Ziele er mit der Abgabe verfolgen will. Einen solchen Weg geht die überwiegende Auffassung, wenn mit der Steuer nichtfiskalische Zwecke verfolgt werden.5 Die Kompetenzgrundlage zum Erlaß len1 So bspw. Wilke, S. 162ff; Feigenbutz, S. 199; F. Kirchhof, „Gebühr", S. 38; S. Meyer, S.225; Isensee, in FS-Geck, S.355 (369). 2 Wendt, S.36; Raecke, S.23; Kloepfer, AöR 97 (1972), 232 (243 f). 3 Vgl. Kloepfer, AöR 97 (1972), 232 (243 f); hierzu auch Arndt, WiVerw 1990, 1 (31, FN 149). 4 Vgl. Arndt, WiVerw 1990, 1 (31); S. Meyer, S. 225. 5 Vgl. BVerfGE 3,407 (435f); 16,147 (162), 38,61 (79f); 98,106 (118); BVerwGE 96,272 (287); Maunz/Dürig/Herzog-Maunz, Art. 105 GG Rdn.24; von Münch/Kunig-Fischer-Menshausen, Art. 105 GG Rdn.9; Jarass, S. 14ff; Pieroth, WiVerw 1996, 72ff; a. A. Stern, Bd. II, S. 1105; Vogel, HStR IV, § 87 Rdn. 52. Soweit der Bund die Steuer als Mittel der Wirtschafts und Sozialgestaltung einsetzt, liegen Steuergesetzgebungs (Art. 105 Abs. 2 GG) und Sachkompetenz (vor allem Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) allerdings ohnehin regelmäßig in einer Hand. Kompetenzprobleme stellen sich vorwiegend im Bereich der Landessteuergesetzgebung, hier insbesondere im Rahmen von Art. 105 Abs. 2 a GG. Das Bundesverfassungsgericht hat den Konflikt zwischen Art. 105 Abs. 2 a GG und bundesrechtlichen Regelungen nach Art. 74 GG jedoch wiederholt zugunsten der Länder entschieden. Die bundesrechtliche Konkurrenz sperre nur die Zuständigkeit zur unmittelbaren Regelung dieses Gebiets. Das Recht des Bundeslandes zur Steuergesetzgebung bleibe als Sonderregelung erhalten und beinhalte auch die mittelbare Einflußnahme auf die der Länderkompetenz entzogenen Sachmaterien, vgl. BVerfGE 13, 181 (196 f); 14, 76 (99); 31, 8(23). In der Entscheidung zur Verpackungssteuer schränkt das Bundesverfassungsgericht die Sachregelungsmöglichkeiten des Abgabengesetzgebers jedoch ein. Zwar wird weiterhin auf eine sachkompetenzielle Abstützung verzichtet, aber aus dem Rechts-
A. Kompetenzielle Grenzen
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kender Steuernormen wird allein den Art. 105 ff GG entnommen. Begründet wird dies damit, daß nahezu alle Steuergesetze Belastungs- und Gestaltungswirkungen entfalten. 6 Würde man nun jeweils eine doppelte Kompetenzgrundlage fordern, so wären die für die Steuer geltenden Kompetenznormen des Art. 105 GG in erheblichem Umfang entwertet. Außerdem nähme eine sachkompetenzielle Abstützung lenkender Steuernormen die anerkannte Feststellung, daß Steuergesetze auch hauptsächlich einen nichtfiskalischen Zweck verfolgen können, im Ergebnis wieder zurück. Die Übertragbarkeit dieses steuerrechtlichen Ansatzes auf den Gebührenbereich wird in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Verpackungssteuer nahegelegt.7 Angesichts der Vorlagefrage des hessischen Verwaltungsgerichtshof hat das Gericht ausgesprochen, daß nicht nur die normative Einführung einer Steuer keiner eigenständigen Sachregelungskompetenz für etwaige außerfiskalische Neben- oder gar Hauptzwecke bedürfe, sondern daß auch für Gebühren und Beiträge keine zusätzliche Sachkompetenz hinsichtlich des außerfiskalischen Lenkungszwecks erforderlich sei.8 Ein solch pauschales Urteil greift jedoch zu kurz und verkennt die Unterschiede beider Abgabenarten.9 Anders als für die Steuern trifft das Grundgesetz keine eigenständige Regelung über die Zuständigkeiten für die Erhebung von Gebühren oder anderen nichtsteuerlichen Abgaben. Sie ergibt sich als Annex aus der jeweiligen sachmateriellen Gesetzkompetenz. Wenn aber schon die Erhebung der Gebühr sachkompetenziell abgestützt werden muß, dann muß die Abgabe erst recht hinsichtlich ihres Wirkungsbereichs eine sachkompetenzielle Rechtfertigung erfahren. Die Art. 70 ff GG verteilen die Sachkompetenzen gerade äußerst ausdifferenziert auf die einzelnen Hoheitsträger. Könnte sich der Gebührengesetzgeber nun sämtlicher Sachkompetenzen bedienen, wäre dieses Verteilungssystem ad absurdum geführt. Die Gebühr würde zu einer Art Wunderwaffe, im Konflikt widerstreitender sachpolitischer Vorstellungen auf den einzelnen staatlichen Ebenen. Für eine solche Funktion der Abgabe bestehen allerdings keinerlei verfassungsrechtliche Anhaltspunkte. staatsprinzip in Verbindung mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes folge, daß der Steuergesetzgeber die vom Sachgesetzgeber getroffenen Entscheidungen nicht durch Lenkungsregelungen verfälschen dürfe, BVerfGE, 98 106 (118 ff). Zum Ganzen auch Arndt, WiVerw 1990, 1 (12 ff); Höfling, S.321 (323 f). 6 Grundlegend hierzu Birk, „Leistungsfähigkeitsprinzip", S.68ff. 7 BVerwGE 96, 272 (287). 8 Das BVerwG gesteht dem Gebührengesetzgeber aber keine völlig unbeschränkte Gestaltungsfreiheit zu. Der gebührenrechtliche Nebenzweck dürfe nämlich zu Regelungen des Sachgesetzgebers nicht in „unzulässigem inhaltlichen Gegensatz" stehen, BVerwG, DVB1 1994, 820 (821); vgl. hierzu Breuer/Fassbender, WiVerw 1995, 1 (37f); Höfling, S.321 (325). 9 Zur Kritik hieran Höfling, 321 (323 ff); Breuer/Fassbender, WiVerw 1995,1 (35 ff); gegen eine Übertragbarkeit der Rechtsprechung zur Steuergesetzgebung auch Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 (657); zustimmend zur Entscheidung des BVerwG allerdings Driehaus-Dahmen, § 6 KAG Rdn. 294.
Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
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Im Gegenteil, wegen ihrer Gegenleistungsabhängigkeit ist sie gerade kein der Steuer vergleichbares zentrales Lenkungsinstrument aktiver staatlicher Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. 10 Sie dient grundsätzlich der Finanzierung einer staatlichen Leistung und ist nicht wesentliches Mittel zur Umsetzung sachpolitischer Erwägungen. Es ist daher weder notwendig noch wünschenswert, dem Gebührengesetzgeber ein flexibles Zugreifen auf alle Sachmaterien zu gestatten. Die schlichte Anknüpfung an den der Gebührenerhebung zugrundeliegenden Kompetenzgegenstand kann für außerfiskalisch motivierte Gebühren nicht ausreichen. Für die Erhebung solch lenkender Gebühren ist in jedem Fall eine weitere Sachkompetenz hinsichtlich des außerfiskalischen Zwecks erforderlich. b) „ These der Kompetenzakzessorietät"
11
Ausgehend von dieser Feststellung wird eine weitergehende Einschränkung gemacht. Die kompetenzielle Anseilung des Gebührenrechts an eine Sachregelungsnorm soll dazu führen, daß die Gebührenregelung nie selbständig auf weitere Sachregelungszuständigkeiten zurückgreifen dürfe. 12 Dies gelte selbst dann, wenn die Kompetenzen der erhebenden Körperschaft an sich zustünden. Die Sachregelungskompetenzen erscheinen also nicht bloß als Grund der Gebührenerhebung, sondern gleichzeitig auch als ihre Grenze. Die Anbindung der Gebührenkompetenz an die Sachkompetenz wird zur Lenkungssperre der Gebührenregelung, da der Gebührengewalt eine Kompetenzkombination untersagt ist. 13 Sinn eines solchen „Grundsatzes der Kompetenzakzessorietät" ist es, das Kompetenzverteilungssystem des Grundgesetzes umfassend zu schützen. Indem durch die Sperrwirkung eine Vielzahl von Lenkungszwecken ausgesondert werden, soll er darüber hinaus der Zähmung der Gebührengewalt dienen. Ist der außerfiskalische Zweck durch den Anlaß der Erhebung festgelegt, ergeben sich damit schon rein kompetenzrechtlich erhebliche Einschränkungen für eine soziale Staffelung von Gebühren. Nur soweit die Gebührenkompetenz Annex einer sozialen Sachkompetenz ist - hierfür käme letztlich wohl nur Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG in Frage bestünde die Möglichkeit zur sozialen Ausgestaltung des Abgabentarifs. 14 Eine derartige Konsequenz des Konzepts der Kompetenzakzessorietät wird allerdings nicht immer gezogen. So nimmt Kloepfer an, daß sich die von ihm geforderte Sperrwirkung der Kompetenzanbindung überhaupt erst jenseits von stets feststell10
Vgl. Breuer/Fassbender, WiVerw 1995, 1 (36). Diese Bezeichnung stammt von Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 (658). 12 So Kloepfer, AöR 97 (1972), 232 (262f); Suhr, BB 1968,611 (612f); Selmer/Brodersen/ Nicolaysen, S.60. 13 Kloepfer, AöR 97 (1972), 232 (263). 14 Vgl. hierzu Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 (657 f). 11
A. Kompetenzielle Grenzen
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baren wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen entfaltet. Ohnehin soll gerade eine sozialstaatlich motivierte Gebührenstaffelung keiner eigenständigen Zuständigkeit zur Sozialgesetzgebung bedürfen, denn das Sozialstaatsprinzip präge vielmehr den vorhandenen Kompetenzkatalog.15 c) Sachkompetenz aus der Summe aller Kompetenzen Solche Einschränkungen klingen wenig überzeugend. Dies mag nicht zuletzt daran liegen, daß schon für ein derart restriktives Verständnis von dem Erfordernis der Sachkompetenz kein Anlaß besteht.16 Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Anbindung der Erhebung an eine Sachmaterie aus kompetenzrechtlichen Gründen die Regelung anderer Zwecke sperren sollte, soweit die erhebende Körperschaft hierzu ansonsten befugt ist. Eine Kompetenzvermischung innerhalb einer staatlichen Ebene ist unter dem Gesichtspunkt föderaler Kompetenzabgrenzung unschädlich. Solange die Körperschaft das regelt, was sie regeln darf, ist eine Verschiebung des föderalen Ordnungssystems nicht zu befürchten. Eine weitere Abschichtung innerhalb der den Körperschaften zur Verfügung stehenden Kompetenzen erscheint außerdem auch wenig sinnvoll. Es ist nämlich nur Formulierungsfrage, inwiefern die einzelnen Kataloge, mit denen die Zuständigkeit des Hoheitsträgers insgesamt umgrenzt wird, untereinander zugeschnitten sind.17 Es ist darüber hinaus nicht notwendig, die Gebührengewalt durch kompetenzielle Restriktionen zähmen zu wollen. Eine Berücksichtigung außerfiskalischer Ziele, die nicht mit dem Erhebungszweck in Zusammenhang stehen, ist regelmäßig in materieller Hinsicht zweifelhaft. Der Gleichheitssatz verpflichtet den Abgabengläubiger zu einer zweckorientierten Gebührenbemessung. Richtigerweise ergibt sich die Zuständigkeit der erhebenden Körperschaft für die Verfolgung des außerfiskalischen Zwecks daher nicht nur aus dem der Abgabenerhebung zugrundeliegenden Sachregelungskomplex, sondern aus der Summe der ihr zustehenden Kompetenzen.18
II. Kompetenzielle Grenzen einer kommunalen Sozialförderung durch Gebühren Den Kommunen ist aufgrund der Regelungen in den Kommunalabgabengesetzen das Recht eingeräumt, Gebühren zur Finanzierung ihrer Leistungen zu erheben. Nutzen sie die Abgabe nicht ausschließlich zu Finanzierungszwecken, sondern zu15
Kloepfer, AöR 97 (1972), 232 (263). Zur Kritik an der „These der Kompetenzakzessorietät", Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 (658); Wendt,S.77. 17 Vgl. Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 (658). 18 In diesem Sinn, BVerfGE 50, 217 (226f); Wendt, S.76f; F. Kirchhof, „Gebühr", S. 135f; Burmeister/Becker, DVB1 1996,651 (658); Höfling, S.321 (325); Breuer/Fassbender, WiVerw 1995, 1(36). 16
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sätzlich zur Umsetzung sachpolitischer Vorstellungen, besteht auch hier das Erfordernis einer weiteren kompetenziellen Abstützung. Bei empfängerbezogenen Tarifen kommunaler Gebühren stellt sich damit die Frage nach der Sozialkompetenz der Kommunen. 1. Erfordernis der Örtlichkeit der Angelegenheit Der Rahmen kommunaler Handlungsbefugnisse wird durch Art. 28 Abs. 2 GG abgesteckt. Hierin hat das Grundgesetz die politische Idee der Selbstverwaltung in gesetzliche Form gegossen. Die Gemeinde hat das Recht, sich aller „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft 4' anzunehmen und sie „im Rahmen der Gesetze eigenverantwortlich zu regeln". Zentrales Merkmal für die Regelungsbefugnis der Kommunen ist die Örtlichkeit einer Angelegenheit. Solange ein Sachverhalt örtlicher Natur ist, darf er grundsätzlich von der Kommune geregelt werden. Erweist sich eine Angelegenheit demgegenüber als überörtlich, ist der Anwendungsbereich der Selbstverwaltungsgarantie verlassen und der Rahmen für kommunale Handlungsbefugnisse überschritten. Als örtlich ist eine Angelegenheit dann anzusehen, wenn sie in der örtlichen Gemeinschaft wurzelt und einen spezifisch örtlichen Bezug hat. 19 Damit sind Sachverhalte umschrieben, die den Gemeindeeinwohnern als solchen gemein sind, weil sie gerade ihr Zusammenleben in der Gemeinde betreffen. Es ist wohl nicht möglich, mit diesem Definitionsansatz sämtliche Abgrenzungsschwierigkeiten zu lösen, die bei der Zuordnung einer Aufgabe in den Kompetenzbereich der Gemeinde entstehen.20 Kaum eine Angelegenheit weist nicht irgendwelche Bezugspunkte zur örtlichen Gemeinschaft auf. Ebensowenig gibt es keine rein örtliche entstandene Problematik, die nicht - einen auch noch so vagen - überörtlichen Bezug erlangen kann.21 Das Bundesverfassungsgericht zieht daher für die Bestimmung der Zuständigkeit auch die geschichtliche Entwicklung des Aufgabenbereichs einer deutschen Gemeinde heran. 22 Dies bedeutet aber nicht, daß der in Art. 28 Abs. 2 GG umschriebene Aufgabenbereich feststehend und unverrückbar ist. Vielmehr können Aufgaben wegen grundlegenden Wandels der Verhältnisse über ihre Verwurzelung in der örtlichen Gemeinschaft hinauswachsen. Eine ehemals überörtliche Aufgabe kann sich aber ebenso in ihrer Bedeutung derart wandeln, daß sie zu einer örtlichen Angelegenheit wird. 23 Ferner umfaßt die Gewährleistung des Art. 28 Abs. 2 GG auch das 19
St. Rspr. vgl. BVerfGE 8, 122 (134); 50, 195 (201); 52, 95 (120); 79,127 (151). Stern, Bd.I, S.412f; Badura, S.238; Maunz/Dürig/Herzog-Maunz, Art.28 GG Rdn.61. 21 Schmidt-Jorzig, Rdn.472. 22 Bspw. BVerfGE 1, 167 (178); 11, 266 (274); 50, 195 (201); 76, 107 (118); 86, 90 (107); kritisch hierzu Maunz/Dürig/Herzog-Maunz, Art.28 GG Rdn.61; Stober, S.68. 23 BVerfGE 23, 353 (367); 38, 258 (279); 52, 95 (117); vgl. auch Stober, S.68f; Gern, Rdn. 60. 20
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Recht zur spontanen Aufgabenerfindung. Die Beschränkung der gemeindlichen Verbandskompetenz auf örtliche Angelegenheiten kann im Grundsatz deshalb nur so verstanden werden, daß die Gemeinde überall dort keine Wahrnehmungskompetenzen besitzt, wo die Angelegenheit keinen spezifischen Ortsbezug aufweist. 25 Umgekehrt besteht aber eine Vermutung für die Zuständigkeit der Gemeinden, wenn die Erfüllung von Aufgaben mit unmittelbarer Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft ansteht, selbst wenn diese Aufgaben zugleich auch von überörtlicher Bedeutung sind.26 2. Sozialpolitische Maßnahmen als örtliche Angelegenheiten Eine Verknüpfung zwischen örtlichen und überörtlichen Berührungspunkten zeigt sich insbesondere im Bereich der kommunalen Sozialpolitik.27 Gerade hier geht es zumeist um Probleme überörtlicher Herkunft und Auswirkung. Es verwundert deswegen nicht, wenn dem sozialpolitischen Handlungsspielraum der Kommunen im Einzelfall enge Grenzen gezogen werden. Solches ist beispielsweise unlängst durch das OVG Münster geschehen.28 Das Gericht hielt eine, von einer Gemeinde anläßlich der Geburt des dritten Kindes gezahlte, Aufwendungsbeihilfe in Höhe von 1000 DM für unzulässig.29 Die Zuwendung sollte einen Beitrag zum Familienlastenausgleich darstellen und finanzielle Mehraufwendungen kinderreicher Familien ausgleichen. Nach Auffassung des Gerichts war der Rahmen kommunaler Befugnisse verlassen. Die Zahlung einer derartigen Behilfe stellte sich nicht mehr als örtliche Angelegenheit dar, denn die Gemeinde habe vielmehr ein allgemeinpolitisches Mandat wahrgenommen. Ein solch restriktiver Ansatz des Örtlichkeitsmerkmals scheint bedenklich.30 Ein Ortsbezug wird bei sozialpolitischen Maßnahmen regelmäßig dadurch hergestellt, daß die Adressaten sozialer Hilfen Mitglieder des jeweiligen kommunalen Verbandes sind. An ihnen manifestieren sich konkret die abstrakten gesellschaftlichen Probleme.31 Kommunale Sozialpolitik ist gerade deswegen nicht nur ein rein symboli24
Vgl. Bonner Kommentar-Stern, Art. 28 GG Rdn. 87; Schwarz, S. 28. Stern, Bd.I, S.413; Schmidt-Aßmann, S. 17; Schwarz, S.26. 26 So bspw. Bonner Kommentar-Stern, Art. 28 GG Rdn. 91; Maunz/Dürig/Herzog-Maunz, Art. 28 GG Rdn. 60; Schwarz, S. 26. 27 Vgl. hierzu auch Burgi, VerwArch 1999, 70 (85). 28 OVG Münster, NWVB1 1995, 170ff. 29 Die gleiche Zuwendung soll allerdings in Form eines Patenschaftsgeldes zulässig sein. Hiermit will die Kommune keinen Mehrbedarf ausgleichen, sondern ein Zeichen für die Zugehörigkeit des Neugeborenen zum kommunalen Verband setzen. Es dürfte für die Gemeinden damit ein Leichtes sein, das Verbot des kommunalen Kindergeldes durch entsprechende Begründungen zu umgehen. 30 Kritisch zur Entscheidung des OVG Münster Burgi, VerwArch 1999, 70ff (85 f); Jacobs/ Machens, NWVB1 1996, 1 ff; auch Stuer, S. 165; grundsätzlich zustimmend demgegenüber Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 ff. 31 Vgl. Burgi, VerwArch 1999, 70 (85 f); auch Jakobs/Machens, NWVB1 1996, 1 (2). 25
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scher Beitrag zur Lösung gesamtgesellschaftlicher Fragestellungen, sondern Hilfe vor Ort. Dies muß zur Qualifikation als örtliche Angelegenheit führen, sobald durch die Maßnahmen ein Stück Solidarität des Verbands für einzelne seiner Mitglieder verkörpert wird, indem die Hilfe an die Zugehörigkeit zum örtlichen Verband anknüpft. 32 Bei der Zahlung des „kommunalen Kindergeldes" ist aber genau dies der Fall, denn maßgeblich für die Förderung ist dort das Hineingeborenwerden in die Gemeinde. Für eine großzügige Handhabe kommunaler Kompetenzen im Bereich der Sozialpolitik sprechen schließlich historische Tatsachen. „Öffentliche Fürsorge" beziehungsweise Sozialrecht ist seit jeher ein geradezu typisches Feld kommunaler Betätigung.33 Vor allem in Krisenzeiten traten die Kommunen immer wieder als Vorkämpfer neuer sozialer Einrichtungen hervor. 34 So zeigt die Schaffung von Krankenhäusern, Altersheimen und Wärmestuben, daß Initiativen im Bereich des Sozialwesens ein klassischer Bereich kommunaler Tätigkeit waren. 35 Darüber hinaus ist eine Ausweitung sozialpolitischer Handlungsspielräume der Kommunen politisch wünschenswert, denn gerade im Bereich der Sozialpolitik wird der Vorteil kommunaler Aufgabenerledigung deutlich. Frühe Problemerkenntnis ermöglicht flexible Reaktion.36 Ebenso ist es nur durch kommunale Aktionen möglich „die pathologischen Nebeneffekte einer verrechtlichten, bürokratisierten und monetarisierten staatlichen Sozialpolitik" 37 zurückzudrängen. Bürgernahe Sozialpolitik bedeutet Sozialpolitik der Kommunen. Was der Familienverband an sozialen Problemen nicht lösen kann, sollte zunächst in die Zuständigkeit des nächsten Verbandes fallen, nämlich der Gemeinde.38
3. Soziale Gebührenstaffelung als örtliche Angelegenheit Die Kompetenz der Kommunen für eine soziale Ausgestaltung ihres Gebührenwesens kann angesichts der weitreichenden sozialpolitischen Befugnisse kaum ernsthaft in Zweifel gezogen werden. Es ist für die Zuordnung zum kommunalen Aufgabenkreis wie dargelegt nicht hinderlich, daß bei dieser Maßnahme überörtli32
Burgi, VerwArch 1999, 70 (85); auch Jakobs/Machens, NWVB1 1996, 1 (2). Schöber,S. 117;Pagenkopf,S. 164; Jacobs/Machens,NWVB11996,1 (2); Gröttrup,S.39. Bereits Otto von Gierke faßte die Gemeinde als „Idealtyp einer genossenschaftlichen Nutzenund Lastengemeinschaft der Bürger" auf, vgl. v. Gierke, S. 638 ff. 34 Scheuner, AfK 1962, 149 (152). 35 Pagenkopf, S. 162. 36 Vgl. VG Ansbach, NVwZ-RR 1991, 263 (263 f); 1989, 318 (320) wo von einer Befugnis zu „unorthodoxen Entschlüssen" die Rede ist; Burgi, VerwArch 1999, 70 (85); für eine Ausdehnung der sozialen Aufgaben der Kommunen, Pitschas, SRH, S. 1257 ff (1294f); Stober, in FS-Krasny, S. 585 (608 f). 37 von Münch-Roters, Art. 28 GG Rdn.42a. 38 Vgl. Pagenkopf, S. 162. 33
A. Kompetenzielle Grenzen
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che Bezüge bestehen. Die Verbindung von ubiquitären und lokalen Berührungspunkten ist sozialpolitischen Problemen immanent. Es kann daher nicht von Belang sein, daß die soziale Bedürftigkeit einzelner Gebührenschuldner kein speziell örtliches Problem ist, sondern die Folge einer allgemeinpolitischen Entscheidung für ein freiheitlich demokratisches System und der damit verbundenen Akzeptanz der unterschiedlichen Fähigkeiten der Individuen, ihre soziale Situation selbst zu gestalten. Entscheidend für die kommunale Kompetenz ist, daß die Bekämpfung der sozialen Bedürftigkeit einzelner Gebührenschuldner mit vergünstigten Tarifen den örtlichen Rahmen nicht verläßt. Die Hilfsmaßnahme erfolgt nur anläßlich solcher Leistungen, die von der Gemeinde aufgrund ihrer örtlichen Kompetenz erbracht werden. 39 Die Vermögenskorrektur ist damit eine Auswirkung, die sich nur an den Empfängern der kommunalen Leistung zeigt. Der Ortsbezug wird noch deutlicher bei dem ebenfalls mit Gebührenermäßigungen verfolgten Ziel, den bedürftigen Gemeindeeinwohnern durch entsprechende Tarife, den Zugang zur angebotenen Leistung zu erleichtern. Das Wohl des einzelnen Gemeindeeinwohners als ein dem Verband zugehöriges Individuum steht hierbei einzig und allein im Mittelpunkt des gemeindlichen Ansinnens. Mit der Wahrnehmung allgemeinpolitischer Mandate hat die soziale Tarifgestaltung bei kommunalen Gebühren nichts zu tun. Sie ist eine örtliche Angelegenheit und als solche den Kommunen zur Regelung überantwortet. 4. Sperrwirkung durch Bundesrecht? Es fragt sich aber, ob mit der Feststellung der Örtlichkeit der Maßnahme der Handlungsspielraum der Kommunen vollständig geklärt ist. Zu untersuchen ist, wie es sich auf die Kompetenz der Kommunen auswirkt, wenn sich der Bundesgesetzgeber bereits den Zielen kommunaler Sozialtarife umfassend angenommen hat. Es wird teilweise angenommen, daß durch den abschließenden Gebrauch bundesrechtlicher Kompetenzen nach Art. 70 ff GG eine weitere Regelung der Länder und somit der Gemeinden stets kompetenziell gesperrt sei. Diese Argumentation findet sich vorwiegend in Entscheidungen zu umweltpolitischen Maßnahmen der Kommunen.40 Für den sozialpolitischen Sektor kann wiederum auf die Entscheidung des OVG Münster zur kommunalen Aufwendungsbeihilfe verwiesen werden. 41 Das Gericht läßt die Zuwendung zwar schon an dem mangelnden Ortsbezug scheitern, deutet aber an, daß eine Verbandskompetenz der Kommunen auch wegen den bereits ergangenen bundesrechtlichen Regelungen zum Familienlastenausgleich fehlen könnte. Im Schrifttum haben Burmeister/Becker diesen Gedanken auf soziale Ge39
Vgl. hierzu auch Burgi, VerwArch 1999, 70 (86). Vgl. BVerwG, DVB1 1997, 1118 (1118 f); VGH München, DVB1 1992, 717 (720); VGH München, BayVBl 1994, 20, wo im Ergebnis die Sperrwirung allerdings verneint wird; zum Ganzen Burgi, VerwArch 1999, 70 (77, 81 ff). 41 OVG Münster, NWVB1 1995, 170ff. 40
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
bührenstaffelungen übertragen. Sie sind der Ansicht, den Kommunen sei die Kompetenz für eine Sozialförderung durch Gebührentarife oftmals untersagt, weil sich der Bundegesetzgeber in seiner Sozialgesetzgebung den Zielen der Tarifvergünstigungen bereits abschließend angenommen habe.42 Eine solcher Ansatz vermag, ungeachtet der Subsumtionsergebnisse im konkreten Fall, nicht zu überzeugen.43 Das Problem einer Sperrwirkung durch Bundesrecht ist keines der kommunalen Kompetenz. Es ist eines der materiellen Grenzen kommunaler Regelungen. Soweit die Kommunen rechtsetzend tätig werden, sind sie nach allgemeiner Auffassung der Exekutive der Länder zuzurechnen.44 Die Art. 70 ff GG haben aber die Kompetenzverteilung zwischen der Legislative von Bund und Ländern zum Gegenstand. Eine Nichtanwendbarkeit der Art. 70 ff GG auf das Verhältnis Bund und Kommune ist daher die logische Konsequenz.45 Rechtssystematisch richtig können sich die Art. 70 ff GG nur auf eine landesrechtliche Grundlage kommunaler Regelungen beziehen. Stützt sich die Kommune nun für den Erlaß einer Satzung direkt auf Art. 28 Abs. 1 GG, muß die Prüfung einer kompetenziellen Sperrwirkung bundesrechtlicher Regelungen deshalb notwendigerweise ins Leere gehen.46 Die Frage nach einer etwaigen Rechtsetzungssperre durch Bundesrecht stellt sich allerdings in materieller Hinsicht. Die Gemeinde darf nach Art. 28 Abs. 2 GG ihre Angelegenheiten nur im Rahmen des geltenden Rechts regeln. Eine kommunale Maßnahme, die tatbestandlich von den bundesrechtlichen Regelungen abweicht, verläßt aber den Rahmen des geltenden Rechts. Sie verstößt gegen den in Art. 28 Abs. 2 GG angesprochenen Gesetzesvorrang. Die Kommune überschreitet damit in materieller und nicht in formeller Hinsicht ihre Möglichkeiten.47 Das gleiche gilt, soweit die Kommune für eine Regelung nicht direkt auf Art. 28 Abs. 2 GG zugreift, sondern sich auf eine besondere landesrechtliche Ermächtigungsgrundlage stützt.48 Dies ist auch bei der Sozialtarifierung kommunaler Gebühren der Fall, denn die Befugnis für den Erlaß einer Gebührensatzung folgt nicht aus Art. 28 Abs. 2 GG direkt, sondern aus den landesgesetzlichen Ermächtigungen in den Kommunalabgaben- oder anderen Spezialgesetzten.49 Hier stellt sich die Frage, ob die landesgesetzliche Bestimmung mit den sozialrechtlichen Normen des Bundes überhaupt vereinbar ist, sofern sie den Kommunen eine soziale Staffelung gestattet. Die bundesrechtlichen Regelungen betreffen so ebenfalls nicht die kommu42
Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 (658 f). Hierzu Burgi, VerwArch 1999, 70 (81 ff). 44 Vgl. bspw. BVerfGE 65,283 (289); von Münch/Kunig-Löwer, Art. 28 GG Rdn. 78; Stober, S. 260; Gern, Rdn. 250. 45 Vgl. bspw. von Münch/Kunig-Kunig, Art. 70 GG Rdn. 15; Sachs-Degenhart, Art. 70 GG Rdn. 15; Jarass/Pieroth-Pieroth, Art. 70 GG Rdn. 2; Rengeling, HStR IV, § 100 Rdn. 2; Burgi, VerwArch 1999, 70, (82). 46 Burgi, VerwArch 1999,70 (82). 47 Hierzu Burgi, VerwArch 1999, 70 (81 f, 86 f). 48 Burgi, VerwArch 1999,70 (82f). 49 Teil 1 A . I . l . 43
B. Grenzen aus dem Begriff der Gebühr
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nale Kompetenz, sondern die im Rahmen des Vorrangs des Gesetzes zu klärende Frage der inhaltlichen Reichweite der landesrechtlichen Normen. Festzustellen ist daher, daß an der Kompetenz der Kommune zur sozialen Ausgestaltung ihres Gebührenwesens kein Zweifel besteht. Entscheidend für die Kompetenz der Gemeinde ist einzig, daß es sich bei einer sozialen Gebührenstaffelung um eine örtliche Angelegenheit handelt. Die hier nur angerissene Frage, inwieweit die Sozialgesetze des Bundes einer sozialen Gebührenbemessung tatsächlich entgegenstehen, ist dagegen erst im Rahmen der einfachgesetzlichen Grenzen für kommunale Sozialtarife zu thematisieren.
B. Grenzen aus dem Begriff der Gebühr In materiell verfassungsrechtlicher Hinsicht hängt die Instrumentalisierbarkeit kommunaler Gebühren für sozialstaatliche Gestaltung zunächst von der tatbestandlichen Kontur der Abgabe ab. Diese muß Einfallstellen für eine Berücksichtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit bieten, damit eine soziale Gebührenbemessung überhaupt vorstellbar ist.
I. Notwendigkeit eines verfassungsrechtlichen Gebührenbegriffs Bei der Erwähnung der Gebühr in Art. 74 Abs. 1 GG und Art. 80 Abs. 2 GG handelt es sich um eng umgrenzte Anwendungsbereiche der Abgabe, die keinen Rückschluß auf ihre allgemeine Merkmale zulassen. Sie ermöglichen keine abschließende Definition der Gebühr. Dementsprechend wird oftmals behauptet, es gebe keinen verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff. 50 Wenn andererseits dennoch von einem verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff gesprochen wird, 51 verdeckt dies jedoch nur die Einigkeit, die in dieser Frage herrscht. 52 Die Verfassung enthält zwar keine abschließende Definition der Gebühr, die Erschließung zumindest eines verfassungskräftigen Merkmals der Gebühr muß aber möglich sein. Dies ergibt sich aus folgendem: Grund für die textliche Enthaltsamkeit ist, daß der Staat des Grundgesetzes ein Steuerstaat ist. 53 Der allgemeine Finanzbedarf der öffentlichen Hand wird durch Steuern gedeckt. Die Finanzverfassung konzentriert sich auf eine detaillierte Fest50 BVerfGE 50, 217 (225); 93, 313 (345); 97, 332 (344); F. Kirchhof, „Gebühr", S. 14; P. Kirchhof, HStR IV, § 88 Rdn. 190; Kloepfer, AöR 97 (1972), 232 (239); Henneke, Jura 1990, 113(113); Schmidt-Bleibtreu/Klein-Schmidt-Bleibtreu, Art.74 GG Rdn. 33. 51 So z.B. Wendt, S.25; Tipke, Bd.III, S. 1067; Vogel, in FS-Geiger S.518 (519f); Bonner Kommentar-Vogel/Waldhoff, Vor Art. 104a-115 Rdn. 417; Friauf, in FS-Universität Köln, S.679 (694); Stephan, JurAn 1970, S. 867 ff (877); Leisner, in GS-Peters, S.730 (732). 52 Vgl. Heimlich, S.83; S. Meyer, S.49. 53 Vgl. Isensee, in FS-Ipsen, S.409 (420ff); P. Kirchhof, Jura 1983, 505 (506); Vogel, HStR I, §27 Rdn. 69 ff; F. Kirchhof, DV 1988, 133 ff.
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legung von Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Ertragskompetenzen nur dieser Abgabenform. Zwar enthalten die Art. 105 ff GG ebenfalls keine Definition der Steuer, dennoch ist aufgrund ihrer hierin zum Ausdruck kommenden zentralen Position für die Staatsfinanzierung eine genaue verfassungskräftige Begriffsbestimmung erforderlich. Die „sorgsam ausbalancierten Regelungen"54 der Art. 105 ff GG könnten verzerrt werden, wenn die Steuerdefinition dem einfachen Gesetzgeber überlassen wäre. Er könnte der Steuer stets neue Begrifflichkeiten unterschieben und so eine von der Finanzverfassung nicht gewollte Aufteilung der Finanzmittel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden erreichen. Es muß daher ein verfassungsrechtlicher Steuerbegriff bestehen.55 Ein verfassungsrechtlicher Steuerbegriff besitzt aber nicht nur eine Eingrenzungs-, sondern auch Ausgrenzungsfunktion. 56 Art. 74 Abs. 1 GG und Art. 80 Abs. 2 GG enthalten zwar keine verfassungskräftige Gebührendefinition, belegen aber, daß der Verfassungsgeber von der Existenz der Gebühr ausgeht.57 Diese Abgabe muß im Hinblick auf das Kompetenz- und Ertrags Verteilungssystem der Art. 105 ff GG von der Steuer unterschieden werden können. Diefinanzverfassungsrechtlichen Regelungen wären nämlich nicht nur dann in Gefahr, wenn der Steuer neue Begriffe untergeschoben würden, sondern auch, wenn unter dem Deckmantel der Gebühr eine Steuer erhoben werden könnte. Die Gebühr ist von der Steuer unterscheidbar, solange sie ein Merkmal aufweist, das der Steuerbegriff nicht beinhaltet. Aus der Abgrenzung zum Steuerbegriff muß sich daher zumindest ein verfassungsfestes Element der Gebühr gewinnen lassen.58
II. Gewinnung des Gebührenbegriffs aus dem Steuerbegriff Wird die Gebühr aus ihrer Unterscheidbarkeit zur Steuer definiert, muß zunächst geklärt werden, wie der Steuerbegriff zu bestimmen ist. Eine Legaldefinition der Steuer findet sich auf Ebene der Verfassung ebenfalls nicht. § 3 Abs. 1 S. 1 AO gibt allerdings eine einfachgesetzliche Begriffsbestimmung. Diese Regelung gleicht § 1 RAO, in dem der Steuerbegriff erstmals gesetzlich fixiert wurde. 59 Die Änderungen 54
BVerfG 78, 249 (266). Vgl. zu dieser Notwendigkeit Bonner Kommentar-Vogel/Waldhoff, Vor Art. 104a-115 GG Rdn. 342 f; von Münch/Kunig-Fischer-Menshausen, Art. 105 GG Rdn.6; Starck, in FS Wacke, 193 (206) Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651; Höfling, S.321 (322). 56 So ausdrücklich Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 (653); Höfling, S.321 (322). 57 F. Kirchhof, „Gebühr", S. 14; Selmer/Brodersen/Nicolaysen, S.54; Wilke S. 150ff; Heimlich, S. 85. 58 Vgl. bspw. BVerfGE 7,244 (251); Murswiek, S.23; Wendt, S.47; Clausen, S.80; S. Meyer, S. 47; Horn, S.83f; Meßerschmidt, S. 198; Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 8653); Arndt, WiVerw 1990, 1 (21). 59 Es wird oftmals behauptet, der Steuerbegriff in § 1 RAO gehe auf Otto Mayer zurück. In der Tat besteht zwischen § 1 RAO und der Definition Mayers ein hohes Maß an Übereinstim55
B. Grenzen aus dem Begriff der Gebühr
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in § 3 AO gegenüber § 1 RAO sind bloß redaktioneller Art. Auch soweit § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AO klarstellt, daß mit der Steuer Lenkungszwecke verfolgt werden dürfen, ist der Gesetzestext nur an die schon vorher allgemein bestehende Auffassung in Rechtsprechung und Lehre angepaßt worden. 60 Das Bundesverfassungsgericht ist lange Zeit ohne weitere Begründung davon ausgegangen, der Steuerbegriff des Grundgesetzes und der in § 1 RAO seien identisch.61 Diese Identitätsthese hat das Gericht nunmehr eingeschränkt, indem es feststellt, daß der verfassungsrechtliche Steuerbegriff über das „Konzentrat einfachgesetzlicher Normen" hinausreiche.62 Das Gericht betont aber immer noch, daß der Begriff der Steuer in Art. 105 ff GG die wesentlichen Merkmale des einfachgesetzlichen Terminus enthalte und an diesen anknüpfe. 63 Literatur 64 und Fachgerichte65 gehen ebenfalls davon aus, daß dem verfassungsrechtlichen der einfachgesetzliche Steuerbegriff zugrundeliegt. Es wird entweder angenommen, § 1 RAO sei durch die Rezeption mit Verfassungsrang ausgestattet oder daß der einfachgesetzliche Begriff bereits zu Verfassungsgewohnheitsrecht geworden sei. In letzter Zeit wird daneben vermehrt eine eigenständige verfassungsrechtliche Definition versucht. Bei der Begriffsbestimmung dient aber § 1 RAO beziehungsweise § 3 AO aber dennoch als Auslegungshilfe. 66 Im Ergebnis ist der verfassungsrechtliche Steuerbegriff dann, abgesehen von sprachlichen Nuancen, mit dem einfachgesetzlichen Begriff inhaltlich weitestgehend deckungsgleich.67 Im Rahmen dieser Arbeit soll daher für den verfassungsrechtlichen Steuerbegriff von der Definition des § 3 AO ausgegangen werden. Nach § 3 Abs. 1 S. 1 AO sind Steuern: mung, vgl. Mayer, S. 331. Die Rolle Mayers als Urheber der Legaldefinition ist dennoch nicht unbestritten geblieben. Teilweise wird auch Adolf Wagner als Schöpfer des Steuerbegriffs in § 1 RAO angesehen, vgl. z.B. Stem, Bd.II, S. 1095 FN 37. Mayer selbst verweist darauf, daß sich seine Definition im wesentlichen mit der von Adolf Wagner deckt, vgl. Wagner, „Finanzwissenschaft" I, S.499; zum Ganzen Schaefer, S.4f. 60 Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucksache 23/71, S. 98; vgl. Kruse, S. 31; Maunz/Dürig/Herzog/-Maunz, Art. 105 GG Rdn.2; Tipke/Kruse, AO §3 Rdn.4. 61 Grundlegend BVerfGE 7,244 (251); ferner BVerfGE 8,274 (317); 29,402 (408 f); 36,61 (79); 49, 343 (372). 62 BVerfGE 55, 274 (299). 63 Insbesondere BVerfGE 67, 256 (282); vgl. auch BVerfGE 55, 274 (299); 72, 330 (433). 64 Vgl. Kruse, S.30; F. Kirchhof, „Gebühr"S. 15; Wendt, S.39; Meßerschmidt, S.208; Arndt WiVerw 1990 S. 1(7); Friauf, S. 13; von Münch/Kunig-Fischer-Menshausen, Art. 105 GG Rdn. 6 a; Selmer/Brodersen/Nicolaysen, S. 51; Maunz/Dürig/Herzog-Maunz, Art. 105 GG Rdn.2; Schmidt-Bleibtreu/Klein-Schmidt-Bleibtreu, Art. 105 GG Rdn.6. 65 BVerwGE 32,257 (259); 44,204 (207); 58,230ff (234); BFHE 141,369 (372); aber auch BFH BStBl. II 1973,94. 66 So Bonner Kommentar-Vogel/Waldhoff, Vor Art. 104 a-115 GG Rdn. 37; Vogel, HStR IV, §87 Rdn. 44; Hübschmann/Hepp/Spitaler-Birk, §3 AO Rdn. 25; Stem, Bd. II, S. 1098; Knies S. 45 ff; Starck, in FS-Wacke, S. 193 (202f). 67 Teilweise sind auf diese Weise hergeleiteten verfassungsrechtlichen Definitionen etwas weiter gefaßt als § 3 AO, vgl. Vogel, HStR IV, § 87 Rdn. 55, Sachs-Siekmann, Art. 105 GG Rdn. 51; siehe auch Jarass, S. 3 f.
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„Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft." Das Merkmal zur Unterscheidung von Steuer und Gebühr ist, daß die Steuer „nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung" darstellt. 68 Diese Gegenleistungslosigkeit ist freilich nicht als vollkommene Gegenleistungsunabhängigkeit zu verstehen, denn die öffentlichen Ausgaben, die mit Steuern finanziert werden, kommen letztlich dem Einzelnen zugute. Entscheidend ist aber, daß diese Vorteile dem jeweiligen Steuerzahler nicht zugeordnet werden können. Die Steuer wird insofern gegenleistungs- oder voraussetzungslos erhoben. 69 Soll sich die Gebühr in diesem Punkt von der Steuer unterscheiden, muß sie im Gegensatz dazu eine „Gegenleistung für eine besondere staatliche Leistung" sein. Nach dem zur Steuer Gesagten ist dafür maßgeblich, daß ihrer Zahlung eine individuell zurechenbare staatliche Leistung gegenüber steht. Dieser Gegenleistungscharakter ist der verfassungsrechtliche Kern des Gebührenbegriffs.
I I I . Formeller oder Materieller Gebührenbegriff Die so verstandene Gegenleistungsabhängigkeit ist aber nur der kleinste gemeinsame Nenner der gebührendogmatischen Auseinandersetzung. Es ist seit langem umstritten, ob schon der Begriff der Gebühr ein weiteres, die Höhe oder den Zweck der Gebühr umschreibendes Merkmal enthalten muß. In den gängigen Termini der Diskussion formuliert: Erfordert die Abgrenzung der Gebühr von der Steuer einen formellen oder einen materiellen Gebührenbegriff? 1. Formeller Gebührenbegriff Vertreter eines formellen Gebührenbegriffs bleiben, was die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Gebührentatbestand angeht, sozusagen beim kleinsten gemeinsamen Nenner stehen.70 Einzig entscheidendes Merkmal für das Vorliegen 68 Diese Eigenart der Abgabe läßt sich auch aus Art. 106 Abs. 3, Abs. 4, 107 GG i.V. m. Art. 104 a Abs. 1 GG ableiten. Danach ist der Steuerertrag nach den Gesichtspunkten des Finanzbedarfs und der Finanzkraft global zur Deckung staatlicher Ausgaben zu verteilen. Der Zahlung der Steuer kann daher keine Gegenleistung gegenüberstehen. Vgl. hierzu Bonner Kommentar-Vogel/Waldhoff, Vor Art. 104a-l 15 GG Rdn. 382. 69 Das BVerfG, E56, 274 (298); 67, 256 (275); 78, 259 (267); 81, 156 (186), und Teile der Literatur verwenden diese Begriffe synonym, bspw. Wendt, S.52; Henseler, S.58. Die Gegenleistungslosigkeit wird dagegen auch als Unterfall der Voraussetzungslosigkeit gesehen, wobei Voraussetzungslosigkeit als Freiheit von rechtfertigenden Zusammenhängen verstanden wird, so S. Meyer, S. 56. 70 Für einen formellen Gebührenbegriff bspw. Wilke, S. 89; Kloepfer, AöR 97 (1972), S.232ff; F. Kirchhof, „Gebühr" S. 13ff; ders., DVB1 1987, S.554 (555); Murswiek, S.23; Wie-
B. Grenzen aus dem Begriff der Gebühr
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einer Gebühr sei, daß die Abgabe an eine individuell zurechenbare Staatsleistung anknüpfe. Welche Leistung abgegolten werde, sei für die Qualifikation der Abgabe ebenso unerheblich wie ihre Höhe oder die mit ihrer Bemessung verfolgten Zwecke. Das Formelle dieser Auffassung liegt in dem Verständnis der Gegenleistungsfunktion der Gebühr. Steht der Abgabe eine irgendwie geartete Gegenleistung der Verwaltung gegenüber, handelt es sich um eine Gebühr. Knüpft der Abgabentatbestand nicht an eine Leistung mit einem spezifischen Bezug zum Pflichtigen an, liegt eine Steuer vor. Dies bedeutet allerdings nicht, daß das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung für die Gebühr ohne jeden Belang sein soll. Es wird aber erst bei der getrennt vom Gebührentatbestand zu untersuchenden Frage nach der Rechtmäßigkeit der Gebührenhöhe berücksichtigt. Das begriffliche Vorliegen der Gebühr tangiert es nicht. Die formelle Unterscheidung zwischen Steuern und Gebühren geht auf Enno Becker zurück. Schon er wandte sich grundsätzlich dagegen, Kriterien wie die Höhe der Abgabe für die Abgrenzung heranzuziehen.71 Eine umfassende dogmatische Grundlegung des formalen Gebührenverständnisses findet sich in der 1973 erschienenen Monographie „Gebühr und Grundgesetz" von Dieter Wilke. Nach seiner dort niedergelegten Definition ist die Gebühr „eine hoheitlich auferlegte Abgabe, die an eine individuell zurechenbare Leistung anknüpft und die Kosten dieser Leistung ganz oder teilweise decken soll." 72 Die Einbeziehung des Kostendeckungszwecks in die Begriffsbestimmung zeigt aber, daß Wilke ein formales Konzept noch nicht in letzter Konsequenz verwirklicht. Dies erstaunt jedoch, wenn man bedenkt, daß Wilke an anderer Stelle behauptet, der Kostenausgleich müsse nicht notwendigerweise Zweck der Gebühr sein und auch eine Kostenverursachung durch die gebührenpflichtige Leistung sei nicht unbedingt erforderlich. Beides soll nur typischerweise vorliegen. 73 Es ist dann fraglich, warum eine empirische Aussage durch Einbeziehen in die Gebührendefinition normativen Charakter bekommen soll. 74 Die neueren Vertreter eines formalen Gebührenbegriffs verzichten daher gänzlich auf das Merkmal der Kostendeckung. Sie definieren die Gebühr nur noch als „Abgabe, die eine individuell erbrachte Staatsleistung abgelten soll." 75
land, S. 269; Heimlich, S. 114ff; S. Meyer, S.91; auch Sachs-Siekmann, vor Art. 104a GG Rdn.75. 71 Becker, § 1 RAO Rdn. 5; vgl. auch O. Mayer, S. 330. 72 Wilke, S. 105. 73 Wilke S.50ff. 74 Zu dieser Kritik, Heimlich, S. lOOff; S. Meyer, S.68f; vgl. auch Wendt, S.54 FN 139b. 75 So Heimlich S. 125, der einen solchen Gebührenbegriff als streng formal bezeichnet; im Ergebnis auch S. Meyer, S.91. 4 Schumacher
Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
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2. Materieller Gebührenbegriff Dem formellen Gebührenbegriff steht ein materielles Verständnis der Gegenleistungsabhängigkeit gegenüber. 76 Ansatzpunkt der Kritik ist, daß ein formelles Verständnis der Gegenleistungsfunktion nicht ausreiche, um Steuern und Gebühren umfassend gegeneinander abzugrenzen. Es könne so nicht verhindert werden, daß der Gesetzgeber die Gebühr zu einem zweiten Instrument für die Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs ausbaue. 77 Die finanzverfassungsrechtlichen Verteilungsregeln ließen sich auf einfache Weise umgehen, da sich die Art der Abgabe durch bloß sprachliche Änderung des abgabebegründenden Tatbestands umwandeln ließe. 7 8 Das könne man nur verhindern, wenn man den Begriff der Gebühr um ein materielles Element, nämlich die Höhe der Abgabe, erweitert. Zur Festlegung dieses Merkmals wird zumeist auf die anläßlich der Leistungserbringung entstandenen Verwaltungskosten zurückgegriffen. Nur bis zur Höhe der Verwaltungskosten soll es sich bei der Abgabe um eine Gebühr handeln. Der darüber hinausgehende Betrag sei als Steuer zu bezeichnen. 79
76
Für einen materiellen Gebührenbegriff bspw. Wendt, S.54ff; Kreft, S.46ff; ders., DVB1 1977, S. 369 (373); Raecke, S. 15ff; Leisner, in GS-Peters, S.730ff; Vogel, in FS-Geiger, S.518ff; Bonner Kommentar-Vogel/Waldhoff, Vor Art. 104a-115 GG Rdn.409ff (413); Kisker, S. 16f; Friauf, in FS-Universität Köln, S.679 (695); Weyreuther, UPR 1988, S. 161 (164); Arndt, WiVerw 1990, S. 1 (22); Ubber S.52.; Tipke/Kruse, AO §3 Rdn. 15. 77 Wendt, S. 57 ff; Kreft, S. 118; Tipke/Kruse, AO § 3 Rdn. 15; Leisner, in GS-Peters, S.730 (732); Kisker S. 16. Neben dem Argument, daß nur ein materieller Gebührenbegriff einen ausreichenden Schutz der Finanzverfassung gewährleiste, wird ein solches Gebührenverständnis vereinzelt auch mit der historischen Entwicklung dieser Abgabe begründet. Es bestehe eine historisch gewachsene Vorstellung von der Gebühr als „ausgleichender" Gegenleistung. Von einem solchen Gebührenverständnis soll sowohl die vorkonstitutionelle Finanzwissenschaft als auch die Rechtsprechung des Reichsfinanzgerichtshofs und des preußischen Oberverwaltungsgerichts ausgegangen sein. Das Grundgesetz habe daher ein materielles Gebührenverständnis vorgefunden und übernommen, Wendt, S.57ff; vgl. auch Bonner Kommentar-Vögel/ Waldhoff, Vor Art. 104 a-115 Rdn. 409 ff. 78 Ein eindrucksvolles Beispiel gibt Wendt, S. 56f: Der Bund könnte Erträge aus der Kraftfahrzeugssteuer, die über Art. 106 Abs. 2 S. 3 GG den Ländern zustehen, in seine Kassen umleiten, indem er, ohne die Bemessung der Kraftfahrzeugssteuer zu ändern, diese formal als Straßennutzungsgebühr ausgestaltet. Beispiele auch bei Kreft, S.202. 79 So Tipke/Kruse, AO § 3 Rdn. 15; oder als Gebührensteuer, so Kisker, S. 28; Kreft, S.46; Arndt WiVerw 1990, 1 (21). Konsequenz einer solchen Auffassung ist zumeist auch, daß eine Abgabe nur dann als Gebühr zu qualifizieren ist, soweit durch die Gegenleistung überhaupt ein Kostenaufwand entsteht. Dies ist jedoch nicht zwingend. Vogels doppelgliedriger Gebührenbegriff ermöglicht es, aufwandsunabhängige Gebühren anzuerkennen, ohne auf ein materielles Kriterium zu verzichten. Er greift in der Definition neben den Verwaltungskosten auf den Wert des zugewandten Vorteils als materielles Abgabenelement zurück. Bei der Erhebung von Abgaben für Staatsleistungen, die keinen zurechenbaren Aufwand verursachen, handelt es sich nur dann um Gebühren, wenn die Abgabe der Höhe nach nicht mehr als den individuell zugewandten Vorteil abschöpft, vgl. Vogel, in FS-Geiger S. 516 ff (536); Bonner Kommentar-VogelAValdhoff, Vor. Art. 104 a-115 GG, Rdn. 413 ff.
B. Grenzen aus dem Begriff der Gebühr
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Es werden aber nicht nur Merkmale in die Gebührendefinition einbezogen, mit denen die Höhe der Abgabe begrenzt wird. Dem Begriff der Gebühr wird auch eine Zweckbindung der Abgabe auf den Leistungsausgleich unterstellt. 80 Eine Gebühr läge nur dann vor, wenn sie ausschließlich zur Finanzierung der Verwaltungsleistung erhoben werde. Im Gegensatz zur Steuer dürfe die Gebühr gerade nicht als Instrument der Interventions- und Sozialpolitik verwendet werden. Die Verfolgung von Nebenzwecken soll bei der Abgabe bereits begrifflich ausgeschlossen sein. Der Einsatz einer Gebühr zu außerfiskalischen Zwecken stelle daher einen unzulässigen Formenmißbrauch dar. 3. Gebührenbegriffe in der höchstrichterlichen Rechtsprechung a) Gebührenbegriff
des Bundesverfassungsgerichts
In seinem Urteil zur Höhe der Widerspruchsgebühr - der grundlegenden Entscheidung zum Gebührenrecht - definiert das Bundesverfassungsgericht Gebühren als „öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlaß individuell zurechenbarer, öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Geldleistung auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung, deren Kosten ganz oder teilweise zu dekken." 81 Das Gericht folgt damit fast wortgenau der Begriffsbestimmung von Wilke, also einem formellen Verständnis des Gebührenbegriffs. Auch andere Formulierungen beweisen, daß das Gericht keine materiellen Elemente in den Abgabentatbestand einbeziehen will. So kann nach Auffassung des Gerichts aus der Abgrenzung zum verfassungsrechtlichen Steuerbegriff keine Anweisung für die Gebührenhöhe abgeleitet werden. Das bedeutet nichts anderes, als daß die Abgabenhöhe und Bemessungstechnik für das Vorliegen einer Gebühr unerheblich sind.82 Die in der Entscheidung zur Höhe der Widerspruchsgebühr gegebene Definition ist unlängst in der Wasserpfennigentscheidung weiter eingeschränkt worden. Die damals vorgenommene „Umschreibung des Begriffs Gebühr sei auf den entscheidenden Fall der Verwaltungsgebühr zugeschnitten und nicht als abschließende verfassungsrechtliche Definition zu verstehen."83 Das Gericht unterlässt es in der Ent80 Vgl. Leisner, in GS-Peters, S.730 (732ff); Stephan, JurAn, 1970, 867 (868); Röttgen, S. 88, hierzu auch Jestaedt, DVB1 2000, 1820 (1829). 81 BVerfGE 50, 217 (226). In vorangegangenen Entscheidungen finden sich unterschiedliche Definitionen. Es wird bei diesen vor allem nicht deutlich, inwieweit der Kostenausgleich zum Tatbestand der Gebühr gehören soll. Einmal heißt es, Gebühren sind „Gegenleistung für eine bestimmte Staatstätigkeit", die „die Kosten der Staatstätigkeit decken soll", BVerfGE 18, 392 (396). In anderen Entscheidungen wird die Abgabe nur noch als „Entgelte für die Inanspruchnahme der öffentlichen Verwaltung" bezeichnet, BVerfGE 7, 244 (254); 20, 257 (269). 82 Vgl. hierzu Kisker, S. 15 f; auch Wieland S.264. 83 BVerfGE 93, 319 (345); für „Verwaltungsgebühren" wird diese Definition auch immer verwendet vgl. BVerfGE 97, 332 (345).
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
Scheidung dann ganz, die Gebühr begrifflich zu fixieren und die in Frage stehende Abgabe hierunter zu subsumieren. Dieses Vorgehen wird lapidar mit dem Hinweis darauf begründet, daß „Fragen der Systematisierung und Katalogbildung keine Verfassungsfragen" seien.84 Obgleich das Gericht eine Definition der Gebühr für unmaßgeblich hält, betont es aber dennoch, daß sich diese Abgabe durch ein Leistungs/Gegenleistungsverhältnis auszeichne.85 In der Kindergartengebührenentscheidung greift der erste Senat jetzt wiederum auf die ursprüngliche Gebührendefinition zurück. Er stellt hieran anschließend zudem nochmals klar, daß dieser Begriff der Gebühr keinerlei Schlüsse auf die Verfassungsmäßigkeit der Gebührenhöhe zuläßt.86 Dies ist im Hinblick auf die Wasserpfennigentscheidungen nur konsequent. Wenn der Begriff verfassungsrechtlich unbedeutend ist, darf er keine materiellen Elemente beinhalten. Das Bundesverfassungsgericht geht damit von einem formellen Gebührenbegriff aus, soweit es überhaupt Definitionen der Gebühr anbietet.87
b) Gebührenbegriff
des Bundesverwaltungsgerichts
Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet gleichermaßen darauf, materielle Elemente bereits im Gebührentatbestand zu berücksichtigen. Es untersucht die Rechtmäßigkeit der Gebührenhöhe stets gesondert von dem begrifflichen Vorliegen der Gebühr. 88 In seiner älteren Rechtsprechung definierte es Gebühren als „öffentliche Abgabe, die eine Gegenleistung für eine besondere Inanspruchnahme der Verwaltung" sind.89 Neuerdings hat das Gericht die auf Wilke zurückgehende Definition des Bundesverfassungsgerichts übernommen.90 In der entspechenden Entscheidung 84 BVerfGE 97,332 (345). Der Verzicht des Bundesverfassungsgerichts, den Wasserpfennig systematisch zu qualifizieren, ist zu Recht auf Kritik gestoßen. Eine Einordnung der Abgabe ist notwendig, um überzeugend feststellen zu können, daß der Gläubiger die Kompetenz zur Erhebung der Abgabe besitzt und die Ausgestaltung des Abgabentarifs rechtmäßig ist, vgl. Raber, NVwZ 1997,219 (220); Sanden, UPR 1996,181 (182); anders Heimlich, DÖV 1997,996 (997). 85 BVerfGE 97,332 (346). Das BVerfG bezeichnet den Wasserpfennig nicht ausdrücklich als Gebühr, scheint aber dennoch seine Zuordnung zu den Vorzugslasten zu favorisieren. Es betont nämlich den Gegenleistungscharakter des Wasserpfennigs, der ebenfalls für die Gebühren charakteristisch sein soll. In der Literatur wird der Wassserpfennig jetzt teilweise unter dem Begriff „Vorteilsabschöpfungsabgabe", neben den Gebühren und Beiträgen als dritte Gruppe der Vorzugslasten zu katalogisiert, vgl. bspw. Jarass, S. 34, Birk, in FS-Ritter, S.41 (48 ff). Die Vertreter eines streng formellen Gebührenbegriffs ordnen die Abgabe dagegen direkt als Gebühr ein, so bspw. Heimlich, DÖV 1997, 996ff; Kluth, NuR 1997, 105 (109f). 86 BVerfGE 97, 332 (344). 87 Vgl. auch Driehaus-Lichtenfeld, §4 KAG Rdn. 144. 88 Bspw. BVerfGE 12,162 (169f); 69,242 (244); 81, 371 ff; vgl. auch Sachs-Siekmann, vor Art. 104 a GG Rdn. 75 (FN 183). 89 BVerwGE 12, 162 (165); BVerwGE 13, 214 (222). 90 BVerwGE 95, 188 (200).
B. Grenzen aus dem Begriff der Gebühr
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finden sich aber keine Ausführungen dazu, daß der in der Definition enthaltene Kostendeckungszweck nunmehr zwingendes Begriffsmerkmal einer Gebühr sein sollte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erscheint daher für die Qualifikation als Gebühr ebenfalls nur das Vorliegen einer individuell zurechenbaren staatlichen Leistung notwendig.
4. Stellungnahme Die Frage, ob das Grundgesetz einen materiellen oder formellen Gebührenbegriff zugrundelegt, kann durch den Sinn der Begriffsbildung beantwortet werden. Die Gebühr sollen gegen die Steuer abgegrenzt werden, da sonst die Regelungen der Finanzverfassung unterlaufen werden könnten. Die Art. 105 ff GG wären zur Disposition gestellt, wenn es den Körperschaften ohne weiteres möglich wäre, durch ein bloß formales Anknüpfen an eine Gegenleistung unter dem Mantel der Gebühr eine Steuer zu erheben. Die Kritik am formellen Gebührenbegriff ist daher insofern berechtigt, als sie darauf hinweist, daß bei nichtsteuerlichen, gegenleistungsabhängigen Abgaben eine Bindung an den Wert der staatlichen Leistung notwendig ist. Eine Rückkopplung der Gebühr an die ihr zugrundeliegende Leistung wird aber nicht nur durch einen materiellen Gebührenbegriff ermöglicht. Auch ein formeller Gebührenbegriff steht Gebührenexzessen gleichfalls nicht hilflos gegenüber. Ein formelles Gebührenverständnis besagt nicht, daß die Höhe der Gebühr beliebig, ohne Rückkopplung an die Gegenleistung festgesetzt werden kann. Die Höhe der Gebühr ist allerdings nicht schon auf Ebene des Tatbestands maßgeblich, sondern wird erst bei der Frage nach der Rechtmäßigkeit einer begrifflich vorliegenden Gebühr relevant. 91 Dies ist nicht nur im Hinblick auf eine klare abgabenrechtliche Systematik sinnvoll, sondern für den Schutz der Art. 105 ff GG auch ausreichend. Mit formellen und materiellen Gebührenbegriff läßt sich das finanzverfassungsrechtliche Verteilungssystem in gleichem Maße schützen. Nur der jeweilige Begründungsweg ist ein anderer. Bei einem materiellen Verständnis steht der Ertrag der Abgabe dem Gläubiger nicht zu, weil bei unzulässiger Höhe eine Steuer vorliegt und er für eine solche keine Kompetenz besitzt. Bei einem formellen Gegenleistungsverständnis bleibt die Abgabe zwar eine Gebühr, kann aber wegen der Ausgestaltung ihrer Höhe rechtswidrig sein. Der Ertrag einer solchen rechtswidrigen Gebühr steht dem Gläubiger ebenfalls nicht zu. Diese Gebühr tritt damit wegen ihrer Verfassungswidrigkeit nicht in Konkurrenz zur Steuer. Der Schutz der Finanzverfassung erfordert es deswegen nicht, daß schon auf der Ebene der Begriffsbildung Aussagen über die Höhe der Abgabe getroffen werden. 92 91 Vgl. Wieland, S. 267ff; S. Meyer, S.63ff; Heimlich, S.74ff; Gern, DVB1 1984, 1164 (1168); Holzkämper, S. 84. 92 Vgl. Wieland, S. 267 ff, 306f; S. Meyer, S.63ff.
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
Eine solche Trennung von Tatbestand und Rechtmäßigkeit entspricht überdies den sonstigen Gepflogenheiten juristischer Begriffsbildung. Die Wirksamkeit oder Rechtmäßigkeit ist für die begriffliche Einordnung nicht entscheidend. Der Begriff schließt vielmehr sämtliche Typen - rechtsmäßige, rechtswidrige, nichtige und wirksame - mit ein. So bleibt beispielsweise ein Verwaltungsakt ein Verwaltungsakt, ganz gleich, ob er nichtig oder rechtswidrig ist. 93 Der formelle ist einem materiellen Gebührenbegriff letztlich an begrifflicher Klarheit überlegen.94 Die Gebühr ist daher eine „Abgabe, die eine individuell zurechenbare staatliche Leistung abgelten soll." 95 Eine bestimmte Abgabenhöhe, Art der Bemessung oder Zweckverfolgung setzt der Begriff nicht voraus. 5. Konsequenz für Sozialtarife Der Begriff der Gebühr kann sich nicht gegen eine soziale Tarifgestaltung sperren, da die tatbestandliche Kontur der Abgabe allein durch das formelle Vorliegen einer staatlichen Leistung festgelegt ist. Die Tatsache, daß die Leistungsfähigkeit des Schuldners bei der Bemessung berücksichtigt wird, ist für die Einordnung der Abgabe unbedeutend. Auch eine Abgabe mit empfängerbezogenen Tarifen ist eine Gebühr, solange sie anläßlich einer individuell zugewandten staatlichen Leistung erhoben wird. Getrennt vom Gebührentatbestand stellt sich dann allerdings die entscheidene Frage, ob die sozialorientierte Gebührenbemessung darüber hinaus rechtmäßig ist.
C. Grenzen aus verfassungsrechtlichen Bemessungsprinzipien Wissenschaft und Rechtsprechung haben stets versucht, die Gebührenbemessung an bestimmte, generell zu beachtende Regeln zu binden.96 Zu diesem Zweck werden aus dem Verfassungsrecht abstrakte Regeln zur Bemessung von Gebühren abgeleitet, die Bindungswirkung für alle Gebührengesetzgeber entfalten. 97 Traditionell werden hierbei das Äquivalenzprinzip, das Kostendeckungsprinzip wie auch der Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit behandelt. Für Sozialtarife muß untersucht werden, inwieweit solche Prinzipien tatsächlich verfassungsrechtliche Geltung beanspruchen können und in welchem Maße sie sich gegen eine soziale Ausgestaltung des Abgabentarifs sperren. 93
Vgl. S. MeyerS. 64. Vgl. hierzu auch Wieland, S. 265 f; S. Meyer, S. 63 ff; Heimlich, S. 97. 95 Ebenso S. Meyer, S.91; Heimlich, S. 125. 96 Bauernfeind/Zimmermann, § 6 KAG NW Rdn. 38; Holzkämper, S. 89. 97 Rogosch, S.75, 90f; F. Kirchhof, „Gebühr", S.44, 80f; Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 (653). 94
C. Grenzen aus verfassungsrechtlichen Bemessungsprinzipien
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I. Äquivalenzprinzip Die bekannteste Bemessungsregel ist das Äquivalenzprinzip. In Literatur und Rechtsprechung werden zur Geltung, Herkunft und zum Inhalt dieser verfassungsrechtlichen Direktive jedoch recht unterschiedliche Ansichten vertreten. Weitgehende Einigkeit herrscht insoweit, als sich das Äquivalenzprinzip auf die Gebührenbemessung im Einzelfall bezieht und auf einen Ausgleich der dem Benutzer zugewendeten Leistung gerichtet ist. 98 1. Historische Grundlagen Das Äquivalenzprinzip war lange Zeit die Generalnorm für die Erhebung von Steuern und Abgaben. Seine Wurzeln reichen bis in das 18. Jahrhunderts zurück. Die Steuer erschien damals als Preis, der für die Dienste und Leistungen des Staates zu entrichten war. Für die Bemessung der Abgabe folgte daraus zwangsläufig, daß sich die Steuerhöhe an den durch den Staat gebotenen Vorteilen orientieren mußte. Die Steuer sollte eine „äquivalente" Gegenleistung für die erbrachten Staatsleistungen sein.99 Mit dem Wandel von einem rational-individualistischen zu einem organischen Staatsverständnis verdrängte allerdings eine opfertheoretische die äquivalenztheoretische Steuerrechtfertigung. Der Staat schöpfte seine Macht jetzt nicht mehr von den einzelnen Individuen. Er erschien stattdessen als eine den Menschen übergeordnete höhere Einheit. Die Steuer wurde nun nicht mehr als Preis für staatliche Leistungen, sondern als Opfer für das Ganze verstanden. Für ihre Bemessung konnte daher nicht mehr der erlangte Vorteil maßgebend sein. Von Bedeutung war vielmehr nur noch die Fähigkeit, Opfer für den Staat zu erbringen. Im Bereich der Besteuerung wich das Äquivalenzprinzip deswegen dem Leistungsfähigkeitsprinzip. 100 Das Äquivalenzprinzip wurde in der Finanzwissenschaft jedoch nicht völlig außer Kraft gesetzt. Sein Anwendungsbereich verengte sich jetzt auf die Gebührenund Beitragstheorie. Diese Abgaben sah die Finanzwissenschaft stets als eine Gegenleistung für eine bestimmte staatliche Leistung an. Für ihre Bemessung folgte, wie ehemals für die Steuer, daß die Leistung des Pflichtigen zu der Leistung des Staates gleichwertig - äquivalent - sein mußte. Das Äquivalenzprinzip blieb so unter dem Namen Gebührenprinzip 101 entscheidende Bemessungsdirektive für diese Abgabenart. 102 98
Rogosch, S.76; S. Meyer, S.200; F. Kirchhof, „Gebühr" S.79; Wilke, S.255. Vgl. Schmölders, „Steuerlehre", S.44; Bayer, Rdn.33; Wittmann, II S.33; zum Zusammenhang Staatsvertragslehre und Äquivalenztheorie vgl. Oechsle, S.38ff. 100 Zum Ganzen Musgrave, „Finanztheorie" S.53ff; Haller, S. 16ff; auch Birk, „Leistungsfähigkeitsprinzip", S.24ff; Vogel, Der Staat 1986, S.482 (485ff); Oechsle, S.64ff. 101 Vgl. Bohley, S. 103; Strutz, HdWStRW IV, 616ff. 102 Bohley, S. 103 ff; Wendt, S. 3 ff. Freilich waren Einzelheiten der Bemessung umstritten, vgl. Teil 1 B.II. 1. Dies berührte jedoch nie den Gedanken äquivalenter Bemessung. Die Kon99
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
2. Rechtliche Inhalte und dogmatische Ableitung a) Aquivalenzprinzip in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Als eigenständiger verfassungsrechtlicher Gebührenmaßstab ist das Äquivalenzprinzip eine Schöpfung des Bundesverwaltungsgerichts. 103 Nach Ansicht des Gerichts garantiert es, daß ein „angemessenes Verhältnis zwischen der Gebühr und dem Wesen der besonderen Leistung für den Empfänger bestehen" muß. 104 Praktische Konsequenzen für die Gebührenhöhe sollen sich aber nur ergeben, falls dieses Prinzip grob verletzt ist. Bezugspunkt für das Verhältnis zwischen Gebühr und Staatsleistung ist das Interesse, beziehungsweise der Nutzen der staatlichen Leistung für den Empfänger. 105 Eine Aussage über das Verhältnis zwischen Verwaltungskosten und Gebührenhöhe trifft das Äquivalenzprinzip dagegen nicht. Es ist nur leistungs- und nicht kostenorientiert. 106 Das Gericht hat dem Prinzip anfangs auch entnommen, daß es der Gebühr vorschreibe, keine anderen Nebenwirkungen als den Zweck der Gebührenerhebung zu haben. Dieses Ansinnen gab es allerdings schnell wieder auf. 107 Für die dogmatische Ableitung des Äquivalenzprinzips verwies das Bundesverwaltungsgericht zunächst auf das „Wesen der Gebühr". 108 In einer späteren Enttroverse zwischen Kosten- und Nutzentheorie behandelt letztlich nur die Frage, wie genau die Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung hergestellt werden sollte, vgl. Wendt, S.5. 103 BVerfGE 12, 162 (167ff). 104 Bei einem so verstandenen Äquivalenzprinzip stellt sich allerdings die Frage, warum es als Errungenschaft der Nachkriegszeit angesehen wird. Im Grunde entspricht es nämlich der Forderung der älteren Finanzwisschaft, daß bei der Gebühr eine Gleichwertigkeit zwischen Leistung und Gegenleistung bestehen soll. Auch das Bundesverwaltungsgericht selbst stellte schon in früheren Entscheidungen fest, daß ein „angemessenes", BVerwGE 2,246 (251), oder „richtiges", BVerwGE 5,136 (141), Verhältnis zwischen beiden Leistungen bestehen müsse. In der angesprochenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine solche Forderung aber erstmals zu einer verfassungsrechtlich bindenden und gerichtlich überprüfbaren Direktive für die Gebührenhöhe erhoben worden. Dies rechtfertigt es, in dieser Entscheidung den Ursprung des rechtlichen Äquivalenzprinzips zu sehen, vgl. Heßhaus, S. 131; Wilke, S. 245; Bohley, S. 122. 105 BVerwGE 12, 162 (169); 26, 305 (308 f). 106 BVerwGE 26, 305 (311); 29, 214 (215); BVerwG, DÖV 1971, 102 (102); BVerwG, NVwZ 1986, 483 (484); NVwZ 1987, 503 (503); vgl. hierzu Isensee, in FS-Geck, 355 (386); Hansmeyer/Fürst, S. 121; Heer, S.46; Heimlich, S. 177ff. 107 BVerwGE 26, 305 (311); BVerwG, NVwZ 1982, 622; NVwZ 1995, 173 (174); DVB1 1997, 1062 (1063). 108 BVerwGE 12, 162 (167). Zu dieser Ableitung verweist das Gericht auf VGH BW ESVGH 9,49 (51); OVG Hamburg, DVB1153,631 (633). Keines dieser Urteile befaßt sich jedoch dort mit einem so verstandenen Äquivalenzprinzip, vgl. Wilke, S. 244 f; Gußen S. 30ff.
C. Grenzen aus verfassungsrechtlichen Bemessungsprinzipien
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Scheidung führt das Gericht dann den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als normative Grundlage des Prinzips an. 109 Die Forderung nach einem „angemessenen" oder „richtigen" Verhältnis von Leistung und Gegenleistung, weicht dort auch der Sentenz, daß kein Mißverhältnis zwischen Gebührenhöhe und staatlicher Leistung bestehen dürfe. Die ursprüngliche Fassung scheint zwar unter sprachlichen Gesichtspunkten höhere Anforderungen an das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zu stellen, beide Formulierungen werden jedoch als inhaltsgleich angesehen.110 Das Äquivalenzprinzip hat in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als eine solche aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stammende Obergrenze der Gebührenhöhe bis heute Geltung.111 b) Äquivalenzprinzip in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aa) Ablehnung des Äquivalenzprinzips Das Bundesverfassungsgericht nimmt Abstand davon, dem Äquivalenzprinzip Verfassungsrang zuzusprechen. Es hat zwar das Äquivalenzprinzip der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zunächst übernommen, 112 bereits in der Entscheidung zur nordrheinwestfälischen Widerspruchsgebühr ließ es die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit dieses Gebührengrundsatzes aber ausdrücklich offen. 113 In einer späteren Entscheidung zum Gebührenrecht erwähnte das Gericht die Bemessungsregel dann gar nicht mehr. 114 Endgültig vollzogen erscheint der Abschied von einem verfassungsrechtlichen Äquivalenzprinzip jetzt in der Kindergartengebührenentscheidung.115 Es heißt dort, „das Kostendeckungsprinzip und ähnliche gebührenrechtliche Prinzipien sind keine Grundsätze mit Verfassungsrang." Mit den ähnlichen Prinzipien kann eigentlich nur das Äquivalenzprinzip gemeint sein. Neben dem Kostendeckungsprinzip ist es die einzige Bemessungsregel, die das Gericht jemals mit Verfassungsrang ausgestattet hat. 116
109
BVerwGE 26, 302 (310). BVerwGE 26, 305 (308f); Wilke, S.253f; Heßhaus, S. 130. 111 Vgl. BVerwGE 79,90 (91); 80, 36 (40); BVerwG, NVwZ 1986,483 (484); NVwZ 1987, 503 (503); NVwZ 1989, 557 (559); NVwZ 1995, 173 (174); DVB1 1997, 1062 (1063). 112 BVerfGE 20, 257 (270). In dieser Entscheidung bestimmt das Äquivalenzprinzip ebenfalls, daß die Gebühr „in keinem Mißverhältnis zu der von der öffentlichen Gewalt gebotenen Leistung stehen" dürfe. Genauso wie nach der damaligen bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung sollte die Rechtswidrigkeit der Gebührenhöhe sich aber auch nur bei einer gröblichen Verletzung dieses Grundsatzes ergeben. 113 BVerfGE 50,217(233). 114 BVerfGE 91, 207 (223). 115 BVerfGE 97, 332 (335). 116 Sachs/Windhorst, JuS 1999, 857 ff (860); vgl. auch VGH BW, VB1BW 1999,421 (421). 1,0
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
bb) Rückgriff auf allgemeine Verfassungsgrundsätze Die Abkehr von einem verfassungsrechtlichen Äquivalenzprinzip bedeutet indes nicht, daß sich aus der Verfassung keine mit dem Inhalt dieses Prinzips vergleichbaren Grenzen für die Bemessung der Gebühr ergeben. Das Bundesverfassungsgericht entnimmt die Beschränkungen nur den allgemeinen Verfassungsgrundsätzen. Art. 3 Abs. 1 GG und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz spielen hierbei eine maßgebliche Rolle. 117 Für die Relation zwischen Wert der Leistung und Gebührenhöhe ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip von Belang. Gerade der Teilbereich der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne tritt gewissermaßen an die Stelle des Äquivalenzprinzips. Das Gericht leitet hieraus ab, daß die Gebührenhöhe nicht außer Verhältnis zu den mit der Erhebung verfolgten Zwecken stehen darf. 118 Die Obergrenze der Gebühr wird nach einer solchen Abwägung eben dort liegen, wo sie durch das Äquivalenzprinzip formuliert wurde. Ein Mißverhältnis zwischen Wert der Leistung und Gegenleistung ist im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip niemals zulässig In der Wasserpfennigentscheidung hat der zweite Senat auch der Finanzverfassung eine Aussage entnommen, die an den Inhalt des Äquivalenzprinzip erinnert. Die finanzverfassungsrechtlich erforderliche Abgrenzung der Wasserentnahmeentgelte von der Steuer verlange es, daß „deren Höhe den Wert der öffentlichen Leistung nicht übersteigt". 119 Es ist indes schwierig, hieraus Schlüsse zu ziehen, inwieweit sich dieses Postulat auf Gebühren nach der üblichen Definition des Gerichts übertragen läßt. Die in der Wasserpfennigentscheidung aufgestellte Forderung kann wohl nicht in gleicher Strenge gelten, da die Gebührenhöhe auf zweierlei Weise zur staatlichen Leistung in Bezug gesetzt werden kann. Im Gegensatz zum Wasserpfennig kann bei Gebühren sowohl auf den Nutzen der staatlichen Leistung für den Empfänger, als auch auf den entstandenen Verwaltungsaufwand abgestellt werden. Dies war beim Wasserpfennig nicht möglich, weil die abgegoltene staatliche Leistung gerade keine zurechenbaren Kosten verursachte. Diefinanzverfassungsrechtlichen Anforderungen an diese Abgabe mußten daher notwendigerweise strenger sein. Bei Gebühren, die kostenverursachende Leistungen abgelten, ist es im Hinblick auf ihre Abgrenzung zur Steuer dagegen unbedenklich, wenn die Abgabenhöhe den Wert der Leistung für den Empfänger überschreitet. Ihr Gegenleistungscharakter, der sie von der Steuer unterscheidet, bleibt auch dann noch erhalten, wenn die Gebührenhöhe wenigstens zu den Verwaltungskosten in angemessener Relation steht. Die aus der Finanzver117 BVerfGE 50,217 (233); 91,207 (222); 97, 332 (335 ff); vgl. auch Sachs-Siekmann, Vor. Art. 104 a GG Rdn.77. 118 BVerfGE 50,217 (233). 119 BVerfGE 93, 319 (347); zum Zusammenhang Wasserpfennigentscheidung und Äquivalenzprinzip vgl. Wegge, KStZ 1999,42 (46 ff).
C. Grenzen aus verfassungsrechtlichen Bemessungsprinzipien
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fassung für den Wasserpfennig gewonnene Voraussetzung kann daher für Gebühren nur insoweit verbindlich sein, als sich ein Ausgleichscharakter in ihrer Bemessung widerspiegeln muß. c) Literatur und verwaltungsgerichtliche
Rechtsprechung
aa) Verfassungsrang des Äquivalenzprinzips Die vorherrschende Auffassung in Literatur und verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung steht im Einklang mit der derzeit vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Position. 120 Das Äquivalenzprinzip verlange, daß ein angemessenes Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Diese Äquivalenzbeziehung wird ebenfalls am „Wert" oder „Nutzen" der zugewandten Leistung gemessen.121 Die Kosten der Leistung sollen daneben nur selten ein gleichrangiger Maßstab sein. 122 In jedem Fall legt das verfassungsrechtliche Äquivalenzprinzip nur eine Obergrenze der Gebührenhöhe fest. 123 Es ist ein „Korrektiv, das es gestattet, Exzessen des gebührenrechtlichen Normgebers entgegenzutreten."124 Die Verfassungskraft eines solchen Bemessungsprinzips wird zumeist aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abgeleitet.125 Seine Rechtsgrundlage wird vereinzelt aber auch im Gewohnheitsrecht 126 oder im Wesen der Gebühr 127 gesucht.
120
Bspw. VGH BW, KStZ, 1979, 155 (156); KStZ 1982, 69 (71); vgl. jetzt aber auch VGH BW, VB1BW 1999,421 (421); BayVGH, NVwZ 1989,179 (179); OVG Münster, KStZ 1979, 194 (195); OVG Lüneburg, NVwZ 1985,441 (441); Wieland, S.309ff; Gern, Rdn.999; ders., DVB1 1984, 1164 (1166f); ders., NVwZ 1995, 1145 (1154); Driehaus-Dahmen, §4 KAG Rdn.49ff; Driehaus-Lichtenfeld, §6 KAG Rdn.749; Driehaus-Lohmann, §6 KAG Rdn.680; Erichsen, S. 185 f; Hansmeyer/Fürst, S. 121 f; Bohley S. 122; Rogosch S.89; Henneke, Jura 1990,113(116); P. Kirchhof, Jura 1983, S.505 (512); Heßhaus, S. 134; Hendler, VB1BW 1991, 124 (124); Quaas, S.21; Reinhard, S.94ff. 121 Bspw. Gern, DVB11984,1164 (1168); Richtsteig, S. 143; Kreft, S.52; vgl. auch F. Kirchhof, „Gebühr", S.86ff, Heimlich, S. 176ff, beide jeweils m. w.N. 122 In dem Sinne, daß erst bei Überschreiten sowohl des Nutzens als auch der Kosten der Leistung eine Verletzung des Äquivalenzprinzips vorliegt, Heimlich, S. 177 ff; Rogosch, S.78; ähnlich auch Bonner Kommentar-Vogel/Waldhoff, Vor. Art. 104a GG Rdn.418; Vogel, in FSGeiger, S. 518 (535). Vogel faßt jedoch die beiden Bezugspunkte begrifflich nicht unter das Äquivalenzprinzip. Er wendet ein Äquivalenz- und ein spezielles Kostendeckungsprinzip nebeneinander an. 123 Vgl. VGH Mannheim E34, 274 (278); Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 (653 f); Reinhard, S. 105 f. 124 Wilke, HKWPIV § 117, S.254; auch Driehaus-Dahmen, §4 KAG Rdn.52. 125 Siehe, FN 221. 126 Bettermann, S.52; Stephan, JurAn 1970, 867 (865). 127 VGH BW, GemH 1981, 248 (249); Weyreuther, UPR 1988, 161 (164); Leisner, in GSPeters, 730 (747) im Ergebnis auch Bonner Kommentar-Vogel/Waldhoff, Vor. Art. 104a-115 GG Rdn.418; Vogel, in FS-Geiger, 518f (535).
Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
60
bb) Ablehnung des Äquivalenzprinzips Teilweise lehnt man die verfassungsrechtliche Geltung des Äquivalenzprinzips dagegen ab. Die Zulässigkeit der Relation von Gebühr und Leistung wird stattdessen am allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit überprüft. 128 Diesem von Dieter Wilke und Michael Kloepfer vorgezeichneten Weg scheint wie aufgezeigt auch das Bundesverfassungsgericht zu folgen. Die Kritiker des Äquivalenzprinzip wenden ein, daß die Bemessungsregel allein auf den Zweck des Vorteilsausgleichs abstelle und andere Gebührenzwecke ausklammere, da sie nur isoliert die Leistung und die Gebührenhöhe gegenüberstelle. Das Prinzip verkürze daher in sachwidriger Weise das Abwägungsschema des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.129 Nur der allgemeine Verfassungsgrundsatz sei in der Lage, alle mit der Gebührenerhebung verfolgten Zwecke als Abwägungsfaktoren zu berücksichtigen. 130 d) Stellungnahme zum Verfassungsrang
des Prinzips
Betrachtet man die Vielzahl unterschiedlicher Meinungen zum Verfassungsrang einer solchen Bemessungsregel, so kann die Allgemeinverbindlichkeit des Äquivalenzprinzips nicht mit gewohnheitsrechtlicher Geltung begründet werden. 131 Für die Bildung von Gewohnheitsrecht ist erforderlich, daß eine dauernde, gleichmäßige und von allen Beteiligten als verbindlicher Rechtsgrundsatz anerkannte Übung erfolgt. 1 3 2 Eine solche liegt jedoch erkennbar nicht vor. Eine Ableitung des Prinzips aus dem Wesen der Gebühr begegnet zunächst ebenfalls Bedenken. Es wird oftmals vorgebracht, daß sich mit dem Wesen der Gebühr Beliebiges begründen ließe, nicht aber der Verfassungsrang eines Bemessungsprinzips. 133 Eine solche Kritik verkennt allerdings, was hinter dem Wesen der Gebühr steckt. Das Wesen der Gebühr ergibt sich aus der verfassungsrechtlich erforderlichen Abgrenzung zur Steuer. Für die Existenz eines verfassungsrechtlichen Äquivalenzprinzips im Wesen der Gebühr ist damit entscheidend, ob die Finanzverfassung für die Gebührenbemessung bestimmt, daß die Abgabenhöhe kein grobes Mißverhältnis zur Leistung widerspiegeln darf. 128
Kloepfer AöR 97 (1972), 232 (254ff); Wilke S. 253 ff; F. Kirchhof, „Gebühr", S.54f, S.80ff; ders., DVB1 1987,557 (559); S. Meyer, S.201; Schollmeier, WuR 1991, S. 1 (2f); Meßerschmidt, S. 160; Breuer/Fassbender, WiVerw 1995, 1 (30ff); Holzkämper, S.91; teilweise wird in der Literatur auch vertreten, daß nur im Rahmen lenkender Gebühren auf das Äquivalenzprinzip zu verzichten sei, Arndt, WiVerw 1990, 1 (33); vgl. hierzu auch Hübschmann/ Hepp/Spitaler-Birk, § 3 AO Rdn. 157. 129 Wilke, S.255, 267; Hansmeyer/Fürst, S. 122; Holzkämper, S.91 f. 130 Kloepfer, AöR 97 (1972), 232 (255). 131 So auch Rogosch, S.66; F. Kirchhof, „Gebühr", S.80; Reinhard, S.99. 132 BVerfGE, 34, 293 (303 f); 57, 121 (134f); 61, 149 (203). 133 Rogosch, S. 65; F. Kirchhof, „Gebühr", S.81; Feigenbutz, S. 191 f; Richtsteig, S. 127.
C. Grenzen aus verfassungsrechtlichen Bemessungsprinzipien
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Den Art. 105 ff GG ist für die Gebühr entnommen worden, daß ihre Erhebung an eine individuell zurechenbare Leistung anknüpft. 134 Diese Eigenart unterscheidet sie tatbestandlich von den gegenleistungsunabhängigen Steuern. Könnte der Gebührengläubiger die Höhe der Gebühr aber festlegen, ohne hierbei Rücksicht auf den Umfang des zugewandten Vermögenswertes zu nehmen, geriete die Abgabe dennoch in Konkurrenz zur Steuer. Die Abgrenzung von der Steuer gegen die Gebühr wäre sinnlos, da es durch bloß formales Anknüpfen an eine individuell zugewandte Leistung möglich wäre, eine der Sache nach „voraussetzungslose" Abgabe zu erheben. 1 3 5 Der Gegenleistungscharakter muß sich deswegen auch in der Gebührenhöhe widerspiegeln. Es muß dann aber eine verfassungsrechtliche Bemessungsregel geben, die beschreibt, bis zu welcher Grenze der Gegenleistungsbezug im Gebührentarif sichtbar bleibt. Die Frage ist nur, was der genaue Inhalt einer solchen Direktive sein kann. Der Inhalt des Äquivalenzprinzips ist zumeist auf das Mißverhältnis der Gebührenhöhe zum Nutzen der Leistung für den Empfänger eingeengt worden. Hiermit werden jedoch diefinanzverfassungsrechtlichen Anforderungen unsachgemäß verschärft. Zu beachten ist nämlich, daß der Gegenleistungscharakter an zwei Bezugspunkten überprüft werden muß: Neben dem Wert der Leistung für den Empfänger sind auch die durch die Leistungserbringung entstandenen Verwaltungskosten zu beachten. Der notwendige Gegenleistungscharakter kann der Gebühr erst dann abgesprochen werden, wenn die Höhe der Abgabe den Wert der Leistung für den Einzelnen und die durch die Leistungserbringung entstandenen Kosten unverhältnismäßig übersteigt. Es ist nur in diesem Fall nicht mehr möglich, von einer gegenleistungsabhängigen Abgabe zu sprechen. Ein Äquivalenzprinzip, das ein Mißverhältnis der Gebühr zu beiden Bezugspunkten - Nutzen und Kosten - der Staatsleistung verbietet, läßt sich daher aus derfinanzverfassungsrechtlichen Abgrenzung der Gebühr gegen die Steuer, - dem Wesen der Gebühr - entnehmen. Wie überwiegend befürwortet, kann diese Bemessungsregel darüber hinaus auch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgeleitet werden. Genauer genommen ist das Äquivalenzprinzip nichts anderes als das Ergebnis einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Gebührenrecht. Ein Mißverhältnis von Gebühr und staatlicher Leistung ist im Hinblick auf das Erfordernis einer verhältnismäßigen Gebührenbemessung nicht hinnehmbar. Es ist für die Relation von Gebührenhöhe und Staatsleistung aber hier ebenso auf den Verwaltungsaufwand und den Empfängernutzen als Bezugspunkt abzustellen. Unverhältnismäßig ist die Gebühr immer erst dann, wenn sie ein grobes Mißverhältnis sowohl zu dem Nutzen als auch zu den Kosten der in An134
Vgl. Teil 2 B.III.5. Vgl. Wendt, 54ff; Kisker, S. 16ff; Kreft, S.202. Es sind damit die Bedenken angesprochen, die schon gegen einen formellen Gebührenbegriff vorgebracht wurden. Auf Ebene des Tatbestands ist aber ausreichend, daß die Gebühr nur formell an eine individuelle zurechenbare Leistung anknüpft. Für die Abgabenhöhe ergeben sich zwar darüber hinaus Grenzen aus der Finanzverfassung, diese sind aber auf einer vom Tatbestand unabhängigen Ebene der Rechtmäßigkeit zu beachten, vgl. Teil 2 III 5. 135
Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
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spruch genommenen Leistung festsetzt. Nur ein Äquivalenzprinzip diesen Inhalts kann als allgemeingültige Aussage des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verfassungsrechtliche Geltung beanspruchen. Gegen diese Herleitung kann nicht eingewandt werden, daß die Verhältnismäßigkeitsprüfung erst möglich sei, wenn die Gebührenzwecke feststehen. Diese ergäben sich aber nur aus einfachgesetzlicher Anordnung durch den jeweiligen Gebührengläubiger. Ein Gebührenprinzip könne demnach nicht schon aus der Verhältnismäßigkeit selbst abgeleitet werden. 136 Diese Kritik verkennt die Zweckoffenheit der Gebühr als eine Zweckneutralität der Abgabe. Die finanzverfassungsrechtliche Abgrenzung zur Steuer erfordert es, daß die Gebührenhöhe immer einen Bezug zur Gegenleistung aufweist. Um dies zu gewähren, muß mit der Gebührenbemessung stets der Zweck verfolgt werden, den Vorteil oder die Kosten der gebührenpflichtigen Leistung auszugleichen. Ausgleichszwecke sind der Gebühr daher immanent. Zwar kann die Gebühr auch andere Zwecke verfolgen, aber ein völliges Loslösen von den Ausgleichszwecken ist nicht möglich. Dies bedeutet jedoch, daß solche Ausgleichszwecke einer jeden Verhältnismäßigkeitsprüfung zugrundeliegen müssen. Dann aber kann auch das Äquivalenzprinzip aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgeleitet werden. 137 Es bezeichnet nämlich die Grenze, bei deren Überschreiten die Gebühr in jedem erdenklichen Fall unverhältnismäßig sein muß. Wegen dieser Beziehung von Verhältnismäßigkeits- und Äquivalenzprinzip wird auch von einer Identität beider Prinzipien ausgegangen138 und erwogen, auf die Bezeichnung Äquivalenzprinzip zu verzichten. 139 Hiergegen spricht aber, daß ein Verbot des Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung nicht nur eine Forderung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ist, sondern wie aufgezeigt ebenfalls eine der Finanzverfassung. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dient somit im Gebührenrecht nicht nur dem Schutz des einzelnen Abgabenschuldners vor einer überhöhten Abgabenforderung. Er flankiert zusätzlich auch das System der Art. 105 ff GG. Diese besondere Gewährleistung des allgemeinen Verfassungsprinzips läßt sich durch die Verwendung des gebührenrechtsspezifischen Terminus „Äquivalenzprinzip" unterstreichen. Es erscheint deswegen sachgerecht, diese Bezeichnung beizubehalten.140 136
Vgl. F. Kirchhof, „Gebühr", S.81. Vgl. hierzu auch Wieland, S. 309 f. 138 Vgl. Heer, S.48; Reinhard, S. 104f; Zimmermann, DVB1 1989, 901 (903). Das Bundesverwaltungsgericht scheint ebenfalls von einer Übereinstimmung der Grundsätze auszugehen. Dies verdeutlichen seine Formulierungen zur Beziehung beider Prinzipien. Das Äquivalenzprinzip soll nicht etwa eine Modifikation des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sein, sondern nur ein „Ausdruck", BVerwGE 26,305 (309), oder eine „Ausprägung" hiervon, BVerwGE 80, 36 (39); BVerwG, NVwZ 1989, 557 (559); ebenso Hendler, VB1BW 1991, 121 (124); Henneke, Jura 1990, 113 (116). Zum Ganzen vgl. Heimlich, S. 171 ff. 139 So Heimlich, S. 175. 140 Im Ergebnis ebenso Rogosch, S.69; Reinhard, 101 f; Heßhaus, S. 133; anders Heimlich, S. 175. 137
C. Grenzen aus verfassungsrechtlichen Bemessungsprinzipien
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Das Äquivalenzprinzip hat daher als Verbot eines groben Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung Verfassungsrang. Es sind für diese Relation aber sowohl der Nutzen als auch die Kosten der Leistung zu betrachten. Die Bemessungsregel läßt sich derfinanzverfassungsrechtlich erforderlichen Abgrenzung von der Gebühr gegen die Steuer, mithin dem Wesen der Gebühr entnehmen. Sie kann darüber hinaus auch aus der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Gebührenrecht hergeleitet werden. 3. Konsequenzen für Sozialtarife Das Äquivalenzprinzip bewirkt lediglich eine Zähmung der Gebührenhöhe nach oben. Es trifft keine Aussage darüber, wie die Gebühr auf die einzelnen Schuldner zu verteilen ist. Die Bemessungsregel kann sich daher grundsätzlich nicht gegen eine sozialmotivierte Staffelung sperren. 141 Eine Grenze zieht das Prinzip allerdings dennoch für sozialmotivierten Erhöhungen. Der Tarifzuschlag ist vor dem Hintergrund des Gebührengrundsatzes nur insoweit zulässig, als dieser nicht zu einem groben Mißverhältnis zwischen Gebühr und Leistung führt. 142 Nach der hier vertretenen Auffassung würde ein solches Mißverhältnis erst dann vorliegen, wenn die erhöhten Tarife außer Bezug zu Kosten und Nutzen der zugewandten Leistung steht.
II. Kostendeckungsprinzip Neben dem Äquivalenzprinzip wird immer wieder das Kostendeckungsprinzip als Bemessungsregel mit Verfassungsrang ins Spiel gebracht. Es soll zum Ausdruck bringen, daß eine Gebühr den ihr zurechenbaren Verwaltungsaufwand nicht überschreiten darf. 143 Heute besteht weitgehend Einigkeit darüber, daß mit dem Kostendeckungsprinzip eine absolute Obergrenze für das Gesamtvolumen der Gebühr veranschlagt wird. Das Kostendeckungsprinzip bezieht sich im Gegensatz zum Äquivalenzprinzip nicht auf die Höhe der einzelnen Gebühr. 144
141 Vgl. Gern, DVB1 1984,1164 (1167 f); ders., NVwZ 1995,1145 (1154); Burmeister/Bekker, DVB1 1996, 651 (653 f); Reinhard, S. 105 f; Gußen, S.35ff; Konsequenterweise wird das Äquivalenzprinzip zumeist von Gegnern einer Sozialstaffelung in diesem Zusammenhang nicht erwähnt, bspw. Erichsen, S. 185; Kempen, NVwZ 1995,1163 (1164f); Bonner Kommentar-Vogel/Waldhoff, Vorb. Art. 104a-115 GG Rdn.420; Fischedick, S.62ff. 142 Vgl. BVerwG NVwZ 1995, 173 (174), wo die Rede davon ist, daß eine Gebührenstaffelung solange unbedenklich ist, wie die Höchstgebühr nicht gegen das Äquivalenzprinzip verstößt; ebenso VGH BW, VB1BW 1994,164 (166f); vgl. auch Gern, NVwZ 1995,1145 (1154); Reinhard, S. 106. 143 Bspw. BVerwGE 2, 246 (251); 12,162 (165); F. Kirchhof, „Gebühr", S.93; Sachs-Siekmann, vor Art. 104 a GG Rdn. 81. 144 Vgl. bspw. BVerwGE 12,162 (169); Sachs-Siekmann, vor Art. 104a GG Rdn. 81; Heimlich, S. 180ff; Clausen S.49f; Wilke S.279; Rogosch S. 113.
Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
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1. Historische Grundlagen Schon seit den Anfängen des Gebührenwesens ist die Abgabe mit den Kosten der Leistung verbunden worden. Es hat sich in Literatur, Rechtsprechung und Gesetzgebung aber zu keiner Zeit ein allgemein verbindliches Gebührenprinzip herausgebildet, was das Verhältnis der Gebührenhöhe zu den entstandenen Kosten betrifft. Dies gilt sowohl in Bezug auf eine Ober- oder Untergrenze der Gebühr als auch in Bezug auf das Gesamtgebührenaufkommen oder die Höhe der Einzelgebühr. 145 Ein Vorläufer eines rechtlichen Kostendeckungsgebots ist die in der Finanzwissenschaft des vorletzten Jahrhunderts vertretene Kostentheorie. Diese Theorie stellte ein Konzept zur Verwirklichung des finanzwissenschaftlichen Äquivalenzprinzips dar. 146 Eine Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung sollte nach der Kostentheorie solange bestehen, wie die Gebühr die bei der Leistungserbringung entstehenden Kosten deckt. Eine solche Auffassung ist jedoch in der Finanzwissenschaft nicht unbestritten geblieben. Statt einer Orientierung am Verwaltungsaufwand wurde für die Gebührenhöhe auch auf den dem Empfänger zugewendeten Nutzen abgestellt.147 Eine gesetzliche Kodifikation eines Kostenüberschreitungsverbots läßt sich ebenfalls schon früh nachweisen.148 In Art. IV § 26 Frankfurter Paulskirchenverfassung hieß es, daß „Hafen, Kran, Waag und Lager, Schleußen und dergleichen Gebühren", die zur Unterhaltung dieser Anstalten notwendigen Gebühren nicht übersteigen dürfen. Hierunter wird aber kein allgemeingültiges Gebührenprinzip verstanden. Dies zeigt ein Vergleich mit den Regelungen des Art. 54 der Verfassung des Norddeutschen Bundes. In Art. 54 Abs. 4 dieser Verfassung wird die Regelung des Art. IV § 26 der Paulskirchenverfassung übernommen. Das so verstandene Kostendekkungsprinzip beansprucht allerdings ausdrücklich nur für die inländische Schiffahrt Geltung. Art. 54 Abs. 5 gesteht dem Bund nämlich zu, „auf fremde Schiffe... höhere Abgaben zu legen". Ein Kostenbezug bei der Gebührenbemessung findet sich darüber hinaus in einigen Gebührengesetzen der Länder des deutschen Reiches.149 Anhaltspunkte für ein allgemein verbindliches Kostendeckungsgebot oder Kostenüberschreitungsverbot zeigen sich dort aber genauso wenig. Die Regelungen sind für jede Gebührenart 145
Ausführlich zur Geschichte des Kostendeckungsprinzips Clausen, S. 13 ff (28 f). Wendt, S.5FN20. 147 Vgl. Teil 1 B.II. 1. 148 Hierzu Clausen, S.20ff. 149 Bspw. § 6 Abs. 3 prKAG: „Die Gebühren müssen so bemessen werden, daß deren Aufkommen die Kosten des Verwaltungszweigs nicht übersteigt" oder §4 Abs. 2 desselben Gesetzes: „Die Gebührensätze sind in der Regel so zu bemessen, daß die Verwaltungs- und Unterhaltungskosten ... gedeckt werden." In § 6 Abs. 3 prKAG wurde durch Gesetz vom 26.8.1921 das „müssen" in ein „sollen" umgeändert. Diese Vorschriften des prKAG wurden in das Braunschweigische Gemeindeabgabengesetz als § 6 Abs. 3 und § 7 Abs. 3 übernommen. 146
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65
unterschiedlich ausgestaltet und ohnehin oftmals nur als Soll-Vorschriften formuliert. 150 Auch die vorkonstitutionelle Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ging zu einem überwiegenden Teil nicht von einer generellen Bindung der Gebühren an die Kosten der Leistungserbringung aus. Nur der Württembergische Verfassungsgerichtshof 151 und das Sächsische Oberverwaltungsgericht 152 haben sich eindeutig für eine kostenabhängige Obergrenze der Gebührenhöhe ausgesprochen. Andere Gerichte gestehen der Gebühr eine weit über die Kostendeckung hinausgehende Grenze zu. 153 Insbesondere das preußische OVG stellte in diesem Zusammenhang fest, daß „die Gebühr grundsätzlich an keine materielle Schranke gebunden ist." 154
2. Verfassungsrechtliche Inhalte und Herleitung a) Höchstrichterliche
Rechtsprechung
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung hat zuerst das Bundesverwaltungsgericht dem Kostendeckungsprinzip die verfassungsrechtliche Verbindlichkeit abgesprochen. 155 In ständiger Rechtsprechung befürwortet es seine Geltung nur bei einfachgesetzlicher Anordnung. 156 Als Begründung hierfür wird darauf verwiesen, daß sich Gebühren ebenso am Nutzen der gebührenpflichtigen Verwaltungsmaßnahme orientieren können.157 Die Abgrenzung zur Steuer erhebe das Kostendeckungsprinzip ebenfalls nicht zum Wesensmerkmal der Gebühr. Eine kostendeckende Gebühr sei vielmehr nur ein Idealtyp der Gebühr. Abweichungen von diesem Idealtyp könnten aber nicht ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit der Gebühr führen. 158 Es lasse sich schließlich auch keine gewohnheitsrechtliche Geltung des Kostendeckungsprinzips begründen, da in zahlreichen einfachgesetzlichen Regelungen Kostendekkungsprinzipien nur als Soll-Bestimmungen normiert seien.159 150
Vgl. zu diesem Befund auch BVerwGE 12, 162 (167). Urteil vom 30.12.1925, in Jahrbuch der Württembergischen Rechtspflege, Spruchbeilage S. 183 (189). 152 Jahrbuch der sächsischen OVG 34, 291 (292); 36, 360 (360). 153 Vgl. PrOVGE 30, 97 (100); 62, 137 (145 f); OVG Hamburg, in Entscheidungen HmbVG 3, 71 (102f); ThürOVGE 14, 98 (102f); VG Bremen, Urteil vom 16.4.1927 in Entscheidungen der BremVG 1924-1929, S. 19. 154 PrOVGE 62, 137 (145 f). 155 Grundlegend BVerfGE 12, 162 (167); BVerwG, DGStZ 1959, 90 (91); noch offengelassen in BVerwGE 2, 246 (251). 156 BVerwGE 12, 162 (167); 13,214 (222); 58, 326 (332); BVerwG, DVB1 1980, 297 (298); BVerwG, NVwZ 1995, 173 (174); vgl. Heimlich, S. 185. 157 BVerwGE 12,162 (167); BVerwG, DGStZ 1959,90 (91); BVerwG, Bucholz 401.8 Nr. 16. 158 BVerwGE 12, 162(167). 159 BVerwGE 12, 162 (167). 151
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
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Das Bundesverfassungsgericht enthielt sich lange Zeit einer Stellungnahme zum Verfassungsrang eines solchen Gebührenprinzips. 160 Das Gericht bezeichnete das Kostendeckungsprinzip jedoch einmal als „richtungweisendes Korrektiv" für den Erlaß einer Gebührenverordnung. Hiermit schien die Allgemeinverbindlichkeit des Prinzips angedeutet.161 In dem Urteil zur Widerspruchsgebühr lehnt das Bundesverfassungsgericht dann aber den Verfassungsrang dieses Prinzips ausdrücklich ab. 162 Das ist in der Entscheidung zur Kindergartengebührenstaffelung erneut bekräftigt worden. 163 Nähere Begründungen gibt das Gericht allerdings nicht. Es verweist für die Ablehnung des Gebührenprinzips nur auf die bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung. Ein Bezug von Kosten und Leistung ist für die beiden Gerichte dennoch nicht ohne jeden Belang. Nach der Auffassung der Gerichte gebiete der allgemeine Gleichheitsgrundsatz, daß die Gebühren nicht völlig unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgelegt werden können.164 Die Verknüpfung zwischen Kosten der Leistung und den dafür auferlegten Gebühren müsse, bezogen auf den Zweck gänzlicher oder teilweise Kostendeckung, sachgerecht sein. Art. 3 Abs. 1 GG wird damit im Ergebnis aber nicht mehr entnommen als ein Verbot willkürlicher Gebührenbemessung. Keinesfalls verschaffen die Gerichte dem Kostendeckungsprinzip über die Hintertür des Gleichheitssatzes verfassungsrechtliche Geltung.165 Dies zeigen auch die Einschränkungen der gleichheitsrechtlichen Anforderungen, auf die von den Gerichten hingewiesen wird. So soll der Gleichheitssatz weder kostenüber-, noch kostenunterschreitenden Gebühren entgegen stehen. Genauso wenig schreibe das Grundrecht der Gebühr den Kostendeckungszweck als einzigen Gebührenzweck vor. b) Literatur und verwaltungsgerichtliche
Rechtsprechung
aa) Verfassungsrang des Kostendeckungsprinzips Das Kostendeckungsprinzip wird, als auf das Gesamtgebührenaufkommen beschränktes Kostenüberschreitungsverbot, jedoch von Teilen der vorwiegend älteren Rechtsprechung und Literatur verfassungsrechtlich anerkannt. 166 Ein solcher Gebüh160 161
BVerfGE 18, 392 (396); 20, 257 (270); 28, 66 (86f); 33, 358 (366). BVerfGE 34, 52 (61 f); zu dieser Deutung vgl. Hörstel, BauR 1997, S. 14 (16); Clausen,
S.54. 162
BVerfGE 50, 217 (226 f). BVerfGE, 97, 332 (345). 164 BVerfGE, 50, 216 (227); 85, 337 (346); 97, 332 (345). 165 Vgl. Jarass, S.33; Murswiek, S.76; Heimlich, S. 197 f. 166 VGH Mannheim, DÖV 1959, 466 (467); OVG Koblenz NJW 1979, 1261 (1262); VG Frankfurt, DVB1 1970, 186 (187); Clausen, S. 171; Rogosch, S.93; ders., KStZ 1988, 1 (2f); Wendt, 119ff; Köck, S. 12; Kreft, S.214; ders., DVB1 1977, 369 (373); Bauemfeind/Zimmer163
C. Grenzen aus verfassungsrechtlichen Bemessungsprinzipien
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rengrundsatz soll verhindern, daß die Gebühr zu einem allgemeinen Finanzierungsinstrument ausgebaut werde. 167 Ohne die Grenze des Kostendeckungsprinzips könnten sich die jeweiligen Körperschaften frei verfügbare Haushaltsmittel verschaffen, indem sie Gebührentatbestände ausweiten und sie gewinnorientiert ausgestalten. Es bestünde so die Gefahr einer zweiten „apokryphen Steuerverfassung" 168, mit der das grundgesetzliche Verteilungssystem der Art. 105 ff GG untergraben werde. Den Verfassungsrang des Kostendeckungsprinzips begründet man daher zumeist mit dem Wesen oder Begriff der Gebühr. 169 Die Finanzverfassung bestimme für die Gebühr nicht nur, daß ihre Erhebung an eine individuell zurechenbare Staatsleistung anknüpfen muß. Die Art. 105 ff GG konturieren die Gebühr auch dahingehend, daß sie der Abgabe den Zweck vorschreiben, die durch die Erbringung der Leistung entstandenen Kosten abzugelten. Aus diesem Kostendeckungszweck ergebe sich für die Gebührenhöhe notwendigerweise ein verfassungsrechtliches Kostenüberschreitungsverbot. 170 In dieselbe Richtung geht eine Auffassung, die für das Kostendekkungsprinzip nicht das Wesen der Gebühr bemüht, sondern der Finanzverfassung ein Verbot entnimmt, fungible Einnahmen mit anderen Abgaben als der Steuer zu erzielen. 171 Die Bemessungsregel wird nach anderer Auffassung im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verfassungsrechtlich verankert. 172 Grundannahme für eine solche Ableitung ist ebenfalls, daß die Gebühr stets den Zweck der Kostendeckung verfolge. 173 Überprüfe man die Gebührenbemessung dann am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, ergebe sich, daß eine kostenüberschreitende Gebühr zur Kostendeckung zwar geeignet, niemals aber erforderlich sein könnte. Milderes Mittel gegenüber einer kostenüberschreitenden Gebühr sei stets die kostendeckende Gebühr. In entsprechender Weise leitet man den Verfassungsrang des Gebührenprinzips auch aus den Freiheitsgrundrechten Art. 14 Abs. 1 GG 1 7 4 und Art. 2 Abs. 1 GG 1 7 5 ab. mann, KAG NW §6 Rdn. 11; Wolff/Bachhof/Stober, S.623; Raecke, S.21; Stephan, JurAn 1970, 867 (871 ff); v.Rosen-v.Hoewel, HKWP III, S.454 (459); Külz, DVB1 1964,769 (769); Suhr, BB 1968,611 (613); Rupp, S.23; Ehle, DÖV 1962,45 (46); Arndt, S. 18f; ders., WiVerw 1990, 1 (22). 167 Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 (654). 168 Selmer, S. 183. 169 OVG Koblenz NJW 1979,1261 (1262); VG Frankfurt, DVB1 1970, 186 (187); Clausen, S. 171; Kreft, S.214; ders., DVB1 1977, 369 (373); Bauernfeind/Zimmermann KAG NW §6 Rdn. 11; Stephan, JurAn 1970, 867 (871 ff); v. Rosen-v. Hoewel, HKWP III, S.454 (459); Arndt, S. 18 f; ders., WiVerw 1990, 1 (22). 170 Kreft, S.214; ders., DVB1 1977, 369 (373); Raecke, S.25; Stein, DVB1 1960,273 (273). 171 Clausen, S. 164 ff. 172 Rogosch, S. 103 ff; ders., KStZ 1988, 1 ff; Zimmermann, DVB1 1989, S.901 (905); auch Jans, KStZ 1991,74 (75). 173 Rogosch, S. 31, 108. 174 Wendt, S.91, 112f, 120f; zur Argumentation Wendts, die in ihren Einzelheiten kaum nachvollziehbar ist Clausen, S. 197ff. 175 Ehle, DÖV 1962, 45 (47). 5*
Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
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Eine kostenüberschreitende Gebühr sei nicht erforderlich und stelle deshalb einen unverhältnismäßigen Eingriff in das jeweilige Grundrecht dar. Die Wahl des normativen Anknüpfungspunkts bestimmt sich danach, welchem Freiheitsgrundrecht man den Schutz vor Eingriffen in das Vermögen durch Geldleistungspflichten zuweisen will. 1 7 6 Das Kostendeckungsprinzip wird nicht nur als Begrenzung, sondern zugleich als Bedingung der Gebühr angesehen.177 Das Gebührenprinzip sei nicht nur ein Kostenüberschreitungs-, sondern auch ein Kostenunterschreitungsverbot. Dieses ergebe sich aus einem verfassungsrechtlichen Schenkungsverbot, das wiederum aus Art. 3 Abs. 1 GG folge. Das Schenkungsverbot fordere, daß für jede Form einer unentgeltlichen Zuwendung von staatlichen Leistungen eine gesetzliche Grundlage bestehe. An einer gesetzlichen Ermächtigung fehle es aber, wenn den Gebührenschuldnern mit einer Gebühr unter Kosten staatliche Mittel zugewandt werden. Die Schenkung in Form des Gebührenverzichts sei nicht durch eine gesetzliche Grundlage gedeckt, sondern nur dadurch möglich, daß man von keiner verfassungsrechtlichen Untergrenze der Gebühr ausgeht. bb) Ablehnung des Verfassungsrangs Die überwiegende Auffassung spricht einem Kostendeckungsprinzip dagegen den Verfassungsrang ab. 178 Die Finanzverfassung schreibe der Gebühr eine solche Obergrenze nicht vor, sie verlange nur, daß die Abgabe anläßlich der Zuwendung einer staatlichen Leistung erhoben wird. 179 Auch ein finanzverfassungsrechtliches Privileg der Steuer, fungible Einnahmen zu erzielen, müsse erst noch bewiesen werden. 180 Gegen eine Ableitung des Kostendeckungsprinzips aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird eingewandt, daß für das Verhältnismäßigkeitsprinzip allein die Belastungswirkung beim Schuldner maßgeblich sei. Der Aufwand des Staates blei176
Nach überwiegender Ansicht ist das Vermögen als solches nur durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt, bspw. BVerfGE 78,232 (243); 91,207 (220); 95,267 (300); von Münch/Kunig-Bryde, Art. 14 GG Rdn. 23; Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 14 GG Rdn. 15; anders Bonner KommentarKimminich, Art. 14 GG Rdn. 50 ff. 177 Leisner, in GS-Peters, S.730 (739f). 178 BayVGH, VerwRspr. 18 Nr. 106; BayVBl 1971, 387 (388); OVG Hamburg, DVB1 1953, 631 (634); OVG Lüneburg, OVGE 25,433 (435); VGH Mannheim, VB1BW 1985, 190 (192); OVG Münster, VerwRspr. 9 Nr. 191; 22, Nr. 49; F. Kirchhof, „Gebühr", S. 100 m. w.N.; Wilke, S. 272ff; ders., HKWPIV § 117, S. 246 (253 f); Kloepfer, AöR 97 (1972), 232 (275); Hendler, VB1BW 1991, 124 (125); S. Meyer, S. 196ff; Heimlich, S. 188ff; Murswiek, S.75ff; Selmer/ Brodersen/Nicolaysen, S.57; Wieland, S. 312ff; Sachs-Siekmann, vor. Art. 104a GG Rdn. 82; Stallknecht, S. 190ff; Dahmen, KStZ 1988, S. 107 (108); Driehaus-Dahmen KAG § 6 Rdn. 30; Hörstel, BauR 1997, S. 14 (19); Bohley S. 125. 179 Vgl. bspw. Kloepfer, AöR 97 (1972), 232 (250); F. Kirchhof, „Gebühr", S.41. 180 Rogosch, S.98ff; KStZ 1988, 1, der eine Geltung des Kostendeckungsprinzips aber aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entnehmen will.
C. Grenzen aus verfassungsrechtlichen Bemessungsprinzipien
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181
be aber außer Betracht. Schließlich könne das Kostendeckungsprinzip ohnehin nur eine vage Grenze ziehen, da nicht präzise festzustellen sei, was unter den Kosten zu verstehen sei. 182 Ein Kostendeckungsprinzip im Sinne eines KostenunterschreitungsVerbots ließe sich schon im Hinblick auf die Verwaltungsrealität nicht halten. Die meisten gebührenfinanzierten Leistungen würden in der Praxis unter Kosten angeboten.183 3. Stellungnahme Ein als Bedingung verstandenes Kostendeckungsprinzip begegnet nicht nur faktischen, sondern auch rechtlichen Bedenken. Das Grundgesetz enthält kein absolutes Schenkungsverbot, demzufolge kann hieraus auch nichts hergeleitet werden. 184 In Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG mag zwar ein relatives Schenkungs verbot normiert sein,185 dies hilft für eine Ableitung des Kostendeckungsgebots aber ebenfalls nicht weiter. Aus dem Rechtsstaatsprinzip wie dem Gleichheitssatz läßt sich nur ein Verbot der Individualbevorzugung ohne sachlichen Grund entnehmen. Öffentliche Mittel dürfen nicht nach freiem Belieben ohne Gegenleistung oder ohne einen entsprechenden Gewinn für das Gemeinwohl an Private verteilt werden. Das Auffinden sachlicher Gründe für eine Zuwendung staatlicher Leistung dürfte indes nicht allzu schwer fallen. 186 Ohne der weiteren Untersuchung vorgreifen zu wollen, sei an dieser Stelle nur auf das Sozialstaatsprinzip verwiesen. Dies wird in vielen Bereichen (z. B. Verkehr, Kultur, Sport) ein Angebot der staatlichen Leistung unter Kosten rechtfertigen. Bei dem Vorliegen eines sachlichen Grundes kann dem „Schenkungsverbot" aber keinerlei Limitierung der Gebührenhöhe mehr entnommen werden. Da das Schenkungsverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt, kann es über die Anforderungen des Gleichheitssatzes nicht hinausgehen. Es stellt nur ein Willkürverbot dar. Die Kraft, die Gebührenhöhe exklusiv an die entstandenen Kosten zu binden, hat es nicht. 187 Auch ein Kostenüberschreitungsverbot läßt sich verfassungsrechtlich nicht begründen. Eine solche Demarkationslinie aus dem Grundgesetz herauslesen zu wollen, scheitelt schon an einer der Bemessungsregel immanten Schwierigkeit. Es 181
Wieland, S.314; Clausen, S. 108 ff; Heimlich, S. 195. Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 (656); Stallknecht, S. 190f. 183 Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 (654). 184 Vgl. F. Kirchhof, „Gebühr", S.57; Wilke, S. 155; Hansmeyer/Fürst, S.43ff; dazu daß es keinen Grundsatz gibt, nach dem Staatsleistungen stets abgegolten werden müssen, schon Fleiner, S.314. 185 So Fromm, BB 1971, S.99 (100); F. Kirchhof, „Gebühr", S.59; vgl. auch BGHZ 47, 30 (40); Wolff/Bachhof/Stober, S.351; H.P. Ipsen, „Subventionierung" S.20, 33 f. 186 Vgl. P. Kirchhof, HStR IV, §88 Rdn.201; Rogosch, S.67; Wilke, S. 156; Kloepfer, AöR 97 (1972), 232 (257 FN 113). 187 Rogosch, S.97; Wieland, S. 14; F. Kirchhof, „Gebühr", S.60. 182
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
müßte sich nämlich genau bestimmen lassen, welche Positionen bei den Kosten der staatlichen Leistung zu berücksichtigen sind. Für die Kostenermittlung stehen sich jedoch verschiedene Kostenbegriffe gegenüber.188 Nach dem finanzwissenschaftlichen Kostenbegriff werden die Kosten den Ausgaben gleichgesetzt. Nicht zu den Kosten zählen kalkulatorische Abschreibungen zur Erfassung von Wertminderung an Betriebsmitteln. Ebenso bleiben kalkulatorische Zinsen für eingesetztes Kapital außer Betracht. Der betriebswirtschaftliche Kostenbegriff orientiert sich demgegenüber an dem Wertverbrauch, der dem Zweck der Leistungserstellung dient. Im Gegensatz zum finanzwissenschaftlichen Kostenbegriff ist hier beispielsweise die Kredittilgung völlig unmaßgeblich.189 Ausgangspunkt für die Entscheidung über Art, Umfang, Bewertung der ansatzfähigen Kosten können schließlich nicht nur betriebswirtschaftliche Ziele sein. Neuerdings wird vertreten, in die Kostenrechnung sollten auch volkswirtschaftliche, insbesondere ökologische Zielsetzungen miteinfließen. 190 Die Frage, was Kosten sind, kann demnach nicht einheitlich beantwortet werden. Das Grundgesetz, insbesondere die Finanzverfassung, enthält keinerlei Anhaltspunkte für ein bestimmtes Kostenverständnis. Erst recht existiert kein verfassungsrechtlicher Kostenbegriff. 191 Gibt die Verfassung aber keinen Hinweis für die Interpretation der Kosten, ist es widersinnig, ihr ein Prinzip zu entnehmen, das hierauf denknotwendig angewiesen ist. Gegen den Verfassungsrang des Kostendeckungsprinzips sprechen noch weitere Bedenken. Wie dargelegt, gebietet der Schutz der Finanzverfassung, daß sich die Gebühr von der Steuer unterscheiden muß. Auf Ebene des Tatbestands ist daher e contrario aus der Vöraussetzungslosigkeit der Steuer geschlossen worden, daß die Gebühr an die konkrete Inanspruchnahme einer staatlichen Leistung anknüpft. 192 Des weiteren ist festgestellt worden, daß diese Abgrenzung nur dann erhalten bleibt, wenn sich der Gegenleistungsbezug auch bei der Gebührenbemessung niederschlägt. Es darf daher im Sinne des hier vertretenen Äquivalenzprinzips kein Mißverhältnis der einzelnen Gebühr zu dem Wert und den Kosten der Leistung bestehen. 1 9 3 Hierüber hinausgehende Aussagen sind aber nicht notwendig, um die Unterscheidbarkeit der Abgaben sicherzustellen. Sie können daher aus den Art. 105 ff GG auch nicht abgeleitet werden. Die Geltung des Kostendeckungssprinzips kann auch nicht mit einem etwaigen finanzverfassungsrechtlichen Vorbehalt, fungible Einnahmen nur mit der Steuer zu 188 Vgl. Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 (656); Wilke, S. 275 ff; zu den unterschiedlichen Kostenbegriffen vgl. auch Driehaus-Dahmen, § 6 KAG Rdn. 89. 189 Zur Abgrenzung Driehaus-Dahmen, §6KAGRdn.89,auchBals/Nölke, KStZ 1990,201 (213 ff). 190 Bals/Nölke, KStZ 1990,201 ff; Brückmann, KStZ 1991,141 (147); Gawel, S.234ff; vgl. auch Teil 1 A. II. 191 Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 (654). 192 Teil 2 B.III.5. 193 Teil 2 C.I.2.d).
C. Grenzen aus verfassungsrechtlichen Bemessungsprinzipien
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erzielen, begründet werden. Ein derart striktes Privileg läßt sich in den Art. 105 ff GG nicht festmachen. Der Finanzverfassung geht zwar davon aus, daß allgemeine Lasten grundsätzlich durch Steuern finanziert werden, dieses „Prinzip des Steuerstaates"194 kann aber nicht dahin ausgedeutet werden, daß es einen Rechtssatz normiert, der anderen Abgaben per se versagt, irgendwelche zweckungebundenen Mittel zu erwirtschaften. 195 Eine Gefahr für den Steuerstaat besteht nämlich überhaupt erst, wenn andere Abgaben primär das Ziel verfolgen würden, zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben beizutragen. Soweit aber mit Gebühren als Nebenfolge Überschüsse erzielt werden, die zweckungebunden in den Haushalt fließen, ist eine Aushöhlung derfinanzverfassungsrechtlichen Grundsätze nicht zu befürchten. 196 Das Kostendeckungsgebot läßt sich somit nicht aus dem „Prinzip des Steuerstaates" begründen. Sein Verfassungsrang kann auf keinerlei finanzverfassungsrechtliche Erwägungen gestützt werden. Auch eine Herleitung des Kostendeckungsprinzips aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz oder den Grundrechten vermag nicht zu überzeugen. Eine derartige Ableitung ist nur möglich, sobald man unterstellt, die Gebühr dürfe keine anderen Zwecke als den der Kostendeckung verfolgen. Für das „Wesen der Gebühr" ergibt sich aber nur, daß die Abgabe auch Finanzierungszwecke verfolgen muß. Die Gebühr ist aber nicht ausschließlich anfiskalische Ziele gebunden. Damit ist bereits die Grundannahme einer Begründung des Kostendeckungsprinzips über den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht tragbar. Überdies steht aber auch der Anknüpfungspunkt beider Prinzipien der Herleitung aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entgegen. Während sich die Verhältnismäßigkeitsprüfung an den Umständen des Einzelfalls orientiert, geht das Kostendekkungsprinzip vom Gebührenvolumen in seiner Gesamtheit aus. Mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum ist die verfassungsrechtliche Geltung eines Kostendeckungsprinzips daher abzulehnen. Es kann weder als Überschreitungs-, noch als Unterschreitungsverbot begründet werden. 4. Konsequenzen für Sozialtarife Mangels Verfassungsrang kann das Kostendeckungsprinzip nicht gegen eine Bemessung der Gebühr nach Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten mobilisiert werden. Es würde sich jedoch selbst bei seiner Geltung als Kostenüberschreitungsverbot kaum gegen soziale Tarifgestaltungen sperren. Nach überwiegender Ansicht be194
Vgl. hierzu BVerfGE, 55,274 (300f); 78,249 (266f), 82,159 (178); 91,186 (201 ff); 92, 91 (113ff); F. Kirchhof, DV 1988, 140ff; Isensee, in FS-Ipsen, S.409; P. Kirchhof, HStR IV, § 88 Rdn. 45; Vogel, HStR I, § 27 Rdn. 69; Kloepfer, AöR 97 (1972), 232 (240ff); Heimlich, S. 151 ff, Jestaedt, DVB1 2000, 1820 (1825). 195 F. Kirchhof, „Gebühr", S. 125; Kloepfer, AöR 97 (1972), 232 (240ff); Heimlich, S. 151 f. 196 Jarass, S.33; Heimlich, S. 153.
Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
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grenzt es nur das Gesamtaufkommen der Gebühr nach oben, über die Verteilung der Gebühren auf die einzelnen Gebührenschuldner sagt es nichts aus. Versteht man das Kostendeckungsprinzip dagegen als Kostenunterschreitungsverbot, würde es ihm an jeder Elastizität für eine soziale Bemessung fehlen. Eine solches Verbot läßt sich allerdings wie erläutert ebenfalls nicht aus der Verfassung ableiten.
III. Prinzip der speziellen Engeltlichkeit 1. Inhalte und Terminologie Neben dem Äquivalenz- und Kostendeckungsprinzip taucht gelegentlich das Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit als gebührenimmanente Bemessungsdirektive auf. Nach diesem Prinzip soll sich die Bemessung der Gebühr ausschließlich nach Art und Umfang der in Anspruch genommenen Staatsleistung richten.197 Die Höhe der Gebühr soll sich proportional zum Ausmaß der gewährten Leistung verhalten. Entscheidend für das Ausmaß der Leistung kann nur der zugewandte Vorteil oder der vollzogene Verwaltungsaufwand sein. Die Bemessung der Abgabe verengt sich so auf leistungsbezogene Faktoren. 198 Die Terminologie für eine derartige Forderung ist nicht immer eindeutig. Der Begriff „spezielle Entgeltlichkeit" wird wohl am häufigsten verwendet. 199 Die Bezeichnung als Grundsatz der Leistungsproportionaltität ist jedoch ebenfalls gebräuchlich. 200 2. Historische Grundlagen Eine strikt leistungsbezogene Bemessung wird in der älteren finanzwissenschaftlichen Gebührendogmatik, wie in der vorkonstitutionellen Rechtswissenschaft und Rechtsprechung, nicht gefordert. Im Gegenteil, es war allgemein anerkannt, daß für die Gebührenhöhe auch andere Faktoren als Art und Umfang der Leistung maßgeblich sein konnten. Insbesondere soziale Gesichtspunkte durften bei der Bemessung berücksichtigt werden. 201 Unter dem Namen der speziellen Entgeltlichkeit ist ohnehin zunächst keine Bemessungsregel verstanden worden, sondern lediglich eine Bezeichnung für Gebüh197
Vgl. hierzu Wilke, S. 109f, 203ff; F. Kirchhof, „Gebühr", S.44f, 121 ff; Driehaus-Lohmann, §6 KAG Rdn.679; Rogosch, S.87ff; Reinhard, S. 128ff; Holzkämper, S.89ff, 104ff. 198 Vgl. VGH Kassel, NJW 1977,452 (454); OVG Lüneburg, OVGE 35,455 (458); 37,453 (460); F. Kirchhof, „Gebühr", S.44f; Burmeister/Becker, DVB1 1996, S.651 (653). 199 Verwirrend ist, daß die Begriffe spezielle Entgeltlichkeit und Äquivalenzprinzip synonym verwendet werden, bspw. VGH Kassel, NJW 1964, 1734 (1734); Rüttgers, KStZ 1979, 125 (126); Katz, GemH 1978, 125 (126). Zur Terminologie generell Wilke S. 109f, Reinhard, S. 123; Driehaus-Lohmann, §6 KAG Rdn.679; Rogosch, S.89. 200 Bspw. Wilke, 203 ff; Bettermann, S.52, vgl. auch BVerwG BayVBl. 2001, 407 (409). 201 Teil 1 B.II. 1.
C. Grenzen aus verfassungsrechtlichen Bemessungsprinzipien
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202
ren. Das preußische Oberverwaltungsgericht definierte diese als ein „... spezielles Entgelt, der für sie zu öffentlichen Zwecken geleisteten Dienste oder Abgaben". 203 Die Inhalte, die dieser Qualifikation entnommen wurden, waren zudem recht weit gefaßt. Aus dem Charakter als spezielles Entgelt sollte nur folgen, daß die Gebühr „nicht ohne jede Rücksicht auf die Leistung und völlig unabhängig von deren Maße normiert werden" kann. 204 Als eine verfassungsrechtlich bindende Direktive im oben genannten Sinn ist das Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit demgegenüber zuerst vom hessischen Verwaltungsgerichtshof ins Leben gerufen worden. 205 3. Ansichten zum Verfassungsrang des Grundsatzes a) Keine verfassungsrechtliche
Geltung des Prinzips
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind die Bezeichnungen „Grundsatz der Leistungsproportionalität" oder „Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit" nirgends zu entdecken. Das Bundesverfassungsgericht hat Art. 3 Abs. 1 GG in der Entscheidung zur Widerspruchsgebühr aber entnommen, daß es notwendig sei, bei gleichartigen Leistungen die Gebührenmaßstäbe so zu wählen und zu staffeln, daß sie den unterschiedlichen Ausmaßen der erbrachten Leistung Rechnung tragen. 206 Diese Forderung ist jedoch keinesfalls als ein strenges Gebot zur leistungsproportionalen Bemessung zu verstehen. 207 In derselben Entscheidung macht das Gericht nämlich deutlich, daß die Gebührenbemessung außerfiskalischen Zwecken offenstehe.208 Indem das Gericht nunmehr die einkommensabhängige Staffelung von Kindergartengebühren für verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet, ist vollends klargestellt, daß eine ausschließlich leistungsbezogene Gebührenbemessung nicht verlangt werden kann. 209 Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu einer leistungsbezogenen Gebührenbemessung ist ähnlich. Das Gericht folgert aus Art. 3 Abs. 1 GG in 202
Vgl. Wilke, S. 109. PrOVGE 18, 23 (27 f); 31, 53 (56); 31, 61 (64, 67). 204 PrOVGE 31, 61 (66). 205 VGH Kassel, ESVGH 9,44 (46). 206 BVerfGE 50, 217 (227). 207 Holzkämper, S.90; Busch, Anmerkung zum Beschluß des BVerfG vom 6.2.79, in DVB1 1979, 776 (777). 208 BVerfGE 50,217 (227). Auch die frühere Entscheidung zu den Fernsprechgebühren deutete ebenfalls schon darauf hin, daß nach Auffassung des Gerichts der Umfang der Staatsleistung nicht das einzige sachgerechte Bemessungskriterium sein kann. Das BVerfG war dort der Ansicht, daß eine Gebührenerhöhung im Fernmeldewesen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, obwohl sie für alle Teinehmer gleich ist und nicht nach dem Einkommen oder der sozialen Stellung differenziert, BVerfGE, 28,66 (87). Im Umkehrschluß hieraus ergibt sich, daß eine soziale gestufte Gebührenerhöhung ebenfalls sachgerecht gewesen wäre. 203
209
BVerfGE 97, 332 (345 ff).
Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
74
Verbindung mit dem Äquivalenzprinzip zwar, daß Benutzungsgebühren im allgemeinen nach dem Umfang der Benutzung zu erheben seien,210 damit soll aber keine zwingende Bemessungsregel festgelegt werden. Soweit sachliche Gründe es rechtfertigen, könne auch bei gleicher Inanspruchnahme eine unterschiedliche Gebührenhöhe festgesetzt werden. 211 Der Großteil der neueren verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur teilt diese Auffassung. 212 Die strikt leistungsbezogene Bemessung genüge zwar den gleichheitsrechtlichen Anforderungen, sei aber im Hinblick auf das Grundrecht keinesfalls verbindlich, da die Gebühr nicht ausschließlich Finanzierungszwecke verfolgen müsse.213 b) Anerkennung des Verfassungsrangs Teile der zumeist älteren verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur gehen im Gegensatz dazu davon aus, die Bemessung der Gebühr dürfe sich ausschließlich am Umfang der staatlichen Leistung orientieren. 214 Der Beweis der Richtigkeit einer solchen Regel wird nicht geführt, gleich, welche Bezeichnung man hierfür wählt. Für den Verfassungsrang des Grundsatzes wird sich stattdessen pauschal auf das Wesen der Gebühr oder den allgemeinen Gleichheitssatz berufen. 215 Im Ergebnis dürften hinter solchen Behauptungenfinanzverfassungsrechtliche Vorstellungen stehen, die gegebenenfalls mit grundrechtlichen Schutzerwägungen verknüpft werden. 216 Dies zeigt sich insbesondere dann, wenn zudem angenommen 210
BVerwG, DÖV 1975, 856 (857); NVwZ 1985, 496 (496). BVerwGE 104,60 (63); BVerwG, NVwZ 1995,173 (174); vgl. auchBVerwGE 107,188 (193); sowie in BVerwGE 26, 305 (311); BVerwG, DÖV 1975, 856 (857); NVwZ 1985, 496 (496) BVerwG BayVBl. 2001, 407 (409), wo von der Zulässigkeit außerfiskalischer Zwecke ausgegangen wird. 212 Vgl. bspw. VGH Kassel, NVwZ 1995, 406 (409); OVG Lüneburg, NVwZ 1990, 91 (92f); VGH BW, VB1BW 1994, 164 (165f); Wilke, S.203ff; F. Kirchhof, „Gebühr", S.44f, 121 ff; Rogosch, S.88; Reinhard, S. 128 ff; Holzkämper, S.89ff, Kloepfer, AöR 97 (1972), 232 (269 f); Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 (653 f). 213 Zum Verhältnis Art. 3 Abs. 1 GG und dem Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit, Wilke, 207f; Driehaus-Lohmann, § 6 KAG Rdn. 679; Holzkämper, S. 89ff. 214 Vgl. VGH Kassel, ES VGH, 944 (46); DÖV 1966, 872 (874); Verw Rspr.21, 837 (843); OVG Saarbrücken, DVB1 1968, 952 (953); BayVGH, DÖV 1964, 134 (135); OVG Münster, OVGE, 27, 147 (150); vgl. auch OVGE 44, 107 (110), wo aber letztlich unklar bleibt ob das Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit verfassungsrechtlich festgelegt oder nur aufgrund landesgesetzlicher Normierung gelten soll; Wiethaupt, DGStZ 1970, 40 (40); Gibler/Faiß/Fick, S. 177; im Ergebnis ebenso Leisner, in GS-Peters, 730 (741 ff); Stephan, JurAn 1970, 867 (873ff); von Rosen-von Hoevel, HKWP III, S.458; Oberläuter, DÖV 1961,412 (413); ähnlich auch Barocka, DVB1 1960,825 (828f). Vgl. hierzu auch F. Kirchhof, „Gebühr", S.44 m. w.N. 215 Vgl. F. Kirchhof, „Gebühr", S.44. 216 Vgl. Burmeister/Becker, DVB1 1996,651 (653). Vgl. auch F. Kirchhof, „Gebühr", S.44, der dagegen vermutet, hinter diesen Feststellungen verberge sich nur ein „rechtlich nicht näher erforschtes Empfinden, Gebühren dürften nur dem Leistungsausgleich dienen." 211
C. Grenzen aus verfassungsrechtlichen Bemessungsprinzipien
75
wird, daß sich eine Gebühr in eine Steuer wandele, soweit bei ihrer Bemessung andere als leistungsbezogene Kriterien berücksichtigt werden. 217
c) Stellungnahme Eine solche Auffassung überschätzt die Steuerungskraft der Finanzverfassung, wie die des allgemeinen Gleichheitssatzes.218 Die Art. 105 ff GG verleihen der Gebühr nur soweit Kontur, als daß die Abgabe tatbestandlich an eine individuell zurechenbare Leistung anknüpfen muß und ihre Bemessung die durch das Äquivalenzprinzip gezogene Grenze wahren muß. Die Finanzverfassung schreibt dem „Wesen der Gebühr" damit zwar Ausgleichszwecke als immanent zu, sie verlangt aber keinesfalls, daß die Abgabe exklusiv an den Leistungsausgleich gebunden ist. Die Gebühr ist insoweit zweckoffen. 219 Auch der Gleichheitssatz verengt die Gebühr nicht auf Ausgleichszwecke. Er gewährleistet nur, daß die Bemessung nicht unsachlich und zielfremd sein darf. Die Gebührenbemessung muß sich an den jeweiligen mit der Gebührenerhebung verfolgten Zwecken orientieren. 220 Es kann daher erst dann beurteilt werden, ob die Bemessung sachgerecht ist, wenn der Gebührengläubiger alle Abgabenzwecke abschließend festgelegt hat. 221 Eine allein sachgerechte Bemessungsregel kann aus dem Grundrecht selbst deswegen nicht abgeleitet werden. Das Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit ist damit kein Grundsatz von Verfassungsrang. Eine solche Bemessungsregel stellt nur eine denkmögliche Variante dar, um den durch das Äquivalenzprinzip vorgegebenen Rahmen zulässiger Gebührengestaltung einzuhalten und dem Gleichheitsgebot Genüge zu tun. 222
4. Konsequenzen für Sozialtarife Verengt man die Gebührenbemessung allein auf Art und Umfang der staatlichen Leistung, ist eine Berücksichtigung sozialer Zielsetzungen im Tarif schlicht nicht möglich. Die Person des Leistungsempfängers gibt keine Auskunft über das Aus217
Leisner, in GS-Peters, 730 (741); Stephan, JurAn 1970, 867 (873 ff); vgl. auch BayVerfGH, DÖV 1964, 134 (136); v. Rosen-v. Hoewel, HKWP III, S.458; Gerloff, „Gebühren", HdBFinW II, S.208; Oberläuter, DÖV 1961,412 (413). 218 Vgl. Burmeister/Becker, DVB1 1996, S.651 (653); F. Kirchhof, „Gebühr", S.44f. 219 Vgl. bspw. Kloepfer, AöR 97 (1972), 232 (245f); F. Kirchhof, „Gebühr", S.41; Wilke, S. 110; Wendt, S.75. 220 Vgl. Holzkämper, S.90; Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 (653). 221 F. Kirchhof, „Gebühr", S.42ff. 222 Wilke, S. 206ff; F. Kirchhof, „Gebühr", S.44ff; Holzkämper, S.89ff; Kloepfer, AöR 97 (1972), 232 (269); Gawel, S.359.
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maß der in Anspruch genommenen Leistung.223 Dem Grundgesetz ist eine Reduktion der Gebührenbemessung auf leistungsbezogene Kriterien jedoch nicht zu entnehmen. Diesbezügliche Bemessungsregeln haben keinen Verfassungsrang, unerheblich, ob sie als Grundsatz der Leistungsproportionalität oder als Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit etikettiert sind. Sie können sich daher auch nicht gegen eine Sozialtarifierung der Abgabe sperren.
D . Grenzen aus dem Gleichheitssatz Wie bereits angedeutet, werden die Möglichkeiten einer sozialen Ausgestaltung des Gebührenwesens entscheidend durch den Gleichheitssatz bestimmt. Betrachtet man jedoch den Text des Art. 3 Abs. 1 GG „alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich", scheint das Grundrecht nur allgemeine Rechtsanwendungsgleichheit zu gewährleisten. Aus Art. 1 Abs. 3 GG, mit der darin normierten umfassenden Bindung aller Staatsgewalten an die Grundrechte, wird allerdings deutlich, daß sich Art. 3 Abs. 1 GG als ein von jedem Staatsorgan zu beachtender Rechtssatz darstellt. Mithin ist auch die normsetzende Exekutive beim Erlaß von untergesetzlichen Normen an die Vorgaben des Rechtssatzes gebunden. Gemeinden und Kreise sind daher beim Erlaß abgabenrechtlicher Satzungen den inhaltlichen Grenzen unterworfen, die der Gleichheitssatz der Rechtssetzung zieht.
I. Inhaltliche Anforderungen und dogmatische Struktur des Gleichheitssatzes 1. Vom Willkürverbot zur „neuen Formel" Die Aussage des Art. 3 Abs. 1 GG birgt ein grundsätzliches Problem in sich. Isoliert betrachtet sind dem Postulat, alle Menschen seien vor dem Gesetz gleich, schwerlich normative Inhalte zu entnehmen.224 Die Forderung nach Gleichbehandlung setzt notwendig die Vergleichbarkeit von Sachverhalten voraus. Den Maßstab, an dem sich die Vergleichbarkeit orientieren soll, liefert Art. 3 Abs. 1 GG aber nicht. Der Gleichheitssatz spricht damit lediglich allgemeine Gerechtigkeitsvorstellungen an. Für die Bewertung des Einzelfalls läßt er keine Rückschlüsse auf einen allein zutreffenden Vergleichspunkt zu. Als normativer Minimalgehalt kann ihm somit nur entnommen werden, daß für ein Gleichheitsurteil jedenfalls solche Kriterien ausscheiden müssen, für deren Maßgeblichkeit sich überhaupt kein vernünftiger Gesichtspunkt finden läßt. Abseits hiervon ist Art. 3 Abs. 1 GG wertungsoffen. 223 Zur Lenkungsfeindlichkeit einer solchen Bemessungsregel Holzkämper, S. 89, 105 f, auch VGH Kassel, NJW 1977, 452 (454); OVG Lüneburg OVGE 35, 455 (456); 37, 43 (60). Zur Sperrwirkung bei einfachgesetzlicher Geltung, vgl. Teil 3 B.I.2.a). 224 Zum folgenden, Sachs, JuS 1997,124 (124ff); Sachs-Osterloh, Art. 3 GG Rdn. 1 ff; Bonner Kommentar-Rüfner, Art. 3 GG Rdn. 1 ff.
D. Grenzen aus dem Gleichheitssatz
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Ausgehend von diesem Problem ist der allgemeine Gleichheitssatz in der Judikatur lange Zeit als reines Willkürverbot interpretiert worden. 225 Die Norm gebiete, „weder wesentlich Gleiches willkürlich ungleich, noch wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln."226 Willkürlich sei dabei eine Maßnahme, wenn sie nicht am Gerechtigkeitsgedanken orientiert ist. 227 Dies soll dann der Fall sein, „wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender sachlicher Grund für die Differenzierung nicht finden läßt." 228 Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes ist demnach nur gegeben, soweit eine gesetzliche Regelung zwei Sachverhalte evident unsachgemäß gleich oder ungleich behandelt.229 Diese Beschränkung der inhaltlichen Wirkungskraft der Norm ist als eine kompetenzrechtliche Antwort auf die Wertungsoffenheit des Grundrechts zu verstehen. 230 In erster Linie bestimmt der Gesetzgeber, was in Bezug auf Art. 3 Abs. 1 GG als gerechte Gleich- oder Ungleichbehandlung anzusehen ist. Das Gericht überprüft nur, ob die Grenze des evident Ungerechten erreicht ist. Der Willkür-Ansatz ist jedoch auf Kritik gestoßen.231 Die Reduktion des Art. 3 Abs. 1 auf ein Willkürverbot nähme ihm fast jede normative Wirkung. Wenn dem Gebot der Gleichbehandlung immer schon dann genüge getan sei, soweit sich ein irgendwie gearteter, nicht völlig fernliegender Grund für eine Differenzierung ergibt, sei der Gesetzgeber im Ergebnis von einer gleichheitsrechtlichen Bindung nahezu frei. Das Bundesverfassungsgericht hat daraufhin in dem Beschluß zur Präklusion im Zivilprozeß einen Neuansatz formuliert. 232 Danach ist eine Ungleichbehandlung nur zulässig, wenn „Unterschiede von solcher Art und Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können." Nach Auffassung des Gerichts und ihrer Interpretatoren bedeutet dies den Übergang von einer bloßen Evidenzprüfung zu einer Abwägung, die weitgehend der Verhältnismäßigkeitsprüfung bei den Freiheitsrechten entspricht. 233 Während vormals ein sachlicher Grund für die Rechtfertigung 225 Bspw. BVerfGE 1, 14 (52); 12, 326 (333); 19, 101 (115); 68, 237 (250); 93, 386 (400); vgl. Sachs, JuS 1997, 124 (125 f); Bryde/Kleindiek, Jura 1999, 36 (37 f); Kimms/Schlünder, S.298f. 226 BVerfGE 4, 144 (155); ähnlich schon BVerfGE 1, 14 (52). 227 BVerfGE, 3,58 (135f); 42,64 (72); 71,255 (271); vgl. Dreier-Heun, Art.3 GGRdn. 17f. 228 Bspw. BVerfGE 1, 14 (52ff); 61, 138 (147); 89, 132 (141). 229 BVerfGE 12, 326 (333); 14, 142 (150), 52, 277 (281); 55, 72 (90); vgl. Sachs-Osterloh, Art. 3 GG Rdn. 9f; Krugmann, JuS 1998, 7 ff. 230 Sachs-Osterloh, Art.3 GG Rdn. 10; Sachs, JuS 1997, 124 (125). 231 Vgl. BVerfGE 36,237 (247 ff) (Sondervotum Rupp-v. Brünneck); Häberle, VVDStRL 30 (1972), 43 (139), wo von einer „Verharmlosung des Gleichheitssatzes" die Rede ist; ferner Wendt, NVwZ 1988, 778 (779); Schoch, DVB1 1988, 863 (875); Sachs, JuS 1997,124 (125); Huster, S. 58 m.w.N. 232 BVerfG 55, 72 (88). 233 BVerfGE 74,28 (30) (Sondervotum Katzenstein); 89,15 (22); 91, (401); Huster, S.61 ff,; Kimms/Schlünder, S. 299; Schmalz, Rdn. 497 ff; Schoch DVB1 1988, 863 (875 ff); Wendt, NVwZ 1988,778 (784f); Robbers, DÖV 1988,749 (751). Einen strukturellen Unterschied ei-
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der Ungleichbehandlung ausreichte, muß der rechtfertigende Grund nach der „neuen Formel" zudem in angemessenem Verhältnis zur Ungleichbehandlung stehen.234 Diese Forderung bringt mehrere Probleme mit sich. Die Willkürformel wird nach Auffassung des Gerichts nicht völlig außer Kraft gesetzt, sondern lediglich ergänzt. So hat das Bundesverfassungsgericht gerade die Ungleichbehandlung nachlässiger Prozeßparteien mit der alten Willkürformel entschieden, obgleich es das zivilprozessuale Gleichheitsproblem zum Anlaß nahm, um die erhöhten gerichtlichen Prüfungsmaßstäbe zu formulieren. Für die praktische Rechtsanwendung und somit auch für die Untersuchung sozialer Gebührenstaffelungen stellt sich daher die Frage, unter welchen Voraussetzungen nur eine Willkürkontrolle oder aber eine strengere Verhältnismäßigkeitsprüfung zu erwarten ist.
2. Anwendungsbereiche der „neuen Formel" a) Beibehalten der Willkürformel Schon das Nebeneinander dieser Formeln wird in der Literatur vereinzelt abgelehnt. Stattdessen sollen Ungleichbehandlungen stets am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gemessen werden. 235 Das erscheint jedoch wegen der strukturellen Unterschiede zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten wenig sinnvoll. 236 In ihrer klassischen Funktion als Abwehrrechte umschreiben erstgenannte einen Bereich menschlicher Freiheit, in den der Staat nur mit einer Rechtfertigung eingreifen darf. Die Freiheitsrechte normieren als prima-facie Rechte daher ein Regel-AusnahmeVerhältnis zugunsten des geschützen Rechts.237 Ein solches besteht bei Art. 3 Abs. 1 GG aber nicht in gleicher Weise. Der Gesetzgeber muß bei der Suche nach gerechten und differenzierten Lösungen für die Regelung einer Sachmaterie notwendigerweise ungleich behandeln.238 In dem Augenblick, in dem er eine Rechtsfolge an einen Tatbestand knüpft, behandelt er zwingend diejenigen ungleich, die nicht vom Tatbestand erfaßt sind. Darüber hinaus sind Ungleichbehandlungen oftmals auch nur unbeabsichtigte Nebenfolgen einer gesetzlichen Regelung. Sie sind zwar deswegen nicht per se als verfassungsrechtlich gerechtfertigt anzusehen, es muß aber ner Verhältnismäßigkeitsprüfung bei den Freiheitsrechten und dem Gleichheitsgrundsatz betonen Sachs-Osterloh, Art. 3 GG Rdn. 15 ff; Sachs, JuS 1997, 127 (129); Dreier-Heun, Art. 3 GG Rdn. 24 ff; J. Ipsen, Rdn. 767 ff. 234 BVerfGE, 81,208 (224); 82,126 (146); vgl. Dreier-Heun, Art. 3 GG Rdn. 19; von Münch/ Kunig-Gubelt, Art. 3 GG Rdn. 14. 235 Vgl. Maunz/Dürig/Herzog-Herzog, Art. 3 GG Anh. 56; Sachs-Osterloh, Art. 3 GG Rdn. 27ff, Martini, S. 185; anders bspw. Huster, S. 165 ff; Bryde/Kleindiek, Jura 1999, 36 (37 f); Sachs, 124 (128 f); Pieroth/Schlink, Rdn. 444. 236 Vgl. Bryde/Kleindiek, Jura 1999, 36 (37). 237 Zu der Bezeichnung „prima facie Rechte" vgl. Alexy, S. 91 f. 238 Vgl. Bryde/Kleindiek, Jura 1999, 36 (37).
D. Grenzen aus dem Gleichheitssatz
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bei der Wahl des Prüfungsrahmens berücksichtigt werden, daß nicht jede Folge staatlichen Handelns bewußter Zwecksetzung entspricht. 239 Eine generelle Anwendung der Verhältnismäßigkeit verschiebt zudem die Kompetenz zur Klärung von Gerechtigkeitsfragen von der Legislative auf die Judikative. 240 Das erscheint kaum wünschenswert, da diese Zuständigkeit beim Gesetzgeber organadäquat aufgehoben ist. Er trifft seine Entscheidungen im Rahmen der täglichen Auseinandersetzung mit der öffentlichen Meinung und besitzt stärkere demokratische Legitimation als die Gerichte. 241 Würde man diesen nun stets die Überprüfung der Zweckmäßigkeit gesetzgeberischer Entscheidungen antragen, wäre letztlich Politik durch Gleichheitsdogmatik ersetzt. 242 Jeder Verzicht auf schlichte Evidenzkontrollen zugunsten eines anspruchsvolleren gleichheitsrechtlichen Prüfungsprogramms ist damit ebenso wenig angebracht, wie eine bloße Reduktion auf ein pauschales Willkürverbot. b) Kriterien für die erhöhte Kontrolldichte Bei einem Nebeneinander von Willkür- und „neuer Formel" stellt sich die Frage, wann welcher Prüfungsmaßstab anzulegen ist. Für eine strengere Überprüfung gesetzgeberischer Entscheidungen lassen sich grundsätzlich zwei Ansätze finden. 243 Einerseits haben sich allgemeine Kriterien herausgebildet, die den Anwendungsbereich einer höheren Prüfungsdichte im Sinne der „neuen Formel" eröffnen. Zum anderen sind die Anforderungen des Gleichheitssatzes in den einzelnen Rechtsbereichen unterschiedlich hoch angesetzt worden. aa) Allgemeine Kriterien (1) Ungleichbehandlung von Personen statt Sachverhalten Ein allgemeines Kriterium für eine erhöhte gerichtliche Kontrolle läßt sich grob als „personenbezogene Differenzierungen" beschreiben. Seitdem das Gericht die neue Formel ins Leben gerufen hat, soll sie maßgeblich sein, wenn eine Ungleich239
Vgl. Bryde/Kleindiek, Jura 1999, 36 (37); Robbers, DÖV 1988, 749 (752). Vgl. Zippelius, VVDStRL 47 (1989), 7(26); Hesse, AöR 109 (1984), 171 (193); Bryde/ Kleindiek, Jura 1999, 36 (38). Die meisten Befürworter der uneingeschränkten Anwendung der Verhältnismäßigkeit beabsichtigen eine solche Kompetenzverschiebung aber auch nicht. Sie betonen vielmehr, daß auch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung bis zur Evidenzkontrolle zurückgeschraubt werden könne und es sich nur um eine terminologische Frage handele, ob die Willkürformel beizubehalten sei, so Sachs-Osterloh, Art. 3 GG Rdn. 27; Maunz/Dürig/HerzogHerzog, Art. 3 GG Anh. 56. 241 Zippelius, VVDStRL 47 (1989), 7(26). 242 Vgl. Bryde/Kleindiek, 1999, 36 (38). 243 Generell zu dem Anwendungsbereich der neuen Formel Bryde/Kleindiek, Jura 1999, 36ff; Sachs, JuS 1997,124ff; Jarass, NJW 1997,2545ff; Sachs-Osterloh, Art.3 GG Rdn.26ff. 240
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behandlung von Normadressaten, statt einer von Lebenssachverhalten vorliege. 244 Dies erkläre sich daraus, daß der Grundsatz, „alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich" in erster Linie eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Personen verhindern soll. 245 Die Anwendung des engmaschigen Prüfungsmaßstabs wurde aber schon zu Anfang nicht auf direkt personenbezogene Differenzierungen beschränkt. Er sollte auch bei Ungleichbehandlungen von Sachverhalten zugrundezulegen sein, soweit diese mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirken. 246 Darüber hinaus gilt die „neue Formel" jetzt bei sachverhaltsbezogenen Ungleichbehandlungen, wenn der Betroffene nicht in der Lage ist, durch sein Verhalten die Verwirklichung der Merkmale, nach denen unterschieden wird, zu beeinflussen. 247 Strengere Gleichheitsmaßstäbe sollen zudem anzulegen sein, falls sich die Differenzierungsmerkmale denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern. 248 Das ist konsequent, da der Betroffene auf Geschlecht, Sprache, Herkunft, Rasse, Sprache oder Religion naturgemäß keinen oder nur begrenzten Einfluß hat. Das Abstellen auf eine Unterscheidung von Sachverhalts- und personenbezogenen Differenzierungen ist im Schrifttum zu Recht nicht ohne Kritik geblieben.249 Als Abgrenzungskriterium taugt es wenig, da sich jede sachorientierte Regelung personenbezogen formulieren läßt, indem man auf die Personen abstellt, die ein bestimmtes sachliches Tatbestandsmerkmal verwirklichen. 250 Begrüßenswert sind demgegenüber die neueren Konkretisierungen einer solchen Unterscheidung, die daran anknüpfen, ob die Ungleichbehandlung für den Betroffenen unausweichliche Konsequenzen hat oder ob er sein Verhalten an der Differenzierung orientieren kann. 251 Die Ungleichbehandlung hat für den Betroffenen weitreichendere Folgen, wenn er der Benachteiligung, die mit der Differenzierung zusammenhängt, nicht aus eigener Kraft entgehen kann. Dies legt es nah, bei solchen Ungleichbehandlungen eine schärfere gerichtliche Kontrolle vorzunehmen. Ein derartiges Kriterium ist überdies wesentlich trennschärfer als die bloße Unterscheidung zwischen Sachverhalts- und personenbezogenen Ungleichbehandlungen. 244 Vgl. BVerfG 55, 72 (89); 60 329, (346); 74, 9(24); 82, 126 (146); 87, 1 (36); 87, 234 (255); 88,87 (96); vgl. auch 82,60 (89); 87,153 (170); 96,1 (5), wonach der Gleichheitsgrundsatz desto strikter sein soll, je mehr die Regelung die einzelne Person betrifft; vgl. auch Dreier-Heun, Art. 3 GG Rdn. 19; von Münch/Kunig-Gubelt, Art. 3 GG Rdn. 14; Bryde/Kleindiek, Jura 1999, 36ff (39); Sachs, JuS 1997, 124 (127); Jarass, NJW 1997, 2545 (2547); Martini S.48f. 245 BVerfGE 88, 87 (96); 89, 15 (22); 89, 365 (375). 246 BVerfGE 88, 87 (96); 89, 15 (22); 90,46 (56); 91, 346 (363). 247 BVerfGE 88, 87 (96); 89, 15 (22), auch BVerfGE 92, 365 (407). 248 BVerfGE 88, 87 (96); 96, 1 (5f); zu diesem Gedanken Sachs, NWVB1 1988, 295 (299); ders., JuS 1997, 124 (129); Bryde/Kleindiek, Jura 1999, 36 (42f). 249 Hierzu Sachs-Osterloh, Art. 3 GG Rdn. 27 f; Sachs JuS 1997, 124 (128); Bryde/Kleindiek, Jura 1999, 36 (39f); auch Hesse, in FS-Lerche 1993, 121 (124f). 250 Maunz/Dürig/Herzog-Dürig/Scholz Art. 3 GG Anh. Rdn. 9; Sachs, JuS 1997,124 (130). 251 Vgl. auch Sachs, JuS 1997, 124 (128); Bryde/Kleindiek, Jura 1999, 36 (43 f).
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Die neue Formel würde nach diesem Merkmal auch bei der Überprüfung von sozialen Gebührenstaffelungen angezeigt sein. Sozialtarife knüpfen unterschiedliche Rechtsfolgen an das Einkommen der Gebührenschuldner. Auf ihr Einkommen können die Abgabepflichtigen aber nicht ohne weiteres Einfluß nehmen.252 Wie der Einzelne seine soziale Situation gestaltet, hängt zwar zunächst von seinen tatsächlich unternommenen Anstrengungen ab. Es spielen hierbei jedoch auch nicht oder nur schwer beeinflußbare Faktoren wie Herkunft und Talent eine Rolle. (2) Freiheitsbeeinträchtigung
durch Ungleichbehandlung
In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht hat sich mittlerweile noch ein weiteres eigenständiges Kriterium entwickelt, bei dessen Vorliegen die verschärfte Prüfung angezeigt sein soll. 253 Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sollen desto engere Grenzen gezogen sein, „je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlicher Freiheiten nachteilig auswirken kann." 254 Die Erhöhung der Kontrolldichte in diesen Fällen ist in der Literatur mit Recht positiver bewertet worden. 255 Ein Rückschluß auf eine höhere Intensität der durch die Ungleichbehandlung hervorgerufenen Beeinträchtigung liegt nämlich umso näher, soweit mit der Differzierung noch weitere Grundrechte berührt werden. Für ein solches Kriterium spricht zudem, daß die Verhältnismäßigkeitsprüfung traditionell dem Bereich der Freiheitsgrundrechte entstammt. (3) Interne und externe Zwecke als Abgrenzungskriterium Neben diesen von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien hat besonders der von Stefan Huster formulierte Ansatz Anlaß zu wissenschaftlicher Diskussion gegeben.256 Dies nicht zuletzt, weil er die Abgrenzung zwischen Willkür- und Verhältnismäßigkeitsprüfung mit der Übertragung der freiheitsrechtlichen Eingriffsdogmatik verbindet und auf diese Weise den Weg zu einer einheitlichen Grundrechtsdogmatik ebnet. 252
Vgl. hierzu Sachs/Windhorst, JuS 1999, 857 (859). Der Aspekt der Beeinträchtigung grundrechtlicher Freiheiten ist zunächst nur im Rahmen personenbezogener Differenzierungen berücksichtigt worden und erst später alternativ hierzu verwendet worden, vgl. BVerfGE 74,9(12); 82,126 (146); 87,1 (36f); Sachs, JuS 1997, 124 (128); auch Maaß NVwZ 1988, 14 (17). 254 BVerfGE 91, 346 (363); ähnlich 88, 87 (96); 89, 69 (89); vgl. Sachs-Osterloh, Art. 3 GG Rdn.32; Sachs, JuS 1997,124 (128); Bryde/Kleindiek, Jura 1999,36 (43 f); Jarras, NJW 1997, 2545 (2547); Martini, S. 64. 255 Sachs-Osterloh, Art.3 GG Rdn.32; Sachs, JuS 1997, 124 (130); Bryde/Kleindiek, Jura 1999, 36 (43 f); hierzu auch Maaß, NVwZ 1988, 14 (17). 256 Stefan Huster, „Rechte und Ziele". 253
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Ausgangspunkt der Überlegungen Husters ist, daß der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von seiner Struktur her auf Ausgleich des Konflikts kollidierender Rechtsgüter gerichtet ist und dabei dem Schutz subjektiver Rechte dient. 257 Er könne daher nur insoweit im Gleichheitsgrundsatz Anwendung finden, wie dieser ein individuelles Recht schütze und ein solches Recht mit anderen Rechtsgütern kollidiere. 258 Als subjektives Recht, das den Schutzbereich des Gleichheitssatzes bestimmt, nennt Huster das Recht auf Behandlung nach den Maßstäben der Gerechtigkeit. 259 Er bezeichnet dies auch als Recht auf normative Gleichbehandlung. Für die Bestimmung eines Eingriffs in dieses Recht ist das Ziel der Ungleichbehandlung entscheidend. Eine gesetzgeberische Differenzierung, die nur bereichspezifische Gerechtigkeitsmaßstäbe umsetzen wolle, diene der Verwirklichung des normativen Gehalts von Art. 3 Abs. 1 GG. Die Regelung verfolge interne Zwecke des Art. 3 Abs. 1 GG und beabsichtige keine Beeinträchtigung des gleichheitsrechtlichen Schutzbereichs. Sie sei damit nicht auf eine Rechtsgüterkollision angelegt, die für eine Anwendung der Verhältnismäßigkeitsprüfung notwendig wäre. Entscheidend für die Überprüfung, ob die angestrebte Behandlung tatsächlich dem Gerechtigkeitsmaßstab entspreche, sei daher die Willkürformel. 260 Werde aber nicht aufgrund bloßer Gerechtigkeits-, sondern Zweckmäßigkeitserwägungen eine Differenzierung vorgenommen, komme es zu einem Rechtsgüterkonflikt. Es entstehe ein Spannungsfeld zwischen diesen „externen Zwecken" und dem von Art. 3 Abs. 1 GG verbürgten Recht auf normative Gleichbehandlung.261 Die Differenzierung greife in den Schutzbereich des Grundrechts ein. Das so entstandene Rechtfertigungsproblem sei nun, wie bei den Freiheitsgrundrechten, durch eine Abwägung anhand des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu lösen. Eine solche Abgrenzung der Prüfungsmaßstäbe setzt eine verläßliche Unterscheidung von an internen und externen Zwecken orientierten Ungleichbehandlungen voraus. Diese Trennung ist aber nicht möglich, da bei Entscheidungen des Gesetzgebers oftmals sowohl Gerechtigkeits- als auch Würdigkeitgesichtspunkte zusammenfallen. 262 Dies zeigt sich gerade auch bei sozialen Gebührenstaffelungen. 263 Hier sind beide Zwecksetzungen untrennbar miteinander verbunden. Mit Sozialtarifen beabsichtigt der Abgabengläubiger die Gebührenschuldner „gerecht" zu behandeln, indem er jedem von ihnen durch den günstigen Tarif ermöglicht, die Leistung in Anspruch zu nehmen. Hinter der sozialen Ausgestaltung der Abgabe steht 257
Huster, S. 67ff. Huster, S. 164. 259 Huster, S. 225 ff. 260 Huster, S. 173 f, 226. 261 Huster, S. 173 f. 262 Dreier-Heun, Art. 3 GG Rdn. 27; Bryde/Kleindiek Jura 1999, S. 36 (39); Eckhoff, S. 191 ff. 263 Vgl. dazu auch Bonner Kommentar-Rüfner, Art. 3 GG Rdn. 98, der als Beispiel auf sozialmotivierte Steuernormen verweist; anders hierzu Huster, S.415. 258
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aber auch das allgemeingehaltene sozialpolitische Ziel, die Einkommensunterschiede der Gebührenschuldner zu korrigieren. 264 Die Gerechtigkeitsmaßstäbe, deren Anwendung Huster als spezifisches Schutzgut des Gleichheitssatzes identifiziert, sind darüber hinaus selbst noch in hohem Maß ausgestaltungsbedürftig. 265 Gerade bei der Konkretisierung dieser Maßstäbe werden aber wiederum Gerechtigkeits- und Würdigkeitserwägungen ineinanderlaufen. Für die Ausgestaltung des Leistungsfähigkeitsprinzips als Gerechtigkeitsmaßstab im Steuerrecht dürften beispielsweise externe Zwecke, wie der soziale Ausgleich oder die Wahrung gesamtwirtschaftlicher Stabilität, stets eine Rolle spielen. 266 Gegen Husters Modell spricht schließlich, daß ihm eine nicht ohne weiteres nachvollziehbare Wertung zugrundeliegt. Der Gesetzgeber soll nach seiner Ansicht einen weiten Spielraum haben, wenn er bei Ungleichbehandlungen die Gerechtigkeit im Visier hat. Will er dagagen bloß politische Vorstellungen umsetzen, soll er einem engmaschigeren Prüfungsmaßstab unterworfen werden. 267 Es läge eigentlich näher, ihn gerade bei Ungleichbehandlungen, mit denen verfestigte Gerechtigkeitsvorstellungen wiedergegeben werden, strenger zu behandeln und ihm dafür dort mehr Freiräume zu lassen, wo er innovativ und gestaltend tätig wird. Eine Abstufung der Prüfungsintensität danach vorzunehmen, ob mit der Differenzierung „interne" Gerechtigkeitszwecke oder aber „externe" Würdigkeitszwecke verfolgt werden, ist daher abzulehnen. bb) Bereichsspezifische Anforderungen Das Bundesverfassungsgericht hat die Gleichheitsbindung in den einzelnen Teilrechtsordnungen unterschiedlich stark konkretisiert. 268 Dem Gesetzgeber ist dabei 264
Huster spricht im Zusammenhang von Sozialgestaltung und Gleichheitssatz anstelle von internen und externen Zwecken von individuellen und kollektiven Zielen, Huster, S. 408 ff (426). 265 Hierzu Dreier-Heun, Art. 3 GG Rdn. 27; für das Leistungsfähigkeitsprinzip als steuerrechtsspezifischer Gerechtigkeitsmaßstab auch Eckhoff, S. 157; Hübschmann/Hepp/SpitalerBirk, §4AO, Rdn. 454. 266 Deutlich wird dies schon daran, daß umstritten ist, ob die sozialpolitisch motivierte Einkommenssteuerprogression ein Ausfluß des Leistungsfähigkeitsprinzip ist oder eine gerechtfertigte Abweichung hiervon, vgl. Tipke, Bd. I, S. 411 ff. 267 Vgl. Dreier-Heun, Art. 3 GG Rdn. 27; Bryde/Kleindiek, Jura 1999, S. 36 (39). 268 Besonders der zweite Senat betont, daß die Prüfungsintensität vom jeweiligen Regelungsbereich abhängt, BVerfGE 75,108 (157); 84,239 (268); 93,121 (134); vgl. Dreier-Heun, Art. 3 GG Rdn. 19; Sachs-Osterloh, Art. 3 GG Rdn. 34 ff; Martini, S. 60. Die bereichsspezifische Modifikation des Grundrechts ist wegen seiner Weitungsoffenheit auch notwendig. Wertungen können nämlich nur den Besonderheiten der einzelnen Rechtsmaterien entnommen werden, vgl. Dreier-Heun, Art. 3 GG Rdn. 64; auch Eckhoff, S. 146 ff, der zudem daraufhinweist, daß vielmals eine Besonderheit des jeweiligen Sachbereichs nur behauptet, selten aber begründet wird. *
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
für die Regelung gewisser Sachmaterien ein großzügiger Gestaltungsspielraum eingeräumt worden, der zumeist auch durch die neue Formel nicht angetastet wurde. 269 Für die Zulässigkeit von Sozialtarifen interessiert, welche Ausgestaltung Art. 3 Abs. 1 GG im Abgabenrecht, insbesondere im Gebührenrecht erhalten hat.
(1 ) Art. 3 Abs. 1 GG im Steuerrecht Auf dem Gebiet des Abgabenrechts ist zwischen dem Bereich der Steuern und dem der anderen Abgaben zu trennen. Im Steuerrecht soll aus dem Gleichheitsgrundsatz ein verbindlicher Grundsatz der Steuergerechtigkeit folgen. 270 Als Konkretisierung dieses Gebots entnimmt das Bundesverfassungsgericht Art. 3 Abs. 1 GG, daß „die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ausgerichtet wird." 271 Daraus lassen sich in gleichheitsrechtlicher Hinsicht zwei weitere Aussagen treffen. Einmal ist die Gleichheit im Verhältnis zwischen Steuerpflichtigen unterschiedlicher Leistungsfähigkeit derart herzustellen, daß sie unterschiedlich stark besteuert werden (vertikale Steuergerechtigkeit). Des weiteren dürfen gleich leistungsfähige Steuerpflichtige aber auch nur in gleich hohem Maß zur Besteuerung herangezogen werden (horizontale Steuergerechtigkeit). 272 Das Bundesverfassungsgericht ist allerdings zurückhaltend, was Reichweite und weitergehende Inhalte dieses Leistungsfähigkeitsprinzips angeht.273 Nur im Einkommensteuerrecht hat es die Anforderungen der Belastungsgleichheit weiter ausgestaltet.274 Ansonsten betont das Gericht oftmals, daß dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Steuersystems ein weitreichender Gestaltungsspielraum zukom269 Dies gilt beispielsweise für die Bereiche des Sozialversicherungsrechts, BVerfGE 63, 255 (262); 67, 231 (237); 81, 156 (205), und des Besoldungsrechts, BVerfGE 80, 59 (66); 93, 386 (396 f); vgl. Sachs, JuS 1997, 124 (127). Zum Ganzen auch Sachs-Osterloh, Art. 3 GG Rdn.37, 134 ff; von Mangold/Klein/Starck-Starck, Art. 3 GG Rdn.55ff; Dreier-Heun, Art. 3 GG Rdn. 64 ff; Bonner Kommentar-Rüfner, Art. 3 GG Rdn. 164 ff. 270 BVerfGE 6,55 (70); 26,302 (310); 61,319 (343); 67,290 (297); 74,182 (199f); 97,332 (346). 271 BVerfGE 43, 108 (120); 61,319 (343). Das Leistungsfähigkeitsprinzip wird in der Literatur nicht direkt in Art. 3 GG verankert gesehen, sondern zudem aus den Freiheitsgrundrechten, dem Demokratieprinzip wie dem Sozialstaatsprinzip abgeleitet, vgl. Eckhoff, S. 157 m.w.N.; Birk, „Leistungsfähigkeitsprinzip", S. 123ff; Tipke, Bd.I, S.490; Lehner, S.315ff. 272 BVerfGE 82,60 (89). Die vertikale Steuergerechtigkeit soll allerdings geringeren Anforderungen genügen als die horizontale, vgl. zum Ganzen Birk, „Leistungsfähigkeitsprinzip", S. 165/170; Hübschmann/Hepp/Spitaler-Birk, § 4 AO Rdn. 451 ff; Dreier-Heun, Art. 3 GG Rdn. 66. 273 Vgl. Sachs-Osterloh, Art. 3 GG Rdn. 134. 274 Beispielsweise ist ihm die Steuerfreiheit des familiären Existenzminimums entnommen worden BVerfGE 82, 60 (86); 89, 346 (353) auch 61, 319 (343 f); allerdings BVerfGE 87, 153 (167) insoweit mit freiheitsrechtlichem Ansatz; vgl. hierzu Sachs-Osterloh, Art. 3 GG Rdn. 134, 151 ff; Bonner Kommentar-Rüfner, Art. 3 GG Rdn. 200; Hübschmann/Hepp/Spitaler-Birk, §4 AO Rdn. 460.
D. Grenzen aus dem Gleichheitssatz 275
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me. Dies betreffe nicht nur die Erschließung von Steuerquellen und die Höhe des Steuersatzes,277 sondern auch die Orientierung an wirtschafts- und sozialpolitischen Zielsetzungen.278 Trotz der Ausformung des Art. 3 Abs. 1 GG als Leistungsfähigkeitsprinzip, stellt das Grundrecht daher für den Bereich des Steuerrechts im Ergebnis keine strengeren Anforderungen als in anderen Rechtsgebieten.279 Im Gegenteil, gerade in Fällen in denen der Anwendungsbereich der „neuen Formel" eröffnet wäre, ist eine Verschärfung der Prüfungsintensität für das Steuerrecht bisher vermieden worden. 280 In der Literatur wird demgegenüber berechtigterweise gefordert, den Gesetzgeber, zumindest was sachpolitisch motivierte Abweichungen vom Leistungsfähigkeitsprinzips anlangt, einer stärkeren gleichheitsrechtlichen Bindung zu unterstellen. 281 Das verfassungsrechtlich verankerte Gebot, steuerliche Lasten nach der Leistungsfähigkeit zu verteilen, ist strukturell lenkungsfeindlich. Es läuft aber weitgehend leer, wenn schon das bloße Vorliegen eines legitimen politischen Ziels Ausnahmen von ihm rechtfertigt. Bei lenkenden Steuernormen ist deswegen eine an der Verhältnismäßigkeitsprüfung orientierte Abwägung zwischen gerechter Lastenverteilung und wirtschafts-, sozial- oder umweltpolitischem Ziel angezeigt. (2) Art. 3 Abs. 1 GG im Gebührenrecht Die Gleichheit der Gebührengesetze hat das Bundesverfassungsgericht weit weniger als die Gleichheit steuerrechtlicher Normen beschäftigt. 282 Das Gericht hat dennoch in seinem Urteil zur nordrhein-westfälischen Widerspruchsgebühr einige gleichheitsrechtliche Voraussetzungen für Gebühren abstrakt zusammengestellt.283 Auch in der Kindergartengebührenentscheidung zeigt es auf, welche Gestaltungsspielräume dem Gebührengesetzgeber durch den Gleichheitssatz eröffnet sein sollen. 284 275 BVerfGE 29,327 (335); 49,343 (360); 50,57 (77); 65,325 (354); 81,108 (117); 84,239 (271); auch BFHE 152, 240 (242); vgl. Sachs-Osterloh, Art. 3 GG Rdn. 135f; Jarass/PierothJarass, Art. 3 GG Rdn. 44 f; Bonner Kommentar-Rüfner, Art. 3 GG Rdn. 197; von Mangold/ Klein/Starck-Starck, Art. 3 GG Rdn. 82. 276 BVerfGE 49, 343 (360); 84, 239 (271). 277 BVerfGE 27, 58 (66); 84, 239 (271), 85, 238 (244). 278 BVerfGE 29, 327 (335), 50, 386 (392), 81, 108 (117). 279 BFHE 150, 22 (25); 151, 240 (242); Jarass/Pieroth-Jarass Art. 3 GG Rdn. 44f; DreierHeun, Art. 3 GG Rdn. 65; Maunz/Dürig/Herzog-Herzog, Art. 3 GG Anh. Rdn. 56. 280 BVerfGE 81, 228 (237); 84, 348 (359); 93, 121 (134); vgl. Sachs, JuS 1997, 124 (127). 281 Vgl. Bonner Kommentar-Rüfner, Art. 3 GG Rdn. 124, 207ff; Schaden, S. 166f; Höfling, StuW 1992, 242 (248); Hey, StuW 1998, 32 (40); Birk, „Steuerrecht", Rdn. 167 f. 282 Zur Gleichheit im Gebührenrecht nur BVerfGE 28, 66 (67); 50, 217 (227 ff); 85, 337 (346); 97, 332 (344ff). 283 BVerfGE 50, 217 (227 ff); hierzu, Sachs, HStR V, § 127 Rdn. 28; Breuer/Fassbender, WiVerw 1995, 1 (27 ff). 284 BVerfGE 97, 332 (344ff); hierzu Sachs/Windhorst, JuS 1999, 857 ff.
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(a) Art. 3 GG und das Verhältnis der Gebührenhöhe zur Leistung In seiner Entscheidung zum nordrhein-westfälischen Gebührengesetz hat das Bundesverfassungsgericht gleichheitsrechtliche Anforderungen an das Gebührenrecht in zweierlei Richtung formuliert. 285 Die erste Aussage betrifft das Verhältnis der einzelnen Gebühr zur Verwaltungsleistung. Sie ist bereits im Rahmen des Kostendeckungsprinzips angesprochen worden. Für das Verhältnis folge aus Art. 3 Abs. 1 GG, daß die Gebührenhöhe nicht völlig unabhängig von den Kosten der Staatsleistung festgesetzt werden dürfe. Sie müsse sich in bezug auf einen verfolgten Kostendeckungszweck als sachgerecht erweisen. 286 Mit diesen Feststellungen ist jedoch kaum mehr gefordert als ein Verbot willkürlicher Gebührenbemessung. Der Gleichheitssatz eröffnet dem Geührengläubiger deswegen großzügige Spielräume, was das Verhältnis der Gebührenhöhe zur Verwaltungsleistung angeht.287 Dies wird schließlich auch im Urteil des ersten Senats zur Kindergartengebührenstaffelung deutlich, denn dort stellt das Bundesverfassungsgericht klar, daß der Gleichheitssatz weder kostenüber- noch kostenunterschreitenden Gebühren entgegensteht.288 (b) Art. 3 und das Verhältnis der Gebührenschuldner untereinander Art. 3 Abs. 1 GG ist auch für das Verhältnis der Gebührenschuldner untereinander konkretisiert worden. Hier gebiete der Gleichheitsgrundsatz, „bei gleichartig beschaffenen Leistungen, die rechnerisch und finanziell in Leistungseinheiten erfaßt werden können, die Gebührensätze in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln, daß sie unterschiedlichen Ausmaßen der erbrachten Leistung Rechnung tragen, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt." 289 Daraus folgt zwar nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht, daß die Bemessung auf leistungsbezogene Faktoren beschränkt ist. 290 Es entstehen aber rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlungen im Verhältnis der Gebührenschuldner untereinander, wenn daneben außerfiskalische Zwecke im Tarif berücksichtigt werden. 291 Das verdeutlicht wiederum die Kindergartengebührenentscheidung. 292 Der Senat geht hier ohne weitere Feststellung davon aus, daß es durch nicht leistungs-, sondern sozialorientierte Bemessung zu einer solchen Ungleichbehandlung kommt. In dem Urteil zeigt das Gericht 285
BVerfGE 50, 217 (225 ff). BVerfGE 50, 217 (227), ebenso BVerfGE 85, 337 (346). 287 Vgl. hierzu Jarass, S. 33; auch Teil 2 C. 1.2. b). 288 BVerfGE 97, 332 (345). 289 BVerfGE 50, 217 (227). 290 Vgl. Teil 2 C.III.2.a). 291 Vgl. bspw. Holzkämper, S.90; Breuer/Fassbender, WiVerw 1995, 1 (28f); Chantelau/ Möker, S.48; Weyreuther, UPR 1988, 161 (167). 292 BVerfGE 97, 332 ff. 286
D. Grenzen aus dem Gleichheitssatz
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außerdem, welchen bereichspezifischen Prüfungsmaßstab es für die Rechtfertigung der Ungleichbehandlungen angelegt wissen möchte. Ohne auf das Vorliegen allgemeiner Anwendungskriterien der neuen Formel einzugehen, überprüft das Gericht diese Ungleichbehandlung anhand deren Erfordernissen. 293 Im Ergebnis nimmt das Bundesverfassungsgericht nämlich eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor, indem es die sachlichen Gründe nicht schlicht in den unterschiedlichen Verhältnissen der Elterngruppen sucht, sondern fragt, inwieweit die vom Gesetzgeber mit der Staffelung verfolgten Ziele gewichtig genug sind, um die Ungleichbehandlung zu tragen. 294 Es erscheint im Hinblick auf die Sachmaterie Gebührenrecht auch geboten, strengere gleichheitsrechtliche Maßstäbe anzulegen. Obgleich die Verfassung die Gebühr nicht auf Ausgleichszwecke verengt, ordnet sie jedoch Finanzierungszwecke der Gebühr als immanent zu. Eine Bemessung nach leistungsbezogenen Faktoren ist damit zwar keine verfassungsrechtliche Verbindlichkeit, sie genügt aber in erster Linie der verfassungsrechtlichen Wertung. Es entsteht daher ein besonderer verfassungsrechtlicher Rechtfertigungsbedarf, soweit mit der Bemessung weitere als die gebührenimmanenten Zwecke berücksichtigt werden. Diesem darf der Gesetzgeber nicht durch bloßen Hinweis auf das Vorliegen sachpolitischer Zielsetzungen begegnen können. Die Aussage der Verfassung, daß es gebührenimmanente und gebührennichtimmanente Zwecke gibt, wäre sonst im Ergebniss völlig entkräftet. Der Gesetzgeber muß sich daher fragen lassen, ob die Gründe, wegen denen er die Gebühr in den Dienst sachpolitischer Aufgaben nimmt, gewichtig genug sind, um eine Ungleichbehandlung der Gebührenschuldner zu rechtfertigen. (c) Grundsatz der Abgabengerechtigkeit In der Kindergartengebührenentscheidung hat das Bundesverfassungsgericht Art. 3 Abs. 1 GG noch in einer weiteren Hinsicht für das Gebührenrecht konkretisiert. Es hat untersucht, inwieweit die soziale Gebührenbemessung mit dem Grundsatz der Abgabengerechtigkeit vereinbar ist. 295 Diese Ausformung des Gleichheitssatzes setzt die durch Gebühren entstehende Belastung in Bezug zur Gesamtbelastung mit staatlichen Abgaben. Zu dem Inhalt der Abgabengerechtigkeit führt das Gericht aus, daß der Grundsatz gebiete, jeden einzelnen Bürger gemäß seiner individuellen Leistungsfähigkeit an der Finanzierung allgemeiner Lasten zu beteiligen. Im Steuerrecht habe die Abgabengerechtigkeit als Steuergerechtigkeit eine besondere Ausprägung gefunden und werde dort unter anderem durch die einkommensteuerrechtliche Progression umgesetzt. Soweit dem Bürger über die Steuern hinaus Gemeinlasten auferlegt werden, werde die hierdurch geschaffene Belastungsgleichheit zwar durchbrochen, sie könne aber durch die Zuwendung eines besonderen 293
Sachs/Windhorst, JuS 1999, 857 (859 ff). Vgl. Sachs/Windhorst, JuS 1999, 857 (861). 295 BVerfGE 97, 332 (346); hierzu ebenfalls Sachs/Windhorst, JuS 1999, 857 (860f), Jestaedt, DVB1 2000, 1820 (1822f, 1825). 294
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
Vorteils oder einer äquivalenten Leistung ausgeglichen werden. Die Abgabengerechtigkeit bliebe dann gewahrt. Nach diesen allgemeinen Erläuterungen zur Abgabengerechtigkeit erläutert das Gericht dann allerdings nicht, welche konkreten Voraussetzungen die Ausformung des Grundrechts für die Gebührenbemessung beinhaltet. Der Senat beschränkt sich dazu nur auf die negative Feststellung, daß die Abgabengerechtigkeit „jedenfalls solange" gewahrt bleibe, wie die Höchstgebühr die tatsächlichen Kosten der Leistung nicht decke. Es stellt sich daher die Frage, ob sich hieraus eine genauere Aussage für die Grenzen der zulässigen Gebührenbemessung gewinnen läßt. Die Abgabengerechtigkeit zielt letztlich auf einen Vergleich zwischen Abgabenschuldner und NichtSchuldner. Sie fordert hierbei, daß die Belastung mit der Abgabe nicht ohne sachlichen Grund erfolgt. Bei der Gebühr ist der sachliche Grund für die Abgabepflicht zunächst die Zuwendung einer besonderen staatlichen Leistung. Diese gleichheitsrechtliche Anforderung deckt sich mit den finanzverfassungsrechtlichen Voraussetzungen an den Gebührentatbestand. Auch die Art. 105 ff GG verlangen für die Qualifikation als Gebühr, daß der Abgabe eine individuell zurechenbare staatliche Leistung zugrundeliegt. Die Besonderheit der gleichheitsrechtlichen Forderung liegt nun darin, daß die Zuwendung der Leistung als sachlicher Grund nur solange Bestand hat, wie die Gebühren die mit der Leistungserbringung entstanden Kosten nicht überschreitet. Dies kann allerdings nicht bedeuten, daß eine kostenüberscheitende Gebühr rechtswidrig ist, denn der Senat lehnt gerade eine solche Beschränkung strikt ab. Die Äußerungen zur Abgabengerechtigkeit können damit nur so verstanden werden, daß für eine Belastung der Gebührenschuldner über die Kostengrenze ein Rechtfertigungsgrund bestehen muß, der über die bloße Zuwendung der Leistung hinausreicht. Eine weitere inhaltliche Voraussetzung für die Gebührenbemessung stellt diese Ausformung des Gleichheitssatzes nicht auf. Die Besonderheit der Abgabengerechtigkeit liegt demnach vielmehr darin, daß sie den Blick für das Verhältnis Gebührenschuldner und NichtSchuldner öffnet. Im Rahmen der weiteren Untersuchung soll sie als Anknüpfungspunkt dienen, soweit die Überprüfung der Zulässigkeit sozialmotivierter Zuschläge ansteht.
3. Dogmatische Struktur des Gleichheitssatzes Sämtliche Anforderungen des Gleichheitssatzes im Gebührenrecht sind damit aufgezeigt. Bevor sie jedoch für die weitere Untersuchung abschließend zusammengestellt werden können, bedarf es noch der Betrachtung eines weiteren mit der „neuen Formel" geschaffenen Problems. Für die Rechtstechnik der Gleichheitsprüfung stellt sich die Frage, wie die mit der neuen Formel geforderte Verhältnismäßigkeitsprüfung hierin zu integrieren ist.
D. Grenzen aus dem Gleichheitssatz
a) Anpassung in die zweigliedrige
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Struktur
Die herrschende Lehre geht trotz der erhöhten gerichtlichen Überprüfbarkeit gesetzgeberischer Differenzierungen weiterhin von der herkömmlichen dogmatischen Struktur des Gleichheitssatzes aus.296 Im Rahmen einer zweigliedrigen Prüfung sei erstens zu fragen, ob eine Ungleichbehandlung vorliege und zweitens, ob diese sachlich gerechtfertigt werden könne. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Abwägung wird nicht als eigenständige Stufe der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung angesehen. Sie ist vielmehr eine Präzisierung des sachlichen Grundes, soweit sie anzuwenden ist. 297 Für das Bestehen eines sachlichen Grundes reicht dann nicht die bloße Existenz eines vernünftigen Zwecks aus, sondern es ist zudem erforderlich, daß die Differenzierung zur Erreichung dieses Zwecks geeignet und notwendig ist und auch sonst in angemessenem Verhältnis zum Wert des Zwecks steht.298 b) Übertragung der Eingriffsdogmatik Die zweistufige Rechtstechnik ist jedoch grundlegend neu überdacht worden. Im Gegesatz zur herrschenden Auffassung wird im Schrifttum neuerdings vertreten, daß auch der Gleichheitsgrundsatz der bei Freiheitsrechten geltenden Eingriffsdogmatik zugänglich sei. 299 Die Eingriffsdogmatiker sehen bestimmte Arten von Ungleichbehandlungen als rechtfertigungsbedürftige Eingriffe in den Schutzbereich des Gleichheitsgrundsatzes an. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip kommt hier auf der dritten Stufe der Grundrechtsprüfung - der Rechtfertigung des Eingriffs - zum Einsatz. Die einzelnen Eingriffsmodelle, von denen bereits das von Stefan Huster näher erläutert wurde, unterscheiden sich allerdings darin, wie der Schutzbereich des Grundrechts bestimmt wird. Die Definitionen des gleichheitsrechtlichen Schutzgutes reichen von dem Recht auf Behandlung nach Maßstäben der Gerechtigkeit 300 bis 296 von Münch/Kunig-Gubelt, Art. 3 GG Rdn. 14; Maunz/Dürig/Herzog-Herzog, Art. 19 Rdn. 16, 23; Bonner Kommentar-Rüfner, Art. 3 GG Rdn. 96; Pieroth/Schlink, Rdn. 430; P. Kirchhof, HStR V, § 126, S. 965 ff; Kimms/Schlünder, S.292; vgl. Huster, JZ 1994, S.541 (541, FN 10) m.w.N.; auch Martini S. 81 ff (108). 297 Vgl. Martini, S. 108. 298 So beispielsweise Pieroth/Schlink, Rdn.440ff; Kimms/Schlünder, S.299f; ähnlich Koenig, JuS 1995, 313 (314). Die einzelnen in der Literatur erarbeiteten Prüfungsmodelle sind äußerst vielschichtig und unterschiedlich. Auf die einzelnen Varianten kann daher hier nicht näher eingegangen werden. Im Ganzen lassen sie sich aber auf die angegebenen Prüfungsschritte reduzieren. Eine Darstellung aller verschiedenen Ansätze findet sich bei Martini, S. 79 ff (102 ff). 299 Ein Eingriffsmodell findet sich bei Kloepfer, S.54ff; Huster, S. 225 ff; ders., JZ 1994, S.541 (547); Schaden, S. 119ff (164ff); Martini, S. 187ff; auch Jarass, AöR 120 (1995), S.345 (358ff); ders., NJW 1997, S.2545 (2545), Jarass/Pieroth-Jarass, Vor. Art. 1 GG Rdn. 18. 300 Huster, S. 239ff.
Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
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hin zum Recht auf absolute persönliche und sachliche Rechtsgleichheit.301 Es wird auch vertreten, der Gleichheitssatz habe einen Art. 2 Abs. 1 GG vergleichbaren Schutzbereich. Art. 3 Abs. 1 GG soll demnach alle Eigenschaften, Fähigkeiten und Tätigkeiten des Grundrechtsinhabers schützen, die nicht durch die speziellen Gleichheitsrechte erfaßt sind. 302 c) Stellungnahme Die Übertragung der Eingriffsdogmatik auf den Gleichheitssatz begegnet Bedenken. Die strukturellen Unterschiede von Gleichheits- und Freiheitsrechten sind von solcher Art und Gewicht, daß auf eine einheitliche Grundrechtsdogmatik verzichtet werden sollte. Freiheitsrechte sind auf den Schutz von bestimmten menschlichen Tätigkeiten, Eigenschaften, oder vom Recht geschaffener Einrichtungen hin formuliert. Der allgemeine Gleichheitssatz beschreibt dagegen nicht so sehr ein Schutzgut, sondern eher eine für alle Staatsorgane gültige Handlungsanweisung.303 Dies führt dazu, daß eine freiheitsrechtliche Rechtstechnik, die vom Schutzgut ausgehend die Rechtfertigung eines Eingriffs prüft, auf das Gleichheitsrecht kaum paßt. 304 Wegen des Handlungsgebotcharakters von Art. 3 Abs. 1 GG ist es naheliegender, die Frage, ob eine schützenswerte Rechtsposition besteht, erst zu stellen, wenn staatliches Handeln vorliegt. 305 Ebenso kann erst beantwortet werden, ob eine Rechtsposition in gleichheitsrechtlicher Hinsicht eine den freiheitsrechtlichen Schutzbereichen ähnliche Qualität besitzt, wenn der Staat sein Handlungsgebot verletzt. Gleichheitsrechte sind damit auf eine Identität von Schutzbereich und effektivem Garantiebereich hin präformiert. 306 Für die Eingriffsdogmatik ist aber gerade eine Abweichung dieser beiden Bereiche konstitutiv. Die Übertragung dieser Rechtstechnik auf Gleichheitsrechte muß daher notwendigerweise sehr konstruiert wirken. Wie schwer es fällt, das Handlungsgebot in einen Schutzbereich umzumünzen, zeigt sich nicht zuletzt daran, daß unter den Eingriffsdogmatikern nahezu keine Übereinstimmung herrscht, was überhaupt Schutzgut des Gleichheitssatzes sein soll. Durch die Bezeichnung „Eingriff" für rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlungen droht zudem ein wichtiger Unterschied von Gleichheits- und Freiheitsrechten zu verwischen. 307 Eingriffe sind Beeinträchtigungen eines grundrechtlichen 301
Martini, S. 242. Jarass, AöR 120 (1995), S.345 (362f); Jarass/Pieroth-Jarass, Vor. Art. 1 GG, Rdn. 18. 303 Müller, VVDStL 47 (1989), S.37 (39f). 304 Vgl. Müller, VVDStL 47 (1989), S. 37 (40); Lübbe-Wolff, S. 258 ff; gegen eine Übertragung der Eingriffsdogmatik, wegen struktureller Unterschiede zwischen Freiheits- und Gleichheitsgrundrechten auch Eckhoff, S. 185 ff; im Ergebnis auch Sachs-Osterloh, Art. 3 GG Rdn. 40 ff. 305 Vgl. hierzu Bryde/Kleindiek, Jura 1999, S. 36 (39). 306 So Lübbe-Wolff, S. 259. 307 Hierzu, Eckhoff, S. 187 ff. 302
D. Grenzen aus dem Gleichheitssatz
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Schutzbereichs, die wegen dieser Beeinträchtigung rechtfertigungsbedürftig sind. Können sie nicht gerechtfertigt werden, ist die freiheitsrechtliche Beeinträchtigung aufzuheben. Die Übertragung des Terminus legt nun nahe, Gleichheitsrechte dienen der Abwehr einer durch die Ungleichbehandlung entstehenden Beeinträchtigung. Das Grundrecht richtet sich aber gerade nicht gegen die in der Ungleichbehandlung liegende Beeinträchtigung, sondern gegen die Ungleichbehandlung als solche. Die Aufhebung der mit einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung zusammenhängenden Beeinträchtigung ist nämlich nicht notwendige Rechtsfolge. Der Gleichheitsverstoß kann auch beendet werden, indem die Beeinträchtigung auf die bisher begünstigte Gruppe ausgedehnt wird oder indem beide Gruppen auf neue, dritte Weise verschieden behandelt werden. 308 Die Übertragung der Eingriffsdogmatik stiftet insgesamt mehr Verwirrung als sie für die Lösung gleichheitsrechtlicher Fragestellungen hilft. Sie ist letztlich auch nicht notwendig, um die Integration einer Verhältnismäßigkeitsprüfung in den Gleichheitssatz zu bewerkstelligen. 309 Die herkömmliche Dogmatik vermag dies zu leisten, indem sie bei gewissen Ungleichbehandlungen solch verschärfte Anforderungen an das Vorliegen eines sachlichen Grundes stellt. Es ist daher von einer zweistufigen Struktur des Art. 3 Abs. 1 GG auszugehen.
4. Ergebnis für die weitere gleichheitsrechtliche Untersuchung Für die weitere Untersuchung ergibt sich damit folgendes: Um die Zulässigkeit von Sozialtarifen festzustellen, muß zunächst untersucht werden, inwiefern sich ein sachlicher Grund für die durch soziale Ermäßigungen entstehenden Ungleichbehandlungen der Gebührenschuldner finden läßt. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt hierzu, daß die soziale Tarifdifferenzierung einen legitimen Zweck verfolgt und in Bezug auf diesen auch geeignet, erforderlich und angemessen ist. Soweit soziale Tarifvergünstigungen zulässig sind, stellt sich dann die Frage, ob diese Ermäßigungen mit einer zusätzlichen Belastung der vermögenden Gebührenschuldner finanziert werden dürfen. Hierbei ist der Grundsatz der Abgabengerechtigkeit beziehungsweise die Ungleichbehandlung zwischen Gebührenschuldner und Nichtschuldner gleichheitsrechtlicher Anknüpfungspunkt.
308
Vgl. Pieroth/Schlink, Rdn.479f. So auch Sachs-Osterloh, Art. 3 GG Rdn. 43; von Mangold/Klein/Starck-Starck, Art. 3 GG Rdn. 11. 309
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
II. Der Gleichheitssatz und soziale Ermäßigungen Soziale Ermäßigungen führen zu einer rechtfertigungsbedürftigen Ungleichbehandlung der Gebührenschuldner untereinander, da durch sie wesentlich Gleiches ungleich behandelt wird. Wesentliche Gleichheit besteht, wenn Personen, Personengruppen oder Sachverhalte vergleichbar sind. Vergleichbarkeit ist wiederum dann gegeben, wenn sie unter einen gemeinsamen Oberbegriff gefaßt werden können, der gleichzeitig den Bezugspunkt des Vergleichs darstellt. 310 Der Bezugspunkt des Vergleichs liegt bei Sozialtarifen in der gleichhohen Inanspruchnahme der staatlichen Leistung. Die einzelnen Gebührenschuldner zahlen, obwohl sie die staatliche Leistung in gleichem Aussmaß in Anspruch genommen haben, je nach individuellen Vermögensverhältnissen unterschiedlich hohe Gebühren. Ein sachlicher Grund für die Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung setzt zunächst voraus, daß durch diese Tarifdifferenzierung ein legitimer Zweck verfolgt wird. 1. Ziele sozialer Ermäßigungen Mit empfängerbezogenen Gebührenvergünstigungen verfolgt der Abgabengläubiger zwei Ziele. Einerseits dienen die billigeren Tarife dazu, den bedürftigen Gebührenschuldnern die Inanspruchnahme der Leistung zu erleichern. Sozial Schwache sollen vom staatlichen Leistungsangebot nicht durch die Gebühr ausgeschlossen werden. Neben diesem auf das Individuum zugeschnitten Zweck, tritt aber auch ein allgemeinpolitisches, kollektives Ziel. Nicht nur Erhöhungen, sondern auch Ermäßigungen korrigieren Unterschiede im Einkommen. Zwar findet keine Umverteilung des Einkommens von finanzkräftigen Pflichtigen zu den finanziell bedürftigen Schuldnern statt, im Ergebnis wird die bestehende Einkommensverteilung aber dennoch sozial verändert. Da die leistungsschwachen Schuldner nur mit einem geringeren Einkommensanteil beansprucht werden, verringert sich nach Zahlung der Abgabe der Einkommensabstand zu den leistungsstarken Gebührenschuldnern. Die sozialen Tarifstaffelungen erleichtern damit nicht nur dem Einzelnen die Inanspruchnahme der staatlichen Leistung, sondern sie korrigieren auch soziale Unterschiede. Beide Zwecke lassen sich nicht voneinander trennen. Sie treffen bei sozialen Staffelungen notwendigerweise zusammen.
310 Hierzu bspw. Pieroth/Schlink, Rdn.431f; J. Ipsen, Rdn.753; Kimms/Schlünder, S.294; Koenig, JuS 1995, 313 (314f).
D. Grenzen aus dem Gleichheitssatz
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2. Legitimation durch das Sozialstaatsprinzip a) Die Staatszielbestimmung Sozialstaatsprinzip und Art. 3 Abs. 1 GG Einen Anhaltspunkt für die verfassungsrechtliche Legitimität dieser sozialen Ziele könnte das in Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Sozialstaatsprinzip bieten. Nach dem Wortlaut des Art. 20 Abs. 1 GG ist die Bundesrepublik ein „sozialer Bundesstaat" - an diesen Grundsatz sind gemäß Art. 28 Abs. 1 GG auch die Länder gebunden. Das dort normierte Sozialstaatsprinzip zählt außerdem zu den unantastbaren Grundsätzen des Art. 79 Abs. 3 GG. Es ist deswegen eine Verfassungsnorm mit verpflichtender Wirkung für alle Staatsgewalt.311 Die Art und Weise der Rechtswirkung, die dem Sozialstaatsprinzip zukommt, wird überwiegend als Staatszielbestimmung beschrieben. Staatszielbestimmungen sind „Verfassungsnormen mit rechtlich bindender Wirkung, die der Staatstätigkeit die fortdauernde Beachtung oder Erfüllung bestimmter Aufgaben - sachlich umschriebener Ziele - vorschreiben." 312 Sie sind nicht nur bloße Programmsätze mit appelativem Charakter, sondern Richtlinien für staatliches Handeln.313 Das Sozialstaatsprinzip legt damit aber nicht nur eine Verpflichtung zur sozialgestaltenden Staatstätigkeit fest. Aus umgekehrten Blickwinkel stellt sie eine Ermächtigung zur Umsetzung sozialpolitischer Zielvorstellung dar. 314 Als solche wird sie insbesondere im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes relevant. 315 Soweit mit einer Ungleichbehandlung soziale Ziele verfolgt werden, vermag das Sozialstaatsprinzip grundsätzlich deren Legitimität zu beweisen.316 Es begründet prinzipiell die Sach311
Rdn.6.
Vgl. bspw. Benda, HVfR, § 17 Rdn. 80; Maunz/Dürig/Herzog-Herzog, Art. 20 GG VIII
312 Badura, S.263; von Münch, Rdn. 309; Brohm, JZ 1994, 213 (215). Der Begriff Staatszielbestimmung ist von Hans Peter Ipsen geschaffen worden, H.P. Ipsen, „Grundgesetz", S. 14. 313 Vgl. Maunz/Dürig/Herzog-Herzog, Art.20 GG VIII Rdn.6. 3,4 Vgl. BVerfGE 22, 180 (204); 27, 253 (283); 40, 121 (133ff); Neumann, DVB1 1997, 92 (92 f). 315 Vgl. Degenhart, Rdn.355; Neumann, DVB11997,92 (94 f); Stern, Bd.I, S.929f. Für das Verhältnis von Gleichheitsgrundsatz und Sozialstaatsprinzip ist allerdings umstritten, ob nicht schon der Gleichheitsgrundsatz selbst ein Gebot auf Herstellung sozial verträglicher - faktischer - Gleichheit enthält, dafür bspw. Sachs-Osterloh, Art. 3 GG Rdn. 66 ff; Zippelius, VVDStRL 47 (1989), 7(15); Huster, S.409ff; dagegen bspw. von Mangold/Klein/StarckStarck, Art. 3 GG Rdn. 27 ff; Bonner Kommentar-Rüfner, Art. 3 GG Rdn. 53 f; Schoch, DVB1 1988, 863 (866 f), die Art. 3 Abs. 1 GG lediglich das Gebot rechtlicher Gleichbehandlung zuweisen und die faktische Gleichheit nur im Sozialstaatsprinzip verankert sehen. Praktische Konsequenzen ergeben sich aus den verschiedenen Auffassungen allerdings nicht, da auch aus einem grundrechtlichen Egalisierungsgebot unmittelbar keinerlei gerichtlich durchsetzbare Ansprüche folgen. Zum Ganzen Müller, VVDStRL 47 (1989), 37 (52 ff); Neumann, DVB1 1997, 92 (93 f); Kimms/Schlünder, S.295f. 316 Vgl. bspw. Degenhart, Rdn.355; von Mangold/Klein/Starck-Starck, Art.3 GG Rdn.28; Dreier-Heun, Art. 3 GG Rdn. 30; Bonner Kommentar-Rüfner, Art. 3 GG Rdn. 53 f; Stern, Bd. I,
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
lichkeit einer Ungleichbehandlungen aus sozialpolitischen Gründen. 317 Dies bedeutet allerdings nicht, daß methodisch zur Rechtfertigung jeder sozialmotivierten Regelung undifferenziert auf den Sozialstaatsgrundsatz zurückgegriffen werden kann. Er darf nicht zur bloßen Billigkeitsformel verkommen und ermächtigt keinesfalls zu „beliebiger Sozialgestaltung, die das Gebot der Gleichheit auflösen würde." 318 Sozialpolitische Maßnahmen können daher nur dann mit dem Sozialstaatsprinzip gerechtfertigt werden, wenn Art und Ausmaß der jeweiligen Regelung überhaupt vom Inhalt des Sozialstaatsprinzips gedeckt sind. 319
b) Inhalt des Sozialstaatsprinzips Eine abschließende Definition des objektiv-rechtlichen Gewährleistungsinhalts der Staatszielbestimmung Sozialstaatsprinzip ist nicht möglich, denn der Begriff „sozial" ist in hohem Maß auslegungsbedürftig und wertbestimmt. 320 Trotzdem wird der Inhalt zumeist in zwei Grundmaximen zusammengefaßt. Das Sozialstaatsgebot verpflichtet die Staatstätigkeit zur Herstellung und Erhaltung sozialer Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit. 321 Mit sozialer Sicherheit ist der Schutz vor Risiken, denen Arbeit und ihr Ertrag ausgesetzt sind, angesprochen. In Krisen wie Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Obdachlosigkeit müssen Einrichtungen vorhanden sein, die notwendige Daseinshilfe gewährleisten. 322 S.929f; Schreiber, S. 108; auch Neumann, DVB1 1997, 92 (94 f) der daraufhinweist, daß das Sozialstaatsprinzip den Begründungsaufwand für die Rechtfertigung nicht abnimmt, sondern höchstens verringert. 317 Diese Wirkung wird unterschiedlich bewertet, je nachdem, wie man der Schaffung faktischer Gleichheit gegenübersteht. Zum einen wird behauptet, das Sozialstaatsprinzip verkürze den grundrechtlichen Schutz des Art. 3 GG, indem es „Grundlage für gleichmacherische Gesetzgebung" sei, von Mangold/Klein/Starck-Starck, Art. 3 GG Rdn.28; so auch Schoch, DVB1 1988,863 (869 f). Zum anderen heißt es, daß der Grundrechtsschutz des Gleichheitssatzes verstärkt werde, da das Sozialstaatsprinzip den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers begrenze, Hesse, in FS-Lerche, 121 (123); ebenso von Münch/Kunig-Gubelt, Art.3 GG Rdn.28,69; zum Ganzen vgl. Neumann, DVB1 1997, 92 (94f). 318 BVerfGE 12, 354 (367 f). 319 Vgl. hierzu BVerfGE 12, 354 (367f); Degenhart, Rdn.355; Stern, Bd.I, S.929f; Schreiber, S. 108 f. 320 BVerfGE 5, 85 (198); Badura, S.257; von Münch/Kunig-Schnapp, Art. 20 Rdn. 16; von Münch, Rdn.304; auch Schreiber, S. 19; Degenhart, Rdn. 355; Stern, Bd.I, S. 890f. Aus diesem Grund wird dem Gesetzgeber auch ein weiter Spielraum zugesprochen, soweit er sozialgestaltend tätig wird, vgl. z.B. Jarass/Pieroth-Jarass, Art.20 GG Rdn. 114; Merten, DÖV 1993, 369 (371); Brohm, JZ 1994, 213 (218); Heer, S.58. 321 Bspw. Stern, Bd.I, S. 913; von Münch/Kunig-Schnapp, Art. 20 Rdn. 17; Degenhart, Rdn. 355; Kremser/Leisner, S. 130; vgl. auch § 1 SGB-AT, der als Ziel des Sozialgesetzbuches die „Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und Sicherheit" nennt. 322 Degenhart, Rdn.355; Kremser/Leisner, S. 130.
D. Grenzen aus dem Gleichheitssatz
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Die zweite Maxime - soziale Gerechtigkeit - ist für die Sozialtarifierung entscheidend. Die Schaffung sozialer Gerechtigkeit meint den Schutz des sozial Schwächeren durch den Abbau sozialer Ungleichheiten und die Beseitigung sozialer Bedürftigkeit. 323 Dies bedeutet freilich nicht, daß der Gesetzgeber mit dem Sozialstaatsprinzip ermächtigt wird, soziale Unterschiede völlig einzuebnen und so die Voraussetzungen des freiheitlich-demokratischen Staates auszuhöhlen.324 Die Verantwortlichkeit des Gemeinwesens für die Sicherung einer Existenzgrundlage ist stets sekundär gegenüber der Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen und seiner Verpflichtung, für sich und seine Familie den erforderlichen Unterhalt zu verdienen. 325 Das Sozialstaatsprinzip beschränkt sich jedoch nicht darauf, ein Eingreifen des Gemeinwesens nur für die Fälle zu fordern, in denen der einzelne nicht in der Lage ist, sich eine menschenwürdige Existenz aus eigener Kraft zu schaffen. 326 Sozialer Ausgleich bedeutet nämlich den generellen Abbau von Wohlstandsdifferenzen sowie Anhebung des allgemeinen Wohlstands und Sicherung der Teilhabe daran. Eine Grenze der Angleichung sozialer Verschiedenheiten besteht allerdings bei der undifferenzierten Nivellierung der sozialen Unterschiede. 327 Ein subjektiv-rechtlicher Inhalt kann dem Sozialstaatsgrundsatz angesichts seiner Weite und Unbestimmtheit nicht entnommen werden. 328 Das Bundesverfassungsgericht leitet aus dem Sozialstaatsprinzip aber in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 GG einen Anspruch auf Gewährung eines ein menschenwürdiges Dasein sicherndes Existenzminimums ab. Dieser Anspruch ist nunmehr im Bundessozialhilfegesetz einfachgesetzlich konkretisiert. c) Sozialstaatsprinzip
im Steuerrecht
Im Bereich des Steuerrechts hat das Bundesverfassungsgericht dem Sozialstaatsprinzip das Gebot einer sozialen Steuerpolitik entnommen.329 Insbesondere bei Steuern, die an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet sind, sei die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte erforderlich. 330 Welche konkreten 323
Vgl. BVerfGE 5, 85 (198ff); 22, 180 (204); Maunz/Dürig/Herzog-Herzog, Art. 20 GG VIII Rdn.36. S. 130f. 324 von Mangold/Klein/Starck-Starck, Art. 3 GG Rdn. 28; Maunz/Dürig/Herzog-Dürig, Art. 3 GG Abs. 1 Rdn. 146 ff. 325 Zacher, HStR I, § 25 Rdn. 28. 326 Vgl. hierzu Isensee, in FS-Bornemann, S.365 (374), der daraufhinweist, daß es dem Gesetzgeber freisteht, einzelnen Bevölkerungsgruppen mehr als das Existenzminimum zu gewähren. 327 Vgl. BVerfGE 5, 85 (206); 12, 354 (367); Stern, Bd.I, S.929f; Leisner, S. 143ff. 328 Bspw. BVerfGE 27, 253 (283); 41,126 (153f); Stern, Bd.I, S.916; Zacher, HStR I, §25 Rdn. 107; Sachs-Sachs, Art. 20 Rdn. 50. 329 BVerfGE 13, 331 (347); 27, 111 (131); 29, 402 (412); vgl. auch Schmidt-Bleibtreu/ Klein-Klein, Art. 20 GG Rdn. 20 a. 330 BVerfGE 32, 333 (339); 36, 66 (72); auch 61, 319 (343); 68, 143 (152).
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
Auswirkungen der Sozialstaatsgrundsatz auf das Leistungsfähigkeitsprinzip hat, bleibt in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung jedoch unklar. 331 Das Gericht leitet aber analog zur verfassungsrechtlichen Begründung des Anspruchs auf Sozialhilfe die Steuerfreiheit des Existenzminimums in Höhe der Sozialhilfe aus dem Sozialstaatsprinzip in Verbindung mit der Menschenwürde ab. 332 Ebenso sieht das Bundesverfassungsgericht in diesen Normen und zusätzlich auch in Art. 6 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich festgelegt, „daß bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei bleiben muß." 333 Das Sozialstaatsprinzip dient zudem der Rechtfertigung von sozialmotivierten Steuervergünstigungen und Umverteilungsnormen. 334 Beispielsweise wird die einkommensteuerliche Progression als Abweichung vom aus Art. 3 Abs. 1 GG fließenden Leistungsfähigkeitsprinzip aufgefaßt, aber über den Sozialstaatsgrundsatz als gerechtfertigt angesehen.335 d) Sozialstaatsprinzip
im Gebührenrecht
aa) Rechtfertigung von Sozialtarifen Im Gebührenrecht läßt sich für die Rechtfertigung sozialer Tarifvergünstigungen ebenfalls auf das Sozialstaatsprinzip zurückgreifen. Die Ziele, die mit sozialmotivierten Tarifdifferenzierungen verfolgt werden, finden im Sozialstaatsgedanken eine verfassungsrechtliche Grundlage. Soziale Gebührentarife dienen der Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit. Die mit einer empfängerbezogenen Bemessung zusammenhängende Einkommenskorrektur trägt zum Abbau von Wohlstandsdifferenzen bei. Mit den günstigen Tarifen werden soziale Unterschiede in gewissem Rahmen ausgeglichen. Art und Ausmaß dieser Förderung Schwächerer überschreitet auch keineswegs die Grenze zu einer beliebigen Sozialgestaltung. Es findet gerade keine vollkommene Einebnung sozialer Unterschiede statt. In diesem Zusammenhang gewinnt die 331 Vgl. hierzu Lehner, S. 315. In der Literatur wird auch das Sozialstaatsprinzip als Wurzel des Leistungsfähigkeitsprinzips angesehen. Indem Fiskalzwecknormen konsequent an der Leistungsfähigkeit ausgerichtet werden, wird ein sozialer Ausgleich geschaffen und so dem Inhalt des Sozialstaatsprinzips Rechnung getragen. Das Leistungsfähigkeitsprinzip sei daher sozialstaatlich geprägt, bspw. Tipke/Lang, S. 122f; Tipke, Bd.I, S.409f; P. Kirchhof, HStR IV, § 87 Rdn.93f; Lehner, S. 14, 315 ff; auch Birk, „Leistungsfähigkeitsprinzip", S. 139ff. 332 BVerfGE 82, 60 (85); mit freiheitsrechtlichem Ansatz demgegenüber BVerfGE 87, 153 (169). In der Literatur wird darüber hinaus gefordert, daß ein soziales Steuerrecht gerade einen über dem sozialhilferechtlichen Existenzminimum liegenden Betrag steuerfrei lassen müsse, vgl. hierzu Tipke/Lang, S. 9; Lehner, S. 3, 9 m. w. N. 333 BVerfGE 82, 60 (85 f); 99, 216 (233); 99, 246 (259). 334 Vgl. Tipke/Lang, S. 123; Tipke, Bd.I, S.410. 335 Vgl. Tipke/Lang, S. 123; Tipke, Bd.I, S.411 ff; vgl. auch von Mangold/Klein/StarckStarck, Art. 3 GG Rdn. 27; entgegen BVerfGE 8,51 (68 f), hier wird die Progression allein aus dem Gleichheitssatz abgeleitet, ähnlich auch BVerfGE 97, 332 (345).
D. Grenzen aus dem Gleichheitssatz
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Tatsache an Bedeutung, daß soziale Ermäßigungen die leistungsstarken Schuldner nicht „über Gebühr" belasten. Selbst ihnen wird die Leistung oftmals noch billiger, als die entstehenden Verwaltungskosten angeboten. Von einer Nivellierung der Einkommensunterschiede kann keine Rede sein. Dies ist bei kommunalen Gebühren ohnehin schwer denkbar, da ihre Zahlungspflicht nur einen verhältnismäßig geringen Anteil an der Gesamtbelastung mit staatlichen Abgaben ausmacht. Die günstigen Tarife kürzen auch nicht den Wohlstand des einen zu Lasten des anderen. Die Ermäßigungen sichern vielmehr die Teilnahme aller am gesellschaftlichen Wohlstand, indem sie dem einzelnen Schuldner die Entgegennahme des staatlichen Leistungsangebots erleichtern. Sie helfen vor allem auf kommunaler Ebene, daß niemand faktisch von den für ihn notwendigen Einrichtungen der Daseinsvorsorge ferngehalten wird. Sozial ermäßigte Gebührenstaffelungen tragen damit zu einer gerechten Verteilung staatlicher Mittel bei. Diese Form der Gebührenbemessung kann daher grundsätzlich durch das Sozialstaatsprinzip gerechtfertigt werden. 336 bb) Einschränkung der Rechtfertigung auf „sozialstaatliche Leistungen"? Die Zulässigkeit vergünstigter Gebühren wird teilweise nur angenommen, wenn mit der Abgabe eine Leistung finanziert wird, die sozialstaatlichen Zwecken dient. 337 Auf kommunaler Ebene sollen dies Leistungen im Bildungs-, Kultur-, So336
Das entspricht mittlerweile der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur bspw. BVerfG, 97, 332 (346f); BVerwG, NVwZ 1995, 173 (174); VGH Kassel, NVwZ 1995,406 (408); VGH Mannheim, NVwZ 1994,193 (194); OVG Lüneburg, NVwZ 1990,91, (92 f); OVG Bremen, DVB1 1988, 250 (251); von Mangold/Klein/Starck-Starck, Art. 3 GG Rdn. 115; Kloepfer, AöR 97 (1972), 232 (256ff); Wendt, S. 151 f; Wilke, S. 323; F. Kirchhof, „Gebühr", S. 146; Kämper, S. 141 ff; Henneke, Jura 1990, 113 (115f); Papermann/Löhr, JuS 1981, 269 (271); Kottmann, KStZ 1985,41 (42); S. Meyer, S.211; Gusy, ZfSH 1979,79 (81); Gern, Rdn. 1078; ders., DVB1 1984,1164 (1166); ders., NVwZ 1995, 1145 (1154); DriehausLichtenfeld, §6 KAG Rdn.752; Driehaus-Dahmen, §4 KAG Rdn. 140; Rogosch, S. 163; ders., KStZ 1987, 121 (121 f); Friedel, KStZ 1996, 181 (201); ders., ZKF 1999, 152 (154); Schmid, KStZ 1985, 25 (28); Brehm, S.236f; Menger, VerwArch 1977, 389 (396ff); Degenhart, Rdn. 355; Birk, „Steuerrecht", Rdn. 110; Urban, KStZ 1993, 161 (162); ohne explizit das Sozialstaatsprinzip zu nennen bspw. P. Kirchhof, Jura 1983, 505 (513); Bonner Kommentar-Rüfner, Art. 3 GG Rdn. 291; Sachs-Osterloh, Art. 3 GG Rdn. 173. Gegen eine Rechtfertigung sozialer Gebührentarife vor Art. 3 Abs. 1 GG aber insbes. OVG Lüneburg, OVGE 35,455 (458), VGH Kassel, NJW 1977,452 (454); Bonner Kommentar-Vogel/Waldhoff, Vor. Art. 104a-l 15 GG Rdn.420; Vogel, Anm. zu VGH Kassel, NJW 1977,452 (454); Benne, DGStZ 1976,3(5); Leisner, in GS-Peters, 730 (746); Stephan, JurAn 1970, 867 (876); Brohm, in FS-Knöple, 57 (70); Jestaedt, DVB1 2000, 1820 (1824ff) vgl. auch Richtsteig, S. 121 f; Koch-Scholz, § 3 AO Rdn. 14/9; Arndt, S. 19; Kempen, NVwZ 1995, 1163 (1164f); Windemuth, KStZ 1978, 103 (108 f); Webersinn, DÖV 1978, 165 (167). 337 Vgl. OVG Lüneburg, NVwZ 1990,91 (93); OVG Bremen, DVB11988,250 (251 f), Kämper, S. 142 ff; Friedel, KStZ 1996, 181 (201); ders., ZKF 1999, 152 (155); Driehaus-Lichtenfeld, §6 KAG Rdn. 752; Bößl, KStZ 1975, 84 (86); Menger, VerwArch 1977, 389 (396); Kott7 Schumacher
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
zial- und Gesundheitswesen sein. Gerade Kindergärten stehe „der Sozialstaatsgedanke geradezu auf der Stirn." 338 Eine Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte bei sozialstaatlich neutralen Leistungen, wie der Abwasserentsorgung und der Müllabfuhr, soll aber demgegenüber ausscheiden.339 Diese Beschränkung der Rechtfertigung empfängerbezogener Tarifgestaltungen auf bestimmte Gebühren erscheint vor dem Hintergrund des Sozialstaatsprinzip jedoch nicht geboten. Die mit einer Gebührenermäßigung verfolgten sozialen Ziele sind, unabhängig von der Art der zugewandten Leistungen, von Bedeutung. Dem kollektiven Zweck, soziale Unterschiede zu korrigieren, ist dies ohnehin immanent. Doch auch der Gedanke, dem Bedürftigen die Entgegennahme der Leistung zu erleichtern, ist bei sämtlichen Leistungen bedeutsam. Sozialstaatlich geprägte Leistungen lassen sich nicht von angeblich sozialstaatlich neutralen Leistungen abgrenzen. Sicherlich stehen Kindergärten, sowie andere Leistungen auf den Sektoren Bildung, Kultur und Gesundheit im Zentrum des Sozialstaates. Kaum zu erklären ist aber, warum dies bei kommunalen Leistungen aus anderen Bereichen der Daseinsvorsorge, wie der Abwasser- und Müllentsorgung, nicht der Fall sein sollte. Die Versorgung mit Wasser ist für den einzelnen Bürger genauso wichtig wie die Betreuung seiner Kinder im Kindergarten. 340 Ebenso kann schon die bloße Vornahme einer Amtshandlung, für die eine Verwaltungsgebühr erhoben wird, für den Empfänger einen sozialen Wert haben. Der Sozialstaatsgedanke erlaubt es auch hier, den Geldbeutel des Bürgers durch einen günstigen Tarif zu schonen. cc) Anspruch auf soziale Staffelung? Entgegenzutreten ist aber auch der gelegentlich geäußerten Behauptung, eine soziale Staffelung sei bei „sozialgeprägten" Leistungen zwingend geboten.341 Hierzu müsste das Sozialstaatsprinzip einen Anspruch auf die leistungsfähigkeitsbezogene Staffelung gewähren. 342 Einen solches subjektives Recht vermittelt der Grundsatz aber nicht. Er fordert zwar in Verbindung mit der Menschenwürde, daß jedem die Mindestvoraussetzungen einer menschenwürdigen Existenz zukommen müssen. Dies bedeutet für die Gebührenerhebung jedoch nur, daß eine Bemessung untersagt ist, bei der die Gebührentarife auf das Existenzminimum zugreifen könnten. Eine mann, KStZ 1985, 41 (43f); einschränkend auch BVerfGE, 97, 332 (346f), dort wird für die Rechtfertigung der Staffelung auf die Art der mit der Gebühr finanzierten Leistung abgestellt und zu dem Ergebnis gelangt, daß die Abstufung jedenfalls dann zulässig ist, wenn die Leistung der Verwirklichung sozialstaatlicher Gedanken diene. 338 So OVG Lüneburg, NVwZ 1990, 91 (92f); OVG Bremen, DVB1 1988, 250 (251). 339 Insbes. Friedel, KStZ 1996, 181 (202); ders., ZKF 1999, 152 (155); Kottmann, KStZ 1985, 41 (43). 340 Ehlers, NWVB1 1990, 80 (84). 341 Vgl. hierzu Friedel, ZKF 1999, 152 (155); Gern, DVB1 1984, 1164 (1167f); Knobloch, KStZ 1975, 205 (205 f). 342 Vgl. hierzu auch Gußen, S. 75 ff.
D. Grenzen aus dem Gleichheitssatz
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positive Anweisung, „Wie" dieses Verbot einzuhalten sei, kann aus dem Sozialstaatsprinzip aber nicht abgelesen werden. Solange sichergestellt ist, daß die Gebühr Bedürftige nicht von existenznotwendigen Leistungen (z. B. Trinkwasser- und Energieversorgung) ausschließt, beinhaltet der Verfassungsgrundsatz keine weiteren Anforderungen an den Gebührentarif. Der Gesetzgeber hat dem Anspruch auf Gewährung des Existenzminimums ohnehin durch Schaffung des Bundessozialhilfegesetzes Genüge getan. Die dortigen Regelungen verhindern auch, daß kommunale Gebühren das Existenzminimum der Abgabepflichtigen antasten. Gemäß § 11 Abs. 1 BSHG wird demjenigen Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht ausreichend selbst bestreiten kann. § 12 Abs. 1 BSHG bestimmt hierzu, daß unter den Lebensunterhalt sämtliche Kosten einer privaten Haushaltsführung fallen. Der Umfang der Finanzierung dieser Kosten richtet sich nach § 22 Abs. 2 BSHG i.V. m. § 1 ff RegelsatzVO. Danach wird die Belastung mit Gebühren für Leistungen der Kommunen, die zur Haushaltsführung unerläßlich sind, wie die Versorgung mit Energie und Wasser oder die Müllabfuhr, in der Hilfe zum Lebensunterhalt berücksichtigt. Die staatliche Hilfe für solche Gebührenpflichten bemißt sich sogar nicht nur nach den pauschalen Regelsätzen, sondern die gezahlten Gebühren werden aufgrund § 3 Abs. 1 Regelsatz VO in tatsächlicher Höhe erstattet. Das BSHG schützt das Existenzminmum damit bereits vor einem Zugriff durch kommunale Gebühren. Mit dem Sozialstaatsprinzip können daher ermäßigte Gebührenstaffelungen zwar gerechtfertigt werden, ein Anspruch auf eine solche Tarifgestaltung legt der Grundsatz aber nicht fest.
3. Legitimation von Sozialstaffelungen durch Art. 6 Abs. 1 GG Einen verfassungsrechtlichen Bezugspunkt für die Zulässigkeit sozial ausgestalteter Gebührentarife gibt allerdings nicht nur das Sozialstaatsprinzip, sondern zudem auch Art. 6 Abs. 1 GG. 343 Die inhaltliche Gewährleistung dieses Grundrechts wird in dreierlei Weise beschrieben. Art. 6 Abs. 1 GG ist Institutsgarantie, 344 Abwehrrecht 345 und wertentscheidende Grundsatznorm. 346 Für die Frage nach der Legitimation sozial orientierter Staffelungen ist nur die letztgenannte Wirkungsweise von Bedeutung. 343
Vgl. zu Art. 6 GG im Gebührenrecht, Gußen, S. 60ff; Reinhard, S. 141 f. BVerfGE 6,55 (72); 76,1 (41); 80, 81 (92); bspw. von Münch/Kunig-E. v.Münch, Art. 6 GG Rdn.9; Sachs-Schmitt-Kammler, Art. 6 GG Rdn.27; Kingreen, Jura 1997,401 (404). 345 BVerfGE 6, 55 (71); bspw. von Münch/Kunig-E. v. Münch, Art. 6 GG Rdn. 12; SachsSchmitt-Kammler, Art. 6 Rdn. 20; Kingreen, Jura 1997, 401 (401 f). 346 BVerfGE 6,55 (72 f); 62, 323 (329); 80, 81 (92 f); bspw. Sachs-Schmitt-Kammler, Art. 6 GG Rdn. 30; Schmidt-Bleibtreu/Klein-Klein, Art. 6 GG Rdn. 1; von Mangold/Klein/StarckRobbers, Art. 6 GG Rdn. 8 ff; Jarass/Pieroth-Pieroth, Art. 6 GG Rdn. 1 f. 344
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
Aus dem Charakter einer wertentscheidenden Grundsatznorm folgt das Gebot, Ehe und Familie durch staatliche Maßnahmen zu fördern. 347 Eine solche Förderungspflicht gilt nicht nur in ideeller Hinsicht, vor allem im materiell-wirtschaftlichen Bereich soll die Familie durch staatliche Regelungen gestärkt werden. 348 Dem Gesetzgeber bleibt jedoch ein beachtlicher Gestaltungsspielraum bei der Wahrnehmung seiner Schutz- und Förderungsaufgabe. 349 Es muß nicht jede finanzielle Belastung der Familien ausgegleichen werden. 350 Ohnehin vermittelt Art. 6 Abs. 1 GG regelmäßig keine konkreten Leistungsansprüche.351 Spiegelbildlich zur Förderungspflicht gehört ein Benachteiligungsverbot von Ehe und Familie gegenüber Nicht-Verheirateten und Nicht-Familien.352 Insoweit kann Art. 6 Abs. 1 GG gegenüber Art. 3 Abs. 1 GG als spezielleres Grundrecht angesehen werden, denn es konkretisiert den allgemeinen Gleichheitssatz personell und verschärft dessen Diskriminierungsverbot. 353 Aus diesen beiden Facetten der objektiven Wertentscheidung folgt die Pflicht zu einer familiengerechten Ausgestaltung des Abgabenrechts. 354 Das Steuersystem muß den besonderen Belastungen der Familie Rechnung tragen. Demzufolge muß das Existenzminimum der Familie steuerfrei bleiben.355 Ebenso ist eine benachteiligende Besteuerung von Verheirateten und Familien mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar. 356 Mit dem Förderungsgebot können steuerliche Begünstigungen für diese Personengruppen gerechtfertigt werden. 357 Familienfreundliche Steuervergünstigungen sind bei der derzeitigen Ausgestaltung des Einkommenssteuerrechts allerdings selten zu finden. 358 347
BVerfGE 6,55 (71); 87,1 (35); zum folgenden bspw. Sachs-Schmitt-Kammler, Art. 6 GG Rdn. 30 ff; Kingreen, Jura 1997, 401 (405 f) m. w.N. 348 Vgl. BVerfGE 61, 18 (25); 75, 382 (392). 349 BVerfGE 23, 258 (264); 82, 60 (81 f); 87, 1 (35). 350 BVerfGE 23, 258 (264); 87, 1 (35). 351 BVerfGE 39, 316 (326); 82, 60 (81); vgl. aber auch Lecheler, HStR VI, § 133 Rdn. 105. 352 BVerfGE 9, 237 (247); 75, 361 (366). 353 Vgl. BVerfGE 6, 55 (71); 75, 348 (357); Sachs-Schmitt-Kammler, Art. 6 GG Rdn. 32; Dreier-Göschner, Art. 6 GG Rdn. 124; Jarass/Pieroth-Pieroth, Art. 6 GG Rdn. 11. 354 Vgl. BVerfGE 81, 363 (376); zum folgenden, Lingemann, S.42ff; Tipke/Lang, S. 132f; Pechstein, S. 271 ff; auch Sachs-Schmitt-Kammler, Art. 6 GG Rdn. 35; Schmidt-Bleibtreu/ Klein-Klein, Art. 6 GG Rdn. 3; von Mangold/Klein/Starck-Robbers, Art. 6 GG Rdn. 104 ff. 355 Vgl. BVerfGE 82, 60 (85); 82, 198 (206f); 87, 153 (169); 91 93 (115); 99, 216 (232ff); 99, 246 (259 f). 356 wie bspw. die frühere Zusammenveranlagung von Ehegatten, BVerfGE 6,55 (70ff); vgl. auch BVerfGE 18, 97 (106); 23, 74 (79). 357
Vgl. hierzu Lingemann, S.66f, 202f. Diese Abweichungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip sind jedoch meist auch schon durch den Sozialstaatsgrundsatz legitimiert, vgl. Lecheler, HStR VI, §133 Rdn. 67. 358 Vgl. Lingemann, S. 60, 204ff; Tipke/Lang, S. 132.
D. Grenzen aus dem Gleichheitssatz
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Im Gebührenrecht kann die Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG ebenfalls eine Rolle spielen. So dürfen Ehe und Familie keinesfalls zum Anlaß einer höheren Belastung gegenüber anderen Gebührenschuldnern genommen werden. 359 Aus dem Förderungsgebot kann man zudem die Zulässigkeit familienbezogener Degressionen ableiten.360 Ermäßigungen für Familien werden in der kommunalen Verwaltungspraxis auch häufig gewährt. Insbesondere bei Gebühren für kulturelle Einrichtung sind sie vorgesehen. Zu einer generellen Rechtfertigung sozialer Gebührenstaffelungen taugt Art. 6 Abs. 1 GG demgegenüber kaum. Bei einer Bemessung nach der Leistungsfähigkeit des Gebührenschuldners werden nämlich auch die einzelnen Familien anhand ihrer Leistungsfähigkeit unterschiedlich beurteilt. Einkommensabhängige Gebühren begünstigen in erster Liniefinanzschwache Familien. Fürfinanzstarke Familien ergibt sich kein Vorteil. Zu einer Unterscheidung verschieden leistungsstarker Familien und Ehepaare bietet Art. 6 Abs. 1 GG aber keinen Anhaltspunkt. Der Schutzbereich des Grundrechts ist gerade nicht auf sozial schwache Familien begrenzt. 361 Eine leistungsfähigkeitsorientierte Gebührenbemessung kann dennoch generell familienfreundliche Wirkung entfalten. Das ist möglich, soweit die Gebühr zur Finanzierung einer spezifisch familienbezogenen Leistung erhoben wird, wie beispielsweise das Unterhalten von Kindergärten. Die familienfördernde Wirkung dieser Leistung ist dann desto höher, je mehr Familien in der Lage sind, durch günstige Tarife den Kindergartenbesuch zu finanzieren. Das Ziel sozialer Gebührentarife, dem Einzelnen die Inanspruchnahme der Leistung zu erleichtern, gewinnt daher hier eine besondere Bedeutung.362 Ein familienfreundlicher Effekt liegt bei der Kindergartengebührenstaffelung zudem in der Signalwirkung der verbilligten Tarife. Der Gebührengläubiger macht durch die Ermäßigungen deutlich, daß er kindbedingte Mehrbelastungen zumindest für einkommensschwache Familien gering hält und deswegen niemand aufgrund seiner finanziellen Situation vor der Gründung einer Familie zurückschrecken muß. 363 359 Gußen, S.62f. 360 v g l Gußen, S. 65. Gebührenermäßigungen für Familien lassen sich beispielsweise so umsetzen, daß für die Inanspruchnahme kommunaler Leistungen durch Familien eine Gruppengebühr vorsehen wird, die insgesamt niedriger ist als die Summe der mit der Anzahl der Familienmitglieder multiplizierten „normalen Gebühr". Letztlich ist auch eine günstigere Inanspruchnahme der Leistung durch Kinder eine familienfördernde Maßnahme. 361
Vgl. auch von Mangold/Klein/Starck-Robbers, Art. 6 GG Rdn. 80 (FN 117). In diese Richtung geht auch die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung zu der Kindergartengebührenstaffelung. Das Gericht hat die einkommensabhängige Kindergartengebührenstaffelung dort auch deswegen als zulässig erachtet, weil die Gebühr eine Leistung betreffe, durch die der Staat seine Verpflichtung aus Art. 6 Abs. 1 GG erfülle, BVerfGE 97, 332 (347), vgl. auch Jestaedt, DVB1 2000, 1820 (1823). 363 Das Bundesverfassungsgericht geht in der Entscheidung zu den Kindergartengebühren sogar einen Schritt weiter, indem es zusätzlich Art. 2 Abs. 2 GG und die hierin liegende Schutz362
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
4. Abwägung der sozialen Ziele gegen die Ungleichbehandlung Das Sozialstaatsprinzip und in begrenzter Weise auch Art. 6 Abs. 1 GG bieten einen verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt, um die Legitimität der mit sozialen Gebührentarifen verfolgten Ziele zu beweisen. Die durch soziale Ermäßigungen entstehende Ungleichbehandlung der Gebührenschuldner kann daher grundsätzlich über das Sozialstaatsprinzip und das Grundrecht gerechtfertigt werden. Aus der bereichsspezifischen Ausformung des Gleichheitssatzes folgt aber, daß zur Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung der Gebührenschuldner nicht bloß ein vernünftiger Zweck ausreicht. Soziale Tarifdifferenzierungen müssen des weiteren geeignet, erforderlich und angemessen sein, um die mit ihnen angestrebten sozialpolitischen Vorstellungen zu verwirklichen. Leistungsfähigkeitsbezogene Staffelungen scheinen zur Verfolgung der sozialen Ziele geeignet zu sein. Es bedarf jedoch genauerer Betrachtung, wie sich die Sozialtarife bei den bedürftigsten Gebührenschuldnern auswirken. Wie bereits dargestellt, werden nach § 22 Abs. 1 BSHG i.V. m. § 3 RegelsatzVO die Kosten für die Unterkunft, also Miete einschließlich der Nebenkosten, in tatsächlicher Höhe getragen. Unter die Nebenkosten fallen zumeist auch Entgelte für Wasserversorgung, Abwasser- und Müllentsorgung, Straßenreinigung und Heizung. Werden Gebühren für diese Leistungen zugunsten von sozialschwachen Schuldnern ermäßigt, so ergibt sich für die Gruppe der Sozialhilfeempfänger durch den günstigen Tarif kein Vorteil. Die Gebührensenkung führt bei Sozialhilfeempfängern zu einer Senkung ihrer Sozialhilfe in gleicher Höhe, weil bereits die Sozialhilfe die Gebührenbelastung in tatsächlicher Höhe berücksichtigt. Was die Kommune bei der Gebühr an Sozialrabatt gewährt, schlägt bei der Höhe der Sozialhilfe mindernd zu Buche. Diese Tatsache läßt die sozialfördernde Wirkung allerdings nicht entfallen. Von Ermäßigungen profitieren schließlich immer noch all jene Schuldner, die zwar nicht auf die Sozialhilfe angewiesen sind, aber aufgrund ihrer geringen Leistungsfähigkeit dennoch einen sozialen Tarif beanspruchen können. Auch Sozialtarife für Gebühren, die von der Sozialhilfe in tatsächlicher Höhe übernommen werden, sind daher zur Sozialförderung geeignet. Des weiteren stellt sich die Frage, ob Sozialtarife als Mittel zur Sozialförderung erforderlich sind. Das Gebot der Erforderlichkeit ist verletzt, wenn das Ziel der staatlichen Maßnahme auch durch ein anderes, gleich wirksames Mittel erreicht werden kann. 364 In dieser Hinsicht sind gegenüber einer sozialen Ausgestaltung von Gebühren zwei andere Maßnahmen denkbar. pflicht des Staates für das ungeborene Leben aktiviert. Durch die Verfügbarkeit von Kindergartenplätzen könnten Paare in ihrer Entscheidung beeinflußt werden, ein Kind nicht abzutreiben, BVerfGE 97, 332 (347 f). 364 Bspw. BVerfGE 53, 135 (145 f); 67, 155 (177); 68, 193 (219); Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 20 GG Rdn.60.
D. Grenzen aus dem Gleichheitssatz
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Verschiedentlich wird darauf hingewiesen, Sozialförderung habe sich im allgemeinen in den dafür vorgesehen Bahnen zu vollziehen. Die Berücksichtigung sozialer Momente sei nicht Aufgabe kommunaler Abgaben, sondern in erster Linie die des Einkommensteuerrechts und der Sozialförderungsgesetze. 365 Hieran ist zuzugeben, daß sich die Steuergesetzgebung sicherlich besser zur Umsetzung distributiver Zielsetzungen eignet als das Gebührenwesen.366 Vor allem bei der Einkommensteuer läßt sich das Leistungsfähigkeitsprinzip am vollkommensten verwirklichen, so daß auch Abweichungen hiervon aus verteilungspolitischen Zwecken verhältnismäßig gut steuerbar sind. Die progressive Traifgestaltung ermöglicht eine recht flexible zusätzliche Belastung der Besserverdienenden. Zudem kann die Entlastung einkommensschwacher Bürger gezielt reguliert werden, indem der Eingangssteuersatz und die Höhe des steuerfreien Existenzminimums entsprechend gestaltet werden. Gleichwohl kann die Möglichkeit, soziale Aspekte im Einkommensteuerrecht zu berücksichtigen, nicht gegen eine soziale Ausgestaltung kommunaler Gebühren sprechen. Die Kommunen besitzen keine Kompetenz zur Regelung der Einkommensteuer. Genausowenig haben sie Einfluß auf die Normierung von Sozialförderungsgesetzen wie dem Bundessozialhilfe-, Kindergeld- und Wohngeldgesetz. Es kann aber bei der Frage, ob nicht bessere Alternativen im Sinne eines milderen Mittels vorhanden sind, nur auf solche Möglichkeiten ankommen, die der Kommune zustehen. Es wäre widersinnig, der Kommune die Kompetenz für eine Sozialförderung durch Gebühren einzuräumen, ihr dann aber entgegenzuhalten, andere Kompetenzträger könnten die Materie wirkungsvoller regeln. Dennoch stellt Sozialförderung durch kommunale Direktleistungen einen diskussionswürdigen Ansatz dar. 367 Es könnten direkte, aus entsprechenden Sozialetats finanzierte Transferzahlungen an die jeweiligen Personen erfolgen, anstatt ihnen über Sozialtarife einen Nachlaß bei der Abgabenzahlung zu gewähren. Die Kommune könnte so Subjekt statt Objektförderung betreiben. 368 Eine solche Subjektförderung ist jedoch, verglichen mit der Gebührendegression, keine bessere oder gleichgeeignete sozialpolitische Alternative. Beide Methoden sind auf kommunaler Ebene schlicht austauschbar.369 Für den Bedürftigen ist es unerheblich, ob sein Geldbeutel bei Entrichtung der Gebühr geschont wird, oder ob er hierbei wie jeder andere zur 365
Vgl. hierzu OVG Lüneburg, NVwZ 1990,91 (93); Rehm, ZKF 1982,228 (230); Friedel, ZKF 1999, 152 (154); ders., KStZ 1996, 181 (201); Gern, DVB1 1984, 1164 (1166); Brückmann, KStZ 1988, 21 (23); vgl. auch Reinhard, S. 188 ff; Seeger, GemH 1976, 271 (274). 366 Vgl hierzu Teil 1 B.II.2. 367 Vgl. hierzu Friedel, ZKF 1999, 152 (154); ders., KStZ 1996, 181 (201); Seeger, GemH 1976, 271 (274); Bals/Nölke, KStZ 1990, 201 (206); Rehm, ZKF 1982, 228 (229); Zimmermann, DVB1 1989, 901 (903); auch Bauernfeind/Zimmermann, §2 Rdn. 16; Gawel, S. 149f. 368 Vgl. Seeger, GemH 1976, 271 (274 FN 48). 369 Zur funktionalen Vertauschbarkeit Gebührenermäßigungen und Direkttransfers vgl. Kloepfer, AöR 97 (1972), 232 (259); für die kommunale Ebene vgl. OVG Münster, NWVB1 1995,170 ff. Zur Austauschbarkeit von Steuervergünstigungen und Direktleistungen, vgl. Tipke/Lang, S.776; Schaden, S.25ff.
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Kasse gebeten wird, ihm aber im nachhinein eine seinen Einkommensverhältnissen entsprechende individuelle Beihilfe gewährt wird. Das ist auch nicht anders zu bewerten, soweit sozialmotivierte Degressionen bei Gebühren in Frage stehen, die komplett durch die Sozialhilfe getragen werden. Die Förderung durch vergleichbare kommunale Beihilfe führt genauso zu einer Kürzung der Sozialhilfe, wie dies bei entsprechenden Sozialtarifen der Fall ist. Die Beihilfe mehrt das sozialhilferechtliche Einkommen des Bedürftigen, da hierin gemäß § 76 BSHG alle geldwerten Zuflüsse zu berücksichtigen sind. Von der Höhe dieses Einkommens hängt aber wiederum die Höhe der nach § 11 BSHG gewährten Hilfe zum Lebensunterhalt ab. Sozialhilfeempfänger profitieren daher auch von kommunalen Beihilfen nicht in größerem Maße als von sozialen Gebührenermäßigungen. Im Ergebnis sind kommunale Direktleistungen für die Bedürftigen deswegen keinesfalls vorteilhafter als Gebührendegressionen. Für die leistungsstarken Gebührenschuldner ist eine derartige Förderung ebenfalls nicht weniger belastend. Für sie macht es keinen Unterschied, ob die Abgabe für andere Pflichtige ermäßigt gestaffelt wird oder ob diese zunächst für „gleich hohe Inanspruchnahme gleiche Gebühren" entrichten müssen und dann eine entsprechende finanzielle Zuwendung erhalten. Der vermögende Schuldner zahlt stets den gleichen Gebührenbetrag, unabhängig davon, ob der Tarif für andere ermäßigt wird oder nicht. Soweit die Abschläge aus Haushaltsmitteln finanziert sind, wird er nicht zusätzlich zur Kasse gebeten. Eine Förderung durch kommunale Direkttransfers ist daher im Vergleich zu einer sozialen Gebührenstaffelung kein milderes, sondern nur ein anderes sozialpolitisches Mittel. Die durch Sozialtarife entstehenden Ungleichbehandlungen sind damit zur Erreichung ihrer sozialen Ziele erforderlich. Die Ungleichbehandlung der Gebührenschuldner durch soziale Gebührentarife ist auch angemessen. Gebührenermäßigungen stellen eine vernünftige sozialpolitische Maßnahme dar, denn sie erleichtern den Bedürftigen die Inanspruchnahme des kommunalen Leistungsgebots. Insbesondere im Bereich der Daseins Vorsorge ist es von erheblicher Bedeutung, so wenig potentielle Empfänger wie möglich durch den Preis faktisch von der Leistung auszuschließen. Die Bereitstellung von Leistungen, die jedem ein sinnvolles menschliches Dasein ermöglichen sollen, wäre ad absurdum geführt, wenn diese Leistungen nur für einen Teil der Bevölkerung zugänglich wären. Das wird um so deutlicher, wenn mit der Leistung selbst in erster Linie soziale Zwecke verfolgt werden. So ist die gesellschaftspolitische Notwendigkeit, jedes Kind einen Kindergarten besuchen zu lassen, augenfällig. In Kindergärten wird der erste Grundstein für die weitere Entwicklung der persönlichen Fähigkeiten gelegt. Chancengleichheit würde zur Farce, wenn schon auf der ersten Stufe des staatlichen Bildungsangebots ein Graben zwischen einzelne Gesellschaftsschichten geschlagen wird. Gründe für die Wichtigkeit einer Teilhabe aller an staatlichen Leistungen können jedoch in jedem Bereich gefunden werden. Eine Trennung zwischen sozialen und
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sozial neutralen Leistung läßt sich wie dargelegt nicht durchführen. Für den Bedürftigen ist die Unterbringung seiner Kinder genauso wichtig wie die Versorgung mit Wasser und Energie. Gegenüber den Vorteilen ermäßigter Gebühren stellt die mit ihnen einhergehede Schlechterstellung der vermögenden Schuldner nur eine geringfügige Beeinträchtigung dar. Bei aus Haushaltsmitteln finanzierten Ermäßigungen gewinnt hierbei der Gedanke Bedeutung, daß leistungsstarke Abgabepflichtige nicht „über Gebühr" belastet werden. Wenn die Höchstgebühr genau kostendeckend kalkuliert ist, steht ihrer Zahlung eine gleichwertige Staatsleistung gegenüber. Soweit die einzelne Gebühr nicht kostendeckend ist, wird mit der gebührenpflichtigen Leistung sogar ein über der Zahlungspflicht liegender Vorteil zugewandt. Dies ist bei vielen kommunalen Leistungen der Fall, so daß im Ergebnis auch die leistungsstarken Abgabenschuldner von der Entgegennahme der gebührenpflichtigen Leistung proftieren. Anders als bei progressiven Staffelungen zahlen sie nicht zusätzlich für die leistungsschwachen Schuldner. Bei einer degressiven Staffelung erfolgt ihre Förderung durch allgemeine Haushaltsmittel. Aus diesem Blickwinkel wird deutlich, daß eine solche Ungleichbehandlung für die gut situierten Gebührenschuldner nicht erheblich ist. Wer nicht auf staatliche Hilfe angewiesen ist, für den hat eine Verteilungspolitik, die ihn zugunsten Sozialschwächerer nicht berücksichtigt, keine schwerwiegenden Belastungen zur Folge. In Anbetracht dessen können soziale Ermäßigungen nur als angemessen bewertet werden. 5. Ergebnis Soziale Ermäßigungen verstoßen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die durch sie entstehende Ungleichbehandlung zwischen den Gebührenschuldnern ist durch hinreichend sachliche Gründe gerechtfertigt. Eine degressive Gebührenstaffelung verfolgt durch das Sozialstaatsprinzip legitimierte Zwecke und ist zur Erreichung dieser Ziele geeignet, erforderlich und angemessen.
III. Der Gleichheitssatz und sozialmotivierte Erhöhungen Ist eine soziale Staffelung nach unten zulässig, stellt sich die Frage, ob diese auch über eine progressive Staffelung durch die leistungsstarken Gebührenschuldner finanziert werden kann. In Bezug auf solche Erhöhungen ist im Hinblick auf den Gleichheitssatz das Verhältnis von leistungsstarken Gebührenschuldnern und Nichtschuldnern problematisch. 371 Das Bundesverfassungsgericht spricht dies in der Kin370
Vgl. hierzu schon Teil 2 D. II. 2. d) bb). Dieses Verhältnis wird selten erwähnt. Zumeist wird nur auf die Ungleichbehandlung der Gebührenschuldner untereinander abgestellt. Eine Ungleichbehandlung Gebührenschuldner/ 371
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
dergartengebührenentscheidung als Grundsatz der Abgabengerechtigkeit an. 372 Allerdings stellt das Gericht dabei nicht ausdrücklich auf die Ungleichbehandlung der beiden Personengruppen ab. Diese verdeutlicht jedoch das Gleichheitsproblem und soll daher hier Ausgangspunkt der Untersuchung sein.
1. Ungleichbehandlung leistungsstarker Gebührenschuldner Durch jede Art von außerfiskalischen Tarifdifferenzierungen, sei es aus umweit-, kommunal- oder sozialpolitischen Zielsetzungen, kommt es zu einer Ungleichbehandlung der Gebührenschuldner untereinander. Bei außerfiskalisch motivierten Erhöhungen zu Lasten einer bestimmten Gruppe von Gebührenpflichtigen entsteht zudem - gleichsam als Nebenprodukt - eine Ungleichbehandlung zwischen den belasteten Gebührenschuldnern und denjenigen, die die Abgabe nicht zahlen müssen. Beide Personengruppen sind insoweit vergleichbar, als sie dieselbe finanzielle Leistungsfähigkeit besitzen. Trotz der gleichen finanziellen Leistungsfähigkeit müssen die Gebührenschuldner aber in höherem Maß zur Finanzierung staatlicher Leistungen beitragen. Beide Gruppen haben zunächst durch die Besteuerung in gleichem Maß die Staatstätigkeit finanziert. Die Gebührenschuldner erhalten nun allerdings gegenüber den NichtSchuldnern eine besondere Leistung zugewandt. Das rechtfertigt es auch, ihnen eine Gebühr für diese individuell zugewandte Leistung aufzuerlegen. Die Gebühr dient aber nur insoweit der Finanzierung dieser speziellen Leistung, wie ihre Höhe, die mit der Leistungserbringung entstanden, Verwaltungskosten nicht überschreitet. Dem darüber hinausgehenden Zuschlag steht keine besondere Leistung mehr gegenüber. Der Gebührengläubiger kann den überschüssigen Betrag zur Finanzierung anderer staatlicher Aufgaben einsetzen. Bei sozialmotivierten Zuschlägen verwendet er ihn zur Finanzierung der Gebührenermäßigungen. Von diesem Beitrag bleiben die NichtSchuldner verschont. Hinsichtlich dieser Finanzierungsaufgabe liegt somit eine Ungleichbehandlung beider Personengruppen
NichtSchuldner erörtern aber F. Kirchhof, „Gebühr", S. 147; Papermann/Löhr, JuS 1981, 269 (271); Isensee, S.33; Henneke, Jura 1990, 113 (116); auch Kämper, S. 139; Gußen, S.87ff; P. Kirchhof, Jura 1983, 505 (513), vgl. auch Jestaedt, DVB1 2000, 1820 (1825). 372 BVerfGE 97, 332 (346). 373 Besonders drastisch ist diese Ungleichbehandlung bei Vogel formuliert. Er spricht davon, daß der Gebührenschuldner im Gegensatz zum NichtSchuldner zu einer weiteren Einkommensteuer herangezogen würde, Bonner Kommentar-Vögel/Waldhoff, Vor. Art. 114 a—115 GG Rdn.420; Vogel, Anm. zu VGH Kassel, NJW 1977,452 (454). Dies suggeriert allerdings, daß es sich bei der Erhöhung nicht mehr um eine Gebühr, sondern um eine Steuer handele. Wie die Untersuchung in Teil 2 B. gezeigt hat, ist dies jedoch nicht der Fall. Zum Argument einer doppelten Progression vgl. auch Jestaedt, DVB12000,1820 (1828). Er weist daraufhin, dass nicht allein eine wiederholte Progression verfassungsrechtlich bedenklich sei, sondern erst die Kombination von Gebühr und Progression.
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Dieses Gleichheitsproblem stellt sich nicht, wenn die Abschläge aus Haushaltsmitteln finanziert werden und daher die Höchstgebühr die entsprechenden Verwaltungskosten nicht überschreitet. Der betreffende Gebührenschuldner zahlt dann nämlich höchstens die Summe, die zur Finanzierung der an ihn zugewandten gebührenpflichtigen Leistung notwendig ist. Er wird gegenüber einem Nichtschuldner, bezüglich der Finanzierung allgemeiner Staatsleistungen, also nicht schlechter gestellt.374 Diese Betrachtung ändert sich auch nicht, wenn der leistungsstarke Schuldner zwar weniger als den rechnerischen Kostenanteil der Leistung zahlt, aber im Rahmen der Gebührenkalkulation die durch Ermäßigungen entstehenden Ausfälle trägt. 375 Dieser Sachverhalt wird anhand eines Rechenbeispiels deutlich: Für eine gebührenpflichtige Einrichtung strebt die Gemeinde einen Kostendekkungsgrad von 30% an. Zusätzlich beabsichtigt sie, leistungsschwachen Nutzern eine Ermäßigung zu gewähren. Sie sollen nur 20 % der Kosten, der an sie erbrachten Leistung tragen. Damit die Verwaltung sowohl den kalkulierten Kostendeckungsgrad erreichen als auch die Ermäßigung gewähren kann, müssen die vermögenden Schuldner notwendigerweise 40 % der Kosten selber zahlen. Betrachtet man allein die Kalkulation, so wird der Gebührenpflichtige aus der Gruppe aller leistungsstarken Bürger herausgegriffen, um die verbilligte Leistung an die schwächeren Schuldner zu finanzieren. Für das Gleichheitsproblem ist aber entscheidend, daß er bezüglich der Gesamtheit der staatlichen Leistungen nicht mehr zahlt als ein NichtSchuldner in vergleichbarer finanzieller Position. Selbst seine Gebühr reicht nicht einmal aus, um die nur ihm individuell zugewandte Leistung abzugelten. Eine Ungleichbehandlung zu Lasten des Gebührenpflichtigen kann dann im Verhältnis zum NichtSchuldner nicht vorliegen. Zu einer solchen kommt es nur, wenn die Gebühr der Leistungsstarken über den tatsächlichen Kostenanteil erhöht wird. 2. Rechtfertigung Die überproportionale Belastung leistungsstarker Gebührenschuldner verfolgt das Ziel, die mit ermäßigten Gebührentarifen verbundenen sozialpolitischen Wünsche zufinanzieren. Für ihre Rechtfertigung vor dem Gleichheitssatz stellt sich daher die Frage, ob es der Abgabengerechtigkeit entspricht, die Ermäßigungen ausschließlich durch die leistungsstarken Gebührenschuldner bezahlen zu lassen. Im Hinblick auf die Ungleichbehandlung Gebührenschuldner/Nichtschuldner formu374 Vgl. Papermann/Löhr, JuS 1981, 269 (272); Kämper, S. 144ff, anders Vogel, Anm. zu VGH Kassel, NJW 1977, 452 (454f); vgl. auch Bonner Kommentar-Vogel/Waldhoff, Vor. Art. 114a-l 15 GG Rdn.420; Kempen, NVwZ 1995,1163 (1164 ff), Jestaedt, DVB12000,1820 (1827 f). 375 So aber Kempen, NVwZ 1995, 1163 (1164ff), Jestaedt, DVB1 2000, 1820 (1827 f).
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liert: Läßt sich ein sachlicher Grund finden, warum gerade die Gruppe der finanzkräftigen Gebührenpflichtigen diesen überproportionalen Beitrag zur Finanzierung der Gesamtheit der staatlichen Leistungen entrichten muß? a) Die besondere Verantwortlichkeit einzelner Abgabenpflichtiger Weder der Gleichheitssatz noch die Finanzverfassung verbieten es, daß einzelne Personen einen über ihre Steuern hinausgehenden Betrag zur Finanzierung staatlicher Ausgaben leisten. So ist neben der Steuer beispielsweise die Sonderabgabe als voraussetzungslos geschuldete Abgabe, verfassungsrechtlich zulässig.376 In gleichheitsrechtlicher Hinsicht ist es für die Rechtmäßigkeit der Abgabe aber erforderlich, daß den Sonderabgabenschuldner eine besondere Verantwortlichkeit zu der Entrichtung der Abgabe trifft. 377 Bei Finanzierungssonderabgaben besteht diese Verantwortlichkeit, wenn die Gruppe eine Sachnähe zurfinanzierenden Aufgabe aufweist. Bei sogenannten Lenkungssonderabgaben rechtfertigt ein bestimmtes Verhalten des Abgabepflichtigen die zusätzliche Belastung.378 Für die Gebühr besteht diese grundrechtliche Anforderung in genau der gleichen Weise. Der mit einem Zuschlag belastete Gebührenschuldner muß eine besondere FinanzierungsVerantwortung für die Zahlung haben.379 Der Zuschlag dient gerade nicht der Finanzierung seiner gebührenpflichtigen Leistung, sondern er wird ähnlich wie Steuer und Sonderabgabe „voraussetzungslos" erhoben. Eine solche Verantwortlichkeit kann sich etwa aus umweltschutzpolitischen Gesichtspunkten ergeben. Zuschläge, die umweltschädliches Verhalten überproportional belasten, werden überwiegend als zulässig erachtet. 380 Bekanntestes Beispiel aus der Praxis sind Starkverschmutzerzuschläge bei kommunalen Abwasserentsorgungsgebühren.381 Ohne auf die Probleme solcher Modelle im einzelnen einzuge376 377 378
Bspw. BVerfGE 55, 274 (305ff); 67, 256 (276ff); 82, 159 (180ff). Bspw. von Mangold/Klein/Starck-Starck, Art. 3 GG Rdn. 122 ff (123). Vgl. bspw. Jarass, 25 ff, 57 ff; von Mangold/Klein/Starck-Starck, Art. 3 GG Rdn. 122 ff
(123). 379 Vgl. F. Kirchhof, „Gebühr", S. 128 f; auch Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 (655); Henneke, Jura 1990, 113 (116); zum Erfordernis einer Finanzierungsverantwortlichkeit bei Gebührenerhöhungen auch Breuer/Fassbender, WiVerw 95, 1 (28). 380 Vgl. Breuer/Fassbender, WiVerw 1995, 1 (27 ff); Chantalau/Möker, S.47ff; Hendler, VB1BW 1991,123 (127ff); Gern, Rdn. 1097; Heer, S. 123 ff, kritisch zum umweltschützenden Effekt der Zuschläge allerdings Gawel, S. 183 ff. 381 Vgl. hierzu Hendler, VB1BW 1991, 124ff; Driehaus-Dahmen §6 KAG Rdn. 303; Driehaus-Scholz, §6 KAG Rdn. 586; Gern, Rdn. 1097. Freilich ist keine grenzenlose Belastung der Starkverschmutzer zulässig. Unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes kann die Finanzierung der öffentlichen Einrichtung nicht allein durch diese Gruppe getragen werden. Wo genau die Linie zu ziehen ist, läßt sich nur im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festlegen. Als Richtschnur wird von einer überproportionalen Belastung von
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hen, ist ihre Rechtfertigungsmöglichkeit vor Art. 3 Abs. 1 GG offensichtlich. Die besondere Belastung ist sachgerecht, da sie an ein ökologisch unerwünschtes Verhalten anknüpft, das gerade anläßlich der Inanspruchnahme der gebührenpflichtigen Leistung auftritt - z. B. bei der Abwasserentsorgung das Einleiten stark verschmutzten Abwassers in die Kanalisation. Dieses Verhalten grenzt die Gruppe der belasteten Gebührenschuldner nicht nur von den anderen Gebührenschuldnern, sondern auch von den NichtSchuldnern ab. Es begründet daher eine besondere Verantwortlichkeit gerade dieser Gebührenpflichtigen, sich „über Gebühr" an der Finanzierung der Staatsleistung zu beteiligen. b) Verantwortlichkeit
leistungsstarker
Gebührenschuldner?
Bei sozialmotivierten Zuschlägen liegen die Dinge anders. Ein sachlicher Grund, warum gerade die leistungsstarken Gebührenschuldner für die Finanzierung der Ermäßigungen zugunsten der leistungsschwachen Pflichtigen herangezogen werden sollen, läßt sich nicht finden. Für eine generelle Belastung leistungsstarker Bürger zugunsten leistungsschwacher mag sich mit dem in Art. 20 Abs. 1 GG normierten Sozialstaatsprinzip ein argumentativer Anknüpfungspunkt ergeben. Das Sozialstaatsprinzip kann aber nicht herhalten, soweit aus einer Gruppe gleich leistungsstarker Personen nur einzelne belastet werden. 382 Als Grund für die besondere Finanzierungsverantwortlichkeit kann dann nicht mehr nur auf die erhöhte Leistungsfähigkeit abgestellt werden, denn darin sind die verglichenen Gruppen gerade gleich. Der einzige Gesichtspunkt, warum nur die leistungsfähigen Gebührenschuldner überproportional belastet werden, ist damit letztlich die Inanspruchnahme der gebührenpflichtigen Leistung selbst. Aus dieser Tatsache kann aber die Finanzierungsverantwortung nicht abgeleitet werden. 383 Zwischen den einzelnen Gebührenschuldnern besteht, abgesehen von der In10-20% ausgegangen. Von diesen überproportionalen Zuschlägen sind jedoch Starkverschmutzerzuschläge zu unterscheiden, die nur die aufgrund der stärkeren Verschmutzung entstehenden Mehrkosten der Verwaltung ausgleichen. Sie bedürfen im Hinblick auf die Abgabengerechtigkeit keiner weiteren Rechtfertigung, vgl. bspw. VGH BW 1990,103 (109); Hendler, VB1BW 1991, 124 ff (125). 382 Das übersieht Kloepfer, AöR 97 (1972), 232 (258), der durch bloßen Hinweis auf das Sozialstaatsprinzip Staffelungen „nach oben" für zulässig ansieht. Hier wird allerdings auch schon die Ungleichbehandlung zwischen Gebührenschuldnern und NichtSchuldnern nicht thematisiert. Vgl. auch Gusy, ZfSH 1979, 68 (71); Schreiber, S. 110. 383 So deutlich F. Kirchhof, „Gebühr", S. 147f; ders., „Grundriß", Rdn. 183; Henneke, Jura 1990,113 (116); Papermann/Löhr, JuS 1981,269 (272); auch Burmeister/Becker, DVB11996, 651 (655); Jestaedt, DVB12000,1820 (1828), P. Kirchhof, Jura 1983,505 (513); Bonner Kommentar-Vogel/Waldhoff, Vor. Art. 104a-115 GG Rdn.420; S. Meyer, S. 211; Gußen S.89f; Driehaus-Lichtenfeld, §6 KAG Rdn.752; Isensee, S. 34; Bailersted, in FS-Gieseke S. 311 (319, 326); Richtsteig, S. 123; im Ergebnis ebenso Gern, Rdn 1078; ders., NVwZ 1995,1145 (1154); Lambert, S. 163 f; Webersinn, DÖV 1978,165 (167); Windemuth, KStZ 1978,103 (107); Friedel, KStZ 1996, 181 (201 ff); ders., ZKF 1999, 145 (154); Koch-Scholz, §3 AO Rdn. 14/9;
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anspruchnahme der staatlichen Leistung, keinerlei weiteres verbindendes Element. Vor allem ist die Bedürftigkeit der leistungsschwachen nicht durch die leistungsstarken Gebührenschuldner verursacht worden. 384 Die Gruppe der Abgabenschuldner entsteht zufällig, so daß auch die überproportionale Belastung der leistungsstarken Schuldner gegenüber den NichtSchuldnern zufällig sein muß. 385 Diese Zufälligkeit kann aber keinesfalls eine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit begründen. Im Gegenteil, sie beweist, daß die getroffene Belastungsentscheidung willkürlich ist. 3. Ergebnis Eine durch sozialmotivierte Erhöhung entstehende Ungleichbehandlung zwischen leistungsstarken Gebührenschuldnern und NichtSchuldnern ist nicht zu rechtfertigen. Art. 3 Abs. 1 GG setzt Sozialtarifierungen daher insoweit eine Grenze, als sozialmotivierte Erhöhungen immer unzulässig sind. Um an die Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts anzuknüpfen, ist eine soziale Staffelung im Hinblick auf den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit nicht nur Jedenfalls dann unbedenklich, solange die Höchstgebühr die tatsächlichen Kosten der Einrichtung nicht deckt" 386 , sondern positiv formuliert immer dann verletzt, wenn die Höchstgebühr den tatsächlichen Kostenanteil überschreitet.
IV. Art. 3 Abs. 1 GG und die Ausgestaltung sozialer Ermäßigungen Mit den getroffenen Feststellungen zur Zulässigkeit sozialer Gebührenstaffelungen sind jedoch nicht alle gleichheitsrechtlichen Fragen beantwortet. Hat der Gesetzgeber sich entschieden, soziale Momente durch Ermäßigungen bei der Gebührenerhebung zu berücksichtigen, bedarf es der Klärung, welche Grenzen ihm der Gleichheitssatz hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der ermäßigten Tarife setzt. Hierbei entsteht das Problem der Typisierung von Sachverhalten.
Schmid, KStZ, 1985, 25 (28); Brehm, S.242; Kämper, S. 147f. Diese Auffassung hat mittlerweile sogar in einem KAG Niederschlag gefunden. § 14 Abs. 2 S. 3 Sächs KAG bestimmt ausdrücklich, daß soziale Ermäßigungen nicht zu Lasten der übrigen Benutzer eingeräumt werden dürfen. Zu den Sozialklauseln in den Kommunalabgabengesetzen vgl. Teil 3 B.I.2.e). 384 F. Kirchhof, „Gebühr", S. 148; Kämper, S. 146. 385 Vgl. F. Kirchhof, „Gebühr", S. 147f.; Vogel, Anm. zu VGH Kassel, NJW 1977, 452 (454 f). 386 BVerfGE 97, 332 (346). Herv. durch Verfasser.
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1. Konflikt zwischen Einzelfallgerechtigkeit und Typengerechtigkeit bei Sozialtarifen Anknüpfungspunkt für eine soziale Staffelung ist die Leistungsfähigkeit des Gebührenschuldners. Soll diese zulässigerweise auf den Tarif Einfluß nehmen, stellt sich die Frage, wie sie zu ermitteln ist. Im Sinne der Einzelfallgerechtigkeit läge es nahe, die persönlichen Verhältnisse des Schuldners möglichst genau zu erfassen. Dem läuft aber das Interesse der Verwaltung an einem möglichst praktikablen Verfahren zuwider. Hierzu benötigt sie Regelungen, die ihr auf der Ebene der Sachverhaltsermittlung durch typisierende Tatbestandsmerkmale eine „umfangreiche und zeitraubende Prüfung von Einzelfällen" 387 erspart. 388 Je mehr Fälle die Verwaltung bearbeiten muß, desto bedeutsamer ist es, daß sie die maßgeblichen Normen leicht anwenden kann. Gerade im Abgabenrecht geht es um die „Ordnung von Massenerscheinungen". 389 Ein einfacher Normenvollzug ist für die Verwaltung dort äußerst wichtig. Regelungen, die diesem Erfordernis entsprechend die Leistungsfähigkeit der Abgabenschuldner typisieren, müssen aber zwangsläufig Abstriche bei der Genauigkeit der Abbildung der persönlichen Verhältnisse des Schuldners machen. Es kann so zu einer Ungleichbehandlung zweier gleich leistungsfähiger Abgabenschuldner kommen. Diese müssen trotz gleicher Leistungsfähigkeit und damit gleicher sozialer Förderungswürdigkeit wegen der typisierten und nicht wirklichkeitsgetreuen Ermittlung der Leistungsfähigkeit verschieden hohe Gebühren zahlen. Derartige Ungleichbehandlungen werden bei Ermäßigungen für Gruppen wie Schüler, Studenten, Rentner und ähnliche Personenkreise besonders deutlich. Wohlhabende Rentner können gemeindliche Einrichtungen zu günstigen Tarifen nutzen, während ein gleich oder sogar weniger leistungsstarker berufstätiger „Normalnutzer" den vollen Preis entrichten muß. 390 Dieses gleichheitsrechtliche Problem stellt sich aber nicht nur, wenn der Maßstab der Leistungsfähigkeit anhand von einkommensunabhängigen Merkmalen ermittelt wird. Vor allem bei einkommensabhängigen Gebührenstaffelungen drängt sich die Frage auf, welches Einkommen Aufschluß über die Leistungsfähigkeit geben soll und somit über die Zuordnung eines entsprechenden Tarifs entscheidet.391
387
BVerfGE 6, 55 (83); 9, 20 (32). Zur Verfahrensvereinfachung von typisierenden Normen generell Huster, S. 249 f; im Gebührenbereich vgl. F. Kirchhof, „Gebühr", S. 153 ff. 389 BVerfGE 17,1 (23); 22,163 (169); 79, 87 (100); 84, 348 (359); zur Typisierung im Steuerrecht vgl. Eckhoff, S. 87 ff. 390 Vgl. hierzu Friedel, ZKF 1999,152 (155, FN 35); Gern, DVB1 1984,1164 (1170); ders., NVwZ 1995, 1145 (1155). 391 Zu dieser Problematik Urban, KStZ 1993, 161 (163ff); ders., NVwZ 1995, 143ff. 388
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
2. Anforderungen für die Rechtfertigung von Typisierungen Typisierungen rechtfertigen sich grundsätzlich durch Praktikabilitätserwägungen. 392 Allerdings ist nicht schon jede Vollzugs vereinfachende Wirkung der Norm ein sachlicher Grund, für die durch sie entstehende Ungleichbehandlungen. Die Anforderungen, die an die Vereinbarkeit typisierender Normen mit dem Gleichheitssatz gestellt werden, gehen im allgemeinen über das bloße Verbot der evidenten Unsachlichkeit hinaus.393 Das Bundesverfassungsgericht führt gerade dort eine Abwägung im Sinne der neuen Formel durch. Die Anzahl der durch die Ungleichbehandlung Betroffenen 394 und die Intensität der Benachteiligung sind bei dieser Abwägung maßgebliche Gesichtspunkte.395 Die folgende charakteristische Formulierung des Bundesverfassungsgerichts veranschaulicht dies: „Die Typisierung setzt allerdings voraus, daß durch sie eintretende Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Wesentlich ist ferner, ob die Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären; hierfür sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht." 396 Die Bindungsintensität des Gesetzgebers unterscheidet sich darüber hinaus auch bei Typisierungen nach dem jeweiligen Sachbereich. So erkennt das Bundesverfassungsgericht größere Spielräume für generalisierende Normen an, wenn die Regelung von Massenverfahren ansteht.397 Zur Frage nach zulässigen Typisierungen bei Sozialtarifen hat das Gericht bisher keinerlei Stellung bezogen. Jedoch haben sich die Verwaltungsgerichte in letzter Zeit oftmals mit Typisierungsfragen in diesem 392 BVerfGE 13, 21 (29); 70, 1 (34); 80, 109 (118f). Darüber hinaus können Typisierungen unter dem Gedanken der Rechtssicherheit gerechtfertigt werden, BVerfGE 72,302 (329). Zum Ganzen vgl. bspw. Dreier-Heun, Art. 3 GG Rdn. 31; Bonner Kommentar-Rüfner, Art. 3 GG Rdn. 111 ff.; Huster, S. 249ff, der allerdings noch die Eigenart der Rechtsetzung als eigenen „Rechtfertigungsgrund" erwähnt. Damit wird umschrieben, daß der Normgeber bei der Erfassung von Sachverhalten notwendigerweise an allgemeine Merkmale anknüpfen muß und so bei jeder Regelung typisiert, Huster, S. 251 ff. 393 Vgl. BVerfGE 42, 176 (184ff); 82, 126 (151 f); 90, 46 (59); Sachs-Osterloh, Art. 3 GG Rdn. 110ff m. w. N.; Dreier-Heun, Art. 3 GG Rdn. 31; Huster, S. 273 ff. Huster bezeichnet Ungleichbehandlungen aufgrund Praktikabilitätserwägungen als einen „Paradefall für eine Ungleichbehandlung zur Verfolgung externer Ziele", vgl. Huster, S. 261 f. Dies hat nach seinem Gleichheitsmodell zu Folge, daß hier ein Eingriff in das Grundrecht vorliegt, der im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu rechtfertigen ist. 394 Zuweilen werden hier Prozentzahlen tolerabler Grenzfälle genannt, bspw. BVerfGE 17, 1 (25) mit 7,5 % für begünstigende Typisierung. Für die Belastung durch verbrauchsabhängige Wassergebühren/beiträge arbeitet das BVerwG mit einer 10% Quote, BVerwGE 68, 36 (38 ff); BVerwG NVwZ 1987, 231 f. Solche Sätze lassen sich aber nicht verallgemeinem, vgl. Huster, S. 276ff; Sachs-Osterloh, Art. 3 GG Rdn. 111; anders Gern, NVwZ 1995, 1145 (1155). 395 Hierzu Huster, S. 273 ff; Eckhoff, S.87ff. 396 BVerfGE 9, 20 (31 ff); 26, 265 (275 f); 84, 348 (360). 397 BVerfGE 82, 126 (151 f); 84, 348 (359 f); 96, 1 (6).
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398
Bereich auseinandergesetzt. In den meisten Entscheidungen werden dem Gesetzgeber weitgehende Freiheiten eingeräumt, was die Bestimmung der Leistungsfähigkeit betrifft. 399 Ein großzügiger Ermessensspielraum wird damit begründet, daß die Entgelterhebung im Rahmen einer Leistungsgewährung erfolgt. 400 Zwar wird der Gebührenschuldner grundsätzlich mit einer Zahlungspflicht belegt, gleichwohl verzichtet der Gebührengläubiger durch die Ermäßigung auf die volle Gebühr und wendet dem Gebührenschuldner so einen Vorteil zu. Da es dem Gebührengläubiger aber freisteht, diesen Vorteil überhaupt zu gewähren, ist es sachgerecht, ihn bei der Entscheidung, von welchen Kriterien er den günstigen Tarif abhängig macht, keinen allzu strengen Bindungen zu unterwerfen. Zu berücksichtigen ist auch, daß die Verwaltung bei der Gebührenerhebung regelmäßig eine Vielzahl von Fällen bewältigen muß. Ihr Bedürfnis nach leicht faßbaren Merkmalen zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit ist dementsprechend hoch. Für die Bestimmung der individuellen Verhältnisse im Rahmen sozialer Gebührenstaffelungen muß man es deswegen ausreichen lassen, wenn diesbezüglich typisierende Normen überhaupt vereinfachende Wirkung haben und im Regelfall einen zutreffenden Rückschluß auf die individuellen Verhältnisse des Schuldners zulassen. 3. Einkommensabhängige Sozialtarife a) Einkommen als Indikator für die Leistungsfähigkeit In erster Linie gibt das Einkommen Auskunft über die soziale Situation des Schuldners. Es ist in zahlreichen Rechtsgebieten wie beispielsweise dem Prozeß-, Straf- oder Sozialrecht Indikator der Leistungsfähigkeit. 401 In der kommunalen Gebührenpraxis hat es diese Funktion besonders bei Kindergartengebühren. 398
Bspw. BVerwGE 107, 188 (190); BVerwG NVwZ 1995, 173 (174); NVwZ 1995, 790 (790); OVG Koblenz, FEVS 48, 259 (261 f); OVG Münster, OVGE 44, 107 (112 ff); NWVB1 1998,14 (15 f); NWVB11998,188 (189ff); OVG Lüneburg, NdSVBl 1998,93 (94); VGH Kassel, NVwZ 1995, 406 (408ff). 399 Vgl. Urban, NVwZ 1995, 143 (143); auch ders., KStZ 1993, 161 (163ff). 400 Bspw. BVerwG NJW 2000,1129 (1130); BVerwGE 107,188 (193); VGH Kassel NVwZ 1995, 406 (408 f); OVG Münster, OVGE 44, 107 (114); allerdings OVG Münster, NWVB1 1998, 188 (189). Auch das Bundesverfassungsgericht betont grundsätzlich einen weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum im Rahmen staatlicher Leistungsgewährung, vgl. bspw. BVerfGE 11,50 (60); 17, 38 (57); 49,280 (283); 51, 295 (301). Allerdings ist nicht ganz klar, welche Auswirkungen dies auf Typisierungen hat. Zwar soll hier die gleichheitsrechtliche Bindung geringer sein, wenn es sich um eine bevorzugende statt eine benachteiligende Typisierung handelt, vgl. BVerfGE 17,1 (23 f); 44,290 (295); 65,325 (356). Diese Unterscheidung scheint aber nicht parallel zur Differenzierung zwischen gewährendem und eingreifendem Staatshandeln vorzunehmen zu sein. Es macht vielmehr den Eindruck, daß hierbei entscheidend ist, ob die Typisierung, gemessen an der nach dem primären Gesetzeszweck beabsichtigten Behandlung, zu einer Benachteiligung oder Bevorzugung führt, so Huster, S. 291 ff; anders aber Dreier-Heun, Art. 3 GG Rdn.23; Schmidt-Bleibtreu/Klein-Klein, Art. 3 GG Rdn. 17. 401 Zum Ganzen Tipke/Lang, S.234; Burger, S.62ff, 175ff. 8 Schumacher
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
Einen einheitlichen Begriff des Einkommens gibt es jedoch nicht. Die Einkommensdefinitionen in den einzelnen Rechtsgebieten unterscheiden sich nicht unerheblich voneinander. 402 Selbst innerhalb einzelner Rechtsgebiete, wie dem Sozialrecht, variieren die Begrifflichkeiten von Gesetz zu Gesetz.403 Auch die einzelnen Kindergartengesetze der einzelnen Bundesländer legen sich auf keinen übereinstimmenden Einkommensbegriff fest. 404 In Bezug auf den Gleichheitssatz stellt sich damit die Frage, was für Mindestanforderungen er an die Ausgestaltung der Einkommensdefinition stellt. Betrachtet man die einfachgesetzlichen Einkommensdefinitionen, ist zunächst festzustellen, daß sich bei sämtlichen Einkommensbegriffen zwei unterschiedliche Ausgangspunkte finden lassen.405 Einerseits wird für den Einkommensbegriff § 2 Abs. 1 und 2 EStG zugrundegelegt.406 Die dort enthaltene Einkommensdefinition bezeichnet man als die Summe der positiven Einkünfte 407 oder als das steuerrechtliche Nettoertragsprinzip. 408 Die Erfassung des Einkommens folgt andererseits aber auch dem außersteuerlichen Bruttoeinnahmeprinzip. 409 Einkommen wird hierbei zunächst als „alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert" definiert. 410 Beide Regelungstechniken unterscheiden sich in der Breite der zugrundeliegenden geldwerten Zuflüsse. Nach dem Bruttoeinnahmeprinzip werden sämtliche Vermögensmehrungen ohne Rücksicht auf die Quelle der Einnahmen und auf die Beständigkeit ihres Fließens erfaßt. 411 Die Summe der positiven Einkünften scheidet 402
Vgl. Tipke/Lang, S.234; zu den unterschiedlichen Einkommensbegriffen Bürger, S.62ff. Hierzu Lehner, S. 137ff; Bürger, 159ff; Giloy, S.32ff; vgl. bspw. §76ff BSHG; §21 ff BAFöG; § 12 WohnGG. 404 Eine Einkommensdefinition ist ohnehin nur in § 17 GTK NW und § 2 KTKBG Berlin (= Kindertagesstätten Kostenbeteiligungsgesetz) enthalten, da nur in diesen Ländern eine Staffelung der Abgabe zwingend vorgeschrieben ist. In den meisten anderen Kindergartengesetzen ist die Vornahme einer sozialen Bemessung in das Ermessen des Trägers des Kindergartens gestellt. Ihm ist daher auch die Definition des Einkommens überlassen, vgl. bspw. § 10 HessKgG; § 6 KgaG BW (KgG, KgaG = Kindergartengesetz); § 13 KitaG RP (KitaG = Kindertagestättengesetz). 405 Vgl. Bürger, S. 163 ff, für die sozialrechtlichen Einkommensbegriffe. 406 Bspw. § 17 Abs. 4 S. 1 GTK NW; § 2 Abs. 2 S. 1 KTKBG Berlin; § 21 BAFöG. 407 Einen solchen Begriff kennt das EStG allerdings nicht. § 2 Abs. 3, der die Summe der Einkünfte nennt, erfaßt auch negative Einkünfte. Hierzu auch Urban, NWVB1 1993, 371 (373). 408 Vgl. Burger, S. 163; Giloy, S.45. Vereinzelt wird dies in den Entscheidungen zu den Gebührenstaffelungen auch als Bruttoeinkommen bezeichnet, vgl. bspw. OVG Münster, NVwZ 1994, 198 (198); VGH Kassel, NVwZ 1995,406 (408). Üblicherweise verstehen die Gerichte unter dem Bruttoeinkommen aber die Summe der Einkünfte, ohne irgendwelche, auch nicht erwerbsbedingte (Betriebsausgaben und Werbungskosten), Abzüge. So bspw. BVerwGE 107, 188 ff; BVerwG, Buchholz 401.84 Nr. 72. 409 Zu dieser Bezeichnung bspw. Burger, S. 163; Giloy, S.45. 410 Bspw. § 10 WohnGG; vgl. auch die Satzung, die der Entscheidung des VGH BW, NVwZ 1994, 194 ff zugrundeliegt. 4,1 Vgl. Bürger, S. 163f, Giloy, S.45. 403
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demgegenüber bereits Einnahmen aus, die keiner in § 2 Abs. 2 EStG genannten Einkunftsart zuzurechnenden sind. 412 Der endgültige Einkommensbegriff entsteht, indem der Gesetzgeber bei beiden Grunddefinitionen einen Abzug von bestimmten leistungsfähigkeitsmindernden Ausgaben zuläßt. Hier beginnen die gleichheitsrechtlichen Schwierigkeiten. Vor dem Hintergrund des Grundrechts ist problematisch, welche Positionen zwingend in Abzug gebracht werden müssen. Diese Frage ist gerade im Bereich einkommensabhängiger Kindergartengebührenstaffelungen in Einzelheiten äußerst umstritten und soll im folgenden näher untersucht werden. b) Ausgaben zur Erzielung der Einkünfte Ein Abzug von Aufwendungen zur Erzielung des Einkommens ist der Einkommensdefinition nach der Summe der positiven Einkünfte bereits immanent. Der Verweis auf den steuerlichen Einkünftebegriff in § 2 Abs. 2 EStG bedeutet nämlich, daß Werbungskosten (§ 9 EStG) und Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) absetzbar sind. Wird in Sozialgesetzen für die Einkommensermittlung dagegen auf das Bruttoeinnahmeprinzip zurückgegriffen, bestehen jeweils Regelungen, die einen Abzug von Ausgaben zulassen, die zur Erzielung von Einnahmen getätigt worden sind. 413 Dies ist auch geboten, soweit bei einkommensabhängigen Gebührenstaffelungen auf diese Grunddefinition abgestellt wird. Nur das Ergebnis der Erwerbstätigkeit, nicht aber schon die bloßen Vermögenszugänge, können die Leistungsfähigkeit der Gebührenschuldner zum Ausdruck bringen. 414 Ein Verzicht auf einen Abzug erwerbsbedingter Aufwendungen kann deswegen vor Art. 3 Abs. 1 GG nicht durch Praktikabilitätserwägungen gerechtfertigt werden. Solche Ausgaben müssen in der Einkommensdefinition stets berücksichtigt werden. c) Berücksichtigung
von Verlusten
Fraglich ist, inwiefern bei der Bestimmung des Einkommens nicht nur erwerbsbedingte Ausgaben, sondern auch Verluste Niederschlag finden müssen. Im Einkommensteuerrecht ist ein Ausgleich mit Verlusten derselben Einkunftsart (horizontaler Verlustausgleich, § 2 Abs. 2 EStG) und einer mit Verlusten aus verschiedenen Einkunftsarten (vertikaler Verlustausgleich § 2 Abs. 3 EStG) grundsätzlich 412 Die beide Einkommensbegriffe werden jedoch dadurch angenähert, daß dem Einkommen bestimmte geldwerte Zuflüsse hinzuzurechnen sind, soweit nur an das Nettoertragsprinzip angeknüpft wird. § 17 Abs. 4 Satz 3 GTK NW nennt hierzu beispielsweise steuerfreie Einkünfte, Unterhaltsleistungen, sowie zur Deckung des Lebensunterhalts bestimmte öffentliche Leistungen für die Eltern und das Kind. Vgl. auch § 21 Abs. 3 BAFöG; § 77 BSHG. 413 Bspw. § 76 Abs. 2 Nr. 4 BSHG; § 12 Abs. 1 WohnGG. 414 Vgl. Tipke/Lang, S.237.
8*
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möglich. Die Einkommensdefinitionen in den Sozialgesetzen und bei den Kindergartengebührenstaffelungen lassen indes oftmals nur den horizontalen Verlustausgleich zu. Einen Ausgleich mit Verlusten verschiedener Einkunftsarten schließen sie aus. Dies ergibt sich ohnehin, wenn dort für den Einkommensbegriff die Summe der positiven Einkünfte zugrundelegt ist. Der vertikale Verlustausgleich ist bei einer solchen Defintion versagt, da die Summe der positiven Einkünfte nur auf § 2 Abs. 2 EStG, nicht aber auf § 2 Abs. 3 EStG verweist. 415 In den jeweiligen Gesetzen findet sich aber meist sogar zusätzlich eine ausdrückliche Anordnung des Verbots eines vertikalen Verlustausgleichs.416 Hintergrund der Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs ist, eine doppelte Nutzung steuerlicher Abschreibungsmöglichkeiten zu vermeiden. Die Verrechnung von negativen Einkünften einer anderen Einkunftsart vermindert oftmals das Einkommen des Abgabepflichtigen, obgleich seine wirtschaftliche Situation in Wirklichkeit nicht verschlechtert ist. 417 Das Ausgleichsverbot erreicht daher in einer Vielzahl von Fällen gerade eine Abbildung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit der Gebührenschuldner und verhindert den Mißbrauch der sozialmotivierten Gebührenermäßigungen. Obgleich der Ausschluß des vertikalen Verlustausgleichs im Einzellfall zu Ungleichbehandlungen führen kann, ist dieses Ausgleichsverbot deswegen als sachgerecht zu beurteilen. 418 Es kann bedenkenlos in der Einkommensdefinition bei sozialen Gebührenstaffelungen verwendet werden. 419 d) Abzugsfähigkeit
von Unterhaltslasten
Die umstrittenste Frage bei der Erfassung der Leistungsfähigkeit im Rahmen einkommensabhängiger Kindergartengebührenstaffelungen ist, inwieweit kindbedingte Mehrbelastungen bei der Einkommensdefinition berücksichtigt werden müs415
Vgl. Urban, NWVB1 1993, 371 (373). Bspw. § 11 Abs. 1 BKGG; § 6 Abs. 1 BErzGG, § 21 Abs. 1 Satz 2 BAFöG; § 17 Abs. 4 Satz 2 GTK NW; § 2 Abs. 2 KTKBG Berlin. 417 Vgl. Moskal/Foerster, § 17 GTK NW Anm.2b; Urban, NWVB1 1993, 371 (373); ders., KStZ 1993,161 (167 f); Bock-Pünder, S. 231; zum inhaltsgleichen §21 Abs. 1 S.2BAFÖG, BTDrucksache 9/603 S.23. 418 Zu § 17 Abs. 3 Satz 2 GTK NW a. F. = § 17 Abs. 4 Satz 2 GTK NW, OVG Münster, OVGE 44,107 (119); auch VGH Kassel, NVwZ 1995,406 (408f). Das Bundesverfassungsgericht hat eine entsprechende Regelung in § 21 Abs. 1 Satz 2 BAFöG für zulässig erachtet, BVerfG, FamRZ 1987,901, und § 11 Abs. 1 BKGG, BVerfGE 82,60 (98 ff, 104f). Zum Ganzen vgl. Urban, NWVB1 1993, 371 (373); ders., KStZ 1993, 161 (167f); Bock-Pünder, S.231. 419 Im Rahmen einkommensabhängiger Kindergartengebührenstaffelungen ist es darüber hinaus verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn ein Verlustausgleichs unter Ehegatten ausgeschlossen wird. Solches sieht beispielsweise § 17 Abs. 4 Satz 2 GTK NW vor. Das Ausgleichsverbot unter Ehepartnern verstößt aber nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 6 Abs. 1 GG. Es benachteiligt nämlich nicht um der Ehe willen, sondern führt nur dazu, daß verheiratete Gebührenschuldner gegenüber nicht-verheirateten und alleinerziehenden Eltern nicht zusätzlich bevorzugt werden, vgl. hierzu Urban, KStZ 1993, 161 (168). 416
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sen.420 Solche Aufwendungen stellen anerkanntermaßen zumindest in Höhe der Unterhaltsverpflichtung einen Teil des indisponiblen Einkommens dar und mindern somit die Leistungsfähigkeit des Abgabepflichtigen. 421 Kinderreiche Familien werden daher benachteiligt, wenn sie ihre kindbedingten Ausgaben nicht vom Einkommen abziehen dürfen. Teilweise wird behauptet, eine derartige Schlechterstellung sei nicht zu rechtfertigen. Die Kinderzahl müsse stets in die Bestimmung der Leistungsfähigkeit einbezogen werden. Einer Nichtberücksichtigung von Unterhaltslasten liege nämlich die verfassungsrechtlich nicht hinnehmbare Wertung zugrunde, der kindbedingte Aufwand sei vermeidbar. 422 Das Bundesverfassungsgericht sei einer solchen Beurteilung aber gerade deutlich entgegengetreten, indem es festgestellt hat: „Die für den Steuerpflichtigen unvermeidbare Sonderbelastung durch Unterhaltsverpflichtungen mindert seine Leistungsfähigkeit und darf ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vom Gesetzgeber nicht unberücksichtigt bleiben." 423 Dieses für die direkte Besteuerung geltende Gebot läßt sich aber nicht ohne weiteres auf die Ermittlung der Leistungsfähigkeit im Rahmen sozialer Gebührenstaffelungen übertragen. 424 Die Bestimmung des Einkommens für Gebührenermäßigungen dient im Gegensatz zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit im Steuerrecht der Zuweisung eines sozialen Vorteils. Ein Vernachlässigen der kindbedingten Aufwendungen im Einkommensbegriff führt daher bei sozialen Gebührenstaffelungen nicht zu einer zusätzlichen Belastung kinderreicher Familien. Die kinderreichen Gebührenschuldner werden nur bei der Gewährung von günstigen Tarifen gegenüber anderen Schuldnern nicht ein weiteres Mal bevorzugt. Bei der Einkommensermittlung von Kindergartengebühren ist überdies zu beachten, daß die Gebühren für den Kindergartenbesuch gerade zu dem Unterhaltsaufwand zählen, für dessen Befriedigung der Familie durch die Einkommensbe420 Für die Berücksichtigung, Urban, KStZ 1993, 161 (164ff); ders., NVwZ 1994, 143 (144); ders., NVwZ 1995, 143 (143 ff); dagegen BVerwGE 107, 188ff; OVG Münster, OVGE 44, 107 (116f); VG Köln, NWVB1 1993,434 (436); VG Arnsberg, NWVB1 1994, 188 (192); vgl. auch BVerwG NVwZ 1995, 173 (174); BVerwG NJW 2000, 1129 (1130); Bock-Pünder, S.342 (FN 247). 421 Bspw. BVerfGE 61, 319 (334f); 66, 214 (223); 82, 60 (87); Tipke/Lang, S. 245 ff; Birk, „Steuerrecht", Rdn. 158 f. 422 Vgl. Urban, KStZ 1993, 161 (164ff). 423 BVerfGE, 68,143 (152 f); BVerfGE 82,60 (86 f); vgl. auch BVerfGE 99,216 (232 ff); 99, 246 (259 f). 424 Vgl. BVerwG NJW 2000, 1129 (1130); OVG Münster, OVGE 44, 107 (117 f); auch VG Köln, NWVB1 1993, 434 (436); VG Arnsberg, NWVB1 1994, 188 (192). Auch das Bundesverfassungsgericht selbst weist darauf hin, daß die Verpflichtung, wirtschaftliche Belastungen durch Unterhaltsverpflichtungen zu beachten, nicht isoliert auf einzelne Regelungen bezogen werden kann. Nach Auffassung des Gerichts ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung angezeigt, in die alle Leistungen und Vergünstigungen einbezogen werden sollen, die der Staat den Familien auf verschiedenen Gebieten gewährt, vgl. BVerfGE 82, 198 (206); 82, 60 (81, 84).
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Steuerung nicht die finanziellen Mittel entzogen werden dürfen. Eine Schieflage des Familienlastenausgleichs ist damit gewiß nicht zu befürchten, wenn der Unterhaltsaufwand bei der späteren Gebührenbemessung nicht ein weiteres Mal berücksichtigt wird. 425 Ein anderer Gesichtspunkt zeigt ebenfalls, daß die Unterhaltsverpflichtungen außer acht gelassen werden können. Der Gebührengläubiger kann frei entscheiden, ob er soziale Momente in die Abgabenbemessung überhaupt einbeziehen will. Es ist ihm deswegen weitgehend freigestellt zu bestimmen, in welchem Ausmaß soziale Tarife in Betracht kommen sollen. Er kann demzufolge die Einkommensgruppen, bei denen er eine Ermäßigung gewährt, recht weit fassen. Dies bedeutet aber, daß ein Abzug der familiären Mehrausgaben vom Einkommen für die Betroffenen im Ergebnis selten zu einem günstigeren Tarif führt. 426 Eine leistungsfähigkeitsechte Zuordnung der Gebührenermäßigung ist regelmäßig schon über die Summe der positiven Einkünfte oder das Bruttoeinkommen, vermindert um die erwerbsbedingten Aufwendungen, möglich. 427 Für die Ermittlung der Leistungsfähigkeit bei sozialen Gebührenstaffelungen ist wie erläutert auch nur dieser Regelfall entscheidend. Es ist daher verfassungsrechtlich nicht vorgeschrieben, daß Unterhaltsaufwendungen bei der Einkommensdefinition im Rahmen sozialer Gebührenstaffelungen zu berücksichtigen sind. Der Gebührengesetzgeber ist aber selbstverständlich nicht gezwungen, die Kinderzahl außer Betracht zu lassen.428 Im Gegenteil, gerade bei Kindergartengebühren sollte die Kinderzahl bei der Zuordnung des Abgabentarifs eine Rolle spielen. Immerhin dienen diese Gebühren der Finanzierung einer Einrichtung, die gerade für Kinder geschaffen wurde. Entscheidet sich der Gesetzgeber für die Einbeziehung der Familiengröße, so bieten sich ihm mehrere Möglichkeiten: Die Berücksichtigung der kindbedingten Mehraufwendungen kann einerseits bei der Ermittlung des Einkommens erfolgen. Dies geschieht, indem man einen Abzug der Aufwendungen vom Bruttoeinkommen zuläßt.429 Für die Höhe des Abzugsbetrags erscheint ein Rückgriff auf die in § 32 Abs. 6 EStG normierten Kinderfreibeträge naheliegend.430 Es ist aber genauso denkbar, daß eine andere Summe pro Kind vom Einkommen abgezogen werden kann. 431 425
BVerwG, NJW 2000, 1129 (1130). Anlage 3 zu § 17 GTK NW sieht beispielsweise eine Stufung in Schritten von 24.000DM vor. Bei einem Abzug in Höhe des Kinderfreibetrages dürften daher nur die Eltern in eine jeweils niedrigere Tarifgruppe gestuft werden, deren Einkommen am unteren Rand einer bestimmten Tarifstufe liegt. 427 Vgl. auch OVG Münster, NWVB1 1998, 188 (189). 428 Ausdrücklich BVerwG, NVwZ 1995, 173 (174). 429 Zu der Zulässigkeit einer solchen Methode vor allen Dingen, OVG Koblenz, FEVS 48 259 (260 ff). 430 So mittlerweile § 17 Abs. 4 Satz 6 GTK NW. Das OVG Münster hatte sich in einer Entscheidung zu § 17 GTK NW a.F. allerdings gegen eine solche Berücksichtigung der Kinderzahl 426
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Die Kinderzahl kann jedoch auch direkt im Tarif Niederschlag finden. Dem Abgabepflichtigen kann für jedes Kind ein Abschlag von der Normalgebühr gewährt werden. 432 Dies ist die familienfreundlichere Variante, denn im Unterschied zur vorerwähnten Regelung wirkt sich die Kinderzahl hier immer auf die Gebührenhöhe aus. Hinsichtlich verwaltungsökonomischer Gesichtspunkte dürften sich beide Regelungen nicht voneinander abheben. Eine weitere Entlastung zugunsten kinderreicher Familien ist der sogenannte Geschwisterrabatt, der beispielsweise in § 17 Abs. 2 Satz 1 GTK NW geregelt ist. Nach dieser Vorschrift entfallen Kindergartenbeiträge für jedes weitere Kind, das gleichzeitig eine Tagesstätte besucht. Der Geschwisterrabatts wurde dahingehend beanstandet, daß er keine sachgerechte Regelung zur Berücksichtigung des unterhaltsbedingten Mehrbedarfs sei. Der Rabatt benachteilige Familien, deren Kinder in größeren Abständen geboren seien. Zudem entstünden den Eltern gerade dann Aufwendungen, wenn das Kind noch nicht in einer Tagesstätte untergebracht sei. 433 Die Zulässigkeit des Geschwisterrabatts kann jedoch nicht ernsthaft bestritten werden, denn es ist dem Gesetzgeber gestattet, die Kinderzahl völlig zu vernachlässigen.434 Er kann deswegen erst recht frei darüber bestimmen, wie und welche kindbedingten Mehrbelastungen er ausgleicht. Der Geschwisterrabatt beabsichtigt ohnehin nicht, die durch Unterhaltsverpflichtungen entstehende Leistungsfähigkeitsminderung möglichst wirklichkeitsgetreu zu erfassen. Die Norm bezweckt nur, die zeitweilige Doppelbelastung durch zwei Kindergartenbeiträge auszuschließen.435 Im Hinblick auf die Umsetzung dieses Ziels steht die Sachgerechtigkeit des Geschwisterrabatts aber außer Frage.
ausgesprochen. Würde man derartige Unterhaltsverpflichtungen berücksichtigen, so müßten im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG auch sämtliche anderen Unterhaltsleistungen angerechnet werden. Es entstehe so aber ein erheblicher Verwaltungsaufwand, vgl. OVG Münster, OVGE 44,107 (116 f). In dieser Hinsicht hat das Gericht die Neufassung der Norm jedoch bisher nicht beanstandet. Zur Kritik an diesen Ausführungen, Urban, NVwZ 1995, 143 (143). 431 Vgl. bspw. die VGH Kassel, NVwZ 1995,406ff zugrundeliegende Satzung. 432 Vgl. § 2 KTKBG Berlin. 433 Urban, KStZ 1993, 161 (166). 434 BVerwGE 107,188 (190f); OVG Münster, NVwZ 1995,191 (193f); NWVB1 1998,188 (191 f); VG Köln, NWVB1 1993,434 (435f). 435 OVG Münster, OVGE 44, 107 (116); vgl. auch die Begründung der nordrhein-westfälischen Landesregierung zu dem Entwurf des Gesetzes zur Änderung des GTK, LT-Drucksache 11/5973 S. 17.
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e) Abzug von Vorsorgeaufwendungen Für die Einkommensdefinition der Kindergartengebührenstaffelungen ist ebenfalls diskutiert worden, inwieweit Vorsorgeaufwendungen bei der Bestimmung der Leistungsfähigkeit Niederschlag finden müssen. Ausgaben zur Altersvorsorge mindern die Leistungsfähigkeit in dem Zeitpunkt, zu dem sie getätigt werden. 436 Sie können im Einkommensteuerrecht in gewissem Umfang nach §§ 2 Abs. 4,10 Abs. 1 Nr. 2 EStG als Sonderabgaben von der Summe der Einkünfte abgezogen werden. Auch in vielen Sozialgesetzen hat der Gesetzgeber bei der jeweiligen Einkommensdefinition ein Abzug von Vorsorgeaufwendungen berücksichtigt. 437 Bei der Bestimmung der Leistungsfähigkeit der Gebührenschuldner erscheint eine Beachtung der Vorsorgezahlungen dagegen nicht notwendig. Gleichwohl entstehen gleichheitsrechtliche Probleme, soweit diese Ausgaben außer Betracht bleiben. Es kommt nämlich zu einer Benachteiligung all jener Personengruppen, die für ihre Altersvorsorge zahlen müssen, gegenüber denjenigen, die eine beitragsfreie Altersversorgung erhalten. Das sind insbesondere die Beamten. Legt man der Staffelung nur das Bruttoeinkommen zugrunde, werden Personen aus beiden Gruppen bei gleichem Einkommen als gleich leistungsstark eingestuft. Die Beamten sind aber tatsächlich leistungsstärker, da ihnen die Zahlung weiterer Beiträge aus dem Einkommen erspart bleibt. 438 Die Ungleichbehandlung ist indes durch verwaltungsökonomische Gesichtspunkte gerechtfertigt. 439 Hierbei läßt sich auf das zu den Unterhaltslasten Gesagte zurückgreifen. Im Regelfall erfolgt eine leistungsfähigkeitsechte Tarifzuordnung, wenn nur an das Bruttoeinkommen, vermindert um erwerbsbedingte Aufwendungen, oder an die Summe der positiven Einkünfte angeknüpft wird. Allein der Regelfall ist entscheidend, weil dem Gesetzgeber bei der Leistungsgewährung ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht. Es steht dem Gesetzgeber wiederum frei, einen differenzierteren Einkommensbegriff zu wählen und so die Ungleichbehandlung zu vermeiden. 440 Er kann die Benachteiligung versicherungspflichtiger Personen beseitigen, indem er einen Abzug geleisteter Vorsorgeaufwendungen zuläßt. Dies ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit. Einen anderen Weg hat der Gesetzgeber in Nordrhein-Westfalen eingeschlagen. Anstelle eines Abzugs der Vorsorgeaufwendungen, wird jetzt nach § 17 436
Vgl. Tipke/Lang, S. 436 ff (438). Wenn auch in recht unterschiedlicher Weise, vgl. § 21 Abs. 2 Nr. 1, 2 BAFöG; § 11 BKGG; § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 GG; §76 Abs. 2 Nr. 2, 3 BSHG. 438 Vgl. OVG Münster, NWVB1 1998, 188 (189ff); Urban, KStZ 1993, 161 (164ff); BockPünder, S. 343 (FN 248); Begründung der nordrhein-westfälischen Landesregierung zu dem Entwurf des Gesetzes zur Änderung des GTK, LT-Drucksache 11/5973, S. 17. 439 Vgl. BVerwG, NVwZ 1995, 173 (174). 440 Ausdr. BVerwG NVwZ 1995, 173 (174); Satzungen, die einen solchen Abzug zulassen, finden sich ebenfalls bei VGH BW, NVwZ 1994,194ff; VGH Kassel, NVwZ 1995,406ff; für einen solchen Abzug auch Urban, KStZ 1993, 161 (164ff). 437
D. Grenzen aus dem Gleichheitssatz
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Abs. 4 Satz 5 GTK NW Beamten, Richtern, Soldaten etc. 10% auf das aus ihrem BeschäftigungsVerhältnis stammende Bruttoeinkommen zugeschlagen.441 Auch diese Regelung ist gleichheitsrechtlich unbedenklich.442 Sie schießt nicht über ihr Ziel hinaus, denn sie führt nicht umgekehrt zu einer Benachteiligung der Beamten. Um Beamte und sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer im ihrer Leistungsfähigkeit entsprechenden Verhältnis zueinander zu erfassen, kann es keinen Unterschied machen, ob die Arbeitnehmer eine Summe in Höhe ihrer Versicherungsbeiträge abziehen dürfen oder den Beamten eine solche Summe auf das Einkommen hinzu addiert wird. Beide Male wird der durch das reine Bruttoeinkommen nicht sichtbare Vorteil der beitragsfreien Altersvorsorge neutralisiert. Dem kann nicht entgegengehalten werden, ein Ausgleich des Vorteils der beitragsfreien Altersversorgung sei schon im Einkommensteuerrecht erfolgt. Hier würden den Beamten wegen ihrer beitragsfreien Altersversorgung nach § 10 c Abs. 3 EStG niedrigere Pauschbeträge gewährt als den sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern, für die § 10 c Abs. 2 EStG gelte. Eine weitere Berücksichtigung der Beitragsfreiheit sei systemwidrig und damit ausgeschlossen.443 Die Argumentation ist zweifelhaft. Schon der Verweis auf die unterschiedlichen Pauschbeträge greift zu kurz. Die abzugsfähigen Höchstbeträge sind für beide Personengruppen nämlich nach § 10 Abs. 3 EStG wieder gleich. Mit einem Ausgleich von Vorteilen haben diese Regelungen daher wenig zu tun. Beamte zahlen wie alle sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer den Steuerbetrag, der ihrer Leistungsfähigkeit entspricht. Diese ist trotz gleichem Bruttoeinkommen bei Beamten höher, soweit sie keine zusätzlichen Aufwendungen für ihre Altersvorsorge treffen. Es ist deswegen zwingend, daß Beamte eine höhere Einkommensteuer entrichten. 444 Ebenso folgt aus dem Gedanken der Systemgerechtigkeit nicht die Gleichheitswidrigkeit der Regelung. Ein Verletzung dieses Grundsatzes indiziert nur einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie begründet ihn hingegen nicht selbst.445 Für die einkommensteuerrechtlichen und gebührenrechtlichen Normen fehlt es aber ohnehin schon an einem vergleichbaren Bezugssystem, das eine einheitliche Regelung der Bemessungsgrundlage gebieten könnte. 441 Vormals blieb der Unterschied der beiden Personengruppen unberücksichtigt, vgl. § 17 Abs. 3 GTK NW a. F. Mit der Neuregelung des § 17 Abs. 4 Satz 5 GTK NW sollte gerade die so entstandene Schlechterstellung beitragspflichtiger Arbeitnehmer beseitigt werden, vgl. Begründung der nordrhein-westfälischen Landesregierung zu dem Entwurf des Gesetzes zur Änderung des GTK, LT-Drucks. 11/5973, S. 17. 442 OVG Münster, NWVB1 1998,188ff; auch Bock-Pünder, S. 343; anders Kempen, NVwZ 1995, 1163 (1166). 443 So Kempen, NVwZ 1995, 1163 (1166). 444 Vgl. OVG Münster, NVWB1. 1998, 188 (190f). 445 Vgl. bspw. BVerfGE 9,20 (28); 29,1 (18); 81,156 (207); 85,238 (244f); Schmidt-Bleibtreu/Klein-Klein, Art. 3 GG Rdn. 16 a; von Mangold/Klein/Starck-Starck, Art. 3 GG Rdn.44ff.
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
Das Einkommensteuerrecht hat die Besteuerung von Einkommen zur Erzielung von Einnahmen für das Gemeinwesen zum Gegenstand. Es gibt dem Pflichtigen keinen Anspruch auf irgendeine besondere Gegenleistung. Das GTK regelt im Gegensatz dazu eine Kostenbeteiligung der Eltern bei der Finanzierung einer ihnen in besonderer Weise zugewandten sozialen Leistung. Beide Gesetze verfolgen demnach vollkommen unterschiedliche Ziele, so daß sich auch ihre jeweiligen Regelungen zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit nur nach verschiedenen Systemen richten können.446 An der nordrhein-westfälischen Vorschrift ist schließlich auch die Höhe des Zuschlags von 10% nicht zu beanstanden.447 Die Arbeitnehmeranteile an der Sozialversicherung betrugen über die letzten 20 Jahre im Durchschnitt 9,4%. Ein Aufrunden dieser Quote um 0,6 % ist angesichts der besseren Handhabe gerader Zahlen vertretbar. Der Gebührengläubiger kann somit die geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen durch Abzugs- und Zuschlagsvarianten berücksichtigen. Beide Modelle dürften für die Verwaltung gleich gut anwendbar sein. Ein Unterschied beider Alternativen liegt darin, daß das Zuschlagmodell eher zu einer Entlastung der kommunalen Haushalte führt. Bei gleichbleibenden Einkommensgrenzen werden Beamte durch dieses Modell tendenziell in höhere Tarifgruppen gestuft. Der Abzug von Vorsorgeaufwendungen läßt die sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer dagegen eher in niedrige Tarifstufen gelangen. f) Abzug der auf das Einkommen entrichteten Steuern Ein Abzug des auf das Einkommen entrichteten Steuerbetrags ist in zahlreichen Sozialgesetzen zugelassen.448 Auf den ersten Blick erscheint es deshalb erwägenswert, auch bei sozialen Gebührenstaffelungen die bereits gezahlten Steuern in der Einkommensdefinition anzurechnen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, daß eine Berücksichtigung der gezahlten Steuern dort nicht erforderlich ist. Es besteht bei den sozialen Gebührenstaffelungen ein ganz anderes Bedürfnis hinsichtlich der Ermittlung der Leistungsfähigkeit als bei den Sozialgesetzen. Für die Zuteilung sozialer Direktleistungen, kommt es entscheidend darauf an zu wissen, wieviel Geld der Betroffene selbst zur Verfügung hat. Die Höhe des Förderungsbetrags hängt unmittelbar damit zusammen. Was er an Steuern entrichtet hat, kann er nicht mehr zur Lebensführung verwenden. Ein Abzug der gezahlten Steuern ist daher notwendig. Für die Einstufung der Gebührenschuldner entsprechend ihrer Vermögenslage ist es dagegen vergleichsweise unbedeutend, genau zu ermitteln, wieviel der 446
So auch OVG Münster, NWVB1 1998, 188 (189 f). Detaillierte Rechnung bei OVG Münster, NWVB1 1998, 188 (189ff). 448 Vgl. § 76 Abs. 2 Nr. 1 GG; § 21 Abs. 1 Nr. 3 BAFöG; § 17 Abs. 1 Nr. 2 WohnGG läßt für jeden Antragsteller, der Steuern zahlt eine Erhöhung eines pauschalen Abzugsbetrags um 12,5% zu. 447
D. Grenzen aus dem Gleichheitssatz
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einzelne zum Bestreiten des Lebensunterhalts übrig hat. Von Interesse ist hier in erster Linie, eine möglichst genaue Erfassung der Leistungsfähigkeit der Schuldner im Verhältnis zueinander. Diese Relation bleibt durch den Steuerabzug aber unverändert. Die Berücksichtigung des Steuerbetrags beim Einkommensbegriff sozialer Gebührenstaffelungen ist damit weder erforderlich noch geboten. g) Zwischenergebnis Einkommensbegriff Es läßt sich insgesamt feststellen, daß es für den Einkommensbegriff im Rahmen sozialer Gebührenstaffelungen ausreichend ist, wenn er auf die Summe der positiven Einkünfte nach § 2 Abs. 2 EStG oder das Bruttoeinkommen, vermindert um erwerbsbedingte Aufwendungen, zurückzugreift. Der Gebührengesetzgeber muß keinen Abzug anderer leistungsfähigkeitsmindernder Faktoren wie Unterhaltsleistungen, Vorsorgeaufwendungen oder gezahlten Steuern gewähren. Es steht dem Gebührengläubiger jedoch frei, einen differenzierteren Einkommensbegriff zu wählen. Er sollte im Rahmen einer sozialen Kindergartengebührenstaffelungen die Kinderzahl und die getätigten Vorsorgeaufwendungen der Gebührenschuldner berücksichtigen. h) Einkommensermittlung
in subjektiver Hinsicht
Nicht nur die Bestimmung der einzelnen Elemente des Einkommensbegriffs wirft gleichheitsrechtliche Fragen auf. Im Rahmen der Kindergartengebühren ist auch problematisch, wessen Einkommen für den Gebührentarif maßgeblich sein soll. Für die Tarifzuordnung kann es grundsätzlich nur auf das Einkommen des Gebührenpflichtigen ankommen. Bei Kindergartengebühren bieten sich zwei Möglichkeiten an, zu beurteilen, wer Gebührenpflichtiger sein soll. Einmal können die Eltern als Gebührenschuldner bestimmt und dementsprechend ihr Einkommen als Indikator der Leistungsfähigkeit verwendet werden. Das Abstellen auf die Eltern ist sinnvoll, da diese nach § 1601 BGB für den Unterhalt des Kindes verantwortlich sind. Durch ihr Einkommen spiegelt sich somit wider, welche Mittel zum Lebensunterhalt des Kindes bereitstehen. Es kann aber auch auf die Person des Sorgeberechtigten statt auf die Eltern abgestellt werden. 449 Im Normalfall sind zwar beide Eltern nach § 1626 Abs. 1 BGB sorgeberechtigt. Bei nichtehelichen Kindern, und als solche gelten auch Kinder einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, steht das Sorgerecht wegen § 1705 BGB der Mutter aber alleine zu. Nur ihr Einkommen ist damit für die Tarifzuordnung maßgeblich. Bei dem Anknüpfen an die Personensorge entsteht so eine rechtfertigungs449
So bspw. § 17 Abs. 3 S. 3 GTK NW a. F., hierzu Urban, KStZ 1993,161 (167); auch ders., NWVB1 1993, 371 (377); NVwZ 1995, 143 (144); OVG Münster, OVGE 44, 107 (118f); NWVB1 1998, 14(16).
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
bedürftige Benachteiligung der „Normalfamilie" gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Entsprechendes gilt für eine Gegenüberstellung der „Normalfamilie" und geschiedenen Eltern, von denen oftmals nur ein Elternteil sorgeberechtigt ist. 450 Trotz gleicher Mittel zum Kindesunterhalt und demgemäß gleicher sozialer Förderungswürdigkeit ergibt sich die Bemessungsgrundlage bei der Nichtehelichkeit des Kindes nur aus dem Budget eines Unterhaltspflichtigen. Es besteht jedoch ein sachlicher Grund für das Abstellen auf die Personensorge. Nur der Personensorgeberechtigte und nicht die Eltern bestimmen, ob das Kind die Einrichtung besuchen darf. Von der Entscheidung des Personensorgeberechtigten hängt es daher ab, ob überhaupt eine Gebühr gezahlt werden muß. Aus diesem Grund ist es bei Kindergartengebühren auch zulässig, die Personensorgeberechtigten als Gebührenpflichtige zu bestimmen und auf ihr Einkommen für die Bemessungsgrundlage Bezug zu nehmen.451 Die Festlegung der subjektiven Kriterien für die Bemessungsgrundlage führt auch bei den sogenannten Hausgebühren wie Abfall-, Abwasser-, Straßenreinigungs- und Wassergebühren zu Problemen. Hier sind der gesetzliche Gebührenschuldner und der tatsächliche Belastungsträger nicht identisch. In der kommunalen Praxis sind bei Gebühren für Abfall und Müllentsorgung etc. zumeist die Grundstückseigentümer als Gebührenschuldner vorgesehen.452 Die Eigentümer legen die Gebühr dann anteilig durch die Mietnebenkosten auf die jeweiligen Mieter um. Im Ergebnis sind somit nur die Mieter mit der Abgabe belastet. Das Auseinanderfallen von gesetzlichem Gebührenschuldner und wirklichem Gebührenzahler hat zur Folge, daß eine soziale Gebührenstaffelung bei Hausgebühren schwierig umzusetzen ist. Für den günstigen Gebührentarif ist nur das Einkommen der Mieter maßgeblich. Da diese jedoch nicht Gebührenschuldner sind, kann die Gewährung von ermäßigten Hausgebühren nur erfolgen, indem ihnen ein entsprechender Teil der auf sie umgelegten Gebühren im Nachhinein auf Antrag hin erstattet wird. Ein solches Verfahren verursacht erheblichen bürokratischen Aufwand, so daß die soziale Staffelung von Hausgebühren insgesamt wenig sinnvoll erscheint. Die komplizierte Ausgestaltung einer sozialen Gebührenstaffelung dürfte schließlich auch eine Erklärung dafür sein, daß bei Hausgebühren, wie Abwasser- und Müllentsorgungsgebühren, in der kommunalen Praxis keine einkommensorientierten Tarifgestaltungen bekannt sind.
450
In der Regel wird im Falle der Ehescheidung das Sorgerecht einem Elternteil - meist der Mutter - übertragen. Aufgrund der vom BVerfG ausgesprochenen Nichtigkeit des § 1671 Abs. 4 Satz 1 BGB kann das Sorgerecht aber auch beiden Eltern belassen werden, vgl. BVerfGE 61, 358 ff. 451 Vgl. OVG Münster, NWVB1 1998, 14(16). 452 Vgl. hierzu Driehaus-Dahmen, §4 KAG Rdn.272ff; Ermel, § 10 HessKAG Erl. 18.
D. Grenzen aus dem Gleichheitssatz
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i) Höhe der einzelnen Tarife Der Gebührengläubiger hat Art. 3 Abs. 1 GG letztlich auch bei der Bestimmung der Höhe der einzelnen einkommensabhängigen Tarife zu beachten.453 Hier stellt sich die Frage, in welchem Rahmen sich der Anteil der Gebühr am ermittelten Einkommen in den einzelnen Tarifgruppen unterscheiden darf. Es ist bereits gesagt worden, daß der Gebührengesetzgeber die Einkommensgruppen, die für die jeweilige Vergünstigung maßgeblich sind, recht breit fassen kann. Das führt notwendigerweise dazu, daß der prozentuale Anteil der Gebühr am Einkommen der Schuldner schon innerhalb einer Tarifstufe variiert. Ein Gebührenschuldner am unteren Rand der Einkommensgruppe muß einen verhältnismäßig höheren Teil seines Einkommens aufwenden, als derjenige, der über ein Einkommen am oberen Rand der entsprechenden Tarifstufe verfügt. Es ist deswegen nicht möglich, strikte Grenzen zu formulieren, in welchem Verhältnis die Einkommensanteile verschiedener Tarifgruppen zueinander stehen dürfen. Angesichts des sozialen Zwecks einer einkommensorientierten Staffelung ist es jedenfalls unbedenklich, wenn der prozentuale Anteil der Gebühr am Einkommen in höheren Tarifstufen steigt. 454 Diese Progression ist Ausdruck einer Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte. Als willkürlich ist es allerdings zu bewerten, wenn ein gleichförmiger Tarifverlauf durch Tarifsprünge unterbrochen wird. Außerordentliche Progressionssprünge lassen sich nicht mit sach- oder gar sozialpolitischen Erwägungen begründen. 455 Der Gleichheitsssatz fordert daher zwar keinen streng gleichmäßigen Tarifverlauf, jedoch eine in etwa harmonische Staffelung. 4. Ermäßigungen für bestimmte Gruppen von Gebührenpflichtigen a) Aus Praktikabilitätsgründen Das Einkommen ist der wirklichkeitsgetreueste Indikator der Leistungsfähigkeit. Es liegt daher nahe, an das Einkommen anzuknüpfen, wenn man sozial schwachen Abgabenschuldnern eine Ermäßigung gewähren will. Bei manchen Gebühren ist es aber im Hinblick auf den Verwaltungsaufwand kaum vertretbar, die individuelle Einkommenssituation der Gebührenschuldner zu überprüfen. Soweit die Zahl der Gebührenpflichtigen hoch und der Abgabentarif gering ist, kann die Leistungsfähig453
Hierzu, OVG Lüneburg, NdsVBl 1998,93 (93 f); OVG Koblenz, FEVS 48,259 (262ff); OVG Münster, OVGE 44, 107 (111). 454 OVG Münster, OVGE 44, 107 (111), von 0,88 % (Anteil der Gebühr am Einkommen in der niedrigsten Stufe) zu 2,4% (in der höchsten Stufe); OVG Koblenz, FEVS 48,259 (262ff), Hortbeitrag von 3,41 % zu 7,72%; Kinderkrippenbeitrag von 6,82% zu 12,87%. 455 OVG Lüneburg, NdsVBl 1998,93 (94), hier stieg die Gebühr bis zur zweithöchsten Einkommensgruppe um jeweils 30 DM, von der zweithöchsten zur letzten Einkommensgruppe verdoppelte sich die Gebühr jedoch um 240 DM.
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
keit der Schuldner aus verfahrensökonomischen Gründen nur anhand von gröberen Merkmalen bestimmt werden. In der kommunalen Praxis werden daher bei Gebühren für Einrichtungen wie Theater, Museum, Schwimmbad etc., die vergünstigten Tarife von der Zugehörigkeit zu einer Gruppe abhängig gemacht, bei der die Verwaltung eine geringe finanzielle Leistungsfähigkeit vermutet. Als derartige Personenkreise werden oftmals Sozialhilfeempfänger, Schüler, Studenten, Rentner, Schwerbehinderte, Wehrpflichtige und Familien benannt. Der Gebührengläubiger ist bei solchen Vergünstigungen gleichermaßen den Schranken des Gleichheitssatzes unterworfen. Das Abstellen auf die Gruppenzugehörigkeit kann aus Vereinfachungsgesichtspunkten nur dann zulässig sein, wenn die Eigenschaft überhaupt geeignet ist, im Regelfall eine zutreffende Aussage über die niedrige Leistungsfähigkeit zu machen. Es ist stets zu erforderlich, daß die günstigen Tarife nur für solche Gruppen zur Verfügung stehen, die der Sozialförderung überhaupt bedürfen. 456 Im Hinblick auf das Ziel, einkommensschwache Gebührenschuldner zu entlasten, ist es nicht zu beanstanden, wenn Gebühren für Sozialhilfeempfänger herabgesetzt werden. Problematischer sind dagegen Ermäßigungen für Rentner, Schüler und Studenten. Nicht jeder Rentner oder Schüler ist leistungsschwach. Bei Schülern und Studenten, Wehrpflichtigen, Schwerbehinderten wird eine geringe Leistungsfähigkeit dennoch typischerweise vorliegen. Fragwürdig ist aber, ob Rentner generell als leistungsschwach einzustufen sind. Altersarmut dürfte zwar kein Einzelfall sein, sie ist aber zum Glück auch längst nicht mehr der Regelfall. b) Aufgrund anderer „ sozialpolitischer " Zielsetzungen Neben verwaltungsökonomischen Gründen finden sich jedoch weitere Gesichtspunkte, die Gebührenermäßigungen für gewisse Gruppen als sachgerecht erscheinen lassen. Ziel des günstigen Tarifs muß nicht allein die Förderung leistungsschwacher Gebührenschuldner sein. Die Kommunen können sich auch aus anderen „sozialen" Erwägungen heraus entschließen, bestimmten Gruppen die Inanspruchnahme gebührenpflichtiger Leistungen zu erleichtern. So ist denkbar, daß die Kommune einen Beitrag zur Familienförderung leisten will und dementsprechend die Gebührendegressionen an das Merkmal Familie bindet. Ein normativer Anknüpfungspunkt für solche Ermäßigungen findet sich wie bereits erläutert in dem Förderungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG. Für die Begünstigung anderer Gruppen gibt es ebenfalls vernünftige Gründe. Schülern, Studenten, Arbeitslosen, Rentnern oder Schwerbehinderten kann eine sinnvolle Freizeitgestaltung ermöglicht werden, indem man ihnen über den Preis einen Anreiz bietet Theater, Museen, Schwimmbädern etc. zu besuchen. Die Förde456
Zu diesem Problem Gern, NVwZ 1995, 1145 (1155); ders., DVB1 1984, 1164 (1170).
E. Sonstige verfassungsrechtliche Fragen
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rung der benannten Gruppen ist vor diesem Hintergrund unbedenklich, denn gerade Schüler, Studenten, Rentner etc. verfügen regelmäßig über ein großes Maß an freier Zeit. Bei Ermäßigungen für Schwerbehinderte und Rentner kann der Gedanke hinzukommen, sie in das Gemeindeleben zu integrieren. „Vereinsamung" ist besonders bei diesen Gruppen ein häufig anzutreffendes soziales Problem. Die Benutzung bestimmter kommunaler Einrichtungen auf dem Kultur-, Bildungs- oder Sportsektor erleichtert ihnen das Zusammentreffen mit anderen Menschen. Eine Gebührendegression bei diesen Einrichtung fördert daher ihre aktive Teilnahme am Gemeindeleben. Insgesamt kann daher auch die Zulässigkeit einer Ermäßigungen für Rentner nicht in Frage gestellt werden. 5. Ergebnis Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung von ermäßigten Gebührentarifen erhebliche Spielräume. Eine grobe Ermittlung der Leistungsfähigkeit ist durch verfahrensökonomische Gesichtspunkte gerechtfertigt, solange das jeweilige Merkmal eine im Regelfall zutreffende Aussage über die soziale Situation des Schuldners gibt. Es genügt daher, bei einkommensabhängigen Staffelungen die Bemessungsgrundlage anhand der Summe der positiven Einkünfte oder dem Bruttoeinkommen, vermindert um erwerbsbedingten Aufwendungen, zu bestimmen. Bei manchen Gebühren sind einkommensabhängige Sozialklauseln nicht praktikabel. Hier ist es zulässig, die Vergünstigung von der Zugehörigkeit zu einer Personengruppe abhängig zu machen, bei der regelmäßig eine geringe Leistungsfähigkeit vorliegt. Solche Ermäßigungen für Schüler, Studenten, Rentner, Schwerbehinderte etc. lassen sich aber nicht nur aus Praktikabilitätserwägungen rechtfertigen. Es kann darüber hinaus ein Interesse der Kommune daran bestehen, diese Gruppen auch aus anderen „sozialen" Gründen zu fördern.
E. Sonstige verfassungsrechtliche Fragen I. Sozialtarife und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Bei einer sozialen Gebührenstaffelung muß sichergestellt sein, daß nur solche Gebührenpflichtige in den Genuß der Vergünstigung gelangen, bei denen die Voraussetzungen für den ermäßigten Tarif auch tatsächlich vorliegen. Der Gebührenpflichtige muß daher Sachverhalte offenlegen, die Aufschluß über seine Leistungsfähigkeit geben. Je nachdem, wie weit die Sozialstaffelung reicht, wird ein Nachweis über die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personen- oder Einkommensgruppe verlangt. Hierin liegt eine Datenerhebung, die in den Schutzbereich des Rechts
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auf informationelle Selbstbestimmung fällt. 457 Dieser terminologisch verselbständigte Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts stellt den informationellen Umgang des Staates mit seinem Bürger umfassend unter Rechtfertigungszwang. 458 Es ist aber trotzdem fraglich, ob eine solche Datenerhebung auch in das Grundrecht eingreift. Bei den Angaben über die persönlichen Verhältnisse handelt es sich nämlich nicht um eine Auskunftsverpflichtung, sondern nur um eine Obliegenheit. Der Schuldner ist nicht gezwungen, Daten über seine Leistungsfähigkeit zu offenbaren. Er kann hiervon absehen, muß dann jedoch auf den günstigen Tarif verzichten und die volle Gebühr zahlen.459 Soweit der Gebührenschuldner sich aber für einen günstigen Tarif entscheidet, könnte eine Einwilligung in die Datenerhebung vorliegen. Eine Einwilligung im Rahmen des Datenschutzgrundrechts setzt jedoch voraus, daß der Grundrechtsinhaber die Daten vollkommen freiwillig preisgibt. 460 Dies wiederum ist nur dann der Fall, wenn er bei der Entscheidung über die Weitergabe seiner Daten sowohl in rechtlicher als auch tatsächlicher Hinsicht eine echte Entscheidungsalternative hat. Eine Wahlmöglichkeit besteht jedoch nur scheinbar, sofern die Offenbarung persönlicher Verhältnisse Bedingung für eine Leistungsgewährung ist. Der Betroffene ist regelmäßig auf die staatliche Hilfe angewiesen. Beweggrund für das Offenlegen der Daten ist daher allein die Notwendigkeit, in Genuß der staatlichen Leistung zu kommen. Die Entscheidung ist gerade nicht durch autonome Motive geprägt. Dies gilt nicht nur, wenn für den Betroffenen existenzsichernde Leistungen auf dem Spiel stehen. Bei jeder Verquickung von Datenpreisgabe und Gegenleistung kann nicht von einer freiwilligen Offenbarung gesprochen werden. Die Information erfolgt in solchen Fällen immer nur wegen des Bedürfnisses nach staatlicher Hilfe. 461 Eine Einwilligung des Gebührenschuldners kann daher nicht vorliegen, soweit er im Rahmen einer sozialen Gebührenstaffelung über persönliche Sachverhalte Auskunft gibt. 462 Die Datenerhebung stellt auch hier einen Grundrechtseingriff dar. Diese Einschränkung der Integrität personenbezogener Daten ist allerdings zulässig, da ohne die Datenerhebung ein sinnvolles Verfahren der sozialen Leistungsgewährung überhaupt nicht möglich wäre. 463 Ferner ist der Zweck der Datenerhebung 457 Zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Rahmen sozialer Gebührenstaffelungen Brohm, in FS-Knöpfle, 57 (73); Burgi, VerwArch 1999, 70 (96). 458 Vgl. bspw. BVerfGE 78,77 (84); von Münch/Kunig-Kunig, Art. 2 GG, Rdn. 38; von Mangold/Klein/Starck-Starck, Art. 2 GG, Rdn. 108; Pieroth/Schlink, Rdn. 377. 459 Vgl. bspw. § 17 Abs. 3 S. 4 GTK NW. 460 Hierzu Brohm, in FS-Knöpfle, 57 (73 f); Kunig, Jura 1993, 593 (601); Rosenbaum, Jura 1988, 178(182). 461 Vgl. Schmitt-Glaeser, HStR VI, § 129 Rdn. 98; Rosenbaum, Jura 1988,178 (182); Kunig, Jura 1993, 593 (601) in Bezug auf soziale Gebührenstaffelungen Brohm, in FS-Knöpfle, 57 (73 f); Burgi, VerwArch 1999, 70 (96). 462 So auch Burgi, VerwArch 1999, 70 (96); Brohm, in FS-Knöpfle, 57 (73 f). 463 Vgl. hierzu BVerwGE 67, 163 (169); 91, 375 (379f); Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 2 GG Rdn. 39.
E. Sonstige verfassungsrechtliche Fragen
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für den Gebührenschuldner ohne weiteres erkennbar. Der Gebührenschuldner weiß, daß er Angaben zur Leistungsfähigkeit macht, um einen günstigen Gebührentarif zu bekommen. Grenzen des Eingriffs ergeben sich aber aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 464 Die Verwaltung darf nur solche Daten verlangen, die zur Ermittlung der Voraussetzungen der Leistungsgewährung unbedingt erforderlich sind. Der Gebürenschuldner muß deshalb nur das preisgeben, was zur Bestimmung des jeweiligen Leistungsfähigkeitskriteriums notwendig ist. 465
II. Sozialtarife und Parlamentsvorbehalt In verfassungsrechtlicher Hinsicht bleibt zu klären, inwieweit die Entscheidung über die soziale Ausgestaltung des Gebührenwesens unter einem Parlamentsvorbehalt steht.466 Die Länder haben die Kommunen in den jeweiligen Kommunalabgabengesetzen zur Gebührenerhebung ermächtigt. Im Zusammenhang mit dem Parlamentsvorbehalt stellt sich damit die Frage, ob diese Ermächtigung bereits ausreicht, um den Kommunen eine soziale Gebührenbemessung zu ermöglichen oder ob hierfür eine weitere ausdrückliche Regelung des Landesgesetzgebers erforderlich ist. 467 Die Reichweite des Parlamentsvorbehalts umschreibt das Bundesverfassungsgericht seit längerem mit der Wesentlichkeitsformel. 468 Hiernach wird gefordert, daß der parlamentarische Gesetzgeber „in grundlegenden normativen Bereichen, (...) alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen", hat. 469 Für die Beurteilung der Wesentlichkeit haben sich dabei zweierlei Anknüpfungspunkte herausgebil464
Vgl. von Mangold/Klein/Starck-Starck, Art. 2 GG, Rdn. 108. Vgl. VGH Kassel NVwZ 1995,406 (409); Burgi, VerwArch 1999, 70 (96f). Unzulässig ist es beispielsweise, zum Nachweis des Einkommens die uneingeschränkte Vorlage des Einkommensteuerbescheids oder einer entsprechenden Bescheinigung des Finanzamts zu verlangen. Dem Betroffenen ist ein Schwarzen der unmaßgeblichen Daten gestattet. 466 Der Parlaments vorbehält wird zumeist als Verbot verstanden, bestimmte Entscheidungen durch Ermächtigung der administrativen Normsetzung zu überlassen. Er ist damit eine Konkretisierung des Gesetzes Vorbehalts. Zur Terminologie von Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, Ossenbühl, HStR III, §62, Rdn.9f; Kühl, S.64f; auch Dreier-Schulze-Fielitz, Art.20GG Rdn.R 107 f; von Münch/Kunig-Schnapp, Art. 20 GG, Rdn. 46; Erichsen, Jura 1995,550 (553); Pieroth/Schlink, Rdn. 264. 467 Hierbei handelt es sich um eine eher theoretische Frage. In den jeweiligen Kommunalabgabengesetzen hat der Landesgesetzgeber - mit Ausnahme von Baden-Württemberg - nämlich bestimmt, daß kommunale Gebühren nur nach dem Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit bemessen werden sollen. Eine soziale Tarifgestaltung ist dann nur möglich, soweit der Gesetzgeber Ausnahmeregelungen zu diesem Bemessungsgrundsatz geschaffen hat, zum Ganzen Teil 3 B.I.2.a). 468 Vgl. hierzu bspw. Ossenbühl, HStR III, § 62, Rdn. 41 ff m. w. N.; Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 20 GG, Rdn. 54; Erichsen, Jura, 1995, 550 (553). 469 BVerfGE 49, 89 (126); 61, 260 (275); ähnlich BVerfGE 77, 170 (230f); 88, 103 (116). 465
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Teil 2: Verfassungsrechtliche Grenzen
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det. Entscheidend für das Erfordernis einer parlamentarischen Regelung ist zum einen die Grundrechtsrelevanz der Maßnahme.471 Zum anderen ist die politische Bedeutsamkeit der zu regelnden Materie von Bedeutung.472 Im Hinblick auf diese Kriterien erscheint es nicht notwendig, eine parlamentarische Entscheidung über die soziale Bemessung kommunaler Gebühren zu verlangen. Die Ermächtigung zur Gebührenerhebung stellt für die Kommunen eine ausreichende gesetzliche Grundlage dar, um diese Abgaben mit sozialen Tarifen zu versehen.473 Das zeigt sich anhand folgender Überlegung: Die Gebührenerhebung greift in die grundrechtlich geschützte Position Vermögen ein. 474 Wegen dieser Grundrechtsrelevanz bedurfte es der formell gesetzlichen Regelungen in den jeweiligen Kommunalabgabengesetzen, mit denen die Kommunen zur Gebührenerhebung ermächtigt werden. 475 Diese Ermächtigung erlaubt es ihnen, in das Rechtsgut Vermögen einzugreifen, wobei die Obergrenze des Eingriffs durch das Äquivalenzprinzip festgelegt ist. Mit einer sozialen Gebührenstaffelung bleibt die Kommune jedoch hinter den eingeräumten Eingriffsmöglichkeiten zurück. Der Gebührentarif wird gerade nicht bis zum Äquivalenzprinzip ausgereizt, sondern niedriger bemessen. In Bezug auf das Ausmaß freiheitsrechtlicher Beeinträchtigung ist die soziale Abstufung damit ein Weniger als die Abgabenerhebung selbst. Die soziale Tarifgestaltung muß demzufolge von der Erhebungsermächtigung mitumfaßt sein. 470 Einen Überblick über die Entwicklung der Rechtssprechung zur Wesentlichkeitsformel und zu sämtlichen Konkretisierungsversuchen in der Literatur Kühl, S. 87 ff; auch DreierSchulze-Fielitz, Art. 20 GG, Rdn.R 103. 471 Vgl. Bspw. BVerfGE 34, 165 (192 f); 47,46 (79); 98, 218 (251). 472 In diese Richtung bspw. BVerfGE 49, 89 (127); 77, 170 (231). Insgesamt ist die Rechtsprechung jedoch in Bezug auf dieses Kriterium zurückhaltender. Es wird betont, daß kein Totalvorbehalt besteht, der vorschreibe, alle objektiv wesentlichen Entscheidungen durch den Gesetzgeber zu treffen. Vielmehr sei ein Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zu respektieren, denn auch der Exekutive seien von Verfassungswegen weitreichende Entscheidungen zugeordnet, vgl. hierzu BVerfGE 49, 89 (124f); 68,1 (87 f, 109 f). Aus dem Schrifttum für ein solches Kriterium bspw. Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 20 GG, Rdn. 104f m. w. N.; Degenhart, Rdn.48f; Kisker, NJW 1977, 1313 (1318); Kühl, S.91 f. 473 Burgi, VerwArch 1999,70 (96); anders Brohm, in FS-Knöpfle, S. 57 (71 ff). In der Rechtsprechung finden sich keine Stellungnahmen hierzu. Dies mag sich daraus erklären, daß für die Staffelung von Kindergartengebühren in allen Ländern ausdrückliche Ermächtigungsgrundlagen bestehen. Das Bundesverfassungsgericht stellt an diese Ermächtigungsgrundlagen allerdings keine großen inhaltlichen Anforderungen. Es hält § 10 HessKigaG mit dem Bestimmtheitsgebot bedenkenlos für vereinbar, obgleich sich dieser im Wortlaut in der Erlaubnis einer einkommensabhängigen Gebührenstaffelung erschöpft, BVerfG 97, 332 (343 f). 474 Nach überwiegender Ansicht ist das Vermögen als solches nur durch Art. 2 Abs. 1 GG und nicht durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt, bspw. BVerfGE 78,232 (243); 91,207 (220); 95, 267 (300); von Münch/Kunig-Bryde, Art. 14 GG Rdn. 23; Jarass/Pieroth-Jarass Art. 14 GG Rdn. 15; anders Bonner Kommentar-Kimminich, Art. 14 GG Rdn.50ff. 475 Ein Abgabenerhebungsrecht kann auch deswegen nicht bereits aus Art. 28 Abs. 1 GG hergeleitet werden, vgl. Teil 1 A. I.
E. Sonstige verfassungsrechtliche Fragen
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Dagegen läßt sich auch nicht einwenden, die soziale Tarifgestaltung führe zu einem gesellschaftlich bedeutungsvollen Umverteilungstatbestand, der wegen seiner politischen und gleichheitsrechtlichen Brisanz eine parlamentarische Regelung erfordere. 476 Hierbei werden die VerteilungsWirkungen verfassungsrechtlich unbedenklicher Gebührendegressionen verkannt. Eine Umverteilung erfolgt nur, wenn Ermäßigungen durch unzulässige Erhöhungen zu Lasten der leistungsstarken Gebührenschuldner finanziert werden. Bei aus Haushaltsmitteln finanzierten Gebührenabschlägen steht demgegenüber nur die Verteilung staatlicher Mittel in Frage. Die gleichheitsrechtliche und politische Bedeutsamkeit solcher Verteilungstatbestände bleibt aber in weitem Maße hinter einer die leistungsstarken Schuldner belastenden Umverteilung zurück. Außerdem erscheint es auch vor dem Hintergrund der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie sachgerecht, die Ermächtigung zur Gebührenerhebung für eine soziale Tarifstaffelung ausreichen zu lassen. Zwar verleiht Art. 28 Abs. 2 GG den Kommunen nicht das Recht einer eigenständigen Gebührenhoheit, es darf jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Selbstverwaltungsgarantie die Satzungshoheit einschließt. Die Folgerungen aus dem Parlamentsvorbehalt an das Vorliegen gesetzlicher Vorschriften dürfen daher nicht so hoch geschraubt werden, daß für eine eigenständige satzungsrechtliche Regelung der Kommunen kein Raum mehr bleibt. 477 Die Erhebungsermächtigung ist ebenfalls Grundlage für einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Ermittlung der für den Abgabentarif relevanten Umstände ist notwendiger Bestandteil der sozialen Gebührenbemessung. Deckt die Befugnis zur Abgabenerhebung die Staffelung verbilligter Tarife ab, so muß dies daher auch für die Ausgestaltung des mit der Sozialtarifierung zusammenhängenden Verfahrens gelten. Darüber hinaus ist zu bedenken, daß Auskunftsobliegenheiten in wesentlich geringerem Maße in das Grundrecht eingreifen als behördlich erzwingbare Datenerhebungen. Dies hat auch Folgen für die Anforderungen, die an die Rechtfertigung solcher Eingriffe gestellt werden können. Sie sind bei Auskunftsobliegenheiten niedrig anzusetzen.478 Eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zur Datenerhebung im Rahmen sozialer Gebührenstaffelungen erscheint demnach nicht notwendig. 479
476
So aber Brohm, in FS-Knöpfle, S. 57 (71 f). Hierzu im Zusammenhang mit einer umweltpolitisch motivierten Ausgestaltung kommunaler Abgaben Pieroth, WiVerw 1996, 65 (78). 478 Vgl. hierzu auch Jarass/Pieroth-Jarass, Art. 2 GG Rdn.39; Rosenbaum, Jura 1988, 178 477
(182). 479
9*
Burgi, VerwArch 1999, 70 (96); anders Brohm, in FS-Knöpfle, 57 (73 ff).
Teil 3
Einfachgesetzliche Grenzen A. Bundesrechtliche Vorgaben Wie die Untersuchung bis jetzt zeigte, ist das Gebührenrecht verfassungsrechtlich nur schwach ausgeformt. Den Kommunen werden konkrete Grenzen bei der Ausgestaltung ihres Gebührenwesens allerdings durch einfachgesetzliche Normen gezogen. Die Vorgaben für die Bemessung kommunaler Gebühren sind dabei hauptsächlich durch die Kommunalabgabengesetze der Länder festgelegt. Aber auch Bundesrecht kann für die soziale Bemessung kommunaler Gebühren relevant werden. Dies ergibt sich daraus, daß Sozialtarife nicht nur das Kommunalabgabenrecht, sondern auch das Sozialrecht berühren. Für die Regelung sozialrechtlicher Sachverhalte hat der Bund erhebliche Möglichkeiten. Dennoch ist § 90 SGB VIII die einzige bundesrechtliche Norm, die sich ausdrücklich mit der Sozialtarifierung kommunaler Gebühren beschäftigt.
I. § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB V I I I 1. Entstehungsgeschichte Mit der Neufassung des Jugendhilferechts im Jahre 1990 hat der Bundesgesetzgeber in § 90 SGB VIII erstmals zur kommunalen Gebührenstaffelung Stellung bezogen. Die Norm ist Teil einer umfassenden Änderung der Kostenbestimmungen des vormaligen JWG.1 Die Kostenbeteiligung im Rahmen des Jugendhilfeangebots war im ersten Gesetzesentwurf der Bundesregierung zunächst in § 82 ff geregelt. Dieser Entwurf wurde allerdings zum Ende des Gesetzgebungsverfahrens noch einmal völlig umgestaltet. Die Hektik bei der Ausarbeitung der Normen führte dazu, daß die späteren Bestimmungen nicht ganz gelungen wirkten. Ihre Systematik war kaum nachvollziehbar und ihre Begrifflichkeiten waren schwer zu verstehen.2 Im Zuge des 1. SGB VIIIÄndG kam es daher zu einer weiteren Korrektur der Regelungen. 1
Zu den Änderungen der Kostenbestimmungen im Vergleich zum JWG, das im erheblichem Umfang nur auf die Vorschriften des BSHG verwies, vgl. Jans-Happe, Vor. § 90-97 SGB
VIII, S.l.
2 Vgl. Münder, S. 121 f; LPK, Vorb. § 90 SGB VIII Rdn. 1 f; Wiesner/Morsberger/Oberloskamp/Struck-Wiesner, Vor. §90 SGB Rdn. 5.
A. Bundesrechtliche Vorgaben
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§ 82 des ursprünglichen Regierungsentwurfs gestattete dem Landesgesetzgeber zunächst, „Gebühren und Teilnehmerbeiträge für Tageseinrichtungen nach dem Elterneinkommen zu staffeln." 3 Dieser Regierungsentwurf ist dann auf Betreiben des Bundesrats modifiziert worden. Der Bundesrat bat um Klarstellung, daß „die Staffelung nach Einkommensgruppen nicht zwingend ist und insbesondere auch die familiäre Situation berücksichtigt werden kann, zum Beispiel durch eine Staffelung nach Geschwisterzahl."4 Die Regelungsermächtigung wurde daraufhin zugunsten des Landesrechts um die Alternative einer Staffelung nach der Kinderzahl erweitert. Im Ergebnis lautete § 90 Abs. 1 Satz 2 VIII in seiner ersten Fassung daher wie folgt: „Landesrecht kann für die Inanspruchnahme von Tageseinrichtungen für Kinder pauschale Beträge festsetzen und diese nach Einkommensgruppen oder Kinderzahl staffeln." Vergleicht man Normtext und Gesetzesbegründungen, werden die Mängel der Formulierung deutlich. Der Wortlaut legt nahe, daß Einkommen oder Kinderzahl nur alternativ zugrundegelegt werden können, soweit sich der Gesetzgeber für eine Staffelung entscheidet. Das genaue Gegenteil war aber mit Empfehlung des Bundesrates beabsichtigt. Die Einbeziehung der Kinderzahl sollte den Spielraum des Landesgesetzgebers erweitern, indem er nicht nur das Einkommen, sondern gerade auch zusätzlich die Kinderzahl als Parameter heranziehen darf. 5 Die sprachliche Unklarheit beabsichtigte man durch das 1. SGB VIII ÄndG zu beseitigen. Die Bundesregierung sah vor, im Normtext das oder durch ein und zu ersetzen.6 Im Prüfungsverfahren kam es dann aber nochmals zu einem Vorschlag des Bundesrates, die Bestimmung zu erweitern. Es sollte der unterschiedlichen finanziellen Belastung Rechnung getragen werden, je nachdem, ob die Kinder mit nur einem oder beiden Elternteilen zusammenleben. Der Bundesrat empfahl daher den Ländern, die Möglichkeit einzuräumen, „entweder nach Einkommensgruppen und Kinderzahl oder Einkommensgruppen und Zahl der Familienangehörigen" zu staffeln. 7 Dieser Vorschlag prägt die heutige Fassung des § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII.
3 Mit der Norm sollte der Streit um die Zulässigkeit solcher Tarifgestaltungen beendet werden, vgl. Regierungsbegründung zu § 82 Abs. 2 RegE, BT-Drucksache 11/5948/1989 S. 109; BVerwGE 107, 188 (190). In der Regierungsbegründung wird zudem ausdrücklich auf die Entscheidung des OVG Bremen zur sozialen Gebührenstaffelung Bezug genommen, OVG Bremen, DVB1 1988, 250ff. Dieses Urteil stand am Anfang des Meinungsumschwungs zugunsten der einkommensabhängigen Gebührenstaffelungen. Im Gegensatz zu der Entscheidung des OVG Bremen, in der anklingt, eine Staffelung der Kindergartengebühren sei sogar zwingend geboten, wird eine Verpflichtung zur sozialen Bemessung in Normtext und Regierungsbegründung aber ausdrücklich abgelehnt. 4 BT-Drucksache 11/5948/1989 S. 145. 5 Vgl. hierzu auch BVerwGE 107, 188 (190f). 6 BT-Drucksache 12/2866/1992 S. 10 u. 25. 7 BT-Drucksache 12/2866/1992 S.35.
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Teil 3: Einfachgesetzliche Grenzen
2. Gesetzgebungskompetenz des Bundes § 90 SGB VIII hat abseits von der grundsätzlichen Thematik der Zulässigkeit sozialer Staffelungen mehrere Fragen aufgeworfen. In verfassungsrechtlicher Hinsicht ist die Gesetzgebungskompetez des Bundes für eine solche Regelung angezweifelt worden. Die Zuständigkeit des Bundes für das Jugendhilferecht wird grundsätzlich aus dem Kompetenztitel „öffentliche Fürsorge" nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG hergeleitet. Es ist allerdings umstritten, inwieweit einzelne Bereiche der Jugendhilfe, wie die Förderung von Kindern im Kindergarten, tatsächlich von dieser Gesetzgebungskompetenz gedeckt sind.8 Der bayerische Verfassungsgerichtshof ging davon aus, daß für die Regelung des Kindergartenwesens die Länder zuständig seien. Dies ergebe sich aus dem Bildungsschwerpunkt der Einrichtung. Der Kindergarten könne nicht mehr bloß als Aufbewahrungsstätte für Kinder während der Abwesenheit der Eltern angesehen werden. Er stelle heute vielmehr eine familienergänzende Erziehungs- und Bildungsstätte dar. Die bundesrechtliche Kompetenz zur Ausgestaltung des Kindergartenwesens ließe sich deswegen auch nicht aus dem Kompetenztitel „öffentliche Fürsorge" ableiten.9 Diese Auffassung hat sich jedoch in anderen Bundesländern zu Recht nicht durchgesetzt.10 Auch das BVerfG hat inzwischen die Kompetenzfrage zugunsten des Bundes geklärt. 11 Ein Bildungsauftrag des Kindergartens läßt sich zwar nicht von der Hand weisen, Hauptanliegen der Einrichtung bleibt aber nach wie vor die fürsorgende Betreuung mit dem Ziel einer Förderung sozialer Verhaltensweisen. Kindergärten dienen in erster Linie der vorbeugenden Jugendpflege. Für die Regelung des Kindergartenwesens ist damit gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG auch der Bund zuständig. Diese konkurrierende Gesetzgebungskompetenz umfaßt notwendigerweise auch Kostenregelungen wie § 90 SGB VIII. Eine effektive Fürsorgeleistung wäre nämlich ohne derartige Bestimmungen überhaupt nicht möglich. 12
8 Zum Ganzen Wiesner/Morsberger/Oberloskamp/Struck-Wiesener, SGB VIII Einl. Rdn.25; ders, ZfJ 2000, 24 (25); von Mangold/Klein/Pestalozza, Art. 74 GG Rdn.340. 9 BayVerfGH 29,191 (206); in diese Richtung auch Isensee, DVB1 1995 1 (5f); ablehnend ebenfalls von Münch/Kunig-Kunig, Art. 74 GG Rdn. 34; Sachs-Degenhart, Art. 74 GG Rdn. 33. 10 OVG Bremen, DVB1 1988, 250 (250); OVG Berlin, OVGE 15, 259 (261 ff); OVG Münster, OVGE 107 (109); NVwZ 1995, 195 (195); so auch Wiesner/Morsberger/Oberloskamp/ Struck-Wiesner, Einl. SGB VIII Rdn. 26; Schellhorn, Einl. SGB VIII Rdn. 14 ff; Jarass/PierothPieroth, Art. 74 GG Rdn. 18; von Mangold/Klein/Pestalozza, Art. 74 GG Rdn. 341. 11 BVerfGE 97, 332 (341 f), vgl hierzu auch Jesteadt, DVB1 2000, 1820 (1822 FN 14). 12 So BVerfGE 97, 332 (341 f); OVG Münster, OVGE 44, 107 (109f). Um die Zustimmung Bayerns im Bundesrat zu erreichen, mußte der Gesetzgeber in § 26 Satz 2 SGB VIII eine Regelung aufnehmen, mit der die Rechtsauffassung Bayerns zur Gesetzgebungskompentenz im Bereich des Kindergartens ausdrücklich toleriert wird. Diese Formulierung ist nicht unbedenklich. Mit dieser Formel wird nämlich ein verfassungsrechtlicher Dissens überspielt und eine Klärung der Kompetenzfrage durch das BVerfG vermieden, vgl. insbes. Wiesner/Morsberger/
A. Bundesrechtliche Vorgaben
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3. Teilnehmerbeiträge und Gebühren Auch in tatbestandlicher Hinsicht wirft § 90 SGB VIII Fragen auf. Er nennt die Gebühr und den Teilnehmerbeitrag als „Abgaben", deren Tarife einkommensabhängig gestaltet werden können. Nur der Begriff der Gebühr ist dabei aber im abgabenrechtlichen Sinn zu verstehen. Der Begriff des Teilnehmerbeitrags hat eigenständige Bedeutung. Nach Sinn und Zweck der Regelung kann gerade kein finanzrechtlicher Beitrag gemeint sein.13 Im Abgabenrecht bezeichnet der Beitrag eine gegenleistungsabhängige Abgabe. Sie wird gegen die Gebühr dadurch abgegrenzt, daß für ihre Erhebung keine tatsächliche Inanspruchnahme der staatlichen Leistung erforderlich ist, sondern bereits die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme genügt.14 § 90 SGB VIII besagt jedoch, daß der Teilnehmerbeitrag und die Gebühr für die konkrete Inanspruchnahme der Tageseinrichtung festgesetzt werden. Es würde ohnehin dem Sinn des Sozialgesetzes widersprechen, wenn die Abgabepflicht schon bei der bloßen Möglichkeit der Kinderbetreuung ansetzen würde. Die beiden in § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII genannten „Abgaben" können sich daher nicht nach den üblichen finanzrechtlichen Kriterien unterscheiden. Sie grenzen sich aber durch die Erhebungsform aus Sicht des Trägers gegeneinander ab.15 Die Verwaltung kann die Kindergartenbenutzung privatrechtlich oder öffentlichrechtlich regeln. Im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung der Leistungsbeziehung wird die Abgabe, mit der Leistung finanziert wird, als Gebühr bezeichnet. Teilnehmerbeitrag heißt demgegenüber das Entgelt, mit dem die Eltern im Rahmen einer privatrechtlichen Beziehung an den Kosten der Einrichtung beteiligt werden. Die Wahl dieses Begriffs erklärt sich daraus, daß die meisten freien Träger der Jugendhilfe in der Rechtsform des Vereins organisiert sind. Es bot sich daher an, die privatrechtlichen Entgelte terminologisch an die vereinsrechtlichen Mitgliedsbeiträge freier Trägerorganisationen anzulehnen. 4. Bemessungsgrundlage Zu beleuchten ist weiter, inwiefern § 90 SGB VIII Vorgaben für die konrete Ausgestaltung der Gebührenstaffelung enthält. Hierbei ist zunächst festzustellen, daß Oberloskamp/Struck-Wiesner Einl. SGB VIII, Rdn. 26 und § 26 SGB VIII Rdn. 6; ders, ZfJ 2002, 24 (25). 13 Zum Ganzen Schellhorn, § 90 SGB VIII Rdn. 14; Wiesner/Morsberger/Oberloskamp/ Struck-Wiesner, § 90 SGB VIII Rdn. 6f; LPK, § 90 SGB VIII Rdn. 3. 14 Zum Beitragsbegriff bspw. BVerwGE 72,212 (219); Sachs-Siekmann, Vor. Art. 104 a GG Rdn. 70; Bonner Kommentar-Vogel/Waldhoff, Vor. Art. 104a-115 GG Rdn. 429; F. Kirchhof, „Gebühr", S. 18; Ubber, S. 281 ff; Henneke, Jura 1990, 113 (116f). 15 Allgem. Auffassung, vgl. Schellhorn, §90 SGB VIII Rdn. 14; Wiesner/Morsberger/Oberloskamp/Struck-Wiesner, §90 SGB VIII Rdn. 6 ff; LPK, §90 SGB VIII Rdn. 3; Kunkel, Rdn. 277; Haaser, § 10 HessKgG Rdn. 3.
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Teil 3: Einfachgesetzliche Grenzen
die Vorschrift den Ländern und Kommunen keinen bestimmten Einkommensbegriff aufdrängt. 16 Zwar verweist § 90 Abs. 4 SGB VIII auf die sozialhilferechtliche Einkommensdefinition, dies gilt jedoch ausdrücklich nur für die Ermittlung der zumutbaren Belastung, bei deren Überschreiten nach Abs. 2 und 3 von der Abgabepflicht abgesehen werden kann. Für die in § 90 Abs. 1 SGB VIII genannte Staffelungsmöglichkeit wird gerade nicht auf die Einkommensdefinition in § 76 ff BSHG zurückgegriffen. Trotz der Änderung des § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII ist die Formulierung hinsichtlich des Verhältnisses von Einkommen und Kinderzahl verwirrend geblieben. Der Normtext legt nunmehr nahe, die Staffelung dürfe Einkommen und Kinderzahl ausschließlich kumulativ berücksichtigen. Eine solche Auslegung ist aber weder mit der Systematik der Vorschrift, noch mit ihrer Entstehungsgeschichte vereinbar. Die Änderung des § 90 SGB VIII 1990 sollte nur klarstellen, daß der Landesgesetzgeber nicht an eine alternative Verwendung der Merkmale Einkommen und Kinderzahl gebunden ist. Mit der Neufassung sollte er dagegen nicht auf eine kumulative Berücksichtigung der Kriterien beschränkt werden. 17 Eine andere Interpretation des § 90 SGB VIII führt zudem zu inhaltlichen Widersprüchen. § 90 SGB VIII läßt dem Landesgesetzgeber ausdrücklich freie Hand, ob er bei Tageseinrichtungen für Kinder eine Staffelung der Gebühren oder Beiträge vornimmt. Er kann auf eine sozial ausgewogene Bemessung vollkommen verzichten. Es erscheint dann aber kaum nachvollziehbar, warum ihm ein kumulatives Zügrundelegen beider sozialen Kriterien aufgezwängt werden sollte, soweit er sich doch für eine Staffelung entscheidet.18 5. Beurteilung der Norm § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII stellt eine sehr weit gefaßte Ermächtigung dar, Eltern durch einkommensabhängige Gebühren an der Finanzierung des Kindergartens zu beteiligen. Konkrete Grenzen über die Ausgestaltung der Staffelung enthält die Norm nicht. Der Handlungsspielraum des Gebührengläubigers wird durch diese Bestimmung gegenüber den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Gleichheitssatzes für die Gebührenbemessung nicht weiter eingeengt. Der Norm kommt damit insgesamt eher ein deklaratorischer denn regelnder Charakter zu.
16
So bspw. BVerwGE 107, 188 (192); BVerwG NVwZ 1995, 173 (174); OVG Münster, OVGE 107 (110); Schellhorn, §90 SGB VIII Rdn. 19; Wiesner/Morsberger/Oberloskamp/ Struck-Wiesner, §90 SGB VIII Rdn. 17. 17 Vgl. BT-Drucksache 12/2866/1992 S. 10 u. 25, wo von einer Änderung redaktioneller Art die Rede ist. 18 So bspw. BVerwG 107, 188 (189ff); OVG Münster, OVGE 44, 107 (110f); Schellhorn, §90 SGB VIII Rdn. 19f; Wiesner/Morsberger/Oberloskamp/Struck-Wiesner, §90 SGB VIII Rdn. 14; Haaser, § 10 HessKgG Rdn.5.4; anders OVG Koblenz, FEVS 48, 259 (261).
A. Bundesrechtliche Vorgaben
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II. Abschließende Sozialförderung durch Bundesrecht Wie eingangs gesagt, nehmen bis auf § 90 SGB VIII keine weiteren bundesrechtlichen Normen zur Sozialstaffelung bei kommunalen Gebühren Stellung. Burmeister/Becker haben den Sozialgesetzen des Bundes allerdings ein implizites Verbot zur sozialen Ausgestaltung des kommunalen Gebührenwesens entnommen.19 Ausgangspunkt ihrer Überlegungen ist die Tatsache, daß die Regelung sozialrechtlicher Sachverhalte zumeist dem Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung unterfällt. Legislative Tätigkeit des Bundes führt dort zu einer Rechtssetzungssperre zu Lasten der Länder, soweit der Bund eine Materie bereits erschöpfend geregelt hat. 20 Diese Sperrwirkung beschränkt wiederum die kommunalen Rechtssetzungsmöglichkeiten.21 Burmeister/Becker gehen davon aus, die staatliche Unterstützung für die Belastung mit kommunalen Abwasser- und Müllentsorgungsgebühren sei in Bundessozialhilfe und Wohngeldgesetz erschöpfend geregelt. Der abschließende Charakter der Förderung zeige sich anhand zweier Tatsachen. Erstens berücksichtigten beide Leistungsgesetze den konkreten Bedarf des Einzelnen für die Zahlung dieser Gebühren. Die tatsächliche Belastung mit der Abgabe beeinflusse nämlich die Höhe des Anspruchs auf die jeweilige Sozialleistung.22 Zweitens würden die Hilfen nach Wohngeld- und Bundessozialhilfegesetz nur bis zu bestimmten Einkommensgrenzen gewährt. Diese Förderungsgrenzen müßten aber Schranken der Förderungswürdigkeit für die Zahlung der kommunalen Gebühren markieren, denn die konkrete Belastung mit diesen Abgaben ist bereits in der Berechnung des sozialrechtlichen Anspruchs einkalkuliert. Der Bundesgesetzgeber 19
Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 (658 f). Bspw. BVerfGE 2, 232 (235); 20, 238 (248); 67, 299 (324). 21 Die Beschränkung erfolgt allerdings nicht in kompetenzieller, sondern in materieller Hinsicht, denn die Art. 70 ff GG gelten nur im Verhältnis der Legislative von Bund und Ländern. Die Sperrwirkung gegenüber dem Landesgesetzgeber führt aber dazu, daß von ihm erlassene Normen mit Bundesrecht kompetenziell unvereinbar sind, soweit sie die Kommunen zur Regelung von Materien ermächtigen, die den Ländern bereits entzogen sind. Kommunale Satzungen würden sich in einem solchen Fall auf eine fehlerhafte Ermächtigungsgrundlage stützen und wären demzufolge materiell rechtswidrig, vgl. Teil 2 A. II. 4. 22 Die sozialhilferechtliche Hilfe zum Lebensunterhalt trägt die Belastung durch solche Gebühren nach § 22 Abs. 2 i.V. m. § 3 Abs. 1 ReglsatzVO in voller Höhe, vgl. Teil 2 D. II. 4. Das Wohngeldgesetz gewährt ebenfalls Unterstützung für die Zahlung von Gebühren für Abwasserentsorgung und Müllabfuhr. Es unterscheidet zwischen dem Mietkosten- und Lastenzuschuß. Der Umfang des Mietkostenzuschusses wird durch die tatsächliche Miethöhe bestimmt. Nach der Legaldefinition des § 5 Abs. 1 WohnGG fallen unter die Miete auch die kommunalen Gebühren, die in den Nebenkosten auf den Mieter umgelegt werden. Für den Lastenzuschuß gilt dies spiegelbildlich. Die Anspruchshöhe ist durch die Höhe der mit der Unterkunft verbunden Lasten bestimmt. Der Lastenbegriff in § 6 Abs. 1 WohnGG schließt wiederum die kommunalen Gebühren als Betriebskosten ein. 20
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Teil 3: Einfachgesetzliche Grenzen
habe daher die politische Entscheidung über die Grenze zwischen Eigenverantwortung und Einstandspflicht der Allgemeinheit für die Zahlung der Abwasser- und Müllentsorgungsgebühren gefällt. Eine zusätzliche Unterstützung der Kommunen durch günstige Gebührentarife erweitere aber die Verantwortlichkeit der Allgemeinheit gegenüber dem Einzelnen. Sie konterkariere so die durch Bundesrecht getroffene Entscheidung und sei demnach unzulässig. Ein solcher Schluß ist nicht zwingend. Er unterstellt dem Bundesgesetzgeber eine Regelung, die er so nicht treffen wollte. Die Berücksichtigung regional unterschiedlicher Belastungen wie auch die Abhängigkeit der Förderung von bestimmten Einkommensgrenzen hat mehr mit effektiver als mit abschließender Förderung zu tun. Sozialhilfe will den verfassungsrechtlichen Anspruch auf das Existenzminimum sichern. Sie würde zur Farce, wenn sie als bundeseinheitliche Pauschalzahlung ausgestaltet wäre und nicht den konkreten Bedarf des Empfängers zugrundelegen würde. Die Abhängigkeit einer solchen Förderung von Einkommensgrenzen liegt in der Natur der Sache. Wer seine Bedürfnisse aus eigener Kraft befriedigen kann, für den muß der Staat nicht einspringen. Diese beiden Tatsachen als Indizien einer Beschränkung kommunaler Gebührenbemessung zu werten, wirkt konstruiert. Deutlich wird das erst recht, wenn man die These von Burmeister/Becker konsequent weiterführt. Unterstellt man ihren Ansatz als richtig, ließe sich aus Bundessozialhilfe- und Wohngeldgesetz ein Kostendeckungsgebot für kommunale Gebühren entnehmen. Die politische Entscheidung über die Grenze zwischen Einstandspflicht der Allgemeinheit und Eigenverantwortung wird nämlich nicht nur unterlaufen, indem einzelnen Gebührenschuldnern Ermäßigungen gewährt werden. Die Gemeinde korrigiert die bundesrechtliche Demarkationslinie der Förderungswürdigkeit auch, wenn sie alle Nutzer einer gemeindlichen Einrichtung durch nichtkostendeckende Gebühren in gleicher Weise unterstützt. Die Sperre weiterer Sozialförderung wird hierbei nicht bloß zugunsten einzelner Gemeindebürger, sondern zugunsten aller Bürger einer einzelnen Gemeinde durchbrochen. Die angeblich durch Bundessozialhilfe- und Wohngeldgesetz gezogene Grenze der Belastung der Allgemeinheit bleibt nur dann erhalten, wenn jede Gemeinde jedem Einwohner sämtliche Kosten der an ihn erbrachten Leistungen auferlegt. Es erscheint äußerst zweifelhaft, ob mit den Leistungsgesetzen derartige Vorgaben an das kommunale Abgabenwesen beabsichtigt sind. Zumal ein bundesrechtliches Kostendeckungsgebot schon aus kompetenziellen Gründen verfassungsrechtlich bedenklich wäre, da die Regelung des kommunalen Gebührenrechts in den Zuständigkeitsbereich der Länder fällt. Naheliegender ist es daher anzunehmen, der Bundesgesetzgeber habe durch die Beachtung unterschiedlicher regionaler Gebührenbelastungen Spielräume der Kommunen bei der Ausgestaltung ihrer Gebühren akzeptiert, anstatt sie einengen zu wollen. Indem die Gesetze an die tatsächliche Gebührenhöhe anknüpfen, reagieren die Leistungstatbestände gerade auch flexibel auf kommunale Gebührendegressio-
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ndesrechtliche Vorgaben
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nen. Gebührenermäßigungen mindern den konkreten Bedarf des Sozialhilfe- oder Wohngeldempfängers, sie senken damit seinen Förderungsanspruch aus den Bundesgesetzen. Gegen ein implizites Verbot kommunaler Gebührenstaffelungen spricht schließlich die Entstehungsgeschichte des § 90 SGB VIII. Der Bundesgesetzgeber wollte mit der Vorschrift den Streit um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von einkommensabhängigen Kindergartengebühren beenden. Er beabsichtigte dagegen nicht, mit dieser Norm eine Ausnahmevorschrift gegenüber sonstigen bundesrechtlichen Verboten kommunaler Gebührenstaffelungen zu schaffen. Gerade das müßte aber nach der These Burmeister/Beckers der Fall sein. Der Bundesgesetzgeber geht jedoch davon aus, daß er sich bis auf § 90 SGB VIII noch überhaupt nicht zur Zulässigkeit solcher Degressionen geäußert hat. Ein implizites Verbot kommunaler Sozialtarife kann aus dem Wöhngeld- und Bundessozialhilfegesetz daher nicht abgeleitet werden.
B. Landesrechtliche Vorgaben Die wesentlichen Vorgaben für die Bemessung kommunaler Gebühren finden sich in landesrechtlichen Vorschriften. Maßgebliche Bedeutung für die Ausgestaltung des Gebührentarifs haben dabei die jeweiligen Kommunalabgabengesetze.
I. Soziale Bemessungsmöglichkeiten nach dem Kommunalabgabengesetz 1. Begriff der Gebühr Das nordrhein-westfälische KAG enthält in § 4 Abs. 2 eine Legaldefinition der Gebühr. Diese unterscheidet zwischen Verwaltungsgebühren, bei denen die staatliche Leistung in einer Amtshandlung oder sonstigen Tätigkeit der Verwaltung zu sehen ist und Benutzungsgebühren, deren Erhebungsgrund in der Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung oder Anlage liegt. Für die folgende Untersuchung ist die Trennung von Belang, denn beide Gebührenarten folgen unterschiedlichen Bemessungsregeln. a) Trennung von Benutzungs- und Verwaltungsgebühren Charakteristisch für die Verwaltungsgebühr ist, daß sie für die Nutzung eines im wesentlichen personell bestimmten Verwaltungsapparats erhoben wird. 23 Amtshandlung im Sinne der Legaldefinition dieses Gebührentyps ist eine öffentliche 23 Bspw. F. Kirchhof, „Gebühr", S.24; Gußen, S.7; vgl. auch Driehaus-Dahmen, §4 KAG Rdn. 154.
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Handlung, die für sich selbständig und abgeschlossen ist und nach außen gegenüber den Beteiligten in Erscheinung tritt. Häufigste Form einer gebührenpflichtigen Amtshandlung ist die Erteilung einer Erlaubnis oder Genehmigung.24 Der Begriff sonstige Tätigkeit i. S. d. § 4 Abs. 2 KAG NW ist ein Auffangtatbestand.25 Er erfaßt alle anderen Handlungen der Verwaltung, die sich nicht bereits unter das Merkmal Amtshandlung subsumieren lassen. In Betracht kommen hierbei Leistungen der Körperschaften füreinander, wie beispielsweise die Aufstellung eines Bauleitplans durch den Kreis zugunsten einer kreisangehörigen Gemeinde. Bei Benutzungsgebühren liegt der Schwerpunkt der Leistung auf der Nutzung von sachlichen Mitteln der Verwaltung. Der Terminus „öffentliche Einrichtung" knüpft an die entsprechenden Begriffe in §§ 8, 9 GO NW an. Einen eigenen Begriff der Einrichtung wollte das KAG nicht schaffen. 26 Eine öffentlichen Einrichtung läßt sich daher definieren als ein Sachinbegriff, den die Gemeinde im öffentlichen Interesse unterhält und durch Widmung der allgemeinen Benutzung durch die Einwohner zugänglich macht.27 Bekanntermaßen fallen hierunter Versorgungs-, Entsorgungs- und Verkehrsbetriebe, Märkte, Bäder, Konzerthallen, Sporteinrichtungen, Theater, Museen etc. 28 Eine öffentliche Einrichtung kann aber auch einfach eine kommunale Wiese sein, die eine Gemeinde für eine Veranstaltung zur Verfügung stellt. 29 Nicht vom Begriff der öffentlichen Einrichtung erfaßt sind allerdings öffentlichrechtliche Sachen in Gemeingebrauch.30 Diese werden aber von dem in § 4 Abs. 2 KAG NW stehenden Begriff der öffentlichen Anlage eingeschlossen.31
b) Kommunalabgabengesetzlicher und Sozialtarife
Gebührenbegriff
Auch im Rahmen des Kommunalabgabengesetzes stellt sich die Frage, ob schon der Begriff der Gebühr eine soziale Tarifgestaltung ausschließt. Dazu müßte vom Abgabenterminus bereits eine bestimmte Abgabenhöhe, Bemessung oder Zweckverfolgung vorgegeben sein, mit der leistungsfähigkeitsbezogene Tarife nicht zu vereinbaren wären. 24
Vgl. Driehaus-Dahmen, §4 KAG Rdn. 157. Vgl. Driehaus-Dahmen, §4 KAG Rdn. 159. 26 Driehaus-Dahmen, §4 KAG Rdn. 203. 27 Vgl. Tettinger, Rdn. 162; zum Begriff der öffentlichen Einrichtung auch Driehaus-Dahmen, §4 KAG Rdn. 203; OVG Münster, KStZ 1977, 219 (219). 28 Aufzählungen bspw. bei Driehaus-Dahmen, §4 KAG Rdn. 204; Tettinger, Rdn. 163. 29 Vgl. OVG Münster NJW 1976, 820 (820). 30 Vgl. Driehaus-Dahmen, §4 KAG Rdn. 205; Bauernfeind/Zimmermann, §4 KAG NW Rdn. 23. 31 Hierzu Driehaus-Dahmen, §4 KAG Rdn. 250. 25
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Die eben genannten Merkmale, mit denen zwischen Verwaltungs- und Nutzungsgebühren unterschieden wird, enthalten solche Elemente nicht. Sie konkretisieren nur die Beschaffenheit der staatlichen Leistung. Eine Sperre für die soziale Abgabenbemessung kann ihnen offensichtlich nicht entnommen werden. Der kommunalabgabenrechtliche Gebührenbegriff fordert darüber hinaus, daß die Abgabe „Gegenleistung" für die Tätigkeit der Verwaltung oder die Benutzung der Einrichtung ist. Eine Vorgabe über Höhe und Wert der in Austausch gebrachten Leistungen ist aus dieser Voraussetzung ebenfalls nicht herauszulesen. Die Abgabe bleibt vom Wortlaut her eine Gegenleistung, unabhängig davon, ob sie verschwindend gering oder unverhältnismäßig hoch ist. Die Umschreibung der Gebühr als Gegenleistung verdeutlicht nur, daß ein Zusammenhang zwischen der staatlichen Leistung und der Erhebung der Abgabe bestehen muß. Beide Leistung stehen in einem Austauschverhältnis. Die Gebühr wird nur deshalb verlangt, weil der Gebührenschuldner die öffentliche Leistung in Anspruch genommen hat. Der Inhalt des Kriteriums der Gegenleistung ist damit aber auch erschöpft. Der kommunalabgabenrechtliche Begriff der Gebühr steht einer sozialen Gebührenbemessung daher nicht im Wege. Ihre Zulässigkeit ist allein Frage in § 5 und § 6 KAG NW festgelegten Bemessungsgrundsätze.32 2. Benutzungsgebühren a) §6 Abs.3 Satz 3 KAG NWDer Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit Es ist bereits dargelegt worden, daß sich der Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit in Bezug auf Sozialtarife als problematisch erweist. Er schreibt eine Gebührenbemessung nur nach Art und Umfang der staatlichen Leistung vor und schließt damit die Berücksichtigung sozialer Umstände aus. Der Grundsatz besitzt zwar keinen Verfassungsrang, er ist aber in fast allen Kommunalabgabengesetzen einfachgesetzlich niedergelegt. In Nordrhein-Westfalen findet er sich in § 6 Abs. 3 Satz 1 KAG. Dort ist vorgesehen, daß Benutzungsgebühren „nach der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung zu bemessen" sind. Ein hieran angefügter Klammerzusatz - (Wirklichkeitsmaßstab) - stellt klar, daß grundsätzlich das tatsächliche Ausmaß der Inanspruchnahme für die Tarifhöhe maßgeblich ist. 33 § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG 32
So auch Gußen, S. 12f. Die Anwendung eines Wirklichkeitsmaßstabes setzt voraus, daß Art und Umfang der Inanspruchnahme der kommunalen Einrichtung oder Anlage genau feststellbar sind. Ist dies möglich, wird für die Bestimmung der Gebührenhöhe zunächst berechnet, wie hoch der Anteil der insgesamt abwälzbaren Gesamtkosten je Leistungseinheit ist. Dann wird dieses Ergebnis mit der Zahl der vom Gebührenschuldner in Anspruch genommenen Leistungseinheiten multipliziert, vgl. Driehaus-Dahmen, §4 KAG Rdn.49 und §6 KAG Rdn.200; Bauemfeind/Zimmermann, § 6 KAG NW Rdn. 37. Der Wirklichkeitsmaßstab bietet sich daher immer dann an, wenn die Inanspruchnahme durch Messung ermittelt werden kann, also teil-, meß- oder zählbare Leistungen vorliegen, vgl. Zimmermann, DVB1 1989, 901 (906). 33
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NW schränkt diese Direktive allerdings ein, soweit sich die Anwendung des Wirklichkeitsmaßstabes als „besonders schwierig oder wirtschaftlich nicht vertretbar erweist." In diesen Fällen ist es der Kommune gestattet, auf einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zurückzugreifen. Anknüpfungspunkt für die Ermittlung der einzelnen Gebührenhöhe ist nach beiden Sätzen allein der Umfang der staatlichen Leistung, nach Satz 1 der tatsächliche und nach Satz 2 der vermutete. Die Leistungsfähigkeit des Empfängers ist gerade kein Umstand, der mit dem Ausmaß der Inanspruchnahme der Staatsleistung in irgendeiner Weise zusammenhängt. Ihre Einflußnahme auf den Abgabentarif ist damit nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 3 Satz 1 KAG NW völlig ausgeschlossen.34 Für eine Rechtfertigung sozialer Tarifgestaltungen kommt es daher darauf an, ob Ausnahmevorschriften bestehen, mit denen das Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit durchbrochen werden kann. b) Ausnahmenregelungen zu §6 Abs. 3 Satz 1 KAG NW Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber hat die Leistungsfähigkeit der Gebührenschuldner im Kommunalabgabengesetz in der Tat nicht völlig ausgeblendet. § 12 KAG NW verweist auf eine Vielzahl von Normen aus der Abgabenordnung. Unter ihnen befinden sich auch die Vorschriften über den Festsetzungserlaß nach § 163 Abs. 1 und 3 AO und den Zahlungserlaß nach § 227 AO. Dem Abgabengläubiger wird durch diese Vorschriften die Möglichkeit eingeräumt, dem Schuldner aus Gründen persönlicher und sachlicher Unbilligkeit die Abgabenschuld zu erlassen. Ein Fall persönlicher Unbilligkeit liegt vor, wenn durch die Abgabenerhebung die wirtschaftliche Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie bedroht ist. Das ist vor allen Dingen dann anzunehmen, wenn der Abgabenpflichtige ohne die Billligkeitsmaßnahme seinen Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht bestreiten kann.35 In eine ähnliche Richtung kann der Befreiungsgrund der sachlichen Unbilligkeit zielen. Er soll in Betracht kommen, wenn die Abgabenerhebung Grundrechte des 34
Vgl. OVG Münster, OVGE 44 107 (108); NWVB1 1988, 377 (378f); Driehaus-Dahmen, § 6 KAG Rdn. 244 (265); Bauernfeind/Zimmermann, § 2 KAG NW Rdn. 16; Burmeister/Bekker, DVB11996,651 (656f); Kottmann, KStZ 1985,41 (43); Gern, DVB11984,1164 (1165 ff); Kämper, S. 127 ff; Erichsen, S. 187; Webersinn, DÖV 1978,165 (168); ebenso zu den entsprechenden Vorschriften in Hessen und Niedersachsen: VGH Kassel, NJW 1977,452 (453); OVG Lüneburg, OVGE 35,455 (458); hierzu auch Driehaus-Lohmann, §6 KAG Rdn. 690. 35 Vgl. Tipke/Lang, S. 874; Tipke/Kruse, § 227 AO Rdn. 43 f; speziell zur Handhabe der Vorschriften auf kommunaler Ebene Fick, KStZ 1976,215 (215 ff). Voraussetzung für einen Erlaß wegen persönlicher Unbilligkeit ist aber nicht nur die Bedürftigkeit des Schuldners. Seine Erlaßwürdigkeit muß ebenfalls hinzukommen. Sie ist gegeben, wenn der Gebührenpflichtige seine existenzbedrohliche Situation nicht selbst schuldhaft herbeigeführt hat oder durch sein Verhalten in eindeutiger Weise gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen hat, vgl. BVerwGE 48, 166(168).
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Pflichtigen verletzt. Im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des Schuldners ist an einen Verstoß gegen die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne zu denken, soweit der Pflichtige durch die Gebührenerhebung über die Maßen belastet wird. Diese beiden Befreiungstatbestände können aber für eine soziale Gebührenbemessung nur sehr begrenzt eingesetzt werden. Zu einer sukzessiven Einführung sozialer Tarife in einer Gebührensatzung taugen sie nicht. 36 Die Vorschriften beziehen sich eindeutig und ausschließlich auf das Festsetzungs- und Zahlungsverfahren. Es ist durch sie beabsichtigt, gerade solche Fälle auszugleichen, die bei der Normsetzung nicht berücksichtigt werden konnten. Festsetzungs- und Zahlungserlaß ermöglichen es dem Gebührengläubiger deswegen nur, in Ausnahmefällen Einzelfallgerechtigkeit zu schaffen. Eine generelle Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit erlauben sie dagegen nicht. Die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Abgabeschuldner ist darüber hinaus in § 10 S. 2 GO NW angesprochen. Hiernach hat die Gemeinde im Rahmen ihrer Einnahmewirtschaft auf die Leistungsfähigkeit der Abgabepflichtigen Rücksicht zu nehmen. Vereinzelt wird diese Norm als Ausnahmeregelung zum Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit gedeutet und über sie die Zulässigkeit einer von § 6 Abs. 3 Satz 1 KAG NW abweichenden leistungsfähigkeitsorientierten Bemessung begründet.37 In § 10 Satz 2 GO NW kommt aber nur das den Abgabenzugriff beschränkende Erdrosellungsverbot zum Ausdruck. 38 Dies beweist ein Vergleich mit Satz 1 der Vorschrift. § 10 Satz 1 GO NW beinhaltet eine Vorwegnahme der in § 75 ff GO getroffenen Regelungen zur Haushaltswirtschaft. Er unterstreicht, daß die Gesundhaltung der Gemeindefinanzen oberstes Ziel der Gemeinden bei der Verwaltung ihres Vermögens sein soll. Es liegt damit sehr nahe, auch in § 10 Satz 2 GO NW nur ein weiteres allgemeingehaltenes Postulat der Einnahmewirtschaft zu sehen, statt die Norm als Ausnahmevorschrift zu § 6 Abs. 3 KAG NW zu interpretieren. c) §6 Abs. 3 Satz 1 KAG NW und der historische Kontext Die ausnahmslose Strenge des Entgeltlichkeitsprinzips wird auch nicht durch eine Beiziehung der Gesetzesmaterialien zum KAG gemildert. Die Gesetzesbegründungen enthalten vielmehr recht widersprüchliche Aussagen zur Zulässigkeit von Sozialtarifen nach dem KAG. 3 9 36
Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 (656); Heer, S. 148 f; auch Bauernfeind/Zimmermann, §6 KAG NW Rdn. 16. 37 In Bezug auf den gleichlautenden § 10 S.2 HessGO Rogosch, S. 136f; ders., KStZ 1987, 121 (122); vgl. auch Schmid, ZKF 1985, 26 (28); Kämper, S. 131 f. 38 So Stock, ZKF 1994, 224 (225). 39 Zu den Gesetzesmaterialien siehe Burmeister/Becker, DVB1 1996,651 (655); Webersinn, DÖV 1978, 165 (168); Menger, VerwArch 1977, 389 (396).
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Der erste Gesetzesentwurf zum KAG NW vom 21.1.1965 sah in § 3 Abs. 3 eine ausdrückliche Sozialklausel vor. 40 Die Vorschrift besagte: „Die Gebührensätze können nach sozialen Gesichtspunkten gestaffelt werden" Im zweiten Regierungsentwurf, der nach einigen Änderungen als KAG verabschiedet wurde, taucht eine vergleichbare Norm allerdings nicht mehr auf. Dieser plötzliche Verzicht wird in der Gesetzesbegründung zum KAG auf unterschiedliche Weise erklärt. Zunächst heißt es, das KAG solle keine dem preußischen Deklarationsgesetz vergleichbare Vorschrift enthalten, da eine derartige Abstufung der Gebühr wegen ihres Entgeltcharakters nicKt wünschenswert sein könne.41 Nur wenig später wird jedoch ein ganz anderer Grund für das Absehen von einer ausdrücklichen Sozialklausel angegeben. Ermäßigungen aus sozialen Gesichtspunkten für Gruppen wie beispielsweise Kinder, Schüler, Schwerbehinderte würden in Literatur und Rechtsprechung überwiegend für zulässig gehalten. Eine besondere Sozialklausel sei deshalb überhaupt nicht nötig, um den Kommunen die Möglichkeit solcher Tarifstufungen einzuräumen.42 Angesichts dieser Widersprüche muß die Gesetzesbegründung als Interpretationsmaterial zurücktreten. Sie kann ohnehin nur Richtschnur des Normverständnisses sein. Bindende Vorgaben können aus ihr nicht abgeleitet werden, denn der Verfasser einer Gesetzesbegründung ist nicht mit dem Parlament gleichzusetzen.43 Für die Auslegung des § 6 Abs. 3 Satz 1 KAG NW ist daher allein der verobjektivierte, im Normtext zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers maßgeblich. Danach steht fest, daß für Benutzungsgebühren einzig und allein eine Bemessung nach Art und Umfang der Inanspruchnahme in Frage kommt. 44 d) Gewohnheitsrechtliche
Rechtfertigung
von Ermäßigungen
Die nordrhein-westfälische Gebührenpraxis steht allerdings im Widerspruch zu einer strikten Bemessung nach dem Entgeltlichkeitsprinzip. Bei Einrichtungen auf 40 Dem am 1.7.1970 in Kraft getreten KAG für das Land Nordrhein-Westfalen geht eine längere Geschichte voraus. Schon Ende der fünfziger Jahre erkannte man die Notwendigkeit, an Stelle des damals im Lande geltenden prKAG von 1893 eine Neuregelung treten zu lassen. In den Folgejahren setzten in diese Richtung ministerielle Vorarbeiten ein, die im Juli 1964 im Innenministerium zu einem Referentenentwurf führten. Den vorläufigen Abschluß bildete der Entwurf der Landesregierung vom 19.1.1965. Der Vorschlag kam jedoch nicht über die erste Lesung im Landtag hinaus, so daß nach Beendigung der 5. Wahlperiode abermals ein Regierungsentwurf in den Landtag eingebracht werden mußte. Nach Änderungen im kommunalpolitischen Ausschuß wurde dieser Gesetzesentwurf im Oktober 1969 einstimmig verabschiedet. Zur Geschichte des KAG NW: Loenig/Schmitz, Einl. § 1 KAG NW; Driehaus-ders., § 1 KAG Rdn. 1 ff; auch Quaas, S.5ff. 41 Vgl. LT-Drucks. 6/810, S.28. 42 Vgl. LT-Drucks. 6/810, S.28. 43 Vgl. Larenz/Canaris, S.316f. 44 So Burmeister/Becker, DVB1 1996, 651 (656); Webersinn, DÖV 1978,165 (168); anders Menger, VerwArch 1977, 389 (396), der die gegen Sozialtarife sprechenden Ausführungen aber schlicht unterschlägt.
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dem Sektor Sport, Kultur, Verkehr, werden bekanntermaßen oftmals Ermäßigungen für Rentner, Studenten, Schüler etc. gewährt. Mangels gesetzlicher Anknüpfungspunkte können diese Tarifgestaltungen nur aufgrund gewohnheitsrechtlicher Geltung gerechtfertigt werden. Gewohnheitsrecht entsteht durch eine längere und gleichmäßige Übung und die Überzeugung der Beteiligten, daß diese Übung rechtlich geboten sei.45 Eine längere und gleichmäßige Übung liegt bei den Ermäßigungen vor. Verbilligte Gebühren für die Benutzung bestimmter Einrichtungen sind schon in der Verwaltungspraxis des vorletzten Jahrhunderts nachgewiesen. Sie waren nach der Sozialklausel in § 7 prKAG und dem dazu ergangenen Deklarationsgesetz sogar gesetzlich zugelassen.46 Es kann angenommen werden, daß die Verwaltung von der Rechtmäßigkeit der Ermäßigungen überzeugt ist. Eine entsprechende Rechtsauffassung kommt beispielsweise in der Verwaltungsverordnung zum Kommunalabgabengesetz NW zum Ausdruck. § 4 Ziff. 2 Satz 2 W O KAG NW weist zutreffend darauf hin, daß es dem Charakter einer Gebühr als Gegenleistung nicht entgegenstehen soll, wenn sie nach sozialen Gesichtspunkten abgestuft wird. Zudem scheinen auch die Gebührenzahler die Zulässigkeit der kommunalen Praxis nicht anzuzweifeln. Es ist keine gerichtliche Entscheidung bekannt, die sich mit der Gewährung von Ermäßigungen für ganze Personengruppen auseinandersetzten mußte. Selbst im Schrifttum sehen Gegner einer leistungsfähigkeitsbezogenen Gebührenbemessung solche Ermäßigungen oftmals als rechtmäßig an. Dorn im Auge sind ihnen die einkommensabhängigen Tarifstaffelungen, nicht aber verbilligte Schwimmbadbesuche für Schüler und Studenten.47 Es kann daher von einer Überzeugung der Beteiligten ausgegangen werden, 45
Zu den Voraussetzungen für die Bildung von Gewohnheitsrecht, vgl. bspw. Wolff-Bachof-Stober, S. 342. 46 Vgl. Teil 1 B.II. 1. 47 Für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Ermäßigungen bspw. Leisner, in GS-Peters, S.730 (737); Vogel, NJW 1977,452 (454); Brohm, in FS-Knöpfle, S.57ff. Die Zulässigkeit solcher Ermäßigungen wird auch nach nordrhein-westfälischen Landesrecht bejaht. Sie wird dabei allerdings nur mit einem bloßen Hinweis auf das Sozialstaatsprinzip oder eine verfassungskonforme Auslegung des Entgeltlichkeitsgrundsatzes des § 6 Abs. 3 KAG NW begründet, vgl. Erichsen, S. 187 f; Bauernfeind/Zimmermann, §6 KAG NW Rdn.24; auch Menger, VerwArch 1977,389 (396 ff). Dies ist jedoch wenig überzeugend. §6 Abs. 3 S. 1 KAG NW läßt von seinem Wortlaut her keinen Raum für die Berücksichtigung irgendwelcher empfängerbezogenen Momente. Der Wortlaut kann auch nicht durch eine angeblich verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift korrigiert werden. Eine solche setzt nämlich voraus, daß § 6 Abs. 3 S. 1 KAG NW in seiner Lesart als ausnahmsloses Entgeltlichkeitsprinzip verfassungswidrig wäre. Dies ist aber gerade nicht der Fall, da der Sozialstaatsgrundsatz keine Ansprüche auf ermäßigte Gebührentarife vermittelt. Mit dem Sozialstaatsgrundsatz kann „nur" begründet werden, warum eine Tarifstufung im Hinblick auf den Gleichheitssatz verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Das Sozialstaatsprinzip hat dagegen nicht die Kraft, eine eindeutige gesetzliche Regelungen in ihr Gegenteil zu verkehren. Für die kommunale Gebührenbemessung kann es daher nur insoweit nutzbar gemacht werden, wie der Gesetzgeber Einfallstellen für seine Berücksichtigung geschaffen hat. In Nordrhein-Westfalen ist hierzu ausschließlich § 12 KAG NW i.V. m. §§ 163,227 AO vorgesehen. Eine rechtliche Grundlage für die in der Verwaltungspraxis 10 Schumacher
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daß Ermäßigungen für Personengruppen wie Schüler, Studenten, Rentner etc. bei Einrichtungen im Bereich Kultur-, Sport-, Verkehr trotz § 6 Abs. 3 Satz 1 KAG NW rechtmäßig sind. Eine diesbezügliche Gebührenpraxis ist damit in Nordrhein-Westfalen aufgrund Gewohnheitsrecht zulässig.48 e) Rechtslage in anderen Bundesländern In anderen Bundesländern bedürfen die Gebührenermäßigungen keiner solchen gewohnheitsrechtlichen Rechtfertigung. Der Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit gilt dort für Benutzungsgebühren meist nicht in gleicher Schärfe. In etwa der Hälfte der Kommunalabgabengesetze bestehen Ausnahmevorschriften, die ein Abweichen von dieser starren Bemessungsregel ausdrücklich zulassen. Die Klauseln sind jedoch in jedem Bundesland unterschiedlich formuliert. Nach Art. 8 Abs. 4 BayKAG und § 12 Abs. 4 TührKAG können bei der Gebührenbemessung „sonstige Merkmale" zusätzlich zum Ausmaß der Inanspruchnahme berücksichtigt werden, soweit „öffentliche Belange das rechtfertigen". Ähnlich ist die Regelung im saarländischen Kommunalabgabengesetz. Nach § 4 Abs. 3 SaarlKAG kann „aus Gründen der Billigkeit oder des öffentlichen Interesses eine Gebührenoder Auslagenermäßigung (...) vorgesehen werden." Mit diesen „öffentliches Interesse"-Klauseln können nach überwiegender Auffassung soziale Tarife gerechtfertigt werden. Allerdings soll nur bei sozialstaatlich geprägten Leistungen der Kommunen ein öffentliches Interesse an einer sozialverträglichen Ausgestaltung der Benutzungsgebühren gegeben sein.49 Auf wertungsbedürftige Begriffe wie öffentliche Belange oder Interessen verzichtet das KAG Schleswig Holstein. In §4 Abs. 2 Satz 2 KAG SH heißt es schlicht: „Ermäßigungen aus sozialen Gründen sind zulässig."50 gängigen Gebührenermäßigungen kann wegen der eindeutigen Regelungen des KAG daher nur im Gewohnheitsrecht zu suchen sein. 48 Eine verbindliche und abschließende Bezeichnung der Personengruppen, für die Sozialtarife gewohnheitsrechtlich zulässig sind, kann nicht gegeben werden. Ebensowenig können die Einrichtungen, bei denen soziale Gebührentarife möglich sind, abstrakt zusammengestellt werden. Die Zulässigkeit der einzelnen Tarifgestaltungen, richtet sich nämlich nach der Übung und der Rechtsauffassung der jeweiligen Kommunen. Die Personengruppen und Einrichtungen können deswegen auch immer nur für eine einzelne Kommune definiert werden. Insgesamt läßt sich aber feststellen, daß Ermäßigungen zumeist für Schüler, Studenten, Wehrpflichtige/Zivildienstleistende, Rentner, Schwerbehinderte, Familien, Sozialhilfeempfänger gewährt werden, sowie Sozialtarife gerade bei Schwimmbädern, Museen, Theatern, Bibliotheken und im Nahverkehr vorgesehen sind. 49 Bauer/Hub, S.321; Langenbrink, S.55; Gern, DVB1 1984, 1164 (1165f). 50 Die Sozialklausel ist jedoch vom VG Schleswig restriktiv ausgelegt worden, VG Schleswig, KStZ 1989,57 (57 f). Nach Auffassung des Gerichts soll sie nicht zur Rechtfertigung einkommensabhängiger Kindergartengebührenstaffelungen taugen. Im Lichte des nach §6 Abs. 4 S. 2 KAG SH geltenden Entgeltlichkeitsprinzip ausgelegt, gestatte sie nur Abschläge zugunsten einzelner Benutzergruppen. Eine solche Interpretation erscheint jedoch im Hinblick auf
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Die einzige Sozialklausel, die ausdrücklich Stellung zur Finanzierung der verbilligten Tarife nimmt, findet sich in Sachsen. Laut § 10 Abs. 2 Satz 2 SächsKAG dürfen „sozial bedingte Gebührenermäßigungen (...) nicht zu Lasten der übrigen Benutzer eingeräumt werden." In Niedersachsen hat der Gesetzgeber die neuere Rechtsprechung des OVG Lüneburg zur Zulässigkeit sozialer Gebührenstaffelungen jetzt in Gesetzesform gegossen.51 Das OVG Lüneburg hatte die soziale Bemessung von Kindergartengebühren zunächst in zwei Entscheidungen unter anderem mit Hinweis auf den nach §5 Abs. 3 Satz 1 NdsKAG geltenden Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit abgelehnt.52 Nach Auffassung des Gerichts konnten solche Degressionen auch nicht durch die „öffentliches Interesse"-Klausel des § 5 Abs. 1 Satz 3 NdsKAG begründet werden. Der systematische Zusammenhang verdeutliche, daß § 5 Abs. 1 Satz 3 NdsKAG keine Ausnahme vom Entgeltlichkeits-, sondern nur vom in § 5 Abs. 1 Satz 1 NdsKAG verankerten Kostendeckungsprinzip darstelle. Diese Interpretation hat das OVG Lüneburg in seiner Entscheidung vom 11.7.1989 aufgegeben und die Norm zugunsten einer sozialen Bemessung bei Gebühren für Kindergärten und ähnlichen Einrichtungen ausgelegt.53 Der Gesetzgeber reagierte prompt. Angelehnt an eine Formulierung aus den Entscheidungsgründen wurden dem § 5 Abs. 3 NdsKAG durch Gesetz vom 11.2.1992 folgende Sätze 3 und 4 angefügt: „Bei der Gebührenbemessung und bei der Festlegung bestimmter Gebührensätze können soziale Gesichtspunkte auch zugunsten bestimmter Gruppen von Gebührenpflichtigen berücksichtigt werden. Dies gilt nicht für Einrichtungen mit Anschluß und Benutzungszwang." Die übrigen Länder haben keine Ausnahmeregelungen zum Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit in ihre KAG aufgenommen. Hier ist eine Berücksichtigung sozialer Belange bei der Bemessung von Benutzungsgebühren ebenfalls nur durch Gewohnheitsrecht möglich. Eine besondere Situation besteht allerdings in BadenWürttemberg. Das dortige KAG enthält bis heute kein positiv formuliertes Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit.54 In Baden-Württemberg ist der Ortsgesetzgeber dadie Gesetzesbegründung nicht geboten. Hierin heißt es, durch das KAG SH solle die Regelung des § 7 prKAG „im wesentlichen übernommen" werden, vgl. LT-Drucks. 6/920, S. 22. Diese ließ aber eine Berücksichtigung Leistungsschwacher in größerem Umfang zu, vgl. Teil 1 B.II. 1. 51 Hierzu Driehaus-Lichtenfeld, §6 KAG Rdn.752. 52 Vgl. OVG Lüneburg, 35, 455 (456ff); 37,453 (460ff). 53 OVG Lüneburg, NVwZ 1990, 91 (91 f). 54 Als einzige Bemessungsregel sah § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG BW lange Zeit ein auf das Gesamtgebührenaufkommen bezogenes Kostenüberschreitungsverbot vor. Jetzt heißt es in dem seit 28.5.1996 angefügten § 9 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 KAG BW zudem, daß „die Gebühren in Abhängigkeit von Art und Umfang der Benutzung progressiv gestaffelt werden können." Diese Neuregelung begründet aber keinen Zwang zu einer Bemessung nach dem Ausmaß der Inanspruchnahme. Im Wortlaut kommt nur die Absicht des Gesetzgebers zum Ausdruck klarzustellen, daß auch eine progressive Gebührengestaltung zu Lenkungszwecken zulässig ist, vgl. LTDrucksache 11/6586, S.21; Heer, S. 149f. 10*
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her bei der Gebührenbemessung nur an verfassungsrechtliche Vorgaben gebunden. Eine sozial orientierte Bemessung ist damit dort in den von Art. 3 Abs. 1 GG und dem Äquivalenzprinzip gezogenen Grenzen zulässig.55 3. Privatrechtliche Entgelte Wie aufgezeigt, ist die soziale Bemessung von Benutzungsgebühren in Nordrhein-Westfalen nur in sehr begrenzt möglich. Die Kommunen müssen das Rechtsverhältnis bei der Benutzung einer Einrichtung aber nicht nach öffentlichem Recht regeln, sie können dies auch durch einen privatrechtlichen Vertrag tun. 56 Diese Alternativen kommen auch in § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG NW zum Ausdruck. Hiernach sind Benutzungsgebühren nur zu erheben, soweit nicht privatrechtliche Entgelte gefordert. Es stellt sich die Frage, welche Spielräume die Kommunen bei der Bemessung solcher privatrechtlichen Entgelte haben. Die Entscheidung der Verwaltung, ihre Rechtsbeziehung zum Bürger durch privatrechtlichen Vertrag zu regeln, führt nicht dazu, daß sie sich von öffentlich-rechtlichen Normen völlig lossagen kann. Nach heute überwiegender Auffassung beschränkt sich die Bindung an das öffentliche Recht nicht nur auf die Grundrechte. 57 Wenn die Verwaltung zur Erledigung öffentlicher Aufgaben auf das Privatrecht zurückgreift, ist sie auch den wesentlichen öffentlich-rechtlichen Handlungsge- und verboten unterworfen. Sie darf nicht durch bloßes Auswechseln der Rechtsform über die Beschränkungen disponieren, die eigens für sie geschaffen wurden. 58 Eine Bindung der Kommunen besteht deswegen auch an die Gebührengrundsätze des KAG. 5 9 Der Gesetzgeber hat in den KAG und insbesondere in § 6 Abs. 3 Satz 1 55
Vgl. VGH Mannheim, NVwZ 1994,194 (196f); Driehaus-Scholz, §6 KAG Rdn.581 und 610; Schmid, ZKF 1985,26 (28); offengelassen Stolterfoth, VB1BW 1981,208 (214f); anders Katz/Dols §9 KAG, Rdn.5, die aber unzutreffend von einer verfassungsrechtlichen Geltung des Entgeltlichkeitsgrundsatzes ausgehen; dagegen auch Gern, DVB11984,1164 (1166), er begründet eine Unzulässigkeit von Sozialstaffelungen nach baden-württembergischen Landesrecht durch den in § 3 KAG BW enthaltenen Verweis auf die Erlaßvorschriften der AO. Der Gesetzgeber habe damit abschließend die Berücksichtigung sozialer Aspekte im Rahmen der Gebührenerhebung geregelt. 56 Vgl. Bspw. BVerwGE 13,47 (54); BVerwG NJW 1993, 2695 (2697); 1994, 1169 (1169) BGHZ 37, 1 (27); 115, 311 (313); Wolff/Bachof/Stober, S. 288ff; Fischedick, S. 11 ff; Ehlers, S.45f. 57 Die Geltung der Grundrechte steht außer Frage, soweit sich die Verwaltung bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dem Privatrecht bedient. Art. 1 Abs. 3 GG bindet die vollziehende Gewalt an die Grundrechte, gleich, in welcher Rechtsform sie in Erscheinung tritt, bspw. BGHZ 37,1 (27); 52,325 (327); 91,84 (96 f); Sachs-Höfling, Art. 1 Rdn.94; Dreier-ders., Art. 1 GG Rdn.51; Rüfner, HStR V, § 117 Rdn.39ff; Wolff/Bachof/Stober, S.308ff. 58 Zu einer über die Grundrechte hinausgehenden Bindung an das öffentliche Recht vgl. Ehlers, S.47ff; Fischedick, S.45; von Dannwitz, JuS 1995, 1 (2ff). 59 Vgl. Driehaus-Dahmen, §4 KAG Rdn.235, §6 KAG Rdn.530; Bals/Nölke KStZ 1990, 201 (212); Fischedick, S.57ff; Bauernfeind/Zimmermann §6 KAG NW Rdn.2; Rogosch,
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KAG NW deutlich gemacht, in welchem Umfang die Kommunen die Nutzer einer Einrichtung zu deren Finanzierung heranziehen können. Diese Regelungen müssen unabhängig von der Ausgestaltung der Leistungsbeziehung gelten, denn sonst könnte sich die Kommune durch bloßen Wechsel der Rechtsform eine völlig neue, schrankenlose Finanzquelle verschaffen. Der Entgeltlichkeitsgrundsatz, samt seiner Sperre für soziale Tarifgestaltungen, gilt somit auch, wenn die Kommunen die Benutzung ihrer Einrichtungen durch privatrechtlichen Vertrag regeln. 60 Einer leistungsfähigkeitsorientierten Bemessung der privatrechtlichen Entgelte können aber auch bereits privatrechtliche Normen entgegenstehen. Beispielsweise sah das OLG Celle in einer privatrechtrechtlichen Vereinbarung über einkommensabhängig gestaffelte Kindergartenbeiträge einen Verstoß gegen § 315 Abs. 3 BGB. 61 Die Staffelung stelle eine unbillige Leistungsbestimmung im Sinne der Vorschrift dar, weil eine solche Tarifgestaltung verkehrsunüblich sei. Schon die Anwendung des § 315 BGB auf soziale Tarifstaffelungen überzeugt aber nicht. § 315 Abs. 1 BGB setzt voraus, daß die Leistung bei Vertragsschluß nicht bestimmbar ist und der anderen Partei ein Recht eingeräumt wurde, später über Art und Umfang der Leistung zu befinden. 62 Im Rahmen von Entgelt- wie Gebührenstaffelungen, ist die Leistung jedoch bestimmbar, denn der Preis der Leistung ist bei Vertragschuß für beide Parteien ermittelbar. Jeder Einkommensgruppe ist im voraus ein bestimmter Tarif zugeordnet. Eine nachträgliche Bestimmung der Entgelthöhe durch den Gläubiger erfolgt nicht und ist auch zwischen den Parteien nicht vereinbart. Die Kommunen üben daher kein Bestimmungsrecht im Sinn des § 315 Abs. 1 BGB aus, soweit sie die Entgelte nach der Leistungsfähigkeit des Vertragspartners bemessen. Es erscheint ohnehin lebensfremd, die sozialmotivierte Preisgestaltung als unbillig zu bewerten. Der deutschen Privatrechtsordnung ist kein Grundsatz bekannt, nach dem die Forderung unterschiedlicher Entgelte für dieselbe Leistung verkehrsunüblich ist. 63 S. 224ff; für Geltung abgabenrechtlicher Grundsätze vgl. auch BGHZ 91, 84 (86); BGH, DB 1985, 1338 (1339); DVB1 1992, 369 (371 f). 60 Fischedick, S.60ff; Gern, DVB1 1984, 1164 (1169); in diese Richtung auch OVG Lüneburg, NVwZ 1990, 91 (91); ebenso VGH Kassel, NJW 1977, 452 (452f). 61 OLG Celle, NJW 1977,1295 f. In der Rechtsprechung wird eine Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB auch vorgenommen, wenn die Verwaltung beim Anbieten von Leistungen im Bereich der Daseinsvorsorge eine monopolartige Stellung besitzt. Diese verleihe ihr nämlich faktisch die Möglichkeit zur einseitigen Festlegung der Leistungspflicht, vgl. bspw. BGHZ 73, 116 (118f); 115, 311 (316f). Richtigerweise sollte die inhaltliche Überprüfung der mit den Nutzern geschlossenen Verträge aber an §§242,138 BGB bzw. § 9 AGBG festgemacht werden, vgl. Röhl, VerwArch 1995, 531 (550ff). 62 Vgl. bspw. Palandt-Heinrichs § 315 Rdn. 1. 63 So schon Raacke, NJW 1977, 2166 (2166), Anm. zum Urteil des OLG Celle; auch Kottmann, KStZ 1985,41 (43); Kämper, S. 132 f. Sozial gestaffelte Entgelte für den Kindergartenbesuch dürften jetzt in Anbetracht von § 90 Abs. 1 SGB VIII sowieso als gebräuchlich anzusehen sein.
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Bedenken gegen Sozialtarife in privatrechtlichen Verträgen ergaben sich auch nicht aus dem am 24.7.01 außer Kraft getretenen § 1 Abs. 1 RabattG.64 Danach waren Preisnachlässe auf gewerbliche Leistungen zu Wettbewerbszwecken nur nach den engen Vorschriften des RabattG zulässig. Ermäßigte Tarife für sozialschwache Schuldner waren Sonderpreise, die nur einer bestimmten Verbrauchergruppe gewährt wurden. Sie stellten damit zwar Preisnachlässe im Sinne des § 1 Abs. 1 RabattG dar,fielen aber trotzdem nicht in den Anwendungsbereich des RabattG. Hierzu mußte der Preisnachlaß nämlich gerade zu Wettbewerbszwecken gewährt werden. Daran fehlte es jedoch, wenn der Gläubiger durch leistungsfähigkeitsbezogene Entgelte nur soziale Ziele verfolgte. 65 4. Verwaltungsgebühren Bei Verwaltungsgebühren ist die Rechtslage für soziale Tarifgestaltungen im Vergleich zu den Benutzungsgebühren günstiger. Für Verwaltungsgebühren schreibt das KAG NW keine Bemessungsregel vor, die dem Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit gleichkommt. § 5 Abs. 4 KAG NW legt für die Bemessung nur fest, daß das veranschlagte Gebührenaufkommen die voraussichtlichen Ausgaben für den betreffenden Verwaltungszweig nicht übersteigen soll. Die Vorschrift normiert damit ein Kostenüberschreitungsverbot. 66 Sie verbietet den Kommunen bei Verwaltungsgebühren von vornherein, Überschüsse zu kalkulieren. Die Bemessungsregel hat damit die Funktion, eine obere Grenze des Gebührenaufkommens zu markieren und so eine übermäßige Belastung der Gebührenschuldner zu vermeiden. Da durch Ermäßigungen aber gerade einer Kostenüberschreitung entgegengewirkt wird, kann § 5 Abs. 4 KAG NW sozialstaatlichen Tarifdifferenzierungen nicht entgegenstehen. Sozialmotivierte Ermäßigungen sind daher bei Verwaltungsgebühren zulässig. Sie werden aber in der kommunalen Praxis wesentlich seltener gewährt als bei Benutzungsgebühren. 5. Änderungsvorschäge zum KAG In Nordrhein-Westfalen ist bei Benutzungsgebühren jede leistungsfähigkeitsorientierte Bemessung durch § 6 Abs. 3 Satz 1 KAG ausgeschlossen. Die in der kom64
Vgl. hierzu VG Darmstadt, KStZ 1974,178 (179); auch Kämper, S. 132; Bößl, KStZ 1975 84 (85); Rogosch, S. 229ff; Baumbach/Hefermehl, § 1 RabattG Rdn.51 ff. 65 Baumbach/Hefermehl, § 1 RabattG Rdn. 52. Das Rabatt-Gesetz konnte auch nicht zur Anwendung gelangen, wenn die Verwaltung der einzige Anbieter der Leistung war. In solchen Fällen bestand nämlich mangels Konkurrenz kein Wettbewerb. Es gab dann kein Bedürfnis, andere Unternehmer durch das RabattG zu schützen, vgl. Rogosch, S.230. 66 Hierzu Driehaus-Lichtenfeld, §5 KAG Rdn. 49 f; Bauemfeind/Zimmermann, §5 KAG NW Rdn. 32 f; auch Zimmermann, DVB1 1989, 901 (904), der von einem Kostenüberdekkungsverbot spricht. Ein Kostenüberschreitungsverbot ist ebenfalls in § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG NW für Benutzungsgebühren normiert, vgl. hierzu Driehaus-Dahmen, § 6 KAG Rdn. 26 ff; Bauemfeind/Zimmermann, § 6 KAG NW Rdn. 11 ff.
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munalen Praxis gewährten Ermäßigungen bei Benutzungsgebühren lassen sich letztlich nur durch ihre gewohnheitsrechtliche Gewährung rechtfertigen. Es wäre daher wünschenswert, wenn der Gesetzgeber die Rechtspraxis der Kommunen durch eine entsprechende Sozialklausel im KAG absichern würde. Dazu eignet sich eine dem § 5 Abs. 3 Satz 3 und 4 NdsKAG nachempfundene Formulierung wie beispielsweise: „Ermäßigungen zugunsten bestimmter Gruppen von Gebührenpflichtigen sind zulässig. Dies gilt nicht für Einrichtungen mit Anschluß und Benutzungszwang." Will man den Kommunen weitergehende Möglichkeiten zur leistungsfähigkeitsorientierten Bemessung einräumen, bietet sich eine § 7 prKAG entsprechende Regelung an. So könnte dem Entgeltlichkeitsprinzip des § 6 Abs. 3 Satz 1 und 2 KAG NW folgender Satz 3 nachgestellt werden: „Die Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit ist nicht ausgeschlossen." Soll das kommunale Gebührenrecht dagegen für die Berücksichtigung einer Vielzahl von sachpolitischen Erwägungen geöffnet werden, kann dies am ehesten durch eine „öffentliches Interesse"-Klausel zum Ausdruck gebracht werden.
II. Soziale Bemessung der Elternbeiträge nach dem Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder Eine besondere Stellung unter den kommunalen Gebühren nehmen die Gebühren für den Besuch von Kindergärten ein. Ihre Bemessung richtet sich jetzt in fast allen Bundesländern nicht mehr nach den Kommunalabgabengesetzen, sondern sie ist in den Kindergarten-, oder ähnlichen Gesetzen geregelt. 67 Wie durch § 90 SGB VIII ausdrücklich eingeräumt, orientieren sich die Tarife, abweichend vom Entgeltlichkeitsprinzip der KAG, an den Parametern Einkommen und Kinderzahl. 68 Zum Ab67
§ 6 KGaG BW; § 10 HessKgG; (KGaG, KgG = Kindergartengesetz) § 14 Abs. 3 SächsKitaG; § 18 Abs. 2 KitaG SachsAhn (KitaG = Gesetz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen); § 17 Abs. 2 KitaG BB; § 13 KitaG RP (KitaG = Kindertagestättengesetz); § 20 Abs. 1 KiTaG Thür; § 20 KiTaG Nds (KiTaG = Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder); § 18 KitaG MVP; § 25 KitaG SchlwHolst (KitaG = Gesetz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Tagespflege); § 24 KitaG Berlin, § 2, 3 KTKBG Berlin (KTKBG = Kindertagesstätten-Kostenbeteiligungsgesetz); § 19 BremKgHG (KgHG = Kindergarten und Hortgesetz); § 1 HamTnBG (TnBG = Teilnahmebeitragsgesetz); in Bayern verweist Art. 37 BayKJHG (KJHG = Kinder- und Jugendhilfegesetz) nur auf § 90 SGB VIII; im Saarland fehlt eine spezielle Regelung zur Bemessung von Gebühren oder anderen Entgelten für den Kindergartenbesuch. 68 Vgl. die obigen Normen mit Ausnahme von § 18 Abs. 1 KitaG MVP, hier ist eine Berücksichtigung nur bei der Festsetzung möglich. Eine Besonderheit besteht auch nach § 13 Abs. 3 SächsKitaG. Hiemach soll die Kinderzahl und die besondere Situation der Alleinerziehenden berücksichtigt werden. In § 18 Abs. 2 KitaG SachsAnh und § 20 Abs. 1 KitaG Thür ist nur von der Möglichkeit einer sozialen Staffelung die Rede. Welche Kriterien eine soziale Bemessung
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Schluß der Untersuchung soll die Rechtslage zu den Entgelten für den Besuch eines Kindergartens in Nordrhein-Westfalen näher betrachtet werden. 1. Rechtsnatur der Elternbeiträge In Nordrhein-Westfalen ist eine leistungsfähigkeitsorientierte Bemessung der Kindergartenabgabe mittlerweile durch § 17 GTK vorgesehen. Eckpunkte der Vorschrift sind bereits im Rahmen der gleichheitsrechtlichen Vorgaben für den Einkommensbegriff angesprochen worden. Es ist dabei jedoch ausgeblendet worden, daß § 17 GTK von seinem Wortlaut nicht die Erhebung und Bemessung von Gebühren, sondern die von Elternbeiträgen regelt. 69 Die Elternbeiträge sind aber, wie auch die Teilnehmerbeiträge des § 90 Abs. 1 SGB VIII, keine Beiträge im abgabenrechtlichen Sinn. Der Elternbeitrag dient ebenfalls nicht schon dazu, den Vorteil der bloßen Möglichkeit eines Kindergartenbesuchs auszugleichen. Er fällt nur für die Inanspruchnahme der Tageseinrichtung an. Dies legt eine Qualifikation als Gebühr nah. Eine solche Rechtsnatur des Elternbeitrags wird jedoch mitunter vehement bestritten. Es bleibt daher zu erörtern, um was für eine Abgabe es sich bei den Elternbeiträgen des § 17 GTK überhaupt handelt. In diesem Zusammenhang muß die Rechtslage vor Geltung des § 17 GTK kurz dargestellt werden. a) Rechtslage nach §14 Kindergartengesetz
NW
Vorgängerregelung von § 17 GTK ist § 14 des ehemaligen Kindergartengesetzes NW. Die Norm regelte in seiner ersten Fassung vom 21.12.1971 allerdings nur die Aufteilung der Betriebskostenfinanzierung von Kindergärten. Sie sah hierzu vor, daß ein Drittel der Betriebskosten durch die Eltern selbst aufgebracht werden mußte. Gemäß § 14 Abs. 3 KgG NW a. F. sollte dieser Anteil jedes Jahr sukzessive vermindert werden und zum 31.12.1981 gänzlich entfallen. Weitere Vorgaben enthielt § 14 KgG NW in seiner ursprünglichen Fassung nicht. Insbesondere ließ er offen, in welcher Form der Elternanteil an der Finanzierung sichergestellt werden sollte. Ebenso forderte er noch nicht, daß bei der Betriebskostenfinanzierung durch die Eltern Rücksicht auf ihre Einkommensverhältnisse genommen werden sollte. Bei dieser Rechtslage konnten die Kommunen für den Kindergartenbesuch, je nach Ausgestaltung der Leistungsbeziehung, privatrechtliche Entgelte oder aber Gebühren geausmachen, ist dort nicht ausdrücklich erwähnt. Vgl dazu im Überblick Jestaedt, DVB1 2000, 1820 (1820 FN 4); auch Kämper, S. 30 ff. 69 Elternbeiträge findet sich in § 13 KgG RP; § 6 KGaG BW; § 19 BremKgHG § 14 Abs. 3 Sächs KitaG; § 18 Abs. 2 KitaG Sachs Ahn; § 17 Abs. 2 KitaG BB; § 20 Abs. 1 KiTaG Thür; § 18 KitaG MVP. Ausdrücklich als Gebühr wird die Abgabe bezeichnet in § 10 HessKigaG; §20 KitaG Nds; § 25 KitaG SchlwHolst; in Art. 37 BayKJHG wird auf § 90 SGB VIII verwiesen; §27 KitaG, §§2, 3 KTKTG Berlin sprechen von Kostenbeteiligung; in § 1 HamTnBG ist von Teilnehmerbeiträgen die Rede.
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mäß § 6 Abs. 1 KAG NW erheben.70 Mangels irgendwelchen besonderen Tarifanordnungen durch § 14 KgG NW a. F. war ein Konflikt mit den Bemessungsregeln des KAG ausgeschlossen. Die Neufassung des Kindergartengesetzes vom 21.12.1982 stellt in dieser Hinsicht eine bedeutsame Zäsur dar. § 14 Abs. 2 und 3 KgG NW ordneten jetzt an, daß der Elternanteil über den Elternbeitrag zu decken war. Die Höhe des Beitrags bestimmte sich nach dem Einkommen der Eltern und der Kinderzahl. Diese Tarifgestaltung stand im Widerspruch zum Entgeltlichkeitsprinzip der sonstigen kommunalen Benutzungsgebühren. Nach Auffassung des OVG Münster konnte der Elternbeitrag daher nicht mehr als Gebühr erhoben werden. 71 Das Gericht stellte darüber hinaus in einer weiteren Entscheidung fest, daß neben § 6 Abs. 1 KAG NW aber auch keine anderen Ermächtigungsgrundlagen für die Erhebung der in § 14 KgG NW genannten Elternbeiträge zur Verfügung stünden.72 Eine Einziehung des Elternbeitrags mittels Leistungsbescheid war damit schlicht nicht mehr möglich. In dieser Konsequenz gingen sämtliche Kommunen dazu über, die Kindergartennutzung privatrechtlich auszugestalten. In den Verträgen mit den Eltern wurden dann die in § 14 KgG NW vorgesehenen Tarife als Entgelte zugrundegelegt.73 Der Elternbeitrag war damit de facto keine Abgabe, sondern ein privatrechtliches Entgelt. b) Elternbeitrag nach §17 GTK NW Gebühr oder Abgabe sui generis Die Betriebskostenfinanzierung von Kindergärten ist durch das seit dem 29.10.1991 geltende Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder umfassend neu geregelt worden. Für den Elternbeitrag ergaben sich hierbei ebenfalls Änderungen. Er ist nun nach § 17 Abs. 1 GTK NW ausdrücklich eine öffentlich rechtliche Abgabe, die gemäß § 17 Abs. 6 GTK NW vom örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe erhoben wird. 74 Das im Rahmen von § 14 KgG NW bestehende Problem einer feh70
OVG Münster GemH 1979, 184 (184f); KStZ 1984, 78 (79); Kämper S. 125; Urban, NWVB1 1993, 371 (371). 71 OVG Münster, KStZ 1984, 78 (79). 72 OVG Münster, NWVB1 1988, 377 (378ff), diskutiert wurden hierbei § 14 KgG NW i.V.m.§81 Abs. 1 JWG und §§45 Abs. 1 S. 1 und 2,48 AG JWG NW in Verbindung mit §81 Abs. 3 JWG; vgl. auch Kottmann, KStZ 1985, 41 (42); Moskal/Künzel, § 14 KgG NW Rdn.IIl.b. 73 Kämper S. 125. Paradoxerweise stellte die „Flucht ins Privatrecht" damit die einzige Möglichkeit dar, den Elternbeitrag sozial ausgewogen zu bemessen. 74 § 17 Abs. 6 GTK n. F. = § 17 Abs. 1 GTK NW a. F. Örtliche Träger sind gemäß § 69 Abs. 1 S. 2 SGB VIII die Kreise und kreisfreien Städte. Nach § 69 Abs. 2 S. 1 SGB VIII i.V. m. § 2 AG KJHG NW können auf Antrag auch große und mittlere kreisangehörige Städte zu örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe bestimmt werden. Jeder örtliche Träger muß nach § 69 Abs. 3 SGB VIII für die Wahrnehmung der Aufgaben der Aufgaben der Jugendhilfe ein Jugendamt errichten, vgl. zum Ganzen Kunkel, Rdn. 195; Wiesner/Morsberger/Oberloskamp/ Struck-Wiesner, § 69 Rdn. 22 ff. An der Einziehung der Elternbeiträge durch das Jugendamt
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lenden Rechtsgrundlage zur Abgabenerhebung wurde damit beseitigt.75 Es stellt sich jetzt aber vielmehr die eingangs aufgeworfene Frage, um was für eine Abgabe es sich bei dem Elternbeitrag eigentlich handelt. Zur Rechtsnatur des Elternbeitrags werden zwei Ansichten vertreten. Einerseits wird angenommen, daß sich hinter dem Terminus nichts anderes als eine Gebühr verberge. 76 Im Gegensatz hierzu stuft das OVG Münster den Elternbeitrag als sozialrechtliche Abgabe sui generis ein. 77 Nach Auffassung des Gerichts scheidet die Einordnung als Gebühr aus, da der Elternbeitrag wegen seiner leistungsfähigkeitsbezogenen Bemessung nicht mit den gebührenimmanenten Prinzipien der Kostendeckung und speziellen Entgeltlichkeit zu vereinbaren sei.78 Der kommunalabgabenrechtliche Begriff der Gebühr nach §4 Abs. 2 KAG NW könne den Elternbeitrag ohnehin terminologisch nicht erfassen. Der Elternbeitrag sei gerade keine Gegenleistung für die Nutzung irgendeiner beliebigen kommunalen Einrichtung, sondern er sei Ausgleich für eine Sozialleistung. Im Vordergrund der Abgabenerhebung stehe nämlich die Beteiligung der Eltern an der Finanzierung einer Leistung der Jugendhilfe. Dieser Ansatz ist vom VGH Kassel mit Recht kritisiert worden. 79 Die Argumentation des OVG Münster, die Abgabe sei keine Gebühr, weil sie als solche unzulässig wäre, ist methodisch bedenklich. Die Rechtmäßigkeit einer Abgabe kann immer und nicht mehr durch den jeweiligen Träger des Kindergartens ist Kritik geübt worden. Hierdurch könne auf Seiten der Eltern der Eindruck entstehen, es handele sich bei den freien Trägem nur um Ausführungsorgane des Jugendamts und nicht um eigenständige Vertragspartner. Zudem werde der Zahlungsvorgang anonymisiert, vgl. Gernert NWVB1 1992,417 (418); Lübking, SGt 1992,199 (202 f). Nach § 17 Abs. 7 GTK NW können die Jugendämter die Erhebung des Elternbeitrags aber auch an die Gemeinden delegieren. 75 Stock, ZKF 1994, 224 (224); Urban, KStZ 1993, 161 (163); ders., NWVB1 1993, 371 (371). Allerdings hätte es nach der Neuregelung des Kinder- und Jugendhilferechts zur Festsetzung von Gebühren und Teilnehmerbeiträgen keiner besonderen landesrechtlichen Regelung mehr bedurft. § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VIII stellt nämlich auch eine unmittelbare Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung von Gebühren für die Inanspruchnahme einer Tageseinrichtung dar, so BVerwG, DVB1 1997, 1438 (1438); Schellhorn, §90 SGB VIII Rdn. 16; Borsutzky, ZfJ 1998,412 (412ff); anders OVG Hamburg, ZfJ 1996, 241 f. 76 Vgl. VGH Kassel, NVwZ 1995, 406 (407); Gern, NVwZ 1995, 1145 (1154); Kempen, NVwZ 1995, 1163 (1164); vgl. auch Urban, NVwZ 1995, 143 (143). Die Rechtsprechung in anderen Bundesländer geht ebenfalls davon aus, daß es sich bei ihren Elternbeiträgen (§13 KigaG RP; § 6 KigaG BW) um Gebühren handelt, vgl. OVG Koblenz, FEVS 48, 259 ff; VGH Mannheim, NVwZ 1994, 194 ff. 77 OVG Münster, OVGE 44, 107 (110); NWVB1 1998, 14 (15); VG Arnsberg, NWVB1 1998, 194 (195); VG Gelsenkirchen, NWVB1 2001, 199 (200), noch offengelassen in OVG Münster, NWVB1 1988,377 (378); für die Einordnung als Abgabe sui generis ebenfalls Stock, ZKF 1994, 224 (226). 78 OVG Münster, OVGE 44,107 (110). Bei diesen Ausführungen des Gerichts bleibt unklar, ob diese Prinzipien nur der kommunalabgabengesetzlichen Kontur der Gebühr immanent sein sollen oder ob sie verfassungsrechtliche Geltung beanspruchen können. 79 VGH Kassel, NVwZ 1995,406 (407), vgl. hierzu auch Jestaedt, DVB12000,1820 (1824).
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erst dann untersucht werden, wenn feststeht, um was für eine Abgabe es sich handelt. Andernfalls öffnet man einer Beliebkeitsdogmatik Tür und Tor. Die Verlagerung von Rechtmäßigkeitsfragen auf die Ebene des Tatbestands ist überdies einer klaren abgabenrechtlichen Systematik wenig zuträglich. Die Qualifikation als sozialrechtliche Abgabe eigener Art erweitert nur den Wildwuchs öffentlich-rechtlicher Abgabeformen um ein weiteres Exemplar. Dies geschieht ohne Not, denn die Bedenken gegen die Subsumtion des Elternbeitrags unter den kommunalabgabenrechtlichen Gebürenbegriff greifen nicht durch. Keinesfalls kann dem Charakter einer Benutzungsgebühr entgegenstehen, daß der Elternbeitrag der Finanzierung einer sozialstaatlich geprägten Leistung dient. Dieses Argument läuft schon bei der ersten Betrachtung der Definition des § 4 Abs. 2 KAG NW leer. Der dortige Gebührenbegriff verlangt für die Einordnung einer Abgabe als Benutzungsgebühr nicht mehr, als daß die Abgabe anläßlich der Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung oder Anlage erhoben wird. Gegenüber den mit der Einrichtung verfolgten Zwecken ist § 4 Abs. 2 KAG NW vollkommen wertungsneutral. Die Norm erfaßt Einrichtungen, mit denen soziale Zwecke verfolgt werden, in gleicher Weise wie solche, die versorgungs-, umweit-, bildungspolitischen Zielen dienen.80 Die Schaffung eines neuen Abgabetyps hätte es ebenfalls nicht gebraucht, um den Widerspruch der leistungsfähigkeitsorientierten Bemessung des Elternbeitrags mit dem Entgeltlichkeitsprinzip des KAG zu lösen. § 1 Abs. 1 KAG schränkt die Reichweite des Entgeltlichkeitsprinzips nach § 6 Abs. 3 Satz 1 KAG NW nämlich dahingehend ein, daß die kommunalabgabenrechtliche Vorschrift nur dann gilt, „soweit nicht Bundes- oder Landesgesetze etwas anderes bestimmen." Ohne weiteres ist es möglich, § 17 GTK als eine Vorschrift aufzufassen, die für die Bemessung einer Kindergartengebühr „etwas anderes" als das Entgeltlichkeitsprinzip und Kostendeckungsprinzip des § 6 KAG bestimmt. Schwierigkeiten ergeben sich indes aus einem vom OVG Münster nicht angesprochenen Gesichtspunkt. Eine Besonderheit des nordrhein-westfälischen Elternbeitrags besteht darin, daß er nicht nur für den Besuch von Kindergärten in öffentlicher Trägerschaft erhoben wird. Die Abgabe fällt ebenso an, wenn das Kind in einer Tageseinrichtung untergebracht ist, die von einer nach dem GTK anerkannten privatrechtlichen Trägerorganisation betrieben wird. Vor diesem Hintergrund erscheint es fraglich, ob die Abgabe, wie von § 4 Abs. 2 KAG vorausgesetzt, stets für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben wird. Für den „öffentlichen" Charakter einer Einrichtung ist es jedoch nicht unbedingt hinderlich, daß sie von einem privaten Träger unterhalten wird. Die Kommune muß dann allerdings maßgeblichen Einfluß auf die Zweckbestimmung und den Betrieb 80
Gern, NVwZ 1995, 1145 (1154).
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der Einrichtung besitzen.81 Bei Kindergärten anerkannter freier Träger ist diese Zweckbestimmung der Einrichtungen sogar schon kraft Gesetz sichergestellt. Die freien Träger sind gemäß § 11 Abs. 2 GTK den gleichen pädagogischen Zielen wie die öffentlichen Träger verpflichtet. Darüber hinaus ist zu bedenken, daß nach dem GTK sämtliche Kindergärten in ein einheitliches Finanzierungskonzept eingebunden sind. Dies sieht vor, daß auch die Betriebskosten der Kindergärten freier Träger zu einem erheblichen Teil aus öffentlichen Mitteln gedeckt werden. 82 Es ist daher gerechtfertigt, auch den Besuch eines Kindergartens in freier Trägerschaft ebenfalls als die „Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung" im Sinne des § 4 Abs. 2 KAG NW anzusehen. Der Elternbeitrag kann demzufolge als Benutzungsgebühr im Sinne des § 4 Abs. 2 KAG qualifiziert werden. Erst recht entzieht sich die Abgabe damit nicht dem verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff, denn die grundgesetzliche Kontur der Gebühr ist naturgemäß unschärfer als ihre einfachgesetzlichen Konkretisierungen. Eine Qualifikation der Abgabe als Gebühr wird ferner dem Wortlaut des § 90 Abs. 1 SGB VIII am ehesten gerecht. Die bundesrechtliche Norm weist der Gebühr die Rolle der öffentlichen Abgabe zu, mit der die Eltern sozial ausgewogen zur Finanzierung des Kindergartens beitragen sollen. Der Bundesgesetzgeber hat gerade Abstand davon genommen, die Besonderheiten der Kindergartenentgelte durch die Kreation einer neuen Abgabenform zu rechtfertigen. Der Elternbeitrag sollte deswegen auch als das bezeichnet werden, was er ist: eine Gebühr.
2. Inhaltliche Ausgestaltung der sozialen Gebührenbemessung nach § 17 GTK N W § 17 GTK ist in seiner ersten Fassung vom 29.11.1991 zum Teil heftig kritisiert worden. 83 Auch der Gesetzgeber hat die Mängel der ursprünglichen Fassung erkannt und die Vorschrift durch das erste Änderungsgesetz zum GTK vom 30.11.1993 die Vorschrift umgestaltet. Einzelne Bestandteile beider Fassungen sind bereits auf ihre Verfassungskonformität hin untersucht worden. Im folgenden sollen daher die Änderungen der Norm zusammengefaßt werden und bisher noch nicht thematisierte Details von Bemessungsgrundlage und Verfahren angesprochen werden.
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Vgl bspw. BVerwG, NJW 1990, 134 (135); Gern, Rdn.395f; für einen Kindergarten in freier Trägerschaft vgl. auch VG Freiburg, VB1 BW 1989, 354 (355). 82 Aus diesem Grund greift auch die Erhebung des Elterrnbeitrags nicht unzulässig in die Rechte der freien Träger ein, vgl. OVG Münster, NVwZ 1995, 195 (195). 83 Hinsichtlich der Bemessungsgrundlage insbesondere Urban, NWVB1 1993, 371 ff; ders., KStZ 1993,161 (164); ders., NVwZ 1995,143ff; kritisch auch Lübking, StG 1992,199 (202).
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a) Regelungen zur Bemessungsgrundlage In der ersten Fassung war nach § 17 Abs. 1 GTK das Einkommen der Personensorgeberechtigten für die Tarifzuordnung maßgeblich. Nunmehr knüpft § 17 Abs. 1 GTK grundsätzlich an das Elterneinkommen an. Die vormalige Schlechterstellung der „Normalfamilie" gegenüber den nichtehelichen Lebensgemeinschaften wird dadurch aufgehoben. 84 Zudem bestimmt die Neufassung auch, daß, soweit das Kind nur bei einem Elternteil aufwächst, allein dessen Leistungsfähigkeit von Bedeutung ist. 85 Auf diese Weise wird der Tatsache Rechnung getragen, daß bei Alleinerziehenden für das Kind meist tatsächlich nur die Mittel des erziehenden Elternteils zur Verfügung stehen werden. Die Neuregelung ist so insgesamt sozial gerechter. Sie orientiert sich daneben auch näher am Wortlaut des § 90 Abs. 1 SGB VIII, wonach es für die Staffelung nicht auf das Einkommen der Personensorgeberechtigten, sondern das der Eltern ankommt. Die Gesetzesänderung trägt zudem der Kritik an der Nichtberücksichtigung von Unterhaltsleistungen im Rahmen des § 17 Abs. 3 a. F. GTK Rechnung.86 § 17 Abs. 4 S. 6 GTK gewährt nunmehr einen Abzugsbetrag in Höhe des Kinderfreibetrags von der Summe der positiven Einkünfte. Der Gesetzgeber hat sich allerdings immer noch nicht zu einer vollen Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen durchringen können. Der Abzug des Kinderfreibetrags ist erst für das dritte und dann jedes weitere Kind zugelassen. Eine besondere sachpolitische Erwägung läßt sich hinter dieser Einschränkung nicht ausmachen. Einziger Grund des Abzugsverbots für das erste und zweite Kind ist das fiskalische Interesse an möglichst hohen Beiträgen. Es bleibt daher zu hoffen, daß sich der Gesetzgeber in weiteren Änderungen zu einer vollen Berücksichtigung der Kinderzahl entschließt. Mit der Neufassung wird auch die vormalige Benachteiligung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern gegenüber Beamten beseitigt.87 Sie entstand wegen der Nichtberücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen bei der Einkommensdefinition. Der Gesetzgeber hat zwar mit der Gesetzesänderung keine Abzug von Versicherungsleistungen zugelassen, schlägt aber Personen, die eine beitragsfreie Altersversorgung erhalten, 10% auf die Summe ihrer positiven Einkünfte zu. Diese Regelung ist, wie dargelegt, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Rechtssicherheit wurde durch die Gesetzesänderung im Hinblick auf die Hinzurechnungsbeträge des § 17 Abs. 3 Satz 4 GTK NW a. F. geschaffen. Danach waren „steuerfreie Einkünfte, Unterhaltsleistungen, sowie die zur Deckung des Lebensunterhalts bestimmten öffentlichen Leistungen für den Personensorgeberechtigten und 84
Vgl. Teil 2 D. IV. 3. g). Ein gesetzliche Regelung, die auf die besondere finanzielle Situation von Alleinerziehenden Rücksicht nimmt, findet sich nur noch in Sachsen, vgl. § 14 Abs. 3 Sächs KitaG. 86 Zur Kritik Urban, KStZ 1993, 161 (164ff); zum Ganzen siehe Teil 2 D.IV.3.d). 87 Vgl. Teil 2 D. IV. 3. e). 85
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Teil 3: Einfachgesetzliche Grenzen
das K i n d " auf die Summe der positiven Einkünfte hinzuzurechnen. Umstritten war dabei, ob das Erziehungs- und das Kindergeld eine „öffentliche Leistung" i m Sinne der Vorschrift darstellten und deswegen in die Bemessungsgrundlage einfließen sollten. 88 Der Gesetzgeber hat jetzt in § 17 Abs. 4 Satz 4 G T K N W klargestellt, daß beide Leistungen nicht anzurechnen sind.
b) Verfahren
zur Ermittlung
des Elterneinkommens
Das Verfahren zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage ist mit jeder Gesetzesänderung verschärft worden. Zunächst erfolgte die Tarifzuordnung gemäß § 14 Abs. 5 Satz 1 K g G aufgrund einer formlosen Selbsteinschätzung der Erziehungberechtigten. 89 Das Kindergartengesetz ging grundsätzlich von der Richtigkeit der Selbsteinschätzung aus. Eine Überprüfung sollte nach § 14 Abs. 5 Satz 3 K g G nur ausnahmsweise durchgeführt werden, wenn Anhaltspunkte für eine offensichtliche fehlerhafte Selbsteinschätzung vorlagen. 90 Nach § 17 Abs. 3 Satz 2 G T K N W a. F. wurde dann stets eine schriftliche Erklärung über das Einkommen bei Aufnahme des Kindes verlangt. 91 Ferner regte das 88 Die Verwaltungsauffassung hierzu war schwankend. Nach der Informationsschrift des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, „Plätze für Kinder", sollte das Kindergeld, aber nicht das Erziehungsgeld angerechnet werden. Aus dem neugefaßten „Formblatt zum Nachweis des Einkommens gemäß § 17 GTK" ergab sich jedoch genau das Gegenteil, vgl. Urban, NWVB1 1993, 371 (374). Es ließen sich auch für jede Auffassung Argumente finden. Für eine Anrechnung des Kindergelds konnte vorgebracht werden, es gehöre zu den steuerfreien Einnahmen im Sinne des § 3 EStG. Gegen die Berücksichtigung sprach, daß die Leistungsfähigkeit des Kindergeldempfängers im Vergleich zu anderen Zahlungsverpflichteten nicht gestärkt werde. Das Kindergeld sei eine zweckbestimmte Leistung, die nur einen konkreten Bedarf decken solle. Beim Erziehungsgeld wurde gegen eine Hinzurechnung auf § 8 BErzGG verwiesen. Hierin werde deutlich, daß das Erziehungsgeld gerade neben dem Lebensminimum zur Verfügung stehen solle. Es handele sich daher um eine zusätzliche Leistung, die nicht geschmälert werden solle. Dagegen wurde eingewandt, auch § 8 BErzGG ändere nichts an der Tatsache, daß durch das Erziehungsgeld die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöht werde. Es müsse deswegen konsequenterweise in die Bemessungsgrundlage einfließen. Zum Ganzen vgl. Moskal/Förster, § 17 GTK NW Erl. II 2c; Urban, NWVB1 1993, 371 (374); Gernert, NWVB1 1992, 417 (420). 89 Angaben zum Einkommen wurden meist im Rahmen eines Fragebogens gemacht, der vom jeweiligen Träger des Kindergartens erstellt wurde. Die Selbsteinschätzung war aber auch schlicht durch Überweisen eines Betrages, der einer bestimmten Tarifstufe entsprach, möglich, vgl. Moskal/Künzel, § 14 KigaG Erl. II 4a; Kämper, S. 149. 90 Die Überprüfung erfolgte durch das zuständige Jugendamt. Ein Anlaß zur Überprüfung konnte entweder ein entsprechender Hinweis des Trägers oder eine nicht plausible Verteilung der Eltern auf die einzelnen Beitragsstufen sein, Moskal/Künzel, § 14 Anm. II 4d. 91 Das Ministerium für Arbeit und Soziales hat ein Muster zur Erklärung entwickelt. Es besteht aus einem Fragebogen zum Elterneinkommen und einem Musterbogen zur Berechnungshilfe. Das Formular wurde in seiner ersten Ausführung als fehlerhaft und zu kompliziert bemängelt, Krüger, StG 1992, 205 (206); Urban, NWVB1 1993, 370 (376), Lübking, StG 1992, 199 (204). Die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind allerdings nicht verpflichtet,
.
ndesrechtliche Vorgaben
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GTK eine intensivere Überprüfung der Erklärungen durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe an. § 18 Abs. 3 a. F. GTK sah vor, daß mindestens 17% der Gesamtbetriebskosten durch Elternbeiträge finanziert werden mußten. Fehlbeträge bei den Betriebskosten sollten nur dann durch Landesmittel ausgeglichen werden, wenn der jeweilige Träger der öffentlichen Jugendhilfe nachweisen konnte, daß er mindestens 10% aller Erklärungen zum Einkommen auf ihre Richtigkeit hin überprüft hatte.92 17 Abs. 3 Satz 3 GTK NW fordert in seiner jetzigen Fassung, daß zur Erklärung über das Elterneinkommen stets auch der Nachweis über die Angaben zu führen ist. 93 Wird er nicht erbracht oder erfolgen gar keine Angaben zum Einkommen, ist nach § 17 Abs. 3 Satz 4 GTK NW 9 4 der jeweils höchste Beitragssatz zugrundezulegen.95 Ein gesetzliche Sicherung dieser Daten vor einer unerlaubten Nutzung, Veränderung, Übermittlung erfolgt durch einen Verweis in das Sozialgesetzbuch. Die im Rahmen der Erklärung zum Elterneinkommen gemachten Angaben unterstehen nach § 28 GTK NW i.V. m. § 67 ff SGB X dem Schutz von Sozialdaten. c) Beurteilung der Regelungen in § 17 GTK NW Für die Regelung der Bemessungsgrundlage im Rahmen einkommensabhängiger Gebührenstaffelungen bestehen zwei Möglichkeiten. Entweder, der Gläubiger will eine möglichst unbürokratische Regelung schaffen, dann muß er ausschließlich das Bruttoeinkommen vermindert um Aufwendungen zur Erzielung dieser Einnahmen zugrundelegen. Er kann aber andererseits auch eine möglichst gerechte Tarifzuordnung im Auge haben. In diesem Fall muß er die Leistungsfähigkeit der Schuldner im Verhältnis zueinander möglichst genau abbilden, indem er den Einkommensbegriff weiter ausdifferenziert. Der Verwaltungsapparat wird für den Vollzug solcher Regelungen zwangsläufig in größerem Maße beansprucht. § 17 GTK schlägt diesen Weg ein. In seiner ersten Fassung stand dem Verwaltungsaufwand jedoch keine entsprechend wirklichkeitsnahe und damit sozial gedas Muster zu verwenden, da es sich bei der Erhebung der Elternbeiträge um eine Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung handelt, vgl. Moskal/Foerster, § 17 GTK Anm.4. 92 Zur Überprüfung der Erklärungen sah § 17 Abs. 5 GTK NW a. F. vor, daß die Angaben zum Einkommen glaubhaft gemacht werden müßten. Der Begriff der Glaubhaftmachung knüpft dabei an die Beweismittelfreiheit des § 294 ZPO an. Aus der Systematik ergab sich jedoch, daß die eigene Versicherung oder die Abgabe einer schriftlichen Erklärung nicht zum Beweis ausreichen konnte. Eine solche wurde nämlich schon nach § 17 Abs. 3 GTK a. F. verlangt und § 17 Abs. 5 GTK a.F. ging von einer zusätzlichen Glaubhaftmachung aus, vgl. Moskal/Foerster, § 17 GTK NW Anm.4. 93 Zum Nachweis können Einkommensteuerbescheide, Verdienstbescheinigungen, Gewinn- und Verlustermittlungen vorgelegt werden. 94 So auch schon § 17 Abs. 5 S. 2 GTK NW a. F. 95 Zu den Möglichkeiten im Rahmen des § 14 KgG NW vgl. Kämper, S. 157.
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Teil 3: Einfachgesetzliche Grenzen
rechte Leistungsfähigkeitsermittlung gegenüber. Diesem Mangel ist nun durch die Neufassung abgeholfen worden. Die Benachteiligungen zu Lasten sozialschwacher Beitragszahler durch die Einkommensdefinition sind bis auf den noch nicht vorbehaltlos zugelassenen Abzug von Unterhaltsleistungen beseitigt. Ebenfalls zu begrüßen ist, daß die Angaben zum Einkommen nun immer und nicht nur stichprobenartig nachgewiesen werden müssen. Beitragsgerechtigkeit läßt sich nur durch entsprechende Kontrolle herstellen. Abschließend kann man damit feststellen, daß § 17 GTK die einkommensabhängige Kindergartengebührenstaffelung nunmehr sachgerecht regelt.
Zusammenfassung der Ergebnisse Teil 1: Die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte bei der Gebührenbemessung bedeutet, daß der Gebührentarif durch die Leistungsfähigkeit des Gebührenschuldners beeinflußt wird. Für kommunale Gebühren sind soziale Tarifgestaltungen schon seit Ende des 19. Jahrhunderts bekannt. Sie waren nach § 7 des preußischen Kommunalabgabengesetz und dem hierzu ergangenen Deklarationsgesetz ausdrücklich zugelassen. Teil 2: Verfassungsrecht steht sozialen Ermäßigungen bei kommunalen Gebühren nicht entgegen. Das Grundgesetz zieht die Grenzen zulässiger gebührenrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten äußerst weit. A. Die Art. 70 ff GG fordern eine doppelte Kompetenzgrundlage, wenn mit einer Gebühr neben dem Finanzierungszweck sachpolitische Ziele verfolgt werden. Die Zuständigkeit zur Gebührenerhebung reicht nicht aus, soweit mit der Abgabe Sachziele verwirklicht werden sollen. Der Gläubiger bedarf für die Umsetzung des Sachzwecks einer weiteren kompetenziellen Abstützung. Die Kommunen besitzen die notwendige doppelte Kompetenzgrundlage, da die soziale Ausgestaltung des kommunalen Gebührenwesens eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft darstellt. B. Die Gebühr läßt sich definieren als „Abgabe, die eine individuell zugewandte staatliche Leistungen ausgleichen soll". Dieser Gebührenbegriff steht einer sozialen Ausgestaltung der Abgabe nicht entgegen. Er ist ein formeller Begriff, denn er enthält keine Vorgaben für Bemessung, Höhe und Zwecke der Abgabe. Für die verfassungsrechtlich gebotene Abgrenzung von Steuer und Gebühr ist es nicht notwendig, solche materiellen Kriterien bereits auf der Ebene des Begriffs zu berücksichtigen. Der Gebührentatbestand und die Rechtmäßigkeit der Abgabenbemessung sind zu trennen. C. I. Verfassungsrechtliche Gebührenprinzipien stehen leistungsfähigkeitsorientierten Tarifen ebenfalls nicht entgegen. Von den in Literatur und Rechtsprechung entwickelten Bemessungsgrundsätzen hat nur das Äquivalenzprinzip Verfassungsrang. Es fordert, daß kein Mißverhältnis zwischen Gebühr und Gegenleistung bestehen darf. Ein solches läßt sich erst festmachen, wenn die Abgabenhöhe die entstandenen Verwaltungskosten und den Wert der zugewandten Leistung für den Empfänger unverhältnismäßig übersteigt. Das Gebührenprinzip kann aus der finanzverfassungsrechtlich erforderlichen Abgrenzung von Gebühr und Steuer wie auch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgeleitet werden. Das Äquivalenzprinzip markiert nur eine Obergrenze für die einzelne Gebühr. Es sperrt sich daher nur in geringem Maß gegen empfängerbezogene Tarife. Soziale Staffelungen 11 Schumacher
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Zusammenfassung der Ergebnisse
sind mit dem Äquivalenzprinzip nur insofern nicht vereinbar als die sozialmotivierten Erhöhungen zu keinem Mißverhältnis von Gebühr und Leistung führen dürfen. II. Das Kostendeckungsprinzip hat keinen Verfassungsrang. Es läßt sich weder aus der Finanzverfassung noch aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz oder den Grundrechten herleiten. Dies gilt sowohl für ein Kostenüberschreitungsverbot als auch für ein Kostenunterschreitungsverbot. III. Ferner läßt sich das Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit verfassungsrechtlich nicht begründen. Nach dieser Direktive ist ausschließlich Art und Umfang der staatlichen Leistung für die Gebührenbemessung maßgeblich. Eine streng leistungsbezogene Bemessung ist für die Gebühr aber weder durch Art. 3 Abs. 1 GG noch durch die Finanzverfassung vorgegeben. D.I. Grenzen einer sozialen Gebührenbemessung folgen aus dem Gleichheitssatz. Tarifstufungen aus sozialen Gründen behandeln die Gebührenschuldner ungleich. Sozialmotivierte Zuschläge führen darüber hinaus zu einer Ungleichbehandlung gleich leistungsstarker Gebührenschuldner und NichtSchuldner. Maßstab für die Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlungen sind die erhöhten Anforderungen der neuen Formel. Die soziale Gebührenstaffelung muß daher einen legitimen Zweck verfolgen und zudem zur Erreichung des Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein. II. Soziale Ermäßigungen bei kommunalen Gebühren sind gerechtfertigt. Sie erleichtern die Inanspruchnahme von Leistungen im Bereich der Daseinsvorsorge und ermöglichen so eine Teilhabe aller am gesellschaftlichen Wohlstand. Eine Verfolgung solcher Ziele ist durch das Sozialstaatsprinzip legitimiert. Bei familienspezifischen Leistungen, wie der Nutzung eines Kindergartens, gibt auch Art. 6 Abs. 1 GG einen argumentativen Anknüpfungspunkt für die Zulässigkeit sozialer Tarife. Eine Einschränkung sozialer Gebührenstaffelungen auf angeblich sozialstaatlich geprägte Leistungen ist von Verfassungswegen nicht geboten. Eine Abgrenzung von sozialstaatlich motivierten und sozialstaatlich neutralen Leistungen läßt sich nicht durchführen. Es besteht aber ebensowenig eine Verpflichtung zur Einführung von Sozialtarifen, denn das Sozialstaatsprinzip vermittelt keinen Anspruch auf eine sozial gestaffelte Gebührenbemessung. III. Sozialmotivierte Gebührenzuschläge sind immer unzulässig. Die leistungsstarken Gebührenschuldner trifft keine besondere FinanzierungsVerantwortlichkeit für die bedürftigen Abgabepflichtigen. Die Gruppe der Gebührenpflichtigen entsteht zufällig, insbesondere haben die leistungsstarken Gebührenschuldner nicht die Bedürftigkeit der anderen Abgabepflichtigen verursacht. Gebührenermäßigungen können daher nur aus allgemeinen Haushaltsmitteln finanziert werden und nicht durch eine zusätzliche Belastung der vermögenden Gebührenschuldner.
Zusammenfassung der Ergebnisse
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IV. Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung sozialer Ermäßigungen einen weiten Gestaltungsspielraum. Eine grobe Ermittlung der Leistungsfähigkeit ist in erheblichem Rahmen durch verfahrensökonomische Gesichtspunkte gerechtfertigt. Soll eine Staffelung der Gebühr nach dem Einkommen erfolgen, so reicht es aus, entweder die Summe der positiven Einkünfte nach § 2 Abs. 2 EStG oder das Bruttoeinkommen vermindert um die erwerbsbedingten Abzüge als Indikator der Leistungsfähigkeit zugrundezulegen. Die weiteren Abzüge von Unterhalts- und Vorsorgeleistungen sowie die Zulassung von Verlustverrechnungen sind durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht vorgeschrieben. Der Gläubiger kann diese Parameter allerdings berücksichtigen, wenn er die Staffelung sozial ausgewogener gestalten will. Ermäßigungen für ganze Personengruppen wie Schüler, Studenten, Sozialhilfeempfänger und Rentner etc. sind ebenfalls aus Praktikabilitätsgründen gerechtfertigt. Teil 3 A. Die Möglichkeiten der Kommunen, ihre Gebühren sozial zu staffeln, wird durch Bundesrecht nicht weiter eingeschränkt. § 90 Abs. 1 SGB VIII legt keinen bestimmten Einkommensbegriff fest. Die Norm schreibt für eine Gebührenstaffelung zudem weder eine alternative noch eine kumulative Berücksichtigung von Einkommen und Kinderzahl vor. Den übrigen Sozialgesetzen des Bundes ist kein implizites Verbot kommunaler Sozialförderung durch Gebührenermäßigungen zu entnehmen. B.I. In Nordrhein-Westfalen ist eine soziale Staffelung von Benutzungsgebühren durch das Kommunalabgabengesetz ausgeschlossen. § 6 Abs. 3 Satz 1 KAG NW schreibt den Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit als Bemessungsregel vor. Hiernach ist der Umfang der staatlichen Leistung der einzige Umstand, der auf die Gebührenhöhe Einfluß nehmen darf. Eine hiervon abweichende Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit wird auch weder durch § 12 KAG NW i.V. m. §§ 163,227 AO noch durch § 10 Satz 2 GO NW gestattet. Die Schärfe des Entgeltlichkeitsgrundsatzes läßt sich zudem nicht durch eine Heranziehung der Gesetzesmaterialien zum KAG mildern. Die von den Kommunen gewährten Tarifvergünstigungen für Schüler, Studenten, Rentner etc. sind aber aufgrund Gewohnheitsrecht zulässig. Es empfiehlt sich, diese Rechtspraxis durch eine gesetzliche Sozialklausel abzusichern. Eine § 5 Abs. 3 Satz 3 und 4 NdsKAG nachempfundene Formulierung wird der nordrhein-westfälischen Gebührenpraxis am ehesten gerecht. Zu § 6 Abs. 3 KAG NW sollten daher folgende Sätze angefügt werden: „Ermäßigungen für bestimmte Gruppen von Abgabepflichtigen sind zulässig. Dies gilt nicht für Einrichtungen mit Anschluß und Benutzungszwang." II. Bei den in § 17 GTK NW genannten Elternbeiträgen handelt es sich der Sache nach um Benutzungsgebühren. Die Regelung ist durch das erste Änderungsgesetz zum GTK NW vom 30.11.1993 sozial ausgewogener geworden. Die Vorschrift beinhaltet jetzt eine sachgerechte Regelung einer einkommensabhängigen Kindergartengebührenstaffelung. Ii*
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12 Schumacher
arverzeichnis Abfallbeseitigungsgebühren 19, 23, 34, 97, 103 f., 137 f. Abgabenerhebungsrecht 17 Abgabengerechtigkeit, Grundsatz der 87 Abgabentatbestand 45 ff. Abwasserentsorgungsgebühren 19, 23, 34, 97, 103 f., 137 f. allgemeine Handlungsfreiheit 66 ff., 89 Annexkompetenz 35 f. Äquivalenzprinzip 55 ff., 64, 75, 130 Äquivalenztheorie 24 f., 28 Aufwendungsbeihilfe 40,43 f. Auswärtigenzuschlag 18 Beamte 120 ff. Beitrag 17,55 Bemessungsgrundlage 24 f., 123 f., 127, 135,157 Benutzungsgebühr 20, 28, 141 ff. Betriebsausgaben 115 f. Bruttoeinnahmeprinzip 113 f. Bundessozialhilfegesetz 94f., 98, 102f., 137 f. Daseinsvorsorge 97 Datenschutz 127f., 158 Direktransfer siehe Transferleistung Distributionswirkung siehe Verteilungswirkung Eigentumsgrundrecht 66 Eingriffsdogmatik 89 Einheimischenabschlag 18 Einkommensbegriff 113 ff., 135, 157 Einkommensteuer 17, 24, 102 f., 114 Einwilligung 127 Einzelfallgerechtigkeit 111,142 Elternbeitrag 41 f., 151 ff. Entgeltlichkeitsprinzip siehe Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit
Existenzminimum, 94, 98 ff. externe Zwecke 81 ff. Familie 99 ff. Familienlastenausgleich 41 f., 116 ff. Festsetzungserlaß 142 f. Finanzierungsverantwortung 107 ff. Finanzverfassung 17,45, 60, 66ff., 69f., 73 f. Finanzwissenschaft 23 ff., 55, 64,72 Formenmißbrauch 51 freie Träger der Jugendhilfe 135, 153 ff. Freiheitsgrundrechte 66, 69, 81 f. Friedhofsgebühr 23 Gebührenbegriff, formeller 48 ff. Gebührenbegriff, kommunalabgabengesetzlicher 139 ff. Gebührenbegriff, materieller 50 ff. Gebührenbegriff, verfassungsrechtlicher 45 ff. Gebührenkompetenz 35 Gebührenpraxis 23, 145 f. Geschwisterrabatt 119 Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder 119ff., 151 ff. Gewohnheitsrecht 144 ff. Gleichheitssatz 32,39,58,65,73 ff., 76ff. Grundrechtseingriff 81 ff., 90, 127 Grundsatz der Leistungsproportionalität siehe Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit Gruppenermäßigungen 23, 125 ff. Hausgebühren 124 Haushaltsmittel 21 Hebesatzrecht 17 Identitätsthese 47 informationelle Selbstbestimmung 127 ff.
Sachwortverzeichnis interne Zwecke 81 ff. Kindergartengebühr 23 f., 31ff., 51, 57, 65,85,98,100f., 113 ff., 132 ff., 146 ff., 151 ff. Kindergeld 41,43 f., 103 Kommunalabgabengesetze 139 ff. kommunales Kindergeld siehe Aufwendungsbeihilfe Kompetenzakzessorietät 38 f. Kosten, betriebswirtschaftliche 19, 69 ff. Kosten, externe 19, 69 ff. Kosten, finanzwissenschaftliche 69 ff. Kosten, interne 19, 69 ff. Kostendeckungsgrad 20, 106 f. Kostendeckungsprinzip 63 ff., 81 f., 137 ff. Kostentheorie 28 f. Kostenüberschreitungsverbot 63 ff., 137 ff. Kostenunterschreitungsverbot 68 f. Leistungsbestimmungsrecht 148 ff. Leistungsfähigkeitsprinzip 55, 83, 95 Liberalismus 24 Merkantilismus 24 Müllentsorgungsgebühren siehe Abfallentsorgungsgebühren Nachfrage 22, 26 f. Nettoertragsprinzip 114 Neue Formel 76 ff. nichteheliche Lebensgemeinschaft 123 Nutzentheorie 28 öffentliches-Interesse-Klausel siehe Sozialklausel Opfertheorie 24 Parlamentsvorbehalt 129 Personensorgeberechtigte 123, 157 preußisches Deklarationsgesetz, 30, 143 preußisches Kommunalabgabengesetz 30, 143 Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit, 32, 72 ff., 141, 152 ff. Prinzip des Steuerstaates 45, 69 12*
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Privatrechtliches Entgelt 148 f. Progression, Einkommensteuer 25 ff., 95 Rabattgesetz 150 Recht auf normative Gleichbehandlung 82 Rechtsform wähl 148 f. Sachkompetenz 35 f. Schenkungsverbot 66, 69 Selbsteinschätzung 15 8 f. Selbstverwaltungsgarantie 17,40 ff., 131 Sonderabgabe 108 f. soziales Steuerrecht 24 f. Sozialgesetzbuch VIII 132 ff., 152 Sozialklausel 146f., 150 Sozialkompetenz 39 ff. Sozialpolitik 20ff., 24ff., 41 ff. sozialrechtliche Abgabe sui generis 153 ff. Sozialstaatsprinzip 31 ff., 69f., 93 ff. Steuer 24 ff., 46f. Steuerbegriff 46 f. Steuergerechtigkeit 24 ff., 79 Steuerinzidenz 26 f. Steuerkompetenz 36 Steuerstaat siehe Prinzip des Steuerstaates Steuervergünstigung 95 Subvention 21 f., 26ff. Systemgerechtigkeit 121 f. Teilnehmerbeitrag 132 ff. Transferleistungen 26,29f., 103f., 127f., 137 ff. Typengerechtigkeit 111 Typisierungen 111 ff. Umsatzsteuer 17 Umverteilung 21 ff., 24ff., 29f., 95 f., 129 ff. Umweltschutz 18f., 108f. Unterhaltslasten 116ff., 157 Verhältnismäßigkeitsprinzip 56 ff., 66 ff., 76, 88 f. Verlustausgleich 115 f. Verpackungssteuer 37 VerteilungsWirkung 21 ff., 27 f. Verwaltungsakt 54 Verwaltungsgebühr 36, 51, 139, 150
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Verwaltungskosten 20, 55 ff., 97, 106 Verwaltungsverfahren 36 Vorsorgeaufwendungen 120ff., 157 Vorsorgepauschbetrag 121 Wasserpfennig 51, 57 ff. Werbungskosten 115
Werttheorie siehe Nutzentheorie Wesentlichkeitsformel 129 Widerspruchsgebühr 51, 66, 73, 85ff. Willkürverbot 76 ff. Wohngeld 103, 137 ff. Zahlungserlaß 142 f.