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German Pages 170 Year 1978
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 30
Recht und Wirklichkeit der Aktiengesellschaft Eindrücke und Erfahrungen eines Kleinaktionärs
Von
Walter Huppert
Duncker & Humblot · Berlin
WALTER HUPPERT
Recht und Wirklichkeit der Aktiengesellschaft
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 30
Recht u n d W i r k l i c h k e i t der Aktiengesellschaft Eindrücke und Erfahrungen eines Kleinaktionärs
Von
Dr. jur. Dr. phil. Walter Huppert
DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN
Alle Rechte vorbehalten © 1978 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1978 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3 428 04248 4
Vorwort Die Aktiengesellschaft als Organisationsform und die A k t i e als Finanzierungsform für große Unternehmen, wie anderseits als unternehmerische Kapitalanlage für Sparer, entspricht einem unabweisbaren Bedürfnis. Indessen w i r d den Aktiengesellschaften und den A k t i e n von vielen Seiten Mißtrauen und Ablehnung entgegengebracht. Den Gegnern der freien privaten Wirtschaft gelten Aktiengesellschaften und A k t i e n als Prototyp der „kapitalistischen" Wirtschaft, die Aktionäre als Profitmacher. Deshalb bilden die Aktiengesellschaften bevorzugte A n satzpunkte für gesellschaftspolitische K r i t i k und Experimentierfelder für sozialistische Bestrebungen. Gegnern der Konzentration mißfallen die Beherrschungsmöglichkeiten durch Besitzverschachtelung und Konzernbildung, die das Aktienwesen bietet. Neben solcher K r i t i k von außen gibt es nicht wenig K r i t i k und Unzufriedenheit von Aktionären. I h r (allein) soll hier nachgegangen werden. Dabei geht es i m wesentlichen u m die Stellung der Aktionäre innerhalb ihrer Gesellschaft, ihre Rechte und ihre tatsächlichen Einflußmöglichkeiten. Ohne Aktionäre gibt es keine Aktiengesellschaften, aber A k t i o näre werden sich nur finden, wenn ihre Interessen genügend gewahrt sind und ihnen eine entsprechende Stellung eingeräumt wird. Diese Selbstverständlichkeit scheint i n der deutschen Diskussion über die Aktiengesellschaften zu wenig beachtet zu werden. Der Titel des Buches bringt zum Ausdruck, w o r i n ich ein Hauptproblem sehe: i m Unterschied und Gegensatz zwischen gesetzlicher und tatsächlicher innerer Ordnung der AG. Das Aktiengesetz von 1965 sollte vieles verbessern, hat aber mehr verschlechtert; es hat den Widerspruch zwischen Recht und Realität, beabsichtigter und tatsächlicher Ordnung noch vergrößert. I n ihren Annahmen und Zielsetzungen wie auch i n ihren M i t t e l n ist diese Gesetzesfassung weitgehend verfehlt. Indessen geht es hier i m wesentlichen nicht u m juristische Auseinandersetzungen, sondern u m die Erfassung, Darstellung und K r i t i k der tatsächlichen Verhältnisse. Sie steht vorwiegend unter der (im Untertitel angesprochenen) Sicht der Kleinaktionäre. Ihre Stellung und Rechte bilden ein Hauptproblem der inneren Ordnung der AG. Mein Anliegen und meine Beurteilung hat sich aus langjähriger Beschäftigung m i t dem Aktienwesen ergeben. Z u einschlägigen Studien
6
Vorwort
und Veröffentlichungen kam schon i n jungen Jahren eine mehrfache Tätigkeit als Vorstands- und Aufsichtsratsmitglied. Seit Ende der 60er Jahre habe ich mich zunehmend als Aktionär betätigt, i n zahlreichen Hauptversammlungen (rd. 50) großer Aktiengesellschaften (20) gesprochen, Anträge gestellt sowie gerichtliche Anfechtungs-, Auskunfts- und Abfindungsverfahren betrieben. Daraus ist mein Wunsch nach einer zusammengefaßten und fundierten Behandlung der Probleme hervorgegangen. Ich glaube, damit eine gewisse Lücke i m Schrifttum auszufüllen, und hoffe daher auf interessierte Aufnahme. Bad Homburg, M a i 1978 Walter Huppert
Inhaltsverzeichnis I. Einleitung Α. Wirtschaftliche Eignung der Aktiengesellschaft B. Ordnungsstruktur der Aktiengesellschaft I I . Mängel des Aktienrechts I I I . Hauptversammlung
9 9 11 13 20
A. Formale und wirkliche Bedeutung
20
B. Besucher der Hauptversammlungen
25
C. Diskussion in der Hauptversammlung
27
D. Auskunftsrecht
33
E. Berichte über Hauptversammlungen
35
IV. Aufsichtsrat
37
A. Aufgaben
38
B. Zusammensetzung C. Arbeitsweise
42 45
D. Beirat
47
V. Vorstand
49
V I . Großaktionäre und Kleinaktionäre V I I . Konzerne
52 62
A. Konzernbegriff und Konzernrecht
62
B. Aktionärsschutz
68
C. Konzernabschlüsse
70
D. Konzernstatistik
73
V I I I . Vollmachtstimmrecht und Bankinteressen
76
A. Depotverwaltung und Stimmrecht
76
B. Anweisungen der Depothalter
77
C. Mißbrauch des Depotstimmrechts?
79
I X . Belegschaftsaktien und Mitbestimmung
81
A. Belegschaftsaktien
81
B. Mitbestimmung im Aufsichtsrat
85
8
Inhaltsverzeichnis X . Informationen und Publizität
89
A. Informationsansprüche
89
B. Jahresabschluß
91
C. Geschäftsbericht
93
D. Handelsregister
95
E. Rückblick
97
X I . Statistische Aufschlüsse
98
A. Aktiengesellschaften
99
B. Aktien als Finanzierungsmittel
103
C. Aktien als Vermögensanlage
107
D. Aktienbestände bei Banken
111
E. Renditenentwicklung
116
F. Ergebnisse und Folgerungen
119
Literaturhinweis
122 Anhänge
Nr. 1 Der Enquete-Ausschuß von 1930
127
2 Differenzierte Stimmrechte
129
3 Diskussionsleitung durch den HV-Vorsitzenden
132
4 Aussage- und Kritikfähigkeit von Jahresabschlüssen
134
5 Abschlußprüfung und Prüfer
139
6 Probleme der AG-Finanzierung
143
7 Mehrheitserwerb
147
8 Rechtsschutz für Aktionäre
150
9 Kann Opposition sich bezahlt machen? 10 Reform vorschlage zum Aktienrecht Stichwortverzeichnis
160 164 168
I. Einleitung Α. Wirtschaftliche Eignung der Aktiengesellschaft (1) Die A G als Unternehmensfarm entspricht i n vielem den Bedürfnissen der Unternehmen wie der Kapitalanleger. a) Große Unternehmen m i t hohem Kapitalbedarf können m i t Aktien ein breites Anlegerpublikum gewinnen. Während Kredite und A n leihen mit festen Beträgen verzinst und getilgt werden müssen, beschränkt sich der Kapitaldienst für die A k t i e n auf den verteilungsfähigen Gewinn. Das Eigenkapital bietet anderseits eine unverzichtbare Grundlage für die Aufnahme von Fremdkapital. Führungsmäßig ist die A G nicht unmittelbar von ihren Kapitalgebern abhängig. b) Für Kapitalanleger bietet die Aktie eine anonyme, beliebig teilbare und (wenn sie an der Börse gehandelt wird) liquide Kapitalanlage. Als Beteiligung an Sachkapital („Produktivvermögen") gibt sie einen gewissen Schutz gegen Geldentwertung. Durch innere A n reicherung, Kursgewinne und Bezugsrechte kann sie auch Vermögenszuwachs bringen. Die rechtliche und führungsmäßige Selbständigkeit der A G ermöglicht eine sachgemäße Leitung und sichert den Fortbestand der Gesellschaft, unabhängig von der jeweiligen Zusammensetzung der Aktionäre. Dabei ist für ausreichende Informationen der Aktionäre über die Lage und Entwicklung der Gesellschaft gesorgt. (2) I n früheren Zeiten wurden gewöhnlich Aktiengesellschaften gegründet, u m ein neues Unternehmen ins Leben zu rufen. Heute werden zumeist bestehende Unternehmen i n Aktiengesellschaften umgewandelt. Das geschieht vor allem i n folgenden Fällen: — Häufig braucht ein expansives Unternehmen größeres zusätzliches Kapital, das von den bisherigen Inhabern nicht aufgebracht werden kann. Dann bietet die AG-Form die Möglichkeit, neue Kapitalgeber aufzunehmen, ohne daß die bisherigen Inhaber auf ihre führende Position zu verzichten brauchen. Ähnliches gilt, wenn ein großes Unternehmen mehrere Inhaber hat, von denen einige ausscheiden wollen und die übrigen Inhaber die Abfindung nicht selbst aufbringen können.
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I. Einleitung
— Führungsmäßige statt vermögensmäßiger Motive haben den Vorrang, wenn der Inhaber eines Unternehmens alt geworden ist und keinen persönlichen Nachfolger hat; oder wenn das Unternehmen an Erben fällt, die aus ihren Reihen keinen Unternehmensführer stellen können oder wollen. Dann besteht zur Erhaltung und Verselbständigung des Unternehmens die Wahl zwischen der mehr öffentlichen Form der A G und der mehr privaten Form der GmbH. — Die A G ist auch gut geeignet für sog. gemischtwirtschaftliche Unternehmen, d . h . die Verbindung öffentlicher und privater Kapitalgeber. Sie finden sich insbesondere bei Verkehrs- und Versorgungsunternehmen, die von der öffentlichen Hand gegründet und betrieben worden sind, aber einen so stark steigenden Kapitalbedarf haben, daß hierfür auch private Kapitalgeber herangezogen werden sollen. Die Überleitung von Unternehmen der öffentlichen Hand i n die zivilrechtliche AG-Form kann auch deshalb angeraten sein, weil sie von verwaltungsförmigen bürokratischen Bindungen und politischen Einflüssen sowie von Etatisierung und kameralistischer Rechnungsweise befreit. (3) Trotz dieser Vorzüge ist die Zahl der (deutschen) A G seit langem rückläufig. Das hat zahlreiche Gründe. — Das Aktiengesetz hat die AG-Form sehr schwerfällig und kostspielig gemacht. Auch die weitgehenden Publizitätsvorschriften w i r k e n abschreckend. — Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer schränkt den Einfluß der Kapitalgeber wesentlich ein. — Die Selbständigkeit des Vorstandes schaltet Kleinaktionäre aus und beschränkt auch die Einflußnahme von Großaktionären. Bei schlechter Geschäftsführung werden die Aktionäre leicht zu spät aufmerksam. — Die Renditen von A k t i e n sind meist zu niedrig; die Verwaltungen neigen mehr zur Thesaurierung als zur Gewinnausschüttung. — Die AG-Form hat manche steuerliche Nachteile. Die Körperschaftssteuerreform von 1976 hat nur einen Teil der Doppelbebesteuerung beseitigt. Die Umwandlung i n eine A G scheitert nicht selten an der damit entstehenden Steuerbelastung. Diese Erschwernisse und Nachteile werden hier eingehend zu behandeln sein 1 . 1 Ulrich Fritsch „Mehr Unternehmen an die Börse", Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln 1978; bringt einerseits vieles, was für die A G - F o r m und die Börseneinführung spricht (S. 39—75, 107—115), anderseits gewichtige „Einwände gegen die Aktiengesellschaft" (S. 76—106). I h m ist im wesentlichen zuzustimmen.
Β. Ordnungsstruktur der Aktiengesellschaften
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Β. Ordnungsstruktur der Aktiengesellschaft (4) Die A G ist von Natur aus eine Vereinigung von Aktionären zur Aufbringung und Anlage von Kapital. Sie kann sich hierauf beschränken, wie ζ. B. eine Holdinggesellschaft. Sie kann aber auch i n eigenem Namen und für eigene Rechnung ein Unternehmen betreiben, ζ. B. eine Industrieproduktion oder ein Bankgeschäft. Das geschieht sogar i n der Regel, doch gehört es nicht zum ursprünglichen und eigentlichen Wesen und Zweck der AG. (5) Das Aktiengesetz unterscheidet und trennt nicht zwischen diesen beiden Funktionen (Kapitalverwaltung und Unternehmensführung). Das führt zu rechtlich unklaren und unbefriedigenden Ergebnissen. — Als Aktionärsvereinigung müßte die A G vereinsförmig organisiert sein. Die Mitglieder müßten entscheidend sein, der Vorstand dürfte nur als i h r Delegierter fungieren. Das Aktiengesetz ermächtigt jedoch Aufsichtsrat und Vorstand zur selbständigen Unternehmensführung. Gleichwohl gelten die Aktionäre als persönliche Träger der Gesellschaft und damit ihrer inneren Ordnung. Das deutsche Rechtssystem kennt nämlich nicht das „Unternehmen an sich". Die Trägerschaft der Aktionäre w i r d jedoch nicht nur durch die juristische Persönlichkeit der AG, sondern auch durch die weitgehende Rechtlosigkeit der Aktionäre zur Fiktion. — Die Natur der A G als Aktionärsvereinigung würde verlangen, daß i n der Unternehmensführung allein die Interessen der Aktionäre maßgebend wären. Das Aktiengesetz macht jedoch keine entsprechende Aussage. Insbesondere fehlt eine solche Verpflichtung bei den Bestimmengen über den Vorstand (§§ 76—94). A n anderen Stellen spricht das Gesetz vom Wohl oder Schaden „der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre" (§ 117, I) wie wenn die Gesellschaft Selbstzweck sein könnte. Ebenso vermeidet das Mitbestimmungsgesetz eine Erklärung der Unternehmensziele.
— Indem das Aktiengesetz auf die Eignung der Gesellschaftsordnimg zur Unternehmensführung (als Produktionsunternehmen) ausgerichtet ist, ergibt sich eine Unternehmensverfassung statt einer Organisation der Aktionäre. (6) Andererseits hat das Aktienrecht — wie alle Gesetze — für die tatsächliche innere Ordnung der A G nur begrenzte Bedeutung. Der formale Charakter rechtlicher Vorschriften kann zwar Institutionen und Verfahren vorsehen, läßt aber ihren Inhalt und ihre Ergebnisse offen. Sie werden von den Beteiligten ausgefüllt und bestimmt. Diese lassen sich von wirtschaftlichen oder soziologischen Erwägungen leiten. Aus
12
Einleitung
ihnen gestaltet sich die effektive Ordnung und das innere Leben der AG. Seine Ergebnisse sind individuell verschieden. Sie lassen sich nur m i t einer Typologie erfassen, wie sie hier versucht wird.
I I . Mängel des Aktienrechts Motto:
E i n e große A u f g a b e w u r d e v e r f e h l t .
Das A k t i e n g e s e t z ( A k t G ) v o n 1965 b i l d e t das O r g a n i s a t i o n s r e c h t d e r A G . Es i s t w e i t g e h e n d m i ß l u n g e n , eine j u r i s t i s c h e F e h l l e i s t u n g . (7) A l s g r u n d l e g e n d e r F e h l e r w u r d e schon angesprochen (Z 4, 5), daß es w e i t g e h e n d d e n Charakter der AG als A k t i o n ä r s v e r e i n i g u n g — m i t S e l b s t o r d n u n g d u r c h d i e A k t i o n ä r e u n d d e n A k t i o n ä r e n als oberster I n s t a n z — aufgegeben h a t . Stattdessen s t e l l t das Gesetz v o r w i e g e n d eine U n t e r n e h m e n s v e r f a s s u n g d a r , i n d e r d i e A k t i o n ä r e n u r noch p e r i p h e r e B e d e u t u n g haben. Diese A u s - u n d U m g e s t a l t u n g des A k t i e n rechts z u e i n e r U n t e r n e h m e n s v e r f a s s u n g i s t das E r g e b n i s eines l a n g e n rechtsgeschichtlichen Entwicklungsprozesses i n Richtung einer Verselbständigung der A G . Es begann mit dem Preußischen „Gesetz über Aktiengesellschaften" von 1843. Dieses ging in das (bundesstaatliche) „Allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch" von 1861 über. Nach mehrfachen Ergänzungen und Novellierungen wurde dieses in 1900 durch das (reichsdeutsche) Handelsgesetzbuch (HGB) abgelöst. Die Jahre 1917—23 brachten eine Reihe von einzelnen Veränderungen. Bedeutende Einschnitte ergaben sich mit der Weltwirtschaftskrise, die allein i m 2. Halbjahr 1931 zu 9 Notverordnungen zum Aktienrecht führte. Ein weiterer Schritt wurde 1937 mit der Ausgestaltung des Aktienrechts zu einem selbständigen Gesetz getan. Die Neufassung von 1965 brachte einen neuen starken Ausbau. Als Teil des HGB hat das Aktienrecht (§§ 178—334) zu den „Handelsgesellschaften" als „auf privater Willensgestaltung beruhenden Zusammenschlüssen" (Hefermehl, Einführung zum HGB, S. 12) gehört. Die Handelsgesellschaften bildeten das I I . Buch des HGB, zwischen „Handelsstand" (I. Buch) und „Handelsgeschäfte" ( I I I . Buch). M i t der Verselbständigung des Aktienrechts veränderte sich sein Charakter und wuchs sein Umfang weit über die HGB-Fassung hinaus. Das zeigt folgende Gegenüberstellung a) Der wichtigste Teil des Aktienrechts betrifft die „Verfassung" der AG. Damit befassen sich Zahl der Paragraphen im HGB AktG 12 19 Vorstand 7 22 Aufsichtsrat 10 GV/HV 30 6 Jahresabschluß 31
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I I . Mängel des Aktienrechts
b) Schon früh gab es eingehende Bestimmungen für die Gründung und Auflösung einer AG, zum Schutz der Aktienzeichner wie der Gläubiger. Die Gefahr des Gründungsschwindels ist aber entscheidend geringer geworden, seit die Emissionsbanken und Börsenvorstände für eingehende Nachweisungen und Kontrollen sorgen. Trotzdem sind diese Paragraphen nicht weniger, sondern mehr geworden. HGB Gründung 24 Kapitaleinzahlung und Kapitalveränderung 35 Auflösung 19 * „Verschmelzung, Vermögensübertragung, Umwandlung"
AktG 31
62
13 + 55 *
c) Einige Bereiche wurden vom A k t G teils stark ausgebaut, teils völlig neu eingeführt. Die „Minderheitsrechte", die i m H G B 5 Paragraphen umfassen, tauchen an zahllosen Stellen des Aktiengesetzes auf. Anfechtungs- und Nichtigkeitsbestimmungen — früher auf 3 Paragraphen beschränkt — umfassen jetzt 37 Paragraphen. Völlig neu sind die Vorschriften über Verbundene Unternehmen und Unternehmensverträge mit allein 46 Paragraphen. Mit der Zahl nahm auch die Länge der einzelnen Paragraphen stark zu, einzelne nehmen heute bis zu 2 Druckseiten ein. M a n kann daher von einer Inflationierung des Aktienrechts sprechen, zumal mit der Länge meist auch die Qualität schlechter geworden ist.
(8) Die Loslösung der AG von ihren Aktionären wurde von der w i r t schaftlichen Entwicklung und verbreiteten Anschauungen gefördert. — Waren bis zu Beginn des Jahrhunderts die Gesellschaften relativ klein und auf übersehbare Aktionärskreise beschränkt, so wuchsen m i t der industriellen Expansion viele Gesellschaften i n riesige Dimensionen. Andererseits ließ m i t der Zahl der Aktionäre und der Höhe des Gesellschaftskapitals, der Verbreitung der Vermögensbildung und dem Ausbau des Bank- und Börsenwesens die Aktionsfähigkeit der Aktionäre erheblich nach. Das drähgte zur Verselbständigung der Unternehmensführung. — Ideell kam diese Entwicklung i n dem (auf Walther Rathenau zurückgehenden) Begriff des „Unternehmens an sich" zum Ausdruck. Er führte zur „Verwaltung an sich". Das bedeutete eine Trennung zwischen dem Unternehmen und seinen Inhabern, der auch eine verschiedene Zielsetzung entsprach. Das „Wohl des Unternehmens" sollte vor dem der Aktionäre rangieren. Entsprechend sollte die Verwaltung gegenüber den Inhabern weitgehend autonom sein. Die tatsächliche Entwicklungstendenz schien diesen Gedanken zu bestätigen und zu rechtfertigen. Uberzeugend hat das vor allem Fritz Haussmann in seinem farbigen Buch „Vom Aktienwesen und vom Aktienrecht" (Mannheim—Berlin—Leipzig,
I I . Mängel des Aktienrechts 1928) dargelegt. Bezeichnenderweise kam Haussmann aus der Praxis; er war Vorstandsmitglied der DEAG.
Indessen war diese Theorie nicht ausreichend durchdacht. Keine wirtschaftliche Institution kann zum Selbstzweck werden, losgelöst von Personen und durch sie gestellten Aufgaben. Deshalb ist es auch nicht gelungen, für das Unternehmen an sich eine entsprechende Rechtsform und Organisation zu finden. (9) Abgesehen von dieser unklaren Grundkonzeption enthält das A k t G zahlreiche schwerwiegende Mängel. A u f sie w i r d i m folgenden bei den einzelnen Sachbereichen einzugehen sein. Dabei kehrt eine Reihe charakteristischer Fehler wieder, die hier i n genereller Form gekennzeichnet seien: a) Das A k t G ist unnötig lang. — Es regelt viel zu vieles, statt sich auf das w i r k l i c h Nötige zu beschränken. — I n seinem Drang zum Perfektionismus w i r d vieles zu eingehend ausgeführt, doch ohne es überzeugend zu klären. — Viele Regelungen sind zeitbedingten Bedürfnissen entsprungen. Was aber zeitlich überholt ist, sollte gestrichen, was sich nicht bewährt hat, sollte angepaßt oder verbessert werden 2 . Das A k t G von 1965 hat dagegen alles Alte beibehalten und — wenn möglich — noch ausgebaut. Als Beispiele für weitgehend überflüssig gewordene, alte Bestimmungen seien genannt: die §§ 23—53 über Gründimg einer Aktiengesellschaft, insbesondere 32—35, 38, 41, 46—49, 52, 53, die §§ 63—69 über Kapitaleinzahlung, die §§ 72/73 über Kraftloserklärung von Aktien. — Wo die Praxis von sich aus befriedigend funktioniert, sollte der Gesetzgeber auf Vorschriften verzichten. Beispiele: Kapitalerhöhungen haben allein 39 Paragraphen zu berücksichtigen; Kapitalherabsetzungen 19 Paragraphen (§§182—220, 222— 240). Unnötig umfangreich sind auch die Umwandlungsbestimmungen (§§ 362—393), die überdies besser in einem einheitlichen Umwandlungsgesetz geregelt würden, denn sie betreffen auch andere Unternehmensformen. Die vielen Prüfungsvorschrif ten (§§ 162—169, 142— 147, 258—261) verstehen sich großenteils von selbst; Sonderprüfungen sind ohnehin äußerst selten. 2 So wurde nach den „Gründerjähr en" (1870—1873) der Schutz vor Gründungsschwindel für dringlich gehalten. Nach den Zusammenbrüchen der Weltwirtschaftskrise erschien der Ausbau des Rechnungswesens notwendig. M i t dem Aufkommen der Konzerne sollten diese berücksichtigt werden. Sollte 1937 vor allem der Vorstand gestärkt werden, so ging es 1965 um mehr Demokratie und Minderheitenschutz.
16
I I . Mängel des Aktienrechts
— Wiederkehrende Institutionen sollten an einer Stelle des Gesetzes zusammengefaßt und einheitlich geordnet werden, so daß sich Einzelregelungen erübrigen. Das A k t G behandelt sie jedoch i n den verschiedenen Zusammenhängen jeweils selbständig, m i t vielen Wiederholungen oder unnötigen Differenzierungen. Beispiele: Gläubigerschutz: §§ 225, 233, 272, 303, 321, 347, 374. — Verantwortung und Haftung: §§46, 47, 93, 117, 311, 317, 318, 322, 349—351. Obendrein kommen beide Schutzvorschriften kaum jemals zur A n wendung.
b) I n empfindlichem Gegensatz zu den vielen formalistischen Detailregelungen steht der Mangel an klaren und konkreten materiellen Entscheidungskriterien. Gerade i n wichtigen Fällen zieht sich das Gesetz auf unbestimmte, allgemeine Formulierungen zurück, die zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen müssen. Soweit das Gesetz mögliche Konfliktfälle behandelt, regelt es zwar die Verfahren, nach denen solche Fälle zu behandeln sind (ζ. B. Entlastung des Vorstandes, Anfechtbarkeit von HV-Beschlüssen, Prüfung des Jahresabschlusses), konstatiert es Abhängigkeiten oder Unabhängigkeiten, läßt es aber weitgehend offen, wie materiell entschieden werden und damit das Ergebnis ausfallen soll. Unbestimmte Formulierungen (ζ. B. einheitliche Leitung und Abhängigkeit, Ordnungsmäßigkeit und Angemessenheit) genügen nicht. Wenn schon das Gesetz keine materiellen Entscheidungen trifft, so sollte es den Beteiligten wie den Gerichten wenigstens gewisse Normen zur Hand geben, an die sie sich bei ihrer Behandlung und Entscheidung halten können. Indessen findet sich i m Aktiengesetz nicht einmal eine Aussage, welchen Zwecken und Zielen die A G dienen soll. Da aber den Organen der A G bestimmte Pflichten, Verantwortung und Haftung auferlegt werden, müßten sie mindestens wissen, wozu sie verpflichtet und verantwortlich sind. c) Das A k t G hat zwar i n seinem Aufbau die These beibehalten, daß die A G ein vereinsförmiger Zusammenschluß von Aktionären (als Mitgliedern) sei, aber es hat den demokratischen Aufbau (mit der H V als oberster Instanz und AR nebst Vorstand als delegierten Organen) aufgegeben, indem es den A R von den Aktionären losgelöst und für den Vorstand seit 1937 das „Führerprinzip" eingeführt hat. Als Organisationsrecht einer privaten wirtschaftlichen Vereinigung müßte die Selbstordnung durch die Aktionäre (in Gestalt der Satzung wie der laufenden Geschäftsordnung) den Vorrang vor der gesetzlichen Ordnung haben. Das Gesetz brauchte daher nur insoweit einzugreifen, wie die Beteiligten von sich aus keine Ordnung getroffen haben. Das A k t G geht jedoch — i m Sinne einer Unternehmensverfassung — den umgekehrten Weg: Es statuiert von sich aus eine eingehende Ordnung, die der Selbstordnung nur sekundäre Bedeutung und geringen Spielraum läßt.
I I . Mängel des Aktienrechts
d) Statt der Wirtschaft zu dienen, w i l l das A k t G sie reglementieren. Nicht die Beteiligten sollen entscheiden, sondern der Gesetzgeber zwingt ihnen seine Ordnungsvorstellungen auf. Während ein guter Gesetzgeber von der Wirklichkeit der Wirtschaft ausgeht und sie nicht umzumodeln sucht, w i l l das AktG, daß die Wirtschaft und die Beteiligten sich so verhalten, wie der Gesetzgeber sich das vorstellt. Wirklichkeitsfremdheit liegt auch darin, daß bei vielen Bestimmungen offenbar nicht genügend überlegt ist, wie sie sich i n der Praxis auswirken. (10) Ein Gesetz, das eine solche Fülle obligatorischer Bestimmungen enthält, sollte genügend bedacht haben, ob ihre Einhaltung gewährleistet ist. Auch darin zeigt das A k t G empfindliche Mängel. a) Für die Befolgung gesetzlicher Ordnungsvorschriften zu sorgen, sie zu überwachen und notfalls zu erzwingen, ist eine behördliche A u f gabe. Es gibt jedoch kein Aktienamt oder eine ähnliche zuständige Institution. Das A k t G statuiert zwar viele Verpflichtungen zu Meldungen an das Registergericht, aber dieses w i r d normalerweise nicht einmal überwachen, ob alle vorgeschriebenen Meldungen und Bekanntmachungen erfolgt sind. Noch weniger kann es prüfen, ob das, was gemeldet worden ist, zutrifft oder richtig ist (ζ. B. ein Jahresabschluß). b) I n Fällen, i n denen Aktionärsminderheiten geschützt werden sollen, überläßt das Gesetz die Rechtsverfolgung den Aktionären (ζ. B. i n §§ 241—255) oder statuiert es Nichtigkeit ohne Klage (ζ. B. i n §§ 256, 274). Wie aber sollen Aktionäre von sich aus klagen, wenn ihnen das nur Arbeit und Kostenrisiken ohne materielle Vorteile bringt? Wie sollen sie solche Klagen begründen, da sie keinen Einblick i n die tatsächlichen (gesellschaftsinternen) Verhältnisse haben? Darauf w i r d i m Anhang 8 eingegangen. c) Das Gesetz enthält zwar zahlreiche Strafvorschriften (§§ 399—408), sagt aber nicht, wer für die Strafverfolgung verantwortlich ist. Tatsächlich stehen diese Strafbestimmungen nur auf dem Papier. Nicht einmal ein Konkursverwalter greift sie auf, weil i h m das nichts einbringen würde. (11) Schließlich sei auch noch auf den gravierenden Mangel hingewiesen, daß das A k t G i n seinem schematischen Formalismus uneingeschränkt und undifferenziert für alle Arten von Gesellschaften gilt, ohne zu fragen, ob diese nach der Größe der Gesellschaft, der Zusammensetzung seiner Aktionäre, dem Wirtschaftszweig, dem die Gesellschaft angehört u. a. m. sinnvoll und nötig sind. Stattdessen hätte das 2 Huppert
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I I . Mängel des Aktienrechts
A k t G s o w e i t als m ö g l i c h d e n B e t e i l i g t e n ü b e r l a s s e n sollen, es nach ihren B e d ü r f n i s s e n u n d W ü n s c h e n a n z u w e n d e n , o h n e sie u n n ö t i g festz u l e g e n u n d z u belasten. Das Bedürfnis
nach V a r i a n t e n zeigen f o l g e n d e B e i s p i e l e :
a) Es gibt kleine Aktiengesellschaften, die so leicht überschaubar und von so geringem Interesse für die Allgemeinheit sind, daß sie nicht allen Bestimmungen und Pflichten des A k t G unterworfen werden sollten. Es wäre also unbedenklich, erhebliche Vereinfachungen zuzulassen. Wenn eine Aktiengesellschaft zum Börsenhandel zugelassen werden soll, könnte die Zulassungsstelle die Einhaltung weiterer Gesetzesbestimmungen verlangen. Wozu aber soll es dienen, wenn ζ. B. kleine Familien-AG's, KonzernAG's oder Einmann-AG's eine Fülle von Formvorschriften (ζ. B. öffentliche Einladungen, Bilanzvorschriften und -Veröffentlichungen, gesetzliche Fristen etc.) einhalten müssen, die keiner ihrer Aktionäre wünscht, sondern nur als lästig und kostspielig empfindet? Diese gesetzlichen Behinderungen veranlassen nicht selten, andere Gesellschaftsformen zu wählen, obwohl damit anderweitige Vorzüge der AG-Form verlorengehen. b) Anderseits können bei besonders großen Publikumsgesellschaften besondere Regelungen angebracht sein (ζ. B. für die Besetzung des AR, die formale Durchführung der H V oder die Behandlung von Auslandsbeteiligungen). c) Manche Aktiengesellschaften haben spezifische Funktionen oder Strukturen, so etwa als Holding oder Vermögensverwaltung (wo also nur die K a pitalanlage, ohne Unternehmensführung, infrage kommt). Dem müßte ihre Ordnung angepaßt werden können. Sie könnte auf den größten Teil der gesetzlichen Vorschriften verzichten, während die Beteiligten anderseits spezielle Einsichts- und Einwirkungsmöglichkeiten brauchen, die ihnen nach dem Gesetz nicht zustehen. Hierfür müßte i m Gesetz gesagt sein, daß und wie die innere Ordnung der Aktiengesellschaft abgewandelt werden kann. d) Das Aktiengesetz geht vom Typ der produzierenden industriellen Unternehmen aus. Dadurch sind viele Vorschriften für Aktiengesellschaften mit anderen wirtschaftlichen Aufgaben (ζ. B. Banken und Versicherungsgesellschaften, Verkehrs- und andere Dienstleistungsgesellschaften, Handelsgesellschaften) nicht passend, andere nicht ausreichend oder sinnvoll. Es bedürfte hierzu entsprechender Sondervorschriften, aber das Aktiengesetz sieht nichts derartiges vor (außer in einigen Punkten der Rechnungslegung). (12) A n g e s i c h t s dieser s c h w e r e n M ä n g e l g e w i n n t m a n d e n E i n d r u c k , daß das A k t G v o n Juristen geschaffen w o r d e n ist, d i e i h r e A u f g a b e n n i c h t r i c h t i g e r k a n n t oder v e r f e h l t haben. Sie h a b e n d i e Gesetzgebungst e c h n i k u n g e n ü g e n d beherrscht u n d O r d n u n g s v o r s t e l l u n g e n d u r c h g e setzt, w e l c h e d i e W i r k l i c h k e i t w e i t g e h e n d v e r f e h l e n . A l l e s das belastet das A k t i e n w e s e n i n h o h e m Grade. W i e sich t r o t z dieser B e h i n d e r u n g das A k t i e n w e s e n gemäß d e n w i r t schaftlichen B e d ü r f n i s s e n u n d V e r h ä l t n i s s e n gestaltet h a t , s o l l nach-
I I . Mängel des Aktienrechts
stehend i m einzelnen ausgeführt werden. Dabei soll jeweils von den gesetzlichen Bestimmungen ausgegangen und anschließend gezeigt werden, was sie bewirken oder was tatsächlich gilt.
I I I . Hauptversammlung Motto: Eine große Szenerie m i t verteiltem Rollenspiel und programmierten Ergebnissen. A. Formale und wirkliche Bedeutung (13) M i t der Hauptversammlung (HV) sollen die Aktionäre gemeinsam ihre „Rechte ausüben" (§ 1181 AktG) 8 . Da die A G personell aus den Aktionären besteht, müßte die H V oberste entscheidende Instanz der A G sein. Vorstand und A R müßten von i h r bestellt und weisungsgebunden sein. Indessen ist die Zuständigkeit der H V sehr beschränkt und die erforderlichen Entscheidungen werden praktisch schon vor der H V m i t den Beschlußvorschlägen getroffen. Deshalb kann man nicht von einer Aktionärsdemokratie und von der H V als ihrem Parlament sprechen. Zwar wird auch in Parlamenten selten echt verhandelt und um Zustimmung oder Ablehnung der Abgeordneten gerungen, aber die Parlamente haben unvergleichlich größere Zuständigkeiten und die Regierungen sind von ihnen abhängig. Dagegen könnte man die H V eher umgekehrt als Veranstaltung von Vorstand und A R bezeichnen.
(14) Das äußere Bild großer Hauptversammlungen macht freilich einen gewichtigen Eindruck. Die Aktionäre sind als Inhaber des Unternehmens aufgerufen, sich über das abgelaufene Geschäftsjahr berichten und Rechnung legen zu lassen, Fragen zu stellen, die Ergebnisse zu diskutieren und zu kritisieren; danach Beschlüsse über das Jahresergebnis zu fassen, den Vorstand und den AR zu entlasten, neue Mitglieder für den A R zu wählen u. a. m. Vorstand und A R versuchen dabei den Aktionären den Eindruck zu erwecken, daß diesen eine maßgebende Rolle zufiele. Indessen sind sie sich bewußt, daß hier i m wesentlichen nur eine Schau vorgeführt und nach einem Ritual abgewickelt wird, bei dem die Aktionäre nur Statisten bilden. (15) Der Wunsch der Verwaltung, hat vor allem zwei Gründe:
eine eindrucksvolle H V zu bieten,
— I n der Öffentlichkeit macht es einen guten Eindruck, wenn eine H V gut besucht ist, anregend und zugleich harmonisch verläuft und nur unbedeutend wenige Gegenstimmen findet. U m das zu erreichen, 8 I n §250 H G B stand noch der bedeutungsvolle Zusatz: „insbesondere in Bezug auf die Führung der Geschäfte".
Α. Formale und wirkliche Bedeutung
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bringen die Mitglieder der Verwaltung auch viel Verbindlichkeit, Geduld und Selbstbeherrschung auf. — Die H V bietet der Verwaltung ein Forum, auf dem sie die Gesellschaft und ihre eigenen Leistungen nach außen präsentieren und für sie werben kann; dazu eine Gelegenheit, ihre Auffassung über die Wirtschaftslage und ihre Meinung zu wichtigen Fragen der W i r t schaftspolitik darzulegen. Diese Selbstdarstellung der Verwaltung hat m i t der gesetzlichen Berichtspflicht an die Aktionäre kaum etwas zu tun. Die Verwaltung denkt dabei auch weniger an die Aktionäre als an die anwesende Presse und die Öffentlichkeit. Für Pressevertreter liegen die Ausführungen meist schon als Manuskript vor (das aber die Aktionäre nicht erhalten). Die respektvolle Behandlung der Aktionäre durch die Verwaltung hat freilich noch andere Gründe als bloße Höflichkeit: Sie w i l l vermeiden, daß HV-Beschlüsse, die gegen Gesetz oder Satzung verstoßen könnten, von Aktionären angefochten werden. Das könnte sonst unangenehme Folgen haben. Außerdem machen Anfechtungsprozesse in der Öffentlichkeit einen ungünstigen Eindruck.
(16) Der Verlauf der H V und vor allem die Abstimmungen sind i n einer Weise vorprogrammiert, die eine Opposition nahezu als sinnlos erscheinen läßt. a) M i t der Einberufung der H V muß deren Tagesordnung mindestens einen Monat vorher bekannt gegeben werden (§§ 121, I I , 1 und 123, I). Dabei sind vom Vorstand und A R bestimmte Vorschläge zur Beschlußfassung zu machen (§ 124, III). A n diesen Vorschlägen sollen die Aktionäre erkennen, was die Verwaltung vor hat. Die Banken sollen danach ihren Depotkunden eigene Vorschläge für die A b stimmung machen und diese sollen ihren Banken Abstimmungsanweisungen geben können (§§ 128, 125, 135, V). M i t den Vorschlägen sind jedoch praktisch auch schon die Abstimmungen vorweggenommen. b) Aktionäre haben nicht das Recht, von sich aus eigene Punkte auf die TO setzen zu lassen. Sie sind an die vom Vorstand bestimmten „Gegenstände der Tagesordnung" gebunden. Da ihre etwaigen A n träge hierzu nicht einmal bekannt gemacht werden (§ 124, IV), sind sie von vornherein aussichtslos. Eine Ausnahme bilden nur „Gegenanträge", die unter den Voraussetzungen des § 126 den Aktionären von der Verwaltung mitzuteilen sind. Die Verwaltungen pflegen jedoch den Begriff „Gegenanträge" eng auszulegen. Als „Gegenantrag" wird gewöhnlich allein der Vorschlag zur Ablehnung des Verwaltungsvorschlages anerkannt (was aber eigentlich keines selbständigen Antrags bedürfte). Da somit allein die Verwaltungsvorschläge
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I I I . Hauptversammlung zur Diskussion und Entscheidung stehen, braucht über Gegenanträge nicht abgestimmt zu werden. Sie gelten mit der Annahme des Verwaltungsvorschlages als erledigt. Gegenanträge beschränken sich daher auf einen Oppositionseffekt Da sie allen Aktionären mitgeteilt werden und die Verwaltung zu ihnen Stellung nehmen muß, werden die Aktionäre aufmerksam. Bei großen AG's berichtet darüber auch die Presse unter dem Stichwort „Opposition angemeldet".
(17) Außerdem tendieren die Verwaltungen dazu, die Rechte und Möglichkeiten der Aktionäre so eng zu begrenzen, w i e es gesetzlich nur möglich ist. a) Der Vorstand setzt allein solche Punkte auf die TO, über die Beschlüsse gefaßt werden müssen (§ 119). Häufig gäbe es indessen wesentliche weitere Fragen, m i t denen die H V befaßt werden könnte, ζ. B. wichtige Vorhaben zur Geschäfts- und Investitionspolitik, beabsichtigte Angliederung anderer Unternehmen oder Verlagerung eigener Produktion ins Ausland. Auch ohne Beschlußfassung der H V könnte die Verwaltung daran interessiert sein, die Meinung der Aktionäre zu hören. Dann könnte man auch sagen, daß die H V zur gegenseitigen Information und Verständigung diene. b) Die Behandlung des Jahresergebnisses beschränkt sich auf die Beschlußfassung über die „Verwendung des Bilanzgewinns" (§ 119,1, 2). Die wichtigere Frage, wie der Jahresabschluß aufgebaut ist und wie hoch demnach der Gewinn sein soll, kann von den Aktionären nicht behandelt und entschieden werden, weil Vorstand und A R den Jahresabschluß bindend feststellen (§ 172). Das Gesetz sieht zwar die Möglichkeit vor, daß Vorstand und A R „die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung überlassen" (§172, Satzl), aber davon machen Gesellschaften mit freien Aktionären nie Gebrauch. Damit ist den Kapitalgebern ihr wichtigstes natürliches Recht entzogen.
Die Bemessung des Jahresüberschusses und der Dividendenhöhe erfordert eine Abwägung zwischen den Interessen der Aktionäre und des Unternehmens. Näheres hierzu bringt der Anhang 6, A . Zwar klagen die Aktionäre gern, daß sie benachteiligt würden, aber sie können nichts ändern. c) M i t dem Jahresabschluß w i r d die „Entlastung" von Vorstand und A R verbunden (§ 120). Die Kommentare zum Aktiengesetz sehen darin lediglich eine A r t von Vertrauenskundgebung, also eine schöne, jedoch rechtlich überflüssige Geste. Selbst wenn die Entlastung verweigert wird, ist das für die Amtsführung der Verwaltung i n Vergangenheit wie Zukunft ohne Bedeutung. Das Gesetz sieht nicht einmal bei schwerwiegenden rechtswidrigen Handlungen den Ausschluß der Entlastung vor. Die Aktionäre wissen gewöhnlich
Α. Formale und wirkliche Bedeutung
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auch nicht, wozu sie die Entlastung aussprechen. Sie haben bestenfalls die Illusion, sie müßten die Geschäftsführung billigen. d) Z u den ureigensten Angelegenheiten der Aktionäre gehören Kapitalerhöhungen. Auch sie sind jedoch i m Beschlußvorschlag praktisch festgelegt. Bei der weitgehend üblich gewordenen bedingten (genehmigten) Kapitalerhöhung (§ 202), setzen die Aktionäre nur noch den Höchstbetrag fest und kann i m übrigen der Vorstand i m Laufe der nächsten 5 Jahre entscheiden — ob und u m welchen Betrag das Kapital erhöht werden soll — ob die Aktionäre ein Bezugsrecht erhalten sollen — wozu die Kapitalerhöhung verwendet werden soll (ζ. B. für Belegschaftsaktien oder zum Tausch gegen A k t i e n anderer Gesellschaften). Die Vorstände versuchen die Blankovollmacht damit zu rechtfertigen, daß sie für alle Bedarfsfälle gerüstet und zur Ausnützung günstiger Kapitalmarktsituationen befähigt sein wollten. Wenn das jedoch als Begründung genügen sollte, müßten alle Vorstände ständig über entsprechende Genehmigungen verfügen und würde die H V Genehmigung fast zu einer Farce. e) Auch Aufsichtsratswahlen und die Wahl der Abschlußprüfer bedeuten kaum mehr als Formalitäten. Hierauf w i r d noch einzugehen sein. (18) Trotzdem (oder auch deshalb) erfordert eine H V von der Verwaltung umfangreiche und intensive Vorbereitungen und Vorarbeiten. a) I n erster Linie gehört hierzu die Aufstellung des Jahresabschlusses, insbesondere die Reservebildung (notfalls auch -auflösung) und die Ausweisung des verteilungsfähigen Gewinns. Darüber w i r d innerhalb des Vorstandes, m i t dem AR-Vorsitzenden und den Großaktionären eingehend beraten. Gleiches gilt für den Vortrag des Vorstandes an den A R i n der Bilanzsitzung und für die bei größeren Gesellschaften übliche anschließende Pressekonferenz. b) Für den Geschäftsbericht werden alle einschlägigen Abteilungen (Verkauf, Betrieb, Investitionen, Finanzen, Soziales u. a.) zu Beiträgen aufgefordert. Die Zusammenstellung, Formulierung und sonstige Ausgestaltung übernimmt dann das Vorstandssekretariat, i n größeren Gesellschaften die PR-Abteilung. Wichtige Aufgaben hat auch die Rechtsabteilung zu leisten, die für alle Stadien und Punkte der Vorbereitungen auf Einhaltung der gesetzlichen Bedingungen zu achten hat. Kleinere Gesellschaften bedienen sich hierzu gern des Rates von Banken.
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I I I . Hauptversammlung
c) I n den meisten Gesellschaften, und jedenfalls vor kritischen H V und Bilanz-Pressekonferenzen, werden außerdem eingehende Überlegungen zur Beantwortung von möglichen Fragen der Aktionäre bzw. der Pressevertreter angestellt. Es gibt oder gab Vorstandsvorsitzer (wie z.B. Heyne bei der AEG), die einen ganzen Stab von qualifizierten Mitarbeitern damit beschäftigen, sich alle erdenklichen Fragen und die hierzu geeigneten Antworten einfallen zu lassen. Vorstandsvorsitzer oder Versammlungsleiter von Format sind auch ohne solche Vorbereitungen ausreichender und geschickter Antworten fähig. Die Beantwortung von Fragen nach Einzelheiten überlassen sie den zuständigen Vorstandsmitgliedern und ihren im Hintergrund wirkenden Mitarbeitern. Aber auch diese suchen sich maximal zu präparieren.
d) Hinzu kommen umfangreiche technische Vorbereitungen für die Abwicklung der H V : Einrichtung des Saales m i t Podium und Sitzreihen, Aktionärskontrolle und Stimmkartenausgabe, Verteilung von Drucksachen, Einrichtungen für die Presse, vielleicht Installierung einer EDV-Anlage, Aufstellung der Anwesenheitsliste, Sammlung und Auswertung der Stimmkarten, Erfrischungen i n den Nebenräumen, Omnibusse für Zu- und Abfahrt u. a. m. Z u den Vorbereitungen i m weiteren Sinne gehören Druck und Versand der Geschäftsberichte, der Einladung m i t TO und sonstigen Unterlagen, Mitteilungen an die Banken für die Depotaktionäre, Bekanntmachungen und Zeitungsanzeigen. Dieses Informationsmaterial kostet gewöhnlich noch mehr als die H V selbst. Die Höhe der Gesamtkosten hängt natürlich von der Größe der Gesellschaften ab, insbesondere der Zahl ihrer Aktionäre und HV-Besucher. Große Publikumsgesellschaften geben auf Anfrage die Kosten bekannt. Beispiele: Das RWE, mit etwa 150 Τ Aktionären und 1000 Besuchern, nannte für die H V am 27. 2.1975 mehr als 1 Mio Kosten, davon über die Hälfte Druckmaterial. Die V E B A bezifferte die Kosten ihrer H V am 25. 8. 1977 mit 2500 Teilnehmern auf 408 T M D , dazu 550 T D M für Geschäftsberichte. SIEMENS hat bei mehreren Gelegenheiten rd. 500 T D M unmittelbare HV-Kosten genannt. — Demokratie ist eben nicht nur umständlich, sondern auch kostspielig.
e) Kurz vor Beginn der H V — ehe die Verwaltung sich piaziert — besprechen Vorstand und A R noch kurz die Regie. Der Vorstand w i r d vielleicht schon aus den Anmeldungslisten einige „schwarze Schafe" ermittelt haben, auf die man sich einstellen muß. Dazu kommen weitere neueste Informationen. Insgesamt ist also eine Fülle von vorbereitenden und organisatorischen Arbeiten zu leisten, von denen der Außenstehende wenig merkt, die aber die maßgebenden Herren oft wochenlang beanspruchen. Die H V selbst bedeutet bei längerer Dauer ebenfalls eine beträchtliche Anstrengung. Umso mehr atmen alle auf, wenn die H V
Β. Besucher der Hauptversammlungen
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befriedigend verlaufen ist. Zu dem üblichen Essen von Vorstand und A R werden gern einige prominente Gäste (Großaktionäre, Bankiers), vielleicht auch mögliche Kandidaten für A R und Vorstand, geladen. Dann kann an die Ferien gedacht werden. B. Besucher der Hauptversammlungen (19) Zunächst als Beispiel für Publikumsgesellschaften einige typische Daten von der H V der Bayer A G am 29. 6. 1977: Anwesend 1850 Aktionäre und Aktionärsvertreter. Repräsentanz = 69,1 °/o des A K von 2130 Mio. (Zahl der Aktionäre über 300 Tsd.). Ablauf: Vorführung eines Werkfilms, Bericht des Vorstanidsvorsitzenden, Diskussion mit 11 Aktionärssprechern, Beantwortung der Fragen durch den Vorstand, langwierige Abstimmungen. Dauer der H V von 10.30 Uhr bis 17.30 Uhr.
Ein ganz ähnliches B i l d zeigen andere Publikumsgesellschaften, insbesondere der Chemie, Stahlindustrie, Elektroindustrie, Energiewirtschaft und Banken. Dabei gehen die H V meist nicht über etwa 5 Stunden hinaus. Größere Gesellschaften m i t wenig Streubesitz oder mittlere Gesellschaften kommen auf vielleicht 50 bis 100 Teilnehmer, etwa 2 bis 4 Aktionärssprecher und etwa 2 Stunden Dauer. (20) Gerade die großen Gesellschaften weisen gern auf die hohe Zahl ihrer Aktionäre hin, die zwischen 30 bis 400 Tsd angegeben werden (und m i t Hilfe der Depotbanken geschätzt werden). Warum besucht dann aber nur ein so kleiner Teil der Aktionäre die H V und w a r u m sind hierunter so viele Aktionäre m i t kleinen und kleinsten Kapitalanteilen vertreten (besonders Rentner und Hausfrauen, teilweise auch Belegschaf tsaktionäre) ? Die Anwesenheitslisten großer H V zeigen ganz überwiegend nur 1—50 A k tien je Kopf, vielfach noch als Fremdbesitz. Auch wenn diese Aktionäre nach 2—3 Stunden Dauer die H V scharenweise verlassen und nach 5—8 Stunden vielleicht nur noch 10—20 % der anfänglichen Teilnehmer anwesend sind, hat sich die Stimmrechtpräsenz nicht spürbar verringert. Die relativ große Zahl der anfänglichen Teilnehmer bedeutet also nicht mehr als eine eindrucksvolle Kulisse.
Schon der Enquete-Ausschuß von 1930 (. Anhang 1) hat sich m i t dem (damals noch weit geringeren) HV-Besuch befaßt: Einzelaktionäre pflegten auf den H V nicht zu erscheinen, vielmehr nur dann i n größerer Zahl zu kommen, wenn die Gesellschaft m i t Mißerfolg gearbeitet hat. Aber auch die dann aufkommende Opposition bediene sich überwiegend der Vertretung durch solche Aktionäre, die öffentlich u m Stimmen geworben haben, oder der beauftragten Vertretung durch Banken. Als Gründe für die normalerweise geringe HV-Teilnahme
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I I I . Hauptversammlung
gab der Ausschuß an: Vertrauen der Einzelaktionäre, solange die Dividende angemessen ist, Zeitmangel, geringer Stimmeinfluß, mangelnde Information oder Sachkenntnis (S. 20). Das gilt i m wesentlichen noch heute. Viele scheuen auch die Reisekosten. Die überraschend stark besuchten 4 Regionalversammlungen der V E B A zeigen, wie stark die Teilnahme von der Ortsnähe abhängt. I m allgemeinen ist der HV-Besuch seit dem Aktiengesetz von 1965 erheblich reger geworden. (21) Die HV-Präsenz, d.h. der i n der H V vertretene Kapital- und Stimmrechtsanteil, liegt zwischen 65 und 95°/o. Bei A k t i e n m i t mehrfachem Stimmrecht fällt die Repräsentanz beträchtlich höher aus, bei Vorzugsaktien ohne Stimmrecht deutlich niedriger als bei Stammaktien. Der Präsenzgrad zeigt typische Unterschiede. — Je kleiner die A G ist, desto höher pflegt die Präsenz zu sein, schon w e i l der Besitz meist ortsnah ist. — Bei AG's m i t Mehrheitsbesitz oder weitgehendem Paketbesitz w i r d trotz relativ geringer Teilnehmerzahl eine hohe Präsenz erreicht. Das gilt insbesondere für konzernabhängige Gesellschaften. — Umgekehrt weisen Publikumsgesellschaften die niedrigste Präsenz auf, etwa zwei Drittel. Viele Kleinaktionäre verzichten auf Teilnahme oder Vertretung. Der nicht unbeträchtliche Auslandsbesitz w i l l sich nicht zeigen oder verfügt nicht über eine institutionalisierte Bankenvertretung. (22) Typisch und wichtig ist, daß Großaktionäre den Besuch und das sichtbare Auftreten i n der H V vermeiden. Sie lassen sich durch Bevollmächtigte vertreten oder sitzen i m AR. Jedenfalls möchten sie nicht i n die Diskussion gezogen werden. Gerade dieses Ausweichen entwertet aber die Auseinandersetzungen i n den H V wesentlich. Ähnliches gilt für die Bankenvertreter. Soweit es u m ihre Vollmachtstimmen geht, behandeln sie die Vertretung als technische Angelegenheit für mittlere Angestellte. Außerdem übertragen sie ihre Vollmachten weitgehend auf andere Banken. Die seltenen Aufträge einzelner Aktionäre zu Erklärungen oder Fragestellungen tragen sie zwar pflichtgemäß vor, aber das findet wenig Beachtung. Auch wenn Banken über größere Eigenbesitz verfügen, pflegen sie sich betont zurückzuhalten, mindestens Opposition zu vermeiden. Eher versuchen sie, der Verwaltung zu helfen, zumal als Hausbanken. Stumme Teilnehmer sind i n aller Regel auch die Vertreter von Versicherungsgesellschaften und Investmentfonds, obwohl diese manchmal über erheblichen Aktienbesitz verfügen.
C. Diskussionen in der Hauptversammlung
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Der Grund, warum sich die Vertreter von so gewichtigem Aktienbesitz i n den H V praktisch nicht äußern, ist darin zu suchen, daß sie sich auf andere Weise zur Geltung bringen können; sei es i m Aufsichtsrat oder sei es i n unmittelbaren Verhandlungen m i t dem Vorstand oder anderen Großaktionären. Das nimmt der HV-Diskussion, welche sich an die Vorträge der Verwaltung anschließt, von vornherein i h r (sonst mögliches) Gewicht. Umgekehrt pflegen die Diskussionsteilnehmer nur sehr wenige Stimmen zu vertreten. Das gilt auch für A k t i o närsvereinigungen, deren Name vielleicht Eindruck macht. C. Diskussionen in der Hauptversammlung (23) Den Aktionären
soll die H V Gelegenheit geben,
— sich zusätzlich zu informieren — ihre eigene Auffassung vorzutragen und andere Auffassungen zu hören — ihre Stimme zu den Beschlußvorschlägen abzugeben. Rechtliches Gewicht hat hiervor allein die Stimmabgabe, auf die auch alles Vorbringen i n der H V ausgerichtet sein sollte. Dagegen ist der Informations- und Diskussionswert der H V relativ gering. (24) Nach der gesetzlichen Vorstellung sollte der Geschäftsbericht den hauptsächlichen Inhalt der H V und Gegenstand ihrer Diskussion bilden. I n Wirklichkeit liegt der Geschäftsbericht schon m i t der Einladung zur H V gedruckt vor, so daß er i n der H V niemals verlesen wird. Statt dessen bemühen sich Vorstand und Versammlungsleiter möglichst anderes vorzutragen, als schon i m Bericht steht. M i t dem Geschäftsbericht liegt auch die Jahresrechnung (Bilanz und Ergebnisrechnung) nebst den „Erläuterungen" des Vorstandes vor, so daß sie nicht mehr vorgetragen zu werden braucht, sondern gleich zur Diskussion gestellt werden kann. Aber was sollen die Aktionäre zur Jahresrechnung überhaupt sagen? a) Da die Jahresrechnung (im Normalfall) durch den Vorstand aufgestellte und den A R festgestellt wird, bleibt den Aktionären eigentlich nur übrig, sie zur Kenntnis zu nehmen. — Die Jahresrechnung soll das Ergebnis verzeichnen, ohne es w i r t schaftlich zu rechtfertigen. Letzteres pflegt zwar i m Geschäftsbericht zu geschehen, bedarf aber nicht der Zustimmung der A k t i o näre, steht also auch nicht zur Diskussion. — Ansatzpunkte für eine kritische Diskussion kann die Jahresrechnung insoweit bieten, als sie auf Ermessensentscheidungen des Vorstandes beruht. Hierzu w i r d i m Anhang 4 einiges ausgeführt.
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I I I . Hauptversammlung
— I m übrigen können die Aktionäre den Vorstand durch ihre Äußerungen und Fragen zu weiteren Erklärungen und Begründungen veranlassen. Die gern gefragten Spezifikationen für einzelne Posten braucht der Vorstand allerdings nicht zu geben, denn seine Berichtspflicht beschränkt sich auf die gesetzlich vorgeschriebene Gliederung. b) Mangels anderer Beurteilungsmöglichkeiten halten sich die A k t i o näre gern an die Veränderung gegenüber dem Vorjahr, zumal die Vorjahreszahlen i n der Jahresrechnung angegeben werden müssen. Entsprechend beschränken sich die Erläuterungen i m Geschäftsbericht ganz überwiegend auf die Erklärung dieser Veränderungen. Die Frage, ob gut oder schlecht gewirtschaftet worden ist, und ob die Geschäftsführung i m Vorjahr oder i m letzten Jahr mehr geleistet hat, w i r d damit jedoch nicht beantwortet. Der Vorjahres vergleich bedeutet nicht allein eine starke Verengung der Gesichtspunkte, sondern kann insofern auch zu falscher Beurteilung verleiten, als im Aufwand und' Ertrag häufig bedeutende außerordetliche oder aperiodische Beträge enthalten sind. Für die Beurteilung der Ertragsentwicklung müßten sie ausgeschaltet werden. So gesehen kommt dem „Gewinn je Aktie", der eine solche Bereinigung enthalten soll, erheblicher Erkenntniswert zu. Indessen bleibt auch die Abgrenzung jener anormalen Einflüsse unsicher. Wenn der Vorstand eine solche Gewinnangabe macht, dann mit entsprechenden Vorbehalten. Jedenfalls gehört sie nicht zur vorgeschriebenen Jahresrechnung.
c) Eigentlich läge es nahe, daß die Aktionäre die Jahresabschlüsse ähnlicher anderer Unternehmen zur vergleichsweisen Beurteilung heranzögen. Hierfür spräche, daß sehr viele wirtschaftliche Bedingungen gleich oder ganz ähnlich liegen (allgemeine Wirtschafts- und Konjunkturlage, Lohntarife, Steuern und Abgaben, Zinsen, Rohstoffe und Material, Energie- und Transportkosten, Höhe und Entwicklung der Preise). Gleichwohl wirtschaften die einzelnen Unternehmen m i t manchmal unverständlich verschiedenen Ergebnissen. Es kommt jedoch kaum vor, daß ein Aktionär die Verwaltung anhand solcher Vergleiche kritisieren würde. Der Vorstand könnte solche K r i t i k auch leicht damit abtun, daß die Struktur wie die Marktsituation jedes Unternehmens anders liege, also keine Ergebnisvergleiche rechtfertigen könne. Alles i n allem sind also die Möglichkeiten der Aktionäre, die Jahresrechnung zu beurteilen und überzeugend zu kritisieren, sehr gering. Die betreffenden HV-Diskussionen w i r k e n infolgedessen weitgehend wie Scheingefechte und bleiben ohne rechtes Ergebnis.
C. Diskussionen in der Hauptversammlung
(25) Weitere hauptsächliche und gängige Diskussionsthemen
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sind:
a) Beteiligungen Sie können — vor allem bei Konzernen — das Jahresergebnis stark beeinflussen. Außerdem überraschen sie nicht selten durch besonders günstige oder schlechte Entwicklungen. Die Aktionäre haben daher leicht den Eindruck, daß sie zu wenig über die Beteiligungsgesellschaften erfahren und daß diese zur Glättung des Gewinnausweises benutzt werden. Die Stammgesellschaft braucht nur die Gewinnabführung oder Verlustübernahme für die Beteiligungsgesellschaften insgesamt auszuweisen. Noch weniger läßt die Verwaltung erkennen, was sie von den einzelnen Beteiligungsgesellschaften erwartet oder m i t ihnen vorhat (ζ. B. Expansion und zusätzliche A u f gaben, Investitionen und Kredithilfe — oder das Gegenteil). Die Aktionäre stellen zwar gern nähere Fragen zu den Beteiligungsgesellschaften, aber auch bei bereitwilligen Auskünften reichen diese nicht zu eigener Urteilsbildung durch die Aktionäre aus. G i l t das schon für die inländischen, so noch weit mehr für die ausländischen Beteiligungen, obwohl gerade diese großenteils eine kaum absehbare Dynamik entwickeln. M i t der wachsenden Bedeutung der Auslandsbeteiligungen w i r d deren übliche Ausschaltung aus der Jahresrechnung zu einer bedenklichen Informationslücke. b) Investitionen und Aufkäufe Ihre schwerwiegende Bedeutung ist unübersehbar und reizt die Aktionäre zu Fragen und kritischen Anmerkungen. Gerade sie machen aber auch bewußt, daß die Aktionäre zu wenig wissen und nur erfahren, was der Vorstand schon vollzogen hat. Selbst wenn nach einigen Jahren Überkapazitäten und Mißgriffe bei Beteiligungen unverkennbar werden, pflegen die Vorstände i h r Verhalten unbeirrbar zu verteidigen. Daher lohnt es sich kaum, hierüber zu diskutieren. c) Konzernbildung Von höchstem Interesse für die Aktionäre wären Vorgänge, m i t denen sich eine Eingliederung der Gesellschaft i n einen Konzern oder (umgekehrt) die Konzernangliederung einer Beteiligungsgesellschaft anbahnt; insbesondere wenn entsprechende Unternehmensverträge beabsichtigt sind (s. Anhang 7). Hierüber lassen jedoch die Verwaltungen nichts verlauten; auch nicht auf Fragen von Aktionären, die gewisse Anzeichen dafür zu sehen glauben. Die Aktionäre werden erst unterrichtet, wenn alles „gelaufen" ist und die entsprechenden Verträge den H V zur Genehmigung vorgelegt werden. Dann aber bleibt ihnen kaum noch etwas zu sagen.
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Noch dürftiger sind Informationen und Äußerungsmöglichkeiten, wenn sich eine Konzernbildung ohne Konzernverträge vollzieht. Fragen an den Vorstand, ob dieser etwas über maßgebenden Erwerb von A k t i e n der eigenen Gesellschaft wisse, kann dieser damit abtun, daß er auf Anzeigen über Besitz von mehr als der Hälfte oder einem Viertel der A k t i e n beschränkt sei. Die eigene Beteiligungsquote an anderen Unternehmen pflegt der Geschäftsbericht anzugeben, aber der Vorstand braucht nicht zu erklären, wieweit damit eine konzernförmige Einflußnahme verbunden w i r d (s. Z. 70). d) Rationalisierungsmaßnahmen Beliebt sind Darlegungen der Geschäftsführung, was sie unternommen hat, u m Kosten einzusparen, die Organisation zu verbessern (Gliederung des Unternehmens i n Sparten, Umorganisation des Konzerns, der Produktion und des Vertriebs etc.), ertragskräftige und wachstumsstarke Produktionszweige aufzunehmen oder auszubauen, andere abzustoßen u. a. m. Die Aktionäre hören das gern, können aber zu wenig erkennen, was hinter diesen (allgemein gehaltenen) Angaben steckt und ob es nicht schon längst hätte getan werden müssen. So kommt es auch hierüber kaum zu nützlichen Diskussionen. e) Personalkosten Häufig kritisieren Kleinaktionäre die ständig anwachsenden Personalkosten und die gewerkschaftliche Lohnpolitik i n Relation zur Dividendenentwicklung. Das zeigt aber wiederum nur die Ohnmacht der Aktionäre. Gegen tarifliche Erhöhungen der Löhne und Gehälter kann die Geschäftsführung nichts machen und für die Aktionäre bleibt immer nur der Rest. I n der entscheidenden Frage, ob sich die Kostenerhöhungen auf die Preise abwälzen ließen, müssen sich die Aktionäre m i t der Erklärung des Vorstandes begnügen, er tue alles, was der M a r k t zuließe. f) Wahlen zum A R Regelmäßige und weitgehend gleichartige Diskussionen ergeben sich bei den Wahlen zum AR. Die Vorschläge zur Wahl von Vertretern der Aktionäre werden i n aller Regel nicht begründet. Es w i r d nicht einmal erklärt und gefragt, wen die Vorgeschlagenen präsentieren sollen (Aktionärsgruppen, bedeutende Abnehmer, kooperierende Unternehmen etc.), oder ob sie allein wegen besonderer persönlicher Qualitäten vorgeschlagen werden. Der Vorstand darf hierzu nichts sagen und der AR äußert sich i n aller Regel nicht. Die Aktionäre beschränken sich gewöhnlich auf i h r generelles Anliegen, Vertreter der Kleinaktionäre i n den AR aufzunehmen — worauf die Verwaltung bestenfalls antwortet, sie werde die Frage sorgfältig prüfen.
C. Diskussionen in der Hauptversammlung
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(26) M i t alledem zeigt sich, wie schwer es den Aktionären fällt, fundierte Diskussionsbeiträge zu liefern. Sowohl der Informationsstand als auch die Rechte der Aktionäre reichen nicht dazu aus, die Verwaltung zu beeindrucken. Es fehlen also die Voraussetzungen für eine fruchtbare Diskussion i m Sinne eines Meinungsaustausches zwischen gleichwertigen Partnern, m i t dem Ziel einer Verständigung und eines Vertrauensvotums für die Verwaltung. Können selbst Aktionärssprecher mit beträchtlicher Sachkunde wenig Fundiertes sagen oder größere Fehler aufdecken, so sehen sich manche andere Aktionäre gerade aus dem Gefühl ihrer Ohnmacht heraus zu übersteigerten Polemiken veranlaßt, die bis zu Beschimpfungen und Verunglimpfungen der Verwaltung reichen, aber nur die Atmosphäre vergiften. Noch weiter vom Sinn und Zweck der HV-Diskussionen entfernen sich die langatmigen und demagogischen Tiraden mancher „Berufsopponenten" oder politischen Agitatoren, welche die H V als Öffentlichkeitsforum mißbrauchen. I m Ergebnis nicht anders, wenn auch in der Motivation respektabler, wirken weitschweifige Ausführungen von Kleinaktionären, welche an den Verhandlungsgegenständen der H V vorbeigehen.
(27) Der weitgehend unbefriedigende Inhalt und Verlauf der H V Diskussion veranlaßt immer wieder zu Überlegungen, wie sich Verbesserungen erzielen ließen. Die Diskussion müßten gehaltvoller und kürzer werden und sich auf das beschränken, was unmittelbar zur Entscheidung ansteht. Die Aussichten für entsprechend regulierende Eingriffe sind jedoch gering. a) Für die Abwicklung der H V gibt es weder eine verbindliche Geschäftsordnung noch eine ausschußförmige Vorbereitung wie für Sitzungen von Parlamenten. Es gibt auch keine Fraktionen m i t Rednerlisten, sondern jeder Aktionär kann über alles sprechen und solange er w i l l . Wenn etwa fünf oder sechs Aktionäre hintereinander bis zum Überdruß beklagt haben, daß der Jahresabschluß einen Verlust offenbart hat, so kann niemand weitere Sprecher daran hindern, dasselbe Lied zu wiederholen. Das gehört zum Prinzip „demokratischer Redefreiheit". Gleiches gilt für das „Recht auf Auskunft", selbst wenn die Fragen zahllos und nahezu sinnlos werden oder gar schikanöse Absichten gegenüber dem Vorstand erkennen lassen. b) Soweit die Aktionäre eine sachdienliche Selbstbeschränkung und angemessene Rücksichtnahme auf die Versammlungsteilnehmer vermissen lassen, könnte nur der HV-Leiter für eine Lenkung und Beschränkung der Diskussion sorgen. — Da es keine entsprechende Geschäftsordnung gibt, möchten die Leiter nicht i n die Aussprache eingreifen (ζ. B. durch Mahnungen, zur Sache zu sprechen, durch Beschränkung der Redezeit und Schließung der Rednerliste). Sie wollen sich nicht dem Vor-
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w u r f autoritären oder undemokratischen Vorgehens aussetzen, am Ende sogar gerichtliche Anfechtungs- oder Auskunftsverfahren auslösen. — Erfahrene Versammlungsleiter (ζ. B. Abs oder Richter) sehen unbegrenzte Geduld als beste Taktik an. Man kann auch von Ermüdungstaktik sprechen. Je länger eine Diskussion dauert, desto weniger Wirkung hat sie und desto eher rufen hartnäckige Opponenten den Unmut der anderen Aktionäre hervor. Bei den A b stimmungen w i r d sich ohnehin zeigen, daß alle Vorwürfe w i r kungslos geblieben sind. — Indessen könnten HV-Leiter doch manches dazu beitragen, die Aussprache inhaltlich qualifizierter und zeitlich kürzer zu halten. Ein verdienstvolles und spürbar wirksames Beispiel hierfür gaben Richtlinien zur Diskussion, die vor einigen Jahren Peter von Siemens einer Siemens-HV empfahl (s. Anhang 3). (28) Immerhin kann für die HV-Diskussionen i m Laufe des letzten Jahrzehnts manche Besserung festgestellt werden. Das Bewußtsein der Aktionäre, durch das Aktiengesetz von 1965 größere Rechte erhalten zu haben, dazu die revolutionäre Welle von 1968/69, ließ i n manchen großen H V zu Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre die Diskussionen überschäumen. Die häufig überzogene K r i t i k und destruktive Tendenz mancher Gewohnheitsopponenten hat jedoch seither nachgelassen. Viele Diskussionsbeiträge lassen beachtliche Sachkenntnis, genügend Augenmaß und Bemühen u m Objektivität erkennen. Auch die Verwaltungen zeigen vielfach mehr Verständnis und Entgegenkommen. Sie haben erkannt, daß ein guter HV-Besuch und eine rege, sachgerechte Diskussion auch i n der Öffentlichkeit einen guten Eindruck macht. Nicht zuletzt haben die zunehmenden Erschwernisse der wirtschaftlichen Lage sowie der Druck der Wirtschafts- und Sozialpolitik die Verwaltungen und ihre Aktionäre einander näher gebracht. Dennoch bliebe noch vieles zu tun, u m einen allseits befriedigenden Verlauf der H V zu erreichen. (29) Mehr noch als die Thematik bietet die Zusammensetzung der Aktionärssprecher ein weitgehend gleiches und vertrautes Bild. a) Zuerst treten die Aktionärsvereinigungen auf, allen voran die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Sie verfügen über hinreichende Sachkunde und Routine, wenngleich ihnen interne Kenntnisse der Gesellschaft, die zu empfindlicher Opposition führen könnten, fehlen. Scharfe Angriffe suchen sie zu vermeiden — es sei denn, daß eine Verwaltung die berechtigte Empörung aller A k t i o näre ausgelöst hat. Statt K r i t i k stellen sie gern einige Fragen zum
D. Auskunftsrecht
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Geschäftsbericht. Das macht den Eindruck von Sachkenntnis, bleibt aber i n der Regel belanglos, b) Weiter gibt es eine begrenzte Zahl regelmäßiger HV-Besucher, die als „Berufsopponenten" einen gewissen Namen haben, den sie durch agressives und rhetorisch effektvolles Auftreten erworben haben. Daneben betreiben manche Kleinaktionäre m i t verteiltem Aktienbesitz eine HV-Opposition als persönliches Hobby. Andere haben m i t der Gesellschaft i n geschäftlichen Beziehungen gestanden, sich aber m i t ihr überworfen und suchen i h r nun als Aktionärssprecher Schwierigkeiten zu machen. Wieder andere sehen i n den H V eine Gelegenheit, ihre speziellen Anliegen zur Sprache zu bringen, ζ. B. Umweltschutz, Entwicklungspolitik oder Sozialpolitik. Unverhältnismäßig selten äußern sich dagegen Belegschafts- oder Gewerkschaftsvertreter, denn die wollen sich m i t den anderen Aktionären nicht anlegen, sie können ihre Ansichten und Interessen auch anderweitig geltend machen. Die Motive dieser Aktionärssprecher sind mitunter schwer zu erkennen. Für die Aktionärsvereinigungen handelt es sich i m wesentlichen um Pflichtübungen. Anderen muß bald bewußt werden, daß sie mit ihrer Opposition praktisch nichts ausrichten können. Warum sie trotzdem systematisch Opposition betreiben, versucht der Anhang 9 zu ergründen, unter dem etwas zugespitzten Titel: „Kann Opposition sich bezahlt machen?"
D. Auskunftsrecht (30) Das Recht der Aktionäre, i n der H V an die Verwaltung Fragen zu stellen und deren Beantwortung zu verlangen (Auskunftsrecht), ist seit je unklar und umstritten 4. Das HGB enthielt darüber nichts, aber die Praxis erkannte an, daß die Aktionäre auch fragen dürften, wenn sie die Geschäftsführung entlasten und über Vorlagen abstimmen sollten. Indessen hatte das Reichsgericht i m Jahre 1913 entschieden (RGZ Bd. 82, S. 182), „daß der Aktionär grundsätzlich kein Individualrecht auf Auskunft habe, vielmehr stehe das Auskunftsrecht allein der G V zu", die also darüber beschließen und eine gestellte Frage ablehnen könne. Ein Anfechtungsrecht wegen Auskunftsverweigerung ( = Gesetzesverletzung) wurde nur unter besonderen, engen Voraussetzungen anerkannt. Freilich war die Rechtsauffassung nicht einheitlich. (31) Erst das Aktiengesetz von 1937 brachte ein individuelles Auskunftsrecht und ein Anfechtungsrecht bei Auskunftsverweigerung. Das 4 H. Friedländer, Aktienrecht, Berlin 1932, S. 169/70. — Der Enquete-Bericht (1930) sprach dem „Fragerecht" keine große Bedeutung zu. Das Bedürfnis zu Fragestellungen wurde in ihm verschieden beurteilt. Präzise Fragen seien relativ selten und viele Fragen seien überflüssig. Anfechtungsprozesse wegen Auskunftsverweigerung seien nicht bekannt geworden (S. 34/35).
3 Huppert
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I I I . Hauptversammlung
A k t G von 1965 hat beides weiter ausgebaut. Nach § 131 I, 1 erstreckt sich der Auskunftsanspruch auf „Angelegenheiten der Gesellschaft, soweit sie (die Auskunft) zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist". Hierzu sollen auch die „Beziehungen der Gesellschaft zu einem verbundenen Unternehmen" gehören (also nicht die Verhältnisse der verbundenen Unternehmen an sich). I n einigen Fällen besteht ein erweiterter oder spezieller Auskunftsanspruch, so beim Abschluß von Unternehmensverträgen (§ 293 IV), Eingliederungsverträgen (§ 326) und Verschmelzungsverträgen (§ 340 IV).
Daraus ergibt sich jedoch keine genügende Abgrenzung dessen, was ein Aktionär fragen darf. Da i m allgemeinen gesetzlich eingehend festgelegt ist, was und wie der Vorstand und A R den Aktionären zu berichten hat, müßten die Aktionäre begründen, daß und inwieweit die Berichterstattung nicht ausreichend sei und warum sie die erbetene Auskunft für ihre Entscheidungen zu den anstehenden Beschlüssen benötigen. Wenn die HV-Leiter auf solchen Erklärungen beständen, so würden bald kaum noch Fragen gestellt werden. Die Praxis sieht jedoch anders aus. Selbst bei ausgefallenen Fragen der Aktionäre berufen sich die Verwaltungen nicht darauf, daß sie gesetzlich ausreichend berichtet haben; sie lehnen nicht einmal solche Fragen ab, da sichtlich nichts mit der Tagesordnung zu t u n haben. Vielmehr wollen sie sich auskunftsfreudig zeigen. Das führt vielfach zu einer Ausuferung der Fragestellungen, die den Sinn und Zweck des Auskunftsrechtes überschreiten und den Ablauf der H V unnötig aufhalten. Die Fragebeantwortung des Vorstandes dauert häufig eine bis anderthalb Stunden. Die Auskunftsbereitschaft wird gesetzlich durch dreierlei (unnötig) gefördert: — Zwar besteht ein Auskunfis-Verweigerungsrecht, aber dieses ist auf nur wenige Fälle beschränkt (§ 131, I I I ) und dem folgt noch die Erklärung, daß Auskunft nicht aus anderen Gründen verweigert werden darf. — Das Gesetz hat den Aktionären auch noch das Recht gegeben, die verlangten Auskünfte in einem besonderen gerichtlichen Verfahren zu erzwingen (§ 132). — Bei Auskunfts-Verweigerung können die betreffenden Beschlüsse angefochten werden. Weder die Anfechtbarkeit noch das Auskunftsverfahren können überzeugen. Es ist völlig unwahrscheinlich, daß eine Abstimmung ein anderes Ergebnis gehabt hätte, wenn eine bestimmte Frage eines einzelnen Aktionärs beantwortet worden wäre. Es besteht also kein Anlaß, einen solchen H V - B e schluß für nichtig zu erklären (was m. W. auch noch kein Gericht getan hat, obwohl das Gesetz es verlangt). Das Auskunftsverfahren verfehlt insofern seinen Zweck, als selbst durch eine erzwungene Beantwortung der betreffende HV-Beschluß nicht mehr beeinflußt werden kann. Die zweifachen Rechtsmittel (Anfechtungsklage und Auskunftsverfahren) führen dazu, daß opponierende Aktionäre vorsorglich beide Wege beschreiten. Dann pflegen
E. Berichte über Hauptversammlungen
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die Gerichte den Anfechtungsprozeß auszusetzen, bis über das Auskunftsverfahren entschieden ist. Für die Gesellschaft bedeutet das eine weitere Erschwerung und unzumutbare Verzögerung.
(32) Auch i n anderer Hinsicht kann das Auskunftswesen wenig befriedigen und überzeugen. Hat ein Aktionär, der Schwierigkeiten bereiten w i l l , seinen Fragenkatalog verlesen, so müßte die Verwaltung zu jeder Frage eine erschöpfende Auskunft geben. Viele Fragen sind jedoch so unpräzise, umfassend oder schief gestellt, daß sie sich schon deshalb nicht recht beantworten lassen. I n anderen Fällen übergeht der Vorstand einzelne Fragen oder begnügt er sich m i t einer teilweisen oder summarischen Antwort. Darauf müßte der Fragesteller eigentlich insistieren. Außerdem müßte er nach Beantwortung das Wort ergreifen und auf die gegebene Erklärimg eingehen, denn er hat ja gefragt, w e i l i h m das nötig erschien, u m sich ein Urteil bilden zu können. Aber nichts von alledem geschieht. Auch die (vorsorgliche) abschließende Feststellung des HV-Leiters, daß nun wohl alle gestellten Fragen beantwortet seien, läßt kaum jemals einen Fragesteller widersprechen und nachstoßen. Daraus rechtfertigt sich der Eindruck, daß das ganze Frage- und Antwortspiel ziemlich überflüssig und kaum ernsthaft gemeint war. Dies zeigt wieder einmal, welche unnötigen und lästigen Folgen es hat, wenn der Gesetzgeber von wirklichkeitsfremden Vorstellungen ausgeht, vage und undifferenzierte Rechte gewährt und sie m i t unangemessenen Sanktionen versieht. Dabei gäbe es ein verhältnismäßig einfaches Mittel, unnötige Fragestellungen zu vermeiden: Fragesteller müßten angehalten sein, ihre Fragen schon vor der H V schriftlich einzureichen und zu begründen; anderseits müßte der Vorstand diese Fragen schon schriftlich beantworten können. Ein solches Verfahren könnte durch die Satzung vorgesehen oder wenigstens mit der HV-Einladung empfohlen werden. Dann würden wahrscheinlich viele Fragen überhaupt unterbleiben oder wenigstens präzisiert werden. Der Vorstand könnte prüfen, ob oder wieweit die Fragen zulässig sind. Statt in der H V aus dem Stegreif zu antworten, könnte er eine genauere Erklärung vorbereiten oder den Fragestellern schon zusenden. Die Aktionäre könnten diese Antworten in ihre Diskussionsbeiträge einbeziehen. Wenn sie trotzdem erst in der H V fragten, müßten sie das verständlich machen. — Aber Juristen würden ein solches Verfahren ablehnen, weil es i m Aktiengesetz nicht vorgesehen sei.
E. Berichte über Hauptversammlungen (33) Z u m Unterschied von dem, was sonst innerhalb von Unternehmen geschieht, sind die HV's der Presse zugängig (während T V - A u f nahmen bisher von allen deutschen Gesellschaften abgelehnt worden sind). Die Presseberichte beschränken sich jedoch überwiegend auf die Erklärungen der Vorsitzenden des A H oder Vorstandes (deren Manuskripte der Presse übergeben werden). Dagegen bringen die HV-Be3*
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I I I . Hauptversammlung
richte i n der Regel k a u m etwas über die A u s f ü h r u n g e n der o b w o h l diese d e n g r ö ß t e n R a u m e i n n e h m e n .
Aktionäre,
Allein die „Hauptversammlungsstenogramme" von „Blick durch die Wirtschaft" über die HV's der großen und bekannten Gesellschaften gehen hierauf ein, teilweise auch die Berichte der „Börsenzeitung". Sonst aber wird allenfalls die überwiegende Tendenz der Aktionärsäußerungen (zustimmend oder oppositionell) erwähnt. Diese einseitige B e r i c h t e r s t a t t u n g i s t unbefriedigend, denn die H V s o l l gerade d i e A k t i o n ä r e z u W o r t e u n d z u r G e l t u n g k o m m e n lassen. D i e A k t i o n ä r e g e w i n n e n dagegen d e n E i n d r u c k , d i e Presse h a l t e es m i t d e r V e r w a l t u n g u n d negiere d i e A k t i o n ä r e . Freilich wird es den Pressevertretern meist nicht leicht gemacht, aus dem, was die Aktionärssprecher sagen, einen verständlichen Extrakt zusammenzustellen. Es mag auch sein, daß die Öffentlichkeit an dem, was die Aktionäre sagen, weniger interessiert ist, aber für die Aktionäre läßt sich das nicht sagen. Viele wären gewiß gern zur H V gekommen und möchten daher hören, was es dort gegeben hat, nicht zuletzt, wie das, was die Verwaltung vorgebracht hat, von den Aktionären aufgenommen worden ist. Das könnte sie z. B. veranlassen, wenigstens ihren Depotbanken demnächst bestimmte Weisungen zu geben. (34) Diese L ü c k e i n d e r p u b l i z i s t i s c h e n B e r i c h t e r s t a t t u n g h a t manche große Gesellschaften v e r a n l a ß t , i n i h r e n „Aktionärsbriefen" über die H V z u berichten. A u c h sie k o n z e n t r i e r e n sich j e d o c h a u f d i e W i e d e r gabe d e r e i n l e i t e n d e n R e f e r a t e des V o r s t a n d s - o d e r A R - V o r s i t z e n d e n , w ä h r e n d d i e Aussprache n u r a m R a n d e v e r m e r k t w i r d . D i e n i c h t e r schienenen A k t i o n ä r e m ö c h t e n dagegen gerade e r f a h r e n , w a s v o n i h r e r Seite gesagt oder g e f r a g t w o r d e n i s t u n d w a s d e r V o r s t a n d h i e r a u f e r w i d e r t h a t . J e d e r bessere V e r e i n b e r i c h t e t so ü b e r seine J a h r e s h a u p t v e r s a m m l u n g . W a r u m n i c h t auch eine A G ? Ein schlechtes, aber typisches Beispiel liefert der „Aktionärsbrief" des RWE vom März 1977. Er verspricht einleitend „einen Überblick über den Verlauf und die Ergebnisse" der H V vom 24. Februar, bringt aber 10 Seiten über die Ausführungen des AR-Vorsitzenden Abs und ganze 7 nichtssagende Zeilen über die „nachfolgende Aussprache, die insgesamt 7 Stunden in Anspruch nahm". Auch die zahlenmäßigen Abstimmungsergebnisse werden nicht genannt. Weit besser nimmt sich da schon der Bericht der Siemens A G über die H V am 17. März 1977 aus. Die „Siemens-Mitteilungen" 1977, Heft 3, widmen ihr 4 instruktive Seiten, darunter wenigstens eine halbe Seite über die „fast siebenstündige Debatte".
I V . Aufsichtsrat Motto: Der undurchschaubare Mittelpunkt der A G Man kann den A R als das „geheime Machtzentrum" der A G bezeichnen; geheim, weil seine Tätigkeit nach außen nicht i n Erscheinung t r i t t , Machtträger schon dadurch, daß die H V nicht aktionsfähig ist und die Zuständigkeiten der Aktionäre durch den A R wahrgenommen werden müssen. (35) Historisch bildeten i m deutschen Aktienrecht die „Verwaltungsräte" den Vorläufer des AR. Jene hatten, entsprechend ihrer Bezeichnung, weitgehende Befugnisse. Anderseits war ihre Einrichtung und Ausgestaltung der Satzung, also den Aktionären überlassen. Durch die Aktiennovelle vom 11. Juni 1870 wurden die Verwaltungsräte durch Aufsichtsräte abgelöst. Diese wurden einerseits obligatorisch, anderseits auf die Funktionen einer Kontrollinstanz beschränkt 5 . I m Laufe der Zeit hat der A R stetig an Bedeutung gewonnen; von einem Aufsichtsorgan hat er sich zu einem maßgebenden Verwaltungsorgan entwickelt. I n der Zeit vor 1914 fand der A R weder i m Gesetz noch in der Öffentlichkeit größere Beachtung. Meist beschränkte er sich auf die gesetzliche M i n destzahl von drei Mitgliedern aus dem Kreis der maßgebenden Aktionäre oder Banken. Er arbeitete möglichst unauffällig und trat weder i m Geschäftsbericht noch auf den Generalversammlungen hervor. Das hat sich seit Anfang der 20er Jahre in vielem gewandelt. a) Die Zahl der AR-Mitglieder hat sich beträchtlich vermehrt. Der Enquete-Ausschuß (S. 38/39) führte das zurück auf — das „Gesetz über die Entsendung von Betriebsrätemitgliedern in den Aufsichtsrat" vom 15. Februar 1922 (gem. Betriebsrätegesetz vom 4.2.1920, § 70), denen mehr Aktionärs Vertreter entgegengestellt werden sollten — die wachsende Größe der Unternehmen, insbesondere durch Fusionen — zunehmende Entscheidungsfunktionen des A R für die Verwaltung. Diese Gründe für die Vergrößerung der Aufsichtsräte haben auch in der folgenden Zeit weiter gewirkt. b) Die Zusammensetzung hat sich gewandelt. Nach den Eindrücken des Enquete-Ausschusses (S. 41) zeigten sie gegen früher 5 Richard Passow, „Die wirtschaftliche Bedeutung und Organisation der Aktiengesellschaft" Jena 1907, Kap. 9, S. 144, „Der Aufsichtsrat".
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IV. Aufsichtsrat
— weniger rein dekorative und mehr geschäftlich erfahrene Mitglieder, insbesondere Geschäftsfreunde — etwas mehr Bankenvertreter — in konzernverbundenen Gesellschaften mehr Konzernvertreter und Vertreter von Großaktionären — dagegen „fast nie" Interessenvertreter der Kleinaktionäre. Auch diese Tendenzen haben sich fortgesetzt.
A. Aufgaben (36) Als Aufgabe des A R bestimmte §246 I HGB, daß er die Geschäftsführung zu überwachen habe, aber § 246 I V fügte hinzu: „Weitere Obliegenheiten des Aufsichtsrates werden durch den Gesellschaftsvertrag bestimmt." Da dem A R nicht gesetzlich verboten war, für die Geschäftsführung tätig zu sein, konnte er durch die Satzung (nicht aber aus eigenem Beschluß) auch zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigt werden. Allerdings mußten einer solchen Ermächtigung dreiviertel der Aktionäre zustimmen (§ 275 I HGB). Das Aktiengesetz gebietet dagegen eine klare personale Trennung zwischen A R und Vorstand: E i n A R - M i t glied kann nicht zugleich Vorstandsmitglied oder sonstwie i n der Geschäftsführung tätig sein (§§ 105 I und 111 I V 1); es sei denn für beschränkte Zeit als Vertreter fehlender Vorstandsmitglieder (§ 105, II, 1). Darin liegt der grundlegende Unterschied zum Verwaltungsrat-System, das i m Ausland vorherrscht (GB, USA, Frankreich, Schweiz, Skandinavien). Der Verwaltungsrat — als Institution der Kapitalgeber (Aktionäre) — vereinigt in sich Geschäftsführung und Aufsicht; aber der natürliche Unterschied zwischen beiden Funktionen und die volle persönliche Beanspruchung durch die Geschäftsführung nötigt in der Praxis zu einer Trennung nach Funktionen und Personen innerhalb des Verwaltungsrats, oder zur Delegierung der Geschäftsführung an ein Direktorium. Anderseits wird das deutsche System der Trennung zwischen Vorstand und A R bei Geschäftsführungsentscheidungen abgeschwächt.
(37) Die Bestimmungen über den Aufsichtsrat umfassen zwar nicht weniger als 22 lange Paragraphen (§§95—116 des AktG), aber diese beschränken sich fast ganz auf Formalitäten (Bestellung, Zusammensetzung, Sitzungen). Als Aufgabe und Zuständigkeit des A R nennt das A k t G grundsätzlich nur „die Geschäftsführung zu überwachen" (§1111). Was unter Überwachung zu verstehen ist, kann verschieden ausgelegt werden. a) Der § 111 umschreibt die Überwachungstätigkeit des A R m i t geradezu altfränkischen Vorstellungen und Formulierungen: Er könne „die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermögensgegenstände, namentlich die Gesellschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren, einsehen und prüfen." Man sieht danach den A R
Α. Aufgaben
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auf einem Rundgang i m Büro bei der Durchsicht des Journals und des Hauptbuches, beim Kassensturz und i m Betrieb bei der Kontrolle der Warenbestände. Daß solches für große Gesellschaften und ein modernes Rechnungswesen i n keiner Weise paßt und daher die Aufsichtstätigkeit ganz anders gekennzeichnet werden müßte, scheint der Gesetzgeber verschlafen zu haben. Gerade die formale Überwachung w i r d von anderen Stellen ausgeübt, insbesondere durch Revisionsabteilungen der Gesellschaft und Abschlußprüfer. Die Einhaltung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Bestimmungen sollte ohnehin eine Selbstverständlichkeit sein und deshalb nicht durch den AR überwacht werden müssen. b) Die wesentliche Aufgabe des A R besteht tatsächlich i n der Überprüfung, Begutachtung und Beratung der Vorstandstätigkeit. Er hält sich dabei i n erster Linie an die „Berichte" des Vorstandes an den A R (§ 90). Dabei geht es weniger u m das, was der Vorstand getan hat (und auch nicht mehr zu ändern ist) als was er vorhat. Das betrifft insbesondere die Gestaltung des Jahresabschlusses und Geschäftsberichtes, die Finanzierung des Unternehmens und die Investitionsplanung; größere Umstellungen und Veränderungen der Produktion und ihrer Standorte sowie der Belegschaft; ferner Erwerb und Veräußerung von Beteiligungen. Freilich hat der AR hierbei kein generelles Mitbestimmungsrecht, aber er kann damit rechnen, daß der Vorstand sich um seine Zustimmung bemüht. (38) M i t einer solchen Praktizierung der Überwachungstätigkeit w i r d auch der Gegensatz zur (verbotenen) M i t w i r k u n g an der Gesellschaftsführung (§111, IV, 1) überbrückt. Ohnehin heißt es i m Anschluß an das Verbot geschäftsführender Betätigung: „Die Satzung oder der AR kann jedoch bestimmen, daß bestimmte Arten von Geschäften nur m i t seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen" (§111 IV, 2). Außer der Satzung kann also der A R selbst seine Zuständigkeit erweitern und den Vorstand i n nahezu beliebigem Maße von sich abhängig machen. Da jedoch anderseits das A k t G die Unabhängigkeit des Vorstandes betont, vertreten die Kommentare zum A k t G die Auffassung, auf diesem Wege dürfe die Selbständigkeit des Vorstandes nicht ungebührlich eingeschränkt werden. Wo aber sollen die Grenzen hierfür liegen? Der § 111 enthält jedenfalls keine solche Einschränkung und die Praxis w i r d sie nicht beachten. Ein offenes Problem ist, ob die Kompetenz — Kompetenz des A R aus § 111 IV, 2 durch die Satzung ausgeschlossen werden kann. So hatte ich in der H V der B M W am 4. 7.1974 einen Antrag auf folgende Satzungsänderung eingebracht: „Der Vorstand bedarf der Zustimmung des AR nur für solche Arten von Geschäften, die im Gesetz oder in der Satzung für zustimmungspflichtig erklärt sind". Die Verwaltung widersprach dem jedoch damit, daß die Satzung ein bestehendes gesetzliches Recht nicht aufheben könne. Ich berief
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I V . Aufsichtsrat
mich demgegenüber auf die H V als oberste Instanz (s. § 111, I V , 4) und die allgemeine organisatorische Funktion der Satzung, drang damit aber nicht durch. Einen Rechtsweg zur Klärung dieser Frage gab es nicht.
(39) Fest umschriebene Aufgaben hat der A R beim Jahresabschluß. Dieser w i r d vom Vorstand aufgestellt und der AR hat i h n zu „prüfen" (§ 171). Eine Prüfimg der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und des Abschlusses ist von den AR-Mitgliedern nicht zu erwarten und bleibt den Abschlußprüfern überlassen. Eine materielle Prüfung käme allenfalls für den Gewinnverwendungsvorschlag (§ 170, II) infrage, denn den Abschluß hat der Vorstand allein aufzustellen (§ 148). Wenn es weiter heißt, der A R habe den Jahresabschluß zu „billigen" (§ 172, 1), so kann das eigentlich nur die Erklärung bedeuten, er habe — nach seiner Prüfung — keine Einwendungen (§171 II, 4). I n der Praxis w i r d jedoch davon ausgegangen, daß der Jahresabschluß i n vollem Umfang der Zustimmung des A R bedürfe. Das trägt wesentlich zu der starken effektiven Stellung des AR bei. (40) Abgesehen von der Dehnbarkeit der gesetzlichen Formulierungen über Aufgaben und Zuständigkeiten des A R begünstigt manches seine Stellung gegenüber dem Vorstand. — „Vorstandsmitglieder bestellt der Aufsichtrat" heißt es i n § 84 I 1. Zwar braucht damit der Vorstand noch nicht i n hoffnungslose Abhängigkeit vom A R zu geraten, aber es ist verständlich, daß der Vorstand mindestens offene Gegensätze zu vermeiden sucht, zumal die Anstellungsverträge nur 5—8 Jahre zu laufen pflegen. — Auch sonst hat der Vorstand ein gewisses Bedürfnis, für wichtige Entscheidungen die Zustimmung oder Deckung des AR zu suchen. Übereinstimmung m i t dem A R benötigt der Vorstand jedenfalls i n den A n gelegenheiten, die der H V vorgelegt oder wenigstens i n i h r erörtert werden sollen. Diese Übereinstimmung schützt Vorstand wie AR vor der K r i t i k der Aktionäre. Gegen beide zusammen, die „Verwaltung", und gegen ihre Abstimmungsvorschläge, können die Aktionäre nichts ausrichten. — Z u einem ausgeprägten Führungsorgan w i r d der A R dann, wenn Großaktionäre die Absicht haben, durch i h n die Gesellschaft maßgeblich zu beeinflussen. Damit erhält der A R ein so entscheidendes Gewicht, daß der Vorstand sich nahezu uneingeschränkt und bedingungslos nach i h m richten muß. — Umgekehrt ist bei Publikumsgesellschaften, also ohne maßgebende Großaktionäre, die Stellung des A R weit schwächer. Der Vorstand kann sogar i n gewissem Grade sich „seinen" AR selbst aussuchen. Anderseits w i r d der Vorstand mangels unmittelbarer Rückendeckung durch Groß-
Α. Aufgaben
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aktionäre sich an den AR anzulehnen suchen. Auch des guten Eindrucks nach außen wegen w i r d der Vorstand darauf sehen, daß er angesehene und wirtschaftlich qualifizierte Persönlichkeiten für den A R gewinnt. Welchen Einfluß ein solcher A R tatsächlich ausübt, ist jedoch von außen schwer zu erkennen. Wie verhängnisvoll sich eine Publikumsgesellschaft ohne tüchtigen Vorstand und aktionsfähigen A R entwickeln kann, zeigte die Rheinische Stahlwerke A G in den 60er Jahren. Auch als ihr Niedergang unverkennbar wurde, blieb der A R passiv, zumal er — gemäß der Montan-Mitbestimmung — von einem wirtschaftsfremden „neutralen" Vorsitzer geführt wurde. Erst als ein Zusammenbruch drohte, kam es in der H V am 23. 8.1968 vor fast 3000 Teilnehmern zu einer Art Aufstand der Aktionäre. Die Empörung richtete sich indessen weniger gegen den (abgetretenen) Vorstandsvorsitzer als gegen den AR, ohne zu berücksichtigen, daß dieser durch die paritätische Mitbestimmung und ohne Rückhalt an Großaktionären weitgehend funktionsunfähig war 6 . Dies macht die Wichtigkeit eines fähigen und tatkräftigen AR auch für Publikumsgesellschaften deutlich.
(41) Da der Einflußgrad des A R weitgehend eine Machtfrage ist und die gesetzlichen Bestimmungen unzureichend sind, kann es leicht zu Mißbräuchen kommen, ohne daß es gegen sie einen Schutz gäbe. — Es würde schon etwas bedeuten, wenn der A R seiner gesetzlichen Pflicht, der H V mitzuteilen, „ i n welcher A r t und i n welchem Umfang er die Geschäftsführung während des Geschäftsjahres geprüft hat" (§171, II, 2) konkret nachkäme. Da der AR ohnehin Niederschriften über seine Sitzungen zu machen hat (§ 107, II, 1) könnte er anhand dieser berichten. Tatsächlich geschieht das meist unzureichend. Der AR begnügt sich m i t einigen formelhaften Wendungen i m Geschäftsbericht, und niemand drängt auf einen echten Bericht. — Zur Aufsichtspflicht würde auch gehören, daß der A R den Vorstand vor degradierenden Ubergriffen von Großaktionären schützen würde. I n der Praxis geschieht das jedoch nicht; sei es, weil der A R sich selbst von jenen abhängig fühlt, sei es, daß der Vorstand nicht an den A R zu appellieren wagt. — Selbst wenn der AR unbestreitbar versagt oder schwere Fehler begeht, dringt davon kaum jemals etwas zu den Aktionären, i n die H V oder i n die Öffentlichkeit. Das Gesetz verpflichtet A R und Vorstand zu Vertraulichkeit und Stillschweigen (§§ 116, 93 I, 2) und die Beteiligten wären schlecht beraten, wenn sie Mißgriffe und Differenzen offen austragen würden. Deshalb bleibt auch die Bestimmung, daß A R wie Vorstand bei rechtswidrigem Verhalten schadensersatzpflichtig seien (§93 I I u. a.) ohne Wirkung 7 . 6 W. Huppert „Mitbestimmung in der Krise" in DER V O L K S W I R T , Nr. 35 vom 30. 8.1968.
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IV. Aufsichtsrat
— Zur mangelnden Orientierung und Rechtsunsicherheit trägt nicht zuletzt bei, daß das Aktiengesetz nichts darüber aussagt, welche Zwecke und Ziele der AR bei seiner Tätigkeit verfolgen soll. Nach seiner ursprünglichen Funktion sollte er i m Auftrag und Namen der Aktionäre dafür sorgen, daß der Vorstand die Geschäfte gemäß den Interessen der Aktionäre führt. Das steht aber nicht i m Gesetz. Deshalb konnte die gesellschaftspolitische Auffassung vordringen, daß die Leitung eines Unternehmens eine Vielzahl von Interessen zu berücksichtigen habe, insbesondere die der Arbeitnehmer, der Lieferanten und Abnehmer, des Staates und der zugehörigen Gemeinde. Die Arbeitnehmer sind sogar unmittelbar am AR beteiligt. Zwar verschweigt das Gesetz, welche Interessen die Arbeitnehmervertreter vertreten sollen, aber diese werden sich gewiß nicht berufen fühlen, für die Aktionärsinteressen zu sorgen. Wenn also der AR zu wichtigen Entscheidungen aufgerufen wird, kann i h m niemand sagen, wonach er sich richten soll. Sollte einmal ein gewissenhafter Vorstand seinen A R bitten, i h m doch konkrete Richtlinien für seine Unternehmenspolitik zu geben, so würde das den AR i n arge Verlegenheit bringen. Wenn das jedoch nicht möglich ist, dann bleibt auch unsicher und unberechenbar, woran der AR seine laufende Aufsichtstätigkeit gegenüber dem Vorstand orientieren soll. Das A k t G hätte hierfür klare Ziele und Kriterien setzen müssen, denn die entscheidende Aufgabe der Gesetzgebung besteht darin, für den Konfliktfall gültige Maßstäbe aufzustellen. B. Zusammensetzung (42) Wie die Zuständigkeit und Bedeutung, so hat das A k t G auch die Herkunft der Mitglieder des A R i m A k t G weitgehend unklar gelassen. Zwar sind die Wahlverfahren gesetzlich geregelt, aber wer die „ A u f sichtsratmitglieder der Aktionäre" (§911) sein sollen, bleibt offen. Entscheidend für die Wahlen sind die Wahlvorschläge. Sie macht der bisherige AR (was versteckt i n § 124, I I I , 1 steht, nicht beim AR, obwohl § 124 nur die Bekanntmachung der Tagesordnung für die H V behandeln soll). Scheidet ein AR-Mitglied vorzeitig aus (durch Verzicht, Tod, Verlust seiner bisherigen Position), so w i r d ein neues AR-Mitglied auf Vorschlag des Vorstandes, eines AR-Mitgliedes oder eines Aktionärs durch das Registergericht bestellt (§ 104, I, 1). I n der Regel schlägt der Vorstand jemand vor, den der AR wünscht. Gleiches gilt bei Verschmelzungen von Aktiengesellschaften (§353). Der A R ist also i n seiner Konsti7
M i t der Schadensersatzpflicht des A R hat sich schon der Enquete-Ausschuß näher beschäftigt (S. 57—Θ3). Er kam zu dem Ergebnis, daß Haftungsprozesse „sehr selten" seien, wenngleich außergerichtliche Erledigungen gut denkbar wären. Abgesehen davon, daß Pflichtverletzungen mit bestimmten Schadensfolgen kaum nachweisbar wären, müßte der Vorstand im Namen der Gesellschaft seine A R verklagen.
Β. Zusammensetzung
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tuierung hinsichtlich der Aktionärsvertreter i m wesentlichen autonom. — Zwar können auch Aktionäre von sich aus Vorschläge zu AR-Wahlen machen (§127), aber solche sind aussichtslos, w e i l sie gegen die eigenen Wahlvorschläge des A R nicht ankommen. Gemäß seiner Aufsichtsfunktion müßten die Aktionäre vom A R erwarten, daß er aus Personen besteht, die dem Vorstand mit Distanz und Kritik gegenüberstehen. Da jedoch der Vorstand vom AR bestellt wird, haben die Vorstandsmitglieder das Vertrauen des A R und da der Vorstand zu den A R Wahlvorschlägen mindestens gefragt wird, gilt weitgehend auch das Umgekehrte. Beide müssen zusammenarbeiten und sind auch daran interessiert, nach außen — insbesondere gegenüber den Aktionären — zusammenzuhalten 8 . Darin liegt aber schon der Keim für ein mögliches Versagen des AR.
(43) Da der AR, soweit er von den Aktionären gewählt ist, für diese tätig werden sollte, müßte er grundsätzlich aus Aktionären bestehen. Das A k t G sagt jedoch darüber nichts. Zwar wissen Großaktionäre sich durchzusetzen, aber die übrigen Aktionäre werden gewöhnlich nicht berücksichtigt. Der AR wie der Vorstand kennen keine geeigneten Kandidaten, oder halten sie für nicht genügend repräsentativ, oder empfinden sie als störend. Stattdessen berufen sie Persönlichkeiten, die zwar nicht als Aktionäre legitimiert, aber durch ihre Stellung angesehen sind. So kommen bekannte Männer der Wirtschaft oder des öffentlichen Lebens, Geschäftsfreunde und persönliche Freunde zum Zuge. Das ist jedoch keine AR-Besetzung gemäß den Wünschen und Bedürfnissen der Gesamtheit der Aktionäre. Das A k t G sieht auch nicht vor, daß i m A R alle Aktionärsgruppen proportional oder nach einem Verhältniswahlrecht vertreten sein sollen. M i t h i n bleibt mindestens offen, ob der A R tatsächlich die Aktionäre repräsentiert. Empirisch weist die Zusammensetzung der Aufsichtsräte größerer Gesellschaften (ohne Familiengesellschaften und besondere Fälle) ganz überwiegend vier bis fünf Typen von Mitgliedern auf, die schon Passow (s. Z. 35) festgestellt hat: a) I n den Aufsichtsräten von Gesellschaften i n Mehrheitsbesitz, insbesondere von Konzerngesellschaften, dominieren natürlich die Vertreter des Mehrheitsbesitzers. Sie stellen den Vorsitzenden und weitere Mitglieder aus dessen Management. Wenn noch andere Paketbesitzer vorhanden sind, so erhalten diese ebenfalls ihre Vertreter. Aber auch die übrigen AR-Mitglieder werden praktisch von den Großaktionären ausgewählt und verhalten sich entsprechend. Streubesitz w i r d gewöhnlich nicht berücksichtigt oder von einem Vertreter der „Schutzvereinigung" repräsentiert. 8 s. „Industriemagazin" vom M a i 1973, S. 18—22: „Aus gesetzlichen Kontrolleuren sind Vorstandsstützen geworden".
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IV. Aufsichtsrat
b) I n fast allen AR finden sich Angehörige von Banken, daneben auch Rechtsberater und Notare, Wirtschaftsprüfer, Vermögensberater und -Verwalter. Das gilt für kleinere Familiengesellschaften nicht anders als für große Publikumsgesellschaften. Sie werden gewählt, w e i l finanzielle und ähnliche Erfahrungen i m AR immer und überall nützlich sind. Ein weiterer Grund ist das Vertrauen, das die M i t w i r k u n g angesehener Banken oder Fachkenner i m AR bei allen erweckt, die m i t der Gesellschaft zu t u n haben. Anderseits erwarten die Banken, die engere Verbindung m i t der Gesellschaft unterhalten (ζ. B. als Hausbanken oder Konsortialführer), daß man ihnen auch eine Vertretung i m A R anbietet und damit internen Einfiuß sichert. c) Der gute Eindruck nach außen spricht auch für die AR-Mitgliedschaft von prominenten Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik, die vor allem von großen Gesellschaften gern i m A R gesehen werden. Sie t u n nicht nur dem Ansehen der Gesellschaft gut, sondern schaffen vielleicht auch Beziehungen, auf welche die Gesellschaft bei Bedarf zurückgreifen kann. d) Gleiches geschieht zur Förderung von Geschäftsbeziehungen m i t wichtigen Kunden, manchmal auch Großgläubigern oder Lieferanten. Man ehrt und honoriert sie durch diese Berufung, aber m i t der eigentlichen und ursprünglichen Bestimmung des AR haben solche Mitgliedschaften wenig zu tun. Noch mehr gilt das für AR-Mitglieder, die man m i t dieser Position und ihrer Tantieme abfinden w i l l . e) Schließlich finden sich i n vielen A R ehemalige Vorstandsmitglieder. Ihre Zuwahl soll mehr eine persönliche Ehrung und eine Pensionsaufbesserung bedeuten, als daß i h r erfahrener Rat wirklich benötigt oder gewünscht würde. Mitunter können sie jedoch erhebliches Gewicht haben; so etwa, wenn der bisherige Vorstandsvorsitzende den AR-Vorsitz übernimmt, wie es bei den großen Publikumsgesellschaften der Chemie und Elektroindustrie sowie bei den Großbanken üblich ist. (44) Man sieht hieraus, wie dünn der Faden ist, der die meisten A R Mitglieder m i t ihrer eigentlichen Aufgabe, „Vertreter der Aktionäre" zu sein, verbindet. I m Zweifel werden sie für die Kreise und Personen eintreten, die ihnen das Mandat beschert haben, während sie die sonstigen Aktionäre nicht einmal kennen. Die fehlende Bindung an die Aktionärsinteressen w i r d aber umso bedenklicher, je mehr die „Vertreter der Arbeitnehmer" i m AR eigene Interessen wahrnehmen. Deshalb müßte mindestens bei paritätischer Mitbestimmung das Verfahren zur Besetzung des A R auch für die Aktionärsvertreter gesetzlich an Aktionäre gebunden sein. Das ist i m Mitbestimmungsgesetz versäumt worden.
C. Arbeitsweise
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(45) Die unverhältnismäßig geringe Beteiligung von Minderheitsund Kleinaktionären am A R beruht freilich nicht allein auf Abwehr durch die maßgebenden Kreise der Verwaltung, sondern auch auf den erheblichen Schwierigkeiten, ein geeignetes Wahlverfahren zu finden. Auch dieses Problem ließe sich jedoch lösen. a) Ein erster Schritt bestände darin, durch die Satzung einen oder mehrere AR-Sitze ausdrücklich für die Vertretung des Streubesitzes oder der Kleinaktionäre zu reservieren. Das würde die daraufhin Gewählten zur Interessenwahrung dieses speziellen Aktionärskreises verpflichten. Die betreffenden Aktionäre könnten sich m i t ihren Anliegen auch unmittelbar an sie wenden. Dabei wäre es nicht einmal nötig, wenngleich erwünscht, daß die betreffenden AR-Mitglieder selbst zu jener Aktionärsgruppe gehörten. Geeignete Kandidaten könnten von den Aktionärsvereinigungen und den Depotbanken vorgeschlagen werden. Eine nützliche organisatorische Hilfestellung könnten die Vorstände leisten, indem sie die Aktionäre zu Wahlvorschlägen an den A R auffordern, Vorbesprechungen arrangieren oder in anderer Weise eine geeignete Auslese fördern. Die Anwesenheitslisten der H V gäben hierfür manchen Anhalt.
b) I m Sinne einer echten Wahl sollte der A R sich bereitfinden, auch Wahlvorschläge von außen entgegenzunehmen und mehr Kandidaten aufzustellen als Mandate zu vergeben sind. Das würde insbesondere den Depotbanken ermöglichen, für Vertreter der freien Aktionäre zu stimmen. c) Einen weiteren Weg zur Bestellung von AR-Mitgliedern für die freien Aktionäre böte ein Wahlverzicht der HV, so daß die Bestellung dem Registergericht überlassen bliebe (§ 104). Dann kann der Vorstand i n Ruhe und Umsicht geeignete Aktionärsvertreter aussuchen, durch das Gericht bestellen lassen und später der H V zur Bestätigung vorschlagen9. C. Arbeitsweise (46) Das Aktiengesetz überläßt die innere Ordnung und Arbeitsweise des A R der Satzung oder Selbstbestimmung (§§ 107 bis 110). a) Er kann nach eigenem Ermessen bestimmen, wann und wie häufig er tagt, welche Fragen er behandelt, ob er förmlich abstimmt oder nur Meinungen anhört, ob der Vorstand ganz oder m i t nur einzelnen Personen (was üblich ist) an den Sitzungen teilnimmt u. a. m. Regeln hierüber kann die Satzung oder eine Geschäftsordnung des A R aufstellen, jedoch geschieht das nur selten und gewinnen solche Regeln wenig Be9 Ich habe diesen Weg mit einem Gegenantrag in der H V des R W E am 28. 2.1974 in Essen versucht, jedoch hat die Verwaltung nicht mitgemacht.
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IV. Aufsichtsrat
deutung. Nach Einführung der paritätischen Mitbestimmung könnte das jedoch nötiger und wichtiger werden, denn die Spaltung i m A R verlangt nach Normen für Streitfälle. Seit das Betriebsräte-Gesetz von 1920 die Mitgliedschaft von Arbeitnehmern bestimmte, wurde die Bildung von Ausschüssen zu einem beliebten Mittel, die Arbeitnehmervertreter von bestimmten Angelegenheiten fern zu halten. Hinzu kam, daß die Aufsichtsräte immer größer wurden, so daß ihre Schlagkraft abnahm. Obwohl Ausschüsse im H G B nicht vorgesehen waren, hat das Reichsgericht sie für zulässig erklärt (s. Enquete-Ausschuß, S. 47).
c) Einem Bedürfnis der Praxis folgend vollzieht sich auch vieles außerhalb der AR-Sitzungen. Dadurch gewinnt der AR-V or sitzende erhöhte Bedeutung. Er steht i n ständigem Kontakt m i t dem Vorstand und bereitet auch die AR-Sitzungen vor. I n großen Aufsichtsräten w i r d außerdem ein Präsidium gebildet, das eilige oder Vorentscheidungen treffen kann. (47) Die Bedeutung und Wirkung des A R zentriert i n seinem Verhältnis zum Vorstand, denn über diesen kann und muß er geschäftlich wirken. Da jedoch das A k t G über das Verhältnis zwischen A R und Vorstand sehr wenig aussagt, bleibt fast alles einer unkontrollierbaren Praxis überlassen. Die betonte Selbständigkeit, Unabhängigkeit und Verantwortung des Vorstandes einerseits (§§76 I, 77 II, 82 I, 111 IV, 119 II) und die dürftigen Rechte des AR anderseits (§111) entsprechen nicht dem tatsächlichen Gewicht des A R (s. Z. 40). Es besteht sogar ein Bedürfnis, den Vorstand vor Übergriffen des A R zu schützen. Rechtlich ungeklärt ist auch die Frage, wieweit die Aufsichtsfunktion es erlaubt, von der Kontrolle der Vergangenheit zur Mitgestaltung der Zukunft überzugehen. Nützlich wäre auch eine gesetzliche oder höchstrichterliche Entscheidung, wer bei zustimmungspflichtigen Vorstandsgeschäften die letzte Verantwortung zu tragen hat. (48) Entsprechend dem Mandatscharakter des A R müßte dieser ein engeres Verhältnis zu den Aktionären haben. Die Berichte des A R an die Aktionäre müßten ausgebaut werden. Umgekehrt müßten sich die Aktionäre jederzeit an den AR oder einzelne seiner Mitglieder wenden, Informationen geben und erhalten können (ähnlich wie Wähler gegenüber Abgeordneten). Weiter sollte der A R i m Interesse aller Aktionäre darauf achten und es nicht dulden, daß ein Großaktionär — über den A R hinweg — unmittelbar auf den Vorstand einwirkt. Der Abhängigkeitsbericht des Vorstandes (§ 312) genügt hierfür nicht.
D. Beirat
47
D. Beirat (49) Wie vieles außerhalb des Gesetzes, i n etwa auch gegen dieses, möglich ist, zeigt die Existenz von Beiräten neben dem AH, die diesem sogar über den Kopf wachsen können. Das A k t G kennt zwar keinen „Beirat", aber die Satzimg kann i h n als obligatorisch oder fakulativ vorsehen. Da er kein gesetzliches Organ ist, kann er weder unmittelbar für die Gesellschaft auftreten und tätig werden, noch kann er Beschlüsse fassen, die AR, Vorstand oder H V binden, noch als „Ausschuß" des A R auftreten. Dennoch kann er großes Gewicht haben — wieder ein Beispiel für die relativ geringe Bedeutung des Gesetzes. (50) Die Ausgestaltung des Beirates steht i m Belieben der Beteiligten. I n der Praxis sind zwei Beiratsarten vorherrschend: — Der Beirat kann sozusagen ein „erweiterter A R " sein. Hierzu kommt es, wenn die gesetzliche Beschränkung der Zahl der A R - M i t glieder (§95 AktG) oder seine Arbeitsfähigkeit es nicht zuläßt, alle Aktionäre, die über größeren Aktienbesitz verfügen oder von der Verwaltung gern i m AR gesehen würden, darin aufzunehmen (Prototyp: die Gemeinden, die zum Bereich von Energie-Versorgungs-Unternehmen gehören und an diesen m i t größeren Aktienbeträgen beteiligt sind). Entsprechend zahlreich sind die Beiratsmitglieder. — Eine ganz andere A r t von Beirat kommt vor allem bei Konzernen und Großaktionären vor, wenn deren w i r k l i c h entscheidende Personen nicht i n den A R gehen, sondern i m Hintergrund bleiben wollen. Formell rangiert auch hier der Beirat hinter und unter dem AR, tatsächlich aber kann er diesen zu seinem ausführenden Organ machen und/oder den Vorstand immittelbar beeinflussen. (Ein Beispiel hierfür boten früher die B M W unter Führung des Quandt-Konzerns). (51) Über die Aufgaben und Zuständigkeiten des Beirates besagt die Satzung gewöhnlich kaum mehr, als daß der Beirat den A R „beraten" soll. a) Beim Beiratstyp „erweiterter A R " w i r d mangels wirklicher Aufgaben die dekorative Bedeutung überwiegen. Davon werden auch die Aktionäre nicht betroffen. Das gilt insbesondere für die Beiräte großer Banken. Sie werden nicht aus dem Kreis der Aktionäre, sondern der bedeutenden Kunden ausgewählt und zeichnen sich durch wirtschaftliche Prominenz aus. Ihre Zusammenkünfte (vorwiegend auf regionaler Ebene) haben großenteils gesellschaftlichen Charakter und dienen der Pflege persönlicher Kontakte. Das kann für alle Beteiligten nützlich sein, braucht also nicht als Betätigung persönlichen Geltungsbedürfnisses abqualifiziert zu werden.
48
IV. Aufsichtsrat
b) Der Beirat, welcher „aus dem Hintergrund" herrscht und A R wie Vorstand von sich abhängig macht, ist rechtlich zwar nicht verboten, aber mindestens bedenklich. Zwar bestimmt die Satzimg gewöhnlich, daß die Mitglieder durch die H V zu wählen sind, aber das bedeutet lediglich eine Formalität. Jedenfalls entzieht sich seine Tätigkeit ganz den Aktionären; er ist ihnen nicht berichts- und rechtschaftspflichtig, nicht einmal seine Vergütung brauchen sie zu erfahren. Deshalb muß ein solcher Beirat das Unbehagen und den Widerspruch der Aktionäre wecken, die eigentlich keine Nebenregierung dulden können. Aber auch hier erweisen sich die Aktionäre wieder einmal als ohnmächtig.
y . Vorstand Motto: Schwankend zwischen Allmacht und Ohnmacht (52) Weniger problematisch als H V und A R ist der Vorstand. Zwar enthält das Aktiengesetz auch über i h n umfangreiche Vorschriften (§§ 76—94); aber von ihnen haben nur drei wesentliche Bedeutung: „Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten". (§761) „Die Vertretungsbefugnis des Vorstandes kann nicht beschränkt werden". (§ 82 I) „Vorstandsmitglieder bestellt der Aufsichtsrat". (§ 841,1)
Weitere Bestimmungen über Aufgaben, Pflichten und Verantwortlichkeit des Vorstandes finden sich zu den einzelnen Sachbereichen des Aktiengesetzes. (53) Die rechtliche Unabhängigkeit des Vorstandes gegenüber A R und H V entspricht dem sog. Führerprinzip, das m i t dem Aktiengesetz von 1937 deklariert wurde. Vorher bestimmte § 235,1 HGB, daß die Befugnisse des Vorstandes durch den „Gesellschaftsvertrag" (Satzung) oder „durch Beschlüsse der Generalversammlung" beschränkt werden könnten/Die jetzige volle Selbständigkeit des Vorstandes widerspricht dem demokratischen Prinzip und der Natur eines ausführenden Organes der Aktionäre oder wenigtens ihres AR. Die Regelung des A k t G entspricht jedoch den Erfordernissen des täglichen Geschäftsganges. Viele wichtige und unaufschiebbare Entschlüsse können nicht von der Zustimmung des AR oder gar der Aktionäre abhängig gemacht werden. Gleichwohl müßte grundsätzlich eine Bindung an Weisungen möglich sein. Für den AR ist das nicht befriedigend geregelt (s. Z. 37—41) und für die H V besteht keinerlei Möglichkeit. (54) Auch die Bestimmung, daß der Vorstand vom AR bestellt wird, stammt erst aus 1937. Noch der Enquete-Ausschuß (1930) stellte fest, daß hierüber die Satzung entscheiden müsse, die gewöhnlich den A R und für den Abschluß von Anstellungsverträgen dessen Vorsitzenden für zuständig erkläre. Wie der A R die nötigen Vorstandsmitglieder findet, bleibt i h m überlassen. Der Enquete-Ausschuß berichtet, es komme weitgehend zu einer Kooptation des Vorstandes, w e i l die Zusammenarbeit gegenseitiges Vertrauen zur Grundlage haben müsse und 4 Huppert
50
V. Vorstand
w e i l der bestehende Vorstand am besten den geeigneten Nachwuchs kenne; i n anderen Fällen werde jedoch der Vorstand vom AR nach dessen eigenen Plänen ausgewählt (S. 48). Bei deutschen AG's w i r d auch heute noch der Vorstand möglichst aus dem eigenen Haus ergänzt, jedoch tendiert die Praxis selbst bei größten Gesellschaften zum Prinzip austauschbarer Manager. Früher dagegen besaßen die Vorstandsmitglieder eine fast unantastbare Stellung auf Lebenszeit. (55) Uber die innere Ordnung besagt §77 lediglich, daß die Vorstandsmitglieder gemeinsam oder m i t Mehrheit zu entscheiden haben und daß der Vorstand sich eine Geschäftsordnung geben könne. Letztere kann aber auch (mit Vorrang) der A R erlassen. Für die Praxis pflegt eine kodifizierte Geschäftsordnung, die sich auf gewisse Verfahrensvorschriften beschränken muß, relativ geringe Bedeutung zu haben. Wesentlicher sind Tradition und individuelle Umstände, die beteiligten Persönlichkeiten und ihr Verhältnis zum AR. Schon der Enquete-Ausschuß unterschied zwischen dem „Gleichberechtigungsprinzip" und dem „Generaldirektorprinzip". Heute spricht man vom Kollegialsystem und vom System des Vorstandsvorsitzenden. Letzteres schafft klare Verhältnisse und sichert eine einheitliche Führung, birgt aber auch die Gefahr der Autokratie m i t ungebührlicher Zurücksetzung der übrigen Vorstandsmitglieder. Dem kann die mildere Form des „Sprecher des Vorstandes" vorbeugen. Bezeichnend ist wiederum, daß das A k t G keinen Vorstandsvorsitzenden oder andere Unterscheidungen kennt, obwohl es sich u m ein Problem von großer praktischer Bedeutung handelt. So bleibt alles der Satzung und dem AR überlassen, aber auch diese gehen dem Problem gern aus dem Weg. Auf die Abhängigkeit des Vorstands vom AR wurde schon eingegangen (Z. 40). Was sie in der Praxis bedeutet, läßt sich nicht allgemeingültig sagen. Schon der Enquete-Ausschuß kam in seiner Untersuchung über die „Aufgabenteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat" (S. 55 ff.) zu dem Ergebnis, sie sei „bei den einzelnen Gesellschaften völlig verschieden" ; die maßgebende Leitung der Gesellschaft liege „mitunter beim Vorstand, mitunter beim Aufsichtsrat". So komme bei Familiengesellschaften sowohl ein abhängiger Vorstand mit beherrschendem AR, wie umgekehrt ein Vorstand aus führenden Familienmitgliedern neben einem einflußlosen AR vor. Auch sonst sei die Gewichtsverteilung großenteils eine Persönlichkeitsfrage und damit wechselnd. Bei ganz großen Gesellschaften liege allerdings die tatsächliche Leitung fast stets beim Vorstand. Generell habe gegen früher die Macht des Vorstands zugenommen und bei großen Unternehmen steige sie noch weiter. Das entspreche auch dem zunehmenden Bedürfnis nach Stabilität der Verwaltung. Anderseits stellte der Ausschuß eine „weitgehende Vermehrung der geschäftsführenden Tätigkeit des AR" fest. Die Aufsichtsfunktion sei sogar hinter die Verwaltungstätigkeit des AR zurückgetreten (S. 53). — Alles das gilt heute eher noch mehr als früher.
V. Vorstand
(56) M i t zusammenfassender Kritik nung des Vorstandes sagen:
läßt sich über die gesetzliche Ord-
— Gegenüber den Aktionären ist der Vorstand voll selbständig und unabhängig. Er ist nicht ausführendes, sondern führendes Organ und kann von den Aktionären nicht gelenkt und belangt werden. Das widerspricht der Maßgeblichkeit der Aktionäre als Träger der Gesellschaft und läßt sich so unbeschränkt auch nicht m i t praktischen Erfordernissen rechtfertigen. — Fast gleiche Unabhängigkeit besteht auf dem Papier gegenüber dem AR, aber tatsächlich kann der AR den Vorstand weitgehend bevormunden. Das schlägt wiederum zu weit i n die andere Richtung aus. — Der Mangel an gesetzlichen Regelungen und satzungsmäßigen oder sonstigen Ordnungen läßt zwar Raum zur Anpassung an die jeweiligen Verhältnisse, schafft aber auch eine beträchtliche Undurchsichtigkeit und Unsicherheit. Darunter haben nicht zuletzt die Vorstandsmitglieder selbst zu leiden. Da das Gesetz sie für so vieles verantwortlich und sogar schadensersatzpflichtig macht, müßten sie auch hinreichend wissen, woran und an wen sie sich zu halten haben.
V I . Großaktionäre und Kleinaktionäre Motto: Herrscher i m halbdunklen Hintergrund (57) Das A k t G kennt die Begriffe Großaktionäre und Kleinaktionäre nicht. Es spricht nur von Stimmen- und Abstimmungsmehrheiten, ohne deren Inhaber zu bezeichnen. Angesichts der geringen Bedeutung der HV-Abstimmungen sind auch nicht die effektiven, sondern die potentiellen Abstimmungen entscheidend. Großaktionäre sind solche, die über eine Stimmenpotenz verfügen, welche die Verwaltungen veranlaßt, sich bei den Abstimmungsvorschlägen nach ihnen zu richten. Vorstand und AR verständigen sich m i t ihnen, weil sie es sich nicht leisten können, von ihnen i n der H V überstimmt, d. h. abgelehnt zu werden. Die Maßgeblichkeit der Großaktionäre zeigt sich also vor und außerhalb der HV. Anderseits ist damit die Unmaßgeblichkeit der Kleinaktionäre schon vor der H V besiegelt. Die Maßgeblichkeit des Einflusses läßt sich, weil sie eine virtuelle Größe ist, nicht mit einem bestimmten zahlenmäßigen Aktienbesitz verbinden. Sie hängt von der Größe der Gesellschaft und der Struktur der Aktienverteilung ab. Ebenso wichtig sind die beteiligten Persönlichkeiten, ihre Intentionen, ihr taktisches Geschick und ihre Führungsenergie.
(58) Die Polarisierung des Aktienbesitzes i n Groß- und Kleinaktionäre hat sich langfristig zunehmend herausgebildet. — Bis etwa zu Beginn dieses Jahrhunderts waren die AG's meist klein, m i t wenigen Aktionären, aber relativ bedeutenden Kapitalanteilen 10 . Bezeichnend ist, daß nach dem H G B die A k t i e n auf mindestens 1000 Mark lauten mußten. Erst die Inflation nach 1918 führte zur Beteiligung zahlreicher Kleinaktionäre. Deshalb wurden für die Reichsmarkumstellung i n 1924 die Mindestbeträge auf 100 R M herabgesetzt. Heute bilden 50 D M die Regel. — Wie die Inflation einerseits das Kleinkapital an die A k t i e herangeführt hatte, so hatte sie anderseits große Aufkäufe zur Bildung maßgebender Beteiligungen gefördert (insbesondere m i t Hilfe rasch ent10 Der Enquete-Ausschuß (1930) verzeichnete, daß vor 1914 der mittelgroße Aktienbesitz vorgeherrscht habe, dieser jedoch nach 1924 weitgehend durch Paketbesitz einerseits und Kleinbesitz anderseits abgelöst worden sei (S. 17). Damit lasse sich die gesetzliche „Aufgabe ständiger tätiger Mitverwaltung der Aktionäre" nicht mehr erfüllen (S. 22). Das bedeutet und bestätigt die Einflußlosigkeit der Kleinaktionäre.
V I . Großaktionäre und Kleinaktionäre
53
wertender Kredite). Das beherrschende Beispiel hierfür gab Hugo Stinnes. Nach 1924 verstärkte sich die Konzernbildung weiter, unterstützt durch Konzentrationsbedürfnisse aus technischen, kaufmännischen und finanziellen Gründen 11 . — Nach 1948 hat sich der Prozeß fortgesetzt: Die Zahl der AG's nahm ständig ab, ihr Kapital zu, so daß die Durchschnittsgröße wuchs. Hinzu kam der Konzentrationsprozeß durch Fusionen und Beteiligungserwerb. Anderseits nahm die Zahl der Kleinaktionäre durch private Vermögensbildung und sozialpolitische Begünstigung des Aktienerwerbs zu, was aber den Rückgang ihres Stimmgewichtes nicht verhinderte. (59) Eine Typologie der Groß- und Kleinaktionäre läßt sich am besten mit Konzerngesellschaften einerseits und Publikumsgesellschaften anderseits kennzeichnen. Erstere gehören m i t Mehrheitsbesitz zu einem Konzern, letztere verfügen über keine Großaktionäre. — Ein Beispiel für konzernbeherrschte Gesellschaften bieten Lahmeyer und Rheinelektra (s. Tabelle). Sie stehen i m Mehrheitsbesitz des RWE und unter dessen straffer Konzernführung, obwohl (mangels qualifizierten Mehrheitsbesitzes) keine Unternehmensverträge bestehen. Bei Lahmeyer verfügt die Allianz über eine Schachtelbeteiligung, so daß das RWE sich m i t diesem Großaktionär über die Besetzung des AR und sonstige Unternehmensführung verständigen muß. Der übrige Aktienbesitz verteilt sich bei beiden Gesellschaften über tausende von Kleinaktionären. — Einen Prototyp für Publikumgesellschaften bilden die drei führenden Chemiekonzerne. Die Tabelle bringt die Verteilung der A k t i e n der Farbwerke Hoechst aus 1973. (Eine Erhebung der Bayer À G aus 1977 zeigt ein ganz ähnliches Bild). Zwar lag ein Drittel des A K bei institutionellen Anlegern (Körperschaften), aber auch diese waren so zahlreich, daß sie durchschnittlich nur 310 Aktien besaßen. Der Durchschnittsbesitz der Einzelpersonen belief sich auf nicht mehr als 52 Aktien. Nur 900 Aktionäre verfügten über mehr als je 2000 A k tien. Beachtlich hoch war der Anteil ausländischer Aktionäre ( = im Ausland befindliche Aktien) mit 23,6 °/o des AK, aber verteilt auf 56,5 Tsd Aktionäre. Insgesamt bedeutet die starke Streuung der Aktien, daß es keiner Gruppe und erst recht keinem einzelnen Aktionär gelingen kann, einen maßgeblichen Stimmanteil auf sich zu vereinigen und damit auf die Verwaltung Einfluß zu gewinnen. 11 Der Enquete-Ausschuß sprach von einem Gegensatz zwischen „Unternehmens» oder Herrschaftsaktionären", die das Unternehmen maßgeblich beeinflussen wollten und „Anlageaktionären", die eine günstige Rendite anstrebten, sowie „Spekulationsaktionären", die auf günstige Kursentwicklung aus seien. Demgemäß wollten die Unternehmensaktionäre die Gesellschaft finanziell stärken, während die anderen Aktionäre hohe Dividenden und Kurse wünschten. (Enquete-Ausschuß S. 13—18).
54
V I . Großaktionäre und Kleinaktionäre
Streuung des Aktienkapitals (April 1977) Lahmeyer AG
Rheinelektra AG
50 Mio
37,8 Mio
57,3 (57 °/o)
61,4 (59 °/o)
1.
AK
2.
Verteilung des Kapitals in °/o
2.1
Industrie (RWE)
2.2
Versicherungen (Allianz)
27,2
2.3
Übrige
15,5
38,6
2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.3.7 2.3.8
Fonds Selbständige Angestellte und Beamte Rentner Hausfrauen Ausländer Sonstige nicht erfaßt
2,6 1,6 2,0 1,1 3,3 1,3 3,0 0,6
7,3 2,3 5,7 2,8 4,7
—
7,8 8,0
Quelle: Geschäftsbericht 1976/77, Lahmeyer, S. 12, Rheinelektra S. 28.
Anders ist das bei großen Gesellschaften, die zwar ebenfalls als Publikumsgesellschaften gelten, jedoch mit erheblichen Anteilen der öffentlichen Hand gehören (wie RWE, V E B A und VW). Hier kann der Großaktionär wegen der breiten Streuung der übrigen Aktien die Gesellschaften uneingeschränkt beherrschen.
(60) Obwohl das A k t G den Großaktionären keine Sonderrechte und Führungsbefugnisse einräumt, besitzen sie diese unbestreitbar. — Die Grundlage ihrer starken Stellung liegt schon i m Mehrheitsprinzip, das auch für die parlamentarische Demokratie entscheidend ist: Wer die Mehrheit besitzt, verfügt über alle Rechte. — Institutionell kann ein Großaktionär sich durch die Besetzung des AR sichern. Ist er entsprechend i m A R vertreten, so kann er auch über weitere AR-Wahlen entscheiden. — Uber die H V und den A R hinaus kann ein Großaktionär (üblicherweise) die laufende Geschäftsführung durch direkte Verbindungen zum Vorstand beeinflussen. Das ist zwar i m A k t G nicht vorgesehen und verträgt sich nicht m i t der rechtlichen Unabhängigkeit des Vorstands, entspricht aber der Praxis.
55
V I . Großaktionäre und Kleinaktionäre Zusammensetzung des Aktionärskreises der Farbwerke Hoechst A G nach einer Erhebung der Gesellschaft für Anfang 1973
1. Grunddaten
AK 1.508 Mio erfaßt 1.393 Mio (92,4 °/o) Zahl der (erf.) Aktionäre 386 Tsd.
2. Zusammensetzung der Aktionäre
Kopfzahl
Besitz
Tsd.
°/o
Wert (Mio)
°/o
Selbständige Berufe Arbeitnehmer 3 ) Rentner und Pensionäre Hausfrauen sonstige
76 141 34 75 42
19,7 36,6 8,7 19,4 10,8
266 187 93 259 111
19,1 13,4 6,7 18,6 7,9
Einzelpersonen
368
95,2
916
65,7
0,7 0,2 1,5 2,4
229 115 55 79
16,4 8,2 4,0 5,7
4,8
478
34,3
Versicherungen, Bausparkassen, Banken Investment-Fonds Vermögensverwaltungen Unternehmen Körperschaften Gesamt
2,6 0,5 5,9 9 18 386
100
1 393
100
a) Darunter 36 Tsd. Belegschaftsaktionäre mit 18 Mio Aktien = 1,2 % des AK.
Das Gesetz verbietet in solchem Zusammenhang nur „nachteilige Hechtsgeschäfte" (§ 311), aber was zum Vor- oder Nachteil der Gesellschaft ist, wird der Großaktionär nicht der Beurteilung des Vorstands überlassen, sondern selbst entscheiden. Er kann zwar den Vorstand nicht zwingen, aber dieser verfügt über keinen Hechtsschutz gegen Zumutungen und kann allenfalls zurücktreten. — E i n e entscheidende V e r s t ä r k u n g d e r beherrschenden S t e l l u n g v o n Großaktionären liegt i n der Zersplitterung u n d fehlenden Organisation der Kleinaktionäre. D a diese n i c h t als G r u p p e t ä t i g w e r d e n (können), b r a u c h e n V e r w a l t u n g u n d G r o ß a k t i o n ä r e a u f sie k e i n e Rücksicht z u nehmen. Als junger Man habe ich einmal über das „Aktienrecht des Großaktionärs" geschrieben (Der deutsche Volkswirt", Nr. 25 vom 20. März 1936). Ich kenn-
56
VI. Großaktionäre und Kleinaktionäre
zeichnete die Möglichkeiten, mit relativ geringem eigenen Aktienbesitz, durch Verbindung mit anderen Aktionären, eine beherrschende Stellung zu gewinnen. Der Vorsitzende meines Aufsichtsrats bezog das auf sich, erklärte, daß er mir nicht mehr vertraue und entließ mich nach angemessener Zeit. Nach außen tritt der Beherrschung durch Großaktionäre selten deutlich in Erscheinung. Daß aber Geltungsanspruch und Stolz zur Unbedachtsamkeit verleiten kann, zeigt eine Schrift über „Großraum-Stromversorgung, Die kommunalen Aktionäre und das RWE" vom „Verband der kommunalen Aktionäre des RWE, GmbH", Essen, Lindenallee 56, aus September 1971. Darin heißt es, der Verband könne „wirksam die Arbeit des RWE beeinflussen". Die Städte und Kreise besäßen 30,7 % des Kapitals mit 62,5 °/o der Stimmen. „Das Präsidium des Verbandes hält mit dem Vorstand des RWE engen Kontakt". Der Verband wirkt also nicht nur über den AR, sondern auch direkt auf die Geschäftsführung ein.
(61) Das Gegenstück zu den Großaktionären bilden die Kleinaktionäre. Man kann sie verschieden abgrenzen und charakterisieren. Gemeinsam ist ihnen: — Sie setzen sich aus einer Vielzahl von Aktionären zusammen, die einzeln nur unbedeutende Aktienanteile besitzen, keine Verbindung untereinander haben und schon deshalb nicht als geschlossene Gruppe auftreten können. — Sie sind der Verwaltung nicht persönlich bekannt. Als amorphe, unorganisierte Vielzahl könnte die Verwaltung sie auch dann nicht ansprechen und m i t ihnen verhandeln, wenn sie diesen Wunsch hätte. Infolgedessen können sie auf die Verwaltung keinen Einfluß ausüben und keine Vertretung i m A R durchsetzen. — I n der HV können sie sich nicht zur Geltung bringen. Als Sprecher kann jeder Kleinaktionär nur seine eigene unbedeutende Meinung äußern. Da die Erklärungen der Kleinaktionäre nicht aufeinander abgestimmt sind, läßt sich kaum eine einheitliche Meinung feststellen. Vor allem besteht keine Möglichkeit, ein einheitliches Abstimmungsverhalten der Kleinaktionäre herbeizuführen. — Da die allermeisten Kleinaktionäre ihre Vertretung und Entscheidung den Depotbanken überlassen und diese sich den Verwaltungsvorschlägen anschließen, bilden die Kleinaktionäre kein Eigen- und Gegengewicht. Auch die Fondsverwaltungen, denen sich gerade kleine und unerfahrene Sparer anvertrauen, verhalten sich bei den Abstimmungen ebenso wie die Depotbanken. — Der Einfluß der Klein- und Minderheitsaktionäre hat sich m i t der Zeit noch vermindert. Die Paket- und Konzernbildung sowie Aufkäufe durch das Ausland haben Großaktionären zunehmenden Einfluß gebracht. Durch Fusionen sind viele Aktiengesellschaften in wesentlich größere Aktiengesellschaften aufgegangen,
V I . Großaktionäre und Kleinaktionäre
57
in denen der Streubesitz sich noch schwerer zur Geltung bringen kann als in kleineren Aktiengesellschaften. Zwar hat sich die Zahl der Kleinaktionäre mit der Zunahme der Spartätigkeit bedeutend vergrößert; dazu sind viele Belegschaftsaktionäre gekommen. Ihr Stimmanteil hat sich aber verringert und ihre Zersplitterung hat sich noch verstärkt. Unter der trendmäßigen Verschlechterung der Ertragslage leiden die kleineren Aktionäre mehr als die Großaktionäre. Diese sind weniger auf Dividenden angewiesen und können mit ihrer Beteiligung auch unternehmerische Interessen verfolgen.
(62) Wie das A k t G den Großaktionären keinen anerkannten Führungsfluß gewährt, läßt es auch offen, ob dieser Einfluß für die Gesellschaft und damit auch für die anderen Aktionäre nützlich oder schädlich ist. a) I m allgemeinen sollte man erwarten, daß Großaktionäre einen positiven Einfluß ausüben. Das zeigt sich besonders bei Konzerneingliederungen. — Ein Großaktionär kann der Gesellschaft unternehmerische Initiativen geben. Eine Konzernleitung kann der Gesellschaft tüchtige Führungskräfte vermitteln oder abstellen, betriebliches know-how überlassen, nützliche Geschäftsverbindungen und Kooperationsverhältnisse herbeiführen u. a. m. I m Bewußtsein der Zustimmung und Unterstützung durch den Großaktionär w i r d der Vorstand auch größere Vorhaben m i t gewissen Risiken eingehen, wie etwa die Aufnahme neuer Produktionszweige, die Errichtung neuer Betriebe oder den Erwerb von Beteiligungen. — Von hervorragender Bedeutung kann eine finanzielle Unterstützung der Gesellschaft durch den Großaktionär sein. A l l e i n schon die Tatsache, daß er hinter der Gesellschaft steht, kann deren Kredit stärken und Kapitalerhöhungen eine gute Aufnahme sichern. Allerdings gibt es nicht selten auch den umgekehrten Fall, daß ein Großaktionär die finanzielle Expansion einer Gesellschaft behindert. Dies kommt vor allem dann vor, wenn eine „Gründerfamilie" maßgebend ist, deren M i t glieder auf gute Dividenden sehen und nicht über die M i t t e l verfügen, u m sich an Kapitalerhöhungen zu beteiligen, so daß diese (zur Erhaltung der Vorherrschaft) unterbleiben. b) Schädliche Führungseinflüsse von Großaktionären ergeben sich (abgesehen von Fällen ausgesprochener Führungsfehler) i m wesentlichen dann, wenn ein Großaktionär einen größeren Vorteil darin sieht, die Gesellschaft für sich auszunützen (statt sie zu stärken und auf diese Weise auch eigenen Nutzen zu ziehen). Dem steht allerdings das gesetzliche Verbot bewußter und unerlaubter Gesellschaftsschädigung durch bestehenden Einfluß entgegen (§ 311 AktG).
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V I . Großaktionäre und Kleinaktionäre
Wie gering diese Schutzwirkung in der Praxis ist, zeigte das Beispiel des Glöggler-Konzerns bei dessen Zusammenbruch in 1976. Glöggler war zwar Mehrheitsbesitzer (durch hohe eigene Kreditaufnahmen), beherrschte aber seine Beteiligungsgesellschaften ohne Unternehmensverträge. Dabei veranlaßte er diese Gesellschaften zu enormen Krediten an eigene Konzerngesellschaften, die in Konkurs gingen. Dadurch erlitt allein die Erba A G in 1976 einen Verlust von 168 Mio DM. Ebenso erging es einem weiteren, an sich gesunden Unternehmen, der Augsburger Kammgarn-Spinnerei (AKS). Bezeichnend ist, was dabei aus den Haftungsbestimmungen wurde. Bei Glöggler selbst war ohnehin nichts zu holen. Bei der A K S wurde zur Frage der Haftbarkeit (oder Entlastung) des Vorstands und Aufsichtsrates ein Gutachten eingeholt, mit dem Ergebnis, daß die Verwaltung der H V im Nov. 1977 vorschlug, (nur) dem für die Finanzen zuständigen Vorstandsmitglied die Entlastung zu verweigern. Der Gutachter erklärte, mangels eines Unternehmensvertrages hätte der Vorstand sich wie bei einer unabhängigen Gesellschaft verhalten müssen, also die Kredite nicht gewähren dürfen. Daß ein faktischer Konzern bestand, wurde von dem Gutachter ignoriert; ebenso, daß wegen der existenzgefährdenden Höhe der Kredite sämtliche Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder verantwortlich und haftbar gewesen wären. Indem aber die H V gemäß dem Verwaltungsvorschlag Entlastung beschloß, blieb nur der Finanzdirektor auf der Strecke, was inkonsequent und unbefriedigend war. Selbst wenn dieser einen gewissen Betrag gezahlt hat, wird das bei der Höhe des Schadens bedeutungslos gewesen sein. Vor allem haben die Haftungen nicht präventiv gewirkt.
(63) Angesichts d e r p o s i t i v e n w i e n e g a t i v e n E i n f l u ß m ö g l i c h k e i t e n v o n G r o ß a k t i o n ä r e n s c h w a n k t d i e Einstellung d e r Vorstände. — Ohne unternehmerisch aktive Großaktionäre sind Vorstände entschieden u n a b h ä n g i g e r . I n d e m sie k e i n e m A k t i o n ä r f o l g e n müssen, s i n d sie n i c h t n u r b e w e g u n g s f ä h i g e r , s o n d e r n k ö n n e n sie auch u n e i n g e s c h r ä n k t a n das W o h l d e r Gesellschaft d e n k e n . — N i c h t selten m ö c h t e aber e i n V o r s t a n d sich g e r n a n e i n e n G r o ß a k t i o n ä r a n l e h n e n ; sei es, w e i l er sich unsicher f ü h l t , sei es, w e i l das U n t e r n e h m e n w e g e n k r i t i s c h e r E n t w i c k l u n g (z. B . b e i B r a n c h e n k r i s e n ) e i n e r U n t e r s t ü t z u n g v o n a u ß e n b e d a r f . D a n n k a n n es v o r k o m m e n , daß d e r V o r s t a n d selbst nach e i n e m (neuen) G r o ß a k t i o n ä r sucht, u m n e u e n A u f t r i e b zu g e w i n n e n . Die übrigen Aktionäre mögen derartigen Vorgängen mit gemischten Gefühlen zusehen, doch können sie dagegen nichts unternehmen und bringt ein neuer Großaktionär vielleicht auch für sie Vorteile. Ob der Vorstand richtig gehandelt hat, kann sich erst relativ spät zeigen. Bedenklicher ist der nicht seltene Fall, daß der Vorstand seine Kenntnisse und Einflußmöglichkeiten dazu benutzt, einem Großaktionär bei Zukäufen behilflich zu sein, (etwa durch Paketvermittlung oder Kapitalerhöhung, die ihm die absolute Mehrheit verschaffen). Statt sich dadurch dem Großaktionär persönlich zu verpflichten, kann der Vorstand sich auch einen unangenehmen Herrn heranziehen.
V I . Großaktionäre und Kleinaktionäre (64) I m AktG aktionäre.
g i b t es n u r z w e i p o s i t i v e B e s t i m m u n g e n f ü r
59 Groß-
a) D a es f ü r K ä u f e r v o n A k t i e n w e s e n t l i c h ist, ob i n e i n e r Gesellschaft maßgebende G r o ß a k t i o n ä r e v o r h a n d e n sind, v e r p f l i c h t e t § 20 A k t G (der 1965 n e u e i n g e f ü h r t ist) z u r Mitteilung a n d i e Gesellschaft, w e n n „ e i n e m U n t e r n e h m e n m e h r als d e r v i e r t e T e i l d e r A k t i e n geh ö r t " ; gleiches g i l t f ü r eine M e h r h e i t s b e t e i l i g u n g . Diese M i t t e i l u n g e n s i n d i n d e n G e s e l l s c h a f t s b l ä t t e r n b e k a n n t z u g e b e n u n d i m Geschäftsber i c h t anzugeben. A u ß e r d e n A k t i o n ä r e n s o l l e n auch V o r s t a n d u n d A H über den E r w e r b unterrichtet werden; jedoch w i r d ein neuer Großa k t i o n ä r sich o h n e h i n m i t i h n e n b a l d i n V e r b i n d u n g setzen, schon w e g e n d e r A b s t i m m u n g s v o r s c h l ä g e f ü r d i e nächste H V . Das A k t G w i l l der Mitteilungspflicht besonderen Nachdruck verleihen, indem es dekretiert, daß die „Rechte aus Aktien" eines meldepflichtigen Besitzes „nicht ausgeübt" werden können, wenn die Mitteilung nicht „unverzüglich" gemacht worden ist (§ 20, V I I ) . Trotzdem ist die Bedeutung der A n zeigepflicht nicht allzu hoch einzuschätzen, denn — anzeigepflichtig ist nur ein „Unternehmen", zum Unterschied von einem Privatmann oder einer Behörde. Bei großen Kapitalbesitzern können diese entscheiden, ob sie eine fragliche Beteiligung ihrem Privatvermögen oder ihrem Konzern („Unternehmen") zurechnen (s. Z. 73, 76). — die Angabe, daß eine Schachtel- oder Mehrheitsbeteiligung besteht, besagt noch nichts über deren Höhe. Der Großaktionär wird dem AR und Vorstand schon genaueres angeben, während andere Aktionäre sich allenfalls an die Anwesenheitsliste der nächsten H V halten können. — auch Schachtelbesitz kann zur Mehrheit führen, wenn ihm andere Großaktionäre ihre Kapitalanteile zur Vertretung überlassen. Ein instruktives Beispiel für diese Problematik lieferten die Auseinandersetzungen in der H V der B M W am 14. Juli 1974. Herr Herbert Quandt hatte nur mitgeteilt, daß er mehr als ein Viertel der Aktien besitze. Über den Beirat und offenbar auch den Vorstand schien er aber die Gesellschaft voll zu beherrschen. Deshalb drängte ich, wie auch andere Aktionäre, in der H V auf eine Erklärung, ob Dr. Quandt inzwischen über die Mehrheit verfüge oder sie nur mit Hilfe der Besitzanteile von Frau Inge Quandt und/oder des GerlingKonzerns ausübe. Nach der Anwesenheitsliste vertrat ein Dr. Hehn, offensichtlich Beauftragter von Dr. Quandt, 45 °/o des AK. Eine weitere Aufklärung war aber weder von der Verwaltung, noch von Dr. Quandt zu erreichen. I n dessen erwarb dieser kurz nach der H V die absolute Mehrheit, anscheinend durch Übernahme von Besitzanteilen der Frau Inge Quandt. Die Auseinandersetzungen in der H V mögen diese Entscheidung gefördert haben. b) B e i M e h r h e i t s b e s i t z w i r d gesetzlich „ v e r m u t e t " , daß das b e t r e f fende U n t e r n e h m e n „ a b h ä n g i g " i s t (§17 I I ) u n d daß e i n abhängiges U n t e r n e h m e n „ m i t d e m h e r r s c h e n d e n e i n e n Konzern b i l d e t " (§ 181, 3). Indessen besteht e i n f ö r m l i c h e s Recht z u r E i n f l u ß n a h m e a u f die G e s c h ä f t s f ü h r u n g ( V o r s t a n d ) erst d a n n , w e n n e i n Beherrschungs- oder E i n g l i e d e r u n g s v e r t r a g geschlossen ist (§ 323). W o r i n d i e A b h ä n g i g k e i t
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V I . Großaktionäre und Kleinaktionäre
i n anderen Fällen bestehen und wie sie von „herrschenden" Unternehmen ausgeübt werden soll (und darf), läßt das Gesetz nicht erkennen. Darauf w i r d i m folgenden Abschnitt über „Konzerne" noch einzugehen sein (s. Z. 71). (65) Das A k t G bringt zwar durch das Mehrheitsprinzip den Großaktionären einen entscheidenden Vorteil, fühlt sich aber anderseits den Kleinaktionären zu einem gewissen Minderheitenschutz verpflichtet. a) Auf das ausdrückliche Verbot nachteiliger Rechtsgeschäfte (§311), insbesondere bei faktischen Konzernen (§18 II) wurde schon hingewiesen. A n sich ist es eine Selbstverständlichkeit, die auch als „ungerechtfertigte Bereicherung" (§ 812 ff. BGB) verfolgt werden könnte. Zweifelhaft ist jedoch die Feststellbarkeit und Verfolgbarkeit entsprechender Bereicherung. Der bei faktischen Konzernen zu erstattende Abhängigkeitsbericht (§§312—314 AktG) bietet keinen ausreichenden Schutz gegen solche nachteiligen Rechtsgeschäfte. Bezeichnend ist, daß es zu entsprechenden Regressen nur in seltenen Fällen kommt, wo eine Gesellschaft durch systematische Machenschaften von Großaktionären geschädigt und zum Zusammenbruch getrieben worden ist. Allein in solchen Fällen kommt es zu einem gerichtlichen Vorgehen, und zwar durch Dritte, nämlich Staatsanwalt, Konkurs- oder Vergleichsverwalter oder ein neues Management, welche die Verhältnisse aufdecken und Regresse einleiten. Beispiele aus jüngerer Zeit bieten außer Glöggler die Fälle Schaffgotsch und Stumm. Aber selbst dann läßt sich der entstandene Schaden nicht reparieren.
b) Generell ist es Aktionärsmehrheiten verboten, sich Sondervorteile auf Kosten der Gesellschaft und der übrigen Aktionäre zu verschaffen (§ 117 AktG). Dieses Verbot ist an sich selbstverständlich, seine Einhaltung läßt sich jedoch schwer überwachen, weil solche Geschäfte nach außen kaum bekannt werden und w e i l ein Schaden schwer nachweisbar ist. Auch die gesetzliche Abschlußprüfung und selbst Sonderprüfungen (§§ 142, 258, 315) bieten keinen ausreichenden Schutz. c) Einen echten Minderheitenschutz bieten die Ausgleichsverpflichtungen gegenüber außenstehenden Aktionären beim Abschluß von Beherrschungs- und Gewinnabführungs- sowie Eingliederungsverträgen (§§304, 305 und 320 VI). Ihre Rechtfertigung liegt darin, daß das beherrschende Unternehmen sein Weisungsrecht auch zum eigenen Vorteil, also zum Nachteil der beherrschenden Gesellschaft und damit der übrigen Aktionäre ausüben darf (§ 308). Freilich ist der gesetzliche Maßstab für den gebotenen Ausgleich unzureichend (s. § 305 I I I , 2): Daß er „angemessen" sein soll, verlangt von den Gerichten i n den Abfindungsverfahren (§ 306) eine wirtschaftliche Bewertung, m i t der sie erfahrungsgemäß weit überfordert sind. Die großen Mängel eines solchen Verfahrens werden i m Anhang 8, Abschnitt C näher behandelt.
V I . Großaktionäre und Kleinaktionäre
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(66) Ein Indiz dafür, daß Großaktionäre aus der Beherrschung eines Unternehmens erhebliche Vorteile ziehen können, bildet die Bereitschaft, für den Erwerb maßgebender Aktienanteile wesentlich mehr als den Börsenkurs oder eine andere normale Bewertung zu zahlen. Das bringt anderseits dem Streubesitz erhebliche Vorteile. Näheres darüber ist i m Anhang 7 enthalten. Dagegen fühlen sich Kleinaktionäre, die nicht von Großaktionären übernommen oder abgefunden werden, von diesen vielfach benachteiligt. Daraus ergeben sich häufige Vorwürfe von Kleinaktionären i n H V gegen Großaktionäre. Aber sie bleiben fruchtlos, denn die Angreifer können nichts nachweisen, die Verwaltung hält zu den Großaktionären und die Kleinaktionäre haben keine rechtlichen Handhaben zur Begründung und Verfolgung ihrer A n stände.
V I I . Konzerne Motto: Rechtlich unbewältigte wirtschaftliche Einheiten Man kann Konzerne (von Aktiengesellschaften) als eine organisatorisch fundierte und verfestigte Form zur Ausnutzung der Einflußmöglichkeiten von Großaktionären bezeichnen; also als Fortentwicklung der Möglichkeiten, die i m Kapitel V I aufgezeigt wurden. Indessen macht das Gesetz solche Einflußnahme nicht davon abhängig, daß ein förmlicher vertraglicher Konzern besteht. Dadurch w i r d der Konzernbegriff verschwommen und die Konzernregelung unklar. A. Konzernbegriff und Konzernrecht (67) Eine Verbindung mehrerer Unternehmen zu einer wirtschaftlichen Einheit w i r d als Konzern bezeichnet. Sie bilden jedoch keine rechtliche Einheit, sondern die beteiligten Unternehmen gelten als rechtlich selbständig. Demnach müßten Konzernverbindungen vertraglicher A r t sein. Grundlage und Anlaß eines konzernförmigen Zusammenschlusses ist indessen i n aller Regel eine besitzmäßige Verknüpfung. Daraus erwächst das Problem, ob zum Konzernbegriff eine vertragliche oder besitzmäßige Unternehmensverbindung gehört oder beide zusammengehören. Problematisch ist auch das Konzernrecht. Da der Konzern kein Rechtsinstitut (wie etwa eine AG) ist, müßte seine Begründung, Gestaltung und Durchführung ganz der rechtlichen Selbstordnung überlassen werden. Tatsächlich gibt es jedoch auch ein gesetzliches Konzernrecht, jedoch nur i n Bruchstücken. (68) Für die Konzernzugehörigkeit spielt grundsätzlich keine Rolle, welche Rechtsform die beteiligten Unternehmen haben. So können zu einem Konzern Aktiengellschaften wie andere Kapitalgesellschaften (GmbH, bergrechtliche Gewerkschaften), personale Gesellschaften (KG, oHG) und Einzelkaufleute, auch Unternehmen ausländischen Rechts, gehören. Für Inhalt und Charakter der konzernförmigen Rechte und Pflichten macht das grundsätzlich keinen Unterschied. Demnach müßte es ein einheitliches Konzernrecht für (beteiligte) Unternehmen jeder A r t geben. Es kann auch schwerlich allein vertraglicher Regelung überlassen werden, denn die wirtschaftliche Einheit des Konzerns hat Folgen für die konzernzugehörigen Unternehmen, die der Gesetzgeber
Α. Konzernbegriff und Konzernrecht
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regeln muß. Das gilt ζ. B. für die steuerliche Behandlung, die Publizitätspflichten, die Befugnisse und Haftungen der Konzernleitung. Die Bundesrepublik verfügt jedoch über kein einheitliches und geschlossenes Konzernrecht. Wegen der mangelnden Bestimmtheit des Konzernbegriffs („verbundene Unternehmen") hat man offenbar vor einer institutionellen Regelung zurückgescheut. Notwendige Regelungen von Konzernfolgen sind den jeweiligen funktionellen Zusammenhängen überlassen worden ζ. B. dem Einkommens- und Körperschaftssteuergesetz oder dem Publizitätsgesetz; so auch dem AktG. (69) Die umfangreichen Vorschriften über Konzerne i m AktG vom 6. September 1965 erweisen sich bei näherer Betrachtung ebenfalls nicht als ein eigenständiges und vollständiges Konzernrecht, sondern gehen von der Konzernzugehörigkeit von Aktiengesellschaften aus und verbinden sie mit bestimmten Rechten und Pflichten. Tatsächlich ist das bestehende allgemeine deutsche Konzernrecht nicht durch die Gesetzgebung und Rechtsprechung entstanden, sondern von der Rechtslehre auf Grund privatrechtlicher (vertraglicher) Gestaltung entwickelt worden. So konnte Heinrich Friedländer seinen Kommentar betiteln: „Aktienrecht unter besonderer Berücksichtigung der Konzernverhältnisse" (Stuttgart 1932), obwohl damals im H G B noch kein Wort über Konzerne stand. Weitere Pioniere des deutschen Konzernrechts waren Rosendorff, Isay und Haussmann. Sie konnten von keinem staatlich gesetzten Konzernrecht ausgehen, um dieses zu kommentieren und weiterzuentwickeln, sondern sie hielten sich an die Praxis der Konzernbildung, die insbesondere mit den sog. Interessengemeinschaftsverträgen in den 20er Jahren sich rasch ausbreitete.
Freilich müssen, wenn Rechte und Pflichten für konzernangehörige Gesellschaften deklariert werden sollen, auch die Merkmale der Konzernzugehörigkeit festgelegt werden. Die Rechtslehre (s. Friedländer) hat versucht, die vielfältigen Erscheinungsformen von Konzernen nach zwei Rechtsgrundlagen zu gruppieren: — Vertragliche Konzerne, insbesondere als Interessengemeinschaften, Pachtungen, Betriebsüberlassungs- und -führungsverträge, Konsortialverträge und Stimmrechtsbindungen. — Konzerne durch Beteiligungen, insbesondere durch Mehrheitsbeteiligung, wechselseitige Beteiligungen, Holding- und Finanzierungsgesellschaften. Diese Unterscheidung, die sich noch weitgehend variieren läßt, ist zwar einleuchtend, aber tatsächlich bilden Vertrags- und Beteiligungskonzerne i n den meisten Fällen keine Alternative, sondern verbinden sich beide miteinander, indem Beteiligungen zu vertraglichen Konzernen führen.
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V I I . Konzerne
(70) Das AktG erklärt Beteiligungsverhältnisse für konzernbegründend, kennt daneben auch Konzernverträge, hält diese aber insofern für nicht entscheidend, als es auch vertragslose Konzerne anerkennt. Maßgebende Begriffselemente sollen aber weder Beteiligungs- noch Vertragsverhältnisse sein, sondern die Definition geht von dem (umfassenderen) Begriff der „verbundenen Unternehmen" aus (§ 15). Dabei soll die Verbindung darauf beruhen, daß ein Unternehmen an einem anderen maßgebend beteiligt ist, so daß dieses sich als Beteiligungsgesellschaft unterordnen muß (§ 17). Dabei kann die Stammgesellschaft unmittelbar und/oder mittelbar beteiligt sein. Beispiel: Das R W E ist an der Kraftwerk Altwürttemberg A G unmittelbar zu 26 °/o und mittelbar — über ihre 57 °/oige Tochtergesellschaft Lahmeyer A G — zu 35 °/o beteiligt. Damit verfügt das R W E über 61 °/o des Kapitals der Kraftwerk Altwürttemberg AG. Dadurch gehört diese zum RWE-Konzern und in dessen Konzernbilanz.
Einen Konzern bilden die verbundenen Unternehmen jedoch nur dann, wenn sie „unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefaßt" sind (§ 181,1). Diese Leitung w i r d damit zum Konzernmerkmal. Sie bedeutet jedoch einen wirtschaftlichen Begriff, der jeweils nach der Gesamtheit aller vorliegenden Umstände zu prüfen ist. Da es für die „einheitliche Leitung" keine rechtlichen Kriterien gibt, versagt das Konzernrecht des A k t G schon bei dem grundlegenden Konzernbegriff. (71) W i l l man diesen Konzernbegriff konkretisieren, so muß man fragen, — wie und wodurch eine A G unter den herrschenden Einfluß eines anderen geraten kann (Abhängigkeit) — wie und m i t welchen M i t t e l n das herrschende Unternehmen die abhängige A G unter ihre einheitliche Leitung (Fremdbestimmung) bringen kann. Beides — und damit die Entstehung von Konzernen — w i r d jedoch i m A k t G nicht erklärt. Vielmehr geht dieses von bestehenden Konzernen aus und nimmt es die Leitung durch Einflußnahme als gegeben an. Es werden weder instrumentale Unterschiede (z. B. Beteiligung, Vertrag, Statut) gemacht, noch graduelle Unterschiede (wann ein bestehender Einfluß zu einer allgemeinen Leitung wird). Z u alledem sind Einflußnahme und Leitung funktionelle Tatbestände, auf die allein aus entsprechenden Verhaltensweisen geschlossen werden kann. Deshalb können Außenstehende, insbesondere Aktionäre, sich darüber kein U r teil bilden, denn sie haben nicht die nötigen Einblicke. Dies führt zu dem schwerwiegenden Ergebnis, daß letztenendes die Konzernleitung selbst entscheidet, ob ein Konzern i m Sinne des A k t G besteht.
Α. Konzernbegriff und Konzernrecht
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(72) Das A k t G versucht allerdings die Beurteilung durch einige institutionelle Merkmale zu erleichtern. — Das Erfordernis einheitlicher Leitung soll zweifelsfrei erfüllt sein, wenn ein Beherrschungs- oder Eingliederungen ertrag (§§291, 319) besteht (§ 18, I, 2), weil i n diesem Fall ein gesetzliches Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand gegeben ist. Indessen bleibt selbst dann offen, ob die Leitungsmacht auch ausgeübt wird, also tatsächlich ein Konzern besteht. — Weiter gilt die gesetzliche Vermutung, daß abhängige Unternehmen dann einen Konzern bilden (§ 18, I, 3), wenn Mehrheitsbesitz vorliegt (§ 17, II). Dieser braucht aber nicht zu einer „einheitlichen Leitung" benutzt zu werden. Insoweit, also bei Konzernvertrag wie Mehrheitsbesitz, w i r d also das funktionelle durch ein institutionelles Merkmal ersetzt. (73) Eine nicht ohne weiteres überzeugende Einschränkung bedeutet die Bestimmung, daß die einheitliche Leitung bei einem „Unternehmen" liegen muß (§ 1811). Die Konzernleitung braucht jedoch nicht unbedingt eine unternehmerische Betätigung zu sein. Da überdies das Gesetz die Funktion (Leitung) zum entscheidenden K r i t e r i u m erklärt hat, kann es nicht auf die Person des Konzernleiters ankommen. Außerdem ist Unternehmen ein wirtschaftlicher Begriff, der weder i m A k t G noch an anderer Stelle rechtlich definiert ist. Zu welcher verfehlten Problematik diese Bestimmung führen kann, zeigt die gerichtliche Feststellung (LG Essen und Bundesgerichtshof aus 1976 bzw. 1977), daß die Bundesrepublik (Bundesministerium für Finanzen) mit ihrer Aktienbeteiligung an der Veba A G (43,7 %) ein Unternehmen und damit Konzernleiter sei. Die Praxis bezeichnet jede gewerbliche Betätigung als unternehmerisch, zum Unterschied von privater Vermögensverwaltung. I n letzterem Sinne besagt § 11, V, 2 des Publizitätsgesetzes (1969), daß personale Unternehmen nicht zu Konzernabschlüssen verpflichtet sind, „wenn sich ihr Gewerbebetrieb auf die Vermögensverwaltung beschränkt und sie nicht die Aufgaben der Konzernleitung wahrnehmen". Gemäß dieser Bestimmung berichtet ζ. Β. Η . A. Oetker, Bielefeld 1, nur über die zu seiner Holdinggesellschaft gehörigen Unternehmen, nicht aber über solche Gesellschaften, deren Anteile er zu seinem Privatvermögen rechnet. Ähnlich hat die WehrhahnGruppe den Konzernkreis auf die Beteiligungen ihrer Holding-Bank beschränkt (die den Angehörigen der Familie W. gehört), während andere Beteiligungen zum „Privatvermögen der betreffenden Familienmitglieder" gerechnet werden. Herbert Quandt erklärt, persönlich keinen Konzern zu haben, obwohl er sich als Industrieller bezeichnet und über eine Konzernverwaltung verfügt (die allerdings organisatorisch zur V A R T A rechnet). I m übrigen können Vermögensverwaltungen auch leitenden Einfluß ausüben, wie es nicht wenige Stiftungen tun (ζ. B. Krupp und VW).
(74) Das hauptsächliche Zuordnnungsproblem bilden jedoch Fälle, i n denen weder ein Beherrschungsvertrag (der mindestens 75 °/oige Mehrheit erfordert) noch Mehrheitsbesitz vorliegt, aber dennoch einheitliche 5 Huppert
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Leitung besteht (faktischer Konzern, § 18 II). Wie auf ein unabhängiges Unternehmen ein beherrschender Einfluß ausgeübt werden soll, ist rechtlich schwer vorstellbar. Zwar wäre denkbar, daß der Vorstand einer A G sich gern i n die schützende und führende Hand eines mächtigen und erfolgreichen Konzernes begeben würde, aber eine solche A u f gabe der Selbständigkeit ließe sich weder m i t seiner Verantwortung vereinbaren, noch würde er dafür die Zustimmung seines A R und seiner Aktionäre finden. Allenfalls könnte er das auf Veranlassung und i m Interesse eines Großaktionärs tun. Das wäre an sich zwar möglich (s. Z. 60), aber damit würde der Vorstand sich einem illegalen Einfluß beugen. Außerdem würde die Einbeziehung derartiger Verhältnisse i n den Konzernbegriff diesen i n unabsehbarer Weise ausweiten. (75) Die Bedeutung des Konzernbegriffs und der Konzernzugehörigkeit liegt i n der (teilweisen) Aufgabe der Selbständigkeit und der Unterordnung des Eigeninteresses der einzelnen Konzernunternehmen unter das Konzerninteresse. Da der Konzern als wirtschaftliche Einheit fungieren und operiereù soll, muß für alle Konzernunternehmen das Gesamtinteresse den Vorrang vor den Einzelinteressen haben. Konzerne werden ja gerade damit begründet, daß die Zusammenarbeit bessere wirtschaftliche Ergebnisse zeitigen soll als wenn die beteiligten Unternehmen neben- und gegeneinander arbeiten. Durch (horizontale) Arbeitsteilung und liefermäßige (vertikale) Verflechtungen, durch Konzentration und gegenseitige Finanzierung der Investitionen, durch gemeinsame Stabsabteilungen und sonstige Zusammenarbeit soll die w i r t schaftliche Leistung des Konzerns bzw. der beteiligten Unternehmen i m Konzern wesentlich gesteigert werden. Dabei ist es unvermeidlich, daß einzelne Unternehmen mehr berücksichtigt werden und sich besser entwickeln als andere; das gehört zu den Chancen wie Gefahren einer Konzernzugehörigkeit. Indessen bildet dies ein wesentliches Problem einer gesetzlichen Konzernregelung. Das A k t G hat dieses Problem ganz unzulänglich behandelt. Es erlaubt eine Fremdbestimmung und Benachteiligung einer AG, wenn ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen ist, aber es läßt anderseits Konzerne sogar bei Minderheitsbeteiligungen und ohne jeden Konzernvertrag zu. Daraus zu folgern, daß Konzernabhängigkeit zu keiner Benachteiligung führen dürfe, würde dem Wesen des Konzerns widersprechen und ließe sich praktisch auch nicht durchführen. So kommt es, daß viele Aktiengesellschaften als Konzernunternehmen von einer Konzernleitung beherrscht und auch ausgenutzt werden, ohne daß dies durch entsprechende Verträge und Verfahren zum Schutz der Minderheiten (§§ 291— 310) gedeckt wäre. Es gibt zahlreiche große, straff geführte Konzerne, i n denen das konzernführende Unternehmen an den Konzerngesellschaften nur m i t etwa 55—60 °/o beteiligt ist und keine Konzernverträge
Α. Konzernbegriff und Konzernrecht
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abgeschlossen h a t . M a n f r a g t sich v e r g e b l i c h , w o m i t d i e V o r s t ä n d e d i e ser Beteiligungsgesellschaften i h r e K o n z e r n u n t e r w e r f u n g r e c h t f e r t i g e n w o l l e n ; anderseits, w a r u m q u a l i f i z i e r t e M e h r h e i t s b e s i t z e r ü b e r h a u p t Beherrschungs- u n d G e w i n n a b f ü h r u n g s v e r t r ä g e abschließen, w e n n sie o h n e solche dasselbe erreichen. Ein gutes Beispiel für die formlose Konzerneingliederung einer Gesellschaft durch ihren Großaktionär bietet die Braun AG, Frankfurt (elektrotechnische und elektronische Gebrauchsgüter, Umsatz 1975/76 = 537 Mio D M , 6173 Beschäftigte). Das Kapital von 30 Mio D M befand sich von 1967 bis 1977 zu 94 °/o bei The Gilette Company, Boston, USA; davon 100% der 18 Mio Stammaktien und 85% der 12 Mio (stimmlosen) Vorzugsaktien. Es bestand kein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, aber der Großaktionär besetzte Vorstand und AR maßgebend mit Amerikanern, was auch im Stil der Unternehmensführung zum Ausdruck kam. Der Abhängigkeitsbericht — als einziges Zeichen für Konzernzugehörigkeit — war schon wegen der andersartigen Arbeitsgebiete des Großaktionärs uninteressant. Uber die eigenen beträchtlichen ausländischen Beteiligungen wurde von der Gesellschaft kaum berichtet. Das Fehlen eines Konzernvertrages erübrigte eine Dividendengarantie und ein Abfindungsangebot an die außenstehenden Aktionäre. U m aber auch diese formlos auszuschalten, machte Gilette im M a i 1977 überraschend ein Obernahmeangebot zu 405 % (letzter Börsenkurs 320 %, letzte Dividende 18 %, letzter Gewinn je Aktie vor Steuern 26 D M = 52 %), obwohl der Abfindungswert — nach den Richtlinien von § 304 A k t G nur 350 % ergeben hatte. Damit entzog sich die Gesellschaft einem Abfindungsverfahren. Das Angebot wurde übrigens nicht einmal motiviert, auch nicht mit beabsichtigter U m wandlung der Gesellschaft. Alles zusammen zeigt dieser Fall, wie ohne die ausgeklügelten aktienrechtlichen Vorschriften eine Gesellschaft beherrscht und schließlich in Alleinbesitz genommen werden kann. (76) E i n e F o l g e d e r gesetzlichen U n k l a r h e i t des K o n z e r n b e g r i f f s u n d d e r K o n z e r n z u g e h ö r i g k e i t ist, daß letztenendes d e r Vorstand der k o n z e r n f ü h r e n d e n Gesellschaft z u entscheiden h a t , ob eine B e t e i l i g u n g s gesellschaft nach außen z u r Konzerngesellschaft d e k l a r i e r t w i r d oder n i c h t . Diese E n t s c h e i d u n g zeigt n i c h t a l l e i n d i e E i n s t e l l u n g des V o r standes z u d e n Beteiligungsgesellschaften, s o n d e r n h a t auch rechtliche B e d e u t u n g , insbesondere f ü r d i e A u s k u n f t s p f l i c h t (§131, I , 2) u n d d i e A u f n a h m e i n d e n K o n z e r n a b s c h l u ß (§ 329,1, 1). Welch differenziertes und für Außenstehende kaum erklärbares Bild sich daraus ergibt, veranschaulicht der Geschäftsbericht 1975/76 des RWE. Sein Verzeichnis der „verbundenen Unternehmen und anderen Beteiligungen" umfaßt 189 Unternehmen, davon + 63 Konzernunternehmen i m Konzernabschluß + 36 Konzernunternehmen außerhalb des Konzernabschlusses + 44 verbundene Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung, aber ohne Konzernzugehörigkeit + 46 Beteiligungsgesellschaften mit bis zu 50 % Kapitalbeteiligung 5·
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Davon sollen nur die (ersten) 63 Unternehmen unter Konzernleitung stehen, die (zweiten) 36 Konzernunternehmen dagegen, weil branchenfremd, nicht leitend beeinflußt sein; erst recht nicht die übrigen 44 Mehrheitsbeteiligungen. Daß das R W E selbst in Fällen von (unmittelbarem und mittelbarem) Mehrheitsbesitz keine Konzerneigenschaft annimmt, muß verwundern, denn auch in diesen Fällen ist nicht anzunehmen, daß das R W E auf maßgebenden Einfluß verzichtet (z. B. bei der Besetzung der Geschäftsführung, dem Jahresabschluß, der Gewinnverwendung und Kapitalausstattung). Die Einteilung läßt sich aber mit der Dehnbarkeit des Begriffes „einheitliche Leitung" rechtfertigen.
B. Aktionärsschutz (77) Wie schon erwähnt wurde, sollen Konzerne die wirtschaftlichen Vorteile der Konzentration, insbesondere durch Arbeitsteilung und Kooperation, bringen, ohne zu einer Fusion zu nötigen. I m Prinzip sollte das für alle Konzernunternehmen entsprechende Vorteile bringen, aber, wie ebenfalls gesagt wurde, kann das für einzelne auch nachteilig sein. Das A k t G bietet hiergegen grundsätzlich keinen Schutz. Es enthält ebensowenig gesetzliche Beschränkungen für das, was einem abhängigen Unternehmen von der Konzernleitung zugemutet werden kann, wie sonstige Vorschriften über die Arbeitsweise der Konzerne. Bereits der Enqueteausschuß (S. 81) bezeichnete es als ein ungelöstes Problem, wieweit der Vorstand einer abhängigen Gesellschaft deren Interessen dem Konzerninteresse opfern dürfe. Das gilt unverändert für das bestehende AktG. Der gesetzliche Schutz für konzernfremde Aktionäre beschränkt sich auf den Abschluß von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge. Für sie wird eine dreiviertel Mehrheit bei der HV-Abstimmung verlangt (§ 293, I, 2), dazu eine Dividendengarantie und ein Abflndungsangebot für die außenstehenden Aktionäre (§§ 304/5). Da diese nicht wissen können, was in Zukunft mit der Gesellschaft geschieht, sollen sie wenigstens vorher aussteigen können. I n der anschließenden laufenden Konzernführung ist die Konzernleitung zu keiner Rücksichtnahme verpflichtet. Das A k t G drückt dies damit aus, daß die „Weisungen" des herrschenden Unternehmens für die abhängige Gesellschaft „nachteilig" sein dürfen, wenn sie dem Konzern „dienen" (§ 308, I, 2), es sei denn, daß dies „offensichtlich" nicht zutrifft (§ 308, I I , 2).
(78) Außer einer Benachteiligung der Aktionäre konzernabhängiger Gesellschaften, wäre auch an den Schutz der Aktionäre konzernbeherrschender und -leitender Gesellschaften zu denken. Hierüber schweigt sich das A k t G völlig aus. — Welche der Konzerngesellschaften den besseren Teil erwischt hat, zeigt sich gewöhnlich erst nach Jahren, wenn eindeutige Ergebnisse vorliegen. Nicht selten gewährt die Konzernleitung einzelnen Konzerngesellschaften bewußt Vorteile; so etwa, wenn sie ihnen lohnende A u f gaben überträgt, mit denen sie selbst sich nicht befassen möchte; oder
Β. Aktionärsschutz
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indem sie ihr große Investitionen finanziert. Weit verbreitet ist auch die Praxis, Tochtergesellschaften zur Thesaurierung von Gewinnen zu benutzen, welche die Muttergesellschaft nicht ausweisen oder wenigstens ihren Aktionären vorenthalten w i l l , ein Vorgang, der für diese Aktionäre ebenso ärgerlich wie schwer nachzuweisen und selbst dann nicht zu verhindern ist. Die Gefahr solcher Gewinnverkürzung durch Bildung stiller Reserven bei Konzerngesellschaften hat schon der Enqueteausschuß (S. 75) hervorgehoben. Bedeutender Schaden kann den Aktionären auch dadurch entstehen, daß ein Beteiligungserwerb zu hoch bezahlt wird. Bei allgemeinem Expansionsdrang konkurrieren die großen Gesellschaften u m gut eingeführte SpezialUnternehmen, so daß deren Erwerbspreis i n die Höhe getrieben wird. Beispiel: Ende der 60er Jahre wurden mittlere Pharma-Produzenten zu Preisen aufgekauft, welche bis 150 % des Jahresumsatzes gingen.
Vielfach haben die Erwerber den Wert des erworbenen Unternehmens überschätzt oder seine inneren Schwächen nicht genügend erkannt. Dann müssen außer dem Kaufpreis noch hohe Investitionen und kostspielige Umorganisationen durchgeführt, dazu jahrelang beträchtliche Verluste übernommen werden. Beispiel: Für die Übernahme der Metzler-Gruppe hat die Bayer A G außer dem Kaufpreis und beträchtlicher Investitionen bis Ende 1977 rd. 600 Mio Verluste übernehmen müssen.
— Von schwerwiegender Bedeutung ist, daß Beherrschungsverträge m i t Gewinnabführungsverträgen verbunden werden (§291 I), die kraft Gesetzes (§ 302) anderseits zur Verlustübernahme verpflichten. Dadurch kann es zu jahrelangen großen Verlustausgleichszahlungen kommen. Hierfür muß die herrschende Gesellschaft (als Kehrseite der Gewinnabführung und aus Verantwortung nach ihrem Weisungsrecht) einstehen, ohne sich durch Abstoßung der Beteiligung von dieser Last befreien zu können. Der Vorstand hat zwar hierüber den Aktionären zu berichten (§ 160 I I I , Z. 10), aber die Aktionäre können hieran nichts ändern; sie können nicht einmal eine Bilanz verlangen. Daß der betr. Vertrag auch von den Aktionären der beherrschenden Gesellschaft zu genehmigen ist (§ 293 II), schützt diese wenig, denn von negativen Folgen ist bei Vertragsabschluß gewöhnlich nicht die Rede. Mißtrauische Aktionäre haben auch keine Ausgleichs- und Abfindungsansprüche (§§ 304/5), denn solche stehen nur Aktionären der übernommenen Gesellschaft zu. A n den umgekehrten Fall von Aktionärsschutz hat der Gesetzgeber nicht gedacht, weil er sich auf das Leitbild einer Ausbeutung durch Aufkauf und Beherrschung beschränkt hat.
Der Ärger der Aktionäre verstärkt sich, wenn die fraglichen Beteiligungen aus Kapitalerhöhungen bezahlt werden, deren Verwendung die Aktionäre bei der Beschlußfassung dem Vorstand überlassen haben.
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V I I . Konzerne
(79) M i t alledem zeigt sich, wie wenig es dem A k t G gelungen ist, die Auswirkungen von Konzernen i n den Griff zu bekommen. Gerade bei Konzernen ohne qualifizierte Mehrheitsbeteiligung und entsprechende Beherrschungsverträge, also bei einfachen, faktischen und formlosen Konzernen, verfügt die Konzernleitung über volle Bewegungs- und Ermessensfreiheit. Das w i r d viele Großaktionäre veranlassen, auf Beherrschungs- und Eingliederungsverträge zu verzichten. Die freien A k tionäre werden aber nicht verstehen, warum sie keinerlei Schutz genießen, wenn ihre Gesellschaft unter straffer Konzernleitung eines Unternehmens steht, das über nur wenig mehr als die Hälfte des A K verfügt (wie z. B. beim RWE oder bei BBC). Zwar können die A k t i o näre bei gut geführten Konzernen meist zufrieden sein, aber niemand sollte glauben oder behaupten, das A k t G enthalte ein ausreichendes Konzernrecht zum Schutz aller Aktionäre. Keine aktienrechtliche und gesellschaftsabhängige Frage ist, wie die Konzernführung gestaltet und organisiert ist. Die konzernförmige Leitung kann sich über wenige oder nahezu alle Stufen und Sachgebiete erstrecken. Das wjrd nicht in einem Vertrag festgelegt, sondern in Organisationsanweisungen der zentralen Konzernleitung. Stufenförmig können die Kontakte und Einwirkungen zwischen AR und Vorständen bis hinunter in die einzelnen Abteilungen und regionalen Betriebszweige gehen; sachgebietlich vom Rechnungswesen und den Finanzen über die allgemeine Verwaltung und den Vertrieb, bis zur Produktion und allerlei Hilfsfunktionen. Alles das, bis zur völligen Abhängigkeit, kann im Begriff der Konzernleitung enthalten sein; anderseits auch Beschränkung auf eine geringe und lockere Kooperation. Es zeigt, wie graduell verschieden Konzernzugehörigkeit sein kann.
C. Konzernabschlüsse (80) Jede Gesellschaft muß i n ihrem Jahresabschluß ihre „Beteiligungen" ausweisen. Als solche gelten „ i m Zweifel" Anteile an Kapitalgesellschaften von mindestens 25 °/o ihres Kapitals (§ 152 II). Über die Zusammensetzung des Beteiligungskontos und dessen einzelne Wertansätze brauchen keine Angaben gemacht zu werden. — Die Gewinn- und Verlustrechnung hat Erträge aus Beteiligungen sowie Erträge aus Gewinnabführungsverträgen einerseits und Aufwendungen für Verlustübernahme anderseits auszuweisen (§ 1571, Z. 7, 8 und 25). Der Beteiligungsbegriff reicht aber weiter als der Konzernbegriff, so daß diese Zahlen nicht einen bestehenden Konzern kennzeichnen. (81) Gesellschaften, die über einen Konzern verfügen, haben Konzernabschlüsse und -geschäftsberichte zu veröffentlichen. Als zugehörige Beteiligungen sind zu berücksichtigen: — Mehrheitsbeteiligungen gehören dazu (§ 329, II, 1), wenn sie „ K o n zernunternehmen" sind, d. h. unter einheitlicher Leitung stehen. Ander-
C. Konzernabschlüsse
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seits können auch Minderheitsbeteiligungen einbezogen werden, wenn sie unter Konzernleitung stehen und wirtschaftlich wesentlich sind (§ 329 II, 3). Dagegen können Beteiligungen jeden Grades ausgelassen werden, wenn sie unwesentlich sind (§ 329 II, 2). — Auslandsbeteiligungen gehören nicht i n die Konzernabschlüsse. Dadurch w i r d der Aussagewert von Konzernabschlüssen multinationaler Unternehmen stark eingeschränkt, jedoch pflegen publizitätsbereite Konzerne entsprechende Zahlen neben den „Gruppenzahlen" der Konzernabschlüsse anzugeben. Der Konzerngeschäftsbericht soll den Konzernabschluß erläutern. I n der H V der „Obergesellschaft" ist deren Vorstand über den Konzernabschluß und -bericht sowie über „die Lage des Konzerns und der i n den Konzernabschluß einbezogenen Unternehmen" v o l l auskunftspflichtig (§ 337 IV). (82) Bei mehrstufigen Konzernen ist nur die Spitzengesellschaft zu einem Konzernabschluß verpflichtet (Gesamtkonzernabschluß), nicht auch die Konzerngesellschaften, die i n sich ebenfalls Konzerne bilden (Teilkonzerne). Die Einzelheiten sind i n § 330 A k t G und § 28 EG A k t G i n recht verwickelter Weise geregelt. Beispiele: — I m Flick-Konzern legt die „Verwaltungsgesellschaft für industrielle Unternehmungen" einen Konzernabschluß vor. Deshalb sind deren Konzerngesellschaften (z.B. Buderus'sche Eisenwerke A G oder Feldmühle AG) von der Konzernpublizität befreit, obwohl sie selbst vielgliedrige Konzerne darstellen. Das hat das L G Limburg in einem von mir gegen Buderus geführten Anfechtungsprozeß anerkannt. — I m RWE-Konzern stellen dessen unmittelbare Mehrheitsbeteiligungen (z.B. Lahmeyer A G und Rheinelektra AG) selbst Konzerne dar, die aber nicht berichtspflichtig sind, weil das RWE einen Konzernabschluß bringt.
Darin liegt für die Aktionäre von Teilkonzernen eine erhebliche Publizitätseinschränkung, denn aus dem Gesamtkonzernabschluß können sie für sich nichts ersehen. Da jedoch die Teilkonzernabschlüsse ohnehin für den Gesamtkonzernabschluß aufgestellt werden müssen, stände eigentlich nichts i m Wege, sie auch zu veröffentlichen. Publizitätsfreundliche Gesellschaften bringen wenigstens entsprechende A n sätze. (83) Gewiß bedeuten Konzernabschlüsse einen wesentlichen Publizitätsfortschritt, aber sie verlangen ein sehr umfangreiches Rechenwerk, womit sie die Abschlüsse der konzernbeherrschenden Gesellschaft erheblich belasten und u m einige Monate verzögern. Dabei ist ihre Aussagefähigkeit i n mehrfacher Hinsicht begrenzt:
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V I I . Konzerne
— Sie lassen das Volumen der Konzerngesellschaften i m Verhältnis zur Stammgesellschaft nicht zuverlässig erkennen, denn deren konsolidierter Umsatz w i r d nicht ausgewiesen. — Sie geben nur Konzern-Gesamtzahlen an, lassen also nichts über die einzelnen Beteiligungsgesellschaften erkennen (Volumen, Investitionen, Gewinn und Verlust, Reservebildung u. a. m.). So gesehen kann es aufschlußreicher sein, wenn i n der H V die Geschäftsberichte der hauptsächlichen Konzernunternehmen ausgelegt werden. — Die Differenzen zwischen der Ergebnisrechnung des Konzerns und der Stammgesellschaft lassen gewisse Schlüsse zu, welche Gewinne (oder Verluste) bei den Konzerngesellschaften verblieben sind (einschl. der Rückstellungen), aber genaueres und Zahlen für einzelne Gesellschaften lassen sie nicht erkennen. — Die Aktionäre gehen i n den HV-Diskussionen kaum auf die Konzernabschlüsse und -berichte ein, sondern pflegen sich an die Beteiligungsangaben i m Bericht der Stammgesellschaft zu halten. Auch das läßt bezweifeln, ob sich der große Aufwand der Konzernabschlüsse lohnt. (84) Berichten die Konzernabschlüsse über die beherrschten Beteiligungsgesellschaften, so erfahren deren Aktionäre nichts über die Auswirkungen der Konzernabhängigkeit. Der Geschäftsbericht braucht nicht einmal zu erwähnen, daß die Gesellschaft einem Konzern angehört; selbst dann nicht, wenn ein Beherrschungsvertrag besteht. Für abhängige Gesellschaften ohne Beherrschungsvertrag ist allerdings ein sog. Abhängigkeitsbericht vorgeschrieben. Obwohl das A k t G i h m einen ganzen Abschnitt widmet (§§312—318), w i r d von i h m i m Geschäftsbericht nur das sog. Negativattest erwähnt, d. h. daß die abhängige Gesellschaft von der konzernführenden nicht zu (durch §311 verbotenen) „nachteiligen Rechtsgeschäften" veranlaßt worden ist. Nähme man das genau, so könnte Konzernabhängigkeit niemals Nachteile, sondern nur Vorteile bringen, so daß für die Stammgesellschaft jedes Interesse an einer Konzernbildung fehlen würde. I n Wirklichkeit w i l l und w i r d aber die Konzernführerin aus den Konzerngesellschaften Nutzen ziehen. Man fragt sich also, was der Gesetzgeber sich bei dem Benachteiligungsverbot gedacht und von dem Abhängigkeitsbericht versprochen hat. Jedenfalls w i r d eine Konzernleitung kaum Mühe und der Vorstand einer Konzerngesellschaft kaum Skrupel haben, zu versichern, daß (nach seiner subjektiven Einschätzung und aus der Gesamtheit der Konzernbeziehungen gesehen) keine Benachteiligung erfolgt ist.
D. Konzernstatistik
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D. Konzernstatistik (85) Befaßt sich die Konzernpublizität m i t Berichten über einzelne Konzerne, die von diesen selbst veröffentlicht werden, so soll die Konzernstatistik die zahlenmäßige Bedeutung der Konzerne insgesamt, insbesondere den Anteil der konzerngebundenen AG's, erfassen und darstellen. Solche Statistiken stoßen jedoch auf außerordentliche Schwierigkeiten, so daß es kein ausreichendes Zahlenmaterial gibt. a) Eine Statistik muß die zugehörigen Unternehmen nach einheitlichen formalen Merkmalen erfassen können. Daran mangelt es für Konzerne, weil — sie keine institutionellen Einheiten, sondern funktionelle Unternehmensverflechtungen sind — Konzerneinflüsse graduell unterschiedlich und großenteils nur potentiell sind, was eine (quantifizierende) Statistik nicht zum Ausdruck bringen kann. b) Jede Statistik muß auf bestimmte Fragestellungen ausgerichtet sein, für die sie entsprechende Angaben liefern soll. Für eine Konzernstatistik über AG's kann verschiedenes interessieren: — Welche AG's sind konzernabhängig, als Beteiligungsgesellschaften von konzernführenden Unternehmen? Bei letzteren kann wiederum unterschieden werden, ob sie selbst die Form von AG's oder anderen Unternehmen haben. — Welche AG's sind konzernführend, verfügen also über konzernabhängige Beteiligungsgesellschaften? Auch für letztere kann zwischen AG's und anderen Unternehmensformen unterschieden werden. — Wie groß ist das Konzernvolumen insgesamt, d. h. der konzernführenden und konzernabhängigen AG's zusammen, verglichen m i t den AG's insgesamt? — Die vorstehenden (drei) Angaben können AG's m i t Sitz i m Inland, aber auch ausländische Unternehmen einbeziehen; sei es als konzernabhängige Gesellschaften (ζ. B. Tochtergesellschaften einer deutschen Chemie-AG i n den USA), sei es als konzernführende Gesellschaften (ζ. B. deutsche Tochtergesellschaften eines amerikanischen Elektrokonzerns). c) Für die Messung des Konzernvolumens kommen mehrere Größen i n Frage: Grundkapital, Bilanzsumme, Umsatz, Wertschöpfung, Beschäftigte u. a. Davon ist das Grundkapital der einfachste, anderseits der am wenigstens aussagefähige Maßstab. Diese methodischen Schwierigkeiten (a—c) erklären, w a r u m es keine originäre und vollständige deutsche Konzernstatistik gibt und die verfügbaren Sekundärstatistiken ungenügend aussagefähig sind.
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V I I . Konzerne
(86) Einen ersten summarischen Anhalt bietet die Zusammensetzung des Aktienumlaufs nach Tab. 3 (zu Z. 128). I n 1977 lagen von 141,7 M r d A k t i e n (zu Emissionswerten) 52,6 M r d = 37 °/o bei Unternehmen. Diese 52,6 M r d bestanden jedoch nicht allein aus konzernförmigen, sondern auch aus sonstigen Aktienanlagen. Anderseits enthalten sie nicht das Kapital der konzernführenden Gesellschaften, die ebenfalls zum Konzernvolumen gehören. Außerdem umfassen die Zahlen inländischen wie ausländischen Aktienbesitz sowie inländische und ausländische besitzende Unternehmen. M i t h i n läßt diese Statistik nicht ausreichend erkennen, welcher Anteil des umlaufenden inländischen A K konzerngebunden und konzernbesitzend war. (87) Weitere Einblicke verschafft die Bilanzstatistik m i t der Gegenüberstellung von Einzelbilanzen und Konzernbilanzen der inländischen Aktiengesellschaften. Die Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes (das diese Zahlen aus den Bekantmachungen i m Bundesanzeiger zusammenstellt) ergeben für das Jahr 197412: — Erfaßt wurden 1604 Abschlüsse von AG's m i t 61,2 M r d Grundkapital und 342 Abschlüsse von AG-Konzernen m i t 34,6 M r d Grundkapital. Die Zahl der AG-Abschlüsse bleibt allerdings noch u m einiges hinter den 2218 gesamten AG's m i t 70,2 M r d Grundkapital (s.Tab. 2 zu Z. 125), zurück. Somit lag 57Ό/ο des Grundkapitals aller Gesellschaften der Bilanzstatistik und 49 °/o aller bestehenden Gesellschaften bei konzernzugehörigen Gesellschaften. Die übrigen 43 °/o bzw. 51 °/o waren konzernfreie Gesellschaften. — Die Bilanzsumme der Konzerne entsprach 82 % aller Gesellschaften, während 18°/o selbständigen AG's gehörten. Allerdings waren unter den 82 °/o auch Nicht-AG's enthalten, die i n die Konzernabschlüsse aufgenommen waren. — Vergleicht man die Konzernumsätze m i t der Gesamtleistung der einzelnen AG-Abschlüsse, so kommt man sogar auf 88 °/o Konzernumsätze. Das ist umso erstaunlicher, als letztere konsolidiert sind, also keine Innenumsätze enthalten. — Vom Jahresüberschuß der Einzelabschlüsse erreichen dagegen die Konzernabschlüsse nur 69 °/o. Die konzernfreien Gesellschaften müßten also erfolgreicher gewirtschaftet haben. Insgesamt läßt sich aus diesem Zahlenmaterial nicht eindeutig und vollständig erkennen, welchen A n t e i l die aktiv wie passiv konzernbeteiligten AG's an der Gesamtheit der AG's ausmachen. Abgesehen von den unterschiedlichen Ergebnissen bei den angeführten Maßstäben (Kapital, Umsatz, Uberschüsse) enthalten die erfaßten Einzelabschlüsse 12
Quelle: Statistisches Jahrbuch 1977, S. 122—128.
D. Konzernstatistik
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n i c h t a l l e A G ' s . S p r i c h t letzteres f ü r e i n e n h ö h e r e n A n t e i l k o n z e r n f r e i e r Gesellschaften, so ist anderseits z u bedenken, daß es m a n c h e k o n z e r n b e t e i l i g t e Gesellschaften g i b t , d i e n i c h t i n Konzernabschlüsse aufgenommen werden. Gäbe es eine eigene Statistik der Publikumsgesellschaften, so würde sich zeigen, daß gerade diese ausnahmslos konzernführende Unternehmen sind. Da sie gleichzeitig die größten Unternehmen überhaupt darstellen, wird damit der Konzerneinfluß auf die gesamte Wirtschaft deutlich, Anderseits haben bei den Publikumsgesellschaften die Aktionäre keinen Führungseinfluß. Demnach liegt die Konzernführung überwiegend in den Händen des Managements.
V I I I . Vollmachtstimmrecht und Bankinteressen Motto: Viel gescholten, doch unverzichtbar A. Depotverwaltung und Stimmrecht (88) Die Verwahrung und Verwaltung der Aktienurkunden und Couponbogen durch die Depotbanken entspricht zweifellos einem Bedürfnis der Aktionäre. Sonst müßten sie ihre A k t i e n selbst verwahren, auf Einladungen zur H V achten, die A k t i e n zur Teilnahme an Hauptversammlungen vorlegen, bei Verkauf oder Umtausch aushändigen; desgleichen die Dividenden- und Bezugsrechtsabschnitte abtrennen und zur Einlösimg vorlegen. Das ließe sich unter heutigen Verhältnissen m i t einer Vielzahl von kleineren Aktionären kaum durchführen. Auch die Banken und Gesellschaften würden damit stark belastet. Deshalb werden diese Aufgaben von der Depotverwaltung der Banken übernommen. Hierzu gehört auch die Übermittlung der Erklärungen der Gesellschaften an die Aktionäre, insbesondere die Einberufung von Hauptversammlungen; denn die Gesellschaften kennen ihre Aktionäre nicht. (89) So nützlich und unentbehrlich eine solche Depotverwaltung durch die Banken ist, so strittig ist, ob die Banken das Stimmrecht aus den deponierten A k t i e n wahrnehmen sollen. Das A k t G von 1965 hat hierfür weitgehende Kautelen eingeführt, u m zu erreichen, daß die Banken das Stimmrecht nur i n Ubereinstimmung m i t den Aktionären (Depotkunden) ausüben. Auch hierfür besteht ein unbestreitbares Bedürfnis. a) Die Ausübung des Stimmrechts durch die Banken war von jeher üblich. Sie ergab sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, also ohne spezielle Vollmacht. Die Kunden konnten zwar Abstimmungsweisungen geben, aber das geschah „sehr selten" (Enquete-Ausschuß, S. 27). Als Gründe nannte der EnqueteAusschuß: Gleichgültigkeit und Bequemlichkeit, ungenügendes Beurteilungsvermögen und Bewußtsein der eigenen Bedeutungslosigkeit.
Heute setzt die Depot Vertretung eine ausdrückliche Vollmacht der Depothalter voraus. Die Ausübung des Stimmrechts erfolgt also nicht statt der Aktionäre, sondern für sie. Die Banken übersenden die Vollmachtformulare, sogar mit Freiumschlag; die Rücklaufquote ist jedoch nicht bekannt; die Ausfälle aus Unverständnis,
Β. Anweisungen und Depothalter
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Nachlässigkeit oder Widerspruch werden nicht gering sein, zumal gewöhnlich nicht gemahnt wird.
Deshalb sprechen die Banken auch zutreffend von Vollmachtsstimmrecht, w e i l die Deponierung an sich noch kein Stimmrecht verleiht. Die am Jahresanfang pauschal und blanko ausgestellten Vollmachten lassen zwar offen, für welche Abstimmungen und i n welcher Weise sie später verwendet werden, doch kann der Vollmachtgeber der Bank jederzeit die Vollmacht entziehen oder i h r Anweisungen geben oder die Vertretung seiner A k t i e n i n der H V selbst übernehmen. Somit kann niemand behaupten, die Banken übten das Stimmrecht ohne oder gegen den Willen der Aktionäre aus. b) Wenn die Depotaktionäre sich desinteressiert zeigen, aber auch die Banken nicht ihr Stimmrecht wahrnehmen würden, fände die große Masse des Kleinbesitzers an A k t i e n überhaupt keine Vertretung. Das würde das Gewicht der Großaktionäre noch verstärken und anderseits bei Gesellschaften ohne Großaktionäre i n den Hauptversammlungen keine abstimmungsfähige Repräsentanz ergeben. Da das Aktiengesetz die H V zum obersten Organ der Gesellschaft erklärt, müssen die A k t i o näre i n i h r vertreten sein. Auch deshalb ist nicht zu beanstanden, daß die Banken das Stimmrecht für ihre Depotaktionäre ausüben, sondern allenfalls, wie sie es ausüben. B. Anweisungen der Depothalter (90) Die Ausübung des Vollmachtstimmrechts durch Banken und andere Kreditinstitute sowie Aktionärsvereinigungen ist i m Aktiengesetz von 1965 an erschwerende Bedingungen gebunden worden. Geblieben ist die Zulässigkeit der generellen Vollmachtserteilung durch die Depothalter (§135 I, II); ebenso die grundsätzlich anonyme Ausübung der Stimmrechte (§ 135 I V , 2). Neu ist die Verpflichtung der Banken, den Aktionären Abstimmungsvorschläge zu machen, die als gebilligt gelten, wenn der Aktionär keine abweichenden Anweisungen gibt (§ 128 II). I m Falle von Anweisungen des Aktionärs hat die Bank danach abzustimmen. Wenn die Bank hiervon oder von den eigenen Abstimmungsvorschlägen abweicht, hat sie „dies dem Aktionär mitzuteilen und die Gründe anzugeben" (§ 135 VIII). Dazu kommen weitere Einzelheiten i n den §§135 und 128. Insgesamt bedeutet das eine reichlich komplizierte Regelung. (91) Diesen Bestimmungen lag eine doppelte Absicht zugrunde: — Die Aktionäre sollten ihre Rechte möglichst selbst wahrnehmen, zu den Abstimmungsvorschlägen selbst Stellung nehmen und den Banken Abstimmungsanweisungen geben.
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V I I I . Vollmachtstimmrecht und Bankinteressen
— Die Banken sollten m i t den Stimmrechten nicht geschäftliche Vorteile für sich selbst (als Bank) oder für Dritte (eigene Geschäftsfreunde oder Angehörige der Verwaltung) verfolgen können. Der tatsächliche Erfolg ist jedoch gering geblieben. Zwar hat der Besuch der H V zugenommen, aber die Quote des „Eigenbesitzes" i n den H V hat sich dadurch nicht nennenswert erhöht. Die Banken machen zwar eigene Abstimmungsvorschläge, aber diese schließen sich i n aller Regel den Verwaltungsvorschlägen an, während die Aktionäre wiederu m kaum jemals abweichende Abstimmungsanweisungen geben. Der Gesetzgeber hat die reale Situation offenbar falsch eingeschätzt. Wie sollte eine (einzelne) Bank dazu kommen, sich gegen die Verwaltungsvorschläge zu stellen, und wie sollte sie das öffentlich begründen? Warum sollten anderseits die Aktionäre sich ein bessere Urteil als die Banken zutrauen, danach abweichende Abstimmungsanweisungen geben und sich davon Einfluß auf den Ausgang der Abstimmungen versprechen?
Somit läßt sich der enorme Aufwand an Arbeit und Papier, den das ganze Verfahren erfordert, nicht rechtfertigen. A m Abstimmungsergebnis hat sich jedenfalls gegen früher praktisch nichts geändert. Schon der Enquete-Ausschuß stellte fest, daß „die Banken im allgemeinen für die Anträge der Verwaltung zu stimmen pflegen" weil diese die Bedürfnisse der Gesellschaft am besten beurteilen könne und weil bei bestehenden Geschäftsverbindungen die Bank der Verwaltung gefällig sein möchte (S. 28). Der Ausschuß bestätigte allerdings, daß der Einfluß, den die Banken durch den Gebrauch des Depotstimmrechts „auf die innere Struktur der Gesellschaften ausüben, sehr erheblich" sei. Er erweitere die Machtstellung, welche die Banken als Großgläubiger haben, bedeutend. Es sei auch üblich, daß Banken, die an einer Gesellschaft besonders interessiert seien, sich von anderen Banken Aktien zur Verwendung in der G V ausleihen (S. 28). Trotzdem sah der Ausschuß „keinen Anlaß zu einem gesetzlichen Eingriff" in die bisherige Praxis der Depotstimm Verwendung (S. 30).
(92) Eine unerfreuliche Folge der Aktionärsbefragung ist, daß die Banken an ihre Abstimmungsvorschläge gebunden bleiben, ganz gleich, was i n der H V offenbar w i r d und geschieht. Allerdings darf die Bank bei der Abstimmung von ihren Vorschlägen abweichen, wenn sie „annehmen darf, daß der Aktionär bei Kenntnis der Sachlage die abweichende Ausübung des Stimmrechts billigen würde" (§ 135 V). Das wäre verständlich, wenn die Bank i n der Zeit zwischen ihrem Vorschlag und der Abstimmung neue Tatsachen von entscheidender Bedeutung erfahren würde, jedoch sind das seltene Ausnahmefälle. Sonst aber könnten die Aktionäre den Vorwurf erheben, daß ihre Bank die Vorschläge der Verwaltung vorher nicht sorgfältig geprüft hätte. Hinzu kommt, daß die Bank ihre abweichende Stimmrechtsausübung schriftlich begründen muß (§ 135 VIII). Da das leicht Widerspruch finden könnte (nicht zuletzt bei der Verwaltung) w i r d die Bank, wenn irgend möglich, bei ihren
C. Mißbrauch des Depotstimmrechts?
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Vorschlägen bleiben. Indessen w i r d damit alles, was i n der Hauptversammlung passiert und was opponierende Aktionäre vorbringen, nahezu sinnlos und die H V i n hohem Maße entwertet. Demnach ist auch diese unrealistische Bestimmung keine Hilfe, sondern eher eine Behinderung. C. Mißbrauch des Depotstimmrechts? (93) Zweifellos stärkt das Vollmachtsstimmrecht der Banken ihre Stellung gegenüber den Verwaltungen der Großgesellschaften. So w i r d man ihnen auch eher AR-Mandate überlassen, wenn sie viele Stimmen zu vertreten haben. Von einem Mißbrauch könnte man jedoch nur sprechen, wenn die Banken mittels ihrer Depotstimmen die Verwaltungen zu Geschäften nötigen könnten, die i m Interesse der Banken liegen, aber gegen die Interessen der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre verstoßen, Daß solches geschieht oder versucht wird, ist nicht ausgeschlossen, aber kaum wahrscheinlich. — Die Banken würden sich m i t solchem Vorgehen über die Interessen ihrer Auftraggeber (Depotaktionäre) hinwegsetzen, also gegen i h r Mandat verstoßen. Sie würden auch gegen die betreffenden Verwaltungen nicht fair handeln. — Die Banken verfügen zwar i n den H V über das Gros der Stimmen des Streubesitzes, aber die Stimmanteile der einzelnen Banken sind relativ klein; sie würden also die Abstimmungen nicht maßgeblich beeinflussen können, selbst wenn sie die Verwaltung unter Druck setzen wollten. — Die H V treffen keine Entscheidungen, welche die Banken unmittelbar berühren (etwa für Kredite, Konsortialbeteiligungen, Aufkäufe und Stützungen anderer Gesellschaften), so daß das Abstimmungsverhalten kein geeignetes M i t t e l zur Durchsetzung von Bankeninteressen wäre. (94) Effektive Bedeutung könnte der Stimmrechtseinfluß der Banken i n folgenden zwei Fällen gewinnen: — Eine Bank kann m i t bestimmten Aktionärsgruppen geschäftlich zusammenarbeiten (ζ. B. Kredite gewähren, Aktienkäufe tätigen, A n leihen übernehmen, treuhänderisch Beteiligungen halten). Wenn solche Gruppen die H V der Gesellschaft zu bestimmten Beschlüssen veranlassen wollen (ζ. B. Zustimmung zu Unternehmensverträgen), können sie die nahestehenden Banken ersuchen, sie m i t ihren Depotstimmen zu unterstützen. Würde die Bank sonst anders abstimmen, so sollte sie sich dann offen zu ihrer Konfliktsituation bekennen und die Aktionäre zu eigener Entscheidung auffordern.
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V I I I . Vollmachtstimmrecht und Bankinteressen
— Eine Bank kann unter Hinweis auf ihre vielen Depotstimmen ein AR-Mandat anstreben. Indessen verdanken die Banken ihre AR-Mandate i n erster Linie anderen Einflüssen, insbesondere als Hausbanken, große Kreditgeber oder Konsortialführer von Gesellschaften. Daher hat der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, F. H. Ulrich, auf dem 12. Bankentag i n Bonn (Mitte März 1974) versichern können, wohl kaum jemals habe eine Bank aus dem Depotstimmrecht einen Anspruch auf einen Aufsichtsratssitz abgeleitet. (95) Die fortlebende K r i t i k am Depotstimmrecht kann sich kaum auf offenbare Mißstände bei seiner Ausübung berufen, sondern soll als ein wesentliches Argument gegen die „Macht der Banken" dienen. Deren Bekämpfung hat jedoch gesellschaftspolitische Motive und Ziele. Was hier über die geringen Mißbrauchsmöglichkeiten ausgeführt wurde, beeindruckt solche K r i t i k nicht. Immerhin hat sie erreicht, den Banken das Depotstimmrecht weitgehend zu verleiden. Daher fehlt es nicht an bankseitigen Erklärungen, daß sie lieber auf dieses Recht verzichten möchten, weil es mehr eine Belastung und ein Ärgernis bringe, als geschäftliche Vorteile. So hat Jürgen Ponto , Sprecher des Vorstandes der Dresdner Bank, auf dem 12. Bankentag betont, beim Depotstimmrecht hätten die Banken doch „nur eine Art Briefträgerfunktion". Paul Lichtenberg, Sprecher des Vorstandes der Commerzbank, hat darüber hinaus erklärt, daß die Banken das Depotstimmrecht schon aus Kostengründen gern abgeben würden, jedoch gäbe es keine brauchbare Alternative. Letzteres ist wohl der entscheidende Gesichtspunkt. Wer die Depotstimmrechte abschaffen will, müßte einen Weg zeigen, wie die A G trotzdem zu aktionsfähigen H V kommen könnte. Der Bundesverband der deutschen Banken hat (lt. einem Bericht der F A Z vom 3.2.1975, Seite 7) bei einer breit angelegten Umfrage unter Depotkunden der Banken 80 % Zustimmungen zur bestehenden Regelung erhalten, während sich 16 % für ausdrückliche Weisungen in besonders wichtigen oder allen Fällen einsetzten. Für die Beibehaltung sprach vor allem der Gesichtspunkt, daß sonst die Präsenz der H V und die Vertretung der Kleinaktionräe stark beeinträchtigt würde. — Gleichzeitig wurde die Absicht der Banken bekannt gegeben, ihre Abstimmungsvorschläge noch mehr zu erläutern und in besonders wichtigen Fällen um ausdrückliche Weisung zu bitten. Das geschieht seither schon. Seit einigen Jahren bemühen sich die Banken auch, bei der jährlichen Aufforderung an ihre Kunden zur Ausstellung von Vertretungsvollmachten deren Bedeutung näher zu erläutern und die Aktionäre auf ihre Mitwirkungsmöglichkeiten stärker hinzuweisen.
I X . Belegschaftsaktien und Mitbestimmung Motto: Sozialpolitik auf Kosten der Aktionäre A. Belegschaftsaktien (96) Arbeitnehmer einer A G könnten schon deshalb am Erwerb von deren A k t i e n interessiert sein, w e i l sie das Unternehmen kennen und es ihr Selbstbewußtsein heben könnte, auch zu seinen Kapitalgebern zu gehören. Klassenbewußte Arbeitnehmer lehnen das freilich ab. Auch sonst ist bei Arbeitnehmern das Verständnis für A k t i e n und die Bereitschaft zum Sparen m i t Aktienanlage gering entwickelt. Bereits der Enquete-Ausschuß (1930) kam zu dem Ergebnis, daß eine „Demokratisierung des Aktienbesitzes" zwar wünschenswert, aber kaum erreichbar sei. Vor allem zeigten sich Arbeiter und Angestellte wenig anlagebereit, denn sie wollten ihre Ersparnisse jederzeit verfügbar halten und kein Risiko eingehen; sie glaubten auch nicht genügend Sachkenntnis für den Erwerb von Aktien zu besitzen (S. 5,6). — Spezielle Belegschaftsaktien gab es damals noch nicht. Ich selbst habe mich mit dem Fragenkomplex schon vor längerer Zeit eingehend beschäftigt, ohne zu einer positiven Einstellung finden zu können. Darüber habe ich im Verlag Duncker & Humblot zwei Schriften veröffentlicht: „Erfolgsbeteiligung der Arbeitnehmer" (1953) und „Betriebliches M i t eigentum der Arbeitnehmer" (1954).
(97) Die Anregung zu „Belegschaftsaktien" als einem besonderen Aktientyp ist nicht etwa von Betriebsräten oder Gewerkschaften ausgegangen, die damit den Arbeitnehmern Vermögensvorteile oder sonstigen Einfluß verschaffen wollten; vielmehr wurden sie von Unternehmensleitungen und Sozialpolitikern propagiert und eingeführt. Diese wollten die Arbeitnehmer durch „Beteiligung am Produktiv vermögen", von dem sie vermeintlich beherrscht und ausgebeutet würden, vom Klassenkampfdenken abbringen. Dabei erweckte die Aussicht, daß damit die Arbeitnehmer allmählich ansehnlichen Stimmrechtseinfluß gewinnen würden, auch für die unternehmerischen Befürworter der Belegschaftsaktien kein entscheidendes Bedenken. Neben den gesellschaftspolitischen, haben finanzpolitische Motive zunehmendes Gewicht bekommen. Da Zahl und Wohlstand der Selbständigen und Kapitalbesitzer anhaltend zurückgegangen sind, zugunsten der Arbeitnehmer, sollen letztere auch für die Beteiligung an der Finanzierung von Unternehmen gewonnen werden, wozu Aktien besonders geeignet erscheinen. Das 6 Huppert
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I X . Belegschaftsaktien und Mitbestimmung
braucht jedoch noch nicht zu Belegschaftsaktien als Beteiligung der Arbeitnehmer an ihrem Unternehmen zu Vorzugsbedingungen zu führen.
(98) I m Laufe der letzten Jahre haben indessen Belegschaftsaktien eine solche Verbreitung gewonnen, daß ihre Berechtigung kaum noch umstritten ist. Selbst Kleinaktionäre fragen auf HV's an, warum die Gesellschaft keine Belegschaftsaktien ausgebe. Sie gelten eben als fortschrittlich, so daß die Verwaltungen sich zu weiteren Bereitstellungen drängen, ohne über die Berechtigung noch weiter diskutieren zu lassen. Indessen besteht eine Reihe schwerwiegender Bedenken fort, die hier wenigstens kurz angeführt seien: a) Den Gegensatz zwischen Kapitalgebern und Arbeitnehmern durch Belegschaftsaktien zu überwinden und einen Interessenausgleich zwischen beiden Gruppen zu erzielen, ist schwerlich zu erwarten. — Die traditionelle Vorstellung der Arbeitnehmer, von den A k t i o nären ausgebeutet zu werden, läßt sich zwar heute selbst von engagierten Klassenkämpfern nicht mehr ernsthaft vertreten, aber daß Kapitalgeber überhaupt Anspruch auf Gewinn haben, w i r d nach wie vor von einem Großteil der Arbeitnehmer bestritten. — Eine etwaige Erwartung der Arbeitnehmer, sie könnten als A k t i o näre von der Unternehmensleitung für sich größere Rechte und Vorteile erwirken, wäre illusiorisch. Entgegen den Theorien von kapitalistischer Herrschaft haben die Kleinaktionäre auf die Unternehmensführung kaum Einfluß. Jedenfalls können die Arbeitnehmer ihre A n sprüche unvergleichlich besser durch die Betriebsverfassung geltend machen. — Die Arbeitnehmer sind auch keineswegs bereit, als Belegschaftsaktionäre eine Mitverantwortung für die Unternehmensführung zu übernehmen. Sie überlassen diese den Managern, die sie als ihre Arbeitgeber betrachten und von denen sie Beschäftigung und guten Lohn erwarten. — Die Arbeitnehmer werden es ablehnen, sich m i t den übrigen A k tionären zu solidarisieren (und damit auch deren Interessen zu wahren), wenn und w e i l sie selbst Aktionäre sind. Mindestens werden sie den Verdacht haben, daß sie damit für die (kapitalistischen) Aktionäre eingespannt und korrumpiert werden sollen. Schon w e i l ihre Arbeitnehmereinkommen immer weit höher als ihre Dividendeneinkommen sein werden, werden sie ihre Arbeitnehmerposition bevorzugen. b) Natürlich könnten die Arbeitnehmer jederzeit A k t i e n zu den gleichen Bedingungen wie andere Kapitalgeber erwerben. Da sie das aber nicht tun, w i l l man sie dadurch gewinnen, daß man ihnen m i t „Belegschaftsaktien" durchschlagende finanzielle Vorteile verschafft.
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Α. Belegschaftsaktien Diese V o r t e i l e bestehen aus
— Steuerfreiheit nach dem 3. Vermögensbildungsgesetz (sog. 624,— D M - G e setz) und Sparprämien als Sparförderung — Übernahme eines Teiles der Anlagebeträge durch die Arbeitgeber als zusätzliches Arbeitsentgelt; dazu Übernahme der Steuern, Sozialabgaben und Ausgabespesen durch die Gesellschaft — Überlassung der Belegschaftsaktien zu Bezugskursen, die weit unter den Börsenkursen oder den Bezugskursen für (sonstige) Aktionäre liegen, gewöhnlich um 40—50 °/o weniger. Dabei bleiben die Kursgewinne aus dem Disagio nach dem Belegschaftsaktiengesetz steuerfrei. Welche massiven Gewinne dadurch für die Arbeitnehmer insgesamt entstehen können, zeigt folgendes Bechenbeispiel der Siemens A G („SiemensMitteilungen", Heft 3 aus 1977): I n den Jahren 1969^—77 hat die Gesellschaft ihren Mitarbeitern insgesamt 10 Bezugsrechte eingeräumt. Wer sie sämtlich wahrgenommen hat, kann sich ausrechnen, daß er mit einem eigenen Einsatz von 5225 D M einen Vermögenswert von 18 033 D M erzielt, also rd. 12 800 D M steuerfrei verdient hat. I m einzelnen zeigt diese Rechnung folgendes Bild: 1. Aktienerwerb 1.1 Brutt o-Erwerbskosten 53 Stück für 156 D M 11 Stück aus neuen Bezugsrechten 64 Aktien für 1.2 Vergütungen durch tarifliche vermögenswirksame Leistungen der Gesellschaft sowie Steuerersparnis oder Sparzulage Eigener Netto-Aufwand 2.
Erhaltener Gegenwert 64 Aktien zu einem Börsenkurs von rd 250 D M bezogene Dividenden Verkauf überschüssiger Bezugsrechte
8 112 D M 1122 D M 9 234 D M
4 009 D M 5 225 D M 16 000 D M 1 931 D M 102 D M 18 033 D M
(99) Diese B e v o r z u g u n g (Beschenkimg) d e r A r b e i t n e h m e r b e d e u t e t eine Diskriminierung der übrigen A k t i o n ä r e u n d potentiellen A k t i e n e r w e r b e r , d e n n i h n e n w e r d e n k e i n e gleichen e i n k o m m e n s m ä ß i g e n , s t e u e r l i c h e n u n d k u r s m ä ß i g e n V o r t e i l e geboten. D i e s t a r k e r m ä ß i g t e n Bezugskurse b e n a c h t e i l i g e n a u ß e r d e m das U n t e r n e h m e n , das f ü r d i e B e l e g s c h a f t s a k t i e n w e s e n t l i c h w e n i g e r finanzielle M i t t e l als b e i n o r m a l e n K a p i t a l e r h ö h u n g e n e r h ä l t . Dieses M i ß v e r h ä l t n i s w i r d besonders d e u t l i c h , w e n n d i e Gesellschaft d i e A k t i e n f ü r d i e Belegschaft a n d e r Börse a u f k a u f t (was n i c h t selten geschieht) u n d d a n n die K u r s d i f f e r e n z u n t e r „sonstige A u f w e n d u n g e n " g e w i n n m i n d e r n d v e r b u c h t . I m E r g e b n i s w e r d e n d a m i t z w e i K l a s s e n v o n A k t i e n geschaffen: Belegschaftsa k t i e n m i t g r o ß e n E r w e r b s v o r z ü g e n u n d n o r m a l e A k t i e n ohne solche. M a n f r a g t sich v e r g e b l i c h , w i e diese P r i v i l e g i e r u n g d e r Belegschaftsa k t i e n , a u f K o s t e n d e r a n d e r e n A k t i o n ä r e , g e r e c h t f e r t i g t w e r d e n soll. 6*
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I X . Belegschaftsaktien und Mitbestimmung
(100) Angesichts dieser massiven Begünstigung von Belegschaftsaktien sollte erwartet werden, daß — die bisherigen Aktionäre die Ausgabe von Belegschaftsaktien ablehnen und damit unterbinden — die Ausgabe von Belegschaftsaktien zu einem Run der Arbeitnehmer führen würde, bei dem selbst Arbeitnehmer ohne Sparbereitschaft sich von dritter Seite finanzieren ließen. Beides trifft jedoch nicht zu. a) Die Ausgabe von Belegschaftsaktien bedarf nicht der Zustimmung der Aktionäre, also eines HV-Beschlusses. Gewöhnlich entnimmt der Vorstand die benötigten A k t i e n einer bedingten Kapitalerhöhung, deren Gestaltung und Verwendung seinem Ermessen überlassen ist. b) Die Arbeitnehmer nutzen ihre Bezugsrechte trotz deren offensichtlich großen Vorteile meist nicht einmal zur Hälfte aus. Dieses Phaenomen, sollte gerade engagierte Propagandisten von Belegschaftsaktien zu ernstlichem Nachdenken veranlassen. (101) Es gibt noch keine Statistiken über den Umlauf an Belegschaftsaktien, die einzelnen Aktionen und die Ausgabebedingungen. Ausreichende Informationen bieten jedoch — ein Aufsatz über „Eigentum am Arbeitsplatz" in der Zeitschrift „Capital" vom Juni 1975, S. 121 ff. — eine Studie über Belegschaftsaktien vom „Arbeitskreis zur Förderung der Aktie" vom 28. Januar 1976, mit Umfrageergebnissen von 30 beteiligten AG's sowie Vorschlägen zu weiteren steuerlichen Förderungsmaßnahmen.
Als charakteristisch
läßt sich feststellen:
— Belegschaftsaktien wurden bisher fast allein von den größten AG's ausgegeben: Siemens und ΑΤΗ, Daimler-Benz, BASF, Bayer und Hoechst, RWE, VEW und HEW, Deutsche Bank, Dresdner Bank und Commerzbank. Es handelt sich i n allen Fällen u m Publikumsgesellschaften. Dort haben die Aktionäre nichts zu sagen, so daß die Vorstände zur Verbesserung des „Betriebsklimas" m i t Belegschaftsaktien aufwarten können. — Die Bezugsmöglichkeiten sind i m Laufe der Zeit wiederholt (bei BASF schon 20 mal), anhaltend propagiert und dann auch i n zunehmendem Maße ausgenutzt worden. Trotzdem erreichten die Belegschaftsaktien bei den betreffenden Gesellschaften gewöhnlich nicht mehr als 2 bis 3 °/o des A K (Ausnahmen: Siemens, Bayer, BASF m i t über 6 °/o). — Die Bezugsrechte wurden anfangs nur von 20—30% der Arbeitnehmer ausgenutzt. M i t weiter verbesserten Bezugsbedingungen sowie anhaltender intensiver Aufklärung und Werbung durch die Unterneh-
Β. Mitbestimmung i m Aufsichtsrat
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men hat sich die Quote inzwischen etwa verdoppelt. Dabei beteiligen sich die Angestellten, die ja zu rechnen verstehen sollten, erheblich mehr als die Arbeiter. Die ablehnende Haltung der Gewerkschaften w i r k t sich anhaltend hinderlich aus. (102) Zusammenfassend spricht gegen Belegschaftsaktien — die unberechtigt starke Privilegierung gegenüber anderen A k t i o nären und Kapitalanlegern — die Aussichtslosigkeit, damit die Arbeitnehmer für i h r Unternehmen zu gewinnen und Verständnis für die Aktionäre zu schaffen. — die Gefahr, daß auf die Dauer die Belegschaftsaktien zu bedeutenden Kapitalanteilen anwachsen, dann auch das Interesse der Gewerkschaften finden, zu einem obligatorischen System ausgebaut werden und m i t kollektiver Vertretung auch AR-Sitze beanspruchen — womit sich die Belegschaftsaktien als trojanisches Pferd erweisen w ü r den. B. Mitbestimmung im Aufsichtsrat (103) Eine betriebliche Mitbestimmung gibt es (in Deutschland) seit 1920. Gemäß dem Betriebsverfassungsgesetz (BVG) sollten die Arbeitnehmer ein Mitspracherecht i n den sie betreffenden Betriebsangelegenheiten haben. Gleichzeitig wurde die Beteiligung von drei Vertretern der Arbeitnehmer am AR von AG's eingeführt. (§ 76 B V G i. d. F. vom 15. Januar 1972). Hierüber hinaus geht das Mitbestimmungsgesetz vom 4. Mai 1976, das für den AR großer AG's und anderer Kapitalgesellschaften die Hälfte der Sitze den Arbeitnehmervertretern zuspricht. A l l e i n diese sog. paritätische unternehmerische Mitbestimmung ist i n folgenden gemeint. (104) Diese A r t der Mitbestimmung läßt sich grundsätzlich nicht rechtfertigen. a) Die Unternehmensleitung ist eine Frage der Unternehmensverfassung (s. Z. 5, 7). Leider kennt das deutsche Recht diesen Begriff und seine Funktion nicht. Das B V G ist ein Ansatz hierzu, beschränkt sich aber auf Rechte der Arbeitnehmer, nicht auch der Kapitalgeber und Unternehmensleiter. Überdies denkt das B V G nur an die Vertetung der Interessen der Arbeitnehmer gegenüber der Unternehmensleitung. Diese selbst w i r d als gegeben angenommen und die Arbeitnehmer werden nicht an ihr beteiligt, sondern m i t i h r konfrontiert. b) Die Beteiligung der Arbeitnehmer am AR ist kein geeigneter A n satzpunkt für eine unternehmerische Mitbestimmung der Arbeitnehmer.
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I X . Belegschaftsaktien und Mitbestimmung
— Der AR ist ein Organ der A G als Aktionärsvereinigung. Als Vertretung der Aktionäre muß er sich von diesen ableiten. Als Teil der inneren Verfassung der A G bildet der A R einen Bestandteil des Gesellschaftsrechts. Als Gesellschaftsorgan kann jedoch der AR nicht von außen, über die Aktionäre hinweg, m i t Arbeitnehmern besetzt werden 13 . — Der AR soll grundsätzlich ein Überwachungsovgan sein. Er eignet sich also nicht für eine maßgebliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer an der Unternehmensführung. c) Da die Arbeitnehmervertreter mitentscheiden sollen, hätte das M i t bestimmungsgesetz — klären müssen, welche Ziele für die Unternehmensführung und damit auch für den A R maßgebend sein sollen, so daß sich alle A R - M i t glieder hieran halten oder hierauf verständigen könnten — die Polarisierung der Interessen i m A R verhüten oder durch ausreichende integrierende Elemente und Verfahren überwinden müssen — die mitbestimmenden AR-Mitglieder auch für das Unternehmen verantwortlich machen müssen — dafür sorgen müssen, daß die Unklarheit und Gegensätzlichkeit der Zielsetzung sowie die lähmende Wirkung der Parität nicht auch auf den Vorstand übergreift. (105) Die Aktionäre als Kapitalgeber sind den Arbeitnehmern ohneh i n i n mehrfacher Hinsicht unterlegen. — A m Einkommen des Unternehmens (Rohertrag) sind die Aktionäre unvergleichlich weniger als die Arbeitnehmer beteiligt. Beispielhaft zeigt das der Geschäftsbericht 1975/76 der Siemens A G (Siemens-Mitteilungen 1977, Heft 2, S. 4). Von der Wertschöpfung (Umsatz ./. Fremdleistungen) gingen 83,9 °/o an die Mitarbeiter und nur 2,2 °/o an die Aktionäre, außerdem 6,9 % an den Staat, 4 % an Kreditgeber und 3 °/o an das Unternehmen (einbehaltener Gewinn).
— Die Arbeitnehmer haben rechtlich eine weitaus stärkere Stellung als die Aktionäre. + Sie haben Anspruch auf ein festes Einkommen und betriebliche Sozialleistungen, während die Aktionäre bestenfalls den verbleibenden Gewinn erhalten. + Durch die betriebliche und unternehmerische Mitbestimmung können die Arbeitnehmer auch die Geschäftspolitik i n ihrem Interesse beeinflussen, was den Aktionären nicht zusteht. 13 Hiermit befaßt sich in grundsätzlicher und ausführlicher Weise meine Schrift „Unternehmensverfassung", Stoedtner-Verlag, Berlin 31, aus März 1976.
Β. Mitbestimmung im Aufsichtsrat
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— So arbeitnehmerfreundlich das Arbeitsrecht und die Sozialpolitik ist, so wenig aktionärsfreundlich ist das AktG. Da die Aktionäre die allseitige Privilegierung der Arbeitnehmer hinnehmen müssen, weil sie auf Gesetzen beruht, bleibt ihnen nur der Ausweg, sich aus der Aktienanlage zurückzuziehen. Dies würde auch die Arbeitnehmer betreffen, aber damit würde sich der Staat einschalten und die A k t i e n übernehmen. Damit wäre eine sozialistische Entwicklung vorgezeichnet. Zweifellos wäre es jedoch wirtschaftlich gesünder und auch gesamtwirtschaftlich vorteilhafter, wenn der Staat den Kapitalgebern (Aktionären) ihre Lebensfähigkeit ließe. (106) Schließlich w i r d durch die paritätische Beteiligung der Arbeitnehmer auch die Stellung und Arbeitsweise des AR wesentlich verändert. — Die Erhöhung der Mitgliederzahl des AR macht diesen schwerfälliger. Da die Mitglieder nicht eines Sinnes sind, muß zur Vermeidung von Streitigkeiten streng nach Vorschrift, also formalistisch, verfahren werden. Das bedeutet größeren Aufwand bei verminderter Effizienz. — I m Rahmen seiner Zuständigkeiten kann der AR größeres Gewicht gewinnen. Bisher konnte von Großaktionären, insbesondere bei konzernförmigem Mehrheitsbesitz, die Unternehmensführung weitgehend über den A R hinweg beeinflußt werden. Ein großer Teil der AR-Zuständigkeiten konnte auch durch den Vorsitzenden oder ein Präsidium des A R wahrgenommen werden. Eine dritte Möglichkeit war, daß bei Publikumsgesellschaften der AR vom Vorstand infolge dessen starker Stellung „kurz gehalten" werden konnte. Alles das ist bei einem paritätischen AR nicht mehr möglich. Die Arbeitnehmer werden darauf bestehen, daß die Rechte des AR voll ausgenutzt werden und der AR i n keiner Form umgangen wird. — Anderseits w i r d der Vorstand sich bemühen, den A R m i t nicht mehr Angelegenheiten zu befassen, als i h m unumgänglich zustehen. Selbst seine Berichte an den AR w i r d er möglichst kurz halten. Er muß nämlich damit rechnen, daß die Gegensätzlichkeit und Fraktionsbildung i m A R zu Widersprüchen einer der beiden Seiten führt und die Kontroversen eine einvernehmliche Zustimmung mindestens erschweren. Der Verständigungszwang trotz Gegensätzlichkeit kann auch zu Kompromißlösungen führen, die sachlich keineswegs optimal sind. So kann der Vorstand etwa die Zustimmung des Arbeitnehmerflügels für eine Kapital- oder Personalmaßnahme nur dadurch erreichen, daß er sie m i t anderen Vorlagen koppelt, die den Arbeitnehmern etwas bieten. Gewiß w i r d von alledem den Aktionären wenig bekannt werden, ebenso wie über die Praxis der Montan-Mitbestimmung. Unabhängig
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I X . Belegschaftsaktien und Mitbestimmung
hiervon muß es aber schon negativ bewertet werden, daß die paritätische Mitbestimmung durch formalistische und faktische Rücksichten die bisher zwanglose und vertrauensvolle Zusammenarbeit i m A R wie gegenüber dem Vorstand wesentlich erschwert oder unterbindet.
X. Informationen und Publizität Motto: Wuchernde Fülle m i t vielen Mängeln A. Informationsansprüche (107) Die Anforderungen an die Unternehmen nach Informationen sind anhaltend, i n früher unvorstellbarem Maße gewachsen. Sie gehen an die Presse und andere Medien zwecks Unterrichtung der Öffentlichkeit; an die Behörden als statistische und sonstige Meldepflichten, als Steuererklärung und Berichte für andere behördliche Zwecke. Informationen verlangen und publizieren auch Verbände und andere zugehörige Organisationen. Großen Umfang haben ferner die Informationsbedürfnisse und -pflichten innerhalb der Unternehmen zur Unterrichtung der Abteilungen untereinander wie der Belegschaft. I n einer Aktiengesellschaft sind außerdem die Aktionäre durch die Verwaltung zu informieren, der Aufsichtsrat durch den Vorstand, schließlich auch das Registergericht. Uber ihre Publizitätspflichten hinaus betreiben die Unternehmen eine weitgespannte Öffentlichkeitsarbeit zur Werbung und Imagepflege. (108) Nach Adressaten läßt sich zwischen externen und internen Informationen unterscheiden. Erstere dienen der Allgemeinheit, den Behörden, den Kunden und Lieferanten sowie Geschäftsfreunden, letztere den Unternehmensbeteiligten (AR, Aktionären, Belegschaft). I m Frühund Hochkapitalismus, als gut verdient wurde, m i t blühenden Kartellen und Syndikaten, blieben die Unternehmen lieber still und unbemerkt. Seit die Wirtschaftspresse erstarkte und die Unternehmen zunehmend unter den Einfluß der Wirtschafts- und Sozialpolitik gerieten, bauten sie ihre Publizität vielseitig und intensiv aus 14 . Aber auch der sonstige Informationsfluß der A G hat sich immer mehr verstärkt, wobei die zunehmenden gesetzlichen Anforderungen sich m i t dem Verständnis der Verwaltungen für positive Wirkungsmöglichkeiten begegneten. 14
Der Enquete-Ausschuß widmete der „Publizität" zahlreiche Fragebogen, 40 Seiten Verhandlungsberichte und 8 Seiten Ergebnisbericht. Er stellte das gemeinsame Bemühen der Verwaltungen und der Handelspresse fest, „die gegenseitigen Beziehungen möglichst günstig zu gestalten", dazu die Bereitschaft der Verwaltungen, „die Kritiken der Presse weitgehend zu berücksichtigen" (S. 30).
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X . Informationen und Publizität
(109) Nach dem Aktiengesetz lassen sich unterscheiden: — Mitteilungen ( = gezielte Einzelinformationen) an alle oder an bestimmte Aktionäre, ζ. B. über die Einberufung einer H V (§ 125) — Berichte ( = inhaltlich vorgeschriebene, i n der Regel schriftliche Informationen), ζ. B. des Vorstands an den AR (§ 90) — Auskünfte ( = Antworten auf bestimmte Fragen), z.B. an Aktionäre i n der H V (§131) und an Abschlußprüfer (§ 165) — Vorlagen ( = informative schriftliche Unterlagen), z.B. Jahresabschlüsse und Geschäftsberichte für die H V (§ 176) — Bekanntmachungen ( = öffentliche Anzeigen), z.B. der Tagesordnung für die H V (§ 124), des Jahresabschlusses (§ 177) und des Konzernabschlusses (§ 338) i m Bundesanzeiger und i n den Gesellschaftsblättern — Anmeldungen zum Handelsregister, ζ. B. von Änderungen der Gesellschaftsorgane (§ 81), zur Eintragung, m i t anschließender Veröffentlichung i m Bundesanzeiger — Einreichung ( = schriftliche Übersendung) zum Handelsregister, ζ. B. des Jahresabschlusses und Geschäftsberichtes (§ 177) Das sind nicht weniger als sieben verschiedene Arten gesetzlich verlangter Informationen. Ob für sie ein Bedürfnis besteht, muß mindestens teilweise bezweifelt werden, so ζ. B. die Bekanntmachungen i m Bundesanzeiger, oder die vielen Unterlagen für das Registergericht, das damit doch nichts anfängt. Deshalb sollte der Gesetzgeber immer wieder prüfen, ob Publizitätspflichten vom Bedürfnis und Informationswert her gerechtfertigt sind oder wenigstens Vereinfachungen möglich sind. (110) Soweit das Ausmaß der Publizität dem Ermessen der Unternehmen überlassen ist, haben diese allen Anlaß zur Zurückhaltung. — Jede Information bereitet den Unternehmen Arbeit und Kosten, ohne daß sich ein Nutzen feststellen läßt. I m Gegenteil bringt sie leicht K r i t i k und Angriffe ein, gegen die sich kaum etwas ausrichten läßt, selbst wenn sie auf Unverständnis oder Böswilligkeit beruhen. Deshalb hegten AG's i n früheren Zeiten ein gesundes Mißtrauen gegen jegliche Publizität. — Wie der Privatbereich jedes Menschen gegen fremde Einblicke geschützt ist, so sind auch viele Interna eines Unternehmens schutzwürdig. Das gilt nicht nur für „Geschäftsgeheimnisse" gegenüber der Konkurrenz, sondern ganz allgemein. Deshalb ist ζ. B. die Angabe des Vorstands- und Aufsichtsratsbezüge im Geschäftsbericht (§ 160 I I I AktG) fragwürdig. Da die Aktionäre auf ihre Höhe
Β. Jahresabschluß
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keinen Einfluß haben, dient diese Information nur zur Befriedigung der öffentlichen Neugier. — Jede I n f o r m a t i o n m u ß sich h i n r e i c h e n d d u r c h Z w e c k , Z i e l u n d E r f o l g r e c h t f e r t i g e n . Das s o l l t e v o r a l l e m d e r S t a a t bedenken. A u s gesetzgeberischer u n d b e h ö r d l i c h e r A l l m a c h t n e i g t e r z u e i n e m M a x i m u m a n I n f o r m a t i o n s p f l i c h t e n , o h n e z u p r ü f e n , ob sie w i r k l i c h n ö t i g sind.
B. Jahresabschluß (111) F ü r d i e Aktionäre b i l d e t d e r Jahresabschluß nebst Geschäftsbericht die wichtigste Information. E r soll über die Vermögens- u n d E r t r a g s e n t w i c k l u n g u n t e r r i c h t e n , d i e f ü r d i e A k t i o n ä r e entscheidende Bedeutung hat. Leider denken auch hierbei die Verwaltungen großer Gesellschaften schon mehr an die Öffentlichkeit, also den Publizitätseffekt, als an den Informationseffekt für die Aktionäre. So werden schon vor dem Jahresabschluß vorläufige Ergebniszahlen publiziert. Der Abschluß nebst Geschäftsbericht wird in einer Pressekonferenz vorgestellt, kommentiert und diskutiert (womit die Verwaltung schon für die H V probt). Die Aktionäre, Banken und sonstigen Beteiligten erhalten den Geschäftsbericht (häufig auch nur Kurzfassungen) erst mit den Einladungen zur HV. I n der H V referiert die Verwaltung über weitere wesentliche Punkte, aber die Manuskripte davon erhalten nur die Pressevertreter, ausnahmsweise auch Aktionäre. Seit d e r Jahresabschluß n i c h t m e h r v o n d e n A k t i o n ä r e n i n d e r H V festgestellt w i r d ( w i e b i s 1937 n a c h § 2 6 0 1 H G B ) , s o n d e r n d u r c h V o r s t a n d u n d A R (§ 172 A k t G ) h a b e n d i e A k t i o n ä r e e i n e r h ö h t e s Interesse a n e i n e m aufschlußreichen Jahresabschluß. D a f ü r w o l l e n d i e gesetzl i c h e n Gliederungsvorschriften sorgen. (112) D i e B e s t i m m u n g e n ü b e r d e n Jahresabschluß s i n d m e h r f a c h e r weitert worden. I m alten Aktienrecht beschränkten sich die Vorschriften über den Jahresabschluß auf wenige Paragraphen (§ 261 bis 265 HGB), davon nur einer (§ 261) mit Bewertungsvorschriften. Die Novelle vom 19. September 1931 brachte erstmals eingehende Gliederungsvorschriften (§ 261 a—e), dazu Prüfungsvorschriften (§ 262 a—g), während vorher nur Sonderprüfungen auf GV-Beschluß vorgesehen waren (§§266, 267). Der Enquete-Ausschuß (1930), auf den die Gliederungsvorschriften wesentlich zurückgingen, hatte bemängelt, die Aussagefähigkeit der Jahresrechnung leide darunter, daß viele Gesellschaften einzelne Posten der Bilanz wie der Gewinn- und Verlustrechnung zusammenzuziehen pflegten. Ein zweiter Punkt seien die stillen Reserven, die durch hohe Abschreibungen und Minderbewertungen entständen. Das AktG von 1965 stellt an den Jahresabschluß eingehende Anforderungen. Es gelten die „Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung" (§1491) im Sinne von Klarheit, Wahrheit und Ordnungsmäßigkeit, die Gliederung der Bilanz sowie der Gewinn- und1 Verlustrechnung nach einem genauen Schema
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X . Informationen und Publizität
(§§ 151, 152, 159), Bewertungs- und Züordnungsvorschriften (§§ 153—156, 158), Erläuterungen durch den Geschäftsbericht (§ 160). Die Einhaltung dieser Vorschriften soll durch den Abschlußprüfer überwacht und gewährleistet werden (§§ 162 bis 169), dem sich eine Prüfung durch den AR anschließen soll (§§ 171, 172).
Dennoch ist die Aussagefähigkeit des Jahresabschlusses und vor allem die Kritikmöglichkeit durch die Aktionäre relativ gering. Das w i r d i m Anhang 4 näher ausgeführt. Die Buchungsgrundsätze sind nicht konkretisiert. Die Bewertungsmöglichkeiten, insbesondere die Bildung stiller Reserven, lassen große Spielräume; desgleichen kalkulatorische A n sätze, wie für Abschreibungen und Rückstellungen. Demnach verfügt der Vorstand bei der Aufstellung des Jahresabschlusses über bedeutende Gestaltungsfreiheit. M i t welcher Tendenz er hiervon Gebrauch macht, hängt von der jeweiligen Zielsetzung seiner unternehmerischen Finanzpolitik ab. Der Vorstand neigt dazu, durch ausgeprägte Vorsicht und Vorsorge die Finanzkraft des Unternehmens zu stärken und auch noch wesentliche Teile des Jahresüberschusses den Rücklagen zuzuweisen; er ist für Selbstfinanzierung. Umgekehrt tendieren die Aktionäre zu höheren Gewinnausschüttungen und stärkerer Außenfinanzierung (durch Kreditaufnahmen und Kapitalerhöhungen). Die Bedeutung dieser gegensätzlichen Einstellung w i r d i m Anhang 6 über „Probleme der AG-Finanzierung" behandelt. Davon hängt nicht nur die Verwendung, sondern auch die Höhe des ausgewiesenen Gewinnes ab. (113) Man sollte erwarten, daß die Aktionäre nicht allein über die Verwendung des Bilanzgewinns (und die Deckung eines ausgewiesenen Verlustes), sondern auch über den Jahresabschluß zu entscheiden hätten. Statt dessen beschränkt das A k t G sie auf das, was Vorstand und A R ihnen m i t dem Jahresabschluß zu überlassen bereit sind. Das führt zu den bekannten einseitigen Klagen der Aktionäre, daß die Dividende zu gering sei und die Verwaltung zuviel für die „innere Stärkung" des Unternehmens getan habe; aber diese Klagen fruchten nichts, weil sie den Jahresabschluß nicht ändern können und ein Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen nicht festzustellen ist. Anderseits ist auch nicht ausgeschlossen, daß der Jahresabschluß ein zu günstiges B i l d gibt, die Aktionäre also über die tatsächliche Lage und Entwicklung getäuscht werden. Wenn es dann zu Dividendenausfall, Verlustausweisungen, Kapitalzusammenlegungen und schließlich Zahlungseinstellungen kommt, sind die Aktionäre empört, weil sie das nach den früheren Jahresabschlüssen nicht erwartet hatten. Diese brauchen nicht „falsch" gewesen zu sein, aber die Ahnungslosigkeit der Aktionäre zeigt, wie wenig die gesetzlichen Vorschriften eine wirtschaftlich richtige Jahresrechnung gewährleisten.
C. Geschäftsbericht
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(114) Es wäre jedoch verfehlt, für den Jahresabschluß noch mehr Dirigismus zu verlangen. Wäre er möglich, so hätte i h n das A k t G von 1965 wahrscheinlich schon gebracht. Aber hier zeigt sich, daß alle Vorschriften über die Rechnungslegung nur die formelle, nicht die materielle Gestaltung erfassen können. Formell kann erreicht werden, daß alle wesentlichen Positionen ausgewiesen werden, so daß (insoweit) nichts versteckt oder verrechnet werden kann. Die Ansätze selbst werden dagegen durch die wirtschaftliche Beurteilung bestimmt, die der Gesetzgeber den Beteiligten überlassen muß. Bezeichnend hierfür ist das ewige Problem der Stillen Reserven. Obwohl immer wieder verlangt worden ist, daß der Gesetzgeber sie begrenzen solle, hat niemand hierfür eine praktikable Lösung angeben können, so daß sie bis heute unreglementiert geblieben sind. Anderseits war es früher, als es praktisch keine Ausweisungsvorschriften für den Jahresabschluß gab, möglich, den Aktionären die tatsächliche Vermögens- und Ertragslage ihres Unternehmens in kaum glaublicher Weise zu verheimlichen. Ein Beispiel hierfür — im Sinne einer besonders gut situierten, nach außen jedoch unscheinbaren Gesellschaft — bietet der Mülheimer Bergwerksverein A G in Mülheim/Ruhr. Dieses mittelgroße SteinkohlenBergbauunternehmen mit 5 Zechen verdiente in den Zeiten des RheinischWestfälischen Kohlensyndikats (ab 1893) sehr gut, schüttete aber stets nur 5 % Dividende aus. Die Investitionen wurden großenteils nicht aktiviert und die stillen Reserven wurden laufend vergrößert. Außerdem kaufte die Gesellschaft unbemerkt immer weitere Teile des eigenen Aktienkapitals auf, das sich auf nur 12 Mio M belief und dessen Kurs sich infolge der mäßigen Dividende nur um pari bewegte. Der AR bestand aus Hugo Stinnes (Mehrheitsbesitzer), August Thyssen (Minderheitsbesitzer) und einem Bankier (Nathan); er sorgte dafür, daß die Publizität so gering wie möglich blieb, insbesondere die Reservenbildung wie der Besitz an eigenen Aktien nicht bekannt wurde. Erst mit dem Zusammenbruch des Stinnes-Konzerns (nach 1924) wurde die Gesellschaft „ausgeschlachtet", aber davon hatten die freien Aktionäre nichts mehr.
C. Geschäftsbericht (115) Die eingehenden Vorschriften i m § 160 A k t G über den Inhalt des Geschäftsberichts stellen diesem i m wesentlichen drei Aufgaben: — „den Geschäfts verlauf und die Lage der Gesellschaft darzulegen" — den „Jahresabschluß zu erläutern" — ergänzende Angaben zum Jahresabschluß zu machen (die i m § 160 I I I einzeln aufgeführt sind). Diese umfassende Thematik und die stark gewachsene Publizitätsneigung haben die Geschäftsberichte immer umfang- und inhaltsreicher werden lassen. — Früher beschränkten sich die Geschäftsberichte i m wesentlichen darauf, die Jahresrechnung verständlich zu machen und das ertrags-
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X . Informationen und Publizität
mäßige Ergebnis zu begründen. Diese Erläuterungen stellen auch heute noch für die Aktionäre den wichtigsten Teil des Geschäftsberichtes dar, aber gerade sie bleiben i m allgemeinen recht dürftig, indem sie sich weitgehend auf Wiederholung der Abschlußzahlen beschränken. — Ausreichend w i r d zumeist über die Investitionen und die Finanzierung berichtet, desgleichen über die Belegschaft (Sozialbericht). — I n Unternehmen m i t verschiedenen fachlichen Arbeitsgebieten sind Erklärungen über deren Lage und Entwicklung üblich und nützlich (Spartenberichte), aber zahlenmäßig werden allenfalls die Anteile am Gesamtumsatz (nicht am Ertrag, an den Investitionen, der Belegschaft etc.) bekanntgegeben. Da jedoch nicht selten chronisch unrentable Produktionszweige mitgeschleppt werden, sollten die Aktionäre auch hierüber mehr erfahren, wenngleich das rechnerisch schwierig und wettbewerblich bedenklich sein kann. Entsprechende Auskunftswünsche i n der H V werden selten beantwortet. — Große Bedeutung haben bei beherrschenden Konzerngesellschaften die Ausführungen über die Beteiligungsgesellschaften, zumal auch der Konzernabschluß nur Gesamtzahlen bringt. Zahlenmäßige Angaben je Gesellschaft sind jedoch selten. Manchmal werden Umsätze und Investitionen, kaum jemals Gewinn- und Verlustzahlen genannt. Das Gesetz verlangt es nicht und die Gesellschaft möchte Stärken wie Schwächen der einzelnen Beteiligungen nicht zu deutlich werden lassen. Zurückhaltung ist auch dann geboten, wenn größere fremde Beteiligungen bestehen; erst recht, wenn die Beteiligungsgesellschaft keine A G und damit nicht publizitätspflichtig ist. Das gilt verstärkt für Auslandsbeteiligungen. (116) Über den gesetzlich vorgesehenen Inhalt hinaus bringen die Geschäftsberichte der großen AG's noch vieles andere, so über: die gesamtwirtschaftliche und branchenmäßige Entwicklung m i t ihren Auswirkungen auf den Geschäftsgang, technische Neuerungen i n der Produktion und auf den Absatzmärkten, Aufwendungen für und Ergebnisse von Forschung und Entwicklung, Beziehungen zum und Betätigungen i m Ausland. Unterstützt durch zahlreiche Bilder, Tabellen und Graphiken kann sich damit der Geschäftsbericht, über seinen ursprünglichen Zweck hinaus, zu einem Prospekt über das ganze Unternehmen auswachsen, der für Aktionäre und Belegschaft, Geschäftsfreunde und Kapitalanleger, Behörden und Politiker und sonstige Öffentlichkeit gedacht ist. Damit w i r d der Geschäftsbericht zu einem Kernstück der PR-Arbeit, zu der sich große Unternehmen heute verpflichtet fühlen und von der sie sich eine werbende Wirkung versprechen.
D. Handelsregister
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Diese Entwicklung hat freilich auch ihre Kehrseiten. Durch ihren Umfang und ihre übliche komfortable Aufmachung, dazu die hohen Versandkosten, verursachen die Geschäftsberichte große Kosten. Publikumsgesellschaften wenden hierfür mehrere hundertauschend Mark auf. Deshalb haben sich Kurzfassungen (von etwa 8—12 aus 60—100 Seiten) eingebürgert. Durch sie läßt sich die Auflage der vollständigen Fassung bis auf ein Zehntel und weniger der sonst erforderlichen Stückzahlen ermäßigen.
Anderseits leidet durch den Umfang die Übersichtlichkeit und w i r d es häufig schwierig, die Angaben, die speziell zur Erläuterung und Ergänzung des Jahresabschlusses dienen sollen, zu finden. Die werbende Absicht verleitet auch leicht zu einseitigen Darstellungen und zur Verdrängung der Probleme, welche die Aktionäre vor allem angehen. Man sollte daher zwischen einem Geschäftsbericht i m ursprünglichen Sinne ( = Erläuterung des Rechenwerkes) und einem allgemeinen Bestandsund Erfolgsbericht trennen.
D. Handelsregister (117) Z u m Bereich der Publizität gehört schließlich auch das Handelsregister (HR). Es entspricht ehrwürdiger deutscher Rechtstradition. Als Teil der freiwilligen Gerichtsbarkeit w i r d es beim Amtsgericht des Sitzes der Gesellschaft geführt. Unverständlicherweise schreibt § 80 A k t G sogar vor, allen Geschäftsbriefen das Registergericht und die Nummer der Eintragung i n das Handelsregister aufzudrucken, dazu die Namen der Vorstandsmitglieder und der AR-Vorsitzenden. Dabei bringt die HR-Eintragung wenig: Firma und Sitz der Gesellschaft, Gegenstand des Unternehmens (gewöhnlich m i t pauschaler Umschreibung), Höhe des Grundkapitals, Datum der Satzung und Namen der Vorstandsmitglieder (§39). (118) Die Eintragungen i n das HR erfolgen nach Anmeldung auf Antrag. Z u Anmeldungen werden sehr umfangreiche Unterlagen verlangt, (s. ζ. B. für eine Gesellschaftsgründung § 37 und für eine Kapitalerhöhung § 188). Man könnte diese bürokratischen Umständlichkeiten damit rechtfertigen, daß das HR durch Nachprüfung aller Vorgänge die Öffentlichkeit vor betrügerischen Manövern schützen sollte. Das Gesetz sieht auch vor, daß das Registergericht ζ. B. bei Kapitalerhöhungen den Wert der Sacheinlagen durch Sachverständige prüfen lassen kann (§ 184 III). Indessen besteht hierfür kaum eine wirtschaftliches Bedürfnis und muß auch die Qualifikation des Registergerichts zu einer solchen Uberprüfung bezweifelt werden. Abgesehen hiervon hat die Eintragung i n das HR (anders als etwa Grundbucheintragungen) keine rechtsbegründende, sondern nur publizierende Bedeutung.
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X . Informationen und Publizität
Die textliche Belastung des Aktiengesetzes und die Arbeitsbelastung der Gesellschaften wird noch dadurch fast unerträglich ausgeweitet, daß ζ. B. — nicht nur die Beschlüsse über Veränderungen des Grundkapitals, sondern auch deren Durchführungen anzumelden sind (was allein 8 umständliche Paragraphen ausmacht). — alle Arten der Veränderung des Grundkapitals sowie der Verschmelzung, Umwandlung oder Abwicklung von Gesellschaften getrennten H R - V o r schriften unterliegen. — die Eintragungen auch bei allen H R von Zweigniederlassungen (§42).
erfolgen
(119) Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Meldepflichten zum HR über Vorgänge, die nicht eingetragen werden. So ist insbesondere der Jahresabschluß nebst Geschäftsbericht m i t Unterschriften (!) aller Beteiligten „einzureichen"; dazu die „Bekanntmachung" des Jahresabschlusses i n den Gesellschaftsblättern. Anderseits beschränkt das Gesetz die Prüfung durch das Registergericht auf die Einhaltung der Formalitäten. So hat es nur darauf zu achten, „ob der Jahresabschluß offensichtlich nichtig ist" (§ 177 I I I , 2), nicht aber, ob „der Jahresabschluß und der Geschäftsbericht den Bestimmungen des Gesetzes und der Satzung entsprechen" (§ 177 I I I , 3). Einerseits muß also dem Registergericht alles Erdenkliche beigebracht werden, anderseits entzieht es sich einer wirklichen Prüfung. Insbesondere verlieren dadurch die Aktionäre die Möglichkeit, die Rechtsgültigkeit eines Jahresabschlusses einfach durch das Registergericht (statt durch Prozesse) feststellen zu lassen. Wenn das Registergericht mit den Meldungen nichts anfängt, sollte man den Gesellschaften den vielen „Meldekram" ersparen. Kapitalerhöhungen sowie Unternehmens- und Eingliederungsverträge werden zwar erst mit der Eintragung i n das HR wirksam (§§ 189, 294 II, 319 IV), aber selbst i n diesen Fällen fehlt eine materielle Prüfungspflicht und ein Ablehnungsrecht des Registergerichts (ζ. B. bei unzureichenden Abfindungsangeboten) . (120) Für Aktionäre könnte das HR dann etwas interessanter werden, wenn sie die Registerakten einsehen könnten, welche die Unterlagen zu den Anmeldungen enthalten. Beispiel: Der Anmeldung von Bestellungen und Abberufungen von Vorstandsmitgliedern sind die betreffenden AR-Sitzungsprotokolle beizufügen.
Solche Einsichtnahme i n die Registerakten ist jedoch grundsätzlich nicht zulässig. Die Praxis geht allerdings verschieden weit. So werden ζ. B. auf Antrag von Aktionären Ablichtungen der Teilnehmerverzeichnisse der H V (§ 130 III) erteilt, so daß sie feststellen können, wer wie viel vertreten hat, als Eigen- oder Fremdbesitz. Indessen sollten die Gesellschaften selbst gegenüber den Aktionären so informationsbereit sein, daß diese es nicht nötig haben, i n den HR-Akten nachzuforschen.
E. Rückblick
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(121) Zusammenfassend läßt sich demnach über das HR sagen: — Das Gesetz hat auch hier sehr gründliche, aber i m Ergebnis nahezu wirkungslose Arbeit geleistet. — Die wenigen i m Register eingetragenen Daten sind ohnehin aus dem Geschäftsleben und den überall erhältlichen Geschäftsberichten bekannt. Das HR hat also keine Publizitätsfunktion. — Die angemeldeten oder mitgeteilten Fakten und Vorgänge müssen zwar von den Gesellschaften umfangreich dokumentiert werden, aber dieser Aufwand ist zwecklos, weil das Registergericht die Rechtmäßigkeit und Richtigkeit nicht überprüft und autorisiert. So gesehen könnten die allermeisten HR-Vorschriften des A k t G ohne spürbare Nachteile fortfallen. E. Rückblick (122) Die enorme Menge und Vielfalt von Informationen und Publizität, die hier nicht einmal erschöpfend dargestellt ist, sollte zu kritischer Besinnung veranlassen. Das A k t G ist zu weitgehend und u n k r i tisch der vorherrschenden Auffassung gefolgt, Information und Kommunikation seien absolute Werte und sollten deshalb maximal gestaltet werden. Da sie nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Zweck sein können, kommt es darauf an, was sie bewirken sollen und können. Informationen für Aktionäre haben z. B. wenig Sinn, wenn sie damit nichts anfangen können, weil sie keine entsprechenden Entscheidungen treffen dürfen. Meldungen an das Registergericht sind sinnlos, wenn es damit nichts anstellt. Statt gesetzlicher Informations- und Publizitätspflichten sollte man es grundsätzlich der Geschäftsführung überlassen, wozu und wie sie PRArbeit leisten w i l l ; z. B. zur Verbesserugn des Betriebsklimas oder des Verhältnisses zu den Aktionären, den Kreditgebern und potentiellen Kapitalanlegern oder ganz allgemein des Image des Unternehmens in der Wirtschaft und Öffentlichkeit. Die Gesetzgebung dagegen erzwingt Informationen, von denen sie glaubt, daß sie nötig und nützlich seien; und sie gefällt sich dabei i n einem Schematismus, der bis zur Sinnlosigkeit gehen kann. Das läßt sich umso weniger rechtfertigen und gutheißen, als das A k t G anderseits wirklich wichtige Grauzonen nicht zu durchleuchten weiß. Deshalb erscheinen wesentliche Vereinfachungen und Verbesserungen auch für die Publizitätsvorschriften des A k t G geboten.
7 Huppert
X I . Statistische Aufschlüsse Motto:
M i t d e r A k t i e s t e h t es schlecht
(123) W ä h r e n d I n f o r m a t i o n e n u n d P u b l i z i t ä t ü b e r d i e einzelnen AG's u n t e r r i c h t e n , s o l l e n S t a t i s t i k e n d i e gesamtwirtschaftliche Bedeutung u n d S t r u k t u r d e r A G ' s u n d d e r A k t i e n zeigen. D a b e i g e h t es u m — Bestand u n d E n t w i c k l u n g der A G ' s u n d A k t i e n (A) — A k t i e n als F i n a n z i e r u n g s m i t t e l d e r U n t e r n e h m e n (B) — V e r m ö g e n s b i l d u n g u n d A k t i e n a n l a g e (C) — Z u s a m m e n s e t z u n g d e r A k t i e n b e s t ä n d e b e i B a n k e n (D) — R e n d i t e n d e r A k t i e n (E) D i e d a b e i festgestellten S t r u k t u r e n u n d E n t w i c k l u n g e n s o l l e n zeigen, w e l c h e R o l l e d i e A G ' s u n d A k t i e n tatsächlich spielen, v e r g l i c h e n m i t d e n A u f g a b e n u n d E r w a r t u n g e n , w e l c h e sie e r f ü l l e n sollen. Das v e r a n laßt, d e n Ursachen f ü r diese D i s k r e p a n z e n nachzugehen u n d nach M i t t e l n z u r F ö r d e r u n g d e r A k t i e n z u suchen (F). D i e S t r u k t u r des A k t i e n besitzes g i b t a u ß e r d e m A n h a l t s p u n k t e f ü r d i e z a h l e n m ä ß i g e B e d e u t u n g der Großaktionäre u n d Konzerne. So bedeutend die Publizität insbesondere der großen AG's ist, so lückenhaft ist das statistische Material über AG's und Aktien insgesamt. Die amtliche deutsche Statistik führt keine primären Erhebungen bei und über AG's durch. Deshalb muß das einschlägige Zahlenmaterial solchen Wirtschaftsstatistiken entnommen werden, die nach Unternehmensformen und Anlagearten so aufgegliedert sind, daß sie Zahlenangaben über AG's und Aktien enthalten. Das geschieht jedoch relativ selten, weil die deutsche Wirtschaftsstatistik primär auf bestimmte Sachverhalte (ζ. B. Umsätze, Investitionen, Beschäftigte) abgestellt ist, während die Rechtsformen der beteiligten Unternehmen allenfalls sekundär berücksichtigt werden (ζ. B. bei der Umsatzsteuerstatistik). Die Bilanzstatistik hält sich an die im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschlüsse der AG's. Gutes Material liefert auch die Kapitalmarktstatistik. Viele Aufschlüsse bringen- die gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnungen der Bundesbank; ebenso die Repräsentativstatistiken über Bankendepots. Umfangreiches statistisches Material enthält das Buch von Ulrich Fritsch, „Mehr Unternehmen an die Börse", Verlag Dr. O. Schmidt, Köln 1978, über deutsche AG's und Aktien, auch im internationalen Vergleich. Eine Sammlung der hauptsächlichen laufenden Daten bringt die Bundesbank in ihren
99
Α. Aktiengesellschaften „Statistischen Beiheften statistik.
zu den Monatsberichten",
Reihe 2,
Wertpapier-
A. Aktiengesellschaften (124) Die langfristige deutsche Entwicklung zeigt eine starke Entfaltung der AG's bis zum ersten Weltkrieg und eine relative Abnahme bis zum zweiten Weltkrieg. Bis 1913 nahmen die AG's nach Zahl und Kapital kräftig zu und die Inflations] ahre (1918—1923) ließen die Zahl der Gesellschaften unabsehbar steigen. Auch nach der Kapitalumstellung (1924) gab es noch weit mehr AG's als i n der Vorkriegszeit, aber i n den Krisenjahren (1930—1932) mußten viele Gesellschaften aufgeben oder i h r Kapital zusammenlegen. Hinzu kam ein allgemeiner Konzentrationsprozeß. M i t dem Stand von 1938 wurde das Jahr 1913 zahlenmäßig nur wenig übertroffen und kapitalmäßig, am Geldwert gemessen, weit unterschritten (Tab. 1, Teil A). I n den 50er Jahren hatte sich i n der BRD die Zahl der AG's gegenüber dem DR von 1938 halbiert. Sie schrumpfte anschließend allmählich u m ein weiteres Viertel. Das A K Tabelle 1 Deutsche Aktiengesellschaften 1896 bis 1938 (Reichsgebiet)
a) Berliner Börse. — Die Börsenkurse betrugen durchschnittlich 185 in 1896, 199 in 1906, 193 in 1913, 167 in 1925 und 128 in 1938. Quelle: Deutsche Bundesbank, Geld- und Bankwesen in Zahlen 1876—1975, S. 294.
7·
Börsennotierte AG Anzahl Kapital Nominalwerte Kurswerte
Anteil 2 :1 (2.2.1 :1.2)
2. 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2
3.
1960
23 880 80 050
82 350
2 218
1970
51,2
1974
2 170
29 698 35 429 42 019 106 546 109 957 136 478
465
70 207
2 302
1965
55 604
2 508
550 479
51,1 51,7 53,2 53,4 50,5
16 387 98 566
627
44 864
2 558 31 703
628
12 855 23 331
686
25 148
2 824
1956
Quelle: Wie Tab. 1, S. 306; Monatsberichte der Bundesbank, Tab. VI, 5, Statistisches Jahrbuch 1977, S. 302 WiSta 1978, H. 1, S. 52.
in °/o
AG insgesamt Anzahl Aktienumlauf Nominalwerte
1. 1.1 1.2
Aktiengesellschaften und Aktienumlauf
in der Bundesrepublik, Werte in Mio DM am Jahresende
Tabelle 2:
1977
100 X I . Statistische Aufschlüsse
Α. Aktiengesellschaften
101
nahm zwar anhaltend zu, aber weniger als das allgemeine Wirtschaftswachstum (Tab. 2, Teil 1). (125) Über die börsennotierten A k t i e n sind aus der Zeit vor 1925 keine Zahlen bekannt. I n den Jahren 1925—38 halbierte sich ihre Zahl; ihr Kapital ging allerdings nur u m ein Fünftel zurück (Tab. 1, Teil B). Seit den 50er Jahren hält sich der Anteil der Börsenwerte am Nominalkapital aller A k t i e n leicht über 50 °/o (Tab. 2, Z. 3), jedoch hat die Zahl der Börsennotierten anhaltend abgenommen (Tab. 2, Z. 2). Der Trend zur Konzentration und zu großen AG's m i t hohem Investitionsbedarf hätte erwarten lassen sollen, daß noch mehr AG's den Weg zur Börse und damit zur Publikumsanlage gesucht hätten. Die Börse selbst beklagt am meisten das Ausbleiben von Neueinführungen, aber es mangelt an Anlagebereitschaft des Sparerpublikums. Das Gros der börsennotierten A k t i e n bilden die Publikumsaktien. Ende 1976 machten sie 75,6 °/o ihres Grundkapitals und 72 °/o ihres Kurswertes aus (Stat. Bundesamt, lt. Bundesbank, Wertpapierstatistik, Reihe 2, Tab. 14). A u f sie konzentriert sich das Börsengeschäft umso mehr, als ein erheblicher Teil der übrigen börsennotierten A k t i e n aus Paket- oder Beteiligungsbesitz besteht. Aber selbst bei nicht wenigen großen Publikumsgesellschaften befinden sich bedeutende Kapitalanteile i n festen Händen (vor allem i n Energiewirtschaft und Automobilindustrie, auch Elektroindustrie). Die Zusammensetzung der nicht an der Börse eingeführten Aktien ist statistisch nicht erfaßt, so daß man hierfür auf Vermutungen angewiesen ist. Zumeist sind es AG's, die kein breites Anlegerpublikum brauchen oder wünschen, vielleicht auch dem Prospektzwang und sonstiger Publizität abgeneigt sind. Typische Fälle sind: — kleine AG's, die keinen Emissionsbedarf haben oder für deren Aktien sich kein ausreichender Markt bilden würde — AG's in Familienbesitz, Stiftungsbesitz oder mit sonstigem festen Aktionärskreis — Verkehrs- und Versorgungsunternehmen sowie andere AG's der öffentlichen Hand — AG's in maßgebendem Auslandsbesitz oder vollem Konzernbesitz
(126) Über die gesamtwirtschaftliche gende Zusammenhänge einen Anhalt:
Bedeutung der AG's geben fol-
a) Verfolgt man die langfristige Entwicklung des Grundkapitals der AG's i n Relation zum Brutto-Sozialprodukt, so zeigt sich ein fortgesetzter starker Rückgang:
102
X I . Statistische Aufschlüsse Grundkapital der A G in °/o des BSP 1896 1913 1925 1930 1938 1960 1970 1974 1977
36 30 27 29,3 18,6 10,5 8,2 7,1 6,9
Die Schrumpfung bleibt auch dann noch eindrucksvoll, wenn man berücksichtigt, daß die Aktienkurse vor 1960 erheblich niedriges als ab 1960 lagen. b) Aus der Umsatzsteuerstatistik hat das Statistische Bundesamt (in „Wirtschaft und Statistik", März und August 1976) die beteiligten Gesellschaften i m Jahr 1974 ermittelt: Anzahl
Aktiengesellschaften GmbH Personengesellschaften
Umsätze in Mrd Werte Anteile in % aller Umsätze
2 159 47 824 179 465
439 358 684
21,5 17,4 33,2
Diese Statistik enthält jedoch nur die umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen, also nicht Banken, Versicherungen und andere steuerbefreite Unternehmen; anderseits nicht die Einzelkaufleute, deren Umsätze (als Rest von Spalte 3) 28 °/o ausmachen. c) Aus einer Statistik der Kapitalgesellschaften S. 112/113) ergeben sich für 1976 —
(Stat. Jahrbuch 1977,
2 177 Aktiengesellschaften m i t 79,2 M r d A K
— 147 233 GmbH mit 73,4 M r d Gesellschaftskapital Dabei steht der leicht sinkenden Tendenz der AG's (1970 noch 2304) ein starker Anstieg der G m b H (1970 erst 80 146) gegenüber. Die schwächere Kapitalausstattung der GmbH erklärt sich aus der strukturell geringeren Bedeutung ihres Gesellschaftskapitals und ihrer überwiegenden Betätigung i m Dienstleistungsbereich. d) Der Schwerpunkt der AG's liegt i n der Industrie. Umsatzmäßig entfallen (nach der USt-Statistik) 86 °/o auf Industriegesellschaften, der Rest auf Handel, Verkehr und sonstige Wirtschaftsbereiche. Allerdings
Β. Aktien als Finanzierungsmittel
103
sind daneben Banken, Versicherungsgesellschaften und Bausparkassen zu berücksichtigen, die sich umsatzmäßig nicht erfassen lassen. A m gesamten Umsatz der Industrie sind AG's knapp zwei Fünftel (39,5 °/o) beteiligt. Die großen Industrieunternehmen sind ganz überwiegend AG's. I n 1975 befanden sich unter den 50 umsatzstärksten Industrieunternehmen 42 AG's; von den 8 Nicht-AG's waren 4 GmbH's i n Auslandsbesitz. B. Aktien als Finanzierungsmittel (127) Für die emittierenden Unternehmen sind A k t i e n ein Finanzierungsmittel; für Aktienerwerber sind sie eine Kapitalanlage und (bei unternehmerischem Beteiligungserwerb) ein Beherrschungsmittel. Der Emissionsbedarf w i r d vom Finanzierungsbedarf der Gesellschaften, der tatsächliche Umfang der Emissionen von der Aufnahmebereitschaft des Kapitalmarktes bestimmt. a) Der Aktienumlauf (Tab. 3, Ζ. 1) hat sich zwar vervielfacht, aber die ausländischen A k t i e n (Z. 1.2) haben relativ stärker als die inländischen (Z. 1.1) zugenommen. Das erklärt sich durch die rasch wachsenden Auslandsinvestitionen der inländischen Konzerne sowie steigende private Kapitalanlagen i n Auslandsaktien. Auch der Aktienumlauf der Banken und Versicherungen (Ζ. 1. 3) ist (aus Deckungserfordernissen gemäß dem Geschäftsvolumen) stärker gewachsen, als bei den sonstigen Unternehmen (Z. 1.1). b) Die Tab. 4 gibt Aufschlüsse, wie und wodurch sich die umlaufenden inländischen Aktienbestände von 41,1 M r d i n 1964 auf 82,4 M r d i n 1977 verdoppelt haben und was sie zur Finanzierung der Gesellschaften beigetragen haben. Dabei zeigt sich für die erfaßten 13 Jahre (1965— 1977): — Den Brutto-Zugängen stehen beträchtliche Abgänge gegenüber, so daß sich die Netto-Zugänge nicht voll qualifizieren lassen. + Durch Umwandlungen kamen 5,2 M r d Kapital hinzu und gingen 3,0 M r d ab. Der Netto-Zugang von 2,2 M r d bedeutet keine Kapitalzufuhr. Gleiches gilt für die 6,9 M r d Einbringungen. + Durch Vermögensübertragungen gingen den AG's 2,7 M r d verloren, während 5,5 M r d hinzu kamen. Der Netto-Zugang von 2,8 M r d zeigt vor allem die Wirkung von Fusionen. 4- A l l e i n 8,5 M r d Kapitalerhöhung entfielen auf Berichtigungsaktien, denen 3,4 M r d Kapitalherabsetzungen gegenüberstanden. M i t h i n bedeuteten netto 5,1 M r d Zugang nur buchmäßige Kapitalerhöhungen, ohne Wertzugang.
1,3
21,4 6,0 8,6 2,6 2,9 5,1
7,2
49,3 12,6 15,1 6,5 7,9 10,0 10.6
13,6
14,4
90,6 24,0 31,4 12,4 15,2
10,1
18.3
28,5
21,3
93,5
141,7 29,9 52,6
77,2
1973
113,2 25,9 40,8
141,7
1971
65,6 34,6
113,2
1968
25,9
69,0 18,9 22,3 9,4 10,8 12,7
6,7
5,1
3,6
54,5
69 90,6
42,0 9,5 18,4
49,3
1964
3,7
1954
1977
Quelle: Gesamtwirtschaftliche Finanzierungsrechnung der Deutschen Bundesbank 1950—1974, Sonderdruck aus Mai 1975, Monatsberichte. Mai 1978, S. 48.
2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5
Vermögensanlage in Aktien Private Haushalte Unternehmen öffentliche Haushalte Ausländische Anleger Inländische finanzielle Anleger (Banken und Versicherungen)
1.1
21,4
Umlauf
Aktien inländischer Unternehmen (außer 1.3) 19,0 Aktien ausländischer Unternehmen 1,4 Aktien finanzieller Unternehmen (Banken u. a.) 1,0
1.
1.2 1.3
Umlauf von und Anlagen in Aktien
Bestände in Mrd DM zu Emissionswerten
Tabelle 3:
104 X I . Statistische Aufschlüsse
Netto-Zugänge (1 ./. 2)
3.
Veränderungen des Umlaufs
41 m 49135
1967
231 874
694
8 008
1 799
1970 55 610
1968—70
6 475
596
4 634 451
^^
304
1976 ^^
192
1977 ^ ^
4 095
150
786
1 110
4 881
1974—76
34 542 2 074
8 424
1743 444
10 997 11654
1 956 529
3 003 910
215 936 2 199
1784
13 397
1971—73 14 000 7 052 1 218
W3
1 409 2 122 1 547
11 109 5 859 1 514
2 875 825
934
259 741 111 1448 2 076
9 807 6 043 1 318
1965—67
Quelle: Bundesbank, Statistische Monatsberichte, Reihe 2, Jan. 1978, Tab. 15, Monatsberichte, Tab. VI, 5.
Gesamtumlauf am Jahresende
2.3
1964
Abgänge Kapitalherabsetzungen Vermögensübertragungen Umwandlungen
2. 2.1 2.2
1.4 1.5
Zugänge Bareinzahlungen Einbringungen Vermögensübertragungen Umwandlungen Berichtigungen
1. 1.1 1.2 1.3
Tabelle 4:
von inländischen Aktien in Mio DM, zu Nominalbeträgen
608
2 587
1977 Β. Aktien als Finanzierungsmittel 105
106
X I . Statistische Aufschlüsse
— Lediglich 30 M r d Zugänge bestanden aus Bareinzahlungen, brachten also den Gesellschaften effektive Kapitalzufuhr. Das entspricht 73 °/o der Zunahme des Aktienumlaufs. c) Wie gering dieser Finanzierungsbeitrag durch Aktienausgabe ist, zeigt sich anschaulich, wenn man den Aktienumlauf als Teil der unternehmerischen Mittelaufbringung sieht. Statistisch geht es dabei u m den Anteil der emittierten Aktien an den „Verpflichtungen" der Unternehmen. Die Tab. 5 ergibt hierzu: Bei den inländischen Unternehmen (Z. 1) Tabelle 5 Verpflichtungen und Aktienumlauf der Unternehmen Aktien zu Nominalwerten in Mio D M Jahresende 1960
1970
1977
Inländische Unternehmen 3 ) (außer 2) 1.1 Verschuldung 1.2 davon Aktien Anteil 1.2 :1.1
158,4 30,7 19,4 °/o
455,7 59,3 13,0 °/o
880,6 93.5 10.6 %
2. Finanz Wirtschaft 15) 2.1 Verschuldung 2.2 davon Aktien Anteil 2.2 :2.1
260,6 2,4 0,9 °/o
802,5 5,9 0,7 °/o
1.769,6 13,6 7,7 °/o
63,6 2,2 3,4 °/o
189,2 16,2 8,5 °/o
393,5 34,6 8,8 °/o
1.
3. Ausländische Unternehmen 3.1 Verschuldung 3.2 davon Aktienc) Anteil 3.2 :3.1
a) Ohne Wohnungswirtschaft. — b) Banken, Versicherungen, Bausparkassen. — c) Zu Tageskursen. Quelle: Gesamtwirtschaftliche Finanzierungsrechnungen der Deutschen Bundesbank 1950 bis 1974 Sonderdruck, S. 126, 136, 140 Monatsberichte, Mai 1978, S. 48.
hat sich der Aktienanteil i n den 17 Jahren von 19,4 auf 10,6% verringert. Bei den Finanzierungsunternehmen (Z. 2) hat sich der Aktienanteil ungefähr gehalten, jedoch auf sehr bescheidener Höhe. Bei den ausländischen Unternehmen (Z. 3) ist die Aktienquote bis 1970 stark gestiegen. Allerdings gilt die „Verschuldung" für Unternehmen aller Rechtsformen, so daß für Aktiengesellschaften die Aktienquote beträchtlich höher ausfallen
C. Aktien als Vermögensanlage
107
würde. Indessen geht es hier weniger um die Höhe als um die Entwicklungstendenz.
M i t h i n hat i n dem erfaßten Zeitraum die Unternehmensfinanzierung sich nur i n geringem Maße der Aktienausgabe bedienen können und umso mehr Kredite aufnehmen müssen. C. A k t i e n als Vermögensanlage (128) Die Verteilung der umlaufenden (inländischen und ausländischen) A k t i e n nach Anlegergruppen geht aus der Tab. 3, Ziff. 2, hervor. Danach sind — anhaltend die Unternehmen (vorwiegend in- und ausländische Konzerne) m i t Abstand die größten Aktienhalter gewesen — die Privaten Haushalte seit Ende der 60er Jahre deutlich zurückgeblieben und von den ausländischen Anlegern fast eingeholt worden — die öffentlichen Haushalte i n den 70er Jahren i n ihrem Aktienbesitz nur noch wenig gewachsen. Ein deutlicheres B i l d als die Entwicklung der Bestände ergibt der Aktienerwerb durch die verschiedenen Anlegergruppen. Das zeigt die Tab. 6 für die letzten 13 Jahre. — I n der zeitlichen Entwicklung insgesamt hat sich der Aktienerwerb bis 1970 kräftig erhöht, aber anschließend, m i t kleinen Schwankungen, nur noch geringfügig vergrößert. Die verschlechterte W i r t schaftslage hat anscheinend die Anlagebereitschaft spürbar beeinträchtigt. — Unter den verschiedenen Anlegergruppen haben seit 1970 die Ausländer (Z. 2.2) anhaltend zugenommen, die Inländer (2.1) nachgelassen. Bei letzteren fallen die starken Schwankungen der Kreditinstitute (Z. 2.1.1) auf. — Die Schwäche des Aktienabsatzes w i r d umso deutlicher, wenn man sie m i t der Höhe und fortgesetzten Progression der Festverzinslichen Wertpapiere (Tab. 6, letzte Zeile) vergleicht. (129) Weitere Aufschlüsse gibt die Aufgliederung des Wertpapierabsatzes i n Tab. 7, die sich über 18 Jahre erstreckt. Sie zeigt die enorme Dynamik und Höhe des Absatzes von Festverzinslichen und die relative Stagnation des Aktienabsatzes. Die Ausländer spielen bei den Anleihen keine Rolle, haben aber bei den A k t i e n kräftig mitgehalten (Z. 2.2.2), so daß ohne sie deren Plazierung noch schlechter ausgefallen wäre. Bemerkenswert ist auch der hohe Anteil des Absatzes ausländischer Aktien (Z. 2.1.2) und die entsprechend geringe Beteiligung inländischer A k t i e n (Z. 2.1.1).
Inländ. Aktien
Ausländ. Aktien
Erwerb durch Inländer Kreditinstitute andere Ausländer
1.1
1.2
2. 2.1 2.1.1 2.1.2 2.2
32 705
9 135 383 8 752 2 425 11 560
11 560
2 983
8 577
6:
54 873
19 551 2 984 16 567 1 259 20 810
20 810
11 277
9 533 5 938
12 444
73 925
124 331
23 260
7 720
5 690 2 980 2 610
7 720
2 030
3 350
4 370
1974—76
54 020
5 434
7 644
17 826 1 170 16 656
23 260
1^71—73
13 011 4 628 18 382
13 754
18 382 743
1968—70 15 616
Absatz und Erwerb von Aktien
zu Kurswerten in Mio DM
1977
a) inländischer Emittenten, Netto-Absatz (= Brutto-Absatz ./. Tilgungen) zu Kurswerten. Quelle: Bundesbank, Statistische Monatsberichte, Reihe 2, Tab. lb zum Monatsbericht Januar 1978, Monatsbericht Mai 1978, S. 40.
Festverzinsliche Wertpapierea>
Absatz von
1.
1965—67
Tabelle
X I . Statistische Aufschlüsse
109
C. Aktien als Vermögensanlage Tabelle 7
Absatz und Erwerb von Wertpapieren zu Kurswerten, in M r d D M Jahre
1.
Festverzinsliche Wertpapiere
1.1 1.2 1.2.1 1.2.1.1 1.2.1.2 1.2.2
Absatz Erwerb durch Inländer Kreditinstitute Nichtbanken Ausländer (netto)
2.
Aktien
2.1 2.1.1 2.1.2
Absatz (netto) Inländ. Aktien Ausländ. Aktien (netto) 2.2 Erwerb 2.2.1 Inländer 2.2.1.1 Kreditinstitute (Bilanzwerte) 2.2.1.2 Nichtbanken 2.2.2 Ausländer (netto)
1960—64
1965—69
1970—74
1975—77
46,9
72,2
115,0
152,9
42,5 14,7 27,8 4,4
74,2 40,9 33,3 ./. 2,0
100,9 33,3 68,6 14,1
152,5 79,9 72,6 0,4
14,0 11,8
26,1 14,5
30,9 19,6
24,7 16,5
2,2
11,6
11,3
8,3
9,6
22,7
24,4
19,1
1,5 8,2
3,3 19,4
1,0 23,4
2,2 16,9
4,4
3,4
6,5
5,7
Quelle: Kapitalmarktstatistik der Bundesbank lt. „Deutsches Geld- und Bankwesen in Zahlen 1867—1975", S. 301, Monatsberichte der Bundesbank, Tab. VI, 1.
Die neueren Absatztendenzen für Wertpapiere werden weiter durch die Tab. 8 veranschaulicht, die sich auf die letzten 7 Jahre beschränkt und eine etwas andere Aufteilung nach Anlegergruppen bringt. Sie zeigt: — Bei den Anleihen waren die Banken (43,6 °/o) und Privaten Haushalte (32,3%) die dominierenden Abnehmer, während Unternehmen (5,2 °/o) und Ausländer (5,0 °/o) stark zurücktraten. — Umgekehrt standen bei den Aktien die Unternehmen (27,3 %) und Ausländer (26,6 °/o) klar an der Spitze, während Banken (15,2 °/o) und Private Haushalte (nur 11,6%) zurückblieben. — Versicherungen beteiligten sich bei Anleihen wie bei A k t i e n i n gleicher, beachtlicher Höhe (13,3 und 13,4 %). (130) Von entscheidender Bedeutung ist das Versagen der Privaten Haushalte bei der Aktienanlage.
X I . Statistische Aufschlüsse
110
Tabelle 8 Anlagen in Wertpapieren zu Emissionswerten in M r d D M Anlegergruppen
1.
Festverzinsliche Wertpapier
1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6
Private Haushalte öffentliche Haushalte Unternehmen Ausland Banken Versicherungen
Summe
2.
Aktien
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6
Private Haushalte Öffentliche Haushalte Unternehmen Ausland Banken Versicherungen
Summe
Zugänge in 1971—1977
Gruppenanteile in v.H.
81,74 1,45 13,27 12,61 110,38 33,53
32,3 0,6 5,2 5,0 43,6 13,3
252,98
6,36 3,17 15,04 14,64 8.38 7.39 54,98
100
11,6 5,8 27.3 26,6 15,2 13.4 100
Quelle: Finanzierungsrechnung der Bundesbank, Monatsbericht Mai (1978), S. 27—48.
a) Die Privaten Haushalte sind der einzige gesamtwirtschaftliche Sektor, der über größeres Netto-Geldvermögen verfügt, also anlagefähige Spargelder aufweist. Nach dem Stand von Ende 197715 verfügten die Privaten Haushalte über 1112 M r d Brutto-Geldvermögen, abzüglich 89 M r d Verpflichtungen über netto 1023 Mrd. Daneben waren nur noch die Fianziellen Sektoren mit 18,3 M r d netto aktiv. Dem standen gegenüber: Unternehmen m i t ./. 428 Mrd, Wohnungswirtschaft m i t ./. 440 Mrd, öffentliche Haushalte m i t . / . 71 und Ausland m i t . / . 102 M r d Netto-Verpflichtungen. Indessen erschöpfte sich der Aktienbesitz der Privaten Haushalte i n 29,9 Mrd, d. i. 2,7 °/o des Geldvermögens. b) Von diesem Aktienvermögen der Privaten Haushalte stammt ein großer Teil aus alten Zeiten. Wie die Tab. 9 zeigt, sind die Privaten 15 s. Gesamtwirtschaftliche Finanzierungsrechnung der Bundesbank, Monatsberichte M a i 1978, S. 48.
111
D. Aktienbestände bei Banken
Tabelle 9 Private Haushalte in der Geldvermögensbildung und Wertpapieranlage in M r d DM, Wertpapiere zu Emissionswerten 1970—73 (4 Jahre)
Geldvermögensbildung
267,6
1974—77 (3 Jahre)
371,9
davon Anlage in a) Festverzinslichen Wertpapieren b) Aktien
41,9 = 15,6 °/o 4,2 = 1,56 °/o
50,9 = 13,7 °/o 4,4 =
0,9 °/o
Quelle: Für 1970—1973 Deutsche Bundesbank, Sonderdruck Gesamtwirtschaftliche Finanzierungsrechnung, S. 84, 90, 96, 102; für 1974—1976 Monatsberichte, Mai 1978, S. 40.
Haushalte i n der Anlegung des laufenden Vermögenszuwachses i n den 70er Jahren m i t Aktienanlagen weiter abgefallen, auf 1,56% i n 1970— 1973 und weiter auf 0,9 °/o i n 1974—1977. Das sind verschwindend geringe Beträge. Statt die große Mehrheit aller Aktienemissionen aufzunehmen, haben die Privaten Haushalte sich der Aktienanlage und damit diesem Finanzierungsbedarf der Unternehmen nahezu verweigert. Vielmehr haben sie allein 70 % ihrer Vermögensbildung bei Banken, Versicherungen und Bausparkassen eingelegt, die aber diese Einlagen nicht ihrerseits i n A k t i e n anlegen können. Man muß dies als eine verhängnisvolle finanzielle Fehlentwicklung bezeichnen. Die intensive Werbung beim Sparerpublikum für die Aktienanlage ist leider ebenso ohne spürbaren Erfolg geblieben, wie die steuerliche Förderung durch Sparprämien und für Belegschaftsaktien. D. Aktienbestände bei Banken (131) Die Bundesbank stellt jährlich (aus Sondererhebungen) eine sog. Depotstatistik zusammen, aus der Tab. 10 einen Auszug bringt. Wegen des hohen Anteils der nicht deponierten Aktien (42—43 %) hat sie jedoch nur begrenzten Aussagewert. Die Erhebungen großer Publikumsgesellschaften erfassen dagegen bis zu 90 % der Aktien, weil sie keine Großaktionäre haben und auch ausländische Banken einschalten.
112
X I . Statistische Aufschlüsse
Tabelle 10 Aktienbestände bei Banken Zusammensetzung der Depotbestände von inländischen Aktien bei inländischen Kreditinstituten in M r d D M zu Nominalwerten Jahresende
Gesamter Umlauf
1971
1974
1977
58,6
68,5
80,2
1. 2.
Eigenbesitz der Banken Depotbesitz
4,3 28,6
5,4 34,1
6,1 40,3
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7
Privatpersonen Kapitalanlagefonds Versicherungsgesellschaften Unternehmen öffentliche Haushalte Sonstige Inländer Ausländer
11,6 1,2 1,2 7,2 4,1 0,8 2,5
11,9 1,9 1,4 9,9 4,5 0,8 3,7
12,6 3,0 1,6 12,7 5,4 0,5 4,4
3.
Rest (statistisch nicht erfaßt)
25,7 (43,8 °/o)
29,0 (42,3 °/o)
33,9 (42,3 °/o)
Quelle: Monatsberichte der Bundesbank Mai 1976, S. 30, Mai 1978, S. 24.
Vor allem sind die A k t i e n der Unternehmen (Z. 2.4) und der Ausländer (Z. 2.7) überwiegend nicht i n inländischer Bankverwahrung. Anderseits w i r d der Besitz von Privatpersonen (Z. 2.1) nahezu vollständig erfaßt sein. Auch die Investmentfonds (Z. 2.2) sind wirtschaftlich i m wesentlichen dem Privatbesitz zuzurechnen, wenngleich sie von den Fondsverwaltungen vertreten werden. — Vergleicht man die Bestände i n 1977 m i t denen von 1965, also die Veränderungen i m Laufe der letzten 12 Jahre, so ist hervorzuheben: + A m wenigsten haben die Bestände von Privatpersonen zugenommen, die lediglich von 10,4 auf 12,6 M r d gestiegen sind. + Uberdurchschnittlich sind die Bestände der Unternehmen und Versicherungen gewachsen, von 7,3 auf 14,3 Mrd, der Ausländer von 1,8 auf 4,4 M r d und der Investmentfonds von 0,6 auf 3,0 Mrd. Das entspricht den Zahlen über die Unterbringung Aktien.
zusätzlicher
D. Aktienbestände bei Banken
113
— Für die Jahre 1971—1977 (Tab. 10) ergibt sich ein Anteilsrückgang (am Gesamtumlauf) der Privatpersonen von 20 auf 15,7 %, bei einem Anteilsanstieg der Unternehmen von 12,3 auf 15,8 %>, der Investmentfonds von 2 auf 3,7 % und der Ausländer von 4,3 auf 5,5 °/o. (132) Über die hier besonders interessierenden Depots von Privatpersonen bringt die Tab. 11 bemerkenswerte Einzelheiten. Sie beziehen sich allerdings auf das Jahr 1972, weil solche Aufgliederungen nur alle 10 Jahre durchgeführt werden. Die statistische Methodik weicht von Tab. 10 ab, so daß die Werte nicht vergleichbar sind.
— Z u Kurswerten gerechnet erreichten die Aktienbestände die gleiche Höhe wie die Anleihebestände (Z. 1.2). Arbeitnehmer und Rentner neigten mehr zu Anleihen, Selbständige zu Aktien. — Nach der Größenstruktur der Aktiendepots (Tab. 11, B) hatte über die Hälfte einen durchschnittlichen Bestandswert von nur 816 DM. Das bedeutete nicht mehr als 5,8 °/o aller Privaten Depotbestände. Zumeist w i r d es sich u m sog. Volks- und Belegschaftsaktionäre gehandelt haben. So sehr sich Politik und Presse anhaltend m i t ihnen beschäftigen, so verschwindend ist ihre Bedeutung für die Kapitalaufbringung. Anderseits machte die oberste Größenklasse, m i t einem Durchschnittsbestand von 153 TDM, allein 52 °/o aller Bestände aus. — Die Zahl von fast 5,4 Mio Privaten Depots (A, Z. 1) hat Publizisten verleitet, von „über 5 Millionen Kleinaktionären" zu sprechen, die auch ein beachtliches Wählerpotential darstellten. Davon ist jedoch ein dreifacher Abstrich zu machen: Aktiendepots gab es nicht 5,4, sondern nur knapp 3,3 Mio; die Zahl der Depots ist auch erheblich größer als die Zahl der Aktionäre, w e i l viele bei mehreren Banken ein Depot unterhalten; und schließlich muß man Depothalter m i t weniger als 1000 D M als Zwergaktionäre bezeichnen, die kein wesentliches wirtschaftliches Interesse an ihren Aktienbesitz bindet. — Insgesamt bestätigt die Depotstatistik, was schon die Statistiken über Vermögensbildung und -anlage zeigten: Der A k t i e ist es nicht gelungen, zu einer beachtlichen Vermögensanlage für das breite Publikum zu werden. Gilt dies für die vorhandenen Bestände, so noch weit mehr für die Beteiligung an neuen Aktienanlagen. (133) Ein beachtlicher und hoffnungsvoller Zweig der Aktienanlage für das Sparerpublikum sind die Kapitalanlagegesellschaften mit Aktienfonds. Sie erlauben, bei kleiner Stückelung, den jederzeitigen Erwerb und Verkauf von Anteilen zu notierten Kursen, und nehmen den Anlegern in sachkundiger Weise die schwierige Entscheidung ab, welche Aktien sie erwerben 8 Huppert
114
X I . Statistische Aufschlüsse
Tabelle 11 Wertpapiere inländischer Privatpersonen Zusammensetzung der Depots bei deutschen Banken Ende 1972 in Mio D M zur Kurswerten A.
1. Gesamtzahlen 1.1 Anzahl der Depots 1.2 Bestandswerte 2.
Gruppenanteile (von 1.2) Selbständige Arbeitnehmer Rentner und Pensionäre Sonstige15)
Depots
insgesamt
Gesamt
Festverzinsliche Wertpapiere
Aktien a )
Ausländische Wertpapiere
5.383 90.405
3.348 41.863
3.255 41.733
479 6.809
29.423 26.355
11.442 13.297
14.714 10.985
3.267 2.073
10.976 23.651
5.733 11.391
4.897 11.140
349 1.120
a) Einschl. Investmentzertiflkate. — b) Berufslose, Hausfrauen, Kinder u. a.
B.
Aktiendepots
Größenklassen in D M
nach
Zahl der Depots in 1000
Größenklassen
Bestände**) in Mio D M
Durchschnittsbestände je Depot in D M
bis 5 000 5 000— 25 000 25 000 — 100 000 über 100 000
1.796 944 391 124
2.439 6.827 10.590 21.877
816 4.020 21.877 153.093
Gesamt
3.255
41.733
7.753
a) Einschl. Investmentzertifikate. Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsberichte für Januar 1974, S. 15, 17.
115
D. Aktienbestände bei Banken
oder veräußern sollen. Die (jährlichen) Berichte der Fondsverwaltungen — die jeweils unter der Führung bestimmter Banken stehen — zeigen eine breite Streuung der Anlagen, jedoch beschränkt auf börsennotierte Aktien und mit deutlichem Schwerpunkt bei großen Publikumsgesellschaften. Außer Dividendenerträgen fallen manchmal erhebliche Kursgewinne an. Dem stehen Kosten für die Fondsverwaltung gegenüber.
a) Die Fondsbestände sind i n relativ kurzer Zeit stark angewachsen (s. Tab. 12), ein Zeichen, daß die Fonds einem Bedürfnis breiter Kreise Tabelle 12 Kapitalanlagegesellschaften mit Publikums-Aktienfonds*) Werte in Mio D M
Anzahl der Fonds Fondsvermögen
1965
1970
1975
1977 (Nov.)
23
42
72
74
3.136
6.225
9.763
11.244
davon inländ. Aktien
8.651 732
ausländ. Aktien Mittelaufkommen
1965—69
1970—75
1976—77
3.595
5.557
2.494
a) Einschl. gemischter Fonds. Quelle: Bundesbank, Statistische Beihefte, Reihe 2, Januar 1978, Tab. 18, 19, 20.
entsprechen. Vergleicht man den letzten Bestand von 8651 Mio inländischen A k t i e n m i t dem gleichzeitigen Kurswert der börsennotierten A k t i e n von 139 344 Mio, so erreichen die Fonds schon 6,2 °/o. Bedenkt man, daß ein großer Teil der börsennotierten Aktien sich i n festen Händen befindet, so zeigt sich damit die erhebliche Bedeutung der Fondsanteile. b) Da die Vertretung dieser A k t i e n bei den Fondsverwaltungen liegt, die Anteilsbesitzer also auf Aktionärsrechte verzichten, ergibt sich eine bemerkenswerte Verstärkung des Bankeneinflusses gegenüber den betr. Gesellschaften. Ob die Banken dabei mehr ihren eigenen Interessen oder denen der Kapitalanleger folgen, bleibt ihnen überlassen, jedoch ist letzteres zu vermuten. I n den H V oder i n AR sind die Fondsver8»
116
X I . Statistische Aufschlüsse
waltungen noch nicht hervorgetreten. Es ist jedoch zu erwarten, daß sich auf die Dauer die Aktionärsstruktur i n die gleiche Richtung entwickelt wie i n den USA, wo Fonds, Stiftungen und andere Vermögensverwaltungen bei vielen bedeutenden Gesellschaften bereits eine dominierende Position besitzen. E. Renditenentwicklung (134) Die Renditenentwicklung für A k t i e n und Anleihen ist vor allem längerfristig aufschlußreich (Tab. 13); zeigt sie doch das fortgesetzte A b sinken der Aktienrenditen gegenüber den Anleihenrenditen. Vor 1914, unter wirtschaftlich gefestigten und weitgehend preisstabilen VerhältTabelle 13 Renditen von Aktien und festverzinslichen Wertpapieren
Jahr
Dividendenrenditen a )
Rentenrenditen 8 )
1880 1890 1900 1910 1913
5,00 5,90 5,54 5,02 5,43
4,05 3.67 3.68
1926 1933 1929 1938
3,35 6,58 4,16 5,00
8,29 7,40 7,15 4,50
1951 1955 1965 1970 1972 1973 1974 1975 1976 1977
3,10 3,94 4,39 3,08 3,72 4,36 3,52 3,62 3,69
1,06
5.1 5,0
DR
4,09
BRD
6,8 8.2 8,2
9,5
10,6 8,7
8,0
6,4
a) Dividende oder Zinssatz (nominal), dividiert durch Börsenkurs. Quellen: Statistisches Bundesamt, Langfristige Reihen 1871—1957, Wiesbaden 1958, S. 69; Statistische Jahrbücher, „Wirtschaft und Statistik" — Monatsberichte der Bundesbank, Tab. V I , 6.
117
E. Renditenentwicklung
nissen, brachten die A k t i e n deutlich höhere Renditen als Pfandbriefe und Anleihen, w e i l A k t i e n als riskantere, jedenfalls kursmäßig schwankende Anlagen galten. Nach 1924 trieb die Kapitalknappheit die A n leihezinsen über die Dividendenrenditen hinaus. Die Weltwirtschaftskrise (1931) ließ die Dividendenrenditen absinken. Bis kurz vor dem Krieg (1938) erholten sie sich trotz Dividendenstop (1936), während die staatliche Geldschwemme und die Politik des billigen Geldes die A n leihezinsen drückte. Nach 1948 brauchten die Dividendenrenditen längere Zeit zur Erholung, zumal die Aktienkurse bis 1969 enorm kletterten. I n den 60er Jahren und bis 1974 stiegen die Anleihezinsen auf Rekordhöhen. So fielen die (trotz sinkender Aktienkurse) stagnierenden Dividendenrenditen auf unter die Hälfte der Rentenrenditen. Erst seit dem Zinseinbruch am Kapitalmarkt bewegen sich beide Renditenreihen wieder aufeinander zu. (135) Darüber hinaus sind i n den letzten Jahren die Gewinnmargen der AG's noch mehr zurückgegangen als die Dividenden. Hatten die industriellen AG's i n 1969 je 100 D M Umsatz noch 3,75 D M Jahresüberschuß (also nach Steuern) erzielt, so waren es i n 1975 nur noch 1,75 DM, also weniger als die Hälfte (wobei allerdings i n 1969 ein konjunktureller Hochstand, i n 1975 ein Tiefstand herrschte). A u f 100 D M Grundkapital bezogen ergaben sich i n 1969 noch 19,44 D M Jahresüberschuß, i n 1975 nur 10,57 D M ; auf die Bilanzsumme bezogen waren es 3,43 % i n 1969 und 1,51% i n 1975. I n 1976/77 hat sich diese Ertragslage kaum gebessert. (Quelle: FAZ-Berechnungen) Entsprechend dem Rückgang der Jahresüberschüsse hätten die Dividenden noch erheblich stärker fallen müssen. Dies wurde nur dadurch vermieden, daß die Gesellschaften zur Stabilisierung der Dividenden wesentlich weniger als früher für die Stärkung der Rücklagen (und vermutlich auch der stillen Reserven) getan haben. (136) A m Erfordernis eines angemessenen Ertrages gemessen, hätten die Aktienkurse i n der ganzen Nachkriegszeit tiefer liegen und i n den 70er Jahren stärker nachgeben müssen. Demnach muß die Kursentwicklung durch wesentliche andere Faktoren als die Dividendenrendite gestützt worden sein. Die wichtigsten waren: a) Die Dividende ist nur ein Teil des tatsächlichen Gewinns. Schon der ausgewiesene Jahresüberschuß liegt höher, doch auch er wird weit vom „Gewinn pro Aktie" (nach der sog. Finanzanalysen-Formel) übertroffen. Als beliebiges Beispiel seien die Zahlen für die BBC-Aktie angeführt, die der Anlagen-Beratungsdienst einer Privatbank für Ende 1977 anführt: Nominalwert je Aktie Kurswert je Aktie
50,—DM 284,—DM
118
X I . Statistische Aufschlüsse Gewinn je Aktie vor KSt Gewinn je Aktie nach KSt Dividende (wie bisher) Steuerguts chirft Brutto-Dividende Dividendenrendite ohne Steuergutschrift mit Steuergutschrift
58,70 D M 29,—DM 8,—DM 4,50 D M 12,50 D M 2,8 °/o 4,4%
b) Aktien gelten als Wachstums werte. Von höheren Umsätzen, erweiterten Anlagen und gestiegenen Bilanzsummen sollte auch ein höherer Ertrag erwartet werden. Diese Erwartung ist allerdings bisher weitgehend enttäuscht worden, weil der starke Wettbewerb auf die Preise gedrückt hat. Indessen besteht die Chance, daß die Preise sich bei steigender Nachfrage und Abbau der Uberkapazitäten erholen, so daß das größere Umsatzvolumen auch höhere Erträge bringen kann. c) Aktien gelten als Substanzwerte. Damit können sie besser als Anleihen oder Sparguthaben gegen die anhaltende Geldentwertung schützen. Das hat sich bei den Währungsreformen von 1923 und 1948 bestätigt. Obwohl seit 1968 die Erträge und Kurse nicht entsprechend der Geldentwertung gestiegen sind, hat die Substanzwertüberlegung positiven Einfluß auf die Kurshöhe gehabt. d) Die Aktionäre hoffen auf Kursgewinne. Dem steht allerdings die Gefahr von Kursverlusten gegenüber. Aktienkäufer sind jedoch überwiegend Optimisten. Zwar sind sie seit Jahren insgesamt enttäuscht worden, aber sie sind bereit, für ihre Chance zu zahlen. Neben Kursgewinnen können die Aktionäre auch Kapitalerhöhungen zu niedrigen Bezugskursen oder sogar Gratisaktien erwarten. Diese haben tatsächlich anhaltend beachtliche Vorteile für die Aktionäre gebracht (wenngleich die Gesellschaften in den letzten Jahren die Bezugskurse vielfach recht hoch angesetzt haben). Damit zahlt sich ein Teil der einbehaltenen Gewinne aus. Diese Erwartung trägt ebenfalls zur Höhe der Aktienkurse bei. e) Zum Kursverständnis gehört nicht zuletzt, daß Aktien überwiegend nicht von Anlegern erworben werden, die sich am Dividendenertrag orientieren, sondern von unternehmerisch orientierten Erwerbern, oder von Ausländern, bei denen ebenfalls andere Motive vorherrschen. So zeigt sich bei Aufkaufaktionen immer wieder, daß selbst stark steigende Kurse angelegt werden, die sich vom Dividendenertrag her keinesfalls rechtfertigen ließen. Solche Vorgänge, obwohl nicht sehr häufig, tragen ebenfalls zur Stützung des Kursniveaus bei. f) Schließlich muß auch zu denken geben, wie stark die Dividendenrendite nach Wirtschaftszweigen differiert. M i t unterschiedlicher Konjunkturlage und unterschiedlichen Aussichten für die mittel- und längerfristige Entwicklung läßt sich das nicht ausreichend erklären. So kommen die großen Chemie- und Versorgungswerte ständig auf eine weit überdurchschnittliche Dividendenrenditen, ohne daß diese den Kurs der Aktien entsprechend steigen ließen. A n der Börse heißt es, das hohe Aktienkapital und der fortgesetzte Bedarf an Kapitalerhöhungen drücke auf die Kurse. Aber auch die Aussichtslosigkeit, durch größere Aufkäufe maßgebende Kapitalanteile zu erwerben, wird die Nachfrage und damit die Kurse relativ niedrig halten. So bleibt als potentieller Anleger im wesentlichen nur das Sparerpublikum, aber dieses zieht nicht genügend mit.
F. Ergebnisse und Folgerungen
119
(137) Zusammenfassend läßt sich danach feststellen: — Verglichen m i t anderen Kapitalerträgen, insbesondere Anleiherenditen, sind die Dividendenerträge zu gering. Erst m i t der KSt-Reform ab 1977 und dem Fallen des Anleihezinses hat sich die Differenz stark vermindert. — Statt die Dividenden als zu niedrig, kann man ebensogut die Aktienkurse als zu hoch bezeichnen. Diese werden aber durch zahlreiche andere Faktoren über dem Ertragswert gehalten. Die positiven Bewertungsfaktoren beruhen freilich großenteils auf günstigen Erwartungen, die sich vielleicht nicht erfüllen und sogar i n ihr Gegenteil umschlagen können. Der hohe Kursstand w i r d also bisher von einem kräftigen Goodwill getragen. F. Ergebnisse und Folgerungen (138) Die Statistiken zeigen die AG's und A k t i e n gegenwärtig i n einer ausgesprochen schlechten Verfassung. Die Zahl der AG's schrumpft, die Bedeutung der A k t i e für die Finanzierung der Unternehmen und für die Kapitalanlage ist rückläufig. Dabei konnte in der Nachkriegszeit bis weit in die 60er Jahre von einer Renaissance der Aktie gesprochen werden. Bei anhaltenden Kapitalerhöhungen verlief die Kurs- und Dividendenentwicklung stark ansteigend. Das Aktiengesetz von 1965 sollte die Stellung der Kleinaktionäre wesentlich verbessern und sichern, so daß auch das breite Sparerpublikum stärker für die Aktienanlage gewonnen würde. Volks- und Belegschaftsaktien wurden staatlich stark gefördert. Zunehmende Betriebsgrößen und Finanzierungsbedürfnisse sowie der allgemeine Konzentrationsprozeß schienen die A G als Unternehmensform zu begünstigen. Alle diese Tendenzen und Erwartungen haben sich jedoch nicht fortgesetzt und sind durch negative Faktoren abgelöst worden. Dadurch ist die Entwicklung der Aktie nicht weiter expansiv, sondern wieder kontraktiv verlaufen.
(139) Die hauptsächliche Ursache hierfür liegt i n der fehlenden oder ungenügenden Anlagebereitschaft des Sparerpublikums. Daher können sich gerade die großen Publikumsgesellschaften (insbesondere der Montanindustrie und Chemie, der Energiewirtschaft und der Banken) nur zögernd und ungenügend zu Kapital er höhungen entschließen — selbst wenn diese durch den Anstieg der Verschuldung und zur Wahrung gesunder Bilanzrelationen unumgänglich werden — weil sie auf beträchtliche Unterbringungsschwierigkeiten stoßen.
Dabei sind, wie gezeigt wurde, die AG's entscheidend auf die Privaten Sparer angewiesen. Deshalb muß den Gründen für die Abneigung dieser Kapitalanleger nachgegangen und hiergegen Abhilfe gesucht werden.
120
X I . Statistische Aufschlüsse
a) Der Kernpunkt liegt sicher i n der unzureichenden Ertragsfähigkeit der AG's. Das Grundkapital und erst recht das i n den Unternehmen arbeitende Kapital findet nicht die Rendite, die ein Kapitalgeber verlangen kann. Dieses Übel teilen jedoch die Aktiengesellschaften m i t den meisten anderen Unternehmensformen und Ländern. Die (sozialpolitischen und wettbewerblichen) Ursachen hierfür sind genügend bekannt. b) Die Aktienerträge sind nach wie vor steuerlich diskriminiert. Zwar w i r d seit Anfang 1977 für inländische Dividendenempfänger die Doppelbesteuerung ausgeglichen, aber dieses Anrechnungsverfahren ist denkbar umständlich. Geblieben ist auch die Kapitalertragssteuer (25 %), die auf Anleihezinsen nicht angewendet wird. Das „Körperschaftssteuerreformgesetz" vom 31. Aug. 1976 (BGBl. Nr. 114/76, S. 2597) ist juristisch wie steuerlich ein Monstrum. Es umfaßt 30 doppelspaltige Seiten des BGBl. Formulierung und Umfang des Gesetzes haben zur Folge, daß es nur von erfahrenen Steuerspezialisten verstanden und angewendet werden kann. Statt die KSt auf den verteilten Gewinn einfach fortfallen zu lassen, führt das Gesetz ein denkbar umständliches ESt-Anredinungsverfahren ein, das auch nur für inländische ESt-Pflichtige gilt. Statt die KSt wenigstens zu ermäßigen, ist sie kräftig erhöht worden. Zu alledem ist das Anrechnungsguthaben auch noch steuerpflichtig. Das Ergebnis ist, daß der Staat kein Steuergeschenk macht und keine Einbuße erleidet, sondern noch mehr erhält und auch behält. Die Diskriminierung ausländischer und öffentlichrechtlicher Aktionäre schreckt diese vom Erwerb deutsdier Aktein ab. Insgesamt also wieder ein Beleg für die Unfähigkeit des heutigen Gesetzgebers zur Regelung wirtschaftlicher Vorgänge.
c) Die A G ist zu einem bevorzugten sozialpolitischen Experimentierfeld geworden. Anhaltend verstärkte Mitbestimmung der Arbeitnehmer und Gewerkschaften, erhöhte gesetzliche und freiwillige soziale Leistungen, Altersversorgung und Entlassungsschutz oder Sozialpläne, Erfolgsbeteiligung und (verbilligte) Belegschaftsaktien — sie alle gehen auf Kosten der Aktionäre und setzen diese, obwohl sie Inhaber des Unternehmens sind, immer mehr zurück. Bei Fortsetzung dieser Tendenzen müssen die Aktionäre großer Gesellschaften selbst m i t förmlicher Enteignung durch Sozialisierung rechnen. d) Für die Verwaltungen ist es immer schwieriger geworden, ein Unternehmen erfolgreich zu führen. Außer den wirtschaftlichen Anforderungen bringen die politischen Bedingungen ständig wachsende Hindernisse. Der Kampf m i t der Staats- und Mitbestimmungsbürokratie kostet viele Kräfte und Opfer. Die enorme Besteuerung erschwert die nötige Kapitalbildung aus dem Ertrag zwecks Selbstfinanzierung i n hohem Maße. Die Leidtragenden hiervon sind zumeist die Aktionäre, da sie hinter allen anderen zurückstehen. Da sie praktisch keinerlei
F. Ergebnisse und Folgerungen
121
Rechte (jedenfalls als Kleinaktionäre) haben, nehmen die Verwaltungen auf sie am wenigsten Rücksicht. Das bedeutet eine völlige Umkehr der Verhältnisse. Sollte ursprünglich die A G für ihre Aktionäre da sein, i n ihrem Interesse und nach ihren Intentionen geführt werden, so sind sie heute entmachtet und kommen sie an letzter Stelle. Entsprechend den überwiegend politischen Ursachen (a—d), verlangt eine Gesundung der Verhältnisse eine Umkehr der herrschenden politischen Einstellung. Das gilt sowohl für die allgemeine Unternehmenspolitik (mit der Wirtschafts-, Sozial- und Steuerpolitik) als auch speziell für die Behandlung der AG's. Sonst w i r d der Exodus der Kapitalanleger aus der AG, mindestens die Ablehnung weiterer Aktienanlagen, sich fortsetzen. Vermutlich hätte sich dieser Prozeß schon bisher verstärkt durchgesetzt, wenn nicht die Aktionäre überwiegend langfristig dächten und deshalb noch mit einer allmählichen Besserung rechneten. Hinzu kommt, daß es gegenwärtig schwer fällt, bessere andere Kapitalanlagen zu finden. Hausbesitz rentiert sich ebenfalls schlecht, Staatsanleihen verlocken wenig (weil sie grundsätzlich nicht zurückgezahlt werden) und Auslandsanlagen enthalten große währungspolitische, innenpolitische und wirtschaftliche Risiken.
(140) Solange die entscheidenden Benachteiligungen und Belastungen der AG's und der Aktionäre anhalten, läßt sich auch m i t propagandistischen Mitteln keine wesentlich größere Anlagebereitschaft erreichen. I n solcher Weise hat sich der „Arbeitskreis zur Förderung der Aktie", Düsseldorf, an hervorragender Stelle bemüht. Er wurde von führenden Bank- und Industriegesellschaften im Jahr 1952 gegründet und hat eine intensive Aufklärungsarbeit zur „Verbreiterung des Aktiensparens und zur Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Aktienmarktes" versucht. Dazu gehört auch das hier mehrfach zitierte Buch seines Geschäftsführers Fritsch „Mehr Unternehmen an die Börse". Aber schon das Referat seines früheren Vorsitzenden und Mitgründers, Prof. Kurt Forberg, über „Publizität und Popularität der Aktie" auf der (17.) Kreditpolitischen Tagung am 12. November 1971 in Frankfurt ließ eine deutliche Resignation erkennen.
Anderseits zeigt die günstige Aufnahme der Körperschaftssteuer-Anrechnung ab 1977, daß es nicht auf gute Worte ankommt, sondern darauf, daß etwas für die Aktionäre getan wird. Trotz der Aktienabgaben durch Ausländer haben inländische Anleger sich so angeregt gefühlt, daß die Kurse gestiegen sind. Von mindestens gleicher Bedeutung w i r d sein, wie die paritätische Mitbestimmung sich auswirken wird.
Literaturhinweis Die vorliegende Arbeit verzichtet weitgehend auf literarische Quellenangaben, aus guten Gründen: — Die Literatur ist unabsehbar groß. Jede Änderung des Aktienrechts hat vor- wie nachher eine Flut von Veröffentlichungen gebracht, die sich kaum noch erfassen und auch nicht annähernd verarbeiten lassen. Beispiel: Das hier besonders angesprochene Thema der Aktionärsrechte behandelt eine Veröffentlichung von Gerhard Kutzenberger „Mitbestimmung der Aktionäre", die „ein wirtschaftlicher Beitrag zur Aktienrechtsreform" sein sollte. (Verlag Duncker & Humblot, Berlin 1964, 250 S.) Diese materialreiche Arbeit bringt ein Literaturverzeichnis, das allein 28 Seiten umfaßt. — Das Aktienwesen hat viele Seiten; rechtliche und betriebswirtschaftliche, organisatorische und finanzielle, unternehmerische und gesamtwirtschaftliche, soziologische und wirtschaftssystematische. Für alle Aspekte gibt es eine umfangreiche Literatur. Sie einigermaßen vollständig zu berücksichtigen, würde den erforderlichen Uberblick und möglichen Umfang einer eigenen Bearbeitung sprengen. Drei Beispiele mögen veranschaulichen, welche Ausmaße die Literatur über jede einzelne Seite des Aktienrechts bereits angenommen hat. + I m Mittelpunkt des Aktienrechts stehen, abgesehen von zahlreichen Monographien, die Kommentare zum Aktiengesetz. Seit je gibt es zahlreiche Kommentare, dazu (manchmal recht gute) Einführungen zu Textausgaben des AktG. Die gegenwärtig führenden drei Kommentare sind außerordentlich umfangreich: Der „Großkommentar" (3. Aufl. 1973) umfaßt 4 Bände mit 3584 Seiten, der „Godin-Wilhelmi" (3. Aufl. 1967) hat 2 Bände mit 2080 Seiten; der „Baumbach-Hueck" (13. Aufl. 1970) kommt auf 1300 Seiten. Bemerkenswert ist dabei: Gerichtliche Entscheidungen werden unverhältnismäßig wenig zitiert, vor allem aus neurer Zeit, weil es sie wenig gibt. Anderseits herrscht ein unkritischer Gesetzespositivismus vor, dazu viel textlicher Leerlauf. Daß sehr viele Bestimmungen nur auf dem Papier existieren, scheint die Kommentatoren nicht zu beschäftigen. + Ein Spezialgebiet behandelt der Kommentar von Adler-Düring-Schmaltz zur „Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft". Obwohl er sich auf die einschlägigen Vorschriften des A k t G beschränkt, kommt die letzte (4.) Auflage auf 3 Bände mit 2399 Seiten. + Ein anderer Literaturzweig sind Handbücher, die dem Management der A G praktische Anweisungen geben wollen, worauf sie zur Einhaltung des Aktienrechts zu achten haben. Ein verbreitetes Werk von Obermüller, Werner und Winden mit dem Titel „Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft" (3. Auflage 1967), umfaßt bereits 400 Seiten, obwohl es nur die Durchführung der H V beraten will. Ein neues „Handbuch der Aktiengesellschaft", zur Zeit noch in der Erscheinung begriffen (Verlag Dr. Otto Schmidt Köln), soll 3000
Literaturhinweis
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Seiten erreichen. Wer soll sich da noch durchfinden? Die Erklärung für diese inflationäre Entwicklung ist aber großenteils im geltenden Aktiengesetz zu suchen, das die Dinge unnötig kompliziert und verunsichert hat. — Zu alledem hat das Aktienwesen auch eine historische Dimension. Man soll ihre Bedeutung keineswegs unterschätzen. Die geschichtliche Entwicklung macht manches von heute verständlich und zeigt auch, daß die heutigen Probleme großenteils schon früher erkannt worden sind. Deshalb habe ich mehrfach historische Hinweise eingeflochten. Eine systematische Einbeziehung der historischen Verhältnisse und früheren Literatur wäre jedoch ein hoffnungsloses Unterfangen. Immerhin sei ein Werk genannt, das die hier besprochene Thematik schon früh in einer ebenso gründlichen wie aufschlußreichen Weise behandelt hat: Richard Passow, „Die wirtschaftliche Bedeutung und Organisation der Aktiengesellschaft" (Jena 1907, 238 Seiten). Nicht vergessen sollte man auch die hervorragenden Kenner des deutschen Aktienwesens, die bis Anfang der 30er Jahre geschrieben und nicht nur juristisch gedacht haben. Dafür seien genannt: Hachenburg, Geiler, Goldschmit, Flechtheim, Friedländer, Haussmann, Isay und Rosendorff.
Anhänge
Anhang 1 Der Enquete-Ausschuß von 1930 1. Nach den wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen i m Jahrzehnt von 1914 bis 1924 bestand ein allgemeines Bedürfnis nach einer Bestandsaufnahme und Neuorientierung. Hierfür setzt der Reichstag den „Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft" ein, den sog. Enquete-Ausschuß. Dieser bildete einen I. Unterausschuß für allgemeine Wirtschaftsstruktur, und dieser beauftragte am 15. J u l i 1926 seine 3. Arbeitsgruppe m i t der Untersuchung der „Wandlungen i n den wirtschaftlichen Organisationsformen". Diese Arbeitsgruppe behandelte als dritten Teil die „Wandlungen i n der aktienrechtlichen Gestaltung der Einzelunternehmen und Konzerne". Hierüber vernahm sie i n der Zeit vom 28. Juni bis zum 29. Sept. 1927 insgesamt 41 Sachverständige aus Wirtschaft und Rechtsleben. Aus den Ergebnissen der Vernehmungen (Materialbände) wurde ein „Generalbericht" von 96 Seiten erarbeitet und am 8. Juni 1930 verabschiedet. Er erschien i m Verlag E. S. M i t t l e r & Sohn, Berlin 1930. Aus i h m ist hier laufend zitiert worden. 2. Dieser Bericht ist noch heute lesenswert, denn — er bildet bisher die einzige Untersuchung von hervorragenden Sachkennern über das deutsche Aktienwesen und das praktizierte Aktienrecht (nach dem Stand zu Ende der 20er Jahre) — er hat wesentliche Anstöße zur Fortentwicklung des Aktienrechts gegeben, insbesondere zu den Verordnungen M i t t e 1931 und zum Erlaß eines selbständigen Aktiengesetzes (1937), während das Aktienrecht vorher ein Bestandteil des HGB war — er hat Verhältnisse und Probleme aufgezeigt, die weitgehend auch heute noch bestehen und nicht gut gelöst sind — er ist der Frage nach dem „Auseinanderfall der Gesetzesnormen und des lebenden Aktienrechts" nachgegangen, u m erstere möglichst wieder letzterem anzugleichen. 3. A n der Spitze des Berichtes steht der lapidare Satz: „Die Rechtsordnung ist dem ständigen Wandel der wirtschaftlichem Entwicklung unterworfen." Demgemäß hat der Ausschuß festgestellt,
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Anhang 1
— wie weit die Strukturwandlungen der Wirtschaft, insbesondere Konzentration, Organisationsgewohnheiten, Gewichtsverlagerungen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat und Aktionären, das effektive Aktienrecht verändert haben — welche Vorschriften dadurch an Bedeutung verloren haben (ζ. B. Haftungen und Aufsichtspflichten) und welche ergänzungs- oder erweiterungsbedürftig geworden sind (ζ. B. Publizität über konzerninterne Verhältnisse oder Zustimmungsbedürftigkeit von Konzernverträgen) oder wo das gesamtwirtschaftliche Interesse stärker beachtet werden sollte (ζ. B. i n der Publizität) — welche gesetzliche Reformen danach zu empfehlen seien. 4. Bei seinen Reformvorschlägen zeigte der Ausschuß jedoch eine deutliche Behutsamkeit und Zurückhaltung. Insbesondere stellte er immer wieder fest, daß die Verhältnisse bei den Gesellschaften sehr verschieden lägen und dementsprechend von den Beteiligten individuell geordnet werden müßten, statt sie schematischen Vorschriften zu unterwerfen. Ein gutes Beispiel hierfür bietet die Stellungnahme zur Frage, ob ein einheitliches Bilanzschema vorgeschrieben werden sollte. Ob es für die Jahresrechnung durchführbar sein und wesentlich bessere Einblicke als bisher geben würde, wurde von den Mitgliedern des Ausschusses nicht einheitlich beurteilt (S. 35). Sie beschränkten sich danach auf die Empfehlung, der Gesetzgeber möge für die Jahresrechnung und den Geschäftsbericht erhöhte und spezialisierte Publizitätspflichten vorsehen (S. 37).
M i t alledem bietet der Ausschuß ein musterhaftes Beispiel für die Problemstellung und Behandlungsweise, die Beurteilung und die Empfehlungen für die anstehende Thematik. Leider ist bei der Reform des Aktiengesetzes von 1965 nicht i n gleicher Weise verfahren worden.
Anhang Differenzierte Stimmrechte 1. Für Entscheidungen, welche die Aktionäre zu treffen haben, sollen die Stimmrechte grundsätzlich der Höhe der Kapitalanteile entsprechen. Demgemäß heißt es i n § 12, I, 1 A k t G : „Jede A k t i e gewährt das Stimmrecht". Kleine Aktionäre messen jedoch ihrem Stimmrecht wenig Bedeutung bei. Der Enquete-Ausschuß (1930) glaubte sogar feststellen zu können, daß „Einzelaktionäre sich im Regelfall als Obligationäre fühlen" (S. 22), denen es allein auf ausreichende Verzinsung, nicht auf die Mitgliedsrechte ankomme. Deshalb empfahl der Enquete-Ausschuß die gesetzliche Zulassung stimmloser Aktien.
Daher hat das Aktiengesetz von 1965 „Vorzugsaktien ohne Stimmrecht" eingeführt (§§ 11, I, 12, I, 2, 139—141). Die Stimmlosigkeit soll durch einen „Vorzug bei der Verteilung des Gewinns" ausgeglichen werden. Wie dieser Vorzug aussehen soll, hat das Gesetz der Satzung überlassen. Meist heißt es, daß aus dem Bilanzgewinn die Vorzugsaktien eine Mindestdividende (ζ. B. 4 oder 6 °/o) erhalten, bevor die Stammaktien bedient werden, während darüber hinaus der Gew i n n gleichmäßig verteilt wird. Bei Gesellschaften m i t guten und stabilen Erträgen bringen Vorzugsakten nicht mehr als Stammaktien. Obwohl nicht stimmberechtigt, haben sie sonst volle A k t i o närsrechte (§ 1401). So erhalten sie die gleichen Informationen, können an der H V teilnehmen u. a. m. Da somit der Stimmrechtsverzicht einerseits und der Vorzug anderseits für den einzelnen Aktionär ohne nennenswerte Bedeutung ist, ergibt sich auch kein fühlbarer Kursunterschied zwischen Stamm- und Vorzugsaktien. 2. Bei anstehenden Kapitalerhöhungen entscheidet das Interesse der bisherigen Mehrheitsaktionäre, ob Stamm- oder Vorzugsaktien ausgegeben werden sollen, Können oder wollen sich die Mehrheitsaktionäre an der Kapitalerhöhung nicht beteiligen (wie ζ. B. kommunale Aktionäre bei Energie-Versorgungsunternehmen), so werden Vorzugsaktien vorgeschlagen und beschlossen, denn damit bleiben die bestehenden Mehrheitsverhältnisse gewahrt. Trotzdem ist der Umlauf an Vorzugsaktien weit geringer geblieben, als man unter diesen Umständen hätte erwarten sollen. 9 Huppert
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Anhang
3. A u ß e r s t i m m r e c h t s l o s e n V o r z u g s a k t i e n g i b t es persönliche Stimmrechtsbeschränkungen f ü r Großaktionäre. Der § 134,1 sieht v o r : „ F ü r d e n F a l l , daß e i n e m A k t i o n ä r m e h r e r e A k t i e n gehören, k a n n d i e S a t z u n g das S t i m m r e c h t d u r c h Festsetzung eines Höchstbetrages oder v o n A b s t u f u n g e n b e s c h r ä n k e n " . (So s t a n d es schon i m H G B § 252). Das e r l a u b t ζ. B . eine S a t z u n g s b e s t i m m u n g , daß k e i n A k t i o n ä r m i t m e h r als 10 °/o des G r u n d k a p i t a l s s t i m m e n d a r f . B e s i t z t er d a n n ζ. B . 20 °/o des G r u n d k a p i t a l s , so d a r f er n u r m i t d e r H ä l f t e seiner A k t i e n a n e i n e r A b s t i m m u n g t e i l n e h m e n , w ä h r e n d d i e andere Hälfte stimmlos bleibt. Ein entsprechender Satzungsbeschluß (Beschränkung auf 5 °/o des GK) der Mannesmann AG im März 1975 führte zu einer Anfechtungsklage wegen Verletzung des Art. 14 des Grundgesetzes (Gewährleistung des Eigentums). Die Klage wurde jedoch durch Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21. Ö. 1976 (Aktienzeichen 6 U 276/75) abgewiesen. Dabei wurde eingeräumt, daß das Eigentum von Großaktionären gemindert werde (wobei man allerdings bezweifeln kann, ob die Hechte aus Aktien als „Eigentum" anzusprechen sind), doch sei das gem. § 134 A k t G zulässig, weil andere Interessen den Vorrang verdienten. Das O L G sah die Interessen eines Großaktionärs in der Einflußnahme auf das Unternehmen, entgegen dem Interesse des „gemeinen Wohls" an möglichst weiter Streuung des Aktienbesitzes. Die Streuung solle dem Schutz und Interesse der Kleinaktionäre an dauernder, gesicherter Kapitalanlage, der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand und der Abwehr unerwünschten (ausländischen) Kapitals dienen. Das liege i m betriebswirtschaftlichen wie volkswirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Interesse. I n der Revision hat der B G H (AZ I I ZR 136/76) im Dezember 1977 diese Entscheidung bestätigt. Er begnügte sich jedoch mit der Berufung auf § 134 AktG. Wie hier, so kenne das A k t G in anderen Fällen gewisse Rechtsbeschränkungen für Aktionäre durch Mehrheitsbeschluß; so z.B. für Ausschluß des Bezugsrechts bei Kapitalerhöhungen. Diese Begründungen können jedoch wenig überzeugen. Die Aktie ist eine Inhaber-Urkunde, deren Rechte nicht durch zusätzliche persönliche Anforderungen an den Eigentümer beschränkt werden können. Der B G H wollte (im vorgenannten Urteil) diesen Widerspruch dadurch ausräumen, daß er erklärte, das Stimmrecht als solches bleibe unberührt; nur seine Ausübung werde für bestimmte Aktionäre beschränkt. Aber das Stimmrecht ist mit der Aktie, nicht mit der Person ihres Inhabers verbunden; und ein nicht ausübbares Stimmrecht ist eben keines. E i n e Gesellschaft k a n n auch schwer ü b e r p r ü f e n , w e m z u r H V angemeldete A k t i e n gehören u n d w i e viele A k t i e n ein H V - T e i l n e h m e r besitz; dazu, w e m v e r t r e t e n e r F r e m d b e s i t z zusteht. I m ü b r i g e n m a g eine S t i m m r e c h t s v e r k ü r z u n g z u m u t b a r erscheinen, w e n n e i n A k t i o n ä r i n K e n n t n i s einer beschränkenden B e s t i m m u n g der Satz u n g e i n e n g r ö ß e r e n A k t i e n b e t r a g e r w i r b t , aber es w i r k t ungerecht, w e n n eine solche S a t z u n g s b e s c h r ä n k u n g nachträglich eingeführt w i r d u n d dadurch bestimmte Aktionäre entmündigt werden16.
Differenzierte Stimmrechte
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4. Das Gegenteil von Stimmrechtsbeschränkungen sind Aktien m i t mehrfachem Stimmrecht Sie waren früher ohne weiteres zulässig und haben sich i n den Inflations jähren bis 1923 stark verbreitet. Das geschah zum „Schutz gegen Überfremdung", womit ebenso valutakräftige Ausländer wie Konzerne und Konkurrenten gemeint waren. Das Mehrfachstimmrecht bedeutete zwar eine „Durchbrechung des Grundsatzes der Adäquatheit von Kapitalbeteiligung und Verwaltungsmacht", aber die „Stabilität der Verwaltung gegen Zufallsmajoritäten und Machenschaften der Spekulation" wurde vorrangig als schutzwürdig anerkannt (Enquete-Ausschuß, S. 7—12). Indessen können auch andere Motive bestimmend sein, nämlich die Sicherung der Vorherrschaft einer bisher herrschenden Aktionärsgruppe (ζ. B. Familie). Deshalb hat schon das Aktiengesetz von 1937, ebenso wie das von 1965, i n § 12, I, 1 Mehrheitsstimmrechte für unzulässig erklärt, allerdings m i t zwei Ausnahmen: Früher geschaffene Mehrstimmrechte gelten fort und neue Mehrstimmrechte können m i t Genehmigung der Landesregierung „zur Wahrung überwiegender gesamtwirtschaftlicher Belange" eingeführt werden. Beides ist freilich für die übrigen Aktionäre ein Ärgernis, denn den Mehrstimmen entsprechen keine Mehrleistungen, und „gesamtwirtschaftliche Belange" sollten nicht mittels privatrechtlicher Privilegien verfolgt werden. Alles i n allem erscheinen Differenzierungen des Stimmrechts unangebracht Ihnen entsprechen keine unterschiedlichen Leistungen der Kapitalgeber (Aktionäre) und Stimmrechtsmanipulationen zur Sicherung bestehender Mehrheitsverhältnisse haben keine Überzeugungskraft.
18 Einzelheiten des Problems behandelt, unter Verarbeitung des umfassenden Schrifttums, W. Hölters in „Der Betrieb", Heft 20 vom 16. M a i 1975.
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Anhang Diskussionsleitung durch den HV-Vorsitzenden Ein gutes Beispiel für eine straffe HV-Leitung geben die Ausführungen, die Dr. Peter von Siemens, Vorsitzender der A R der Siemens AG, als Leiter der H V am 22. März 1973 dem Beginn der Aussprache vorausgeschickt hat. Für seine ebenso feste wie verbindliche Leitung von Versammlungen bekannt und veranlaßt durch politische Auswüchse der Diskussion auf der letzten SIEMENS-HV, ersuchte Dr. von Siemens die Aktionärssprecher folgendes zu beachten: a) Die H V hat zwei grundlegende Funktionen: . . die Rechnungslegung der Verwaltung nebst Erläuterungen entgegenzunehmen . . als oberstes Beschlußorgan der Gesellschaft den Willen der A k tionäre zum Ausdruck zu bringen. b) Der Geschäftsbericht und umfangreiche weitere Informationen haben bereits die wesentlichen Aufschlüsse geliefert, die für die H V Beschlüsse benötigt werden. c) Das Aktiengesetz enthält keine konkreten Hinweise, wie das „ A k t i o närsparlament" als Instrument der „Aktionärsdemokratie" funktionsfähig werden kann. Daher hat der Versammlungsleiter für einen ordnungsgemäßen Ablauf der H V zu sorgen. d) Die Verwaltung hat — um mehr Zeit für die Diskussion zu gewinnen — auf Einleitungsreferate verzichtet. M i t entsprechender Beschränkung und „ m i t Rücksichtnahme auf die berechtigten Belange der übrigen Aktionäre" sollten sich auch die Diskussionssprecher verhalten. (Bei Eröffnung der H V lagen bereits 27 schriftliche Wortmeldungen vor.) e) Die Aktionäre sollten bei ihren Ausführungen folgende Grenzen einhalten: — Sie sollten sich nicht m i t Nebensächlichkeiten, „persönlichen Querelen" und internen Angelegenheiten befassen, denn das interessiert die übrigen Aktionäre nicht und kann an anderer Stelle vorgebracht werden. Das gilt nicht zuletzt für Belegschaftsangehörige, die als Aktionäre auftreten.
Diskussionsleitung durch den HV-Vorsitzenden
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— Die H V ist kein Ort für politische Agitation und die Proklamation ideologischer Ziele. Wer sich für diese engagieren w i l l , sollte sich ein anderes Forum und andere Wege suchen. — Fragen sollten soweit möglich schriftlich formuliert und bei der Wortmeldung übergeben werden; die Verwaltung w i r d sie ebenso behandeln wie mündlich vorgetragene Fragen. — Fragen sollten sich auf die Gegenstände der Tagesordnung und Beschlußfassung beschränken, wie es i m Aktiengesetz auch gesagt ist. Der Vorstand kann Auskünfte verweigern, wenn das Fragerecht mißbraucht und zum M i t t e l gezielter Obstruktion oder Agitation gemacht werden soll. — Wenn die Aktionärssprecher sich i n diesem Rahmen halten, sich auf das Wesentliche beschränken und unangebrachte Wiederholungen vermeiden, kann auf eine Beschränkung der Redezeit verzichtet werden, die andernfalls vom Leiter der Versammlung ausgesprochen werden könnte. Diese Hinweise und Mahnungen scheinen nicht ohne Eindruck gewesen zu sein, denn die H V konnte i n relativ kurzer Zeit und reibungslos abgewickelt werden.
Anhang Aussage- und Kritikfähigkeit von Jahresabschlüssen 1. Der Jahresabschluß m i t Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung (§ 148 AktG), soll das zahlenmäßige Ergebnis des abgelaufenen Geschäftsjahres zeigen. Das A k t G enthält eingehende Gliederungsvorschriften für die Bilanz (§ 151) wie für die Ergebnisrechnung (§ 157). Die Zahlen werden ergänzt durch die Erläuterungen i m Geschäftsbericht (§ 160 II) und durch dessen Darstellung des Geschäftsverlaufs (§ 1601). Daraus sollen die Aktionäre sich informieren, wie „ihre" Verwaltung gewirtschaftet hat und wie sie danach i n der anschließenden Beschlußfassung abstimmen sollen; nämlich über die Verwendung des Bilanzgewinns (bzw. die Deckung des Verlustes) sowie über die Entlastung von Vorstand und AH. 2. Diese Informationen sind für die eigentliche Beschlußfassung insofern bedeutungslos, als die Aktionäre den vorgelegten Abschluß nicht ändern und die Beschlußvorschläge der Verwaltung praktisch nicht ablehnen können. Vielmehr sind die Aktionäre auf zweierlei beschränkt: Sie können ergänzende Fragen stellen und sie können solche Positionen kritisieren, deren Ansatz i m Ermessen des Vorstands liegt. A l l e anderen Ansätze entziehen sich der K r i t i k , denn sie registrieren nur, was geschehen ist, und die Ordnungsmäßigkeit der Verbuchung ist vom A b schlußprüfer bestätigt. 3. Die Bilanz macht die Vermögensveränderungen gegenüber dem Vorjahr erkennbar. Auf der Aktivseite werden die Zu- und Abgänge nebst Abschreibungen des Anlagevermögens aufgegliedert. I n Verbindung m i t den gegebenen Erläuterungen können sich zusätzliche Fragen ergeben. A u f der Passivseite interessieren vor allem die Veränderungen zwischen eigenen und fremden Mitteln. Größere Gesellschaften machen Gegenüberstellungen von Mittelzugängen und Mittelverwendungen; sie erleichtern den Überblick, bringen aber nichts Zusätzliches. Der Gewinn oder Verlust, als Ausgleichsposten zwischen A k t i v a und Passiva, ergibt sich am Schluß der Bilanz. Seine Entstehung geht jedoch nicht aus der Bilanz, sondern aus der Ergebnisrechnung hervor. — Insgesamt haben die Aktionäre zur Bilanz kaum wesentliches zu sagen und zu fragen.
Aussage- und Kreditfähigkeit von Jahresabschlüssen
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Die buchmäßigen Eigenmittel bleiben insoweit hinter dem tatsächlichen Eigenvermögen des Unternehmens zurück, als die Aktiva Stille Reserven enthalten. Über deren Höhe können die Aktionäre jedoch nichts ersehen und erfahren. Nur selten gibt der Geschäftsbericht auch das Brutto-Anlagevermögen (zu Gestehungs- oder Anschaffungskosten) an. Die Reserven im Beteiligungsvermögen lassen sich nur dort schätzen, wo Börsenkurse vorliegen. Die Bilanzzahlen erlauben auch gewisse Liquiditätsberechnungen. Sie beschäftigen aber die Aktionäre nur in Ausnahmefällen, etwa bei notwendigen Kapitalerhöhungen.
4. Weit mehr als die Bilanz ist die Ergebnisrechnung Verlustrechnung) aussagefähig und diskussionswürdig.
(Gewinn- und
a) Die Ergebnisrechnung führt vom Umsatz zur Gesamtleistung und, nach Abzug der Fremdleistungen, zum Rohertrag als maßgeblicher Eigenleistung. Aufmerksamkeit verdienen die sonstigen Erträge, vor allem aus Beteiligungen. b) Von den Aufwendungen beschäftigen.
pflegen drei Gruppen die H V stärker zu
— A m wichtigsten sind die Personalkosten. Da jedoch für die Löhne und Gehälter die Tarife feststehen, ebenso die Sozialabgaben, läßt sich allenfalls über die Zahl der Beschäftigten und die freiwilligen Sozialleistungen diskutieren. — Die Höhe der Abschreibungen lehnt sich gern an die steuerlich zugelassenen Sätze an, bleibt aber großenteils eine Ermessenfrage. Allerdings müssen die einmal gewählten Abschreibungsgrundsätze beibehalten werden oder muß ihre Änderung hinreichend begründet werden. Die Abschreibungssätze brauchen nicht bekannt gegeben zu werden. Sie differieren stark nach A r t und A l t e r der Anlagen. Daher ist eine fundierte Diskussion über die Angemessenheit der Abschreibimgen kaum möglich. — Die Steueraufwendungen können wichtige Anhaltspunkte über das steuerbare Vermögen (betrieblicher Einheitswert) und den steuerbaren Gewinn liefern. Indessen können die Aktionäre keine Aufteilung i n Vermögens- und Ertragssteuern verlangen (§ 131, II, 2 AktG). Nach Abzug der (schätzbaren) Vermögenssteuer bleiben die Ertragssteuern (Körperschaftssteuer und Gewerbeertragssteuern). Die Steuer auf den verteilten Gewinn und auf die Rücklagenzuweisung läßt sich nach den geltenden Steuersätzen leicht berechnen. Die verbleibende Steuer läßt auf den einbehaltenen nicht ausgewiesenen Gewinn schließen. Dieser interessiert die Aktionäre ganz besonders, aber der Geschäftsbericht beziffert i h n nicht. Spekulationen pflegt der Vorstand entgegenzuhalten, daß der Steueraufwand zum Teil aperiodisch verlaufe und der steuerpflichtige Gewinn nicht auch den wirtschaftlichen Gewinn bedeute. Ein Rechenbeispiel findet sich am Schluß dieses Anhangs.
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Anhang
c) Ein ebenso wichtiges wie schwieriges Problem sind die Rückstellungen. — Da Rückstellungen vorsorgliche oder künftige Aufwendungen betreffen, belastet ihre Erhöhung und entlastet ihre Ermäßigung das laufende Ergebnis. Bei den Aufwendungen der Ergebnisrechnung w i r d jedoch nicht ersichtlich, zu welchen Teilen sie aus Rückstellungen bestehen. Das w i r d allenfalls i n den Erläuterungen oder auf Anfrage gesagt. — Die Bilanzerhöhungen zuzüglich der „Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen" ergeben die gesamten Rückstellungen des Rechnungsjahres. Während aber die Bilanz wenigstens zwischen Pensionsund Sonstigen Rückstellungen trennt, geschieht das nicht für die „Erträge". — Zum Wesen der Rückstellungen gehört die Ungewißheit, ob, wieweit und wann sie beansprucht werden (ζ. B. für Pensionszahlungen, Gewährleistungen oder Steuerzahlungen). Was „vorsorglich" berücksichtigt werden sollte und i n welcher Höhe das „angemessen" ist, beurteilt und entscheidet der Vorstand. Da Rückstellungen unverzinsliche Eigenmittel bedeuten und meist auch steuerfrei bleiben, neigen die Vorstände bei guten Erträgen zur Reservebildung durch reichliche Rückstellungen. Dadurch sind diese vielfach ungebührlich angewachsen, bis auf die mehrfache Höhe des Grundkapitals. Die Aktionäre können das zwar kritisieren, aber mangels näherer Kenntnisse schwer begründen und jedenfalls nicht ändern. Umgekehrt werden bei schlechten Ertragsverhältnissen am ehesten vorhandene Rückstellungen aufgelöst, u m wenigstens eine gewisse Dividende zahlen zu können (wie ζ. B. bei der Thyssen A G i n 1975—1977). I m Ergebnis bedeutet das eine GewinnVerschiebung. Ich habe das i n mehreren H V kritisiert, aber solche Polit i k liegt i m Ermessen des Vorstands 17 . d) Da die absoluten Zahlen der Ergebnisrechnung von Außenstehenden schwer beurteilt werden können, halten sich die Analysen vorwiegend an größere Veränderungen gegenüber dem Vorjahr. Hierauf sind auch die Erläuterungen i m Geschäftsbericht i m wesentlichen abgestellt. Freilich liefert das nur mäßige Erkenntnisse. Mehr oder minder haben sich alle Beträge verändert, und man registriert das, ohne es begründet loben oder tadeln zu können. Die Erläuterungen begnügen sich gewöhnlich m i t verbalen Umschreibungen, die relativ wenig besagen. Die Aktionäre interessiert schließlich nur, was „unter dem Strich" als Jahresüberschuß verbleibt und was davon i n die Rücklagen einerseits und i n die Dividende anderseits geht. Die Verwaltung geht davon aus, daß 17 Für Einzelheiten sei auf meinen Aufsatz „Mit den Rückstellungen kann das Ergebnis manipuliert werden" (HANDELSBLATT, Nr. 195, S. 11 vom 19. X . 76) verwiesen.
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sie a m w e n i g s t e n W i d e r s p r u c h findet, w e n n sie eine m ö g l i c h s t g l e i c h b l e i b e n d e D i v i d e n d e a u s w e i s t (s. A n h a n g 6, A , 2). F ü r d i e A k t i o n ä r e w ä r e es h i n g e g e n w i c h t i g e r , n ä h e r z u e r f a h r e n , w a s i m a b g e l a u f e n e n J a h r t a t sächlich v e r d i e n t w o r d e n ist. 5. A b s c h l i e ß e n d s t e l l t sich f ü r d i e A k t i o n ä r e d i e F r a g e n a c h d e r Angemessenheit der Dividende. H i e r f ü r lassen sich m e h r e r e Bezugsgrößen h e r a n z i e h e n : d e r U m s a t z u n d d e r R o h e r t r a g , das ausgewiesene E i g e n k a p i t a l u n d d e r B ö r s e n w e r t des G r u n d k a p i t a l s , i n e t w a a u c h das A n l a g e v e r m ö g e n . D i e entsprechenden Renditesätze lassen sich m i t a n d e r e n Gesellschaften (nach R e n d i t e s t a t i s t i k e n ) u n d a n d e r e n K a p i t a l a n l a g e n vergleichen. Solche B e r e c h n u n g e n s t e l l t n a t ü r l i c h auch d i e V e r w a l t u n g an, aber sie n e n n t n i c h t die Ergebnisse. Z u d e n V o r h a l t u n g e n u n z u f r i e d e n e r A k t i o n ä r e pflegt sie a l l e n f a l l s z u e r k l ä r e n , d i e g e r i n g e R e n d i t e w e r d e auch v o n i h r b e d a u e r t . Beispiel
für Kritik
am
Gewinnausweis
DEGUSSA — Deutsche Gold- und Silber-Scheideanstalt-AG
Frankfurt.
Zahlen aus dem Geschäftsjahr 1976/77: G K 200 Mio, Umsatz 3766 Mio (Gruppe 4455), Beschäftigte 12 843. H V in Frankfurt am 19. April 1978, 219 Aktionäre mit 87,15 °/o Repräsentanz des GK. Zum Gewinn führte ich aus: „Bei einem Bilanzgewinn von 34 Mio (Vj. 36 Mio) und einer Nettodividende von 8,50 (nach 9,—) D M mögen die Aktionäre zufrieden sein, denn die Lage der Chemie hat sich erheblich verschlechtert, die Dividende ist weniger ermäßigt als die Körperschaftssteuer erhöht worden und die 2 Mio Rücklagenzuweisung aus dem Jahresüberschuß wirken sehr bescheiden. Indessen wäre nach der Entwicklung und Höhe des tatsächlichen Gewinns zu fragen. Der Vorstand wird ihn nicht angeben, weil der Gewinnbegriff strittig sein kann und die Aktionäre auf die Informationen beschränkt sind, die ihnen der Jahresabschluß bietet. Indessen ist im Geschäftsbericht (S. 85) ein „Gewinn vor Steuern" mit 131 Mio genannt, gegen 102 i. Vj., also eine Zunahme um 29. Anderseits sind die EEV-Steuern mit 95 nach 60 Mio angeführt, also 35 mehr, so daß der Jahresüberschuß um 6 Mio niedriger ausgefallen ist Das wirft jedoch zwei Fragen auf: Wie kann die Steuer stärker wachsen als der Gewinn? Wie kann die Steuer im Geschäftsjahr 73 °/o des Gewinns beansprucht haben? Offenbar ist der „Gewinn vor Steuern" (131) nicht der volle versteuerte Gewinn, sondern lediglich der ausgewiesene Gewinn (JÜ) zuzüglich sämtlicher Steuern, auch auf den einbehaltenen, nicht ausgewiesenen Gewinn.
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Anhang
Letzterer läßt sich nach folgender überschläglicher Rechnung schätzen: EEV-Steuern ./. Vermögenssteuer ./. Gewerbesteuern = KSt auf Bilanzgewinn auf Rücklagen auf sonst. Gewinn
95 12 5 78 19 Mio 2,6 Mio rd.
Mio Mio Mio Mio
(gesch.) (gesch.)
21,6 Mio 56 Mio
Das entspricht einem Brutto-Gewinn von 100 Mio und umverteilten Gewinn von 44 Mio. Der Gesamtgewinn hat mithin 80 Mio betragen, davon 34 ausgeschüttet, 2 für Rücklagen, 44 einbehalten und nicht ausgewiesen. Außerdem sind 58 Mio vorab in steuerfreie Sonderrücklagen gegangen. Von dem Gesamtgewinn von 138 haben die Aktionäre nur 34 = 25 % erhalten. Die Erklärung der Steuererhöhung „hauptsächlich mit der KSt-Reform" kann danach nicht stimmen, denn diese hat nur rd. ein Fünftel der Erhöhung gebracht, den übrigen Teil die Gewinnerhöhung. Wenn ich falsche Annahmen gemacht habe, möge man mich berichtigen." Der Vorstand erklärt dazu, er wolle sich nicht äußern, denn über „stille Reserven" rede man nicht.
Anhang Abschlußprüfung und Prüfer 1. Unter jedem veröffentlichten Jahresabschluß steht die Bestätigung des Abschlußprüfers (Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft), daß der Abschluß und Geschäftsbericht nach pflichtgemäßer Prüfung den gesetzlichen Vorschriften entspreche. Das Aktiengesetz nimmt diese Prüfung sehr wichtig; es widmet i h r — m i t den Rechten und Pflichten der Prüfer — einen ganzen Abschnitt (§§ 162—169) und sieht auch noch für andere Fälle Prüfungen vor. 2. Eine Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und des Jahresabschlusses war seit jeher üblich. Sie ergab sich aus der Uberwachungspflicht des A R und wurde von Buchsachverständigen oder Treuhandgesellschaften durchgeführt, aber sie wurde erst durch die Novellierung des Aktienrechts (von 1931) m i t den §§ 262 a-g HGB als „Bilanzprüfung" obligatorisch. Seit der Jahresabschluß nicht mehr von den Aktionären festgestellt w i r d (wie bis 1937 nach § 2601 HGB), sondern durch Vorstand und AR (§ 172 AktG), hat die Prüfung für die Aktionäre erhöhte Bedeutung gewonnen. Dazu hat das A k t G von 1965 die Jahresabschlüsse noch komplizierter und damit prüfungsbedürftiger gemacht. 3. Die Prüfung richtet sich gegen die Vorlagen des Vorstandes an den Aufsichtsrat. Dieser ist schon deshalb auf die Prüfung angewiesen, w e i l er selbst eine Prüfungspflicht hat, die er aber praktisch nicht ausüben kann. Ebenso müssen sich die Aktionäre auf die Prüfung verlassen. Deshalb läßt das A k t G die Abschlußprüfer auf Vorschlag des A R durch die H V wählen. Anderseits ist auch der Vorstand insofern an der Prüfung interessiert, als i h m das Testat ordnungsmäßige, d. h. richtige und vollständige Rechnungslegung bescheinigt. Allerdings ist bei Schadensersatzklagen sowie bei Nichtigkeits- und Anfechtungsklagen das Gericht nicht an die Feststellungen der Abschlußprüfer gebunden. 4. Die tatsächliche Bedeutung der Prüfung ist i n vieler Hinsicht beschränkt. — Aktionäre erliegen leicht dem Mißverständnis, daß die ganze Geschäftsführung geprüft worden sei, und zwar nicht nur ihre Recht-
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Anhang
mäßigkeit, sondern auch ihre wirtschaftliche Zweckmäßigkeit. Indessen erstreckt sich die Prüfung nur auf die formale Ordnungsmäßigkeit der Verbuchung, m i t Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Gliederung, dazu den vorgeschriebenen Mindestinhalt des Geschäftsberichtes. Dazu gehört auch, ob die verbuchten Geschäftsvorgänge oder Bilanzpositionen wirtschaftlich zutreffend behandelt sind. — „Der Jahresabschluß hat den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu entsprechen" (§ 149 I, I AktG). Was hierunter zu verstehen ist, gilt zwar i n der Praxis als ziemlich feststehend und w i r d durch die GliederungsVorschriften des Aktiengesetzes ergänzt, aber w o r i n jene „Grundsätze" bestehen sollen, ist gesetzlich nirgendwo festgelegt, so daß vieles eine Frage der Auffassung und Auslegung bleibt. Das bestätigen die umfangreichen, nicht selten divergierenden Kommentare zum Jahresabschluß und dessen Prüfung. — Die Prüfung sieht auf ausreichende Buchungsunterlagen, befaßt sich aber nicht m i t deren Glaubwürdigkeit und noch weniger m i t ihrer wirtschaftlichen Berechtigung (ζ. B. der Höhe vereinbarter Entgelte oder ausgegebener Spesen). Sie kann auch nicht feststellen, ob alles verbucht ist, was erfaßt sein müßte. Das Testat bestätigt also lediglich, daß das, was verbucht worden ist, i n der gesetzlich vorgeschriebenen Weise ausgewiesen ist. 5. Die Aktionäre sind an der Prüfung i n keiner Weise beteiligt, obwohl sie den Prüfer wählen. Sie erfahren auch nichts über die Durchführung der Prüfung und dabei aufgetretene Probleme, sondern sie müssen sich m i t dem Bestätigungsvermerk begnügen. Der (recht instruktive) Prüfungsbericht geht weder an die Aktionäre, noch an den AR, sondern an den Vorstand (§ 166 III), obwohl gerade dessen Tätigkeit geprüft werden soll. Der Vorstand w i r d sich bei der Abschlußbesprechung den Berichtsentwurf vorlegen lassen, also darauf achten, daß er selbst unangefochten bleibt. Der fertige Bericht steht nur den AR-Mitgliedern zur Verfügung, nicht den Aktionären. Diese haben auch nicht die Möglichkeit, durch HV-Fragen etwas aus dem Bericht zu erfahren. Sie können keine Fragen an den Abschlußprüfer stellen, denn dieser steht der H V nicht zur Verfügung. Überdies verbietet die Verschwiegenheitspflicht, verbunden m i t Schadenersatzpflicht (§ 1681) den Prüfern jegliche Äußerung. Die Aktionäre können zwar bei Besorgnis der Befangenheit des Prüfers bei Gericht einen anderen Prüfer bestellen lassen (§ 163 I I 1), aber ein solches Verfahren ist schon formal so schwierig, daß noch kein derartiger Fall bekannt geworden ist.
Abschlußprüfung und Prüfer
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6. Grundbedingung für eine objektive, wirksame und einwandfreie Abschlußprüfung ist, daß der Prüfer von dem geprüften Unternehmen unabhängig ist. a) Deshalb erklärt das Aktiengesetz (§ 164) solche WP und WPG für nicht wählbar, die infolge ihrer Stellung von dem prüfungspflichtigen Unternehmen abhängig sein könnten, insbesondere — persönliche WP, die gleichzeitig i n der zu prüfenden Gesellschaft oder i n einem verbundenen Unternehmen tätig sind (z.B. i n deren Revisionsabteilung) — WPG, die ein „verbundenes Unternehmen" (§15 AktG) der zu prüfenden Gesellschaft sind. Das sind jedoch formale, institutionelle Kriterien. Wichtiger wäre der Ausschluß von Prüfern, die von der betr. Gesellschaft wirtschaftlich abhängig sind. I n der H V der Rheinelektra AG, Mannheim, einer RWE-Tochter, am 6. Dez. 1977, habe ich m i t einem Gegenantrag der Wahl der vorgeschlagenen WPG widersprochen, weil diese ausschließlich m i t A b schlußprüfungen aus dem RWE-Konzern beschäftigt sei, also sozusagen „hauseigen" sei, jedenfalls existenziell vom Konzern abhinge. Die Verwaltung erklärte jedoch, daß die WPG kein „verbundenes Unternehmen" der Rheinelektra sei, sondern einer Bank gehöre. Gegen den Beschluß stand m i r kein Rechtsmittel zu. Ich hätte nur eine Anfechtungsklage gegen den Gewinnverteilungsbeschluß erheben können, m i t der Begründung, daß der Jahresabschluß nicht ordnungsmäßig geprüft und deshalb nichtig sei. b) Die Unabhängigkeit des Prüfers müßte sich daran zeigen und bewähren, daß er sich, wenn erforderlich, auch gegen den Vorstand durchsetzen könnte. Das Gesetz erwartet und verlangt das von ihm, aber i n Wirklichkeit ist es damit schlecht bestellt. — Über den Wahlvorschlag entscheidet praktisch der Vorstand, der (nach der Wahl) auch den Prüfungsauftrag zu erteilen hat (§ 163 13). U m wiedergewählt zu werden, (wie es üblich ist), w i r d jeder Prüfer es vermeiden, sich m i t dem Vorstand anzulegen. Hierin liegt ein Kernpunkt für die schwache Stellung der Prüfer. — Das A k t G (§ 169) sieht zwar vor, daß bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Prüfer und Vorstand eine gerichtliche Entscheidung eingeholt werden kann, aber das ist wieder eine der irrealen Gesetzesbestimmungen, die nicht zur Anwendung kommen, weil alle Beteiligten, schon wegen des schlechten äußeren Eindrucks, sie nicht i n A n spruch nehmen werden. Höchstens w i r d ein Abschlußprüfer erklären, daß er den Bestätigungsvermerk nicht erteilen könne und deshalb sei-
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nen Auftrag zurückgebe. So etwas ist jedoch ein ganz seltener Ausnahmefall. — Der Normalfall besteht darin, daß i m Konfliktfall der Vorstand wie der Prüfer nach einer Verständigung suchen. Der Vorstand w i r d nur nachgeben, wenn der Prüfer eine Buchung oder Ausweisung als einwandfrei gesetzeswidrig nachweisen kann; i n allen anderen Fällen w i r d der Prüfer nachgeben. Diese faktische Abhängigkeit vom Vorstand ist die schwächste Seite der ganzen Abschlußprüfung. Würden die Prüfer auch Kontakte zu den Aktionären haben, so würde das ihre Stellung gegenüber dem Vorstand stärken.
Anhang Probleme der AG-Finanzierung Wenn eine A G Finanzierungsmittel benötigt, die sie weder ihren vorhandenen flüssigen M i t t e l n entnehmen noch durch weitere Kreditaufnahme beschaffen kann oder mag, so stehen i h r zur Erhöhung ihres Eigenkapitals zwei Wege zur Verfügung: Gewinnverwendung zur Rücklagenbildung oder Kapitalerhöhung. Beides berührt die Aktionäre i n entscheidender Weise und beschäftigt sie i n den HV's. Dabei gehen die Verwaltungen einerseits und die Aktionäre anderseits von verschiedenen Überlegungen aus. A.
Gewinnverwendung
1. Die Verwaltung einer A G hat bei ihrer Jahresrechnung zu entscheiden, — wieweit sie einen erzielten Gewinn als Jahresüberschuß ausweisen oder diesen durch Bildung stiller Reserven niedrig halten soll — zu welchen Teilen der Jahresüberschuß einbehalten (und den offenen Rücklagen zugewiesen) oder ausgeschüttet werden soll. I n beiden Fällen steht das Interesse der Verwaltung an reichlicher Selbstfinanzierung dem Interesse der Aktionäre an Dividenden entgegen. 2. Da der Jahresabschluß nebst Gewinnverwendungsvorschlag von der Verwaltung aufgestellt wird, kann diese nach eigenem Ermessen entscheiden. Sie w i r d m i t den Dividendenwünschen der Aktionäre insoweit übereinstimmen, als die Dividende einen guten Börsenkurs und die Emissionsfähigkeit gewährleisten soll. Für das erforderliche Ausmaß an Selbstfinanzierung ist vor allem viererlei zu berücksichtigen: — Die Eigenfinanzierung muß eine gesunde Relation zur Fremdfinanzierung einhalten. Das verlangen auch die Kreditgeber. — Die Verwaltung braucht eine operative Reserve zum Ausgleichen zwischen guten und schlechten Jahren. Sie sollte diese Reserve jedoch auf eine entsprechende vernünftige Höhe beschränken, also keine unbegrenzte Thesaurierungspolitik betreiben.
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— Wenn Gewinn einbehalten wird, soll der Zuwachs an Eigenkapital auch eine entsprechende Rendite bringen. Bestehen hierfür keine genügenden Aussichten, so sollte der Gewinn verteilt werden. — Einbehaltener Gewinn kostet weit höhere Ertragssteuer als ausgeschütteter Gewinn (KSt 56 °/o gegen 36 °/o). Finanzierung aus Gewinn w i r d also teuer. Das veranlaßt zur Verbindung von Ausschüttung und Kapitalerhöhung (s. Z. 4). 3. Innerhalb der Gestaltungsfreiheit der Verwaltung stellt sich vor allem das Problem, ob eine möglichst gleichbleibende Dividende angestrebt oder ob sie der Ertragsentwicklung angepaßt werden soll. Es geht also u m Stabilität oder Flexibilität. Letzteres entspricht der Natur der Dividende, aber die Verwaltungen tendieren weitgehend zu ersterem. — Eine gleichbleibende Dividende läßt sich von den Aktionären relat i v wenig kritisieren. I n schlechter gewordenen Jahren kann die Verwaltung m i t einem Lob der Aktionäre rechnen. Wenn sich der Ertrag wieder gebessert hat, kann sich die Verwaltung auf jenes Durchhalten der Dividende berufen und erklären, daß jetzt wieder mehr für die innere Stärkung des Unternehmens getan werden müsse. Eine annähernd gleichbleibende Dividende dient auch der Kursstabilisierung und besseren Anlagekalkulation. — Gegen eine Festschreibung der Dividende spricht eindeutig ihr Charakter als gewinnabhängiger Ertrag. Die Aktionäre müssen außerdem befürchten, daß die Dividende nicht der Geldentwertung und dem Wachstum des Unternehmens folgt. Anderseits kann es vorkommen, daß die Aktionäre durch gleichbleibende Dividenden über die wirkliche Lage des Unternehmens getäuscht werden sollen. Ein klassisches Beispiel hierfür hat die Rheinstahl A G i n den 60er Jahren geboten. Sie schüttete unverändert 12 °/o aus und galt deshalb als Spitzenpapier der Montanindustrie. Daß diese Dividende zunehmend aus der Substanz gezahlt werden mußte, wurde verkannt. Als dann die Ä r a Söhngen i n 1968/69 zusammenbrach, gab es einen großen A u f r u h r der Aktionäre, die sich hintergangen fühlten. Tatsächlich waren sie durch die gleichbleibende hohe Dividende von der Passivität und Unfähigkeit der Verwaltung abgelenkt worden, so daß diese unangefochten blieb. Hinterher war es dann zu spät. Auch diese Lehre spricht für eine prinzipiell flexible Dividendenpolitik, vor allem von Publikumsgesellschaften. 4. Eine Verbindung zwischen Gewinnverteilung und Selbstfinanzierung bietet das Prinzip „Schütt aus — hol zurück".
Probleme der AG-Finanzierung
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Beispiel: Bei ihren Abschlüssen für 1975 gingen Daimler-Benz und B M W i n der Weise vor, daß die Dividende auf 10 D M je Aktie (zu 50 DM) festgesetzt und gleichzeitig das Kapital i m Verhältnis 1 :10 erhöht wurde, m i t einem Bezugskurs von 200 °/o (bei einem Börsenkurs von etwa 400 °/o). Ergebnis: + Die Dividenden konnten die Aktionäre befriedigen. Außerdem verdienten sie am Bezugsrecht. + Die Gesellschaften vermieden die hohe Besteuerung einbehaltener Gewinne und konnten das Eigenkapital für ihre Investitionsbedürfnisse erhöhen. Der Vorstand kann allenfalls i n einem niedrigen Bezugskurs eine Kapitalverwässerung sehen, so daß eine gleichbleibend hohe Dividende nicht gewährleistet erscheint. Das Prinzip bewährt sich daher speziell bei expansiven und florierenden Unternehmen (wie i m vorstehenden Beispiel). Sie brauchen solche Bedenken weniger zu haben. A n der beträchtlichen Kst-Ersparnis ist i m übrigen dem Vorstand ebenso gelegen wie den Aktionären. Die Einstellung der Aktionäre kann allerdings je nach der Höhe ihrer Einkommensteuer variieren. Gemeinsam ist allen der Vorteil, daß sie den (üblichen) Kursgewinn aus niedrigen Bezugskursen nicht zu versteuern brauchen. Großaktionäre, die Dividenden hoch versteuern müssen, tendieren freilich mehr zur Rücklagenbildung bei den Gesellschaften. Sie schätzen auch Bezugsrechte weniger, wenn sie nicht genügend Kapital zu dessen Ausübung frei haben. B.
Kapitalerhöhung
Von den verschiedenen A r t e n der Kapitalerhöhung geht es hier nur u m die Ausgabe neuer A k t i e n gegen Bareinzahlung. 1. Auch bei der Kapitalerhöhung steht die Verwaltung vor divergierenden Überlegungen: — Ein hohes „haftendes Grundkapital" dient dem Image des Unternehmens. Das Bilanzbild verlangt auch einen guten A n t e i l des Eigenkapitals an der Bilanzsumme. Finanzierung durch Kapitalerhöhung ist nicht m i t festem Kapitaldienst belastet und Dividenden bleiben gewöhnlich unter vergleichbaren Kreditkosten. — Anderseits ist Aktienkapital steuerlich teurer als Fremdkapital, w e i l es Vermögens- und Gewerbekapitalsteuer, dazu (sein Ertrag) K ö r perschafts- und Gewerbesteuer kostet. Weiter sind Emissionen umständlich und kostspielig, indem der HV-Beschluß Arbeiten, Kosten und 10 Huppert
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K r i t i k verursacht; dazu die Emission Kapitalverkehrssteuer, Konsortialgebühren, Aufwendungen für Bekanntmachungen und Börseneinführung. 2. Die Emissionsbedingungen müssen Kapitalanleger hinreichend überzeugen, aber auch für die Gesellschaft annehmbar sein. — Die Zustimmung der Aktionäre zur Kapitalerhöhung nebst Bezugsrecht bedeutet noch nicht entsprechende Ubernahmebereitschaft. Viele wollen i h r Bezugsrecht verkaufen. Deshalb müssen die Bedingungen auch für andere Kapitalanleger attraktiv sein. — Die betreifende Aktienanlage muß hinsichtlich Rendite, Sicherheit, Werterhaltung, Liquidität und Besteuerung insgesamt m i t sonstigen Anlagen für Geldvermögen konkurrenzfähig sein. — Name und Ansehen, bisherige Entwicklung und Chancen der emittierenden Gesellschaft müssen genügend ansprechen. Alles zusammen kann dazu führen, daß eine Verwaltung auf Kapitalerhöhung verzichtet, w e i l sie zu den erforderlichen Konditionen der Gesellschaft nicht genügend bringt. Bei der heute üblichen festen Übernahme von Kapitalerhöhungen hängen die Konditionen letztenendes von den Emissionsbanken ab. 3. Von entscheidender Bedeutung für Kapitalerhöhungen ist der Börsenkurs. — Ein hoher Kurs fördert die Aufnahmebereitschaft des Kapitalmarktes und kann den Aktionären lukrative Bezugsrechte ermöglichen. Bei hohen Emissionskursen wächst das nominale Grundkapital relativ wenig, so daß die Dividendenbedienung leichter wird. — Bei niedrigen Börsenkursen pflegt dagegen das Emissionsgeschäft zu stagnieren. Dies zeigt, daß Kapitalerhöhungen weniger von dem individuellen Wert und den kalkulierbaren Chancen der einzelnen Unternehmen als von der Börsenlage abhängig sind.
Anhang 7 Mehrheitserwerb U m die Mehrheit oder eine maßgebliche Beteiligung an einer bestehenden A G zu erwerben, gibt es mehrere Wege: — Der Aufkauf über die Börse scheint am einfachsten zu sein, verspricht jedoch nur begrenzten Erfolg, weil Gesellschaften, die sich zur Mehrheit i n Streubesitz befinden, relativ selten oder so groß sind, daß die Mehrheit kaum zu beschaffen ist. Außerdem w i r k e n anhaltende, gezielte Aufkäufe stark kurstreibend. Deshalb gehen solche Versuche gewöhnlich nur bis zur Ansammlung eines mäßigen Anteils (10—15°/o). Die dabei gewonnenen Erfahrungen über die Aktienverteilung und die Abgabebereitschaft der Aktionäre können für das weitere Vorgehen dienlich sein — oder auch dazu veranlassen, das Vorhaben nicht weiter zu verfolgen. — Ein zweiter Weg ist ein Übernahmeangebot an die Aktionäre der Gesellschaft, die erworben werden soll. Dieses Vorgehen w a r i n den USA seit langem gebräuchlich, hat sich aber i n den letzten Jahren auch i n der Bundesrepublik rasch eingebürgert. Die übernehmende Gesellschaft erklärt öffentlich, daß sie bereit ist, innerhalb einer bestimmten Frist alle angebotenen A k t i e n zu einem Kurs bzw. Preis von i n Bar zu erwerben oder gegen eigene A k t i e n i m Verhältnis zu tauschen. U m Erfolg zu haben, d. h. eine Mehrheitsbeteiligung zu erreichen, muß der Übernahmepreis wesentlich über dem Börsenkurs oder der bisherigen Dividendenrendite liegen. Der Übernehmer kann sich hierzu bereit finden, wenn er die A k t i e n für bisher unterbewertet hält oder wenn er die Gesellschaft für besondere geschäftliche Operationen aktivieren w i l l . (Beispiel: Ein ausländischer Konzern macht ein Ubernahmeangebot, u m die betr. Gesellschaft zum Träger seiner geschäftlichen A k t i v i t ä t e n i n dem betr. Land zu machen). Der Übernehmer geht das Risiko ein, daß sich genügend Abgeber finden, denn wenn es nicht zu einer eindeutigen Mehrheit reicht, sitzt er auf überbezahlten Aktien. Für die betr. Aktionäre ist das Angebot ein Glücksfall, der zu den nicht voraussehbaren Chancen von Aktienbesitz gehört. Erst relativ kurze Zeit vor der Veröffentlichung des Angebots pflegt die Öffentlichkeit etwas zu merken (nachdem schon Insider m i t Aufkäufen begonnen haben). 10·
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Kennzeichnend für den Umfang und die wachsende Beliebtheit der Übernahmeangebote, vor allem i n den USA, ist die FAZ vom 19. Oktober 1977. A u f nur einer Seite w i r d berichtet: + Das Übernahmeangebot der Portland-Zementwerke Heidelberg A G an die Aktionäre der amerikanischen Lehigh Portland Cement Corporation w a r so erfolgreich, daß i h r jetzt 93 °/o des ausstehenden Kapitals gehören. -h Der schweizerische Nestlé-Konzern w i l l den Aktionären der amerikanischen Aleon Laboratorien Incorporation 32 Dollar je Stammaktie zahlen und für den Erwerb der Gesellschaft insgesamt 276,5 Mio Dollar aufwenden. + Die Bayer A G hat ihr Ubernahmeangebot für die amerikanische Miles Laboratories Incorporation auf 47 Dollar pro A k t i e aufgestockt und will dafür insgesamt 253,8 Mio Dollar aufwenden. Woher der Ubernehmer sich die nötigen internen Kenntnisse über die Gesellschaft verschafft, ist seine Sache. Das deutsche Aktienrecht schweigt sich auch hierüber aus, aber kaum ein Übernehmer w i r d ohne vorherige Verhandlungen m i t dem Vorstand vorgehen. — Ein anderer Weg, der i n der Bundesrepublik vorgezogen wird, ist der Erwerb qualifizierter Aktienpakete von ihren bisherigen Besitzern. Das Interesse des Aufkäufers liegt gewöhnlich i n der beabsichtigten Eingliederung i n seinen Konzern oder i n anderen unternehmerischen Absichten; das des Verkäufers i n Geldbedarf oder Unvermögen zu weiterer Finanzierung des Unternehmens. Der Ubernahmepreis ist reine Verhandlungssache. — Verwandt m i t solchen Paketübernahmen ist — bei ähnlicher Ausgangslage — die Übernahme einer Kapitalerhöhung durch ein Unternehmen, das einen qualifizierten Besitzanteil erwerben w i l l . Solche Geschäfte werden gern von Banken arrangiert, die ihren Kreditnehmern helfen wollen, ohne sich selbst weiter zu engagieren. — Natürlich gibt es häufig Kombinationen der verschiedenen Methoden; etwa zunächst Börsenaufkäufe, dann Zukäufe kleinerer Pakete, dann Erwerb eines Anteils, der zur Mehrheit verhilft; dann Ubernahmeangebot, das möglichst zum Vollerwerb führen soll. Die freien Aktionäre erfahren von alledem erst reichlich spät und glauben dann leicht, übervorteilt worden zu sein. Aber insgesamt verdienen sie doch. Die Gelegenheit zu einem günstigen Verkauf werden sie schon deshalb gern wahrnehmen, weil später der Kurs leicht wieder zurückgehen kann und w e i l sie nicht absehen können, wie die Gesellschaft sich unter ihrem neuen Mehrheitsbesitzer entwickeln wird. Manche Aktionäre spekulieren freilich darauf, als kleine Gruppe ver-
Mehrheitserwerb
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bliebener außenstehender Aktionäre einen hohen Lästigkeitswert zu gewinnen, der zu einem noch günstigeren Abfindungsangebot veranlassen kann. Wie sich freier Erwerb und gesetzliche Abfindung kombinieren lassen und dabei schrittweise der Vollerwerb erreicht wird, veranschaulicht die Übernahme der Wintershall A G durch die BASF A G i n den Jahren 1968—1970. — Die Wintershall A G wurde m i t etwas über 50 ΰ /ο des A K von der Gewerkschaft Wintershall gehalten. Größter Gewerke w a r der Quandt-Konzern. Als dieser (aus familiären Gründen) sich 1968 von seinem Kuxe-Besitz trennen wollte, fand er die BASF als Interessenten, weil sich das Wh-Programm (Kali und ö l ) an seine Großchemie anschließen ließ. Die BASF einigte sich auch m i t den übrigen Gewerkern über deren Kuxe-Verkauf und fand die wenigen außenstehenden Gewerken ab. — Gleichzeitig hatte die BASF i m Stillen m i t dem Aufkauf von Wh-Aktien begonnen. Hieraus und aus dem Übergang der Gewerkschaft Wintershall auf die BASF verfügte diese über mehr als 75 % des A K der Wintershall AG. Darauf Schloß sie m i t der A G einen Beherrschungs- und Organschaftsvertrag, der m i t einem Tausch- und Abfindungsangebot an die außenstehenden Wh-Aktionäre verbunden war. — Aus dem Aktientausch erhöhte die BASF ihren Kapitalanteil auf über 95 % . Damit konnte sie einen Eingliederungsvertrag zustande bringen, der die Wintershall A G v o l l auf die BASF überführte, wenngleich die A G äußerlich bestehen blieb. Die noch verbliebenen außenstehenden Aktionäre wurden abgefunden. (Über die Abfindungsbedingungen wurde freilich ein langwieriges Verfahren vor dem Landgericht Hannover durchgeführt, das erst 1977 m i t einer mehr als 20 Voigen Aufbesserung durch Vergleich endete). — Nunmehr konnte die BASF das sie nicht unmittelbar berührende Kaligeschäft von Wintershall, zusammen m i t Salzdelfurth, i n die K a l i und Salz A G überführen, das übrige Geschäft dagegen weitgehend m i t den eigenen Unternehmen verschmelzen. Dadurch wurde die Wintershall A G auf Holdingfunktionen reduziert.
Anhang Rechtsschutz für Aktionäre Das A k t G von 1965 krankt nicht zuletzt daran, daß es ungenügend für die Einhaltung und Durchsetzung seiner vielen obligatorischen Vorschriften gesorgt hat (s. Tz. 10). A. Aktionäre
als Gesetzeswächter?
1. Die Ordnungsvorschriften, welche dem Interesse der Allgemeinheit dienen sollen (ζ. B. Publizitätsauflagen) oder zur Unternehmensverfassung gehören (ζ. B. Stellung des Vorstands), können nicht den Beteiligten zur Überwachung überlassen werden, denn diese sind daran wenig interessiert. Es gibt anderseits keine staatliche Aufsichts- und Vollzugsinstanz, welche die Einhaltung überwacht und durchsetzt. Es wäre auch wenig sinnvoll und erfolgversprechend, dafür eine eigene bürokratische oder richterliche Instanz (etwa ein „Aktienamt") zu schaffen. Ohne eine solche sind freilich auch die zahlreichen Strafvorschriften des A k t G zwecklos, denn sie werden nicht angewendet. 2. Anders sind die Schutzvorschriften für Aktionäre zu beurteilen, die sie vor Übergriffen der Verwaltung oder Großaktionäre bewahren sollen. I n diesen Fällen kann grundsätzlich erwartet werden, daß die Aktionäre, die sich betroffen fühlen, auch bereit sind, für die Durchsetzung ihrer Rechte einzutreten. Tatsächlich ist hiermit jedoch nur i n sehr beschränktem Umfang zu rechnen, w e i l das A k t G den Aktionären keine ausreichenden und geeigneten Rechtsmittel gibt. Die meisten Rechtswidrigkeiten bleiben schon deshalb unentdeckt und unverfolgt, w e i l die Aktionäre sich keine entsprechenden Einblicke verschaffen können. Aber auch gegen offenkundige Rechtsverletzungen fehlt es den Aktionären an einfachen und kostenfreien Rechtsmitteln, etwa A n zeigen oder Beschwerden an das Registergericht, das dann die A u f klärung und Verfolgung übernehmen würde. Schließlich w i n k t dem erfolgreich vorgehenden Aktionär auch kein materieller Nutzen. Selbst wenn ζ. B. festgestellt wird, daß einer der vielen Schadensersatzfälle vorliegt, die das A k t G statuiert, erhält nicht der prozessierende A k t i o när etwas, sondern die Gesellschaft. Somit sind die Aktionäre keine geeigneten Wächter über die Einhaltung des A k t G ; nicht einmal für die zu ihrem eigenen Nutzen erlassenen Vorschriften, geschweige denn für
Rechtsschutz der Aktionäre
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die Ordnungsvorschriften, an denen sie weder beteiligt noch interessiert sind. Diese gesetzgeberische Fehlleistung ist nur damit zu erklären, daß das Aktienrecht als Zivilrecht angesehen worden ist, welches von den Beteiligten (vertraglich oder statuarisch) gesetzt w i r d und daher auch ihrer Überwachung überlassen werden kann. Tatsächlich hat sich aber das Aktienrecht überwiegend zu einem gesetzlichen Verfassungsrecht entwickelt. B.
Aktionärsklagen
1. Die Rechtsmittel der Aktionäre beschränken sich i m wesentlichen auf Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen HV-Beschlüsse. I n der Neufassung des A k t G von 1965 sind diese Klagemöglichkeiten wesentlich ausgebaut und erleichtert worden (§§ 241—257). Sie sind allerdings auf Sachverhalte beschränkt, über die von der H V beschlossen werden muß. Alles andere bleibt unbetroffen, auch wenn es die Aktionäre entscheidend angeht (ζ. B. Nötigung des Vorstands durch einen Großaktionär zu dessen Vorteil). 2. Ein Aktionär, der klagen möchte, hat zu bedenken: — Der Prozeß w i r d i h m viel Arbeit machen, für die er selbst bei positivem Ausgang nicht entschädigt wird. — Ein Prozeßerfolg kann dem Kläger nur einen ideellen, keinen materiellen Gewinn bringen. Deshalb werden eigentlich nur Idealisten solche Prozesse führen. — Zur Klagebegründung und Beweisführung benötigt der Kläger häufig nähere Einblicke i n die inneren Verhältnisse der Gesellschaft. Selbst wenn diese i m Prozeßverlauf entsprechende Erklärungen abgibt, kann der Aktionär nicht prüfen, ob diese richtig sind. Die Gerichte unterstellen die Angaben der Geschäftsführung gewöhnlich als richtig, w e i l sie nicht annehmen, daß diese schwindeln würde. Stattdessen verlangen sie vom Kläger Gegenbeweise, die dieser aber (mangels ausreichender Einblicke) nicht führen kann. So ist es m i r i n einem Anfechtungs- und Nichtigkeitsprozeß gegen das RWE wegen des Jahresabschlusses 1973/1974 ergangen. — Über das normale Maß an Unsicherheit jeder Prozeßführung hinaus tragen Aktionäre ein erhöhtes Prozeßrisiko: Die gesetzlichen Bestimmungen sind nicht genügend klar und die Gerichte neigen dazu, Anfechtungsklagen abzuweisen (s. Z. 4). Schon aus diesen Gründen kommt es unverhältnismäßig selten zu Klageerhebungen.
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3. Schwerer als diese Prozeßhindernisse wiegt das Prozeßkostenrisiko. Der Streitwert w i r d von den Gerichten i n aller Regel auf 1 Mio D M angesetzt, obwohl § 247 I A k t G einen niedrigeren Ansatz zuließe. Das bürdet dem Aktionär für drei Instanzen ein Kostenrisiko von etwa 180 T D M auf. Der Streitwert für die Kostenpflicht des Aktionärs kann allerdings nach § 247 I I A k t G beschränkt werden. Die Gerichte setzen dafür gewöhnlich zwischen 20 und 50 T D M an. Auch damit sind jedoch noch erhebliche Kosten verbunden. Hinzu kommt, daß die Kostenbeschränkung i n jeder Instanz neu beantragt und bewilligt werden muß, also unsicher bleibt. So erging es m i r i n der erwähnten Klage gegen das RWE. I n erster Instanz wurde m i r vom L G Essen Kostenbeschränkung entsprechend einem Streitwert von 50 T D M bewilligt, aber i m Urteil wurde die Klage abgewiesen. Ich legte darauf Berufung beim OLG Hamm ein, i n der Erwartung, gleiche Kostenbeschränkung zu erhalten. Diese wurde jedoch abgelehnt, so daß ich genötigt war, die Berufung zurückzunehmen. Damit war m i r nicht nur der weitere Rechtsweg verschlossen, sondern mußte ich auch die Kosten der Berufung für einen Streitwert von 1 Mio tragen. Die Kosten können auch noch unvorhersehbar größer werden, wenn etwa Sachverständigengutachten über das Rechnungswesen erforderlich werden, denn hierfür gibt es keinen Kostenschutz. Das A k t G gibt auch nicht die Möglichkeit, der Gesellschaft wenigstens einen Teil der Kosten aufzuerlegen; so ζ. B. wenn sie die Dinge früher anders als i m Prozeß dargestellt hat. I n jedem Falle hat der Verlierer nach deutschem Prozeßrecht sämtliche Kosten zu tragen. Er kann dann höchstens hoffen, daß die beklagte Gesellschaft „Gnade vor Recht" gewähren wird. 4. Das Kostenrisiko ist nicht allein wegen des hohen Streitwerts beträchtlich, sondern auch wegen der verbreiteten negativen Einstellung der Gerichte zu Anfechtungsklagen. — Die Gerichte scheuen sich, gegenüber einer angesehenen Gesellschaft festzustellen, daß diese rechtswidrig gehandelt hat. Das könnte sich als Image-Schädigung für die Gesellschaft auswirken, aber auch dem Gericht Angriffe bringen. — Meist handelt es sich u m verwickelte wirtschaftliche Probleme. Die Gerichte fühlen sich dabei vielfach unsicher und möchten sich entsprechende Arbeit ersparen. Das einfachste M i t t e l hierfür besteht i n der Versagung der Kostenbeschränkung nach § 247 I I AktG. Das geschieht m i t der formelhaften
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Begründung, die Klageerhebung sei „ v ö l l i g aussichtslos" und/oder „ m u t w i l l i g " . Das steht zwar i m Widerspruch zu der Fassung des Gesetzes, das nicht nach den Erfolgsaussichten einer Klage fragt (wie beim gewöhnlichen „Armenrecht"), aber einige Kommentare sind i m Interesse der Gesellschaften dieser Gerichtspraxis beigetreten. W i r d die Kostenbeschränkung abgelehnt (wogegen es keine Rechtsmittel gibt), so können nur noch finanziell sehr potente A k t i o näre eine Klage durchführen. Solche Fälle waren beispielhaft die Prozesse Krages ./.Wintershall, Reuter ./. BASF, Kaus ./.Bayer. Aber gerade i n diesen Fällen wurde deutlich, daß es den Klägern weniger u m den Prozeßerfolg ging, als u m ein Druckmittel für andere Zwecke. Hiergegen wären gesetzliche Vorkehrungen berechtigt, aber darin hat der Gesetzgeber wieder versagt. — Die Gerichte schrecken auch vor den unabsehbaren Folgen von Nichtigkeitsurteilen zurück. Ein angefochtener Beschluß oder Jahresabschluß w i r d i n seinem vollen Umfang nichtig, auch wenn die streitige Differenz relativ geringfügig ist und eine Abänderung leicht möglich wäre. Daher muß ein völlig neuer Beschlußvorschlag oder Jahresabschluß aufgestellt, verabschiedet und veröffentlicht werden. Da bis zur rechtskräftigen Entscheidung Jahre vergehen können, bleibt nicht nur lange Unsicherheit, sondern müssen auch spätere Jahresabschlüsse erneuert werden, denn sie bauen auf dem nichtigen Abschluß auf. Kapitalerhöhungen oder genehmigte Unternehmensverträge können unwirksam werden, obwohl allen Beteiligten damit genügt und gedient wäre, wenn lediglich der festgestellte Fehler i n der nächsten H V berichtigt würde. Der Rigorismus des Gesetzes (der eigentlich nur H i l f losigkeit ist) läßt das jedoch nicht zu. Daher ist es verständlich, daß nicht nur die beklagten Gesellschaften sich massiv wehren, sondern auch die Gerichte möglichst auf ihre Seite treten. Andererseits können Konkursverwalter mehrjährige Bilanzen i m Wege des Versäumnisurteils für nichtig erklären lassen, wie es bei der Herstatt K G a A und der Anker-Werke A G praktiziert worden ist. C. Ausgleichs- und Abfindungsverfahren Neben Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen stehen den Aktionären bei Unternehmensverträgen Schutzrechte zu, die i n speziellen gerichtlichen Verfahren geltend gemacht werden können (§§ 304—306 AktG). Sie sollen zur Uberprüfung und evtl. Neufestsetzung der angebotenen Dividendengarantien und Abfindungsentgelte führen. Diese Möglichkeit gilt als besonderer Fortschritt der Aktienrechtsreform von 1965, hat sich aber i n der Praxis nicht bewährt.
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1. Als Ausgleich soll eine Dividende gelten, die mindestens der „bisherigen Ertragslage der Gesellschaft und ihren künftigen Ertragsaussichten" entspricht (§ 304 I I 1). Eine Abfindung i n A k t i e n soll der Bewertung der beiderseitigen A k t i e n i m Falle einer Verschmelzung entsprechen; eine Barabfindung der „Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft i m Zeitpunkt der Beschlußfassung" (§ 305 I I I , 3). M i t diesen Kriterien läßt sich jedoch wenig anfangen. — Dividendengarantie und Abfindung müßten nach gleichen Maßstäben bewertet werden, denn sie werden i n der Regel wahlweise angeboten. Erstere soll jedoch der Ertragslage, letztere dem Vermögenswert entsprechen. — Wie für die garantierte Dividende die „künftigen Ertragsaussichten" ermittelt und m i t der „bisherigen Ertragslage" kombiniert werden sollen, entzieht sich dem Vorstellungsvermögen. Deshalb bleiben erstere i n der Praxis unberücksichtigt. — Die Abfindungsbewertung soll anscheinend aus einer Kombination von Substanz- und Ertragswert bestehen. Das veranlaßt zu selbständigen Bewertungsansätzen nach beiden Grundlagen m i t anschließender Berechnung eines Mittelwertes. Ob das für den vorliegenden Fall eine sinnvolle Methode ist, steht dahin. Jedenfalls läßt das Gesetz für die Durchführung einen (allzu) weiten Spielraum. Somit sind die gesetzlichen Bewertungskriterien nicht genügend klar und ausreichend, u m den Unternehmen für die Abfassung der Verträge und den Aktionären für die Beurteilung der Angebote ausreichende Anhalte zu geben. Das führt zu entsprechender Unsicherheit der Unternehmen bei der Bemessung der Ansprüche und der Aktionäre bei der Entscheidung, ob sie ein Verfahren einleiten sollen. 2. Die Einleitung und Durchführung eines Verfahrens nach §306 A k t G stellt die Aktionäre wie die Gerichte vor weitere erhebliche Schwierigkeiten, m i t denen sie praktisch überfordert sind. a) Die Aktionäre müßten prüfen können, ob das fragliche Angebot i m Sinne der §§ 304, 305 angemessen ist. Sie kennen aber nur die Jahresabschlüsse und Geschäftsberichte ihrer, nicht auch die der aufnehmenden Gesellschaft. Sie wissen nicht, was hinter den Bilanzen steckt, insbesondere welche Reserven die A k t i v a und die Rückstellungen enthalten, wie das Unternehmen substanz- und ertragsmäßig oder liquidationsmäßig zu bewerten ist u. a. m. Gleichartiges gilt für die Ertragsfähigkeit. Die Schwierigkeiten der Beurteilung und Bewertung potenzieren sich dadurch, daß zwei Unternehmen (häufig sind es sogar große Konzerne) miteinander zu vergleichen sind, denn jedes Unternehmen stellt (auch rechnerisch) eine gewachsene Individualität dar.
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b) Die Gesellschaft müßte ihren Antrag auf Zustimmung zu den geschlossenen Verträgen so begründen, daß er nach den gesetzlichen K r i terien ausreichend beurteilt werden könnte. Dazu ist sie jedoch gesetzlich nicht verpflichtet und sie t u t es auch i n der Regel nicht. Noch weniger als über die eigenen Verhältnisse sagt sie über die Vermögenswerte und Erträge der aufnehmenden Gesellschaft, denn darüber ist sie zu Aussagen nicht befugt. Auch HV-Auskünfte auf Anfragen von Aktionären können für die anstehenden umfangreichen Bewertungsprobleme wenig ergeben. Die Verwaltungen versuchen überdies gern, von den Bewertungsproblemen dadurch abzulenken, daß sie auf die großen wirtschaftlichen Vorteile hinweisen, die der Zusammenschluß allen Beteiligten bringen werde; aber das können die Aktionäre nicht übersehen und ist Zukunftsmusik, die allzu häufig durch die tatsächliche Entwicklung widerlegt wird. c) Infolgedessen müssen die Aktionäre den Antrag auf gerichtliche Überprüfung und abweichende Festsetzung ohne ausreichende sachliche Begründung, sozusagen „auf Verdacht" stellen. Dadurch sieht sich das angerufene Gericht genötigt, die Gesellschaft aufzufordern, ausreichende Begründungen zu liefern und die Vermutungen der Antragsteller auszuräumen. Das hätte jedoch vor der Beschlußfassung und gerichtlichen Anrufung geschehen sollen. d) Aufgabe von Richtern ist es, anstehende Sachverhalte unter gesetzlich vorgesehene Tatbestände einzuordnen. Die §§304/5 bringen aber keine Tatbestände, sondern sehr allgemein formulierte Bewertungsmaßstäbe. Sie verlangen keine rechtlichen Entscheidungen, sondern wirtschaftliche Beurteilungen, für die ein Gericht weder funktionell kompetent noch ausreichend sachkundig ist. Die §§ 304/5 sind m i t h i n weder praktikabel noch justiziabel. Das ist der entscheidende Einwand gegen das ganze Verfahren. 3. U m die gestellte Aufgabe dennoch lösen zu können, greifen die Gerichte zu dem auch sonst beliebten Ausweg, Sachverständige (gewöhnlich Wirtschaftsprüfer) m i t Bewertungsgutachten zu beauftragen. Wohin das führt, ist bekannt: Statt zu einer Überprüfung des Angebotes, kommt es zu einer selbständigen Bewertung und statt des Gerichts entscheiden die Gutachter. Da aber auch jedes Gutachten anfechtbar ist, werden zumeist Gegen- und Obergutachten erforderlich. Der ausgebreitete Stoff w i r d damit immer umfangreicher, die Gutachterkosten schwellen an und das Verfahren zieht sich ungebührlich lange hin; 4—6 Jahre sind keine Seltenheit, sondern der Normalfall. Überdies kann das Ergebnis wenig befriedigen, denn Bewertungsfragen sind letztenendes subjektiv und weitgehend unsicher. Somit sind diese Ver-
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fahren sowohl wegen ihres Umfanges und ihrer Dauer als auch wegen ihrer Unberechenbarkeit für alle Beteiligten unzumutbar. 4. A l l e i n u m solche Verfahren zu vermeiden, neigen die beteiligten Gesellschaften dazu, ihre Angebote von vornherein höher anzusetzen als sie selbst für wirtschaftlich gerechtfertigt halten. Sie wollen damit den Aktionären den Anlaß zu Unzufriedenheit und zur Einleitung gerichtlicher Verfahren nehmen und das Risiko einer höheren gerichtlichen Festsetzung verringern. Trotzdem neigen die Gerichte dazu, die angebotene Abfindung und Garantiedividende u m einiges (etwa 20— 30%) heraufzusetzen. Das ist m i t der Psychologie der Richter zu erklären: — Ein Richter w i r d einen Antrag der vorliegenden A r t nur ungern v o l l ablehnen. Das könnte den Eindruck machen, als ob das Gericht keinen eigenen Standpunkt gefunden hätte oder sich auf die Seite des Großkapitals stellen würde. — Anderseits w i r d das Gericht eine völlig neue eigene Bewertung zu vermeiden suchen, um sich nicht zu exponieren. Damit würde das Abfindungsangebot zu stark verurteilt und der Ruf des (angesehenen) Aufkäufers gefährdet. — Daher sucht das Gericht eine sozusagen mittlere Lösung: Es bessert die Abfindung u m einiges auf; es v e r w i r f t damit das Angebot nicht ganz, korrigiert es aber und schafft damit den Eindruck, daß die Anrufung des Gerichts nicht zwecklos war, vielmehr dieses sein eigenes Urteilsvermögen bewiesen habe. Ein solcher Weg entspricht der bei deutschen Gerichten allgemein herrschenden Vergleichsmentalität i n schwer durchschaubaren wirtschaftlichen Streitfragen. Da gewöhnlich jede Seite durch tüchtige Anwälte für ihre Auffassung beeindrucken kann, meinen die Richter schließlich, die Wahrheit und damit die Gerechtigkeit werde wohl i n der Mitte liegen. I n Wirklichkeit kapitulieren sie damit vor ihrer eigentlichen Aufgabe. 5. Wie bei Aktionärsklagen setzt auch i n diesem Fall ein Verfahren voraus, daß ein Aktionär sich die Mühe macht, es bei Gericht einzuleiten. Die Voraussetzungen hierfür sind allerdings insofern wesentlich günstiger, als der Aktionär kein Kostenrisiko eingeht und i h n auch keine Beweislast trifft. Hinzu kommt, daß das Gericht für die „außenstehenden Aktionäre", die nicht selbst das Verfahren betreiben, „zur Wahrung ihrer Rechte einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen" hat, der als gesetzlicher Vertreter gilt (§ 306, IV, 2 AktG). Aber auch diese Regelung erscheint wenig durchdacht und geglückt.
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— Motivierend ist der Umstand, daß ein erfolgreiches Verfahren auch allen anderen Aktionären zugute kommt. Deshalb soll der A n tragsteller weder allein die Last des Verfahrens tragen, noch dessen Ausgang durch sein Verhalten bestimmen können. I m Ergebnis bedeutet jedoch das Gespann von Antragstellern und gemeinsamem Vertreter einen Zwitter aus Antrags- und Offizialverfahren. — Der Vertreter ist von der Gesellschaft zu bezahlen (§ 306, IV, 4). Bei der Größe des Objektes macht das hohe Kosten aus. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Verfahren sinnvoll und aussichtsreich ist. Der Vertreter w i r d jedenfalls hartnäckig bleiben. Für die Gesellschaft ist das schwer zumutbar und für die Aktionäre sollte es genügen, wenn das Gericht von sich aus auch an die Interessen der übrigen Aktionäre denkt, ohne daß diese einen ihnen unbekannten „Vertreter" haben. 6. Die ganze Verfahrensregelung erscheint danach schlecht überlegt und wenig geglückt. Besser wäre es gewesen. — die betroffene Gesellschaft von vornherein zu einer allseitigen rechnerischen Begründung zu verpflichten, so daß die betroffenen A k tionäre sich ein ausreichendes Urteil bilden können — die richterliche Überprüfung auf die Stichhaltigkeit dieser Begründung zu beschränken — jedes Umtauschangebot wahlweise m i t einem Barabfindungsangebot zu verbinden, so daß die Verhältnisse der beiden beteiligten Gesellschaften praktisch außer Betracht bleiben könnten. 7. Anderseits hätte das Gesetz auch an einen Schutz der Aktionäre der aufnehmenden Gesellschaft denken sollen. Vielfach werden aus reinem Expansionsdrang fremde Unternehmen übernommen, die sich dann als ausgesprochene Nieten erweisen oder wenigstens zu Anfang unverhältnismäßig hohe Verluste machen. Beispiel: Die Übernahme der Metzeler-Gruppe durch die Bayer A G hat diese i n 1974/75 allein mehr als 400 Mio Verluste und außerdem unabsehbare Auseinandersetzungen m i t dem Hauptaktionär der Gruppe, Herrn Kaus, gekostet. Freilich wäre es noch weit schwerer, einen Schutz für die Aktionäre der übernehmenden statt der übernommenen Gesellschaft zu schaffen.
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D. Gesellschaftsschädigung
und Ersatzansprüche
1. Die Neigung deutscher Gesetze, umfangreiche Verpflichtungen zu statuieren und an deren Verletzung Schadensersatzpflichten sowie Strafvorschriften zu knüpfen, ist i m A k t G besonders stark ausgeprägt. Wie jeder Beauftragte, haften Vorstand und Aufsichtsrat der Gesellschaft für Einhaltung ihrer vielseitigen Pflichten. Die zahlreichen Strafvorschriften (§§ 399—407) ziehen ohnehin zivilrechtliche Schadensersatzverpflichtungen nach sich. Schadensersatzpflichtig sollen auch Außenstehende sein, wenn sie ihren „Einfluß auf die Gesellschaft" zu deren Nachteil ausnutzen (§ 117). Gleiches gilt bei Beherrschungsverträgen (§309/10), aber auch ohne solche (§317/18). Das sollte eigentlich den Aktionären einen weitgehenden Schutz bieten, aber i n Wirklichkeit nutzen alle diese Vorschriften den Aktionären kaum etwas, denn diese können nicht feststellen, ob, wann und wie die gesetzlichen Pflichten verletzt worden sind; sie können außerdem weder selbst auf Schadensersatz klagen, noch die Gesellschaft zur Klageerhebung veranlassen. 2. M i t der Schadensersatzpflicht ist an sich auch wenig geholfen. Sie setzt persönliches Verschulden m i t Schädigungsabsicht voraus. Das w i r d man w o h l nur bei strafrechtlicher Verurteilung als erwiesen annehmen. Außerdem w i r d die erzielbare Ersatzleistung des Schädigers gewöhnlich weit hinter dem eingetretenen Schaden zurückbleiben. So bleibt die gesetzliche Verpflichtung und Haftung i m wesentlichen nur eine Mahnung an das Management, dagegen kaum ein materieller Schutz für die Gesellschaft und ihre Aktionäre. 3. Bei bloßen geschäftlichen Fehlern besteht kein Ersatzanspruch. Für Irrtümer oder Unfähigkeit haftet niemand. Allenfalls können die Betreffenden aus ihren Ä m t e r n abberufen werden, aber auch dafür sind nicht die Aktionäre zuständig. Außerdem ist der Schaden damit nicht mehr zu beheben. Erst wenn die Lage des Unternehmens kritisch w i r d (durch Ertragsausfall, Liquiditäts- und Zahlungsschwierigkeiten bis zur Zahlungseinstellung) schließt man auf entscheidende Fehler der Geschäftsführung. Man sucht dann nach Verantwortlichen, i n erster Linie beim Vorstand. Der w i r d soweit als möglich darauf verweisen, daß auch der Aufsichtsrat i m Bilde war oder sogar die betreffenden Geschäfte genehmigt hat. Dabei besteht die Tendenz, daß Vorstand und A R sich solidarisieren und gegenseitige Vorwürfe vermeiden. Dann ist von außen gewöhnlich keinem von beiden beizukommen. Wesentlich anders w i r d es freilich, wenn das gesamte Management, Vorstand wie AR, abgelöst wird. Dazu kommt es aber nur, wenn
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— ein neuer Mehrheitsaktionär oder Kapitalgeber gefunden ist, der „aufräumen" w i l l — es zum Vergleich oder Konkurs gekommen ist und der Vergleichs· oder Konkursverwalter den begangenen Fehler energisch nachforscht. Doch spielen selbst i n diesen Fällen effektive Schadensersatzleistungen eine unbedeutende Rolle.
Anhang Kann Opposition sich bezahlt machen? 1. Wer als Aktionär i n einer H V spricht, ist nicht ohne weiteres ein Opponent. Auch wenn er räsoniert und kritisiert, t u t er das vielleicht nur aus einem gewissen Geltungs- oder Bestätigungsbedürfnis. Zum Opponenten w i r d erst, wer sich klar und gezielt gegen die Vorschläge der Verwaltung wendet und eine andere Entscheidung propagiert. Das kommt vor allem i n der Stellung von Gegenanträgen zum Ausdruck. Solche Opposition findet jedoch bei Außenstehenden wenig Verständnis. Geht man davon aus, daß eine H V eigentlich nur bestätigt, was schon gelaufen ist, und daß die Anträge der Verwaltung praktisch nicht niedergestimmt werden können, so erscheint Opposition von vorn herein als zweck- und erfolglos, also sinnlos. Wer trotzdem konsequent opponiert, muß den Eindruck erwecken, daß er entweder sich Illusionen hingibt oder aber Zwecke verfolgt, die nicht ohne weiteres erkennbar sind. Bedenkt man den Einsatz an Zeit, Mühen und Kosten, den eine fundierte Opposition erfordert, so w i r d man sich fragen, auf welche Weise sie sich bezahlt machen soll und kann. 2. Opposition kann sich dann lohnen, wenn sie der Verwaltung, insbesondere dem Vorstand, solche Schwierigkeiten bereitet, daß diese zu einem Entgegenkommen geneigt ist. Dabei kommt es nicht auf die A b lehnung oder auch nur Gefährdung der Verwaltungsvorschläge an, sondern es genügt, daß die Opposition der Verwaltung lästig oder wenigstens unangenehm ist. So gesehen kann man die Erfolgsaussichten einer Opposition nach ihrem „Lästigkeitswert" beurteilen. a) Ein erster Störungseffekt besteht darin, daß die Opposition unerwünschtes Aufsehen erregt. Das kann insbesondere durch die Stellung von Gegenanträgen erreicht werden, denn diese müssen von der Verwaltung m i t der Begründung des Antragstellers und der Stellungnahme der Verwaltung allen Aktionären mitgeteilt werden. Die entsprechenden Pressenotizen, daß „Opposition angekündigt" sei, erweitern die Publizität und können anderweitigen latenten Widerspruch wecken. Schon das kann die Verwaltung veranlassen, m i t dem Antragsteller zu verhandeln, damit er auf seine Gegenanträge verzichtet. Einen solchen Verzicht kann die Verwaltung mindestens i n Höhe der Kosten der Bekanntmachung honorieren. Ähnliches gilt, wenn ein Opponent veran-
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laßt werden soll, auf sein angekündigtes Auftreten i n der H V zu verzichten. Wenn er der Verwaltung zu verstehen gibt, welche bedenklichen Vorgänge und Tatsachen er vorbringen würde und wenn er auch über einen gewissen Namen verfügt, kann die Verwaltung sich einen solchen Verzicht vielleicht etwas kosten lassen. b) Nachhaltiger kann eine Opposition wirken, die sich auf bestimmte Rechtsmittel stützen kann, deren Rechtsfolgen für die Gesellschaft gefährlich sein können, Entscheidend dabei ist nicht, ob der Verwaltung rechtswidriges Verhalten vorzuwerfen ist (ζ. B. das Fehlen vorgeschriebener Angaben i m Geschäftsbericht, oder Eigenmächtigkeiten des H V Leiters), sondern ob das Aktiengesetz dem Aktionär hierfür entsprechende Rechtsmittel gewährt. Das sind vor allem gerichtliche — Anfechtungsklagen gegen HV-Beschlüsse, weil diese gegen das Gesetz oder die Satzung verstoßen — Nichtigkeitsklagen gegen fehlerhafte Jahresabschlüsse. Solche Klagen bedeuten für jede Gesellschaft ein Risiko, denn selbst bei vermeintlicher Aussichtslosigkeit bleibt unsicher, wie das Gericht entscheiden wird. Hinzu kommt, daß bei Beschränkung der Kostenpflicht für den Kläger (§ 247 II, 1) die Gesellschaft für ihre Anwälte i n jedem Fall die höheren Kosten tragen muß. Das legt der Gesellschaft nahe, schon aus Kostengründen solche Prozesse möglichst zu vermeiden oder abzukürzen. Weitaus schwerwiegender als Kostenfragen ist es, wenn durch solche Klagen die Wirksamkeit getroffener Beschlüsse aufgehalten wird. Beispiel: Κ . H. Krages (Chur) focht den Eingliederungsbeschluß der Wintershall A G in die BASF A G durch drei Instanzen an und hielt die Eingliederung hierdurch mehr als drei Jahre auf. Das nötigte die Wintershall AG, während dieser Zeit Abschlüsse und Geschäftsberichte zu veröffentlichen und HV's durchzuführen. Die BASF blieb währenddessen auf ihre Rechte aus dem Beherrschungsvertrag beschränkt.
Das gilt vor allem bei Kapitalerhöhungsbeschlüssen, die zur Konsolidierung von Bankschulden dienen sollen, so daß die Banken drängen. Beispiel: Ein bekannter Opponent rühmte sich um 1970, für die Zurücknahme einer solchen Klage von einem großen Chemieunternehmen eine enorme Abstandszahlung herausgeholt zu haben.
Dazu kommt noch, daß die prozessualen Auseinandersetzungen die Gesellschaft zu Erklärungen nötigen oder die Gerichte zu Beweiserhebungen über Dinge veranlassen könnten, die von der Geschäftsführung mindestens nicht gern offengelegt werden (ζ. B. über Geschäftsbeziehungen und Vereinbarungen m i t Beteiligungsgesellschaften oder Großaktionären). 11 Huppert
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Besonders unbequem wie auch kostspielig sind Abfindungsverfahren bei Unternehmensverträgen (§ 306 AktG). Sie verursachen den Antragstellern keine Kosten und Risiken, umso mehr der Gesellschaft; sie erfordern umfangreiche Bewertungsgutachten und ziehen sich über viele Jahre hin. Haben sie Erfolg, so müssen auch alle anderen abfindungsberechtigten Aktionäre mehr erhalten. Der übernehmenden Gesellschaft muß also daran gelegen sein, solche Verfahren zu verhüten oder außergerichtlich zu beenden. Ein extremes Vorgehen (das allerdings nicht mehr mit dem Aktienrecht zu tun hat) beliebte ein in den 60er Jahren sehr bekannten Opponent: Er zeigte Mitglieder des Vorstands und AR bei der Staatsanwaltschaft an, wegen Betrug, Untreue, Bilanzverschleierung oder ähnlicher Delikte. Zwar war das rechtlich aussichtslos und persönlich verantwortungslos, aber es konnte die Beschuldigten doch unter Druck setzen. Auch ohne nähere sachliche Begründung des Anzeigenden muß die Staatsanwaltschaft — dem Offizialprinzip verpflichtet — zunächst einmal die kriminalpolizeiliche Vernehmung der Beschuldigten veranlassen, während der Anzeigende weder Mühe noch Kosten noch andere Nachteile hat.
3. Obwohl demnach vieles für eine Verständigung ist es bis zu ihr doch ein schwieriger Weg.
sprechen kann,
— Jede Verwaltung muß grundsätzlich darauf bestehen, daß sie einwandfrei und rechtmäßig gehandelt hat; i h r Prestige verlangt das. Anderseits muß auch der opponierende Aktionär bei seiner Auffassung und seinem Standpunkt bleiben. Anders als i n Prozessen, i n denen man sich etwa über die Höhe einer Forderung streitet oder die Auslegung einer Vereinbarung zweifelhaft ist, ist also an sich kein Raum für eine vergleichsweise Beilegung des Rechtsstreites. Indessen können die Beteiligten ihre beiderseitigen Standpunkte aufrechterhalten, doch ihre Bereitschaft erklären, aus anderen Gesichtspunkten die schwebenden Differenzen beizulegen. Die Gründe hierfür brauchen nicht ausgesprochen zu werden. Entscheidend ist allein die Bereitschaft, nachzugeben. Unter Kaufleuten versteht es sich, daß selbst ein schlechter Vergleich, der Frieden schafft, einem gerichtlichen Urteil, das zumeist keine Seite v o l l überzeugt, vorzuziehen ist. — Der Opponent w i r d erklären, daß er sich seine Opposition nicht „abkaufen" lassen wolle, und die Gesellschaft w i r d erwidern, daß sie das auch nicht beabsichtige, noch weniger sich „erpressen" lassen wolle. Über solche Prestigebekundungen hinweg muß der Weg zu echten Verhandlungen gefunden werden. Ihre Aufnahme w i r d noch dadurch erschwert, daß unbedingte Vertraulichkeit gesichert sein muß. Deshalb kann es förderlich sein, einen geeigneten Mittelsmann einzuschalten, der beiderseits Vertrauen genießt, das Feld sondiert und die nötige Verhandlungsbereitschaft signalisiert.
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4. Inhaltlich geht es bei einer solchen Verständigung nicht darum, ob die Oppositon berechtigt war und wieweit das von beiden Seiten anerkannt wird. Vielmehr kommt es für die Gesellschaft darauf an, daß der Aktionär seine Opposition unterläßt oder einstellt und schwebende Verfahren durch Rücknahme seiner Anträge beendet. Dem Opponenten liegt daran, daß die Gesellschaft i h m dafür materiell einiges zukommen läßt. Letzeres kann auf verschiedene Weise geschehen. So kann die Gesellschaft dem Aktionär seine Auslagen ersetzen und die Arbeit vergüten, welche er für seine Opposition aufgewendet hat. Bei schwebenden Klagen kann sie die beiderseitigen gerichtlichen und anwaltlichen Kosten übernehmen. Sie kann ihm auch anderes zukommen lassen. Vielleicht findet die Gesellschaft jemanden, der dem Opponenten seine Aktien zu einem Liebhaberpreis abnimmt; oder sie spendet etwas für einen Zweck, dem der Opponent nahesteht. M i t unter lassen sich auch laufende Geschäfte mit dem Opponenten tätigen. So soll ein Aktionär aus Darmstadt umfangreiche Kohlelieferungen an Automobilgesellschaften in Stuttgart und München erhalten haben. Es gibt also viele Möglichkeiten, einen Opponenten zufrieden zu stellen. Der Weg bis dahin ist freilich voller Schwierigkeiten und die Absicht der Opponenten erfüllt sich nur in relativ seltenen Fällen.
5. Solches Vorgehen ist auch keineswegs neu. Schon der EnqueteAusschuß (1930) stellte fest (S. 21), daß Einzelaktionäre auf GV's „Sonderziele" verfolgten: So machten sich manche Aktionäre „ein Gewerbe" daraus, die Ankündigung und Durchführung der GV auf Formfehler zu überprüfen und gegebenenfalls Anfechtungsklagen zu erheben, weil ihnen bekannt sei, daß die Aufschiebung der Durchführung von GVBeschlüssen für die Verwaltung unangenehm sei und sie langjährige Prozesse vermeiden wolle. Diese Einzelaktionäre „erbieten sich (dann), gegen eine Barentschädigung die Anfechtungsklage zurückzunehmen oder die A k t i e n zu einem bestimmten Kurs zu veräußern"; mitunter auch, „sich i n den Aufsichtsrat der Gesellschaft wählen zu lassen". Deshalb empfahl der Ausschuß, die Voraussetzungen für Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen zu erschweren und einzuschränken, u m „unzulässigen, eigennützigen Beweggründen" entgegenzutreten. — Das A k t G von 1965 hat jedoch das Gegenteil getan. Ein Versuch, als Kleinaktionär durch Opposition die Wahl in den AR zu erreichen, wäre heute allerdings aussichtslos und geradezu naiv. Wer einmal auch nur bei einer Gesellschaft nachhaltig Opposition gemacht hat, hat sich nicht nur dort, sondern auch bei anderen deutschen Gesellschaften für den A R disqualifiziert, denn dieser wird sich nicht bereit finden, einen „Gegner" in seine Reihen aufzunehmen.
6. Für Aktionärsvereinigungen kann sich Opposition nicht i n solcher, dafür aber vielleicht i n anderer Weise auszahlen; etwa durch bevorzugte Behandlung i n der HV, Bereitschaft zu Informationen und Gesprächen außerhalb der HV, Mitgliedschaft und Förderbeiträge, Finanzanzeigen für die Organe der Vereinigungen oder Berücksichtigung bei AR-Wahlen. n*
A n h a n g 10 Reformvorschläge zum Aktienrecht 1. Eine K r i t i k an bestehenden Gesetzen sollte i n konstruktiven Änderungsvorschlägen münden. Von solchen ist jedoch gerade beim Aktiengesetz wenig zu erhoffen. — Das deutsche Aktienrecht hat schon viele Reformen und Neufassungen über sich ergehen lassen, doch ist es damit ständig umfangreicher und überwiegend schlechter geworden. Abermalige Änderungen würden wohl den gleichen Effekt haben. — Die heutige deutsche Gesetzgebung w i r d von der Ministerialbürokratie und den parlamentarischen Parteien beherrscht. Bei deren Einstellung wären abermals wirklichkeitsfremde Gängelungsversuche zu erwarten. Statt sich an die realen Bedürfnisse zu halten und die W i r t schaft zu fragen, würden eher gesellschaftspolitische Ideologien zum Zuge kommen und damit weitere gesetzliche Schwierigkeiten bereiten. Außerdem ist ein (einheitliches) Aktienrecht für die EG beabsichtigt (wenngleich die Vorarbeiten hierfür seit anderthalb Jahrzehnten ohne greifbare Erfolge laufen). Wenn dennoch hier Reformvorschläge formuliert werden, so weniger aus der Hoffnung, sie zu verwirklichen, als zu dem Zweck, die K r i t i k am Bestehenden i n eine positive Richtung fortzuführen und damit noch besser zu profilieren. 2. A m wichtigsten (wenngleich am schwersten durchsetzbar) wäre eine Behebung der grundsätzlichen Mängel des AktG. Dazu wäre vor allem nötig — den Umfang des Gesetzes radikal zu kürzen, auf höchstens die Hälfte des bisherigen Umfangs — Bestimmungen für kaum vorkommende Fälle zu streichen — auf Perfektionismus und formalistischen Leerlauf zu verzichten — der Gestaltungsfreiheit durch die Aktionäre und Verwaltungen weit mehr Raum zu gewähren — sich auf ein Gesellschaftsrecht zu konzentrieren, statt eine Unternehmensverfassung vorschreiben zu wollen.
Reformvorschläge zum Aktienrecht
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Anderseits müßten für wichtige materielle Regelungen ausreichende, d. h. konkrete und praktikable Maßstäbe und geeignete Verfahren geboten oder wenigstens die maßgebenden Ideen und Prinzipien zum Ausdruck gebracht werden. 3. Für die Hauptversammlung
wäre vor allem erwünscht:
— Die umfangreichen Formalitäten bei der Vorbereitung und Durchführung der H V wären wesentlich zu vereinfachen und einzuschränken. — Anträge sollten vor wie i n der H V für alle Beteiligten formlos und unbeschränkt zugelassen werden. Anderseits sollte dem Vorsitzenden überlassen werden, ob er solche Anträge zur Abstimmung stellt. — Auf werden.
Abstimmungsvorschläge
der Depothalter sollte verzichtet
— Zur Straffung der H V sollten + dem Vorsitzenden größere Rechte für die Verhandlungsführung gegeben werden, insbesondere zur sachlichen und zeitlichen Beschränkung der Diskussion + Auskunftsansprüche der Aktionäre auf entscheidungswichtige Punkte eingeschränkt und schriftliche Beantwortungen von Fragen zugelassen werden + i n gewissem Grade auch schriftliche Abstimmungen außerhalb der H V oder zur Vermeidung einer H V zugelassen werden — Anderseits sollte + der Jahresabschluß i n jedem Falle durch die H V selbst festgestellt werden + eine „genehmigte" Kapitalerhöhung an enge Bedingungen geknüpft werden + der H V eine gewisse Kompetenz-Kompetenz eingeräumt werden — A u f Entlastungsbeschlüsse sollte verzichtet, dagegen jederzeit die Vertrauensfrage zugelassen werden. — U m ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Großaktionären und übrigen Aktionären zu ereichen, sollten Großaktionäre ihre Vertretung i n der H V bekanntgeben und damit ansprechbar machen; anderseits sollten die übrigen Aktionäre sich fraktionsähnlich zusammenschließen und vertreten lassen können. 4. Der Aufsichtsrat
sollte
— ausdrücklich auf die Vertretung der Interessen der Gesellschaft und i m Zweifel der Aktionäre festgelegt werden
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Anhang 10
— als Kapitalvertreter nur Aktionäre zulassen, die auf dern Vorschlag gewählt werden — möglichst Vertreter aller Aktionärsgruppen nach Anteilsverhältnissen umfassen, einschließlich Bankenvertreter — für alle Aktionäre ansprechbar sein, auch außerhalb der H V — i n seiner Einflußnahme auf den Vorstand beschränkt und von Entscheidungen über eigentliche Angelegenheiten der Geschäftsführung ausgeschlossen werden — spezielle Aufträge der H V erhalten und durchführen können — über seine Tätigkeit und seine Entscheidungen an die H V substanziert berichten und auf Aktionärsfragen zusätzliche Auskünfte geben. 5. Der Vorstand sollte — i n seiner Geschäftsführung unabhängig, jedoch für alle bedeutenden Vorgänge berichts- und rechenschaftspflichtig sein — auf klare allgemeine Ziele für die Unternehmensführung verpflichtet werden, jedoch m i t der Möglichkeit abweichender Festlegung durch Satzung oder Aufsichtsrat. — keine unmittelbaren Kontakte m i t Großaktionären unterhalten und ihnen keine persönlichen Auskünfte geben dürfen. 6. Für die Arbeitnehmer
(Belegschaft) sollte
— eine Beteiligung am Aufsichtsrat fortfallen, w e i l der A R ein Gesellschaftsorgan der Kapitalgeber ist, während die Mitbestimmung der Arbeitnehmer i n eine Unternehmensverfassung gehört — Gewinnbeteiligung, Ausgabe von Belegschaftsaktien oder sonstige vermögensmäßige Zuwendungen nicht vom Vorstand, sondern nur m i t qualifizierter HV-Mehrheit beschlossen werden können. 7. Gegen schädliche Einflußnahme von Großaktionären müßte die Gesellschaft und müßten Minderheitsaktionäre wirksamer als bisher geschützt werden. M i t t e l und Wege hierzu wären — Einschränkung des Prinzips einfacher Mehrheitsbeschlüsse — Stärkung der Selbständigkeit von Vorstand und AR gegenüber Großaktionären — AR-Beteiligung und Kontrollrechte für Minderheitsaktionäre. 8. Die konzernrechtlichen Bestimmungen des A k t G sollten als solche fortfallen und i n ein allgemeines Konzernrecht (für Unternehmen aller
Reformvorschläge zum Aktienrecht
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Rechtsformen) eingebracht werden. Soweit sie Schutzbestimmungen bedeuten, sollte sie i m Zusammenhang von Z. 7 behandelt werden. Für die Begründung von Konzernverhältnissen müßte i n jedem Fall ein Konzernvertrag vorgeschrieben sein, für die Konzernbetätigung ein Konzernstatut. Statt der Konzernabhängigkeit müßte das A k t G oder Konzernrecht primär die Konzernherrschaft behandeln. 9. Die Informationspflichten sollten stark durchforstet und i m wesentlichen auf die Informationsbedürfnisse der Beteiligten (statt der Öffentlichkeit) beschränkt werden. 10. Für die Kontrolle der Einhaltung des A k t G durch die Aktionäre sollten stark vereinfachte Verfahren vorgesehen werden. I m übrigen müßten dafür andere Wege als bisher gefunden werden.
Stichwortverzeichnis Zahlen ohne Zusatz bezeichnen die laufenden Nummern des Hauptteils, Zahlen nach „A" die Anhänge. Abhängigkeitsbericht: 84 Abschlußprüfung: A 5 Aufgaben: Z. 1—3 Bedeutung: Z. 4 Prüfungsbericht: Z. 5 Unabhängigkeit: Z. 6 Aktien: 127—130 Aktienumlauf: 127 Aktien als Vermögensanlage: 128—130 Aktiengesellschaften Wirtschaftliche Eignung: 1—3 Ordnungsstruktur: 4—6 Bestand: 124—126 Bedeutung: 138 Aktienrecht: 4—12 Struktur: 4—5 Mängel: 7—12 Reformvorschläge: A I O Aktionärsklagen: A 8, Β Klagerecht: Ζ. 1 Klageanforderungen: Ζ. 2 Prozeßkosten: Ζ. 3 Einstellung der Gerichte: Z. 4 Aufsichtsrat: 35—47 Historische Entwicklung: 35 Aufgaben und Zuständigkeiten: 7, 36, 37 Zustimmungsvorbehalte: 38 Jahresabschluß: 4, 39 sonstige Stellung: 5, 40 Arbeitsweise: 46 Verhältnis zum Vorstand: 40, 47 Verhältnis zum Aktionär: 44, 48 Mißbrauch des Einflusses: 6, 41 Zusammensetzung des AR: Vorschlagsrechte: 42, Typologie: 10, 43 Aktionärsvertreter: 44, 45 Arbeitsweise: 46 Wahlen zum AR: 25, f.
AR und Beirat: 49—51 AR und Mitbestimmung: 106 Ausgleichs- und Abfindungsverfahren: A 8, C Gegenstand: Ζ. 1 Anforderungen: Z. 2 Verfahren: Z. 3 Ergebnisse: Z. 4 Auskunftsrecht: 30—32 Banken als AR-Mitglieder: 43, b als Depotverwalter: 88 mit Vollmachtstimmrecht: s. dort Aktienbestände bei Banken: 131 Beirat: 49—51 neben AR: 49 Ausgestaltung: 50 Aufgaben: 51 Belegschaftsaktien: 97—102 Begriff: 97 Bedingungen und Bedenken: 98, 102 Diskriminierung der Aktionäre: 99 Umfang: 100,101 Dividende: A 4 , Z. 5 Dividendenpolitik: A 6, Ζ. 3 Enquete-Ausschuß: A 1 Finanzierungspolitik der A G : A 6 Gewinnverwendung: Ζ. 1, 3 Selbstfinanzierung: Ζ. 1, 2 Kapitalerhöhung: Β Emissionsbedingungen: Β. Z. 2 Geschäftsbericht: 18 b, 24 Großaktionäre Begriff und Bedeutung: 57, 58 Typologie: 60
Stichwortverzeichnis Führungsmöglichkeiten: 61 Einflußnahme: 62 Verhältnis zum Vorstand: 57, 63 Gesetzliche Auflagen: 64 Minderheitenschutz: 65 Mehrheitserwerb: 66 Großaktionäre in der H V : 22 Großaktionäre und Kleinaktionäre: 58, 59, 61 Handelsregister: 117—121 gesetzliche Bedeutung: 117 Anmeldungen: 118 Meldepflichten: 119 Registerakten: 126 Kritik: 121 Hauptversammlung: 13—34 Zuständigkeit und Bedeutung: 13, 16, 17 Erscheinungsbild: 14,15 Vorbereitungen: 18 Tagesordnung: 16, b Teilnehmer: 19—21 Stimmrechte: A 2 Stimmrechtspräsenz: 21 Diskussionen in der H V : 23—27 Diskussionsleitung: 27, A 3 Aktionärssprecher: 29 Berichte über H V : 33, 34 Informationen: 107 Anforderungen an die Unternehmen: 107 Adressaten: 109 nach dem AktG: 110 Zurückhaltung der Unternehmen: 111 Jahresabschluß: s. dort Geschäftsbericht: 116,117 Handelsregister: s. dort Gesamtbeurteilung: 122 Jahresabschluß: 18a, 24, 39, 111, A 4 Gesetzliche Vorschriften: 112, 113 Bilanz: A 4 , Z. 3 Ergebnisrechnung: A 4 , Z. 4 Aussage- und Kritikfähigkeit: 24, 113, 114, 115, A 4 , Z. 1—5 Prüfung: s. Abschlußprüfung Konzerne: 67—76 Begriff: 67
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Rechtliche Merkmale: 67, 68, 70, 73 Konzerngrundlagen: 69 Einheitliche Leitung: 70, 71 Konzernvermutung: 72 Faktische Konzerne: 74 Schutz abhängiger Gesellschaften: 77 Schutz herrschender Gesellschaften: 78 Konzernabschlüsse: 81—83 Abschlußpflicht: 81 Teilkonzernabschlüsse: 82 Aussagefähigkeit: 83 Konzernstatistik: 85, 86 Erfordernisse: 85 Ergebnisse: 86 Mehrheitserwerb: A. 7 Mitbestimmung: 103—106 Arten: 103 Einwendungen: 104 Benachteiligung der Aktionäre: 105 Folgen für den AR: 106 Rechtsschutz: A 8 Ordnungsvorschriften: Ζ. 1 Schutzvorschriften: Z. 2 s. auch Aktionärsklagen, Ausgleichsverfahren und Schadensersatzansprüche Schadensersatzanspürche: A 8, D Stimmrechte: s. H V und A 2 Statistiken Quellen und Tabellen: 123 über A G und Aktien: 124—135 über Konzerne: 85, 86 Vollmachtstimmrecht der Banken: 89—95 Voraussetzungen: 89 Anweisungen: 90—92 Mißbrauchsmöglichkeiten: 93—94 Vorstand: 52—56 Rechte und Pflichten: 52, 53 Bestellung: 54 V. und A R : 47 V. und Großaktionäre: 63 im Konzern: 76 Wertpapierabsatz: 129