Probleme der Bildung im Sozialismus [Reprint 2021 ed.] 9783112499566, 9783112499559


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Probleme der Bildung im Sozialismus [Reprint 2021 ed.]
 9783112499566, 9783112499559

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Sitzungsberichte des Plenums und der problemgebundenen Klassen der Akademie der Wissenschaften der DDR

Probleme der Bildung im Sozialismus

AKADEMIE-VERLAG • BERLIN

4

1972

Sitzungsberichte des Plenums und der problemgebundenen Klassen der Akademie der Wissenschaften der DDR

Jahrgang 1972 - Nr. 4

G. Neuner • R. Rompe • W. Eichhorn R. Alt • H. Kraatz • K. Schwabe

Probleme der Bildung im Sozialismus

AKADEMIE-VERLAG • BERLIN 1973

Vortrag gehalten von Prof. Dr. Gerhart Neuner Korrespondierendes Mitglied der AdW Diskussionsbeiträge von Prof. Dr. Robert Rompe, Ordentliches Mitglied der AdW, Prof. Dr. Wolfgang Eichhorn, Korrespondierendes Mitglied der AdW, Prof. Dr. Robert Alt, Ordentliches Mitglied der AdW, Prof. Dr. Helmut Kraatz, Ordentliches Mitglied der AdW und Prof. Dr. Kurt Schwabe, Ordentliches Mitglied der AdW in der Plenarveranstaltung am 9. Dezember 1971

Herausgegeben im Auftrage des Präsidenten der Akademie der Wissenschaften der DDR von Vizepräsident Werner Hartke

Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, 108 Berlin, Leipziger Straße 3—4 Copyright 1973 by Akademie-Verlag GmbH Lizenznummer: 202 • 100/289/73 Herstellung: V E B Drudehaus Kothen Bestellnummer: 2010/72/4 • ES 7 E EDV-Nr. 752 398 4

6,-M

GEHHART NEUNER

Probleme der Bildung im Sozialismus

Probleme der Bildung haben in der politischen und gesellschaftlichen Praxis, im wissenschaftlichen und geistig-kulturellen Leben der sozialistischen Gesellschaft einen hohen Rang. Das ergibt sich aus der Natur dieser Gesellschaft, die — wie im Bericht des Zentralkomitees an den VIII. Parteitag der SED festgestellt wurde — die allseitig entwickelte Persönlichkeit als eines der edelsten Ziele und eine der größten Errungenschaften betrachtet (Bericht des Zentralkomitees 1971, S. 70). Die Heranbildung sozialistischer Persönlichkeiten ist wesentliche Aufgabe und Bedingung des weiteren Voranschreitens unserer Gesellschaft. Bildungsprobleme müssen folglich unter einer weiten gesellschaftlichen Sicht, in den Dimensionen der Entwicklung unserer sozialistischen Gesellschaft insgesamt erörtert, untersucht und gelöst werden. Die Generallinie unserer Bildungspolitik ist in das auf dem VIII. Parteitag beschlossene gesellschaftspolitische, wirtschaftspolitische, sozialpolitische und kulturpolitische Konzept eingeordnet, daß in seiner Gesamtheit ein Programm der allseitigen Entwicklung sozialistischer Persönlichkeiten ist. Aus dem breiten, nahezu unübersehbar gewordenen Spektrum von Bildungsproblemen greifen wir in unserem Vortrag jene heraus, die gegenwärtig für die Weiterentwicklung des sozialistischen Bildungswesens generelle, übergreifende Bedeutung haben und deren Lösung entsprechend dem im „Statut der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin", Kapitel I, § 4, formulierten Auftrag von der Akademie in besonderer Weise gefördert werden sollte. Ausgangspunkt für unsere Betrachtungen soll die Frage nach der Rolle der Bildung in der gesellschaftlichen Gesamtentwicklung sein. Erörterungen über die „Allmacht" oder die „Machtlosigkeit" der Bildung sind ein altes Thema der Geistesgeschichte, der Geschichte des pädagogischen Denkens. Der wissenschaftliche Sozialismus ist seinem Wesen nach eine prinzipielle Absage an alle illusionären Konzeptionen — und seien sie noch so edel motiviert —, die gesellschaftlichen Verhältnisse allein über die Bildung oder gar in solierten „päd3

agogischen Provinzen" bessern zu wollen. Nur im Rahmen revolutionärer gesellschaftlicher Veränderungen, der Umwälzung der Macht- und Besitzverhältnisse, der sozialistischen Kulturrevolution unter der Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei wird die Bildung zu einer bedeutenden gesellschaftlichen Macht, zu einer Waffe im Kampf gegen die alte Ausbeuterordnung, zu einem aktiven Faktor des gesellschaftlichen Fortschritts. Es spricht für den Weitblick der KPdSU, der SED und der anderen führenden Parteien in sozialistischen Ländern, daß auf Grund einer richtigen Einschätzung des Fortschrittfaktors Bildung in der sozialistischen Revolution weitreichende bildungspolitische Programme projektiert und mit einem beträchtlichen gesellschaftlichen Aufwand Schritt für Schritt auch realisiert wurden. Bildung war und ist in unserer Gesellschaft Investition für die Zukunft; sie muß für weite Zeiträume konzipiert und geplant werden. Aus der Prozeßdauer im Bildungswesen — 10 Jahre für den Oberschulabsolventen und 18 bis 20 Jahre für den Hochschulabsolventen und Nachwuchswissenschaftler — erwächst das komplizierte wissenschaftliche und praktische Problem, inwieweit Bildung der zukünftigen gesellschaftlichen Entwicklung vorauseilen soll und wie sie für solche Zeiträume konkret zu einer gesellschaftliche Entwicklungen beeinflussenden und in gewisser Weise auch „hervorbringenden" Macht werden kann. Man kann richtige Entscheidungen über die Bildung nicht treffen, wenn man nicht klare Vorstellungen über künftige gesellschaftliche Entwicklungsrichtungen besitzt. Andererseits können sehr schnell in solche Entscheidungen illusionäre Erwartungen hineinspielen, als ob vor allen Dingen über die Bildung gesellschaftliche Entwicklungsprozesse in besonderer Weise forciert und gegenwärtige politisch-soziale und volkswirtschaftliche Gegebenheiten ignoriert werden könnten. Eine solche Gegebenheit ist beispielsweise die Bildungs- und Qualifikationsstruktur der Produktionsarbeiter in unserer Republik. Im Zusammenhang mit der sozialen Revolution, der Bildungsrevolution, der Aufhebung der alten, historisch überlebten Arbeitsteilung sind hier zweifellos in den vergangenen Jahren bedeutsame Veränderungen vor sich gegangen. Untersuchungen des Deutschen Instituts für Berufsausbildung zeigen allerdings, daß sich die Bildungs- und Qualifikationsstruktur nur in längeren Zeiträumen einschneidend verändert (siehe Abbildung la.) überdies sind je nach Produktionszweigen, Beschäftigungsgruppen, nach Alter und Geschlecht beträchtliche Unterschiede festzustellen (siehe Abbildung lb). Jedenfalls würde man in die Irre gehen, wollte man beispielsweise übersehen, daß die Zahl der überwiegend körperlich tätigen Produktionsarbeiter 1970 immerhin noch 82% der Beschäftigten in unserer volkseigenen Industrie ausmachte und sich in den letzten 5 Jahren nur um 5% verringert hat (vgl. KNAUER 1971). Wir wollen auf das sehr komplexe wissenschaftliche 4

Problem des Strukturwandels in der Bildungs- und Qualifikationsstruktur der Arbeiterklasse, der Genossenschaftsbauern, aller anderen Werktätigen in unserer Republik nicht differenzierter eingehen und in dem gewählten Zusammenhang nur soviel feststellen: Bei der Entscheidung von Bildungsproblemen ist

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SO 40 30

20 70 1970 1964 Facharbeiter Abb. 1 a I FachI arbeiter

1964 J970. Angelernte Arbeiter

Angelernte Arbeiter

1964 1970 Ungelernte Arbeiter

i •.'••.:•.•;: Ungelernte l:-:-:-:;:-:.-! Arbeiter

1970

Produktionsarbeifer insges.

männlich

weiblich

Abb. 1 b immer die Dialektik von Zukunft und Gegenwart zu beachten. Skylla und Charybdis — das ist hier einerseits die unrealistische, nicht in wissenschaftlichen Prognosen begründete Zukunftsvision, und das ist andererseits die Gefahr, hinter der gesellschaftlichen Entwicklung im Nachtrab zu verbleiben. Wesentlich unter dieser Sicht, unter der Sicht ausgewogener Relationen zwischen Zukunft und Gegenwart, wollen wir im folgenden die herausgegriffenen Probleme unserer Bildungspolitik und Bildungsforschung erörtern. Da ist zuerst festzustellen, daß Bildung, wenn sie in unserer Gesellschaft den künftigen und gegenwärtigen Erfordernissen gerecht werden soll, Volksbildung

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im eigentlichen Sinne des Wortes sein muß. Das humanistische Ideal von hoher Bildung des gesamten Volkes, das der große Pädagoge J A N A M O S K O M E N S K Y in die Worte kleidete: Alle alles lehren! und das zur programmatischen Forderung der revolutionären Arbeiterbewegung geworden ist, wird im Sozialismus Wirklichkeit. Die auf dem VIII. Parteitag der SED beschlossene Aufgabe, die zehnklassige Oberschulbildung in diesem Fünfjahrplanzeitraum im wesentlichen zu verwirklichen, entspricht den progressivsten Traditionen des Geisteslebens, der historischen Aufgabe der Arbeiterklasse und dem Wesen des Sozialismus. Die übesrsicht über die Entwicklung der Aufnahmen in die Klasse 9 der zehnklassigen Oberschule von 1965 bis 1975 soll die bisher erfolgte und geplante Realisierung dieser Aufgabenstellung verdeutlichen (siehe Abbildung 2). Allgemeine Oberschulbildung erfordert bedeutende gesellschaftliche, mate-

0/0 i 700über90%

90 80 -

85.3 72.7

79.0

70 •60 50 40 30 20 700

1965

7968

WO

1975

Abb. 2

rielle und geistige Investitionen. Sie ist Verwirklichung programmatischer Forderungen und ein Gebot politischer Klugheit sowie wirtschaftspolitischer Notwendigkeit. Es sei daran erinnert, daß W . I. L E N I N unter den schwierigen 6

Bedingungen der ersten Jahre der Sowjetmacht, als innerhalb der Sowjetregierung die Meinungen über den Vorrang allgemeiner Grundschulbildung oder frühzeitiger, enger Professionalisierung auseinandergingen, zugunsten der allgemeinen Grundschulbildung entschieden hat. Für die weitere politische Festigung der Sowjetmacht und für den Aufstieg der Sowjetunion zu einer Wirtschafts- und Wissenschaftsmacht ersten Ranges war dies, wie wir heute wissen, eine außerordentlich bedeutsame Entscheidung. Im Zusammenhang mit diesem seinerzeitigen Disput entstanden auch die weithin bekannt gewordenen Berechnungen des sowjetischen Ökonomen S. G. STRUMILIN über den Beitrag der Bildung zum Nationaleinkommen, Berechnungen, deren methodologischer und methodischer Ansatz allerdings nach wie vor umstritten ist (vgl. STBUMILIN 1964, S. 101 ff.). Signifikante Korrelationen zwischen dem Niveau der Allgemeinbildung und der Arbeitsproduktivität werden durch neuere bildungsökonomische Untersuchungen bestätigt. Das Bildungsökonomische Laboratorium am Moskauer Pädagogischen Lenin-Institut konnte bei Untersuchungen an 3000 Arbeitern in den Moskauer Werken „Dynamo", in den „Lenin"-Werken, im Traktorenwerk „S. Ordshonikidse" in Charkow und in einigen Textilbetrieben in Iwanowo feststellen, daß bei dem größten Teil der Arbeiter der Prozentsatz derjenigen, die ihre Arbeitsnorm erfüllten, auch proportional zum Niveau ihrer Allgemeinbildung stieg. So wurden beispielsweise die Schichtaufgaben von den Schlossern und Werkzeugmachern der Lohngruppe IV, die die 8. Klasse abgeschlossen hatten, durchschnittlich um 35% höher erfüllt, als von denjenigen der gleichen Lohngruppe, die eine niedrigere allgemeine Bildung aufwiesen. Soziologische Untersuchungen, durchgeführt von einem Laboratorium des Tscheljabinsker Pädagogischen Instituts an 26 600 Arbeitern, ergaben, daß der Anstieg der Bildung der Arbeiter um nur eine Klasse mit einem durchschnittlichen Anstieg der Arbeitsproduktivität korreliert, und zwar im Maschinenbau um 1,5 bis 2,0%, in der Schwarzmetallurgie um 0,4 bis 0,7% und in der Leichtindustrie um 1,5 bis 2,2%. Jede Klasse der allgemeinbildenden Vorbereitung bedeutet auch eine Beschleunigung der Aneignung neuer Arbeitsverfahren und -methoden von durchschnittlich 50% (vgl. SHAMIN, KOSTANJAN 1970, S. 18 ff.). Auch direkte proportionale Abhängigkeiten zwischen der Anzahl der eingereichten Verbesserungsvorschläge, der Bereitschaft zur Qualifizierung, dem Zeitaufwand für notwendige Umqualifizierungen sowie dem Verständnis für die gesellschaftliche Bedeutung der Arbeit einerseits und dem erreichten allgemeinen Bildungsniveau andererseits konnten nachgewiesen werden. Der Anteil der sich Weiterbildenden in Abhängigkeit vom Bildungsgrad und vom Geschlecht ist beispielsweise aus folgender Tabelle ersichtlich

(vgl. JADOW, ROSCHIN, SDRAWOMYSLOW 1971,

S. 2 8 5 ) :

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Bildungsniveau

4 bis 6 Klassen 7 bis 9 Klassen 10 bis 11 Klasse Fachschulbildung

In Prozent zur Anzahl der Arbeiter Männer 12 42 56 64

Frauen 7 24 41 41

Wissenschaftliche Untersuchungen erhärten somit, was gesellschaftliche Erfahrung im Sozialismus auf vielfältigste Weise bestätigt, daß Verwirklichung der Oberschulbildung dazu beiträgt, ein menschliches, geistiges und ideologisches Potential zu schaffen, das in unserer Gesellschaft als Produktivitätsund Kreativitätsfaktor in einem weiten Sinne wirksam wird und wirksam gemacht werden muß. Mehr noch: Oberschulbildung für alle ist unerläßlich, um die Arbeiterklasse immer besser zu befähigen, ihrer Führungsfunktion in der sozialistischen Gesellschaft gerecht zu werden, die künftigen Arbeiter, die Genossenschaftsbauern, die sozialistische Intelligenz heranzubilden. Sie ist notwendig, um den Reichtum von Begabungen und Talenten im werktätigen Volk zu wecken und ein ideologisch-geistiges Niveau, Empfindsamkeit und Aufnahmebereitschaft für geistige, ethische, ästhetische Werte bei allen Gesellschaftsmitgliedern zu erzeugen und Lebensformen zu entwickeln, die dem Sozialismus gemäß sind. Die Verwirklichung der zehnklassigen Oberschulbildung muß deshalb letztlich als eine der notwendigen Bedingungen für die Entfaltung der persönlichkeitsbildenden Potenzen des Sozialismus angesehen werden, und sie schafft andererseits Realitäten und Möglichkeiten, die wir nur voll nutzen werden, wenn wir uns in der gesamten Führungstätigkeit, bei der Leitung und Planung, im Stil und in den Methoden der ideologischen Arbeit, der Entwicklung des geistig-kulturellen Lebens mit der notwendigen Konsequenz darauf einstellen. Bildung im Sozialismus ist zunächst und vor allem Allgemeinbildung. Eine hohe Allgemeinbildung ist Grundlage, Ausgangspunkt und in einem bestimmten Umfange auch Element jeder weiterführenden Bildung, jeder Spezialisierung, des ständigen Weiterlernens, der staatsbürgerlichen und geistig-kulturellen Aktivität. Gemäß der von den Klassikern des Marxismus-Leninnismus begründeten Auffassungen über das Wesen und Werden des Menschen und die menschliche Kultur wird der Mensch, historisch und auch im Hinblick auf seine individuelle Entwicklung, nur zum Menschen, zur Persönlichkeit, indem er sich den Reichtum der menschlichen Kultur in den wesentlichen Grundlagen zu eigen macht, auf diese Weise, an diesem „aufgeschlagenen Buch der mensch-

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liehen Wesenskräfte" (K. M A R X / F . ENGELS) seine spezifischen menschlichen Kräfte und Fähigkeiten allseitig entwickelt und in aktiver, umgestaltender Tätigkeit die menschliche Umwelt, die Kultur im weitesten Sinne des Wortes, verändert und gestaltet. In der marxistisch-leninistischen Auffassung über das Wesen der Kultur und die allseitige Entwicklung des Menschen ist der in der Geschichte des vormarxschen Denkens so oft beschworene Gegensatz zwischen dem homo faber und dem homo universale aufgehoben. Sozialistische Allgemeinbildung, die in dieser Kultur- und Bildungskonzeption wurzelt, unterscheidet sich damit prinzipiell von der traditionellen intellektualistisch-ästhetisierenden Konzeption der „höheren Bildung" in der Geschichte des bürgerlich-deutschen Schulwesens und auch von der eng-pragmatischen Bildungstradition der Volksschule und Berufsausbildung imperialistisch-deutscher Vergangenheit und westdeutscher Gegenwart. Mathematik und Naturwissenschaften, Technik und Ökonomie, Gesellschaftswissenschaften, Muttersprache und Fremdsprachen, Literatur, Kunst und Körperkultur haben im Ganzen der sozialistischen Allgemeinbildung jenen Platz erhalten, der dem Inhalt der Kultur und der Allseitigkeit der Beziehungen und Tätigkeiten des Menschen in unserer sozialistischen Gesellschaft entspricht. (Den Anteil der Bildungsbereiche in der Stundentafel der zehnklassigen allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule der DDR soll die Abbildung 3 veranschaulichen.) Sozialistische Allgemeinbildung erfordert darüber hinaus, wie M A R X und E N G E L S in Übereinstimmung mit ihrer weiten und aktiven Kulturauffassung formuliert haben, die Verbindung von Unterricht, produktiver Arbeit und Gymnastik in der Struktur der Allgemeinbildung und in der Organisation des gesamten Lebens der jungen Generation. Die gegenwärtig in unserem Bildungswesen bestehenden Relationen zwischen Unterricht, produktiver Arbeit und Gymnastik (oder weiter gefaßt: sportlicher und gesellschaftlich-kultureller Tätigkeit überhaupt) entsprechen noch nicht voll diesem weitreichenden Gedanken der Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus. Bekanntlich verschwinden in unserer Gesellschaft Schritt für Schritt die ökonomischen Notwendigkeiten und Zwänge, die früher produktive Arbeit, auch körperliche Arbeit, von Kindern und Jugendlichen bedingten. Obwohl in unserer Schule die jungen Menschen am Unterrichtstag in der sozialistischen Produktion in den Klassen 7—10 zwei bis drei Stunden wöchentlich produktiv arbeiten, in den Klassen 11 und 12 jährlich Betriebspraktika von zwei bis drei Wochen durchgeführt werden und auch die freiwillige Ferienarbeit zunimmt, spielt nach unserer Einschätzung zur Zeit echte produktive Arbeit in der Bildung nicht die Rolle, die ihr im Interesse der gesunden, allseitigen Entwicklung der Jugend, im Interesse ihrer Erziehung zu einer sozialistischen Einstellung zur Arbeit, zu den arbeitenden Menschen und zu den

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durch die Arbeit geschaffenen Werten gebührt. Das gilt in gewisser Weise auch für „Gymnastik" im Marxschen Sinne, für sportliche und vielfältige gesellschaftlich-kulturelle Tätigkeit der Kinder und Jugendlichen. Sozialhygienische Untersuchungen an Bildungseinrichtungen haben ergeben, daß bestimmte Elemente einer einseitigen Lebensweise, die Ursache für verbreitete Nerven- und Kreislaufkrankheiten sind, bereits im Kindes- und Jugendalter entstehen, im

Tages- und Wochenrhythmus der Lern- und Lebensorganisation in Bildungseinrichtungen und in der frühzeitigen Übernahme falscher Lebensgewohnheiten durch die Heranwachsenden wesentlich begründet sind. Es sind sportmedizinische Untersuchungen über die positiven Wirkungen zusätzlicher Sportstunden auf die anthropometrischen Werte und auch die psychische Leistungsfähigkeit bekannt (vgl. VITELLIO 1961, S. 229 ff.). Die Erfahrungen von Schulen in der Estnischen Sowjetrepublik und auch in unserer Republik, an denen täglich sportliche Übungen zu einem festen Element des Stundenplans ge10

worden sind, bekräftigen überzeugend, daß sich unter solchen Bedingungen, bei hohem Niveau der geistigen Anforderungen, geistige Leistungsfähigkeit und Gesundheitszustand gleichermaßen verbessern. Sozialistische Allgemeinbildung, in diesem weiten Sinne, im Sinne des marxistischen Kulturbegriffs verstanden, legt notwendige Grundlagen für die allseitige Entwicklung sozialistischer Persönlichkeiten, und sie ist eine bedeutende Bildungsaufgabe. Auch in der Berufsausbildung, in der Hochschulbildung und in der Weiterbildung der Werktätigen geht infolge der Dynamik der wissenschaftlich-technischen Entwicklung die Tendenz dahin, eine Grundausbildung breiten Profils zu konziperen, auf die flexible Spezialisierung aufbauen können. Die wissenschaftlich-technische Entwicklung, die evolutionäre und revolutionäre Veränderungen einschließt, bedingt eine außerordentliche Dynamik der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und bringt ständig neue Spezialisierungen hervor. Auch wenn wir die Bildungsplanung weiterqualifizieren und ein höheres Maß an Übereinstimmung zwischen künftigen Qualifikationsanforderungen und tatsächlicher gesamtgesellschaftlicher Qualifikationsstruktur erreichen, bleibt das Problem, daß Bildung im Hinblick auf künftige, im einzelnen nicht vorausschaubare Entwicklungen adaptionsfähig sein muß. Deshalb besteht eine der wesentlichen Bildungskonsequenzen aus der wissenschaftlich-technischen Entwicklung in unserer Gesellschaft darin, durch neue Relationen zwischen Allgemeinbildung, beruflicher Grundausbildung und beruflicher Spezialbildung die Disponibilitätsbreite des Produzenten und auch des Wissenschaftlers zu erhöhen. Expertenbefragungen, die von den Akademien der Pädagogischen Wissenschaften der UdSSR und der DDR gemeinsam durchgeführt wurden, haben diese Entwicklungstendenz eindeutig bestätigt. Dementsprechend wurde im System der Berufsausbildung der DDR, beginnend mit dem Jahre 1967, mit der Konzipierung von Ausbildungsberufen eines breiten Profils, sogenannten „Grundberufen", begonnen, die die Anforderungen verwandter Produktionsund Arbeitsprozesse in einer einheitlichen beruflichen Grundlagenbildung erfassen. Außerdem wurden neue berufliche Grundlagendisziplinen, die in die Grundlagen der Elektronik, der BMSR-Technik, der Datenverarbeitung einführen, in zahlreichen Berufen verbindlich. Auch im Hochschulstudium — das ist hier gut bekannt — haben sich die Relationen zwischen Grundstudium, Spezialstudium und Forschungsstudium in Ubereinstimmung mit der generell gekennzeichneten Tendenz verändert. Die breit profilierte Grundlagenbildung hat sich bewährt, wenn es darum geht, sich in der Ausbildung und in der Weiterbildung in speziellen beruflichen Tätigkeiten relativ schnell zu qualifizieren und, gegebenenfalls, umzuqualifizieren. Allerdings gilt dies nicht gleichermaßen für alle Berufe, beispielsweise nicht für solche, deren Profil wesentlich durch spezielle Fertigkeiten bestimmt wird. Und schließlich — auch darauf verweisen

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Expertenbefragungen und Erfahrungen — hat die Breite dort ihre Grenzen, wo sie zur Verflachung führt. Die größere Disponibilitätsbreite in der Bildung muß im Wechselverhältnis zur notwendigen Mobilität gesehen werden, zur Fähigkeit und Bereitschaft, schöpferisch auf speziellen Gebieten tätig zu sein, sich flexibel spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen. Es wäre ein Trugschluß, wenn wir annehmen wollten, daß die fortschreitende gesellschaftliche und wissenschaftlich-technische Entwicklung jede Arbeitsteilung beseitigt. Im Gegenteil: Die Arbeitsteilung entwickelt sich ständig (vgl. NEMTSCHENKO 1966, S. 59 ff.). Zur allseitig entwickelten sozialistischen Persönlichkeit gehört nicht nur eine hohe Allgemeinbildung und eine breite berufliche Grundausbildung, sondern auch die Spezialisierung. Spezialisierung ist die Voraussetzung, um in einem bestimmten Bereich der gesellschaftlichen Arbeitsteilung höchste Leistungen zu vollbringen, sich als Persönlichkeit zu beweisen und zu bewähren und damit auch zu sich selbst zu finden. In dem Orchester der Kultur, so wird dieser Sachverhalt manchmal bildhaft umschrieben, muß der einzelne nicht nur die gesamte Melodie hören, verstehen und empfinden, sondern ein Instrument auch wirklich spielen können. Die Erfahrungen im einheitlichen sozialistischen Bildungssystem lehren, daß eine hohe Allgemeinbildung für alle Gesellschaftsmitglieder und eine berufliche Grundausbildung breiten Profils die Bedingungen für spezielle Leistungsbefähigungen verbessert und das Spektrum spezieller Befähigungen und Begabungen entschieden verbreitert. Nur: Diese größere Disponibilitätsbreite führt nicht im Selbstlauf zu größerer Vielfalt und höherer Qualität spezieller Fähigkeiten, Begabungen und Leistungen. Es bedarf vielmehr zielstrebiger Bildungsanstrengungen, um auf der Grundlage und in Wechselwirkung mit der Allgemeinbildung und der beruflichen Grundausbildung spezielle Fähigkeiten und Begabungen bei jedem Menschen auszubilden. Und noch gewichtiger und auch komplizierter ist es, jeden einzelnen zu befähigen, den Bereich spezieller schöpferischer Tätigkeit in Übereinstimmung mit individuellen Befähigungen und Neigungen sowie gesellschaftlichen Erfordernissen und Möglichkeiten zu wählen. Aus diesem Grunde wird bereits in unserer allgemeinbildenden Schule der für edle einheitliche Grundbestand an Bildungsinhalten in den oberen Klassen durch differenzierte Bildungsveranstaltungen, durch Wahlunterricht an Gegenständen aus allen Wissens- und Lebensbereichen ergänzt. Dieses Angebot an ergänzenden speziellen Bildungsveranstaltungen im Unterricht und im System der außerunterrichtlichen und außerschulischen Arbeit wird gegenwärtig ausgebaut, um allen jungen Menschen Möglichkeiten zu geben, sich in speziellen Wissens- und Tätigkeitsbereichen zu erproben und zu beweisen, spezielle Neigungen, Fähigkeiten und Begabungen auszubilden. Es hat sich,

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beispielsweise bei den Mathematik-Olympiaden, bewährt, eine solche zielstrebige Bildungsarbeit möglichst breit anzulegen, über mehrere Anforderungsund Auswahlstufen von der Breite bis zur Spitze vorzudringen. Die Beteiligung der Schüler an den Mathematik-Olympiaden soll dies veranschaulichen: Beteiligung an den Mathematik-Olympiaden Schulolympiaden

Kreisolympiaden Bezirksolympiaden DDR-Olympiaden

etwa 1 Million Teilnehmer (das sind etwa 60—70% der Schüler der Klassen 5—12) 40 000—50 000 Schüler 2 500— 3 000 Schüler 200240 Schüler

Bekanntlich nimmt die DDR seit 1966 bei den internationalen MathematikOlympiaden ständig einen der drei ersten Plätze (mit der Sowjetunion und Ungarn) ein. Dieses System schließt die besondere Förderung und Schulung, die Entwicklung differenziert ausgeprägter Leistungsbefähigungen in speziellen Bildungseinrichtungen durch besondere pädagogische Maßnahmen ein, nachdem allerdings, in Übereinstimmung mit deh demokratischen Prinzipien unserer Gesellschaft, die Auswahl auf einer breiten Basis vorgenommen wurde. Allseitige Bildung sozialistischer Persönlichkeiten erfordert also sehr ausgewogene Relationen zwischen Allgemeinbildung, beruflicher Grundlagenbildung und spezieller Leistungsbefähigung. Einseitigkeiten nach der einen oder anderen Seite hin, sind, wie Erfahrungen lehren, für die Persönlichkeitsbildung, insbesondere von Heranwachsenden, schädlich. Diese Feststellung impliziert jedoch komplizierte praktische und wissenschaftliche Probleme, die einer weiteren Untersuchung und Bearbeitung bedürfen. Bildung, Allgemeinbildung wie Spezialbildung, muß an den modernen Wissenschaften, der Technik, den anderen Kulturgütern orientiert sein. Das ergibt sich folgerichtig aus den Bildungsauffassungen des Marxismus-Leninismus, aus der wachsenden Rolle der Wissenschaften in der Produktion und im gesamten gesellschaftlichen Leben im Sozialismus. Und das ist auch eine Konsequenz der von W. I. LENIN mehrfach formulierten Erkenntnis, daß man sich den Kommunismus, die sozialistische Weltanschauung nur aneignen kann, wenn man sich den von der Menschheit angehäuften Wissensschatz zu eigen macht (vgl. W. I. LENIN. Werke, Band 31, S. 275). Allerdings ist es angesichts der wissenschaftlich-technischen Entwicklung in unserer Zeit eine komplizierte Aufgabe, den Inhalt der Bildung auf den verschiedenen Stufen des Bildungssystems mit der modernen Wissenschaftsentwicklung in übereinstim13

mung zu bringen. Die Diskussion über diese Frage entbehrte und entbehrt teilweise nicht der dramatischen Akzente. Wir kennen Aussagen hervorragender Wissenschaftler, die darauf hinauslaufen, daß die Schulbildung, die Bildung überhaupt, gewissermaßen schicksalhaft und unvermeidlich hinter der Wissenschaftsentwicklung zurückbleiben müsse. R O B E R T O P P E N H E I M E R beispielsweise hat diese Befürchtung bis zu der extrem pessimistischen Prognose verdichtet, daß die Menschheit infolge der wissenschaftlich-technischen Entwicklung gegen Ende dieses Jahrhunderts unvermeidlich einer Kultur- und Zivilisationskrise entgegengehe, da sie nicht mehr in der Lage sein werde, den von ihr selbst angehäuften Wissensschatz sich anzueignen und für den gesellschaftlichen und kulturellen Fortschritt fruchtbar zu machen. Eine differenziertere Analyse der Wissenschaftsentwicklung unter dem Gesichtspunkt der Bildungsanforderungen, wie wir sie in den vergangenen Jahren gemeinsam mit verschiedenen Klassen der Akademie der Wissenschaften bei der Entwicklung neuer Lehrpläne und Lehrbücher für die allgemeinbildende Schule vorgenommen haben, zeigt, daß solche pessimistischen Prognosen generell und erst recht unter den Bedingungen eines sozialistischen Bildungssystems unbegründet sind. Wir wissen aus der Wissenschafts- und Bildungsgeschichte, daß die Menschheit auch früher vor der Aufgabe stand, neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen Eingang in die Bildung und in das Alltagsbewußtsein zu verschaffen, sie, wie es der sowjetische Mathematiker und Pädagoge A. J . MARKUSCHEWITSCH anschaulich formuliert hat, gewissermaßen für Zwecke der Bildung „zu zähmen". Man kann hier daran erinnern, daß im Mittelalter viele Universitätsstudenten große Mühe hatten, den 5. Lehrsatz des ersten Buches von Euklid „Elemente" zu begreifen (den Lehrsatz, der besagt, daß im gleichschenkligen Dreieck die Basiswinkel gleich sind), und was den letzten Lehrsatz in eben diesem ersten Buch Euklids, den Lehrsatz des Pythagoras, betrifft, der seit Jahren in den mittleren Klassen unserer Schule gelehrt wird, so war er nur den Magistern der Wissenschaft zugänglich und führte deshalb auch die pompöse Bezeichnung „magister mathesos" (vgl. MARKUSCHEWITSCH 1967, S. 94). Aus der Arbeit an neuen Lehrplänen für die sozialistische Oberschule und aus mehrjähriger pädagogischer Praxis der inhaltlichen Ausgestaltung dieser Oberschule könnten zahlreiche Beispiele dafür angeführt werden, daß sich für diesen „Zähmungsprozeß" wissenschaftlicher Erkenntnisse und Begriffe unter sozialistischen gesellschaftlichen und unter den neuen pädagogischen Bedingungen auch völlig neue Dimensionen eröffnen. Es sei hier nur darauf hingewiesen, daß nach den neuen Mathematiklehrplänen unsere Kinder bereits von der 1. Klasse an mit Variablen, Gleichungen und Ungleichungen arbeiten, und zwar, wie nunmehr schon die Massenpraxis bestätigt hat, ohne größere Schwierigkeiten. Noch in den Lehr14

plänen unserer Schule aus dem J a h r e 1951 war das Arbeiten mit Variablen — damals „allgemeine Zahlsymbole" genannt — und mit Gleichungen erst f ü r Klasse 7 vorgesehen; Ungleichungen gehörten überhaupt nicht zum Stoff der allgemeinbildenden Schule. Uberhaupt hat sich bei der Arbeit an den neuen Lehrplänen bestätigt — und wir befinden uns hier in völliger Übereinstimmung mit Erkenntnissen, die in Thesenform in der Problemgebundenen Klasse Physik formuliert wurden —, daß relevantes Grundwissen sich langsam akkumuliert und in der Regel kaum einem moralischen Verschleiß unterworfen ist. Die Wissenschaftsentwicklung geht vielfach dahin, daß grundlegende wissenschaftliche Theorien und Kategorien, die es gestatten, einen immer größeren Umkreis von Erscheinungen und Spezialfällen theoretisch zu erklären, durch neue wissenschaftliche Entdeckungen immer stärker fundiert werden; ihr Gültigkeitsbereich wird präzisiert. Im Grunde kommt diese Entwicklung der Notwendigkeit entgegen, Bildung stärker a m Grundlegenden, am Fundamentalen in den einzelnen Wissenschaften zu orientieren. Unter einem solchen Aspekt haben wir in den vergangenen J a h r e n , aktiv unterstützt auch von Wissenschaftlern der Akademie der Wissenschaften, neue Schullehrgänge konzipiert, die geeignet sind, die Schüler Schritt f ü r Schritt in fundamentale wissenschaftliche Kategorien, Theorien und Gesetzeszusammenhänge einzuführen und diese wiederum für die Erschließung neuer Wissensund Wirklichkeitsbereiche zu nutzen. Zu solchen zentralen Kategorien und Zusammenhängen, die für den Lehrgangsaufbau in den naturwissenschaftlichen Unterrichtsfächern bestimmend werden, gehören beispielsweise elementare Kenntnisse über den Atombau, die im Physik- und Chemieunterricht der Klassen 6 bis 8 vermittelt werden und in den folgenden Klassen ein tieferes Eindringen in naturwissenschaftliche Zusammenhänge ermöglichen. I m Chemieunterricht kann auf diese Weise das Periodensystem der Elemente relativ früh eingeführt und das Wesen chemischer Bindungen besser erklärt werden, während in den vorhergehenden Lehrplänen das Periodensystem den Abschluß, gewissermaßen die „ K r ö n u n g " des Chemielehrgangs bildete. In diesem Zusammenhang wurde es auch notwendig, die einzelnen Unterrichtsfächer auf neue Weise miteinander zu koordinieren, und zwar so, daß beispielsweise die naturwissenschaftlichen Unterrichtsfächer zur Ausbildung eines einheitlichen, wenn auch elementaren naturwissenschaftlichen Weltbildes beitragen. Die Bestimmung des Grundwissens, des Fundamentalen, ist eine Aufgabe, die, koordiniert mit den schulpolitisch und bildungsökonomisch fixierten Etappen der Entwicklung einzelner Bereiche des Bildungswesens, ständig neu auf der Tagesordnung steht. Die Erfahrungen lehren, daß daran vor allem jene Wissenschaftler mitarbeiten müssen, die die jeweilige Wissenschaft a m besten

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überschauen, ihre Bezüge zu anderen Wissenschaften kennen und ein Gefühl für die Entwicklungstendenzen dieser Wissenschaft haben. Das Nachdenken über das Fundamentale in den einzelnen Wissenschaften ist nicht nur für Bildungsforschung und -praxis unerläßlich; es dient auch der schöpferischen Entwicklung der Wissenschaften, ihrer weiteren Integration, dem gegenseitigen Verstehen und der Zusammenarbeit der Vertreter unterschiedlicher Wissenschaftszweige. Bildung ist nicht nur Wissensaneignung, sondern auf der Grundlage und im Zusammenhang damit Entwicklung geistig-schöpferischer Fähigkeiten, moralisch-charakterliche und geistig-weltanschauliche Ausformung der Persönlichkeit. Deshalb konzentriert sich gegenwärtig im Bildungsdenken und in der Bildungspraxis die Aufmerksamkeit sehr stark auf die Aneignung und Beherrschung von Methoden und Verfahren zur Vermehrung und Anwendung des Wissens. In den neuen Schullehrplänen ist dementsprechend der Unterrichtsstoff so bestimmt worden, daß sich die Schüler nicht nur entsprechende Fakten, Begriffe, Gesetze und Theorien, sondern auch Methoden und Verfahren des wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens aneignen, die sie beherrschen müssen, um das Wissen im weiteren Erkenntnisprozeß und in der schöpferischen geistigen Tätigkeit anzuwenden. Im Lehrplan für den Physikunterricht, Klasse 8, werden zum Beispiel als Stoff für den Abschnitt 2.3. „Elektrischer Widerstand, Ohmsches Gesetz" folgende Erkenntnisse angegeben: „— Proportionalität zwischen Spannung und Stromstärke bei einem Leiterstück — Ohmsches Gesetz (I proportional U) als Erfahrungssatz" sowie die Methoden und Verfahren „— Messen der Spannung an einem Leiterstück und der Stromstärke an diesem Leiterstück — Zeichnen eines I-U-Diagramms — Feststellen der Proportionalität". Die Abbildung 4 zeigt am Beispiel des Geographielehrstoffes für die 9. Klasse der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule darüber hinaus die wechselseitigen Beziehungen zwischen dem Wissen, Fähigkeiten und den ideologischen Überzeugungen. Besonders in den oberen Stufen des Bildungssystems geht die Entwicklung dahin, häufiger Probleme und Aufgaben zum Inhalt der Bildung zu machen, damit schöpferisches Problemlösungsverhalten explizit geschult und geübt werden kann. Allerdings muß man in Theorie und Praxis vermeiden, wie es teilweise geschehen ist und geschieht, Wissen und Können gegenüberzustellen und das Wissen gegenüber dem Können abzuwerten. Eine solche Gegenüberstellung

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Beziehungen zwischen Wissen, Fähigkeiten und ideologischen Uberzeugungen am Beispiel des Lehrplans für Geographie, Klasse 9 (Abb. 4)

Beitrag zum Fähigkeit ssy stern: Fachspez. Tätigkeiten, z. B. Lesen und Auswerten einfacher Wetterkarten, perfektionieren; das Abstraktionsvermögen weiterzuentwickeln, durch Analyse u. Synthese in die Beziehungen d. Komponenten d. Landschaft einzudringen, im Zusammenhang mit d. komplexen Betrachtungsweise der Landschaft; das Systemdenken zu fördern, allgemeine Syst'emzusammenhänge an Beispielen d. Nutzung u. Veränderung d. Heimatgebietes zu-erarbeiten.

Beitrag zur Herausbildung ideologischer Überzeugungen: Erkenntnis u. Überzeugung, daß die Geosphäre ein System ist, daß die gesetzmäßigen Beziehungen zwischen den Elementen erkennbar u. beeinflußbar sind, daß die. Geosphäre sich in ständiger Veränderung u. Entwicklung befindet, daß die sozialistische Gesellschaftsordnung d. kapitalistischen bei der optimalen Gestaltung d. Geosphäre überlegen ist und jeder Staatsbürger z. Schutz u. z. Pflege d. Landschaft laut Verfassung verpflichtet ist.

Beitrag • zum Wissenssyslem: Kenntnisse über wichtige Strukturen, Zusammenhänge u. Gesetzmäßigkeiten' in der Landschaft, ihre Entwicklung und Veränderung und über die Möglichkeiten des Menschen, bei Kenntnis und Beachtung dieser Gesetzmäßigkeiten, die Landschaft im Interesse, der sozialistischen Gesellschaft bewußt zu verändern und zu gestalten.

ist vom Standpunkt der Psychologie nicht haltbar, da Wissen durch Verfestigung der Inhalte der geistigen Tätigkeit entsteht, während sich geistige Fähigkeiten durch Verfestigung der Verlaufsqualitäten dieser gleichen geistigen Tätigkeit herausbilden, von bestimmten elementaren Fertigkeiten einmal abgesehen. Und auch die pädagogische Praxis lehrt, daß beispielsweise die Lösung mathematischer oder anderer Aufgaben — das weiß jeder Lehrende — ein systematisiertes, verfügbares Wissen voraussetzt, wesentlich Operieren mit Wissen ist. Gegenwärtig werden in unserer Bildungsforschung große Anstrengungen unternommen, um die Bedingungen aufzuhellen, unter denen sich solche Verlaufsqualitäten der geistigen Tätigkeit, wie Planmäßigkeit, Exaktheit, geistige Beweglichkeit, Selbständigkeit, Problembewußtsein, schöpferisches Problemlösungsverhalten u. a., ausbilden. Diese Untersuchungen haben unter anderem wissenschaftlich erwiesen, daß das Vollziehen geistiger Operationen nicht schlechthin zu entsprechenden Entwicklungseflekten führt; vielmehr müssen diese Operationen selbst mehr und mehr Gegenstand bewußter geistiger Tätigkeiten des Lernenden und spezifischer pädagogisch-didaktischer Bemühungen des Lehrenden werden (vgl. P I P P I G 1971, S. 215 ff.). Es sind auch Untersuchungen bekannt, um auf der Grundlage tiefergehender Analysen der Erkenntnistätigkeit der Lernenden, insbesondere der Struktur der Prozesse, die beim Lösen von Aufgaben auftreten, algorithmische und heuristische Prozeduren im Untemchtsprozeß anzuwenden. Untersuchungen von L. N. LANDA bestätigten, daß das Unterrichten im selbständigen Aufbau von Algorithmen die Lerneflektivität wesentlich steigert und beispielsweise im Grammatikunterricht dazu führt, daß die Anzahl der grammatischen Fehler 5- bis 7mal geringer ist als in Klassen, in denen auf normale Weise unterrichtet wird (vgl. LANDA 1963, S. 62). G. N. ALEXANDROW hat demgegenüber für den Unterricht eine Stufenfolge von algorithmischen, über quasi-algorithmische zu heuristischen Verfahren ausgearbeitet und experimentell erprobt. Dabei konnte nachgewiesen werden, daß einseitiges algorithmisches Arbeiten im Lernprozeß die Formung der produktiven Erkenntnisfähigkeit behindern kann und für die Ausbildung schöpferischer Fähigkeiten ein ausgewogenes Verhältnis von algorithmischen und heuristischen Prozeduren konzipiert werden muß (vgl. ALEXANDROW 1970, S. 3 ff.). Auch unsere Untersuchungen zum programmierten Unterricht haben ergeben, daß jenes Lehrsystem am effektivsten ist, bei dem Arbeiten nach vorgegebenen Lehrprogrammen mit vielfältigen geistigen Anregungen durch den Lehrenden und Kommunikationen zwischen den Lernenden verbunden ist (siehe Abbildung 5 : Ergebnisse des Großversuchs zum programmierten Unterricht des DPZI). Generell sei zu diesem Komplex festgestellt, daß unsere gegenwärtigen Erkenntnisse über die Gesetzmäßigkeiten des menschlichen Lernens noch nicht

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ausreichen, um auf alle Fragen der Entwicklung schöpferischer geistiger Fähigkeiten im Lehr- und Unterrichtsprozeß wissenschaftlich begründete Antwort zu geben. Es erscheint auch notwendig, die Ergebnisse der Kreativitätsforschungen sinnvoll auf Unterricht und Lehre anzuwenden. Je mehr wir über die Gesetzmäßigkeiten menschlicher Erkenntnis wissen, desto besser wird es uns, Unterrichtsversuch zum programmierten Unterricht (Abb. 5) (1966—68; 160 Klassen; 7 . - 9 . Schuljahr; Unterrichtsfächer Mathematik, Physik, Chemie) VI

Ql VZ V3

V4

VI

L) V 3 (Variante 3): Entscheidungsfreier Wechsel zwischen Lehrer- und Programmeinsatz V 4 (Variante 4): Kein Einsatz von Lehrprogrammen (lediglich Vorgabe von Ziellisten zur präzisierten Unterrichtsvorbereitung) qi = Grad der Aneignung der für die Erarbeitung der nachfolgenden Stoffgebiete notwendigen Vorkenntnisse qn = Grad der Aneignung von Kenntnissen nach Abschluß der Untersuchung q = mittlere effektive Punktzahl (Mittelwert) qmax = maximale Punktzahl des betreffenden Parameters besonders im Zusammenhang mit der vom VIII. Parteitag der SED beschlossenen weiteren inhaltlichen Ausgestaltung unserer Oberschule, auch gelingen, Reserven einer effektiveren pädagogischen Prozeßgestaltung zu erschließen und die gesamte heranwachsende Generation zum selbständigen Lernen und Arbeiten, zum schöpferischen Denken zu befähigen. Wir glauben, daß der Physiker P. L. KAPICA recht hat, wenn er feststellte, daß das schöpferische Element in der geistigen Tätigkeit nicht nur für Produktion und Wissenschaft

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unerläßlich ist, sondern auch für sinnvolle Freizeit- und Lebensgestaltung überhaupt mehr und mehr an Bedeutung gewinnt (vgl. KAPICA 1971, S. 16 IT.). Bildung ist schließlich vor allem Lebensorientierung, Vermittlung eines wissenschaftlich begründeten Weltbildes, eines festen weltanschaulichen Standpunktes und einer entsprechenden moralisch-charakterlichen Haltung. Wir messen die sozialistische Persönlichkeit nicht nur an dem, was sie weiß und was sie kann, sondern vor allem auch daran, wofür sie Wissen und Können einsetzt, welchen Standpunkt, welche Haltung sie in der Klassenauseinandersetzung unserer Tage einnimmt und wie sie sich verhält. Eine wissenschaftliche und lebensverbundene Bildung verfügt über eine bedeutsame Potenz für die Ausformung der sozialistischen Weltanschauung und die charakterlich-moralische Erziehung des Staatsbürgers; denn die wissenschaftliche Ideologie der Arbeiterklasse ist in der Gesamtheit des menschlichen Wissens und in der Klassenerfahrung der Arbeiterklasse begründet. Gerade in unseren Tagen wirft die Wissenschaftsentwicklung unablässig politische, weltanschaulich-philosophische und moralische Entscheidungsfragen auf, mit denen jeder Wissenschaftler konfrontiert ist. Wir wissen, daß heute verantwortungsbewußte Wissenschaftler in der ganzen Welt das Problem der politischen und moralischen Verantwortung des Wissenschaftlers bewegt. Max Born beispielsweise stellte in einem Vortrag 1959 fest, daß in unserer Zeit die Naturforschung mit dem sozialen und politischen Leben unentwirrbar verstrickt ist. „So ist jeder Naturforscher heute", so führte er aus, „ein Glied des technischen und industriellen Systems, in dem er lebt. Damit hat er auch einen Teil der Verantwortung zu tragen für den vernünftigen Gebrauch seiner Ergebnisse." (Zitiert nach HERNECK 1966, S. 420.) Die gesamte Wissenschaftsentwicklung drängt gewissermaßen zu einem einheitlichen wissenschaftlichen Bild von der Welt, zu einer philosophisch-weltanschaulichen Gesamtschau hin, wie sie der Marxismus seit nunmehr mehr als einem Jahrhundert bietet. Das ist auch ein wesentlicher Grund dafür, daß bürgerliche Naturforscher, wie W. I. LENIN gezeigt hat, oft, entgegen der ursprünglich eingenommenen weltanschaulichen Position, zu materialistischen philosophischen und auch fortschrittlichen politischen Konsequenzen gelangten und gelangen. Der Marxismus-Leninismus gibt für wissenschaftliches Denken und Arbeiten in unserer Zeit eine sichere politische und weltanschauliche Orientierung. Sein Erkenntnisoptimismus und seine Methodologie erschließen dem Wissenschaftler neue Horizonte in seiner wissenschaftlichen Arbeit. In der marxistisch-leninistischen Gesellschaftstheorie findet der Wissenschaftler auch klare Antworten auf die Frage nach der Verwertung wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Wohle des Menschen, für die wissenschaftliche Durchdringung der Produktion und des gesamten Lebens im Sozialismus.

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Die Orientierung am Grundlegenden, am Fundamentalen in der Bildung ist auch von großer weltanschaulich-erzieherischer Bedeutung. Das Verständnis für die wesentlichen Kategorien und Erkenntnisse, die die wichtigsten Beziehungen zwischen den Erscheinungen in den einzelnen Fachbereichen abbilden, ist auch die Voraussetzung, um das Wissen weltanschaulich zu verdichten und die weltanschaulich-ideologische „Quintessenz" wissenschaftlicher Erkenntnis dem Lernenden im Prozeß der Bildung deutlich und bewußt zu machen. Schließlich und endlich aber muß der Marxismus-Leninismus als Ganzes, in der Einheit seiner Bestandteile, wesentlicher Inhalt moderner Bildung sein; denn er vermittelt erst eine ganzheitliche Weltanschauung (vgl. H A G E R 1 9 7 1 , S. 9 ff.). Und diese Weltanschauung wiederum eröffnet neue Perspektiven weiterer Bildung und sozialistischer Erziehung. Bildung, so strukturiert, ist geeignet, vielfältige Einzelkenntnisse, Kenntnisse aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen, aus den Natur- und Gesellschaftswissenschaften, zu einem Ganzen zusammenzufügen, das mit zwingender Logik zu ideologischen Schlußfolgerungen und Motivationen hinführt und geeignet ist, grundlegende Uberzeugungen und die moralisch-charakterliche Haltung der sozialistischen Persönlichkeit immer umfassender zu begründen und zu stabilisieren. Aus einer solchen Sicht haben wir bei der Ausarbeitung der neuen Lehrpläne für die allgemeinbildende Schule gemeinsam mit Fachwissenschaftlern und Philosophen weltanschaulich orientierte Leitlinien bzw. Leitideen konzipiert, die die Schullehrgänge verschiedener Unterrichtsfächer durchziehen und grundlegende weltanschaulich-ideologische Schlußfolgerungen und Konsequenzen auf immer neuen Niveaustufen der Erkenntnis begründen. Als Beispiel sei die Leitlinie Entwicklung in den verschiedenen Fachlehrplänen der lOklassigen Oberschule angeführt (siehe Abbildung 6). Damit wird die Bildung, entsprechende Methoden und Organisationsformen vorausgesetzt, zur entscheidenden Grundlage und zu einem wesentlichen Mittel weltanschaulich-ideologischer Erziehung und Charakterformung der sozialistischen Persönlichkeit. Diese Aufgabe ist in der Tat die Krönung aller unserer Bildungsbemühungen. A L B E R T E I N S T E I N hat diesen Gedanken mit Worten zum Ausdruck gebracht, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen, als er feststellte: „Es ist nicht genug, den Menschen ein Spezialfach zu l e h r e n . . . Es kommt darauf an, daß er ein lebendiges Gefühl dafür bekommt, was zu erstreben wert ist. Er muß einen lebendigen Sinn dafür bekommen, was schön und was moralisch gut ist. Sonst gleicht er mit seiner spezialisierten Fachkenntnis mehr einem wohlabgerichteten Hund als einem harmonisch entwickelten Geschöpf." ( E I N S T E I N 1955, S. 26.) Gestatten Sie mir, daß ich abschließend einige Gedanken äußere, wie die 2L

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