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German Pages 61 [62] Year 1984
PETER LERCHE
Presse und privater Rundfunk
Schriften zu Kommunikationsfragen Band3
Presse und privater Rundfunk Eine Auseinandersetzung insbesondere mit der verfassungsrechtlichen Konzeption von Kühlers "Medienverflechtuog"
Rechtsgutachten erstattet von
Prof. Dr. Peter Lerche
DUNCKER
&
HUMBLOT
I
BERLIN
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Lerche, Peter: Presse und privater Rundfunk: e. Auseinandersetzung insbesondere mit d. verfassungsrechtl. Konzeption von Küblers "Medienverflechtung"; Rechtsgutachten I erstattet von Peter Lerche. - Berlin: Duncker und Humblot, 1984. (Schriften zu Kommunikationsfragen; Bd. 3) ISBN 3-428-05583-7
NE:GT
Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1984 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Ger many
© 1984 Duncker
ISBN 3-428-05583-7
Vorbemerkung Seit geraumer Zeit wird der Frage Aufmerksamkeit zugedacht, ob bzw. unter welchen Bedingungen der Presse Zugang zum Rundfunkbereich gewährt werden darf, muß, soll oder nicht gewährt werden sollte oder dürfte. Die Vorschläge namentlich der Monopolkommission1 wie angesehener Autoren, etwa Mestmäckers2 , weisen vor allem auf erhebliche wettbewerbsrechtliche Beschränkungen. Unter Einbezug künftig möglicher struktureller Veränderungen betrachtet kürzlich Bullinger3 in umfassender Weise elektronische Medien als "Marktplatz der Meinungen" und widmet sich insbesondere den verfassungsrechtlichen Grundfragen eines freien Zugangs der Presse und anderer privater Anbieter zu den elektronischen Medien. Mit wesentlich anderen Konsequenzen erörtert Kühler in seiner 1982 erschienenen hervorstechenden Arbeit "Medienverflechtung - Eine rechtsvergleichende Untersuchung der Marktstrukturprobleme privaten Rundfunks" die rechtliche Lage der Dinge. Sie erschöpft sich nicht in rechtsvergleichenden Darlegungen, die auch von anderen bekannten Autoren vorgelegt wurden\ plädiert letztlich für einen generellen Ausschluß der Presse vom privaten Rundfunk, erwägt aber auch weniger weitgehende Einschränkungen unterschiedlicher Art. In dieser Arbeit Kühlers, die selbstverständlich große Beachtung gefunden hat, spielt infolgedessen der verfassungsrechtliche Aspekt eine maßgebliche Rolle. Die vorliegende Untersuchung ist darauf beschränkt, sich mit diesem Aspekt im Grundsätzlichen auseinanderzusetzen. Weder werden rechtsvergleichende Erwägungen angestellt5 noch Fragen erörtert, die - wie 1 Monopolkommission, Wettbewerbsprobleme bei der Einführung von privatem Hörfunk und Fernsehen, Sondergutachten, 1981, abgedruckt in Hauptgutachten 1980/81, Fortschritte bei der Konzentrationserfassung, 1982 (sowie etwa in Media Perspektiven 1981, 860). Aus dem früheren Material siehe etwa die sogen. Michel-Kommission, Bericht der Kommission zur Untersuchung der Wettbewerbsgleichheit von Presse, Funk/Fernsehen und Film, 1967 (BTDrucks. V /2120). 2 Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, 1978, bes. S. 212 ff. Zur Begrenztheit des wettbewerbsrechtlichen Instrumentariums und der Gebotenheit marktstruktureller Vielfaltssicherungen (in der Linie KübZers) zuletzt Brinkmann, Media Perspektiven 1983, 677 ff. a Bullinger AöR 108 (1983), 161 ff. ' Siehe bes. etwa Hoffmann-Riem, Kommerzielles Fernsehen, 1981. s Zu Küblers rechtsvergleichenden Untersuchungen siehe etwa Bullinger aaO 163 mit Anm. 5.
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Vorbemerkung
z. B. die Probleme der Gesetzgebungskompetenz - als sekundär erscheinen oder ihrer Natur nach gesonderter umfassender Untersuchung bedürften. Verzichtet wird auch auf eine vorangehende Gesamt-Referierung der Arbeit Kühlers. Nicht nur ist seine bedeutsame Arbeit schon in eingehenden Besprechungen gewürdigt worden8 ; eine zwangsläufig verkürzende und damit u. U. vergröbernde- Wiedergabe der Kühlersehen Argumente vermöchte nicht die genaue Lektüre zu ersparen. Diese wird daher vorausgesetzt. Die Arbeit geht auf einen Gutachtensauftrag des Bundesverbandes der Deutschen Zeitungsverleger e. V. zurück.
8 Namentlich seien genannt die umfangreichen Rezensionen von R . Scholz AfP 1983, 261 ff. und von Degenhart (erscheint demnächst im AöR).
Inhaltsübersicht A. Das Petitum Kilblers . . . . . . . . . .. .. .. . . .. . . . . . . . . .. .. . .. .. . . . . . .. .. . 11 1. Drei Stufen erwogener Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
2. Als rechtspolitische Forderungen? ....... . .. .. . . ...... . ......... .
Als verfassungsgebotene Forderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
B. Verfassungsrechtliche Basis der Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Begrenzte Tragweite des Dritten Fernseh-Urteils . . . . . . . . . . . . . . . .
14
2. Grundsätzliche Organisationsweite des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . .
15
3. Erstreckt sich diese Organisationsweite auch auf die Fülle denk-
barer Kombinationen privatrechtlicher Lösungen mit Bindungen aus gesetzgeberisch definiertem (angeblichem) Gemeinwohl? . . . . . . 16 a) Die Verführungskraft der Bejahung dieser Frage . . . . . . . . . . . . . 16 b) Mögliche Argumentationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 c) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 d) Als notwendige Grundlage der Kühlersehen Konzeption . . . . . . . 18
4. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Einräumung prinzipieller gesetzgeberischer Organisationsmacht als Ausfluß gesteigerter öffentlicher Verantwortung im Rundfunkhereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 b) Inwieweit erfaßt diese Organisationsmacht auch die Befugnis des Gesetzgebers, sich bei grundsätzlicher Privatisierung öffentlich-rechtlich orientierte Einwirkungen (Beschränkungen) vorzubehalten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 c) Notwendigkeit . der Grenzziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Inhaltsübersicht
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d) Grenzen der Kombinationsmöglichkeiten zwischen Zulassung privaten Tätigwerdens und Bindungen aus öffentlich-rechtlich definiertem (angeblichem) Allgemeininteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 e) Teilweiser Widerhall in Küblers eigenem Ansatz; aber mangelnde Konsequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 f) Verbleibende Kombinationsmacht des Gesetzgebers wird nicht in Frage gestellt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 g) Aber Notwendigkeit der Beachtung verfassungserzwungener Konsequenzen bei Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 h) Spiegelung dieses Sachverhalts in der judikativen Unterscheidung zwischen Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit und Grundrechtsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 i) Wird der Weg zur Privatisierung beschritten, so verfügt der Gesetzgeber daher nicht mehr über eine grundsätzliche Optimierungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 j) Ausfluß des Prinzips der Verfassungskonsequenz aus organisatorisch gesetzten Grund-Vorgaben; gesetzgeberischer Zwang zur klarstellenden Entscheidung; "Unteilbarkeit" der privaten Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Konsequenzen für die tJberprüfung der Einzelpostulate Küblers . . . . . 30 1. Die rechtspolitischen Forderungen nach genereller Verwehrung
der Verflechtung von Presseverlagen mit Rundfunkunternehmen 30
2. Kritik
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
a) Vorweg: Zurückweisung von Spezialargumenten . . . . . . . . . . . . . . 30 b) Die prinzipiell jedermann zustehende Zugänglichkelt zum Rundfunk im Falle seiner Privatisierung als Ausgangsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 c) Grundsätzlich unabhängig von gesellschaftlichen, wirtschaftlichen u. a. privaten Einflußpositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 d) Einfluß des Strul{turwandels im Bereich elektronischer Medien? 33 e) Keine Rechtfertigung generellen Presseausschlusses in der gebotenen Abwehr von Meinungsmonopolen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 f) Einklang mit dem Dritten Fernseh-Urteil; zu sonstigen Stimmen .. .. . . . ... . ..... .. . . ....... . ................. . ... . ....... 34
Inhaltsübersicht
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3. Die Forderung nach einem sich auf jede räumliche überschneidung · von Presse- und Rundfunkmärkten erstreckenden Verflechtungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 a) Inhalt und Konsequenzen dieser Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 b) Die behauptete Gefahrensituation aus entsprechenden ,.Verflechtungen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 4.' Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 a) Konkrete Erforderlichkeit und Geeignetheit der Maßnahmen als Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 b) Vorweg: Problematik einzelner Gefahrenbehauptungen . . . . . . . 38 c) Bedeutung des Grundsatzes, daß die einzelnen großen Kommunikationsbereiche sowie der etwaige private Rundfunk je für sich in ihren verschiedenen Dimensionen dem Gebote hinreichenden Vielfaltsstandards entsprechen müssen . . . . . . . . . . . . . . 40 d) Insbesondere zu befürchteten Doppel-Effekten in Überschneidungsbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 e) Insbesondere zu Rundfunkgemeinschaftsunternehmen der Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 f) Einfluß des Strukturwandels im Bereich elektronischer Medien? 44 g) Medienverflechtung als Medienkonzentration? . . . . . . . . . . . . . . . . 46 h) Zum Argument der Abschreckungswirkung gegenüber potentiellen anderen Anbietern; Verdrängungseffekte dieser Art als normale Struktur des privaten Marktes; einzubeziehen in die Grundentscheidung für oder gegen Privatisierung des Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 i) Verbleibende Regelungsmöglichkeiten geringer eingreifender Art, z. B. im Finanzierungsbereich; Bedeutung sachgerechter Reaktion auf neues Gefährdungspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 5. Die Forderung, zumindest seien wettbewerbsrechtliche Fortbildungen - anknüpfend an das Instrumentarium der Presse-Fusionskontrolle - zu realisieren (wenn dies auch nicht ausreiche) . . . . . . 50 a) Die Postulate Küblers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 b) Zur Einbettung in die allgemeinere Frage der medienpolitischen Instrumentalisierung des Wettbewerbsrechts . . . . . . . . . . . . 51
10
Inhaltsübersicht 6. Kritik
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a) Möglichkeiten und Grenzen dieser Instrumentalisierung . . . . . . 52 b) Allgemeine Folgerungen für die Frage gesetzgeberischer Regelungsbefugnisse im vorliegenden Gebiet; insbesondere zur Abweisung von Optimalitätsvorstellungen und zur Aktualisierung des Meinungs"marktes" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 c) Konkretere Konsequenzen; insbesondere zur Legitimität einiger landesmedienrechtlicher Entwurfskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 D. Verbot der Presseprivilegierung
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1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Besonderheiten
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A. Das Petitum Kühlers 1. An den letztlich für die Formung seiner Postulate entscheidenden Stellen erwägt Kübler7 zunächst pressebezogene wettbewerbsrechtliche Fortbildungen, die über die Anknüpfung an örtlichen Alleinstellungen hinausgehen. Er beurteilt sie indes als unzureichend und überlegt daher in einer zweiten Stufe Regelungen, die ein Verflechtungsverbot auf jede räumliche Überschneidung von Press~ und Rundfunkmärkten erstrekken8. Auch in diesem Falle sollen sich jedoch Regelungsdefizite ergeben, so daß am Ende der Wunsch nach genereller Unterbindung der Verflechtung von Presseverlagen und Rundfunkunternehmen geäußert wird9 •
Diese Erwägungen Kühlers verstehen sich teils als rechtspolitische Forderungen, teils als verfassungsrechtliche (Mindest-) Gebotenheiten. Der präzise materiell-verfassungsrechtliche Gehalt der Aussagen Kühlers erschließt sich allerdings nicht mühelos: In der Zusammenfassung seiner Untersuchung beansprucht Kübler "Anhaltspunkte für den Verlauf der Grenze" gegeben .zu haben, "die das verfassungsrechtlich Gebotene von dem erheblich weiteren Kreis des rechtspolitisch Erwünschten trennt" 10• Dieser Anspruch wird allerdings sofort relativiert durch den Hinweis, daß auch jene Anhaltspunkte nur vorläufig zu verstehen seien; definitive Beurteilungen ließen sich "nur auf der Basis der konkreten Bedingungen einzelner Vorhaben und Projekte abgeben" 11• Wie sehen aber diese also nur vorläufigen Anhaltspunkte aus? Sie werden ihrerseits nur sehr annähernd eingrenzend und negativ bestimmt. Genereil sei davon auszugehen, daß eine Inkompatibilitätslösung, die allein auf die lokale Alleinstellung abhebt, den verfassungsrechtlichen Mindestansprüchen nicht genüge; daher sei "das verfassungsgebotene Minimum" im Umkreis einer Regelung zu suchen, die an die Voraussetzungen der (Presse-)Fusionskontrolle und damit an den Tatbestand der Marktbeherrschung anknüpft - dies indes genüge nur dann, wenn 7 aaO S. 103 f. a aaO 8.105. ' aaO S. 105 f. 10 aaO S. 108 sub. 5. u aaO S. 108 sub. 5.
A. Das Petitum Kühlers
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damit dem von einem Verlegerkartell betriebenen Rundfunkgemeinschaftsunternehmen wirksam begegnet werden kann12 • An dieser Stelle scheint Kühler zugleich jene anvisierte Zäsur zwischen dem seiner Ansicht nach verfassungsrechtlich "Gebotenem" und dem rechtspolitisch Erwünschten in etwa setzen zu wollen. Denn sowie er fortfährt, ist nunmehr nur noch von "gewichtigen publizistischen, medienstrukturellen und vor allem auch verfassungspolitischen Gründen" die Rede, die für weitergehende Gestaltungen sprächen: nämlich für eine Regelung, "die den Verbund schon bei räumlicher Überschneidung der Märkte untersagt oder generell am Grundsatz strikter Trennung von Presse und Rundfunk festhält" 13. Sieht man ab von den damit freilich verbundenen Sonderproblemen der Werbefinanzierung und der Gesetzgebungszuständigkeiten, so ist mit diesen Bekundungen zugleich die Aufgabenstellung für die hiesige Untersuchung im Großen definiert; sie zielt auf die annähernde Erheilung des verfassungsrechtlich Zulässigen. Im Kreise des Zulässigen müßte sich nicht nur das verfassungsrechtlich Gebotene bewegen, sondern auch das rechtspolitisch angeblich Erwünschte, so es den Anspruch erhebt, ohne Verfassungsänderung realisiert werden zu können. 2. Im Einzelnen bleibt allerdins recht unklar, was zu dem verfassungsrechtlich Gebotenen und was zu dem rechtspolitisch Wünschenswerten in den Augen Kühlers rechnen soll. Die Tugend vorsichtiger Beurteilungen komplexer Sachverhalte scheint hier gewisse notwendige Opfer an Präzision zu erzwingen. Dies nicht als Vorwurf gesagt, sondern als Analyse und Respekt vor Sachbedingtheiten. Während z. B. der Grundsatz strikter Trennung von Presse und Rundfunk einerseits nur in die Reihe des verfassungspolitisch Wünschenswerten gerückt wird14, werden andererseits entsprechende Konsequenzen (keine Vereinigung des Potentials vor allem der Print- und der elektronischen Medien) im Zusammenhang eines für "unverzichtbar" erklärten Regelungsansatzes genannt15 ; dies wird freilich wiederum dadurch abgeschwächt, daß Kühler gleichzeitig bemerkt, unerläßlich sei es zwar, bei der verfassungsgebotenen Zugangsregelung auf "cross-owner-ship"-Bestimmungen nicht zu verzichten, doch dürfte es im Augenblick kaum möglich sein, den Mindestinhalt dieser Bestimmungen definitiv von Regelungen abzugrenzen, die zwar rechtspolitisch zu empfehlen, aber deshalb noch nicht von der Verfassung zwin12
13
14 15
aaO S. lOB sub. 4. aaO S. 108. aaO 5.108. aaO S. 88.
A. Das Petitum Küblers
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gend vorgeschrieben sind16• Wer infolgedessen Kühlers genaue Grenze zwischen verfassungsrechtlichem Minimalgebot und rechtlich Empfehlenswertem ausfindig machen wollte, dem verschleiert sich der Blick, und es entgleitet ihm das Handliche. Das darf indes unsere Anstrengung nicht lähmen, den von Kühler ungefähr abgesteckten Kreis des nach seiner Ansicht - verfassungsrechtlich Zulässigen zu überprüfen; denn auch seine Darlegungen über das zumindest Empfehlenswerte haben implizit zur Voraussetzung, daß dieses verfassungsrechtlich beanstandungsfrei sei. Ist es dies?
16 aaO S. 89; anschließend schildert Kübler die Gründe für "diese Schwierigkeit, den Minimalumfang der für privaten Rundfunk unverzichtbaren Marktstruktur- und Wettbewerbsregelung zu bestimmen".
B. Verfassungsrechtliche Basis der Prüfung 1. Grundlage der Prüfung des Kreises verfassungsrechtlich zulässiger Maßnahmen, die den Zugang der Presse zum Rundfunk betreffen, muß das sogen. Dritte Fernseh-Urteil des Bundesverfassungsgerichts17 sein. Auch Kühlers Arbeit bezieht dieses in die Grundlagen seiner Untersuchung ein18• Allerdings erfaßt dieses Urteil nur einen Teil der anstehenden Probleme. Von einer weitergreifenden Klärung sah es sich schon durch die Tatsache abgehalten, auf einen relativ eng und spezifisch gelagerten (saarländischen) Sachverhalt angewiesen zu sein. Wenn sich das Urteil dadurch auch nicht entmutigt sah, zumindest gewisse fallübergreifende und prinzipielle Aussagen im Interesse breiterer Rechtssicherheit zu wagen, so tritt es doch bewußt nicht mit einer Art Gesamtlösungsanspruch auf. Das Urteil bezeichnet z. B. eine der Grundfragen der Materie, nämlich ob ein individualrechtlicher Anspruch auf Rundfunkveranstaltungen (Rundfunkzulassung) aus der Verfassung abgeleitet werden könne bzw. ob (unter den gegenwärtigen oder künftigen technischen Bedingungen) eine verfassungsrechtliche Pflicht besteht, privaten Rundfunk einzuführen, ausdrücklich als nicht zum Gegenstand der Entscheidung zählend19• Angesichts der Eindeutigkeit dieser Erklärung, über diese vielfach und anhaltend umstrittene Grundfrage nicht entscheiden zu wollen, kann es interpretativen Bemühungen nicht gelingen, jene Grundfrage als im Urteil denn doch so oder so entschieden zu sehen. So ist es und sei man noch so bemüht, zwischen den Zeilen zu lesen!
Dies gilt sowohl für diejenigen, die eine Bejahung eines individualrechtlichen Anspruchs für richtig halten20 , als auch für dessen Ver17
BVerfGE 57, 295.
1s Bes. aaO S. 82 ff.
19 BVerfGE 57, 295 (318). Dieselbe Deutung etwa bei Starck JZ 1983, 405 ff. (407), der allerdings meint, auf Dauer könne die Frage nicht in der Schwebe gehalten werden. 20 Siehe die bei Kübler aaO S. 83 Anm. 63 angeführten Stimmen, die freilich in sich nicht ganz einheitlich sind; ferner die Nachweise etwa bei Bullinger AöR 108 (1983), Anm. 94 sowie bei Stern, Verh. d. 54. Dt. Juristentages, Bd. II, G/H, 1982, H. 57 mit Anm. 39 (vgl. auch prinzipiell Stern selbst gemäß H. 56 ff.); bei Koch ZRP 1981,237 Anm. 6 und bei Hoffmann-Riem in Handb. des Verfassungsrechts, 1983, S. 389 ff. (406 ff., 411 ff.), der sich selbst zur Gegenposition zählt; zu den Befürwortern eines individualrechtliehen Standpunkts rechnet insbes. auch R. Scholz zuletzt AfP 1983, 264 (in Fortführung seiner Deutung JZ 1981, 651 ff.).
B. Verfassungsrechtliche Basis der Prüfung
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neiner21 oder zurückhaltendere, differenzierende Stimmen22• Zu den Verneinern rechnet auch Kühler selbst. Nach ihm "legen" gewisse, von ihm näher zitierte Passagen der Begründung des Urteils "die Annahme nahe, daß der Gesetzgeber keineswegs verpflichtet ist, privaten Rundfunk zuzulassen, sondern es beim Monopol des öffentlichrechtlichen Integrationssystems belassen darf" 23• Das ist zwar zunächst nur mit einem vorsichtigen Abstand formuliert24 , der aber in späteren Ausführungen fallengelassen wird25• Der Inhalt dieser These ist von meiner eigenen, etwas modifizierenden Auffassung nicht weit entfernt28 , doch kann er aus den dargelegten Gründen nicht als eine Art versteckte Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ausgegeben werden. Die von Kühler angeführten Einzelpassagen in der Begründung müssen vielmehr im Zusammenhalt mit der anfänglichen klaren Erklärung des Urteils, jene Grundfragen unentschieden zu lassen, gelesen werden; die in diesen Passagen erscheinende Organisationsmacht des Gesetzgebers steht daher unter dem Vorbehalt als impliziter Einschränkung, daß sich jene Grundfragen nicht gegenläufig beantworten lassen sollten. 2. Wie immer man die Frage des Verfassungsanspruchs auf Zulassung Privater zum Rundfunkbereich auch sieht, so hat das Dritte Fernseh-Urteil die grundsätzliche Organisationsweite des Gesetzgebers jedoch darin bestätigt, daß er sowohl binnenpluralistische als auch außenpluralistische Modelle vorsehen könne. Diese Unterscheidung deckt sich nicht voll mit jener nach öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Organisationsform; vielmehr sind sowohl öffentlich-rechtliche Gestaltungen des Außenpluralismus denkbar als auch zivilrechtliche Gestaltungen des Binnenpluralismus, - wenngleich sich in beiden Fällen die Notwendigkeit einstellen müßte, eher auseinanderstrebende Rechtstendenzen durch Kompromißformeln zu versöhnen, und jedenfalls keine natürliche Affinität angenommen werden kann27 • 11 Nachweise etwa bei Koch ZRP 1981, 237 f., Anm. 7 oder bei Lerche, Landesbericht Bundesrepublik Deutschland in Bullinger!Kübler (ed.), Rundfunkorganisation und Kommunikationsfreiheit, 1979, S. 15 ff. (42 mit Anm. 82); siehe zudem bes. etwa E. W. Böckenförde I Wieland AfP 1982, 77 ff. 22 Vgl. bes. Badura, Verfassungsrechtliche Bindungen der Rundfunkgesetzgebung, 1980; Bethge, Die verfassungsrechtliche Problematik der Zulassung von Rundfunkveranstaltern des Privatrechts, 1981; W. Schmidt, Die Rundfunkgewährleistung, 1980, vgl. auch ders: DVBl 1981, 920 ff. u. a. m. 23 aaO S. 84 f. 24 Vgl. aaO S. 84: Die Annahme werde nahegelegt. 25 Vgl. aaO S. 85: "Dieses Ergebnis, daß es keinen individualgrundrechtlich verbürgten Anspruch darauf gibt, als Veranstalter von Rundfunksendungen zugelassen zu werden ..." 2• Siehe Lerche, Landesbericht aaO, bes. S. 36 ff. %7 Siehe auch Kübler aaO S. 84 sub bb unter Hinweis auf Kull AfP 1981, 378 ff. (378), der das für nichtig erklärte saarländische Modell als (allenfalls)
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B. Verfassungsrechtliche Basis der Prüfung
Faßt man die hier sich einstellende, im Grundsatz imposante Organisationsweite des Gesetzgebers ins Auge, so liegt es nur nahe, auch das ganze Zwischenfeld als der gesetzgeberischen Hand überantwortet zu betrachten; mithin auch alle denkbaren und in sich sinnvollen Kambinationsformen zwischen den beiden (Ideal-)Typen des Außen- und des Binnenpluralismus. In der Tat lehrt ein Blick auf die Vielfalt bisher vorgelegter Gesetzestexte oder Textentwürfe zu Landesmediengesetzen, Landesmedienerprobungsgesetzen bzw. Pilotprojekt-Gesetzen28, daß die Originalität der Verfasser durch ein reiches und phantasievolles Bukett verschiedenster Grundorganisationsformen zu erfreulichem Ausdruck kommt, wiewohl in den Einzelheiten häufig recht parallel vorgegangen wird. 3.a) Angesichts dieser Reichweite organisatorischen Spielraums, die auch Übergangserscheinungen zwischen Binnen- und Außenpluralismus kennt, stellt sich indes nur allzuschnell ein verführerischer Schluß ein; der pointierte Schluß nämlich, daß - so nur die sonstigen (allgemeinen) Verfassungsprinzipien beachtet sind - automatisch alle Regelungen legitimiert seien, die sich nur irgendwie zwischen den Polen von Außenund Innenpluralismus bzw. zivilrechtliehen und öffentlichrechtlichen Lösungen und Komponenten bewegen und in dieser rechtlichen Dimension beheimatet sind. Das ist ein Trugschluß. Da gewisse zentrale Thesen Kühlers und weiterer Autoren nur zu überzeugen vermöchten, wenn dieser Schluß kein Trugschluß wäre, muß dieser Frage Aufmerksamkeit gewidmet werden. b) Der erwähnte Schluß basiert auf der Überlegung, daß der Gesetzgeber, wenn er schon sowohl eine "rein" binnenpluralistische als auch eine "rein" außenpluralistische Lösung wählen kann, er erst recht über verschiedenartigste Kombinationsformen verfügen können müsse. Da nun die binnenpluralistische Organisationsform nach dem Gesagten eine natürliche Affinität zu einer öffentlich-rechtlichen Struktur und die außenpluralistische Organisationsform eine natürliche Affinität zu privatrechtliehen Gestaltungen aufweise, scheint sich die Konsequenz anzubieten, daß es auch in der Macht des organisierenden Gesetzgebers stünde, privatrechtliche Komponenten mit öffentlich-rechtlichen in grundsätzlich beliebiger Weise zu mischen. Von diesem Standpunkt aus ist es dann nur ein Schritt zu der Folgerung, daß auch bei grundsätz,.unechten Privatfunk" kennzeichnet. Zur Kombination von binnenpluralistischem Integrationsfunk und Privatwirtschaftlichkeit siehe etwa HoffmannRiem in Handb. des Verfassungsrechts, 1983, S. 457 unter Hinweis auf B.-P. Lange, Kommerzielle Ziele und binnenpluralistische Organisation der Rundfunkveranstalter, 1980. 28 Enthalten in Ring, Deutsches Presse- und Rundfunkrecht (sub F).
B. Verfassungsrechtliche Basis der Prüfung
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lieh privatrechtliehen Lösungen aus "Allgemeininteresse" heraus, d. h. aus öffentlich-rechtlicher Legitimation heraus, mehr oder weniger weitgehende Einschränkungen vorgesehen werden könnten. Eine derartige Formel wäre in dieser ihrer Allgemeinheit sprudelnder Quell rundfunkrechtlich legitimierter Möglichkeiten, der Presse den Zugang zum privatisierten Rundfunk entweder überhaupt zu verwehren oder doch die Betätigung der (zugelassenen) Presse im Rundfunkbereich kraft öffentlichen (Rundfunk-)Rechts ohne weiteres mehr oder weniger intensiv einzubinden (falls nur derartige organisatorische Gestaltungen das allgemeine und ebenso blasse wie selbstverständliche Willkürverbot achteten). c) Wäre dem so, so wäre zumindest eine Möglichkeit gesetzt, alle jene organisatorischen Möglichkeiten als verfassungsrechtlich legitimiert zu betrachten, die Kühler in dieser Richtung für verfassungsrechtlich zulässig hält, sei es, daß sie gar verfassungsgeboten sein sollen, sei es, daß sie - ohne Verfassungsänderung - rechtspolitich in Betracht kommen sollen. Denn: Von einem derartigen Standpunkt aus könnte der Gesetzgeber - im Rahmen der allgemeinen Verfassungsschranken - definieren, was unter Allgemeinwohl zu verstehen ist und daher rundfunkrechtlich beliebige, nur nicht willkürliche Gestaltungen wählen, die diesen seinen Vorstellungen von Optimalität entsprächen. Er könnte, so gesehen, insbesondere Regelungen rechtfertigen, die den Rundfunk einerseits in Teilbeziehungen privatisieren, andererseits die Presse (Presseverleger) von der Beteiligung an dem so organisierten Rundfunk überhaupt aussperren; jedenfalls dann, wenn er sich frei von Willkür einen zentralen Satz Küblers29 zu eigen machen könnte; nämlich folgenden Satz: Die Chance, daß die Vielfalt der auf Verbreitung angelegten Meinungen in den Massenkommunikationsmitteln "gleichgewichtig" zu Wort kommt, werde beträchtlich erhöht, wenn die Rechtsordnung dafür Sorge trägt, daß das Potential vor allem der Print- und der elektronischen Medien nicht in einer Hand vereinigt werden kann. Dürfte der tatsächliche Einschätzungsgehalt dieses - allerdings schon vom Tatsächlichen her zutiefst zweifelhaften - Satzes als immerhin vertretbare, mithin nicht von vornherein unvernünftige Prognose des Gesetzgebers aufgefaßt werden, so könnte der Gesetzgeber auf diese Weise willkürfrei das Allgemeinwohl definieren und dann - in Konsequenz des referierten Standpunktes - auf der gesamten Klaviatur der Organisationsmöglichkeiten des Rundfunks spielen. Erst recht stünden ihm - so schiene es auf den ersten Blick - weniger weit28
s. 88.
2 Lerche
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gehende Einschränkungen des Pressewirkens im privatisierten Rundfunk offen. d) Die Frage ist indessen, ob die berichtete Ausgangsthese und die Art dieser Schlußfolgerung überhaupt stimmen. Kübler stellt eine solche These selbst nicht in dieser ausdrücklichen Gestalt heraus. Es soll ihm auch nichts unterschoben werden, was er nicht gesagt hat. Aber: Wie anders sollen denn seine näheren Thesen verfassungsrechtlich überhaupt gerechtfertigt werden können? Es bleibt doch nichts anderes übrig! In der Sache selbst geht Kübler jedenfalls nicht anders vor: Sichtet man die verfassungsrechtlichen Erwägungen Kühlers genau, so sieht er die eigentliche verfassungsrechtliche Legitimation für die von ihm als geboten oder doch möglich gehaltenen gesetzlichen Regelungen in einem (rundfunkrechtlich) "umfassenden Regelungsvorbehalt", den er dem Dritten Fernseh-Urteil entlocken will3°; und entsprechend in der Hervorhebung des (auf die Beibehaltung des sogen. Grundsatzes der publizistischen Gewaltenteilung gemünzten) Satzes, daß die der Gesetzgebung eröffnete Befugnis, privaten Rundfunk einzuführen, "sehr unterschiedliche Gestaltungen" zulasse31 ; wobei er diese Feststellungen zusätzlich und verstärkend mit der ganz allgemeinen (und etwas vagen) Formel des Bundesverfassungsgerichts verbindet, wonach die subjektive Rundfunkfreiheit primär eine der Freiheit der Meinungsbildung in ihren subjektiv- und objektivrechtlichen Elementen dienende Freiheit sei32• Auf irgendeine andere Plattform als auf eine so konturierte angeblich allgemeine und umspannende Regelungsbefugnis des Gesetzgebers zwecks Ermöglichung bzw. Förderung möglichst "gleichgewichtiger" 33 Meinungskundgabe (bzw. Möglichkeiten zur Meinungskundgabel im Interesse freiheitlicher Meinungsbildung im hiesigen Bereich lassen sich die weitgehenden Forderungen Kühlers schlechthin nicht gründen. Eine andere Grundlage ist weder angegeben noch ersichtlich, diese Regelungsmacht aber ausdrücklich beansprucht. Von der Annahme einer so weit verstandenen Regelungskompetenz des Gesetzgebers aus lassen sich allerdings letztlich mühelos alle Regelungen rundfunkrechtlich rechtfertigen, die nur irgendwie der freiheitlichen Meinungsbildung dienlich sein könnten, vorausgesetzt wie stets, sie halten sich willkürfrei und beachten auch die sonstigen allgemeinen Verfassungsschranken. Daher erschöpfen sich die hier einschlägigen näheren Darlegungen Kühlers, auch wenn sie ausdrücklich unter ver30
31 32
aaO S. 83. aaO S. 106. BVerfGE 57, 295 (320); Kübler aaO S. 85.
aa Siehe Kübler S. 88.
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fassungsrechtlichem Etikett laufen34, im Grunde 35 nur in der Beanspruchung jener umfassenden organisatorischen Regelungsmacht, bezogen auf die Forderungen gleichgewichtiger Meinungsvielfalt Die Aussagen des Dritten Fernseh-Urteils sollen hierzu, im Verein mit der sonstigen, früheren Judikatur, den legitimierenden Hintergrund malen. Es wird zu zeigen sein, daß sich die wohlverstandene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht auf einen derartigen Nenner bringen läßt. Zunächst ist aber die innere Brüchigkeit der gegenständlichen These umfassender (willkürfreier) organisatorischer Möglichkeiten des Gesetzgebers im Spiel zwischen den verschiedenen außen- bzw. binnenpluralistischen Modellen darzutun. Dazu die folgenden Erwägungen: 4.a.) Richtig sind die Vor-Ausgangspunkte als solche. Richtig ist insbesondere einmal, daß sich im Rundfunkbereich, anders als im Pressebereich, eine grundsätzliche Organisationsmacht des Gesetzgebers einfindet und zwar im Tieferen dadurch legitimiert, daß die Gestaltung des gesamten Rundfunkbereichs dem Felde gesteigerter öffentlicher Verantwortung zugehört. Diese von Kübler36 geteilte und wesentlich mitgeprägte Meinung37 hat zwar in der Judikatur keine eindeutige Bestätigung expressis verbis gefunden; sie liegt der Sache nach aber gerade auch dem Dritten Fernseh-Urteil zugrunde. Das kommt in der schon zitierten umfassenden Betonung der dienenden Funktion der Hundfunkfreiheit und in der Hervorkehrung des grundsätzlichen gesetzgeberischen Organisationsraumes hinreichend deutlich zum Ausdruck. Das heißt konkret, daß sich auch die Gestaltung des privatisierten Rundfunks von jener Bindung an eine spezifische öffentliche Verantwortung nicht freizuzeichnen vermag; allerdings - anders als beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk - "wohl nicht so sehr als eigentlicher Rechtsgrund, denn eher als äußere Begrenzung und Aufgabenüberweisung"38. Die hierin wurzelnde Organisationslegitimation des Gesetzgebers im Felde des Rundfunks ist von prinzipiell anderer Art als die Siehe S. 74 ff. Abgesehen vor allem von der Schilderung der verfassungsrechtlichen Ausgangssituation, insbesondere wie sie durch die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts gebildet sei, vgl. aaO S. 74 ff. Auch treten zu den Einzelerwägungen Küblers gewisse weitere spezielle verfassungsrechtliche Aussagen hinzu (vgl. z. B. S. 106 sub 4), zu denen erst im Spezialzusammenhang Stellung zu nehmen ist. 38 aaO S. 74; siehe auch Kübler, Generalbericht, in Bullinger!Kübler (ed.), Rundfunkorganisation und Kommunikationsfreiheit, 1979, S. 273 ff. 37 Repräsentativ insbesondere Badura, Verfassungsrechtliche Bindungen der Rundfunkgesetzgebung, 1980, S. 52 m. w. N. 38 Lerche, Landesbericht, in Bullinger/Kübler aaO, S. 15 ff. (24 ff.) mit weiteren Konsequenzen. 34
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gesetzgeberischen Möglichkeiten im Felde der Presse - unbeschadet der alsbald zu berührenden Probleme, wie die Dinge zu beurteilen sind, wenn sich der Sachverhalt: "Presse im Rundfunk" stellt. Das Bundesverfassungsgericht spricht in diesem Sinne davon, Art. 5 Abs. 1 GG enthalte die "Aufgabe, Rundfunkfreiheit rechtlich auszugestalten"39, und sieht einen (nicht den einzigen) Anwendungsfall für diese Gestaltung im gesetzgerischen Ausgleich der Kollision, die sich durch das Zusammentreffen verschiedener Grundrechtspositionen ergeben können40 • Auch hierin besteht mit Kühler noch Einigkeit. Darüber hinaus erfaßt dieser Organisationsspielraum der rundfunkgesetzgeberischen Hand auch eine Fülle an Bewegungsweite zwischen der Wahl einzelner öffentlich-rechtlicher oder bestimmter privatrechtlicher Organisationsformen des Rundfunks. Der Verfasser, der seit jeher diese Bandbreite zulässiger Organisation einerseits gegenüber dem Anspruch privatrechtlicher Verengungen, andererseits gegenüber öffentlich-rechtlicher Erstarrungen zu verteidigen versucht hatte41 , findet demzufolge keinen Anlaß, an den entsprechenden Ausführungen im Dritten Fernseh-Urteil42 Kritik zu üben. b) Von dieser Stufe an muß aber die Beobachtung sich hüten, vorschnell pauschale Folgerungen zu ziehen. Zu pauschal wäre insbesondere eine Folgerung, die jener oben berichteten, für unsere Frage entscheidenden Hintergrundsthese die Pforten öffnete; nämlich die Aussage, angesichts solcher organisatorischen Spannweite könne der Gesetzgeber im Rahmen des Willkürverbots beliebige Kombinationen auch zwischen privatrechtliehen und öffentlich-rechtlichen Einzelkomponenten einführen. Verharrte man kritiklos in jener Pauschalität, so ließe sich dann etwa argumentieren: Der Gesetzgeber könne sich für die Fortführung einer rein öffentlich-rechtlichen Struktur entscheiden (jedenfalls dann, sieht man von der umstrittenen und judikativ unentschiedenen These des Anspruchs auf Privatisierung ab). Also, so könnte geschlossen werden, läge es bei ihm, ob und inwieweit er die Türe zur Privatisierung öffnet. Öffne er sie (willkürfrei) etwa nur insoweit, daß zwar andere Private, nicht aber die Presse eingelassen werden oder versähe er die Zulassung der Presse mit pressespezifischen, in irgendeiner Form - etwa wettbewerbsrechtlich - formulierten Bedingungen oder sonstigen Schranken, so bewege er, der Gesetzgeber, sich eben nur 39 aaO 321 mit der später wichtig werdenden Beschränkung, dies berechtige jedoch nicht zu einer Beschränkung des Grundrechts. 40 aaO 321; siehe auch Kübler aaO S. 85; vgl. ferner schon Lerche, Landesbericht aaO S. 30. 4 ' Vgl. bes. Rundfunkmonopol, 1970, zusammenfassend S. 112. 42 aaO bes. 321 f., 324, 325.
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insoweit von der öffentlich-rechtlichen Konzeption hinweg und müsse auch nicht mehr oder anderes tun, da es in seiner politischen Entscheidung stände, wieweit er sich von der öffentlich-rechtlichen zur privatrechtlichen Lösung zubewegen wolle. Allgemeine Voraussetzung wäre dabei nur, wie stets, daß dem Gesetzgeber vernünftige Sachgründe (im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG) zur Seite stünden. Dies so pauschal zu sehen, wäre unrichtig, wiewohl von einer gewissen Blendungskraft. Es wäre dies im Grunde nichts anderes als eine Umschreibung der gesetzgeberischen Definitionsmacht jenes Allgemeininteresses im oben B 3 c referierten Sinne, lediglich mit anderen Worten gesagt, und daher zugleich nichts anderes als die Bezeichnung jener stillen Grundlage, auf der allein die Folgerungen Kühlers und anderer Autoren aus der Grundannahme umfassender Regelungskompetenz im Eigentlichen und Tieferen zu beruhen vermögen. c) Aber diese Art der Schlußfolgerung verfehlt die Rechtslage in ihrer Mitte. So sehr die referierte Sicht von der zutreffenden Ausgangsannahme ursprünglich weiter Organisationsmacht des Gesetzgebers im Rundfunkbereich mitbeherrscht wird, so sehr wird sie doch auch mitbeherrscht durch die Vernachlässigung des Umstandes, daß sich an die Wahl bestimmter, etwa privatrechtlicher Organisationsformen, bestimmte, nicht nur undeutlich "sachgesetzlich", sondern konkret verfassungsrechtlich vorgeformte Konsequenzen knüpfen. Die Dinge werden zu Unrecht verkürzt, versteht man dies alles - jedenfalls im Effekt - nur als eine Art Freiheit in der Entscheidung, wie weit sich der Gesetzgeber von der öffentlich-rechtlichen Struktur entfernen wolle. Diese Freiheit ist zwar da, aber nur im Sinne einer Ausgangsfreiheit, dem Setzen der Grunddaten. Ein bewußtes oder unbewußtes Denken in der Vorstellung: Wenn der Gesetzgeber nicht gezwungen ist, voll zu privatisieren und für jedermann volle Betätigungsfreiheit zu gewähren, so müsse ihm die Möglichkeit verbleiben, beliebige (willkürfreie) Bedingungen zu setzen und die verschiedenartigsten Kombinationen einzugehen, - ein solches Denken bleibt einlinig; es faßt die weiteren Dimensionen der Problematik nicht ins Auge. d) Diese weiteren Dimensionen werden aber namentlich durch den soeben angedeuteten Umstand bestimmt, daß die Schaffung bestimmter Organisationsformen jene Bedingungen zu achten hat, die verfassungsrechtlich für die jeweilige Organisationsform spezifisch gelten. Die Verfassung entwirft für verschiedene Verhaltensweisen des Gesetzgebers je verschiedene Kanäle. An diese Kanalregelung muß sich der Gesetzgeber halten, wenn er sich für eine bestimmte Verhaltensweise entscheidet. So kann z. B. die Zulassung privater Veranstalter mit eigen-
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verantworteten, ihnen als solchen zurechenbaren Programmen nicht mit Organisationsformen beliebig gekoppelt oder sonst kombiniert werden, die nur im Raume des Integrationsmodells verfassungsrechtlich legitim sein können; d. h. etwa mit einer steuernden, inhaltlich gestaltend einwirkenden Potenz irgendeiner (sozusagen intendantengleichen) öffentlich-rechtlichen Stelle. Eine solche Einwirkung wäre unzulässige Zensur und nichts anderes. Zwar können etwa gesteigerte Gegendarstellungspflichten aufgestellt werden u. ä. m., ein direktes Einwirken in den Inhalt einer privaten Äußerung, die vom Privaten verantwortet und ihm so zugerechnet wird, wäre aber ersichtlich unzulässig; dies auch dann und gerade dann, wenn ein derartiges Einwirken den hervorragendsten Allgemeininteressen entspräche, etwa dem Gesichtspunkt der Erzielung oder Bewahrung der Ausgewogenheit des Gesamtprogramms. Hier zeigen sich unübersteigbare Klüfte zwischen privater Verantwortung und der legitim einwirkenden und steuernden Kraft öffentlich-rechtlicher Stellen beim öffentlich-rechtlichen IntegrationsmodelL Zwar mag die Möglichkeit zu gewissen "freiwilligen" Hinnahmen steuernder Außen-Einwirkungen einige Freiräume für derartige Gestaltungen im privatrechtliehen Territorium öffnen; und abgesehen von der tiefen Zweifelhaftigkeit von "Freiwilligkeit" dieser Art mag sich damit auch die prinzipiell zugelassene Kombination von ("echt") privatisiertem Rundfunk mit binnenpluralistischer Struktur mit etwas Leben erfüllen lassen - aber ohne diese spezielle Rechtfertigung bzw. ohne dieses Feigenblatt der freiwilligen Hinnahme entfallen solche Möglichkeiten43 • Diesen Schwierigkeiten entgeht man allerdings dann, wenn man von vornherein das Integrationsmodell nicht verläßt, aber etwa den Anteil Privater innerhalb dieses Modells ausweitet, z. B. mit eigengestalteten Sendungen privater "Anbieter", die dadurch nicht schon selbst zu eigenen Rundfunkveranstaltern werden44 • Auch wäre es wohl zulässig, eine Kombination im Rahmen öffentlich-rechtlicher Trägerschaft des Rundfunks45 z. B. dadurch zu bewirken, daß private Angebote nur dann hoheitlich "zugelassen" werden, wenn sie in der jeweiligen Gesamtdimension den Erfordernissen etwa gleichgewichtiger Meinungsvielfalt (sowie allgemeiner Gesetze) entsprechen, im übrigen aber auf jede 43 Dazu auch meine Bemerkungen in: Kommunikation im Wandel der Gesellschaft, Roegele-Festschrift, 1980, S. 291 ff. 44 Etwa in Gestalt der gegenwärtigen Planung (und bereits vertraglich fixierten Vorbereitung) des Münchner Kabelpilotprojekts. Bisherige Rechtsgrundlagen abgedruckt in Ring aaO F - III 4.2. Diese Einzelheiten konnten noch nicht berücksichtigt werden von Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation und Verfassung. Das privatrechtliche Unternehmen im "Münchner Pilotprojekt", 1980. 45 Vgl. Art. 111 a Abs. 2 Satz 1 BayVerf.
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steuernde Einwirkung zu verzichten, d. h. insofern die private Verantwortung zu akzeptieren und dadurch der "Verbreitung von Meinungen"46 zu dienen. Dies alles dürfte möglich sein; man kann aber z. B. nicht private Eigenverantwortung mit öffentlich-rechtlicher Einwirkung in einer Weise mischen, die nicht mehr die verfassungsrechtliche Zurechnung entweder zur privaten Meinungsfreiheit oder zur hoheitlichen Gestaltung erkennen läßt. Hier zeigen sich also verfassungsrechtliche Grenzen der Kombinationsmöglichkeiten zwischen privatem Einfluß und öffentlich-rechtlich definiertem Allgemeininteresse. Wo in bisherigen (Versuchs-)Gesetzen bzw. Gesetzentwürfen in dieser Richtung Bedenkliches etabliert worden ist, mußte dies entweder durch verfassungskonforme Lesart zu entschärfen versucht oder, wo dies nicht möglich ist, insgesamt kritisiert werden47 • Man kann nicht ein und dasselbe Kartenspiel gleichzeitig nach verschiedenen Systemen spielen. e) Kühler selbst berührt das Problem an einer spezifischen Stelle in durchaus zutreffender Weise, wiewohl eher am Rande: Bei Schilderung der rundfunkrechtlichen organisatorischen Möglichkeiten des Gesetzgebers bemerkt er zu Recht48 : "Dabei handelt es sich um Wahlund nicht um unbeschränkte Gestaltungsfreiheit." Kühler sieht die daraus folgenden Postulate aber nur in Richtung bestimmter, vor allem den Bestand von Wettbewerb sichernder Konsequenzen, und zwar als zwingende Mindestanforderungen, die sich dort ergäben, wo ein Medium privatrechtlich organisiert worden ist und privatwirtschaftIicher Außensteuerung unterliegt49. Das ist zwar in dieser Allgemeinheit prinzipiell richtig, erfaßt aber nur eine von vielen Seiten notwendiger Sachkonsequenz im Falle der Wahl privatrechtlicher Organisationsformen. Ob der Gesetzgeber diese Wahl trifft, steht ihm- unheselladet des früher angedeuteten Vorbehalts50 - im Grundsatz frei. Wenn er aber diesen Schritt tut, heften sich zahlreiche, gerade auch verfassungsrechtlich bedingt und erzwungene Konsequenzen an seine Seite, die die zunächst gegebene Organisationsgewalt insofern relativieren. In dieser Richtung macht aber, wie alsbald zu erläutern sein wird, Kühler nicht hinreichend Ernst mit seiner zutreffenden Sicht von organisatorischer Wahl-, nicht aber unbeschränkter Gestaltungsfreiheit. Vgl. Art. 111 a Abs. 1 Satz 2 BayVerf. Vgl. näher Lerche NJW 1982, 1676 ff. (1680 f.). Siehe auch zuletzt Starck JZ 1983, 412 m. w. N. in Anm. 55. 48 aaO F 8. 49 aaO 78. 50 obenB 1. 48
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f) Bevor dies in Richtung der Zulassung der Presse bzw. der Regelung des Sachverhalts: Presse im Rundfunkbereich näher zu verfolgen ist, sei in allgemeiner Hinsicht vorsorglich hervorgehoben: Der hier eingenommene Standpunkt darf nicht in einem derart rigiden Sinne verstanden werden, daß dies die tatsächlichen Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers zu sehr diminuiert. Insbesondere ist nicht gemeint, der Gesetzgeber könne nur insgesamt zwischen den Kategorien des Privatrechtlichen oder des Öffentlichrechtlichen wählen. Sicher ist schon, daß er sich nicht nur entweder für den binnen- oder den außenpluralistischen Typus entscheiden muß. Zwar ist das Dritte FernsehUrteil in seinen grundsätzlichen Passagen auf Kombinationen zwischen diesen Typen nicht als solche näher eingegangen, es wirkt insofern sogar etwas holzschnittartig51 • Indes lag dem Gericht im konkreten (saarländischen) Fall bereits selbst eine derartige Kombination vor; denn das zu beurteilende saarländische Gesetz versuchte die Freiheit des Rundfunks durch eine binnenpluralistische Struktur der einzelnen Veranstalter zu gewährleisten52• Hierzu bekräftigte das Urteil, dies sei "grundsätzlich ein Weg, auf dem sich der verfassungsrechtlich gestellten Aufgabe genügen läßt" 53. Auch im übrigen kann nicht zweifelhaft sein, daß dem Gericht Kambinationsmöglichkeiten als prinzipiell zulässig vor Augen standen. Das wird einmal dadurch nahegelegt, daß dem Gericht insbesondere das rheinlandpfälzische Landesgesetz über einen Versuch mit Breitbandkabel54 bekannt war und sein mußte, d. h. ein Gesetz mit charakteristischer Verbindung zivilrechtlicher mit öffentlich-rechtlichen Strukturen, weder rein dem Typus des Binnenpluralismus, noch rein dem Typus des Außenpluralismus zugehörig - ohne daß das Urteil an der Tatsache dieser Kombination als solcher Zweifel äußerte. Und zum andern und vor allem erscheint auch in der Formulierung des Urteils die außenpluralistische Lösung neben der binnenpluralistischen nur als ein Beispiel für mögliche "andere Gestaltungsformen" 55 . Die Breite der Palette möglicher Organisationsformen rechtfertigt auch sonstige denkbare Zwischenlösungen im Prinzip. So ist es namentlich vorstellbar, daß sich eine zunächst gegebene grundsätzlich binnenpluralistische Struktur erst schrittweise zu einer außenpluralistischen verändert, falls die jeweils "wesentlichen" Zäsuren durch das Gesetz Siehe aaO 325. Siehe BVerfGE 57, 295 (330). 53 aaO 330 unter Hinweis auf BVerfGE 12, 205 (262). Dazu auch etwa Groß DVBI 1982, 1118 ff. (1120). 54 Vom 4. 12. 1980, GVBI 1980, S. 229. 55 aaO 325, st 52
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selbst hinreichend klargestellt werden5e, Ebenso wäre es z. B. nicht unvorstellbar, daß beteiligte Private mitgliedschaftlieh in öffentlichrechtlichen Gebilden organisiert werden würden, ähnlich wie es z. B. Körperschaften des öffentlichen Rechts geben kann, die sich aus Privaten zusammensetzen. Alle diese möglichen Kombinationen werden auch kaum durch irgendwelche geheimnisumwitterten angeblichen "Sachges'etzlichkeiten" verbindlich eingeschnürt - es sei denn, man versteht unter diesem schillernden Begriff die Notwendigkeit des Gesetzgebers, sich an dem verfügbaren Tatsachenmaterial zu orientieren und insbesondere Prognosen nicht nach Spekulation, sondern erst nach hinreichender Erheilung der realen Umstände in die jeweilige gesetzliche Regelung bzw. ihre Begründung einfließen zu lassen. g) Nicht von hierher werden also die Möglichkeiten des Rundfunkgesetzgebers beschnitten, wohl aber durch die Verfassung. Diese wäre mißachtet, wollte der Gesetzgeber verkennen, daß er nicht in völliger Freiheit zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtliehen Strukturen changieren kann, genauer gesagt, daß, wenn er Schritte zur Privatisierung des Rundfunkbereichs unternimmt, er damit notwendigerweise Konsequenzen auslöst, die er, soweit diese verfassungserzwungen sind, nicht einfach durch öffentlich-rechtliche Einbindungen oder sonstige Schranken und Hypotheken zu durchkreuzen vermag. Um dies noch im Bereich des mehr Grundsätzlichen zu sagen: Öffnet der Gesetzgeber den Rundfunkbereich dem privaten Bereich dergestalt, daß sich der Tatbestand privater Meinungsäußerung i. S. des Art. 5 Abs. 1 GG bzw. sonstiger Erscheinungsformen privater Grundrechtsbetätigung erfüllt, so hat er die daraus folgenden Konsequenzen zu tragen und kann nicht unter Berufung auf eine Kompetenz zur freien Ausgestaltung der Rundfunkorganisation in beliebiger (wiewohl willkürfreier) Weise zugleich Beschränkungen, Einbindungen, lnpflichtnahmen vorsehen, die - auch wenn aus einer gesetzgeberischen möglichen Definition des Allgemeinwohls stammend - die verfassungsrechtlich vorhandenen Beschränkungsmöglichkeiten derartiger privater Betätigung sprengten, sich insbesondere nicht mehr durch Art. 5 Abs. 2 GG rechtfertigen ließen. h) Die Grundkonzeption Kühlers, die verfassungsrechtlich mit der Annahme einer entsprechend weiten und umfassenden Regelungsbefugnis des Gesetzgebers steht und fällt, beachtet dies m. E. zu wenig. 58 In diesem Lichte dürfte etwa der niedersächsische Entwurf eines Landesrundfunkgesetzes v. 5. 5. 1983 (LT-Drucks. Nr. 10/1120) zu beurteilen sein; zu ihm insbes. Starck JZ 1983, 409 f.
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Sie beachtet damit zugleich den wichtigen und nicht zufällig formulierten Satz im Dritten Fernseh-Urteil zu wenig, der der Berufung auf die Organisationsmacht des Gesetzgebers in der hier hauptsächlich interessierenden Richtung deutliche und unüberhörbare Schranken zieht; den Satz nämlich: "Die aus Art. 5 Abs. 1 GG folgende Aufgabe, Hundfunkfreiheit rechtlich auszugestalten, berechtigt jedoch nicht zu einer Beschränkung des Grundrechts. Eine solche ist nur gemäß Art. 5 Abs. 2 GG zulässig, nach dem die Rechte des Abs. 1 ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre findens7." Dies heißt nicht, daß sich-entgegen dem oben B4a Angedeutetender private Rundfunk dem Bereich gesteigerter öffentlicher Verantwortung etwa doch zu entziehen vermöge und entziehen müsse. Nicht nur können - wiewohl nur in begrenztem Maße - Aspekte öffentlicher Verantwortung über Art. 5 Abs. 2 GG in die Gesamtregelung einfließen; vor allem können im unangefochten verbleibenden Bereich der rechtlichen Ausgestaltung58 der Rundfunkfreiheit diese Aspekte zur Geltung gelangen. So hat denn das Dritte Fernseh-Urteil schon selbst gewisse Richtlinien angegeben, die bei dieser Ausgestaltung, auch für den Fall außenpluralistischer Privatisierung, zu beachten sind. Nicht zuletzt muß jene Frage unter dem Gesamtgedanken öffentlicher Verantwortung gesehen werden, die am logischen Beginn steht; d. h. die Frage, welches grundsätzliche Organisationsmodell der Gesetzgeber überhaupt wählen will. Eben hier, bei dieser Wahl, betätigt der Gesetzgeber öffentliche Verantwortung. Und zudem: Eines der wesentlichen Argumente gegen die Annahme eines unbedingten Verfassungszwanges zur Privatisierung war es denn gerade, daß im Falle der Privatisierung gewisse rechtliche Gestaltungsformen zur Optimierung der Rechtslage wegfallen, die bei öffentlich-rechtlicher Gestaltung verfügbar sind und verfügbar bleiben. i) Wie immer man das im einzelnen auch sieht, so gilt aber jedenfalls: Im Falle der gesetzgeberischen Entscheidung für Privatisierung (d. h. für Zulassung von Meinungen, die sich - auch nach außen erkennbar - dem Tatbestande des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG einfügen) kann der organisatorische Gestaltungsraum des Gesetzgebers nicht mehr jenen umspannenden Raum einnehmen, den er im Prinzip bei öffentlich-
aaO 321. Zum Bereich der Ausgestaltung (im Verhältnis zum Gesetzesvorbehalt) siehe bes. auch Badura, Verfassungsrechtliche Bindungen der Rundfunkgesetzgebung, 1980, S. 60 ff. 57
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rechtlicher Organisation zu beanspruchen vermag - unbeschadet der auch hier zu achtenden Autonomie des Rundfunks und weiterer Bedingtheiten; vielmehr sieht sich der Gesetzgeber im Falle der Entscheidung zugunsten der Privatisierung - sei sie ihrerseits verfassungsgeboten oder nicht - an die daraus folgenden verfassungsrechtlichen Konsequenzen gebundens9. Der Verfasser hat diesen Sachverhalt 1977 in einem Vortrag60 wie folgt beschrieben: "Entläßt man einen Sachbereich aus dem Gebäude öffentlich-rechtlicher Organisation in jenes privater Freiheit, so treten nicht nur die bekannten Vorzüge dieser Freiheit ein, die keineswegs verkannt werden können, vielmehr verzichtet der Gesetzgeber damit zugleich auf eine Kompetenz, die er im Bereich öffentlich-rechtlicher Organisation stets rechtlich verfügbar hat: auf die Rechtsmacht zur Optimierung der gegebenen Organisationsformen, das heißt zur ständigen Überholbarkelt und Korrektur, einschließlich des Experiments. So relativ bescheiden diese Kompetenz und ihre Erträgnisse nach allem, was gesagt worden ist, auch sind, so sollten sie doch nicht negiert werden. In den Bezirken privater Freiheit der Meinungsverbreitung und Information, insbesondere im Umkreise der Pressefreiheit, ist es dem Staate verwehrt, durch eingreifende Maßnahmen dasjenige durchzusetzen, was er für eine möglichst optimale Struktur hält. Ein zwangsweises Einwirken des Staates zur Optimierung privater Situation widerspricht den liberalen Komponenten des Grundrechts. Der Staat ist allenfalls ermächtigt, gewisse Grundbedingungen für ein Funktionieren freiheitlicher Meinungsbildung im privaten Bereich auch bei der Presse, sicherzustellen. Aber darüber hinausgehende Eingriffe - zum Beispiel solche, die eine konkrete Qualität der Presse im Auge haben, eine wertmäßig bestimmte Güte ihres Zustandes -, derartige Eingriffe geraten unvermeidlich in Konflikt mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen dieser privaten Freiheit." An diesen Feststellungen wird im Prinzip festgehalten61 • j) Dieses Prinzip selbst mag schlagwortartig etwa bezeichnet werden als das der "Verfassungskonsequenz aus organisatorisch gesetzten GrundVorgaben". Damit soll einmal zum Ausdruck gebracht werden, daß im so Diese Konsequenzen liegen nicht nur im Felde von Meinungsfreiheit und Gleichheit, sondern auch spezifischer (grund-)rechtlicher Absieherungen privatwirtschaftlicher Agenden. So sagt z. B. Badura, Verfassungsrechtliche Bindungen der Rundfunkgesetzgebung, 1980, S. 52 f.: "Die gesetzlich zur Geltung zu bringende Garantiepflicht muß angesichts der bestehenden Rundfunkorganisation auch vor Augen haben, daß die Öffnung für rundfunkunternehmerisches Handeln eine partielle Entlassung des Rundfunks in die durch die Wirtschaftsfreiheiten geschützte Sphäre privatwirtschaftlicher Interessen und Wirkungen bedeutet" (m. w. N.). eo Sind neue rechtliche Instrumente für die Absicherung der Freiheit des Bürgers zu erwägen? Vortrag Januar 1977, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 1977-1978, s. 55 ff. (60). n überdenkenswert erscheint allerdings die Bezugnahnie auf das "Experiment". Dahinter liegt eine tiefere und eigenständige Problematik, die hier nicht ausgebreitet werden kann.
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hiesigen Bereich die interessierenden Verfassungsaussagen bestimmter Art nicht schon von Haus aus, d. h. ohne Achtung der gewählten organisatorischen Grundkonzeption, zu beachten sind; daß sie vielmehr erst durch die Wahl einer entsprechenden Grundkonzeption (hier: Privatisierung) tatbestandlieh ausgelöst werden. Zum andern bezieht sich das Gesagte nur auf die "Grund"-Vorgaben. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, diese Erscheinung könne nicht ihrerseits dadurch unterlaufen werden, daß einfach die jeweilige vorausgesetzte organisatorische Konzeption als bereits so im einzelnen ausgewählt und damit vorgegeben gedacht wird, daß an Stelle einer "Grund"-Vorgabe (die Konsequenzen nach sich zieht und für solche Konsequenzen daher Raum läßt) nur die fertige Einzelausgestaltung vorgestellt wird; etwa mit Hilfe der Bemühung des Gedankens, der Rundfunk werde dann eben nur soweit in Teilbeziehungen privatisiert, wie dies dem Gesetzgeber augenblicklich wünschenswert erscheine, so daß in anderen Teilbeziehungen schon von Haus aus keine Betätigung privater Freiheit eröffnet werde. So gesehen könnte der Gesetzgeber im Effekt denn doch sozusagen alles tun. Damit aber wäre die zitierte Unterscheidung des Gerichts zwischen rechtlicher Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit ·und Beschränkung des Grundrechts praktisch zugeschüttet. Das kann den Sinn der Verfassung nicht treffen. Hier müssen schon die Grenzlinien erkennbar bleiben. M. a. W.: Ist erst einmal ein Bereich des Rundfunks der privaten Freiheit überantwortet, so kann dies nicht im gleichen Atem mit derartigen Einzel-Hypotheken versehen werden, daß sich diese private Freiheit nur in geringerem Maße zu entwickeln vermag, als dies Art. 5 Abs. 1, 2 GG garantiert. Insoweit kennt Art. 5 GG tatsächlich nur ein Entweder-Oder: Entweder private Zuständigkeit oder, soweit verfassungsrechtlich zulässig, öffentlich-rechtliche Struktur (wenn auch z. B. mit privaten Inseln) 62 • Beides kann nicht in ein unentwirrbares Misch-Masch versinken, auch nicht, wenn pragmatische Gesichtspunkte dafür sprächen; denn Art. 5 Abs. 1 GG baut auf dieser Unterscheidung auf. Infolgedessen besteht für den Gesetzgeber ein Zwang zur Entscheidung. Die Fragen sind nicht vergleichbar dem Bilde etwa einer Art schrittweisen Abbaues öffentlich-rechtlicher "Besatzungsgewalt" im Territorium "besetzter" privater Freiheit, wo es im Belieben der ordnenden • 2 Denn dies schließt nicht aus, daß sich innerhalb einer überwölbenden öffentlich-rechtlichen Struktur zahlreiche, sogar höchst wesentliche private Teilstücke finden; dies ist vielmehr schon für die geltende Normalstruktur des Rundfunks geradezu typisch (dazu vgl. nur etwa Lerche, Landesbericht aaO, S. 23). Die privaten Teilstücke müssen aber als solche, in ihren Grenzen, definiert werden, d. h. von den öffentlich-rechtlichen Gestaltungen abgehoben werden können.
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Gewalt stünde, welche öffentlich-rechtliche Hypotheken sie zunächst oder für immer zurückbehält. Vielmehr kann es dem Gebote des Art. 5 Abs. 1 GG nur entsprechen, daß der ordnende Gesetzgeber klarstellt, ob und welcher meinungsrelevante Bereich in private Hand mit privater Freiheit gegeben wird. Diese selbst ist so gesehen unteilbar. Es muß daher z. B. erkennbar sein, ob bestimmte Rundfunkveranstaltungen Privaten rechtlich als solche "zugerechnet" werden oder nicht; das ist die "Grund"-Vorgabe im obigen Sinn. Der Gesetzgeber kann, unbeschadet zulässiger zeitlicher Übergangslösungen, nicht ein Organisationsmodell wählen, daß sich an dieser Grund-Entscheidung vorbeischlängelt. 5. Zusammenfassend gesagt: Mit dieser gesetzgeberischen Klarstellung ist die Frage der Privatisierung im jeweiligen Bereich bejaht oder verneint. Eine solche Entscheidung muß aber auch getroffen werden. Fällt sie für Privatisierung aus, so ist der Rubikon überschritten, und es kann nicht so getan werden, als würde sich, angesichts etwa verbleibender öffentlich-rechtlicher Hypotheken, der Raum und Tatbestand des Art. 5 Abs. 1 GG, gelesen als Freiheit zu privater Betätigung, nun doch wieder verschließen. Diese Hypotheken müssen sich dann vielmehr der Prüfung des Art. 5 Abs. 1, 2 GG stellen; sie müssen namentlich den Test des Art. 5 Abs. 2 GG bestehen. Hier findet die grundsätzliche gesetzgeberische Organisationsbefugnis ihre Schranke. Damit zugleich sieht sich daher die Annahme einer derart umfassenden Organisationsbefugnis, wie dies identisch ist mit der Kühlersehen verfassungsrechtlichen Grundthese, in Frage gestellt: So weit reicht die gesetzgeberische Befugnis gerade nicht.
C. Konsequenzen für die Uherprüfung der Einzelpostulate Kühlers Auf dieser Basis seien im Folgenden etwas konkretere Überlegungen angestellt; konkreter deshalb, weil die Einzelthesen Kühlers von hierher gesehen eine verfassungsrechtliche Überprüfung fordern. Das bezieht sich - entsprechend unserer Aufgabenstellung - allerdings nur auf jene Einzelthesen Kühlers, die im Grundsätzlichen verbleiben und von Verfassungsgewicht sind; Aussagen zu Spezialproblemen werden bewußt vernachlässigt. 1. Das weitestgehende Postulat Kühlers geht dahin, die Verflechtung von Presseverlagen und Rundfunkunternehmern generell zu unterbinden; d. h . es dem (=jedem) Presseverleger zu verwehren, sich als Rundfunkveranstalter zu betätigen63• Diese Forderung wird zwar- mit den eingangs angedeuteten Vorbehalten (oben A 2) -nicht zum Verfassungsgebotenen gerechnet, wie denn ausdrücklich eingeräumt zu werden scheint64 , der sogen. Grundsatz der publizistischen Gewaltenteilung sei nicht in der Verfassung enthalten. Aber die verfassungsrechtliche "Befugnis"65 soll offeilbar auch diese extreme Möglichkeit einschließen.
2. Dem treten folgende Erwägungen entgegen: a) Schon vorweg sei bemerkt: Die Frage wird überhaupt nur dann aktuell, wenn und soweit der Rundfunk Privaten geöffnet wird. Eines der von Kühler hierzu speziell eingeführten Argumente fällt schon deshalb verfassungsrechtlich 'ins Leere. Dieses Argument besagt, bereits "das geltende Medienrecht separiert Presse und Rundfunk durch die für diesen vorgeschriebene Organisationsform"66• Das trifft zwar zu, aber eben nur für die bisherige Organisationsform. Es ist unstrittig, daß der tatsächlich derzeit praktizierte Grundsatz publizistischer Gewaltenteilung verfassungskonform ist, abgesehen von dem referierten Streit über einen angeblichen Verfassungszwang zur Privatisierung. Entes KilbZer aaO S. 106. 64 KilbZer sagt aaO S. 106 allerdings nur, dieser Grundsatz habe sich "auch
insoweit" bewährt, ,.als" er nicht in der Verfassung verankert ist. M aaaO S. 106, vgl. auch S. 108. aa KilbZer aaO S. 106.
C. Konsequenzen für die Überprüfung der Einzelpostulate Kühlers
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schließt sich der Gesetzgeber zur Privatisierung, so separiert er insoweit die Organisationsform des Rundfunks nicht mehr von privatrechtliehen Gebilden; die Frage, ob er gleichwohl nach wie vor diese Organisationsform von de.r Presse separieren müsse oder dürfe, kann dann nicht mehr mit Blick auf das geltende Medienrecht beantwortet werden. Auch ein weiteres Argument Kühlers: daß dem Wirtschaftsrecht die strikte Trennung von Tätigkeitsfeldern seit langem vertraut sei67 , kann schwerlich als verfassungsrelevant gemeint sein; denn die hiesige Frage kann nicht mit Hinweisen darauf beantwortet werden, ob für konkrete andere Wirtschaftszweige berufs(freiheits)regelnde Ordnungen und Eingriffe zu bestimmten Zwecken verfassungskonform sind oder nicht. b) Die Sachlage stellt sich vielmehr so dar: Hat sich der Gesetzgeber zur Privatisierung eines (Teil-)Bereichs des Rundfunks entschlossen, so gehört es zu den primären Voraussetzungen eines freiheitlichen Meinungsbildungsprozesses, daß prinzipiell jedermann unter gleichen Bedingungen Zugang zu diesem Medium erhält, in der reinen Form außenpluralistischer Privatisierung mithin Rundfunkveranstalter werden kann. Das ist nicht lediglich eine Auswirkung des bloßen allgemeinen Gleichheitssatzes als Willkürverbot68 und wird daher nur undeutlich mit dem Prinzip der Chancengleichheit bezeichnet. Auch steht diese Erwägung unabhängig von der umstrittenen These eines angeblichen Verfassungsanspruchs auf Privatisierung, bzw. Zulassung als Rundfunkunternehmer. Vielmehr folgt diese prinzipielle Konsequenz aus dem Gebäude des Art. 5 Abs. 1 GG selbst; denn dessen Funktion geht dahin, der Gefahr zu begegnen, "daß auf Verbreitung angelegte Meinungen von der öffentlichen Meinungsbildung ausgeschlossen werden" 69• Zwar wird nicht jeder Sendeinhalt durch eine unmittelbare Bezugnahme auf meinungshaltige Informationen gekennzeichnet sein; angesichtsdes weiten Begriffs der Beiträge zur öffentlichen Meinungsbildung, wie sie die h. M. akzeptiert hat70 , kann der Gesamtkomplex aber nicht der Orientierung an Art. 5 Abs. 1 GG entzogen werden. Allerdings offenbart sich hier eine gewisse Schwäche des anerkannten und eingespielten Verfassungsrechts der Medien. Die verfassungsgesetzliche Einbettung insbesondere der Pressefreiheit in den Komplex 67 aaO S. 106. es Vgl. aber z. B. Bismark AfP 1982, 135 ff. (sub 8). ee BVerfGE 57, 295 (323). Siehe auch etwa Bullinger AöR 108 (1983), 191. 1o Vgl. besonders BVerfGE 12, 205 (260); 31, 314 (326); 57, 295 (319).
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C. Konsequenzen für die Überprüfung der Einzelpostulate Küblers
des Art. 5 Abs. 1 GG blendet die Tatsache aus, daß bestimmte verlegerische wie sonstige kommunikative Erzeugnisse im Grunde nicht Meinungen verbreiten, sondern sich wirtschaftlich interessante Märkte erschließen wollen. Das gilt etwa für Anzeigenblätter. Überspitzt gesagt: Art. 5 Abs. 1 GG tut so, als wäre dem nirgends so. Diese in der oder jener Form häufig angestellte kritische Beobachtung schließt nicht aus, daß sich Wirkungen dieser Erzeugnisse als Einflüsse auf die öffentliche Meinungsbildung niederschlagen können; ist dies der Fall, so müssen sie daher Anforderungen gerade aus dieser Perspektive standhalten; sie dürfen z. B. bei der Beurteilung der Tatsache, ob die notwendige Meinungsvielfalt erreicht wird, nicht ausgespart werden. Aber auch innerhalb des Bereichs subjektiver Meinungsfreiheit bzw. Pressefreiheit selbst verspricht eine Separierung derartiger verlegerischer Erzeugnisse von anderen keinen rechten Erfolg, jedenfalls nicht nach geltender Verfassungslage. Dagegen ficht schon die typische Gemengelage, in der sich derartige Äußerungen mit typisch meinungshaltigen (und so gedachten) Beiträgen finden71 • Vor allem ist aber auch unter dem hier interessierenden Aspekt der genannten Kühlersehen These eine derartige Scheidung nicht veranlaßt; denn diese These lautet auf "generelle" Abhaltung der Presse. c) Die gegebene prinzipiell "formale" Gleichheit rechtfertigt sich im Tieferen aus der Verpflichtung des Staates und damit auch des organisierenden Gesetzes, zwischen mehr oder weniger "wertvollen" Meinungen grundsätzlich nicht unterscheiden zu dürfen72• Art. 5 Abs. 1 GG ist, soll die Meinungsbildung freiheitlich funktionieren können, meinungsneutral zu verstehen. Darin liegt zugleich, daß bei der Ermöglichung privaten Zugangs nicht unterschieden werden kann, aus welchen näheren Konnexen heraus ein Meinungsbeitrag erwächst; ob er beispielsweise und typischerweise mit wirtschaftlich oder gesellschaftlich einflußreichen Positionen verbunden ist oder nicht. Einer politischen oder gesellschaftlichen Gruppierung irgendwelcher Art kann der Zugang zum privatisierten Rundfunk gewiß nicht allein deshalb verwehrt werden, weil gerade derartigen Gruppierungen sonstige massenmediale Kommunikationsmöglichkeiten in höherem Maße verfügbar sind oder/und weil sie über besondere finanzielle Polster verfügen oder/und weil sie sonstige Potenzen im Rücken haben. Der finanzielle Aufwand, der mit intensiverer n Selbst in kommerziell werbenden Äußerungen können sich meinungshaltige Inhalte finden, siehe etwa K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 13 Aufl., S. 152, Anm. 25 m . w . N. Zur Bedeutung der grundrechtliehen Wirtschaftsfreiheiten siehe schon oben B 4 i. 72 Siehe insbes. BVerfGE 35, 202 (222 f. m. w . N.); vgl. auch etwa BVerfGE 33, 1 (15); 34, 269 (283 m. w. N.); 50, 234 (240).
C. Konsequenzen für die Überprüfung der Einzelpostulate Küblers
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Betätigung im privatisierten Rundfunk wohl immer noch auf längere Sicht im allgemeinen verbunden sein dürfte üedenfalls bei Vollprogrammen), wird ohnehin den Kreis der zur intensiven Beteiligung Fähigen in dieser Richtung begrenzen. d) Allerdings dürfte dies unter den heutigen Bedingungen nur noch für den Bereich des Rundfunks in einem enger gefaßten Sinn zutreffen; d. h. für jenen "eigentlichen" Rundfunk, der sich als Verbreitung einer zeitgebundenen Abfolge von Programmen darstellt, also etwa Abrufdienste nach Art des Bildschirmtextes ausschließt73• Aber um diesen Bereich des "Programmrundfunks" geht es doch maßgeblich, wird der Zugang der Presse zum Rundfunk erwogen. Soweit der übrige Bereich in Frage steht, überhaupt meinungsrelevante Beiträge in Betracht kommen und der finanzielle Aufwand für "jedermann" bescheiden ist, weist die Tendenz ohnehin auf Anbietervielfalt hin. So gesehen ist daher erst recht kein Grund ersichtlich, der einen generellen Ausschluß der Presse zu rechtfertigen vermöchte. Außerhalb dieser u . U. zunehmenden Bezirke, also im sozusagen klassischen Bereich des Programmrundfunks, wo nach wie vor finanzielle Bedingtheiten von Gewicht bestehen bleiben dürften, kann die Presse aber nicht anders behandelt werden als sonstige Teilnahmewillige; dies zumal, als solchen Teilnahmewilligen - eben wegen ihrer wirtschaftlichen Potenz ebenfalls außerhalb des Rundfunks zusätzliche Möglichkeiten realer Einflußnahme auf die öffentliche Meinungsbildung offenstehen. Eine andere Lösung hätte diskriminierenden Charakter. Insofern kann daher auch der Betrachtungsweise Bullingers nicht voll gefolgt werden, sofern er bemerkt, daß bei Erhaltung der Oligopolstellung weniger Rundfunkanbieter die Bedenken gegen eine Beteiligung der Presse am Rundfunk in ihrer alten Form74 fortbestünden75 • Ob die gegenwärtige Oligopolstellung der Rundfunkanstalten im klassischen Rundfunkbereich durch Hinzunahme einer (aus äußeren Gründen) verhältnismäßig beschränkten Zahl weiterer potenter Veranstalter privater Provenienz modifiziert werden soll oder nicht, ist eine Frage der Grundentscheidung über Ja oder Nein zur Privatisierung dieses Rundfunkbereichs. Wird sie mit Ja beantwortet, so kann dann aber nicht aus der bescheidenen Zahl der hinzutretenden potenten Privaten speziell die Presse ausgespart werden, ohne sie zu diskriminieren. Die Möglichkeit, sich kraft wirtschaftlicher Potenz auch außerhalb des privaten Rundfunks Einfluß auf die öffentliche Meinungsbildung zu verschaffen oder zu erhalten, kann Hierzu mit Nachweisen Bullinger AöR 1983 (108), 168 f . Damit ist wohl namentlich an das bei Bullinger aaO S. 174 zitierte seinerzeitige Votum der sogen. Michel-Kommission vom 25. 9. 1967 (BundestagsDrucks. V /2120) gedacht. 75 aaO 175. 73
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kein Argument für generelle Ausschließung speziell der Verleger sein. Auch der Verleger gehört mithin zumindest prinzipiell zum Kreise derjenigen, dem die Beteiligungschance nicht von vornherein und schlechthin unmöglich gemacht werden darf. e) Dies könnte nur anders sein, wenn die generelle Abschottung des privaten Rundfunks gegenüber der Presse das erforderliche, d. h. geringstnotwendige und damit gebotene Mittel wäre, um Meinungsmonopole zu vermeiden, d. h. zu verhindern, den privaten Rundfunk einzelnen gesellschaftlichen Gruppen auszuliefern76• Daß sich dies aber jedenfalls im Hinblick auf eine generelle Abhaltung der Presse nicht behaupten und belegen läßt, versteht sich nahezu von selbst77• Auch Kühler kann dies kaum anders sehen; andernfalls müßte er die generelle Verwehrung des Zugangs für die Presse nicht nur als empfehlenswert, sondern als notwendig bezeichnen: Der Gesetzgeber muß Meinungsmonopole im Rundfunk verhindern78• Dafür stehen ihm- wie noch anzudeuten sein wird - sehr wohl Instrumente zur Verfügung, die nicht mit extremen und pauschalen Regelungen operieren müssen und daher dies auch nicht tun dürfen. Die Frage, ob die bei genereller Fernhaltung der Presse (und zusätzlichem Verbot der Anzeigenfinanzierung) etwa noch übrigbleibenden potenten privaten Interessenten überhaupt in der Lage sein könnten, das zu erfüllen, was "Meinungsmarkt" heißt, diese Frage79 ließe sich zudem stellen. f) Gegen eine derart rigide Haltung gegenüber der Presse sprechen insbesondere die Argumentationsbahnen und Formulierungen des Dritten Fernsehurteils selbst. Das Gericht verzichtete zwar bewußt auf eine erschöpfende Aufzählung der Zulassungsbedingungen im Falle der Privatisierung des Rundfunks80 • Auch spricht sich das Urteil nicht im näheren darüber aus, welche konkrete Maßnahmen zur Gewährleistung der gebotenen Meinungsvielfalt ergriffen werden dürfen, abgesehen von jenen Mindesterfordernissen, die das Urteil selbst nennt81 • Indes muß beachtet werden, daß es der (saarländische) Ausgangsfall nahegelegt hätte, zumindest bei den Darlegungen über die Erfordernisse der Zugangsregelung einen entsprechenden Hinweis zu geben, falls das Gericht ein derartiges Instrument hätte billigen wollen. Im Gegenteil ist dort aber ausdrücklich von "allen auftretenden Bewerbern" die Rede82• Vgl. BVerfGE 12, 205 (262); 31, 314 (325 f.); 57, 295 (322). Als verfassungswidrig auch etwa von R. Scholz AfP 1983, 262 sowie 265 beurteilt. 78 Siehe die Nachweise in Anm. 76. 79 Ähnlich Degenhart demnächst in AöR. so Siehe BVerfGE 57, 295 (324 i. V. mit 326 f.). st Vgl. aaO bes. 322, 324 und passim. 7&
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C. Konsequenzen für die Oberprüfung der Einzelpostulate Kühlers
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Zudem lassen auch jene Darlegungen des Urteils, in denen über die Notwendigkeit gehandelt wird, den Rundfunk nicht dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen83, darauf schließen, daß ein genereller Ausschluß der Presse nicht als legitim in Betracht gezogen wurde: Wenn das Gericht sagt, ohne spezifische Maßnahmen könnte sich zwar "eine begrenzte Vielfalt einstellen", "wie sie heute etwa im Bereich der überregionalen Tageszeitungen besteht", doch genüge dies nicht, weil das nur eine "Möglichkeit" darstelle, die nicht genügend gesichert sei84, so deutet dies die Dimension an, in der sich die Erwägungen des Gerichts bewegen; von derartigen Maßnahmen ist es ersichtlich ein weiter Sprung zu einer generellen Barriere für die Presse. Erst recht will es daher nicht einleuchten, wenn Groß empfiehlt, durch ein Presserechtsrahmengesetz die Inkompatibilität zwischen Verlegertätigkeit und der Tätigkeit als Rundfunkveranstalter einzuführen85. Von kompetenzrechtlichen Bedenken abgesehen läßt sich ein so bewirkter genereller Ausschluß der Presse auf die von Groß selbst ins Feld geführten Gründe nicht zureichend stützen. Diese Gründe sollen zum einen im wirtschaftlichen und publizistischen Übergewicht einiger Großverlage und zum andern in der Gefahr der Monopolverdoppelung in Einzeitungsgebieten gerechtfertigt sein86. Man erkennt mühelos, daß damit die notwendige Erwägung übergangen wird, Gefahren für die Gewährleistung von Meinungsvielfalt, wo diese Gefahren tatsächlich bestehen, mit den dafür konkret notwendigen Instrumenten zu bekämpfen. Die Zuflucht in einer abstrakt-generellen Lösung zu suchen, heißt nicht in Rechnung stellen, daß die Öffnung des Rundfunks gegenüber Privaten, so man sich zu ihr entschließt, zunächst einmal die Öffnung für "jedermann" bedeutet, Einschränkungen daher nur insoweit gestattet, als diese spezifisch geboten sind. Daß darüber hinaus weitere Erwägungen gegen diese Konzeption sprechen, folgt implizit aus den folgenden Überlegungen zu "milderen" Formen erwogener Pressebeschränkungen. 3. Damit ist schon die Frage aufgeworfen, ob Kühlers Erwägungen insoweit gefolgt werden kann, als er nicht - wie vorranggig - an eine derartige generelle Regelung denkt, sondern an eine die Presse weniger intensiv berührende. 82 aaO 327 und hierzu näher Lerche NJW 1982, 1676 ff. (1681); ebenso Starck JZ 1983, 409. 83 aaO 322 ff. 84 Vgl. aaO 322 f. 85 Groß DVBI 1982, 561 ff. (570, vgl. auch 569). 88 aao 570.
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a) Als auf diese Weise vorangehende Stufe erscheint bei ihm der Vorschlag87, ein Verflechtungsverbot auszusprechen, das "auf jede räumliche Überschneidung von Presse- und Rundfunkmärkten" zu erstrecken wäre. Dies hätte zur Folge, "daß jeder Verleger im gesamten Verbreitungsgebiet seiner Zeitungen und Zeitschriften von der Beteiligung am Rundfunkbetrieb ausgeschlossen bliebe". Zu Recht kennzeichnet Kühler die konkreteren Folgen einer derartigen Regelung: Den Pressekonzernen, deren Angebot überregional vertriebene Zeitungen und Zeitschriften umfaßt, wäre der Zugang zum Rundfunk "generell" verwehrt, und überdies wäre der Anreiz zur Gründung von Rundfunkgemeinschaftsunternehmen der Presse beseitigt88. Es handelt sich also um eine sozusagen begrenzt-generelle Pressebeschränkung. Diese Forderung geht über die Vorschläge hinaus, die die Monopolkommission gemacht hatte. Sie weist aber intensive Berührungsflächen mit ihnen auf; denn die Kommission hat in Aufnahme früherer Erwägungen Mestmäckersst vorgeschlagen, "marktbeherrschenden" Verlagsunternehmen den "Zugang zum Markt für Rundfunksendungen jedenfalls dann zu versagen", "wenn das Verbreitungsgebiet der Zeitung und der Sendebereich der Rundfunkstation zusammenfallen oder sich zumindest überschneiden" 90 • Angesichts der Tatsache, daß bei entsprechend enger Definition des relevanten Marktes zahlreiche Zeitungsverlage dem Kriterium der Marktbeherrschung unterfallen91, zeigt sich die enge Verwandtschaft dieses Vorschlags mit Kühlers Postulat. Allerdings ist der Vorschlag der Monopolkommission, der eine erhebliche literarische Diskussion ausgelöst hat92, von jenen Versuchsgesetzen bzw. Gesetzentwürfen, die eine (teilweise) Privatisierung des Rundfunks vorsehen, bislang nicht akzeptiert worden93• b) Kühler will seine Vorstellung mit den von ihm behaupteten besonders gravierenden Gefahren begründen, die der freien Meinungs87 aaO S. 105. 88
aaO S. 105.
89 Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, 1978, S. 214 ff.
9o Monopolkommission, Sondergutachten aaO (Media Perspektiven 1981, 860), Tz. 21. 91 Wieso für marktbeherrschende sonstige Interessenten etwas anderes gelten soll, wird nicht recht deutlich. Zu den Konsequenzen für Alleinstellungszeitungen vgl. kritisch z. B. Bismark AfP 1982, 135 ff. (sub 2, a. E.); Koch WuW 1982,272. 92 Siehe bes. Glotz, Gries, Hoffmann-Riem, Koch, Mestmäcker, SchwarzSchilling in WuW 1982, 261 ff.; Bismark AfP 1982, 135 ff.; M. L. Kiefer Med!:: Perspektiven 1981, 821 ff.; Koch DB 1982, 1757 ff. m. w. N.; Kohl/Weilbächer ZRP 1981, 243 ff.; siehe auch Kull AfP 1983, 256 ff. 93 Zutreffend Bullinger AöR 108 (1983), 169 ff. mit näherer Darlegung des Inhalts dieser Gesetze bzw. Gesetzentwürfe.
C. Konsequenzen für die Überprüfung der Einzelpostulate Küblers
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bildung aus dem Verbund von Presse und Rundfunk drohten94• Derartige Gefahren sollen sogar darüber hinaus die hier zunächst ins Auge gefaßte unbegrenzt generelle Unterbindung rundfunkmäßiger Betätigung von Verlegern rechtfertigen, weil die gegenwärtig im Blickpunkt stehende räumlich orientierte (aber insoweit immer noch generelle) Beschränkung gewisse Lücken offenlasse95 • Diese nach Kühler mithin mehrfach maßgeblichen Gefahren werden von ihm in unterschiedlichen Passagen seiner Arbeit geschildert; inhaltlich überdecken sie sich aber weithin96• Dabei soll es sich hauptsächlich um folgende Umstände handeln, die sich aus der Erscheinung der Medienverflechtung als diagonale Verflechtung von Presse und Rundfunk ergäben: Homogenisierung der redaktionellen Inhalte, verbunden mit gegenseitiger Schonung bei Zusammenschlüssen von Verlegern; Verzerrungen des Wettbewerbs namentlich durch parteiergreifende Einflußnahme der konzernverbundenen Funkstation zugunsten der konzerneigenen Presse; dies auch durch entsprechend günstige Gestaltung der Anzeigentarife; dadurch zugleich ausgelöste zusätzliche Konzentrationsimpulse; Verdrängungswettbewerb im Verhältnis zu den örtlichen Pressekonkurrenten; Verstärkung der Möglichkeiten zur unternehmensinternen Subventionierung von unrentablen Presseerzeugnissen mit der Konsequenz, daß hierin ein "Anschlag auf die durch die Gewährleistung der Pressefreiheit geschützten Entscheidungsbefugnisse der Leser" zu erblicken sei; Abschreckung potentieller Konkurrenten ebenfalls durch die Möglichkeiten interner Subventionierung; Verdrängung des Typus des Verlegers aus beruflichem Ethos durch ein ausschließlich finanziell orientiertes Management; endlich die politischen Konsequenzen eines "unternehmerisch gebündelten Einflußpotentials von Presse und Rundfunk" als Gefahren einseitiger Beeinflussung der Verfahren der gesellschaftlichen Willens- und der staatlichen Entscheidungsbildung, zugleich verbunden mit Reduktion an sich möglicher (publizistischer) Vielfalt. Kühler verkennt nicht, daß die diagonale Verflechtung von Presse und Rundfunk andererseits gewisse Vorteile aufweise, glaubt aber angesichts dieser konkret geschilderten angeblichen Gefahren für jene generelle Beschränkung der Presse (zumindest) räumlich orientierte Art plädieren zu sollen. 4. Damit ist erneut die verfassungsrechtliche Grundfrage gestellt. a) Sieht man in der Öffnung des Rundfunkbereichs für Private die Eröffnung der Betätigungschance prinzipiell für jedermann, so können 94 95 98
aaO S. 105.
Kübler aaO S. 105 f.
Vgl. schon S. 21, ferner S. 103 und S. 105 f., besonders aber S. 93 ff,
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C. Konsequenzen für die Überprüfung der Einzelpostulate Küblers
nur solche Einschränkungen legitim sein, die sich aus der Gewährleistung des gebotenen Mindeststandards an Meinungsgleichgewicht und Meinungsvielfalt nach vernünftiger Einschätzung zwingend ergeben (wobei ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzugestehen ist). Deshalb gelangt hier das Postulat konkreter Erforderlichkeit und Geeignetheit der Maßnahmen zur Herrschaft97• Über eine allgemeine Organisierungs- und Optimierungsmacht aber verfügt der Gesetzgeber in dieser Hinsicht nach dem oben Dargelegten nicht. Er kann nicht bestimmte Meinungen, die auf Verbreitung angelegt sindss, ohne die erwähnte besondere Rechtfertigung ausschließen. Er darf und "muß" 99 andererseits dafür sorgen, daß sich im Rundfunksystem eine (annähernd) "gleichgewichtige Vielfait"too einstellt. Die Maßnahmen, die dafür dienlich und geboten sind, müssen sich in Konsequenz des Gesagten auf die jeweils tatsächlich befürchtete konkrete Gefahr (für den gebotenen Standard an Meinungsgleichgewichtigkeit und Meinungsvielfalt) konkret einstellen, dürfen aber nicht zu globalen Lösungen greifen. Die von Kühler im einzelnen befürchteten Gefahren müßten nicht nur der konkreten Prüfung dahin unterzogen werden, ob bzw. wieweit sie tatsächlich bestehen, sondern auch, ob tatsächlich nur der generelle Ausschluß der entsprechenden Pressekonzerne bzw. jener Gemeinschaftsunternehmen ein genügendes und das gebotene, geringsterforderliche Mittel darstellt. M. a. W.: Das von Kühler erwogene Instrumentarium setzt voraus, daß mildere gefahrensspezifische Instrumente nicht verfügbar sind. Es setzt ferner voraus, daß jene Gefahren, gemessen am Rechtsgute des Vielfaltsstandards, auch wirklich solche sind. Es setzt endlich voraus, daß der von Kühler erwogene Eingriff nicht auf der anderen Seite derartige Nachteile für die Erlangung und Bewahrung jenes Vielfaltstandards nach sich zieht, daß der Eingriff etwa als seinerseits ungeeignet beurteilt werden müßte101 • b) Diese Kriterien können naturgemäß im Rahmen dieser auf das Grundsätzliche gerichteten Untersuchung nicht in allen Einzelheiten exekutiert werden. Allerdings erstaunen schon vorweg gewisse Einzelbehauptungen: Wenn etwa, wie berichtet, die interne Subventionierung 97 Zum Prinzip der (eingriffsgebundenen) Erforderlichkeit vgl. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1961. Der Siegeszug dieses Prinzips in der Judikatur braucht nicht unterstrichen zu werden; zusammenfassend für den Grundrechtsbereich etwa K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 13. Aufl., 1982, Rdnr. 318. 98 Im Sinne von BVerfGE 57, 295 (323). 99 Siehe BVerfG aaO. 100 Im Sinne von BVerfG aaO 323 f. Hierzu auch unten C 6 b. 1o1 Dazu auch Bullinger AöR 108 (1983), 209.
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von Blättern, die ihrerseits nicht ausreichende Gunst beim Massenpublikum gefunden haben, als Bedrohung der Entscheidungsbefugnisse der Leser gedeutet wird102, so mag man sich fragen, ob dies einleuchten kann; ob insbesondere ein auf diese Weise jedenfalls verbreitertes Angebot an Blättern, die sich dem Massengeschmack entziehen, unter auch nur irgendeinem Aspekt1°3 verfassungsbedenklich sein kann, zumal ein Kaufzwang nicht besteht. Man wird sich z. B. ferner fragen, warum jene Unternehmen, die bislang keinerlei publizistisches Profil gewinnen konnten, weil sie sich bislang nicht im Medienbereich betätigt haben, nunmehr aber im Gegensatz zur Presse unbehelligt in den Rundfunkbereich eintreten können, warum ausgerechnet diese Unternehmen weniger den Gefahren finanzieller Orientierung (austauschbares Management an Stelle publizistischen Ethos) ausgesetzt sein sollen. Man wird- daran anknüpfend- erwägen dürfen, wieso die Verknüpfung wirtschaftlicher Potenz außerhalb des Verlagsbereichs mit publizistischer Wirkung im Rundfunkbereich grundsätzlich geringere Möglichkeiten für Einflußnahmen auf gesellschaftliche und politische Willensbildungsprozesse ausspielen können soll und wie es überhaupt legitim sein kann, durch gesetzgeberische Maßnahmen Einflußmöglichkeiten einzelner privater Kräfte auf die politisch relevante Willensbildung zu beschneiden, soweit diese Einflußnahme den Regeln der allgemeinen Rechtsordnung folgt. Aber auch von diesen und weiteren Einzelbedenken abgesehen wird zu überlegen sein, ob die allgemeinere Basis der Kühlersehen Postulate hingenommen werden kann. Es seien daher im Folgenden einige Richtpunkte hervorgehoben, deren Zusammenhalt in unseren Augen erhebliche Zweifel an Gebotenheit und Geeignetheit der vorgeschlagenen General-Eingriffe erzeugen müssen.
Vgl. KilbZer S. 95 sowie bereits S. 21. Wenn KilbZer S. 21 auf Sachverhalte hinweist, bei denen interne Subventionierung mit nicht identifizierbarer finanzieller Unterstützung sowie mit public-relations-Funktionen des geförderten Blattes verbunden sein kann, so kann auch darin nichts verfassungsrechtlich Anstößiges gesehen werden, wenn die Forderungen der allgemeinen Rechtsordnung, insbesondere der Pressegesetze, einschließlich der von ihnen geforderten (Mindest-)Transparenz, eingehalten sind. Es ist daher eine andere Frage, ob bzw. wann etwa in der fortgesetzten Gratisverteilung anzeigenfinanzierter Druckwerke eine Wettbewerbswidrigkeit liegt; diese Frage behandelt KilbZer in der LöfflerFestschrift, 1980, S. 169 ff., allerdings unter dem Obertitel "Pressefreiheit als Entscheidungsfreiheit des Lesers". Geschichtliches zur (angeblichen) Schutzbedürftigkeit des "Verbrauchers" siehe bei H. H. Klein, ebendort (Löffler-Festschrift), S. 111 ff. (121 f.). Allgemeiner siehe auch Bullinger AöR 108 (1983), 204 f.; kritisch auch Degenhart demnächst in AöR. 102
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c) Ein erster Richtpunkt muß die Tatsache sein, daß bei Aussperrung der betroffenen Presse im Rundfunkbereich jedenfalls diese publizistischen Stimmen im jeweiligen Rundfunkbereich nicht zu hören wären und zwar ohne daß damit automatisch eine real vermehrte Chance für sonstige Stimmen entstünde. Warum der Zugang marktstarker Verlagsunternehmen zum privaten Rundfunk zur "Reduktion an sich möglicher Vielfalt" 104 führen müsse, wird nicht recht durchsichtig, die Beachtung des allgemeinen Wettbewerbsrechts wie stets vorausgesetzt. Eine vom allgemeinen Wettbewerbsrecht noch hingenommene Verdrängungswirkung im Verhältnis zu anderen Interessenten könnte wohl nur darin bestehen, daß diese angesichts der publizistischen Erfahrung und u. U. wirtschaftlichen Kraft der Verlage von eigenen Anstrengungen und Angeboten abgehalten werden, also zurückschrecken. Auf die Bedeutung dieses Umstandes ist daher noch gesondert einzugehen (unten C 4 h). An dieser grundsätzlicheren Stelle ist aber eines hervorzuheben. Die Frage muß im Gesamtzusammenhang jener Grundsätze betrachtet werden, die für die Zulassung privaten Rundfunks überhaupt entwickelt und judikativ bestätigt worden sind. Vorausgesetzt werden also nicht nur die wettbewerbsrechtlichen Gegebenheiten, sondern gerade auch die rundfunkverfassungsrechtlichen. Vorausgesetzt werden damit insbesondere die allgemein rundfunkrechtlichen Möglichkeiten und Verpflichtungen des Gesetzgebers, privaten Rundfunk nur zu gestatten, wenn hier effektivtos ausreichende Vielfalt zustandekommt. Von tragender Bedeutung ist deshalb, daß die maßgebende Judikatur den zu beurteilenden Kommunikationsbereich nicht als eine Einheit auffaßt, in der Rundfunk, Presse und sonstige Sektoren freiheitlicher Meinungsbildung unterschiedslos verfließen, so daß sich die Prüfung des gebotenen Vielfaltsstandards nur auf die Gesamtbilanz dieses Gesamtgefüges beziehen dürfte. Dies wäre zwar eine mögliche, in Manchem vielleicht zu bevorzugende Betrachtungsweise, die indes grundsätzlich andere Ausgangsmaßstäbe lieferte, als sie der maßgeblichen Judikatur zugrundeliegen. Diese fordert vielmehr, den Rundfunkhereich insofern relativ selbständig neben jenem der Presse und sonstigen Kommunikationsbereichen zu denken, als er - im Ganzen genommen - für sich selbst hinreichend gleichgewichtige Meinungspräsentanz zu vermitteln hat108 • Die maßgebliche Betrachtungsweise sieht Vgl. Kübler aaO S. 103. Zur umstrittenen Bedeutung dieser Forderung siehe meine Darlegungen in NJW 1982, 1676 ff.; dort auch weitere Hinweise, etwa einerseits auf Fuhr in ZDF-Jahrbuch 1981, 1982, S. 142 ff.; andererseits auf Ricker NJW 1981, 1925 ff., bes. 1927 u. a. m. 108 Siehe insbesondere auch BVerfGE 57, 295 (319 ff.). 1o4 1os
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also die einzelnen großen Kommunikationssäulen je für sich dem Gebote hinreichender Gleichgewichtigkeit und Meinungsvielfalt unterworfento7. Zwar kann dies nicht bedeuten, daß die Struktur der übrigen Kornmunikationsbereiche für die nähere Definition dieser Gleichgewichtigkeit und Vielfalt völlig uninteressant sei. Die Versuche, den notwendigen Vielfalts-Mindeststandard zu bestimmen, können nicht daran vorbeigehen, daß letztlich dasjenige Meinungsbild entscheidend sein muß, das sich dem einzelnen Rezipienten als Fülle der Informationschancen108 eröffnet. Oas ändert aber nichts daran, daß nach der vorhandenen Judikatur, mag man sie uneingeschränkt für richtig halten oder eine gewisse Skepsis anmelden, im Prinzip jeder der großen (massen)-medialen Bereiche in sich selbst grundsätzliche Ausgewogenheit und hinreichende Meinungsvielfalt zu bieten hat. Darüber hinaus hat, gesehen mit den Augen des Dritten Fernseh-Urteils109, auch der jeweilige Bereich privaten Rundfunks für sich selbst jenen Anforderungen standzuhalten; d. h . prinzipiell unabhängig von den Feldern des öffentlich-rechtlich organisierten Rundfunks, der seinerseits denselben Grundforderungen zu genügen hat. Auch dies kann vernünftigerweise keine schroffe Isolierung bedeuten110 ; aber das Prinzip bleibt unangetastet. Außerdem ist es die Frage, ob nicht sogar die jeweilige größere Wirkungsdimension des jeweiligen Rundfunkbereichs je gesonderte Gleichgewichtigkeit verlangt, z. B. die lokale Dimension je für sich. Allerdings muß es Grenzen derartiger Aufspaltungen geben; das zeigt sich schon darin, daß die Judikatur auch im binnenpluralistischen Modell nur Ausgewogenheit des "Gesamt"programms verlangt111 • Am Prinzip ändert auch das Bestehen derartiger natürlicher Grenzen nichts. Ist dem so, so kann dies aber nur heißen, daß sich im privaten Rundfunk, jedenfalls in seiner als Ziel vorgestellten Konzeption, alle wesentlichen, d. h. das Meinungsangebot charakteristisch prägenden Meinungsströme wiederfinden müssen -; sei es binnen-, sei es außenpluralistisch organisiert. Dies muß rundfunkrechtlich organisiert werden, und dies kann es auch, wie noch anzudeuten sein wird (unten C 6). Dann Bes. BVerfGE 57, 295 (323). Siehe auch die grundsätzliche Deutung von R. Scholz etwa in LöfflerFestschrift, 1980, S. 355 ff. Die besondere Gewichtung der Informationsfreiheit liegt auch der Arbeit Bismarks, Neue Medientechnologien und grundgesetzliehe Kommunikationsverfassung, 1982, zugrunde; siehe auch dens. AfP 1982, 135 ff. 109 aaO 324. 11° Konsequenzen hieraus bei Lerche NJW 1982, 1679 mit Hinweis auf zahlreiche im einzelnen unterschiedliche sonstige Stimmen in Anm. 27. 111 BVerfGE 12, 205 (262 f.); 31, 314 (326 f.); 57, 295 (325, 326); dazu auch Landesbericht aaO S. 62. to7
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kann aber schwerlich eine Konzeption zutreffen, die wichtige Pressebereiche aus diesem Gesamtgefüge von vornherein ausklammert; kann es doch wenig Zweifeln unterliegen, daß gerade in den hier betroffenen großen Pressebereichen eine Hauptarbeit der Formung und Übermittlung derartiger grundsätzlicher Meinungsströme geleistet wird. Daran ändert nichts Grundsätzliches, daß sich im Falle der vielfach erwarteten stärkeren Segmentierung und Individualisierung im kommenden Funk der "Vermittlungsvorrang" der Massenmedien gegenüber dem "Jedermannfunk" abschwächen mag112 • Auch ist die Frage anders gelagert, ob die Rundfunkfreiheit primär als eine Art "Mediator"-Freiheit begriffen werden könne113• So kann sie zwar zumindest nicht ausschließlich begriffen werden; dadurch werden aber die Stimmen meinungsformierender und -transformierender Art nicht vom Tisch entfernt. d) Dagegen spricht insbesondere nicht der "Doppel-Effekt", der sich bei räumlicher Überschneidung von Presse und privatem Rundfunk ergäbe114 : Da die Formung und Übermittlung von Meinungen im privaten Rundfunk in der Gesamtbilanz nicht bestimmten Meinungsrichtungen zur Vorherrschaft verhelfen darf, andererseits das Bundesverfassungsgericht selbst erneut bescheinigt hat, daß sich gerade im überregionalen Pressebereich hinreichende Gleichgewichtigkeit entwickelt hat115, führt dies nicht zur Meinungsmonopolisierung. Der DoppelEffekt ist zwar vorhanden, aber im Sinne einer doppelten Ausgewogenheit und Meinungsvielfalt, sowohl gesehen für die beiden in Betracht kommenden Kommunikationsbereiche (überregionale Presse und pri112 Sehr pointiert in dieser Richtung Bullinger AöR 108 (1983), 177 f., 187, 192. Dazu, daß eine Privilegierung der Massenpresse - von Anfangs(Versuchs-)phasen abgesehen - nicht rechtens sein kann, siehe unten D. 113 Vgl. die im einzelnen recht unterschiedlichen Vorstellungen etwa bei Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, 1978; Stock, Zur Theorie des Koordinationsrundfunks, 1981; auch etwa Hoffmann-Riem in Handb. des Verfassungsrechts, 1983, S. 407. 114 Zur befürchteten Monopolverdoppelung siehe Groß DVBl 1982, 570 (mit Blick auf die Einzeitungsgebiete). Nachweise zu den vielfach allgemeiner erhobenen Befürchtungen des Entstehens zusätzlicher Machtkonzentrationen bei Beteiligung der Presse im Rundfunkbereich bei Lerche, Landesbericht aaO S. 40, Anm. 77. Grundsätzliche Bedenken in dieser Richtung bes. bei MestmäcTcer, Medienkonzentration, aaO, S. 214 ff. (S. 217 zur "Gefahr einer vereinheitlichten Meinung in Zeitung und Rundfunk"); vgl. aber bes. auch Koch DB 1982, 1760. 115 Das Dritte Fernseh-Urteil sagt, daß eine "begrenzte Vielfalt" heute etwa im Bereich der überregionalen Tageszeitungen besteht (aaO 322). Insgesamt heißt es anschließend (323): "Während bei der Presse die geschichtliche Entwicklung zu einem gewissen bestehenden Gleichgewicht geführt hat, so daß es heute zur Sicherstellung umfassender Information und Meinungsbildung durch die Presse grundsätzlich genügen mag, Bestehendes zu gewährleisten ..."
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vater Rundfunk) als auch gesehen unter dem - letztlich ausschlaggebenden - Kriterium vielfältigen und gleichgewichtigen Meinungsangebots für den Bürger. e) Es liegt auf der Hand, daß dieses Bild auch durch entsprechend gleichgewichtig organisierte Rundfunkgemeinschaftsunternehmen der Presse nicht prinzipiell verändert wird116• Solche Gemeinschaftsunternehmen sollen insbesondere die Übertragung von pressemäßigen Alleinstellungen in den Rundfunkbereich verhindern. Rechtspolitisch zu bedauern wäre es allerdings wohl, wenn mit derartigen Gemeinschaftsunternehmungen ein Verlust an einzelnem Presse"profil" Hand in Hand ginge117• Vor diesen Schattenseiten möglicher Pressebeteiligungen im Rundfunk hat der Verfasser mehrfach gewarnt118• Aber dies macht noch keinen Verfassungsverstoß aus. Erfreulicherweise scheinen zudem die in Betracht kommenden praktischen Vorhaben eher auf Erhaltung möglichst vieler Presse-Profile bedacht zu sein. Aber auch wenn dem anders wäre, so legitimierte dies doch nicht zu derart generellen Beschränkungen, wie sie hier in Rede stehen. Abgesehen davon, daß eine etwaige Einbuße an Profiliertheit nur eine mögliche, keine notwendige Folge von Gemeinschaftsunternehmen ist und daher spezifische organisatorische Anstrengungen aktualisieren könnte, das jeweilige Presseprofil (sowie auch intensiven wirtschaftlichen Wettbewerb unter den Beteiligten119) möglichst zu erhalten, wäre auch ein Bild stärkerer interner Abgleichung und Ausbalancierung nicht verfassungswidrig, wenn nur die außenpluralistische Gesamtbilanz stimmt. Es wäre dies dann eine Art binnenpluralistische Insel in einem anderen System; ein binnenpluralistischer Baustein in einem außenpluralistischen Gesamtgebäude. Derartige Kombinationen sind nichts Ungewöhnliches. Wenn und soweit etwa Einzeitungsgebiete vielfach von Zeitungen getragen werden mögen, die dazu tendieren, bereits in sich selbst ein Bild der Ausgewogenheit zu bieten120, so kann darin unter dem Aspekt der Gefahren für einseitige Meinungsbeeinflussung nichts Verwerfliches erblickt werden, mag man sich auch 118 Daß bei (lokalen) Alleinstellungen bestimmter Presseerzeugnisse, die nicht ihrerseits - also binnenpluralistisch - hinreichende Meinungsvielfalt repräsentieren, die Dinge anders liegen können, ist durchsichtig. Dazu auch unten C 6 c mit Anm. 164. 111 Zu Homogenisierungs- und Schonungstendenzen siehe Kübler aaO S.93 f. 118 Zuletzt in NJW 1982, 1681. Vgl. auch etwa Kohl/Weilbächer ZRP 1981, 243 ff. (246 f., aber auch 249 f.). 119 Sorgen dieser Art schon im Hauptgutachten der Monopolkommission 1978/1979, Tz. 531 ff. und hierzu Kohl/Weilbächer ZRP 1981, 250. 120 Zum Zwange zur "Selbstregulierung" in dieser Hinsicht siehe Lerche, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, 1971, S. 69 f. m. w. N.
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rechtspolitisch von einer Vielfalt stärker profilierter Presse mehr versprechen. Für Eingriffe der hier interessierenden Art fehlt es jedenfalls an angemessener Legitimation. Damit sollen nicht die Augen vor der Tatsache verschlossen werden, daß durch die Beteiligung privater Kräfte im Rundfunkbereich auch ungünstige Nebenwirkungen sonstiger Art im Hausbereich dieser privaten Kräfte, einschließlich der Presse121, entstehen können. Das aber ist wiederum eine Teilfrage, die zu dem großen Fragenkomplex zählt, den es bei der grundsätzlichen Entscheidung für oder gegen Privatisierung des Rundfunkbereichs zu beachten gilt; nicht aber können dadurch unangemessen tiefe Einschnitte in die private Freiheit bewirkt werden, wenn die Entscheidung für selbstverantwortliche Zulassung Privater fällt. f) Die Basis aller dieser Erwägungen könnte sich allerdings dann verschieben, wollte man eine grundsätzliche Annahme treffen; nämlich jene, die zugrundeliegende Aufteilung des Gesamtmedienbereichs in die traditionellen Kommunikationssäulen (Presse, Rundfunk, Sonstige) für überholt zu erklären. Der Blick Kühlers richtet sich zwar nicht eigentlich auf die Erscheinungen jener "Neuen Medien", die ein derartiges Aufbrechen der traditionellen Abgrenzungen in zunehmendem Maße bewirken. Gleichwohl ist dies tatsächlich der Fall; seit geraumer Zeit wird gesehen, daß durch verschiedene Erscheinungen die tatbestandliehen Konturen von Presse und Rundfunk ins Fließen gebracht werden, daß darüber hinaus die Abgrenzung der Massenmedien von den Formen der Individualkommunikation in Frage gestellt wird, namentlich durch das Auftreten stark individualisierter Formen im Funkbereich. Diese Phänomene hat namentlich Bullinger122 eindringlich beschrieben; er und andere halten die stürmische technische Entwicklung der elektronischen Medien für geeignet, die Struktur der elektronischen Massenkommunikation insgesamt zu verändern123• 121 Siehe dazu bes. die Bemerkungen Mestmäckers, Medienkonzentration aaO S. 214 ff., anknüpfend an zurückliegende Feststellungen der MichelKommission aaO S. 240. 122 Bullinger, Kommunikationsfreiheit im Strukturwandel der Telekommunikation, 1980, S. 23 ff.; siehe auch ders. AöR 108 (1983), 161 ff., bes. 173 ff. sowie passim. Zur Beobachtung stärkerer Individualisierungstendenzen (die im Telekommunikationsbericht der Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems- KtK- noch nicht im Vordergrund standen) siehe auch das sogen. Nachfolgegutachten W. Kaiser!Lange!Langenbucher/ Lerche/Witte, Kabelkommunikation und Informationsvielfalt - Eine Problemanalyse zur Gestaltung von Pilotprojekten unter dem Aspekt der Wirkung auf die Presse, 1978.- Vgl. ferner etwa Bismark, Neue Medientechnologie und grundgesetzliche Kommunikationsverfassung, 1982; ders. AfP 1982, 135 ff.; König, Die Teletexte, 1980; Scherer, Der Staat 1983, 347 ff.; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation und Verfassung, 1979 u. a. m.
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Ob diese Beobachtungen schon für die nahe Zukunft in dieser Rigidität zutreffen, kann hier nicht entschieden werden, weil weitgehend im Tatsächlichen beruhend. Es mag immerhin bedacht sein, daß das unbestreitbare Auftreten von Zwischen- und Übergangserscheinungen weniger die Substanzen betreffen könnte, als mehr die Ränder auffaserte. Vor allem ist zu fragen, ob solche neuartige Erscheinungen, soweit sie nicht wirklich in die Tiefe der Strukturen hineinreichen, nicht doch ohne Verfassungsänderung- den bisherigen Sektoren der Kommunikation mit einer gewissen Dezision - im Spiegel des Rechts - so oder so zugeschlagen werden müssen, weil das geltende Verfassungsrecht auf diesen aufbaut und keine Zwischenerscheinungen kennt124• So ließe sich auch rechtfertigen, daß das Dritte Fernseh-Urteil die bisherigen Verfassungsgrundsätze ohne weiteres bestätigt und fortführt, ohne auf derartige Erscheinungen, die allerdings auch nicht unmittelbar gegenständlich waren, näher einzugehen. Aber auch und gerade dann, wenn dies grundsätzlich anders, d. h . radikaler gesehen werden wollte, könnte sich die Antwort auf die hier interessierende Frage im Ergebnis nicht ändern. Dann allerdings wäre es nicht mehr möglich, die traditionellen (relativen) Selbständigkeiten der einzelnen Säulen fortzuführen. Wüchsen - um mit Scholz125 zu sprechen - die Technologien von telekommunikativen Medien- und Print-Medien zunehmend mehr zusammen, so wiese dies darauf hin, "daß es auch marktstrukturell gedacht nur noch einen ,Medienmarkt' und nicht unterschiedliche ,Medienmärkte' geben wird", zumal angesichts der auch von Kühler gesehenen anderen vielfältigen diagonalen Verknüpfungen etwa der Buch-, Film- und Phonoproduktion. Von hierher gesehen entfiele aber ersichtlich schon die Grundlage der Kühlersehen Konzeption; denn diese ist auf der Vorstellung der Medienverflechtung unter der Annahme verschiedener Medienbereiche aufgebaut. Dies sei nicht mißverstanden. Der Verfasser hat schon angedeutet, daß er eine so radikale Situationsveränderung noch nicht als real absehbar einschätzt. Sie allein wäre imstande, die Grundlage der zunächst dargelegten Erwägungen zu erschüttern. Wäre dies aber der Fall, so würden sich, wie gezeigt, die Kühlersehen Postulate dadurch nicht etwa gekräftigt, sondern erst recht in Frage gestellt sehen - allerdings aus anderen Gründen. 123 Bullinger AöR 108 (1983), 1640 auch 187 mit Hinweis auf J . H. Kaiser, Presseplanung, 1972, S. 27 ff. 124 Man bedenke, daß auch im übrigen die weitgehende Vernachlässigung wesentlicher tatsächlicher Unterschiede vom geltenden Medienrecht hingenommen wird, etwa in Bezug auf die tatsächliche Unterscheidung zwischen Fernsehen und Hörfunk. 125 R. Scholz AfP 1983, 261.
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g) Zudem ist ein weiterer mehr grundsätzlicher Aspekt zu bedenken. Die ganze Sachlage wird ein wenig verdeckt, begreift Kühler die beschriebenen Vorgänge der Medienverflechtung (wie Medienverflechtung insgesamt) ohne weiteres als Unterform der Medien"konzentration" 126• Das vermittelt, zumindest unterschwellig, den Eindruck, als würde dadurch notwendigerweise eine entscheidende Einbuße an Meinungsvielfalt bewirkt werden. Dem ist so nicht zuzustimmen. Von der schon erörterten Frage abgesehen, ob durch derartige Doppel-Effekte Meinungskundgabemöglichkeiten anderer unterdrückt werden können, wäre doch zunächst nur eine Ausdehnung von Presseunternehmen in den Sektor des Rundfunks zu konstatieren. Ausdehnung ist nicht per se anstößig oder gar verfassungswidrig. Um eine derartige Ausdehnung als meinungsrelevante "Konzentration" beurteilen zu können, müßte der Sachverhalt vorliegen, daß mehrere vorhandene und in sich unterschiedliche Meinungsträger in irgendeiner Weise unter einen Hut gelangen127. Vorhandenes dieser Art aber gibt es, zumindest gegenwärtig, grundsätzlich nicht. Der Zusammenschluß 12B mehrerer Interessenten zur Gründung eines Rundfunkgemeinschaftsunternehmens (-gemeinschaftsveranstalters) faßt ebenfalls nur solche Anbieter zusammen, die bisher außerhalb des Rundfunks standen; nur insoweit könnte hier ein Tatbestand der Konzentration behauptet werden. Die Presse zieht aber nicht andere Meinungsträger, die schon bisher im Bereich des Rundfunks agierten, an sich und saugt sie etwa auf; vielmehr erstreckt sie sich lediglich - unternehmensdiversifizierend - in den Bereich des Rundfunks hinein; einen Bereich, der ihr und anderen Privaten bisher verschlossen war. Dies als Medienkonzentration zu beurteilen, ist daher - treten nicht zusätzliche Umstände hinzu - schon vom Ansatz her 12 6 1 27
Siehe Kübler aaO schon S. 17 sowie passim. Kübler sieht in etwas anderem Zusammenhang selbst (S. 61 f.), daß sich
der "Sachverhalt, daß sich ein Zeitungs- oder Zeitschriftenverlag erfolgreich um eine Rundfunklizenz bewirbt und mit der Sendetätigkeit beginnt", nicht unter die wettbewerbsrechtlichen Zusammenschluß-Tatbestände subsumieren lasse. Daraus folgt zwar, wie Kübler aaO S. 62 insoweit zu Recht hervorhebt (gegen Koch ZRP 1981, 237 ff., 241 f.), nicht, daß ein wettbewerbsrechtliches Instrumentarium überhaupt versagen müsse (dazu unten C 5); umgekehrt läßt sich dadurch aber auch nicht begründen, daß ein spezieller Konzentrationstatbestand gegeben sei. So sagt denn auch R. Scholz AfP 1983, 263, daß auch der von Kübler beanspruchte Tatbestand "konglomerater" Unternehmenskonzentration voraussetze, daß ein unternehmensmäßiger Zusammenschluß gegeben sei; hier handle es sich jedoch nur um einen Vorgang der Unternehmensdiversifizierung (vgl. auch Koch DB 1982, 1758). Brinkmann Media Perspektiven 1983, 677 ff. (679) spricht von Diversifikation mit Konzentrationstrend. 128 Dazu Koch ZPP 1981, 241. Zu diesen Gemeinschaftsunternehmen im übrigen oben C 4 e.
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fragwürdig129• Erst recht ist mit der Verwendung eines solchen Begriffs noch nicht bejaht, daß der Gesetzgeber mit zureichendem Grund Einschränkungen pressespezifischer Art vornehmen dürfte, die dann unter der förderlichen Flagge der Konzentrationsbekämpfung zu segeln vermöchten - ganz abgesehen von den verfassungsrechtlichen Grenzen auch einer Antikonzentrationsgesetzgebung. h) Allerdings: Die Gesamtfrage könnte anders zu beurteilen sein, bliebe es nicht allein bei dieser Ausdehnung der Presse wie auch sonstiger Privater in das ihr bisher verschlossene Territorium; dann nämlich, wenn eine solche Ausdehnung ihrerseits zu relevanter Zurückdrängung anderer Meinungsträger bzw. -angebote führte oder dazu, daß sich solche anderen Meinungseinflüsse von vornherein nicht zu realisieren, nicht vom Boden zu erheben vermöchten130• Daß tatsächlich Effekte dieser Art in bestimmten Hinsichten eintreten können, wird nicht auszuschließen sein131 • So mag etwa der mögliche Erfolg publizistischen Einsatzes kraft schon gesammelter publizistischer Erfahrung verbunden mit wirtschaftlicher Potenz im privaten Rundfunk gewisse andere Interessenten, die über derartige Qualitäten nicht verfügen, u. U. schon von vornherein entmutigen, sich derartiger Konkurrenz zu stellen. Solche Erscheinungen können durch besondere Umstände, etwa Werbung im Pressebereich des Unternehmens zugunsten seines Rundfunkangebots und umgekehrt, noch verstärkt werden. Möglicherweise werden aber auch umgekehrt verstärkt Chancen genutzt werden - etwa außerhalb professioneller Programme - , die sich durch die verstärkten Individualisierungsmöglichkeiten neu eröffnen. Wie sich die Dinge tatsächlich entwickeln werden, läßt sich nicht sicher prognostizieren. Vermutlich werden sich keine durchwegs einheitlichen Tendenzen ergeben. 129 Daher läßt sich der schon oben (C 3 a) berichtete Vorschlag der Monopolkommission (Sondergutachten aaO, Tz. 21 f.), ein Lizenzverfahren nach Art der Fusionskontrolle durchzuführen, nur mit einer Fiktion des Zusammenschlusses konstruieren (siehe auch Koch DB 1982, 1759). Die Kritik Bullingers AöR 108 (1983), 206 f. an diesem Vorschlag beruht allerdings auf einer Verbindung von Bedenken ausreichender Gesetzgebungskompetenz mit der Erwägung, ob (landes-)gesetzliche Strukturbestimmungen ein marktbeherrschendes Presseunternehmen auf dem Rundfunkmarkt als "tragbar und vielfaltfördernd" erscheinen lassen könnten. Kull AfP 1983, 256 ff. (258) scheint zu befürchten, daß sich in der praktischen Entwicklung der Fiktionscharakter auflöst, d. h. das Ergebnis schon als geltendes Kartellrecht beansprucht wird. 130 Zur Sorge um die Newcomer siehe schon Kübler aaO S. 66 und hierzu kritisch R. Scholz AfP 1983, 264; vgl. auch zur Frage der realen Chancen für Neuverleger (im Pressebereich) Kopper Media Perspektiven 1983, 145 ff. 131 Dazu insbes. auch Bullinger AfP 108 (1983), 181; Mestmäcker, Medienkonzentration, bes. S. 39 ff., 214 ff.
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Aber auch die Gefahr negativer Tendenzen ist für sich allein kein zureichender Grund, um zu dem Groß-Schwerte jener generell wirkenden Inhibierungen zu greifen, die gegenwärtig zu beurteilen sind (stets vorausgesetzt, man bewegt sich nicht in einem Bereiche grundsätzlich ohne weiteres zu realisierender allgemeiner Regelungsbefugnis des Gesetzgebers, sondern ist, wie dargetan, auf konkrete, spezifische Gründe angewiesen, um die betroffenen Teile der Presse aus der J edermannsZugänglichkeit ausscheiden zu dürfen). Das ist darin begründet, daß derartige mögliche Verdrängungseffekte zur normalen Struktur des privaten Marktes gehören - auch, aber nicht nur des Medienmarktes132 • Wollte man dies anders sehen, müßten das gesamte Presse-Verfassungsrecht und auch die sonstigen Verfassungsbereiche privater Medien von Grund auf umgedacht und verändert werden. Daß sich im privaten Medienmarkt das attraktive Angebot durchsetzt, mithin Konkurrenten zurückdrängt oder auch potentielle Konkurrenten von Haus aus entmutigt, ist mit der privatwirtschaftliehen Struktur mitgegeben, mit ihr notwendigerweise verbunden. Wer dies reformieren wollte, müßte an die verfassungsrechtlichen Geborgenheiten dieser Struktur rühren. Die Instrumente des geltenden Wettbewerbsrechts können Ausuferungen begegnen, die Erscheinung selbst aber nicht beseitigen. Wer sie beseitigen wollte, müßte sich zugleich der mannigfaltigen auch positiven Folgen für den Rezipienten bewußt sein, die mit der verstärkten Durchsetzungschance eines Angebots gekoppelt sind, das aus erhöhter publizistischer Erfahrung bzw. verbreiterten finanziellen Mitteln oder sonstigen "Vorsprüngen" potenter Anbieter gespeist wird. Man kann den Rundfunk nicht privatisieren, ohne nicht derartige Erscheinungen, mag man sie begrüßen oder verdammen, zwangsläufig in Kauf zu nehmen. Sie sind keineswegs eine Besonderheit pressemäßiger bzw. pressekonglomerater Betätigung; sie können daher nicht durch pressespezifische, d. h. einseitig nur die Presse belastende gesetzliche Maßnahmen, angemessen bekämpft werden. M. a. W.: Die höchst komplexe Frage, ob die Zulassung einer derartigen privatwirtschaftliehen Medienstruktur im Rundfunk positiv oder negativ zu beurteilen ist, diese Frage hat der Gesetzgeber nicht erst an derjenigen Stelle zu formulieren, an der sich unsere Untersuchung gegenwärtig befindet; er hat sie vielmehr schon auf der Stufe der grundsätzlichen Entscheidung für oder gegen privaten Rundfunk zu formulieren. Man kann privaten Rundfunk nicht haben, ohne gewisse Erscheinungen ertragen zu müssen, die man negativ werten mag und darf, auch wenn sie von anderen - etwa als leistungsangemessenes 1a2 Siehe auch schon Küblers Hinweis auf Abschreckungswirkungen finanzstarker Mischkonzerne aaO S. 21 mit Berufung auf Gutowski, Konglomerate Unternehmensgröße und wirtschaftliche Macht, 1971, bes. S. 19 ff.
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Resultat - gerade positiv gesehen werden und werden dürfen133. Bei der Frage des "Ob überhaupt" des privaten Rundfunks, dort schon ist der maßgebliche Ort, wo sich solche Erwägungen kraft spezifischer öffentlicher Verantwortung des Gesetzgebers für den Rundfunkbereich zum Ausdruck bringen müssen und zwar mit ihren ganzen rechtspolitischen Spielräumen und differenten Bewertungsmöglichkeiten. Ist aber die Entscheidung für den Jedermann-Funk und damit für die privatwirtschaftliche Struktur gefallen, so können nicht spezifische Sektoren von der prinzipiellen Allgemein-Zugänglichkeit mit solchen Gründen ausgenommen werden, die sich auf Umstände beziehen, die für die gesamte privatwirtschaftliche Struktur gelten. i) Hinzu kommt: Im Blick auf verbleibende (wirkliche) Gefahren darf nicht übersehen werden, daß dem Gesetzgeber spezifische Abwehrmöglichkeiten verfügbar sind, ohne zu jener (begrenzten) Generalität greifen zu müssen, wie sie hier zur Rede steht. Wenn oben (B 4 h) im Einklang mit dem Dritten Fernseh-Urteil betont wurde, zwischen Grundrechtseingriff und Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit müsse unterschieden werden, so ist damit zugleich eben jener Raum der Ausgestaltung mithonoriert. Die Institution (begrenzter) Staatsaufsicht etwa, die das Dritte Fernseh-Urteil für privaten Rundfunk sogar für unerläßlich häJt134 , wäre im Terrain freier Presse schwer vorstellbar. Dieser Regelungsbezirk darf nur nicht so weit gefaßt werden, daß er im Effekt die Formen der Grundrechtsbeschränkung mitaufnimmt; eben dies wäre unzulässig. Das ändert aber nichts an der Existenz des Raumes zu legitimer Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit. Zur Verhütung unangemessenen Drucks auf vorhandene oder potentielle Konkurrenten lassen sich in diesem Sinne manche rechtlichen Instrumente vorstellen, die im Milderen verblieben und zugleich nicht nur speziell die Presse belasteten. Speziell wettbewerbliehe Formen werden in ihrer Problematik noch zu berühren sein. Aber auch darüber hinaus entfalten sich - begrenzte - Regelungsräume für den Gesetzgeber. Namentlich sind im Felde des Rundfunks intensivere Einschränkungen und Kanalisierungen der Finanzierungsquellen, insbesondere der kommerziellen Werbung, zulässig als etwa im allgemeinen Pressebereich135. Daß sich eine spezifische gesetzliche Regelung privater Rund133 Dazu mag auch die z. Zt. wohl nur spekulativ zu beantwortende Frage gehören, ob die Entwicklung der neuen Medientechniken bei Privatisierung des Rundfunks mit Beteiligung der Presse eher verlangsamt werden würde (vgl. Mestmäcker, Medienkonzentration aaO S. 216) oder ob diese Wirkung schon angesichts der potentiellen Konkurrenz sonstiger Privater nicht einträte (vgl. Koch AfP 1981, 243). 134 aaO 326. 135 Zur großen Bedeutung der Finanzierungsfragen etwa Bullinger AöR 108 (1983) 207 ff.; H. H. Klein Der Staat 1981, 198 f.; Koch DB 1982, 1761 f. u. a. m.
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funkveranstaltungen in dieser Hinsicht schon "wegen ihrer möglichen Rückwirkungen auf die Programmgestaltung oder auf die Situation anderer Medienträger, besonders der Presse" anbieten mag, deutet das Dritte Fernseh-Urteil selbst als Möglichkeit antaa. Die Frage der genaueren Reichweite dieser Möglichkeiten kann hier allerdings nicht beantwortet werden; sie setzte eine eigene Untersuchung voraus. So muß auch die Frage, ob ein generelles Werbungsverbot, wie Kühler meint137, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, ebenso offen bleiben wie die etwas gewagte These138, die Verfassung fordere mindestens, daß außenpluralistisch organisierter Rundfunk nicht ausschließlich durch Werbeeinnahmen finanziert wird. Einzuräumen ist jedenfalls, daß sich in diesen wie in weiteren Bereichen erhebliche Bewegungsräume gesetzgeberischer Gestaltung finden. Das wird insbesondere dann zu bedenken sein, zieht man das Bukett neuartiger technischer Kommunikationsformen in Betracht, auf das schon hingewiesen worden war. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat schon 1977 ausgesprochen, auch angesichts des Grundrechts privater Meinungsfreiheit sei es "insbesondere das Recht des Gesetzgebers, bei dem Auftreten neuer technischer Formen der Äußerungsmöglichkeiten der besonderen Sachstruktur solcher neuer technischer Formen Rechnung zu tragen und für ihre Nutzung Regeln aufzustellen, die zum gemeinen Besten ... geboten erscheinen" 139• Schließt man sich dem an, so sind auch im übrigen Regelungsspielräume vorhanden, die einen Zugriff auf derart rigide und zugleich nur pressebelastende Schranken, wie sie von Kühler befürwortet werden, erst recht problematisch machen140• 5. Es fragt sich allerdings, ob bzw. wieweit zu diesen Möglichkeiten auch spezifisch wettbewerbsrechtliche Instrumente gehören. Da dieser Fragenkreis zu diffizilen Sonderfragen führt, muß sich die Untersuchung erneut auf mehr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bemerkungen beschränken. tae aaO 324; dazu auch Kübler aaO S. 99. aaO S. 101 zugleich mit Hinweis auf entsprechende Vorschläge der Monopolkommission. Auf den Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit macht andererseits R. Scholz AfP 1983, 265 aufmerksam. Vgl. auch Kohl/Weilbächer ZRP 1981,247. 138 aaO S. 102, zugleich mit Hinweis bes. auf BVerwGE 39, 159 (167). Dazu siehe aber Bullinger aaO 203 f .; Degenhart demnächst in AöR. 139 BayVerfGH n. F. 30, 78 (91); vgl. auch aaO 96 m. w. N. 140 Bullinger AöR 108 (1983), S. 181 sagt daher mit Recht: "Ein zentrales Anliegen der neuen Gesetzgebung für die elektronischen Medien ist es daher, Rahmenbedingungen zu schaffen, die einer solchen übermäßigen Medienkonzentration entgegenwirken, ohne den Zugang der Presseunternehmen auszuschließen und ohne die ökonomischen Realisierungschancen einer Anbieterund Angebotsvielfalt auszuschließen". 137
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a) Kühler erwägt insbesondere, die Regeln des geltenden Wettbewerbsrechts dahingehend zu ergänzen, daß an den Tatbestand der Marktbeherrschung und das Instrumentarium der (Presse-) Fusionskontrolle angeknüpft wird140 •. Damit wird erneut an das Sondergutachten der Monopolkommission141 erinnert, das sich seinerseits dafür aussprach, den Erwerb einer Funklizenz im Wege der Fiktion einem Unternehmenszusammenschluß gleichzustellen (und dadurch der Fusionskontrolle zu unterwerfen). Allerdings hält Kühler diese Möglichkeiten für nicht ausreichend; sie seien mit dem Einwand "spezifischer Regelungsdefizite" konfrontiert142• Eben deshalb schlägt Kühler die erwähnten stringenteren Beschränkungen des Pressezugangs vor. Daher ist es auch nicht unbedenklich, die Erwägungen Kühlers dahin zu kennzeichnen, er votiere nachhaltig für eine wettbewerbsrechtliche Lösung, wie dies R. Scholz143 tut. Gleichwohl scheint Kühler die Möglichkeiten zu wettbewerbsrechtlichen Fortbildungen (zwar als zu schwach, aber doch) als erst recht verfassungskonform zu begreifen. b) Dies führt in das Gehäuse der seit langem umstrittenen Frage, ob bzw. inwieweit das Wettbewerbsrecht in den Dienst (publizistisch-) medienpolitischer Zielsetzungen gestellt werden kann144 ; ob bzw. wieweit "medienpolitische Instrumentalisierung des Kartellrechts" 145 rechtens ist146• aaO S. 103 f. aaO Tz. 22 f.; Kübler aaO S. 104, Anm. 58. 142 aaO S. 104 f. Siehe jetzt auch Brinkmann Media Perspektiven 1983, 677 ff. (680 ff.). 143 R. Scholz AfP 1983, 262. Die von Kübler, wie dargelegt, befürworteten generellen Beschränkungen der Presse können kaum als noch in der Kategorie des Wettbewerbsrechts liegend gedacht werden. Doch mag dies nur ein Streit um Worte sein. 144 Siehe R. Scholz aaO 262 f. Eine Übersicht über frühere Versuche, "den publizistischen Wettbewerb in das Wettbewerbsrecht zu integrieren", bei Koch ZRP 1981, 237 ff. (239); vgl. auch dens. DB 1982, 1759 (bes. zur Verwertung von BGHZ 76, 55 - Eibe Wochenblatt). 145 Terminus von Kloepfer ZHR 1979, 479; aufgenommen etwa von Koch ZRP 1981, 237 ff. (bes. 238); Kohl/Weilbächer ZRP 1981, 248 u. a. m. 148 Dazu neuerdings etwa die Kritik Kochs ZRP 1981, 237 ff. an Mestmäcker, Medienkonzentration aaO und hierzu wiederum kritisch Kohl!Weilbächer ZRP 1981, 243 ff. (247 ff.); ferner etwa Harms AfP 1981, 244 ff.; Kull AfP 1981, 382 f.; Schmitt Glaeser BaWüVBI 1981, 340 f.; R. Scholz AfP 1983, 262 ff., aber auch etwa Hoffmann-Riem in Handb. des Verfassungsrechts, 1983, bes. S. 449 u.a.m. Davon zu trennen ist die mit dem allgemeineren Problem eines Anspruchs auf Privatisierung des Rundfunks zusammenhängende Frage, inwieweit erwerbswirtschaftliche Tätigkeiten im Pressebereich als solche grundrechtsrelevant sind (dazu neuerdings etwa bes. Badura, Verfassungsrechtliche Bindungen der Rundfunkgesetzgebung, 1980; Bethge, Die verfassungsrechtliche Problematik der Zulassung von Rundfunkveranstaltern des Privatrechts, 1981; Hofjmann-Riem RuF 1979, 149 ff.; W. Schmid, Die Rundfunkgewährleistung, 140a 141
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Wie ein Blick auf die Qualität der von Kühler selbst behaupteten, oben C 3 b referierten Gefahren ausweist, liegen diese nur sehr teilweise im Bereich wirtschaftlichen Wettbewerbs; Maßnahmen der von Kühler erwogenen Art sollen sich denn auch verfassungsrechtlich entscheidend durch die rundfunkrechtlichen Möglichkeiten und Verpflichtungen des Art. 5 GG stützen lassen147• Daher ist es nur konsequent, wenn Kühler selbst das von ihm zugleich behauptete Unzureichen der wettbewerbsrechtlichen Möglichkeiten mit der Bindung an die tatbestandliehen Voraussetzungen der Fusionskontrolle begründet, die von punktuellen Modifizierungen abgesehen, "im übrigen auf ausschließlich wirtschaftspolitischen Zweckerwägungen" beruhten148. Der grundsätzliche Streit über die Eignung des Wettbewerbsrechts zu medienpolitischen Zielsetzungen kann hier naturgemäß nicht von neuem ausgetragen werden. R. Scholz hat eindringlich auf die Schwierigkeiten der Gratwanderung hingewiesen, die ein wettbewerbsrechtlich angelegtes und vor allem kartellbehördlich organisiertes Lizenzverfahren zu beschreiten hätte149, von den diffizilen Problemen der Gesetzgebungszuständigkeit150 zu schweigen. An dieser Stelle sei aber hervorgehoben: 6.a) Der Verfasser hat seine Ansicht, was die grundsätzliche Streitfrage anlangt, in mehreren früheren Arbeiten entwickelt151• Hierauf darf verwiesen werden; dies zumal, als eine Diskrepanz mit irgendwelchen Aussagen im Dritten Fernseh-Urteil nicht ersichtlich ist. Legt man daher diesen Standpunkt zugrunde, so dürfte einleuchten, daß gegenüber Fortbildungen des Wettbewerbsrechts im hiesigen Bereich dann und soweit nichts einzuwenden ist, wenn das Wettbewerbsrecht sich darauf beschränkt, etwa neu auftretenden Gefahren für wirksame Bekämpfung wirtschaftlichen Machtmißbrauchs zu begegnen; d. h. auf entsprechende Situationen - auch vorbeugend - zu reagieren, die sich in 1980; Kohl/Weilbächer ZRP 1981, 243 ff. u. a. m.). Vgl. auch Möschel, Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz, 1978. Degen, Pressefreiheit, Berufsfreiheit, Eigentumsgarantie, 1981. m Vgl. Kübler aao s. 74 ff. us Kübler aaO S. 104. Besondere Zweifel, ob der ökonomische Wettbewerb die Befriedigung publizistischer Bedürfnisse sichert, etwa bei HoffmannRiem in Handb. des Verfassungsrechts, 1983, S. 444 u. v. a. m. 149 So auch die Formulierung von R. Scholz aaO 263. 150 Kritisch zu Kübler aaO S. 90 f. und Groß DVBl 1982, 570 Bullinger AöR 108 (1983), 205 ff., (207: "Die Gesetzgebungskompetenz für das Wettbewerbsrecht wird nicht etwa zu einer medienübergreifenden Superkompetenz"); kritisch zur Kompetenzfrage bes. auch R. Scholz aaO 263, 264 f. 151 Vgl. bes. Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, 1971; Kompetenzfragen der Presse-Fusionskontrolle in Mallmann-Festschrift, 1978, s. 179 ff.
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einem neuen wirtschaftlichen Betätigungsfeld ergeben können. Wenn derartige Maßnahmen- etwa im Rahmen der Regelungen zu Werbebeschränkungen - zugleich unvermeidliche publizistische Effekte nach sich ziehen, so kann dies allein noch nicht als verfassungswidrig beurteilt werden - es sei denn, in derartigen Effekten zeigte sich erst die "wahre" Natur der Maßnahme. Die diffizile kompetenzrechtliche Seite wird dabei wie stets außer Betracht gelassen. Anders liegen die Dinge insbesondere aber dann, wenn das Wettbewerbsrecht speziell zur Erzielung publizistischer, d. h. meinungsbezogener (und in diesem engeren Sinne "medienpolitischer152) Zwecke adaptiert werden soll. Von auch hier möglichen zusätzlichen Kompetenzbedenken abgesehen, wäre dies nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1, 2 GG eingehalten werden würden. Kommunikationspolitische Regelungen entziehen sich nicht deshalb Art. 5 GG, weil und soweit sie sich einer wirtschaftsrechtlichen ("kartellrechtlichen") Apparatur bedienen153• Allerdings wird die Frage sehr unterschiedlich beantwortet, was von Art. 5 GG in dieser Richtung noch hingenommen (oder erfordert) wird und was nicht15 4, b) Im vorliegenden Terrain angewandt heißt dies jedenfalls: Die Frage der Vereinbarkeit mit Art. 5 GG wird besonders dann sensibel, wenn die jeweilige Maßnahme bewirkt, daß bestimmte publizistische Stimmen von den Verbreitungsmöglichkeiten des privaten Rundfunks schlechthin ferngehalten werden. Dies muß zumindest im Prinzip Bedenken anfachen. Eine derartige Maßnahme wird in aller Regel als Einbruch in den grundrechtliehen Tatbestand selbst und nicht mehr als bloße Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit gedeutet werden können. Das heißt konkreter, daß derartige Maßnahmen nur unter besonderen Umständen zu rechtfertigen sind; nämlich dann, wenn anders das von der Verfassung -in der Lesart des Dritten Fernseh-Urteils- geforderte Vielfalts- (und Gleichgewichtigkeits-) Gebot nicht zu erreichen ist. Ob dies konstruktiv als Ausfluß der tatbestandliehen Erfordernisse des "allgemeinen" Gesetzes im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG zu denken ist, oder sozusagen direkt aus dem Gesichtspunkt der gebotenen Bewahrung m Der Ausdruck "Medienpolitik" ist schillernd, da er auch in einem weiteren Sinne verstanden werden kann, welcher auch außer-publizistische Inhalte in sich speichert. 153 Lerche, Pressekonzentration aaO, zusammenfassend S. 114, sub 1. m Vgl. etwa so unterschiedliche Deutungen wie P. Ulmer, Schranken zulässigen Wettbewerbs marktbeherrschender Unternehmen, 1977, S. 78 f.; Kull AfP 1974, 634 ff.; Möschel, Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz, 1978, S. 67 ff.; Koch ZRP 1981, 237 ff.; Kohl/Weilbächer ZRP 1981, 248 f. Siehe auch z. B. BGH NJW 1980, 1381 (1383 f .).
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des institutionellen Garantiegehaltes der Grundrechtsnorm (im Sinne einer Mindestverbürgung)155 folgt, dürfte im Ergebnis gleichbleiben. Wichtig ist aber in diesem Zusammenhang, daß das zu gewährende Vielfalts-Cund Gleichgewichtigkeits-) Bild nicht im Sinne irgendwelcher staatlicher Optimalitätsvorstellungen gedacht werden kann, sondern nur im Sinne einer Mindestverbürgung, einer Garantie noch ausreichender Vielfalt und Gleichgewichtigkeit. (Dabei wird man überdies nicht unbesehen von den Verlagsunternehmen als notwendigen Meinungs-Einheiten ausgehen dürfen, sondern auch die mögliche interne Vielfaltsstruktur des Unternehmens - etwa mit verschiedenen publizistischredaktionellen Einheiten- in Rechnung zu stellen haben.) Das ist an anderer Stelle dargelegt und insbesondere angesichts des Einklanges mit dem Dritten Fernseh-Urteil näher begründet worden158• An zentraler Stelle formuliert das Bundesverfassungsgericht, es müsse gewährleistet sein, "daß das Gesamtangebot der inländischen Programme der bestehenden Meinungsvielfalt auch tatsächlich im wesentlichen entspricht". Damit wird ersichtlich keine Optimal-Forderung aufgestellt und auch keine Generalkompetenz zur Optimalität eröffnet - zu schweigen von der Frage, was eine solche Vorstellung überhaupt im einzelnen besagen könnte. Groß hat zwar dieser Deutung Kritik angedeihen lassen157• Er geht indes von der unzutreffenden Vorstellung aus, mit der entwickelten Auffassung würden für den außenpluralen Rundfunk geringere Vielfaltsanforderungen formuliert als für das binnenpluralistische Modell. Das ist ein Mißverständnis. Für die öffentlich-rechtliche Organisationsform stellt sich die Frage nur nicht in dieser Weise, da der Gesetzgeber hier nicht an das Problem stößt, bestimmte private Meinungskundgaben zurückzudrängen, vielmehr die hier einsetzende "steuernde" Kraft des Intendanten (bzw. entsprechender Stellen und Gremien) auf andere Weise eine ausreichend gleichgewichtige Repräsentanz der wesentlichen Meinungsströme herzustellen hat. "Optimale" Meinungsvielfalt kann aber auch hier nicht verlangt werden158• Daß das außenpluralistische Modell von vornherein so gut wie keine Realisierungschancen besäße, wenn man m. E. überspannte Vielfalts155 Dazu vgl. Lerche, Pressekonzentration, zusammenfassend S. 114 f. sub 2-4; vgl. auch meine Arbeit, Verfassunsgrechtliche Aspekte der "inneren Pressefreiheit", 1974. ua NJW 1982, 1676 ff. Siehe auch etwa Bismark AfP 1982, 135 ff. (sub 4). 157 Groß DVBl 1982, 1118 ff. 158 Vgl. schon meine Darlegungen in NJW 1982, 1679, wo ausdrücklich gesagt ist, auch für die Beurteilung des bestehenden öffentlich-rechtlichen Rundfunks könne nicht optimale Vielfalt gefordert werden.
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postulate aufstellte, ist ein zusätzliches Argument. Gewiß ist es richtig, daß kein verfassungsrechtliches Gebot besteht, jedem Organisationsmodell "die gleiche Chance der Verwirklichung einzuräumen" 159• Dem ist zuzustimmen. Etwas anderes ist es aber, dem Bundesverfassungsgericht im Effekt zu unterstellen, bei seiner ausdrücklichen Bejahung des außenpluralistischen Modells habe es gleichzeitig Anforderungen von einer derartigen Intensität aufstellen wollen, die praktisch diesem Modell so gut wie keine Chance lassen. Dies dürfte zu weit gehen. Vor allem läßt sich eine solche Theorie nicht mit dem referierten zentralen Satz des Dritten Fernseh-Urteils in Übereinstimmung bringen, worin nur verlangt wird, daß das Gesamtangebot der inländischen Programme der bestehenden Meinungsvielfalt auch tatsächlich "im wesentlichen" zu entsprechen hat. Den Darlegungen von Groß160 ist nicht zu entnehmen, wie er diesen Hinweis entkräften möchte. Die hier bevorzugte zurückhaltende Deutung des Vielfaltsstandards berührt sich mit der kürzlich von Bullinger aktualisierten Unterstreichung des freien Medien"marktes" im Dritten Fernseh-Urteil. Bullinger sieht darin - in vielleicht etwas zuspitzender Deutung oder Fortentwicklung - eine Absage .an Interpretationen, "anstelle einer freien Meinungsmarktwirtschaft eine planhafte öffentliche Meinungspflege zu setzen, die jeder förderungswürdigen, wenn auch weder durchsetzungskräftigen noch durchsetzungswichtigen Meinung notfalls kompensatorisch das ihr gebührende Gewicht verschaffen müßte" 161• Meinungsmarkt heiße nicht statisch-harmonisches, sondern dynamisch-disharmonisches, kämpferisches Nebeneinander von Meinungen und Meinungsträgern. Nur mit dieser Deutung sieht es Bullinger für möglich an, daß Presseunternehmen im außenpluralen Rundfunk ihren Platz erhalten, "ohne notwendig in eine ihren publizistischen und wirtschaftlichen Funktionsprinzipien fremde Ordnung hineingezwängt zu werden" 162• Allerdings kann dies m. E. nicht heißen, daß auf Gewährleistung der Mindestvielfalt im Ergebnis verzichtet und zu diesem Vielfaltspostulat etwa nur Stimmen gerechnet werden .dürften, die sich effektiv der Möglichkeiten des Rundfunks bedienen. Eine so verstandene Ergebnis-Vielfalt zu bewerkstelligen, ohne Meinungen zu steuern, bildet daher den Kern der praktischen Schwierigkeiten des privatisierten Rundfunks. 1ss Groß aaO 1122. 160
aaO 1122.
Bullinger AöR 108 (1983), 198 gegen Stock, Zur Theorie des Koordinationsrundfunks, 1981, und B . P. Lange, Kommerzielle Ziele und binnenplura161
listische Organisation bei Rundfunkveranstaltern, 1980. 162 aaO 199.
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c) Die Konsequenz dieser Überlegungen geht dahin: Führten wettbewerbsrechtliche Regelungen, die über die (marktbezogene) Bekämpfung wirtschaftlichen Machtmißbrauchs als solchen hinausgingen, dazu, daß auf Meinungskundgabe angelegte Stimmen vom privaten Rundfunk ausgeschlossen werden, so könnte dies nur unter besonderen Umständen gerechtfertigt werden; nämlich dann, wenn dies zur Gewährleistung jener Mindestverbürgung von Meinungsvielfalt - ein Begriff mit notwendig undeutlichen Grenzen - unabdingbar wäre. Die damit verbundene schwierige kompetenzrechtliche Problematik kann hier allerdings nicht verfolgt werden. Gleichmäßige Beschränkungen etwa in der Kanalaufteilung oder bei der Verteilung von Sendezeiten u. ä. 163 wären mit der materiellen Verfassungslage aber ebenso vereinbar wie sonstige Regelungen, die lediglich der "Ausgestaltung" der Rundfunkfreiheit dienten164• Eine nach dieser Grob-Formel unzulässige Einwirkung wird nicht dadurch zu einer zulässigen, oaß sich die Beschränkung in ein wettbewerbsrechtliches Gewand einhüllt. Wenn das Wettbewerbsrecht in den Dienst publizistisch-medienpolitischer Ziele gestellt wird, wird damit der nach Art. 5 Abs. 1, 2 GG sowohl gegebene wie begrenzte Bewegungsraum des Gesetzgebers nicht erweitert. Konkreter gesprochen wird sich insbesondere die Annahme nahelegen, daß wettbewerbsrechtliche Begrenzungen dieser Art dann zu weit gehen, wenn dasselbe Ziel der Bewahrung bzw. Erlangung des gebotenen Vielfaltstandards auf einem Wege erreicht werden kann, den man namentlich bei einigen landesmedienrechtlichen Entwurfskonzeptionen anstrebt. 183 Dazu BVerfGE 57, 295 (325); siehe allerdings auch etwa Hoffmann-Riem RuF 1981, 464; Ricker NJW 1981, 1927. Zum Ausschluß mehrfacher Programmträgerschaft siehe z. B. § 17 des Entwurfs des baden-württembergischen Landesmediengesetzes (in Ring aaO F-VI 1.1.); vgl. auch etwa § 4, Abs. 2 Satz 1 des Entwurfs eines Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes vom 5. 5. 1983 (LT-Drucks. Nr. 10/1120); weitere Hinweise bei Groß Media Perspektiven 1983, 506 ff. (509 f.). 1oc Zur umstrittenen und noch nicht ausgeloteten Problematik der sog. lokalen Alleinstellungszeitungen vgl. etwa Bundeskartellamt, Tätigkeitsbericht 1979/1980, BT-Drucks. IX/565, S. 99 sowie die Hinweise bei Kübler aaO S. 103, Anm. 53, auf Bullinger, Kommunikationsfreiheit aaO S. 97; H. H. Klein, Die Rundfunkfreiheit, 1978, S. 81 ; Kull AfP 1979, 272 f.; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation und Verfassung, 1980, S. 129 f.; siehe ferner bes. Kohl/Weilbächer AfP 1981, 247; Mestmäcker, Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, 1978, 218. Vgl. insbesondere aber auch R. Scholz AfP 1983, 265, der auf Möglichkeiten aufmerksam macht, auch Alleinstellungszeitungen u. U. Zugang zum privaten Rundfunk zu gewähren, sowie Bismark AfP 1982, 135 ff. (sub 2 b und 7); Koch ZRP 1981, 240; Kull AfP 1983, 258 u. a. m. Man wird insbesondere bedenken müssen, ob es sinnvoll erscheinen kann, etwa bei unterstellter Verkabelung einer kleineren Gemeinde deren Alleinstellungszeitung die Hände zu binden, während ein benachbartes großes Blatt, falls die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind, ohne weiteres Zugang erhielte?
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Dieses Grundbild sieht so aus, daß: zum ersten die Zulassung nicht an spezifisch pressebezogene Bedingtheiten gebunden wird; zum zweiten auf die Möglichkeit gesetzt wird, daß sich nach erwarterter Überwindung von Anfangsschwierigkeiten im (voll oder eingeschränkt) außenpluralistischen Modell der gebotene Vielfaltsstandard einstellt; zum dritten aber für Widerrufsmöglichkeiten (und -notwendigkeiten) für den Fall gesorgt wird, daß auch "auf Dauer" das gebotene "Mindestmaß" an außenpluraler Vielfalt nicht hergestellt werden kann165• Dieses Modell erscheint in dieser seiner Grundkonzeption mit dem Dritten Fernseh-Urteil sehr wohl vereinbar, wiewohl hier dasjenige nicht realisiert ist, was Kübler166 zu den verfassungsrelevanten Minimalia rechnet. Dagegen ficht namentlich nicht der Umstand, daß das Dritte Fernseh-Urteil möglicherweise erkennen läßt, das gegenwärtige allgemeine Wettbewerbsrecht genüge in dieser Richtung nicht- dann nämlich, wenn die Formulierung des Gerichts, es könne nicht "mit hinreichender Sicherheit" erwartet werden, daß das Programmangebot in seiner Gesamtheit "kraft der Eigengesetzlichkeit des Wettbewerbs" den Anforderungen der Rundfunkfreiheit entsprechen werde167 , in diesem Sinne gedeutet werden wollte. Auch dies bildet keinen Gegengrund: Mit diesen und mit weiteren Bekundungen des Gerichts ist nichts darüber ausgesagt, daß nur Fortbildungen des Wettbewerbs in der hier interessierenden (also presse-spezifischen) Art den notwendigen gesetzlichen Vorkehrungen entsprächen oder auch nur gewählt werden dürften. Die angeführte Formulierung legt eher die Annahme nahe (ohne sie zwangsläufig zu erfordern), daß die gebotenen gesetzlichen Vorkehrungen anderer als wettbewerbsrechtlicher Art sein sollen. Auch in einem weiteren delikateren Punkt kann das Dritte FernsehUrteil nicht gegen die hier bevorzugte Konzeption ins Feld geführt werden. Das Urteil sagt ausdrücklich: Bei jeder Form der gesetzlichen Ordnung des Rundfunks sei eine vorherige Überprüfung unverzichtbar, ob bei der Aufnahme privater Rundfunkveranstaltungen oder einem Hinzutreten weiterer Veranstalter den dargelegten Anforderungen Genüge getan ist168• Das könnte so gedeutet werden, als müßten bereits bei erster Aufnahme privater Sendungen allen jenen Anforderungen voll entsprochen sein, die für die Dauer an hinreichender Vielfalt und Gleichgewichtigkeit verlangt werden müssen169• Daraus könnte weiter 185 So etwa die Formulierung in § 24 des baden-württembergischen Entwurfs für ein Gesetz über die Neuen Medien (Landesmediengesetz BadenWürttemberg) vom 16. 3. 1982 (abgedruckt etwa in Ring, Deutsches Presseund Rundfunkrecht, sub F-VI 1,1). 188 Siehe bes. aaO S. 108. · 167 aaO 322. 188 aaO 326.
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gefolgert werden, daß doch nur wettbewerbsrechtliche Lizensierungsgestaltungen der hier interessierenden Art übrigblieben, mithin geboten wären. Eine solche mögliche Interpretation überspannt m. E. die Anforderungen. Sie übersieht, daß das Urteil für zeitlich und örtlich begrenzte Versuche dem Gesetzgeber "eine erheblich größere Gestaltungsfreiheit" zugesteht; denn solche Versuche dienen der Aufgabe, Erfahrungen zu gewinnen17•. Daraus läßt sich erkennen, daß bei Veranstaltungen, die in örtlicher und zeitlicher Begrenztheit Anfangsphasen durchlaufen und - wie im vorgestellten Konzept - mit dem Damoklesschwert des Scheiterns versehen werden, wenn sich "auf Dauer" die notwendige Vielfalt und Gleichgewichtigkeit nicht einstellt, daß für derartige Startphasen Erleichterungen im Rahmen des Vernünftigen möglich sein müssen. Das dürfte auch dann gelten, wenn das Gesetz nicht ausdrücklich als Versuchsgesetz (mit wissenschaftlicher Begleitung u. ä. m.) eingeführt wird; denn im Falle der Realisierung der erwähnten Konzeption (Überprüfung nach angemessener Zeit in einem geordneten Verfahren) nimmt der Sache nach die Anfangsphase stets Versuchscharakter an: Stellt sich heraus, daß auf Dauer den Anforderungen nicht Genüge getan werden kann, müssen die Zulassungen widerrufen oder eine sonstige Beendigung der bisherigen Realisation ausgesprochen werden. Auch die örtliche Begrenztheit wird regelmäßig gegeben sein. d) Nach alledem wird man also auch Fortbildungen des wettbewerbsrechtlichen Instrumentariums nicht uneingeschränkt mit einem verfassungsrechtlichen Freizeichen versehen dürfen. Sie sind insoweit skeptisch zu beurteilen, als sie auf ein Fernhalten publizistischer Stimmen hinauslaufen, das nicht durch jene Mindestverbürgung an Vielfalt und Gleichgewichtigkeit erfordert wird, wie sie aus Art. 5 Abs. 1 GG zu entnehmen ist. Dieser Mindestverbürgung läßt sich aber, wie dargetan, auch in anderer, geringer eingreifender und nicht einseitig die Presse belastender Weise entsprechen.
tee Zur Konzeption im niedersächsischen Entwurf, vom binnen- zum außenpluralistischen System überzugehen, vgl. näher Starck JZ 1983, 409 f. 170 aaO 324 unter Hinweis auf BVerfGE 54, 173 (202) m. w. N.
D. Verhot der Presseprivilegierung Das bisherige Gesamtbild setzt allerdings eines voraus. Die Zulassung der Presse zum privaten Rundfunk darf keine ausschließliche sein; sie darf keine Presseprivilegierung umschließen. Auch insoweit, also zu Lasten der Presse, muß sich der struktur-mitgegebene Grundgedanke der Öffnung des Rundfunks gegenüber Privaten durchsetzen, d. h. das Prinzip der Jedermann-Zugänglichkeit. 1. Dagegen kann insbesondere nicht eingewendet werden, die Beteiligung der Presse am privaten Rundfunk könne "einen Ausgleich für die Einbußen schaffen, die ihr durch die Konkurrenz von Rundfunkunternehmen auf den Anzeigenmärkten erwachsen" 171• So rechtspolitisch bedeutsam dieser Konpensationsgedanke ist, so sehr er dazu beitragen mag, die Öffnung des Rundfunkbereichs für die Presse zu legitimieren, so ist seine verfassungsrechtliche Relevanz doch begrenzt. Sowohl Kühler als auch etwa Bullinger112 heben im Einklang mit anderen Stimmen zu Recht hervor, daß ohnehin eine verfassungsrechtliche Bestandsgarantie jedenfalls für einzelne Presseunternehmen nicht existiert; schon von Haus aus könnte daher nur in Betracht kommen, die verfassungsgeborgene sozusagen überindividuelle Funktionsfähigkeit der Presse (in ihrer jeweiligen Dimension) als Institut173 zu bedenken. Dies muß auch geschehen174• Daraus folgt jedoch keine Notwendigkeit und daher auch keine Zulässigkeit definitiver Abschottung des privatisierten Rundfunks gegenüber anderen Bewerbern. Infolgedessen finden hier zwar möglicherweise Werbebeschränkungen, insbesondere zugunsten lokaler Presse, ihren gerechten Platz175 ; auch an andere Sicherungsmaßnahmen läßt sich denken, wie etwa die Einräumung einer Zu diesem Aspekt auch Kübler aaO S. 93. Bullinger AöR 108 (1983), 183 f.; vgl. bes. etwa Mestmäcker, Medienkonzentration aaO, S. 213 f. (vgl. auch S. 152); Bismark AfP 1982, 135 ff. (sub 5 171
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m. w.N.) u . a . m. 173 Vgl. bes. BVerfGE 20, 162 (175 f.) u. a. m. 174 Vgl. auch etwa Anlageband 7 zum Telekommunikationsbericht: Organisation von Breitbandverteilnetzen, 1978, S. 49. Zu gewissen Konsequenzen für das rheinland-pfälzische Versuchsgesetz siehe Lerche NJW 1982, 1682, Anm.55. 175 Insoweit auch etwa Kübler aaO S. 93; siehe auch die Andeutung im Dritten Fernseh-Urteil aaO 324.
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D. Das Verbot der Presseprivilegierung
"presseschonenden Übergangszeit" 176. Ein closed-shop-Bild läßt sich dadurch aber auf die Dauer nicht ermöglichen177. Der Vorstellung einer einseitig pressebegünstigenden Regelung ist umso weniger zu folgen, als es ohnehin jedermann freisteht, ad hoc Presseverleger zu werden und eine definitive Zulassung nur für schon vorhandene Presseunternehmen gewiß unzulässig wäre. 2. Mit diesen Erwägungen sind allerdings gewisse spezifische Regelungen grundsätzlich noch vereinbar, die in landesmedienrechtlichen (Versuchs-)Gesetzen oder Entwürfen zur Diskussion gestellt werden. Diese Regelungen laufen auf eine begrenzte "Privilegierung" solcher privater Bewerber hinaus, die bereits mit Leistungen im Medienbereich hervorgetreten sind. Sie können daher im Effekt zu einer günstigeren Situation für schon vorhandene Verlagsunternehmen beitragen. Zu diesen Regelungen ist zu sagen: Einmal können sie sich dadurch ergeben, daß die Zulassungsbedingung der Zuverlässigkeit178 gekoppelt wird mit bestimmten Mindestkapazitäts-Vorschriften (einschließlich u. U. Betriebspflichten u. ä.). Derartige Konzepte bewegen sich gewissermaßen auf gewerberechtlichneutraler Ebene und zielen lediglich darauf ab, in Gestalt "objektiv sachgerechte(r) und individuell zumutbare(r) Kriterien" allgemeine Zulassungsbedingungen festzusetzen; daß dies reflexiv eine gewisse Begünstigung solcher Bewerber ergeben kann, die schon bisher im Medienbereich Erfahrungen sammeln konnten, ist daher nicht zu beanstandent79. Etwas delikater liegen die Dinge dann, wenn gesetzlich gefordert wird, der Veranstalter soll ein professionellen Ansprüchen genügendes Programm erwarten lassen180. Ein solcher Grundsatz darf jedenfalls nicht im Sinne der Privilegierung bestimmter publizistischer RichtunBullinger aaO 184. Deutlich auch Bullinger aaO 182 ff. 178 Vgl. z. B. § 14 Abs. 3 Nr. 3 des rheinland-pfälzischen Versuchs-Gesetzes (GVBl 1980, 229); vgl. auch etwa § 20 des baden-württembergischen Entwurfs (in Ring aaO F-VI 1.1). 179 Siehe schon Lerche NJW 1982, 1682. t8o Vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 des niedersächsischen Entwurfs vom 5. 5. 1983 (LTDrucks. Nr. 10/1120); vgl. hierzu Starck JZ 1983, 410 f.; kritisch Bulli nger aaO 185, Anm. 85, vgl. aber auch Anm. 83 sowie etwa Groß Media Perspektiven 1983, 508. Zum Vorläufer dieser Bestimmung, dem § 7 Satz 2 Nr. 4 des niedersächsischen Entwurfs vom 25. 10. 1982 (in Ring aaO F-VI 7.1), vgl. etwa Kull AfP 1983, 257 f. ("verdecktes Verlegerprivileg"). 11o
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Anders gelagert sind die Fragen, ob ein "Verlegerprivileg für Programminformationen" (so der Terminus in der Kritik Hoffmann-Riems an R . Scholz, Rundfunkeigene Programmpresse, 1982) besteht; darauf kann hier nicht eingegangen werden.
D. Das Verbot der Presseprivilegierung
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gen, müßte also ebenfalls in der Sphäre des Meinungsneutralen gedeutet werden. Er kann auch nicht als "verschleiertes Verlegerprivileg" 181 zu einem definitiven Ausschluß anderer Bewerber führen, sondern wäre nur dann haltbar, wenn sich eine solche Vorschrift als notgedrungene Auswahlregelung für eine (versuchsweise) Übergangszeit verstehen läßt1 B2• Eine Abdichtung vor späterer pressefremder privater Konkurrenz kann damit jedenfalls auf die Dauer nicht bewirkt werden183 • Auch in dieser Richtung, d. h. zu Lasten der Presse, gilt also der Satz, daß mit der Entscheidung, den Rundfunk für den privaten Bereich zu öffnen, notwendig die Konsequenz verbunden ist, grundsätzlich allen Meinungen, die auf Kundgabe angelegt sind, den Zutritt zu ermöglichen.
So Groß aaO 508. Ähnlich, aber noch zurückhaltender Bullinger aaO 184 f ., auch für die neuartigen elektronischen Medien; vgl. auch aaO 201 f. 183 Zum etwas anders gelagerten sog. Monrepos-Vertrag siehe den neuesten Situationsbericht in Media Perspektiven 1983, 673. Zu den Lokalfunkversuchen siehe in diesem Zusammenhang Bullinger aaO 172 f. mit weiteren Angaben, auch 186 mit Anm. 87. 181 182