Planck's Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch: Band 1 Allgemeiner Teil (§§ 1–240) [4., völlig neu bearb. Auflage. Reprint 2020] 9783112364628, 9783112364611


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German Pages 671 [678] Year 1913

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Planck's Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch: Band 1 Allgemeiner Teil (§§ 1–240) [4., völlig neu bearb. Auflage. Reprint 2020]
 9783112364628, 9783112364611

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Planck s Kommentar zum

Bürgerlichen Gesetzbuch nebst Einführungsgesetz. Lerausgegeben von

Dr. E. Strohal, ordentlicher Professor in Leipzig,

in Verbindung mit

Dr. F. Andre, ord. Professor,

M. Greiff,

Dr. P. Knoke,

OberlandeSgerichtSrat und LilfSrichter am Reichsgericht,

Dr. A. Mendelssohn Bartholdy,

Wirkt. Geh. Ober-Iusti-rat, ord. Lonorar-Professor, Oberlandesgerichtspräsident,

Dr. H. Siber, ord. Professor,

Dr. F. Flad,

E. Brodmann, ReichSgerichtSrat,

Dr. O. Strecker, Reichsgerichtsrat,

ord. Professor,

Dr. K. v. Llnzner, Senatspräsident.

I. Band. Allgemeiner Teil (§§ 1—240).

Vierte, völlig neu bearbeitete Auflage.

Berlin 1913. Z. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, G. m. b. &>.

Vorwort zur ersten Auflage. Am 1. Januar 1900 tritt das Bürgerliche Gesetzbuch in Kraft. Deutsch­ land erhält dadurch ein einheitliches bürgerliches Recht. Je größer die nationale

und rechtliche Bedeutung dieser Errungenschaft ist, um so mehr kommt es darauf an, daß das Gesetzbuch kein toter Buchstabe bleibt, sondern in das lebendige Rechts­ bewußtsein des Volkes übergeht. Erst dadurch wird es wirklich deutsches Recht. Aufgabe der Wissenschaft und Praxis ist es, die Einführung des Gesetzes in das Leben des Volkes zu vermitteln. Die deutschen Juristen haben niemals eine größere und wichtigere, niemals aber auch eine schwierigere Aufgabe gehabt. Alle müssen dazu mitwirken, das große Ziel zu erreichen. Einen Beitrag dazu soll das vor­ liegende Werk liefern, zu welchem die Verfasser dadurch berufen zu sein glauben, daß zwei von ihnen an den Arbeiten beider Kommissionen, die übrigen vier an den Arbeiten der zweiten Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs des Bürger­ lichen Gesetzbuchs teilgenommen haben. Es handelt sich nicht um eine wissenschaftliche Bearbeitung des neuen Rechtes. Hierzu dürfte der Zeitpunkt noch nicht gekommen sein. Das vorliegende Werk hat sich eine bescheidenere Aufgabe gestellt. Es will in der Form des Kommentars die Einführung des Gesetzbuchs in die Praxis erleichtern. Dabei handelt es sich nicht allein darum, den Sinn der einzelnen Vorschriften zu erläutern, vielmehr sollen die leitenden Gedanken hervorgehoben und der innere Zusammenhang der einzelnen Vorschriften und ihr Verhältnis zueinander klargelegt werden. Für das richtige Verständnis eines Gesetzes sind zwei Momente von entscheidender Be­ deutung. Es sind dies einerseits der wirtschaftliche und soziale Zweck, den des Gesetz verfolgt, und andererseits die technisch-juristtschen Mittel, welche zur Erreichung des Zweckes angewandt werden. Diese beiden Momente möglichst klarzulegen, wird daher zu den wesentlichsten Aufgaben des vorliegenden Werkes gehören. Auf die geschichtliche Entwickelung des bisherigen Rechtes, als deren Abschluß das Bürger­ liche Gesetzbuch erscheint, näher einzugehen, verbietet der Zweck und die Form des Kommentars; doch ist, soweit tunlich, auf das Verhältnis des Bürgerlichen Gesetz­ buchs zu dem bisherigen Rechte, insbesondere zu der gemeinrechtlichen Theorie, hingewiesen worden. Um die selbständige Prüfung und die wissenschaftliche Be­ arbeitung der einzelnen Fragen zu erleichtern, werden bei jedem Paragraphen die betreffenden Paragraphen der verschiedenen Entwürfe, die Seiten der Protokolle erster und zweiter Lesung, der Motive des ersten Entwurfs, der Denkschrift zu dem dem Reichstage vorgelegten Entwürfe, des Berichts der Reichstagskommission und des stenographischen Berichts über die Verhandlungen des Reichstags an­

gegeben.

IV

Vorwort zur ersten und dritten Auflage.

Das Werk zerfällt in sechs Teile, von denen die ersten fünf den fünf Büchern des Gesetzbuchs entsprechen, während der sechste Teil das Einführungsgesetz be­ handelt. Eine kurze Einleitung ist vorausgeschickt. Mit der letzten Lieferung jedes Teiles wird ein Inhaltsverzeichnis desselben, mit der letzten Lieferung des ganzen Werkes ein alphabetisches Sachregister ausgegeben werden. Die spezielle Bearbeitung des Stoffes ist in folgender Weise unter die Ver­ fasser verteilt: Der Herausgeber hat die Einleitung, das erste Buch und die sechs ersten Abschnitte des zweiten Buches sowie die damit im Zusammenhänge stehenden Artikel des Einführungsgesetzes übernommen, Herr Amtsrichter Greiff bearbeitet die ersten drei Titel, Herr Professor Dr. Andrs die übrigen zweiundzwanzig Titel des siebenten Abschnitts des zweiten Buches; Herr Reichsgerichtsrat Dr. Achilles und Herr Amtsrichter Greiff haben das dritte Buch, Herr Staatsanwalt Dr. Unzner hat das vierte Buch, Herr Gerichtsaffeffor Ritzen das fünfte Buch übernommen. Jeder der Herren wird zugleich die seinen Teil betreffenden Artikel des Einführungsgesetzes bearbeiten; im übrigen hat Herr Professor Andrä das Einführungsgesetz übernommen. Infolge dieser Teilung der Arbeit wird eine Verschiedenheit des Stiles und der Art der Darstellung nicht ganz zu vermeiden sein. Die sachliche Einheitlichkeit des ganzen Werkes wird aber durch die unter den Verfassern getroffene Verein­ barung und die dem Herausgeber obliegende Leitung des Unternehmens gesichert.

Göttingen, im Februar 1897.

Der Herausgeber.

Vorwort zur dritten Auflage. Die in dem Vorworte zur ersten Auflage hervorgehobenen allgemeinen Gesichts­ punkte sind auch bei der dritten Auflage leitend gewesen. Eine wesentliche Er­ weiterung hat das Werk in der dritten Auflage durch die tunlichst vollständige Berücksichtigung der inzwischen erschienenen Literatur und der bisherigen Recht­ sprechung erfahren. Bei der Erörterung der einzelnen Fragen sind indessen, um Raum zu ersparen, nicht immer alle Schriftsteller, die sich über die betreffenden Fragen ausgesprochen haben, und nur ausnahmsweise diejenigen Schriftsteller zitiert, welche mit der in dem Kommentare vertretenen Ansicht übereinstimmen. Dissertationen sind regelmäßig nicht zitiert. In dem Quellenverzeichnisse sind die Seiten der Protokolle der zweiten Kommission nicht mehr nach den metallographierten, sondern lediglich nach den gedruckten Protokollen zitiert. Von den Verfassern der bisherigen Auflagen ist Herr Reichsgerichtsrat Achilles durch den Tod', Herr Landrichter Ritzen infolge von Überhäufung mit Berufsgeschäften ausgeschieden. An die Stelle des ersteren ist Herr Landrichter Strecker, an die Stelle des letzteren Herr Geheimer Hofrat Professor Dr. Strohal

IV

Vorwort zur ersten und dritten Auflage.

Das Werk zerfällt in sechs Teile, von denen die ersten fünf den fünf Büchern des Gesetzbuchs entsprechen, während der sechste Teil das Einführungsgesetz be­ handelt. Eine kurze Einleitung ist vorausgeschickt. Mit der letzten Lieferung jedes Teiles wird ein Inhaltsverzeichnis desselben, mit der letzten Lieferung des ganzen Werkes ein alphabetisches Sachregister ausgegeben werden. Die spezielle Bearbeitung des Stoffes ist in folgender Weise unter die Ver­ fasser verteilt: Der Herausgeber hat die Einleitung, das erste Buch und die sechs ersten Abschnitte des zweiten Buches sowie die damit im Zusammenhänge stehenden Artikel des Einführungsgesetzes übernommen, Herr Amtsrichter Greiff bearbeitet die ersten drei Titel, Herr Professor Dr. Andrs die übrigen zweiundzwanzig Titel des siebenten Abschnitts des zweiten Buches; Herr Reichsgerichtsrat Dr. Achilles und Herr Amtsrichter Greiff haben das dritte Buch, Herr Staatsanwalt Dr. Unzner hat das vierte Buch, Herr Gerichtsaffeffor Ritzen das fünfte Buch übernommen. Jeder der Herren wird zugleich die seinen Teil betreffenden Artikel des Einführungsgesetzes bearbeiten; im übrigen hat Herr Professor Andrä das Einführungsgesetz übernommen. Infolge dieser Teilung der Arbeit wird eine Verschiedenheit des Stiles und der Art der Darstellung nicht ganz zu vermeiden sein. Die sachliche Einheitlichkeit des ganzen Werkes wird aber durch die unter den Verfassern getroffene Verein­ barung und die dem Herausgeber obliegende Leitung des Unternehmens gesichert.

Göttingen, im Februar 1897.

Der Herausgeber.

Vorwort zur dritten Auflage. Die in dem Vorworte zur ersten Auflage hervorgehobenen allgemeinen Gesichts­ punkte sind auch bei der dritten Auflage leitend gewesen. Eine wesentliche Er­ weiterung hat das Werk in der dritten Auflage durch die tunlichst vollständige Berücksichtigung der inzwischen erschienenen Literatur und der bisherigen Recht­ sprechung erfahren. Bei der Erörterung der einzelnen Fragen sind indessen, um Raum zu ersparen, nicht immer alle Schriftsteller, die sich über die betreffenden Fragen ausgesprochen haben, und nur ausnahmsweise diejenigen Schriftsteller zitiert, welche mit der in dem Kommentare vertretenen Ansicht übereinstimmen. Dissertationen sind regelmäßig nicht zitiert. In dem Quellenverzeichnisse sind die Seiten der Protokolle der zweiten Kommission nicht mehr nach den metallographierten, sondern lediglich nach den gedruckten Protokollen zitiert. Von den Verfassern der bisherigen Auflagen ist Herr Reichsgerichtsrat Achilles durch den Tod', Herr Landrichter Ritzen infolge von Überhäufung mit Berufsgeschäften ausgeschieden. An die Stelle des ersteren ist Herr Landrichter Strecker, an die Stelle des letzteren Herr Geheimer Hofrat Professor Dr. Strohal

getreten. Die in dem Vorworte zur ersten Auflage angegebene Verteilung des Stoffes unter die Verfasser, welche schon in den bisherigen Auflagen die in den Vorworten zum dritten, fünften und sechsten Bande angegebenen Änderungen er­

fahren hatte, ist für die dritte Auflage in folgender Weise erfolgt: Den ersten Band hat der Herausgeber bearbeitet. Von dem zweiten Bande hat der Herausgeber die ersten sechs Abschnitte, Herr Geheimer Justizrat Greiff die ersten drei Titel, Herr Professor Andrs die übrigen Titel des siebenten Abschnitts übernommen. In dem dritten Bande wird die Einleitung, der zweite Abschnitt, der erste Titel des dritten Abschnitts, der vierte, sechste, siebente und achte Abschnitt von Herrn Landrichter Strecker, der erste Abschnitt, der dritte und vierte Titel des dritten Abschnitts, der zweite Titel des fünften Abschnitts und der neunte Abschnitt von Herrn Geheimen Justizrat Greiff, der zweite und fünfte Titel des dritten Abschnitts, sowie der erste und dritte Titel des fünften Abschnitts von dem Herausgeber bearbeitet. Die Bearbeitung des vierten Bandes ist von Herrn Oberregierungsrat Unzner, die Bearbeitung des fünften Bandes ist von Herrn Professor Strohal übernommen. Von dem sechsten Bande werden die sich speziell auf das Sachenrecht und das Familienrecht be­ ziehenden Artikel durch Herrn Oberregierungsrat Unzner, der übrige Teil von dem Herausgeber bearbeitet. Das Register hat Herr Oberamtsrichter Jatzow übernommen.

Göttingen im August 1903.

Der Herausgeber.

Vorwort zur vierten Auflage. Am 28. Mai 1910 ist Gottlieb Planck im fast vollendeten 86. Jahre seines arbeitsreichen und erfolggekrönten Lebens gestorben. Er war ein hochgesinnter Mann, ein Charakter von idealer Lauterkeit und Selbstlosigkeit, ein großer Patriot und ein hervorragender Jurist. Schon in jungen Jahren erfüllte ihn die Sehn­ sucht nach der Einigung des zerrissenen Vaterlandes und gab er seinen politischen Überzeugungen freimütigen Ausdruck. Für sie hat er in feiner vornehmen Weise

gestritten und als ihr Bekenner auch gelitten. In seiner Vollkraft durfte er die glorreiche Erneuerung von Kaiser und Reich erleben, und es war ihm eine stolze Freude, bald darauf zur Mitarbeiterschaft an dem großen Gefetzgebungswerke be­ rufen zu werden, das uns die Einheit auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts schaffen sollte. Er war zu dieser Aufgabe durch vieljährige Vorstudien, durch seine Kenntnis sowohl des gemeinen Rechts als auch der partikularen Gesetz­ gebungen und durch reiche praktische Erfahrung besonders berufen. In den Kom­ missionen fiel ihm alsbald die Führerstellung zu. Der damals schon fast Erblindete errang sie — ohne sie auch nur im entferntesten angestrebt zu haben — durch

getreten. Die in dem Vorworte zur ersten Auflage angegebene Verteilung des Stoffes unter die Verfasser, welche schon in den bisherigen Auflagen die in den Vorworten zum dritten, fünften und sechsten Bande angegebenen Änderungen er­

fahren hatte, ist für die dritte Auflage in folgender Weise erfolgt: Den ersten Band hat der Herausgeber bearbeitet. Von dem zweiten Bande hat der Herausgeber die ersten sechs Abschnitte, Herr Geheimer Justizrat Greiff die ersten drei Titel, Herr Professor Andrs die übrigen Titel des siebenten Abschnitts übernommen. In dem dritten Bande wird die Einleitung, der zweite Abschnitt, der erste Titel des dritten Abschnitts, der vierte, sechste, siebente und achte Abschnitt von Herrn Landrichter Strecker, der erste Abschnitt, der dritte und vierte Titel des dritten Abschnitts, der zweite Titel des fünften Abschnitts und der neunte Abschnitt von Herrn Geheimen Justizrat Greiff, der zweite und fünfte Titel des dritten Abschnitts, sowie der erste und dritte Titel des fünften Abschnitts von dem Herausgeber bearbeitet. Die Bearbeitung des vierten Bandes ist von Herrn Oberregierungsrat Unzner, die Bearbeitung des fünften Bandes ist von Herrn Professor Strohal übernommen. Von dem sechsten Bande werden die sich speziell auf das Sachenrecht und das Familienrecht be­ ziehenden Artikel durch Herrn Oberregierungsrat Unzner, der übrige Teil von dem Herausgeber bearbeitet. Das Register hat Herr Oberamtsrichter Jatzow übernommen.

Göttingen im August 1903.

Der Herausgeber.

Vorwort zur vierten Auflage. Am 28. Mai 1910 ist Gottlieb Planck im fast vollendeten 86. Jahre seines arbeitsreichen und erfolggekrönten Lebens gestorben. Er war ein hochgesinnter Mann, ein Charakter von idealer Lauterkeit und Selbstlosigkeit, ein großer Patriot und ein hervorragender Jurist. Schon in jungen Jahren erfüllte ihn die Sehn­ sucht nach der Einigung des zerrissenen Vaterlandes und gab er seinen politischen Überzeugungen freimütigen Ausdruck. Für sie hat er in feiner vornehmen Weise

gestritten und als ihr Bekenner auch gelitten. In seiner Vollkraft durfte er die glorreiche Erneuerung von Kaiser und Reich erleben, und es war ihm eine stolze Freude, bald darauf zur Mitarbeiterschaft an dem großen Gefetzgebungswerke be­ rufen zu werden, das uns die Einheit auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts schaffen sollte. Er war zu dieser Aufgabe durch vieljährige Vorstudien, durch seine Kenntnis sowohl des gemeinen Rechts als auch der partikularen Gesetz­ gebungen und durch reiche praktische Erfahrung besonders berufen. In den Kom­ missionen fiel ihm alsbald die Führerstellung zu. Der damals schon fast Erblindete errang sie — ohne sie auch nur im entferntesten angestrebt zu haben — durch

VI

Vorwort zur vierten Auflage.

bewundernswerte Beherrschung und geistige Durchdringung des gewaltigen Stoffes, durch seine großzügige Sachlichkeit und Freiheit von jedem Unfehlbarkeitsdünkel, durch die Raschheit seiner Auffassung und die durchsichtige Klarheit seiner stets dem Wesentlichen zugewandten, Gründe und Gegengründe sorgfältig abwägenden Rede. Wenn man Gottlieb Planck hier und da als Schöpfer des BGB. bezeichnen zu dürfen glaubte, so lag darin eine Verkennung des wirklichen Sachverhalts. Er selbst hat daher auch diese Bezeichnung immer mit Entschiedenheit abgelehnt. Das BGB. ist überhaupt nicht die Schöpfung eines einzelnen, sondern aus dem Zusammenarbeiten aller Mitglieder der ersten und zweiten Kommission entstanden, von denen fast jedes ein wesentliches Stück zum Gelingen des Werkes beigetragen hat. Ja noch mehr, wertvolle Mitarbeit haben auch diejenigen geleistet, welche an den Entwürfen fruchtbare und von der zweiten Kommission mit bemerkens­ werter Unbefangenheit berücksichtigte Kritik übten. Wenn auch nicht Schöpfer des BGB., so war Gottlieb Planck doch der einflußreichste Mitarbeiter am BGB., derjenige, welchem wir dessen glückliche Vollendung vor allen anderen zu verdanken haben. Gleich Thibaut, aber in einer für die Kodisikation günstigeren Zeit, erblickte er in dem endlichen Abschluß des Rezeptionsprozesses und in der Beseitigung des verkehrsschädlichen Rechtspartikularismus eine der wichtigsten Aufgaben der inneren Einigung der Nation; ihr hatte er sich ganz ergeben. Er war erfüllt von dem unerschütterlichen Glauben an das Gelingen und von dem starken Mute des Vollbringens. Das nicht ge­ ringe Maß der schon von vornherein vorhandenen und immer sich erneuernden Schwierigkeiten ließ ihn ebensowenig wanken und schwanken als die Flut der nach Veröffentlichung des ersten Entwurfs hereinbrechenden Kritik. Den Blick auf das hohe Ziel gerichtet, frei von jeder persönlichen Empfindlichkeit, sachlichen Erwäg­ ungen immer zugänglich und jederzeit bereit, eine von ihm bisher vertretene Meinung zu überprüfen und sich durch durchschlagende Gründe überzeugen zu lassen, betrachtete er es als die Aufgabe der zweiten Kommission den als Grund­ lage beizubehaltenden ersten Entwurf einer tiefgehenden Umarbeitung zu unter­ ziehen und hierdurch möglichst brauchbar zu gestalten. Nur auf diesem Wege konnte das Werk, dessen Fertigstellung sonst vielleicht ad Calendas Graecas ver­ tagt worden wäre, noch vor Ablauf des vorigen Jahrhunderts glücklich zustande gebracht werden. Uber die Art der von Planck in den beiden Kommissionen entfalteten Wirk­ samkeit bestehen zum Teil unrichtige Vorstellungen. Wie jeder Mensch ist auch der Jurist ein Kind seiner Zeit. So konnte auch Planck nicht verleugnen, daß er aus der strengen Schulung starrer Pandektendoktrin hervorgegangen war. Er strebte aber schon frühzeitig aus diesem für das moderne Recht zum Teil wenig ergiebigen Bereich hinaus und war vor der Einseitigkeit anderer sowohl durch seinen praktischen Beruf als auch durch seine Kenntnis des partikularen Rechts geschützt. Nach dem Zeugnis eines ausgezeichneten Mitglieds der zweiten Kommission, des gegenwärtigen Oberlandesgerichtspräsidenten in Dresden Dr. Börner, Exzellenz, der der ersten Kommission als Schriftführer angehört hatte und dessen Güte ich die Einsicht in ein von ihm verfaßtes und dem Biographen Gottlieb Plancks (Herrn Geh. Justizrat Prof. Dr. Frensdorfs in Göttingen) zur Verfügung gestelltes Manuskript verdanke, war es gerade Planck, der in der

ersten Kommission der rein theoretischen Richtung Windscheids gegenüber die Bedürfnisse des Lebens und die gerechten Forderungen des Verkehrs zur Geltung zu bringen suchte und deren gebührende Berücksichtigung nicht selten siegreich durchsetzte. Auf dem hierdurch bezeichneten Wege ist dann die zweite Kommission mutig fortgeschritten. Ein völlig mangelsteies Werk ist das BGB. trotzdem nicht geworden und konnte es nicht werden. Wie es an der Wende zweier Jahr­ hunderte steht, so steht es zugleich am Wendepunkt zweier juristischer Entwicklungs­ reihen. Unzweifelhaft finden wir im BGB. noch deutliche Spuren einer nicht überwundenen Formaljurisprudenz. Sie bereiten aber der gesunden Fortbildung kein ernstes Hindernis, wenn wir dem großen Zuge der schon im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts einsetzenden Entwicklung folgen, der sich auch die Gesetz­ gebungskommissionen weder entziehen konnten noch wollten, und die das heuttge Juristengeschlecht zur Reife zu bringen hat. Nachdem die gesetzgeberische Arbeit getan war, wurde Gottlieb Planck, durch sein ehrwürdiges Alter und wegen seines durch inneres Schauen wettgemachten körperlichen Gebrechens dem blinden griechischen Sänger vergleichbar, indem er in Verbindung mit mehreren jüngeren Mitarbeitern den Kommentar zum BGB. herausgab, der erste wissenschaftliche Verkünder des neuen Rechts. Er schuf damit ein nicht nur überaus nützliches, sondern auch — man darf es getrost sagen — geradezu notwendiges Werk. Den reichen Inhalt des Gesetzes entwickelnd hat es dessen Anwendung wesentlich erleichtert und dessen wissenschaftliche Behandlung in Fluß gebracht; vielfach ist es führend gewesen und geblieben, überall hat es klärend und fördernd gewirkt. Zur Zeit des Erscheinens der ersten beiden Auflagen des Kommentars waren Schrifttum und Rechtsprechung zum BGB. nur in relattv geringem Maße vorhanden. In der dritten — schon längst vergriffenen — Auf­ lage, besonders in deren späteren Bänden, war beides bereits reichlich verwertet. Vorbereitungen für die vierte Auflage hatte Planck noch selbst getroffen. Es war ihm aber nicht mehr beschieden, ihr Erscheinen zu erleben. Auf Wunsch des Verewigten und im Einverständnis mit den Herren Mitarbeitern hat der Unter­ zeichnete die Herausgeberschaft übernommen, nicht mit leichtem Herzen und im Bewußtsein der vorhandenen Schwierigkeiten. Klar war vor allem, daß der Kommentar nach dem Tode seines Schöpfers seinen bisherigen Charakter wesentlich verändern mußte. Für die ersten drei Auf­ lagen hatte Planck wichttge Teile des Gesetzes selbst bearbeitet. Seine Autorität deckte aber auch das ganze Werk, und er ließ seine gewichtige Stimme selbst in den von ihm nicht bearbeiteten Teilen dort deutlich vernehmen, wo er gegen die vom Bearbeiter festgehaltene Auffassung Bedenken hegte. Die vierte Auflage knüpft zwar an die früheren Auflagen an, sucht aber selbständig auf- und aus­ zubauen und stellt sich zugleich auch neue Aufgaben. Jeder der Herren Mit­ arbeiter steht auf eigenen Füßen und vertritt lediglich seine Ansicht. Ungeachtet des selbstverständlichen Bestrebens, gegensätzliche Auffassungen nach Möglichkeit auszugleichen, ist es doch keinem der Herren Mitarbeiter zugemutet worden, seine Überzeugung zu verleugnen oder sich auch nur durch eine einer abweichenden

Meinung Raum gebende Redaktionsbemerkung glossieren zu lassen. Für die vierte Auflage hatte noch Planck selbst ein umfangreiches, von seiner edlen Frau und Helferin geschriebenes, von großer Geistesfrische zeugendes und wertvolle, neue Gesichtspunkte enthaltendes Manuskript zum Allgemeinen Teil

VIII

Vorwort zur vierten Auflage.

des Gesetzbuchs beigesteuert. Da es der Verfasser selbst für noch ergänzungs­ bedürftig gehalten hatte, so ist es von den Herren Prof. Dr. Knoke, Reichs­ gerichtsrat Dr. Strecker und Oberlandesgerichtsrat Dr. Flad, nach Maßgabe der für die vierte Auflage für richtig erachteten Grundsätze umgearbeitet und insbesondere durch eingehende Berücksichttgung der Literatur und Praxis noch erheblich erweitert worden. Eine scharfe Sonderung zwischen den von Planck selbst herrührenden Ausführungen und denen der Herren Bearbeiter, die sich nicht immer und überall den im Manuskripte Plancks niedergelegten Anschauungen anzuschließen vermochten, erwies sich als undurchführbar. Die Anteile der Herren Bearbeiter an dem nunmehr vollständig vorliegenden I. Bande ergeben sich aus der Bogennorm, sollen aber hier noch ausdrücklich festgestellt werden. Die Ein­ leitung, die Bestimmungen über natürliche und juristische Personen und dann wieder die §§ 186 bis 240 sind von Herrn Prof. Dr. Knoke, die Vorschriften über die Sachen von Herrn Reichsgerichtsrat Dr. Strecker und der umfangreiche Abschnitt über die Rechtsgeschäfte von Herrn Oberlandesgerichtsrat Dr. Flad bearbeitet worden. Wie für den I. Band sind auch für die weiteren Bände zu den bereits vor­ handenen neue Mitarbeiter gewonnen worden. Unter jenen vermissen wir ungern den bereits zur Zeit der Vorbereitung der dritten Auflage aus unserer Reihe ausgeschiedenen Herrn Kammergerichtsrat Ritzen, der für die ersten beiden Auf­ lagen die wertvoll gebliebene und daher auch noch in der vierten Auflage des V. Bandes zu verwertende Darstellung des Erbrechts geliefert hatte. Dem L Bande wird demnächst die erste Hälfte des II. Bandes, enthaltend den Allgemeinen Teil des Schuldrechts aus der Feder des Herrn Prof. Dr. Siber folgen. Der zweite Teil dieses Bandes und die weiteren Bände sind bereits so weit vorbereitet, daß ihr baldiges Erscheinen in Aussicht gestellt werden kann. Zum Schluß noch ein Wort über die in der vierten Auflage des Kommentars verfolgten Ziele. Sie soll würdig des Namens sein, den dieser fortdauernd trägt, über das, was die früheren Auflagen boten, aber erheblich hinausführen. Dem Leben und der Praxis soll sie vor allem dienen, auf wissenschaftlichen Charakter aber nicht verzichten. Sie soll nicht eine bloße Materialiensammlung sein, sondern den Stoff in geistiger Verarbeitung darbieten, nicht an der Oberfläche bleiben, sondern in die Tiefe gehen, dem Gesetze gerecht werden, von bloßer Buchstaben­ gläubigkeit und formalistischer Behandlung sich aber frei halten und überall nach sachlich befriedigenden Lösungen ringen. Wir hoffen, daß das Geleistete nicht allzuweit hinter dem Erstrebten zurückbleiben werde.

Bad Gastein, Ende August 1913.

Dr. Emil Strohal,

Professor in Leipzig.

Inhaltsverzeichnis des ersten Bandes. Seite

I. Der Rechtszustand vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs .... II. Die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und der Nebengesetze....................... III. Änderungen und Ergänzungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs und der Nebengesetze. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X.

XIX XXII

— Möglichkeit zukünftiger Abänderung durch Gewohnheitsrecht.......................... XXXVII Inhalt des Bürgerlichen Gesetzbuchs.............................................................................. XXXIX Auslegung des Bürgerlichen Gesetzbuchs.......................................................................... XLIV Technische Behandlung des Stoffes................................................................................... XLVI Ergänzung des Bürgerlichen Gesetzbuchs.......................................................................... LVIII Recht im subjektiven Sinne.................................................................................. ; . . LXI Literatur............................................................................................................................... LXII Rechtsprechung...................................................................................................................... LXV

Erstes Buch.

Allgemeiner Teil. Vorbemerkungen...........................................................................................................................................

3

Erster Abschnitt.

Personen. Vorbemerkungen...........................................................................................................................................

5

Erster Titel.

Natürliche Personen. Vorbemerkungen........................................................................................................................................... 5 § 1 Rechtsfähigkeit............................................................................................................................... 9 § 2 Volljährigkeit........................................................................................................................................ 11 §§ 3—5 Volljährigkeitserklärung................................................................................................................ 11 § 6 Entmündigung...................................................................................................................................... 17 §§ 7—11 Wohnsitz.......................................................................................................................................... 24 § 12 Recht aus den Namen................................................................... 33 §§ 13—18 Todeserklärung........................................................................................................................ 43 § 19 Lebensvermutung .......................................................................................................................... 53 § 20 Vermutung gleichzeitigen Todes............................................................................................... 54

Zweiter Titel.

Juristische Personen. Vorbemerkungen............................................................................................................................................... 55

I. Vereine. 1. Allgemeine Vorschriften. Vorbemerkungen............................................................................................................................................... 57 §§ 21—23 Erlangung der Rechtsfähigkeit.............................................................................................. 59

X

Inhaltsverzeichnis deS ersten Bandes. Seile

§§ § § §

24 Sitz deS Vereins...................................................................................................................... 69 25 Vereinssatzung........................................................................................................ . . . 70 26—29 Vorstand des Vereins....................................................................................................... 71 30 Besondere Vertreter................................................................................................................. 81 31 Verantwortlichkeit des Vereins für die Handlungen des Vorstandes und der be­ sonderen Vertreter............................................................................................................. 82 32—37 Mitgliederversammlung...................................................................................................... 87 38 Unübertragbarkeit und Unvererblichkeit der Mitgliedschaft............................................... 97 39 Austritt aus dem Vereine.................................................................................................... 98 40 Zulässigkeit der Änderung gesetzlicher Vorschriften durch die Satzung............................. 101

§§ § § §§ §

41—44 Auflösung des Vereins, Verlust der Rechtsfähigkeit...................................................... 101 45 Folgen der Auflösung des Vereins für dessen Vermögen.Anfallberechtigte.... 107 46 Anfall des Vereinsvermögens an den Fiskus..................................................................... 109 47—53 Anfall des Vereinsvermögens an andere Personen. Liquidation............................ 110 54 Nicht rechtsfähige Vereine........................................................................................................ 118

§ § §§ § §

2. Eingetragene Vereine. Vorbemerkungen.............................................................................................................................................. 127 §§ 5 5—66 Eintragung des Vereins in das Vereinsregister..................................................... 128 §§ 6 7—69 Eintragung von Änderungen des Vorstandes......................................................... 141

§ 70 Eintragung von Bestimmungen über die Beschränkung der Vertretungsmacht und - über die Beschlußfassung des Vorstandes................................................................................ 143 § 71 Änderung der Satzung................................................................................................................. 144 § §§ § § § §

72 Einreichung eines Mitgliederverzeichnisses..............................................................................146 73—75 Entziehung der Rechtsfähigkeit, Auslösung des Vereins............................................. 146 76 Eintragung der Liquidatoren in das Vereinsregister....................................................... 148 77 Form der Anmeldung zum Bereinsregister......................................................................... 148 78 Aufsichtsrecht des Amtsgerichts................................................................................................. 149 79 Öffentlichkeit des Vereinsregisters............................................................................................ 149

IL Stiftungen. Vorbemerkungen.......................................................................................................................................... 149 § 80 Entstehung der Stiftung................................................................. 151 §§ 81, B2 Stistungsgeschäft unter Lebenden........................................................................................ 152 § 83 Stistungsgeschäft durch Verfügung von Todes wegen....................................................... 159 § 84 Genehmigung der Stiftung nach dem Tode des Stifters...................................................160 § 85 Verfassung der Stiftung.................................................................... 162 § 86 Entsprechende Anwendung der Vorschriften über Vereine................................................... 163 8 87 Umwandlung und Aufhebung der Stiftung durch die zuständige Behörde................164 § 88 Erlöschen der Stiftung....................................................................................................... . 165

III. Juristische Personen des öffentlichen Rechtes. § 89 Anwendung der

31, 42........................................................................................................... 166

Zweiter Abschnitt. Sachen. Vorbemerkungen.......................................................................................................................................... 170 88 90—92 Sachen. Vertretbare, verbrauchbare Sachen................................................................... 179 88 93—96 Wesentliche und nicht wesentliche Bestandteile............................................................ ,181 88 97, 98 Zubehör...................................................................................................................................... 201 88 99, 100 Früchte, Nutzungen............................................................................................................... 213 8 101 Verteilung der Früchte unter mehrere aufeinander folgendeBerechtigte ..... 217 8 102 Kosten der Fruchtgewinnung.................................................................................................. 219 8 103 Verteilung der Lasten unter mehrere aufeinanderfolgendeBerechtigte................................ 220

Inhaltsverzeichnis des ersten Bandes.

XI

Dritter Abschnitt. Rechtsgeschäfte.

Seite

Vorbemerkungen.......................................................................................................................................... 221

Erster Titel.

Geschäftsfähigkeit. Vorbemerkungen.......................................................................................................................................... 234 §§ 104, 105 Geschäftsunfähigkeit........................................................................................................... 236 §§ 106—113 Beschränkte Geschäftsfähigkeit der Minderjährigen.................................................... 242 §§ 114, 115 Beschränkte Geschäftsfähigkeit der wegen Geistesschwäche, Verschwendung oder Trunksucht Entmündigten und der unter vorläufige Vormundschaft gestellten Personen 261

Zweiter Titel.

Willenserklärung. Vorbemerkungen..........................................................................................................................................263 §§ 116—118 Bewußte Nichtübereinstimmung des Willens mit der Erklärung ...... 270 §§ 119—121 Anfechtbarkeit der Willenserklärung wegen Irrtums oder unrichtiger Über­ § §§ §§ §§ § § §§ § § § § § §§

mittlung der Erklärung............. •...............................................................................277 122 Verpflichtung zum Schadensersatz in den Fällen der §§ 118—120 ........................... 296 123, 124 Anfechtbarkeit der Willenserklärung wegen Täuschungoder wegen Drohung . 298 125—129 Form der Rechtsgeschäfte.................................................................................................. 314 130—132 Empsangsbedürftige Willenserklärungen....................................................................... 327 133 Auslegung der Willenserklärungen...................................................................................... 345 134 Rechtsgeschäfte, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen.............................................. 348 135, 136 Verfügungen, die gegen ein BeräußerungSverbot verstoßen.................................... 351 137 Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkung......................................................................... 359 138 Rechtsgeschäfte, die gegen die guten Sitten verstoßen....................................................... 360 139 Teilweise Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts............................................................................. 370 140 Konversion eines nichtigen Rechtsgeschäfts......................................................................... 372 141 Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäfts......................................................................... 373 142-144 Anfechtbarkeit der Rechtsgeschäfte.................................................................................... 375

Jkitter Titel.

Vertrag. Vorbemerkungen..........................................................................................................................................382 §§ 145—155 Bertragschließung............................................................................................................... 386 § 156 Versteigerung................................................. •....................................................................... 404 § 157 Auslegung der Verträge............................................................................................................ 405 Vierter Titel.

Bedingung. Zeitbestimmung. Vorbemerkungen.......................................................................................................................................... 408 §§ 158—162 Bedingungen ................................................................................................................... 412 § 163 Zeitbestimmungen........................................................................................................................ 423

Mnfter Titel.

Vertretung. Vollmacht. Vorbemerkungen.......................................................................................................................................... 427 §§ 164—166 Vertretung mit Vertretungsmacht.......................................................................... 431 §§ 167—176 Bevollmächtigung. Kundgebung der Bevollmächtigung an Dritte, Vollmachts­ urkunde ................................................................................................................................. 441 §§ 177—180 Vertretung ohne Vertretungsmacht............................................................................... 467 § 181 Rechtsgeschäfte des Vertreters mit sich selbst.....................................................................479 Sechster Titel.

Einwilligung.

Genehmigung.

Vorbemerkungen.......................................................................................................................................... 484 § 182 Zustimmung.................................................................................................................................. 485

XII

Inhaltsverzeichnis des ersten Bandes. Seite

§ 183 § 184 § 185

Einwilligung.....................................................................................................................486 Genehmigung.................................................................................................................... 489 Zustimmung des Berechtigten zu einer Verfügung des Nichlberechtigten .... 492

Vierter Abschnitt. Fristen. Termine. §§ 186—193 Auslegungsregeln für Frist- und Teminsbestimmungen....................................495

Künster Abschnitt. Verjährung. Vorbemerkungen................................................................................................................................. 503 § 194 Verjährung der Ansprüche.................................................................................................. 509 §§ 195—197 Verjährungsfrist...................................................................................................... 510 §§ 198—201 Beginn der Verjährung............................................................................................ 518 §§ 202—207 Hemmung der Verjährung....................................................................................... 523 §§ 208—217 Unterbrechung der Verjährung................................................................................. 534 §§ 218, 219 Verjährung rechtskräftig sestgestellter Ansprüche................................................. 547 § 220 Verjährung von Ansprüchen, die vor einem Schiedsgericht oder einem besonderen Gerichte, vor einem Verwaltungsgericht oder einer Verwaltungsbehörde geltend zu machen sind................................................................................................................. 548 § 221 Anrechnung der Besitzzeit des Rechtsvorgängers bei der Verjährung dinglicher An­ sprüche ............................................................................................................................ 550 §§ 222—224 Wirkungen derVerjährung.......................................................................................... 553 § 225 Rechtsgeschäfteüber dieVerjährung.................................................................................... 559

Sechster Abschnitt. Ausübung der Rechte. Selbstverteidigung.

Selbsthilfe.

Vorbemerkungen................................................................................................................................. 560 § 226 Verbot der Schikane............................................................................................................ 560 § 227 Notwehr................................................................................................................................ 566 § 228 Selbstverteidigunggegen fremde Sachen......................................................................... 569 88 229—231 Selbsthilfe..................................................................................................................573

Siebenter Abschnitt. Sicherheitsleistung. Vorbemerkungen................................................................................................................................. 579 8 232 Arten der Sicherheitsleistung............................................................................................. 579 88 233—235 Hinterlegung vonGeld und Wertpapieren.............................................................. 581 8 236 Verpfändung von Buchforderungen.................................................................................. 583 8 237 Verpfändung einer beweglichen Sache............................................................................ 583 8 238 Verpfändung einer Hypothekenforderung, einer Grundschuld oder einer Rentenschuld 583 8 239 Bürgschaft........................................................................................................................... 584 8 240 Ergänzung der geleisteten Sicherheit.................................................................................. 585 Sachregister................................................................................................................................. 587

Erklärung der wichtigeren AbMrzungen. Abh. = Abhandlungen. Abk. — Abkommen. ABl. --- Amtsblatt. Abs. = Absatz. AbzG. — G. betr. die Abzahlungsgeschäfte vom 16. Mai 1894 (RGBl. 450). AG. — Aussührungsgesetz; im Zweifel z. BGB. ALR. — Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten vom 5. Februar 1794. Altenb. — Sachsen-Altenburg. AnfG. = G. betr. die AnfechMng von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkurs­ verfahrens vom 21. Juli 1879, neue Fassung vom 20. Mai 1898 (RGBl. 709). Anh. ----- Anhalt. Anm. = Anmerkung. Ann. — Annalen. Anw. = Anweisung. Anz. ---- Anzeiger. Arch. = Archiv. ArchBürgR. --- Archiv für bürgerliches Recht. ArchZivPrax. = Archiv für zivilistische Praxis. ArchGewR. — Archiv für gewerbliche Rechtspflege. ArchÖffR. — Archiv für öffentliches Recht.

ArchPraktRw. = Archiv für praktische Rechtswissenschaft. Art. — Artikel. AuslPStG. = G. betr. die Eheschließung und die Beurkundung des Personenstandes von Bundes­ angehörigen im Auslande vom 4. Mai 1870 (RGBl. 599). ABf. — Allgemeine Verfügung. Bad. — Baden. BadAnn. — Annalen der Grobherzoglich Badischen Gerichte. BadNotZ. — Badische Notars-Zeitschrift; herausgegeben vom Bad. Notarverein. BadRpr. — Badische Rechtspraxis. BankA. — Bank-Archiv. BankG. = Bankgesetz vom 14. März 1875 (RGBl. 177). BauUB(ers)G. — Bau-Unfallversicherungsgesetz vom 11. Juli 1887/30. Juni 1900, neue Fassung vom 5. Juli 1900 (RGBl. 698). Bay. — Bayern. BayNotZ. = Zeitschrift für das bayerische Notariat und für die freiwillige Rechtspflege der Gerichte in Bayern. BayObLG. — Bayerisches Oberstes Landesgericht; mit Band- und Seitenzahlen: Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen. BayZ. = Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern. BeamtUFürsG. ----- Unfallfürsorgegesetz für Beamte und für Personen des Soldatenstandes vom 18. Juni 1901 (RGBl. 211). Begr. --- Begründung. Beitr. — Beitrag. Bek. = Bekanntmachung. Beschl. — Beschluß.

XIV

Erklärungen der wichtigeren Abkürzungen.

BGB. = Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896. BGBl. — Bundesgesetzblatt. Bl. = Blatt, Blätter. BlfRAnw. = Blätter für Rechtsanwendung. BöhmsZ. --- Zeitschrift für internationales Privat- und öffentliches Recht. Begründet von Böhm. BörsG. --- Börsengesetz vom 22. Juni 1896, neue Fassung vom 27. Mai 1908 (RGBl. 215). BolzePr. = Die Praxis deS Reichsgerichts. Herausgegeben von Bolze. BR. ---- Bundesrat. Braunschw. — Braunschweig. BraunschwZ. — Zeitschrift für Rechtspflege im Herzogtum Braunschweig. Brem. — Bremen. BinnenSchG. — G. betr. die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt vom 15. Juni 1895, neue Fassung vom 20. Mai 1898 (RGBl. 868).

D.

— Denkschrift; im Zweifel zu dem dem Reichstage vorgelegten Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs nebst Anlagen I—III. Anlagen zu den stenographischen Berichten über die Ver­ handlungen des Reichstags 9. Legislaturperiode IV. Session, Bd. I S. 602—790.

DAnw. ----- Dienstanweisung. DepotG. — G. betr. Pflichten der Kaufleute bei Aufbewahrung fremder Wertpapiere vom 5. Juli 1896 (RGBl. 183). Diss. — Dissertation. DIT. — Deutscher Juristentag oder dessen Verhandlungen. DIZ. — Deutsche Juristen-Zeitung. DNotB. — Zeitschrift des Deutschen Notarvereins. DNotZ. — Deutsche Notariats-Zeitung. E. — Entwurf. EI — der von der ersten Kommission ausgearbeitete, 1888 veröffentlichte, Entwurf eines Bürger­ lichen Gesetzbuchs. E. II = der von der zweiten Kommission in erster Beratung beschlossene und 1894/95 ver­ öffentlichte Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs. E. II rev. — der revidierte, von der zweiten Kommission dem Bundesrate vorgelegte und 1898 veröffentlichte Entwurf II. E. III ---- der dem Reichstage 1896 vorgelegte Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs. E. d. EG. I --- der von der ersten Kommission ausgearbeitete und *1888 veröffentlichte Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche.

E. d. EG. II — der von der zweiten Kommission ausgearbeitete und dem Bundesrate vorgelegte Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuchs, veröffentlicht 1898.

E. d. EG. III — der dem Reichstage vorgelegte Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Bürger­ lichen Gesetzbuchs. EG. — Einführungsgesetz. ElsLoth. — Elsaß-Lothringen. ElsLothNotZ. — Notariats-Zeitschrift für Elsaß-Lothringen. ElsLothZ. — Juristische Zeitschrift für das Reichsland Elsaß-Lothringen. Entsch. --- Entscheidung, Entscheidungen. ErbschStG. — Erbschaftssteuergesetz für das Deutsche Reich vom 3. Juni 1906 (RGBl. 654). Erl. — Erläuterung. FGG. --- G. über die Angelegenheiten der fteiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Mai 1898, neue Fassung vom 20. Mai 1898 (RGBl. 771). FlößG. --- G. betr. die privatrechtlichen Verhältnisse der Flößerei vom 15. Juni 1895 (RGBl. 341). G. — Gesetz. GBl. — Gesetzesblatt. GBO. — Grundbuchordnung vom 24. März 1897, neue Fassung vom 20. Mai 1898 (RGBl. 754). GebO. = Gebührenordnung. GebrMustG. --- G. betr. den Schutz von Gebrauchsmustern vom 1. Juni 1891 (RGBl. 290). GefangUFürsG. = G. betr. Unfallfürsorge für Gefangene vom 30. Juni 1900 (RGBl. 536). gem. R. — gemeines Recht. GenG. — G. betr. die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 1. Mai 1889, neue Fassung vom 20. Mai 1898 (RGBl. 810).

Erklärungen der wichtigeren Abkürzungen.

XV

GeschAnw. = Geschäftsanweisung. GeschO. = Geschäftsordnung. GewArch. — Gewerbearchiv. GewG. ----- Gewerbegericht, Das Gewerbegericht (Zeitschrift). GewGG. — Gewerbegerichtsgesetz vom 29. Juli 1890, 30. Juni 1901, neue Fassung vom 29. September 1901 (RGBl. 353). GewO. --- Gewerbeordnung für das Deutsche Reich vom 21. Juni 1869, neue Fassung vom 26. Juli 1900 (RGBl. 871). GewRschutz ---- Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht. GewUB(ers)G. — Gewerbe-Unsallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884, 30. Juni 1900, neue Fassung vom 5. Juli 1900 (RGBl. 585). GKG. — Gerichtskostengesetz vom 18. Juli 1878, neue Fassung vom 20. Mai 1898 (RGBl. 659). GmbH. — Gesellschaft mit beschränkter Haftung. GmbHG. — G. betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 20. April 1892, neue Fassung vom 20. Mai 1898 (RGBl. 846).

Gotha = Sachsen-Gotha. Gruch. — Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts. Begr. von Gruchot. GrünhutsZ. — Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart. Hg. von Grünhut. GVG. ----- Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877, neue Fassung vom 20. Mai 1898 (RGBl. 371). GBGebO. ---- Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher vom 24. Juni 1878, neue Fassung vom 20. Mai 1898 (RGBl. 683). HaagEheAbk. = Abkommen, betr. den Geltungsbereich der Gesetze in Ansehung der Wirkungen der Ehe auf die Rechte und Pflichten der Ehegatten in ihren persönlichen Beziehungen und auf das Vermögen der Ehegatten vom 17. Juli 1905. HaagEhescheidAbk. — Abkommen zur Regelung des Geltungsbereichs und der Gerichtsbarkeit auf dem Gebiete der Ehescheidung und der Trennung von Tisch und Bett vom 12. Juni 1902 (RGBl. 1904 S. 231). • HaagEheschlAbk. ----- Abkommen zur Regelung des Geltungsbereichs der Gesetze auf dem Gebiete der Eheschließung vom 12. Juni 1902 (RGBl. 1904 S. 221). HaagEntmAbk. — Abkommen über die Entmündigung und gleichartige Fürsorgemaßregeln vom 17. Juli 1905. HaagProzeßAbk. = Abkommen zur Regelung von Fragen des internationalen Privatrechts vom 17. Juli 1905. HaagBormundschAbk. --- Abkommen zur Regelung der Vormundschaft über Minderjährige vom 12. Juni 1902 (RGBl. 1904 S. 240). HaftpflG. ----- G. betr. die Verbindlichkeit zum Schadensersätze für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen usw. herbeigeführten Tötungen und Körperverletzungen vom 7. Juni 1871 (RGBl. 207). Hamb. ---- Hamburg. HansGZ. = Hanseatische Gerichtszeitung. Hess. --- Hessen. HessRspr. ----- Hessische Rechtsprechung. HGB. = Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 (RGBl. 219). HirthsAnn. --- Annalen des Deutschen Reichs. Begründet von Hirth. HoldheimsMSchr. — Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen, Steuer- und Stempelfragen. Hg. von Holdheim. HypBankG. — Hypothekenbankgesetz vom 13. Juli 1899 (RGBl. 375). I. (Jahrb.) --- Jahrbuch, Jahrbücher. JDR. — Jahrbuch des Deutschen Rechtes. Hg. von Neumann. JheringSJ. — Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts. JLBl. --- Juristisches Lireraturblatt. JMBl. — Justizministerialblatt. Jnstr. = Instruktion. JnvV(ers)G. ---- Jnvalidenversicherungsgesetz vom 22. Juni 1889, 13. Juli 1899, neue Fassung vom 19. Juli 1899 (RGBl. 463). IW. --- Juristische Wochenschrift.

XVI

Erklärungen der wichtigeren Abkürzungen.

K. v. R G N. = Kommentar von Reichsgerichtsräten zum Bürgerlichen Gesetzbuch. KB. — Bericht der Reichstagskommission, im Zweifel über den Entwurf des Bürgerlichen Gesetz­ buchs und des Einsührungsgesetzes. Anlagen zu den stenographischen Berichten des Reichs­ tags, 9. Legislaturperiode IV. Session, Band III Nr. 440 S. 1935—2192. KfmGG. ----- G. betr. Kaufmannsgerichte vom 6. Juli 1904 (RGBl. 266). KG. = Kammergericht; mit Band- und Seitenzahlen: Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Kosten-, Stempel- und Strafsachen. Neue Folge. KGBl. ----- Blätter für Rechtspflege im Bezirk des Kammergerichts. KO. — Konkursordnung vom 10. Februar 1877, neue Fassung vom 20. Mai 1898 (RGBl. 612). Kob. ----- Sachsen-Koburg. KonsGG. ----- G. über die Konsulargerichtsbarkeit vom 7. April 1900 (RGBl. 213). KonsOG. ---- G. betr. die Organisation der Bundeskonsulate, sowie die Amtsrechte und Pflichten der Bundeskonsuln vom 8. November 1867 (BGBl. 137). Konv. = Konvention. KrankB(ers)G. = Krankenversicherungsgesetz vom 15. Juni 1883, neue Fassung vom 10. April 1892 (RGBl. 417). KrBJSchr. — Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. KunstUrhG. = G. betr. das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 9. Januar 1907 (RGBl. 7). LeipzZ. = Leipziger Zeitschrift für Handels-, Konkurs- und BersicherungSrecht. LitUrhG. — G. betr. das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst vom 19. Juni 1901 (RGBl. 227). LohnBG. — G. betr. die Beschlagnahme des Arbeits- oder Dienstlohnes vom 21. Juni 18(69 (BGBl. 242)/29. März 1897 (RGBl. 159). Lüb. --- Lübeck. LwKrankV(ers)G. = G. betr. die Krankenversicherung der in land- und forstwirtschaftlichen Be­ trieben beschäftigten Personen vom 5. Mai 1886 (RGBl. 132). LwUV(ers)G. = Unfallversicherungsgesetz für Land- und Forstwirtschaft vom 5. Mai 18816, 30. Juni 1900, neue Fassung vom 5. Juli 1900 (RGBl. 641). M. ---- Motive, im Zweifel zu dem von der ersten Kommission ausgearbeiteten Entwürfe dies BGB., veröffentlicht 1888 (5 Bände). M. d. EG. = die 1888 veröffentlichten Motive zu dem ersten Entwurf eines Einführungsgesetzles zum Bürgerlichen Gesetz buche. MBl. — Ministerialblatt. MecklSchw. --- Mecklenburg-Schwerin. MecklStr. — Mecklenburg-Strelitz. MecklZ. — Mecklenburgische Zeitschrift für Rechtspflege und Rechtswissenschaft. Mein. ---- Sachsen-Meiningen. MSchr. --- Monatsschrift. MStGB. ---- Militärstrafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 20. Juni 1872 (RGBl. 173). MStGO. --- Militärstrafgerichtsordnung vom 1. Dezember 1898 (RGBl. 1189). MünzG. = Münzgesetz vom 9. Juli 1873 (RGBl. 233), 1. Juni 1900 (RGBl. 250) umd 19. Mai 1908 (RGBl. 212). MustG. ----- G. betr. das Urheberrecht an Mustern und Modellen vom 11. Januar 1876 (RGBl. 111). Not. — Notar. Nr. — Nummer. Old. --- Oldenburg. OLG. --- Oberlandesgericht. Mit Band- und Seitenzahlen: Die Rechtsprechung der Oberlandersgerichte. Herausgegeben von Falkmann und Mugdan. OTr. — Obertribunal. P. I ---- die metallographierten Protokolle der ersten Kommission. P. II --- die Protokolle der zweiten Kommission, zitiert nach der im Auftrage des Reichs-Justizamlts erfolgten Bearbeitung von Achilles, Gebhard und Spahn, veröffentlicht 1897—1899. PatG. — Patentgesetz vom 7. April 1891 (RGBl. 79). PosMSchr. — Juristische Monatsschrift für Posen, West- und Ostpreußen und Pommern. Pr. — Preußen.

XVII

Erklärungen der wichtigeren Abkürzungen.

PreßG. --- G. über die Presse vom 7. Mai 1874 (RGBl. 65). PrivV(ers)UntG. — G. über die privaten Versicherungsunternehmungen vom 12. Mai 1901 (RGBl. 139). PrOBG. --- Preußisches Oberverwaltungsgericht und dessen Entsch. PStG. = G. über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung vom 6. Februar 1875 (RGBl. 23). PucheltsZ. — Zeitschrift für deutsches bürgerliches Recht und ftanzösisches Zivilrecht. Begründet von Puchelt. RäL. = Reuß ältere Linie. RAGebO. --- Gebührenordnung für Rechtsanwälte vom 7. Juli 1879, neue Fassung vom 20. Mai 1898 (RGBl. 692). RAnz. — Deutscher Reichsanzeiger und König!. Preußischer Staatsanzeiger. RAO. — Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878 (RGBl. 177). RBG. — G. betr. die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten vom 31. März 1873, neue Fassung vom 18. Mai 1907 (RGBl. 245). Recht --- Das Recht. Rundschau für den Deutschen Juristenstand. Herausgegeben von Soergel. RegBl. = Regierungsblatt. Regl. — Reglement, Regulativ. RG. ---- Reichsgericht; mit Band- und Seitenzahlen: dessen Entscheidungen in Zivilsachen. RGBl. — Reichsgesetzblatt. RGSt. — Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen. RheinArch. = Archiv für das Zivil- und Kriminalrecht der Königl. Preuß. Rheinprovinz. (Umschlagstitel: Rheinisches Archiv usw.) RheinNotZ. — Zeitschrift für das Notariat. Herausgegeben von dem Verein für das Notariat in Rheinpreußen. RheinZ. = Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozeßrecht. RIA. --- Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts. Zusammengestellt im Reichs-Justizamte. RjL. ---- Reuß jüngere Linie. RK. ----- Reichskanzler. RKassSchG. — G. betr. die Ausgabe von Reichskassenscheinen vom 30. April 1874 (RGBl. 40) und 5. Juni 1906 (RGBl. 730). RMG. ----- Reichsmilitärgericht und dessen Entscheidungen. RMilG. --- Reichsmilitärgesetz vom 2. Mai 1874 (RGBl. 45). ROHG. ---- Reichs-Oberhandelsgericht und dessen Entscheidungen. RT. --- Reichstag. RTK. --- Reichstagskommission. RV. = G. bett. Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. April 1871 (RGBl. 63). RZBl. = Zenttalblatt für das Deutsche Reich. Sachs. — Sachsen. SächsAnnal. — Annalen des Königl. Sächs. Oberlandesgerichts zu Dresden. SächsArch. — (mit Band- und Seitenzahlen) Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozeß. Mit Jahreszahl (06ff.): Sächsisches Archiv für Rechtspflege. Sammt. — Sammlung. ScheckG. — Scheckgesetz vom 11. März 1908 (RGBl. 71). SchL. = Schaumburg-Lippe. SchutzgebG. = Schutzgebietsgesetz vom 25. Juli 1900 (RGBl. 813). SchwR. — Schwarzburg-Rudolstadt. SchwS. — Schwarzburg-Sondershausen. SeemO. — Seemannsordnung vom 2. Juni 1902 (RGBl. 175). SeeUV(ers)G. — See-Unfallversicherungsgesetz vom 11. Juli 1887, 30. Juni 1900, neue Fassung vom 5. Juli 1900 (RGBl. 716). SeuffA. --- I. A. Seufferts Archiv für Entsch. der obersten Gerichte in den deutschen Staaten. SeuffBl. — I. A. SeuffertS Blätter für Rechtsanwendung, zunächst in Bayern. StandesB. --- Der Standesbeamte (Zeitschrift). StAngG. — G. über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 (BGBl. 355). Planck, Kom. zum BGB. Bd. I. 4. Aufl.

II

XVIII

Erklärungen der wichtigeren Abkürzungen.

StB. — Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, im Zweifel 9. Legislatur­ periode IV. Session. StGB. — Strafgesetzbuch vom 15. Mai 1871, neue Fassung vom 26. Februar 1876 (RGBl. 40). StPO. — Strafprozeßordnung vom 1. Februar 1877 (RGBl. 253). StrandO. — Strandungsordnung vom 17. Mai 1874 (RGBl. 73). TelWG. — Telegraphenwege-Gesetz vom 18. Dezember 1899 (RGBl. 705). UnlWG. --- G. zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes vom 27. Mai 1896 (RGBl. 145). UrkBeglG. — G. betr. die Beglaubigung öffentlicher Urkunden vom 1. Mai 1878 (RGBl. 89). UB(ers)AbG. — G. betr. Abänderung der Unfallversicherungsgesetze vom 30. Juni 1900, neue Fassung vom 5. Juli 1900 (RGBl. 573). UWG. ---- G. über den Unterstützungswohnsitz in der Fassung vom 30. Mai 1908 (RGBl. 381). B. — Verordnung. VBl. — Verordnungsblatt. VerG. ---- Vereinsgesetz vom 19. April 1908 (RGBl. 151). VerlG. — G. über das Verlagsrecht vom 19. Juni 1901 (RGBl. 217). VersVG. — G. über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 (RGBl. 263). BerZS. — Vereinigte Zivilsenate. Vf. ----- Verfügung. ViehmängelB. ----- V. betr. die Hauptmängel und Gewährsristen beim Viehhandel vom 27. März 1899 (RGBl. 219). BJSchr. --- Bierteljahrsschrift. Wald. — Waldeck. WarenZG. --- G. zum Schutze der Warenbezeichnungen vom 12. Mai 1894 (RGBl. 441). Warneyer — Warneyers Jahrbuch der Entscheidungen, Ergänzungsband, die Rechtsprechung des Reichsgerichts enthaltend. (Vgl. auch S. 236 Fußnote *). Weim. — Sachsen-Weimar. WO. ---- Allgemeine Deutsche Wechselordnung, neue Fassung vom 3. Juni 1908 (RGBl. 326). Württ. — Württemberg. WürttArch. --- Württembergisches Archiv für Recht und Rechtsverwaltung. WürltJ. — Jahrbücher der württembergischen Rechtspflege. WürttZ. — Zeitschrift für die freiwillige Gerichtsbarkeit und die Gemeindeverwaltung in Württemberg. Z. = Zeitschrift, Zeitung. ZBl. ---- Zentralblatt. ZBlFG. = Zentralblatt für freiwillige Gerichtsbarkeit und Notariat sowie Zwangsversteigerung. ZGebO. — Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige vom 30. Juni 1878, neue Fassung vom 20. Mai 1898 (RGBl. 689). ZHR. ----- Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht. Ziff.--Ziffer. ZPO. — Zivilprozeßordnung vom 30. Januar 1877, neue Fassung vom 20. Mai 1898 (RGBl. 410). Zstlg. --- Zusammenstellung der gutachtlichen Äußerungen zu dem Entwürfe eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, gefertigt im Reichsjustizamte. 6 Bände. Berlin 1890/91. (Nicht im Handel.) Zstlg. d. BR. = Zusammenstellung der Äußerungen der Bundesregierungen zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs. Berlin 1891. (Nicht im Handel.) ZBglR. ---- Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft. ZBG. = G. über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung vom 24. März 1897, neue Fassung vom 20. Mai 1898 (RGBl. 713). ZZP. = Zeitschrift für deutschen Zivilprozeß.

Einleitung. Auf Grund eines Manuskriptes von Dr. G. Planck bearbeitet von Professor Dr. P. Knoke.

I Der Rechtszustand vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Deutschland hat niemals ein einheitliches bürgerliches Recht gehabt. Eine gewisse Gemeinsamkeit der Rechtsanschauungen, der Rechtsinstttute und gewisser Rechtssätze ist zwar immer vorhanden gewesen; es war das die notwendige Folge der Gemein­ samkeit der Abstammung, des gemeinsamen Volkscharakters. Aber schon in der frühesten Zeit gestaltete sich das Recht, infolge der Verschiedenheit der deutschen Volksstämme und der Ggenartigkeit ihrer Entwickelung, sehr verschieden. Die politische Entwickelung des Deutschen Reichs war nicht geeignet eine größere Rechts­ einheit herzustellen. Die Rechtsentwickelung blieb im wesentlichen dem partikulären Gewohnheitsrecht überlassen. Dazu trat eine neue Scheidung infolge der Ver­ schiedenheit der Stände, in welche das deutsche Volk zerfiel und infolge deren sich für jeden Stand besondere Rechtsnormen bildeten. Das Lehnrecht sonderte sich ab von dem Rechte der Gemeinfreien; besondere Hof- und Dienstrechte entstanden. In den Städten entwickelte sich ein anderes Recht wie auf dem platten Lande. Neben der auf Sonderrechtsbildung abzielenden Richtung trat freilich schon im Mittelalter auch der Zug nach Zusammenfassung hervor. Von großer Bedeutung sind in dieser Beziehung die Rechtsbücher des Mittelalters, der Sachsenspiegel und der Schwaben­ spiegel. Hier wurde wenigstens für große Gebiete, in welchen die Stämme über­

wogen, deren Recht die Spiegel darstellten, das Gemeinsame zusammengefaßt und dadurch die Grundlage einer weiteren gemeinsamen Rechtsentwickelung für diese Gebiete gegeben. Von entscheidender Bedeutung für die ganze weitere Entwickelung war dann die Rezeption des römischen Rechtes. Die Gründe für diesen merk­ würdigen Vorgang waren sehr verschiedenartig. Wie man darüber auch im ein­ zelnen denken mag, so viel ist gewiß, daß ein solcher Vorgang nicht denkbar gewesen wäre ohne das dringende Bedürfnis einer Umgestaltung des bestehenden Rechtes. Dieses Bedürfnis war in doppelter Richtung vorhanden. Es gründete sich einer­ seits in der Zersplitterung des Rechtes, andererseits darin, daß die Entwickelung des einheimischen Rechtes der großen Umgestaltung, welche die wirtschaftlichen Ver­ hältnisse erfahren hatten, nicht genügend gefolgt war und dem wirtschaftlichen Bedürfnisse daher nicht mehr entsprach. In beiden Beziehungen half die Rezeption des römischen Rechtes; es bot ein einheitliches Recht und es bot ein Recht, welches insbesondere auf dem Gebiete des Obligationenrechts und der allgemeinen Rechts­ lehren den Anforderungen des Lebens in der Hauptsache entsprach. Die Rezeption des römischen Rechtes ist vielfach beklagt. Sie hat die Entwickelung der deutschen Rechtsinstitute und der deutschen Rechtsgedanken vielfach gehemmt, und mancher gesunde Keim ist durch sie unterdrückt. Aber einen unschätzbaren Vorteil hat sie gebracht. Auf der Grundlage des römischen Rechtes hat sich die deutsche Rechts-

Wissenschaft zu derjenigen Höhe entwickelt, durch die sie fähig geworden ist, den Boden zu schaffen, auf dem jetzt das einheitliche deutsche Recht erwachsen ist. Das römische Recht wurde nur als subsidiäres Recht eingeführt, und der partikulären Rechtsbildung blieb daher ein weiter Spielraum. Eine außerordent­ lich große Zahl verschiedenartiger Rechte, insbesondere auf dem Gebiete des Erb­ rechts und des ehelichen Güterrechts, blieb in den verschiedenen Teilen Deutsch­ lands bestehen, und diese Rechte entwickelten sich wieder nach verschiedenen Richtungen. Dazu kam, daß das römische Recht, weil es trotz seines universellen Charakters in vielen Beziehungen für die deutschen Verhältnisse nicht paßte, durch das Bestreben, es denselben anzupassen, allmählich eine Umbildung erfuhr, welche als usus modernus bezeichnet zu werden pflegt und sich auf die communis opinio und den usus fori gründete. Daß durch eine solche Entwickelung die Sicherheit des Rechtes litt und unzählige Kontroversen entstanden, konnte nicht ausbleiben. Das Bedürfnis einer gesetzlichen Feststellung des Rechtes wurde lebhaft gefühlt. Eine einheitliche Feststellung für ganz Deutschland war, obwohl sie zu verschiedenen Zeiten von bedeutenden Gelehrten gefordert wurde, bei den politischen Zuständen Deuffchlands nicht möglich. So mußte versucht werden, dem Bedürfnis in den einzelnen Territorien abzuhelfen. Die wichtigsten Rechtsbildungen auf diesem Boden sind folgende:*) 1. In Preußen erteilte schon Friedrich der Große in der Verordnung vom 31. Dezember 1746 § 24 dem Minister Cocceji den Befehl, ein deutsches all­ gemeines Landrecht anzufertigen. Die infolge dieses Befehls in Angriff genommene Arbeit blieb nach Coccejis Tode im Jahre 1755 liegen und wurde erst wieder ausgenommen durch die Kabinettsorder vom 6. und 14. April 1780. Es ist bekannt, wie rasch nun, dank der unvergleichlichen Tätigkeit von Svarez das preußische Allgemeine Landrecht zustande kam. Durch das Publikationspatent vom 5. Februar wurde es mit Gesetzeskraft vom 1. Juli 1794 eingeführt. Das preußische Landrecht war ursprünglich in der Art gedacht, daß es neben den zu sammelnden Provinzialrechten nur als subsidiäres Recht an die Stelle des gemeinen Rechtes treten sollte, ist aber schließlich, da die Sammlung in den meisten Provinzen unterblieb, in der Hauptsache das Prinzipale Recht für die älteren preußischen Provinzen geworden, und neben ihm galten nur in einzelnen Beziehungen für verschiedene Landesteile besondere Rechtsnormen. Durch Kabinettsorder vom 3. November 1817 wurde eine Revision des Landrechts angeordnet. Die Arbeiten dauerten mit verschiedenen Unterbrechungen bis 1848, zuletzt unter einem besonderen Ministerium für Gesetzgebung, dem seit 1842 Savigny Vorstand. Im Jahre 1848 wurde das Gesetzgebungsministerium aufgehoben, und damit endigten die Revisions­ arbeiten. Ein 1839 und 1842 veröffentlichter Entwurf und die nicht veröffent­ lichten Pensa bieten ein wertvolles Material. 2. In Österreich hatte schon Maria Theresia eine Kommission zur Aus­ arbeitung eines Privatrechts für die österreichischen Erbländer angeordnet. Die Arbeit ging durch viele Hände, und verschiedene Entwürfe wurden ausgearbeitet. *) Eine ausführliche Darstellung gibt Schwartz, Die Geschichte der privatrechtlichen Kodifikationsbestrebungen in Deutschland, im ArchBürgR. 2, 1—190. Vgl. auch Bierhaus, Die Entstehungsgeschichte des Entwurfs eines BGB. für das Deutsche Reich, in den Beiträgen zur Erläuterung und Beurteilung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich, Heft I, 1888.

Erst 1811 war das österreichische Gesetzbuch vollendet und wurde durch Patent vom 1. Januar 1812 publiziert. 3. Am linken Rheinnfer wurde während dessen Zugehörigkeit zu Frankreich der code civil eingeführt. Dieser war, nach verschiedenen Vorarbeiten und ver­ geblichen Versuchen während der Revolutionszeit, durch Napoleon sehr rasch zu­ stande gebracht. Am 12. August 1800 war durch Napoleon als ersten Konsul eine Kommission zur Ausarbeitung eines Entwurfs niedergesetzt, und schon am 20. März 1804 wurde der code civil verkündet. 4. In Baden wurde eine Übersetzung des code civil mit verschiedenen Zu­

sätzen durch die Einführungsedikte vom 3. Februar, 22. Juni und 22. Dezember 1809 als badisches Landrecht eingeführt. 5. In Bayern war unter Maximilian in. durch den Minister Kreittmayr in den Jahren 1751—1756 ein Gesetzbuch ausgearbeitet, das im wesentlichen auf dem gemeinen Rechte beruhte, in einzelnen Beziehungen aber das statutarische Recht berücksichtigte. Dieses Gesetzbuch wurde im Jahre 1756 als Codex Maximilianeas Bavarieus civilis publiziert. Es galt in dem ganzen damaligen Kurfürstentum Bayern, wurde aber in den in der Napoleonischen Zeit neu hinzugekommenen Landesteilen nicht eingeführt. In diesen blieben die bisherigen Rechte — mehr als 40 — bestehen; ebenso in Rheinbayern der code civil. Schon 1810 wurde eine Kommission niedergesetzt zur Ausarbeitung eines Gesetzbuchs für das ganze Königreich auf Grund des bayerischen Landrechts. Der Plan wurde später auf­ gegeben. Im Jahre 1844 und dann wieder 1854 erfolgten neue Anläufe. Ein Gesetzbuch wurde ausgearbeitet in 7 Büchern und 4583 Artikeln, 1858 einer Kommission vorgelegt und von ihr überarbeitet. Von dieser Überarbeitung wurden

1860 und 1864 Bruchstücke veröffentlicht. 6. Auch im Großherzogtum Heffen wurde der Versuch gemacht, an Stelle der dort gellenden verschiedenen Rechte ein einheittiches Gesetzbuch einzuführen. Von dem Ministerialrat Breidenbach wurde ein Entwurf ausgearbeitet und einer Kommission vorgelegt. Die von dieser bearbeiteten Teilentwürfe nebst Motiven wurden in den Jahren 1842, 1845, 1851, 1853 veröffentlicht und bilden wie die oben erwähnten bayerischen Entwürfe ein wertvolles Material. 7. In Sachsen wurde 1846 der Geheimrat Held mit der Ausarbeitung eines privatrechtlichen Gesetzbuchs beauftragt. Der Entwurf wurde 1853 den Ständen vorgelegt, aber wieder zurückgezogen. Eine 1856 niedergesetzte Kommission revidierte den Entwurf. Im Mai 1860 war die Arbeit beendet; der Entwurf wurde ver­ öffentlicht, den Ständen vorgelegt uud von ihnen angenommen. Durch Verordnung vom 2. Januar 1863 wurde das Gesetzbuch verkündet; es ist am 1. März 1865 in Kraft getreten. Neben diesen Gesetzgebungsarbeiten in den einzelnen Staaten machten sich seit 1814 immer von neuem die Bestrebungen geltend, ein einheitliches Deutsches Bürgerliches Gesetzbuch zu schaffen. Thibaut hatte 1814 den Anstoß zu dieser Bewegung durch seine Schrift „Über die Notwendigkeit eines Allgemeinen Bürger­

lichen Rechtes für Deutschland" gegeben. Savigny bekämpfte den Gedanken in seiner bekannten Schrift über den „Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft". Die politischen Zustände Deutschlands machten die Verwirk­ lichung unmöglich; aber in der Seele des Volkes blieb der Gedanke lebendig. In der Reichsverfassung von 1849 wurde bestimmt, daß der Reichsgewalt die Er-

lassung allgemeiner Gesetzbücher über bürgerliches Recht, Handels- und Wechselrecht obliege. Schon 1847 war eine Konferenz der Zollvereinsstaaten zur Beratung des von einer preußischen Kommission ausgearbeiteten Entwurfs einer Wechsel­ ordnung zusammengetreten und hatte ihre Arbeiten in demselben Jahre beendet. Am 26. November 1848 wurde die aus diesen Beratungen hervorgegangene Wechselordnung von dem Reichsverweser verkündet; sie ist dann in allen Staaten des Deutschen Bundes als Landesgesetz eingeführt, nach der Gründung des Norddeutschen Bundes aber durch Gesetz vom 5. Juni 1869 als Bundesgesetz und später als Reichsgesetz verkündet. Nachdem schon 1849 von dem damaligen Reichs­ justizminister eine Kommission zur Ausarbeitung eines Handelsgesetzbuchs nieder­ gesetzt war, die jedoch nur die erste Abteilung in 5 Titeln zustande brachte, wurde durch Beschluß der wiederhergestellten deutschen Bundesversammlung vom 18. De­ zember 1856 eine neue Kommission eingesetzt. Diese trat 1857 zusammen; der von ihr auf Grund eines preußischen und eines österreichischen Entwurfs aus­ gearbeitete Entwurf eines Handelsgesetzbuchs wurde im Jahre 1861 der deutschen Bundesversammlung überreicht. Auch das Handelsgesetzbuch ist zunächst als Landes­ gesetz in den deutschen Staaten eingeführt, durch Gesetz vom 5. Juni 1869 aber als Norddeutsches Bundesgesetz und dann als Reichsgesetz verkündet. Auf den ersten beiden Juristentagen zu Berlin und Dresden in den Jahren 1860 und 1861 wurden Beschlüsse zugunsten eines einheitlichen deutschen Obli­ gationenrechts gefaßt. Am 6. Februar 1862 beschloß die deutsche Bundesver­ sammlung eine Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Obligationen­ rechts niederzusetzen. Preußen bestritt die Kompetenz der Bundesversammlung und beteiligte sich nicht an der Kommission. Diese trat jedoch im Januar 1863 in Dresden zusammen und beendete ihre Arbeiten unmittelbar vor dem Ausbruche des Krieges von 1866. Die Vorrede, mit welcher der Entwurf veröffentlicht wurde, datiert vom 13. Juni 1866. Der Dresdener Entwurf hat 1045 Artikel und ist bei der Ausarbeitung des Entwurfs des Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs vielfach benutzt. Bei der Gründung des Norddeutschen Bundes war der in Deutschland be­ stehende Rechtszustand hiernach der folgende: In allen deuffchen Staaten galt die Wechselordnung und das Handelsgesetz­ buch. Im übrigen teilte sich Deutschland in vier große Rechtsgebiete. In dem einen galt das sog. gemeine Recht, in dem anderen das preußische Allgemeine Land­ recht, in dem dritten der code civil, in dem vierten das sächsische Gesetzbuch. Das Gebiet des bayerischen Landrechts ist hierbei dem Gebiete des gemeinen Rechtes, das Gebiet des badischen Landrechts dem des code civil hinzugerechnet. Neben diesen großen Gesetzgebungen bestand aber eine außerordentlich große Zahl von Partikularrechten für größere oder kleinere Gebiete, die sich teils nur auf einzelne Vorschriften beschränken, teils aber sehr erhebliche Teile des bürgerlichen Rechtes, insbesondere das eheliche Güterrecht und das Erbrecht umfassen. Die Zahl solcher Partikularrechte beläuft sich auf mehr als hundert.*)

II. Die Entstehung des Bürgerliche» Gesetzbuchs und der Nebe«gesetze. Der am 4. März 1867 dem konstituierenden Reichstage vorgelegte Entwurf der Verfassung des Norddeutschen Bundes überwies im Art. 4 Nr. 13 der Gesetz*) Näheres s. D. Anl. I.

gebung des Bundes nur das Wechsel- und Handelsrecht. Der Antrag Miquels, die Zuständigkeit des Bundes auf das gesamte bürgerliche Recht auszudehnen, wurde, obwohl er von den großen Juristen Wächter und Gerber lebhaft unter­ stützt wurde, abgelehnt, ein Antrag von Lasker und Schwarze, die Zustän­ digkeit auf das Obligationenrecht auszudehnen, aber angenommen. Die Regie­ rungen erklärten sich mit diesem Beschluß einverstanden, und der Art. 4 Nr. 13 des Entwurfs der Verfassung wurde demgemäß geändert. Im Jahre 1869 wurde der Antrag, die Zuständigkeit auf das gesamte bürgerliche Recht auszudehnen, von neuem gestellt, und zwar diesmal gemeinschaftlich von Miquel und Lasker, und mit großer Mehrheit angenommen. In demselben Jahre gelangte ein entsprechen­ der Antrag im preußischen Abgeordnetenhause zur Annahme. Den Beschlüssen wurde indessen keine Folge gegeben, und die Reichsverfassung vom 16. April 1871 enthielt über die Kompetenz in betreff des bürgerlichen Rechtes noch dieselbe Be­

stimmung wie die Verfassung des Norddeutschen Bundes. Der nationale Gedanke gewann aber immer größere Kraft. In den Jahren 1871, 1872 und 1873 wurden wieder Anträge, die Zuständigkeit auf das gesamte bürgerliche Recht auszudehnen, im Reichstage gestellt und mit immer steigenden Mehrheiten angenommen. In der Reichstagssitzung vom 2. April 1873 erklärte der Minister Delbrück, daß der Bundesrat voraussichtlich den Beschlüssen des Reichstags zustimmen werde, und am 20. Dezember 1873 erging das Reichsgesetz, durch welches die Zuständigkeit des Reichs auf das gesamte bürgerliche Recht ausgedehnt wurde. Der Bundesrat schritt sofort zur Ausführung. Auf Antrag des Justiz­ ausschusses vom 8. Februar 1874 wurde von dem Bundesrat eine Kommission von fünf angesehenen Juristen niedergesetzt, die über den Plan und die Methode bei der Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs gutachtliche Vor­ schläge machen sollte. Mitglieder dieser Kommission, der sog. Vorkommission, waren: der Reichsoberhandelsgerichtsrat Dr. Goldschmidt in Leipzig, später Professor in Berlin, der Obertribunalsdirektor Dr. v. Kübel in Stuttgart, später Senatspräsident des Oberlandesgerichts daselbst, der Appellationsgerichts­ präsident Meyer in Paderborn, später Präsident des Kammergerichts in Berlin, der Oberappellationsgerichtspräsident von Neumayer in München und der Oberappellationsgerichtspräsident Dr. v. Weber in Dresden, später Präsident des Oberlandesgerichts daselbst. An Stelle des erkrankten Präsidenten Meyer trat der Appellationsgerichtspräsident Dr. v. Schelling in Halberstadt, später

preußischer Justizminister. Die von dieser Kommission ausgearbeiteten, eingehend motivierten Vorschläge wurden dem Bundesrate mittels Berichts vom 15. April 1874 überreicht. Nach diesen Vorschlägen sollte der auszuarbeitende Entwurf eines Bürgerlichen Gesetz­ buchs „unter Berücksichtigung der geltenden Gesetzbücher und der von den Einzel­ staaten, sowie im Auftrage des ehemaligen Deutschen Bundes über einzelne Rechts­ teile ausgearbeiteten Gesetzentwürfe das den Gesamtzuständen des Deutschen Reichs entsprechende bürgerliche Recht in einer den Anforderungen der heutigen Wissenfchaft gemäßen Form kodifizierend zusammenfassen." Die Aufgabe der Kommission wird als eine dreifache bezeichnet. Es ist — heißt es in dem Berichte — der Gesamtbestand der innerhalb des Deutschen Reichs geltenden Privatrechtsnormen mit Rücksicht auf deren Zweckmäßigkeit, innere Wahrheit und folgerichtige Durch­ führung zu untersuchen. Es ist sorgsam zu prüfen, wie weit die von der gemein-

XXIV

Einleitung.

samen Grundlage des sog. gemeinen Rechtes abweichenden Bestimmungen der neueren großen Zivilgesetzgebungen, der Landesgesetze und der etwaigen Reichs­ gesetze beizubehalten seien, oder ob und welche Ausgleichung zu versuchen sei. Es ist endlich auf richtige Formgebung und Anordnung die höchstmögliche Sorgfalt zu verwenden. Das Handelsrecht soll nicht in das Bürgerliche Gesetzbuch aus­ genommen werden und späterer Erwägung Vorbehalten bleiben, ob und welche der bereits erlassenen Reichsspezialgesetze in das Bürgerliche Gesetzbuch oder in das Handelsgesetzbuch aufzunehmen seien. Das Verlagsrecht, das Binnenschiffahrts­ recht und das Versicherungsrecht sollen in Verbindung mit der Revision des Handelsgesetzbuchs geregelt werden. Ausgeschlossen soll ferner sein das Bergrecht. Als im Absterben begriffen und deshalb in das Bürgerliche Gesetzbuch nicht mit aufzunehmen werden bezeichnet: das Lehnrecht, das Recht der ablösbaren Real­ lasten, das Erbzins- und Erbpachtrecht, die emphytensis, das Naherrecht, das Recht der Stammgüter, sowie der Familienfideikommisse. Ausgeschlossen soll ferner werden: das bäuerliche Güterrecht, das Forstrecht, das Wasserrecht, das Fischerei­ recht, das Jagdrecht, das Deich- und Sielrecht, die Bannrechte, das Nachbarrecht, das Recht der Zusammenlegung von Grundstücken, das Enteignungsrecht, das Gesinderecht. Alle diese Rechte sollen den Landesgesetzen Vorbehalten bleiben. Zur Ausarbeitung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs soll eine Kommission von neun Mitgliedern eingesetzt werden. Eine Reihe weiterer Vorschläge betrifft die Art und Weise, in welcher die Behandlung der Sache in der Kommission erfolgen soll. Auf Grund des Berichts des Justizausschusses vom 9. Juni 1874 wurde von dem Bundesrat am 22. Juni dahin Beschluß gefaßt, daß die in dem Berichte der Vorkommission dargelegten Ansichten zu billigen seien und eine Kommission von elf Mitgliedern niedergesetzt werden solle. Dieser wird überlassen, die Vor­ schläge der Vorkommission als Anhaltspunkte zu benutzen. In der Sitzung des Bundesrats vom 2. Juli 1874 wurden zu Mitgliedern der Kommission gewählt: der Präsident des Reichsoberhandelsgerichts, Wirklicher Geheimer Rat Dr. Pape in Leipzig, der Kaiserliche Appellationsgerichtsrat Derscheid in Kolmar, später Reichsgerichtsrat, der badische Ministerialrat Dr. Gebhard in Karlsruhe, später Geheimer Rat und Professor, der preußische Obertribunalsrat Johow in Berlin, später Geheimer Oberjustizrat, der Württembergische Obertribunalsdirektor Dr. v. Kübel in Stuttgart, später Senatspräsident des Oberlandesgerichts, der preußische Geheime Justizrat, Vortragender Rat im Justizministerium Kurlbaum II in Berlin, später Oberlandesgerichtspräsident, Dr. und Wirklicher Geheimer Oberjustizrat, der preußische Appellationsgerichtsrat Planck in Celle, später Dr., Wirklicher Geheimer Rat und Professor, der Professor Dr. v. Roth in München, der bayerische Ministerialrat Dr. v. Schmitt in München, später Präsident des Obersten Landesgerichts in Bayern, der sächsische Appellations­ gerichtspräsident Dr. v. Weber in Dresden, später Oberlandesgerichtspräsident und Wirklicher Geheimer Rat, der Geheime Rat und Professor Dr. v. Wind­ scheid in Leipzig. Zum Vorsitzenden der Kommission ernannte der Reichs­ kanzler den Präsidenten Dr. Pape. Im Oktober 1883 schied Dr. v. Wind­ scheid aus der Kommission aus. Am 5. Januar 1884 starb Dr. v. Kübel, am 8. Januar 1888 Dr. v. Weber und am 11. September 1888 der Vor­ sitzende der Kommission Dr. Pape. Die Stelle Windscheids wurde nicht wieder

besetzt. An Kübels Stelle trat der Professor Dr. v. Mandry aus Tübingen, an Webers Stelle der Geheime Justizrat Dr. Rüger in Dresden, später sächs. Finanzminister. Mit dem Vorsitz in der Kommission wurde nach dem Tode Papes der Geheime Oberjustizrat Johow vom Reichskanzler beauftragt. Als Hilfsarbeiter wurden der Kommission beigegeben: der preußische Kreisgerichtsrat Neubauer in Berlin, später Senatspräsident beim Kammergericht, der preußische Stadtgerichtsrat Achilles in Berlin, später Reichsgerichtsrat und Dr., der preußische Obergerichtsrat Braun in Celle, später Wirklicher Oberkonsistorialrat und Dr., der sächsische Gerichtsrat Börner in Dresden, später Oberlandes­ gerichtspräsident, Dr. und Wirklicher Geheimer Rat, der hessische Stadtgerichts­ assessor Vogel in Darmstadt, später Geheimer Justizrat. Später traten noch hinzu: der mecklenburgische Kanzleirat Dr. Martini in Rostock, später Land­ gerichtspräsident, und der Württembergische Landgerichtsrat Ege in Stuttgart, später Reichsgerichtsrat. An die Stelle des im Juli 1877 ausgeschiedenen Ober­ gerichtsrats Braun trat der preußische Obergerichtsassessor Struckmann in Göttingen, später Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat und vortragender Rat im Reichsjustizamt und Dr., an die Stelle des Dr. Martini, der im Oktober 1877 ausschied, der braunschweigische Kreisrichter v. Liebe in Wolfen­ büttel, später Reichsgerichtsrat. Am 17. September 1874 trat die Kommission zusammen. In der ersten Sitzungsperiode, die bis zum 29. September 1874 dauerte, stellte die Kommission den Arbeitsplan fest. Im Anschluß an die Vorschläge der Vorkommission wurde beschlossen, daß keines der bestehenden Gesetzbücher zugrunde gelegt, sondern ein neuer Entwurf ausgearbeitet werden solle. Auch in betreff der in das Gesetz­ buch aufzunehmenden und der den Landesgesetzen zu überlassenden Materien schloß sich die Kommission im wesentlichen den Vorschlägen der Vorkommission an; je­ doch sind in dieser Beziehung im Laufe der Beratung noch manche Modifikationen eingetreten. Das schließliche Resultat ergibt sich aus den von der Kommission ausgearbeiteten Entwürfen des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Einführungs­ gesetzes. Weiter wurde besttmmt, daß das Bürgerliche Gesetzbuch in fünf Bücher eingeteilt werden solle, deren erstes den Allgemeinen Teil, das zweite das Recht der Schuldverhältnisse, das dritte das Sachenrecht, das vierte das Familienrecht und das fünfte das Erbrecht zu enthalten habe. Abweichend von den Vorschlägen der Vorkommission, nach denen der Allgemeine Teil erst nach Feststellung der übrigen Teile entworfen werden sollte, wurde beschlossen, auch diesen Teil sofort in Angriff zu nehmen. Zur Ausarbeitung des Entwurfs wurden fünf Redaktoren bestellt; für den Allgemeinen Teil Gebhard, für das Recht der Schuldverhältnisse v. Kübel, für das Sachenrecht Johow, für das Familienrecht Planck, für das Erbrecht v. Schmitt. In einer den Redaktoren erteilten Instruktion wurden Bestimmungen getroffen, welche tunlichst die Einheitlichkeit der Arbeit sichern sollten. Über wichtige Prinzipienfragen sollten die Redaktoren die Enffcheidung Die Redaktoren, welche sämtlich ihren Wohnsitz in Berlin nahmen, traten periodisch zu Besprechungen über solche Fragen zusammen, die mehrere Arbeitsgebiete berührten. Zur Entscheidung von Prinzipienfragen fand in jedem Jahre eine Zusammenkunft der Kommission statt. Im Jahre 1875 faßte die Kommission in den Sitzungen vom 4. bis zum 28. Oktober Beschlüsse über Ungültigkeit der Rechtsgeschäfte, über die Geschäftsfähigkeit Minderjähriger, der Kommission einholen.

über die Gewährleistung für Mängel bei der Veräußerung von Tieren, über den Erwerb des Eigentums an beweglichen und unbeweglichen Sachen, über Vindikation beweglicher Sachen, über Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Ehe, über das eheliche Güterrecht, über die Jntestaterbfolge, die Testierfreiheit und die Form des Testa­ ments. In den Sitzungen vom 28. September bis zum 25. Oktober 1876 bildeten den Gegenstand der Beratungen die Volljährigkeitserklärung und die Todes­ erklärung, die Form der Verträge und die Tragung der Gefahr bei Vertrags­ verhältnissen, der Besitz, das Hypothekenrecht, die Zwangs- und Bannrechte, ver­ schiedene Fragen des gesetzlichen ehelichen Güterrechts, die Gestaltung der elter­ lichen Gewalt, der Erbschaftserwerb und die Haftung des Erben für die Nachlaß­ verbindlichkeiten. In den Sitzungen der Kommission vom 17. September bis zum 20. Oktober 1877 wurden Beschlüsse gefaßt über Verjährung der Ansprüche, über natürliche Verbindlichkeiten, über die Übertragung der Forderungen, über das einseitige Versprechen, über das Pfandrecht an Schiffen, über Dienstbarkeiten an Grundstücken, über die Gestaltung der Obervormundschaft, über das Erbfolgerecht der Ehegatten, über den Erbeinsetzungsvertrag und über Schenkungen von Todes wegen. In den Sitzungen vom 4. bis zum 23. Oktober 1878 wurde über Verträge zugunsten Dritter, über das Gesamtschuldverhältnis, über die superficies und über Familienfideikommisse Beschluß gefaßt. In den Sitzungen vom 30. Oktober bis zum 2. November 1879 und vom 28. und 29. Dezember 1880 wurde noch über einige untergeordnete Fragen beraten und das weiter einzuschlagende Ver­ fahren festgestellt. Große Sorgfalt verwandten die Redaktoren auf die Sammlung und Zu­ sammenstellung des derzeit in Deutschland geltenden Rechtes. Zu diesem Zwecke wurde in verschiedenen Richtungen die Hilfe der Regierungen in Anspruch genommen und bereitwillig gewährt. Insbesondere wurde von ihnen ausführliche Auskunft erteilt über die bestehenden Grundbucheinrichtungen, über das eheliche Güterrecht, über das gesetzliche Erbrecht, über das Lehnrecht, das Recht der Stamm­ güter und Familienfideikommisse, das Erbpachtrecht, die emphyteusis, die Real­ lasten, das Näherrecht, das bäuerliche Güterrecht, das Forstrecht, das Wasserrecht, das Jagdrecht, das Fischereirecht, das Agrarrecht und das Gesinderecht.*) Auch über die Art, Zahl und Richtung der in den verschiedenen Teilen Deutschlands geschlossenen Eheverträge wurde von den Regierungen statistisches Material mit­ geteilt und zusammengestellt. Von dem Professor Dr. Schröder in Würzburg, jetzt in Heidelberg, wurde ein Gutachten nebst Gesetzentwurf über die partikuläre Gütergemeinschaft erbeten und bereitwillig erteilt. Die preußische Deputation für das Veterinärwesen erstattete ein Gutachten über die Gewährleistung bei Ver­ äußerung von Haustieren. Der Teilentwurf über das Erbrecht wurde im Jahre 1879, der Entwurf des Familienrechts und des Sachenrechts im Jahre 1880, der Entwurf des All♦) Vgl. Neubauer über das in Deutschland geltende eheliche Güterrecht, über das ehe­ liche Güterrecht des Auslandes, über das in Deutschland geltende Recht betr. verschiedene Rechts­ materien (Expropriation, Forst-, Jagd-, Fischerei-, Deich-, Siel-, Näher- und Gesinderecht), über das in Deutschland geltende Wasserrecht, über das in Deutschland geltende Recht betr. Stamm­ güter, Familienfideikommisse, Familiensttftungen, bäuerliches Recht, Reallasten usw., Lehnrecht. Diese Schriften sind unter Benutzung der amtlichen Mitteilungen und der behufs Vorbereitung des Entwurfs des BGB. gemachten Vorarbeiten versaßt.

.gemeinen Teiles 1881 vollendet.

Über das Recht der Schuldverhältnisse wurde

infolge der Erkrankung und des später erfolgten Todes des Dr. v. Kübel kein vollständiger Entwurf vorgelegt. Für die nicht vollendeten Teile wurde der Dresdener Entwurf der Beratung zugrunde gelegt. Den Entwürfen waren ausführliche Motive beigefügt; für die fehlenden Teile des Rechtes der Schuld­ verhältnisse wurde zum Ersatz der Motive das Material von den Hilfsarbeitern zusammengestellt. Die Motive sämtlicher Entwürfe umfassen 9961 Druckseiten in 10 Foliobänden. Dazu kommt noch eine nicht unerhebliche Zahl von Anlagen und Nachträgen. Die Entwürfe der Redaktoren und ihre Beigaben wurden nicht veröffentlicht.

Die Beratung der Gesamtkommission begann am 4. Oktober 1881. Wöchentlich wurden drei Sitzungen gehalten; in einer vierten Sitzung wurden die Protokolle, die von den Hilfsarbeitern geführt wurden, verlesen und festgestellt. Die Beratung und Beschlußfassung in der Kommission erfolgte, nachdem zunächst der betreffende Referent den von ihm vorgelegten Entwurf begründet und erläutert hatte. Ein Hauptreferent, wie ihn die Vorkommission vorgesehen hatte, wurde nicht bestellt. Der Präsident Pape faßte regelmäßig am Schluffe der Beratung das Ergebnis derselben in einer ausführlichen Darlegung zusammen. Die Beschlüsse wurden durch Sttmmenmehrheit gefaßt; bei Sttmmengleichheit entschied die Stimme Les Vorsitzenden. Eine vorläufige Zusammenstellung der Beschlüsse wurde von dem Vorsitzenden gemacht und allen Mitgliedern mitgeteilt. Die Protokolle wurden, bevor sie in der Kommission zur Vorlesung kamen, von einem Protokollausschusse geprüft. Dieser bestand aus dem Vorsitzenden, dem Präsidenten v. Weber und dem Referenten des betreffenden Teilentwurfs. Nach der Durchberatung eines kleineren oder größeren Abschnitts stellte der Protokollausschuß unter Zugrunde­ legung der vorläufigen Zusammenstellung und der von dem Referenten des betreffen­ den Teilentwurfs gemachten Vorlage die Redaktion fest. Diese wurde nach Beendigung der Beratung über das betreffende Buch von der Kommission geprüft; zugleich wurden die durch spätere Beschlüsse erforderlichen Änderungen der bereits früher beschlossenen Vorschriften vorgenommen. Nach Durchberatung und Feststellung aller Teilentwürfe wurden diese nochmals einer Revision durch die Kommission unterzogen. Diese Schlußrevision begann am 30. September 1887 und endigte am 16. Dezember 1887. Einzelne unerhebliche Änderungen erfolgten noch bei der Drucklegung in der Sitzung vom 30. Dezember. Mittels Berichts vom 27. Dezember 1887 wurde der Entwurf von dem Vorsitzenden dem Reichskanzler überreicht. Der Entwurf hat 2164 Paragraphen; die Einteilung in die oben angegebenen fünf Bücher ist beibehalten. Die nähere Angabe des Inhalts wird bei der Erläuterung des Gesetzbuchs, soweit erforderlich, erfolgen. Von der Kommission war neben den fünf Büchern des Entwurfs noch ein sechstes mit der Überschrift „Räumliche Herrschaft der Rechtsnormen" beraten und be­ schlossen. Die Beratung erfolgte auf Grund einer sehr eingehenden Vorlage desRedaktors des Allgemeinen Teiles*) in den Sitzungen vom 9. bis 28. September 1887. Dieser Abschnitt, welcher die Vorschriften über das sog. Internationale

*) Die von ihm gemachten Vorschläge sind abgedruckt bei Niemeyer, Vorschläge und Materialien zur Kodifikation des internationalen Privatrechts, 1895, und bei Zitelmann, Art. 7-31 des EG. z. BGB., 1908.

XXVIII

Einleitung.

Privatrecht enthielt, wurde indessen nicht mit in den Entwurf ausgenommen, sondern auf Grund des Beschlusses der Kommission dem Reichskanzler neben dem Entwürfe mit dem Bemerken überreicht, daß es zweifelhaft erscheine, ob dieser Abschnitt sich zur Aufnahme in das BGB. und zur Veröffentlichung eigne. Da für die Entscheidung dieser Frage wesentlich politische Rücksichten in Betracht kämen, so enthalte sich die Kommission der Entscheidung. Der Reichskanzler ver­ fügte, daß der sechste Abschnitt nicht in den Entwurf aufzunehmen sei und verbot auch seine Veröffentlichung. Er wurde aber später in der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs der Beratung zugrunde gelegt und 1899 mit den Protokollen dieser Kommission als deren Anlage veröffentlicht (P. II 6 S. 8 ff.). Der Reichskanzler legte den Entwurf dem Bundesrate vor, welcher am 31. Januar 1888 beschloß, den Entwurf nebst Motiven zu veröffentlichen und zur Kritik des­ selben aufzufordern. Die Motive wurden auf Grund der von den Redaktoren ihren Vorlagen beigegebenen Motive und der Protokolle von den Hilfsarbeitern, zum Teil unter Mitwirkung der Referenten, ausgearbeitet; eine Beschlußfassung der Kommission darüber hat nicht stattgefunden. Sie sind im Laufe des Jahres 1888 durch den Druck veröffentlicht. Der erste Band (bearbeitet von Börner) enthält die Motive des Allgemeinen Teiles (395 Seiten), der zweite (bearbeitet von Ege) die des Rechts der Schuldverhältnisse (895 Seiten), der dritte (bearbeitet von Liebe) die des Sachenrechts (869 Seiten), der vierte (bearbeitet von Struckmann) die des Familienrechts (1274 Seiten), der fünfte (bearbeitet von Neubauer) die des Erbrechts (711 Seiten). Mit der Vollendung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs waren die Arbeiten der ersten Kommission noch nicht beendigt. Sie sollte außer dem Ent­ wurf eines Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche nach dem Beschlusse des Bundesrats vom 14. Juni 1888 auch den Entwurf einer Grundbuchordnung, eines Gesetzes über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen und, soweit die Zeit bis zu dem auf den 1. April 1889 festgesetzten Schlüsse der Kommission dazu ausreiche, auch eines Gesetzes über die nicht streitige Gerichts­ barkeit ausarbeiten. Für den Entwurf des Änführungsgesetzes hatte jeder Redaktor

die seinem Gebiet angehörenden Vorschriften ausgearbeitet; für das Recht der Schuldverhältnisse war diese Ausarbeitung durch den Hilfsarbeiter Landgerichtsrat Ege unter Leitung des Geheimen Oberjustizrats Kurlbaum erfolgt. Die Vor­ schriften allgemeiner Art hatte der Redaktor des Allgemeinen Teiles ausgearbeitet. Die Beratungen der Kommission begannen im Januar und wurden am 1. Juni 1888 beendigt. Mittels Berichts des Vorsitzenden vom 19. Juni wurde der Ent­ wurf, welcher 129 Artikel in vier Abschnitten enthält, dem Reichskanzler überreicht. Die Beratung des von dem Redaktor des Sachenrechts vorgelegten Entwurfs einer Grundbuchordnung wurde am 4. Juni begonnen und am 8. Oktober 1888 be­ endigt. Der Entwurf, welcher 79 Paragraphen in fünf Abschnitten enthält, wurde mittels Berichts des Vorsitzenden vom 30. Oktober dem Reichskanzler überreicht. Der Entwurf eines Gesetzes betr. die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen war ebenfalls von dem Redaktor des Sachenrechts vorgelegt. Die Be­ ratung desselben wurde am 10. Oktober 1888 begonnen und am 30. März 1889 beendigt. Der Entwurf enthält 245 Paragraphen in fünf Abschnitten und wurde mittels Berichts des Vorsitzenden vom 30. März 1889 dem Reichskanzler überreicht. Auch zu diesen drei Entwürfen wurden Motive von den Hilfsarbeitern aus-

gearbeitet, die Motive zu dem Entw. über die Zwangsvollstreckung jedoch erst nach Auflösung der Kommission. Auf Beschluß des Bundesrats wurden auch diese Ent­ würfe nebst Motiven veröffentlicht. Der Entwurf eines Gesetzes über die An­ gelegenheiten der nicht streitigen Gerichtsbarkeit, welcher von den Redaktoren des

Familienrechts und des Erbrechts ausgearbeitet war, gelangte nicht mehr zur Be­ ratung, weil die Kommission am 30. März 1889 geschlossen wurde. Über die Verhandlungen der ersten Kommission wurde nichts veröffentlicht;

nur im Reichstage wurden von Zeit zu Zeit Mitteilungen über den Stand der Arbeiten gegeben. Die Protokolle sind nur in einer verhältnismäßig kleinen An­ zahl metallographiert. Sie enthalten im ganzen 14763 Folioseiten; die Protokolle über den Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehen bis Seite 12313, über das Einführungsgesetz bis Seite 13300, über die Grundbuchordnung bis Seite 13568, über die Zwangsvollstreckung usw. bis Seite 14 763. Die Gesamtzahl der Sitzungen -er Kommission beträgt 873. Der Entwurf wurde nach seiner Veröffentlichung einer sehr lebhaften Kritik unterzogen. Juristen und Laien, Theoretiker und Praktiker besprachen den Ent­ wurf in Zeitungen und Zeitschriften, selbständigen Büchern sowie in Versamm­ lungen. Anerkannt wurde allgemein die gründliche und erschöpfende Arbeit, welche uuf die Sammlung und Sichtung des Materials verwendet worden; anerkannt wurde auch von den meisten die juristische Technik des Entwurfs und die juristische Konsequenz, mit welcher die angenommenen Prinzipien durchgeführt waren. Sehr verschieden aber waren die Urteile darüber, ob der Entwurf geeignet sei, zum Bürgerlichen Gesetzbuche für Deuffchland zu werden oder auch nur die Grundlage -für ein solches zu bilden. Während von den einen zwar einzelne Mängel des Entwurfs anerkannt, zugleich aber betont wurde, daß diese sich leicht beseitigen lassen würden und daß der Entwurf im ganzen eine ausgezeichnete Arbeit und durchaus geeignet sei, als Grundlage für das Bürgerliche Gesetzbuch zu dienen, wurde von anderen behauptet, daß der Entwurf zwar ein Kunstwerk juristischer Technik sei, aber weder dem Inhalte noch der Fassung nach denjenigen Anforde­ rungen entspreche, welche das deutsche Volk an ein Bürgerliches Gesetzbuch stellen müsse. Der Hauptvertreter der letzten Auffassung war der Geheime Justizrat Professor Dr. Gierke in Berlin;*) er bekämpfte den Entwurf hauptsächlich, weil er auf römisch-rechtlichem, nicht auf deuffch-rechtlichem Standpunkte stehe, weil er dem sozialen Bedürfnisse der Gegenwart nicht entspreche und weil seine Sprache eine verkünstelte Juristensprache, aber kein Deutsch sei. Er faßte sein Urteil in dem Satze zusammen, daß der Entwurf weder deutsch noch sozial noch volkstüm­ lich sei. Auch der Reichsgerichtsrat a. D. Dr. Bähr in Kassel, der anfangs dem Entwürfe wohlwollend gegenübergestanden und nur einzelne Mängel hervorgehoben hatte, wurde im Laufe der Zeit ein immer entschiedenerer Gegner des Entwurfs. Seine Kritik wandte sich hauptsächlich gegen die praktische Brauchbarkeit, und er veröffentlichte im Laufe der Zeit einen vollständigen Gegenentwurf.**) Von den meisten Kritikern wurde anerkannt, daß diese Angriffe auf den Entwurf mindestens sehr übertrieben.seien und daß der Entwurf, wenn er auch Mängel haben möge *) Gierke, Der Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs und das deutsche Recht, 1889.

**) Dr. O. Bähr, Gegenentwurf zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich, 1892.

und es insbesondere wünschenswert sei, daß die Sprache und Fassung klarer und gemeinverständlicher werde, doch durchaus geeignet sei die Grundlage für die weitere Bearbeitung zu bilden. Aus der großen Zahl der kritischen Be­ sprechungen des Entwurfs mögen hier hervorgehoben werden die von Bekker und Fischer unter Mitwirkung von Behrend, Bernhöft, Eck, Gierke, Koch, Krech, v. Liszt, Meischeider, Petersen, Schröder, Seuffert, Vierhaus, Zitelmann herausgegebenen und in 18 Heften erschienenen Beiträge zur Er­ läuterung und Beurteilung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, sowie die im Auftrage des deutschen Anwaltsvereins von den Rechtsanwälten Adams, Wilke, Mecke, Hartmann, Erythropel unter Mitwirkung einer großen Zahl von Anwälten herausgegebenen Gutachten aus dem Anwaltstande. Im Reichsjusttzamte wurde eine Zusammenstellung der gutachtlichen Äußerungen zu dem

Entwurf ausgearbeitet und in fünf Bänden sowie einem Bande Nachträge als Manuskript gedruckt. Die später erschienenen Kritiken wurden in weiteren Nach­ trägen zusammengestellt. Durch Schreiben des Reichskanzlers vom 27. Juni 1889 wurden die Regierungen aufgefordert, sich über den Entwurf zu äußern; eine Reihe von Punkten wurde dabei hervorgehoben, über die eine Äußerung besonders erwünscht sei. Im Laufe der Jahre 1889 und 1890 gingen die gutachtlichen Äußerungen der Bundes­ regierungen ein und wurden im Reichsjustizamt in zwei als Manuskript gedruckten Bänden zusammengestellt. Verschiedene Regierungen, insbesondere Preußen, Bayern, Württemberg, Mecklenburg, Hessen, Baden, Hamburg, ließen ihre gutachtlichen Äußerungen, bzw. die denselben zugrunde liegenden ausführlichen Bemerkungen

der von den Regierungen zur Begutachtung aufgeforderten Juristen, selbständig drucken und demnächst unter die Mitglieder der zweiten Kommission verteilen.*) Am 4. Dezember 1890 faßte der Bundesrat folgenden Beschluß: Der in der ersten Lesung festgestellte Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich sowie der Entwurf eines Einführungsgesetzes zu demselben werden einer zweiten Lesung unterzogen. Zu diesem Zwecke wird eine Kommission von 22 Mitgliedern — teils Juristen, teils Vertreter der verschiedenen wirtschaft­ lichen Interessen — eingesetzt. Bei der Auswahl der juristischen Mitglieder soll die Rücksicht auf Vertretung der Theorie und Praxis, insbesondere auch des Anwaltstandes, auf Vertretung der innerhalb des Deutschen Reichs bestehenden größeren Rechtsgebiete sowie auf Beteiligung an den Arbeiten der früheren Kommission, bei der Auswahl der Vertreter wirtschaftlicher Interessen die Rücksicht auf Vertretung der Landwirtschaft, des Handels und des .Gewerbes sowie der Theorie der Volkswirtschaft obwalten. Die Mitglieder sollen teils ständige, teils nichtständige sein; die letzteren sind unbeschadet ihres Rechtes, an sämtlichen Sitzungen teilzunehmen, zum Erscheinen nur insoweit verpflichtet, als der Vor­ sitzende dies für erforderlich hält.

Zu Mitgliedern der zweiten Kommission wurden gewählt 1 als ständige Mitglieder:

Der Staatssekretär des Reichsjustizamts, Wirklicher Geh. Rat Dr. v. Oehl­ schläger in Berlin, später Präsident des Reichsgerichts, gestorben am *) Die dem bayerischen Ministerium vorgelegten Bemerkimgm deS Dr. v. Jacubezky sind bei C. Wolf & Sohn in München 1892 erschienen.

Ministerialrats

14. Januar 1904, der Geheime Justizrat Professor Dr. Planck in Göttingen, später Wirklicher Geheimer Rat, gestorben am 20. Mai 1910,*) die Geheimen Oberjustizräte, Vortragende Räte im Justizministerium Küntzel und Eichholz, letzterer gestorben am 17. Juni 1895, beide in Berlin, Küntzel später Unter­ staatssekretär und Dr., der Oberregierungsrat v. Jacubezky in München, später Senatspräsident des bayerischen Obersten Landesgerichts und Dr., gestorben 3. Dezember 1909, der Geh. Rat Dr. Rüger in Dresden, später Finanzminister, der Professor Dr. v. Mandry in Tübingen, später Staats­ rat, gestorben 30. Mai 1902, der Geh. Rat Professor Dr. Gebhard in Freiburg i. B., gestorben 23. Oktober 1907 der Ministerialrat Dr. Dittmar in Darmstadt, später Justizminister, gestorben am 15. Juli 1906, der Rechts­ anwalt Dr. Wolffson sen. in Hamburg, gestorben am 12. Oktober 1895. II. als nicht ständige Mitglieder:

Der Landrat und Rittergutsbesitzer Freiherr v. Manteuffel-Crossen, später Landesdirektor und Wirklicher Geheimer Rat, gestorben am 4. März 1913, der Rittergutsbesitzer v. Helldorf-Bedra, gestorben 11. März 1908, der Oberberg- und Hüttendirektor, Geh. Bergrat Leuschner in Eisleben, ge­ storben am 3. Mai 1898, der Gutsbesitzer Freiherr v. Gagern in Erlangen, gestorben am Z. Januar 1910, der Landgerichtsrat Spahn in Bonn, später Oberlandesgerichtspräsident, Wirklicher Geheimer Oberjustizrat und Dr., der Geheime Justizrat Professor Dr. v. Cuny in Berlin, gestorben am 20. Juli 1898, der Brauereidirektor Goldschmidt in Berlin, gestorben am 13. Juni 1902, der Amtsgerichtsrat Hoffmann in Berlin, später Kammergerichtsrat, gestorben am 10. November 1904, der Geschäftsinhaber der Diskonto-Gesellfchaft, Generalkonsul Russell in Charlottenburg, gestorben am 23. Oktober 1907, der Direktor der Forstakademie, Oberforstmeister Dr. Danckelmann in Eberswalde, später Landforstmeister, gestorben am 19. Januar 1901, der Geheime Regierungsrat Professor Dr. Conrad in Halle a. d. S., der Geheime Hofrat Professor Dr. Sohm in Leipzig. Der Vorsitzende der Kommission sowie dessen Stellvertreter sollten, nach dem Beschlusse des Bundesrats, von dem Reichskanzler bestellt werden. Dieser ernannte zum Vorsitzenden den Staatssekretär v. Oehlschläger, zum Stellvertreter den Geheimen Oberjustizrat Küntzel. Ersterer schied, nachdem er zum Präsidenten des Reichsgerichts ernannt war, aus der Kommission aus; an seine Stelle trat als ständiges Mitglied und Vorsitzender im März 1891 der inzwischen zum Staatssekretär des Reichsjustizamts ernannte Wirkliche Geheime Rat Dr. Bosse, gestorben am 31. Juli 1901. Gleichzeitig wurde die Kommission durch zwei neue Mitglieder ver­ stärkt, durch den damaligen Direktor im Reichsjustizamte, Wirklichen Geheimen Rat Hanauer als ständiges Mitglied und den Justizrat Wilke, später Dr. und Geheimer Justizrat, gestorben am 6. März 1911, als nicht ständiges Mitglied. Im April 1892 wurde an Stelle des infolge seiner Ernennung zum Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten aus der Kommission ausscheidenden Dr. Bosse, der

*) Über die Persönlichkeit Plancks und seine« Anteil an dem Zustandekommen des Bürgerlichen Gesetzbuchs s. das Vorwort zu dieser Auflage oben S. V ff. Vgl. ferner de» Nachruf von Sohm in DIZ. 1910, 609—614.

XXXII

Einleitung.

inzwischen zum Staatssekretär des Reichsjustizamts ernannte Wirkliche Geheime Rat Hanauer zum Vorsitzenden der Kommission bestellt. Als neues ständiges Mitglied trat im Mai 1892 der Geheime Oberregierungsrat Struckmann in die Kommission ein. Nach dem Tode des Staatssekretärs Hanauer, am 30. April 1893, wurde im Oktober 1893 der Geheime Oberjustizrat Küntzel zum Vorsitzenden der Kommission ernannt, gleichzeitig aber bestimmt, daß der an Hanauers Stelle zum Staats­ sekretär des Reichsjustizamts ernannte Wirkliche Geheime Rat Nieberding, später Dr., das Recht haben solle, in besonderen Fällen den Vorsitz der Kommission mit vollem Stimmrecht zu übernehmen. Am 1. April 1895 schied der Geheime Rat Dr. Rüger infolge seiner Ernennung zum Generalstaatsanwalt in Dresden aus der Kommission aus; an seine Stelle trat als ständiges Mitglied der damalige Geheime Justizrat Börner (vgl. oben S. XXV). Im Sommer und Herbst 1895 verlor die Kommission noch zwei Mitglieder durch den Tod, den inzwischen zum Oberlandesgerichtspräsidenten in Posen ernannten Geheimen Oberjustizrat Eichholz und den Dr. Wolffson. Zu Schriftführern der Kommission wurden berufen der Amtsrichter Kayser, gestorben 1904, der Gerichtsassessor, später Geheimer Regierungsrat und Vortragen­ der Rat im Reichsjustizamt v. Jecklin, gestorben am 16. April 1910, der Gerichts­ assessor, später Oberlandesgerichtspräsident und Wirklicher Geheimer Oberjustizrat Greiff und der Gerichtsassessor, später Geheimer Kriegsrat und Vortragender Rat v. Schelling. An die Stelle des Gerichtsassessors v. Jecklin trat nach dessen Ernennung zum ständigen Hilfsarbeiter im Reichsjustizamt der Gerichtsassessor und Privatdozent, später Professor Dr. Andrs. Am 1. Januar 1894 trat als Schrift­ führer in die Kommission ferner ein der Amtsrichter, später Senatspräsident des bayerischen Oberlandesgerichts Dr. v. Unzner und am 1. April 1894 der Ge­ richtsassessor, später Kammergerichtsrat Ritzen. Zu Reichskommissaren bei der Kommission wurden ernannt der spätere Wirk­ liche Geheime Oberregierungsrat Struckmann, der Geheime Justizrat Börner (vgl oben S. XXV) und der Oberlandesgerichtsrat Achilles, später Reichsgerichts­ rat und Dr., gestorben am 21. Oktober 1900; die ersteren beiden wurden, wie oben mitgeteilt, später ständige Mitglieder der Kommission. An einzelnen Sitzungen der Kommission beteiligten sich noch andere von den Regierungen zu diesem Zwecke bestellte Kommissare.

Am 15. Dezember 1890 trat die zweite Kommission zu ihrer ersten vor­ bereitenden Sitzung zusammen. Nach Maßgabe des Beschlusses des Bundesrats Vom 4. Dezember 1890 ernannte der Vorsitzende zum Generalreferenten Dr. Planck und zu Spezialreferenten für den Allgemeinen Teil Dr. Gebhard, für das Recht der Schuldverhältnisse Dr. v. Jacubezky, für das Sachenrecht Dr. Küntzel, für das Familienrecht Dr. v. Mandry und für das Erbrecht Dr. Rüger. An die Stelle des letzteren trat nach dessen Ausscheiden der Geheime Justizrat Börner. Nach Feststellung der Geschäftsordnung vertagte sich die Kommission, um den Referenten Zeit zur Vorbereitung zu geben, bis zum 1. April 1891. In der Zeit bis zum 1. April 1891 und später wieder während der Ver­ tagung der Kommission im Herbst 1891 fand behufs Vorbereitung der Verhand­ lungen eine Vorberatung eines Teiles des ersten Buches in einer vom Reichs­ justizamte niedergesetzten Kommission statt.

Vom 1. April 1891 an hielt die Kommission wöchentlich regelmäßig drei Sitzungen. An den Beratungen nahmen mit wenigen durch Krankheiten veran­ laßten Ausnahmen, immer teil die sämtlichen ständigen Mitglieder und von den nicht ständigen Mitgliedern der Professor v. Cuny und die Kammergerichts­ räte Spahn und Hoffmann, sowie der Justizrat Wilke, meistens auch der Baron v. Gagern, der Oberforstmeister Danckelmann und der Direktor Gold­ schmidt sowie auch die Professoren Conrad und Sohm, die übrigen nicht ständigen Mitglieder nur bei einzelnen Materien. Der Beratung zugrunde gelegt wurde der erste Entwurf. Die von den Referenten und den Mitgliedern dazu gestellten Anträge wurden schriftlich eingereicht und spätestens am Tage vor der betreffenden Sitzung unter die Mitglieder verteilt. Die Beratung wurde ein­ geleitet durch Vorträge des Referenten und Generalreferenten, beide faßten das Ergebnis nach Schluß der Diskussion zusammen. Die Abstimmung erfolgte mit absoluter Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit gab die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Allwöchentlich wurden die von der Kommission ge­ faßten Beschlüsse durch den Generalreferenten zusammengestellt und den Mitgliedern mitgeteilt. Diese vorläufige Zusammenstellung diente als Grundlage für die de­ finitive Feststellung der Fassung, welche durch die Redakttonskommission erfolgte. Die Redaktionskommission bestand anfangs aus dem Wirklichen Geheimen Rat Hanauer als Vorsitzendem, dem Generalreferenten und dem Referenten des zur Beratung stehenden Teiles. Später trat an die Stelle von Hanauer der Geheime Ober­ justizrat Dr. Küntzel als Vorsitzender. Zeitweise wurde die Redaktionskommission verstärkt durch den Ministerialrat v. Jacubezky und den Geheimen Justizrat Börner; der letztere hatte von Anfang an als Reichskommissar an der Redaktion teilgenommen. Die Redaktionskommission hielt wöchentlich eine Sitzung, jedoch mußte die Hauptkommission von Zeit zu Zeit ihre Sitzungen aussetzen, um der Redaktionskommission zu fortlaufenden Sitzungen Zeit zu lassen. Einzelne schwierigere Materien wurden durch besondere Subkommissionen für die Haupt­ verhandlung vorbereitet. Die Protokolle über die Beratungen der Kommission wurden abwechselnd von den Schriftführern geführt, von den Mitgliedern der Redaktionskommission geprüft und dann eine Woche lang ausgelegt. Über etwaige Einwendungen hatte die Kommission zu entscheiden, eine förmliche Feststellung durch die Kommission fand nicht statt. Über das Ergebnis der Beratungen erfolgte wöchentlich eine kurze Mitteilung

durch den Reichsanzeiger. Nach Beendigung der Beratung eines jeden Buches wurde dasselbe in der von der Redaktionskommission festgestellten und von der Hauptkommission genehmigten Fassung durch den Druck veröffentlicht.*) Die Beratung des ersten Buches wurde unter vorläufiger Aussetzung des Abschnitts über juristische Personen am 1. Juli 1891 beendet. Am 14. Oktober begann die Beratung des zweiten Buches; sie wurde unterbrochen durch die Be­ ratung des Abschnitts über die juristischen Personen, die vom 30. November 1891 bis zum 18. Januar 1892 dauerte. Beendigt wurde die Beratung des zweiten Buches am 9. Januar 1893. Die Beratung des dritten Buches dauerte vom 9. Januar

*) Die Veröffentlichung erfolgte m verschiedenen Zeitschriften und aus amtliche Beranlassmig in einem besonderen Abdrucke durch die Verlagsbuchhandlung von I. Guttentag. Planck, Äom. zum BGB. Bb. I. 4. Stuft, (ffnofe.) III

XXXIV

Einleitung.

bis zum 15. November 1893, die des vierten Buches vom 15. November 1893 bis zum 30. Mai 1894, die des fünften Buches vom 30. Mai 1894 bis zum 5. März 1895, die des internationalen Privatrechts v. 6. März bis zum

27. März 1895. Eine Schlußrevision des ganzen Entwurfs fand in der Zeit vom 6. Mai bis zum 19. Juni 1895 statt. Auf Grund der gefaßten Beschlüsse wurde dann der ganze Entwurf noch einmal von der Redaktionskommission einer genauen Durch­ sicht unterzogen und die von ihr festgestellte Fassung in der Sitzung der Kommission vom 21. Oktober 1895 genehmigt. Während der erste Entwurf nur fünf Bücher hatte, war dem zweiten Entwurf ein sechstes Buch hinzugefügt; dieses behandelte unter der Überschrift „Anwendung ausländischer Gesetze" das sog. internationale

Privatrecht. Während der erste Entwurf 2164 Paragraphen hatte, zählt der zweite Entwurf deren 2390. Diese Vermehrung hat ihren Grund nur zum ge­ ringeren Teile in der Hinzufügung des internationalen Privatrechts (§§ 2361 bis 2390) und in der Ergänzung der ersten fünf Bücher durch verschiedene neue Vorschriften; sie ist vielmehr wesentlich dadurch veranlaßt, daß viele Paragraphen des ersten Entwurfs in mehrere Paragraphen zerlegt sind. Die Vermehrung erscheint um so erheblicher, als viele Paragraphen des ersten Entwurfs, insbe­ sondere alle die, welche prozessualische Vorschriften enthielten, gestrichen sind. Am 14. Oktober 1895 begann die Kommission die Beratung des Einführungsgesetzes; sie dauerte bis zum 21. Dezember. Die Artikel 11—15, welche die Änderungen der Zivilprozeßordnung, der Konkursordnung und der Einführungsgesetze zu diesen Gesetzen enthielten, wurden aus dem Entwurf ausgeschieden und in ein besonderes Gesetz verwiesen. Der Entwurf des Einführungsgesetzes zerfällt in vier Abschnitte, von denen der erste die allgemeinen Vorschriften, der zweite die Änderungen der Reichsgesetze, der dritte die Vorbehalte für die Landesgesetze, der vierte die Über­

gangsvorschriften enthält. Die Zahl der Artikel beträgt 186. Die Beratung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend Änderungen des Gerichts­ verfassungsgesetzes, der Zivilprozeßordnung, der Konkursordnung und der Ein­ führungsgesetze zu diesen Gesetzen dauerte vom 20. Dezember 1895 bis zum 8. Februar 1896. Am 8. März 1896 wurde die zweite Kommission geschlossen. Sie hak im ganzen 457 Sitzungen gehalten. Die Zahl der Seiten der metallographierten Protokolle beträgt 9524. Sie sind im Auftrage des Reichsjustizamts nach Erlaß des BGB. bearbeitet und 1897—1899 durch den Druck veröffentlicht. Der Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs wurde in der von der Kommission end­ gültig festgestellten Fassung von dem Vorsitzenden mittels Schreibens vom 22. Oktober 1895 dem Reichskanzler und von diesem an demselben Tage dem Bundesrat über­ reicht. Der Bundesrat verwies am 24. Oktober den Entwurf an den Justizausschuß; jedoch hatte dieser, auf Grund vorläufiger Druckabzüge, die Beratung schon vorher begonnen. Auf Antrag des Ausschusses vom 11. Januar 1896 wurde der Entwurf mit den von dem Justizausschusse beantragten Änderungen von dem Bundesrat in der Sitzung vom 16. Januar angenommen und von dem Reichskanzler in der Sitzung des Reichstags vom 17. Januar dem Reichstag überreicht. Dem Entwürfe war eine im Reichsjustizamt ausgearbeitete Denkschrift beigefügt. Die vom Bundes­ rate vorgenommenen Änderungen werden, soweit erforderlich, bei den einzelnen

Paragraphen erwähnt werden; hier mag nur hervorgehoben werden, daß das sechste Buch gestrichen, an Stelle desselben aber eine Reihe von Vorschriften in

den ersten Abschnitt des Einführungsgesetzes ausgenommen ist. Der dem Reichs­ tage vorgelegte Entwurf hat 2359 Paragraphen. Der von der Kommission beschlossene Entwurf des Einführungsgesetzes wurde schon am 19. Dezember 1895 vom Bundesrate dem Justizausschuß überwiesen und in der von diesem beantragten Fassung in der Sitzung des Bundesrats vom 23. Januar 1896 angenommen und darauf dem Reichstage vorgelegt. Die Zahl der Artikel beträgt 217. Die erste Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Einführungsgesetzes im Reichstage fand vom 3.—6. Februar statt und .endigte mit der Verweisung an eine Kommission von 21 Mitgliedern?) Die Mitglieder dieser Kommission haben mehrfach gewechselt; der Bericht ist von folgenden Mitgliedern unterschrieben: Dr. Bachem, Dr. v. Bennigsen, Dr. v. Cuny, Dr. v. Dziembowsky-Pomian, Dr. Enneccerus, Frohme, Gröber (Württemberg), Himburg, Jskraut, Kauffmann, Lenzmann, Lerno, Dr. Lieber (Montabaur), Marbe, Pauli, Graf v. Roon, v. Salisch, Schröder, Spahn, Stadthagen, Freiherr v. Stumm-Halberg. Die Kommission konstituierte sich am 7. Februar 1896 und wählte zum Vor­ sitzenden den zweiten Vizepräsidenten des Reichstags, Abgeordneten Dr. Spahn, zum Stellvertreter des Vorsitzenden den Abgeordneten Kauffmann. An den Verhandlungen nahm eine größere Zahl von Mitgliedern und Kommissaren des Bundesrats teil?***) ) Die Kommission beriet den Entwurf in zwei Lesungen und hielt im ganzen 53 Sitzungen. Sie nahm eine Reihe von wichtigen Änderungen vor, namentlich im Vereinsrecht und im Eherecht sowie durch Zulassung des eigenhändigen Testaments. Die Berichterstattung für das Plenum übernahm für das erste und zweite Buch der Abgeordnete Dr. Enneccerus, für das dritte Buch der Abgeordnete v. Buchka, für das vierte Buch der Abgeordnete Dr. Bachem, für das fünfte Buch und für das Einführungsgesetz der Abgeordnete Schröder. Am 12. Juni erstattete die Kommission ihren Bericht.***) Er zerfällt in fünf Teile, von denen der erste das erste und zweite Buch, der zweite das dritte Buch, der dritte das vierte Buch, der vierte das fünfte Buch, der fünfte das Einführungs­ gesetz betrifft. Die zweite Lesung des Entwurfs im Plenum des Reichstags begann am 19. Juni und dauerte bis zum 27. Juni 1896.f) Debattiert wurde hauptsächlich über die Wildschadenshaftung für Hasen und über die Ehescheidung wegen Geistes­ krankheit. Die dritte Lesung wurde am 30. Juni begonnen und am 1. Juli be­ endigtes) Am Schluffe fand eine namentliche Absttmmung über die Entwürfe des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Einführungsgesetzes statt. Es beteiligten sich daran 288 Abgeordnete, von denen 222 für die Annahme, 48 dagegen stimmten, während sich 18 der Abstimmung enthielten.sss) Nachdem am 14. Juli der Bundesrat seine Zusttmmung zu dem Bürgerlichen Gesetzbuch und dem Einführungsgesetz erteilt hatte, wurden beide am 18. August ») **) ***) t) tt) ■fff)

StB. 705-794. Siehe die Namen im KB. 1935. KB. 1935—2192. StB. 2717—3038. StB. 3039—3108. Siehe die Namen im StB. 3104.

Einleitung.

XXXVI vom Kaiser vollzogen.

Die Verkündung erfolgte durch das am 24. August aus­

gegebene Reichs-Gesetzblatt Nr. 21 S. 195—650. Durch

das BGB.

wurden

zahlreiche Änderungen

und Ergänzungen der

Reichsjustizgesetze von 1877 nötig, durch das BGB. war auch die Grundlage für ein einheitliches Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung von Grundstücken geschaffen, schließlich mußten neben dem BGB. einheitliche Vor­ schriften über das formelle Grundbuchrecht und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gegeben werden. Deshalb wurde durch Art. 1 EG. bestimmt, daß das BGB. gleichzeitig mit einem Gesetze, betreffend Änderungen des Gerichts­ verfassungsgesetzes, der Zivilprozeßordnung und der Konkursordnung, einem Ge­ setz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung, einer Grundbuch­ ordnung und einem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichts­ barkeit in Kraft treten sollte. Der Entwurf des zuerst genannten Gesetzes wurde, wie S. XXXIV bemerkt, noch von der zweiten Kommission selbst beraten.

Das Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung nebst einem Einführungsgesetze sowie die Grundbuchordnung wurde am 24. März 1897, das Gesetz betr. die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wurde am 17. Mai 1898 verkündet. Das in Aussicht genommene Gesetz betr. Änderungen des

GVG., der ZPO. und der KO. wurde in mehrere Gesetze zerlegt. Am 17. Mai 1898 wurden verkündet ein Gesetz betr. Änderungen des GVG. und der StPO., ein Ge­ setz betr. Änderungen der ZPO. nebst EG. dazu und ein Gesetz betr. Änderungen der KO. nebst EG. dazu. An demselben Tage wurde ein Gesetz verkündet, durch das der Reichskanzler ermächtigt wurde, die Texte verschiedener Reichsgesetze, wie sie sich aus den durch spätere Gesetze getroffenen Änderungen ergaben, und zwar die ZPO. und die KO. unter fortlaufender Nummernfolge der Paragraphen durch das Reichs-Gesetzblatt bekanntzumachen. Durch dasselbe Gesetz wurde der Reichs­ kanzler ermächtigt, die Texte des ZVG. und des zugehörigen EG., der GBO. und des FGG. durch das Reichs-Gesetzblatt in der Weise bekanntzumachen, daß die darin enthaltenen Verweisungen auf Vorschriften der ZPO., der KO.

und der im Art. 13 Abs. 1 des EG. zum HGB. bezeichneten Gesetze durch Ver­ weisungen auf die entsprechenden Vorschriften der durch den Reichskanzler bekannt­ gemachten Texte zu ersetzen waren. Auf Grund dieses Gesetzes wurden alle darin bezeichneten Gesetze am 20. Mai 1898 in der neuen Fassung bekanntgemacht. Die ZPO. hat statt der ftüheren 872 jetzt 1048, die KO. statt der ftüheren 214 jetzt 244 Paragraphen. Bei der folgenden Darstellung ist für alle gedachten Gesetze die neue Fassung zugrunde gelegt. An Stelle des bisherigen HGB. wurde ein neues sich an das BGB. an­ schließendes HGB. nebst EG. am 10. Mai 1897 verkündet; es ist gleichzeitig mit dem BGB. in Kraft getreten.' Die genannten Gesetze sind Nebengesetze des BGB., sie sind zu seiner Er­ gänzung, nicht zu seiner Abänderung erlassen und deshalb gleichzeitig mit ihm in Kraft gesetzt. Deshalb ist anzunehmen, daß sie dem BGB. nicht derogieren, obwohl sie später erlassen sind (Geib, ArchZivPrax. 94, 339f.; v. Tuhr Allg. Teil I 7f.; abweichend namentlich Hellwig, Verträge 464 Anm. 944, Anspruch und Klagrecht 393f., Lehrbuch des Zivilprozeßrechts § 4 I 5 b; Mendelssohn Bartholdy, Das BGB. und seine Nebengesetze in SeuffBl. 1910, 49ff., 91 ff.).

IN. Änderungen und Ergänzungen des BGB. «nd der Nebengesehe durch spätere Reichsgesehe. — Möglichkeit zukünftiger Abänderung des BGB. durch Gewohnheitsrecht.

1. Änderung durch spätere Reichsgesetze. Das BGB. ist bisher zweimal ge­ ändert. Durch den § 22 des Vereinsgesetzes vom 19. April 1908 erhielt der § 72 eine neue Fassung, und durch das Gesetz betr. Änderung des § 833 BGB. vom 30. Mai 1908 wurde diesem Paragraphen ein zweiter Satz hinzugefügt. Dazu kommen einzelne formell selbständige Gesetze bürgerlich-rechtlichen Inhalts: das Gesetz betr. die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen vom 4. Dezember 1899; das Gesetz über das Verlagsrecht vom 19. Juni 1901 (mit Änderungen durch das Gesetz vom 22. Mai 1910); das Gesetz über den Verkehr mit

Kraftfahrzeugen vom 3. Mai 1909; das Gesetz über die Sicherung der Bau­ forderungen vom 1. Juni 1909; das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. Juni 1909; das Gesetz über die Haftung des Reichs für seine Beamten vom 22. Mai 1910.

Auch die Nebengesetze haben verschiedene Änderungen erfahren: das GVG. durch den § 29 Abs. 2 des Gesetzes betr. das Flaggenrecht der Kauffahrteischiffe vom 22. Juni 1899, durch die Gesetze vom 20. März 1905, 5. Juni 1905, 1. Juni 1909 und durch das Gesetz betr. die Zuständigkeit des Reichsgerichts vom 22. Mai 1910; das EG.GVG. und das EG.ZPO. durch das Gesetz betr. die bei einem obersten Landesgericht einzulegenden Revisionen in bürgerlichen Rechts­ streitigkeiten vom 20. Februar 1911; die ZPO. durch die Gesetze vom 5. Juni 1905 und 1. Juni 1909 sowie durch das Gesetz betr. die Zuständigkeit des RG. vom 22. Mai 1910; die GBO. durch das Gesetz vom 14. Juli 1905; das FGG. durch das Gesetz vom 5. März 1906 und durch das Gesetz betr. die Zuständigkeit des RG. vom 22. Mai 1910, dazu kommt das Gesetz betr. die freiwillige Gerichts­ barkeit und andere Rechtsangelegenheiten in Heer und Marine vom 28. Mai 1901. Das vierte Buch des HGB. ist geändert durch das Gesetz betr. Mänderung see­ rechtlicher Vorschriften des HGB. vom 2. Juni 1902, durch das Gesetz betr. Ab­ änderung der Seemannsordnung und des HGB. vom 12. Mai 1904, durch das Gesetz betr. Änderung der Vorschriften des HGB. über die Seeversicherung vom

30. Mai 1908. Dazu kommt das Gesetz betr. die Erleichterung des Wechsel­ protestes vom 30. Mai 1908, auf Grund dessen der Text der Wechselordnung am 3. Juni 1908 in der veränderten Fassung bekanntgemacht wurde, ferner das Scheckgesetz vom 11. März 1908. Das Versicherungsrecht ist durch das Gesetz über die privaten Versicherungsunternehmungen vom 12. Mai 1901, das vor­ wiegend deren öffentlich-rechtliche Verhältnisse betrifft, und durch das Gesetz

vom 30. Juni 1908 über den Versicherungsvertrag geregelt.

2. Künftige Abänderung des BGB. durch Gewohnheitsrecht.*) Der 8 2 des E. I bestimmte: *) Krückmann, Das Gewohnheitsrecht und das BGB., in JheriagsJ. 38,191 ff.; Crome, Partikulares Gewohnheitsrecht, daselbst 39, 323ff.; Sturm, Revision der gemeinrechtlichen Lehre vom Gewohnheitsrecht unter Berücksichtigung des neuen deutschen Reichsrechts, 1900; Ehrlich, Die Tatsachen des Gewohnheitsrechts (Rektoratsrede) 1907; Danz, Rechtsprechung nach der Volksanschauung und nach dem Gesetz. Ein Beitrag zur Lehre vom Gewohnheitsrecht und zur Gesetzesauslegung, in JheringsJ. 54, Iff.

XXXVIII

Einleitung.

„ Gewohnheitsrechtliche Rechtsnormen gelten nur insoweit, als das Gesetz auf Gewohnheitsrecht verweist." (P. I 9 ff., M. I 3 ff.) Bei der von der zweiten Kommission beschlossenen Streichung des § 2 (P. III S. 3 ff.) wurde in Aussicht genommen, eine Vorschrift über das Gewohnheitsrecht in das EG. aufzunehmen. Bei der Beratung des EG. wurden indessen alle positiven Anträge abgelehnt und es wurde beschlossen, keine Vorschriften über das Gewohnheitsrecht aufzunehmen. (P. H 6 S. 359 ff.)Die Mehrheit ging von folgenden Gesichtspunkten aus:

a) Partikuläres Gewohnheitsrecht kann künftig nicht mehr entstehen, soweit es sich nicht um Materien handelt, die durch das EG. der Landesgesetz­ gebung Vorbehalten sind. b) Gemeines oder Reichsgewohnheitsrecht kann auch künftig noch entstehen. In beiden Beziehungen wird kein Unterschied gemacht, ob es sich um Ab­ änderung oder Ergänzung des Reichsrechts handelt. Eine ausdrückliche Vorschrift brauche weder in der einen noch in der anderen Richtung gegeben zu werden. Der unter a angeführte Satz ergebe sich schon aus dem Art. 2 der Reichsver­ fassung und Art. 55 des EG., der Satz unter b aus dem Wesen des Gewohn­ heitsrechts als einer dem Gesetze koordinierten Rechtsquelle. Diese Auffassung wird als richtig anzuerkennen sein. Die Vorschrift des Art. 2 der Reichsverfassung, nach welcher die Reichsgesetze den Landesgesetzen vor­ gehen, spricht allerdings nur von „Gesetzen", und eine ausdrückliche, dem EG. Art. 2 entsprechende Vorschrift, nach welcher unter „Gesetz" jede Rechtsnorm zu verstehen ist, findet sich in der Reichsverfassung nicht. Die Absicht des Art. 2 geht aber offenbar dahin, den Grundsatz auszusprechen, daß Reichsgesetze allen partikularrechtlichen Rechtsnormen vorgehen; eine ausdehnende Auslegung des Wortlauts ist hier daher geboten. Diese Auffassung entspricht auch der herrschen­ den Lehre. Durch die ftagliche Vorschrift wird dann aber nicht nur ausgedrückt, daß die Reichsgesetze entgegenstehende partikularrechtliche Vorschriften aufheben, sondern auch, daß derartige Vorschriften, soweit sie mit einem Reichsgesetz in Widerspruch stehen würden, nicht mehr entstehen können. Hierbei zwischen ab­ ändernden und ergänzenden Vorschriften zu unterscheiden, würde den Zweck der Vorschrift vereiteln und ist durch den Wortlaut nicht geboten. Jede Ergänzung enthält entweder Vorschriften, die sich bei richtiger Auslegung und analoger An­ wendung des Gesetzes schon aus diesem ergeben, dann ist sie überflüssig, und die Vorschriften gelten nicht kraft der partikularen Rechtsnorm, sondern kraft des Reichsgesetzes; oder die Vorschriften sind nicht von dieser Art, dann enthalten sie eine Abänderung des Reichsgesetzes und sind deshalb unzulässig. Zu demselben Ergebnisse wird man auf Grund des Art. 55 des EG. gelangen, nach welchem die privatrechtlichen Vorschriften der Landesgesetze außer Kraft treten, soweit nicht eiy Vorbehalt für die Landesgesetze gemacht ist. Daß unter „Gesetz" hier jede Rechts­ norm verstanden wird, ist im Art. 2 des EG. ausdrücklich bestimmt. Daß unter Landesgesetzen auch die für kleinere Kreise innerhalb der einzelnen Staaten gelten­ den Gesetze zu verstehen sind und daß privatrechtliche Normen der fraglichen Art nicht nur, soweit sie bestehen, außer Kraft treten, sondern auch nicht neu ein­ geführt werden können, ist nach der Absicht und dem Zusammenhänge der frag» lichen Vorschrift unzweifelhaft. Die Unterscheidung zwischen Vorschriften contra

legem und praeter legem kommt hier nicht in Frage, da der Art. 55 alle Vor­ schriften privatrechtlichen Inhalts trifft. Die von Krückmann 200ff.; Holder 51s., 59; Sturm 260, 275ff., 283ff.; Landsberg § 10 II; Leonhard Allg. Teil § 19II, früher auch von Cosack § 10 vertretene Ansicht (vgl. auch v. Tuhr Allg. Teil 112 Anm. 46), daß auch partikuläres Gewohnheitsrecht noch entstehen könne, dürfte sich den angeführten ausdrücklichen reichsgesetzlichen Bestimmungen gegenüber durch das Wesen des Gewohnheitsrechts, auf welche jene Schriftsteller sich berufen, nicht rechtfertigen lassen (so auch die herrschende Meinung: Oertmann XVI; Rehbein I S. X; K. v. R G R. Vorbm. 2 zum Allg. Teil; Biermann I § 26 Ziff. 2; Cosack §10 [feit der 5. Aufl.s; Crome § 17 Ziff. 3 und in dem angeführten Aufsatz; Dernburg I § 28 II; Endemann I § 9 Ziff. 3a; Enneccerus § 37; Kohler I § 30 H; Matthiaß § 8 III; Zitelmann I 17; Eck I 22ff.). Die angeführten Gründe stehen einem gemeinen oder Reichsgewohnheitsrechte nicht entgegen. Es handelt sich hierbei, ebenso wie bei dem Reichsgesetz, um eine für das ganze Reich geltende Rechtsnorm. Die Zulässigkeit einer solchen hängt also lediglich von der Frage ab, ob das Gewohnheitsrecht eine von der Aner­ kennung durch die gesetzgebende Gewalt unabhängige, neben derselben bestehende Rechtsquelle ist. Diese viel erörterte und bestrittene Frage (s. Windscheid-Kipp I §§ 15—18, Sturm in der oben genannten Schrift, Regelsberger I §§ 19—23; Hölder 58; Oertmann XV; Staudinger I 12f.; Biermann I § 5; Cosack § 10; Crome §. 17; Dernburg I § 28; Enneccerus § 37; Kohler I § 24 II; Landsberg § 10 II; Matthiaß § 6; Zitelmann I 17; Eck I 22; Hachen­ burg 32; Leonhard Allg. Teil § 18; v. Tuhr Allg. Teil 110; RG. 37, 179) ist von der Kommission mit Recht bejaht. Auf eine eingehende Erörterung der Natur und Kraft des Gewohnheitsrechts muß hier verzichtet werden; es mag nur darauf hinge­ wiesen werden, daß das echte Gewohnheitsrechtsich immer und allenthalben mit elemen­ tarer Straft durchgesetzt hat, mochte die Gesetzgebung bestimmen, was sie wollte. Gegen­ über dem möglichen Zweifel, ob tatsächlich ein Gewohnheitsrecht der fraglichen Art zur Entstehung gelangen wird, mag auf den Einfluß hingewiesen werden, welchen die Rechtsprechung des Reichsgerichts ausübt. Das Reichsgericht kann allerdings kein Gewohnheitsrecht machen; es hat nach dem bestehenden Rechte zu entscheiden. Aber es hat die Reichsgesetze auszulegen und gegebenenfalls analog anzuwenden. Die Auslegung oder analoge Anwendung kann unrichtig sein. Wenn die Rechtsprechung des Reichsgerichts aber in dieser Richtung unverändert dieselbe bleibt, wenn sich die Praxis aller Gerichte ihr anschließt, so entsteht dadurch allein zwar noch kein Gewohnheitsrecht, aber es ist möglich, daß diese Praxis in solcher Weise auf die Rechtsanschauungen aller Beteiligten und auf die Gestaltung des Verkehrs zurückwirkt, daß dadurch schließlich ein wirkliches Gewohnheitsrecht zu­ stande kommt (a. A. Rehbein I S. X insofern, als er auch ein allgemeines Ge­ wohnheitsrecht gegen absolut verbietende Rechtsnorm des BGB. nicht zulassen will; Goldmann-Lilienthal I 30ff., die annehmen, daß durch das BGB. jede Ge­ wohnheitsrechtsbildung ausgeschlossen sei).

IV. Inhalt des Bürgerlichen Gesetzbuchs. 1. Den Gegenstand des Bürgerlichen Gesetzbuchs bildet das gesamte bürger­ liche Recht. Den Begriff des bürgerlichen Rechtes im Gegensatze zum öffentlichen

XL

Einleitung.

Rechte bestimmt das BGB. nicht. Der im Art. 55 des EG. gebrauchte Ausdruck „privatrechtliche Vorschriften" ist gleichbedeutend mit Vorschriften des bürgerlichen Rechtes. Das bürgerliche Recht wird in den M. I 1 als Inbegriff derjenigen Normen bezeichnet, welche die den Personen als Privatpersonen zukommende recht­ liche Stellung und die Verhältnisse, in welchen die Personen als Privatpersonen untereinander stehen, zu regeln bestimmt sind. Man kann diese Begriffs­ bestimmung im allgemeinen als richtig anerkennen. Die Grenzlinie zwischen bürgerlichem und öffentlichem Rechte wird indessen, wie man auch die Begriffe bestimmen mag, häufig zweifelhaft bleiben. Für das Bürgerliche Gesetzbuch selbst ist die Frage ohne Bedeutung, weil dessen Vorschriften unzweifelhaft auch dann gelten, wenn sie öffentliches Recht enthalten, wie dies z. B. in betreff des § 89, welcher eine Vorschrift über juristische Personen des öffentlichen Rechtes gibt, an­ zunehmen sein wird. Von Bedeutung wird die Frage für die Auslegung des Art. 55 des EG. Nach diesem treten alle privatrechtlichen Vorschriften der Landes­ gesetze mit dem Inkrafttreten des BGB. außer Kraft, soweit nicht in dem BGB. oder EG. ein anderes bestimmt ist. Ob eine landesrechtliche Vorschrift bestehen bleibt oder außer Kraft tritt, hängt also davon ab, ob sie privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Inhalts ist. Für die Lösung dieser Frage wird aber wie gesagt durch allgemeine Erörterungen über den Begriff des öffentlichen und Privatrechts wenig gewonnen, vielmehr wird man nur durch Untersuchung der einzelnen Fälle zu dem richtigen Ergebnisse gelangen. Das in dieser Beziehung Erforderliche ist den Erläuterungen zum EG. vorzubehalten, hier mag nur hervorgehoben werden, daß das EG. selbst in einzelnen Fällen durch ausdrückliche Vorschriften die vorhandenen Zweifel zu heben sucht. Der Satz, daß das Bürgerliche Gesetzbuch das gesamte bürgerliche Recht um­ faßt, erleidet mehrere Ausnahmen. Nach Art. 32 des EG. bleiben alle Reichs­ gesetze, auch soweit sie privatrechtlichen Inhalts sind, neben dem BGB. in Kraft, wenn sich nicht aus dem BGB. oder dem EG. die Aufhebung ergibt. Insbesondere ist das gesamte Handelsrecht und das Wechselrecht von dem BGB. ausgeschlossen geblieben (f. oben Seite XXXVI). Ebenso ist das sogenannte Jmmaterialgüterrecht der Regelung durch besondere Reichsgesetze überlassen (G. betr. das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst vom 19. Juni 1901; G. betr. das Urheber­ recht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 9. Januar 1907, beide geändert durch das G. vom 22. Mai 1910 zur Ausführung der revidierten Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst vom

13. November 1908; G. betr. das Urheberrecht an Mustern und Modellen vom 11. Januar 1876; Patentgesetz vom 7. April 1891; G. betr. den Schutz von Gebrauchs­ mustern vom 1. Juni 1891; G. zum Schutz der Warenbezeichnungen vom 12. Mai 1894). Andererseits enthalten die Art. 56—152 des EG. eine große Zahl von Vor­ schriften, kraft deren Landesgesetze privatrechtlichen Inhalts abweichend von der Regel des Art. 55 aufrechterhalten bleiben. Das Nähere über die Bedeutung und Trag­ weite dieser Ausnahmen ist ebenfalls den Erläuterungen zum EG. vorzubehalten. Die in den Art. 75 und 76 EG. gemachten Vorbehalte (Versicherungsrecht und Verlagsrecht) sind durch die S. XXXVII erwähnten Reichsgesetze über diese Gegen­ stände im wesentlichen erledigt. Ob die Vorschriften des materiellen Prozeßrechts dem bürgerlichen oder dem Prozeßrecht angehören, ist streitig. Die ZPO. von 1877 hatte einige solcher Vor-

schriften ausgenommen, andere nicht.

Ähnlich steht es mit der KO.

Der Entwurf I

enthielt eine große Zahl von Vorschriften des materiellen Prozeß- und Konkurs­ rechts. Bei der zweiten Lesung sind sie fast sämtlich ausgeschieden und in ein besonderes Gesetz verwiesen. Der Entwurf dieses Gesetzes wurde von der Kommission ausgearbeitet und liegt den im Jahre 1898 erlassenen oben näher bezeichneten Gesetzen betr. Änderungen der ZPO., der KO. und des GVG. zugrunde. Diese

Gesetze werden, soweit dies zum richtigen Verständnisse der Vorschriften des BGB. erforderlich ist, in der folgenden Darstellung berücksichtigt werden. 2. Einteilung des BGB. Das BGB. zerfällt in fünf Bücher, die Bücher zerfallen in Abschnitte und diese in Titel. Besonders umfangreiche Titel sind noch weiter gegliedert, die Gliederung ist durch römische und arabische Ziffern gekennzeichnet. Die Bücher, Abschnitte, Titel und Unterteile der Titel sind mit Überschriften versehen, auch diese sind Teile des Gesetzes (Crome § 11 Anm. 4;

Endemann I § 5 Zisf. 2; v. Tuhr Allg. Teil I 4) und deshalb bei seiner Aus­ legung zu berücksichtigen (vgl. z. B. Erl. 1, 6 vor § 823). Die Zahl der Parargaphen, die durch das Gesetzbuch fortlaufend bezeichnet sind, beträgt 2385. Das erste Buch enthält den Allgemeinen Teil und stellt in diesem die­ jenigen Vorschriften zusammen, welche mehr oder weniger für alle Teile des bürgerlichen Rechtes von Bedeutung sind. Das zweite Buch umfaßt das Recht der Schuldverhältnisse. In dem ersten und dritten bis sechsten Abschnitte sind die für alle Schuldverhältnisse, in dem zweiten Abschnitte die für Schuldverhält­ nisse aus Verträgen geltenden allgemeinen Vorschriften enthalten. Der siebente Abschnitt behandelt in 25 Titeln die einzelnen Schuldverhältnisse, welche nicht auf sachenrechtlichen, familienrechtlichen oder erbrechtlichen Verhältnissen beruhen. Das dritte Buch enthält das Sachenrecht, d. h. die Vorschriften über die ding­ lichen Rechte an Sachen; des Zusammenhanges wegen sind jedoch in diesem Buche auch der Nießbrauch und das Pfandrecht an anderen als dinglichen Rechten, insbesondere an Forderungen geregelt. Das vierte Buch umfaßt das Familienrecht, einschließlich des Vormundschaftsrechts, das fünfte Buch das Erb­ recht. Die genauere Angabe des Inhalts der einzelnen Bücher wird in den Vorbemerkungen zu denselben erfolgen. 3. Die Grundlage des BGB. bildet das bisherige Recht. Nicht ein neues Recht sollte von oben herab gemacht, sondern das bestehende Recht sollte kodifiziert werden. Bei der großen Verschiedenheit der in Deutschland bestehenden Rechte mußten zu diesem Zwecke die allen Rechten gemeinsamen Rechtsgedanken aus­ gesucht und, soweit eine Gemeinsamkeit nicht bestand, diejenigen Rechtsgedanken ausgesucht werden, welche dem gegenwärttgen Rechtsbewußtsein und den wirt­ schaftlichen Bedürfnissen am meisten entsprechen. Daneben aber wurde der Zweck erstrebt, das bisherige Recht insoweit fortzubilden, als sich erkennen ließ, daß die geschichtliche Entwickelung in einer bestimmten Richtung sich bewegte, und diese Entwickelung zu einem Abschlusse reif erschien, oder als die veränderten wirt­ schaftlichen und sozialen Verhältnisse eine Änderung erheischten. Auch bei dieser

Fortbildung aber sollte soweit als tunlich immer an das bestehende Recht angeknüpst werden. Diese Gesichtspunkte sind in allen Stadien der Bearbeitung des BGB. in der Hauptsache festgehalten; doch wurde bei dem ersten Entwürfe der Gesichts­ punkt, daß das bisherige Recht die Grundlage bilden müsse, schärfer betont, während bei den Arbeiten der zweiten Kommission und bei den Verhandlungen

XLII

Einleitung.

im Reichstage das Streben nach einer den sozialen Bedürfnissen der Gegenwart entsprechenden Umgestaltung mehr hervortrat. Von den bestehenden Rechten haben den größten Einfluß auf die Gestaltung des BGB. gehabt das gemeine Recht und das preußische Allgemeine Landrecht. Auch das französische Recht ist immer mit berücksichtigt worden und noch im letzten Stadium der Verhandlung im Reichstage durch Zulassung des holographischen Testaments von entscheidender Bedeutung gewesen. Das sächsische Gesetzbuch steht wesentlich auf dem Boden des gemeinen Rechtes, die Art, wie dieses in dem sächsischen GB. gesetzgeberisch verwertet ist, hat mehrfach zum Vorbilde gedient. Der Vorwurf, der dem ersten und zum Teil auch dem zweiten Entwürfe gemacht ist und der, wenn er begründet wäre, auch das BGB. treffen würde, daß das römische Recht zu viel, das deutsche Recht zu wenig berücksichtigt sei, ist unbegründet.*) Richtig ist nur, daß die juristische Behandlung des Rechtsstoffes in dem Entwürfe, die juristische Technik auf dem Boden der modernen deutschen Rechtswissenschaft steht und diese wieder den hohen Grad der Entwickelung, den sie erreicht hat, allerdings wesentlich der Grundlage des römischen Rechtes ver­ dankt. Demenffprechend ist der Allgemeine Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs, in dem die allgemeinen Grundbegriffe festgestellt sind, nicht spezifisch deuffch, sondern verwertet die Ergebnisse, welche die dogmatische Behandlung des Rechtes durch die deuffche Rechtswissenschaft auf der Grundlage des römischen Rechtes herausgearbeitet hat. In dem Abschnitt über die juristische Persönlichkeit der Vereine ist indessen auch hier dem deuffch-rechtlichen Gedanken der freien Genoffen­ schaftsbildung volle Rechnung getragen, und nur die juristische Form, in welcher der Gedanke verwirklicht ist, steht auf dem Boden des römischen Rechtes. Der größte Teil des Sachenrechts wie des Erbrechts und fast das ganze Familien­ recht stehen wesentlich auf deutsch-rechtlichem Boden. Das Recht der Schuld­ verhältnisse gibt das moderne Verkehrsrecht, wie solches auf Grund der von den römischen Juristen mit unvergleichlicher Meisterschaft durchgeführten freien Be­ handlung der Obligation in der durch den Verkehr und die wirtschaftlichen Be­ dürfnisse der Gegenwart gebotenen Weise von der deutschen Wissenschaft und Praxis ausgebildet ist. Das auf demselben Boden stehende bisherige Handels­ gesetzbuch ist hierbei eingehend berücksichtigt, und das neue HGB. zeigt, wie manche der bisherigen Vorschriften des HGB. durch die Gestaltung, welche das bürgerliche Recht in dem BGB. erhalten hat, überflüssig geworden sind oder doch eine andere präzisere Fassung haben erhalten können.

Von den Änderungen des bestehenden Rechtes, welche die Berücksichtigung des werdenden Rechtes und der sozialen Bedürfnisse der Gegenwart beweisen, mögen nur folgende hervorgehoben werden. Auf die Vorschriften über die juristische Persönlichkeit der Vereine und der (Stiftungen ist bereits hingewiesen. In dem Rechte der Schuldverhältnisse findet sich besonders in den Abschnitten über den Mietund Pachtverttag, über den Dienstverttag, den Werkverttag, über die Gesellschaft und über die unerlaubten Handlungen eine große Reihe von Vorschriften, die berechttgte soziale Forderungen erfüllen. Beispielsweise mögen angeführt werden der Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete", die Vorschriften über das Pfandrecht *) So Planck, in der 1.—3. Auflage. Der Bearbeiter der 4. Auflage kann Planck hin­ sichtlich des ersten Entwurfs nur z. T. zustimmen.

Les Vermieters an den eingebrachten Sachen, über das Kündigungsrecht des Mieters bei Gesundheitsschädlichkeit der Wohnung, ferner die Vorschriften, die Len Schutz des Dienstverpflichteten und des Unternehmers bei dem Werkverträge bezwecken, sowie die Gestaltung, welche die Gesellschaft durch die Anerkennung des Grundsatzes, daß das Gesellschaftsvermögen ein von dem übrigen Vermögen der Gesellschafter abgesondertes, ihnen zur gesamten Hand zustehendes Vermögen bilde, erhalten hat. Auch die Vorschriften über die Befugnis des Gerichts, über­ mäßige Vertragsstrafen zu ermäßigen, über die Herabsetzung der gesetzlichen Zinsen auf vier Prozent*) und über den Wucher gehören hierher. Im Sachenrechte trägt der für den Eigentumserwerb an beweglichen Sachen durchgeführte Schutz des Erwerbes in gutem Glauben dem Bedürfnisse des Verkehrs Rechnung, während die Sicherheit der dinglichen Rechte an Grundstücken durch die konsequente Durch­ führung des Grundbuchsystems gewährleistet und für den Realkredit durch die Gestaltung des Hypothekenrechts und die Einführung der Rentenschuld gesorgt ist. Durch das ganze Familienrecht geht das Bestreben hindurch, die ^rechtliche Stellung der Frauen zu heben. Alle Beschränkungen ihrer Geschäftsfähigkeit sind beseitigt; auch die Eheftauen stehen in dieser Beziehung den Männern völlig -gleich. Die persönliche Rechtsstellung der Frau in der Ehe ist durch die Vor­ schriften des BGB. so vollständig gesichert, wie die Natur der ehelichen Lebens­ gemeinschaft und die dem Manne in derselben gebührende Stellung irgend gestattet. Die bisher noch von keinem größeren Rechte gewagte Anerkennung der elter­ lichen Gewalt der Mutter nach dem Tode des Vaters, und innerhalb gewisser Grenzen auch bei Lebzeiten desselben, ist folgerichtig durchgeführt, und die Fähig­ keit der Frau zur Übernahme - einer Vormundschaft anerkannt. In betreff des

ehelichen Güterrechts ist zwar dem Verlangen der modernen Frauenbewegung nach Einführung der Gütertrennung als gesetzlichen Güterrechts nicht stattgegeben. Gegenüber der geschichtlichen Entwickelung des ehelichen Güterrechts in Deutschland und dem in dem weitaus größten Teile Deutschlands bestehenden Rechte wäre ein solcher Sprung zu gewagt gewesen,**) und zwar um so mehr, als es in hohem Grade zweifelhaft ist, ob die Frauenbewegung sich nicht auf einen bestimmten Kreis von Frauen in den größeren Städten beschränkt, während die große Masse des Bauern- und Bürgerstandes auf einem anderen Standpunkte steht, und ob, wenn dem Verlangen stattgegeben würde, die daraus für die Frauen ent­ springenden Nachteile nicht weit größer sein würden als die gehofften Vorteile. Auf dem Boden der von dem BGB. festgehaltenen deutschrechtlichen Gestaltung des gesetzlichen Güterrechts ist aber die rechtliche Stellung der Frauen gegenüber dem bestehenden Rechte in ausgedehntem Maße verbessert. So ist insbesondere das Recht des Mannes, über die zu dem eingebrachten Vermögen gehörenden beweg­ lichen Sachen zu verfügen, beseitigt und die ganze Stellung der Frau so geordnet, daß ihr eingebrachtes Vermögen gegen schlechte Verwaltung des Mannes in weit größeren: Maße gesichert ist als bisher. Das Recht der Frau, die Aufhebung des Verwaltungs- und Nutzungsrechts des Mannes herbeizuführen, ist erheblich er­ weitert; auch ist der überaus wichtige Grundsatz anerkannt, daß die Rechte des Mannes sich überhaupt nicht auf dasjenige Vermögen erstrecken, welches die Frau durch *) Freilich läßt die wirtschaftliche Entwickelung der letzten Jahre es zweifelhaft erscheinen, ob das BGB. hier nicht zu weit gegangen ist. **) Auch hier vermag der Bearbeiter der 4. Auflage Plancks Standpunkt nicht zu teilen.

Einleitung.

XLIV

ihre Arbeit oder durch den selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts erwirbt. Dazu kommt, daß die Frau auch in erbrechtlicher Beziehung durch die Vorschriften über das Erbrecht der Ehegatten sehr viel günstiger gestellt ist, als dies nach den meisten bisherigen Rechten, insbesondere nach dem gemeinen Rechte, der Fall war. Auch das Rechtsverhältnis der unehelichen Kinder hat eine wesentliche Umgestal­ tung erfahren, indem die Rechte der unehelichen Kinder gegen den unehelichen Vater erheblich erweitert sind und dadurch wenigstens den schwersten Übelständen auf diesem Gebiet entgegengewirkt wird. Mittelbar gereichen diese Vorschriften auch zugunsten der unehelichen Mutter. Für das Erbrecht ist, außer auf die Vorschriften über die gesetzliche Erbfolge, besonders hinzuweisen auf die Vor­ schriften über die Haftung des Erben für die Nachlaßverbindlichkeiten, über die

Erbengemeinschaft, über den Testamentsvollstrecker, das Pflichtteilsrecht und den Erbschein. Auch in betreff der Aufnahme des holographischen Testaments wird von dessen Verteidigern hauptsächlich auf das wirtschaftliche und soziale Bedürfnis

hingewiesen. 4. Über das

Verhältnis des ersten zu dem zweiten Entwurf und zu dem BGB. selbst mag hier folgendes bemerkt werden: Der erste Entwurf bildet durch­ weg die Grundlage; in Form und Fassung ist er vollständig umgearbeitet; auch materiell hat er manche Änderungen erfahren, doch beziehen sich diese in den

meisten Teilen nur auf Einzelheiten, nicht auf die wesentlichen Gedanken. Während der erste Entwurf bei der Formgebung alles Gewicht auf die Präzision und Schärfe des Ausdrucks legte, ist bei der zweiten Bearbeitung wesentlich auch nach tunlichster Glätte und Leichtigkeit der Sprache sowie nach möglichster Ge­ meinverständlichkeit gestrebt. Die Präzision und Klarheit des Ausdrucks ist dabei nicht außer acht gelassen, doch treten die rechtlichen Gesichtspunkte nicht immer so scharf hervor wie in dem ersten Entwürfe; die Erkenntnis der Trag­ weite einer Vorschrift wird daher nicht selten durch eine Vergleichung der ent­ sprechenden Vorschrift des ersten Entwurfs erleichtert. Auf die materiellen Änderungen, die der erste Entwurf erfahren hat, ist hier nicht weiter einzugehen; sie werden, soweit erforderlich, bei der späteren Darstellung an den betreffenden Stellen berücksichtigt werden.

V. Auslegung des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Schon oben ist hervorgehoben, daß das BGB. eine Fortbildung des bestehenden Rechtes ist und an dieses tunlichst auch dann anknüpft, wenn es neue Vorschriften gibt. Für die Auslegung des BGB. wird das bisherige Recht daher immer eine gewisse Bedeutung behalten. Die Bedeutung mancher grundlegenden Be­ griffe, z. B. des Rechtes im subjektiven Sinne, des Rechtsgeschäfts, des Vertrags, wird durch das BGB. selbst nicht festgestellt und kann daher nur aus der deutschen Rechtswissenschaft entnommen werden. Von besonderer Bedeutung für die Auslegung ist ferner die Vergleichung der verschiedenen Entwürfe, aus welchen das BGB. hervorgegangen ist. In Betracht kommen der Entwurf erster Lesung, der von der zweiten Kommission ausgearbeitete veröffentlichte Entwurf, der revidierte dem Bundesrate vorgelegte Entwurf und der dem Reichstage vorgelegte Entwurf. Die Vergleichung dieser Entwürfe ergibt die Entwickelung, welche die einzelnen Vorschriften gehabt haben.

Zur Erläuterung der Entwürfe dienen die Protokolle erster und zweiter Lesung, die Motive des ersten Entwurfs, die Protokolle des Justizausschusses des Bundes­ rats und die dem Reichstage vorgelegte Denkschrift. Für die schließliche Fassung des Gesetzbuchs kommen ferner in Betracht der Bericht der Reichstagskommission And die Verhandlungen im Plenum des Reichstags.*) Für die schließliche Gestaltung des von der zweiten Kommission dem Bundes­ rate vorgelegten Entwurfs sind die Beschlüsse der Redaktionskommission von großer Bedeutung gewesen. Über die Verhandlungen, auf Grund deren diese

Beschlüsse gefaßt sind, existieren keine Protokolle. Bei der Beratung in der Hauptkommission sind indessen für die wichtigeren von der Redaktionskommission beschlossenen Änderungen die Gesichtspunkte, von denen dabei ausgegangen ist, freilich oft nur sehr kurz, dargelegt; die Protokolle der Hauptkommission geben darüber Aufschluß. Bei der Benutzung der Protokolle ist mit einiger Vorsicht zu verfahren. Sie sind sehr ungleichmäßig, bald sehr ausführlich, bald sehr knapp geführt. Die Gründe der Mehrheit sind oft nur kurz, die der Minderheit weit eingehender mitgeteilt. Wo verschiedene Gesichtspunkte für die Mehrheit bestimmend waren, sind oft nicht alle gleichmäßig hervorgehoben. Hin und wieder haben auch die Ansichten der Mehrheit gewechselt, ohne daß dies in den späteren Protokollen ausdrücklich hervorgehoben ist. Trotz alledem bieten aber die Protokolle bei richtiger Benutzung im großen und ganzen einen sicheren Anhalt für die Gesichts­ punkte, von welchen die Mehrheit ausgegangen ist. Nicht ohne über den ersten Beratung der immer Rücksicht

Bedeutung für die Auslegung des BGB. sind auch die Kritiken sowie den veröffentlichten zweiten Entwurf, weil auf sie bei der zweiten Kommission bzw. der Revision des zweiten Entwurfs genommen ist und manche Änderungen durch sie veranlaßt sind.

Eine sehr dankenswerte Zusammenstellung des Entwurfs erster und zweiter Lesung mit erläuternden Bemerkungen enthält das Werk von Reatz „Die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich"

1894, 1895, 1896. Entscheidend für die Auslegung des Gesetzbuchs kann aber nur dieses selbst sein. Die Auffassung derjenigen, welche das Gesetzbuch verfaßt haben, ist unzweifel­ haft ein wichtiges Auslegungsmittel; entscheidend ist sie nicht. Hat die Auf­ fassung der Verfasser einen entsprechenden Ausdruck im Gesetzbuche selbst nicht gestlnden, ergibt vielmehr der Wortlaut des Gesetzbuchs und der Zusammenhang seiner Vorschriften einen anderen Sinn, so ist dieser maßgebend. In betreff des unmittelbaren Inhalts der einzelnen Vorschriften des BGB. wird eine Differenz zwischen den Absichten der Verfasser und den zur Verwirklichung derselben gegebenen gesetzlichen Vorschriften nicht leicht nachzuweisen sein; jedoch ist auch in dieser Beziehung zu beachten, daß die Gründe, welche zu einer Vorschrift geführt haben, und die Zwecke, welche damit verfolgt sind, nicht immer bei allen Mitwirkenden dieselben gewesen sind, sowie daß trotz aller auf die Redaktion ver­ wandten. Sorgfalt hin und wieder ein ungenauer Äusdruck stehen geblieben sein

mag. In solchen Fällen kann nur der Zusammenhang des Gesetzes zu dem richtigen Ergebnisse führen. Noch mehr gilt dies da, wo es sich um die juristische *) Vgl. Maas, Bibliographie der amtlichen Materialien zum BGB. Berlin 1897.

XLVI

Einleitung.

Konstruktion des Rechtssatzes oder um Konsequenzen eines solchen handelt, die im Gesetzbuche nicht ausdrücklich festgestellt sind. In dieser Beziehung muß der Wissenschaft völlig freier Spielraum gelassen werden, und können die Ansichten derjenigen, welche an dem Gesetzbuche mitgearbeitet haben, keine größere Beachtung, in Anspruch nehmen, wie die Ansichten anderer Juristen. Über die von dem BGB. geübte Technik vgl. die folg. Ziff. VI. Über die allgemeinen bei der Auslegung von Gesetzen in Betracht kommenden

Gesichtspunkte s. Windscheid-Kipp §§ 20ff.; Wach, Handbuch des Zivilprozeß­ rechts §§ 20ff.; Binding, Handbuch des Strafrechts §§ 95ff.; Regelsberger I §§ 35ff.; Hölder 15ff.; Oertmann XVIIff.; Staudinger 1,17ff.; Biermann I § 9ff.; Cosack § 12; Crome § 20; Dernburg I § 6; Endemann I § 12; Enneccerus § 48ff.; Kohler I § 38ff. und GrünhutsZ. 13, 1 ff.; Landsberg.

§ 8; Leonhard Allg. Teil § 20; v. Tuhr Allg. Teil I, 35ff.; Hellwig, Lehr­ buch des Zivilprozeßrechts II § 93; Brütt, Kunst der Rechtsanwendung 1907;. Bierling, Juristische Prinzipienlehre IV, 197 ff., 382 ff.; E. Kaufmann, Das Wesen des Völkerrechts und die Clausula rebus sic stantibus S. 83 ff; F. Klein, Gesetzesauslegung mittels Zeugenschaft von Mitgliedern des Reichstags, IW. 1911, 834 ff. Über die Ergänzung des Rechts, insbesondere durch Analogie s. unten VII.

VI. Technische Behandlung des Stoffes. 1. Allgemeines. Das preußische Landrecht hat den Versuch gemacht, die rechtlichen Beziehungen der Menschen zueinander in der Art zu regeln, daß tunlichst Vorschriften über jedes einzelne im Leben vorkommende Verhältnis gegeben werden. Es wird jetzt allgemein anerkannt, daß hier etwas Unmögliches erstrebt wurde. Das Leben ist zu vielgestaltig, um jedes möglicherweise vor­ kommende Verhältnis berücksichtigen und durch eine besondere Vorschrift regeln zu können. Auf der anderen Seite darf ein Gesetzbuch sich nicht darauf beschränken, die leitenden Rechtsgedanken auszusprechen oder die Zwecke zu bezeichnen, deren Erreichung erstrebt wird. Die Verwirklichung eines Rechtsgedankens läßt sich auf verschiedenen Wegen erreichen; für einen und denselben Zweck können ver­ schiedene Mittel angewendet werden. Es kommt also darauf an, diejenigen Rechts­ sätze zu finden, welche am besten geeignet sind, den leitenden Rechtsgedanken zu verwirklichen. Das den einzelnen im Leben vorkommenden Verhältnissen Ge­ meinsame muß aufgesucht und hieraus die für alle maßgebende Rechtsregel abgeleitet werden. Dies ist der Standpunkt, von dem bei der Ausarbeitung des BGB. ausgegangen ist; er vermeidet die Kasuistik, sucht für jede Materie das beherrschende Prinzip auf und prägt dasselbe in Rechtssätzen aus. Diese Rechts­ sätze sucht das BGB. so allgemein zu fassen, daß sie alle Verhältnisse, die darunter fallen sollen, auch wirklich ergreifen, andererseits aber so scharf zu umgrenzen, daß ihre Tragweite klar erkennbar ist und alle Verhältnisse ausgeschlossen werden, die nicht darunter fallen sollen. Wie weit in der Verallgemeinerung gegangen werden kann, ohne die Rechtssicherheit zu gefährden, ist eine Frage der Gesetz­ gebungskunst, bei welcher die Rücksicht auf das Bedürfnis der Praxis maßgebend sein muß. In der einen Materie kann weitergegangen, in der anderen muß mehr spezialisiert werden. Demenffprechend sind in dem BGB. bald nur sehr allgemeine, bald ziemlich engbegrenzte Rechtssätze aufgestellt. Dem praktischen

Bedürfnisse wird ferner dadurch Rechnung getragen, daß das BGB. sich bisweilen nicht auf die Aufstellung des prinzipiellen Rechtssatzes beschränkt, sondern da, wo es sich um eine praktisch besonders wichtige Konsequenz des prinzipiellen Rechts­ satzes handelt oder wo es zweifelhaft sein kann, welche Konsequenzen aus dem allgemeinen Rechtssatze zu ziehen sind, hierüber eine ausdrückliche Vorschrift gibt. So läßt sich z. B. die Vorschrift des § 154 Abs. 2, nach welcher, wenn eine Beurkundung des beabsichtigten Vertrags verabredet worden ist, im Zweifel der Vertrag als nicht geschlossen angesehen werden soll, bis die Beurkundung erfolgt ist, bei richtigem Verständnisse des § 125 Satz 2, nach welchem der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form im Zweifel Nichtigkeit zur Folge hat^ aus dieser Vorschrift ableiten. Aus Gründen praktischer Zweckmäßigkeit ist trotz­ dem der § 154 Abs. 2 ausgenommen. Mit Rücksicht auf manche ähnliche Fälle darf bei der Auslegung von dem argumentum a contrario nur mit Vorsicht Gebrauch gemacht werden.

2. Zwingende, dispofitive Vorschriften, Anslegungsregeln.*) Ob eine Vorschrift eine zwingende oder dispositive ist, d. h. also ob ihre Anwendung durch rechtsgeschäft­ liche Bestimmung ausgeschlossen werden kann oder nicht (nach Ehrlich soll sich die Unterscheidung nur auf die Rechtssätze beziehen, welche Rechtsgeschäfte betreffen), ist in dem BGB. nicht immer ausdrücklich bestimmt. Bei vielen Vorschriften findet sich der Zusatz „wenn nicht ein anderes bestimmt ist" oder ein ähnlicher Zusatz. Andererseits ist bei manchen Vorschriften ausdrücklich hervorgehoben, daß eine Änderung durch Rechtsgeschäft unzulässig sei. Bei den meisten Vorschriften fehlen aber solche Zusätze. Sie sind in solchen Fällen gemacht, in welchen die Hervorhebung der zwingenden oder dispositiven Natur des Rechtssatzes zur Klar­ stellung des Sinnes zweckmäßig erschien. In denjenigen Fällen, in welchen ein solcher Zusatz fehlt, ist aus dem Zusammenhang und der Natur der betreffenden Rechtsregel zu entscheiden, ob sie eine zwingende oder dispositive ist. Bei obligatorischen Rechtsgeschäften bildet die dispositive Natur die Regel; doch kommen auch bei ihnen zwingende Rechtsregeln vor, die nicht ausdrücklich als solche bezeichnet sind. So ist z. B. die Vorschrift des § 624, nach welcher ein auf Lebenszeit oder länger als fünf Jahre eingegangenes Dienstverhältnis nach dem Ablaufe von fünf Jahren von dem Dienstverpflichteten gekündigt werden kann, unzweifelhaft eine zwingende Vorschrift und eine abweichende Vereinbarung der Parteien nichüg, während einerseits die in der Fassung nicht wesentlich abweichenden Vorschriften der §§ 621—623, wie sich aus § 620 ergibt, nur dispositiver Natur sind und andererseits im § 619 ausdrücklich bestimmt ist, daß die dem Dienst­ berechtigten nach den 88 617, 618 obliegenden Verpflichtungen durch Vertrag im

voraus nicht aufgehoben und beschränkt werden können. Von den dispositiven Vorschriften sind zu unterscheiden die Auslegungs­ regeln. Die dispositive Vorschrift kommt zur Anwendung, soweit nicht eine ab­ weichende rechtsgeschästliche Bestimmung getroffen ist. Eine Auslegungsregel kommt dagegen nicht zur Anwendung, wenn aus den Umständen ein abweichender Wille

der Parteien zu entnehmen ist, ohne daß es eines besonderen rechtsgeschästlichen Aktes bedarf. Die Bedeutung einer.Vorschrift als Auslegungsregel wird in dem BGB. regelmäßig durch die Worte „im Zweifel" ausgedrückt, so z. B. in den *) Ehrlich, Das zwingende und nicht zwingende Recht im BGB. 1899.

XLVIII

Einleitung.

§§ 30, 154, 314, 672, 1025, 1096, 1301, 1625, 2049 Abs. 1, 2066. Zuweilen wird eine Vorschrift auch ausdrücklich als Auslegungsvorschrift bezeichnet, z. B. in dem § 186. In einzelnen Fällen wird übrigens der Ausdruck „im Zweifel" auch da ge­ braucht, wo es sich nicht lediglich um die Auslegung des Parteiwillens, sondern überhaupt um die Entscheidung über ein Verhältnis, das ungewiß ist, handelt. So z. B. in dem § 742, nach welchem im Zweifel anzunehmen ist, daß den Teilhabern einer Gemeinschaft gleiche Anteile zustehen. Die regelmäßige Ausdrucksweise, durch welche eine Vorschrift als dispositive bezeichnet werden soll, ist: „wenn", „soweit", „sofern nicht ein anderes bestimmt" oder „vereinbart" ist. So in den §§ 24, 41, 48, 80, 101, 103, 152, 181, 184, 246, 276, 426, 430, 514, 608, 799, 808 Abs. 2, 1022, 1108, 1172 Abs. 2, 1194, 1230, 1277, 1296, 1474, 1546 Abs. 2, 1758 Abs. 2, 1797 Abs. 1, 2142 Abs. 2, 2147, 2221, 2349. Durch das „soweit nicht ein anderes bestimmt ist" wird bisweilen sowohl auf abweichende rechtsgeschäftliche als auf besondere gesetzliche Bestimmungen verwiesen. Daneben kommt die Ausdrucksweise vor „wenn oder sofern sich nicht ein anderes ergibt", so in den §§ 82, 168, 183, 273 Abs. 1, 292, 369, 520, 699 Abs. 2, 727 Abs. 1, 730 Abs. 2, 897, 919 Abs. 3, 1357 Abs. 1. In den meisten der hierher gehörenden Fälle handelt es sich indessen nicht darum, eine gesetzliche Vorschrift als dispositive zu bezeichnen; vielmehr soll durch den ftaglichen Zu­ satz darauf hingewiesen werden, daß sich aus dem Inhalt eines näher bezeichneten Rechtsverhältnisses eine Ausnahme von der gesetzlichen Regel ergeben könne. So wird z. B. in dem § 183 der Regel, daß die Einwilligung widerruflich ist, hinzu­ gefügt „soweit nicht aus dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhält­ nisse sich ein anderes ergibt". In einigen Fällen wird indessen die fragliche Ausdrucksweise auch da gebraucht, wo es sich um die Bedeutung einer Willenserklärung handelt. Die Willens­ erklärung soll die ihr gesetzlich beigelegte Wirkung nicht haben, wenn sich ein anderer Wille des (^klärenden ergibt. So gehen z. B. nach § 82 Rechte, welche ein Stifter in dem Stiftungsgeschäfte der Stiftung zugesichert hat, mit der Ge­ nehmigung der Stiftung auf diese über, „sofern nicht aus dem Stiftungsgeschäste sich ein anderer Wille des Stifters ergibt" (s. z. B. ferner die §§ 520, 1357 Abs. 1). Für alle Fälle dieser Art wird man anzunehmen haben, daß nicht unter­ schieden werden soll, ob der Wille, auf dessen Ermittelung es ankommt, sich aus der richtigen Auslegung der betreffenden Willenserklärung ergibt, oder ob eine ausdrückliche oder stillschweigende Willenserklärung vorliegt. Eine dritte Ausdrucksweise geht dahin: „soweit nicht ein anderer Wille an­ zunehmen ist", z. B. in den §§ 127, 139, 153, 335, 2086, 2108 Abs. 2, 2161, 2188, 2208 Abs. 2, 2299 Abs. 3. Durch diesen Zusatz wird die ausgestellte Regel als Auslegungsregel charakterisiert. Über die Gesichtspunkte, welche bei der Entscheidung der Frage in Betracht kommen, ob eine Vorschrift als zwingende oder als dispositive oder als Auslegungs­ regel anzusehen ist, s. auch Ehrlich, und zwar insbesondere für obligatorische Rechts­ geschäfte 74 ff., 89 ff., für dingliche Rechtsgeschäfte 125 ff., für familienrechtliche Rechtsgeschäfte 185 ff., für erbrechtliche Rechtsgeschäfte S. 222.

Die im vorstehenden im Einklang mit der herrschenden Lehre, vgl. auch RG. 64, 296, gemachte Unterscheidung zwischen dispositiven Vorschriften und Aus­ legungsregeln wird verworfen von Regelsberger in JheringsJ. 40, 481 f.; Staudinger, Erl. 7 zu § 133; Dernburg I § 19 II; Kohler I § 238 III und ArchZivPrax. 96, 368ff.; Windscheid-Kipp § 30 Anm. 3; Leonhard, Allg. Teil § 83 VIII; Stammler, Lehre vom richtigen Recht 502 f. (abweichend von seiner früheren Ansicht: ArchZivPrax. 69, 13 ff. und Recht der Schuldverhältniffe 55 ff.); Danz in JheringsJ. 54, 11 Anm. 1 und Auslegung der Rechts­ geschäfte^ 110; Titze, Lehre vom Mißverständnis 474—484; vgl. auch Hellwig, Lehrbuch des ZPR. II, 149 f. Doch würden die dispositiven Rechtssätze und die Auslegungsregeln nur dann zusammenfallen, wenn entweder der Inhalt jener ausnahmslos als zum Inhalt der Willenserklärung gehörig angesehen werden könnte, oder wenn es sich bei den Auslegungsregeln nur um eine Ergänzung der Erklärung handelte. Düsterste läuft aber auf eine Fiktion hinaus, zumal nicht alle dispofitiven Rechtssätze einen Niederschlag des im Verkehr üblichen darstellen; die zweite Annahme aber würde bedeuten, daß die mehrdeutige Erklärung einfach ignoriert wird und die dadurch entstehende Lücke durch das Gesetz ausgefüllt wird, während in Wahrheit mehrere Deutungen der Erllärung zur Wahl stehen und das Gesetz nur die Entscheidung zu gunsten einer dieser Möglichkeiten trifft. Zu­ zugeben ist aber, daß der Unterschied im praktischen Ergebnis nicht erheblich ist, da ein Rechtsgeschäft, durch welches die Anwendung einer dispofitiven Vorschrift ausgeschlossen wird, auch stillschweigend vorgenommen werden kann (j. Vorbm. 2 vor § 116 S. 264). Manche dispositive Vorschrift hätte auch als Auslegungs­ regel, manche Auslegungsregel als dispositive Vorschrift gegeben werden können. Der Grund, aus welchem der Gesetzgeber die eine oder die andere Form gewählt hat, ist oft nicht leicht erkennbar, so z. B. in dem § 514, in welchem der erste Satz als dispositive Vorschrift, der zweite als Auslegungsregel gefaßt ist. Die Folge der verschiedenen Fassung besteht im praktischen Ergebnisse einmal darin, daß der Beweis eines die Auslegungsregel ausschließenden Willens der Beteiligten regelmäßig leichter zu führen sein wird als der Beweis eines die Anwendung der dispositiven Vorschrift ausschließenden stillschweigenden Rechtsgeschäfts; vor allem aber wird der Unterschied bedeutsam, wenn das Gesetz für das Rechtsgeschäft eine bestimmte Form vorgeschrieben hat: hier ist zum Ausschluß des dispositiven Rechts­ satzes die Beobachtung der Form erforderlich, während die Auslegungsregel un­ anwendbar wird, wenn irgendwie ein anderer Wille der Parteien zutage tritt (Biermann I § 29 Ziff. 3; v. Tuhr Allg. Teil I, 26).

3. Definitionen zu geben, vermeidet das BGB. tunlichst. Die Bedeutung vieler juristischer Ausdrücke wird als bekannt vorausgesetzt oder ihre nähere Bestimmung der Wissenschaft überlassen, z. B. die Bedeutung von „Rechts­ geschäft", „Vertrag" usw. In vielen Fällen wird die Definition mittelbar da­ durch gegeben, daß die wesentlichen Wirkungen des bezeichneten Rechtsverhältnisses ausgedrückt werden. Dies bildet die Regel bei den obligatorischen Verträgen. So bestimmt z. B. der § 433 für den Kaufvertrag: „Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer eines Rechtes ist verpflichtet usw...." „Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den verein­ barten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen." Ähnlich werden Planck, Kolli, zum SB®$3. Bd. I 4. Stuft. (Knoke..)

IV

L

Einleitung.

die Begriffe des Kaufes nach Probe, des Kaufes auf Probe, des Wiederkaufs und des Vorkaufs in den §§ 494, 495, 497, 504 bestimmt. In einer Reihe von Fällen wird indessen die Bedeutung eines Wortes aus­ drücklich festgestellt. Es geschieht dies da, wo es sich um einen gesetzlichen Tat­ bestand handelt, auf den öfters verwiesen werden muß, die Bedeutung des dafür gebrauchten Ausdrucks aber nicht ohne weiteres klar ist. Die Feststellung erfolgt regelmäßig dadurch, daß der technische Ausdruck dem angegebenen gesetzlichen Tat­ bestand in Klammern hinzugefügt wird, hin und wieder indessen auch in der Form direkter Desinition.

Technische Ausdrücke dieser Art sind:

Sache, vertretbare, verbrauchbare Sache §§ 90—92; wesentliche Bestandteile § 93; unverzüglich § 121 Abs. 1; kennen mußte § 122 Abs. 2; Vollmacht § 166 Abs. 2; Zustimmung, Einwilligung, Genehmigung §§ 182—184; Anspruch § 194 Abs. 1; Zurückbehaltungsrecht § 273; Erfüllung Zug um Zug § 274 Abs. 1; Vorsatz, Fahrlässigkeit § 276; Quittung § 368; öffentliche Versteigerung § 383 Abs. 3; Abtretung einer Forderung § 398; Gesamtschuldner, Gesamtgläubiger §§ 421, 428; Wandelung, Minderung §§ 462, 634 Abs. 1; Hauptmangel, Gewährfrist § 482; Schenkung § 516; Gesellschaftsvermögen § 718; Gemeinschaft nach Bruchteilen § 741; Einrede der Vorausklage § 771; Vergleich § 779; Schuldversprechen, Schuldanerkenntnis §§ 780, 781; Schuldverschreibung auf den Inhaber § 793; Erneuerungsschein § 805; verbotene Eigenmacht § 858; mittelbarer Besitz, Eigenbesitz §§ 868, 872; Auflassung § 925; Guter Glaube § 932 Abs. 2; Ersitzung § 937; Schatz § 984; Erbbaurecht § 1012; Grunddienstbarkeit § 1018; Nießbrauch § 1030; beschränkte persönliche Dienstbarkeit § 1090; Reallast § 1105; Hypothek § 1113;

Gesamthypothek § 1132; Sicherungshypothek § 1184; Grundschuld § 1191; Rentenschuld § 1199; Pfandrecht § 1204; eingebrachtes Gut § 1363; Vorbehaltsgut §§ 1365—1371; Erwerb von Todes wegen § 1369; Ehevertrag § 1432; Gesamtgut §§ 1438, 1519; Gesamtgutsverbindlichkeiten §§ 1459, 1530; Fahrnisgemeinschaft § 1549; standesmäßiger Unterhalt § 1610; Ausstattung § 1624; Vermögensverwaltung des Inhabers der elterlichen Gewalt § 1638; freies Vermögen des Kindes § 1650; Erbfall, Erbe, Erbschaft, Erbteil § 1922; Erbfolge nach Stämmen § 1924 Abs. 3; Testament, letztwillige Verfügung § 1937; Vermächtnis § 1939; Auflage § 1940; Erbvertrag, Vertragserbe § 1941; Anfall der Erbschaft § 1942; Nachlaßpfleger § 1960 Abs. 2; Nachlaßverwaltung § 1975; Inventar, Jnventarerrichtung, Jnventarfrist §§ 1993, 1994; Erbschaftsbesitzer § 2018; Gemeinschaftlicher Erbteil 2093; Ersatzerbe § 2096; Nacherbe § 2100; Vörausvermächtnis § 2150; Anfall des Vermächtnisses § 2176; Erbschein § 2352. Die Bedeutung dieser Ausdrücke wird, soweit erforderlich, bei den betreffenden Paragraphen erläutert werden.

Bei manchen Ausdrücken, deren Bedeutung nicht gesetzlich festgestellt ist, muß diese, soweit der Ausdruck eine verschiedene Auslegung zuläßt, aus dem Zusammen­ hang ermittelt werden, so z. B. bei dem Ausdruck Verfügung (f. Vorbm. VII, 4 vor § 104 S. 233). 4. Technische Ausdrücke. In einem bestimmten technischen Sinne werden die Wendungen gebraucht „es kann, darf, kann nicht, darf nicht, muß, soll etwas geschehen, es ist etwas zu tun, oder es hat jemand etwas zu tun".

a) Wird gesagt, daß jemand etwas tun kann oder darf, so wird durch beide Ausdrücke die rechtliche Zulässigkeit des Tuns bestimmt, so z. B. „darf" in den §§ 49 Satz 3, 374 Abs. 2, 561, 859, „kann" in den §§ 10 Abs. 2, 109 Abs. 1, 113 Abs. 2, 244 Abs. 1, 575.

LII

Einleitung.

Die Wahl des einen oder des anderen Ausdrucks hängt von den Umständen ab; die rechtliche Bedeutung ist dieselbe. Hierher gehören auch die Fälle, in den«en gesagt ist, daß jemand etwas verlangen kann; so z. B. die §§ 12, 79, 102, 127, 160. Das „kann" ist hier gleichbedeutend mit „ist berechtigt". Wird von einer Behörde gesagt, daß sie etwas tun kann, so wird dadurch nicht allein die rechtliche Zulässigkeit des Tuns bestimmt, sondern zugleich auSgedrückt, daß die Behörde dasjenige, was sie tun kann, auch zu tun hat, wenn nach ihrem pflichtmäßigen Ermessen die Voraussetzungen vorliegen, unter welchen sie nach der Absicht des Gesetzes oder nach den für die Behörde geltenden beson­ deren Vorschriften von der Gestattung des Tuns Gebrauch machen soll (f. z. B. §§ 3, 6, 13—17, 37 Abs. 2, 43, 61 Abs. 2, 78). Das Wort „darf" wird übrigens auch in einem anderen Zusammenhänge gebraucht, z. B. §§ 147 Abs. 2, 665, 670, 970, 1390, 1979. Der Sinn, in dem das Wort hier gebraucht wird, ergibt sich aus dem Inhalte der ftaglichen Vorschriften von selbst. b) Werden die Worte kann und darf negativ gebraucht, wird also gesagt, daß etwas nicht geschehen kann oder darf, so wird zwar auch hier durch beide Ausdrücke die rechtliche Unzulässigkeit des Geschehens bestimmt, die Folgen des Zuwiderhandelns aber sind verschieden. Der Rechtsakt, in Beziehung auf den gesagt wird, daß er nicht geschehen kann, ist, wenn er trotzdem vorgenommen wird, unwirksam; s. z. B. die §§ 8, 35, 38, 108 Abs. 2, 469, 470. Doch läßt sich dieser Grundsatz nicht ausnahmslos durchführen, s. Erl. 3a zu § 181. Der Rechts­ akt dagegen, von dem gesagt wird, daß er nicht vorgenommen werden darf, ist wirksam und zieht für denjenigen, welcher ihn der Vorschrift zuwider vorgenommen hat, nur andere Nachteile nach sich, insbesondere die Verpflichtung zum Schadensersätze; s. z. B. die §§ 52 Abs 2, 627 Abs. 2, 671 Abs. 2. In betreff des „nicht darf" ist diese Terminologie indessen nicht konsequent festgehalten; vielmehr wird diese Ausdrucksweise bisweilen auch da gebraucht, wo die Unwirksamkeit des Rechtsakts die Folge des Zuwiderhandelns ist; jedoch wird in solchen Fällen diese stärkere Wirkung regelmäßig ausdrücklich bestimmt. So hat z. B. ein Zuwiderhandeln gegen die Vorschrift des § 456, welcher nur von einem „nicht darf" spricht, nach § 458 die Unwirksamkeit des der Vorschrift des § 456 zuwider vorgenommenen Rechtsgeschäfts zur Folge, sofern nicht die Be­ teiligten ihre Zustimmung zu dem Rechtsgeschäft erteilen; s. ferner § 795 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3, § 1240 in Verbindung mit § 1243. Auch bei den Vorschriften über die Ehehindernisse ist die fragliche Terminologie nicht festgehalten, weil in dem Titel über Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Ehe (§§ 1323—1340) die Fälle speziell bestimmt sind, in welchen ein Ehehindernis die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit zur Folge hat. So heißt es in den §§ 1309, 1310, 1312, daß eine Ehe in den dort bezeichneten Fällen nicht geschlossen werden darf; die diesen Verboten zuwider eingegangene Ehe ist aber nach den §§ 1326, 1327, 1328 unter den dort bezeichneten Voraussetzungen nichtig. Bisweilen wird der Ausdruck „nicht kann" auch in einem nicht juristischen Sinne gebraucht. So bezeichnet z. B. in dem § 93 das erste „nicht können" die tatsächliche, das zweite „nicht können" die rechtliche Unmöglichkeit. c) In einem ähnlichen Gegensatze, wie die Ausdrücke „nicht kann", „nicht darf", stehen die Worte: „muß" und „soll".

Sowohl durch die Vorschrift, daß etwas geschehen muß, wie durch die, daß etwas geschehen soll, wird die rechtliche Notwendigkeit dieses Geschehens aus­ gedrückt. Während aber das muß, wenn es sich auf das Erfordernis eines Rechts­ akts bezieht, die Bedeutung hat, daß im Falle der Nichtbeobachtung der gegebenen Vorschrift der Rechtsakt unwirksam ist, begründet das „soll" immer nur eine Verpflichtung für denjenigen, von welchem gesagt ist, daß er etwas tun solle, und hat die Nichterfüllung dieser Verpflichtung nicht die Unwirksamkeit des Rechtsakts zur Folge, auf den sich die Vorschrift bezieht. So wird z. B. im § 57 die im ersten Absätze für die Satzung eines Vereins gegebene Vorschrift mit „muß", die im zweiten Absätze gegebene Vorschrift mit „soll" eingeleitet. Die Nichtbeobach­ tung der ersteren Vorschrift hat zur Folge, daß die Satzung nichtig ist, daß auf Grund derselben die Eintragung des Vereins nicht erfolgen kann und die trotz­ dem erfolgte Eintragung unwirksam ist. Die Nichtbeobachtung der zweiten Vor­ schrift hat dagegen nur zur Folge, daß das Amtsgericht den Verein nicht ein­ tragen darf, eine trotzdem erfolgte Eintragung aber wirksam ist. Im Falle des § ^245 Abs. 2 hat die Nichtbefolgung der im ersten Satze gegebenen, mit „muß" eingeleiteten Vorschrift die Nichtigkeit des Protokolls zur Folge, während die mit „soll" eingeleitete Vorschrift im zweiten Satze nur eine Ordnungsvorschrift ist, deren Nichtbeobachtung nicht die Nichtigkeit des Protokolls, sondern nur die Ver­ antwortlichkeit des die Verhandlung leitenden Richters oder Notars begründet. S. ferner z. B. die §§ 121, 126, 294, 303, 711, 925, 945, 1015, 1403 Abs. 2, 1434, 1559, 1725, 1945 Abs. 2, 2002, 2233, 2336. Ebenso wird, wenn es heißt, daß etwas nicht geschehen soll, im Gegensatze zu denjenigen Vorschriften, in denen es heißt, daß etwas nicht geschehen kann, nur die Verpflichtung ausgedrückt, dasjenige zu unterlassen, was nicht geschehen soll, an die Nichtbeobachtung dieser Vorschrift aber nicht die Folge der Nichtigkeit des betreffenden Rechtsakts geknüpft. Das „nicht soll" ist hier gleichbedeutend mit „nicht darf", s. z. B. § 1377 im Gegensatze zu §§ 1375,1376, die §§ 1781 bis 1784 im Gegensatze zu § 1780. In zahlreichen Fällen wird übrigens das Wort „soll" nicht als Vorschrift, daß etwas zu tun ist, sondern in einem anderen Zusammenhänge gebraucht, so z. B. §§ 80, 328—330, 880, 1322, 2004. Der Sinn ergibt sich hier unzweideuttg aus dem Zusammenhang. Eine von der oben angegebenen etwas abweichende, aber doch ähnliche Be­ deutung hat das Wort „muß" in der Wendung, daß jemand etwas gegen sich gelten lassen oder sich anrechnen lassen smuß. So muß z. B. nach § 407 int Falle der Abtretung einer Forderung der neue Gläubiger die dort bezeichneten Rechtsgeschäfte zwischen dem bisherigen Gläubiger und dem Schuldner gegen sich gelten lassen. Siehe ferner z. B. die §§ 324, 409, 552, 858, 1156, 1404, 1979, In Fällen dieser Art wird durch die gebrauchte Wendung die Zulässigkeit einer Einwendung anerkannt. Eine besondere technische Bedeutung hat das Wort „muß" in der Wendung „kennen muß"; s. darüber § 122. An einigen anderen Stellen, z. B. in den Fällen der §§ 16, 2196, er­ gibt sich die Bedeutung des Wortes „muß" unzweideutig aus dem Zusammen­ hänge.

LIV

Einleitung.

d) Wird gesagt, daß jemand etwas zu tun hat oder daß etwas von ihm zu tun ist, so.ist aus dem Zusammenhänge zu entnehmen, wie diese Vorschrift gemeint ist. Wird eine solche Vorschrift für eine Behörde gegeben, so hat sie regelmäßig dieselbe Bedeutung, wie wenn gesagt wäre, die Behörde solle idie fragliche Handlung vornehmen; s. z. B. die §§ 6 Abs. 2, 61, 62, 66, 73, 74 Abs. 1, 75, 76, 83, 1304 Abs. 2, 1879—1881, 1908 Abs. 3, 1960, 1981, 2003, 2273, 2357. Wird die Vorschrift für eine Privatperson gegeben, so würd dadurch deren Verpflichtung zu dem Tun ausgedrückt; s. z. B. die §§ 36, 37, 42, 49, 67, 122, 270, 473, 589 Abs. 1, 3, 641, 1218 Abs. 2, 1360, 14(03, 1973, 2215. Eine ähnliche Bedeutung hat das Wort „hat" in Verbinduing mit den Worten „zu vertreten", z. B. „hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu ver­ treten", s. z. B. die §§ 276, 278, 287, 300, 599. Bisweilen wird durch die Wendung „hat" zu tun sowohl die Berechtigung als die Verpflichtung zu dem „Tun" bezeichnet, so z. B. in den §§ 1409, 1457, 2203, 2204, 2205. In einzelnen Fällen wird die gedachte Ausdrucksweise auch gebraucht, um das Erfordernis eines Rechtsgeschäfts zu bezeichnen und hat dann dieselbe Be­ deutung wie der Ausdruck „muß". So sind z. B. die Vorschriften des § 1403, daß die dort bezeichneten einseitigen Rechtsgeschäfte dem Manne bzw. der Frau gegenüber vorzunehmen seien, dahin zu verstehen, daß die rechtliche Wirksam­ keit dieser Geschäfte davon abhängt, daß sie in der bezeichneten Art vorgenommen sind. Ähnlich z. B. in den Fällen der §§ 875 Abs. 1, 1945 Abs. 1, 2061

Abs. 2. Auch da, wo gesagt wird, daß jemand zur Begründung eines Antrags etwas anzugeben hat, gehört diese Angabe zur Begründung des Antrags; dieser ist daher zurückzuweisen, wenn sie fehlt.

5. Bestimmung der Beweislast durch die technische Ausdrucksweise des BGB. Bei der Redaktion des BGB. ist große Sorgfalt darauf verwendet, die einzelnen Vorschriften so zu fassen, daß durch die Fassung zugleich die Entscheidung über die Beweislast gegeben wird (P. II 6 S. 383). Die Ausdrucksweise, deren sich das BGB. zu diesem Zwecke bedient, ist eine mannigfach verschiedene. Diese Verschiedenheit beruht zum Teil auf einer Verschiedenheit der Gründe, welche für die Bestimmung der Beweislast maßgebend gewesen sind, zum Teil auf dem Bestreben, schwerfällige Satzbildungen zu vermeiden. a) Der gesetzlichen Regel wird in einem besonderen Satze eine Ausnahme oder Einschränkung hinzugefügt. Die Ausdrucksweise ist ver­ schieden. Es kommen insbesondere folgende Wendungen vor: „ausgenommen", „ausgeschlossen", „dies gilt nicht", „diese Vorschrift findet keine Anwendung".

Bisweilen wird der die Ausnahme enthaltende Satz ohne besonderen Eingang der Regel hinzugefügt. In allen Fällen dieser Art braucht derjenige, welcher sich auf die Regel beruft, nur den für sie maßgebenden Tatbestand zu beweisen, während derjenige, welcher die Ausnahme geltend macht, deren Voraussetzung zu beweisen hat. So hat z. B. nach § 173 derjenige, welcher sich darauf beruft, daß er eine von ihm nach Maßgabe des § 170 erteilte, nachher aber erloschene Vollmacht nicht mehr gegen sich gelten zu lassen brauche, zu beweisen, daß der Dritte, dem­ gegenüber die VollmachtserklärunH erfolgt ist, das Erlöschen der Vollmacht gekannt habe oder habe kennen müssen. Ähnlich z. B. in den Fällen der §§ 9, 206 Abs. 2,

687 Abs. 1, 831, 832, 911, 935 Abs. 2,1345 Abs. 2,1416 Abs. 2,1521,1537,1974, 2013 Abs. 1. b) Der gesetzlichen Regel wird mit den Worten „es sei denn, daß" die Ausnahme hinzugefügt. Wer sich darauf beruft, daß die gesetzliche Regel nicht zur Anwendung kommt, hat zu beweisen, daß der in dem angeschlossenen Satze bezeichnete Ausnahmefall vorliegt. So bestimmt § 145 die gesetzliche Regel dahin, daß derjenige, welcher einem anderen die Schließung eines Vertrags an­ trägt, an den Antrag gebunden ist, „es sei denn, daß er die Gebundenheit aus­ geschlossen hat". Die Gebundenheit ist die gesetzliche Regel. Um diese auszu­ schließen, muß der Antragende beweisen, daß er die Gebundenheit bei dem Antrag ausgeschlossen hat. Ähnlich z. B. §§ 4 Abs. 2, 153, 273 Abs. 2, 793 Abs. 1, 876,

1156, 1319, 1795 Nr. 1, 1974, 2169. c) Die gesetzliche Regel wird durch einen mit den Worten „wenn", „sofern", „soweit" beginnenden Zusatz von gewissen Tatsachen abhängig gemacht. Wer sich auf die gesetzliche Regel beruft, muß das Vorhandensein der in dem Zusatze bezeichneten Tatsachen beweisen. So ist im Falle des § 123 Abs. 2 eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, wegen arglistiger Täuschung nur anfechtbar, wenn der andere die Täuschung kannte oder kennen mußte. Wer die Anfechtbarkeit einer solchen Erklärung geltend macht, muß beweisen, daß der andere die Täuschung kannte oder kennen mußte. Ähnlich z. B. in den Fällen der §§ 109 Abs. 2, 234, 392, 873 Abs. 2, 1141, 1344, 1397 Abs. 2, 1435 2025, 2060. d) Die Regel in Erl. c (s. oben) erleidet aber eine Modifikation, wenn der Bedingungssatz eine Negative enthält. In solchen Fällen kommt es darauf an, an welcher Stelle das „nicht" steht. Steht das „nicht" unmittelbar hinter dem den Bedingungssatz einleitenden „wenn", „sofern", „soweit", „solange", so braucht derjenige, welcher sich auf die gesetzliche Regel beruft, die in dem Bedingungssatz enthaltene Negative nicht zu beweisen; vielmehr liegt demjenigen, welcher die Anwendbarkeit der gesetzlichen Regel bestreitet, der Beweis ob, daß die in dem Bedingungssatz angeführte Tatsache vorliegt. Der Fall ist ebenso zu beurteilen, wie wenn statt der Worte: „wenn nicht" usw. die unter Erl. b bezeichnete Ausdrucksweise „es sei denn, daß" gebraucht wäre. So unterliegt nach § 477 Abs. 1 der Anspruch auf Wandelung und Minderung der kurzen Verjährung von sechs Monaten bzw. einem Jahre, „sofern nicht der Verkäufer den Mangel arg­ listig verschwiegen hat". Die kurze Verjährung bildet die gesetzliche Regel, auf die sich der Verkäufer, ohne daß ihm ein Beweis obliegt, berufen kann. Behauptet der Käufer, daß die Regel nicht Platz greife, so muß er beweisen, daß der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen habe. Ähnlich in zahlreichen Fällen, s. z. B. die §§ 18 Abs. 2, 181, 264 Abs. 1, 273 Abs. 1, 345, 777, 867, 897, 1133, 1160, 1345, 1351, 1648, 2022, 2050 Abs. 1, 2063 Abs. 1. Besonders zu beachten sind die Fälle, in welchen die Entstehung eines Rechtes oder der Ausschluß eines solchen davon abhängt, daß innerhalb einer bestimmten Frist etwas nicht geschieht, daß insbesondere vor dem Ablaufe der Frist eine Leistung oder eine Erklärung nicht erfolgt. In Fällen dieser Art geht das BGB. in der Regel davon aus, daß derjenige, welcher sich auf die Entstehung oder den Ausschluß des betreffenden Rechtes beruft, nur den Ablauf der Frist zu beweisen braucht, während dem anderen Teile der Beweis obliegt, daß die Leistung oder

LVI

Einleitung.

Erklärung vor dem Ablaufe der Frist erfolgt sei. So hat im Falle einer Ver­ pflichtung zum Schadensersätze der Gläubiger nach § 250 das Recht, dem Schuldner eine Frist mit der Erklärung zu bestimmen, daß er die Herstellung des früheren Zustandes nach dem Ablaufe der Frist ablehne. Nach dem Ablaufe der Frist kann der Gläubiger den Ersatz in Geld verlangen, wenn nicht die Herstellung rechtzeitig erfolgt. Der Gläubiger, der den Ersatz in Geld fordert, braucht hier nur zu beweisen, daß die Frist gesetzt und abgelaufen sei, während dem anderen Teile, wenn er das Recht des Gläubigers bestreitet, der Beweis obliegt, daß die Wiederherstellung vor dem Ablaufe der Frist erfolgt sei. Siehe ferner z. B. die §§ 264 Abs. 2, 283, 325 Abs. 2, 326, 354, 355, 382, 416, 516 Abs. 2, 561 Abs. 2, 634, 643, 801, 864, 974, 977, 981, 1002, 1003, 1123, 1994, 2061, 2151 Abs. 3, 2193 Abs. 2, 2202 Abs. 3, 2307 Abs. 2; über die abweichende Fassung einiger Paragraphen, z. B. der §§ 215, 568, 976, 1965, s. die Erl. zu diesen Paragraphen. e) Den Gegensatz zu denjenigen Fällen, in welchen das Wort „nicht" un­ mittelbar hinter dem „wenn", „sofern" usw. steht, bilden die Fälle, in denen das Wort „nicht" in dem Bedingungssätze weiter nach hinten steht; hier gilt die umgekehrte Regel. Wer sich auf die gesetzliche Regel beruft, hat die in dem Bedingungssatz ausgedrückte Negative zu beweisen. So hat nach S 151 derjenige, welcher sich darauf beruft, daß ein Vertrag durch die Annahme des Antrags zustande gekommen sei, ohne daß diese dem Antragenden gegenüber erklärt worden ist, zu beweisen, daß eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten gewesen sei. So z. B. ferner die §§ 16, 49, 60, 73, 97, 174, 216 Abs. 2, 229, 251, 293, 725, 936 Abs. 2, 1087 Abs. 2, 1160, 1324, 1476 Abs. 2, 1726, 1777 Abs. 1, 1926, 2078 Abs. 1, 2169 Abs. 1, 2288. f) Die Regel, daß für die Beweislast entscheidend ist, ob das Wort „nicht" unmittelbar hinter den Worten „wenn", „sofern" usw. oder weiter nach hinten steht, erleidet dann eine Ausnahme, wenn zwischen den Worten „wenn" und „nicht" nur das Wort „sich", „er", „sie", „es" steht. Diese Fälle sind ebenso zu beurteilen, wie wenn das Wort „nicht" unmittelbar hinter dem Worte „wenn" stünde. So ist in dem Falle des § 168 der gesetzlichen Regel, daß eine Vollmacht auch bei dem Fortbestehen des ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses widerruflich sei, die Beschränkung hinzugefügt, „sofern sich nicht aus demselben" ch. h. aus dem Rechtsverhältnis) ein anderes ergibt. Die Beweis­ last ist hier ebenso zu beurteilen, wie wenn gesagt wäre, „sofern nicht durch das Rechtsverhältnrs ein anderes bestimmt ist". Wer die Zulässigkeit der Wider­ ruflichkeit einer Vollmacht bestreitet, muß beweisen, daß sich aus dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse die Unwiderruflichkeit ergebe. Ähnlich in

zahlreichen anderen Fällen. Siehe z. B. die §§ 179 Abs. 1, 460, 485, 803 Abs. 1, 1232 Satz 2, 1273, 1377 Abs. 2, 1485 Abs. 1, 1654, 2091, 2112. Der Grund, aus welchem in diesen Fällen das „nicht" dem „wenn", „sofern" usw. nicht un­ mittelbar angeschlossen ist, liegt lediglich darin, daß die deutsche Sprache eine solche Satzbildung nicht zuläßt und man daher eine andere schwerfälligere Fassung hätte wählen müssen. g) In einem Falle hat man von einer den angeführten Regeln entsprechenden korrekten Fassung absehen zu können geglaubt. Der § 284 Abs. 1 bestimmt: „Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers

nicht, die nach dem Eintritte der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug". Die Voranstellung des Bedingungssatzes in dieser Vorschrift würde an sich die Anwendung der angeführten Regel nicht ausschließen. Der Fall würde vielmehr ebenso zu beurteilen sein, wie wenn die Vorschrift lautete: „Der Schuldner kommt in Verzug, wenn er auf eine Mahnung des Gläubigers nicht leistet, die nach dem Eintritte der Fälligkeit erfolgt". Hiernach würde der Gläubiger, der sich auf den Verzug des Schuldners beruft, beweisen müssen, daß der Schuldner auf die Mahnung nicht geleistet habe. Nach P. II 6 S. 384 ist aber ausdrücklich anerkannt, daß dies nicht beabsichtigt ist, daß vielmehr der Gläubiger nur die Mahnung zu beweisen braucht, während dem Schuldner der Beweis der recht­ zeitigen Leistung obliegt. Man glaubte, daß diese Regelung der Beweislast hier aus der Natur des Verhältnisses und dem Zusammenhänge zur Genüge sich ergebe. Im Abs. 2 entspricht die Fassung der in Erl. f aufgeführten Regel. Ob noch an einzelnen anderen Stellen eine ungenaue Ausdrucksweise vorkommt (s. z. B. §§ 111, 264, 359) wird, soweit erforderlich, bei den betreffenden Stellen erörtert werden. h) In einigen Fällen, in welchen eine Rechtswirkung davon abhängt, daß innerhalb einer Frist eine Erklärung nicht erfolgt, wird die Beweislast dadurch bestimmt, daß gesagt wird: die Erklärung kann nur bis zum Ablaufe der Frist erfolgen; erfolgt sie nicht, so tritt die in Frage stehende Rechtswirkung ein. Wer sich auf den Eintritt der Nechtswirkung beruft, braucht hier, wie in den Fällen in Erl. d, nur den Ablauf der Frist zu beweisen, während dem anderen Teile der Beweis obliegt, daß die Erklärung vor dem Ablaufe der Frist erfolgt sei. Sv wird im § 108 Abs. 2 bestimmt, daß, wenn ein Minderjähriger ohne Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters einen Vertrag geschlossen hat, der andere Teil den Vertreter auffordern kann, sich darüber zu erklären, ob er den Vertrag genehmige. „Die Genehmigung", heißt es sodann, „kann nur bis zum Ablaufe von zwei Wochen nach dem Empfange der Aufforderung erklärt werden; wird sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert." Wer sich darauf beruft, daß die Genehmigung als verweigert gelte, braucht nur zu beweisen, daß die Aufforderung erfolgt und seit deren Empfange zwei Wochen verstrichen seien, während dem anderen Teile der Beweis obliegt, daß die Genehmigung vor dem Ablaufe von zwei Wochen erfolgt sei. Ähnlich z. B. in den §§ 177, 415 Abs. 2, 1396, 1829. i) Nur in verhältnismäßig wenigen Fällen, in denen eine der bisher auf­ geführten Ausdrucksweisen die Fassung zu schwerfällig gemacht haben würde, ent­ hält das BGB. eine ausdrückliche Bestimmung über die Beweislast; so z. B. in den §§ 282, 345, 358, 363, 442, 445, 542 Abs. 3, 636 Abs. 2, 2336. k) Die Einwendungen, welche Wach, Die Beweislast nach dem BGB-, Dekanatsprogramm, abgedruckt in ZZP. 29, 359 ff. (vgl. auch Dernburg I § 7 III; Eck I 35f.; F. Leonhard, Beweislast 120ff.), gegen die in dem Obigen vertretene Bedeutung der angeführten Ausdrucksweisen für die Beweislast geltend macht, dürften unbegründet sein. Sie laufen im wesentlichen darauf hinaus, daß es sich an manchen Stellen gar nicht um eine Verteilung der Beweislast handele, so z. B. an denjenigen Stellen, in welchen es sich um die Offizialtäügkeit einer Behörde oder um die Aufstellung einer Vermutung oder um eine dispositive Be­ stimmung handele, und daß an anderen Stellen, insbesondere an solchen, in welchen die Stellung des „nicht" hinter dem „wenn" in Frage komme, dasselbe Ergebnis, was sich aus den obigen Regeln ergebe, auch dann angenommen

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Einleitung.

werden müßte, wenn die Ausdrucksweise eine andere wäre. Gegen die erste Ein­ wendung ist zu bemerken, daß die fraglichen Ausdrucksweisen allerdings nicht nur dann gebraucht werden, wenn es sich um eine Verteilung der Beweislast im engeren Sinne handelt, sondern in allen Fällen, in welchen überhaupt ein Beweis in Frage kommen kann. Die Richtigkeit der aufgestellten Regel wird hierdurch aber nicht berührt. Die zweite Einwendung spricht eher gegen als für die Machsche Ansicht; denn wenn die fraglichen Fälle so liegen, daß bei ihnen über die Beweis­ last kein Zweifel sein kann, so mußte das Gesetz doch diejenige Ausdrucksweise wählen, welche nach der einmal angenommenen Terminologie die richtige Ent­ scheidung über die Beweislast ergibt, und es wäre sehr verkehrt gewesen, wenn man im Vertrauen auf die Zweifellosigkeit der Beweislast eine der richtigen Normierung derselben nicht entsprechende Ausdrucksweise gewählt hätte. Richtig ist, daß, wie in Erl. g hervorgehoben worden, in dem dort bezeichneten Falle und vielleicht noch in einigen anderen Fällen von einer den angeführten Regeln entsprechenden korrekten Fassung abgesehen ist. Aber aus diesen, jedenfalls ganz vereinzelten Fällen kann nicht die Unrichtigkeit der aufgestellten Regeln abgeleitet werden. Sie bleiben als Regeln bestehen und finden nur da keine Anwendung, wo aus dem Inhalte der betreffenden Rechtsnorm und aus dem Zusammenhänge sich eine abweichende Ab­ sicht des Gesetzes klar ergibt. In einigen der von Mach angeführten Fällen, in denen die aufgestellten Regeln nicht zutreffen sollen, ist die Inkorrektheit übrigens nur eine scheinbare. So wird die den aufgestellten Regeln allerdings nicht ent­ sprechende Fassung der §§ 360, 361 durch die ausdrückliche Beweisregel des § 358 richtig gestellt. Anzuerkennen ist übrigens, daß durch die aufgestellten Regeln eine wissenschaftliche Ergründung der für die Normierung der Beweislast maßgebenden Gesichtspunkte nicht überflüssig wird. Ergeben diese in einem ein­ zelnen Falle eine andere Entscheidung über die Beweislast, als nach den aufge­ stellten Regeln anzunehmen wäre, so wird zu prüfen sein, ob in dem betreffenden Falle eine nicht korrekte Ausdrucksweise angenommen werden darf. Fehlt es für eine solche Annahme aber an genügenden Gründen, so dürfte es unzulässig sein, die durch die gewählte Ausdrucksweise getroffene gesetzliche Bestimmung nach Maßgabe der theoretisch richtigen Auffassung zu korrigieren. (Die hier dargelegten Grund­ sätze sind als richtig anerkannt von Biermann I § 27 Ziff. 1; Landsberg 8 7 S. 25 Anm. 1; Matthiaß § 71II; v. Tuhr Allg. Teil I 35 Anm. 131; vermittelnd Enneccerus § 51 I; Gaupp-Stein ZPO?" § 282 IV 4b.)

VII. Ergänzung des Bürgerlichen Gesehbuchs. 1. Unbestimmte Rechtsfolgen. Eine starre ein für allemal bestimmte Regelung der Rechtsfolgen würde vielfach den einzelnen Tatbeständen nicht gerecht werden können. Deshalb verweist das Gesetz nicht selten zur näheren Bestimmung der Rechtsfolgen auf andere Faktoren, namentlich (§ 242) auf Treu und Glauben und auf die Verkehrssitte, die dadurch zu einer „sekundären Rechtsquelle" wird (v. Tuhr Allg. Teil I 31); in anderen Bestimmungen verweist das BGB. auf das billige Ermessen, auf die Billigkeit, auf die Angemessenheit oder aus das Er­ messen schlechthin (vgl. z. B. §§ 660, 745, 971, 1024, 1246; 829, 847, 920, 1300, 1579; 343, 642, 655, 1371, 1427, 1585, 1620, 1631, 1836, 1987, 2221; 1668, 1844).

2. Elastische Tatbestände. Auch der Tatbestand wird von dem BGB. nicht immer fest begrenzt, namentlich verwendet es vielfach elastische Wertbegriffe und verweist damit wieder auf Faktoren, die an sich außerhalb der Rechtsordnung stehen: vgl. z. B. Verstoß gegen die guten Sitten (§§ 138, 826), wichtiger Grund (§§ 27, 549, 626, 627, 671, 696, 712, 723, 749, 811, 843, 1298, 1299, 1308, 1580, 1889, 2227), angemessene Frist oder Zeit (§§ 250, 264, 283, 299, 326, 354, 355, 466, 496, 516, 542, 629, 634, 643, 910, 1003, 1056, 1133, 1220, 1347, 1614, 1716, 2193, 2307). Bei der Fällung der Werturteile hat der Richter sich nicht von seinen individuellen Anschauungen, sondern von den in der Gesamtheit herrschenden Ansichten leiten zu lassen.

3. Analogie. Das Gesetz kann die vielgestalttge Entwicklung des Lebens nicht voraussehen und kann deshalb nicht für alle Fälle eine unmittelbare Ent­ scheidung bereit stellen. Der § 1 des E. I bestimmte: „Auf Verhältnisse, für welche das Gesetz keine Vorschrift enthält, finden die für rechtsähnliche Verhältnisse gegebenen Vorschriften entsprechende An­ wendung. In Ermangelung solcher Vorschriften sind die aus dem Geiste der Rechtsordnung sich ergebenden Grundsätze maßgebend" (P. I 7ff.; M. 114). Von der zweiten Kommission wurde dieser Paragraph gestrichen (P. n 1 S. 3). Die Vorschrift sei — so wurde angenommen — wenn sie richtig ver­ standen werde, selbstverständlich, ihre Fassung sei überdem nicht einwandsfrei und eine ganz korrekte Fassung in knapper Gesetzessprache schwerlich zu finden. Auch nach dem BGB. ist die Analogie zulässig und gegebenenfalls geboten. Das BGB. will das gesamte Privattecht regeln, soweit es nicht in anderen Reichs­ gesetzen enthalten oder durch das EG. der Landesgesetzgebung Vorbehalten ist. Da ein Verhältnis nur dadurch ein Rechtsverhältnis wird, daß die Rechtsordnung es als solches anerkennt, so kann ein Verhältnis als Rechtsverhältnis nur dann begründet werden, wenn es in dem BGB. bzw. in anderen Reichsgesetzen oder den vorbehaltenen Landesgesetzen oder gewohnheitsrechtlich als solches anerkannt ist. Daraus folgt aber nicht der Ausschluß der Analogie. Bei dieser handelt es sich um eine jener Rechtswahrheiten, die als Bestandteile jeder Rechtsordnung, jedes Gesetzes anzusehen sind, und die deshalb in keinem einzelnen Gesetze besonders ausgesprochen zu werden brauchen. Es handelt sich um die für jedes Gesetz geltende Regel, daß wesensgleiche Tatbestände nach demselben Rechtssatze beurteilt werden müssen, auch wenn die Formulierung des Rechtssatzes in dem Gesetze nur einen der verschiedenen wesensgleichen Tatbestände trifft. Die Schwierigkeit liegt darin, zu bestimmen, welche Tatbestände wesensgleiche sind; dies kann aber nicht durch allgemeine gesetzliche Vorschriften bestimmt, sondern nur durch die genaue Untersuchung des einzelnen Falles ermittelt werden. Zu betonen ist, daß es sich auch bei der analogen Anwendung nicht nur um eine logische Tätigkeit, sondern auch um Werturteile handelt. Auch hier soll sich der Richter nicht von seinen subjekttven Anschauungen leiten lassen, sondern er muß sich bemühen, die Wert­ urteile zu ermitteln und seiner Entscheidung zugrunde zu legen, die für das Gesetz maßgebend gewesen sind. In dem Grundgedanken stimmt die herrschende Ansicht überein. Über die

verschiedene Begründung und Formulierung sowie über die Unterscheidung zwischen extensiver Auslegung und Analogie, zwischen Gesetzes- und Rechtsanalogie s.

LX

Einleitung.

Windscheid-Kipp I §§ 21—23; Regelsberger I § 38; Hölder 20f.; Oertmann XXf.; Staudinger I, 18ff.; Biermann I § 10; Cosack § 8, 11; Crome § 21; Dernburg I § 30; Endemann I § 12; Enneccerus § 53 II1; Kohler I § 42 V; v. Tuhr Allg. Teil I, 40ff.; Eltzbacher, Unterlassungs­ klage; Stammler, Theorie der Rechtswissenschaft 633ff. 4. Richterliche Rechtsschöpfung. Ein Rechtsverhältnis kann so eigentümlich gestaltet sein, daß der Richter aus dem Gesetzesrechte auch mittels der Analogie keine Entscheidung finden kann. Dies kann sich z. B. bei neu aufkommenden Vertragstypen oder infolge neuer technischer Errungenschaften ereignen. Das Hauptbeispiel für solche Lücken im Recht bildet aber die unvollständige Regelung des internationalen Privatrechts im EG. Hier hat der Richter die Lücke, die das Gesetz läßt, seinerseits auszufüllen. Er hat dabei alle in Betracht kommenden Interessen in ihrer typischen Gestalt sorgfältig zu berücksichtigen und die Ent­ scheidung zu treffen, welche den besten Ausgleich dieser Interessen darstellt; er hat so zu entscheiden, wie der Gesetzgeber entscheiden würde. Abzulehnen ist die Lehre der sogenannten Freirechtsschule, die den Richter nur da an das Gesetz binden will, wo dieses eine klare unzweideutige Regelung enthält, und im übrigen unter Verwerfung jeder Auslegung und jeder Analogie das freie subjektive Ermessen des Richters entscheiden lassen will. Diese Lehre setzt in Wahrheit an die Stelle des Gesetzes die absolute Willkür des Richters und gefährdet dadurch die Sicherheit des Rechts und des Verkehrs. Vgl. außer der zu Ziff. 3 und oben zu V angeführten Literatur Regels­ berger I § 12; Enneccerus § 53 III, § 54; v. Tuhr Allg. Teil, Vorwort; Bülow, Gesetz und Richteramt 1885; Kohler, Die schöpferische Kraft der Juris­ prudenz, in JheringsJ. 25, 262ff. (1887); M. Rümelin, Werturteile und Willens­ entscheidungen im Zivilrecht (1891); Göny, Methode d’interprStation (1899); Jung, Die logische Geschlossenheit des Rechts (1900); Stammler, Die Lehre vom richtigen Recht (1902); Ehrlich, Freie Rechtsfindung und freie Rechtswissenfchaft (1903); Zitelmann, Lücken im Recht (1903); Müller-Erzbach, Die Grundsätze der mittelbaren Stellvertretung aus der Jnteressenlage entwickelt (1905); Stampe in DIZ. 05, 417ff., 713ff., 1017ff.; Landsberg daselbst 921 ff.; Heck daselbst 1140; Gnaeus Flavius (Kantorowicz), Der Kamps um die Rechtswissenschaft (1906); Radbruch, Rechtswissenschaft als Rechtsschöpfung, im ArchSozW. 22, 359; Rumpf, Gesetz und Richter (1906); Bülow, Über das Ver­ hältnis der Rechtsprechung zum Gesetzesrecht, im Recht 06, 769ff.; Bozi, Die Weltanschauung der Jurisprudenz (1907, 2. Aust. 1911); E. Fuchs, Schreibjustiz und Richterkönigtum (1907); Jung, Positives Recht (1907); Schmölder, Die Billigkeit als Grundlage des bürgerlichen Rechts (1907); Stampe, Unsere Rechts­ und Begriffsbildung (1907); Müller-Erzbach, Der Durchbruch des Jnteressenrechts durch allgemeine Rechtsprinzipien, in JheringsJ. 53, 331 ff. (1908); Danz, Rechtsprechung nach der Volksanschauung und nach dem Gesetz, in JheringsJ. 54,1 ff. (1908); E. Fuchs, Recht und Wahrheit in unsrer heutigen Justiz (1908); Sohm, Hölder, Mittels in DIZ. 09, 1019ft.; Heck daselbst 1457; Düringer, Richter und Rechtsprechung (1909); E. Fuchs, Die Gemeinschädlichkeit der konstruktiven Jurisprudenz (1909); Oertmann, Gesetzeszwang und Richterfreiheit (1909); Gmelin, Quo usque (1910); E. Fuchs, Klassische Einwendungen gegen die sozio­ logische Rechtslehre, in HoldheimsMSchr. 20, 82ff.; Kantorowicz, Rechtswissen-

schäft und Soziologie (1911); Dettmann, Soziologische Rechtsfindung, in HoldheimsMSchr. 20, iff. (1911): Regelsberger, Gesetz und Rechtsanwendung, in

JheringsJ. 58,146ff. (1911); Kiß, Gesetzesauslegung und ungeschriebenes Recht, da­ selbst, 413ff. (1911); Stampe, Die Freirechtsbewegung (1911); Vierhaus, Über die Methode der Rechtsprechung (1911); Neukamp in DIZ. 12, 44; Berolzheimer, Die Gefahren einer Gesühlsjurisprudenz, im ArchRPHilos. 4, 595ff. (1911); Heck, Das Problem der Rechtsgewinnung (1912, das. S. 48 weitere Literatur); E. Fuchs, Juristischer Kulturkampf (1912); Jung, Das Problem des natürlichen Rechts (1912); Müller-Erzbach, Die Relativität der Begriffe und ihre Begrenzung durch den Zweck des Gesetzes, in JheringsJ. 61, 343ff. (1912); W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung (1913); Müller-Erz­ bach, Gefühl oder Vernunft als Rechtsquelle, in ZHR. 73 (1913); Wüstendörffer, Die deutsche Rechtsprechung am Wendepunkt, im ArchZivPrax. 110, 219ff. (1913).

VIII. Recht im subjektive» Sinne. Der Begriff des Rechtes im subjektiven Sinne wird von dem BGB. nicht definiert. Es handelt sich dabei um eine sehr bestrittene Frage, deren Lösung der Wissenschaft überlassen werden muß (Windscheid-Kipp I § 37; Regels­ berger I § 14; Dernburg I § 41; Biermann 1 § 12; Cosack § 16; Crome § 29; Endemann I § 14; Enneccerus § 65; Kohler I § 44ff.; Lands­ berg § 11 f.; Zitelmann I 21 ff.; Leonhard Allg. Teil § 45; v. Tuhr Allg. Teil I, 53 ff.). Ob man bei der Begriffsbestimmung das Hauptgewicht auf die durch die Rechtsordnung verliehene Willensmacht legen will (Windscheid: „Recht ist eine von der Rechtsordnung verliehene Willensmacht oder Willens­ herrschaft") oder auf den Zweck des Rechtes (v. Jhering: „Recht ist rechtlich ge­ schütztes Interesse") oder ob man beide Momente betonen will (Regelsberger: „Recht ist die Macht zur Befriedigung eines anerkannten Interesses"), ist für das Verständnis des BGB. kaum von Bedeutung. Indem das BGB. ein Recht an­ erkennt, erkennt es auch an, daß ein Interesse vorliegt, das des rechtlichen Schutzes wert ist. Über eine mit dem Erfordernisse des Interesses zusammenhängende Be­

schränkung der Llusübung des Rechtes s. § 226. Sehr bestritten ist die Frage, ob es subjektlose Rechte gibt. Über diese im wesent­

lichen nur die juristische Konstruktion gewisser Rechtssätze betreffenden Fragen und die darüber bestehenden verschiedenen Ansichten s. Windscheid-Kipp I § 49 Anm. 3. Über die Einteilung der Rechte s. Windscheid-Kipp § 38ff.; Regels­ berger I § 50; Biermann I § 34ff.; Cosack § 17ff.; Crome § 30ff.; Ende­ mann I § 14; Enneccerus § 66; Landsberg § 14; Zitelmann I 22f.; v. Tuhr Allg. Teil I, 133ff. Die Einteilung der Rechte nach ihrem Inhalt in obligatorische, dingliche, familienrechtliche und erbrechtliche entspricht im wesent­ lichen der Einteilung des BGB. in das Recht der Schuldverhältnisse, das Sachen­ recht, das Familienrecht und das Erbrecht. Dazu kommen die sog. Jmmaterial.güterrechte auf Grund der oben S. XL erwähnten Gesetze. Über das Recht der Persönlichkeit und die sog. Individualrechte (Rechte auf Leben, Freiheit, Gesund­ heit usw.) s. S. 7. Neben den vorstehend genannten Rechten, die entweder eine Herrschaft über ein bestimmtes Objekt oder einen Anspruch gegen eine bestimmte Person gewähren (Zitelmann, Internationales Privatrecht I, 43f.; Grundriß

LXII

Einleitung.

I, 30f. unterscheidet Rechte des Dürfens und Sollens; Enneccerus § 66 Beherr­ schungsrechte und Ansprüche; vgl. auch Biermann I § 35; v. Tuhr Allg. Teil 1133ff. faßt beide Gruppen unter der Bezeichnung Herrschaftsrechte zusammen), stehen die sogenannten Gestaltungsrechte (Seckel in der Festschrift für Koch 1903, S. 205 ff.; Zitelmann, Internationales Privatrecht II, 32ff. und Grundriß I, 30f. spricht von Rechten des rechtlichen Könnens; Enneccerus § 66 von Rechten auf Rechts­ änderung; v. Tuhr l, 159ff. von sekundären Rechten); sie geben dem Berechtigten die Macht, durch seine Handlung eine Änderung der Rechtsverhältnisse herbeizu­

führen. Hierher gehören z. B. die Aneignungsrechte, das Anfechtungsrecht, das Rücktrittsrecht. Vgl. über diese Art von Rechten außer den Genannten Oertmann Vorbm. D. vor § 194; Biermann I § 35 II; Cosack § 17; Crome § 34; Endemann I § 14; Landsberg § 14; Windscheid-Kipp § 37; die Annahme eines subjektiven Rechts verwirft in derartigen Fällen Kohler I § 46,48ff.

IX. Literatur. Eine vollständige Aufzählung aller größeren und kleineren das BGB. be­ treffenden Werke und Aufsätze wird durch den Zweck des Kommentars nicht er­ fordert. Es muß in dieser Beziehung auf die verschiedenen Bibliographien verwiesen werden (f. unten Ziffer 8). Hier sind nur die wichtigeren größeren Werke, welche sich auf das ganze BGB. beziehen, hervorzuheben.

1. Kommentare. Biermann, v. Blume, F. Leonhard, Niedner, Oertmann, Opet 1898ff. (Oertmann, Allgemeiner Teil, 2. vollständig umgearbeitete Auflage des Kommen­ tars von Gareis, 1908; Oertmann, Recht der Schuldverhältniffe, 3./4. Aufl., 1910; Biermann, Sachenrecht, 2. Aufl., 1903; v. Blume und Opet, Familien­ recht, 1906; Leonhard, Erbrecht, 2. vollständig neu bearbeitete Auflage des Kommentars von Frommhold, 1912; Niedner, Einführungsgesetz, 2. Aufl., 1901). Hölder, Schollmeyer, A. B. Schmidt, Fuchs, 1900ff. (Hölder, All­ gemeiner Teil, 1900; Schollmeyer, Recht der Schuldverhältniffe, erste Hälfte, Allgemeiner Teil des Rechts der Schuldverhältniffe, 1900; A. B. Schmidt, Familienrecht, I. Die bürgerliche Ehe, 1907; Fuchs, Familienrecht, III. Vor­ mundschaftsrecht, 1909). Rehbein, Das BGB. mit Erläuterungen für das Studium und die Praxis, Bd. 1 (Allgemeiner Teil), Bd. 2 (Recht der Schuldverhältniffe, allgemeine Be­ stimmungen), 1899, 1903 (unvollendet). Scherer, Allgemeiner Teil, 1897; Recht der Schuldverhältnisse, 1899; Sachenrecht, 1899; Familienrecht, 1899; Erbrecht, 1900; Einführungsgesetz, 1899. — Ergänzungshefte: Das erste Jahr des BGB., 1901; Das zweite Jahr des BGB., die gesamte Rechffprechung und Theorie zum BGB., EG.BGB., ZPO., FGG., GBO., ZVG. und KO., 1902; Das dritte (usw. bis zum dreizehnten) Jahr, 1903—1913. v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch und dem Ein­ führungsgesetze, herausg. von Löwenfeld, Mayring, Kober, Herzfelder, Riezler, Kuhlenbeck, Engelmann, Wagner, 7 Bände, 5./6. Aufl., 1909 bis 1911; 7./8. Aufl. im Erscheinen.

BGB., Kommentar von Reichsgerichtsräten. Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts, erläutert von Hoffmann, Brückner, Erler, Burlage, Busch, Ebbecke, Kiehl, Schaffeld und Schmitt, 2 Bände, 1910; 2. Aufl. im Erscheinen.

2. Ausgaben mit kurzen Erläuterungen. Achilles (Andrä, Ritzen, Strecker, Unzner), 7. Aufl., herausg. von Greiff, 1912 (Guttentagsche Sammlung Deutscher Reichsgesetze). Fischer und Henle, (Ebert, Schneider), 9. Aufl., 1912. Keidel, Handausgabe des BGB. auf Grund von Staudingers Kommentar, 19,12. Kuhlenbeck, Das BGB. nebst dem EG., im Auftrage des Vorstandes des deutschen Anwaltvereins erläutert, 2. Aufl., 1903, 1904. Neumann, Handausgabe des BGB., 3 Bände, 6. Aufl., 1912.

3. Größere systematische Darstellungen. Biermann, Bürgerliches Recht, Bd. 1 (Allgemeine Lehren und Personen­

recht), 1908. Cosack, Lehrbuch des deutschen bürgerlichen Rechts, 6. Aufl., 1913. Crome, System des deutschen bürgerlichen Rechts, Bd. 1 Einleitung, All­ gemeiner Teil, 1900; Bd. 2 Schuldverhältnisse, 1902; Bd. 3 Rechte an Sachen und an Rechten, 1905; Bd. 4 Jmmaterialgüterrecht und Familienrecht, 1908, Bd. 5 Erbrecht, 1912. Dernburg, Das bürgerliche Recht des Deutschen Reichs und Preußens, Bd. 1 Die allgemeinen Lehren, 3. Aufl., 1906; Bd. 2 Schuldverhältnisse, Abt. 1 Allgemeine Lehren, 4. Aufl. von A. Engelmann, 1909, Abt. 2 Einzelne Obli­ gationen, 3. Aufl., 1906; Bd. 3 Sachenrecht, 4. Aufl., 1908; Bd. 4 Deutsches Familienrecht, 4. Aufl. 1908; Bd. 5 Deutsches Erbrecht, 3. Aufl. von A. Engel­ mann, 1911; Bd. 6 Urheber-, Patent-, Zeichenrecht, Versicherungsrecht und Rechtsverfolgung, herausg. und zu Ende geführt von Kohler, 1908, 1910. Endemann, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, Bd. 1 Einleitung, Allgemeiner Teil, Recht der Schuldverhältnisse, 8./9. Aufl., 1903; Bd. 2 Sachenrecht und Familienrecht, 8./9. Aüfl., 1905, 1908; Bd. 3 Erbrecht, 6./7. Aufl., 1900. Enneccerus, Kipp, Wolff, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts; Bd. 1 Abt. 1,2 Enneccerus, Einleitung, Allgemeiner Teil, Schuldverhältnisse, 6.—8. Aufl., 1911/1912; Bd. 2 Abt. 1 M. Wolff, Sachenrecht, 2. Bearbeitung, 1913; Bd. 2 Abt. 2 Kipp und Wolff, Familienrecht, 1912; Bd. 2 Abt. 3 Kipp, Erbrecht, 2. Bearbeitung 1913. v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1 Allgemeiner Teil und Personen­ recht, 1895; Bd. 2 Sachenrecht, 1905 (Bindings systematisches Handbuch der deutschen Rechtswissenschaft, Abt. 2 Teil 2 Bd. 1, 2). Goldmann-Lilienthal, Das Bürgerliche Gesetzbuch systematisch dargestellt, 2. Aufl., Bd. 1 Allgemeiner Teil und Recht der Schuldverhältnisse, 1903; Bd. 2 Sachenrecht, 1912. Kohler, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, Bd. 1 Allgemeiner Teil, 1906; Bd. 2 Vermögensrecht, Teil 1 Schuldrecht, 1906. Windscheid-Kipp, Lehrbuch der Pandekten, 3 Bände, 9. Aufl., 1906.

LXIV

Einleitung.

4. Kleinere systematische Darstellungen, Vorträge und Grnndriffe. Bernhöft, Das bürgerliche Recht, in Birkmeyers Enzyklopädie der Rechts­ wissenschaft, 2. Aufl., 1904, S. 361—611. Eck, Vorträge über das Recht des BGB., 3 Bände, herausg. von R. Leon­ hard, 1./2. Aufl., 1903, 1904. Hachenburg, Das BGB., Vorträge, 2. Aufl., 1900. Kohler, Bürgerliches Recht, in v. Holtzendorffs Enzyklopädie der Rechts­ wissenschaft, in 6. Aufl. herausg. von Kohler, Bd. 1, 1904, S. 561—757. Krückmann, Institution des BGB., 4. Aufl., 1912. Landsberg, Das Recht des BGB., ein dogmatisches Lehrbuch, 2 Bände, 1904. Matthiaß, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, 5. Aufl., 1910. Simöon, Recht und Rechtsgang im Deutschen Reiche, Bd. 1 Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, 6. Aufl., 1913.' Sohm, Bürgerliches Recht, in der Kultur der Gegenwart, herausg. von Hinneberg, Teil 2 Abt. 8 Systematische Rechtswissenschaft, 1906, S. 1—91. Zitelmann, Das Recht des BGB., I Allgemeiner Teil, 1900.

5. Wörterbücher. Bernhardi, Handwörterbuch zum BGB., 3. Aufl., 1902. Gradenwitz, Wörterverzeichnis zum BGB., 1902.

6. Zeitschriften. Die hauptsächlichsten Zeitschriften sind oben (in der Erklärung der Ab­ kürzungen) verzeichnet.

7. Sammlungen von Monographien und Aufsätzen. Abhandlungen zum Privatrecht und Zivilprozeß des Deutschen Reiches, her­ ausg. von Fischer, 1898 ff. Abhandlungen, zivilrechtliche und prozeßrechtliche, herausg. v. Kisch, 1907 ff. Beiträge zur Auslegung des BGB., herausg. von Bernhöft und Binder, 6 Hefte, 1902—1905. Das Recht des BGB in Einzeldarstellungen, Bd. 1—13, 1896 ff., zum Teil in 2. und 3. Aufl. erschienen. Studien zur Erläuterung des bürgerlichen Rechts, herausg. von R.Leonhard, 1900 ff.

8. Bibliographie des bürgerlichen Rechts. Maas, Bibliographie des bürgerlichen Rechts (für die Jahre 1888—1898) im ArchBürgR. 16; für die Jahre 1899—1904 ebenda Bd. 18, 19, 20, 22, 24, 26. Maas, Jurisprudentia Germaniae, 1905, 1906 (leider nicht fortgesetzt). Fortlaufende Übersichten, über die Literatur in der DIZ., in der IW., im Recht, im JLBl., im ZBlRw., im JDR. Kritische Referate über die Literatur in der KrVJSchr., in der ZHR. in der DIZ., im JLBl., sowie in der Zivilistischen Rundschau des ArchBürgR. verfaßt von Oertmann, Winter, Hedemann, Dittenberger).

Einleitung.

LXV

X. Rechtsprechung. Von der größten Bedeutung für die fernere Entwickelung unseres Rechts­ zustandes ist die Art und Weise, in welcher das BGB. von den Gerichten aus­ gelegt und angewendet wird. Die ergangenen Entscheidungen sind, soweit sie von dem Reichsgerichte, dem Bayerischen Obersten Landesgerichte, dem Kammergericht und den sonsttgen Oberlandesgerichten ergangen sind, im folgenden tunlichst voll­ ständig berücksichtigt. Zugrunde gelegt ist dabei in erster Linie für die Ent­ scheidungen des Reichsgerichts die offizielle Sammlung dieser Entscheidungen, für die Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichtes die unter der Aufficht und der Leitung des Königlichen Staatsministeriums der Justiz herausgegebene Sammlung dieser Entscheidungen; für die Entscheidungen des Kammergerichts das von Johow und Ring herausgegebene Jahrbuch für Entscheidungen des Kammer­ gerichts; für die Entscheidungen der übrigen Oberlandesgerichte die von dem Reichsjustizamte herausgegebene Zusammenstellung von Entscheidungen in An­ gelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts, sowie die von Mugdan und Falkmann herausgegebene Rechtsprechung der Oberlandes­ gerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts. In zweiter Linie sind auch andere Sammlungen und Zeitschriften, insbesondere Seufferts Archiv für die Ent­ scheidungen der obersten Gerichte sowie die Juristtsche Wochenschrift; Gruchots Beiträge; Hanseatische Gerichtszeitung; aushilfsweise auch die kürzeren Mitteilungen in der Deutschen Juristenzeitung und in der Zeitschrift „Das Recht" benutzt.

Planck, Kom. zum BGB.

Bd. I.

4. Aufl.

(Knoke.)

V

Erstes Buch.

Allgemeiner Stil. Auf Grundlage eines Manuskripts von

Dr. G. Planck bearbeitet von Professor Dr. Knoke, Reichsgerichtsrat Dr. Strecker, Oberlandesgerichtsrat Dr. Flad, Hilfsrichter beim Reichsgericht.

Planck, Kom. zum BGD.

93b. I.

4. Aufl.

(Knoke.)

1

Vorbemerkungen. Leonhard, Der Allgemeine Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs in seinem Einflüsse auf die Fortentwickelung der Rechtswissenschaft, 1900; v. Tuhr, Der Allgemeine

Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts I

und

1910;

die den Allgemeinen

Teil

betreffenden Teile der in der Einleitung unter VIII angeführten Kommentare und

systematischen

Auf den E. II beziehen

Werke.

ArchZivPrax. 80, Iff.;

sich

die Aufsätze von Holder im

Cretschmar, ebenda 81, 146ff.;

82, 107ff.;

Strohal in

JheringsJ. 34 325 ff. Übersicht über den Inhalt des Allgemeinen Teiles.

enthält drei Gruppen von Vorschriften.

Der Allgemeine Teil

Zu der ersten Gruppe gehören der erste und

zweite Abschnitt, welcher die Personen und die Sachen betreffen.

Es handelt sich

hier also um die Subjekte der Rechte, um derentwillen die ganze Rechtsordnung besteht,

und um die Objekte, deren Beherrschung der unmittelbare oder mittelbare Zweck aller Vermögensrechte ist.

Die

der von den Rechtsgeschäften handelt. Personen die Begründung, Änderung

bestimmung bewirken.

wird durch den dritten Abschnitt gebildet,

zweite Gruppe

Diese bilden das Mittel, durch welches die

und

Aufhebung

der Rechte in freier Selbst­

Die Vorschriften der dritten Gruppe, welche den vierten bis

siebenten Abschnitt umfaßt, haben nicht im gleichen Maße den Charakter grundlegen­ der Vorschriften

wie die Vorschriften der beiden

Nur der sechste

ersten Gruppen.

Abschnitt, welcher von der Ausübung der Rechte, der Selbstverteidigung und-

der Selbsthilfe handelt, hat einen ähnlichen allgemeinen Charakter.

Den Vorschriften

des vierten Abschnitts (Fristen, Termine), des fünften Abschnitts (Verjährung)

und des

siebenten

Abschnitts (Sicherheitsleistung)

fehlt

dieser

Charakter.

Die

hier zusammengestellten Vorschriften sind aber mehr oder weniger für alle Teile des Rechtes von Bedeutung und mußten deshalb in den Allgemeinen Teil ausgenommen

werden. Dem ersten Abschnitte des BGB. entspricht der zweite und dritte Abschnitt des

E. I, dem dritten Abschnitte der vierte Abschnitt des E. I, dem vierten, fünften, sechsten und siebenten Abschnitte, der sechste, siebente, achte und elfte Abschnitt des E. I.

Die

Vorschriften des zweiten Abschnitts (Sachen) hatte der E. I im ersten Abschnitte des

dritten Buches unter der Überschrift „Allgemeine Vorschriften".

Nicht ausgenommen

in das BGB. sind der erste Abschnitt (Rechtsnormen), der fünfte Abschnitt (Fahr­ lässigkeit, Irrtum), der neunte Abschnitt (Urteil), der zehnte Abschnitt (Beweis).

Der Umstand, daß der E. I Bestimmungen über diese

Materien

enthielt, ist

wohl der Anlaß gewesen, daß sie in den früheren Auflagen an dieser Stelle behandelt

1*

4

wurden.

Vorbemerkungen.

In der vorliegenden Bearbeitung ist davon abgesehen.

Die Stellungnahme

des BGB. zur Analogie und zum Gewohnheitsrecht sind in die Einleitung verwiesen (Ziff. V und III), die Lehre von Vorsatz und Fahrlässigkeit wird in den Erl. zu § 276

behandelt werden, die Lehre vom Urteil ist ganz ausgeschieden, während Fragen der Beweislast in der Einleitung Ziff. VI im Anschluß an die technische Behandlung des

Stoffes durch das BGB. erörtert sind.

In der Einleitung sind auch unter Ziff. VII

die subjektiven Rechte nach dem BGB. besprochen, die in den früheren Auflagen

ebenfalls in den Vorbemerkungen zum Allgemeinen Teil unter VI behandelt wurden,

Anspruch und Einrede

endlich, in den früheren Auflagen in

den Vorbemerkungen

VII und VIII zum Allgemeinen Teil, sind in den Vorbemerkungen zu den §§ 194 ff.

behandelt.

(Nr. 2321.)

Bürgerliches Gesetzbuch.

Vom 18. August 1896.

Wilhelm,

von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen re.

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags, was folgt:

Erstes Buch.

Allgemeiner Teil. Erster Abschnitt. Personen.

Erster Titel. Natürliche Personen. Erster Abschnitt. Holder, Natürliche und juristische Personen, 05 und die Besprechungen von Klingmüller in GrünhutsZ. 34, 473ff.; Preuß in der Deutschen Literaturzeitung 06 Sp. 2339; Riezler, JLBl. 07 Sp. 187ff.; Stintzing in KrVJSchr. 47, 232aff.; Hedemann, Werden und Wachsen im bürgerlichen Recht 1913, 20 ff. Übersicht des Inhalts des ersten Abschnitts. Der erste Abschnitt handelt von den Personen.

Die Rechtsordnung bestimmt die Beziehungen der Menschen zueinander; sie gibt ihnen Rechte und Rechtspflichten. Der Mensch ist Person, weil er fähig ist, Subjekt von Rechten und RechtsPflichten zu sein. Diese Fähigkeit zu Rechten und Pflichten wird zusammengefaßt unter dem Ausdrucke „Rechtsfähigkeit". Von den Menschen als Personen handelt der erste Titel unter der Überschrift „Natürliche Personen". Die Zwecke, welche die Menschen verfolgen, können

aber zum Teil nicht von den einzelnen Menschen in ihrer Isolierung erreicht werden, sie erfordern häufig das Zusammenwirken mehrerer und erscheinen dann als Zwecke der von diesen Mehreren gebildeten Gemeinschaft. Die Zwecke beschränken sich häufig auch nicht auf individuell bestimmte Menschen, sondern auf gewisse Kategorien nicht nur zurzeit lebender Menschen, sondern auch späterer Generationen. Um die Erreichung solcher Zwecke zu erleichtern, gibt das BGB. den Vereinen und Stiftungen unter gewissen Voraussetzungen die Rechtsfähigkeit. Von diesen juristischen Personen handelt der zweite Titel des ersten Abschnitts.

Erster Titel. 1. Rechtsfähigkeit des Menschen. Die natürlichen Personen sind die Menschen. Jeder Mensch ist rechtsfähig. Das BGB. spricht dieses Prinzip nicht ausdrücklich auS; es ergibt sich aber unzweifelhaft aus dem § 1 und dem ganzen Zusammenhänge des BGB. Sklaverei existiert nicht im Deutschen Reich. Für die Schutzgebiete gilt dieser Grundsatz nicht unbeschränkt; denn der § 4 des Schutzgebietsgesetzes bestimmt, daß die Eingeborenen den im 8 3 des Schutz-

6

I. Abschnitt: Personen.

gebietsgesetzes bezeichneten Vorschriften, also auch den Vorschriften des BGB. nur unterliegen, soweit dies durch Kaiserliche Verordnung bestimmt ist und daß den Eingeborenen durch Kaiserliche Verordnung auch andere bestimmte Teile der Bevölkerung gleichgestellt werden können (vgl. auch EG. Art. 7 Erl. 5). Der Grundsatz der gleichen Rechtsfähigkeit aller Menschen kann durch Rechtsgeschäft weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Als eine Minderung der Rechts­ fähigkeit kann man vielleicht die nach Art. 87 des EG. landesgesetzlich zulässige Beschränkung der Erwerbsfähigkeit der Mitglieder religiöser Orden und ordensähnlicher Kongregationen betrachten. (Vgl. auch Art. 88 über den Erwerb von Grundstücken durch Ausländer.) Als Beschränkung der Rechtsfähigkeit kann man auch ansehen die zivilrechtlichen Folgen eines straf­ rechtlichen Urteils, durch das auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt ist (§§ 1318 Abs. 2, 1781 Nr. 4, 2237 Nr. 2; StGB. § 34 Nr. 6; EG. Art. 34; ZPO. § 1032 Abs. 3; FGG. § 173 Nr. 2; ähnliche Vorschriften in verschiedenen Reichsgesetzen). Keine Beschränkung der Rechtsfähigkeit enthalten die Vorschriften, welche die Möglichkeit gewisser Rechtsverhältnisse an bestimmte natürliche Eigenschaften des Menschen knüpfen oder die Stellung der Personen in einem Rechtsverhältnisse nach solchen Eigenschaften verschieden bestimmen. Die Ehe kann nur von Personen verschiedenen Geschlechts geschlossen werden. Die rechtliche Stellung des Mannes und der Frau ist in der Ehe, die Stellung des Vaters und der Mutter ist in dem Verhältnisse zu den Kindern verschieden. Es sind dies Konsequenzen des betreffenden Rechtsverhältnisses, nicht einer verminderten Rechtsfähigkeit. Auch die zivilrechtlichen Folgen eines ehrlosen Ver­ haltens (BGB. 88 1568, 1666, 2333 Nr. 5) berühren die Rechtsfähigkeit nicht. Von der Rechtsfähigkeit zu unterscheiden ist die Geschäftsfähigkeit, d. h. die Fähigkeit, durch eigene rechtsgeschäftliche Willenserklärungen Rechte und Rechtspflichten zu begründen. Hölder, Personen Ulfs., mit dem Binder, Problem der juristischen Persönlichkeit 54ff. im wesentlichen übereinstimmt, verwirft den Unterschied. Er schreibt dem § 1 nur die Bedeutung zu, daß die gellende Rechtsordnung damit jedem menschlichen Leben einen Wert zuerkenne; Person im eigentlichen Sinne sei nur die selbständige Person (S. 129), weil nur ihrem Willen rechtliche Bedeutung für das subjektive Recht zukomme und in dieser Bedeutung das Wesen des subjektiven Privatrechts beruhe (S. 123); was man Rechte und Pflichten einer unselbständigen Person nenne, seien in Wahrheit Rechtsverhältnisse, die private Berechtigungen und Verpflich­ tungen des bestimmten Menschen nicht sowohl sind, als vielmehr wären, wenn er nicht von deren Wahrnehmung ausgeschlossen wäre, und sein werden, wenn sein Ausschluß von dieser wegfällt; komme sie anderen von Rechts wegen zu, so liege an Stelle der privatrechtlichen eine amtliche Zuständigkeit vor. Dem positiven Recht entspricht diese Auffassung nicht (so auch Oertmann, Vorbm. 6 zum ersten Abschnitt; Enneccerus § 76 Ziff. 1). Das Vermögen des Geschäftsunfähigen wird nicht nur formell als sein Vermögen behandelt, z. B. im Grundbuchrecht, sondern auch materiell. Es mag nur folgendes hervorgehoben werden. Der gesetzliche Vertreter, der im Namen des Geschäftsunfähigen eine Verpflichtung übernimmt, macht nicht nur das seiner Ver­ waltung unterliegende Vermögen haftbar, sondern auch das Vermögen, welches nach §§ 1638, 1794, 1909 seiner Verwaltung entzogen ist, oder welches der Geschäftsunfähige nach erlangter Geschäftsfähigkeit erwirbt. Der Vertretene hat auch die Möglichkeit seinerseits auf sein Vermögen ^inzuwirken; ist er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so kann er durch Rechtsgeschäfte, die ihm lediglich Vorteil bringen, sein Vermögen vergrößern, er kann das Vermögen auch durch Rechts­ geschäfte, die er mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters schließt, belasten, die Höldersche Aus­ lassung müßte hier zu der seltsamen Vorstellung Mren, daß der beschränkt Geschäftsfähige Ver­ treter seines eigenen gesetzlichen Vertreters sei; begeht ein Minderjähriger über achtzehn Jahre •eine unerlaubte Handlung oder ist ein Minderjähriger über sieben und unter achtzehn Jahren bei Begehung einer schädigenden Handlung im Besitz der zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderlichen Einsicht oder liegen die Voraussetzungen des § 829 vor, so können die dadurch Geschädigten Schadensersatz aus dem der Verwaltung des gesetzlichen Vertreters unterliegenden Vermögen verlangen, dies läßt sich nur daraus zurückführen, daß das Vermögen dem Schädiger gehört. Schließlich mag darauf hingewiesen werden, daß der Unselbständige hinsichtlich seiner Sachen weder einen Diebstahl noch eine Unterschlagung begehen kann. Es ist also für das geltende Recht daran festzuhallen, daß Rechtsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit nicht zusammenfallen. Der Geschäftsunfähige kann alle Rechte und Rechtspflichten haben; er kann die Rechte auch erwerben, die Rechtspflichten übernehmen, aber er kann dies nur durch seinen gesetzlichen Ver­ treter, nicht durch eigene Handlungen. Hieraus folgt, daß der Geschäftsunfähige überhaupt nicht imstande ist, solche Rechtsverhältnisse einzugehen, zu deren Begründung das persönliche Handeln

der betreffenden Person erforderlich ist. So kann z. B. die Ehe von den Verlobten nur in Person geschlossen werden (§ 1317), ein Testament von dem Erblasser nur persönlich errichtet (§ 2064), ein auf Eingehung der allgemeinen Gütergemeinschaft gerichteter Ehevertrag nicht durch einen gesetzlichen Vertreter geschlossen werden (§ 1437). In allen Fällen dieser Art handelt es sich aber doch nur um Konsequenzen der Geschäftsunfähigkeit, nicht um eine verminderte Rechts­ fähigkeit. 2. Das Prinzip der Rechtsgleichheit aller Menschen wird von dem BGB. nicht nur in Beziehung auf die Rechtsfähigkeit, sondern auch in allen anderen Beziehungen festgehalten. Die ausnahmslose Durchführung dieses Prinzips würde aber zu Ungerechtigkeiten, die formale Gleich­ heit zu materieller Ungleichheit führen. Die Berücksichtigung der natürlichen Verschiedenheit der Menschen ist eine Forderung der Gerechtigkeit. Die Altersunterschiede werden in den Vorschriften über Kinder unter sieben Jahren und Minderjährige, der Unterschied der geistigen Fähigkeit in den Vorschriften über die Geschäftsunfähigkeit der Geisteskranken und die Entmündigung berück­ sichtigt u. dgl. m. Ohne Einfluß sind der Stand und das religiöse Bekenntnis. Das Geschlecht begründet nur insofern eine verschiedene Behandlung, als dies durch die Natur des betreffenden Rechtsverhältnisses, z. B. der Ehe und der elterlichen Gewalt, geboten ist. Zwitter kennt das BGB. nicht, indem es davon ausgeht, daß zwar Mißbildungen vorkommen können, daß aber trotzdem jeder Mensch nur einem Geschlecht angehören kann. Sollte in einem einzelnen Falle nicht festgestellt werden können, welchem Geschlecht eine Person angehört, so würden auf sie die­ jenigen Vorschriften keine Anwendung finden können, welche ein bestimmtes Geschlecht voraus­ setzen. Als Modifikationen des Prinzips der Rechtsgleichheit können nicht betrachtet werden die­ jenigen Vorschriften, welche für die in einem bestimmten Rechtsverhältnisse stehenden Personen besondere, mit diesem Rechtsverhältnis in Verbindung stehende Bestimmungen geben. Dahin gehören die Vorschriften der Gewerbeordnung für gewerbliche Arbeiter, die nach dem EG. Art. 95 zulässigen landesgesetzlichen Bestimmungen für Gesinde usw. Auch die Vorschriften über Militär­ personen und Beamte sind dahin zu rechnen. Eine Ausnahme von dem Prinzipe der Rechts­ gleichheit enthalten dagegen die Vorschriften der Art. 57, 58 des EG. über die Rechtsstellung der Landesherren, der Mitglieder der landesherrlichen Familien und der Häuser, welche vormals reichsständisch gewesen, und des vormaligen Reichsadels. 3. Recht der Persönlichkeit. Individualrechte. Aus der Persönlichkeit werden neben der Rechtsfähigkeit noch die sog. Individualrechte, das Recht auf Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit und Ehre, auch wohl das Recht auf den Namen und das Recht auf die geistigen Erzeugnisse abgeleitet. Über das Recht auf den Namen s. § 12. Das Recht auf die geistigen Erzeugnisse

wird in dem BGB. nicht erwähnt; sein Schutz bleibt den besonderen Reichsgesetzen über das Urheberrecht an Schriftwerken usw. überlassen. Die bestrittene Frage, ob es ein besonderes Recht auf Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Ehre gibt oder ob es sich hierbei nur um rechtlich zu schützende Güter handelt, entscheidet das BGB. nicht ausdrücklich. Der E. I § 704 Abs. 2 bestimmte, daß, wer aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit durch eine widerrechtliche Handlung das Recht eines anderen verletze, zum Schadensersätze verpflichtet sei, und fügte dann hinzu: „Als Verletzung eines Rechtes im Sinne der vorstehenden Vorschrift ist auch die Ver­ letzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit und der Ehre anzusehen." In den M. II 728 wird dieser Zusatz dadurch begründet, daß mit Grund bezweifelt werden könne, ob die in dem Zusatz angeführten Güter subjektive Rechte seien. Im E. II § 746 wurde der Begriff der unerlaubten Handlung dahin bestimmt: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig ein Recht eines anderen widerrechtlich verletzt oder wer gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt, ist dem anderen zum Ersätze des dadurch verursachten Schadens verpflichtet." Der letzte Satz des § 704 des E. I wurde gestrichen. Später erhoben sich gegen diese Streichung Bedenken, die sich auf den nach dem Obigen schon in den Motiven des E. I hervorgehobenen Zweifel gründeten, ob das Leben, der Körper usw. als Rechte betrachtet werden könnten. Das Leben, der Körper und die Gesundheit würden zwar genügend dadurch geschützt werden, daß es sich bei deren Verletzung immer auch um die Verletzung eines den Schutz eines anderen bezweckenden Gesetzes handle; die fahrlässige Verletzung der Freiheit sei aber im Strafgesetzbuche nicht mit Strafe bedroht; es fehle also in dieser Beziehung an einem den Schutz eines anderen bezweckenden Gesetze. Mit Rücksicht auf diese Bedenken wurde die jetzige Fassung des § 823 beschlossen. Das Leben, der Körper, die Gesundheit und Freiheit sind in dem § 823 nicht als Rechte bezeichnet und stehen dadurch im Gegensatze zu den folgenden Worten: „das Eigentum oder ein sonstiges Recht"; die Ehre ist ganz weggelassen. Nach dieser Fassung und

8

I. Abschnitt: Personen.

nach der Entstehungsgeschichte derselben wird man nicht annehmen können, daß das BGB. ein besonderes subjektives Recht auf Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit und Ehre hat anerkennen wollen. Die erstgedachten vier Güter werden nach § 823 Abs. 1 dadurch geschützt, daß jede vorsätzliche oder fahrlässige widerrechtliche Verletzung eines solchen Gutes eine zum Schadensersätze verpflichtende unerlaubte Handlung ist. Die Ehre wird, nach § 823 Abs. 2 insoweit geschützt, als in ihrer Verletzung die Verletzung eines den Schutz eines anderen bezweckenden Gesetzes liegt. Dies ist der Fall, soweit die Verletzung der Ehre gegen die strafrechtlichen Bestimmungen über Beleidigung und Verleumdung verstößt. Eine fahrlässige Verletzung der Ehre verpflichtet dagegen, abgesehen von den besonderen Vorschriften der §§ 824, 825, nicht zum Schadens­ ersätze wegen unerlaubter Handlungen (vgl. Erl. I, II lf/9 zu § 823). Abgesehen hiervon besteht der Unterschied der hier vertretenen Ansicht von derjenigen Auffassung, welche ein besonderes subjektives Recht auf Leben, Körper usw. annimmt, darin, daß nach der letzteren jede Beeinträchtigung eines solchen Rechtes ohne Rücksicht darauf, ob sie aus Vorsatz oder aus Fahrlässigkeit erfolgt ist, einen Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung und unter Um­ ständen auf Verurteilung zur Unterlassung künftiger Störungen begründet, während nach der hier vertretenen Ansicht ein solcher Anspruch nur auf Grund einer entsprechenden Anwendung der für die absoluten Rechte geltenden Grundsätze angenommen werden kann (vgl. hierüber Erl. IV 2 zu § 823). Die ganze Frage ist übrigens sehr bestritten. Beachtenswert ist besonders die Auf­ fassung, welche zwar nicht einzelne Rechte auf Leben, Körper usw., aber ein Recht der Persön­ lichkeit als solcher annimmt und die Beeinträchtigung des Lebens, des Körpers usw. als Be­ einträchtigung dieses Gesamtrechts ansieht. Die Begriffsbestimmung dieses Rechtes wird in verschiedener Art versucht; es wird z. B. als Recht an der eigenen Person oder als Recht auf Wahrung der sozialen Stellung des einzelnen oder in ähnlicher Art bezeichnet (s. Regelsberger I § 50; v. Gierke, Privatrecht I 703; Kohler, Autorrecht 129; ArchZivPrax. 82, 206; Lehrbuch II 1 § 190; Dernburg I § 18; Krückmann § 7 insbesondere unter III; Matthiaß § 16 II B; Hellwig, Anspruch und Klagrecht 38; Kunkel in BayZ. 07, 286ff., 314ff.; vgl. Specker, Die Persönlichkeitsrechle mit besonderer Berücksichtigung des Rechts aus Ehre im schweizerischen Privatrecht 11; Mauczka, Zur Lehre von den Persönlichkeitsrechten, in GrünhutsZ. 39, 1 ff.). Vom rein theoretischen Standpunkte läßt sich manches für diese Ausfassung sagen. Vom Standpunkte des BGB. aus dürste sie sich aber nicht rechtfertigen lassen. (Gegen die Annahme eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch Oertmann Erl. 8 zu § 1; Bier­ mann I § 125 II; Cosack § 36; Enneccerus § 71 I; Windscheid-Kipp § 40; v. Tuhr I 148ff.; Zitelmann, Internationales Privatrecht I 129ff.; Ulf amer, Zur Kritik der Lehre vom Persönlichkeitsrechte 10; RG. 69, 401 ff.) Im BGB. ist nur das Recht auf den Namen als besonderes Persönlichkeitsrecht anerkannt (§ 12). Über die Frage, ob eine analoge Anwendung der über dieses Recht gegebenen Vorschriften auf einzelne andere Fälle zulässig ist s. Erl. 7 zu § 12. Über die Frage, ob dem Verfasser oder Absender eines Briefes, an welchem

ein Urheberrecht nicht besteht, ein Individualrecht zusteht, kraft dessen eine Veröffentlichung des Briefes ohne feine Einwilligung unzulässig ist, s. die Gutachten von Milt eis und Wild­ hagen in den Verhandlungen des 25. deutschen Juristentages 2, 42, 118 sowie die Verhand­ lungen der zweiten Abteilung 3, 141 ff.; vgl. ferner Kohler in JheringsJ. 18, 271; IHering daselbst 23, 314ff.; Kohler im ArchBürgR. 7, 106ff.; derselbe in DIZ. 06, 51 ff.; Giesker, Das Recht des Privaten an der eigenen Geheimsphäre 05; Lindemann ZStW. 27, 65ff.; Kunkel in BayZ. 07, 288f.; Burckas, Eigentumsrecht, Urheberrecht und Persönlichkeitsrecht an Briefen 07; Lippmann, Vom Recht an Briefen, SeuffBl. 12, 299ff., 361 ff. Eine in dem E. des neuen Urheberrechtsgesetzes von 1901 enthaltene Vorschrift, nach welcher die Bestimmungen über den Schutz des Urheberrechts unter gewissen Modifikationen auf das Recht des Verfassers eines Briefes, an dem ein Urheberrecht nicht besteht, Anwendung finden sollten, ist in das Gesetz nicht ausgenommen. Vom Standpunkte des BGB. aus läßt sich ein Recht der fraglichen Art in Ermangelung besonderer Vorschriften schwerlich rechtfertigen (gegen die Annahme eines solchen Rechtes auch Allfeld in DIZ. 08,1301; RG. 69, 401 ff.). Jedoch wird, wenn die Veröffentlichung gegen die guten Sitten verstößt, regelmäßig der § 826 genügenden Schutz gewähren. Über das

Recht des Malers, Veränderungen an einem von ihm gemalten Bilde zu verbieten s. RG. in DIZ. 12, 921; Damme daselbst 10, 1201; Adler, Recht und Wirtschaft 1, 452. 4. Anordnung des Stoffes. Der erste Titel handelt von den Menschen als Personen. Der § 1 bestimmt den Zeitpunkt, mit welchem die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt. Die §§ 2—5 handeln von dem Unterschiede zwischen Volljährigen und Minderjährigen und von der

§ 1. Geburt.

Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der

Volljährigkeitserklärung, der § 6 von der Entmündigung, die §§ 7—11 von dem Wohnsitze, der § 12 von dem Namenrechte, die §§ 18—18 von der Todeserklärung, die §§ 19, 20 von gesetz­ lichen Vermutungen über Leben und Tod. Die §§ 30—33 des E. I, die von der Verwandt­ schaft und Schwägerschaft handeln, sind als §§ 1589, 1590 in den zweiten Abschnitt des vierten Buches versetzt. 8 1(Ea g 3; II g 1 red. g 1; III g 1.

Pa IS ff.; M. I 28 ff.

P. II 1 S. 4; 6, 106 f.

KB. 1936.

Ahlfeldt, Nasciturus; Stammler, Unbestimmtheit des RechtSsubjektes, in der Festschrift für die juristische Fakultät der Universität Gießen 07, 441 ff.; Schwarz im ArchBürgR. 32, 39ff.; 35, 61 ff.; Bagel, Zur rechtlichen Stellung der noch nicht erzeugten Deszendenz, in Gruch. 52, 193ff.

1. Beginn der Rechtsfähigkeit mit der Vollendung der Geburt. In dem Grundsätze, daß der Mensch rechtsfähig ist, liegt schon ausgesprochen, daß die Rechtsfähigkeit erst eintreten kann, wenn ein lebender Mensch vorhanden ist. Der § 1 bestimmt, daß ein lebender Mensch vorhanden ist mit der Vollendung seiner Geburt. Vor diesem Zeitpunkt ist er kein selbständiges Wesen, sondern Teil der Mutter. Wann die Geburt vollendet ist, entscheidet nicht das Gesetz, sondern die medizinische Wissenschaft. Die Trennung der Nabelschnur wird nicht für erforderlich erachtet. Besondere Zeichen des Lebens, z. B. Beschreien der Wände, sind nicht erforderlich. Es genügt, daß feststeht, daß der Mensch nach Vollendung der Geburt gelebt hat. 2. Lebensfähigkeit nicht erforderlich. Jeder lebend geborene Mensch ist rechtsfähig. Die Möglichkeit der Geburt eines monstrum erkennt das BGB. nicht an. Jeder vom Weibe Ge­ borene ist Mensch. Nicht erforderlich ist Lebensfähigkeit. Mag das Leben auch noch so kurze Zeit gedauert haben und mag auch von der medizinischen Wissenschaft festgestellt sein, daß ein längeres Leben unmöglich gewesen sei, so wird hierdurch die Rechtsfähigkeit nicht berührt. Ein rechtsfähiger Mensch ist vorhanden gewesen, und damit sind alle Folgen, welche sich hieran knüpfen, insbesondere auf erbrechtlichem Gebiet, eingetreten (so auch die weitaus herrschende Meinung, dagegen hält Kuhlenbeck Erl. zu § 1 und Von den Pandekten zum BGB. 80 an dem Erfordernis der Lebensfähigkeit fest; Cosack § 24 12 leugnet die Rechtsfähigkeit, wenn die Frucht so unreif ist, daß sie aus diesem Grunde nicht weiter leben kann; ähnlich Zitel­ mann I 43). 3. Fürsorge für die Leibesfrucht. Obwohl die Leibesfrucht noch kein Mensch und deshalb noch nicht rechtsfähig ist, so wird doch für den Schutz derselben, und zwar nicht nur durch das Strafrecht, sondern auch zivilrechtlich gesorgt. Das BGB. erkennt zwar den Grundsatz nasciturus pro jam nato habetur nicht allgemein an, aber in wichtigen Beziehungen wird auf die Mög­ lichkeit, daß ein Mensch geboren werden kann, Rücksicht genommen. So bestimmt z. B. der § 1923 Abs. 2: „Wer zur Zeit des Erbfalls noch nicht lebte, aber bereits erzeugt war, gilt als vor dem Erbfalle geboren." Siehe auch § 331 Abs. 2, § 844 Abs. 2 Satz 2, § 2043 Abs. 1, § 2108. Nach § 1912 kann eine Leibesfrucht einen Pfleger erhalten zur Wahrung ihrer künftigen Rechte. Das Nähere hierüber bei den betreffenden Vorschriften. Um die zugunsten des nasciturus eintretenden Rechtsfolgen zu erklären, braucht man weder eine beschränkte Rechts­ fähigkeit des nasciturus anzunehmen (so Enneccerus § 77 II 3; Hedemann, Werden und Wachsen im bürgerlichen Recht 22), noch eine juristische Person oder ein Zweckvermögen (so Kohler I § 151 I 1; Leonhard § 36 III; Schwarz a. a. O.) noch subjektlose Rechte (so (Sofod § 23 I 2; Matthiaß §18; Hachenburg 332ff.), Stammlers Annahme, daß lediglich eine Ungewißheit des Rechtssubjekts vorliege, kann wegen der Fiktion des § 1923 Abs. 2 zwar die erbrechtlichen Folgen erklären, nicht aber die §§ 331 und 844. Es handelt sich bei den zugunsten des nasciturus eintretenden Rechtsfolgen um Vor­ wirkungen eines Teiltatbestandes, dessen Vervollständigung kraft Gesetzes von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängt, es handelt sich nicht um Rechte, sondern um Anwartschaften. Das Verhältnis ist ähnlich dem durch eine aufschiebende Bedingung begründeten Verhältnis, charakte­ ristisch für die beim nasciturus gegebene Anwartschaft ist aber, daß es das Subjekt ist, welches noch aussteht (v. Tuhr I 191, 380; Oertmann Erl. 5 zu § 1; Staudinger Erl. II 2 zu § 1; Endemann I § 26 Ziff. 4; Semeka im ArchBürgR. 35, 127, 175; vgl. Rehbein 16; K.V. R G R. Erl. 4 zu §1; Eck I37f.; Biermann I § 118 Ziff. 3; Landsberg § 12 Ziff. 3).

10

I. Abschnitt: Personen.

Soweit die Anwartschaft auf eine Forderung begründet ist, kann sie durch Hypothek, Pfand­ recht usw. gesichert werden § 1113 Abs. 2, § 1204 Abs. 2, § 765 Abs. 2. Im übrigen dürfte eine entsprechende Anwendung der bezeichneten Vorschriften nicht zulässig sein (a A. Oertmann Erl. 5 zu § 1; Rehbein I 6; Enneccerus § 77 Ziff. 3, die meinen, daß der nach § 1912 bestellte Pfleger dem nasciturus zugedachte Schenkungen annehmen könne, ferner Hachenburg 333; wie hier Crome § 39 Ziff. la; Leonhard § 29 I; v. Tuhr I 193); für eine Aus­ dehnung besteht kein Bedürfnis, sollen für einen nasciturus Geschäfte abgeschlossen werden und reicht zu dem erstrebten Erfolge der Vertrag zugunsten Dritter nicht aus, so bleibt die Möglich­ keit, daß ein Vertreter ohne Vertretungsmacht kontrahiert, dann fehlen zum Eintritt der gewollten Rechtswirkung noch zwei Voraussetzungen, die Geburt eines rechtsfähigen Menschen und die Genehmigung des abgeschlossenen Vertrages (v. Tuhr I 194; vgl. auch BayObLG. 12, 534ff.; KG. 22 A 30 = RIA. 2, 116). 4. Auch für den Schutz künftiger noch nicht erzeugter Menschen wird unter gewissen Voraussetzungen durch das Gesetz gesorgt. Vorschriften, die solchen Schutz bezwecken, enthalten die §§ 331, 1913, 2101, 2162, 2178. Auch hier handelt es sich um Anwartschaften wie in dem in Erl. 3 besprochenen Falle (a. A. RG. 61, 355, wo eine beschränkte Rechtsfähigkeit, und RG. 65, 277ff., wo eine fingierte Person angenommen ist). Ist ein noch nicht erzeugter Mensch Nacherbe und gehören zum Nachlaß Grundstücke, so ist das Vorhandensein des Nacherben geradeso im Grundbuch einzutragen, wie wenn ein bereits Lebender Nacherbe ist (KG. 28 A 85 — RIA. 4, 228; OLG. 18, 330; 23, 338), ebenso sind die noch nicht erzeugten Nacherben in dem dem Vorerben zu erteilenden Erbschein zu vermerken (OLG. 11, 267). Für die durch § 331 und § 2162 begründeten Anwartschaften können Vormerkungen eingetragen, Hypotheken und andere Sicherheiten bestellt werden, dasselbe gilt im Falle des § 2128 (vgl. KG. 25 A 151, die Möglichkeit der Bestellung einer Hypothek für noch nicht erzeugte Personen leugnet OLG. 16,155). Die aus den Anwartschaften sich ergebenden Befugnisse hat der nach § 1913 bestellte Pfleger wahr­ zunehmen. Darüber hinaus kann er für die noch nicht Erzeugten als Pfleger nicht tätig werden (Oertmann Erl. 5 zu § 1; v. Tuhr 1193f.; Bagel a. a. O.; KG. 20 A 241 — OLG. 2, 35; KG. 29 A 153; OLG. 6, 306; OLG. Rostock im Recht 11 Nr. 1; a. A. RG. 61, 355; 65, 277ff.; KG. in SeuffA. 56, 316 = OLG. 2, 316; vgl. auch OLG. Rostock in MecklZ. 11, 206; OLG. 23, 324). In der Entsch. 65, 277 schreibt das RG., wie erwähnt, den noch nicht Er­ zeugten fingierte Rechtspersönlichkeit zu und führt dann aus, daß diejenigen, welchen diese fingierte Rechtspersönlichkeit zukomme, soweit sich nicht von selbst aus der Eigentümlichkeit ihrer Stellung notwendige Ausnahmen ergeben, im Rechtsverkehre, namentlich im Forderungs­ und Sachenrechte den übrigen Rechtssubjekten gleichgestellt werden müssen, daß sie insbesondere Forderungen und dingliche Rechte wenigstens sicherungshalber erwerben, verlieren, darüber verfügen und als parteifähig darüber Rechtsstreitigkeiten führen können. Die praktische Durch­ führung werde durch Bestellung eines Pflegers nach § 1913 ermöglicht. Diese weitgehende Ansicht dürfte mit dem Zwecke des § 2101 im Widerspruch flehen, sie führt dazu, den Vorerben ganz beiseite zu schieben; wenn noch nicht erzeugte Menschen nach dem BGB. wirtlich als gleichwertige Faktoren am Vermögensverkehr teilnehmen könnten, würde es nicht verständlich sein, weshalb ihre Erbeinsetzung verboten ist (vgl. auch K. v. R G R. Erl. 4 zu § 1). Sollen für noch nicht erzeugte Personen über den Rahmen der angeführten Bestimmungen hinaus Anwartschaften be­ gründet werden, so bleibt wieder die Möglichkeit, daß für sie ein Vertreter ohne Vertretungs­ macht auftritt (s. Erl. 3). 5. Die Rechtsfähigkeit hört auf mit dem Tode. In dem § 3 des E. I war dies aus­ drücklich ausgesprochen; im BGB. ist es als selbstverständlich weggelassen. Der Tote hat weder Rechte noch Pflichten. 6. Beweis des Levens und des Todes. Soweit Rechtsverhältnisse davon abhängen, daß ein Mensch gelebt oder zu einer bestimmten Zeit gelebt habe oder daß und wann er gestorben sei, muß das Eine oder das Andere von demjenigen bewiesen werden, welchem nach allgemeinen Grundsätzen die Beweislast obliegt. Regelmäßig muß also derjenige, welcher sich auf das Leben beruft, das Leben, wer sich auf den Tod beruft, den Tod beweisen. Steht fest, daß ein Recht entstanden ist, das mit dem Tode des Berechtigten erlischt, so hat derjenige, welcher sich auf die Beendigung des Rechtes beruft, den Tod zu beweisen. Nach dem PStG. v. 6. Febr. 75 § 15 beweisen die ordnungsmäßig geführten Standesregister (§§ 12—14) diejenigen Tatsachen, zu deren Beurkundung sie bestimmt und welche in ihnen eingetragen sind; jedoch ist Gegenbeweis zulässig. Durch diese Vorschrist wird der Beweis für die in Deutschland vorgekommenen Ge-

1. Titel: Natürliche Personen.

KK 1—3.

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§ 2. Die Volljährigkeit tritt mit der Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahrs ein. § 3. Ein Minderjähriger, der das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, kann durch Beschluß des Vormundschaftsgerichts für volljährig erklärt werden. Durch die Volljährigkeitserklärung erlangt der Minderjährige die rechtliche Stellung eines Volljährigen. bürten und Todesfälle wesentlich erleichtert. Nach § 22 des gedachten Gesetzes soll bei Zwillings- oder Mehrgeburten die Eintragung für jedes Kind besonders und so genau erfolgen, daß die Zeitfolge der verschiedenen Geburten ersichtlich ist. Hierdurch wird für Zwillings­ und Mehrgeburten, über die das BGB. keine besonderen Vorschriften enthält, der sonst ost sehr schwierige Beweis der Erstgeburt erleichtert. Kann dieser Beweis nicht geführt werden, so wird dadurch der Beweis eines Rechtes, das von der Erstgeburt abhängt, unmöglich. Handelt es sich um letztwillige Zuwendungen, so dürfte § 2073 anwendbar sein. Handelt es sich um Rechts­ verhältnisse, auf welche nach dem EG. die Landesgesetze Anwendung finden, so sind diese auch sür die Frage maßgebend, welche Folgen eintreten, wenn der Beweis der Erstgeburt nicht geführt werden kann, insbesondere ob in solchem Falle etwa das Los entscheidet. Die in dem § 4 des E. I für den Anfall einer Erbschaft aufgestellte, sich an das 'gemeine Recht anschließende Vermutung, nach welcher, je nachdem das siebzigste Lebensjahr vollendet oder noch nicht vollendet, Tod oder Leben anzunehmen ist, wurde gestrichen, weil sie mit den in der zweiten Lesung beschlossenen Vorschriften über die Wirkung der Todeserklärung und der in dem § 19 aufgestellten, auf andere Tatsachen abstellenden Lebensvermutung nicht mehr vereinbar war, übrigens auch abgesehen davon für bedenklich gehalten wurde (P. II 1 S. 23 s.; vgl. § 20).

8 2. E. I 8 25; II 8 11 rev. 8 2 ; III 8 2. P. I 45; M. I 52 f. P. II 1 S. 45 ff. 1. Altersstufen. Nach dem BGB. sind zwei Altersstufen sür die Geschäftsfähigkeit von Bedeutung, die Vollendung deS siebenten und die Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahrs. Kinder unter sieben Jahren sind nach § 104 geschäftsunfähig, Minderjährige, d. h. solche Per­ sonen, welche das einundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nach Maßgabe der §§ 106 ff. in der Geschäftsfähigkeit beschränkt. Für Personen unter sieben Jahren hat das BGB., abweichend von dem E. I, welcher sie als Personen im Kindesalter bezeichnete, keinen technischen Ausdruck, deshalb ist die Erwähnung dieser Altersstufe im § 2 unterblieben. Volljährigkeit und Minderjährigkeit find dagegen technische Ausdrücke. Der Minderjährige steht unter elterlicher Gewalt (§ 1626) bzw. unter Vormundschaft (§ 1773). Die Ehemündigkeil der Männer beginnt erst mit der Volljährigkeit (§ 1303). Für die Mitglieder der im EG. Art. 57 bezeichneten Familien bestimmt sich der Zeitpunkt der Volljährigkeit nach der Hausverfassung oder den Landes­ gesetzen. Über den Eintritt der Volljährigkeit bei den Mitgliedern der in EG. Art. 58 bezeich­

neten Familien s. Erl. 2 a zu Art. 58. Das BGB. kennt noch verschiedene andere rechtlich be­ deutungsvolle Altersstufen, so z. B. das sechzehnte Lebensjahr für die Ehemündigkeit der Frauen (§ 1303) und die Fähigkeit, ein Testament zu errichten (§ 2229), das achtzehnte Lebensjahr für die Zulässigkeit der Volljährigkeitserklärung (§ 3), das fünfzigste Lebensjahr für die Fähigkeit, an Kindes Statt anzunehmen (§ 1744). Die Verantwortlichkeit für unerlaubte Handlungen ist bis zum vollendeten siebenten Lebensjahre ohne weiteres ausgeschlossen, vom vollendeten siebenten bis zum vollendeten achtzehnten Lebensjahre dann, wenn der Täter bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat (§ 828). 2. Beginn der Volljährigkeit. Über die Berechnung des einundzwanzigsten Lebensjahrs

entscheiden die §§ 187, 188. Nach Abs. 2 Satz 2 des § 187 wird der Tag der Geburt mit­ gerechnet, also ist das einundzwanzigste Lebensjahr mit dem Ablaufe des letzten Tages dieses Jahres vollendet. Mit Anbruch des Geburtstags ist daher die Volljährigkeit eingetreten.

8 3. E. I 88 26, 27 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1; II 88 12, 13 Abs. 1 Satz 1 rev. 8 3; III 8 3. P. I 45ff.; M. I 53 ff. P. II 1 S. 49 ff.; 6 S. 382.

1. Wirkungen der Volljährigkeitserklärung. Durch die Möglichkeit der Volljährigkeits­ erklärung wird den Bedenken Rechnung getragen, die mit der immer mehr oder weniger will-

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I. Abschnitt: Personen.

kürlichen Vorschrift eines bestimmten Alters als Voraussetzung der vollen Geschäftsfähigkeit ver­ bunden sind. Ist die erforderliche geistige Reife schon vor der Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahrs vorhanden und ist nach den Umständen die Erlangung der vollen Geschäftsfähigkeit für den Minderjährigen wünschenswert, so kann dies durch die Volljährigkeitserklärung erreicht werden. Sie hat die Wirkung, datz der für volljährig Erklärte in jeder Beziehung gesetzlich als volljährig gilt. Wo das BGB. von Volljährigen spricht, begreift es darunter auch die für voll­ jährig Erklärten, wo es von Minderjährigen spricht, begreift es darunter die für volljährig Erklärten nicht mit. Die durch § 3 bewirkte Gleichstellung der für volljährig Erklärten mit den durch Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres volljährig Gewordenen ist an und für sich auf das Privatrecht und das Zivilprozeßrecht (§ 52 ZPO.) beschränkt. Ob die Volljährigkeits­ erklärung auch für das öffentliche Recht wirksam ist, ist nach diesem zu entscheiden (K. v. R G R. Erl. 4 zu § 3; Staudinger, Erl. 4 zu 8 3). Wenn in Rechtsgeschäften auf Volljährigkeit oder Minderjährigkeit abgestellt wird, so ist es eine Frage der Auslegung, ob auch der für volljährig Erklärte im Sinne dieses Rechtsgeschäfts als volljährig anzusehen ist. Eine gesetzliche Regel läßt sich darüber nicht geben. In einzelnen Fällen stellt das BGB. übrigens nicht auf die Volljährig­ keit, sondern auf die Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahrs ab (§ 1305). In solchen Fällen ersetzt die Volljährigkeitserklärung die Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahrs uicht.

2. a) b) c)

Erfordernisse der Volljährigkeitserklärung sind:

die Vollendung des achtzehnten Lebensjahrs (§ 3), die Einwilligung des Minderjährigen (§ 4), falls der Minderjährige unter elterlicher Gewalt steht, die Einwilligung des Gewalt­ habers nach näherer Vorschrift des § 4. Sind diese Voraussetzungen nicht vorhanden, so kann die Volljährigkeitserklärung nicht erfolgen. Die von Hölder Erl. 1 zu § 3 und Oertmann Erl. *2 zu § 3 vertretene Ansicht, daß die Volljährigkeitserklärung auch schon vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahrs in der Art erfolgen könne, daß sie erst mit der Vollendung des achtzehnten Lebensjahrs wirksam werde, dürfte sich nicht rechtfertigen lassen. Nur derjenige, welcher das achtzehnte Lebensjahr bereits vollendet hat, kann nach § 3 für volljährig erklärt werden. Eine im voraus für den Fall, daß die Vollendung des achtzehnten Lebensjahrs eintrete, erfolgende Volljährigkeitserklärung kennt das BGB. nicht (so auch K. v. R G R. Erl. 2 zu § 3; Staudinger Erl. 1 zu § 3). Ein praktisches Bedürfnis für die Zulässigkeit einer solchen Volljährigkeitserklärung läßt sich auch daraus nicht ableiten, daß die Ehemündigkeit für Männer nach § 1303 mit der Volljährigkeit eintritt. Das Vormundschaftsgericht kann mit Sicherheit niemals voraussehen, ob zur Zeit der demnächstigen Vollendung des achtzehnten Lebensjahrs die Volljährigkeitserklärung noch dem Interesse des Minderjährigen entspricht (§ 5). Über die Frage, welche Folgen eintreten, wenn die Volljährig­ keitserklärung erfolgt, obwohl eines der oben bezeichneten Erfordernisse fehlt, s. Erl. 5.

3. Zuständige Behörde. Zuständig für die Volljährigkeitserklärung ist das Vormundschafts­ gericht. Nach FGG. § 35 sind für die Verrichtungen des Vormundschaftsgerichts die Amts­ gerichte zuständig. Nach EG. Art. 147 können die Verrichtungen des Vormundschaftsgerichts durch Landesgesetz anderen Behörden übertragen werden. Dies ist in verschiedenen Bundesstaaten geschehen. Zu der Volljährigkeitserklärung ist z. B. in Bayern und Sachsen das Justizministerium sür zuständig erklärt.

4. Antragsberechtigung.

Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Volljährigkeitserklärung.

Nach FGG. § 56 soll die Volljährigkeitserklärung nur auf Antrag des Minderjährigen oder desjenigen gesetzlichen Vertreters des Minderjährigen erfolgen, welchem die Sorge für die Person zusteht. Sie tritt erst mit der Rechtskraft in Wirksamkeit. Über die Beschwerde gegen die Ent­

scheidung des Vormundschaftsgerichts s. die §§ 20, 22, 60 Nr. 6 des FGG. Besondere Vor­ schriften für den Fall, daß für die Volljährigkeitserklärung nach Landesgesetz (f. EG. Art. 147) die Zentralstelle des Bundesstaats zuständig ist, enthält § 196 des FGG. Die Wirksamkeit der Volljährigkeitserklärung tritt in solchem Falle mit der Bekanntmachung an den Minder­ jährigen ein.

5. Zweifelhaft ist, welche Folgen eintreten, wenn die Volljährigkeitserklärung erfolgt, obwohl eines der in der Erl. 2 erwähnten Erfordernisse nicht vorliegt. Nach der Fassung der §§ 3, 4 scheint in solchem Falle Unwirksamkeit der Volljährigkeitserklärung angenommen werden zu müssen. So K. v. RGR. Erl. 2 zu § 3; Opet, Verwandtschaftsrecht 290; wie es scheint auch Endemann I § 30 Ziff. 2 und Kohler I § 124 II. Auch Hölder (Erl. 1 zu Z 4)

§ 4. Die Volljährigkeitserklärung ist nur zulässig, wenn der Minderjährige seine Einwilligung erteilt. Steht der Minderjährige unter elterlicher Gewalt, so ist auch die Einwilligung des Gewalthabers erforderlich, es sei denn, daß diesem weder die Sorge für die Person noch die Sorge für das Vermögen des Kindes zusteht. Für eine minder­ jährige Witwe ist die Einwilligung des Gewalthabers nicht erforderlich. nimmt bei dem Mangel der im § 4 bestimmten Erfordernisse Unwirksamkeit der Völljährigkeitserklärung an, während er für den Fall, daß der für volljährig Erklärte das achtzehnte Lebens­ jahr noch nicht vollendet hatte, die Wirksamkeit der Volljährigkeitserklärung nur bis zu der Vollendung des achtzehnten Lebensjahrs hinausschieben will (Erl. 1 zu § 3). Richtiger dürfte indessen sein, davon auszugehen, datz, wenn das Gesetz eine Verfügung der hier ftaglichen Art einer Behörde überläßt, dieser zugleich die Entscheidung darüber überlassen ist, ob die Voraus­ setzungen, unter welchen das Gesetz die Verfügung zuläßt, vorliegen. Hat die Behörde die Ver­ fügung getroffen, obwohl ein gesetzliches Erfordernis nicht vorliegt, also im vorliegenden Falle z. B., weil die Behörde irrtümlich angenommen hat, daß die betreffende Person das achtzehnte Lebens­ jahr bereits vollendet habe, oder daß die Einwilligung der im § 4 bezeichneten Personen erfolgt sei, so steht den Beteiligten das Recht zu, die Aufhebung der Verfügung auf dem gesetzlich vor­ geschriebenen Wege zu beantragen. Dieser Weg ist in dem hier fraglichen Falle, sofern das Amts­ gericht oder eine andere Behörde als die Zentralstelle des betreffenden Bundesstaats zuständig ist, die sofortige Beschwerde. Ist die Verfügung aber rechtskräftig geworden, so tritt sie hiermit in Wirk­ samkeit, auch wenn die gesetzlichen Erfordernisse in Wirklichkeit nicht vorlagen. DaS Verhältnis liegt hier prinzipiell nicht anders wie bei der Entmündigung. Auch diese ist nur unter bestimmten gesetz­ lichen Voraussetzungen zulässig. Hat das Gericht aber die Entmündigung ausgesprochen, so kann der Mangel der Voraussetzungen nur im Wege der Anfechtungsklage geltend gemacht werden (ZPO. 88 664ff.). Wird diese zurückgewiesen oder ist sie wegen Ablaufs der Frist ausgeschlossen, so ist die Entmündigung ohne Rücksicht darauf wirksam, ob die gesetzlichen Erfordernisse in Wirklichkeit vorliegen oder nicht. Eine ähnliche Frage liegt auch dann vor. wenn das Vormundschaftsgericht eine Vormundschaft anordnet und es sich darum handelt, ob die gesetzlichen Voraussetzungen einer solchen Anordnung vorliegen (s. Erl. 5 zu § 1773; vgl. auch Erl. 5 zu 8 21). In allen Fällen dieser Art erfordert die Rechtssicherheit, daß die rechtskräftige Entscheidung der zuständigen Be­ hörde als bindend und wirksam für alle angesehen wird und die gesetzlichen Vorschriften, welche den Weg bezeichnen, auf dem eine Änderung der ungerechtfertigten Verfügung erwirkt werden kann, lassen erkennen, daß nur auf diesem Wege der Mangel der gesetzlichen Erfordernisse geltend gemacht werden kann. (Wie hier Oertmann Erl. 2a zu § 3; Staudinger Erl. 1 jii § 3; Biermann I § 120 Ziff. 4; Enneccerus § 84 II 2; v. Tuhr I 401). 8 62 FGG. kommt nach der hier vertretenen Auffassung nur in dem Ausnahmefalle des 8 22 Abs. 2 FGG. in Betracht.

6. Auf einem anderen Wege als durch Volljährigkeitserklärung kann ein Minderjähriger die rechtliche Stellung eines Volljährigen nicht erlangen. Insbesondere gilt der Satz „Heirat macht mündig" nach dem BGB. nicht.

8 4. E. I 8 27; II 8 13 Abs. 1 rev. 8 4; III 8 4.

P. I 46ff.,-49ff., 8855ff.; M. I 55ff.

P. II 1 S. 49ff.

1. Einwilligung des Minderjährigen. Die Einwilligung zu der Volljährigkeitserklärung muß von dem Minderjährigen selbst erteilt werden; dieser ist insoweit unbeschränkt geschäfts­ fähig; der gesetzliche Vertreter des Minderjährigen ist nicht berechtigt, in dessen Namen die Ein­ willigung zu erteilen. Die Einwilligung des Minderjährigen fällt nicht unter die Vorschriften der 88 182, 183 (so auch Oertmann Erl. 1 zu 8 4; Staudinger Erl. 2 zu 8 4; a. A. Hölder Erl. lb zu 8 4; Windscheid-Kipp Zusatz zu 8 54). Eine Vorschrift darüber, in welcher Art und gegenüber wem die Einwilligung zu erklären ist, besteht nicht; es genügt also, daß sich das Vormundschaftsgericht von ihrem Vorhandensein überzeugt. A. A. Dernburg I 8 61 II 1, der die Erklärung der Einwilligung gegenüber dem Bormundschaftsgericht, Hölder (Erl. 1 zu 8 4), der die Erklärung gegenüber dem Vormundschastsgericht oder gegenüber dem Antragsteller für erforderlich hält, K. v. R G R. Erl. 1 zu 8 4, der die Erteilung der Einwilligung in solcher Weise verlangt, daß hieraus die Absicht erhellt, sie zur Kenntnis des Bormundschafts-

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I. Abschnitt: Personen.

gerichts gelangen zu lassen; wie hier Oertmann Erl. 1 zu § 4; Staudinger Erl. 1 zu v. Tuhr I 402. 2. Einwilligung des Gewalthabers. Steht der Minderjährige unter Vormundschaft, die Einwilligung des Vormundes nicht erforderlich. Dasselbe gilt, wenn der Mutter, falls die elterliche Gewalt hat, ein Beistands beigeordnet ist, von dessen Einwilligung; der § findet keine Anwendung. Über Anhörung des Vormundes s. Erl. zu § 5. Steht das

8 4;

so ist diese 1690 Kind

unter elterlicher Gewalt, so ist regelmäßig die Einwilligung des Gewalthabers erforderlich. Die ellerli.che Gewalt ist zwar nach dem BGB. im wesentlichen eine den Eltern im Interesse des Kindes eingeräumte Schutzgewalt, aber sie steht ihnen doch kraft eigenen Rechtes zu. Die Eltern haben als Inhaber der elterlichen Gewalt sowohl dem Kinde wie dem Vormundschaftsgerichte gegenüber eine weit selbständigere Stellung als der Vormund. Diese Stellung rechtfertigt sich durch das natürliche Verhältnis zwischen Eltern und Kind, auf welchem die elterliche Gewalt beruht, und durch die Rücksicht auf die im Interesse der Familie wie im öffentlichen Interesse dringend wünschenswerte Erhaltung der elterlichen Autorität. Auf denselben Gründen beruht die Vorschrift, daß zu der Volljährigkeitserklärung, durch welche die elterliche Gewalt aufhört, die Einwilligung des Gewalthabers erforderlich ist. Zur Einwilligung kann er nicht gezwungen werden. Dabei wird darauf vertraut, daß der Gewalthaber, welchem das Gesetz die Entscheidung in allen die Person und das Vermögen des Kindes betreffenden Angelegenheiten in der Er­ wartung einräumt, daß er das Interesse des Kindes am besten erkennen und wahrnehmen werde, sich auch bei der Entscheidung über die Einwilligung zu der Volljährigkeitserklärung durch die Rücksicht auf das Interesse des Kindes leiten lasse. Die Voraussetzung dieses Vertrauens fällt aber weg, wenn die elterliche Gewalt auf Grund der für sie maßgebenden Vorschriften in solcher Weise beschränkt ist, daß dem Gewalthaber weder die Sorge für die Person noch für das Ver­ mögen des Kindes zusteht. Hat er in diesen Angelegenheiten nicht mehr die entsckeidende Stimme, beschränkt sich sein Recht vielmehr im wesentlichen auf die elterliche Nutznießung, so kann ihm die für das Wohl und Wehe des Kindes so wichtige Entscheidung über die Volljährigkeitserklärung nicht mehr anvertraut werden. Auf diesem Gesichtspunkte beruht die der Regel des Abs. 2 hinzu­ gefügte Ausnahme. Auch wenn die Einwilligung des Gewalthabers nicht erforderlich ist, steht ihm doch gegen die Volljährigkeitserklärung nach § 20 FGG. die Beschwerde zu (RIA. 11, 3). 3. Die elterliche Gewalt steht zu dem Vater, wenn dieser aber gestorben oder für tot erklärt ist oder die elterliche Gewalt verwirkt hat und die Ehe aufgelöst ist, der Mutter (§§ 1627,1684). Ist die Volljährigkeitserklärung mit Einwilligung des dazu berechtigten Vaters erfolgt, so steht der Mutier, abgesehen von dem Falle des § 1635, kein Beschwerderecht zu (KG. 25 A 3 = RIA. 3,111). Gewalthaber im Sinne des § 4 sind der Vater bzw. die Mutter auch dann noch, wenn ihre elterliche Gewalt ruht (§§ 1676, 1677,1686, 1696). Es ergibt sich dies daraus, daß das Ruhen der elterlichen Gewalt nicht eine Aufhebung derselben, sondern nur eine Behinderung der Ausübung zur Folge hat und daß die elterliche Nutznießung, welche ein Ausfluß der elterlichen Gewalt ist (§ 1649), durch das Ruhen der letzteren nicht berührt wird (§ 1678). Gewalthaber im Sinne des § 4 ist aber, wenn die elterliche Gewalt des Vaters ruht, auch die Mutter, wenn ihr aus Grund des § 1685 die Ausübung der elterlichen Gewalt zusteht (a. A. Hölder Erl. 2a zu § 4; Goldmann-Lilienthal I 38 Anm. 4; wie hier Oertmann, Erl. 2a 8 zu tz 4; Rehbein I 15; K.v.RGR. Erl. 2 zu § 4; Staudinger Erl 6b zu § 4; Enneccerus § 84 II le; v. Tuhr I 402). In diesem Fälle sind also zwei Gewalthaber vorhanden, der Vater, welchem die elterliche Gewalt zusteht, der aber an der Ausübung, mit Ausnahme der elterlichen Nutznießung, behindert ist, und die Mutter,. welche die elterliche Gewalt, mit Ausnahme der elterlichen Nutznießung, auszuüben hat. Im Falle des § 1685 Abs. 2 steht auch die elter­ liche Nutznießung der Mutter zu. Nur die Einwilligung der Mutter, nicht die des Vaters, ist in diesen Fällen zu der Volljährigkeitserklärung erforderlich; denn für den Vater greift hier die Ausnahmevorschrift Platz, daß die Genehmigung des Gewalthabers nicht erforderlich ist, wenn ihm weder die Sorge für die Person noch für das Vermögen des Kindes zusteht. Diese Sorge steht dem Vater, dessen elterliche Gewalt ruht, nicht zu (§ 1678). Zweifelhaft kann sein, wie das Verhältnis im Falle des § 1676 Abs. 2 zu beurteilen ist. Nach dieser Vorschrift steht dem Vater, wenn seine Gewalt ruht, weil er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist oder weil er nach § 1910 Abs. 1 einen Pfleger für seine Person und sein Vermögen erhalten hat, die Sorge für die Person des Kindes neben dem gesetzlichen Vertreter zu; zur Ver­ tretung des Kindes ist er indessen nicht berechtigt, und bei einer Meinungsverschiedenheit zwischen dem Vater und dem gesetzlichen Vertreter geht die Meinung des gesetzlichen Vertreters vor. Da

dem Vater hiernach die Sorge für die Person des Kindes noch in einem gewissen Umfange zu­ steht, so scheint nach dem Wortlaute des § 4 der dort bestimmte Ausnahmefall nicht vorzuliegen. Die Vorschrift des § 4, daß dem Gewalthaber „weder die Sorge für die Person noch die Sorge für das Vermögen des Kindes zusteht", wird indessen dahin zu verstehen sein, daß dem Gewalt­ haber die ihm als solchem zustehende Sorge, kraft deren er in den betreffenden Angelegenheiten zur Entscheidung berechtigt ist, nicht zusteht. Diese Sorge steht dem Vater nach § 1676 Abs. 2 nicht zu, weil bei Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und dem gesetzlichen Vertreter die Meinung des letzteren entscheidet. Er hat nur dasselbe Recht, das auch der Mutter, welcher die elterliche Gewalt nicht zusteht, nach § 1634 neben dem Vater und nach § 1698 neben dem Vormund oder Pfleger zusteht. Dazu kommt, daß die Gründe, welche dazu geführt haben, die Zustimmung des Gewalthabers zu der Volljährigkeitserklärung zu erfordern, in den Fällen des § 1676 Abs. 2 nicht zutreffen. Die Beschränkung der Geschäftsfähigkeit des Vaters kann, da minderjährige Männer nicht ehemündig sind, nur darauf beruhen, daß er wegen Geistesschwäche oder wegen Verschwendung oder wegen Trunksucht entmündigt ist. Einem aus diesen Gründen entmündigten Vater das Recht einzuräumen, die im Interesse des Kindes liegende Volljährigkeits­ erklärung zu verhindern, ihm dieses Recht selbst dann zu geben, wenn die zur Ausübung der elterlichen Gewalt befugte Mutter, welcher nicht nur die Vertretung des Kindes, sondern auch in allen die tatsächliche Sorge für die die Person des Kindes betreffenden Angelegenheiten die entscheidende Stimme zusteht, mit der Volljährigkeitserklärung einverstanden ist, würde dem Grunde und Zwecke des fraglichen Rechtes nicht entsprechen. Dasselbe gilt, wenn der Vater nach § 1910 Abs. 1 einen Pfleger für seine Person und sein Vermögen deshalb erhalten hat, weil er wegen körperlicher Gebrechen seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag. Kann er seine eigenen Angelegen­ heiten nicht besorgen, so kann ihm auch die Entscheidung über die Angelegenheiten des Kindes nicht anvertraut werden (ebenso Oertmann Erl. 2a« zu § 4, Rehbein I Id; K. v. RGR. Erl. 2 zu § 4; Staudinger Erl. 6b zu § 4; Enneccerus § 84 II 1 c; v. Tuhr I 402; a. A. Opel, Verwandtschaftsrecht 291 Anm. 8). Ruht die elterliche Gewalt der Mutter wegen Minderjährigkeit derselben, so liegt die Sache insofern etwas anders, als in solchem Falle nach § 1696 der Mutter in betreff der tatsächlichen Sorge für die Person des Kindes die entscheidende Stimme zusteht und der Vor­ mund nur die Stellung eines Beistandes hat. Auf die Frage, ob auch hier der Ausnahmefall des § 4 Abs. 2 anzunehmen ist, braucht nicht weiter eingegangen zu werden, weil eine minder­ jährige Mutter nicht in die Lage kommen kann, die Einwilligung zu der Volljährigkeitserklärung eines Kindes zu erteilen, indem diese erst nach vollendetem achtzehnten Lebensjahre des Kindes zulässig ist. Zweifelhaft ist, ob auch dann nur die Einwilligung der Mutter zu der Volljährigkeits­ erklärung erforderlich ist, wenn diese die elterliche Gewalt nicht deshalb, weil die elterliche Gewalt des Vaters ruht, sondern nur deshalb auszuüben hat, weil der Vater tatsächlich an der Aus­ übung verhindert ist. Die Vorschrift, daß die Mutter auch in diesem Falle die elterliche Gewalt auszuüben hat (§ 1685), beruht auf einem von dem Reichstag angenommenen Anträge der Reichstagskommission (KB 20?4, W3). Bei der Beratung ist nicht daran gedacht worden, ob und welchen Einfluß diese Änderung auf den § 4 habe. Nach dessen Wortlaut ist in dem ge­

dachten Falle die Einwilligung des Vaters zu der Volljährigkeitserklärung erforderlich, denn er ist ja nur tatsächlich an der Ausübung der elterlichen Gewalt verhindert, rechtlich aber noch Gewalthaber, und ihm steht rechtlich die Sorge für die Person wie für das Vermögen des Kindes zu. Für eine dem Wortlaut entsprechende Auslegung läßt sich noch folgendes anführen: Nach dem E. III § 1641 sollte das Vormundschaftsgericht bei vorübergehender tatsächlicher Be­ hinderung des Vaters, sofern das Bedürfnis es erfordert, einen Pfleger für das Kind bestellen. Durch eine solche Bestellung wurde das Recht des Vaters in betreff der Volljährigkeitserklärung des Kindes nicht berührt. Die Annahme liegt nahe, daß hieran dadurch nichts hat geändert werden sollen, daß an die Stelle des Pflegers kraft des Gesetzes die Mutter tritt. Dafür spricht auch, daß es sich bei der Einwilligung zu der Volljährigkeitserklärung nicht um eine Vertretung des Kindes, sondern um die Aufhebung der elterlichen Gewalt handelt und daß es auffallend erscheint, wenn das dem Vater eingeräumte Recht der Einwilligung dadurch wegfällt, daß er vorübergehend tatsächlich an der Ausübung verhindert ist. Andererseits ist indessen zu erwägen, daß bei dauernder Verhinderung des Vaters, wenn diese Verhinderung durch das Vormund­ schaftsgericht festgestellt wird, die elterliche Gemalt des Vaters ruht (§ 1677), daß in diesem Falle die Mutter die elterliche Gewalt auszuüben hat und nur ihre Einwilligung zu der Volljährig­ keitserklärung erforderlich ist. Die Absicht der fraglichen Änderung ging dahin, der Mutter bei

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I. Abschnitt: Personen.

vorübergehender tatsächlicher Verhinderung des Vaters dieselbe rechtliche Stellung einzuräumen wie im Falle des Ruhens der elterlichen Gewalt des Vaters. Die Mutter ist in diesem Falle Gewalthaber, und es steht ihr die Sorge für die Person und das Vermögen de5 Kindes zu. Ihre Einwilligung ist daher nach 8 4 zu der Volljährigkeitserklärung jedenfalls erforderlich. Man wird sie aber auch für genügend erachten müssen, weil es sich dabei um die Einwilligung zu einer das Interesse des Kindes betreffenden Maßregel handelt, die deshalb in die Hand des Gewalt­ habers gelegt ist, weil ihm die Sorge für die Person und das Vermögen des Kindes zusteht. Wollte man in dem fraglichen Falle die Einwilligung des Vaters fordern, so würde die Einwilligung der Mutter jede Bedeutung verlieren und die Volljährigkeitserklärung überhaupt nicht erfolgen können, weil ja vorausgesetzt wird, daß der Vater an der Ausübung der elterlichen Gewalt, also auch an der Erteilung der Einwilligung tatsächlich verhindert ist. Diese Gründe dürften es recht­ fertigen, den Wortlaut des § 4 als ungenau zu behandeln und ihn in demjenigen Sinne aus­ zulegen, welcher sich aus der Berücksichtigung des § 1685 ergibt. A. A. Holder Erl. 2a zu § 4; Goldmann-Lilienthal I 38 Anm. 4; v. Tuhr I 402 Anm. 23; wie hier Oertmann Erl. 2a/S zu § 4; Rehbein 115; K.v.RGR. Erl. 2 zu 8 4; Enneccerus 8 84 Anm. 1; int Er­ gebnis auch Staudinger 8 4 Erl. 6c, der in der Begründung aber insofern abweicht, als er die Entscheidung darauf stützt, daß in der Einwilligung eine Verfügung über das Recht der elterlichen Gewalt liege; indes würde die Befugnis zur Ausübung der elterlichen Gewalt während der tat­ sächlichen Verhinderung des Vaters für sich allein nicht die Befugnis zu ihrer Aufhebung geben, nur die Rücksicht auf das Interesse des Kindes kann den Eingriff in das Recht des Vaters rechtfertigen. Eine weitere zweifelhafte Frage ist die, ob die Einwilligung des Vaters zu der Voll­ jährigkeitserklärung auch dann erforderlich ist, wenn seine Gewalt lediglich auf die Vertretung des Kindes in den die Person betreffenden Angelegenheiten und auf die elterliche Nutznießung beschränkt ist, während ihm im übrigen weder die Sorge für die Person noch für das Ver­ mögen des Kindes zusteht. Ein solches Verhältnis kann eintreten, wenn das Recht der Sorge für die Person des Kindes nach den 88 1633, 1635 auf die Vertretung beschränkt ist und der Gewalthaber auf Grund des 8 1647 oder des 8 1670 die Vermögensverwaltung verloren hat. In Fällen dieser Art dürfte indessen eine von dem Wortlaute des 8 4 abweichende Auslegung nicht gerechtfertigt sein, weil das dem Vater verbliebene Recht der Vertretung des Kindes in den die Person betreffenden Angelegenheiten nicht nur formell, sondern auch materiell ein wesentlicher Teil des Rechtes der Sorge für die Person des Kindes ist. Außer in den bisher erörterten Fällen findet die Vorschrift, daß die Einwilligung des Gewalthabers zu der Volljährigkeitserklärung nicht erforderlich ist, wenn ihm weder die Sorge für die Person noch die Sorge für das Vermögen des Kindes zusteht, auch dann Anwendung, wenn dem Gewalthaber auf Grund des 8 1666 das Recht der Sorge für die Person des Kindes von dem Vormundschaftsgericht entzogen ist und er zugleich die Vermögensverwaltung auf Grund des 8 1647 oder des 8 1670 verloren hat. 4. Besondere Vorschrift für eine minderjährige Witwe. Bei der Vorschrift des 8 4 Abs. 2 ist der Gesichtspunkt maßgebend gewesen, daß durch die Heirat der Tochter das Band zwischen ihr und dem Gewalthaber gelockert wird und die Gefahr nahe liegt, daß der Gewalthaber, wenn die minder­ jährige Tochter Witwe geworden ist, die Einwilligung zu der im Interesse der Tochter dringend wünschenswerten Volljährigkeitserklärung aus egoistischen Gründen verweigern könnte. Der minderjährigen Witwe die minderjährige geschiedene Ehefrau gleichzustellen, dürfte bei dem singulären Charakter der Vorschrift bedenklich sein (a. A. H öl der Erl. 2d« zu 8 4; K. v. RG R. Erl. 3 zu 8 4; Biermann I 8 120 Anm. 16; Dernburg I 8 61 II 3; Enneccerus I 8 84 Anm. 2; Windscheid-Kipp Zusatz zu 8 54; wie hier Oertmann Erl. 2b zu 8 4). 5. In betreff der Art, in welcher die Einwilligung des Gewalthabers zu erteilen ist, gilt das in der Erl. 1 Gesagte. Die Folgen eines Mangels der erforderlichen Einwilligung bestimmen sich nach dem in der Erl 5 zu 8 3 Gesagten. 6. Ein Widerruf der Einwilligung ist so lange zulässig, als die Volljährigkeitserklärung nicht in Wirksamkeit getreten ist (s. Erl. 4 zu 8 3).

§5. E. I 8 27; N 8 12 Abs. 2 rev. 8 5; III 8 5. P. I 46ff., 8855ff.; M. I 55ff. P. II 1 S. 51 f.

1. Bei der dem Ermessen des Bormundschaftsgerichts überlassenen Entscheidung der Frage, ob durch die Volljährigkeitserklärung das Beste des Minderjährigen befördert wird, sind nicht

K 5. Die Volljährigkeitserklärung soll nur erfolgen, wenn sie das Beste des Minderjährigen befördert.

§ 6.

Entmündigt kann werden:

infolge von Geisteskrankheit oder von Geistesschwäche seine An­ gelegenheiten nicht zu besorgen vermag; 2. wer durch Verschwendung sich oder seine Familie der Gefahr des Not­ 1. wer

standes aussetzt; 3. wer infolge von Trunksucht seine Angelegenheiten nicht zu besorgen ver­ mag oder sich oder seine Familie der Gefahr des Notstandes aussetzt oder die Sicherheit anderer gefährdet.

Die Entmündigung ist wiederaufzuheben, wenn der Grund der Entmündigung wegfällt. nur die wirtschaftlichen, sondern die gesamten persönlichen Interessen des Minderjährigen in Betracht zu ziehen; insbesondere kann auch von Bedeutung sein, daß der Minderjährige durch die Volljährigkeitserklärung nach § 1303 ehemündig wird. Durch die Volljährigkeitserklärung wird also z. B. dem Minderjährigen die Möglichkeit verschafft, eine von ihm geschwängerte Frau zu heiraten, um dadurch eine sittliche Pflicht zu erfüllen. Das Vormundschaftsgericht hat daher bei der Prüfung der Frage, ob das Beste des Minderjährigen durch die Volljährigkeitserklärung gefördert wird, auch ein solches sittliches Interesse des Minderjährigen mit in Betracht zu ziehen (OLG. 8, 163; 9, 441 f.). Nur das Interesse des Minderjährigen selbst, nicht das Interesse dritter Personen kommt aber in Betracht. In dem hervorgehobenen Beispielsfalle darf die Bolljährigkeitserktärung nicht allein deshalb erfolgen, weil sie für die Geschwängerte vorteilhaft ist; fle ist vielmehr zu versagen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere auch der wirtschaftlichen Verhältnisse, das Beste des Minderjährigen durch die Heirat nicht befördert wird. 2. Anhörung dritter Personen vor der Bolljährigkettserklärung. Die Vorschrift des E. I, nach welcher Verwandte und Verschwägerte des Minderjährigen vor der Volljährigkeitserklärung gehört werden sollen, ist für Minderjährige, die unter Vormundschaft stehen, durch die allgemeine Vorschrift des § 1847 gedeckt; die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf Minderjährige, die unter elterlicher Gewalt stehen, ist unbedenklich. Im E. I 8 27 war auch noch die Anhörung der Vormünder und Pfleger vorgeschrieben. Die Vorschrift ist zwar gestrichen; das Vormundschaftsgericht wird aber, um der ihm nach § 5 obliegenden Aufgabe gerecht zu werden, vor der Entscheidung über die Volljährigkeitserklärung regelmäßig Vormünder und Pfleger anhören müssen. Das gleiche gilt, wenn der Mutter, falls diese die elterliche Gewalt hat, ein Beistand beigeordnet ist, von dessen Anhörung, obwohl § 1690 Abs. 3 keine direkte Anwendung findet.

8 6. E. I 88 28, 29, 1739; II 8 14 rev. § 6; III §6. P. I 48ff., 11615s.; M. I 60ff. P. II 1 S. 31 ff.; 4 S. 839ff.; 6 S. 112, 121. D. 606. KB. 1936. StB. 2729ff.

Brasch, Die Geisteskranken im BGB. 99; Krafft-Ebing, Die zweifelhaften Geistes­ zustände vor dem Zivilrichler des Deutschen Reiches nach Einführung des BGB. 99; Korn­ feld, Die Entmündigung Geistesgestörter 01; Levis, Die Entmündigung Geisteskranker 01; Samter, Streitpunkte aus dem Gebiete des Entmündigungsverfahrens und des Jrrenwesens, in Gruch. 45, Iff.; Brunswig, Die Handlungsfähigkeit der Geisteskranken nach dem BGB. 02; Landauer, Geistesschwäche als Entmündigungsgrund, in DIZ. 04, 1058; Endemann, Die Entmündigung wegen Trunksucht und das Zwangsheilungsverfahren wegen Trunkfälligkeit, 04; Kuhlenbeck, Einfluß seelischer Störungen auf die zivilrechtliche Handlungsfähigkeit im ZBlFG. 7, 271 ff.; Wedemeyer und Jahrmärker, Zur Praxis der Entmündigung wegen Geisteskrankheit und Geistesschwäche 08; Unger, Über die Wiederaufhebung der wegen Verschwendung aus­

gesprochenen Entmündigung, im Recht 10, 65; v. Boxberger, Entmündigung wegen Geistes­ krankheit und Geistesschwäche nach dem BGB., im ZBlFG. 10, 217ff., 269ff.; derselbe, Noch einmal zur Entmündigung wegen Geisteskrankheit und Geistesschwäche nach dem BGB., im ZBlFG. 11, 387ff.; Landauer, Zur Entmündigung wegen Gelsteskrankheit und Geistesschwäche Planck, Kom. zum BGB.

Bd. I.

4. Aufl.

(Knoke).

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I. Abschnitt: Personen.

noch dem BGB., im ^jBlFG. 10, 610ff.; derselbe, Letztmals zur Entmündigung wegen Geistes­ krankheit und Geistesschwäche, im ZBlFG. 11, 705; Frese, Der Querulant und seine Ent­ mündigung, im ZBlFG.ll, 71 ff.; Rümelin, Die Geisteskranken im Rechtsgeschäftsverkehr 12; Cramer, Gerichtliche Psychiatrie, 4. Aufl. 08; Schultze in Hoches Handbuch der gerichtlichen Psychiatrie, 2. Aufl. 09; Specht, Über den sogenannten Querulantenwahnsinn und seine forensische Behandlung, in BayZ. 12, 293.

1. Wirkungen der Entmündigung. Der § 6 bestimmt die Fälle, in welchen ein Mensch entmündigt werden kann. Das Wesen der Entmündigung ergibt sich aus deren Folgen. Sie hat, wenn sie wegen Geisteskrankheit erfolgt, Geschäftsunfähigkeit, in allen anderen Fällen Be­ schränkung der Geschäftsfähigkeit zur Folge (§§ 104, 114); der Entmündigte erhält einen Vor­ mund (§ 1896). Dieser hat, soweit erforderlich, für die Person und das Vermögen des Ent­ mündigten zu sorgen. Über weitere Folgen der Entmündigung s. die §§ 1418 Nr. 3, 1425, 1428, 1468 Nr. 4, 1495 Nr. 4, 1542, 1676 Abs. 2, 1906—1908, 2229, 2230; ZPO. §§ 51, 52, 473, 612. Die zwangsweise Unterbringung des Geisteskranken oder Geistesschwachen in einer Heiluud Pflegeanstalt ist eine medizinalpolizeiliche Maßnahme, die grundsätzlich die Entmündigung nicht voraussetzt (Oertmann Erl. 2d zu § 6; v. Tuhr I 407 Anm. Ila; Bernhöft in25. DIT. 2, 210ff.; Vierhaus daselbst 3, 281 ff.; Levis 83; Samter 8ff.). 2. Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche. Unter zwei Voraus­ setzungen ist diese Entmündigung zulässig. Die betreffende Person muß außerstande sein, ihre Angelegenheiten zu besorgen und diese Ünfähigkeit muß ihren Grund in Geisteskrankheit oder

Geistesschwäche haben. Die Unfähigkeit zur Besorgung der Angelegenheiten ist ein selbständiges Erfordernis der Entmündigung, das nicht mit dem Vorliegen von Geisteskrankheit oder Geistes­ schwäche von selbst gegeben ist (a. A. Hölder Erl. 4b zu § 6; dagegen Oertmann Erl. 2c zu § 6; Staudinger Erl. B I 5c ju § 6; RG. in WarnE. 08, 1; OLG. 3, 29). Die Ent­ mündigung hat den Zweck, sowohl denjenigen, welcher zur Besorgung seiner Angelegenheiten wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche unfähig ist, als auch diejenigen Personen zu schützen, welche mit ihm in Verkehr stehen. Der Schutz wird gewährt, einerseits durch die Entziehung oder Beschränkung der Geschäftsfähigkeit, andererseits durch die Anordnung der Vormundschaft (s. Levis 64ff.). a) Die Unfähigkeit zur Besorgung der Angelegenheiten darf sich nicht auf einzelne An­ gelegenheiten des zu Entmündigenden beschränken (a. A. Cosack § 29 I laa, aa). In Fällen dieser Art ist für die betreffende Person durch Anordnung einer Pflegschaft zu sorgen (§ 1910 Abs. 2). Andererseits aber wird man nicht fordern dürfen, daß die Unfähigkeit sich auf alle Angelegenheiten bezieht (a A. Rehbein I 18; Goldmann-Lilienthal I 41; Krückmann § 3 II 3 und wie es scheint RG. 50, 203; RG. in Gruch 49, 611). Dagegen spricht, daß der wegen Geistesschwäche Entmündigte in manchen Beziehungen sowohl tatsächlich als auch rechtlich (§§ 107, 114) für seine Angelegenheiten selbst zu sorgen imstande ist, daß also die Unfähigkeit zur Besorgung aller Angelegenheiten nicht die Voraussetzung der Entmündigung sein kann. Man wird aber die Zulässigkeit der Entmündigung auch nicht davon abhängig machen dürfen, daß der Geisteskranke oder Geistesschwache unfähig ist, die „Gesamtheit" seiner Angelegenheiten zu be­ sorgen in dem Sinne, daß es nichts schadet, wenn er einzelne Angelegenheiten noch selbständig er­ ledigen kann (so K. u. R G R. Erl. 3 zu § 6; Staudinger Erl. B I 5c zu Z 6; Biermannl § 59 Ziff 1 c; Endemann I 8 31 Ziff. 2; Enneeeerus 8 8612; Kohler I 8 125 IV; Matthiaß 8 22 III B 2b RG. in IW. 05,133 Nr. 4; 07,198 Nr. 1; RG. im Recht 07, 504 Nr. 978-980; in WarnE. 08, 1, 74, 194; 10, 321; in SeuffA. 66,49). Der Umfang der Angelegenheiten, zu deren Besorgung der zu Entmündigende außerstande sein muß, ist nach dem Zwecke zu bestiinmen, welchen die Entmündigung verfolgt. Sie hat eiuzutreten, wenn der Kreis dieser Angelegenheiten so erheblich ist, daß der erforderliche Schutz nur auf diesem Wege erreicht werden kann (Oertmann Erl. 2ca zu 8 6; Landsberg 8 27 II la; v. Tuhr I 412; Levis 68; RG. in IW. 00, 848). Der Ausdruck „Angelegenheiten" ist im weitesten Sinne zu nehmen. Es fällt darunter also nicht bloß die Vornahme von Rechtshandlungen aller Art, sondern auch die tatsächliche Sorge für die eigene Person, unter Umständen auch öffentlichrechlliche Angelegenheiten, doch genügt die Unfähigkeit zur Ausübung öffentlicher Rechte oder der Mangel an Teilnahme gegenüber den öffentlichen An­ gelegenheiten nicht (Oertmann Erl. 2c« zu 8 6; v. Tuhr I 412 Anm. 2). In dem sog. Querulantenwahnsinn kann unter Umständen eine Ünfähigkeit der betreffenden Person zur Be­ sorgung ihrer Angelegenheiten gesunden werden (Oertmann Erl. 2c«; Dernburg I 8 63.

Sinnt. 9; Enneceerus § 85 Sinnt. 4; v. Tuhr I 412 Sinnt. 5; RG. im Recht 07, 504 Nr. 978ff.; in WarnE. 08, 1; 10, 321; in SeuffA. 66, 49; OLG. 2, 447; vgl. Frese, Der Querulant und seine Entmündigung in ZBlFG. 11, 71 ff.). Für die Zulässigkeit der Entmündigung kommt es auch auf den Umfang und die Art der Angelegenheiten an: je umfassender und wichtiger sie sind, um so leichter wird die Unfähigkeit zu ihrer Besorgung anzunehmen sein (Hölder Erl. 5d zu § 6; Staudinger Erl. B I 5o zu § 6; Biermann I § 59 Ziff. 1 c; Kohler I § 127 II; Kuhlenbeck im ZBlFG. 7, 277; vgl. v. Tuhr I 413). Die Unfähigkeit darf keine ihrer Natur nach nur vorübergehende sein (Hölder Erl. 5a zu § 6; Staudinger Erl. B I 5d zu H 6; Endemann I § 31 Ziff. 2; Landsberg § 27 II la; Leonhard § 32 IV; v. Tuhr I 407; a. A. Dettmann Erl. 2a, cy zu § 6; Enneceerus § 86 Sinnt. 3); doch schließt selbstverständlich die bloße Möglichkeit und selbst die Wahrscheinlichkeit eines spätern Wegfalls der Unfähigkeit die Entmündigung nicht aus. Nicht vorausgesetzt wird, daß der zu Entmündigende bei der Be­ sorgung seiner Angelegenheiten bereits zu Schaden gekommen ist (RG. im Recht 10 Nr. 2770). Die Möglichkeit tatsächlicher Gefährdung anderer Personen reicht, abweichend von dem tm § 6 Nr. 3 bestimmten Falle der Entmündigung wegen Trunksucht zur Entmündigung wegen Geistes­ krankheit oder Geistesschwäche, nicht aus (RG. 38, 191); jedoch wird in solchem Falle regelmäßig wohl auch eine Unfähigkeit der betreffenden Person zur Besorgung ihrer Angelegenheiten anzu­ nehmen sein (vgl. Dannemann in Recht und Wirtschaft 12, 479). b) Der Grund der Unfähigkeit muß in Geisteskrankheit oder Geistesschwäche liegen. Im E. I 8 28 war als Voraussetzung der Entmündigung wegen Geisteskrankheit bestimmt, daß der zu Entmündigende des Vernunftgebrauchs beraubt sei. Mit Rücksicht auf die von der Kritik, insbesondere von den Irrenärzten erhobenen Einwendungen ist diese Fassung aufgegeben und von jeder Definition abgesehen. Sowohl die Geisteskrankheit wie die Geistesschwäche ist eine geistige Anomalie. Das Wort „Krankheit" darf, wie sowohl von der ersten wie von der zweiten Kommission angenommen ist, nicht in dem engeren Sinne einer erst während des Lebens eingetretenen Störung der Gesundheit verstanden werden; vielmehr sind darunter auch solche Fälle mit begriffen, in denen der geistige Mangel angeboren ist. Nicht genügend ist der Mangel an Bildung, auch wenn dieser so vollständig ist, daß die betreffende Person wegen ihrer völligen Unfähigkeit, die Lebens- und Verkehrsverhältnisse richtig zu beurteilen, ihre Angelegenheiten ordnungsmäßig zu besorgen außerstande ist (a. A. Levis 82; Oertmann Erl. 2b/S zu 8 6; wie hier Staudinger Erl. B I 5o zu 8 6). Die Frage, ob eine geistige Anomalie vorliegt, welche als Geisteskrankheit oder Geistesschwäche bezeichnet werden nluß, ist von den medizinischen Sachverständigen zu entscheiden, wogegen die Frage, ob infolge davon eine Unfähigkeit der be­ treffenden Person zur Besorgung ihrer Angelegenheiten anzunehmen ist unter Zugrundelegung der von den Sachverständigen anzugebenden Folgen, welche die geistige Anomalie auf das Denken, Fühlen und Wollen hat, von dem Gerichte zu beurteilen ist (vgl. v. Tuhr I 409; RG. in Gruch. 49, 881; RG. in WarnE. 10, 321; DLG. Karlsruhe in PucheltsZ 03, 715). Zweifelhaft ist, worin der Unterschied zwischen Geisteskrankheit und Geistesschwäche liegt. Die Frage ist praktisch von der größten Bedeutung, weil die Entmündigung wegen Geistes­ krankheit Geschäftsunfähigkeit, die Entmündigung wegen Geistesschwäche nur Beschränkung der Geschäftsfähigkeit zur Folge hat. Die Zulässigkeit der Entmündigung wegen Geistesschwäche ist erst von der zweiten Kommission hinzugefügt. Im E. I 8 1739 war in betreff der Geistes­ schwäche nur bestimmt, daß demjenigen, welcher durch seinen geistigen Zustand behindert sei, seine Vermögensangelegenheiten zu besorgen, ein Pfleger bestellt werden könne. Diese Pflegschaft hatte aber keine Beschränkung der Geschäftsfähigkeit zur Folge. Wegen bestimmter körperlicher Gebrechen konnte nach 8 1727 der Gebrechliche des vormundschaftlichen Schutzes für bedürftig erklärt werden, und trat in diesem Falle eine Beschränkung der Geschäftsfähigkeit ein. In der Kritik wurde von vielen Seiten die Ansicht vertreten, daß den Geistesschwachen ein weitergehender Schutz zuteil werden müsse, als nach 8 1739 möglich sei, und wurde zu diesem Zwecke die Aus­ dehnung des 8 1727 auf Geistesschwäche empfohlen. Bei der Beratung der zweiten Kommission wurde das Bedürfnis eines weitergehenden Schutzes für Geistesschwache anerkayrit, aber Bedenken getragen, diesen Schutz durch Erweiterung des 8 1727 zu gewähren. Das Bedenken hatte darin seinen Grund, daß die im Falle des 8 1727 eintretende Beschränkung der Geschäftsfähigkeit einen so tiefen Eingriff in die Rechtsstellung des davon Betroffenen enthalte, daß das gewöhnliche Verfahren vor dem Vormundschaftsgerichte nicht die genügenden Garantien gegen die unrichtige Anwendung der bezüglichen Vorschriften biete. Deshalb wurde beschlossen, die Vorschriften über Entmündigung auf die Geistesschwäche auszudehnen.

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I. Abschnitt: Personen.

Die Unterscheidung zwischen Geisteskrankheit und Geistesschwäche kann nicht in dem Grunde gefunden werden, auf welchem der in beiden Fällen vorhandene anomale Zustand beruht. Denn der eine wie der andere Zustand kann sowohl angeboren sein, als durch spätere Krankheit ent­ stehen. In der Kommission war beantragt, im Anschluß an § 104 zu bestimmen, daß die Ent­ mündigung wegen Geisteskrankheit zulässig sei, wenn dadurch die freie Willensbestimmung aus­ geschlossen werde und der Kranke infolge davon seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermöge (P. II 6 S. 112). Der Antrag wurde indessen abgelehnt. Für den Gesetzgeber — so wurde ausgeführt — komme es nicht darauf an, ob vom psychiatrischen Standpunkte die Geistesschwäche auch Geisteskrankheit sei. Der Gesetzgeber müsse damit rechnen, daß es Zustände der geistigen Unvollkommenheil gebe, die nach der gewöhnlichen Auffassung nicht unter den Begriff der Geistes­ krankheit fielen, trotzdem aber dem Geistesschwachen die Besorgung seiner Angelegenheiten un­ möglich machten. Der Unterschied, der im praktischen Leben zwischen Geisteskrankheit und Geistes­ schwäche gemacht werde, genüge, um ihn zum Gegenstände zweier verschiedener Entmündigungs­ fälle zu machen. Es bestehe kein Bedürfnis, den Gegensatz dadurch besonders scharf hervortreten zu lassen, daß man unter Geisteskrankheit nur solche Fälle subsumiere, die nach § 104 schon von selbst die Geschäftsunfähigkeit begründeten. Ob nach der Auffassung des Lebens, auf die in diesen Erwägungen verwiesen wird, so scharf zwischen Geisteskrankheit und Geistesschwäche unterschieden wird, daß dadurch ein brauchbarer Anhalts­ punkt für die Anwendung des Gesetzes gewonnen wird, mag dahingestellt bleiben. Das Gesetz selbst dürfte indessen genügende Anhaltspunkte geben, um die Unbestimmtheit, welche die Ausfassung des Lebens läßt, zu beseitigen. Entscheidend für die Unterscheidung kann nur der Grad der geistigen Anomalie sein, nicht der Grund und die Art derselben (so auch die in Theorie und Praxis herrschende Ansicht: Hölder Erl. 5c zu § 6; Rehbein I 18; K.v.RGR. Erl. 2 zu § 6; Staudinger Erl. B 14a ju § 6; Biermann I § 60 Ziff. 2;CosackZ29Ilaa««;Crome § 42 Anm. 3; Dernburg I § 63 III; Endemann I § 31 I, § 33; Enneccerus § 86 11; Goldmann-Lilienthal I 40; Kohler I § 127 I; Landsberg 8 511 3c; Matthiaß § 22III Bl; Windscheid-Kipp §71 Ziff. 6 Zusatz; Hachenburg 465 f., 469; Leonhard § 32 IV; v. Tuhr 1409; Kuhlenbeck im ZBlFG. 7, 278ff.; Wedemeyer 36ff.; Rümelin 17ff.; RG. in IW. 00, 848, 867; E. 50, 203; in Gruch. 49, 881; IW. 05, 395 Nr. 16; OLG. 4, 5; 5,10; 10,55; vgl. auch Levis 104ff.; dagegen nehmen einen qualitativen Unterschied an Oertmann Erl. 2b zu § 6; Landauer DIZ. 04, 1058ff.; derselbe im ZBlFG. 10, 610ff.; v. Boxberger daselbst 10, 271 ff.; 11, 387ff.; OLG. 5, 12; OLG. Karlsruhe in PucheltsZ. 03, 715). Für die Be­ stimmung dieses Grades werden die Folgen in Betracht gezogen werden müssen, die sich an die Geisteskrankheit und die Geistesschwäche knüpfen. Die erstere hat volle Geschäftsunfähigkeit, die letztere nur Beschränkung der Geschäftsfähigkeit zur Folge. Der Grad der geistigen Anomalie, welcher als Geisteskrankheit zu betrachten ist, muß also ein solcher sein, daß er dazu berechtigt, die volle Geschäftsunfähigkeit Eintreten zu lassen. Diese tritt nach § 104 ein bei einem die freie Willens­ bestimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geisteslätigkeit, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. In Fällen dieser Art wird man immer eine Geisteskrankheit im Sinne deS § 6 anzunehmen haben (a. A. Rehbein I 115; K.v.RGR. Erl. 2 zu § 6; RG. in IW. 08, 323 Nr. 2; 09, 411 Nr. 2; 11, 179 Nr. 1; BayObLG. im Recht 10 Beil. Nr. 1905; die annehmen, daß auch Geistesschwäche unter § 104 Nr. 2 fallen könne; dagegen Oertmann Erl. 3g zu § 104; Staudinger Erl. B I 4c zu § 6). Hierbei wird man in­ dessen nicht stehen bleiben dürfen. Es gibt manche Fälle, in denen die Frage, ob ein Zustand, der im § 104 Nr. 2 bezeichneten Art vorliegt, außerordentlich zweifelhaft ist, während kein Zweifel darüber besteht, daß die geistige Anomalie einen solchen Grad erreicht hat, daß die betreffende Person zur Besorgung ihrer Angelegenheiten ebenso unfähig ist wie ein Kind unter sieben Jahren. Wird dies festgestellt, so muß die Entmündigung wegen Geisteskrankheit erfolgen, ohne daß es einer Entscheidung darüber bedarf, ob ein Zustand, der im § 104 Nr. 2 bezeichneten Art vorliegt (so auch Oertmann Erl. 2a zu § 6; Staudinger Erl. B I 4c zu § 6; Cosack § 29 II; Kohler I § 125 IV; dagegen identifizieren die Geisteskrankheit des § 6 mit dem in § 104 Nr. 2 bezeichneten Zustande Hölder Erl. 3 zu § 104; Crome § 83 I; Endemann I § 31 Anm. 13; Landsberg § 51 I 3c; Hachenburg 465f.; Leonhard § 70 III; v. Tuhr I 407; ebenso die erste und zweite Auflage, gegen die sich die Kritik von Staudinger a. a. O. richtet,, obwohl schon in der dritten Auslage die jetzt auch von Staudinger geteilte Ansicht dargelegt ist). Liegt jene Voraussetzung nicht vor, macht also die geistige Anomalie die betreffende Person zur Besorgung ihrer Angelegenheiten nur in demselben Grade unfähig, wie dies bei einem Minder-

jährigen über sieben Jahre der Fall ist, so hat die Entmündigung wegen Geistesschwäche zu er­ folgen. Im Zweifel ist wegen Geistesschwäche zu entmündigen, da dies der mildere Eingriff ist (Dernburg H 63 III; Enneccerus § 86 II). Ist die Entmündigung wegen Geistesschwäche erfolgt, so steht dies im einzelnen Falle nicht der Geltendmachung des Einwandes entgegen, daß der Entmündigte nach § 104 Nr. 2 wegen Geisteskrankheit geschäftsunfähig gewesen sei (RG. in SeuffA. 63, 89). Nach RG. 52, 240 kann übrigens für einen Geisteskranken oder Geistesschwachen, der nach § 6 entmündigt werden könnte, im Falle des Bedürfnisses auf Grund des § 1910 Abs. 2 auch ein Pfleger für einzelne Angelegenheiten bestellt werden (vgl. Erl. zu § 1910; RG. in IW. 06, 376 Nr. 2; RG. 65, 200; RIA. 1, 134; 6, 2, 27; 7, 79; OLG. 2, 234). 3. Entmündigung wegen Verschwendung. Der Begriff der Verschwendung ist nicht defi­ niert. Der E. I versuchte einen Anhaltspunkt dadurch zu geben, daß er auf verschwenderische Lebensweise oder verschwenderische Geschäftsführung abstellte. Bon der zweiten Kommission ist dies weggelassen, weil man es bei richtiger Auslegung für selbstverständlich hielt, andererseits aber besorgte, daß der Ausdruck „verschwenderische Geschäftsführung" irreleiten könne. Auch eine Ge­ schäftsführung kann zwar verschwenderisch sein, aber sie ist dies nicht schon dann, wenn die Ge­ schäfte leichtfertig geführt werden, sondern erst dann, wenn sie den für die Verschwendung maß­ gebenden Charakter einer sinnlosen den Vermögensverhältnissen nicht entsprechenden Vergeudung des Vermögens hat. Die Verschwendung muß sich immer auf das Vermögen beziehen. Ver­ schwendung von Arbeitskraft oder Gesundheit kommt nicht in Betracht. Regelmäßig wird sich die Verschwendung in übermäßigen Ausgaben zeigen. Es ist dies aber kein unbedingtes Er­ fordernis. In RG. 21, 167 wird mit Recht gesagt, daß es genüge, wenn ein die wirtschaftliche Existenz der betreffenden Person bedrohendes Verhalten vorliege, welches einen Hang derselben zur Vermögensverschwendung erkennen lasse. Insbesondere kann die Unterlassung der zur Erhaltung des Vermögens notwendigen Maßnahmen und die Vernachlässigung der Geschäfte Verschwendung sein (Hölder Erl. 6 I 6 zu 8 6; Oertmann Erl. 3a a 93 ee zu § 6; Biermann I §60 Ziff. 3; Dernburg I § 64 II 2; Endemann I § 34 Ziff. 1; Enneccerus §86 II1; Matthiaß § 23 I A 1; Hachenburg 469; a. A. RT. 2734). Die Verschwendung be­ ruht immer auf einem Charaktersehler (s. Rehbein I 20; RG. in SeuffA. 60, 257; ähnlich RG. in IW. 01, 475; 06, 188 Nr. 2). Der Begriff der Verschwendung wird nicht dadurch aus­ geschlossen, daß die übermäßigen Ausgaben zu guten Zwecken erfolgen, insbesondere kann eine über­ triebene Wohltätigkeit Verschwendung sein (Hölder Erl. IIb zu § 6; Oertmann Erl. 3a a ßß zu § 6; K.v.RGR. Erl. 4 zu § 6; Dernburg I § 64 II 3; Kohler I § 128 III; a. A. Stau­ dinger Erl. B II 2c zu § 6, wie es scheint auch Endemann I § 34 Ziff. 1; v. Tuhr I 414); jedoch muß das Übermaß immer aus jenem Charakterfehler beruhen; Aufopferung von Vermögen

für das Vaterland oder fremde Not aus sittlichen Motiven ist keine Verschwendung (s. Reh­ bein a. a. O.). Der Zweck der Entmündigung wegen Verschwendung ist der Schutz des Verschwenders gegen sich selbst und der Schutz seiner Familie. Deshalb findet sie nur statt, wenn der Verschwender durch seine Verschwendung sich oder seine Familie der Gefahr des Notstandes aussetzt. Unter Notstand ist hier das Entbehren des standesgemäßen Unterhalts zu verstehen (Oertmann Erl. 3a ß aa ju § 6; Staudinger Erl. B II 2c zu § 6; Cosack § 29 la a ßß; Endemann I § 34 Anm. 5; Matthiaß § 23 I A1; v. Tuhr I 414; a. A. Dernburg I § 64 II 4, der Gefährdung des notdürftigen Unterhalts fordert). Eine beträchtliche Vermögensverminderung braucht nicht bereits eingetteten zu sein. Es genügt, wenn sie bei Fortsetzung des verschwenderischen Verhaltens in sicherer Aussicht steht und dadurch die Gefahr des Notstandes begründet wird. Zu der Familie gehören alle, denen die betreffende Person den Unterhalt zu gewähren gesetzlich verpflichtet ist. Über Fälle, in welchen das verschwenderische Verhalten auch ohne Entmündigung rechtliche

Folgen hat, s. die §§ 1468 Nr. 4, 1495 Nr. 4, 1542. 4. Entmündigung wegen Trunksucht. Die Entmündigung wegen Trunksucht ist erst von der zweiten Kommission hinzugesügt. Sie wurde von vielen Seiten gewünscht, aber auch lebhaft bekämpft. Ihr Zweck ist, den schweren wirtschaftlichen und sozialen Übelständen entgegenzuwirken-

welche für den einzelnen, für seine Familie und für das ganze Volksleben aus dem übermäßigen Genusse geistiger Getränke erwachsen. Auf dem Boden des bürgerlichen Rechtes ist eine solche Gegenwirkung nur durch die Zulassung der Entmündigung möglich. Voraussetzung der Entmündigung ist Trunksucht. Der übermäßige Genuß der geistigen Getränke für sich allein genügt nicht, nicht einmal dann, wenn er sich häufiger wiederholt; eben-

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I. Abschnitt: Personen.

sowenig die Gewohnheit, geistige Getränke zu sich zu nehmen. Der Ausdruck „Sucht" läßt er­ kennen, daß erfordert wird ein krankhafter Zustand, infolgedessen die betreffende Person unter gewöhnlichen Verhältnissen nicht mehr die Kraft hat, dem Anreize znm übermäßigen Ge­ nusse geistiger Getränke zu widerstehen (so auch RG. in IW. 02, Beil. 280). Die Erfahrung zeigt leider, daß es viele gibt, die trunksüchtig in diesem Sjnne sind und die eben deshalb, weil ihr Zustand ein krankhafter ist, regelmäßig nur durch eine besondere Behandlung in einer Trinker­ heilanstalt geheilt werden können. Nur der Genuß berauschender Getränke kommt in Betracht (Hölder Erl. 7 IA &u § 6; Oertmann Erl. 4a zu § 6; Crome § 42 Anm. 15; Dernburg § 64 III 1; auf den Genuß alkoholischer Getränke beschränken die Trunksucht Staudinger Erl. L III 2a zu § 6; Biermann I § 60 Anm. 14; Endemann I § 34 Anm. 9; Enneccerus § 86 Anm. 7; Windscheid-Kipp § 71 Ziff. 6 Zusatz; v. Tuhr I 415 Anm. 15). Morphiumsucht und Kokainismus flab keine Trunksucht, und auch eine analoge Anwendung der Vorschriften über Trunksucht auf Fälle dieser Art ist unzulässig (a. A. Kohler I § 129 I; Leonhard § 32 V S. 95 Anm. 4). Möglicherweise kann aber^Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder Geistes­ schwäche erfolgen. Dem dreifachen Zwecke der Entmündigung wegen Trunksucht, der Fürsorge für den Trinker selbst, für seine Familie und für das öffentliche Wohl, entsprechen die drei im § 6 Nr. 3 be­ stimmten Voraussetzungen, deren jede genügt, um die Entmündigung zu begründen. Der Ent­ mündigte muß entweder infolge der Trunksucht seine Angelegenheiten nicht mehr zu besorgen vermögen oder sich oder seine Familie der Gefahr des Notstandes aussetzen oder die Sicherheit anderer gefährden. Die erstgedachten beiden Voraussetzungen sind dieselben wie bei der Ent­ mündigung wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche bzw. Verschwendung (vgl RG. in IW. 09, 654). Die letztgedachte Voraussetzung darf nicht, wie Levis (72) annimmt, auf solche Fälle be­ schränkt werden, in denen der Trunksüchtige durch die Art, in welcher er seine Angelegenheiten besorgt, die Sicherheit anderer gefährdet. Nach dem Wortlaut und nach dem Zwecke der Vor­ schrift genügt vielmehr jede Art der Gefährdung, insbesondere also die Gefahr, daß der Trunk­ süchtige in der Trunkenheit die Person oder das Vermögen anderer beschädigt (so auch die weit­ aus herrschende Meinung). Über die Fälle, in welchen durch sinnlose Trunkenheit die Handlungs­

fähigkeit ausgeschlossen wird, s. die §§ 105, 827. Durch die infolge der Entmündigung eintretende Beschränkung der Geschäftsfähigkeit und die damit verbundene Fürsorge des Vormundes kann jenen Gefahren meistens wirksam entgegengetreten werden. Der Vormund ist insbesondere auch berechtigt, den Trunksüchtigen gegen seinen Willen in eine Trinkerheilanstalt zu bringen und ihn dort bis zu seiner Heilung festzuhalten. Liegt eine der gedachten Voraussetzungen vor, so kann die Ent­ mündigung auch dann eintreten, wenn der Trunksüchtige ein sog. Quartalssäufer ist. 5. Entmündigungsverfahren. Levis 109ff. Die Vorschriften der ZPO. über das Ent­ mündigungsverfahren sind in der jetzigen ZPO. mehrfach geändert und durch Vorschriften über die Entmündigung wegen Geistesschwäche und wegen Trunksucht ergänzt. Aus diesen Änderungen ist folgendes hervorzuheben: a) Aus die Entmündigung wegen Geistesschwäche finden die Vorschriften über Entmündi­ gung wegen Geisteskrankheit Anwendung. Der die Entmündigung aussprechende Beschluß ist jedoch nach § 660 auch dem Entmündigten selbst zuzustellen, und die Entmündigung tritt nach H 661 erst mit dieser Zustellung in Wirksamkeit. Auch die Frist für die Erhebung der An­ fechtungsklage beginnt für den Entmündigten erst mit der Zustellung des Entmündigungs­ beschlusses an ihn. b) Auf die Entmündigung wegen Trunksucht finden die Vorschriften der ZPO. über die Entmündigung wegen Verschwendung Anwendung (§ 680 ZPO.). Das Gericht kann je­ doch, wenn die Entmündigung wegen Trunksucht beantragt ist, die Beschlußfassung über die Entmündigung aussetzen, wenn Aussicht besteht, daß der zu Entmündigende sich bessern werde (§ 681 ZPO.).

c) In betreff des Rechtes, die Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche zu beanttagen, wird der frühere § 595 ZPO. dahin geändert (§ 646 ZPO.): „Der Antrag kann von dem Ehegatten, einem Verwandten oder demjenigen gesetzlichen Vertreter des zu Entmündigenden gestellt werden, welchem die Sorge für die Person zusteht. Gegen eine Person, die unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft steht, kann der Antrag von einem Verwandten nicht gestellt werden. Gegen eine Ehefrau kann' der Antrag von einem Verwandten nur gestellt werden, wenn auf Aufhebung der ehe­ lichen Gemeinschaft erkannt ist oder wenn der Ehemann die Ehefrau verlassen hat oder

wenn der Ehemann zur Stellung des Antrags dauernd außerstande oder sein Aufenthalt dauernd unbekannt ist. In allen Fällen ist auch der Staatsanwalt bei dem vorgesetzten Landgerichte zur Stellung des Antrags befugt." DaS Recht, den Antrag auf Entmündigung wegen Verschwendung oder Trunksucht zu stellen, bestimmt sich nach ZPO. § 646 Abs. 1. Der Staatsanwalt ist nicht antragsberechtigt. Unberührt bleiben aber die Landesgesetze, nach welchen eine Gemeinde oder ein Armenverband die Entmündigung wegen Trunksucht beantragen kann (§ 680 Abs. 4 u. 5 ZPO.). Ist die Entmündigung wegen Geisteskrankheit beantragt und liegt nur Geistesschwäche vor, so kann die Entmündigung wegen Geistesschwäche erfolgen, da diese nach den Ausführungen in Erl. 2 b nur ein geringerer Grad der Geisteskrankheit ist und in dem weiter gehenden Antrag der weniger weitgehende enthalten ist (Oertmann Erl. 2c zu § 6; Staudinger Erl. v 2 zu § 6; Biermann I § 60 Ziff. 2; Enneccerus § 86 Anm. 4; v. Tuhr I 413 Anm. 6; Gaupp-Stein, ZPO. Erl. II 1 zu § 645; Seuffert, ZPO. Erl. 2 zu 8 645; Levis 279; OLG. 4, 5). Dagegen ist es unzulässig, wegen Geisteskrankheit zu entmündigen, wenn die Entmündigung nur wegen Geistesschwäche beantragt ist; denn die Entmündigung unterliegt der Disposition des Antragstellers, und in dem weniger weitgehenden Antrag ist der weiter gehende nicht enthalten (a. A. K. v. R G R. Erl. 1 zu 8 6; Dernburg I 8 63 Anm. 12; RG. in IW. 00, 867; dagegen Oertmann, Staudinger, Enneccerus, v. Tuhr, Levis a. a. O.). In einem solchen Falle ist der Antrag auf Entmündigung nicht zurückzuweisen, sondern es ist die Ent­ mündigung wegen Geistesschwäche auszusprechen. Ist die Entmündigung wegen Geisteskrankheit beantragt und liegt Geisteskrankheit vor, so darf der Richter nicht wegen Geistesschwäche ent­ mündigen (a. A. Oertmann Erl. 2c zu 8 6). Mit dem Antrag auf Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche kann der Antrag auf Entmündigung wegen Verschwendung oder Trunksucht als eventueller verbunden werden. Denn, wenn auch die Vorschriften über Verschwendung und Trunksucht zum Teil von denen über Geisteskrankheit und Geistesschwäche abweichen, so sind diese Abweichungen doch nicht von solcher Art, daß sie eine Verbindung des Verfahrens ausschlössen (Oertmann Erl. 2e zu 8 6; Staudinger Erl. VII 2d zu 8 6; Waldow in DIZ. 06, 1090; a. A. Levis 179; Gaupp-Stein, ZPO. Erl. II1 zu 8 645; Seuffert, ZPO. Erl. 2 zu 8 645; OLG. 12, 1). Als stillschweigend gestellt dürfte indessen ein solcher eventueller Antrag nicht anzusehen sein. 6. Ermessen des Entmündigungsgerichts. Der Ausdruck „entmündigt kann werden" hat nicht nur die Bedeutung, daß die Entmündigung unter den in dem 8 6 bestimmten Voraus­ setzungen zulässig ist, sondern es wird dadurch dem Gericht auch die Pflicht auferlegt, die Ent­ mündigung auszusprechen, wenn dies nach seinem pflichtmäßigen Ermessen der Absicht des Gesetzes entspricht (s. oben Eint, unter VI. Eine Pflicht des Richters zur Entmündigung leugnen Co sack 8 29 la «aa; Rehbein I 17; auch Kuhlenbeck ZBlFG. 7, 276; dagegen wird die Pflicht anerkannt von Oertmann Erl. 2e, 5 zu 8 6; K. v. RGR. Erl. 1 zu 8 6; Staudinger Erl. I) 2 zu 8 6; Endemann I 35 Ziff. 1; Enneccerus 8 84 Anm. 7; Leonhard 8 32 S. 93 Anm. 2). Der Absicht des Gesetzes wird die Entmündigung regelmäßig entsprechen, wenn die materiellen und prozessualischen Voraussetzungen der Zulässigkeit vorliegen. In einzelnen Fällen wird indessen die Entmündigung zu unterbleiben haben, weil es an einem Bedürfnisse fehlt. Zu­ lässig ist z. B. auch die Entmündigung eines Minderjährigen aus einem der in dem 8 6 be­ zeichneten Gründe. Ist aber der Minderjährige von der Vollendung des sechzehnten Lebens­ jahres noch weit entfernt, so fehlt es an jedem Bedürfnis, ihn zu entmündigen; denn die Minder­ jährigkeit hat in solchem Falle in der hier in Betracht kommenden Beziehung dieselben rechtlichen Folgen wie die Entmündigung. Hat der Minderjährige aber das sechzehnte Lebensjahr bereits vollendet, so steht die Minderjährigkeit nach 8 2229 der Errichtung einer letztwilligen Verfügung nicht entgegen, während er im Falle der Entmündigung nach 8§ 104, 2229 zu einer solchen Ver­ fügung unfähig ist. Hier liegt also ein Bedürfnis, die Entmündigung auszusprechen, vor. Ein solches Bedürfnis wird auch schon einige Zeit vor der Vollendung des sechzehnten Lebensjahres anzunehmen sein, weil der Minderjährige, wenn er bei der Vollendung des sechzehnten Lebens­ jahres noch nicht entmündigt wäre, wirksam eine letztwillige Verfügung errichten könnte. Ein wegen Geistesschwäche, Verschwendung oder Trunksucht Entmündigter kann wegen Geisteskrankheit entmündigt werden, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen, weil die Entmündigung wegen Geisteskrankheit weitergehende Folgen hat als die Entmündigung aus anderen Gründen; jedoch wird der Richter hier zu prüfen haben, ob ein Bedürfnis zu einer solchen Umwandlung

I. Abschnitt: Personen.

24

§ 7.

Wer sich an einem Orte ständig niederläßt, begründet an diesem Orte

seinen Wohnsitz. Der Wohnsitz kann gleichzeitig an mehreren Orten bestehen. Der Wohnsitz wird aufgehoben, wenn die Niederlassung mit dem Willen auf­ gehoben wird, sie aufzugeben. der bisherigen Entmündigung vorliegt. Einen wegen Geistesschwäche Entmündigten noch wegen Verschwendung oder wegen Trunksucht zu entmündigen oder umgekehrt, wird nie ein Bedürfnis vorliegen, weil alle diese Arten der Entmündigung dieselben rechtlichen Folgen haben. Dagegen kann die Entmündigung wegen Geisteskrankheit, wenn sich herausstellt, daß die Voraussetzungen derselben nicht vorliegen, wohl aber die Voraussetzung der Entmündigung wegen Geistesschwäche, Verschwendung oder Trunksucht in eine Entmündigung aus einem dieser Gründe umgewandelt werden. Es handelt sich hier prinzipiell um eine Aufhebung der Entmündigung wegen Geistes­ krankheit und um eine neue Entmündigung aus einem der anderen Gründe. Beides wird aber in einem Verfahren verbunden werden können (vgl. dazu Hölder Erl. Id und 3 zu § 6; Oertmann Erl. 8 zu § 6; Staudinger Erl. J II zu § 6; Biermann I § 59 Ziff. 1 c; § 60 Ziff. 2; Dernburg I § 63IV3; Enneccerus § 86 VI; Goldmann-Lilienthal I 41 Anm. 9; v. Tuhr l 420; Gaupp-Stein, ZPO. Erl. 1 zu 8 675; Seuffert, ZPO. Erl. 5 zu 8 675; Glücksmann in DIZ. 01, 255; RG. in Gruch. 47, 897). 7. Wiederaufhebung der Entmündigung. Die Wiederaufhebung der Entmündigung setzt nicht voraus, daß seit der Entmündigung eine Änderung in dem Zustande des Entmündigten oder in den sonstigen Voraussetzungen der Entmündigung eingetteten ist, es genügt, daß zur Zeit der Wiederaushebung kein Grund zur Entmündigung besteht. Daher kann insbesondere auch eine Entmündigung, die objektiv nicht gerechtfertigt war, jederzeit wieder aufgehoben werden (Oertmann Erl. 7 zu 8 6; Staudinger Erl. J III zu 8 6; Biermann I § 60 Anm. 10; Cosack 8 29 I la8; Enneccerus 8 86 Anm. 11; RG. inJW.Ol, 475; 08, 234 Nr. 2; 09,189; OLG. 2, 447; a. A. Unger im Recht 10, 65ff.). Die Wiederaufhebung hat auch dann zu er­ folgen, wenn sich herausstellt, daß der Entmündigte zwar geisteskrank oder geistesschwach, Ver­ schwender oder trunksüchtig ist, aber die sonstigen Voraussetzungen der Entmündigung nicht be­ stehen (RG. in IW. 08, 194). Würde z. B. der vorliegende Grad der Geistesschwäche nicht ge­ nügen, um die Entmündigung zu rechtfertigen, so kann er auch nicht ausreichen, um die Wieder­ aushebung abzulehnen (a. A. Hölder Erl. 3 zu 8 6; Schott in FriedreichsBl. 56, 196ff.). Nur da, wo der Richter zu einem non liquet kommt, wird er die Wiederaufhebung der einmal aus­ gesprochenen Entmündigung ablehnen müssen (RG. in IW. 01, 475; 09, 189). Auch die Wiederaufhebung der Entmündigung erfolgt wie die Entmündigung selbst nur auf Antrag (§ 675 ZPO.). 8. Nach EG. Art. 8 kann auch ein Ausländer im Inlands nach den deutschen Gesetzen ent­ mündigt werden, wenn er seinen Wohnsitz oder, falls er keinen Wohnsitz hat, feinen Aufenthalt im Jnlande hat (f. Erl. zu Art. 8 des EG.). Übergangsvorschriften f. EG. Art. 155, 156 und

die Erl. zu diesen.

8 7. E. I 8 34; II 8 17 rev. 8 7; III 8 7. P.I 52f.; M. I 68ff. P. II 1 S. 37ff. KB. 1937.

Levy in SeuffBl. 99, 113ff., 129ff.; Josef in ZBlFG. 4, 306ff.; Stübel im SächsArch. 9, 598ff.; Mendelssohn-Bartholdy in SeuffBl. 10, 49ff. Die 88 7, 8 enthalten die allgemeinen Grundsätze über Erwerb und Verlust des Wohn­ sitzes, die 88 9—11 die besonderen Vorschriften über den gesetzlichen Wohnsitz. 1. Wohnsitz und Wohnort sind nicht identisch. Wohnort bezeichnet den Ort, an welchem jemand tatsächlich wohnt (s. z. B. 88 570, 1354), während Wohnsitz ein rechtlicher Begriff ist, der indessen von dem BGB. nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar dadurch definiert wird, daß Vorschriften über den Erwerb und den Verlust des Wohnsitzes gegeben werden. Der Versuch einer direkten Definition des Wohnsitzes würde unfruchtbar und mit Rücksicht auf die Vorschriften über den gesetzlichen Wohnsitz kaum möglich sein. Der Begriff des Wohnsitzes ist auf den verschiedensten Rechtsgebieten von Bedeutung. Seine zivilrechtliche Bedeutung hat sich in einer Beziehung durch das BGB. und das EG. er­ heblich vermindert. Nach der herrschenden gemeinrechtlichen Auffassung war der Wohnsitz in Beziehung auf den Status einer Person sowie auf das Erbrecht entscheidend für das zur An-

Wendung kommende Recht und hatte bei der großen Verschiedenheit des in Deutschland gellenden Rechtes daher eine große praktische Bedeutung. Diese Bedeutung fällt weg, da einerseits durch das BGB. einheitliches Recht für ganz Deutschland geschaffen ist und andererseits nach den Vor­ schriften des EG. über das sog. internationale Privatrecht (Art. 7—31) in den gedachten Be­ ziehungen nicht mehr der Wohnsitz, sondern die Staatsangehörigkeit entscheidend ist und der Wohnsitz nach Art. 29 nur subsidiär in Frage kommt. Immerhin ist auch jetzt noch der Wohnsitz für eine Reihe zivilrechtlicher Fragen von Bedeutung (s. z. B. § 132 Abs. 2, § 261 Abs. 1 Satz 2, §§ 269, 270, § 772 Abs. 1, § 773 Nr. 2, § 775 Nr. 2, § 1141 Abs. 2, § 1320 Abs. 2, 3, 88 1433,1558 Abs. 1, 8§ 1559,1561 Abs. 2 Nr. 2, 8 1786 Abs. 1 Nr. 5, 8§ 1944, 1954, 2072. Von entscheidender Bedeutung ist der Wohnsitz für den Zivilprozeß, durch ihn wird nach 8 13 ZPO. der allgemeine Gerichtsstand bestimmt. Durch die in 8 71 KO. erfolgte Verweisung auf den allgemeinen Gerichtsstand wird er von Bedeutung für die Bestimmung des Konkursgerichts. Durch den Wohnsitz bestimmt sich vielfach die Zuständigkeit des Gerichts in den Angelegenheiten der freiw. Gerichtsbarkeit (FGG. 88 36 ff., 66, 73). In all diesen Beziehungen sind die Vor­ schriften des BGB. zugrunde zu legen (a. A. Mendelssohn-Bartholdy a. a. O.; über die besonderen Bestimmungen der 88 14—17 ZPO. s. die Erl. zu den 88 9, 10). Die Vor­ schriften des BGB. über den Wohnsitz sind nach EG. Art. 4 auch dann maßgebend, wenn in andern Reichsgesetzen oder in Landesgesetzen der Begriff des Wohnsitzes verwendet ist, falls diese Gesetze nicht selbst Bestimmungen über den Wohnsitz treffen (Hölder Vorbm. 2b zu 88 7—11; Oertmann Erl. 1 a zu 8 7; K. v. RG R. Erl. 1 zu 8 7; Staudinger Vorbm. III zu 8ß,7—11; Dernburg I 8 57 II; v. Tuhr I 428 Anm. 3; a. A. Biermann I 8 124 Ziff. 1). Über den

Unlerstützungswohnsitz s. das Gesetz über den Unlerstützungswohnsitz von 1870 in der Fassung vom 30. Mai 1908. 2. Erwerb deS Wohnsitzes. In der Vorschrift „Wer sich an einem Orte ständig niederläßt" liegt ein objekttves und ein subjektives Moment ausgedrückt. Es muß eine ständige Niederlassung stattfinden, und es muß diese ständige Niederlassung gewollt sein (OLG. 13, 306). Das Erfordernis des Willens ist nicht ausdrücklich ausgesprochen, ergibt sich aber aus den Worten „Wer sich niederläßt". Beide Momente, das objektive und das subjektive, müssen zusammentreffen, um den Wohnsitz zu begründen. Wann eine ständige Niederlassung vorliegt, ist eine Talsrage. Das Wort „ständig" bezeichnet das Erfordernis des dauernden im Gegensatze zum nur vorübergehenden Aufenthalt. Aber der Aufenthalt braucht kein ununterbrochener zu sein; kürzere oder längere Abwesenheit schließt, auch wenn sie von vornherein beabsichtigt ist, die Ständigkeit nicht aus, sofern nur nach jeder Abwesenheit die Rückkehr an den Ort des Wohnsitzes erfolgt. Der Besitz einer eigenen Wohnung ist im allgemeinen nicht Voraussetzung für die Begründung des Wohnsitzes (OLG. 10, 55 Anm. 1; 12, 238; 13, 307), noch weniger das Vorhandensein einer vollständigen Wirtschaftseinrichtung (a. A. Rehbein I 22). Der aus die ständige Niederlassung gerichtete Wille braucht nicht ausdrücklich erklärt zu sein; er ist vielmehr aus den Umständen zu entnehmen. Nicht erforderlich ist die Absicht, an dem betreffenden Orte für immer zu bleiben (OLG. 2, 72; 10, 56; 13, 306; BayObLG. im Recht 08 Nr. 2287; 09 Nr. 3025), aber anderer­ seits darf nicht von vornherein ein nur vorübergehender Aufenthalt beabsichtigt sein. Deshalb erwirbt den Wohnsitz nicht ein Schüler an dem Orte der Lehranstalt, der Kranke nicht an dem Orte der Heilanstalt. Auch durch das Gesindeverhältnis für sich allein wird ein Wohnsitz nicht begründet; es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, aus denen erhellt, daß die all­ gemeinen Voraussetzungen des 8 7 gegeben sind (OLG. 2, 71 f., 443; 3, 36; BayObLG. im Recht 08 Nr. 3520; 11 Nr. 275; vgl. Dernburg I 8 57 IV 1). Nach EG. Art. 95 bleiben indessen die Landesgesetze, welche das Gesinderecht betreffen, unberührt (vgl. z. B. Preuß. AG. Art. 14 8 1 Abs. 4). Über die Begründung des Wohnsitzes durch Eintritt in eine gewerbliche Stellung vgl. OLG. 2, 72, 444; BayObLG. im Recht 09 Nr. 3025; 10 Nr. 3880; 11 Nr. 1088. 3. Als Ort, an welchem sich jemand niederläßt, erscheint zunächst die Stelle im Raume, an welcher die Niederlassung erfolgt. Der Begriff des Ortes beschränkt sich aber nicht auf diese Stelle, sondern er umfaßt einen größeren Bezirk, in welchem diese Stelle liegt. Es ergibt sich dies insbesondere aus der Bestimmung des 8 269. Nach dieser hat die Leistung, sofern nicht ein anderes bestimmt oder aus den Umständen zu entnehmen ist, an dem Orte zu erfolgen, an dem der Schuldner zur Zeit der Begründung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte. DaS Gesetz kann hierbei unmöglich an die einzelne Stelle im Raume, an welcher das Schuldverhältnis begründet wurde, z. B. an die Wohnung des Schuldners zur Zeit der Begründung des Schuldverhältnisses, gedacht haben; es hat vielmehr den Bezirk im Auge, in dem die Wohnung liegt.

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I. Abschnitt: Personen.

Zweifelhaft aber ist, welcher Bezirk hierbei in Frage kommt. Gewöhnlich wird an die Orts­ gemeinde gedacht, innerhalb deren die fragliche Stelle liegt (Dernburg I § 57 III). Dies wird auch die Regel sein. Es dürfte aber nicht für alle Fälle zutrefsen. Die territoriale Ein­ teilung des Staatsgebiets ist Sache der Landesgesetzgebung. Diese kann das Staatsgebiet ent­ weder allgemein in kleinere Bezirke oder für verschiedene Angelegenheiten verschieden einteilen. Das letztere ist insbesondere in Frage gekommen bei dem preußischen Gesetze vom 16. Sep­ tember J899, durch welches die Stadt Berlin in drei Landgerichtsbezirke geteilt ist. Das Reichs­ gericht (67, 191) hat wohl mit Recht angenommen, daß infolge dieses Gesetzes für den allgemeinen Gerichtsstand und für den Gerichtsstand des Erfüllungsortes (ZPO. § 29) als Bezirk, in welchem der Wohnsitz sei, nicht mehr der Bezirk der ganzen Stadt Berlin, sondern der Bezirk des be­ treffenden Landgerichts zu gelten habe. Nur in Ansehung des Gerichtsstandes dürfte aber die landesgesetzliche Einteilung des Staatsgebiets in Gerichtsbezirke die Bedeutung haben, daß der Gerichtsbezirk, in dem die Stelle liegt, an welcher die Niederlassung erfolgt ist, als der Bezirk gilt, in dem sich der Wohnsitz befindet. Entsprechendes gilt, wenn sich die landesgesetzliche Ein­ teilung aus andere besondere Angelegenheiten bezieht und für diese Angelegenheiten die Frage in Betracht kommt, wo der Wohnsitz ist. Soweit eine solche sich auf besondere Angelegenheiten beschränkende Einteilung nicht in Frage kommt, ist die allgemeine Einteilung maßgebend. Regel­ mäßig wird hiernach, iuie bereits hervorgehoben, der Bezirk der Gemeinde maßgebend sein. Es können jedoch auch hier Abweichungen vorkommen; so werden z. B. in Preußen die selbständigen Gutsbezirke den Bezirken der Gemeinden gleichzustellen sein (RG. 67, 191). 4. Zur Aufhebung des einmal begründeten Wohnsitzes ist der Wegfall sowohl des objektiven wie des subjektiven Moments notwendig. Die Niederlassung muß aufgehoben werden und zu­ gleich der Wille vorliegen, sie aufzugeben. Solange die Niederlassung besieht, genügt der Aufgebungswille für sich allein nicht, um den Wohnsitz aufzuheben. Andererseits bleibt der Wohnsitz bestehen, auch wenn die Niederlassung aufgehört hat, solange der Aufgebungswille fehlt. Solche Fälle werden insbesondere dann anzunehmen sein, wenn jemand, der auf Reisen ist, das Wohn­ haus, in dem er an seinem Wohnsitze bisher gewohnt hat, veräußert und infolge davon an diesem Orte keine Wohnung mehr hat, seine Absicht aber dahin geht, doch nach Beendigung seiner Reise nach dem Orte seines Wohnsitzes zurückzukehren. In OLG. 12, 238 wird angenommen, daß, wenn jemand seinen Wohnsitz an einem Orte durch Gründung eines Handelsgeschäfts an diesem Orte begründet hat, der Wohnsitz nicht allein dadurch aufgehoben wird, daß die betreffende Person sich bei einer Erkrankung zu einer Verwandten begibt und an dem bisherigen Wohnsitze bei der Gewerbepolizei sein Geschäft abmeldet, um die Steuer zu ersparen, sofern er nach seiner Wiederherstellung sich dorthin zurückzubegeben beabsichtigt. Ob der Aufgebungswille vorliegt, ist aus den Umständen zu entnehmen; eine Erklärung, die Niederlassung nicht aufgeben zu wollen, wird dann nicht zu berücksichtigen sein, wenn der Wille, sie aufzugeben, aus den Umständen unzweideutig erhellt. Bei der Untersuchung, ob ein solcher Widerspruch zwischen Erklärung und Wille anzunehmen ist, wird jedoch die Möglichkeit eines mehrfachen Wohnsitzes zu berücksichtigen sein. Wird der Wohnsitz aufgegeben, ohne daß ein neuer Wohnsitz begründet wird, so ist die betreffende Person ohne Wohnsitz. In manchen Fällen, in denen rechtliche Folgen an den Wohnsitz geknüpft sind, tritt, wenn die betreffende Person ohne Wohnsitz ist, an die Stelle des Wohnsitzes der Aufenthaltsort, bisweilen auch der letzte Wohnsitz. In betreff des Gerichtsstandes trifft § 16 der ZPO. Fürsorge.

5. Die Begründung und Aushebung des Wohnsitzes steht grundsätzlich im freien Belieben des einzelnen. Möglicherweise kann aber jemand verpflichtet sein, an einem bestimmten Orte seinen Wohnsitz zu begründen. Eine solche Verpflichtung kann sich z. B. aus dem öffentlichen Rechte für Beamte und Geistliche ergeben, sie kann aber auch durch Privatrechtsgeschäft begründet werden, so dürste es zulässig sein, einem Güterdirektor die Verpflichtung aufzuerlegen, an einem bestimmten Orte seinen Wohnsitz zu haben. Umgekehrt kann man sich auch verpflichten, einen bestimmten Wohnsitz aufzugeben (RG. in IW. 11, 31). Eine Verletzung derartiger Pflichten ist natürlich auf das Vorhandensein des Wohnsitzes ohne Einfluß. Dagegen begründet eine ständige Niederlassung den Wohnsitz nicht, wenn sie gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen ein innerhalb der gesetzlichen Schranken erlassenes behördliches Verbot verstößt, dem nicht bloß disziplinare Bedeutung zukommt (K. v. R G R. Erl. 1 zu ß 7; Staudinger Erl. 10c zu § 7). 6. Mehrfacher Wohnsitz. Der Abs. 2 des § 7 entscheidet die zweifelhafte Frage, ob jemand einen mehrfachen Wohnsitz haben kann, abweichend von dem code civil, aber in Übereinstimmung

mit der herrschenden gemeinrechtlichen Auffassung, bejahend. Die eine der mehreren Niederlassungen

§ 8. Wer geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, kann ohne den Willen seines gesetzlichen Vertreters einen Wohnsitz weder begründen noch aufheben. darf jedoch nicht auf den Betrieb eines bestimmten Geschäfts beschränkt sein, sondern beide Nieder­ lassungen müssen sich auf die gesamten Lebensverhältnisse beziehen (vgl. OLG. 13, 307; 22, 108). Ein solcher Fall wird z. B. dann anzunehmen sein, wenn jemand zwei vollständig eingerichtete Wohnungen, die eine in der Stadt, die andere auf dem Lande hat und abwechselnd bald in der einen, bald in der anderen wohnt (vgl. PrOVG. 54, 185). Hierher gehört auch der Fall, daß ein Arzt im Sommer in einem Badeorte wohnt und dort seine Praxis ausübt. im Winter aber in der Stadt wohnt und an beiden Orten eine feste Wohnung hat (a. A. Hölder Erl. 4 zu § 7; Dernburg I § 57 IV 2; Endemann I § 36 Anm. 9, die in solchen Fällen nicht mehr­ fachen, sondern wechselnden Wohnsitz annehmen; dagegen Oertmann Erl. 5a zu § 7; Enneccerus § 89 Anm. 19; v. Tuhr I 430; vgl. auch OLG. 17, 80, wo der Fall insofern anders liegt, als der Arzt im Winter in der Stadt sich bei seiner Schwiegermutter aufhält, und deshalb die Entscheidung dahin geht, daß der Arzt seinen Wohnsitz am Badeorte gehabt habe). 7. Aufenthalt in einer Strafanstalt. Der § 35 des E. I enthielt die Vorschrift, daß der Aufenthalt in einer Strafanstalt nicht für sich allein die Aushebung des Wohnsitzes begründe, den der Strafgefangene vorher gehabt, und zwar selbst dann nicht, wenn er an dem bisherigen Wohnort eine Wohnung oder häusliche Einrichtung nicht mehr hat. Dasselbe sollte für Unter­ suchungsgefangene oder die in einer Besserungs- oder einer ähnlichen Anstalt Untergebrachten gelten. Von der zweiten Kommission ist dieser Paragraph gestrichen, indem man davon aus­ ging, daß kein Bedürfnis vorliege, in dieser Richtung eine besondere Vorschrift zu geben. Die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des § 7 wird zu demselben Ergebnisse führen wie die gestrichene Vorschrift. Der Aufenthalt in der Strafanstalt usw. ist für sich allein nicht genügend, um den bisherigen Wohnsitz auszugeben. Was hinzukommen muß, ergibt sich aus den obigen Aussührungen. Vgl. SeufsA. 56, 433; BayObLG. im Recht 12 Nr. 362. Daraus, daß der Strafgefangene seine Fabrik auflöst, seine Wohnung kündigt und seine Familie bei Verwandten unlerbringt, kann wohl auf die Aufhebung des bisherigen Wohnsitzes, nicht aber auf die Be­ gründung des Wohnsitzes am Orte der Strafanstalt geschlossen werden (a. A. Co sack § 38 I). Zu weit dürste es gehen, wenn Hölder Erl. 3d« zu § 7; Oertmann Erl. 3d« zu § 7; K. v.RGR. Erl. lzuz7;Staudinger Erl. 3 zu 8 7 wegen des auf den Gefangenen ausgeübten Zwanges den Wohnsitz am Orte der Strafanstalt ausnahmslos verneinen; s. dagegen Kohler I § 104 V; Leonhard § 30 III. 8. Über erwählten Wohnfitz s. EG. Art. 157. 8 8. E. I 8 36; II 8 18 rev. 8 8; III 8 8. P. I 57f.; M. I 72. P. II 1 S. 39; 6 S. 119ff.

Wohnfitz einer geschäftsunfähigen oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person. „Die Vorschriften der §§ 104ff. über Geschäftsfähigkeit beziehen sich nur auf Rechtsgeschäfte. Über ihre analoge Anwendung auf andere Rechtshandlungen s. Vorbm. X vor Abschn. 3. Die Be­ gründung und Aufhebung des Wohnsitzes ist kein Rechtsgeschäft, aber eine Rechtshandlung. (So die fast einstimmige Ansicht, vgl. Manigk, Willenserklärung und Willensgeschäft 07, 678ff.; Klein, Die Rechtshandlungen im engeren Sinne 1912, 63 ff.; a. A. D Ittenberg er, Der Schutz des Kindes gegen die Folgen eigener Handlungen 03,114 ff.) Bei der praktischen Wichtigkeit der Frage, ob der Wohnsitz begründet oder aufgehoben ist, wird in § 8 eine spezielle Vorschrift gegeben, in welcher Art die analoge Anwendung der Vorschriften über Geschäftsfähigkeit hier statt­ zufinden hat. Bei der Begründung und Aufhebung des Wohnsitzes geschäftsunfähiger oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkter Personen sind zwei Fragen auseinanderzuhalten,' die Frage, unter welchen Voraussetzungen durch eigene Handlungen dieser Personen ein Wohnsitz begründet und aufgehoben werden kann, und die Frage, ob dies auch lediglich durch die Handlung des gesetzlichen Vertreters geschehen kann. § 8 beantwortet nur die erste Frage. Danach soll der Wille eines Geschäftsunfähigen sowie einer in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person nicht genügen, um die hier fragliche Rechtswirkung hervorzubringen, vielmehr soll auch der Wille des gesetzlichen Vertreters erforderlich sein. Eine besondere Art, in der dieser Wille zu erklären ist, wird nicht vorgeschrieben. Es genügt, daß er vorhanden ist. Ob dies der Fall ist, muß aus den Um-

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I. Abschnitt: Personen.

ständen entnommen werden. Das Einverständnis des gesetzlichen Vertreters ist keine Zustimmung im Sinne der für Rechtsgeschäfte geltenden Vorschriften. Daher kommt ihm keine rückwirkende Kraft zu, wenn es erst nachträglich erfolgt. Abweichend von den Vorschriften für Rechtsgeschäfte kommt in § 8 auch der Wille eines Geschäftsunfähigen in Betracht, doch ist jedenfalls tatsächliche Handlungsfähigkeit zu erfordern (Oertmann Erl. 2a zu § 8; Staudinger Erl. 1 zu ß 8; dagegen K.v.R G R. Erl. 1 zu § 8, der bei Geschäftsunfähigen annimmt, daß die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters den Willen des Geschäftsunfähigen ersetze; wie es scheint auch Bier­ mann I § 124 Ziff. 4’; v. Tuhr I 430 Anm. 10). Aus § 8 ist nicht der Schluß zu ziehen, daß der gesetzliche Vertreter nicht auch ohne den Willen des Vertretenen für ihn einen Wohnsitz begründen könnte (a. A. Hölder Erl. 2 zu § 8 [teUrocifc]; Fr. Leonhard, Vertretung beim Fahrniserwerb 67; Manigk a. a. O. 684). Das objektive Moment muß freilich stets in der Person des Vertretenen gegeben sein, und des­ halb handelt es sich hier nicht um einen Fall der Stellvertretung. Aber der Wille braucht nur beim gesetzlichen Vertreter vorzuliegen (so auch Oertmann Erl. 2b zu § 8; Staudinger Erl. 2 zu § 8; Dernburg I § 57 IV 4; Leonhard § 68 IVd; v. Tuhr I 430; Jsay, Die Geschäftsführung nach dem BGB. für das Deutsche Reich 00, 364ff.; Klein a. a. O. 70). Das ergibt sich aus den allgemeinen Grundsätzen über die rechtliche Stellung des gesetzlichen Vertreters. Das Recht des gesetzlichen Vertreters, den Aufenthalt des Vertretenen zu bestimmen, wird in den §§ 1631, 1800, 1901 ausdrücklich anerkannt. Wollte man dies nicht auch auf den Wohnsitz beziehen, so würde eine bedenkliche Lücke bestehen. Das Interesse des Geschäfts­ unfähigen oder in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten kann einen Wechsel des Wohnsitzes nötig machen, man denke nur an den Fall, daß der Wohnsitz des verstorbenen Vaters im Auslande war. Dieses Interesse würde nach der Ansicht der Gegner überhaupt nicht befriedigt werden können, wenn dem Vertretenen die tatsächliche Handlungsfähigkeit mangelt, seine Beftiedigung könnte durch die Unvernunft des Vertretenen vereitelt werden, wenn er tatsächlich handlungsfähig ist, aber sich der Verlegung des Wohnsitzes widersetzt. Eine besondere Vorschrift über die in einer Irrenanstalt untergebrachten Per­ sonen enthält das BGB. nicht. Es wird hier darauf ankommen, ob die Unterbringung nur zu dem vorübergehenden Zwecke der Heilung oder, wie bei unheilbaren Geisteskranken möglich ist, zu dem Zweck erfolgte, daß sie dauernd in der Anstalt verpflegt werden. Im letzteren Falle liegt das objektive Erfordernis einer ständigen Niederlassung vor und der Erwerb des Wohn­ sitzes an dem Orte der Anstalt hängt daher davon ab, ob der gesetzliche Vertreter die Begründung des Wohnsitzes für den Vertretenen an diesem Orte will. Dies ist aus den Umständen zu ent­ nehmen (OLG. 2, 445; 17, 359; SeuffA. 55, 134). In der Regel wird der Wille vorliegen (Staudinger Erl. 2 zu § 8; Biermann I § 124 Anm. 11; Enneccerus § 89 II la« nehmen ihn anscheinend stets als vorliegend an; Josef ZBlFG. 4, 315 will nie Wohnsitz am Orte der Heilanstalt annehmen, vgl. auch denselben im Recht 10, 441). Daß die Vermögensverwaltung an den Ort der Heilanstalt verlegt wird, ist nicht erforderlich (a. A. Oertmann Erl. 3 zu § 8; wie hier Staudinger Erl. 2 zu § 8; v. Tuhr I 430 Anm. 11). Wer gesetzlicher Vertreter ist, ergibt sich aus den Vorschriften über die elterliche Gewalt (88 1627 ff., 1684 ff.) sowie über die Vormundschaft (88 1773 ff., 1897 ff.) und über Pflegschaft (§§ 1915 ff.).

88 9-11. 1. Gesetzlicher Wohnsitz. Die 88 9—11 bestimmen die Fälle, in welchen eine Person ohne Rücksicht darauf, ob die Voraussetzungen der 88 7, 8 vorliegen, ihren Wohnsitz an einem be­ stimmten Orte hat. Andere als die in diesen Paragraphen bezeichneten Fälle des gesetzlichen Wohnsitzes kennt das BGB. nicht. Insbesondere besteht für Beamte ein gesetzlicher Wohnsitz an dem Orte ihre Amtssitzes nicht. Die abweichenden Vorschriften einiger Landesgesetze treten außer Kraft. Die Reichsgesetze sprechen an verschiedenen Stellen vom dienstlichen Wohnsitze (s. z. B. das G. über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit v. 1. Juni 70 8 9 Abs. 2, G. betr. die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten v. 31. März 73 88 21, 22). Unter diesem Ausdrucke wird der Ort zu verstehen sein, an dem oder von dem aus die dienstliche Tätigkeit zu entfalten ist. In späteren Gesetzen wird statt des Ausdrucks „dienst­ licher Wohnsitz" meistens der Ausdruck „Amtssitz" gebraucht (s. z. B. ZPO. 8 382; B. v. 23. April 79 88 3, 7, 10, 11). Auch für Gesinde besteht kein gesetzlicher Wohnsitz (vgl. jedoch den Vorbehalt für die Landes­ gesetze im Art. 95 des EG.).

§ 9. Eine Militärperson hat ihren Wohnsitz am Garnisonorte. Als Wohn­ sitz einer Militärperson, deren Truppenteil im Jnlande keinen Garnisonort hat, gilt der letzte inländische Garnisonort des Truppenteils. Diese Vorschriften finden keine Anwendung auf Militärpersonen, die nur zur Erfüllung der Wehrpflicht dienen oder die nicht selbständig einen Wohnsitz begründen können. 2. Die Vorschriften über den gesetzlichen Wohnsitz sind zwingender Natur; sie sind dies auch insofern, als neben dem gesetzlichen Wohnsitze nicht noch ein anderer Wohnsitz nach Maßgabe des § 7 bestehen kann. Bei dem gesetzlichen Wohnsitze der Militärpersonen (§ 9) kann es aller­ dings zweifelhaft sein, ob hier nicht neben dem Wohnsitz am Garnisonorte noch ein anderer ge­ wählter Wohnsitz an einem anderen Orte möglich ist, so z. B., wenn ein Offizier auf einem Landgut einen vollständig eingerichteten Haushalt hat und seine Familie dort wohnt und er selbst, so oft sein Dienst es gestaltet, auch nach dort kommt. Die Vorschrift des § 7 Abs. 2, nach welcher ein Wohnsitz gleichzeitig an mehreren Orten bestehen kann, ist indessen für den gesetzlichen Wohnsitz nicht für anwendbar erklärt und in Ermangelung einer solchen Bestimmung dürste in der gesetzlichen Vorschrift, daß jemand seinen Wohnsitz an einem bestimmten Orte habe, auch die Vor­ schrift liegen, daß er nur an diesem Orte seinen Wohnsitz habe (a. A. Staudinger § 9 IV 2; wie hier Hölder Erl. 3d zu § 9; Oertmann Erl. 4 zu Z 9; Rehbein I 23; K.v. RG R. Erl. 1 zu § 9; Biermann I § 124 Ziff. 5a; Dernburg I § 57 V; Enneccerus § 89 III; v. Tuhr I 431).

3. In Ansehung des Gerichtsstandes enthielten die §§ 14—17 der bisherigen ZPO. Vor­ schriften über den gesetzlichen Wohnsitz, die §§ 14, 15 über den Wohnsitz der Militärpersonen, der § 16 über den Wohnsitz der Deutschen, welche das Recht der Exterritorialität besitzen und der im Ausland angestellten Beamten des Reichs oder eine- Bundesstaats, der § 17 über den Wohnsitz der Ehefrau und der Kinder. Die §§ 9—11 des BGB. enthalten Vorschriften, welche mit einigen Änderungen den §§ 14, 15, 17 der ZPO. entsprechen. Die §§ 15, 17 sind deshalb in der jetzigen ZPO. gestrichen; der § 14 ist auf eine Bestimmung für den Fall beschränkt, daß der als Wohnort dienende Garnisonort in mehrere Gerichtsbezirke zerfällt. Der § 16 ist als § 15 in der ZPO. verblieben, hat aber mit Rücksicht darauf eine etwas andere Fassung erhalten, daß nach § 9 des SchutzgebG. in der Fassung v. 10. Sept. 00 auch solche Personen Reichs­ angehörige sein können, welche einem deutschen Bundesstaate nicht angehören. In Zukunft werden also über den Wohnsitz einer Person, auch in Ansehung des Gerichtsstandes, die Vor­ schriften des BGB. entscheiden (a. A. Mendelssohn-Bartholdy a. a. O.) und bleibt nur in betreff der in § 15 der ZPO. bezeichneten Personen die besondere Vorschrift dieses Paragraphen bestehen Sie ist durch das BGB. nicht auf den Wohnsitz jener Personen überhaupt ausgedehnt; dieser bestimmt sich vielmehr im allgemeinen nach den Vorschriften des BGB. und nur in An­ sehung des Gerichtsstandes nach 8 15 der ZPO. Wegen der Vorschriften der StPO. § 11 s. EG. Art. 35.

8 9. @.I g 37; II g 19 rev. § 9; III 8 9. P. I 5511617, 11618, 12034; M. I 72ff. P. II 1 S. 40.

1. Der § 9 entspricht den §8 14, 15 der bisherigen ZPO. Der § 15 ist mit dem Abs. 1 des § 14 verbunden, um klarzustellen, daß die Ausnahnre des § 14 Abs. 2 sich auch auf jene Vorschrift bezieht. 2. Militärpersonen sind die Personen des Soldatenstandes und die Militärbeamten, welche zum Heere oder zur Marine gehören. Unter „Heer" ist das deutsche Heer, unter Marine die Kaiserliche Marine zu verstehen (f. MStGB. für das Deutsche Reich v. 20. Juni 72 § 4); eine Aufzählung der fraglichen Personen enthält die Anl. I dieses Gesetzes (s. ferner das G. betr. die Verpflichtung zum Kriegsdienste v. 9. Nov. 67 §§ 2, 13 und das RMilG. v. 2. Mai 74 § 38). Beamte der Militärverwaltung, welche keinen Militärrang haben, gehören nach der Anlage I zum MStGB. nicht zu den Militärpersonen (vgl. Hölder Erl. 2 zu § 9; Oertmann Erl. 2a zu § 9; K.v.RGR. Erl. 1 zu 8 9).

3. In dem bisherigen 8 15 der ZPO. heißt es: „Truppenteil, welcher im Deutschen Reiche keine Garnison hat". Die Worte „im Deutschen Reiche" sind in dem 8 9 Abs. 1 Satz 2 durch

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I. Abschnitt: Personen.

§ 10. Die Ehefrau teilt den Wohnsitz des Ehemanns. Sie teilt den Wohnsitz nicht, wenn der Mann seinen Wohnsitz im Ausland an einem Orte be­ gründet, an den die Frau ihm nicht folgt und zu folgen nicht verpflichtet ist. Solange der Mann keinen Wohnsitz hat, oder die Frau seinen Wohnsitz nicht teilt, kann die Frau selbständig einen Wohnsitz haben. die Worte „im Jnlande" ersetzt. Eine sachliche Änderung ist damit nicht beabsichtigt. Die Änderung ist nur eine Folge der Terminologie des BGB., nach welcher das Wort „Inland" gebraucht wird, wo das deutsche Reichsgebiet bezeichnet werden soll. Der Reichsangehörige wird nicht als Inländer, sondern als „Deutscher" bezeichnet, weil die Reichsangehörigkeit durch den Wohnsitz oder den Aufenthalt in dem Reichsgebiete nicht bedingt ist. Für Militärpersonen, deren Truppenteil sich im Ausland aufhält und im Inland einen Garnisonort weder hat noch gehabt hat, besteht ein gesetzlicher Wohnsitz nicht; das Reichsgesetz vom 28. Mai 1901 § 8 Abs. 2 gibt indes die Möglichkeit, für sie durch Kaiserliche Verordnung einen im Inland belegenen Ort als Garnisonort zu bestimmen, aber nur für Angelegenheiten der streitigen Gerichtsbarkeit. Im übrigen entscheiden für den Wohnsitz solcher Militärpersonen die §§ 7, 8. Der Umstand, daß die betreffende Militärperson vorher einem im Inland garnisonierenden Truppenteil angehörte, ist für die Bestimmung ihres gegenwärtigen Wohnsitzes gleichgültig (a. A. Staudinger Erl. VII zu § 9; Dernburg § 57 Anm. 17. Siehe auch Sauer in DIZ. 00, 415ff.). 4. Zur Erfüllung der Wehrpflicht dienen auch die einjährigen, zweijährigen und dreijährigen Freiwilligen. Die Ausnahme bezieht sich auch auf diejenigen Personen des Beurlaubtenstandes, die zu einer freiwilligen Übung einberufen sind (Hölder Erl. 2b ß zu 8 9; Oertmann Erl. 3a zu § 9; Enneccerus § 89 Anm. 9). Der entscheidende Gesichtspunkt für die erste Ausnahme ist, daß es sich nur um eine vorübergehende Dienstleistung handelt. Aus demselben Grunde fallen die in Kriegszelten freiwillig eingetretenen Offiziere, Ärzte, Militär­ beamten und Mannschaften, welche weder zum Friedens- noch zum Beurlaubtenstande gehören (RMG. § 38 B 2), unter die Ausnahme. Die Annahme des K. v. R G R. Erl. 1 zu § 9, daß in Kriegszeiten alle zum Heer oder zur Marine einberufenen oder freiwillig eingetretenen Mann­ schaften, Offiziere, Ärzte und Militärbeamte den gesetzlichen Wohnsitz des § 9 haben, dürste mit

dem Zweck dieser Vorschrift nicht vereinbar sein (Enneccerus § 89 Anm. 13). 5. Selbständig einen Wohnsitz begründen können nach § 8 nicht die Geschäftsunfähigen und die in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Personen. Minderjährige Berufssoldaten werden übrigens in der Regel nach §§ 7, 8 denselben Wohnsitz haben wie die volljährigen.

8 10. E. I 8 39; 11 8 20 red. 8 10; III 8 10. P. I 56ff.; M. I 74. P. II S. 1 41 ff.; 6 S. 113. 1. Der § 10 entspricht dem § 17 Abs 1 der früheren ZPO., enthält jedoch im Abs. 1 Satz 2 und im Abs. 2 Einschränkungen der Regel. 2. Begründung des gesetzlichen Wohnsitzes der Ehefran. Der gesetzliche abgeleitete Wohnsitz der Ehefrau beginnt mit der Eingehung der Ehe. Der Wohnsitz wird daher nicht begründet, wenn die Ehe nichtig ist (a. A. Rehbein I 23; K v. R G R. Erl. 2 zu § 10; Dernburg IV § 21 IV; dagegen v. Tuhr I Anm. 432 20a; Thiesing, Die Wirkungen nichtiger Ehen 07, 95 f., 147). Nach §§ 1329, 1343 kann aber die Nichtigkeit einer Ehe, abgesehen von dem Falle, daß die Ehe nicht in der vorgeschriebenen Form geschlossen und nicht in das Heirats­ register eingetragen ist, nur im Wege der Nichtigkeitsklage bzw. der Anfechtungsklage gellend gemacht werden und erst, wenn die Nichtigkeitserklärung erfolgt ist, kann sich jeder darauf be­ rufen. Demnach kann auch der gesetzliche Wohnsitz einer Ehefrau wegen Nichtigkeit der Ehe in den gedachten Fällen nur dann bestritten werden, wenn die Ehe für nichtig erklärt ist. Nach den §§ 151, 152 der ZPO. kann aber, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits von der Nichtig­ keit oder Anfechtbarkeit einer Ehe abbängt, die Aussetzung des Verfahrens in der in den gedachten Paragraphen bezeichneten Art verlangt werden (a. A. v. Tuhr I 432 Anm. 20a). Der gesetzliche Wohnsitz der Ehefrau entsteht auch dann, wenn der Ehemann zur Zeit der Eingehung der Ehe seinen Wohnsitz im Auslande hatte (a. A. Hölder Erl. 2a zu § 10, der dies für den Fall ver­ neint, datz der ausländische Wohnsitz des Ehemanns der Frau weder bekannt war noch bekannt sein mußte).

3. Aufhebung des gesetzlichen Wohnsitzes der Ehefrau. Wird die Ehe durch den Tod des Ehemanns oder durch Scheidung der Ehe aufgelöst, so hört der gesetzliche Wohnsitz der Ehefrau auf, und ihr Wohnsitz bestimmt sich nunmehr nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 7, 8. Eine dem § 11 Abs. 1 Satz 2 entsprechende Bestimmung, nach welcher die Ehefrau, wenn die Voraussetzungen des gesetzlichen Wohnsitzes wegfallen, diesen doch so lange behält, bis sie einen neuen Wohnsitz begründet, besieht nicht. Wird also die Ehe aufgelöst, so ist die Ehe­ frau zunächst ohne Wohnsitz, sofern nicht anzunehmen ist, daß schon während der Ehe die Voraus­ setzungen eingetreten sind, unter welchen nach § 7 Abs. 1 der Wohnsitz der Eheftau an dem Orte des Wohnsitzes des Ehemanns begründet gewesen sein würde, wenn sie nicht den gesetzlichen Wohnsitz gehabt hätte. Ist dies der Fall, so werden jene Voraussetzungen mit dem Wegfälle des gesetzlichen Wohnsitzes wirksam, und wird daher nunmehr der Wohnsitz der Ehefrau an dem bisherigen Orte nach Maßgabe des § 7 begründet. Ein solches Verhältnis wird regelmäßig dann anzunehmen sein, wenn die Ehegatten an dem Wohnsitze des Ehemanns in ehelicher Gemein­ schaft zusammengewohnt haben. Anders dagegen, wenn die Ehegatten getrennt lebten. In diesem Falle wird der Ort, an welchem die Frau bisher gelebt hat, ihr Wohnsitz, wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 für diesen Ort vorliegen; andernfalls ist sie ohne Wohnsitz, bis sie einen solchen begründet (a. A. Rehbein I 23; Dernburg I § 57 V 2 Anm. 20; Matthiaß § 25 I B 2; Zitelmann 48; die annehmen, daß der gesetzliche Wohnsitz der Frau nach Aus­ lösung der Ehe fortdaure, bis er durch contrarius actus aufgehoben sei, wie hier Hölder Erl. 3c zu § 10; Oertmann Erl. 6 zu 8 10; Staudinger Erl. 8 zu § 10; Enneccerus § 89 Anm. 17; v. Tuhr I 433 Anm. 22). 4. Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft. In dem § 1586 ist bestimmt, daß, wenn nach § 1575 die eheliche Gemeinschaft aufgehoben wird, die mit der Scheidung verbundenen Wirkungen eintreten. Da die Scheidung die Auflösung der Ehe und diese die Aufhebung des gesetzlichen Wohnsitzes der Ehefrau zur Folge hat, so hört dieser Wohnsitz auch mit der Rechtskraft des Urteils auf, in welchem auf Grund des § 1575 die eheliche Gemeinschaft aufgehoben ist (Hölder Erl. 4 zu 8 10; Oertmann Erl. 3b zu § 10; Rehbein I 23; K. v. RGR. Erl. 2 zu 8 W; Biermann I § 124 Zisf. 5b; Enneccerus § 89 Anm. 17; Windscheid-Äipp Zusatz zu § 36; v. Tuhr I 433; RG. 59,340; a. A. Staudinger Erl. 7ä zu 8 10; Mendelslohn-Barlholdy in SeufsBl. 10, 53 Anm. 1 a). Wird die eheliche Gemeinschaft in einem solchen Falle später wiederyergestellt, so fallen nach 8 1587 die mit der Aushebung der Gemeinschaft verbundenen Wirkungen weg, und wird mit diesem Zeitpunkt also der gesetzliche Wohnsitz der Ehefrau wieder begründet. Die im bisherigen § 17 Abs. 1 der ZPO. hinzugefügte Beschränkung „sofern nicht auf immerwährende Trennung von Tisch und Bett erkannt ist", ist weggelassen, weil sie für die Zeit nach dem Inkrafttreten des BGB. mit Rücksicht auf die Vorschrift des § 1586 überflüssig ist und Urteile deutscher Gerichte auf immerwährende Trennung von Tisch und Bett seit dem PStG. v. 75 nicht mehr Vorkommen konnten. Derartige Urteile aus früherer Zeit werden selten noch in Frage kommen; soweit dies der Fall sein sollte, werden sie in der hier fraglichen Be­ ziehung ebenso wie Urteile auf Scheidung zu behandeln sein. Über die von ausländischen

Gerichten ergehenden Urteile dieser Art s. Erl. zu EG. Art. 17. 5. Ausnahmen von dem gesetzlichen Wohnsitze der Ehefrau. Der gesetzliche Wohnsitz der Ehefrau fällt weg, wenn der Ehemann seinen Wohnsitz im Ausland an einem Orte begründet, an den die Frau ihm nicht folgt und nicht zu folgen verpflichtet ist. Die Frau ist nach §§ 1353 Abs. 2, 1354 Abs. 2 dem Ehemanne zu folgen nicht verpflichtet, wenn das hierauf gerichtete Verlangen des Ehemanns ein Mißbrauch seines Rechtes ist. Wann ein solcher Mißbrauch anzunehmen ist, muß aus dem Wesen der ehelichen Gemeinschaft unter Berücksichtigung der Um­ stände des einzelnen Falles entschieden werden. Folgt die Frau dem Ehemann, obgleich sie nicht dazu verpflichtet ist, so greift die Ausnahme nicht Platz. Wer sich darauf beruft, daß der gesetz­ liche Wohnsitz nicht begründet sei, muß das Zusammentreffen beider gesetzlicher Voraussetzungen der Ausnahme, also, daß die Frau dem Ehemanne nicht gefolgt und daß sie dazu nicht ver­ pflichtet gewesen sei, beweisen. Zweifelhaft kann sein, wie das Verhältnis zu beurteilen ist, wenn die Frau dem Ehemanne gefolgt ist, obwohl sie nicht dazu verpflichtet war, sich später aber von dem Ehemanne trennt und nach Deutschland zurückkehrt. Der gesetzliche Wohnsitz war begründet, indem die Frau dem Ehemanne folgte, und eine Vorschrift, daß der gesetzliche Wohnsitz im Falle späterer Trennung wieder aufhöre, besteht nicht. Trotzdem dürste nach Absicht des Gesetzes an­ zunehmen sein, daß in einem Falle der fraglichen Art, vorausgesetzt, daß die Verpflichtung, dem Ehemanne zu folgen, auch zur Zeit der Trennung nicht besteht, der gesetzliche Wohnsitz der Frau

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I. Abschnitt: Personen.

§ 11. Ein eheliches Kind teilt den Wohnsitz des Vaters, ein uneheliches Kind den Wohnsitz der Mutter, ein an Kindes Statt angenommenes Kind den Wohnsitz des Annehmenden. Das Kind behält den Wohnsitz, bis es ihn rechtsgültig aufhebt. Eine erst nach dem Eintritte der Volljährigkeit des Kindes erfolgende Legiti­ mation oder Annahme an Kindes Statt hat keinen Einfluß auf den Wohnsitz des Kindes. aufhört (a. A. Hölder Erl. 2b zu § 10; K. v. NGR. Erl. 1 zu § 10; wie hier Staudinger Erl. 8 zu § 10). Entsprechend dürfte das Verhältnis zu beurteilen sein, wenn die Frau bei der Verlegung des Wohnsitzes verpflichtet war, dem Manne zu folgen, ihm aber nicht folgte und nun später die Verhältnisse sich so gestalten, daß die Frau nicht mehr als verpflichtet angesehen werden kann, dem Manne zu folgen. Ist der neue Wohnsitz des Ehemanns im Jnlande, so hat die Frau ihren gesetzlichen Wohnsitz an dem neuen Wohnsitze des Ehemanns, auch wenn sie ihm dahin weder folgt noch zu folgen verpflichtet ist (Oertmann Erl. 4a zu § 10; Rehbein I 23; K. v. R G R. Erl. 1 zu § 10; Staudinger Erl. 5, 7b zu § 10; Biermann I § 124 Ziff. 5b; Cosack § 38 I 2a; Enneccerus § 89 Anm. 15; Matthiaß § 25 1 B 2; Hachenburg 377; v. Tuhr I 432 91 nm.20; RG.59, 337; a. 91. Crome § 46 Ziff. 3; Dernburg I § 57 V 2; Kohler I § 104 IV; Eck I 41; Levy 133). Auch eine einstweilige Verfügung nach § 627 ZPO., die der Ehefrau das Getrenntleben gestaltet, hebt den gesetzlichen Wohnsitz der Ehefrau nicht auf (a. 91. Endemann I § 36 Anm. 16). 6. Im Falle des Abs. 2 ist das Verhältnis ebenso zu beurteilen wie nach Auflösung der Ehe. Lagen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 schon in dem Zeitpunkte vor, in welchem der Ehemann aufhörte, einen Wohnsitz zu haben, oder die Frau seinen Wohnsitz nicht mehr teilte, so wird der Ort, für welchen jene Voraussetzungen Vorlagen, der Wohnsitz der Frau; anderenfalls ist sie ohne Wohnsitz, bis sie einen solchen selbständig begründet.

8 n. E. I 8 40; II 8 21 reu. 8 11; III 8 11.

1. Wohnsitz ehelicher Kinder.

P. I 57f., 8627ff.; M. I 75ff.

P. II 1 S. 423; 6 S. 113.

Ehelich ist nach § 1591 ein Kind, das nach der Eingehung der Ehe geboren wird, wenn die Frau es vor oder während der Ehe empfangen und der Mann innerhalb der Empsängniszeit der Frau beigewohnt hat, es sei denn, daß es den Umständen nach offenbar unmöglich ist, daß die Frau das Kind von dem Manne empfangen hat. Als ehelich gilt ferner nach § 1699 ein Kind aus einer nichtigen Ehe, das im Falle der Gültigkeit der Ehe ehelich sein würde, sofern nicht beide Ehegatten die Nichtigkeit der Ehe bei der Ehe­ schließung gekannt haben und nicht der im Abs. 2 bezeichnete Fall vorliegt. Die Vorschrift des § 11 gilt ferner für alle Kinder, welche die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes haben. Dies sind die durch nachfolgende Ehe (§ 1719) oder durch Ehelichkeitserklärung (§ 1736) legitimierten Kinder sowie die an Kindes Statt angenommenen Kinder (§ 1757; wegen der letzteren s. Erl. 5). Das eheliche Kind erhält den Wohnsitz des Vaters, nicht des Inhabers der elterlichen Gewalt. Das Kind teilt auch nach der Ehescheidung der Eltern den Wohnsitz des allein für schuldig erklärten Vaters (SeuffA. 66, 177). Vater ist nur der eheliche Vater und derjenige, welchem gegenüber das Kind nach den oben angeführten Vorschriften als eheliches Kind gilt oder die rechtliche Stellung eines solchen Hai. Der uneheliche Vater ist nicht Vater im Sinne des § 11 (§ 1589 Abs. 2). Wo die Ausdrücke „Vater", „Eltern", „Großeltern", „Voreltern", „Ge­ schwister" gebraucht werden, sind darunter nur diejenigen zu verstehen, welche nach § 1569 ver­ wandt sind. Nur in bestimmten Beziehungen, insbesondere in betreff der Unterhaltspflicht, wird auch der uneheliche Vater als Vater bezeichnet, nicht aber in der hier fraglichen Beziehung. Hat der Vater bei der Geburt des Kindes keinen Wohnsitz, so ist auch das Kind wohnsitzlos, bis entweder der Vater einen Wohnsitz erwirbt oder das Kind für sich einen Wohnsitz begründet. Lebt der Vater bei der Geburt des Kindes nicht mehr, so ist das Kind ebenfalls zunächst ohne Wohnsitz (Staudinger Erl. 2a zu § 11; a. A. Hölder Erl. la zu § 11; Landsberg §26, welche annehmen, daß das nachgeborene Kind wie ein uneheliches den Wohnsitz der Mutter teile). 2. Das uneheliche Kind teilt den Wohnsitz der Mutter, aber nur dann, wenn es nicht nach den unter Erl. 1 angeführten Vorschriften die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes hat und deshalb den Wohnsitz des Vaters teilt.

§ 12. Wird das Recht zum Gebrauch eines Namens dem Berechtigten von einem anderen bestritten oder wird das Interesse des Berechtigten dadurch verletzt, daß ein anderer unbefugt den gleichen Namen gebraucht, so kann der Berechügte von dem anderen Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann er auf Unterlassung klagen. 3. Eine besondere Vorschrift war für das an Kindes Statt angenommene Kind notwendig, weil auch eine Frau an Kindes Statt annehmen kann. Unter „Frau" wird in dem BGB. jede Person weiblichen Geschlechts verstanden, sofern sich nicht aus dem Zusammenhang ein anderes ergibt. Nimmt eine Frau an Kindes Statt an, so teilt das Kind ihren Wohnsitz, nicht den seines Vaters. Wird ein Kind von Ehegatten gemeinschaftlich angenommen, so hat es die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes beider (§ 1757 Abs. 2) und teilt dann den Wohnsitz des Vaters. Dasselbe gilt, wenn ein Ehegatte das Kind des anderen Ehegatten annimmt; auch hier teilt das Kind den Wohnsitz desjenigen, welcher entweder der Vater ist oder krast jener Vorschrift die rechtliche Stellung des Vaters hat. 4. Dauer des Wohnsitzes. Das Kind behält den nach Erl. 1—3 begründeten Wohnsitz, bis es denselben rechtsgültig aufhebt. Ändert diejenige Person, deren Wohnsitz das Kind teilt, ihren Wohnsitz, so ändert sich auch der Wohnsitz des Kindes (OLG. 12, 1). Dies gilt auch dann, wenn das Kind bereits volljährig ist (a. A. H öl der Erl. 2b zu § 11). Der Wohnsitz des Kindes dauert auch nach dem Tode desjenigen fort, durch dessen Wohnsitz nach Erl. 1 3 der Wohnsitz des Kindes bestimmt wird. Dasselbe gilt, wenn der Vater den Wohnsitz aufgibl ohne einen neuen zu begründen, wenn er also wohnsitzlos wird (M. I, 75f.; Oertmann Erl. 3b zu Z 11; Rehbein I 24; K. v. R G R. Erl. 2 zu ZU; Staudinger Erl. 3a zu § 11; Biermann I § 124 Ziff. 5c; v. Tuhr I 433; OLG. 10, 56; BayObLG. im Recht 08, Beil. 645 Nr. 3520; a. A. Holder Erl. la zu § 11, der annimmt, daß das Kind auch die Wohnsitzlosigkeii des Vaters teile. Die rechtsgültige Aufhebung bestimmt sich nach § 7 Abs. 3 bzw. nach § 8. Ist das .Nind unbeschränkt geschäftsfähig, so hängt es von seinem Willen ab, den bisherigen gesetzlichen Wohnsitz aufzuheben. Anderenfalls ist die Zustimmung des gesetzlichen Verireters erforderlich. Der gesetzliche Vertreter kann auch hier ohne Mitwirkung des Kindes dessen Wohnsitz aufheben (OLG. 2, 71 Anm. 2). Darin allein, daß die Mutter nach dem Tode des Vaters für sich einen neuen Wohnsitz begründet, an dem nun auch das Kind seinen Aufenthalt hat, liegt eine Aushebung des bisherigen Wohnsitzes für das Kind nicht (OLG. 2, 72; a. A. Biermann I § 124 Anm. 17; Levy 135; OLG. 2, 71; vgl. auch BayObLG. 5, 525ff.). Dadurch, daß der Vater eines Kindes seiner von ihm geschiedenen Ehefrau das Kind durch Vertrag überläßt, wird der Wohnsitz des Kindes regelmäßig nicht verändert (KG. 38 A 79ff.). Auch aus der Fest­ stellung, daß der Vormund das Mündel ganz zu sich genommen hat, folgt noch nicht die Be­ gründung eines neuen Wohnsitzes für das Kind (BayObLG. im Recht 08, 613 Nr 3383), ebensowenig daraus, daß das Kind mit Zustimmung des Vormundes durch die Armenpflege untergebracht wird (BayObLG. im Recht 11 Nr. 1089). Ist der gesetzliche Wohnsitz des KindeS nach Abs. 1 S. 2 einmal aufgehoben, so lebt er nicht wieder auf, auch wenn das Kind später zum Vater zurückkehrt (Oertmann Erl. 4b zuZ 11; K. v. RG R Erl. 2 zu Z 11; v. Tuhr I 434). 5. Der Abs. 2 trägt den Verhältnissen des Lebens Rechnung. Während an sich die Voll­ jährigkeit des Kindes ohne Einfluß aus den gesetzlichen Wohnsitz des Z 11 ist, dieser vielmehr auch nach der Volljährigkeit bestehen bleibt, bis das Kind ihn rechtsgültig aushebt, soll das nach der Volljährigkeit erst legitimierte oder an Kindes Statt angenommene Kind den gesetzlichen Wohnsitz nicht erlangen; es behält also seinen bisherigen Wohnsitz oder bleibt, wenn es einen solchen nicht hat, ohne Wohnsitz, bis es einen solchen selbständig begründet. Die Annahme von Oertmann Erl. 3a zu § 11, daß die in Abs. 2 bestimmte Ausnahme aus Entmündigte keine Anwendung findet, dürfte keinen Beifall verdienen. 6. Aus dem EG. kommen in Betracht die Vorschriften der Art. 18—20, 22, 209.

8 12. E. II g 22 rev. § 12; III g 12.

P. II 1 S. 43ff.; 6 S. 113.

D. 606.

Süpfle, Das Namenrecht nach dem BGB. 99; Kollrack, Die Namen und Namens­ änderungen in Preußen usw. 00; Olshausen, Das Verhältnis des Namenrechts zum Firmen­ recht 00; Isaak, Der Schutz des Namens nach den Reichsgesetzen 01; Cohn, Neue RechtsPlanck, Kom. zum BGB.

Bd. I.

4. Aufl.

(Knoke.)

3

34

I. Abschnitt: Personen.

güter 02; Ramdohr in Gruch. 43, Iff.; Opet, ArchZivPrax. 87, 313ff.; Kohler, ArchBürgR. 5, 77ff.; Götte, ArchBürgR. 15, 320ff.; Staudinger, SeuffBl. 97, 161 ff., 177ff., 193ff.; Staudinger in DIZ. 98, 362ff.; Weyl, Der Name der Findelkinder und anderer Namenlosen 03; Kohler, Humorname und Personenname im ArchBürgR. 27, 196ff.; Süßheim, Namensrecht von Frau und Kind in Gruch. 43, 579 ff. 1. Begründung deS Namenrechts. Familienname. Vorname. Das Namenrecht beruht auf der Persönlichkeit. Es wird im Anschluß an die bisherige Rechtsentwicklung von dem BGB. als ein besonderes Recht anerkannt (s. Vorbm. 3 vor § 1; HansGZ. 09, 126). Es umfaßt das Recht auf den Familiennamen wie auf den Vornamen. Über den Erwerb des Rechtes auf einen bestimmten Familiennamen enthält das BGB.

keine allgemeinen Vorschriften. Bestimmt wird nur, daß die Frau den Namen des Mannes (§ 1355), das eheliche Kind den Namen des Vaters (§ 1616), das uneheliche Kind den Namen der Mutter (§ 1706), das angenommene Kind den Namen des Annehmenden (§ 1758) erhält. Über den Namen der geschiedenen Ehefrau s. § 1577. Heiratet die uneheliche Mutier, so kann der Ehemann dem unehelichen Kinde nach § 1706 Abs. 2 seinen Namen beilegen. Keine Vor­ schrift enthält das BGB. darüber, unter welchen Voraussetzungen einer Familie ein bestimmter Name zukommt, wie sich also in den obigen Fällen bestimmt, welchen Namen der Ehemann, der eheliche Vater oder die uneheliche Mutter oder der Annehmende hat. Die bestehenden Familiennamen sind meistens durch tatsächliche Übung erworben. In früheren Jahrhunderten konnte man willkürlich einen Namen annehmen (vgl. c. un. de mutatione nominis 9, 25); in der neueren Zeit drang überall der Grundsatz durch, daß Änderungen des Namens nur mit

staatlicher Genehmigung zulässig sind. Die darauf bezüglichen Vorschriften gehören dem öffent­ lichen Recht an und sind deshalb durch das BGB. unberührt geblieben. Die meisten AG. enthalten Bestimmungen darüber, welche Behörden für die Namensänderung zuständig sind (Staudinger Erl. III A2 311 § 12). In Preußen gilt die Kabinettsorder vom 15. April 1822 und der Erlaß vom 13. Juli 1867. Unbefugte Namensführung gegenüber zuständigen Beamten ist nach § 360 Nr. 8 StGB, strafbar. Was als unbefugte Namensänderung anzusehen ist, bestimmt sich nach Landesrecht. Im Zweifel ist auch eine bloße Änderung der Schreibweise unzulässig (KG. 12. 4. 00 in DIZ. 00, 484; a. A. Oertmann Erl. 3a£ ßß zu § 12; Staudinger Erl. III A 2d zu 8 12; Dernburg I § 55 Anm. 4). Unzulässig ist die Auf­ nahme von Zusätzen in den Familiennamen, z. B. des Familiennamens der Frau durch den Mann, dagegen sind unterscheidende Zusätze, die nicht als Bestandteile des Namens zu betrachten sind (Schmidt sen., Meyer I, Angabe der Heimat oder des Wohnsitzes), gestaltet (vgl. Oert­ mann Erl. 3a « zu § 12; Staudinger Erl. III A2d zu ß 12; Endemann I § 37 Anm. 14; v. Tuhr 1441). Die verheiratete Frau kann dem Namen ihres Mannes ihren Mädchennamen mit dem Zusatz „geborene" hinzufügen. Dagegen dürfte die Beifügung des Mädchennamens mit Verbindungsstrich ohne einen solchen Zusatz eine Namensänderung enthalten (vgl. RTK 125; Erl. zu § 1355; Keidel in SeuffBl. 05, 10—14; a. A. Oertmann Erl. 3aa zu § 12; Staudinger Erl. III A 2d zu § 12). Die Wirkung der genehmigten Änderung des

Namens erstreckt sich aus die Ehefrau, denn es dürfte dem Wesen der Ehe und dem Sinne des § 1355 entsprechen, daß die Ehesrau stets den Namen des ALannes teilt. Einzelne Aus­ führungsgesetze (f. die Angaben bei Staudinger Erl. III A2e) erstrecken die Namensänderung des Vaters auf die zur Zeit der Namensänderung bereits geborenen Kinder, soweit sie sich unter der elterlichen Gewalt des Vaters befinden. Oertmann Erl. 3a/ zu § 12 erklärt diese landes­ rechtlichen Bprschristen für ungültig, weil nach Reichsrecht niemand gegen feinen Willen einen anderen Namen erhalten könne. Indes enthält das Reichsrecht einen solchen Satz nicht, unb deshalb kann die Gültigkeit jener Vorschriften nicht beanstandet werden. Wo derartige Be­ stimmungen fehlen, wie in Preußen, dürfte sich die Namensänderung des Vaters nicht auf die bereits vorhandenen Kinder erstrecken, vielmehr für sie ein besonderer Antrag erforderlich fein (Staudinger Erl. III A2e zu 8 12). Die Frage, ob auch heutzutage noch ein Name durch langdauernde Übung erworben werden kann, ist ebenfalls nach Landesrecht zu beurteilen; eine privatrechtliche Ersitzung ist jedenfalls durch Art. 55 EG. ausgeschlossen (Ennec cerus 8 93 Anm. 9; v. Tuhr I 441 Anm. 5; RG. in SeuffA. 59, 305), aber auch sonst dürfte es dem Sinne der auf die Namensänderung bezüglichen Vorschriften nicht entsprechen, eine Namensänderung durch langdauernde Übung zuzulassen. Für den Beweis des Namensrechtes muß es freilich mit Rücksicht darauf, daß die meisten Familiennamen, wie bemerkt, durch tatsächliche Übung ent­

standen sind, genügen, daß zur Zeit der erwähnten familienrechtlichen Vorgänge ein bestimmter

Familienname in Gebrauch war (Dernburg I § 55 Anm. 17). War aber dieser Gebrauch unrechtmäßig, so erwirbt die Ehefrau oder das Kind nicht den Namen, den der Ehemann oder der Vater tatsächlich führt, sondern den Namen, den er von Rechts wegen zu führen hat (PrOBG. 39, 403; KG. 24 A163; 27 C 36; a. A. Staudinger Erl. V zu § 12; KG. 22 C 115). Auch die Eintragung des Familiennamens in das Kirchenbuch oder Standesregister kann nur zum Beweise für die Berechtigung dienen, diesen Namen zu führen, verschafft aber kein Recht auf den eingetragenen Familiennamen (PrOBG. in DIZ. 04, 222; OLG. Marien­ werder in PosMSchr. 04, 15). Das Recht auf den Namen kann nicht durch Vertrag über« tragen werden; insbesondere ist ein Kindesannahmeverlrag nichtig, wenn er nach der Absicht der Kontrahenten keine andere Wirkung haben soll als die, dem Angenommenen da- Recht auf den Namen des Annehmenden zu verschaffen (RG. 29, 123ff.; SeuffA. 60, 129ff. — OLG. 7, 425; KG. 38 C 60). In betreff des Namens eines Findelkindes bestimmt der § 24 PStG., daß die Namen, welche dem Findelkinde beigelegt werden, in das Geburtsregister einzutragen sind. Nicht bestimmt ist aber, durch wen die Beilegung der Namen erfolgt. Überwiegende Gründe dürften dafür sprechen, daß auch diese Frage als dem öffentlichen Rechte angehörend anzusehen ist und daher die Landesgesetze darüber zu entscheiden haben. (So auch die weitaus herrschende Meinung.) In Ermangelung besonderer landesgesetzlicher Vorschriften dürfte die Polizeibehörde, welche nach § 24 des gedachten Gesetzes dem Standesbeamten von der Auffindung des Kindes Mitteilung zu machen hat, als zuständig zu betrachten sein (a. A. Weyl 37, X, welcher die Frage als eine privatrechtliche betrachtet und deshalb die Beilegung des Familiennamens wie des Vornamendem für das Kind zu bestellenden Vormund überlassen will, ähnlich Hölder Erl. lb ß zu § 12 und Dernburg I § 55 II, welcher die Beilegung des Namens dem die Auffindung des Kindes Anzeigenden überlassen will). Übrigens wird dem Findelkinde der Name durch die Behörde nur

einstweilen beigelegt, bis die Familienzugehörigkeil des Kindes ermittelt ist. Die Beilegung des Vornamens erfolgt durch die Eltern oder den Vormund (Oertmann Erl. 2 zu 8 12). Über die Beilegung des Vornamens bei unehelichen Kindern vgl. Erl. zu § 1706. In der Wahl des Vornamens sind die Eltern und Vormünder, soweit nicht landes­ gesetzliche Vorschriften entgegenstehen, unbeschränkt. Die Beilegung anstößiger Namen dürfte nach Analogie des § 138 unwirksam sein. Die Beilegung ftemdsprachiger Vornamen ist in Preußen gestattet (RIA. 1, 94, vgl. auch OLG. Marienwerder im PosMSchr. 02, 14). Der Vorname wird nach dem PStG. § 22 in das Standesregister eingetragen. Das BGB. enthält keine besonderen Vorschriften über den Vornamen. Der § 12 schützt aber auch ihn; jedoch werden die Voraussetzungen der in dem § 12 geregelten Ansprüche hier seltener vorliegen als bei dem Familiennamen. Zu einer Änderung des in das Geburtsregister eingetragenen Vornamens ist, wie zu der Änderung des Familiennamens die Genehmigung der zuständigen Behörde erforderlich (so auch die

herrschende Ansicht, a. A. Opet 350). Auch die Reihenfolge der Vornamen darf nur mit Ge­ nehmigung der zuständigen Behörde geändert werden (SeuffA. 66, 433). Dagegen kann man statt des bisher geführten Rufnamen- einen anderen seiner Vornamen zum Rufnamen machen, da das Gesetz dem Rufnamen keine besondere Bedeutung beilegt. 2. Ansprüche aus dem Namenrecht können nur demjenigen zustehen, dem das Namenrecht selbst zusteht. Auch bie, geschiedene Frau hat die Ansprüche aus dem Namenrecht, solange ihr der Name ihres geschiedenen Mannes zusteht (OLG. Hamburg im Recht 09 Nr. 1836). Die verheiratete Frau hat den Namen ihres Ehemanns zu führen, daneben bleibt ihr aber, wie sich aus den 88 1706 Abs. 2 und 1758 ergibt, das Recht auf ihren Mädchennamen, auch wenn sie selbst ihn nicht führen darf; infolgedeffen kann sie gegen denjenigen klagen, der ihren Mädchen­ namen unbefugt führt (Kohler ArchZivPrax. 107, 246ff.; RG. in IW. 12, 338). Ebensowenig stehen einer Familienstiftung die Ansprüche aus dem Namenrecht der Familienmitglieder zu (OLG. Celle in der IW. 11, 609). Die Erben eines Namensträgers haben als solche keinen Anspruch wegen Anmaßung des Namens ihres Erblassers (RG. im Recht 11 Nr. 1700). Aus der Anerkennung des Namenrechts folgt von selbst, daß der Berechtigte unter den Voraussetzungen der ZPO. § 256 auf Feststellung feines Rechtes klagen kann. Aus der Natur dieses Rechtes als eines absoluten Rechtes folgt ferner, daß der Berechtigte, wenn sein Recht von einem anderen beeinträchtigt wird, die Beseitigung dieser Beeinträchtigung verlangen kann. Der 8 12 gewährt aber dem Namenrecht in mehrfacher Beziehung noch einen über die all­ gemeinen Grundsätze hinausgehenden Schutz.

36

I. Abschnitt: Personen.

a) Dak Bestreiten eines Rechtes enthält an sich noch nicht oder doch nicht immer eine Beeinträchtigung des Rechtes. Nach § 12 wird die Bestreitung des Namenrechts aber immer als eine Beeinträchtigung desselben angesehen und dem Berechtigten deshalb ein Anspruch auf Beseitigung dieser Beeinträchtigung gegeben. Die Namenbestreitungsklage des § 12 ist mit der FeststeÜungsklage nicht identisch (a. A. Rehbein I 25), sie ist vielmehr eine Leistungsklage. Die Art, in welcher die Beeinträchtigung zu beseitigen ist, bestimmt sich nach den Umständen des Falles; immer wird Zurücknahme des Bestreitens gefordert werden können (a. A. Holder Erl. 3d zu § 12, der annimmt, daß die Beseitigung der Beeinträchtigung schon mit der rickter« lichen Konstatierung des klägerischen Rechtes gegeben sei). Was als Bestreiten des Namenreckts anzusehen ist, ist Tatfrage, insbesondere entscheiden die Umstände des einzelnen Falles, ob ein Bestreiten darin liegt, daß der Gegner den Berechtigten mit einem anderen als dem ihm zu­ kommenden Namen bezeichnet (vgl. K. v. R G R. Erl. 2 zu § 12; Staudinger Erl. IV A 6 ju § 12; Endemann I § 37 Anm. 4; v. Tuhr I 445). Die Namenbestreitungsklage ist auch gegen Behörden zulässig (RG. in JMBl. 00, 652; RG. in IW. 00, 422; RG. in Gruch. 50, 881). Ist aber eine Behörde in Ausübung der ihr zustehenden öffentlich-rechtlichen Be­ fugnisse gegen die Führung eines Namens eingeschritten, so ist der Rechtsweg ausgeschlossen (Dernburg I § 55 Anm. 18; RG. 39, 302; RG. in Gruch. 49, 828; vgl. indes SeuffA. 60, 129 ff.; OLG. 20, 23 f.). b) In dem Rechte auf den Namen wird nach § 12 nicht nur das Recht auf den Gebrauch dieses Namens, sondern das ausschließliche Recht hierzu gefunden. Dieses Ausschließungs­ recht besieht natürlich nicht gegenüber demjenigen, der ebenfalls ein Recht auf den Namen hat. Worauf sich das Namenrecht des anderen gründet, ist gleichgültig, insbesondere versagt die Aus­ schließlichkeit des Namenrechts auch gegenüber dem, der den Namen mit staatlicher Genehmigung angenommen hat (so die allgemein herrschende Meinung, a. A. nur Bornhak im BerwArch. 8,47). Der Namensberechtigte kann auch nicht verlangen, daß ein anderer Namensberechtigter den gemeinschaftlichen Familiennamen nur unter Beifügung des Vornamens oder unterscheidender Zusätze gebraucht (RG. in IW. 11, 572). Unberechtigten gegenüber ist die Ausschließlichkeit nicht unbeschränkt anerkannt, vielmehr nur insoweit, als das Interesse des Berechtigten es erfordert. Der Berechtigte kann daher nicht ohne weiteres jedem, der denselben Namen gebraucht, diesen Gebrauch verbieten, sondern er hat nur dann einen Anspruch auf Beseitigung der in dem Gebrauche liegenden Beeinträchtigung, wenn dadurch sein Interesse verletzt wird. Das Interesse kann ein rein persönliches, ein vermögensrechtliches oder ein familienrechtliches sein. Es kann darin bestehen, daß der Berechtigte den durch den Gebrauch seines Namens von feiten eines anderen erweckten Schein, als seien die Handlungen des anderen seine Handlungen oder als sei das von dem anderen betriebene Geschäft sein Geschäft, abzuwenden Veranlassung hat; es kann auch lediglich darin bestehen, daß der Berechtigte den Schein der Familienangehörigkeit, welchen der andere durch den Gebrauch des Namens erweckt, zerstören will. So kann die getrennt lebende Ehefrau gegen die Konkubine ihres Ehemanns klagen, wenn diese unbefugt seinen Namen führt (RG. in Gruch. 46, 127; OLG. 3, 283). Ein unbefugter Gebrauch liegt auch dann vor, wenn man sich durch andere dauernd mit dem falschen Namen bezeichnen läßt, ohne zu widersprechen (RG. a. a. O.; OLG. 3, 283). Ein un­ befugter Gebrauch im Sinne des § 12 ist nur gegeben, wenn der Name als Name d. h. zur Bezeichnung einer Person verwendet wird (Oertmann Erl. 4b ß yy zu § 12; Biermann I § 125 I 2b; Cosack § 37 II 2; Endemann I § 37; Enneccerus' Z 93 Anm. 3; Zitel­ mann I 51; v. Tuhr I 446); und zwar muß er zur Bezeichnung der eigenen Person verwendet sein (Biermann, Endemann, Enneccerus a. a. O.; a. A. Oertmann, Cosack, Zitel­ mann a. a. O., die den § 12 auch dann für anwendbar erklären, wenn jemand andere Personen mit einem ihnen nicht zukommenden Namen bezeichnet). Die Voraussetzung der unbefugten Namensführung ist nicht nur dann erfüllt, wenn ein Nichtberechtigter den Namen als seinen bürgerlichen Namen gebraucht, d. h. zur Bezeichnung seiner Person in allen Lebensbeziehungen, sondern es genügt, daß er ihn in bestimmten Beziehungen zur Bezeichnung seiner Person ver­ wendet, z. B. als Verfasser eines Buches (SeuffA. 64, 49ff; a. A. Zitelmann I 51, wenn der Gebrauch in Täuschungsabsicht geschieht), oder als Inhaber eines Geschäfts (RG. in IW. 01, 765); ebenso enthält die Verwendung des Namens als eingetragenes Warenzeichen eine Inanspruchnahme des Namens für sich, da der Namensträger dann seinen Namen nicht mehr als Warenzeichen für sich eintragen lassen könnte (RG. 54, 42ff.; 74, 308ff.). Dagegen dürste die Angabe eines Nachfolgeverhältnisses nicht genügen, um die Klage aus § 12 zu

begründen (a. A. RG. 56, 187ff.; SeuffA. 60, 305; OLG. 2, 215; RG. in PosMSchr. 11, 64; wie hier Oertmann Erl. 4b ß yy zu § 12); möglicherweise können aber die Voraussetzungen des § 826 gegeben sein. Ebensowenig fällt es unter § 12, wenrt jemand den N. N. als Erfinder oder Verfertiger einer Ware bezeichnet (RG. 54, 42 ff.). Die Bezeichnung eines Geschäfts mit einem fremden Namen, die nicht als Hinweis auf den Inhaber aufgefaßt werden kann (Hotel zum Fürsten Bismarck), die Bezeichnung von Häusern und Tieren mit einem Personennamen fällt nicht unter § d2 (a. A. K. v. RG R. Erl. 2 zu § 12), ebensowenig die Bezeichnung von Warm mit einem nicht als Warenzeichen eingetragenen Namen, wenn darin kein Hinweis auf den Ver­ fertiger enthalten ist, z. B. die Bezeichnung von Zigarren als Bülow-Zigarren (Oertmann, Cofack, Enneccerus, v. Tuhr a. a. O.; a. A. K. v. R G R. Erl. 2 zu 8 12; wie eS scheint auch RG. 51, 263ff.; 74, 308ff.; OLG. Kassel im Recht 07, 444 Nr. 847). Auch die Bezeichnung einer Figur in einem Roman, einem Drama oder einem Witzblatt mit einem bestimmten Namen fällt nicht unter § 12 (Oertmann Erl. 4bßyy zu § 12; Biermann I § 125 I 2b; Cofack § 37 II 2; Dernburg I § 55 Anm. 19; Endemann I § 37; Enneccerus § 93 Anm. 3; Zitelmann I 51; v. Tuhr I 447; Ramdohr 72; Isaak 99ff.; Kisch in GrünhutsZ. 29, 322; a. A. K. v. RGR. Erl. 2 zu 8 12; Staudinger Erl. IV3L l zu8 12; Matthiaß 8 219 II; Eck I 43; Kohler ArchBürgR. 5, 83ff.; 27, 196ff.; Opet 389ff.; Cohn 34; Rietschel ArchZivPrax. 94, 169; Stranz in DIZ. 05, 934). RG. in DIZ. 06, 543 nimmt zu der Frage keine Stellung, betont aber, daß der Namensschutz jedenfalls dann versagen muß, wenn der Name nur zur Bezeichnung einer typischen Figur verwendet wird. Aber auch wenn die Figur die individuellen Züge einer bestimmten Person trägt, ist der Namensschutz aus 8 12 nicht das richtige Mittel, um die gefährdeten Interessen zu schützen, sondern der Schutz ist auf Grund der Vorschriften über die Beleidigung und der §§ 823 Abf. 2 und 826 BGB. zu ge­ währen. Dies zeigt sich deutlich darin, daß die Interessen der Person ganz in derselben Weise verletzt werden, wenn die Person unter einem andern Namen eingeführt wird, wie der Fabrikant in Hauptmanns Webern. (So auch Oertmann a. a. O.; vgl. zu dieser Frage auch Kunkel, BayZ. 07, 314 f.). Auch dann ist 8 12 unanwendbar und kann nur 8 826 in Frage kommen, wenn jemand den Namen eines andern unter ein Zeugnis oder einen Ausruf setzt, nicht um sich damit zu bezeichnen, sondern um den Anschein zu erwecken, als habe der Namens träger das Zeugnis oder den Ausruf unterzeichnet (Oertmann Erl. 4b ßyy zu 8 12; Endemann I 8 37; Enneccerus 8 93 Anm. 3; a. A. v. Tuhr I 446). Ein unbefugter Gebrauch des Namens zur Bezeichnung von Waren liegt nicht vor, wenn der Name eines Fabrikanten oder Erfinders zur allgemein üblichen Bezeichnung der Beschaffen­ heit von Waren einer bestimmten Art geworden ist (RG. 69, 310; RG. im Recht 11 Nr. 1699). Der Anspruch aus 8 12 ist ferner ausgeschlossen, wenn ein Personenname im Laufe der Zeit zur Ortsbezeichnung geworden ist (RG. in HoldheimsMSchr. 08, 125: Caf6 Bauer in Leipzig). Wie in Erl. 1 dargelegt ist, kann das Namensrecht nicht durch Vertrag überttagen werden, es ist aber zulässig, im voraus auf die Ansprüche aus 8 12 zu verzichten. Aus einem solchen Verzicht erwachsen dem Gegner keine Rechte gegen Dritte (OLG. 15, 302; a. A. Chr. Finger, Kommentar zum Gesetz betr. den unlauteren Wettbewerb 8 16 Erl. 22), er begründet nur eine obligatorische Verpflichtung des Namensträgers, von seinen Ansprüchen keinen Gebrauch zu machen, die durch die Einrede der Arglist gellend zu machen ist (K. v. R G R. Erl. 2 zu 8 12; Staudinger Erl. II 3 zu 8 12; Biermann I 8 125 I 2b; Enneccerus 8 93 Anm. 1; v. Tuhr I 444; Olshausen 55ff.; dagegen erklärt Zitelmann ArchZivPrax. 99, 68 eine solche Erlaubnis schlechthin für wirkungslos). Ob der Verzicht widerrufen werden kann, ist Auslegungsftage (Biermann I 8 125 Anm. 16; a. A. Rehbein I 26; Cosack 8 37 II 4, die ihn für jederzeit widerruflich erklären), aber auch wenn der Verzicht nach dem Willen der Parteien unwiderruflich fein soll, wird er doch beim Vorliegen eines wichtigen Grundes zurück­ genommen werden können (Kohler 92; Oertmann Erl. 7b zu 8 12; v. Tuhr I 444 Anm. 22; a. A. Staudinger Erl. IV B 3 zu 8 12; Opet 361, 365). Der Widerruf wirkt nur für die Zukunft. In welcher Art die Beeinträchtigung, die durch den unbefugten Gebrauch des Namens erfolgt ist, beseitigt werden muß, bestimmt sich auch hier nach den Umständen des Falles. So wird z. B. gegen denjenigen, welcher sich bei der Bewerbung um ein Stipendium, dessen Verleihung von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie abhängt, unbefugt den Namen dieser Familie beilegt, auf Zurücknahme der Bewerbung von jedem, der ein Recht aus diesen Familien­ namen hat, geklagt werden können, wenn er ein Interesse an der Zurücknahme der Bewerbung

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I. Abschnitt: Personen.

hat (a. A. Hölder Erl. 4c£ zu § 12; wie hier Hellmann Vorträge 5; Dernburg I § 55 Anm- 21; Enneccerns § 93 Anm. 4). WaS die Beweislast anlangt, so hat der Kläger zu beweisen, daß er ein Recht auf den Namen hat und daß durch den Gebrauch des Namens von seilen des Beklagten sein Interesse verletzt wird. Nicht zu beweisen braucht er, daß der Beklagte kein Recht hat, den Namen zu gebrauchen, vielmehr ist es Sache des Beklagten, zu beweisen, daß er zu dem Gebrauche des Namens befugt gewesen fei (Dpet 387; Staudinger § 12 IV zu B 4; a. A. die frühere Auf­ lage, Rehbein I 26; Endemann I § 37 Anm. 9; Olshausen 87ff. und wie es scheint Dernburg I § 55 IV b). Für den Beweis des Namens kommt dem Kläger der § 15 PStG, zustatten. c) Das BGB. geht davon aus, daß ein absolutes Recht, obwohl es gegen jeden wirkt, doch nicht ohne weiteres einen Anspruch auf Unterlassung einer Verletzung des Rechtes begründet. Die Lage des Berechtigten kann aber durch die Verletzung, auch abgesehen von der darin liegenden direkten Beeinträchtigung seines Rechtes, noch insofern verschlechtert sein, als durch die Verletzung die Besorgnis begründet wird, daß ähnliche Verletzungen auch in der Zukunft wiederkehren. Ist dies der Fall, so gibt das BGB. dem Verletzten das Recht auf Unter­ lassung der Beeinträchtigung für die Zukunft zu klagen. So in dem praktisch wichtigsten Falle einer Verletzung dinglicher Rechte, die nicht in der Vorenthaltung des Besitzes besteht (§ 1004); ebenso auch bei dem Namenrechte nach § 12 Satz 2. Die praktische Bedeutung dieses Rechtes liegt hauptsächlich darin, daß der Verletzte auf Grund des ergehenden Urteils nach ZPO. § 890 die Androhung und Verhängung von Geld- und Gefängnisstrafe im Falle der Zuwiderhandlung verlangen und Sicherheitsleistung für den durch fernere Zuwiderhandlungerr entstehenden Schaden erwirken kann. d) Die unter a—c bezeichneten Ansprüche stehen dem Berechtigten ohne Rücksicht darauf zu, ob den Beklagten ein Verschulden trifft oder nicht. Liegt ein solches aber vor, so kann der Berechtigte, wenn ihm durch die Verletzung seines Rechtes ein Schaden erwachsen ist, den Ersatz dieses Schadens nach § 828 verlangen. e) Die gesetzlichen Vorschriften über Firmen und den Schutz der Warenzeichen (HGB. § 37; WarenZG. § 14) werden durch den § 12 nicht berührt, sondern bleiben daneben in Kraft. Dazu tritt der § 16 UnlWG. 3. Adel. (Manley, Der deutsche niedere Adel und das BGB., im ArchBürgR. 13, 20ff.; Goetze, Das preußische Heroldsami und der § 12 des BGB., in JheringsJ. 48, 399ff.; Scherer, Beitrag zum Namensrecht des niederen Adels in.PucheltsZ. 36, 292ff., 385ff.; Thiele, Die Stellung des Heroldsamts zu den Gerichten, im ArchÖffR. 24, 85ff.; Strupp, Grenzen der Zuständigkeit desKönigl.Preuß.Heroldsamts, ArchÖffR.27,76—100;Mendelsohn-Bartholdy, Heroldsamt und court of Claims, im Gerichtssaal 77, 56; Mitteilungen aus dem Heroldsamt im ArchÖffR. 22, 1 ff.; 23, 1 ff., 177ff.; im VerwArch. 15, 377ff.; 18,129ff; in GoltdArch. 57,

373ff.; im Recht 11, 126, 165, 364, 655; Hein in DIZ. 10, 398ff., 743; ders. in IW. 10, 892ff.; Heinitz in DIZ. 10, 743ff.; Galli, das. 847ff.; Ölenheinz in IW. 12,173). Durch den § 12

wird nur das Recht zum Gebrauch eines Namens, nicht das Recht des Adels geschützt. Das BGB. enthält überhaupt keine Vorschriften über den Adel. Die §§ 1355, 1577, 1616, 1706,1758, 1772 sprechen nur von dem Familiennamen, nicht von dem Adel. Die Eheftau erhält den Namen des Ehe­ manns, das eheliche Kind den Namen des Vaters, das uneheliche Kind den Namen der Mutter, das angenommene Kind den Namen des Annehmenden. Daß diese Personen auch den Adel des Ehe­ manns bzw. des Vaters, der Mutier oder des Annehmenden erhalten, ist nicht bestimmt. In der ersten wie in der zweiten Kommission ist man davon ausgegangen, daß der Adel nicht ein Institut des Privatrechls, sondern des öffentlichen Rechtes sei (M. IV 106, 937, 983; P. II 4 S. 98). Welche rechtliche Bedeutung der Adel hat, ob er einen besonderen Stand begründet oder ob er eine Auszeichnung ist, die sich von der Auszeichnung durch Orden und Ehrenzeichen nur dadurch unter­ scheidet, daß sie regelmäßig aus die Erben übergeht, kommt nicht in Betracht. Es ist dies eben eine Frage des öffentlichen Rechtes. Nur dieses entscheidet darüber, wie der Adel erworben wird und verloren geht. Nur dieses entscheidet insbesondere darüber, ob die Ehefrau den Adel des Mannes, das eheliche Kind den Adel des Vaters, das uneheliche den Adel der Mutter, das an­ genommene Kind den Adel des Annehmenden erhält. Die sich hierauf beziehenden Vorschriften der Landesgesetze werden also, da sie nicht privatrechtlichen Inhalts sind, durch das BGB. und das EG. Ari. 55 nicht berührt. Zu diesen Vorschriften gehört auch die Vorschrift des preuß. ALR. II 2 § 684, nach welcher der an Kindes Statt Angenommene, wenn er von bürgerlicher

Herkunft, der Annehmende aber von Adel ist, „die Vorrechte und Unterscheidungen des Adels nur mittels besonderer landesherrlicher Begnadigung erhalten" kann. Eine andere Frage ist es, ob das Wort „von", welches den Namen der Adeligen vorangesetzt zu werden pflegt, einen Teil des Familiennamens bildet oder ob eS den adeligen Stand bezeichnet. Ein lebhafter Streit hat sich hierüber entsponnen. Für die erstgedachte Auffassung s. insbesondere von Bülow, DIZ. 96, 432ff.; 00, 373ff., die für den Juristenlag erstatteten Gutachten von von Bülow, Krückmann, Opet (Verhandl. d. 24. JuristentagS 3, 117ff., 151 ff., 191 ff.); Rehbein 1 26; Krückmann § 7 II G 5; Landsberg 8 25 I 2; Eck I 42; Zitelmann I 51; Opel 333; Chr. Finger, Kommentar zum UnlWG. § 16 Erl. 12; Scherer a. a. O.; Cohn 36; für die letztgedachte Auffassung Küntzel in Gruch. 41, 443; Sohm, DIZ. 99, 8ff.; Hölder Erl. 1 d zu 8 12; Oertmann Erl. 5 zu 8 12; Biermann I 8 125 Ila; Dernburg I 8 56 I; Endemann I 8 37 Ziff. 2; EnnecceruS 8 93 I 3; v. Tuhr I 450. Für diese Auffassung hat sich auch die erste Abteilung des 25. Juristenlags auf Grund eines Referats von Gierke und Wilke gegen die obengedachlen Gutachten entschieden. (Verhandl. d. 25. Juristentags 3, 43 ff.). Die Gründe für diese Auffassung dürsten überwiegend sein. Die Worte „von" oder „van" kommen bei den Namen nichtadeliger Personen vor. Hier bilden fie unzweifelhaft einen Teil des Familiennamens. Wo das Wort „von" aber dem Namen eines Adeligen vorangesetzt wird, bezeichnet es nach der geschichtlichen Entwickelung und jedenfalls nach der im Verkehre herrschenden Auffassung den Adel der betreffenden Person. Es bedarf hierbei auch nicht, wie in den ersten beiden Auflagen dieses Kommentars geschehen, einer Untersuchung, ob das Wort „von" schlechthin den Adel bezeichnet oder ob der Adelige das Recht hat, das Wort „von" seinem Familiennamen hinzuzusügen, denn auch in dem letzteren Falle handelt es sich sachlich um ein Adelszeichen. Was von dem Worte „von" gilt, gilt selbstverständlich auch und hier ziemlich unbestritten, von den höheren Adelsprädikaten wie „Freiherr, Graf, Fürst" usw. Auf alle diese Adelsbezeichnungen finden daher die Vorschriften des BGB. über den Erwerb deS Familiennamens und die Vorschriften des 8 12 über den Schutz deS Rechtes zum Gebrauch eines Namens keine Anwendung. Einen etwas anderen Standpunkt nimmt das RG. in seinen Entscheidungen v. 30. Nov. 03 und v. 2. Febr. 05 (IW. 04, 53 — SeuffA. 59, 305; IW. 05, 166) ein. Es wird darin ausgesprochen, daß bei dem adeligen Namen sowohl eine öffentlichrechtliche wie eine privatrechtliche Seite in Betracht komme. Erstere trete hervor durch die auch dem adeligen Namen innewohnende Bestimmung, die Zugehörigkeit des Trägers des Namens zum Adelsstände überhaupt oder zugleich auch zu einer besonderen Adelsklasse zum Ausdrucke zu bringen; letztere mache sich geltend bei der untrennbar mit dem adeligen Namen zugleich ver­ bundenen Bestimmung deS bürgerlichen Namens, im Verkehre die einzelnen Personen von anderen zu unterscheiden, also als Individuen zu kennzeichnen. Soweit der adelige Name zugleich diesem allgemeinen Namenszwecke zu dienen habe, werde er folgerichtig durch den 8 12 ebenso geschützt, wie der bürgerliche Name. Diese Unterscheidung, auf der auch SeuffA. 64, 49 ff. und OLG. Celle in IW. 11, 609 beruhen, dürfte nicht unbedenklich sein. Man wird indessen zu einem ähnlichen Ergebnisse gelangen, wenn man den 8 12 zwar nicht direkt aber entsprechend aus den Adel an­ wendet (s. Erl. 7). Über die Frage, ob jemand adlig ist, hat in Preußen das Heroldsamt unter Ausschluß deS

Rechtswegs zu entscheiden (RG. in JMBl. 00 Nr. 47; RG. in IW. 01, 173; RG. in Gruch. 50, 881; Dernburg I 8 56 II; Goetze a. a. O.). Die Gerichte können aber in die Lage kommen, über die Zugehörigkeit zum Adel als Jnzidentpunkt zu entscheiden, in diesem Falle sind sie nicht an die Entscheidung des Heroldsamts gebunden (RG. in Gruch. 42, 982; Pr. Gerichtshof zur Entscheidung der Komvetenzkonflikte im JMBl. 95, 426; KG. in GoltdArch. 51, 60; KG. 36 C 105; C 117; OLG. Celle in IW. 11, 609; OLG. Posen in PosMSchr. 11, 127; Dernburg I 8 56 II; Strupp, Mendelsohn-Bartholdy, Hein, Heinitz, Ölenheinz a. a. O.; Stein, Grenzen und Beziehungen zwischen Justiz und Verwaltung 1912,109ff.; a. A. RGSt. 43, 33; OLG. Königsberg in GoltdArch. 56, 249; OLG. Breslau im Recht 11, 340; Thiele a. a. O.; und hinsichtlich der Berichtigung des Standesregisters KG. 23 A 192; 36 A 54; OLG. Darmstadt in OLG. 17, 39 gegen KG. 28 A 61). Die abweichende Meinung würde nur dann begründet sein, wenn der Entscheidung des Heroldsamts konstitutive Bedeutung zukäme. 4. Der Handelsname als solcher wird durch 8 12 nicht geschützt. Gebraucht jemand un­ befugt denselben Namen, den ein anderer als Firma, nicht aber als bürgerlichen Namen zu führen berechtigt ist, so hat der Firmeninhaber nur die Rechte aus 8 37 HGB. (RG. 59, 284; a. A. Staudinger Erl. IV 3 A 1 / zu 8 12).

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I. Abschnitt: Personen.

5. Pseudonym. Lebhafter Streit besteht darüber, ob die Vorschriften des § 12 auch auf das Pseudonym Anwendung finden. Dafür insbesondere Manes, Das Recht des Pseudonyms 99; v. GierkeI723;Hölder Erl. le und. 2 zu § 12; Oertmann Erl. 2a 5 mit) b zu §12; K. V.RGR. Erl. 2 zu § 12; Staudinger Erl. II 2 zu § 12; Dernburg I § 55 IV a; Endemann I § 37 Zisf. 2; Krückmann 8 7 II 6 8; Eck 143; Leonhard §30 II; Opel 313; Kohler 79; Cohn 38; Götte 324ff.; Isaak 41 ff.; Chr. Finger, Kommentar zum UnlWG. § 16 Erl. 30ff.; Bern­ stein in DIZ. 11, 748. Dagegen Gareis Erl. 3 zu § 12; Rehbein I 27; Biermann I § 125 I 3; Cosack § 37 III 2; Crome § 30 Anm. 8; Goldmann-Lilienthal I 119; Landsberg § 25 I 3; Zitelmann I 51; v. Tuhr I 449; v. Buchka 6; Staudinger SeuffBl. 97, 193; Olshausen 45; Ramdohr 60ff.; KG. im Recht 04, 250 Nr. 1123 (für das Pseudonym eines Artisten). Die zweite Kommission wollte, wie in P. II 1 S. 45 ausdrücklich hervorgehoben wird, den privatrechtlichen Schutz des Namens nicht aus pseudonyme Bezeichnungen ausdehnen. Diese Absicht hat im § 12 genügenden Ausdruck gefunden. Geschützt werden soll danach das Recht zum Gebrauch eines Namens. Das Pseudonym ist kein Name, sondern es enthält die Bezeichnung einer Person durch ein anderes Wort als durch den Namen. Es unterscheidet sich prinzipiell nicht von der Bezeichnung einer Person durch ein anderes Zeichen als ein Wort, z. B. durch ein Quadrat, wie dies bei Zeitungskorrespondenten vorkommt. Durch den Gebrauch eines solchen bereits von einem anderen zur Bezeichnung seiner Person benutzten Zeichens kann möglicherweise ein Betrug verübt oder .es können dadurch andere gesetzliche Vorschriften verletzt werden. Eine Verletzung des Rechtes auf den Namen liegt darin nicht. Auf diesem Standpunkte stehen auch andere Reichsgesetze. In dem LitUrhG. v. 19. Juni 01 §§ 7, 31 wird der vollständige Schutz des Urheberrechts von der Nennung des wahren Namens abhängig gemacht. Nach dem KunstUrhG. § 9 Abs. 1 soll für den Fall, daß an dem Werke der Name des Urhebers angegeben oder durch kenntliche Zeichen aus­ gedrückt ist, vermutet werden, datz dieser der Urheber des Werkes sei, und wird im Abs. 2 dann hinzugefügt, daß bei Werken, welche ohne den wahren Namen des Urhebers oder ohne den Namen eines Urhebers erschienen seien, der Herausgeber bzw. Verleger berechtigt fein, die Rechte des Urhebers wahrzunehmen. Wenn in dem WarenZG. § 14 als Voraussetzung des Anspruchs auf Schadensersatz bestimmt ist, daß die Ware usw. „mit dem Namen oder der Firma eines anderen oder mit einem nach Maßgabe dieses Gesetzes geschützten Warenzeichen" widerrechtlich versehen wird, so wird hier unter dem Namen offenbar nur der wahre Name verstanden, während das Pseudonym nur geschützt wird, wenn es als Warenzeichen eingetragen ist. Ebenso wird in dem § 16 UnlWG. neben dem Namen und der Firma noch die besondere Bezeichnung eines Erwerbsgeschäfts, eines gewerblichen Unternehmens oder einer Druckschrift hervorgehoben. Auch hier fällt das Pseudonym nicht unter die Vorschrift über den Namen, sondern unter die Vorschrift über eine anderweile besondere Bezeichnung. Überwiegende Gründe sprechen hiernach dafür, die Vorschriften des § 12 auf den wahren Namen zu beschränken. Über die Frage, ob eine ent­ sprechende Anwendung auf das Pseudonym zulässig ist, s. Erl. 7. 6. Künstlermonogramme, die eine Abkürzung des Namens enthalten, sind durch § 12 gegen den Gebrauch durch solche Personen geschützt, die den entsprechenden Namen zu führen nicht be­ rechtigt sind (Biermann I § 125 I 3; Zitelmann I 51; weiter dehnen den Schutz aus Kohler 82; Matthiaß § 219 II B 3c). 7. Eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des § 12 dürfte dann, aber auch nur dann zulässig sein, wenn es sich um ein anderes besonderes Persönlichkeitsrecht als das Recht auf den Namen handelt, und dieses Recht ebenso wie das Recht auf den Namen gesetzlich an­ erkannt ist. Diese Voraussetzungen liegen vor bei dem Adel und dem darauf beruhenden Rechte, das Wort „von" oder ein anderes Adelsprädikat dem Familiennamen hinzuzufügen (f. Erl. 3). Es handelt sich hier um ein besonderes Persönlichkeitsrecht, das zwar nicht im BGB., aber in dem öffentlichen Rechte der einzelnen Bundesstaaten und den dafür maßgebenden Landesgesetzen anerkannt ist und für welches in eben diesen Gesetzen die Gründe der Entstehung wie des Ver­ lustes genügend bestimmt sind. In verschiedenen Ausführungsgesetzen wird die entsprechende Anwendung des § 12 auf den Adel ausdrücklich bestimmt, so in Mecklenburg AB. § 11, Hessen AG. Art. 3, Lippe AG. § 2, Braunschweig AG. § 4. Aus denselben Gründen wird sich eine entsprechende Anwendung des § 12 bei dem Rechte auf Wappen, Titel und Orden rechtfertigen lassen, soweit Rechte dieser Art in den Landes­ gesetzen anerkannt und geregelt sind (RG. 71, 262; OLG. 3, 89). Nicht rechtfertigen läßt sich dagegen die entsprechende Anwendung des § 12 auf Pseudonyme (a. A. Enneccerus ß 93 II 2; Matthiaß § 219 II B 3c; Dieffenbach in PucheltsZ. 36, 567).

Jeder ist zwar berechtigt, sich mit einem Pseudonym zu bezeichnen, aber es ist dies lediglich Folge der allgemeinen Freiheit, nicht ein besonderes Recht. Das gleiche Recht steht auch jedem anderen zu und eine gesetzliche Vorschrift besteht nicht, nach welcher es unzulässig wäre, das von einem anderen gebrauchte Pseudonym zu benutzen. Um ein besonderes, und zwar ein ausschlietzliches Recht auf ein Pseudonym annehmen zu können, mühten Rechtssätze bestehen, welche den Erwerb und Verlust dieses Rechtes regelten. Gesetzliche Vorschriften dieser Art bestehen unzweifel­ haft nicht, ebensowenig lassen sich derartige Rechtssätze aber aus allgemeinen Prinzipien ableiten. Die Verteidiger eines besonderen Rechtes auf ein Pseudonym gehen in ihren Ansichten über die Voraussetzungen, unter welchen ein solches Recht zur Entstehung gelangt, weit auseinander. Während von den einen der einmalige Gebrauch des Pseudonyms für genügend gehalten wird, um das Recht darauf zu erwerben, verlangen andere noch das Hinzutreten anderer Voraus­ setzungen, insbesondere die allgemeine Anerkennung eines bestimmten Pseudonyms im Verkehr oder sie beschränken die entsprechende Anwendung auf Schriftstellernamen (z. B. Carmen Sylva), wenn sie zu einer in weiteren Kreisen bekannten Bezeichnung eines bestimmten Schriftstellers ge­ worden sind (so Enneccerus I § 93 112). Die Gründe, welche sür die eine oder andere Auf­ fassung angeführt werden, sind nicht Rechlsgründe, sondern Zweckmäßigkeitsgründe. Die Gründe, welche für die Anerkennung eines besonderen Rechtes aus ein Pseudonym angeführt werden, ge­ nügen vielleicht, um den Wunsch einer gesetzlichen Anerkennung desselben zu rechtfertigen; sie genügen nicht, um das rechtliche Bestehen eines solchen Rechtes und die nur unter dieser Vor­ aussetzung zulässige entsprechende Anwendung des § 12 zu rechtfertigen. Nur in den besonderen in der Erl. 5 erwähnten Fällen verbieten die Gesetze unter bestimmten näher bezeichneten Vor­ aussetzungen den Gebrauch eines Pseudonyms. Abgesehen hiervon kann in dem Gebrauch eines Pseudonyms, daS bereits von einem anderen benutzt ist, unter Umständen eine Verletzung der guten Sitten liegen, die unter den Voraussetzungen des § 826 zum Schadensersätze verpflichtet; die Verletzung eines besonderen Rechtes liegt darin nicht. Bei den aus Grund der Telegraphenordnung angenommenen Telegrammadressen ist ein Recht zu ihrem Gebrauch anzuerkennen und demgeinäß die Grundlage für eine entsprechende An­ wendung des § 12 gegeben (K. v. RG R. Erl. 2 zu § 12; Enneccerus § 93 II 2; RG. in DIZ 09, 1091; vgl. Wertheimer, GewRschutz 07, 348ff.). 8. Anwendung des K 12 auf juristische Personen. Der § 12 steht in dem Titel über „Natürliche Personen". Die Mehrheit der zweiten Kommission, durch welche dieser Paragraph beschlossen wurde, ging aber davon aus, daß die Vorschriften über Personen im allgemeinen in­ soweit auch auf juristische Personen Anwendung finden, als nicht durch die Natur derselben die Anwendung ausgeschlossen werde und daß daher durch § 12 auch der Name einer juristischen Person geschützt werde. In der Tat dürften überwiegende Gründe dafür sprechen, den § 12 auf die juristischen Personen entsprechend anzuwenden. So auch die fast einstimmige Ansicht in der Literatur, ferner RG. 74, 114; a. A. Landsberg § 25 I 1; Opet 373ff.; Kisch JLBl. 09, 199; OLG. 22, 109. Über die Frage, ob der § 12 auf nicht rechtsfähige Vereine anzuwenden ist, s. Erl. zu § 54.

9. In neuerer Zeit wird das Recht am eigenen Bilde als besonderes Persönlichkeitsrecht neben dem Rechte auf den Namen aufgestellt. Die Gründe, welche hierfür angeführt werden, dürften indessen höchstens genügen, um die Anerkennung eines solchen Rechtes durch die Gesetz­ gebung zu rechtfertigen. Vom Standpunkte des bestehenden Rechtes läßt sich ein Recht der ftaglichen Art schwerlich rechtfertigen. Es fragt sich auch, ob nicht die Grundsätze über Beleidigung genügen, um den erforderlichen Schutz zu gewähren. Über das Nähere s. insbesondere die Gut­

achten von Keyßner und Gareis in den Verhandl. des 25. Juristentags 1, 3ff., 72ff., und Cohn 37 sowie die dort angeführte Literatur und Judikatur. Gareis, Das Recht am eigenen Bilde, in der DIZ. 02, 412ff.; Kohler, Das Eigenbild im Recht 03. Olshausen in Gruch. 46, 492ff.; Stenglein in DIZ. 02, 502; v. Blume im Recht 03, 113ff.; Rietschel, Recht am eigenen Bilde, in ArchZivPrax. 94, 142ff.; Schneickert in HirthSAnn. 04, 169ff.; 27. DIT. 4, 28ff.; Kunkel in BayZ. 07, 287f.; Fuld, Karikatur und Persönlichkeitsschutz, in GewRschutz 07, 224ff.; Krüger, Die Einwirkung des Rechts am eigenen Bilde aus die Eintragbarkeit von Warenzeichen, in GewRschutz 08, 91 ff.; Eckert, Zum Recht am eigenen Bilde, in BayZ. 09, 79ff., 99 ff. In RGSt. 33, 295 ist anerkannt, daß, wenn jemand sich aus Wunsch eines anderen hat photographieren lassen, nicht er, sondern nur der Besteller ein Recht an dem Bilde hat. Einen beschränkten Schutz am eigenen Bilde gewährt das KunstUrhG. Nach § 22 dieses Gesetzes dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur

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I. Abschnitt: Personen.

Schau gestellt werden. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablauf von zehn Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Weitgreifende Ausnahmen von dieser Regel bestimmen die §§ 23, 24. Die §§ 31 ff. geben nähere Vorschriften über die zivilrechtlichen und strafrechtlichen Folgen einer Verletzung des durch § 22 gewährten Rechtes. Her­ vorzuheben ist, daß nach § 37 Abs. 1 Satz 2 die widerrechtlich verbreiteten oder öffentlich zur Schau gestellten Bildnisse und die zu deren Vervielfältigung ausschließlich bestimmten Vor­ richtungen der Vernichtung unterliegen, und daß nach Abs. 3 auf die Vernichtung auch dann zu erkennen ist, wenn die Herstellung, die Verbreitung, die Vorführung oder die Schaustellung weder vorsätzlich noch fahrlässig erfolgt ist. Die Vernichtung der Exemplare und der Vorrichtungen kann im Wege des bürgerlichen Rechtsstreits oder im Strafverfahren nach § 42 verfolgt werden.

88 13-19. Lehmann, Die Todeserklärung Verschollener nach dem BGB., in Hirths Ann. 01, 18ff., 121 ff., 223ff.; Balog, Verschollenheit und Todeserklärung, nach deutschem und ungarischem Rechte usw. 08; Herb. Meyer, Vom Rechtsschein des Todes, in der Festgabe der Breslauer Juristenfakultät für Brie, 12. Todeserklärung. Von dem Leben und dem Tode einer Person hängen wichtige ver­ mögensrechtliche und familienrechtliche Verhältnisse ab. Die Ungewißheit über Leben und Tod hat daher die Folge, daß auch für diese Verhältnisse ein Zustand der Ungewißheit eintritt. Um den sich hieraus ergebenden Übelständen abzuhelfen, sind fast von allen Rechten besondere Vor­ schriften gegeben worden. Eine Übersicht der eingeschlagenen verschiedenen Wege geben die M. I, 33 ff. Das BGB. wählt den Weg der gerichtlichen Todeserklärung. Die Todeserklärung begründet nach § 18 die Vermutung, daß der Verschollene in dem Zeitpunkt gestorben sei, welcher in dem die Todeserklärung aussprechenden Urteile sestgestellt ist (über andere Folgen der Todeserklärung s. Erl. 5 zu § 18). Welcher Zeitpunkt in dem Urteil als Zeitpunkt des Todes festzustellen ist, wird im § 18 Abs. 2 bestimmt. Solange die Todeserklärung nicht erfolgt ist, wird nach § 19 das Fortleben des Verschollenen bis zu dem Zeitpunkte vermutet, der nach § 18 Abs. 2 in Ermangelung eines anderen Ergebnisses der Ermittelungen als Zeitpunkt des Todes anzunehmen ist. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Todeserklärung bestimmen die §§ 14—17. Der § 14 enthält die allgemeine, für alle Fälle der Verschollenheit geltende Vorschrift, nach welcher die Todeserklärung regelmäßig zulässig ist, wenn seit zehn Jahren keine Nachricht von dem Leben des Verschollenen eingegangen ist. Für Minderjährige sowie für Personen, die das siebzigste Lebensjahr vollendet haben, werden daneben besondere Vorschriften gegeben (s. § 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2). Eine kürzere Verschollenheitsfrist ist im § 15 für die Fälle der Kriegsverschollen­ heit, im § 16 für die Fälle der Seeverschollenheit und im § 17 für solche Fälle bestimmt, in welchen jemand unter anderen als den in den §§ 15, 16 bezeichneten Umständen in eine Lebens­ gefahr geraten ist. Die Todeserklämng erfolgt auf Antrag im Wege des Aufgebotsverfahrens. Neben den hierfür gellenden allgemeinen Vorschriften der §§ 946—959 der ZPO. hatte der E. I besondere Vorschriften über das Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Todeserklärung in den §§ 9—20, 22—24 gegeben. Für die Fälle der Kriegs- und Seeverschollenheit sollte nach § 20 ein Aufgebot nicht erforderlich sein und waren zum Ersätze besondere Vorschriften für diese Fälle gegeben. In dem BGB. sind die angeführten Paragraphen des E. I nicht ausgenommen. Zum Ersätze dafür sind besondere Vorschriften über das Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Todeserklärung als §§ 960—976 in die ZPO. ausgenommen. Aus diesen Vorschriften ist folgendes hervorzuheben: Die allgemeinen Vorschriften der §§ 946—959 der ZPO. finden auch auf das Aufgebots­ verfahren zum Zwecke der Todeserklärung Anwendung, soweit sich nicht aus den besonderen hierfür getroffenen Vorschriften ein anderes ergibt. Der § 961 bestimmt das für das Verfahren zuständige Gericht. Über die Antragsberechtigung bestimmt der § 962: „Antragsberechtigt ist der gesetzliche Vertreter des Verschollenen sowie jeder, der an der Todeserklärung ein rechtliches Interesse hat. Der gesetzliche Vertreter bedarf zu dem Anträge der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts." Nach § 963 hat der Antragsteller die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen vor der Einleitung des Verfahrens glaubhaft zu machen.

§ 13. Wer verschollen ist, kann nach Maßgabe der §§. 14 bis 17 ün Wege des Aufgebotsverfahrens für tot erklärt werden. Die §§ 964—966 enthalten Vorschriften über den Inhalt des Aufgebots, über die Aufgebotssristen und die Bekanntmachung des Aufgebots. Nach § 967 kann jeder Antragsberechtigte auch später neben dem Antragsteller oder statt desselben in das Verfahren eintreten. Über das Verfahren werden folgende Vorschriften gegeben: § 968. „Das Gericht hat unter Benutzung der in dem Antrag angegebenen Tatsachen und Beweismittel von Amts wegen die zur Feststellung des Sachverhalts erforderlichen Ermittelungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen." § 969. „Wird derjenige, welcher sich als der angeblich Verschollene meldet, als solcher von dem Antragsteller nicht anerkannt, so ist das Verfahren auszusetzen."

§ 970. „Das Gericht hat die Todeserklärung nur auszusprechen, wenn die zur Be­ gründung derselben erforderlichen Tatsachen für erwiesen erachtet werden. In dem Urteil ist der Zeitpunkt des Todes nach Maßgabe des § 18 Abs. 2 des Bürger­ lichen Gesetzbuches festzustellen." Der § 971 gibt Vorschriften über die Kosten des Verfahrens, der § 972 über die Ver­ bindung mehrerer Aufgebotsversahren. Die §§ 973—976 handeln von der Anfechtungsklage.

8 13. E. I 88 5, 10, 20; II 8 2 Abs. 1 Satz 1, 8 e rev. 8 13; III 8 13. P. I 25, 28, 36f., 11489ff.; M. I 33ff., 41 f., 46f. P. II 1 S. 4ff., 10f., 18, 25ff.; 6 S. 12, 20ff. D. 607.

1. Verschollenheit. Unter einem „Verschollenen" versteht der E. I nach den §§ 6—8 den­ jenigen, in betreff dessen die Voraussetzungen vorliegen, unter welchen die Todeserklärung zulässig ist. In dem BGB. wird der Begriff der Verschollenheit, wie die §§ 14—17 ergeben, in einem anderen Sinne gebraucht (abweichend Hellmann KrBJSchr. 40, 179). Die Verschollenheit muß nach diesen Vorschriften während der darin näher bestimmten Zeit gedauert haben. Wann jemand als verschollen gilt, ist nicht bestimmt. Es wird darunter also dasjenige zu verstehen sein, was nach dem Sprachgebrauche des gewöhnlichen Lebens darunter verstanden wird. Hier­ nach wird als verschollen derjenige bezeichnet, über dessen Leben oder Tod keine Nachricht vorliegt, obwohl den Umständen nach eine Nachricht erwartet werden durste, so daß sich Zweifel ergeben, ob der Betreffende lebt oder tot ist (so Oertmann @rL 2d zu § 13; Rehbein I 8; Staudinger Erl. I zu § 13; Biermann I § 119 Ziff. 3; Etkneccrus § 79; Matthiaß § 19 II Al; v. Tuhr I 385; Lehmann 52, 72f.; im wesentlichen auch Cosack § 25 II la; Crome § 40 II; Dernburg I § 51 I; Endemann I § 38 Ziff. 3; Kohler I § 114 I); die Nachrichtenlosigkeit für sich allein reicht zur Verschollenheit nicht aus (a. A. Holder Erl. 1 zu § 13; K. v. RG R. Erl. 1 zu H 13 und die früheren Auflagen). Abwesenheit, welche der E. I er­ forderte, ist nicht unbedingt erforderlich. Denkbar ist, daß jemand, ohne seinen Wohnsitz zu ver­ lassen, spurlos verschwindet. Deshalb darf die Verschollenheit auch nicht mit GoldmannLilienthal I 44 Anm. 3 und Hachenburg 338 als qualifizierte Abwesenheit bezeichnet werden. Für die zur Begründung des Antrags auf Todeserklärung erforderliche Glaubhaft­ machung der gesetzlichen Voraussetzungen wird regelmäßig genügen, daß an dem Wohnsitze der betreffenden Person Nachrichten über deren Leben oder Tod fehlen. Hatte sie keinen Wohnsitz, so müssen die Umstände entscheiden, was zur Glaubhaftmachung erforderlich ist; ebenso in den besonderen Fällen der §§ 15—17. Die Todeserklärung selbst kann immer erst erfolgen, wenn in dem Verfahren vor dem zuständigen Gerichte keine Nachricht über Leben oder Tod bekannt geworden ist. 2. Steht der Tod einer Person fest, so kann das Aufgevotsoerfahren zum Zwecke der Todeserklärung nicht eingeleitet werden. Ein Aufgebotsversahren nur zum Zwecke der Fest­ stellung des Zeitpunktes des Todes ist dem gellenden Rechte unbekannt (Kohler I § 120 I; a. A. Cosack § 25 II la). Aus diesem Grunde ist die Todeserklärung ausgeschlossen, wenn seit der Geburt des Verschollenen eine nach menschlicher Erfahrung dem menschlichen Leben versagte Zeit, z. B. mehrere Jahrhunderte, verstrichen sind (Oertmann Erl. 2c zu § 13; Staudinger Erl. IV zu § 14; Matthiaß § 19 II; v. Tuhr I 386 Anm. 3; Rünger ZBlFG. 5, 648).

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I. Abschnitt: Personen.

§ 14. Die Todeserklärung ist zulässig, wenn seit zehn Jahren keine Nach­ richt von dem Leben des Verschollenen eingegangen ist. Sie darf nicht vor dem Schlüsse des Jahres erfolgen, in welchem der Verschollene das einunddreißigste Lebensjahr vollendet haben würde. Ein Verschollener, der das siebzigste Lebensjahr vollendet haben würde, kann für tot erklärt werden, wenn seit fünf Jahren keine Nachricht von seinem Leben eingegangen ist. Der Zeitraum von zehn oder fünf Jahren beginnt mit dem Schlüsse des letzten Jahres, in welchem der Verschollene den vorhandenen Nachrichten zufolge noch gelebt hat. 3. Todeserklärung von Deutschen und Ausländern. Nach § 5 des E. I sollte nur ein Deutscher für tot erklärt werden können. Der § 13 hat diese Beschränkung nicht ausgenommen. In dem Art. 9 Abs. 1 des EG. wird aber bestimmt, daß ein Verschollener im Jnlande nach den deutschen Gesetzen für tot erklärt werden kann, wenn er beim Beginne der Verschollenheit ein Deutscher war. Tie Abs. 2 und 3 bestimmen dann, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Wirkungen ein Verschollener, der beim Beginne der Verschollenheit einem ftemden Staate angehörte, für tot erklärt werden kann (über das Nähere s. Erl. zu Art. 9 des EG.). 4. Übergangsvorschriften enthält das EG. Art. 158—162. § 14. E.I 8 6; II 8 2 rev. 8 14; III 8 14 P. I 25, 6149ff., 6185; M. I 37f. P. II 1 S.4ff.; 6 S. 107ff. D. 607.

1. Die Todeserklärung ist regelmäßig zuläsfig, wenn seit dem Schlüsse des Jahres, in welchem der Verschollene, nach den letzten Nachrichten, noch gelebt hat, zehn Jahre verstrichen sind. Unter den ^letzten Nachrichten" sind nicht die zuletzt eingegangenen Nachrichten zu ver­ stehen (a. A., wie es scheint, nur Cosack § 25 Beispiel I zu II 1b), sondern, wie aus Abs. 3 erhellt, diejenigen Nachrichten, welche den spätesten Zeitpunkt bezeichnen, in welchem der Ver­ schollene noch gelebt hat. Hat z. B. nach den im Jahre 1901 eingegangenen Nachrichten ein Verschollener noch am 1. Oktober 1900 gelebt, während die im Jahre 1902 eingelaufenen Nach­ richten bekunden, daß er im Dezember 1899 gelebt habe, so ist nicht diese zuletzt eingegangene Nachricht, sondern die frühere maßgebend, weil nach dieser der Verschollene noch zu einem späteren Zeitpunkte, nämlich am 1. Oktober 1900, gelebt hat. Der Zeitraum von zehn Jahren wird also vom Schlüsse des Jahres 1900 an berechnet und ist daher mit dem Schlüsse des Jahres 1910 abgelaufen. 2. Erfordernis der Vollendung des einunddreißigsten Lebensjahrs. Eine Modifikation dieser Regel tritt ein, wenn der Verschollene am Schlüsse des Jahres, in welchem er den letzten Nachrichten zufolge noch gelebt hat, noch nicht das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet haben würde. Die Todeserklärung darf in solchem Falle nicht vor Schluß des Jahres erfolgen, in welchem der Verschollene das einundddreißigste Lebensjahr vollendet haben würde. War also z. B. der Verschollene, der nach den letzten Nachrichten noch am 1. Oktober 1900 gelebt hat, in diesem Zeitpunkt erst zehn Jahre alt, so kann er nicht vor dem Schlüsse desjenigen Jahres, in welchem er das einunddreißigste Lebensjahr vollendet haben würde, also, wenn er am 1. Oktober 1900 zehn Jahre alt geworden wäre, nicht vor dem Schlüsse des Jahres 1921 für tot erklärt werden. Auf die Berechnung des einunddreißigsten Lebensjahrs finden die Vor­ schriften der §§ 187 Abs. 2, 188 Anwendung. Fiele also z. B. der Geburtstag des Verschollenen auf den 1. Januar 1900, so würde er mit dem Schlüsse des Jahres 1930 das einunddreißigste Lebensjahr vollendet haben und könnte also im Jahre 1931 für tot erklärt werden. Keine besondere Vorschrift enthält der § 14 für den Fall, daß Ungewißheit über den Zeitpunkt besteht, in welchem der Verschollene das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet haben würde. Die M. I 38 erklären eine solche Vorschrift mit Recht für überflüssig, weil jede in dieser Hinsicht obwaltende Ungewißheit bei der Berechnung des Fristenlaufs dem Abwesenden zugute kommen müsse. 3. Abkürzung der Frist bei Vollendung des fiebrigsten Lebensjahres. Eine weitere Modi­ fikation tritt ein, wenn der Verschollene das siebzigste Lebensjahr vollendet haben würde.

§ 15. Wer als Angehöriger einer bewaffneten Macht an einem Kriege teilgenommen hat, während des Krieges vermißt worden und seitdem ver­ schollen ist, kann für tot erklärt werden, wenn seit dem Friedensschlüsse drei Jahre verstrichen sind. Hat ein Friedensschluß nicht stattgefunden, so beginnt der dreijährige Zeitraum mit dem Schluffe des Jahres, in welchem der Krieg beendigt worden ist. Als Angehöriger einer bewaffneten Macht gilt auch derjenige, welcher sich in einem Amts- oder Dienstverhältnis oder zum Zwecke freiwilliger Hilfeleistung bei der bewaffneten Macht besindet. Auf die Berechnung des siebzigsten Jahres finden ebenfalls die Vorschriften der § 187 Abs. 2, § 188 Anwendung. Hier genügt fünfjährige Verschollenheit, d. h. der Verschollene kann auch,

wenn noch keine zehn Jahre seit dem Schlüsse desjenigen Jahres abgelaufen sind, in welchem er nach den letzten Nachrichten noch gelebt hat, dann für tot erklärt werden, wenn seit diesem Zeitpunkte mindestens fünf Jahre verstrichen sind und der Verschollene zugleich vor oder in diesem Zeitpunkte das siebzigste Lebensjahr vollendet haben würde. Tritt die Vollendung des siebzigsten Lebensjahrs erst später ein, so ist die Todeserklärung erst nach dem Zeitpunkte zulässig, in welchem er das siebzigste Lebensjahr vollendet haben würde. Ware also in dem obigen Beispielsfalle der Verschollene am 1. Oktober 1900 schon siebzig Jahre alt gewesen, so würde die Todeserklärung schon mit dem Schlüsse des Jahres 1905 zulässig sein. Das gleiche gilt, wenn er vor dem Schluffe des Jahres 1905 das siebzigste Lebensjahr vollendet haben würde. Hätte er dieses Lebensjahr aber erst nach dem Schluffe des Jahres 1905 vollendet, also z. B. am 1. Juli 1907, so würde er erst nach diesem Zeitpunkte für tot erklärt werden können (a. A. Hölder Erl. 5 zu 8 14; Staudinger § 14 III; Matthiaß § 19 II A2; Bechert im ZBlFG. 10, 380f., welche in Fällen der zuletzt erwähnten Art die Todeserklärung nicht vor dem Schluffe des Jahres für zulässig halten, in dem der Verschollene das 70. Lebensjahr vollendet haben würde; wie hier Oertmann Erl. 4 zu 8 14; Biermann I 8 119 Ziff. 3a; Dernburg I ß 52 Anm. 4; Enneccerus 8 79 II; Windscheid-Kipp Zus. 1 zu 8 53.

4. Der Antrag auf Todeserklärung darf erst nach Ablauf der in den 14ff. be­ stimmten Fristen gestellt werden (a. A. Biermann I 8 119 Ziff. 4; v. Thur I 389). Der Ablauf der Fristen ist nach 8 963 ZPO. glaubhaft zu machen (K. v. R G R. Erl. 1 zu 8 14; Staudinger Erl. I 3 zu 8 14; Crome 8 40 Anm. 14; Windscheid-Kipp Zus. 1 zu 8 53; a. A. Hölder Erl. la zu 8 14; Oertmann Erl. 5 zu 8 14, die die Behauptung des Fristablaufs für genügend erklären; eigentümlich Rehbein I 9, der im allgemeinen Glaubhaft­ machung des Fristablaufs fordert, aber bei Jugendlichen die Einleitung des Verfahrens schon nach zehnjähriger Nachrichtenlosigkeit für zulässig hält).

8 15. @.I g 7; II g 3 reu. 8 15; III 8 15. P. I 25f.; M. I 38ff.

P. II 1 S. 67. D. 607.

1. Personen, aus welche die Vorschriften des tz 15 über Kriegsverschollenheit Anwendung finden. Der 8 7 des E. I beschränkte die Vorschrift über Kriegsverschollenheit auf den Fall, daß jemand mit der bewaffneten Macht des Deutschen Reichs in den Krieg gezogen ist. Von der zweiten Kommission ist diese Beschränkung aufgegeben; die Vorschrift des 8 15 findet in allen Fällen Anwendung, in welchen jemand als Angehöriger einer bewaffneten Macht an einem Kriege teilgenommen hat, also auch dann, wenn er Angehöriger der bewaffneten Macht eines auswärtigen Staates war und als solcher an einem Kriege dieses Staates teilgenommen hat. Wer zur bewaffneten Macht des Deutschen Reiches gehört, ergibt sich aus dem 8 2 des G betr. die Verpflichtung zum Kriegsdienst v. 9. Nov. 67 in Verbindung mit dem MStGB. 8 4 und Anlagen, dem RMilG. 8 38 und dem G. über den Landsturm v. 12. Febr. 75. Wer zur be­

waffneten Macht eines auswärtigen Staates gehört, ist aus dessen Geietzen zu entnehmen. Als Angehöriger der bewaffneten Macht gelten auch die im Abs. 2 bezeichneten Personen. Ob ein Amts- oder Dienstverhältnis der dort bezeichneten Art vorliegt, bestimmt sich nach den Gesetzen des Staates, um dessen bewaffnete Macht es sich handelt.' Zum Zwecke freiwilliger Hilfeleistung bei der bewaffneten Macht befinden sich z. B. freiwillige Krankenpfleger; ebenso auch wohl Händler, die dem Heere folgen, um es mit Proviant zu versehen (vgl. Hölder

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I. Abschnitt: Personen.

§ 16. Wer sich bei einer Seefahrt auf einem während der Fahrt unter­ gegangenen Fahrzeuge befunden hat und seit dem Untergange des Fahrzeugs ver­ schollen ist, kann für tot erklärt werden, wenn seit dem Untergang ein Jahr verstrichen ist. Der Untergang des Fahrzeugs wird vermutet, wenn es an dem Orte seiner Bestimmung nicht eingetroffen oder in Ermangelung eines festen Reiseziels nicht zurückgekehrt ist und wenn bei Fahrten innerhalb der Ostsee ein Jahr, bei Fahrten innerhalb anderer europäischer Meere, mit Einschluß sämt­ licher Teile des Mittelländischen, Schwarzen und Azowschen Meeres, zwei Jahre, bei Fahrten, die über außereuropäische Meere führen, drei Jahre Erl. lb zu § 15; Oertmann Erl. la zu § 15; Staudinger Erl. 3b zu § 15; a. A. Enneccerus § 79 Anm. 10; Windscheid-Kipp Zus. 1 zu § 53). Auch die Militärattaches neutraler Mächte dürften unter den § 15 fallen (Windscheid-Kipp I § 53, Zus. 1 S. 236). Nicht darunter fallen Zeitungskorrespondenten und sog. Schlachtenbummler (Oertmann Erl. la zu § 15; Biermann I § 119 Ziff. 3b «; Dernburg § 52 III1; Enneccerus § 79 Anm. 10; Lehmann 127; nach Staudinger Erl. 3b zu § 15 sollen Zeitungskorrespondenten unter Umständen unter § 15 fallen). Zu weit zieht den Kreis der dem § 15 unterliegenden Personen K. v. RG R. Erl. 1 zu § 15, indem er alle Personen hierherstellt, die unter § 155 MStGB. fallen. Auf die Begleiter der bewaffneten Macht, für die § 15 nicht gilt, kann § 17 Anwendung finden. Was unter Teilnahme an dem Kriege zu verstehen ist, bestimmt sich nach der Auffassung des Lebens. Der Begriff des Krieges ist nicht im völkerrechtlichen Sinne zu nehmen, vielmehr ent­ scheidet auch in dieser Beziehung die Auffassung des Lebens (Oertmann Erl. 1 dd zu § 15; Staudinger Erl. 4 zu 8 15; Biermann I § 119 Anm. 8; Dernburg I § 52 III 1; Enneccerus § 79 Anm. 11; Kohler I § 116 III; v. Tuhr I 387; Lehmann 125; a. A. Windscheid-Kipp Zus. 1 zu § 53; wie es scheint, auch Hölder Erl. 2a zu § 15; Cosack § 25 Beispiel II11 zu II1 b). Der Feldzug in China ist z. B. als Krieg zu betrachten (Schröder in DIZ. 01, 280f.; a. A. Gareis in PosMSchr. 01, 131). 2. Voraussetzung der Zuläsfigkeit der Todeserklärung ist, daß die betreffende Person ver­ mißt und seitdem verschollen ist. Vermißt ist jemand, wenn über sein Verbleiben an derjenigen Stelle keine Nachricht vorliegt, bei welcher eine solche nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge vorhanden sein müßte. Seitdem muß er verschollen sein. Der E. I verlangte, daß keine Nach­ richt vorliege, daß der Vermißte nach dem Friedensschlüsse noch gelebt habe. Nach dem BGB. ist erforderlich, daß auch keine Nachricht vorliegt, daß der Vermißte vor dem Friedensschlüsse noch gelebt hat. Ist eine solche Nachricht vorhanden, z. B. daß der Vermißte in Gefangenschaft geraten ist, so ist die Todeserklärung nur zulässig, wenn nach diesem Zeitpunkt ein Bermißtsein eingetreten ist. Der Grundgedanke des § 15 erfordert aber weiter, daß die Verschollenheit im Kausalzusammenhang mit der Kriegsgefahr steht, das Bermißtsein muß auf dem Kriegsschauplatz eingetreten sein. Daher kann ein Gefangener, der fern vom Kriegsschauplatz vermißt und seit­ dem in Verschollenheit geraten ist, nicht nach § 15 für tot erklärt werden (Oertmann Erl. 1 dß zu § 15; K.v.RG R. Erl. 2 zu § 15; Staudinger Erl.5 zu § 15; Endemann I § 38 Anm. 14; Enneccerus § 79 I 2a). 3. Der E I forderte den Ablauf von drei Jahren nach dem Friedensschlüsse. Das BGB. berücksichtigt auch den Fall, wenn ein Friedensschluß nicht stattgefunden hat, und bestimmt, daß in diesem Falle der dreijährige Zeitraum mit dem Schluffe des Jahres beginnt, in welchem der Krieg beendigt worden ist. Wann die Beendigung anzunehmen ist, muß aus den Umständen entnommen werden. Im Falle eines Friedensschlusses bestimmt sich die Berechnung der drei­ jährigen Frist nach § 187 Abs. 1, § 188.

8 16. E. I g 8; II g 4 rev. g 16; III g 16. P. I 26f.r M. I 39ff. P. II 1 6. 7ff.; 6 6.111. D. 607. 1 Voraussetzung der Zulässigkeit der Todeserklärung nach K 16 ist zunächst, daß fich die betreffende Person auf einem während der Fahrt untergegangenen Fahrzeuge befunden hat.

seit dem Antritte der Reise verstrichen sind. Sind Nachrichten über das Fahr­ zeug eingegangen, so ist der Ablauf des Zeitraums erforderlich, der verstrichen sein müßte, wenn das Fahrzeug von dem Orte abgegangen wäre, an dem es sich den Nachrichten zufolge zuletzt befunden hat. Ist Nachricht vorhanden, daß derjenige, welcher bei dem Untergange des Fahrzeugs auf diesem sich befand, nach dem Untergange noch gelebt hat, so findet der § 16 Abs. 1 keine Anwendung. Geht die Nachricht etwa dahin, daß er nach dem Untergange des Fahrzeugs noch lebend sich in einem Boote befunden hat, so ist das Schicksal dieses Bootes entscheidend und die Zulässigkeit der Todeserklärung auf Grund des § 16 davon abhängig, ob das Boot untergegangen oder nach § 16 Abs. 2 als unlergegangen zu vermuten ist (so auch Oertmann Erl. 3d /S zu § 16; Stau­ dinger Erl. 3a /S zu H 16). Es dürste indessen zulässig sein, die fragliche Voraussetzung auch für eine solche Person als vorliegend anzunehmen, die während des Unfalls, der den Untergang des Schiffes herbeigeführt hat, aber bevor dasselbe wirklich untergegangen ist, in das Meer ge­ sprungen ist (so Oertmann Erl. 3b/? zu § 16; K. v. RG R. Erl. 1 zu § 16; Dernburg I § 52 Anm. 10; a. A. Hölder Erl. 3 zu § 16; Staudinger Erl. 3b zu § 16; Cosack § 25 Bei­ spiel II 2 zu II 1b).

2. Seefahrt. Nach dem Wortlaute des § 16 Abs. 1 würde dessen Vorschrift nicht zutreffen, wenn das Fahrzeug zwar den Hafen verlassen hat, um eine Seefahrt anzutreten, aber, ehe es die See erreichte, auf dem den Zugang zur See bildenden Flusse, etwa in der Mündung des­ selben, untergegangen ist oder wenn es bei der Rückkehr von einer Seereise aus der offenen See schon in die Mündung des Flusses gelangt ist und dort seinen Untergang gefunden hat. Die Worte „bei einer Seefahrt" im Abs. 1 dürsten indessen in einem weiteren, der Auffassung des Lebens entsprechenden Sinne zu verstehen sein, nach welchem die Seefahrt in den gedachten Fällen schon mit dem Verlassen des Hafens beginnt und erst mit der Rückkehr in denselben endet (so auch Oertmann Erl. 2a « zu § 16; Dernburg I § 52 Anm. 11; Enneccerus § 79 Anm. 12; v.Tuhr I 387; Lehmann 129; a. A. Hölder Erl. Id zu § 16; K.v. R G R. Erl. 1 zu § 16; Stau­ dinger Erl. 3a zu § 16; Biermann I § 119 Ziff. 3b y, und wie es scheint Rehbein I 9). Hiernach wird auch im Abs. 2 unter „Antritt der Reise" der Zeitpunkt zu verstehen sein, in welchem das Fahrzeug den Hafen verlassen hat, auch wenn es noch nicht sofort in die offene See gelangt ist. Wäre der Ausdruck „bei einer Seefahrt" im engeren Sinne zu verstehen, so würde, wenn das Fahrzeug in der Mündung des Flusses unlergegangen wäre, nicht der § 16, sondern der § 17 zur Anwendung kommen und die Todeserklärung daher nicht schon nach einem Jahre nach dem Untergange, sondern erst nach drei Jahren zulässig sein. Dieses Ergebnis ist unvermeidlich, wenn es sich überhaupt nicht um eine Seefahrt, sondern nur um eine Fahrt auf einem Flusse handelt. Die Inkongruenz, die darin liegt, daß hier eine längere Dauer der Ver­ schollenheit erfordert wird wie bei einer Seefahrt, erklärt sich daraus, daß man besondere Vor­ schriften über die Zulässigkeit der Todeserklärung im Falle des Unterganges eines Fahrzeugs auf einem Flusse deshalb nicht für erforderlich gehalten hat, weil sich in solchem Falle das Leben oder der Tod derjenigen Personen, welche sich auf dem Fahrzeuge befunden haben, regelmäßig ohne Schwierigkeit feststellen läßt.

3. Vermutung des Unterganges des Schiffes. Steht der Untergang des Fahrzeugs nicht fest, so greift die im Abs. 2 bestimmte Vermutung Platz. In solchem Falle ist die Todeserklärung erst zulässig, wenn der im Abs. 2 bestimmte Zeitraum und nach dessen Ablaufe das im Abs. 1 bestimmte eine Jahr verstrichen ist. Welche der im Abs. 2 bezeichneten Fristen abgelaufen sein muß, entscheidet sich nach dem bestimmungsgemäß zu durchfahrenden Meere (so mit Recht Oertmann 2a y ßß zu § 16; v. Tuhr I 387, während die Motive I 40 und die früheren Auflagen ungenau nur das Ziel der Reise für maßgebend erklären). Eine Ausnahme tritt nach Abs. 2 Satz 2 nur dann ein, wenn Nachrichten eingegangen sind, daß sich das Fahrzeug nach der Abreise an einem bestimmten Orte befunden hat. In einem solchen Falle soll diejenige Frist zugrunde gelegt werden, welche erforderlich sein würde, wenn das Fahrzeug von diesem Orte abgegangen wäre. Für ein aus China abgegangenes, nach der Ostsee bestimmtes Fahrzeug gilt also z. B., wenn es nach den letzten Nachrichten in der Nordsee angesprochen ist, die zweijährige, wenn es in der Ostsee angesprochen ist, die einjährige Frist. Umgekehrt gilt für ein ohne ein be­ stimmtes Reiseziel von der Ostsee abgegangenes Fahrzeug, wenn es zuletzt in der Nordsee an­ gesprochen ist, die zweijährige, wenn es zuletzt in außereuropäischen Gewässern angesprochen ist,

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I- Abschnitt: Personen.

§ 17. Wer unter anderen als den in den §§ 15, 16 bezeichneten Um­ ständen in eine Lebensgefahr geraten und seitdem verschollen ist, kann für tot erklärt werden, wenn seit dem Ereignisse, durch welches die Lebensgefahr ent­ standen ist, drei Jahre verstrichen sind. die dreijährige Frist (a. A. Hölder Erl. Id zu § 16, der immer die längere Frist anwenden will, wenn es möglich ist, daß das Fahrzeug die Grenzen des MeereS, für welches die kürzere Frist gilt, überschritten hat, und Dernburg I § 52 III 2, der dasselbe annimmt, wenn es nicht unwahrscheinlich ist, daß das Fahrzeug die fragliche Grenze überschritten hat). 4. Auf die Berechnung der in den Abs. 1, 2 bestimmten Zeiträume finden die § 187 Abs. 1, § 188 Anwendung. Der Tag des Unterganges des Fahrzeugs und des Antritts der Reise wird also nicht mitgerechnet. Nur wenn der im Abs. 1 bestimmte Zeitraum dem im Abs- 2 bestimmten hinzugerechnet werden muß, findet, da der letztere mit dem Schluffe eines Tages endet, der erstere also mit dem Beginne des folgenden Tages anfängt, die Vorschrift des § 187 Abs. 2 Anwendung.

8 17. E. II 8 5 red. § 17; III § 17.

P. II 1 S. 9f.; 6 S. 111.

D. 607.

Kluckhohn, Über den Begriff der gemeinsamen Gefahr im § 20, zugleich der Lebens­ gefahr in § 17 des BGB , im ÄrchZivPrax. 107, 354 ff.

1. Todeserklärung bei Verschollenheit nach einer Lebensgefahr. Der § 17 ist erst von der zweiten Kommission hinzugesügt worden. Der Brand des Ringtheaters in Wien, der in Österreich ein besonderes Gesetz veranlaßte, gab dazu den Anstoß. Der Paragraph beschränkt sich aber keineswegs aus derartige Ereignisse, sondern greift viel weiter. Nicht erforderlich ist, daß der Verschollene von einem Unfälle betroffen ist oder daß überhaupt ein Unfall stattgefunden hat. Ein hieraus gerichteter Antrag wurde abgelehnt, weil durch die Vorschrift auch solche Fälle gedeckt werden sollten, in welchen ein Unfall nicht nachgewiesen werden kann, aber seststeht, daß der Verschollene in einer mit Lebensgefahr verbundenen Lage gewesen ist, und später jede Nach­ richt von ihm fehlt. Ein Fall dieser Art liegt z. B. vor, wenn der Verschollene die mit Lebens­ gefahr verbundene Besteigung eines hohen Berges unternommen hat und nachher jede Nachricht von ihm fehlt. Auch die Fälle der mit Lebensgefahr verbundenen Durchquerung eines unbekannten Landes oder eine Nordpolexpedirion wie die Nansensche oder die Fahrt mit einem Luftballon (vgl. David, Luftverschollenheit in DIZ. 08, 1220; Loebner, Luftverschollenheit in DIZ. 10, 592) gehören hierher. Wann eine Lebensgefahr im Sinne des § 17 anzunehmen ist, muß aus den Umständen des Falles entnommen werden. Selbstverständlich genügt nicht eine Lebensgefahr, wie sie in gewissem Sinne im gewöhnlichen Leben z. B. bei jeder Eisenbahnfahrt vorliegt; viel­ mehr muß die Gefahr eine außergewöhnliche sein, bei einer Eisenbahnfahrt also hinzukommen, daß der Zug, in dem der Verschollene sich befunden hat, verunglückt ist (im wesentlichen über­ einstimmend Oertmann Erl. 2a zu § 17; Staudinger Erl. 3c zu § 17; Dernburg I § 52 zu Anm. 13; Leonhard § 29 III; zu eng begrenzt die Voraussetzung Hölder Erl. 1, 2 zu Z 17; zu eng auch Kohler I § 116 II, der die Gefahr scheidet von einem Verhältnis, aus dem sich eine Gefahr entwickeln kann und verlangt, daß z. B. das Luftschiff platzt oder steuerlos auf das Meer niedergeht; Kluckhohn 358ff. übernimmt die Kohlersche Unterscheidung, gelangt aber in der Einzelanwendung zu anderen Ergebnissen). 2. Die Berechnung des dreijährigen Zeitraums, der nach dem Ereignisse, durch welches die Lebensgefahr entstanden ist, abgelaufen sein muß, bietet keine Schwierigkeit, wenn ein bestimntter Zeitpunkt feststeht, in welchem das Ereignis stattgefunden hat, wie dies z. B. bei einem Theaterbrande oder bei einem Erdbeben der Fall ist. Das Ende des Ereignisses, also z. B. des Brandes, ist zugrunde zu legen und der Tag, an welchem das Ereignis sein Ende erreicht hat, nach § 187 Abs. 1, § 188 nicht mitzurechnen. Zweifel entstehen, wenn die Lebensgefahr sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, z. B. bei der Besteigung eines Berges oder bei einer gefahr­ vollen Reise. Hier wird man den im § 16 Abs. 2 zugrunde liegenden Gedanken analog anzuwenden haben. Man wird zunächst den Zeitpunkt ermitteln müssen, in welchem der Verschollene von dem mit Lebensgefahr verbundenen Unternehmen, wenn er dabei nicht umgekommen wäre, voraus­ sichtlich spätestens zurückgekehrt sein würde oder in dem man doch Nachricht von ihm hätte erhallen müssen. In dem § 16 Abs. 2 ist dieser Zeitpunkt für den dort fraglichen Fall durch positive Vorschrift bestimmt. Eine solche Vorschrift fehlt hier und konnte bei der Verschiedenheit der Fälle

§ 18. Die Todeserklärung begründet die Vermuthung, daß der Verschollene in dem Zeitpunkte gestorben sei, welcher in dem die Todeserklärung aussprechenden Urteile festgestellt ist. Als Zeitpunkt des Todes ist, sofern nicht die Ermittelungen ein anderes ergeben, anzunehmen:

in den Fällen des § 14 der Zeitpunkt, in welchem die Todeserklärung zulässig geworden ist; in den Fällen des § 15 der Zeitpunkt des Friedensschlusses oder der Schluß des Jahres, in welchem der Krieg beendigt worden ist; in den Fällen des § 16 der Zeitpunkt, in welchem das Fahrzeug unter­ gegangen ist oder von welchem an der Untergang vermutet wird; in den Fällen des § 17 der Zeitpunkt, in welchem das Ereignis statt­ gefunden hat. Ist die Todeszeit nur dem Tage nach Tages als Zeitpunkt des Todes.

festgestellt, so gilt das Ende des

nicht gegeben werden. Die Umstände des einzelnen Falles müssen also entscheiden, welcher Zeit­ punkt anzunehmen ist. Bei einer Bergbesteigung werden es wenige Tage sein, nach deren Ablaufe Nachricht von dem Verschollenen hätte eintreffen müssen. Bei einer Nordpolexpedition, wie. die Nansensche, würde, wenn das Fahrzeug, auf welchem sich Nansen befunden, zurückgekehrt und festgestellt wäre, daß Nansen das Schiff verlassen, der § 16 also nicht zur Anwendung käme, nach den Umständen des Falles ermessen werden müssen, binnen welcher Zeit spätestens Nach­ richten von Nansen eingetroffen sein müßten, wenn er nicht umgekommen wäre. Bon dem in dieser Art ermittelten Zeitpunkt an läuft dann die dreijährige Frist, nach der die Todeserklärung zulässig ist (a. A. Hellmann, Vorträge 8; Hellmann, KrVJSchr. 3. F. 5, 241; Dern­ burg I § 52 III 3, § 54 II; Enneccerus I § 79 Anm. 14; Leonhard § 29 III S. 76 Anm. 1, die den Zeitpunkt, in welchem die Gefahr angesangen hat, entscheiden lassen wollen; Oertmann Erl. 3 zu § 17, der unterscheiden will, ob bereits der Beginn deS Unternehmens oder dessen Durchführung die besondere Gefahr herbeigeführt hat; wie hier im wesentlichen Hölder Erl. 4 zu 8 17; K. v. RGR. Erl. 2 zu 8 18; Staudinger Erl. 3g zu § 17; Crome § 40 Anm« 12; Endemann I § 38 Anm. 16; Matthiaß § 19 II A 2; Eck I 45 Anm. 2; v. Tuhr I 388).

818* •6.1 g 21; II g 7 rev. g 18; III g 18. P. I 37ff.; M. I 47ff. P. II 1 S. 18ff., 6 S. 111. D. 607. 1. Ermittelungen der Voraussetzungen der Todeserklärung von Amts wegen. Das Gericht hat nach der ZPO. 8 968 von Amts wegen die zur Feststellung des Tatbestandes erforderlichen Ermittelungen vorzunehmen und nach 8 970 die Todeserklärung nur dann auszusprechen, wenn die zur Begründung derselben erforderlichen Tatsachen für bewiesen erachtet werden. Die be­ treffenden Tatsachen müssen also bewiesen, nicht bloß glaubhaft gemacht sein. Durch die Fassung soll aber zugleich ausgedrückt werden, daß es darauf ankommt, ob zur Zeit des Urteils die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Todeserklärung vorliegen, und daß das Gericht nicht an die in dem Antrag auf Todeserklärung angeführten Tatsachen gebunden ist, sondern das Ergebnis der amtlichen Ermittelungen zugmnde zu legen hat (P. II 1 S. 23). Ist also z. B. im Laufe des Verfahrens ermittelt, daß der Verschollene noch in einem späteren Zeitpunkt, als in dem Antrag angegeben, gelebt habe, und wäre, wenn dies bei der Entscheidung über den Antrag bekannt gewesen, die Einleitung des Verfahrens nach § 14 unzulässig gewesen, weil von dem Schluffe des Jahres, in welchem der Verschollene nach den späteren Nachrichten noch gelebt, noch nicht zehn Jahre abgelausen waren, so kann und muß die Todeserklärung trotzdem erfolgen, wenn zur Zeit des Urteils zehn Jahre seit dem Schluffe des Jahres verstrichen sind. Der Zweifel, ob der zehnjährige Zeitraum nicht schon zur Zeit des Aufgebots abgelaufen fein muß, dürfte nicht begründet sein. 2. Inhalt und Wirkung des Urteils im allgemeinen. Nach 8 21 des E. I sollte das ergehende Urteil konstitutive Wirkung haben, jedoch nur in dem beschränkten Maße, daß die BerPlanck,

Konr. zum BGB.

Bd. I.

4. Aufl.

(Knoke.)

4

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I. Abschnitt: Personen.

mutung begründet wurde, daß der Verschollene den Zeitpunkt der Erlassung des Urteils nicht überlebt habe. Nur in betreff seiner Beerbung sollte der Zeitpunkt des Urteils auch positiv als Zeitpunkt des Todes vermutet werden. Von der zweiten Kommission wurden die gegen diese Gestaltung von verschiedenen Seiten geltend gemachten Bedenken für überwiegend erachtet. Man ging davon aus, daß es einerseits dringend wünschenswert sei, als Zeitpunkt des Todes einen solchen Zeitpunkt zu bestimmen, der der Wirklichkeit möglichst nahekomme, und die Bestimmung dieses Zeitpunkts so zu regeln, daß dem Zufall und dem Verhalten der Beteiligten ein möglichst geringer Spielraum gelassen werde und daß andererseits der festzustellende Zeitpunkt für alle von dem Tode abhängenden Verhältnisse maßgebend sein müsse. Der § 18 stellt deshalb folgende Grundsätze auf:

a) Nicht der Zeitpunkt der Erlassung des Urteils ist entscheidend, sondern in dem Urteil ist der Zeitpunkt des Todes festzustellen. b) Diese Feststellung hat nach Maßgabe der Vorschriften des Abs. 2 zu erfolgen. c) Die Todeserklärung begründet die durch Gegenbeweis zu entkräftende Vermutung, daß der Verschollene zu der in dem Urteile bestimmten Zeit gestorben sei. (Vgl. dazu Hedemann, Die Vermutung 278f., 310ff.) Die Meinung Hölders, Erl. 1 § 18, es handle sich um eine Fiktion, ist mit dem Gesetzbuch unvereinbar. Die Vermutung gilt für alle Rechtsverhältnisse, insbesondere auch für die Ehe (vgl. Erl. 5). Aus der Vermutung des Todes an einem bestimmten Tage ergibt sich dann von selbst die Vermutung, daß der Verschollene bis zu dieser Zeit gelebt habe. In einzelnen Beziehungen aus dem Gebiete des Familien- und Erbrechts gehen die Wirkungen über eine bloße Vermutung hinaus (vgl. Erl. 5). ' Abgesehen von diesen besonderen Vorschriften ist die durch die Todeserklärung geschaffene Lage ungewiß infolge der Möglichkeit des Gegenbeweises. Dritte können sich deshalb nicht un­ bedingt auf die Todeserklärung verlassen. Für einen praktisch besonders wichtigen Fall besieht indes eine Ausnahme: nach § 2370 gilt im Falle einer unrichtigen Todeserklärung derjenige, welcher aus Grund der Todeserklärung Erbe sein würde, in Ansehung der in den §§ 2366, 2367 bezeichneten Rechtsgeschäfte zugunsten des Dritten auch ohne Erteilung eines Erbscheins als Erbe, es sei denn, daß der Dritte die Unrichtigkeit der Todeserklärung kennt oder weiß, daß die Todeserklärung infolge einer Anfechtungsklage aufgehoben worden ist. Inwieweit diese Vor­ schrift eine entsprechende Anwendung auf einzelne andere verwandte Verhältnisse finden kann, ist hier nicht zu erörtern. Ein allgemeiner Satz, daß gutgläubige Dritte auf die Richtigkeit der Todeserklärung vertrauen dürfen, ist für das geltende Recht nicht anzuerkennen (a. A. Kohler I § 9 V, § 117 III; Hachenburg 348ff.; H. Meyer in der Vorbm. zu §§ 13—19 zitierten Schrift). Die Vorschrift des § 2370 kann für sich allein einen solchen allgemeinen Satz nicht rechtfertigen, die in Erl. 5 bezeichneten familienrechtlichen Bestimmungen sprechen gegen einen solchen Satz. Der Versuch Meyers, sie auf den Gedanken des „Rechisscheins" zurückzusühren, dürste nicht gelungen sein. Dies zeigt sich darin, daß die ihnen zufolge eintretenden Wirkungen bei Nackweis der Unrichtigkeit der Todeserklärung, wenn überhaupt, doch nicht mit rückwirkender Kraft beseitigt werden können, so daß z. B. dem Kinde, dessen Eltern unrichtig für tot erklärt sind, die Früchte des Kindesvermögens seit dem festgestellten Todestage verbleiben: auch ist zu beachten, daß die familienrechtlichen Wirkungen auch zugunsten des Ehegatten oder der Kinder eintreten, die die Unrichtigkeit der Todeserklärung kennen. Es handelt sich hier um eine end­ gültige Regelung, die gerade zu dem Zweck gewählt ist, um die mit der Vermutung verbundene Unsicherheit zu vermeiden. In Ermangelung eines allgemeinen Satzes sind daher Dritte, die sich auf die Todeserklärung verlassen, nur insoweit geschützt, als die sonst gellenden Vorschriften über den Schutz des guten Glaubens eingreisen. In einzelnen Fällen wäre vielleicht ein weiter­ gehender Schutz erwünscht, z. B. in dem von Meyer 33 erwähnten Falle, daß der Schuldner zwei Gläubigern eine Leibrente in der Weise zu zahlen hat, daß nach dem Tode des einen der Über­ lebende die ganze Rente zu beanspruchen hat. Es ist indes zu beachten, daß die Lage des Schuldners, der auf Grund der unrichtigen Todeserklärung die ganze Rente an den vermeintlich Überlebenden gezahlt hat, nicht ungünstiger ist, als wenn er auf Grund einer unrichtigen Sterbe­

urkunde geleistet hätte.

d)

Das Urteil wirkt für und gegen alle. Mit Rücksicht auf diese weitgreifenden Wirkungen der Todeserklärung ist eine Ausdehnung der Anfechtungsklage bestimmt. Sie soll nach § 973 ZPO. außer in den Fällen des § 957 Abs. 2 auch zulässig sein, wenn die Todeserklärung mit Unrecht erfolgt oder der Zeitpunkt des Todes

deS Verschollenen unrichtig festgestellt ist.

Zur Erhebung der Anfechtungsklage ist nach § 974

jeder berechtigt, der an der Aufhebung des Urteils oder der Berichtigung des Zeitpunkts deS Todes ein rechtliches Interesse hat. Das auf die Anfechtungsklage ergehende abändernde Urteil wirkt nach § 976 Abs. 3 für und gegen alle. 3. Der als Zeitpunkt des Todes zu bestimmende Zeitpunkt. Als solcher ist, wenn sich aus den Ermittelungen ein bestimmter Zeitpunkt des Todes ergibt, dieser festzustellen. Die Ansicht, daß, wenn ein bestimmter Zeitpunkt des Todes ermittelt worden, eine Todeserklärung überhaupt nicht zulässig sei (K. v. R G R. Erl. 2 zu § 18; Staudinger Erl. III1, 4 zu § 18; Dernburg I § 53 II 1), dürfte sich nicht rechtfertigen lassen. Sie steht im Widerspruch mit dem Wortlaute des § 18 Abs. 2, in welchem durch die Worte „sofern nicht die Ermittelungen ein anderes ergeben" allgenlein darauf hingewiesen ist, daß, wenn sich aus den Ermittelungen ein bestimmter Zeitpunkt des Todes ergibt, dieser in dem Urteil als Zeitpunkt des Todes festzustellen ist. Mit der Annahme, daß die fraglichen Worte nur den Fall vor Augen hätten, daß die Ermittelungen einen bestimmten Zeitpunkt des Todes nur wahrscheinlich gemacht hätten, während die Todeserklärung unzulässig sei, wenn der Zeitpunkt des Todes voll bewiesen sei, lassen sich weder die Worte des Gesetzes noch der Zweck des ganzen Verfahrens vereinigen. Daraus, daß die Todeserklärung nur eine Vermutung des Todes begründet, läßt sich nicht folgern, daß sie unzulässig sei, wenn ein voller Beweis vorliegt. Ist dies freilich der Fall schon bei dem Antrag auf Todeserklärung, so darf ein Verfahren überhaupt nicht eingeleitet werden, weil die betreffende Person dann nicht verschollen ist (s. Erl. 1, 2 zu § 13). War aber bei der Einleitung des Verfahrens Leben oder Tod noch ungewiß, so soll durch das Verfahren für alle Fälle, insbesondere auch für den Fall, daß in dem Verfahren die Zeit des Todes ermittelt wird, eine Feststellung der Zeit des Todes erfolgen. Daraus, daß diese Feststellung nur die Wirkung hat, eine Vermutung zu begründen, ergibt sich kein Widerspruch mit dem Umstande, daß der Zeit­ punkt des Todes bewiesen ist. Ein Beteiligter ist nicht behindert, die in dem Todeserklärungs­ verfahren erfolgte Ermittelung der Zeit des Todes zu benutzen, um in einem Rechtsstreit den vollen Beweis des Todes zu der fraglichen Zeit zu führen; aber möglicherweise gelingt ihm danicht, weil der Richter, der über diesen Rechtsstreit zu entscheiden hat, das Ergebnis der Beweis­ aufnahme anders würdigt als der Richter, der über die Todeserklärung zu befinden hatte; des­ halb ist es für die Beteiligten von Wert, statt diese Beweisführung zu übernehmen, sich auf die durch das Urteil begründete Vermutung berufen und abwarten zu können, ob der Gegenbeweis geführt wird (wie hier H öl der Borbm. VII vor § 13, Erl. Io zu § 14, Erl. 2 zu 8 18; Oertmann Erl. 4 zu § 18; Cosack § 25 II lo Enneccerus § 80 Anm. 2; WindscheidKipp § 53 Zus. 2; v. Tuhr I 390). Ist der Tag des Todes nicht mit Gewißheit, aber doch mit Wahrscheinlichkeit ermittelt, so ist dieser Tag in der Todeserklärung sestzustellen (so die herrschende Ansicht; a. A. nur Co sack § 25 II1 c Zu beachten ist indessen, daß, wenn ein bestimmter Tag als Zeitpunkt des Todes ermittelt:

ist, dadurch auch zugleich ermittelt ist, daß der Verschollene an diesem Tage noch gelebt hat^ Sind seit diesem Tage noch nicht zehn Jahre verflossen, so ist die Todeserklärung nach § 14 Abs. 1 unzulässig; sie kann erst erfolgen, wenn zehn Jahre seitdem verflossen sind (s. Erl. 1; a. A. Hölder Erl. 2 zu 8 18). Ist der Tag des Todes ermittelt, nicht aber die genauere Zeit^ so ist der Tag als Zeitpunkt des Todes festzustellen und gilt nach § 18 Abs. 3 das Ende des Tages als Zeit des Todes. Ist nur ermittelt, daß der Tod innerhalb eines mehrere Tage um­ fassenden Zeitraums erfolgt ist, so wird der letzte Tag dieses Zeitraums als Tag des TodeK festzustellen sein (a. A. Hölder Erl. 2 zu 8 18). Ist die Zeit des Todes nicht ermittelt, so ist im Falle des 8 14 regelmäßig das Ende des zehnjährigen Zeitraums als Zeit des Todes zu bestimmen, d. h. die Mitternacht vom 31. Dezember zum 1. Januar (Cosack 8 25 II 1c; Leh­ mann 152; a. A. Biermann I 8 119 Ziff. 4; Krückmann 8 2 III1; OLG. 5, 473, die den 1. Januar als Todestag ansehen und daher nach Abs. 3 die Mitternacht vom 1. zum 2. Januar als Todesstunde ansehen müssen). War der Verschollene zu dieser Zeit noch nicht einunddreißig Jahre alt, so ist das Ende des Jahres, in welchem der Verschollene das einunddreißigste Lebens­ jahr vollendet haben würde, als Zeitpunkt des Todes zu bestimmen. Im Falle des 8 14 Abs. 2 ist der zu bestimmende Zeitpunkt das Ende des fünfjährigen Zeitraums und, wenn der Ver­ schollene zu dieser Zeit das siebzigste Lebensjahr noch nicht vollendet haben würde, das Ende des siebzigsten Lebensjahrs (vgl. Erl. 3 zu 8 14). Im Falle des 8 15 ist nicht der Ablauf der Frist maßgebend, sondern der Zeitpunkt deS Friedensschlusses und, wenn ein Friede nicht geschlossen ist, der Schluß des Jahres maßgebend,

4*

52

I. Abschnitt: Personen.

in welchem der Krieg beendet ist. Der Zeitpunkt des Friedensschlusses wird regelmäßig nur dem Tage nach zu bestimmen sein; es findet dann § 18 Abs. 3 Anwendung. Im Falle des § 16 ist als Zeitpunkt des Todes der Zeitpunkt des Unterganges des Fahr­ zeugs zu bestimmen und, wenn nur sestgestellt ist, daß das Fahrzeug innerhalb eines Zeitraums von mehreren Tagen untergegangen ist, der letzte Tag dieses Zeitraums. Ist der Zeitpunkt des Unterganges nicht festgestellt, so ist der Schluß des im Abs. 2 bestimmten Zeitraums maßgebend. Im Falle deS § 17 ist, wenn das Ergebnis, durch welches die Lebensgefahr entstand, sich durch eine längere Zeit hinzieht, der letzte Tag dieses Zeitraums als Zeitpunkt des Todes zu bestimmen; a. A. Enneccerus § 80 Anm. 3; vgl. Erl. 2 zu Z 17; v. Tuhr I 391 Anm. 21. 4. Der Gegenbeweis, welcher gegen die durch das Urteil begründete Vermutung zulässig ist, steht unter den allgemeinen Regeln (RG. in IW. 10, 104 f.). Er kann sowohl dahin gehen, daß der Verschollene zu einem bestimmten anderen Zeitpunkt als dem in dem Urteile festgestellten gestorben sei, als auch nur dahin, daß der Verschollene den festgestellten Zeitpunkt überlebt habe. Auch im letzteren Falle ist die durch das Urteil begründete Vermutung widerlegt. Das Urteil behält auch nicht teilweise insoweit Kraft, daß nun zwar nicht für den in dem Urteile bestimmten Zeitpunkt des Todes, aber doch für den Tod selbst eine Vermutung spreche; über den Tod besteht dann vielmehr dieselbe Ungewißheit wie vor der Todeserklärung. Der Gegenbeweis gegen die durch das Urteil begründete Vermutung hat aber nur Wirkung für den Prozeß, in welchem der Gegenbeweis geführt wurde. Für andere Personen als die Prozeßpartei bleibt die durch die Todeserklärung begründete Vermutung bestehen. Mit Wirkung für alle kann die Vermutung nur beseitigt werden im Wege der Anfechtung des Todeserklärungsurteils nach Maßgabe der ZPO. §§ 973 ff. Auch der für tot Erklärte selbst kann nur auf diesem Wege, insbesondere also auch nur innerhalb der in der ZPO. § 976 bestimmten Frist die Beseitigung der Todeserklärung erwirken, sie fällt nicht etwa von selbst fort, wenn er zurückkehrt (Oertmann Erl. 2a£ ju § 18; Windscheid-Kipp § 53 Zus. 2; v. Tuhr I 392 Anm. 29; RG. v. 2. Febr. 03, DIZ 03, 223; a. A. Rehbein 112; Dernburg I § 53 IV). Selbstverständlich bleibt es ihm aber unbenommen, in jedem einzelnen Falle die durch das Todeserklärungsurteil begründete Vermutung durch den Nachweis seines Fortlebens zu widerlegen. 5. Wirkungen des Urteils in besonderen Fällen. In einer Reihe von Fällen beschränkt sich die Wirkung der Todeserklärung nicht aus die im § 18 bestimmte Todesvermutung. Es handelt sich in diesen Fällen um familienrechtliche Verhältnisse, in denen die Ungewißheit, die mit einer Vermutung wegen der Möglichkeit des Gegenbeweises sich verbindet, für so erheblich erachtet ist, daß man vorgezogen hat, durch die Todeserklärung eine definitive Änderung des betreffenden Rechtsverhältnisses eintreten zu lassen. In Bettacht kommt zunächst die Wirkung, welche die Todeserklärung hat, wenn der Ehe­ gatte des für tot Erklärten eine neue Ehe eingeht. Nach den §§ 1348—1350 wird in solchem Falle, unter den in diesen Paragraphen bestimmten Voraussetzungen, die frühere Ehe aufgelöst und ist die neue Ehe gültig. Die durch § 18 begründete Vermutung des Todes bleibt daneben, auch wenn keine neue Ehe eingegangen ist, bestehen (s. Erl. 1 zu 8 1348; a. A. Boschan in DIZ. 03, 77; Zakrzecki daselbst 12, 751; OLG. 6, 153; richtig die Anm. daselbst 154; Ols­ hausen in DIZ. 03, 149; Ritter daselbst 04, 1171; Fuchs in Gruch. 47, 753; RG. 60,196; OLG. 12, 298; HansGZ. 04, Beibl. 257). Ferner endigt nach § 1420 die Verwaltung und Nutznießung des Ehemanns, wenn der­ selbe für tot erklärt wird, mit dem Zeitpunkte, der als Zeitpunkt seines Todes gilt; ebenso nach § 1494 die fortgesetzte Gütergemeinschaft, wenn der überlebende Ehegatte für tot erklärt wird, und nach § 1544 die Errungenschaftsgemeinschaft, wenn einer der Ehegatten für tot erklärt wird. In dem Falle des § 1420 kann der für tot erklärte Ehemann, wenn er noch lebt, die Wieder­ herstellung der Nutznießung und Verwaltung verlangen (§ 1425); ebenso im Falle des § 1544 der für tot erklärte Ehegatte die Wiederherstellung der Errungenschaftsgemeinschaft (§ 1547). Auch die elterliche Gewalt des Vaters endigt, wenn er für tot erklärt wird, mit dem Zeitpunkte, der als Zeitpunkt seines TodeS gilt (§ 1679); doch kann er, wenn er noch lebt, die elterliche Gewalt dadurch wieder erlangen, daß er dem Vormundschaftsgerichte gegenüber seinen hierauf gerichteten Willen erklärt. Das gleiche gilt von der Mutter, wenn sie die elterliche Gewalt hat. In anderen Fällen ist nicht der Zeitpunkt, der nach Maßgabe der Todeserklärung als Zeitpunkt des Todes gilt, sondern der Zeitpunkt der Erlassung des die Todeserklärung aussprechenden Urteils entscheidend. So endigt mit diesem Zeitpunkte, wenn der Mündel für tot erklärt ist, die Vormundschaft (§ 1884 Abs. 2), wenn der Vormund, der Gegenvormund, der

§ 19. Solange nicht die Todeserklärung erfolgt ist,' wird das Fortleben des Verschollenen bis zu dem Zeitpunkte vermutet, der nach § 18 Abs. 2 in Ermangelung eines anderen Ergebnisses der Ermittelungen als Zeitpunkt des Todes anzunehmen ist; die Vorschrift des § 18 Abs. 3 findet entsprechende Anwendung. Pfleger oder ein Mitglied des Familienrats für tot erklärt ist, das Amt dieser Personen (§§ 1885, 1878), wenn der Abwesende, für den eine Pflegschaft angeordnet war, für tot erklärt ist, die Pflegschaft (§ 1921 Abs. 3). Wegen des § 2370 s. Erl. 3.

8 19. E. u 8 9 rev. 8 19; III 8 19. P. II 1 S. 22f.; 6 S. 112. D. 607. 1. Lebensvermutung. Die durch die Todeserklärung begründete Vermutung geht nicht nur negativ dahin, daß der Verschollene den in dem Urteile bestimmten Zeitpunkt nicht überlebt habe, sondern positiv dahin, daß er in diesem Zeitpunkte gestorben sei. Daraus folgt ohne weitere-, daß er bis zu diesem Zeitpunkte gelebt hat. In Ermangelung einer besonderen Vorschrift würde diese Lebensvermutung aber nur dann gelten, wenn eine Todeserklärung erfolgt ist. Der § 19 erweitert die Lebensvermulung auch auf solche Fälle, in denen eine Todeserklärung nicht erfolgt ist. Die.Fortdauer des Lebens soll bis zu dem Zeitpunkte vermutet werden, der nach § 18 Abs. 2 in Ermangelungei nes anderen Ergebnisses der Ermittelungen als Zeitpunkt des Todes anzunehmen ist. Die Lebensvermutung gilt nur für Verschollene (a. A. Leonhard § 29 III; Beckh, Be­ weislast 100f., wie hier Holder Erl. 1 zu 8 19; Oertmann Erl. 3a zu § 19; K. v. RGR. Erl. 2 zu 8 19; Staudinger Erl. 3 zu 8 19; Cosack 8 25 III 2; Crome 8 40 III 1; Enneccerus 8 60 Anm. 5; v. Tuhr I 394; Franz Leonhard, Beweislast 272), sie tritt nicht erst dann ein, wenn die Fristen der 88 14ff. abgelaufen sind (a. A. Zitelmann I 47; dagegen Oertmann a. a. O.). Die Bedeutung dieser Erweiterung zeigt sich darin, daß, während in dem der Todeserklärung vorangehenden Verfahren von Amis wegen der Tatbestand zu ermitteln ist und nur, menn diese Ermittelungen eine bestimmte Todeszeit nicht ergeben haben, die sub­ sidiären Vorschriften des 8 18 Abs. 2 zur Anwendung kommen, die Lebensvermutung des 8 19 in jedem Prozesse gellend gemacht werden kann, ohne daß ein Offizialverfahren stattgefunden hat und es nach den Grundsätzen der Verhandlungsmaxime lediglich den Parteien überlassen bleibt, die Tatsachen geltend zu machen und zu beweisen, welche für die Anwendung oder Ausschließung der Lebensvermutung von Bedeutung sind. (Über die Unanwendbarkeit des 8 19 auf den Verlust der Staatsangehörigkeit eines Ausgewanderten s. OLG. 6, 305; 10, 17; Josef im Recht 04, 383f.; a. A. Sturm in DIZ. 12, 278; OLG. 4, 117). 2. Die Beweislast gestaltet sich folgendermaßen: Wer sich zum Zwecke des Beweises, daß eine Person zu einer bestimmten Zeit noch lebe oder gelebt habe, auf die Lebensvermutung des 8 19 beruft, hat ebenso wie im Aufgebotsverfahren glaubhaft zu machen, daß die Person ver­ schollen sei. Er hat aber weiter glaubhaft zu machen, daß in dem Augenblick, für den das Fort­ leben der betreffenden Person bewiesen werden müßte, der nach 8 18 Abs. 2 anzunehmende Zeitpunkt des Todes noch nicht eingetreten ist oder war, denn das Gesetz stellt nicht eine unbeschränkte, sondern eine zeitlich beschränkte Vermutung für das Fortleben des Verschollenen auf (Oertmann Erl. 6 zu 8 19; K. v. RG R. Erl. 1 zu 8 19; Staudinger Erl. 4 zu 8 19; Biermann I 8119 Ziff. 7; Crome 8 40 Anm. 35; Enneccerus 8 80 I 3; Matthiaß 8 20 I B; v. Tuhr I 393 Anm. 32; Fr. Leonhard, Beweislast 273; Kisch in GrünhutsZ. 29, 345; a. A. die! ftühere Auflage, die indes auf einem Umwege praktisch zu demselben Ergebnis gelangt). An sich würde es ge­ nügen, wenn der Beweisführer glaubhaft macht, daß die sich aus 8 14 ergebenden Fristen noch nicht abgelaufen sind, und es würde Sache des Gegners sein, darzutun, daß nach 8 18 Abs. 2 in Verbindung mit 88 15—17 ein früherer Todestag anzunehmen ist; praktisch wird es aber darauf kaum ankommen, da die Anwendbarkeit der 88 15—17 aus den Umständen hervorgehen wird, die für die Verschollenheit geltend gemacht werden. Selbstverständlich wird die LebensVermutung durch den Beweis des wirklich erfolgten Todes widerlegt.

3. § 19 begründet nur eine Lebensvermutung, keine Todesvermutung. Ist der Zeit­ punkt eingetreten, welcher nach 8 18 Abs. 2 als Zeitpunkt des Todes festzustellen ist, so fällt nur die Lebensvermutung weg. Leben oder Tod sind ungewiß, und nach allgemeinen Gmndsätzen wird also derjenige, welcher sich auf das Leben beruft, das Leben, derjenige, welcher sich auf den Tod beruft, den Tod zu beweisen haben.

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I. Abschnitt: Personen.

§ 20. Sind mehrere in einer gemeinsamen Gefahr vermutet, daß sie gleichzeitig gestorben seien.

umgekommen, so wird

8 20. E. II 8 10 reb. § 20; III 8 20. P. II 1 S. 30f. Böckel, Kommorienten im ArchZivPrax. 93, 478; Kluckhohn im ArchZivPrax. 107, 354ff.

1. Voraussetzung der im § 20 bestimmten Vermutung des gleichzeitigen Todes mehrerer Personen ist, daß feststeht, daß die Mehreren in einer gemeinsamen Gefahr, z. B. bei einem Schiffbruch, einem Brande oder einem Eisenbahnunglück umgekommen find. Abweichend vom gemeinen Rechte wird hier immer vermutet, daß sie gleichzeitig gestorben sind. Keiner von ihnen hat also den anderen beerbt. Der Begriff der gemeinsamen Gefahr wird nicht zu eng aufgefaßt werden dürfen. Unrichtig dürfte es z. B. sein, wenn Hölder Erl. 1 zu § 20 und Gareis Erl. 3 zu § 20 annehmen, daß, wenn mehrere Personen bei einem Schiffbruch umgekommen sind, aber feststeht, daß die eine derselben in das Meer gesprungen oder gefallen, die andere in ein Boot gesprungen, welches nachher gekentert ist, die dritte mit dem Schiffe untergegangen ist, die Voraussetzung, daß alle in der gemeinsamen Gefahr umgekommen seien, nicht vorliege, weil jede von ihnen in einer besonderen Gefahr umgekommen sei. Die Gesamtheit der betreffenden Vorgänge wird vielmehr als ein Ganzes, als die gemeinsame Gefahr aufzufassen sein, in der die mehreren Personen umgekommen sind (wie hier Oertmann Erl. 2c zu § 20; K. v. RG R. Erl. 1 zu 8 20; Staudinger Erl. III 2 zu 8 20; Enneccerus 8 78 III 1; Windscheid-Kipp § 53 Zus. S. 239; Böckel 484). Andererseits geht es zu weit, wenn Kohler I 8 120 III das Erfordernis der Gemeinsamkeit der Gefahr ganz streichen will (dagegen Staudinger Erl. III2 zu 8 20). Der 8 20 findet auch dann Anwendung, wenn die gemeinsame Todesgefahr durch eine der von ihr betroffenen Personen absichtlich herbeigeführt ist (OLG. Königsberg in PosMSchr. 08, 153). 2. Verhältnis des K 18 zu § 20. Im P. II1, S. 31 ist bemerkt, daß durch die Fassung des 8 6a (jetzt 8 17) klarzustellen sei, daß mehrere von demselben Ereignisse betroffene und nach dieser Vorschrift für tot erklärte Personen als gleichzeitig umgekommen vermutet werden. Dies ist ungenau. Werden mehrere Personen, welche sich in einer gemeinsamen Lebensgefahr befunden haben, nach § 17 für tot erklärt, so ist nach 8 18 als Zeitpunkt des Todes, in Er­ mangelung eines anderen Ergebnisses der Ermittelungen, der Zeitpunkt des Ereignisses zu bestimmen, durch welches die Lebensgefahr entstanden ist. Dieser Zeitpunkt ist derselbe sür alle Beteiligte. Ist für jeden aber derselbe Zeitpunkt als Zeitpunkt des Todes in der Todeserklärung bestimmt, so ergibt sich hieraus ohne weiteres, daß alle gleichzeitig gestorben sind, und bedarf es der Ver­ mutung des 8 20 nicht. Möglich ist aber, daß die Ermittelungen rücksichtlich eines der Be­ teiligten einen bestimmten Zeitpunkt des Todes ergeben haben, der nicht mit dem subsidiär an­ zunehmenden Zeitpunkte des Ereignisses zusammenfällt. Dies kann dann der Fall sein, wenn das Ereignis, durch das die Lebensgefahr entstanden ist, längere Zeit hindurch gedauert hat. Wird infolge hiervon für den Tod des einen Beteiligten auf Grund der stattgehabten Ermittelungen ein anderer Zeitpunkt bestimmt als sür die anderen Beteiligten, für welche der Zeitpunkt des Todes nach Maßgabe des 8 17 bestimmt wird, so gilt auf Grund des 8 18 die Vermutung, daß sie zu diesen verschiedenen Zeiten gestorben sind, und kommt die Vermutung des 8 20 nicht in Betracht. Denkbar ist auch, daß, wenn verschiedene Gerichte über die Todeserklärung mehrerer Personen, die in einer gemeinsamen Lebensgefahr gewesen sind, zu erkennen haben, das eine Gericht den Zeitpunkt des betreffenden Ereignisses auf einen anderen Tag feststellt als das andere Gericht und daß infolge davon auch der Zeitpunkt des Todes verschieden bestimmt wird. Auch in diesem Falle würde die Vermutung des §, 20 hinter der des 8 18 zurückstehen müssen. Ein solches Ergebnis würde allerdings als ein Übelstand zu betrachten sein, der sich aber, weil er seinen Grund in der Verschiedenheit der zuständigen Gerichte hat, nicht ganz beseitigen läßt. Unter Umständen wird die Vorschrift des 8 972 ZPO. Abhilfe gewähren, nach welcher die Landesjustizverwaltung die Erledigung der Aufgebotsanträge für mehrere Amtsgerichtsbezirke einem Amtsgericht übertragen kann. Ist für alle Beteiligte dasselbe Amtsgericht zuständig, so wird eine verschiedene Beurteilung nicht leicht eintreten. Ähnliche Verhältnisse wie die oben dargelegten können übrigens auch in den Fällen der 88 15,16 eintreten und werden dann ebenso zu beurteilen sein; a. A. Hölder Erl. 3 zu 8 20; Gareis Erl. 2 zu 8 20; Böckel 93, 486ff.; Hedemann, Die Vermutung 329 ff., welche annehmen, daß, wenn bei mehreren in einer gemeinsamen

1. Titel: Natürliche Personen.

§ 20.

2. Titel: Juristische Personen.

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Zweiter Titel. Juristische Personen. Gefahr umgekommenen Personen für jede derselben ein verschiedener Zeitpunkt als Zeitpunkt deS Todes durch das Todeserklärungsurteil festgestellt sei, dieser Zeitpunkt nur für das Verhältnis der betreffenden Personen zu Dritten maßgebend sei, während für das Verhältnis unter ihnen die Vorschrift des § 20 zur Anwendung komme, also anzunehmen sei, daß sie gleichzeitig gestorben seien. Eine solche Relativität des Verhältnisses entspricht sicher nicht der Absicht des Gesetzes; a. A. auch Enneceerus I § 78 III 2, der, wenn der Tod mehrerer in derselben Lebensgefahr nach § 18 sestgestellt ist, den § 20 auch dann anwenden will, wenn die Todeszeit für die ver­ schiedenen Personen in etwas verschiedener Weise festgestellt ist; ferner Dernburg I § 49 III, der eine vom § 20 abweichende Feststellung der Todeszeit durch das Todeserklärungsurteil für unzulässig erklärt; wie hier im wesentlichen Oertmann Erl. 2d iu § 20; Staudinger Erl. III1 zu § 20; Crome § 40 Anm. 44; Endemann I § 38 Anm. 6; Windscheid-Kipp § 53 Zus. S. 239; Leonhard § 29 IV S. 79 Anm. 1; v. Tuhr I 391; vgl. Krückmann § 2 IV; Lehmann 122; Kisch in GrünhutsZ. 29, 326.

Zweiter Titel. Riedel, Die Gestaltung der juristischen Person im BGB. 97; Meurer, Die juristischen Personen nach deutschem Reichsrecht 01; O. v. Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände 02; Hafter, Die Delikts- und Straffähigkeit der Personenverbände 03 (darüber Kleinfeller in KrBJSchr. 45, 595ff.); Behrend, Die Stiftungen I 05; Hölder, Amt, Selbstverwaltung und juristische Person, ArchÖffR. 21, 308ff.; Stammler in der Gießener Festschrift 07, 459ff.;

Binder, Das Problem der juristischen Persönlichkeit 07; Jsay, Die Staatsangehörigkeit der juristischen Personen 07; Meszlsny, Das Vermögen im BGB. für das Deutsche Reich und im schweizerischen ZGB. 08; Hölder, Das Problem der juristischen Persönlichkeit, in JheringsJ. 53, 44ff.; Schwarz, Rechtssubjekt und Rechtszweck. Eine Revision der Lehre von den Personen, im ArchBürgR. 32, 12ff.; Mayer, Die juristische Person und ihre Verwertbarkeit im öffent­ lichen Recht 08; Schwarz, Kritisches über Rechtssubjekt und RechtSzweck, ArchBürgR. 35,10ff.; Grosch, Juristische Personen, insbesondere der Staat als juristische Person, in Hirths Ann. 11, 434ff.; Zielke, Die Staatsangehörigkeit juristischer Personen nach geltendem deutschen Recht, in SächsArch. 11, 265ff.; Schwabe, Das Rechtsgebilde als Person 11; R. Leonhard, Schiffe als Prozeßparteien, in der Breslauer Festgabe für Brie 12. 1. Die Ansichten über das Wesen und den Begriff der juristischen Person sind sehr ver­ schieden (s. Windscheid-Kipp I §§ 49, 57; Regelsberger I §§ 75, 76; v. Gierke I 456ff.; Oertmann, Borbm. 2 zum 2. Titel; K. v. RGR. Vorbm. 1 zum 2. Titel; Biermann I § 126; Cosack § 293; Crome § 48; Dernburg I § 65; Endemann I § 39; Enneceerus § 96; Kohler I § 131; Krückmann § 4; Landsberg § 28; Matthiaß § 26; Leonhard §§ 34—36; v. Tuhr I 369ff., 459ff., 592f.; Zitelmann, Internationales Privatrecht I 47 Anm. 8 und die oben angeführten Schriften). Ein näheres Eingehen auf diese Streitfrage ist zum Verständnisse der Vorschriften deS BGB. nicht erforderlich. Nur folgende Gesichtspunkte sind hervorzuheben: Charakteristisch für jede juristische Person ist, daß ein Vermögen besteht, welches Zwecken zu dienen bestimmt ist, die über die Sphäre eines einzelnen Menschen hinausreichen und dessen Subjekt daher nicht ein einzelner Mensch ist. Vermögensrechte und Bermögenspflichten können aber nicht begründet, ausgeübt, geändert und aufgehoben werden ohne einen Willen, der für das Vermögen maßgebend ist. Dieser Wille ist regelmäßig der Wille des einzelnen Menschen, welcher Subjekt seines Vermögens ist. Bei einem Vermögen der hier ftaglichen Art fehlt dieses Subjekt und dessen Wille. An seine Stelle muß deshalb etwas anderes treten. Dieses andere müssen auch Menschen sein, da nur diese willensfähig sind. Diejenigen, welche berufen sind, die Willensfunktion für das betreffende Vermögen auszuüben, sind durch den Zweck des Vermögens gebunden. Ob man sie als Vertreter oder Organe einer fingierten Person oder eines subjekt­ losen, für gewisse Zwecke bestimmten Vermögens, oder ob man sie in ihrer organischen, aus die Erreichung der fraglichen Zwecke gerichteten Verbindung selbst als Subjekte des Vermögenbezeichnen will, ist eine Frage der juristischen Konstruktion, die hier nicht weiter zu erörtern ist. Für das Gesetz ist nur wesentlich, daß eine Organisation bestehen muß, vermöge deren ein für

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I. Abschnitt: Personen.

daS Vermögen maßgebender Wille vorhanden ist. Mit einer solchen Organisation ist die Mög­ lichkeit gegeben, die bestimmten Zwecke auch dann zu verfolgen, wenn kein Vermögen vorhanden ist, indem diejenigen, welche die Willensfunktion auszuüben haben, Vermögen erwerben und Verpflichtungen eingehen können. So ist der Bestand einer juristischen Person von dem wirklich«en Vorhandensein eines Vermögens unabhängig. Das BGB. spricht sich über die juristische Konstruktion der juristischen Persönlichkeit nicht aus; es spricht von rechtsfähigen Vereinen und rechtsfähigen Stiftungen, ohne sie näher zu definieren. Die entscheidende Bedeutung der oben hervorgehobenen Gesichtspunkte wird aber in dem BGB. dadurch anerkannt, daß in dem § 26 zunächst für Vereine vorgeschrieben ist, daß jeder Verein einen Vorstand haben muß, daß dieser den Verein gerichtlich und außergerichtlich vertritt und daß er die rechtliche Stellung eines gesetz­ lichen Vertreters hat. Nach § 86 findet diese Vorschrift auf Stiftungen entsprechende Anwendung. Durch den Ausdruck „rechtliche Stellung eines gesetzlichen Vertreters" hat der juristischen Konstruktion nicht vorgegriffen, sondern es hat offen gelassen werden sollen, ob der Verein nicht selbst als willens- und handlungsfähig zu denken ist und in dem Vorstande nur fein' Organ hat (s. Erl. 3 zu § 26). 2. Aus dem in Erl. 1 Angeführten ergibt sich, daß das Wesen der juristischen Persön­ lichkeit in der Bermögensfähigkeit besteht. Im E. I § 41 war dies ausdrücklich ausgesprochen. Das BGB. spricht allgemein von Rechtsfähigkeit. Damit ist ausgedrückt, daß die juristische Person nicht nur Vermögensrechte und Vermögenspflichten, sondern auch andere Rechte und Pflichten haben kann, soweit diese nicht ihrer Natur nach einen einzelnen Menschen als Träger voraussetzen. Die Ersetzung der „Vermögensfähigkeit" durch „Rechtsfähigkeit" erfordert keine Änderung der Organisation, da, wenn einmal eine Organisation geschaffen ist, durch welche die

Willenssunktion ausgeübt wird, diese ebensogut für andere wie für vermögensrechtliche Verhältnisse verwendbar ist. Der juristischen Person steht insbesondere das Namensrecht zu (s. Erl. 8 zu § 12), sie kann das Firmenrecht haben (§ 33 HGB.), ebenso das Wappenrecht (vgl. RG. 71, 262 ff.), ferner Zeichenrechte, Urheber- und Erfinderrechte. Ob die juristische Person auf Grund des § 823 Abs. 2 Schadensersatz wegen Ehrverletzung verlangen kann, ist davon abhängig, ob im Sinne des Strafrechts eine juristische Person beleidigt werden kann. Die herrschende Ansicht verneint die Frage (vgl. Frank, Strafgesetzbuch Bem. II zu Titel 14). Der Schutz des § 824 kommt unzweifelhaft auch der juristischen Person zugute (RG. 60, 5, 6ff.; vgl. OLG. Augsburg in SeuffA. 64, 28). Die juristische Person kann verfassungsmäßig berufener Vertreter einer rechtsfähigen Stiftung sein (RG. in IW. 08, 673), ferner Testamentsvollstrecker, Mitglied des Aufsichtsrates (Simon in LZ. 08, Iff.; Fürst daselbst 365; Düringer daselbst 367), Mitglied des Gläubigerausschusses im Konkurse (Jaeger, KO. § 87 Erl. 5; Neumann in DIZ. 02, 98). Ihre Fähigkeit zum Konkursverwalter verneint OLG. Köln in LZ. 08, 245 (gegen die Be­ gründung Geiger in Holdheims MSchr. 08, 97). Die Familienrechte sind den juristischen Personen nicht zugänglich, für die meisten Familienrechle folgt dies aus ihrer Natur; zur Führung der Vormundschaft würde eine juristische Person begrifflich fähig sein, sie ist aber im geltenden Recht dazu nicht zugelassen, insbesondere ist bei der Berufsvormundschaft der Vorstand der An­ stalt oder der Beamte Vormund, nicht die Anstalt oder die juristische Person, die den Beamten ongestellt hat (vgl. OLG. 6, 298; KG. 22 A 217; 27 A 9; a. A. Blüher in DIZ. 11, 1409). Über den Umfang der Rechtsfähigkeit der juristischen Personen auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts s. Blüher a. a. O. S. 1408ff.; über ihre Staatsangehörigkeit die oben angegebenen Schriften von Jsay und Zielke. Strafrechtlich sind die juristischen Personen im gellenden Recht nicht verantwortlich, daraus folgt z. B., daß ein Verein nicht verantwortlicher Redakteur einer periodischen Druckschrift fein kann (OLG. 8, 16). 8. Das BGB. kennt zwei Arten von juristischen Personen, die Vereine und die Stiftungen. Von den ersteren handelt die erste, von den letzteren die zweite Abteilung des zweiten Titels. Nur das Rechtsverhältnis der privatrechtlichen juristtschen Personen wird in dem BGB. geregelt, eine einzelne Vorschrift wird in der dritten Abteilung dieses Titels auf juristische Personen des öffentlichen Rechtes für anwendbar erklärt. 4. Nach EG. Art. 86 bleiben unberührt die landesgesetzlichen Vorschriften, welche den Erwerb von Rechten durch juristische Personen beschränken oder von staatlicher Genehmigung abhängig machen, soweit diese Vorschriften Gegenstände im Werte von mehr als fünftausend Mark Betaffen (s. EG. Erl. zu Art. 86). 5. Übergangsvorschriften. Nach EG. Art. 163 finden die Vorschriften des BGB. auch auf die zur Zeit des Inkrafttretens des BGB. bestehenden juristischen Personen Anwendung.

I. Vereine. 1. Allgemeine Vorschriften. Nach Art. 164—167 des EG. bleiben jedoch die Landesgesetze in Kraft für die zur Zeit des Inkrafttretens des BGB. bestehenden Realgemeinden und ähnlichen Verbände, für die auf Grund der bayerischen Gesetze betr. die privatrechrliche Stellung der Vereine sowie der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften v. 29. April 69 und auf Grund des sächs. G. betr. die juristischen Personen v. 15. Juni 68 zur Zeit des Inkrafttretens des BGB. bestehenden Vereine und für die zu dieser Zeit bestehenden landschaftlichen oder ritterschaftlichen Kreditanstalten.

I. Vereine. 1. Allgemeine Vorschriften.

Waldenburg, Die privatrechtlichen Verhältnisse der Vereine nach dem BGB. 99; Leist, Veteinsherrschaft und Vereinssreiheit im künftigen Reichsrecht 99; Leist, Die Sirasgewalt moderner Vereine, Festschrift 02; Leist, Untersuchungen zum inneren Vereinsrecht 04; P. Alt­ mann, Handbuch des deutschen Vereinsrechls 05; Oppenheimer, Die beiden Vereinsklassen des BGB., in JheringsJ. 47, 99ff.; Schwabe, Die juristische Person und das Mitgliedschafts­ recht 00; Heintzmann, Das Vereinsrecht nach den Bestimmungen des BGB. 00; Staudinger, Das Vereinsrecht nach dem BGB. in SeuffBl. 97, 305ft.; Joachim von Bülow, Das Vereinsrecht des BGB. 02; Schwabe, Die Körperschaft mit und ohne Persönlichkeit und ihr Verhältnis zur Gesellschaft 04; C. P. Wiedemann, Beiträge zur Lehre von den idealen Vereinen 08.

1. Tie Frage, auf welchem Wege ein Verein juristische Persönlichkeit erlangt, ist Gegen­ stand lebhaften Streites sowohl in den Verhandlungen der ersten wie der zweiten Kommission als auch in der Kritik, im Bundesrat und im Reichstage gewesen. Drei Ansichten wurden ver­ treten. Nach der ersten ist jeder Verein rechtsfähig, der rechtsfähig sein will und sich eine für diesen Zweck geeignete Organisation gibt. Nach der zweiten Ansicht erlangt ein Verein die Rechtsfähigkeit nur durch staatliche Verleihung. Nach der dritten Ansicht kann ein Verein die Rechtsfähigkeit erlangen, wenn er gewisse durch das Gesetz bestimmte Bedingungen erMt und in das von einer öffentlichen Behörde geführte Vereinsregister eingetragen wird. In dem bis­ herigen Rechte herrschte keine Übereinstimmung. Das gemeine Recht stand früher auf dem Standtpunkt der staatlichen Verleihung. In der neueren Praxis ist jedoch mehr und mehr der Gedanke zum Durchbruche gelangt, daß auch solche Vereine, denen die juristische Persönlichkeit nicht verliehen ist, wenigstens in gewissen Beziehungen, insbesondere in betreff der Prozeßführung, rechtsfähig sind. In Bayern und Sachsen galt das dritte System. Der E. I hielt bei der politischen Bedeutung, welche die Frage hat, eine reichsrechtliche Regelung für untunlich und überließ die Entscheidung der Landesgesetzgebung. In der zweiten Kommission überwog die Ansicht, daß das praktische Bedürfnis eine einheitliche reichsrechtliche Regelung erfordere und daß die politischen Bedenken sich durch geeignete Vorschriften für solche Vereine, welche politische, sozialpolitische oder religiöse Zwecke verfolgen, heben lassen. Auf dieser Auffassung beruhen die Vorschriften des BGB. Zugrunde gelegt wird das System der Normativbestimmungen. Dieses soll aber nur gelten für solche Vereine, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäfts­ betrieb gerichtet ist. Für sie gilt die Regel, daß jeder Verein dieser Art, wenn seine Satzung den gesetzlichen Vorschriften entspricht, die Eintragung nach Maßgabe der §§ 55 ff. verlangen kann und durch die ordnungsmäßig erfolgte Eintragung die Rechtsfähigkeit erlangt (§ 21). Für Vereine dagegen, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, gilt die Regel, daß sie die Rechtsfähigkeit durch staatliche Verleihung erlangen (§ 22). Für die große Mehrzahl derartiger Vereine bestehen indessen besondere reichsgesetzliche Vorschriften. Durch das HGB. sind die handelsrechtlichen Vereinigungen geregelt und ist deren Gebiet, nach dem neuen HGB., noch erweitert worden. Ferner bestehen besondere Reichsgesetze über die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, die eingeschriebenen Hilfskassen und die Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Allen diesen Gesetzen liegt das System der Eintragung und der Normativbestimmungen zugrunde. Staatliche Verleihung der Rechtsfähigkeit ist für die Kolonial­ gesellschaften durch § 8 des G. betr. die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete v. 15. März 88 und § 11 SchutzgebG. in der Fassung v. 10. September 00 vorgeschrieben.

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I. Abschnitt: Personen.

Bersicherungsvereine auf Gegenseitigkeit erlangen nach § 15 VersUG. die Rechtsfähigkeit durch die von der Aufsichtsbehörde erteilte Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb. Sofern ein Verein, dessen Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, unter die gedachten Reichsgesetze fällt, entscheiden diese; jedoch dürften die allgemeinen Vorschriften des BGB. über rechtsfähige Vereine subsidiär zur Anwendung zu bringen sein (RG. 57, 93; 62, 60; 68,180; 74, 301; 76, 306ff.; RG. in IW. 03 Beil. 93 Nr. 213; 08, 473; im Recht 07, 1128; 08 Nr. 244; BayObLG. 7, 59; KG. 23 A 105 ----- RIA. 3, 25; KG. 42 A 164 = RIA. 11, 277; OLG. 14, 368; 19, 339; vgl. KG. 25 A 129); ein Verein der fraglichen Art, der nicht unter die gedachten Reichs­ gesetze fällt, kann nach BGB. § 22 die Rechtsfähigkeit nur durch staatliche Verleihung erlangen. Die Regel, daß Vereine, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, die Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister erlangen, gilt auch für Vereine, welche politische, sozialpolitische oder religiöse Zwecke verfolgen; doch ist für diese das Recht, die Eintragung zu verlangen, durch die Vorschrift beschränkt, datz der Verwaltungsbehörde ein Ein­ spruchsrecht gegen die Eintragung zusteht (§§ 61—63). Ein gleiches Einspruchsrecht steht der Verwaltungsbehörde gegen die Eintragung jedes Vereins zu, der nach dem öffentlichen Vereins­ recht unerlaubt ist oder verboten werden kann. Die Regel, daß Vereine die Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister erlangen, ist dahin zu verstehen, daß nur aus diesem Wege, nicht etwa auch durch staatliche Verleihung die Rechtsfähigkeit erlangt werden kann (s. Erl. 3—5 zu § 21). Nur für einen Verein, der seinen Sitz nicht in einem Bundesstaate hat, gilt hiervon nach § 23 eine Ausnahme. 2. Nur das privatrechtliche Verhältnis der Vereine wird durch das BGB. geordnet. Nicht dadurch berührt wird das öffentliche Vereinsrecht. Dieses ist jetzt durch das VerG. v. 19. April 08 geordnet. Den Landesgesetzen wird dadurch nur in den Grenzen des § 24 Spiel­ raum gelassen. Hierdurch erledigt sich die in den bisherigen Auflagen erörterte Frage, ob die landesgesetzlichen Vorschriften über die Beaufsichtigung der Vereine aufrechlerhalten bleiben.

3. Ein Spielraum ist den Landesgesetzen in Beziehung auf diejenigen Vereine gewährt, deren Rechtsfähigkeit auf staatlicher Verleihung beruht, indem die landesgesetzlichen Vorschriften über die Verfassung solcher Vereine nach EG. Art. 82 unberührt bleiben. Unberührt bleiben nach EG. Art. 84 ferner die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen eine Religionsgesellschast oder eine geistliche Gesellschaft Rechtsfähigkeit nur durch Gesetz erlangen kann. Unberührt bleiben endlich alle landesgesetzlichen Vorschriften über solche Vereine, welche den der Landesgesetzgebung durch das EG. allgemein vorbehaltenen Rechtsgebieten angehören, ins­ besondere über die dem Agrarrechte (Art. 113), dem Wasserrechte (Art. 65), dem Jagd- und Fischereirechte (Art. 69), dem Deich- und Sielrechte (Art. 66), dem Bergrechte (Art. 67) an­ gehörenden Vereine; endlich auch nach Art. 83 die landesgesetzlichen Vorschriften über Wald­ genoffenschaften. Über die einem fremden Staate angehörenden Vereine werden Vorschriften in dem Art. 10

des EG. gegeben (s. Erl. zu Art. 10).

4. Anordnung des Stoffes. Die erste Abteilung des zweiten Titels zerfällt in zwei Unter­ abteilungen, von denen die erste (§§ 21—54) die allgemeinen Vorschriften, die zweite (§§ 55—79) die besonderen Vorschriften für eingetragene Vereine enthält.

In den §§ 21—23 werden die allgemeinen Vorschriften über die Entstehung rechtsfähiger Vereine gegeben. Die §§ 24—53 stellen die Grundsätze auf, die für alle Vereine gelten, welche nicht durch besondere Reichsgesetze geregelt sind, möge ihre Rechtsfähigkeit auf staatlicher Ver­ leihung oder auf Eintragung in das Vereinsregister beruhen.

Der § 24 bestimmt den Sitz des Vereins; die §§ 25—40 enthalten Vorschriften über die Verfassung des Vereins, und zwar die §§ 26—31 über den Vorstand und sonstige Vertreter des Vereins, die §§ 32—37 über die Mitgliederversammlung, die §§ 38, 39 über die rechtliche Stellung der Mitglieder; der § 40 bezeichnet diejenigen Vorschriften des Gesetzes, welche durch die Satzungen geändert werden können. Die §§ 41—44 enthalten Vorschriften über die Aus­ lösung des Vereins und den Verlust der Rechtsfähigkeit, die §§ 45—53 über das Schicksal des Vereinsvermögens, falls der Verein aufgelöst wird oder die Rechtsfähigkeit verliert, und über die in solchem Falle, sofern das Vermögen nicht an den Fiskus fällt, stattfindende Liquidation (88 47—53). Der § 54 endlich bestimmt die rechtliche Stellung eines Vereins, welcher nicht rechtsfähig ist.

H 21. Ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäfts­ betrieb gerichtet ist, erlangt Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts. ----------------------

8 21.

I 88 41, 42; II 8 23 red. 8 21; III 8 21 Abs. 1. P.I 3087ff., 3093ff., 3133ff., 11618ff., 11660; 8». 178 ff. P.II 1 S. 476 ff., S78ff. D. 607 ff. ÄS. 1937 ff. StB. 2734 ff.

1. Voraussetzung der Eintragungsfähigkeit.

Der § 2 t des E. III bezeichnete in Über­

einstimmung mit der von der zweiten Kommission beschlossenen Fassung die Vereine, welche die Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Register erlangen können, dahin: „Vereine zu gemein­ nützigen, wohltätigen, geselligen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder anderen nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichteten Zwecken." Die jetzige Fassung beruht auf einem Be­ schlusse der Reichstagskommission. Eine sachliche Änderung ist damit uicht beabsichtigt. Durch Lie Weglassung der Exemplifikation sollte nur schärfer hervorgehoben werden, daß alle Vereine, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, unter § 21 fallen. Wer sich darauf beruft, daß die Eintragung eines Vereins zulässig sei, hat darzutun, daß der Zweck des Vereins nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Hierfür spricht der Wortlaut, der Zweck und die Entstehungsgeschichte zu § 21 (a. A. Oertmann Erl. la jit § 21). 2. Die Frage, ob der Zweck des Vereins auf einen wirischaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, gibt in verschiedenen Richtungen zu Zweifeln Anlaß. In dieser Beziehung ist folgendes zu bemerken: a) Der Zweck muß auf einen wirischaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sein. Einzelne Schriftsteller (vor allem Hölder Erl. 2 zu 8 21; DIZ. 00, 412; ferner Lands­ berg § 29 Ziff. 5; Matthiaß § 27 II; wohl auch Hachenburg 494; LG. Landsberg in ZBlFG. 3, 247) sehen von dem Erfordernis des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes ganz ab oder identifizieren es damit, daß der Verein um des wirtschaftlichen Wohles seiner Mitglieder willen bestehe. Diese Ansicht entspricht weder dem Wortlaut noch dem Zwecke des Gesetzes. Jene Eigenschaft genügt nicht, um dem Verein die Eintragung zu versagen (so auch die zu Anfang der Bemerkung d Zitierten; ferner Goldmann-Lilienthal, Kisch, Samter a. Erl. 2 d a. O., v. Dassel im Recht 10, 306), noch ist sie dazu erforderlich (s. unter b). Es ist auch nicht richttg, daß da, wo wirtschaftliche Zwecke verfolgt werden, mit Notwendigkeit ein wirtschaftlicher Geschäfts­ betrieb gegeben sei (so Wiedemann 252, 259). Diese Ansicht beruht auf einer zu weiten Auffassung des Begriffs des wirischaftlichen Geschäftsbetriebes. Unter einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ist ein Unternehmen zu ver­ stehen, das auf den fortlaufenden Abschluß von entgeltlichen Rechtsgeschäften mit Dritten angelegt ist. (So Oppenheimer JheringsJ. 47, 136ff.; v. Tuhr I 471; Staudinger Erl. V 2 zu 8 21; OLG. 20, 25; ähnlich Biermann I 8 133 I 2; wohl auch Oertmann Erl. 1 b ß aa ju 8 21). Das Unternehmen muß auf einen fortlaufenden Abschluß von Rechtsgeschäften angelegt sein. Der einmalige Abschluß eines Geschäftes be­ gründet keinen Geschäftsbetrieb. Deshalb würde ein Verein von Grundbesitzern, der den Ankauf eines Grundstücks und seine gemeinschaftliche Nutzung als Weideland bezweckt, nicht unter 8 22 BGB. fallen, wohl aber ein Verein, der überhaupt den planmäßigen Ankauf von Grundstücken bezweckt, einerlei ob er sie zunächt liegen lassen will oder nicht (a. A. in der letzten Beziehung, wie es scheint, Oertmann Erl. 1 b « zu 8 21). Zum Begriffe des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes genügt es auch nicht, daß der Verein bei bestimmten Gelegen­ heiten, die in größeren Zwischenräumen wiederkehren, mit Dritten kontrahiert, z. B. wenn ein Wohltätigkeitsverein alljährlich für die Weihnachtsbescherung Waren einkauft oder wenn ein Bücherlesezirkel jedes Jahr neue Bücher anschafft. Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb erfordert weiter einen fortlaufenden Abschluß von entgeltlichen Rechtsgeschäften. Ein Verein, der aus den Beiträgen seiner Mitglieder fortlaufend Arme unterstützt, hat keinen Geschäftsbetrieb. Der Unentgeltlichkeit muß es gleichstehen, wenn der Empfänger seinerseits eine Leistung zu machen hat, die im wirtschaftlichen Sinne nicht als Äquivalent angesehen werden kann (vgl. Oertmann Erl. 1 b ß ßß, 2 ju 8 21; Kohler I 8 165 III). Das Unternehmen muß schließlich auf den Abschluß von Rechtsgeschäften mit Dritten angelegt sein (a. A. Wiedemann 261 ff.). Vereine, die regelmäßig nur mit ihren Mitgliedern kontrahieren, bedeuten keine Gefahr für den Verkehr und bedürfen deshalb nicht der Konzessionierung, auch wenn sie das wirtschaftliche Wohl ihrer Mitglieder fördern wollen. Deshalb sind eintragungsfähig Vereine, die ihre Mitglieder

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I. Abschnitt: Personen.

durch vertrauliche Auskünfte über die Kreditwürdigkeit und durch die Beitreibung von Außen­ ständen vor Schaden bewahren wollen, insbesondere die sogenannten Kreditreformvereine (dafür mit z. T. verschiedener Begründung Oertmann Erl. 1 b x? Dernburg I § 74 Anm. 6; EnnecceruS § 100 Anm. 3; v. Tuhr I 471; Oppenheimer a. a. 0.186ff.; Königsberger, Die berufliche Auskunftserteilung und die Stellung der Auskunftsanstalten gegenüber den An­ fragenden 17ff.; OLG. 1, 15 (Stuttgart); LG. Hanau in DIZ. 00,188; dagegen Staudinger Erl. V 7 jii § 21; Goldmann-Lilienthal I 56 Anm. 13; v. Gierke, Vereine ohne Rechts­ fähigkeit 5 Anm. 2 c; Wiedemann 263, 266 Anm. 54; Holder in DIZ. 00, 413; Samter daselbst 311 ff.; LG. Köln in DIZ. 00, 120; LG. Hamburg in HansGZ. 00 Beibl. 87). Ein­ tragungsfähig sind ferner der Verein „Schutzgemeinschaft für Handel und Gewerbe", mit dem Zweck Hebung und Schutz deS Handels- und Gewerbestandes in seinen materiellen Interessen und Förderung der Reellität und Solidität im Geschäftsverkehr (LG. Naumburg ZBlFG. 3, 242), Vereine von Haus- und Grundbesitzern (Enneccerus § 100 Anm. 3; Oppenheimer a. a. O. 189ff.; LG. Naumburg ZBlFG. 3, 299; dagegen LG. Essen ZBlFG. 1, 440ff.), Vereine von Arbeitgebern oder Arbeitnehmern, die durch Leistung von Unterstützungen u. dgl. gegen die Gefahren von Arbeitseinstellungen oder Aussperrungen Schutz gewähren wollen (v. Dassel im Recht 10, 306; LG. Tilsit in PosMSchr. 07, 63), Vereine von Brauereien zwecks wechselseitiger Unterstützung bei Boykotts (a. A. Eck I 53; Wiedemann 262), oder zum Kundenschutz (OLG. 20, 25), Kartelle, sofern sie sich daraus beschränken, ihren Mitgliedern bestimmte Verpflichtungen aufzuerlegen oder sofern sie die Abschlüsse mit Dritten nur vermitteln (Oertmann Erl. 1 d n zu § 21; Cosack § 294 I 2a a aa; v. Tuhr I 471; Müller, Die Rechtsformen der Kartelle 20; a. A. OLG. 24, 237). An und für sich würden auch Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit hierher gehören, vorausgesetzt, daß sie keinen äußeren Geschäftsverkehr haben (v. Tuhr I 471 Anm. 10; Oppenheimer a. a. O. 156ff.; a. A. Oertmann Erl. 1 b ßaa; v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit 5 Anm. 2 c). Diese Frage ist übrigens durch § 15 VersUG. erledigt, wonach diese Vereine die Rechtsfähigkeit durch die von der Aufsichtsbehörde erteilte Erlaubnis zum Geschäftsbetriebe erlangen. Den Hauptfall eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes bildet ein geschäftsmäßiger Betrieb zum Zwecke der Produktion oder des Umsatzes wirtschaftlicher Güter. Unter den Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes fällt aber auch z. B. die geschäftsmäßige Versicherung gegen Unfälle. Es fallen darunter auch Konsumvereine und ähnliche Vereine (Oertmann Erl. 1 b ßaa). b) Nicht erforderlich ist, daß durch den Geschäftsbetrieb wirtschaftliche Vor­ teile für die Mitglieder des Vereins erstrebt werden. Dies wird freilich von vielen verlangt (so Staudinger Erl. B V 2, 3, 4 ju § 21; Cosack § 294 I2a« ßß, ß; Dern­ burg I § 74 III; Endemann I § 43 Anm. 2; Enneccerus § 100 II; Leonhard § 37 III a; v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit 5 Anm. 2 c; Meurer 227 Anm. 4; Oppenheimer JheringsJ. 47, 137ff., 169ff.; Wiedemann 213ff., 273ff. ^allerdings mit einer Ausnahme für die Vereine, die ein Gewerbe betreiben S. 257 ff.]; KG. 36 A 146 — OLG. 20, 27; OLG. Karlsruhe in BadRpr. 09, 250; LG. Darmstadt in ZBlFG. 3, 508; LG. München in SeuffBl. 08, 717). Unter den Verteidigern dieser Ansicht herrscht wieder darüber Meinungsverschiedenheit, ob erforderlich ist, daß die wirtschaftlichen Vorteile zunächst dem Verein als solchem zugute kommen und die Mitglieder nur mittelbar daran teilnehmen oder ob es genügt, daß die Mitglieder unmittelbar die Vorteile erlangen. (Für die letztere Auffassung Staudinger, Cosack, Ende­ mann, Wiedemann 263, für die erstere Dernburg, Enneccerus, Oppenheimer, LG. Naumburg in ZBlFG. 3, 299). Für die hier vertretene Auffassung spricht zunächst der Wortlaut der fraglichen Vorschrift. Es wird nur darauf abgestellt, ob ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb bezweckt wird, nicht darauf, ob der Geschäftsbetrieb zum wirtschaftlichen Vorteile der Mitglieder gereichen soll. Auch der gesetzgeberische Grund, auf welchem die fragliche Vor­ schrift hauptsächlich beruht, spricht für die hier vertretene Auffassung. Bei jedem wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe, mag dadurch ein Vorteil für die Mitglieder erstrebt werden oder nicht, werden Rechtsverhältnisse verschiedener Art, insbesondere auch Verbindlichkeiten gegenüber Dritten ein­ gegangen. Für die Sicherung der Gläubiger wird, wenn der Geschäftsbetrieb durch eine der in den Reichsgesetzen geordneten Gesellschaften, z. B. eine Aktiengesellschaft erfolgt, durch die für Gesellschaften solcher Art geltenden besonderen Vorschriften gesorgt. Solche Vorschriften fehlen bei rechtsfähigen Vereinen. Hier soll das Erfordernis der staatlichen Verleihung (§ 22) Ersatz bieten, indem dadurch der zuständigen Behörde die Möglichkeit gewährt wird, für die Aufnahme sichernder Vorschriften in die Satzung zu sorgen. Das Bedürfnis hierzu besteht in gleicher Weise,

mag der Geschäftsbetrieb den Vorteil der Mitglieder bezwecken oder nicht. Bei einem Vereine z. B., der die Errichtung und den Betrieb einer Fabrik zum Zwecke hat, macht es in der fraglichen Beziehung keinen Unterschied, ob der Reinertrag des Geschäftsbetriebs nach der Satzung unter die Mitglieder verteilt oder aber zu einem gemeinnützigen oder wohltätigen Zwecke oder auch dazu ver­ wendet werden soll, die Löhne der in der Fabrik beschäftigten Angestellten und Arbeiter zu erhöhen (wie hier im wesentlichen Oertmann Erl. 1 ßßß $u § 21; Rehbein I 42; K. v. R G R. Erl. 2 zu § 21; Biermann I § 133 I 2; Kohler I § 165 II, III; Eck I 53f.; v. Tuhr I 472; Windscheid-Kipp §60 Zus.l; Levis in DIZ. 01,479; OLG. 14,6; vgl. auch KG. 28 A 33). Es ist auch nicht erforderlich, daß durch den Geschäftsbetrieb Überschüsse erzielt werden sollen oder daß wenigstens das Gleichgewicht von Einnahmen und Ausgaben erstrebt wird. Auch dort, wo das Unternehmen z. B. der Betrieb eines Theaters oder eines Tiergartens von vornherein so angelegt ist, daß es nur unter Zuhilfenahme von Beiträgen der Mitglieder im Gleichgewicht gehalten werden kann, ist der Zweck des Vereins auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet (a. A. Kohler I § 165 III; v. Tuhr I 473; OLG. 14, 6). Gegen die hier vertretene Auf­ fassung spricht nicht das Wort „wirtschaftlich"; denn es dient nicht dazu, den Begriff Geschäfts­ betrieb einzuschränken, sondern besagt dasselbe, was sich schon aus dem Worte Geschäftsbetrieb ergibt (vgl. Oppenheimer JheringsJ. 47, 164ff.). Für sie spricht, datz die Zulassung von Vereinen der letzten Art zum Vereinsregister die Sicherheit des Verkehrs in gleicher Weise gefährden würde wie die Zulassung von Vereinen der ersten Art. Die angeführten Gründe sprechen auch gegen die Ansicht von Goldmann-Lilienthal 155s.; Kisch in GrünhutsZ. 29, 324; Samter in DIZ. 00, 311 ff., nach denen es erforderlich ist, daß wirtschaftliche Vorteile für die Mitglieder, den Staat oder Dritte erstrebt werden. c) Der Hauptzweck des Vereins muß auf einen wirtschaftlichen Geschäfts­ betrieb gerichtet sein. Findet ein solcher Betrieb nur nebenbei als Mittel zur Erreichung eines idealen Zweckes statt, dessen Verwirklichung vornehmlich auf andere Weise erstrebt wird, so ist der Zweck des Vereins nicht als auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet anzu­ sehen; er ist daher eintragungsfähig (Oertmann Erl. Id § zu § 21; Rehbein I 42; K. v. R G R. Erl. 2 zu § 21; Biermann I § 133 I 3; Kohler I § 165 IV; Eck I 53; v. Tuhr I 474; ferner Staudinger Erl. B V 6 zu § 21; Endemann I § 42 Anm. 6; Enneccerus § 100 II; Leonhard §37 III, V; v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit 6 Anm. 2d; gegen die Unter­ scheidung Hölder Erl. 3 zu § 21; Cosack § 294 I 2aß; Dernburg I § 74 IIIb; Matthiatz § 27 II; Oppenheimer a. a. O. 172f.; Wiedemann 274ff., 280ff.). Dies wird z. B. anzunehmen sein, wenn ein geselliger Verein eine Wirtschaft errichtet, um seinen Mitgliedern Speisen und Getränke verabfolgen zu können, oder wenn ein wohltätiger Verein Waren zur Unterstützung für Arme anschafft oder Suppenanstalten errichtet. Anders zu beurteilen ist das Verhältnis, wenn der wirtschaftliche Betrieb den Hauptzweck des Vereins bildet, mag auch das Motiv ein ideales sein, mag er z. B. darin bestehen, das allgemeine Beste oder die Interessen gewisser Kreise zu fördern. So wird z. B. ein Verein, der im Interesse der Landwirtschaft Molkereianstalten oder Getreidespeicher anlegt oder der im Interesse einer Gemeinde ein Krankenhaus errichtet, in dem jeder gegen Entgelt, Arme aber vielleicht unentgeltlich Auf­ nahme finden, als ein Verein zu betrachten sein, dessen Zweck aus einen wirtschaftlichen Geschäfts­ betrieb gerichtet ist. Die Grenze zwischen den Fällen dieser und der erstgedachten Art wird oft zweifelhaft sein. In der ReichstagSkommission wurde als Beispiel angeführt, daß ein Verein zur Beschaffung wohlfeiler Wohnungen für Arbeiter Häuser baut und an Arbeiter vermietet, dabei aber so verfährt, daß die Verzinsung des aufgewendeten Kapitals gesichert wird und der etwaige Überschuß in die Vereinskasse fließt oder als Dividende an diejenigen verteilt wird, welche

das Kapital hergegeben haben. Als Zweck des Vereins dürfte in diesem Falle der Bau und die Vermietung der Häuser zu betrachten sein, während die Förderung des Interesses der Arbeiter nur das Motiv bildet, das für die Anwendung des § 21 ohne Bedeutung ist. Dies wird selbst dann anzunehmen sein, wenn die Mitglieder des Vereins nach der Satzung nur landesübliche Zinsen erhalten, die etwaigen Überschüsse aber zum Bau neuer Häuser oder zur Herabsetzung der Mietpreise benutzt werden sollen. In dem mehrfach erwähnten und verschieden beantworteten Falle, daß eine Bibelgesellschaft eine Druckerei errichtet, um die von ihr zu verteilenden Bibeln wohlfeiler herzustellen, wird regelmäßig anzunehmen sein, daß deshalb allein der Zweck des Vereins noch nicht als auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet anzusehen ist. Möglich ist aber, daß die Errichtung und der Betrieb einer Druckerei zum Zwecke der Herstellung wohl­ feiler Bibeln als Hauptzweck des Vereins anzusehen ist. In solchem Falle ist die Erlangung

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I. Abschnitt: Personen.

der Rechtsfähigkeit durch Eintragung selbst dann ausgeschlossen, wenn die Bibeln gegen die Herstellungskosten verkauft oder unentgeltlich verteilt werden sollen. Nach OLG. 14, 6 hängt es von den Umständen des Falles ab, ob ein die Verbreitung christlicher Schriften bezweckender Verein als ein Verein, dessen Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, angesehen werden muß oder nicht; nach OLG. 15, 323 hat ein Schulverein keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Ist die wirtschaftliche Tätigkeit nur die tatsächliche Folge der Verwirklichung des Vereins­ zweckes, so ist der Verein eintragungsfähig, z. B. wenn eine Jagdgesellschaft das erlegte Wild veräußert (ZBlFG. 11, 46). 3. Ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, kann vorbehaltlich der Vorschrift des § 23 die Rechtsfähigkeit nur durch Eintragung erlangen. Der E. III ließ die Erlangung der Rechtsfähigkeit durch staatliche Verleihung für alle Vereine zu. Vom Reichstag ist dies auf Antrag der Reichstagskommission geändert. Die Ansicht von Gareis Erl. 4 zu § 21 und Kohler I § 165 VI, daß trotzdem Vereine der gedachten Art die Rechts­ fähigkeit auch durch staatliche Verleihung erlangen können, dürfte weder mit dem Wortlaute der fraglichen Vorschriften, noch mit ihrer Entstehungsgeschichte vereinbar sein. Da Vereine, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, die Rechtsfähigkeit nach § 22 nur durch staatliche Verleihung erlangen können, so entsteht der Übelstand, daß ein Verein, rücksichtlich dessen

es zweifelhaft ist, ob sein Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist oder nicht, die Rechtsfähigkeit möglicherweise überhaupt nicht erlangen kann. Dies würde dann eintreten, wenn das zuständige Amtsgericht einen aus einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichteten Zweck annimmt und deshalb die Eintragung verweigert, während die zuständige Verwaltungsbehörde einen solchen Zweck nicht annimmt und deshalb die Verleihung der Rechtsfähigkeit ablehnt. Gegen diesen Übelstand, der sich indessen praktisch wohl selten fühlbar machen wird, gewährt das BGB. keine Abhilfe. Hölder Erl. 1 zu § 22, Dernburg I § 76 I, Oertmann Erl. 2 zu § 21 und v. Tuhr I 496 wollen dadurch helfen, daß sie die Entscheidung des Registergerichts, durch welche die Eintragungsfähigkeit eines Vereins verneint ist, als für die Verwaltungsbehörde insofern maßgebend erklären, daß diese dadurch berechtigt werde, die Rechtsfähigkeit zu verleihen. Dieses Recht steht der Verwaltungsbehörde unzweifelhaft zu, wenn man die Entscheidung des Registergerichts nicht für maßgebend ansieht; denn die Verwaltungsbehörde hat bei dieser Annahme selbständig zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Eintragungsfähigkeit vorliegen und kann, wenn sie diese Frage verneint, die Rechtsfähigkeit verleihen. Geholfen würde durch jene Ansicht nur dann werden, wenn man annähme, daß durch eine die Eintragungsfähigkeit verneinende Entscheidung des Registergerichts die Verwaltungsbehörde verpflichtet würde, die Verleihung der Rechtsfähigkeit nicht aus dem Grunde zu verweigern, daß der Verein eintragungs­ fähig sei. Eine solche Wirksamkeit der Entscheidung des Registergerichts für die Verwaltungs­ behörde dürfte sich nicht rechtfertigen lassen. Praktisch würde damit übrigens insofern wenig erreicht werden, als es immer dem Ermessen der Verwaltungsbehörde überlassen ist, ob sie die Rechtsfähigkeit verleihen will oder nicht und als die Gründe, welche für die Eintragungsfähigkeit sprechen, regelmäßig auch abgesehen davon, ob diese anzunehmen ist oder nicht, genügen werden, die Verleihung der Rechtsfähigkeit abzulehnen (wie hier Enneccerus ß 100 II1; Meurer 230; v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit 7). 4. Möglich ist, daß ein Verein nebeneinander einen idealen und einen auf einen Wirt, schaftlichen Geschäftsbetrieb gerichteten Zweck hat. Von den in Erl. 2c erwähnten Fällen unterscheidet sich dieser Fall dadurch, daß der Geschäftsbettieb nicht lediglich als Mittel für die Erreichung des idealen Zweckes erscheint. Ein solcher Fall liegt z. B. vor, wenn ein Berufs­ verein einerseits die allgemeinen Interessen der Mitglieder zu fördern bezweckt, andererseits aber die Produktion oder die Veräußerung von Erzeugnissen der Vereinsmitglieder betreiben will. Durch Eintragung kann ein solcher Verein nach § 21 die Rechtsfähigkeit nicht erlangen. Zweifelhaft ist, ob ein solcher Verein nach § 22 die Rechtsfähigkeit durch staatliche Verleihung erlangen kann. Die Frage dürfte zu bejahen sein, da nach dem Wortlaute des § 22 die Zulässigkeit der staatlichen Verleihung nur davon abhängt, daß der Zweck des Verein- auf einen wirtschaftlichen Geschäfts­ betrieb gerichtet ist, nicht davon, daß er ausschließlich diesen Zweck hat. Auch die vom Reichstage beschlossene Streichung der Vorschrift, daß ein Verein der im § 21 bezeichneten Art die Rechts­ fähigkeit auch durch staatliche Verleihung erlangen könne, nötigt nicht zu einer abweichenden Auslegung; man kann es für bedenklich halten, die staatliche Verleihung der Rechtsfähigkeit für Vereine zuzulassen, die lediglich ideale Zwecke verfolgen, ohne sie darum doch für die Fälle

auszuschließen, in welchen solche Zwecke neben dem Zwecke eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs verfolgt werden. Für die dem Wortlaut entsprechende Auslegung spricht auch die Fassung des § 43 Abs. 4. Nur bei dieser Auslegung endlich geschieht dem praktischen Bedürfnisse Genüge, indem anderenfalls Vereine der fraglichen Art die Rechtsfähigkeit überhaupt nicht würden er­ langen können (so auch die durchaus herrschende Meinung; a. A. Staudinger I § 21 B IV 2, der annimmt, daß Vereine dieser Art die Rechtsfähigkeit nicht erlangen können). 5. Zweifelhaft ist die Frage, ob ein Verein, deffen Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, durch die Eintragung und andererseits ein Verein, deffen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, durch die staatliche Verleihung die Rechtsfähigkeit erlangt. Was zunächst die letztere Frage anlangt, so wird anzunehmen sein, daß durch § 22 der staatlichen Behörde die Entscheidung darüber hat überlassen werden sollen, ob der Zweck deS Vereins auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Es sprechen dafür im wesentlichen die in der Erl. 5 zu 8 3 bei der entsprechenden Frage in betreff der Volljährigkeitserklärung dargelegten Gründe. Es spricht dafür ferner die Erwägung, daß die staatliche Verleihung einen höheren Grad staatlicher Mitwirkung darstellt und größere Gewähr für die Verkehrssicherheit bietet als die Eintragung (ebenso Oertmann Erl. 3b zu § 21; Rehbein I 42; K. v. RGR. Erl. 3 zu § 21; Biermann I § 134 Anm. 21; Kohler I § 165 VI; v. Tuhr I 496; Eccius in Gluch. 46, 396f.; Fischer in SeuffBl. 05, 133ff.; Josef in ZZP. 06, 530ff.; derselbe im Recht 06, 1071; Hellwig, Grenzen der Rückwirkung, in der Festschrift für die juristische Fakultät in Gießen 07, 48ff.; W. Jellinek, Der fehlerhafte Staatsakt 08, 167; a. A. die erste und zweite Auflage; Staudinger § 21 B III 3; v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit 7ff.; Altmann im Recht 06, 922; H öl der Erl. 2e zu § 22, nach welchem die amtliche Verleihung der Rechtsfähigkeit das Vorhandensein der gesetzlichen Voraussetzungen nur bis zum Beweise des Gegenteils feststellen soll). Die Ansicht von Oertmann, daß die Verleihung dann unwirksam sei, wenn die Verwaltungsbehörde sie vorgenommen habe zugunsten eines Vereines, den sie selbst gar nicht für einen wirtschaftlichen gehalten habe, dürfte keinen Beifall verdienen, schon deshalb nicht, weil die Verwaltungsbehörde sich kaum darüber aussprechen wird, weshalb sie dem Verein Rechtsfähigkeit verleiht. Ob und aus welchem Wege eine unzulässigerweise erfolgte staatliche Verleihung der Rechtsfähigkeit angefochten werden kann, haben die Landesgesetze zu bestimmen. Über die Folgen der Zurücknahme vgl. den nächsten Absatz. In demselben Sinne dürfte die obengedachte erste Frage zu entscheiden sein. Die Sache liegt hier freilich insofern anders, als es sich nicht um eine der Entscheidung der Verwaltungs­ behörde überlassene Verfügung, sondern um eine gerichtliche Entscheidung handelt, welche das Gericht nur treffen darf, wenn der Zweck des Vereins nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäfts­ betrieb gerichtet ist. Materiell handelt es sich indessen auch hier um eine der Entscheidung des Gerichts überlassene Feststellung einer die Erlangung der Rechtsfähigkeit bedingenden Voraus­ setzung, und es läßt sich nicht verkennen, daß die größten Unzuträglichkeiten eintreten würden, wenn die Entscheidung des Gerichts nicht maßgebend wäre (ebenso Oertmann Erl. 3a zu § 21; K. v. RG R. a. a. O.; Biermann I § 134 Ziff. 4; Dernburg I § 75 VII; Enneccerus I § 100 VI; Kohler a. a. O.; Krückmann § 4 III 1; Windscheid-Kipp I § 60 Zus. 1 Abs. 4; v. Tuhr I 491 ff.; Wiedemann 740ff.; Eccius, Fischer, Josef, Hellwig, Jellinek a. a. O.; Witkowski im Recht 10, 83; RG. III 10./17. Jan. 13 III 264/12 szum Abdruck in der amtlichen Sammlung bestimmt]; OLG. 22, 110; a. A. die früheren Auf­ lagen; ferner Hölder Erl. 4c zu § 21, der auch hier annimmt, daß die Eintragung bis zum Beweise des Gegenteils das Vorhandensein ihrer Voraussetzungen beweise; Rehbein I 42; Staudinger Erl. B III 3 zu § 21; Endemann I § 42 Anm. 28; Goldmann-Lilien­ thal I 70; Maithiaß § 27 S. 51 Anm. 6; Eck I 69; v. Gierke a. a. O.; KG. 28 A 63; OLG. 14, 8; 20, 25). Die einmal erworbene Rechtsfähigkeit kann nicht nach Analogie des § 43 Abs. 2 entzogen werden (so Biermann, Dernburg, Kohler). Dies würde dahin führen, die Entscheidung darüber, ob ein wirtschaftlicher Zweck gegeben ist. den ordentlichen Gerichten zu nehmen und den Verwaltungsgerichten zu übertragen. Noch weniger kann man von einer „An­ fechtbarkeit" der Eintragung durch den Vorstand sprechen (so Wiedemann 743ff.). Wohl aber kann die wegen Wirtschaftlichkeit des Zweckes unzulässige Eintragung gemäß §§ 159, 142, 143 FGG. wieder beseitigt werden. Die Löschung des Vereins hat keine rückwirkende Kraft (Windscheid-Kipp a. a. O.; Wiedemann 754ff.; a. A. Oertmann, v. Tuhr, Hellwig a. a. O.; vgl. auch Krückmann a. a. O.). Während v. Tuhr alle Konsequenzen der Rückwirkung zieht.

64

I. Abschnitt: Personen.

wollen Hellwig und Oertmann die Rückwirkung nur unbeschadet der Rechtsstellung Dritter eintreten lassen. Gegen die Rückwirkung sprechen aber nicht nur die Interessen Dritter, die mit dem Verein kontrahiert haben oder durch Handlungen des Vorstands geschädigt sind, sondern auch die Interessen der Mitglieder, die sich darauf verlassen haben, daß sie einem rechtsfähigen Verein angehört haben, und die Interessen der Vorstandsmitglieder, denen für die in der Zeit vor der Löschung abgeschlossenen Rechtsgeschäfte nicht die Haftung aus § 54 Satz 2 auferlegt werden darf. Ebenso bedenklich würde es sein, wenn Grundstücke, die auf Grund einer Auflassung für den Verein eingetragen sind, noch dem früheren Eigentümer gehören sollten oder wenn Aktivprozesse des Vereins nachträglich ihrer Wirksamkeit beraubt würden. Da die Löschung die Rechtsfähigkeit für die Zukunft beendigt, ist sie in ihren Wirkungen der Entziehung der Rechtsfähigkeit gleichzustellen, insofern ist Biermann, Dernburg und Kohler beizustimmen. Insbesondere ist Liquidation erforderlich, schon im Interesse der Gläubiger. Dafür spricht auch die Analogie des § 311 HGB. In derselben Weise sind die Wirkungen der Zurücknahme der staatlichen Verleihung zu beurteilen. Die hier vertretene Auffassung steht nicht im Widersprüche mit der in Erl. 3 dargelegten Ansicht. Dort wurde die Frage verneint, ob die Entscheidung der Verwaltungsbehörde, durch welche die Verleihung der Rechtsfähigkeit verweigert wird, weil der Zweck des Vereins nickt auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sei, das Registergericht binde und ob andererseits die Entscheidung des Registergerichts, durch welche die Eintragung verweigert wird, weil der Zweck des Vereins auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sei, die Verwaltungsbehörde binde. Hier handelt es sich dagegen um die Frage, ob der Verein, wenn die Verwaltungsbehörde annimmt, datz der Zweck des Vereins auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sei und deshalb die Rechtsfähigkeit verleiht, rechtsfähig wird, obwohl in Wirklichkeit der Zweck des Vereins nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist und ob andererseits der Verein, wenn das Registergericht annimmt, daß der Zweck des Vereins nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäfts­ betrieb gerichtet sei und deshalb die Eintragung vornimmt, die Rechtsfähigkeit erlangt, obwohl der Zweck des Verein- in Wirklichkeit auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Beide Entscheidungen sind durchaus miteinander vereinbar. Bei der ersteren handelt es sich um die Wirkung, welche die Verneinung der Frage, ob der Zweck des Vereins auf einen wirt­ schaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet oder nicht darauf gerichtet ist, bei der zweiten darum, welche Wirkung die Bejahung jener Frage hat. 6. Erfordernis eines Begründungsvertrags. Die Entstehung eines rechtsfähigen Vereins setzt außer der Eintragung bzw. Verleihung der Rechtsfähigkeit selbstverständlich voraus, daß ein Verein besteht. Ein Verein wird begründet durch Vertrag unter denjenigen, welche den Verein bilden wollen. Zur Gründung genügen zwei Personen (Hölder Erl. 1 zu § 56; Oertmann Erl. 6 zu 8 38; Staudinger Erl. 2 zu 8 56; v. Tuhr I 491; a. A. Schwabe, Körper­ schaft 32; Wiedemann 339ff., 350ff., die für alle Vereine, und Rehbein I 41, der für eingetragene Vereine mindestens drei Mitglieder verlangt). Für eingettagene Vereine vgl. 8 56. Die Ansicht, daß der Verein nicht durch Vertrag, sondern dadurch entstehe, daß ein Gesamtakt von denjenigen vorgenommen werde, welche den Verein gründen wollen (Oertmann Borbm. 5 vor 8 21; Cosack 8 295 I 1 b; Kohler I 8 145 III; Windscheid-Kipp 8 60 Anm. la; v. Gierke DPrR. I 8 63 I; derselbe. Das Wesen der menschlichen Verbände 28; Wiede­ mann 346; ähnlich Biermann I 8 135 Ziff. 2, der einen Beschluß annimmt), dürfte keine Billigung verdienen. Es handelt sich zwar bei der Gründung eines Vereins nicht bloß um die Begründung obligatorischer Rechte und Pflichten unter den Vertragschließenden, sondern um einen eigentümlichen Rechtsakt, durch welchen ein Verein geschaffen werden soll. Aber der Vertrag ist keine auf obligatorische Verhältnisse beschränkte, sondern eine für alle Rechtsverhältnisse, welche die Vereinbarung mehrerer Personen erfordern, bestinimte Rechtsform. Bei der Begründung eines Vereins handelt es sich nicht um eine Mehrheit einseitiger Willenserklärungen von fetten der­ jenigen, welche den Verein bilden wollen, sondern um die aus Bildung eines Vereins gerichtete Vereinbarung unter ihnen. Eine solche Vereinbarung ist ein Vertrag (wie hier Hölder, Vorbm. III vor 8 21; Rehbein I 40; K. v. RGR. Erl. 2 zu 8 25; Staudinger Erl. 6 zu 8 25; Enneccerus 8 99 II; Matthiaß 8 27 I; v. Tuhr I 476ff.; Hachenburg 481; Meurer 212; Kisch JLBl. 21, 200). Die praktische Bedeutung dieser Frage liegt darin, daß nicht die für einseitige Willenserklärungen, sondern die für Verträge geltenden Vorschriften über das Erfordernis der Geschäftsfähigkeit und über Willensmängel zur Anwendung kommen. Für die Entstehung eines rechtsfähigen Vereins ist erforderlich, daß entweder schon bei dem Gründungsvertrage die Absicht der Vertragschließenden auf die Gründung eines rechtsfähigen

Vereins gerichtet ist, oder daß, wenn ein nicht rechtsfähiger Verein bereits bestand, die Mitglieder desselben die Umwandelung in einen rechtsfähigen Verein vereinbaren. Ist beim Abschluß des Gründungsvertrages ein Vertragschließender geschäftsunfähig, so ist der Vertrag für ihn unwirksam. Dasselbe gilt, wenn ein Vertragschließender in der Geschäfts­ fähigkeit beschränkt war und sein gesetzlicher Vertreter weder eingewilligt noch nachträglich die Genehmigung erteilt hat. Hieraus folgt aber nicht, daß der Gründungsvertrag auch für die übrigen Vertragschließenden unwirksam ist: regelmäßig wird vielmehr anzunehmen sein, daß diese den Vertrag unter sich auch ohne den geschäftsunfähigen oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Vertragschließenden geschlossen haben würden (§ 139; vgl. Oertmann Erl. 2 zu § 56; v. Box­ berger, Die rechtlichen Folgen der Beteiligung Minderjähriger an einem Verein). Für die Vereine des Handelsrechts nimmt eine feststehende Praxis an, daß die Beteiligung an ihnen nicht wegen Willensmängel angefochten werden kann. Der Grund für diese Praxis liegt in der Sicherheit der Gläubiger, die sich darauf müssen verlassen dürfen, daß das in dem GesellschaftsVerträge bezeichnete Grund- oder Stammkapital auch wirklich der Gesellschaft zustand oder daß die in die Liste Eingetragenen auch wirklich Genossen sind. Für die Vereine des bürgerlichen NechtS fallen diese Gründe fort, deshalb ist hier die Geltendmachung von Willensmängeln beim Abschluß des Gründungsvertrages nach den allgemeinen Grundsätzen zulässig (Staudinger Erl. VII Id zu Z 2l; Cosack § 295 I 1 b ß; Kohler I § 145 IV; v. Tuhr I 479ff.). Auch hier wird in der Regel die Anfechtung des einen Vertragschließenden die Wirksamkeit des Vertrages unter den übrigen nicht in Frage stellen. Voraussetzung für die Entstehung des Vereins ist, daß die Beteiligung an ihm für mindestens zwei Gründer rechtswirksam ist. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, der Verein »aber in das Vereinsregister eingetragen, oder ist ihm die Rechtsfähigkeit verliehen, so darf man Llus praktischen Gründen Heilung des Mangels annehmen, wenn neue Mitglieder in den Verein einlreten (so Kohler I § 145 IV 2; v. Tuhr I 491).

7. Verhältnis in der Zwischenzeit zwischen dem Begründungsvertrag und der Erlangung der Rechtsfähigkeit. Bestand schon bei dem aus Gründung des Vereins gerichteten Vertrage die Absicht, einen rechtsfähigen Verein zu gründen, so ist in der Zwischenzeit zwischen dem Abschlusse des Vertrags und der Eintragung bzw. der Verleihung der Rechtsfähigkeit noch kein Verein vor­ handen, und zwar auch kein nicht rechtsfähiger Verein im Sinne des § 54 (a. A. Holder Borbm. III vor § 21; Oertmann Borbm. 6 vor § 21; K. v. R G R. Erl. 1 zu 8 21; Staudinger Erl. B II2 Lu tz 21; Biermann 1 8 135 Ziff. 1; Endemann I 8 42 Anm. 4; Kohler I 8 146; Matthiaß 8 27 I; v. Tuhr I 483; Zitelmann I 69; v. Gierke, Vereine ohne Rechtsffähigkeit 8; Hachenburg 481 ff.; vgl. auch Sachau in ZHR. 56, 445ff.). Nicht gerecht­ fertigt ist die Annahme, daß der Vertrag unter der auflösenden Bedingung, daß die Rechts­ fähigkeit nicht erlangt werde (Staudinger I 8 21 B II 2; ähnlich v. Tuhr I 483), oder unter der aufschiebenden Bedingung, daß die Rechtsfähigkeit erlangt werde (Oertmann Borbm. 6 vor § 21; K. v. RGR. Erl. 1 zu 8 21), geschlossen sei. Die Vertragschließenden wollen nur einen rechtsfähigen Verein gründen. Sie wollen durch die Abschließung des Vertrags nur das eine der beiden Ersorderniffe für die Entstehung eines rechtsfähigen Vereins, nämlich den Gründungs­ vertrag herstellen. Der Vertrag hat für sie keine weitere Wirkung, als daß sie gebunden find, und daß, wenn s-päter die Eintragung oder die Verleihung der Rechtsfähigkeit erfolgt, ein rechtsfähiger Verein entsteht. Das Verhältnis ist hier ähnlich, luie dasjenige, was bei der Übertragung des Eigentums an einem Grundstücke zwischen der Einigung der Parteien und

der Eintragung in das Grundbuch besteht (8 873). Auch bei der Annahme an Kindes Statt Lesteht ein ähnliches Verhältnis zwischen dem Annahmevertrag und der gerichtlichen Bestätigung desselben (8 1754). Die Vertragschließenden sind gebunden, aber die beabsichtigte rechtliche Wirkung tritt erst mit dem Eintritte des zweiten Erfordernisses, hier also mit der Eintragung -bzw. der Verleihung der Rechtsfähigkeit ein (wie hier Dernburg I 8 74 I; Enneccerus H 100 VII). Der Vorstand des Vereins hat, wenn es sich um einen Verein der im 8 21 gedachten Art handelt, den Verein zur Eintragung anzumelden (8 59). Dieselbe Verpflichtung liegt ihm, -wenn es sich um einen Verein der im 8 22 gedachten Art handelt, in betreff des Antrags auf Verleihung der Rechtsfähigkeit ob.. Ein Vorstand existiert nun zwar noch nicht, da der Verein .erst mit der Erlangung der Rechtsfähigkeit entsteht. In dem Gründungsverlrage müssen aber zugleich Bestimmungen über die Satzung des Vereins und über den Vorstand getroffen werden. Denn nur unter dieser Voraussetzung kann eine Eintragung bzw. die Verleihung der Rechtsffähigkeit erfolgen. Unter dem Vorstand im Sinne des 8 59 werden nun diejenigen Personen Planck, Kom. zum LGB.

Dd. I.

4. Aufl.

(Knoke.)

5

66

I. Abschnitt: Personen.

zu verstehen sein, welche, wenn der Verein die Rechtsfähigkeitt erlangt, den Vorstand bilden sollen (s. Erl. i zu § 59). Vgl. auch RG. in SeuffA. 67, 305.

Möglich ist, daß bei dem Gründungsvertrage die Absicht der Vertragschließenden dahin geht, daß der Verein sofort als nicht rechtsfähiger Verein bestehen solle. Die Absicht kann entweder dahin gehen, daß der Verein unter allen Umständen, also auch, wenn die Rechtsfähigkeit nicht erlangt werde, als nicht rechtsfähiger Verein bestehen solle oder daß er als solcher nur in der Zwischenzeit bis zur Entscheidung über die Erlangung der Rechtsfähigkeit bestehen solle. Es bedarf hierzu keiner ausdrücklichen Erklärung, vielmehr wird aus den Umständen geschlossen werden müssen, daß eine solche Absicht bestehe (Müller in DIZ. 05, 809). Dies wird ins­ besondere dann anzunehmen sein, wenn der Verein sofort mit dem Abschlusse des Gründungs­ vertrags die seinem Zwecke entsprechende Tätigkeit beginnt. Im Zweifel wird indessen eine Absicht der gedachten Art nicht anzunehmen sein. Sollte die Auslegung aber die Annahme einer solchen rechtfertigen und wird nun später die Rechtsfähigkeit erlangt, so kommen die in Erl. 8 dargelegten Grundsätze zur Anwendung. 8. Erlangt ein bestehender nicht rechtsfähiger Verein die Rechtsfähigkeit, so entsteht die Frage, was aus dem Vermögen und aus den Schulden des bisherigen Vereins wird. Ver­ schiedene Ansichten werden vertreten. Nach der einen Ansicht (Staudinger Erl. VIII zu § 21; Oertmann Vorbm. 6 vor § 21; K. v. RGR. Erl. 1 zu 8 21; Hahn in DIZ. 02, 504; OLG. 2, 462; 20, 28) werden das Vermögen, sowie die bisherigen Schulden des Vereins ipso jure Vermögen und Schulden des rechtssähigen Vereins. Die persönliche Haftung der Mitglieder des Vereins bleibt indessen so, wie sie nach den bisher sür sie maßgebenden Grundsätzen des Gesellschaftsrechts begründet war, auch ferner neben der Haftung des rechtsfähigen Vereins bestehen. Im wesentlichen zu demselben Ergebnisse führt eine zweite Ansicht (Kohler I § 146; v. Gierke 9), nach welcher bei der Erlangung der Rechtsfähigkeit eine Gesamtnachfolge des rechtsfähigen Vereins in das Vermögen und in die Schulden des nicht rechtsfähigen Vereins stattfindet. Nach einer dritten Ansicht (Hölder Vorbm. III vor § 21; Biermann I § 135 Ziff. 1; Dernburg I § 78 V; Enneccerus § 100 VII; Matthiaß § 27 II B 5; v. Tuhr I 588ff.; Reineke in DIZ. 08, 245 und die früheren Auflagen in den Erl. zu § 65; s. auch OLG. Frankfurt im Recht 09 Nr. 192) bedarf es einer Übertragung des Vermögens des nicht rechtsfähigen Vereins auf den nun rechtssähigen Verein. Dabei wird entweder angenommen, daß mit der Er­ langung der Rechtsfähigkeit der bisherige Verein aufgehoben wird und ein neuer Verein entsteht (Hölder Vordem. III 130; v. Tuhr I 588), oder es wird angenommen, daß zwar kein neuer Verein, aber eine neue juristische Person entsteht (s. Erl. zu § 65 der früheren Auflagen). Nach der einen, wie nach der anderen Auffassung bedarf es zu der Übertragung jedes zu dem Vereins­

vermögen gehörenden Gegenstandes desjenigen Rechtsgeschäfts, welches nach allgemeinen Grund­ sätzen zur Übertragung dieses Gegenstandes erforderlich ist. Wo hierzu ein Vertrag genügt,

wird dieser regelmäßig als stillschweigend geschlossen anzusehen sein und auch, wo Tradition er­ forderlich ist, wird -ngenommen, daß diesem Erfordernisse genügt sei, wenn die Mitglieder des Vorstandes des bisherigen Vereins sich im Besitze der zu übergebenden Sachen befinden und dieselben Personen den Vorstand des rechtsfähigen Vereins bilden. Bei der Übertragung des

Eigentums an einem Grundstücke ist immer Auflassung erforderlich und bei anderen Rechten an Grundstücken muß den Erforderniffen des § 873 genügt sein. In betreff der Schulden des bisherigen Vereins wird von einigen Vertretern dieser Ansicht angenommen, daß die Schulden ipso jure auf den rechtsfähigen Verein übergehen (Dernburg I § 78 V), während andere auch hier einen besonderen Rechtsakt verlangen, wobei indessen bisweilen eine stillschweigende Über­ nahme angenommen wird (Neumann in DIZ. 02, 292). Die erste dieser Ansichten dürfte der Auffassung des Lebens am meisten entsprechen. Die Mitglieder eines nicht rechtssähigen Vereins, welche die Bildung eines rechtssähigen Vereins vereinbaren und zu diesem Zwecke die Eintragung oder die Verleihung der Rechtsfähigkeit bean­ tragen, wollen keinen neuen Verein bilden; sie wollen vielmehr nur, daß ihr bisheriger Verein rechtsfähig werde. Dieser Auffassung entspricht auch die Fassung der §§ 21, 22: „Ein Verein erlangt die Rechtsfähigkeit..." Mit der Eintragung des Vereins oder der Verleihung der Rechtsfähigkeit entsteht zwar eine neue juristische Person, aber der bisherige Verein ist es, welcher diese juristische Person bildet; der Verein erlangt dadurch die Eigenschaft der Rechtsfähigkeit, die ihm bisher fehlte. Aus dieser Eigenschaft ergibt sich eine Änderung der bisherigen rechtlichen K'onstruklioü der Zuständigkeit des Vernlögens; sie wird nicht mehr nach den Grundsätzen des

§ 22. Ein Verein, dessen Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt in Ermangelung besonderer reichsgesetzlicher Vorschriften Rechts­ fähigkeit durch staatliche Verleihung. Die Verleihung steht dem Bundesstaate zu, in dessen Gebiete der Verein seinen Sitz hat. Gesellschaftsrechts (§ 54), sondern nach den für juristische Personen geltenden Grundsätzen be­ urteilt. Das sich hieraus ergebende Verhältnis ist einfach und entspricht den Bedürfnissen des Lebens und des Verkehrs. Bei der oben dargelegten dritten Auffassung entstehen dagegen große praktische und juristische Schwierigkeiten. Wird angenommen, daß der bisherige Verein durch die Erlangung der Rechtsfähigkeit aufgehoben werde, so ist nicht abzusehen, wer die zu der Über­ tragung des Vermögens erforderlichen Rechtsgeschäfte mit denr neuen rechtsfähigen Verein vor­ nehmen soll. Nimmt man an, daß diese Rechtsgeschäfte von dem bisherigen Verein vorzunehmen sind, so ergibt sich daraus, daß beide Vereine, der bisherige nicht rechtsfähige und der neue

rechtsfähige Verein wenigstens bis zur Vornahme dieser Rechtsgeschäfte nebeneinander fortbestehen. Ausdrücklich erklärt werden solche Rechtsgeschäfte im Leben wohl niemals oder doch nur höchst selten; um eine stillschweigende Übereinkunft anzunehmen, müßten doch besondere Umstände vor­ liegen und solche sind wenigstens regelmäßig nicht vorhanden. Die ganze Annahme des Neben­ einanderbestehens des nicht rechtsfähigen und des rechtsfähigen Vereins erscheint überhaupt als sehr künstlich, während die hier vertretene Ansicht der Auffassung des Lebens entspricht und ihre Durchführung keinerlei Schwierigkeiten bietet. Aus ihr folgt übrigens, daß auch für Gmndstücke, welche dem bisherigen Vereine gehörten, eine Auflassung an den rechtsfähig gewordenen Verein weder erforderlich noch möglich ist. Das Grundbuch, in welchem als Eigentümer des Grundstücks der bisherige nicht rechtsfähige Verein oder die diesen Verein nach Gesellschaftsrecht bildenden Mitglieder eingetragen waren, wird dadurch, daß der Verein die Rechtsfähigkeit erlangt, unrichtig. Nicht eine Auflassung an den rechtsfähigen Verein, sondern eine Berichtigung des Grundbuchs hat daher stattzufinden. Entsprechendes gilt von anderen Rechten an Grundstücken, die dem bisherigen rechtsfähigen Vereine zustanden. Was die Schulden des bisherigen nicht rechtsfähigen Vereins anlangt, so versteht sich nach der hier vertretenen Auffassung von selbst, daß der Verein, nachdem er die Rechtsfähigkeit erlangt hat, für diese Schulden nach den für juristische Personen geltenden Grundsätzen hastet. Bei der oben dargelegten dritten Auffassung ist diese, durch die Auffassung des Verkehrs und durch das praktische Bedürfnis gebotene Haftung schwerlich zu konstruieren. Der § 419 kann nicht an­ gewendet werden, denn es fehlt an einem auf Übertragung eines ganzen Vermögens gerichteten nach § 311 der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung bedürfenden Vertrage und gegen eine stillschweigende Vereinbarung sprechen dieselben Gründe, welche oben gegen eine solche Ver­ einbarung in betreff des Aktivvermögens geltend gemacht sind. Mr den ipso jure Übergang

der Schulden auch RG. in SeuffA. 67, 305 mit der Begründung, daß der neue mit dem alten

Verein identisch sei. Aus der Haftung des rechtsfähig gewordenen Vereins für die bisherigen Bereinsschulden nach Maßgabe der für juristische Personen gellenden Grundsätze folgt übrigens nicht, daß die Mitglieder des Vereins, soweit sie für diese Schulden nicht bloß mit dem Bereinsvermögen, sondern persönlich unbeschränkt hasteten (f. Erl. 3i zu § 54) von dieser Haftung befreit würden; sie bleibt vielmehr neben der Haftung des rechtsfähigen Vereins fortbestehen.

8 22. E. I 88 41, 42; II 8 23 rev. 8 21; III 8 21 Abs. 2, 3. P. I 3087ff., 3093ff., 3133ff., 11618ff., 11660; M.I 78 ff. V. II 1 ®. 476 ff., 538, 578 ff. KV. 1941, 1945. StB. 2748.

1.

Über die Frage, wann der Zweck eines Vereins als ans einen wirtschaftlichen Geschäfts­

betrieb gerichtet anzusehen ist, s. Erl. 2 zu 8 21.

Über die Folgen, welche beim Mangel der

gesetzlichen Voraussetzung eintreten, s. Erl. 5 zu § 21.

2. Soweit besondere reichsgesetzliche Vorschriften die Erlangung der Rechtsfähigkeit für gewisse Vereine regeln, finden diese Vorschriften Anwendung. Darüber, welche Vorschriften in Betracht kommen, s. Borbm. 1 zu dieser Unterabteilung. Landesgesetzliche Vorschriften kommen nur insoweit in Betracht, als es sich um Vereine handelt, die Rechtsgebieten angehören, in betreff deren nach dem EG. die Landesgesetze unberührt bleiben. Das nach EG. Art. 75 den Landes-

5*

68

I. Abschnitt: Personen.

§ 23. Einem Vereine, der seinen Sitz nicht in einem Bundesstaate hat, kann in Ermangelung besonderer reichsgesetzlicher Vorschriften Rechtsfähigkeit durch Beschluß des Bundesrats verliehen werden. gesehen vorbehaltene Versicherungsrecht ist inzwischen durch das G. v. 12. Mai 01 über die privaten Versicherungsunlernehmungen und durch das VersVG. reichsrechtlich geordnet.

3. Der Bundesstaat, welcher für die Verleihung zuständig ist, bestimmt sich nach dem Sitze des Vereins. Wo dieser Sitz ist, ergibt sich aus § 24. Die Behörde, welche die Verleihung zu erteilen hat, wird durch die Gesetze des betreffenden Bundesstaats bestimmt. Die Behörde ist, auch wenn die reichsgesetzlichen Voraussetzungen, unter welchen die Rechtsfähigkeit verliehen werden kann, vorliegen, nicht verpflichtet, sie zu verleihen. Es hängt dies vielmehr von ihrem Ermessen ab, soweit nicht die Landesgesetze darüber besondere Vorschriften enthalten. Die Behörde kann insbesondere die Verleihung von der Aufnahme besonderer Vorschriften in die Satzung abhängig machen. Auch die Verleihung auf bestimmte Zeit oder unter Vorbehalt des Widerrufs dürste nicht unzulässig sein (s. Staudinger Erl. 6 zu § 22). Bestritten ist, ob die Landesgesetzgebung berechtigt ist, allgemein allen Vereinen einer be­ stimmten Art die Rechtsfähigkeit zu verleihen. Man wird zu unterscheiden haben. Zulässig ist die Verleihung der Rechtsfähigkeit an eine Mehrzahl von bereits bestehenden Vereinen einer ge­ wissen Kategorie, wie dies z. B. in Preußen durch den Allerhöchsten Erlaß v. 27. Dez. 99 zu­ gunsten der bestehenden landespolizeilich genehmigten Versicherungsgesellschaften aus Gegenseitigkeit geschehen ist (a. A. Endemann I § 43 Anm. 3). Unzulässig würde dagegen ein Landesgesetz sein, welches allen künftig entstehenden Vereinen einer bestimmten Kategorie die Rechtsfähigkeit erteilte. Ein solches Gesetz würde eine Änderung der reichsrechtlichen Bestimmungen über die Rechtsfähigkeit der Vereine enthalten (Oertmann Erl. 2 zu § 22; Goldmann-Lilienthal I 71 Anm. 6; a. A. Staudinger Erl. 5 zu § 22 und wie es scheint Dernburg I § 76II).

§23. C. III 8 21 Abs. 3. KB. 1941.

StB. 2748.

Der § 23 beruht auf einem Beschlusse des Bundesrats.

1. Voraussetzung des Paragraphen ist, daß der Verein seinen Sitz nicht in einem Bundes­ staate hat. Diese Voraussetzung trifft zu, sowohl bei Vereinen, die ihren Sitz in einem Schutz­ gebiet oder in einem Konsulargerichtsbezirk haben, als auch bei Vereinen, die ihren Sitz in einem ausländischen Staate haben. Für Vereine der letztgedachten Art kommt aber das EG. Art. 10 in Betracht. Die Rechtsfähigkeit eines Vereins bestimmt sich prinzipiell nach den Ge­ setzen des Staates, welchem er angehört, die Rechtsfähigkeit eines einem ausländischen Staate angehörenden Vereins also nach den Gesetzen dieses Staates. Dieser Grundsatz wird aber durch EG. Art. 10 für Vereine, welche im Jnlande die Rechtsfähigkeit nur nach BGB. §§ 21, 22 erlangen könnten, insofern modifiziert, als solche Vereine, wenn sie nach den Gesetzen des Staates, welchem sie angehören, rechtsfähig sind, doch nur dann als rechtsfähig gelten, wenn sie vom Bundesrat anerkannt sind (f. Erl. zu Art. 10 des EG.). Auf Vereine dieser Art findet der § 23 keine Anwendung; sie bedürfen, um auch in Deutschland als rechtsfähig anerkannt zu werden, nicht der Verleihung der Rechtsfähigkeit, sondern nur der Anerkennung durch den Bundesrat. Von Bedeutung aber ist der § 23 für solche nach ausländischem Rechte zu be­ urteilende Vereine, welche nach diesem Rechte nicht rechtsfähig sind. Vereinen dieser Art kann nach § 23 die Rechtsfähigkeit vom Bundesrate verliehen werden (Oertmann Erl. 1 zu Z 23; K. v. R G R. Erl. 1 zu § 23; Biermann I § 133 II; Dernburg I § 76 III; Enneccerus § 99 Anm. 6; Jsay, Die Staatsangehörigkeit der juristischen Personen 180ff.; a. A. Staudinger Erl. 6 zu § 23; v. Tuhr I 497 Anm. 78; Wiedemann 386ff.; Windscheid-Kipp 8 60 Zus. 1; Niedner Erl. 6 zu Art. 10 EG.). Die Verleihung der Rechtsfähigkeit hat selbst­ verständlich nur Wirkung für das Inland, nicht für das Ausland, in dem der Verein seinen Sitz hat. Die Verleihung kann sowohl für Vereine der im 8 21 als der im 8 22 gedachten Art erfolgen. Gedacht ist dabei wohl hauptsächlich an die im Auslande bestehenden Wohltätigkeitsund ähnlichen Vereine für die im Auslande lebenden Deutschen. Vgl. auch Erl. 4 zu 8 80. 2. Nur in Ermangelung besonderer reichsgesetzlicher Vorschriften findet die Vorschrift des 8 23 Anwendung. Über die in Betracht kommenden Vorschriften dieser Art s. Vordem. 1 zu dieser Unterabteilung.

§ 24. Als Sitz eines Vereins gilt, wenn nicht ein anderes bestimmt ist, der Ort, an welchem die Verwaltung geführt wird.

§ 24. E. II 8 23 Abs. 4 ret». § 21 Abs. 4; III g 21 Abs. 4; M. I 77. P. II 1 S. 504.

1. Sitz der juristischen Person. Die Vorschrift dieses Paragraphen entspricht dem § 17 Abs. 1, früher § 19 der ZPO. Der Sitz der juristischen Person entspricht dem Wohnsitze der natürlichen Person. Der ständigen Niederlassung entspricht die dauernde Verwaltungsführung. Durch den Zusatz „wenn nicht ein Anderes bestimmt ist" wird hier indessen ein weiterer Spielraum gelassen. Die Bestimmung, auf welche hierdurch verwiesen wird, erfolgt durch die Satzung (s. 8 k>7), kann aber bei Vereinen, deren Rechtsfähigkeit auf staatlicher Verleihung beruht, nach § 82 des EG. auch durch Landesgesetz erfolgen. Der E. I hatte eine Vorschrift über den Sitz der juristischen Person nicht ausgenommen. Nach M. I, 77 wird angenommen, datz die Vorschriften über den Wohnsitz entsprechend anzuwenden seien. Hieraus wird abgeleitet, daß eine Bestimmung der Satzung über den Sitz des Vereins unzulässig sei, die mit der wirk­ lichen Sachlage im Widerspruche stehe. Durch die allgemeine Fassung des § 24 „wenn nicht ein Anderes bestimmt ist" wird diese Beschränkung des Bestimmungsrechts abgelehnt. Die in der Satzung getroffene Bestimmung über den Sitz des Vereins gilt auch dann, wenn der in der Satzung angegebene Sitz mit der Vereinstätigkeit in gar keinem Zusammenhänge steht (H öl der Erl. 1 zu § 24; K. v. RG R. Erl. 1 zu § 24; Cosack § 294; v. Tuhr I 458 Anm. 17; Wiede­ mann 383; a. A. für den Fall, daß die Bestimmung des Sitzes in der Satzung rein fiktiv ist, Oertmann Erl. 2b zu § 24; Staudinger Erl. 4 zu § 24; Biermann I § 124 Anm. 22; Kohler I § 104 VII; Matthiaß § 25; Windscheid-Kipp Zusatz zu § 58; vgl. auch RG. in IW. 04, 231). RG. 77, 19 billigt prinzipiell den hier vertretenen Standpunkt, nimmt aber für die in Art. 84 EG. bezeichneten Religionsgesellschaften an, daß sie trotz Eintragung in das Vereins­ register die Rechtsfähigkeit nicht erlangen, wenn sie zur Umgehung landesgesetzlicher Vorschriften in ihren Satzungen nicht den Ort als Sitz bestimmen, an dem sie ihre Tätigkeit entfallen, son­ dern einen Ort in einem anderen Bundesstaat, in dem derartige Beschränkungen für den Erwerb der Rechtsfähigkeit nicht bestehen (vgl. auch Jsay, Staatsangehörigkeit der juristischen Personen 209ff.). Diese Entscheidung dürste zu weit gehen. In Erl. 1 zu § 23 ist dargelegt, daß der BundeSrat mit Wirkung für das Reichsgebiet auch solchen Vereinen die Rechtsfähigkeit verleihen kann, die ihren Sitz in einem ausländischen Staat haben. Ebenso häUe vor dem Inkrafttreten des BGB. eine einem bestimmten Bundesstaate angehörige Religionsgesellschaft in einem anderen Bundes­ staate mit Wirkung für sein Gebiet Rechtsfähigkeit erlangen können. Es ist nun nicht anzu­ nehmen, daß durch das EG. den im Art. 84 vorbehaltenen Landesgesetzen eine stärkere Wirkung beigelegt ist, als sie vordem halten, vielmehr sind auf diesem Gebiete die bisherigen inlernational­ privatrechtlichen Grundsätze maßgebend geblieben. Daher können Vereine der bezeichneten Art in dem angegebenen Falle durch die Eintragung in das Vereinsregister ihres in der Satzung bestimmten Sitzes die Rechtsfähigkeit erlangen, aber nur mit Wirkung für den betreffenden Bundes­ staat, in den übrigen Bundesstaaten, insbesondere in dem Staate, dem sie tatsächlich angehören, kommt ihnen Rechtsfähigkeit nicht zu. Über die Zulässigkeit einer Satzungsbestimmung, daß der Sitz des Verein- am Wohnsitz des jeweiligen Vorsitzenden sein soll, vgl. Pit el ZBlFG. 8, 273.

Ein dem mehrfachen Wohnsitz entsprechender mehrfacher Sitz eines Vereins dürste, da eine dem § 7 Abs. 2 entsprechende Vorschrift hier fehlt, unzulässig sein. Dafür spricht, abgesehen von dem Fehlen einer dem § 7 Abs. 2 entsprechenden Vorschrift, die Erwägung, daß die Zu­ lässigkeit eines mehrfachen Sitzes im Hinblick aus die durch den Sitz begründeten staatlichen Zu­ ständigkeiten (§§ 21, 55, 22) zu unlösbaren Konflikten führen würde (Hölder Erl. 1 zu § 24; v. Tuhr I 484 Anm. 28; Kisch JLBl. 18, 219; 21, 198; a. A. Oertmann Erl. 2b, 4 zu § 24; K. v. R G R. Erl. 1 zu § 24; Staudinger Erl. 5 zu § 24; Enneccerus § 101 Anm. 4; RG. in IW. 09, 504 Nr. 33). 2. Unter Verwaltung ist nicht allein die Verwaltung des Vermögens, sondern die Be­ sorgung der Geschäfte der juristischen Person überhaupt zu verstehen. Die Verwaltung wird an dem Orte geführt, auf welchen sich die Hauptzwecke des Vereins beziehen. Bei WohltätigkeitsVereinen z. B. kann das Vermögen des Vereins an einem andern Orte liegen und verwaltet

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I. Abschnitt: Personen.

§ 25. Die Verfassung eines rechtsfähigen Vereins wird, soweit sie nichk auf den nachfolgenden Vorschriften beruht, durch die Vereinssatzung bestimmt. werden, als an welchem die Wohltätigkeit geübt werden soll. Hier wird im Zweifel der letztere Ort als Sitz des Vereins zu betrachten sein (Enneccerus § 101 Anm. 4; a. A. Wiede­ mann 385; Jsay, Staatsangehörigkeit 93ff.). Beschränken sich die Zwecke des Vereins nicht auf einen bestimmten Ort und fehlt es auch an sonstigen Umständen, die einen bestimmten Ort als denjenigen erscheinen lassen, an welchem die Verwaltung geführt wird, so wird der Wohnsitz der­ jenigen Personen zu entscheiden haben, welche den Vorstand des Vereins bilden. In solchem Falle kann mit dem Wechsel des Wohnsitzes jener Personen auch der Sitz des Vereins wechseln.

8 25. E. I 8 43; II 8 24 rev. 8 22; III 8 22.

P. I 3096ff.; «. I 93ff.

P. II 1 S. 504ff.

D. 609.

1. Unter Verfassung ist der Inbegriff der Normen zu verstehen, die sich auf den Zweck des Vereins, auf seinen Namen und Sitz, auf seine Organisation und Betätigung, auf den Erwerb, den Verlust und den Inhalt der Mitgliedschaft, auf die Auflösung des Vereins und das Schicksal seines Vermögens beziehen (im wesentlichen übereinstimmend Biermann I 8 136 I; Dernburg I § 77 I; v. Tuhr I 498; enger fassen den Begriff Oertmann Erl. 1 zu § 25; Staudinger Erl. 1 zu § 25; Enneccerus 8 113; Niedner Erl. 4 zu Art. 82). Für einzelne Zweifels­ fragen ist auf die Erl. zu Art. 82 EG. zu verweisen. Die Notwendigkeit einer Verfassung ergibt sich daraus, daß der Verein ohne eine Organisation außerstande sein würde, von seiner Rechtsfähigkeit Gebrauch zu machen. In den 88 26 ff. werden einerseits die allgemeinen Grundsätze bestimmt, die der Verfassung jedes Vereins zugrunde liegen müssen, andererseits solche Vor­ schriften gegeben, die nur zur Anwendung kommen, wenn in dem Statut oder, wie das BGB. verdeutscht, in der Satzung des Vereins nicht ein anderes bestimmt ist. Satzung ist der Inbegriff aller derjenigen Normen über die Verfassung, die auf dem Willen der Vereinsmitglieder beruhen. Ob sie in die als Satzung oder Statut bezeichnete Urkunde ausgenommen find, ist nicht entscheidend (RG. 73, 193). Auch in betreff der vom Gesetz zwingend aufgestellten Grundsätze werden regelmäßig Ausführungsvorschriften durch die Satzung gegeben werden, so z. B. in betreff des in dem 8 26 ausgestellten Grundsatzes, daß jeder Verein einen Vorstand haben muß. Immer wird auch der Zweck des Vereins durch die Satzung bestimmt werden müssen. Die Satzung bedarf nicht der schriftlichen Form. Nur für eingetragene Vereine soll die Satzung, wie sich aus 8 59 ergibt, schriftlich abgefaßt fein (s. Erl. 3 zu 8 57). Bei Vereinen, die die Rechtsfähigkeit durch Ver­ leihung erlangen wollen, kann die für die Verleihung zuständige Instanz die Einreichung schriftlicher Statuten verlangen, gesetzlich vorgeschrieben ist die Einreichung nicht (mißverständlich K. v. R G R. Erl. 1 zu 8 25). Über andere besondere Erfordernisse bei eingetragenen Vereinen s. 88 57 ff. Wie eine rechtsgültige Satzung entsteht, wird durch das BGB. nicht bestimmt. Der 8 43 des E. I erforderte einen „Gründungsverlrag". Von der zweiten Kommission wurde diese Vor­ schrift gestrichen, jedoch nicht, weil man sie für sachlich unrichtig, sondern lediglich deshalb, weil man den Ausdruck „Satzung" für genügend verständlich und für zwecknräßiger hielt. Für die Entstehung eines rechtsfähigen Vereins ist immer eine Vereinbarung derjenigen erforderlich, welche den Verein bilden wollen, und diese Vereinbarung muß sich auf die Punkte erstrecken, welche für die Verfassung wesentlich sind (s. Erl. 6 zu 8 21). In welcher Art die Verfassung später geändert werden kann, ergibt sich, sofern die vereinbarte Satzung keine Vorschriften darüber enthält, aus dem 8 33.

Die Satzung ist nicht als objektives Recht, sondern als Produkt rechtsgeschäftlichen Willens aufzufaffen (K. v. RGR. Erl. 2 zu 8 25; Staudinger Erl. 6 zu 8 25; Crome 8 18 Anm. 13, 8 51; Endemann 18 8 Anm. 6; Enneccerus 8 40 I 2; Kohler I 8 31 I; Matthiaß 8 5; v. Tuhr I 502ff.; a. A. Windscheid-Kipp I 8 19; Regelsberger I 8 24; v. Gierke I 8 19 III 5; Oertmann Erl. 4 zu 8 25; Biermann I 8 136 Ziff. 4; Hedemann, ArchBürgR. 38, 132). Gegen die hier vertretene Auffassung spricht weder die abstrakte Natur der meisten Satzungsbestimmungen noch der Umstand, daß die Satzung durch qualifizierte Mehrheit geändert werden kann und somit die Minderheit dem Willen der Mehrheit unterworfen ist, falls sie sich nicht zum Austritt aus dem Verein entschließt. Denn die Unterwerfung beruht stets auf dem Willen

K 26. Der Verein muß einen Vorstand haben. mehreren Personen bestehen.

Der Vorstand kann aus

Der Vorstand vertritt den Verein gerichtlich und außergerichtlich; er hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Der Umfang seiner Vertretungsmacht kann durch die Satzung mit Wirkung gegen Dritte beschränkt werden. der Mitglieder, den sie durch den Eintritt in den Verein bekundet haben, und die Unterwerfung unter fremden zukünftigen Willen, insbesondere unter Mehrheitsbeschlüsse ist auch sonst im bürger­ lichen Recht anerkannt (vgl. §§ 315 ff., 709), eine Schranke ergibt sich nur aus § 138. Die Ver­ einbarung der ersten Satzung ist ein Vertrag, die späteren Anderungsbeschlüsse sind Rechtsgeschäfte eigener Art (vgl. Erl. 2 zu § 32). Die Frage nach der Bedeutung der Satzung ist übrigens im wesentlichen theoretischer Natur, praktisch wird sie z. B. hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 139 BGB. auf die Satzung, die von der hier vertretenen Auffassung zu bejahen, nach der gegen­ teiligen zu verneinen ist (vgl. Oertmann Erl. 1 zu § 58). ferner für die Anwendbarkeit des 8 343 BGB. auf Strafbestimmungen in der Satzung, die bei Annahme der rechtsgeschäftlichen Natur der Satzung ebenfalls zu bejahen ist.

2. Der I § 43 erforderte die Feststellung der Verfassung durch den Gründungsvertrag nur insoweit, als diese nicht auf Landes- oder Reichsgesetz beruhe. Die Verweisung aus Reichs­ gesetze ist als selbstverständlich weggelassen, die Verweisung auf Landesgesetze ist gestrichen, weil der Landesgesetzgebung nicht das Recht zustehen soll, Vorschriften über die Verfassung der Vereine zu geben. Nur für diejenigen Vereine, deren Rechtsfähigkeit auf staatlicher Genehmigung beruht, macht der Art. 82 des EG. eine Ausnahme.

8 26. E. I 8 44 Abs. 1, 4; II 8 25 rev. 8 23; III 8 23. P. I 3099ff., 3104ff.; M. I 94ff. P. II 1 S. 506ff., 513; 6 6. 114. D. 609.

Schloßmann, Organ und Stellvertreter, in JheringsJ. 44, 289ff.; Preuß, Stellvertretung oder Organschaft, daselbst 429ff.; Levis in DIZ. 00, 249; Levis in ZBlFG. 4, 608; Roschatt in DIZ. 00, 457; Metzges in ZBlFG. 2, 881; Westmann, Die Rechtsstellung des aus mehreren Personen bestehenden Vorstandes eines rechtsfähigen Vereins in Leonhards Studien 03, Heft 11; Broicher, Die Rechtsstellung des mehrgliedrigen Vereinsvorstandes, im ArchBürgR. 24, 191; Hafner, Der Begriff des Vereinsvorstandes, im Recht 09, 320. 1. Über die Notwendigkeit eines Vorstandes, der den Verein zu vertreten berechtigt ist, s. Vorbem. 1 zum zweiten Titel.

2. Die Vorschrift deS Abs. 1 hat nicht die Bedeutung, daß in jedem Augenblick ein Vor­ stand vorhanden sein muß; notwendig ist nur, daß verfassungsmäßig die Möglichkeit gegeben ist, einen Vorstand zu bestellen. Enthält die Satzung des Vereins keine Vorschrift über die Be­ stellung des Vorstandes, so entscheidet der § 27. Die Ansicht von Hölder Erl. 3 zu § 26, daß in solchem Falle die sämtlichen Mitglieder des Vereins als Kollegium den Vorstand bilden, dürfte sich insbesondere mit Rücksicht auf die §§ 27, 29 nicht rechtfertigen lassen. Zulässig ist aber nach § 40, daß durch die Satzung bestimmt wird, daß die Mitgliederversammlung den Vor­ stand bilde. Ausgeschlossen ist auch nicht, daß durch Beschluß der Mitgliederversammlung sämt­ liche Mitglieder des Vereins zum Vorstände bestellt werden. In solchem Falle finden die Vor­ schriften des § 28 Abs. 1 Anwendung. So lange der Verein einen Vorstand nicht hat, können Rechtsgeschäfte weder von ihm noch ihm gegenüber vorgenommen werden. Für dringende Fälle gewährt der § 29 eine Aushilfe. Das zeitweilige Fehlen eines Vorstandes ist für die Existenz eines Vereins ohne Bedeutung. 3. Rechtliche Stellung des Vorstandes. Es ist die Stellung nach innen und nach außen zu unterscheiden. Nach innen hat der Vorstand vor allem das Recht und die Pflicht der laufenden Ge­ schäftsführung (vgl. darüber Erl. 6 zu 8 27), daneben wird ihm in der Regel die Berufung und Leitung der Mitgliederversammlung zustehen. Über die Stellung des Vorstandes im Besitzrecht s. Erl. zu 8 854. Die Stellung nach außen regelt 8 26 Abs. 2. Durch die Vorschrift, daß der Vorstand den Verein gerichtlich und außergerichtlich vertrete und die Stellung eines gesetzlichen Vertreters deVereins habe, soll über die rechtliche Konstruktion der Stellung des Vorstandes keine erschöpfende

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I. Abschnitt: Personen.

Bestimmung getroffen werden. Die fragliche Vorschrift entscheidet nur positiv, daß der Vorstand den Verein vertrete, nicht aber negativ, daß ihm eine weitere Funktion nicht zukomme. Aus § 31 ergibt sick vielmehr, daß das Tun oder das Unterlassen des Vorstandes in viel weiterem Umfange wie bei einem gesetzlichen Vertreter als Tun oder Unterlassen des Vereins selbst be­ handelt wird. Regelmäßig wird dies dadurch auszudrücken versucht, daß man den Vorstand als Organ des Vereins bezeichnet (vgl. Oertmann Erl. 5a zu § 26 und die dort angeführte Literatur; dazu Westmann 4ff.; Wiedemann 556ff.). Hier ist nur von der Vertretungsmacht des Vorstandes im rechtsgeschäftlichen Verkehr zu handeln. Diese ist regelmäßig unbeschränkt. Er kann jede Rechtshandlung, insbesondere jedes Rechtsgeschäft namens des Vereins vornehmen, und jede ihm gegenüber von einem Dritten vor­ genommene Rechtshandlung gilt als dem Vereine gegenüber vorgenommen. Durch die Vorschrift, daß der Vorstand die rechtliche Stellung eines gesetzlichen Vertreters hat (s. Vorbm. 1 zu diesem Titel) wird ausgedrückt, daß alle Vorschriften, welche die rechtliche Stellung eines gesetzlichen Vertreters betreffen, mögen sie in dem BGB. oder in anderen Gesetzen stehen, insbesondere auch die Vorschriften der ZPO. auf den Vorstand Anwendung finden.

Zweifelhaft ist, ob der § 206 Anwendung findet. Dagegen spricht, daß der § 206 seinem Wortlaute nach nur von dem Falle spricht, daß eine geschäftsunfähige oder in der Geschäfts­ fähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter ist, daß der Verein aber dadurch, daß er zeitweise keinen Vorstand hat, nicht geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt wird. Materiell liegt das Verhältnis aber in betreff der durch § 206 behandelten Frage der Verjährung für den Verein, der keinen Vorstand hat, ebenso wie für eine geschäftsunfähige Person, die keinen gesetzlichen Vertreter hat. Es dürfte sich deshalb rechtfertigen, den § 206 zwar nicht direkt, aber doch entsprechend anzuwenden (a. A. Rehbein I 45; Enneccerus § 102 Anm. 6; Windscheid-Kipp Zus. 1 zu 8 59; v. Tuhr I 460; Wiedemann 560 und die früheren Auflagen).

Da der Vorstand die Stellung eines gesetzlichen Vertreters hat, kommt § 166 Abs. 2 auf die von ihm auf Weisung der Mitgliederversammlung geschloffenen Geschäfte nicht zur Anwendung (Broicher 211 Anm. 50; a. A. Cosack § 298 II 1 b; Westmann 15ff.). Die Gegenansicht würde dahin führen, daß die Kenntnis eines einzigen Mitglieds einem Verein schaden könnte, der vielleicht Tausende von Mitgliedern zählt. 4. Die Bertretungsmacht des Vorstandes kann durch die Satzung beschränkt werden, und zwar nicht nur in der Art, daß er dem Vereine gegenüber verpflichtet ist, sich innerhalb der gesetzten Grenzen zu halten, sondern auch in der Art, daß die Beschränkung gegen Dritte wirksam ist. Aber nur die in der Satzung enthaltene Beschränkung der Bertretungsmacht wirkt gegen Dritte, ein bloßer Beschluß der Mitgliederversammlung hat nur die Bedeutung einer lediglich sür das Jnnenverhältnis wirksamen Instruktion. Die Beschränkung kann sowohl darin bestehen, daß der Vorstand gewisse Rechtsgeschäfte überhaupt nicht vornehmen kann, als auch darin, daß er dazu nur unter bestimmten Voraussetzungen, z. B. unter Zustimmung der Mitgliederversammlung, berechtigt ist. Auf die Kenntnis des Dritten von dem Bestehen der Beschränkung kommt es nicht an. Eine unter Überschreitung der gesetzten Grenzen von dem Vorstande vorgenommene Handlung gilt nicht als rechtsgeschästliche Handlung des Vereins, mag der Dritte, demgegenüber sie vor­ genommen ist, die Beschränkung gekannt haben oder nicht. Für eingetragene Vereine enthalten die §§ 68, 70 besondere Vorschriften zum Schutze Dritter, die die Beschränkung der Vertretungs­ macht nicht gekamtt haben. Bei nicht eingetragenen Vereinen bestehen solche Schutzvorschriften nicht (a. A. Kohler I § 136 II 3, der § 171 BGB. entsprechend anwenden will; Biermann I § 137 Ziff. 5; Matthiaß § 29 II A 3, die aus §§ 70, 68 ein argumentum a potiori Herleiten). Die Anwendbarkeit des § 171 scheitert daran, daß der Vorstand die Stellung eines gesetzlichen Vertreters hat, aber auch aus §§ 70, 68 läßt sich für die nicht eingetragenen Vereine nichts entnehmen. Die Vorschrift, daß der Dritte die eingetragene Beschränkung der Vertretungs­ macht nicht gegen sich gellen zu lassen braucht, wenn er sie nicht kennt und seine Unkenntnis nicht auf Fahrlässigkeit beruht, soll eine Überspannung der Wirksamkeit der Eintragung verhüten.

Das Gesetzbuch kann nicht verlangen, daß der Dritte unmittelbar vor dem Abschluß des Rechts­ geschäfts das Bereinsregister einsieht und kann deshalb die Eintragung nicht schlechthin für maßgebend erklären (s. Erl. 1 zu § 68). Die fragliche Vorschrift steht also im engsten Zusammen­ hänge mit dem Erfordernis der Eintragung und ist deshalb auf nicht eingetragene Vereine unanwendbar. Vgl. auch Erl. 8 zu 8 27.

Über die Frage, ob der Vorstand auch in betreff der Entgegennahme von Erklärungen Dritter beschränkt werden kann s. Erl. 4, 5 zu § 28. Unzulässig ist eine Änderung der ZPO.

88 171, 184. Nimmt der Vorstand ein Rechtsgeschäft für den Verein vor, zu dessen Vornahme er nach der Satzung nicht berechtigt ist, so finden die Vorschriften Anwendung, die nach den §§ 177—180 für den Fall gelten, daß jemand ohne Vertretungsmacht ein Rechtsgeschäft für einen anderen vorgenommen hat. Daneben kann der Verein gemäß § 31 auf das negative Verlragsinteresse in Anspruch genommen werden, wenn der Vorstand dadurch, daß er das Geschäft unter Über­

schreitung seiner Vertretungsmacht schloß, eine unerlaubte Handlung gegen den Dritten begangen hat (Holder Erl. 4 6 zu § 26; v. Tuhr I 528 Anm. 40; a. A. Oertmann Erl. 4e zu § 26; Kisch in GrünhutsZ. 29, 322). Aus § 278 läßt sich eine Haftung des Vereins nicht herleiten (a. A. Westmann 26 für den Fall, daß bereits ein Vertragsverhältnis bestand).

Eine Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstandes kann sich möglicherweise aus dem Zwecke des Vereins ergeben; doch dürfte es bedenklich und praktisch undurchführbar sein, mit Oertmann Erl. 4a zu § 26; Rehbein I 45; K. v. RG R. Erl. 3 zu 8 26; Staudinger Erl. 7 zu tz 26'; v. Tuhr I 527; Wiedemann 561 generell die Vertretungsmacht des Vorstandes auf solche Geschäfte zu beschränken, die objektiv nach ihrer allgemeinen Eigenart in den Rahmen des Bereinszwecks fallen (wie hier Co sack 8 298 II 1).

5. Bestritten ist, wie das Verhältnis beurteilt werden muß, wenn die Satzung neben dem Vorstand einzelne Personen zur Vertretung des Vereins ermächtigt (vgl. Oertmann Erl. 3o zu 8 26; K. v. RGR. Erl. 3 zu 8 26; Staudinger Erl. 11 zu 8 26; Dernburg I 8 77 Anm. 4; Enneccerus 8 102 Anm. 7; v. Tuhr I 528ff.; Wiedemann 366ff.; Levis in DIZ. 00, 249; Roschatt in DIZ. 00, 547; Metzges in ZBlFG. 2, 881 ff.; Levis daselbst 4, 608; Broicher ArchBürgR. 24, 216, 227ff.; Hafner im Recht 09, 320; s. auch OLG. 10, 406; 12, 4; 13, 308; KG. im Recht 12 Nr. 2626). Folgende Fälle sind zu unterscheiden: Für gewisse Geschäfte wird ein besonderer Vertreter neben dem Vorstande durch die Satzung bestellt. Dieser Fall wird im 8 30 besonders erwähnt und geregelt (s. Erl. zu 8 30). Unter dem Ausdrucke „Vorstand" wird in den Satzungen der Vereine bisweilen etwas anderes verstanden, als der § 26 darunter versteht. Dieser sog. Vorstand, der häufig aus einer großen Zahl von Mitgliedern besteht, hat nicht die eigentliche Geschäftsführung; diese ist vielmehr einem einzelnen, „dem Direktor", oder einer kleineren Zahl von Mitgliedern „dem geschäfts­ führenden Vorstand", übertragen. In solchem Falle ist der Direktor oder der geschäftsführende Vorstand der Vorstand im Sinne des 8 26, während der sog. Vorstand den Charakter eines Aufsichtsrats hat. Durch die dem letzteren kraft der Satzung zupehenden Befugnisse kann die Vertretungsmacht des wirklichen Vorstandes beschränkt sein; er hat selbst aber nicht die rechtliche Stellung des Vorstandes (so auch RIA. 11, 265).

Besonders zweifelhaft ist der Fall, daß nach der Satzung die Vertretung des Vereins nach außen dem Vorsitzenden des Vorstandes, sei es allein oder zusammen mit einem Mitgliede des Vorstandes zustehen soll. Die Unzulässigkeit einer solchen Bestimmung dürfte sich nicht daraus ableiten lassen, daß die Vertretung des Vereins nach außen nach 8 26 eben dem Vorstande zu­ steht. Denn durch eine Bestimmung der fraglichen Art wird die Vertretungsmacht des Vorstandes nicht ausgeschlossen; es wird dadurch nur bestimmt, daß die Vertretung nach außen auch durch den Vorsitzenden in Verbindung mit einem anderen Vorstandsmitglied erfolgen könne. Unzweifelhaft dürfte es zulässig sein, daß der Vorstand die gedachten Personen zu der Vertretung ermächtigen könnte (KG. 32 A 187) und es ist nicht abzusehen, weshalb eine solche Ermächtigung nicht auch durch die Satzung sollte erfolgen können. Wie die vom Vorstand bevollmächtigten Personen den Verein und nicht den Vorstand vertreten (BayObLG. 8, 42; KG. 32 A 187), so vertreten auch die durch die Satzung ermächtigten Vorstandsmitglieder den Verein und nicht den Vorstand (a. A. Staudinger Erl. lld zu 8 26). Die rechtliche Stellung des Vorstandes wird im übrigen dadurch nicht verändert; er behält die Geschäftsführung für den Verein und ist diesem dafür verantwortlich; er kann auch selbst den Äerein nach außen vertreten und muß nur die von dem Vorsitzenden in der durch die Satzung vorgeschriebenen Art vorgenommenen VertretungsHandlungen als gültig anerkennen (RGSt. 42, 216; RIA. 2, 183; KG. 21 A 271; 31 A 220 --- RIA. 6, 205; BayObLG. 7, 612 --- OLG. 15, 306; OLG. 13, 308; 15, 303; vgl. auch BayObLG. 7, 99; 10, 81; OLG. 8, 14; 10, 406; a. A. die früheren Auflagen).

74

I. Abschnitt: Personen.

§ 27. Die Bestellung des Vorstandes erfolgt durch Beschluß der Mitglieder­ versammlung.

Die Bestellung ist jederzeit widerruflich, unbeschadet des Anspruchs auf die vertragsmäßige Vergütung. Die Widerruflichkeit kann durch die Satzung auf den Fall beschränkt werden, daß ein wichtiger Grund für den Widerruf vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungs­ mäßigen Geschäftsführung. Auf die Geschäftsführung des Vorstandes flnden die für den Auftrag geltenden Vorschriften der §§ 664 bis 670 entsprechende Anwendung. 8 27. E. I 8 44 Abs. 2, 3; II § 26 rev. g 24; III § 24. P. I 3113ff., 3129, 3169ff.; M. I 95ff. P. II 1 @. 509ff., 552ff.; 2 S. 377ff.

1. Die Wahl des Vorstandes erfolgt durch Beschluß der Mitgliederversammlung. Die Vorschriften des § 32 finden darauf Anwendung. Es ist also Mehrheit der erschienenen Mit­ glieder erforderlich. Hierunter wird die absolute Mehrheit zu verstehen sein. Bei nur relativer Mehrheit oder Stimmengleichheit ist ein Beschluß, also eine Wahl, nicht zustande gekommen (a. A. H ölder Erl. 2 zu § 27; Oertmann Erl. la zu H 27, welche relative Mehrheit für genügend halten). 2. Die in dem Abs. 1 ausgesprochene Regel kann nach g 40 durch die Satzung geändert werden, insbesondere kann bestimmt werden, daß ein besonderes Organ des Vereins, z. B. der Aufsichtsrat, den Vorstand zu bestellen hat. Durch die Satzung kann auch eine bestimmte Person zum Vorstande bestellt oder die Bestellung des Vorstandes einem Dritten, z. B. einer öffentlichen Behörde, übertragen werden. Nicht minder kann dem Vorstande das Kooptationsrecht eingeräumt werden. Nur durch die Satzung aber können derartige Bestimmungen getroffen werden, nicht durch einfachen Beschluß der Mitgliederversammlung. (Oertmann Erl. la zu § 27). Unter dem Ausdrucke „Bestellung" ist nur die Bestimmung der Personen des Vorstandes zu verstehen, nicht die Art, in welcher der Vorstand zu bestellen ist (a. A. Hölder Erl. 1 zu § 27). 3. Über die Wählbarkeit zum Vorstand enthält das BGB. keine Vorschriften. In Er­

mangelung besonderer Vorschriften der Satzung ist die Wählbarkeit daher unbeschränkt. Eine Beschränkung auf Mitglieder des Vereins, die Hölder Erl. 1 zu § 27 annimmt, ist daher nicht begründet; so auch die herrschende Meinung vgl. Oertmann Erl. 2 a zu § 27; K. v. RG R. Erl. 1 zu § 27; Staudinger Erl. 4ä zu § 27; Biermann I §137; Cosack § 297; Dernburg I § 77 III; Enneccerus § 102 Anm. 2; Goldmann-Lilienthal I 74; Kohler I § 161 III; v. Tuhr I 520; BayObLG. 7, 612 ----- OLG. 15, 307. Die Beschränkung kann aber möglicherweise auch ohne ausdrückliche Bestimmung der Satzung aus dem Zusammenhang ihrer Vorschriften zu entnehmen sein. Daß ein Geschäftsunfähiger nicht Vorstand sein kann, ergibt sich, da dieser Willensorgan des Vereins sein soll, aus § 105. Eine in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ist nicht unfähig, wie sich aus der entsprechenden Anwendung des § 165 ergibt; sie bedarf aber zur Übernahme der durch die Stellung als Vorstand begründeten Verpflichtung der Genehmigung ihres gesetzlichen Vertreters (§§ 107, 114; s. Erl. 5). 4. Die Vorschrift des Abs. 2, nach welcher die Bestellung des Vorstandes jederzeit wider« ruflich ist, bezieht sich wenigstens zunächst nur auf die nach Abs. 1 durch Beschluß der Mit­ gliederversammlung erfolgte Bestellung. Der Widerruf erfolgt, ebenso wie die Bestellung durch Beschluß der Mitgliederversammlung. Keine ausdrückliche Bestimmung enthält das BGB. für den Fall, daß die Bestellung des Vorstandes in anderer Art als durch Beschluß der Mitglieder­ versammlung erfolgt ist. Dies ist möglich entweder auf Grund einer Bestimmung der Satzung (§ 40) oder aus Grund des § 29. Die im Abs. 2 bestimmte Widerruflichkeit dürfte auch für diese Fälle anzunehmen sein; sie entspricht dem im § 168 für die Vollmacht aufgestellten Prinzipe. Zweifelhaft aber ist, von wem in Fällen dieser Art der Widerruf erfolgen muß. Als Regel wird anzunehmen sein, daß derjenige, durch welchen die Bestellung erfolgt, auch zum Widerrufe zuständig ist. Erfolgt die Bestellung also durch ein Organ des Vereins, z. B. durch einen Aufsichtsrat, so ist dieser auch für den Widerruf zuständig (a. A. Rehbein I 47, nach dem die Absetzung des Vorstandes der Mitgliederversammlung nicht entzogen werden kann). Die

Mitgliederversammlung ist auch nicht neben dem durch die Satzung bestimmten Organ zum Widerruf berechtigt, sie kann nur das Organ zum Widerruf anweisen (Oertmann Erl. 3k zu § 27; K. v. RGR. Erl. 2 zuZ 27; vgl. OLG. 2,462; a. A. Staudinger Erl. 9 zu 8 27; Broicher ArchBürgR. 24, 203). Ebensowenig ist die Mitgliederversammlung befugt, den von dem zu­ ständigen Organ ausgesprochenen Widerruf aufzuheben (a. A. Staudinger, Broicher a. a. O.). Findet Kooptation durch den Borstand statt, so dürfte diesem auch das Widerrussrecht zustehen (a. A. Staudinger Erl. I 3 zu 8 27; wie hier Oertmann Erl- 3k zu 8 27; v. Tuhr I 533). Auch wenn ein Dritter, z. B. eine Behörde, den Vorstand zu bestellen hat, ist die Mitglieder­ versammlung nicht zum Widerruf berechtigt, v. Tuhr I 534 nimmt ein solches Widerrussrecht wenigstens dann an, wenn ein wichtiger Grund für den Widerruf vorliegt, da der Verein sich für diesen Fall des Widerrufsrechts nicht begeben könne. Indes sind die Interessen des Vereins dadurch genügend gewahrt, daß dem Dritten das Recht zur Bestellung des Vorstandes und damit das Widerrussrecht jederzeit durch Änderung der Satzung entzogen werden kann. Ist eine bestimmte Person unmittelbar durch die Satzung zum Vorstände bestimmt, so wird ein Widerruf nur durch Änderung der Satzung erfolgen können. Auch hier will v. Tuhr a. a. O. der Mit­

gliederversammlung das Recht zum Widerruf ohne Satzungsänderung geben, wenn ein wichtiger Grund für den Widerruf vorliegt, vorausgesetzt, daß die betteffende Person generell bestimmt ist. Die nach 8 29 erfolgte Bestellung des Vorstandes durch das Gericht kann nur durch dieses selbst, nicht durch die Mitgliederversammlung widerrufen werden (a. A. Goldmann-Lilienthal I 75 Anm. 19). Bei einem mehrgliederigen Vorstande kann sich der Widerruf entweder auf alle Mitglieder oder nur auf einzelne beziehen (Oertmann Erl. 3c zu 8 27; Staudinger Erl. 8 zu 8 27; Dernburg I 8 77 Anm. 6; v. Tuhr I 532 Anm. 55; a. A. Broicher a. a. O. 203). Im letzteren Falle berührt der Widerruf die rechtliche Stellung der übrigen Vorstandsmitglieder nicht. Die Widerruflichkeit kann durch die Satzung ausgeschlossen werden. Der Ausschluß des Widerrufs ist jedoch nur mit der Beschränkung zulässig, daß der Widerruf zulässig bleibt, wenn wichtige Gründe dafür vorliegen. Welche Gründe als wichtig anzusehen sind, ist hier, wie in anderen Fällen, in denen das BGB. auf wichtige Gründe verweist (s. z. B. 88 626, 723), nach der Natur des zugrunde liegenden Verhältnisses und den Umständen des einzelnen Falles zu entscheiden. Unfähigkeit und grobe Pflichtverletzung sind die praktisch wichtigsten, aber nicht die einzigen Fälle. So kann Uneinigkeit der Vorstandsmitglieder ein wichtiger Grund sein. Ebenso kann der Widerruf notwendig werden, wenn die Zahl der Vorstandsmitglieder durch. Änderung der Satzung herabgesetzt wird (RG. in SeuffA. 64, 318). Eine Bestimmung der Satzung, durch welche die Widermflichkeit in derartigen wichtigen Fällen ausgeschlossen wird, ist nichtig. Ist dem Vorstande durch die Satzung oder durch besonderen Vertrag eine Vergütung zugesichert, so hängt es von dem Inhalte dieser Zusicherung ab, ob die Vergütung mit dem Widerrufe der Bestellung fortfällt oder nicht. Zulässig ist die Vereinbarung, daß die Vergütung auch nach dem Widerrufe ganz oder teilweise weiter zu entrichten ist. Doch würde eine Verein­ barung des Inhalts, daß die Vergütung auch dann fortzugewähren ist, wenn die Bestellung wegen vorsätzlicher Pflichtverletzung widerrufen wird, nach 8 138 nichtig sein (Kohler I 8 162II). 5. Wesen der Bestellung (Oertmann Erl. 2b, 5b zu 8 26; K. v. RG R. Erl. 1 zu 8 27; Staudinger Erl. 5 zu8 27; Biermann I 8137 Ziff. 2; Dernburg I 8 77 III; Enneceerus I 8 102 Ziff. 5; v. Tuhr I 521; Broicher ArchBürgR. 24, 194ff.). Das Rechtsverhältnis zwischen dem Vorstand und dem Verein ist weder ein Auftrag noch ein Dienstverhältnis noch ein Gesellschaftsverhältnis; es ist vielmehr ein Rechtsverhältnis eigentümlicher Art, das aus seiner eigenen Natur heraus beurteilt werden muß (a. A. K. v. R G R. Erl. 3 zu 8 27 vgl. KG. 29 A 98). Die Vorschriften über den Auftrag können schon deshalb nicht allgemein darauf angewendet werden, weil nicht ausgeschlossen ist, daß der Vorstand ein Entgelt für seine Geschäftsbesorgung erhält, was mit dem Wesen des Auftrags nicht vereinbar ist (8 662). Die Bestellung des Vor­ standes ist ein einseitiger Akt der Mitgliederversammlung oder des sonst zuständigen Organs (a. A. Dernburg a. a. O.). Sie ist noch nicht mit dem bloß internen Beschluß der Mitglieder­ versammlung gegeben (so v. Tuhr I 521), denn sie betrifft nicht nur den Verein, sondern auch den Vorstand und ist deshalb empfangsbedürfttg (K. v. RGR. Erl. 1 zu 8 27; Staudinger Erl. 5 zu 8 27). Mit dem Zugehen der Erklärung ist die Vertretungsmacht begründet (wichttg z. B. für 8 28 Abs. 2). Die Stellung des Vorstandes erschöpft sich aber nicht in der Ver­ tretungsmacht; sie umfaßt das Recht und die Pflicht gegenüber dem Verein zur Besorgung aller zur Zuständigkeit des Vorstandes gehörenden Angelegenheiten des Vereins. Auch dieses Recht

76

I. Abschnitt: Personen.

und diese Pflicht werden durch die Bestellung übertragen. Aber die Bestellung ist für sich allein zu ihrer Begründung nicht ausreichend, sondern nur in Verbindung mit anderen Momenten, die nach dem der Bestellung zugrunde liegenden Verhältnis verschieden sind. Einem Nichtmitgliede kann das Recht und die Pflicht zur Besorgung der Vereinsangelegenheiten durch den einseitigen Bestellungsakt nur dann übertragen werden, wenn der Betreffende sich vorher durch Vertrag (Auftrag oder Dienstvertrag) zur Übernahme verpflichtet hat, oder wenn er sich nach­

träglich dazu verpflichtet. Dasselbe gilt, wenn ein Mitglied unabhängig von seiner Mitgliedschaft zum Vorstande bestellt werden soll. Wird ein Mitglied als solches zum Vorstand bestellt, so ist zu unterscheiden. Schreibt die Satzung vor, daß die Mitglieder zur Übernahme der Vorstandschaft

verpflichtet sind, so liegt darin bereits eine genügende Bindung, und das Recht und die Pflicht zur Führung der Vereinsangelegenheiten entstehen mit der Bestellung. Wo aber eine solche Satzungsbestimmung fehlt, bedarf es der Annahme, die ausdrücklich oder stillschweigend durch Ausübung der Rechte des Vorstandes erklärt werden kann. Die Annahme ist nicht als Annahme eines Vertragsangebotes aufzufassen, der Verein will ja mit seinem Mitglied keinen Vertrag schließen, die gegenteilige Ansicht würde auch dazu nötigen, den einheitlichen Akt der Bestellung in zwei Akte zu zerlegen, da die Vertretungsmacht jedenfalls von der Annahme unabhängig ist, vielmehr ist die Annahme eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, von der ein Teil der Wirkung des einseitigen Bestellungsaktes abhängt. 6. Obligatorisches Verhältnis zwischen dem Vorstand und dem Verein. Da es sich bei dem Vorstand eines Vereins um die Besorgung von Geschäften handelt, die nicht die eigenen Geschäfte der den Vorstand bildenden Personen sind, so eignen sich die für die Besorgung von Geschäften durch einen Beauftragten in den §§ 664—670 gegebenen Vorschriften zur entsprechenden Anwendung aus die Besorgung der Geschäfte des Vereins durch den Vorstand. Diese im § 27 Abs. 3 vorgeschriebene entsprechende Anwendung führt zu folgenden Ergebnissen:

a) Der Vorstand hat die ihm obliegenden Geschäfte selbst zu besorgen. Er hat dabei nach allgemeinen Grundsätzen Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten (§ 276). Doch kann er sich darallf berufen, daß er die Geschäfte nach dem Willen der ihm vorgesetzten Vereinsorgane geführt habe (vgl. OLG. 6, 190; 9, 266); ein satzungswidriges Verfahren wird durch das Einverständnis der übrigen Vereinsorgane nicht entschuldigt (vgl. RG. in SeuffA. 61,160). Nicht ausgeschlossen ist, daß der Vorstand sich bei der Geschäftsbesorgung eines Gehilfen bedient; für diesen haftet er aber nach § 278. Ist ihm gestattet, die Geschäftsbesorgung einem anderen zu übertragen, so hat er nur ein ihm bei der Übertragung zur Last fallendes Verschulden zu vertreten (§ 664 Abs. 1). § 664 ist auch anzuwenden, wenn ein mehrgliedriger Vorstand die Geschäfte unter sich erlaubtermaßen verteilt (a. A. Broicher, ArchBürgR. 24, 200 f., der jede Haftung der übrigen Vorstandsmitglieder leugnet, weil alle durch das Vertrauen der Mitgliederversammlung berufen seien. Aber darf der Vorstand eines Konzertvereins dem in Geldgeschäften vielleicht ganz unzuverlässigen Dirigenten die Kassenführung überlassen?).

b) Der Anspruch des Vereins gegen den Vorstand auf Besorgung der Geschäfte ist im Zweifel nicht übertragbar (§ 664 Abs. 2). c) Der Vorstand hat nach Maßgabeder ihm durch die Satzung oderdurch die Beschlüsse der Mitgliederversammlung oder eines anderen zuständigen Vereinsorgans, z. B. des Aufsichts­ rats, gegebenen Anweisung zu verfahren; er ist indessen davon abzuweichen berechtigt, wenn er den Umständen nach annehmen darf, daß die Mitgliederversammlung oder das Organ, welches die Anweisung erteilt hat, bei Kenntnis der Sachlage mit der Abweichung einverstanden sein würde. Der Vorstand hat der Mitgliederversammlung oder dem zuständigen Organe vor der Abweichung Anzeige zu machen und deren Entschließung abzuwarten; ist jedoch Gefahr mit bem Aufschübe verbunden, so bedarf es der Anzeige nicht (§ 665).

d) Der Vorstand ist verpflichtet, der Mitgliederversammlung oder dem sonst zuständigen Organe die erforderlichen Nachrichten zu geben, aus Verlangen über den Stand der Geschäfte Auskunft zu erteilen und über die Geschäftsbesorgung nach Beendigung seines Amtes oder in dem durch die Satzung sonst bestimmten Zeitpunkte Rechenschaft abzulegen. Bestehen die Geschäfte in einer mit Einnahmen und Ausgaben verbundenen Verwaltung, so finden die Vorschriften des § 259 Anwendung (§ 666).

e) Der Vorstand ist verpflichtet, dem Verein alles, was er behufs der Geschäftsbesorgung erhält und aus derselben erlangt, bei Beendigung seines Amtes oder zu der sonst durch die Satzung bestimmten Zeit herauszugeben (§ 667).

§ 28. Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so erfolgt die Beschluß­ fassung nach den für die Beschlüsse der Mitglieder des Vereins geltenden Vor­ schriften der §§ 32, 34. Ist eine Willenserklärung dem Vereine gegenüber abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Mitgliede des Vorstandes. f) Verwendet der Vorstand Geld für sich, das er dem Vereine herauszugeben oder für diesen zu verwenden hat, so ist er verpflichtet, Zinsen zu 4°/0 von der Zeit der Verwendung an dem Vereine zu bezahlen (§§ 668, 246). g) Für die zu der Geschäftsbesorgung erforderlichen Aufwendungen kann der Vorstand Vorschub von dem Vereine verlangen, soweit nicht die Mittel des Vereins, Über die er zu ver­ fügen berechtigt ist, dazu ausreichen (§ 669). h) Macht der Vorstand zum Zwecke der ihm obliegenden Geschäftsbesorgung Aufwendungen, die er nach den Umständen für erforderlich halten darf, so kann er von dem Verein Ersatz ver­ langen (§ 670). Geht er zu solchem Zwecke eine Verbindlichkeit ein, so kann er Befreiung davon nach § 257 fordern. i)

Durch die Satzung können die unter a—h aufgeführten Grundsätze geändert werden (§ 40).

7. Der Vorstand steht nur zu dem Verein in einem Rechtsverhältnis, nicht zu den einzelnen Mtgliedern. Daher wird er bei Verletzung seiner Pflichten den einzelnen Mitgliedern nicht schadensersatzpflichtig (v. Tuhr I 524; RG. 59, 50; 63, 203; OLG. 11, 385; 12, 433; vgl. Krückmann § 5 III). Siehe auch Erl. 1 zu 8 36. 8. Über die Beendigung der Borstandschaft enthält das BGB. abgesehen von § 27 Abs. 2 keine Vorschriften. Sie endigt nach allgemeinen Grundsätzen mit Ablauf der Zeit, für welche die Bestellung erfolgt ist, sowie durch zulässigen Widerruf, der wie die Bestellung eine einseitige empfangsbedürftige Erklärung ist (Biermann I § 137 Ziff. 2; RG. 68, 385; a. A. v. Tuhr I 533 Anm. 62). Einseitig kann der Vorstand das Rechtsverhältnis nicht aufheben, sofern ihm dies nicht durch die Satzung ober durch den zwischen ihm und dem Vereine geschlossenen Vertrag gestattet ist. Wenn er indessen keine Vergütung bezieht, so wird man im Zweifel annehmen dürfen, daß ihm nach der Absicht der Satzung die Kündigung gestaltet sein soll, und man wird dann die Vorschrift des § 671 Abs. 2 zur entsprechenden Anwendung zu bringen haben (zum Teil a. A. Dernburg I § 77 III, der die §§ 620ff. zur Anwendung bringen will; Oertmann Erl. 3g zu § 27; Staudinger Erl. 10-12 zu § 27). Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so kann jedes Mitglied für sich nach den vorstehenden Grundsätzen sein Amt nieder­ legen (a. A. Broicher ArchBürgR. 24, 205). Mit der Beendigung der Vorstandschaft erlischt die Vertretungsmacht deS Vorstandes. Bei eingetragenen Vereinen werden gutgläubige Dritte durch die Vorschrift des § 68 geschützt. Bei nicht eingetragenen Vereinen ist ein solcher Schutz nicht gegeben (s. Erl. 4 zu § 26; OLG. 24, 241; a. A. die in Erl. 4 zu 8 26 Genannten, ferner Hölder Erl. zu 8 68; Oert­ mann Erl. 6 zu 8 68).

§28. E. I 8 44 Abs. 5, 6; II 8 27 rev. 8 28; III 8 25. P. I 3115ff.; M. I 99ff. P. II 1 S. 512 ff.; 6 S. 114ff.

Siehe die Literatur vor 8 26. 1. Beschlußfassung eines mehrgliedrigen Vorstandes. Der 8 44 Abs. 5 des E. I forderte, wenn der Vorstand aus mehreren Mitgliedern besteht, zu einer gültigen Willenserklärung desselben die Zustimmung aller Mitglieder. Die von der zweiten Kommission beschlossene Änderung, nach welcher für die Beschlüsse des Vorstandes die für die Beschlüsse der Mitglieder­ versammlung in den 88 32, 34 gegebenen Vorschriften gelten, beruht auf der Erwägung, daß die Statuten der meisten Vereine für die Beschlüsse des Vorstandes nicht Einstimmigkeit fordern und hieraus zu entnehmen ist. daß die Auffassung des Lebens und das praktische Bedürfnis dem Erfordernisse der' Einstimmigkeit widerstrebt. Es wird deshalb, wie bei den Beschlüssen der Mitgliederversammlung, nur Mehrheit der erschienenen Vorstandsmitglieder gefordert. Die An­ wendung des 8 32 auf die Beschlüsse des Vorstandes ergibt weiter, daß die Beschlüsse in einer Versammlung des Vorstandes zu fassen sind und daß der zur Beschlußfassung stehende Gegen­ stand vorher mitgeteilt sein muß. Erforderlich ist auch, daß alle Mitglieder des Vorstandes

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I. Abschnitt: Personen.

ordnungsmäßig geladen find, wenn nicht Zeit und Ort der Vorstandssitzungen ein für allemal festgesetzt sind (vgl. RG. 66, 869 ff.; BayObLG. 7, 99). Ist nur ein Mitglied erschienen, so entscheidet dieses allein. Es ist dann zwar keine Stimmenmehrheit vorhanden, aber die vor­ handene Stimmeneinhelligkeit kann keine geringere Wirkung haben wie die Stimmenmehrheit (Staudinger Erl. 3a zu § 28; Cosack § 297 I 2; v. Tuhr I 530 Anm. 47; KG. 42 A 164 ----- RIA. 11, 277; a. A.: Dernburg I § 77 Anm. 3; Broicher ArchBürgR. 24, 198). Durch die Satzung kann eine bestimmte Zahl für die Beschlußfähigkeit vorgeschrieben werden. Nicht stimmberechtigt ist ein Mitglied unter den in dem § 34 bestimmten Voraussetzungen. Hat ein Mitglied, obwohl diese Voraussetzungen vorliegen, an der Abstimmung teilgenommen, so ist, wenn seine Stimme den Ausschlag gegeben hat, ein Beschluß nicht gefaßt (Oertmann Erl. 1d/S zu § 28; vgl. auch Broicher a. a. O. 199f., der den Beschluß nur unter der doppelten Voraus­ setzung als nicht gefaßt gelten lassen will, daß der Ausgeschlossene den Ausschlag gegeben hat und daß der Beschluß ihm zum Vorteil gereicht). Der § 34 kann durch die Satzung nicht geändert werden (§ 40). Da aber eine Änderung des § 28 Abs. 1 durch die Satzung nach § 40 zulässig

ist, so kann, wenn an dessen Stelle andere Bestimmungen durch die Satzung getroffen werden, mittelbar auch der § 34 seine Anwendbarkeit verlieren (Oertmann Erl. lb/9 zu §28; Stau­ dinger Erl. 2c zu § 28; Endemann I § 44 Anm. 15; Broicher a. a. O. 199; a. A. v. Tuhr I 530 Anm. 48). Die schriftliche Zustimmung aller Vorstandsmitglieder genügt in allen Fällen, auch wenn eine Versammlung der Vorstandsmitglieder überhaupt nicht stattgefunden hatte oder der Gegenstand vorher nicht mitgeteilt war. 2. Streitig ist, wie sich die AktivvertreMng des Vereins beim Abschluß von Rechts­ geschäften zu vollziehen hat, wenn der Vorstand aus mehreren Personen besteht. Die eine Ansicht (Staudinger Erl. 11 zu § 26; Enneccerus § 102 Anm. 7; Broicher a. a. O. 218ff.) verlangt, daß alle Mitglieder des Vorstandes die Erklärung abgeben; nach der zweiten Ansicht (Oertmann Erl. Id/S zu § 28; Crome § 51 Ziff. la; Westmann 33ff.) ist § 28 Abs. 1 auch auf die Vertretung anzuwenden, d. h. diejenigen, die gemäß § 28 Abs. 1 den Willen des Vereins nach innen gebildet haben, können nun auch den so gefaßten Willensentschluß nach außen erklären; eine dritte Ansicht (v. Tuhr I 531) fordert Mitwirkung der Mehrzahl der vor­ handenen Vorstandsmitglieder. Die erste Ansicht ist abzulehnen; der § 28 Abs. 1 spricht all­ gemein von Beschlüssen des Vorstandes, ohne zwischen den Beschlüssen über innere Angelegen­ heiten und dem Handeln nach außen zu unterscheiden. AuS dem P. II1 S. 512 ff. ergibt sich, daß die II. Kommission gerade das in dem E. I angenommene Prinzip der Gesamtvertretung beseitigen wollte. Nach der hier bekämpften Ansicht würde § 28 eine Lücke enthalten, die um so auf­ fallender wäre, als die Pasfivvertretung im Abs. 2 geregelt ist. Vom Standpunkt der Gegenmeinung würde ferner die Vorschrift des § 64 unverständlich sein, daß Satzungsbestimmungen, die die Be­ schlußfassung des Vorstandes abweichend von der Regel des § 28 Abs. 1 regeln, in das Vereins­ register einzutragen sind, da diese Bestimmungen lediglich das innere Vereinsleben regeln und für Dritte ohne Bedeutung sein würden. Die Ansicht, daß alle Vorstandsmitglieder nach außen handelnd austreten müssen, führt auch zu praktischen Unzuträglichkeiten: die in der Vorstands­ sitzung überstimmte Minderheit könnte die Aussühmng des Beschlusses dadurch vereiteln oder mindestens verzögern, daß sie ihre Mitwirkung beim Auftreten nach außen versagte. Wenn die Anhänger der ersten Ansicht aus die Möglichkeit Hinweisen, daß die Mehrheit einem Mitgliede des Vorstände- zur Abgabe der beschlossenen Erklärung Vollmacht erteilen könne, so ist zu ent­ gegnen, daß diese Möglichkeit gar nicht besteht, wenn man jene Ansicht folgerichtig durchführt. Denn auch die Bevollmächtigung ist keine innere Angelegenheit des Vereins, sondern eine nach außen gerichtete rechtsgeschäftliche Erklärung, würde also nach jener Ansicht Mitwirkung aller Vorstandsmitglieder erfordern müssen. Kann danach die Wirksamkeit der von dem Verein ab­ gegebenen Willenserklärungen nicht von der Mitwirkung aller Vorstandsmitglieder abhängig gemacht werden, so überhebt anderseits die Unterzeichnung einer Erklärung durch sie den Dritten nicht jeder weiteren Prüsung, ob ein gülttger Beschluß des Vorstandes vorliegt, da die Satzung die Anwendbarkeit des § 32 Abs. 2 ausschließen kann (Staudinger Erl. 4 zu § 28). Auch die Ansicht v. Tuhrs hat im Gesetz keinen Anhalt. Wie v. Tuhr selbst hervorhebt, hat der Dritte die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 1 zu prüfen. Dem entspricht es, daß er bei seiner Anwendbarkeit weiter zu prüfen hat, ob ihm gemäß verfahren ist. Übrigens gibt auch die Tuhrsche Ansicht die Möglichkeit, die Durchführung eines ordnungsmäßig gefaßten Beschlusses zu vereiteln, wenn die Mehrheit in der entscheidenden Sitzung nicht die Mehrheit der überhaupt vorhandenen Vorstandsmitglieder ist. Nach alledem ist der zweiten Ansicht der Vorzug zu geben.

H 29. Soweit die erforderlichen Mitglieder des Vorstandes fehlen, sind sie in dringenden Fällen für die Zeit bis zur Hebung des Mangels auf Antrag eines Beteiligten von dem Amtsgerichte zu bestellen, in dessen Bezirke der Verein seinen Sitz hat. Über eine Bestimmung der Satzung, nach welcher der Vorsitzende des Vorstandes allein oder zusammen mit einem anderen Mitgliede für den Vorstand zu handeln berechtigt sein soll, s. Erl. 5 zu 8 26. Wird ein Rechtsgeschäft für den Verein von dem Vorstand oder einem Bevollmächtigten desselben vorgenommen, ohne datz ein gültiger Beschluß des Vorstandes vorliegt, so finden die Vorschriften Anwendung, welche für den Fall gellen, daß jemand ohne Vertretungsmacht ein Rechtsgeschäft für einen anderen vorgenommen hat 177—180). Auch für die Vertretung des Vereins im Prozeß gilt § 28 Abs. 1. Zur Leistung des Offenbarungseides für den Verein ist nach Wahl des Gläubiger- jedes Mitglied des Vorstandes verpflichtet, das mit der Verwaltung des Vereinsvermögens betraut ist und deshalb über das Vermögen Auskunft geben kann (SeuffA. 67, 375). 8. Willenserklärung gegenüber dem Vereine. Die Vorschrift des Abs. 2, welche der ZPO. § 171 Abs. 3 entspricht, trägt dem Interesse Rechnung, welches ein Dritter daran haben kann, dem Vereine gegenüber eine Erklärung abzugeben. Die Vorschrift beschränkt sich nicht, wie die 6. I § 44 Abs. 6 Satz 1, auf solche Fälle, in denen der Verein zur Entgegen­ nahme der Willenserklärung verpflichtet ist, sondern gilt für Willenserklärungen aller Art. Sie findet daher z. B. Anwendung sowohl auf eine an den Verein zu richtende Kündigung als auch auf die Annahme eines von dem Vereine dem Dritten gemachten Vertragsantrags und auf einen Vertragsanirag des Dritten an den Verein. Die einem Mitgliede des Vorstandes gegen­ über erfolgte Kündigung hat die Wirkung einer dem Vereine gegenüber erfolgten Kündigung; die Annahme des Vertragsantrags gilt als rechtzeitig erfolgt (§§ 147, 148), wenn sie einem Mitgliede des Vorstandes rechtzeitig zugeht; durch den einem Mitgliede gemachten Vertragsantrag wird der Antragende dem Vereine gegenüber nach Maßgabe der §§ 146 ff. gebunden. Auch die im Falle eines von dem Vorstand ohne gültigen Beschluß oder unter Überschreitung seiner

Vertretungsmacht mit einem Dritten abgeschlossenen Vertrags dem Dritten nach § 177 zustehende Aufforderung zur Erklärung über die Genehmigung des Vertrags kann wirksam an ein einzelnes Mitglied des Vorstandes erfolgen; ebenso der dem Dritten im Falle des § 178 zustehende Widerruf. Die Vorschrift ist auf Mahnungen und Anzeigen entsprechend anzuwenden, desgl. auf die Protest­ erhebung mangels Zahlung (vgl. RG. 53, 227 ff.). Ebenso ist anzunehmen, daß da, wo es aus das Kennen oder Kennenmüffen eines Umstandes aukommt, das Kennen oder Kennenmüffen eines Vorstandsmitglieds genügt (Staudinger Erl. 6 zu 8 28; v. Tuhr I 529; Broicher a. a. O. 236; RG. 59, 408; 78, 347ff.; RG. in IW. 11, 1012). 4. Die Vorschriften des Abs. 1 können nach 8 40 durch die Satzung geändert werden, nicht aber die Vorschrift des Abs. 2. 5. Keine ausdrückliche Vorschrift enthält das BGB. darüber, ob, wenn der Vorstand nur

aus einer Person besteht, dieser durch die Satzung die Fähigkeit entzogen werden kann. Erklärungen von feiten Dritter entgegenzunehmen, sei es überhaupt oder für gewisse Fälle. Aus dem Abs. 2 in Verbindung mit 8 40 dürfte aber das Prinzip zu folgern fein, daß die Satzung keine Bestimmung enthalten darf, welche das Recht Dritter, Erklärungen gegenüber dem Vereine durch Erklärungen gegenüber einem Mitgliede deS Vorstandes abzugeben, beeinträchtigt. In einer Bestimmung der oben gedachten Art liegt aber eine ebenso starke Beeinträchtigung dieses Rechtes wie in einer Bestimmung, welche bei einem mehrgliedrigen Vorstände die Zulässigkeit der Abgabe einer Erklärung gegenüber jedem Mitgliede des Vorstandes ausschließt. Eine Bestimmung der gedachten Art wird daher als unwirksam zu betrachten sein. Der Dritte ist trotz einer solchen berechtigt, die Erklärung gegenüber dem Vorstand abzugeben und braucht nicht den im 8 29 bestimmten Ausweg zu benutzen.

8 29. E. I 8 44 Abs. 6 Satz 2; II 8 28 rev. 8 26; III 8 26. P. I 3103ff., 3115, 3119; M. I 100. P.I1 1 S. 115 ff.

1. Fehlen der erforderlichen Mitglieder des Vorstandes. Eine dem § 29 entsprechende Vorschrift enthielt der 8 50 Abs. 3 des E. I für die im Falle der Auflösung. eines Vereins zu

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I. Abschnitt: Personen.

bestellenden Liquidatoren. Für den Vorstand des Vereins war eine entsprechende Vorschrift in dem § 44 Abs. 6 Satz 2 nur für den Fall gegeben, daß es sich um eine dem Vereine gegen­ über abzugebende Erklärung handelt, zu deren Entgegennahme der Verein verpflichtet ist. Das praktische Bedürfnis hat die zweite Kommission bestimmt, die Bestellung eines fehlenden Vorstandsmitglieds in dringenden Fällen unbeschränkt zuzulassen. Die Bestellung kann also erfolgen, mag es sich um eine dem Vereine gegenüber oder um eine von demselben abzugebende Willenserklärung handeln, und es kommt im elfteren Falle nicht darauf an, ob der Verein zur Entgegennahme der Erklärung verpflichtet ist oder nicht. Die Bestellung kann auch dann er­ folgen, wenn sie zu der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs von feiten des Vereins oder gegenüber demselben oder zu tatsächlichen Handlungen für den Verein erforderlich ist. Der § 57 ZPO. über Bestellung eines Vertreters für eine nicht prozeßfähige Partei findet keine Anwendung, da nach der Auffassung des BGB. ein rechtsfähiger Verein nicht als nichtprozeßfähig zu betrachten ist. 2. Die Voraussetzungen der Zuläsfigkeit der Bestellung durch das Amtsgericht sind folgende: a) Die erforderlichen Mitglieder des Vorstandes müssen fehlen. Wann dies der Fall ist, hängt von den Umständen ab. Handelt es sich um einen von dem Vorstände zu fassenden Be­ schluß, so fehlen die eiforderlichen Mitglieder, wenn die zur Beschlußfähigkeit erforderliche Anzahl nicht vorhanden ist (a. A. Fuchs im Recht 12, 668, nach dem der Vorstand keine Beschlüsse fassen kann, wenn die in der Satzung vorgeschriebene Zahl von Vorstandsmitgliedern zurzeit nicht vorhanden ist). Handelt es sich um eine dem Vereine gegenüber abzugebende Erklärung, so fehlen, da eine solche Erklärung nach § 28 einem einzelnen Mitgliede des Vorstandes gegen­ über abgegeben werden kann, die erforderlichen Mitglieder so lange nicht, als auch nur ein Mitglied vorhanden ist. Handelt es sich um andere Geschäfte als um die Fassung von Beschlüssen oder um die Entgegennahme von Erklärungen, so muß aus den Umständen des Falles ent­ nommen werden, ob die vorhandenen Mitglieder des Vorstandes für diese Geschäfte ausreichen. Ein Mitglied des Vorstandes fehlt sowohl dann, wenn es überhaupt nicht vorhanden, als auch dann, wenn es zu der betreffenden Handlung rechtlich oder tatsächlich unfähig ist, wenn es also z. B. geschäftsunfähig oder nach § 34 rechtlich behindert ist oder wegen Krankheit oder wegen Abwesenheit die betreffende Handlung nicht vornehmen kann (KG. 36 A 44). Auch wegen der Vorschrift des § 181, nach welcher ein Vertreter regelmäßig ein Rechtsgeschäft mit sich selbst nicht vornehmen kann, ist unter Umständen die Voraussetzung des Fehlens gegeben. Nicht richtig dürfte es dagegen sein, mit Oertmann Erl. la zu 8 29 das Fehlen der erforderlichen Zahl der Mitglieder des Vorstandes auch dann anzunehmen, wenn die vorhandenen Mitglieder die Vornahme einer erforderlichen Tätigkeit grundlos verweigern oder mit Staudinger Erl. III 1 zu § 29 wenigstens dann, wenn die Vorstandsmitglieder die Geschäftsführung überhaupt ver­ weigern; Dritte bedürfen hier keines Schutzes, der Verein aber ist durch seine Ersatzansprüche gegen die Vorstandsmitglieder hinlänglich geschützt (wie hier v. Tuhr I 522 Anm. 12). b) Ein Beteiligter muß die Bestellung beantragen. Beteiligt sind zunächst alle Mitglieder des Vereins, sofern es sich um die Vornahme von Rechtshandlungen oder um die Besorgung sonstiger Geschäfte für den Verein handelt. Beteiligt kann auch ein Dritter fein; es ist dies der Fall, wenn der Dritte ein Interesse daran hat, ein Rechtsgeschäft mit dem Vereine vorzunehmen, z. B. eine Zahlung von dem Vereine zu erhalten oder an ihn zu leisten oder eine Erklärung ihm gegenüber abzugeben. c) Es muß ein dringender Fall vorliegen. Ein solcher ist anzunehmen, wenn ohne Schaden für den Beteiligten nicht abgewartet werden kann, daß die fehlenden Mitglieder des Vorstandes auf dem durch die Satzung vorgeschriebeneu Wege bestellt werden. d) Eine Pflicht zur Übernahme des Amtes besteht nicht. Daher ist anzunehmen, daß das

Amtsgericht auch befugt ist, dem zu Bestellenden einen Anspruch auf Vergütung gegen den Verein einzuräumen (K. v. R G R. Erl. 1 zu 8 29; Staudinger Erl. IV 4 zu 8 29). 3. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist das Amtsgericht verpflichtet, die fehlenden Mitglieder bis zur Hebung des Mangels zu bestellen. Durch die Bestellung wird als sestgestellt anzunehmen sein, daß die Voraussetzungen vorliegen. Dies gilt auch von dem Antrag eines Beteiligten (a. A. Hölder Erl. 5 zu 8 29). Die von dem Amtsgericht gemäß 8 29 Bestellten find Mitglieder des Vorstandes. Sie haben daher für die Dauer ihres Amtes die Vertretungs­ macht in demselben Umfang wie die ordentlichen Mitglieder des Vorstandes, insbesondere findet 8 28 Äbs. 2 aus sie Anwendung, auch wenn neben ihnen nicht behinderte gewählte Vorstands­ mitglieder vorhanden sind. Eine Beschränkung der Bestellung auf die Vornahme eines bestimmten

2.

Titel: Juristische Personen.

81

§§ 29, 30.

H 30. Durch die Satzung kann bestimmt werden, daß neben dem Vorstande für gewisse Geschäfte besondere Vertreter zu bestellen sind. Die Bertretungsmacht eines solchen Vertreters erstreckt sich im Zweifel auf alle Rechtsgeschäfte, die der ihm zugewiesene Geschäftskreis gewöhnlich mit sich bringt. einzelnen Aktes schließt nicht aus, daß der Bestellte bis zur Vornahme des Aktes volle Ver­ tretungsmacht hat, da diese nach § 26 Abs. 2 Satz 2 nur durch die Satzung eingeschränkt werden kann; die Beschränkung hat deshalb nur für das Jnnenverhältnis Bedeutung. Die Bestellung hat zu erfolgen für die Zeit bis zur Hebung des Mangels. Mit dem Abläufe dieser Zeit verliert die Bestellung ihre Wirksamkeit. Bei der Bestellung wird jedoch bestimmt werden können, daß sie so lange wirksam bleiben soll, bis die Beseitigung des Mangels von dem Amtsgerichte festgestellt ist. Die Ansicht von Staudinger Erl. IV 2 zu § 29 und v. Tuhr I 522 Anm. 13, daß auch in diesem Falle die Bestellung ipso jure mit Behebung des Mangels endigt, gefährdet die Verkehrssicherheit. Wie hier Oertmann Erl. 4d zu 8 29. Über den Zeitpunkt, mit welchem die Bestellung in Wirksamkeit tritt, über die Befugnis des Gerichts, seine Verfügung zu ändern, über die Rechtsmittel gegen die Verfügung und über die Wirksamkeit der von dem be­ stellten Vorstand oder ihm gegenüber vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Falle der Aufhebung der Bestellung s. die §§ 16, 18,19 ff., 32 des FGG. (vgl. auch KG. 34 A 169 -- RIA. 8, 210). 4. Der § 29 kann durch die Satzung nicht geändert werden (§ 40). 5. Die Vorschrift des g 29 ist subsidiär auf alle juristischen Personen des Handelsrechts anzuwenden, insbesondere auch auf die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (KG. 23 A 105 = RIA. 3, 25; 34 A 53). Sondervorschriften wie § 46 Ziff. 8 GmbHG. gehen dem § 29 vor (KG. 34 A 169 — RIA. 8, 210). Auf nicht rechtsfähige Vereine, auf Gesellschaften des bürger­ lichen Rechts und auf offene Handelsgesellschaften ist § 29 nicht anwendbar (OLG. Braunschweig im Recht 04, 103 Nr. 420). §30. E. II 8 29 rev. g 27; III g 27. P. II 1 E. 520 ff.

Der § 30 ist von der zweiten Kommission eingestellt.

1. Zulässigkeit besonderer Vertreter. Unter die Vorschriften des § 30 fallen insbesondere Beamte des Vereins, die für gewisse Geschäftszweige Bertretungsmacht erhalten, z. B. Kassierer. Auch einzelne Mitglieder des Vorstandes können für bestimmte Geschäfte zur Vertretung des Vereins für sich allein ermächtigt werden (OLG. 8, 14). Die Zulässigkeit eines solchen be­ sonderen Vertreters neben dem Vorstände muß durch die Satzung bestimmt sein. Es genügt indessen, wenn die Satzung die Bestellung gestattet (so auch Oertmann Erl. Id zu § 30; Enneccerus § 102 Anm. 5; v. Tuhr I 538; neuerdings auch Staudinger Erl. 3c zu § 30; a. A. Wiedemann 569 Anm. 48). In Ermangelung einer solchen Bestimmung würde die Bestellung eines solchen Vertreters durch die Mitgliederversammlung unwirksam sein. Der nach Maßgabe der Satzung bestellte Vertreter hat nicht die Stellung eines gewöhnlichen Bevollmächtigten, sondern ist innerhalb seines Geschäftskreises ebenso wie der Vorstand ein Organ des Vereins (a. A. Rehbein I 46) und hat als solcher die Stellung eines gesetzlichen Vertreters des Vereins; deshalb finden auf ihn auch die besonderen Vorschriften des § 31 Anwendung. Auch der § 29 dürste für den Fall zur entsprechenden Anwendung kommen, wenn der Vertreter unter Ausschluß des Vorstandes zu dem betreffenden Geschäfte bestellt ist (Hölder Erl. 1 zu § 30; Oertmann Erl. 7 zu 8 30; a. A. K. v. RGR. Erl. 1 zu 8 30, sowie Staudinger Erl. 5 zu g 30, der über­ sieht, daß die Bestellung des Vertreters auf dem verfassungsmäßigen Wege, auf den er verweist, zu spät kommen kann). Nicht ausgeschlossen ist, daß auch ein gewöhnlicher Bevollmächtigter bestellt wird. Die Bestellung eines solchen ist aber nicht Sache der Mitgliederversammlung, sondern des Vorstandes; sie kann erfolgen, ohne daß es deshalb einer Bestimmung der Satzung bedarf. 2. Der Umfang der Bertretungsmacht eines nach Maßgabe des g 30 bestellten besonderen Vertreters muß ebenfalls durch die Satzung bestimmt werden. Der Satz 2 des g 30 gibt eine der Auffassung des Lebens entsprechende Auslegungsregel. Da nach g 26 die Bertretungsmacht des Vorstandes mit Wirkung gegen Dritte beschränkt werden kann, so wird durch die Satzung auch bestimmt werden können, daß ein nach Maßgabe des g 30 bestellter besonderer Vertreter innerhalb seines Geschäftskreises allein und unter Ausschluß des Vorstandes zur Vertretung des Planck, Kom. zum BGB.

Bd. I.

4. Ausl.

(Knoke.)

6

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I. Abschnitt: Personen.

§ 31. Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstandes oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersätze verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt. Vereins berechtigt ist. Es können übrigens auch Vertreter ohne rechtsgeschäftliche Vertretungs­ macht bestellt werden, s. Erl. 2o zu § 31. 3. Die Art, in welcher ein besonderer Vertreter zu bestellen ist, bestimmt sich nach der Satzung. In Ermangelung einer solchen Bestimmung finden die Vorschriften über die Bestellung des Vorstandes entsprechende Anwendung. 4. Hindert der Vorstand die Tätigkeit eines besonderen Organs oder eines seiner Mitglieder, so hat der in der Ausübung seiner Funktionen Behinderte keinen klagbaren Anspruch gegen den Verein. Es ist Sache der Mitgliederversammlung dafür zu sorgen, daß der Vorstand nicht seine Zuständigkeit überschreitet, sondern die Beschlüsse der Mitgliederversammlung beachtet (RG. 79, 409). § 31. E. I 8 46; II g 30 reb. 8 28; III 8 28.

P. I 3108ff., 11714ff.; M. I 102ff. D. 609.

P. II 1 6. 521 ff.; 6 S. 144.

Klingmüller, Haftung für die Veretnsorgane nach § 31 BGB., in Leonhards Studien 00 Heft 3; derselbe in DIZ. 02, 172, 269; Korn, Die DeliktSsähigkeit der juristischen Personen nach dem BGB-, in der Festgabe für Richard Wilke 00, 177ff.; Krüger, Die Haftung der juristischen Personen aus unerlaubten Handlungen nach gem. Rechte und dem BGB. 01; Lenel, Zur Deliktshastung der juristischen Personen, in DIZ. 02, 9; Kiskalt in DIZ. 02, 552; Bill­ mann, Haftung der juristischen Personen für die zum Schadensersatz verpflichtenden Handlungen ihrer Vertreter 06 (darüber Linckelmann in JLBl. 07, 162); Fuld, Die Haftpflicht der Berufsvereine, im Recht 07, 364ff.; O. v. Gierke, Gutachten in den Verhandlungen des 28. DIT. 1, 102ff.; Wildhagen daselbst 3, 193ff.; Breit, Reformbedürstigkeit des Schadensersatzrechts, in DIZ. 11, 1368 ff. 1. Haftung deS Vereins für seine Organe. In betreff der Haftung des Vereins für seine Vertreter gegenüber Dritten ergibt sich aus allgemeinen Grundsätzen folgendes: a) Durch die von einem Vertreter innerhalb seiner Vertretungsmacht im Namen des Vereins abgegebenen Willenserklärungen wird der Verein nach Maßgabe des § 164 unmittelbar berechtigt und verpflichtet. b) Der Verein hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, nach Maßgabe des § 278 in gleichem Um­ fange zu vertreten wie eigenes Verschulden.

c) Der Verein, welcher einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist nach Maßgabe des § 831 zum Ersätze des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung rinem Dritten widerrechtlich zufügt. Diese Ersatzpflicht tritt aber nach § 831 Satz 2 nicht ein, wenn der Verein bei der Auswahl der bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder Gerät­ schaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde. Die unter a und b angeführten Grundsätze werden durch § 31 nicht berührt. Die unter c bezeichnete Haftung wird aber in betreff des Vorstandes, eines Mitgliedes desselben oder eines anderen verfassungsmäßigen Vertreters erweitert. Der Verein soll für jeden Schaden hasten, den eines jener Organe durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersätze verpflichtende Handlung einem Dritten zugesügt hat, und der Verein kann sich von dieser Haftung nicht durch den unter c bezeichneten Beweis der Anwendung ordnungsmäßiger Sorgfalt befreien. Maßgebend ist für diese Ausdehnung der Haftung der Gedanke, daß die Handlungen eines Organs des Vereins, da dieser nur durch das Organ handeln und in den Geschäftsverkehr eintreten kann, im Interesse Dritter ganz so angesehen werden müssen, als seien es Handlungen des Vereins selbst (s. Erl. 3 zu § 26). Infolgedessen ist z. B. auf Klagen gegen den Fiskus aus §§ 31, 89 der § 70 Abs. 2 u. 3 GBG. nicht anwendbar (RG. in IW. 06, 223 Nr. 6); der Übergang von einer Klage aus §§ 823, 31, 89

zu einer solchen auf Grund des Reichsgesetzes vom 22. Mai 1910 oder der nach Art. 77 EG. vorbehallenen Landesgesetze enthält eine unzulässige Klagänderung (BayObLG. 12, 377 ff.).

2. Die Personen, für deren Handlungen der Verein haftet, sind:

a.)Der Vorstand (§ 26). Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so liegt eine Handlung desselben, für die der Verein verantwortlich ist, nur unter den im § 28 Abs. 1 be­ zeichneten Voraussetzungen, also nur dann vor, wenn die Handlung auf Grund eines nach Maß­ gabe der Satzung gefaßten gültigen Beschlusses erfolgt. Wird durch das Unterlassen einer Hand­ lung eine Verpflichtung zum Schadensersätze begründet, so haftet der Verein auch wegen des Unter­ lassens einer solchen Handlung von selten des Vorstandes (s. Erl. 3). b) Ein Mitglied des Vorstandes. Vorausgesetzt wird, daß dem Mitgliede nach der Satzung für sich allein eine Verrichtung zusteht, bei deren Ausführung die zum Schadensersätze verpflichtende Handlung begangen ist. Nach RG. 57, 93 haftet z. B. der Verein bei einer durch die Satzung angeordneten Kollekiivvertretung durch einen kaufmännischen und einen tech­ nischen Direktor, wenn der eine oder der andere bei der Vorbereitung eines Rechtsgeschäfts sich eines Betrugs schuldig gemacht hat, weil es sich hierbei um eine Verrichtung handelt, die jeder der beiden Vertreter vorzunehmen hat (vgl. auch RG. 68, 278ff.; RG. im Recht 08 Nr. 2529; OLG. 24, 244; Oertmann Erl. 3 d zu Z 31; Staudinger Erl. 6 ä zu 8 31; Enneccerus §103 Stam. 6; v. Tuhr I 539).

c) Ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter. Wer hierunter zu ver­ stehen ist, ergibt sich aus § 30. Durch die Satzung muß bestimmt sein, daß eine andere Person als der Vorstand zur Tätigkeit für den Verein innerhalb eines bestimmten Geschäfts­ kreises zu bestellen ist oder bestellt werden kann, und die Bestellung muß nach Maßgabe der Satzung erfolgt sein (Oertmann Erl. 3 c zu § 31; Cosack § 299 I; Dernburg I § 66 III, IV; Enneccerus § 103 Ziff. 2; Matthiaß § 29 II C 5; v. Tuhr I 538; Lenel a. a. 0.10; RG. 45, 168; 53, 276; 62, 31; 74, 23; RG. in IW. 11, 640; 11, 939; 12, 338; im wesentlichen über­ einstimmend auch Biermannl§ 130 Ziff. 3); dagegen genügt es nicht, daß die Berufung im Rahmen der Berbandsorgamsation erfolgt (so O. v. Gierke, Gutachten 111; ähnlich Endemann I § 44 Anm. 17, 20; Kohler I § 136 III; wohl auch Windscheid-Kipp Zus. 2 zu § 59, ferner OLG. Hamburg in HansGZ. 08 Beibl. 197) oder daß die Bemsung in Bestimmungen der Bereinssatzung ihren Grund hat, auf diese zurückgeführt werden kann (so K. v. R G R. Erl. 1 zu § 30; Staudinger Erl. 3 zu § 31; RG. 70, 119, diese Entscheidung ist ausdrücklich verworfen RG. 74, 23). Wenn jeder im Rahmen der Berbandsorganisation Berufene Vertreter im Sinne des § 31 wäre, würde die juristische Person in ausgedehnterem Umfange haften als die natürliche Person, die ein großes Unternehmen betreibt; aus die Bereinssatzung aber ließe sich schließlich jede Bestellung eines Vertreters zurückführen, so daß die juristische Person im Ergebnis für jedeordnungsmäßig bestellte Person nach § 31 zu haften hätte und § 831 für juristische Personen gar­ nicht mehr in Betracht käme (dafür Klingmüller DIZ. 02, 270). Auch Krückmann § 5 II„ § 6 II dehnt die Haftung zu weit aus, er sieht zwar grundsätzlich nur die in der Satzung Bor-gesehenen als Vertreter im Sinne des § 31 an, läßt aber den Verein auch für die Tätigkeit ein­ facher Vereinsmilglieder und gewöhnlicher Angestellter haften, soweit ihre Tätigkeit notwendig mit der des Vereins identisch ist, soweit sie in Betätigung der Lebensfunktionen des Vereins geschieht; so soll z. B. ein Ruderverein hasten, wenn die Mannschaft eines Ruderbootes ein fremde- Boot anrennt. Der Ausdruck „Vertreter" im § 30 ist nicht in dem Sinne zu nehmen, daß darunter nur die Vertretung bei der Vornahme von Rechtsgeschäften verstanden wird (a. A. RG. 74, 256; Krückmann a. a. O.; wie hier Hölder Erl. 2b zu § 31; Oert­ mann Erl. 3c zu § 31; Staudinger Erl. 6b zu § 31; Biermann I § 130 Ziff. 3; Cosack § 299 I; Dernburg I § 66 IV; Enneccerus § 103 Anm. 2; v. Tuhr I 540; Lenel a. a. O.; v. Gierke a. a. O.; Billmann 18; auch da- RG. selbst E. 53, 279; 57, 38); es wird darunter vielmehr jede zu irgendwelcher Tätigkeit für den Verein berufene Person ver­ standen. Auf die objektive Wichtigkeit der Tätigkeit, aus den Umfang des Wirkungskreises und aus die Selbständigkeit der Stellung kommt es nicht an (a. A. Hölder Erl. 2c zu § 31, Erl. 2 zu § 89; K. v. RG R. Erl. 1 zu § 30, Erl. 2 zu § 89; Staudinger Erl. 3 zu § 31; Bier­ mann § I 130 Ziff. 3; Enneccerus § 103 Anm. 3; Matthiaß § 29 II C 5; WindscheidKipp Zus. 2 zu § 59; Meurer 153; RG. 62, 31 ff.; 70,119; RG. in IW. 11, 85; OLG. 5, 376; 14, 2; wie hier Oertmann Erl. 3c zu § 31; Cosack § 299 I; RG. in IW. 03 Beil. 118 Nr. 261; zweifelnd v. Tuhr I 623; RG. 74, 256). Daraus, daß die Person in der Satzung

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I. Abschnitt: Personen.

bestimmt ist, ergibt sich, daß ihre Funktion dem Vereine so wichtig erscheint, daß sie in betreff der Verrichtungen, zu denen sie bestellt ist, Willensorgan des Vereins sein soll. Möglich ist, daß Verrichtungen derselben Art auch von einem gewöhnlichen durch ein Vereinsorgan bestellten Bevollmächtigten wahrzunehmen sind. Die Bestellung eines dirigierenden Arztes eines Kranken­ hauses z. B. kann durch die Satzung des Vereins, der das Krankenhaus hält, bestimmt sein, möglich ist aber auch, daß er in Ermangelung einer solchen Bestimmung von dem Vorstande des Vereins bestellt wird. Im ersteren Falle ist er Willensorgan und fällt unter § 31, im letzteren Falle fällt er unter § 831 (so auch RG. in IW. 12, 338). Der Verein hat es also in der Hand, den Kreis der Personen, für die er nach § 31 hastet, trotz Gleichheit der Aufgaben weiter oder enger zu begrenzen (a. A. K. v. R G R. Erl. 1 zu § 30). Dabei darf man aber nicht übersehen, daß die Bestellung besonderer Vertreter im Sinne des § 30 dem Vereine Vorteile bieten kann, hinter denen der Nachteil der gesteigerten Haftung zurücktritt, z. B. die Möglichkeit, die Vertretungsmacht des Vorstandes auf dem betreffenden Gebiete ganz auszuschließen oder dem be­ sonderen Vertreter im Bereiche seines Geschäftskreises die Vertretungsmacht des gesetzlichen Ver­ treters im Prozeß zu gewähren. Das sich aus der Bestimmung durch die Satzung ergebende Merkmal versagt regelmäßig bei den Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechtes, auf die nach § 89 der § 31 ebenfalls Anwendung findet. Beim Staat ist der Begriff der verfassungsmäßig be­ rufenen Vertreter gewiß nicht auf die in dem Staatsgrundgesetz bezeichneten Organe zu beschränken (Lenel a. a. O. 11); ebensowenig aber wird man jeden Beamten, der zu irgendwelchen tatsächlichen Verrichtungen berufen ist, als Willensorgan ansehen dürfen (a. A. Kohler I § 136; Klingmüller DIZ. 02, 270; O. v. Gierke Gutachten Ulfs.; vgl. denselben in DIZ. 09, 19). Man wird hier auf den Grundgedanken zurückzugehen und zu untersuchen haben, ob der betreffende Beamte die Funktion hat, der Körperschaft die Fähigkeit zu geben, gleich einer natürlichen Person zu handeln. Dies hängt von der Wichtigkeit der betreffenden Aufgabe ab. Aber das Urteil über die Wichtigkeit der Ausgabe ist wie beim Verein nicht nach objektiven Ge­ sichtspunkten zu fällen, sondern von dem Standpunkt des bestimmten Staates aus. Die Bedeutung, welche der Staat einer Funktion beilegt, ergibt sich wie beim Verein daraus, auf welcher Quelle das betreffende Amt beruht. Ist es durch Gesetz ins Leben gerufen, so ist sein Inhaber als verfassungsmäßig berufener Vertreter anzusehen. Die Organisation des Staates beruht aber nicht in allen Berwaltungszweigen auf Gesetz. Man wird daher dem Gesetz gewisse Verwaltungs­ akte gleichzustellen haben. Das RG. hat in der grundlegenden Entscheidung 53, 276 ff. das entscheidende Merkmal in der „Berufung zur Tätigkeit innerhalb eines Geschäftsbereiches durch die die Verwaltungsorganisation regelnden Bestimmungen" gefunden (ebenso RG. 55, 176; RG. in IW. 03 Beil. 118 Nr. 261; RG. 62, 31 ff.; 74, 256), in der Entscheidung 74, 23 ver­ langt das RG. eine dem Gesetz gleichwertige allgemeine organisatorische Bestimmung (ebenso RG. in IW. 11, 640); dem RG. folgen Oertmann Erl. 3« ß 38 zu § 89; K. v. RG R. Erl. 2 zu § 89; Staudinger Erl. 3 zu 8 31; Enneccerus § 103 Ziff. 2b; Billmann 23. Eine scharfe Grenze ist damit indes nicht gezogen, denn es fragt sich, welche Vorschriften als dem Gesetz gleichwertige allgemeine organisatorische Bestimmungen anzusehen sind; schließlich läßt sich die Stellung jedes Beamten aus eine allgemeine organisatorische Bestimmung zurückführen (v. Tuhr I 622). Es dürfte darauf ankommen, von wem die organisatorische Be­ stimmung ausgeht. Hat der Träger der Organisationsgewalt, in den mon­ archischen Einzelstaaten also der Landesherr, selbst angeordnet, daß bestimmte Ämter und Behörden ins Leben treten sollen, so ist damit ihre Bedeutung für

die Aufgaben des Staates in einer Weise anerkannt, daß man die betreffenden Personen als verfassungsmäßig berufene Vertreter ansehen muß; die nähere Be­ stimmung ihres Wirkungskreises kann anderen Instanzen überlassen sein. Wo dagegen das Amt nicht von dem Träger der Organisationsgewalt selbst bezeichnet ist, wird seine Funktion vom Standpunkt des Staates aus als unwesentlich zu gellen haben, und deshalb sein Inhaber nicht als verfassungsmäßig berufener Vertreter anzusehen sein. Vgl. z. B. für Preußen die Kgl. Erlasse vom 15. Dez. 1894 (GS. 95, 11) und vom 15. Jan. 1908 (GS. 08, 66); a. A. RG. 79,107. Bei den übrigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, insbesondere bei den Ge­ meinden, ist als Verfassung im Sinne des § 31 das Gesetz oder das Gewohnheitsrecht anzusehen, welches ihre Organisation regelt, daneben die Rechtssätze, welche die juristische Person kraft der ihr verliehenen Autonomie schafft, z. B. Ortsstatuten (RG. 74, 23; RG. in IW. 11, 640, 939).

Auch hier ist es nicht erforderlich, daß das Amt in der Verfassung vorgeschrieben ist, es genügt, wenn es zugelassen ist (RG. 62, 31 ff.); dagegen genügt ein bloßer Beschluß der Organe der Körperschaft nicht (a. A. RG. 70, 119; RG. in IW. 09, 682; im PrBerwBl. 32, 154; dagegen RG. 74, 23). Als verfassungsmäßig berufener Vertreter einer Gemeinde ist auch derjenige anzusehen, der nach Maßgabe des Landesstaatsrechts auf Befehl des Landesherrn zu einer Tätigkeit für die Gemeinde unter Ausschluß ihrer ordentlichen Vertreter berufen ist (vgl. RG. in IW. 11, 149). Die Praxis schwankt. Als verfassungsmäßig berufene Vertreter sind angesehen: der Regimentskommandeur und der Garnisonkommandant in den zu ihrem Wirkungskreis ge­ hörenden Angelegenheiten (RG. in Warneyers Ergänzungsband 08, 413; in IW. 11, 487); der Bataillonskommandeur in bezug auf die dem Bataillon zugewiesenen Angelegenheiten (RG. im Recht 12 Nr. 1); die Oberpostdirektion (RG. in IW. 06, 706); das Kaiserliche Kanalamt für den Kaiser-Wilhelm-Kanal (RG. 68, 365) und der Betriebsdirektor des Kaiserlichen Kanalamts (RG. 79,107); der Landgerichtspräsident und der Erste Staatsanwalt in betreff der Aufsicht über das Gerichtsgebäude, nicht aber der Obersekretär und der Kastellan (RG. in Gruch. 50, 361); der Vorstand eines Amtsgerichts (RG. im preuß. JMBl. 66, 321); der preußische Oberförster (RG. in IW. 04, 548 Nr. 1); die Vorstände der preußischen und der badischen Eisenbahn­ betriebsinspektionen (RG. 53, 281; RG. in SeuffA. 66, 345; in BadRpr. 07, 120); der Vor­ stand der preußischen Eisenbahnmaschineninspektion (RG. im Recht 10 Nr. 1477); der Vor­ stand der preußischen Eisenbahnbauabteilung (RG. in SeuffA. 66, 345); der Leiter einer staat­ lichen Bade-und Brunnendirektion (RG. im Recht 11 Nr. 1476); die zuständige Deputation des bremischen Staates (OLG. Hamburg in HansGZ. 09 Beibl. 104); der nach § 116 der Kreis­ ordnung für die Provinzen Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen bestellte Kreisbaumeister (RG. 62, 31); der Distriktsausschuß einer bayrischen Distriktsgemeinde (RG. im Recht 06, 299); der bayrische Distriktstechniker (OLG. Nürnberg im Recht 10 Nr. 2772); der Rendant einer von einem lippischen Amtsverbande eingerichteten Amtssparkasse (RG. in IW. 12, 283); eine nach der Städteordnung für die östlichen Provinzen eingesetzte Baudeputation (RG. im Recht 07, 966); Stadtbauräte (RG. im Recht 09 Nr. 3285; in IW. 12, 849; OLG. 13, 309 Anm.); das Gemeindebauamt (RG. in IW. 04, 284 Nr. 3; OLG. 12, 110); der Vor­ stand einer selbständigen Abteilung des Bauamtes (RG. in IW. 08, 269; RG. im Recht 09 Nr. 407; RG. im PrBerwBl. 32,154); Wagenwärter (RG. in IW. 00, 319); Straßenkontrolleure (RG. in IW. 02, 226; OLG. 5, 376; dagegen RG. in IW. 03, Beil. 118, Nr. 261 = SeuffA. 59, 49); die Direktoren der städtischen Gas- und Wasserwerke (RG. in BadRpr. 08, 20; OLG. Karlsruhe daselbst 07, 153 unter Berufung auf § 19a der badischen Städteordnung; verneinend RG. 74, 23); der Marklhalleninspektor (RG. in IW. 09, 682; dagegen RG. 74, 23); der Schlachthofinspektor (OLG. Königsberg in PosMSchr. 10, 36); der westfälische Amtmann bezüg­ lich der der Landgemeinde obliegenden Fürsorge für die Sicherung des Straßenverkehrs (RG. im Recht 12 Nr. 968); der Schulvorstand (SeuffA. 58, 129; 64, 14). Als verfassungsmäßig berufene Vertreter sind nicht angesehen: der von dem Vorsitzenden der Feldgeräteverwaltungskommisston mit der Prüfung von Glühzündern beauftragte Leutnant (RG. 55, 178); Postassistenten (RG. in IW. 06, 706); Postgehilfen (RG. im Recht 09 Nr. 791); Hausmeister eines Postgebäudes (RG. in IW. 04,165 Nr. 3); Hilfsbriefträger (OLG. 9,22); Postil­ lone (OLG. 14, 2); der Chauffeur eines Postmotorwagens (SeuffBl. 09,109); Kanallotsen im KaiserWilhelm-Kanal (RG. 74, 256; RG. in IW. 11, 85); Eisenbahnstationsvorsteher in Preußen und Bayern (RG. in IW. 03, Beil. 117, Nr. 260; RG. im Recht 05, 616); Eisenbahnstalions­ assistenten (RG. im SächsArch. 1, 7); Bahnmeister (RG. 53, 276; 55, 230); Bahnwärter (RG. in Gruch. 44, 1025); das Zugpersonal (RG. in IW. 09, 483); Eisenbahnrangierleiter (BayObLG. 3, 25, 50); Bauinspektoren (RG. in IW. 11, 939); Bautechniker (RG. im Recht 10 Nr. 630; IW. 12, 849; Wegewärter (RG. in IW. 03, Beil. 65, Nr. 151; OLG. Stuttgart im Recht 05 Nr. 1090); Straßenkontrolleure (s. oben); Stadtgärtner (RG. in IW. 05, 284 Nr. 8; OLG. Hamburg in HansGZ. 09, Beibl. 104); der Direktor der städtischen Gasanstalt (RG. 74, 23); der Betriebsdirektor der städtischen Straßenbahn (RG. in IW. 11, 640); Wagenführer der elektrischen Straßenbahn (RG. in IW. 03, Beibl. 93 Nr. 213); bet von einem genossenschaft­ lichen Revisionsverband bestellte Verbandsrevisor (RG. 78, 146; vgl. auch Havenstein in DIZ. 08, 1380).

d) nicht die Mitgliederversammlung (Staudinger Erl. 5 zu 8 31; v. Tuhr I 538; Billmann 15; a. A. Oertmann Erl. 8 zu § 31; Hölder, Personen 302).

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I. Abschnitt: Personen.

3. Umfang der Haftung des Vereins. a) Die Haftung des Vereins tritt nicht nur bei Handlungen ein, die sich auf die rechts­ geschäftliche Vertretung beziehen, sondern auch bei tatsächlichen Verrichtungen. Der Handlung steht eine Unterlassung gleich, wenn der verfassungsmäßige Vertreter des Vereins zu einer solchen verpflichtet war, wenn er z. B. bei der ihm obliegenden Leitung eines von dem Vereine be­ triebenen, mit Gefahr für Dritte verbundenen industriellen Unternehmens die gesetzlich vor­ geschriebenen Vorkehrungen zur Abwendung der Gefahr zu treffen unterließ. b) Nur dann hastet der Verein für die Handlungen oder Unterlassungen der in Erl. 2 be­ zeichneten Personen, wenn sie in Ausführung der diesen Personen zustehenden Verrichtungen erfolgt sind. Eine nur bei Gelegenheit solcher Verrichtungen vorgenommene, zum Schadens­ ersätze verpflichtende Handlung verpflichtet den Verein nicht. Der Verein haftet also z. B. nicht, wenn der verfassungsmäßig zur Leitung einer Fabrik berufene Vertreter bei Gelegenheit der ihm zustehenden Aufsichtsührung einen Arbeiter bestiehlt. Die Grenze zwischen einer in Ausführung und einer bei Gelegenheit einer Verrichtung vorgenommenen Handlung kann bisweilen zweifel­ haft fein. Ein solcher Zweifel besteht z. B. in dem in OLG. 8, 14 entschiedenen Falle, in welchem ein von dem Vorsitzenden eines Vereins in dem Vereinsblatte geschriebener Artikel eine Beleidigung enthält. Das OLG. hält hier wohl mit Recht den § 31 für anwendbar. Über andere Fälle vgl. OLG. 9, 20. c) Der Verein haftet für jeden Schaden, welcher durch eine zum Schadensersätze ver­ pflichtende Handlung der unter Erl. 2 bezeichneten Personen in Ausführung der ihnen zustehenden Verrichtungen entstanden ist. Erforderlich ist daher nur, daß die Handlung oder Unterlassung, wenn sie von dem Handelnden nicht für den Verein, sondern für sich selbst vorgenommen wäre, ihn zum Schadensersätze verpflichten würde. Es kommt weder auf ein Verschulden des Vereins an noch darauf, ob dem Vorstand oder dem sonstigen verfassungsmäßig berufenen Vertreter ein Verschulden zur Last fällt, noch auch darauf, ob die Handlung, durch welche der Schaden zugesügt wird, eine widerrechtliche ist. Erforderlich ist nur, daß durch die Handlung eine Ver­ pflichtung zum Schadensersätze begründet wird. So ist z. B. der Verein für den Schaden ver­ antwortlich, welchen der Vorstand einem Dritten durch unberechtigte Selbsthilfe zugefügt hat, obwohl die Verpflichtung zum Schadensersätze hier nach § 231 auch ohne Verschulden eintritt. Ebenso haftet der Verein für den von seinem Vorstände durch Beschädigung oder Zerstörung von Sachen einem Dritten zu gefügten Schaden, auch wenn die Zerstörung oder Beschädigung nach § 904 Satz 1 nicht widerrechtlich war und die Verpflichtung zum Schadensersätze nur nach § 904 Satz 2 eintritt. Maßgebend ist bei dieser Ausdehnung der Gedanke, daß die Handlungen des verfassungsmäßigen Vertreters einer juristischen Person, da diese nur durch ihn handeln und in den Geschäftsverkehr eintreten kann, int Interesse Dritter ganz so angesehen werden müssen, als seien es Handlungen der juristischen Person selbst. d) Soweit durch eine zum Schadensersätze verpflichtende Handlung auch ein Anspruch auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen gegen den Täter begründet wird (§ 1004), wird int Falle des § 31 dem Dritten auch ein Anspruch auf Unterlassung gegen den Verein zugestanden werden müssen (vgl. Eltzbacher, Unterlassungsklage 164f.).

4. Eine bestimmte natürliche Person braucht nicht namhaft gemacht zu werden, wenn die Verletzung eines Schutzgesetzes in Frage steht und der Schaden durch eine bleibende Ein­ richtung oder einen dauernden ordnungswidrigen oder sicherheitsgefährlichen Zustand bei der von der juristischen Person geschaffenen oder von ihr zu unterhaltenden Anlage herbeigeführt wurde; hier ist in der Regel der Schluß gerechtfertigt, daß der Zustand oder die Einrichtung bei gehöriger Sorgfalt der verfassungsmäßig berufenen Vertreter nicht bestanden haben würde; doch kommt es auf die Umstände an, die Dauer des Zustandes, die Augenfälligkeit des Mangels, die ursprüngliche Vermeidbarkeit bei ordnungsmäßiger Regelung des Dienstbetriebes (RG. in SeuffA. 66, 345, 348, vgl. ferner RG. in IW. 04, 88 Nr. 5; in Gruch. 48, 601; in IW. 04, 232 Nr. 2; in Gruch. 49, 635; in IW. 06, 378 Nr. 4; 07, 315 Nr. 19; im Recht 07 Nr. 1128; 08, Nr. 1187, 3716; 10 Nr. 2146; OLG. Dresden in SeuffA. 64, 14; OLG. München in SeuffBl. 07, 959). 5. Neben dem Vereine haftet der verfaffungsmäßig berufene Vertreter, welcher die zum Schadensersätze verpflichtende Handlung begangen hat, als Gesamtschuldner auch persönlich (RG. im Recht 07, 966; in IW. 11, 939 Nr. 2). In dem Verhältnisse zwischen dem Vertreter und dem Vereine wird regelmäßig der Vertreter allein haftbar sein. Der § 840 Abs. 2 findet zwar, da er sich nur auf § 831 bezieht, keine direkte Anwendung. Der darin ausgesprochene Grundsatz wird

§ 32. Die Angelegenheiten des Vereins werden, soweit sie nicht von dem Vorstand oder einem anderen Vereinsorgane zu besorgen sind, durch Beschlußfassung in einer Versammlung der Mitglieder geordnet. Zur Gültigkeit des Beschlusses ist erforderlich, daß der Gegenstand bei der Berufung bezeichnet wird. Bei der Beschlußfassung entscheidet die Mehrheit der erschienenen Mitglieder. Auch ohne Versammlung der Mitglieder ist ein Beschluß gültig, wenn alle Mitglieder ihre Zustimmung zu dem Beschlusse schriftlich erklären. indessen regelmäßig auch für den Fall des § 31 aus dem Verhältnisse zu folgern sein, welches zwischen dem Verein und dem Vertreter besteht. Soweit indessen den Vertreter bei den zum Schadens­ ersätze verpflichtenden Handlungen kein Verschulden trifft, wird in dem Verhältnisse zwischen ihm und dem Vereine nicht er, sondern der Verein verpflichtet sein. So dürfte z. B. im Falle des § 231, wenn der Vorstand des Vereins die Voraussetzungen der Zulässigkeit der Selbsthilfe irr­ tümlich, aber ohne Verschulden als gegeben angenommen hat, in dem Verhältnisse zwischen ihm und dem Vereine nur der letztere verpflichtet sein. 6. Die Vorschriften des § 31 können durch die Satzung nicht geändert werden. Nicht ausgeschlossen wird dadurch ein Vertrag zwischen dem Dritten und dem Vereine, durch welchen die Haftung des letzteren für seine Organe beschränkt oder ausgeschloffen wird (RG. im Recht 04, 16; OLG. Frankfurt im Recht 07, 242). Doch kann die Haftung wegen Vorsatz nicht ausgeschlossen werden (OLG. Stuttgart im Recht 08 Nr. 1150). In RG. 68, 367 wird an­ genommen, daß ein vertragsmäßiger Ausschluß der Haftung des Reiches für den verkehrssicheren Zustand des Kaiser-Wilhelm-Kanals gegen das G. v. 16. März 1886 verstößt. 7. Die Vorschriften des § 31 finden auch auf die juristischen Personen des Handelsrechts Anwendung (Borbm. 1 zu diesem Titel), soweit sich nicht aus den für diese gellenden Vorschriften Abweichungen ergeben (vgl. RG. 54, 128). Üöer die Anwendbarkeit des § 31 auf die offene Handelsgesellschaft vgl. RG. 76, 48. Auf nicht rechtsfähige Vereine ist § 31 nicht anwendbar (f. Erl. 3i zu § 54); ebensowenig auf den Testamentsvollstrecker (a. A. OLG. 16, 267). 8. Über die Haftung der juristischen Person für Polizeiwidrigkeilen des Vorstandes s. Schultzenstein im BerwArch. 14, Iff.; Wolzendorff daselbst 18, 499ff.

8 32. H.

I 8 48 «bs. 1-3; II g 31 «bf. 1, 2 rev. g 29; III g 29. P.II 1 S. 524 ff.

P. I 3119ff., 3122ff., 11989; M. I 105ff.

1. Mitgliederversammlung. Die Mitgliederversammlung ist das oberste Organ, durch welches der Verein seine Willensentschlüsse faßt. Sie ist für alle Angelegenheiten zuständig, die nicht durch Gesetz oder Satzung dem Vorstande oder einem andern Organe zugewiesen sind. Die Vermutung spricht für die Zuständigkeit der Mitgliederversammlung. Durch ausdrückliche Gesetzes­ vorschriften ist die Mitgliederversammlung zuständig für die Bestellung des Vorstandes (§ 27 Abs. 1), für Änderungen der Satzung (§ 33), für die Auflösung des Vereins (§ 41) und unter

den Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 für die Bestimmung über das Schicksal des Vermögens des Vereins nach seiner Auflösung. Die Mitgliederversammlung hat den Verein gegenüber dem Vorstande zu vertreten, namentlich bei Bestellung und Widerruf, ebenso vertritt sie den Verein bei der Aufnahme und dem Ausschluß von Mitgliedern (s. Erl. 2 zu § 38). Zur Vertretung des Vereins nach außen ist nach §§ 26, 30 ausschließlich der Vorstand oder ein nach der Satzung für gewisse Geschäfte zu bestellender besonderer Vertreter zuständig. Ihre Bertretungsmacht kann beschränkt, kann insbesondere in bestimmten Beziehungen an die Zustimmung der Mitglieder­ versammlung gebunden werden; selbständig ist diese aber zur Vertretung des Vereins nach außen nicht berechtigt, sofern sie nicht nach der Satzung selbst den Vorstand bildet (s. Erl. 1 zu § 26; a. A. Oertmann Erl. 1 zu § 32; Cosack § 298 II 2; wie hier K. v. R G R. Erl. 1 zu § 32; Staudinger Erl. I 2 zu § 32; Crome § 51 Ziff. 2a; Kohler I § 162 I; Leonhard § 39 Ila; v. Tuhr I 512f.). In allen anderen Beziehungen aber sind ihre Beschlüsse maß­ gebend. Dies gilt auch in betreff der Art, in welcher der Vorstand die Geschäfte des Vereins zu besorgen hat; er ist die von der Mitgliederversammlung gegebenen Weisungen zu befolgen ver­ pflichtet, sofern ihm nicht durch die Satzung eine selbständigere Stellung zugewiesen ist. Ungültige Beschlüsse der Mitgliederversammlung binden den Vorstand nicht und befteien ihn nicht von seiner etwaigen Ersatzpflicht gegenüber dem Verein.

88

I. Abschnitt: Personen.

Als Organ des Vereins kann die Mitgliederversammlung bei Streitigkeiten zwischen dem Verein und einzelnen Mitgliedern nicht Schiedsrichter sein (Biermann I § 138 Ziff. 1; Kohler I § 156 V; v. Tuhr I 542; RG. 55, 326). 2. Beschlüsse der Mitgliederversammlung. Die Mitglieder können den Willen des Vereins regelmäßig in einer Mitgliederversammlung zum Ausdrucke bringen. In welcher Art und von wem die Mitgliederversammlung zu berufen ist und wem die Leitung derselben obliegt, wird in dem BGB. nicht gesagt. Die Satzung hat das in dieser Beziehung Erforderliche zu bestimmen. Sie kann die Einberufung durch Anzeige in öffentlichen Blättern für genügend erklären oder besondere Ladung jedes einzelnen Mitgliedes vorschreiben. Sollen die Mitglieder durch ein­ geschriebenen Brief geladen werden, so genügt im Zweifel die Aufgabe zur Post (RG. 60,145). Wenn die Satzung keine Vorschrift enthält, wird zwischen der Ladung und dem Tage der Mit­ gliederversammlung eine angemessene Frist liegen müssen (vgl. RG. 53, 104). In Ermangelung einer Satzungsbestimmung wird die Berufung und Leitung dem Vorstande obliegen. Steht die Leitung dem Vorstande zu, so ist die Versammlung ohne Satzungsänderung nicht befugt, einen andern Leiter zu bestellen (K. v. RG R. Erl. 2 zu 8 32; Staudinger Erl. V zu 8 32; RG. in IW. 09, 411; a. A. Oertmann Erl. 2 zu 8 32). Eine gesetzliche Vorschrift wird durch Abs. 1 Satz 2 nur dahin gegeben, daß der Gegenstand des Beschlusses bei der Berufung milzuteilen ist. Die Frage, was zu einer genügenden Bezeichnung des Gegenstandes erforderlich ist, läßt sich nur unter Berücksichtigung der Umstände des einzelnen Falles entscheiden (vgl. OLG. 3, 430; RG. in IW. 08, 674; ferner HansGZ. 09, 115, nach welchem, wenn ein Mitglied aus­ geschlossen werden soll, es nicht der Bezeichnung des Namens des Mitgliedes, welches aus­ geschlossen werden soll, bedarf, vielmehr es genügen soll, wenn als Zweck der Berufung die Aus­ schließung eines Mitgliedes bezeichnet ist; vgl. ferner RG. 68, 234; OLG. 11, 384). Nicht aus­ geschlossen ist aber, daß die Zeit der Versammlung und die in ihr zu behandelnden Gegenstände ein für allemal durch die Satzung bestimmt werden. Der Abstimmung muß eine Erörterung voran gehen, in der auch die Minderheit zum Worte kommen muß (vgl. RG. 36, 26). Bei der Beschlußfassung entscheidet die Mehrheit der erschienenen Mitglieder (vgl. Tecklenburg, Abstimmung und Ausschlag im ArchBürgR. 23, 360ff.). Die Mitglieder, welche erschienen sind, aber sich der Abstimmung enthalten, sind bei der Ermittelung der Mehrheit milzuzählen (Cosack 8 297 Anm. 2; a. A. die frühere Auflage und mit ihr die herrschende Ansicht). Ein gültiger Beschluß liegt auch dann vor, wenn nur ein Mitglied abstimmt (Hölder Erl. 2b zu 8 32; Oertmann Erl. 3a zu 8 32; K. v. RGR. Erl. 3 zu 8 32; Stau­ dinger Erl. VI zu 8 32; Cosack8297II1 c; Eck 156; v. Tuhr I 509; KG. 40 A 75; 42 A 164 = RIA. 11, 277; a. A. Dernburg I 8 77 Anm. 3). Relative Mehrheit genügt, sofern die Satzung nicht etwas anderes bestimmt, auch bei Wahlen nicht (Biermann I 8 138 Ziff. 3; Cosack 8 297 II le; Enneccerus 8 104 Anm. 5; v. Tuhr I 509; Tecklenburg a. a. O. 23, 394; a. A. Hölder Erl. 2d zu 8 32; Oertmann Erl. 3b zu 8 32), in solchen Fällen dürfte es den heutigen Anschauungen entsprechen, eine Stichwahl eintreten zu lassen (Enneccerus und Tecklenburg a. a. O., a. A. v. Tuhr I 509 Anm. 7, der auf 8 29 verweist). Bei Stimmengleichheit ist ein Beschluß nicht gefaßt. Doch kann die Satzung Borsorge treffen, daß eine Entscheidung zustande kommt, sei es durch Stichentfcheid des Vorsitzenden oder auch eines Dritten (vgl. RG. 49, 147), sei es durchs Los. Stimmberechtigt sind vorbehaltlich der Vorschrift des 8 34, sofern durch die Satzung nicht etwas anderes bestimmt wird, alle Mitglieder des Vereins. Die Stimmrechte der Mitglieder sind an und für sich gleich, die Satzung kann aber das Stimmrecht abstufen. Der Beschluß der Mitgliederversammlung ist kein Vertrag, wohl aber ein Rechtsgeschäft, das sich in der Regel aus einer Mehrheit von inhaltlich übereinstimmenden Willenserklärungen zusammensetzt (Oertmann Borbm. 1 vor 8 145; Rehbein I 48; Biermann I 8 45 Ziff. 5a; v. Tuhr I 514ff.; Kisch JLBl. 21, 200). Aus den Grundsätzen über Rechtsgeschäfte folgt, daß ein Mitglied, welches geschäftsunfähig ist, persönlich nicht mitstimmen kann und daß ein Mitglied, welches in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, zur Abstimmung nur mit Einwilligung des gesetzlichen Bertteters berechtigt ist, sofern es durch die Stimmabgabe nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt (88 105, 107, 111); wenn jedoch der gesetzliche Vertreter zu dem Eintritte des Minder­ jährigen in den Verein die Einwilligung erteilt hat, so dürfte darin auch die Einwilligung zu der Abstimmung in der Mitgliederversammlung zu finden sein (vgl. Hölder Erl. 2 zu 8 38; Oertmann Erl. 5 zu 8 32; Staudinger Erl. XI zu 8 32; Enneccerus 8 104 Anm. 4; v. Tuhr I 516 Anm. 38; OLG. 15, 324). An Stelle der geschäftsunfähigen oder in der Ge-

§ 33.

Zu einem Beschlusse, der eine Änderung der Satzung enthält, ist

eine Mehrheit von drei Vierteilen der erschienenen Mitglieder erforderlich.

Zur

schäftsfähigkeit beschränkten Mitglieder können deren gesetzliche Vertreter das Stimmrecht ausüben. Abgesehen von diesem Falle ist die Vertretung eines Mitgliedes durch eine andere Person un­ zulässig, falls nicht die Satzung ein anderes bestimmt (s. Erl. 2 zu § 38). Willensmängel machen die Stimme des Betreffenden ungültig oder berechtigen ihn zur Anfechtung seiner Ab­ stimmung. Infolge des Wegfalls seiner Stimme wird der Beschluß ungültig, wenn seine Stimme den Ausschlag gegeben hatte (Rehbein I 48; Staudinger Erl. XI zu § 32; Bier­ mann I § 138 Ziff. 4; Matthiaß § 30 III 3d; v. Tuhr I 516f.; a. A. Kohler I § 137 III; vgl. auch Heck in der Festschrift für O. v. Gierke 11, 319ff.). 3. Schriftliche Zustimmung aller Mitglieder. Zu einem gültigen Beschlusse bedarf es einer Versammlung der Mitglieder nicht, wenn alle Mitglieder des Vereins ihre Zustimmung zu dem Beschlusse schriftlich erklären. 4. Ein den Vorschriften des § 32 und der Satzung nicht entsprechender Beschluß ist ungültig (vgl. die in Erl. 2 zitierten Entscheidungen, ferner RG. in IW. 12, 741). Doch werden Mängel der Berufung dadurch geheilt, daß alle Mitglieder erscheinen und keines der Beschlußfassung widerspricht. Dies folgt aus dem Zweck der Bestimmungen über die Berufung (Hölder Erl. 2e zu § 32;Biermann I § 138 Ziff. 3; Enneccerus § 104 la; Kohler I § 162 II; v. Tuhr I 507; a. A. wie es scheint K. v. R GR. Erl. 4 zu § 32; Staudinger Erl. VIII zu § 32). Eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des HGB. §§ 271 ff. dürfte sich nicht rechtfertigen (a. A. v. Tuhr, DIZ. 01, 447, der indessen die Anwendung des § 273 über die Wirkung des die Ungültigkeit des Beschlusses aussprechenden Urteils gegen Dritte für fraglich erklärt). Dagegen folgt aus allgemeinen Grundsätzen, daß der Borstand und jedes bei einem ungültigen Beschluß interessierte Mitglied im Wege der Feststellungsklage die Erklärung der Ungültigkeit verlangen kann (Oertmann Erl. 3 zu ß 32; K. v. RGR. Erl. 5 zu 8 32; Staudinger Erl. XI zu § 32; Biermann I § 138 Ziff. 4; Crome § 51 Ziff. 4; Kohler I § 162 II; v. Tuhr I 517; Kisch in JLBl. 21, 205; RG. 49, 150; OLG. 5,14). Unter Um­ ständen wird auch eine Klage auf ein Tun oder Unterlassen zulässig sein, so z. B., wenn durch einen ungültigen Beschluß die Benutzung von Vereinsgegenständen untersagt ist, eine Klage auf Gestattung der Benutzung. Die Klage ist gegen den Verein zu richten. Das Urteil wirkt ab­ weichend vom HGB. § 273 nur unter den Parteien (a. A. v. Tuhr I 518). 5. Die Vorschriften des 8 32 können durch die Satzung geändert werden (§ 40). Zweifel­ haft ist, ob durch die Satzung die Mitgliederversammlung vollständig beseitigt werden kann. Für die Bejahung dieser Frage spricht, daß, wenn der Wirkungskreis der Mitgliederversammlung durch die Satzung beliebig beschränkt werden kann, nicht abzusehen ist, weshalb nicht auch eine voll­ ständige Beseitigung zulässig sein sollte; denn eine Mitgliederversammlung, die keinen Wirkungs­ kreis hat, entbehrt jeder Bedeutung, und für die Interessen der Mitglieder des Vereins kann durch anderweite Vorschriften, insbesondere durch Bestimmungen über die Zusammensetzung des Vorstandes oder anderer Organe des Vereins gesorgt werden. Der § 41 steht der Beseitigung der Mitgliederversammlung nicht entgegen. Denn die Satzung kann vorschreiben, daß alle Mitglieder schriftlich zustimmen müssen. Gegen die vollständige Ausschaltung der Mitglieder­ versammlung spricht, daß in den §§ 36, 37 Bestimmungen über die Mitgliederversammlung gegeben sind, die nach § 40 durch die Satzung nicht geändert werden können. Entscheidendes Gewicht dürfte hierauf indessen nicht zu legen sein. Die §§ 36, 37 setzen das Bestehen einer Mitgliederversammlung, das ja die Regel bildet, voraus; sie werden gegenstandslos, wenn die Mitgliederversammlung durch die Satzung beseitigt ist. Ein solches Ergebnis steht mit ihrem Inhalt und Zwecke nicht im Widerspruch (a. A. Hölder Erl. 2c zu § 40; Oertmann Erl. 6 zu § 32; K. v. RGR. Erl. 1 zu 8 32; Staudinger Erl. III zu 8 32; Biermann I 8 138 Ziff. 3; Cosack 8 298 I 2b; Enneccerus 8 104 Anm. 1; Kohler I 8 163 IV; WindscheidKipp Zusatz 3c zu 8 59; v. Tuhr I 499; Best im Recht 04, 467; wie hier GoldmannLilienthal I 82 Anm. 57; Dernburg I 8 77 II; Endemann I 8 44 Anm. 7; Eck I 57).

8 33. E. I 8 48 Abs. 5; II 8 32 rev. 8 30; III 8 30. P. I 3125; M. I 108.

1. Änderung der Berfassung des Vereins.

P. II 1 S. 527ff. «B. 1945.

Darunter ist jede Änderung der gewillkürten

Verfassungsbestimmungen zu verstehen, einerlei, ob es sich um wesentliche oder unwesentliche

90

I. Abschnitt: Personen.

Änderung des Zweckes des Vereins ist die Zustimmung aller Mitglieder erforderlich; die Zustimmung der nicht erschienenen Mitglieder muß schriftlich erfolgen. Beruht die Rechtsfähigkeit des Vereins auf Verleihung, so ist zu jeder Ände­

rung der Satzung staatliche Genehmigung oder, falls die Verleihung durch den Bundesrat erfolgt ist, die Genehmigung des Bundesrats erforderlich. Punkte handelt.

Selbst solche Änderungen, die offenbar nur redaktioneller Nalur sind, fallen

unter § 33 (Oertmann Erl. 2b zu § 33; Staudinger Erl. 3 zu § 33; a. A. K. v. RG R. Erl. 1 zu § 33). Auch ein Zusatz zu der Verfassung ist eine Änderung. Das in dem § 48 Abs. 5 des E. I für jede Änderung der Satzung aufgestellte Erfordernis der Einstimmigkeit aller

Mitglieder ist von der zweiten Kommission mit Rücksicht darauf aufgegeben, daß das praktische Bedürfnis eine Erleichterung um so mehr erfordere, als viele ^Bestimmungen der Satzungen von geringer Erheblichkeit sind. Ersorderlich zu der Änderung ist eine Mehrheit von drei Vierteilen

der erschienenen Mitglieder. Uber die Berechnung vgl. Langheineken, Mathematische Be­ merkungen zum BGB. I (1901); Tecklenburg im ArchBürgR. 23, 360ff. Nur die stimm­ berechtigten Mitglieder kommen in Betracht. Gleichgültig dagegen ist, ob die erschienenen Mit­ glieder mitstimmen oder sich der Abstimmung enthalten. Die Mehrheit von drei Vierteilen der erschienenen Mitglieder ist ersorderlich, auch wenn sich ein Teil derselben der Abstimmung enthält (vgl. RG. in IW. 13, 15; a. A. Oertmaun Erl 2c ßß zu § 33). 2. Für die Änderung des Zweckes des Vereins ist, da in ihm das Wesen und die Individualität des Vereins beruht, das Erfordernis der Einstimmigkeit beibehalten und durch die Vorschrift noch verschärft, dah die Zustimmung der in der Versammlung nicht erschienenen Mitglieder schriftlich erfolgen muß. Was als Zweck des Vereins zu betrachten ist, muß die Satzung ergeben. Von dem Zwecke zu unterscheiden sind die Mittel zur Erreichung desselben. Zu einer Änderung dieser bedarf es der Einstimmigkeit nicht. So wird es z. B. bei einem Vereine, dessen Zweck in der Unterstützung von Armen besteht, nicht als eine Änderung des Zweckes zu betrachten sein, wenn die Bestimmung der Satzung, nach welcher die Unterstützung durch Pflege in Krankheitsfällen gewährt werden soll, dahin ausgedehnt wird, daß auch in anderen Notfällen Hilfe durch Darlehen oder Geschenke gewährt werden soll. Einstimmigkeit ist auch dann erforderlich, wenn durch eine an sich nach § 40 zulässige Änderung der Satzung bestimmt werden soll, daß zur Änderung des Zweckes Einstimmigkeit nicht erforderlich fei (Oertmann Erl. 3b zu ß 33). Die Möglichkeit der Zweckänderung durch Vereinsbeschluß bei altruistischen Vereinen be­ kämpft de lege ferenda Hölder, Personen 297. 3. Ein gegen die Vorschriften des tz 33 verstoßender Beschluß ist ungültig, mag der Beschluß direkt auf eine Änderung der Satzung gerichtet sein oder in anderer Weise gegen dieselbe

verstoßen. Aus der Befugnis der Mitgliederversammlung zur Satzungsänderung folgt nicht daS Recht, sich über die bestehende Satzung hinwegzusetzen oder den Vorstand von der Einhaltung der Satzungsvorschristen im Vorau- zu befreien. Ist der Mitgliederversammlung in der Satzung kein Dispensationsrecht beigelegt, so sind derartige Beschlüsse ungültig, selbst wenn sie mit der zur Satzungsänderung erforderlichen Mehrheit gefaßt sind (Hölder Erl. 1 zu Z 33; Oertmann Erl. 2d zu § 33; Cosack § 298 I 2a£; v. Tuhr I 513; RG. in SeuffA. 61, 160; a. A. die früheren Auflagen).

4. Nach Abs. 2 bedarf die Änderung der Satzung eines Vereins, deffen Rechtsfähigkeit auf staatlicher Verleihung beruht (§ 22), außer den in Abs. 1 bezeichneten Erfordernissen der staatlichen Genehmigung. Diese Vorschrift kann nach EG. Art. 82, sofern die Verleihung der Rechts­ fähigkeit nicht nach § 23 durch den Bundesrat erfolgt ist, durch die Landesgesetze geändert werden. 5. Zu einer Änderung der Satzung des eingetragenen Vereins ist außer den in dem § 33 Abs. 1 bezeichneten Erfordernissen die Eintragung der Änderung erforderlich (§ 71).

6. Die Vorschriften des § 33 finden keine Anwendung, soweit durch die Satzung ein anderes bestimmt ist (§ 40). Die Satzung kann die Anforderungen erleichtern, aber auch erschweren. Verbietet die Satzung ihre Änderung überhaupt oder die Änderung einzelner Satzungsbestimmungen, so steht dies einer Änderung unter Zustimmung sämtlicher Mitglieder nicht entgegen. Verlangt eine Satzungsvorschrift zur Abänderung einzelner bestimmter Satzungsvorschriften eine größere Mehrheit oder Einstimmigkeit, so ist auch zur Abänderung jener Vorschrift die betreffende größere Mehr­ heit oder Einstimmigkeit erforderlich (vgl. Oertmann Erl. 2cß,ßß zu § 33; Enueccerus

tz 34. Ein Mitglied ist nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlußfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und dem Vereine betrifft. § 105 II 2b).

Durch die Satzung kann ihre Änderung auch dem Vorstand oder einem anderen

Organ zugewiesen sein (so die herrschende Meinung; a. A. Rehbein I 47; Oertmann Erl. 1 zu § 32, s. aber Erl. 2ca zu § 33, wo Oertmann der herrschenden Ansicht folgt). Ob die Änderung des Zweckes nicht sachlich der Auflösung des Berins und der Begründung

eines neuen Vereins gleichsteht, ist bestritten (dafür die früheren Auflagen; Hölder Erl. 2 zu § 33; Oertmann Erl. 3a zu § 33; Rehbein I 48; Crome § 51 Anm. 39; Leonhard § 39 II a; dagegen Staudinger Erl. 2 zu 8 33; Biermann I § 138 Anm. 20; Windscheid-Kipp Zus. 11 zu § 61; v. Tuhr I 500 Anm. 6; Meurer 290f.; Kisch JLBl. 21, 201). Rechtlich behandelt das BGB. jedenfalls die Änderung des Zweckes nicht in dieser Art. Nach § 40 kann die Satzung auch die Änderung des Zweckes aus einem anderen als dem im § 33 bestimmten Wege zulassen. Die Ansichten von Rehbein I 48 und Kuhlenbeck 208, daß § 33 Abs. 1 Satz 2 durch die Satzung nicht geändert werden könne, und von Hölder Erl. 2 zu 8 33, daß die Änderung des Zweckes durch die Satzung keinem anderen Organ als der Mitglieder­

versammlung zugewiesen werden könne, sind in dem Gesetze nicht begründet. Zulässig ist auch eine Änderung des 8 33 Abs. 2 durch die Satzung. In der RTK. 1945 war angeregt, eine solche Änderung auszuschlieben. Der Anregung wurde nicht Folge gegeben,

weil es der staatlichen Behörde überlassen werden könne, ob sie einem Vereine die Rechtsfähig­ keit verleihen wolle, nach dessen Satzung zu einer Ändemng derselben die staatliche Genehmigung nicht erforderlich sein soll. Aus dieser Begründung ergibt sich, datz nur an den Fall gedacht ist, daß die Satzung von Anfang an eine den 8 33 ausschließende oder beschränkende Bestimmung enthält. Ist dies nicht der Fall, so wird eine spätere Änderung der Satzung, durch welche die

Anwendung des § 33 Abs. 2 ausgeschlossen wird, immer der staatlichen Genehmigung bedürfen. Über die Umwandelung eines eingetragenen Vereins in einen Verein, dessen Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, s. Erl. 3 zu 8 71.

§34. E.I 8 48 Abs. 4 ; II 8 31 Abs. 8 reb. 8 31; III 8 31. P.I 3121; M.I 107. P.II 1 6. 527.

1. Ausschluß eines Mitglieds von der Stimmberechtigung. Die Mitglieder sind nicht Vertreter des Vereins. Die Vorschrift des 8 181, nach welcher der Vertreter eines anderen mit sich selbst im eigenen Namen in der Regel ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen kann, findet daher direkt auf den Fall keine Anwendung, daß an einem Beschlusse der Mitgliederversammlung über die Vornahme eines Rechtsgeschäfts des Verein- mit einem Mitgliede dieses Mitglied teilnimmt. Der Grund, auf welchem die Vorschrift des 8 181 beruht, trifft aber auch in dem Falle des 8 34 zu, indem auch hier eine Kollision zwischen dem persönlichen Interesse des Mitglieds und dem Interesse des Vereins, welches das Mitglied in der Mitgliederversammlnng wahrzunehmen hat, stallfindet. Die Vorschrift des 8 34 findet auch in solchen Fällen Anwendung, in denen es sich um die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen dem Verein und den Mit­ gliedern des Vorstandes wegen der ihnen für den Verein obliegenden Geschäfte handelt. Nur in den in 8 34 bestimmten Fällen, nicht bei jeder Jnteressenkolliston ist ein Mitglied nicht stimm­ berechtigt (Oertmann Erl. 2b zu 8 34; K. v. RGR. Erl. 1 zu 8 34; Staudinger Erl. 3 zu 8 34; v. Tuhr I 510; vgl. RG. 68, 241; a. A. Rehbein I 48). Auf Rechtshandlungen indessen, auf welche die Vorschriften über Rechtsgeschäfte entsprechende Anwendung finden, z. B. auf eine Mahnung, falls man diese nicht als ein Rechtsgeschäft ansieht, dürften die Vorschriften des 8 34 entsprechende Anwendung finden (Oertmann Erl. 2ä « zu 8 34). Auf die Wahl eines Mitgliedes zum Vorstande ist 8 34 nicht anzuwenden (K. v. R G R. Erl. 1 zu 8 34; Staudinger Erl. 5 zu 8 34; Cosack 8 297 II 1c; Enneccerus 8 104 Anm. 12; v. Tuhr I 510; vgl. RG. 60, 173; 74, 276; KG. 40 A 69 — unter Mißbilligung von KG. 25 A 253 —; OLG. 19, 325). Dieser Satz läßt sich fteilich nicht damit begründen, daß die Wahl ein einseitiges Rechtsgeschäft gegenüber dem Mitgliede ist (so Staudinger a. a. O.), denn 8 34 findet sicher aus andere einseitige Rechtsgeschäfte des Vereins gegenüber dem Mitglied, z. B. auf die Kündigung eines Darlehns Anwendung; entscheidend ist vielmehr die eigentümliche Natur der Wahl als eines auf die Organbildung abzielenden Rechtsgeschäfts, bei dem der

92

I. Abschnitt: Personen.

§ 35. Sonderrechte eines Mitglieds können nicht ohne dessen Zustimmung durch Beschluß der Mitgliederversammlung beeinträchtigt werden. typische Interessengegensatz fehlt, den § 34 voraussetzt. Kann das Mitglied bei seiner Wahl mit abstimmen, so kann es auch mit abstimmen, wenn seine Abberufung in Frage steht (vgl. KG. 40 A 69; OLG. 22, 171; zweifelnd RG. 75, 236). Anders verhält es sich mit der Begründung und Aufhebung des besonderen Vertragsverhältnisses, das der Bestellung zum Vorstande zugrunde liegen kann (vgl. Erl. 5 zu § 27). Dabei handelt es sich um eine äußere Angelegenheit des Vereins, bei der das Mitglied dem Verein wie ein Fremder gegenübersteht. Hier ist es deshalb vom Stimmrecht ausgeschlossen, so insbesondere, wenn es sich um die Vereinbarung einer Ver­ gütung handelt (a. A. Stranz in DIZ. 08, 800 und die dort mitgeteilte Entscheidung des LG. Köln; dagegen Staudinger Erl. 5 zu Z 34). 2. Ein Beschluß, an welchem ein nach § 34 rechtlich behindertes Mitglied teilgenommen hat, ist nur dann ungültig, wenn der Beschluß durch die Stimme dieses Mitglieds zustande ge­ kommen oder wenn es doch ungewiß ist, ob diese Stimme nicht den Ausschlag gegeben hat. Gleichgültig ist, ob der Beschluß zugunsten des Mitgliedes gefaßt ist oder nicht (Oertmann Erl. 3 aß zu § 34; a. A. Hölder Erl. ä zu § 34; K. v. RGR. Erl. 1 zu § 34; Staudinger Erl. 4 zu § 34; Broicher im ArchBürgR. 24, 199). 3. Durch die Satzung kann die Vorschrift des g 34 nicht geändert werden (§ 40); die nach181 gestattete Abweichung von der Regel ist hier ausgeschlossen.

§ 35. E. II 8 33 rev. § 32; III 8 32. P. I 3127; M. I 109. P. II 1 S. 529ff. Laband in HirthsAnn. 74, 1487ff.; O. v. Gierke, Genossenschaftstheorie 174ff.; der­ selbe. DPrR. I § 68; Regelsberger I § 84; derselbe in SeuffBl. 95, 1; Lehmann ArchBürgR. 9, 296ff.; Leist, Untersuchungen zum inneren Vereinsrecht; Markowitsch, Das Problem der Sonderrechte der Körperschastsmitglieder, Berl. Diss. 10. 1. Über die Rechte und Pflichten der Mitglieder enthält das BGB. Vorschriften nur in den 88 35 und 58. 2. Die Mitgliedschaft selbst ist kein Recht, sondern ein personenrechtliches Rechtsverhältnis zwischen dem Mitgliede und dem Verein, das die Grundlage für die Rechte und Pflichten der Mitglieder abgibt (vgl. Kisch im JLBl. 21, 202). Dieses Rechtsverhältnis kann im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht werden, und zwar nicht nur gegenüber dem Verein, sondern auch gegenüber Dritten, z. B. wenn die Gültigkeit einer an sich zulässigen Übertragung der Mitgliedschaft bestritten wird (vgl. Oertmann Erl. 3d / zu 8 35; Biermann I 8 138 Ziff. 1). Über den Erwerb der Mitgliedschaft s. Erl. zu 8 38, über den Verlust s. unten Erl. 5d

und Erl. zu 8 39. 3. Mitgliederrechle sind nur die Rechte, die den Mitgliedern als solchen zustehen. Sie sind scharf zu trennen von den vielfach als Gläubigerrechten bezeichneten Rechten, die einzelnen Mitgliedern unabhängig von ihrer Mitgliedschaft auf Grund eines Tatbestandes zustehen, aus dem auch für Nichtmitglieder Rechte gegen den Verein erwachsen könnten, z. B. dem Rechte aus einem dem Verein gewährten Darlehen. Die Milgliederrechle sind nicht bloße Reflexwirkungen der Vereinsverfassung, sondern wirkliche subjektive Rechte (a. A. Laband a. a. O.; dagegen Oertmann Erl. 2b zu 8 35; Dernburg I 3 69 V; Enneccerus 8 105 Anm. 2; Kohler I 8 139; v. Tuhr I 542). Sie können infolgedessen im Wege der (Leistungs- oder Feststellungs-) Klage verfolgt werden. Sie beruhen teils auf dem Gesetz, teils auf der Satzung, teils auf Beschlüssen der Mitgliederversammlung. Unmittelbar aus dem Gesetz ergibt sich das Recht auf Sitz und Sttmme in der Mitgliederversammlung, ferner das Recht aus 8 37. Weitere Rechte schreibt das Gesetz selbst den Mitgliedern nicht zu, insbesondere enthält das Vereinsrecht keine dem 8 716 ent­ sprechende Vorschrift, doch wird man unter ganz besonderen Umständen den Mitgliedern ein Recht auf Einsicht der Bücher und Papiere des Vereins nicht versagen können (vgl. RG. 49,149 für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung). Ihrem Inhalte nach lassen sich die Mitgliederrechte in zwei Gruppen sondern: teils gewähren sie den Mitgliedern eine Mitwirkung in den Angelegenheiten des Vereins, z. B. das Stimmrecht, teils gewähren sie den Mitgliedern einen Anteil an den ideellen oder materiellen

Vorteilen des Vereins, z. B. das Recht auf Benutzung der Vereinsbibliothek, auf Anteil am Gewinn, auf die Liquidationsquole. Kohleri 88 139ff. bezeichnet die Rechte der ersten Gruppe passend als Organschaftsrechte, die der zweiten als Werlrechte (vgl. auch Regelsberg er: gemeinnützige und selbstnützige Rechte). Wertrechte der Mitglieder können nicht zum Nachteile der Gläubiger des Vereins geltend gemacht werden, sie sind daher insbesondere im Konkurse des Vereins nicht zu berücksichtigen. Die Mitgliederrechte sind ihrer Zuständigkeit nach teils Einzelrechte, teils Gruppenrechte, d. h. sie stehen entweder dem einzelnen Mitgliede zu — so die Regel — oder sie stehen nur einer — individuell nicht bestimmten — Mehrzahl von Mitgliedern zu, so das Recht aus 8 37. Die Einzelrechte stehen entweder allen Mitgliedern zu (allgemeine Milgliederrechte) oder nur gewissen Mitgliedern (Sonderrechte). 4. Allgemeine Milgliederrechte können grundsätzlich, wenn sie auf einem einfachen Beschlutz der Mitgliederversammlung beruhen, durch einen ebensolchen Beschluß, sonst durch Satzungs­ änderung geschmälert oder entzogen werden, ohne daß alle Mitglieder zuzustimmen brauchen (so auch die herrschende Meinung, vgl. K. v. R G R. Erl. 1 zu 8 35; Biermann I 8 138 Ziff. 2; Cosack 8 300 I 2aa; Crome 8 52 Ziff. 1; Endemann I 8 45 Ziff. 2; Enneccerus 8 105 III 2; Kohler I 8 172 III Id; Eck I 61 f.; v. Tuhr I 552). Die Satzung kann aber die Zustimmung aller für erforderlich erklären und dies Erfordernis kann sich auch aus dem Gesamtinhalt der Satzung ergeben. Dernburg I § 69 VII will einen Eingriff in die allgemeinen Mitgliederrechte durch Mehrheitsbeschluß nur insoweit gestatten, als er mit Rücksicht auf geänderte Lebensverhältnisse oder zur Verbesserung der Einrichtungen des Vereins nötig oder wünschens­ wert ist. Indes ist damit eine praktisch brauchbare Grenze nicht gegeben. Auch die setbstnützigen Rechte unterliegen im Zweifel der Verfügung des Vereins (a. A. die früheren Auslagen; Oertmann Erl. 4a J zu 8 35; Matthiaß 8 30 III; ähnlich Leonhard § 39 IIb). Möglicher­ weise stellt sich aber die Entziehung der Wertrechle als eine Änderung des Zwecks des Vereins dar und bedarf aus diesem Grunde der Zustimmung aller Mitglieder (Enneccerus 8 105 III 2a; Kohler I 8 172 III Id; v. Tuhr I 553). Rechte auf einen bereits festgestellten Gewinn­ anteil und ähnliche Leistungen unterliegen der Verfügung des Vereins nicht mehr (Rehbein I 50; K. v. RG R. Erl. 2 zu 8 35; Staudinger Erl. III zu 8 35). Freilich darf man diese Rechte, wenigstens beim Verein, nicht als Gläubigerrechte auffassen, so daß sie im Bereinskonkurs zu berücksichtigen wären (a. A. Biermann I 8 138 Anm. 8; Cosack 8 300 I 2b; Crome 8 52 Anm. 8; wie hier K. v. RGR. und Staudinger a. a. O.; v. Tuhr I 552 Anm. 55). Eine Schranke findet die Entziehung oder Schmälerung der allgemeinen Mitgliederrechte an dem Grundsatz der Gleichheit. Einzelne Mitglieder oder ganze Klassen von Mitgliedern dürfen ohne ihre Zustimmung nicht schlechter gestellt werden als die übrigen (Rehbein I 50f.; K. v. RG R. Erl. 1 zu 8 35; Biermann I 8 138 Ziff. 2; Cosack 8 300 I 2 aa; Enneccerus 8 105 III 2a; Kohler I 8 172 III 1; v. Tuhr I 513; RG. 49, 198; 52, 287ff.; 57, 173; 76,159; KG. 24 A 67; 25 A 258; a. A. Leist, Untersuchungen 31, 81, 96). Das Recht auf Gleichheit wird dadurch nicht verletzt, daß die Ausübung der Mitgliederrechle an Voraus­ setzungen geknüpft wird, die für einzelne schwieriger zu erfüllen sind als für andere. Ist aber die Erfüllung der Voraussetzungen dauernd unmöglich, so wird das Recht auf Gleichheit verletzt. So würde eine Satzungsänderung, die den weiblichen Mitgliedern das Stimmrecht entzieht, ohne ihre Zustimmung ungültig sein (a. A. Oertmann Erl. 3b£aa zu 8 35). 5. Über Sonderrechte. a) Der Begriff der Sonderrechte, der im früheren Recht sehr bestritten war, ist im BGB. nicht definiert und ist infolgedessen streitig geblieben. Manche wollen unter Sonderrechten alle Rechte verstehen, die den Mitgliedern nicht ohne ihre Zustimmung entzogen werden können (so die-frührrerr Auslagen, ferner Oertmann Erl. 4 zu 8 35; Rehbein I 50; Kohler I 8 172; Matthiaß 8 30 III; im Ergebnis auch Staudinger Erl. II—IV zu 8 35; auch die Praxis neigt dazu, unentziehbare Rechte als Sonderrechte zu bezeichnen f. RG. 47, 146ff.; 49, 198; 57, 173; 62, 60; 62, 315; 68, 212; 76, 159; OLG. 9, 267; 11, 33; KG. 41 A 157; KG. im Recht 05, 616 Nr. 2521). Welche Rechte danach als Sonderrechte zu betrachten wären, ließe sich nicht allgemein bestimmen, sondern nur aus dem Wesen und Zwecke des einzelnen Vereins und aus dem besonderen Inhalte der Satzung entscheiden (Regelsberger I 8 ö4; v. Gierke, Genossenschaststheorie 174 ff.). Diese Ansicht steht mit der Wortbedeutung von „Sonderrecht" nicht im Einklang; außerdem würde § 35 danach eine Tautologie enthalten. Deshalb ist der Begriff der Sonderrechte aus die Rechte zu beschränken, die nicht allen Mitgliedern als solchen

94

I. Abschnitt: Personen.

unmittelbar kraft ihrer Mitgliedschaft zustehen, insbesondere auf die Vorrechte, die nur einem Mitglied oder einer Klasse von Mitgliedern eingeräumt sind (so auf die herrschende Meinung: Hölder Erl. 1 zu 8 35; K. v. RGR. Erl. 1 zu § 35; Biermann I § 138 Ziff. 2; Cosack § 300 I La/,'; Crome § 52 Ziff. 1; Dernburg I § 69 IV, VII; Endemann I § 45 Ziff. 2; Enneccerus § 105 III 1; Zitelmann I 65; Leonhard § 39 Ilb; v. Tuhr I 552f.; Kisch im JLBl. 21, 203; vgl. auch Eck I 62; RG. 49, 151). b) Die Sonderrechte können auf der Satzung oder auf einem Beschluß der Mitglieder­ versammlung beruhen. Da sie gegen den Grundsatz der Gleichheit verstoßen, können sie nur unter Zustimmung der zurückgesetzten Mitglieder begründet werden. c) Ihrem Inhalt nach können sie Organschafts- oder Wertrechte sein. Beispiele: Recht auf einen ständigen Sitz im Vorstand (in dem Falle IW. 11, 747 hat RG. das Borliegen eines Sonderrechts verneint), mehrfaches Stimmrecht, Vetorecht gegen gewisse Vereinsbeschlüsse — Recht auf vorzugsweise Benutzung der Vereinseinrichtungen, Recht auf einen erhöhten Gewinn­ anteil, Recht auf das Vereinsvermögen oder einen verhältnismäßig größeren Anteil daran bei Auflösung des Vereins, Recht auf individuelle Freiheit von Beiträgen oder auf geringere Be­ lastung mit Beiträgen. Zu der zweiten Gruppe gehören auch die Rechte, die den Mitgliedern aus einem besonderen, aber in ihrer Eigenschaft als Mitglieder geschlossenen Vertrage zustehen, z. B. die Versicherungsansprüche bei einer Versicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit (vgl. RG. 56, 295; OLG. Hamburg in SeuffA. 61, 142; OLG. 3, 267). d) Die Mitgliedschaft ist kein Sonderrecht (a. A. die früheren Auflagen; Kohleri § 172 III 1; Markowitsch 172f.; z. T. auch Staudinger Erl. IV 1 zu 8 35; Matthiaß 8 30 III; wie hier Hölder Erl. 3 zu 8 35; Oertmann Erl. 3aa ju 8 35; K. v. RG R. Erl. 1 zu 8 35; Biermann I 8 138 Ziff. 5; Crome 8 52 Anm. 7; Endemann I 8 45 Anm. 8; Enneccerus 8 105 Anm. 6; Eck I 63; Leonhard 8 39 Ilb; v. Tuhr I 554; RG. 49, 151; 73, 191; OLG. 2, 459; 4, 480; OLG. Dresden in SeuffA. 61, 284). Daraus, daß die Mitgliedschaft kein Sonderrecht ist, folgt aber nicht, daß sie willkürlich entzogen werden kann (s. Erl. zu 8 39). e) Die erforderliche Zustimmung des Mitgliedes, dessen Sonderrecht durch den Beschluß beeinträchtigt wird, braucht nicht in der Mitgliederversammlung erklärt zu werden (vgl. RG. 68, 265). Sie bedarf keiner Form und kann auch stillschweigend und nachträglich erklärt werden. Das bloße Stillschweigen des betreffenden Mitgliedes dürfte regelmäßig nicht genügen, um eine stillschweigende Zustimmung anzunehmen. Zu weit geht in der Annahme einer solchen Hölder Erl. 2 zu 8 35. f) Die Art und Weise, in welcher ein Sonderrecht, wenn es durch Beschluß der Mitgliederversammlung beeinträchtigt ist, gellend gemacht werden kann, bestimmt sich durch den Inhalt des Rechtes. Immer wird eine Feststellungsklage gegen den Verein zulässig sein. g) 8 35 ist nach 8 40 zwingendes Recht. Dies schließt aber nicht aus, daß das Recht unter der auslösenden Bedingung des Widerruss begründet wird (Enneccerus 8 105 Anm. 7). Das ursprünglich unwiderrufliche Recht kann nur mit Zustimmung des Berechtigten in ein wider­ rufliches umgewandelt werden. h) Das Sonderrecht auf Sitz im Borstande kann trotz 8 35 beim Borliegen eines wichtigen Grundes widerrufen werden (so auch v. Tuhr I 555 Anm. 68); 8 27 Abs. 2 ist nicht unmittelbar anzuwenden, weil keine Bestellung vorliegt, aber eine analoge Anwendung ist geboten, 1) Der 8 35 findet auch auf die juristischen Personen des Handelsrechts Anwendung, soweit sich nicht aus den für diese gellenden besonderen Vorschriften Abweichungen ergeben (s. Vorbm. 1 vor 8 21; vgl. Leist 99ff.). 6. Pflichten der Mitglieder bestehen unmittelbar kraft des Gesetzes nicht. Sie können nur durch die Satzung begründet werden, ein bloßer Beschluß der Mitgliederversammlung genügt nur dann, wenn er in der Satzung vorgesehen ist (Hölder Erl. lb zu 8 58; Oertmann Erl. 2b zu 8 58; Rehbein 151; K. v. R G R. Erl. 2 zu 8 38, Erl. 1 zu 8 58; Staudinger Erl. II 2 zu 8 58; Cosack 8 300 II 1; Dernburg I 8 75 Anm. 5; Kohler I 8 156 I. II; 8 168 S. .189 Anm. 2; Matthiaß 8 30 III 1; Eck I 61; v. Tuhr I 550; Wiedemann 454; a. A. Lei st 35. Durch nachträgliche Änderung der Satzung können bestehende Pflichten gesteigert

und neue auferlegt werden (Oertmann a. a. O. und Erl. 5a zu 8 35; Rehbein, K. v. R G R. Matthiaß, v. Tuhr a. a. O.; a. A. Cosack 8 300 II 2; Kohler 8 172 III lb). Der Inhalt der Milgliederpflichten kann sehr verschieden sein, sie können z. B. gehen aus Mitwirkung in den Bereinsangelegenheiten, auf Leistung von Beiträgen, aus Unterlassungen, auf

2.

Titel: Juristische Personen.

KK 35—37.

95

§ 36. Die Mitgliederversammlung ist in den durch die Satzung bestimmten Fällen, sowie dann zu berufen, wenn das Interesse des Vereins es erfordert. § 37. Die Mitgliederversammlung ist zu berufen, wenn der durch die Satzung bestimmte Teil oder in Ermangelung einer Bestimmung der zehnte Teil der Mitglieder die Berufung schriftlich unter Angabe des Zweckes und der Gründe verlangt. Wird dem Verlangen nicht entsprochen, so kann das Amtsgericht, in dessen Bezirke der Verein seinen Sitz hat, die Mitglieder, welche das Verlangen gestellt haben, zur Berufung der Versammlung ermächtigen und über die Führung des Vorsitzes in der Versammlung Bestimmung treffen. Auf die Ermächtigung, muß bei der Berufung der Versammlung Bezug genommen werden. Zahlung von Strafen für den Fall einer Verletzung von Vereinspflichten. Ihre Schranke finden sie an § 138 (vgl. Kohler § 156 III). Auf die einzelne verwirkte Strafe ist auch § 343 anwendbar (Kohler I § 156 IV; v. Tuhr I 505; a. A. Leist, Untersuchungen 58; Oert-

mann Erl. 4 zu § 25). Die Satzung kann den Mitgliedern eine unmittelbare Haftung für die Vereinsschulden auf­ erlegen (Oertmann Erl. 5 zu 8 35; K. v. RGR. Erl. 2 zu 8 38; Crome 8 51 Anm. 49; Eck I 61; a. A. v. Tuhr 1 556). Sonderpflichten können den Mitgliedern nur mit ihrer Zustimmung auferlegt werden (OLG. Dresden in ZBtFG. 3, 254). §36.

E. II 8 34 rev. g 33; III g 33.

P. II 1 S. 532ff.

1. Voraussetzungen, unter denen die Mitgliederversammlung zu berufen ist. Die Berufung der Mitgliederversammlung erfolgt, sofern nicht die Satzung ein anderes bestimmt, durch den Vorstand. Unterläßt dieser die Berufung in Fällen, in denen sie nach 8 36 erfolgen soll, so ist er dafür nach Maßgabe des 8 27 Abs. 3 verantwortlich. Den einzelnen Mitgliedern steht ein Klagerecht gegen den Vorstand auf Berufung der Versammlung nicht zu (Oertmann Erl. 3 zu8 36; K. v. RGR. Erl. 1 zu 8 36; Staudinger Erl. 1, 2 zu 8 36; v. Tuhr I 507; Kisch in GrünhutSZ. 29, 322; a. A. Krückmann in JheringsJ. 57, 35ff.; wie es scheint, auch RG. 79, 411). Der 8 37 gewährt ihnen aber die erforderliche Handhabe, um die Berufung zu erzwingen. Auch die Ansicht von Hölder Erl. zu 8 36, daß jedem Mitglied ein Klagerecht gegen den Vor­ stand auf Berufung der Versammlung zusteht, wenn die Berufung in der Satzung bestimmt sei oder durch den Zweck des Vereins erfordert werde und daß eine Beschränkung aus das im § 37 bestimmte Recht nur dann stattfinde, wenn die Berufung im Interesse des Vereins nur wünschens­ wert sei, dürste sich bei der Natur der hier fraglichen Verpflichtung des Vorstandes und bei dem Zusammenhang, in welchem die 88 36, 37 stehen, nicht rechtfertigen lassen. 2. Eine Änderung des § 36 durch die Satzung ist ausgeschloffen. 3. In betreff der Anwendung des § 36 auf juristische Personen des Handelsrechts gilt das in Erl. 5 i zu 8 35 Gesagte.

§ 37. E. II g 35 rev. g 34; III g 34.

P. II 1 S. 532ff.; 6 6.115.

1 Die Mitgliederversammlung ist zu berufen, wenn der Anttag darauf nach Maßgabe des Abs. 1 gestellt ist. Zu den in dem g 36 bezeichneten Fällen tritt also nach § 37 Abs. 1 ein weiterer Fall hinzu, in welchem der Vorstand zur Berufung der Mitgliederversammlung verpflichtet ist. Vor­ aussetzungen dieser Verpflichtung sind:

a) daß der in der Satzung bestimmte Teil der Mitglieder oder in Ermangelung einer Bestimmung der Satzung der zehnte Teil die Berufung verlangt. Bestimmt die Satzung eine geringere Zahl, so genügt diese. Bestimmt die Satzung eine größere Zahl, so ist diese erforderlich (a. A. Hölder Erl. 1 d zu 8 37, der auch in diesem Falle im Widerspruche mildem Wortlaute der Vorschrift den zehnten Teil für genügend erklärt; wie hier Oertmann Erl. 1 zu 8 37; Staudinger Erl. Illa zu § 37).

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I. Abschnitt: Personen.

b) daß das Verlangen schriftlich unter Angabe des Zweckes und der Gründe an den Vor­ stand gestellt ist. Als genügend ist anzusehen, wenn das Verlangen einem Mitgliede des Vor­ standes gegenüber erklärt wird. Es ergibt sich dieses aus § 28 Abs. 2, der zwar nicht direkt den hier fraglichen Fall trifft, aber doch entsprechend angewendet werden muß (Oertmann Erl. 2o zu 8 37). Nicht vorausgesetzt wird, daß die angeführten Gründe genügen, um die Berufung der Ver­ sammlung zu ied)tfertigen. Das Gesetz geht vielmehr davon aus, daß, wenn die erforderliche Zahl unter Angabe des Zweckes und der Gründe die Berufung schriftlich beantragt, ohne weiteres dadurch eine Verpflichtung des Vorstandes zur Berufung begründet wird (so auch v. Tuhr I 508; a. A. Hölder Erl. la zu § 37; Oertmann Erl. 2 zu § 37; K. v. RG R. Erl. 1 zu § 37; Stau­ dinger Erl. II2 zu § 37, die übrigens im einzelnen voneinander abweichen). *2. Die Zulässigkeit der Ermächtigung der Mitglieder zu der Berufung der Mitglieder-

Versammlung hängt nach Abs. 2 lediglich davon ab, daß der Vorstand einem nach Maßgabe des Abs. 1 gestellten Anträge nicht entspricht. Durch das Wort „kann" im Abs. 2 wird aber ausgedrückt, daß das Amtsgericht zur Erteilung der Ermächtigung nicht ebenso unbedingt ver­ pflichtet ist wie der Vorstand nach Abs. 1 zur Berufung der Versammlung. Das Anltsgericht hat vielmehr zu prüfen, ob die angeführten Gründe geeignet sind, die Berufung der Ver­ sammlung zu rechtfertigen, und nach pflichtmäßigem Ermessen die Entscheidung zu treffen. Nach P. II 1 S. 533 hatte die zweite Kommission angenommen, daß das Amtsgericht nur die formellen Voraussetzungen zu prüfen habe. Dies entsprach auch dem angenommenen Anträge, welcher den jetzigen Abs. 1 des Paragraphen überhaupt nicht enthielt und für den Antrag an das Amtsgericht die Angabe von Gründen nicht erforderte. Die jetzige Fassung rührt von der Redaktionskommission her. Ein bei der Revision gestellter Antrag, die Angabe von Gründen nicht zu erfordern, wurde abgelehnt (P. II 6 S. 115). Nach der Bedeutung, welche das Wort „kann" in Fällen der hier fraglichen Art im BGB. hat, wird man annehmen müssen, daß die Kommission durch die Annahme der von der Redaktionskommission vorgeschlagenen Fassung ihren früheren Standpunkt aufgegeben und sich der oben dargelegten Auffassung an­ geschlossen hat. Dafür spricht auch, daß das Gericht nach FGG. 8 160 vor der Verfügung, soweit tunlich, den Vorstand hören soll. Man wird bei dieser Auffassung auch nicht etwa einen Widerspruch zwischen dem Abs. 1 und dem Abs. 2 annehmen können; denn es ist sehr wohl denkbar, daß der Vorstand beim Borliegen der formellen Voraussetzungen unbedingt verpflichtet ist, die Mitgliederversantmlmlg zu berufen und sich durch Nichterfüllung dieser Verpflichtung ver­ antwortlich macht, während das sich als eine besondere Ausnahme darstellende Recht des Amts­ gerichts von bd weiteren Voraussetzung abhängen soll, daß das Amtsgericht die Berufung

für materiell gerechtfertigt hält (Hölder Erl 2e zu 8 37; K. v. RGR. Erl. 2 zu 8 37; Stau­ dinger Erl. III 6 zu 8 37; Crome 8 51 Anm. 33; Kohler I 8 163; v. Tuhr I 508; vgl. KG. 28 A 216; 32 A 140; a. A. Gareis Erl. 2 zu 8 37; Kuhlenbeck Erl. 2 zu 8 37; Oertmann Erl. 3 zu 8 37; Goldmann-Lilienthal I 83 Anm. 64; vgl. auch HGB. 8 254; GenG. 8 45). Die Ermächtigung zur Berufung der Versammlung kann nur den Mitgliedern erteilt werden, die den Antrag gestellt haben. In der Ermächtigung ist zugleich zu bestimmen, wer in der Ver­ sammlung den Vorsitz zu führen hat. Ist hierüber keine Bestimmung getroffen, so entscheidet die Bestimmung der Satzung über den Vorsitz und in Ermangelung einer solchen hat der Vorstand den Vorsitz zu führen (f. Erl. 2 zu 8 32). 3. Entsprechende Anwendung werden die Vorschriften des 8 37 auf den Fall finden müssen, daß nach Maßgabe des Abs. 1 beantragt wird, einen bestimmten Gegenstand auf die Tages­ ordnung der Mitgliederversammlung zu setzen und der Vorstand zwar die Versammlung beruft, aber sich weigert, den bezeichneten Gegenstand auf die Tagesordnung zu setzen. 4. Durch das Wort „muß" im letzten Satze des Abs. 2 wird ausgedrückt, daß die Berufung der Versammlung unwirksam ist, wenn dabei nicht auf die Ermächtigung des Amtsgerichts Bezug genommen wird. 5. Eine Änderung des § 37 durch die Satzung ist unzulässig. Nach 8 37 Abs. 1 kann indessen durch die Satzung bestimmt werden, daß ein geringerer oder ein größerer als der zehnte Teil der Mitglieder die Berufung der Mitgliederversammlung verlangen kann. Sie kann be­ stimmen, daß dieses Recht nur der Mehrheit der Mitglieder zustehen soll (a. A. Staudinger Erl. VII zu 8 37; v. Tuhr I 507 Anm. 9) oder nur einer qualifizierten Mehrheit (a. A. Oertmann Erl. 5 zu 8 37; wie hier Co sack 8 297 II Id). Unzulässig ist nur die Bestimmung,

§ 38. Die Mitgliedschaft ist nicht übertragbar und nicht vererblich. Die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte kann nicht einem Anderen überlassen werden. dah alle Mitglieder das Verlangen stellen müssen, denn auS Abs. 1 ergibt sich, daß immer ein

Teil der Mitglieder genügen soll.

6. In betreff der Anwendung des g 37 auf juristische Personen des Handelsrechts gilt das in Erl. 5L zu § 35 Gesagte. 8 38. E. II 8 36 Abs. 1 reu. 8 35; III 8 35. 1.

Über die Fähigkeit zur Mitgliedschaft

enthält

P. II 1 S. 534ff. das BGB. keine Vorschriften.

Daher

können natürliche und juristische Personen Mitglied sein. Wenn ein Verein andere Vereine zu Mitgliedern hat, so brauchen die Mitglieder der Zweigvereine in keiner rechtlichen Beziehung zum Hauptverein zu stehen, es ist aber auch möglich, daß mit der Zugehörigkeit zum Zweigverein zugleich die Mitgliedschaft im Hauptverein gegeben ist (vgl. Oertmann Erl. 2b u. 7 zu § 38; Kohler I § 157 III; v. Tuhr I 542 Anm. 2; RG. in SeuffA. 59, 217). Über die Frage, ob nicht rechtsfähige Vereine Mitglied eines rechtsfähigen Vereins sein können, s. Erl. 3 g ju § 54. Durch die Satzung kann die Fähigkeit zur Mitgliedschaft an bestimmte Eigenschaften geknüpft sein. Für politische Vereine bestehen Schranken kraft des Reichsvereinsgesetzes, nach § 17 dürfen Minderjährige unter 18 Jahren nicht Mitglieder sein, nach § 23 in Verbindung mit § 49 Abs. 2 RMilG. nicht aktive Militärpersonen. 2. Auch über den Erwerb der Mitgliedschaft enthält das BGB., abgesehen von § 38, keine allgemeine Vorschrift, für eingetragene Vereine schreibt 8 58 Nr. 1 vor, daß die Satzung Be­ stimmungen über den Eintritt der Mitglieder enthalten soll. Die Gründer des Vereins erwerben die Mitgliedschaft mit der Entstehung des Vereins infolge des von ihnen abgeschlossenen Ver­ trages. Die Mitgliedschaft in einem bestehenden Verein ist nach § 38 Satz 1 unübertragbar und unvererblich. Aus dem Wesen der Mitgliedschaft würde die Unübertragbarkeit und Unvererblichkeit nicht folgen. Bei den Vereinen mit idealen Tendenzen entspricht sie aber regelmäßig deren Zwecke. Anders liegt das Verhältnis häufig bei Vereinen, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist; als Regel gilt indessen auch für sie die Vorschrift des § 38 Satz 1. Doch kann diese Vorschrift für beide Arten von Vereinen nach § 40 durch die Satzung geändert

werden. Der Normalfall des Erwerbs der Mitgliedschaft in einem bestehenden Verein ist der Ein­ tritt. Er ist Rechtsgeschäft, auf den die allgemeinen Vorschriften über Rechtsgeschäfte Anwendung finden, insbesondere die Vorschriften über Willensmängel (vgl. Erl. 6 zu § 21). Beschränkt Geschäftsfähige bedürfen zum Eintritt der Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters, da mit der Mitgliedschaft Pflichten verbunden sind oder durch Satzungsänderung verbunden werden können (a. A. Pradzynski in IW. 12, 1012, der in der irrigen Meinung, daß die Aufnahme in einen Verein nur Rechte gebe und die Pflichten auf einem dem Eintritt in den Verein zu­ grunde liegenden obligatorischen Vertrag bei-uhten, die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters für entbehrlich erklärt). Über die Erfordernisse des Eintritts im einzelnen kann die Satzung

bestimmen. Sie kann die einseitige an den Verein gerichtete Erklärung des Eintretenden für genügend erklären (Oertmann Erl. 4a zu § 38; Kohler I § 157 III; v. Tuhr I 543 Anm. 8; BayObLG 7, 612 —OLG. 15, 307). In Ermangelung einer solchen Satzungsbestimmung

bedarf es außer der Eintrittserklärung des neuen Mitgliedes der Aufnahme durch den Verein. Zuständig ist, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, die Mitgliederversammlung, nicht der Vorstand, da es sich um eine innere Angelegenheit des Vereins handelt (Hölder Erl. zu § 58; Oertmann Erl. 4a zu § 38, Erl. 2a zu § 58; Rehbein I 49; K. v. RGR. Erl. 2 zu § 38, Erl. 1 zu § 58; Biermann I § 138 Anm. 1; Crome § 52 II 3; Enneccerus § 105 Anm. 1; Eck I 61; v. Tuhr I 543; a. A. Staudinger Erl. II la zu § 58; Cosack § 298 11; Zitelmann I 64, die den Vorstand für zuständig Hallen). Eintritts- und Aufnahmeerklärung

bilden zusammen einen Vertrag (Biermann a. a. O.; Matthiaß § 30 II; Pradzynski a. a. O ; RG 60, 142; OLG. 1, 157; a. A. Hölder Erl. zu § 58; Oertmann Erl. 4a zu § 38; Staudinger Erl. II lb zu § 58; Kohler I § 156 III, § 157 III, die zwei einseitige Erklärungen annehmen; v. Tuhr I 543 unterscheidet, ob die Aufnahme durch die Mitglieder­ versammlung oder durch den Vorstand erfolgt und nimmt nur im zweiten Fall einen Vertrag an). Eine Pflicht zur Aufnahme besteht für den Verein an und für sich nicht, auch wenn der Planck, Kom. zum BGB.

Bd. I.

4. Aufl.

(Knoke.)

7

98

I. Abschnitt: Personen.

§ 39. Die Mitglieder sind zum Austritt Durch die Satzung kann bestimmt werden, eines Geschäftsjahrs oder erst nach dem Ablauf die Kündigungsfrist kann höchstens zwei Jahre

aus dem Vereine berechtigt. daß der Austritt nur am Schlüsse einer Kündigungsfrist zulässig ist; betragen.

um die Aufnahme Nachsuchende alle Bedingungen für die Aufnahme erfüllt (Rehbein I 49; Staudinger Erl. II la gu § 58; v. Tuhr I 543; RG. 60, 103), doch kann für den Verein eine Aufnahmepflicht durch Vorvertrag mit dem Aufzunehmenden oder durch Vertrag mit einem Dritten begründet sein (RG. 47, 76ff.; a. A. Rehbein I 49). Durch einseitige Erklärung des Vereins kann natürlich niemandem die Mitgliedschaft aufgezwungen werden (O ertmann Erl. la zu § 38; Staudinger Erl. II la zu § 58; Kohler I § 157 III; v. Tuhr I 543); es kann aber durch Vorvertrag eine Beitrittspflicht begründet sein (Endemann I § 45 Anm. 1). Für die Begründung der Ehrenmitgliedschaft darf man mit Oertmann a. a. O. annehmen, daß die einseitige Erklärung des Vereins genügt, daß aber der Betreffende ein Ablehnungsrecht hat. 3. Nach Satz 2 kann auch die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte einem anderen nicht überlassen werden. Dies gilt insbesondere auch von der Ausübung des Stimmrechts in der Mitgliederversammlung, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Ausübung einem anderen Mit­ glied oder einem Dritten überlassen wird. Nicht ausgeschlossen durch Satz 2 wird aber die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte durch den gesetzlichen Vertreter einer geschäftsunfähigen oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkten oder einer juristischen Person. Eine in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ist selbst zur Ausübung der Mitgliedschaftsrechte berechtigt, bedarf aber dazu, soweit es sich um Willenserklärungen handelt, durch die sie nicht lediglich einen rechtlichen Vor­ teil erlangt, der Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters (§§ 107, 111). Hat der gesetzliche Vertreter der in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person die Einwilligung zum Eintritt in den Verein erteilt, so dürfte darin auch die Einwilligung zu der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte zu finden sein. Über die Stimmberechtigung in der Mitgliederversammlung vgl. Erl. 2 zu § 32. Zur Ausübung solcher Mitgliedschaftsrechte, die ihrem Inhalte nach an die Person der Mitglieder gebunden sind, z. B. des Rechtes auf Benutzung eines Lesezimmers, ist nur das geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Mitglied, nicht dessen gesetzlicher Ver­ treter berechtigt, soweit es sich dabei nicht um Willenserklärungen handelt, durch die sie einen rechtlichen Nachteil erleiden kann. Ist dies der Fall, so bedarf sie der Einwilligung ihres gesetz­ lichen Vertreters (§§ 107, 111; Enneccerus I § 105 Anm. 3; v. Tuhr I 548). Da die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte nicht übertragen werden kann, so ist auch eine Vereinbarung mit einem Dritten nichtig, nach der das Mitglied sich verpflichtet, feine Rechte als Mitglied und insbesondere sein Stimmrecht nach den Weisungen des Dritten auszuüben (v. Tuhr I 510; RG. 69, 136). Auch die Vorschrift des zweiten Satzes des § 38 kann nach § 40 durch die Satzung ge­ ändert werden. 4. Durch § 38 wird die Abtretung selbständiger Rechte, die auf Grund der Mitgliedschaft erworben find, z. B. des Rechtes auf einen Anteil an dem bis dahin erzielten Gewinn, nicht ausgeschlossen (Oertmann Erl. 5ä zu 8 38; Crome § 52 Anm. 8; Windscheid-Kipp Zus. 4 zu 8 59; Eck I 61; a. A. v. Tuhr I 552 Anm. 55). Die ratio des 8 38 trifft hier nicht zu, diese Rechte können auch einem ausgeschiedenen Mitgliede verbleiben (s. Erl. 1 zu § 39), für die Zulässigkeit spricht schliehlich die Analogie des auf nicht rechtsfähige Vereine anwendbaren 8 717. Ebenso können Anwartschaften auf künftige Gewinnanteile und künftige Anteile an dem Vermögen des Vereins (§ 45 Abs. 1 und 3) abgetreten werden, doch unterliegen sie auch nach der Abtretung der Verfügung des Vereins. 5. In betreff der Anwendung des K 38 auf juristische Personen des Handelsrechts gilt das in Erl. 5 i zu 8 35 Gesagte.

§39. E. II 8 36 Abs. 2 red. 8 36; III 8 36. P. II 1 S. 534ff.

Hedemann, Ausstoßung aus Vereinen, im ArchBürgR. 38, 132ff. 1. Durch den Austritt verliert das Mitglied für die Zukunft alle auf der Mitgliedschaft bemhenden Rechte und wird von allen dadurch begründeten Verpflichtungen frei. Die infolge der Mitgliedschaft vor dem Austritt erworbenen selbständigen Rechte, z. B. das Recht auf einen Anteil an dem bis dahin gemachten Gewinne, werden durch den Austritt nicht berührt; ebenso

bleiben die bereits ftüher entstandenen, nicht durch die Fortdauer der Mitgliedschaft bedingten Berpflichwngen, z. B. die Verpflichtung zur Zahlung eines Beitrags für die Vergangenheit, bestehen. Der Austritt erfolgt durch einseitige Willenserklärung gegenüber dem Vereine. Nach §28 Abs. 2 genügt die Abgabe der Erklärung gegenüber einem Mitgliede des Vorstandes. Ist kein Vorstandsmitglied vorhanden, so findet der § 29 Anwendung. Das RG. im Recht 12 Nr. 541 hat angenommen, daß, wenn sich eine Gruppe von Mitgliedern aus dem Verein aussondert und eine Bereinigung für sich bildet, die sich dm übrigen Mitgliedern als eigene Bereinszwecke verfolgend gegenüberftellt, darin ein dem Austritt gleichzuflellendes Verhalten liegt. 2. Eine Beschränkung des Austrittsrechts durch die Satzung ist nur innerhalb der im Abs. 2 bestimmten Grenzen zulässig. Als unzulässig wird auch eine Vorschrift zu betrachten sein, durch welche für den Fall des Austritts, soweit dieser nach Abs. 2 nicht beschränkt werden kann, eine Vertragsstrafe (ein Austrittsgeld) bestimmt wird. Die entsprechende Anwendung des § 344, welcher sich direkt nur auf das Versprechen einer Leistung bezieht, ist zwar nicht vorgeschrieben, dürfte aber unbedenklich sein. Vgl. auch die für das Gesellschaftsrecht ergangene Entscheidung RG. 61, 328. Ebmso unzulässig ist es, den Mitgliedern für die Zeit nach ihrem Ausscheiden die Weitererfüllung bestimmter Mitgliederpflichten aufzuerlegen. RG. 71, 390; OLG. Stuttgart im Recht 10 Nr. 3882. Die Ansicht von Biermann I § 138 Anm. 25 und Kohler I § 158, daß Milgliederpflichten für die Dauer von zwei Jahren nach dem Austritt auftechterhalten bleiben könnten, führt zu einer Beschränkung des AuStrittsrechis, wenn nach der Satzung die Rechte aus der Mitgliedschaft sofort mit dem Austritt erlöschen, und ist deshalb abzulehnen. Unzulässig ist auch eine Bestimmung, durch welche der Austritt an eine erschwerende Form gebunden, z. B. öffentliche Beglaubigung der Austrittserklärung gefordert wird; denn in einer solchen Bestimmung liegt eine durch Abs. 2 nicht zugelassene Beschränkung des Austritts (a. A. wie es scheint Hachenburg 489; ferner Hölder Erl. 1 zu § 39, der die Bestimmung einer Form nur dann für unzulässig hält, wenn sie den Zweck hat, den Austritt zu erschweren). Soweit die Form keine Erschwerung bedeutet, kann sie vorgeschrieben werden (Oertmann Erl. 2o/ zu § 39; Staudinger Erl. 2 zu § 39; a. A. v. Tuhr I 545 Anm. 16). Insbesondere bedeutet unter den heutigen Verhältnissen die Schriftsorm keine Erschwerung des Austritts (Kohler I § 159 II; OLG. Kolmar im Recht 09 Nr. 1964; OLG- Stuttgart daselbst 11 Nr. 2498). Ist Austrittserklärung mittel- eingeschriebenen Briefes vorgeschrieben, so ist die durch gewöhnlichen Brief erfolgte Austrittserklärung wirksam, wenn der Vorstand des Vereins von ihr Kenntnis nimmt (RG. 77, 70). Zulässig ist im Falle des Abs. 2 die Erklärung des Austritts vor dem Ablaufe des Geschäftsjahrs auf daS Ende desselben. 3. Über die AuSfchlietzuug eine- Mitgliedes enthält das BGB. keine Vorschrift. Sie ist zweifellos zulässig auf Grund der ursprünglichen Satzung. In der Bestimmung der Ausschlietzungsgründe hat die Satzung freie Hand, sie kann dem Verein sogar ein willkürliches Ausschließungs­ recht einräumen (Oertmann Erl. 3d a «« zu § 35; Eck I 63; v. Tuhr I 545). Das Aus­ schließungsrecht kann auch nachträglich durch Satzungsändemng begründet und erweitert werden, ohne daß alle Mitglieder zuzustimmen brauchen (Oertmann Erl. 3d« zu § 35; Eck I 63; v. Tuhr I 545 Anm. 18; a. A. die früheren Auflagen Erl. 1 zu § 35; Rehbein I 49; Kohler I § 172 III la; Leonhard § 39 IIb). Das bedeutet freilich eine Gefahr für eine mißliebige Minderheit, aber die Möglichkeit einer solchen Satzungsänderung ist durch das Interesse des Vereins geboten, die Minderheit findet einen gewissen Schutz in den erschwerten Erforder­ nissen der Satzungsänderung, sie kann schließlich in der Regel der Ausschließung durch Austritts­ erklärung zuvorkommen. Selbstverständlich kann die Satzung die in Frage stehende Satzungs­ änderung von der Zustimmung aller Mitglieder abhängig machen, möglicherweise läßt sich dies Erfordernis im einzelnen Falle aus dem Gesamtinhalt der Satzung und dem Zweck des Vereins ableiten. Manche Schriftsteller wollen die Zulässigkeit der Ausschließung auf den Fall beschränken, daß sie in der Satzung vorgesehen ist (Hölder Erl. 3 zu § 35; Cosack § 303 Ilb; Crome § 53; Endemann I § 45 Anm. 8; Goldmann-Lilienthal I 85; Kohler I § 159 III; Zitelmann I 64; Eck I 63; Leonhard § 39 Ilb; Kisch JLBl. 21, 203). Indessen ist egerechtfertigt, dem Verein beim Borliegen eines wichtigen Grundes das Ausschließungsrecht nach Analogie des § 737 auch ohne Satzungsbestimmung zu geben, ohne dies Recht würde das Bereinsleben den schwersten Schädigungen ausgesetzt sein (für die hier vertretene Ansicht: Oert-

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100

I. Abschnitt: Personen.

mann Erl. 3d a ju § 35: Rehbein I 49; K. v. RG R. Erl. 2 zu § 39; Staudinger Erl. IV 2 zu § 35; Dernburg I § 69 VI; Enneccerus § 105 V; Windscheid-Kipp § 59 Zus. 4; v. Tuhr I 545; Hedemann 134; RG. 73, 187 läßt die Frage offen). Das Ausschließungs­ recht aus wichtigem Grunde kann bei den rechtsfähigen Vereinen durch die Satzung beseitigt werden, dies ist aber nicht schon dann anzunehmen, wenn in der Satzung einzelne Ausschließungsgründe namhaft gemacht sind (Oertmann Erl. 3da ßß ju § 35). Ein willkürliches Aus­ schließungsrecht kann dem Verein nur auf Grund seiner Satzung zustehen (a. A. Biermann I § 138 Ziff. 5; Matthiaß § 30 I; Leist, Untersuchungen 116ff.; OLG. Karlsruhe in DIZ. 09, 1032; wie hier die herrschende Ansicht, RG. 73, 187). Es ist nicht anzunehmen, daß sich die Vereinsmitglieder einer so weitgehenden Vereinsherrschaft unterwerfen wollten, und das Gesetz hat keinen Anlaß, von sich aus den Vereinen eine solche Macht durch ergänzenden Rechtssatz einzuräumen. Das für die Ausschließung zuständige Organ wird durch die Satzung bestimmt (vgl. KG. 36 A 264; BayObLG. 9,179 = SeuffA. 63, 345; OLG. 4, 418; 22, 115, 342), im Zweifel ist die Mitgliederversammlung zuständig (RG. in LZ. 09, 141). Die Gültigkeit des Beschlusses setzt ordnungsmäßige Berufung der Mitgliederversammlung voraus (RG. in IW. 12, 741). Dem Auszuschließenden muß Gelegenheit gegeben werden, sich zu verteidigen (RG. in IW 08, 674; vgl. OLG. 20, 34; 22, 342; unrichtig OLG. Köln im Recht 08 Nr. 934, daß die Nicht­ gewährung des Gehörs dann nichts schade, wenn der Ausschluß auch nach vorheriger Anhörung erfolgt wäre). Wenn die Ausschließung nach der Satzung nur aus bestimmten Gründen zulässig ist, müssen die Gründe in dem Ausschließungsbeschluß angegeben werden (vgl. BayObLG. 9,179; OLG. 6, 498; 10, 246). Gegen die Ausschließung steht dem Ausgeschlossenen der Rechtsweg offen: er kann auf Feststellung feiner Mitgliedschaft klagen. (Vgl. OLG. 24, 245, wo der Klage eines ausgeschlossenen Mitglieds auf Feststellung seines Rechts an die Mitgliederversammlung zu appellieren, stallgegeben ist) Der Rechtsweg kann dadurch ausgeschlossen werden, daß in der Satzung die Entscheidung durch ein Schiedsgericht vorgeschrieben wird, dieses darf aber kein Vereinsorgan sein (v. Tuhr I 547; Hedemann 139). Sonst kann der Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden (OLG. 20, 34; a. A. Leist, Untersuchungen 167ff.; RG. im Recht 06, 1434 Nr. 3405; OLG. 4, 418); dagegen ist es zulässig, daß die Satzung die Anrufung der staat­ lichen Gerichte erst nach Erschöpfung der Bereinsinstanzen gestattet (OLG. 4, 418; OLG. Dresden in SeuffA. 66, 287; OLG. Karlsruhe in BadRpr. 11, 65; Hedemann 139ff.). Für die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit des Ausschlusses ist nur der in dem Ausschließungsbeschluß angegebene Grund maßgebend (OLG. Kolmar im Recht 09 Nr. 1963). Das Gericht hat in allen Fällen nachzuprüfen, ob formell ordnungsmäßig verfahren ist; auf die Erheblichkeit des Formverstoßes dürste es nicht ankommen (a. A. Hedemann 142): die Satzung kann aber vorschreiben, daß Formverstöße in bestimmter Weise geheilt werden können, auch dürfte es zulässig sein, daß das auszuschließende Mitglied sich im voraus mit dem abweichenden Verfahren einverstanden erklärt (OLG. Karlsruhe in BadRpr. 08, 293). Eine materielle Nachprüfung steht dem Gericht nicht zu, wenn die Satzung einen beliebigen Ausschluß gestattet, auch dann nicht, wenn der Ausschluß offenbar unbillig ist oder sich als grober Mißbrauch darstellt (a. A. Enneccerus § 105 V; Hedemann 137), denn die Unterwerfung unter ein willkürliches Ausschlußrecht verstößt nicht gegen den § 138, auch die willkürliche Aufhebung eines Mietvertrages oder eines Dienswertrages kann offenbar unbillig sein, ohne deshalb unzulässig zu werden (vgl. auch v. Tuhr I 545). Ist dagegen dem Verein kein willkürliches Ausschließungsrecht eingeräumt, so unterliegt die Ausschließung auch der materiellen Nachprüfung durch den Richter (Oertmann Erl. 36/- zu 8 35; Biermann I § 138 Ziff. 5; Cosack § 303 Ib; Dernburg I § 69 VI; v. Tuhr I 547; OLG. 15, 305; a. A. K. v. R G R. Erl. 2 zu § 39; Staudinger Erl. IV 2 zu § 35; Kohler I 373 Anm. 1; Eck I 63 und die herrschende Praxis: RG. 49, 150ff.; 51, 66ff.; RG. in IW. 00, 417 Nr. 19; 03 Beil. 3 Nr. 7; 06, 416 Nr. 1; 12, 741; BayObLG. 9, 179 ---- SeuffA. 63, 345; OLG. 2, 459; 5, 14; 6, 498; 20, 34; 22, 178; KG. in DIZ. 12, 102; OLG. Karlsruhe in BadRpr. 08, 293; in DIZ. 10, 543). Die herrschende Ansicht pflegt sich aus die Autonomie des Vereins zu berufen. Diese kann hier nur bedeuten, daß der Verein in den durch seine Verfassung gegebenen Grenzen seine Angelegen­ heiten selbständig ordnen kann. Aus der Bereinsamonomie folgt daher nur, daß, wenn Tatsachen vorliegen, die in der Satzung als AuSschließungSgrund anerkannt sind, der Richter nicht nachzuprüfen hat, ob eS zweckmäßig oder billig war, daß der Verein von dem ihm dadurch erwachsenen Ausschließungsrechte Gebrauch gemacht hat. Das RG. 73, 191 (vgl. auch

§ 40. Die Vorschriften des § 27 Abs. 1, 3, des § 28 Abs. 1 und der §§ 32, 33, 38 finden insoweit keine Anwendung, als die Satzung ein anderes bestimmt. § 41. Der Verein kann durch Beschluß der Mitgliederversammlung auf­ gelöst werden. Zu dem Beschluß ist eine Mehrheit von drei Vierteilen der erschienenen Mitglieder erforderlich, wenn nicht die Satzung ein anderes bestimmt. 49, 154; OLG. 2, 249; OLG. Hamburg im Recht 08 Nr. 1253) bezeichnet die Ausschließung mit Recht als einen Verwaltungsakt, hätte aber der Verein endgültig darüber zu entscheiden, ob die in der Satzung als Ausschließungsgründe bezeichneten Tatsachen vorliegen, so würde er zum Richter, und zwar zum Richter in eigener Sache (so auch RG. 57, 156). So wenig in anderen privatrechtlichen Verhältnissen der einen Partei die endgültige Entscheidung darüber zu­ steht, ob Tatsachen vorliegen, die sie zur einseitigen Aushebung deS Verhältnisses berechtigen, so wenig kann der Verein ein solches Recht haben. Die Zulassung der materiellen Nachprüfung durch den Richter bedeutet schließlich, wie v. Tuhr mit Recht gegen RG. 49, 154 bemerkt, weder ein staatliches Aufsichtsrecht noch einen Eingriff in die Rechtsstellung des Vereins, sie ist nichts weiter als die Gewährung des zivilprozessualen Schutzes, wie er dem Verhältnis zwischen Verein und Mitglied als einem privatrechtlichen Verhältnis zukommt. Bei den eingetragenen Genossenschaften erkennt übrigens auch das Reichsgericht an, daß dem Ausgeschlossenen die materielle Nachprüfung nicht versagt werden kann (RG. 57,156; RG. in IW. 08, 250 Nr. 24; in SeufsA. 63, 412; vgl. ferner OLG. Braunschweig in SeuffA. 64, 469). Aus den angeführten .Gründen kann auch der von EnnecceruS und Hedemann a. a. O. vertretenen vermittelnden Richtung nicht beigetreten werden, nach der die materielle Nachprüfung nur in der Richtung zu­ lässig ist, ob eine offenbare Unbilligkeit oder ein grober Mißbrauch vorliegt. Ist der Antrag auf Ausschließung von dem zuständigen Organ endgültig abgelehnt, so kann die Ausschließung wegen desselben Tatbestandes nicht nachträglich beschlossen werden (vgl. RG. 51, 89 ff.). Wird ein Mitglied rechtswidrig ausgeschlossen, so kann es Schadensersatz verlangen, wenn der Ausschließungsbeschluß auf einem Verschulden der Bereinsorgane beruhte (vgl. RG. 72, 11). Ein bereits ausgetretenes Mitglied kann nicht mehr ausgeschlossen werden; erfolgt ein solcher Ausschluß, so kann auf Feststellung seiner Unwirksamkeit geklagt werden (RG. 51, 66; RG. in IW. 05, 315; RG. 78, 134; BayObLG. 7, 577 --- SeuffA. 62, 305; a. A. Lenel in DIZ. 13, 84). Eine Feststellung, daß der Kläger ordnungsmäßig, also ehrenvoll ausgeschiedett sei, kann nicht begehrt werden (RG. 78, 134). 4. Weitere EndigungSgründe für die Mitgliedschaft können sich aus der Satzung ergeben, z. B. Verlegung des Wohnsitzes, Verlust der Mitgliedschaft in einem anderen Verein (anders für Aktiengesellschaften OLG. 2, 232). § 40.

I § 44 Abs. 7, 8 48 Abs. 6; II 8 37 rev. 8 37; III 8 37. P. I 3099ff., 3113ff., 3129ff.; M. I 94 ff., 105 ff. P. II 6 S. 115. Siehe die Erl. zu den §§ 27, 28, 32, 33, 38. Die übrigen die Verfassung des Vereins betreffenden Vorschriften find zwingend, soweit nicht in ihnen selbst eine Änderung durch die

Satzung zugelassen ist (s. § 26 Abs. 2 Satz 2; § 30; § 37 Abs. 1; § 39 Abs. 2). Unberührt bleiben nach EG. Art. 82 die landesgesetzlichen Vorschriften über die Verfassung solcher Vereine, deren Rechtsfähigkeit auf staatlicher Verleihung beruht.

8 41. E. II 8 38 rev. 8 38; III 8 38. P. II 1 S. 538ff. D. 610. Der E. I enthielt keine Vorschriften über die Auflösung eines rechtsfähigen Vereins (einer Körperschaft nach dem Sprachgebrauch des E. I); vielmehr waren die Vorschriften über das Erlöschen wie über die Entstehung der Körperschaften der Landesgesetzgebung überlassen. Die zweite Kommission hielt aber reichsrechtliche Vorschriften über die Auslösung eines Vereins für zweckmäßig. Diese sind in den §§ 41—44 gegeben; vgl. außerdem für eingetragene Vereine § 73. 1. Das BGB. unterscheidet zwischen Auflösung des Vereins und Verlust der Rechts­ fähigkeit. Die erstere findet statt im Falle des § 41. Über andere Auflösungsgründe s. Erl. 3.

Verlust der Rechtsfähigkeit findet statt in den Fällen der §§ 42, 43, 73 sowie in den in Erl. 4

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I. Abschnitt: Personen.

angegebenen Fällen. Der E. III (§§ 39, 40, 70) sprach auch in den Fällen der §§ 42, 43, 73 von der Auslösung des Vereins. Die Unterscheidung beruht auf einem Beschlusse der RTK. Maßgebend ist dabei der Gedanke gewesen, daß die Gründe, aus welchen Verlust der Rechtsfähigkeit erfolgt, nicht mit Notwendigkeit dahin führen, den Verein, wenn er als nicht rechtsfähiger Verein fortexistieren will, aufzulösen. Daraus wird aber nicht zu folgern sein, daß der Verein, wenn er die Rechts­ fähigkeit verliert, immer als nicht rechtsfähiger Verein so lange sortbesteht, bis er seine Auflösung beschließt. Das Gericht kann einen Verein, der von Anfang an nur als rechtsfähiger Verein hat existieren wollen, nicht in die Lage bringen, daß er nach dem Verluste der Rechtsfähigkeit, wenn auch nur vorübergehend, als nicht rechtsfähiger Verein, d. h. also nach § 54 als ein nach den Vorschriften über die Gesellschaft zu beurteilender Verein sortbesteht, obwohl die Mitglieder des Vereins dies weder gewollt noch irgendwie erklärt haben. Es sprechen hierfür im wesentlichen dieselben Gründe, die nach Erl. 7 zu § 21 dafür sprechen, daß bei der Gründung eines Vereins, der nur als rechts­ fähiger Verein bestehen will, nicht angenommen werden kann, daß der Verein bis zur Ent­ scheidung über die Erlangung der Rechtsfähigkeit als nicht rechtsfähiger Verein nach Maßgabe des § 54 bestehe. Nur wenn sich aus der Satzung ergibt, daß der Verein, wenn ihm die Rechts­ fähigkeit entzogen wird, als nicht rechtsfähiger Verein fortbestehen will, wird das Fortbestehen ohne weiteres anzunehmen sein, während, wenn ein solcher Wille sich aus der Satzung nicht ergibt, mit dem Verluste der Rechtsfähigkeit auch der Verein selbst zu bestehen aufhört. Die Mitglieder können in dem letzteren Falle zwar sofort beschließen, daß der Verein als nicht rechts­ fähiger Verein fortbestehen solle; ein solcher Beschluß ist aber als Vereinbarung über Begründung eines neuen nicht rechtsfähigen Vereins zu betrachten und nach den Vorschriften über den Ge­ sellschaftsvertrag zu beurteilen (Hölder Erl. 1 zu § 42; Rehbein I 52f.; Staudinger Erl. V zu § 41; Crome § 53 Anm. 6; Enneccerus § 106 II 4; v. Tuhr 1561; Meurer 292ff.; Wiedemann 624 Anm. 7; a. A. v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit 8, der das Fort­ bestehen des Vereins annimmt, sofern nicht das Gegenteil in der Satzung bestimmt ist; ebenso Oertmann Erl. Id« zu § 42; K. v. R G R. Erl. 1 zu § 42; Leonhard § 42 IVb; ferner Hachenburg 485, der im Falle des Konkurses Auflösung, in den Fällen der §§ 43, 73 Fort­ bestand des Vereins annimmt; jeden praktischen Unterschied zwischen Auslösung und Entziehung der Rechtsfähigkeit leugnen Cosack § 301 I; Eck I 68; v. Tuhr I 561; wohl auch Biermann I 8 139 Ziff. 5; indessen hat eine Satzungsbestimmung, daß der Verein auch bei Verlust der Rechts­ fähigkeit fortbestehen soll, doch immerhin die Bedeutung, daß sie einen neuen Begründungsverlrag unnötig macht). Bleibt der Verein auf Grund der Satzung als nicht rechtsfähiger Verein fortbestehen, so würde es in Ermangelung besonderer Vorschriften zweifelhaft sein, was aus dem Vermögen und aus den Schulden deS bisherigen rechtsfähigen Vereins wird, ob insbesondere ipso jure die Zuständigkeit des Vermögens und der Schulden sich in der Art ändert, daß das Vermögen den Mitgliedern des Vereins nunmehr nach § 54 als Gesellschaftern zusteht und die Schulden ihnen in derselben Eigenschaft persönlich obliegen. Das letztere würde in vielen Fällen ein für die Mitglieder des Vereins sehr bedenkliches Resultat sein. Das Gesetz schneidet diese Zweifel und Bedenken dadurch ab, daß es in allen Fällen, in welchen der Verein die Rechtsfähigkeit verliert, ohne Rücksicht darauf, ob der Verein als nicht rechtsfähiger bestehen bleibt oder nicht, dieselben rechtlichen Folgen eintreten läßt, wie wenn der Verein aufgelöst wäre (§§ 45 ff.). Es muß also eine Liquidation stattfinden, und der sich aus dieser ergebende Überschuß ist dem fortbestehenden Verein auszuantworten. Über das Nähere s. Erl. zu § 45 und zu §§ 74 ff. 2. Durch die Vorschrift, daß die Auslösung durch Beschluß der Mitgliederversammlung erfolge, wird nicht ausgeschlossen, daß ein gültiger Beschluß über die Auflösung nach Maßgabe des § 32 Abs. 2 durch schriftliche Erklärung aller Mitglieder gültig gefaßt werden kann (so auch Oertmann Erl. 2c zu § 41; v. Tuhr I 557 Anm. 2; Kisch in GrünhutsZ. 29, 323; a. A. Hölder Erl. 1 zu § 41; Staudinger Erl. VI zu § 41). Durch die Satzung kann bestimmt werden, daß eine größere oder geringere Zahl als drei Vierteile der erschienenen Mitglieder zu dem Beschlusse der Auflösung erforderlich ist. Die Satzung kann auch Einstimmigkeit der Mit­ glieder erfordern (Oertmann Erl. 2d a zu 8 41; Biermann I § 139 Ziff. 1; Cosack § 301 II 1; Dernburg I § 77 VI1; Kohler I § 175 II; v. Tuhr I 557; a. A. Hölder Erl. 2 zu § 41). Dagegen kann den Mitgliedern das Auflösungsrecht nicht ganz genommen werden. Bei Vereinen, deren Rechtsfähigkeit auf staatlicher Verleihung beruht, bedarf der Auflösungsbeschluß nicht der staatlichen Genehmigung (a. A. Crome § 55 Ziff. 1; dagegen Oertmann Erl. 2ck zu § 41; Rehbein I 52; Biermann I 8 139 Ziff. 2; v. Tuhr I 557).

Als Auslösungsbeschluß muß auch der Fusionsbeschluß angesehen werden, da im BGB. besondere Vorschriften über die Fusion fehlen (K. v. R G R. Erl. 1 zu Z 41; Enneceerus § 106 Anm. 1; vgl. Staudinger Erl. III lä zu Z 41; s. auch unten Erl. 2 zu § 47), ebenso muß die Umwandlung des Vereins in eine juristische Person des Handelsrechts als Auflösung und Neubegründung aufgefaßt werden (v. Tuhr I 500 Anm. 6; vgl. indes Kohler in DIZ. 11, 1261). Auflösung und Neubegründung liegt auch vor, wenn der Verein auf die Rechtsfähigkeit verzichtet, um als nicht rechtsfähiger Verein fortzubestehen (vgl. dazu Oertmann Erl. 26 zu § 42; Staudinger Erl. VIII zu § 41; Biermann I § 139 Anm. 1; Enneceerus § 106 Anm. 1; Kohler I § 174; Landsberg § 32 S. 120 Anm. 3; Matthiaß § 31 1; Zitel­ mann I 66; Leonhard § 42 III; v. Tuhr I 562 Anm. 20; v. Gierke I § 70 Anm. 20). Dem neuen nicht rechtsfähigen Verein gehören nur die Mitglieder des alten Vereins an, die ihm beitreten; ein Vertrag über die Neugründung des Vereins ist nur dann überflüssig, wenn die Satzung des alten Vereins den Fortbestand des Vereins auch nach dem Verzicht aus die Rechts­ fähigkeit vorsah (in diesem Falle ist auch die Minderheit zur Teilnahme an dem nicht rechts­ fähigen Verein genötigt), oder wenn der Verzicht unter Zusttmmung aller beschlossen ist (vgl. v. Tuhr I 561). 3. Eine Auflösung des Vereins kann außer durch Beschluß der Mitgliederversammlung noch erfolgen: a) Auf Grund deS öffentlichen Vereinsrechts (a. A. Hatschek in DIZ. 00, 492, der die Vorschrift des § 74 Abs. 3 übersieht, in welchem die Zulässigkeit der Auflösung auf Grund des öffentlichen Vereinsrechts ausdrücklich anerkannt wird). Durch daS BerG. § 2 wird die Auflösung des Vereins für zulässig erklärt, wenn der Zweck desselben den Strafgesetzen zuwiderläuft. b) Auf Grund einer Bestimmung der Satzung, nach welcher die Auflösung mit dem Eintritt eines bestimmten Zeitpunkts oder eines bestimmten Ereignisses von selbst eintreten soll (s. § 74 Abs. 2). Nicht ohne weiteres dürfte die Auflösung dadurch eintreten, daß der Zweck des Vereins erreicht oder dessen Erreichung unmöglich geworden ist (Oertmann Erl. le zu § 41; Bier­ mann I § 139 Anm. 2; Enneceerus § 106 Anm. 2; Kohler I § 175 III; WindscheidKipp Zus. I 1 zu § 59; Leonhard § 42 II a «; a. A. Rehbein I 52; Staudinger Erl. III lb zu § 41; Dernburg I § 77 VI 5; Landsberg § 32 I; v. Tuhr I 558; Meurer 289). Es sind dies zu unbestimmte Tatbestände, um daran ohne weiteres die Auflösung zu knüpfen; sie können nur die Veranlassung für die Mitgliederversammlung geben, die Auflösung zu beschließen. Kohler I § 175 III will bei Unmöglichkeit des Zwecks jedem ansallsberechtigten Mitglieds einen Auslösungsanspruch geben, aber ein solcher ist dem Gesetze fremd. c) Durch Wegfall aller Mitglieder. In solchem Falle existiert ein Verein nicht mehr. Selbst wenn durch die Satzung die Möglichkeit gegeben sein sollte, daß die Mitgliedschaft ohne Mitwirkung des Vereins oder deS Organs desselben, z. B. durch Erklärung gegenüber einer Behörde oder durch den Erwerb eines Grundstücks erworben wird, kann ein solcher Erwerb, nachdem alle bisherigen Mitglieder weggefallen sind, nicht mehr stattfinden, weil Mitgliedschaft eines Vereins nicht möglich ist, wenn ein solcher nicht mehr besteht (Oert­ mann Erl. 16 zu 8 41; K. v. RGR. Erl. 2 zu 8 41; Staudinger Erl. III 2 zu 8 41; Zitelmann I 65; a. A. Rehbein I 52; Cosack 8 301 II 4). Besondere Vorschriften für ein­ getragene Vereine im 8 73. Durch Herabminderung der Mitgliederzahl aus ein Mitglied wird der Verein nicht auf­ gelöst (Hölder Erl. zu 8 56; Oertmann Erl. 16 zu 8 41; K. v. RGR. Erl. 2 zu 8 41; Staudinger Erl. III 2 zu 8 41; Crome 8 53 Anm. 2; Enneceerus 8 106 Anm. 3; Leonhard 8 42 IIa/9; v. Tuhr I 558; RG. 68, 174; RG. in SeuffA. 60, 410; OLG. 19, 338; a. A. Biermann I 8 139 Ziff. 1; Hölder, Personen 292; derselbe in JheringsJ. 53, 84; Meurer 142, 289).

4.

Verlust der Rechtsfähigkeit tritt außer in den Fällen der 88 42, 43, 73 ein:

a) wenn ein in das Bereinsregister eingetragener Verein, dessen Zweck auf einen wirt­ schaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, im Bereinsregister gelöscht wird; s. Erl. 5 zu 8 21; b) wenn ein dem 8 63 zuwider eingetragener Verein im Bereinsregister gelöscht wird (s. Erl. 2 zu 8 63); c) wenn der Verein seinen Sitz ins Ausland verlegt (Rehbein I 57; K. v. RGR. Erl. 1 zu 8 24; Staudinger Erl. III 1 e zu 8 41; Biermann I 8 139 Ziff. 1; v. Tuhr I 560; vgl. RG.. 7, 68; OLG. 16, 121).

104

I. Abschnitt: Personen.

§ 42. Der Verein verliert die Rechtsfähigkeit durch die Eröffnung des Konkurses. Der Vorstand hat im Falle der Überschuldung die Eröffnung des Konkurses zu beantragen. Wird die Stellung des Antrags verzögert, so sind die Vorstands­ mitglieder, denen ein Verschulden zur Last fällt, den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich; sie haften als Gesamtschuldner. Auch in diesen Fällen hat der Verlust der Rechtsfähigkeit die Auslösung zur Folge; nur dann bedarf es keiner Neugründung, wenn in der Satzung das Fortbestehen des Vereins im Falle der Löschung oder der Verlegung des Sitzes ins Ausland vorgesehen ist (f. Erl. 1).

8 42. E. I 8 47; II 8 39 rev. 8 39; III 8 39. P. I 3166, 3168, 3171 ff., 6172ff.; M. I 104. P. II 1 S. 523ff.; 539; 6 S. 118. D. 610. KB. 1941.

1. Über die Bedeutung des Verlustes der Rechtsfähigkeit s. Erl. 2 zu § 41, Erl. 1 zu § 45.

2. Nach § 42 verliert der Verein die Rechtsfähigkeit mit der Eröffnung des Konkurses. Der Zeitpunkt der Eröffnung bestimmt sich nach KO. § 108. Die Voraussetzungen, unter welchen der Konkurs zu eröffnen ist, bestimmen sich nach KO. §§ 102 ff., 213. Wird der Eröffnungsbeschluß infolge der dagegen erhobenen Beschwerde wieder aufgehoben (KO. §§ 109, 116), so gilt der Ver­ lust der Rechtsfähigkeit als nicht erfolgt. Die Aushebung des Konkursverfahrens nach Maßgabe der KO. § 163 sowie die Einstellung auf Grund der KO. §§ 202, 204 sind ohne Einfluß (a. A. für den Fall des § 202 K. v. RGR. Erl. 1 zu Z 42; wie hier Oertmann Erl. 3 a zu § 42; Rehbein I 53; Staudinger Erl. 8 zu § 42; Dernburg I § 77 Anm. 15; Enneccerus § 106 Anm. 10; v. Tuhr I 559); das gleiche gilt von einem Zwangsvergleich und der aus Grund desselben erfolgenden Aufhebung des Konkursverfahrens (KO. § 190). Auf einen bei Beendigung des Konkursverfahrens verbleibenden Überschuß finden die Vorschriften des § 45 Anwendung. Ein Beschluß der Mitgliederversammlung, daß der Verein trotz Eröffnung des Konkursverfahrens fortbestehen solle, hat nicht die Wirkung, daß der bisherige Verein fortbesteht; er kann vielmehr nur, sofern dies der Absicht entspricht, als Vereinbarung eines neuen Vereins mit denselben Zwecken wie der frühere Verein rechtliche Wirkung haben (s. Erl. 1 zu § 41). Die Erlangung der Rechtsfähigkeit für diesen neuen Verein kann nur nach Maßgabe der §§ 21, 22 erfolgen. Eine dem HGB. § 144 und dem EG. zum HGB. Art. 11 XVI ent­ sprechende Vorschrift, nach welcher in den gedachten Fällen die Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen können, besteht für rechtsfähige Vereine nicht. 3. Nur im Falle der Überschuldung, nicht auch schon im Falle der Zahlungsunfähigkeit ist der Vorstand verpflichtet, die Eröffnung des Konkurses zu beantragen. Bei der Frage, ob Überschuldung vorliegt, wird, wenn die Mitglieder des Vereins verfassungsmäßig zu bestimmten

Beiträgen verpflichtet sind, diese Beitragspflicht mit in Betracht zu ziehen sein. Die Verpflichtung, die dem Vorstand in betreff der Stellung des Antrags auf Konkurseröffnung dem Vereine gegen­ über obliegt, bestimmt sich nach § 27 Abs. 3. Der § 42 Abs. 2 bestimmt positiv eine selbständige Verpflichtung gegenüber den Gläubigern. Wird die Verpflichtung nicht erfüllt oder ihre Erfüllung verzögert, so find diejenigen Mitglieder des Vorstandes, welche die Nichterstllung oder die Verzögemng verschulden, den Gläubigern nach allgemeinen Grundsätzen für den entstehenden Schaden verantwortlich. Die Wirkung der ihnen obliegenden Haftung als Gesamtschuldner ergibt sich aus den §§ 421 ff. 4. Aus den Konkurs über das Vermögen eines rechtsfähigen Vereins sowie einer rechts­ fähigen Stiftung finden nach KO. § 213 die Vorschriften der KO. §§ 207, 208 Anwendung. Vgl. auch Art. 4 des EG. zu dem G. betr. Änderungen der KO.

8 43. E. II 8 40 Abs. 1-3 rev. 8 40; III 8 40. P. II 1 S. 572ff.; 6 S. 116, 144. D. 610. " KB. 1937 ff., 1943 ff. StB. 715, 728, 732, 737, 756, 785, 2735 ff., 3059.

1. Befugnis zur Entziehung der Rechtsfähigkeit. Der § 43 bestimmt die materiellen Voraussetzungen, unter welchen die Entziehung der Rechtsfähigkeit zulässig ist, während der § 44 die zuständige Behörde und das Verfahren bestimmt. Ob die Behörde von der ihr eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen hat, hängt von dem Inhalte der für sie nach § 44

§ 43. Dem Vereine kann die Rechtsfähigkeit entzogen werden, wenn er durch einen gesetzwidrigen Beschluß der Mitgliederversammlung oder durch gesetz­ widriges Verhalten des Vorstandes das Gemeinwohl gefährdet. Einem Vereine, dessen Zweck nach der Satzung nicht auf einen wirtschaft­ lichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, kann die Rechtsfähigkeit entzogen werden, wenn er einen solchen Zweck verfolgt. Einem Vereine, der nach der Satzung einen politischen, sozialpolitischen oder religiösen Zweck nicht hat, kann die Rechtsfähigkeit entzogen werden, wenn er einen solchen Zweck verfolgt. Einem Vereine, dessen Rechtsfähigkeit auf Verleihung beruht, kann die Rechts­ fähigkeit entzogen werden, wenn er einen anderen als den in der Satzung be­ stimmten Zweck verfolgt. maßgebenden landesgesetzlichen Vorschriften ab (5. T. a. A. Staudinger Erl. V 2 zu 8 43); soweit diese keine Anhaltspunkte ergeben, entscheidet das pflichtmäßige Ermessen der Behörde.

2. Die Entziehung der Rechtsfähigkeit ist zulässtg: a) wenn die Mitgliederversammlung einen gesetzwidrigen

Beschluß faßt oder der Vorstand gesetzwidrig sich verhält und durch das eine oder das andere das Gemeinwohl gefährdet wird. Es genügt die objektive Gesetzwidrigkeit des Beschlusses oder des Verhaltens. Bewußtsein der Gesetzwidrigkeit oder Verschulden ist nicht erforderlich (Hölder Erl. 2 zu 8 43; Oertmann Erl. 2a a zu 8 43; Staudinger Erl. I 2a zu 8 43). Das gesetzwidrige Verhalten des Vor­ standes kann sowohl in einem Tun wie in einem Unterlassen bestehen. Immer muß hinzutreten die Gefährdung des Gemeinwohls (vgl. 8 81 GenG. v. 1. Mai 89 und 8 62 GmbHG. v. 20. April 92, beide in der Fassung v. 20. Mai 98);

b) wenn ei« Verein, dessen Zweck nach der Satzung nicht auf einen wirtschaftlichen Ge­ schäftsbetrieb gerichtet ist, einen solchen Zweck verfolgt. Es ist dies eine Konsequenz des 8 21. Da Vereine, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, die Rechtsfähig­ keit durch Eintragung nicht erlangen können, so muß die Möglichkeit gegeben sein, einen Verein, der die Rechtsfähigkeit durch Eintragung erlangt hat, zu hindern, den Zweck eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs zu verfolgen. Die Voraussetzung der Zulässigkeit der Entziehung der Rechts­ fähigkeit liegt aber nicht schon dann vor, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb nur nebenbei und als Mittel zur Erreichung des idealen Zweckes des Vereins angefangen wird. Der Betrieb muß vielmehr in solcher Art erfolgen, daß, wenn dies nach der Satzung von Anfang an be­ absichtigt gewesen wäre, die Eintragung nicht hätte erfolgen können (s. Erl. zu 8 21; Oertmann Erl. 2b zu 8 43; Biermann I 8 139 Ziff. 3b). War der Zweck des Vereins nach der Satzung auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet und ist er mit Unrecht trotzdem eingetragen worden, so kann ihm die Rechtsfähigkeit nicht aus Grund des 8 43 entzogen werden; die Abhilfe kann vielmehr nur auf Grund der all­ gemeinen Vorschriften über Beseitigung unzulässiger Eintragungen erfolgen (s. Vorbm. 2 vor 8 55); c) wenn ein Verein, der nach der Satzung einen politischen, sozialpolitischen oder religiösen Zweck nicht hat, einen solchen Zweck verfolgt. Es ist dies eine Konsequenz des 8 61, nach welchem der Verwaltungsbehörde das Einspruchsrecht gegen die Eintragung eines Vereins zusteht, der nach der Satzung einen Zweck der gedachten Art hat. Nach dem Wortlaute der Vorschrift ist die Entziehung nur zulässig, wenn der Verein nach der Satzung weder einen politischen noch einen sozialpolitischen, noch einen religiösen Zweck hat. Bei dem Zusammenhänge der Vorschrift mit 8 61 wird man sie aber dahin auszulegen haben, daß die Entziehung der Rechtsfähigkeit auch dann zulässig ist, wenn der Verein einen anderen als den in der Satzung angegebenen politischen, sozialpolitischen oder religiösen Zweck tatsächlich verfolgt, wenn also z. B. ein Verein, der nach der Satzung einen religiösen Zlveck hat, politische Zwecke verfolgt oder, wenn ein Verein, dessen Zweck nach der Satzung auf die Bekämpfung der Sozialdemokratie gerichtet ist, tatsächlich den Zweck verfolgt, die Sozialdemokratie zu fördern (Hölder Erl. 4 zu 8 43; Oertmann Erl. 2c iu 8 43; EnnecceruS 8106 Anm. 7; v. Tuhr 1559; a. A. Staudinger Erl. III 3 zu 8 43; Biermann I 8 139 Ziff. 3c; Eck I 65, 89; Leonhard 8 42 S. 138 Anm. 2; Bornhak im BerwArch. 8, 44 Anm. 26). Richt genügend ist es aber, daß ein Verein, dessen

106

1. Abschnitt: Personen.

§ 44. Die Zuständigkeit und das Verfahren bestimmen sich in den Fällen des § 43 nach den für streitige Verwaltungssachen geltenden Vorschriften der Landesgesetze. Wo ein Verwaltungsstreitverfahren nicht besteht, finden die Vor­ schriften der §§ 20, 21 der Gewerbeordnung Anwendung; die Entscheidung erfolgt in erster Instanz durch die höhere Verwaltungsbehörde, in deren Bezirke der Verein seinen Sitz hat. Beruht die Rechtsfähigkeit auf Verleihung durch den Bundesrat, so erfolgt die Entziehung durch Beschluß des Bundesrats. Zweck nach der Satzung nur im allgemeinen als politischer, religiöser oder sozialpolitischer bezeichnet ist, später eine andere Richtung einschlägt, als er zur Zeit der Begründung tatsächlich hatte. Erforderlich ist vielmehr immer, daß andere als die in der Satzung bestimmten Zwecke verfolgt werden. Es braucht nicht von dem Verein ausgesprochen zu sein, daß er einen anderen Zweck verfolge, die tatsächliche Verfolgung genügt. Daß der Verein sich gelegentlich in satzungswidriger Weise betätigt, genügt nicht, um ihm die Rechtsfähigkeit zu entziehen (Oertmann Erl. 2e zu § 43; K. v. RGR. Erl. 3 zu § 43; Staudinger Erl. III 4a zu §43; Cosack § 300 II 5; Crome § 53 Anm. 10, 11). Über die Frage, wann ein politischer, sozialpolitischer oder

religiöser Zweck vorliegt, s. Erl. zu § 61;

d) wenn ein Verein, dessen Rechtsfähigkeit auf Verleihung beruht, einen anderen als den in der Satzung angegebenen Zweck verfolgt. Die Entziehung der Rechtsfähigkeit ist in diesem Falle zulässig, auch wenn ein entsprechender Vorbehalt bei der Verleihung nicht gemacht ist. Gleichgültig ist, welcher Zweck in der Satzung angegeben war, insbesondere, ob dies ein wirt­ schaftlicher oder ein idealer war. Es genügt, wenn ein anderer als der in der Satzung an­ gegebene Zweck verfolgt wird. Das Verhältnis liegt hier also anders, wie bei einem eingetragenen Vereine. Diesem kann die Rechtsfähigkeit nicht entzogen werden, weil er einen anderen als den in der Satzung angegebenen idealen Zweck verfolgt, sofern der verfolgte Zweck nicht ein politischer, sozialpolitischer oder religiöser ist. Bei einem Vereine, dessen Rechtsfähigkeit auf Verleihung beruht, ist dagegen die Entziehung auch in diesem Falle zulässig. 3. Neben der durch § 43 der zuständigen Behörde eingeräumten Befugnis bleiben die auf Grund des öffentlichen Bereinsrechts den Behörden zustehenden Rechte bestehen. Kraft dieser Rechte kann zwar nicht die Entziehung der Rechtsfähigkeit, wohl aber die Auflösung des Vereins erfolgen, und mit der Auflösung fällt selbstverständlich auch die Rechtsfähigkeit weg (s. Erl. 3a SU § 41).

8 44. E.U 8 40 Abs. 4 rev. § 41; III § 41. P. II 1 6. 572 ff. D. 610. KB. 1931 ff., 1943 ff. StB. 2735 ff., 3059.

1. Der § 44 schließt sich dem § 81 Abs. 2 GenG. v. 1. Mai 89, in der Fassung v. 20. Mai 98, an. Der § 62 GmbHG. v. 20. April 92, ebenfalls in der Fassung v. 20. Mai 98, überweist dagegen die Entscheidung in denjenigen Bundesstaaten, in welchen ein Berwaltungsstreitverfahren nicht besteht, an die ordentlichen Gerichte. Die §§ 81, 62 der angeführten Gesetze enthalten noch die Vorschrift, daß die Auflösung des Vereins keinen Anspruch auf Schadensersatz begründet. In dem BGB. fehlt eine solche Vorschrift, weil sie nach dessen Vorschriften selbstverständlich ist (§ 839). 2. Die Zuständigkeit und das Verfahren bei Entziehung der Rechtsfähigkeit bestimmt sich in den einzelnen Staaten verschieden, je nachdem in ihnen ein Berwaltungsstreitverfahren besteht oder nicht.

a) Im ersteren Falle sind die landesgesetzlichen Vorschriften über das Verwaltungsstreit­ verfahren maßgebend. In Preußen z. B. ist der Bezirksausschuß zuständig; die Erhebung der Klage auf Entziehung der Rechtsfähigkeit steht dem Landrat und in Stadtkreisen der Polizei­ behörde zu. b) Im zweiten Falle ist zuständig die höhere Verwaltungsbehörde, in deren Bezirke der Verein seinen Sitz hat. Auf das Verfahren finden die Vorschriften der GewO. §§ 20, 21 ent­ sprechende Anwendung. Diese führt zu folgenden Ergebnissen: Gegen die Entscheidung erster Instanz findet der Rekurs an die nächstvorgesetzte Behörde statt, welcher bei Verlust desselben binnen vierzehn Tagen, vom Tage der Eröffnung

§ 45. Mit der Auflösung des Vereins oder der Entziehung der Rechts­ fähigkeit fällt das Vermögen an die in der Satzung bestimmten Personen. Durch die Satzung kann vorgeschrieben werden, daß die Anfallberechtigten durch Beschluß der Mitgliederversammlung oder eines anderen Vereinsorgans bestimmt werden. Ist der Zweck des Vereins nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet, so kann die Mitgliederversammlung auch ohne eine solche Vorschrift das Vermögen einer öffentlichen Stiftung oder Anstalt zuweisen. Fehlt es an einer Bestimmung der Anfallberechtigten, so fällt das Vermögen, wenn der Verein nach der Satzung ausschließlich den Interessen seiner Mitglieder diente, an die zur Zeit der Auflösung oder der Entziehung der Rechtsfähigkeit vorhandenen Mitglieder zu gleichen Teilen, anderenfalls an den Fiskus des Bundes­ staats, in dessen Gebiete der Verein seinen Sitz hatte. des Bescheides an gerechnet, gerechtfertigt werden mutz. Der Rekursbescheid ist dem Vereine schriftlich zu eröffnen und ist mit Gründen zu versehen (GewO. § 20). Das Verfahren bestimmt sich im übrigen nach den Landesgesetzen; es find jedoch folgende Grundsätze einzuhallen: «) In erster oder zweiter Instanz mutz die Entscheidung durch eine kollegiale Behörde er­ folgen. Diese Behörde ist befugt, Untersuchungen an Ort und Stelle zu veranlassen, Zeugen und Sachverständige zu laden und eidlich zu vernehmen, überhaupt den Beweis in vollem Um­ fange zu erheben. ß) Bildet die kollegiale Behörde die erste Instanz, so erteilt sie ihre Entscheidung in öffent­ licher Sitzung nach erfolgter Ladung und Anhörung des Vereins. Dasselbe gilt, wenn die kol­ legiale Behörde die zweite Instanz bildet. y) Die Öffentlichkeit der Sitzungen kann unter entsprechender Anwendung des GVG. §§ 173—176 ausgeschlossen oder beschränkt werden (GewO. § 21).

3. Ist die Rechtsfähigkeit dem Vereine nach § 23 von dem Bundesrat erteilt, so ist nur dieser zur Entziehung der Rechtsfähigkeit befugt. Über das Verfahren bestehen in diesem Falle keine Vorschriften. 4. Wirksamkeit der Verfügung. Die Verfügung der zuständigen Behörde, durch welche die Rechtsfähigkeit entzogen wird, ist wirksam, auch wenn die materiellen, durch § 43 bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen. Sie kann nur durch die zulässigen Rechtsmittel angefochten werden, die Verfügung des Bundesrats also überhaupt nicht (so auch Oertmann Erl. 2 zu § 44; v. Tuhr I 560).

8 45. E. I 8 49 Abs. 1; II § 41 rev. 8 42. P. I 3136 ff., 3476; M. I S. 109 ff. P. II 1 6. 539 ff.

D. 610.

1. Schicksal des Vermögens nach Auflösung des Vereins oder Entziehung der Rechtsfähigkeit. Das Vermögen des Vereins würde im Falle der Auslösung oder der Entziehung der Rechtsfähigkeit in Ermangelung besonderer Vorschriften herrenlos werden. Hiergegen richtet sich der § 45, indem er diejenigen Personen bestimmt, an welche das Vermögen fällt. Ist der Anfallberechtigte der Fiskus, so hat er nach § 46 die Stellung eines Erben. Streitig ist aber, wie das Rechtsverhältnis zu beurteilen ist, wenn nach Maßgabe des § 45 andere Personen als der Fiskus anfallberechtigt sind. Nach der einen Ansicht soll auch in diesem Falle das Ver­ mögen als Ganzes mit der Auflösung oder der Entziehung der Rechtsfähigkeit den Anfallberechtigten anfallen. Nach der anderen Ansicht dagegen erhalten die Anfallberechtigtm nur einen obligatorischen Anspruch gegen den Verein auf Ausantwortung des nach erfolgter Liquidation und Berichtigung aller Verbindlichkeiten verbleibenden Überschusses. Für die erstgedachte Ansicht scheint der Wortlaut des Abs. 1 zu sprechen, indem darin, ohne zwischen den verschiedenen Anfallberechttgten zu unterscheiden, allgemein bestimmt wird, daß ihnen das Vermögen des Vereins nach der Auflösung oder der Entziehung der Rechtsfähigkeit anfalle. Aus den in den §§ 46 ff. getroffenen Vorschriften dürfte sich aber ergeben, daß durch die Vorschrift des § 45 Abs. 1 nur das materielle Schicksal des Vereinsvermögens, nicht aber die Art hat bestimmt werden sollen, in welcher das Vermögen an die Anfallberechtigten kommen soll; während nach § 46 für den Fall, daß das Vermögen an den Fiskus fällt, die Vorschriften entsprechende Anwendung finden.

108

I. Abschnitt: Personen.

welche für den Fall gelten, daß der Fiskus gesetzlicher Erbe wird, soll nach § 47 in allen anderen Fällen eine Liquidation stattfinden. Diese Liquidation erfolgt für den Verein, der bis zu deren Beendigung nach § 49 Abs. 2 als sortbestebend gilt, durch den Vorstand des Vereins oder die an dessen Stelle bestellten Liquidatoren. Diese haben nach Beendigung der Liquidation den Überschuß den Anfallberechtigten auszuantworten. Das Vermögen ist diesen also noch nicht

schon mit der Auflösung des Vereins oder der Entziehung der Rechtsfähigkeit angefallen, sondern dem Vereine verblieben. Die für ihn handelnden Liquidatoren find nur verpflichtet, den Über­ schuß den Anfallberechtigten auszuantworten. Die Anfallberechtigten erwerben mit der Auflösung oder Entziehung der Rechtsfähigkeit allerdings sofort ein Recht, aber dieses Recht besteht nicht in dem Erwerbe des Vermögens als eines Ganzen, sondern nur in einem obligatorischen An­ sprüche gegen den Verein. Für diese Auffassung spricht weiter, daß während für den Fall, daß der Fiskus der Anfallberechtigte ist, durch den § 46 genügende Vorschriften über die Art, in welcher der Erwerb des Vermögens erfolgt, und über die Haftung für die Verbindlichkeiten des Vereins gegeben sind, solche Vorschristen für den praktisch wichtigsten Fall, daß das Vermögen an andere Personen als an den FiskuS fällt, vollständig fehlen. Sie sind bei der hier ver­ tretenen Auffassung nicht erforderlich; denn wenn den Anfallberechtigten nur ein obligatorischer Anspruch gegen den Verein zusteht, so ergibt sich alles Erforderliche aus der Natur eines solchen Anspruchs in Verbindung mit den in den §§ 49 ff. gegebenen näheren Vorschriften. Bei der entgegengesetzten Auffassung aber würden besondere Vorschriften, insbesondere darüber, ob und in welcher Art die Anfallberechtigten ausschlagen können, und ob und in welchem Umfange sie für die Schulden des Vereins haften, unentbehrlich gewesen sein. Die Vertreter dieser Ansicht müssen sich behufs Beantwortung dieser Fragen teils auf angebliche allgemeine Grundsätze, nach welchen bei dem Übergang eines Vermögens dieses nur nach Abzug der Schulden übergehe, teils

auf sehr bedenkliche Analogien wie die des § 419 berufen. Es kann aber nach der ganzen Art und Weise wie das BGB. abgesaßt ist, nicht angenommen werden, daß es bei einer praktisch so wichtigen Frage diese Auffassung auf derartige unsichere Behelfe habe verweisen wollen; vielmehr würde das BGB., wenn es diese Auffassung geteilt hätte, die betreffenden Fragen gewiß aus­ drücklich entschieden haben. Für die hier bekämpfte Auffassung kann man sich auch nicht etwa aus § 52 Abs. 2 berufen; denn daraus, daß den Anfallberechtigten das Vermögen nicht aus­ geantwortet werden darf, bevor den dort bezeichneten Gläubigern Sicherheit geleistet ist, folgt nicht, daß das Vermögen den Anfallberechtigten bereits zusteht, sondern nur, daß ihr Anspruch gegen den Verein durch die Sicherheitsleistung bedingt ist (a. A. Hölder Erl. 2 zu § 45; Goldmann-Lilienthal I 91; Matthiaß § 31 III B 2; Windscheid-Kipp Zusatz 1 zu § 62; Hachenburg 486; Leonhard § 43 II; v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit 9,47; Hellwig, Anspruch und Klagrecht 228; derselbe, Wesen und subjektive Begrenzung der Rechtskraft 204; derselbe, Verträge zugunsten Dritter 393; Kisch in GrünhutsZ. 29, 346; Leist, Untersuchungen 162; Bernhöft, Fiktionen, in der Festschrift für Bekker 1907, 262ff.; wie hier Oertmann Erl, 3a £ zu § 45; Rehbein I 56; K. v. RGR. Erl. 2 zu § 45; Staudinger Erl. II 2a zu § 45; Biermann I § 140 Ziff. 3; Cosack § 302 II 2a; Crome § 54 Ziff. 3; Dernburg I § 77 Anm. 20; Enneccerus § 107 I 6; Kohler I § 149 II; § 176 II; Zitelmann I 68; Eck I 67; Meurer 301; Oberwinter in Gruch. 53, 777f.; OLG. 5, 378 --- KG. 25 A 129; KG. 25 A 288). Oertmann nimmt dies indessen nur für den Fall der Auflösung des Vereins an, während nach Erl. 3 b im Falle der Entziehung der Rechtsfähigkeit das Vermögen den Mitgliedern des fortbestehenden Vereins als Gesamtgut verbleiben soll. Eine verschiedene Behandlung der beiden Fälle der Auflösung des Vereins und der Entziehung der Rechtsfähigkeit ist indessen mit den Vorschriften der §§ 45 ff. unvereinbar. Der den Anfallberechtigten ohne ihren Willen erwachsene obligatorische Anspruch kann nach Analogie der §§ 333, 2180 ausgeschlagen werden (Staudinger Erl. II 4 zu § 45; v. Tuhr I 565).

2. Anfallberechtigt find in folgender Reihenfolge: a) Wer als solcher in der Satzung bestimmt ist, mag die Bestimmung schon bei der Be­ gründung des Vereins oder erst später getroffen sein (Hölder JheringSJ. 53, 80 erklärt bei altruistischen Vereinen nachträglich eingefügte Satzungsbestimniungen für unzulässig). Ist in der Satzung besttmmt, daß der Verein nach der Entziehung der Rechtsfähigkeit als nicht rechtsfähiger Verein sortbestehen solle, so wird darin zugleich die Bestimmung zu finden sein, daß das Ver­ mögen des Vereins dem nicht rechtsfähigen Vereine ansallen soll. Die Bestimmung kann nicht mehr erfolgen nach der Auflösung oder der Entziehung der Rechtsfähigkeit (Hölder Erl. 3 zu

§ 46. Fällt das Vereinsvermögen an den Fiskus, so finden die Vorschriften über eine dem Fiskus als gesetzlichem Erben anfallende Erbschaft entsprechende Anwendung. Der Fiskus hat das Vermögen tunlichst in einer den Zwecken des Vereins entsprechenden Weise zu verwenden. § 45; Oertmann Erl. 2a zu § 45; K. v. RGR. Erl. 1 zu § 45; Staudinger Erl. II 6 zu § 45; Enneccerus § 107 I 2; v. Tuhr I 563; a. A. wie es scheint Rehbein I 54). Durch die Satzung kann die Bestimmung auch mittelbar in der Art erfolgen, daß einem Organe des Vereins, z. B. der Mitgliederversammlung oder dem Vorstande, nicht aber einem Dritten das Recht eingeräumt wird, die Bestimmung zu treffen. Da nach der Auflösung oder der Ent­ ziehung der Rechtsfähigkeit der bisherige Verein und seine Organe nur noch zum Zwecke der Liquidation bestehen, so kann auch die dem Organe zugewiesene Bestimmung nach der Auflösung oder Entziehung der Rechtsfähigkeit nicht mehr erfolgen. In welcher Art das Organ die Bestimmung zu treffen hat, richtet sich in Ermangelung besonderer durch die Satzung gegebener Vorschriften nach denjenigen Grundsätzen, welche im allgemeinen für die Beschlüsse des Organs gelten. In betreff des Inhalts der Bestimmung hat die Satzung bzw. das zu der Bestimmung befugte Organ freie Hand; insbesondere können auch, je nachdem die Auslösung des Vereins oder die Entziehung der Rechtsfähigkeit erfolgt, verschiedene Personen für anfallberechtigt erklärt werden. b) Bei Vereinen, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, diejenige öffentliche Stiftung oder Anstalt, welche von der Mitgliederversammlung vor der Auf­ lösung oder Entziehung der Rechtsfähigkeit als anfallberechtigt bezeichnet ist. Unter einer öffentlichen Stiftung oder Anstalt ist im Anschlutz an § 89 eine Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechtes zu verstehen (Hölder Erl. 3 zu § 45; Enneccerus § 107 Anm. 2; v. Tuhr I 562 Anm. 23; a A. Biermann I § 140 Anm. 1 und Leonhard § 43 Id, die die Körperschaften des öffentlichen Rechts ausschließen, ferner Windscheid-Kipp § 62 Zusatz 1, der darunter auch eine private Stiftung ^Anstalt) mit öffentlichem, d. h. gemeinnützigem Zwecke mit versteht). c) Bei Vereinen, die ausschließlich dem Interesse der Mitglieder dienen, die zur Zeit der Auflösung oder Entziehung der Rechtsfähigkeit vorhandenen Mitglieder, bei anderen Vereinen der Fiskus des Bundesstaats, in dessen Gebiete der Verein seinen Sitz hatte. In betreff solcher Vereine, die ihren Sitz nicht in einem Bundesstaate haben (§ 23), enthält der § 45 keine Be­ stimmung. Nach Analogie der Vorschrift des § 1936 Abs. 2 wird für solche Vereine der Reichs­ fiskus als anfallberechtigt zu betrachten sein.

3. Nach EG. Art. 85 bleiben landesgesetzliche Vorschriften unberührt, nach welchen an die Stelle des FiskuS eine Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechtes tritt. Ob eine Bestimmung dieser Art schon in einer nach EG. Art. 138 zulässigen landesgesetzlichen Vor­ schrift gesunden werden kann, nach welcher an Stelle des Fiskus eine Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechtes gesetzlicher Erbe wird, ist eine Frage der Auslegung der betreffenden landesgesetzlichen Vorschrift (a. A. wie es scheint Rehbein I 54). § 46. E.I 8 49 Abs. 2 Satz 1, 2; H § 42 Abs. 1 rev. § 43; III 8 43. P. I 3136ff., 3476; M. I 109ff. P. II 1 6.545ff.; 6 S. 116. D. 610.

1. Rechtsverhältnis für den Fall, datz das Vermögen an den FiSkus fällt. Die Vor­ schriften, welche nach Satz 1 zur entsprechenden Anwendung gelangen, sind in den §§ 1936, 1942 Abs. 2, 1966, 2011 des BGB. und in dem § 780 der ZPO. enthalten. Ihre entsprechende Anwendung führt zu folgenden Ergebnissen: Das Vereinsvermögen geht als Ganzes so auf den Fiskus über, wie wenn er Erbe des Vereins geworden wäre. Er kann aber das Vermögen nicht ausschlagen (§ 1942 Abs. 2). Von ihm als Nachfolger in das Vereinsvermögen und gegen ihn als Nachfolger kann ein Recht erst geltend gemacht werden, wenn das Gericht, in dessen Bezirke der Verein seinen Sitz hatte, sestgestellt hat, daß ein anderer Anfallberechtigter als der FiskuS nicht vorhanden ist (§ 1966). Eine Jnventarfrist kann ihm nicht gesetzt werden; er ist aber verpflichtet, den Vereinsgläubigern über den Bestand des Vereinsvermögens Auskunft zu erteilen (8 2011). Ist er als Nachfolger in das Vereinsvermögen verurteilt, so kann er die

110

I. Abschnitt: Personen.

§ 47. Fällt das Vereinsvermögen nicht an den Liquidation stattfinden.

Fiskus, so muß eine

Beschränkung seiner Haftung (§§ 1975 ff.) geltend machen, auch wenn sie ihm im Urteile nicht Vorbehalten ist (§ 780 der ZPO.). 2. Durch den Satz 2 wird dem Fiskus keine privatrechtliche, sondern eine öffentlich'recht« licht Verpflichtung auferlegt (K. v. R G R. Erl. 2 zu § 46; Dernburg I § 77 VII; Enneccerus § 107 Anm. 3; Matthiaß § 31 B 1; Zitelmann I 68; v. Tuhr I 564; eine privatrechtliche Pflicht nehmen an Leonhard § 43 II; Staudinger, Vereinsrecht 57, während Staudinger Erl. 5 zu § 46 den Charakter der Pflicht für praktisch gleichgültig erklärt; Oertmann Erl. 2b zu § 46 nimmt lediglich eine objektiv-rechtliche Schranke an; Biermann I § 140 Ziff. 2 nur eine moralische Verpflichtung; ähnlich holder Erl. 2 zu 8 46; vgl. auch denselben in JheringsJ.53,91). 3. Tritt nach EG. Art. 85 eine Körperschaft, Stiftung oder Anstatt des öffentlichen Rechtes an die Stelle des Fiskus, so hat diese dieselbe Rechtsstellung, die der Fiskus nach Erl. 1, 2 hat. 4. Anfall des Vermögens an den Fiskus auf Grund einer Bestimmung der Satzung. Zweifelhaft ist, ob die Vorschriften des 8 46 auch dann Anwendung finden, wenn das Vermögen nicht auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen des 8 45, sondern auf Grund der Satzung oder einer von einem Organe des Vereins befugterweise getroffenen Bestimmung an den Fiskus oder an eine Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechtes fällt. Die Frage dürfte trotz des Wortlauts der 88 46, 47 zu verneinen sein, da auch die besonderen für das Erbrecht des Fiskus geltenden Vorschriften nur dann Anwendung finden, wenn er gesetzlicher Erbe wird (Oertmann Erl. 3 zu 8 46; a. A. hölder Erl. 1 zu 8 46; Staudinger Erl. II 3 zu 8 45 und Erl. 6 zu 8 46; v. Tuhr I 564 Anm. 27; Zitelmann I 68).

§47.

I 8 49 Abs. 2 Satz 3; II g 42 «bf. 2 red. § 44; III g 44. P. I 3136ff., 3476; M. I 113. P. II 1 6. 546. D. 610. Wimpfheimer, Die Gesellschaften des Handelsrechts und des bürgerlichen Rechts im Stadium der Liquidation 09. 1. Notwendigkeit der Liquidation. Die Vorschriften über die Liquidation schließen sich dem HGB. und den neueren Reichsgesetzen über Gesellschaften und Genossenschaften, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, an. Nach dem E. I sollte die Liquidation nur eintreten, wenn das Vereinsvermögen unter die Mitglieder zu verteilen ist, während in allen anderen Fällen der Anfallberechtigte dieselbe Stellung haben sollte, die nach dem BGB. der Fiskus hat. Die zweite Kommission hielt dies sowohl im Interesse der Gläubiger als der Anfallberechtigten für bedenklich; deshalb wurde die jetzige Vorschrift beschlossen. 2. Die Voraussetzung der Vorschrift, daß das Vermögen nicht an den Fiskus fällt, ist nach Erl. 4 zu 8 46 dahin näher zu bestimmen, daß das Vermögen nicht kraft Gesetzes an den Fiskus fällt und nach Erl. 3 zu 8 46 dahin zu erweitern, daß das Vermögen weder an den Fiskus noch an eine nach EG. Art. 85 an dessen Stelle tretende Körperschaft, Stiftung oder Anstalt desöffentlichen Rechtes fällt. Die Vorschrift gilt auch dann, wenn der Verein, dem die Rechtsfähigkeit entzogen ist, ohne Rechtsfähigkeit fortgesetzt werden und das Vermögen ihm ver­ bleiben soll (a. A. nur Hachenburg 486). Die Vorschrift ist eine zwingende. Durch eine andere Art der Auseinandersetzung wie sie bei handelsrechtlichen Gesellschaften vorkommt (Umwandlung, Fusion, Veräußerung des Vereinsvermögens), kann die Liquidation nicht ersetzt werden (Oert­ mann Erl. 1 zu 8 47; Rehbein I 55; K. v. R G R. Erl. 1 zu 8 47; Staudinger Erl. 2 zu 8 47; Biermann I 8 140 Anm. 5; Kohler I 8 176 III; v. Tuhr I 565; Meurer 308f.; OLG. 22, 113; a. A. Dernburg I 8 77, VII; Crvme 8 54 Ziff. 1). Hat der Verein die Rechtsfähigkeit durch Eröffnung des Konkurses verloren (8 42), so ersetzt das Konkursverfahren zunächst die Liquidation. Der Verein hat aber in diesem Verfahren die Stellung des Gemein­ schuldners und wenn nach Beendigung des Konkurses ein Überschuß verbleibt, so finden die Vorschriften über Liquidation insoweit Anwendung, als dazu noch Raum ist, insbesondere also in betreff der Ausantwortung des Überschusses durch die Liquidatoren an die Anfallberechtigten.

3. Der Zweck der Liquidation besteht darin, die Vereinsgläubiger zu befriedigen und den Überschuß den Anfallberechtigten auszuantworten. Der Verein selbst hat die Liquidation vor-

§ 48. Die Liquidation erfolgt durch den Vorstand. Zu Liquidatoren können auch andere Personen bestellt werden; für die Bestellung sind die für die Bestellung des Vorstandes geltenden Vorschriften maßgebend. Die Liquidatoren haben die rechtliche Stellung des Vorstandes, soweit sich nicht aus dem Zwecke der Liquidation ein anderes ergibt. Sind mehrere Liquidatoren vorhanden, so ist für ihre Beschlüsse Überein­ stimmung aller erforderlich, sofern nicht ein anderes bestimmt ist. zunehmen. Er gilt deshalb, wie im § 49 Abs. 2 ausdrücklich ausgesprochen wird, bis zur Beendigung der Liquidation als fortbestehend, soweit der Zweck der Liquidation es erfordert. Daraus ergibt sich, daß die Organisation des Vereins bestehen bleibt, aber der Zweck des Ver­ eins ist nicht der bisherige, vielmehr hat dieser nur noch den Zweck der Liquidation. Dieses Prinzip ist maßgebend für alle Fragen, die nicht in den folgenden Paragraphen ausdrücklich entschieden werden. Hieraus ergibt sich insbesondere auch, daß der Gerichtsstand des Vereins unverändert bleibt, ferner, daß während der Liquidation keine neuen Mitglieder ausgenommen werden können (vgl. RG. 50, 127 ff.). 4. Bei Nichtigkeit des Vereins findet keine Liquidation statt, ebensowenig, wenn der Verein durch Eintragung in das Bereinsregister die Rechtsfähigkeit nicht erlangt hat (s. Erl. 2 zu § 57; vgl. auch K. v. RG R. Erl. 2 zu § 41; Staudinger Erl. I 2 zu 8 41). §48. 6.1

6 50; II g 43 rev. § 45; III g 45. P. 1 3151 ff., 3165ff., 3172ff.: 6154ff.; M. I 113ff. P. II 1 S. 547 ff.

1. Liquidation durch den Borstand oder besondere Liquidatoren. Der bisherige Vorstand ist als solcher zur Liquidation berechtigt und verpflichtet. Hierauf beschränkt sich seine Aufgabe. Die Aufgaben, die ihm während des Bestehens des Vereins oblagen, fallen, soweit sie nicht mit der Aufgabe der Liquidation zusammenfallen, weg. In den folgenden Vorschriften wird deshalb nicht mehr von dem Vorstande, sondern von den Liquidatoren gesprochen. Ob an Stelle des Vorstandes andere Personen zu Liquidatoren bestellt werden sollen, bestimmt die Mitglieder­ versammlung, sofern nicht bereits in der Satzung eine solche Bestimmung getroffen ist. Die Bestellung erfolgt regelmäßig durch Beschluß der Mitgliederversammlung; es liegt in ihr keine Ändemng der Satzung; auf den Beschluß darüber findet daher nicht der § 33, sondern der § 32 Anwendung. Soweit die erforderlichen Liquidatoren fehlen, sind sie in dringenden Fällen nach Maßgabe des § 29 durch das Amtsgericht zu bestellen.

2. Unter der rechtlichen Stellung des Vorstandes, welche die Liquidatoren nach Abs. 2 haben, ist sowohl die Stellung nach außen wie nach innen zu verstehen. Nach Maßgabe des § 26 vertreten sie daher den Verein gerichtlich wie außergerichtlich und haben die Stellung einegesetzlichen Vertreters. Die rechtliche Stellung der Liquidatoren ist indessen insofern eine be­ schränktere wie die des Vorstandes vor der Auflösung des Vereins, als dieser selbst nur noch zum Zwecke der Liquidation forlbesteht und demgemäß auch die Ausgabe der Liquidatoren sich beschränkt. Eine Erweiterung der Aufgabe, insbesondere auch der Vertretungsmacht der Liqui­ datoren über den Zweck der Liquidation hinaus ist unzulässig. Eine Beschränkung der Vertretungsmacht der Liquidatoren mit Wirkung gegen Dritte dürfte nicht unbedingt unzulässig sein. Eine dem HGB. § 151 entsprechende Vorschrift, durch welche die Anwendung des § 26 Abs. 2 Satz 2 vollständig ausgeschlossen würde, besteht nicht. Eine Beschränkung der Vertretungsmacht mit Wirkung gegen Dritte wird daher nur insoweit als unzulässig zu betrachten sein, als sie mit dem Zwecke der Liquidation nicht vereinbar ist (Hölder Erl. 2 zu § 48; Oertmann Erl. 5 zu 8 48; a. A. Rehbein I 56; widerspruchsvoll K. v. RG R. Erl. 2 zu 8 48 und Erl. 1 zu 8 76). Eine Bestimmung z. B., nach welcher der Vorstand gewisse Teile des Vereinsvermögens nicht ver­ äußern kann, muß für die Liquidatoren Wegfällen, wogegen eine Bestimmung, nach welcher der Vorstand in betreff der Art der Veräußerung von dem Beschlusse der Mitgliederversammlung abhängig ist, auch für die Liquidatoren zulässig sein würde. Das mnere Verhältnis des Vorstandes zu dem Verein erleidet durch die Liquidation in­ soweit eine wesentliche Änderung, als die ihm obliegende Geschäftsführung sich nunmehr auf die Liquidation nach Dkaßgabe des 8 49 zu beschränken hat.

Im übrigen finden auch auf die

112

I.

Abschnitt: Personen.

§ 49. Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beendigen, die Forderungen einzuziehen, das übrige Vermögen in Geld umzusetzen, die Gläubiger zu befriedigen und den Überschuß den Anfallberechtigten auszuantworten. Zur Beendigung schwebender Geschäfte können die Liquidatoren auch neue Geschäfte eingehen. Die Einziehung der Forderungen sowie die Umsetzung des übrigen Vermögens in Geld darf unterbleiben, soweit diese Maßregeln nicht zur Befriedigung der Gläubiger oder zur Verteilung des Überschusses unter die Anfallberechtigten

erforderlich sind. Der Verein gilt bis zur Beendigung der Liquidation als fortbestehend, soweit der Zweck der Liquidation es erfordert. Liquidatoren die Vorschriften des § 27 Abs. 3 Anwendung. Eine Einwirkung der Mitglieder­ versammlung auf die Geschäftsführung der Liquidatoren wird, soweit sie während des Bestehens des Vereins zulässig war, auch noch während der Liquidation stattfinden können; sie darf aber nicht in solcher Art erfolgen, daß dadurch der Zweck der Liquidation gefährdet würde. Die Bestellung eines Liquidators kann wie die eines Vorstandsmitglieds nach Maßgabe

des § 27 widerrufen werden; andererseits sind auch die Liquidatoren berechtigt, ihr Amt nieder­ zulegen. Zu den für die rechtliche Stellung der Liquidatoren geltenden Vorschriften gehört auch die Vorschrift des § 31, nach welcher der Verein in den dort bestimmten Fällen für den von den Liquidatoren einem Dritten zugesügten Schaden verantwortlich ist; ebenso der § 42 Abs. 2 über die Verpflichtung, im Falle der Überschuldung die Eröffnung des Konkurses zu beantragen. 3. Abweichend von den für die Beschlußfaffung des Vorstandes geltenden Vorschriften be­ stimmt der Abs. 3 des § 48, daß, wenn mehrere Liquidatoren vorhanden sind, für ihre Beschlüffe Einstimmigkeit erforderlich ist, sofern nicht ein anderes bestimmt ist. Die anderweite Bestimniung erfolgt durch die Satzung; sie kann aber, wenn die Satzung keine Bestimmung enthält, auch durch die Mitgliederversammlung getroffen werden. (Oertmann Erl. 4 zu § 48; Rehbein I 56; K. v. R GR. Erl. 2 zu § 48; a. A. wie es scheint, Staudinger Erl. 5 zu § 48.) 4. Die Vorschriften des g 48 finden auf juristische Personen des Handelsrechts subsidiäre Anwendung (f. Vorbm. 1 vor § 21). Die Vorschriften des § 28 Abs. 2 über die dem Vereine gegenüber abzugebenden Erklärungen und des § 34 über die Fälle, in denen ein Mitglied rechtlich behindert ist, an der Beschlußfassung teilzunehmen, finden auch auf die Liquidatoren Anwendung.

8 49. E. I 8 51; II 8 44 rev. 8 46; III 8 46. P. I 3154ff., 3165, 3173ff., 3177ff., 6154 ff., 6165; M. I 115f. P.II 1 S. 548ff.; 6 6. 136ff.

1. Der § 49 bestimmt die Art und Weise, in welcher die Liquidatoren die Liquidation auszuführen haben. Die Bestimmung ist aber nicht in der Art als eine erschöpfende anzusehen, daß andere als die in dem § 49 aufgezählten Geschäfte von den Liquidatoren nicht vorgenommen werden dürsten. Maßgebend für die Zulässigkeit eines Geschäfts ist, wie sich aus dem im § 48 Abs. 2 und § 49 Abs. 2 ausgesprochenen Prinzip ergibt, ob das Geschäft dem Zwecke der Liquidation dient. Zu dem Wirkungskreise der Liquidatoren gehören also außer den im § 49 aufgezählten Geschäften alle Geschäfte, welche die ordnungsmäßige Verwaltung deS Vermögen­ des Vereins bis zu dessen Versilberung oder Ausantwortung an die Anfallberechtigten erfordert. Die Bestimmungen des § 49 bezeichnen gewissermaßen nur das Ziel, nach welchem die Ver­ waltung streben soll. Die Liquidatoren haben daher insbesondere auch die anhängigen Prozesse fortzusetzen und, soweit erforderlich, neue anhängig zu machen. Was die einzelnen in § 49 her­ vorgehobenen Geschäfte anlangt, so ist es dem pflichtmäßigen Ermessen der Liquidatoren über­ lassen, in welcher Art sie dieselben vornehmen wollen. Sie können insbesondere die laufenden Geschäfte auch durch Vergleich beendigen. Statt eine Forderung einzuziehen können sie, wenn dies zweckmäßig erscheint, auch andere Gegenstände an Zahlungs Statt annehmen oder die Forderungen gegen Entgelt veräußern. Ob sie die Einziehung der Forderungen und die Um­ setzung des übrigen Vermögens in Geld unterlassen wollen, weil dies zur Befriedigung der Gläubiger nicht erforderlich ist, hängt von ihrem pflichtmäßigen Ermessen ab. Die Anfallberechtlgten haben kein Recht darauf. Zu einer Veräußerung des Vereinsvermögens im Ganzen dürsten die Liquidatoren nicht berechtigt sein; denn es fehlt im BGB. an den für diese Maßregel un-

umgänglichen Schutzvorschriften, wie sie HGB. § 303 gibt (a. A. Oertmann Erl. la zu § 49; K. v. R G N. Erl. 1 zu Z 49; Staudinger Erl. II116 zu Z 49). Ebensowenig können die Liquida­ toren die Liquidation als Ganzes einem Dritten übertragen (Staudinger Erl. III 16 zu § 49; vgl. KG. 37 A 164). Die Liquidatoren haften wegen ihrer Geschäftsführung dem Vereine nach § 27 Abs. 3. Den Anfallberechtigten haften sie unmittelbar nicht, den Gläubigern nur nach Maßgabe des § 53. 2. Zweifelhaft ist, ob die Vertretungsmacht der Liquidatoren Dritten gegenüber durch die Vorschriften des § 49 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 beschränkt ist (vgl. Hölder Erl. 2 zu § 49; Oertmann Erl. 1 c, 3 zu Z 49; Rehbein I 57; K. v. N G R. Erl. 2 zu Z 49; Staudinger Erl. III Id, VI zu § 49: Cosack § 302 I 2a; Enneccerus § 107 II 1; v. Tuhr I 567f. und die Kommentare zum HGB. §§ 149, 298). Vier Auffassungen sind möglich. Nach der ersten bleibt die Vertretungsmacht unbeschränkt, und die Liquidatoren sind nur dem Vereine dafür verant­ wortlich, daß sie bei ihrer Geschäftsführung nach Maßgabe des § 49 verfahren. Nach der zweiten Auffassung ist die Vertretungsmacht der Liquidatoren auf die zum Zwecke der Liquidation er­ forderlichen, in dem § 49 näher bezeichneten Geschäfte in der Art beschränkt, daß alle Geschäfte, die nicht objektiv jenem Zwecke entsprechen, außerhalb der Vertretungsmacht liegen. Nach der dritten Auffassung wird die Vertretungsmacht der Liquidatoren zwar auf den Geschäftskreis be­ schränkt, der sich aus dem Zwecke der Liquidation ergibt, aber diese Beschränkung ist nur dabin zu verstehen, daß jedes Geschäft, das seinem Inhalte nach unter diesen Geschäftskreis fallen kann, dem Dritten gegenüber, mit dem es vorgenommen wird, als innerhalb des Geschäfts­ kreises liegend angesehen wird, sofern nicht das Gegenteil im einzelnen Falle bewiesen wird. Es handelt sich bei dieser Auffassung im wesentlichen um eine Umkehrung der Beweislast. Ter Dritte, welcher sich auf ein von dem Liquidator mit ihm abgeschlossenes Geschäft beruft, braucht nicht zu beweisen, daß das Geschäft zum Zwecke der Liquidation erforderlich gewesen sei, viel­ mehr liegt demjenigen, welcher geltend macht, daß das Geschäft nicht zum Zwecke der Liquidation gedient habe, der Beweis dieser Behauptung ob. Eine vierte Auffassung geht insofern zum Schutze des Dritten noch weiter, als nach ihr dem Dritten gegenüber nicht nur der Beweis er­ fordert wird, daß das Geschäft nicht zum Zwecke der Liquidation erforderlich gewesen sei, sondern auch der Beweis, daß der Dritte dies gewußt habe oder habe wissen müssen. Gegen die erste Auffassung spricht, daß eine unbeschränkte Vertretungsmacht durch den Zweck der Liquidation nicht gefordert wird und daß eine der Beschränkung des Geschäftskreises der Liquidatoren entsprechende Beschränkung der Vertretungsmacht dem Interesse des Vereins wie der Vereinsgläubiger entspricht. Dagegen spricht auch der Gebrauch des Wortes „können" im Satz 2 des § 49. Dies deutet daraus hin, daß es sich bei der fraglichen Vorschrift nicht allein um das Verhältnis der Liqui­ datoren dem Vereine gegenüber handelt — in diesem Falle würde das Wort „dürfen" gebraucht fein —, sondern daß es sich um eine Erweiterung der Berechtigung der Liquidatoren nach außen handelt. Gegen die zweite Auffassung spricht, daß eine so weitgehende Beschränkung der Vertretungsmacht, wie sie nach dieser Auffassung eintreten würde, durch den Zweck der Liquidation nicht nur nicht geboten ist, sondern den Zweck sogar gefährden würde. Ob ein Rechtsgeschäft zu den laufenden Geschäften gehört, deren Beendigung den Liquidatoren obliegt, oder ob es zwar ein neues Geschäft ist, aber zur Beendigung schwebender Geschäfte vorgenommen wird und erforderlich ist, läßt sich dem Rechtsgeschäfte häufig nicht ohne weiteres ansehen. Man denke z. B. nur an den Fall, daß ein landwirtschaftliches Grundstück zu dem Vereinsvermögen gehört, daß dieses Grundstück, weil es nicht sofort veräußert werden kann, noch längere Zeit von den Liquidatoren verwaltet werden muß. In solchem Falle können nicht nur Pacht-, Miet- und Dienstverträge, sondern auch der Kauf und Verkauf der verschiedensten Sachen zum Zwecke einer ordnungsmäßigen Verwaltung erforderlich werden. Wäre in diesem und in ähnlichen Fällen die Vertretungsmacht der Liquidatoren und damit die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts davon ab­ hängig, daß es wirklich zum Zwecke der Liquidation dient, so würden Dritte wegen der Un­ gewißheit, ob dies der Fall ist, sich nicht leicht zu der Eingehung eines solchen Geschäfts mit den Liquidatoren bereitfinden lassen und würde somit die Ausgabe der Liquidatoren durch eine derartige Beschränkung ihrer Vertretungsmacht wesentlich erschwert. Bei der dritten Auffassung wird dieses Bedenken gemildert; vollständig beseitigt wird es aber nur bei der vierten Auffassung. Diese ist mit dem Wortlaute nicht unvereinbar und entspricht der Ausfassung des Lebens bei Verhältnissen dieser Art. Eingehend begründet ist diese Auffassung nach P. II 6 S. 136 ff. bei der Beratung eines Antrags, welcher den Standpunkt, aus deni diese Auffassung steht, ohne Be­ schränkung aus den hier fraglichen Fall allgemein für alle Fälle einer beschränkten VertretungsPlanck, Kom. zum BGB.

Bd. I.

4. Aufl.

(Knoke.)

8

I. Abschnitt: Personen.

114

§ 50. Die Auflösung des Vereins oder die Entziehung der Rechtsfähigkeit ist durch die Liquidatoren öffentlich bekannt zu machen. In der Bekanntmachung sind die Gläubiger zur Anmeldung ihrer Ansprüche aufzufordern. Die Bekannt­ machung erfolgt durch das in der Satzung für Veröffentlichungen bestimmte Blatt, in Ermangelung eines solchen durch dasjenige Blatt, welches für Bekanntmachungen des Amtsgerichts bestimmt ist, in dessen Bezirke der Verein seinen Sitz hatte. Die Bekanntmachung gilt mit dem Ablaufe des zweiten Tages nach der Ein­ rückung oder der ersten Einrückung als bewirkt. Bekannte Gläubiger sind durch besondere Mitteilung zur Anmeldung auf­ zufordern. macht zur Geltung bringen wollte.

Der Antrag wurde, nachdem eine Änderung der Fassung,

mit welcher sich der Antragsteller einverstanden erklärt hatte, abgelehnt war, von dem Antrag­ steller zurückgezogen. Für die Ablehnung des Antrags wurde geltend gemacht, daß dieselbe Frage bei verschiedenen anderen Verhältnissen vorkomme und eine alle diese Verhältnisse deckende Vorschrift zum Sckutze des guten Glaubens bedenklich sei. Bei jedem einzelnen Verhältnisse müsse es der Wissenschaft und Praxis überlassen werden, zu prüfen, wie die Frage unter Berück­ sichtigung aller Umstände zu entscheiden sei. Diese Entscheidung wird für den hier vorliegenden Fall in dem Sinne der oben dargelegten vierten Auffassung erfolgen müssen. 3. Über die Bedeutung des im Abs. 2 ausgesprochenen Grundsatzes, daß der Verein bis zur Beendigung der Liquidation als fortbeftehend gilt, soweit der Zweck der Liquidation es erfordert, s. Erl. 1 zu § 45, Erl. 3 zu Z 47. Aus diesem Grundsätze wird auch zu folgern sein, .daß der Verein bis zur Beendigung der Liquidation auch noch Vermögen durch Schenkung oder ^Erbschaft erwerben kann (so auch Oertmann Erl. 2 zu 8 49; dagegen wollen Rehbein I 55 und K. v. R G R. Erl. 2 zu § 49 nur Zuwendungen zur Berichtigung der Vereinsverbindlichkeiten gelten lassen; vgl. auch v. Tuhr I 565 Anm. 33).

8 50. E. I g 52 ; II g 45 rev. g 47; III g 47. P. I 3154, 6152 ff., 6163. P. II 1 S. 550. 1. Die §§ 50—53 bezwecken die Sicherung der Bereinsgläubiger. Sie sollen durch eine nach Maßgabe des § 50 zu erlassende Bekanntmachung zur Geltendmachung ihrer Ansprüche auf­ gefordert werden und erst nach Ablauf des im § 51 bestimmten Sperrjahrs und nach Befriedigung oder Sicherstellung der Gläubiger (§ 52) darf der Überschuß an die Anfallberechtigten ausge­ antwortet werden. 2. Die im Abs. 1 vorgeschriebene Bekanntmachung, von welcher an nach § 51 das Sperr­ jahr beginnt, ist nicht schon mit der Einrückung in das bestimmte öffentliche Blatt, sondern erst Mit dem Ablaufe des zweiten Kalendertags von der Einrückung an bzw. wenn die Einrückung mehrere Male erfolgte, von der ersten Einrückung an (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 1) als erfolgt /anzusehen. 3. Bekannt im Sinne des Abs. 2 ist ein Gläubiger, wenn die Liquidatoren wissen, daß er einen Anspruch gegen den Verein hat oder zu haben behauptet. Daß das letztere genügt, um .den Gläubiger als einen bekannten im Sinne des Gesetzes erscheinen zu lassen, dürste sich aus .dem Zwecke der Vorschrift ergeben (Oertmann Erl. 2aa zu § 50; a. A. Staudinger Erl. 2 zu § ö0). Die Mitteilung an die bekannten Gläubiger ist keine Willenserklärung; sie ist aber eine Rechtshandlung, auf welche die Vorschriften des § 130 entsprechend anzuwenden sind (Manigk, Willenserklärung und Willensgeschäft 707; a. A. Oertmann Erl. 2a£ zu § 51, der die Ab­ sendung der Anzeige für genügend hält). Die Ansallberechtigten sind nicht Gläubiger im Sinne des § 50.

§51. 6.1 g 53; II g 46 red. g 48; III g 48. P. I 3156ff.; M. I 116. P. II 1 6. 550. 1. Der § 51 bestimmt keine Ausschlußfrist für die Gläubiger, sondern verpflichtet nur die Liquidatoren, das Vermögen nicht vor dem Abläufe der bestimmten Frist den Ansallberechtigten auuszantworteu.

§ 51. Das Vermögen darf dem Anfallberechtigten nicht vor dem Ablauf eines Jahres nach der Bekanntmachung der Auflösung des Vereins oder der Entziehung der Rechtsfähigkeit ausgeantwortet werden. § 52. Meldet sich ein bekannter Gläubiger nicht, so ist der geschuldete Betrag, wenn die Berechtigung zur Hinterlegung vorhanden ist, für den Gläubiger zu hinterlegen. Ist die Berichtigung einer Verbindlichkeit zur Zeit nicht ausführbar oder ist eine Verbindlichkeit streitig, so darf das Vermögen den Anfallberechttgten nur ausgeantwortet werden, wenn dem Gläubiger Sicherheit geleistet ist. 2. Gläubiger, deren Ansprüche von den Liquidatoren anerkannt oder ihnen gegenüber rechtskräftig festgeftellt werden, sind auch schon während des Sperrjahrs zu befriedigen; (a. A. Oertmann Erl. 1 zu § 51; wie hier Staudinger Erl. 3 zu § 51). Dasselbe gilt von Gläubigern, die sich erst nach Ablauf des Sperrjahrs, aber vor der Ausantwortung des Vermögens an die Anfallberechtigten melden. Beides gilt aber nur, sofern die Liquidatoren nicht wegen Überschuldung die Eröffnung des Konkurses zu beantragen verpflichtet sind (s. Erl. 2 zu 8 48). K. v. RGR. Erl. 1 zu § 50 nimmt an, datz die Befriedigung der Gläubiger vor Ablauf des SperrjahreS in der selbstverständlichen Voraussetzung geschehe, datz nicht nachträglich vor Ablauf des Sperrjahres sich weitere Gläubiger melden, zu deren Befriedigung das Vereinsvermögen nicht hinreicht. Diese Ansicht dürfte nicht zutreffen. Denn wenn auch die Liquidatoren nach § 42 Abs. 2 auf eine gleichmäßige Beftiedigung der.Gläubiger zu halten haben, so ist es doch nicht der Zweck des Sperrjahrs, eine gleichmäßige Beftiedigung der Gläubiger zu gewährleisten, sondern nur eine Beftiedigung vor den Anfallberechtigten. Zu einer Rückgewäbr sind die be­ friedigten Gläubiger daher nur nach den Grundsätzen der konkursrechtlichen Anfechtung verpflichtet. Das Sperrjahr beginnt mit der nach Maßgabe des § 50 Abs. 1 erfolgten öffentlichen Be­ kanntmachung, also mit dem Ablaufe des zweiten Kalendertags nach der Einrückung oder der ersten Einrückung in das bestimmte öffentliche Blatt und ist nach § 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2 zu berechnen. 8 52.

E. I 8 54; II 8 47 rcv. 8 49; III 8 49. P. I 3156, 6140, 11625ff.; M. I 116ff. P. II 1 S. 551; 4 S. 568ff., 607; 6 S. 116ff. 1. Verpflichtung zur Hinterlegung. Die Liquidatoren haben die Vereinsgläubiger zu be­ friedigen und dürfen regelmäßig nur, wenn dies geschehen ist, den Überrest den Anfallberechtigten ausantworten. Die Beftiedigung der Gläubiger kann aber auf Hindernisse stoßen. Für diesen Fall gibt der § 52 Vorschriften. Nach Abs. 1 soll der geschuldete Betrag hinterlegt werden, wenn,

zwei Voraussetzungen vorliegen, nämlich

a) daß ein bekannter Gläubiger sich nicht gemeldet hat, b) daß die Berechtigung zur Hinterlegung vorhanden ist. Die Voraussetzung unter a kann nur eintreten, wenn die Gläubiger nach Maßgabe deS

§ 50 ordnungsmäßig aufgesordert sind, sich zu. melden. Hat auf solche Aufforderung ein Gläubiger sich gemeldet, so ist er zu beftiedigen. Ist die Beftiedigung nicht ausführbar, z. B. weil die Forderung bestritten ist, so kommt der § 52 Abs. 2 zur Anwendung. Das Recht zur Hinterlegung ist in den §§ 372 ff. geregelt. Unter dem „geschuldeten Be­ trag", von dem der Abs. 1 spricht, ist jede zur Hinterlegung geeignete Sache zu verstehen, also nach § 372 Geld, Wertpapiere und sonstige Urkunden sowie Kostbarkeiten, außerdem diejenigen Sachen, welche auf Grund des EG. Art. 146 landesgesetzlich für hinterlegungsfähig erklärt sind. Die Berechtigung zur Hinterlegung ist nach § 372 dadurch bedingt, daß der Gläubiger im Ver­ züge der Annahme ist oder daß der Schuldner auS einem anderen, in der Person deS Gläubigers liegenden Grunde oder infolge einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Ungewißheit über die Person des Gläubigers seine Verbindlichkeit nicht oder nicht mit Sicherheit erfüllen kann. Der letztgedachte Fall kann, obwohl der § 52 Abs. 1 nur von einem bekannten Gläubiger spricht, doch auch hier eintreten; denn nach der Absicht dieser Vorschrift muß es genügen, wenn nur das Be­ stehen der Schuld bekannt ist, mag auch die Person des Gläubigers aus irgendwelchem Grunde z. B. wegen Erbfalls oder Abtretung der Forderung oder weil es sich um eine Schuldver8*

116

I. Abschnitt: Personen.

§ 53. Liquidatoren, welche die ihnen nach dem § 42 Abs. 2 und den §§ 50 bis 52 obliegenden Verpflichtungen verletzen oder vor der Befriedigung der Gläubiger Vermögen den Anfallberechtigten ausantworten, sind, wenn ihnen ein Verschulden zur Last fällt, den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich; sie haften als Gesamtschuldner. schreibung auf den Inhaber handelt, unbekannt sein; (a. A. Staudinger Erl. 4 zu § 52). Hatte der Gläubiger die geschuldete Sache von dem Schuldner abzuholen, so ist er nach § 295 schon dadurch im Verzüge, daß er sich auf die ergangene Aufforderung nicht gemeldet hat. Handelt es sich aber um eine sog. Bringschuld, so muß das Angebot nach Maßgabe des § 294 erfolgen und tritt erst nach dessen Ablehnung die Berechtigung und damit für die Liquidatoren die Verpflichtung zur Hinterlegung ein. Auch bei gegenseitigen Schuldverhältnissen kann das Recht zur Hinterlegung begründet sein (wegen des Verzugs des Gläubigers in solchem Falle s. § 298); die Hinterlegung erfolgt dann nach Maßgabe des § 373. Durch die Hinterlegung wird der Schuldner von seiner Verpflichtung noch nicht befreit; diese Wirkung tritt vielmehr nach 8 378 erst ein, wenn das dem Schuldner zustehende Recht zur Rücknahme der hinterlegten Sache (§ 376) ausgeschlossen ist. Mit Rücksicht hierauf war beantragt, daß die Liquidatoren im Falle des § 52 Abs. 1 verpflichtet seien, auf das Recht der Rücknahme zu verzichten. Der Antrag wurde abgelehnt, weil er ohne genügenden Grund das Jnteresfe der Liquidatoren be­ einträchtige. Dabei ist indessen zu beachten, daß, wenn die Liquidatoren die hinterlegte Sache zurücknehmen, die Hinterlegung nach § 379 Abs. 3 als nicht erfolgt gilt, daß sie also in solchem Falle die ihnen nach § 52 Abs. 1 obliegende Verpflichtung nicht erfüllt haben und daher nach § 53 den Gläubigern verantwortlich sind. 2. Verpflichtung zur Sicherheitsleistung. Diese findet nach Abs. 2 in allen Fällen statt, in welchen die Berichtigung einer Verbindlichkeit zurzeit nicht ausführbar ist und die Verpflichtung zur Hinterlegung nach Maßgabe des Abs. 1 nicht besteht; ebenso, wenn die Verbindlichkeit streitig ist. Ist die Verpflichtung zur Hinterlegung nach Abs. 1 begründet, so ist diese genügend und erforderlich. Die Gründe, aus denen die Berichtigung zurzeit nicht ausführbar ist, trotzdem aber die Verpflichtung zur Hinterlegung nicht besteht, können sehr verschiedene sein. Sie können ins­ besondere darauf beruhen, daß die geschuldete Sache nicht hinterlegungsfähig ist, daß jbie im § 372 bestimmten Voraussetzungen der Zulässigkeit der Hinterlegung nicht vorliegen, daß der Gläubiger sich nicht gemeldet hat, daß die Verbindlichkeit eine bedingte oder betagte ist, usw. In allen Fällen dieser Art muß den Gläubigern Sicherheit geleistet werden, bevor die Ausantwortung des Vermögens an den Anfallberechtigten zulässig ist; (a. A. für den Fall einer noch nicht fälligen Verbindlichkeit zur Geldleistung K. v. R G R. Erl. 2 zu § 52, der annimmt, daß der Betrag unter Abzug der Zwischenzinsen zu hinterlegen sei; wie hier Hölder Erl. 2 zu 8 52; Oertmann Erl. 2 zu § 52; v. Tuhr I 569). Die Sicherheitsleistung hat nach Maßgabe der 88 232—240 zu erfolgen. §53. E. I 8 56; II 8 48 rev. 8 50; III 8 50. P. I 3157, 3165ff., 3175ff., 6173, 11714 ff.; M. I 117. P. II 1 S. 551.

1. Verpflichtung der Liquidatoren gegenüber dem Vereine. Dem Vereine gegenüber sind die Liquidatoren wegen ihrer gesamten Geschäftsführung nach den für die Haftung des Vor­ standes gellenden Vorschriften verantwortlich. Die hieraus entspringenden Ersatzansprüche des Vereins gehören zu dem Bereinsvermögen; die Gläubiger können sich daran wegen ihrer Forderungen ebenso halten wie an andere Teile des Vereinsvermögens.

2. Verpflichtung der Liquidatoren gegenüber den Gläubigern. Eine solche besteht nur, wenn die Liquidatoren die ihnen in den 8 42 Abs. 2, 8§ 50—52 auferlegten Verpflichtungen oder die Verpflichtung, den Anfallberechtigten vor der Befriedigung der Gläubiger Vermögen nicht auszuantworten, schuldhafterweise verletzt haben. Wegen einer solchen Verletzung sind sie den Gläubigern zum Schadensersätze verpflichtet. Der Befriedigung der Gläubiger im Sinne des 8 53 steht es gleich, wenn nach Maßgabe des 8 52 der geschuldete Betrag für sie hinterlegt oder ihnen Sicherheit geleistet ist. Ein Schaden ist den Gläubigern durch die schuldhafte Verletzung der den Liquidatoren obliegenden Verpflichtungen entstanden, wenn sie infolge davon ihre Be­ friedigung nicht oder nicht vollständig aus dem Vereinsvermögen erhalten (f. Erl. 4). Die Liquidatoren haften für diesen Schaden den Gläubigern als Gesamtschuldner nach Maßgabe der

§§ 421 ff. Der Anspruch der Gläubiger gegen die Liquidatoren ist als Anspruch aus unerlaubter Handlung auszufassen (f. Erl. zu § 823; Staudinger Erl. 7 zu § 53; v. Tuhr I 570 Anm. 54; Detmold in der Göttinger Festgabe für Regelsberger 01,326) und unterliegt deshalb der Ver­ jährung des § 852. Ein Anspruch gegen die Liquidatoren wegen Verletzung der diesen in betreff der Verwaltung und Liquidation des Vereinsvermögens nach § 49 obliegenden Verpflichtungen steht den Gläubigern nicht zu. Der aus einer solchen Verletzung entstehende Anspruch steht dem Vereine zu und die Gläubiger Können aus ihm als einem Teile des Vereinsvermögens bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche gegen den Verein ihre Befriedigung suchen (s. Erl. 1). 3. Eine Verpflichtung der Liquidatoren gegenüber den Anfallberechtigten besteht nicht. 4. Ansprüche der Gläubiger gegen den Verein nach Ausantwortung des Vermögens an die Anfallberechtigten. Der Verein bleibt nach § 49 bis zur Beendigung der Liquidation be­ stehen, soweit der Zweck der Liquidation es erfordert. Zu dem Vereinsvermögen, an das sich die Gläubiger zunächst zu halten haben, gehören auch die erst während der Liquidation er­ worbenen Ansprüche. Haben z. B. die Liquidatoren einem Dritten eine Leistung zum Zwecke der Berichtigung einer Forderung desselben gemacht und ergibt sich, daß dies irrtümlich geschehen, weil die Forderung nicht bestand, so kann der Verein von dem Dritten die Herausgabe des Er­ langten nach den Vorschriften über ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812ff.) verlangen. Das­ selbe wird gellen müssen, wenn die Liquidatoren in der irrigen Annahme, daß alle Gläubiger befriedigt seien, dem Ansallberechttgten Vereinsvermögen ausgeantwortet haben. Der Anfallberechtigte ist nicht Erbe des Vereins, sondern nur Gläubiger (s. Erl. 1 zu 8 45). Er hat gegen den Verein, der selbst durch die Liquidatoren die Liquidation vornimmt, einen Anspruch auf den nach Befriedigung der Gläubiger verbleibenden Überschuß. Ist kein Überschuß vor­

handen, so hat er keinen Anspruch gegen den Verein. Ist ihm trotzdem etwas dem Ver­ einsvermögen als angeblicher Überschuß ausgeantwortet, so hat er ein indebitum erhalten. Die Verpflichtung zur Herausgabe des Erlangten würde nach § 814 nicht bestehen, wenn die Liqui­ datoren bei der Leistung gewußt haben, daß ein Überschuß in Wirklichkeit nicht vorhanden sei,

eine Verbindlichkeit des Vereins also nicht bestehe. Auch in diesem Falle aber würde dann dem Verein ein Anspruch auf Erstattung zustehen, wenn der Anfallberechtigte bei der Leistung wußte oder wissen mußte, daß die Liquidatoren zu der Ausaniwortung nicht berechtigt seien; denn in solchem Falle handelt es sich nicht um eine zum Zwecke der Liquidation vorgenommene Rechts­ handlung und lag die Leistung also außerhalb der Vertretungsmacht der Liquidatoren (f. Erl. 2 zu § 49). Wenn ein Anspruch dieser Art gegen den Anfallberechtigten besteht, ist noch Vereinsver­ mögen vorhanden, die Liquidation also nicht beendigt. Demnach besteht auch noch der Verein und können die Gläubiger von den Liquidatoren als Vertretern des Vereins noch Befriedigung verlangen. Nötigenfalls können sie sich im Wege der Zwangsvollstreckung den Anspruch des Vereins gegen den Anfallberechtigten überweisen lassen. Sind die bisherigen Liquidatoren weg­ gefallen, so können die Gläubiger die Bestellung neuer Liquidatoren verlangen (§ 48 Abs. 1, 88 27, 29). Erlangen die Gläubiger auf diesem Wege Befriedigung, so haben sie keinen Schaden erlitten und steht ihnen daher ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Person der Liquidatoren nicht zu (so auch Staudinger Erl. III 3 zu 8 49, Erl. 2, 4 zu 8 51, Erl. 5 zu 8 53; Cosack 8 302 I 2a y; v. Tuhr I 571; im wesentlichen auch Rehbein I 58, der indes dem Verein im Falle der Ausaniwortung des Vermögens an den Anfallberechtigten vor Befriedigung aller Gläubiger unbedingt einen Anspruch auf Rückgewähr einräumt). Manche 'Schriftsteller (Oertmann Erl. 4b zu 8 52; K. v. RG R. Erl. 1 zu 8 51; Crome 8 54 Anm. 14; EnnecceruS 8 107 II 4; Matthiaß 8 31 II B 2b; Leonhard 8 43 III; Oberwinter, Über Vereine, Aktiengesellschaften und Gewerkschaften im Liquidationszustande nach Verteilung des gesamten Vermögens an die Anfallberechtigten, in Gruch. 53, 769 ff.) leugnen einen Anspruch der Gläubiger gegen den Verein nach Ausaniwortung des Vermögens an die Anfallberechtigten, indem sie annehmen, daß mit der Ausantwortung der Verein endgültig erlösche und somit der Schuldner Wegfälle. Aber wenn sich nach der Ausantwortung des Vermögens herausstellt, daß noch andere Vermögensstücke vorhanden sind, so ist die Liquidation eben nur scheinbar beendet und der Verein besteht in Wahrheit noch immer, z. B. wenn unterschlagene Wertpapiere wider Erwarten herbeigeschafft werden oder wenn sich herausstellt, daß dem Verein, ehe er in Liquidation trat, aus der Bezahlung einer vermeintlichen Schuld ein Bereicherungsanspruch erwachsen war (vgl. auch K. v. R G R. Erl. 2 zu 8 51). Zwischen diesen Fällen und dem der ungerechtfertigten Befriedigung von Anfallberechtigten besteht aber kein Unterschied.

118

I. Abschnitt: Personen.

§ 54. Auf Vereine, die nicht rechtsfähig sind, finden die Vorschriften über die Gesellschaft Anwendung. Aus einem Rechtsgeschäfte, das im Namen eines solchen Vereins einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, haftet der Handelnde persönlich; handeln mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner. 5. Ein direkter Anspruch gegen den Anfallberechtigten, dem Vereinsvermögen von den Liquidatoren ausgeantwortet ist, steht den Gläubigern nicht zu. Mittelbar werden sie regel­ mäßig auf dem unter Erl. 4 bezeichneten Wege die Herausgabe des dem Anfallberechtigten mit Unrecht ausgeantworteten Vermögens erzwingen können. Steht aber dem Vereine nach den Ausführungen unter Erl. 4 ein Anspruch gegen den Anfallberechtigten nicht zu, so bleibt dem Gläubiger nur der Schadensersatzanspruch gegen die Liquidatoren nach Maßgabe des § 53. Hellwig, Die Verträge auf Leistung an Dritte 393, will den § 419 entsprechend zur Anwendung bringen und so den nicht befriedigten Gläubigern einen Anspruch gegen die Anfallberechtigten geben. Aber die Ausantwortung des Vermögens an die Anfallberechtigten ist mit mit dem Falle des § 419 nicht verwandt, da sie von vornherein nur auf das Nettovermögen gehen soll; die An­ wendung des §419 enthielte aber auch eine ungerechtfertigte Härte gegen die Anfallberechtigten, da sie nach §§ 1991, 1978 den Gläubigern für die Verwaltung der ihnen zugeteilten Vermögens­ stücke verantwortlich sein würden, obwohl sie nach ordnungsmäßiger Liquidation auf das Vor­ handensein von Gläubigern nicht zu rechnen brauchten. In Frage könnte zwar kommen, ob den Gläubigern nicht auf Grund des § 812 ein direkter Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Anfallberechtigten zusteht; (so Oertmann Erl. 4a zu § 52; K. v. R G R., Crome, Enneccerus, Oberwinter a. Erl. 4 a. O.). Diese Frage ist aber zu verneinen. Nur der­ jenige ist nach § 812 verpflichtet, welcher durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas erlangt hat. Erlangt hat der Anfallberechtigte hier etwas durch die Leistung des Vereins auf dessen Kosten, nicht auf Kosten der Gläubiger, und deshalb sieht, wenn überhaupt, nur dem Vereine, nicht den Gläubigern der Anspruch wegen ungerecht­ fertigter Bereicherung zu. Eine Ausdehnung dieses Anspruchs, wie sie in einzelnen anderen Fällen vorgeschrieben ist (s. z. B. §§ 816, 822), ist hier nicht für erforderlich erachtet.

8 54. E. II § 676 rev. § 51; III § 51.

P. II 1 S. 553ff.; 2 S. 452ff.; 6 S. 117, 206, 209.

O. v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit nach dem neuen Rechte, II. Ausl. 02; Swart, Der nicht rechtsfähige Verein 99; Neubecker, Vere.ine ohne Rechtsfähigkeit I 08; Lindemann, Der nicht rechtsfähige Verein 10; Geiler, Verein und Gesellschaft in LZ. 11, 505; Rundstein, Das Recht der Kartelle 04; Müller, Die Rechtsformen der Kartelle 07; Hüttner, Das Recht der Kartelle in Deutschland 09; Flechtheim, Deutsches Kartellrecht I 12; Rundstein, Der gewerbliche Arbeitstarifvertrag und sein Verhältnis zum inneren Bereinsrecht, in ZHR. 67, 474ff.; derselbe, Beiträge zur Dogmatik des Tarifvertrages, im ArchBürgR. 36, 204ff.; Eckstein, Die Bedeutung der Satzungen für den nicht rechtsfähigen Verein, in JheringsJ. 55, 243ff.; Josef, Letztwillige Zuwendungen an Vereine ohne Rechtsfähigkeit, im ArchBürgR. 20, 229ff.; O. v. Gierke, Der nicht rechtsfähige Verein als Mitglied eines eingetragenen Vereins, in DIZ. 07, 207; Sachau, Der nicht rechtsfähige Verein als Unternehmer eines Handels­ gewerbes, in ZHR. 56, 444ff.; Abrahamson, Die Schuldenhaftung des nicht rechtsfähigen Ver­ eins nach bisherigem Recht und nach dem Recht des BGB. 01; Danz, Die Haftung der Mitglieder eines nicht rechtsfähigen Vereins mit ihrem Vermögen, in DIZ. 07, 377ff.; Rümelin, Zur Frage nach der Haftung der Mitglieder eines nicht rechtsfähigen Vereins, im ArchZivPrax. 101, 361 ff.; Nußbaum, Die nicht rechtsfähigen Vereine im Prozeß und im Konkurs, ZZP. 05, 107ff.; Hellwig, Die aktive Parteifähigkeit des nicht rechtsfähigen Vereins vom Reichsgericht anerkannt, im Recht 04, 207; Aal, Der Ausschluß aus dem nicht rechtssähigen Verein des BGB., in IW. 03, 393ff.; Dürr, Zur Frage des Ausschlusses aus einem dem Rechte des BGB. unter­ stehenden nicht rechtsfähigen Verein, in IW. 05, 3; Nußbaum, Beiträge zur Auslegung des § 54 Satz 2, im SächsArch. 10, 337ff.; Hupka, Haftung des Vertreters ohne Vertretungs­ macht 172ff.; Geigel, Zwei Fragen aus dem Bereinsrecht, in BayZ. 12, 187.

1. Der Begriff eines nicht rechtsfähigen Vereins ist im BGB. nicht definiert. Nach § 54 Satz 1 finden auf einen solchen Verein zwar die Vorschriften über Gesellschaft Anwendung, aber darum ist der Verein doch nicht eine Gesellschaft (a. A. K. v. RGR. Erl. 1 zu § 54; Crome

§ 55; Kohler I § 179 I; Leist, Vereinsherrschaft 37; Hölder, Natürliche und juristische Personen 283; Staub, Kommentar zum HGB. 6. u. 7. Aust., Exkurs zu § 342 Anm. 84; Wiedemann 123 Anm. 4; Sachau 455 ff.; eigentümlich Co sack § 282: der Verein brauche nicht eine Gesellschaft zu sein, könne es aber sein; wie hier Oertmann Erl. Id/S zu § 54; Staudinger Erl. A 8 ju § 54; Biermann I § 131 Ziff. 1; Endemann I § 46 Ziff. 1; EnnecceruS § 109 II; Eck I 49; Hachenburg 475ff.; Zitelmann I 68; v. Tuhr I 573f.; v. Gierke 10ff.; Knoke, Das Recht der Gesellschaft 1, 19ff., Meurer 59ff.; Schwabe, Körperschaft 29ff.; Binder, Das Problem der juristischen Persönlichkeit 93ff.). Der Unter­ schied ist praktisch von Bedeutung. Denn der § 54 Satz 2 und die in Erl. 2 angegebenen Vorschriften finden nicht auf Gesellschaften, sondern nur auf nicht rechtsfähige Vereine Anwendung. Der Unterschied zwischen Verein und Gesellschaft beruht nicht auf einem einzelnen Umstand; da bei der Gesellschaft körperschaftliche Elemente vorkommen, kann nur das Gesamtbild entscheiden (v. Gierke 11; Knoke 21; v. Tuhr I 573). Der Verein muß so organisiert sein, daß er seinen Mitgliedern als besonderes einheitliches Ganze gegenübertritt und im Verkehr als solches sich^ gibt und genommen wird; er muß so gestaltet sein, daß er die Rechtsfähigkeit er­ langen könnte (v. Gierke 11; im wesentlichen übereinstimmend Oertmann, K. v. R G R., Stau­ dinger, Biermann a. a. O., Dernburg I § 79 II, Endemann, Enneccerus, Kohler a. a. O., Matthiaß § 32 III, Windscheid-Kipp § 57 Anm. 4b, Eck, Hachenburg, v. Tuhr, Meurer, Knoke a. a. £).). Wesentlich ist für den Verein das Vorhandensein eines Vorstandes und eines beschließenden Organs, wesentlich ist die Unabhängigkeit vom Wechsel der Mitglieder (darin sehen das allein entscheidende Merkmal Zitelmann und Binder a. a. O.); um einheitlich im Verkehr auftreten zu können, ist schließlich ein Vereinsname unentbehrlich; aus dem Zweck läßt sich in aller Regel über die Natur der Verbindung nichts entnehmen (v. Gierke 10; v. Tuhr I 574; RG. 74, 373; a. A. BayObLG. 9, 179 = SeuffA. 63, 345). Mit der hier vertretenen Auffassung stimmt das RG. überein (E. 54, 297ff.; Gruch. 49, 1014; E. 60, 94 ff: der Verein ist „eine dauernde Verbindung einer größeren Anzahl von Personen zur Erreichung eines ihnen gemeinsamen Zweckes, die sich eine die wesentlichen Merkmale korporativer Organisation enthaltende Gestaltung gegeben hat, einen Gesamtnamen führt, und bei welcher ein Wechsel des Mitgliederbestandes, und zwar nicht vermöge besonderen Ausnahmerechts, sondern natur­ gemäß infolge des Wesens der Vereinigung stattfindet"; diese Definition ist seitdem vom RG. festgehalten in SeuffA. 62, 129; E. 74, 372; 76, 27). Geiler in LZ. 11, 505 verwirft diese Art der Unterscheidung; die Abgrenzung sei wirischaftlicher Natur und liege in dem Ver­ hältnisse des Gemeinschaftsmitgliedes zum Gemeinschaftsvermögen, beim Verein werde das Ver­ mögen winschaftlich nicht als Vermögen der Mitglieder betrachtet, es bestehe keine wirtschaftliche Beteiligung der Mitglieder. Diese Ansicht, die dahin führt, auf Vereinigungen mit wirtschaft­ licher Beteiligung der Mitglieder den § 22 für unanwendbar zu erklären, steht offenbar mit den Bestimmungen des Gesetzes nicht im Einklang, fie versagt ferner bei den Vereinigungen, die kein Vermögen haben, es ist willkürlich, wenn der Verfasser fie für Gesellschaften erklärt. Wo die oben angegebenen Voraussetzungen vorliegen, wird ein Verein selbst dann an­ zunehmen sein, wenn eine Personenvereinigung sich als Gesellschaft bezeichnet (RG. 60, 94; RG. in SeuffA. 62, 129; RG. 74, 373; SeuffA. 63, 129). Die Vertragschließenden können die Anwendbarkeit der besonderen für die nicht rechtsfähigen Vereine gegebenenen Vorschriften auch nicht dadurch ausschließen, daß sie erklären, ihre Vereinigung solle nur den §§ 705 ff. unterstehen (a. A. wie es scheint RG. in IW. 06, 452 Nr. 4; RG. 60, 100 läßt die Frage offen). Als nicht rechtsfähiger Verein ist anerkannt die Tarifgemeinschaft der Deutschen Buchdrucker (RG. 76, 25), nicht anerkannt die Vertretung der Freien Studentenschaft (OLG. 23, 161). 2. Um die rechtliche Stellung eines nicht rechtsfähigen Vereins richtig zu würdigen, sind neben dem § 54 noch die Vorschriften der ZPO. §§ 50, 735 und der KO. § 213 in Betracht zu ziehen. Nach ZPO. § 50 können Vereine, die nicht rechtsfähig sind, verklagt werden, wie wenn sie rechtsfähig wären. Nach § 735 genügt zur Zwangsvollstreckung in das Vermögen eines nicht rechlsfähigen Vereins ein gegen den Verein erlassenes Urteil. Nach KO. § 213 findet über das Vermögen eines nicht rechtsfähigen Vereins ein Konkursverfahren statt, auf welches die Vorschriften der KO. §§ 207, 208 über das Konkursverfahren über das Vermögen einer Aktien­ gesellschaft entsprechende Anwendung finden. 3. Die Vorschriften über die Gesellschaft sind nicht auf Vereine mit wechselnden Mit­ gliedern berechnet. Das BGB. schreibt trotzdem die Anwendung der Vorschriften über die Ge­ sellschaft vor, weil andere Bestimmungen, welche anwendbar sein könnten, nicht bestehen und

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I. Abschnitt: Personen.

daher die Gefahr entstehen würde, daß ein Verein, wenn er nicht die Rechtsfähigkeit erlangt, als ein rechtliches Nichts behandelt würde. Die Vorschriften über Gesellschaften, obwohl auf Vereine der fraglichen Art nicht berechnet, sind doch so biegsam und so wenig zwingender Natur, daß ihre Anwendung den Vereinen zwar nicht eine den rechtsfähigen Vereinen entsprechende Stellung gibt — dies sollte gerade vermieden werden —, aber ihnen doch immerhin eine ihren Zwecken entsprechende Wirksamkeit ermöglicht. Die Anwendung der Vorschriften über die Gesellschaft führt in Verbindung mit den in Erl. 2 bezeichneteü Bestimmungen der ZPO. und der KO. zu folgenden Ergebnissen: a) Die Satzung enthält den Gesellschaftsvertrag. Was durch Vertrag unter den Gesell­ schaftern bestimmt werden kann, kann auch durch die Satzung bestimmt werden. Zur Änderung der dispositiven Vorschriften des Gesellschaftsrechls genügt eine stillschweigende Vereinbarung und diese wird als getroffen anzusehen sein, wenn sich die darauf gerichtete Absicht aus dem Zwecke des Vereins und dem gesamten Inhalte der Satzung sowie aus dem, was bei Vereinen dieser Art üblich ist, ergibt (Dernburg I § 79 III; Enneccerus § 109 III; v. Gierke 14; a. A. Wiedemann 123 Anm.-4). Danach müssen die Bestimmungen des Gesellschastsrechts als aus­ geschlossen gelten, welche für den Verein nicht passen (v. Tuhr I 574). Bedenklich ist die weiter­ gehende Ansicht von Eckstein 244, 252, der prinzipiell die Ausschließung alles Gesellschafts­ rechts, das durch Vereinsrecht ersetzt werden kann, auch solches Gesellschaftsrechtes, das mit dem Wesen des Vereins vereinbar ist, im Zweifel als stillschweigenden Satzungsinhalt ansieht, anderer­ seits aber einen Einfluß auf die Rechtsstellung des Vereins nach außen durch die Satzung oder durch stillschweigende Willenseinigung der Mitglieder für ausgeschlossen hält. Vgl. auch Sachau in ZHR. 56, 450 ff. b) Über die Angelegenheiten des Vereins entscheiden die Gesellschafter, also die Mitglieder

des Vereins. Es kann vereinbart werden, daß Stimmenmehrheit entscheidet (§ 709); im Zweifel ist eine solche Vereinbarung als getroffen anzusehen. Im Zweifel ist weiter vereinbart, daß über die Angelegenheiten des Vereins in einer Versammlung der Mitglieder Beschluß gefaßt werden soll. Wie beim rechtsfähigen Verein ist zur Gültigkeit des Beschlusses ordnungsmäßige Berufung der Versammlung erforderlich (RG. im Recht 08 Nr. 3385; aber auch RG. in LZ. 09, 141). Über die Angabe der Tagesordnung vgl. OLG. 3, 430; 4, 419; 15, 304. Bei der Beschlußfassung wird die Mehrheit der erschienenen Mitglieder entscheiden (v. Tuhr I 573 Anm. 5). Minder­ jährige können mitstimmen, wenn sie durch ihre Abstimmung keine vermögensrechtliche Haftung gegen sich begründen, oder wenn die Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters vorliegt, die regel­ mäßig in der Einwilligung zur Teilnahnre an dem Verein zu erblicken ist (vgl. OLG. 15, 324). Die Mitgliederversammlung kann bei Streitigkeiten zwischen dem Verein und einem Mitglied durch die Satzung nicht zur Entscheidung berufen werden (RG. in PucheltsZ. 06, 311). Durch Mehrheitsbeschluß kann im Zweifel auch die Satzung geändert werden, dabei sind die §§ 33, 35 entsprechend anzuwenden (vgl. Oertmann Erl. 2d zu § 54; Staudinger Erl. B IV zu Z 54; Enneccerus § 109 III 1; Kohler I § 179 IIh; v. Tuhr I 575; Leist, Untersuchungen 39, 98; vgl. auch RG. in Gruch. 51, 1117). § 37 ist auf den nicht rechtsfähigen Verein nicht ohne weiteres anwendbar (Kohler I § 179 II 3c; a. A. Eckstein 249). c) Der Vorstand hat die Stellung der geschäftsführenden Gesellschafter. Er kann auch beim nicht rechtsfähigen Verein aus Nichtmitgliedern bestehen (RG. im Recht 12 Nr. 967). Auch für die Beschlüsse des Vorstandes kann Entscheidung durch Stimmenmehrheit vereinbart werden (§ 710). Selbst wenn Entscheidung durch Stimmenmehrheit vereinbart ist, fordert BayObLG. 9, 179 — SeuffA. 63, 345, daß in der Sitzung des Vorstandes alle Vorstandsmitglieder an­ wesend sind, falls nichts anderes in der Satzung bestimmt ist. Das dürfte nicht zutreffen; nach der Ansicht des BayObLG. könnte die Minderheit die Tätigkeit deS Vorstands dadurch lahm­ legen, daß sie den Sitzungen fernbleibt. Die Bestellung sowie der Widerruf des Vorstandes kann ebenso geordnet werden wie für den Vorstand eines rechtsfähigen Vereins (§§ 710—712). Ist das Amt des bisherigen Vorstandes durch Zeitablauf beendigt, ohne daß ein neuer Vorstand bestellt ist, so tritt die Regel des § 709 in Kraft, die Vereinsmitglieder haben gegen den bis­ herigen Vorstand keinen Rechtsanspruch darauf, daß er eine Mitgliederversammlung zwecks Neu­ wahl des Vorstandes einberuft (RG. 78, 52). d) Für das innere Verhältnis der geschäftsführenden Gesellschafter zu der Gesellschaft werden im § 713 ebenso wie für das Verhältnis des Vorstandes zu dem rechtsfähigen Verein im § 27 Abs. 3 die für den Auftrag geltenden Vorschriften der §§ 664—670 für entsprechend anwendbar erklärt. Nach diesen Grundsätzen hasten also auch die Mitglieder des Vorstandes

eines nicht rechtsfähigen Vereins; nach § 708 haften sie aber nur für culpa in concreto (a. A. v. Tuhr I 577; Eckstein 259; dagegen Enneccerus § 109 Anm. 5). e) Die geschäftsführenden Gesellschafter, also auch die Mitglieder des BereinSvorstandes, können zur gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Gesellschafter ermächtigt werden. Sie gelten hierzu im Zweifel so weit ermächtigt, als ihnen die Geschäftsführung obliegt (§§ 714, 715). Gesetzliche Vertreter sind sie nicht, daher kann § 29 BGB. auf den nicht rechtsfähigen Verein keine Anwendung finden (vgl. Biermann I § 141 Ziff. 3c; Kohler I § 179 II 3a; Matthiaß § 32 II Al; v. Tuhr I 576). Vgl. aber unter k. f) Die Mitglieder haben die in der Satzung bestimmten Beiträge zu leisten (vgl. auch Leist, Untersuchungen 38). Durch die Satzung kann bestimmt werden, daß die Beiträge durch Mehrheitsbeschluß erhöht werden können. Im Zweifel ist anzunehmen, daß dies still­ schweigend vereinbart ist (v. Tuhr I 576; vgl. RG. in Gruch. 51, 1117). g) Das Bereinsvermögen ist Gesellschaftsvermögen. Dazu gehören die von den geschäfts­ führenden Gesellschaftern, also von dem Vereinsvorstande, durch die Geschäftsführung erworbenen Gegenstände (vgl. darüber Erl. zu § 718); ebenso die Beiträge der Mitglieder (wegen der Frage, ob auch die Ansprüche auf die Beiträge zum Gesellschaftsvermögen gehören, s. Erl. zu § 718; RG. 54, 299) und dasjenige, was auf Grund eines zu dem Vereinsvermögen gehörenden Rechtes oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines zu dem Vereinsvermögen gehörenden Gegenstandes erworben wird (§ 718). Durch die Verletzung einer der Gesamtheit der Vereinsmitglieder gegenüber bestehenden Verpflichtung kann möglicherweise dem einzelnen VereinsMitglied für sich ein Schadensersatzanspruch erwachsen (s. RG. in IW. 09, 357, hier hatte ein Kegelklub für bestimmte Tage eine Kegelbahn gemietet, ein Mitglied kommt infolge des nicht betriebssicheren Zustandes der Bahn zu Schaden; vgl. auch OLG. Karlsruhe in BadRpr. 10, 39, wo sogar den Gästen des Vereins gegen den Wirt ein Schadensersatzanspruch aus Vertrag ein­ geräumt ist). Bestritten ist, ob der Verein auf Grund einer Verfügung von Todes wegen oder durch Schenkung erwerben kann. Da der Verein nicht rechtsfähig ist, so kann er als solcher zu Erben nicht eingesetzt werden. Aber die Einsetzung des Vereins zum Erben wird nach der Absicht des Erblassers regelmäßig dahin auszulegen sein, daß die Mitglieder des Vereins mit der Be­ stimmung zum Erben eingesetzt sind, daß das Zugewendele Vereinsvermögen werden solle (s. RG. in Gruch. 28, 928; a. A. Josef ArchBürgR. 20, 232 ff.). Es fragt sich aber, ob die Erbschaft mit dem ipso jure eintretenden Erwerbe von feiten der Mitglieder ohne weiteres Vereinsvermögen wird oder ob die Mitglieder nur die Verpflichtung gegeneinander haben, sie zum Vereinsvermögen zu machen. Je nachdem man das eine oder andere annimmt, ist auch die Frage zu beantworten, ob der Vorstand oder die einzelnen Mitglieder zur Ausschlagung berechtigt sind. Die erste Auffassung entspricht offenbar der Absicht des Erblassers am meisten und führt zu klaren und einfachen Ergebnissen, während bei der zweiten Auffassung vielfache Zweifel ent­ stehen. Mit den erbrechtlichen Grundsätzen dürfte indessen die erstere Auffassung schwerlich ver­ einbar sein. In Bd. V Vorbm. 2 vor §§ 2064 ff. ist ausgeführt, daß der Zweck, den Gegenstand einer Verfügung von Todes wegen zum Bereinsvermögen zu machen, nur dadurch erreicht werden könne, daß den bedachten Vereinsmitgliedern die Auflage gemacht werde, das ihnen Zugewendete zu Vereinsvermögen zu machen (a. A. Oertmann Erl. 4 zu § 54; Staudinger Erl. B VII 3a zu 8 54; Endemann III § 6 Anm. 32; Enneccerus § 109 III 2a; Kohler I § 179 II 2d; Windscheid-Kipp § 57 Anm. 4b; Eck I 80 Anm. 2; Meurer 56f.; v. Gierke 21; Leonhard, Erbrecht Erl. III A zu § 1923; Hedemann, Werden und Wachsen im Bürgerlichen Recht 25, welche annehmen, daß bei einer den Vereinsmitgliedern durch Ver­ fügung von Todes wegen mit der Bestimmung gemachten Zuwendung, daß das Zugewendete Bereinsvermögen werde, das Zugewendete infolge dieser Bestimmung sofort Vereinsvermögen werde; wie hier Rehbein I 44; K. v. RGR. Erl. 1 zu 8 54; Dernburg I 8 79 VI; Goldmann-Lilienthal I 97 Anm. 9; Matthiaß § 32 II A 3; v. Tuhr I 578; Strohal, Erbrecht I 8 24 Anm. 3a; Kipp, Erbrecht § 1 Anm. 20, die Möglichkeit einer Auflage betonen K. v. RGR., v. Tuhr, Strohal, Kipp). Für Vermächtnisse gilt dasselbe wie für Erbschaften. Zur Annahme einer Schenkung wird man den Vorstand auch dann für berechtigt anzusehen haben, wenn man in betreff der Erbschaften und Vermächtnisse anderer Ansicht ist (a. A. Rehbein I 44, dagegen v. Tuhr I 577). In betreff der Art der Vermögensgegenstände, die der Verein erwerben kann, besteht keine Beschränkung; insbesondere ist auch der Erwerb von Patentrechten und Urheberrechten möglich.

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I. Abschnitt: Personen.

Die Möglichkeit wechselmäßiger Berechtigung — und Verpflichtung — leugnen RG. in IW. 08, 544; Staub WO. Erl. 2 zu Art. 1, Erl. 11 zu Art. 4; die Gründe sind nicht über­ zeugend, vgl. auch Staudinger Erl. B VII 4 zu § 54. Der nicht rechtsfähige Verein kann auch Mitglied eines andern rechtsfähigen oder nicht rechtsfähigen Vereins sein, es steht nichts im Wege, daß die Mitgliedschaft mehreren zur gesamten Hand zusteht (Oertmann Erl. 3c zu § 38; K. v. RGR. Erl. 1 zu § 54; Staudinger Erl. A 1 ju § 54; Biermann I § 131 Anm. 2; Enneccerus § 105 Anm. 2; v. Tuhr I 578; v. Gierke 30; derselbe in DIZ. 07, 207; RG. 73, 92ff.; RG. in Gruch. 56, 790; RG. im Recht 12 Nr. 3166; Pr. OBG. 39, 426ff.; im Ergebnis auch OLG. Karlsruhe in BadRpr. 08, 132; a. A. Geigel in BayZ. 12, 187; OLG. 20, 30; unentschieden OLG. 20, 295). Ob der nicht rechtsfähige Verein Mitglied handelsrechtlicher Gesellschaften und Vereine sein kann, ist eine Frage, deren Entscheidung.von den spezialrechtlichen Normen abhängt und die hier nicht weiter erörtert werden kann. Vgl. KG. 36 A134 — RIA. 9,324, wo der Beitritt eines nicht rechtsfähigen Vereins zu einer Genossenschaft für unzulässig erklärt wird. Das Vereinsvermögen steht den Mitgliedern zur gesamten Hand zu. Kein Mitglied kann über seinen Anteil verfügen oder Teilung verlangen. Auch die Ansprüche der Mitglieder unter­ einander sind unübertragbar (§§ 717—719). Im praktischen Ergebnis unterscheidet sich hiernach, abgesehen von Erbschaften und Vermächtnissen, der Erwerb von Rechten durch den Vorstand eines nicht rechtsfähigen Vereins für diesen von dem Erwerbe bei einem rechtsfähigen Verein nur in Beziehung auf solche Rechte, die der Eintragung in das Grundbuch bedürfen. Bei dem rechtsfähigen Verein erfolgt die Eintragung auf den Namen des Vereins, bei dem nicht rechts­ fähigen auf den Namen der Mitglieder (vgl. RIA. 10, 152 — OLG. 21, 20, wonach die ohne Verletzung der Prüfungspflicht vorgenommene Eintragung eines nicht rechtsfähigen Vereins als Hppothekengläubiger nicht gemäß § 54 GBO. von Amts wegen gelöscht werden soll). Nach GBO. § 48 ist aber bei Eintragung der Mitglieder in das Grundbuch einzutragen, daß das Recht den Mitgliedern nach den Vorschriften über nicht rechtsfähige Vereine, also zur gesamten Hand zustehe. Ist dies geschehen, so spricht der Glaube des Grundbuchs gegen die Zulässigkeit jeder Verfügung, welche den Vorschriften des Gesellschaftsrechts nicht entspricht. h) Die Zwangsvollstreckung in das Vereinsvermögen ist nur auf Grund eines gegen den Verein oder auf Grund eines gegen alle Mitglieder vollstreckbaren Urteils zulässig (ZPO. §§ 735, 736). Das erstere entspricht den Vorschriften über rechtsfähige Vereine, das letztere ist den Ge­ sellschaften eigentümlich, wird aber bei nicht rechtsfähigen Vereinen nur selten praktisch werden. (Gegen die Zulässigkeit, wie es scheint, Eck I 49.) Wird die Zwangsvollstreckung gemäß § 735 ZPO. betrieben, so können auch Forderungen des nicht rechtsfähigen Vereins gepfändet und über­ wiesen werden, der Gläubiger kann sie dann einklagen, ohne daß ihm der Einwand der mangelnden aktiven Parteifähigkeit des Vereins entgegengesetzt werden kann (K. v. R G R. Erl. 1 zu § 54; Staudinger Erl. A 5 zu § 54; RG. 54, 300; SeuffA. 60, 239; a. A. Eck I 83; Hachen­ burg 478). Der Privatgläubiger eines Gesellschafters kann zwar auf Grund eines gegen den Gesellschafter vollstreckbaren Titels die Gesellschaft kündigen und den dem Gesellschafter im Falle der Auflösung zukommenden Anteil an dem Gesellschaftsvermögen pfänden (§ 725); im praktischen Ergebnisse kann dieses Recht der Privatgläubiger eines Mitgliedes durch eine Bestimmung der Satzung für den nicht rechtsfähigen Verein unschädlich gemacht werden (s. unter 1).

i) Durch die von dm geschäftsführenden Gesellschaftern innerhalb ihrer Bertretungsmacht vorgenommenen Rechtsgeschäfte werden sämtliche Gesellschafter verpflichtet. Durch die Satzung kann aber bestimmt werden, daß der Vorstand hierzu nicht berechtigt sein soll. Die An­ sicht von Rehbein I 43, daß Mitglieder des Vereins persönlich aus derartigen Rechts­ geschäften nur haften, solange sie Mitglieder find, und daß der Dritte gegen ausgeschiedene Mit­ glieder nur Rechte aus dem Rechte der ihm verhafteten Mitglieder habe, dürfte mit den Vor­ schriften des Gesellschaftsrechts nicht vereinbar sein. Ebensowenig die Ansicht von Dernburg I § 79 IV, daß die Mitglieder aus derartigen Rechtsgeschäften persönlich überhaupt nicht hasten. Aus § 54 Satz 2 kann dies nicht gefolgert werden (vgl. auch OLG. 12, 249; SeuffA. 62, 49; HansGZ. 06 Beibl. 112). Eigentümlich ist die Ansicht von Hölder, Personen 281 ff.; er nimmt an, daß die Vereinsmitglieder nur dann persönlich haften, wenn der Geschäftsführer in ihrem Namen als einzelner bestimmt bezeichneter Personen ausgetreten ist und wenn er dazu Vollmacht hatte; sonst haste nur der Geschäftsführer, aber er haste auch mit dem seiner Verfügung unterliegenden Vereinsvermögen. Eine Frage allgemeinerer Art ist, ob Rechtsgeschäfte auch in der Art vorgenommen werden können, daß der dadurch Verpflichtete nur mit einem bestimmten Teile seines Vermögens hastet.

Wird diese Frage bejaht — und dies dürste das ^richtige sein; a. A. Hölder, Natürliche und juristische Personen 285 —, so können die geschäftsführenden Gesellschafter bei den für die Gesellschaft vorgenommenen Rechtsgeschäften vereinbaren, daß die Gesellschafter daraus nur mit ihrem Anteil an dem Gesellschastsvermögen haften, und ist eine Bestimmung der Satzung wirksam, durch wekhe die Vertretungsmacht des Vorstandes in der Art beschränkt wird, datz er eine Ver­ pflichtung für den Verein nur in dieser Art eingehen kann (a. A. Rehbein I 43; Eck I 81; Hachenburg 477; Wiedemann 538f.; Staudinger in DIZ. 00, 377; Abrahamson 87; Lenel in DIZ. 07, 453; Eckstein 253ff. hauptsächlich mit Rücksicht darauf, dah der Verein dadurch sachlich einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gleichgestellt werden würde, wobei aber § 54 Satz 2 übersehen wird; wie hier Oertmann Erl. 3a zu § 54; Staudinger Erl. L VI zu § 54; Biermann I § 141 Ziff. 4a; Crome § 55 Ziff. 4; Endemann I § 46 Anm. 16; Enneccerus § 109 III 3b; Goldmann-Lilienthal I 100; Kohler I § 179 II 2e; Matthiaß §32 II A4; Windscheid-Kipp § 57 Anm. 4d; v. Tuhr I 581 f.; Leist, Vereinsherrschaft 38ff.; v. Gierke 39; Knoke, Gesellschaft 80; Meurer 138; Danz DIZ. 07, 397ff.; RG. 63, 64ff.: 74, 370; RG. in IW. 07, 136; 10, 227; OLG. 12, 2). Ist die Bertretungsmacht durch die Satzung beschränkt, so muß auch der Dritte, der die Beschränkung nicht kannte oder kennen mußte, sie gegen sich gelten lassen (a. A. Rümelin a. a. O., der die §§ 170 ff. entsprechend anwenden will; auch K. v. R G R. Erl. 2 zu § 54 verlangt grundsätzlich Kenntnis des Dritten, RG. 63, 64 ff. nimmt zu der Frage keine Stellung, in IW. 07,136 wird ausgeführt, daß es genüge, wenn der Dritte mit der beschränkten Haftung rechne, und dies wird angenommen, wenn er mit einem Vereine kontrahiert). In solchem Falle entspricht die Haftung des nicht rechtsfähigen Vereins im praktischen Ergebnisse der Haftung des rechtsfähigen Vereins. Bei dem nicht rechtsfähigen Verein tritt nur zu der Haftung des Bereinsvermögens noch die persönliche Haftung der Mitglieder des Vorstandes hinzu (§ 54 Satz 2). Die Beschränkung der Haftung der Mitglieder auf das Vereinsvermögen sowie die Be­ schränkung der Vertretungsmacht des Vorstandes in der Satzung kann auch stillschweigend erfolgen und dürfte im Zweifel als stillschweigend vereinbart anzusehen sein (Oertmann, K. v. RGR. Biermann, Enneccerus, Kohler, v. Tuhr, v. Gierke, Danz a. a. O.; RG. 63, 64ff.; RG. in IW. 07, 136; 10, 227). Betreibt ein nicht rechtsfähiger Verein unter einer Firma ein VollhandelSgewerbe, so ist er als offene Handelsgesellschaft zu behandeln, auch wenn die Haftung der Mitglieder in den Satzungen auf eine Einlage beschränkt ist (KG. 41 A 117; Sachau a. a. O.; Lehmann, Lehr­ buch des Handelsrechts^ 289 Anm. 2). Aus den von dem Vorstand in Ausführung seiner Verrichtungen vorgenommenen Hand­ lungen, welche nicht Rechtsgeschäfte im Namen des Vereins sind, haftet der Verein nicht nach § 31, sondern nur nach § 831 (Oertmann Erl. 3c zu § 54; K. v. RGR. Erl. 4 zu § 31; Staudinger Erl. B VI 6 zu § 54; Biermann I § 141 Ziff. 3c; Crome § 55 Ziff. 4; Enneccerus §109 III 4; Kohler I § 179 II 3f.; Matthiaß § 32 II A6; WindscheidKipp §57 Anm. 4d; Eck I 85; v. Tuhr I 583; Wiedemann 576; v. Gierke 19; Fuld in SeuffBl. 02, 159; Binder, Problem der juristischen Persönlichkeit 114; OLG. 4, 201; 20, 295; a. A. Dernburg I § 66 IV, § 79 V; Hachenburg 487; Hölder, Personen 352; OLG. 22, 115; eigentümlich Eckstein 258: eigentlich müßte § 31 zur Anwendung kommen, aber ein einfacher Beschluß der Mitgliederversammlung genüge, um die Haftung zu verweigern. Das RG. hat bisher vermieden, zu der Frage Stellung zu nehmen; RG. 60,106; im Recht 09 Nr. 2349). Über die Haftung des nicht rechtsfähigen Vereins für polizeiwidriges Verhalten des Vor­ standes s. Wolzendorsf im BerwArch. 18, 501). k) Was die Führung von Prozessen durch einen nicht rechtsfähigen Verein anlangt, so wird derselbe für Passivprozesse durch ZPO. § 50 einem rechtsfähigen Vereine gleichgestellt. Aus dieser Vorschrift wird zu folgern sein, daß in solchen Prozessen der Vorstand die Stellung eines gesetzlichen Vertreters des Vereins hat, daß daher insbesondere auch die für einen solchen Fall geltenden Vorschriften der ZPO. über die Erhebung der Klage und die Eidesleistung zur An­ wendung kommen. Der Vorstand hat auch bei der Zwangsvollstreckung den Offenbarungseid- zu leisten (OLG. Marienwerder in SeufsA. 63, 35). Soweit die erforderlichen Mitglieder des Vorstandes fehlen, ist § 29 BGB., nicht § 57 ZPO. anzuwenden (Staudinger Erl. A 3a zu § 54; OLG. Naumburg in SeuffA. 57, 265; a. A. Nußbaum ZZP. 05, 124s.). Auf Grund eines Urteils, das in einem von dem Vorstande namens des Vereins geführten Passivprozeß er-

geht, kann die Zwangsvollstreckung nach ZPO. § 735 nur in das Vereinsvermögen stattfinden. Das Urteil wird zwar für und gegen alle Mitglieder des Vereins rechtskräftig (a. A. Eck I 83; Hachenburg 479), stellt aber deren Verpflichtung nur in dem oben unter i bezeichneten Um­ fange fest. Die Vorschrift der ZPO. § 50 findet auf alle Prozesse, in welchen der Verein der Beklagte ist, Anwendung (über die Klage eines Mitglieds wegen Verletzung seiner Rechte durch den Verein s. SeuffA. 57, 264 ff.). Die Vorschrift gilt auch für Arreste und einstweilige Verfügungen. Sie gilt aber auch ferner für Prozesse, in welchen der Verein als Kläger auftritt, wenn diese durch den Prozeß gegen ihn als Beklagten notwendig oder zulässig werden, so insbesondere für die Erhebung einer Widerklage, einer Nichtigkeils- oder Restitutionsklage, für die Beitreibung der Kosten, in welche der Kläger verurteilt ist, und für die Geltendmachung von Ansprüchen in den Fällen der ZPO. §§ 302, 600, 717, 767, 878, 945 (vgl. außer den Kommentaren und Lehr­ büchern zur ZPO. K. v. R G R. Erl. 1 zu § 54; Staudinger Erl. A 3c §u § 54; Biermann I § 141 Ziff. 2a; Crome § 55 Anm. 32; Endemann I § 46 Anm. 19; Enneccerus § 109 Anm. 20; Matthiaß § 32 II B; Eck I 83; v. Tuhr I 591; Hellwig, Anspruch und Klag­ recht 293ff.; v. Gierke 43; Wiedemann 544; Nußbaum a. a. O. 115ff.; die aktive Partei­ fähigkeit für die Widerklage leugnen Kohler I § 179 S. 408 Anm. 1; Hachenburg 478). Die aktive Parteifähigkeit ist dem nicht rechtsfähigen Verein, abgesehen von den oben er­ wähnten Fällen, versagt (so auch die durchaus herrschende Meinung; a. A. Hellwig, Anspruch und Älagrecht 297ff.; derselbe, Lehrbuch I § 45; Handbuch § 69; Hölder, Natürliche und juristische Personen 278f.; vgl. auch Seuffert Bem. 2d und 3 zu Z 50 ZPO.; v. Gierke 45 und Endemann I § 46 Anm. 19 rechnen auf Anerkennung der aktiven Parteifähigkeit durch Gewohnheitsrecht; doch lehnt die Praxis die Anerkennung der aktiven Parteifähigkeit ganz Überwiegend ab: RG. 54, 300; 57, 90ff.; 78,101 ff.; OLG. 5, 208; 15, 370; PrOBG. 42, 389; a. A. OLG. 15, 69). Sämtliche Mitglieder müssen als Streitgenossen klagen. Eine kollektive Bezeichnung unter dem Namen des Vereins dürfte unzulässig sein (K. v. R G R. Erl. 1 zu § 54; Enneccerus § 109 III 7; v. Tuhr I 591; RG. 57, 90ff.; a. A. OLG. 15, 69, vgl. auch RG. 51, 392 ff.), die unterbliebene Angabe kann nachgeholt werden lRG. in IW. 03, 4 Nr. 8; OLG. Braunschweig in BraunschwZ. 09, 20; vgl. Rehbein I 44). Der Vorstand kann die Klage nur auf Grund einer Vollmacht der Mitglieder erheben und hat dann die Stellung eines gewöhn­ lichen Bevollmächtigten. Eine genügende Vollmacht wird aber regelmäßig in einer Bestimmung der Satzung zu finden fein, nach welcher der Vorstand zur gerichtlichen Vertretung des Vereins berechtigt ist (RG. 57, 90ff.; K. v. RG R. Erl. 1 zu § 54; Dernburg I § 79 VII; Enneccerus I § 109 III 7; v. Tuhr I 591; a. A. OLG. 5, 208). Eine Anerkennung der aktiven Parteifähigkeit bedeutet dies nicht (a. A. Hellwig im Recht 04, 207; dagegen mit Recht Staudinger Erl. A 4 zu § 54; Biermann I § 141 Anm. 5; Enneccerus § 109 Anm. 20; Windscheid-Kipp § 57 Anm. 4b). Unzulässig ist es, den Vorstand in der Satzung zu ermächtigen, das Recht des Vereins im eigenen Namen geltend zu machen (RG. 57, 90ff.; OLG. 20, 33). Trotzdem die Mitglieder des Vereins in den Aktivprozessen des Vereins Partei sind, erklärt RG. 51, 392 ff. eine Satzungsbestimmung für zulässig, nach der Vereinsmitglieder bei Streitig­ keiten zwischen dem Verein und einem Mitglied als Schiedsrichter fungieren sollen, vorausgesetzt, daß die zu Schiedsrichtern bestellten Personen nicht schon in der Sache als Vertreter des Vereins tätig gewesen sind. Über die Folgen des Mitgliederwechsels während des Aktivprozesses vgl. RG. 78, 101. Auf das Konkursverfahren über das Vermögen eines nicht rechtsfähigen Vereins finden nach KO. § 213 dieselben Vorschriften Anwendung wie auf das Konkursverfahren über das Vermögen eines rechtsfähigen Vereins.

1) Die Gesellschaft wird regelmäßig durch Kündigung von feiten eines Gesellschafters (§§ 723, 724), durch seinen Tod (§ 727) sowie durch die Eröffnung des Konkurses über fein Vermögen (§ 728) aufgelöst. Nach § 736 kann aber vereinbart werden, daß die Gesellschaft in diesen Fällen nicht aufgelöst wird, sondern der betreffende Gesellschafter aus der Gesellschaft aus­ scheidet. Bei einem Vereine ist dies regelmäßig auch ohne ausdrückliche Bestimmung der Satzung als stillschweigend vereinbart anzusehen (so auch die durchaus herrschende Meinung; a. A. wie es scheint OLG. 5, 380). Der Austritt kann dem Vorstande erklärt werden (vgl. auch OLG. 20, 30). Beschränkungen der Austrittsfreiheit unterliegen nicht dem § 39, sondern dem § 723. Wenn der Verein, wie es die überwiegende Regel ist, auf unbestimmte Zeit gegründet ist, so kann der Austritt jederzeit erfolgen. Doch kann die Satzung eine — durch das Gesetz nicht be-

grenzte — Kündigungsfrist vorschreiben, die aber nicht eingehalten zu werden braucht, wenn ein wichtiger Grund für den sofortigen Austritt vorliegt. Enlgegenstehende Satzungsbestimmungen sind nach § 723 Abs. 3 nichtig (vgl. NG. 78, 134). Über Unzulässigkeit eines Auslrittsgeldes vgl. OLG. 6, 445. Die Entscheidung OLG. 22, 334, nach der das Kündigungsrecht ausgeschlossen werden kann, wenn die Mitglieder ihre Mitgliedschaft übertt'agen können, dürste mit § 723 Abs. 3 unvereinbar sein, vielleicht findet das Mitglied keinen Ersatzmann. Da bei den Vereinen mindestens stillschweigend vereinbart ist, datz der Verein beim Aus­ scheiden eines Mitglieds fortbestehen soll, so ist auch § 737 auf den Verein anwendbar, so daß ein Mitglied wegen eines in seiner Person liegenden wichtigen Grundes aus dem Verein aus­ geschlossen werden kann. Durch die Satzung kann die Ausschließungsbefugnis erweitert werden (vgl. OLG. 15, 305). Im übrigen gelten dieselben Grundsätze wie für die Ausschließung aus einem rechtsfähigen Vereine (s. Erl. 3 zu § 39). Über die Ausschließung von Mitgliedern aus Tarifgemeinschaften s. Oertmann, SozPr. 31, 102. Im Falle des Ausscheidens eines Mitgliedes wächst dessen Anteil an dem Vereinsvermögen ipso jure den übrigen Mitgliedern an, und bleibt daher das Vereinsvermögen unverändert. Die dem ausscheidenden Mitgliede nach den §§ 738—740 zustehenden obligatorischen Rechte können durch Vereinbarung, also auch durch die Satzung beschränkt oder gänzlich beseitigt werden (so die weitaus herrschende Meinung; teilweise a. A. Leist, Vereinsherrschaft 19ff., 46ff.; vgl. aber auch Leist, Untersuchungen zum inneren Vereinsrecht 138). Durch eine derartige Be­ stimmung kann auch das dem Privatgläubiger eines Mitglieds nach § 725 zustehende Recht für den Verein unschädlich gemacht werden, indem, wenn eine Bestimmung der gedachten Art in der Satzung getroffen ist, durch die Kündigung des Privatgläubigers der Verein nicht ausgelöst wird, sondern nur das betreffende Mitglied ausscheidet und eine Pfändung seines Anspruchs gegen den Verein dadurch ausgeschlossen wird, daß ein solcher Anspruch nicht besteht. Solche Bestimmungen dürften bei einem Vereine regelmäßig auch ohne ausdrückliche Bestimmung der Satzung als still­ schweigend vereinbart anzusehen sein. m) Über den Eintritt eines neuen Mitglieds in den Verein enthält das Gesellschaftsrecht

keine Vorschriften. Doch ist der Eintritt eines neuen Gesellschafters unbeschadet des Fortbestandes der Gesellschaft für zulässig zu erachten (s. Erl. zu § 736; v. Gierke 24ff.; Knoke, ArchBürgR. 20, 170ff.; a. A. OLG. 5, 380). Für den nicht rechtsfähigen Verein ist die Möglichkeit des Eintritts neuer Mitglieder in der Regel unentbehrlich. Sie ist deshalb auch im Zweifel als stillschweigend vereinbart anzusehen. Schweigt die Satzung, so genügt zur Aufnahme ein Mehrheitsbeschluß der Mitgliederversammlung (Knoke a. a. 0.174; Enneccerus §109 III 6; a. A. v. Gierke 16 Anm. 24a; Oertmann Erl. 2e zu § 54). Mit dem Eintritt des neuen Mitgliedes wächst ihm ipso jure ein Anteil am Gesellschaftsvermögen an, eine Übertragung der einzelnen Bermögensstücke ist nicht erforderlich (s. Erl. zu § 736; Hölder Erl. 2v zu § 54; Oertmann Erl. 2f zu § 54; Staudinger Erl. B VII 5 zu § 54; Biermann I § 141 Zlff. 4a; Endemann I § 46 Anm. 14; EnnecceruS § 109 III 6; v. Tuhr I 585; Meurer 144; v. Gierke 27ff.; Knoke a. a. O. 179ff.; a. A. Crome § 55 Anm. 17; Goldmann-Lilienthal I 99). Mit dem Eintritt in den Verein wird das neue Mitglied auch ipso jure Milschuldner der Vereinsschulden, aber nur soweit die Haftung mit dem VereinsVermögen in Betracht kommt, eine weilergehende Haftung kann nur durch Schuldmitübernahme begründet werden. n) Das Ende des Vereins tritt nach den Ausführungen unter 1 regelmäßig nicht ein durch Kündigung, Tod und Konkurs eines Mitglieds. Dagegen ist § 726 anwendbar. Der Verein endigt ferner wie die Gesellschaft durch Ablauf der festgesetzten Zeit. Er kann nach Maß­ gabe des öffentlichen Vereinsrechts aufgelöst werden. Im Zweifel kann auch die Mitglieder­ versammlung die Auflösung beschließen (Staudinger Erl. B VIII1 zu § 54; v Tuhr I 586); § 41 dürste entsprechend anzuwenden sein. Der Verein endigt ferner dadurch, daß die Zahl der Mitglieder unterzweiherabsinkt (Knote, Gesellschaft 127; v. Tuhr I 586). Schließlich ist im Zweifel der Konkurs Über das Vereinsvermögen als Endigung-grund anzusehen (v Tuhr I 586). o) Das bei Auflösung des Vereins eintretende Verhältnis wird durch die §§ 73< >—735 bestimmt. Bei der dispositiven Natur dieser Vorschriften kann durch die Satzung bestimmt werden, daß im wesentlichen dasselbe gilt wie bei der Auflösung eines rechtsfähigen Vereins. Ins­ besondere kann durch die Satzung, die insofern als Vertrag zugunsten Dritter erscheint, bestimmten Personen ein Anspruch auf das Vereinsvermögen eingeräumt werden (Staudinger Erl. B IX zu § 54; Biermann I § 141 Ziff. 4e; Kohler I § 179 II 2g; v. Tuhr I 587; Leist,

Untersuchungen 161). § 45 Abs. 2 Satz 2 findet keine Anwendung, ein gesetzliches Anfallsrecht des Fiskus besteht nicht. Da die Liquidation bei der Gesellschaft nicht durch zwingenden Rechts­ satz vorgeschrieben ist, können die Vereinsmitglieder das Vermögen auch ohne Liquidation unter sich verteilen. Haften die Mitglieder den Gläubigern nur beschränkt, so wandelt sich zwar in diesem Falle ihre Haftung nicht in eine unbeschränkte um (so Kohler I § 179 II 3g), wohl aber hasten sie mit dem, was sie aus dem Vereinsvermögen empfangen haben (s. Erl. zu § 735; v. Tuhr I 588; v. Gierke 48); die Verpflichtung ist nicht als ein Anspruch aus ungerecht­ fertigter Bereicherung aufzufassen (so Oertmann Erl. 3a zu § 54; Rehbein I 43), sie ist auch nicht aus § 419 abzuleiten, sondern erscheint als das nach Treu und Glauben selbst­ verständliche Korrelat zur beschränkten Haftung. Infolgedessen besteht auch für eine Anfechtung nach den Grundsätzen des Anfechtungsgesetzes, auf die Nußbaum ZZP. 05, 140 verweist, kein Bedürfnis. Andere Ansallsberechtigte haften, wenn die Liquidation unterblieben ist, nach § 419, andernfalls gelten die in Erl. 4 zu 8 53 dargelegten Grundsätze. Hafteten die Vereinsmitglieder unbeschränkt, so tritt darin durch die Auflösung des Vereins natürlich keine Änderung ein. Ein Konkursverfahren über das Vermögen des Vereins ist auch nach Auflösung des Vereins noch so lange zulässig, als die Auseinandersetzung nicht erfolgt ist (KO. §§ 213, 207 Abs. 2). Ebenso bleibt dem Verein die passive Parteisähigkeit, solange er sich im Liquidationsstadium befindet, da er dann nach § 730 noch als sortbestehend gilt (OLG. 22, 115; a. A. Rehbein I 43). Mindestens dann wird man den § 50 Abs. 2 anwenden müssen, wenn der Verein während der Rechtshängigkeit aufgelöst wird (vgl. indes BayObLG. im Recht 01, 120; SeufsA. 67, 113; Nußbaum ZZP. 05, 127f.). 4. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die Stellung eines nicht rechtsfähigen Vereins durch die Satzung in solcher Art bestimmt werden kann, daß eine wesentliche Verschiedenheit von der Stellung eines rechtsfähigen Vereins nur in betreff solcher Rechte, zu deren Erwerbe die Eintragung in das Grundbuch erforderlich ist, in betreff der Aktivprozesse, in betreff des Er­ werbes von Erbschaften und Vermächtnissen und in betreff der persönlichen Haftung der Mit­ glieder des Vorstandes aus den von ihnen für den Verein vorgenommenen Rechtsgeschäften besteht. Nicht zur Anwendung kommen auch auf einen nicht rechtsfähigen Verein die Vorschriften über den Schutz des Namenrechts (§ 12; Oertmann 5 zu 8 54; K. v. R G R. Erl. 1 zu 8 12; Gold­ mann-Lilienthal I 97 Anm. 11; v. Tuhr I 579 mit 449; Olshausen, Verhältnis des Namenrechts zum Firmenrecht 37; Ramdohr in Gruch. 43, 49f.; Finger, Unlauterer Wett­ bewerb Erl. 21 und 24 zu 8 16; a. A. Staudinger Erl. A 7 jit 8 54; Enneccerus 8 93 Anm. 13; Hachenburg 488; RG. 78, 101). Günstiger als der rechtsfähige Verein ist der nicht rechtsfähige Verein dadurch gestellt, daß der 8 31 keine Anwendung findet. Die erstgedachten Verschiedenheiten genügen, um jedem Vereine die Erlangung der Rechtsfähigkeit wünschenswert zu machen, sie sind aber anderseits doch nicht so erheblich, daß dem nicht rechtsfähigen Verein eine seinen Zwecken entsprechende Wirksamkeit unmöglich gemacht würde. Über das Beschwerde­

recht eines nicht rechtsfähigen Vereins zur Förderung des Jugendwohls aus 8 57 Nr. 9 FGG. s. SeuffA. 67, 344. 5. Die Vorschrift des Satz 2 des § 54 dient dem Schutz des Dritten, dem gegenüber ein Rechtsgeschäft im Namen des Vereins abgeschlossen ist. Sie ist auch dann anwendbar, wenn l/ber Dritte wußte, daß er es mit einem Vereine ohne Nechtssähigkeit zu tun hatte (a. A. nur Biermann I 8 141 Anm. 21). Sie findet sowohl dann Anwendung, wenn derjenige, welcher namens des Vereins ein Rechtsgeschäft vorgenommen hat, Bertretungsmacht für den Verein hatte, als auch dann, wenn er diese nicht hatte (a. A. wie es scheint Rehb ein I 43; Nußbaum SächsArch. 10, 357; wie hier RG. im Recht 11 Nr. 2793). Im ersteren Falle ist das Rechtsgeschäft für die Mitglieder des Vereins nach Maßgabe der obigen Ausführungen in Erl. 2e und i wirksam; daneben hastet der Handelnde persönlich und unbeschränkt als Gesamtschuldner. Hatte der Handelnde keine Bertretungsmacht, so finden die Vorschriften der §§ 177—180 Anwendung. Der Dritte kann also, wenn es sich um einen Vertrag oder in den Fällen des 8 180 Satz 2 um ein einseitiges Rechtsgeschäft handelt, den Verein darüber zur Erklärung ausfordern, ob er das Rechtsgeschäft genehmigt. Die Aufforderung ist, wenn der Verein einen zur Empfangnahme solcher Aufforderung legitimierten Vorstand hat, an diesen, andernfalls an die beteiligten Mit­ glieder des Vereins zu richten. Erfolgt die Genehmigung, so tritt dasselbe Verhältnis ein, wie wenn der Handelnde Vertretungsmacht gehabt hätte. Wird die Genehmigung verweigert, so haftet der Handelnde nach Maßgabe des 8 54 Satz 2; jedoch hat der Dritte, wenn er nach 8 179 die Wahl haben würde, Erfüllung oder Schadensersatz zu fordern, diese Wahl auch im Falle

2. Titel: Juristische Personen.

§ 54.

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2. Eingetragene Vereine. des § 54 Satz 2; daß der Handelnde nach § 54 Satz 2 neben dem § 179 haftet, ist namentlich dann von Bedeutung, wenn der Dritte den Mangel der Vertretungsmacht kannte, hier ist die Haftung nach § 179 durch Absatz 3 ausgeschlossen, nicht die nach § 54, ebensowenig kann der Handelnde die Vergünstigung des § 179 Abs. 2 in Anspruch nehmen. Bei beschränkter Handlungsfähigkeit des Handelnden hängt seine Haftung davon ab, ob er mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters gehandelt hat (Nußbaum a. a. O. 349; Hupka a. a. O. 178 Anm. 1). Handelnder im Sinne des § 54 Satz 2 ist der, der das Geschäft abgeschlossen hat, sei es der Vorstand, sei es ein anderer (Oertmann Erl. 3d zu § 54; Staudinger Erl. B VI 5b zu § 54; v. Tuhr I 580; RG. 77, 429; a. A. Hölder Erl. 3 zu § 54; derselbe, Personen 286; Hachenburg 477); hat ein anderer auf Grund einer vom Vorstand erteilten Vollmacht gehandelt, so haftet der andere allein, der Vorstand haftet nicht (OLG. 12, 3; a. A. OLG. 10, 56). Erforderlich ist aber immer, daß das Rechtsgeschäft im Namen des, Vereins vorgenommen wurde; die Vornahme im Namen einzelner Mitglieder genügt nicht, auch wenn diese die Vorstandsmitglieder waren. Aus der Erfüllung eines nichtigen Geschäfts kann der Vertreter, der sie namens des Vereins annahm, nicht in Anspruch genommen werden (OLG. Marienwerder in SeuffA. 63, 129). Die für den Fall, daß mehrere gehandelt haben, für sie vorgeschriebene Haftung als Gesamtschuldner bestimmt sich nach den §§ 421 ff. Als Dritter im Sinne des § 54 Satz 2 ist auch ein einzelnes Mitglied des Vereins zu betrachten (v. Tuhr I 580 Anm. 29a; OLG. 20, 32 ----- SeuffA. 65, 2; a. A. Hölder Erl. 3 zu K 54); doch setzt die Anwendbarkeit des § 54 Satz 2 selbstverständlich voraus, daß das Rechtsgeschäft dem Mitglied gegenüber nicht in seiner Eigenschaft als Mitglied vorgenommen ist. Die Ansprüche gegen die Handelnden unterliegen derselben Verjährung wie die Ansprüche gegen den Verein (OLG. 12, 3). Durch Berttag mit dem Dritten kann die Haftung ausgeschlossen werden (RG. 73, 104; RG. im Recht 11 Nr. 2794; 12 Nr. 169). 6. Über die Frage, ob 8 54 auf Vereine anwendbar ist, die vor dem 1. Januar 1900 entstanden sind, siehe Erl. zu Art. 163 EG. 2. Eingetragene Vereine. Biernatzky, Der eingetragene Verein 00.

1. Für Vereine, welche die Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister erlangen wollen bzw. erlangt haben, gelten neben den allgemeinen Vorschriften der §§ 21, 24—53 die besonderen Vorschriften der 88 55—79. Der § 55 bestimmt das zuständige Gericht; die §§ 56 bis 58 bestimmen die allgemeinen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Eintragung; die §§ 59, 60 enthalten die allgemeinen Vorschriften über das bei der Eintragung zu beobachtende Verfahren, die §§ 61—63 die besonderen Vorschriften über die Eintragung von Vereinen, welche politische, sozialpolitische oder religiöse Zwecke verfolgen; der § 64 enthält Vorschriften über die Art der Eintragung, der § 65 über den Namen des Vereins, der § 66 über die Veröffentlichung der Eintragung, der. § 67 über die Eintragung im Falle einer Neuwahl des Vorstandes, die §§ 68—70 über den Schutz Dritter, welche mit früheren Mitgliedern des Vorstandes oder mit solchen Vorstandsmitgliedern Rechtsgeschäfte vorgenommen haben, über deren Vertretungsmacht oder Beschlußfassung durch die Satzung von der gesetzlichen Regel abweichende Bestimmungen getroffen sind, der § 71 über Änderungen der Satzung, der § 72 über die Verpflichtung deS

Vorstandes, dem Amtsgericht auf Erfordern eine Bescheinigung über die Zahl der Mitglieder einzureichen, die §§ 73—75 über die Auflösung des Vereins, den Verlust der Rechtsfähigkeit und deren Eintragung, der § 76 über die Eintragung der Liquidatoren, der § 77 über die Form, in welcher Anmeldungen des Vorstandes oder der Liquidatoren bei dem Amtsgerichte zu bewirken sind, der § 78 über das Aufsichtsrecht des Amtsgerichts, der § 79 über die Öffentlich­

keit des Vereinsregisters. 2. Neben den in Vorbm. 1 gedachten Vorschriften kommt für daS Verfahren vor dem Registergericht in Betracht daS FGG. §§ 159, 127—130, 142, 143. Daraus ist hier hervor­ zuheben, daß nach § 142 das Registergericht eine Eintragung, die wegen Mangels einer wesent-

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I. Abschnitt: Personen.

§ 55. Die Eintragung eines Vereins der im § 21 bezeichneten Art in das Vereinsregister hat bei dem Amtsgerichte zu geschehen, in dessen Bezirke der Verein seinen Sitz hat. § 56. Die Eintragung soll nur erfolgen, wenn die Zahl der Mitglieder mindestens sieben beträgt. lichen Voraussetzung unzulässig ist, von Amts wegen löschen kann. Die Löschung erfolgt durch Eintragung eines Vermerks. Das Amtsgericht hat den Verein von der beabsichtigten Löschung zu benachrichtigen und ihm eine angemessene Frist zur Geltendmachung des Widerspruchs zu bestimmen. Dieselbe Befugnis steht nach § 143 dem vorgesetzten Landgerichte zu.

§ 55.