Ostelbischer Adel im Nationalsozialismus: Familienerinnerungen am Beispiel der Wedel [1 ed.] 9783737007580, 9783847107583


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Ostelbischer Adel im Nationalsozialismus: Familienerinnerungen am Beispiel der Wedel [1 ed.]
 9783737007580, 9783847107583

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Formen der Erinnerung

Band 64

Herausgegeben von Jürgen Reulecke und Birgit Neumann

Wolf Christian von Wedel Parlow

Ostelbischer Adel im Nationalsozialismus Familienerinnerungen am Beispiel der Wedel

Mit 17 Abbildungen

V& R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 2198-6169 ISBN 978-3-7370-0758-0 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhÐltlich unter: www.v-r.de  2017, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Gçttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Titelbild: Gutshaus Großgut bei Neuwedell (heute: Drawno), bis 1945 Wedelsches Eigentum, Ansichtskarte aus dem Jahr 1917 (Sammlung Vita von Wedel-Zþlzefitz).

Inhalt

Geleitwort von Jürgen Reulecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Einleitung. Ostelbischer Kleinadel im Nationalsozialismus . . . . . .

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2. Die Wedel – typischer ostelbischer Kleinadel . . . . . . . . . . . . .

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3. Zwischen Pflichtgefühl, Begeisterung und Opportunismus: Wedelsche Wege in die NSDAP . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Politische Aktivität in der Weimarer Republik . . . . . . 3.2 NSDAP-Beitritte vor Hitlers Machtantritt . . . . . . . . 3.3 NSDAP-Beitritte nach der Machtübergabe an Hitler . . .

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4. Mit den Wölfen heulen . . . . 4.1 Im Auftrag der Wehrmacht 4.2 Mit einer neuen Satzung . . 4.3 Auf den Familientagen . . .

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5. Zwischen Mimikry und widerständigem Handeln: Regimegegner unter den Wedel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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7. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Satzung des schloßgesessenen Geschlechts der Grafen und Herren von Wedel (1936) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erhard Graf von Wedel: »Rasse und Adel« (1934) . . . . . . . . . . Ottmar von Wedel Parlow : »Feierabend und Feier« (1939) . . . . .

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Inhalt

Niederschrift der Unterredung des Herrn Generalmajor a. D. Hasso von Wedel mit einem Beauftragten des Instituts für Zeitgeschichte in München (1951) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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8. Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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9. Bildnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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10. Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Geleitwort Jürgen Reulecke

Kritische Auseinandersetzungen in jüngster Zeit mit Familiengeschichten, vor allem im Hinblick auf das NS-Regime, haben oft innerfamiliäre Provokationen ausgelöst – »Provokation« hier im durchaus positiven Wortsinn als Herausforderung generationengeschichtlicher und oft auch psychohistorischer Art verstanden. Aufgrund neuerer Erkenntnisse kann es dabei vor allem darum gehen, die im Gedächtnis vorhandenen Erinnerungsbilder mit Distanz zu prüfen und bisheriges Wissen möglicherweise deutlich zu korrigieren! Wie der Autor der vorliegenden Untersuchung der ostelbischen Adelsfamilie von Wedel einleitend mitteilt, führte eine solche innerfamiliäre »Provokation« schließlich bei ihm, einem »Kriegskind« des Zweiten Weltkriegs, zu dem dann engagiert ins Auge gefassten Ziel, eine »familienbiographische Lokalisierung« seiner Familie zu unternehmen – dies am Beispiel einer größeren Zahl von Familienmitgliedern aus der Elterngeneration. »Erinnerung, Gedächtnis, Wissen« – das sind drei Kernbegriffe, die von nun an seine Recherchen bestimmen sollten. Seit einigen Jahren haben diese Begriffe nicht nur eine breite »kulturwissenschaftliche Gedächtnisforschung« angestoßen,1 sondern deren mentalitätsgeschichtliches Zusammenwirken hat viele Angehörige der Kriegskindergeneration und inzwischen in spezieller Weise auch der Kriegsenkelgeneration dazu gebracht, sich im Kontext ihrer generationellen Prägungen »in die Geschichte« zu stellen und sich autobiographisch zu verorten. Ein solches »Verhalten« (s. u.) hat ausdrücklich auch Wolf Christian von Wedel Parlow im Hinblick auf seine Darstellung der Wedelschen Adelsfamilie in der NS-Zeit bestimmt. Schon sein Vater hatte Anfang der 1950er Jahre eine Familiengeschichte verfasst, die seinen Sohn offenbar beeindruckt hat, doch nahm dieser dann schließlich nach einem zunächst breit ausgerichteten Studium der Volkswirtschaft, der Soziologie und zeitweise auch der Geschichte eine Tätigkeit als Wirtschaftswissenschaftler an der neu gegründeten Wuppertaler 1 S. dazu vor allem den von Günter Oesterle hg. umfangreichen Aufsatzsammelband: Erinnerung, Gedächtnis, Wissen. Studien zur kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung (= Formen der Erinnerung, Bd. 26), Göttingen 2005.

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Geleitwort

Universität auf. Allerdings zeigt schon der Titel seiner Dissertation »Das Verhalten des sozialistischen Industriebetriebs«, dass sein Blick auf konkrete gesellschaftliche, hier speziell auf ökonomische Verhältnisse früh von der Frage nach dem »Verhalten« von konkreten Menschen in ihren Lebensumwelten geprägt war. Dies führte dann dazu, dass er nach seinem Ausscheiden aus dem Universitätsbetrieb einerseits Romane, Erzählungen und Gedichte zu verfassen begann, andererseits ab 2006 infolge einer innerfamiliären »Provokation« (s. sein Vorwort) und auch seiner Erinnerung an das Schreiben seines Vaters sowie seiner Unkenntnis darüber, ob dieser im NS-Regime »ideologisch verstrickt« gewesen ist, den Plan einer gründlichen historischen Aufarbeitung des Verhaltens seiner ostelbischen Adelsfamilie im »3. Reich« ins Auge fasste.2 Mit anderen Worten: Es ging ihm darum, einen »Beitrag zur familienbiographischen Lokalisierung der Wedel in dem Spannungsfeld zwischen Unterstützung und Ablehnung des Nationalsozialismus« zu liefern, wobei ihm von vorn herein klar war, dass seine mit einer solchen Studie verbundene Aufforderung an seine Verwandten, sich mit ihren Erinnerungen an jene familiäre »Lokalisierung« auseinander zu setzen, unter Umständen einen »Riss durch die Familie« erzeugen konnte. Damit ist jenes oben schon kurz erwähnte Grundproblem unserer persönlich-individuellen wie auch unserer kollektiven Verortungen in unseren Umgebungen und in unserer Zeit angesprochen – ein Grundproblem, das Erich Kästner in spezieller Weise in folgendem Vierzeiler auf den Punkt gebracht hat: »Erinnerung ist eine mysteriöse Macht und bildet den Menschen um: Wer das, was gut war, vergisst, wird böse, Wer das, was schlimm war, vergisst, wird dumm.«

Zwar ist Erinnerung als zentraler Bestandsteil unserer Zeitgebundenheit auf Vergangenheitserfahrungen und Geschichte bezogen, aber eine solche Verortung ist de facto keine objektive Verbindung mit dem, »wie es eigentlich gewesen ist«, sondern immer nur eine Konstruktion und persönliche Sinnstiftung – so hat es Sigmund Freud (1856–1939) kurz vor seinem Tod rückblickend auf sein Leben mit dem viel zitierten Satz festgestellt: »Die biographische Wahrheit ist nicht zu haben!«3 Der berühmte Historiker Leopold von Ranke (1795–1886) war 2 S. zu diesen biographischen Hinweisen drei Texte von Wolf Christian von Wedel Parlow in Katja Gäbler/Fabian Wehner (Hg.), Nachbeben. Begegnungen mit deutschen Lebensgeschichten des 20. Jahrhunderts, Berlin 2015, S. 107–111, S. 202–205 und besonders S. 301– 306. 3 Ausführlich dazu Klaus-Jürgen Bruder (Hg.), »Die biographische Wahrheit ist nicht zu haben«. Psychoanalyse und Biographieforschung, Gießen 2003; s. auch Hedwig Röckelein (Hg.), Biographie als Geschichte, Tübingen 1993, darin vor allem Jürgen Straub, Zeit, Er-

Geleitwort

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zwar noch Mitte des 19. Jahrhunderts davon ausgegangen, dass gründliche historische Recherchen zeigen könnten, »wie es eigentlich gewesen ist«, doch inzwischen ist klar, dass es eine historisch »reine Wahrheit« nicht gibt. Auch wenn es mit Blick auf die oft ja selbstsicher vorgetragenen Beurteilungen vergangener Verhältnisse immer »ein Vetorecht der Quellen« gibt, ist letztlich dennoch jedes historische Urteil – so hat es der in dieser Richtung in vielfältiger Weise Impuls gebende Historiker Reinhart Koselleck (1923–2006) auf den Punkt gebracht – von der persönlichen Standortgebundenheit abhängig, die sich aus seinem psychohistorisch bedingten Umgehen mit den jeweiligen persönlichen »Erfahrungsräumen und Erwartungshorizonten« ergibt.4 Sich mit einer solchen Selbstsicht mit einer konkreten Familiengeschichte auseinanderzusetzen und seine Erfahrungen dann in dem Versuch einer differenzierten »Qualifizierung der Gesamtfamilie« – hier während des NS-Regimes – vorzustellen, wie es in überzeugender Weise Wolf Christian von Wedel Parlow getan hat, kann also nicht »der Weisheit letzter Schluss« sein, aber ist nachdrücklich eine Aufforderung an die Angehörigen der Familie von Wedel und ihre Zeitgenossen insgesamt, sich selbst nachdenklich-nachdenkend in die Geschichte zu stellen – dies nach dem Motto von Kurt Tucholsky (1890–1935): »Erfahrungen vererben sich nicht – jeder muss sie selber machen.«

zählung, Interpretation. Zur Konstruktion und Analyse von Erzähltexten in der narrativen Biographieforschung, S. 143–183. 4 S. dazu den vielzitierten Aufsatz von Reinhart Koselleck, ›Erfahrungsraum‹ und ›Erwartungshorizont‹ – zwei historische Kategorien, wiederabgedruckt in: ders.: Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, 4. Aufl. Frankfurt 1985, S. 349–375.

Vorwort

Mit einer Mischung aus Scham und Trotz hatte sich der Verfasser anfangs dem Thema genähert: Mit Scham, weil ihm der von der zeitgeschichtlichen Forschung ausgewiesene Umfang der Wedelschen Beteiligung an der nationalsozialistischen Bewegung bekannt war, noch ehe er mit der Recherche begann. Und mit Trotz, weil er von einzelnen Vettern und Cousinen gewarnt worden war, mit der Offenlegung des Verhältnisses zum Nationalsozialismus werde ein Riss durch die Familie gehen. Hinzu kamen die Zweifel eines geschichtswissenschaftlichen Laien, der außer ein paar handwerklichen Grundsätzen der Geschichtswissenschaft, wie man sie in einem Heidelberger Proseminar erwerben konnte, keinerlei Fachkenntnisse vorzuweisen hat, die es rechtfertigen würden, mit dem vorliegenden Beitrag an die Öffentlichkeit zu treten. Einer der drei Gründe, weswegen dieser Schritt dennoch gewagt wird, ist der Zugang zu familiengeschichtlichen Quellen, der einem ausgewiesenen Historiker meistens verschlossen bleibt, sofern er nicht der betreffenden Familie angehört. Der zweite Grund liegt in der Erwartung, dass jede noch so kleine familiengeschichtliche Darstellung einer weiteren Vertiefung der Geschichte des Adels im Nationalsozialismus als Quelle dienen könnte. Es gibt noch einen dritten, ganz persönlichen Grund. Das ist das immer noch erinnerliche Erschrecken, als dem Verfasser auf einem Wedelschen Familientag Anfang der 1960er Jahre »Nestbeschmutzung« vorgeworfen wurde, weil er den Rücktritt des Familienvorsitzenden gefordert hatte, nachdem dessen Verstrickung in eine Amtshandlung des NS-Staats mit tödlichem Ausgang für eine Betroffene bekannt geworden war. Die Erinnerung blieb so sehr haften, dass der Verfasser nicht zögerte, sich der Aufgabe zu stellen, als er auf dem Familientag 2006 im polnisch/hinterpommerschen Kielce vom damaligen Familienvorsitzenden gefragt wurde, ob er sich vorstellen könne, im Rahmen einer Neuherausgabe der Familiengeschichte das Verhältnis der Familie zum Nationalsozialismus zu behandeln. Ziel dieser Arbeit ist ein Beitrag zur familienbiografischen Lokalisierung der

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Vorwort

Wedel in dem Spannungsfeld zwischen Unterstützung und Ablehnung des Nationalsozialismus. Der Verfasser sieht seine Aufgabe dabei in der möglichst detailgetreuen Herausstellung einzelner Familienangehöriger, die das Aufkommen des Nationalsozialismus als Erwachsene erlebt und sich der nationalsozialistischen Bewegung teils angeschlossen, teils davon ferngehalten hatten. Es mag anmaßend sein, eine familienbiografische Arbeit über eine einzelne Adelsfamilie, die bis 1945 hauptsächlich in den preußischen Provinzen Pommern und Brandenburg ansässigen Wedel, unter den Obertitel »ostelbischer Adel« zu stellen. Doch soll damit keineswegs behauptet werden, die Wedel, insbesondere ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus, seien in irgendeiner Hinsicht repräsentativ für den ostelbischen Adel gewesen. Es wird lediglich unterstellt, der bis 1945 östlich der Elbe ansässige niedere Adel habe gewisse Gemeinsamkeiten aufgewiesen, durch die er sich vom Adel in anderen Regionen des ehemaligen Deutschen Reiches unterschied. Die Besonderheit des ostelbischen niederen Adels waren die Selbstbewirtschaftung des aus dem ursprünglichen fürstlichen Lehen hervorgegangenen Landbesitzes und die aus demselben Lehensverhältnis erwachsene Staatstreue, die im Staatsdienst der jüngeren, vom Erbe des Landbesitzes ausgeschlossenen Söhne zum Ausdruck kam. Etwas zugespitzt ließe sich behaupten, Bildung habe hier – zumindest dem Anspruch nach – keinen so hohen Stellenwert gehabt wie die Fähigkeit des fürsorglichen Umgangs mit den »Leuten«, ob es nun Gutsarbeiter und deren Familien waren, Soldaten oder untergeordnete Staatsdiener. Im Hinblick auf diese Besonderheiten können die damaligen Wedel durchaus als Beispiel für den ostelbischen Adel dienen. Gewiss mag der Obertitel bei der älteren Generation, die noch die nach dem 2. Weltkrieg erhobenen Anschuldigungen gegen »die Junker als eine der Hauptstützen des NS-Staates« im Ohr hat, überwiegend negativ belegt sein. Denn es waren ja gerade die Abkömmlinge des ostelbischen Adels, die man damals als Prototypen der »Junker« identifiziert hatte. Heute kann diese pauschale Nachkriegspolemik als überwunden gelten. So wie auch in dieser Studie vom »ostelbischen Adel« nur im Sinne einer Abgrenzung vor allem vom süddeutschen Adel die Rede sein soll. Der vorliegende Beitrag ist die erweiterte Fassung der 2006 vom Familienverband der Grafen und Herren von Wedel in Auftrag gegebenen Darstellung des Verhältnisses der Familie zum Nationalsozialismus. Eine Kurzfassung erschien 2013 als Teil einer aktualisierten Familiengeschichte unter dem Titel »Die Wedel unter dem Nationalsozialismus«. Die längere Fassung versucht insbesondere, einen Überblick über die Rolle des ostelbischen Kleinadels bei der »Annäherung … an … den Nationalsozialismus« (Stephan Malinowski) zu geben, und verbreitert den biographischen Teil mit der Schilderung der Lebenswege weiterer

Vorwort

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Wedelscher Familienmitglieder in den Jahren der Weimarer Republik und des darauf folgenden NS-Staats. Bei weitem nicht alle Hitleranhänger bzw. -gegner unter den Wedel konnten hier einbezogen werden, da einem privaten Familienforscher ohne Anbindung an ein institutionelles Forschungsprogramm der Zugang zu Archivmaterialien nur für Familienmitglieder offen stand, die vor mehr als dreißig Jahren gestorben waren. Und selbst über diesen Personenkreis gab das Bundesarchiv nur in Einzelfällen Auskunft, nämlich nur aufgrund einer vom Verfasser vorzulegenden Liste mit den Namen sowie Geburts- und Sterbedaten der Betreffenden. Bei der Erstellung dieser Liste hat der Verfasser mehr auf die Einbeziehung der einzelnen »Häuser«, in die sich die Familie gliedert, als auf Vollständigkeit geachtet, so dass der Bericht auch vom Verfasser verschuldete Lücken aufweist. Wenn ein Nichthistoriker es wagt, in die Domäne der Zeitgeschichte einzubrechen, darf er nicht mit der Gnade der Kritik rechnen. Diese könnte sich vor allem an der schmalen Quellenbasis reiben. Eine Umfrage in der Familie konnte sich häufig nur an die Enkelgeneration wenden, in der gründliches Wissen über die Haltung der Großeltern gegenüber dem Nationalsozialismus kaum zu erwarten war. Und dort, wo solches Wissen vorhanden war, so rudimentär es auch gewesen sein mochte, wurde es manchmal zurückgehalten, vielleicht aus der Sorge heraus, man sei es der Achtung vor den Verstorbenen schuldig, solche dunklen Hintergründe für alle Zeit dem Vergessen anheimzugeben. Eine weitere, in diesem Fall bewusst eingegangene Beschränkung liegt darin, dass auf eine Darstellung vor dem Hintergrund der inzwischen reichhaltigen Literatur zur Geschichte des Adels in der fraglichen Zeit verzichtet wird. Eine explizite Berücksichtigung der einschlägigen Literatur war auch gar nicht notwendig, nachdem Stephan Malinowski mit seinem umfassenden Werk über den »Sozialen Niedergang und die politische Radikalisierung im deutschen Adel zwischen Kaiserreich und NS-Staat« einen großen Teil der vorhandenen Quellen aufgearbeitet hatte. Soweit in der Einleitung vom ostelbischen Adel insgesamt die Rede ist, stützt sich der Text im Wesentlichen auf das genannte Werk. Aber auch Francis L. Carstens »Geschichte der preußischen Junker« und Shelley Baranowskis inspirierender Essay über die Rolle der ostelbischen Grundbesitzerelite beim Übergang zum Faschismus haben den Blick geschärft für den Beitrag des ostelbischen Adels zur Machtübergabe an Hitler. Gewiss hätte ein Vergleich mit anderen ostelbischen Familienverbänden der vorliegenden Studie möglicherweise ein größeres Gewicht gegeben. Aber solchen heiklen Aufgaben sollte sich ein Laie auf dem Gebiet der Geschichtswissenschaft vorsichtshalber entziehen. Danken möchte der Verfasser hier in erster Linie Wedigo Graf von WedelGödens, der diese Studie als Familienvorsitzender 2006 – auf dem oben erwähnten Familientag im polnisch/hinterpommerschen Kielce – angeregt und

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Vorwort

durch einen Beitrag über seine Eltern gefördert hat. Der auf ihn folgende Familienvorsitzende, Ernst-Wilhelm von Wedel-Kannenberg, hat das Vorhaben durch schwierige innerfamiliäre Debatten gesteuert. Die gegenwärtige Familienvorsitzende, Vita von Wedel-Zülzefitz, hat aus ihrer umfangreichen Portraitund Ansichtskartensammlung einschlägiges Anschauungsmaterial beigesteuert. Christine Christ-von Wedel hat als Historikerin unbestechlich auf zu weit gehende Interpretationen und unklare Textstellen hingewiesen. Theda von Wedel-Schunk [Parlow-Polßen] lenkte das Augenmerk des Verfassers auf unbewusste Beschönigungsversuche. Wertvolle Archivfunde hat Joachim von Wedel Parlow-Polßen beigesteuert. Matthias Dohmen hat den Verfasser vor vagen Vermutungen über die Verstrickung Emil Graf von Wedels in den »Deutschen Oktober« 1923 gewarnt. Gedankt sei ferner allen Vettern und Cousinen, die durch freimütige Berichte über ihre Eltern oder Großeltern zur Verwirklichung dieser Arbeit beigetragen haben. Besonderer Dank gilt schließlich Heinz Fehlauer und Silke Struck (Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde), Jürgen Adolph (Militärarchiv Freiburg), Jörg Ludwig (Hauptstaatsarchiv Dresden) und Edith Wagner (Lastenausgleichsarchiv Bayreuth) für ihre Unterstützung bei der Archivrecherche sowie Michael Hofmann für seine Hilfe bei der Bearbeitung des Manuskripts. Wuppertal, im April 2017 Wolf Christian von Wedel Parlow

1.

Einleitung. Ostelbischer Kleinadel im Nationalsozialismus

Noch immer ist die Zahl der ostelbischen Adelsfamilien, die ihr Verhalten in der Zeit des Nationalsozialismus untersuchen ließen und die Ergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich machten, verschwindend gering. Leichter als Familien taten sich Institutionen wie zum Beispiel das Auswärtige Amt oder die Robert Bosch AG. Das ist verständlich. Die Generationenfolgen in großen Ämtern und Unternehmen sind nur selten miteinander verwandt. Wer heute über die Durchführung einer solchen Studie entscheidet, braucht nicht zu fürchten, dass dabei Unangenehmes über die Eltern oder Großeltern ans Tageslicht kommt. Genau dies ist aber bei Familienstudien der Fall und lässt Anläufe zu derartigen Vorhaben meistens schon im Anfangsstadium scheitern. Die bekannteste Ausnahme ist Eckart Conzes Studie über die Grafen von Bernstorff.5 Von den Arnim ist bekannt, dass sie eine Aufarbeitung ihrer NS-Geschichte bei einem Historiker in Auftrag gaben, aber mit dem Ergebnis nicht zufrieden waren. Die Veröffentlichung unterblieb deshalb.6 Der Widerstand des Adels gegen die Durchleuchtung seiner NS-Vergangenheit gilt natürlich genauso der Darstellung einzelner Persönlichkeiten. Noch immer muss es als ein Akt besonderer Verantwortung gegenüber der Geschichte gelten, wenn die Nachkommen den Zugang zu ihren Archiven gestatten. Nur indem er das Glück hatte, auf solche Nachkommen zu treffen, konnte Hubertus Büschel die Biografie Carl Eduard Herzog von Sachsen-Coburg und Gothas verfassen.7 Unter dem Schutzmantel einiger populärer Schriften über die Rolle des Adels im Widerstand gegen Hitler, man denke nur an »Die Junker«8 von Walter Görlitz, 5 Eckart Conze, Vom deutschen Adel. Die Grafen von Bernstorff im zwanzigsten Jahrhundert, München 2000. 6 Mündliche Auskunft Jochen von Arnim-Mürows um 2008. 7 Büschel, Hubertus: Hitlers adliger Diplomat. Der Herzog von Coburg und das Dritte Reich, Frankfurt am Main 2016. 8 Walter Görlitz, Die Junker. Adel und Bauer im deutschen Osten. Geschichtliche Bilanz von 7 Jahrhunderten, 2. erg. u. erw. Aufl. (1. Aufl. 1956), Glücksburg/Ostsee 1957.

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Einleitung. Ostelbischer Kleinadel im Nationalsozialismus

die kurze, aber prägnante Lebensbeschreibung Heinrich Graf von LehndorffSteinorts9 von Marion Gräfin Dönhoff oder die umfassende Biografie Ruth von Kleist-Retzows10 von Jane Pejsa, konnte der Adel lange von sich behaupten, er brauche die Offenlegung seines Verhältnisses zum Nationalsozialismus nicht zu scheuen angesichts seines Beitrags zur Opposition gegen den NS-Staat. Ohne diesen Beitrag kleinreden zu wollen, muss aufgrund neuerer Erkenntnisse eher umgekehrt von einer massiven Unterstützung der nationalsozialistischen Bewegung seitens des Adels gesprochen werden. Wie Stephan Malinowski in einem 312 Familien des alten Adels umfassenden Sample11 herausfand, waren der NSDAP bis zum Kriegsende 3.592 Angehörige dieser Familien beigetreten,12 je Familie demnach im Durchschnitt 12 Personen. Berücksichtigt man nur die 29 größeren Familien des ostelbischen Adels, von den Alvensleben bis zu den Zitzewitz,13 so summiert sich die Zahl der Parteimitglieder in diesen Familien bis zum Kriegsende auf 962 Personen.14 Hier belief sich die durchschnittliche Zahl der Parteimitglieder also bereits auf 32 Personen, mit in der Spitze 78 Parteimitgliedern bei den Wedel.15 Nach einer überschlägigen Rechnung Stephan Malinowskis »dürfte der Adel in der NSDAP [im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung] bereits 1933 überproportional vertreten gewesen sein«.16 Bei den Wedel, vermutlich auch bei anderen Adelsfamilien, begegnete man diesen Zahlen mit Befremden, ja mit deutlich ausgesprochenen Zweifeln, ob hier korrekt gezählt worden sei.17 Hinter solchen Zweifeln verbarg sich ein tiefes Erschrecken über eine so hohe Beteiligung an der nationalsozialistischen Bewegung. Man wusste wohl in der Tat nur in wenigen Fällen von der politischen Orientierung der einzelnen Vettern und Cousinen in den Jahren der Weimarer Republik und des NS-Staats. Wahrscheinlich lag das auch daran, dass politische Aktivität und schon gar Parteibeitritte in adeligen Kreisen damals noch gesellschaftlich verpönt waren. Schamhaftes Verschweigen lag deswegen nahe und 9 Marion Gräfin Dönhoff, Leben und Sterben eines ostpreußischen Edelmannes, in: dieselbe, Namen, die keiner mehr nennt. Ostpreußen – Menschen und Geschichte, Düsseldorf, Köln 1962. 10 Jane Pejsa, Mit dem Mut einer Frau. Ruth von Kleist-Retzow. Matriarchin im Widerstand, a. d. Amerikan. von Beate Springmann, 7. Aufl. (1. Aufl. 1996), Moers 2013. 11 Aus einer Grundgesamtheit von »ca. 6.000 Adelsgeschlechtern, die es allein in den preußischen Ostprovinzen gab« (Stephan Malinowski, Vom König zum Führer. Sozialer Niedergang und politische Radikalisierung im deutschen Adel zwischen Kaiserreich und NS-Staat, 2. Aufl., Berlin 2003, S. 575, Anm. 427). 12 Ebd., S. 573. 13 Vgl. die Namensliste ebd. 14 Ebd. 15 Ebd. 16 Ebd., S. 575. 17 Hinsichtlich der betreffenden Diskussion unter den Wedel verweist der Verfasser auf Christine Christ-von Wedel, email v. 23. 7. 2007 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf.

Einleitung. Ostelbischer Kleinadel im Nationalsozialismus

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könnte die Überraschung erklären, die das Bekanntwerden der tatsächlichen Beteiligungsquoten auslöste. Die genannten Zahlen mögen beeindruckend sein, sie sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die adligen Parteigenossen in ihren jeweiligen Familien nur eine Minderheit bildeten, wenn auch mit oftmals rund einem Drittel der erwachsenen Familienangehörigen18 eine beträchtliche. Was die Mehrheit bewegte, der NSDAP fernzubleiben, ist unklar. Darin konnte sich sowohl Distanz zur nationalsozialistischen Bewegung, wenn nicht gar Ablehnung bis hin zu aktivem Widerstand verbergen als auch – bis 1933 – eine politisch ambivalente Haltung, die bei Wahlen mal zur Stimmabgabe für die NSDAP, mal für gegnerische Parteien führte, wenn man nicht ganz den Wahlurnen fernblieb. Dezidiert politische Artikulation zählte ohnehin nicht zum adeligen Verhaltenskodex. Ohne groß darüber zu reden, stand man gewohnheitsmäßig rechts, wählte deutschnational und war selbstverständlich gegen »das System«, wie die Weimarer Republik in den rechten Kreisen hieß. Der Graben, der die Mehrheit von einer ausdrücklichen Bejahung des Nationalsozialismus trennte, war also nur schmal. Aus der Zwei-Drittel-Mehrheit der adligen Familienangehörigen ohne NSDAP-Parteibuch kann jedenfalls nicht ohne weiteres gefolgert werden, dass der Adel der nationalsozialistischen Bewegung überwiegend fernstand.19 Zu jener Zwei-Drittel-Mehrheit zählten, soweit sie kein Parteibuch besaßen, auch die vielen Wehrmachtsangehörigen, das – ausgenommen die Pause von 1919 bis 193420 – traditionell relativ größte Berufskontingent in den ostelbischen Adelsfamilien.21 In der Wehrmacht war den Soldaten parteipolitische Aktivität untersagt. Eine zuvor eingegangene Parteimitgliedschaft ruhte mit Beginn des Militärdiensts. Entsprechendes Denken hörte deswegen natürlich nicht auf. Gerade das Pochen auf dem Hitler persönlich geleisteten Eid, wenn es galt, die Beteiligung an einem Staatsstreich gegen Hitler zu verweigern, deutet auf eine militaristische Grundhaltung unter vielen Offizieren hin, die sich nahtlos einfügte in den nationalsozialistischen Wertekanon, indem sie dem Gehorsam 18 Für die Schulenburg und Dohna schätzt Stephan Malinowski (a.a.O., S. 575) die jeweiligen Anteile auf 30–40 %. Bei den Wedel beträgt sie ungefähr 34 % (Wolf Christian von Wedel Parlow, Die Wedel unter dem Nationalsozialismus, in: Dietrich von Wedel[-Tuetz-Neuwedell] (Hg.), Die Wedel. Eine kleine Familiengeschichte, Freiburg 2013, S. 73). 19 Vgl. hierzu insbes. Malinowski, a.a.O., S. 568. 20 Bedingt durch den Versailler Vertrag war die Zahl der aktiv im Dienst verbleibenden Soldaten ab 1919 auf 100 Tsd. Mann beschränkt worden. Hitler hatte den Vertrag einseitig gebrochen, erst im Geheimen, ab 1935 offen. 21 Als Beispiel sei auf die Wedel verwiesen: »Für die zwischen 1840 und 1920 geborenen männlichen Wedel nennt die Matrikel 118 Offiziere, 76 Beamte (darunter 8 Forstleute), 56 Landwirte und 53 in sonstigen Berufen …« (Christine Christ-von Wedel, Neubeginn: Die Geschichte des Familienverbandes von 1951 bis 2007, in: Dietrich von Wedel[-Tuetz-Neuwedell] (Hg.), Die Wedel, a.a.O., S. 121, Anm. 38).

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Einleitung. Ostelbischer Kleinadel im Nationalsozialismus

einen höheren Wert beimaß als dem Gewissen. Gleichwohl kann nicht in Abrede gestellt werden, dass die Wehrmacht für viele Soldaten einen Schutzraum bildete, in dem sie womöglich sogar recht freimütig über ihre politische Einstellung sprechen konnten, ohne mit einer Denunziation rechnen zu müssen.22 Ein politisches Vakuum herrschte hier dennoch nicht, wenn man etwa bedenkt, dass die Wehrmacht auch den Nährboden für die von der adeligen Tradition gestützte Illusion bildete, man leiste »Kriegsdienst fürs Vaterland«23 – in einem von Hitler entfesselten Eroberungs- und Vernichtungskrieg. Mitgliedschaft in der NSDAP bedeutete zunächst nur passive Unterstützung der »Bewegung«: Man zahlte Mitgliedsbeiträge und besuchte die Versammlungen des Ortsvereins, wenn man nicht davor zurückschreckte wegen der unvermeidlichen Außenseiterrolle, die man dort als Adeliger einnahm. Aber wo die Ressourcen es zuließen, unterstützte man die Bewegung auch aktiv : Man ließ Hitler bei sich nächtigen, wenn er in Norddeutschland unterwegs war,24 gab für ihn Empfänge,25 leistete Fahrdienste26 und übernahm Funktionen innerhalb der NSDAP.27 Hintergedanke solcher Dienstleistungen könnte – bewusst oder unbewusst – der Wunsch gewesen sein, »sich dem Nationalsozialismus als natürliche Avantgarde des völkischen Gedankens sowie als geborene Führerschaft zu empfehlen,«28 ein Wunsch, der sich bald als Illusion erwiesen hätte. Denn Hitler brauchte den Adel zwar noch eine Weile als Nachwuchslieferant für das Offizierskorps der Wehrmacht. Aber in Kreisen völkischer Theoretiker wie Hans F. K. Günther und Richard Walther Darr8 war klar, dass der historische Adel spätestens mit Erreichen der Kriegsziele seine herausgehobene Stellung verlieren werde. Der historische Adel habe die Gesetze der Auslese vernachlässigt, sei 22 »In den Einheiten und Verbänden, in denen ich diente, habe ich keine ›Nazis‹, wie man heute wohl sagen würde, kennengelernt.« (Dietz von Wedel-Pumptow, Brief v. 12. 8. 2008 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf.). 23 »Kriegsdienst fürs Vaterland, nicht die Partei, war diskussionslos selbstverständlich.« (ebd.). 24 Z. B. in Braunschweig bei dem Reichsredner der NSDAP, Karl von Wedel Parlow-Wedelsberg (Oberstleutnant Wilhelm Brückner, Brief v. 17. 2. 1943 an d. Reichsschatzmeister der NSDAP, Herrn [Franz Xaver] Schwarz, bezüglich Karls Tochter Jutta, BArch, BL, ehem. BDC, Parteikorrespondenz, Akte zu Jutta von Wedel [Parlow-Wedelsberg]). 25 Vgl. Malinowski, a.a.O., S. 579. 26 Ebd. 27 Der pommersche Rittergutsbesitzer Walter von Corswant ließ sich als Gauleiter von Pommern einsetzen (Shelley Baranowski, The Sanctity of Rural Life. Nobility, Protestantism, and Nazism in Weimar Prussia, New York, Oxford 1995, S. 153), Karl von Wedel Parlow-Wedelsberg als Reichsredner (Joachim Lilla, Statisten in Uniform. Die Mitglieder des Reichstags 1933–1945. Ein biographisches Handbuch, Düsseldorf 2004, Nr. 1219), Christian-Otto von Wedel Parlow-Polßen als Blockwart in Berlin-Weißensee (BArch, BL, ZA I 5895 A.14), um nur einige Beispiele zu nennen. 28 Malinowski, a.a.O., S. 521.

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blutsmäßig unrein29 und deshalb »weitgehend ungeeignet zur Führung des kommenden Reiches.«30 Die Deutsche Adelsgenossenschaft (DAG) hatte sich schon seit 1920 bemüht, diese Scharte auszuwetzen, indem sie einen nach und nach verschärften »Arierparagraphen« einführte, der zunächst nur »die zukünftige Vermeidung jüdischer Heiraten« gebot,31 von 1926 an die Aufnahme in die DAG an den Nachweis der Blutsreinheit knüpfte32 und ab 1933 auch die Säuberung der DAG von rassisch unreinen Adelsgenossen verlangte.33 Weit über 100 Mitglieder sind damals ausgeschlossen worden. Die Welle der »Selbstgleichschaltung«34 schwappte bis hinein in einzelne Familienverbände: 1933 beschlossen die Arnim einen Arierparagraphen, bald darauf die Bülow, 1936 die Wedel.35 Genützt hat die Anbiederung an die neuen Machthaber nichts. Eine verlässliche Zusage, dass der historische Adel im neuen Reich eine Stellung einnehmen werde ähnlich wie in der Monarchie, wurde nicht gegeben. Diese Stellung blieb der SS vorbehalten. *

Fragt man nach den Gründen für die frühe Annäherung des ostelbischen Adels an den Nationalsozialismus, so stößt man auf sozialpsychologische und ökonomische Aspekte. In sozialpsychologischer Hinsicht erlitt der Adel durch die Ausrufung der Republik im November 1918 und die Verabschiedung der Weimarer Verfassung im Jahr darauf einen Schock. Der Adel war abgeschafft worden. An die frühere Position erinnerte nur noch der Name. Auch adelige Titel, einst Ausdruck Respekt erheischender gesellschaftlicher Bedeutung, waren nur noch Namensbestandsteil. Die Fideikommisse36 sollten aufgelöst werden. Viel 29 Mit dem Aufkommen des Antisemitismus als Gegenbewegung gegen großbürgerlichen »Mammonismus« seit den 1890er Jahren (vgl. ebd., S. 157ff.) wurden Ehen mit jüdischen Frauen in völkischen Kreisen vermutlich schon damals tabuisiert. Als »verderblich« für die »arische Rasse« galten sie wohl erst mit Beginn des 20. Jahrhunderts. 30 Ebd., S. 522. 31 Ebd., S. 336. 32 Ebd., S. 338. 33 Ebd., S. 557. 34 Ebd. 35 Vgl. zu den Arnim und Bülow : ebd., S. 338, Anm. 70, zu den Wedel: Wedel Parlow, Wolf Christian, a.a.O., S. 88. 36 »Eine Einrichtung des deutschen Rechts, der zufolge ein Familienvermögen, meist Grundbesitz, ungeteilt in der Hand eines Familienmitglieds blieb. Der Inhaber war in der Verfügung unter Lebenden beschränkt und erhielt nur den Ertrag des Vermögens zur freien Verfügung. Schulden, die er machte, waren seine persönlichen Schulden. Vollstreckungen in das Vermögen wegen Schulden des Inhabers waren ausgeschlossen.« Bei den Wedel »vererbten sich die Fideikommisse nach dem Erstgeburtsrecht im Mannesstamm als sogenannte Majorate. Der älteste männliche Wedel war der Alleinerbe, zunächst der älteste Sohn, und wenn kein Sohn vorhanden war, der nächstverwandte älteste Vetter.« (Ludolf von WedelParlow-Polssen (Hg.), Wedelsche Häuser im Osten, Jever 1961, S. 253).

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gravierender noch, es drohte eine Bodenreform, durch die eine wesentliche Grundlage adeligen Daseins und Lebensgefühls, der adelige Gutsbesitz, vielleicht nicht gleich zerstört, aber doch zum Niedergang verurteilt worden wäre. So war die Ablehnung der Republik, ja die Feindschaft gegen das »System« geradezu zwangsläufig. Es war eine vermutlich eher gefühlsmäßige als rational begründete Ablehnung. Denn politische Bildung und der Vergleich unterschiedlicher Staatsformen genossen auch auf den Gymnasien noch nicht die heutige Wertschätzung.37 Der Adel war bis 1918 an die Monarchie gebunden. Wie hätte er somit eine Staatsform, die ihn seiner sozialen Stellung beraubte, unterstützen können? Mit dem Ende der preußischen Monarchie war auch das wechselseitige Treueverhältnis zwischen Adel und König zerbrochen. Wilhelm II. hatte 1918 nicht nur abgedankt, sondern sich auch noch kläglich davongestohlen.38 Für den Adel ein existenzieller Einschnitt, wie man ihn sich kaum tiefer vorstellen kann. Denn nicht einmal mehr rückwärtsgewandt konnte man sich der Monarchie verbunden fühlen, nachdem deren letzter Vertreter sich als Identifikationsfigur desavouiert hatte. Gegenentwürfe zur verhassten Republik hatten in dieser Zeit des Umbruchs Konjunktur. Dem politisch aktiven pommerschen Gutsbesitzer und Stahlhelmführer Bernd von Wedel-Fürstensee schwebte ein vom italienischen Faschismus39 inspiriertes, ständestaatliches Modell vor: »… die Landbevölkerung mit ihren Führern ist antiparlamentarisch und arbeitet zur Überwindung des Klassenkampfs am berufsständischen Aufbau.«40 Zwei Jahre darauf, 1930, präzisierte Wedel-Fürstensee in einer Ansprache zum Verbandstag des Stahlhelm 37 »… die Hohenzollern-Monarchie hatte sicherlich niemals viel getan, um die Urteilsfähigkeit ihrer Bürger zu entwickeln.« (Volker R. Berghahn, Der Stahlhelm. Bund der Frontsoldaten 1918–1935, Düsseldorf 1966, S. 6). 38 Wilhelm II. hatte sich am 10. November 1918 aus dem militärischen Hauptquartier in Spa in das nahe Holland abgesetzt, was später beschönigend als »Abreise« beschrieben wurde. Aus der Sicht Malinowskis (a.a.O., S. 249) »markierte die Flucht des Königs die wohl wichtigste Bruchstelle der traditionell unvergleichlich engen Bindung des preußischen Kleinadels an den Monarchen.« 39 »Prominent Pomeranians, among them Rohr and Wedel-Fürstensee, visited Mussolini on seperate occasions, coming away impressed by the Duce’s hostility to international Marxism and his corporatist programs to end class conflict« (Baranovski, Sanctity, a.a.O., S. 154). Schwärmerei für den italienischen Diktator scheint damals verbreitet gewesen zu sein. »Uns kann nur ein Diktator noch helfen … Hätten wir doch, wie die Italiener, einen Mussolini!«, schreibt der Offizier a. D. Andreas Graf von Bernstorff im März 1928 in sein Tagebuch (Conze, a.a.O., S. 166). Auch Walter Görlitz beschwört die damaligen Sympathien für den »italienischen Faschismus Mussolinischer Prägung, der ganz unähnlich dem mystischen und verworrenen Nationalsozialismus eine echte ständisch-konservative Staatsphilosophie entwickelte« (Görlitz, a.a.O., S. 372). 40 Bernd von Wedel, Wir verlangen …, in: Der Nahe Osten, Politische Halbmonatsschrift, hg. u. a. von B. von Wedel-Fürstensee, I. Jg., 2. Heft, 15. Januar 1928, S. 14.

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Pommern-Grenzmark seine Staatsidee wie folgt: »Wir knüpfen bewußt an alte soziale und Führertraditionen der preußischen Monarchie an … Wir wollen eine Staatsführung, die mit eigenen Machtmitteln über den Gliederungen und Parteiungen des Volkes steht und die dem Einzelnen und jedem Lebenskreis die Aufgabe für das Ganze zuweist. Die deutsche Zukunft soll getragen werden von der Kraft des Führertums der freien, unabhängigen Persönlichkeit.«41 Weit entfernt vom späteren NS-Staat waren solche Vorstellungen nicht. Persönlich hielt sich Wedel-Fürstensee indessen noch lange fern von der NSDAP, vielleicht in dem Glauben, andere Kräfte, wie zum Beispiel die Deutschnationale Volkspartei (DNVP), wären stark genug, um eine Alternative zur Republik zu verwirklichen. Erst Anfang 1933 bemühte er sich zusammen mit seiner Frau, Anneliese von Wedel-Gerzlow, um die Aufnahme in die Partei, die dann am 1. Mai 1933 erfolgte.42 *

In ökonomischer Hinsicht war der nach 1918 einsetzende Umbruch ebenso folgenreich wie in sozialpsychologischer. Es waren vor allem vier Folgen des Weltkriegs, die den Adel in seiner ökonomischen Lage trafen: Die von den Siegermächten verlangte Reduzierung von Heer und Marine auf einhunderttausend Mann, die damit einhergehende Schließung der Kriegsschulen und Kadettenanstalten sowie die Auflösung der bis 1918 regierenden fürstlichen Höfe. Mit einem Schlag waren tausende adlige Soldaten entlassen worden – aus dem bis dahin vielleicht weniger aus Neigung als aus Tradition bevorzugten Berufszweig des ostelbischen Adels. Durch den Wegfall der Kriegsschulen war den im Militärdienst verbleibenden Offizieren zudem der Aufstieg in höhere Offiziersränge weitgehend verwehrt. Auch die Schließung der Kadettenanstalten wirkte sich negativ auf die ökonomische Lage besonders des Adels ohne Großgrundbesitz aus. Es war nun nicht mehr möglich, den familiären Haushalt zu entlasten, indem man die Söhne auf eine dieser staatlich finanzierten militärischen Erziehungsanstalten schickte, wo sie nicht nur eine Offiziersausbildung erhielten, sondern auch die Abiturprüfung ablegen konnten.43 Eine ähnliche Rolle wie die Kadettenanstalten für die Söhne hatten die Höfe der bis 1918 regierenden Fürstenhäuser für die Töchter gespielt. Hofdame zu werden war nun kein mögliches Berufsziel mehr und zahllose alleinstehende Hofdamen mussten 41 Bernd von Wedel, Ansprache zum ersten Landesverbandstag des Stahlhelm PommernGrenzmark, in: Der Nahe Osten, III. Jg., 12. Heft, 15. Juni 1930, S. 178. 42 Mgl.Nr. 2 146 565 bzw. 2 346 242, BArch (ehem. BDC), NSDAP-Gaukartei. 43 Die Kadettenanstalten waren von Friedrich Wilhelm I. gegründet worden, um »den Eltern die Erziehungskosten der Söhne« abzunehmen – als Kompensation für die von ihm unterbundene »Abwanderung der adeligen Jugend in auswärtige Kriegsdienste« (Ludolf von WedelParlow-Polssen, Einleitung, in: ders. (Hg.), Wedelsche Häuser im Osten, a.a.O., S. 24).

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nach 1918 eine neue Beschäftigung suchen, zum Beispiel als Krankenschwester. Dasselbe galt für die ebenso zahlreichen Hofbeamten, oft Stallmeister, die über eine Offizierskarriere in diese Stellung gelangt waren. Vor dem Nichts stand allerdings keiner der so aus dem gewohnten Berufsfeld entlassenen Männer und Frauen, sie alle erhielten Pensionen, auch die Witwen und Waisen der im Krieg gefallenen Soldaten44, spärliche freilich und jedenfalls zu wenig, um den bisherigen Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Für entlassene Soldaten bot sich als Ausweg aus der ungewohnten Beschäftigungslosigkeit die Meldung bei einem der vielen teils spontan von einzelnen Frontoffizieren gebildeten, teils von der neuen sozialdemokratisch dominierten Reichsregierung ins Leben gerufenen Freikorps an, die zunächst das Baltikum aus der sowjetischen Umklammerung befreien sollten und nach dem Fehlschlag dieses Abenteuers eine militärische Heimatfront bildeten gegen die im ganzen Reich aufflackernde rätedemokratische Bewegung.45 Manche vormals unpolitische adlige Militärs erhielten hier eine antibürgerliche, wenn nicht rechtsradikale Prägung.46 Als Auffangbecken für entlassene Soldaten47 hatten die Freikorps allerdings bald wieder ausgedient, schon zum 1. Januar 1921 wurden sie aufgelöst – nachdem sie 1919 noch die Spartakusaufstände vor allem in Berlin, den Ruhraufstand der »Roten Armee« und die Münchener Räterepublik blutig niedergeschlagen und 1920 den erfolglosen Kapp-Lüttwitz-Putsch inszeniert hatten. 44 Malinowski nennt die Zahl von »4.500–4.800 im Weltkrieg gefallenen adligen Soldaten« (a.a.O., S. 261). 45 Zur Geschichte der Freikorps vgl. insbes. Hagen Schulze, Freikorps und Republik 1918–1920. Wehrwissenschaftliche Forschungen. Abteilung Militärgeschichtliche Studien, hg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Boppard am Rh. 1969 sowie Hannsjoachim W. Koch, Der deutsche Bürgerkrieg. Eine Geschichte der deutschen und österreichischen Freikorps 1918–1923, a. d. Engl. v. Klaus Oelhaf u. Ulrich Riemerschmidt, Berlin, Frankfurt/M, Wien 1978. 46 Zum Weltbild der Freikorpskämpfer vgl. Matthias Sprenger, Landsknechte auf dem Weg ins Dritte Reich? Zu Genese und Wandel des Freikorpsmythos, Paderborn, München, Wien, Zürich 2008, S. 106ff. u. 185ff. 47 Allerdings fiel die Beteiligung des ostelbischen Adels an den Freikorpskämpfen quantitativ womöglich nicht sonderlich ins Gewicht. Zum Beispiel hatten sich von den 68 Wedelschen Offizieren, Reserveoffizieren, Fähnrichen und Fahnenjunkern, die laut Familienmatrikel am 1. Weltkrieg teilgenommen hatten, nur 8 (=11,8 %) zu einem Freikorps gemeldet (vgl. Joachim von Wedel[-Pumptow], Gesamtmatrikel des Schloßgesessenen Geschlechts der Grafen und Herren von Wedel, 4. Aufl., Pyritz 1931). Die Angaben in der Matrikel könnten freilich lückenhaft sein. Im Falle des Fahnenjunkers Ernst von Wedel-Eszerischken hat dessen Witwe erst 1961 den Hinweis auf eine Teilnahme an Freikorpseinsätzen in Königsberg gegeben (H. Roberta v. Kriegsheim, Eszerischken, in: Wedel-Parlow-Polssen (Hg.), Wedelsche Häuser im Osten, a.a.O., S. 216). Auch im Falle des Rittmeisters a. D. Hasso von WedelVoßberg fehlt in der Matrikel der Hinweis auf eine Teilnahme an Freikorpseinsätzen im Baltikum, die dessen Sohn Reymar von Wedel-Voßberg in seinem Brief v. 5. 2. 2009 an d. Verf. erwähnt (Priv.bes. des Verf.).

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Noch nach der offiziellen Auflösung der Freikorps sammelten sich viele Freikorpskämpfer im »Grenzschutz Ost« am östlichen Rand Pommerns48 sowie im »Selbstschutz Oberschlesien«, um polnische Militäraktionen gegen die deutsche Bevölkerung zu unterbinden, nachdem diese mehrheitlich für einen Verbleib im Deutschen Reich votiert hatte.49 Oder sie fanden Unterschlupf auf pommerschen Gütern, wo sie revolutionäre Bestrebungen der Landarbeiterschaft zu unterdrücken halfen.50 Viele ehemalige Freikorpskämpfer wurden nach 1921 im paramilitärischen »Stahlhelm. Bund der Frontsoldaten« aktiv oder gingen gleich zur »Sturmabteilung (SA)« der NSDAP. Der »Stahlhelm«, der als Wehrverband noch die alten wilhelminischen Traditionen pflegte und als politische Gruppierung eine strikt antirepublikanische Haltung einnahm,51 war freilich die dem ostelbischen Kleinadel gemäßere Sammlungsbewegung, während die SA eher den Landknechtstyp anzog. Eine berufliche Perspektive eröffnete sich damit allerdings keinem der ehemaligen Soldaten. Die Freikorps boten noch Kasernenunterkünfte und Verpflegung sowie einen lukrativen Sold.52 Als Stahlhelm- oder SAMitglied ging man, soweit man nicht arbeitslos war, seinem Beruf nach, wohnte zu Hause, verpflegte sich selbst und kam nur zu Aktionen zusammen. Adlige Soldaten, die keinen Platz in der neuen Reichswehr fanden, taten sich besonders schwer bei der Suche nach einem Weg ins Zivilleben. Tätigkeiten im Handel, in der Industrie, in technischen Berufen waren beim Adel damals noch verpönt. Was blieb dann noch übrig? Auswanderung, Fremdenlegion, Schmarotzertum, Glücksspiel standen nicht selten am Ende der vergeblichen Suche nach einem bürgerlichen Beruf. Entsprechendes galt für ehemalige Hofdamen und Hofbeamte. Wer es nicht schaffte, sich von dem engstirnigen adligen Ehrbegriff zu befreien und für sich und seine Familie eine bürgerliche Existenz aufzubauen, den zog die unvermeidliche Verarmung bis hinunter auf das materielle Niveau proletarischer Schichten. *

Die private Misere fand ihre Entsprechung in der politischen Orientierung. Denn wem hatte man den persönlichen Niedergang zu verdanken? Doch einzig 48 Görlitz, a.a.O., S. 354f. 49 Sprenger, a.a.O., S. 46f. 50 »Die Revolution am Ende des 1. Weltkrieges hatte auch auf das Land weitergewirkt. Die Landarbeiterschaft wurde sich plötzlich der Verbesserungsbedürftigkeit ihrer Lage bewußt, Streiks brachen aus und Schlimmeres drohte. … Ausschreitungen größeren Umfangs verhinderten damals Freikorpskämpfer, die aus dem Baltikum zurückgekehrt und auf dem Lande einquartiert waren.« (Bernd v. Wedel-Fürstensee, Fürstensee, in: Wedel-ParlowPolssen (Hg.), Wedelsche Häuser im Osten, a.a.O., S. 198). 51 Vgl. Berghahn, a.a.O., S. 18. 52 Zur Entlohnung der Freikorpskämpfer vgl. Sprenger, a.a.O., S. 111.

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der »Erfüllungspolitik«, der den Versailler Vertrag minuziös befolgenden Politik der die Republik beherrschenden »Weimarer Koalition«, jenes Bündnisses aus Sozialdemokratischer Partei, Zentrum und Deutscher Demokratischer Partei (DDP). Das im ostelbischen Adel verbreitete Ressentiment gegenüber diesem Parteienbündnis war freilich schon alt, es stammte noch aus der Kaiserzeit, als keine der drei Parteien wählbar schien – die SPD nicht, weil sie seit Anbeginn als umstürzlerische Kraft galt, das Zentrum nicht, weil es katholisch war, die Liberalen nicht der vielen Juden wegen, die der Partei angeblich angehörten. Mit der SPD mochte man auf lokaler Ebene noch ein joviales, Schultern klopfendes Verhältnis pflegen, wie es etwa der oben erwähnte Wedel-Fürstensee beschreibt, der als Kreistagsabgeordneter in Pyritz »vielfach nach Beendigung der Sitzung das Verkehrslokal der SPD« besuchte und »dort immer lebhaft begrüßt« wurde. »Die gemeinsame Soldatenzeit war das Bindeglied …«53 Generell aber dürfte man in der SPD einen »inneren Feind« gesehen haben, dessen »destruktive Tendenzen« auf der Hand lagen, wenn man auch vielleicht nicht so weit gegangen wäre, einen Militäreinsatz gegen Sozialdemokraten gutzuheißen, wie er noch im Kaiserreich denkbar war.54 Die Ablehnung alles Katholischen und damit auch der Zentrumspartei nährte sich wohl vor allem aus den Erinnerungen an den Bismarckschen Kulturkampf. Sie mochte weniger strikt gewesen sein als die Haltung gegenüber der SPD. Dass ein pommerscher Gutsbesitzer auf seinen Grabstein »Deutschland zum Nutz – Rom zum Trutz« setzen ließ und seinen Sohn zu enterben drohte, »falls er ein katholisches oder jüdisches Mädchen heiratete«, war aber vielleicht typisch.55 Doch es gab auch vorsichtige Zustimmung zu einzelnen Zentrumspolitikern, namentlich zu Heinrich Brüning, der von 1930 bis 1932 Reichskanzler war.56 53 Wedel-Fürstensee, Fürstensee, a.a.O., S. 199. 54 Carl Graf von Wedel hatte entsprechende Äußerungen Wilhelms II. in einer Ansprache vor Rekruten des Gardekorps im November 1890 noch billigend zur Kenntnis genommen; vgl. Erhard Graf von Wedel (Hg.), Zwischen Kaiser und Kanzler. Aufzeichnungen des Generaladjutanten Grafen Carl von Wedel aus den Jahren 1890–1894, Leipzig 1943, S. 131. 55 Gräfin Ottonie v. Wedel-Gerzlow, Gerzlow, in: Wedel-Parlow-Polssen (Hg.), Wedelsche Häuser im Osten, a.a.O., S. 83. 56 »Mir hat Brüning damals nicht schlecht gefallen …«, bekannte der Vorsitzende des Familienverbands der Herren und Grafen von Wedel, Hubertus von Wedel-Kannenberg 1959, als es darum ging, ob auf dem nächsten Familientag ein Vortrag zur Weimarer Republik gehalten werden sollte (Hubertus von Wedel-Kannenberg, Brief v. 3. 7. 1959 an Ludolf von Wedel Parlow-Polßen bezüglich des von diesem vorgeschlagenen Vortrags von Dr. Friedrich Freiherr Hiller von Gaertringen über »Konservative Politik in der Krise der Weimarer Republik 1928–1933«, Priv.besitz d. Verf.). Auch Hasso von Wedel-Stargard, der spätere Chef der Abt. Wehrmachtspropaganda beim OKW, hatte einen positiven Eindruck von Brüning gewonnen, als er 1931 zusammen mit rund 20 Teilnehmern am III. »Lehrgang für Führergehilfen« mit Brüning zusammengetroffen war : »Mit Ausnahme von ein bis zwei Lehrgangsteilnehmern bekannten sich alle einmütig zum Kurs Brüning« (Niederschrift der Unterredung des Herrn Generalmajor a. D. Hasso von Wedel … mit Herrn Dr. [Friedrich?]

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Was an der DDP, dieser Partei aus Freiberuflern, Lehrern und Beamten, dermaßen gestört haben mochte, dass sie als nicht wählbar galt, lässt sich weniger leicht ausmachen. War es die linksliberale Ausrichtung oder doch eher das Etikett »Judenpartei«, das ihr von der NSDAP angehängt worden war? Den ostelbischen Adel mochten beide Einschätzungen abgeschreckt haben, ob sie nun zutrafen oder nicht. Insbesondere die behauptete jüdische Dominanz dürfte ihn in seiner Abneigung gegen diese Partei bestärkt haben.57 Keine der drei Parteien der »Weimarer Koalition« kam somit für den ostelbischen Adel als politische Heimat in Betracht. Das galt in besonderem Maße für dessen verarmte Abkömmlinge, war deren Misere doch vermeintlich eine Folge der von dem Parteienbündnis befolgten »Erfüllungspolitik«. Eine Verbesserung ihrer sozialen Lage konnten sie sich deswegen nur durch eine Abkehr von der »linken« Erfüllungspolitik vorstellen, und das hieß, ihre Hoffnungen auf eine der Parteien des antirepublikanischen rechten Flügels zu setzen. Die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) schien den Erwartungen zunächst am ehesten zu entsprechen.58 Doch auch diese Partei war nach antirepublikanischen Anfängen auf eine die Republik bejahende Linie eingeschwenkt und hatte sich an mehreren Regierungen beteiligt. Erst nach der Reichstagswahl im Jahr 1928 ließ sie sich von ihrem neuen Vorsitzenden Alfred Hugenberg wieder auf einen strikt republikfeindlichen Kurs einschwören und damit in die Nähe der NSDAP manövrieren. Da schloss man sich, wollte man konsequent sein, doch lieber gleich der stärkeren Macht an, der NSDAP. Der den ostelbischen Kleinadel erfassende soziale Niedergang markierte somit – entsprechend der Grundthese von Stephan Malinowskis Untersuchung über den deutschen Adel in der Weimarer Republik – den Beginn einer Rechtsradikalisierung, die den Weg in die NSDAP ebnete. * Frhr. v. Siegler in Hannover am 26. November 1951 im Auftrage des Deutschen Instituts für Zeitgeschichte in München, http://www.ifz-muenchen.de/archiv/zs/zs-0180.pdf, abgerufen am 2. 2. 2016, S. 1). 57 Antijüdische Ressentiments, oft gekleidet in die Kritik am »jüdischen Mammonismus«, hatten sich seit den 1880er Jahren im ostelbischen Kleinadel verbreitet; vgl. Malinowski, a.a.O., S. 159ff. Auch bei den Wedel lassen sich Spuren des Ressentiments finden. Als Beispiel sei hier das geringschätzige Urteil des Generaladjutanten Wilhelms II., Carl Graf von Wedel, über den jüdischen Bankier Bleichröder genannt. Der hatte eine abfällige Bemerkung der Fürstin Bismarck über eine von ihm überreichte üppige Silberschale stoisch über sich ergehen lassen, was Carl mit den Worten kommentierte: »Doch auf einen Juden macht so etwas keinen Eindruck.« (Erhard Graf von Wedel (Hg.), a.a.O., S. 73). Juden besaßen mit anderen Worten keine Haltung, waren nicht »satisfaktionsfähig«, wie man damals zu sagen pflegte. 58 »In der Weimarer Republik war man in Pommern auf dem Lande ›Deutsch-National‹ und wählte die DNVP« (Kay von Wedel-Schwerin, Erinnerungen an die Jugendzeit im 3. Reich, unveröff. Mskr., 2009, Arch. d. Fam.verb. v. Wedel, S. 9).

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Einen eindeutigen Beleg dieser These lassen die Mitgliederkarteien der NSDAP allerdings nicht zu, räumt Malinowski ein.59 Die Eintragungen auf den Karteikarten zu den Berufen der neu aufgenommenen adeligen Mitglieder seien vielfach äußerst pauschal und geben keine klare Auskunft zu deren sozialen Position. Aber es falle auf, dass sich »Angaben wie Offizier a. D., Student, Kaufmann, Ehefrau, Witwe und Mitglieder ohne jede Berufsangabe … vor und nach 1933 in den Karteien weit häufiger als die Angaben Landwirt oder Rittergutsbesitzer« finden. Eine »weit stärkere Beteiligung der nachgeborenen Söhne und Töchter in sozial instabilen Positionen städtischer Berufe« an der NSBewegung als die »der ältesten, die Stammgüter der Familien besitzenden Söhne« sei somit anzunehmen. Zu bedenken ist freilich, dass Landwirte und Gutsbesitzer ohnehin nur eine Minderheit im ostelbischen Kleinadel bildeten. Nimmt man nur die Wedel als Beispiel, so verzeichnet die Familienmatrikel unter den 303 zwischen 1840 und 1920 geborenen männlichen Wedel nur 56 Namensträger mit der Berufsangabe »Landwirt« bzw. »Gutsbesitzer«, mithin 18,5 % der im besagten Zeitraum Geborenen.60 Diese Zahl ist nicht weit entfernt von dem 17,5 %-Anteil der Landwirte bzw. Gutsbesitzer »unter den 126 Mitgliedern der Familien Arnim, Bismarck, Bernstorff, Bülow, Goltz, Oertzen, Wedel und Winterfeld, die vor 1933 in die NSDAP eintraten«.61 Womöglich spiegelt also die vergleichsweise seltene Nennung adeliger Gutsbesitzer in den Mitgliederkarteien der NSDAP relativ zur Zahl der dort registrierten Kleinadeligen in sozial eher ungesicherten Positionen lediglich die berufliche Zusammensetzung des ostelbischen Kleinadels insgesamt und ist deswegen als Beleg der These einer Rechtsradikalisierung infolge sozialen Niedergangs nicht eindeutig genug. Andererseits spricht der statistische Befund auch nicht gegen die These. Unter Vorbehalten kann man sie somit durchaus zur Erklärung adliger NSDAP-Beitritte vor 1933 heranziehen. *

Die Rolle des ostelbischen Kleinadels in der Vorgeschichte des 30. Januars 1933, des Tages, an dem Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannte, beschränkte sich nicht auf Parteibeitritte und ähnliche Bekundungen von Sympathie für die nationalsozialistische Bewegung. Wichtiger war vermutlich der Agrarlobbyismus der ostelbischen Großgrundbesitzer, der sich ab Mitte der 1920er Jahre immer lauter zu Wort meldete, als aus Gründen einer konjunkturellen Überhitzung Steuern und Zinsen erhöht wur-

59 Malinowski, a.a.O., S. 577. 60 Zu den Zahlen vgl. Christ-von Wedel, a.a.O., S. 121, Anm. 38. 61 Malinowski, a.a.O., S. 577, Anm. 432.

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den, was viele Betriebe in eine Verschuldungsspirale trieb.62 Hinzu kam der weltweite Fall der Agrarpreise, der sich lähmend auf alle Bemühungen um eine profitable Betriebsführung legte.63 Aber es gab auch strukturelle Ursachen der sich immer mehr zuspitzenden Agrarkrise: Am wenigsten war dies die gewiss mancherorts anzutreffende Rückständigkeit der Betriebsführung.64 Im Gegenteil, »zunehmende Intensivierung (Ausdehnung des Rübenanbaus und der Tierzucht) … straft den Ruf der Güter als rückständig und unproduktiv Lügen«, bemerkt Shelley Baranowski.65 Auch der vielleicht da und dort beobachtete Luxus adeliger Haushaltsführung dürfte von nur geringer Bedeutung gewesen sein.66 Marktferne Lage und wenig ertragreiche Böden waren jedoch ein verbreitetes Erschwernis. Ostpreußen war besonders betroffen infolge der klimatisch bedingten Spezialisierung auf den Kartoffel- und Roggenanbau, der damals doppelt litt durch sinkende Nachfrage und sinkende Preise,67 sowie infolge der eingeschränkten Verkehrsverbindung mit dem Reich – es gab nur eine einzige Bahnlinie durch den Korridor und natürlich den Seeverkehr.68 Die Reichsregierung bemühte sich zu helfen. Es ist hier nicht der Platz für die Aufzählung der regierungsseitigen Unterstützungsmaßnahmen, angefangen von der Anhebung der Schutzzölle 1924 über das Ostpreußenprogramm von 1926 bis hin zum Osthilfegesetz der Regierung Brüning von 1930, und der sich immer mehr steigernden Klagen großagrarischer Interessenvertreter, dies alles reiche bei weitem nicht.69 Auf eine Besonderheit in dem Wechselspiel zwischen lobbyistischem Druck70 62 Shelley Baranowski, East Elbian Landed Elites and Germany’s Turn to Fascism: The Sonderweg Controversy Revisited, in: European History Quarterly, Vol. 26 (1996), S. 215f. 63 Ebd., S. 216. 64 Die zuweilen romantisch verklärt wird, indem etwa Görlitz (a.a.O., S. 365) von »kommerziellem Denken und materialistischem Erwerbssinn« spricht, die auf den adeligen Gütern »nie gepflegt« worden seien. 65 Baranowski, East Elbian, a.a.O., S. 215 (Übers. d. Verf.). 66 Wie bescheiden es dort in der Regel zuging, kann vielerlei authentischen Erinnerungen entnommen werden, z. B. Christian Graf von Krockow, Die Reise nach Pommern. Bericht aus einem verschwiegenen Land, Stuttgart 1985. 67 Baranowski, East Elbian, a.a.O., S. 216. 68 »Der Absatz war daher durch unerträglich hohe Transpostkosten sehr erschwert«, erinnert Roberta von Kriegsheim in ihrem Bericht über das in Ostpreußen gelegene Wedelsche Gut Eszerischken (a.a.O., S. 219). 69 Einen Überblick über die agrarpolitischen Differenzen zwischen Regierung und Interessenvertretung in den Jahren 1924 bis 1933 gibt u. a. Francis L. Carsten, Geschichte der preußischen Junker, Frankfurt am M. 1988, S. 166ff. Im Folgenden stützt sich der Verfasser im Wesentlichen auf dessen Darstellung. 70 Auch der 1929 in Ostpreußen ausgerufene »Käuferstreik« zählte dazu. Diesbezüglich schrieb der pommersche Landbundführer Hans-Joachim von Rohr-Demmin im Organ des Landwirtschaftsverbands Ostpreußen, »Kaufenthaltung sei jetzt für die Landwirtschaft ›Dienst

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und nachgebendem Regierungshandeln soll aber hingewiesen werden, nämlich auf die Scharnierfunktion, die Paul von Hindenburg darin einnahm. Auf Initiative des ehemaligen Kammerherrn Elard von Oldenburg-Januschau war ihm 1927, zwei Jahre nach seiner Wahl zum Reichspräsidenten, das Gut Neudeck geschenkt worden.71 Hindenburg begann sich nun auch für die Landwirtschaft zu interessieren und war »im Umgang mit seinen Gutsnachbarn ständig ihrem Einfluß ausgesetzt«.72 Jedenfalls schrieb Hindenburg im März 1930 an Reichskanzler Hermann Müller, »die Regierung habe die Pflicht, ›unseren Ostpreußen und den anderen Brüdern im deutschen Osten in ihrer Not … zu helfen‹«.73 War es eine wirkliche Not? »Fast 80 Prozent der Großbetriebe brachen damals wirtschaftlich mehr oder minder zusammen«, erinnert sich vage Wedel-Fürstensee.74 In einem auffallenden Gegensatz dazu steht, dass von den 25 Wedelschen Gütern im Osten damals anscheinend nur vier, mithin 16 %, in ernsthafte Schwierigkeiten gerieten, die zumeist durch Landverkäufe gemeistert wurden, in einem Fall durch Umschuldung.75 Görlitz berichtet: »Bei einer Gesamtziffer von 13 178 Großbetrieben in den ostelbischen Bereichen betrug der Anteil der Entschuldungsbetriebe 21,8 Prozent.«76 Erfüllt wurde Hindenburgs Forderung im Juli 1930 mit dem erwähnten Osthilfegesetz der Regierung Brüning,77 das aber der Agrarlobby durchaus nicht weit genug ging – auch deswegen, weil es natürlich eine Zeit lang dauerte, bis die Hilfe bei den Betroffenen ankam. Schon im September 1930 forderte der Vorstand des Reichslandbundes, »die Osthilfe müsse endlich in größtem Umfang und unter Einsatz aller Mittel in Angriff genommen werden«.78 Und weil die

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am Vaterland‹; sie werde die Arbeitslosigkeit wachsen und ›die politische Krise zur vollen Reife‹ gelangen lassen, und so werde das System fallen, ›das sterben muß, wenn Deutschland leben will‹« (ebd., S. 167). Das zwischen Freystadt und Deutsch-Eylau im ehemaligen Westpreußen, nach der Abtrennung des Korridors unweit der westlichen Grenze Ostpreußens gelegene Gut (heute Ogrodzieniec) war das Stammgut der Hindenburgs und zuletzt im Besitz einer verwitweten Schwägerin des Reichspräsidenten gewesen, die es 1926 wegen Überschuldung an eine Bank verkauft hatte. Im selben Jahr erwarb es der ehem. Kammerherr Elard von Oldenburg-Januschau mit Hilfe der Mittel, welche »Hindenburgdank«, eine Vereinigung von Frontsoldaten des Kyffhäuser-Bundes und des Stahlhelm sowie besonders von Mitgliedern des Reichsverbandes der deutschen Industrie, aufgebracht hatte, und schenkte es 1927 dem greisen Reichspräsidenten zu dessen 80. Geburtstag (vgl. Christa Mühleisen, Neudeck/Ogrodzieniec, www.aefl.de/ordid/Neudeck.htm, abgerufen am 6. 12. 2014). Carsten, a.a.O., S. 166. Ebd., S. 168. Wedel-Fürstensee, Fürstensee, a.a.O., S. 202. Vgl. Wedel-Parlow-Polssen (Hg.), Wedelsche Häuser, a.a.O., insbes. S. 110, 202, 209 u. 219. Görlitz, a.a.O., S. 366. Carsten, a.a.O., S. 169. Ebd.

Einleitung. Ostelbischer Kleinadel im Nationalsozialismus

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Regierung Brüning nicht sogleich wunschgemäß reagierte, verlangte der Vorstand unter seinem neuen Präsidenten Eberhard Graf von Kalkreuth »die Ablösung der ›Parteiregierung‹ durch ›Berufung unabhängiger, willensstarker, tatbereiter, nationaler Führer durch den Reichspräsidenten‹«.79 Diesem Ziel kam der Reichslandbund als wichtigster Interessenvertreter der ostelbischen Großgrundbesitzer einen Schritt näher, als die Regierung im November 1931 erklärte, »nur dem Teil des Großgrundbesitzes könne geholfen werden, der lebensfähig und rentabel wäre; auf den etwa 500 000 ha nicht sanierungsfähigen Besitzes sollten Landarbeiter und Arbeitslose angesiedelt … werden«.80 Denn jetzt »erhob sich ein Proteststurm … besonders angefacht durch einen Referenten-Vorentwurf zur Förderung der ländlichen Siedlung, der vorsah, daß nicht mehr umschuldungsfähige Grundstücke …zwangsversteigert werden konnten.«81 »… der Entwurf bedeute ein ›neues Abgleiten in den Staatssozialismus‹«, schrieb der Direktor der Ostpreußischen Landgesellschaft82, Wilhelm Freiherr von Gayl, im Mai 1932 an Hindenburg, und Kalkreuth fügte hinzu, »daß die Pläne in der ohnehin schwer bedrückten Landschaft des Ostens ungeheure Verbitterung auslösen …«83 Hindenburg ließ daraufhin Brüning ausrichten, »er könne ›der gegenwärtigen Fassung des Verordnungsentwurfs nicht zustimmen‹«.84 Der Reichskommissar für die Osthilfe, Hans Schlange-Schöningen, versuchte noch, Hindenburg zu beschwichtigen, indem er klarstellte, »nur die Güter könnten zwangsversteigert werden, ›die bei bestem Willen in den Händen der jetzigen Besitzer wegen Überschuldung nicht mehr zu halten sind‹«.85 Aber der Reichspräsident ließ sich nicht mehr davon abbringen, dass es sich hier um ein »bolschewistisches Enteignungsrecht« handelte.86 Brüning musste zurücktreten. Der Erfolg ihrer Polemik gegen die Regierung Brüning ermutigte die Agrarlobby, ihre politischen Präferenzen noch massiver zu äußern. Im November 1932, als auch die Regierung Papen zurücktreten musste, »unterzeichneten Kalkreuth und andere Agrarier die Eingabe Schachts an Hindenburg, er möge

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Ebd., S. 170. Ebd., S. 171f. Ebd., S. 172. »Die Ostpreußische Landgesellschaft wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegründet, um der Landflucht zu begegnen. Mit staatlicher Förderung schuf sie zwischen 1906 und 1914 auf ehemaligem Gutsland 1.600 neue Siedlerstellen, um auch den zweiten Söhnen der Bauern einen eigenen Hof zu ermöglichen.« (de.wikipedia.org/wiki/Ostpreußische_Landgesell schaft, abgerufen am 28. 12. 2014). Carsten, a.a.O., S. 172. Ebd., S. 172f. Ebd., S. 173. Ebd.

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Einleitung. Ostelbischer Kleinadel im Nationalsozialismus

Hitler zum Reichskanzler berufen.«87 Dazu kam es damals noch nicht. Aber die offen geäußerte Unzufriedenheit auch mit der Agrarpolitik der Regierung Schleicher, die sich ebenfalls »für intensive innere Kolonisation im dünnbevölkerten deutschen Osten aussprach«88, soll maßgeblich zur Entfremdung auch zwischen Hindenburg und Schleicher beigetragen haben, die dann zur Machtübergabe an Hitler führte.89 Natürlich vertraten der Reichslandbund und insbesondere sein märkischer, pommerscher und ostpreußischer Zweigverband – neben der bäuerlichen Landwirtschaft und dem nicht unbeträchtlichen Großgrundbesitz in bürgerlicher Hand – nicht den gesamten ostelbischen Adel, sondern allenfalls dessen grundbesitzenden Sektor. Und auch innerhalb dessen war das Meinungsspektrum naturgemäß groß. Entscheidend ist, dass die ostelbische Agrarlobby fast ausschließlich unter adeligen Namen auftrat, mit Gayl, Kalkreuth, Rohr-Demmin und vielen anderen, so dass sich nicht nur der Eindruck einstellt, sondern auch als Tatsache gewertet werden muss, dass der grundbesitzende ostelbische Adel Hitler zur Macht verholfen hat.90 Von daher mutet die vergleichsweise kleine Zahl adeliger Gutsbesitzer, die vor 1933 in die NSDAP eintraten, nur als die Schaumkrone einer in Richtung Faschismus rollenden Welle an – die Welle selbst zog ihre Kraft aus den großagrarischen Interessen und dem Hass auf die Republik. Wer in der Welle mitschwamm, ohne sich durch einen Parteibeitritt zu exponieren, dem war es vor allem um die Beseitigung der Republik und die Installierung einer Diktatur gleich welcher Farbe zu tun. Selbst jene wenigen adeligen Gutsbesitzer, die sich schon damals der NSDAP anschlossen, taten es vielleicht weniger der nationalsozialistischen Ideologie wegen, sondern weil sie nur diese Partei für stark genug hielten, der verhassten Republik ein Ende zu bereiten. *

Implizit verweist der Zeitpunkt des Parteieintritts, ob er vor oder nach Hitlers Machtantritt am 30. Januar 1933 erfolgte, auf einen grundsätzlichen Unterschied in den anzunehmenden Beweggründen. Wer vor 1933 beitrat, erhoffte sich von 87 Ebd., S. 175. Schon seit Anfang 1932 hatte der Reichslandbund offen für Hitler votiert: »Nach der ersten Runde der Reichspräsidentenwahl vom März 1932 gratulierte Graf Kalkreuth im Namen des Präsidiums des Landbundes Hitler zu seinem Erfolg und forderte ihn auf zur ›entschlossenen Weiterführung unseres Kampfes bis zum endgültigen Siege‹. Im zweiten Wahlgang im April unterstützte der Landbund offen Hitlers Kandidatur« (ebd.). 88 Ebd. 89 Ebd., S. 176. 90 Die von der Geschichtswissenschaft seit langem vertretene These ist zuletzt noch einmal eindrucksvoll von Shelley Baranowski (East Elbian Landed Elites and Germany’s Turn to Fascism: The Sonderweg Controversy Revisited, in: European History Quarterly, Vol. 26 (1996), S. 209–240) bestätigt worden.

Einleitung. Ostelbischer Kleinadel im Nationalsozialismus

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der »Bewegung« eine »Gesundung Deutschlands«, wer danach beitrat, tat dies eher aus opportunistischen Gründen. Besonders erklärungsbedürftig ist hierbei, dass die »Besitzer der großen Stammgüter, die in die NSDAP eintraten, … dies mehrheitlich nach 1933 [taten]«91. Hier könnten Befürchtungen, bei den Planungen des »Reichsnährstands«92 benachteiligt zu werden, wenn man sich demonstrativ fernhielt von der NSBewegung, eine Rolle gespielt haben.93 Denn auf jeden Fall führt die Annahme in die Irre, dass man es als Gutsbesitzer im NS-Staat nicht nötig hatte, sich um die Gunst von Institutionen zu bemühen, von denen man wirtschaftlich abhing. Und das war von 1933 an in erster Linie der so genannte »Reichsnährstand«. Im Prinzip konnte dieser fast alles regeln, worauf es in der Landwirtschaft ankam: Erzeugung, Absatz, Preise, Versorgung mit Arbeitskräften, Maschinen, Saatgut und Düngemitteln. Die »beabsichtigte Befreiung der Landwirtschaft von Marktabhängigkeit«94 wurde anscheinend von Teilen des Großgrundbesitzes begrüßt.95 Doch das an die Stelle des Marktes tretende »System massiver direkter Eingriffe in die Produktion«96 führte natürlich auch zu Friktionen.97 Wer sich 91 Malinowski, a.a.O., S. 577. Von den 15 nachgewiesenen NSDAP-Mitgliedern unter den 25 Wedelschen Gutsbesitzern (davon in: Pommern und Neumark: 13, Ostpreußen: 2, Brandenburg: 5, Sachsen: 1, Sachsen-Anhalt: 1, Schlesien: 1, Ostfriesland: 2) waren 8 nach dem 30. Januar 1933 beigetreten (für Pommern und die Neumark vgl. Wedel Parlow, Wolf Christian, a.a.O., S. 76, 91 u. Anm. 73). 92 Der am 13. 9. 1933 per Gesetz ins Leben gerufene Reichsnährstand schloss »sämtliche Berufszweige der Land-, Ernährungs-, Forst- und Holzwirtschaft nebst Verbänden und Genossenschaften zwangsweise zusammen … und [regelte] als Einheitsorganisation alle Bereiche der Landwirtschaft … Er sollte eine Doppelfunktion wahrnehmen, nämlich als ›berufsständisches‹ Vertretungsorgan der Bauern und als Instrument der Marktlenkung, wobei letztere im Zuge der Kriegsvorbereitung des NS-Regimes immer mehr in den Vordergrund trat.« (Daniela Münkel, Nationalsozialistische Agrarpolitik und Bauernalltag, Frankfurt/M, New York 1996, S. 13f.). 93 Obwohl der Zusammenhang naheliegt, fand sich dafür in den vom Verfasser durchgesehenen Quellen keine Bestätigung. 94 Horst Gies, Die Rolle des Reichsnährstandes im nationalsozialistischen Herrschaftssystem, in: Der »Führerstaat«: Mythos und Realität. Stuttgart 1981, S. 272. 95 »Für die Landwirtschaft geschah viel, die Betriebskosten, Steuern, Zinsen, Preise für künstliche Düngemittel wurden gesenkt, die Intensivierung gewaltig vorwärts getrieben … Diese Fortschritte, die zu einer durchgreifenden Verbesserung der Situation der Landwirtschaft führten, die wieder eine vernünftige Marktpolitik als Basis erhielt, kamen auch dem Großgrundbesitz zu Gute.« (Görlitz, a.a.O., S. 391). 96 Gies, a.a.O., S. 272. 97 Dass die Ortsbauernführer Macht ausüben konnten, geht beispielsweise aus dem folgenden Bericht eines Kreisbauernführers hervor: »… die meisten Ortsbauernführer erwerben sich durch ihre Tätigkeit innerhalb ihrer Ortsbauernschaft Feinde, weil die Massnahmen des Reichsnährstandes zum grossen Teil tief in die Betriebe der einzelnen Bauern eingreifen, sei es in Fragen der Marktordnung, oder sei es in der Beschaffung von Arbeitskräften.« (Nds. StA. Stade, Rep. 266, Nr. 145, zit. n. Münkel, a.a.O., S. 176). Auch Conze (a.a.O., S. 132) erwähnt »Spannungen und Konflikte … zwischen adeligen Grundbesitzern sowie Dienst-

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Einleitung. Ostelbischer Kleinadel im Nationalsozialismus

gegen einen Eingriff sperrte, wurde vielleicht bei der Zuteilung von Arbeitskräften benachteiligt. Wie berechtigt solche Befürchtungen waren, hing womöglich von den örtlichen Bedingungen ab. Je nach dem, ob der den Reichsnährstand vertretende jeweilige Orts- oder Kreisbauernführer sich Respekt zu verschaffen versuchte, indem er sich eines Rückhalts bei der NSDAP-Orts- bzw. Kreisgruppe vergewisserte, konnte es ratsam sein, der Partei beizutreten, um dem betreffenden Bauernführer auf gleicher Ebene entgegentreten zu können. Und als Parteimitglied konnte man eventuell sogar Einfluss auf die Wahl des Bauernführers nehmen.98 Generalisieren lassen sich solche Verhältnisse nicht. Und nicht jeder Gutsbesitzer ließ sich von Pressionen seitens der Dienststellen des RNS beeindrucken. Sonst wären der NSDAP vielleicht noch viel mehr, wenn nicht alle adeligen Gutsbesitzer beigetreten.99 Gewiss ließen sich noch andere Motive für den Parteibeitritt adeliger Gutsbesitzer nach 1933 denken. Wie fruchtbar das Nachdenken über solche Beweggründe ist, steht dahin, zumal deren Geltung nicht überprüfbar ist. Philipp von Boeselager bemüht sich beispielsweise, den Parteibeitritt seines Vaters, eines im Rheinland ansässigen Gutsbesitzers, nachzuvollziehen, indem er sich in dessen Lage versetzt: »Hatte er unter Berufung auf sein adliges Herkommen das Recht, sich der breiten Bewegung des nationalen Aufbruchs zu verweigern? … War es vernünftig, dass er … eine Distanz wahrte, die als Arroganz oder Standesdünkel, wenn nicht gar als Verachtung gegenüber dem einfachen Volk … ausgelegt werden konnte.«100 Es ist nicht ganz klar, warum sich jemand gerade auf sein adeliges Herkommen hätte berufen sollen im Falle der Verweigerung eines NSDAP-Beitritts. War es das proletarisch-vulgäre Auftreten vieler Gefolgsleute der NSDAP oder das anti-monarchistische Programm, an dem man hätte Anstoß nehmen sollen? Den ostelbischen Kleinadel, der auf seine »Volksverbundenheit« immer großen Wert legte und die Monarchie nur noch in Trinksprüchen hochleben ließ, scheint bei der Entscheidung über einen Parteibeitritt weder Vulgarität noch Anti-Monarchismus besonders beeindruckt zu haben. * stellen des RNS …« und berichtet ausführlich über die Pressionen des Reichsnährstands gegenüber den Gartower Grafen Bernstorff (ebd., S. 137ff.). 98 »Einen dafür geeigneten Mann forderte Wedego [von Wedel-Gerzlow, NSDAP-Mitglied seit 1928] auf, in die Partei einzutreten, woraufhin er (sic) Kreisbauernführer wurde« (WedelGerzlow, a.a.O., S. 87). 99 Von den dreizehn in Pommern und der Neumark begüterten Wedel besaßen »nur« sieben, vielleicht auch acht, ein Parteibuch (die bei Wedel Parlow, Wolf Christian, a.a.O., S. 91 angeführten sechs nachweislichen Parteimitglieder sind nach neueren Erkenntnissen auf sieben gestiegen). 100 Philipp von Boeselager, Wir wollten Hitler töten. Ein letzter Zeuge des 20. Juli erinnert sich, a. d. Franz. von Reinhard Tiffert, München 2008, S. 26.

Einleitung. Ostelbischer Kleinadel im Nationalsozialismus

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Was in den obigen Ausführungen über den ostelbischen Adel noch zu kurz kam, nämlich wie sich einzelne Standesvertreter gegenüber dem Nationalsozialismus verhalten haben, soll in den nachfolgenden biographischen Abrissen über einzelne Mitglieder einer typischen kleinadeligen Familie, der im 13. Jahrhundert aus Stormarn bei Hamburg in das Land östlich der Oder eingewanderten Wedel, exemplarisch nachgezeichnet werden. Indem über die Haltung einzelner Familienmitglieder berichtet wird, kann vermieden werden, generalisierende Aussagen über die Wedel als familiäre Einheit zu machen. Immerhin umfasste die Familie Anfang 1933 ungefähr 230 in Deutschland lebende erwachsene Namensträger,101 mit untereinander kaum noch zählbaren Verwandtschaftsgraden und entsprechend mehr oder weniger stark voneinander abweichender politischer Orientierung. Dennoch besteht natürlich ein Interesse an einer Qualifizierung der Gesamtfamilie, ob nun in politischer oder soziologischer Hinsicht. Denn was berechtigt zu einer biografischen Betrachtung einer so großen Familie, wenn sie nicht »in ihrer Heterogenität« durch irgendetwas verbunden wäre.102 In der Tat gibt es für Aussagen über die Gesamtfamilie Anhaltspunkte, wie zum Beispiel die Familiensatzung. Die soziale Stellung wird im Folgenden ein wichtiger Ausgangspunkt der biografischen Repräsentation einzelner Familienmitglieder sein – immer mit Malinowskis These einer »Rechtsradikalisierung infolge sozialen Niedergangs« im Hintergrund. Denn seiner These zufolge sollten unter den vor 1933 in die NSDAP eingetretenen Wedel nur wenige gewesen sein, die als Beamte, Offiziere oder Gutsbesitzer den gewohnten gehobenen Lebensstil adeliger Haushalte pflegen konnten. Für die Zeit nach der Machtübergabe an Hitler am 30. Januar 1933 ließ sich demgegenüber schon weiter oben103 eine auffällige Häufung von Gutsbesitzern unter den Wedelschen Parteibeitritten feststellen.

101 Wedel Parlow, Wolf Christian, a.a.O., S. 73. 102 Conze, a.a.O., S. 15. 103 Vgl. Anm. 91.

2.

Die Wedel – typischer ostelbischer Kleinadel

Die Wedel seien typischer ostelbischer Kleinadel, wurde in der Einleitung behauptet. Festzumachen ist das vor allem an ihrer Landverbundenheit. Das Besondere an ihr war die Verbindung mit Staatstreue. Als die Wedel im 13. Jahrhundert in das Land östlich der Oder kamen, war das Land Eigentum des Fürsten. Das war neu für sie. »Sie kamen aus einem Land der Freien.«104 Dort waren sie Grundherren gewesen. Hier bekamen sie Land als fürstliches Lehen, zumeist aus der Hand der Markgrafen von Brandenburg oder auch der Herzöge von Pommern. Zeitweise dienten sie – eher unwillig – auch dem Deutschen Orden.105 Und selbstverständlich waren mit dieser Lehensabhängigkeit auch Verpflichtungen verbunden. Es waren Abgaben zu erbringen, in besonderen Fällen auch Kriegsdienste zu leisten oder ausgerüstete Truppen zu stellen, in einem Fall ist von 100 gepanzerten Rittern die Rede.106 Solche gemeinsamen Kraftakte waren nur möglich, weil die Belehnung zumindest zeitweise »zur gesamten Hand« ausgesprochen wurde, ein wertvolles Privileg, »denn kein Lehen wäre beim Aussterben eines Hauses an den Lehensherrn zurückgefallen.«107 Daraus erwuchs Zusammenarbeit als notwendige Voraussetzung für das Eingehen derartiger Verpflichtungen – und ein die Jahrhunderte überdauernder Zusammenhalt. Entscheidend war, dass Landbesitz nicht bloß wirtschaftliche Überlebensgrundlage war, sondern durch die damit verbundenen Verpflichtungen auch ein Treueverhältnis gegenüber dem Fürsten stiftete: Staatstreue, die anhielt, auch als mit der sogenannten Allodifikation der ursprüngliche Lehensbesitz 104 Ludolf v. Wedel-Parlow-Polssen, Einleitung, in: Derselbe (Hg.), Wedelsche Häuser, a.a.O., S. 10. 105 Ludolf von Wedel Parlow, Die Wedel in acht Jahrhunderten. Aus der Geschichte eines alten Geschlechts, in: Dietrich von Wedel (Hg.), Die Wedel, a.a.O., S. 21. 106 1388 verpflichteten sich die Wedel, »dem Deutschen Orden im Kriege gegen Polen 100 gepanzerte Ritter und Knechte und 100 vollausgerüstete Schützen, im ganzen 400 Pferde, zuzuführen …« (Wedel-Parlow-Polssen, Einleitung, a.a.O., S. 12). 107 Ebd.

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Die Wedel – typischer ostelbischer Kleinadel

im 19. Jahrhundert in privates Eigentum überging. Nicht nur für die Wedel, für mehr oder weniger alle ostelbischen Adelsgeschlechter bedeutete dies unverbrüchliche Treue gegenüber dem jeweiligen Fürstenhaus, zuletzt gegenüber dem preußischen Königshaus. Natürlich hätten die Wedel gern eine eigene Landeshoheit über ihr Territorium erlangt. Sie waren dem im 14. Jahrhundert auch bereits recht nahe gekommen, aber »zu dem Zeitpunkt, als sie im Lande über der Oder ansässig wurden, [war] die markgräfliche Landesherrschaft schon zu weit ausgebaut und festgefügt …, als dass sie die Entstehung kleinerer, selbständiger Herrschaften neben sich geduldet hätte …«108 Es blieb den Wedel somit verwehrt, zum Hochadel aufzusteigen, mit Reichsunmittelbarkeit und Sitz und Stimme im Reichstag, sie blieben niederer Adel, Kleinadel. Auch wenn eine eigene Landeshoheit nicht in Frage kam für die Wedel, so gab es doch einen Ersatz: die Gutsherrschaft, eine Herrschaft im Kleinen. »[D]er grundbesitzende Adel im Osten der Elbe [war] seit dem Ausgang des 15. Jahrhunderts zu einem Stande von selbst wirtschaftenden Landwirten [geworden], die an Stelle der Abgaben jetzt vielmehr die Frondienste ihrer erbuntertänigen Bauern in Anspruch nahmen, und die nun in dieser Wirtschaft eine geschäftliche Fähigkeit, eine Gewohnheit zum Herrschen, Befehlen und Disponieren in sich ausbildeten, die dem von seinen Grundrenten lebenden Adel des westlichen südlichen Deutschland nicht in demselben Maße eigen war. So bildete sich der Typus des ostelbischen Junkers heraus, der sich so bedeutend von dem westdeutschen Edelmannstypus unterscheidet.«109 Landbesitz war somit der Anker für die Stellung des ostelbischen Kleinadels im preußischen Staat. Dies ins Bewusstsein der Besitzer zu rufen war schwierig geworden, nachdem mit der Umwandlung der Lehne in freies Eigentum »[e]in jeder zufällige Besitzer eines solchen ehemaligen Lehnsgutes … nun frei über seinen Besitz verfügen [konnte], wie über eine Ware.«110 In der Rückschau, als der preußische Staat schon lange untergegangen war, hebt der Verfasser der Familiengeschichte »Die Wedel in acht Jahrhunderten« noch einmal die Bedeutung des Landbesitzes hervor und erklärt diesen – in einem romantisierenden Schwenk – gar zu einem zeitlos gültigen Prinzip der Staatserhaltung: »In Wirklichkeit war aber ein altes Familiengut das Gegenteil einer Ware, war vielmehr eine Aufgabe, die alle Kräfte des Inhabers band. Ihm war mehr anvertraut, als nur das Erbe der Vergangenheit heil in die Zukunft zu überführen 108 Helga Cramer, Die Herren von Wedel im Lande über der Oder. Besitz- und Herrschaftsbildung bis 1402, in: Jahrb. für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, Bd. 18, 1969, S. 128. 109 Otto Hintze, Geist und Epochen der Preußischen Geschichte. Gesammelte Abhandlungen, hg. v. Fritz Hartung, Leipzig 1943, S. 42f. 110 Wedel Parlow, Die Wedel in acht Jahrhunderten, a.a.O., S. 45.

Die Wedel – typischer ostelbischer Kleinadel

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… Sondern indem er auch in schweren Zeiten aushielt wie ein Burgherr der Vergangenheit, war er zugleich der Vertreter einer Weltanschauung, auf der allein ein Staat wirklich beruhen kann.«111 Als diese Zeilen niedergeschrieben wurden, war Land nur noch ein Produktionsfaktor, der allein nach seinen Erträgnissen bewertet wurde. Aus der Doppelrolle des adeligen Landbesitzers einerseits gegenüber dem Fürsten, andererseits gegenüber den erbuntertänigen Bauern erwuchs eine soziale Rangfolge der Berufe, die bis in das 20. Jahrhundert anhielt. Dem Gutsbesitzer als dem ursprünglichen Lehensträger kam der erste Rang zu. Nur der erstgeborene Sohn hatte Anspruch auf die Nachfolge. Dessen jüngere Brüder mussten sich als Soldaten, Beamte oder Ordenskomture versuchen, in jedenfalls nachrangigen Verhältnissen, wenn auch der eine oder andere unter ihnen es zu hohem Ansehen bringen mochte. Als mit Friedrich Wilhelm I., 1713–40, dem Begründer des preußischen Militär- und Beamtenstaates, der Offiziersberuf aufkam, wurde dieser – neben der seltener gewählten Beamtenlaufbahn – der vorgezeichnete Weg der nachgeborenen Söhne. Aber die bestehende Rangfolge, die Höherwertigkeit des Gutsbesitzers, war eine ständige Versuchung, aus dem Offiziersberuf in den des Gutsbesitzers zu wechseln, wenn sich das einrichten ließ. In besonderer Weise gilt dies für den ersten hier vorzustellenden Wedel, dessen Lebensweg ihn womöglich gerade über einen gescheiterten Gutsbesitz in die nationalsozialistische Bewegung führte. Aus heutiger Sicht mag auffallen, dass hier zwar von Söhnen die Rede ist, aber nicht von Töchtern. Es war die Zeit, in der Frauen nur selten hervortraten, vor allem nicht als Ehefrauen, obwohl sie gerade in dieser Rolle, wie weiter unten noch sichtbar wird, oft viel bewirkt haben mochten. In der erstmals 1951 erschienenen Familiengeschichte »Die Wedel in acht Jahrhunderten« werden nur sechs Frauen erwähnt.112 Als 1856 für die Ausübung des Präsentationsrechts im preußischen Herrenhaus erstmals ein Familienstatut mit einem Familienrat

111 Ebd., S. 45f. 112 Es waren dies – erstens – die nach Aufsehen erregendem Hexenprozess 1620 in Stettin hingerichtete Sidonia von Borcke, die mit den Wedel über die 1. Ehefrau des Hauptmanns auf Saatzig, Joachim von Wedel-Kremzow, verwandt war ; zweitens – die junge Witwe Cordula von Wedel-Kremzow, die »mit ihrem Gelde für 33 796 fl. die große Herrschaft Massow« erwarb; drittens – die Verfasserin der Erinnerungen »Eine Norwegerin auf deutschem Boden«, Freiin Hildur von Wedel-Jarlsberg; viertens -die Mutter des berühmten Nordpolfahrers Fridtjof Nansen, Baronesse Adelaide von Wedel-Jarlsberg; fünftens die Ehefrau des zeitweiligen Statthalters von Elsaß-Lothringen, Carl Graf von Wedel, Stephanie Gräfin von Wedel, geb. Gräfin Hamilton, verw. Gräfin Platen; schließlich – sechstens – Isa Gräfin von Wedel, die Ehefrau des letzten kaiserlichen Botschafters in Wien, Botho Graf von Wedel (vgl. Wedel Parlow, Die Wedel in acht Jahrhunderten, a.a.O., S. 26f., 31, 44, 51, 53 sowie Dietrich v. Wedel, Familien-Matrikel der Herren und Grafen v. Wedel, 8. Aufl., Freiburg 2008, Nr. 13–54).

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Die Wedel – typischer ostelbischer Kleinadel

errichtet werden musste,113 erhielten die weiblichen Namensträger kein Stimmrecht. Auch die Familiensatzung von 1936 sah das nicht vor. Erst als die jahrhundertalte Landverbundenheit 1945 mit der Vertreibung114 aus den Provinzen östlich von Oder und Neiße und den von der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) verfügten Enteignungen erlosch – und sich damit auch das Typische dieses ostelbischen Kleinadelsstammes langsam verlor, wurden die weiblichen Familienmitglieder allmählich in die innerfamiliäre Entscheidungsfindung einbezogen.115

113 Wedel Parlow, Die Wedel in acht Jahrhunderten, a.a.O., S. 58. 114 Nach Wedel-Fürstensee war die Vertreibung ein gezielter Angriff auf die [dem Land verbundene] Lebensauffassung: »Es hat im In- und Auslande nicht an Versuchen gefehlt, die Träger dieser Lebensauffassung zu beseitigen. Den einschneidendsten haben wir heute zu verspüren, wo man uns die Basis entzog und des Landes verwies.« (B[ernd] v[on] Wedel Fürstensee, Heimat als Aufgabe. Kurzvortrag anläßlich des Familientages 1954, Vorträge auf dem Wedelschen Familientag am 4. 9. 1954 in Holzminden, unveröff. Mskr., Arch. d. Fam.Verb. von Wedel, S. 3.). 115 »Die weiblichen Namensträger wurden [erstmals mit der Satzung von 1952] stimmberechtigte Mitglieder« (Christ-von Wedel, a.a.O., S. 115).

3.

Zwischen Pflichtgefühl, Begeisterung und Opportunismus: Wedelsche Wege in die NSDAP

3.1

Politische Aktivität in der Weimarer Republik

Wenn die Wedel in den Jahren der Weimarer Republik auf ihren jährlichen Familientagen zusammenkamen, dürfte Politik kein Thema der offiziellen Ansprachen gewesen sein. Bei solchen Zusammenkünften über Politik zu sprechen galt nicht als fein. Allenfalls im intimen Zwiegespräch werden derlei Fragen berührt worden sein. Politische Orientierung war Privatsache – und im Parteienstaat der Weimarer Republik unumgänglich geworden. Zwar war sie schon im Kaiserreich eingeübt worden durch die Wahlen zum Reichstag. Aber Entscheidungsnöte bereitete sie damals noch nicht. Als Angehöriger einer ostelbischen Kleinadelsfamilie wählte man konservativ. Bei dieser Grundhaltung blieb es auch nach der Errichtung der Republik. Neu war der Drang, etwas bewirken zu wollen und die politische Entwicklung nicht nur passiv zu beobachten.116 Diese zunächst nur bei einigen wenigen aufkommende Haltung war sozusagen an die Stelle der Opferbereitschaft für die Sache des Königs von Preußen getreten. Das heißt, sie entsprang weniger der Lust auf politische Betätigung als einem Gefühl der Verpflichtung, den Staat vor einer Entgleisung zu bewahren, wobei das größte denkbare Übel im Bolschewismus gesehen wurde. Genauso war man früher »zu den Fahnen geeilt«, wenn der König einen Feldzug begann. So hochgemut von einer Verpflichtung, von der »Sorge um Deutschland« zu reden bildete freilich nur die Fassade. Letztlich war es wohl viel banaler, was den Einzelnen in die Politik trieb: gesellschaftlicher Ehrgeiz, Geltungsbedürfnis und aus dem eigenen sozialen Abstieg erwachsender Hass auf die politischen Verhältnisse. Aber von solchen Fragen nach den letzten Beweggründen abgesehen, war es doch etwas Neues, dass nach 1918 einzelne Adelige einen Weg in die Politik suchten. Gewöhnungsbedürftig war hierbei vor allem, dass dieser Weg, 116 Beispielhaft in dieser Hinsicht war der in der Einleitung erwähnte Bernd von WedelFürstensee.

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Wedelsche Wege in die NSDAP

wenn man ihn nicht über die Publizistik oder eine Verbandsmitgliedschaft ging wie Wedel-Fürstensee, in der Regel über den Beitritt zu einer Partei führte. Parteibeitritte, ob zur SPD oder einer eher rechts stehenden Partei, waren in adeligen Kreisen damals allerdings noch gesellschaftlich verpönt. Sie wurden belächelt oder mit einem Naserümpfen kommentiert und machten den Betreffenden zum Außenseiter. Deswegen wurden sie nach Möglichkeit schamhaft verschwiegen.117 Es gab ja im Allgemeinen keinen Anlass, sich vor einem größeren Kreis von Verwandten zu diesem Schritt zu bekennen. Wahrscheinlich ist es so zu erklären, dass es in der Familie auch nach 1945 nicht einmal annähernd bekannt war, wie viele Vettern und Cousinen der NSDAP beigetreten waren. Und wahrscheinlich ist es so zu erklären, dass der Verfasser der kleinen Familiengeschichte »Die Wedel in acht Jahrhunderten« noch 1951 schreiben konnte: »Die Wedel haben sich mit sehr geringen Ausnahmen bewußt vom Nationalsozialismus ferngehalten.«118 Tatsächlich hatte sich relativ zur Größe der Familie – am 30. Januar 1933, dem Tag der Machtübergabe an Hitler, lebten in Deutschland 229 Wedelsche Namensträger im Alter von mindestens 21 Jahren119 – mit insgesamt 35120 in der NSDAP-Ortskartei121 nachgewiesenen Familienangehörigen vor 1933 fast jeder sechste Wedel (15,3 %) der NSDAP angeschlossen. Ein Wedel war der SPD beigetreten122, und vermutlich waren auch einige Vettern und Cousinen zur Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) gegangen, dieser gleichfalls rechts stehenden, aber weniger radikalen Partei, doch wohl kaum so viele wie zur NSDAP. Nimmt man nur die 35 NSDAP-Mitglieder, so stellt sich die Frage, wie man diese Zahl bewertet. War es eine relativ kleine oder eher eine relativ große Gruppe, die sich da politisch exponiert hatte? Malinowski erwähnt die rund 5 % der erwachsenen Reichsbevölkerung, die bis Mai 1933 der NSDAP beigetreten

117 Ingrid Müller-von Wedel-Zettitz berichtete, sie habe beim Üben an der Schreibmaschine zufällig den NSDAP-Mitgliedsausweis ihres Vaters, Wedigo von Wedel-Zettitz, auf dem Schreibtisch liegen sehen. Dem Vater sei es höchst peinlich gewesen, als sie ihn auf ihre Entdeckung hinwies. Sie war 17 damals im Jahre 1941. Die Mutter erklärte später, er sei nur zahlendes Mitglied. Danach wurde nie mehr über die NS-Zeit gesprochen (Ingrid Müllervon Wedel-Zettitz, Gedächtnisprotokoll eines Tel.gespr. m. d. Verf. am 14. 2. 2009, Priv.besitz d. Verf.). In der archivierten NSDAP-Orts- bzw. Gaukartei fand sich kein Hinweis auf eine Mitgliedschaft ihres Vaters (vgl. hierzu Anm. 121). 118 Wedel Parlow, Die Wedel in acht Jahrhunderten, a.a.O., S. 61. 119 Die Zahl beruht auf Angaben in Wedel, Familien-Matrikel; Namensträger, deren Sterbedatum fehlte wurden nicht mitgezählt. 120 Malinowski, a.a.O., S. 573. 121 Die Kartei ist unvollständig; 5–15 % der Karteikarten könnten lt. Malinowski (ebd., Anm. 420) verloren gegangen sein. 122 Emil Graf von Wedel (vgl. weiter unten S. 134–139).

NSDAP-Beitritte vor Hitlers Machtantritt

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waren.123 Im Vergleich dazu waren die Wedel mit 15 % bereits vor 1933 eindeutig überproportional in der NSDAP vertreten. Man könnte die zahlenmäßig relativ starke Position der Wedel in der NSDAP mit dem Verweis auf die im ostelbischen Kleinadel stärker als in der Gesamtbevölkerung verbreitete Staatstreue erklären, wenn man ihnen zugutehielte, dass sie das wahre Gesicht des Nationalsozialismus damals noch nicht erkannt hatten. So gesehen, wären freilich noch viel mehr Familienangehörige »zu den Fahnen geeilt«, wenn da nicht dieser Zwiespalt gewesen wäre zwischen einerseits dem Gefühl der Verpflichtung dem Staat gegenüber, andererseits dem Gefühl der Peinlichkeit einer Parteimitgliedschaft.

3.2

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Unter den Wedel, die vor 1933 zur NSDAP gingen, befanden sich immerhin drei, die auch außerhalb der Familie einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangten: Der Reichsredner der NSDAP, Karl von Wedel Parlow-Wedelsberg; der Generallandschaftsdirektor der Neumark, Graf Wedego von Wedel-Gerzlow124 und der Polizeipräsident von Potsdam, Wilhelm Graf von Wedel. Deren Lebenswege sollen hier als erste vorgestellt werden.

Karl von Wedel Parlow-Wedelsberg Karl von Wedel Parlow-Wedelsberg (1873–1936) entstammte der älteren, bis 1945 mit Wedelsberg in der Uckermark begüterten Linie der Wedel Parlow125. Sein Vater Emil, 1833 geboren, hatte eine glänzende Karriere im 2. KürassierRegiment vor sich, musste jedoch schon mit 25 den Abschied nehmen, unrühmlich, wie seine Tante Caroline von Wedel Parlow-Polßen, geb. Bauer, befand.126 Emil hatte es daraufhin mit der Landwirtschaft versucht. Wohl mit Hilfe

123 Malinowski, a.a.O., S. 575, Anm. 427. 124 Der vor den Vornamen gesetzte Grafentitel war als Majorat mit dem Besitz des Gutes Rehfeld verbunden, das 1925 von einem Onkel an Wedel-Gerzlow übereignet worden war ; »im republikanischen Deutschland [stellte er] keinen Namensbestandteil dar,« durfte daher allenfalls »nach Adelsrecht … geführt werden« (Wedel-Gerzlow, a.a.O., S. 86). 125 Die seit 1806 bestehende Namensverbindung verweist nicht auf einen Besitz, sollte deswegen – ungeachtet gelegentlicher Abweichungen von dieser Regel – ohne Bindestrich geführt werden. Näheres bei Rüdiger von Wedel Parlow, Die Wedel Parlow 1806–2006. Ein Versuch der Darstellung ihrer Geschichte, Heiligkreuzsteinach 2006. 126 »Wenn auch in der Welt seine Lebensweise u. Schuldenmachen etc … kaum getadelt wird, weil so viele es so machen – so bleibt es unumstößlich gewiß, daß Gott nach anderem

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der Eltern erwarb er das Rittergut Schönaich bei Sagan in Schlesien, musste es allerdings nach einiger Zeit wieder aufgeben.127 Die nun begonnene journalistische Tätigkeit war gleichfalls glücklos verlaufen. Nach offener Kritik an Bismarck, so wird erzählt128, habe er die damals noch engen Grenzen der Pressefreiheit schmerzhaft fühlen müssen: Er sei des Landes verwiesen worden und habe sich daraufhin in Frankreich niedergelassen, als Auslandskorrespondent des »Reichsboten«.129 So aus der traditionellen Bahn ostelbischer Adelsabkömmlinge gefallen, weder Gutsbesitzer, noch aktiver Offizier oder Beamter, konnte Emil auch seinen beiden Söhnen kein Vorbild für einen geradlinigen Lebensweg sein. Unter der Obhut ihrer Mutter Alberta von Dittmar, die ihrem Mann nicht ins Exil gefolgt war, schienen diese dennoch dem traditionellen Muster mitteloser Adelssöhne folgen zu wollen, indem beide eine militärische Laufbahn einschlugen, Karl nach dem Abitur am Humanistischen Gymnasium in Eberswalde.130 Doch schon 1903 wechselt Karl, inzwischen dreißig Jahre alt, aus dem aktiven Dienst im DragonerRegiment »von Wedel« in die Reserve, um an der Universität Halle ein Studium der Landwirtschaft und Rechtswissenschaft zu beginnen. Auch hier hält er es nur zwei Semester lang aus und erwirbt 1904 das Rittergut Rhode131 bei Königslutter. Wie er den Kauf finanzierte, ist nicht überliefert. Eine nicht unerhebliche Rolle bei dem Erwerb spielte vermutlich die Mitgift seiner Frau Ottilie Friemann, die er 1900 geheiratet hatte. Ottilie kam aus einem reichen Haus. Ihr Vater Heinrich Friemann hatte sich mit dem Erfinder der Sicherheitsgrubenlampe Carl Wolf aus Zwickau zusammengetan. Die gemeinsame Firma Friemann & Wolf, 1884 gegründet und binnen kurzer Zeit weltgrößter Grubenlampenher-

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Maßstab rechnet als eben die Welt …« (Brief vom 5. Mai 1858 an die Tochter Elsbeth, in: Rüdiger v. Wedel [Parlow] (Hg.), Caroline von Wedel-Parlow. Briefe, Eiterbach 2007, S. 12). Ludolf v. Wedel-Parlow-Polßen, Wedelsberg, in: Wedel-Parlow-Polssen (Hg.), Wedelsche Häuser, a.a.O., S. 143. Gemäß Wedel, Familien-Matrikel, a.a.O., Nr. 22–95, geht dieser Hinweis aus der im Arch. d. Fam.verb. von Wedel befindlichen Hauschronik Winfried von Wedel Parlow-Wedelsbergs hervor. Ein amtlicher Beleg für die Kritik an Bismarck und deren Folgen hat sich bisher nicht finden lassen. Neben seiner Mitarbeit am »Reichsboten« verfasste Emil einen größeren Essay über »Die politischen Phasen des Kapitalismus« (1883) und veröffentlichte pseudonym mehrere Lyrikbände (Wedel, Familien-Matrikel, a.a.O., Nr. 22–95). Vgl. auch zum Folgenden Joachim Lilla, Statisten in Uniform. Die Mitglieder des Reichstags 1933–1945. Ein biographisches Handbuch, Düsseldorf 2004, Nr. 1219. 1346 erstmals erwähnt als Besitz des Johanniter Ordens, 1543 im Besitz der Herren von Kißleben, 1782 Übergang an die Herren von Bülow, 1847 Verkauf an Adolf von Cramm, in dessen Familie das Gut bis zum Erwerb durch Karl von Wedel Parlow blieb; heute dient das Herrenhaus als Management- und Kommunikationszentrum der Volkswagen AG; vgl. Volkswagen AG, Haus Rhode. Management- & Kommunikationszentrum, Brosch., o. O. u. J., S. 24.

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steller, dürfte sich als Goldgrube erwiesen haben. Ottilie wird also nicht mit leeren Händen in die Ehe gekommen sein, willkommener Anlass für Karl, den Militärberuf mit dem des Gutsherrn zu tauschen. In Adelskreisen war das noch immer ein gesellschaftlicher Aufstieg, auch in materieller Hinsicht. Zudem war die Landwirtschaft der einzige Ausweg, wollte Karl seiner womöglich verwöhnten Frau mehr bieten als den kargen Lebenszuschnitt eines preußischen Offiziershaushalts. Rhode wird allerdings schon 1917 aufgegeben. Auch hier weiß man fast nichts über die Hintergründe. Ottilie, ein »eher lebenslustiger Stadtmensch, [sei] mit dem Leben auf dem Dorf unglücklich gewesen«, vermutet ein Nachkomme.132 Die Rolle einer Gutsfrau sei ihr fremd geblieben. Womöglich war Rhode auch wenig rentabel. Die stark wechselnde Gutsherrschaft133 könnte darauf hindeuten. Von 1914 bis 1918 im Kriegsdienst und währenddessen zum Rittmeister befördert, wendet sich Karl gleich darauf erneut der Landwirtschaft zu, diesmal auf dem Rittergut Boyneburgk bei Eschwege, aber offenbar nicht als Besitzer. Ein klarer gesellschaftlicher Abstieg. Das Geldvermögen aus dem Verkauf Rhodes schmilzt vermutlich in der Hyperinflation dahin. Vorstellbar sind Wut und Hass auf die Republik mit ihrer von den Linksparteien bestimmten Politik. So ließe sich erklären, dass er 1925 der NSDAP beitritt134 – nachdem er »schon seit 1920 … in den Reihen des Führers«135 gestanden hatte – und sich für die Partei in den Kreistag wählen lässt, ob in Eschwege oder anderswo, ist nicht bekannt. Er zieht jetzt bald nach Braunschweig um,136 wo nicht nur Joseph Goebbels bei ihm nächtigt,137 sondern wie in der Familie erzählt wurde,138 auch »Hitler bei ihm übernachtet haben soll.« An anderer Stelle ist gar von häufigen Besuchen Hitlers

132 Friedrich-Karl von Wedel Parlow-Wedelsberg, email v. 3. 5. 2009 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf. 133 Vgl. Anm. 131. 134 Mit der Mitglieds-Nr. 3207 (Erklärung des NSDAP-Mitglieds Karl von Wedel-Parlow vom 7. 4. 1932, BArch, BL, ehem. BDC, Parteikorrespondenz, Akte zu Karl von Wedel-Parlow). 135 Pg. von Wedel-Parlow †, Nachruf (undat. Ausschn. aus ungen. Zt.), Arch. d. Fam.verb. von Wedel. 136 Möglicherweise ist »die Familie … von Rhode direkt ins unweit gelegene Braunschweig … gezogen« (Wedel Parlow-Wedelsberg, email v. 3. 5. 2009 an d. Verf., a.a.O.), und nur Karl hat in Boyneburgk Fuß zu fassen versucht. 137 Am 2. 10. 1926 notiert Goebbels in sein Tagebuch: »Dann Braunschweig. Ich wohne bei Herrn v. Wedel-Parlow, guter Adel. Verlor im 7jährigen Kriege 70 Familienglieder. v. Wedel alter Aristokrat. Mit jungem Herzen. Temperament von einer Frau. Sächsin.« (Elke Fröhlich (Hg.), Die Tagebücher von Joseph Goebbels, Teil I, Aufzeichnungen 1923–1941, Bd. 1/II, Dez. 1925–Mai 1928, München 2005, S. 137). 138 »… ob Wahrheit oder Legende, wird wohl offen bleiben« (Friedrich Karl von Wedel ParlowWedelsberg, email v. 8. 2. 2009 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf.).

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bei Karl die Rede.139 Eine persönliche Bekanntschaft mit dem Parteiführer ist jedenfalls anzunehmen, denn Karl wird Reichsredner der NSDAP, kann von der Partei also im ganzen Reich als Redner eingesetzt werden. Dass er eindrucksvoll zu reden verstand, bezeugt der Staatsrechtler Carl Schmitt.140

Abb. 1: Karl von Wedel Parlow-Wedelsberg (1873–1936)

Von 1932 bis 1933 vertritt Karl »auf ausdrücklichen Wunsch des Führers«141 die Partei im preußischen Landtag und erklärt, wie es von jedem NSDAP-Abgeordneten erwartet wird, sein Mandat »stets im Sinne meines Führers ausüben« zu wollen.142 Zusammen mit acht weiteren adligen Mitgliedern der NSDAPLandtagsfraktion ruft er den Adel dazu auf, »gegen Weltfremdheit und Kastengeistigkeit sich zum deutschen Sozialismus und dem neuen Reich unter der

139 Oberstleutnant Wilhelm Brückner (ein Freund der Familie), Brief v. 17. 2. 1943 an d. Reichsschatzmeister der NSDAP, Herrn Schwarz, bezüglich Karls Tochter Jutta, BArch, BL, ehem. BDC, Parteikorrespondenz, Akte zu Jutta von Wedel. 140 Am 19. 1. 1934 notierte Schmitt in seinem Tagebuch: »… abends in die Ortsgruppenversammlung der Partei in Steglitz. Sehr sympathische Leute, schöner Vortrag von v. Wedel, Duschka (Schmitts Frau – Anm. d. Verf.) war sehr begeistert …« Den Hinweis verdankt der Verf. dem Herausgeber der Tagebücher Carl Schmitts, Wolfgang Schuller (vgl. dessen Brief v. 14. 9. 2009 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf.). Dass es sich bei jenem »v. Wedel« um Karl von Wedel Parlow handelt, ist anzunehmen, weil sein Wohnsitz zu jener Zeit Berlin-Steglitz, Schloßstr. 42 war, er also zur Ortsgruppe Steglitz gehörte, weil ferner von keinem anderen Wedel ein Auftreten als Redner auf Parteiversammlungen bekannt ist und schließlich der Beiname »Parlow« im täglichen Umgang meist weggelassen wird. 141 Wilhelm Kube (Mitglied des Preußischen Landtags), Brief v. 11. 11. 1932 an d. Reichstagsabgeordneten Major a. D. Walter Buch, BArch, BL, ehem. BDC, Oberstes Parteigericht (OPG), Akte zu Karl von Wedel-Parlow. 142 Erklärung des NSDAP-Mitglieds Karl von Wedel-Parlow v. 7. 4. 1932, BArch, BL, ehem. BDC, Parteikorrespondenz, Akte zu Karl von Wedel-Parlow.

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Führung Adolf Hitlers« zu bekennen. Der »wahre Adel« sei »nicht an Namen gebunden«, sondern erwachse »aus dem Kampf für Volk und Staat.«143 Spätestens jetzt wird er mit seiner Familie nach Berlin umgezogen sein, wo er außerdem Gauinspekteur und Stellvertretender Gauführer des Bundes Nationalsozialistischer Deutscher Juristen (BNSDJ) im Gau Groß-Berlin und Beisitzer des Ehrengerichtshofs der Deutschen Rechtsfront wird. Seinen Sitz im preußischen Landtag tauscht die Partei gegen ein Mandat im Reichstag, das er von 1933 bis 1936, seinem Todesjahr, innehat. Viele Pöstchen und Posten, aber die große Parteikarriere blieb dem »alten und treuen Kampfgenossen«144 Hitlers versagt.145 Seine Aufgabe als Parteipolitiker sah Karl vor allem in der Stärkung des Deutschtums in Gebieten, die Deutschland aufgrund des Vertrags von Versailles abtreten musste, namentlich im Osten. »Die Zukunft Deutschlands lieg[t] im menschenleeren Osten«, verkündet er im August 1930, in einer öffentlichen Veranstaltung der NSDAP in Stettin.146 In einer »Denkschrift über die Lage Deutscher Bauern im Korridor« aus dem Jahre 1934147 wirft er der polnischen Innenpolitik »rücksichtsloses Auslöschen jeder Erinnerung an das Deutschtum« vor. Über die Hintergründe verliert er kein Wort. In der Tat waren alle Deut143 Malinowski, a.a.O., S. 551; der Aufruf erschien im Völkischen Beobachter v. 25./26. 9. 1932; außer Karl hatten ihn u. a. zwei mit den Wedel verschwägerte Abgeordnete unterzeichnet: Der mit Ingeborg von Wedel-Gerzlow verehelichte spätere Polizeipräsident von Berlin, Wolf-Heinrich Graf von Helldorff, und der mit Waltraut von Wedel-Grumbkow-Ludwigsdorf allerdings erst 1942 verehelichte SA-Oberführer, Erich von Neindorff. 144 Vermutlich der Aufdruck auf der Trauerschleife an dem »großen Lorbeerkranz«, mit dem ihm Hitler »die letzte und höchste Ehre erwiesen« habe. Vgl. Pg. von Wedel-Parlow †, a.a.O. 145 In Misskredit drohte ihn ausgerechnet eine Verleumdung aus dem familiären Umfeld zu bringen. Sein Mündel Heinrich Friemann, ein Sohn des früh verstorbenen Schwagers Heinrich Friemann, hatte ihn gegenüber einem Parteimann beschuldigt, er bediene sich des juristischen Rats eines jüdischen Anwalts (H. Friemann, Brief v. 10. 2. 1932 an d. Vors. d. nationalsozialistischen Landtagsfraktion, Herrn Abgeordneten Wilhelm Kube, Berlin, Preuß. Landtag, BArch, BL, ehem. BDC, Oberstes Parteigericht (OPG), Akte zu Karl von Wedel-Parlow). »Ich habe 10 Jahre für die Idee Adolf Hitlers gekämpft«, verteidigte sich Karl, »und habe meine Zeit und mein Vermögen, meine Stellung und [die] Existenz meiner Familie hinter die Bewegung gestellt« (Karl von Wedel Parlow, Brief v. 21. 11. 1932 an d. NSDAP, USchlA R. L./I. Kammer, München, BArch, BL, ehem. BDC, Oberstes Parteigericht (OPG), Akte zu Karl von Wedel-Parlow). Des fortdauernden Streits mit dem Mündel – auch um die monatlichen Unterhaltszahlungen – schließlich leid, fordert er Heinrichs Ausschluss aus der NSDAP. »Dem jungen Menschen, der behauptete, mit 200 RMk. monatlich nicht ›standesgemäß‹ leben zu können und der wohl noch nie ernstlich gearbeitet hat, würde eine Überführung in ein Lager nur segensreich sein können« (Karl von Wedel Parlow, Brief v. 19. 3. 1933 an den Untersuchungs- und Schlichtungsausschuss (USchlA) der NSDAP zu Händen Major Walter Buch, BArch, BL, ehem. BDC, Oberstes Parteigericht (OPG), Akte zu Karl von Wedel-Parlow). 146 Neues Pommersches Tageblatt v. 24. 8. 1930, gefunden in Wojewjdskie Archiwum P#nstwowe, Szczecin, RS I, Nr. 12194 durch Shelley Baranowski (Sanctity, a.a.O., S. 231, Anm. 39). 147 BArch, R 431/380.

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schen, die sich geweigert hatten, die polnische Staatsangehörigkeit anzunehmen, ausgewiesen worden. Es wurden auch einige deutsche Schulen geschlossen. Karl hätte die Fakten sachlich benennen können. Das vergiftete politische Klima verlangte jedoch einen Aufschrei, schrill genug, um die kriegsmüden Deutschen zur Heimholung des Korridors aufzustacheln. Karl hatte nur diese Erwartung bedient. Insofern befand er sich mit seiner Denkschrift in guter Gesellschaft auch unter den Wedel, deren Vorsitzender in den Jahren 1915–1927, Kurt von Wedel-Kutzerow, unter die Ehrentafel der im 1. Weltkrieg gefallenen Wedel den Spruch »Exoriare aliquis nostris ex ossibus ultor – Möge aus unserer Asche einst ein Rächer auferstehen« hatte setzen lassen.148

Graf Wedego von Wedel-Gerzlow Unter ganz anderen Vorbedingungen war Graf Wedego von Wedel-Gerzlow (1899–1945) der Partei beigetreten. Schon als Kind Erbe des in der Neumark bei Soldin gelegenen Gerzlow geworden, hatte er das väterliche Gut, das sich seit dem frühen 14. Jahrhundert in Wedelscher Hand befand, 1922 übernommen.149 Er war damals 23 Jahre alt, war heil aus dem 1. Weltkrieg zurückgekehrt, hatte sich kurz den Heidelberger Saxoborussen und Bonner Preußen angeschlossen und seine »Liebe zur Landwirtschaft« erst entdeckt, nachdem »er sich aus Pflichtgefühl zu einer landwirtschaftlichen Lehre« auf Nachbargütern entschlossen hatte. Es gelang ihm, das wirtschaftlich »darnieder liegende« Gerzlow in kurzer Zeit wieder aufzurichten, von 1926 an auch das gleichfalls vernachlässigte Rehfeld, mit dessen Übernahme – etwas ahistorisch150 – der Grafentitel verbunden war. Er hatte damit einen Spielraum gewonnen, der ihm erlaubte, sich auch auf anderen Feldern umzutun – zum Beispiel in der Politik. Von seinem früh verstorbenen Vater, einem leidenschaftlichen Soldaten und erfolgreichen Sportler, habe er »das brennende Interesse am Geschick Deutschlands geerbt«, schreibt seine Witwe Ottonie, eine geborene WedelVehlingsdorff, 1961. »Nach langem Suchen«, fährt sie fort, »glaubte er, in der nationalsozialistischen Bewegung das Mittel für die Wiedergenesung des Vaterlandes gefunden zu haben und trat 1928 der Partei bei.«151 Was seinen 148 Zit. n. Dietrich [von Wedel]-Tütz, 60 Jahre Abwesenheit von Krieg, in: Das Rad. Jahrbuch des Familienverbandes der Grafen und Herren v. Wedel, Nr. 3, Sept. 2007, S. 61. 149 Vgl. auch zum Folgenden Wedel-Gerzlow, a.a.O., S. 84ff. 150 Vgl. Anm. 124. 151 Mit der Mgl.Nr. 377 611 (Erklärung Wedegos anlässlich der Mandatsübertragung zum Preußischen Landtag v. 2. 4. 1932, BArch, Parteikorrespondenz, Akte zu Wedego von Wedel).

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Abb. 2: Gerzlow, Kreis Soldin, Neumark

Schwager Bernd von Wedel-Fürstensee152 umtrieb, die Sehnsucht nach einem Führerstaat, hatte vielleicht auch ihn bewegt. Jedenfalls schloss er sich mit seinem NSDAP-Beitritt der einzigen Gruppierung an, die willens und in der Lage schien, einen solchen Führerstaat zu errichten. Sich nur einzureihen in die »Bewegung« war ihm allerdings nicht genug. Denn vier Jahre darauf, 1932, ließ er sich für die Partei in den Preußischen Landtag wählen.153 Ganz ohne Beteiligung an der Parteiarbeit vor Ort wird dieser Aufstieg in der Parteihierarchie nicht möglich gewesen sein. »Mit der ›Machtergreifung‹ begannen die großen Enttäuschungen«, setzt Wedegos Witwe Ottonie ihren Bericht fort. »Fortan hielt sich Wedego möglichst zurück. Er hatte sich ernst mit der Frage des christlichen Glaubens beschäftigt und viel darüber gelesen, immer hat er sich als Christ bekannt, wo es nötig war. Kein Besuch von Parteigrößen hätte ihn je abgehalten, das Tischgebet zu sprechen. Seine feste Haltung auf diesem und anderen Gebieten war wohl der Grund für die Achtung, die er trotz seiner Zurückhaltung bei der Partei genoß. Parteiredner, die in Gerzlow sprechen sollten, wurden vorher auf der Kreisleitung angewiesen, bei uns dürfe nichts gegen die Kirche gesagt werden.« Vielleicht hat seine Tochter Inga Recht, wenn sie im Rückblick schreibt: 152 Dessen Frau Anneliese war eine Schwester Wedegos. 153 Vgl. Anm. 151.

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Abb. 3 Graf Wedego von Wedel-Gerzlow (1899–1945)

»Mein Vater war ein Idealist«.154 Das Bild eines von der NSDAP enttäuschten, glaubensstarken Mannes, der sich aus der Politik zurückzieht und sich nur noch um seine Familie kümmert und den landwirtschaftlichen Betrieb, wie es Ottonie in ihrem Bericht entwirft, bliebe allerdings unvollständig, wenn nicht Wedegos spätere Tätigkeit in Berlin erwähnt würde. Da wird durchaus noch etwas spürbar von der anfänglichen Lust auf die Mitwirkung am Bau des neuen Reiches. Oder war es ihm eher darum zu tun, »auch in [einem] größeren Rahmen ausgleichend [zu] wirken«, wie seine Witwe schreibt? Ohne entsprechende Belege lässt sich das kaum in Abrede stellen. Jedenfalls hatte Wedego schon in Gerzlow gezeigt, wie man sich seiner Stellung in der Partei bedient, um ein dem Dorf und der Familie gedeihliches Umfeld zu schaffen. So hatte er dafür gesorgt, dass der »uns treu ergebene Brennmeister … unser Ortsgruppenleiter [wurde]. Einen dafür geeigneten Mann forderte [er] auf, in die Partei einzutreten, woraufhin [der] Kreisbauernführer wurde.« Jetzt, im April 1933, lässt sich Wedego in den Preußischen Staatsrat wählen,155 eine durch die Preußische Verfassung von 1920 geschaffene zweite Kammer mit der Aufgabe, bei der Gesetzgebung die Interessen der Provinzen zu vertreten. De facto hatte der Staatsrat bereits am Tag der Wahl seine gesetzgeberischen Rechte verloren. Denn gleich nach den Reichs- und Landtagswahlen am 5. März 1933 hatte der Preußische Landtag ein Ermächtigungsgesetz verabschiedet, das dem Reichskanzler jedwede Vollmacht über das Land gab. Faktisch war die Wahl zum Staatsrat somit eine Farce. Aber als Wedego für den Staatsrat kandidierte oder 154 Inga von Wedel-Gerzlow, Brief v. 1. 2. 2009 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf. 155 Joachim Lilla, Der Preußische Staatsrat 1921–1933. Ein biographisches Handbuch, Düsseldorf 2005, Ziff. 1.467.

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sich zu der Kandidatur drängen ließ, war noch nicht abzusehen, dass die NSDAP die Märzwahlen gewinnen und damit die Möglichkeit erlangen würde, die Verfassung auszuhebeln. War mit der Wahl zum Preußischen Staatsrat noch kein politisches Wirkungsfeld zu gewinnen, so gelang dies ein Jahr darauf, als sich Wedego für vier Jahre zum Generallandschaftsdirektor wählen ließ, mit Amtssitz in Berlin156 und der Zuständigkeit für die Neumark.157 Er wusste vermutlich, worauf er sich einließ: auf eine gleichgeschaltete und aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums von jüdischen Mitarbeitern »gesäuberte« Generallandschaftsdirektion158 und der NSDAP treu ergebene Mitarbeiter. Und natürlich würde er mit all den Parteigrößen, die in Berlin ihren Sitz hatten, gesellschaftlich verkehren müssen. In Berlin bezog Wedego eine Dienstwohnung, die mit sieben Zimmern159 groß genug war, um Gäste standesgemäß zu empfangen. Sein Schwager Wolf-Heinrich Graf von Helldorff160, ein »alter Kämpfer«161 der NSDAP und von 1935 an Polizeipräsident von Berlin, führte ihn in die entsprechenden Kreise ein. So muss man jedenfalls annehmen angesichts häufiger Besuche bei Helldorffs in deren Dahlemer Villa, an die sich seine Tochter Inga, 1934 zehn Jahre alt, erinnert.162 Mindestens einmal war man auch, so Inga, bei Joseph Goebbels in Wannsee eingeladen.163 Dass er einmal zusammen mit seinem Schwager Helldorff in das 156 Wedel-Gerzlow, a.a.O., S. 87. 157 Wedego von Wedel, https//de.wikipedia.org/wiki/Wedego_von_Wedel, abgerufen am 16. 7. 2015, sowie Wedel, Familien-Matrikel, a.a.O., Nr. 25–27, wo die Angabe »Märk. GenLdschfts-Direktor« wohl gleichfalls auf eine Zuständigkeit für die Neumark verweist. 158 Öffentlich-rechtliche Bodenkreditanstalt auf genossenschaftlicher Grundlage. 159 Inga von Wedel-Gerzlow, Gedächtnisprot. eines Tel.gespr. m. d. Verf. am 28. 3. 2009, Priv.besitz d. Verf. 160 Er war seit 1920 verheiratet mit Wedegos Schwester Ingeborg, die sich im selben Jahr von ihrem erheblich älteren ersten Ehemann Wilhelm Marschalk von Bachtenbrock (1869– 1931) scheiden ließ (Wedel, Familien-Matrikel, a.a.O., Nr. 25–26). Marschalk stammte in 4. Generation von Salomon Heine (1767–1844) ab, dem vermögenden Onkel von Heinrich Heine, in 3. von Morris Oppenheimer (1788–1877). (Jörg Albrecht u. a., Mal angefangen bei Adam und Eva, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 10. 12. 2006). Ein Schwiegersohn mit jüdischen Wurzeln wurde in Gerzlow anscheinend eher geduldet als eine jüdische Schwiegertochter, die ein hinreichender Grund gewesen wäre, so das väterliche Testament, den Sohn zu enterben (Wedel-Gerzlow, a.a.O., S. 83). 161 Malinowski, a.a.O., S. 487. 162 Wedel-Gerzlow, Inga, Gedächtnisprotokoll, a.a.O. 163 Wenn Goebbels am 11. 6. 1935 notiert: »Mit Helldorff und Wedel Erinnerungen aus Berliner Kampfzeit. Zwei richtige Nazis.« (Fröhlich, Elke (Hg.), Die Tagebücher von Joseph Goebbels, Teil I, Aufzeichnungen 1923–1941, Bd. 3/I, Apr. 1934–Febr. 1936, München 2005, S. 245), dürfte mit »Wedel« allerdings weder Wedego von Wedel-Gerzlow gemeint gewesen sein noch der wenig später zum Polizeipräsidenten von Potsdam ernannte Wilhelm Graf von Wedel, sondern Goebbels Adjutant Diether von Wedel. Dasselbe gilt vermutlich für die Notiz vom 19. 8. 1936: »Nachm. Besuch: [Hauptmann Günter] Rettelsky, Wedel, [Alfred-

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Visier des Reichsführers-SS, Heinrich Himmler, geraten war, weil sie sich beide von einem jüdischen Zahnarzt behandeln ließen,164 scheint ihm nicht groß geschadet zu haben, könnte aber gewisse Zweifel in ihm wachgerufen haben, ob er in Berlin am richtigen Platz war. »Nach Ablauf der vier Jahre lehnte Wedego seine Wiederwahl ab, auch auf mein Zureden hin, denn ich erkannte, wie überbelastet Wedego mit zwei verantwortungsvollen Berufen war …«, berichtet Wedegos Witwe.165 Er widmet sich jetzt wieder ganz seinen Gütern, macht dann den Krieg »in Polen, Frankreich und schließlich in Russland mit«166, bis er »1942 uk gestellt«167 wird. Nach dem 20. Juli 1944 kann er vielleicht zugunsten seiner Schwester Ingeborg, der Ehefrau des in den Putsch gegen Hitler verwickelten Polizeipräsidenten von Berlin, WolfHeinrich Graf von Helldorff, vermitteln. Denn es sei damals allgemein aufgefallen, dass Ingeborg nicht in Sippenhaft kam.168 Im Januar 1945 wurde der abfahrbereite Treck von einer sowjetischen Panzerspitze überrascht, bevor das Treckverbot aufgehoben worden war. Wedego wurde zu einem Verhör mitgenommen. Wie Ottonie erst viel später erfuhr, sei er nach dem Verhör hinterrücks erschossen worden.

Wilhelm Graf von Wedel Wieder ganz andere Gründe waren es, die Wilhelm Graf von Wedel zur NSDAP geführt haben. Wilhelm, 1891 geboren, entstammte einer Hofbeamtenfamilie. Sein Vater, der spätere Oberstallmeister Wilhelms II., Ernst Graf von Wedel aus dem ostfriesischen Haus, hatte 1866 noch als hannoveranischer Offizier gegen Preußen gekämpft, diente dann lange Zeit, bis 1890, als sächsischer Kammerherr

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Ingemar] Berndt, die Höpfners [=Margot und Hedi Höpfner], [Gustav] Fröhlich und Barowa [=L&da B#rov#], [Irene von] Meyendorff. Mit Kind und Kegel Bootsfahrt.« (Ebd., Bd. 3/II, März 1936–Febr. 1937, 2001, S. 163). Denn es waren eher subalterne Figuren, die Goebbels hier neben Fröhlich und den vier Schauspielerinnen aufzählt: sein Leibwächter Rettelsky, sein Pressechef Berndt und sein Adjutant Diether von Wedel. So interpretiert auch Stefan Berkholz (Goebbels’ Waldhof am Bogensee, Berlin 2004, S. 18) die Notiz. »Nachdem ein SA-Mann angezeigt hatte, Helldorf und sein Schwager Graf Wedel frequentierten einen jüdischen Zahnarzt, war von Himmler eine Untersuchung eingeleitet worden, die ergab, daß der fragliche Zahnarzt tatsächlich Jude war.« (Ted Harrison, »Alter Kämpfer« im Widerstand. Graf Helldorff, die NS-Bewegung und die Opposition gegen Hitler, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Jg. 45 (1997), S. 406). Wedel-Gerzlow, a.a.O., S. 87. Für einen Ausbruch aus dem Demjansk-Kessel Anfang 1942 erhielt er als Kommandeur einer Aufklärungs-Abteilung das Deutsche Kreuz in Gold (Wedel, Familien-Matrikel, a.a.O., Nr. 25–27). Nach einem Großbrand 1940 (ebd.). Wedel-Gerzlow, Inga, Gedächtnisprot., a.a.O.

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und Stallmeister in Weimar.169 Die Mutter, L8onie von Wagner, eine auch äußerlich eindrucksvolle Erscheinung, die Franz von Lenbach zu einem Portrait animierte, kam aus großbürgerlichen Verhältnissen – ihr Vater war der Aachener Tuchfabrikant Emil Wagner, Geheimer Kommerzienrat und von Wilhelm II. um 1880 in den Adelsstand erhoben. Da ist anzunehmen, dass nicht nur ein gewisser Wohlstand den Offiziershaushalt prägte, sondern auch liberales Gedankengut. Auffällig ist jedenfalls, in wie verschiedene Richtungen die fünf Kinder strebten, so als ob individuelle Eigenheiten nicht abgeschliffen, sondern vielleicht sogar gepflegt wurden. Eine besonnte Kindheit erst in Weimar, dann in Berlin, vor allem aber in Potsdam, wo die Familie den Sommer zu verbringen pflegte, in der Villa Quant mit einem großen, bis zum Pfingstberg hinaufreichenden Park170, trug sicher dazu bei, dass sich freie, unabhängige Persönlichkeiten entwickeln konnten. Der älteste Sohn, Emil, 1886 in Weimar geboren, studiert von 1909 bis 1914 an den Technischen Hochschulen Berlin, Aachen, Dresden und Breslau Elektrotechnik171, damals äußerst ungewöhnlich für einen Wedelsohn. Von ihm wird weiter unten noch ausführlich die Rede sein. Der zweite, Jürgen-Ernst, 1890 in Weimar geboren, wird zwar Offizier wie der Vater, versteht es aber, nachdem er 1919 wie so viele andere den Abschied nehmen musste, auch ohne berufliche Tätigkeit durchs Leben zu gehen, »wenn man nicht die Pflege seiner von besten Manieren und lauter Stimme getragenen Beziehungen zu den internationalen Geld- und Vergnügungskreisen – heute würde man es Jetset nennen – als Beruf ansehen will.«172 Auch er also eine eher außergewöhnliche Erscheinung unter den zumeist einer ernsthaften Tätigkeit nachgehenden Wedel. Der Dritte, eben jener Wilhelm, dessen Weg in die NSDAP hier nachgezeichnet werden soll, tritt gleichfalls in die Fußstapfen seines Vaters, wird Offizier im vornehmen Kavallerieregiment Garde du Corps, tut sich nach 1919 – als Rittmeister aus dem Krieg kommend – wie viele andere äußerst schwer bei dem Versuch, beruflich wieder Fuß zu fassen. Das Studium der Rechtswissenschaft gibt er schon nach zwei Semestern wieder auf.173 Wahrscheinlich fehlte der 169 Vgl. auch zum Folgenden Wedel, Familien-Matrikel, a.a.O., Nr. 21–368. 170 Alice Gräfin zu Lynar, Berlin-Potsdam, Erinnerungen, unveröff. Mskr., Arch. d. Fam.verb. von Wedel. 171 Joachim von Wedel, a.a.O., S. 112, Nr. 209. 172 Artur Graf Strachwitz, Wie es wirklich war. Erinnerungen eines Achtzigjährigen, Dülmen 1991, S. 279. 173 Allerdings gibt es erhebliche Zweifel, ob Wilhelm überhaupt studiert hat. Weder die gewöhnlich zuverlässigen Gesamtmatrikel von 1931 (Joachim von Wedel, a.a.O., S. 115, Nr. 212) noch die in den 1990er Jahren erneut begonnene und laufend fortgeschriebene Familienmatrikel (Wedel, Familien-Matrikel, a.a.O., Nr. 22–289) erwähnen ein Studium. Der einzige Hinweis darauf findet sich bei Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Wil

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Lerneifer, vermutet sein Neffe Peter Graf von Wedel.174 Nach einer anderen Quelle waren es eher ökonomische Gründe: Wilhelm habe das Studium abbrechen müssen, »weil seine Familie verarmt und er selbst völlig mittellos war«.175 Er schlägt sich daraufhin »mehr schlecht als recht in Industrie und im Bankgewerbe durch«, bis er 1925 das Rittergut Lohm II in der Ostprignitz erwirbt – mit den Mitteln seiner Ehefrau Ida von Schubert.176 Er scheint der konventionellste unter den vier Söhnen, kann sich eine Existenz offenbar nur vorstellen als Gutsbesitzer, Offizier oder Beamter und bleibt damit innerhalb der traditionellen Bahnen des preußischen Kleinadels. Der vierte und jüngste Sohn, Alfred, 1895 geboren, schlägt ebenso die Offizierslaufbahn ein, vielleicht eher der Umstände wegen – der Erste Weltkrieg hatte gerade begonnen – als aus Neigung. Nach dem Krieg scheut er sich nicht, einer kaufmännischen Tätigkeit nachzugehen. Offensichtlich hatte er sich freigemacht von der auch damals noch geltenden Regel, dass ein Adelsspross keinen bürgerlichen Beruf ergreift. Geistige Unabhängigkeit bewies er auch mit der Wahl seiner Ehefrauen, 1927 heiratet er die Halbjüdin Viktoria (Doda) Freiin von Dobeneck, eine temperamentvolle, eigenwillige Dame, der Artur Graf Strachwitz ein liebevolles Portrait widmet.177 Die Ehe hält zwar nicht lang, dazu war sie wohl zu kompliziert, aber der freundschaftliche Kontakt bleibt bestehen, nicht nur zu Doda, sondern auch zu anderen jüdischen Familien. Dem jüdischen Ehepaar Fritz und Nora Schmieder verhilft Alfred kurz vor der drohenden Deportation zur Flucht in die USA.178 Auch seine zweite Frau, die Portraitmalerin Alice Bronsch, die er 1936 heiratet, fällt aus dem Rahmen der bescheiden in der Familie aufgehenden Adelsfrauen. Die vier Söhne aus dem Hause des Oberstallmeisters Ernst Graf von Wedel gehen nicht nur ihren je eigenen Weg, sie scheinen auch vergleichsweise frei von persönlichem Ehrgeiz. Insofern möchte man annehmen, dass Wilhelm nach dem Erwerb von Lohm II sich des verhältnismäßig beschaulichen Lebens eines Gutsbesitzers erfreute und keine weiteren Ambitionen hegte. So beschreibt ihn auch sein Neffe Peter Graf von Wedel.179 Eine Karriere beim Stahlhelm, dem

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helm_von_Wedel_(Polizeipräsident), abgerufen am 24. 7. 2015). Mehr dazu bei Jürgen W. Schmidt, Die Landräte des Kreises Ostprignitz von 1920 bis 1945, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Prignitz, Bd. 14 (2014), S. 175, Anm. 56. Peter Graf von Wedel, begl. Mitschr. eines Tel.gespr. v. 29. 8. 2008, Priv.besitz d. Verf. Dorte Schmeissner, Wunschkandidat von Hitler und Röhm. Die Landräte der Ostprignitz. Heute: Wilhelm Graf von Wedel, in: Märkische Allgemeine, 23. 10. 2001. Ebd. Strachwitz, a.a.O., S. 240f. Alfreds Sohn Christian Graf von Wedel, email v. 1. 11. 2008 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf. Vielleicht aus diesem oder auch anderen Gründen geriet Alfred auf die Festnahmeliste Nr. 22 zum 20. Juli 1944 des Reichssicherheitshauptamts IV – Sonderkommission 20. Juli (BAB, R58/3197, Blatt 16). Wedel, Peter, begl. Mitschr., a.a.O.

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rechtsradikalen Bund der Frontsoldaten, dem er wie die meisten 1919 aus dem Militärdienst entlassenen Soldaten angehörte, hätte sich angeboten, zumal ihn dort sein Schwager Vicco von Bülow-Schwante, Stahlhelm-Gauführer im Havelland180, hätte fördern können. Aber er zeigte keinerlei Neigung, diese Chance zu nutzen, vielleicht auch, weil Ida, seine Frau, dem Stahlhelm keine Zukunft gab. Ida stammte aus großbürgerlichen Verhältnissen. Ihr Großvater mütterlicherseits war der Stahl- und Montanindustrielle Carl Ferdinand Stumm (1836– 1901) aus Saarbrücken, Reichstagsabgeordneter, Duzfreund Wilhelms II. und von ihm 1888 in den Freiherrnstand erhoben.181 Idas Mutter, Ida Freiin von Stumm, hatte Ende des 19. Jahrhunderts den späteren Generalleutnant Conrad von Schubert geheiratet, auch der von Wilhelm II. geadelt, in dem Falle für seine Verdienste als Gründer des ersten Eisenbahner-Pionierregiments.182 Als Morgengabe hatte sie vom Vater das Weingut Grünhaus am Ruwer erhalten. Vor diesem Hintergrund war es wenig wahrscheinlich, dass die Enkelin sich mit dem Dasein einer preußischen Gutsherrin bescheiden würde, noch dazu in der abgelegenen Ostprignitz. Offenbar hatte Ida so viel Gespür, dass sie ahnte, worauf die Verhältnisse zuliefen, gewiss nicht auf solche konservativen Kräfte wie den Stahlhelm oder die Deutschnationalen. »Jedenfalls konnte man in Lohm schon lange vor der ›Machtergreifung‹ die gesamte Nazi-Prominenz persönlich erleben: Hitler im schicken Daimler-Benz-Cabrio die Dorfstraße entlang fahrend, SA-Chef Ernst Röhm mit dem Flugzeug auf der Dorfwiese landend oder den späteren NS-Außenminister Ribbentropp im Spaziergang mit der Gräfin.«183 Dennoch trat Wilhelm erst relativ spät, erst am 1. Februar 1932, der Partei184 und gleich darauf auch der SA185 bei. Hier tat er ab März 1932 Dienst zunächst als Truppführer und schon ab Anfang Juli 1932 als Standartenführer und schließlich ab Januar 1933 als Oberführer, einem Rang zwischen Oberst und Generalmajor. Dass er nun aber die SA-Untergruppe Berlin-Brandenburg zu führen hatte, war ihm offenbar lästig. Denn schon Anfang Mai 1933 ließ er sich freistellen,186 um sich einer ganz anderen Ambition zu widmen. Gegenüber einem Parteifreund, dem Oberpräsidenten der Provinz Bran-

180 Der spätere Protokollchef des Auswärtigen Amts war mit einer Schwester Ida von Schuberts verheiratet (https://de.wikipedia.org/wiki/Vicco_von_Bülow-Schwante, abgerufen am 23. 7. 2015). 181 https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Ferdinand_von_Stumm-Halberg, abgerufen am 23. 7. 2015. 182 https://de.wikipedia.org/wiki/Conrad_von_Schubert, abgerufen am 23. 7. 2015. 183 Schmeissner, a.a.O. 184 Mgl.Nr. 971 340, BArch, ehem. BDC, NSDAP-Gaukartei. 185 www.dws-xip.pl/reich/biografie/lista3/254391.html, abgerufen am 20. 7. 2015. 186 Schmidt, a.a.O., S. 175.

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Abb. 4: Lohm II, Ostprignitz

denburg, Wilhelm Kube187, hatte er sein Interesse an der im April 1933 freigewordenen188 und derzeit nur kommissarisch besetzten Stelle des Landrats der Ostprignitz bekundet. Kube hatte Wilhelm schon im Mai 1933 im preußischen Innenministerium als neuen Landrat des Kreises vorgeschlagen.189 Es vergingen dann aber doch noch einige Monate, ehe Wilhelm im August 1933 zum stellvertretenden Landrat der Ostprignitz ernannt wurde. Es waren die ersten Früchte seiner politischen Kontakte, seines »politischen Konjunkturrittes«.190 »Aus der Sicht des Regierungspräsidiums bestanden Bedenken gegen seine fachliche Eignung. Er hatte keinerlei Verwaltungserfahrung und war mehr berüchtigt als berühmt wegen seiner draufgängerischen Auftritte als SA-Mann.«191 Mehr als die kommissarische Leitung des Landratsamts war deswegen einstweilen nicht erreichbar. Erst im Juli 1934 kam der endgültige Ernennungsbe187 Wilhelm Kube (1887–1943), trat schon als Gymnasiast mit antisemitischen Äußerungen hervor, ein schillernder politischer Aktivist, Initiator der Glaubensbewegung Deutsche Christen, 1928–36 Gauleiter der NSDAP im Gau Brandenburg, 1933–36 NSDAP-Abgeordneter im preuß. Landtag, 1933–36 Oberpräsident der Provinz Brandenburg (der Oberpräsident übte die oberste Aufsicht über die Verwaltung in seiner Provinz aus, ohne Vorgesetzter der Regierungspräsidenten zu sein, und war nur dem preuß. Min.präs. unterstellt; https://de.wikipedia.org/wiki/Oberpräsident, abgerufen am 18. 2. 2016), 1936–40 wegen Korruptionsvorwürfen aller Ämter enthoben, 1940 reaktiviert, zeigte als Generalkommissar von Weißruthenien 1941–43 humane Züge, fiel 1943 dem Attentat einer weißruss. Partisanin zum Opfer (https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Kube, abgerufen am 18. 2. 2016). 188 Die von Schmidt (a.a.O., S. 152 ff) aufgezeichnete Geschichte der durch Verleumdung seitens der NSDAP-Fraktion des Kreistags initiierten Amtsenthebung des langjährigen Vorgängers in diesem Amt, Johannes Egidi, gewährt einen tiefen Einblick in die Übergangszeit von der Republik zum NS-Staat. 189 Ebd., S. 175. 190 Ebd. 191 Schmeissner, a.a.O.

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scheid, nachdem ein Gestapo-Bericht keine negativen Erkenntnisse hatte bestätigen können außer einigen »unliebsamen Auftritten in Berliner Bars in SAFühreruniform«.192

Abb. 5: Wilhelm Graf von Wedel (1891–1939)

Kaum im Amt, habe Wilhelm von Anfang an, wie man es von einem NSDAPMann erwartete, mit aller Härte durchgegriffen – oder war es eher Ida, die ihn steuerte? Denn »ältere Leute aus Lohm erzählen, dass nicht er, sondern seine Frau der ›scharfe Nazi‹ gewesen sei.«193 Wie dem auch sei, er habe sogleich begonnen, politisch Andersdenkende verhaften und alle im Kreis tätigen gesellschaftlichen Institutionen »gleichschalten« zu lassen, bis hin zur evangelischen Kirche vor allem in Kyritz, deren Gemeinderat bald nur noch von »Deutschen Christen« besetzt war. Die Förderung der Deutschen Christen trug dem Ehepaar eine heikle Verwicklung in einen Prozess gegen einen führenden Deutschen Christen194 ein, wenn auch nur als Zeugen. Der damalige Generalsuperintendent Otto Dibelius war im November 1934 einer Einladung nach Neuruppin gefolgt, um dort über Kriegsdienstverweigerung zu sprechen, ein Thema, das er in einer kurz zuvor veröffentlichten Schrift erörtert hatte. Es war ein Reizthema, das jener Deutsche Christ zum Anlass nahm, einen Sprechchor zu inszenieren, der Dibelius mit den Zwischenrufen »Landesverräter, Landesverräter!« schließlich zum Abbruch des Vortrags nötigte.195 Zahlreiche Parteileute waren zugegen, hatten sich teilweise wohl auch an den Zwischenrufen beteiligt, auch Wilhelm und Ida. Dibelius klagte gegen den Deutschen Christen wegen öffentlich begangener übler Nach192 193 194 195

Ebd. Ebd. Dessen Name wird in der hier zitierten Schrift nicht genannt. Friedrich Gollert, Dibelius vor Gericht, München 1959.

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rede. Es begann ein damals Aufsehen erregender Prozess, den Dibelius wider Erwarten gewann. Wilhelm und Ida, mit anderen als Zeugen hinzugezogen, hatten eine Beteiligung des Beklagten an den Zwischenrufen zunächst geleugnet. Als sie einen Eid darauf leisten sollten, baten sie um kurze Bedenkzeit und zogen sich in eine Ecke des Gerichtssaales zurück, wo sie, für alle sichtbar, erregt aufeinander einredeten – mit dem Ergebnis, dass sie ihre Aussage zurückzogen und damit ganz wesentlich zum Prozessausgang beitrugen. War das Verhalten des Ehepaars im Dibelius-Prozess noch von einem gewissen Ehrgefühl bestimmt gewesen, so wird dies in einem anderen Fall schon wieder in Frage gestellt. Elisabeth von Saldern, Äbtissin des Stifts zum Heiligengrabe in der Ostprignitz, hatte sich Hilfe suchend an Wilhelm gewandt, als der Stiftsschule 1934 die Schließung drohte, weil ein Unterricht im nationalsozialistischen Sinne angeblich nicht gewährleistet sei. Wilhelm hielt sich bedeckt.196 Eine Intervention beim Oberpräsidenten von Brandenburg und Berlin, Wilhelm Kube, oder höheren Orts hätte ihn in Misskredit bringen können. Seine »politisch unzuverlässige« Haltung im Dibelius-Prozess scheint man Wilhelm nicht angekreidet zu haben. Denn im Dezember 1935 wurde er zum Polizeipräsidenten von Potsdam ernannt, als Nachfolger von Wolf-Heinrich Graf von Helldorff. Auch hierauf scheint Wilhelm konsequent hingearbeitet zu haben. Denn schon »[i]n seiner Kyritzer Dienstzeit sattelte der einstige SA-Oberführer Wedel … zur aussichtsreicheren und elitären SS um, wurde auch hier bemerkenswert schnell zum SS-Oberführer befördert und nutzte anscheinend diesen neuen hohen SS-Rang für seine weitere dienstliche Karriere im höheren Polizeidienst.«197 Sein Wirken in Potsdam liegt noch im Dunklen. Doch wird er wohl seiner bisherigen Linie gefolgt sein in den wenigen Jahren, die ihm noch verblieben, zumal er von 1936 an auch die Leitung der Gestapo des Regierungsbezirks Potsdam wahrzunehmen hatte.198 Er starb, inzwischen SS-Brigadeführer, im Oktober 1939, »nach langer schwerer Krankheit«199. Zu seiner Beerdigung werden Kränze u. a. von Heinrich Himmler aufgestellt.200 Vielleicht war es »die Gnade des frühen Todes«201, denn wie sein Bruder Emil später meinte, sei ihm so das Schicksal erspart geblieben, nach 1945 vor Gericht gestellt oder wie der 196 Nora Neese, geb. v. Wedel-Kannenberg, Brief v. 12. 3. 2003 an Dietrich von Wedel, Arch. d. Fam.verb. v. Wedel. 197 Schmidt, a.a.O., S. 175. 198 https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_von_Wedel_(Polizeipräsident), abgerufen am 24. 7. 2015. 199 Schmeissner, a.a.O. 200 Wedel, Peter, begl. Mitschr., a.a.O. 201 So Robert E. Norton über Stefan George in seinem Beitrag »Lyrik und Moral« in: Die Zeit v. 16. 7. 2009.

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Polizeipräsident von Berlin, Wolf-Heinrich Graf von Helldorff, als Beteiligter am 20. Juli 1944 hingerichtet zu werden.202 Ida wanderte bald nach dem Krieg nach Kanada aus, mit ihrer Tochter Beatrix; ihre beiden Söhne Ernst August und Wilhelm waren an der Ostfront gefallen. Ihrem Mann hatte sie in Potsdam ein pompöses Erbbegräbnis aus Marmor errichten lassen. Wilhelms Schwester Alice Gräfin zu Lynar fand nichts mehr davon vor, als sie den Friedhof 1958 besuchte.203

Erhard Graf von Wedel Karl, Wedego und Wilhelm waren wohl die bekanntesten NSDAP-Mitglieder unter den Wedel. Neben ihnen gab es zahlreiche weitere Vettern und Cousinen, die der NSDAP vor der Machtübergabe an Hitler beigetreten waren und im Folgenden als »alte« Parteimitglieder bezeichnet werden sollen, unter ihnen vielleicht einige, die wie Karl noch zu den »alten Kämpfern«204 der Partei zählen. Rein rechnerisch gehören zu dieser Gruppe noch weitere 32 Wedel, vorausgesetzt, die von der zeitgeschichtlichen Forschung genannte Zahl der vor dem 30. Januar 1933 beigetretenen Wedel trifft zu. Bei weitem nicht alle Vettern und Cousinen aus dieser Gruppe der »alten« Parteimitglieder sind dem Verfasser namentlich bekannt. Und selbst wenn dies der Fall wäre, für den Leser wäre es womöglich ermüdend, wenn hier der Lebensweg jedes einzelnen zu dieser Gruppe zählenden Wedel skizziert würde. Denn wahrscheinlich würde sich angesichts eines traditionell engen Spektrums beruflicher Wahlmöglichkeiten vieles wiederholen. Dennoch sollen im Folgenden einige Fälle dargestellt werden, wobei die Auswahl keineswegs nach irgendwelchen vorab bestimmten Kriterien erfolgte, sondern sich mehr oder weniger zufällig ergab aus den Auskünften des Bundesarchivs über einzelne Familienangehörige, die vom Alter her für eine NSDAP-Mitgliedschaft in Frage kamen. Auf eine systematische Abfrage beim Bundesarchiv hat der Verfasser aus arbeitsökonomischen Gründen verzichtet. Er hätte sonst für alle altersmäßig in Frage kommenden Wedel Archivauskünfte erbitten müssen, also für alle rund 230 Vettern und Cousinen, die im Verlaufe der acht Jahre von der Gründung der NSDAP bis zur Machtübergabe an Hitler das erforderliche Eintrittsalter von mindestens 21 Jahren erreicht hatten. Wobei 202 Wedel, Peter, begl. Mitschr., a.a.O. 203 Alice Gräfin zu Lynar, Brief v. 3. 11. 1958 an Isa Gräfin von Wedel, Priv.besitz d. Verf. 204 »Alter Kämpfer war seit Oktober 1933 eine Bezeichnung für NSDAP-Mitglieder, die der Partei bereits vor der nationalsozialistischen ›Machtergreifung‹ beigetreten waren und dabei eine Mitgliedsnummer unter 300.000 führten« (https://de.wikipedia.org/wiki/Alter_ Kämpfer, abgerufen am 28. 7. 2015).

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freilich alle Namensträger auszusortieren waren, deren Todesjahr zum Zeitpunkt der Abfrage noch nicht 30 Jahre zurücklag. Die Liste wäre auf jeden Fall lang geworden und nur schwer zu bewältigen gewesen. Vollständigkeit war deswegen nicht das Ziel der Archivabfrage, sondern eher das Bemühen, die verschiedenen »Häuser«, in die sich die Familie gliedert, in die Abfrage einzubeziehen. Zu den »alten« Parteimitgliedern zählt beispielsweise der 1879 in Weimar geborene E r h a r d Graf von Wedel. Wie sein Vetter Wilhelm, der spätere Polizeipräsident von Potsdam, entstammte er einer Hofbeamtenfamilie.205 Sein Vater Oskar Graf von Wedel aus der ostfriesischen Linie der Wedel war zuletzt Oberhofmarschall und Schlosshauptmann am großherzoglichen Hof in Weimar. Seine Mutter Maria, geborene Gräfin von Beust, verfasste Theaterstücke, schrieb Verse und Erinnerungen. Von ihr hatte Erhard vielleicht sein schriftstellerisches Talent. Im Sport, insbesondere Reiten, unabdingbaren Fertigkeiten eines Sohns aus adliger Familie, tat er sich dagegen schwer. Peinlich, wenn das auch von weiblichen Verwandten bemerkt wird: »Vetter Erhard Wedel diente sein Jahr damals bei den II. Garde-Ulanen ab«, schreibt seine Cousine Alice Gräfin zu Lynar in ihren Erinnerungen, »und wir sahen ihn mehrfach beim Exerzieren. Er war ein hoffnungsloser Soldat und Reiter und die Verzweiflung seines Schwadronchefs Graf Beroldingen.«206 Dennoch bringt er es bis zum Rittmeister. Sein eigentliches Berufsfeld findet er jedoch – nach einem juristischen Studium und einer wohl nur kurzen Tätigkeit als Gerichtsassessor – im diplomatischen Dienst. Wo er diesen leistet und wie lange, ist nicht bruchlos überliefert. Eine seiner ersten Missionen führt ihn, von 1911 bis 1913, als Legationssekretär an die deutsche Botschaft in Paris, wo er – auch aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen – rasch Zugang findet zu politisch relevanten Kreisen.207 Nach Zwischenstationen auf dem Balkan und in Kopenhagen wird er, von 1920 bis 1921, erneut nach Paris geschickt, diesmal als Botschaftsrat.208 Zuletzt scheint er ab etwa 1921 zehn Jahre als Generalkonsul in Memel, der Hauptstadt des 1920 von Ostpreußen abgetrennten Memellands, tätig gewesen zu sein, danach bis etwa 1937 in gleicher Funktion in Paraguay. Zwischendurch schrieb er Beiträge für die »Berliner Monatshefte«. An der 1934 von Friedrich Christian Prinz zu Schaumburg-Lippe herausgegebenen

205 Vgl. auch zum Folgenden Wedel, Familien-Matrikel, a.a.O., Nr. 21–367 sowie Joachim von Wedel, a.a.O., Nr. 208, S. 112f. 206 Lynar, Berlin-Potsdam, a.a.O., S. 29. 207 Erhard Graf von Wedel, Erinnerungen an meine Pariser Diplomatenjahre I. 1911–1913, Berliner Monatshefte, Juni 1940, S. 357–369. 208 Erhard Graf von Wedel, Erinnerungen an meine Pariser Diplomatenjahre II. 1920–21, Berliner Monatshefte, Juli 1940, S. 434–445.

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Schrift »Wo war der Adel?« beteiligt er sich mit dem Beitrag »Rasse und Adel«209. Man erwartet einen Essay, findet jedoch einen Erlebnisbericht, in dem Erhard seine frühen Begegnungen mit dem Nationalsozialismus schildert. Die beginnen bereits mit »eine[r] große[n] Gestalt aus meiner mütterlichen Ahnenreihe: Franz von Sickingen … Man kann diese große geschichtliche Figur mit ihrer klaren Erkenntnis des Wertes von ›Blut und Boden‹, ihrer warmen Anteilnahme an den Bestrebungen zur Befreiung des Bauernstandes, zur Einigung von Volk und Adel zu einer volksdeutschen Gesamtheit … sehr wohl als einen Vorläufer des heutigen Nationalsozialismus bezeichnen. Bei solcher anererbter Auffassung und Erziehung, die für den Adel Volksverbundenheit und Schollenverwurzelung als Vorbedingung der adligen Gesinnung verlangte, war es kein Wunder, dass mich der Nationalsozialismus, als ich mit ihm zum ersten Male im Sommer 1924 in Weimar in Berührung kam, sofort in seinen Bann schlug. Rasse und Adel sind ja verwandte Begriffe oder sollten es wenigstens sein. Schon immer war mir nun aufgefallen, dass man unter dem jungen Arbeiter-, Handwerker-, Bauern- und Soldatentum sehr oft weit mehr ›rassige‹ Gestalten erblicken konnte, als in der sogenannten ›guten Gesellschaft‹. Nun sah ich alle diese jugendlichen Gestalten straff geschlossen im Braunhemd marschieren, die schönen alten Landsknechtslieder auf den Lippen: Ich war gewonnen, mit Haut und Haar der neuen Bewegung und ihrem zukunftsfrohen Wollen verschrieben! Machtvoll schlug mich die erste große Hitler-Versammlung, in der ich – 1925 – den Führer, diesen wirklichen Adelsmenschen, sprechen hörte, in ihren Bann, um mich nicht wieder loszulassen.« Es ist der authentische Klang der Begeisterung, weswegen hier so ausführlich aus Erhards Beitrag zitiert wird, nicht um ihn der Lächerlichkeit preiszugeben. Denn so wie Erhard haben damals viele empfunden. Als einer der vielen sei L u d o l f von Wedel Parlow-Polßen210 genannt, der, damals Privatdozent der Germanistik an der Universität Würzburg, sich am Mittagstisch des Würzburger Mediävisten Friedrich Pfister begeistert über eine gerade gehörte Hitler-Rede geäußert haben soll. Er werde der Partei noch heute beitreten.211 Er scheint es sich aber noch einmal überlegt zu haben und blieb der Deutschnationalen Volkspartei bis zu ihrer Auflösung Anfang 1933

209 Erhard Graf von Wedel, Rasse und Adel, in: Friedrich Christian Prinz zu SchaumburgLippe (Hg.), Wo war der Adel?, Berlin 1934, S. 9–11 (wieder abgedruckt im Anhang, S. 164– 166). 210 Er ist der spätere Verfasser der kleinen Familiengeschichte »Die Wedel in acht Jahrhunderten« und Herausgeber der »Wedelschen Häuser im Osten«. 211 So Friedrich Pfisters Tochter Ilse Mutzbauer, die sich als damals Zehnjährige deutlich an Ludolfs damalige Begeisterung erinnern konnte (Ilse Mutzbauer, geb. Pfister, Gedächtnisprot. eines Tel.gespr. m. d. Verf. am 24. 11. 2008, Priv.besitz d. Verf.).

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treu.212 Kurz nach dem Krieg, im August 1945, schrieb er einem Bekannten: »Auf alle Fälle sind wir die verdammten Nazis los – welches Glück, dass ich nie dazu gehörte.«213 Der Stoßseufzer mochte sich auf das gerade anlaufende Entnazifizierungsverfahren bezogen haben, konnte aber genauso gut darauf anspielen, dass er einmal kurz davor stand, sich der Partei anzuschließen, dann aber davon Abstand nahm. Erhard war der Partei am 1. Dezember 1931 beigetreten,214 bemerkenswert spät, nachdem er sich schon 1924 von der NS-Bewegung »in den Bann« hatte schlagen lassen. Aber solange er noch Generalkonsul im französisch verwalteten Memelland war, wurde ihm vielleicht von einer Parteimitgliedschaft abgeraten. Öffentlichen Bekenntnissen zufolge bleibt er der »Bewegung« noch mindestens bis Anfang der 1940er Jahre treu: »Wenn ich heute, von der Warte großer Gegenwart, auf jene unmittelbare Nachkriegszeit zurückblicke«, schreibt er nach der Besetzung Frankreichs Mitte 1940, »dann kommt sie mir … wie ein unwirklicher böser Traum vor … [B]ei uns steht heute nicht mehr das entmutigte, in seiner Seele zerrissene, waffenlose Volk ohne Kompaß und Ziel, sondern eine von Meisterhand völlig umgeformte, einheitlich beseelte und geschlossene Nation mit Willen und Tatkraft und dem herrlichsten Heere. Noch einmal … bietet sich jetzt Frankreich die Gelegenheit, sich, als ehemalige Hälfte des alten Karolingerreiches, auf seine Bestimmung zu festländisch-europäischer Gemeinsamkeit zu besinnen, zum Segen seiner selbst, unseres Erdteils und der Welt.«215 Weimar, die geliebte Heimatstadt, mit der Annahme des »Schandvertrages« im Juni 1919 »zum Wahrzeichen schmählicher Kleingläubigkeit und erbärmlichen Verzichts« geworden, sieht er wieder auferstehen »als haupsächlichsten Vorort der neuen umwälzenden Bewegung«, als sich im Juli 1926 »der erste außerhalb Bayerns tagende große nationalsozialistische Reichsparteitag, vom Führer bewusst nach Weimar verlegt, um die frühere Schande auszulöschen, … in den gleichen Räumen des Nationaltheaters [versammelt]. Zehntausend begeisterte Anhänger und Kämpfer jener großen Volksbewegung, die unter genialer Leitung das schwere Werk der Wiederaufrichtung auf ihre jugendlichen Schultern nimmt und so zum Ausgangspunkt einer neuen deutschen Zukunft wird, marschieren im Braunhemd an der ehemaligen Stätte des Verzichts vor212 Nach Mitteilung des Universitätsarchivs der Universität Würzburg v. 4. 2. 2009 gehörte er bis April 1933 der Deutschnationalen Front an, der Nachfolgeorganisation der DNVP (Universitätsarchiv der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, email v. 4. 2. 2009 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf.). 213 Der handschriftliche Brief v. 8. 8. 1945 an Franz Schwarz in Horka bei Dauba, Tschechoslowakei, sollte durch einen Bekannten zugestellt werden, dem jedoch die Einreise verwehrt wurde. Er blieb deswegen im Original erhalten (Arch. d. Fam.zweigs Wedel Parlow). 214 Mgl.Nr. 846 902 (BArch, ehem. BDC, NSDAP-Gaukartei). 215 Wedel, Erinnerungen an meine Pariser Diplomatenjahre II. 1920–21, a.a.O., S. 445.

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über. Hier wird jetzt die Blutfahne der Bewegung neu geweiht, von hier aus nimmt die Hitlerjugend ihren wunderbaren Aufstieg zur größten Jugendbewegung aller Zeiten und von hier aus rüttelt der Führer mit hinreißender Wucht sein Volk wach zu Neugeburt und neuem Leben!«216 Wie in vielen anderen Fällen klang auch Erhards Begeisterung irgendwann ab. Zumindest meint man das den Worten entnehmen zu können, mit denen er im April 1943 die Einführung in das Tagebuch Carl Graf von Wedels beendete: »In diesem Sinne mögen die nachfolgenden Aufzeichnungen dazu dienen, uns ähnlich selbstlose und furchtlose, rückgratstarke und aufrechte Diener des Reiches zu erziehen, wie sie sich in der Person ihres Verfassers verkörperten! Dann werden auch die Lehren, die sich für uns aus jenen tragischen Ereignissen vom März 1890217 herleiten lassen, selbst in unserer beispiellos bewegten Gegenwart immerhin doch einiger Beachtung wert erscheinen!«218 Das klingt vieldeutig und musste wohl auch so vage formuliert werden, um die Zensur zu passieren. Wie man Erhards Schlussbemerkungen lesen könnte, wird deutlicher, wenn man in der Einführung einige Seiten zurückblättert bis zu jener Bemerkung über »die allzeit klarblickende Gemahlin des Kaisers, die Kaiserin Augusta Viktoria«. Die habe Carl »in verbürgter Äußerung« als »›den einzigen aus der Umgebung, der dem Kaiser ab und zu die Wahrheit sagt‹, … bezeichnet.«219 Aber so wie Carl »in der Bismarckschen Angelegenheit wie auch in anderen Fällen dem Kaiser entgegengetreten sei«220, war es Erhard in jener »beispiellos bewegten Gegenwart« wohl nicht nur darum zu tun, dass man Hitler »die Wahrheit sagt«, sondern ihm auch »entgegentritt«, was immer das konkret bedeuten mochte. Zum Widerstandskämpfer wird Erhard dadurch noch nicht. Aber indem er seine Hoffnung auf »selbstlose und furchtlose … Diener des Reiches« setzte, war er gedanklich vielleicht nicht mehr weit davon entfernt. Weimar blieb Erhards Wohnsitz bis zu seinem Tod im Jahr 1955. So erlebte er dort nicht nur das Ende des »Dritten Reiches«, sondern auch dessen Fortsetzung in Gestalt der »Deutschen Demokratischen Republik«.

216 Erhard Graf von Wedel, Weimar und der deutsche Reichsgedanke, Berliner Monatshefte, April 1941, S. 270. 217 Bismarcks Entlassung. 218 Erhard Graf von Wedel (Hg.), Zwischen Kaiser und Kanzler. Aufzeichnungen des Generaladjutanten Grafen Carl von Wedel aus den Jahren 1890–1894, Leipzig 1943, S. 28. 219 Ebd., S. 19. 220 Ebd., S. 18.

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Christian-Otto von Wedel Parlow Auch Christian-Otto von Wedel Parlow aus dem Hause Polßen wäre hier zu nennen. Ebenso wie der gerade porträtierte Erhard aus dem Weimarer Zweig des ostfriesischen Hauses entstammte er einer Beamtenfamilie, deren Lebenszuschnitt man sich allerdings um ein Vielfaches bescheidener vorstellen muss als den eines großherzoglichen Oberhofmarschalls. Sein Vater Moritz, zweitjüngster von vier Söhnen und damit ausgeschlossen vom Erbe des Gutsbesitzes, wäre am liebsten Maler geworden, hatte dann aber auf Wunsch seiner Eltern Recht studiert und eine Stelle in der preußischen Domänenverwaltung gefunden. Die Mutter Ottonie Malcolm war die jüngste Tochter des Kapitäns der Royal Navy, George John Malcolm, und seiner ersten Frau Ottonie, geb. Freiin von Dungern.221 Christian-Otto, 1893 geboren, sei besonders begabt gewesen in Mathematik, Chemie und Musik, aus der Sicht seines Vaters alles keine Fächer, die für ein Studium in Frage kamen. Nur Recht war standesgemäß. Christian-Otto fügte sich und begann in München und Lausanne mit dem Studium des genehmigten Fachs. Nebenbei studierte er aber auch Geige an der Musikhochschule München.222 Dann kam der Erste Weltkrieg, den Christian-Otto bei der Feldartillerie überstand. Nach dem Krieg fühlte sich Christian-Otto endlich unabhängig genug, um seinen Neigungen zu folgen. Er gab das unterbrochene Jurastudium auf und begann mit dem Studium der Chemie, das er aber gleichfalls nicht zu Ende führte. Denn inzwischen war er von seinem kinderlosen Onkel Egon von Wedel Parlow adoptiert und zum Erben des am Rande der Schorfheide bei Joachimstal gelegenen Gutes Parlow bestimmt worden. Er absolvierte nun eine landwirtschaftliche Lehre und erwarb das Diplom im Fach Landwirtschaft. Nebenbei beschäftigte er sich mit den Grundlagen völkischen Denkens. Zu seiner Lektüre zählten Bücher wie »Rasse und Persönlichkeit«223 von Houston Stewart Chamberlain, dem »vielleicht wichtigste[n] Brückenglied für nationalkonservativ eingestellte Bildungsbürger zum Nationalsozialismus.«224 Am 4. Februar 1932 trat er schließlich der NSDAP bei.225 Hier diente er sich vom Helfer der Zellenorganisation Berlin-Weißensee zum Blockwart hoch. Am 221 »Ein Liebhaber des Schwarzwalds, hatte sich der Kapitän nach vorzeitiger Deaktivierung, seine Gesundheit war von dem Leben auf See angegriffen, 1863 in Freiburg niedergelassen« (Wedel-Parlow, Rüdiger, a.a.O., S. 55). 222 Vgl. auch zum Folgenden ebd., S. 68. 223 München 1925. Das Buch befand sich bei seinen Hinterlassenschaften in seinem Elternhaus in Eiterbach bei Heiligkreuzsteinach. 224 Herfried Münkler, Verführer der Deutschen. Udo Bermbachs Studie über Houston Stewart Chamberlain – den Mann, der den Weg für Hitler bereitete, in: Die Zeit, 17. 9. 2015. 225 Mgl.Nr. 997 401, BArch, ZA I 5895 A.14.

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1. Januar 1934 wurde er zum landwirtschaftlichen Fachberater der Ortsgruppe Berlin-Antonplatz befördert.

Abb. 6: Christian Otto von Wedel Parlow-Polßen (1893–1941) mit seiner Mutter Ottonie, geb. Malcolm, 1926

Damit erfüllte sich ihm vermutlich ein Traum. Denn in dieser Funktion konnte er sich nun den landbesitzenden Vettern aus dem Wedelschen Familienverband zuwenden. Lupold von Wedel-Braunsforth schildert in einem Brief aus dem Jahr

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1962 dessen diesbezügliche Rolle:226 »Er hatte sich ja die bewundernswerte Aufgabe gestellt, regenerierend im besten Sinne des Wortes innerhalb des Wedelschen Familienverbandes zu wirken und an Wedelschem Besitz zu retten und zu erhalten, was noch irgend möglich war … Gut für Gut nahm er sich vor, sagte sich kurz an und erschien dann eines Tages, ob immer willkommen oder auch weniger, war ihm dabei ganz egal im Interesse seiner höheren Idee. Einige, die das nicht gleich richtig erkannten, gaben ihm wohl auch den Spitznamen ›der Wedelschreck‹, was ihn aber nicht weiter anfocht. So erschien er auch gelegentlich in Braunsforth und hat sicher seinen Teil dazu beigetragen, dass der Gedanke meiner Adoption bei Rudi und Margarethe [von Wedel-Braunsforth] nach und nach zum Reifen kam, die dann während meines letzten Kriegsurlaubs am 26. August 1943 in Stargard abgeschlossen wurde.« Vier Jahre lang, bis zur Übernahme von Parlow nach Egons Tod 1938, war Christian-Otto vermutlich in Sachen des Wedelschen Familienverbands unterwegs. Ausgangspunkt seiner meist mit dem Fahrrad unternommenen Touren zu den Wedelschen Gütern war Kremzow, wo er von dem viel älteren Curt von Wedel-Kremzow, dem Vorsitzenden des Familienverbands seit 1935, als Freund aufgenommen worden war. Als »still und verschlossen« wird Curt in der kleinen Familiegeschichte von 1951 charakterisiert. »Nur schwer konnte er aus sich herausgehen … Umso höher ist ihm anzurechnen, daß er sich ohne Zaudern zur Verfügung stellte, als der junge Vetter Christian-Otto mit einem wahren Fanatismus sein Erneuerungsprogramm … an ihn herantrug.«227 Christian-Otto formulierte das Programm, Curt setzte es mit der Autorität des Familienvorstehers um, so hat man sich wohl das Verhältnis der beiden Freunde vorzustellen. Genau diesem Verhältnis verdankt der Familienverband vermutlich die Anfang 1936 verabschiedete Satzung. Und natürlich hat sich Christian-Ottos politische Einstellung in der Satzung niedergeschlagen. »Blutsreinheit« war einer der in der Satzung festgeschriebenen Grundsätze. Die Satzung entsprach aber nicht nur in diesem Punkt dem Zeitgeist, der ganze Text war im Geist des Nationalsozialismus geschrieben, dem Christian-Otto damals noch gläubig verhaftet war. Sein Bruder sei der NSDAP »unter irrigen Voraussetzungen« beigetreten, mit dieser Allerweltsformel, die nach 1945 fast alle ehemaligen Nazis für sich beanspruchen konnten, versucht ihn Ludolf von Wedel Parlow-Polßen zu entschuldigen.228 »[I]nzwischen war er längst ernüchtert«, fügt Ludolf hinzu. Ob die Ernüchterung erst eintrat, als Christian-Otto Opfer einer staatlichen Willkür226 Lupold von Wedel-Braunsforth, Brief v. 1. 5. 1962 an Ludolf von Wedel Parlow-Polßen, Priv.besitz d. Verf. 227 Wedel Parlow, Die Wedel in acht Jahrhunderten, a.a.O., S. 60. 228 Ludolf v. Wedel-Parlow-Polßen, Parlow, in: Ludolf v. Wedel-Parlow-Polßen (Hg.), a.a.O., S. 160.

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maßnahme wurde, ist unklar, liegt aber nahe. Das Preußische Staatsministerium hatte ihm 1938 mitgeteilt: »Der Herr Ministerpräsident Generalfeldmarschall Göring möchte durch den Kauf Ihres Gutes erreichen, dass durch die Erträgnisse dieses Gutes eine Wildfutterbasis geschaffen wird.«229 »Die Wildfutterbasis«, erläutert Ludolf, »sollte für die unweit gelegene Schorfweide gebildet werden, den ausgedehnten, ehemaligen Jagdbezirk« der preußischen Könige, dessen Nutzung jetzt dem Ministerpräsidenten von Preußen und damit Hermann Göring zustand. Die Begründung des »Kaufgesuchs« war fadenscheinig. Dass es Göring nur darum zu tun war, »seinen« Jagdbezirk abzurunden, war offensichtlich. Christian-Otto wehrte sich lange, ein ganzes Jahr lang, bis er sich schließlich, um der angedrohten Enteignung zu entgehen, mit der angebotenen »Umsiedlung« in das Sudetenland, das gerade erst widerrechtlich dem Reich angeschlossen worden war, zufriedengab. Die anfängliche Begeisterung für die »Bewegung« sei mittlerweile einer erbitterten Gegnerschaft gewichen, aus der er auch gegenüber seinen tschechischen Bekannten kein Hehl gemacht habe, so dass er bei diesen bald Freunde gewonnen haben soll.230 In Briefen äußert er seine Skepsis hinsichtlich der Hitlerschen Kriegsziele, zum Beispiel bezüglich einer Invasion Englands: »Ich glaube nicht, dass [jetzt] noch die Zeit für Deutschland arbeitet. Je länger sich die Engländer halten, umso besser wird ihre Lage.«231 Oder bezüglich des Nordafrika-Feldzugs: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Mittel der deutsch-italienischen Offensive in Nordafrika hinreichend sind, um bis nach Ägypten vorstoßen zu können, bevor sich die englische Armee dort übermächtig verstärkt hat.«232 Oder bezüglich des U-Boot-Kriegs: »Amerika wird nun wohl auch bald den Krieg erklären. Ob mit den U-Booten und Flugzeugen deutscherseits tatsächlich das Rennen gemacht werden kann? … Zunächst haben diese beiden Waffen fraglos ihre Überlegenheit. Aber wird sie lange genug anhalten, bevor ein wirksames Gegenmittel erfunden ist?«233 Ende April 1941 erfror er in den Ötztaler Alpen. In Vent, wo er sich eingemietet hatte, heißt es, er habe den Tod durch Erfrieren selbst gewählt. Der Familienvorsitzende Curt von Wedel-Kremzow schreibt an den Vater : »Für die ganze Familie bedeutet Christian-Ottos Hinscheiden einen unersetzlichen Ver-

229 Zit. n. ebd., S. 159. 230 Ebd., S. 162. Nach Belegen in tschechischen Archiven ist bisher nicht gesucht worden, so dass einstweilen nur von Vermutungen gesprochen werden kann. 231 Christian-Otto von Wedel Parlow, Brief v. 7. 1. 1941 an Marie Luise Becker-Strube (Schriftstellerin), Arch. d. Fam.zweigs Wedel Parlow. 232 Ders., Brief v. 14. 4. 1941 an dieselbe, Priv.besitz d. Verf. 233 Ders., Brief v. 4. 4. 1941 an Nora von Marschall, Arch. d. Fam.zweigs Wedel Parlow.

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lust. Von mir ganz zu schweigen, wo er mir ein lieber Freund war und doch eigentlich das meiste in den Familienangelegenheiten gemacht hat.«234

Lupold von Wedel-Tuetz-Neuwedell Lupold von Wedel-Tuetz-Neuwedell, 1891 geboren und somit nur wenig älter als Christian-Otto von Wedel Parlow-Polßen, schloss sich der Bewegung fast zur selben Zeit an wie dieser, am 1. März 1932.235 Aber der Hintergrund war ein ganz anderer: Seine Eltern Bernhard von Wedel-Tuetz-Neuwedell und Else Betge waren mit dem bescheidenen Haushalt eines preußischen Hauptmanns von Ostpreußen über Elsass-Lothringen nach Ost-Westfalen versetzt worden, bis Bernhard 1906, erst 42 Jahre alt, den Abschied nahm, nehmen musste(!), pflegte die Enkelin Elisabeth Wolber, geb. Wedel-Tuetz-Neuwedell, zu präzisieren, »weil Sohn Lupold vor der Hochzeit [der Eltern] zur Welt kam.«236 Die Eltern ließen sich daraufhin in Sommerfeld bei Kremmen im Osthavelland nieder.237 Für den einzigen Sohn bot sich eine landwirtschaftliche Berufsperspektive: Onkel Peter Daniel Betge, Amtmann der Domäne Annaburg in Sachsen, würde bald in den Ruhestand gehen. Lupold würde eventuell die Nachfolge antreten können.238 Er beginnt demzufolge eine landwirtschaftliche Lehre, gerät dann aber als einjähriger Freiwilliger bei den 2. Dragonern in Schwedt in den 1. Weltkrieg.239 Eine Knieverletzung erzwingt allerdings bald den Abschied von der kämpfenden Truppe. Lupold wird als Leutnant d. R. in die Militär-Verwaltung von Litauen und Estland versetzt, wo er während der letzten drei Kriegsjahre als Wirtschaftsoffizier Dienst tut – und seine Frau Irene Freiin von Stackelberg kennen lernt. Nach dem Krieg greift Lupold die Idee einer landwirtschaftlichen Ausbildung wieder auf. Er meldet sich zu einem Sonder-Lehrgang an der Kolonialschule Witzenhausen an der Werra. Von Annaburg kommend, erfährt er beim Umsteigen in Berlin, dass der Kurs ausfällt. Nun ist von der Landwirtschaft erst einmal keine Rede mehr, zumal die Domäne Annaburg inzwischen von einem anderen Aspiranten aus der Betge-Sippe übernommen worden ist.240 234 Curt von Wedel-Kremzow, Brief v. 4. 5. 1941 an Moritz von Wedel Parlow-Polßen, Arch. d. Fam.zweigs Wedel Parlow. 235 Mgl.Nr. 1 051 057, BArch (ehem. BDC), NSDAP-Gaukartei. 236 Dietrich von Wedel-Tuetz-Neuwedell, email v. 27. 2. 2010 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf. 237 Wedel, Familien-Matrikel …, a.a.O., Nr. 21–127. 238 Wedel-Tuetz-Neuwedell, email v. 27. 2. 2010 an d. Verf., a.a.O. 239 Vgl. auch zum Folgenden Wedel, Familien-Matrikel …, a.a.O., Nr. 22–144. 240 Dietrich von Wedel-Tuetz-Neuwedell, emails v. 27. 2. u. 14. 5. 2010 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf.

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Abb. 7: Irene Freiin von Stackelberg (1888–1963), Lupold von Wedel-Tuetz-Neuwedell (1891– 1945) und seine Eltern Bernhard und Else (v. l.)

Lupold findet stattdessen eine Stelle als Geschäftsführer bei einer KunstgummiFabrik in Teltow. Anfang 1920 wird diese stillgelegt – nach der Übernahme durch ein Hannoveraner Unternehmen. Lupold wechselt in das Reichswirtschaftsministerium, wo er Büro-Vorsteher beim Reichsbeauftragten der Ein- und Ausfuhrüberwachung (RBA) wird. In ähnlicher Stellung findet er sich bald darauf bei der Haupt-Fahndungsstelle des Landesfinanzamts Brandenburg wieder. Schließlich geht er wieder in die Privatwirtschaft, findet Arbeit bei einer deutschen Niederlassung des amerikanischen Waffen- und Büromaschinen-Herstellers Underwood-Elliot-Fischer. Vier verschiedene Arbeitgeber allein in den fünf Jahren 1919–1923. Nicht unmöglich also, dass sich da aufgrund der unsicheren wirtschaftlichen Verhältnisse langsam eine Verbitterung anstaute, die

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einer rechtsextremen Radikalisierung Vorschub leistete. Denn Lupold wird Mitglied der SA, wann genau, ist unklar.241 Über den Zeitraum 1924 bis 1928 geben Lupolds Notizen keine Auskunft. Er scheint damals erneut Geschmack an der Landwirtschaft gefunden zu haben. Denn 1929 kauft er Land, um eine Spargelplantage anzulegen. Viereinhalb Jahre vergehen, bis das Land erntereif ist, nach Rodung, Brunnenbohrung, Errichtung eines Betriebsbaus. Anbau und Ernte nimmt Irene in ihre Regie, Lupold kümmert sich um den Vertrieb.242 Aber das Spargelgeschäft ist nur eine Nebenbeschäftigung neben der gleichzeitig aufgenommenen Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter der Lungenheilstätte Waldhaus Charlottenburg in Sommerfeld. Bis Ende 1934 arbeitet er im Waldhaus und betreibt nebenbei sein Spargelgeschäft, als eine in der damaligen Zeit vielleicht nicht seltene Wende eintrat. Ein naher Verwandter243 hatte Lupolds Namen genannt, als die Reichswehr nach Offizieren suchte für den schwarzen Aufbau der Reichswehr.244 Lupold wird angeworben und schon im Dezember 1934 eingestellt, als L-Offizier245 in der Reichswehr-Zentralwerbestelle. Es beginnt eine Karriere in der Berliner Militärverwaltung, die ihn bis zum Rang eines Oberstleutnants trug – eine Verwendung in der Truppe war ja ausgeschlossen nach seiner Knieverletzung. Natürlich brachte diese Wende mehr Glanz in Lupolds Leben: Welcher Adelsspross hätte damals nicht gern sein graues Angestelltendasein gegen den Offiziersberuf getauscht? Zudem war Lupold damit den Zwängen seiner SA- und NSDAP-Mitgliedschaft enthoben. Ob er froh darüber war, ist nicht überliefert. Er starb in den Kämpfen um Berlin am 3. Mai 1945.

241 Einziger Hinweis auf eine SA-Mitgliedschaft ist eine Notiz in Lupolds Reisealbum, wonach er im September 1934 als SA-Oberscharführer am Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg teilnahm. 242 Wedel-Tuetz-Neuwedell, email v. 20. 2. 2010 an d. Verf., a.a.O. 243 Adalbert von Knobelsdorff, Ehemann von Lupolds Cousine Jutta von Wedel-Tuetz-Neuwedell, 1931 Artillerie-Hauptmann in Schwerin. 244 Laut mdl. Mitteilung einer Tochter von Adalbert von Knobelsdorff an Dietrich von WedelTuetz-Neuwedell (Dietrich von Wedel-Tuetz-Neuwedell, email v. 14. 2. 2010 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf.). 245 Das am 1. 10. 1933 gebildete L-Offizierskorps, L steht für Landesschutz, führte den Zusatz »a. D.« (außer Dienst) und trug zur Tarnung Zivil. Am 5. März 1935 wurde es umbenannt in E-Offizierskorps, wobei E für Ergänzung steht. Es arbeitete ungetarnt, also in Uniform (Adolf Schlicht/John R. Angolia, Die Deutsche Wehrmacht. Uniformierung und Ausrüstung 1933–1945, Bd. 1: Das Heer, 3. überarb. Aufl., Stuttgart 1996).

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Clemens von Wedel Parlow-Wedelsberg Eine ähnliche Wende verzeichnet der Lebenslauf von Clemens von Wedel Parlow-Wedelsberg. Als Sohn des NSDAP-Reichstagsabgeordneten Karl von Wedel Parlow-Wedelsberg war Clemens nicht nur in der SA, sondern auch in der Partei. Schon 1930, gerade einmal 22 Jahre alt, war er beigetreten246, ob aus Überzeugung oder weil der Vater es so wollte, wer wollte das heute noch ermessen? Seine Schullaufbahn war nicht bruchlos verlaufen.247 Mit 17 war er vom Gymnasium auf eine Privatlehranstalt gewechselt, die er ohne Abitur abschloss248. Nach einer kaufmännischen Lehre war er zwei Jahre, von 1929 bis 1931, als kaufmännischer Angestellter bei den Brunsviga Maschinenwerken beschäftigt. Es war vermutlich die prekäre Zeit der Wirtschaftskrise, infolge derer er diese Stelle verlor. Der weitere Lebenslauf dokumentiert die Unsicherheit der Verhältnisse mit einer Sequenz kurzfristiger Aushilfstätigkeiten auch bei Parteidienststellen im Wechsel mit Lehrgängen zunehmend polizeilichen Charakters: NSDAP-Ortsgruppenamtsverwalter bis Anfang 1932, SS-Lehrschule Kreiensen im März 1932, Erntehelfer bei einem Bauern im Herbst 1932, Aushilfstätigkeit in der Rechtsabteilung des NSDAP-Gaus Berlin im Winter 1932/33, Dienst bei der Hilfspolizei im Februar 1933, Aushilfstätigkeit bei der Nordstern-Lebensversicherungsbank ab März 1933, unterbrochen durch einen vierwöchigen Kurs im Polizei-Institut Berlin, Kreisfinanzwart bei der Deutsche Arbeitsfront249 ab März 1934, infolge eines Unfalls bald danach bis Ende 1935 arbeitsunfähig, Anfang 1936 Dienst beim SS-Sicherheitskommando des Reichsluftfahrtministeriums, anschließend beim SD der SS, dem berüchtigten Sicherheitsdienst, einem Spionage- und Gegenspionagedienst, der die Gestapo beim Aufspüren von »Staatsfeinden« unterstützen sollte. Von August 1936 bis Dezember 1937 war er dort sogar hauptamtlich tätig, hatte also endlich eine Festanstellung gefunden. Groß, gut aussehend, aus der Familie eines »alten Kämpfers«, war er beim Reichsführer SS Heinrich Himmler250 vermutlich willkommen. Dass er dort Karriere gemacht hätte, lässt sich dennoch nicht bestätigen. Sein Sohn FriedrichKarl von Wedel Parlow-Wedelsberg kann sich »durchaus vorstellen, dass er bei 246 Mgl.Nr. 447 230, BArch, RS-Akte zu Clemens von Wedel-Parlow, Parteistatistische Erhebung 1939. 247 Vgl. auch zum Folgenden den Fragebogen des Rasse- und Siedlungshauptamtes (RS-Fragebogen) vom 21. 2. 1943, BArch, RS-Akte zu Clemens von Wedel-Parlow. 248 Friedrich-Karl von Wedel Parlow-Wedelsberg, email v. 12. 6. 2010 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf. 249 Aus den gleichgeschalteten freien Gewerkschaften gebildete Einheitsgewerkschaft ohne Streikrecht. 250 In seinem Heiratsgesuch vom 2. 3. 1943 an das Rasse- und Siedlungshauptamt SS gibt er als SS-Einheit »RF SS« an und als SS-Nr. die Ziffer 109 395 (BArch, RS-Akte zu Clemens von Wedel-Parlow).

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Abb. 8: Clemens von Wedel Parlow-Wedelsberg (1908–1963)

der SS-Leitung frühzeitig Einblick in Entwicklungen bekommen hat, von denen er sich absetzen wollte«.251 So hat er vielleicht früh den Absprung gesucht. Jedenfalls war er »im Krieg auffälligerweise einfacher Soldat bei der Wehrmacht«252, unbeschadet seiner wohl erst mit dem Tod erlöschenden Zugehörigkeit zur SS. Näher gelegen hätte ein Einsatz bei der Waffen-SS. Seine Einberufung zur Wehrmacht hat er, wie seine Ehefrau Annemarie Strelocke vermutet, »der Vermittlung von Friedrich-Karl [von Wedel-Malchow] zu verdanken …«253 Der hatte 1936 Clemens Schwester Jutta geheiratet und war von daher, zumal er bei den Schwiegereltern in Berlin-Friedenau häufig zu Gast war, vermutlich bestens vertraut mit den beruflichen Pressionen des Schwagers. Doch vieles ist hier Vermutung, belegen lässt sich nur, dass Clemens bei der Wehrmacht war, unter anderem durch das Heiratsgesuch vom 2. März 1943 an das Rasse- und Siedlungshauptamt der SS – er war ja nach wie vor Angehöriger der SS: »Den Erbgesundheits- und ärztlichen Fragebogen reiche ich sofort nach Kriegsende nach«, verspricht Clemens hier und fährt fort: »Nachdem wir bereits durch die Wehrmacht untersucht und für ehetauglich befunden wurden, glaube ich nicht, dass ein Arzt während eines totalen Krieges die Zeit für eine eingehende Untersuchung erübrigen kann.«254 Ein gewisser Widerwille wird zwischen den Zeilen spürbar, so als habe Clemens die Sprache der NS-Propaganda, das Versprechen eines baldigen Kriegsendes, die Rede vom totalen Krieg, bewusst

251 Friedrich-Karl von Wedel Parlow-Wedelsberg, email v. 9. 2. 2009 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf. 252 Wedel Parlow-Wedelsberg, email v. 8. 2. 2009 an d. Verf., a.a.O. 253 Wedel Parlow-Wedelsberg, email v. 9. 2. 2009 an d. Verf., a.a.O. 254 RS-Fragebogen vom 21. 2. 1943, a.a.O.

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gegen die SS-Behörde wenden wollen. Deutlicher und zugleich unangreifbarer hätte er seine Distanz zum Rassegebaren der SS kaum ausdrücken können. Noch während seiner kaum eineinhalbjährigen Tätigkeit beim SD scheint Clemens den Wechsel zur Wehrmacht vorbereitet zu haben:255 Im August und September 1937 nimmt er als Freiwilliger an einer Übung teil, beim IR 50 in Küstrin. Eine zweite Übung macht er im Januar und Februar 1938 beim IR 68 in Rathenow mit, das ihn als Gefreiten d. R. und Unteroffiziersanwärter entlässt. Dann das Erstaunliche: »März 38 – April 39 war ich [in] einer Übersee-Abteilung bei Siemens …« in Berlin-Siemensstadt.256 Dort scheint sein Entschluss gereift zu sein, etwas ganz Anderes zu versuchen: »[Ich] ging dann aufs Land um mich als Volontär umzuschulen.« Und in die Rubrik »Liegt Berufswechsel vor?« des Fragebogens des Rasse- und Siedlungshauptamts der SS trägt er »ja, 1939 in die Landwirtschaft« ein. Der versuchte Wechsel in die Landwirtschaft ging vielleicht auf eine Idee seines drei Jahre zuvor verstorbenen Vaters zurück, der angeblich Rhode verkauft hatte, um Erbteile des inzwischen stark zersplitterten Eigentums an Wedelsberg,257 heute Grünheide, bei Warnitz in der Uckermark aufzukaufen. Die Miteigentümer hätten vermutlich geduldet, dass Clemens »als Sohn eines späteren Mehrheitseigentümers dort gearbeitet hätte, aber dazu kam es mangels Geld und … verbindlicher Vereinbarungen nie«.258 Doch der Krieg kommt dazwischen. Schon im August 1939 wird Clemens zu einem Infanterie-Ersatz-Bataillon in Potsdam eingezogen und macht dann beim IR 512 »den Feldzug im Westen mit«.259 »Im Krieg … in Frankreich und nach Granatsplitterverletzungen und einem Lkw-Unfall nur noch in der Etappe«, kam Clemens glimpflich davon. »In jedem Fall hat er Glück gehabt, dass er offensichtlich in keine Schweinereien hineingeraten ist«, lautet das abschließende Urteil des Sohnes. »Mit meinem guten Vater habe ich sehr viel gesprochen und als halbes Kind schon über Politik … Dass die Familie unseres Großvaters NS-begeistert und er selbst bei der SS war, erzählte er mir. Er ließ aber durchblicken, dass er das retrospektiv als Fehler ansah.«260

255 Ebd. 256 Also keineswegs im Ausland, wie man vermuten könnte (Wedel Parlow-Wedelsberg, email v. 12. 6. 2010 an d. Verf., a.a.O.). 257 Rüdiger von Wedel Parlow-Polßen zählt 21 Erben auf, die im Jahr 1940 Anteile an Wedelsberg besaßen (Wedel Parlow, Rüdiger, a.a.O., S. 104). 258 Wedel Parlow-Wedelsberg, email v. 12. 6. 2010 an d. Verf., a.a.O. 259 RS-Fragebogen vom 21. 2. 1943, a.a.O. 260 Wedel Parlow-Wedelsberg, email v. 8. 2. 2009 an d. Verf., a.a.O.

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Jutta von Wedel Parlow-Wedelsberg Für die Ausübung bestimmter Berufe war die NSDAP-Mitgliedschaft vielleicht keine notwendige Bedingung, verbesserte aber doch die Zugangschancen. Ein Beitritt schon in der »Kampfzeit« konnte da von besonderem Vorteil sein. Umso bitterer, wenn man dieses Privileg verlor, weil man wegen unterlassener Beitragszahlungen ausgeschlossen wurde. Clemens Schwester Jutta von Wedel Parlow-Wedelsberg hatte dieses Ungemach erlitten, nicht ganz schuldlos, wie es scheint. Die Beitragszahlungen habe sie eingestellt, weil die Partei sich im Beitrittsdatum vertan habe. Sie sei »nicht am 1. 12. 31 sondern schon [am] 1.12. 29 … eingetreten«, schreibt sie im April 1943 an den Reichsschatzmeister der NSDAP, »habe dann aber von 33 an keine Beiträge mehr gezahlt, weil man nicht anerkennen wollte, dass ich schon seit 29 Mitglied sei. Ich habe seit 1923 für die Partei gearbeitet und bin nach Vollendung meines 18. Lebensjahres sofort eingetreten …«261 Das war natürlich Spiegelfechterei, denn sie hätte wissen müssen, dass die Partei niemanden aufnahm, der nicht mindestens 21 war. Das Beitrittsjahr 1931 war mithin durchaus korrekt.262 Auch der jugendliche Trotz, aus dem sie die Beiträge schuldig blieb, scheint eher vorgeschützt, so als sei ihr nichts Besseres eingefallen, um ihr Verhalten zu erklären. Die versäumten Beitragszahlungen hätten vielleicht noch nachentrichtet werden können. Aber da auch ihr seitheriges Verhalten Anlass zu Kritik geboten habe, bleibt der Schatzmeister hart: »Wie mir die Gauleitung Niederschlesien am 25. 8. 1943 mitteilte, läßt Frau von Wedel auch jegliche aktive Tätigkeit für die NSDAP vermissen. So sehr ich den Einsatz der Frau von Wedel in der Kampfzeit für die Bewegung anerkenne, bedaure ich, die Mitgliedschaft der Genannten nicht wiederherstellen zu können, nachdem Frau Jutta von Wedel … jegliches Interesse an der Aufrechterhaltung ihrer Mitgliedschaft bisher vermissen ließ.«263 Jutta hatte sich jahrelang um die Anerkennung als Schauspielerin bemüht, offenbar vergeblich, wie sich der betreffenden Akte der Reichskulturkammer entnehmen lässt.264 Aufgrund einer Sondererlaubnis der Reichsfachschaft Film hatte sie 1934 an dem Film »Der rote Tod von Riga« mitgewirkt, als »Flintenweib«, wie es heißt. Es scheint ihr einziges größeres Engagement gewesen zu 261 Brief v. 2. 4. 1943 an d. Reichsschatzmeister der NSDAP, Herrn Schwarz, BArch, ehem. BDC, Parteikorrespondenz, Akte zu Jutta von Wedel. 262 Zeitweise scheint sie das selbst so gesehen zu haben, denn im Fragebogen der Reichsfachschaft Film vermerkt sie am 9. Mai 1935, sie sei seit 1931 Mitglied der NSDAP mit der Mgl.Nr. 809 729; BArch, Akte der Reichskulturkammer zu Jutta von Wedel. 263 Brief v. 14. 9. 1943 a. Oberstleutnant Wilhelm Brückner (Freund der Familie), BArch, Akte Parteikorrespondenz zu Jutta von Wedel. 264 Vgl. auch zum Folgenden BArch, Akte der Reichskulturkammer zu Jutta von Wedel.

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sein, und ihr Pech war, dass der unter der Regie von Paul Wegener gedrehte Film unvollendet blieb und sie sich so nicht einmal der Kritik stellen konnte. Immerhin wird sie jetzt Mitglied der Reichsfachschaft Film. Aber das hilft nicht viel. Denn danach werden nur noch einige kurze Engagements beim Rundfunk genannt. Ende 1935 teilt man ihr mit, für einen nicht näher bezeichneten Film sei sie nur als Double eingeplant gewesen, man sei dann aber doch ohne sie ausgekommen. Kurz darauf schreibt ihr der Leiter der Abteilung Filmnachweis, man plane, sie eventuell in einem Film265 von Eberhard Klagemann als Hofdame einzusetzen. Im Herbst 1937 beklagt sich Jutta bei der Reichsgefolgschaft Film, sie sei seit über einem Jahr nicht mehr beim Film beschäftigt worden. So belegt ein Dokument nach dem anderen, wie der Traum einer Filmkarriere langsam zerrinnt. Aber man konnte nicht beides haben, eine Filmkarriere und das Leben einer Schlossherrin auf der Herrschaft Tost bei Oppeln in Oberschlesien, wo Friedrich-Karl von Wedel-Malchow, ihr Ehemann seit 1936266, Generalbevollmächtigter der Familie des 1908 nur unter großen Bedenken von Wilhelm II. nobilitierten Curt von Guradze267 war. Vielleicht langweilt sich Jutta schon bald in Tost und beklagt sich deswegen, kaum ist sie ein Jahr dort, über mangelnde filmische Beschäftigung. Aber in Oberschlesien auf ein Engagement beim Film zu warten, war natürlich aussichtslos. Was hielt sie dort? Ein unerfüllter Kinderwunsch, ein Ehemann, der sie vielleicht nicht wirklich begehrte? Irgendwann Anfang 1943 scheint sie es gar nicht mehr auszuhalten und versucht, den vernachlässigten Parteikontakt wiederaufzufrischen, offenbar, um es noch einmal auf diesem Weg zu versuchen. Friedrich-Karl, selbst Parteimitglied268, wenn auch nur ein »Märzgefallener«269, allerdings als SA-Reitersturm265 Es handelt sich vermutlich um »Mädchenjahre einer Königin« (1936) (https://de.wikipedia. org/wiki/Eberhard_Klagemann, abgerufen am 2. 8. 2015). 266 Das Paar hatte sich auf einem Wedelschen Familientag kennen gelernt, war von dort »weggefahren und tagelang unauffindbar gewesen. Nach damaligem Komment hätten sie danach heiraten müssen« (Friedrich-Karl von Wedel Parlow-Wedelsberg, email v. 26. 2. 2010 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf.). 267 Die Guradzes, eine angesehene jüdische Kaufmannsfamilie aus Breslau, hatten die Herrschaft 1841 erworben (https://de.wikipedia.org/wiki/Herzogtum_Tost, abgerufen am 1. 8. 2015). Das Nobilitierungsgesuch von Curts Vater, Hugo Salo Guradze, hatte Wilhelm I. 1884 noch abschlägig beschieden, weil er den Eindruck vermeiden wollte, »Guradzes Vermögen habe den Ausschlag gegeben.« Seinen Sohn schließlich doch zu adeln schien begründbar, nachdem dieser für die Herrschaft Tost ein Fideikommiss gestiftet hatte (Kai Drewes, Nobilitierungen von Juden im Europa des 19. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 2013, S. 256, Anm. 421). 268 Mgl.Nr. 3 285 604, BArch, ehem. BDC, NSDAP-Gaukartei. 269 »Im Verlauf der Machtübergabe an die Nationalsozialisten … und hier besonders nach der Reichstagswahl März 1933 kam es zu zahlreichen Eintritten in die NSDAP, nicht zuletzt von Beamten und staatlichen Angestellten, denen ein Beitritt bis dahin verboten war. Diese Neumitglieder, denen von den »alten Kämpfern« Opportunismus unterstellt wurde, wurden

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führer270 in der relativ privilegierten Position, schon zum 1. Mai 1933 aufgenommen zu werden, hätte ihr vielleicht helfen können. Aber zu dem Zeitpunkt stand er als »Major und IIa einer Division im Osten«271. Das Amt des Generalbevollmächtigten der Guradzes war längst aufgegeben worden, wahrscheinlich schon mit Kriegsbeginn 1939. Der Wohnsitz des Paares war inzwischen Wohlau in Niederschlesien. Der Einzige, von dem sie sich jetzt noch Hilfe erwartet, ist Oberstleutnant Wilhelm Brückner, ein alter Freund der Familie mit anscheinend engen Parteikontakten. Aber auch dieser vermag den Schatzmeister der Partei nicht zu erweichen. Juttas Lage wird immer aussichtsloser. Beim Film wird sie nicht gebraucht. Einen anderen Beruf hat sie nicht gelernt. Sie sitzt beschäftigungslos in Wohlau – und macht sich dadurch strafbar, denn es herrscht Arbeitspflicht. Der Aufforderung der Reichsfilmkammer vom 30. 9. 1943, Truppenbetreuung zu leisten, mag sie nicht folgen.272 Nun wird das Arbeitsamt in Wohlau aktiv – offenbar hatte sie erklärt, dass sie nicht zur Verfügung stehe wegen ihrer Tätigkeit beim Film. Es fragt im Dezember 1943 bei der Fachschaft für Filmschaffende nach, ob beabsichtigt ist, Jutta in der näheren Zukunft zu engagieren. Die Fachschaft antwortet: »Da Frau v. Wedel filmisch unbedeutend beschäftigt war [und] keinerlei kulturelle Gründe vorliegen, sie für den Film frei zu stellen«, stehe einem Einsatz durch das Arbeitsamt nichts entgegen. Wenn sie die Absicht habe, »eine Filmtätigkeit wieder aufnehmen zu wollen, so sind die Aussichten für sie nur gering …« Der nächste Tiefschlag folgte am 13. 1. 1944: Sie wird als Mitglied der Reichsfilmkammer gestrichen. Daraufhin bittet sie, als Reiseleiterin bei dem Unternehmen KdF (Kraft durch Freude) tätig werden zu dürfen. Die Bitte wird abschlägig beschieden. Sie werde stattdessen bei der Truppenbetreuung eingesetzt. Dem hat sie sich vermutlich beugen müssen. Das Scheitern ihrer Filmkarriere habe Jutta ebenso wie die folgenden Schicksalsschläge tapfer hingenommen. Sie sei »niemand gewesen, der sich habe bedauern lassen, sondern resolut und fröhlich von Wesensart, [ihre Mutter] habe sie ›Juxchen‹ genannt«, erinnert sich ihre Schwägerin Annemarie von Wedel Parlow-Wedelsberg, geb. Strelocke.273 Es gibt keine weiteren Nachrichten von Jutta, außer von ihrer Flucht aus Wohlau, wo sie noch bis März 1945 ausharrte, bis zum Tod Friedrich-Karls, der sich, inzwischen Oberstleutnant und

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als ›Märzgefallene‹ … verspottet. Um ihren Einfluss klein zu halten, erließ die NSDAP am 19. April 1933 eine Aufnahmesperre mit Wirkung zum 1. Mai 1933, von der bestimmte Gruppen, so z. B. Mitglieder von SA oder SS, ausgenommen waren. Diese Sperre wurde erstmals nach vier Jahren … gelockert.« (https://de.wikipedia.org/wiki/Märzgefallene, abgerufen am 2. 8. 2015). Schr. v. 2. 4. 1943 an den Reichsschatzmeister der NSDAP, Herrn Schwarz, a.a.O. Ebd. Vgl. auch zum Folgenden BArch, Akte der Reichskulturkammer zu Jutta von Wedel. Wedel Parlow-Wedelsberg, email v. 26. 6. 2010 an d. Verf., a.a.O.

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Korpsadjutant eines Gebirgsjägerkorps, in einem Dorf bei Sarajewo erschossen hatte274. Mit Pferd und Wagen sei sie »bis nach Anhalt gelangt. Unterwegs sei sie erkrankt und habe miterleben müssen, wie aus ihrer geretteten Habe gestohlen [wurde]. Sie ist dann im Spätherbst 1945 in Wanzleben bei Magdeburg an Typhus gestorben.« Offenbar war das Fluchtziel Springe am Deister, wo sich inzwischen Mutter und Schwester befanden. »Auf der Karte wären es von Wanzleben bis Springe noch 150 km gewesen.«275

Ottmar von Wedel Parlow-Wedelsberg Clemens und Jutta waren durch das elterliche Vorbild in die nationalsozialistische Bewegung geraten und blieben ihr vor allem aus beruflichen Gründen verbunden. Ganz ähnlich verhielt es sich bei ihrem Vetter Ottmar von Wedel Parlow-Wedelsberg. Aber während sich jene innerlich mehr und mehr von der NS-Bewegung distanzierten und ihre Parteimitgliedschaft nur noch zum Zweck des beruflichen Fortkommens zu nutzen versuchten, schien Ottmar wirklich an die Verheißungen des Nationalsozialismus zu glauben. Er schwärmt noch von der nationalsozialistischen Bodenpolitik, als diese von niemandem mehr ernst genommen wird, am wenigsten von Hitler : »Und mancher Landarbeiterjunge wird es uns danken, wenn er aus der Erkenntnis heraus, daß seine Altvorderen einmal freie Bauern waren, Herren auf eigener Scholle, … die Achtung vor sich selbst und seiner eigenen Arbeit wiedergewinnt. Gleichzeitig sieht er ja auch, dass der nationalsozialistische Staat alles daransetzt, jahrhundertealtes Unrecht wieder gut zu machen. Aufgeteilte Güter, mit neuen Gebäuden und lebensstarken Neubauernstellen belegt, lassen diesen Geist Wirklichkeit werden und werden auch ihm vielleicht die Möglichkeit einst schaffen, als Sämann über seinen eigenen Acker zu schreiten.«276 Ottmar war über dreißig, als er dies schrieb. Er hatte ein abgebrochenes Jurastudium hinter sich und sechs Jahre Reichsarbeitsdienst (RAD). Er war 1908 als zweitältester Sohn des damaligen Gerichtsassessors Willibald von Wedel Parlow-Wedelsberg und seiner Ehefrau Lilli Hübner geboren worden. In der Kindheit fehlte es vermutlich an nichts, denn die Mutter, Tochter des Geheimen Kommerzienrats und Fabrikbesitzers Ernst Wolfgang Hübner aus Halle an d. Saale, stammte aus reichem Haus. Schon 1910 kauften die Eltern eine 274 Wedel, Familien-Matrikel …, a.a.O., Nr. 25–4. 275 Wedel Parlow-Wedelsberg, email v. 26. 6. 2010 an d. Verf., a.a.O. 276 Ottmar v. Wedel Parlow, Arbeitsdienst in Mecklenburger Landschaft, Schwerin i. M. [1939], S. 13; das Kapitel »Feierabend und Feier« aus dieser Schrift ist wiederabgedruckt im Anhang dieser Abhandlung, S. 167–171.

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luxuriöse Villa in Berlin-Grunewald.277 Lilli war wohl die treibende Kraft, aber auch Willibald, von Hause aus kein üppiges Leben gewöhnt, dürfte den neuen Stil genossen haben, schon aus Konkurrenz zu seinem älteren Bruder Karl, dem späteren NSDAP-Reichstagsabgeordneten, der sich wenige Jahre zuvor das Rittergut Rhode gekauft hatte, ebenso vom Vermögen seiner Frau. Doch schon bald mussten Willibald und Lilli erkennen, dass sie sich übernommen hatten. Das Geldvermögen war in der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg in Nichts zerronnen. Willibald hatte zwar Karriere gemacht, er war 1922 Landgerichtsdirektor geworden, aber auch dessen Gehalt deckte bei weitem nicht die Kosten des aufwändigen Lebensstils. Den Kindern gegenüber wahrte man der Zeit entsprechend Diskretion. Die Söhne konnten unbehelligt studieren – und erhöhten so noch den finanziellen Druck. Ottmar ging mit Zwanzig nach Freiburg, wo er mit dem Studium der Rechte begann – und der schlagenden Verbindung Hasso-Borussia beitrat, und so wird er wohl die halbe Studienzeit auf dem Paukboden verbracht haben. Mit dreißig »Gegenpaukanten« schlug er sich, inzwischen nach Halle gewechselt, im Wintersemester 1928/29.278 Ein Jahr darauf, 1930 und nun in Berlin, bricht er das Studium ab. Die Gründe liegen im Dunklen. Vielleicht fehlte es an Lerneifer, vielleicht sahen sich die Eltern mittlerweile außerstande, sein Studium weiter zu finanzieren. Klarheit über die finanzielle Lage der Eltern erhielt Ottmar spätestens im Dezember 1931. Gegen seinen Vater sei »die gerichtliche Voruntersuchung wegen Wechselbetrugs eingeleitet« worden, konnte er da in Berliner Zeitungen lesen. »Wedel-Parlow wird beschuldigt, durch Mittelsmänner eine Anzahl hoher Wechsel in Umlauf gebracht zu haben, obwohl er wissen musste, dass er sie niemals einlösen könne. [Er] … behauptet, das Opfer eines Schieberkonsortiums, das seine Notlage ausgenützt habe, geworden zu sein.«279 Die Notlage hatte sich immer weiter verschärft. Die Villa im Grunewald war auch der auf ihr liegenden Hypotheken wegen wie ein Klotz am Bein. Seit 1925 hatte Willibald vergeblich versucht, sie zu verkaufen.280 In seiner Not verfiel Willibald auf das biegsame Instrument des Wechseldarlehens. Dass er nicht in der Lage war, die ausgestellten Wechsel bei Fälligkeit einzulösen, er sich somit strafbar machte, würde gar nicht auffallen, so hoffte er wohl, indem er die geschuldeten Beträge durch Ausstellung neuer Wechsel beglich. Möglich war das 277 Dietrich von Wedel-Tuetz-Neuwedell, email v. 8. 9. 2010 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf. 278 Im Nachlass Ottmar von Wedel Parlow-Wedelsbergs (von dessen Sohn Reimbern im Sept. 2009 dem Verf. übergeben) befand sich ein inzwischen verloren gegangener Umschlag mit den Namen der Gegenpaukanten. 279 Landgerichtsdirektor als Wechselbetrüger?, in: Sozialdemokratischer Pressedienst, Berlin, 18. 12. 1931, S. 17, library.fes.de/spdpdalt/19311218.pdf. 280 Wedel-Tuetz-Neuwedell, email v. 8. 9. 2010 an d. Verf., a.a.O.

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freilich nur in enger Zusammenarbeit mit Schieberkreisen. Das Urteil lautete: Vier Jahre Gefängnis und fünf Jahre Ehrverlust.281 Eine schwierige Zeit auch für Ottmar. Plötzlich vor die Notwendigkeit gestellt, auf eigenen Füßen zu stehen, musste er sich für einen Brotberuf entscheiden. Ohne abgeschlossenes Jurastudium, ohne Zugang zum Offiziersberuf282 waren traditionelle Wege versperrt. Drei Jahre Arbeitslosigkeit vergingen, bis der RAD mit seinen Aufstiegsmöglichkeiten einen Ausweg bot. Eine Vorbedingung hatte Ottmar bereits erfüllt. Er war seit 1932 NSDAP-Mitglied.283 Am 7. Sept. 1933 meldet er sich als Arbeitsdienst-Freiwilliger und steigt dort von Mal zu Mal auf, 1938 wird er Oberstfeldmeister, 1941 Arbeitsführer.284

Abb. 9: Ottmar von Wedel Parlow-Wedelsberg (1908–1986)

281 Das Urteil im Wechselschiebungsprozeß, undat. Ausschn. aus ungen. Zt., Arch. d. Fam.verb. von Wedel; das Urteil wurde spätestens im März 1934 gesprochen, denn Willibalds jüngster Sohn Winfried schreibt in der 1946 begonnenen komprimierten Neufassung seines Tagebuchs: »Vater Willibald trat Haft im März 34 an und kam Ende August 38 wieder heraus.« (Dietrich von Wedel-Tuetz-Neuwedell, email v. 10. 9. 2010 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf.). 282 Die Reichswehr nahm wegen der Versailler Beschränkungen, wenn überhaupt, jährlich nur eine sehr kleine Zahl von Offiziersanwärtern auf. 283 Der Beitritt noch im Jahr 1932 erschließt sich aus der vergleichsweise niedrigen Mgl.Nr. 1 106 833, die Ottmar handschriftlich auf den Entwurf seiner Ahnentafel (zum Nachweis der arischen Abstammung) vom 30. 3. 1935 gesetzt hatte (vgl. Nachlass Ottmar von Wedel Parlow-Wedelsberg, Priv.besitz d. Verf.). 284 Handschriftl. Notiz auf S. 55 in Ottmars Ausgabe von Joachim von Wedel, a.a.O., Nachlass Ottmar von Wedel Parlow-Wedelsberg, a.a.O.; der Rang »Arbeitsführer« war der sechsthöchste in der sechzehnstufigen Rangskala des RAD.

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Nicht so sehr der Gegenstand der Arbeit interessiert ihn dort, die Trockenlegung von Mooren, der Wegebau usw., sondern die Erziehung der ihm anvertrauten jungen Menschen. Er sieht sich darin durch den Führer bestätigt: »Schule der Nation, mit diesem Ehrentitel hat der Führer auf dem Parteitag 1935 den Arbeitsdienst ausgezeichnet und damit die umfassende Erziehungsarbeit des Reichsarbeitsdienstes vor aller Öffentlichkeit klargestellt.«285 Ziel sei es, »den jungen Deutschen direkt mit dem Boden zu verbinden, indem wir ihn in unseren Reihen an ihm arbeiten lassen.«286 »[N]icht der Mensch als einzelner mit seinen selbstsüchtigen Interessen, sondern der Mensch als schaffendes Glied der deutschen Volksgemeinschaft«, müsse »Mittelpunkt der Erziehungsarbeit« sein. Zwei Dinge will er diesem Menschen mitgeben, »nämlich einmal die durch nichts zu erschütternde Liebe zu seinem Vaterland und zum andern die Achtung vor seiner eigenen Arbeit.«287 Dass der Arbeitsdienst nur Mittel zum Zweck war, nur Grundlage für das Weltmachtstreben Adolf Hitlers, konnte nicht Gegenstand der von Ottmar verfassten Selbstdarstellung des RAD sein. Dennoch deutet Ottmar die Indienststellung der reichsweiten Organisation am Ende seiner Schrift an. Er kleidet sie in die Gedichtzeilen: »Ein Volk an der Arbeit erfüllte den Traum,/ die Sehnsucht der vielen Geschlechter./ Von rauschendem Meere zu waldigem Saum/ wuchs über die Grenzen des Reiches der Raum,/ Großdeutschland, wir sind seine Wächter.«288 Das »Großdeutsche Reich«, »die alte Sehnsucht der Deutschen«, »durch die geniale Tat des Führers,« den handstreichartigen Anschluss Österreichs und die Annexion des Sudetenlands, Wirklichkeit geworden, feiert er mit den Versen: »Großdeutschland ist fortan dein Name,/ du stolzes Reich, das neu erstand,/ du Traum, der seine wundersame/ Erfüllung durch den Führer fand.«289 Ottmars Tätigkeit beim RAD konzentrierte sich zunächst auf Mecklenburg. Dort lernte er Irmgard Müller kennen, die er 1935 heiratete. Später war er zeitweise in Ostpreußen tätig. Gegen Ende des Krieges wurde er vermutlich im Westen eingesetzt, denn er geriet in französische Gefangenschaft290, noch bevor er sich zu seiner Familie in Schwerin durchschlagen konnte291. Im Lager wirkt Ottmar an Theateraufführungen mit292, schreibt Verse für die Lagerzeitung293 285 286 287 288 289 290 291

Wedel Parlow, Arbeitsdienst …, a.a.O., S. 10. Ebd., S. 12. Ebd., S. 14. Ebd., S. 50. Ebd., S. 49. Ottmars älteste Tochter Edeltraut Kutschke, email v. 9. 3. 2009 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf. Lt. Entlassungsschein vom 2. 5. 1945 wird er »aus dem Reichsarbeitsdienst nach seinem Wohnsitz Schwerin entlassen« (Nachlass Ottmar-Wedelsberg, a.a.O.). 292 Hans Doll, Brief v. 12. 5. 1947 an Ottmar, Nachlass Ottmar-Wedelsberg, a.a.O. 293 Konrad Jansen, Brief v. 5. 8. 1947 an Ottmar, Nachlass Ottmar-Wedelsberg, a.a.O.

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und trägt sich mit Auswanderungsgedanken294. »Europa liegt im Sterben«, schreibt ihm Herbert Müller, ein Bruder oder Onkel Irmgards, und will auch Irmgard »sehr zu Brasilien raten«.295 Irmgard berichtet, beide Kinder seien musikalisch, aber das Klavier stehe »leider beim Russen«.296 Nach der Entlassung Mitte 1947 strebt Ottmar nach Homberg in Oberhessen. Mit der Rückkehr nach Schwerin lässt er sich Zeit. Das Leben in der sowjetisch besetzten Zone scheint nicht erstrebenswert. Irmgard und Ottmar trennen sich. Ottmar heiratet erneut, jetzt Reinhild Schroth aus Konstanz. Nach tastenden Versuchen an verschiedenen Orten lässt sich Ottmar Mitte der fünfziger Jahre in Bottrop nieder. Mit seiner dritten Frau Ella Krieger baut er sich hier eine Existenz als kaufmännischer Angestellter auf. Der Familienverband ehrt ihn, indem er ihn 1971 zu seinem Vorsitzenden wählt. Er ist der 5. Vorsitzende nach dem Krieg und hat das Amt bis 1983 inne. Drei Jahre darauf stirbt er.

Haro Burchard Graf von Wedel-Gödens Ganz andere Antriebskräfte waren es, die Haro Burchard Graf von Wedel-Gödens aus der ostfriesischen Linie zum Eintritt in die Partei bewegt hatten. Schlichte Begeisterung wie im oben geschilderten Falle Erhards aus dem Weimarer Zweig der ostfriesischen Linie scheint jedenfalls nicht der entscheidende Beweggrund gewesen sein, so die Überzeugung seines Sohnes Wedigo.297 1891 geboren, hatte Haro Burchard ursprünglich Landrat werden wollen, nicht irgendwo, sondern im Kreis Wittmund, zu dem damals auch die Herrlichkeit Gödens gehörte, dessen Besitz er als ältester Sohn irgendwann antreten würde. Gödens, in Ostfriesland gelegen und damit scheinbar ohne Verbindung zum ostelbischen Kulturkreis, kann dennoch als eine exterritoriale Insel ostelbischer Denk- und Verhaltensweisen betrachtet werden, seitdem es Mitte des 18. Jahrhunderts in Wedelsche Hand gekommen war. Der erste Wedelsche Besitzer, Freiherr Anton Franz von Wedel, war von Friedrich dem Großen wegen seiner »Treue bei dem Anfall von Ostfriesland« in den erblichen Grafenstand erhoben worden. Dem Enkel des aus Pommern stammenden, in dänisch-norwegischen Diensten zu Ehren gekommenen Gustav Wilhelm Graf von Wedel-Jarlsberg »war es mit an erster Stelle zu verdanken, daß die Besitzergreifung [des verwaisten 294 Hans Doll, Brief v. 12. 5. 1947 an Ottmar, a.a.O. 295 Herbert Müller, Brief v. 10. 5. 1947 an Ottmar, Nachlass Ottmar-Wedelsberg, a.a.O. 296 Irmgard von Wedel Parlow-Wedelsberg, Brief v. 9. 4. 1947 an Ottmar, Nachlass OttmarWedelsberg, a.a.O. 297 Vgl. auch zum Folgenden Wedigo Graf von Wedel-Gödens, Brief v. 15. 10. 2008 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf.

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Abb. 10: Schloss Gödens, Ostfriesland, um 1935

ostfriesischen Fürstenhauses] durch das erbberechtigte Preußen reibungslos vonstatten ging.«298 Freilich konnte das Haus Gödens auf eine ganz andere Tradition zurückblicken als die Wedelschen Häuser im Osten. Was den Wedel in der Neumark und in Pommern nie gelungen war, eine eigene Landesherrschaft zu errichten und damit Reichsunmittelbarkeit zu erlangen, besaß die Herrlichkeit Gödens299 schon seit Jahrhunderten, als »Anton Franz infolge der Anrechte seiner Mutter, einer geborenen Gräfin Juliane von Frydag«300 in dessen Besitz gelangte. Die Besitzer von Gödens zählten zum Hochadel, bis die schon zuvor stark eingeschränkten landesherrlichen Rechte 1839 erloschen.301 Das schuf einen Abstand zu den kleinadeligen ostelbischen Wedel, so sehr ihn auch die Gödenser Wedel zu leugnen versuchten und sich mit dem Aufkommen der Familienverbände allmählich immer stärker den Wedel im »Land über der Oder« zugehörig fühlten, woher sie ja letztlich selbst stammten. Wie immer man die Sonderstellung von Gödens im Vergleich zu den Wedelschen Häusern im Osten bewertet, Herr auf Gödens zu werden und Landrat des zuständigen Kreises, neben der Gutsherrschaft also auch eine öffentliche Aufgabe zu übernehmen, entsprach durchaus auch einer preußischen Tradition 298 Siehe auch zu dem »Freiherrntitel, den der Graf zu Gödens bis dahin geführt hatte«, Wedel Parlow, Die Wedel in acht Jahrhunderten, a.a.O., S. 39. 299 »Als Herrschaft (franz. Seigneurie) oder Herrlichkeit wurde in der Feudalzeit das Territorium oder Lehen eines Landesherrn bezeichnet, der in diesem Gebiet die vollen Herrschaftsrechte ausübte« (https://de.wikipedia.org/wiki/Herrschaft_(Territorium), abgerufen am 19. 8. 2015). Speziell zur Herrlichkeit Gödens vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/ Herrlichkeit_Gödens, abgerufen am 19. 8. 2015. 300 Wedel Parlow, Die Wedel in acht Jahrhunderten, a.a.O., S. 39. 301 Herrlichkeit Gödens, a.a.O.

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und war zahlreichen Beispielen östlich der Elbe vergleichbar. Jedenfalls begann Haro Burchard nach dem Abitur an der Ritterakademie in Brandenburg mit dem Blick auf die ersehnte Aufgabe in Bonn mit dem Studium der Rechte, erfüllte bei den Bonner Husaren gleichzeitig seine Militärpflicht und legte noch vor dem Ersten Weltkrieg das Referendarexamen ab. Im Krieg bei der Aufklärung, geriet er bald in französische Gefangenschaft, die er überwiegend in Algerien verbrachte, wo er an Malaria erkrankte. Ein Gefangenenaustausch ermöglichte 1916 oder 17 die Rückkehr – und einen erneuten Einsatz als Leutnant in der Ukraine. Nach dem Ende der Monarchie fand er eine Karriere in der inneren Verwaltung nicht mehr erstrebenswert, ganz ähnlich übrigens wie sein Onkel Botho Graf von Wedel-Gödens, der damals »als Botschafter in Wien aus Enttäuschung über den Versailler Vertrag und die Gesamtentwicklung vorzeitig in den Ruhestand« trat.302 Haro Burchard war damals noch jung, noch keine dreißig, und in der glücklichen Lage, über eine Alternative zu verfügen. »Er glaubte nun, das Gut selbst bewirtschaften zu sollen, und studierte nach einer Lehrzeit von zwei Jahren in Hinterpommern noch Landwirtschaft in Göttingen«, um nach dem Diplomexamen, 1926, mit seiner inzwischen schon fünfköpfigen Familie in Gödens einzuziehen. Es war eine politisch instabile Zeit. In Neustadtgödens, wo viele von der Arbeit auf der Werft in Wilhelmshaven lebten, herrschte Arbeitslosigkeit, da kaum Schiffe gebaut wurden. Es lebten dort auch einige jüdische Familien, wie Wedigo von einem Zeitzeugen303 weiß. Etliche Bauern hatten sich bei ihnen verschuldet. Als ein überschuldeter Hof zwangsversteigert werden sollte, hatten sich dort, von der NS-Agitation aufgehetzt, zahlreiche Nachbarn versammelt und forderten lautstark, niemand möge ein Gebot abgeben. »Wer hier bietet, wird verprügelt.« Aus der Sicht des von Wedigo befragten Zeitzeugen war damals in den Augen vieler die NSDAP »die einzige Partei, die einen möglichen Ausweg aus den verworrenen Verhältnissen zu versprechen schien«. Auch Haro Burchard habe damals wohl geglaubt, so der Zeitzeuge, »dass sie die Lage stabilisieren könnte. Er trat in die Partei ein304 und war Mitglied des Kreistags und Ortsgruppenleiter in Gödens.« Wedigo vermutet, dass sein Vater sich vor diesem Schritt »auch mit 302 Werner Graf von der Schulenburg, ein Enkel Botho Graf von Wedels, Brief v. 5. 11. 2008 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf.; es war also nicht nur der Vertrag von Versailles, weswegen sich Botho in den vorzeitigen Ruhestand versetzen ließ, wie Ludolf von Wedel Parlow in »Die Wedel in acht Jahrhunderten« (S. 53) schreibt, sondern auch die »Gesamtentwicklung«, also die Weimarer Verfassung, die von den Sozialdemokraten dominierte Politik usw. 303 Sohn eines engen Mitarbeiters von Haro Burchard, Jahrg. 1921. 304 Eintrittsdatum: 10. 2. 1932, Mgl.Nr. 982 599 (Ernst Klee, Das Kulturlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt 2007, S. 648).

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Standesgenossen, die der NSDAP nicht fern standen, beraten hat. So hatte er Kontakt mit Ernst Graf Reventlow, der 1927 in die NSDAP eingetreten war, und mit Nikolaus Erbgroßherzog von Oldenburg, den er vom Studium kannte.« Folgt man der Einschätzung des Zeitzeugen305, so war Haro Burchard aus einem politisch rationalen Kalkül beigetreten, ganz ähnlich wie der oben erwähnte Generallandschaftsdirektor Graf Wedego von Wedel-Gerzlow, allerdings erst 1932, vier Jahre später als dieser. In diesem Kalkül steckte – wie bei Wedego – eine gehörige Portion Republikfeindlichkeit. Denn es war ja nicht so, dass die Parteien der »Weimarer Koalition« über kein tragfähiges Konzept zur Lösung der Krise verfügt hatten. Nur die Mehrheit fehlte ihnen, nicht zuletzt weil die ehemals herrschende Schicht – der Adel – und große Teile des Bürgertums auf republikfeindliche Kräfte setzten, anfangs auf die DNVP und nun vermehrt auf die NSDAP. Haro Burchards »Klasse« hatte also kräftig zur »Verworrenheit« der Verhältnisse beigetragen. »In der Öffentlichkeit hielt [Haro Burchard] sich allerdings sehr zurück«, so der Zeitzeuge weiter. »In dem typischen Braun der Partei ist er nie gesehen worden. An Parteiversammlungen im Ort nahm er [immer seltener] teil. Er versuchte zu lavieren, so dass er sich weder im Sinne der Nazis noch im Sinne ihrer Gegner exponierte. 1937 übergab er die Leitung der Ortsgruppe der NSDAP an einen Landwirt in Gödens.« Solche Zurückhaltung beruhte vielleicht nicht nur auf wachsenden Zweifeln an der Richtigkeit seines Parteibeitritts, sondern auch auf häuslichen Diskussionen. Denn seine Ehefrau Irene, geb. Freiin von Langermann, »lehnte die NSDAP, vor allem wegen der antikirchlichen Haltung der Partei, ab. So ging sie bewusst nicht zur öffentlich inszenierten Überreichung des Mutterkreuzes in Silber, das ihr nach der Geburt des sechsten Kindes verliehen werden sollte. Auch übernahm sie bewusst die Stelle [der] Organistin, als der Dorfschullehrer, der bisher [das Amt innehatte], dies im Hinblick auf seine Zugehörigkeit zur NSDAP nicht mehr für vertretbar hielt.« Kriegsspielzeug verbannte sie aus den Kinderzimmern.306 So war es vielleicht Irene zu verdanken, dass Haro Burchard standhaft blieb, als die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) versuchte, den von seiner Mutter Julia, geb. Freiin von dem Bussche, gegründeten Kindergarten in Loga, die sogenannte Warteschule Loga, in ihre Hand zu bekommen.307 Erste Versuche

305 Näheres würde vielleicht ein von Haro Burchards Schwiegertochter Heidi Gräfin von WedelGödens unter Verschluss gehaltenes Tagebuch Haro Burchards erweisen (vgl. Heidi Gräfin von Wedel-Gödens, Brief v. 9. 2. 2009 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf.). 306 Sievert Graf von Wedel-Gödens, Postkarte v. 27. 9. 2010 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf. 307 [Emil Rudolfsen], 100 Jahre Evangelisch-lutherischer Kindergarten Loga. Von der Warteschule zum Kindergarten, [Loga 1995], S. 29f.; die Warteschule war 1895 von Julia ge-

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Abb. 11: Haro Burchard Graf von Wedel-Gödens (1891–1966)

der NSV hatte bereits seine Schwägerin Mathilde Gräfin von Wedel-Gödens, geb. von Oertzen, abgewehrt – als Vorsitzende zunächst des Näh- und Pflegevereins Loga, dann des Pflegevereins Loga-Logabirum war sie die Trägerin der Warteschule. Jetzt, im Jahre 1941, glaubte die NSVans Ziel zu gelangen, indem sie beim Landkreis vorstellig wurde, er möge Haro Burchard veranlassen, das Eigentum am Kindergartengebäude abzutreten. Auf das betreffende Ersuchen des Landkreises Leer entgegnete Haro Burchard, »dass der Kindergarten nach seiner Information zur allgemeinen Zufriedenheit der Bevölkerung arbeite und ihm nie Klagen vorgetragen worden seien. Weder seitens der Behörden noch von der Partei seien irgendwelche … Beanstandungen gekommen. Daher bestehe keine Notwendigkeit, der NSV die Trägerschaft zu übertragen …« Man konnte sich den Gleichschaltungsbestrebungen des NS-Staats also durchaus mit Erfolg in den Weg stellen, ohne dass gleich Verhaftung und KZ drohten, wenn man es nur geschickt anstellte, wie es hier offenbar der Fall war. Von derselben Haltung zeugt die Rettung des englischen Piloten, der 1943 oder 44 über Gödens abgeschossen worden war und mit seinem Fallschirm auf einer Weide unweit des Schlosses landete. Landarbeiter waren hingelaufen, Prügel in den Händen, und hatten Anstalten gemacht, den Piloten zu erschlagen.308 Erst als Irene beherzt dazwischen trat und den Leuten erklärte, einen gründet und seitdem von ihrem Ehemann Georg Erhard Graf von Wedel-Gödens finanziell unterstützt worden. 308 »Goebbels … veröffentlichte am 25. Mai 1943 im Völkischen Beobachter einen Artikel, der darauf hinwies, dass die Regierung nichts gegen Lynchaktionen an alliierten Flieger un-

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Gefangenen erschlage man nicht, sondern übergebe ihn den Behörden, hatten sie von ihrem Tun abgelassen und sich über die Fallschirmseide hergemacht.309 In Anbetracht solcher von Irene bewiesener Widerständigkeit im Kleinen, die auch Haro Burchard sich teilweise zu eigen gemacht hatte, war es bitter für ihn, dass er nach dem Krieg von den Alliierten für elf Monate in ein Lager gesperrt wurde, in das vormalige KZ Esterwegen im Emsland. Von diesem Schock habe er sich nicht mehr erholt.

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Auch wer der NSDAP erst nach dem 30. Januar 1933 beigetreten war – der zeitgeschichtlichen Forschung zufolge handelt es sich um immerhin 43 Wedel, mochte den Schritt noch aus einer gewissen Begeisterung getan haben, zum Beispiel, um dem Hitler-Regime Anerkennung zu zollen für sichtbare wirtschaftliche Erfolge. Opportunistische Beweggründe dürften jedoch überwogen haben, und sei es die schiere Angst um den Arbeitsplatz oder die Not, nirgendwo anders unterzukommen als in einer staatlichen Behörde. Welche Motive im Einzelfall den Parteibeitritt begründeten, lässt sich heute kaum noch erkennen. Dennoch ist jeder einzelne Fall in seiner Verschiedenheit betrachtenswert.

Bernd und Anneliese von Wedel-Fürstensee So ist von Bernd von Wedel-Fürstensee und seiner Frau Anneliese, geb. von Wedel-Gerzlow, kaum anzunehmen, dass sie einem äußeren Druck unterlagen – außer durch die vielleicht schon damals fühlbaren Pressionen des »Reichsnährstands«310, als sie sich Anfang 1933 um die Aufnahme in die NSDAP bemühten, die dann am 1. Mai 1933 erfolgte.311 Schließlich kamen beide aus begüterten Familien. Anneliese, 1897 geboren, war eine ältere Schwester des oben erwähnten Gutsbesitzers und zeitweiligen Generallandschaftsdirektors der Neumark, Graf Wedego von Wedel-Gerzlow. Bernd wurde 1893 geboren. Er blieb ternehmen werde, die Zivilpersonen beschossen hatten … Daraufhin kam es zu etwa 350 Lynchmorden an alliierten Fliegern.« (Alfred-Ingemar Berndt, https://de.wikipedia.org/ wiki/Alfred-Ingemar_Berndt, abgerufen am 5. 5. 2016). 309 Wedigo Graf von Wedel-Gödens, Gedächtnisprot. eines Tel.gespr. am 3. 2. 2009 m. d. Verf., Priv.besitz d. Verf. 310 Vgl. dazu die Ausführungen in der Einleitung, S. 31f. 311 Mgl.Nr. 2 146 565 bzw. 2 346 242, BArch (ehem. BDC), NSDAP-Gaukartei. Als StahlhelmMitglied genoss Bernd – obwohl vermutlich »Märzgefallener« (vgl. Anm. 269) – das Vorrecht, alsbald in die Partei aufgenommen zu werden, ebenso wie seine Frau als Mitglied des Luisenbunds.

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Einzelkind und erbte so die beiden Güter Blankensee und Fürstensee nebst etlichen Vorwerken. Man war also wirtschaftlich und damit auch politisch unabhängig. Vielleicht versprach sich Bernd von dem Parteibeitritt, auch unter den neuen Verhältnissen eine politische Rolle spielen zu können. Denn der Politik galt seine ganze Leidenschaft, wie er in seinem Bericht über Fürstensee bekennt.312 Schon 1928 hatte er zusammen mit Elard von Oldenburg-Januschau den Ostelbischen Ausschuß gegründet, einen Zusammenschluss »von Stahlhelm- und Landbundführern in den östlichen Provinzen«, der sich »die Bekämpfung der dem Reich von innen und außen drohenden Gefahren sowie die Vereinigung aller vaterländischen Verbände« vorgenommen hatte, wie Bernd vor einem Stahlhelm-Ausschuss am 8. Juli 1928 berichtete.313 Hierzu sollten »die einzelnen Verbände und Organisationen der Provinzen auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet auf eine Linie« gebracht werden.314 Wirklich gelungen ist das wohl nur mit dem pommerschen Landbund unter dem Vorsitz von Hans von RohrDemmin, wie Bernd in seinem Fürstensee-Bericht andeutet.315 Die Idee schlief bald ein, sie war zu verschwommen, um eine größere Gefolgschaft zu gewinnen. Bernd wandte sich nun verstärkt der NS-Bewegung zu. Ideologisch stand er ihr ohnehin nahe, wie etwa sein weiter oben zitiertes Bekenntnis zu einem »Führerstaat« belegt. Als Stahlhelm-Führer von Pommern-Grenzmark beschwor er den Gauleiter von Pommern, Walter von Corswant, schon 1930, ein Wahlbündnis mit dem Stahlhelm einzugehen. Man sei ebenso antimarxistisch, antiliberal, antikapitalistisch und völkisch wie die NSDAP.316 Das Angebot317 mochte taktisch motiviert gewesen sein. Denn vom Stahlhelm liefen reihenweise Mitglieder zur NSDAP über. Aber es zeigt doch eine fast völlige Übereinstimmung in den politischen Vorstellungen. Auch mit dem italienischen Faschismus liebäugelte Bernd. Mit anderen prominenten Pommern besuchte er Mussolini und war beeindruckt von dessen Idee, den Klassenkampf durch ein berufsständisches Programm zu überwinden.318 312 Wedel-Fürstensee, Fürstensee, a.a.O., S. 198ff. Vielleicht hatte auch Anneliese ihren Teil zu seinen politischen Ambitionen beigetragen, wie etwa Hubertus von Wedel-Kannenberg (ehemaliger Gutsnachbar und nach 1945 Familienvorsitzender) mutmaßt: »… wenn die Frau ihn nicht so in die Politik getrieben hätte, hätte er [die Vorwerke] Friedrichshof und Kuckmühle nicht verkaufen und den Wald [nicht] zum größten Teil abschlagen [müssen]« (Brief v. 31. 8. 1960 an Ludolf von Wedel Parlow-Polßen, Priv.besitz d. Verf.). 313 Berghahn, a.a.O., S. 133 sowie Wedel-Fürstensee, Fürstensee, a.a.O., S. 202. 314 Ebd. 315 Ebd. 316 »Hie Stahlhelm, hie Nationalsozialismus«, in: Pommersche Tagespost, Nr. 126 vom 31. 5. 1930, zit. n. Baranowski, Sanctity, a.a.O., S. 151. 317 Corswant lehnte übrigens ab – der Stahlhelm sei nicht sozialistisch genug und wolle die Monarchie wiedererrichten (ebd.). 318 Baranowski, Sanctity, a.a.O., S. 154.

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Denkbar also, dass Bernd den neuen Staat nach der Machtübergabe an Hitler durchaus begrüßte, wenn er nicht gar ins Schwärmen geriet über die Aussichten, die der Hitlerstaat verhieß. »Man schwankte in dem Hause mit Temperament erst zum Stahlhelm und Luisenbund und später zum Nazitum«, war der Kommentar des Familienvorsitzenden Hubertus von Wedel-Kannenberg zum Fürstensee-Bericht.319 Bernd selbst verschweigt in seinem Fürstensee-Bericht die Parteimitgliedschaft und deutet eher eine Gegnerschaft an: »Später wurde durch die ›Machtergreifung‹ der NSDAP, 1933, die Wiederaufnahme einer politischen Tätigkeit endgültig unmöglich. Selbst lokale Zusammenkünfte auf religiöser Basis waren suspekt und wurden überwacht. … wir selbst entgingen lediglich durch die Fürsprache anderer der Verhaftung.«320 Diese Version wird auch von seiner Tochter Roswitha unterstützt. Ihre Eltern seien als Mitglieder des Stahlhelm bzw. Luisenbunds in die NSDAP geraten. Nach ihrem Einverständnis sei nicht gefragt worden. Ebenso sei es den Landarbeitern ergangen, soweit sie Mitglieder des Stahlhelm bzw. des Bunds Königin Luise waren.321 In der Erinnerung haben sich hier womöglich zwei Ereignisse übereinander geschoben: Der Parteibeitritt im Mai 1933 und die Gleichschaltung von Stahlhelm und Luisenbund Anfang 1934. Beide Organisationen wurden damals in NS-Formationen überführt, der Stahlhelm in den »Nationalsozialistischen Deutschen Frontkämpfer-Bund (Stahlhelm)«, der Luisenbund in die NS-Frauenschaft.322 Als Mitglied dieser Unterorganisationen der NSDAP erwarb man noch nicht automatisch die Parteimitgliedschaft. Die musste gesondert beantragt werden. Bernd und Anneliese werden der Partei also wohl doch freiwillig beigetreten sein. Tatsächlich waren sie ja schon fast ein ganzes Jahr vor der Gleichschaltung von Stahlhelm und Luisenbund Parteimitglieder geworden. Augenfälliger als das Parteiabzeichen waren freilich die SA-Uniformen, welche die Stahlhelm-Mitglieder bei entsprechenden Anlässen von 1934 an tragen mussten. Denn mit der Gleichschaltung des Stahlhelm war zugleich die Überführung der StahlhelmMitglieder in die SA Reserve I vereinbart worden.323 Diesen Akt grober Bevormundung nahmen viele Stahlhelm-Mitglieder zum Anlass, ihren Austritt aus der

319 Hubertus von Wedel-Kannenberg, Brief v. 9. 7. 1960 an Ludolf von Wedel Parlow-Polßen, Priv.besitz d. Verf. 320 Wedel-Fürstensee, Fürstensee, a.a.O., S. 202f. In der Tat stand Bernd auf der Festnahmeliste Nr. 22 zum 20. Juli 1944 des Reichssicherheitshauptamts IV – Sonderkommission 20. Juli – (BAB, R58/3197, Blatt 16). 321 Roswitha von Wedel-Fürstensee, email v. 1. 11. 2008 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf. 322 Vereinbarung zwischen Franz Seldte und Ernst Röhm vom 28. März 1934, Ziff. 6, BArch, R 58/311, Blatt 2. 323 Ebd.

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SA zu erklären.324 So wohl auch Bernd und die Fürstenseer Landarbeiter. Solchen Eigensinn konnte die SA »natürlich nicht dulden. So wurden alle geschlossen wieder [in die SA] aufgenommen«325. Bernd und Anneliese werden sich rasch besonnen haben nach dieser Erfahrung. Ihr Flirt mit der NSDAP erschien ihnen deswegen im Rückblick vielleicht als so kurz und bedeutungslos, dass sie ihn einer Erwähnung im FürstenseeBericht nicht für wert erachteten, dafür aber umso stärker ihre Gegnerschaft herausstellten. In der Tat gingen sie als Regime-Gegner gewisse Risiken ein. »Meine Mutter«, schreibt Roswitha, »hat damals den so genannten Möldersbrief326 vervielfältigen lassen und ihn dann herumgeschickt.«327 Mit dem NSDAP-Kreisleiter legte sie sich an, als sie für den gefallenen Sohn Wilfried und die bis dahin gefallenen 16 Fürstenseer auf einer bewaldeten Anhöhe ein großes Eichenkreuz aufstellen ließ. Der Kreisleiter hatte das »Christenkreuz« verboten, doch Anneliese hatte nicht locker gelassen und schließlich sogar das OKH (Oberkommando des Heeres) eingeschaltet, mit dessen Hilfe sie dann eine Genehmigung erwirkte.328 Keine wirklich mutigen Taten also, sondern Zeugnisse einer eigenständigen, nicht dem Nationalsozialismus verfallenen Haltung. Roswithas Bericht329 zufolge habe Bernd, seit 1936 als Reserveoffizier der Wehrmacht reaktiviert, bald wieder ein Forum gefunden, auf dem – mit gehöriger Vorsicht – politische Gespräche geführt werden konnten. Er sei bald nach 1933 dem Union-Klub beigetreten, einem Refugium des Adels und Großbürgertums, 1867 gegründet, um in Deutschland eine Vollblutzucht aufzubauen. Mitglieder waren Züchter und Reiter aus ganz Deutschland.330 Aber auch ohne 324 Geheimes Staatspolizeiamt Berlin, Anlagen zum Bericht über den NSDFB, BArch, R 58/311, Blatt 11ff. 325 Wedel-Fürstensee, email v. 1. 11. 2008 an d. Verf., a.a.O. 326 Ein angeblich von dem populären Luftwaffenoberst Werner Mölders kurz vor dessen Unfalltod im Nov. 1941 an den kath. Probst von Stettin gerichtetes Schreiben, das im Januar 1942 in Umlauf kam und sich – als eindrucksvolles Dokument des katholischen Widerstandes – rasch verbreitete. Der britische Geheimdienst gestand 1962, das Schriftstück gefälscht zu haben (https://de.wikipedia.org/wiki/Möldersbrief, abgerufen am 22. 8. 2015). 327 Wedel-Fürstensee, email v. 1. 11. 2008 an d. Verf., a.a.O. Ähnlich wie bei manchen anderen Erzählungen, deren Funktion es ist, die Nähe zum Widerstand gegen Hitler zu illustrieren, muss der Wahrheitsgehalt auch dieser Anekdote offen bleiben. 328 Wedel-Fürstensee, Fürstensee, a.a.O., S. 203. Bernds Schwager, Oberst Hans-Walter von Olberg, Ehemann von Annelieses Schwester Armgard von Wedel-Gerzlow, Chef der Offiziersausbildungsabteilung im OKH, könnte sich für Annelieses Anliegen verwendet haben. 329 Wedel-Fürstensee, emails v. 23. 9. u. 1. 11. 2008 an d. Verf., a.a.O. Für Roswithas Bericht haben sich in den Archiven außer der erwähnten Nennung seines Namens auf einer Festnahmeliste des Reichssicherheitshauptamts zum 20. Juli 1944 (vgl. Anm. 320) bisher keinerlei Bestätigungen gefunden, so dass dessen Wahrheitsgehalt besonders im Hinblick auf einen angeblichen Verschwörerkreis im Unionklub noch nicht als gesichert gelten kann. 330 Walther F. Kleffel, 100 Jahre Union-Klub. Eine geschlossene Gesellschaft von Gentlemen, in: Die Zeit v. 25. 8. 1967. Zur Kampagne des Prinzen und späteren Kaisers Wilhelm II. gegen

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Abb. 12: Bernd von Wedel-Fürstensee (1893–1959), 1958

solche Qualifikationen konnte man aufgenommen werden, wenn man nur vermögend war und einflussreich.331 Getagt habe man im Hotel Adlon. Hier nun sei im engsten Kreis und unter größter Geheimhaltung über die Zukunft Deutschlands gesprochen worden. Bernd sei damals in Neuruppin stationiert gewesen.332 So habe er es wohl einrichten können, an den Treffen teilzunehmen. Als nach dem 20. Juli 1944 einige Mitglieder verhaftet wurden, unter diesen auch der Polizeipräsident von Berlin, Bernds Schwager Wolf-Heinrich Graf von Helldorff, sei Bernd stark gefährdet gewesen. Die Gestapo habe auch in Fürstensee nachgeforscht. Dass Bernd nicht verhaftet, sondern nur strafversetzt worden sei nach Frankfurt/Oder, war vielleicht dem aus Klagenfurt stammenden SS-Hauptsturmführer und Träger des Deutschen Kreuzes in Gold, Rolf Möbius,333 zu verdanken, den Bernds Tochter Annerose 1943 geheiratet hatte.

Curt und Edeltraud von Wedel-Kremzow Auch Curt und Edeltraud von Wedel-Kremzow, er 1875, sie 1883 geboren, sind erst nach der Machtübergabe an Hitler Parteimitglieder geworden, am 1. Mai das im Klub florierende Glücksspiel vgl. John C. G. Röhl, Wilhelm II. Die Jugend des Kaisers, München 1993, S. 508ff. 331 »… it is clear that entry into the club was a matter of co-optation among the wealthy, an even more selective elite than that of the Herrenklub …« (Fabrice d’Almeida, High Society in the Third Reich, first publ. in French, Cambridge (UK) 2008, S. 125). 332 Seit 1. 6. 1942 als Oberstleutnant d. R. bei der Pz.Ers.Abt. 5 des Pz.Reg. 6 (Bundesarchiv, Abt. Militärarchiv, RW 59/2077). 333 Vgl. die Angaben im Forum für deutsche Militärgeschichte (forum.balsi.de/index.php?top ic=4785.0, abgerufen am 22. 8. 2015).

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1937.334 Die Gründe liegen im Dunklen. Als Besitzer von Kremzow waren sie ähnlich wie Bernd und Anneliese von Wedel-Fürstensee wirtschaftlich unabhängig, wenn man von eventuellen Konflikten mit dem »Reichsnährstand«335 zum Beispiel bei der Zuteilung von Arbeitskräften absieht. Jedenfalls mussten sie sich keine Sorgen um berufliche Stellung und Karriere machen. Das relativ späte Beitrittsdatum erklärt sich vermutlich dadurch, dass sie erst nach dem Wahlsieg der NSDAP am 5. März 1933 um die Aufnahme ersucht hatten und damit unter die vierjährige Aufnahmesperre für so genannte »Märzgefallene« fielen.336

Abb. 13: Curt von Wedel-Kremzow (1875–1945)

Es gibt allerdings Hinweise, dass es nicht nur opportunistische Erwägungen gewesen sein konnten, die Curt und Edeltraud zum Parteibeitritt veranlassten. Diese Hinweise liefert die neue Familiensatzung337, deren völkisch orientierter 334 Mgl.Nr. 4 106 471 bzw. 4 405 775, BArch, ehem. BDC, NSDAP-Gaukartei. 335 Vgl. die betreffenden Ausführungen in der Einleitung, S. 31f. 336 Auch Bernd und Anneliese-Fürstensee waren vermutlich »Märzgefallene« (vgl. Anm. 269), hatten ihren Aufnahmeantrag also wohl erst nach dem Wahlsieg der NSDAP am 5. März 1933 gestellt. Als Mitglieder des Stahlhelm bzw. Luisenbunds fielen sie jedoch – ebenso wie SA-Leute – unter eine Ausnahmeregelung, sodass sie schon zum 1. Mai 1933 aufgenommen wurden. 337 Satzung des schloßgesessenen Geschlechts der Grafen und Herren von Wedel, Berlin

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Entwurf, unterzeichnet von Curt und fünf weiteren Vorstandsmitgliedern, der Familie im Dezember 1935 zugeht338 und schon im Januar 1936 angenommen wird. Curt war erst im Februar 1935 zum neuen »Vorsteher der Familie« gewählt worden. Er und kein anderer war also verantwortlich für den Text, mag dieser auch zu großen Teilen von dem damals zweiundvierzigjährigen Christian-Otto von Wedel Parlow aus dem Hause Polßen verfasst worden sein.339

Karl Erhard Graf von Wedel-Gödens Zu den auffällig zahlreichen Wedelschen Gutsbesitzern und Landwirten, die nach Hitlers Machtantritt zur NSDAP stießen – so als ob sie fürchteten, Nachteile zu erleiden, wenn sie sich von der »Bewegung« fernhielten – zählten neben den bereits erwähnten beiden Vettern Bernd von Wedel-Fürstensee und Curt von Wedel-Kremzow auch die Gutsbesitzer Clemens Graf von Wedel-Großzschocher, Busso von Wedel-Piesdorf, Hasso von Wedel-Katzborn, Joachim von Wedel-Pumptow, Karl Erhard Graf von Wedel-Gödens und Wedigo von WedelEmmasthal. Sie alle traten der NSDAP erst nach deren Wahlsieg am 5. März 1933 bei.340 Unter den genannten Gutsbesitzern fällt Karl Erhard Graf von Wedel-Gödens aus dem Rahmen. Nicht nur, dass er wie alle Gödenser Wedel ein Ostfriese war. Eine Ausnahmeerscheinung war er vor allem insofern, als er nur 75 ha bewirtschaftete, einen Pachthof in Loga, Ostfriesland. Sein eigener Besitz, die Burgstätte Nesse im Kreis Norden, ein mittelgroßer Hof, war verpachtet. 1898 geboren, im 1. Weltkrieg noch als Fahnenjunker und Fähnrich bei den 13. Ulanen, erwarb Karl Ehrhard nach dem Krieg das Diplom und den Doktor im Fach Landwirtschaft341. Man ahnt etwas von westlicher Wertschätzung der Bildung,

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31. Januar 1936, Arch. d. Fam.verb. von Wedel; wiederabgedruckt im Anhang, S. 154–163; sie war von 65 Familienangehörigen unterschrieben worden, vermutlich ausschließlich männlichen, denn nur diese waren stimmberechtigt. Vorstand des Familienverbandes, Schr. v. 30. 11. 1935, Arch. d. Fam.verb. von Wedel. Wedel Parlow, Die Wedel in acht Jahrhunderten, a.a.O., S. 60 f; Wulff Wedigo v. WedelKremzow, Kremzow, Kreis Pyritz, in: Wedel-Parlow-Polßen (Hg.), Wedelsche Häuser im Osten, a.a.O., S. 51. Clemens Graf von Wedel-Großzschocher am 1. 7. 1940 mit der Mgl.Nr. 8 180 740 (BA, ehem BDC, NSDAP-Gaukartei), seine Ehefrau Pauline, geb. Gräfin von Wedel am 1. 7. 1940 mit der Mgl.Nr. 8 180 804 (ebd.), Busso von Wedel-Piesdorf am 1. 5. 1937 mit der Mgl.Nr. 4 482 639 (ebd.), Hasso von Wedel-Katzborn am 1. 5. 1937 mit der Mgl.Nr. 4 863 071 (ebd.), Joachim von Wedel-Pumptow am 1. 5. 1937 mit der Mgl.Nr. 4 106 472 (ebd.), Wedigo von WedelEmmasthal am 1. 5. 1933 mit der Mgl.Nr. 2 025 002 (ebd.), Karl Erhard Graf von Wedel am 1. 5. 1933 mit der Mgl.Nr. 3 159 078 (Ernst Klee, Das Kulturlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt/M 2007, S. 648). »Promoviert hat er über den Grad der Ausnutzung von Futter bei Hausschweinen und

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die schon von den Gödenser Großeltern gefördert wurde: Vater Georg Erhard Graf von Wedel-Gödens und Onkel Botho Graf von Wedel-Gödens waren Doktoren der Rechte, die Brüder Haro Burchard und Albrecht Rechtsreferendare, Haro Burchard zudem noch Diplom-Landwirt. Seit dem Tod des Vaters Ende 1931 Mitglied der Synode der evangelischlutherischen Landeskirche Hannover, trat Karl Erhard hierin zum Teil das Erbe seines Vaters an, stand nun aber unter dem Druck, seine Tätigkeit als Synodaler mit den Anforderungen der Landwirtschaft zu vereinbaren, kein ganz einfaches Unterfangen, da die Synode meistens in der Zeit der Heuernte tagte.342 Da waren die Sitzungen des Kirchenvorstands der Friedenskirchengemeinde in Loga, dem er als Patronatsvertreter angehörte, zum Glück weniger zeitraubend.

Abb. 14: Karl Erhard Graf von Wedel-Gödens (1898–1981)

Als Kirchenmann war Karl Erhard genau so wenig gegen die Versprechungen der NS-Bewegung gefeit wie kirchenfernere Zeitgenossen. In der Tat ließ er sich von der »Bewegung« schon bald nach der Machtübergabe an Hitler einfangen. »Es muß so gewesen sein«, versucht Sievert Graf von Wedel-Gödens den Weg seines Vaters in die NSDAP zu rekonstruieren343, »die Nazis forderten ihn auf, bei der Kommunalwahl auf ihrer Liste zu kandidieren. In die Partei brauche er deshalb nicht einzutreten. Vater fand, er könne nicht nein sagen. Als er nun gewählt war, saß er in der NS-Fraktion. Nun hieß es, er solle konsequenterweise in die Partei eintreten. Er ließ sich breitschlagen und wurde sogar Blockwart.«344 Die Familie Schwarzwild« (Sievert Graf von Wedel-Gödens, Postkarte vom 27. 9. 2010 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf.). 342 Sievert Graf von Wedel-Gödens, Briefe v. 23. 3. 2008 an Rüdiger von Wedel Parlow-Polßen bzw. v. 7. 9. 2008 u. 8. 4. 2010 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf. 343 Ebd. 344 So erklärt sich das Beitrittsdatum 1. 5. 1933, das, wenn man es nicht besser wüsste, fälschlicherweise auf eine Mitgliedschaft beim Stahlhelm oder der SA und eine darauf

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hatte in Loga eben schon immer eine gewisse Rolle gespielt, führt Sievert weiter aus, man konnte sich nicht gut der Mitarbeit im Kommunalparlament entziehen, selbst wenn es die NSDAP war, von der man umworben wurde, damals kurz vor den Wahlen im März 1933.345 Verbiegen würde man sich deswegen aber nicht. Verstöße gegen die Parteimoral konnten also nicht ausbleiben. »Dann hing eines Tages«, berichtet Sievert346, »quer über die Dorfstraße ein Plakat: ›Hier wohnen Judenfreunde‹. Vater wurde zur Partei bestellt. Ein Halbjude hatte ein Stück Wedelsches Land gepachtet. Eigentümer war Onkel Haro-Gödens. Der war auch in der Partei. Wieso also zwei Parteigenossen einem Halbjuden Land verpachteten? Vater meinte, davon lebe der doch, das könne man ihm nicht wegnehmen. Vaters Parteikarriere wurde in der Blüte geknickt, er wurde zum Parteigenossen degradiert. Bei Parteiversammlungen beschränkte er sich darauf, eine Zigarre und einen Grog zu bestellen.« Auch mit seiner Tätigkeit in der Landeskirche Hannover erregte Karl Erhard Anstoß. Er hatte an der Bekenntnis-Synode der Deutschen Evangelischen Kirche teilgenommen, die am 30. und 31. Mai 1934 in Wuppertal-Barmen zusammenkam, um sich gegen die von den Deutschen Christen betriebene Gleichschaltung der Evangelischen Kirche mit dem Nationalsozialismus zu verwahren.347 Auch in späteren Jahren reiste er zu Bekenntnis-Synoden. Als er in einer Nachbargemeinde über eine dieser Synoden berichten sollte, habe die Partei »den Ortsgendarm angewiesen, meinen Vater zu verhaften. Der Polizist soll gesagt haben: ›Einen Graf von Wedel verhaften wir nicht.‹« So wie er dieser vielleicht nur angeblichen Gefahr entging, hat Karl Erhard auch alle weiteren Gefährdungen durch das NS-Regime unbeschadet überstanden, auch einen Einsatz als Wachtmeister bei einer Nachschubkolonne im Polenfeldzug. Die Mühle der »Entnazifizierung« blieb ihm dennoch nicht erspart. Trotz eines »Persilscheins« von Bischof Johannes Lilje wurde er erst 1948 als »unbelastet« eingestuft.348 Anders als Karl Erhard hat seine Ehefrau Mathilde von Oertzen allen Lockrufen der NSDAP widerstanden. Vermutlich hätte die Partei es als Erfolg ver-

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beruhende Sondergenehmigung zum Parteibeitritt schon im Mai 1933 hinzudeuten scheint statt erst zum 1. 5. 1937, wie es für die meisten »Märzgefallenen« galt. Hubertus von Wedel-Kannenberg hatte damals dem Werben der NSDAP widerstanden: »Ich hatte abgelehnt, Parteigenosse zu werden, als der Kreisleiter darum bat. Ich habe ihm trotzdem geholfen, wo und wie ich konnte, denn er war ein braver Mann« (Hubertus v. Wedel-Kannenberg, Kannenberg. Kreis Saatzig i. Pomm., in: Wedel-Parlow-Polssen (Hg.), Wedelsche Häuser, a.a.O., S. 127). Wedel-Gödens, Sievert, Briefe v. 23. 3. 2008 an Rüdiger von Wedel Parlow-Polßen bzw. v. 7. 9. 2008 u. 8. 4. 2010 an d. Verf., a.a.O. Rundschreiben Nr. 2 der Bekenntnisgemeinschaft der evang. Luth. Landeskirche Hannovers, 2. Juni 1934 (Kopie, Priv.besitz d. Verf.), hier insbes. Anm. 21. Sievert Graf von Wedel, Loga in Ostfriesland bei Kriegsende 1945, in: Das Rad. Jahrb. des Familienverbandes der Grafen und Herren v. Wedel, Nr. 3 – September 2005, S. 54f.

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bucht, wenn man auch sie zum Beitritt hätte bewegen können. Denn als Vorsitzende des »Näh- und Pflegevereins Loga«349 hätte sie gut als Aushängeschild der Anfang 1933 noch um ihre Mehrheit kämpfenden NSDAP dienen können. So hatte sie freie Hand in ihrem Kampf um die Erhaltung des Kindergartens in Loga, der so genannten »Warteschule Loga«, deren Trägerschaft seit dem Tod des Schwiegervaters Georg Erhard Graf von Wedel-Gödens der Näh- und Pflegeverein innehatte.350 Als mit Beginn des Jahres 1933 eine öffentliche Unterstützung für eine vorschulische Erziehung im christlichen Sinne immer unwahrscheinlicher wurde, verstand sie es, den Kindergarten ohne viel Aufhebens unter den Schutz der Kirche zu stellen.351 Gesichert war die Zukunft der Warteschule damit noch nicht. Denn vom Landkreis Leer wurde Mathilde darauf hingewiesen, »möglicherweise komme die NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) für eine Übernahme der Trägerschaft der Warteschule in Frage«.352 Mathilde antwortete: »Die Trägerschaft für die Warteschule haben die drei Kirchengemeinden in Loga und Logabirum übernommen. Eine Übernahme der Trägerschaft durch die N.S. Volkswohlfahrt ist daher nicht erforderlich.«353 Dabei blieb es bis 1945, auch dank der entschiedenen Haltung von Mathildes Schwager Haro Burchard Graf von Wedel-Gödens, der – wie weiter oben berichtet – als Eigentümer des Kindergartengebäudes gedrängt worden war, das Gebäude dem Kreis zu überlassen zwecks Fortführung des Kindergartens unter der Flagge der NSV.

Albrecht Graf von Wedel-Gödens Auch Albrecht Graf von Wedel-Gödens, der jüngste Bruder von Karl Erhard und Haro Burchard Graf von Wedel-Gödens, trat der Partei erst nach ihrem Wahlsieg im März 1933 bei. Ein typischer »Märzgefallener« war er dennoch nicht. Als solcher hätte er die Aufnahme alsbald nach dem Wahlsieg der NSDAP im März 349 Vgl. weiter oben S. 82f. sowie [Rudolfsen], a.a.O., S. 10ff. 350 Die Existenz der Warteschule, eines privaten, 1895 von Mathildes Schwiegermutter Julia Gräfin von Wedel-Gödens gegründeten und seitdem von ihrem Schwiegervater Georg Erhard Graf von Wedel-Gödens finanziell unterstützten Kindergartens, stand nach dessen Tod in Frage. Die vom Landkreis Leer empfohlene Trägerschaft durch einen karitativen Verein schien ein Weg, um öffentliche Mittel einzuwerben, erwies sich jedoch als erfolglos (vgl. ebd.). 351 Der Näh- und Pflegeverein hatte sich kurzerhand aufgelöst und die Trägerschaft der Warteschule an die Pflegestation Loga-Logabirum weitergereicht, die den beiden lutherischen Gemeinden und der reformierten Kirche in Loga unterstellt war, ein Vorgang, der stillschweigend vonstatten gehen konnte, weil Mathilde auch Vorsitzende der Pflegestation war (vgl. ebd.). 352 Ebd., S. 11 (Schreiben des Vorsitzenden des Kreisausschusses des Bezirksfürsorgeverbands des Landkreises Leer vom 12. Febr. 1934). 353 Ebd., S. 13 f (Schreiben Mathildes an den Kreisausschuss vom 21. Febr. 1934).

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1933 beantragt und wäre schon zum 1. Mai 1933 aufgenommen worden in Anbetracht seiner Mitgliedschaft beim »Stahlhelm« seit Oktober 1930.354 Tatsächlich wurde er wie die meisten »Märzgefallenen« erst zum 1. Mai 1937 aufgenommen.355 Nicht etwa, weil die Parteibürokratie die behauptete Mitgliedschaft beim »Stahlhelm« wegen seines zu Beginn des 1. Weltkriegs noch jugendlichen Alters nicht anerkannt hätte, sondern weil Albrecht die Aufnahme vermutlich erst am 13. Okt. 1936 beantragt hatte.356 Er »hielt wohl eine lose Verbindung zur Partei für förderlich«, kommentiert sein Neffe Sievert Graf von Wedel-Gödens357 und stößt damit das Thema Existenzsicherung im NS-Staat an. Wie sein ältester Bruder Haro Burchard wollte Albrecht Jurist werden, konnte diesen Berufswunsch, 1906 geboren, allerdings erst ein ganzes Zeitalter nach Haro Burchard realisieren, nach dem Ende der Monarchie mit ihren dem Adel reservierten Privilegien. Die Referendarprüfung absolvierte er 1931, die Assessorenprüfung 1935.358 Dazwischen Dienste beim SA-Marinesturm »Hansa« in Berlin, dem er seit August 1933 angehörte,359 und im Frühjahr 1934 ein Vierteljahr lang als Matrosengefreiter bei der Marine.360 »Später erzählte er«, berichtet Sievert Graf von Wedel-Gödens, »er sei eben zur Marine-SA gegangen, da hätte sich der halbe Yachtclub getroffen. Da wurde man aktiv, wenn man meinte, man müsste, aber im Grunde keine Lust hatte.« Wie sollte es nun weitergehen? Für die Einweisung in eine Beamtenstelle hätte die SA-Mitgliedschaft als Beleg politischer Linientreue eigentlich ausreichen müssen. Aber er geht nicht in den Staatsdienst, sondern wird von 1937 bis 39 – nach einer zweijährigen Lücke im Lebenslauf – kaufmännischer Angestellter bei der AEG in Berlin, dem neben der Siemens AG größten deutschen ElektroKonzern. Hatte er den nationalsozialistisch durchsetzten Staatsdienst meiden

354 Obwohl bei Ausbruch des 1. Weltkriegs erst acht und somit kein Kriegsteilnehmer, gibt er im Fragebogen vom 18. 9. 1933 gem. Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums an, er sei von Okt. 1930 bis Juli 1933 Mitglied im »Stahlhelm. Bund der Frontsoldaten« gewesen (BArch, Akte des Reichsjustizprüfungsamtes R 3012/493, Bereich Wed-Weich, Laufzeit 1929–1943 zu Albrecht Graf von Wedel). Vermutlich hatte der »Stahlhelm« damals begonnen, auch unter der jüngeren Generation Mitglieder mit der Aussicht auf eine paramilitärische Ausbildung anzuwerben. 355 Mgl.Nr. 4 833 112, BArch (ehem. BDC) NSDAP-Gaukartei. 356 Der Datumsstempel auf der Karteikarte lautet im Widerspruch zum Tag der Aufnahme: 13.10.37. Gemeint war vermutlich das Jahr 1936. 357 Sievert Graf von Wedel-Gödens, Brief v. 10. 12. 2008 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf. 358 Schr. des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft v. 20 3. 1942 an den Reichsminister der Justiz, BArch, Akte des Reichsjustizprüfungsamtes R 3012/493, Bereich WedWeich, Laufzeit 1929–1943 zu Albrecht Graf von Wedel. 359 Fragebogen v. 18. 9. 1933 gem. Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, a.a.O. 360 Personalfragebogen des SA Marinesturms 44/77, BArch, Akte ZA II/14157 zu Graf Albrecht von Wedel.

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wollen und bewusst eine Stelle in der ideologisch neutraleren Privatwirtschaft gesucht? Oder wurde ihm der Zugang zum Staatsdienst zunächst verwehrt? Für Letzteres spricht, dass er sich vermutlich erst, kurz bevor er die Stelle bei der AEG antrat, um die Aufnahme in die NSDAP bemüht hatte, so als habe er damals alles tun wollen, um seine politische Tauglichkeit für den Staatsdienst unter Beweis zu stellen, aber schließlich doch gescheitert sei, vielleicht an der ungünstigen Beurteilung des Lagerkommandanten nach einem Lageraufenthalt Mitte 1935.361 »Er legte bei Beginn der Lagerzeit zunächst eine offenbar bewußte Gleichgültigkeit und Überlegenheit an den Tag …«, heißt es dort. »Erst später hielt er sich mehr zurück und fügte sich gut in die Gemeinschaft ein; ob aus Vorsicht oder unter dem Eindruck des Lagererlebnisses bezw. dem Einfluß seiner Kameraden, ist bei ihm schwer zu beurteilen … Der Arbeitsdienst war wiederum für Graf von Wedel eine besondere Angelegenheit, hier ließ er gern seine Kameraden für sich arbeiten.« Auch durch einen Auftritt als Zeuge in einem der vielen politischen Prozesse könnte sich Albrecht einen Vermerk eingehandelt haben, der sich auf die angestrebte Beamtenlaufbahn ungünstig auswirkte. Im Yachtclub habe ein Herr von Mumm sich so geäußert, »daß ein Zuhörer ihn anzeigte und Mumm vor Gericht um sein Leben kämpfen mußte. Onkel Albrecht als Zeuge wußte die Sache so darzustellen, dass Mumm nur ins KZ kam, nach Esterwegen bei Papenburg.«362 Dass er dann Jahre später, 1942, nach einer schweren Verwundung im Kriegseinsatz, schließlich doch in den Staatsdienst übernommen wird, beim Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft363, verdankt er womöglich nur der Kriegsuntauglichkeit. Aber vielleicht war alles ganz anders, vielleicht werden die wenigen bekannten Fakten überinterpretiert. Im nach Landsberg an der Warthe ausgelagerten Landwirtschaftsministerium wird er im Juni 1944 zum Regierungsrat befördert und arbeitet im FischereiReferat – eine ganz normale Beamtenlaufbahn. Doch als Landsberg mit dem Vorrücken des sowjetischen Streitkräfte geräumt werden muss und die bestehenden Verwaltungsstrukturen sich langsam auflösen, gelingt es Albrecht, ins Innenressort zu wechseln: Er wird im Januar 1945 Landrat in Leer, vielleicht ein Traumziel. Natürlich hat es damit bald ein Ende. Aber ganz verzichten will man nicht auf ihn. Die englische Besatzung ernennt ihn erst zum Sekretär des Bürgermeisters, dann zum Bürgermeister von Leer. Gut sieben Monate hat er das 361 Zeugnis des Lagerkommandanten des Gemeinschaftslagers, Hanns Kerl, vom 26. 6. 1935, BArch, Akte des Reichsjustizprüfungsamtes R 3012/493, Bereich Wed-Weich, Laufzeit 1929–1943 zu Albrecht Graf von Wedel. 362 Wedel-Gödens, Sievert, Brief v. 10. 12. 2008 an d. Verf., a.a.O. 363 Schr. des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft v. 20 3. 1942 an den Reichsminister der Justiz, a.a.O.

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Amt inne, vom 1. Mai 1945 bis Anfang 1946. Dann kommt heraus, dass er bei der SA war. Der britische Verbindungsoffizier versucht noch, ihn zu halten. Vergeblich. Er lässt sich daraufhin in Hamburg als Rechtsanwalt nieder, wo er 1966 an den Folgen der Beinverletzung stirbt, die er sich zuzog, als das von ihm gesteuerte Minensuchboot bei Harlingen auf eine Mine lief und außer ihm alle übrigen fünf Mann der Besatzung umkamen.

Lupold von Wedel-Schwerin Scheint der Parteibeitritt Albrechts noch durch das Motiv der Existenzsicherung erklärbar, so entziehen sich andere Fälle ganz der Entschlüsselung. Lupold von Wedel-Schwerin etwa, ein echter Märzgefallener, wurde am 1. Mai 1933 in die Partei aufgenommen364. Er hatte am Ersten Weltkrieg teilgenommen und war hernach im »Stahlhelm«. Der vierjährige Aufnahmestopp betraf ihn deswegen nicht. Lupold wurde 1890 in Osnabrück geboren.365 Sein Vater war Berufsoffizier. Da lag es nahe, dass er auch den Sohn für diese Laufbahn bestimmte. Damals war es üblich, diese mit dem Besuch einer Kadettenanstalt zu beginnen. Lupold war Kadett erst in Köslin, dann in Berlin Lichterfelde. Immerhin konnte er so schon 1910 das Leutnantspatent erwerben, in einem Alter, in dem Jahrgangskameraden gerade einmal das Abitur und eventuell zwei Semester Universitätsstudium abgeschlossen hatten. Er habe »den Typ des tapferen preußischen Offiziers und untadeligen Edelmannes« verkörpert, sei »seinen Soldaten Führer und Vater zugleich« gewesen, schildert ihn in einem Kondolenzschreiben zu seinem Tod ein Kamerad, der ihn im ersten Weltkrieg an der Front erlebt hat.366 Nach dem Ersten Weltkrieg als Hauptmann a. D. verabschiedet, schrieb er sich in die staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Greifswald ein, gab das Studium aber schon 1920 auf, um Kompanieführer im »ZeitfreiwilligenBataillon Greifswald« zu werden, einer jener Freikorps-Einheiten, die – staatlich gefördert und finanziert unter anderem durch den »Antibolschewistenfonds« der deutschen Wirtschaft367 – die »rätedemokratischen Auswüchse« der Novemberrevolution eindämmen sollten. Dieselbe Funktion übernahm er 1921 im »Selbstschutz Oberschlesien«. 364 Mgl.-Nr. 1 911 321, Klee, a.a.O., S. 648. 365 Vgl. auch zum Folgenden Wedel, Familien-Matrikel, a.a.O., Nr. 25–42. 366 Wilhelm Grützmacher, Brief Ende 1984 an Lupolds Witwe Margarete von Wedel-Schwerin (Auszug, mitgeteilt durch Leberecht von Wedel-Schwerin, email v. 7. 6. 2010 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf.). 367 https://de.wikipedia.org/wiki/Antibolschewistische_Liga#Antibolschewistenfonds, abgerufen am 13. 11. 2015.

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Als die Freikorps aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrags von 1921 an aufgelöst wurden, war eine zivile Beschäftigung unabdingbar geworden. Lupold fand sie 1922 bei der DEA (Deutsche Erdöl AG), die ihn als Statistiker einstellte. Standorte waren von 1923 an die Ober-Bergdirektion Borna und seit 1927 das Braunkohlen-Werk Dora Helene in Großzössen, ein Unternehmen, das gleichfalls zum DEA-Konzern gehörte. Bis Mitte 1934, sieben Jahre, war er dort beschäftigt, als einer der Glücklichen, die die Weltwirtschaftskrise ohne Arbeitslosigkeit überstanden, obwohl auch die Energiewirtschaft die Krise heftig zu spüren bekam. Glück war das besonders angesichts der prekären persönlichen Situation. Er hatte eine Scheidung hinter sich, 1925 wieder geheiratet und mittlerweile sieben Kinder zu versorgen. Da war es nur natürlich, dass er in ständiger Sorge um den Unterhalt seiner Familie war – und das Erstarken einer Stabilität versprechenden politischen Kraft mit Sympathie verfolgte. Aber er zögerte noch, wollte vielleicht sicher gehen, ob die »Bewegung« wirklich an die Macht kam. Dass Lupold sich durch den Parteibeitritt irgendwelche Vorteile für seine Beschäftigung bei der DEAversprach, ist unwahrscheinlich. Die Privatwirtschaft verhielt sich auch nach der Machtübergabe an Hitler zunächst noch vorsichtig abwartend. Parteimitglieder dürften hier also kaum bevorzugt eingestellt oder befördert worden sein. Was bezweckte Lupold also mit seinem Aufnahmegesuch kurz nach dem Wahlsieg der NSDAP im März 1933? Wollte er damit nur ganz allgemein seine Zustimmung zu der inzwischen etablierten »Bewegung« äußern, vielleicht in der vagen Hoffnung, Hitler werde Ernst machen mit seiner Ankündigung einer militärischen Aufrüstung? Denn damit verband er vermutlich eine Verbesserung auch der persönlichen Situation, die Rückkehr in den Offiziersberuf. In der Tat hat er dann am 1. 7. 1934 die erste Gelegenheit eines »Wiedereintritts in den Heeresdienst«368 genutzt. Vermutlich war es das L-Offizierskorps der Schwarzen Reichswehr, in das er damals aufgenommen wurde – ähnlich wie ein halbes Jahr darauf Lupold von Wedel-Tuetz-Neuwedell. In der Wehrmacht stieg er bis zum Oberst der Luftwaffe auf, diente 1935 bis 1941 als Kommandant des Flak-Schießplatzes Nest bei Köslin und – nach dessen Verlegung nach Roonshagen bei Köslin – bis Mitte 1943 als Kommandant auch dieses Schießplatzes.369 Danach war er bis Ende März 1945 in Kroatien, jetzt als Kommandeur des Flak-Verbindungsstabs beim Bevollmächtigten deutschen General in Agram. Die letzten fünf Kriegswochen ohne eigenes Kommando, 368 Erklärung Lupold von Wedel-Schwerins vom 20. 1. 1954 (mitgeteilt durch Leberecht von Wedel-Schwerin, email v. 17. 12. 2009 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf.). 369 Der Zugang zu dem neu eingerichteten Schießplatz direkt an der Ostsee führte über Lassehne, den zu Schwerin gehörenden Besitz von Bernhard von Wedel-Schwerin, einem Onkel 2. Gr. von Lupold; Teile von Lassehne wurden deswegen enteignet (Leberecht von WedelSchwerin, email v. 5. 6., 7. 6. u. 29. 7. 2010 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf.).

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wurde er in die Führerreserve der Flak-Ersatz-Division Breslau eingestellt. Deren Reste hatten sich nach Pardubitz in Ostböhmen zurückgezogen. Fünf Wochen Atempause im vergleichsweise beschaulichen »Protektorat Böhmen und Mähren«, bis auch dort der Krieg einkehrte, nun aber aufgrund der Beteiligung tschechischer Milizen und der Zivilbevölkerung in besonders rabiater Form. Lupold hatte Glück, er geriet in amerikanische Gefangenschaft, vermeintliches Glück, denn acht Tage darauf wurde er in russische Gefangenschaft übergeben. »Er war ein aufrichtiger und guter Kamerad in der Gefangenschaft, mit dem ich fast täglich zusammen war«, schreibt Oberst a. D. Werner Krehan in einem Kondolenzbrief zu seinem Tod. »Auch den beschwerlichen und anstrengenden Marsch am Karfreitag, den 4. 4. 1947, nach Oranki bei Gorki haben wir zusammen mit älteren Stabsoffizieren gemacht. Trotzdem er einer der ältesten war, half er Kameraden, die das Tempo des Marsches durch aufgeweichte Felder nicht so schnell mithalten konnten und trug ihnen einen Teil ihrer kläglichen Habseligkeiten.«370 Im September 1953 aus der Gefangenschaft entlassen371, traf er sich in Jena mit einem Teil seiner Familie, hielt die bedrückende Stimmung im kommunistischen Teil Deutschlands aber nur wenige Wochen aus. Irgendwie gelang ihm und seiner Ehefrau Margarete Bartenstein die Ausreise. Das Ziel war Bonn, wo schon ihre Tochter Gisela lebte. Auf die Dauer machte ihnen dort aber das Klima zu schaffen, weswegen sie bald nach Norden übersiedelten, nach SchleswigHolstein zunächst, dann nach Niedersachsen. Ihr letzter Wohnsitz war von 1975 an das Johanniter-Altenheim in Celle, wo Lupold 1984 im Alter von 94 Jahren starb. All die Jahre nach der Heimkehr aus der Kriegsgefangenschaft hörte er nicht auf, die Verbindung zu den alten Kriegskameraden zu pflegen. Er wurde Vorsitzender des Kameradschaftsbundes des ehemaligen Infanterieregiments 42 aus dem 1. Weltkrieg und blieb es bis zu seinem Tod.372 Seine Enkelin Ellen Schwarzburg schildert ihn »als alten, gütigen und liebevollen, mir als Enkelin sehr zugewandten Mann«.373

370 Werner Krehan, Brief v. Ende 1984 an Margarete von Wedel-Schwerin (Auszug, mitgeteilt durch Leberecht von Wedel-Schwerin, email v. 7. 6. 2010 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf.). 371 Leberecht von Wedel-Schwerin, email v. 31. 7. 2010 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf. 372 Carlo Peters (Vors. des Kameradenkreises des ehem. Inf. Rgt. 92), Rundbrief (Auszug) v. Dez. 1984, Priv.besitz d. Verf. 373 Ellen Schwarzburg, Brief v. 15. 12. 2009 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf.

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Diether von Zittwitz, genannt von Wedel Am Ende dieser keineswegs vollständigen Reihe der NSDAP-Mitglieder unter den Wedel soll noch eines Mannes gedacht werden, der zwar kein geborener Wedel war, aber doch den Namen trug – als Adoptivsohn von Detlev von WedelAlthof und seiner Ehefrau Gertrud von Voß. Diether von Zittwitz, genannt von Wedel374, so sein Name laut Adoptionsurkunde, sollte hier schon deswegen nicht verschwiegen werden, weil er als Adjutant von Joseph Goebbels nicht nur mehrfach in dessen Tagebüchern erwähnt wird, sondern einem hin und wieder auch in der zeitgeschichtlichen Literatur begegnet. 1910 in Berlin geboren, ist Diether 1916 adoptiert worden, aus einem Heim heraus. Seine leiblichen Eltern, Gerhard Barnim von Zittwitz und Margarete Riedel, hatten sich anderthalb Jahre nach seiner Geburt scheiden lassen und sich bald darauf in neuen Ehen gebunden.375 Da störte der Kleine wohl. Als der Adoptivvater 1926 stirbt, ist Diether 16. Der Schullaufbahn und einer eventuell daran anschließenden Berufsausbildung wird der Verlust des väterlichen Vorbilds nicht förderlich gewesen sein. Näheres ist aber darüber nicht bekannt. Was ihm vielleicht fehlte, eine abgeschlossene Schulbildung, ein Studium, kann Diether vermutlich durch gutes Aussehen und selbstsicheres Auftreten wettmachen. Dazu passt eine frühe Mitgliedschaft bei der Marine-SA, die zusammen mit der Reiter-SA als der exklusive Teil der SA galt. Ein Hang zum eleganten städtischen Leben ist offensichtlich. Sich um Althof im Kreis Bartenstein zu kümmern, wie es Detlev und Gertrud wahrscheinlich gehofft hatten, interessierte Diether dagegen wohl wenig. Der in Ostpreußen gelegene Besitz lag allzu weitab von einem städtischen Zentrum. Und so überrascht es nur wenig, dass sich Diether bald in Berlin wiederfindet, als persönlicher Adjutant von Joseph Goebbels. »Wedel ist ein ordentlicher Junge«, notiert Goebbels, als er ihn im November 1934 einstellt.376 Diether war zu dem Zeitpunkt bereits höherer SA-Führer, vermutlich im Rang eines Obersturmbannführers. Im Zivilleben hatte er nie Fuß zu fassen versucht. Er hatte seit 1929 bei der SA gedient, war 1930 in einem Straßenkampf mit Kommunisten verwundet worden377 und hatte damit den Titel »alter Kämpfer« durch seinen persönlichen Einsatz bestätigt. Goebbels zieht ihn nicht nur zur Erledigung täglicher Büroarbeiten heran378, 374 Vgl. auch zum Folgenden Wedel, Familien-Matrikel …, a.a.O., Nr. 23–122. 375 Genealogisches Handbuch des Adels, Adelige Häuser A, Bd. 9, Glücksburg/Ostsee 1969. 376 Elke Fröhlich (Hg.), Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Bd. 3/I, Apr. 1934 bis Febr. 1936, 10. 11. 1934, S. 134. 377 BDC, personal files Wedel, zit. n. Michael H. Kater, Different Drummers: Jazz in the Culture of Nazi Germany, Oxford 2003, S. 242, Anm. 220. 378 »Noch mit Dr. Zeller und Wedel gearbeitet.« (Elke Fröhlich (Hg.), Die Tagebücher von

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sondern nimmt auch Anteil an seinem Privatleben: »Freitag Trauung bei Wedel in Schöneberg. Kurz und schmerzlos. Aber er hat sich mit seiner Frau sehr über das Auto gefreut, das ich ihnen geschenkt habe.«379 Auch die charakterliche Entwicklung seines Mitarbeiters ist ihm wichtig: »… lange, wertvolle Aussprache mit Wedel. Er darf nicht in die Bahnen von Schaumburg[-Lippe] geraten. Ist ganz klug und vernünftig.«380 Dabei wird auch nicht mit Kritik gespart: »Wedel zurechtgestaucht. Der hat’s manchmal nötig.«381 Anlass der Kritik sind wohl häufig Frauengeschichten: »Essen mit Hanke«, hält Goebbels am 8. 9. 1936 fest. »Er erzählt mir so mancherlei von Wedel, Frl. Janisch, Frau Kammer etc. Die lieben Menschen!«382 Dennoch hält Goebbels viel von seinem Zögling. Auf einem Staatsbegräbnis lässt er sich von ihm vertreten: »Seeckts Begräbnis. v. Wedel vertritt mich.«383 Anscheinend hatte Diether auf einem anderen Begräbnis, dem des »Parteigenossen« Karl von Wedel Parlow, eine so gute Figur gemacht, dass Goebbels ihm ein würdiges Auftreten auch in diesem Fall zutraute. Wobei bemerkenswert ist, dass Diether, inzwischen SA-Standartenführer384, am Grab Karl von Wedel Parlows einen Kranz »für die Kanzlei des Führers« ablegte385, so als hätte Goebbels seinen Adjutanten mal eben dem Führer ausgeliehen. Diether ist des Wohlwollens seines Chefs allzu sicher. Er schlägt immer häufiger über die Stränge. »Wedel ist ein Luftikus«, notiert Goebbels Anfang 1937386 und im September desselben Jahres: »Wedel macht mir viel Sorgen. Er ist zu unsolide.«387 Hintergrund könnten Alkoholprobleme gewesen sein388 und die

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Joseph Goebbels, a.a.O., Bd. 3/II, März 1936 bis Febr. 1937, 2001, 7. 5. 1936, S. 77; Dr. Zeller war damals ORegRat im MinBüro des RMfPuV) oder wiederholt »Mit Hanke und Wedel viel Arbeit« (ebd., 18. 12. 1936, S. 295; Karl Hanke war damals MinRat, pers. Ref. und Ltr. d. MinBüros des RMfPuV, ab Jan. 1938 StSekr. im RMfPuV, zuletzt NSDAP-Gauleiter von Niederschlesien und Reichsverteidigungskommissar von Breslau). Ebd., Bd. 3/I, Apr. 1934–Febr. 1936, 29. 9. 1935, S. 300. Ebd., 4. 3. 1935, S. 193; Friedrich Christian Prinz zu Schaumburg-Lippe war vom 1. 4. 1933 bis 31. 10. 1934 Diethers Vorgänger als Goebbels Adjutant, danach Referent in d. Auslandsabt. d. Min. Goebbels notiert über ihn am 13. 2. 1937: »Diese Prinzen sind gewohnt, nichts zu tun und zu paradieren.« (Zit. n. Ernst Klee, Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945? Frankfurt/M. 2003, S. 527). Elke Fröhlich (Hg.), Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Bd. 3/I, Apr. 1934– Febr. 1936, 25. 9. 1935, S. 299. Ebd., Bd. 3/II, März 1936–Febr. 1937, 2001, S. 177. Ebd., 31. 12. 1936, S. 309; das »v.« vor dem Namen, das Goebbels im Falle Diethers gewöhnlich weglässt, könnte allerdings bedeuten, dass ein anderer Wedel gemeint ist. Am ehesten kommen hierfür der Polizeipräsident von Potsdam, Wilhelm Graf von Wedel, oder der Generallandschaftsdirektor, Graf Wedego von Wedel-Gerzlow, in Frage. Entspricht dem militärischen Rang eines Obersts. Pg. von Wedel-Parlow +, a.a.O.; Karl war am 21. 11. 1936 gestorben. Elke Fröhlich (Hg.), Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Bd. 3, 1. 1. 1937–31. 12. 1939, 1987, 21. 3. 1937, S. 86. Ebd., 30. 9. 1937, S. 283.

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Affäre mit der halbjüdischen Sängerin Margot Friedländer. Diether, »a handsome, elegantly attired SA colonel«, wie sie sich erinnert, hatte sie in der Berliner Bar Orangerie oder im Patria kennen gelernt, wo sie amerikanische Evergreens darbot, eine verbotene Frucht, aber gerade deswegen sehr begehrt bei den jungen Nazis von Rang.389 Aber Goebbels scheint ihm immer noch wohl gesonnen: »Wedel zum Oberführer ernannt. Er platzt fast vor Stolz.«390 Zum Fallstrick wird Diether schließlich, dass sein Chef ihn verdächtigt, über ihn geplaudert zu haben.391 Man geht wohl nicht fehl, wenn man vermutet, dass es da um Einzelheiten aus Goebbels Intimleben ging. Der Minister sieht sich nach einem Nachfolger um, beurlaubt Diether zum Dienst bei der Marine392 und weist »Hanke an, Wedel als Adjutant zu entlassen. Ich will diesen unzuverlässigen Burschen nicht mehr um mich haben.«393 Aber immer noch sieht er sich in der Pflicht, sich um Diether zu kümmern: Er bespricht mit dessen Frau »die Zukunft ihres etwas liederlichen Mannes«.394 Laut Familienmatrikel wird Diether persönlicher Referent des Gauleiters von Ostpreußen, Erich Koch, ob bald im Anschluss an Goebbels Gespräch mit seiner Frau Ende 1939 oder erst 1942, wie die Matrikel besagt, ist unklar. Angeblich hat ihn der Gauleiter eingestellt, damit der ihm Zugang zu den Jagdgesellschaften auf den ostpreußischen Gütern verschafft. Aber auch Diether musste schließlich in den Krieg ziehen. Allerdings war er durch seinen Dienst bei der Marine-SA privilegiert. Er wurde zur Marine-Artillerie eingezogen,395 natürlich ohne Anspruch auf einen militärischen Rang, der seiner Stellung bei der SA entsprach. Bei der Marine sei er irgendwann ungut aufgefallen. Er sei zur Personalverwaltung einbestellt und von deren Chef, Lu-

388 »Meine Reisevorbereitungen klappen nicht. Wedel hat nichts vorbereitet. Er säuft zuviel. Ich lasse ihm ein sechsmonatiges Alkoholverbot auferlegen. Das wird wohl helfen. Der dumme Junge gerät sonst auf die schiefe Ebene.« (Ebd., 5. 10. 1937, S. 289). 389 M. H. Kater, a.a.O., 101. 390 Elke Fröhlich (Hg.), Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Bd. 3, 1. 1. 1937–31. 12. 1939, 1987, 31. 1. 1938, S. 422; der Dienstgrad SA-Oberführer entspricht einem militärischen Rang zwischen Oberst und Generalmajor. 391 »Gemeiner Artikel gegen mich persönlich in der französischen Presse. Aber das muss ich nun mal über mich ergehen lassen. Ich werde mich schon auf andere Weise zur Wehr setzen. Wedel hat wieder mal gequatscht. Ich sage ihm ganz knapp und brüsk die Meinung.« (Ebd., 18. 11. 1938, S. 537). 392 »Ich schaue mir ein paar S.A. Ordonanzoffiziere an, die als Nachfolger von Wedel infrage kommen … Wedel kommt als Matrose in Urlaub.« (Ebd., 29. 1. 1939, S. 564). 393 Ebd., 25. 3. 1939, S. 582. 394 Ebd., 6. 12. 1939, S. 658. 395 Detlev von Wedel-Voßberg, email v. 25. 7. 2007 an »Wedels«-Yahoo-Gruppe (Digest N. 1517).

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pold von Wedel-Voßberg, »besonders hart bestraft worden, weil er den Namen ›Wedel‹ trage«.396 Nach dem Krieg ließ sich Diether in Konstanz nieder. Er war dort unter anderem bei den Heimatvertriebenen aktiv und 1950/51 deren Kreisverbandsvorsitzender. Anfang der 1950er Jahre hatte Diether bei seiner Konstanzer Nachbarschaft Anstoß erregt, wodurch, ist längst vergessen. Auch ein in derselben Straße wohnender Vetter, Oberst a. D. Hasso von Wedel-GrumbkowLudwigsdorf, fühlte sich davon betroffen, so sehr, dass auf seine Klage hin der damalige Familienvorsitzende Hubertus von Wedel-Kannenberg eingriff. Einem Dankesbrief von Hasso397 zufolge hatte Hubertus den adoptierten Vetter gebeten, sich hinfort mit seinem Geburtsnamen »von Zittwitz« zu nennen, unter anderem im Hinblick auf seine »Mitarbeit bei ›Göbbels‹(sic)«. Auch die Frauen und Kinder sollten sich von nun an »von Zittwitz« nennen, wie Hubertus der letzten noch lebenden Cousine aus dem Haus Althof, dem »87jährigen Fräulein« Elisabeth von Wedel-Althof aufgetragen habe. Hasso fügte hinzu, »es liegt nunmehr an dem Taktgefühl des Z., die Konsequenzen zu ziehen, woran ich aber zweifle«. Die Zweifel waren berechtigt. Diether, seine vier Frauen und die Nachkommen blieben bei dem durch Adoption erworbenen Namen.

396 Ebd. 397 Hasso von Wedel-Grumbkow-Ludwigsdorf, Brief v. 30. 1. 1951 an Hubertus von WedelKannenberg, Arch. d. Fam.verb. von Wedel.

4.

Mit den Wölfen heulen

4.1

Im Auftrag der Wehrmacht

Dass ein Bekenntnis zum Nationalsozialismus auch anders als durch den Parteibeitritt abgegeben werden konnte, wurde mit Blick auf die Deutsche Wehrmacht bereits weiter oben erörtert. Ungeachtet der von den Wehrmachtsangehörigen verlangten parteipolitischen Abstinenz konnte der besondere Auftrag ein solches Bekenntnis geradezu verlangen. Das könnte insbesondere auf Hasso von Wedel-Stargard zutreffen, den langjährigen Chef der Abteilung Wehrmachtpropaganda beim Oberkommando der Wehrmacht (OKW).398 Ähnlich wie Lupold von Wedel-Schwerin stammte Hasso aus einer Offiziersfamilie. Sein Vater Georg von Wedel aus dem Haus Pumptow hatte im 1. Weltkrieg das I. Grenadier-Bataillon im Grenadier-Regiment 9 kommandiert und war 1919 als Oberst verabschiedet worden. Auch seine drei Söhne wurden Soldaten. Joachim, der älteste, ging zur Marine, Dietrich und Hasso gingen zum Heer. Die militärische Ausbildung begann, wie es die Tradition wollte, in der Kadettenschule. Noch ohne Abitur zog Hasso, 1898 in Stargard geboren, als fünfzehnjähriger Fähnrich mit demselben Regiment wie sein Vater in den Ersten Weltkrieg und wurde gleich zu Anfang mit dem EK II ausgezeichnet.399 Ein Lazarettaufenthalt 1915 aufgrund eines akuten Herzleidens, das er sich in Frankreich zugezogen hatte,400 bot die Gelegenheit, am humanistischen Gymnasium in Kolberg das Abitur nachzuholen. Anders als die meisten Offizierskameraden401 wurde er nach dem Krieg vom 398 Die folgenden Ausführungen beruhen zu einem erheblichen Teil auf Dokumenten im Privatbesitz Hasso von Wedel-Stargards (jun.), der dem Verfasser freundlicherweise gestattete, sich darauf zu stützen. Weitere Informationen bezog der Verfasser aus der Wedelschen Familienmatrikel (Wedel, Familien-Matrikel, a.a.O., Nr. 22–190). 399 Er war an der Spitze seines Zuges zum Angriff angetreten. 400 Hasso von Wedel-Stargard (jun.), Anlage z. email v. 17. 2. 2011 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf. 401 Von den 68 Wedelschen Offizieren, Reserveoffizieren, Fähnrichen und Fahnenjunkern, die den 1. Weltkrieg überlebt hatten (vgl. Einleitung, Anm. 47), wurden nur drei übernommen:

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Hunderttausendmannheer der Reichswehr übernommen. So blieb ihm erspart, seine Familie – 1920 hatte er Erna Ramm, die Tochter des Rittergutsbesitzers Otto Ramm, geheiratet – durch irgendwelche Verlegenheitstätigkeiten ernähren zu müssen. Der Standort des Grenadier-Regiments 9, in dem er weiterhin diente, war Stargard402, wo seine Eltern Haus und Garten, das »Haus Wedel«, erworben hatten. Der Dienst verlief ruhig. Selbst der Kapp-Putsch 1920 versetzte die Garnison nur kurze Zeit in Unruhe. »Anläßlich des … Putsches«, erklärt Hasso 1951 einem Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Zeitgeschichte, »wurde [in] meiner damaligen Garnison in Stargard im Sinne der Weisungen der neuen Regierung Kapp-Lüttwitz alles besetzt. Als Meldungen durchkamen, daß die Weisungen anscheinend unberechtigt erfolgt waren, wurden wir wankend. Als klar wurde, … welche Weisungen die alte Regierung gab, kam selbstverständlich alles wieder in das richtige Geleise. Schon dieser Vorfall zeigt, daß die Reichswehr Weisungen einer legalen Regierung unbedingt folgte und dass Fehlentscheidungen örtlich nur möglich waren, wenn … Irrtümer über die Legalität der Führung entstanden.«403 »Legalität« war somit das Kriterium, das darüber entschied, wem Gehorsam zu leisten war. Es schien sich von selbst zu verstehen, damals 1920. Aber auch mit der Machtübergabe an Hitler änderte sich aus Hassos Sicht nichts an diesem Prinzip. Denn Hitler war »legal und unblutig zur Macht gekommen.«404 Ob Hasso in den Jahren der Hitler-Diktatur das Problem eines allein auf Legalität gestützten Gehorsams gesehen hat, ist nicht bekannt. Falls ihm je solche Zweifel gekommen sind, hat er sich offenbar gegen sie entschieden und ist dabei geblieben, dass einer Führung, die legal an die Macht gekommen ist, unbedingt Gehorsam zu leisten sei. Anfang 1921 kam Hasso im Zuge von Umgliederungen der Reichswehr zum Infanterie-Regiment 4, das mit einigen Einheiten gleichfalls in Stargard stationiert war.405 Beförderungen ließen auf sich warten in dem kleinen Heer. Im Dezember 1914 zum Leutnant ernannt, wurde er erst 1925 Oberleutnant, nach

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Neben Hasso dessen älterer Bruder Joachim von Wedel-Pumptow, der allerdings 1926 ausschied, um sich um Pumptow zu kümmern, und nach erneuter Aktivierung am 3. 6. 1942 in Jalta als Kpt. z. S. ums Leben kam, sowie Magnus von Wedel-Vehlingsdorf, der als Oberstltn. und Abt. Kdr. im Kav. Reg. 2 am 22. 6. 1941, dem 2. Tag des Russlandfeldzugs, in Kotelina am Bug den Tod fand. Dietz von Wedel-Pumptow, Brief v. 16. 9. 2008 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf. Niederschrift der Unterredung des Herrn Generalmajor a. D. Hasso von Wedel … mit Herrn Dr. Frhr. v. Siegler in Hannover am 26. November 1951 im Auftrage des Deutschen Instituts für Zeitgeschichte in München, Archiv des Instituts für Zeitgeschichte München, http:// www.ifz-muenchen.de/archiv/zs/zs-0180.pdf (wiederabgedruckt im Anhang der vorliegenden Abhandlung, S. 172–178), S. 1. Ebd., S. 2. Dienstverpflichtung vom 1. 1. 1921, Priv.besitz Hasso von Wedel-Stargard (jun.).

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dem I. Lehrgang für Führergehilfen in den Jahren 1923/24. Der II. Lehrgang folgte 1929 in Stettin.406 Im Jahr darauf wurde er in den Stab der in Stettin stationierten 2. (preußischen) Division versetzt. Es waren die Jahre der Weltwirtschaftskrise, der um sich greifenden Arbeitslosigkeit, der Straßenkämpfe zwischen Kommunisten, sozialdemokratischem Reichsbanner und Nationalsozialisten. Auch die Reichswehr blieb nicht verschont von den sich verschärfenden politischen Spannungen. In Ulm hatte ein Leutnant des Artillerie-Regiments 5, Richard Scheringer, nationalsozialistische Zellen zu bilden versucht. Es kam zu einem landesweit diskutierten Prozess.407 »Ich war damals mit [Heinz] Guderian zusammen«, berichtet Hasso, »und erinnere mich deutlich, daß … die ganzen Vorgänge einer Zellenbildung in der Wehrmacht für uns ein Greuel waren und restlos abgelehnt wurden.«408 Zwar hegte Hasso vorübergehend eine gewisse Sympathie für den Kurs des damaligen Reichskanzlers Heinrich Brüning, den er während des III. Lehrgangs 1931 in Berlin im Hause von Brünings Schwager, des Ministers Gottfried Treviranus, persönlich kennen lernte.409 Aber nach dessen Scheitern zog er sich ganz auf die in seinen Augen einzig angemessene Position absoluter innenpolitischer Neutralität zurück. Er war nach der Beförderung zum Hauptmann Anfang 1932 in die Stelle eines Referenten der Gruppe I (Truppenausbildung) der Abteilung T 4 (Ausbildung) des Reichswehrministeriums eingewiesen worden, vielleicht nicht ganz seinen Wünschen entsprechend, die womöglich mehr auf ein Truppenkommando zielten. Aber das Herzleiden stand solchen Wünschen entgegen. Möglichkeiten der Bewährung gab es auch in der Verwaltung. Hasso hat sie offensichtlich genutzt. Er stieg bald zum Leiter der Gruppe I auf.410 Hier in der T 4 bildete er Ende 1932 zusammen mit zwei weiteren Hauptleuten »einen Freundeskreis, und zwar mit [Hans] Jeschonnek und [Edgar] Röhricht. Hiervon war J. ein starker Verfechter des NS, Röhricht der Antipode und ich, der Dritte, in der politisch desinteressierten Mittelstellung. Röhricht war Anhänger von Schleicher, während ich als Soldat sachlich und abseits bleiben wollte. In den großen Diskussionen von uns drei Hauptleuten standen also zwei von drei po-

406 Niederschrift, a.a.O., S. 1. 407 Richard Scheringer wurde 1930 im Rahmen des »Ulmer Reichswehrprozesses« gemeinsam mit zwei Regimentskameraden wegen des »Versuchs einer nationalsozialistischen Zellenbildung innerhalb der Reichswehr« zu eineinhalb Jahren Festungshaft verurteilt (https:// de.wikipedia.org/wiki/Richard_Scheringer, abgerufen am 25. 11. 2015). 408 Niederschrift, a.a.O., S. 1. 409 Ebd. 410 Ebd.; vor ihm unterstand die Gruppe Oberst Franz Halder, dann »dem jüngeren Keitel«, Oberstleutnant Bodwin Keitel, und schließlich einem Offizier namens Körner.

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litisch bezw. militärisch abseits vom NS. Dieses Verhältnis dürfte ein typisches für die Einstellung der damaligen Reichswehr gewesen sein.«411 Auch nach dem 30. Januar 1933 bleibt Hasso – der Selbstdarstellung zufolge, die er 1951 zu Protokoll gab – seiner um innenpolitische Neutralität bemühten Linie treu, jedenfalls zunächst: »Kurz nach der Machtübernahme hatte ich bei einem Verwandten, einem jüdischen Musiker und Leiter eines Berliner Konservatoriums eine Aussprache, bei der dieser mir sein Herz ausschüttete und seine Besorgnisse mitteilte … Ich habe dies damals nicht so empfunden und vertrat den Standpunkt, daß in den furchtbaren Zuständen und in der Arbeitslosigkeit jemand Ordnung bringen müsse und daß Hitler offenbar die Ordnung bringe. Für mich sei maßgebend, daß er legal und unblutig zur Macht gekommen sei.«412 In diesem Zusammenhang legt Hasso noch einmal ausführlich dar, wie er das Legalitätsprinzip verstand: »Hitler war nach dem 30. 1. 1933 … nicht als Person, sondern eben als Repräsentant für uns maßgebend, der legal in seine Position gekommen war. Der jeweilige direkte Vorgesetzte eines Soldaten ist dann für den Soldaten der jeweilige Repräsentant des obersten Repräsentanten des deutschen Volkes, nicht wahr? Der Vorgesetzte repräsentiert vor dem Soldaten persönlich die jeweilige legale Staatsführung. In diesem Sinne ist es richtig, daß der Soldat im Allgemeinen nicht tief nachschürft, sondern eidgemäß die Befehle des Vorgesetzten ausführt.«413 Bis September 1936 arbeitete Hasso in der Gruppe I der Abteilung T 4 des Reichswehrministeriums, die nach der Aufkündigung des Versailler Vertrags, dem Beginn der Wiederaufrüstung und der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht ab März 1935 in die 4. Abteilung des Generalstabs des Heeres umbenannt worden war und nun zuständig war für den Entwurf der Ausbildungsrichtlinien für den im Herbst 1935 einrückenden ersten Jahrgang der Wehrpflichtigen.414 Im Oktober 1936 trat eine überraschende Wende in Hassos militärischem Werdegang ein. Er übernahm, inzwischen zum Major befördert, eine Kompanie in Coburg.415 Die Hintergründe sind nicht bekannt. Womöglich hat er selbst um das Truppenkommando gebeten, um zu testen, ob er nicht doch für derartige Aufgaben geeignet war. Hier habe er zwar »in überraschend kurzer Zeit Liebe

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Ebd., S. 2. Ebd. Ebd. Hasso von Wedel, Eidesstattliche Erklärung vom 17. 3. 1948, Priv.besitz Hasso von WedelStargard (jun.). 415 1./M.G. Batl. 6 (Generalkommando VII. Armeekorps, München, Schr. v. 5. 8. 1936, Priv.besitz Hasso von Wedel-Stargard (jun.)).

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und Achtung seiner Soldaten«416 erworben, wurde dann aber doch schon nach nur einem Jahr wieder zurückversetzt in die Verwaltung, in Anbetracht seines Herzleidens vielleicht auf eigenen Wunsch. Er wurde Leiter der Presseabteilung der Abteilung Inland des Kriegsministeriums,417 bzw. nach Gründung des OKW Anfang 1938 Leiter der Pressegruppe des OKW418. Hier nun sei es unter Anderem seine Aufgabe gewesen, »Struktur und Erziehungsziele der Wehrmacht im Sinne der Nationalsozialisten der Öffentlichkeit vorzustellen«419, für Hasso wohl ein heikler Auftrag angesichts der von ihm nach 1945 beteuerten innenpolitischen Neutralität. Aber nachdem Truppenverwendungen für ihn nicht mehr in Frage kamen, habe er unter einem gewissen Druck gestanden, so sieht es heute sein ältester Sohn, sich für den neuen »Posten im inneren Bereich des Heeres [zu] qualifizieren«420. Angenommen, die 1938 unter seinem Namen veröffentlichte Schrift »Wehrerziehung und Volkserziehung« sei in der Tat eine Auftragsarbeit gewesen – ein entsprechender Hinweis findet sich in dem Band nicht –, so folgt doch daraus noch nicht zwangsläufig, dass Hasso sich etwa nicht identifiziert habe mit den von ihm dargelegten Thesen. Die erstmalige tiefer gehende Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus, die breite Zustimmung zur Politik Adolf Hitlers in der Bevölkerung könnten »ihn für diese Ideologie und A. H. empfänglich gemacht haben«421. Nationalsozialistisches Denken beginne, wie Hasso in jener Schrift darlegt, mit dem richtigen Verständnis der Natur. »Wer die unabänderlichen Gesetze der Natur zu lesen versteht, der weiß, dass Leben nur durch Kampf erhalten wird … Im Kampf aber gilt das Naturgesetz vom Rechte des Stärkeren.«422 Aufstrebende Völker werden sich darum immer um die Stärkung ihrer Wehrkraft bemühen. Das aber verlange eine enge Verzahnung von Wehrerziehung und allgemeiner Erziehung. »Wo Wehrerziehung und allgemeine Erziehung getrennte Wege gehen, vermindert sich zwangsläufig die Wehrkraft. Schwindende Wehrkraft aber führt ebenso zwangsläufig zum Verfall eines Volkes.«423 Hasso prangert ferner »die Irrlehre« von der Gleichheit aller Menschen an, aus der unausweichlich eine »parlamentarische Demokratie« und die »Zerstörung aller Kultur« folgten. Noch verhängnisvoller seien die biologischen Folgen: 416 Ernst Link, Eidesstattliche Erklärung v. 21. 6. 1947, Priv.besitz Hasso von Wedel-Stargard (jun.). 417 Niederschrift, a.a.O., S. 1. 418 Wedel-Stargard (jun.), Anlage z. email v. 17. 2. 2011 an d. Verf., a.a.O. 419 Ebd. 420 Ebd. 421 Ebd. 422 Hasso von Wedel, Wehrerziehung und Volkserziehung, Hamburg 1938, S. 5. 423 Ebd., S. 6.

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»Sie führt zwangsläufig zur Degeneration. … Der Nationalsozialismus glaubt weder an eine Gleichheit der Rassen noch an eine Gleichheit der einzelnen Persönlichkeiten innerhalb der Rassen. Wir erkennen vielmehr die naturgegebenen Verschiedenheiten der einzelnen Menschen wie der Rassen und damit auch ihren höheren und niederen Wert an. … Das Gesetz der Auslese gilt überall, zwangsmäßig also auch für den Menschen und für die menschlichen Rassen.«424 »Je reiner die Rasse blutsmäßig in der Entwicklung gehalten ist«, führt er weiter aus, »desto gesünder und kräftiger sind im allgemeinen ihre körperlichen und geistigen Anlagen. Rassenmischung, besonders artfremder Rassen, dagegen führt in den meisten Fällen zur Minderung der Erbanlagen, jedenfalls der höheren Rasse …«425 Auch die religiöse Haltung sei von Bedeutung. Denn es dürfe nicht vergessen werden, dass »wahres Soldatentum nur in gläubigen Menschen« gedeihen könne. »Unwesentlich ist dabei, in welcher Konfession … dieser Glaube wurzelt, wesentlich ist vielmehr, dass jeder einzelne … an die Allmacht der göttlichen Vorsehung glaubt.« Der Führer habe immer wieder betont, »dass dieser Glaube auch ein wesentlicher Bestandteil der nationalsozialistischen Weltanschauung ist. Der Soldat des Dritten Reiches aber ist Nationalsozialist, oder er ist nicht Soldat im wahren Sinne. Der persönliche Treueid … bindet ihn in bedingungsloser Gefolgschaft an den Führer und damit an die Verkörperung der nationalsozialistischen Weltanschauung.«426 »Der Nationalsozialismus hat somit konsequent und umfassend die Folgerungen aus den grundlegenden Erkenntnissen über Rasse, Lebensraum und Kultur des deutschen Volkes ebenso wie aus der geschichtlichen Entwicklung gezogen und die gesamte Volkserziehung wieder zu der Einheit aus allgemeiner und Wehrerziehung gemacht, die nach den Lehren der Geschichte allein die Aussicht auf Erfolg und Aufstieg für unser Volk in sich schließt.«427 Distanz zur nationalsozialistischen Weltanschauung wird an keiner Stelle des referierten Bandes spürbar. Im Gegenteil, einmal spricht Hasso sogar von »wir«, begreift sich also durchaus als ein Teil der nationalsozialistischen Elite. Mit dem Satz »Der Soldat des Dritten Reiches aber ist Nationalsozialist, oder er ist nicht Soldat im wahren Sinne« bekennt er sich schließlich sogar ausdrücklich zum Nationalsozialismus. Anhaltspunkte für die Vermutung seines ältesten Sohnes, bei der Abfassung der Schrift habe Hassos »persönliche Einstellung, wenn überhaupt nur eine untergeordnete Rolle« gespielt, er habe seine Aufgabe

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Ebd., S. 11f. Ebd., S. 13. Ebd., S. 57f. Ebd., S. 60.

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»durchaus im Sinne seiner Vorgesetzten und nicht zuletzt karrierefördernd … wahrgenommen,«428 finden sich dagegen nirgendwo in dem Band. Vielleicht war es so, dass seine Vorgesetzten, insbesondere also Oberst Alfred Jodl als Chef des Wehrmachtführungsamtes im OKW, ihn schon damals als möglichen Anwärter auf die Stelle des Chefs der Abteilung Wehrmachtpropaganda betrachtet haben, jedoch unter der Bedingung, dass er sich öffentlich zum Nationalsozialismus bekannte. Denn Joseph Goebbels, mit dem das Konzept der Abteilung entwickelt wurde, hatte womöglich darauf bestanden, dass als Abteilungschef nur ein Nationalsozialist in Frage komme. Falls dem tatsächlich so war, hätte Hasso sich natürlich weigern können, so zu tun, als vertrete er eine Weltanschauung, die er eigentlich ablehnte429, doch vermutlich um den Preis, nur noch für ein weniger interessantes Amt in Frage zu kommen. Wenn die Annahme richtig ist, dass von Hasso ein öffentliches Bekenntnis zum Nationalsozialismus erwartet worden war, so hat er seine Vorgesetzten mit der zitierten Schrift vermutlich zufrieden stellen können. Weiterer Eignungsnachweise war er damit, so ist anzunehmen, enthoben, und so stand er bei der Abfassung der im Jahr darauf erschienenen Schrift »Zwanzig Jahre deutsche Wehrmacht«430 wohl schon nicht mehr unter dem Druck, sich als Nationalsozialist exponieren zu müssen.431 Dass er es dennoch tat und sich nicht auf Fragen der Bewaffnung, der Ausbildung und Ähnliches beschränkte, kann als weiterer Beleg seiner nationalsozialistischen Einstellung erachtet werden. Im Mittelpunkt der Jubiläumsschrift steht die Frage, was zu tun sei, um den Staat wehrhaft zu machen. Eine Vorbedingung sei bereits durch den 30. Januar 1933 erfüllt worden, legt Hasso dar. Damals »erlebten wir das Erwachen des deutschen Volkes. Dieses Volk, das seit dem November 1918 nichts mehr gemeinsam zu haben schien als die Sprache, die äußere Not und den inneren Hader, fasste wieder Tritt und folgte der Fahne des Führers.« Ihm sei zu verdanken, dass »die Pflicht zur Wehrhaftigkeit« Kernstück der neuen Weltanschauung geworden sei. Einlösen lasse sich diese Pflicht allerdings nur, wenn 428 Wedel-Stargard (jun.), Anlage z. email v. 17. 2. 2011 an d. Verf., a.a.O. 429 Nach dem Zeugnis zahlreicher ehemaliger Mitarbeiter habe er vielleicht nicht die Doktrin als solche, aber deren praktische Anwendung abgelehnt. So bezeugt der ehemalige Hauptschriftleiter der Wilhelmshavener Zeitung, Hans Eichelbaum, »dass Herr v. Wedel gegen das nationalsozialistische Regime eingestellt war und danach handelte« (Eidesstattliche Versicherung v. 1. 3. 1948, Priv.besitz Hasso von Wedel-Stargard (jun.)). Die Beweiskraft derartiger auch als »Persilscheine« belächelter Zeugnisse ist allerdings zweifelhaft. 430 Hasso von Wedel, Zwanzig Jahre deutsche Wehrmacht, Berlin 1939. 431 Vielleicht war es Hasso ein Gräuel, sich öffentlich zum Nationalsozialismus zu bekennen. Dass er es dennoch tat, hat ihn womöglich belastet. So erklärt sich vielleicht, dass er den Offizieren seiner Abteilung angeblich geraten habe, »sich möglichst wenig zu publizieren, was von vielen damals nicht verstanden worden ist« (Eichelbaum, a.a.O.).

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man sich klar werde, dass das »A und O einer gesunden neuzeitlichen Wehrpolitik« die »Einheit des Denkens und Handelns des ganzen Volkes« sei.432 Noch näher kommt Hasso der Idee des »totalen Staates«, wenn er ausführt, so wie die Wehrmacht »im Kriege nichts anderes als der organisierte Selbstbehauptungswille des Volkes« sei, müsse nationalsozialistische Wehrpolitik »die planmäßige Nutzbarmachung und Förderung aller moralischen, geistigen, physischen und materiellen Kräfte des Volkes für den Kampf ums Dasein und die Verteidigung der Lebensrechte der Nation« sicherstellen. »Freilich gehörte zu dieser Sinngebung … des Begriffs Wehrpolitik nicht nur die einheitliche Willensgebung des Volkes, sondern zuerst eine neue Führung, die diesen Erkenntnissen Bahn brach und das Volk danach ausrichtete. Dieses Werk vollbracht zu haben, ist das alleinige Verdienst des Führers.«433 Weiter unten in dem Jubiläumsband ließ Hasso den »Führer« geradezu hymnisch hochleben. »Danken wir immer wieder aus tiefstem Herzen dem Manne, dem es allein zu danken ist, dass wir heute eine starke großdeutsche Wehrmacht in einem freien, von seinen Freunden geachteten, von seinen Feinden gefürchteten, stolzen und glücklichen Großdeutschland haben. Danken wir ihm durch selbstlosen Einsatz im Sinne des Ganzen, durch Hingabe an sein Werk … Danken wir zu allen Zeiten und an allen Orten Adolf Hitler, dem Führer und Obersten Befehlshaber der Wehrmacht.«434 Hier hatte sich Hasso, der sonst einen eher nüchternen Stil pflegte, schon ganz der liebedienerischen Sprache Joseph Goebbels angepasst, soweit es darum ging, den »Führer« zu preisen. Als der Jubiläumsband 1939 erschien, war Hasso bereits Oberstleutnant des Generalstabs und Chef der Abteilung für Wehrmachtpropaganda im OKW, deren Konzept im Winter 1938/39 in Gestalt eines »Abkommens über die Durchführung der Propaganda im Kriege« von General Wilhelm Keitel und Joseph Goebbels unterzeichnet worden war.435 Das Abkommen hatte dem Propagandaministerium weitreichende Befugnisse auf dem Gebiet der Wehrmachtpropaganda eingeräumt.436 Denkbar also, dass Hasso meinte, er müsse sich eines Sprachstils bedienen, der bei Goebbels Anerkennung findet, um für die Beratungen mit dem Propagandaminister über Fragen der Wehrmachtpropaganda ein günstiges Gesprächsklima herzustellen. 432 433 434 435

Wedel, Zwanzig Jahre …, a.a.O., S. 27. Ebd., S. 28. Ebd., S. 63. Hasso von Wedel, Die Propagandatruppen der Deutschen Wehrmacht, Neckargemünd 1962, S. 22. 436 »Der Propagandakrieg wird als wesentliches, dem Waffenkrieg gleichrangiges Kriegsmittel anerkannt. Der Waffenkrieg wird verantwortlich von der Wehrmacht, der Propagandakrieg vom RMVP geführt. Letzteres führt ihn im Heimatgebiet völlig selbständig, im Operationsgebiet in Abstimmung mit dem OKW.« (Wedel, Die Propagandatruppen …, a.a.O., S. 22).

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Das gilt womöglich auch für andere Passagen, zum Beispiel für die Lobpreisung des totalen Staats in einem Beitrag über den Polenfeldzug: »Grenzwachtruppen und starke Aufgebote des Reichsarbeitsdienstes hatten ebenso wie die Eisenbahnen wesentlichen Anteil am Gelingen des Feldzuges. Das Zusammenwirken von Wehrmacht und Volk, von Front und Heimat, von Soldat und Arbeiter trat noch niemals so hervor wie im September 1939. Das nationalsozialistische Deutschland führte diesen Kampf. Ein Mann aber, der Führer und Oberste Befehlshaber der Wehrmacht, faßte alle Mittel und Kräfte des Großdeutschen Reiches zusammen.«437 Es wäre aber ein Missverständnis, wenn man annähme, Hasso habe Goebbels gegenüber eine subalterne Haltung eingenommen. Das Klima zwischen den beiden war vielmehr von Anfang an von Streit bestimmt. »Zwischen dem OKW und dem Propagandaministerium«, erläutert Hasso 1951, »bestand von Anfang an ein Kompetenzkonflikt, weil Göbbels (sic) seinen Monopolanspruch auf die Propaganda auch dazu benutzte, um seine Befugnisse gegenüber den Propagandatruppen der Wehrmacht möglichst weitgehend geltend zu machen.«438 Nur selten ist Goebbels zufrieden mit der Zusammenarbeit, wie etwa am 27. 10. 1939, als er notiert. »Mit Wedel … Neuorganisation der Propagandakompanien festgelegt. Wir lockern die etwas sterile Arbeitsweise etwas auf und hoffen so, eine fruchtbare Synthese zwischen militärischer Disziplin und schöpferischer Entfaltungsmöglichkeit zu finden. Wedel ist da ganz vernünftig …«439 Meist scheint der Ton zwischen den beiden – Goebbels Notizen zufolge – jedoch eher gereizt, manchmal ist von heftigen Krächen die Rede: »v. Wedel im OKW hat meinen Forderungen nachgegeben« (27. 5. 1940440), »Gestern noch Krach mit Oberstltn. v. Wedel, der in meine Arbeit hineinpfuscht. Dem leuchte ich heim« (30. 6. 1940441), »Ich werde Wedel nach meiner Rückkehr Bescheid sagen. Daß ihm Hören und Sehen vergeht« (1. 7. 1940442), »Oberstltn. v. Wedel den Star gestochen. Er gibt in allem nach …« (4. 7. 1940443). In Hassos Selbstdarstellung liest sich das so, als sei er aufgrund seiner noch in der Tradition des preußischen Offiziers wurzelnden Erziehung fast zwangsläufig in Konflikt mit der politischen Führung geraten, nachdem der Krieg begonnen hatte. Offenen Streit habe es allerdings nur über militärtechnische Fragen ge437 Hasso von Wedel, Großdeutschlands Sieg in Polen, in: Berlin Rom Tokio. Monatsschrift für die Vertiefung der kulturellen Beziehungen der Völker des weltpolitischen Dreiecks, Jg. 1, Heft 7, Berlin Nov. 1939, S. 14. 438 Niederschrift, a.a.O., S. 4. 439 Fröhlich, Elke (Hg.), Die Tagebücher von Joseph Goebbels, a.a.O., Aufzeichnungen 1923– 1941, Bd. 3, 1. 1. 1937–31. 12. 1939, 1987, S. 622. 440 Ebd., Aufzeichnungen 1924–1941, Bd. 4, 1. 1. 1940–8. 7. 1941, 1987, S. 176. 441 Ebd., S. 223. 442 Ebd., S. 224. 443 Ebd., S. 227.

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geben. Politische Fragen seien dagegen ausgespart worden, obwohl gerade diese die Arbeit der Wehrmachtpropaganda behindert hätten. Während des Russlandfeldzugs habe das vor allem »die verheerenden Folgen der Untermenschentheorie des Reichsführers SS, die unglaublich gefühllose Behandlung der Ostarbeiter, die allgemein schlechte Behandlung der östlichen Kriegsgefangenen« betroffen.444 Dass sich die Wehrmacht an Gräueltaten gegenüber der Bevölkerung beteiligt, ja sie womöglich sogar durch Propagandaschriften gefördert hatte, für deren Formulierung er persönlich verantwortlich war, verschweigt Hasso in seinem Tätigkeitsbericht aus dem Jahr 1962. Er habe damit bewusst an der Legende von der moralisch einwandfreien Kriegsführung der Wehrmacht gestrickt, wirft ihm der Militärhistoriker Wolfram Wette vor.445 Die Verantwortlichen im OKW hätten vielmehr nichts Anderes getan, »als die antijüdischen, antibolschewistischen und antislawischen Feindbilder sowie die Kategorien des Vernichtungskrieges bis zum ›kleinen Mann‹ hinunter zu transportieren.« Belegen lasse sich das durch die »Mitteilungen für die Truppe«, ein »Informationsblatt, das von der Abteilung Wehrmachtspropaganda im OKW herausgegeben wurde und das den Soldaten in ihren Kompanien jeweils vorgelesen … werden musste.« Aus der ersten Ausgabe446 dieser »Mitteilungen«, die nach dem Überfall auf die Sowjetunion herauskam, zitiert Wette eine Passage, durch die »den Soldaten über den Sinn dieses Krieges folgende Botschaft übermittelt [worden sei]: ›Es geht darum, das rote Untermenschentum, welches in den Moskauer Machthabern verkörpert ist, auszulöschen. Das deutsche Volk steht vor der größten Aufgabe seiner Geschichte. Die Welt wird erleben, daß diese Aufgabe restlos gelöst wird.‹« In diesen wenigen Sätzen stecke »nahezu alles, was während des Russlandkrieges im Sinne der NS-Propaganda ›an den Mann‹ zu bringen war : Antibolschewismus, Rassismus und die Vernichtungsabsicht.« Es wird sich heute nicht mehr klären lassen, inwieweit die »Mitteilungen« den Auffassungen Hassos entsprachen bzw. auf Interventionen seitens des Propagandaministers beruhten. Hasso selbst hielt hierzu im Rückblick 1962 fest: »Daß die Wehrmacht hierbei keinen offenen Kampf gegen den Prop.Minister führen konnte, muß jedem klar sein, der die damaligen Verhältnisse objektiv betrachtet. Meist übte sie passive Resistenz, gab entsprechende Wünsche der Parteistellen nicht weiter usw.«447 Mit der »objektiven Betrachtung der damaligen Verhältnisse« scheint Hasso anzudeuten, er sei nicht so blind gewesen, dass er die wahre 444 Wedel, Die Propagandatruppen …, a.a.O., S. 140. 445 Wolfram Wette, Die Wehrmacht. Feindbilder, Vernichtungskrieg, Legenden, Frankfurt/M. 2002, S. 103. 446 Nr. 112, Juni 1941 (ebd., S. 309, Anm. 26). 447 Wedel, Die Propagandatruppen …, a.a.O., S. 148.

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Natur des Hitlerstaates verkannt hätte. Anscheinend hielt er ihn durchaus für einen Gewaltstaat, an dem man besser keine offene Kritik übte, wollte man nicht sein Leben riskieren. In seinem 1962, kurz nach seinem Tod, erschienenen Tätigkeitsbericht enthält sich Hasso jeglicher allgemeinen Bewertung des NS-Regimes. Er verurteilt nur einzelne, wenn auch wesentliche Seiten des nationalsozialistischen Programms, und zwar jene, »die dem Wesen der Wehrmacht und der soldatischen Ethik widersprachen«. Hierbei nennt er »vor allem den Antisemitismus in seinen nationalsozialistischen Auswüchsen, den Kampf gegen die christliche Religion, die Rassentheorie der Partei in ihrer Betonung der Minderwertigkeit angeblich unterlegener Völker und nicht zuletzt auch in der Handhabung der Heranziehung von Angehörigen anderer Nationen zur Zwangsarbeit«448. Seine größte Enttäuschung ist, dass Hitler sich mit falschen Ratgebern wie Joseph Goebbels und Heinrich Himmler umgeben habe. Hitler selbst spart er aus von direkter Kritik. Ungeachtet der gebotenen Befolgung einmal getroffener Führerentscheidungen soll sich Hasso – der teilweise unsicheren Quellenlage zufolge – auf mindestens drei politisch brisanten Feldern gegen die von Goebbels und Himmler vertretenen Auffassungen zur Wehr gesetzt haben, auch durch eigenmächtige Aktionen, die hinter dem Rücken der politischen Führung vollendete Tatsachen schaffen sollten. Hierbei kam ihm wohl auch der Bedeutungszuwachs zugute, der ihm 1943 durch die Umwandlung der Propagandatruppe in eine selbständige Waffengattung, die Ernennung zum »Chef der Propagandatruppen im OKW« in Personalunion mit seiner bisherigen Stellung als Chef der Abteilung Wehrmachtpropaganda und die Beförderung zum Generalmajor zufiel. Zum einen habe er sich, wenn auch vergeblich, gegen den Erlass des so genannten »Kommissarbefehls« gewehrt, wonach gefangen genommene politische Kommissare der Roten Armee nicht als Kriegsgefangene anerkannt werden sollten, sondern unverzüglich »zu erledigen« seien.449 Rein fachlich hätte Hasso jedenfalls gute Argumente gehabt, denn es war offensichtlich, dass der Befehl die Wirkung der »Kampfpropaganda« durch über den feindlichen Linien abgeworfene Flugblätter schwächen würde. Weiterhin sei hier an Hassos Bemühen erinnert, unter den sowjetischen Kriegsgefangenen nach geeigneten Freiwilligen zu suchen, die bereit waren, an der Abfassung von Propagandatexten mitzuwirken. Er wurde 1942 auf den ehemaligen Oberbefehlshaber einer Sowjetarmee, General Andrej A. Wlassow, 448 Ebd. 449 Wedel-Pumptow, Brief v. 16. 9. 2008 an d. Verf, a.a.O. Zum »Kommissarbefehl« vgl. https:// de.wikipedia.org/wiki/Kommissarbefehl, abgerufen am 30. 11. 2015.

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Abb. 15: Hasso von Wedel-Stargard (1898–1961)

hingewiesen, der zu einer Zusammenarbeit bereit war. »In eingehenden Besprechungen wurde mit General Wlassow ein Programm festgelegt, um die Unzufriedenheit der Russen … besser als bisher auszunutzen und eine antibolschewistische Gegenregierung sowie eine Freiwilligenarmee aus Kriegsgefangenen zu organisieren.« Trotz mehrfacher Versuche, ihn umzustimmen, lehnte Hitler den Plan jedoch ab. Hasso ließ die Aktion dennoch weiterlaufen. Er hoffte, ein Erfolg könnte Hitler zu einem Meinungswandel bewegen. »Inzwischen an der Front bereits eingesetzte Wlassow-Flugblätter hatten unleugbar Erfolg, die Frontarmeen forderten dringend eine Verstärkung dieser Propaganda.« Die Heersgruppen Mitte und Nord ließen Wlassow im Frühjahr 1943 in Smolensk, Riga und Pleskau öffentlich sprechen. »Die Kunde davon verbreitete sich wie ein Lauffeuer bis zum Gegner hinüber. Die Überläuferzahlen stiegen an, und die Hilfswilligen bzw. Ostfreiwilligen an unserer Front fassten neuen Mut. Im eigenen Lager aber setzten erhebliche Querschüsse ein, die dazu führten, dass Hitler befahl, Wlassow wieder in ein Kriegsgefangenenlager zu bringen.«450 Eine Quelle wiederkehrender Zusammenstöße mit Goebbels sei schließlich die Kriegsberichterstattung gewesen. Hassos Einfluss auf die Berichterstattung 450 Wedel, Die Propagandatruppen …, a.a.O., S. 139ff.; 1944 wurde Wlassow schließlich doch als Befehlshaber einer russischen Befreiungsarmee eingesetzt, zu spät, wie Hasso befindet.

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war aufgrund des Goebbelsschen Machtanspruchs mit der Zeit zusammengeschmolzen auf die Ausbildungs- und Einsatzrichtlinien der Propagandatruppen und deren personelle Zusammensetzung. Damit hatte Hasso noch immer viel in der Hand. Denn von der Propagandakompanie – bei jedem Armeeoberkommando gab es eine – wurde der jeweilige Frontbericht erstellt. Goebbels versuchte deswegen, »die Propagandakompanie auch einsatzmäßig zu übernehmen«, was dank Jodls Unterstützung bis zum Kriegsende habe verhindert werden können. Darüber hinaus bestand nur noch die Möglichkeit, die Berichte durch einen Verbindungsoffizier des OKW im Hinblick »auf Fragen im Interesse der Wehrmachtführung« überprüfen zu lassen, bevor sie vom Propagandaministerium direkt an die Presse gingen.451 »Im Interesse einer möglichst wahrheitsgemäßen Darstellung« konnte Hasso so vielleicht die schlimmsten Entstellungen der Kriegslage verhindern.452 Am Ende waren es aber nicht so sehr die Goebbelsschen Intrigen453, die Hassos Stellung als Chef der Propagandatruppen unterminierten, als vielmehr der systematische Ausbau der SS-Propagandatruppe unter dem SS-Standartenführer Gunther d’Alquen, »während der WehrmachtProp.Truppe gegenüber ein ständiger Abbau[druck] herrschte«, sodass »örtlich das OKW immer mehr in die Zwangslage kam, sich Material und langsam auch hervorragende Fachleute bei der SS-PropTruppe ausborgen zu müssen. … Der Enderfolg war, dass am 25. April 1945 der Standartenführer Gunther d’Alquen zu meinem Nachfolger ernannt wurde.«454 Hassos Ablösung erfolgte dann am 2. Mai 1945 in Berchtesgaden.455 Nach dem Krieg stand Hasso unter starkem Rechtfertigungsdruck, auch wenn ihn die Alliierten nicht vor den Nürnberger Gerichtshof stellten. In Seewalchen am Attersee, wo er seiner Familie ein Haus gemietet hatte und nach seiner Ablösung den weiteren Verlauf der Dinge abwartete, war er gleich bei Kriegsende von einem amerikanischen Kommando gefangen genommen und ein Jahr lang in einem Generalslager in Bayern festgehalten worden.456 Nach der Entlassung im Mai 1946457 zog er mit seiner in Seeheim am Starnberger See ausharrenden Familie zu seiner Tochter in Hannover458. Kurz darauf wurde er im ehemaligen 451 Niederschrift, a.a.O., S. 4. 452 Dietz von Wedel-Pumptow, Brief v. 24. 10. 2008 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf. 453 »Dr. Goebbels hat wenigstens 3 mal meine Entfernung aus dem Amt bei Hitler betrieben. In allen 3 Fällen hat Generaloberst Jodl dies verhindert …« (Hasso von Wedel, Eidesstattliche Erklärung v. 14. 11. 1952, Priv.besitz Hasso von Wedel-Stargard (jun.)). 454 Niederschrift, a.a.O., S. 4f. 455 Hasso von Wedel, Die Propagandatruppen …, a.a.O., S. 127. 456 Wedel-Pumptow, Brief v. 24. 10. 2008 an d. Verf., a.a.O. sowie Hasso von Wedel-Stargard (jun.), Brief v. 16. 2. 2009 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf. 457 Certificate of Discharge, May 18, 1946, Priv.besitz Hasso von Wedel-Stargard (jun.). 458 Hasso von Wedel-Stargard (jun.), Brief v. 28. 2. 2011 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf.

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Mit den Wölfen heulen

KZ Esterwegen im Emsland interniert, wo er auf sein Spruchkammerverfahren warten sollte. Mitte März 1947 »as being adjudged no longer meriting further internment« entlassen459, stellte er sich in Hannover dem mittlerweile eröffneten Verfahren, das Anfang 1949 mit dem Beschluss endete, er sei aufgrund seiner »Angaben im Fragebogen … vom Entnazifizierungsrecht nicht betroffen«460. Durch den Ausgang des Spruchkammerverfahrens sah sich Hasso in seinem Verhalten als Soldat bestätigt. Er schien eine gewisse Genugtuung dabei zu empfinden, »dass die Wehrmachtpropaganda und damit die PropagandaTruppe nicht ins Fahrwasser des passiven Widerstandes oder gar der aktiven Untergrundbewegung geraten sind. Sie haben bis zum Letzten für Deutschland und seinen nur irgendwie möglichen Erfolg im Kriege gearbeitet.«461 »Bis zum Letzten für Deutschland arbeiten,« auch wenn es dabei für alle Beteiligten sichtbar zu Schanden geht, diesen Widerspruch teilte Hasso nicht zuletzt mit seinem Obersten Befehlshaber, Adolf Hitler.

4.2

Mit einer neuen Satzung

Im Dezember 1935 geht der Familie der Entwurf einer neuen Familiensatzung462 zu, unterzeichnet vom damaligen Familienvorsitzenden Curt von WedelKremzow und fünf weiteren Vorstandsmitgliedern.463 Curt war erst im Februar 1935 zum neuen »Vorsteher der Familie« gewählt worden. Er und kein anderer war also verantwortlich für den Text, mag dieser auch zu großen Teilen von dem damals zweiundvierzigjährigen NSDAP-Mitglied Christian-Otto von Wedel Parlow aus dem Hause Polßen verfasst worden sein.464 Der Entwurf wird mit der Unterschrift von 65 Familienangehörigen, vermutlich ausschließlich männlichen, denn nur diese waren stimmberechtigt, schon im Januar 1936 angenommen. Warum gerade jetzt eine neue Satzung beschlossen wurde, warum nicht früher, warum überhaupt, ist unklar. Möglicherweise war der Wunsch nach einer neuen Satzung schon an Curts Vorgänger im Amt des Familienvorstehers, Carl 459 Release from civilian internment camp, Esterwegen Prison, 15. Maerz 1947, Priv.besitz Hasso von Wedel-Stargard (jun.). 460 Bescheid des Oeffentlichen Klägers bei dem Berufungsausschuß für die Entnazifizierung im Reg.-Bezirk Hannover vom 31. 1. 1949, Priv.besitz Hasso von Wedel-Stargard (jun.). 461 Hasso von Wedel, Die Propagandatruppen …, a.a.O., S. 151. 462 Satzung des schloßgesessenen Geschlechts der Grafen und Herren von Wedel, Berlin 31. Januar 1936, a.a.O. (wieder abgedruckt im Anhang, S. 154–163). 463 Vorstand des Familienverbandes, Schr. v. 30. 11. 1935, Arch. d. Fam.verb. von Wedel. 464 Wedel Parlow, Die Wedel in acht Jahrhunderten, a.a.O., S. 60f.; Wulff Wedigo v. WedelKremzow, Kremzow, Kreis Pyritz, in: Wedel-Parlow-Polßen (Hg.), Wedelsche Häuser im Osten, a.a.O., S. 51.

Mit einer neuen Satzung

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von Wedel-Vehlingsdorf, herangetragen worden, der aber vielleicht abgewinkt hatte in Anbetracht des Kotaus, den man mit der Verabschiedung einer neuen Satzung zu diesem Zeitpunkt vor den neuen Machthabern hätte machen müssen. Vielleicht hat man mit der neuen Satzung den heranwachsenden Vettern und Cousinen eine Orientierungshilfe geben wollen für ihr Verhalten unter den neuen Machtverhältnissen. Durfte man im NS-Staat noch freiwillig zur Wehrmacht gehen? Durfte man noch Staatsdienst leisten? Ja, man durfte es nicht nur, es sollte sogar das vorrangige Ziel eines jeden Familienangehörigen sein, wie es in § 1 der Satzung heißt: »Von jeher haben es sich die Wedels zur Ehre angerechnet, dem Vaterlande zu dienen. Die Familie erwartet dementsprechend, dass auch fernerhin viele Vettern in der Wehrmacht und Verwaltung des Staates sich auszuzeichnen bestrebt sind.« Hier tritt noch ungefiltert die ererbte Staatstreue zu Tage.465 Offensichtlich bejahte der für den Text verantwortliche Familienvorsteher, Curt von Wedel-Kremzow, den neuen Staat, und indem die Familie die Satzung annahm, folgte sie ihm hierin. Angesichts wirtschaftlicher Erfolge war ja die Kritik am NS-Staat damals noch sehr verhalten. Und nicht jeder hat staatliches Unrecht, wie etwa die Morde an General Kurt von Schleicher und anderen Oppositionellen im Rahmen des so genannten Röhm-Putsches466 am 30. Juni 1934, dem »noch unsicheren Regime«, wie es womöglich entschuldigend hieß, zur Last gelegt. Dass der neue Familienvorsteher der Familie gerade jetzt, im Jahr 1935, den Entwurf einer neuen Satzung vorlegte, könnte auch mit der Verabschiedung der so genannten »Nürnberger Gesetze«467 im selben Jahr zusammenhängen. Immerhin lautet § 2 der Satzung: »Die Familie gibt ihrer Freude darüber Ausdruck, daß der Grundsatz der Blutsreinheit wieder zur allgemeinen Anerkennung gelangt ist. Sie erwartet von ihren sämtlichen Angehörigen, daß sie diesem Grundsatz entsprechend handeln …« Möglicherweise sahen sich Curt-Kremzow 465 Vgl. die Ausführungen weiter oben auf S. 35f. 466 »Eine angebliche Verschwörung der SA-Führer um E. Röhm, von A. Hitler zum Anlaß genommen, diesen Personenkreis in einer persönlich geleiteten und von der SS- und Gestapo-Spitze (u. a. H. Himmler und R. Heydrich) organisierten nächtlichen Aktion … zu ermorden. Gleichzeitig wurden auch andere mißliebige Personen umgebracht, u. a. K. v. Schleicher, G. Strasser, G. Ritter v. Kahr, E. Jung, E. Klausener. Am 3. 7. 1934 ließ Hitler diese Mordaktion durch Gesetz als ›Staatsnotwehr‹ für Rechtens erklären« (Der große Brockhaus, Stichwort Röhmputsch, 18., völlig neu bearbeitete Aufl., Wiesbaden 1979). 467 Der Begriff bezieht sich auf den Reichsparteitag der NSDAP 1935 in Nürnberg, auf dem »die anwesenden Mitglieder des Reichstages die [Rasseng]esetze per Akklamation angenommen hatten.« Durch das 1935 allgemein bekannt gewordene »›Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre‹, auch ›Blutschutzgesetz‹ genannt, … wurden die Heirat und der außereheliche Geschlechtsverkehr ›zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes‹ verboten.« Die Strafen konnten erheblich sein: Mehrere Monate Gefängnis und öffentliche Bloßstellung (Klaus Godau-Schüttke, Blut und Roben, in: Die Zeit, 17. 9. 2015).

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und der im Hintergrund wirkende eigentliche Verfasser des Satzungstexts, Christian-Otto von Wedel Parlow-Polßen, durch die Nürnberger Gesetze – und die antijüdische Pogromstimmung – ermutigt, die ganze Familie auf eine Ablehnung ehelicher Verbindungen mit Juden oder Jüdinnen zu verpflichten, eine Einstellung, die der Familie anscheinend keineswegs fremd war, denn angeblich »freut« die Familie sich ja, dass Blutsreinheit »wieder« ein allgemein anerkannter Grundsatz geworden ist. Mit der Aufnahme der § 1 und 2 in die neue Satzung erbrachte die Familie eine von niemandem verlangte Anpassungsleistung an den NS-Staat. Das gilt – abgeschwächt – auch für die folgenden, dem Landbesitz gewidmeten Bestimmungen. Neben deutlichen Anklängen an die völkisch-nationalsozialistische »Blut und Boden«-Rhetorik und Erbhof-Gesetzgebung wird hier zugleich der Wesenskern des ostelbischen Adels beschworen: Landbesitz nicht nur als Existenzgrundlage, sondern vor allem auch als Jahrhunderte alte, nicht hinterfragbare Seinsbestimmung, die in der Selbstbewirtschaftung des Besitzes zum Ausdruck kam. So hebt § 3 sogleich mit einer Klage über die bisherige Nachlässigkeit im Umgang mit Land an, seien doch von dem »alten stolzen Landbesitz«, den die Familie einst »fremden Völkerschaften entriß«, »heute nur noch Trümmer vorhanden«. Die Familie wünsche nicht, »den Tag zu erleben, da auch der letzte Familiensitz ihr entfremdet sein wird«, heißt es dort weiter. Denn im Grundbesitz sieht die Familie »ihren Hauptrückhalt«. Darin weiß sie sich »eins mit ungezählten Geschlechtern der Vergangenheit, die immer wieder die härtesten Kämpfe und Entsagungen nicht gescheut haben, um ihre Scholle den Nachkommen zu sichern. Sie erwartet daher von allen grundbesitzenden Angehörigen, daß sie ihren Grund und Boden als von ihren Vorfahren zu Lehen empfangen betrachten und dementsprechend ein Gebot der Treue darin sehen, ihn der Familie zu erhalten.« Ganz im Gegensatz zur Geschichte, in der Land immer auch handelbares Gut468 war, wird Landbesitz hier als unantastbar erklärt. Er ist unveräußerlich, unteilbar, und die ganze Familie ist aufgerufen, darauf hinzuwirken, dass er erhalten wird, zum Beispiel, indem erbberechtigte weibliche Nachkommen zugunsten männlicher Familienangehöriger verzichten (§ 11, Ziff. 1). Jeder Land besitzende Vetter soll sich die Landbautechnik soweit aneignen, dass er seinen 468 Die Familiengeschichte nennt den Fall der jungen Witwe Cordula von Wedel-Kremzow, die »1616 den Grafen Albrecht von Eberstein [heiratete] und … mit ihrem Gelde für 33 796 fl. die große Herrschaft Massow [erwarb]« (Wedel Parlow, Die Wedel in acht Jahrhunderten, a.a.O., S. 31). Ein anderes Beispiel ist Sebastian Georg von Wedel-Malchow : »Um das Jahr 1645 hat er Malchow und das angrenzende Göritz erworben.« (Irmgard v. Wedel-Malchow, Malchow, Kreis Prenzlau, Uckermark, in: Wedel-Parlow-Polssen (Hg.), Wedelsche Häuser, a.a.O., S. 33). Weitere Beispiele, insbesondere auch für Landverkäufe, ließen sich benennen.

Mit einer neuen Satzung

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Betrieb selbst bewirtschaften kann. Er kann sich hierbei von erfahrenen Vettern, die von den Familientagen eigens hierfür gewählt werden, beraten lassen. Den Beratern ist »jede gewünschte zweckdienliche Auskunft rückhaltlos zu erteilen«. Der Vorsteher der Familie kann sich jederzeit ein Bild vom Zustand eines Betriebes machen. »[… W]o die Kraft des Einzelnen zur Erhaltung eines Familiensitzes nicht ausreicht«, soll die »vereinte Kraft der Familie« eingreifen. Auf den ersten Blick scheinen einige dieser Bestimmungen durchaus vernünftig. Denn wer würde es nicht gutheißen, wenn von einem Landbesitzer erwartet wird, dass er sich das nötige Rüstzeug für den Landbau aneignet und sich hierbei von erfahrenen Landwirten beraten lässt. Und es versteht sich eigentlich von selbst, dass den Beratern »jede gewünschte zweckdienliche Auskunft« erteilt wird. Womöglich flossen in diesen Teil der Satzung auch die Erfahrungen mit den »Versuchs- und Beratungsringen« ein, die in den 1920er Jahren im Kreis Regenwalde in Pommern gegründet worden waren.469 Aber während die unter dem Vorsitz von Friedrich Wilhelm von Wedel-Zülzefitz arbeitenden Versuchsringe lediglich Beratung a n b o t e n, ist die Familiensatzung wesentlich radikaler. Gemäß § 11 sollen die landbesitzenden Vettern »ihre private Bequemlichkeit und auch den materiellen Vorteil ihrer nächsten Angehörigen, überhaupt Sonderzwecke gleichviel welcher Art dem Ziele unterordnen, den Grundbesitz der Familie zu erhalten.« Die Betonung all dieser Bestimmungen liegt auf dem Erhalt des Landbesitzes nicht in irgendwessen, sondern in W e d e l s c h e r Hand. Die Heirat einer erbberechtigten Cousine mit einem tüchtigen Landwirt beispielsweise Arnimscher Herkunft hätte den Wedelschen Landbesitz geschmälert. Von der Cousine wäre deswegen erwartet worden, zugunsten eines Wedelschen Vetters auf den Besitz zu verzichten. Natürlich hätte die Cousine nicht zu einem Verzicht gezwungen werden können. Aber der Familienvorsteher hätte sie vielleicht auf ihre Verantwortung hinsichtlich des Erhalts des Wedelschen Landbesitzes hingewiesen. Ein unterschwellig-aggressiver Ton in diesem Teil der Satzung ist unverkennbar. Schlamperei in der Betriebsführung, unzureichende Fachkenntnisse, Verschwendung in Form von Ausgaben für »Sonderzwecke«, Verweigerung von Auskünften über die finanzielle Lage des Betriebs sind die Missstände, denen der Kampf angesagt wird. Dem Familienvorsteher wird die Rolle eines obersten Betriebsführers angetragen, der sich jederzeit ein Bild vom Zustand der einzelnen Betriebe machen kann. Der Eindruck stellt sich ein, dass mit solchen »auf

469 Friedrich Wilhelm v. Wedel-Zülzefitz, Zülzefitz, in: Wedel-Parlow-Polssen (Hg.), Wedelsche Häuser im Osten, a.a.O., S. 132.

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einen wirkungsvollen Zusammenschluß der Familie«470 hinzielenden Plänen wiederangeknüpft werden sollte an gescheiterte Bemühungen im 14. Jahrhundert, für das Wedel-Gebiet eine eigene Landeshoheit zu erwirken. Doch vielleicht schwebte den beiden Verfassern eher die zeitgemäßere Vorstellung einer Volksgemeinschaft im Kleinen vor. Denn so wie nach NS-Vorstellungen »Blut und Boden« über das Schicksal der Völker entscheiden, meint man hier, das Schicksal grollen zu hören, wenn die Familie mit dem letzten Familiensitz untergeht. Verräterisch ist in dieser Hinsicht, wie Ludolf von Wedel Parlow-Polßen die neue Satzung noch nach 1945 beurteilte: »Sicher hätte die neue Satzung … dem Geschlecht eine neue Blüte beschert.«471 »Dem Geschlecht eine neue Blüte« – in welcher Form wohl? Als Wedelsches Güterkombinat? Ein Fürstentum wäre nicht mehr zeitgemäß gewesen. Ob damals, im Januar 1936, alle 65 Vettern, die der Satzung zugestimmt haben, tatsächlich bereit waren, sie in allen Punkten zu beachten, lässt sich nicht mehr ergründen. Curt von Wedel-Kremzow jedenfalls scheint damals die in der Satzung niedergelegten Grundsätze, soweit sie den Landbesitz betrafen, befolgt zu haben. »Mein Vater ist damals mit der Offenlegung seiner Verhältnisse beispielhaft vorangegangen«, berichtet Wulff von Wedel-Kremzow.472

4.3

Auf den Familientagen

Die dargestellten Lebenswege einiger Hitleranhänger unter den Wedel belegen noch keinen breiten Zulauf zur nationalsozialistischen Bewegung. Eher könnte man von einer kleinen Schar einzelner Parteimitglieder sprechen, die in der Gesamtfamilie vielleicht nur eine Außenseiterrolle spielten. Selbst zusammen mit den übrigen Parteigängern unter den insgesamt 78 von der zeitgeschichtlichen Forschung gezählten Wedelschen NSDAP-Mitgliedern bildeten die portraitierten Wedel vermutlich noch keine geschlossene Gruppe, die auf den Familientagen als eine nationalsozialistische Fraktion wahrgenommen wurde. Nicht so sehr, weil sie mit gut einem Drittel der in Deutschland lebenden erwachsenen Wedel nur eine Minderheit darstellten, sondern weil sie, wie schon weiter oben vermutet473, untereinander wohl nur zu einem geringen Teil von ihrer politischen Orientierung wussten. Es gehörte nicht zum guten Ton, im 470 471 472 473

Wedel-Kremzow, Kremzow, a.a.O., S. 51. Wedel Parlow, Die Wedel in acht Jahrhunderten, a.a.O., S. 61. Wedel-Kremzow, a.a.O., S. 51. Vgl. weiter oben S. 40.

Auf den Familientagen

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größeren Familienkreis über Politik zu sprechen.474 Allenfalls Andeutungen wird es gegeben haben, und man ahnte vielleicht, was diese oder jene Cousine, dieser oder jener Vetter von den Nazis hielt. Genaueres wusste man anscheinend dennoch nicht. Außer von jenen, »die ihre SS-Uniform nicht versteckten.«475 Andernfalls wäre die familienöffentliche Feststellung, die Wedel hätten sich »mit sehr geringen Ausnahmen bewußt vom Nationalsozialismus ferngehalten,«476 kaum erklärbar. Es sei denn, es würde eine bewusste Beschönigung unterstellt. Dafür sind jedoch bis heute keine Anhaltspunkte bekannt geworden, auch wenn es sehr verwundert, dass dem Verfasser der »Wedel in acht Jahrhunderten« die nationalsozialistische Orientierung so vieler Vettern und Cousinen bis zum Zeitpunkt der Drucklegung 1951 verborgen geblieben sei. Immerhin waren von den sechs Vorstandsmitgliedern, die der Familie 1935 den Entwurf der neuen Satzung zur Abstimmung unterbreiteten, vier in der NSDAP oder standen kurz vor dem Beitritt. Davon war einer, der Reichsredner der NSDAP, Karl von Wedel Parlow-Wedelsberg, schon 1925 beigetreten. Zwei weitere, Curt von WedelCremzow und Joachim von Wedel-Pumptow, waren am 1. Mai 1937 aufgenommen worden, hatten ihren Aufnahmeantrag aber wahrscheinlich schon 1933 gestellt. Der vierte, Clemens Graf von Wedel-Großzschocher, erhielt das Parteibuch am 1. 7. 1940. Mag sein, dass es weniger die Affinität zum Nationalsozialismus als das persönliche Ansehen war, weswegen die vier in den Vorstand gewählt worden waren. Sollte deren Nähe zum Nationalsozialismus damals aber bekannt geworden sein – von dem Reichsredner der NSDAP, Karl von Wedel Parlow-Wedelsberg, war das ohnehin anzunehmen –, so zählten sie in den Augen des Verfassers der Familiengeschichte von 1951 vermutlich zu jenen »sehr geringen Ausnahmen«. Auch jene fünfzehn NSDAP-Mitglieder unter den insgesamt 25 Wedelschen Gutsbesitzern477 dürfte der Verfasser der Familiengeschichte zu den »Ausnahmen« gerechnet haben, sollte er von deren Parteizugehörigkeit erfahren haben. Was aber anzunehmen ist, da solche bemerkenswerten Tatsachen dem Familienklatsch wohl kaum entgangen waren. Die Güter galten als der »Hauptrückhalt 474 Wedigo Graf von Wedel-Gödens vermutet hingegen, dass politische Fragen durchaus »ein Thema auf Familientagen gewesen waren«, räumt aber sogleich ein, »daß die Gesellschaft [damals] gar nicht politisch und kritisch denkend erzogen war. Kaum einer hatte die Fähigkeit, sich zu distanzieren und die Politik der Nazis kritisch zu beleuchten. ›Mein Kampf‹ dürfte kaum jemand gelesen haben. Je länger die Sache dauerte, desto mehr vermied man auch, mit Familienangehörigen über Politik zu sprechen.« (Wedigo Graf von Wedel-Gödens, Zur Geschichte der Familientage, Vortrag auf dem Familientag am 11. September 1999 in Berlin, unveröff. Mskr., Arch. d. Fam.Verb. von Wedel, S. 7). 475 Ebd. 476 Wedel Parlow, Die Wedel in acht Jahrhunderten, a.a.O., S. 61. 477 Vgl. Anm. 91 und 99.

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der Familie«: »Im Grundbuch stand zwar der Name des Besitzers. Doch in Wirklichkeit gehörten die Güter allen.«478 Hier fanden Familientage statt. Die jungen Vettern sollten laut einem auf dem Familientag von 1936 bekannt gegebenem Plan zu Beginn der Sommerferien »auf einige Tage nach einer Gruppe nahe beieinander liegender Wedelscher Güter eingeladen werden.«479 Nimmt man alles zusammen: eine neue Familiensatzung mit deutlich völkischem Einschlag, die Häufigkeit von NSDAP-Mitgliedern unter den Wedel sowie insbesondere im Familienvorstand und unter den pommerschen und neumärkischen Gutsbesitzern, nicht gerechnet jene Anhänger der NS-Bewegung, die den Schritt zu einem förmlichen Parteibeitritt unterlassen hatten, so wäre es sehr verwunderlich, wenn auf den Familientagen in den Jahren 1936 bis 1940 nicht eine den Nationalsozialismus bejahende Stimmung geherrscht hätte. Immerhin sollte »[auf] dem letzten Familientag vor dem Krieg 1937 … eine Art Ergebenheitsadresse an den Führer geschickt werden.«480 Irgendetwas davon sollte der damals sechsundvierzig- bis fünfzigjährige Verfasser der Familiengeschichte von 1951 gespürt haben. Aber Belege gibt es dafür nicht.

478 Wedel Parlow, Die Wedel in acht Jahrhunderten, a.a.O., S. 49. 479 Familien-Nachrichten, Cremzow, im Juli 1937, S. 4; es war die erste – und wohl auch letzte – Nummer der auf dem Familientag vom 5. 2. 1937 beschlossenen Familienzeitschrift. 480 »Was daraus wurde, weiß ich nicht.« (Wedigo Graf von Wedel-Gödens, a.a.O., S. 7).

5.

Zwischen Mimikry und widerständigem Handeln: Regimegegner unter den Wedel

Wenn es auch wenig wahrscheinlich ist, so kann doch nicht von vorneherein ausgeschlossen werden, dass die Mehrheit der Wedel das NS-Regime ablehnte, die ablehnende Haltung jedoch nicht zeigte – so wie man gewohnheitsmäßig Gespräche über Politik vermied. Gerade auch vor den Kindern, die sich in der Schule hätten verplappern können, hielt man den Mund. Selbst unter Erwachsenen beschränkte man sich vielfach auf Andeutungen oder die Kritik an einzelnen Personen, zumal im Postverkehr. Esther von Mühlendahl etwa, die Ehefrau Bernd von Wedel-Schwerins, schreibt ihrer Mutter am 29. 12. 1933: »Wenn Kitty auch glaubt, dass heute nur kluge Köpfe an der Spitze stehen, so will ich nicht unnütz widersprechen, aber hier bei uns stehen doch viele Köpfe an der Spitze, die der Sache nicht gewachsen sind.«481 Oder die Eltern vereinbarten Codewörter für das Gespräch vor den Kindern oder am Telefon. Detlev von Wedel aus dem Hause Vossberg erinnert sich, dass seine Eltern manchmal von Ratten sprachen. Gemeint waren die NSOrgane, wie Detlev erst nach dem Krieg erfuhr.482 Hinzu kommt, dass zahlreiche Parteimitglieder sich nach anfänglicher Begeisterung wieder von der »Bewegung« abwandten, einen förmlichen Austritt aber nicht für ratsam hielten. Auch weil sie aus der Mitgliedschaft noch Nutzen zu ziehen hofften. Für den Generallandschaftsdirektor der Neumark, Graf Wedego von Wedel-Gerzlow, ist das belegt. Oder man schämte sich und suchte einen Ausweg in Zurückhaltung und Schweigen auch im engsten Familienkreis. Ein beredtes Beispiel ist Bernd von Wedel-Fürstensee, der in seinem Bericht über Fürstensee zwar ausführlich über seine politischen Aktivitäten schreibt, seinen Parteibeitritt aber verschweigt.483 Auch den halberwachsenen Kindern blieb deshalb vielfach die »politische 481 Zit. n. Kay von Wedel-Schwerin, Erinnerungen an die Jugendzeit im 3. Reich, unveröff. Mskr., 2009; die Mutter lebte in Blankenburg/Harz, deswegen blieben an sie gerichtete Briefe erhalten; Kitty war Esthers Schwester. 482 Detlev von Wedel-Vossberg, email v. 31. 1. 2009 a. d. Verf., Priv.besitz d. Verf. 483 Wedel-Fürstensee, a.a.O.

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Regimegegner unter den Wedel

Geschichte« der Eltern verborgen. Ein Beispiel wurde bereits weiter oben erwähnt:484 Ingrid von Wedel-Zettitz erfuhr nur dadurch von der Parteimitgliedschaft ihres Vaters, Wedigo von Wedel-Zettitz, dass sie den Mitgliedsausweis zufällig auf dessen Schreibtisch liegen sah, als sie für ihren Schreibmaschinenkurs auf Vaters Schreibmaschine üben wollte. Der Vater kam hinzu, sah, wie sie darin blätterte. Es sei ihm höchst peinlich gewesen. Sie war 17 damals im Jahre 1941. Die Mutter erklärte später, er sei nur zahlendes Mitglied. Danach wurde nie mehr über die NS-Zeit gesprochen.485

Rosemarie von Wedel-Rossow-Uchtenhagen Auch wenn die Fraktion der Hitlergegner es nach Hitlers Machtantritt im Allgemeinen vermied, sich zu ihrer politischen Einstellung zu bekennen, gibt es doch vielerlei Zeugnisse ihrer ablehnenden Haltung, auch durch widerständiges Handeln im Kleinen. Oft waren es die Frauen, die sich – bei aller Vorsicht – dem totalen Machtanspruch des NS-Regimes widersetzten. Weiter oben wurden einige Beispiele erwähnt: Irene Freiin von Langermann, die Ehefrau von Haro Burchard Graf von Wedel-Gödens, Anneliese von Wedel-Gerzlow, die Ehefrau Bernd von Wedel-Fürstensees, Mathilde von Oertzen, die Ehefrau Karl Erhard Graf von Wedel-Gödens. Auch Rosemarie von Wedel aus dem Hause Rossow-Uchtenhagen ist hier zu nennen. 1918 geboren, zählt sie zu der Generation, die besonders anfällig war für die Hitlerschen Parolen. »Deutschland erwache!« schrieb der sechzehnjährige Curd-Hasso von Wedel-Kremzow 1933 in das Zettitzer Gästebuch486, um nur ein Beispiel anzuführen für den damals unter den Jüngeren grassierenden Bazillus. Rosemarie ist eine der wenigen, die dagegen immun blieben. Das kam wohl auch daher, dass sie in ihrer von zerrütteten Familienverhältnissen, Krankheit und Verlassenheit überschatteten Kindheit und Jugend wenig Gelegenheit für Spiel und Sport mit Gleichaltrigen hatte, dafür umso mehr Zeit für die Beobachtung der Erwachsenenwelt. Schon als Sechsjährige musste sie erleben, wie sich die Eltern, Friedrich von Wedel-Rossow-Uchtenhagen und Gosta Freiin von dem Bussche-Hünnefeld, scheiden ließen und die kleine Tochter bei Verwandten in Pension gaben, u. a. bei 484 Anm. 117. 485 Müller-von Wedel-Zettitz, Gedächtnisprot. eines Tel.gespr. m. d. Verf. am 14. 2. 2009, a.a.O. 486 Ingrid Müller-von Wedel-Zettitz, Gedächtnisprot. eines Tel.gespr. m. d. Verf. am 12. 2. 2009, Priv.bes. d. Verf.; Curd-Hassos Mutter, Edeltraut von Wedel-Cremzow, sei damals entsetzt gewesen, zeigte die Parole doch, in welchen Kreisen der Sohn verkehrte, der dann im Januar 1945 als Uffz. in der 206. Inf. Div. bei Frauenburg in Kurland den Tod fand.

Rosemarie von Wedel-Rossow-Uchtenhagen

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Tante Margot von Clausewitz, der älteren Schwester des Vaters. Mütterliche Zuwendung suchte Rosemarie dort vergebens. Die Ehe der Eltern scheiterte vermutlich am Unvermögen des Vaters, sich unter den neuen Verhältnissen nach dem Ersten Weltkrieg zurechtzufinden. Zuletzt Rittmeister im Dragoner-Regiment 16, hatte der Vater 1919 den Abschied nehmen müssen. »My father … was a dreamer and a romantic, and after the first world war, he found he didn’t fit into the new Germany.« Eine Beschäftigung in der Wirtschaft kam für ihn nicht in Frage: »gentlemen did not engage in commerce … friends tried to help by finding jobs for him, but these were jobs which, given his old-fashioned attitudes, he wouldn’t think of taking. Finally, I believe he began to feel totally useless – superfluous.«487 Mit acht Jahren erkrankte Rosemarie an Polio, als sie auf dem Gut Falkenhagen in Pommern, einem Arnimschen Besitz, in Pension war. Die Krankheit blieb lange Zeit unerkannt und wurde falsch behandelt. Eine lebenslange Behinderung durch ein lahmes Bein war die Folge. 1929, Rosemarie war gerade elf geworden, nahm sich der Vater das Leben, wohl vor allem, weil sein Name öffentlich genannt worden war im Zusammenhang mit einem Juwelen-Diebstahl, den seine Verlobte Helga Gräfin von Monroy begangen habe, um ihn finanziell zu unterstützen.488 Die Mutter hatte immer seltener Zeit für Rosemarie und wurde schließlich unerreichbar für einen mündlichen Austausch, nachdem sie sich 1930 entschlossen hatte, mit ihrem zweiten Ehemann, George Zwilgmeyer, in die USA auszuwandern. Sie sorgte aber aus der Ferne für eine Internatsunterbringung, zunächst im Luisenstift Niederlößnitz489 bei Dresden, dessen bigotte Atmosphäre Rosemarie allerdings bald hassen lernte. Im Januar 1933 wechselte Rosemarie auf die Waldorfschule Lauenstein bei Altenburg in Thüringen. Es war ein »Heim für seelenpflegebedürftige Kinder«, wo sie sich wesentlich wohler fühlte. Dort entdeckte sie im Gespräch mit dem Mitschüler Bernhardt Werner aus Frankfurt am Main ihr Interesse für politische Fragen: »… Bernhardt and I found that we liked to look at the newspapers together and discuss what was going on … like me, Bernhardt was anti-Nazi, so there was much to talk about.«490 In Berlin, wo sie 1938 eine Lehre als Verlagsgehilfin begann, erlebte sie den 18. November 1938, als Joseph Goebbels jüdische Geschäfte plündern und die Synagogen niederbrennen ließ. Gegenüber ihrem Arbeitgeber konnte sie ihre 487 Ursula Perrin, Sparrow. The Wartime Journey of Rosemarie von Wedel. Stillwater, New Jersey 2002, S. 16 u. 18. 488 Rittmeister erschießt sich im Grunewald, BZ-Archiv, 16. 5. 2002, www.bz-berlin.de/artikelarchiv/rittmeister-erschiesst-sich-im-grunewald, abgerufen am 2. 1. 2016. 489 Heute ein Stadtteil von Radebeul. 490 Perrin, a.a.O., S. 87.

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Regimegegner unter den Wedel

Erschütterung nicht zurückhalten: »I’m ashamed to be a German«, offenbarte sie ihm, ohne zu wissen, wo er politisch stand.491 Die erste Probe ihrer politischen Standfestigkeit kam im Februar 1941, als sie in Leipzig zum Abschluss der Verlagsgehilfinnen-Lehre einen Verlagstrainingskurs besuchte. Einer der Dozenten sei stets in SS-Uniform erschienen. In einer seiner Unterrichtsstunden habe er geäußert: »There is no more Christianity among the young people in Germany today.« Sie habe sich gemeldet, ganz entsprechend seiner Empfehlung, sich zu melden, wenn man irgendwomit nicht einverstanden sei. »He said, ›Well, Comrade von Wedel, let’s discuss that question after class.‹ I stayed after class, but I was grimly determined not to be intimidated and to stick to what I believed to be true. I said to him, ›You know, what you said is simply not so. I have a large circle of friends and most of them are truly Christian.‹ … As it happened, we were able to have a long conversation, although not without some qualms on my part.«492 Auch dies ein Beleg, dass nicht mit jedem Widerspruch gleich das Schlimmste drohte. Noch im selben Jahr fand sie eine Anstellung beim Gustav Fischer Verlag in Jena. Sie erkrankte dort schwer. Die behandelnde Ärztin wollte sie in ein Krankenhaus überweisen. Sie wurde jedoch von einer Physiotherapeutin gewarnt, dort werde man ihr eine Spritze geben, »that will make you funny in the head«, und dann eine zweite, die sie – wegen ihrer Behinderung – töten werde. So entging sie um ein Haar dem Euthanasieprogramm.493 Nach dem Krieg, dessen Ende sie im Schwarzwald erlebte, wanderte sie in die USA aus und wurde dort von ihrem Stiefvater adoptiert.

Helene und Ilse von Wedel-Kannenberg Schließlich seien hier auch die beiden 1876/77 geborenen Schwestern Helene und Ilse von Wedel-Kannenberg erwähnt. Beide waren ledig geblieben und hatten, wie es damals auf den pommerschen Gütern üblich war, nach längerer auswärtiger Berufstätigkeit auf dem väterlichen Gut Kannenberg einen Platz für den Lebensabend gefunden. Beide waren sehr religiös, Helene war evangelische Religionslehrerin, Ilse war »vor dem 1. Weltkrieg mit der Breklumer Mission494 für einige Zeit nach Indien« gegangen. In Kannenberg lebten sie »von einer 491 492 493 494

Ebd., S. 126. Ebd., S. 162f. Ebd., S. 174f. 1876 im nordfriesischen Breklum gegründete Missionsgesellschaft, heute das Zentrum für Mission und Ökumene – Nordkirche weltweit (de.wikipedia.org/wiki/Zentrum_für_Mis sion_und_Ökumene_-_Nordkirche_weltweit, abgerufen am 2. 1. 2016).

Helene und Ilse von Wedel-Kannenberg

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kleinen Rente und dem, was ihre Hühnerhaltung abwarf.«495 Daneben »organisierten sie in Konkurrenz zur NS-Frauenschaft die kirchliche ›Frauenhilfe‹, hatten viele Kontakte zu Pastoren der Bekennenden Kirche und gingen ihren Neigungen nach.« Helene schrieb und inszenierte Theaterstücke, Ilse fotografierte, entwickelte die Filme in der eigenen Dunkelkammer und zog Bilder ab.496 Im Juli 1943 erhielten sie einen Hilferuf aus der Bekennenden Kirche. Ob es ihnen möglich sei, jemanden aufzunehmen, nur für kurze Zeit. Das jüdische Ehepaar, Max und Ines Krakauer, war seit dem 29. Januar 1943, »als die Gestapo sie in ihrer Berliner Wohnung zur Deportation abholen wollte,«497 auf der Flucht. Anfangs fanden sie Unterschlupf bei Berliner Freunden und Bekannten, oft nur für eine Nacht, bis ihnen ein Pfarrer der bekennenden Kirche den Rat gab, nach Pommern zu gehen. Vier Monate lang waren sie dort von einer als sicher geltenden Adresse zur nächsten gezogen. Denn »länger als zwei, höchstens drei Wochen an einem Ort sich aufzuhalten« hätte wegen der inzwischen eingeführten allgemeinen Arbeitspflicht für Gastgeber und Freunde peinliche Nachfragen ergeben können.498 Im Juli 1943 schien es, als fände sich in Pommern niemand mehr, der ihnen hätte Schutz bieten können. »Schweren Herzens könne man uns deshalb nur anheimstellen, nach Berlin zurückzukehren. Ein Keulenschlag hätte uns nicht vernichtender treffen können als diese Nachricht.«499 Dann gab es doch noch einen Hoffnungsschimmer. »Schließlich erbot sich das Pfarrhaus Frank [in Rehwinkel] doch, mich aufzunehmen, aber nur mich allein, während meine Frau zu zwei älteren, unverheirateten Damen nach Kannenberg bei Freienwalde kommen sollte … Meine Frau bekam ihre beiden Damen außerhalb der Mahlzeiten kaum zu Gesicht. Sie trug daran besonders schwer, denn auf einem so schweren Wege wie dem unsrigen ist es mit körperlicher Fürsorge nicht getan, auch Seele und Gemüt schreien nach einer Stütze. Der Besitzer des Gutes, auf dem die beiden wohnten, nahm von dem Besuch überhaupt keine

495 Henning von Wedel-Kannenberg, Brief v. 16. 1. 2007 a. Dr. Irmfried Garbe (m. d. Bildnachw. f. »Lichter im Dunkel« von M. Krakauer beauftr.), Kopie, Priv.besitz d. Verf.; Wedel, Familien-Matrikel …, a.a.O., Nr. 23–85. 496 Henning von Wedel-Kannenberg, Eine verfolgte Jüdin bei den Tanten in Kannenberg, in: Das Rad, Jb. d. Fam. Verb. d. Grafen und Herren v. Wedel, Nr. 6, Sept. 2008, S. 37. 497 Ebd., S. 36. 498 Max Krakauer, Lichter im Dunkel. Flucht und Rettung eines jüdischen Ehepaares im Dritten Reich, neu hrsg. von Gerda Riehm und Jörg Thierfelder unter Mitarbeit von Susanne Fetzer, Stuttgart, 2. Aufl. 2008 (1. Aufl. 2007), S. 56; der Fluchtweg des Ehepaares zog sich über 66 Stationen hin bis nach Württemberg, wo er mit dem Einmarsch der US-Streitkräfte am 23. April 1945 endete. 499 Ebd., S. 53.

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Notiz, und wir haben nie feststellen können, ob er überhaupt wusste, wen er da im Haus hatte.«500 Max Krakauer bedenkt hier nicht, dass der »Besitzer des Gutes« und Bruder der »beiden Damen«, Hubertus von Wedel-Kannenberg, mit Helene und Ilse nicht in einem Hause lebte, sondern im etwas davon abgelegenen Gutshaus und dass jedes Reden über die Versteckte nur diese selbst und andere gefährdete. Doch dessen ungeachtet: Der Vorwurf mangelnder Zuwendung wiegt schwer und hat die Nachkommen getroffen. Zweifellos war Ines Krakauer in Anbetracht der Trennung von ihrem Mann und der Drohung, nach Berlin zurückkehren zu müssen, besonders trostbedürftig. Aber gerade das, »die von ihr erwarteten Gesten herzlicher Nähe«, war den beiden Schwestern nicht gegeben.501 Gefühlsäußerungen entsprachen nicht dem Erziehungsstil. Man könnte weitere Mutmaßungen anstellen, warum kein Funke seelischer Fürsorge übergesprungen war. So mochten die Gedanken der beiden Schwestern damals bei den beiden Neffen Hubertus und Jürgen von Wedel-Kannenberg gewesen sein, die in jenen Tagen an der Ostfront den Tod fanden, nachdem schon deren älterer Bruder Ernst-Wilhelm von Wedel-Kannenberg 1940 in Frankreich tödlich verwundet worden war.502 Aber solchen Erklärungsversuchen haftet etwas Beliebiges an. An der Tatsache jedoch, dass Helene und Ilse eine Jüdin bei sich aufnahmen und damit Gefahren auf sich nahmen, lässt sich nicht rütteln.

Wilhelm Gustav (Wim) Graf von Wedel Auch einige männliche Wedel haben Spuren einer Gegnerschaft zum NS-Regime hinterlassen. Am aktiven Widerstand um den Verschwörerkreis des 20. Juli 1944 war kein Wedel beteiligt, Träume von einem erfolgreichen Widerstand schloss das freilich nicht aus. So schreibt Wilhelm Gustav (Wim) Graf von Wedel im Juli 1942 an den befreundeten Paul Freiherr von Schönaich: »Sollte der Himmel in zwölfter Stunde uns einen Mordskerl bescheren, so muß seine erste Tat die Beseitigung des Systems sein, das ist conditio sine qua non als Grundlage für etwaige Verhandlungen. Ich wünsche dem armen gequälten deutschen Volk von Herzen, dass sich recht bald solch ein Mann finden möchte, der von unseren 500 Ebd., S. 56. 501 Wedel-Kannenberg, Eine verfolgte Jüdin …, a.a.O., S. 38. 502 Ernst-Wilhelm von Wedel-Kannenberg, Lt. im IR 5 mot, wurde am 7. 6. 1940 in Aumale bei Amiens tödlich verwundet; Hubertus von Wedel-Kannenberg, Lt. im Pz. Rgt. 5, wurde am 16. 7. 1943 bei Orel schwer verwundet und starb am 1. 8. 1943 in Iwanow östl. Moskau in russ. Gefangenschaft; Jürgen von Wedel-Kannenberg, Uffz. im IR 9, fand am 28. 7. 1943 am Ladogasee den Tod.

Wilhelm Gustav (Wim) Graf von Wedel

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Gegnern als verhandlungsfähig angesehen werden könnte und gleichzeitig das Vertrauen des deutschen Volkes besäße.«503 Die »Beseitigung des Systems« kann sich Wim nur als brutalen Akt vorstellen. Denkbar wäre, so Wim in seinem Brief vom 13. Juni 1942 an Schoenaich, »daß doch ein großer Unbekannter vom Himmel fiele, der mit brutalsten Mitteln alles umbringt und dabei lügt und betrügt, wie sich das für einen Gewaltmenschen gehört. Z. B. müsste er Hitler umbringen, dem Volk aber glaubwürdig versichern, es sei Selbstmord gewesen. Nur so könnte Hitler 90 % seines auch heute noch starken Nimbus verlieren. Dieser Mann könnte z. B. Hermann Göring sein.«504 Wim war 68, als er 1941 den Briefverkehr mit Schönaich begann. Er lebte damals mit seiner Frau, der Amerikanerin Maria Thyme Whitford, in Bayern. Mit Schoenaich war das Ehepaar 1936 bekannt geworden, auf einer Reise mit dem Woermann-Dampfer »Ussukuma« rund um Afrika. Am selben Tisch sitzend, habe man sich »als scharfe Nazi-Gegner schnell … schätzen« gelernt.505 Alle drei konnten aus einem reichen Erfahrungsschatz schöpfen. Schoenaich hatte nach dem 1. Weltkrieg als Generalmajor den Abschied genommen, war dann der Deutschen Demokratischen Partei beigetreten und hatte mit zahlreichen Veröffentlichungen das Anliegen der Deutschen Friedensgesellschaft gefördert. Wim stammte wie viele andere Abkömmlinge des ostfriesischen Hauses aus einer Hofbeamtenfamilie – sein Vater Clemens Graf von Wedel war Oberstallmeister am großherzoglich oldenburgischen Hof gewesen, nach einer dem Hofdienst vorausgehenden militärischen Karriere. Während der ältere Bruder Clemens Graf von Wedel-Großzschocher Recht studierte und später Landrat erst in Leer, dann in Hannover wurde, schlug Wim eine militärische Laufbahn ein, zunächst beim Dragoner-Regiment 19. 1900 wurde er in das ostasiatische ReiterRegiment abkommandiert, das sich unter dem Befehl Alfred Graf von Waldersees nach Peking einschiffte, um dort als Teil einer internationalen Truppe den Boxeraufstand niederzuschlagen. Als das deutsche Kontingent landete, war Peking bereits von den Aufständischen »befreit«. Für die deutsche Truppe blieben nur Besatzungsaufgaben. Wim vertrat längere Zeit den Militär-Attach8 – und lernte seine spätere Frau kennen. Das Paar heiratete 1903 in Kalgan, einer Stadt etwa 160 km nordwestlich Pekings. Es folgte noch ein Ritt durch die Mandschurei, dann war das fernöstliche Abenteuer zu Ende.506 1904 zurück in Deutschland, wurde Wim in Berlin 2. Garde-Ulan. Doch der 503 Paul Freiherr von Schoenaich, Mein Finale. Mit dem Geheimen Tagebuch 1933–1945. Flensburg und Hamburg 1947, S. 371. 504 Ebd., S. 364. 505 Ebd., S. 306. 506 Wedel, Familien-Matrikel …, a.a.O., Nr. 21–359, 22–260, 22–261.

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Umgang mit den Familien der Regimentskameraden behagte dem Ehepaar nicht. »[D]as stark kosmopolitische Ehepaar [habe nicht] in ein deutsches Offizierskorps« gepasst, urteilt Schoenaich. Wim nahm deswegen 1906 »den Abschied und wurde Farmer in Amerika. Bei Ausbruch des ersten Weltkrieges waren sie zufällig in Deutschland auf Urlaub. Da er nicht nach Amerika zurück konnte, machte er den Krieg im Stab des Generals von Liebert507 mit.« Seine Frau war in den USA inzwischen enteignet worden. Eine Rückkehr war deswegen nicht verlockend. Sie blieben »in Deutschland, wo sie seitdem … als Privatleute … lebten.«508 Die Erfahrungen zweier Kriegsschauplätze, die Jahre in den USA hatten Wim zu einem Skeptiker gemacht. So konnte er die Kriegslage im Sommer 1942 aus großer Distanz beurteilen: »Sie schreiben«, antwortet er am 13. Juni 1942 auf einen Brief Schoenaichs, »die Gegner wollten durch die Bombardierung deutscher Städte Volk und Führer so zermürben, daß so oder so ein Systemwechsel eintritt. Später schreiben Sie sehr richtig, daß die Nazis für ihre Existenz kämpfen. Wie also sollte da ein Systemwechsel eintreten? Sicherlich nicht durch freiwilliges Abdanken der Naziführer … Das Hauptziel der Gegner ist meiner Meinung nach nicht so sehr die Zerschlagung der Wehrmacht, als vielmehr die Ausrottung des Nazisystems … Allem Anschein nach ist das Ziel nur dadurch zu erreichen, daß zuerst die Wehrmacht militärisch besiegt wird. Wie das ohne Landung auf dem Kontinent möglich sein soll, kann ich nicht sehen.«509

Wedigo von Wedel-Zettitz So wie Wim haben damals vermutlich viele Hitlergegner gedacht. In ihren fruchtlosen Gedankenspielen offenbarte sich ihre ganze Hilflosigkeit. Widerständiges Handeln konnte da viel wirkungsvoller sein, selbst wenn es sich nur auf den engen Rahmen einer Gutswirtschaft bezog. So etwa berichtet Ingrid Müllervon Wedel-Zettitz von »kleinen Reibereien« in der Zettitzer Forstwirtschaft. Man habe ihnen »einen Förster vor die Nase« gesetzt. Ingrids Vater, Wedigo von Wedel-Zettitz, vielleicht von Enttäuschung und Scham über die eigene politische Blindheit getrieben – er war wie sein Bruder Curt von Wedel-Cremzow der NSDAP beigetreten, stellte gegenüber dem Förster klar : »Wer den Einschlag 507 Vor seiner Reaktivierung im 1. Weltkrieg war Eduard von Liebert bis 1901 Gouverneur von Deutsch-Ostafrika gewesen und hatte sich danach als Gründungsvorsitzender des »Reichsverbands gegen die Sozialdemokratie« und führendes Mitglied des »Alldeutschen Verbands« hervorgetan; 1929 trat er der NSDAP bei (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/ Eduard_von_Liebert, abgerufen am 2. 1. 2016). 508 Paul Freiherr von Schoenaich, a.a.O., S. 306. 509 Ebd., S. 364.

Botho Graf von Wedel-Gödens

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erfüllt, ist dumm!« Die Unbotmäßigkeit wurde gemeldet, und ein Verfahren gegen Wedigo angestrengt. In den Wirren des nahenden Kriegsendes kam es nicht mehr dazu.510 Sieht man nur das Große, das Schicksal des Reiches als Ganzes, so erscheint Wedigos Äußerung gegenüber dem linientreuen Förster bedeutungslos, unvorsichtig war sie ohnehin. Berichtet wird sie hier nur, weil sie eine Haltung zum Ausdruck bringt, ein Beharren auf Vernunft auch angesichts des herannahenden Endes.

Botho Graf von Wedel-Gödens Von derselben Haltung zeugt auch, wie der letzte kaiserliche Botschafter in Wien, Botho Graf von Wedel-Gödens (1862–1943), den kleinen jüdischen Friedhof in Loga vor der befürchteten Zerstörung durch die Ortsgruppenleitung der NSDAP rettete. Der Friedhof lag auf Wedelschem Grund und grenzte an den eigenen Park. Botho machte ihn stillschweigend zu einem Teil des Parks und schirmte ihn nach außen durch Zaun und Büsche ab. Die jüdischen Gräber haben die Nazizeit unbeschadet überstanden und werden heute von der Stadt Leer gepflegt.511 Wenn es nottat, protestierte Botho auch, vielleicht nicht gerade gegen die Deportation jüdischer Mitbürger, so doch immerhin gegen die Entfernung des Namens Benjamin vom 1936 errichteten Kriegerdenkmal. Seine Forderung, den Namen wieder anzubringen, blieb allerdings erfolglos.512 Dagegen folgte sein halbjüdischer Kollege aus dem Auswärtigen Amt, Richard Meyer von Achenbach, seinem dringenden Rat, nach Schweden auszuwandern, noch rechtzeitig im August 1939.513 All dies genügte, um ihn verdächtig zu machen. Die Gestapo setzte ihn auf ihre Festnahmeliste zum 20. Juli 1944.514 Geschehen ist ihm aber wohl nichts. 510 Ingrid Müller-v. Wedel-Zettitz, Brief v. 11. 2. 2009 a. d. Verf. sowie Gedächtnisprot. eines Tel.gespr. m. d. Verf. am 12. 2. 2009. 511 Werner Graf von der Schulenburg, Brief v. 5. 11. 2008 a. d. Verf., a.a.O. 512 »Bitte um Weisung für sein Verhalten gegenüber der unter Hinweis auf die im Grenzgebiet zahlreichen holländischen Besucher … erhobenen Forderung insbesondere des Botsch. a. D. Graf v. Wedel, den Namen Benjamin wieder anzubringen.« (Anfrage des OGrL (Ortsgruppenleiter) Loga beim StdF (Stellvertreter des Führers) mit Bezug auf das Verbot der Anführung jüdischer Gefallener auf nach 1933 errichteten Kriegerdenkmälern, Akten der Parteikanzlei der NSDAP. Rekonstruktion eines verloren gegangenen Bestandes, Teil 1, Regesten Bd. 2, München, Wien 1983, Nr. 21873, S. 247). 513 »Nach dem Krieg fragten Meiers [sic] bei seiner Witwe an, ob sie ein Kind oder Enkelkind aus Dankbarkeit in Schweden aufnehmen könnten. So kam meine Schwester Julia nach dem Krieg nach Schweden.« (Sievert Graf von Wedel-Gödens, Brief v. 17. 1. 2009 a. d. Verf., a.a.O.). 514 Reichssicherheitshauptamt IV-Sonderkommission 20. Juli – Festnahmeliste Nr. 22 zum 20. Juli 1944, BAB, R58/3197, Blatt 16.

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Bothos Eintreten für die jüdische Sache verweist nur auf eine Seite seiner Persönlichkeit. Dass er »überzeugter Monarchist« war und »der jungen Demokratie … skeptisch, wenn nicht gar ablehnend« gegenüberstand,515 widerspricht dem keineswegs, stellt ihn aber in eine Reihe mit den republikfeindlichen Kräften, die Hitler den Weg zur Kanzlerschaft ebneten. So sehr er dessen Politik auch abgelehnt haben mochte, Hitlers großdeutsche Ambitionen könnten Botho durchaus sympathisch gewesen sein, nachdem er selbst als Botschafter 1919 in Wien noch »bei dem Versuch, Österreich dem Deutschen Reich anzugliedern,« mitgewirkt hatte.516 Auch den Anschluss Deutschböhmens an das Reich hatte er sich damals vorstellen können.517

Karl von Wedel-Steinbusch Die Ablehnung des NS-Regimes äußerte sich häufig nur durch ein Wort, und sei es nur die unbedachte Äußerung gegenüber einem linientreuen Förster oder der verzweifelte Ausruf: »I am ashamed to be a German«. Noch ein anderer Wedel habe sich in verfänglicher Situation zu einer derartigen Äußerung hinreißen lassen. »Ich war wochenlang Fahrer und Begleiter eines Majors vom OKW (Oberkommando der Wehrmacht) aus Berlin«, erinnert sich A. Schumann. »Gemeinsam mit ihm stellte ich zwei Sendemasten im Konzentrationslager Brendonk auf. Von Wedel, so hieß der Major, war von Beruf Hochfrequenzingenieur. In dieser Eigenschaft richtete er in dem berüchtigten Konzentrationslager eine Sendestation ein, mit deren Hilfe dann das Funkspiel ›Rote Kapelle‹ mit der Gegenstelle Moskau betrieben wurde.«518 Es handelt sich um den 1894 auf Sumatra geborenen Karl von Wedel aus dem Hause Steinbusch. Sein Vater, Georg von Wedel, war Schiffsarzt bei der niederländischen Marine gewesen. So erklärt sich wohl, dass er hin und wieder nach Niederländisch Indien kam und dort die Niederländerin Christine Dermout kennenlernte, mit der er 1889 in Batavia die Ehe einging. Karls Lebenslauf ist nur in Bruchstücken bekannt. Er besuchte eine Oberrealschule, vielleicht in Darm515 Stefan Pötzsch, Botho Graf von Wedel, in: Biographisches Lexikon für Ostfriesland, Ostfriesische Landschaft, www.ostfriesischelandschaft.de/fileadmin/user…Wedel_Botho.pdf. 516 Ebd. 517 »Wenn sich der tschechische Staat konstituiert, ist für die von Deutschösterreich so gut wie abgeschnittenen Deutschen Böhmens der Anschluss an das Reich die einzige Rettung. Diese 112 Millionen Seelen würden sonst unzweifelhaft dem Deutschtum verloren gehen.« (Wedel an Reichskanzler Max von Baden, 16. 10. 1918, zit. n. Johann Wolfgang Brügel, Tschechen und Deutsche 1918–1938, München 1967, S. 55 u. Anm. 54). 518 Erinnerungen des Gefreiten A. Schumann, unveröff. Mskr., o. O. u. J., Arch. d. Fam.verb. von Wedel sowie Ernst-Wilhelm von Wedel-Kannenberg, email v. 18. 2. 2010 an d. YahooGruppe Wedel, Priv.besitz d. Verf.

Bernd von Wedel-Schwerin

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stadt. Im Ersten Weltkrieg stieg er bis zum Oberleutnant der Nachrichtentruppen auf. Danach studierte er Ingenieurwissenschaften, wo ist nicht bekannt.519 1931 heiratete er in New Jersey die aus Neuburg an der Donau stammende Frances de Crignis.520 Vermutlich blieb er bis zum Kriegsbeginn in den USA, um dann sein Ingenieurwissen der Deutschen Wehrmacht zur Verfügung zu stellen. Dort fand er Verwendung bei der deutschen Abwehr unter Admiral Canaris. Während nun Karl zusammen mit dem Gefreiten A. Schumann und Henrik, einem wegen eines Sabotagevorwurfs inhaftierten belgischen Bergmann, der ihnen als Helfer zugeteilt worden war, im ersten Stock eines Kasemattenbaus an der Funkstation arbeitete, konnte er durch ein Fenster beobachten, wie unten im Hof der belgischen Festung aus dem Ersten Weltkrieg das SS-Wachpersonal, um sie zur Eile anzutreiben, sinnlos auf die etwa fünfzig KZ-Häftlinge einprügelte, die dort vor dem Essensempfang an einem fünf Meter breiten Trog Hände und Schuhe zu reinigen versuchten. »Und jetzt geschah etwas Unwahrscheinliches«, berichtet A. Schumann. »Der Stabsoffizier vom OKW mit den roten Streifen an den Hosen, Major von Wedel, drehte sich etwas zur Seite und sagte: ›Ich finde, man muss sich schämen, ein Deutscher zu sein!‹ Welch eine Betroffenheit des Mannes, der aus den USA angereist war, um seiner vaterländischen Pflicht Genüge zu tun. Welchen Umfang hatte wohl seine Enttäuschung angenommen, um mir gegenüber – jede Vorsicht und militärische Rangunterschiede vergessend @ solche Worte als vernichtendes Urteil zu gebrauchen?! Doch meine Fürsorge für Henrik, um deren Duldung ich ihn gebeten hatte, war wohl auch für ihn die Gewähr, dass wir beide auf der gleichen politischen Ebene dachten.« Karl scheint den Krieg heil überstanden zu haben, jedenfalls ging er wieder zurück in die USA, wo er 1954 starb.

Bernd von Wedel-Schwerin Die geschilderten Fälle trugen sich mehr oder minder im Verborgenen zu. Es wurden politisch brisante Briefe gewechselt, es wurde stillschweigend gehandelt, gegen eine Maßnahme der Ortsgruppenleitung Beschwerde geführt oder angesichts schreienden Unrechts vor nur wenigen Zeugen Empörung geäußert. Wer indessen ein Amt inne hatte und es demonstrativ niederlegte, als die Nazis an die Macht kamen, tat dies vor einer größeren Öffentlichkeit. Bernd von Wedel-

519 Joachim von Wedel, a.a.O., Nr. 112, S. 62f. 520 Wedel, Familien-Matrikel …, a.a.O., Nr. 22–134.

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Schwerin etwa »erfüllte als vom Landrat ernannter Amtsvorsteher521 des Amtsbezirks Nr. 14 (Silligsdorf, Schwerin, Mellen, Altenfließ, Horst und Teschendorf) ehrenamtlich Aufgaben der Verwaltung. Er lehnte die Nationalsozialisten ab und trat nach 1933 zurück.«522

Emil Graf von Wedel Bernd fiel nicht ins Bodenlose, er war Gutsbesitzer und konnte sich solche demonstrativen Gesten erlauben. Andere, Beamte zum Beispiel, hatten es da weniger leicht, zumal wenn sie eine Familie zu versorgen hatten. Noch dazu waren sie in vielen Fällen einem starken politischen Druck ausgesetzt, sie mussten der Partei beitreten, wenn sie eine sofortige Entfernung aus dem Dienst vermeiden wollten.523 Dennoch hat ein Wedel – ungeachtet der Konsequenzen für seine Familie – gleich nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933 um seine Abberufung von dem Amt als Landrat gebeten. Es handelt sich um den weiter oben schon erwähnten Emil Graf von Wedel aus dem ostfriesischen Haus. Emil war eine außergewöhnliche Persönlichkeit – und unter den Wedel ein Außenseiter. Dass die Konventionen der Standesgenossen kein strikter Maßstab für ihn waren, bahnte sich schon in der Kindheit an. Seine ältere Schwester erinnert sich an den Reitunterricht und erwähnt nebenbei: »Emil hatte auch Unterricht … Aber er hatte keinen Sinn für ›Sport‹ und das Reiten unterblieb.«524 Die Eltern ließen die Eigenheiten ihrer Kinder gelten, förderten sie vielleicht sogar. Emil hatte einmal ausgerechnet, er war damals vielleicht zehn, wie lange der Hamburger D-Zug für die Durchfahrt durch den kleinen Bahnhof Finkenkrug brauchte. »So fuhren wir einen Sonntag in diesen abgelegenen Ort, nahmen Bahnsteigkarten und setzten uns auf eine Bank, um den Durchgang des Zuges abzuwarten … Niemand außer uns war auf dem Bahnsteig … dann brauste der D-Zug vorbei, 5 Sekunden dauerte der Scherz, aber dafür hatte Papa seinen ganzen Sonntag Nachmittag geopfert.«525 Das Abitur machte Emil 1907 am Wilhelm-Ernst-Gymnasium in Weimar, wo 521 »In Pommern bildeten seit 1888 mehrere Gemeinden und Gutsbezirke einen ›Amtsbezirk‹.« (Kay von Wedel-Schwerin, a.a.O., S. 3). 522 Ebd. 523 Parteibeitritte aus beruflichen Gründen spielten auch eine Rolle in der innerfamiliären Debatte über das Für und Wider eines Versuchs, die »Verstrickung« der Wedel in das »Dritte Reich« darzustellen (»Warum sollen Familienmitglieder, die möglicherweise schon aus beruflichen Gründen der Partei beitreten mussten, heute ›gewogen‹ werden?« Eberhard von Wedel-Eszerischken, Brief v. 25. 2. 2009 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf.). 524 Lynar, a.a.O., S. 10. 525 Ebd., S. 5f.

Emil Graf von Wedel

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er von einem baltischen Ehepaar in Pension genommen worden war.526 Gleich darauf rückte er zum Militärdienst ein, als »Einjähriger Freiwilliger« beim Eisenbahn-Regiment Nr. 1. Es folgte ein Praktikum, das im Hinblick auf die Studienwahl – er wollte Elektrotechnik studieren – wohl schon damals obligatorisch war, und von 1909 bis 1914 das Studium an den Technischen Hochschulen Berlin, Aachen, Dresden und Breslau. Neben der Elektrotechnik zählte auch die Volkswirtschaft zu seinem Programm.527 Der Abschlussprüfung kam der Beginn des Ersten Weltkriegs zuvor. Emil diente wohl wieder im Eisenbahn-Regiment Nr. 1, von 1915 an als Leutnant der Reserve. 1918 verschlug es ihn an die Reichswerft in Kiel528, von Dezember 1918 bis Juni 1919 in die Demobilmachungsabteilung des Kriegsministeriums.529 Jetzt holt er auch die Abschlussprüfung zum Diplom-Ingenieur nach und findet eine Stelle als Berechnungsingenieur bei der Firma Bergmann in Berlin, einem »Pionier der Überlandversorgung mit Elektrizität.«530 Aber schon im Mai 1920 wechselt er von der Industrie in den Staatsdienst: Er wird preußischer Landrat in Steinau an der Oder im Regierungsbezirk Breslau.531 Die Hintergründe werden durch eine Bemerkung des Landratskollegen Heinrich Treibert erhellt. »Der Kapp-Putsch 1920«, schreibt Treibert, »brachte Emil Graf von Wedel in die Nähe der Politik und ließ ihn den Weg zur SPD finden.«532 Angesichts der manifesten Republikfeindschaft großer Teile der Gesellschaft, insbesondere auch des Adels, weiterhin in unpolitischer Haltung zu verharren, war ihm plötzlich nicht mehr möglich. Er wollte mitarbeiten am Aufbau des neuen Staates. Eine entsprechende Gelegenheit bot sich: Sein Freund Fritz Köbisch, soeben zum Reichskommissar für Breslau und die unbesetzten Teile Schlesiens bestellt, mit dem Auftrag, »die in Folge der Staatsstreichbewegung geschaffene Lage zu prüfen und auf die Durchführung geordneter verfassungsmäßiger Verhältnisse hinzuwirken,«533 hatte ihn gefragt, ob er bereit sei, nach Steinau zu gehen, um dort das Amt des Landrats zu übernehmen. Den

526 Ebd., S. 30; Joachim von Wedel, a.a.O., Nr. 209, S. 112f. 527 Peter Graf von Wedel, Brief v. 9. 5. 2011 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf. 528 Von Juli bis Nov. 1918 war er dort als Ingenieur in der Unterseebootabteilung beschäftigt (Vermerk des Preußischen Ministerium des Innern vom 10. Dez. 1920, Acta betr. das Landratsamt des Kreises Steinau, vom 27. Nov. 1920 bis 1. Aug. 1932; GStA Berlin Dahlem HA I, Rep. 77, Nr. 4516). 529 Ebd. 530 Hans-Otto Kurz, 1933: »Gleichschaltung« im Kreis Hersfeld. Landrat und Bürgermeister abgesetzt, Vereine verboten, in: Hersfelder Geschichtsblätter, Ausgabe 1, 2006, Anhang X, S. 70. 531 Ebd. 532 Heinrich Treibert, Lebensbild des Grafen von Wedel, in: Der Landkreis, Jg. 1971, Nr. 4, zit. n. Kurz, a.a.O., S. 71. 533 Akten der Reichskanzlei. Weimarer Republik. Das Kabinett Bauer, Bd. 1, Nr. 217.

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bisherigen Landrat habe er des Amtes enthoben nach dessen Ergebenheitsadresse an die Putschisten.534 Emils Tätigkeit in Steinau verlief nicht reibungslos. Der Landkreis Steinau bildete zusammen mit den Landkreisen Wohlau und Guhrau den konservativsten Wahlkreis in Schlesien überhaupt.535 Emil war ohne die vorherige Stellungnahme des Kreistags eingesetzt worden. Ohne juristische Vorbildung, ohne Verwaltungserfahrungen – in dieser Hinsicht übrigens genau so wenig auf das neue Amt vorbereitet wie 13 Jahre später sein jüngerer Bruder Wilhelm als Landrat der Ostprignitz536, war Emil bestrebt, sich der Bevölkerung durch ruhige und sachliche Arbeit als verlässlicher Amtsinhaber zu präsentieren.537 Das »Steinauer Kreis- und Stadtblatt« notiert am 6. Nov. 1920: »Der stellvertretende Landrat, Herr Graf Wedel, hat sich durch seine Dienstführung bereits in den weitesten Schichten der Kreisbevölkerung lebhafte Sympathie erworben.«538 Bei den Wirtschaftsverbänden kam er dagegen weniger gut an. Ob es solche Spannungen waren, die ihn veranlassten, im Herbst 1923 um seine Entlassung zu ersuchen, oder ob ganz andere Gründe dafür den Ausschlag gaben, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Mehr als das lapidare Schreiben des preußischen Ministers des Inneren, mit dem er das Sächsische Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten benachrichtigt, »daß dem Landrate Grafen von Wedel in Steinau a. O., der als Hilfsarbeiter in das dortige Ministerium einberufen worden ist, die nachgesuchte Entlassung aus dem preußischen Staatsdienste ohne Ruhegehalt mit Ablauf des 30. Oktober 1923 erteilt worden ist«539, ließ sich nicht finden. Auch dass die Wirtschaftsverbände des Kreises Steinau sich nunmehr einen Nachfolger wünschen, der »auf dem Boden einer bürger-

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Peter Graf von Wedel, Brief v. 9. 5. 2011 an d. Verf., a.a.O. Joachim von Wedel Parlow, email v. 22. 3. 2016 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf. Vgl. weiter oben S. 54. »Die Stellung des Grafen Wedel im Kreis war von vorneherein schwierig, denn er stieß im Kreise und bei dessen Organen auf eine sehr starke Gegnerschaft, die dadurch entstanden war, daß die Entsendung des Grafen Wedel erfolgte, ohne daß den Kreistagsabgeordneten Gelegenheit zur Äußerung zuvor gegeben worden war. Unbeschadet der Rechtslage glaubte der Kreistag, hierdurch sich aber zurückgesetzt fühlen zu dürfen … Durch ruhige und sachliche Arbeit hat es der Graf Wedel verstanden, die im Kreise und Kreistage anfänglich bestehende Abneigung zum großen Teile zu überwinden … Im Hinblick auf den Ernst, die Hingabe und den Fleiß, mit dem Graf Wedel sich seiner Aufgabe erfolgreich widmet, glaube ich empfehlen zu müssen, an den Kreistag alsbald die Aufforderung zur Ausübung seines Vorschlagsrechtes richten zu wollen« (Schreiben des Regierungspräsidenten [Wolfgang] Jänicke an den Preußischen Minister des Innern v. 25. Sept. 1920, Ministerium des Innern, Acta betr. das Landratsamt des Kreises Steinau vom 11. Juni 1866 bis 20. Nov. 1920; GStA HA I, Rep. 77, Nr. 4515). 538 Ebd. 539 Mitteilung des preußischen Ministers des Innern, [Carl] Severing, vom 26. Okt. 1923, Acta betr. das Landratsamt des Kreises Steinau vom 27. Nov. 1920 bis 1. Aug. 1932; a.a.O.

Emil Graf von Wedel

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lichen Partei steht,«540 lässt keine Rückschlüsse auf die Gründe für den Wechsel nach Dresden im Jahr des »Deutschen Oktober«541 zu. Die Tätigkeit als »Hilfsarbeiter« bzw. Legationsrat im sächsischen Außenministerium542, einer Erbschaft noch aus dem Kaiserreich, als zwischen den Reichsländern Gesandte ausgetauscht wurden, endet bereits 1924, vielleicht nach einem Stellenabbau im sächsischen Außenministerium. Emil findet daraufhin eine Beschäftigung als sächsischer Regierungsrat in der Amtshauptmannschaft Dresden.543 Er kennt Dresden aus der Studienzeit, hier hat er 1921 Elisabeth Arnold geheiratet, die Tochter des Kammersängers Alfred Arnold und seiner Ehefrau Frida Bast8, hier wird sein Sohn geboren.544 Die Dresdner Zeit endet Mitte 1929 mit Emils Ernennung zum preußischen Landrat von Hersfeld. Emil wird zunächst kommissarisch eingesetzt, dann – nach der Wahl durch den damals noch mehrheitlich sozialdemokratisch besetzten Kreistag – endgültig Anfang 1930.545 Das strenge Spardiktat der Regierung Brüning räumte einem Landrat damals nur wenige Möglichkeiten ein. Emil kann zwar einige ländliche Entwicklungsmaßnahmen anstoßen, im Ganzen ist es aber mehr seine Persönlichkeit, durch die er in Erinnerung blieb, als eines Mannes, der »in seiner einfachen, natürlichen Art schnell Kontakt sowohl zur Bevölkerung seines Kreises wie zu seinen 540 »Während der Verwaltung des bisherigen Landrats Graf Wedel sind die Gegensätze zwischen den einzelnen Bevölkerungsklassen außerordentlich verschärft worden, sodass darunter das Gedeihen des Wirtschaftslebens im Kreise und die öffentliche Ruhe und Ordnung verschiedentlich empfindlich gelitten hat. Die friedliche und wirtschaftlich gerichtete Bevölkerung hat daher den dringenden Wunsch, dass das hiesige Landratsamt nun mit einem voll ausgebildeten und erfahrenen Verwaltungsbeamten besetzt wird, der entsprechend des erheblichen Überwiegens der bürgerlich gesinnten Bevölkerung innerhalb des Kreises auf dem Boden einer bürgerlichen Partei steht« (Ersuchen verschiedener Verbände und Innungen vom 18. Dez. 1923 an den Innenminister Severing, Acta betr. das Landratsamt des Kreises Steinau vom 27. Nov. 1920 bis 1. Aug. 1932; a.a.O.). 541 Die KPD war damals in die sächsische SPD-Regierung eingetreten. Von Bayern aus drohten daraufhin rechtsradikale und völkische Kräfte, der Koalition ein Ende zu bereiten. Die in Reaktion hierauf von der sächsischen Regierung gebildeten »Proletarischen Hundertschaften« ließen wiederum in Berlin von rechten Blättern geschürte Befürchtungen einer bewaffneten kommunistischen Erhebung aufkommen und veranlassten den Reichspräsidenten Friedrich Ebert, die legal gebildete KPD/SPD-Regierung mit der Reichswehr aus dem Amt zu jagen und in Dresden bis zur Bildung einer Berlin genehmen Regierung einen Reichskommissar einzusetzen (Deutscher Oktober, https://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Oktober, abgerufen am 17. 1. 2016 sowie neuerdings vor allem Matthias Dohmen, Geraubte Träume, verlorene Illusionen. Westliche und östliche Historiker im deutschen Geschichtskrieg, Wuppertal 2015). 542 Hans-Otto Kurz, a.a.O., S. 70; Joachim von Wedel, a.a.O., Nr. 209, S. 112f. 543 Hauptstaatsarchiv Dresden (durch Dr. Jörg Ludwig), Brief v. 4. 2. 2016 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf. 544 Wedel, Familien-Matrikel, a.a.O., Nr. 22–287. 545 Hans-Otto Kurz, a.a.O., S. 70.

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Kollegen im Reg.-Bezirk Kassel gefunden« hatte546, eines Mannes, der »bestrebt war, gewissenhaft sein Amt auszufüllen«, von dem man den Eindruck gewonnen hatte, »daß man es mit einem ehrlichen, aufrechten Charakter zu tun hat«.547

Abb. 16: Emil Graf von Wedel (1886–1970)

Nach dem Wahlsieg der NSDAP in der Reichstagswahl vom 5. 3. 1933 sieht Emil keine Chancen mehr für seine Art der Amtsführung. Schon am Tag danach schreibt er an den Regierungspräsidenten in Kassel: »Durch den Wahlausgang wird meine Tätigkeit erschwert. Vor allem aber erscheint es mir immer zweifelhafter, ob ich, selbst wenn ich vom Politischen absehe, meinem ganzen Wesen und meiner geistigen Einstellung nach noch geeignet bin, einen Posten zu versehen, der auch die Auffassung der Staatsregierung verkörpern soll. Ich möchte es unter diesen Umständen für richtiger halten, wenn ich, wie das in ähnlichen Fällen geschehen ist, von meinem Posten abberufen werde.«548 Dann geht alles sehr schnell: Am 8. 3. 1933 wird Emil durch Funkspruch des Preußischen Ministers des Innern beurlaubt, am 16. 3. in den einstweiligen Ruhestand versetzt, am 5. Oktober 1933 »aufgrund der §§ 2–4 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums entlassen«549, ohne Pensionsanspruch. Ein Redakteur der Hersfelder Zeitung kommentiert: »Bei seiner sozialistischen Grundeinstellung konnte es natürlich nicht ausbleiben, daß er mit dem gewaltigen Erstarken der nationalen Bewegung auf Schwierigkeiten stieß.«550 546 547 548 549 550

Treibert, zit. n. Kurz, a.a.O., S. 71. o. V., Graf von Wedels Amtszeit, in: Hersfelder Zeitung, 10. 3. 1933, zit. n. Kurz, a.a.O., S. 30. HessStAMR, Best. 180/LA Hersfeld, Nr. 814 (P.-A.), zit. n. Kurz, a.a.O., S. 28. Kurz, a.a.O., S. 28ff. o. V., Graf von Wedels Amtszeit, a.a.O., zit. n. Kurz, a.a.O.

Bodo von Wedel-Nantikow

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Die Dienstwohnung muss nach der Beurlaubung sofort geräumt werden. Ein paar Tage kommt man bei einer befreundeten Familie unter. Noch im März 1933 erfolgt der Umzug nach Berlin, wo Emil auf Stellensuche geht und seine Familie anfangs mit der Werbung für Sanatorien und einer Vertretung für Autoschwämme über Wasser hält, bis er eine Anstellung als Verkäufer einer Elektrogroßhandlung findet und ab 1937 eine Aufgabe bei der Wirtschaftsgruppe Elektroindustrie übernehmen kann.551 Im November 1945 erhielt Emil einen Ruf nach Hessen. Er wurde hessischer Vertreter im Länderrat der US-Zone, der länderübergreifend (Bayern, Bremen, Groß-Hessen, Württemberg-Baden) zuständig war für Gesetzgebung und Verwaltung. Die letzten drei Jahre bis zum Ruhestand, 1949 bis 1951, war Emil Regierungsvizepräsident am Regierungspräsidium Wiesbaden.552 In all den Jahren, auch nach der Pensionierung, hörte er nicht auf, sich politisch zu engagieren. Schon vor dem Krieg hatte er sich zu einem unbedingten Pazifismus bekannt, war Mitglied der Friedensgesellschaft und der Liga für Menschenrechte geworden, in letzterer als Vorstandsmitglied. Die Staatspolizeistelle Kassel hatte deswegen im November 1933 gegen ihn ermittelt553, vielleicht auch, weil er neben 32 weiteren Persönlichkeiten, darunter Albert Einstein, Erich Kästner, Käthe Kollwitz, Heinrich Mann, den »Dringenden Appell des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes« (ISK) zur taktischen Kooperation von SPD und KPD bei der Reichstagswahl vom Juli 1932554 unterschrieben hatte.

Bodo von Wedel-Nantikow Ein Wedel, Bodo von Wedel aus dem inzwischen ausgestorbenen Haus Nantikow, scheint immerhin in die Nähe des Verschwörerkreises um die Männer des 20. Juli 1944 geraten zu sein. Man weiß davon durch eine mündliche Befragung des früheren Mitglieds des Reichsbankdirektoriums, Otto Schniewind, durch den Mitarbeiter des Zeitgeschichtlers Gerhard Ritter, Heinrich von zur Mühlen, bald nach 1945. Dieser Befragung zufolge hatte der frühere Oberbürgermeister von Leipzig, Carl Goerdeler, der für den Fall, dass der geplante Anschlag auf Hitler gelänge, als Reichskanzler ausersehen war, dem von ihm als Wirtschaftsminister favorisierten Otto Schniewind im Januar 1943 eine Kabinettsliste vorgelegt, auf der Bodo als Reichsbankvizepräsident vorgesehen war, neben 551 552 553 554

Kurz, a.a.O., S. 70. Ebd., S. 71. HStAMR, Best. 180/LA Hersfeld, Nr. 1305, zit. n. ebd., S. 31. Dringender Appell, https://de.wikipedia.org/wiki/Dringender_Appell_(1932), abgerufen am 18. 1. 2016.

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Karl Blessing als Reichsbankpräsident.555 Das bedeutet vielleicht noch nicht viel, wenn man berücksichtigt, dass Schniewind die Liste aus dem Gedächtnis rekonstruiert hatte,556 dass das Originaldokument unauffindbar blieb, dass Goerdeler seine Kabinettsliste immer wieder geändert hatte und Bodo auf späteren Entwürfen nicht mehr auftauchte. Aber immerhin wird ihn Goerdeler – oder zumindest Schniewind – für vertrauenswürdig genug gehalten haben, um ihn für den besagten Posten in Betracht zu ziehen. Über Bodos Anfänge und seine Herkunft sind nur wenige Daten bekannt.557 1891 in Berlin geboren als jüngstes von fünf Kindern des Verlegers und Hauptschriftleiters der Zeitschrift Deutscher Sport, Franz von Wedel, und dessen Ehefrau Bertha Lehmann. Zunächst hatte der Vater den Offiziersberuf ergriffen, musste dann aber nach einer schweren Verwundung während des Frankreichfeldzugs 1870/71 als Leutnant a. D. den Abschied nehmen. Vielleicht war die Sportredaktion kein befriedigender Ersatz: »Trotz seines Alters war der 61jährige Vater von 5 unversorgten Kindern einer der Ersten, die 1914 zu den Fahnen eilten.«558 Noch im selben Jahr fand er bei Ypern den Tod. Die Mutter entstammte einer Leipziger Handlungsgehilfen-Familie, die sich als Veranstalter der Leipziger Buchmesse einen Namen gemacht hatte. Sie war streng religiös – und lehnte die Scheidung ab, die ihr Mann nach der Geburt von Bodo begehrte, nachdem er sich mit einer anderen Frau zusammengetan hatte. Von dem außerehelich geborenen Sohn ihres Mannes wusste sie entweder nichts oder verschwieg ihn gegenüber den eigenen Kindern. Ob auch Bodo, 1914 wahrscheinlich bereits Rechtsreferendar, in den Krieg ziehen musste, ist nicht bekannt. Vielleicht wurde er freigestellt, um seine verwitwete Mutter und die vier älteren Schwestern zu unterstützen, von denen 1914 allerdings zwei bereits verheiratet waren. 1916 fand Bodo, inzwischen promovierter Jurist, eine befristete Anstellung bei der Reichsbank559 und trat damit in die Fußstapfen seines Großvaters Ewald von Wedel, der auf dem verwandten Gebiet der Reichsschuldenverwaltung tätig

555 Vgl. Gerhard Ritter, Carl Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung, 3. Aufl. (1. Aufl. 1954), Stuttgart 1956, Anhang IX, S. 617. 556 Schniewinds Interesse an der Existenz einer Kabinettsliste mit ihm als Wirtschaftsminister ist evident. Denn er wollte sich nach 1945 wieder als unbescholtener Wirtschaftsfachmann ins Spiel bringen. Bodo kennt er aus seiner Zeit bei der Reichsbank. Vielleicht hat er ihn nur genannt, weil ihm gerade kein Anderer einfiel. 557 Wedel, Familienmatrikel, a.a.O., Nr. 22–174; einige mdl. Inf. erhielt der Verf. durch Nikolaus von der Heydt (Großneffe von Bodo). 558 Ebd., Nr. 21–304. 559 Laufbahnbericht (LB) über Bodo v. W., Auszug aus der Personalakte Bodos v. W. bei der Reichsbank, nach dem 2. Weltkrieg in engl. Sprache erstellt, National Archives, Washington, D.C., Record Group No. 260, OMGUS FINAD, box 219, folder 1, o. J.

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war560. 1926 folgte die Beförderung zum Reichsbankrat, 1931 zum Direktor bei der Reichsbank, 1935 zum Reichsbankdirektor.561 Sein Arbeitsgebiet war seit 1931 die Stillhaltung, d. h. die durch das Basler Stillhalteabkommen vom 19. 8. 1931 geregelte Stundung der den deutschen Banken und Firmen durch ausländische Gläubiger gewährten kurzfristigen Kredite.562 Bodo war vor allem mit der Schlichtung unvermeidlicher Streitfälle befasst. Es war ein »Gebiet, das über 13 Jahre hindurch mein beruflicher Hauptwirkungskreis war«563, auch nachdem ihm 1935 die Leitung der Abteilung Auslandschulden übertragen worden war. Hier erwarb er sich das Vertrauen der ausländischen Vertragspartner – er »genießt … in ausländischen Bankkreisen einen ausgezeichneten Ruf« – und konnte so dazu beitragen, »daß dieses Vertragswerk reibungslos und zur Zufriedenheit aller Partner funktionierte«564. Ein Schweizer Bankier hätte ihn am liebsten als Vertreter schweizerischer Bankinteressen eingesetzt.565 Und als Bodo, der seit 1944 immer wieder wegen eines schweren Darmleidens behandelt werden musste, Anfang März 1945 erneut erkrankte, kümmerten sich die leitenden Herren von UBS und Schweizerischem Bankverein (SBS) um Transport und Unterbringung im Krankenhaus von Samedan, Graubünden.566 Auch nach dem Krieg war Bodo, obwohl inzwischen nur noch Privatmann, ein gern gesehener Gast bei Schweizer Banken.567 560 Wedel, Familienmatrikel, a.a.O., Nr. 20–309. 561 LB, a.a.O. Mit der Ernennung zum Reichsbankdirektor war keine Berufung in das Reichsbankdirektorium verbunden, dessen Besetzung der Reichsregierung, letztendlich also Hitler vorbehalten war. 562 Internationales Biographisches Archiv (IBA) 05/1949 vom 24. Januar 1949 (MunzingerArchiv GmbH). In dem Abkommen hatten sich die ausländischen Gläubiger verpflichtet, Kredite im Umfang von 6,28 Mrd. RM zu stunden (Der große Brockhaus in 12 Bänden, 18., völlig neubearb. Aufl., 11. Bd., Wiesbaden: Brockhaus 1980, Stichw. Stillhaltung). 563 So in einem Brief an den »sehr verehrten Herrn Geheimrat [Wilhelm] Vocke« vom 25. 7. 1954, Historisches Archiv der Deutschen Bundesbank (HA Bubk) B 330/2050, S. 20. 564 IBA, a.a.O. 565 »Vielleicht kann Herr Dr. v. Wedel bei seinen betreffenden Kollegen einmal ein gutes Wort einlegen«, dass auch die Union de Banques Suisses (UBS) an den deutschen Devisengeschäften teilzuhaben wünsche, empfiehlt der Generaldirektor der UBS, Alfred Schaefer, dem Präsidenten der UBS, Paul Jaberg, in einem Schreiben vom 18. 5. 1942 (Marc Perrenoud u. a., La place financiHre et les banques suisses / l’8poque du national-socialisme. Les relations des grandes banques avec l’Allemagne (1931–1946), Publi8 par la Commission Ind8pendante d’Experts »Suisse – Seconde Guerre Mondiale«, Zürich 2002, S. 319). 566 »Une note interne de l’UBS, dat8e du 6 mars 1945, soulignait ainsi que l’8tat de sant8 de von Wedel necessitait des soins particuliers et qu’il avait d0 Þtre transport8 / l’hopital de Samedan: ›Der Krankentransport sei vom Bankverein arrangiert worden …‹« (Ebd., S. 430, Anm. 502). 567 1946 erläuterte Bodo Mitarbeitern der UBS die Situation der ehemaligen Reichsbank (ebd., S. 431). 1948 half er der Schweizer Seite bei der Rekonstruktion der Entwicklung des Stillhaltevolumens 1931–1945 (ebd. S. 193). Die Unabhängige Expertenkommission »Schweiz-Zweiter Weltkrieg« sieht in solchen Kontakten allerdings eher einen Beleg für die

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Nebenamtlich war er »während des Krieges Treuhänder des in Deutschland belegenen (sic) Vermögens amerikanischer und britischer Banken«568, eine Tatsache, die dann in der Nachkriegszeit in ehrverletzender Weise gegen ihn verwendet werden sollte.569 Bodo »galt als kompromißloser Gegner des Nationalsozialismus«, heißt es in einer ihn betreffenden biographischen Notiz aus dem Jahre 1949.570 Mit Carl Goerdeler verband ihn ein »freundschaftliches Verhältnis«.571 Die Verbindung entstand, als Goerdeler, der seit Januar 1937 als Wirtschaftsberater der Robert Bosch AG angestellt war, im Herbst 1939 Bodos Rat und tatkräftige Unterstützung bei den Bemühungen der Robert Bosch AG um die Sicherung ihres ausländischen Kapitalbesitzes suchte.572 »Wie sooft waren die zunächst rein geschäftlichen Beziehungen allmählich in den Bereich des Konspirativen übergegangen. Von Wedel, mit dem Goerdeler in den folgenden Jahren immer wieder zu Beratungen in der Frage des Bosch-Auslandsgeschäfts zusammentraf, wurde

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bruchlose Fortsetzung gewinnorientierter schweizerischer Bankgeschäfte mit dem nationalsozialistischen Deutschland auch nach dessen Zusammenbruch. Joachim Distel, Die Errichtung des westdeutschen Zentralbanksystems mit der Bank deutscher Länder, Tübingen 2003, S. 197, Anm. 16. Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Wilhelm Vocke, hatte ihn mit Schreiben vom 28. 10. 1953 (HA Bubk B 330/2050, S. 14f.) gefragt, ob er ihn für das Amt eines stellvertretenden Mitglieds des Schiedsgerichts vorschlagen dürfe, das im Rahmen der neuen Stillhalteabmachungen vorgesehen sei. Robert Pferdmenges, als dessen Stellvertreter er benannt würde, habe ihm geschrieben, er sei »besonders glücklich« über diesen Vorschlag und könnte sich »niemand Geeigneteren für diese Materie vorstellen«. Bodo hatte sich postwendend einverstanden erklärt. Doch am 30. Januar 1954 teilt ihm Vocke mit: »Dieser Tage wurde mir von einer anderen Seite zugetragen, es könne sich ein Bedenken daraus ergeben, dass Sie Treuhänder oder Pfleger von Feindvermögen gewesen seien, und zwar soll es sich um eine oder mehrere der englischen Bankniederlassungen in Deutschland gehandelt haben. Da gerade wegen dieser Niederlassungen voraussichtlich der erste Streitfall beim Schiedsgericht anhängig gemacht werden soll, würde es, wie mir gesagt wurde, bedenklich aussehen, wenn als Schiedsrichter eine Persönlichkeit fungieren würde, die als eingesetzter Treuhänder oder Vermögensverwalter dieser englischen Banken Bezüge aus ihrem Vermögen erhalten hätte.« Er, Vocke, fühle sich »verpflichtet, Ihnen von diesen Behauptungen alsbald Kenntnis zu geben und Sie zu bitten, mir zu sagen, wie es sich damit verhält«. Diese Vorwürfe lassen Bodo keine Ruhe. Er reist nach Frankfurt, um die »gegen meine Lauterkeit und Objektivität von massgeblicher Seite« erhobenen Einwände, »welche Zweifel an meiner Geeignetheit zum Schiedsrichter aufkommen liessen«, zu widerlegen (Brief vom 25. 7. 1954 an Vocke, HA Bubk B 330/2050, S. 20a/b). Nachdem er zunächst abgesagt hatte, sieht er sich wenige Tage darauf, am 3. 8. 1954, schließlich doch gehalten, »auf Grund eines … Schreibens des Herrn Dr. h. c. Pferdmenges … meine Bedenken gegen eine Tätigkeit im Schiedsausschuss der Stillhaltung« zurückzustellen. Er habe nunmehr »Herrn Pferdmenges gegenüber die Vertretung übernommen.« (Brief an Vocke, HA Bubk B 330/2050, S. 21a/b). IBA, a.a.O. Joachim Scholtyseck, Robert Bosch und der liberale Widerstand gegen Hitler 1933 bis 1945, München 1999, S. 652, Anm. 261. Ebd., S. 330.

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schließlich in Goerdelers ›Kabinettsliste‹ vom Januar 1943 als zukünftiger Vizepräsident der Reichsbank aufgenommen. Freilich, zum eigentlichen Kern der Widerstandsbewegung wird man wohlwollende Helfer wie … von Wedel … schon deshalb nicht zählen dürfen, weil ihre Einflussmöglichkeiten zu gering waren.«573 Bodos Aufgabengebiet war politisch weitgehend neutral und wies somit nur wenige Berührungspunkte mit dem Nationalsozialismus auf. Er war weder im Bereich der Rüstungsfinanzierung tätig, gegen deren inflatorischen Charakter etliche Direktoriumsmitglieder aufbegehrt hatten574, noch war er – außer vielleicht in einem Fall575 – an dem Transfer des zumeist aus jüdischen Besitz, teilweise aber auch aus den Notenbanken der besetzten Länder stammenden Raubgoldes an die Schweizerische Nationalbank beteiligt. Er mochte es deswegen vor sich selbst gerechtfertigt haben, dass er trotz seiner Gegnerschaft zum Nationalsozialismus in seinem Amt verblieb, zumal er dort der Opposition gegen Hitler vermutlich nützlicher gewesen ist, als wenn er in einem Akt persönlichen Widerstands um seine Entlassung gebeten hätte. Zudem fühlte sich Bodo wohl seinen Angehörigen verpflichtet. Er war zwar nicht verheiratet. Eigene Kinder waren nicht zu versorgen, aber drei Schwestern, zwei unverheiratet, eine geschieden, bis zu ihrem Tod 1936 auch seine Mutter, lebten mit ihm zusammen in seiner Berliner Wohnung in der Hubertusallee 21.576 Aus beiden Gründen war es vernünftig, allzu große Risiken zu vermeiden und sich bis zu einem gewissen Grade mit dem Regime zu arrangieren, also doch 573 Ebd.; die hier als Tatsache ausgegebene Aufnahme in die Kabinettsliste stützt Scholtyseck auf die weiter oben zitierte – fragwürdige – Quelle in Gerhard Ritters Goerdeler-Studie aus dem Jahre 1954 bzw. 1956. 574 Otto Schniewind, erst 1937 in das Direktorium der Reichsbank berufen, beendet schon nach einem knappen Jahr die weitere Mitarbeit, weil er die Methoden der Rüstungsfinanzierung des NS-Regimes ablehnt; Karl Blessing, gleichfalls erst seit 1937 Mitglied des Direktoriums der Reichsbank, wurde knapp zwei Jahre später gemeinsam mit Hjalmar Schacht, Wilhelm Vocke und weiteren Mitgliedern des Direktoriums entlassen, nachdem sie sich geweigert hatten, die inflationistische Rüstungsfinanzierung weiter mitzuverantworten (Gedenkstätte Deutscher Widerstand, www.gdw-berlin/de/vertiefung/biographien/ personenverzeichnis/offset/336/ bzw. /0/, abgerufen am 3. 2. 2016). 575 Wie zuletzt in dem Beitrag »Affären Bosch« in Dagens Nyheter vom 19. 2. 1997 dokumentiert wurde, hatte Bodo bei dem Versuch Robert Boschs mitgewirkt, die Tochterfirma American Bosch Corporation (ABC) durch Übereignung an die schwedischen Bankiers Jacob und Marcus Wallenberg vor der Enteignung durch US-Behörden zu schützen. Späterhin aufkommende Bedenken auf Seiten der Brüder Wallenberg, durch die Übernahme der ABC die schwedische Neutralität zu verletzen, zwangen Bosch im März 1943 zum Rückkauf der ABC – gegen den Transfer von Gold aus den Beständen der Reichsbank in die Schweiz, das »später, nachdem Jacob Wallenberg im Dezember 1943 Bedenken über die Herkunft des Goldes geäußert hatte, in Wertpapiere umgetauscht wurde« (Scholtyseck, S. 679, Anm. 702). 576 Im Juni 1944 wurden sie dort ausgebombt und zogen in den Machandelweg um.

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Kompromisse einzugehen. 1934 wurde er Mitglied der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), des Reichsbunds der deutschen Beamten (RDB) und des Reichsluftschutzbundes (RLB).577 Alle drei Massenorganisationen waren der NSDAP angeschlossene Verbände, ersetzten also gewissermaßen die Parteimitgliedschaft. Aber im Vergleich zur NSDAP galten sie als das kleinere Übel. Wollte Bodo in seinem Amt verbleiben, waren derartige Mitgliedschaften unumgänglich. Weitere Konformitätsleistungen bildeten die Auszeichnungen, die Bodo im Verlaufe seiner Tätigkeit bei der Reichsbank entgegennahm, so etwa die »Medaille zur Erinnerung an den 1. Oktober 1938«, die aufgrund seiner Mitarbeit an der »Conversion of the Austrian loan after the occupation of Austria« verliehen wurde.578 Besonders pikant war die Episode um die Verleihung des »Kriegsverdienstkreuzes erster Klasse« im September 1944. Nachdem die Mitglieder des Reichsbankdirektoriums und eine Reihe von Referenten die Auszeichnung »erhalten hatten, kam automatisch die Reihe an Herrn v. Wedel«, wie der ehemalige Direktor bei der Reichsbank, Louis Wolf, bezeugt hat. »Zu jener Zeit … war Herr v. Wedel von der Reichsbank abwesend, und ich wurde beauftragt, die Verleihung des Kriegsverdienstskreuzes an Herrn v. Wedel zu begruenden. Ich kam dieser Aufforderung um so lieber nach, als ich der Meinung war, dass mit der Verleihung des Kriegsverdienstkreuzes I. Klasse die politisch erheblich erschuetterte Position des Herrn v. Wedel verbessert werden koennte. Als ich Herrn v. Wedel nach seiner Rueckkehr davon unterrichtete, war er ueber mein Vorgehen aeusserst ungehalten, und es bedurfte grosser Muehe meinerseits, ihn von meinen guten Absichten in seinem Interesse zu ueberzeugen.«579 Natürlich musste gelogen werden, um die Auszeichnung zu begründen. Das war es wohl, was Bodo dermaßen aufgebracht hat. Außerdem musste die Liste der für die Auszeichnung vorgeschlagenen Personen dem »Führer« persönlich vorgelegt werden. Man zog also unwillkürlich die Aufmerksamkeit von Stellen auf sich, mit denen man lieber nichts zu tun hatte. Denn Bodo war anscheinend bereits ins Visier der Gestapo geraten.580 Nur dem beherzten Eingreifen des Arztes, der ihn damals in der Zürcher BircherBenner-Klinik behandelte, soll er es verdankt haben, dass die Gestapo nicht bis zu seinem Krankenbett vordrang.581 Im Oktober 1944 erkrankte Bodo erneut. Er 577 578 579 580

LB, a.a.O. Ebd. Ebd. Der Polizeipräsident von Berlin habe ihn gewarnt, die Gestapo führe eine Akte über ihn, hat er seinen Großneffen Nikolaus und Rüdiger von der Heydt erzählt. Ein Beleg fand sich bisher nicht. 581 Mdl. Inf. durch Dr. Nikolaus von der Heydt.

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befand sich auf einer Dienstreise nach Lausanne. Der ihn begleitende Louis Wolf telegraphierte der Reichsbank »that von Wedel was very ill and not in the position to travel back to Germany«582. Tatsächlich kehrte Bodo bis zum Kriegsende wohl nur noch selten und nur für kurze Zeit nach Deutschland zurück.

Abb. 17: Bodo von Wedel-Nantikow (1891–1969)

Als westdeutsche Regierungsstellen nach dem Krieg daran gingen, im Verein mit den Alliierten ein neues Zentralbanksystem aufzubauen, entsann man sich Bodos und gedachte ihn mit einer leitenden Funktion auf diesem Gebiet zu betrauen. In der Sitzung des Zentralbankrats vom 21. April 1948 wurde er in Abwesenheit – sein dauerhafter Wohnsitz war inzwischen Samedan in der Schweiz583 – einstimmig zum Stellvertretenden Präsidenten des Direktoriums der Bank deutscher Länder gewählt.584 In seinem Antwortschreiben vom 3. Mai 1948 an den Präsidenten der Landeszentralbank von Hessen, Otto Veit, in dessen Eigenschaft als vorläufiger Vorsitzender des Zentralbankrats knüpft er die Annahme der Wahl nicht nur an die Erfüllung gewisser gesundheitlicher Bedingungen (vegetarische Kost, Erholungsaufenthalte in der Schweiz), er behält sich auch »die definitive Annahme des Amtes bis zur rechtswirksamen Bestellung des Vorsitzenden [des Zentralbankrats] und Präsidenten [des Direktoriums]« vor, denn »zur gedeihlichen Leitung der Bank und zur gewissenhaften und 582 LB, a.a.O. 583 Sein dortiger Aufenthalt wurde am 18. Jan. 1946 bewilligt (Einwohnerkontrolle Samedan, Brief v. 19. 2. 2007 an d. Verf., Priv.besitz d. Verf.). 584 Distel, a.a.O., S. 197. In einer früheren Sitzung des Zentralbankrats war bereits das ehemalige Mitglied des Reichsbankdirektoriums, Otto Schniewind, zum Präsidenten des Direktoriums gewählt worden. Alliierter Bedenken wegen hatte dieser schließlich seine Kandidatur zurückgezogen. Auch Hermann Joseph Abs, während des »Dritten Reiches« im Vorstand der Deutschen Bank und nun zum Vorsitzenden des Zentralbankrats gewählt, hatte sich ebensolcher Bedenken wegen zu diesem Schritt entschlossen (ebd., S. 195ff.).

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Regimegegner unter den Wedel

genauen Durchführung der Beschlüsse des Zentralbankrates [sei] eine enge, von rückhaltlosem Vertrauen getragene, harmonische Zusammenarbeit unter den drei, vom Zentralbankrate zu wählenden Persönlichkeiten unerlässlich.«585 Als Bodo diesen Brief schrieb, galten das ehemalige Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, Hermann J. Abs, und Otto Schniewind noch als aussichtsreichste Kandidaten für die beiden Ämter. Sie waren zwar umstritten, hatten aber die Mehrheit des Wahlgremiums hinter sich.586 Bodos Vorbehalt könnte sich insbesondere auf diese beiden Persönlichkeiten bezogen haben. Eine derartige Zuspitzung wird jedoch von den vorliegenden Quellen nicht gestützt. Bodos ungewöhnlich reserviertes Schreiben an Veit – besetzt ihr erst einmal die Ämter des Vorsitzenden und Präsidenten, dann schaue ich, ob ich mich dazugesellen möchte – scheint kurzerhand als Absage verstanden worden zu sein. Denn schon am 5. Mai 1948 standen die Position des Vizepräsidenten587 sowie – nach dem Rückzug von Abs und Schniewind – auch die des Vorsitzenden des Zentralbankrats und des Präsidenten des Direktoriums erneut zur Wahl. Nach der telefonischen Absage Wilhelm Vockes – dieser war zum Präsidenten des Direktoriums gewählt worden – wurde mit sechs von 10 Stimmen überraschend Bodo zum Präsidenten des Direktoriums gewählt.588 Diesmal wollte man Bodo zwingen, sich sofort zu entscheiden, ob er die Wahl annimmt. »Eine Delegation des Zentralbankrats … verhandelte mit Bodo von Wedel am Schweizer Schlagbaum über die Annahme der Wahl. Von Wedel lehnte jedoch ebenfalls ab.«589 Wie sich einer der Delegierten erinnert, »gab der Vegetarier von Wedel als Grund für seine Absage an, Deutschlands Versorgung mit Grüngemüse erscheine ihm zu unsicher.«590 Auch wenn die letzten Beweggründe Bodos in diesem kurzen Zwischenspiel nicht bekannt sind – waren es gesundheitliche Rücksichten, oder schreckte ihn die Aussicht auf die Zusammenarbeit mit Kollegen, von deren opportunistischer Haltung gegenüber dem Naziregime er wusste? – so steht doch außer Zweifel, dass sich Bodo nicht von der Aussicht auf Ehre und Einkommen verbiegen ließ.

585 Dr. Bodo von Wedel, Brief v. 3. Mai 1948 an d. Präsidenten der Landeszentralbank von Hessen, Dr. Otto Veit, HA Bubk B 330. 586 Sie zogen ihre Kandidatur erst am 5. Mai 1948 zurück (Distel, a.a.O., S. 198). 587 Ebd., S. 26. 588 Eckhard Wandel, Die Entstehung der Bank deutscher Länder und die deutsche Währungsreform 1948. Die Rekonstruktion des westdeutschen Geld- und Währungssystems 1945–1955 unter Berücksichtigung der amerikanischen Besatzungspolitik, Frankfurt am M. 1980, S. 75. 589 Ebd. 590 Ebd., Anm. 165.

6.

Zusammenfassung

Für die Abkömmlinge des ostelbischen Adels, der sich nach dem Ende des »3. Reiches« immer zugutegehalten hatte, mit an vorderster Front des Widerstands gegen Hitler gestanden zu haben, war es eine böse Überraschung, als die zeitgeschichtliche Forschung, beginnend in den 1990er Jahren, feststellte, dass der Adel eher umgekehrt schon vor 1933 überproportional in der NSDP vertreten war. Auch wenn es in der Regel nicht viel mehr als ein Drittel der erwachsenen Namensträger der einzelnen Familien war, das sich der nationalsozialistischen Bewegung angeschlossen hatte, so waren die absoluten Zahlen doch erheblich. Schamhaftes Verschweigen schon damals, als der Schritt zum Parteieintritt getan wurde, und umso mehr nach 1945, hatte diese Tatsache so lange verborgen. Nationalsozialistische Einstellungen adeliger Offiziere der Wehrmacht blieben in der zeitgeschichtlichen Forschung dagegen zumeist unberührt, auch weil den Angehörigen der Wehrmacht parteipolitische Aktivität untersagt war, belegbare Feststellungen also nur selten gemacht werden können. In der vorliegenden Abhandlung wurde diese Regel nur in dem allzu offensichtlichen Fall des Chefs der Abteilung Wehrmachtspropaganda des OKW, Generalmajor Hasso von Wedel, durchbrochen. Hinsichtlich der Gründe für die Annäherung an den Nationalsozialismus ist vor allem das Gefühl der Heimatlosigkeit hervorzuheben, das sich nach dem Untergang der preußischen Monarchie einstellte. Dass das Reich nun plötzlich von Sozialdemokraten oder, schlimmer noch, von Bolschewisten regiert werden sollte, schien unerträglich. Als Alternative zur verabscheuten Republik wurde von einigen Standesvertretern das ständestaatliche Modell des italienischen Faschismus mit seinem Führertum vorgeschlagen. Auch wenn das Modell von keiner der beiden rechts außen stehenden Parteien, weder von der DNVP noch von der NSDAP, ins Programm genommen wurde, trug es doch mit dazu bei, den Boden für die um sich greifende antidemokratische Bewegung zu bereiten und manche um das Wohl des Staates besorgte Adlige, darunter oft Gutsbesitzer, der NSDAP zuzuführen.

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Zusammenfassung

Mindestens ebenso stark waren die ökonomischen Triebkräfte, die von der relativen Verarmung eines großen Teils des ostelbischen Adels ausgingen. Hier ist vor allem an die vielen adeligen Offiziere zu denken, die in der aufgrund des Versailler Vertrags auf einhunderttausend Mann geschrumpften Reichswehr keinen Platz fanden und – nach vorübergehenden Abenteuern in den Freikorps und dank der im »Stahlhelm. Bund der Frontsoldaten« wachgehaltenen militärischen Perspektive – die Wiederaufrüstungspläne der NSDAP erwartungsvoll zur Kenntnis nahmen. Beide Adelsgruppen, sowohl die um das Wohl des Staates Besorgten als auch die sozial Deklassierten, haben mit ihrem Beitritt in der »Kampfzeit« von 1925 bis 1933 nicht unerheblich dazu beigetragen, das Prestige der NSDAP zu stärken. Die eigentliche Schubkraft, die Adolf Hitler schließlich bis in das Amt des Reichskanzlers trug, entfaltete indessen der großagrarische Lobbyismus des von ostelbischen Adligen dominierten Reichslandbundes, der mit immer höheren Forderungen nach Hilfen für die ostdeutsche Landwirtschaft eine bürgerliche Reichsregierung nach der anderen zum Rücktritt zwang. Als eine der vielen bis 1945 östlich der Elbe ansässigen kleinadeligen Familien haben sich die Wedel zwar in großer Zahl an der NS-Bewegung beteiligt, sind aber weder in der großagrarischen Lobbyarbeit im Vorfeld der Machtübergabe an Hitler noch durch die Übernahme von Parteiämtern vor oder nach 1933 sonderlich hervorgetreten. Sie verrichteten eher Kärrnerarbeit wie Karl von Wedel Parlow-Wedelsberg als Reichsredner der NSDAP oder Christian-Otto von Wedel Parlow-Polßen als Blockwart in Berlin-Weißensee. Publizistisch warb der Gutsbesitzer Bernd von Wedel-Fürstensee schon 1928 für das »Führertum der freien unabhängigen Persönlichkeit«, und der Gesandte Erhard Graf von Wedel ergötzte sich 1934 unter dem Titel »Rasse und Adel« an den »straff geschlossen im Braunhemd marschierenden jugendlichen Gestalten«. Ebenso euphorisch dichtete der spätere RAD-Arbeitsführer Ottmar von Wedel Parlow 1939 »Großdeutschland ist fortan dein Name,/ du stolzes Reich, das neu erstand,/ du Traum, der seine wundersame/ Erfüllung durch den Führer fand«. In diese Linie passen die Veröffentlichungen des späteren Chefs der Abteilung Wehrmachtpropaganda des OKW, Generalmajor Hasso von Wedel-Stargard, in den Jahren 1938 und 1939, die den Nationalsozialismus und Adolf Hitler emphatisch verherrlichten. Harmlos war solches »Schreibtischtätertum« ebenso wenig wie das »Glücksrittertum« Wilhelm Graf von Wedels, der dank seiner Parteikontakte erst Landrat der Ostprignitz, dann Polizeipräsident und Gestapochef von Potsdam wurde. Mit der von Christian-Otto von Wedel Parlow und dem Familienvorsteher Curt von Wedel-Kremzow verfassten Satzung unterwarf sich die Familie 1936 dem Zeitgeist, indem sie weiterhin für den Staatsdienst warb und sich freute,

Zusammenfassung

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dass der Grundsatz der »Blutsreinheit« wieder, d. h. mit den »Nürnberger Gesetzen«, allgemeine Anerkennung gefunden habe. Ebenso wenig wie die Wedel als Gefolgsleute Hitlers sonderlich aufgefallen oder – soweit man weiß – persönlich an einem NS-Verbrechen beteiligt waren, sind sie durch aktive Teilnahme am Widerstand gegen Hitler in Erscheinung getreten. Es gibt jedoch zahlreiche Zeugnisse widerständigen Handelns im Kleinen. Bemerkenswert war vor allem der Rücktritt Emil Graf von Wedels von seinem Amt als Landrat von Hersfeld gleich nach dem Wahlsieg der NSDAP im März 1933, ohne Pensionsanspruch und ohne den Rückhalt eines Vermögens. Bodo von Wedel-Nantikow hatte als Reichsbankdirektor den im Falle eines gelungenen Putsches als Nachfolger Hitlers ausersehenen früheren Leipziger Oberbürgermeister, Carl Goerdeler, bei Finanztransaktionen im Auftrag der Bosch AG beraten und war diesem dabei als strikter Hitlergegner aufgefallen, weswegen ihn Goerdeler als stellvertretenden Reichsbankpräsidenten auf seine Kabinettsliste gesetzt haben soll. Bodo und Emil waren die beiden namhaftesten Hitlergegner unter den Wedel, sie bilden den einen Pol, den anderen repräsentieren die eingangs charakterisierten Gefolgsleute Hitlers: Karl von Wedel Parlow-Wedelsberg, Graf Wedego von Wedel-Gerzlow und Wilhelm Graf von Wedel aus dem Ostfriesischen Haus. Zwischen beiden Polen platzierten sich die übrigen Wedel, jedoch ohne dabei starr auf dem einmal eingenommenen Standpunkt zu beharren. Denn viele unter den anfänglichen Gefolgsleuten Hitlers gingen später wieder auf Distanz. Darüber zu sprechen, wäre allerdings riskant gewesen. Die Distanzierung war insoweit ein psychischer Prozess, sie blieb politisch wirkungslos, wo sie nicht in den aktiven Widerstand mündete. Die anfängliche Entscheidung, der NSDAP beizutreten oder nicht beizutreten, die Partei zu wählen oder nicht zu wählen, führte der Partei Kräfte zu oder behielt sie ihr vor. Deshalb zählt – politisch gesehen – allein die anfängliche Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus. Wer sich vor 1933 in die »Bewegung« einreihte, unterstützte Hitler beim Machterwerb, wer danach beitrat, stärkte ihn in der Gewissheit, dass seine Politik akzeptiert werde, ganz gleich, was den einzelnen zu seinem Parteibeitritt veranlasst hatte. Indem sich die damals volljährigen Wedel zu einem guten Drittel in die Listen der NSDAP eintragen ließen, haben sie nicht unerheblich zur Durchsetzung von Hitlers Politik beigetragen – ohne zu ahnen, wohin diese Politik führen werde.

7.

Anhang

Vorbemerkungen Zur Ergänzung der vorstehenden Ausführungen werden hier einige Originaltexte aus der Zeit der Hitlerdiktatur bzw. den Jahren unmittelbar danach angehängt, die womöglich geeignet sind, einen direkteren Eindruck von der Denkweise der betreffenden Autoren zu verschaffen als eine auf familiären Erinnerungen basierende biografische Abhandlung. Interessant ist in dieser Hinsicht vor allem der erste hier wiederabgedruckte Text, die Anfang 1936 beschlossene Satzung des Wedelschen Familienverbands. Nach allem, was man weiß, hat Christian Otto von Wedel Parlow-Polßen den Text entworfen. Und der damalige Familienvorsteher, Kurt von Wedel-Kremzow, als dessen Gast Christian Otto damals in Kremzow weilte, scheint den Text so, wie er aus Christian Ottos Feder kam, akzeptiert zu haben. Der fertige Text wurde der Familie im Dezember 1935 präsentiert. Schon im Januar 1936 wurde die Satzung von der Familie angenommen – auf einem vermutlich eigens zu diesem Zweck einberufenen Familientag. Mehr Zeit für eine Aussprache über die einzelnen Bestimmungen des Entwurfs haben über sechzig Familienmitglieder, die mit ihrer Unterschrift ihre Zustimmung signalisiert hatten, offenbar nicht verlangt. Jedenfalls ist nicht bekannt, ob irgendwelche Einwände gegen den vorgelegten Entwurf vorgebracht oder gar berücksichtigt worden sind. Sich auf Einwände einzulassen, hätte dem Charakter Christian Ottos auch ganz und gar widersprochen. So wie er den gutsbesitzenden Vettern bald als »Wedelschreck« bekannt werden sollte, der ungefragt auf den einzelnen Gütern erschien, sich die Bücher zeigen ließ und den Zustand der Felder begutachtete – er war studierter Landwirt, konnte sich also ein Urteil zutrauen – hat er seine Vorstellung von der zukünftigen Entwicklung des »Geschlechts« vermutlich fanatisch vertreten.591

591 »[M]it einem wahren Fanatismus [hat er] sein Erneuerungsprogramm der Familie an

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Anhang

Dem Verfasser der vorliegenden Arbeit sind Satzungen vergleichbarer ostelbischer Adelsfamilien, zumal solche aus den neunzehnhundertdreißiger Jahren, nicht bekannt. Aber er vermutet, dass die vorliegende Satzung in ihrer bizarren Ausrichtung auf die Erhaltung des Landbesitzes singulär ist im ostelbischen Kulturkreis. Gewiss, der ostelbische Kleinadel hat der Bewahrung des Landbesitzes immer einen hohen Wert beigemessen. Eine so stringente Ausrichtung der Familiensatzung auf die Erhaltung des Landbesitzes, neben der »Blutsreinheit« und »Staatsdienst« nur wie zeitbedingtes Beiwerk wirken, dürfte jedoch einzigartig und dem absonderlichen Charakter ihres Verfassers geschuldet sein. Bemerkenswert ist auch der zweite hier wiederabgedruckte Text, der unter dem Titel »Rasse und Adel« in einem Sammelband erschienene Aufsatz des Publizisten Erhard Graf von Wedel. Nach einem juristischen Studium, nach einer Tätigkeit als Gerichtsassessor, nach Jahren im diplomatischen Dienst, nach zahlreichen publizistischen Beiträgen eigentlich eine nüchterne Sprache gewohnt, verfällt er in lyrische Verzückung, sobald er sich des »Adelsmenschen« Adolf Hitler und der »jugendlichen Gestalten« erinnert, die er 1924 als Fünfundvierzigjähriger in Weimar »straff geschlossen im Braunhemd marschieren« sah. Wenn sexualkundliche Erklärungsansätze statthaft wären, könnte man versucht sein, die emphatische Sprache als Ausdruck einer unterdrückten homophilen Neigung zu deuten. Dem lyrischen Fach lässt sich auch der dritte im Wortlaut wiederabgedruckte Text zuordnen. Ottmar von Wedel Parlow-Wedelsberg, damals Oberstfeldmeister des Reichsarbeitsdiensts, entwirft hier das Drehbuch für einen Feierabend, das dazu beitragen soll, die ja keineswegs einhellig nationalsozialistisch eingestellte Lagergemeinschaft »nach dem langen, anstrengenden Dienst des Tages« auf die »nationalsozialistische Weltanschauung« einzuschwören. Es soll gesungen und rezitiert werden an dem Abend. Dank des poetischen Talents, das ihm »die Natur … verlieh«, trägt Ottmar die Verse selbst bei. Sie sind voll gläubiger Zustimmung zum Nationalsozialismus und reichen vom Gedanken an die Hilfe für die Bauern bis zu dem Anspruch, es sei »ein Volk an der Arbeit« gewesen, das den Traum von einem Großdeutschland erfüllte. Der vierte Text entstand erst nach dem Zusammenbruch des »Dritten Reiches«. Es handelt sich um das Protokoll eines Gesprächs, das ein Dr. von Siegler im Auftrag des Deutschen Instituts für Zeitgeschichte 1951 mit dem ehemaligen Chef der Abteilung Wehrmachtpropaganda beim Oberkommando der Wehrmacht, Generalmajor a. D. Hasso von Wedel, geführt hatte. Es war ein Gespräch, kein Interview, und so bleiben auch die Fragen Dr. von Sieglers, falls er über[Kurt] heran[getragen],« berichtet sein drei Jahre älterer Bruder Ludolf (Wedel Parlow, Die Wedel in acht Jahrhunderten, a.a.O., S. 60).

Vorbemerkungen

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haupt welche stellte und nicht nur Stichworte gab, undokumentiert. Heikle Fragen, wie etwa die nach Hassos persönlicher Einstellung zur »nationalsozialistischen Weltanschauung« oder seiner persönlichen Verantwortung für die Einstimmung der Truppe in einen Vernichtungskrieg durch die von seiner Abteilung herausgegebenen »Mitteilungen für die Truppe« werden nicht gestellt. Das Protokoll ist somit auch ein Dokument für den schonenden Umgang mit den Trägern des »Dritten Reiches«, der noch jahrzehntelang die offizielle Linie der Bundesrepublik Deutschland bestimmte.

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Anhang

Anhang 1 Satzung des schloßgesessenen Geschlechtes der Grafen und Herren von Wedel

Berlin 31. Januar 1936

Einleitung. Seit der Aufhebung des Lehnsverbandes besaß die Familie bisher lediglich ein »Statut des Burg- und Schloßgesessenen Geschlechts von Wedell«, das am 1. Februar 1856 in Stargard errichtet worden ist, und eine »Stiftungsurkunde über die Familienstiftung der Familie von Wedell«, errichtet zu Stargard am 22. Dezember 1874. Das Familienstatut vom 1. Februar 1856 hatte ausschließlich die Ausübung des Präsentationsrechtes zum Herrenhause zum Gegenstand. Das Kapital der Familienstiftung entstammte der Hauptsache nach den Allodifikationssummen, die der Familie auf Grund des Gesetzes vom 4. März 1867 über die Aufhebung der Alt-Pommerschen Lehne zugeflossen waren. Der Zweck der Familienstiftung bestand in der Bestreitung aller im Familieninteresse notwendigen Ausgaben, vornehmlich in der Unterstützung bedürftiger Familienmitglieder. Entsprechend den Bestimmungen der Stiftungsurkunde nahm der Fonds der Stiftung stetig zu und hatte laut Protokoll des letzten Familientages vor dem Kriege – am 26. Februar 1914 – damals eine Höhe von 330 200 Mark erreicht. In den Wirr-

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nissen der Inflation schmolz das Stiftungsvermöge dahin. Die Aufwertung ergab schließlich einen Betrag von RM. 27.–. Da die Stiftung somit praktisch gegenstandslos geworden war, wurde ihre Auflösung durchgeführt und auf dem Familientage vom 28. Januar 1929 (Berlin) genehmigt. Die Familie bewahrte auch weiterhin ihren Zusammenhalt nach Maßgabe der beiden vorgenannten Satzungen. Familientage fanden wie bisher alljährlich statt. Das Kuratorium der Familienstiftung bestand als Vorstand des Familienverbandes weiter und führte dessen Geschäfte. Da keine Mittel mehr vorhanden waren, blieb man nunmehr auf freiwillige Spenden angewiesen, die von den wohlhabenderen und interessierten Familienmitgliedern gezahlt wurden. Auf dem Familientage vom 3. März 1923 (Pasewalk) wurde beschlossen, daß die einzelnen Unterstützungsbedürftigen von Paten übernommen werden sollen. Auf Grund eines Beschlusses des Familientages vom 28. Januar 1929 (Berlin) wurden familiengeschichtliche Vorarbeiten begonnen. Die Familienmatrikel wurde im Jahre 1931 neu gedruckt. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, einen Ersatz für die Familienstiftung zu schaffen, die bald nach dem Kriege leistungsunfähig geworden war. Auf dem Familientage vom 25. Februar 1921 (Stettin) wurde beschlossen, eine Genossenschaft »Wedel-Trutz« zu gründen, deren Vermögen indessen im weiteren Verlauf der Inflation ein ähnliches Schicksal erlitt wie das der Familienstiftung, so daß die Genossenschaft laut Protokoll des Familientages vom 23. Februar 1928 (Stettin) wieder abgemeldet werden mußte. Besseren Erfolg zeitigte die Anregung freiwilliger Zahlung von Jahresbeträgen zwecks Gründung eines neuen Familienfonds. Auf letztgenanntem Familientage konnte über ein Sparkassen-Guthaben von RM. 1 743,88 berichtet werden, das weiterhin zunahm und am 2. Februar 1935 RM. 5 060,17 betrug. Die Familie hat nunmehr beschlossen, sich eine neue Satzung zu geben, die das lebensfähige und bewährte Alte fortbestehen läßt, sich aber von den bisherigen Satzungen grundsätzlich dadurch unterscheidet, daß sie nicht bestimmte Sondergebiete zum Hauptgegenstand hat, sondern die Angelegenheiten der Familie als solcher zum Ausdruck bringt und regelt. I. Abschnitt: Leitsätze § 1.

Das Ansehen der Familie Von jeher haben es sich die Wedels zur Ehre angerechnet, dem Vaterlande zu dienen. Die Familie erwartet dementsprechend, daß auch fernerhin viele Vettern in der Wehrmacht und Verwaltung des Staates sich auszuzeichnen bestrebt sind. Die Familie erwartet weiter, daß jeder Vetter in seinem Kreise – sei er groß oder klein – den Aufgaben gerecht zu werden versucht, die an ihn herantreten,

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und daß er sich stets des Einflusses bewußt ist, den sein persönliches Verhalten auf das Ansehen der Gesamtfamilie hat. Dieses Ansehen weiß die Familie gewahrt, solange die Tugenden der Selbstlosigkeit, des Mutes und der Wahrhaftigkeit bei ihren Angehörigen gelten. § 2. Die Blutsreinheit. Die Familie gibt ihrer Freude darüber Ausdruck, das der Grundsatz der Blutsreinheit wieder zur allgemeinen Anerkennung gelangt ist. Sie erwartet von ihren sämtlichen Angehörigen, daß sie diesem Grundsatz entsprechend handeln, aber dabei nicht vergessen, welche Bedeutung dem Wert der Erbanlagen zukommt. § 3. Der Landbesitz der Familie. Seit undenklichen Zeiten war die Familie Wedel auf dem Lande heimisch. Auch nachdem unser gemeinsamer Ahn die alte Stammesheimat Stormarn mit seinen Söhnen verlassen hatte, um dem Rufe zum Kreuzzug nach dem Osten zu folgen, gelangte dort die aufblühende Familie bald wieder in den Besitz weiter Landstrecken, die sie fremden Völkerschaften entriß und die sie mit deutschen Siedlern besetzte. Von diesem alten stolzen Landbesitz sind heute nur noch Trümmer vorhanden. Die in späteren Jahrhunderten erworbenen Ländereien können sich nach Größe und Bedeutung mit dem Verlorenen nicht messen. Da die Familie in ihrem Grundbesitz ihren Hauptrückhalt erblickt, wünscht sie nicht den Tag zu erleben, da auch der letzte Familienbesitz ihr entfremdet sein wird. Sie weiß sich darin eins mit ungezählten Geschlechtern der Vergangenheit, die immer wieder die härtesten Kämpfe und Entsagungen nicht gescheut haben, um ihre Scholle den Nachkommen zu sichern. Sie erwartet daher von allen grundbesitzenden Angehörigen, daß sie ihren Grund und Boden als von ihren Vorfahren zu Lehen empfangen betrachten und dementsprechend ein Gebot der Treue darin sehen, ihn der Familie zu erhalten. § 4.

Der Zusammenhalt der Familie. Die Familie ist sich darüber klar, daß sie nur insoweit als solche bestehen kann, als sie zusammenhält. Sie wünscht sich daher den persönlichen Zusammenhang nach Möglichkeit gepflegt zu sehen, damit die Familienmitglieder sich immer besser kennenlernen und so der Zusammenschluß innerhalb der Familie immer fester wird. Ferner soll jedes einzelne Familienmitglied wissen, daß, wenn es nottut, die ganze Familie ihm beizustehen bereit ist.

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Endlich wünscht die Familie die unablässige und sorgfältige Pflege der Überlieferung, vor allem unter der heranwachsenden Jugend. Wem die Zukunft nicht gleichgültig ist, muß auch der Vergangenheit ihr Recht werden lassen. Die Höhepunkte ihrer Geschichte zeigen die Familie einig und geschlossen, und die Geschichte lehrt auch die Grundsätze erkennen, denen während vieler Jahrhunderte die Besten der Familie im Leben und Sterben die Treue bewiesen haben. II. Abschnitt: Verwaltung. § 5.

Der Familienverband. Die Gesamtheit der den Namen tragenden Angehörigen des Geschlechtes der Grafen und Herren von Wedel bildet den Familienverband. Alle Mitglieder des Familienverbandes werden in eine Liste eingetragen, die der Vorsteher der Familie führt. Alle Geburten, Sterbefälle, Verlobungen und Eheschließungen sind dem Vorsteher der Familie alsbald anzuzeigen, desgleichen Anschriftänderungen. Alle Ämter des Familienverbandes werden unentgeltlich verwaltet. Bare Auslagen, die bei der Verwaltung erwachsen, werden erstattet, Reisekosten werden im allgemeinen nicht vergütet. Der Rechtsweg bleibt für alle Ansprüche, welche aus dieser Satzung von Gliedern der Familie Wedel gegen den Familienverband hergeleitet werden möchten, ausgeschlossen. § 6. Der Familientag. Der Familientag besteht aus den männlichen, großjährigen Mitgliedern des Familienverbandes, die sich auf die satzungsmäßig ergangene Einladung hierzu einfinden und an den Verhandlungen teilnehmen. In besonderen Fällen kann der Vorsteher der Familie auch weibliche Familienangehörige zum Familientag zuziehen. Der Familientag wird in der Regel jährlich einmal abgehalten, jedoch bleibt dem Vorsteher der Familie überlassen, in demselben Jahre einen zweiten Familientag anzusetzen, wenn besondere Umstände dies erfordern sollten. Der Vorsteher der Familie bestimmt Zeit und Ort des Zusammentritts und ladet dazu spätestens drei Wochen vorher ein. Der Vorsteher der Familie leitet die Verhandlungen des Familientages, die alle Angelegenheiten zum Gegenstand haben, die für die Familie als solche von Bedeutung sind. Er berichtet dem Familientage über seine Tätigkeit. Alle Beschlüsse und Wahlen erfolgen auf seinen Vorschlag. Sie kommen in der Regel durch Akklamation zustande. Nur wenn sich Widerspruch erhebt, soll abge-

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stimmt werden, bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorstehers. Über die Verhandlungen des Familientages wird ein Protokoll geführt, das von den Teilnehmern des Familientages zu unterzeichnen ist. Abänderungen des II. und III. Abschnittes der Satzung können auf Grund eines von zwei Dritteln der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder gefaßten Beschlusses des Familientages erfolgen, wenn bei dem nächstjährigen ordentlichen Familientage, bei dessen Berufung jedesmal auf eine solche Vorlage hinzuweisen ist, der gefaßte Beschluß in gleicher Weise aufrechterhalten wird. Diesbezügliche Anträge müssen spätestens ein Vierteljahr vor dem nächsten ordentlichen Familientage beim Vorsteher der Familie eingereicht werden. Bei richtiger Vorladung ist die Anwesenheit von drei Mitgliedern zur Abfassung bindender Beschlüsse genügend. § 7. Der Vorsteher der Familie. Aus den landgesessenen Angehörigen des Familienverbandes wählt der Familientag den Vorsteher der Familie, und zwar auf unbeschränkte Zeit. Die Rechte und Pflichten des Vorstehers bestehen in seiner anderweit ausdrücklich aufgezählten Tätigkeit, in dem Schutze der Familieninteressen vor Angriffen von außen, wie auch in der dauernden Fürsorge dafür, daß seitens aller Angehörigen des Familienverbandes im Sinne der Leitsätze verfahren wird. Der Vorsteher der Familie vertritt den Familienverband in allen Geschäften dritten Personen und Behörden gegenüber unbeschränkt. Er beruft Vorstandsmitglieder oder andere Angehörige des Familienverbandes in die Ämter des Familienverbandes. Er kann Vorstandsmitgliedern oder anderen Angehörigen des Familienverbandes einzelne seiner Obliegenheiten übertragen. Für die Erledigung besonderer Aufgaben kann er auch dritten Personen Vollmacht erteilen. Aus den Mitgliedern des Vorstandes ernennt der Vorsteher seinen Stellvertreter, der ihn in allen Behinderungsfällen vertritt oder bei Abgangsfällen bis zu der vom nächsten Familientage vorzunehmenden Neuwahl in seine Stelle eintritt. Der Vorsteher der Familie ist nur dem Familientag verantwortlich. § 8. Der Vorstand des Familienverbandes. Der Vorstand des Familienverbandes besteht aus dem Vorsteher der Familie und fünf anderen Mitgliedern des Familienverbandes, die vom Familientage jeweils auf sechs Jahre gewählt werden.

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In dem Vorstand sollen nach Möglichkeit die drei Stämme FreienwaldeMellen, Reetz-Nörenberg und Neuwedell vertreten sein. Mindestens drei Mitglieder des Vorstandes müssen landgesessen sein. Weiterhin haben die dänische Linie Wedellsborg und die norwegische Linie Jarlsberg das Recht auf je einen Vorstandssitz; wird von diesem Rechte Gebrauch gemacht, so erhöht sich die Zahl der Vorstandsmitglieder entsprechend. Dem Vorsteher der Familie stehen die anderen Vorstandsmitglieder unterstützend und beratend zur Seite, doch ist der Vorsteher bei seinen Entschließungen an deren Zustimmung nicht gebunden. III. Abschnitt: Besondere Einrichtungen und Bestimmungen. § 9. Eine Ehrenordnung. Die Familienehre gebietet Pflege und Schutz der Eigenschaften und Sitten, durch die die Familie einstmals ihre größten Leistungen vollbracht hat und die zu allen Zeiten ihre Besten ausgeübt und hochgehalten haben. Wenn Familienmitglieder sich im Sinne der Familienehre auszeichnen, so ist dies auf den Familientagen bekanntzumachen, um dadurch zur Nacheiferung anzuregen. Umgekehrt können Verstöße gegen die Familienehre nicht ungeahndet bleiben, da sie geeignet sind, durch das schlechte Beispiel den Geist innerhalb der Familie zu schädigen und andererseits das Ansehen der Familie vor der Öffentlichkeit herabzusetzen. Der Vorsteher der Familie wacht über der Familienehre. Er berät Angehörige des Familienverbandes, die sich in die Familienehre betreffenden Angelegenheiten an ihn wenden. Zeigt ein Familienmitglied ein Verhalten, das die Familienehre zu schädigen geeignet ist, so ist der Vorsteher der Familie zu dem Versuche verpflichtet, durch persönliche Einwirkung dieses Familienmitglied zu einer Änderung seines Verhaltens zu bewegen. Bleiben die Worte des Vorstehers der Familie ungehört, bzw. liegt eine die Familienehre schädigende vollendete Tatsache vor, so leitet der Vorsteher der Familie ein ehrengerichtliches Verfahren ein. Er beruft hierzu ein Ehrengericht, das aus drei Angehörigen des Familienverbandes besteht, unter denen sich ein Grundbesitzer und möglichst auch ein aktiver Offizier befinden sollen. Einen der Ehrenrichter ernennt der Vorsteher der Familie zum Obmann. Das Ehrengericht ist verpflichtet, mit größter Beschleunigung zu arbeiten. Es fällt seinen Spruch mit Stimmenmehrheit. Es kann erkennen auf 1. Freispruch, 2. Erteilung einer Warnung, 3. Antrag auf Ausschluß aus dem Familienverband.

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Der Obmann teilt den Spruch des Ehrengerichts nebst Begründung dem Beschuldigten und dem Vorsteher der Familie alsbald mit. Der Beschuldigte kann innerhalb eines Zeitraumes von drei Wochen nach Empfang des Spruches beim Vorsteher der Familie Berufung einlegen. Erscheint diesem die Berufung des Beschuldigten hinreichend begründet oder hat er selbst gegen den Spruch des Ehrengerichtes Bedenken, so veranlaßt er eine nochmalige ehrengerichtliche Entscheidung. Den Spruch des Ehrengerichtes nebst Begründung verliest der Obmann des Ehrengerichtes auf dem nächstfolgenden Familientage. Ist auf Antrag auf Ausschluß aus dem Familienverband erkannt, so entscheidet der Familientag über den Ausschluß. Wird der Ausschluß beschlossen, so kann der Vorsteher der Familie geeignete Stellen der Öffentlichkeit in Kenntnis setzen. Das härteste Urteil, das die Familie fällen kann, besteht darin, daß sie eines ihrer Mitglieder aus ihren Reihen ausstößt. Darum soll über den Ausschluß erst dann verhandelt werden, nachdem, soweit nach Lage des Falles möglich, wiederholte eindringliche Ermahnungen stattgefunden haben, aber fruchtlos geblieben sind. Ist der Zeitraum bis zum nächsten Familientage hierzu nicht ausreichend, so kann der Vorsteher der Familie verfügen, daß die Verkündigung des Spruches nebst Verhandlung über den Ausschluß bis zum übernächsten Familientage ausgesetzt wird. § 10.

Die Wahrung der Blutsreinheit. Die Familie geht davon aus, daß die Pflege der alten Tugenden des Geschlechtes nur auf der Grundlage der alten bluts- und rassemäßigen Anschauungen und Grundsätze möglich ist. Diese blutsmäßige Grundlage in den Grenzen des Erreichbaren zu schützen und zu pflegen, macht die Familie allen Vettern zur Ehrenpflicht. Die Familie richtet weiter an ihre Söhne die ernste Mahnung, bei der Eheschließung ihre Pflicht gegenüber den Nachfahren nicht mit dem Nachweis einer rassisch einwandfreien Abstammung und dem Fehlen von Erbkrankheiten als erfüllt zu betrachten. Da der Angelpunkt dieser Satzung in den Anforderungen besteht, die an den Charakter und die sonstigen Eigenschaften der Familienangehörigen gestellt werden, so soll jeder Vetter vor dem Eingehen einer Ehe sich die Frage vorlegen, ob die Familie und die Vorfahren der Braut die Erwartung rechtfertigen, daß die Abkömmlinge diesen Anforderungen werden genügen können. Bei der Annahme an Kindesstatt ist zu bedenken, daß der Begriff der Abstammung mit dem Begriff Familie untrennbar verbunden ist. Eine Adoption von Personen nicht Wedel’scher Abstammung ist daher unstatthaft und kann zu einer Aufnahme dieser Personen in den Familienverband nicht führen.

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§ 11.

Die Erhaltung des Landbesitzes. Die Familienehre gebietet den landbesitzenden Familienangehörigen, im Geiste der ihnen im Besitz vorangegangenen Ahnenreihen zu handeln, indem sie ihre private Bequemlichkeit und auch den materiellen Vorteil ihrer nächsten Angehörigen, überhaupt Sonderzwecke gleichviel welcher Art dem Ziele unterordnen, den Grundbesitz der Familie zu erhalten. Als diesem Ziele dienlich hält es die Familie für angebracht, die Aufmerksamkeit ihrer landbesitzenden Angehörigen auf folgende Punkte hinzulenken: 1. Auch bei ganz einfach liegenden Verhältnissen und wenn alle Hinterbliebenen den besten Willen haben, in Frieden miteinander auszukommen und den Wünschen des Erblassers entsprechend zu verfahren, ist es unausbleiblich, daß hinsichtlich der Verteilung des Nachlasses Meinungsverschiedenheiten entstehen, wenn nicht von Seiten der väterlichen Autorität die verschiedenen Ansprüche klar gegeneinander abgegrenzt worden sind. Da der Tod jederzeit eintreten kann, liegt es somit im Interesse der Familieneintracht wie auch im Interesse der Erhaltung des Landbesitzes, daß jeder landbesitzende Vetter a l s b a l d nach Besitzantritt Verfügungen von Todeswegen trifft. 2. Das Interesse der Familie an der Erhaltung des Landbesitzes besteht auch dann weiter, wenn im Einzelfalle nur weibliche Angehörige vorhanden sind. Hier, wo das Interesse der Einzelfamilie mit dem der Gesamtfamilie in Konflikt gerät, hat wirklicher Familiensinn Gelegenheit sich zu bewähren. Ein gutes Beispiel gab in neuerer Zeit der im Großen Krieg gefallene Rüdiger W.-Parlow auf Polßen. 3. Dem Grundsatz einer dauernden Schuldenabtragung mit dem Ziele der Schuldenfreiheit kommt eine ganz besondere Bedeutung zu, weil an einen Betrieb aus den verschiedensten, oft nicht vorauszusehenden Anlässen Anforderungen gestellt werden können, denen er umso eher unterliegen wird, je mehr er bereits durch das Vorhandensein einer beträchtlichen Schuldenlast geschwächt ist. 4. Eine Hauptursache der Entstehung von Schulden sind Erbteilungen. Da sie aber in der Regel auf lange Zeit vorausgesehen werden können, wird der sorgsame Hausvater ebenso frühzeitig Vorkehrungen treffen, der in ihnen liegenden Gefahr für die Erhaltung des Landbesitzes zu begegnen. 5. Zur Pflege der Tradition gehört es, daß Einrichtungs- und sonstige Gegenstände, die für die einzelnen Landsitze von Bedeutung sind und damit ein allgemeines Familieninteresse beanspruchen können, auf diesen belassen werden. Es handelt sich hierbei in erster Linie um Ahnenbilder, Stammbäume und Urkunden, aber auch um sonstige schriftliche Hinterlassenschaften, deren Wert mit dem Ablauf der Zeit naturgemäß steigt, sowie um Möbelstücke, die durch ihre Herkunft und Eigenart bedeutsam sind. – Der Verzicht, der damit den weichenden Erben zugemutet wird, erhält durch die Verpflichtungen des Gutserben seine innere Begründung.

Aus dem Ziele der Erhaltung des Landbesitzes ergibt sich ferner für jeden landbesitzenden Vetter die grundsätzliche Pflicht, die Landbautechnik hinrei-

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chend zu beherrschen, um selber seinen Betrieb ordnungsmäßig bewirtschaften zu können. Die erbberechtigten Söhne sind entsprechend auszubilden. Um den landbesitzenden Familienangehörigen die Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber der Familie zu erleichtern, stellt ihnen die Familie aus ihren Reihen Berater zur Verfügung, die von den Familientagen zu wählen sind. Hierfür kommen landbesitzende Vettern in Betracht, die seit einer Reihe von Jahren ihre Betriebe selber leiten und die durch ihre Erfolge bewiesen haben, daß sie von der Landwirtschaft etwas verstehen. Über die Arbeitsweise dieser Berater wird folgendes bestimmt: Wenn ein landbesitzendes Familienmitglied beraten zu werden wünscht, so wendet es sich an den Vorsteher der Familie oder auch an einen der Berater direkt. Es wird sodann von einem dieser Vettern besucht. Dem beratenden Vetter ist in die gesamte Wirtschaft, insbesondere auch in die Wirtschaftsbücher genauer Einblick zu geben und jede gewünschte zweckdienliche Auskunft rückhaltlos zu erteilen, denn die Güte der zu erteilenden Ratschläge hängt von der richtigen Kenntnis der Verhältnisse ab. Die Berater können sich vor Erteilung ihrer Ratschläge untereinander besprechen. Sie haben den Vorsteher der Familie über ihre Tätigkeit auf dem Laufenden zu erhalten. Im übrigen sind sie jedermann gegenüber zu Stillschweigen verpflichtet. Auch wenn ein landbesitzendes Familienmitglied seinen Betrieb einer selbständigen Verwaltung zur Bewirtschaftung übergeben hat, so hindert dies nicht, daß es einen Vetter zu seiner Beratung hinzuzieht. Die betreffende Verwaltung wird kaum etwas dagegen haben, daß sich der Besitzer persönlich oder durch Beauftragte gelegentlich über den Stand der Dinge unterrichtet. Insbesondere kann eine derartige Beratung dann von Wert sein, wenn der Verwaltungsvertrag vor dem Ablauf steht und der Besitzer sich also nach irgendeiner Richtung hin entscheiden muß. Aus dem Gesagten geht bereits hervor, daß eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit irgendwelcher Art nicht zu den Aufgaben der Berater gehört. Eine Haftung der Berater auf Grund ihrer Ratschläge kommt nicht in Frage. Die Berater arbeiten ehrenamtlich. Doch muß es den von ihrer Hilfe Gebrauch machenden landbesitzenden Familienmitgliedern freistehen, den Beratern ihre Auslagen zu ersetzen.

Der Vorsteher der Familie ist berechtigt, sich auf Grund eigener Initiative von dem Zustand eines Betriebes zu überzeugen, wobei es ihm freisteht, das entweder persönlich zu tun oder einen der Berater damit zu beauftragen. Grundsätzlich ist das Eingreifen der vereinten Kraft der Familie da am Platze, wo die Kraft des Einzelnen zur Erhaltung eines Familienbesitzes nicht ausreicht. In welcher Weise dieses Eingreifen zweckmäßiger Weise zu geschehen hat, muß sich nach den jeweiligen Umständen richten. Als Beispiele seien genannt eine Übernahme von Familiengutsverwaltungen auf Wunsch von Familienangehörigen, und besonders gemeinschaftliche finanzielle Stützungsaktionen gefährdeter Betriebe, zur Vermeidung von dem Familieninteresse abträglichen Regelungen und gegen Gewährung einer entsprechenden Sicherheit.

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§ 12.

Die Pflege des Zusammenhalts. Erste Voraussetzung für den Zusammenhalt in der Familie sind persönliche Beziehungen der Familienangehörigen untereinander, für deren Anknüpfung die Familientage Hauptgelegenheit sind, die schon aus diesem Grunde stets zahlreich besucht sein sollten. Weitere Formen des persönlichen Zusammenhanges mögen künftiger Entwicklung und Beschlußfassung vorbehalten bleiben. Kein Familienmitglied soll des inneren Haltes entbehren, den ihm das Bewußtsein gewähren muß, in seinen persönlichen Angelegenheiten der warmherzigen Anteilnahme der Familie sicher zu sein. Entscheidender Wert ist auf die Pflege der gemeinsamen Überlieferung zu legen, damit unter den heranwachsenden Familienangehörigen ein familienhaftes und darum freies und stolzes Denken und Empfinden immer reiner und klarer sich entwickelt und zum Ausdruck kommt. Es darf nie vergessen werden, daß sich die Familie Wedel in der ganz besonders glücklichen Lage befindet, die Richtschnur für das Handeln der Angehörigen in der eigenen Geschichte zu haben. Die Familie braucht zur Erfüllung ihrer durch das gemeinsame Interesse bedingten Aufgaben Geld, dessen Hergabe von jedem Vetter, je nach seinem Vermögen, erwartet werden muß; die Bereitwilligkeit hierzu bietet zugleich einen guten Maßstab für die wahre Denkweise, die durch Handlungen stets besser zum Ausdruck kommt als durch Worte. Es wird davon abgesehen, hinsichtlich der Beitragszahlungen usw. Einzelheiten festzulegen; vielmehr soll es den einzelnen Familientagen überlassen bleiben, zu beschließen, auf welche Weise den jeweiligen Anforderungen zu genügen ist. Es würde sich hierbei etwa handeln um die Unterstützung bedürftiger Familienmitglieder, Gründung und Verwaltung eines neuen Familienfonds, den periodischen Neudruck der Familienmatrikel und der Stammtafeln, die Fortsetzung der Familiengeschichte, die Anlegung und Weiterführung eines Familienarchivs u.a.m. Da die Familie nicht nur an der Erhaltung des Landbesitzes, sondern auch des sonstigen Familienvermögens interessiert ist, empfiehlt sie ihren Angehörigen, auch diesem die Vorteile einer gemeinsamen Obhut in geeigneten Formen zu gewähren. Schon jetzt wird in Aussicht genommen, einen gemeinsamen Rechtsberater namhaft zu machen, der allen Familienangehörigen gegen das übliche Honorar zur Verfügung steht. Soweit es bei künftig zu treffenden Maßnahmen aller Art zweckmäßig erscheinen sollte, wird anheimgestellt, von etwaigen gesetzlichen Schutzeinrichtungen Gebrauch zu machen; dies gilt jedoch für diese Satzung selbst nicht, die sich nur an die Familie als solche wendet und für die daher ein staatlicher Schutz nicht in Anspruch genommen zu werden braucht. Berlin, den 31. Januar 1936.

(65 Unterschriften).

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Anhang 2 Erhard Graf von Wedel, Legationsrat, Rasse und Adel592 Mein Vater, ein sehr vorurteilsfreier Mann, dem jede Art Adelsdünkel völlig fremd war, lehrte mich frühzeitig zu erkennen, dass erst recht in heutiger Zeit, in der alle früheren Vorrechte des Adels gefallen sind und höchstes noch ein kleiner Rest »gesellschaftlichen« Ansehens übriggeblieben ist, keinerlei Grund zu irgendwelchem »Besserdünken« gegenüber anderen Volksschichten für den Adel gegeben ist. Auch der verbliebene Rest an Ansehen und Geltung müsse, so war seine Meinung, durch entsprechendes Verhalten und durch Leistung täglich neu gerechtfertigt werden. Dabei war aber mein Vater andererseits völlig frei von allen liberalistischen Gleichmacherbestrebungen und von einer leider selbst in manchen Adelskreisen anzutreffenden Geringbewertung, ja Missachtung des Adelsbegriffes an sich. Er war im Gegenteil mit Recht stolz auf unser uraltes Geschlecht, dessen Ursprung sich in die germanische Vorzeit des niederdeutschen Landes Stormarn an der Elbmündung (Wedel bei Hamburg) verliert und das bereits im 12. Jahrhundert – ganz im Sinne unserer heutigen Ostraumpolitik – mit Ross und Reisigen nach dem Lande »jenseits der Elbe«, nach Pommern und der Neumark, aufbrach, um diese von Slawen besetzten Gebiete mit Schwert und Pflugschar in großzügiger geschichtlicher Sendung dem Deutschtum zurückzuerobern, eine denkwürdige Großtat, von der heute noch viele Spuren künden. – »Wohl dem, der seiner Väter gern gedenkt!« – Diese schönen Goethe-Worte hatte mein Vater in das Stück der gedruckten Familiengeschichte eingetragen, das er mir bei meiner Einsegnung überreichte. – Neben meinem Vater war es eine große Gestalt aus meiner mütterlichen Ahnenreihe: F r a n z v. S i c k i n g e n, der edle »letzte Ritter« am Ausgang des Mittelalters, der Freund Ulrich v. Huttens, des Streiters für Wahrheit und Gerechtigkeit, der mir bei meinen Überlegungen über den Wert des Adels stets als Beispiel vorschwebte. Man kann diese große geschichtliche Figur mit ihrer klaren Erkenntnis des Wertes von »Blut und Boden«, ihrer warmen Anteilnahme an den Bestrebungen zur Befreiung des Bauernstandes, zur Einigung von Volk und Adel zu einer volksdeutschen Gesamtheit in bewusstem Gegensatz zu den »Landesfürsten« und ihren partikularistischen Hausmachtgelüsten sehr wohl als einen Vorläufer des heutigen Nationalsozialismus bezeichnen. – Bei solcher anererbter Auffassung und Erziehung, die für den Adel Volksverbundenheit und Schollenverwurzelung als Vorbedingung der adligen Ge592 Aus: Friedrich Christian Prinz zu Schaumburg-Lippe (Hg.), Wo war der Adel?, Berlin 1934.

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sinnung verlangte, war es kein Wunder, dass mich der Nationalsozialismus, als ich mit ihm zum ersten Male im Sommer 1924 in Weimar in Berührung kam, sofort in seinen Bann schlug. Rasse und Adel sind ja verwandte Begriffe oder sollten es wenigstens sein. Schon immer war mir nun aufgefallen, dass man unter dem jungen Arbeiter-, Handwerker-, Bauern- und Soldatentum sehr oft weit mehr »rassige« Gestalten erblicken konnte, als in der sogenannten »guten Gesellschaft«. Nun sah ich alle diese jugendlichen Gestalten straff geschlossen im Braunhemd marschieren, die schönen alten Landsknechtslieder auf den Lippen: Ich war gewonnen, mit Haut und Haar der neuen Bewegung und ihrem zukunftsfrohen Wollen verschrieben! Machtvoll schlug mich die erste große Hitler-Versammlung, in der ich – 1925 – den Führer, diesen wirklichen Adelsmenschen, sprechen hörte, in ihren Bann, um mich nicht wieder loszulassen. Unzählige Aufmärsche, Versammlungen, Reichs- und Gauparteitage, selbst nach Österreich hinein, habe ich seitdem mitgemacht, und immer blieb der gleiche Eindruck zurück: Hier ist eine wahrhafte V o l k s b e w e g u n g aus edelster und reinster Quelle, eine Bewegung, in die der Adel als ein Teil dieses Volkes hineingehört, wenn er nicht von ihr hinweggespült werden will. Er soll sich in sie einreihen als ein Glied des Volksganzen, ohne den Anspruch auf »selbstverständliche Führung«, allein mit dem ehrlichen Wollen, in seinem Parteigenossen den Bruder zu sehen, der mit ihm am gleichen Werke schafft. Leider – ich muss es ehrlich sagen – habe ich in den Anfängen der Bewegung, wo gerade der Adel durch sein Beispiel so viel hätte wirken können, ihn unter den Kämpfern für die Bewegung vielfach vermisst. Ich entsinne mich noch genau eines Adelstages in Berlin im Jahre 1928, wo ich als Mitglied des Adelskapitels für Thüringen in der Sitzung dieses Kapitels die Frage des Nationalsozialismus anschnitt – ohne irgendeine Gegenliebe zu finden. Im Gegenteil: Der Vorsitzende verstand es geschickt, das Thema »unter den Tisch fallen zu lassen« und einem Herrn aus Thüringen, einem eingefleischten Reaktionär (übrigens bezeichnenderweise einer ganz neugeadelten Familie angehörend), gelang es unter der Hand, meine Wahl in das Kapitel zur Strafe für die unzeitgemäße Anschneidung des heiklen Themas »Nationalsozialismus« für das nächste Mal zu verhindern. Ich gebe gern zu, dass sich seitdem in diesem Punkte viel, sehr viel, und nicht nur aus »Konjunkturgründen« beim Adel zum besseren geändert hat – ich erinnere nur an die vielen, teilweise ausgezeichneten Aufsätze im »Adelsblatt«–, aber eine gewisse Schuld des deutschen Adels bleibt es immerhin, den Weg zu dieser gewaltigen deutschen Volksbewegung, die a l l e i n Deutschlands Schicksal für die Zukunft darstellt, erst verhältnismäßig spät gefunden zu haben.

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Möge er diese Schuld durch eine um so größere Gefolgstreue zur Bewegung und ihrem großen Führer künftighin wenigstens zum Teil wieder gutmachen! Berlin, 20. April (Geburtstag des Führers) 1934.

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Anhang 3 Ottmar v. Wedel Parlow, Oberstfeldmeister Feierabend und Feier593 »Wir legen still das Werkzeug aus den Händen Hart war die Arbeit, und der Tag war lang. Wir wollen ihn mit frohem Spiel nun enden Und auch mit ernstem, stillen Feierklang.«

Feierabend, Stunde herzhafter Fröhlichkeit! – Feierabend, Stunde tiefer, innerlicher Besinnlichkeit! Zweimal dasselbe Wort und jedes Mal Ausdruck ganz verschiedener Stimmungen menschlicher Lebensäußerung. Eins aber beiden gemeinsam, der Friede, der sowohl die Freude verklärt als auch der Besinnung und Sammlung ihre Innerlichkeit verleiht. Ein arbeitsreicher Tag liegt hinter uns, ein Tag, ausgefüllt mit all den kleinen Sorgen und Nöten des Dienstes, aber auch vor allem ausgefüllt durch unser Werk. Und dieses Werk ragt auch hinein in den friedevollen Feierabend, der über unseren Lagern liegt. So wird unser Feierabend immer in irgendeiner Form das Gesicht unserer Arbeit tragen. Weit draußen im Lande verstreut liegen unsere Lager. Selten in der Nähe einer Stadt, häufig nicht einmal in der Nähe eines Dorfes oder sonst einer menschlichen Siedlung. Gerade in diesen Lagern aber ist der Feierabend zu einem der schönsten Erlebnisse kameradschaftlichen Gemeinschaftslebens geworden. Hier wetteifern die einzelnen miteinander, in dieser Stunde ihren Kameraden etwas von ihrem besonderen Können zu vermitteln. So wird ein solcher Feierabend zu einem großen, bleibenden Geschenk für die Lagergemeinschaft. Stunden innerlicher Besinnlichkeit, Stunden der Fröhlichkeit! Auch in unseren Lagern tritt diese Trennung klar in Erscheinung. Nicht rührselige Mischung von ausgelassener Fröhlichkeit und patriotischer Gefühlsduselei, wie sie Festen und Feiern einer vergangenen Generation eigen war, sondern klare Scheidung zwischen Frohsinn und Ernst formt das Gesicht eines solchen Feierabends. So steht jeder Feierabend bei uns unter einem bestimmten Leitwort. Gerade nach einem langen, anstrengenden Dienst des Tages wissen wir den Wert der Feierabendstunde besonders zu schätzen. Bei lustigen Liedern, heiteren Spielen und oft auch derben Späßen finden wir gar manche dieser Stunden vom Frohsinn erfüllt. Denn auch wir empfinden allzu gut, welche starken Kräfte 593 Aus: Ottmar v. Wedel Parlow, Arbeitsdienst in Mecklenburger Landschaft, Schwerin i. M., [1939], S. 46–50.

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durch echte Fröhlichkeit geweckt werden. Hier ist auch die Musik ein willkommener Helfer. Und so verfügt jedes Lager über eine entsprechende Hauskapelle, die, oft mit den merkwürdigsten Instrumenten bewaffnet, große Heiterkeit entfesselt. In einer solchen Stunde des gemeinsamen Frohsinns schließen sich die Herzen einander besonders leicht auf, und oft unbewußt finden sich so die Kameraden. Lauter Gesang und fröhliches Lachen sind in solcher Stunde zu hören. Leicht vergessen Männer und Führer den kleinlichen Ärger des Tages. Der nächste Morgen läßt sie wieder frisch an das ernste Tagewerk gehen. So wurde Feierabendfreude zum neuen Kraftspender. Aber auch die vom besinnlichen Ernst erfüllte Feierabendstunde nimmt alle in ihren Bann. Dann hören die Männer von den Großen unseres Volkes. Vorlesungen aus Büchern und Schriften, aber auch selbstgestaltete Bilder tragen das Wesen der großen Persönlichkeit in die Gegenwart. Die überragende Geisteskraft wahrhafter Volksführer wird in ihren Werken der Mannschaft offenbar. Sie hören vom Opfertode eines Schill, eines Schlageter, eines Horst Wessel. Heiliger Ernst liegt an solchen Feierabenden auf den Gesichtern der Mannschaft. Kampflieder lassen die Zeit des Ringens um die Macht zu lebendiger Erinnerung werden. Im Geiste der Männer aber formt sich das Bild vom ewigen deutschen Kämpfer. Da steht es plötzlich im Raum, das Wort: Großdeutschland. Gedanke nur durch Jahrtausende – Wirklichkeit heute. Selbstverständlichkeit für die nachwachsende Generation. Wenn deutsche Menschen vom Arbeitsdienst sprechen, dann sehen sie in Gedanken die Kolonnen des Spatens durch Nürnberg marschieren und haben das gewaltigste Bild der Feierstunde auf der Zeppelinwiese vor Augen, die heute schon zu einer Art Feldgottesdienst des Parteitages wurde. Viele denken vielleicht auch an Arbeit im Schlick, in Mooren und in Einsamkeiten, wenige denken dabei an das Lager. Aber gerade das Lager, das Heim der Arbeitsdienstabteilung, jener Gemeinschaft von ungefähr 200 jungen Menschen, ist das Fundament dieser Feierstunde. Hier werden alle diese Gedanken gedacht, hier erleben sie in der Gemeinsamkeit der Arbeit und des Dienstes die nationalsozialistische Weltanschauung. Hier tritt anstelle abstrakter Begriffe die blutvolle Wirklichkeit täglicher Bewährung. Hier riecht es überall nach frischer, deutscher Erde, die darauf wartet, daß wir uns wieder zu ihr bekennen. Hier ist die unsichtbare Quelle aller Gedanken für Feierabend und Feste. Ja, unsere Feierstunden wachsen wahrhaft aus den Feierabenden der Lagergemeinschaft. Einmal im Jahre aber stehen dann Vertreter all dieser vielen, vielen Abteilungen im Reich vor ihrem Führer und geben Kunde von ihrer Arbeit, ihrem Wollen und ihrem unerschütterlichen Glauben an ihn. Aber auch die einzelnen Gaue wollen in kleinerem Rahmen gelegentlich der Bevölkerung hiervon Zeugnis ablegen. So ist es Tradition geworden in Meck-

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lenburg, daß einmal im Winterhalbjahr der mecklenburgische Arbeitsdienst in einer abendlichen Feierstunde im Theater Zeugnis ablegt von seinem kulturellen Wollen, zeigen will, wie weit auch auf geistigem Gebiet die Durchdringung mit der nationalsozialistischen Lehre Wirklichkeit wurde. Was innerhalb des Lagerfeierabends vielleicht in dieser oder jener Art gut wirkt, bedarf für die Öffentlichkeit einer anderen Form. Immer aber bleibt es Ausdruck unserer Gedanken an den Feierabenden. Was alle bewegte, formte der einzelne zum Feierabendspiel. Und dieses Spiel gestaltet wieder die lebendige Gemeinschaft des Lagers. Denn nicht die Gemeinschaft ist schöpferisch, aber sie trägt in ihrem Schoße die einzelnen, denen die Natur auf irgendeinem Gebiete die Gabe der Schöpfung verlieh. So gibt der eine in Worten die Empfindungen all der vielen Kameraden wieder, der andere in Tönen, in Musik. So entstehen für jedes Spiel neue Gedichte, neue Lieder und neue Musikstücke. Nicht nach dem häufig üblichen Rezept: »Man nehme…« aus verschiedenen Büchern zusammengetragen, sondern von einzelnen aus dem Arbeitsdienst geformt, sind diese Spiele wahre Spiegelbilder unserer Gemeinschaft. Als uns im vorletzten Jahre die Not des Bauern zu Hilfe rief, da stand unser letztes Feierabendspiel unter dem Gedanken: »Bauer, wir helfen dir!« Die Ernte in Not! Helft, rettet das Brot! Ein Volk ist bedroht!

so rufen sie es in die Menge, und machtvoll klingt das Lied auf: Dem Bauern zu helfen sind wir bereit, tragen das Korn in die Scheuern. Wir füllen die Fächer, behäbig und breit, und bergen die Ernte in stürmischer Zeit, helfen das Brot uns erneuern.

Arbeitsmänner und -maiden stehen in diesem Spiel Seite an Seite bei der Arbeit und zum Schluß bei der volkstümlichen Feier mit der Landbevölkerung mit altem mecklenburgischen Brauchtum. »Nun ist die große Not bezwungen, die Ernte glücklich eingebracht, doch dieses Werk ist nur gelungen durch der Gemeinschaft Wundermacht…«

so kündet es der Sprecher. Der Abend sinkt hernieder, das Licht vergeht, und während die Fahne am Mast niedersinkt, klingt eine feine Melodie auf und der Sprecher sagt zu seinen Kameraden: »So sank die Fahne nieder zum letztenmal.

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Verklungen sind die Lieder, das Lager liegt nun wieder im Abend still und fahl.«

Als das spannungsreiche Jahr 1938 zu Ende ging, das auch dem Arbeitsdienst viele neue Aufgaben brachte und die alte Sehnsucht der Deutschen, die Schaffung des Großdeutschen Reiches, endlich durch die geniale Tat des Führers Wirklichkeit wurde, da beseelte alle auch draußen in den einsamen Lagern nur ein Gedanke: »Großdeutschland!« Großdeutschland – Gedanke nur durch Jahrtausende – Wirklichkeit heute – Selbstverständlichkeit für die nachwachsende Generation … Und diese Gedanken wurden die Grundlagen für unser diesjähriges Feierspiel. »Großdeutschland ist fortan dein Name, du stolzes Reich, das neu erstand, du Traum, der seine wundersame Erfüllung durch den Führer fand«,

verkündet anfangs der Sprecher. Männer und Maiden singen ein Lied, das mit dem Vers endet: »Tragt in euren Händen wieder starke Wehr, schützt die neuen Grenzen als des Führers Heer, das er aufgerufen, tretend auf die Stufen Großdeutschlands Altar.«

Geschichte, Volkstum und Arbeit sind drei der starken Säulen des neuen Reiches. Wir deuten die Geschichte in vier kurzen Szenen an. Nicht um Theater zu spielen, bringen wir diese Szenen, sondern weil wir wissen, daß das Bildmäßige eher haften bleibt. Es erscheint uns wichtig, dies besonders festzuhalten. Sprecher leiten zu den Bildern über. »Es sind die schlichten Frauen, die harten Männer, die stets des Volkes stärkste Macht, die als des Deutschtums wahrhafte Bekenner wie Sterne leuchten aus des Reiches Nacht.«

Dann ziehen in schneller Folge die geschichtlichen Bilder vorüber mit kurzen musikalischen Zwischenspielen. Der erste Teil ist vorbei. Der zweite Teil des Spieles zeigt Männer und Maiden bei Tänzen und Liedern aus allen deutschen Gauen und bringt uns nahe, wie gerade der Arbeitsdienst Brauchtum pflegt. Ein musikalisches Zwischenspiel leitet zum letzten Teil über, der in der Arbeit alle Gedanken zusammenfasst. Jubelnd erklingt eine neue Hymne der Arbeit:

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»Arbeit, du bist der zwingende Rhythmus des Lebens. Du bist tätige Freude beglückenden Gebens. Wenn Du erfüllst und nicht verhüllst deines Geschickes Gesicht.«

Maiden sprechen von ihrer Arbeit, die sie in die Familie des Siedlers führt, sprechen von jener kleinen Welt, die der Frau zu eigen gegeben wurde. Arbeitsmänner dann wieder reden vom harten Kampf um den Boden. »Von unserer Arbeit sprechen weite Werke, auch wenn wir selbst nicht mehr im Graben stehen. Mit neuen Bauern wächst des Reiches Stärke und wird nie mehr im Feindessturm vergehen.«

Und ihre Gedanken wandern stolzerfüllt in die Ferne: »So reichen einst Geschlechter sich die Hände, Enkel ernten, was der Ahn heut schafft. Symbolhaft steht der Spaten an der Wende Des einigen Volkes zu großer deutscher Kraft.«

Alle Mitwirkenden aber finden sich zum Schluss bei einem Lied zusammen, das alle Gedanken an Großdeutschland nochmals zusammenfaßt und das ausklingt mit den Worten: »Ein Volk an der Arbeit erfüllte den Traum, die Sehnsucht der vielen Geschlechter. Von rauschendem Meere zu waldigem Saum Wuchs über die Grenzen des Reiches der Raum, Großdeutschland, wir sind seine Wächter.«

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Anhang 4 Niederschrift der Unterredung des Herrn Generalmajor a. D. Hasso von Wedel, geb. 20. November 1898, zum zweiten Mal verheiratet, eine verh. Tochter aus erster und drei Buben aus zweiter Ehe, wohnhaft in Hannover, Blumenauer Straße 9 mit Herrn Dr. Frhr. v. Siegler, in Hannover am 26. November 1951 im Auftrage des Deutschen Instituts für Zeitgeschichte in München.594 Zur Person: Im September 1914 als Fähnrich aus dem Kadettenkorps eingerückt und EK II. Im Dez. 1914 Leutnant. I. Lehrgang für Führergehilfen: 1923/24; Oberleutnant der Reichswehr : 1. 4. 25. – II. Lehrgang 1925 in Stettin. III. Lehrgang in Berlin 1931, Hauptmann Frühjahr 1932; im Juni 1932 in die Abt. T 4 des Reichswehrministeriums eingetreten (Ausbildungsabteilung, deren Chef zunächst noch Brauchitsch, dann ab Okt. 1932 Wever bis Juli 1934 war, von da ab Reinhardt). Ich war in der Gruppe Truppenausbildung, deren Leiter zunächst Halder, dann der jüngere Keitel, dann Körner und schließlich ich selbst waren. Im Oktober 1936 bekam ich als Major eine Kompanie in Coburg. Im Oktober 1937 kam ich als Nachfolger von Johst, als Leiter der Pressegruppe zur Abteilung Inland des Kriegsministeriums. Innerhalb des OKW (Oberkommando der Wehrmacht) wurde ich dann Chef der Abt. Wehrmacht-Propaganda (OKW/ WPr) und Chef der Propagandatruppen bis 25. April 1945. Mein Nachfolger in den letzten Tagen war SS-Standartenführer Günther d’Alquen. Zur Sache: Anläßlich des Kapp-Putsches wurde in meiner damaligen Garnison in Stargard im Sinne der Weisungen der neuen Regierung Kapp-Lüttwitz alles besetzt. Als Meldungen durchkamen, daß die Weisungen anscheinend unberechtigt erfolgt waren, wurden wir wankend. Als klar wurde, daß und welche Weisungen die alte Regierung gab, kam selbstverständlich alles wieder in das richtige Geleise. Schon dieser Vorfall zeigt, dass die Reichswehr Weisungen einer legalen Regierung unbedingt folgte und dass Fehlentscheidungen örtlich nur möglich waren, wenn Täuschungen und Irrtümer über die Legalität der Führung entstanden. Zur Zeit des Scheringer-Prozesses war ich in Stettin auf dem zweiten Lehrgang und später auch Ia op 2 beim Wehrkreis II. Ich war damals mit Guderian zusammen und erinnere mich deutlich, dass die Prozeßangelegenheit und die ganzen Vorgänge einer Zellenbildung in der Wehrmacht für uns ein Gräuel waren und restlos abgelehnt wurden. Mein Bruder, der 1926 als Seeoffizier ausgeschieden und unser Gut in Pommern übernommen hatte, war Teilnehmer von Diskussionen, bei denen das Prinzip des NS., insbesondere dessen wirt594 http://www.ifz-muenchen.de/archiv/zs/zs-0180.pdf.

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schaftliche Ideen, von uns völlig abgelehnt wurden. Wir hatten keinerlei innerpolitische Vorurteile und stemmten uns innerlich stark gegen jede Ausbildung für den Fall innerer Unruhen. Bei Einquartierungen in den Häusern stark links eingestellter Landarbeiter usw. in Pommern, fühlten wir keine Spannung und gewannen bei den Ziegeleiarbeitern nach anfänglicher Ablehnung durch den persönlichen Kontakt die Sympathien, die teilweise zu Verbrüderungskundgebungen führten. Mit dem ganzen Herzen aber waren wir immer gegen die Kontrollkommission595, also außenpolitisch und wehrpolitisch eindeutig orientiert. Während des dritten Lehrganges 1931 in Berlin hatten wir General Brennecke als Lehrgangsleiter und Paulus als zweiten Lehrer. Durch Brennecke kam unser ganzer Lehrgang, etwa 20 Offiziere aus dem ganzen Reichsgebiet, die also einen guten Durchschnitt der damaligen Stimmung boten, in das Haus des Schwagers von Brennecke, des Ministers Treviranus. Dort kam auch Brüning mit uns allen in Kontakt. Mit Ausnahme von ein bis zwei Lehrgangsteilnehmern bekannten sich alle einmütig zum Kurs Brüning. Ende 1932 bildeten wir im Truppenamt zu Dritt einen Freundeskreis, und zwar mit Jeschonnek und Röhricht. Hiervon war J. ein starker Verfechter des NS., Röhricht der Antipode und ich, der Dritte, in der politisch desinteressierten Mittelstellung. Röhricht war Anhänger von Schleicher, während ich als Soldat sachlich und abseits bleiben wollte. In den großen Diskussionen von uns drei Hauptleuten standen also zwei von drei politisch bzw. militärisch abseits vom NS. Dieses Verhältnis dürfte ein typisches für die Einstellung der damaligen Reichswehr gewesen sein. Kurz nach der Machtübernahme hatte ich bei einem Verwandten, einem jüdischen Musiker und Leiter eines Berliner Konservatoriums eine Aussprache, bei der dieser mir sein Herz ausschüttete und seine Besorgnisse mitteilte. Die Umzüge und Gesänge der braunen Scharen seien ein typisches Vorzeichen der Vermassung. Ich habe dies damals nicht so empfunden und vertrat den Standpunkt, daß in den furchtbaren Zuständen und in der Arbeitslosigkeit jemand Ordnung bringen müsse und daß Hitler offenbar die Ordnung bringe. Für mich sei maßgebend, daß er legal und unblutig zur Macht gekommen sei. Die Frage, ob Schleicher damals etwa ohne Hindenburg die Reichswehr gegen den NS. hätte einsetzen können, kann ich nur als unsinnig bezeichnen. Schleicher hätte sich in einer hoffnungslosen Lage befunden, wenn er nicht die Legalität hinter sich gehabt hätte. Als Person, die sich so stark mit Politik befaßte, 595 Die Ende 1919 eingerichtete Interalliierte Militär-Kontrollkommission (IMKK) war eines der drei Kontrollgremien der Siegermächte des Ersten Weltkrieges, welches die Einhaltung der Bestimmungen des Versailler Friedensvertrags durch Deutschland überwachte (https:// de.wikipedia.org/wiki/Interalliierte_Militär-Kontrollkommission, abgerufen am 6.2.2017).

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stand er auch uns Angehörigen des Kriegsministeriums als Soldaten, fremd und unverständlich gegenüber. Nach meiner Ansicht darf eine Wehrmacht innerpolitisch nicht interessiert sein. Man hat an der Verfassung des österreichischen Bundesheeres gesehen, wohin es führt, wenn ein Heer der Reihe nach von verschiedenen politischen Systemen politisiert wird. Der Soldat sah und sieht in allen seinen Auffassungen in erster Linie Deutschland und sein Volk vor sich. Im Kaiser, im Reichspräsidenten oder im Hitler sah er nur den Repräsentanten Deutschlands und des deutschen Volles, und zwar dann, wenn dieser Repräsentant legal zur Macht gekommen war. In diesem Sinne war der Übergang vom Kaiserreich zur Republik für uns Soldaten ein schwererer, als der von der Republik zu Hitler. Nicht nur war mit dem Kaiser der jahrhundertelange Repräsentant verschwunden, sondern es war auch Gewalt angewendet worden, um die Machthaber der Republik einzusetzen. Trotzdem ging der Übergang von Monarchie zur Republik bei der Wehrmacht damals glatt vonstatten, dank dem Beispiel Hindenburgs und der obersten Führung. Auch in Zukunft dürfte daher eine Wehrmacht niemals innerpolitisch festgelegt werden, sondern den Eid nur auf Deutschland und dessen legale Repräsentanz ablegen und darauf festgelegt werden. Hitler war nach dem 30. 1. 1933 oder nach dem 2. 8. 1934 nicht als Person, sondern eben als Repräsentant für uns maßgebend, der legal in seine Position gekommen war. Der jeweilige direkte Vorgesetzte eines Soldaten ist dann für den Soldaten der jeweilige Repräsentant des obersten Repräsentanten des deutschen Volkes, nicht wahr? Der Vorgesetzte repräsentiert vor dem Soldaten persönlich die jeweilige legale Staatsführung. In diesem Sinne ist es richtig, daß der Soldat im Allgemeinen nicht tief nachschürft, sondern eidgemäß die Befehle des Vorgesetzten ausführt. Diese Ausführung würde aber sofort in Frage gestellt, wenn die Legalität der obersten Führung oder des örtlichen Vorgesetzten anzweifelbar wäre. Ich bin nicht der Ansicht, dass der Offizier in der Reichswehr politisch zu wenig geschult wurde. In allen drei Lehrgängen der Führergehilfen, die ich mitmachte, wurden wir weitgehend politisch unterrichtet und in die großen Fragen der Außen- und Geopolitik eingeführt. Dies geschah bewußt durch Vorträge wie auch durch Bücher. Dagegen wurden wir bewußt aus dem politischen Streit im Innern herausgehalten, und dies war richtig, wie ich schon oben im Zusammenhang mit der Frage des Eides usw. ausgeführt habe. Außenpolitisch voll geschult und innerpolitisch frei und unabhängig gehalten, so war die Reichswehr und das war richtig. Sie sah Deutschland als Ganzes und nicht in seinen innerpolitischen Teilen und Splittern. In unserem schon erwähnten Dreierfreundeskreis äußerte Jeschonnek kurz nach der Machtübernahme zu Röhricht und mir, daß wir wie Leute seien, die in einem alten Museum eingeschlafen sind. Röhricht meinte dagegen, dass es eben auch Leute gäbe, die lieber in ein Museum als in eine schlechte Operette gehen.

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Zur Frage der Reichswehr/SA. möchte ich ausführen: Schon ab 1932 befaßte sich die Truppenausbildungsabteilung T4 mit den Fragen der Schnellausbildung. Besonders Wever ließ das Problem einer Miliz etc. studieren: Wie kann man in kurzer Frist ein möglichst starkes Heer aufstellen, das mindestens gegen Osten, möglichst aber auch gegen Westen, sich defensiv erfolgreich einsetzen lässt. Hierzu wurden Versuche mit sogen. »Füllsoldaten« gemacht. Es wurden systematisch völlig unausgebildete Männer einer Ausbildung von 7 oder 14 Tagen oder 4 Wochen an verschiedenen Orten unterzogen. Die Ausbildung sollte ausschließlich darauf abgestellt sein, daß dieser Mann im Verband zur Verteidigung eingesetzt werden könnte. Hierbei war z. B. daran gedacht, daß bei einer Batterie von 100 Mann durch »Füllsoldaten« eine Vervierfachung auf 400 Mann bzw. vier Batterien eintritt, wobei die 100 Mann altes, voll ausgebildetes Personal, zu je 25 auf die vier Batterien aufgeteilt werden, d. h. z. B. 10 Mann Batterietrupp und je vier Mann für die vier Geschütze. Zu diesen 25 Mann kämen je 75 Füllsoldaten je Batterie. Das Ergebnis der Versuche war eindeutig, daß bei den technischen Waffen die kürzeste Ausbildung für die Füllsoldaten genügte, d. h. 7 bis 14 Tage. Bei der Infanterie dagegen war unter 4 Wochen nicht auszukommen, da bei dieser jeder einzelne Mann selbständig sich im Gelände bewegen muß, während bei den technischen Waffen der Füllsoldat nur zum Munitiontragen usw. benötigt wurde. Bei der Kavallerie waren auch 4 Wochen nicht ausreichend. Der Infanterist brauchte zur Ausbildung auch für den Gegenangriff mindestens 2 Monate und später kamen Viermonatskurse auf. Das Reichskuratorium für die Jugendertüchtigung sollte daher folgerichtig nur für infanteristische Ausbildung dienen. Auf Grund dieser Überlegungen und Erfahrungen trat die Ausbildungsabteilung daher für eine nur schrittweise Vermehrung der Divisionszahl von 7 auf 14 und dann auf 21 ein. Sie lehnte daher die gewünschte Erhöhung von 7 auf 36 Divisionen ab. Dieser Standpunkt der Wehrmacht stand im Gegensatz zu jenem der Partei bzw. SA. Hierbei trat für uns als Soldaten ein Unterschied zwischen SA und Partei nicht zutage. Nach meiner Überzeugung von damals wollte die SA als solche die Führung gegenüber der Wehrmacht übernehmen und benützte die bremsenden Tendenzen der Wehrmacht bei der Aufrüstung hierbei für ihre Zwecke. Der Standpunkt der SA war, in kurzer Frist ein Volk in Waffen nach Milizmuster zu schaffen, während wir in der Ausbildungsabteilung erst in ein bis zwei Jahren die Verdreifachung 7–14–21 Divisionen durchführen wollten. Der auf der Masse basierte Führungsanspruch der SA war uns in der Ausbildungsabteilung damals völlig klar. Hierzu erinnere ich mich an das große Berliner Reitturnier im Frühjahr 1934, bei dem auch der damalige Berliner SA-Führer Ernst erschien und auf den vordersten Reihen den Anspruch geltend machte, daß Generale aufstehen und

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ihm Platz machen sollten. Im Ton und Inhalt seiner Rede von damals, und nicht nur bei dieser Gelegenheit, brachte er deutlich den künftigen Vorgesetzten der Generale und den Anspruch der SA bzw. Partei auf Führung gegenüber der Wehrmacht zum Ausdruck. Bei den Anfang 1935 geführten Verhandlungen, wonach die Waffen-SS zu ihren bisherigen infanteristischen Waffen auch Artillerie wünschte, war Reichenau noch der maßgebende Verhandler für die Reichswehr, aber schon im Abgehen. Reichenau [wies diese Ansprüche in überlegener, aber auch dem rabaukenmäßigen Ton seiner Partner angemessenen Art zurück].596 Wir hatten damals den Eindruck, daß Reichenau genau wußte, daß Hitler hinter diesen Wünschen nicht so dringend stand. Hätte Hitler das damals ernstlich gewollt, wäre wohl nichts zu machen gewesen. So sagte sich Hitler wahrscheinlich, daß er die Ablehnung den Fachleuten der Wehrmacht überlasse und hätte aber bestimmt auch nichts dagegen gehabt, wenn Reichenau weniger energisch gewesen wäre und die SS Erfolg gehabt hätte. Ich glaube auch nicht, daß die Meinung Rundstedts ausschlaggebend war, als damals nicht Reichenau sondern Brauchitsch Nachfolger von Fritsch wurde. Hitler hätte sich vielleicht schon damals über die von Rundstedt vertretene Meinung der Reichswehr hinweggesetzt. Ich glaube vielmehr, auch heute noch nach allem, was ich inzwischen erfahren habe, daß die Partei selbst auf indirektem und geschicktem Wege (Göbbels [sic]!) Reichenau ablehnte. Reichenau war ihnen damals schon ein Dorn im Auge, weil er das Ohr Hitlers hatte und weil nicht anzunehmen war, dass er sich Blößen geben würde, die man dann zum Nachteil der Wehrmacht ausnützen könnte. Ich glaube daher, dass Göbbels [sic] und die Partei (nicht aber Himmler, der damals noch zu klein war) den Ausschlag gaben, wenn Hitler nicht Reichenau ernannte. Reichenau gab damals im Kriegsministerium vielleicht auf zu viel Nebengebieten den Wünschen der Partei nach, um seine große Linie zu halten. Er war aber von Anfang an der Partei, als gerade Hitler gegenüber zu tüchtig, verdächtig. Dieses damalige Gefühl hat sich bei mir mit der Zeit verstärkt. Zur Frage der Propaganda-Truppen: Zwischen dem OKW und dem Propagandaministerium bestand von Anfang an ein Kompetenzkonflikt, weil Göbbels [sic] seinen Monopolanspruch auf die Propaganda auch dazu benutzte, um seine Befugnisse gegenüber den Propagandatruppen der Wehrmacht möglichst weitgehend geltend zu machen. Der tatsächlich eingehaltene und gefundene Kompromißweg über die Be-

596 Im Original: »Reichenau unterband in überlegener, aber auch dem Ton seiner Partner angemessenen rabaukenmäßiger Art diese Ansprüche ab.«

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handlung der Propaganda während des Krieges zeigt sich am besten in dem Weg, den das Wort- und Bildmaterial von der Front bis in Presse/Film nahm: Der Kriegsberichter, der voll Soldat war, sandte seinen PK-Bericht an seine Propagandakompanie. Eine solche Kompanie gab es grundsätzlich bei jedem AOK (Armeeoberkommando). Beim AOK wurde der Bericht militärisch vom Standpunkt der örtlichen Führung aus erstmals überprüft. Vom AOK ging der PK-Bericht an das Propagandaministerium in Berlin, wo er von einem Zensor des Propagandaministeriums allgemeinpolitisch und von einem Zensuroffizier des OKW auf Fragen im Interesse der Wehrmachtführung hin, überprüft wurde, sodann ging der PK-Bericht über die Verteilungsstelle im ProMi. an die Presse. Analog war die Zensur für Film-, Bild- und Rundfunkplattenmaterial. Während über die Zensur so eine Einigung OKW ProMi. erzielt war, versuchte schon immer, besonders aber seit 1942 das ProMi die Propagandakompanie auch einsatzmäßig zu übernehmen. In diesem Kampf gegen das ProMi. und Göbbels [sic] hat Jodl die Interessen der Wehrmacht mit Ausdauer und Geschick erfolgreich bis zum Kriegsende vertreten. Ein eigenes Kapitel bildeten jedoch die Propagandatruppen der SS. Der SSFührer d’Alquen baute gleich bei Kriegsbeginn unabhängig vom OKW für die Waffen-SS eine kleine eigene Prop.Truppe auf. Hierbei stand das ProMi, und später vielleicht vor allem Staatssekretär Naumann als SS-Führer dieser Truppe fördernd gegenüber. Dies kam darin zum Ausdruck, daß im weiteren Verlauf des Krieges die SS-Prop.Truppe ständig größer wurde, während der WehrmachtProp.Truppe gegenüber ein ständiger Abbaudruck herrschte. Vor allem aber konnte die SS-Prop.Truppe im weiteren Verlauf des Krieges sich mühelos und reichlich das immer knapper werdende Material, wie Panzerwagen, Funkgeräte usw. verschaffen. Es gelang dem OKW nie, seiner Prop-Truppe eigene Flugzeuge für den Flugblattabwurf und eigene Flugblattgeschosse zu verschaffen. Die SS setzte beides durch, wobei die Flugblattgeschosse durch Himmler in den K.Z. angefertigt wurden. In der zweiten Kriegshälfte hatte die SS für ihre Verbände und nur zu ihrer Verfügung eine ganz ausgezeichnete PropTruppe aufgebaut, wobei örtlich das OKW immer mehr in die Zwangslage kam, sich Material und langsam auch hervorragende Fachleute bei der SS-PropTruppe ausborgen zu müssen. Diesem ständig wachsenden Verlangen der Wehrmacht nach Aushilfe kam die SS zielbewußt entgegen. Es endete damit, daß die SS den Anspruch stellte, dementsprechend auch 50 % aller oberen Führerstellen bei der PropTruppe der Wehrmacht zu besetzen. Der Enderfolg war, daß am 25. April 1945 der Standartenführer Gunther d’Alquen zu meinem Nachfolger ernannt wurde. Es muß dabei anerkannt werden, daß d’Alquen sich persönlich stets höflich und in bester Form verhielt, daß seine Hilfstruppen bei den Wehrmachteinheiten die ihnen von der Wehrmacht erteilten Aufträge loyal und gut durchführten und daß die WehrmachtPropTruppe sich mit Hilfe der SS sehr viele

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Vorteile aller Art verschaffte, die sie sonst nie gehabt hätte. Ich glaube auch, daß das Schicksal der OKWPropTruppe war, auf die Dauer entweder von Göbbels [sic] oder von Himmler geschluckt zu werden. Zur Person von Göbbels [sic], mit dem ich ja durch meine Dienststellung oft in Kontakt kam, möchte ich sagen, daß er der einzige hohe Parteiführer war, der praktisch ständig das Ohr des Führers hatte. Görings intime Rolle war bald zu Ende, Bormann tauchte erst spät auf, aber Göbbels [sic] war der entscheidende Mann seit Strasser bis zum Ende. Er war ein hervorragender Psychologe und ich bin fest überzeugt, daß er nie der erste Mann werden wollte, aber unbedingt und auch nach außen hin der zweite nach Hitler. Neben Göbbels [sic] wirkte Himmler primitiv und ohne jene letzten raffinierten Feinheiten, die Göbbels [sic] anwandte. An systematischer Zähigkeit im Ausbau seiner Machtstellung war Himmler aber Göbbels [sic] gleich. Göbbels [sic] konnte als Propagandamann sich nicht in die intime aber isolierte Tischrunde von Hitler im Kriege einschalten. Er hielt bewußt Fühlung mit Außen und verstand es trotzdem, seinen Einfluß durch alle Jahre zu erreichen. An das Deutsche Institut für Geschichte der nationalsozialistischen Zeit München 22 Reitmoorstrasse 29 Hiermit anerkenne ich die Richtigkeit obiger Niederschrift meiner Unterredung mit Herrn Dr. Frhr. v. Siegler und erteile mein Einverständnis, dass das Institut von meinen Äusserungen ggf. unter Namensnennung, Gebrauch macht bzw. sie veröffentlicht. Ich stelle hierfür keine finanziellen Ansprüche. Hannover, den

gez. v. Wedel

8.

Quellen und Literatur

Archivalische und ungedruckte Quellen Akten der Reichskanzlei. Weimarer Republik Das Kabinett Bauer, Bd. 1, Nr. 217.

Archiv des Familienverbandes von Wedel Das Urteil im Wechselschiebungsprozeß (undat. Ausschn. aus ungen. Zt.). Erinnerungen des Gefreiten A. Schumann, unveröff. Mskr., o. O. u. J. Familien-Nachrichten, Cremzow, im Juli 1937. Lynar, Alice Gräfin zu (geb. Gräfin von Wedel), Berlin-Potsdam, Erinnerungen, unveröff. Mskr. Neese, Nora (geb. Wedel-Kannenberg), Brief v. 12. 3. 2003 an Dietrich von Wedel. Pg. [Karl] von Wedel-Parlow †, Nachruf (undat. Ausschn. aus ungen. Zt.). Satzung des schloßgesessenen Geschlechts der Grafen und Herren von Wedel, Berlin 31. 1. 1936. Vorstand des Familienverbandes, Schr. v. 30. 11. 1935. Wedel-Fürstensee, B[ernd] v[on], Heimat als Aufgabe. Kurzvortrag anläßlich des Familientages 1954, Vorträge auf dem Wedelschen Familientag am 4. 9. 1954 in Holzminden, unveröff. Mskr. Wedel-Gödens, Wedigo Graf von, Zur Geschichte der Familientage, Vortrag auf dem Familientag am 11. September 1999 in Berlin, unveröff. Mskr. Wedel-Grumbkow-Ludwigsdorf, Hasso von, Brief v. 30. 1. 1951 an Hubertus von WedelKannenberg. Wedel Parlow-Wedelsberg, Winfried von, Hauschronik. Wedel-Schwerin, Kay von, Erinnerungen an die Jugendzeit im 3. Reich, unveröff. Mskr., 2009.

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Quellen und Literatur

Archiv des Familienzweigs von Wedel Parlow Wedel Parlow, Christian-Otto von, Brief v. 7. 1. 1941 an Marie Luise Becker-Strube. Wedel Parlow, Christian-Otto von, Brief v. 4. 4. 1941 an Nora von Marschall. Wedel-Kremzow, Curt von, Brief v. 4. 5. 1941 an Moritz von Wedel Parlow-Polßen. Wedel Parlow, Ludolf von, Brief v. 8. 8. 1945 an Franz Schwarz in Horka bei Dub#, Tschechoslowakei.

Archiv des Instituts für Zeitgeschichte München Niederschrift der Unterredung des Herrn Generalmajor a. D. Hasso von Wedel … mit Herrn Dr. Frhr. v. Siegler in Hannover am 26. November 1951 im Auftrage des Deutschen Instituts für Zeitgeschichte in München, http://www.ifz-muenchen.de/archiv/zs/ zs-0180.pdf.

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Privatbesitz Hasso von Wedel-Stargard (jun.) Bescheid des Oeffentlichen Klägers bei dem Berufungsausschuß für die Entnazifizierung im Reg.-Bezirk Hannover vom 31. 1. 1949. Certificate of Discharge, May 18, 1946.

Privatbesitz des Verfassers

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Dienstverpflichtung vom 1. 1. 1921. Eichelbaum, Hans, Eidesstattliche Versicherung v. 1. 3. 1948. Generalkommando VII. Armeekorps, München, Schr. v. 5. 8. 1936. Link, Ernst, Eidesstattliche Erklärung v. 21. 6. 1947. Release from civilian internment camp, Esterwegen Prison, 15. Maerz 1947. Wedel, Hasso von, Eidesstattliche Erklärungen v. 17. 3. 1948 u. 14. 11. 1952.

Privatbesitz des Verfassers597 Bekenntnisgemeinschaft der evang. Luth. Landeskirche Hannovers, Rundschreiben Nr. 2, 2. Juni 1934 (Kopie). Christ-von Wedel, Christine, email v. 23. 7. 2007 an d. Verf. Einwohnerkontrolle Samedan, Brief v. 19. 2. 2007 an d. Verf. Erinnerungen des Gefreiten A. Schumann, unveröff. Mskr., o. O. u. J., mitgeteilt per email v. 18. 2. 2010 an d. Yahoo-Gruppe Wedel durch Ernst-Wilhelm von Wedel-Kannenberg. Grützmacher, Wilhelm, Brief Ende 1984 an Margarete von Wedel-Schwerin (Auszug, mitgeteilt durch Leberecht von Wedel-Schwerin, email v. 7. 6. 2010 an d. Verf.). Hauptstaatsarchiv Dresden (durch Dr. Jörg Ludwig), Brief v. 4. 2. 2016 an d. Verf. Krehan, Werner, Brief Ende 1984 an Margarete von Wedel-Schwerin (Auszug, mitgeteilt durch Leberecht von Wedel-Schwerin, email v. 7. 6. 2010 an d. Verf.). Kutschke, Edeltraut, geb. Wedel Parlow-Wedelsberg, email v. 9. 3. 2009 an d. Verf. Lynar, Alice Gräfin zu, geb. Gräfin von Wedel, Brief v. 3. 11. 1958 an Isa Gräfin von Wedel. Müller-von Wedel-Zettitz, Ingrid, Brief v. 11. 2. 2009 an d. Verf. sowie Gedächtnisprot. zweier Tel.gespr. m. d. Verf. am 12. u. 14. 2. 2009. Mutzbauer, Ilse, geb. Pfister, Gedächtnisprot. eines Tel.gespr. m. d. Verf. am 14. 2. 2009. Peters, Carlo (Vors. des Kameradenkreises des ehem. Inf. Rgt. 92), Rundbrief (Auszug) Dez. 1984. Schulenburg, Werner Graf von der (Enkel Botho Graf von Wedels), Brief v. 5. 11. 2008 an d. Verf. Schuller, Wolfgang, Brief v. 14. 9. 2009 an d. Verf. Schwarzberg, Ellen, Brief v. 15. 12. 2009 an d. Verf. Universitätsarchiv der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, email v. 4. 2. 2009 an d. Verf. Wedel-Braunsforth, Lupold von, Brief v. 1. 5. 1962 an Ludolf von Wedel Parlow-Polßen. Wedel, Christian Graf von, email v. 1. 11. 2008 an d. Verf. Wedel-Eszerischken, Eberhard von, Brief v. 25. 2. 2009 an d. Verf. Wedel-Fürstensee, Roswitha von, email v. 23. 9. u. 1. 11. 2008 an d. Verf. Wedel-Gerzlow, Inga von, Brief v. 1. 2. 2009 an d. Verf. Wedel-Gerzlow, Inga von, Gedächtnisprot. eines Tel.gespr. m. d. Verf. am 28. 3. 2009. Wedel-Gödens, Heidi Gräfin von, Brief v. 9. 2. 2009 an d. Verf.

597 Die hier aufgeführten emails liegen in ausgedruckter Form sowie im pdf-Format vor.

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Quellen und Literatur

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Gedruckte Quellen und Literatur

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Quellen und Literatur

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Gedruckte Quellen und Literatur

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Quellen und Literatur

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Nachschlagewerke

189

Wedel-Parlow-Polßen, Ludolf v., Parlow, in: ders. (Hg.), Wedelsche Häuser im Osten, Jever 1961, S. 154–162. Wedel-Parlow-Polßen, Ludolf v., Wedelsberg, in: ders. (Hg.), Wedelsche Häuser im Osten, Jever 1961, S. 142–144. Wedel, Sievert Graf von, Loga in Ostfriesland bei Kriegsende 1945, in: Das Rad. Jahrbuch des Familienverbandes der Grafen und Herren v. Wedel, Nr. 3, Sept. 2005, S. 48–55. Wedel[-Tuetz-Neuwedell], Dietrich v., Familien-Matrikel der Herren und Grafen v. Wedel, 8. Aufl., Freiburg 2008. Wedel[-Tuetz-Neuwedell], Dietrich von (Hg.), Die Wedel. Eine kleine Familiengeschichte, Freiburg 2013. [Wedel]-Tütz[-Neuwedell], Dietrich [von], 60 Jahre Abwesenheit von Krieg, in: Das Rad. Jahrbuch des Familienverbandes der Grafen und Herren v. Wedel, Nr. 3, Sept. 2007, S. 56–61. Wedel-Zülzewitz, Friedrich Wilhelm v., Zülzewitz, in: Ludolf v. Wedel-Parlow-Polssen (Hg.), Wedelsche Häuser im Osten, Jever 1961, S. 130–135.

Nachschlagewerke Der große Brockhaus in 12 Bänden, 18., völlig neu bearb. Aufl., Wiesbaden 1979/80, (Stichworte Röhmputsch, Stillhaltung). Genealogisches Handbuch des Adels, Adelige Häuser A, Bd. 9, Glücksburg/Ostsee 1969.

9.

Bildnachweise

Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3, 10 und 16 Abb. 4

Handbuch für den preußischen Landtag 1932, Berlin 1932. Federzeichnung von Karl Helmuth Snethlage, in: Ludolf v. Wedel-ParlowPolssen (Hg.), Wedelsche Häuser im Osten, Jever 1961, S. 79. Sammlung Vita von Wedel-Zülzefitz.

Farblithografie Sammlung Alexander Duncker (Sammlung Vita von WedelZülzefitz). Abb. 5 Dorte Schmeissner, Wunschkandidat von Hitler und Röhm. Die Landräte der Ostprignitz. Heute: Wilhelm Graf von Wedel, in: Märkische Allgemeine, 23. Okt. 2001 (Sammlung Vita von Wedel-Zülzefitz). Abb. 6 privat. Abb. 7, 9, 13 Dietrich v. Wedel (Hg.), Familien-Matrikel der Herren und Grafen v. Wedel, und 15 5. Aufl., Freiburg i. B. 1997. Abb. 8 R. u. S.-Fragebogen für SS-Scharführer Clemens von Wedel-Parlow vom 5. März 1943. Abb. 11 Das Rad. Jahrbuch des Familienverbandes der Grafen und Herren v. Wedel, und 14 Nr. 3, Sept. 2005, S. 45 bzw. 54. Abb. 12 privat. Abb. 17 Nikolaus von der Heydt.

10.

Personenverzeichnis

Hervorgehobene Seitenangaben verweisen auf biografische Ausführungen.

Abs, Hermann J. 145f. Adolph, Jürgen 14 Albrecht, Jörg 49 Almeida, Fabrice de 88 Alquen, Gunther de 115, 172, 177 Alvensleben (Familie) 16 Angolia, John R. 68 Arnim (Familie) 15, 19, 26 Arnim-Mürow, Jochen von 15 Arnold, Alfred 137 Arnold, Elisabeth 137 Augusta Viktoria (Gemahlin Kaiser Wilhelms II.) 61 Bachtenbrock, Wilhelm Marschalk von 49 Baden, Max von 132 Baranowski, Shelley 13, 18, 20, 27, 30, 45, 85 B#rov#, L&da 50 Bast8, Frida 137 Becker-Strube, Marie Luise 65 Berghahn, Volker R. 20, 23, 85 Berkholz, Stefan 50 Bermbach, Udo 62 Berndt, Alfred-Ingemar 50, 84 Bernstorff, Andreas Graf von 20 Bernstorff (Familie) 15, 26, 32 Beroldingen, NN Graf von 58 Betge, Else (verehel. von Wedel-TuetzNeuwedell) 66f. Betge, Peter Daniel 66

Beust, Maria Gräfin von (verehel. Gräfin von Wedel, ostfries. Haus) 58 Bismarck, Johanna Fürstin von 25 Bismarck, Otto Fürst von 42, 61 Bismarck (Familie) 26 Bleichröder, Gerson von 25 Blessing, Karl 140, 143 Boeselager, Philipp von 32 Borcke, Sidonia von 37 Bosch, Robert 142f. Brauchitsch, [Walther von] 172, 176 Brennecke, Kurt 173 Bronsch, Alice 52 Brückner, Wilhelm 18, 44, 72, 74 Bruder, Klaus-Jürgen 8 Brügel, Johann Wolfgang 132 Brüning, Heinrich 24, 27–29, 105, 137, 173 Buch, Walter 44f. Bülow (Familie) 19, 26, 42 Bülow-Schwante, Vicco von 53 Büschel, Hubertus 15 Bussche, Julia Freiin von dem (verehel. Gräfin von Wedel-Gödens) 82, 93 Bussche-Hünnefeld, Gosta Freiin von dem 124 Canaris, Wilhelm 133 Carsten, Francis L. 13, 27–30 Chamberlain, Houston Stewart 62 Christ-von Wedel, Christine 14, 16f., 26, 38

194 Clausewitz, Margot von (geb. von WedelRossow-Uchtenhagen) 125 Conze, Eckart 15, 20, 31, 33 Corswant, Walter von 18, 85 Cramer, Helga 36 Cramm, Adolf von 42 Crignis, Frances de 133 Darr8, Richard Walther 18 Dermout, Christine 132 Dibelius, Otto 55f. Distel, Joachim 142, 145f. Dittmar, Alberta von (verehel. von Wedel Parlow-Wedelsberg) 42 Dobeneck, Viktoria (Doda) Freiin von (verehel. Gräfin von Wedel, ostfries. Haus) 52 Dohmen, Matthias 14, 137 Dohna (Familie) 17 Doll, Hans 78f. Dönhoff, Marion Gräfin von 16 Drewes, Kai 73 Dungern, Ottonie Freiin von (verehel. Malcolm) 62 Egidi, Johannes 54 Eichelbaum, Hans 109 Einstein, Albert 139 Ernst, Karl 175f. Fehlauer, Heinz 14 Fetzer, Susanne 127 Freud, Siegmund 8 Friedländer, Margot 101 Friedrich II. (der Große, König von Preußen) 79 Friedrich Wilhelm I. (König von Preußen) 21, 37 Friemann, Heinrich 42, 45 Friemann, Heinrich jun 45 Friemann, Ottilie (verehel. von Wedel Parlow-Wedelsberg) 42f. Fritsch, Werner von 176 Fröhlich, Elke 43, 49, 99–101, 111 Fröhlich, Gustav 50 Frydag, Juliane Gräfin von 80

Personenverzeichnis

Gäbler, Katja 8 Gaertringen, Friedrich Freiherr Hiller von 24 Garbe, Irmfried 127 Gayl, Wilhelm Freiherr von 29f. George, Stefan 56 Gies, Horst 31 Godau-Schüttke, Klaus 117 Goebbels, Joseph 43, 49f., 83, 99–102, 109–115, 125, 176–178 Gollert, Friedrich 55 Goltz (Familie) 26 Gördeler, Carl 139f., 142f., 149 Göring, Hermann 65, 129, 178 Görlitz, Walter 15, 20, 23, 27f., 31 Grützmacher, Wilhelm 96 Guderian, Heinz 105, 172 Günther, Hans F. K. 18 Guradze, Curt von 73 Guradze, Hugo Salo 73 Guradze (Familie) 73f. Halder, Franz 105, 172 Hanke, Karl 100f. Harrison, Ted 50 Hartung, Fritz 36 Heine, Heinrich 49 Heine, Salomon 49 Helldorff, Wolf-Heinrich Graf von 45, 49f., 56f., 88 Heydt, Nikolaus von der 140, 144, 191 Heydt, Rüdiger von der 144 Himmler, Heinrich 50, 56, 69, 113, 117, 176–178 Hindenburg, Paul von 26, 28–30, 173f. Hindenburg (Familie) 28 Hintze, Otto 36 Hitler, Adolf 13, 15, 17f., 26, 30, 32f., 40f., 43, 45, 50, 52f., 57, 59, 61f., 75, 78, 84, 86–88, 90f., 97, 104, 106f., 110, 113– 117, 124, 129, 132, 139, 141–143, 147– 149, 152, 165, 173f., 176, 178, 191 Hofmann, Michael 14 Höpfner, Hedi u. Margot 50 Hübner, Ernst Wolfgang 75 Hübner, Lilli 75

195

Personenverzeichnis

Hugenberg, Alfred 25 Hutten, Ulrich von 164 Jaberg, Paul 141 Jänicke, Wolfgang 136 Janisch, NN 100 Jansen, Konrad 78 Jeschonnek, Hans 105, 173f. Jodl, Alfred 109, 115, 177 Johst, NN 172 Jung, E. 99, 101, 117 Kahr, Gustav Ritter von 117 Kalkreuth, Eberhard Graf von 29f. Kammer, NN 45, 48, 100 Kästner, Erich 8, 139 Kater, Michael H. 99, 101 Keitel, Bodwin 105, 172 Keitel, Wilhelm 110 Kerl, Hanns 95 Kißleben (Familie) 42 Klagemann, Eberhard 73 Klausener, E. 117 Klee, Ernst 81, 90, 96, 100 Kleffel, Walther F. 87 Kleist-Retzow, Ruth von 16 Knobelsdorff, Adalbert von 68 Köbisch, Fritz 135 Koch, Erich 101 Koch, Hannsjoachim W. 22 Kollwitz, Käthe 139 Körner, NN 105, 172 Koselleck, Reinhart 9 Krakauer, Max und Ines 127f. Krehan, Werner 98 Krieger, Ella 79 Kriegsheim, Roberta von 22, 27 Krockow, Christian Graf von 27 Kube, Wilhelm 44f., 54, 56 Kurz, Hans-Otto 135, 137–139 Kutschke, Edeltraut 78 Langermann, Irene Freiin von (verehel. Gräfin von Wedel-Gödens) 82–84, 124 Lehmann, Bertha 140 Lehndorff-Steinort, Heinrich Graf von 16

Lenbach, Franz von 51 Liebert, Eduard von 130 Lilje, Johannes 92 Lilla, Joachim 18, 42, 48 Link, Ernst 107 Ludwig, Jörg 14, 137 Lynar, Alice Gräfin von (geb. Gräfin von Wedel, ostfries. Haus) 51, 57f., 134 Malcolm, George John 62 Malcolm, Ottonie (verehel. von Wedel Parlow-Polßen) 62f. Malinowski, Stephan 12f., 16–20, 22, 25f., 31, 33, 40f., 45, 49 Mann, Heinrich 139 Marschall, Nora von 65 Meyendorff, Irene von 50 Meyer von Achenbach, Richard 131 Möbius, Rolf 88 Mölders, Werner 87 Monroy, Helga Gräfin von 125 Mühleisen, Christa 28 Mühlen, Heinrich von zur 139 Mühlendahl, Esther von 123 Müller, Herbert 79 Müller, Hermann 28 Müller, Irmgard 78f. Müller-von Wedel-Zettitz, Ingrid 40, 124, 130f. Mumm, NN von 95 Münkel, Daniela 31 Münkler, Herfried 62 Mussolini, Benito 20, 85 Mutzbauer, Ilse 59 Nansen, Fridtjof 37 Neese, Nora (geb. von WedelKannenberg) 56 Neindorff, Erich von 45 Norton, Robert E. 56 Oelhaf, Klaus 22 Oertzen, Mathilde von (verehel. Gräfin von Wedel-Gödens) 83, 92, 124 Oertzen (Familie) 26 Oesterle, Günter 7

196

Personenverzeichnis

Olberg, Hans-Walter von 87 Oldenburg, Nikolaus Erbherzog von 82 Oldenburg-Januschau, Elard von 28, 85 Oppenheimer, Morris 49 Paulus, Friedrich 173 Pejsa, Jane 16 Perrenoud, Marc 141 Perrin, Ursula 125 Peters, Carlo 98 Pferdmenges, Robert 142 Pfister, Friedrich 59 Pötzsch, Stefan 132 Ramm, Erna 104 Ramm, Otto 104 Ranke, Leopold von 8 Reichenau, Walter von 176 Reinhardt, [Georg-Hans] 172 Rettelsky, Günter (Hptm.) 49f. Reventlow, Ernst Graf von 82 Ribbentropp, Joachim von 53 Riedel, Margarete 99 Riehm, Gerda 127 Riemerschmidt, Ulrich 22 Ritter, Gerhard 139f., 143 Röckelein, Hedwig 8 Röhl, John C. G. 88 Röhm, Ernst 52f., 86, 117, 191 Rohr-Demmin, Hans-Joachim von 30, 85 Röhricht, Edgar 105, 173f. Rudolfsen, Emil 82, 93 Rundstedt, Gerd von 176

27,

Sachsen-Coburg und Gotha, Carl Eduard Herzog von 15 Saldern, Elisabeth von 56 Schacht, Hjalmar 29, 143 Schaefer, Alfred 141 Schaumburg-Lippe, Friedrich Christian Prinz zu 58f., 100, 164 Scheringer, Richard 105, 172 Schlange-Schöningen, Hans 29 Schleicher, Kurt von 30, 105, 117, 173 Schlicht, Adolf 68

Schmeissner, Dorte 52–56, 191 Schmidt, Jürgen W. 52–54, 56 Schmieder, Fritz und Nora 52 Schmitt, Carl 44 Schniewind, Otto 139f., 143, 145f. Scholtyseck, Joachim 142f. Schönaich, Paul Freiherr von 128–130 Schroth, Reinhild 79 Schubert, Conrad von 53 Schubert, Ida von (verehel. Gräfin von Wedel, ostfries. Haus) 52–57 Schulenburg, Werner Graf von 81, 131 Schulenburg (Familie) 17 Schuller, Wolfgang 44 Schulze, Hagen 22 Schumann, A. 132f. Schwarz, Franz 60 Schwarz, Franz Xaver 18, 44, 72, 74 Schwarzburg, Ellen (geb. von WedelSchwerin) 98 Seeckt, Hans von 100 Seldte, Franz 86 Severing, Carl 136f. Sickingen, Franz von 59, 164 Siegler, [Friedrich?] Freiherr von 25, 104, 152, 172, 178 Sprenger, Matthias 22f. Springmann, Beate 16 Stackelberg, Irene Freiin von 66 Strachwitz, Artur Graf von 51f. Strasser, G. 117, 178 Straub, Jürgen 8 Strelocke, Annemarie (verehel. von Wedel Parlow-Wedelsberg) 70, 74 Struck, Silke 14 Stumm, Carl Ferdinand Freiherr von 53 Stumm, Ida Freiin von (verehel. von Schubert) 53 Thierfelder, Jörg 127 Tiffert, Reinhard 32 Treibert, Heinrich 135, 138 Treviranus, Gottfried 105, 173 Tucholsky, Kurt 9 Veit, Otto

145f.

Personenverzeichnis

Vocke, Wilhelm

141–143, 146

Wagner, Edith 14 Wagner, Emil von 51 Wagner, Leonie von (verehel. Gräfin von Wedel, ostfries. Haus) 51 Waldersee, Alfred Graf von 129 Wallenberg, Jacob u. Marcus 143 Wandel, Eckhard 146 Wedel-Althof, Detlev von 99 Wedel-Althof, Diether von Zittwitz, genannt von 50, 99–102 Wedel-Althof, Elisabeth von 102 Wedel-Althof, Gertrud von (geb. von Voß) 99 Wedel-Braunsforth, Margarete u. Rudi von 63f. Wedel-Emmasthal, Wedigo von 90 Wedel-Eszerischken, Eberhard von 134 Wedel-Eszerischken, Ernst von 22 Wedel (Familie) 7–9, 12f., 16, 26, 28, 33, 35–41, 57, 63f., 79f., 84, 89f., 116–124, 147–149, 151f., 154–163 Wedel-Fürstensee, Anneliese von (geb. von Wedel-Gerzlow) 21, 32, 38, 40f., 47, 84–87, 89, 124 Wedel-Fürstensee, Annerose von 88 Wedel-Fürstensee, Bernd von 20f., 23, 28, 38f., 47, 84–88, 89f., 123f., 148 Wedel-Fürstensee, Roswitha von 86f. Wedel-Fürstensee, Wilfried von 87 Wedel-Gerzlow, Armgard von 87 Wedel-Gerzlow, Graf Wedego von 32, 41, 46–50, 84, 100, 123, 149 Wedel-Gerzlow, Gräfin Ottonie von (geb. von Wedel-Vehlingsdorff) 24, 32, 41, 46–50 Wedel-Gerzlow, Inga von 48f. Wedel-Gerzlow, Ingeborg von 45, 49f. Wedel-Gödens, Albrecht Graf von 91, 93–96 Wedel-Gödens, Botho Graf von 81, 91, 131f. Wedel-Gödens, Freiherr Anton Franz von 79f.

197 Wedel-Gödens, Georg Erhard Graf von 83, 91, 93 Wedel-Gödens, Haro Burchard Graf von 79–84, 93f., 124 Wedel-Gödens, Heidi Gräfin von 82 Wedel-Gödens, Isa Gräfin von (geb. Gräfin von Wedel, ostfries. Haus) 37, 57 Wedel-Gödens, Julia Gräfin von (geb. Freiin von dem Bussche) 82, 93 Wedel-Gödens, Karl Erhard Graf von 90–93, 124 Wedel-Gödens, Mathilde Gräfin von (geb. von Oertzen) 83, 92f., 124 Wedel-Gödens, Sievert Graf von 82, 91f., 94f., 131 Wedel-Gödens, Wedigo Graf von 13, 79, 84, 121f. Wedel-Großzschocher, Clemens Graf von 90, 121, 129 Wedel-Großzschocher, Pauline Gräfin von (geb. Gräfin von Wedel, ostfries. Haus) 90 Wedel-Grumbkow-Ludwigsdorf, Hasso von 102 Wedel-Grumbkow-Ludwigsdorf, Waltraut von 45 Wedel-Jarlsberg, Baronessse Adelaide von 37 Wedel-Jarlsberg, Freiin Hildur von 37 Wedel-Jarlsberg, Gustav Wilhelm Graf von 79 Wedel-Kannenberg, Ernst-Wilhelm von (gef. 1940) 128 Wedel-Kannenberg, Ernst-Wilhelm von (geb. 1948) 14, 132 Wedel-Kannenberg, Helene von 126–128 Wedel-Kannenberg, Henning von 127 Wedel-Kannenberg, Hubertus von 24, 56, 85f., 92, 102, 128 Wedel-Kannenberg, Hubertus von (gest. 1943) 128 Wedel-Kannenberg, Ilse von 126–128 Wedel-Kannenberg, Jürgen von 128 Wedel-Katzborn, Hasso von 90 Wedel-Kremzow, Cordula von 37, 118 Wedel-Kremzow, Curd-Hasso von 124

198 Wedel-Kremzow, Curt (Kurt) von 64–66, 88–90, 116f., 120, 148, 151 Wedel-Kremzow, Edeltraut von 88–90, 116, 124 Wedel-Kremzow, Joachim von 37 Wedel-Kremzow, Wulff Wedigo von 90, 116, 120 Wedel-Kutzerow, Kurt von 46 Wedel-Malchow, Friedrich-Karl von 70, 73–75 Wedel-Malchow, Irmgard von 118 Wedel-Malchow, Sebastian Georg von 118 Wedel-Nantikow, Bodo von 139–146, 149 Wedel-Nantikow, Ewald von 140f. Wedel-Nantikow, Franz von 140 Wedel (ostfries. Haus), Alfred Graf von 52 Wedel (ostfries. Haus), Beatrix Gräfin von 57 Wedel (ostfries. Haus), Carl Graf von 24f., 37, 61 Wedel (ostfries. Haus), Christian Graf von 52 Wedel (ostfries. Haus), Emil Graf von 40, 51, 56, 134–139, 149 Wedel (ostfries. Haus), Erhard Graf von 24f., 57–61, 148, 152, 164–166 Wedel (ostfries. Haus), Ernst August Graf von 57 Wedel (ostfries. Haus), Ernst Graf von 50, 52 Wedel (ostfries. Haus), Jürgen-Ernst Graf von 51 Wedel (ostfries. Haus), Oskar Graf von 58 Wedel (ostfries. Haus), Peter Graf von 52, 56, 135f. Wedel (ostfries. Haus), Stephanie Gräfin von (geb. Gräfin Hamilton, verw. Gräfin Platen) 37 Wedel (ostfries. Haus), Wilhelm Graf von 41, 49–57, 100, 148f., 191 Wedel (ostfries. Haus), Wilhelm Graf von (jun.) 57 Wedel (ostfries. Haus), Wilhelm Gustav (Wim) Graf von 128–130

Personenverzeichnis

Wedel Parlow-Polßen, Caroline von (geb. Bauer) 41f. Wedel Parlow-Polßen, Christian-Otto von 18, 62–66, 90, 116, 148, 151 Wedel Parlow-Polßen, Egon von 62, 64 Wedel Parlow-Polßen, Elsbeth von 42 Wedel Parlow-Polßen, Joachim von 14, 136 Wedel Parlow-Polßen, Ludolf von 19, 21– 24, 35–38, 40, 42, 59f., 64f., 85f., 90, 92, 120–122 Wedel Parlow-Polßen, Moritz von 62, 66 Wedel Parlow-Polßen, Rüdiger von 41, 62, 71, 91f. Wedel Parlow-Polßen, Wolf Christian von 17, 19, 31, 33 Wedel Parlow-Wedelsberg, Alberta von (geb. von Dittmar) 42 Wedel Parlow-Wedelsberg, Annemarie von (geb. Strelocke) 70, 74 Wedel Parlow-Wedelsberg, Clemens von 69–71, 72 Wedel Parlow-Wedelsberg, Emil von 41f. Wedel Parlow-Wedelsberg, Friedrich-Karl von 43, 69–71, 73f., 75 Wedel Parlow-Wedelsberg, Irmgard von (geb. Müller) 78f. Wedel Parlow-Wedelsberg, Jutta von 18, 44, 70, 72–75 Wedel Parlow-Wedelsberg, Karl von 18, 41–46, 69, 121, 148f. Wedel Parlow-Wedelsberg, Ottilie von (geb. Friemann) 42f. Wedel Parlow-Wedelsberg, Ottmar von 75–79, 148, 152, 167–171 Wedel Parlow-Wedelsberg, Reimbern von 76 Wedel Parlow-Wedelsberg, Willibald von 75–77 Wedel Parlow-Wedelsberg, Winfried von 42 Wedel-Piesdorf, Busso von 90 Wedel-Pumptow, Dietrich von 103 Wedel-Pumptow, Dietz von 18, 104, 113, 115 Wedel-Pumptow, Georg von 103

199

Personenverzeichnis

Wedel-Pumptow, Joachim von 22, 51, 58, 77, 90, 103f., 121, 133, 135, 137 Wedel-Rossow-Uchtenhagen, Friedrich von 124 Wedel-Rossow-Uchtenhagen, Rosemarie von 124–126 Wedel-Schunk, Theda von (geb. von Bargen) 14 Wedel-Schwerin, Bernd von 97, 123, 133f. Wedel-Schwerin, Gisela von 98 Wedel-Schwerin, Kay von 25, 123, 134 Wedel-Schwerin, Leberecht von 96–98 Wedel-Schwerin, Lupold von 96–98, 103 Wedel-Schwerin, Margarete von (geb. Bartenstein) 96, 98 Wedel-Stargard, Hasso von 24, 103–116, 147f., 152f, 172–178 Wedel-Stargard, Hasso von (jun.) 103f., 106f., 109, 115f. Wedel-Steinbusch, Georg von 132 Wedel-Steinbusch, Karl von 132f. Wedel-Tuetz-Neuwedell, Bernhard von 66f. Wedel-Tuetz-Neuwedell, Dietrich von 37, 40, 42, 49–51, 58, 66, 68, 75–77, 96, 99, 103, 127, 129, 133, 137 Wedel-Tuetz-Neuwedell, Jutta von 68 Wedel-Tuetz-Neuwedell, Lupold von 66–68, 97 Wedel-Vehlingsdorf, Carl von 116f.

Wedel-Vehlingsdorf, Magnus von 104 Wedel-Voßberg, Detlev von 101, 123 Wedel-Voßberg, Hasso von 22 Wedel-Voßberg, Lupold von 101f. Wedel-Voßberg, Reymar von 22 Wedel-Zettitz, Wedigo von 40, 124, 130f. Wedel-Zülzefitz, Friedrich Wilhelm von 119 Wedel-Zülzefitz, Vita von 14, 191 Wegener, Paul 73 Wehner, Fabian 8 Werner, Bernhardt 125 Wette, Wolfram 112 Wever, Walther 172, 175 Whitford, Maria Thyme 129 Wilhelm I. (deutscher Kaiser und König von Preußen) 73 Wilhelm II. (deutscher Kaiser und König von Preußen) 20, 51, 73, 87f. Winterfeld (Familie) 26 Wlassow, Andrej A. 113f. Wolber, Elisabeth 66 Wolf, Carl 42 Wolf, Louis 144f. Zeller, Dr. NN 99f. Zittwitz, Gerhard Barnim von Zittwitz (Familie) 102 Zitzewitz (Familie) 16 Zwilgmeyer, George 125

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