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German Pages 497 [499] Year 2007
JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 125
Jan Schürnbrand
Organschaft im Recht der privaten Verbände
Mohr Siebeck
Jan Schürnbrand, geboren 1972; Studium der Rechtswissenschaften in Konstanz, Poitiers und München; 2002 Promotion; 2007 Habilitation; Lehrstuhlvertretung an der Universität Erlangen-Nürnberg.
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT. e-ISBN PDF 978-3-16-151202-5 ISBN 978-3-16-149467-3 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2007 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen aus der Garamond-Antiqua gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Für Kathrin
Vorwort Organ und Organwalter gehören zu den zentralen Begriffen des geltenden Verbandsrechts und geben als Rechtsinstitut Antwort auf die Frage, wie der als solcher handlungsunfähige Verband seinen Willen bilden und am Rechtsverkehr teilnehmen kann. Wenngleich zahlreiche einzelne der damit angesprochenen Rechtsfragen bereits Gegenstand intensiver Erörterungen waren, so fehlt es doch seit langem an einer übergreifenden Darstellung der „Organschaft im Recht der privaten Verbände“. Die vorliegende Untersuchung will diese Lücke schließen und damit zugleich einen Beitrag zur Institutionenbildung im Gesellschaftsrecht leisten. Die Arbeit hat im Sommersemester 2007 dem Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als Habilitationsschrift vorgelegen. Sie wurde für die Drucklegung überarbeitet und befindet sich nunmehr auf dem Stand von Ende Juni 2007. Mein Dank gilt zuvörderst meinem akademischen Lehrer Herrn Prof. Dr. Mathias Habersack für die vielfältige Unterstützung und Förderung, die er mir hat zukommen lassen. Die Jahre als Assistent an seinem Lehrstuhl waren ebenso lehrreich und prägend wie angenehm. Verbunden bin ich auch Herrn Prof. Dr. Peter O. Mülbert für die Erstellung des tiefgründigen Zweitgutachtens. Unter den Mainzer Kollegen und Freunden schließlich verdienen insbesondere Dr. Christian Mayer und Dr. Michael Kling besondere Hervorhebung.
Mainz, im Juli 2007
Jan Schürnbrand
Inhaltsübersicht §1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Kapitel 1: Grundlagen des verbandsrechtlichen Organbegriffs .
7
§2
Organhandeln als Phänomen des Verbandsrechts . . . . . . . .
9
§3
Der institutionell-funktionelle Organbegriff . . . . . . . . . .
30
§4
Abgrenzung zu anderen Organbegriffen . . . . . . . . . . . . .
96
Kapitel 2: Das Verbandsorgan in der Detailanalyse . . . . . . . .
119
§5
Das Willensbildungsorgan der Verbandsmitglieder . . . . . . .
121
§6
Handlungsmaxime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
148
§7
Organschaftliche Eingliederung außenstehender Instanzen . .
177
§8
Das Organ im Dienste öffentlicher Zwecke . . . . . . . . . . .
202
§9
Konkretisierung des Organbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . .
223
Kapitel 3: Der Organwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
231
§ 10
Person des Organwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
233
§ 11
Die Bestellung zum Organwalter . . . . . . . . . . . . . . . . .
267
§ 12
Handeln für den Verband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
326
§ 13
Organverhältnis und begleitende Rechtsverhältnisse . . . . . .
343
Kapitel 4: Zusammenwirken im Verband . . . . . . . . . . . . . .
357
§ 14
Organstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
359
§ 15
Zulässigkeitsschranken für organexterne Führungsgremien . .
400
Kapitel 5: Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
433
§ 16
435
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen . . .
Inhalt § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Kapitel 1: Grundlagen des verbandsrechtlichen Organbegriffs . .
7
§ 2 Organhandeln als Phänomen des Verbandsrechts . . . . . . . . .
9
A. Historischer Ausgangspunkt: Organhandeln bei juristischen Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Erstreckung auf alle Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Stille Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Eigenart organschaftlichen Handelns . . . . . . . . . . . . . I. Überwindung des klassischen Streits zwischen Organund Vertretertheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eigenhandeln des Verbandes durch Akt wertender Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgeschäftliches Handeln . . . . . . . . . . . . . 2. Tatsächliches Handeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendbarkeit des Rechtsberatungsgesetzes . . . . . 4. Wissenszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Resümee und weitere Fragestellung . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
9 11 12 14 16 17
.
17
. . . . . .
22 22 23 25 27 28
§ 3 Der institutionell-funktionelle Organbegriff . . . . . . . . . . .
30
A. Problemaufriss und weiterer Klärungsbedarf . . . . . . . . . I. Organtrias: Willensbildungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abschlussprüfer und Insolvenzverwalter. . . . . . . . . . III. GmbH &Co KG, Beherrschungsvertrag und statutarischer Dritteinfluss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gruppenorgan und Gesamtorgan . . . . . . . . . . . . . . B. Definitionsansätze in Rechtsprechung und Wissenschaft . . . I. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30 30 31 32 34 35 36 36 37
XII
Inhaltsverzeichnis
II. Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unmöglichkeit einer Definition . . . . . . . . . . . . . 2. Ableitung aus der Funktion der Organe . . . . . . . . . III. Weiteres methodisches Vorgehen: Der „Kreisgang“ als Erkenntnis- und Darstellungsmodus . . . . . . . . . . C. Unterscheidung von Organ und Organwalter . . . . . . . . . I. Der berechtigte Siegeszug der Lehre von Hans J. Wolff. . II. Das Organ als verbandsinterner „Zuständigkeitskomplex“ III. Mechanismus doppelter Zurechnung . . . . . . . . . . . . IV. Geltung der Unterscheidung auch bei Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die institutionelle Komponente des Organbegriffs . . . . . . I. „Eingliederung“ in die Verbandsorganisation . . . . . . . II. Schaffung durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung fakultativer Organe . . . . . . . . . . . . . a) Gestaltungsfreiheit der Verbandsmitglieder . . . . . b) Grundsatz der Satzungsstrenge . . . . . . . . . . . . 2. Keine Organe auf schuldrechtlicher Grundlage . . . . III. Selbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsfähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausschüsse und Vorsitzende von Kollegialorganen . . 3. Kein Erfordernis der Weisungsfreiheit. . . . . . . . . . 4. Exkurs: Der geschäftsführende Direktor im monistischen System der Europäischen Aktiengesellschaft . IV. Organnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zwingende Verknüpfung mit dem Rechtsträger . . . . 2. Bewältigung offener interner Sachverhalte . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Die funktionelle Komponente des Organbegriffs . . . . . . . I. Streitentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterscheidung von Verbandsgericht und Schiedsgericht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausübung mittelbaren Einflusses . . . . . . . . . . . . . . 1. Mehrstufige Entscheidungsprozesse, Sonderrechte. . . 2. Beratungs- und Kontrollgremien. . . . . . . . . . . . . III. Änderung des Gesellschaftsvertrags und andere Grundlagengeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verbleibende Unterschiede zwischen juristischen Personen und rechtsfähigen Personengesellschaften . .
38 38 39 40 41 41 43 45 46 48 48 49 50 50 53 55 57 57 59 61 62 64 64 65 68 68 69 69 71 72 72 74 76 77
Inhaltsverzeichnis
2. Juristische Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzlicher Ausgangspunkt: Das Vertragsmodell . b) Fakultative Einführung des organschaftlichen Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auslegungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Andere Grundlagenbeschlüsse . . . . . . . . . . . . aa) Organhandeln: Entlastung der Geschäftsführung und Wahl des Abschlussprüfers . . . . bb) Handeln als Vertragspartner: Veräußerung des gesamten Handelsgeschäfts, Bilanzfeststellung . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bilanz und weiterer Gang der Untersuchung. . . . . . . .
XIII 79 81 81 83 85 89 90 91 94 94
§ 4 Abgrenzung zu anderen Organbegriffen . . . . . . . . . . . . . .
96
A. Steuerrechtlicher Organbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fazit aus Sicht des Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . B. Haftungsrechtlicher Organbegriff. . . . . . . . . . . . . . . . I. Entwicklung des § 31 BGB: Von einer Spezialregelung des Vereinsrechts zu einer umfassenden Organ- und Repräsentantenhaftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entfaltung des in § 31 BGB niedergelegten verbandsrechtlichen Grundgedankens . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haftung für das Verhalten aller Organe im verbandsrechtlichen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Beschränkung auf Außenorgane . . . . . . . . b) Keine Beschränkung auf „notwendige“ Organe . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. § 31 BGB als Anknüpfungspunkt für eine allgemeine Repräsentantenhaftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entwicklung in Rechtsprechung und Schrifttum. . . . 2. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zweifelhafte Analogievoraussetzungen. . . . . . . . b) Gleichbehandlung aller Unternehmensträger durch Korrektur des § 831 BGB . . . . . . . . . . . . IV. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Organbegriff der juristischen Person?. . . . . . . . . . . . . .
96 96 98 99
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XIV
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 2: Das Verbandsorgan in der Detailanalyse . . . . . . . . . § 5 Das Willensbildungsorgan der Verbandsmitglieder . . . . . . . . A. Hauptversammlung als Organ der Aktiengesellschaft. . . . B. Fakultative Gesellschafterversammlung bei den Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Folgen der rechtlichen Einordnung . . . . . . . . . . . . III. Organqualität der Gesellschafterversammlung . . . . . 1. Bedeutung des Mehrheitsprinzips und des realtypischen Erscheinungsbildes . . . . . . . . . . . 2. Folge: Unzulässigkeit formloser oder kombinierter Beschlussfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Keine Organeigenschaft der Gesamtheit der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Organeigenschaft des einzelnen Gesellschafters? . . . . . . F. Rechtsstellung des Versammlungsleiters . . . . . . . . . . . I. Der Versammlungsleiter als Garant des ordnungsgemäßen Ablaufs einer Gesellschafterversammlung. . . II. Der Versammlungsleiter der GmbH-Gesellschafterversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bloßer Funktionsgehilfe und nicht Organ der Gesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestellung durch Mehrheitsbeschluss und Beschlussfeststellungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Versammlungsleiter im Aktienrecht . . . . . . . . . 1. Versammlungsleiter als „Herr des Verfahrens“ . . . . 2. Organ der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 6 Handlungsmaxime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
148
A. Verpflichtung auf das Verbandsinteresse als Regelfall . . . . B. Statutarischer Dritteinfluss – die Rechtsfigur des Kreationsorgans. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unzulässigkeit von satzungsmäßigen Rechten Dritter ad personam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Statutarisches Drittrecht als Einräumung einer Organstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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152
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154
Inhaltsverzeichnis
XV
1. Stand der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bedeutung des Verbandszwecks . . . . . . . . . . . a) Formeller oder materieller Organbegriff . . . . . . . b) Grenzen der Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . c) Verpflichtung des Dritten auf das Verbandsinteresse 3. Konsequenzen für die Rechtsstellung des Dritten . . . C. Gruppenvertretung – Gruppenorgan – Gesamtorgan . . . . . I. Obligatorische Gruppenvertretung . . . . . . . . . . . . . 1. Vertreterklausel als Zwang zur einheitlichen Rechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Organ der Gesellschaft oder Vertreter der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gruppenvertreter als Sonderfall eines Gruppenorgans . . III. Auswirkungen des materiellen Organbegriffs . . . . . . . 1. Unzulässigkeit von Gruppenorganen . . . . . . . . . . 2. Kommanditistenvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aufsichtsrat in der Kommanditgesellschaft auf Aktien a) Überwindung der Doppeltheorie . . . . . . . . . . . b) Handlungsmaxime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
154 156 156 158 159 161 163 163
§ 7 Organschaftliche Eingliederung außenstehender Instanzen . . .
177
A. Das herrschende Unternehmen als Organ der abhängigen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beherrschungsvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Organschaftliche Stellung des herrschenden Unternehmens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Satzungsüberlagernde Neuordnung der internen Willensbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens und seiner Leiter . . . . . . . . . . . . . 3. Verteidigung gegen abweichende Positionen . . . . a) Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Faktischer Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Mittelbare Organschaft – zur Rechtsstellung des Geschäftsführers einer GmbH & Co KG. . . . . . . . I. Die Herausforderung: Zwei gesellschaftsrechtliche Organisationen für ein Unternehmen. . . . . . . . . .
163 165 166 168 168 171 171 171 173 175
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XVI
Inhaltsverzeichnis
II. Die Radikallösung: Der Geschäftsführer als Organ auch der KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Organisationsrechtliche Sonderverbindung . . . . 2. Das Arbeitsrecht als Vorbild . . . . . . . . . . . . III. Plädoyer für Zurückhaltung . . . . . . . . . . . . . . 1. Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eine wenig spektakuläre These . . . . . . . . . . . 3. Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 8 Das Organ im Dienste öffentlicher Zwecke . . . . . . . . . . . .
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A. Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die gewandelte Funktion des Verbandsinsolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Insolvenzverwalter als Verbandsorgan. . . . . . . 1. Vorzüge der modifizierten Organtheorie . . . . . . 2. Widerlegbare Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . B. Abschlussprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wandel der Anschauungen . . . . . . . . . . . . . . . . II. Institutionelle Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Funktionelle Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Unterstützungsfunktion des Abschlussprüfers 2. Die Garantiefunktion des Abschlussprüfers . . . . IV. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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202 202
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§ 9 Konkretisierung des Organbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . .
223
A. Zusammenschau der gewonnenen Einsichten und Ausblick B. Offene Randbereiche: Der Rechtsstellung des Prokuristen bei unechter Gesamtvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . I. Teilhabe an der organschaftlichen Vertretung . . . . . . II. Keine umfassende Anwendung organschaftlicher Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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223
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228
Kapitel 3: Der Organwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
231
§ 10 Person des Organwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
233
A. Das Organmitglied als abstrakte Verbandsinstitution? B. Juristische Personen als Organwalter . . . . . . . . . . I. Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Spezialgesetzliche Verbote . . . . . . . . . . . . . . 1. Geschäftsführung in Kapitalgesellschaften . . . 2. Insolvenzverwalter. . . . . . . . . . . . . . . . .
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XVII
Inhaltsverzeichnis
III. Ungeregelte Sachverhalte: Vereinsvorstand und fakultativer Aufsichtsrat in der GmbH . . . . . . . . . . . . C. Selbstorganschaft als zwingendes Organisationsprinzip . I. Stellenwert in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . 1. Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Materielle Legitimation. . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesamthandsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abspaltungsverbot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesellschafter- und Verkehrsschutz . . . . . . . . . 4. Verbleibende Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . III. Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragliche Konzernierung . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsstellung der Kommanditisten . . . . . . . . . 3. Beiräte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Grenzen schuldrechtlicher Gestaltungen . . . . . . IV. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 11 Die Bestellung zum Organwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis . . . . . . I. Die fehlerhafte Bestellung zum Geschäftsleiter . . . . . 1. Anlehnung an die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rückabwicklungsschwierigkeiten, drohende Funktionsunfähigkeit und Schutz der Gesellschaft . a) Einberufung der Gesellschafterversammlung . . . b) Feststellung des Jahresabschlusses . . . . . . . . . c) Bindung an die Sorgfaltspflicht und sonstige Organpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anforderungen an den Bestellungsakt . . . . . . . b) Vollzug des Organverhältnisses . . . . . . . . . . . c) Beendigung der Organstellung . . . . . . . . . . . d) Grenzen des Rechtsinstituts . . . . . . . . . . . . . II. Erweiterung zu einem allgemeinen verbandsrechtlichen Institut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der fehlerhafte Entzug der Organstellung . . . . . . 2. Einbeziehung anderer Organe . . . . . . . . . . . . . a) Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendbarkeit der Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . .
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XVIII
Inhaltsverzeichnis
bb) Tatbestandliche Ausformung . . . . . . . . . . cc) Fehlerhafte Abberufung. . . . . . . . . . . . . b) Fakultative Organe, besonderer Vertreter, Leiter der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . III. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Verantwortlichkeit faktischer Organmitglieder . . . . . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das faktische Organ im deutschen Recht . . . . . . . a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gemeinschaftsrechtliche Impulse . . . . . . . . . . . 3. Denkbare Fallgestaltungen und weiteres Vorgehen. . II. Insolvenzverschleppungshaftung . . . . . . . . . . . . . III. Allgemeine Organhaftung nach §§ 93 Abs. 2 AktG, 43 Abs. 2 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Untaugliche Eingrenzungskriterien . . . . . . . . . . a) Amtstauglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kenntnis oder Duldung der Gesellschaft. . . . . . c) Auftreten im Außenverhältnis. . . . . . . . . . . . d) Verdrängung der gesetzlichen Geschäftsleitung . . 3. Konkretisierung des Haftungstatbestandes . . . . . . a) Wahrnehmung organspezifischer Funktionen . . . b) Wahrnehmung in organtypischer Weise . . . . . . c) Reichweite der Organpflichten . . . . . . . . . . . 4. Gesellschafter als faktische Organmitglieder . . . . . a) GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Weisungsrecht der Gesellschafter als Grenze für die Einflussnahme auf die Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bedeutung der faktischen Organschaft neben einer Haftung wegen Treupflichtverletzung. . cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unverbundene Gesellschaft . . . . . . . . . . . bb) Einflussnahme des Mutterunternehmens . . . 5. Erstreckung auf andere Organe, insbesondere den Aufsichtsrat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 12 Handeln für den Verband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Privates und amtliches Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XIX
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B. Doppelorganschaft – Handeln für zwei Verbände . . . . . . I. Personelle Verflechtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wirkungsweise des § 31 BGB . . . . . . . . . . . . . . . III. Handeln im Wirkungskreis auch der abordnenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick und erste Weichenstellungen . . . . . . . . 2. Handeln im Interesse der abordnenden Gesellschaft als Zurechnungsgrund. . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkungen auf das Konzernhaftungsrecht . . . . a) Faktische Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . b) Beherrschungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 13 Organverhältnis und begleitende Rechtsverhältnisse . . . . . . .
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A. Organverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Anstellungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . I. Die Trennungstheorie und ihre Grenzen . II. Abstimmung der Haftungstatbestände . . C. Mitgliedschaftsverhältnis . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 4: Zusammenwirken im Verband . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 14 Organstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Die judizielle Durchdringung des Verbandsinnenbereichs I. Terminologie, Konzentration auf das Aktienrecht. . . II. Abgrenzung zu Klagen betreffend die persönliche Rechtsstellung von Organmitgliedern und zur Aktionärsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Reichweite von Klagerechten . . . . . . . . . . . . . . IV. Prozessuale Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Lehre von den Organrechten . . . . . . . . . . . . . . I. Kritik der traditionellen Auffassung . . . . . . . . . . 1. Der problematische Rückgriff auf das Bestellungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Notwendige Widersprüche . . . . . . . . . . . . . . 3. Praktische Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertretung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . b) Neubesetzung von Organen . . . . . . . . . . . . c) Kostentragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Ablehnung einer prozessstandschaftlichen Konzeption . III. Positive Rechtfertigung der Organrechte . . . . . . . . . . 1. Organe als Zurechnungsendsubjekte des Innenrechts . 2. Einräumung wehrfähiger Positionen. . . . . . . . . . . 3. Rechtsnatur und Abgrenzung vom subjektiven Recht . 4. Rechts- und Parteifähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . C. Möglicher Gegenstand von Klagen . . . . . . . . . . . . . . . I. Hilfsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kompetenzschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Keine Erzwingung rechtmäßigen Verhaltens ohne eigene Betroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Widerstreitende Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konsequente Anwendung der Lehre von den Organrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Noch einmal: Der problematische Rückgriff auf das Bestellungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . b) Unvereinbarkeit eines umfassenden Rechts auf gesetz- und satzungsmäßiges Verhalten mit dem geltenden Verbandsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Klagen einzelner Aufsichtsratsmitglieder gegen den Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aus eigenem Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prozessstandschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Organstreit jenseits des Verhältnisses zwischen Vorstand und Aufsichtsrat sowie außerhalb des Aktienrechts . . . . . . I. Besonderer Vertreter, Insolvenzverwalter . . . . . . . . . II. GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 15 Zulässigkeitsschranken für organexterne Führungsgremien . . . A. Beschränkung auf das Aktienrecht . . . . . . . . . . . B. Praktische Verbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Aufsichtsratsergänzende Gremien . . . . . . . . . . . . I. Gremien mit Überwachungsfunktion. . . . . . . . II. Gremien mit Beratungsfunktion . . . . . . . . . . D. Vorstandsergänzende Gremien. . . . . . . . . . . . . . I. Leitungsverantwortung des Vorstands im Rahmen einer virtuellen Holding . . . . . . . . . . . . . . . II. Grenzen der Delegation von Vorstandsaufgaben. . 1. Kernbereich der Leitungsverantwortung . . . .
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2. Unterschiedliche Rechtsstellung der Mitglieder organexterner Führungsgremien . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gleichberechtigung der Vorstandsmitglieder. . . . . . . . IV. Organexterne Führungsgremien als Herausforderung für den Aufsichtsrat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einbeziehung der operativen Führungsebene in die Überwachungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Stand der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Informationsversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Personalkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 5: Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 16 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen . . . . A. Grundlagen des verbandsrechtlichen Organbegriffs . B. Das Verbandsorgan in der Detailanalyse . . . . . . . C. Der Organwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenwirken im Verband . . . . . . . . . . . . .
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
473
§ 1 Einleitung Organ und Organwalter sind Zentralbegriffe des Gesellschaftsrechts. Sie und damit das Rechtsinstitut der Organschaft geben Antwort auf die Frage, wie der als solcher handlungsunfähige Verband in zurechenbarer Weise am Rechtsverkehr teilnehmen kann. Dadurch, dass mit ihrer Hilfe menschliches Verhalten in solches des Verbandes transformiert wird, vermag eine juristische Person oder eine Personengesellschaft ebenso wie eine natürliche Person Wissen zu erwerben, einen rechtserheblichen Willen zu bilden und dementsprechend zu handeln. Der darin zum Ausdruck kommende besondere Zurechnungsmechanismus hat seit jeher das Interesse der Rechtswissenschaft auf sich gezogen. Am Beginn der modernen deutschen Gesellschaftsrechtswissenschaft steht die Auseinandersetzung zwischen Friedrich Carl von Savigny und Otto von Gierke, die als Streit um die „Vertretertheorie“ und die „Organtheorie“ berühmt geworden ist und uns in der heute möglichen gelassenen Rückschau nach wie vor Vieles über die Natur organschaftlichen Handelns lehrt1. In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts war es dann Hans Julius Wolff, der die Organtheorie wesentlich voran gebracht hat, indem erstmals in aller Deutlichkeit vom „Organ“ als der abstrakten Verbandsinstitution den „Organwalter“ als das konkret agierende Rechtssubjekt unterschieden und daraus weitreichende Rechtsfolgen abgeleitet hat 2 . Da er sein Werk aus der Perspektive des öffentlichen Rechts geschrieben hat, mussten aber die hier interessierenden Besonderheiten der Organschaft in privatrechtlichen Verbänden außen vor bleiben. Seitdem ist es um den Organbegriff nicht etwa ruhig geworden, vielmehr finden sich auch im modernen Schrifttum immer wieder grundlegende, wenn auch meist knapp gehaltene Überlegungen 3 . Insgesamt ist die Diskussion aber 1 Vgl. vor allem v. Savigny, System, Bd. 2, § 90 (S. 282 f.) einerseits und v. Gierke, Wesen menschlicher Verbände und dens., Genossenschaftstheorie, S. 603 ff. andererseits. 2 Wolff, Organschaft, Bd. 2, S. 224 ff. 3 Vgl. insbesondere Baltzer, Beschluss, S. 29 ff.; Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 3 ff.; Beuthien, NJW 1999, 1142; dens./Gätsch, ZHR 156 (1992), 459; Buck, Wissen und juristische Person, S. 194 ff.; Flume, Juristische Person, § 1 (S. 1 ff.), 10 f. (S. 340 ff.); Hüffer, FS 100 Jahre GmbHG, S. 521; Kleindiek, Deliktshaftung, S. 151 ff.; Mülbert/Gramse, WM 2002, 2085; Nitschke, Personengesellschaft, S. 94 ff.; Reuter, FS Steindorff, S. 229; dens., FS 100 Jahre GmbHG, S. 631; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 (S. 247 ff.), § 14 (S. 407 ff.); Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1304 ff.; dens., FS Niederländer, S. 415; Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 157 ff.; Westermann, Vertragsfreiheit, S. 150 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 4
2
§ 1 Einleitung
zunehmend zersplittert; in den Mittelpunkt gerückt ist die Auseinandersetzung um Einzelfragen. Mehr oder weniger unverbunden streitet man darüber, ob etwa auch der Abschlussprüfer und der Insolvenzverwalter Organe der Gesellschaft sind oder die Rechtsstellung des anderen Vertragsteils beim Beherrschungsvertrag oder diejenige des Versammlungsleiters einer aktienrechtlichen Hauptversammlung als organschaftlich zu qualifizieren ist. Weder ist geklärt, ob die „Gesellschafterversammlung“ oder die „Gesamtheit der Gesellschafter“ das Willensbildungsorgan der GmbH ist noch ob dem Prokuristen im Rahmen der gemischten Gesamtvertretung die Stellung eines organschaftlichen Vertreters zukommt. Während die einen betonen, für den Organbegriff konstitutiv sei eine Ausrichtung auf das Verbandsinteresse, meinen andere, es könnten auch Organe geschaffen werden, welche den Belangen einer bestimmten Gruppe von Verbandsmitgliedern oder gar außenstehenden Dritten zum Durchbruch zu verhelfen hätten. Weithin durchgesetzt hat sich dagegen die keineswegs selbstverständliche These, dass nicht von einem einheitlichen Organverständnis auszugehen sei, sondern für die Zwecke des § 31 BGB ein über den verbandsrechtlichen Organbegriff hinausgehender haftungsrechtlicher Organbegriff gelte. Als Organ, für dessen deliktisches Verhalten die juristische Person ohne Entlastungsmöglichkeit einzustehen hat, werden nämlich ohne Rücksicht auf ihre satzungsmäßige Stellung schlechthin alle Repräsentanten des Verbandes erfasst. Im Sinne einer verbandsrechtlichen Institutionenbildung4 ist es daher reizvoll, das Rechtsinstitut der Organschaft aus heutiger Sicht monographisch aufzuarbeiten 5 . Einen wichtigen Schritt in diese Richtung ist jüngst Jacoby in seiner Schrift über „Das private Amt“ gegangen. Sein Anliegen war es jedoch, die Gesamtheit der privaten Funktionsträger systematisch zu erfassen und dabei Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Recht der gesetzlichen Vertreter, Organe und Parteiwalter kraft Amtes herauszuarbeiten 6 . Hierzu bezieht er neben vielen anderen auch den Treuhänder, den Betreuer, den Vormund, den Zwangsverwalter und den gemeinsamen Vertreter im Spruchverfahren in seine Überlegungen ein. Diese Einbettung in den allgemeinen privatrechtlichen Kontext ist gewiss verdienstvoll. Die vorliegende Untersuchung verfolgt demgegenüber einen konsequent verbandsrechtlichen Ansatz und widmet sich den spezifisch gesellschaftsrechtlichen Problemen der Organschaft, die bei einer übergreifenII 3a (S. 212 ff.); dens., FS Lutter, S. 801, 804 ff.; Nachweise aus dem öffentlich-rechtlichen Schrifttum in Fn. 7. 4 Wegweisend K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 3 III 2 (S. 53 f.); daneben Habersack, Mitgliedschaft, S. 2; C. Schäfer, Fehlerhafter Verband, S. 1, 137; H.-F. Müller, Verband in der Insolvenz, S. 5; Schubel, Verbandssouveränität, S. 3. 5 Vgl. auch Fleischer, NJW 2006, 3239, 3242: Die Zeit ist reif für eine monographische Vermessung; Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1305: Eine diesem Thema gewidmete Monographie steht aus. 6 Jacoby, Das private Amt, S. 1.
§ 1 Einleitung
3
den Darstellung des privaten Amtes naturgemäß nur kursorisch behandelt werden können. Dabei kann zwar die frühere Zeiten nachhaltig bewegende Rechtsnatur organschaftlichen Handelns nicht gänzlich ausgeblendet werden; klärungsbedürftig ist jedoch vor allem, wer überhaupt Organ des privatrechtlichen Verbandes ist. Das wiederum lässt sich sachgerecht nicht ohne Rückgriff auf die mit der Einordnung als Organ verbundenen Rechtsfolgen beantworten; ganz im Sinne hermeneutischen Denkens hat der Blick vielmehr zwischen Tatbestand und Rechtsfolge hin und her zu wandern. Zu entwickeln sind damit nicht nur ein differenzierter Organbegriff, sondern zugleich allgemeine Lehren über das Organ und den Organwalter. Im Zuge dessen ist denn auch auf im Einzelnen viel diskutierte praktische Problemkreise einzugehen. Das Phänomen der Organnachfolge und mithin die Frage, was mit den Organen im Falle einer Umwandlung des Rechtsträgers geschieht, ist dabei ebenso zu behandeln wie die Frage, was gilt, wenn ein Organwalter als Doppelorgan für zwei Verbände tätig wird. Geradezu selbstverständlich sollte es sein, dass der Leser auch bekannte Themen wie den Grundsatz der Selbstorganschaft, den Organstreit und die Lehre vom fehlerhaften und faktischen Organ behandelt findet. Dieses Untersuchungsprogramm ist allerdings mit einem doppelten Vorbehalt zu versehen. Gegenstand der folgenden Ausführungen sind zunächst allein die privatrechtlichen Verbände. Zwar begegnet Organschaft selbstverständlich auch bei den juristischen Personen des öffentlichen Rechts; zu unterschiedlich sind jedoch die rechtlichen Grundlagen wie die daraus abzuleitenden Fragestellungen, als dass sich eine übergreifende Darstellung anböte. Diese Themenbegrenzung entbindet freilich nicht davon, grundlegende Erkenntnisse des öffentlich-rechtlichen Schrifttums zu Kenntnis zu nehmen 7 und an geeigneter Stelle zu berücksichtigen8 . Nichts anderes als für das öffentliche Recht im Allgemeinen gilt für das Steuerrecht im Besonderen. Das für das Konzernsteuerrecht so bedeutsame Rechtsinstitut der steuerlichen Organschaft wird daher keineswegs umfassend abgehandelt, sondern nur insoweit gestreift, als das zum Zwecke der Abgrenzung von spezifisch verbandsrechtlichen Überlegungen erforderlich ist9. Die privaten Verbände10 dagegen sollen zwar im Grundsatz rechtsformü7 Vgl. ohne Anspruch auf Vollständigkeit Böckenförde, FS Wolff, S. 269 ff.; Erichsen, FS Menger, S. 211 ff.; Hoppe, Organstreitigkeiten, S. 168 ff.; Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 3, § 83 Rdn. 129 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rdn. 19 ff.; W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, S. 21 ff.; Rupp, Grundfragen, S. 19 ff.; Schnapp, Rth 9 (1978), 275; Schreiber, BayVBl 2000, 129. 8 Vgl. zum institutionell-funktionellen Organbegriff § 3 und zum Organstreit § 14; daneben Fleischer, NJW 2006, 3239, 3243: Privatrechtler haben intellektuelle Dankesschuld abzutragen. 9 Vgl. § 4 A. 10 Nicht behandelt wird daher die nicht als Verband verfasste rechtsfähige Stiftung, s. zur Einordnung MünchKommBGB/Reuter, Vor § 80 Rdn. 48 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 7 II 1 (S. 173); zu ihren Organen eingehend Burgard, Gestaltungsfreiheit, S. 219 ff.
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§ 1 Einleitung
bergreifend behandelt werden; eine vollständige Erfassung aller erdenklichen sich um das Organ und den Organwalter rankenden Probleme darf allerdings schon aufgrund der Weite des Themas nicht erwartet werden. Um die zentralen Grundgedanken deutlicher hervortreten zu lassen, war insoweit vielmehr eine gewisse Selbstbeschränkung geboten. Die folgende Untersuchung gliedert sich in vier Teile. Im ersten Kapitel werden die Grundlagen des verbandsrechtlichen Organbegriffs aufgearbeitet. Dabei ist zunächst zu erörtern, wo überall organschaftliches Handeln begegnet und welche Eigenart ihm zukommt. Sodann ist der im Weiteren verwendete funktionell-institutionelle Organbegriff zu entwickeln und dabei insbesondere der Frage nachzugehen, welche Aufgaben überhaupt Gegenstand organschaftlicher Kompetenzen sein können. Dieser Abschnitt schließt mit einer Abgrenzung des verbandsrechtlichen Organbegriffs von anderen Organbegriffen. Wie bereits angedeutet, ist dabei insbesondere von Interesse, ob im Rahmen des § 31 BGB tatsächlich ein spezieller haftungsrechtlicher Organbegriff zum Tragen kommt. Auf diesem Fundament aufbauend wird dann im zweiten Kapitel das Verbandsorgan einer Detailanalyse unterzogen. Im Rahmen eines induktiven Ansatzes wird eine Vielzahl möglicherweise als Organ in Betracht kommender Handlungsträger berücksichtigt. Anliegen dieser Ausführungen ist es, sowohl die institutionelle wie die funktionelle Komponente des Organs, die im ersten Kapitel nur allgemein umschrieben werden konnte, anhand von Grenzfällen näher zu bestimmen. Das dritte Kapitel ist dem Organwalter gewidmet. Von Interesse sind insoweit zunächst Berechtigung und Reichweite der zwingenden Anforderungen, welche das deutsche Recht traditionell an dessen Person stellt. Angesprochen sind damit der das Recht der Personengesellschaften beherrschende Grundsatz der Selbstorganschaft und diejenigen Vorschriften aus dem Recht der Kapitalgesellschaften, die juristische Personen von der Amtstätigkeit ausschließen. Ausführlich behandelt werden sodann die Rechtsfolgen, die bei der fehlerhaften oder fehlenden Bestellung eintreten, mit anderen Worten die Lehre vom fehlerhaften und vom faktischen Organ. Was im Weiteren das Rechtsverhältnis des Organwalters zum Verband angeht, so ist das Bestehen einer besonderen Sorgfalts- und Treupflicht im Grundsatz unstreitig; noch nicht abschließend geklärt ist hingegen, wie das Konkurrenzverhältnis zu einem daneben bestehenden Anstellungsvertrag oder Mitgliedschaftsverhältnis zu beurteilen ist. Gleiches gilt trotz vielfacher Behandlung für das Problem der Doppelorganschaft. Die Frage ist nämlich, ob und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen ein Organwalter gleichzeitig für mehrere Verbände handeln kann. Davon hängt namentlich ab, ob ein Verband, der einen Organwalter in einen anderen Verband entsendet, für die Schäden einzustehen hat, die dieser dort verursacht. Das vierte Kapitel schließlich handelt vom Zusammenwirken der verschiedenen Funktionsträger innerhalb des Verbandes. Da sich dieses gerade auch in
§ 1 Einleitung
5
Konfliktsituationen bewähren muss, gebührt als allgemeinem Rechtsinstitut dem Organstreit besondere Aufmerksamkeit. Das gilt umso mehr, als eine Beschäftigung mit ihm auch vertiefte Einsichten in die Rechtsstellung der Organe und die Rechtsnatur der ihnen zugeordneten Kompetenzen vermittelt. Erst in jüngerer Zeit hingegen wird offenbar, welche Herausforderung von organexternen Führungsgremien ausgeht, die in Form von „Group Executive Committees“, „Aktionärsausschüssen“ oder „Bereichsvorständen“ vor allem in großen Aktiengesellschaften neben das gesetzlich vorgeschriebene Organisationsgefüge treten. Als keineswegs unproblematisch erweist sich nämlich das sich daraus ergebende Nebeneinander von organschaftlichen und nicht organschaftlichen Funktionsträgern; auch hier will vorliegende Arbeit zur Klärung beitragen.
Kapitel 1
Grundlagen des verbandsrechtlichen Organbegriffs
§ 2 Organhandeln als Phänomen des Verbandsrechts Eine nähere Auseinandersetzung mit den Organen und Organwaltern des Privatrechts setzt zunächst Klarheit darüber voraus, welche Funktion organschaftliches Handeln erfüllt und welche Eigenart ihm zukommt. Eng damit verbunden und vorab zu behandeln ist die Frage, bei welchen Organisationsformen Organe und Organwalter anzutreffen sind.
A. Historischer Ausgangspunkt: Organhandeln bei juristischen Personen Nach dem im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erreichten Stand der Erkenntnis begegnen Organe und Organhandeln nur bei juristischen Personen und geben Antwort auf ein sich nur hier stellendes „Grundproblem“1. Als im Grundsatz den natürlichen Personen gleichgestellte Rechtssubjekte sollen diese nämlich zwar ihrer Zwecksetzung nach am Rechtsverkehr teilnehmen, Wollen und Handeln können aber tatsächlich nur Menschen; juristische Personen dagegen sind bloße Rechtskonstrukte, denen diese Fähigkeit fehlt 2 . Eine Rechtsordnung, die juristische Personen vorsieht, muss daher auch einen Mechanismus vorsehen, der diesen Handlungsfähigkeit verleiht. Sonst müsste es bei dem Widerspruch bewenden, den v. Savigny in einer viel zitierten Äußerung beschworen hat: „Vermögensrechte nämlich können, abgesehen von besonderen Familienrechten und einigen einzelnen minder wichtigen Fällen, nicht von selbst entstehen, sondern nur durch Handlungen erworben werden. Allein Handlungen setzen ein denkendes und wollendes Wesen, einen einzelnen Menschen voraus, was eben die juristischen Personen als bloße Fiktionen nicht sind. Und so erscheint hier der innere Widerspruch eines der Vermögensrechte fähigen Subjekts, welches doch die Bedingungen zum Erwerb derselben nicht erfüllen kann.“ 3
1
So die Formulierung von Flume, Juristische Person, § 1 I (S. 14). Vgl. dazu nur Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 154; Bork, Allgemeiner Teil, Rdn. 204; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rdn. 19; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 4 II 3 (S. 212). 3 Vgl. v. Savigny, System, Bd. 2, § 90 (S. 282). 2
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§ 2 Organhandeln als Phänomen des Verbandsrechts
Um diesen Widerspruch zu vermeiden, genügt es nicht, die juristische Person darauf zu verweisen, sich durch Bevollmächtigte rechtsgeschäftlich vertreten zu lassen, Besitz mittels eines Besitzdieners zu erwerben und sonstige Handlungen durch Gehilfen durchführen zu lassen. Zwar steht die damit einhergehende Möglichkeit, den privatautonomen Gestaltungsspielraum durch Einschaltung von Hilfspersonal zu erweitern, neben natürlichen selbstverständlich auch juristischen Personen offen; das Problem, dem bloßen Rechtskonstrukt zu eigenständiger und selbstverantwortlicher Handlungsfähigkeit zu verhelfen, ist damit jedoch keineswegs gelöst 4 . Es bleibt nämlich die Frage unbeantwortet, wer denn den gewillkürten Vertreter oder den Gehilfen mit Wirkung für die juristische Person zu bestellen befugt ist. Die Antwort hierauf kann nur in der Verfassung der juristischen Person gefunden werden. Diese muss einen Zurechnungsmechanismus vorsehen, aufgrund dessen das natürliche Verhalten von Menschen unter näher zu umschreibenden Voraussetzungen als das Verhalten der juristischen Person gilt. Wenn sich für diesen Transformationsvorgang die Begriffe „Organ“ und „Organhandeln“ eingebürgert haben, so dürfte das auf deren bildhafte Anschaulichkeit zurückzuführen sein. So weiß der Sprachkundige, dass sie sich von altgriechisch „organon“ ableiten und daher ursprünglich Werkzeug im mechanischen Sinne bedeuteten 5 . Abgesehen davon lässt einen der Ausdruck Organ sofort an den menschlichen Körper denken 6 ; am weitesten in diese Richtung ging sicherlich v. Gierke, indem er formulierte: „Wie, wenn das Auge sieht oder der Mund spricht oder die Hand greift, der Mensch sieht und spricht und greift, so wird, wenn das Organ innerhalb seiner Zuständigkeit gehörig funktioniert, die Lebenseinheit des Ganzen unmittelbar wirksam.“7
Dass eine derart zugespitzte anthropomorphe Metaphorik für sich genommen keinerlei rechtswissenschaftlichen Erkenntniswert hat 8 , war nun selbstredend auch v. Gierke bewusst; auch für ihn war dieser bildhafte Vergleich ein „bloßes Hilfsmittel der Erkenntnis“9. Behält man aber die Unschärfe und notwendige 4
Vgl. zu diesem Gedanken bereits v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, S. 519; Wolff, Organschaft, Bd. 2, S. 296; aus heutiger Zeit K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 I 1 (S. 247 ff.); Pawlowski, ZHR 136 (1973), 69, 73; Bergmann, Fremdorganschaft, S. 39; sowie namentlich John, Organisierte Rechtsperson, S. 78, der zwischen der notwendigen Handlungsorganisation, die der Rechtsperson überhaupt Handlungsfähigkeit verleiht, und der möglichen Handlungsorganisation durch Bestellung eines zusätzlichen rechtsgeschäftlichen Vertreters unterscheidet. 5 Den Ausdruck „Werkzeug“ verwendet auch RGZ 3, 123, 129. 6 S. nur v. Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 32 II (S. 460): in unwillkürlicher anthropomorpher Vorstellung. 7 Vgl. v. Gierke, Wesen menschlicher Verbände, S. 30; ähnlich ders., Deutsches Privatrecht, Bd. 1, S. 472. 8 So dezidiert Kleindiek, Deliktshaftung, S. 161; s. daneben Westermann, Vertragsfreiheit, S. 150. 9 Vgl. v. Gierke, Wesen menschlicher Verbände, S. 16, daneben noch S. 19.
B. Erstreckung auf alle Verbände
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Begrenztheit solchen Denkens im Sinn, so erweist sich der genannte Vergleich doch insofern als hilfreich, also er auf die auch im juristischen Kontext maßgebliche Vorstellung hinweist. Das Organ ist nämlich ein von außen betrachtet unselbständiger Teil der juristischen Person, der intern mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet ist und für die juristische Person Aufgaben wahrnimmt10 . Dabei sollten alle anfallenden Aufgaben derart auf die verschiedenen Funktionseinheiten verteilt sein, dass sich in der Zusammenschau die juristische Person als voll handlungsfähig erweist und wie eine natürliche Person am Rechtsverkehr teilnehmen kann.
B. Erstreckung auf alle Verbände Aus heutiger Sicht erscheint allerdings die Beschränkung des Rechtsinstituts der Organschaft auf die juristische Person als Anachronismus. Das dort zu verzeichnende Bedürfnis, einer gedachten Einheit durch die Zurechnung menschlichen Verhaltens eine eigenständige Willensbildung zu ermöglichen, ist vielmehr überall dort anzuerkennen, wo eine gegenüber den sie tragenden Mitgliedern verselbständigte Organisation besteht11. Das gilt zunächst für alle Gebilde, die rechtsfähig oder zumindest teilrechtsfähig sind12 . Mit der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der kapitalgesellschaftsrechtlichen Vorgesellschaft13 oder der Wohnungseigentümergemeinschaft14 geht daher das Erfordernis einher, diesen auch eine organschaftliche Handlungsverfassung angedeihen zu lassen. Zumindest theoretisch muss ein „einheitliches Ganzes“ aber nicht einmal als Rechtsträger nach außen in Erscheinung treten; diskutiert wird im Gegenteil, ob nicht auch bestimmten Formen der stillen Gesellschaft die Eigenschaft eines über Mitgliedschaften und Organe verfügenden Verbandes zukommen kann15 . Eines jedenfalls kann bereits jetzt festgehalten werden: Nicht rechtsfähige, rein schuldrechtliche Kooperationsgemeinschaften bedürfen keiner Organe16 . Das 10
So auch W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, S. 28; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Bd. 2, § 74 I c (S. 46). 11 Jacoby, Das private Amt, S. 197. 12 Besonders deutlich K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 I 3 (S. 253 f.); daneben Beuthien, FS Zöllner, Bd. 1, S. 87, 104 f.; Soergel/Hadding, BGB, § 26 Rdn. 3; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rdn. 20; zur Problematik des Begriffs der Teilrechtsfähigkeit § 14 B III 4. 13 Ulmer, GmbHG, § 11 Rdn. 41 ff., 59; Hüffer, AktG, § 41 Rdn. 4, 11; GroßKommAktG/ Habersack, § 78 Rdn. 4; aA noch BGH AG 1961, 355: Vorstand als Bevollmächtigter der Gründer. 14 Vgl. zur Rechtsfähigkeit BGHZ 163, 154; BGH ZIP 2007, 772, 773, Tz. 20 ff.; ZIP 2007, 1014, 1015 f., Tz. 12 ff.; sowie jetzt § 10 Abs. 6 WEG n. F.; zu ihren Organen BGHZ 163, 154, 162 f.; Häublein, ZIP 2005, 1720, 1725 f. 15 Näher dazu unter III. 16 Wiedemann, ZGR 1996, 286, 294.
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§ 2 Organhandeln als Phänomen des Verbandsrechts
gilt nach zutreffender herrschender Meinung etwa für die Erbengemeinschaft17.
I. Personengesellschaften Vor dem geschilderten Hintergrund ist der Wechsel der Anschauungen hinsichtlich der Existenz von Organen in Personengesellschaften zu würdigen. Solange die Ansicht vorherrschte, Träger des Gesellschaftsvermögens seien die Gesellschafter selbst in gesamthänderischer Verbundenheit18 , drängte es sich in der Tat nicht auf, die für die Gesellschaft Handelnden als deren Organe zu qualifizieren19. So wurde denn auch ausgeführt, die Organschaft müsse denjenigen Verbandsformen vorbehalten bleiben, bei denen das eigentliche Zurechnungssubjekt nicht aus sich heraus handlungsfähig sei und auch gemeinschaftliches Handeln aller Verbandsmitglieder ohne gesetzliche Zurechnung keine Wirkung für und gegen den Verband entfalte. Die Gesamtheit der Gesellschafter als Zurechnungssubjekt von Rechten und Pflichten der Personengesellschaft sei aber als solche gerade nicht handlungsunfähig 20 . Jedenfalls, so meinten andere, mache es keinen Sinn, von Organen zu sprechen, solange der gemeinschaftliche Wille – wie bei der gesetzestypischen GbR – von der Gesamtheit aller Mitglieder gebildet und ausgeführt werden müsse. Schon bei einer OHG seien dagegen nach § 114 Abs. 1 HGB das Recht zur Geschäftsführung und nach § 125 Abs. 1 HGB das Recht zur Vertretung dem einzelnen Gesellschafter zugewiesen; in einer derart verfassten Gesellschaft könne bereits von organschaftlicher Willensbildung gesprochen werden 21. Solch einschränkenden Ansichten, und zwar sowohl derjenigen, die der Existenz von Organen in Personengesellschaften prinzipiell ablehnend gegenübersteht, wie auch der vermittelnden, die nach dem Umfang der organisatorischen Verselbständigung differenziert, ist durch die Rechtsentwicklung der letzten Jahrzehnte, die in der Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit der
17 BGH NJW 2002, 3389, 3390; ZIP 2006, 2125, 2126, Tz. 7; Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 124 ff.; aA Grunewald, AcP 197 (1997), 305 ff. 18 S. zur Entwicklung statt vieler zusammenfassend zur GbR MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 296 ff.; zur OHG Staub/Habersack, HGB, § 124 Rdn. 3; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 8 III 1a (S. 713 ff.). 19 Vgl. v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, S. 687 Fn. 121: „Der Ausdruck Organ wird daher besser ganz vermieden“; der Sache nach ebenso Groschuff, JW 1938, 425; Rittner, Die werdende juristische Person, S. 257; gleichwohl für die Einordnung als Organ Jacoby, Das private Amt, S. 197. 20 So Westermann, Vertragsfreiheit, S. 151; vgl. daneben dens., in: Erman, BGB, Vor § 705 Rdn. 22. 21 So Nitschke, Personengesellschaft, S. 95; s. zur sehr frühen Anerkennung der Bezeichnung „organschaftliche Vertretung“ bei den Personenhandelsgesellschaften BGHZ 33, 105, 108; BGHZ 36, 292, 295; Fischer, NJW 1954, 777, 778; daneben BGH NJW 1952, 537, 538.
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Außengesellschaft bürgerlichen Rechts durch den BGH ihren Abschluss fand 22 , der Boden entzogen worden. Nach moderner Auffassung sind nämlich nicht die Gesellschafter persönlich, sondern ist vielmehr die Gesamthandsgesellschaft selbst Träger der zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Rechte und Pflichten 23 . Ob die rechtsfähige Personengesellschaft weitergehend sogar als juristische Person zu qualifizieren ist oder ob, wovon die herrschende Meinung zutreffend ausgeht, nach wie vor Unterschiede zwischen beiden bestehen, kann hier noch dahinstehen 24 . Auch ohne juristische Person zu sein bedarf die rechtsfähige Personengesellschaft nämlich zwingend der Organe, um ihre tatsächliche Handlungsfähigkeit herzustellen 25 . Ein Blick auf die supranationale Rechtsform der EWIV bestätigt diese Sichtweise. Denn diese gilt, wenn sie ihren Sitz in Deutschland hat, nach § 1 des deutschen Ausführungsgesetzes einerseits als Handelsgesellschaft im Sinne des Handelsgesetzbuchs und ist damit Personengesellschaft 26 , verfügt aber andererseits ausweislich der ausdrücklichen Klarstellung in Art. 16 Abs. 1 EWIV-VO über Organe. Völlig zu Recht hat daher der BGH, alsbald nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR, seine frühere Auffassung, wonach diese anders als OHG und KG zu wenig körperschaftlich organisiert sei, als dass man die für sie handelnden Gesellschafter als ihre Organe bezeichnen könne27, unter Hinweis auf den inzwischen vollzogenen Wandel im Verständnis der Rechtssubjektivität aufgegeben 28 : Weil auch die GbR nur mittels ihrer Organe am Rechtsverkehr teilnehmen kann, muss sie sich deren Handeln im Allgemeinen und deren deliktisches Fehlverhalten im Besonderen entsprechend § 31 BGB zurechnen lassen 29. Gänzlich verstummt sind die ablehnenden Stimmen allerdings bis heute nicht. So wird weiterhin geltend gemacht, schon der Begriff der Organschaft sei irreführend. Anders als die juristische Person bedürfe die Gesamthand nämlich gar keiner Organe, um zu handeln, da sie jederzeit durch die Gesamtheit ihrer derzeitigen Mitglieder repräsentiert werde30 . Weitergehend wird sogar be22
BGHZ 146, 341, 344 ff.; grundlegend zu alldem Flume, Personengesellschaft, §§ 4 f. Die Vorschrift des § 124 HGB hat danach nur noch klarstellende Funktion, s. Staub/ Habersack, HGB, § 124 Rdn. 4; Baumbach/Hopt, HGB, § 124 Rdn. 1. 24 Eingehend dazu unten § 3 E III 1. 25 MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 255 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 I (S. 291) und § 4 II 2a (S. 331); Flume, Personengesellschaft, § 10 I (S. 131); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 I 3 (S. 253 f.); Erman/Westermann, BGB, § 705 Rdn. 64; Wertenbruch, NZG 2005, 462. 26 Näher dazu Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, § 11 Rdn. 2, 17. 27 So noch BGHZ 45, 311, 312. 28 BGHZ 154, 88, 93 f.; zur expliziten Anerkennung einer organschaftlichen Vertretung bei der GbR in BGH ZIP 2005, 524, 525; dazu Wertenbruch, NZG 2005, 462 ff. 29 Vgl. zum Ganzen noch MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 262 ff. und Röhricht, VGR 8 (2003), 1, 2 f. 30 U. Huber, FS Lutter, S. 107, 114; ebenfalls gegen die Existenz von Organen Beuthien, NJW 2005, 855, 857, der aber angesichts der zunehmenden Auffassung dieser Gesellschaften 23
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hauptet, der Organbegriff sei in der Lage, den grundlegenden Strukturunterschied zwischen Körperschaft und Personengesellschaft zu beschreiben. Während bei den juristischen Personen erst Organmitglieder bestellt werden müssten, gelte bei den Personengesellschaften der Grundsatz der ursprünglichen Mitgliederselbstverwaltung. Die geschäftsführungs- und vertretungsberechtigten Gesellschafter seien kraft ihrer Gesellschafterstellung zur Mitwirkung berechtigt, ohne zugleich eine Einrichtung der Gesellschaft darzustellen, und fielen deshalb nicht unter den Organbegriff31. Nun sind die angedeuteten Unterschiede, die gewöhnlich unter den Stichwörtern Fremdorganschaft und Selbstorganschaft erörtert werden, selbstverständlich nicht zu leugnen 32 . Jedoch betreffen sie allein die Frage, auf welche Weise und an welchen Personenkreis organschaftliche Funktionen zugeordnet werden; sie ändern indessen nichts daran, dass die rechtsfähige Personengesellschaft als solche handlungsunfähig ist und daher des organschaftlichen Zurechnungsmechanismus bedarf, um am Rechtsverkehr teilnehmen zu können 33 .
II. Konzern Auch im Zusammenhang mit dem Konzern liest man immer wieder von Organen 34 . Bald ist von einem „Konzern-Überwachungsorgan“ die Rede, das die „Konzerngeschäftsführung“ zu kontrollieren habe35 , bald von der Gesellschafterversammlung der Obergesellschaft als dem „Grundorgan“ des Konzerns36 . Hier bedarf es jedoch der genauen Differenzierung, denn Organe im hier gemeinten Sinne benötigt ein Konzern nur dann, wenn es sich bei ihm um ein gegenüber den einzelnen Konzernunternehmen verselbständigtes rechtliches Gebilde handelt. Andernfalls können mit Konzernorganen nur die Organe der Obergesellschaft gemeint sein, denen dann im Vergleich zu den entsprechenden Organen einer konzernfreien Gesellschaft lediglich besondere Aufgaben zukommen, deren Pflichten mit anderen Worten konzerndimensional zu bestimmen sind. als selbst handelndes Rechtssubjekt eine Bewegung zum „organschaftlichen Selbsthandeln“ konstatiert. 31 Schöpfl in, Nichtrechtsfähiger Verein, S. 16 f. 32 Näher dazu unten § 3 C IV; zur zwingenden Natur des Grundsatzes der Selbstorganschaft unten § 10 C. 33 Das gesteht auch Schöpfl in, Nichtrechtsfähiger Verein, S. 17 zu, wenn er ausführt, obschon die geschäftsführenden Gesellschafter keine Organe seien, könne doch von „organschaftlicher Vertretung“ gesprochen werden. 34 Vgl. neben der hier behandelten Frage, ob ein Konzern Organe hat, noch unten § 4 A zur Organschaft im Steuerrecht und § 7 A zur Deutung des herrschenden Unternehmens als Organ der abhängigen Gesellschaft bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags. 35 Vgl. etwa U. H. Schneider, BB 1981, 249, 252; dens., FS Hadding, S. 621, 625; s. auch Jula, Konzernorgane. 36 So namentlich Lutter, FS Stimpel, S. 825, 832.
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Was nun die Rechtsfähigkeit angeht, so finden sich im Schrifttum vereinzelt immer wieder Stimmen, die den Konzern selbst zum Rechtssubjekt erheben. Beachtung hat insbesondere die Lehre gefunden, der Verbandskonzern sei ein polykorporatives Unternehmen höherer Ordnung und als solches eine selbständige Rechtsform des Personenrechts37. Nur konsequent ist dann die hier interessierende Folgerung hinsichtlich der Existenz von Organen. Ebenso wie die Unternehmenskorporation als juristische Person durch natürliche Personen als ihren Organen handele, handele nämlich auch die polypersonale Organisation organschaftlich durch ihre Mitgliedsunternehmen. Demnach sollen nicht etwa die Organe der Mitgliedsunternehmen zugleich als Konzernorgane fungieren, vielmehr seien die beteiligten Unternehmenskorporationen selbst zu einer „eigengearteten Organschaft“ im polykorporativen Unternehmen befähigt 38 . Durchzusetzen vermochten sich diese und ähnliche den Konzern zur rechtlichen Einheit stilisierenden Theorien allerdings zu Recht nicht 39. Wie etwa die Vorschriften der §§ 290 ff. HGB betreffend die Konzernrechnungslegung und des § 5 MitbestG betreffend die Mitbestimmung im Konzern zeigen, sind sie mit der Konzeption des geltenden Rechts unvereinbar. Sofern es gilt, der vorgefundenen wirtschaftlichen Einheit Rechnung zu tragen, setzt das Gesetz nämlich gerade nicht beim Konzern, sondern vielmehr beim herrschenden Unternehmen und seinen Organen an und stellt für diese besondere Regeln auf. Auch im Aktiengesetz selbst gibt es keinerlei Anhaltspunkt für eine Subjektivierung; ganz im Gegenteil stehen die Beziehungen zwischen den einzelnen rechtlich selbständigen, aber wirtschaftlich verbundenen Unternehmen ganz im Vordergrund des gesetzgeberischen Interesses40 . Eine diese Konzeption überwindende Rechtsfortbildung sähe sich aus theoretischer Sicht mit dem Einwand konfrontiert, dass die Anerkennung eines hierarchisch strukturierten Verbandes mit der traditionellen Vorstellung vom Wesen eines Verbandes als eines freiwilligen und der Erreichung eines gemeinsamen Zwecks dienenden Zusammenschlusses brechen müsste41. Ohne entsprechende Weichenstellungen durch den Gesetzgeber ließen sich schließlich auch die praktischen Folgeprobleme kaum bewälti37 Bälz, FS L. Raiser, S. 287 ff., 329 ; ders., Verbundene Unternehmen, S. 177 ff., 228; Teubner, ZGR 1991, 189, 204 ff.; terminologisch auch Lutter, FS Stimpel, S. 825, 831. 38 Bälz, Verbundene Unternehmen, S. 177, 227. 39 Eingehend dazu Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 21 ff., 33; s. daneben etwa Bork, ZGR 1994, 237, 243 ff.; KölnKommAktG/Mertens, § 76 Rdn. 51; dens., ZGR 1994, 426, 437; Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 76; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 15 ff.; Schneider/ Schneider, AG 2005, 57; K. Schmidt, Verbandstheorie, S. 33: konstruktive Verschmelzung von Konzerngesellschaften zu einer Rechtsperson sei ein juristisch schlicht unhaltbarer Ansatz. 40 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 4 II 1 (S. 50); Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 57 ff.; K. Schmidt, FS Lutter, S. 1167, 1170 ff. 41 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 2 I 4 (S. 107 f.); Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 26.
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gen. Weder könnte für die erforderliche Publizität eines solchen Gebildes gesorgt werden noch finden sich Anhaltspunkte dafür, nach welchen Kriterien Entscheidungszuständigkeiten oder Vermögensgegenstände dem Konzern als solchem oder aber einzelnen Konzernunternehmen zuzuordnen wären42 . Mithin ist festzuhalten: Der Konzern ist weder ein Verband noch rechtsfähig und verfügt daher auch nicht über Organe 43 . Konstruktiv ist vielmehr stets bei den Organen der je einzelnen Konzerngesellschaften anzuknüpfen und zu erwägen, inwieweit ihnen konzerndimensionale Pflichten auferlegt oder konzerndimensionale Mitwirkungsrechte eröffnet werden können. Nur in diesem Sinne lässt sich darüber diskutieren, ob die Gesellschafterversammlung der Obergesellschaft „Grundorgan des Konzerns“44 oder der Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens „Konzern-Überwachungsorgan“45 sei.
III. Stille Verbände Als eine gegenüber ihren Trägern verselbständigte Organisation und damit als ein über Mitgliedschaften und Organe verfügender Verband kommen nach traditioneller Auffassung nur Außengesellschaften in Betracht, während Innengesellschaften sich demnach in einem bloßen Schuldverhältnis erschöpfen46 . In jüngerer Zeit wird diesem Verständnis die These entgegengestellt, es gebe auch Innengesellschaften, die als Verbände organisiert seien47. Ihren Ausgangspunkt nehmen die entsprechenden Überlegungen vor allem in dem rechtstatsächlichen Befund, dass es neben der eine rein schuldrechtliche Vermögensbeteiligung vermittelnden stillen Gesellschaft nach dem Vorbild der §§ 230 ff. HGB auch atypische stille Gesellschaften gibt, bei denen intern eine Gleichstellung des stillen Gesellschafters mit einem Kommanditisten angestrebt wird. Es werde dann zwar weiterhin kein gesondertes Gesellschaftsvermögen gebildet, im Außenverhältnis trete vielmehr allein der Inhaber des Handelsgeschäfts auf; im Innen42
Zutreffend Bork, ZGR 1994, 243, 244. So auch K. Schmidt, FS Lutter, S. 1167, 1170, 1175; U. H. Schneider, Konzern als Rechtsform, S. 563, 570; Schneider/Schneider, AG 2005, 57; s. auch Jula, Konzernorgane, S. 5, der zwar von Konzernorganen spricht, damit aber bei der Obergesellschaft eingerichtete Organe mit konzernspezifischen Aufgaben meint. 44 So namentlich Lutter, FS Stimpel, S. 825, 832; ablehnend KölnKommAktG/Mertens, § 76 Rdn. 51; Hüffer, AktG, § 119 Rdn. 18; gegen die Inanspruchnahme der HolzmüllerDoktrin durch diese Lehre BGHZ 159, 30, 39. 45 So U. H. Schneider, FS Hadding, S. 621, 625; ders, in: Scholz, GmbHG, § 52 Rdn. 111; zu Recht wesentlich zurückhaltender, eine Ausdehnung der Pfl ichten allein mit der Zugehörigkeit der Tochteranteile zu dem Vermögen der Obergesellschaft begründend Hoffmann-Becking, ZHR 159 (1995), 325, 329 ff.; Hüffer, AktG, § 111 Rdn. 10; s. daneben Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rdn. 131 ff. 46 Eingehend zur Unterscheidung MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 275 ff. 47 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 7 I 2b (S. 170 f.); Florstedt, Der „stille Verband“, S. 13 ff. 43
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verhältnis jedoch deckten sich die Rechte und Pfl ichten aller Beteiligten mit denen bei einer KG. Anschaulich wird denn auch von einer „fiktiven Gesamthandsgesellschaft“48 oder einen „virtuellen Kommanditgesellschaft“49 gesprochen. Das Steuerrecht ist dieser Vorstellung bereits näher getreten. Steuerrechtlich gilt nämlich die der atypisch stillen Gesellschaft zuzurechnende Tätigkeit des Inhabers des Handelsgeschäfts als Gewerbebetrieb der Gesellschaft und diese selbst als eigenständiges Subjekt der Gewinnerzielung, Gewinnermittlung und Einkünftequalifikation 50 . Ob diese Konzeption auch im Zivilrecht Anerkennung verdient, ist ein noch nicht genügend ausgeleuchtetes, vielschichtiges Thema für sich, das näher zu untersuchen den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen würde. Die Schlussfolgerungen hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Organschaft im Privatrecht wären jedoch beträchtlich. Nicht nur juristische Personen und andere rechtsfähige Gebilde wie namentlich die nach außen hin agierenden Personengesellschaften, sondern auch bestimmte Innengesellschaften bedürften als einheitliches und als solches nicht handlungsfähiges Ganzes der Organe, um ihren Zweck zu verwirklichen. Als von Rechts wegen notwendiges Handlungsorgan des stillen Verbandes fungierte der Inhaber des Handelsgeschäfts51 ; daneben könnten Kontrollorgane geschaffen und auch eine Gesellschafterversammlung eingerichtet werden 52 .
C. Eigenart organschaftlichen Handelns I. Überwindung des klassischen Streits zwischen Organund Vertretertheorie Der bildhafte Ausdruck Organ lässt offen, wie genau sich das Eigenhandeln rechtsdogmatisch vollzieht. Hierüber wird seit dem 19. Jahrhundert ein Streit geführt, der auf das Vertretungsorgan bezogen unter den Stichwörtern Organtheorie und Vertretertheorie firmiert und untrennbar mit den Namen v. Gierke und v. Savigny verbunden ist 53 . Sein Verständnis wird dadurch erschwert, dass die jeweiligen Ansätze nichts anderes sind als die organisationsrechtliche Kehr48
So Groh, FS Kruse, S. 417. So K. Schmidt, FS Bezzenberger, S. 401, 405 ff.; ders., in: MünchKommHGB, § 230 Rdn. 81 ff. 50 BFHE 182, 101; BFH BB 1999, 1487, 1490; eingehend zur Entwicklung Groh, FS Kruse, S. 417, 421 ff. 51 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 7 I 3 c (S. 172); Florstedt, Der „stille Verband“, S. 56; vgl. auch BFH BB 1999, 1487, 1490. 52 MünchKommHGB/K. Schmidt, § 230 Rdn. 84; vgl. daneben BGH NJW 1998, 1946. 53 Als Primärquellen sind vor allem zu nennen v. Gierke, Wesen menschlicher Verbände; ders., Genossenschaftstheorie, S. 603 ff.; v. Savigny, System, Bd. 2, § 90 (S. 282 f.). 49
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§ 2 Organhandeln als Phänomen des Verbandsrechts
seite des mindestens ebenso heftig geführten Streits um die Theorie der juristischen Person. In gedrängter Kürze pflegt man die Lehren dabei wie folgt zusammenzufassen 54 : Nach Savigny und seinen Befürwortern, unter denen aus neuerer Zeit Flume hervorzuheben ist 55 , komme allein dem Menschen eine gleichsam natürliche Rechtsfähigkeit zu, während die juristische Person nur eine Fiktion des Gesetzgebers sei. Demzufolge sei die juristische Person zwar rechtsfähig, aber nicht handlungsfähig und bedürfe, ebenso wie ein „Unmündiger oder Wahnsinniger“, der Vertretung durch einen gesetzlichen Vertreter, dessen Wille ihr, in Folge einer Fiktion, als eigener Wille angerechnet werde. Dieser Sichtweise sei v. Gierke entgegengetreten, indem er die juristische Person als eine reale Gesamtperson gesehen habe, die nicht bloß rechts-, sondern auch handlungsfähig sei. Sie bedürfe nicht der Vertretung, weil – und jedenfalls insoweit folgt die heute herrschende Lehre der Organtheorie56 – sie selbst durch ihre Organe handele. In diesem Zusammenhang ist denn auch die bereits zitierte Äußerung zu sehen, wonach die juristische Person durch ihre Organe handele ebenso wie der Mensch mit der Hand agiere und durch den Mund spreche 57. Ob eine derart plakative Gegenüberstellung von „fingiertem Rechtssubjekt“ und „Vertretung“ einerseits und „realer Verbandspersönlichkeit“ und „Organschaft“ andererseits den Begründern der jeweiligen Theorie allerdings gerecht wird, ist nachhaltig zu bezweifeln 58 . So hat zwar v. Savigny von der juristischen Person als einer Fiktion gesprochen, wollte damit aber nicht die soziale Realität der entsprechenden Gebilde negieren, sondern lediglich auf die in der beliebigen Entscheidungsgewalt des Staates liegende Notwendigkeit ihrer rechtlichen Anerkennung hinweisen 59. Von einer solchen konnte aber auch v. Gierke nicht absehen; aus der realen Verbandspersönlichkeit schloss er lediglich, dass der Staat, wolle er nicht mit der Rechtsidee in Widerspruch treten, hierbei nicht willkürlich verfahren dürfe 60 . Bei Lichte betrachtet ging es also allein um die 54 Vgl. etwa Westerhoff, Organ und gesetzlicher Vertreter, S. 1; Semrau, Dritteinflussnahme, S. 48 ff.; eingehende und zugleich neutrale Darstellungen der Lehren aus heutiger Sicht fi nden sich etwa bei Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 10 ff.; Kleindiek, Deliktshaftung, S. 151 ff.; s. daneben Buck, Wissen und juristische Person, S. 209 ff.; Staudinger/Weick, BGB, § 31 Rdn. 2. 55 Flume, Juristische Person, § 11 I (S. 377 ff.); daneben v. Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 32 II (S. 461 ff.); offenbar auch KölnKommAktG/Mertens, § 78 Rdn. 7. 56 Vgl. Beuthien, FS Zöllner, Bd. 1, S. 87, 92 ff.; dens., NJW 1999, 1142 f.; MünchKommBGB/Reuter, § 26 Rdn. 11; Soergel/Hadding, BGB, § 26 Rdn. 2; Schwarz, in: Bamberger/Roth, BGB, § 26 Rdn. 1; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 78 Rdn. 2; Hüffer, AktG, § 78 Rdn. 3; Jacoby, Das private Amt, S. 273; Schöpfl in, Nichtrechtsfähiger Verein, S. 15; Bergmann, Fremdorganschaft, S. 38 ff. 57 Vgl. den Nachweis in Fn. 7. 58 Eingehend und überzeugend zum Folgenden Kleindiek, Deliktshaftung, S. 151 ff. 59 Vgl. v. Savigny, System, Bd. 2, § 89 (S. 277 ff.). 60 Vgl. v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, S. 472.
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Reichweite des staatlichen Einflusses bei der Gründung von juristischen Personen und damit um eine theoretische Diskussion, die vor dem Hintergrund des Übergangs vom Konzessionssystem zum System der Normativbestimmungen zu sehen ist 61. Was auf der anderen Seite das Eigenhandeln der juristischen Person durch ihre Organe angeht, so hat v. Gierke die Verbandsperson keineswegs als menschengleich angesehen oder fingiert, sondern ihre Willens- und Handlungsfähigkeit ebenso wie v. Savigny als Ergebnis rechtlicher Zurechnung begriffen62 . Das blieb nur aufgrund einer dem heutigen Leser seltsam naiv anmutenden Bildhaftigkeit der Darstellung und einem kaum mehr nachvollziehbaren deutschrechtlichen Pathos oft unbeachtet 63 . So wandte er sich auch keineswegs dagegen, das Rechtsverhältnis zwischen Organ und Verbandsperson als Vertretungs- oder Repräsentationsverhältnis zu bezeichnen; entscheidend kam es ihm indessen darauf an, den Unterschied zwischen „individualrechtlicher Stellvertretung“ und „sozialrechtlicher Organschaft“ herauszustellen 64 . Nicht eigentlich in dem vermeintlichen Gegensatz zwischen Eigenhandeln und Zurechnung fremden Verhaltens liegt somit aus heutiger Sicht der Kern des rechtsdogmatischen Streits, sondern vielmehr in der Frage, ob die Binnenbeziehungen zwischen Organ und Verband mit denjenigen Kategorien zu erfassen sind, die für die Beziehungen zwischen selbständigen Rechtssubjekten gelten (so v. Savigny), oder ob nicht für das Organhandeln spezifisch verbandsrechtliche Grundsätze gelten, die eine Zurechnung in einem viel weiteren Umfang erlauben (so v. Gierke) 65 . Rechtspolitisch mündete letztere Position in die Forderung nach der Deliktsfähigkeit der juristischen Person und setzte sich damit in direkten Widerspruch zu einer der Grundfesten der durch rein individualrechtliches Denken geprägten Vertretertheorie. „Denn“ – so hatte v. Savigny formuliert – „jedes wahre Delikt setzt dolus oder culpa voraus, mithin Gesinnung und Zurechnung, kann also bei juristischen Personen ebensowenig angenommen werden als bei Unmündigen und Wahnsinnigen“66 .
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Eingehend dazu Lieder, Die 1. Aktienrechtsnovelle vom 11. Juni 1870, Rdn. 2 ff., in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 1; GroßKommAktG/Assmann, Einl. Rdn. 22, 31 ff. 62 Vgl. dazu das Zitat bei Fn. 9; sowie v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 622 f., 627, 755, 788 f. 63 Symptomatisch etwa Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, § 103 I (S. 609); v. Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 32 II (S. 461); trotz wohlwollender Einstellung sich insofern von der Organtheorie in der Formulierung durch v. Gierke distanzierend etwa Rittner, Die werdende juristische Person, S. 221; K. Schmidt, Verbandstheorie, S. 10; Bock, Rechtstheorie 25 (1994), 87, 88. 64 Vgl. v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, S. 297. 65 In der Bewertung ebenso K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 I 2c (S. 252); ders., Verbandstheorie, S. 17 f.; Kleindiek, Deliktshaftung, S. 170 f., 175 f.; Buck, Wissen und juristische Person, S. 218 f.; Koenen, Zurechnung von Organverhalten, S. 14 f. 66 Vgl. v. Savigny, System, Bd. 2, § 95 (S. 317).
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§ 2 Organhandeln als Phänomen des Verbandsrechts
Nun hat sich der Gesetzgeber des BGB bekanntlich mit der Einführung des § 31 im Ergebnis für die Deliktsfähigkeit juristischer Personen entschieden, freilich ganz undoktrinär und ohne damit zugunsten der einen oder der anderen theoretischen Konzeption Stellung zu beziehen67. Gleiches gilt für § 26 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 BGB, wo der Vorstand mit Bedacht nicht als gesetzlicher Vertreter angesprochen, sondern lediglich zurückhaltend formuliert wird, er habe die Stellung eines solchen. Anders als der schweizerische Zivilgesetzbuch, das in Art. 54 die juristischen Personen als handlungsfähig anerkennt, darauf aufbauend in Art. 55 Abs. 1 die Organe als dazu berufen ansieht, dem Willen der juristischen Person Ausdruck zu geben, und sich damit offen zur Organtheorie bekennt 68 , wollte der deutsche Gesetzgeber, die „Entscheidung der Konstruktionsfrage, ob die juristische Person ein handlungsfähiges Wesen sei und durch ihre Organe sich im Verkehr betätige oder ob sie handlungsunfähig sei und deshalb der Vertretung bedürfe“69 , ausdrücklich der Wissenschaft überlassen. Sich auf die in dieser Form gestellte Frage nach der Eigenart organschaftlichen Handelns einzulassen, besteht indessen gar kein Anlass, weil damit zwei Positionen gegenüber gestellt werden, die der Denkwelt der Begriffsjurisprudenz entspringen 70 , von wechselseitigen Missverständnissen geprägt waren und sich in dieser Zuspitzung beide ernsthaft nicht mehr vertreten lassen. Nüchtern betrachtet führt nämlich einerseits an der von Savigny mit Nachdruck verfochtenen Feststellung, dass die juristische Person handlungsunfähig ist und daher Menschen für sie tätig werden müssen, kein Weg vorbei. Insoweit hat v. Gierke mit seiner mystifizierenden anthropomorphen Rhetorik mehr Verwirrung als Klarheit gestiftet. Ob man den somit erforderlichen Vorgang der rechtlichen Zuordnung des menschlichen Verhaltens an die juristische Person wie die Verfechter der Vertretertheorie als „Anrechung“71 oder aber wie die modernen
67 So auch Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 31; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 I 2b (S. 251). Allerdings wird man sagen können, § 31 BGB entspreche dem Grundgedanken der Organtheorie und damit gegen die Vertretertheorie, so etwa Soergel/Hadding, BGB, § 31 Rdn. 2; MünchKommBGB/Reuter, § 31 Rdn. 2; dezidiert aA Flume, Juristische Person, § 11 I (S. 378); v. Bar, FS Kitawaga, S. 279, 285; Altmeppen, NJW 1996, 1017, 1021 Fn. 39; s. zum Ganzen noch Landwehr, AcP 164 (1964), 482, 502 ff. 68 Näher dazu Vogel, Haftung der Muttergesellschaft, S. 200. 69 Mugdan, Gesammelte Materialien zum BGB, S. 609. 70 So auch Staudinger/Weick, BGB, § 31 Rdn. 3; zurückhaltender Buck, Wissen und juristische Person, S. 210 ff.; Koenen, Zurechnung von Organverhalten, S. 13; das gilt in noch stärkerem Maße für den Streit um das Wesen der juristischen Person, s. dazu Bydlinski, FS Koppensteiner, S. 569, 570 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 4 I 1 (S. 191); Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 9 Rdn. 6. 71 So v. Savigny, System, Bd. 2, S. 312; Flume, Juristische Person, § 11 I (S. 377); ebenso W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, S. 24 f.; vgl. aber auch Roth/Altmeppen, GmbHG, § 35 Rdn. 7; nochmals anders Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 154: Zuschreibung.
C. Eigenart organschaftlichen Handelns
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Vertreter der Organtheorie als „Zurechnung“72 bezeichnet, ist dann nicht mehr als ein Streit um Worte. Auf der anderen Seite kann aber nach dem heutigen Stand der Gesetzgebung und rechtswissenschaftlicher Erkenntnis ebensowenig zweifelhaft sein, dass diese Zurechnung nicht nach denselben Grundsätzen zu beurteilen ist, wie sie für die gesetzliche Vertretung beschränkt geschäftsfähiger Personen gelten. Vor allem die in § 31 BGB angelegte globale Verhaltenszurechung wie auch die – selbst von den Verfechtern der Vertretertheorie anerkannte73 – spezifische Rechtsfigur des Organbesitzes sind vielmehr Ausdruck eines organisationsrechtlichen Sonderrechts, das in seinen Wirkungen über diejenigen bei der gesetzlichen Vertretung hinausgeht und daher das „fremde“ Verhalten der Organwalter als „eigenes“ Verhalten der juristischen Person erscheinen lässt 74 . Zusammenfassend lässt sich die hier vertretene Auffassung demzufolge als eine moderne Spielart der klassischen Organtheorie kennzeichnen. Das damit bejahte Zurechungsverhältnis eigener Art erweist sich schließlich auch deswegen als zutreffend, weil eine Anlehnung an das Recht der Vertretung ohnehin nur für das Handeln im Außenverhältnis in Betracht kommt, während Organhandeln unbestritten auch im Innenverhältnis rechtsfähiger Verbände begegnet 75 , etwa in Form einer Weisung der Gesellschafterversammlung einer GmbH an ihren Geschäftsführer oder eines die Geschäftsführung des Vorstands rügenden Beschlusses des Aufsichtsrats einer AG. Schon um eines sämtliche Ausprägungen von Organhandeln umfassenden einheitlichen Verständnisses willen hat somit eine einseitige Ausrichtung der rechtsdogmatischen Orientierung an den Kategorien des Vertretungsrechts zu unterbleiben.
72 So Soergel/Hadding, BGB, § 26 Rdn. 3; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 I 2 (S. 252); MünchKommBGB/Reuter, § 26 Rdn. 12; Jacoby, Das private Amt, S. 269; im Ergebnis ebenso Bork, Allgemeiner Teil, Rdn. 204; weiterhin von einem Eigenhandeln ohne Erfordernis der Zurechnung geht freilich Beuthien, NJW 1999, 1142 aus; dagegen wiederum pointiert Bydlinski, FS Koppensteiner, S. 569, 573 f. 73 Flume, Personengesellschaft, § 6 I (S. 75); im Ergebnis auch schon v. Savigny, System, Bd. 2, S. 292. 74 So die treffende Formulierung von Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 4 II 3a (S. 212); daneben Jacoby, Das private Amt, S. 269; ablehnend dagegen Bydlinski, FS Koppensteiner, S. 569, 574: „Wortmagie“. 75 S. nur Hüffer, FS 100 Jahre GmbHG, S. 521, 529; MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 256; Jacoby, Das private Amt, S. 196; Schütz, Sachlegitimation, S. 113; Bergmann, Fremdorganschaft, S. 64 f.; Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 3, § 83 Rdn. 136.
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§ 2 Organhandeln als Phänomen des Verbandsrechts
II. Eigenhandeln des Verbandes durch Akt wertender Zurechnung 1. Rechtsgeschäftliches Handeln Obschon also Organhandeln nicht mit Vertretung gleichzusetzen ist, sind doch die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften betreffend die Stellvertretung für das rechtsgeschäftliche Außenhandeln rechtsfähiger Verbände von erheblicher Bedeutung 76 . Nach der gewundenen Formulierung des § 26 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 BGB, durch die der Gesetzgeber, wie schon erwähnt, eine Festlegung im Streit zwischen Organ- und Vertretertheorie zu vermeiden suchte77, ist der Vereinsvorstand (Entsprechendes gilt für die Leitungsorgane sonstiger Rechtsformen) zwar nicht gesetzlicher Vertreter, hat aber die Stellung eines solchen. So beurteilen sich namentlich die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Zurechnung von Willenserklärungen nach § 164 BGB78 . Das ist auch offensichtlich sachgerecht, weil eine Willenserklärung nur dann Rechtswirkungen für und gegen die Gesellschaft entfalten darf, wenn der Organwalter nicht zu privaten Zwecken, sondern für die Gesellschaft handelt und über die dafür erforderliche Rechtsmacht verfügt. Überschreitet er hingegen seine Vertretungsmacht, finden sich hierfür in den §§ 177 ff. BGB angemessene Rechtsfolgen 79. Im Übrigen sind selbstverständlich von allgemeinen Grundsätzen abweichende Sondervorschriften in den gesellschaftsrechtlichen Organisationsgesetzen zu beachten. Demgemäß findet etwa § 165 BGB betreffend den in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkten Vertreter dort keine Anwendung, wo das Gesetz die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit der Amtswalter verlangt80 . Ingesamt ist somit zwar im theoretischen Ausgangspunkt der qualitativ eigene Charakter der Organschaft gegenüber der gesetzlichen Stellvertretung zu betonen 81 , im praktischen Ergebnis jedoch kommt dem genannten Unterschied im rechtsgeschäftlichen Bereich keine allzu große Bedeutung zu 82 .
76 Insofern sehr kritisch Beuthien, NJW 1999, 1142, 1144, ders., FS Zöllner, Bd. 1, S. 87, 99, ders., NJW 2005, 855, 857, der provokativ fragt, ob sich Eigenhandeln und Stellvertretung nicht begriffl ich ausschließen, im Ergebnis aber den §§ 164 ff. BGB doch ergänzende Geltung zubilligt. 77 S. dazu oben I. 78 Näher dazu Beuthien, FS Zöllner, Bd. 1, S. 87, 101 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 II 1 (S. 255 f.); GroßKommAktG/Habersack, § 78 Rdn. 14 ff. 79 MünchKommBGB/Reuter, § 26 Rdn. 18; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rdn. 6. 80 Vgl. §§ 76 Abs. 3 AktG, 6 Abs. 2 GmbHG; dazu näher § 10 B. 81 So auch die hM, vgl. Pawlowski, JZ 1996, 125, 130 f.; Staudinger/Schilken, BGB, Vor § 164 Rdn. 21, 25; MünchKommBGB/Schramm, Vor § 164 Rdn. 7, 9; Erman/Palm, BGB, Vor § 164 Rdn. 10 ff.; Bork, Allgemeiner Teil, Rdn. 1433; aA – organschaftliche Vertretung sei bloß ein Sonderfall gesetzlicher Vertretung – Medicus, Allgemeiner Teil, Rdn. 926; Westerhoff, Organ und gesetzlicher Vertreter, S. 30 ff. 82 Zutreffend Hüffer, AktG, § 78 Rdn. 3; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rdn. 75.
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2. Tatsächliches Handeln Freilich gibt es weitgehende Organwirkungen jenseits der Vertretungswirkung. Besonderheiten weist dabei die Zurechnung deliktischen Verhaltens nach § 31 BGB auf. Sofern der Organwalter nämlich sämtliche Merkmale eines Deliktstatbestandes in eigener Person verwirklicht, tritt die Haftung der Gesellschaft nicht an die Stelle seiner Schadensersatzpflicht, vielmehr haften beide gesamtschuldnerisch nebeneinander83 . Insofern hat sich im geltenden Recht die individualistische Sichtweise des Deliktsrechts, die jeden, der einen anderen schädigt, unabhängig von der wahrgenommenen Funktion zur Verantwortung zieht, durchgesetzt gegenüber einer in aller Schärfe zu Ende gedachten Fassung der Organtheorie, der zufolge alle Verhaltensweisen eines Organs ausschließlich dem Verband zuzurechnen sind und nicht gleichzeitig Handeln einer natürlichen Person sein können84 . Nicht nur beim rechtsgeschäftlichen Handeln, im Zuge dessen das Organ ausschließlich den Verband berechtigt und verpflichtet, sondern auch bei anderen tatsächlichen Handlungen ist die Zurechnung hingegen idealtypisch verwirklicht. So sind Protokolle und sonstige Schriften, die im Rahmen der Organtätigkeit angefertigt werden, ausschließlich solche des Verbandes selbst. Ohne dass eingewendet werden könnte, es handele sich zumindest auch um private Dokumente, erstreckt sich daher das umfassende Einsichtsrecht des GmbH-Gesellschafters nach § 51a GmbHG auf diese 85 . Noch deutlicher treten sowohl der exklusive Charakter der Zurechnung wie auch der Unterschied zur gesetzlichen Vertretung bei der Besitzerlangung zu Tage. Insofern ist schon länger anerkannt, dass die juristische Person selbst Besitzer derjenigen Sachen ist, über die die Mitglieder des Geschäftsführungsorgans im Rahmen ihres Aufgabenbereichs die tatsächliche Sachherrschaft ausüben86 ; für die rechtsfähige Personengesellschaft kann nach dem heutigen Stand der Entwicklung freilich nichts anderes gelten87. Die Sachherrschaft wird mithin in beiden Fällen dem Verband zugerechnet; die Organmitglieder selbst hingegen treten besitzrechtlich nicht in Erscheinung. Trotz der vergleichbaren Rechtsfolge lässt sich allerdings nicht sagen, die Organperson fungiere als Be83 RGZ 91, 72 ff.; Soergel/Hadding, BGB, § 31 Rdn. 28; Erman/Westermann, BGB, § 31 Rdn. 9. Eine ganz andere Frage ist, ob es eine Deliktshaftung der juristischen Person ohne Eigenhaftung des Organwalters gibt, s. dazu § 12 A II 1. 84 Näher dazu Landwehr, AcP 164 (1964), 482, 504; Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 251 f.; s. auch Verse, ZHR 170 (2006), 398, 401; Kleindiek, Deliktshaftung, S. 355 ff. 85 BGHZ 135, 48, 52. 86 BGHZ 56, 73, 77; BGHZ 156, 310, 316; Soergel/Stadler, BGB, § 854 Rdn. 14; Staudinger/Bund, BGB, § 854 Rdn. 58; MünchKommBGB/Joost, § 854 Rdn. 17 f., der zutreffend den Charakter als Zurechnung betont. 87 Für die Personenhandelsgesellschaften schon länger hM, s. BGHZ 86, 300, 307; MünchKommHGB/K. Schmidt, § 124 Rdn. 7; zur GbR Hadding, ZGR 2001, 712, 723 f.; Staudinger/ Habermeier, BGB, Vor § 705 Rdn. 20; Soergel/Stadler, BGB, § 854 Rdn. 14; Petersen, Jura 2002, 255, 257; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 7 III 2 (S. 649).
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§ 2 Organhandeln als Phänomen des Verbandsrechts
sitzdiener im Sinne von § 855 BGB. Hierfür sind schon die erforderlichen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht gegeben, da der Besitzdiener gegenüber dem Besitzherrn weisungsgebunden ist, während das Organ umgekehrt gerade selbst den Willen des Verbandes bildet 88 . Vor allem aber passen auch die sonstigen mit der Besitzdienerschaft verbundenen Rechtsfolgen nicht auf die Besitzwahrnehmung durch Organe. Deren wichtigste ist, dass sich die Frage, ob ein Besitzverlust freiwillig ist oder nicht, ausschließlich nach dem Willen des Geschäftsherrn richtet. Veräußert der Besitzdiener pfl ichtwidrig einen ihm anvertrauten Gegenstand, ist daher ein gutgläubiger Erwerb an der nach § 935 BGB abhanden gekommenen Sache ausgeschlossen89. Für einen derartigen Schutz ist bei der juristischen Person indessen schon im Ansatz kein Raum90 . Gerade weil sie durch ihre Organe ihren Willen bildet und entsprechend handelt, ist nämlich nicht einzusehen, warum etwa bei einer Veruntreuung durch einen Organwalter der Besitzverlust aus Sicht der Gesellschaft nicht freiwillig erfolgt sein soll. Weiterhin ist bemerkenswert, dass mit der Anerkennung der spezifisch verbandsrechtlichen Figur des Organbesitzes eine unterschiedliche Behandlung der Besitzpositionen von Organen und gesetzlichen Vertretern einhergeht. Nimmt etwa eine Mutter Sachen für ihr Kind in Verwahrung, so entscheidet die herrschende Meinung zutreffend nach der tatsächlichen Lage und erklärt die Mutter zum unmittelbaren und das Kind zum mittelbaren Besitzer; eine Leugnung der Besitzstellung der Mutter in Anlehnung an die Grundsätze über den Organbesitz wird mit anderen Worten abgelehnt91. In der Tat überzeugt diese Differenzierung sowohl im dogmatischen Ausgangspunkt wie auch in der Sache. Nur die besondere Nähe des Organs zum Verband – bei Lichte betrachtet ist es sogar nur ein unselbständiger Teil der Verbandsverfassung selbst – rechtfertigt systematisch eine so weitgehende, von den tatsächlichen Verhältnissen abstrahierende Bewertung der Besitzstellung92 . In den praktischen Rechtsfolgen wiederum ist ein exklusiver Besitz der Verdoppelung der Besitzstellung bei Verband und Organ offenkundig überlegen. Sie erspart nicht nur Dritten bei der Geltendmachung von Herausgabeansprüchen die Klärung der verbandsinternen Gewahrsamverhältnisse, sondern eröffnet auch dem Verband selbst Besitzschutzansprüche gegen ehemalige Organpersonen, die trotz ihres
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K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 III 1 (S. 267); Petersen, Jura 2002, 255, 256. Vgl. Soergel/Stadler, BGB, § 855 Rdn. 11; Palandt/Bassenge, BGB, § 855 Rdn. 6. 90 Zutreffend Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, § 4 I 4a (S. 152); Flume, Personengesellschaft, § 6 II (S. 83); aA K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 III 1 (S. 267); Jacoby, Das private Amt, S. 266. 91 Staudinger/Bund, BGB, § 854 Rdn. 56; Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 20 IV (S. 129 f.); Westerhoff, Organ und gesetzlicher Vertreter, S. 153 f.; aA namentlich Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, § 4 I 4b (S. 153). 92 Ähnlich Jacoby, Das private Amt, S. 250 f. 89
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Ausscheidens Sachherrschaft über Gegenstände des Verbandsvermögens behalten und diese nunmehr im eigenen Interesse ausüben93 . 3. Anwendbarkeit des Rechtsberatungsgesetzes Im Rahmen der Geschäftsführung wird es nicht selten darum gehen, konkrete Rechte des Verbandes zu verwirklichen oder ihn betreffende konkrete Rechtsverhältnisse zu gestalten, mit anderen Worten seine rechtliche Vertretung wahrzunehmen94 . Daher stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen der für den Verband auftretende Akteur eine aus seiner Sicht fremde und somit nach Art. 1 § 1 RBerG oder nach §§ 2 f. des künftigen Rechtsdienstleistungsgesetzes erlaubnispflichtige Rechtsangelegenheit der Gesellschaft besorgt95 . Nach den bisher herausgearbeiteten Grundsätzen spricht alles dafür, zwischen der Ausübung organschaftlicher Befugnisse einerseits und dem Handeln mittels rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht als lediglich schuldrechtlich Beauftragter andererseits zu unterscheiden96 . Weil der Verband überhaupt nur mittels seiner Organe wie eine natürliche Person am Rechtsverkehr teilnehmen kann und ihn in diesem Zusammenhang das organschaftliche Handeln aufgrund der organisationsrechtlichen Sonderbeziehung unmittelbar zugerechnet wird, ist nämlich die Vorstellung gerechtfertigt, er nehme seine Rechtsangelegenheiten selbst wahr. Dagegen wird ein lediglich beauftragter Geschäftsführer, mag seine abgeleitete Vollmacht auch noch so weit reichen, lediglich auf der Grundlage eines ihn zur Wahrnehmung fremder Interessen verpflichtenden Geschäftsbesorgungsverhältnisses und damit gerade nicht in eigener Angelegenheit tätig. Keine Gefolgschaft hat diese Konzeption freilich in einer Publikumsgesellschaften bürgerlichen Rechts betreffenden Rechtsprechung des BGH gefunden. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte die Gesellschaft einen nicht zum Kreise der Gesellschafter zählende und damit nach dem Grundsatz der Selbstorganschaft von der Teilhabe an der organschaftlichen Verwaltung ausgeschlossene GmbH mit der Vornahme aller zur Erreichung des Gesellschaftszwecks erforderlichen Rechtsgeschäfte beauftragt und entsprechend bevollmächtigt97. Einen Verstoß des somit auch die Besorgung von 93 Vgl. MünchKommBGB/Joost, § 854 Rdn. 17; Soergel/Stadler, BGB, § 854 Rdn. 14; zur GbR ebenso MünchKommBGB/Ulmer, § 718 Rdn. 38; krit. freilich Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 20 II 2 (S. 129). 94 Vgl. zur Defi nition BGH NJW 1987, 3003, 3004; BGHZ 145, 265, 269; BGHZ 154, 283, 285. 95 Die Neuordnung berührt die hier interessierende Rechtsfrage nicht, s. Grunewald, FS Horn, S. 329, 335. 96 So denn auch Ulmer, ZIP 2005, 1341, 1343 f.; Habersack, BB 2005, 1695, 1697; Grunewald, FS Horn, S. 329, 331 f.; Schmidt-Morsbach/Dicks, BKR 2005, 424, 428 f.; MünchKommBGB/Armbrüster, § 134 Rdn. 96; im Grundsatz auch Altmeppen, ZIP 2006, 1, 4. 97 Vgl. zur Zulässigkeit BGH NJW 1982, 877; BGH NJW 1982, 2495; MünchKommBGB/ Ulmer, § 709 Rdn. 6.
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Rechtsangelegenheiten umfassenden Auftrags gegen das RBerG vermochte der XI. Zivilsenat gleichwohl nicht festzustellen, weil „nichts dafür spreche, die Wirksamkeit des Vertrags und der Vollmachterteilung von der Gesellschafterstellung des Vertreters abhängig zu machen“98 . Im Schrifttum wurde dieser im Urteil nur knapp angedeutete Gedanke sodann näher entfaltet99 : Ob es sich nun um Handeln auf organschaftlicher oder auf rechtsgeschäftlicher Grundlage handele, im einen wie im anderen Fall bedürfe es einer Zurechnung an die Gesellschaft. Unter welchen Voraussetzungen das Merkmal der Fremdheit der Besorgung von Rechtsangelegenheiten zu verneinen sei, könne vor diesem Hintergrund keinesfalls von der formalen Unterscheidung zwischen einer „unmittelbaren“ und einer angeblich lediglich „mittelbaren“ Zurechnung abhängen; entscheidend sei vielmehr der Schutzzweck des Rechtsberatungsgesetzes. Für die damit allein maßgebliche Qualität der erbrachten Leistung aber sei die Organstellung unerheblich, weshalb auch die Tätigkeit eines lediglich schuldrechtlich beauftragten Geschäftsführers nicht unter das RBerG falle. Mit dieser aus teleologischer Sicht durchaus nachvollziehbaren Begründung entfällt indessen jeder Ansatz, zwischen eigenen und fremden Rechtsangelegenheiten zu unterscheiden. Im Hinblick auf die gebotene Gleichbehandlung mit den natürlichen Personen muss es der rechtsfähigen Gesellschaft zwar einerseits möglich sein, ihre Angelegenheiten selbst wahrzunehmen; es kann aber andererseits nicht richtig sein, dass jede Geschäftsbesorgung in ihrem Interesse dem Anwendungsbereich des RBerG per se entzogen ist. Daher ist daran festzuhalten, dass die Gesellschaft nur mittels ihrer Organe selbst handelt, während schuldrechtlich beauftragte Geschäftsführer mangels Einbindung in ein besonderes organisationsrechtliches Näheverhältnis zur Gesellschaft ein fremdes Geschäft besorgen. Zu Recht hat denn auch der BGH in späteren Urteilen, in denen er seine Rechtsprechung im Ergebnis bestätigt hat, die angeführte Begründung in bemerkenswerter Weise modifiziert. Nunmehr stellt er nämlich maßgeblich darauf ab, dass es bei der Abgrenzung zwischen erlaubnispflichtiger Rechtsbesorgung und erlaubnisfreier Geschäftsbesorgung auf den Schwerpunkt der Tätigkeit ankomme und die Übertragung der gesamten Geschäfte im Wesentlichen auf die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange gerichtet sei100 . Während sich mit dieser Argumentation das Vorliegen einer Rechtsdienstleistung durchaus nachvollziehbar verneinen lässt, ist es zu bedauern, dass der XI. Zivilsenat weiterhin ausdrücklich offen lässt, ob der schuldrechtlich bestellte Geschäftsführer eine eigene oder eine fremde Angelegenheit besorgt101.
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BGH ZIP 2005, 1361, 1363 f. Vgl. Schimansky, WM 2005, 2209, 2210 f.; Lehleiter/Hoppe, WM 2005, 2213, 2214 f. 100 BGH ZIP 2006, 1622, 1623 ff.; ebenso KG ZIP 2007, 183, 185; Grunewald, FS Horn, S. 329, 334; eine teleologische Reduktion befürwortend Altmeppen, ZIP 2006, 1, 5 ff. 101 BGH ZIP 2006, 1622, 1625, Tz. 27; ZIP 2007, 64, 67, Tz. 29. 99
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4. Wissenszurechnung Die bisherigen Ausführungen zur Rechtsnatur organschaftlichen Handelns waren in einem Punkte sehr zugespitzt und könnten daher Anlass zu Missverständnissen geben. Es wurde nämlich maßgeblich darauf abgestellt, dass eine globale Verhaltenszurechnung Raum greife, die es rechtfertige, von einem eigenen Verhalten des Verbandes zu sprechen. Damit sollte indessen allein der rechtstechnische Mechanismus der Zurechnung beschrieben, nicht hingegen behauptet werden, es finde stets eine ihrem Umfang nach unbeschränkte Zurechnung statt. Richtig ist im Gegenteil, dass es sich bei der Zurechnung organschaftlichen Handelns um einen wertenden Vorgang handelt, welcher stets der Begründung und normativen Rechtfertigung bedarf102 . Genau diese Einsicht blieb allerdings in der Diskussion um die Wissenszurechnung lange Zeit unbeachtet. Denn nach der nunmehr aufgegebenen Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs sollte das Wissen eines jeden vertretungsberechtigten Organmitglieds im Sinne einer absoluten Wissenszurechungstheorie eo ipso Wissen der juristischen Person sein, und zwar unabhängig davon, ob das Wissen privat oder dienstlich erlangt wurde. Die Gesellschaft wurde nicht einmal mit dem Einwand gehört, dass das betroffene Organmitglied am konkreten Rechtsgeschäft nicht beteiligt gewesen oder gar längst aus seinem Amt ausgeschieden war103 . Dem lagen zumindest unausgesprochen die metaphysischen Anschauungen der klassischen Organtheorie Gierke’scher Ausprägung zugrunde, der zufolge die juristische Person als reale Verbandspersönlichkeit durch ihr Organe agiert104 . Hiervon ausgehend war eine vollständige Identifikation des Wissens der juristischen Person mit dem ihrer Organe durchaus konsequent. Demgegenüber betont die hier vertretene moderne Fassung der Organtheorie stärker den Zurechnungscharakter des Vorgangs und eröffnet damit Raum für eine wertende Beurteilung. Zwar beantwortet sich die Frage, ob sich die juristische Person das Wissen einer Organperson zurechnen lassen muss, im Ausgangspunkt nicht nach § 166 BGB105 , der auf fremde Kenntnis abstellt und daher für den Bereich der Wissenszurechnung bei Organen durch eine entsprechende Anwendung des in § 31 BGB niedergelegten verallgemeinerungsfähigen Grundgedankens organschaftlicher Zurechnung verdrängt wird106 . Indessen folgt dar102
Nachdrücklich Kleindiek, Deliktshaftung, S. 181; Fleischer, NJW 2006, 3239, 3243. RG JW 1935, 2044; BGHZ 20, 149, 153; BGHZ 41, 282, 287; vgl. auch noch BGH NJWRR 2002, 978, 982. 104 Buck, Wissen und juristische Person, S. 208; Nobbe, Bankrechtstag 2002, S. 121, 126 f. 105 So aber unter Berufung auf § 26 Abs. 2 BGB Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rdn. 147; Buck, Wissen und juristische Person, S. 250 ff.; Flume, Juristische Person, § 11 IV (S. 404 f.); Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 36 Rdn. 2. 106 So auch GroßKommAktG/Habersack, § 78 Rdn. 23; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 V 2b (S. 288); Spindler, Unternehmensorganisationspfl ichten, S. 629 ff.; Jacoby, Das pri103
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aus nur, dass der als solcher nicht wissensfähigen juristischen Person das Wissen und die fahrlässige Unkenntnis überhaupt zugerechnet werden können. Ob allerdings im Einzelfall tatsächlich eine Zurechnung geboten ist, beurteilt sich nach wertenden Kriterien, die der BGH unter weitgehender Zustimmung des Schrifttums in einer ganzen Serie von Urteilen näher präzisiert hat und die angesichts ihrer vielfachen Erörterung hier nicht näher auszubreiten sind107. Vielmehr mag als Hinweis genügen, dass der BGH sich insbesondere bei der Aufspaltung von Wissen auf verschiedene Abteilungen von dem Gedanken des Verkehrsschutzes leiten lässt und daher der Gesellschaft Organisationspflichten auferlegt, wobei zwischen einer Informationsweiterleitungspfl icht desjenigen, der Wissen erlangt, und einer Informationsabfragepfl icht desjenigen, der geschäftliche Entscheidungen zu treffen hat, zu unterscheiden ist. Wissenszurechnung stellt sich somit insoweit als Sanktion für die Verletzung von Organisationspflichten dar. Was die Intensität der genannten Pfl ichten angeht, so ist der Gesichtspunkt einer Gleichbehandlung von natürlichen und juristischen Personen leitend. Einerseits müssen daher die Organisationspflichten so weit reichen, dass die juristische Person durch eine Aufspaltung des Wissens auf mehrere Entscheidungsträger keine Vorteile zieht. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass auch dem Erinnerungsvermögen von Menschen natürliche Grenzen gesetzt sind, weshalb sich eine zeitlich unbegrenzte Zurechnung verbietet.
D. Resümee und weitere Fragestellung Nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnis bedürfen alle rechtsfähigen Gebilde, aber eben auch nur diese der Organe, um am Rechtsverkehr teilnehmen zu können. Um die zutreffende rechtsdogmatische Erfassung dieses Organhandelns wird seit dem 19. Jahrhundert unter den Stichworten Organtheorie und Vertretertheorie gestritten. Wenn auch beide Lehren in ihrer ursprünglichen Form nicht zu überzeugen vermögen, war die um sie geführte Diskussion doch insofern erkenntnisfördernd, als beide bestimmte Aspekte des Problems zutreffend beleuchtet haben. Vor diesem Hintergrund lässt sich heute im Sinne einer modernen Organtheorie das Organhandeln als eine spezifisch organisationsrechtliche Form wertender Zurechnung menschlichen Verhaltens an einen Vervate Amt, S. 278; Waltermann, AcP 192 (1992), 182, 221; unentschieden BGHZ 140, 54, 61; ablehnend Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 8 III 2a (S. 720). 107 BGHZ 109, 327, 331; BGHZ 132, 30, 35; BGHZ 135, 202, 205 ff.; BGHZ 140, 54, 61 f.; BGH NJW 2001, 2535, 2536; OLG München DK 2007, 54, 55; aus dem überbordenden Schrifttum jeweils mit umfassenden Nachweisen Buck, Wissen und juristische Person, passim; Spindler, Unternehmensorganisationspfl ichten, S. 610 ff., 656 ff.; GroßKommAktG/Habersack, § 78 Rdn. 23 ff.; Raiser, FS Bezzenberger, S. 561 ff.; Nobbe, Bankrechtstag 2002, S. 121, 128 ff.; Fassbender/Neuhaus, WM 2002, 1253 ff.
D. Resümee und weitere Fragestellung
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band kennzeichnen, die in ihren Wirkungen über diejenige bei der gesetzlichen Vertretung weit hinausgeht und daher das fremde Verhalten der Organwalter als eigenes Verhalten des Verbandes erscheinen lässt. In einem nächsten Schritt ist nunmehr von Interesse, welche Handlungsträger im Einzelnen als Organ zu qualifizieren sind und welche Rechtsfolgen sich mit dieser Einordnung verbinden.
§ 3 Der institutionell-funktionelle Organbegriff A. Problemaufriss und weiterer Klärungsbedarf I. Organtrias: Willensbildungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgan Wer denn eigentlich in den einzelnen Verbandsformen Organ sei, scheint auf den ersten Blick eine triviale, keiner näheren Untersuchung bedürfende Frage zu sein. Ausgehend von ihrer gerade erörterten Funktion, eine fehlende natürliche Handlungsfähigkeit zu überwinden, sollte es nicht schwer fallen, die zu erfüllenden Aufgabenfelder und die dem entsprechenden Einrichtungen zu benennen. Ohne Zögern wird man zunächst anführen, dass es in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts von Gesetzes wegen die Gesamtheit der Gesellschafter sei, die zur Führung der Geschäfte berufen ist. Bei den juristischen Personen wiederum gibt es stets ein Willensbildungsorgan, in dem die Verbandsmitglieder ihre Rechte wahrnehmen können, ein Leitungsorgan, das die Geschäfte führt und dabei auch den Verband nach außen vertritt, sowie bisweilen obligatorisch, bisweilen fakultativ ein Aufsichtsorgan, welches das Leitungsorgan zu kontrollieren bestimmt ist1. Für die AG ergibt sich daraus die Organtrias bestehend aus Hauptversammlung, Vorstand und Aufsichtsrat 2 ; der eingetragene Verein kommt auch ohne Aufsichtsrat aus, weshalb der Vorstand und die Mitgliederversammlung als zwingend vorgegebene Organe verbleiben. Bei näherem Hinsehen verkompliziert sich das Bild indessen zusehends. Zunächst besteht jedenfalls beim Verein, der GmbH und den Personengesellschaften 3 die Möglichkeit, die beschriebenen Grundtypen durch Einsetzung weiterer fakultativer Organe zu variieren. Hinter der dabei häufig gewählten Bezeichnung „Beirat“ verbergen sich Gremien mit den unterschiedlichsten Funktionen, denen umfassende Geschäftsführungs- oder Aufsichtskompetenzen zugewiesen sein können, denen bisweilen aber auch nur die Erfüllung ausgewählter einzelner Aufgaben obliegt. Daneben zu erwähnen ist das Institut 1 So die Einteilung von K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 II 1 (S. 408 f.); kritisch dazu Westerhoff, Organ und gesetzlicher Vertreter, S. 12, der statt „Willensbildungsorgan“ den Ausdruck „Basisorgan“ vorzieht. 2 S. nur GroßKommAktG/Kort, Vor § 76 Rdn. 2; MünchKommAktG/Kubis, § 118 Rdn. 8; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 13 Rdn. 7. 3 S. dazu unten D II; dort auch zur vom Grundsatz der Satzungsstrenge geprägten AG.
A. Problemaufriss und weiterer Klärungsbedarf
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des besonderen Vertreters. Im Vereinsrecht erlaubt § 30 S. 1 BGB, durch Satzung zu bestimmen, dass neben dem Vorstand für gewisse Geschäfte, wie etwa der Leitung einer Filiale, besondere Vertreter zu bestellen sind, die ebenfalls als zusätzliches Vereinsorgan fungieren4 . Einen besonders eng begrenzten Aufgabenbereich hat schließlich der besondere Vertreter im Sinne des § 147 AktG. Beschließt nämlich die Hauptversammlung mit zumindest einfacher Mehrheit, Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder durchzusetzen zu wollen und hierfür einen besonderen Vertreter einzusetzen, so verdrängt dieser insoweit Vorstand und Aufsichtsrat 5 . Er übt in eigenständiger Verantwortung einen abgespaltenen Teil der umfassenden Vertretungsmacht des Vorstands oder, wenn es um die Rechtsverfolgung gegen Vorstandsmitglieder geht, der Vertretungsmacht des Aufsichtsrats aus und ist deshalb anerkanntermaßen ebenso wie diese Organ der Gesellschaft 6 . Problematischer als die bloße Vermehrung der Zahl der Organe ist jedoch, dass nicht nur in einigen pathologischen Grenzfällen zweifelhaft ist, ob es sich bei einer bestimmten Einrichtung um ein Organ handelt. So kann es kaum befriedigen, wenn es trotz seiner über einhundertjährigen Geschichte nach wie vor zu den ungeklärten Grundfragen des GmbH-Rechts gehört, ob neben dem Geschäftsführer die „Gesamtheit der Gesellschafter“ oder aber die „Gesellschafterversammlung“ als oberstes Gesellschaftsorgan zur Entscheidung berufen ist 7.
II. Abschlussprüfer und Insolvenzverwalter Schwierigkeiten bereitet weiterhin die rechtliche Qualifi kation des Abschlussprüfers 8 . Zunächst folgt seine Bestellung typisch korporationsrechtlichen Grundsätzen; in der AG etwa bestellt ihn gemäß § 119 Nr. 4 AktG die Hauptversammlung. Weiterhin ist die Abschlussprüfung als Rechtsinstitut ursprünglich mit der Zielsetzung eingeführt worden, den allein häufig überforderten Aufsichtsrat bei der Kontrolle der Rechnungslegung zu unterstützen und zu entlasten. Beides zusammen genommen spricht für eine Qualifikation als Organ der Gesellschaft9. Demgegenüber betont die heute herrschende Auffassung 4
Soergel/Hadding, BGB, § 30 Rdn. 1, 9; Staudinger/Weick, BGB, § 30 Rdn. 1. Hüffer, AktG, § 147 Rdn. 6; GroßKommAktG/Bezzenberger, § 147 Rdn. 52. 6 BGH ZIP 1981, 178, 179; GroßKommAktG/Bezzenberger, § 147 Rdn. 52; MünchKomm AktG/Schröer, § 147 Rdn. 43; Heidel/Lochner, AktG, § 147 Rdn. 25; Semler, AG 2005, 321, 330; Böbel, Besonderer Vertreter, S. 133 f.; s. zur zivilprozessualen Einordnung als gesetzlicher Vertreter MünchKommZPO/Lindacher, §§ 51, 52 Rdn. 25; aA – Einordnung als gesetzliche Prozessstandschaft – allein Teichmann, FS Mühl, S. 661, 679 f., der aber nicht hinreichend berücksichtigt, dass Vorstand und Aufsichtsrat insofern ihre Zuständigkeit verlieren. 7 S. dazu eingehend unten § 5 C. 8 S. dazu näher unten § 8 B mit umfassenden Nachweisen. 9 So denn auch grundlegend BGHZ 16, 17, 25. 5
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§ 3 Der institutionell-funktionelle Organbegriff
die Garantiefunktion, die der Abschlussprüfer durch Abgabe oder Verweigerung seines Bestätigungsvermerks gegenüber der Allgemeinheit und vor allem gegenüber den Anlegern am Kapitalmarkt ausübt. Als außenstehender Kontrollinstanz mit öffentlicher Funktion sei ihm die Organstellung abzusprechen10 . Ähnlich ambivalent präsentiert sich der Insolvenzverwalter11. Auf den ersten Blick legt der Umstand, dass er in der Insolvenz weithin die Aufgaben des Geschäftsführungs- und Vertretungsorgans übernimmt, eine Qualifizierung als Verbandsorgan nahe12 . Dem wird jedoch überwiegend entgegenhalten, dass sich aus der organersetzenden, einem Liquidator ähnlichen Funktion nicht ohne weiteres auf eine dem Organ vergleichbare Rechtsstellung schließen lasse. Anders als ein Organ habe der Insolvenzverwalter nämlich im öffentlichen Interesse und unter Wahrung der Vorgaben der Insolvenzordnung die Belange aller am Insolvenzverfahren Beteiligten zu einem gerechten Ausgleich zu bringen13 . Bildlich gesprochen sei er somit nicht in die Organisationsstruktur des Verbandes integriert, trete diesem vielmehr wie ein Dritter gegenüber. Dieser besonderen Ausgangslage versucht die seit jeher herrschende Meinung dadurch Rechnung zu tragen, dass sie den Insolvenzverwalter nicht als Organ, sondern als Inhaber eines privaten Amtes ansieht, der materiellrechtlich wie prozessual im eigenen Namen und aus eigenem Recht mit Wirkung für und gegen die Masse handelt.
III. GmbH & Co KG, Beherrschungsvertrag und statutarischer Dritteinfluss Die Frage nach der Organstellung der handelnden Personen wird weiterhin immer dann aufgeworfen, wenn diese zwar nicht Teil der klassischen Organtrias sind, aber aufgrund bestimmter organisationsrechtlicher Gegebenheiten gleichwohl maßgebend die Geschicke der Gesellschaft bestimmen. Dies sei anhand dreier Konstellationen exemplifiziert. 1. Was zunächst die Kapitalgesellschaft & Co – insbesondere also die GmbH & Co KG – angeht14 , so werden deren Geschäfte zwar formal von der Komplementär-GmbH geführt. Da diese aber wiederum durch ihren Geschäftsführer handelt, ist letztlich er es, der die KG tatsächlich verwaltet. An diese Einsicht anknüpfend wurde im Schrifttum vorgeschlagen, ihn als Organ nicht nur der 10 Vgl. statt vieler zunächst Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 401 f.; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 472 f.; MünchKommHGB/Ebke, § 316 Rdn. 26 ff.; Mai, Abschlussprüfer, S. 217. 11 S. dazu näher unten § 8 A. 12 Grundlegend K. Schmidt, KTS 1984, 345 ff.; daneben etwa ders., NJW 1995, 911, 912 f.; ders., ZGR 1998, 633, 644 ff.; ders., Gesellschaftsrecht, § 11 VI 4 b cc (S. 326 ff.). 13 Vgl. etwa Henckel, FS Merz, S. 197, 205 ff.; H.-F. Müller, Verband in der Insolvenz, S. 18, 57, 61; MünchKommAktG/Hüffer, § 264 Rdn. 43; Bork, Insolvenzrecht, Rdn. 66. 14 S. dazu näher unten § 7 B mit umfassenden Nachweisen.
A. Problemaufriss und weiterer Klärungsbedarf
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Komplementär-GmbH, sondern auch der KG zu qualifizieren15 . So ließe sich etwa seine allseits für erforderlich gehaltene persönliche Verantwortlichkeit ihr gegenüber zwanglos erklären. Vor dem Hintergrund der ihrer Struktur nach auf eine mittelbare Verwaltung angelegten typengemischten Gesellschaftsform ist diese Annahme indessen nicht ohne weiteres überzeugend. Aus gutem Grund verfolgt die herrschende Meinung in der angesprochenen Haftungsfrage jedenfalls eine zurückhaltendere, die besondere Organisationsstruktur nachzeichnende Lösung, indem sie dem den GmbH-Geschäftsführer gegenüber der GmbH verpflichtenden Rechtsverhältnis Schutzwirkung zu Gunsten der KG zuspricht und auf diese Weise sowohl dem erkennbaren Schutzbedürfnis der KG als auch den rechtlichen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen sucht16 . Das wiederum hat ihr den Vorwurf einer „Notkonstruktion“ eingetragen, welche weder den tatsächlichen Verhältnissen noch der von den Parteien selbst gewollten Verflechtungsdichte zwischen den Gesellschaften gerecht werde17. 2. Nicht unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang zum zweiten die durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrags begründete Möglichkeit, dem Leitungsorgan der abhängigen Gesellschaft verbindliche Weisungen zu erteilen18 . In der abhängigen AG wird hierdurch das Recht und die Pflicht des Vorstands überlagert, die Geschicke der Gesellschaft eigenverantwortlich zu leiten; zentrale unternehmerische Entscheidungen treffen nunmehr das herrschende Unternehmen und seine gesetzlichen Vertreter. Auf diese „Substitution“ reagiert das Gesetz mittels § 309 AktG sachlich wie dogmatisch folgerichtig, indem es die Mitglieder des Leitungsorgans des herrschenden Unternehmens einer der Organwalterhaftung aus §§ 93, 116 AktG unverkennbar nachgebildeten Verantwortlichkeit unterwirft. Vor diesem Hintergrund drängt sich eine organschaftliche Deutung des Beherrschungsvertrags geradezu auf19 ; zweifelsfrei ist eine solche allerdings nicht. So führen ihre Kritiker an, das herrschende Unternehmen bleibe nach der gesetzlichen Konstruktion außenstehender Dritter und werde nicht Teil der Verbandsverfassung. Da Organschaftszuständigkeiten überdies typischerweise fremdnützig wahrzunehmen seien, könne es nicht weiterführend sein, dem anderen Vertragsteil, welcher aus eigenem Interesse handele, ohne dabei in signifikanter Weise auf die Interessen der ab-
15 Explizit dafür Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 44 Rdn. 12; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 17. 16 Grundlegend BGHZ 75, 321, 325; s. daneben einstweilen BGH NZG 2002, 568, 569; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 IV 3b (S. 1649); MünchKommHGB/Grunewald, § 161 Rdn. 84. 17 So Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 17. 18 Vgl. dazu näher unten § 7 A I mit umfassenden Nachweisen. 19 Vgl. einstweilen Bayer, Beherrschungsvertrag, S. 17 f.; Beuthien, ZIP 1993, 1589, 1593; Baumbach/Hueck, AktG, § 309 Rdn. 4; Mestmäcker, FG Kronstein, S. 129, 135.
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§ 3 Der institutionell-funktionelle Organbegriff
hängigen Gesellschaft Rücksicht nehmen zu müssen, eine organschaftliche oder organschaftsähnliche Position beizumessen 20 . 3. Drittens und letztens begegnen namentlich bei der GmbH Satzungsbestimmungen, mittels derer gesellschaftsfremden Dritten Mitwirkungsbefugnisse in Gesellschaftsangelegenheiten eingeräumt werden. Paradigmatisch hierfür steht das Recht, ein Mitglied in das Aufsichts- oder Leitungsgremium entsenden zu dürfen 21. Darüber ob und, wenn ja, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen solcher statutarischer Dritteinfluss zulässig ist, herrscht Streit. Über eines jedoch besteht weithin Einigkeit: Die entscheidende Weichenstellung bei der dogmatischen Bewertung solcher Gestaltungen liegt darin, ob diese sich konstruktiv dahin auflösen lassen, dass innerhalb der Gesellschaft ein neues fakultatives Organ mit den gewünschten Befugnissen geschaffen und sodann mit einem oder mehreren Nichtgesellschaftern als Organwaltern besetzt wird. Begrifflich ließe sich dann an die schon vor längerem zur Diskussion gestellte Rechtsfigur des „Kreationsorgans“ anknüpfen 22 . Maßgebliche Stimmen im Schrifttum stehen dem jedoch ablehnend gegenüber, weil die in Rede stehenden Dritten im eigenen Interesse handelten, während für die Organeigenschaft die Bindung an das Verbandsinteresse konstitutiv sei. Eine Qualifikation als Organ wäre demnach nur unter „uferloser Ausweitung des Organbegriffs“ möglich 23 . Dem damit propagierten materiellen Organbegriff stellen die Verfechter satzungsmäßiger Rechte gesellschaftsfremder Dritter einen formellen Organbegriff entgegen, dem zufolge die Organeigenschaft ohne Rücksicht auf die verfolgten Zwecke bei einer rein funktionellen Betrachtungsweise immer dann zu bejahen ist, wenn Kompetenzen oder Einflussmöglichkeiten im Rahmen der Organisationsstruktur der Gesellschaft wahrgenommen werden 24 .
IV. Gruppenorgan und Gesamtorgan Mit etwas anderer Akzentuierung stellt sich das gerade angerissene Problem, ob die Organeigenschaft zwingend mit der Pfl icht einhergeht, das Verbandsinteresse wahrzunehmen, auch in der Diskussion um die Existenz sogenannter Gruppenorgane 25 . Hier geht es jedoch nicht um die Vereinbarkeit des Organbegriffs mit der Ausrichtung auf gesellschaftsexterne Interessen, sondern um das Anliegen, eine Repräsentanz für bestimmte gesellschaftsinterne Partikularbe20 Vgl. dazu namentlich Veil, Unternehmensverträge, S. 180 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 6 IV 2b (S. 349 f.); Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 276 f. 21 S. dazu näher unten § 6 B mit umfassenden Nachweisen. 22 Der Begriff wurde geprägt von Feine, GmbH, § 34 II 3 (S. 474). 23 So namentlich Ulmer, FS Werner, S. 911, 923; ders., FS Wiedemann, S. 1297, 1305 f. 24 Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 168 f. 25 S. dazu näher unten § 6 C mit umfassenden Nachweisen.
B. Defi nitionsansätze in Rechtsprechung und Wissenschaft
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lange zu schaffen. Ein Bedürfnis hierfür kann überall dort bestehen, wo die Gesellschafter keine homogene Gruppe bilden, es vielmehr verschiedene Klassen von Gesellschaftern mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten gibt. Einem entsprechenden Wunsch könnte unschwer Rechnung getragen werden, wenn neben Gesamtorganen, also solchen, die auf das Gesellschaftsinteresse verpflichtet sind, auch Gruppenorgane anzuerkennen wären, die als Sachwalter lediglich einer abgegrenzten Gruppe fungieren 26 . Als gesetzliches Vorbild eines solchen Gruppenorgans wird bisweilen der Aufsichtsrat der KGaA angeführt. Diesem komme nämlich neben der im Gesellschaftsinteresse zu erfüllenden Aufgabe der Überwachung der Geschäftsführung die Funktion zu, die Belange der Gesamtheit der Kommanditaktionäre gegenüber den häufig divergierenden Interessen der Komplementäre zu verteidigen. Sowohl letztere These im Besonderen wie auch das Postulat der Existenz von Gruppenorganen im Allgemeinen steht und fällt indessen mit der Prämisse, die Bindung an das Verbandsinteresse sei kein konstitutives Erfordernis der Organstellung, und wird deshalb von den Verfechtern eines materiellen Organbegriffs verworfen 27.
B. Definitionsansätze in Rechtsprechung und Wissenschaft Schon diese knappe und keinesfalls den Anspruch auf Vollständigkeit erhebende Zusammenstellung der möglicherweise als Verbandsorgan in Betracht kommenden Einrichtungen sowie die erste Andeutung der insofern zu verzeichnenden Streitstände und der gebräuchlichen Argumentationstopoi zeigt, dass der verbandsrechtliche Organbegriff, wenn er auch nicht weitgehend ungeklärt ist 28 , so doch jedenfalls noch beträchtliche Unschärfen aufweist 29. Maßgebliche Ursache hierfür ist die diesbezügliche Zurückhaltung der gesellschaftsrechtlichen Organisationsgesetze, die zwar die Existenz von Organen durchweg voraussetzen, jedoch nicht näher umschreiben, wodurch sie sich auszeichnen und wer überhaupt als Organ anzusehen ist 30 . Symptomatisch für diesen Befund stehen zunächst §§ 32 Abs. 1 S. 1 und 45 Abs. 2 S. 1 BGB. Während erstere Vorschrift bestimmt, dass die Angelegenheiten des Vereins, soweit sie nicht vom Vorstand oder einem anderen Vereinsorgan zu besorgen sind, von 26
Grundlegend Wiedemann, FS Schilling, S. 105, 108 f.; Voormann, Beirat, S. 63 ff. Vgl. einstweilen nur Staub/Ulmer, HGB, § 109 Rdn. 53; Hüffer, ZGR 1980, 320, 321 f.; Maulbetsch, Beirat, S. 56; Rohleder, GmbH-Beiräte, S. 21; zum Aufsichtsrat in der KGaA § 6 C III 3. 28 So Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 467; Burgard, Gestaltungsfreiheit, S. 219; Semrau, Dritteinflussnahme, S. 42; Natzel, Quasi-Konzern, S. 111. 29 Zutreffend Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1305; ähnlich Hüffer, FS 100 Jahre GmbHG, S. 521, 529: noch keine endgültige Klärung; Schütz, Sachlegitimation, S. 113; vgl. auch Mertens, ZGR 1994, 426, 427. 30 Vgl. dazu Soergel/Hadding, BGB, § 26 Rdn. 3. 27
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§ 3 Der institutionell-funktionelle Organbegriff
der Versammlung der Mitglieder geordnet werden, bestimmt zweitere, dass nach Auflösung des Vereins die Anfallberechtigten durch Beschluss der Mitgliederversammlung oder eines anderen Vereinsorgans bestimmt werden. Daraus lässt sich indes ebensowenig Weiterführendes ableiten wie aus §§ 37 Abs. 2. S. 2 GmbHG und 27 Abs. 2 S. 2 GenG, denen zufolge die Vertretungsmacht des Geschäftsführungsorgans nicht von der Zustimmung eines anderen Organs der Gesellschaft abhängig ist. Angesichts dieser Enthaltsamkeit sind Rechtsprechung und Wissenschaft zu einer genaueren Begriffsbestimmung aufgerufen. Sich deren bisheriger Erkenntnisse zu vergewissern, ist daher unerlässlich.
I. Rechtsprechung 1. Überblick Die Rechtsprechung sah sich bislang nur in einigen wenigen Fällen veranlasst, zur Organqualität bestimmter Personen oder Einrichtungen Stellung zu nehmen. Von Interesse sind zunächst zwei schon ältere Grundsatzentscheidungen des BGH, in denen es zum einen um die Organeigenschaft des Abschlussprüfers31 und zum anderen um die richtige Einordnung einer Schiedsstelle ging 32 . Eine nähere Auseinandersetzung mit der Grundsatzfrage lassen indes beide Judikate vermissen; sie beschränken sich vielmehr darauf, ohne nähere Herleitung oder Erläuterung tatbestandliche Voraussetzungen zu nennen und den konkreten Sachverhalt darunter zu subsumieren. So wird im Hinblick auf den Abschlussprüfer ausgeführt, er sei in die Organisation der Gesellschaft eingegliedert und übe unabhängig von Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung eine Tätigkeit aus, die an sich der Aufsichtsrat leisten müsste, jedoch zumeist nicht leisten könne. Aus diesen Umständen schließt der BGH ohne Umschweife, dass der Abschlussprüfer Organ der Gesellschaft sei, und legt ihm als solchem eine besondere Treupflicht auf33 . In diesem Zusammenhang wird sodann das heute in § 321 Abs. 1 S. 3 HGB explizit verankerte Gebot entwickelt, den anderen Gesellschaftsorganen über ihm im Rahmen seiner Prüfungstätigkeit bekannt gewordene Tatsachen zu berichten, aus denen sich eine existentielle Gefährdung der Gesellschaft ergeben kann. Im anderen Fall hatte es der BGH mit einem in der Satzung einer GmbH vorgesehenen „Schiedsgericht“ zu tun, dessen Entscheidungen bei Uneinigkeit der zwei unterschiedlichen Familienstämmen zugehörenden Gesellschaftergruppen an die Stelle von Beschlüssen der Gesellschafterversammlunng treten sollte. In gedrängter Kürze wies der II. Zivilsenat darauf hin, es handele sich um ein Gesellschaftsorgan, weil es in die Organisation eingebaut sei und in 31 32 33
BGHZ 16, 17. BGHZ 43, 261. BGHZ 16, 17, 25; vgl. auch BGHZ 76, 338, 342.
B. Defi nitionsansätze in Rechtsprechung und Wissenschaft
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gesellschaftlichen Angelegenheiten entscheiden soll 34 . Infolgedessen müssten seine Entscheidungen nicht nach den Vorschriften der ZPO für vollstreckbar erklärt werden; ihre Wirkung trete vielmehr ohne weiteres mit ihrer Verlautbarung ein und lasse sich, da ein Beschluss der Gesellschafterversammlung ersetzt werde, ebenso wie dieser nur mit der Anfechtungsklage beseitigen. Zur Konkretisierung des Organbegriffs konnte der BGH dagegen später in einer Reihe von Urteilen beitragen, in denen er sich mit der Organeigenschaft von Gremien zu befassen hatte, die die Geschäftsführung von Publikumskommanditgesellschaften überwachen und auf diese Weise die Interessen gerade der Kommanditisten wahren sollen. Für den vorliegenden Zusammenhang von Interesse ist nun, dass der BGH strikt zwei Organisationsformen unterscheidet: Entweder kann das Gremium Gesellschaftsorgan der KG sein oder aber als Sachwalter des Grupppeninteresses der Kommanditisten fungieren 35 . Handelt es sich um ein Gesellschaftsorgan, stehen dessen Mitglieder in einem Rechtsverhältnis (nur) zur KG und sind zur Förderung des Gesellschaftsganzen verpflichtet. Infolgedessen haften sie für Pflichtverletzungen im Grundsatz allein der Gesellschaft gegenüber; etwaige Schadensersatzansprüche sind vom Vertretungsorgan der Gesellschaft geltend zu machen. Im anderen Fall, das Gremium kann dann als bloßer Kommanditistenausschuss angesprochen werden 36 , kommen diesem keine originären Kompetenzen zu; vielmehr nehmen die Mitglieder als Beauftragte der Kommanditisten lediglich gebündelt deren Mitwirkungsund Kontrollrechte wahr. Ein Rechtsverhältnis der Mitglieder eines solchen Kommanditistenausschusses zur Gesellschaft besteht dann nicht. 2. Fazit Aus Sicht der Rechtsprechung kommt es somit für die Bejahung der Organstellung entscheidend auf die organisatorische Eingliederung einerseits und die Aufgabenwahrnehmung für die Gesellschaft andererseits an. Organisatorische Eingliederung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das Organ Teil der Verbandsverfassung ist und seine Mitglieder daher in einem Rechtsverhältnis nur zum Verband stehen. Seine Aufgaben und Befugnisse werden ihm unmittelbar durch Gesetz oder Statut und nicht durch andere Stellen innerhalb des Verbandes zugeordnet. Das Organ übt mithin originäre Kompetenzen aus. Was auf der anderen Seite das Merkmal des Tätigwerdens in gesellschaftlichen Angelegenheiten betrifft, so ergibt sich kein klares Bild. Einerseits setzen die ge34 BGHZ 43, 261, 263 f.; vgl. daneben zum Aufsichtsrat der GmbH BGHZ 135, 48, 52: Er sei kein außenstehender Dritter, sondern nehme als Organ, eingebunden in die Verfassung, bestimmte gesetzlich festgelegte Aufgaben wahr. 35 BGH NJW 1975, 1318 f. (insoweit nicht in BGHZ 64, 238); BGH WM 1983, 555, 556 f.; BGH NJW 1985, 1900; vgl. auch BGH WM 1968, 98; BGH NJW 1977, 2311; BGHZ 87, 84, 86. 36 Im Anschluss an Hüffer, ZGR 1980, 320, 322.
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§ 3 Der institutionell-funktionelle Organbegriff
nannten Urteile zur KG eine strikte Orientierung am Verbandsinteresse voraus und stehen damit Bestrebungen entgegen, bestimmten Partikularbelangen verpflichtete Gruppenorgane anzuerkennen. In die gleiche Richtung zielt ein jüngeres Urteil, in dem er aus der Organeigenschaft des Aufsichtsrats der KGaA ohne weiteres geschlossen wird, dass dieser nicht den Kommanditaktionären, sondern dem Gesellschaftsganzen verpflichtet ist 37. Keine Bedeutung spielte die Frage der Handlungsorientierung hingegen bei der Qualifikation des Abschlussprüfers.
II. Schrifttum Im Schrifttum finden sich Ausführungen sowohl zum Organbegriff im Allgemeinen wie auch zu den zahlreichen einzelnen Zweifelsfällen. Im Folgenden kann es zunächst nur darum gehen, einen Eindruck von dem sich bei der Durchmusterung vor allem gesellschaftsrechtlicher Grundlagenwerke ergebenden heutigen Vorstellungsbild zu vermitteln. Dabei ist ein besonderes Augenmerk darauf zu richten, auf welche Weise die jeweiligen Autoren zu ihrem Organbegriff gelangen. Die dabei zu Tage tretenden Defizite sind Anlass, der vorliegenden Arbeit im Weiteren eine induktive Vorgehensweise zugrunde zu legen; im Rahmen der einzelnen Anwendungsfälle ist dann auch der Ort, den betreffenden Diskussionsstand detailliert darzustellen. 1. Unmöglichkeit einer Defi nition Vereinzelt geblieben sind Äußerungen, wonach das hier angestrebte Ziel, eine genauere Vorstellung des verbandsrechtlichen Organbegriffs zu entwickeln, von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. So hat schon Wieland38 vorgetragen, nicht einmal der Organbegriff in der AG sei ein einheitlicher, vielmehr sei die Rechtsstellung der einzelnen Organe derart verschieden, dass sich allgemeine, für alle Organe geltende Grundsätze nicht ableiten ließen oder aber in der Sphäre vager Allgemeinbegriffe ohne greifbaren Inhalt blieben. Rechne man, wie dies durchweg geschehe, auch die Kontrollbehörden zu den Organen, bleibe als einziges im Grunde genommen zufälliges und sekundäres Merkmal übrig, dass die Organe als solche vom Gesetz mittelbar oder unmittelbar vorgesehen werden müssten. Daraus ließe sich jedoch ein rechtlich begründeter Gegensatz von Organen und Nichtorganen nicht ableiten. In die gleiche Richtung tendiert Mertens 39 , wenn er ausführt, der Organbegriff sei gänzlich unbestimmt und Organ sei letztlich, wer Entscheidungen für und gegen die Gesellschaft treffe. Im Ergebnis laufen diese Aussagen auf eine Kapitulation vor dem Desi37 38 39
BGHZ 165, 192, 199. Wieland, Handelsrecht, Bd. II, S. 90 f. Mertens, ZGR 1994, 426, 427.
B. Defi nitionsansätze in Rechtsprechung und Wissenschaft
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derat verbandssrechtlicher Systembildung hinaus und können schon deswegen nicht das letzte Wort sein40 . Die Spezifika organschaftlichen Handelns müssen so im Dunkeln bleiben mit der Folge, dass eine Abgrenzung von Organen auf der einen und außenstehenden Dritten auf der anderen Seite unmöglich wird. Denn nach dem uferlosen Ansatz von Mertens könnte man durchaus auch einen leitenden Arbeitnehmer oder aber einen für die Gesellschaft bedeutsamen Kunden, der Einfluss auf die Geschäftsführung zu nehmen sucht, als Gesellschaftsorgan ansprechen. Das jedoch will im Ergebnis niemand. 2. Ableitung aus der Funktion der Organe Im modernen Schrifttum herrscht der Ansatz vor, den Organbegriff ausgehend von deren Funktion zu bestimmen, die fehlende natürliche Willens- und Handlungsfähigkeit des rechtsfähigen Verbandes zu ersetzen41. Exemplarisch für viele ganz ähnliche steht die Definition von Flume, wonach Organ jede Person oder Mehrzahl von Personen ist, die nach der Verfassung der juristischen Person deren Handlungsfähigkeit begründen42 . Überwiegend wird dem noch ganz im Sinne der Rechtsprechung zu Gruppenorganen hinzugefügt, die Organe hätten durch ihr Handeln den in Satzung oder Gesellschaftsvertrag vorgegebenen Verbandszweck zu verwirklichen und hätten daher ihre Kompetenzen am Verbandsinteresse auszurichten. In diesem Sinne sind für Wiedemann Organe die Personen oder Gruppen, deren Willensbildung für den Verband maßgeblich ist und deren Entscheidung sich am Verbandsinteresse orientieren muss43 . Damit übereinstimmend versteht Ulmer unter einem Organ solche Personen oder Personenmehrheiten, die kraft Verbandsverfassung dazu berufen sind, an der Willensbildung, an der Geschäftsführung und Vertretung oder an der Kontrolle des Verbandshandelns mitzuwirken, und ihre Tätigkeit am Verbandsinteresse auszurichten haben44 . Zu gleichsinnigen Erkenntnissen gelangen diejenigen, die nicht allgemein von der Funktion der Organe ausgehen, sondern aus der Erfassung der Eigen40
Ablehnend gegenüber Mertens auch Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 45 Rdn. 17: unzutreffend und zu Tautologie führend; daneben Schubel, Verbandssouveränität, S. 595. 41 Sehr deutlich Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1305 f.; Herfs, Einwirkung Dritter, S. 64; Westermann, Vertragsfreiheit, S. 150. 42 Flume, Juristische Person, § 11 I (S. 377); in der Sache ganz ähnlich K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 II 1 (S. 408); Soergel/Hadding, BGB, § 26 Rdn. 3; MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 256; ebenso bereits v. Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. I, § 32 II (S. 460); ablehnend Burgard, Gestaltungsfreiheit, S. 220. 43 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 4 II 3a (S. 212); der Sache nach ebenso Beuthien/ Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 468 f.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 45 Rdn. 13; Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rdn. 52, 137; Hammen, WM 1994, 765, 767; Herfs, Einwirkung Dritter, S. 71; Maulbetsch, Beirat, S. 56; H.-F. Müller, Verband in der Insolvenz, S. 57; Veil, Unternehmensverträge, S. 181 f. 44 Staub/Ulmer, HGB, § 109 Rdn. 46; vgl. auch dens., FS Wiedemann, S. 1297, 1305.
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§ 3 Der institutionell-funktionelle Organbegriff
schaften und Aufgaben der unterschiedlichen im Gesetz vorgesehenen und als solche bezeichneten Organe Gemeinsamkeiten und damit wesentliche Begriffsmerkmale herausarbeiten wollen45 . So hält Semrau nach eingehender Untersuchung der traditionellen Organtrias aus Willensbildungs-, Handlungs- und Aufsichtsorgan sowie der fakultativen Organe fest: Organ einer Gesellschaft sei eine Einrichtung, der (1) durch Gesetz oder im Rahmen des gesetzlich zulässigen durch Statut Aufgaben zugewiesen würden, die (2) der Ausgestaltung und Verwirklichung des Verbandszwecks diene und deren Verhalten (3) der Gesellschaft zugerechnet werde46 .
III. Weiteres methodisches Vorgehen: Der „Kreisgang“ als Erkenntnisund Darstellungsmodus Ungeachtet der in der Sache weithin übereinstimmenden Ergebnisse liegen den Definitionen zwei unterschiedliche methodische Vorgehensweisen zugrunde: Während die einen ihr Organverständnis deduktiv aus der Funktion der Organe entwickeln, versuchen sich die anderen dem Organbegriff durch Verallgemeinerung der prägenden Merkmale derjenigen Einrichtungen, deren Organeigenschaft außer Frage steht, und damit auf induktive Weise zu nähern. Erstere Herangehensweise ist zwar keineswegs untauglich, vielmehr darf im weiteren Verlauf der Untersuchung, die fundamentale Funktion der Organe, die fehlende natürliche Willens- und Handlungsfähigkeit rechtsfähiger Verbände zu überwinden, zu keinem Zeitpunkt aus dem Blickfeld geraten. Allerdings bleibt die Funktionsumschreibung doch recht allgemein, so dass sie die Unklarheiten bei der Bewertung der vorstehend47 aufgeführten Zweifelsfälle nicht abschließend zu beseitigen vermag. Unterstützend ist deshalb auf eine induktive Analyse der einzelnen Problemfelder zurückzugreifen. Diese darf sich freilich – anders als in den bisherigen Untersuchungen geschehen48 – nicht auf die klassische Organtrias beschränken, weil damit vorausgesetzt wird, dass die dort anzutreffenden Merkmale verallgemeinerungsfähig sind. Das wiederum ist keineswegs selbstverständlich, wie ein Blick auf die fortan im Zentrum des Interesses stehende Frage nach der Verpflichtung auf das Verbandsinteresse zeigt. Unstreitig sind zwar alle Mitglieder der Leitungs- und Aufsichtsorgane gehalten, ihre Tätigkeit unter Zurückstellung persönlicher oder partikularer Präferenzen hieran
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So Müller/Wolff, NZG 2003, 751, 752; Semrau, Dritteinflussnahme, S. 52. Semrau, Dritteinflussnahme, S. 114 f. mit dem weiteren Hinweis, dass die Existenz des Organs personenunabhängig sei und dieses seine Aufgaben mittels geborener oder gekorener Organwalter erfülle. 47 Soeben unter A. 48 Vgl. nochmals die Nachweise in Fn. 45. 46
C. Unterscheidung von Organ und Organwalter
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auszurichten49. Den Verfechtern eines formellen Organverständnisses zufolge wird damit aber nur den Anforderungen des Normalfalls Rechnung getragen, nicht dagegen eine zwingende Grenze der Gestaltungsfreiheit benannt 50 . Mithin könnte der Satzungsgeber im Hinblick auf fakultativ zu schaffende Organe durchaus von dieser Vorgabe abweichen, ohne sich zugleich mit dem Organbegriff in Widerspruch zu setzen. Einzubeziehen in die Untersuchung sind daher möglichst viele Zweifels- und Grenzfälle der als Organ in Betracht kommenden Einrichtungen des Verbandslebens. Voraussetzungslos ist das allerdings nicht möglich. Zur Strukturierung und Lenkung der Erörterungen bedarf es vielmehr einer zumindest annäherungsweisen Umschreibung dessen, was ein Verbandsorgan auszeichnet, einschließlich der Benennung noch bestehender Unschärfen. Erforderlich ist mithin ein gewisses „Vorverständnis“, gemeint nicht im trivialen Sinne einer Befangenheit in unbegründeten Vorurteilen, sondern im hermeneutischen Sinne eines vorläufigen Verständnisses, welches den Verstehensprozess überhaupt erst in Gang setzt und weiter treibt 51. Das Verstehen vollzieht sich nämlich nicht linear, sondern – und hierfür hat sich das anschauliche Bild des „hermeneutischen Zirkels“ durchgesetzt – in kreisenden Bewegungen 52 . In Anlehnung an diese Einsichten orientiert sich daher auch die folgende Darstellung am Vorbild eines „Kreisganges“53 , der in allgemeinen Überlegungen seinen Ausgang nimmt und dorthin nach einer Erörterung zahlreicher Einzelfälle wieder zurückkehrt.
C. Unterscheidung von Organ und Organwalter I. Der berechtigte Siegeszug der Lehre von Hans J. Wolff Die erste zentrale terminologische Weichenstellung auf dem Weg zu einem reflektierten Organverständnis liegt in der Unterscheidung zwischen Organ und Organwalter, welche sich im Anschluss an Überlegungen von Otto v. Gierke 54 erstmals in der bahnbrechenden Arbeit von Hans J. Wolff über „Organschaft 49
Dies gilt insbesondere auch für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, s. Ulmer/ Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, § 25 MitbestG Rdn. 93; GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rdn. 148; vgl. zu den von einer öffentlichen Körperschaft entsandten Mitgliedern BGHZ 36, 296, 306 f.; Schön, ZGR 1996, 429, 448 ff.; MünchKommAktG/Semler, § 101 Rdn. 132. 50 Charakteristisch Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 162. 51 Dazu im juristischen Zusammenhang nach wie vor grundlegend, wenn auch mit im Einzelnen zweifelhaften Schlussfolgerungen Esser, Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfi ndung, passim; vollauf zutreffend sodann Larenz, Methodenlehre, S. 211. 52 Grundlegend Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 270 ff., 296 ff.; im juristischen Zusammenhang Larenz, Methodenlehre, S. 206 ff. 53 Grundlegend v. Weizsäcker, Zeit und Wissen, S. 30 f.; im juristischen Zusammenhang rezipiert von Petersen, Gläubigerschutz im Umwandlungsrecht, S. 22 ff. 54 V. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. I, § 65 I (S. 498).
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§ 3 Der institutionell-funktionelle Organbegriff
und juristische Person“ näher ausgeführt findet 55 . Im Ausgangspunkt hatte Wolff einen Bruch innerhalb der seinerzeit geläufigen Definitionen zu konstatieren. Zum einen wurde unter dem Organ eine personenunabhängige Einrichtung der juristischen Person verstanden, ein gedankliches Zurechnungssubjekt, dem bestimmte Aufgaben zugeordnet sind. Danach wären etwa Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung Organe der AG, nicht aber das einzelne Mitglied des Vorstands oder Aufsichtsrats. Nach der anderen – im Zivilrecht 56 bis heute prominent vertretenen Ansicht 57 – sind Organ auch diejenigen meist natürlichen 58 Personen, deren (einzelnes oder gemeinschaftliches) Handeln der juristischen Person unmittelbar zugerechnet wird. Organ wäre damit auch das einzelne Mitglied des Vorstands oder Aufsichtsrats. Das angesprochene Nebeneinander findet sich auch in Art. 2 Abs. 1 lit. d) der Publizitätsrichtlinie 59 , dem zufolge die Bestellung, das Ausscheiden sowie die Personalien derjenigen offen zu legen sind, die als gesetzlich vorgesehenes Gesellschaftsorgan oder Mitglieder eines solchen Organs zu bestimmten Handlungen befugt sind. Als Organ wird dabei sowohl die abstrakte Verbandsinstitution angesprochen, deren Mitglied die natürliche Person ist, als auch – offenkundig bezogen auf Organe mit nur einem Funktionsträger – die amtsführende natürliche Person selbst. Das bleibende Verdienst von Wolff ist es nun, darauf hingewiesen zu haben, dass beide Begriffe berechtigt sind und beide in der Jurisprudenz ihren Wert haben, dass es aber praktisch unmöglich ist, zwei verschiedene Sachverhalte mit demselben Wort zu bezeichnen. Er stellt deshalb im Weiteren der Institution Organ den Organwalter als diejenige (meist) natürliche Person gegenüber, die dessen Kompetenzen wahrnimmt 60 . Dem ist im Einklang mit der heute auch im Zivilrecht herrschenden Meinung zu folgen61. Andernfalls müsste man dem 55 Wolff, Organschaft, Bd. 2, S. 224 ff.; sodann Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Bd. 2, § 74 I f (S. 48 f.); eingehend gewürdigt von Böckenförde, FS Wolff, S. 269 ff. 56 Im öffentlichen Recht hat sich der hier zu entwickelnde institutionell-normative Organbegriff dagegen heute allgemein durchgesetzt, vgl. dazu die Nachweise in Fn. 67. 57 Flume, Juristische Person, § 11 I (S. 377 Fn. 3) unter ausdrücklicher Abgrenzung gegen die Lehre von Wolff; v. Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 32 II (S. 460); Soergel/Hadding, BGB, § 26 Rdn. 3; Baltzer, Beschluss, S. 29; Koenen, Zurechnung von Organverhalten, S. 20; Heidel/Oltmanns, AktG, § 76 Rdn. 11; wohlwollend MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 76 Rdn. 11; offen gelassen von Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 3 f.; vgl. auch BGHZ 156, 310, 316; BGH ZIP 2005, 348, 350; KölnKommAktG/Mertens, § 76 Rdn. 60. 58 Näher zur Frage, ob auch juristische Personen Mitglied von Organen sein können, s. § 10 B. 59 Abgedruckt bei Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, § 5 Rdn. 58. 60 Wolff, Organschaft, Bd. 2, S. 228. 61 BGHZ 160, 385, 390; BGHZ 109, 327, 331; Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1307; Beuthien, FS Zöllner, Bd. I, S. 87, 97 f.; Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 468 ff.; Westermann, Vertragsfreiheit, S. 150; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 III 1b (S. 415); Fleischer, NJW 2006, 3239, 3243; GroßKommAktG/Kort, § 76 Rdn. 19 f.; Kleindiek, Deliktshaftung, S. 178; Schöpfl in, Der nichtrechtsfähige Verein, S. 16.
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einzelnen Amtswalter nämlich die Kompetenz zur Leitung oder Kontrolle der Gesellschaft persönlich zuordnen, was wiederum zur Folge hätte, dass mit seinem Ausscheiden die bislang von ihm wahrgenommenen Aufgaben neu verteilt werden müssten62 . All diese Implikationen lassen sich mit dem Desiderat Kontinuität gewährleistender verbandlicher Organisationsstrukturen kaum in Einklang bringen. Im Übrigen findet sich die Unterscheidung zwischen Organ und Organwalter auch in den gesellschaftsrechtlichen Organisationsgesetzen wieder. So grenzt etwa § 31 BGB – und auf ähnliche Weise etwa auch §§ 76 und 95 AktG – sehr deutlich vom „Vorstand“ die einzelnen „Mitglieder des Vorstands“ ab 63 .
II. Das Organ als verbandsinterner „Zuständigkeitskomplex“ Die mit der Unterscheidung zwischen Organ und Organwalter einhergehende Abstraktion des Organverständnisses von den beteiligten natürlichen Personen öffnet den Blick dafür, dass das Organ nichts anderes ist als eine verkürzte Sprechweise für einen bestimmten Ausschnitt aus der Organisationsverfassung. So konnte bereits Wolff in seiner grundlegenden Schrift über „Organschaft und juristische Person“ hervorheben, das Organ sei ein durch die Organisation objektiv eingeräumter, durch seine Bezogenheit auf ein oder mehrere organisatorisch verbundene Pflichtsubjekte (die Organwalter) geeinter, aber unter Abstraktion von deren Individualität bestimmter Komplex von Berechtigungen und Verpflichtungen64 . Etwas eingängiger formulierte er später in seinem Lehrbuch zum Verwaltungsrecht, ein Organ sei ein durch organisierenden Rechtssatz gebildetes, selbständiges institutionelles Subjekt von transitorischen Zuständigkeiten zur funktionellen Wahrnehmung von Aufgaben einer (teil-) rechtsfähigen Organisation 65 , oder noch kürzer: ein durch Organisation begründeter, subjektivierter Zuständigkeitskomplex 66 . Die damit begründete Lehre vom institutionell-funktionellen Organbegriff hat sich im Schrifttum
62 In diesem Sinne W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, S. 22. Beuthien, NJW 1999, 1142, 1144 weist zudem darauf hin, dass das Organ kompetenz- und funktionslos wäre, würde man die Organbefugnisse nicht beim Organ selbst ansiedeln. 63 In diesem Sinne auch Semrau, Dritteinflussnahme, S. 46; Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 469 Fn. 49.; Steinbeck, Überwachungspfl icht, S. 21; Bauer, Organklagen, S. 52. – Wenig präzise ist dagegen § 78 Abs. 1 S. 2 AktG in der geplanten Neufassung durch das MoMiG (BR-Drucks. 354/07) formuliert, dem zufolge die AG für den Fall, dass ihr gegenüber Willenserklärungen abgegeben werden, durch den Aufsichtsrat vertreten wird, wenn sie keinen Vorstand hat (Führungslosigkeit). 64 Wolff, Organschaft, Bd. 2, S. 236. 65 Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Bd. 2, § 74 I f (S. 48). 66 Wolff, Organschaft, Bd. 2, S. 236; in der Sache übereinstimmend Baltzer, Beschluss, S. 29, der von einem „Komplex von Aufgaben und Macht“ spricht.
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§ 3 Der institutionell-funktionelle Organbegriff
zum Öffentlichen Recht alsbald allgemein durchgesetzt 67, während sie von den Zivilisten lange ignoriert wurde und erst in jüngerer Zeit gewisse Resonanz gefunden hat 68 . Das Organ weist zunächst insofern einen institutionellen Charakter auf, als es sich um eine dem Rechtsträger zwar eingegliederte, aber organisatorisch selbständige Einrichtung handelt. Diese ist als ein integraler Bestandteil der Verbandsverfassung im Gesetz und Statut der Gesellschaft vorgeformt und entsteht deshalb mit deren Gründung69. Sie existiert auch im weiteren Verlauf unabhängig vom Wechsel ihrer Inhaber, der Organwalter oder Organmitglieder, und überdauert auch Zeiten, in denen sie gänzlich unbesetzt ist 70 . Ertrinken etwa alle Aufsichtsratsmitglieder bei einem gemeinsamen Bootsausausflug, so hat die AG dennoch einen Aufsichtsrat, der nur mit neuen Organmitgliedern wieder zu besetzen ist. Neben die institutionelle tritt die funktionelle Komponente des Organbegriffs. Das Organ hat innerhalb der Organisation bestimmte Aufgaben wahrzunehmen und somit eine dienende Funktion. Im öffentlich-rechtlichen Schrifttum wird in diesem Zusammenhang stets hervorgehoben, die Zuständigkeiten des Organs seien keine Eigen-, sondern Fremdzuständigkeiten 71. Während der Verwaltungsträger als juristische Person der eigentliche Adressat von berechtigenden oder verpflichtenden Rechtssätzen des Außenrechts sei, nehme das Organ seine Zuständigkeiten lediglich vermittelnd für den Verwaltungsträger wahr. Im Anschluss an Wolff spricht man deshalb von transitorischer Wahrnehmungszuständigkeit 72 . Diese Konzeption ist aus zivilrechtlicher Sicht mit einem Vorbehalt und einer Ergänzung zu versehen. Besonders anschaulich ist die genannte Redeweise nämlich vor allem dort, wo es um verwaltungsrechtliches Tätigwerden im Außenverhältnis geht. So nimmt der Regierungspräsident, der einen Verwaltungsakt erlässt, hierfür die Verbandszuständigkeit desjenigen Bundeslandes in Anspruch, dessen Organ er ist; im Gegenzug sind sodann die durch diesen Rechts67
Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rdn. 22 ff.; W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, S. 27 ff.; Erichsen, FS Menger, S. 211, 215; Rupp, Grundfragen, S. 24; Schreiber, BayVBl 2000, 129, 133 f.; Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 3, § 83 Rdn. 134. 68 Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 468; Schöpfl in, Der nichtrechtsfähige Verein, S. 16; Burgard, Gestaltungsfreiheit, S. 220; vgl. auch Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rdn. 52. 69 Vgl. Beuthien, FS Zöllner, Bd. I, S. 87, 98; dens., NJW 1999, 1142, 1144. 70 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 III 1a (S. 415); Ulmer/Raiser/Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 27. 71 Vgl. W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, S. 27; Schreiber, BayVBl 2000, 129, 133. 72 Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Bd. 2, § 74 I f 8 (S. 51); zustimmend etwa Fleischer, NJW 2006, 3239, 3243; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rdn. 24; Rupp, Grundfragen, S. 87 ff.; Erichsen, FS Menger, S. 211, 215.
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akt begründeten Rechte und Pflichten unmittelbar diesem Bundesland zuzurechnen. Nun vollzieht sich der Zurechnungsmechanismus bei privatrechtlichen Verbänden im Grundsatz selbstverständlich nicht anders, die Vorstellung transitorisch wahrgenommener Außenzuständigkeiten jedoch passt dort nicht so recht. Im Übrigen gerät die Konzeption von der transitorischen Wahrnehmung von Kompetenzen im Innenbereich des Verbandes an ihre Grenzen 73 . Wie schon hervorgehoben, stehen die Organe insoweit nämlich in Rechtsbeziehungen zueinander und sich damit als selbständige Einheiten gegenüber. Insgesamt ist es daher vorzugswürdig zu formulieren, dass die Eigenschaft als Organ die Übernahme von Funktionen innerhalb des Verbandes voraussetzt 74 .
III. Mechanismus doppelter Zurechnung Die Unterscheidung von Organ und Organwalter erlaubt weiterhin eine genauere Analyse des bei der Herstellung der Willens- und Handlungsfähigkeit rechtsfähiger Verbände wirkenden Zurechnungsmechanismus. Nur im Ergebnis werden nämlich Kenntnisse, Handlungen und sonstige tatsächliche Zustände, die in der Person des Organwalters vorliegen, dem Verband zugerechnet. Entgegen der Ansicht derjenigen, die auch die konkret handelnden natürlichen Personen als Organ ansehen 75 , vollzieht sich dieser Vorgang jedoch nicht unmittelbar 76 , sondern im Wege doppelter Zurechnung 77. Zunächst gilt das Handeln des einzelnen Organmitglieds oder der gemeinschaftlich handelnden Organmitglieder als ein solches der abstrakten Verbandsinstitution Organ 78 . Erst in einem zweiten Schritt erfolgt dann eine Zuordnung an den Verband selbst. Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn Organ und Organwalter im praktischen Ergebnis deshalb zusammenfallen, weil es sich um ein EinpersonenOrgan handelt, dessen Besetzung mit einer bestimmten Person in der Satzung
73 Vgl. Böckenförde, FS Wolff, S. 269, 277; Bork, ZGR 1989, 1, 14 f.; Jacoby, Das private Amt, S. 158 f. 74 Zutreffend Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 468; zustimmend Müller/Wolff, NZG 2003, 751, 752; Schöpfl in, Der nichtrechtsfähige Verein, S. 16; s. daneben Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 159. 75 Vgl. die Nachweise in Fn. 57. 76 So aber dezidiert KölnKommAktG/Mertens, § 76 Rdn. 60; Baltzer, Beschluss, S. 30. 77 So zutreffend BGHZ 109, 327, 331; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 (S. 293); GroßKommAktG/Kort, § 76 Rdn. 20; Mülbert/Gramse, WM 2002, 2085 f.; Frels, ZHR 122 (1959), 173, 181; Wolff, Organschaft, Bd. 2, S. 242 f.; Jacoby, Das private Amt, S. 212; W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, S. 24; Schuld, Organschaftliche Beschlusszurechnung, S. 88. 78 Nicht dagegen der Gesamtheit der Organmitglieder, insofern richtig KölnKommAktG/ Mertens, § 76 Rdn. 60.
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§ 3 Der institutionell-funktionelle Organbegriff
der Gesellschaft selbst geregelt ist 79. Auch für diesen Sonderfall besteht kein Anlass, von dem Mechanismus doppelter Zurechnung abzuweichen. Die Kompetenzen in Angelegenheiten des Verbandes sind dabei allein dem Organ zugewiesen, während dem einzelnen Organwalter im Gegenzug die Rechte und Pflichten aus seiner organmitgliedschaftlichen Stellung zukommen. Auf das Beispiel des Vorstands der AG gemünzt bedeutet dies: Geschäftsführungsbefugt ist allein der Vorstand; die einzelnen Mitglieder des mehrköpfigen Vorstands, die gemäß § 77 Abs. 1 AktG vorbehaltlich anderer Regelung nur gemeinschaftlich zur Geschäftsführung befugt sind80 , haben demgegenüber kein, entgegen dem insofern etwas missverständlichen Wortlaut des Gesetzes auch kein anteiliges Recht zur Geschäftsführung, sondern allein das organmitgliedschaftliche Recht und die damit korrespondierende Pfl icht, an der den Geschäftsführungsmaßnahmen vorausgehenden Willensbildung durch Teilnahme an den entsprechenden Beschlussfassungen mitzuwirken81.
IV. Geltung der Unterscheidung auch bei Personengesellschaften Neben denjenigen Stimmen, die der Unterscheidung zwischen Organ und Organwalter überhaupt nicht folgen wollen82 , findet sich im Schrifttum auch eine differenzierende Ansicht83 . Ihr zufolge rühren die Schwierigkeiten mit dem Organbegriff daher, dass bisher zu sehr pauschaliert und nicht – wie sachlich geboten – zwischen einem eingliedrigen und einem zweigliedrigen Organbegriff unterschieden wurde. Die Auffächerung in eine abstrakte Verbandsorganisation „Organ“ einerseits und die konkret agierende Person „Organwalter“ andererseits und somit der zweigliedrige Organbegriff sei nur im Hinblick auf Verein, AG, GmbH und Genossenschaft sachgerecht. Für das Geschäftsführungsund Vertretungsorgan der Personengesellschaften und der KGaA gelte hingegen der eingliedrige Organbegriff. Dort passe nämlich die Zweiteilung in Organ und Organwalter nicht, vielmehr seien die organschaftlichen Kompetenzen unmittelbar bestimmten oder auch allen Gesellschaftern zugeordnet. Infolgedessen sei das Handeln des Gesellschafters der Gesellschaft ohne weiteren gedank-
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Für die Beibehaltung der begriffl ichen Trennung von Organ und Organwalter auch in diesem Fall mit Nachdruck Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1307; s. daneben Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Bd. 2, § 74 I f 6 (S. 50 f.). 80 In der Praxis wird jedoch davon zumeist abgewichen, s. nur MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 77 Rdn. 5; GroßKommAktG/Kort, § 77 Rdn. 7. 81 Ebenso im Hinblick auf die parallele Formulierung in § 78 Abs. 2 bis 4 AktG Beuthien, FS Zöllner, Bd. I, S. 87, 98 Fn. 50 und ders., NJW 1999, 1142, 1144 Fn. 23. 82 S. dazu oben C I. mit Nachweisen in Fn. 57. 83 S. zum Folgenden ausführlich Bergmann, Fremdorganschaft, S. 62 ff.; daneben Schöpflin, Nichtrechtsfähiger Verein, S. 16 f.
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lichen Zwischenschritt zuzurechnen84 . Strukturell korrespondiere die Differenzierung zwischen dem eingliedrigen und dem zweigliedrigen Organbegriff mit der zwischen Selbstorganschaft und Fremdorganschaft. Während die Zuweisung organschaftlicher Befugnisse direkt an die Gesellschafter kennzeichnend sei für das Prinzip originärer Mitgliederselbstverwaltung, begegne die Zwischenschaltung von abstrakten Organen allein bei fremdorganschaftlich organisierten Verbandsformen85 . Eine Stellungnahme zu diesen Thesen hat in methodischer Hinsicht davon auszugehen, dass im Sinne einer Institutionenbildung im Gesellschaftsrecht 86 ein einheitlicher verbandsrechtlicher Organbegriff vorzugswürdig und die vorgeschlagene Zweiteilung nur dann zu favorisieren wäre, wenn das aus zwingenden sachlichen Gründen erforderlich ist. Weiterhin ist selbstverständlich die Tragweite der Unterschiede zwischen dem selbstorganschaftlichen und dem fremdorganschaftlichen Organisationsprinzip nicht zu negieren, vielmehr zuzugestehen, dass die Gegenüberstellung von Organ und Organwalter dort besonders einleuchtet, wo Gesetz und Satzung zunächst nur eine abstrakte Handlungsorganisation bestimmen und die konkret handelnde natürliche Person gesondert durch Bestellungsakt in ihr Amt berufen wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Organwalter verbandsfremder Dritter sein darf oder – wie es § 9 Abs. 2 S. 1 GenG für den Vorstand und Aufsichtsrat der Genossenschaft vorschreibt – ein Verbandsmitglied sein muss. Versteht man unter Selbstorganschaft lediglich die Verknüpfung der Organstellung mit der Mitgliedschaft im Verband87, findet sich dieses Organisationsmodell durchaus nicht nur bei den Personengesellschaften88 . Bei diesen bedeutet Selbstorganschaft dagegen mehr als das zwingende Verbot der Organstellung von gesellschaftsfremden Dritten 89. Es besagt nämlich zunächst und zuvörderst, dass die Organe nicht erst wie bei einer Körperschaft besetzt werden müssen, sondern mit dem Entstehen der Gesellschaft ipso iure vorhanden sind90 . Bestimmten oder allen Gesellschaftern steht nämlich das or84
Bergmann, Fremdorganschaft, S. 72; vgl. auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 8 III 2 (S. 719): Organ ist jeder mit – integrierter – Vertretungsbefugnis ausgestatteter Geschäftsführer; Nitschke, Personengesellschaft, S. 98: Kompetenzen könnten in der Weise verteilt werden, dass sie konkret bestimmten Gesellschaftern zugeordnet sind. Daneben sei aber auch nach dem Verbild des Körperschaftsrechts eine abstrakte Bestimmung des Organträgers möglich; nur dann sei zwischen den Organen und den Organpersonen zu unterscheiden. 85 Bergmann, Fremdorganschaft, S. 69 ff. 86 Allgemein zu diesem Ansatz K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 3 III 2 (S. 53). 87 Vgl. etwa Grunewald, Gesellschaftsrecht, Rdn. 1 B 21; Werra, Selbstorganschaft, S. 18. 88 Auch von Selbstorganschaft spricht daher hinsichtlich der Genossenschaft Beuthien, GenG, § 9 Rdn. 4; aA Bergmann, Fremdorganschaft, S. 70 f.; Jacoby, Das private Amt, S. 168. 89 Vgl. aus der lebhaften Diskussion einstweilen Westermann, FS Lutter, S. 955 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 II 2b (S. 333 ff.); eingehend unten § 10 C. 90 So zutreffend K. Schmidt, GS Knobbe-Keuk, S. 307, 310 f.; ders., Gesellschaftsrecht, § 14 II 2a (S. 410); zustimmend Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 75; Staub/Habersack, HGB, § 125
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§ 3 Der institutionell-funktionelle Organbegriff
ganschaftliche Geschäftsführungs- oder Vertretungsrecht als mitgliedschaftliches Pflichtrecht zu, ohne dass es hierfür eines gesonderten Bestellungsaktes bedürfte. Diese Eigentümlichkeit steht der Anwendung eines zweigliedrigen Organbegriffs indessen nicht entgegen, lässt sich doch die Zuordnung von Aufgaben an Verbandsmitglieder gedanklich ohne weiteres auffächern in eine Zuweisung an eine unbenannte Einrichtung als Geschäftsführungs- bzw. Vertretungsorgan und die gleichzeitige Besetzung dieser Einrichtung mit Gesellschaftern als geborenen Organwaltern91. Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, eine solche Konstruktion sei zwar theoretisch möglich, aber unnötig kompliziert und deshalb abzulehnen. Denn bei näherem Hinsehen erweist sie sich auch in der Sache als allein zutreffend. Im Fall der Gesamtgeschäftsführung, die für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach § 709 BGB die Regel und für die Personenhandelsgesellschaften nach § 115 HGB immerhin eine gesellschaftsvertragliche Option darstellt, kann nämlich dem einzelnen Gesellschafter das organschaftliche Geschäftsführungsrecht als solches weder in Gänze noch zu einem bestimmten Teil zustehen. Vielmehr hat der einzelne Gesellschafter nur das (organ-)mitgliedschaftliche Recht und die damit korrespondierende Pflicht, bei der organschaftlichen Willensbildung mitzuwirken92 . Da aber aus systematischen Gründen auch für die Einzelgeschäftsführung nichts anderes gelten kann, hat es dabei zu bewenden, dass die geschäftsführungsbefugten Gesellschafter in ihrer Gesamtheit das (unbenannte) Geschäftsführungsorgan der Personengesellschaften und der KGaA bilden93 und als geborene Mitglieder dieses notwendigen Organs Entscheidungen treffen, die in einer zweistufigen Zurechnung zum rechtlich maßgeblichen Willen der Gesellschaft gerinnen94 . Die These vom eingliedrigen Organbegriff ist somit abzulehnen.
D. Die institutionelle Komponente des Organbegriffs I. „Eingliederung“ in die Verbandsorganisation Wird das Organ durch ein institutionelles und ein funktionelles Merkmal bestimmt, so bietet es sich an, die weitere Charakterisierung entsprechend zu glieRdn. 6. Aus diesem Grund ist bei einer werbenden Personengesellschaft kein Raum für die Bestellung eines Notvertreters nach § 29 BGB, s. nur BGHZ 51, 198, 200; Baumbach/Hopt, HGB, § 125 Rdn. 15; Soergel/Hadding, BGB, § 29 Rdn. 3. 91 So auch Semrau, Dritteinflussnahme, S. 95 f.; vgl. auch Staub/Ulmer, HGB, § 109 Rdn. 46, der den auch hier verwendeten allgemeinen verbandsrechtlichen Organbegriff im Kontext der OHG entfaltet. 92 AA Bergmann, Fremdorganschaft, S. 72. 93 Vgl. MünchKommAktG/Semler/Perlitt, § 278 Rdn. 48. 94 So auch Mülbert/Gramse, WM 2002, 2085 f.
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dern und dabei mit ersterem Aspekt zu beginnen. Insofern kann als Essenz des bisher Gesagten festgehalten werden, dass es sich beim Organ um einen selbständigen Zuständigkeits- oder besser Funktionskomplex innerhalb des Verbandes handelt. Der Sache nach nichts anderes will auch die Rechtsprechung des BGH zum Ausdruck bringen, wenn sie die Qualifizierung als Organ darauf stützt, dass die betreffende Stelle in die Organisation der Gesellschaft „eingegliedert“95 oder „eingebaut“96 sei. Damit wird in bildhafter Ausdrucksweise das Organ ebenfalls als integraler Bestandteil der Gesellschaft aufgefasst. Demgegenüber ist Reuter 97 der Auffassung, die These, ein Verbandsorgan müsse ein Mindestmaß an Einbindung in das Verbandsleben aufweisen, finde im Organbegriff keine Stütze. Schließlich käme auch im Staatsrecht niemand auf die Idee, der Bundesversammlung die Eigenschaft als Bundesorgan abzusprechen, weil diese nur alle fünf Jahre bei der Wahl des Bundespräsidenten in Erscheinung trete. Letzteres ist zweifelsohne richtig, verdeutlicht freilich nur, dass „Eingliederung“ die Aufgabenerfüllung für den Verband als Teil seiner Organisationsverfassung meint, hingegen keine Aussage trifft über die daraus resultierende Beanspruchung der betroffenen Organwalter in zeitlicher und tatsächlicher Hinsicht98 . Offen ist damit freilich weiterhin, wann eine so weitgehende Einbindung in das verbandsrechtliche Organisationsgefüge vorliegt, dass von einer Eingliederung in und ein Tätigwerden für den Verband gesprochen werden kann. Entsprechend dem hier zugrunde gelegten Untersuchungskonzept ist darauf im jeweiligen Sachzusammenhang zurückzukommen.
II. Schaffung durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung Bereits mit der Gründung verfügt jeder Verband über die für sein Funktionieren unabdingbaren Organe. Daneben haben die Verbandsmitglieder die Möglichkeit, in Gesellschaftsvertrag oder Satzung die Organisationsverfassung abzuändern und weitere fakultative Organe zu schaffen, sofern sie damit nicht die Grenzen ihrer privatautonomen Gestaltungsbefugnis überschreiten (dazu sogleich unter 1.). Stets jedoch bedarf es eines auf die Abänderung der Verbandsverfassung abzielenden Organisationsaktes99 , weshalb lediglich kraft schuld95
BGHZ 16, 17, 25; ganz ähnlich BGHZ 135, 48, 52. BGHZ 43, 261, 263. 97 Reuter, FS 100 Jahre GmbHG, S. 631, 634 und ders., in: MünchKommBGB, § 27 Rdn. 17 freilich nicht unter Bezugnahme auf die angeführten Entscheidungen des BGH, sondern auf Teubner, ZGR 1986, 565, 568 und Ulmer, FS Werner, S. 911, 917, 923 und damit auf das Problem satzungsmäßiger Mitverwaltungsrechte gesellschaftsfremder Dritter, s. dazu § 6 B; vgl. daneben Bergmann, Fremdorganschaft, S. 81. 98 Zutreffend Mai, Abschlussprüfer, S. 205. 99 Im öffentlichen Recht spricht man von einer Einführung durch „organisierenden Rechtssatz“, so Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Bd. 2, § 74 I f 3 (S. 50), oder „Organisationsakt“, so W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, S. 33. 96
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rechtlicher Vereinbarung geschaffenen Gremien niemals Organqualität zukommen kann (dazu unter 2.). 1. Einführung fakultativer Organe Nach ganz herrschender und zutreffender Auffassung ist die Bildung zusätzlicher freiwilliger Organe jedenfalls in den Personengesellschaften100 , dem Verein101 und der GmbH102 zulässig. Zur Rechtfertigung wird zuvörderst auf den Grundsatz der Gestaltungsfreiheit verwiesen, der in den §§ 32 Abs. 1 BGB, 109 HGB und 45 GmbHG seinen Ausdruck gefunden habe. Demnach bleibt es im Grundsatz den Verbandsmitgliedern überlassen, die interne Organisationsstruktur festzulegen und dafür nicht nur die vom Gesetz bereitgestellten Organe zu nutzen, sondern weitere Organe einzurichten und die Kompetenzordnung abweichend vom gesetzlichen Regelmodell auszugestalten. Was speziell die GmbH angeht, so lässt sich dieses Urteil zusätzlich auf die §§ 52 und 82 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG103 stützen. Letztere Strafvorschrift spricht nämlich neben den Mitgliedern des Aufsichtsrats auch solche eines „ähnlichen Organs“ an. Die Vorschrift des § 52 GmbHG betreffend den fakultativen Aufsichtsrat wiederum setzt ihrem Wortlaut nach die Möglichkeit voraus, fakultative Organe zu schaffen, und erklärt nur auf eine bestimmte Form – nämlich den besagten Aufsichtsrat – die aktienrechtlichen Regeln für teilweise anwendbar. a) Gestaltungsfreiheit der Verbandsmitglieder Die damit postulierte Gestaltungsfreiheit ist nun nicht grenzenlos. Selbstverständlich kann ein fakultatives Organ dort nicht tätig werden, wo das Gesetz einzelne Aufgaben zwingend einem bestimmten Organ zuweist. Angesichts des Grundsatzes der Satzungsstrenge ist daher im Hinblick auf die AG und Genossenschaft fraglich, ob überhaupt weitere Gremien mit organschaftlicher Funktion installiert werden können. Darauf ist alsbald zurückzukommen104 . Auf einer dem vorgelagerten Ebene stellt indessen Reuter 105 das Vorliegen privatautonomer Gestaltungsbefugnis in diesem Zusammenhang gänzlich in Fra100 Vgl. nur Staub/Ulmer, HGB, § 109 Rdn. 54; MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 259; Voormann, Beirat, S. 12 ff.; Erman/Westermann, BGB, Vor § 705 Rdn. 23; Wiedemann, FS Schilling, S. 105, 108. 101 Flume, Juristische Person, § 7 I (S. 190 ff.); Soergel/Hadding, BGB, § 30 Rdn. 1. 102 RGZ 137, 305, 308; BGHZ 43, 261; Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 45 Rdn. 14; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 45 Rdn. 17; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 52 Rdn. 48; eingehend Müller/Wolff, NZG 2003, 751 f.; umfassende Nachweise finden sich bei Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 30 f. 103 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 52 Rdn. 62; Ulmer/Raiser/Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 326. 104 Sogleich unten b). 105 Reuter, FS 100 Jahre GmbHG, S. 631, 632 ff.; im Ansatz schon ders., FS Steindorff, S. 229, 230.
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ge. Wie das Beispiel der unzulässigen Vollmacht mit verdrängender Wirkung zeige, befähige die Privatautonomie keineswegs dazu, andere mit verdrängender Wirkung zum Handeln im eigenen Rechtskreis auszustatten. Da aber Organe Funktionsträger mit ausschließlicher (=verdrängender) Zuständigkeit seien, bedürfte ihre Einrichtung stets einer gesetzlichen Ermächtigung106 . Als solche sei für das Recht der GmbH nur § 52 GmbHG zu verzeichnen, so dass neben den gesetzlich vorgesehenen Organen lediglich ein weiteres fakultatives Organ vorgesehen werden könne. Sonstige Gremien blieben dagegen auf die vertretungsweise Ausübung von Gesellschafterrechten beschränkt107. Schon der Ausgangspunkt der genannten Überlegungen ist indessen nicht frei von Zweifeln. Ganz in den Mittelpunkt gestellt wird dabei die Privatautonomie der GmbH-Gesellschafter, die bei der Verteilung gesellschaftsinterner Aufgaben nicht weiter reichen könne als nach allgemeinem Zivilrecht108 . Dort aber sei eine verdrängende Ermächtigung eines anderen gerade nicht zulässig. Nun ist allerdings die Preisgabe eigener Handlungsfähigkeit durch eine natürliche oder juristische Person zugunsten eines außenstehenden Dritten nicht ohne weiteres vergleichbar mit der hier in Rede stehenden Modifi kation der gesellschaftsinternen Organisationsverfassung. Aus einer rein rechtstechnischen Perspektive geht es nämlich gar nicht um die Willensbildung der Gesellschafter, sondern um diejenige der Gesellschaft selbst109. Da aber die Gesellschafter einer GmbH im Sinne einer grundsätzlichen Allzuständigkeit und nur vorbehaltlich zwingender gesetzlicher Regeln jede Gesellschaftsangelegenheit an sich ziehen können110 , kann man bei materieller Betrachtung doch von einer 106
Reuter, FS 100 Jahre GmbHG, S. 631, 633 f. Daraus folgert Reuter, FS 100 Jahre GmbHG, S. 631, 632 f., dass auch Mitglieder von Organen ohne Kontrollfunktion der Publizitätspfl icht des § 52 Abs. 2 GmbHG unterlägen. Sowohl Art. 2 Abs. 1 lit. d) der Publizitätsrichtlinie wie auch die teleologische Folgerichtigkeit verlangten, nicht nur kontrollierende, sondern erst recht aktiv gestaltende Beiratsmitglieder zu erfassen. Indes erfasst die Richtlinie nur die Organmitglieder gesetzlich vorgesehener, nicht aber freiwillig geschaffener Organe, so zutreffend Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdn. 249; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 45 Rdn. 22 aE. Im Übrigen bezieht sich die Publizität in Geschäftsführungsfragen allein auf das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die unbeschränkte Vertretungsmacht, wie der Umstand zeigt, dass die Identität der Gesellschafter, obschon sie mittels ihres Weisungsrechts Geschäftsführungsaufgaben wahrnehmen können, nicht bekanntzumachen ist. Es ist daher auch teleologisch zumindest gut vertretbar, die Publizitätspfl icht auf Aufsichtsratsmitglieder zu beschränken, da insoweit das Vertrauen in die betreffende Person im Vordergrund steht, vgl. näher dazu Müller/Wolff, NZG 2003, 751, 753 f. 108 Reuter, FS 100 Jahre GmbHG, S. 631, 634. 109 Auf der Ebene der Zweckverfolgung spiegelt sich diese Gegenüberstellung wider in der Differenzierung zwischen den (nicht maßgeblichen) gleichgerichteten Interessen der Gesellschafter und der rechtlich relevanten Ausrichtung am überindividuellen Verbandszweck, s. dazu MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 148; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 II 1 a (S. 61). 110 Vgl. dazu Goette, GmbH, § 7 Rdn. 2; Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 45 Rdn. 15. 107
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Preisgabe von Autonomie sprechen111. Maßgeblich kommt es daher darauf an, ob die Kompetenzverlagerung auf ein fakultatives Organ der Einräumung einer verdrängenden Vollmacht im Hinblick auf die maßgeblichen Schutzzweckerwägungen gleich steht. Entscheidend für das im Ergebnis nahezu durchweg112 anerkannte Verbot verdrängender Vollmachten ist nach bisweilen vertretener Auffassung der Aspekt unzulässiger Selbstentmündigung113 . Unterstellt, das wäre der ausschlaggebende Gesichtspunkt, dann müsste, übertragen auf die Frage der Schaffung weiterer Organe, eine Kompetenzübertragung aber als schlechthin unzulässig einzustufen sein; mit anderen Worten könnte dann auch eine Blankettermächtigung nach Art des § 52 GmbHG kein anderes Ergebnis rechtfertigen. Das will aber auch Reuter nicht. Die ganz herrschende Meinung dagegen verortet das Verbot verdrängender Vollmachten zu Recht bei § 137 BGB und dem dort aufgestellten numerus clausus der Formen der Zuordnung von Rechtsgütern114 . Aus Gründen des Verkehrsschutzes ist demnach einer Rechtsfigur die Anerkennung zu verweigern, die von der Rechtszuständigkeit die Handlungsbefugnis abspaltet. Dieser Rechtsgedanke lässt sich jedoch schon im Ansatz nicht auf Kompetenzverlagerungen im Innenverhältnis einer juristischen Person übertragen115 . Die Ausgestaltung der Binnenstruktur betrifft außenstehende Dritte nämlich nicht in rechtlich erheblicher Weise; ihren berechtigten Interessen wird vielmehr durch den in den §§ 35, 37 GmbHG niedergelegten Grundsatz der unbeschränkten und unbeschränkbaren Vertretungsmacht des Geschäftsführers angemessen Rechnung getragen. Damit ist festzuhalten: Die aus dem Grundsatz der Privatautonomie abgeleitete Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter berechtigt diese zwar wegen des numerus clausus der Rechtsformen nicht, nach ihrem Belieben neue Verbandsformen zu kreieren116 . Was dagegen die interne Kompetenzverteilung angeht, so können sie neben den gesetzlich vorgesehenen Organen weitere fakultative Einrichtungen schaffen und so die gewählte Rechtsform flexibel ihren besonderen Bedürfnissen anpassen.
111 Zu kurz greift deshalb die nur im Ergebnis berechtigte Kritik von Müller/Wolff, NZG 2003, 751, 752. 112 Abweichend vor allem Gernhuber, JZ 1995, 381 ff.; vgl. auch Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 102. 113 So vor allem Medicus, Allgemeiner Teil, Rdn. 936. 114 Vgl. MünchKommBGB/Armbrüster, § 137 Rdn. 17; Staudinger/Kohler, BGB, § 137 Rdn. 34; Soergel/Hefermehl, BGB, § 137 Rdn. 10; eingehend Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 218 ff. 115 So zutreffend Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 310 f. 116 Vgl. dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 II 1 (S. 96 ff.); Westermann, Vertragsfreiheit, S. 118 ff.
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b) Grundsatz der Satzungsstrenge Wesentlich eingeschränkt wird die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter durch den aktienrechtlichen Grundsatz der Satzungsstrenge. Mangels ausdrücklicher Zulassung sind gemäß § 23 Abs. 5 S. 1 AktG zunächst Abweichungen von der gesetzlich vorgesehenen Organisationsstruktur verboten. Daher können fakultativen Gremien wie Beiräten oder Verwaltungsräten unstreitig nicht Zuständigkeiten übertragen werden, die das AktG den zwingend vorgeschriebenen Organen zuweist117. So darf etwa ein Beirat keinesfalls damit betraut werden, an Stelle des Aufsichtsrats die Mitglieder des Vorstands zu bestellen und mit ihnen Anstellungsverträge abzuschließen. Anders soll hingegen nach im Schrifttum verbreiteter Ansicht die Einräumung ergänzender organschaftlicher Kompetenzen in Form von zusätzlichen Kontrollfunktionen und Beratungsaufgaben zu beurteilen sein118 . Solange nur das gesondert geschaffene Gremium nicht zu einem gleichwertigen Organ aufgewertet werde oder gar die Stellung eines „Oberüberwachungsorgans“ einnehme, seien derartige fakultative Organe nicht zu beanstanden119. Indessen sind auch ergänzende Bestimmungen nach § 23 Abs. 5 S. 2 AktG nur zulässig, wenn das Gesetz keine abschließende Regelung enthält. Genau das wird man jedoch im Einklang mit der überwiegenden Meinung anzunehmen haben120 . Das Gesetz hat alle in Betracht kommenden organschaftlichen Funktionen auf die gesetzlich vorgesehenen Organe aufgeteilt und dabei für eine wohlabgewogene Gewaltenteilung gesorgt, die jedem der Organe den für erforderlich gehaltenen Gestaltungsspielraum einräumt. Angesichts dessen bedeutet jede ergänzende Einführung organschaftlicher Kompetenzträger, dass Aufgaben und Funktionen, die wahrzunehmen bereits einem Organ obliegt, kumulativ ein weiteres Mal verteilt werden. Damit geht aber eine Beeinträchtigung sowohl des nach der gesetzlichen Konzeption allein zuständigen wie auch desjenigen Organs einher, dem gegenüber Rechte begründet werden. Ein neben den Aufsichtsrat tretendes Aufsichtsgremium tangiert somit zum einen dessen 117
Allg. M., s. nur KölnKommAktG/Kraft, § 23 Rdn. 85; GroßKommAktG/Röhricht, § 23 Rdn. 190. 118 Vgl. mit im Detail erheblichen Unterschieden Baumbach/Hueck, AktG, Vor § 76 Rdn. 8; Flume, Juristische Person, § 11 II (S. 381); Jacoby, Das private Amt, S. 190; Beuthien/ Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 504; Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330 f.; MünchHdbAG/ Wiesner, § 19 Rdn. 10; Wasmann, Mitglieder von Körperschaftsorganen, S. 87 f.; Semrau, Dritteinflussnahme, S. 65 f. 119 Voormann, Beirat, S. 62 f.; Stöcker, Grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse, S. 483; noch weitergehend LG Köln AG 1976, 329, 330: Ein weiteres Aufsichtsgremium ist zulässig, wenn es die Tätigkeit des Aufsichtsrats nicht behindert. 120 MünchHdbAG/Hoffmann-Becking, § 29 Rdn. 19a; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 95 Rdn. 42, 46; Hüffer, AktG, § 95 Rdn. 4; Lippert, JuS 1978, 90, 91; Martens, AG 1982, 113, 114; KölnKommAktG/Mertens, Vor § 76 Rdn. 28; MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rdn. 161; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 III 3a (S. 418); MünchKommAktG/Semler, § 111 Rdn. 456, 467.
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Alleinstellung bei der Überwachung des Vorstands; zum anderen ist aber das Recht des Vorstands zur eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft betroffen, welches das Aktiengesetz nur unter den Vorbehalt der Grundlagenkompetenz der Hauptversammlung und der Überwachungskompetenz des Aufsichtsrats gestellt hat121. Gleiches gilt für Auskunfts- oder Anhörungsrechte. Diese können fakultativen Gremien oder deren Mitgliedern nicht eingeräumt werden, weil das Aktiengesetz solche Befugnisse den Aktionären in der Hauptversammlung sowie den Mitgliedern des Aufsichtsrats vorbehalten hat122 . Die hier vertretene, dem Satzungsgeber jede Gestaltungsbefugnis abschneidende Auffassung muss sich allerdings mit dem nahe liegenden Einwand auseinandersetzen, dass der Gesetzgeber selbst im Zusammenhang mit der Aktiengesellschaft die Existenz von Beiräten ausdrücklich anerkannt hat. In der Tat waren nach § 160 Abs. 3 Nr. 8 AktG in der Fassung bis zum Inkrafttreten des Bilanzrichtliniengesetzes123 Bezüge von Mitgliedern eines Beirats oder ähnlicher Einrichtungen im Geschäftsbericht anzugeben. Seit der Neuordnung der Rechnungslegungsvorschriften findet sich die gleiche Regelung rechtsformübergreifend für Kapitalgesellschaften in § 285 S. 1 Nr. 9 HGB, ohne dass im Hinblick auf das Aktienrecht eine Änderung der Rechtslage beabsichtigt gewesen wäre. Allerdings darf die Bedeutung der genannten Vorschriften nicht überschätzt werden. Sie gehen auf den Umstand zurück, dass viele Gesellschaften auf die mit der Aktienrechtsnovelle 1931 erstmals eingeführte Begrenzung der Zahl der Aufsichtsratsmitglieder mit einer Umwandlung der unzulässig gewordenen Aufsichtsratssitze in Beiratsposten reagiert haben124 . Da der Gesetzgeber diese Umgehung einerseits nicht hinzunehmen bereit war, andererseits aber die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit zusätzlicher Gremien nicht rundheraus bestreiten wollte, hat er sich damit begnügt, ihren Mitgliedern mittels § 109 Abs. 1 S. 1 AktG die Teilnahme an den Aufsichtsratssitzungen zu verbieten und für eine Publizität ihrer Bezüge zu sorgen125 . Somit lässt sich §§ 160 Abs. 3 Nr. 8 AktG a. F., 285 S. 1 Nr. 9 HGB nur entnehmen, dass das Aktienrecht zusätzliche Gremien nach Art eines Beirats nicht per se verbietet. Anhaltspunkte dafür, dass mit ihrer Einführung eine Modifizierung der Organisationsverfassung verbunden sein kann, finden sich hingegen keine. Daher hat es bei dem bisherigen Befund zu bewenden: Einen Beirat mit organschaftlichen Funktionen lässt das Gesetz nicht zu; möglich und von 121
Zutreffend GroßKommAktG/Kort, § 76 Rdn. 15. KölnKommAktG/Mertens, Vor § 76 Rdn. 28; MünchKommAktG/Semler, § 111 Rdn. 467. 123 Gesetz vom 19. Dezember 1985, BGBl. I, S. 2355. 124 Vgl. dazu Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rdn. 92 f. 125 Kropff, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 160 Rdn. 99; Lieder, Aufsichtsrat im Wandel, S. 378; Natzel, Quasi-Konzern, S. 183. 122
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§ 285 S. 1 Nr. 9 HGB allein gedeckt ist ein Beirat, dessen Mitglieder in rein schuldrechtlichen Beziehungen zur Gesellschaft stehen. Daran vermag auch eine Satzungsbestimmung, die einen Beirat vorsieht, nichts zu ändern. Aus ihr folgt lediglich, dass der Vorstand verpfl ichtet ist, einen solchen, nunmehr näher zu charakterisierenden schuldrechtlichen Beirat einzurichten126 . 2. Keine Organe auf schuldrechtlicher Grundlage Organe sind Wirkungseinheiten innerhalb der Verbandsverfassung und können daher nur durch Organisationsakt, also durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung, nicht aber mittels einer rein individualvertraglichen Vereinbarung installiert werden127. Das bedeutet indessen nicht, dass Gremien, die dem Verband lediglich schuldrechtlich verbunden sind, nicht zulässig wären. Vielmehr bleibt es dem Verband selbstverständlich unbenommen, mit einer Mehrzahl außenstehender Dritter gleichgerichtete Dienstleistungsverträge zu schließen und diese zu einer gemeinsamen Willensbildung innerhalb eines Gremiums zu verpflichten128 . Insbesondere zur Beratung der Geschäftsleitung oder der Gesellschafterversammlung ist ein solches ebenso wie sein durch Gesellschaftsvertrag oder Satzung eingeführtes Pendant häufig ebenfalls Beirat genanntes Gremium vielmehr bestens geeignet. Umgekehrt kann der Anreiz zur Einrichtung auch von Geschäftspartnern ausgehen, die sich etwa im Rahmen eines Darlehensvertrags in institutionalisierter Form des Einflusses auf die Geschäftsführung versichern wollen. In einem solchen Fall kann die Aufgabe des auf schuldrechtlicher Grundlage agierenden Beirats über die bloße Beratung hinausgehen und auch Abstimmungspfl ichten oder gar Zustimmungsvorbehalte umfassen129. Da somit zwei Formen von Beiräten zu unterscheiden sind, deren rechtliches Regime nach grundlegend verschiedenen Prinzipien zu beurteilen ist, hat es sich eingebürgert, dem statutarischen, organisationsrechtlichen oder „integrierten“ Beirat auf der einen Seite den lediglich schuldrechtlichen Beirat auf 126
MünchHdbAG/Hoffmann-Becking, § 29 Rdn. 19a; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 95 Rdn. 47; KölnKommAktG/Mertens, Vor § 76 Rdn. 28; Schiedermair/Kolb, in: Beck’sches Handbuch der AG, § 7 Rdn. 5; Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rdn. 94. 127 Grundlegend Wiedemann, FS Schilling, S. 105, 107; vgl. daneben Staub/Ulmer, HGB, § 109 Rdn. 54; Ulmer/Raiser/Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 316; Zöllner, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 45 Rdn. 17, 23; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 52 Rdn. 63; Voormann, Beirat, S. 53. 128 Vgl. zu den aus dem Grundsatz der Satzungsstrenge herzuleitenden Schranken unten § 15. 129 Zutreffend Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rdn. 37; Schlegelberger/Martens, HGB, § 164 Rdn. 24; Bacher, GmbHR 2005, 465; wohl auch MünchKommHGB/Grunewald, § 161 Rdn. 152; aA – nur Beratung möglich – Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 52 Rdn. 63; Ulmer/ Raiser/Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 320; MünchHdbGmbH/Marsch-Barner/Diekmann, § 49 Rdn. 1.
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der anderen Seite gegenüberzustellen130 . Ohne Verankerung in Gesellschaftsvertrag oder Satzung scheidet die Annahme eines organisationsrechtlichen Beirats, dem allein die Stellung als Organ zukommt, von vornherein aus131. Umgekehrt kann aus der Erwähnung in der Satzung aber nicht zwingend auf eine organisationsrechtliche Gestaltung geschlossen werden, weil es sich auch um einen sogenannten unechten Satzungsbestandteil handeln kann, der lediglich schuldrechtliche Wirkungen entfaltet132 . Immerhin spricht in solchen Fällen aber eine gewisse Vermutung für eine organschaftliche Konstruktion. Dass lediglich schuldrechtlichen Beiräten keine Organstellung zukommt, hat für alle Beteiligten erhebliche Auswirkungen. Was zunächst die Beiratsmitglieder angeht, so begründet die Übernahme des Amtes kein spezifisch organisationsrechtliches (Bestellungs-)Verhältnis zum Verband133 . Für Pflichtverletzungen haften sie deshalb nicht nach organschaftlichen Grundsätzen, also nach dem Maßstab der §§ 43, 52 GmbHG und §§ 93, 116 AktG, sondern allein wegen Vertragsverletzung. Dabei richtet sich auch der Pfl ichtenmaßstab nicht nach dem im Kapitalgesellschaftsrecht relevanten Maßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Organmitglieds, sondern ausschließlich nach den Anforderungen des Geschäftsbesorgungsvertrages. Insbesondere wenn es sich um ein auf Repräsentation angelegtes Gremium bekannter Persönlichkeiten handelt, kann ein im Einzelfall durchaus stark reduziertes Pfl ichtenprogramm anzunehmen sein. Da – anders als bei Organen – bei rein schuldrechtliche Gremien auch keine zwingende Bindung der Aufgabenwahrnehmung an das Verbandsinteresse im Raum steht, können deren Mitglieder sogar einseitig ihre persönlichen Interessen vertreten, soweit dies mit dem ihrer Tätigkeit zugrunde liegenden Vertrag vereinbar ist134 . In Betracht kommt das etwa bei einem im Zuge einer Darlehensgewährung auf Betreiben eines Kreditinstituts eingerichteten Beirat. Weiterhin sind die Mitglieder eines schuldrechtlichen Beirats nicht in das interne System wechselseitiger Informationsversorgung eingebunden; ihnen steht ohne besondere vertragliche Regelung kein Anspruch gegenüber dem Verband zu, mit den für die Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlichen Informationen versorgt zu werden135 . Sollen ihnen nicht öffentlich bekannte Informationen 130 Vgl. neben den Nachweisen in Fn. 135 noch Maulbetsch, Beirat, S. 50 ff.; Härer, Beirat, S. 25; Spindler/Kepper, DStR 2005, 1738, 1739; Michalski/Heyder, GmbHG, § 52 Rdn. 430. 131 Insbesondere genügt in der GmbH ohne entsprechende Satzungsermächtigung also nicht ein einfacher Gesellschafterbeschluss, s. Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rdn. 37; Michalski/Heyder, GmbHG, § 52 Rdn. 403; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 52 Rdn. 63; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rdn. 21. 132 Hölters, Beirat, S. 5 f.; Voormann, Beirat, S. 53; Ulmer/Raiser/Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 317; s. zu den unechten Satzungsbestandteilen nur Ulmer, GmbHG, § 2 Rdn. 9. 133 Wiedemann, FS Schilling, S. 105, 107; Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rdn. 37. 134 So auch Michalski/Heyder, GmbHG, § 52 Rdn. 430. 135 Zutreffend Ulmer/Raiser/Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 318; Bacher, GmbHR 2005, 465.
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zur Verfügung gestellt werden, bedarf es mangels entsprechender organschaftlicher Verpflichtung vielmehr umgekehrt einer ausdrücklichen Verschwiegenheitsverpflichtung jedes einzelnen Mitglieds des Gremiums136 . Im Gegenzug bleibt die Einsetzung eines schuldrechtlichen Beirats aber auch ohne Einfluss auf das innerverbandliche Organisationsgefüge; verbindliche Entscheidungen im Rahmen des internen Willensbildungsprozesses vermag er mit anderen Worten nicht zu treffen. Einerseits entbindet ein bestimmtes Votum eines solchen Gremiums die Organwalter der Gesellschaft nicht davon, sich eigenständig eine Meinung über die jeweils zur Entscheidung anstehende Sachfrage zu bilden. Wer aufgrund einer „Weisung“ eines schuldrechtlichen Gremiums ohne nähere Prüfung zum Schaden des Verbandes handelt, macht sich vielmehr uneingeschränkt schadensersatzpfl ichtig137. Andererseits können die Organe, den Beirat selbst dann ohne gesellschaftsrechtliche Sanktion wie die Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit gefasster Beschlüsse übergehen, wenn sich der Verband oder die Verbandsmitglieder verpfl ichtet haben, den Beirat vor jeder Entscheidung zur Beratung hinzuzuziehen oder gar ihre Entscheidung von seiner Zustimmung abhängig zu machen138 . Das ist Ausfluss des allgemeinen Grundsatzes, dass schuldrechtliche Nebenabreden und unter ihnen namentlich Stimmbindungsabreden nicht auf die korporationsrechtliche Ebene einwirken139. Vorausgesetzt dem Vertrag ist nicht nur eine Verpflichtung, sondern auch eine Berechtigung der Beiratsmitglieder zu entnehmen, an der Willensbildung mitzuwirken, kommen dagegen schuldrechtliche Sanktionen wie Schadensersatzansprüche oder das Recht zur Vertragskündigung aus wichtigem Grund durchaus in Betracht.
III. Selbständigkeit 1. Rechtsfähigkeit Neben dem Erfordernis einer gesellschaftsvertraglichen oder satzungsmäßigen Grundlage kommt es für die institutionelle Komponente des Organbegriffs entscheidend darauf an, dass es sich um eine selbständige Einrichtung des Ver136 Vgl. MünchKommAktG/Semler, § 111 Rdn. 467; MünchHdbAG/Hoffmann-Becking, § 29 Rdn. 21. 137 So auch Bacher, GmbHR 2005, 465; MünchHdbGmbH/Marsch-Barner/Diekmann, § 49 Rdn. 20; Michalski/Heyder, GmbHG, § 52 Rdn. 430. 138 Wiedemann, FS Schilling, S. 105, 107; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 52 Rdn. 50; Ulmer/Raiser/Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 319; Schlegelberger/Martens, HGB, § 164 Rdn. 24; Hölters, Beirat, S. 5. 139 Im Ausgangspunkt allg. M.; str. ist allein, ob eine Ausnahme zu bejahen ist, wenn sämtliche Gesellschafter durch die Abrede gebunden sind, so BGH NJW 1983, 1910, 1911; BGH NJW 1987, 1890, 1892; Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, S. 162 ff.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rdn. 116; dagegen Hüffer, AktG, § 243 Rdn. 9 f.; Winter, ZHR 154 (1990), 259, 268 ff.; Ulmer, NJW 1987, 1849, 1850 f.
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bandslebens handelt. Verselbständigt ist das Organ zunächst aber nur in organisatorischer, nicht hingegen in rechtlicher Hinsicht. Aus der Außenperspektive sind Organe nämlich bloße Funktionseinheiten, die ausschließlich Aufgaben für den Verband wahrnehmen. Weil alle Organakte als Akte des Verbandes gelten, die Organe mithin nicht für sich selbst, sondern als Teil des Verbandes nur für diesen tätig werden, lassen sie sich als „Durchgangssubjekte der Zurechnung“ kennzeichnen140 . Ihre Eigenständigkeit bezieht sich mit anderen Worten nur auf das Innenverhältnis des Verbandes und geht nicht so weit, dass sie selbst am Rechtsverkehr teilnehmen und in diesem Zusammenhang zu seinen Gunsten oder Lasten Rechte oder Verbindlichkeiten begründen könnten141. Nichts anderes gilt für gesetzliche Pfl ichten. Sofern einzelne Vorschriften ausdrücklich Organe als Adressaten ansprechen, so ist das korrigierend dahin zu lesen, dass zunächst einmal dem Verband selbst die Pflicht auferlegt und nur gleichzeitig bestimmt wird, wer intern für ihre Erfüllung zuständig ist. Es kann daher nicht überzeugen, wenn die herrschende Meinung aus dem Wortlaut des § 161 AktG, dem zufolge „Vorstand und Aufsichtsrat“ die Entsprechenserklärung zum Corporate Governance Kodex abzugeben haben, folgert, diese seien im Außenverhältnis Verpflichtungssubjekt142 . Richtig ist vielmehr, dass die AG handelnd durch ihre Organe die Erklärung gegenüber dem Kapitalmarkt abzugeben hat143 . Durchgesetzt hat sich die hier vertretene Sichtweise hingegen bei der Einordnung der Buchführungspflicht. Mögen auch §§ 41 GmbHG, 91 Abs. 1 AktG ausdrücklich die Geschäftsleiter verpfl ichten, die erforderlichen Handelsbücher zu führen, so vermag das an der in § 238 Abs. 1 HGB verankerten Buchführungspflicht der juristischen Person selbst nichts zu ändern, sondern stellt nur die Verantwortlichkeit der Geschäftsleiter hierfür besonders heraus144 . Neben dem Verband kann freilich auch der nach der Organisationsverfassung zuständige Organwalter als natürliche Person gesondert verpflichtet sein. Es ist daher kein Widerspruch zu den bisherigen Ausführungen, dass neben der Gesellschaft auch der Geschäftsleiter persönlich für die Erfüllung der Buchführungspflicht oder die Stellung des Insolvenzantrags Sorge zu tragen und sich bei Zuwiderhandlung nach zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Grundsätzen zu verantworten hat.
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Grundlegend Wolff, Organschaft, Bd. 2, S. 250; vgl. daneben W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 506. 141 Beuthien, FS Zöllner, Bd. I, S. 87, 96; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rdn. 23; W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, S. 27; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rdn. 21. 142 Vgl. Mülbert, FS Konzen, S. 561, 564; Hüffer, AktG, § 161 Rdn. 6; Lutter, in: Ringleb u. a., DCGK-Kommentar, Rdn. 1515; Borges, ZGR 2003, 508, 527. 143 So denn auch MünchKommAktG/Semler, § 161 Rdn. 73. 144 Vgl. MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 91 Rdn. 4; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 41 Rdn. 1.
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Auf das Innenverhältnis lassen sich diese Überlegungen jedoch nicht übertragen145 . Während sich Organschaft aus der Außenperspektive in einem Handeln für den Verband erschöpft, müssen intern die Kompetenzen der einzelnen Organe und die Beziehungen zwischen den verschiedenen Funktionsträgern geregelt werden. Auf das Innenrecht bezogen sind die Organe somit durchaus Adressaten von Vorschriften, die ihnen Aufgaben zuweisen und Pflichten auferlegen. Plastisch formuliert sind „auf der Organebene die Organe keine Organe mehr“146 , sondern vielmehr „Zurechnungsendsubjekte“ von Innenrechtssätzen147. Wenn ein Organ auf den Verband bezogene Aufgaben erledigt, so handelt es nach außen für seinen Verband; nach innen, das heißt im Verhältnis zu den anderen Organen des Verbandes, nimmt es dagegen die ihm zugewiesenen Aufgaben, also seine Zuständigkeit wahr. Ob aus diesem Umstand allerdings zu folgern ist, dass Organe insoweit rechtsfähig sind und in Konsequenz dessen über im Zivilprozess durchsetzbare Rechtspositionen verfügen, ist umstritten. Die damit verbundenen theoretischen und praktischen Probleme sind so vielfältig, dass sie nicht hier in der allgemeinen Grundlegung, sondern unter dem Stichwort Organstreit in einem eigenen Abschnitt behandelt werden sollen148 . Erst in diesem Zusammenhang sind dann die Organrechte des Innenrechts näher zu kennzeichnen und gegebenenfalls von den klassischen subjektiven Rechten abzugrenzen. An dieser Stelle ist das im Übrigen auch deswegen nicht möglich, weil erst noch zu klären ist, ob Organfunktionen stets am Verbandsinteresse orientiert auszuüben sind. Sollte das jedoch der Fall sein, stellt sich die Frage, ob sich solche rein fremdnützigen Befugnisse mit der das subjektive Recht geistesgeschichtlich prägenden Vorstellung von der Selbstverwirklichung der Person und der Abgrenzung von Freiheitsbereichen in Einklang bringen lassen149. 2. Ausschüsse und Vorsitzende von Kollegialorganen Dass, wenn schon nicht die Rechtsfähigkeit, so doch zumindest die organisatorische Selbständigkeit für das Organ prägend ist, hat Folgen für die Beurteilung der Rechtsstellung von Ausschüssen eines Kollegialorgans. Zwar wird im öffentlich-rechtlichen Schrifttum überwiegend zwischen nur vorbereitenden und beschließenden Ausschüssen unterschieden und letzteren die Qualität als Or145 S. bereits Wolff, Organschaft, Bd. 2, S. 248 ff.; daneben Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Bd. 2, § 74 I f 8 (S. 51); Böckenförde, FS Wolff, S. 269, 274 f., 277 f.; Bork, ZGR 1989, 1, 14 f.; H. Bitter, Leistungsklagen, S. 32 f. 146 So pointiert Schnapp, RTh 9 (1978), 275, 285; daneben Diemert, Innenrechtsstreit, S. 98. 147 Wolff, Organschaft, Bd. 2, S. 248; Rupp, Grundfragen, S. 81 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rdn. 26; W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 93. 148 Vgl. unten § 14. 149 Speziell dazu § 14 B III 3.
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gan zugesprochen150 . Jedoch rekrutieren sich auch die beschließenden Ausschüsse ausschließlich aus Mitgliedern des Gesamtorgans151 und üben in dessen Auftrag Funktionen aus, die dem Gesamtorgan zugeordnet sind. Beschlüsse eines Ausschusses sind daher wie solche des Gesamtorgans zu behandeln152 . Aus diesem Grunde sind Ausschüsse verpflichtet, bei ihrer Tätigkeit auf den Willen des Gesamtorgans Rücksicht zu nehmen und diesem die Möglichkeit zur Entscheidung zu geben, wenn sich zur Mehrheitsmeinung des Plenums ein Widerspruch abzeichnet153 . Letztlich bedeutet die Einrichtung eines Ausschusses nichts anderes als eine besondere Art der Geschäftsverteilung, die eine mittlere Position einnimmt zwischen den beiden Polen gemeinsamer Amtswahrnehmung auf der einen und Einzelgeschäftsführung auf der anderen Seite. Diese Sichtweise findet ihre Bestätigung darin, dass eine Aufgabenverlagerung auf einen Ausschuss nur in dem Umfang zulässig ist, wie sie auch auf ein einzelnes Organmitglied erfolgen könnte154 . Nach alldem scheidet die Qualifizierung der Ausschüsse als eigenständiges Organ aus155 ; stattdessen bietet es sich an, von einem Organteil zu sprechen. Nichts anderes gilt für den Vorsitzenden eines Kollegialorgans jedenfalls dann, wenn sich seine Aufgabe darin erschöpft, für eine Koordination der Organtätigkeit zu sorgen und insbesondere die Sitzungen des Gremiums einzuberufen und zu leiten. Mangels entgegenstehender Regelung leitet er die entsprechenden Befugnisse nämlich vom Selbstorganisationsrecht des Gesamtorgans ab; seine Entscheidungen können daher grundsätzlich durch einfachen Beschluss des Plenums aufgehoben oder korrigiert werden156 . Anders könnte allerdings für den Aufsichtsratsvorsitzenden der AG zu entscheiden sein, weil dieser sowohl im Innenverhältnis als auch nach außen hin über eigene, ihm vom 150
Bleutge, Kommunalverfassungsstreit, S. 47; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Bd. 2, § 87 I d (S. 229); W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 31; noch weiter – auch beratende Ausschüsse seien Organe – Schreiber, BayVBl 2000, 129, 135 ff.; vgl. aber auch Kluth, in: Wolff/Bachof/ Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 3, § 83 Rdn. 166: „Unterorgan“. 151 Diese Selbstverständlichkeit bringt § 107 Abs. 3 S. 1 AktG dadurch zum Ausdruck, dass Ausschüsse „aus der Mitte“ des Gesamtgremiums zu bilden ist, s. dazu nur Hüffer, AktG, § 107 Rdn. 16; für den Vorstand GroßKommAktG/Kort, § 77 Rdn. 43. 152 Vgl. im Hinblick auf den Aufsichtsrat BGHZ 89, 48, 55; KölnKommAktG/Mertens, § 107 Rdn. 126. 153 Vgl. GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 107 Rdn. 375; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rdn. 627. 154 Vgl. im Hinblick auf Vorstandsausschüsse in der AG Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 515 f.; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 77 Rdn. 37; KölnKommAktG/Mertens, § 77 Rdn. 12. 155 Wie hier GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 107 Rdn. 240; Voormann, Beirat, S. 25; Ulmer/Raiser/Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 317; offenbar auch MünchKommAktG/Semler, § 107 Rdn. 280: Aufsichtsratsausschuss beschließt als Teil des Gesamtaufsichtsrates; Reuter, FS 100 Jahre GmbHG, S. 631, 635: Ausschuss als institutionalisierte Willensbildungsform eines Organs. 156 Vgl. für den Aufsichtsratsvorsitzenden KölnKommAktG/Mertens, § 107 Rdn. 36.
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Gesetz unmittelbar übertragene Kompetenzen verfügt157. So sind die aus besonderem Anlass nach § 90 Abs. 1 S. 3 AktG zu erstattenden Berichte anders als die turnusmäßige Informationsversorgung nicht an den Aufsichtrat als Ganzen, sondern an ihn zu adressieren. Im Übrigen hat er nach §§ 184 Abs. 1, 188 Abs. 1 AktG bei der Eintragung von Kapitalmaßnahmen in das Handelsregister mitzuwirken. Die ganz überwiegende Meinung hält ihn gleichwohl nicht für ein eigenständiges Organ, weil er trotz seiner herausgehobenen Stellung stets als Repräsentant des Aufsichtsrats agiere158 . Das mag zwar rein tatsächlich zutreffen, ändert aber nichts daran, dass ihm in einem eng begrenzten Bereich originäre Kompetenzen zugewiesen sind. Die daraus abzuleitende Konsequenz, dass der Aufsichtsratsvorsitzende sehr wohl eigenständiges Organ ist, führt allerdings zu keinen grundstürzenden Abweichungen gegenüber der herrschenden Meinung. Sofern er lediglich die Befugnisse wahrnimmt, die dem Vorsitzenden eines mehrköpfigen Gremiums üblicherweise zukommen, handelt er nämlich auch nach hier vertretener Ansicht nicht aus eigenem Recht und kann daher durch Beschluss des Plenums jederzeit korrigiert werden. Zu den Anmeldungen zum Handelsregister wiederum ist der Aufsichtsratsvorsitzende gegenüber der Gesellschaft verpflichtet, ohne dass ihm ein Ermessensspielraum zustünde159. Ein Recht zur Einflussnahme des Aufsichtsratsplenums kommt daher insoweit schon im Ansatz nicht in Betracht. 3. Kein Erfordernis der Weisungsfreiheit Die hier diskutierte Selbständigkeit ist im Übrigen keinesfalls mit Weisungsfreiheit gleichzusetzen. In einer vereinzelt gebliebenen Äußerung hat Oetker allerdings behauptet, einem für alle Organe geltende Rechtsgrundsatz zufolge seien Organmitglieder stets frei von Aufträgen und Weisungen160 . Das trifft für die von ihm ausschließlich behandelten Aufsichtsorgane sicherlich zu, ebenso gewiss ist jedoch, dass sich dieser Befund nicht verallgemeinern lässt. Das zeigt schon ein Blick auf den Geschäftsführer einer GmbH und den Vereinsvorstand161 ; aber auch der vormals weisungsfreie Vorstand einer AG verliert seine Eigenschaft als Organ nicht dadurch, dass die Gesellschaft sich durch Abschluss eines Beherrschungsvertrags der Leitung eines anderen Unternehmens unterstellt. Kurzum: Eine Weisungsabhängigkeit oder eine Beschränkung der Zu157
So denn auch Peus, ZGR 1987, 545, 546 ff. GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 107 Rdn. 63; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rdn. 553; KölnKommAktG/Mertens, § 107 Rdn. 33; MünchKommAktG/Semler, § 107 Rdn. 94. 159 Hüffer, AktG, § 184 Rdn. 3; MünchKommAktG/Peifer, § 184 Rdn. 10. 160 GroßKommAktG/Oetker, § 25 MitbestG Rdn. 27 unter Berufung auf Säcker, RdA 1965, 372, wo allerdings lediglich ein Spezialfall, und Wolff, Organschaft, Bd. 2, S. 242, wo das Problem überhaupt nicht behandelt wird. 161 S. zum Geschäftsführer statt aller Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rdn. 18; zum Vereinsvorstand Soergel/Hadding, BGB, § 27 Rdn. 22a. 158
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ständigkeit auf die Ausführung von Beschlüssen eines anderen Organs hebt die organisationsrechtliche Selbständigkeit des abhängigen Organs nicht auf162 . 4. Exkurs: Der geschäftsführende Direktor im monistischen System der Europäischen Aktiengesellschaft Sowohl die Frage der Selbständigkeit als auch der Weisungsabhängigkeit werden bei der Einordnung des geschäftsführenden Direktors im monistischen System der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) virulent. Eine solche SE verfügt nach Art. 38 lit. b), 43 Abs. 1 S. 1 SE-VO über ein Verwaltungsorgan. Im deutschen Ausführungsgesetz hingegen sind dem Verwaltungsrat ein oder mehrere geschäftsführende Direktoren zur Seite zu gestellt, die vom Verwaltungsrat zu bestellen sind. Im Einzelnen ist es nach § 22 Abs. 1 SEAG Aufgabe des Verwaltungsrats ist, die Gesellschaft zu leiten, die Grundlinien ihrer Tätigkeit zu bestimmen und deren Umsetzung zu überwachen, während die geschäftsführenden Direktoren nach § 40 Abs. 2 S. 1 SEAG die (laufenden) Geschäfte führen und dabei nach § 44 Abs. 2 SEAG den Weisungen des Verwaltungsrats unterworfen sind. Ausgehend vom Grundgedanken einer monistischen Organisationsstruktur liegt nun die Annahme nahe, dem geschäftsführenden Direktor seien keine originären Kompetenzen zugewiesen, er leite seine Geschäftsführungsbefugnisse vielmehr von dem nach Art. 43 SE-VO primär befugten Verwaltungsrat ab. Von vornherein abzulehnen ist allerdings die Vorstellung, die geschäftsführenden Direktoren fungierten gleichsam als ein Ausschuss oder Teilorgan des Verwaltungsrats. Denn Ausschüsse setzen sich nach allgemeinen Grundsätzen des Organisationsrechts aus den Mitgliedern des Gesamtorgans zusammen163 , wohingegen geschäftsführende Direktoren gemäß § 40 Abs. 1 S. 2 SEAG auch Dritte sein dürfen und überwiegend sogar sein müssen. Immerhin bliebe noch die Möglichkeit, § 40 Abs. 2 S. 1 SEAG als bloße gesetzliche Delegationsnorm zu deuten164 , was gleichfalls zur Folge hätte, dass der geschäftsführende Direktor kein eigenständiges Organ wäre165 . Bei näherem Hinsehen ist das freilich nicht die Konzeption, die dem deutschen SEAG zugrunde liegt. Das zeigt in aller Deutlichkeit die dem geschäftsführenden Direktor in § 44 Abs. 1 SEAG eingeräumte Vertretungsbefugnis, in die der Verwaltungsrat nicht eingreifen kann und die dem geschäftsführenden Direktor daher offenkundig originär zugewiesen ist. Aber auch in anderen Fällen betont das Gesetz die organisatorische Selbständigkeit des geschäftsführen162 So zutreffend Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Bd. 2, § 74 I f 10 (S. 52); Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 3, § 83 Rdn. 157. 163 Vgl. oben unter 3. 164 So MünchKommAktG/Reichert/Brandes, Art. 43 SE-VO Rdn. 81, 127 (keine originären Organkompetenzen). 165 So aber gleichwohl MünchKommAktG/Reichert/Brandes, Art. 43 SE-VO Rdn. 155.
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den Direktors. Überall dort nämlich, wo im dualistischen System bestimmte Aufgaben zwischen Vorstand und Aufsichtsrat verteilt sind, wollte der Gesetzgeber das damit verbundene „Vier-Augen-Prinzip“ als ein Element gegenseitiger Kontrolle auch im monistischen System erhalten166 und hat daher etwa angeordnet, dass der Jahresabschluss und der konzernrechtliche Abhängigkeitsbericht vom geschäftsführenden Direktor nur aufzustellen, dann aber vom Verwaltungsrat noch festzustellen bzw. zu prüfen ist167. Von daher bietet es sich auch im Hinblick auf die Geschäftsführungsbefugnis an, die vom Gesetzgeber beabsichtigte Parallele zwischen dem geschäftsführenden Direktor und dem Geschäftsführer einer GmbH aufzugreifen168 und von einer originären Geschäftsführungsbefugnis des geschäftsführenden Direktors auszugehen, die durch das Weisungsrecht des Verwaltungsrats lediglich überlagert und eingeschränkt wird169. Sind dem geschäftsführenden Direktor aber Aufgaben der gesellschaftlichen Selbstverwaltung zur eigenständigen Erfüllung übertragen, so führt kein Weg an der Feststellung vorbei, dass er vom deutschen Ausführungsgesetz als Organ der SE konzipiert ist170 . Weder seine Weisungsgebundenheit noch der Umstand, dass eine Doppelfunktion sowohl als Mitglied des Verwaltungsrats wie auch als geschäftsführender Direktor möglich ist, vermögen daran etwas zu ändern. Das SEAG selbst zieht daraus die notwendigen Konsequenzen, indem es in § 40 Abs. 8 für die Sorgfaltspflicht und die Verantwortlichkeit auf § 93 AktG verweist. Nichts anderes gilt freilich für sonstige allgemeine Grundsätze. So ist sein Handeln etwa zweifelsohne der Gesellschaft nach § 31 BGB zuzurechnen und die besonderen Grundsätze über organschaftliche Wissenszurechnung fi nden Anwendung171. Eine ganz andere Frage ist hingegen, ob die deutsche Regelung mit den zwingenden Vorgaben der SE-Verordnung in Einklang steht. Ihre Verteidiger argumentieren, die Existenz des geschäftsführenden Direktors mache das monistische nicht zu einem dualistischen System, da sie die Zentralisierung der unternehmerischen Leitungsmacht bei einem Organ als dem Kernelement monistischer Unternehmensverfassung nicht antaste. Der nationale Gesetzgeber
166 Begr. RegE, BT-Drs. 15/3405, S. 37; Neye/Teichmann, AG 2003, 169, 178; Teichmann, BB 2004, 53, 58. 167 Vgl. §§ 47 Abs. 1 und 5, 49 Abs. 1 SEAG in Verbindung mit §§ 172, 312 ff. AktG. 168 Begr. RegE, BT-Drs. 15/3405, S. 39; Neye/Teichmann, AG 2003, 169, 179. 169 Vgl. zur GmbH Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdn. 1; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rdn. 3. 170 So auch Forstmoser, ZGR 2003, 688, 713; Hoffmann-Becking, ZGR 2004, 355, 371; Schwarz, SE-VO, Anh. Art. 43 Rdn. 285; MünchHdbAG/Austmann, § 85 Rdn. 8; s. daneben Horn, DB 2005, 147, 151; Teichmann, BB 2004, 53, 54: ausführendes Organ. 171 Vgl. daneben MünchKommAktG/Reichert/Brandes, Art. 43 SE-VO Rdn. 154 ff. zur Einordnung des Anstellungsvertrags als freies Dienstverhältnis statt als Arbeitsverhältnis.
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habe daher nur einen ihm eröffneten Gestaltungsspielraum ausgenutzt172 . Maßgeblich ist jedoch nicht das „Wesen“ eines wie auch immer zu defi nierenden monistischen Systems als solches, sondern die konkreten Vorgaben der SE-VO. Da deren Art. 38 indessen erkennbar von der Existenz eines eine Einheit bildenden Verwaltungsorgans ausgeht, erweist sich die bestehende Regelung, welche auch nicht dem Verwaltungsrat angehörende Dritte als geschäftsführende Direktoren zulässt, als kaum haltbar173 . Könnten hingegen nur Verwaltungsratsmitglieder das Amt eines geschäftsführenden Direktors ausüben, ließe sich dieser zwanglos als unselbständiges Organteil des einen Verwaltungsorgans deuten und die Vereinbarkeit mit Art. 38 SE-VO stünde außer Frage.
IV. Organnachfolge 1. Zwingende Verknüpfung mit dem Rechtsträger Die Organe bleiben trotz ihrer institutionellen Verselbständigung doch unweigerlich Teil der Verbandsverfassung und sind in ihrer Existenz daher zwingend mit dem Rechtsträger und der auf ihn anwendbaren Rechtsordnung verbunden. Eine Organkontinuität im Rahmen von Umwandlungsvorgängen, bei denen der Rechtsträger in seiner bisherigen Form nicht mehr fortbesteht, kann es daher grundsätzlich nicht geben. Im Falle eines Formwechsels bleibt zwar der Rechtsträger gemäß dem Prinzip der Identität als solcher erhalten, für die Organisationsverfassung hingegen gilt genau das Gegenteil. Der Rechtsträger ist nunmehr mit den Organen ausgestattet, die das Gesetz für die gewählte Rechtsform vorsieht, während bisherige Organstellungen erlöschen174 . Im Rahmen einer Verschmelzung wiederum geht nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG das gesamte Vermögen des übertragenden Rechtsträgers und damit alle im Außenverhältnis begründeten Rechte und Pflichten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den aufnehmenden Rechtsträger über. Daher bleibt der einer Organstellung zugrunde liegende Anstellungsvertrag von der Verschmelzung unberührt175 . Die Organe als bloße Gliederungen zur Herstellung der Handlungsfähigkeit des Verbandes samt der ihnen zugeordneten Kompetenzen geraten dagegen ebenso in Wegfall wie die darauf bezogenen Bestellungen der
172 Teichmann, BB 2004, 53, 58 ff.; Horn, DB 2005, 147, 151; im Ergebnis auch MünchKommAktG/Reichert/Brandes, Art. 43 SE-VO Rdn. 17 ff. 173 DAV-Stellungnahme, ZIP 2004, 140, 143; ZIP 2004, 1179, 1780; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, § 12 Rdn. 31; Hoffmann-Becking, ZGR 2004, 355, 369 ff. 174 BGH ZIP 2007, 910, 911, Tz. 6; Lutter/Decher, UmwG, § 202 Rdn. 44; Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 202 Rdn. 10. 175 Vgl. BAG NJW 2003, 2473; BGH ZIP 2007, 910, 911; Buchner/Schlobach, GmbHR 2004, 1, 15 ff.
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Organmitglieder und die ihnen eingeräumten organmitgliedschaftlichen Mitwirkungsrechte176 . Amtskontinuität und damit eine Ausnahme von dem geschilderten Grundsatz sieht das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen lediglich für den Aufsichtsrat bei einem Formwechsel vor177. Gemäß § 203 UmwG bleiben nämlich die Mitglieder des Aufsichtsrats als Mitglieder des Aufsichtsrats des Rechtsträgers neuer Rechtsform für den Rest ihrer Wahlzeit im Amt, wenn beim Rechtsträger neuer Rechtsform in gleicher Weise wie bei dem formwechselnden Rechtsträger ein Aufsichtsrat gebildet und zusammengesetzt wird. Die Regelung soll in denjenigen Fällen den Formwechsel vereinfachen und Kosten sparen, in denen dieselben Anteilseigner und dieselben Arbeitnehmer nach denselben Regeln die Besetzung des Aufsichtsrats bestimmen und eine erneute Wahl daher sachlich nicht geboten ist. Ändert sich hingegen durch den Formwechsel das Mitbestimmungsmodell, dann ergibt sich eine Kontinuitätswirkung aus § 96 Abs. 2 AktG178 . Der Aufsichtsrat muss dann solange weiterhin nach den zuletzt angewandten gesetzlichen Vorschriften bestimmt werden, bis das Statusverfahren der §§ 97 ff. AktG durchlaufen und bestandskräftig abgeschlossen ist. 2. Bewältigung offener interner Sachverhalte Auch wenn mit dem Erlöschen des Rechtsträgers notwendig auch die Organe erlöschen, so gibt es nicht selten die Organe oder Organwalter betreffende und damit dem Innenverhältnis zuzuordnende Sachverhalte, die aufgrund der Umwandlung nicht mehr abschließend behandelt werden können. Paradigmatisch hierfür steht die Konstellation, dass nach Ablauf des Geschäftsjahres eine Verschmelzung wirksam wird, bevor das zuständige Organ des übertragenden Rechtsträgers über die Entlastung der Geschäftsleiter beschlossen hat. Es sind dann zwei aufeinander aufbauende Fragen strikt zu trennen. Zunächst ist zu klären, ob der betreffende gesellschaftsrechtliche Tatbestand überhaupt von der aufnehmenden Gesellschaft behandelt werden darf. Bejahendenfalls ist dann das hierfür zuständige Organ zu ermitteln. a) Während das Gesetz im Außenverhältnis eine lückenlose Kontinuität garantiert, kann Gleiches für interne Tatbestände nicht gelten; dem steht der unabänderliche Wegfall der Organisationsverfassung des übertragenden Rechtsträgers entgegen. Daraus aber im Umkehrschluss zu folgern, die gesellschaftsrechtliche Vergangenheit der erloschenen Gesellschaft sei unweigerlich abgeschlossen, kann schon deswegen nicht richtig sein, weil der aufnehmende 176
Lutter/Grunewald, UmwG, § 20 Rdn. 28; Kübler, in: Semler/Stengel, UmwG, § 20 Rdn. 20; Hoffmann-Becking, FS Ulmer, S. 243 ff.; Buchner/Schlobach, GmbHR 2004, 1, 3. 177 Eingehend dazu Krause-Ablaß/Link, GmbHR 2005, 731 ff. 178 Näher dazu MünchKommAktG/Semler, § 96 Rdn. 72 ff.; nach § 27 EGAktG fi ndet die Vorschrift auch auf die GmbH Anwendung.
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§ 3 Der institutionell-funktionelle Organbegriff
Rechtsträger grundsätzlich in vollem Umfang an die Stelle des übertragenden Rechtsträgers tritt. Richtig ist daher eine differenzierende Haltung: Sofern ein berechtigtes Interesse hieran erkennbar ist und keine gewichtigen Interessen der übernehmenden Gesellschaft entgegenstehen, wirken interne Rechtsbeziehungen fort179. Andernfalls hat es bei der Vollbeendigung des erloschenen Rechtsträgers zu bewenden. Genau solche auf das verfassungsrechtliche Eigenleben der übernehmenden Gesellschaft abzielende Einwände werden allerdings gerade hinsichtlich der Beschlussfassung über die Entlastung geltend gemacht180 . Zum einen könnte über ein Handeln der Geschäftsleiter, das am Interesse des übertragenden Rechtsträgers auszurichten war, allein dieser und nicht ein Organ des aufnehmenden Rechtsträgers befinden. Zum anderen würde die bloße Aussicht auf eine spätere Entlastung zu einer unerwünschten Verhaltensanpassung bei den betroffenen Organmitgliedern bereits im Vorfeld der Verschmelzung führen. Die genannten Gründe vermögen die damit in Kauf genommene „Entlastungslücke“181 indessen nicht zu rechtfertigen. Da sich das zu beurteilende unternehmerische Verhalten nunmehr auch auf die eigene Vergangenheit erstreckt, ist nicht einzusehen, warum die Organe des aufnehmenden Rechtsträgers darüber nicht sollen befinden können. Für die sachlich eng mit der Entlastung verknüpfte Frage, ob Schadensersatzansprüche gegenüber den Organwaltern bestehen und durchzusetzen sind, hat das jedenfalls noch niemand bezweifelt. Die Sorge wiederum, die betroffenen Organwalter würden ihre Pflichten gegenüber dem übertragenden Rechtsträger mit Blick auf eine spätere Entlastung vernachlässigen, ist in dieser Zuspitzung angesichts der weiteren, vom Organwalter zu gegenwärtigenden Sanktionen ebenfalls unbegründet. Vor dem Hintergrund der §§ 25 f. UmwG müssen sie nämlich auch nach der Verschmelzung noch damit rechnen, sowohl von den Anteilseignern als auch einem besonderen Vertreter wegen etwaiger Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Verschmelzung auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden182 . Da einer Befassung des übernehmenden Rechtsträgers somit keine zwingenden Sachgründe entgegenstehen und gleichzeitig ein berechtigtes Interesse der ehemaligen Organmitglieder an einem Urteil über ihre frühere Tätigkeit fortbesteht, ist die Entlastungsbefugnis des übernehmenden Rechtsträgers im Ergebnis zu bejahen183 . 179
So zutreffend Martens, AG 1986, 57, 58. Vgl. OLG München AG 2001, 197, 198; Lutter/Grunewald, UmwG, § 20 Rdn. 29; MünchKommAktG/Kubis, § 120 Rdn. 19; offen gelassen in BGHZ 160, 385, 390. 181 So plastisch GroßKommAktG/Mülbert, § 120 Rdn. 96. 182 Eingehend dazu Schnorbus, ZHR 167 (2003), 666 ff. 183 Ebenso OLG Hamburg ZIP 2005, 1074, 1077; GroßKommAktG/Mülbert, § 120 Rdn. 96; Martens, AG 1986, 57, 58 f.; Hoffmann-Becking, FS Ulmer, S. 243, 248; Redeke, Entlastungslücken, S. 85 ff. 180
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b) Für die Bestimmung des hierfür zuständigen Organs wird verbreitet auf den Gedanken der „Funktions-“ oder „Organnachfolge“ zurückgegriffen. Symptomatisch ist in diesem Zusammenhang die Äußerung des OLG Hamburg, wonach die Funktion der Hauptversammlung der alten Gesellschaft, soweit die Entlastung für die Vergangenheit betroffen sei, mit der Verschmelzung auf die der neuen Gesellschaft übergehe184 . Indes bezieht sich die besondere umwandlungsrechtliche Kontinuität nur auf die Rechte, Pfl ichten und Aufgaben des Rechtsträgers, während seine Organisationsverfassung gerade kraft Gesetzes in Wegfall gerät. Ebensowenig wie die Organe des übertragenden Rechtsträgers nach der Verschmelzung als Ganzes fortbestehen, können daher einzelne Kompetenzen in direkter oder entsprechender Anwendung des § 20 UmwG auf den aufnehmenden Rechtsträger übergehen185 . Diese Vorschrift ordnet allein an, was Gegenstand der Rechtsnachfolge ist, trifft jedoch keine Aussage darüber, welches Organ innerhalb des aufnehmenden Rechtsträgers für die Wahrnehmung zuständig ist. Ohnehin stieße das ungenaue Bild von der Organnachfolge spätestens dort an seine Grenze, wo die Organstrukturen der betroffenen Gesellschaften divergieren und ein Pendant für das weggefallene Organ in der aufnehmenden Gesellschaft nicht existiert. Ingesamt ist daher festzuhalten: Auch für übernommene Sachverhalte gibt es innerhalb des aufnehmenden Rechtsträgers niemals übergegangene, sondern stets nur originär begründete Entscheidungskompetenzen186 . Keine einfache Antwort gibt es hingegen auf die Frage, nach welchen Grundsätzen das zuständige Organ des aufnehmenden Rechtsträgers zu bestimmen ist. Im Grundsatz ist die Abwicklung der durch die Verschmelzung übernommenen Rechtsverhältnisse zwar Aufgabe der Geschäftsführung. Jedoch kann sich ein Korrekturbedarf aus dem Umstand ergeben, dass es sich nunmehr auch um eine Angelegenheit der übernehmenden Gesellschaft handelt. Im Einzelfall kann daher wegen der Art und der Bedeutung der in Rede stehenden Angelegenheit eine entsprechende Anwendung derjenigen Zuständigkeitsregeln geboten sein, die eingegriffen hätten, wenn ein genuin dem aufnehmenden Rechtsträger zuzuordnender Sachverhalt zu beurteilen gewesen wäre187. Ganz in diesem Sinne hat der BGH entschieden, dass eine übernehmende Genossenschaft auch gegenüber solchen Vorstandsmitgliedern der übertragenden Genossenschaft, die mit der Verschmelzung ausgeschieden sind, nicht durch den Vorstand, sondern wie gegenüber ihren eigenen (ausgeschiedenen) Vorstandsmitgliedern durch den Aufsichtsrat vertreten wird188 . Nichts anderes gilt für das 184
Vgl. OLG Hamburg ZIP 2005, 1074, 1077; ähnlich Martens, AG 1986, 57, 59. So auch Hoffmann-Becking, FS Ulmer, S. 243, 259. 186 Vgl. Hoffmann-Becking, FS Ulmer, S. 243, 245. 187 Überzeugend Hoffmann-Becking, FS Ulmer, S. 243, 259 f. 188 BGH ZIP 1997, 1674; ZIP 1998, 508; ZIP 2006, 2213, 2214; kritisch dazu Lutter/Grunewald, UmwG, § 20 Rdn. 28. 185
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§ 3 Der institutionell-funktionelle Organbegriff
hier behandelte Beispiel der Entlastung. Auch insoweit ist es angemessen, dass nicht die Geschäftsführung, sondern entsprechend § 46 Nr. 5 GmbHG oder § 119 Abs. 1 Nr. 3 AktG die Mitgliederversammlung und damit auch die ursprünglich zur Entscheidung berufenen Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers Beschluss zu fassen haben.
V. Zwischenergebnis Näher charakterisiert wurde bis hierher die institutionelle Seite des verbandsrechtlichen Organbegriffs, und zwar in dem Sinne, dass es sich um eine zwar organisatorisch, aber im Außenverhältnis nicht rechtlich verselbständigte Wirkungseinheit innerhalb des Verbandes handeln muss, der originäre Kompetenzen zur nicht notwendig weisungsfreien Wahrnehmung übertragen sind. Ein solcher Funktionsträger kann nur durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung, nicht aber durch eine schuldrechtliche Abrede geschaffen werden. Als Teil der Verbandsverfassung ist die Existenz der Organe unmittelbar mit der des Rechtsträgers verbunden; eine „Organnachfolge“ im Zuge einer Umwandlung des Rechtsträgers gibt es daher ohne besondere gesetzliche Anordnung nicht.
E. Die funktionelle Komponente des Organbegriffs Hinsichtlich der funktionellen Komponente des Organbegriffs konnte ganz allgemein bereits ausgeführt werden, dass die Organe dienende Funktion haben und innerhalb der Organisation bestimmte Aufgaben mit Wirkung für und gegen den Verband wahrnehmen189. Bislang offen geblieben ist dagegen, welche Aufgaben überhaupt als denkbarer Gegenstand von Organkompetenzen in Btracht kommen. Das insofern engste Verständnis geht auf v. Tuhr zurück, der nur diejenigen Menschen als Organ bezeichnen will, deren Wille als Wille der juristischen Person gilt190 . Jedenfalls Beratungs- und Kontrollgremien, wohl aber auch Träger lediglich mittelbar Wirkung entfaltender Weisungs-, Benennungs- oder Entsendungsrechte wären dann nicht mehr als Organ anzusehen. Neben dem rechtsgeschäftlichen und tatsächlichen Tätigwerden im Außenverhältnis wären demnach im Innenbereich des Verbandes als organschaftlich nur solche Mitwirkungskompetenzen anzusehen, die einen direkten und unmittelbaren Einfluss auf die Willensbildung und -umsetzung gestatten. 189 Vgl. oben C II 2; sowie Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 45 Rdn. 18: Ein Organ ohne Kompetenz ist ein Widerspruch in sich. 190 S. v. Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 32 II (S. 460); vgl. auch Wieland, Handelsrecht, Bd. 2, § 98 IV (S. 91), der dies als „engeren“ Organbegriff bezeichnet.
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I. Streitentscheidung 1. Unterscheidung von Verbandsgericht und Schiedsgericht Auch nach diesem engen Verständnis kommt als Organkompetenz die verbandsintern verbindliche Beilegung von Streitigkeiten in Betracht. In der Tat begegnen in der Praxis namentlich von Familienunternehmen als „Beirat“ oder „Schiedsstelle“ bezeichnete Einrichtungen, denen die Aufgabe zukommt, dann in Geschäftsführungs- oder auch anderen Gesellschaftsangelegenheiten zu entscheiden, wenn die eigentlich zuständige Gesellschafterversammlung hierzu nicht in der Lage ist, weil aufgrund des Gleichgewichts zweier Gruppen von Gesellschaftern ein Patt besteht oder aber ein bestimmtes Mehrheitsquorum nicht erreicht wird191. Der Schiedsstelle kommt dann als Organ der Gesellschaft die Aufgabe zu, durch ihre Entscheidung die faktische Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft zu überwinden192 . Eine große Bedeutung kommt der internen Streitbeilegung daneben insbesondere in größeren bürgerlich-rechtlichen Vereinen sowie ihren Dachverbänden zu, wenn es darum geht, über die Rechtmäßigkeit verhängter Vereinstrafen, der Nichtzulassung zu bestimmten Einrichtungen oder Veranstaltungen oder gar über den Ausschluss aus dem Verein zu befinden. Auf diese Weise kann der Verein die im Rahmen seiner Satzungsautonomie selbst geschaffenen Normen auch durch seine eigenen Organe durchsetzen. Die für die betreffenden Spruchkörper in den Satzungen gewählten Bezeichnungen variieren erheblich und reichen von „Ehrenrat“ über „Schlichtungs-“ und „Rechtsausschuss“ bis hin zu „Schieds-“ und „Vereinsgericht“193 . Neben dieser Streiterledigung durch gesellschaftsinternes Organhandeln – hierfür soll im Folgenden der geläufige Terminus „Verbandsgericht“ Verwendung finden194 – kommt aber auch eine Überprüfung durch ein echtes „Schiedsgericht“ im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO in Betracht. Dieses übt als gesellschaftsunabhängige Einrichtung anstelle der staatlichen Gerichtsbarkeit Rechtsprechung im weiteren Sinne aus und ist damit gerade kein Verbandsorgan. Ein Bezug zum Verbandsleben kann aber insofern bestehen, als es durch satzungsmäßige oder gesellschaftsvertragliche Schiedsklausel dauerhaft eingerichtet
191
Grundlegend dazu Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 342 ff.; s. daneben Michalski/Römermann, GmbHG, § 45 Rdn. 67. 192 Vgl. zur Qualifikation solcher Schiedsstellen als Organ der GmbH näher BGHZ 43, 261, 264 ff.; OLG München GmbHR 2006, 1269; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rdn. 14; Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 45 Rdn. 24; N. Meier, GmbHR 2004, 415 ff.; Voormann, Beirat, S. 37. 193 S. zur Terminologie Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 501; Hilpert, BayVBl 1988, 161, 162; Schöpfl in, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 25 Rdn. 17. 194 Vgl. dazu BGHZ 128, 93, 110; BGHZ 159, 207, 210 f.; Fenn, FS Henckel, S. 173, 174; Kröll, ZIP 2005, 13, 14; Soergel/Hadding, BGB, § 25 Rdn. 54 f.
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sein kann195 . Es stellt sich dann die überaus praxisrelevante Frage, ob es sich bei dem konkret vorgesehenen Streiterledigungsmechanismus um ein echtes Schiedsgericht oder aber um ein als Organ zu klassifizierendes Verbandsgericht handelt. Die Unterschiede zwischen beiden Rechtsinstituten sind nämlich beträchtlich. Liegt eine Schiedsklausel vor, sind die staatlichen Gerichte nach § 1032 ZPO verpflichtet, sich auf eine entsprechende Einrede des Beklagten hin für unzuständig zu erklären. Im Gegenzug entfaltet der Schiedsspruch gemäß § 1055 ZPO zwischen den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils und kann von den staatlichen Gerichten im Rahmen des Aufhebungsverfahrens nach § 1059 ZPO nur noch auf seine Vereinbarkeit mit dem ordre public untersucht werden196 . Demgegenüber verschließen bloße Verbandsgerichte den Zugang zur staatlichen Gerichtsbarkeit nur vorübergehend. Einem entsprechenden Rechtsschutzbegehren steht nämlich nur bis zur Ausschöpfung der verbandsinternen Rechtsmittel die Einrede fehlender Klagbarkeit entgegen197 ; im Anschluss daran können die von einem Verbandsgericht getroffenen Entscheidungen im normalen Klageverfahren der ZPO überprüft werden198 . Richtiger Rechtsbehelf ist dabei grundsätzlich die allgemeine Feststellungsklage. Ausgehend von der Annahme, dass Organbeschlüsse auch nach einer Funktionsübertragung weiterhin demselben System gesellschaftsrechtlicher Bindungen unterliegen müssen, macht die herrschende Meinung hiervon freilich eine Ausnahme: Müssen fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse mit der Anfechtungsklage angegriffen werden, so gilt das auch für die Urteile einer internen Schiedsstelle, der dispositive Befugnisse der Gesellschafterversammlung übertragen wurden199. Was die inhaltliche Überprüfung betrifft, so unterliegen Entscheidungen bloßer Verbandsgerichte einer deutlich weitergehenden Kontrolle als diejenigen echter Schiedsgerichte. Die praktisch besonders wichtigen Beschlüsse über Disziplinarmaßnahmen in Vereinen etwa sind – unabhängig davon, ob sie von der Mitgliederversammlung 195 Im Einzelnen richtet sich die Einbeziehung nach hM für Satzungsklauseln in Vereinen und Kapitalgesellschaften nach § 1066 ZPO, s. nur BGHZ 144, 146, 148; Zöller/Geimer, ZPO, § 1066 Rdn. 2; für Personengesellschaften dagegen nach §§ 1029 ff. ZPO, s. BGH NZG 2002, 955; Baumbach/Hopt, HGB, Vor § 1 Rdn. 90; aA etwa Habersack, SchiedsVZ 2003, 241 ff. 196 Vgl. dazu nur Zöller/Geimer, ZPO, § 1059 Rdn. 47; Musielak/Voit, ZPO, § 1059 Rdn. 18, 29. 197 Vgl. BGHZ 47, 172, 174; BGH NJW 1977, 2263; Fenn, FS Henckel, S. 173, 176; Schöpflin, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 25 Rdn. 21; vgl. zu Ausnahmen bei Unzumutbarkeit der Erschöpfung des vereinsinternen Instanzenwegs Soergel/Hadding, BGB, § 25 Rdn. 57 f. 198 BGHZ 159, 207, 211; OLG Koblenz NJW-RR 2000, 1365; Kröll, ZIP 2005, 13, 14; Schwarz, in: Bamberger/Roth, BGB, § 25 Rdn. 83. 199 Grundlegend BGHZ 43, 261, 265; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 346; daneben OLG Düsseldorf WM 1982, 649, 650; Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 45 Rdn. 24; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 47 Rdn. 7; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rdn. 15; Hölters, Beirat, S. 43 ff.; aA Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rdn. 208; Reuter, FS 100 Jahre GmbHG, S. 631, 650 f.; differenzierend Voormann, Beirat, S. 178 ff.
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oder einem internen Verbandsgericht getroffen wurden – nicht nur auf ihre Vereinbarkeit mit dem ordere public zu überprüfen. Prüfungsmaßstab in einem späteren gerichtlichen Verfahren ist vielmehr, ob die verhängte Maßnahme eine gesetzeskonforme Stütze in der Satzung findet, ob das vorgesehene Verfahren eingehalten wurde und die angeordneten Rechtsfolgen nicht grob unbillig oder willkürlich sind 200 . 2. Abgrenzungskriterien Unterliegen demnach Verbandsgerichte und echte Schiedsgerichte jeweils einem schon im Ansatz verschiedenen Rechtsregime, so stellt sich umso drängender die Frage, nach welchen Kriterien die Abgrenzung erfolgt. Wenig Hilfe bietet dabei zunächst die gewählte Bezeichnung. Diese ist selbst bei einem vermeintlich eindeutigen Wortlaut schon nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen nicht allein ausschlaggebend 201 ; im vorliegenden Zusammenhang kann ihr jedoch angesichts der in der Praxis zu beobachtenden ungefestigten Begriffsvielfalt allenfalls die Funktion eines ersten Fingerzeigs zukommen 202 . Daher ist man sich im Ausgangspunkt einig, dass es maßgeblich auf das Vorliegen bestimmter materieller Gesichtspunkte ankommt und eine satzungsmäßige Einrichtung nur dann als Schiedsgericht im Sinne der ZPO anzuerkennen ist, wenn Rechtsstreitigkeiten unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs der Entscheidung durch eine unabhängige und unparteiliche Instanz unterworfen werden 203 . An der somit erforderlichen Unabhängigkeit fehlt es jedenfalls dann, wenn der Verband letztlich in eigener Sache richtet, etwa weil ein gesetzlich vorgesehenes Gesellschaftsorgan oder einzelne Mitglieder eines solchen Organs Streitigkeiten zwischen dem Verband und einem Mitglied klären sollen 204 . Die Rechtsprechung des BGH geht indessen weiter und sieht auch solche Stellen als Verbandsorgane an, bezüglich derer in der Satzung Abhängigkeiten zum Verband oder seinen Organen angelegt sind. So hat er in einer jüngeren Grundsatzentscheidung einem „Schiedsgericht“ die Qualifikation als Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO unter anderem deswegen verweigert, weil dessen Mitglieder allein von der Mitgliederversammlung des Vereins bestimmt wur200 Im Einzelnen ist zwischen Vereinen mit und ohne Aufnahmezwang zu unterscheiden, s. BGHZ 87, 337, 343; BGHZ 102, 265, 276 f.; BGHZ 128, 93, 110; Erman/Westermann, BGB, § 25 Rdn. 5; MünchKommBGB/Reuter, § 25 Rdn. 42 ff. 201 S. nur BGHZ 150, 286, 291; MünchKommBGB/Kramer, § 117 Rdn. 16. 202 Vgl. nur Hilpert, BayVBl 1988, 161, 169; Kröll, ZIP 2005, 13, 15; Vieweg, Normsetzung, S. 265. 203 Vgl. BGHZ 159, 207, 212; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 503 ff.; MünchKommZPO/Münch, § 1066 Rdn. 11; Musielak/Voit, ZPO, § 1029 Rdn. 19; Schwarz, in: Bamberger/Roth, BGB, § 25 Rdn. 86; Schöpfl in, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 25 Rdn. 31; Fenn, FS Henckel, S. 173, 187 ff. 204 RGZ 88, 395, 402; OLG München GmbHR 2006, 1269, 1270; Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 45 Rdn. 25.
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den und die Streitbeteiligten demzufolge nicht paritätisch Einfluss auf die Besetzung des Spruchkörpers nehmen konnten 205 . Das Merkmal der Unabhängigkeit erlaubt eine abschließende Zuordnung freilich nur, wenn es zu verneinen ist, denn selbstverständlich steht es Vereinen oder Gesellschaften frei, ihre Streiterledigungsorgane im Sinne einer verbandsinternen Gewaltenteilung in Anlehnung an die Anforderungen bei echten Schiedsgerichten gänzlich unabhängig auszugestalten 206 . Entscheidend kommt es daher darauf an, ob der Streitgegenstand – vorbehaltlich der Prüfung von Kardinalmängeln – der Zuständigkeit der staatlichen Gerichte entzogen sein soll. Das wiederum ist im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln, wobei weitere Gesichtspunkte eine Rolle spielen können. So ist ein echter Schiedsspruch dann erforderlich, wenn die Entscheidung der Vollstreckung durch die staatlichen Instanzen zugänglich sein soll 207. Im Zweifel ist allerdings davon auszugehen, dass lediglich ein einfaches Verbandsgericht oder eine interne Schiedsstelle vorliegt 208 . Als Verbandsorgan sind namentlich solche Stellen zu qualifizieren, die Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen den Mitgliedern der Verbandsorgane zu erledigen oder anstelle eines handlungsunfähigen Organs unternehmerische Entscheidungen zu treffen haben und mithin typische verbandsinterne Organisations- und Verwaltungskompetenzen wahrnehmen 209.
II. Ausübung mittelbaren Einflusses Organhandeln liegt nach den bisherigen Ausführungen jedenfalls immer dann vor, wenn mit unmittelbar verbindlicher Wirkung der Verbandswille gebildet oder betätigt wird. Offen geblieben ist dagegen, ob auch eine mittelbare Einflussnahme im Rahmen mehrstufiger Entscheidungsprozesse (1.) oder gar lediglich kontrollierende oder beratende Tätigkeit (2.) ebenfalls Gegenstand organschaftlicher Kompetenzen sein kann. 1. Mehrstufige Entscheidungsprozesse, Sonderrechte a) Es wäre nicht überzeugend, sich bei der Bestimmung denkbarer Organkompetenzen allzu sehr an dem bildhaften Ausdruck „Organ“ und den damit unwillkürlich hervorgerufenen anthropomorphen Assoziationen zu orientieren. 205
BGHZ 159, 207, 213; vgl. bereits BGHZ 128, 93, 109; Hilpert, BayVBl 1988, 161, 169; unter Berufung auf den Rechtsbehelf des § 1034 ZPO großzügiger Ebbing, NZG 1999, 754, 757; Kröll, ZIP 2005, 13, 17 f.; insofern ebenfalls kritisch Schlosser, LMK 2004, 169. 206 So auch Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 505; Fenn, FS Henckel, S. 173, 190. 207 Vgl. BGHZ 128, 93, 109; relativierend dazu Kröll, ZIP 2005, 13, 19. 208 BGHZ 159, 207, 214; MünchKommZPO/Münch, § 1066 Rdn. 11; Schöpfl in, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 25 Rdn. 31. 209 BGHZ 43, 261, 263 ff.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rdn. 14; Michalski/Römermann, GmbHG, § 45 Rdn. 69.
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Während der Mensch intuitiv und aus sich selbst heraus seinen Willen zu bilden und entsprechend zu handeln vermag, verteilen sich die verbandsrechtlichen Entscheidungsprozesse auf verschiedene Instanzen. Erst deren Gesamtschau ergibt ein vollständiges Bild von der Organisationsverfassung, weshalb es der spezifischen Bedeutung jeder einzelner dieser Instanzen nicht entspräche, nur derjenigen Organqualität zuzubilligen, deren Willensäußerung letztlich als Wille des Verbandes gilt 210 . Akteure, die mit verbindlich-gestaltender Wirkung auf den Willensbildungsprozess einwirken, üben vielmehr ohne weiteres eine organschaftliche Funktion aus. Das gilt für die Gesellschafterversammlung der GmbH, die dem Geschäftsführer Weisungen erteilt, ebenso wie für den Aufsichtsrat der AG, der seine nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG erforderliche Zustimmung zu einer Geschäftsführungsmaßnahme verweigert. Nicht anders zu bewerten ist die der Gesellschafterversammlung oder dem Aufsichtsrat zukommende Aufgabe, die Mitglieder des Geschäftsführungsorgans zu bestellen 211. b) Handelt es sich also bei dem Recht, den Geschäftsführer einer GmbH zu ernennen oder ein Mitglied in den Aufsichtsrat zu entsenden, um Organfunktionen, so fragt sich, ob auch der einzelne Gesellschafter dadurch zum Organ der Gesellschaft wird 212 , dass ihm Mitverwaltungsrechte der genannten Art als Sonderrecht im Sinne von § 35 BGB eingeräumt werden 213 . Dafür spricht die Erwägung, dass das Verbandsmitglied als Adressat eines Transfers von Organrechten zwangsläufig selbst zum Organ werde. So wurde bezogen auf das Recht eines Aktionärs zur Entsendung eines Aufsichtsratsmitglieds nach § 101 Abs. 2 AktG argumentiert, der Entsender trete als „Kreationsorgan“ an die Stelle der Hauptversammlung und unterliege daher denselben Bindungen wie das ursprünglich mit der Aufgabe betraute Organ 214 . Im Hinblick auf Körperschaften wird zur Untermauerung dieses Ergebnisses noch das Prinzip der abgeleiteten Organträgerverwaltung angeführt. Aus diesem folge nämlich, dass alle Kompetenzen, die sich auf die Selbstverwaltung der Körperschaft beziehen, den Verbandsorganen zugewiesen seien 215 . Konstruktiv würde demnach durch die Einräumung eines mitgliedschaftlichen Sonderverwaltungsrechts zunächst ein fakultatives Organ neu geschaffen, dieses sodann mit dem zu begünstigenden
210 Zutreffend Herfs, Einwirkung Dritter, S. 65; vgl. auch Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Bd. 2, § 74 I f 1 (S. 49), denen zufolge nicht die ausgeübte Funktion, sondern die Selbständigkeit der Einrichtung für die Bejahung der Organstellung entscheidend ist. 211 Zum Ganzen tendenziell abweichend Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1304. 212 Vgl. zur fehlenden Organeigenschaft des Gesellschafters im Übrigen unten § 5 E. 213 Vgl. dazu BGH NJW-RR 1989, 542; OLG Hamm ZIP 1986, 1188, 1194; OLG Düsseldorf NJW 1990, 1122; Soergel/Hadding, BGB, § 35 Rdn. 35; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdn. 83; Lutter, ZIP 1986, 1195; Ulmer/Raiser/Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 42. 214 So KölnKommAktG/Mertens, § 101 Rdn. 68; im Ergebnis ebenso Bürkle, Rechte Dritter, S. 43 f., 131. 215 Vgl. dazu Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 484 f.
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Mitglied als Organwalter besetzt und damit zugleich ein besonderes Organverhältnis des Sonderrechtsinhabers zur Gesellschaft begründet 216 . Nun gilt es zwar selbstverständlich zu gewährleisten, dass der Entsendungsberechtigte nicht nur die einschlägigen Satzungsbestimmungen beachtet, sondern auch keine erkennbar ungeeignete Person entsendet. Wie der Blick auf andere mitgliedschaftliche Verwaltungsrechte zeigt, bedarf es zur Begründung dieser Bindungen aber weder der Annahme eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Entsendungsberechtigten und der Gesellschaft 217 noch des Rückgriffs auf ein besonderes Organverhältnis. Verstößt beispielsweise ein Mitglied einer Personengesellschaft bei der Ausübung des ihm qua Mitgliedschaft zustehenden organschaftlichen Geschäftsführungsrechts gegen seine Pflichten, so sind nach zutreffender herrschender Auffassung Schadensersatzansprüche der Gesellschaft allein aus der Verletzung der mitgliedschaftlichen Treupflicht herzuleiten 218 . Die Annahme einer spezifisch organschaftlichen Sonderverbindung ist mithin verallgemeinert gesprochen überall dort entbehrlich, wo Mitverwaltungsrechte in der Mitgliedschaft gründen und ihre Wahrnehmung bereits aus diesem Grund einem besonderen gesellschaftsrechtlichen Kontroll- und Sanktionsmechanismus unterliegt 219. Insgesamt übt der Inhaber eines Entsendungsrechts somit zwar eine organschaftliche Funktion aus, die Annahme einer neben die Mitgliedschaft tretenden Organstellung und die Bezeichnung des Sonderrechtsinhabers als „Organ“ stiftet jedoch mehr Verwirrung als Nutzen und sollte daher vermieden werden 220 . 2. Beratungs- und Kontrollgremien Es verbleiben solche Stellen, die nicht mit verbindlicher Wirkung für die Gesellschaft entscheiden, sondern an der internen Willensbildung dadurch beteiligt sind, dass sie die Tätigkeit des Geschäftsführungsorgans beaufsichtigen oder dieses bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben beraten. Während die Organeigenschaft von Aufsichtsräten heute außer Streit stehen dürfte 221 , finden sich im 216 Vgl. näher zu „Kreationsorganen“ und insbesondere zu Entsendungsgerechten gesellschaftsfremder Dritter unter § 6 B. 217 So zu Recht BGHZ 36, 296, 309; MünchKommAktG/Semler, § 101 Rn. 105. 218 S. nur MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 226; Staub/Ulmer, HGB, § 114 Rdn. 50; aA Bergmann, Fremdorganschaft, S. 178; daneben unten § 13 A. 219 Ebenso GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 101 Rn. 162. 220 Im Ergebnis ebenfalls gegen eine Organstellung des Sonderrechtsinhabers Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1304; Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 74; GroßKommAktG/Hopt/ Roth, § 101 Rn. 162; MünchKommAktG/Semler, § 101 Rdn. 70; streng zwischen einer Kompetenzverlagerung auf sonstige Organe einerseits und Gesellschafter andererseits unterscheidend auch Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 46 Rdn. 94, 96; Herfs, Einwirkung Dritter, S. 110. 221 Im Aktienrecht tritt die Problematik nicht so deutlich hervor, weil dem Aufsichtsrat dort zahlreiche Entscheidungskompetenzen zukommen, vgl. etwa §§ 84, 111 Abs. 4 S. 2, 112,
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Hinblick auf den Abschlussprüfer Stimmen, die seine Eigenschaft als Verbandsorgan gerade deswegen in Abrede stellen, weil das von ihm ermittelte Prüfungsergebnis im körperschaftsinternen Prozess keinerlei unmittelbare und eigenständige Rechtsfolgen auszulösen vermöge222 . Gleiches lässt sich erst recht von einer lediglich beratenden Tätigkeit behaupten; auch deren Früchte sind für die Gesellschaft nur dann von weiterer Bedeutung, wenn sie von der Gesellschafterversammlung oder dem Geschäftsführungsorgan aufgegriffen werden. Deshalb wird die beratende Funktion verbreitet aus dem Kreis denkbarer Organkompetenzen ausgeschlossen 223 . Mindestens ebenso häufig findet sich allerdings auch die gegenteilige Einschätzung; ohne nähere Problematisierung wird nämlich von der Beratungsaufgabe eines Organs oder noch deutlicher von „Beratungsorganen“ gesprochen 224 . Im Europarecht findet sich schließlich auch eine gleichsam vermittelnde Lösung. Mit dem in Art. 257 vorgesehenen Wirtschaftsund Sozialausschuss sowie dem in Art. 263 verankerten Ausschuss der Regionen kennt der EG-Vertrag nämlich beratende Gremien, die zwar nicht zu den in Art. 7 Abs. 1 abschließend aufgezählten Organen gehören, diese aber immerhin gemäß Art. 7 Abs. 2 bei ihrer Aufgabenwahrnehmung unterstützen. In einem durchaus nebulösen Sprachgebrauch bezeichnet man sie daher als „Neben-“ oder „Hilfsorgane“ mit „organunterstützender“ Funktion 225 . Jedenfalls letztere Verlegenheitslösung führt im Zivilrecht nicht weiter, weil unklar bleibt, ob die die Organe betreffenden Grundsätze nun Anwendung finden oder nicht. Legt man den hier vertretenen Ansatz zugrunde, wonach es einer modernen Unternehmensverfassung nicht entspricht, bei einer Verteilung des Willensbildungsprozesses auf mehrere Instanzen nur die letzte, entscheidungsverkündende als Organ anzusehen, so verbietet es sich, selbst eine nur geringen Einfluss vermittelnde Funktion wie die der Beratung per se vom Organbegriff auszuschließen. Richtigerweise kommen somit Beratungsgremien auf schuldrechtlicher wie auf organschaftlicher Grundlage in Betracht. Ihre
172 AktG. Im GmbH-Recht dagegen lässt sich der fakultative Aufsichtsrat als ausschließlich auf Kontrolle beschränktes Gremium ausgestalten. 222 S. dazu einstweilen Mai, Abschlussprüfer, S. 211 ff.; eingehend dazu unten § 8 B III 1. 223 So Staub/Ulmer, HGB, § 109 Rdn. 53; MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 259; Koller, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 109 Rdn. 4; Bürkle, Rechte Dritter, S. 41; Hofbauer, Kompetenzen des Beirats, S. 49, 70. 224 OLG München ZIP 2005, 1556; Ulmer/Raiser/Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 372; Schlegelberger/Martens, HGB, § 164 Rdn. 24; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rdn. 9; Heymann/Horn, HGB, § 161 Rdn. 23; Spindler/Kepper, DStR 2005, 1738, 1739; Burgard, Gestaltungsfreiheit, S. 220, 271 f.; Herfs, Einwirkung Dritter, S. 65; Voormann, Beirat, S. 6; Jula, Konzernorgane, S. 64 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 6 I 4 (S. 325); aus öffentlich-rechtlicher Sicht ebenso Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 3, § 83 Rdn. 136, 156 mit Verweis auf §§ 57 e f. WPO. 225 Hilf, Die Organisationsstruktur der EG, S. 17 ff.; Streinz, EUV/EGV, Art. 7 EGV Rdn. 12.
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rechtliche Behandlung folgt der bereits erörterten Gegenüberstellung zwischen organschaftlichen und schuldrechtlichen Beiräten 226 ; im Einzelnen gilt daher: Während eine auf schuldrechtlicher Grundlage zur Beratung der Gesellschaft berechtigte oder verpflichtete Stelle ohne gesellschaftsinterne Sanktion übergangen werden kann, müssen die zur Entscheidung berufenen Organe dem Votum eines Beratungsorgans zwar inhaltlich ebenfalls nicht folgen; wohl aber ist der entsprechende Willensbildungsprozess fehlerhaft und ein gleichwohl gefasster Beschluss daher gegebenenfalls unwirksam oder anfechtbar, wenn trotz entsprechender Verpflichtung das Beratungsorgan überhaupt nicht angehört oder eine abgegebene Stellungnahme bei der Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt wurde. Überdies sind den kraft ihrer Amtsstellung zur Verschwiegenheit verpflichteten Mitgliedern des Beratungsorgans die für eine sachgerechte Aufgabenwahrnehmung erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, wohingegen Beratungsgremien auf schuldrechtlicher Grundlage zur Beratung der Gesellschaft oft nur verpflichtet sind, ohne im Gegenzug ein Recht auf Anhörung oder gar einen Anspruch auf eine angemessene Versorgung mit Informationen zu haben 227. Wenn somit auch die Beratung eines anderen Organs durchaus als genuin organschaftliche Aufgabe ausgestaltet sein kann, so ist den Verfechtern der Gegenauffassung doch immerhin zuzugeben, dass im Regelfall von einer lediglich schuldrechtlichen Verankerung auszugehen ist und der Vertrag weiterhin im Zweifel nur zu der Beratungstätigkeit verpflichtet, aber keine korrespondierenden Mitwirkungsrechte einräumt.
III. Änderung des Gesellschaftsvertrags und andere Grundlagengeschäfte Neben der alltäglichen Führung der Geschäfte und darauf bezogener Kontrollund Aufsichtstätigkeit müssen auch Entscheidungen über die Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenlebens getroffen werden. Die Änderung des Gesellschaftsvertrags und im Recht der Personengesellschaften auch die so genannten Grundlagengeschäfte sind den Gesellschaftern als den „Herren der Gesellschaft“ vorbehalten. Noch keine Aussage ist damit indessen darüber getroffen, ob es sich insofern um organschaftliches Tätigwerden für die Gesellschaft handelt oder ob die Entscheidungen Gegenstand eines anderweitigen Beschlusses der Gesellschafter sind. Diese Frage rührt an die Grundlagen der Organisationsverfassung privater Verbände und kann daher ohne Berücksich-
226
Vgl. oben § 3 D II 2. Zutreffende Unterscheidung zwischen schuldrechtlichen und organschaftlichen Informationsrechten bei Bürkle, Rechte Dritter, S. 41 f.; vgl. auch Ulmer/Raiser/Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 318. 227
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tigung der strukturellen Unterschiede von juristischen Personen und rechtsfähigen Personengesellschaften nicht beantwortet werden. 1. Verbleibende Unterschiede zwischen juristischen Personen und rechtsfähigen Personengesellschaften Genau diese traditionelle Dichotomie von Personengesellschaft und Körperschaft sieht sich im neueren Schrifttum allerdings einer maßgeblich von Raiser formulierten Fundamentalkritik ausgesetzt 228 . Als Anknüpfungspunkt dienten dabei die Vorschriften der §§ 190 ff. UmwG 1994, die abweichend vom früheren Recht einen identitätswahrenden Formwechsel auch zwischen Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften ermöglichen und damit angeblich zeigen, dass alle diese Rechtsformen zur gleichen Kategorie von „Rechtsträger“ gehören 229. Dieser wiederum könne unbedenklich als juristische Person bezeichnet werden, weil hierfür allein die Fähigkeit maßgebend sei, selbständig Träger von Rechten und Pflichten sein zu können. Demgegenüber fielen fortbestehende Unterschiede in der Organstruktur, der Haftungsverfassung und der Mitgliedschaft nicht wesentlich ins Gewicht; die bisherigen Kategorisierungen hätten nur noch als „Orientierungshilfe“ heuristischen Wert 230 . Von daher überrascht es nicht, wenn Stellungnahmen zu der hier interessierenden Frage der Änderung der verfassungsmäßigen Grundlage sich ausschließlich mit der erforderlichen Mehrheit befassen und dazu ausführen, diese unterläge weitgehend der Privatautonomie, wobei sich die gewählten Regelungen nach der Realstruktur der Gesellschaft und nicht nach der Rechtsform richteten 231. Nach geltendem Recht ist indessen allen Bemühungen, Personengesellschaften und juristische Personen gänzlich oder weitgehend gleichzustellen, eine deutliche Absage zu erteilen 232 . Schon der Ausgangspunkt der Kritik, aus der nunmehr eröffneten Option eines Formwechsels zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften weitreichende Schlussfolgerungen zu ziehen, vermag nicht zu überzeugen. Insofern hat der Gesetzgeber in der maßgeblichen Vor228 Vgl. Raiser, AcP 194 (1994), 495, 503 ff.; ders., FS Zöllner, Bd. 1, S. 469, 474 ff.; s. daneben Timm, NJW 1995, 3209, 3214; Hadding, ZGR 2001, 712, 718 ff.; Bergmann, Fremdorganschaft, S. 51 ff.; symphatisierend Staudinger/Habermeier, BGB, Vor § 705 Rdn. 29. 229 Raiser, AcP 194 (1994), 495, 498 f.; Bergmann, Fremdorganschaft, S. 52. 230 So Raiser, FS Zöllner, Bd. 1, S. 469, 485. 231 Raiser, AcP 194 (1994), 495, 507; tendenziell abweichend allerdings Hadding, ZGR 2001, 718, 720, der den Begriff der juristischen Person nur mit Rechtsfähigkeit verbinden möchte und im Übrigen die Strukturunterschiede zwischen Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften betont. 232 So auch BGHZ 146, 341, 343, 347; BGHZ 149, 80, 84; Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 119 ff.; MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 307 ff.; Mülbert/Gramse, WM 2002, 2085, 2093; Habersack, BB 2001, 477, 478; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 1 I 2b (S. 12); Wertenbruch, Haftung, S. 211 f.; U. Huber, FS Lutter, S. 107, 113 f.; Altmeppen, ZIP 2006, 1, 3; Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 2 Rdn. 7.
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schrift des § 202 Abs. 2 Nr. 1 UmwG lediglich den Fortbestand des formwechselnden Rechtsträgers in der in dem Umwandlungsbeschluss bestimmten Rechtsform angeordnet. Schon im Ausgangspunkt ist das gerade nicht im Sinne eines Fortbestehens desselben Rechtsträgers, sondern im Sinne einer Kontinuität des Rechtsträgers und der ihm zugeordneten Rechtsverhältnisse bei gleichzeitiger Diskontinuität seiner Verfassung zu verstehen 233 . Jedenfalls aber ist mit der Bewältigung der Problematik eines typenübergreifenden Formwechsels eine über das Unwandlungsrecht hinausgehende Aufhebung traditioneller dogmatischer Strukturen nicht verbunden. Geradezu schlagend bewiesen wird das durch die im Jahre 2000 neu ins BGB aufgenommene Vorschrift des § 14, der zufolge neben natürlichen und juristischen Personen auch rechtsfähigen Personengesellschaften die Eigenschaft eines Unternehmers zukommen kann. Das terminologische Bemühen des Gesetzgebers, an dem hergebrachten Gegensatz festzuhalten, könnte deutlicher kaum ausgeprägt sein. Trotz der in der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts kulminierenden Angleichung von Personengesellschaften und juristischen Personen im Außenverhältnis234 bleiben denn auch hinsichtlich des Innenverhältnisses grundlegend verschiedene Strukturen zu konstatieren, welche wiederum Ausfluss der unterschiedlichen Funktion des Gesellschaftsvertrags sind. Eine juristische Person wird zwar durch Vertrag gegründet, mit der Eintragung in das Register kommt es jedoch zu einer strikten Trennung von Gesellschaft und Gesellschaftern; die juristische Person verselbständigt sich auch im Verhältnis nach innen gegenüber ihren Mitgliedern zur „Verbandsperson“. Der Gesellschaftsvertrag wandelt sich zur Satzung und bildet keine Grundlage mehr für die rechtlichen Beziehungen der Gesellschafter untereinander. Deshalb kann die juristische Person unabhängig vom Wechsel oder Rückgang ihrer Mitglieder fortbestehen 235 und als Kapitalgesellschaft eigene Anteile an sich selbst erwerben. Demgegenüber existiert die Gesamthandsgemeinschaft nur als „Gruppe“ bzw. „Personenverband“ der sie konstituierenden Gesellschafter 236 ; sie wird mit anderen Worten weiterhin durch ein die Gesellschafter untereinander verbindendes Schuldverhältnis konstituiert. Plastisch gesprochen ist es die „Mauer“ zwischen der Gesellschaft und der Gesamtheit ihrer Mitglieder, also die Verselbständigung auch im Innenverhältnis, welche
233
Zutreffend Staub/Habersack, HGB, § 124 Rdn. 2; Wiedemann, ZGR 1996, 286, 289 f. Grundlegend BGHZ 146, 341, 343 ff. 235 Aufgrund der mitgliedschaftlichen Basis aller Gesellschaften im Gegensatz zur Stiftung fi ndet die Selbständigkeit gegenüber den Mitgliedern lediglich in der Rechtsfigur der „Keinmann-Gesellschaft“ ihre Grenze, s. dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 33 V 2 (S. 995 f.). 236 Grundlegend Flume, Personengesellschaft, § 7 I, II (S. 87 ff.); daneben Habersack, JuS 1990, 179, 181; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 IV 2 (S. 207 ff.); U. Huber, FS Lutter, S. 107, 113. 234
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den Personengesellschaften gegenüber den juristischen Personen fehlt 237. Gerade deswegen vermag die Personengesellschaft weder eigene Anteile zu erwerben noch nach Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters fortzubestehen; im Gegenzug kann jeder Gesellschafter grundsätzlich nur einmal Partner des anderen sein, weshalb eine mehrfache Mitgliedschaft in Personengesellschaften grundsätzlich ausscheidet 238 . Von weitreichender Bedeutung ist die Gegenüberstellung von juristischen Personen und rechtsfähigen Personengesellschaften aber gerade auch im Hinblick auf die Art und Weise der Verfassungsänderung. Während hierfür bei Personengesellschaften im Grundsatz Einstimmigkeit erforderlich ist, genügt beim Verein und den Kapitalgesellschaften eine qualifizierte Mehrheit. Vor allem jedoch vollzieht sich der Vorgang innerhalb eines verschiedenen Zurechungsmechanismus, nämlich dem „organschaftlichen Modell“ einerseits und dem „Vertragsmodell“ andererseits239. 2. Juristische Personen Was zunächst die juristischen Personen angeht, so sind diese aufgrund ihrer Verselbständigung auch gegenüber ihren Mitgliedern rechtskonstruktiv in jeder Hinsicht autonom und können daher in allen sie betreffenden Angelegenheiten ihren Willen eigenständig durch Beschlussfassung der zuständigen Organe bilden. Mit anderen Worten beschränkt sich der Grundsatz, dass sich eine juristische Person das Verhalten ihrer Organe wie eigenes zurechnen lassen muss, nicht auf die Abwicklung der laufenden Geschäftsführung, sondern erstreckt sich auf alle für den Verband maßgeblichen Entscheidungen und somit letztlich auch auf Satzungsänderungen. Zwar sind es rein tatsächlich weiterhin die Gesellschafter, die über eine Änderung der satzungsmäßigen Grundlagen ihrer Gesellschaft zu entscheiden haben. Sie wirken dabei allerdings nicht von außen auf diese ein, sondern agieren als Mitglieder des Organs Mitgliederversammlung. Rechtskonstruktiv ist die juristische Person somit auch in dieser
237 So zutreffend Wertenbruch, Haftung, S. 212; s. daneben Lehmann, AcP 207 (2007), 226, 245; aA Scholz, WM 2006, 897, 901 f. 238 Das ist jeweils ganz hM, gewisse Erosionstendenzen sollen indes nicht verschwiegen werden, s. zur Einpersonen-Gesellschaft Staudinger/Habermeier, BGB, Vor § 705 Rdn. 29a; Pfi ster, Einmann-Personengesellschaft, 1999; dagegen Flume, Personengesellschaft, § 7 III 3 (S. 99); Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 1 I 2a (S. 14); zur mehrfachen Mitgliedschaft Kießling, FS Hadding, S. 477, 496 ff.; MünchKommHGB/Grunewald, § 161 Rdn. 5; dagegen Ulmer, ZHR 167 (2003), 103; MünchKommHGB/K. Schmidt, § 105 Rdn. 77. 239 Mülbert/Gramse, WM 2002, 2085, 2086 verwenden demgegenüber – in der Sache übereinstimmend – die Termini „Vertragsmodell“ und „Beschlussmodell“. Letzterer ist deshalb nicht vollauf überzeugend, weil man gemeinhin auch die Meinungsbildung über Vertragsänderungen als Beschlussfassung zu bezeichnen pflegt; s. daneben Weipert, in: Münchener Handbuch, Bd. 1, § 57 Rdn. 3; „Individualprinzip“ vs. „Verbandsprinzip“.
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Hinsicht Herr ihrer selbst: Indem sie sich ihrer Organe bedient, ändert sie selbst ihre Verfassung 240 . Aus Sicht dieses organschaftlichen Modells ist es nur folgerichtig, dass gemäß § 246 Abs. 2 S. 1 AktG jede Klage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss einschließlich einer solchen gegen einen satzungsändernden Beschluss gegen die Gesellschaft zu richten ist. Gerade weil die Gesellschaft sich den Beschluss als Akt eigener Willensbildung zurechnen lassen muss, ist sie nämlich auch aus materiell-rechtlicher Sicht der richtige Beklagte. Erklärungsmodellen, die § 246 Abs. 2 S. 1 AktG als Fall einer gesetzlichen Prozessstandschaft oder als Fiktion der Sachlegitimation deuten wollen, ist daher nicht zu folgen 241. Kommt der Vorschrift aber nur deklaratorische Bedeutung zu, so ist es eine Selbstverständlichkeit, dass auch ohne explizite gesetzliche Regelung Klagen gegen satzungsändernde Beschlüsse eines eingetragenen Vereins242 oder einer GmbH 243 ebenfalls gegen den Verband zu richten sind 244 . Da die juristische Person die Satzungsänderung selbst bewirkt, ist sie weiterhin fähig, diesbezüglich rechtsgeschäftliche Verpflichtungen einzugehen. Zwar sind solche Vereinbarungen weder von der Vertretungsmacht der Geschäftsführung gedeckt noch im Hinblick auf den Grundsatz der Satzungsautonomie der Gesellschafter unbeschränkt möglich. Zu Recht erkennt jedoch die ganz überwiegende Meinung schuldrechtliche Verpfl ichtungen der GmbH an, sofern nur die Gesellschafterversammlung zu einer konkreten Maßnahme ihre Zustimmung erteilt hat 245 . Wenn im Aktienrecht demgegenüber die ablehnende Haltung überwiegt, so liegt dem nicht etwa eine abweichende Beurteilung der rechtskonstruktiven Grundlagen, sondern allein die kaum überzeugende Erwägung zugrunde, dass
240 Sehr deutlich Fleck, ZGR 1988, 104, 112, der insofern von einem „weitgespannten Organbegriff“ spricht; Herfs, Einwirkung Dritter, S. 165; Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 357; Schuld, Organschaftliche Beschlusszurechnung, S. 97; vgl. aber auch M. Winter, Treuebindungen, S. 60; grundlegend aA Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 487 f. 241 Zutreffend Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 243 ff.; MünchKommAktG/Hüffer, § 246 Rdn. 44. 242 LG Frankfurt NJW-RR 1998, 396; Schwarz, in: Bamberger/Roth, BGB, § 32 Rdn. 40; Soergel/Hadding, BGB, § 32 Rdn. 40; Schöpfl in, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 32 Rdn. 15; Erman/Westermann, BGB, § 32 Rdn. 6; vgl. daneben RGZ 122, 266, 269. 243 BGH NJW 1981, 1041; OLG Rostock NZG 2004, 191, 192; Ulmer/Raiser, GmbHG, Anh. § 47 Rdn. 220; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rdn. 163; zweifelnd Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 47 Rdn. 34; aA Joost, ZGR 1984, 71 ff. für personalistische GmbH. 244 Das gilt unabhängig von der davon strikt zu trennenden Frage, ob das Anfechtungsklageerfordernis auf diese Rechtsformen zu übertragen ist, vgl. dazu 3 c cc. 245 Str. ist allein, ob es zusätzlich der notariellen Beurkundung und der Eintragung ins Handelsregister bedarf, vgl. zum Ganzen Fleck, ZGR 1988, 104, 113 ff.; Scholz/Priester, GmbHG, § 53 Rdn. 35; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 53 Rdn. 37; Michalski/Hoffmann, GmbHG, § 53 Rdn. 49 ff.; rechtsformübergreifend Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 355 ff.
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in der Ermächtigung des Vorstands ein unzulässiger Eingriff in die Satzungsautonomie der nächsten Hauptversammlung liege246 . 3. Personengesellschaften a) Gesetzlicher Ausgangspunkt: Das Vertragsmodell Im Recht der Personengesellschaften ist nach herrschender Meinung streng nach dem Gegenstand des zu fassenden Beschlusses zu unterscheiden. Während bei einem Beschluss über Geschäftsführungsfragen die geschäftsführenden Gesellschafter als Organ der Gesellschaft agierten, teile ein Beschluss, der auf die Änderung der gesellschaftsvertraglichen Abreden abzielt, deren Rechtsnatur und habe mithin selbst Vertragscharakter247. Hiergegen regt sich allerdings in jüngerer Zeit Widerspruch. Demnach soll die genannte Unterscheidung überholt sein, weil die nach heutigem Erkenntnisstand allen Personengesellschaften zukommende Rechtsfähigkeit zwingend mit einer Verselbständigung der Gesellschaft auch gegenüber ihren Mitgliedern einhergehe. Geschäftsführungs- und Grundlagenbeschlüsse fielen demzufolge gleichermaßen in den Zuständigkeitsbereich der Gesellschaft mit der Folge, dass sich in allen rechtsfähigen Gesellschaften, seien sie nun juristische Personen oder nicht, die Willensbildung vollumfänglich nach dem Modell organschaftlicher Zurechnung vollziehe 248 und richtiger Beklagter bei Beschlussmängelklagen die Gesellschaft selbst sei 249. Mit gleicher Tendenz fordert auch Wiedemann eine Angleichung von Innen- und Außenverhältnis250 . Ähnlich wie beim Auftreten gegenüber Dritten eine kontinuierliche Entwicklung zur Selbständigkeit der Personengesellschaft zu verzeichnen sei, müsse auch im Innenverhältnis die Organisation den Vertrag ablösen und damit ein Wandel vom vertraglichen hin zum organschaftlichen oder schlicht gesellschaftlichen Verständnis der Abstimmung Platz greifen. Zwar beruhe die Personengesellschaft auf einem Gründungsvertrag, 246 So MünchKommAktG/Stein, § 179 Rdn. 212; im Ergebnis ebenso KölnKommAktG/ Mertens, § 82 Rdn. 4; GroßKommAktG/Wiedemann, § 179 Rdn. 155; Flume, Juristische Person, § 7 I 3 (S. 198) zum Verein; zu Recht für eine Übertragung GmbH-rechtlicher Grundsätze dagegen Hüffer, AktG, § 179 Rdn. 32. 247 Ulmer, FS Niederländer, S. 415, 427; MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 55; Erman/ Westermann, BGB, § 709 Rdn. 19; Baumbach/Hopt, HGB, § 119 Rdn. 25; Goette, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 119 Rdn. 28; Heymann/Emmerich, HGB, § 119 Rdn. 2; Palandt/Sprau, BGB, Vor § 709 Rdn. 11. 248 Schuld, Organschaftliche Beschlusszurechnung, S. 154 ff., 180 ff.; Scholz, WM 2006, 987, 902; tendenziell bereits Teichmann, AcP 179 (1979), 475, 484. 249 Schuld, Organschaftliche Beschlusszurechnung, S. 209 ff.; Scholz, NZG 2002, 153, 160 f.; ders., WM 2006, 897, 902; AnwKommBGB/Heidel/Pade, § 709 Rdn. 45; vgl. auch v. Ditfurth, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 709 Rdn. 19: Klage auch gegen die Gesellschaft. 250 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 I (S. 291 f.) und § 4 I 2a (S. 297 f.), der allerdings – insofern inkonsequent – die Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen im Verhältnis zu den übrigen Gesellschaftern und nicht zur Gesellschaft klären lassen will, aaO § 4 I 5 (S. 325).
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einmal ins Leben gerufen unterstehe sie aber einer eigenständigen Willensbildung durch Beschluss. Weil ein Gesellschafterbeschluss in Grundlagenfragen mit anderen Worten kein verlängerter Vertragsschluss sei, lasse sich die Unterscheidung zwischen vertragsförmigen und organschaftlichen Beschlüssen auf Dauer nicht aufrechterhalten. So verlockend die mit diesen Lehren verbundene vereinheitlichende Institutionenbildung auch sein mag, so wenig ist sie mit den zuvor herausgearbeiteten Grundlagen des Rechts der Personengesellschaften vereinbar. Denn danach ist die rechtsfähige Personengesellschaft – anders als die eingetragene Körperschaft – über den Gründungsakt hinaus weiterhin auch ein Schuldverhältnis unter den Gesellschaftern und somit im Innenverhältnis gegenüber ihren Mitgliedern gerade nicht verselbständigt 251. Das wiederum lässt nur die Schlussfolgerung zu, dass die Gesellschafter, wenn sie die vertragsmäßigen Grundlagen der Gesellschaft ändern, nicht als deren Organ, sondern als die das Schuldverhältnis konstituierenden Partner des Gesellschaftsvertrags agieren 252 . Die Gesellschaft ist insofern nur das Objekt der Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander und steht als solches grundsätzlich zu ihrer Disposition 253 . An der herrschenden Meinung, der zufolge Beschlüssen, die den Gesellschaftsvertrag ändern, ihrerseits Vertragsqualität zukommt 254 , ist somit für den gesetzlichen Regelfall 255 uneingeschränkt festzuhalten. Dem bei juristischen Personen vorzufindenden organschaftlichen Zurechnungsmechanismus kann daher das personengesellschaftsrechtliche Vertragsmodell gegenüber gestellt werden. Die unterschiedliche rechtliche Konstruktion wirkt sich auf zahlreiche materielle wie prozessuale Sachfragen aus. So zieht die Einordnung als Vertrag in materieller Hinsicht die Anwendbarkeit der §§ 145 ff. BGB nach sich 256 und bietet eine Erklärung dafür, warum als Erklärungsempfänger der Stimmabgabe durchweg die Mitgesellschafter angesehen werden 257. Weiterhin können sich allein diese schuldrechtlich gegenüber Dritten zu Vertragsänderungen verpfl ichten, als bloßes Objekt der Vertragsänderung ist die Gesellschaft selbst hingegen dazu – anders als die juristische Person – nicht imstande. In prozessualer Hin251
Ebenso BGHZ 163, 154, 177 f. zur rechtsfähigen WEG. So auch MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 258; Staub/Habersack, HGB, § 126 Rdn. 12. 253 BGH WM 1966, 1036; Staub/Ulmer, HGB, § 114 Rdn. 15; Brandes, WM 2000, 385, 389. 254 Vgl. nochmals die Nachweise in Fn. 247; s. daneben K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 214 f., dem zufolge man die einstimmig gefassten Beschlüsse nicht als Tätigkeit eines Gesellschaftsorgans, sondern als ein Selbsthandeln der Gruppenmitglieder verstehen kann. 255 Vgl. zu abweichenden Gestaltungsmöglichkeiten alsbald unter b). 256 Ulmer, FS Niederländer, S. 415, 430; Mülbert/Gramse, WM 2002, 2085, 2086. 257 S. nur RGZ 163, 385, 392 f.; BGH WM 1957, 1128, 1130; Goette, in: Ebenroth/Boujong/ Joost, HGB, § 119 Rdn. 38 ff.; Baumbach/Hopt, HGB, § 119 Rdn. 26; Schlegelberger/Martens, HGB, § 119 Rdn. 35. 252
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sicht schließlich findet die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ihre Bestätigung, wonach die Gesellschafter einen Streit über die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen untereinander auszutragen haben, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag zulässigerweise vorsieht, dass ein derartiger Prozess mit der Gesellschaft selbst auszufechten ist 258 . In voller Übereinstimmung mit den hier angestellten Überlegungen begründet dies der BGH damit, dass Streitigkeiten über die Wirksamkeit von Änderungen des Gesellschaftsvertrags – ebenso wie solche über die Zugehörigkeit einer bestimmten Person zum Gesellschafterkreis – die Grundlagen des Gesellschaftsverhältnisses betreffen und die Gesellschaft selbst hierüber keine Dispositionsbefugnis hat 259. Gegen die Gesellschaft selbst gerichtete Klagen sind daher wegen fehlender Sachlegitimation durch Sachurteil abzuweisen 260 . b) Fakultative Einführung des organschaftlichen Modells Im Weiteren gilt es zu klären, ob sich Vertragsänderungen zwingend nach dem Vertragsmodell richten 261 oder ob durch Gesellschaftsvertrag statt dessen der organschaftliche Zurechnungsmechanismus eingeführt werden kann. Das hätte zur Folge, dass nicht mehr die Gesellschafter als Partner des die Gesellschaft konstituierenden Schuldverhältnisses agierten, sondern die Gesellschaft selbst ihre Verfassung änderte262 . Ein deutlicher Fingerzeig zugunsten einer solchen Gestaltungsbefugnis lässt sich der gerade eben angeführten Rechtsprechung des BGH entnehmen 263 . Danach sind Streitigkeiten über die Wirksamkeit von Vertragsänderungen zwar grundsätzlich zwischen den Gesellschaftern auszutragen, abweichend davon kann jedoch im Gesellschaftsvertrag auch die Gesellschaft selbst als Klagegegnerin bestimmt werden. In diesem Fall werde der Ge258
BGHZ 81, 263, 264 f.; BGHZ 85, 350, 353; BGH NJW 1995, 1218; NJW 1999, 3113, 3115; NJW 2003, 1729; ZIP 2006, 1579, 1581; zustimmend Staub/Ulmer, HGB, § 119 Rdn. 94; Goette, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 119 Rdn. 77; Heymann/Emmerich, HGB, § 119 Rdn. 12; Koller, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 105 Rdn. 30; vgl. aber auch BGH ZIP 2007, 766, 767, Tz. 16 f. 259 BGHZ 48, 175, 176 f.; BGH WM 1965, 14; WM 1990, 675, 676; Brandes, WM 2000, 385, 389; Wertenbruch, NZG 2006, 408, 412. 260 BGH WM 1965, 14; kritisch Bork, ZGR 1991, 125, 131: Da durch Feststellungsurteile die Rechtslage nicht umgestaltet, sondern lediglich deklariert werde, komme es auf die Verfügungsbefugnis nicht an. 261 Dafür Schütz, Sachlegitimation, S. 115 f. mit der unhaltbaren Prämisse, eine fakultativ eingeführte Gesellschafterversammlung könne deswegen nicht als Organ der Gesellschaft die vertraglichen Grundlagen ändern, weil die Gesellschafter ihre Rechte dort im eigenen Interesse wahrnehmen dürften. Genau das ist jedoch für das Organ Gesellschafterversammlung im Recht der Körperschaften typisch, s. zu Sonderstellung des Mitgliederorgans § 6 A. 262 So, wenn auch mit unterschiedlicher Terminologie, Mülbert/Gramse, WM 2002, 2085, 2091; Weipert, in: Münchener Handbuch zum Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 57 Rdn. 24; K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 214 f.; zuvor bereits ders., FS Stimpel, S. 217, 236 f.; s. daneben Nitschke, Personengesellschaft, S. 102 ff. 263 Vgl. die Nachweise in Fn. 258.
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sellschaft materiell-rechtlich die Befugnis übertragen, an Stelle der Gesellschafter über die Gesellschafterbeschlüsse zu disponieren 264 . Vielleicht nicht die einzige, wohl aber eine besonders überzeugende Erklärung hierfür ist, dass mit der Neubestimmung des Klagegegners ein Übergang vom Vertragsmodell zum organschaftlichen Modell verbunden ist 265 . Demgegenüber erscheint die Deutung, der Gesellschaft werde nachträglich und nur für den Prozess das Recht eingeräumt, über einen fremden Beschluss zu verfügen 266 , als eher künstlich. Näher liegt die Vorstellung, dass die Gesellschaft die Beschlüsse deswegen zu verteidigen hat, weil sie ihr materiell-rechtlich zuzurechnen sind. Damit übereinstimmend judizierte bereits das RG, es bestünden keine grundsätzlichen Bedenken gegen die rechtliche Möglichkeit, der Mehrheit der Gesellschafter oder einem Organ der Gesellschaft die Beschlussfassung über solche Fragen zu übertragen, die die Grundlagen der Gesellschaft betreffen 267. Rechtstechnisch wird durch den Übergang vom Vertragsmodell zum organschaftlichen Modell die Gestaltung der Vertragsbeziehungen, die zwischen den Gesellschaftern untereinander und zur Gesellschaft bestehen, der Gesellschaft selbst und damit aus Sicht der das gesellschaftliche Schuldverhältnis konstituierenden Gesellschafter einem vertragsfremden Dritten überlassen. Dritten solche einseitigen Bestimmungsrechte einzuräumen, überschreitet jedoch, wie nicht zuletzt die Vorschrift des § 317 BGB zeigt, grundsätzlich nicht die Grenzen privatautonomer Gestaltungsmacht. Eine organschaftliche Beschlussfassung der Personengesellschafter ist jedoch nicht nur konstruktiv möglich, ihr stehen auch keine materiellen Schutzgesichtspunkte entgegen. Denn solange mit der Gesamtheit der Gesellschafter derselbe Personenkreis zur Entscheidung berufen und weiterhin eine einstimmige Beschlussfassung erforderlich ist, bleibt die Rechtsstellung eines jeden Gesellschafters unberührt. Soweit aber davon abweichend das Mehrheitsprinzip eingeführt wird, ist das, unabhängig davon, nach welchem Zurechnungsmodell sich die Willensbildung vollzieht, nur unter Beachtung der sich aus dem Bestimmtheitsgrundsatz und der Kernbereichslehre ergebenden Anforderungen möglich 268 . Insgesamt bestehen daher keine Bedenken, den Gesellschaftern einer rechtsfähigen Personengesellschaft ein Wahlrecht zwischen dem Vertragsmodell und
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So explizit BGH WM 1966, 1036; BGH WM 1990, 676. Zutreffend Mülbert/Gramse, WM 2002, 2085, 2090. 266 In diese Richtung aber v. Gerkan, in: Röhricht/Graf v. Westphalen, HGB, § 119 Rdn. 12, der von einer „prozessualen Sachbefugnis“ spricht. 267 RGZ 136, 236, 243 (Hervorhebung vom Verfasser); s. daneben Staub/Ulmer, HGB, § 119 Rdn. 49: Gesellschaftsvertraglich könne die Gesellschafterversammlung als das für Grundlagenentscheidungen zuständige Gesellschaftsorgan vorgesehen werden. 268 S. dazu nur MünchKommBGB/Ulmer, § 709 Rdn. 84 ff.; MünchKommHGB/Enzinger, § 119 Rdn. 63 ff.; Goette, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 119 Rdn. 45 ff. 265
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dem organschaftlichen Modell einzuräumen 269. Dieses Ergebnis wiederum legt einen kritischen Folgeeinwand nahe, der dahin formuliert werden kann, dass der einleitend behauptete angeblich kategoriale Unterschied zwischen juristischen Personen und rechtsfähigen Personengesellschaften 270 offenbar doch nicht bestehe. Die Willensbildung in Personengesellschaften könne sich auch nach körperschaftlichen Grundsätzen vollziehen und verbleibende Unterschiede seien daher vor allem der jeweiligen Realstruktur der Gesellschaft geschuldet. Eine solche Schlussfolgerung wäre freilich in doppelter Hinsicht unrichtig. Einerseits besteht nämlich das Wahlrecht zwischen beiden Beschlussmodellen nur bei den Personengesellschaften. Eine vertragliche Vereinbarung aller Mitglieder einer juristischen Person bliebe demgegenüber als schuldrechtliche Nebenabrede ohne Einfluss auf die Organisationsstruktur der gegenüber ihren Mitgliedern verselbständigten Gesellschaft und änderte daher nichts daran, dass deren Satzung allein mittels eines Organbeschlusses geändert werden könnte. Umgekehrt wird die rechtsfähige Personengesellschaft im Zuge einer Option für das organschaftliche Modell – noch nicht einmal beschränkt auf den Mechanismus etwaiger Verfassungsänderungen – den juristischen Personen vollständig gleich gestellt. Denn da die Gesellschafter anders als die Mitglieder einer juristischen Person untereinander weiterhin als Partner des Gesellschaftsvertrags verbunden sind, verbleibt ihnen notwendig die Rechtsmacht, die einmal etablierte Organverfassung auch wieder abzuschaffen und zum Vertragsmodell zurückzukehren 271. c) Auslegungskriterien aa) Steht den Gesellschaftern nach dem Gesagten somit hinsichtlich des rechtlichen Mechanismus, mittels dessen sich Änderungen der gesellschaftsvertraglichen Grundlagen vollziehen, eine Wahlmöglichkeit offen und ist nach dem derzeitigen Stand der Rechtsentwicklung weiterhin eine ausdrückliche Festlegung in der Praxis schlechthin nicht zu erwarten, so bedarf der Gesellschaftsvertrag der Auslegung. Da nach dem gesetzlichen Leitbild vom Vertragsmodell auszugehen ist, kommt die Annahme, die Gesellschafter wollten sich dem organschaftlichen Modell unterstellen, nur in Betracht, wenn sich dafür besondere Anhaltspunkte in den vertraglichen Regelungen oder der gemeinsamen Interessenlage der Gesellschafter finden. Mit anderen Worten bewendet es im Zweifel dabei, dass Beschlüsse betreffend die Änderung gesellschaftsvertraglicher Ver269
Siehe nochmals die Nachweise in Fn. 262. S. dazu III 1. 271 Grundlegend Mülbert/Gramse, WM 2002, 2085, 2093 f., die deshalb den Gegensatz zwischen „Vertragsgesellschaften“ und „Satzungsgesellschaften“ als die fundamentale systembildende Dichotomie des geltenden Gesellschaftsrechts ansehen; vgl. daneben aber auch Reuter, Schranken der Perpetuierung, S. 59 ff. und Bälz, ZGR 1980, 1, 38, die dem genannten Begriffspaar eine ganz andere Bedeutung zumessen. 270
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einbarungen ihrerseits Vertragscharakter haben. Immerhin sprechen aber doch bestimmte, über den Einzelfall hinaus typisierbare Umstände für eine organschaftliche Ausgestaltung des Willensbildungsprozesses. Zuvörderst zu nennen sind hier Anleihen beim Beschlussrecht der Kapitalgesellschaften. Wie bereits ausgeführt, liegt Klauseln, denen zufolge Beschlussfeststellungs- und Statusklagen gegen die Gesellschaft zu richten sind, die Vorstellung zugrunde, dass es die Gesellschaft selbst ist, die ihre Grundlagen ändert 272 . Aber auch ausdifferenzierte Regeln für die Einberufung und Durchführung einer Gesellschafterversammlung sowie die Obliegenheit, Beschlussmängel binnen einer an § 246 AktG orientierten Frist geltend zu machen, kommen als Indizien in Betracht 273 . bb) Dagegen ist nach der Rechtsprechung des BGH im Hinblick auf eine kapitalistisch strukturierte Publikumsgesellschaft nicht per se davon auszugehen, dass ein Streit um die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen mit der Gesellschaft auszufechten ist und daher – in hiesiger Terminologie – das organschaftliche Modell zugrunde zu legen ist. Die Schwierigkeit einer prozessualen Auseinandersetzung mit einer großen Zahl von Mitgesellschaftern belege vielmehr allein die Notwendigkeit einer entsprechenden Zuständigkeitsverlagerung, lasse aber für sich genommen nicht den sicheren Schluss zu, dass der Vertrag auch tatsächlich einen derartigen Inhalt habe 274 . Das erscheint zu engherzig. Ganz im Gegenteil wird man bei Publikumsgesellschaften und sonstigen Personengesellschaften, die auf eine größere Gesellschafterzahl hin angelegt sind, aus der objektiven Interessenlage im Wege ergänzender Vertragsauslegung regelmäßig auf den Willen zu einer organschaftlichen Beschlussfassung schließen können 275 . Das unentziehbare Mitgliedschaftsrecht, Beschlussmängel geltend zu machen 276 , drohte nämlich vereitelt zu werden, wäre der Kläger tatsächlich zu einer kaum noch handhabbaren Prozessführung gegen mehrere hundert, ihm zunächst einmal unbekannte 277 Mitgesellschafter gezwungen. Zum Schwur 272
S. oben b). So auch BGH NJW 2003, 1729 f.; ZIP 2006, 1579, 1581; s. daneben zur Einführung einer Gesellschafterversammlung unten § 5 B; zur Zulässigkeit einer am Leitbild des § 246 AktG orientierten Klagefrist BGH NJW 1995, 1218, 1219; Staub/Ulmer, HGB, § 119 Rdn. 96. 274 So BGH NJW 1999, 3113, 3115; vgl. bereits BGH WM 1983, 785; ebenso OLG Frankfurt a. M. DB 1993, 2172; Koller, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 105 Rdn. 30. 275 So auch OLG Celle NZG 1999, 64 f.; K. Schmidt, DB 1993, 2167; MünchKommHGB/ K. Schmidt, § 124 Rdn. 23; Mülbert/Gramse, WM 2002, 2085, 2092; Casper, BB 1999, 1837, 1838; Heymann/Horn, HGB, § 161 Rdn. 188; tendenziell auch Staub/Ulmer, HGB, § 119 Rdn. 98. 276 Grundlegend BGHZ 104, 66, 72; s. daneben v. Gerkan, in: Röhricht/Graf v. Westphalen, HGB, § 119 Rdn. 25; allgemein zum Recht eines jeden Mitglieds auf gesetz- und satzungsmäßige Beschlussfassung Noack, Fehlerhafte Beschlüsse, S. 41 ff.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 277 ff. 277 Vgl. zur Verpfl ichtung der Gesellschaft, Namen und Anschriften der Mitgesellschafter mitzuteilen, BGH WM 1987, 1102, 1103; Brandes, WM 2000, 385, 389; MünchKommHGB/ Enzinger, § 119 Rdn. 97. 273
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zwischen den verschiedenen Ansätzen dürfte es in der Praxis allerdings kaum je kommen, weil Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften typischerweise in einem mehr oder weniger weiten Umfang Anleihen beim kapitalgesellschaftsrechtlichen Beschlussrecht nehmen und bereits deswegen das organschaftliche Willensbildungsmodell als vereinbart anzusehen ist 278 . cc) Umstritten ist schließlich, welche Bedeutung der Vereinbarung des Mehrheitsprinzips zukommt. Einen Zusammenhang zwischen dem Mehrheitsprinzip und dem Modell organschaftlicher Beschlussfassung sieht K. Schmidt. Ihm zufolge lässt sich der einstimmige Beschluss als ein Selbsthandeln der Gruppenmitglieder verstehen, während eine mit Mehrheitskompetenzen ausgestattete Gesellschafterversammlung als Gesellschaftsorgan agiere 279. Damit legt er den Grundstein für die mit Nachdruck propagierte These, die aus dem Aktien- und Genossenschaftsrecht bekannte Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage sei auf alle rechtswidrigen Mehrheitsbeschlüsse in parteifähigen Verbänden auszudehnen 280 . Eine gegen die Gesellschaft zu erhebende Anfechtungsklage kommt nämlich nur dann in Betracht, wenn diese selbst Zurechnungssubjekt der somit organschaftlichen Willensbildung ist. Im Gegensatz dazu fordert Mülbert 281 eine strikte Trennung zweier Ebenen, nämlich des rechtstechnischen Entscheidungsmechanismus einerseits und der Auswirkungen auf die dissentierenden Gesellschafter andererseits. Zwischen der ersten Ebene, also der Frage, ob sich die Entscheidung im Wege der vertragsförmigen Koordination der Gesellschaftermehrheit oder im Wege des organschaftlichen Mehrheitsbeschlusses des Organs „Gesellschafterversammlung“ vollziehe, und der zweiten Ebene, mithin der Frage nach der Verbindlichkeit dieser Entscheidung gegenüber den widersprechenden Mitgliedern, bestehe weder eine notwendige noch eine auch nur typische Verknüpfung. Insbesondere könne sich die Minderheit auch dann der Gestaltungsmacht der Mehrheit unterwerfen, wenn eine vertragliche Regelung getroffen werde 282 . Wie genau sich der Vertragsschluss bei Vorliegen einer Mehrheitsklausel vollzieht, ist freilich trotz intensiver Diskussion bis heute noch nicht abschließend geklärt. Zu Recht nicht durchzusetzen vermochte sich insofern die Lehre
278
So denn auch im Ergebnis BGH NJW 1999, 3113, 3115; BGH NJW 2003, 1729 f. K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205, 214 f.; in der Sache ebenso Weipert, in: Münchener Handbuch zum Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 57 Rdn. 24. 280 Grundlegend K. Schmidt, FS Stimpel, S. 217 ff.; daneben ders., Gesellschaftsrecht, § 15 II 3 (S. 447 ff.); dem folgend Priester, FS Hadding, S. 608, 617; Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 425 ff., 444 ff.; MünchKommHGB/Enzinger, § 119 Rdn. 98 ff., 106 ff.; Scholz, WM 2006, 897, 904; jedenfalls für bestimmte Fälle auch Grunewald, Ausschluss, S. 274 ff.; Staudinger/Habermeier, BGB, § 709 Rdn. 26. 281 Mülbert/Gramse, WM 2002, 2085, 2091; ebenso Schuld, Organschaftliche Beschlusszurechnung, S. 133. 282 So auch Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, Rdn. I 484. 279
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von der antizipierten Zustimmung283 . Denn die Gesellschafter haben bei Vertragsschluss schwerlich mit den konkreten Mehrheitsbeschlüssen gerechnet oder ihnen gar bereits im Vorfeld zustimmen wollen 284 . Die Auffassung, die Minderheit unterwerfe sich dem Mehrheitswillen und räume der Mehrheit der Gesellschafter eine entsprechende Gestaltungsbefugnis ein 285 , ist sachlich ohne weiteres zutreffend; konstruktiv sieht sie sich indessen dem Einwand ausgesetzt, dass die Mehrheit als bloß rechnerische Größe, die sich nur von Fall zu Fall festzustellen lässt, kaum als Träger von Gestaltungsmacht angesehen werden kann 286 . Die Einordnung der Mehrheitsklausel als reine Verfahrensregel 287 schließlich erschöpft sich in einer bloß deskriptiven Umschreibung, welche die genaue Wirkungsweise in der Schwebe lässt. Nun soll nicht behauptet werden, die genannten Schwierigkeiten ließen sich nicht überwinden. Es bleibt aber doch der Eindruck, dass Vertragsmodell und Mehrheitsprinzip sich jedenfalls nicht ohne weiteres harmonisieren lassen. Ganz anders liegen die Dinge im Hinblick auf das organschaftliche Modell: Unschwer lässt sich dort eine Mehrheitsklausel als Ermächtigung288 der Gesellschaft deuten, mit Wirkung für alle Gesellschafter über das Gesellschaftsverhältnis zu disponieren. Davon abgesehen machen sich die Gesellschafter, indem sie das Mehrheitsprinzip auch für die Änderung der verfassungsmäßigen Grundlagen der Gesellschaft einführen, ein wesentliches Strukturmerkmal der juristischen Personen zu eigen 289 und lösen damit das Bedürfnis nach weiteren Anleihen bei den körperschaftlichen Prinzipien organschaftlicher Willensbildung aus. So wird sich die Zulassung von Mehrheitsbeschlüssen regelmäßig mit der Einsetzung einer an bestimmte Verfahrensregeln gebundenen Gesellschafterversammlung verbinden, um der opponierenden Minderheit zumindest ein Forum zur Darlegung ihres Standpunkts zu bieten und dadurch ein Mindestmaß an Einfluss auf die gemeinsame Willensbildung zu eröffnen 290 . Alles in allem sprechen daher die besseren Gründe dafür, in der Vereinbarung des Mehrheitsprinzips zumindest ein wesentliches Indiz für den Übergang vom Vertragsmodell zum Modell organschaftlicher Willensbildung zu sehen. Folglich ist der Streit um Beschlussmängel mit der Gesellschaft selbst auszutragen 291. Die Anerkennung der Unterscheidung zwischen nichtigen und 283 284 285 286 287 288
Vgl. insbesondere Martens, DB 1973, 413, 415. S. nur Leenen, Zweite FS Larenz, S. 371, 376; Ulmer, FS Niederländer, S. 415, 429. S. Marburger, NJW 1984, 2252, 2254 mit weiteren Nachweisen. Leenen, Zweite FS Larenz, S. 371, 377 ff.; Schiemann, AcP 185 (1985), 73, 75. S. dazu die in der vorigen Fn. Genannten. Vgl. Flume, Personengesellschaft, § 14 III (S. 217); K. Schmidt, ZHR 158 (1994), 205,
215. 289 Zutreffend Weipert, in: Münchener Handbuch zum Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 57 Rdn. 24. 290 So MünchKommBGB/Ulmer, § 709 Rdn. 73; Staub/Ulmer, HGB, § 119 Rdn. 6. 291 S. oben III 2.
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einstweilen wirksamen, lediglich durch fristgebundene Anfechtungsklage zu beseitigenden Beschlüssen geht dagegen weder mit dem Mehrheitsprinzip noch dem Modell organschaftlicher Willensbildung einher. Das zeigt das Vereinsrecht in aller Deutlichkeit: Satzungsänderungen kommen dort gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 BGB mit qualifizierter Mehrheit und technisch zweifelsohne im Wege organschaftlicher Willensbildung zustande, ohne dass nach herrschender Meinung eine entsprechende Anwendung der §§ 241 ff. AktG geboten wäre 292 . Nach richtiger Ansicht ist die gegen die Gesellschaft zu erhebende Klage daher eine allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO293 . d) Andere Grundlagenbeschlüsse Nach ganz überwiegender Auffassung sind die bisher näher behandelten Vertragsänderungen mit weiteren das Innenverhältnis betreffenden Entscheidungen zur Kategorie der Grundlagengeschäfte zusammenzufassen und streng vom Bereich der Geschäftsführung zu trennen 294 . Bisweilen werden die Grundlagengeschäfte aber auch als eine dritte, gleichsam zwischen den Geschäftsführungsmaßnahmen und der Änderung des Gesellschaftsvertrags stehende Fallgruppe eingeordnet 295 . Weithin Einigkeit besteht indessen darüber, dass es neben den Vertragsänderungen weitere grundlegende Entscheidungen gibt, die von allen Gesellschaftern einschließlich etwa vorhandener Kommanditisten gemeinsam zu treffen sind 296 , weil sie das Verhältnis der Gesellschafter untereinander und deren Beziehungen zur Gesellschaft berühren. Als solche unterfallen sie anerkanntermaßen weder der organschaftlichen Geschäftsführungsbefugnis noch sind sie, was das Außenverhältnis angeht, von der gewöhnlichen Vertretungsmacht gedeckt 297. Wenig Aufmerksamkeit wird dagegen dem hier im Zentrum des Interesses stehenden rechtstechnischen Mechanismus der Wil292 Vgl. BGHZ 59, 369, 371 f.; Soergel/Hadding, BGB, § 32 Rdn. 14; Erman/Westermann, BGB, § 32 Rdn. 6; Schwarz, in: Bamberger/Roth, BGB, § 32 Rdn. 40; Schöpfl in, in: Prütting/ Wegen/Weinreich, BGB, § 32 Rdn. 13; Staudinger/Weick, BGB, § 32 Rdn. 23 ff.; abweichend MünchKommBGB/Reuter, § 32 Rdn. 56 ff. 293 BGH NJW 1999, 3113, 3114; BGH ZIP 2003, 116, 118; Noack, Fehlerhafte Beschlüsse, S. 169 ff.; Hüffer, AktG, § 243 Rdn. 2; Baumbach/Hopt, HGB, § 119 Rdn. 32; Staub/Ulmer, HGB, § 119 Rdn. 80; Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 119 Rdn. 75; Koller, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 119 Rdn. 11. 294 Vgl. nur Baumbach/Hopt, HGB, § 114 Rdn. 3; Staub/Ulmer, HGB, § 114 Rdn. 15 f.; Schlegelberger/Martens, HGB, § 114 Rdn. 5 ff.; Mayen, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 114 Rdn. 6 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 I 1 a (S. 294); Timm/Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 709 Rdn. 17. 295 So namentlich Schulze-Osterloh, FS Hadding, S. 637, 645. 296 AA aber Erman/Westermann, BGB, § 709 Rdn. 6, der alle nicht als Vertragsänderung zu qualifizierenden Entscheidungen als (womöglich außergewöhnliche) Geschäftsführungsmaßnahmen ansieht. 297 Zu Letzterem s. Hadding, FS Lutter, S. 851, 860; MünchKommHGB/K. Schmidt, § 126 Rdn. 10; Staub/Habersack, HGB, § 126 Rdn. 12 ff.; Hillmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 126 Rdn. 7 ff.
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lensbildung geschenkt. Lediglich Ulmer 298 hat auf den heterogenen Charakter der sonstigen Grundlagengeschäfte hingewiesen, die zwar eint, dass sie nicht das Handeln der Gesamthand zur Förderung des gemeinsamen Zwecks betreffen, im Übrigen aber in zwei Gruppen zerfallen. Zu Recht unterscheidet er nämlich zwischen Beschlüssen der Gesellschafter, bei denen diese als Vertragspartner des die Gesellschaft konstituierenden Schuldverhältnisses agieren, und solchen über Gegenstände innergesellschaftlicher Willensbildung, bei denen die Gesellschafter in ihrer Funktion als oberstes Gesellschaftsorgan abstimmen. aa) Organhandeln: Entlastung der Geschäftsführung und Wahl des Abschlussprüfers Was zunächst die zweite Gruppe angeht, so kann als Beispiel die Entlastung der Geschäftsführer angeführt werden. Obschon den §§ 120 AktG, 46 Nr. 5 GmbHG entsprechende Vorschriften über die Entlastung der Verwaltungsorgane im Recht der Personengesellschaften fehlen, besteht doch sowohl seitens des Verbandes wie der betroffenen Organwalter das anerkennenswerte Bedürfnis, rückschauend mit verbindlicher Wirkung zu klären, ob ihre Amtsführung zu billigen ist. Dass es sich bei der Beurteilung der Geschäftsführung nicht ihrerseits um einen Akt der Geschäftsführung handelt, versteht sich von selbst; die Entscheidung obliegt vielmehr allen Gesellschaftern als denjenigen, die die wirtschaftlichen Auswirkungen erfolgreicher oder pflichtvergessener Aufgabenwahrnehmung letztlich zu tragen haben 299. Auch wenn somit alle Gesellschafter an der Entscheidungsfindung zu beteiligen sind, geht es funktional gleichwohl nicht um deren persönliche Bindung als Vertragspartner, sondern um die Bildung des „Gesamtwillens“ des Verbandes. Denn da die Geschäftsführer mit unmittelbarer Wirkung für und gegen die Gesellschaft selbst handeln, kann auch nur der Personenverband die organschaftliche300 Erklärung abgeben, durch die er die Tätigkeit seitens seines Verwaltungsorgans billigt. Ganz ähnlich liegen die Dinge bei der Wahl des Abschlussprüfers. Für die gesetzlich vorgeschriebene Abschlussprüfung bestimmen § 318 Abs. 1 S. 1 HGB und § 6 Abs. 3 S. 1 PublG, dass der Abschlussprüfer von den Gesellschaftern zu wählen ist, und bringen damit zugleich zum Ausdruck, dass es sich hierbei um ein Grundlagengeschäft handelt, das alle Gesellschafter unabhängig von ihrer Beteiligung an der Geschäftsführung angeht 301. Existierten die genannten Vorschriften nicht, wäre angesichts der für den Willensbildungsprozess in Fragen 298
Ulmer, FS Niederländer, S. 415, 427 f.; MünchKommBGB/Ulmer, § 709 Rdn. 55. Vgl. Staub/Ulmer, HGB, § 114 Rdn. 16; Schulze-Osterloh, FS Hadding, S. 637, 649. 300 So im Rahmen seiner verbandsformübergreifenden Begriffsdefi nition explizit K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 VI 1 (S. 428). 301 Vgl. dazu Staub/Zimmer, HGB, § 318 Rdn. 11; sowie § 8 B II. 299
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der Rechnungslegung und des Jahresabschlusses herausgehobenen Funktion der Abschlussprüfung sowie der gerade gegenüber der Geschäftsführung eigenständigen Stellung des Abschlussprüfers freilich nicht anders zu entscheiden 302 . Rechtstechnisch handelt es sich gleichwohl um einen Gegenstand gesellschaftsinterner Willensbildung, der die Gesellschafter als Vertragspartner nicht unmittelbar betrifft und über den sie daher in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des obersten Gesellschaftsorgans zu befinden haben. bb) Handeln als Vertragspartner: Veräußerung des gesamten Handelsgeschäfts, Bilanzfeststellung Zur anderen Gruppe von Beschlüssen, bei denen es um das Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander geht, gehört derjenige über die Veräußerung des gesamten von der Gesellschaft betriebenen Handelsgeschäfts. Wird dabei die Firma mitveräußert, handelt es sich nach allgemeiner Auffassung sogar um eine Änderung des Gesellschaftsvertrags303 . Im Übrigen ist jedenfalls die Vollübertragung geeignet, die Erreichung des Gesellschaftszwecks zu vereiteln und gegebenenfalls sogar die Auflösung der Gesellschaft herbeizuführen. Demnach bedarf nach zutreffender herrschender Meinung ein schuldrechtlicher 304 Vertrag, durch den sich eine KG verpfl ichtet, das ihr gesamtes Vermögen und ihren gesamten Tätigkeitskreis bildende Unternehmen zu veräußern, zur Erlangung der Wirksamkeit im Außenverhältnis der Zustimmung auch der Kommanditisten 305 . Die nicht geschäftsführenden Gesellschafter werden also nicht nur nach den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht geschützt 306 . Weist ein solches Geschäft aber unverkennbar eine deutliche Nähe zur Änderung des Gesellschaftsvertrags auf und stellt es im Übrigen die weitere Verfolgung des gemeinsamen Zwecks in Frage, so betrifft es das Verhältnis der Gesellschafter untereinander und zur Gesamthand. Deshalb haben die Gesellschafter hierüber als Partner des die Gesellschaft konstituierenden Schuldverhältnisses zu entscheiden. Vor allem aber gehören nach bislang ganz herrschender Meinung die Beschlüsse über die Bilanzfeststellung und die Gewinnverwendung in diese Kategorie. So gehe es bei der Gewinnverwendung (Rücklagen, Entnahmen und anderes) um Fragen, die nur dann zwischen den Gesellschaftern abgeklärt wer302
BGHZ 76, 338, 342 f.; Mayen, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 114 Rdn. 7; Heymann/Emmerich, HGB, § 114 Rdn. 4; Schulze-Osterloh, FS Hadding, S. 637, 648 f. 303 Vgl. nur BGH NJW 1995, 596; Schulze-Osterloh, FS Hadding, S. 637, 646. 304 Die dinglichen Übertragungsgeschäfte sind dagegen nach einhelliger Auffassung von der organschaftlichen Vertretungsmacht gedeckt, s. dazu BGH NJW 1991, 2564 f. und die Nachweise in der vorigen Fn. 305 K. Schmidt, ZGR 1995, 674, 678 ff.; MünchKommHGB/K. Schmidt, § 126 Rdn. 13; Staub/Habersack, HGB, § 126 Rdn. 16; Baumbach/Hopt, HGB, § 126 Rdn. 3; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 II 1a (S. 330). 306 So aber Grunewald, JZ 1995, 577, 578; Hadding, FS Lutter, S. 851 ff.
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den müssten, wenn sie ihre Regelung nicht entweder bereits im Gesellschaftsvertrag gefunden hätten oder wenn die Gesellschafter am (wenig geeigneten) dispositiven Recht festhalten wollten 307. Im Hinblick auf die Bilanzfeststellung wiederum besteht Einigkeit noch darüber, dass diese insofern ein Grundlagengeschäft ist, als sie der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf. Sie ist somit strikt von der vorgelagerten Aufstellung des Jahresabschlusses zu unterscheiden, welche als Teil der Rechnungslegung der Gesellschaft den geschäftsführenden Gesellschaftern obliegt 308 . Nach traditioneller Auffassung handelt es sich weiterhin um einen Vertrag zwischen den Gesellschaftern, und zwar nicht wie früher angenommen um ein abstraktes Schuldanerkenntnis, sondern um einen kausalen Feststellungsvertrag 309. Indem das Jahresergebnis zwischen den Gesellschaftern unstreitig gestellt werde, erfahre zunächst der dem Grunde nach bereits im Gesellschaftsvertrag selbst begründete Gewinnanspruch eine Konkretisierung. Da sich die Bindungswirkung der Bilanzfeststellung darüber hinaus auf die Bilanzansätze und deren Bewertung erstrecke, würden aber auch sonstige Sozialansprüche und -verbindlichkeiten, jedenfalls soweit sie bei der Beschlussfassung bekannt waren, dem weiteren Streit entzogen 310 . Der These vom Vertragscharakter der Bilanzfeststellung ist in jüngerer Zeit allerdings ins Wanken geraten. Kritiker halten ihr entgegen, eine Charakterisierung als Entscheidung auf Gesellschafterebene werde der auch im Binnenrecht anzuerkennenden Selbständigkeit der Personengesellschaft einschließlich ihrer Verbandsstruktur nicht gerecht. Ebenso wie bei den Kapitalgesellschaften, bei denen sich die Bilanzfeststellung anerkanntermaßen im Wege organschaftlichen Handelns vollziehe311 , handele es sich auch bei den Personengesellschaften um eine Festlegung durch das dafür zuständige Gesellschaftsorgan 312 . Inhaltlich ziele diese allein auf den Abschluss der Gewinnermittlung, weitere das Verhält307
So Ulmer, FS Niederländer, S. 415, 427. Vgl. zu dieser Unterscheidung nur BGHZ 80, 357, 358; BGHZ 132, 263, 266; OLG Hamburg ZIP 2006, 895, 896; Staub/Ulmer, HGB, § 114 Rdn. 16; Baumbach/Hopt, HGB, § 114 Rdn. 3. 309 OLG Düsseldorf NJW-RR 1994, 1455, 1458; Ulmer, FS Hefermehl, S. 207, 215; MünchKommBGB/Ulmer, § 721 Rdn. 8; Berninghaus, FS Röhricht, S. 747, 751; Bauschatz, NZG 2002, 759, 760; MünchKommBGB/Hüffer, § 781 Rdn. 22; Erman/Westermann, BGB, § 721 Rdn. 2. 310 Vgl. mit Unterschieden im Detail BGH BB 1960, 188; Staub/Ulmer, HGB, § 120 Rdn. 17; Ehricke, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 120 Rdn. 33; weitergehend Schlegelberger/Martens, HGB, § 120 Rdn. 4. 311 In der Tat erfolgt die Feststellung nach § 46 Nr. 1 GmbHG durch Beschluss der Gesellschafterversammlung, in der gemeinsamen Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat in der AG nach § 172 AktG wiederum ist ein „korporationsrechtliches Rechtsgeschäft eigener Art“ zu erblicken, s. BGHZ 124, 111, 116; Hüffer, AktG, § 172 Rdn. 3; MünchKommAktG/ Kropff, § 172 Rdn. 18. 312 Priester, FS Hadding, S. 607, 609 ff.; MünchKommHGB/Priester, § 120 Rdn. 57; Schuld, Organschaftliche Beschlusszurechnung, S. 136 ff., 203 ff.; vgl. auch Baumbach/Hopt, HGB, § 164 Rdn. 3. 308
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nis der Gesellschafter untereinander oder zur Gesellschaft betreffende Folgen seien mit ihr dagegen nicht verbunden 313 . Selbst der Anspruch auf Gewinnauszahlung ergebe sich nur als mittelbare Folge aus der Gewinnfeststellung314 . Dieser Sichtweise hat sich in einer Grundsatzentscheidung nunmehr auch der BGH angeschlossen und betont, die Bilanzfeststellung betreffe eine allen Gesellschaftern obliegende Angelegenheit der laufenden Verwaltung, berühre jedoch nicht – wie vor allem eine Vertragsänderung – die Grundlagen der Gesellschaft. Auch sei sie richtigerweise lediglich die im Grundsatz interessenneutrale Voraussetzung für die Berechnung des Gewinnanspruchs315 . Er hat deshalb seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben, wonach eine Mehrheitsklausel die Bilanzfeststellung als ein das Gewinnrecht der Gesellschafter tangierendes Grundlagengeschäft nur bei ausdrücklicher Einbeziehung dieses Beschlussgegenstandes decke, welche überdies Art und Umfang des zulässigen Eingriffs erkennen lassen müsse316 . Genügend sei vielmehr auch eine einfache Mehrheitsklausel. Sicherlich nicht überzeugend begründen lässt sich diese neue Konzeption mit einem bloßen Verweis auf die entsprechende Rechtslage im Recht der Kapitalgesellschaften. Denn, wie bereits mehrfach hervorgehoben, besteht ein entscheidender Unterschied zwischen juristischer Person und rechtsfähiger Personengesellschaft gerade darin, dass letztere auch Schuldverhältnis zwischen den Gesellschaftern ist und daher das Verhältnis der Gesellschafter untereinander und zur Gesellschaft nur von ihnen selbst gestaltet werden kann, während der Gesellschaft insoweit nur Objektqualität zukommt. Es ist daher rechtskonstruktiv ohne weiteres möglich, mit der Bilanzfeststellung eine umfassende Ordnung der vermögensmäßigen Ansprüche zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern zu verbinden. Sachlich überzeugender ist es jedoch in der Tat, im Sinne einer rechtsformübergreifenden Institutionenbildung die Wirkung der Bilanzfeststellung auf den Abschluss der Gewinnermittlung auf Gesellschaftsebene und die damit einhergehende Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Pflicht zur Rechnungslegung zu beschränken. Die verbindliche Klärung des Gewinnanspruchs und erst recht sonstiger Sozialansprüche und -verbindlichkeiten lässt sich nämlich von der Bilanzfeststellung ohne weiteres abschichten und sollte daher nicht zum maßgeblichen Inhalt der entsprechenden Beschlussfassung erhoben werden. Das schließt es freilich nicht aus, mit dem Feststellungsbeschluss solche Rechtsakte zu verbinden; auch mag der Bilanzfeststellung im Einzelfall indizielle Wirkung für die Beurteilung der Beziehungen zwischen der Gesellschaft und einzelnen Gesellschaftern zukommen 317. 313 314 315 316 317
Vgl. Priester, FS Hadding, S. 607, 613. Vgl. Schuld, Organschaftliche Beschlusszurechnung, S. 137, 205. BGH ZIP 2007, 475, 477, Tz. 13 – Otto. BGHZ 132, 263, 268. Näher dazu Priester, FS Hadding, S. 607, 615 f.
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So wird sich ein Gesellschafter gegebenenfalls widersprüchliches Verhalten vorwerfen lassen müssen, wenn er einen Anspruch gegen die Gesellschaft verfolgen will, obgleich er zuvor dem Jahresabschluss zugestimmt hat, in dem der entsprechende Anspruch gezielt nicht passiviert wurde. Beschränkt sich jedoch der eigentliche Beschlussinhalt auf den Abschluss der gesellschaftlichen Rechnungslegung, handelt es sich nicht um eine Regelung mit unmittelbarer Auswirkung für die Gesellschafter; die Einordnung als Organbeschluss ist dann folgerichtig. 4. Zusammenfassung Die eingangs aufgeworfene Frage, ob auch die Änderung der Grundlagen des Verbandes Gegenstand organschaftlichen Handelns sein kann, ist hinsichtlich der juristischen Personen ohne weiteres im bejahenden Sinne zu beantworten. Handelnd durch ihr Mitgliederorgan können diese selbst ihre Satzung ändern. Ein komplizierteres Bild bietet demgegenüber das Recht der Personengesellschaften. Die Änderung des Gesellschaftsvertrags folgt hier grundsätzlich dem Vertragsmodell; der organschaftliche Zurechnungsmechanismus kann jedoch im Gesellschaftsvertrag vorgesehen werden und ist immer dann als vereinbart anzusehen, wenn der Gesellschaftsvertrag Anleihen beim Beschlussrecht der Kapitalgesellschaften nimmt. Hinsichtlich der sonstigen Grundlagenentscheidungen ist zu differenzieren. Während die Gesellschafter bei der Veräußerung des gesamten Geschäftsbetriebs als Vertragspartner des die Gesellschaft konstituierenden Schuldverhältnisses agieren, entscheiden sie über die Entlastung der Geschäftsführung und die Person des Abschlussprüfers in ihrer Funktion als oberstes Gesellschaftsorgan. Nach neuerer Ansicht gilt Letzteres auch für die Bilanzfeststellung.
IV. Bilanz und weiterer Gang der Untersuchung Dem verbandsrechtlichen Organbegriff ist ein institutionell-funktionelles Verständnis zugrunde zu legen. Aus institutioneller Sicht sind Organe zwar organisatorisch, nicht aber im Außenverhältnis rechtlich verselbständigte Wirkungseinheiten innerhalb der Verbandsverfassung, denen aus funktionaler Sicht die Aufgabe zukommt, die Handlungsfähigkeit des für sich genommen nicht handlungsfähigen Verbandes herzustellen. Die zu erfüllenden Aufgaben sind vielfältig und können von der laufenden Geschäftsführung, über die verbindliche Streitbeilegung bis hin zur Änderung der gesellschaftsvertraglichen Grundlagen reichen. Nach richtiger Auffassung kommt aber auch die Mitwirkung im Vorfeld der eigentlichen Willensbildung in Form von Bestellungs-, Weisungs-, Kontroll- und Beratungsrechten als Gegenstand organschaftlicher Kompetenzen in Betracht. Eine darüber hinausgehende Konkretisierung so-
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wohl des institutionellen wie des funktionellen Aspekts des Organs verspricht die nähere Untersuchung einzelner Problemfelder. Zuvor jedoch ist der verbandsrechtliche Organbegriff gegenüber anderen Organbegriffen abzugrenzen.
§ 4 Abgrenzung zu anderen Organbegriffen A. Steuerrechtlicher Organbegriff I. Entwicklung Zunächst begegnet Organschaft auch im Steuerrecht. Die dort vorherrschende wirtschaftliche Betrachtungsweise legt es nahe, die Besteuerung eines Unternehmens unabhängig davon zu gestalten, ob dieses nun zufällig als Einheitsunternehmen oder aber als Konzern bestehend aus mehreren rechtlich selbständigen Gesellschaften organisiert ist. Mochten sich zwar ebenso wie im Gesellschaftsrecht auch im Steuerrecht diejenigen Stimmen, die den Konzern schlechthin als Einheit betrachten wollten1 , nicht durchzusetzen, so wurde mit der Organschaft doch eine Rechtsfigur entwickelt, die für eine weitgehende Gleichstellung sorgt 2 . Bis heute kann eine juristische Person aus steuerrechtlicher Sicht als wirtschaftlich unselbständig und daher bloßes „Organ“ eines anderen Unternehmens, des so genannten Organträgers, anzusehen sein. Anknüpfend an Vorarbeiten des Preußischen Oberverwaltungsgerichts3 wurde das Rechtsinstitut der Organschaft in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts durch die Rechtsprechung des RFH zur Umsatzsteuer entwickelt und systematisch ausgebaut4 . Da nach dem damals geltenden System der Allphasenbruttoumsatzsteuer5 auf Umsatzsteuer wiederum Umsatzsteuer zu entrichten war und daher die steuerliche Gesamtbelastung von der Zahl der durchlaufenen Wirtschaftsstufen abhing, wurden Einheitsunternehmen gegenüber den konzerninternen Austauschbeziehungen bei vertikal integrierten Konzernen bevorzugt. Diese aus seiner Sicht ungerechtfertigte Ungleichbehandlung korrigierte der RFH, indem er unter bestimmten Voraussetzungen Konzernunternehmen als bloße unselbständige Organe ansah. Für das an Lieferungen und Leistungen eines selbständigen Unternehmens anknüpfende Umsatzsteuerecht bedeutete dies zum einen, dass Umsätze des Organs solche des Organträgers 1
Vgl. dazu näher Hommelhoff, Konzernleitungspfl icht, S. 10 ff. Eine ähnliche Funktion hatte das Schachtelprivileg, s. dazu Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 1 V 1a (S. 12 f.); Witt, Konzernbesteuerung, S. 6 ff. 3 Näher dazu Spindler, Recht und Konzern, S. 17 f.; Sonnenschein, Organschaft, S. 308 ff. 4 Vgl. etwa RFHE 3, 290; 5, 317; 11, 265; 15, 116; 18, 10; 19, 339; 20, 4; sowie vor allem RFHE 22, 183. 5 Vgl. zu den verschiedenen Umsatzsteuersystemen Jakob, Umsatzsteuer, Rdn. 22 ff. 2
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waren; zum anderen, und das war entscheidend, galten konzerninterne Umsätze einschließlich der Lieferung über mehrere Handelsstufen hinweg als nicht steuerbare Innenumsätze 6 . Dass eine juristische Person wie ein weisungsabhängiger Angestellter behandelt wurde7, setzte voraus, dass sie finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in den Betrieb der Obergesellschaft nach Art einer bloßen Betriebsabteilung eingegliedert war8 . Diese Kriterien wurden später vom BFH übernommen und haben gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG im Umsatzsteuerecht bis heute Geltung9. Finanzielle Eingliederung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass dem Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft zusteht; eine Kapitalmehrheit ist hingegen nicht zwingend erforderlich10 . Wirtschaftliche Eingliederung liegt vor, wenn die Organgesellschaft die wirtschaftliche Betätigung des herrschenden Unternehmens fördert und ergänzt11 ; der Betrieb des Organs muss mit anderen Worten überwiegend auf den Organträger ausgerichtet sein. Kann der Organträger schließlich jederzeit in die tatsächliche Geschäftsführung der Organgesellschaft eingreifen und diese beherrschen, ist die abhängige Gesellschaft auch organisatorisch eingegliedert12 . Im Körperschaftsteuerrecht folgte der RFH der Zurechnungstheorie, der zufolge die Organgesellschaft ungeachtet der konzernrechtlichen Unterordnung subjektiv steuerpflichtig bleibt, ihr Einkommen aber bei Vorliegen der Eingliederungsvoraussetzungen sowie bei Bestehen einer Ergebnisabführungspflicht dem Organträger zuzurechnen ist13 . Für das Gericht war dabei der Gedanke ausschlaggebend, dass Einkommen letztlich ein wirtschaftlicher Begriff sei und bei wirtschaftlicher Betrachtung der Gewinn unter den genannten Voraussetzungen unmittelbar beim Organträger anfalle14 . Demgegenüber verzichtet das geltende Recht auf das Merkmal der wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung15 ; nach §§ 14 Abs. 1, 17 KStG setzt eine körperschaftsteuerliche Organschaft neben dem Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags 6
S. nur Emmerich/Sonnenschein/Habersack, Konzernrecht, 7. Aufl., § 20 V 3 (S. 23). S. zu diesem Vergleich Jakob, Umsatzsteuer, Rdn. 144; kritisch Mestmäcker, Verwaltung, S. 294 f.; Sonnenschein, Organschaft, S. 310 f. 8 Grundlegend RFHE 22, 183, 187; näher dazu Witt, Konzernbesteuerung, S. 146 ff. 9 Für das geltende System der Allphasennettoumsatzsteuer (Mehrwertsteuer) wird der Organschaft allerdings verbreitet die rechtspolitische Rechtfertigung abgesprochen, s. Reiß, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 14 Rdn. 133. 10 Vgl. Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, § 2 Rdn. 116 ff. 11 Kritisch dazu Sonnenschein, Organschaft, S. 293 f. 12 Vgl. Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, § 2 Rdn. 120 ff. 13 Grundlegend RFHE 31, 297; vgl. daneben MünchKommAktG/Altmeppen, Vor § 291 Rdn. 11. 14 So Hüttemann, Das Steuerrecht der Aktiengesellschaft, Rdn. 56, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 2. 15 Änderung durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung vom 23. 10. 2000 (BGBl. I, S. 1433). 7
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§ 4 Abgrenzung zu anderen Organbegriffen
nur noch die finanziellen Eingliederung und damit die Mehrheit der Stimmrechte voraus. Vorbehaltlich hier nicht interessierender Besonderheiten ist sodann als Rechtsfolge „das Einkommen der Organgesellschaft dem Träger des Unternehmens (Organträger) zuzurechnen“. Demnach ist das Einkommen der Organgesellschaft zunächst selbständig und getrennt zu ermitteln und erst im Anschluss daran dem Organträger zuzurechnen16 ; eine Besteuerung oder auch nur Gewinnermittlung auf der Grundlage einer konsolidierten Konzernbilanz ist somit nicht zulässig. Gleichwohl ermöglicht es die Organschaft, Gewinne und Verluste rechtsformübergreifend zu verrechnen und vor allem Gewinne steuerfrei im Konzern durchzuschütten17.
II. Fazit aus Sicht des Gesellschaftsrechts Anliegen der steuerlichen Organschaft ist es, wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte trotz ihrer rechtlich unterschiedlichen Gestaltung vergleichbar zu besteuern. Es soll demnach keinen Unterschied machen, ob der fi nanzielle Erfolg einer Gesellschaft von einem besonders tüchtigen einzelnen Angestellten, den Bemühungen einer bestimmten Filiale oder aber einer zwar rechtlich, nicht jedoch wirtschaftlich selbständigen Tochtergesellschaft herrührt. Der Konzern ist stets als Einheit aufzufassen und dementsprechend zu besteuern. Deshalb gelten im Umsatzsteuerrecht Konzernumsätze als nicht steuerbare Innenumsätze, während im Körperschaftsteuerrecht Gewinne und Verluste aller beteiligten Gesellschaften auf Ebene des herrschenden Unternehmens verrechnet werden. Die Bezeichnung „Organ“ ist in diesem Zusammenhang nichts anderes als ein bildhafter Ausdruck18 dafür, dass die wirtschaftliche Tätigkeit der abhängigen Gesellschaft dem herrschenden Unternehmen zugerechnet wird. Im Gesellschaftsrecht dagegen soll der Organbegriff Auskunft darüber geben, wie der als solcher willens- und handlungsunfähige Verband am Rechtsverkehr teilnehmen kann. Deshalb ist dort weniger die wirtschaftliche Tätigkeit der abhängigen Gesellschaft für das herrschende Unternehmen von Interesse als vielmehr der Einfluss, den das herrschende Unternehmen auf die abhängige Gesellschaft insbesondere dann ausübt, wenn ihm kraft Beherrschungsvertrags ein Weisungsrecht zusteht. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht ist denn auch die abhängige Gesellschaft keinesfalls als Organ des herrschenden Unternehmens anzusehen19 , son16 So bereits RFHE 24, 228; zum geltenden Recht näher Streck/Olbing, KStG, § 14 Anm. 81 ff., § 15 Anm. 3 ff.; Montag, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 18 Rdn. 408 ff. 17 Zur Bedeutung der Organschaft im geltenden Körperschaftsteuerrecht Hüttemann, Das Steuerrecht der Aktiengesellschaft, Rdn. 57; in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 2; eingehend Witt, Konzernbesteuerung, S. 9 ff., 53 ff. 18 So auch Streck/Olbing, KStG, § 14 Anm. 1; vgl. auch Burgard, Gestaltungsfreiheit, S. 219. 19 AA Exner, Beherrschungsvertrag, S. 52; dagegen zu Recht Veil, Unternehmensverträge, S. 181 Fn. 21.
B. Haftungsrechtlicher Organbegriff
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dern im Gegenteil zu erörtern, ob nicht die Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens gegenüber der abhängigen Gesellschaft organschaftlich zu deuten ist 20 . Eines indessen kann bereits jetzt festgehalten werden: Steuerlicher und verbandsrechtlicher Organbegriff sind strikt zu unterscheiden.
B. Haftungsrechtlicher Organbegriff I. Entwicklung des § 31 BGB: Von einer Spezialregelung des Vereinsrechts zu einer umfassenden Organ- und Repräsentantenhaftung Ein besonders weites Organverständnis hat sich im Rahmen der Vorschrift des § 31 BGB entwickelt, der zufolge der Verein für Schäden verantwortlich ist, die der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßiger Vertreter durch eine in Ausführung der im zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt. Man pflegt die Vorschrift nämlich in dreifacher Hinsicht als rudimentären Ausdruck eines allgemeinen und umfassenden Prinzips der „Organhaftung“21 zu deuten. Erstens ist heute allgemein anerkannt, dass sich nicht nur der im Wortlaut allein genannte bürgerlich-rechtlich Verein, sondern alle rechtsfähigen Verbände einschließlich der Gesellschaft bürgerlichen Rechts das Handeln ihrer Organe zurechnen lassen müssen 22 . Die Zurechnung nach § 31 BGB ist zweitens richtigerweise nicht auf deliktisches Verhalten beschränkt, umfasst vielmehr auch den rechtsgeschäftlichen Bereich 23 und die Wissenszurechnung24 . Schließlich hat es sich drittens durchgesetzt, den Personenkreis, für den gehaftet wird, und damit den Organbegriff weit zu fassen. So hat der BGH den verfassungsmäßig berufenen Vertreter in einer nach wie vor aktuellen Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 1967 zusammenfassend wie folgt charakterisiert: „Verfassungsmäßig berufene Vertreter im Sinne des § 31 BGB sind nicht nur Personen, deren Tätigkeit in der Satzung der juristischen Person vorgesehen ist, auch brauchen sie nicht mit rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht ausgestattet zu sein. Es braucht sich auch nicht um einen Aufgabenbereich innerhalb der 20
Vgl. § 7 A. Vgl. etwa MünchKommBGB/Reuter, § 31 Rdn. 2; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 79 III 5b (S. 483); Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 21; Schwarz, in: Bamberger/Roth, BGB, § 31 Rdn. 1. 22 Vgl. zur GbR BGHZ 154, 88, 93 f.; MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 262 ff. 23 So auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 IV 3 (S. 276 ff.); MünchKommBGB/Reuter, § 31 Rdn. 32; Soergel/Hadding, BGB, § 31 Rdn. 4; Erman/Westermann, BGB, § 31 Rdn. 10; Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 46 ff.; Jacoby, Das private Amt, S. 277; Kort, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 2 Rdn. 107; aA – für Anwendung des § 278 BGB – RGZ 121, 351, 355; Staudinger/Weick, BGB, § 31 Rdn. 3; Flume, Juristische Person, § 11 III 5; Medicus, Allgemeiner Teil, Rdn. 1135. 24 Vgl. oben § 2 C II 4. 21
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geschäftsführenden Verwaltungstätigkeit der juristischen Person zu handeln. Vielmehr genügt es, dass dem Vertreter durch allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, dass er also die juristische Person auf diese Weise repräsentiert. Bei einer solchen Sachlage wäre es unangemessen, der juristischen Person den Entlastungsbeweis nach § 831 BGB zu eröffnen.“25 Ohne Rücksicht auf die Ausgestaltung des Innenverhältnisses hat der Verband also für jeden, der als sein Repräsentant nach außen hin auftritt, ohne Entlastungsmöglichkeit einzustehen. Offen angesprochen ist zugleich der zentrale Wertungsgesichtspunkt: Es geht darum, den Anwendungsbereich der als rechtspolitisch verunglückt angesehenen Vorschrift des § 831 BGB zurückzudrängen. Dass es mit anderen Worten spezifisch deliktsrechtliche Erwägungen sind, welche die Interpretation des § 31 BGB leiten, verdeutlicht auch folgende Überlegung. Schon im Ausgangspunkt fernliegend wäre es nämlich, bloße Repräsentanten im gesellschaftsinternen Kontext als Organ anzusehen. Es steht vielmehr außer Frage, dass sich die Rechte und Pflichten solcher leitender Angestellter nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen bestimmen und sie in keiner besonderen korporationsrechtlichen Beziehung zur Gesellschaft stehen. Daher bietet es sich an, von dem engeren Organbegriff des Verbandsrechts den weiteren Organbegriff des Haftungsrechts26 zu unterscheiden 27. Während es Aufgabe der gesellschaftsrechtlichen Organe ist, die Willens- und Handlungsfähigkeit des Verbandes zu gewährleisten, benennt der darüber hinausgehende haftungsrechtliche Organbegriff diejenigen Personen, deren deliktisches Handeln sich der Verband unbedingt zurechnen lassen muss. Gegenüberzustellen sind diesen „Organpersonen“ die bloßen Verrichtungsgehilfen im Sinne des § 831 BGB, bezüglich derer der Verband sich durch den Nachweis ordnungsgemäßer Auswahl und Überwachung exculpieren kann 28 . Ein Vorbild hierfür findet sich im schweizerischen Recht. Nach moderner Auffassung sind dort nämlich diejenigen Personen, für die eine Aktiengesellschaft Dritten gegenüber haftet, keineswegs identisch mit denjenigen, die der 25
BGHZ 49, 19, 21; aus neuerer Zeit etwa BGH NJW 2007, 2490, Tz. 16. Bydlinski, FS Koppensteiner, S. 569, 581 spricht von faktischen oder funktionellen „Organen im deliktsrechtlichen Sinne“. 27 In diese Richtung bereits Bürkle, Rechte Dritter, S. 40 f.; Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 160; gegen eine Gleichsetzung des gesellschaftsrechtlichen Organbegriffs mit der „Organhaftung“ des Verbandes aus § 31 BGB auch MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 256; Burgard, Gestaltungsfreiheit, S. 219 f.; Jacoby, Das private Amt, S. 270; vgl. daneben Nitschke, NJW 1969, 1737, 1739: der technische Organbegriff ist aufgegeben; MünchKommBGB/Wagner, § 823 Rdn. 372, 376; Mai, Abschlussprüfer, S. 195 ff. 28 Vgl. zu den unterschiedlichen Konzeptionen der §§ 31 und 831 BGB statt aller Belling/ Eberl-Borges, in: Staudinger, BGB, § 831 Rdn. 42 und MünchKommBGB/Reuter, § 31 Rdn. 2. 26
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Gesellschaft gegenüber einer besonderen persönlichen Verantwortlichkeit unterliegen 29. Als „Organe im vertretungsrechtlichen Sinne“ werden diejenigen Protagonisten eingestuft, deren Verhalten sich die Gesellschaft ohne Entlastungsmöglichkeit zurechnen lassen muss. Ähnlich wie im deutschen Recht genügt dafür eine relative Selbständigkeit und Entscheidungskompetenz. Demgegenüber ist als „Organ im verantwortungsrechtlichen Sinn“ nur die kleinere Gruppe derer anzusehen, die der Gesellschaft gegenüber den besonderen Verantwortlichkeitsvorschriften unterliegen. Das wiederum soll nur die oberste Leitung der Gesellschaft, die oberste Schicht der Hierarchie betreffen 30 . Allerdings ist § 31 BGB keineswegs nur aus deliktsrechtlichen Gründen erweiterungsbedürftig; vielmehr präsentiert sich die Norm ihrem Wortlaut nach auch aus verbandsrechtlicher Sicht als defizitär, weil sie nur die Haftung des Vereins für seine Handlungsorgane regelt und damit den Schluss nahe legt, dass der Verband für das Verhalten sonstiger Organe wie der Mitgliederversammlung oder einem Beirat im Außenverhältnis nicht einstehen soll. Zutreffend hat daher K. Schmidt darauf hingewiesen, dass sich die Ausdehnung des § 31 BGB aus zwei Quellen speist, einer verbandsrechtlichen und einer allgemein haftungsrechtlichen 31. Bei der im Folgenden angestrebten kritischen Rekonstruktion des in § 31 BGB verwendeten Organbegriffs gilt es, diese beiden Faktoren gesondert zu untersuchen, wobei mit der gesellschaftsrechtlichen Komponente zu beginnen ist.
II. Entfaltung des in § 31 BGB niedergelegten verbandsrechtlichen Grundgedankens 1. Entstehungsgeschichte Die Vorschrift des § 31 BGB war die gesetzgeberische Antwort auf den im 19. Jahrhundert mit Vehemenz geführten Streit um die Deliktsfähigkeit der juristischen Person 32 . Es war nämlich gerade die Frage der Haftung der juristischen Person für das deliktische Handeln ihrer Organe, die die Vertretertheorie und die Organtheorie im praktischen Ergebnis entzweite33 . Nach der Vertretertheorie musste sich die selbst willens- und handlungunsfähige juristische Person ähnlich wie ein Unmündiger eines Vertreters bedienen, um am Rechtsverkehr teilnehmen zu können. Für dessen Delikte sollte sie aber nicht einzustehen haben, weil sie selbst mangels Schuldfähigkeit nicht deliktsfähig sei und das Ge29 Grundlegend Druey, SAG 53 (1981), 77 ff.; Forstmoser, FS Meier-Hayoz, S. 125, 127 f.; vgl. dazu auch Koenen, Zurechnung von Organverhalten, S. 23. 30 Eingehend dazu Vogel, Haftung der Muttergesellschaft, S. 257 ff. 31 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 IV 4a (S. 279). 32 Eingehend zur Entstehungsgeschichte des § 31 BGB Kleindiek, Deliktshaftung, S. 206 ff.; Flume, Juristische Person, § 11 III 1 (S. 381 ff.). 33 Vgl. zu den Theorien näher § 2 C I.
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setz eine „Vertretung im Delikt“ nicht kenne34 . Zum gegenteiligen Ergebnis kam die Organtheorie, der zufolge die Verbandsperson durch ihre Organe handelte und so auch unerlaubte Handlungen begehen konnte35 . Die Verfasser des BGB haben es nun bewusst vermieden, zu der theoretischen Grundsatzfrage, wie das Handeln der juristischen Person zu deuten sei, Stellung zu nehmen; deren Klärung sollte vielmehr Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen bleiben 36 . Die Begründung zu § 31 BGB scheint dann aber doch an das Gedankengut der Vertretertheorie anzuknüpfen, wenn es eingangs der Erwägungen heißt, zweifellos könne eine Körperschaft als an sich willenloses Wesen nicht fähig sein, eine unerlaubte Handlung zu begehen 37. Unter Berufung auf eine neuere Rechtsentwicklung und ein schwer von der Hand zu weisendes Verkehrsbedürfnis hat man sich dann aber doch für eine Organhaftung entschieden und sich damit jedenfalls hinsichtlich des konkreten Sachproblems der Sichtweise der Organtheorie angeschlossen 38 . Maßgebend war dabei die Erwägung, dass, wenn die Körperschaft durch die Vertretung die Möglichkeit gewinne, im Rechtsverkehr handelnd aufzutreten, ihr auch angesonnen werde müsse, die Nachteile zu tragen, welche die künstlich gewährte Vertretung mit sich bringe, ohne Dritte auf den häufig unergiebigen Weg der Inanspruchnahme des Vertreters verweisen zu können 39. In der Tat ist die Vorstellung, ein Sondervermögen habe die Nachteile ebenso wie die Vorteile seiner Verwaltung zu tragen, rechtsethisch von unmittelbarer Überzeugungskraft. Nicht zu verkennen ist freilich, dass es sich hierbei um einen überaus allgemeinen Rechtsgedanken handelt, der der Präzisierung bedarf, um in der praktischen Rechtsanwendung operationabel zu sein40 . Hierbei erweist sich der Vergleich mit zwei verwandten Konstellationen als hilfreich, die der Gesetzgeber ganz bewusst anders behandeln wollte, obschon auch insoweit das Gerechtigkeitserfordernis einer Korrelation von Vorteil und Nach34
Vgl. v. Savigny, System, Band II, § 95 (S. 317). Vgl. v.Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 755, 788 f. 36 Protokolle I, S. 509; vgl. dazu auch Flume, Juristische Person, § 1 III (S. 10 ff.); im Zusammenhang mit § 31 BGB auch Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 31. 37 Motive I, S. 103; in der Bewertung wie hier Kleindiek, Deliktshaftung, S. 211: Gedanklicher Ausgangspunkt sind nicht die Argumente der Befürworter der Organtheorie, sondern eher ihrer Gegner gewesen. 38 Vgl. die viel zitierte Bemerkung von v. Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. I, § 32 II (S. 464): „Nachdem nun aber das gewünschte Resultat [scil: die Organhaftung] gesetzlich festgestellt ist, könnte man meines Erachtens die Waffe der Organtheorie, die ihren Dienst getan hat, mit dankbarem Gefühl an die Wand hängen.“; von einem rechtspolitischen Sieg spricht K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 I 2b (S. 251) mit weiteren Nachw.; im Ergebnis ebenso Soergel/Hadding, BGB, § 31 Rdn. 1; aA Flume, Juristische Person, § 11 I (S. 378); vgl. auch Altmeppen, NJW 1996, 1017, 1021 mit Fn. 39. 39 Motive I, S. 103. 40 Kritisch denn auch Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 21 ff., der von einem „Billigkeitstopos“ spricht; vgl. zum Ganzen auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 4 II 3a (S. 213). 35
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teil bei der Vermögensverwaltung hätte angeführt werden können. Zunächst hat man davon abgesehen, außerhalb vertraglicher oder vertragsähnlicher Beziehungen die geschäftsunfähige natürliche Person für das Verhalten ihres gesetzlichen Vertreters haften zu lassen41. V. Tuhr hat hierzu angemerkt, der angeführte Rechtsgedanke hätte ebenso wie bei den juristischen Personen auch bei der gesetzlichen Vertretung zum Durchbruch gelangen müssen. Denn es sei unbillig, dass ein Schaden, den ein Vormund mit den Mitteln des Mündelvermögens anrichte, nicht von diesem Vermögen getragen werde. Zu diesem unbefriedigenden Resultat sei es allein deswegen gekommen, weil der Gedanke im Gewande der Organtheorie aufgetreten sei und der Gesetzgeber sich deshalb an einer Übertragung auf natürliche Personen gehindert gesehen habe 42 . Lässt man die negative Bewertung und den überkommenen Streit zwischen Organ- und Vertretertheorie außen vor, so lässt die Differenzierung des Gesetzgebers nur einen Schluss zu: § 31 BGB ist eine spezifisch verbandsrechtliche Norm, die den Besonderheiten eines verselbständigten, aber handlungsunfähigen Rechtsträgers Rechnung trägt. Ausdrückliche Bestätigung findet diese Sichtweise auch in der Entstehungsgeschichte der Vorschrift selbst. Im Rahmen der Diskussionen der 2. Kommission wurde nämlich vorgetragen, die auf den Vorstand und andere verfassungsmäßige Vertreter abstellende Fassung werde dem selbst gesteckten Regelungsplan nicht gerecht; die Haftung müsse vielmehr auf jede Schadenszufügung von Seiten eines Angestellten der Körperschaft erstreckt werden43 . Dem wollte die Mehrheit nicht nachkommen, weil es an dieser Stelle nur darum gehe, diejenige Haftung der Körperschaft zu regeln, welche auf dem besonderen Verhältnissse derselben zu ihren Organen beruhe. Die Frage dagegen, wie weit eine vom Verschulden unabhängige Haftung für schädigende Handlungen Dritter anzuerkennen sei, könne für juristische Personen nicht anders beantwortet werden als für natürliche und sei deshalb erst bei der Beratung des Abschnitts über die Schuldverhältnisse aus unerlaubten Handlungen zu behandeln. Ausschlaggebend für die Bejahung einer uneingeschränkten Zurechnung war also die eigentümliche und von den übrigen Angestellten streng zu unterscheidende Rechtsstellung der Organe innerhalb der juristischen Person. In heutiger Terminologie formuliert ging es dem Gesetzgeber mithin ausschließlich darum, das spezifisch verbandsrechtliche Problem der Organhaftung zu bewältigen, wäh-
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Motive IV, S. 1083; vgl. daneben Motive II, S. 30 f.; Jacoby, Das private Amt, S. 256 f. V. Tuhr, Allgemeiner Teil, Band I, 32 II (S. 464); ebenso kritisch v. Caemmerer, FS Flume, Band I, S. 359, 365; Reuber, Haftungsrechtliche Gleichbehandlung, S. 281 ff.; rechtfertigend dagegen Landwehr, AcP 164 (1964), 482, 511. 43 Vgl. dazu und zum Folgenden Protokolle I, S. 1051 f. 42
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rend die damals wie heute rechtspolitisch heftig umstrittene Frage der Reichweite der allgemeinen Leutehaftung44 außen vor bleiben sollte. 2. Normzweck Wenn auch die Forderung nach einer Korrelation von Vor- und Nachteil bei der Vermögensverwaltung eine Erstreckung der Zurechnung deliktischen Verhaltens in weitem Umfang als gerechtfertigt hätte erscheinen lassen können, hat der Gesetzgeber, das ist als Resümee der Rückschau auf die Entstehungsgeschichte festzuhalten, sich gezielt auf das Verhältnis zwischen der juristischen Person und ihren Organen beschränkt. Die Vorschrift des § 31 BGB ist daher als die spezielle haftungsrechtliche Ausprägung folgenden allgemeinen verbandsrechtlichen Grundgedankens zu deuten45 : Der zwar rechtsfähige, aber selbst weder willens- noch handlungsfähige Verband wird durch seine Organe zu einer Willens- und Wirkungseinheit. Deshalb ist ihm deren Verhalten – im Guten wie im Schlechten – unmittelbar und umfassend zuzurechnen. Weil sich nur so eine Privilegierung von Verbänden gegenüber natürlichen Personen vermeiden lässt 46 , muss der Verband für das Verschulden seiner Organe ebenso einstehen wie eine natürliche Person für ihr eigenes Verschulden. Ohne eine solche Zurechnung gäbe es nach geltendem Recht nicht nur keine gleichwertige, sondern bei Lichte besehen sogar überhaupt keine deliktsrechtliche Verantwortlichkeit von Verbänden. Nicht einmal die aufgrund der Exculpationsmöglichkeit unbefriedigende Haftung für Verrichtungsgehilfen käme nämlich zur Anwendung, da der Geschäftsherr insofern nur für vermutetes eigenes Verschulden einzustehen hat, die erforderliche Verschuldensfähigkeit aber gerade ex praemissione fehlte47. Was schließlich die Reichweite der Organhaftung angeht, so folgt aus dem Gesagten, dass kein Aktionsbereich des Verbandes von der Organverantwortlichkeit frei sein darf48 .
44 Vgl. dazu nur MünchKommBGB/Wagner, § 831 Rdn. 1, 3 ff.; Belling/Eberl-Borges, in: Staudinger, BGB, § 831 Rdn. 131 ff.; kritisch zur ungenügenden Berücksichtigung der „Vorteil-Nachteil-Formel“ bei der Fassung des § 831 BGB Nitschke, NJW 1969, 1737, 1740 f. 45 Wie hier K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 IV 1a (S. 273 f.); Erman/Westermann, BGB, § 31 Rdn. 1; vgl. daneben Reuber, Haftungsrechtliche Gleichbehandlung, S. 173 ff. 46 Dieser Aspekt wird seit jeher betont, s. nur Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 32 ff.; H. Westermann, JuS 1961, 333, 335; MünchKommBGB/Reuter, § 31 Rdn. 2; Staudinger/ Weick, BGB, § 31 Rdn. 1. 47 Dies wurde im Vorentwurf zum BGB von Gebhard (dokumentiert bei Schubert, Vorentwürfe, Allgemeiner Teil I, S. 510 ff.) noch verkannt, der eine dem § 31 BGB entsprechende Norm noch nicht vorsah, gleichwohl aber von einer Haftung für bloße Verrichtungsgehilfen ausging, vgl. dazu die zutreffende Kritik von Kleindiek, Deliktshaftung, S. 208. 48 So zutreffend K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 10 IV 4a (S. 279).
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3. Haftung für das Verhalten aller Organe im verbandsrechtlichen Sinne a) Keine Beschränkung auf Außenorgane Diese Einsichten können nicht ohne Einfluss bleiben auf die Bestimmung des § 31 BGB zugrunde liegenden Organbegriffs. Obschon die Vorschrift allein den Vorstand, dem nach § 26 Abs. 2 BGB die Stellung eines gesetzlichen Vertreters zukommt, und den anderen verfassungsmäßigen Vertreter erwähnt, setzt ihre Anwendung die Einräumung von (rechtsgeschäftlicher oder organschaftlicher) Vertretungsmacht nicht voraus. Schwankend war insofern freilich noch die Rechtsprechung des Reichsgerichts. Während es ein solches Erfordernis zunächst nicht einmal in Betracht zog49 , sah es darin ohne nähere Begründung zwischenzeitlich ein konstitutives Merkmal 50 , nur um dieses dann alsbald wieder zu relativieren und schließlich zu Recht kommentarlos ganz aufzugeben 51. In der Tat weist schon die Vermutungsregel des § 30 S. 2 BGB, wonach die Vertretungsmacht des besonderen Vertreters sich im Zweifel auf alle Rechtsgeschäfte erstreckt, die der zugewiesene Geschäftskreis gewöhnlich mit sich bringt, auf die Möglichkeit hin, dass ein solches Organ auch ohne jede Vertretungsmacht vorgesehen werden kann 52 . Jedenfalls aber macht von einer teleologischen Warte aus gesehen allein ein untechnisches Verständnis des Vertreterbegriffs Sinn 53 . Namentlich für die im Vordergrund des Interesses stehende Deliktshaftung kann es nicht auf die Befugnis zum rechtsgeschäftlichen Tätigwerden, sondern allein darauf ankommen, ob der betreffende Funktionsträger „in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen“ gehandelt hat. Weiterhin muss es sich bei dem Organ entgegen bisweilen vertretener Ansicht nicht um ein solches handeln, das den Verband wie der Vorstand oder der besondere verfassungsmäßige Vertreter nach außen hin repräsentiert 54 . Sicher49
RGZ 53, 276, 279. RGZ 74, 21, 23; RGZ 74, 250, 257. 51 RGZ 157, 228, 236 (offen gelassen); eindeutig sodann RG Deutsches Recht 1944, 287. 52 Reuber, Haftungsrechtliche Gleichbehandlung, S. 327 Fn. 10; daneben Soergel/Hadding, BGB, § 30 Rdn. 9. 53 So auch BGHZ 49, 19, 21; BGHZ 98, 148, 151; Kleindiek, Deliktshaftung, S. 342 ff.; Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 152 ff.; MünchKommBGB/Reuter, § 30 Rdn. 10; Erman/Westermann, BGB, § 31 Rdn. 4; Schwarz, in: Bamberger/Roth, BGB, § 31 Rdn. 1. Daneben hat Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 153 (dem folgend MünchKommBGB/Reuter, § 30 Fn. 16; Koenen, Zurechnung von Organverhalten, S. 39) auf Prot. II, S. 2779 hingewiesen, wo in der Tat darauf ausgeführt wird, der Vertreterbegriff der heutigen §§ 30, 31 BGB sei nicht nur im Sinne des zu Rechtsgeschäften bestellten Vertreters gemeint, sondern gelte für jeden, der in irgendeinem verfassungsmäßigen Wirkungskreise die juristische Person zu vertreten berufen sei. Allerdings war diese Äußerung Teil der Begründung eines im Ergebnis abgelehnten Antrags, weshalb sie zwar Ausdruck einer allgemeinen Überzeugung sein kann, aber nicht sein muss, vgl. zum Ganzen (noch kritischer) Kleindiek, Deliktshaftung, S. 344 Fn. 142. 54 So aber v. Tuhr, Allgemeiner Teil, Band I, § 37 VIII (S. 538); im Ansatz auch MünchKommBGB/Reuter, § 31 Rdn. 24, der aber immerhin Fälle für denkbar hält, in denen Mitglie50
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lich sind es praktisch ganz überwiegend die gesellschaftlichen Einrichtungen mit Außenfunktion, die bestimmungsgemäß mit Dritten in Kontakt treten und dabei Schäden verursachen. Ein allgemeiner Vorbehalt für „Innenorgane“ kommt allerdings nicht in Betracht, weil das Postulat einer unbedingten Einstandspflicht des Verbandes im gedanklichen Ausgangspunkt für alle Organe und für jede ihrer Handlungen Geltung beansprucht. Der systematisch richtige Ansatz für eine Eingrenzung der Zurechnung ist daher nicht in der Klassifizierung der Organe als bloßes Innen- oder aber den Verband repräsentierendes Außenorgan zu finden, sondern mit Hilfe des Tatbestandsmerkmals „in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen“ zu besorgen 55 . Hiermit kann auf die konkrete Tätigkeit bezogen ermittelt werden, ob eine Zurechnung geboten ist, weil das fehlerhafte Verhalten in Ausfüllung der Organtätigkeit begangen wurde, oder ob hierzu keine Veranlassung besteht, weil die Schädigung nur zufällig bei Gelegenheit der Ausführung erfolgte 56 . Letzteres mag häufig der Fall sein, wenn der Aufsichtsrat, die Mitgliederversammlung oder ein Beirat die Rechte Dritter verletzt. Schon die Möglichkeit eines rufschädigenden Interviews des Aufsichtsratsvorsitzenden oder der in diesem Zusammenhang häufig genannte ehrverletzende Beschluss einer Gesellschafterversammlung verdeutlicht aber, dass Ausnahmen denkbar sind. b) Keine Beschränkung auf „notwendige“ Organe Weiterhin ist im Schrifttum auch die Vorstellung anzutreffen, zur Ermöglichung des Zugriffs auf das Verbandsvermögen sei zwar die Einführung einer Vorschrift nach Art des § 31 BGB geboten gewesen, diese hätte jedoch auf die Zurechnung des Verhaltens eines Organs, jedenfalls aber der zwingend erforderlichen Organe beschränkt werden können. Wenn § 31 BGB darüber hinausgehe, so sei das nicht einer verbandsrechtlichen Notwendigkeit geschuldet, sondern könne nur mit dem Wunsch erklärt werden, den Anwendungsbereich der Gehilfenhaftung zurückzudrängen. So hat Nitschke argumentiert, es hätte genügt, das Verhalten der Mitgliederversammlung als repräsentativ für den Verein anzusehen, da diese nach der gesetzlichen Regelung den Vorstand bestelle und abberufe sowie anweisen und überwachen könne. Der Verein hätte dann bei fehlerhafter Auswahl oder Beaufsichtigung des Vorstands für eigenes – durch die Mitgliederversammlung vermitteltes – Verschulden haften können 57. Sodann hat Martinek geltend gederversammlung oder Aufsichtsrat im Rahmen ihrer Zuständigkeit mit Außenwirkung handeln; AnwKommBGB/Heidel/Lochner, § 31 Rdn. 7 Fn. 11. 55 Wie hier GroßKommAktG/Assmann/Sethe, § 287 Rdn. 123; Assmann/Sethe, FS Lutter, S. 251, 269 f.; Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 152 f. 56 Vgl. allgemein zu dieser Abgrenzung Staudinger/Weick, BGB, § 31 Rdn. 39 f.; MünchKommBGB/Reuter, § 31 Rdn. 33 f.; Erman/Westermann, BGB, § 31 Rdn. 5. 57 Nitschke, NJW 1969, 1737, 1738 f.; krit. dazu MünchKommBGB/Reuter, § 30 Rdn. 2.
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macht, die Theorien zur Rechtfertigung einer strikten Organhaftung bezögen sich allesamt nur auf die zur Herstellung der Handlungsfähigkeit notwendigen Organe, etwa bei der AG den Vorstand, den Aufsichtsrat und die Hauptversammlung58 . Für die Einbeziehung auch der besonderen Vertreter im Sinne von § 30 BGB, die satzungsgemäß neben dem Vorstand für gewisse Geschäfte bestellt werden könnten, ließen sich dagegen keine verbandsrechtlichen Gründe finden 59. Tragfähig sei insofern vielmehr allein eine rein haftungsrechtliche Erklärung. Demnach konnten sich zwar Bestrebungen, die Haftung auf alle Angestellten zu erstrecken, im Gesetzgebungsverfahren nicht durchsetzen60 . Immerhin aber habe der Gesetzgeber anerkannt, dass die besonderen Vertreter den Verband wie ein Leitungsorgan im Willen und Handeln repräsentierten und deshalb deren haftungsrechtliche Gleichstellung mit dem verbandsrechtlich unerlässlichen Vorstand sachgerecht sei61. Mit der Einbeziehung der besonderen Vertreter habe der Gesetzgeber mit anderen Worten seinen ursprünglich rein verbandsrechtlichen Ansatz hin zu einer deliktsrechtlichen Konzeption erweitert 62 . Indessen können die besonderen Vertreter keineswegs in der genannten Weise den „notwendigen“ oder „eigentlichen“ Organen gegenüber gestellt werden; diese zeichnen sich gegenüber den sonstigen Angestellten auch nicht lediglich durch ihre Repräsentantenstellung aus. Ganz im Gegenteil stellen sie in dem ihnen übertragenen Aufgabenbereich ebenso wie jedes andere Organ sehr wohl die Handlungsfähigkeit des Verbandes her63 . Besonders ins Auge fällt das, wenn der besondere Vertreter für seinen Geschäftsbereich ausschließliche Vertretungsmacht erhält und die Vertretungsmacht des Vorstands spiegelbildlich dazu nach § 26 Abs. 2 S. 2 BGB beschränkt ist 64 . Aber auch soweit eine mit dem Vorstand konkurrierende Zuständigkeit besteht, leitet der besondere Vertreter seine Kompetenzen unmittelbar aus der Satzung und nicht etwa vom Vorstand ab und trägt daher als Organ dazu bei, den Verein als Willens- und Wirkungseinheit zu konstituieren. Unabhängig davon, ob seine Bestellung notwendig war oder nicht, muss sich daher der Verband sein Verschulden wie eigenes zurechnen lassen. Erst recht keine Zustimmung verdient denn auch die These von 58 Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 217 f.; im Ansatz auch schon Nitschke, NJW 1969, 1737, 1739. 59 Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 219: Durch Einbeziehung der anderen verfassungsmäßigen Vertreter schieße § 31 BGB auf der ganzen Linie über einen verbandsrechtlich bestimmten Regelungszweck hinaus. 60 Vgl. dazu näher oben II 1. 61 Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 220; auch MünchKommBGB/Reuter, § 31 Rdn. 4 sieht den Wandel von der Organ- zur Repräsentantenhaftung in der Entstehungsgeschichte des § 31 BGB vorgezeichnet; ähnlich Staudinger/Weick, BGB, § 31 Rdn. 34; Kleindiek, Deliktshaftung, S. 350. 62 Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 221 spricht von einem „Kompromiss“. 63 Wie hier Reuber, Haftungsrechtliche Gleichbehandlung, S. 321. 64 Vgl. dazu Staudinger/Weick, BGB, § 30 Rdn. 6; Soergel/Hadding, § 30 Rdn. 9.
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Nitschke, es hätte genügt, nur das Verhalten der Mitgliederversammlung der Gesellschaft unmittelbar zuzurechnen. Da alle Organe über eine allein aus der Satzung bzw. dem Gesellschaftsvertrag abgeleitete und damit herausgehobene Stellung verfügen, wäre es willkürlich, für die Bestimmung der Verantwortlichkeit des Verbandes nur auf eines von ihnen abzustellen. Vollends versagen muss dieses Konzept schließlich dort, wo das in Rede stehende Organ anders als der Vorstand des Vereins gegenüber der Mitgliederversammlung nicht weisungsgebunden ist und daher nicht als Verrichtungsgehilfe qualifiziert werden kann. 4. Zwischenergebnis Der Verband muss sich, das kann als allgemeiner verbandsrechtlicher Grundsatz festgehalten werden, das Verschulden jedes seiner Organe wie eigenes zurechnen lassen, ohne dass es darauf ankäme, ob das Organ ein notwendiges ist, ob es den Verband nach außen repräsentiert oder gar über Vertretungsmacht verfügt. Die Vorschrift des § 31 BGB ist dementsprechend erweiternd auszulegen65 . Infolgedessen verdient die beiläufige Äußerung des BGH, wonach der Abschlussprüfer zwar einerseits Organ der Gesellschaft sei, andererseits aber die Gesellschaft nicht nach § 31 BGB haftbar machen könne 66 , keine Zustimmung. Bejaht man die Organeigenschaft des Abschlussprüfers 67, so lässt sich die Verantwortlichkeit des Verbandes nur noch mit dem Argument verneinen, der Abschlussprüfer habe den Dritten nur bei Gelegenheit und nicht in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen geschädigt 68 .
III. § 31 BGB als Anknüpfungspunkt für eine allgemeine Repräsentantenhaftung 1. Entwicklung in Rechtsprechung und Schrifttum In der Rechtspraxis spielen die bisher angestellten Überlegungen seit geraumer Zeit nur noch eine untergeordnete Rolle. Spätestens seit Mitte des 20. Jahrhunderts werden die Tatbestandsmerkmale des „verfassungsmäßig berufenen Vertreters“ und damit der Anwendungsbereich der strikten Organhaftung als im Wesentlichen deliktsrechtliche Problematik erörtert. Da die Entwicklung hin 65 Vgl. zur Mitgliederversammlung Soergel/Hadding, BGB, § 31 Rdn. 11; Flume, Juristische Person, § 11 III 2 (S. 387); Schwarz, in: Bamberger/Roth, BGB, § 31 Rdn. 9; zum Aufsichtsrat KölnKommAktG/Mertens, § 116 Rdn. 63; Palandt/Heinrichs, BGB, § 31 Rdn. 5; zum Beirat Assmann/Sethe, FS Lutter, S. 251, 270; Koenen, Zurechnung von Organverhalten, S. 47 ff. 66 BGHZ 16, 17, 25; allgemein ebenso Bürkle, Rechte Dritter, S. 41, der zufolge nicht jeder Organwalter in den Anwendungsbereich des § 31 BGB fällt. 67 Näher dazu und im Ergebnis ablehnend § 8 B. 68 Vgl. zu diesem Korrektiv III 3 a.
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zu einer allgemeinen Repräsentantenhaftung im Schrifttum schon vielfach gewürdigt wurde 69 , soll der Stand der Diskussion hier nur kurz in Erinnerung gerufen werden. a) Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers bezog sich der Ausdruck „anderer verfassungsmäßige Vertreter“ auf das erst durch die 2. Kommission eingeführte Rechtsinstitut des besonderen Vertreters im Sinne von § 30 BGB. Mit diesem wiederum sollte dem bei größeren Vereinen vermeintlich vorhandenen Bedürfnis Rechnung getragen werden, in der Satzung neben dem Vorstand für einen bestimmten Geschäftskreis, wie die Führung einer Niederlassung, besondere Vertreter als von der Mitgliederversammlung zu bestellende Organe vorzusehen70 . Um jeden Zweifel daran auszuschließen, dass die den Vorstand betreffenden gesetzlichen Vorschriften auf diesen Personenkreis Anwendung finden, ergänzte der Gesetzgeber § 31 BGB entsprechend71. Nach der Entstehungsgeschichte ist der verfassungsmäßig berufene Vertreter im Sinne des § 31 BGB mithin identisch mit dem besonderen Vertreter im Sinne des § 30 BGB; dieser wiederum bedarf nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes einer satzungsmäßigen Verankerung und ist gerade deswegen „verfassungsmäßig berufen“72 . Die Rechtsprechung des RG ist diesem Ansatz zunächst gefolgt 73 . Alsbald jedoch wurde das Kriterium der satzungsmäßigen Anordnung dahingehend abgeschwächt, dass eine ausdrückliche Erwähnung nicht erforderlich sei, es vielmehr genüge, wenn der entsprechende Tätigkeitsbereich dort seinen Niederschlag gefunden habe74 . In einem nächsten Schritt wurde dann das damit weithin bedeutungslos gewordene Erfordernis der satzungsmäßigen Verankerung gänzlich fallen gelassen und die Gleichwertigkeit von Satzung auf der einen und allgemeiner Betriebsregelung und Handhabung auf der anderen Seite hervorgehoben 75 . Statt dessen wurde geprüft, ob der Betreffende eine dem Vorstand ähnliche Selbständigkeit und Verantwortlichkeit aufweise. Diese Rechtsprechung hat der BGH später aufgegriffen und in der bis heute verwendeten Formel fortgeführt, wonach verfassungsmäßig berufene Vertreter diejenigen Personen sind, denen „durch allgemeine Betriebsregelung und Handhabung 69 Vgl. insbesondere die eingehenden Darstellungen bei Kleindiek, Deliktshaftung, S. 341 ff.; Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 148 ff.; Reuber, Haftungsrechtliche Gleichbehandlung, S. 321 ff. 70 Mangels abweichender Regelung fi ndet nämlich auf die besonderen Vertreter § 27 BGB entsprechende Anwendung, vgl. Soergel/Hadding, BGB, § 30 Rdn. 13; Staudinger/Weick, BGB, § 30 Rdn. 3. 71 Protokolle I, S. 1050 f. 72 Ebenso Kleindiek, Deliktshaftung, S. 341. 73 Vgl. die Grundsatzentscheidung RGZ 53, 276; daneben RGZ 74, 21; RG JW 1903 Beil. 14 Nr. 261. 74 Vgl. etwa RGZ 70, 118; RGZ 91, 1, 3 f.; RG JW 1930, 2927. 75 Vgl. RGZ 94, 318, 320; RGZ 117, 61, 64; RGZ 163, 21, 29 f.
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§ 4 Abgrenzung zu anderen Organbegriffen
bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind“76 . Da eine Weisungsgebundenheit im Innenverhältnis nicht schadet77, deckt sich der personelle Anwendungsbereich in etwa mit dem Begriff des leitenden Angestellten 78 . Nach alledem können insbesondere Leiter einer Warenhaus- oder Bankfiliale, Chefärzte eines Krankenhauses, aber auch Handelsvertreter mit Führungsfunktionen im Außenverhältnis verfassungsmäßige Vertreter sein 79. b) In der Sache hat diese Rechtsprechung im Schrifttum weitgehend Zustimmung gefunden80 ; vereinzelt blieb demgegenüber der Einwand, bei den in der Formel des BGH genannten Kriterien handele sich um „eine massierte Aneinanderreihung von Gemeinplätzen“, mit der „sich nahezu jedes Ergebnis herbeiargumentieren“ lasse 81. Dieser Vorwurf ist vor allem deshalb überzogen, weil die genannte Umschreibung nur die maßgeblichen Wertungsgesichtspunkte aufzeigen will, nicht aber für sich in Anspruch nimmt, in jedem Einzelfall eine zweifelsfreie Abgrenzung zu ermöglichen82 . Soweit hingegen die Rechtsprechung die These verficht, methodisch handele es sich um eine Auslegung des Begriffs der verfassungsmäßigen Vertreters 83 , steht das Schrifttum dem zu Recht durchweg ablehnend gegenüber84 . In der Tat übersteigt es den möglichen Wortsinn, in der für ausreichend erachteten „allgemeinen Betriebsregelung und Handhabung“ die vom Gesetz ausdrücklich verlangte verfassungsmäßige Bestellung zu sehen. Weil der Gesetzgeber aber bei der Ausgestaltung der Norm
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BGHZ 49, 19, 21; aus neuerer Zeit etwa BGH NJW 1998, 1854, 1856. BGH NJW 1977, 2260; Schwarz, in: Bamberger/Roth, BGB, § 31 Rdn. 7. 78 So MünchKommBGB/Reuter, § 31 Rdn. 20; Schwarz, in: Bamberger/Roth, BGB, § 31 Rdn. 7; Soergel/Hadding, BGB, § 31 Rdn. 10; Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 222; Palandt/Heinrichs, BGB, § 31 Rdn. 6. Weitere Ansätze zur Konkretisierung fi nden sich bei Bydlinski, FS Koppensteiner, S. 569, 584 ff. 79 Vgl. zur Kasuistik Soergel/Hadding, BGB, § 31 Rdn. 12; Palandt/Heinrichs, BGB, § 31 Rdn. 9. 80 Vgl. zur Kritik aber alsbald unter 2. 81 So Reuber, Haftungsrechtliche Gleichbehandlung, S. 321, 383; ähnlich Schmitz, Haftung für Arbeitnehmer, S. 66: Abgrenzung zwischen § 831 BGB und § 31 BGB erfolge danach, ob das Gelingen des Entlastungsbeweises im konkreten Fall als billig empfunden werde. 82 Ebenso Kleindiek, Deliktshaftung, S. 353; in anderem Zusammenhang BGHZ 155, 318, 324: „Abgrenzungsprobleme sind ein allenthalben anzutreffendes und auch sonst zu bewältigendes Phänomen der Rechtsanwendung“. 83 Explizit RG JW 1938, 1651; BGH NJW 1972, 334; vgl. aber auch BGH NJW 1998, 1854, 1856: „über den Wortlaut hinaus“. 84 Vgl. etwa Spindler, Unternehmensorganisationspfl ichten, S. 604; Kleindiek, Deliktshaftung S. 347 ff.; Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 152 ff., 215 ff.; Bydlinski, FS Koppensteiner, S. 569, 579; MünchKommBGB/Reuter, § 31 Rdn. 5; KölnKommAktG/Mertens, § 76 Rdn. 87; Soergel/Hadding, BGB, § 31 Rdn. 18; Flume, Juristische Person, § 11 III 2 (S. 387 f.); Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 10 Rdn. 88; Koenen, Zurechnung von Organverhalten, S. 40 ff. 77
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hinter dem selbst gesetzten Regelungsplan zurückgeblieben sei85 , soll statt dessen mit demselben praktischen Ergebnis eine analoge Anwendung des § 31 BGB zu befürworten sein. Gegenüber dem verfolgten Normzweck, im Interesse des Verkehrsschutzes das Verbandsvermögen für Schäden haften zu lassen, die Dritten im Zusammenhang mit der Vermögensverwaltung entstehen, erweise sich die Vorschrift des § 31 BGB nämlich in zweifacher Hinsicht als defi zitär86 . Zunächst werde die Rolle der Vermögensverwalter nur den notwendigen Organen und den satzungsgemäß vorgesehenen Sonderorganen und damit einem rein formal bestimmten Personenkreis zugewiesen. Gerade größere Organisationen bedürften darüber hinaus zur Herstellung zwar nicht ihrer rechtlichen, wohl aber ihrer tatsächlichen Handlungsfähigkeit weiteren Führungspersonals, das Aufgaben, die in kleineren Einheiten die Leitungsspitze selbst übernimmt, weitgehend selbständig und eigenverantwortlich ausführt 87. Für den intendierten Verkehrsschutz könne es aber allein auf die ausgeübte Funktion und nicht auf die formale Stellung der Ausführenden ankommen. Leitende Angestellte, die zwar in der Hierachieebene unterhalb des Vorstands angesiedelt, aber gleichwohl in einer den Organwaltern vergleichbaren Weise zum Vorteil der juristischen Person tätig seien, dürften nicht lediglich der Gehilfenhaftung unterfallen, sondern müssten haftungsrechtlich den Organmitgliedern gleichgestellt werden. Weder entsprächen solche Repräsentanten tatbestandlich dem Leitbild des Verrichtungsgehilfen noch führe auf der Rechtsfolgenseite der nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB mögliche Entlastungsbeweis zu einer angemessenen Risikoverteilung88 . Im Übrigen habe das nach der gesetzlichen Konzeption bestehende Erfordernis der satzungsmäßigen Verankerung zur Folge, dass die juristische Person in gewissen Grenzen selbst darüber bestimmen könnte, für wen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften wolle 89. Es stünde etwa in ihrem Belieben, ob sie die Position eines Chefarztes oder Filialleiters in der Satzung vorsehe oder eben nicht; und selbst in der AG, in der die Gestaltungsfreiheit erheblich eingeschränkt sei, stehe nach § 76 Abs. 2 AktG die Zahl der Vorstandsmitglieder zur Disposition des Satzungsgebers. Verbandsrechtlich sei all dies zu akzeptieren, 85
So Kleindiek, Deliktshaftung, S. 348, 350. Diese Einteilung fi ndet sich bei Reuber, Haftungsrechtliche Gleichbehandlung, S. 332 f. 87 Staudinger/Weick, BGB, § 31 Rdn. 34. 88 So bereits RGZ 162, 129, 167: „Es wäre unerträglich, wenn sich das Reich für einen Beamten durch Entlastungsbeweis nach § 831 BGB ebenso sollte entschlagen können wie für einen kleinen Beamten oder Angestellten.“; daneben BGHZ 49, 19, 21; Soergel/Hadding, BGB, § 31 Rdn. 18; vgl. noch Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 79 III 5b (S. 483); Belling/ Eberl-Borges, in: Staudinger, BGB, § 831 Rdn. 42. 89 RGZ 139, 149, 151; RGZ 155, 257, 267; BGH NJW 1972, 334; BGH NJW 1998, 1854, 1856; MünchKommBGB/Reuter, § 31 Rdn. 5; Bydlinski, FS Koppensteiner, S. 569, 577; Kleindiek, Deliktshaftung, S. 350; Matusche-Beckmann, Organisationsverschulden, S. 140. 86
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§ 4 Abgrenzung zu anderen Organbegriffen
die Reichweite der Einstandspflicht im Außenverhältnis könne auf diese Weise aber keinesfalls bestimmt werden. Hierfür müsse es statt dessen auf ein materielles, vom Verband nicht zu steuerndes Kriterium ankommen, welches nach dem Gesagten unschwer in der selbständig-eigenverantwortlichen und daher mit dem Vorstand und den Sonderorganen vergleichbaren Stellung des Repräsentanten zu finden sei. 2. Kritische Würdigung a) Zweifelhafte Analogievoraussetzungen Ob indessen mit der äußerlichen Vergleichbarkeit der wahrgenommenen Funktionen der aus Sicht des Regelungsmodells des § 31 BGB entscheidende Gesichtspunkt angesprochen und daher der genannte Personenkreis den Verbandsorganen in rechtserheblicher Weise ähnelt, ist durchaus zweifelhaft90 . Ausgeblendet bleibt dabei nämlich der beschränkte Regelungszweck der Vorschrift, der allein auf die Gleichstellung von natürlicher und juristischer Person gerichtet ist. Wie schon erwähnt91 , ging es allein darum, „diejenige Haftung der Körperschaft zu regeln, welche auf den besonderen Verhältnissen derselben zu ihren Organen beruhe“, wohingegen die Frage, wieweit eine vom Verschulden unabhängige Haftung für die Handlungen Dritter anzuerkennen sei, nicht anders als für natürliche Personen entschieden werden könne. Der Gesetzgeber hat also strikt unterschieden: Wessen die juristische Person bedarf, um überhaupt handlungsfähig zu werden und zu dem sie deshalb in einer spezifisch verbandsrechtlichen Beziehung steht, für den sollte sie strikt einzustehen haben; wer dagegen durch seine Mitarbeit dazu beiträgt, die Wirkungsmöglichkeiten der bereits handlungsfähigen juristischen Person zu erweitern, sollte wie ein Gehilfe einer natürlichen Person behandelt werden92 . Dieser ausschließlich verbandsrechtlich motivierte Regelungsansatz wurde im Weiteren auch nicht etwa dadurch modifiziert, dass der Gesetzgeber die „anderen verfassungsmäßigen Vertreter“ in die Organhaftung einbezogen hat. Zwar hat insbesondere Martinek vorgetragen, aus verbandsrechtlicher Sicht lasse sich lediglich eine Haftung für die zwingend notwendigen Verbandsorgane rechtfertigen, weshalb die „Sonderorganhaftung“ innerhalb des § 31 BGB nur als der Nucleus einer haftungsrechtlich motivierten Repräsentantenhaftung gedeutet werden könne, der sodann im Wege analoger Anwendung auf nicht verfassungsmäßig berufene Repräsentanten zu übertragen sei93 . Bei näherer Ana90 Vgl. mit ähnlichen Erwägungen die Kritik von Landwehr, AcP 164 (1964), 483, 510 ff.; Reuber, Haftungsrechtliche Gleichbehandlung, S. 381 f.; Schmitz, Haftung für Arbeitnehmer, S. 75 ff. 91 Vgl. unter II 1. 92 So zutreffend Reuber, Haftungsrechtliche Gleichbehandlung, S. 381. 93 Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 219 ff.; auch MünchKommBGB/Reuter, § 31 Rdn. 4 sieht den Wandel von der Organ- zur Repräsentantenhaftung in der Entstehungsge-
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lyse erwies sich jedoch auch aus verbandsrechtlicher Sicht eine Unterscheidung zwischen notwendigen und fakultativen Organen als nicht weiterführend, vielmehr eine Einbeziehung sämtlicher Organe in den Anwendungsbereich der strikten Organhaftung als geboten94 . Daher bleibt festzuhalten: Durch die Einbeziehung auch solcher Repräsentanten in den Anwendungsbereich des § 31 BGB, die aus verbandsrechtlicher Sicht kein Organ sind, wird die Vorschrift für Regelungszwecke des Deliktsrechts funktionalisiert oder, schärfer formuliert, zweckentfremdet95 . Bedenkt man weiterhin, dass der Gesetzgeber seine Erwägungen zum einen explizit in den Materialien dokumentiert hat und zum anderen die Fassung der §§ 30 f. BGB im Hinblick auf das Erfordernis einer satzungsmäßigen Bestellung an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt, mithin der Wille des Gesetzgebers und der Wortlaut des Gesetzes eindeutig in dieselbe Richtung weisen, so fehlt es nicht nur an den Voraussetzungen für eine Analogiebildung, vielmehr rückt die heute durchweg propagierte entsprechende Anwendung des § 31 BGB auf leitende Angestellte ohne Organbezug sogar in die Nähe eines grundsätzlich unzulässigen Judizierens contra legem96 . Aus einer rein haftungsrechtlichen Perspektive muss eine formal auf den Ursprung der Handlungsbefugnis abstellende Argumentation und die damit vorgezeichnete Beschränkung des § 31 BGB auf Organe im verbandsrechtlichen Sinne freilich befremden. Dann nämlich gewinnt die soeben in Frage gestellte Argumentationslinie nachgerade schlagende Überzeugungskraft. In der Tat sollte die Reichweite der deliktischen Einstandspfl icht und damit insbesondere die Frage, ob der Verband für einen Mitarbeiter unbedingt oder nur wegen eines Auswahl- oder Überwachungsverschuldens haftet, sich nicht nach den in § 31 BGB aufgeführten engen formalen und zumindest in Grenzen vom Verband selbst steuerbaren Kriterien, sondern nach der nach außen hin wahrgenommenen Funktion richten. Indes ist damit noch keineswegs gesagt, dass die herrschende Meinung dieses berechtigte Anliegen in einer rein verbandsrechtlichen Vorschrift dogmatisch richtig verortet hat und nicht statt dessen ein allgemeines haftungsrechtliches Problem einer eben solchen allgemeinen und das heißt deliktsrechtlichen Lösung zugeführt werden sollte.
schichte des § 31 BGB vorgezeichnet; ähnlich Staudinger/Weick, BGB, § 31 Rdn. 34; Kleindiek, Deliktshaftung, S. 350. 94 Vgl. oben II 3 b. 95 Wie hier auch MünchKommBGB/Wagner, § 823 Rdn. 368, 372. 96 Vgl. dazu auch die Einschätzung von v. Bar, Verkehrspfl ichten, S. 257: „Damit ist die gesetzliche Ausgangslage geradezu in ihr Gegenteil verkehrt.“; in der Sache ebenso Bergmann, Fremdorganschaft, S. 43. Demgegenüber hält Bydlinski, FS Koppensteiner, S. 569, 587 den gesetzgeberischen Willen für irrelevant, weil er auf einem tatsächlichen Irrtum aufbaue und die Fehlvorstellung zu einer Gesetzeslage geführt habe, die gar nicht konsequent angewendet werden könne.
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§ 4 Abgrenzung zu anderen Organbegriffen
b) Gleichbehandlung aller Unternehmensträger durch Korrektur des § 831 BGB Die Frage nach der Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs der unbedingten Organhaftung stellte sich nicht in derselben Schärfe, wenn nicht die sonst einschlägige Gehilfenhaftung wegen der Möglichkeit des Entlastungsbeweises ihrerseits als rechtspolitisch unbefriedigend empfunden würde. Die Bemühungen um ein sachgerechtes Verständnis des § 31 BGB sind somit im größeren Zusammenhang derjenigen Strategien zu beurteilen, die auf eine partielle Überwindung der – bereits im Gesetzgebungsverfahren sehr umstrittenen97 – Entscheidung abzielen, den Geschäftsherrn im Hinblick auf seine Gehilfen nur für vermutetes eigenes Verschulden haften zu lassen. Neben der Ausweitung der vertraglichen und quasi-vertraglichen Schutzpflichten und der Statuierung betrieblicher Organisationspfl ichten98 ist insofern vor allem die Lehre vom körperschaftlichen Organisationsmangel zu nennen. Danach darf sich die juristische Person nicht damit begnügen, wichtige und schadensträchtige Aufgabenbereiche, die der Vorstand allein nicht mehr übersehen kann, durch weisungsgebundene Verrichtungsgehilfen wahrnehmen zu lassen, sondern muss statt dessen ein besonderes Organ schaffen, für dessen Verschulden sie unbedingt einzustehen hat. Genügt sie diesen Anforderungen nicht, muss sie sich so behandeln lassen, als sei der zuständige Angestellte Organ im Sinne von §§ 30 f. BGB99. Nun ist, wie im neueren Schrifttum zu Recht vielfach dargelegt worden ist, die Theorie vom körperschaftlichen Organisationsmangel methodisch unhaltbar100 . Sie versagt von vornherein dort, wo – wie im Aktienrecht – für Sonderorgane in der abschließend geregelten Verfassung kein Platz ist und der Vorwurf fehlerhafter Organisation schon mangels Gestaltungsalternative ausscheidet. In allen anderen Fällen dagegen beschneidet sie in unzulässiger Weise die 97 Gewichtige Stimmen hatten in Anlehnung an das französische, schweizerische und italienische Recht für eine Zurechnung des Verschuldens der Mitarbeiter plädiert, s. dazu nur Belling/Eberl-Borges, in: Staudinger, BGB, § 831 Rdn. 1. 98 Vgl. dazu knapp MünchKommBGB/Wagner, § 831 Rdn. 2 und eingehend MatuscheBeckmann, Organisationsverschulden, S. 37 ff.; zur Vertragshaftung Belling/Eberl-Borges, in: Staudinger, BGB, § 831 Rdn. 25 ff.; zurückhaltend gegenüber dem Einfluss des § 831 BGB auf die Entwicklung der Schutzpfl ichten Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 79 III 5a (S. 482 f.). 99 Vgl. etwa RGZ 153, 356; RGZ 162, 129; BGHZ 24, 200, 213; BGHZ 39, 124, 129 f.; BGH NJW-RR 1996, 867, 868; BGH NJW 1998, 1854, 1857; Erman/Westermann, BGB, § 30 Rdn. 5. 100 Eingehend dazu mit weiteren Argumenten Matusche-Beckmann, Organisationsverschulden, S. 137 ff.; Spindler, Unternehmensorganisationspfl ichten, S. 603 ff.; Landwehr, AcP 164 (1964), 483, 499 ff.; Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 160; daneben Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 10 Rdn. 92; Flume, Juristische Person, § 11 III 2 (S. 387); Soergel/Hadding, BGB, § 31 Rdn. 17; MünchKommBGB/Reuter, § 31 Rdn. 8; KölnKommAktG/Mertens, § 76 Rdn. 83.
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Satzungsautonomie. Mehr noch ist es geradezu abwegig, dass die satzungsgebenden Organe gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verstoßen sollen, soweit sie nicht gegen ihr ureigenes Interesse das gesetzlich vorgesehene Haftungskonzept korrigieren101. Wenn auch weder die heute allgemein anerkannte Lesart des § 31 BGB noch die Lehre vom körperschaftlichen Organisationsverschulden überzeugen können, so ändert das doch nichts an der Berechtigung des beiden Ansätzen gemeinsamen Anliegens, hinsichtlich leitender Angestellter und sonstiger Repräsentanten des Verbandes den Entlastungsbeweis des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB auszuschließen. Insoweit dürfte dem Gesetz nämlich eine Anschauungslücke zugrunde liegen. Zwar kann dem Gesetzgeber des ausgehenden 19. Jahrhunderts die Existenz herausgehobener Entscheidungsträger kaum gänzlich verborgen geblieben sein102 , aber er hat doch offenbar deren aufkommende Bedeutung nicht erkannt und vor allem ihre besondere, vom Leitbild eines gewöhnlichen Verrichtungsgehilfen abweichende Stellung nicht hinreichend reflektiert. Daher drängt es sich auf, nicht bei der ein ganz anderes Problem regelnden Vorschrift des § 31 BGB, sondern unmittelbar bei § 831 BGB als dem eigentlichen Ausgangspunkt der Schwierigkeiten anzusetzen. Auf diese Weise lässt sich zugleich ein Wertungswiderspruch vermeiden, den hinzunehmen sich die herrschende Auffassung gezwungen sieht. Denn obwohl leitende Angestellte rechtstatsächlich keineswegs nur bei juristischen Personen oder anderen Personenverbänden, sondern in gleicher Weise bei Einzelkaufleuten begegnen und auch der maßgebliche Wertungsgesichtspunkt des Repräsentationsgedankens eine Differenzierung nach der Rechtsform des Unternehmensträgers nicht zulässt, fi ndet § 31 BGB nach herrschender Meinung auf natürliche Personen keine Anwendung103 . Einzelkaufleute haben für ihre zwar selbständig agierenden, aber weisungsgebundenen Repräsentanten nur nach Maßgabe des § 831 BGB einzustehen. Bedenklich ist das, weil das Konzept der Organhaftung ursprünglich die im Deliktsrecht bestehenden Unterschiede von natürlichen und juristischen Personen ausräumen und für eine gleichmäßige Behandlung aller Rechtssubjekte sorgen sollte. Von daher vermag der Vorschlag aus dem Schrifttum, den Zurechnungsgedanken des § 31 BGB auf alle Unternehmensträger zu erstrecken104 , nicht zu überraschen. Bestimmt man den 101
Bydlinski, FS Koppensteiner, S. 569, 578. Zu weitgehend daher Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 202 ff., der meint, der Gesetzgeber habe die Repräsentanten nicht einmal andeutungsweise im Blick gehabt; dagegen zutreffend Kleindiek, Deliktshaftung, S. 349; Schmitz, Haftung der Arbeitnehmer, S. 68; Reuber, Haftungsrechtliche Gleichbehandlung, S. 376 ff. 103 Soergel/Hadding, BGB, § 31 Rdn. 8; Erman/Westermann, BGB, § 31 Rdn. 1; MünchKommBGB/Reuter, § 31 Rdn. 19; Schwarz, in: Bamberger/Roth, BGB, § 31 Rdn. 3; AnwKommBGB/Heidel/Lochner, § 31 Rdn. 3. 104 So Nitschke, NJW 1969, 1737, 1740 ff.; v. Caemmerer, FS Flume II, S. 359, 367; Flume, Juristische Person, § 11 III 2 (S. 388); K. Schmidt, Handelsrecht, § 5 II 4 (S. 118); Bydlinski, FS Koppensteiner, S. 569, 590 f.; unter Einbeziehung weiterer Normen, also eine Gesamtanalo102
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Personenkreis, für den gehaftet wird, nach rein deliktsrechtlichen Kriterien, dann ist es in der Tat nur konsequent, auch den Personenkreis der haftenden Rechtsträger entsprechend zu erweitern. Zu folgen ist diesem Ansatz gleichwohl nicht, denn er sprengte die hier durchgängig betonte verbandsrechtliche Grundkonzeption der Vorschrift endgültig. Um eine Gleichbehandlung der Unternehmensträger zu gewährleisten, ist zumindest de lege ferenda eine rechtsformunabhängige Entscheidungsträgerhaftung zu befürworten. Angesprochen ist damit das seit Jahrzehnten auch auf europäischer Ebene heftig diskutierte und hier nur anzudeutende Thema der Reform der Gehilfenhaftung. Insofern steht immer noch der radikale Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz aus dem Jahre 1967 im Raum, dem zufolge das Gehilfenverhalten nach dem Prinzip des respondeat superior in jedem Fall dem Geschäftsherrn zugerechnet werden sollte105 . Da dagegen verbreitet der Einwand erhoben wurde, die unbedingte Zurechnung sei nur bei Großunternehmen, nicht aber bei Kleinbetrieben und Privathaushalten angemessen106 , könnte der Vorschlag, die Grundsätze über die Repräsentantenhaftung zu kodifizieren, vielleicht eher auf Zustimmung hoffen. Was schließlich die lex lata angeht, so bleibt beim Rechtsanwender eine gewisse Ratlosigkeit zurück. Die einhellig befürwortete und in der Sache gebotene unbedingte Haftung für Repräsentanten lässt sich nach hier vertretener Ansicht nicht auf den Rechtsgedanken des § 31 BGB stützen; zu erwägen ist dagegen eine teleologische Reduktion des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB bei schuldhaften Delikten des Mitarbeiters. Da jedoch einerseits dem deutschen Recht Sondervorschriften, die eine Repräsentantenhaftung begründen, nicht fremd sind107 und es der Gesetzgeber andererseits im Übrigen bei einer Haftung für vermutetes eigenes Verschulden hat bewenden lassen, sieht sich selbstverständlich auch dieser Ansatz nachhaltigen Bedenken ausgesetzt108 . Erachtet man diese für durchgreifend, stünden sie allerdings in gleicher Weise der allgemein befürworteten entsprechenden Anwendung des § 31 BGB entgegen. Alles in allem erscheint es daher als das geringere Übel, offen § 831 BGB als den eigentlichen Ursprung der Schwierigkeiten zu korrigieren und dabei zugleich das Folgegie bildend Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 225 ff.; ähnlich bereits Steindorff, AcP 170 (1970), 93, 105 ff.; für eine Gleichbehandlung der Unternehmensträger auch Reuber, Haftungsrechtliche Gleichbehandlung, S. 339 ff. 105 Vgl. dazu eingehend MünchKommBGB/Wagner, § 831 Rdn. 3 ff. und Belling/EberlBorges, in: Staudinger, BGB, § 831 Rdn. 132 ff. jeweils mit Nachweisen auch zur europäischen Privatrechtsvereinheitlichung. 106 So etwa v. Bar, Verkehrspfl ichten, S. 272; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 79 III 6 (S. 484). 107 Immer wieder genannt werden in diesem Zusammenhang §§ 2 HaftpflG, 485 HGB, 3 Abs. 1 BinnSchiffG. 108 Darauf maßgeblich abstellend MünchKommBGB/Reuter, § 31 Rdn. 19; Spindler, Unternehmensorganisationspfl ichten, S. 608.
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problem einer sachlich kaum zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung der Unternehmensträger zu vermeiden109. Wenn dieser Vorschlag angesichts der seit Jahrzehnten gefestigten Rechtsprechung zur Reichweite der Organhaftung keine Zustimmung findet, sollte zumindest erwogen werden, das sonst bestehende Haftungsdefizit bei natürlichen Personen durch eine besonders strikte Anwendung der Grundsätze über das betriebliche Organisationsverschulden zu kompensieren110 . Methodisch befriedigender ist das allerdings nicht wirklich, wird doch verdeckt auch so die (angeblich verbindliche) Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine allgemeine Repräsentantenhaftung konterkariert.
IV. Resümee Weil kein Aktionsbereich des Verbandes ohne Haftung sein darf, erfasst § 31 BGB nicht nur seinem Wortlaut entsprechend das Verhalten des Vorstands und der anderen verfassungsmäßigen Vertreter, sondern dasjenige aller Organe. Die herrschende Meinung geht über diese Erweiterung des Anwendungsbereichs noch deutlich aus, indem sie die unbedingte Zurechnung auf alle Repräsentanten des Verbandes erstreckt und damit einen besonderen haftungsrechtlichen Organbegriff zugrunde legt. Mit der verbandsrechtlichen Grundkonzeption des § 31 BGB lässt sich dieses als solches zustimmungswürdige Ergebnis indessen ebensowenig vereinbaren wie die sich aufdrängende Folgerung, die Vorschrift auch auf einzelkaufmännische Unternehmen anzuwenden, um die Gleichbehandlung aller Unternehmensträger zu gewährleisten. Methodisch überzeugender lassen sich beide Ergebnisse auf eine teleologische Reduktion des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB stützen. Es bedarf dann auch keines besonderen haftungsrechtlichen Organbegriffs; vielmehr gilt auch im Rahmen des § 31 BGB der allgemeine verbandsrechtliche Organbegriff. Im Ergebnis gehören jedoch sowohl nach dem herrschenden wie nach dem hier verfochtenen Verständnis nicht alle Mitarbeiter, deren Verhalten sich der Verband ohne Entlastungsmöglichkeit zurechnen lassen muss, zur Gruppe der Organmitglieder, die dem Verband gegenüber einer besonderen Sorgfalts- und Treupfl icht unterliegen. Diese Divergenz ist jedoch hinzunehmen, weil es sich um gänzlich verschiedene Sachfragen handelt und es dem Verband überdies frei steht, im Innenverhältnis durch entsprechende schuldrechtliche Vereinbarungen die erforderliche Vorsorge zu treffen111.
109 Zutreffend Wiesner, ZHR 144 (1980), 662, 664 f.; im Ergebnis auch Nitschke, NJW 1969, 1737, 1740, der einräumt, dass seine Auffassung auf eine Modifikation des § 831 BGB hinausläuft; gegen eine Überbetonung des Willens des historischen Gesetzgebers im Hinblick auf Einzelunternehmen auch Reuber, Haftungsrechtliche Gleichbehandlung, S. 340 f. 110 So Spindler und Reuter wie Fn. 108. 111 Kritisch dagegen Koenen, Zurechnung von Organverhalten, S. 23.
118
§ 4 Abgrenzung zu anderen Organbegriffen
C. Organbegriff der juristischen Person? Eine nicht ohne weiteres einsichtige Differenzierung der Organbegriffe nimmt schließlich Wiedemann112 vor. In Übereinstimmung mit der hier vorgenommenen Einordnung weist er zunächst auf den Organbegriff des Steuerrechts hin und erläutert dann zum Organbegriff des Verbandsrechts, dass es sich um die Personen oder Gruppen handele, deren Willensbildung für den Verband maßgebend sei und deren Entscheidung am Verbandsinteresse orientiert sein müsse. Dem stellt er indessen abschließend noch den Organbegriff der juristischen Person zur Seite, wobei insofern Organ diejenigen natürlichen Personen sein sollen, deren Verhalten als Verhalten der juristischen Person gilt, soweit sie als Amtsträger tätig werden. Da Organhandeln bei allen rechtsfähigen Verbänden in gleicher Weise begegnet und die juristischen Personen diesbezüglich im theoretischen Ausgangspunkt keinerlei Eigentümlichkeiten aufweisen, bleibt jedoch schon der Ansatz einer Differenzierung von Verbänden auf der einen und juristischen Personen auf der anderen Seite nur schwer nachvollziehbar. Im Übrigen soll der Organbegriff der juristischen Person offenbar gerade das Handeln im Außenverhältnis betreffen, welches der juristischen Person als eigenes zugerechnet wird113 . So verstanden, beschreibt der Organbegriff der juristischen Person aber nur eine Teilfunktion des verbandsrechtlichen Begriffs und wäre auch aus diesem Grund kaum weiterführend. Was die Gegenüberstellung von Außen- und Innenverhältnis angeht, so besteht zwar durchaus keine Identität zwischen den Personen, für die der Verband im Außenverhältnis unbedingt einzustehen hat, und denen, die im Innenverhältnis der besonderen korporationsrechtlichen Verantwortlichkeit unterliegen. Dieser Umstand jedoch kommt in der hier vorgeschlagenen Unterscheidung zwischen dem haftungsrechtlichen und dem verbandsrechtlichen Organbegriff besser zum Ausdruck. Ein besonderer Organbegriff der juristischen Person ist somit entbehrlich.
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Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 4 II 3 (S. 212). So jedenfalls das Verständnis von Buck, Wissen und juristische Person, S. 195 und Westerhoff, Organ und gesetzlicher Vertreter, S. 13, die diesen Organbegriff denn auch für entbehrlich halten. 113
Kapitel 2
Das Verbandsorgan in der Detailanalyse
§ 5 Das Willensbildungsorgan der Verbandsmitglieder Dass die Verbandsmitglieder unabhängig von der Rechtsform zur Mitwirkung an der gesellschaftsinternen Willensbildung berufen sind und dabei kraft organschaftlicher Zurechnung unmittelbar für den Verband tätig werden, steht gänzlich außer Frage; allein der Umfang der ihnen zustehenden Kompetenzen schwankt von Gesellschaftsform zu Gesellschaftsform. Noch nicht beantwortet ist damit allerdings die Frage, wer genau zur Entscheidung berufen und damit als Organ der Gesellschaft zu qualifizieren ist. Nicht nur theoretisch kommt insofern entweder die Gesellschafterversammlung oder die Gesamtheit der Gesellschafter in Betracht; eine nähere Betrachtung zeigt vielmehr, dass auch das geltende Recht beide Konstruktionsmöglichkeiten vorsieht.
A. Hauptversammlung als Organ der Aktiengesellschaft Nach einhelliger Auffassung ist das Willensbildungsorgan der AG die Hauptversammlung1. Kompetenzträger sind mithin weder die in einer tatsächlichen Zusammenkunft präsenten Aktionäre 2 noch die Gesamtheit der Aktionäre3 . Außerhalb von Versammlungen können daher selbst alle einverständlich handelnden Aktionäre keine Beschlüsse fassen. Als Rechtsgebilde gelangt die Hauptversammlung mit der Satzungsfeststellung zur Entstehung und besteht von da an dauernd fort4 . Sofern demgegenüber geltend gemacht wird, sie sei kein ständiges Organ, weil sie nur unter den in §§ 118 ff. AktG näher bezeichneten Voraussetzungen ad hoc zusammentrete 5 , wird zu Unrecht das Rechtsgebilde mit der tatsächlichen Versammlung der Aktionäre gleichgesetzt. Richtig 1 MünchKommAktG/Kubis, § 118 Rdn. 8; KölnKommAktG/Zöllner, § 118 Rdn. 4; Hüffer, AktG, § 118 Rdn. 2; GroßKommAktG/Mülbert, Vor § 118 Rdn. 19; v. Rechenberg, Hauptversammlung als oberstes Organ, S. 27 ff. 2 MünchKommAktG/Kubis, § 118 Rdn. 8. 3 GroßKommAktG/Mülbert, Vor § 118 Rdn. 19; KölnKommAktG/Zöllner, § 118 Rdn. 4; anders noch Art. 224 ADHGB in seiner bis zur Novelle 1884 geltenden Fassung, s. dazu Hüffer, FS 100 Jahre GmbHG, S. 521, 527. 4 Zutreffend GroßKommAktG/Mülbert, Vor § 118 Rdn. 25; MünchKommAktG/Kubis, § 118 Rdn. 11; allgemein auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 III 1a (S. 415). 5 So Hüffer, AktG, § 118 Rdn. 5; Hammen, ZIP 1995, 1301, 1305; MünchHdbAG/F.-J. Semler, § 34 Rdn. 7.
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§ 5 Das Willensbildungsorgan der Verbandsmitglieder
ist lediglich, dass die Hauptversammlung als Organ nur punktuell handlungsfähig ist und dass es hierfür einer Zusammenkunft der Mitglieder zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort bedarf6 . Von dieser tatsächlichen Versammlung handelt die Vorschrift des § 118 AktG, der zufolge die Aktionäre ihre Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft nur in der Hauptversammlung ausüben können 7. Das Organ Hauptversammlung dagegen besteht unabhängig von einer tatsächlichen Zusammenkunft der Aktionäre; seine Kompetenzen sind ihm nicht ad hoc, sondern dauernd zugewiesen. Besonders deutlich zeigt sich die über einzelne tatsächliche Versammlungen hinausgehende Kontinuität im Rahmen der Beschlussbestätigung. Nach § 244 AktG kann die Hauptversammlung einen verfahrensfehlerhaften und daher anfechtbaren Beschluss dadurch heilen, dass sie ihn mittels eines weiteren, nunmehr verfahrensfehlerfreien Beschlusses bestätigt8 . Nach zutreffender Ansicht sind dabei Ausgangs- und Bestätigungsbeschluss als Einheit zu betrachten: Sind im Vorfeld des Ausgangsbeschlusses gesetzlich vorgeschriebene Berichte bereits vorgelegt oder Fragen schon vollumfänglich beantwortet worden, ist eine wiederholte Informationserteilung vor dem Bestätigungsbeschluss selbst dann entbehrlich, wenn zwischen beiden Beschlüssen ein größerer zeitlicher Abstand liegt und die Zusammensetzung des Beschlusskörpers nicht die gleiche ist. Es genügt vielmehr, die Verfahrensfehler des Ausgangsbeschlusses im Rahmen des Bestätigungsbeschlusses zu vermeiden, so dass bei einer Gesamtschau beider Beschlüsse der Anspruch eines jeden Aktionärs auf gesetz- und satzungsmäßige Beschlussfassung erfüllt ist9. Dogmatisch überzeugend ist dieses Ergebnis, weil der entscheidende Bezugspunkt der organschaftlichen Willensbildung nicht die einzelne tatsächliche Zusammenkunft der Aktionäre, sondern die Hauptversammlung als vom Lauf der Zeit und von einem Wechsel im Aktionärsbestand unabhängiges Rechtsgebilde ist.
6 Eine bloß virtuelle Hauptversammlung ist mit anderen Worten nach geltendem Recht nicht möglich, s. dazu näher Habersack/Schürnbrand, Modernisierung des Aktiengesetzes von 1965, Rdn. 44, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 1. 7 Die zutreffende Unterscheidung der Hauptversammlung im organschaftlichen Sinne von der im tatsächlichen Sinne fi ndet sich besonders deutlich bei GroßKommAktG/Mülbert, Vor § 118 Rdn. 15. 8 Näher zu diesem Mechanismus Habersack/Schürnbrand, FS Hadding, S. 391, 392 ff. 9 Eingehend dazu Habersack/Schürnbrand, FS Hadding, S. 391, 402 ff.; vgl. daneben BGHZ 157, 206, 209 ff.; OLG Karlsruhe AG 1999, 470; OLG München ZIP 1997, 1743, 1746 f.; LG Mannheim AG 2005, 780; Hüffer, AktG, § 244 Rdn. 2; Kocher, NZG 2006, 1, 3 f.; aA Heidel, AktG, § 244 Rdn. 5.
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B. Fakultative Gesellschafterversammlung bei den Personengesellschaften Vereinzelt wird im Hinblick auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts und die Personenhandelsgesellschaften ebenfalls von der Gesellschafterversammlung als dem kraft Gesetzes oberstem Organ gesprochen10 . Im Unterschied zur gerade behandelten AG sehen jedoch weder BGB noch HGB eine Gesellschafterversammlung vor. Es bleibt daher den Gesellschaftern vorbehalten, im Gesellschaftsvertrag eine Gesellschafterversammlung vorzusehen und durch Zuweisung bestimmter Aufgaben zugleich deren Organstellung zu begründen11. Soweit das nicht geschehen ist, hat die Gesamtheit der Gesellschafter nicht nur über Geschäftsführungsmaßnahmen, sondern auch über sonstige gemeinsame Gesellschaftsangelegenheiten wie die Bestellung des Abschlussprüfers zu entscheiden12 . Nicht als Organ der Gesellschaft, sondern als Partner des sie konstituierenden Schuldverhältnisses agieren die Gesellschafter allerdings, wenn sie den Gesellschaftsvertrag ändern13 . Zwanglos in dieses Bild fügt sich die supranationale Rechtsform der Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) ein, die – sofern sie deutschem Recht unterliegt – ebenfalls eine Personengesellschaft ist14 . Art. 16 Abs. 1 EWIV-VO bestimmt nämlich, dass neben den Geschäftsführern Organ der Vereinigung die gemeinschaftlich handelnden Mitglieder sind.
C. GmbH I. Meinungsstand Darüber, wer in der GmbH das zentrale Willensbildungsorgan ist, gehen die Meinungen auseinander. Einigkeit besteht noch darüber, dass Inhaber der ein-
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So namentlich Kießling, WM 1999, 2391, 2400. Für die GbR MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 258; ders., FS Niederländer, S. 415; Hüffer, FS 100 Jahre GmbHG, S. 521, 528; Staudinger/Habermeier, BGB, § 709 Rdn. 11; Timm/Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rdn. 146; zur OHG: Goette, in: Ebenroth/ Boujong/Joost, HGB, § 119 Rdn. 34; v. Gerkan, in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, § 119 Rdn. 4; Sudhoff/Liebscher, GmbH & Co KG, § 16 Rdn. 5; allgemein Wiedemann, ZGR 1996, 286, 294; ders., Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 I 1d (S. 296); Vogel, Gesellschafterbeschlüsse, S. 7 f. 12 Vgl. MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 258. 13 Näher dazu § 3 E III 3. 14 Art. 1 Abs. 3 EWIV-VO lässt den Mitgliedstaaten die Wahl, ob die EWIV „Rechtspersönlichkeit“ hat. Der deutsche Gesetzgeber hat sie in § 1 des deutschen Ausführungsgesetzes als Handelsgesellschaft qualifiziert und ihr damit den Status einer juristischen Person abgesprochen, vgl. dazu Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, § 11Rdn. 17. 11
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§ 5 Das Willensbildungsorgan der Verbandsmitglieder
zelnen Mitverwaltungsrechte die Gesellschafter sind15 . Ob jedoch die Entscheidungskompetenz – dem Aktienrecht vergleichbar – bei der Gesellschafterversammlung oder aber – wie im Recht der Personengesellschaften – bei der Gesamtheit der Gesellschafter liegt, ist heftig umstritten. Nach der wohl überwiegenden Meinung im Schrifttum erfolgt die Beschlussfassung nur regelmäßig im Rahmen einer Versammlung im Sinne des § 48 Abs. 1 GmbHG. Soweit nicht das Gesetz wie in § 13 Abs. 1 UmwG etwas anderes vorschreibe, eröffne dagegen § 48 Abs. 2 GmbHG die Möglichkeit, auf die Abhaltung einer Versammlung zu verzichten, wenn sich nur sämtliche Gesellschafter in Textform mit der zu treffenden Bestimmung oder mit der schriftlichen Abgabe der Stimmen einverstanden erklärten. Daher handele es sich bei der Gesellschafterversammlung lediglich um das regelmäßige Beschlussverfahren, Beschlussinstanz jedoch sei die Gesamtheit der Gesellschafter16 . Nach der Gegenauffassung vertauscht diese Sichtweise den gesetzlichen Regelfall und die Ausnahme. Zwar komme in den Fällen des § 48 Abs. 2 GmbHG auch der Gesamtheit der Gesellschafter Organqualität zu, daneben, ja sogar vorrangig sei Träger der Kompetenz zur Willensbildung aber die Gesellschafterversammlung17. Ganz in diesem Sinne heiße es in der Amtlichen Begründung zum Entwurf des GmbHG zu der dem heutigen § 48 entsprechenden Vorschrift des § 4918 : „Die Versammlung der Gesellschafter bildet das allgemein zuständige Organ für die Fassung der den Gesellschaftern vorbehaltenen Beschlüsse (§ 49 Absatz 1). Doch hat das Gesetz sich nicht auf die Regelung dieser Form der Beschlussfassung zu beschränken; vielmehr empfiehlt es sich, unter gewissen Voraussetzungen auch einfachere Beschlussfassungen zu ermöglichen. Die Bestimmung des § 49 Absatz 2 dient diesem Zwecke“. Dieser Äußerung soll deshalb besondere Bedeutung zukommen, weil im legislatorischen Umfeld der Entstehung des GmbHG die Unterscheidung zwischen der Gesellschafterversammlung und der Gesamtheit der Gesellschafter durchaus geläufig und der gewählte Ausdruck daher Ausfluss einer gezielten Festlegung gewesen
15 Vgl. dazu Hüffer, FS 100 Jahre GmbHG, S. 521, 523 f.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 45 Rdn. 4. 16 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 III 1 (S. 1094); ders. NJW 2006, 2599, 2601; Michalski/Römermann, GmbHG, § 45 Rdn. 12; Vogel, Gesellschafterbeschlüsse, S. 10; Semrau, Dritteinflussnahme, S. 66 f.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 45 Rdn. 1, 6; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 18 V 3 (S. 288); Roth/Altmeppen, GmbHG, § 45 Rdn. 2; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 45 Rdn. 3; MünchHdbGmbH/Wolff, § 36 Rdn. 1; so auch schon Feine, GmbH, S. 502 ff. 17 So dezidiert Hüffer, FS 100 Jahre GmbHG, S. 521, 526 ff.; Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 45 Rdn. 5, § 48 Rdn. 3; für Organqualität der Gesellschafterversammlung auch Ulmer, GmbHG, Einl. A Rdn. 28; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 45 Rdn. 4, § 48 Rdn. 2; Goette, GmbH, § 7 Rdn. 1 f.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 31 Rdn. 1 f.; Wiedemann, ZGR 1996, 286, 294. 18 Reichstagsvorlage, 8. Legislaturperiode – I. Session, 1892, S. 77.
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sein dürfte19. In der Tat ist die dem heutigen § 118 AktG entsprechende Vorschrift des Art. 224 ADHGB im Zuge der nur wenige Jahre zurückliegenden Aktienrechtsnovelle des Jahres 1884 dahingehend neu gefasst worden, dass die Rechte der Aktionäre nicht mehr durch die Gesamtheit der Aktionäre, sondern statt dessen durch die Generalversammlung ausgeübt werden 20 . In der Rechtsprechung ist die Kontroverse bisher nicht explizit 21 aufgegriffen worden; es finden sich vielmehr nur beiläufige, teilweise sogar widersprüchliche Aussagen. So hat zwar schon das Reichsgericht von der Gesellschafterversammlung als oberstem Organ der Gesellschaft gesprochen 22 . In der Sache ging es ihm freilich allein darum zu begründen, dass Satzungsänderungen nicht vom Zustimmungsrecht eines Dritten abhängig gemacht werden dürfen 23 . Dafür kommt es aber bei Lichte betrachtet nur auf die herausgehobene Stellung der Gesellschafter, nicht hingegen darauf an, ob der Kompetenzträger die Gesellschafterversammlung oder die Gesamtheit der Gesellschafter ist. Ähnlich liegen die Dinge, wenn der BGH die Gesellschafterversammlung als oberstes Unternehmensorgan kennzeichnet und daher eine gegenüber einem aufgrund mitbestimmungsrechtlicher Vorgaben eingeführten Aufsichtsrat untergeordnete Stellung per se für ausgeschlossen hält 24 . In einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 1997 schließlich finden sich in ein und demselben Urteil der Sache nach sogar beide Ansätze. Während zunächst ausgeführt wird, die verschiedenen Organe der GmbH – Gesellschafterversammlung und Geschäftsführer sowie gegebenenfalls Aufsichtsrat – bildeten zusammen die Gesellschaft, heißt es in der amtlichen Sammlung nur eine Seite später, in der GmbH seien die Gesellschafter das zentrale Entscheidungsorgan 25 .
II. Folgen der rechtlichen Einordnung Angesichts der geringen Resonanz der literarischen Erörterungen in der Rechtsprechung ist die Behauptung aufgestellt worden, die Streitfrage, ob nun die Gesamtheit der Gesellschafter oder aber die Gesellschafterversammlung das maß-
19
Hüffer, FS 100 Jahre GmbHG, S. 521, 526 f. Näher dazu Hofer, Das Aktiengesetz von 1884, Rdn. 37, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 1. 21 Zu möglichen mittelbaren Rückschlüssen aus der Rechtsprechung betreffend die formlose oder kombinierte Beschlussfassung und die Kündigungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB alsbald unter II. 22 RGZ 169, 65, 80; vgl. auch RGZ 137, 305, 308 f. 23 S. zu dem Problemkreis näher unter § 6 B III 3. 24 BGHZ 89, 48, 56. 25 BGHZ 135, 48, 52 f.; vgl. aber auch die beiläufigen Äußerungen in BGH NZG 2004, 962, 964: Gesellschafterversammlung als oberstes Gesellschaftsorgan; BGH ZIP 2005, 1365, 1366: Gesellschafterversammlung als Kollektivorgan. 20
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§ 5 Das Willensbildungsorgan der Verbandsmitglieder
gebliche Organ der Gesellschaft sei, habe keine praktischen Auswirkungen 26 . Bei näherem Hinsehen erweist sich indessen das Gegenteil als richtig. 1. Hingewiesen sei insofern zunächst auf die Diskussion um die Zulässigkeit formloser Beschlussfassung, mithin eines Willensbildungsprozesses der Gesellschafter, der sich weder entsprechend § 48 Abs. 1 GmbHG in einer ordnungsgemäß einberufenen Versammlung (oder einer auch ad hoc zulässigen Vollversammlung27) noch im schriftlichen Verfahren des § 48 Abs. 2 GmbHG vollzieht 28 . Zu denken ist namentlich an eine telefonische Beschlussfassung oder sukzessive Einholung der Zustimmung einzelner oder auch aller Gesellschafter. Im Gesetz ebenfalls nicht vorgesehen sind kombinierte Beschlussverfahren, bei denen ein Teil der Gesellschafter seine Stimme in der Gesellschafterversammlung abgibt, wohingegen sich ein anderer Teil vorher oder nachher schriftlich äußert 29. Erblickt man in der Gesamtheit der Gesellschafter den maßgeblichen Kompetenzträger und hält demzufolge die Gesellschafterversammlung nur für das regelmäßige Beschlussverfahren, so ist es zwar nicht zwingend, immerhin aber naheliegend, den Gesellschaftern als den Herren der Beschlussfassung eine Abweichung von den gesetzlich vorgegebenen Beschlussmodalitäten zu erlauben und eine formlose oder kombinierte Beschlussfassung daher zuzulassen 30 . Das besondere Formerfordernis des § 48 Abs. 2 GmbHG wäre danach im Interesse der Beteiligten aufgestellt und könnte im allseitigen Einvernehmen außer Kraft gesetzt werden. Geht man demgegenüber von der Organstellung der Gesellschafterversammlung aus, lässt sich eine gesetzliche Basis für eine formlose oder kombinierte Beschlussfassung nur schwer finden 31. Denn für ein Abweichen vom Versammlungsprinzip des § 48 Abs. 1 GmbHG bedürfte es dann einer besonderen Ermächtigung, die soweit § 48 Abs. 2 GmbHG nicht einschlägig ist, nur in einer besonderen Satzungsregelung gefunden werden könnte. Ohne
26 So Michalski/Römermann, GmbHG, § 45 Rdn. 12; MünchHdbGmbH/Wolff, § 36 Rdn. 2. 27 Deren Zulässigkeit ist im Hinblick auf § 51 Abs. 3 GmbHG allgemein anerkannt, s. nur BGH ZIP 1999, 1352 (insoweit nicht in BGHZ 142, 92); Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 48 Rdn. 40. 28 Vgl. dazu OLG Jena DB 2006, 271. 29 Vgl. dazu BGH ZIP 2006, 852. 30 So konsequent K. Schmidt, NJW 2006, 2599, 2601; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 48 Rdn. 62, 71; mit anderer Begründung Hoffmann-Becking, FS Priester, S. 233, 239; Liese/ Theusinger, GmbHR 2006, 682, 683 f. (für kombinierte Beschlüsse); im Grundsatz ähnlich, aber nach Angelegenheit und Größe des Gesellschafterkreises differenzierend Roth/Altmeppen, GmbHG, § 48 Rdn. 39; offen gelassen in BGHZ 58, 115, 120. 31 Einen Zusammenhang der Problemkreise leugnen allerdings Liese/Theusinger, GmbHR 2006, 682, 683; Hoffmann-Becking, FS Priester, S. 233, 238.
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eine solche wäre – auch bei Einvernehmen aller Gesellschafter – eine formlose oder kombinierte Beschlussfassung unzulässig 32 . 2. Zum Schwur kommt es weiterhin bei der Wissenszurechnung, auf die es insbesondere dann ankommt, wenn dem Geschäftsführer aus wichtigem Grund gekündigt werden soll. Die Kündigung des Dienstvertrags fällt nämlich, ebenso wie die organschaftliche Bestellung und Abberufung, vorbehaltlich mitbestimmungsrechtlicher Besonderheiten in die Zuständigkeit der Gesellschafter 33 und ist nach § 626 Abs. 2 BGB innerhalb von zwei Wochen nach dem Zeitpunkt auszusprechen, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Insofern hat die Rechtsprechung lange Zeit die Auffassung vertreten, diese Frist beginne spätestens mit der Kenntnis aller Gesellschafter, sofern die Gesellschafterversammlung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist zusammentreten, wirksam beschließen und die Kündigungserklärung dem Geschäftsführer zugehen lassen könne34 . In der Tat drängt sich just diese Grenzziehung auf, wenn die Gesamtheit der Gesellschafter das maßgebliche Gesellschaftsorgan ist. Nunmehr stellt der BGH allerdings auf die Kenntnis der Gesellschafter in ihrer Eigenschaft als Mitwirkende an der kollektiven Willensbildung ab. Daher löse nicht schon die außerhalb der Gesellschafterversammlung, sondern erst die nach dem Zusammentritt erlangte Kenntnis der für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen den Lauf der Ausschlussfrist aus35 . Demnach bleibt der Gesellschafterversammlung einerseits die Zwei-Wochen-Frist als echte Überlegungsfrist; die Gesellschafter sind nicht gezwungen, überhastet Beschluss zu fassen, nur weil zwischen Kenntniserlangung und Zusammentritt der Versammlung bereits mehrere Tage verstrichen sind. Andererseits wird dem Geschäftsführer nicht zugemutet, bis zu dem für ihn unabsehbaren Zusammentritt der Gesellschafterversammlung mit einer Kündigung rechnen zu müssen. Denn die Gesellschaft muss sich im Falle von Verzögerungen so behandeln lassen, als wäre
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So konsequent Hüffer, FS 100 Jahre GmbHG, S. 521, 534; Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 48 Rdn. 60; im Ergebnis ebenso BGH ZIP 2006, 852, 853 f.; OLG München BB 1978, 471 f.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 48 Rdn. 41; Koppensteiner, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, GmbHG, § 48 Rdn. 3; MünchHdbGmbH/Wolff, § 39 Rdn. 107 f.; Gehrlein, DK 2007, 1, 11. 33 Sog. Gleichlauf von Bestellung (§ 46 Nr. 5 GmbHG) und Anstellung, s. dazu BGHZ 113, 237, 241 ff.; BGH NJW 1999, 3263; NJW 2000, 2983; OLG Düsseldorf NZG 2004, 478, 479; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rdn. 43; Scholz/Schneider, GmbHG, § 35 Rdn. 171, 220. 34 Vgl. BGH WM 1976, 379, 380; BGH ZIP 1980, 661; BGH DStR 1997, 1338 f. 35 BGHZ 139, 89, 92; BGH ZIP 2005, 1365, 1366; dem folgend OLG Köln NZG 2000, 551, 552; OLG Düsseldorf GmbHR 2003, 1006, 1008; Stein, ZGR 1999, 264, 269 ff.; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 38 Rdn. 52; Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 6 Rdn. 64; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rdn. 225; MünchKommBGB/Henssler, § 626 Rdn. 302.
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§ 5 Das Willensbildungsorgan der Verbandsmitglieder
diese mit der billigerweise zumutbaren Beschleunigung einberufen worden 36 . All das lässt sich ganz zwanglos ausgehend von der Prämisse erklären, dass der eigentliche Kompetenzträger die Gesellschafterversammlung ist, weil es dann auf die Kenntnis selbst der Gesamtheit der Gesellschafter schon im Ausgangspunkt nicht entscheidend ankommen kann.
III. Organqualität der Gesellschafterversammlung 1. Bedeutung des Mehrheitsprinzips und des realtypischen Erscheinungsbildes Wortlaut und Systematik der §§ 45 ff. GmbHG tragen zur Klärung der Streitfrage nichts wirklich Erhellendes bei. Immer wenn der Aufgabenkreis der Gesellschafter näher bestimmt wird, lässt es das Gesetz nämlich bei dem neutralen Ausdruck „die Gesellschafter“ bewenden. So lautet der Eingangspassus der zentralen Kompetenznorm des § 46 GmbHG: „Der Bestimmung der Gesellschafter unterliegen. . .“; ganz ähnlich heißt es in § 53 Abs. 1 GmbHG, die Abänderung des Gesellschaftsvertrags erfolge durch Beschluss der Gesellschafter 37. Schließlich hilft auch die schon mehrfach angesprochene Vorschrift des § 48 GmbHG nicht weiter, weil sie zwar in ihrem Absatz 1 die Gesellschafterversammlung anspricht, in ihrem Absatz 2 aber sogleich unter bestimmten Voraussetzungen die Abhaltung einer solchen für entbehrlich erklärt. Angesichts dessen ist die oben wörtlich zitierte und nach allem, was wir heute wissen, keineswegs unbedachte Bemerkung in der Amtlichen Begründung, wonach die Versammlung der Gesellschafter das allgemein zuständige Organ für die Fassung der den Gesellschaftern vorbehaltenen Beschlüsse bilde, ein erstes wichtiges Indiz38 . Entscheidend für die Organeigenschaft der Gesellschafterversammlung spricht jedoch die strukturelle Verknüpfung des Versammlungsprinzips mit dem in § 47 Abs. 1 GmbHG verankerten Mehrheitsprinzip39. Solange die Beschlussfassung, wie nach der gesetzlichen Regel in den Personengesellschaften, die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter erfordert, ist die Einsetzung einer besonderen Versammlung nicht notwendig40 , da kein Betroffener von der Entscheidungsteilhabe ausgeschlossen werden kann. Genügt dagegen kraft Gesetzes oder nach dem Gesellschaftsvertrag die Stimmenmehrheit, bedarf es zum Schutze der jeweiligen Minderheit im Grundsatz einer förmlich einzuberu36
BGHZ 139, 89, 93; OLG Karlsruhe AG 2005, 210, 212 (zur AG). Daneben ist noch auf gleich lautenden Formulierungen in § 26 Abs. 1 betreffend die Einforderung von Nachschüssen, in § 60 Nr. 2 betreffend die Auflösung der Gesellschaft und in § 51a Abs. 2 S. 2 GmbHG betreffend die Verweigerung der Auskunft und Einsicht hinzuweisen. 38 Vgl. dazu oben unter I. 39 So auch Hüffer, FS 100 Jahre GmbHG, S. 521, 528 f. 40 Vgl. oben unter B. 37
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fenden Versammlung41 , weil nur deren Abhaltung das Recht eines jeden Gesellschafters sichert, durch seine Teilnahme, Anträge und Wortbeiträge an der organschaftlichen Willensbildung mitzuwirken42 . In Übereinstimmung mit diesen Überlegungen sieht § 48 GmbHG primär die Beschlussfassung im Rahmen einer Versammlung vor und macht eine Ausnahme davon nicht nur von der Einhaltung einer bestimmten Form, sondern vor allem auch davon abhängig, dass alle Gesellschafter der Abweichung vom Versammlungsprinzip zustimmen und in diesem Zusammenhang ihren Einfluss auf die Entscheidungsfindung wahren können43 . Der damit zentralen Bedeutung der Gesellschafterversammlung wird nicht gerecht, wer von dieser als dem lediglich regelmäßigen Beschlussverfahren spricht 44 . Träger der Kompetenz zur Willensbildung und damit das zentrale Organ der GmbH ist vielmehr – jedenfalls primär45 – die Gesellschafterversammlung. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, der im Vergleich zur AG „weit individuellere, auf kleinen Umfang eingestellte Charakter der GmbH“ gebiete es, die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit als Beschlussorgan anzusprechen46 . Denn zwar mag die GmbH ihrem realtypischen Erscheinungsbild nach bisweilen oder sogar überwiegend personalistische Züge aufweisen, im Hinblick auf die Willensbildung der Gesellschafter jedoch weist die gesetzliche Regelung keinerlei Ähnlichkeit zu den Personengesellschaften, sondern vielmehr allein zur AG auf47. Hier wie dort sind Beschlüsse nicht einstimmig, sondern mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu fassen, welche sich zudem nicht nach Köpfen, sondern nach Kapitalanteilen bestimmt. Ganz im Gegenteil stützt die offenkundige Parallelität zum Aktienrecht die hier vertretene Auffassung, wonach die Gesellschafterversammlung der GmbH als Organ der GmbH zu qualifizieren ist.
41 Vgl. zur Notwendigkeit einer Gesellschafterversammlung in der KG bei Einführung des Mehrheitsprinzips bereits RGZ 163, 385, 393; zur Organqualität der Hauptversammlung der AG oben A. 42 S. dazu nur MünchKommBGB/Ulmer, § 709 Rdn. 64; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 48 Rdn. 3, 8. 43 Auf diesen Aspekt kommt es im Rahmen des § 48 Abs. 2 Alt. 2 GmbHG an, wo sich das Einverständnis sämtlicher Gesellschafter nur auf die schriftliche Form der Abstimmung bezieht, während für die Beschlussfassung selbst das Mehrheitsprinzip gilt; in der Variante der 1. Alt. muss sich das Einverständnis ohnehin auf den Beschlussgegenstand selbst beziehen. 44 Ebenso Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 45 Rdn. 4. 45 Dazu, ob daneben auch die Gesamtheit der Gesellschafter als Organ anzusehen ist, sogleich unter IV. 46 So Feine, GmbH, S. 504. 47 Wie hier bereits Hüffer, FS 100 Jahre GmbHG, S. 521, 531.
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§ 5 Das Willensbildungsorgan der Verbandsmitglieder
2. Folge: Unzulässigkeit formloser oder kombinierter Beschlussfassung Das wiederum hat Auswirkungen auf die Zulässigkeit anderer Formen der Willensbildung. Wenngleich schon die Organstellung der Gesellschafterversammlung eindeutig dafür spricht, dass Abweichungen vom Versammlungsprinzip der besonderen Legitimation bedürfen, so wird diese These durch den Normzweck des § 48 Abs. 2 GmbHG noch unterstrichen. Um späteren „Zweifeln und Anfechtungen vorzubeugen“, hat der Gesetzgeber des Jahres 1892 insoweit nämlich bewusst die Einhaltung der schriftlichen Form verlangt und jede weitere Vereinfachung der Satzung überlassen48 . In der Tat erscheint es nur auf den ersten Blick als ein die Beteiligten unnötig gängelnder Formalismus, außerhalb von Versammlungen keine mündlichen Stimmabgaben zuzulassen. Sind die Gesellschafter dagegen später uneins darüber, ob überhaupt und, wenn ja, mit welchem Inhalt Entscheidungen getroffen wurden, erweist sich ein Mindestmaß an Dokumentation als streitvermeidend. Da eine sinnvolle Gesetzgebung nun aber gerade für solche Fälle Vorsorge treffen muss, ist es durchaus sinnvoll, es für die gesetzliche Regel bei einer relativ zurückhaltenden Lösung zu belassen und weitere Liberalisierungen der Ausgestaltung durch die Satzung anheim zu stellen. Somit ist festzuhalten: Da das in der GmbH primär zur Willensbildung berufene Organ die Gesellschafterversammlung ist und das Gesetz aus guten Gründen gezielt die Abhaltung einer Versammlung nur unter eng umrissenen Voraussetzungen für entbehrlich erklärt, ist eine formlose oder kombinierte Beschlussfassung unzulässig, sofern sie nicht durch eine entsprechende Satzungsbestimmung gedeckt ist49.
IV. Keine Organeigenschaft der Gesamtheit der Gesellschafter Weil der Wille der Gesellschaft auch im Verfahren des § 48 Abs. 2 GmbHG rechtlich bindend gebildet werde könne, soll nach einer im Schrifttum vertretenen Auffassung allerdings nicht nur der Gesellschafterversammlung, sondern daneben auch der Gesamtheit der Gesellschafter Organqualität zukommen 50 . Nun stehen zwar einer solchen konkurrierenden Zuständigkeit weder allgemeine organisationsrechtliche noch spezifisch GmbH-rechtliche Erwägungen entgegen; die Existenz von Beiräten, die neben den Gesellschaftern entscheiden
48
Reichstagsvorlage, 8. Legislaturperiode – I. Session, 1892, S. 77. Gleichwohl gefasste Beschlüsse sind entsprechend § 241 Abs. 1 Nr. 1 AktG nichtig, s. BGH ZIP 2006, 852, 854; Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 48 Rdn. 63; aA Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 48 Rdn. 14; Liese/Theusinger, GmbHR 2006, 682, 684 f. 50 So namentlich Hüffer, FS 100 Jahre GmbHG, S. 521, 532; vgl. auch Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 45 Rdn. 6: Für die Dogmatik der Gesellschaftsorgane handele es sich dabei schon um einen Grenzfall, weil insoweit auf die Einsetzung eines besonderen Entscheidungsträgers verzichtet werde; aA Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 45 Rdn. 4. 49
C. GmbH
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können, ist vielmehr allgemein anerkannt 51. Einigkeit besteht aber auch darüber, dass konkurrierende Zuständigkeiten selten begegnen und überdies kaum wünschenswert sind, weil sie tendenziell zu einer Auflösung der nicht mehr eindeutig zuzuordnenden Verantwortlichkeiten führen. Das zuletzt genannte Problem besteht freilich dann nicht, wenn der zur Aufgabenwahrnehmung berufene Personenkreis – hier die Gesellschafter – jeweils derselbe ist. Dann aber gibt es auch kein Bedürfnis für eine Doppelung der Entscheidungsträger; vielmehr gilt rechtsformübergreifend, dass, wenn die Gesellschaftergesamtheit einmal in einer Gesellschafterversammlung organisiert ist, diese und nur diese das oberste Gesellschaftsorgan bildet 52 . Ebenso wie in der AG 53 ist daher zwischen der Gesellschafterversammlung als Rechtsgebilde einerseits und der tatsächlichen Versammlung oder anderen Beschlussverfahren andererseits zu unterscheiden. Organ der Gesellschaft ist stets die Gesellschafterversammlung als Rechtsgebilde, welches im Grundsatz und vorbehaltlich entgegenstehender zwingender gesetzlicher Regeln oder abweichender Satzungsbestimmungen alle Angelegenheiten der Gesellschaft an sich ziehen kann 54 . Eine andere Frage ist hingegen, in welchem Verfahren die Beschlüsse zu fassen sind. Hierfür bedarf es in aller Regel der Durchführung einer förmlich einzuberufenden Gesellschafterversammlung im tatsächlichen Sinne. Daneben können bei Einverständnis aller Gesellschafter auch ad hoc Vollversammlungen abgehalten sowie, und insoweit besteht ein Unterschied zum Aktienrecht, Beschlüsse im schriftlichen Verfahren des § 48 Abs. 2 GmbHG oder bei entsprechender satzungsmäßiger Grundlage auch telefonisch herbeigeführt werden. Dass in letzterem Fall die Gesamtheit der Gesellschafter als Organ agiert, vermag im Übrigen auch deswegen nicht zu überzeugen, weil an dem gesetzlich vorgesehenen oder nach § 48 Abs. 2 Alt. 2 GmbHG konsentierten Abstimmungsverfahren womöglich nur ein Teil der Gesellschafter teilnimmt 55 . Die These von der alleinigen Organstellung der Gesellschafterversammlung bewährt sich schließlich auch in praktischer Hinsicht, wenn es darum geht, die von der Rechtsprechung entwickelten Regeln über die Wissensverantwortung bei der außerordentlichen Kündigung des Geschäftsführers konsistent zu erklären 56 . Als mit dem wohlausgewogenen Regelungsplan des § 626 Abs. 2 BGB unvereinbar hat der BGH seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, der zufolge die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB spätestens mit der Kenntnis aller 51
Näher dazu Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rdn. 9; Lange, GmbHR 2006, 897,
901 f. 52
Wiedemann, ZGR 1996, 286, 294 und ders., Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 I 1d (S. 297). S. dazu oben A. 54 Vgl. zum Grundsatz der Allzuständigkeit BGHZ 135, 48, 53; Goette, GmbH, § 7 Rdn. 2; Ulmer, GmbHG, Einl. A Rdn. 28; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 45 Rdn. 2. 55 So zutreffend Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 45 Rdn. 4. 56 Vgl. zum Meinungsstand oben unter II. 53
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§ 5 Das Willensbildungsorgan der Verbandsmitglieder
Gesellschafter beginne, sofern die Gesellschafterversammlung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist zusammentreten, wirksam beschließen und die Kündigungserklärung dem Geschäftsführer zugehen könne57. Denn die Kündigungsfrist ist einerseits bewusst kurz bemessen, um dem Dienstverpflichteten schnell Gewissheit über den Fortbestand des Dienstvertrags zu geben; andererseits ist sie als echte Überlegungsfrist ausgestaltet, damit der Dienstberechtigte die bevorstehende weitreichende Entscheidung nicht überhastet treffen muss, was indirekt wiederum dem Dienstverpflichteten zugute kommen kann 58 . Dieser Mechanismus würde nun zumindest teilweise vereitelt, wenn die Kenntnis sämtlicher Gesellschafter die Frist auslöste, ohne dass diese durch den Zusammentritt in der Gesellschafterversammlung in der Lage wären, kollektiv den Willen der Gesellschaft zu bilden und sodann umzusetzen 59. Als sehr nahe liegend erweist sich freilich das Abstellen auf genau diesen Zeitpunkt, wenn das zur Entscheidung über die Ausübung des Kündigungsrechts berufene Organ in der Gesamtheit der Gesellschafter besteht. Nach hier vertretener Auffassung ist das zur Kündigung berechtigte Organ demgegenüber die damit nicht identische Gesellschafterversammlung. Ausgehend davon erklärt sich zwanglos, warum selbst die Kenntnis aller Gesellschafter von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen nicht schadet, vielmehr erst die Informationserteilung in dem Kollektivorgan Gesellschafterversammlung den Lauf der Ausschlussfrist auslöst 60 . Im Ergebnis bleibt so die Frist von vierzehn Tagen vollumfänglich als echte Überlegungsfrist erhalten, während die Belange des Geschäftsführers dadurch geschützt werden, dass sich die Gesellschaft bei unangemessener Verzögerung der Einberufung so behandeln lassen muss, als wäre die Versammlung mit der billigerweise zumutbaren Beschleunigung einberufen worden.
V. Ergebnis Nach allem ist die Gesellschafterversammlung entgegen der wohl überwiegenden Auffassung nicht bloß das regelmäßige Beschlussverfahren, in dem die Gesellschaftergesamtheit als Organ Entscheidungen trifft; sie ist vielmehr selbst das zentrale Organ der GmbH. Das gilt auch in den Fällen, in denen es der Abhaltung einer Versammlung im tatsächlichen Sinne nicht bedarf, weil im Rahmen des § 48 Abs. 2 GmbHG schriftlich oder auf satzungsmäßiger Grundlage darüber hinausgehend sogar formlos Beschluss gefasst wird. Die unterschiedlichen Beschlussverfahren zwingen mit anderen Worten nicht – wie im 57 58 59 60
S. dazu die Nachweise in Fn. 34. Vgl. dazu näher MünchKommBGB/Henssler, § 626 Rdn. 282. Darauf stellt BGHZ 139, 89, 92 zu Recht maßgeblich ab. Vgl. die Nachweise in Fn. 35.
E. Organeigenschaft des einzelnen Gesellschafters?
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Schrifttum teilweise angenommen – dazu, die Gesamtheit der Gesellschafter neben der Gesellschafterversammlung als Gesellschaftsorgan anzuerkennen.
D. Verein Die rechtliche Ausgangslage im Verein stimmt mit der in der GmbH im Wesentlichen überein. Gemäß § 32 Abs. 1 BGB werden die Angelegenheiten des Vereins, soweit sie nicht von dem Vorstand oder einem anderen Vereinsorgan zu besorgen sind, durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Mitglieder geordnet. Da indes Abs. 2 derselben Vorschrift daneben auch ohne Versammlung der Mitglieder gefasste Beschlüsse für gültig erklärt, sofern nur alle Mitglieder schriftlich zustimmen, wird auch im Hinblick auf den Verein die These verfochten, bei präziser Betrachtung sei das Willensbildungsorgan die Gesamtheit der Mitglieder61. Die Verneinung der Organqualität der Mitgliederversammlung begegnet freilich nicht nur den bereits zur GmbH angeführten Bedenken, sondern steht überdies im Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes. So eröffnet nämlich § 45 Abs. 2 BGB die Möglichkeit, in der Satzung hinsichtlich des Vermögensanfalls im Falle der Auflösung des Vereins oder der Entziehung der Rechtsfähigkeit vorzusehen, dass die Anfallberechtigten durch Beschluss der Mitgliederversammlung oder eines anderen Vereinsorgans bestimmt werden. Zu Recht wird daher ganz überwiegend die Mitgliederversammlung als oberstes und notwendiges Vereinsorgan angesehen62 . Allein fraglich bleibt deshalb, ob der Gesamtheit der Mitglieder gleichfalls Organqualität zuzusprechen ist 63 . Da eine solche konkurrierende Zuständigkeit ebensowenig wie im Recht der GmbH zu befriedigen vermag, sollte als Organ wiederum allein die Mitgliederversammlung angesehen werden. Diese bildet ihren Willen zwar regelmäßig, aber nicht notwendig in tatsächlichen Versammlungen.
E. Organeigenschaft des einzelnen Gesellschafters? Unabhängig davon, ob nun die Gesamtheit der Gesellschafter, die Gesellschafterversammlung oder auch beide Willensbildungsorgan der Gesellschaft sein mögen, kann jedenfalls der einzelne Gesellschafter nicht als Organ qualifiziert 61 So K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 24 III 3a (S. 693); Semrau, Dritteinflussnahme, S. 57 f. 62 S. nur Motive I, S. 106; Flume, Juristische Person, § 7 I 1 (S. 189); MünchKommBGB/ Reuter, § 32 Rdn. 1; Soergel/Hadding, BGB, § 32 Rdn. 1; Staudinger/Weick, BGB, § 32 Rdn. 1, 6; Schwarz, in: Bamberger/Roth, BGB, § 32 Rdn. 3 ff. 63 Burgard, Gestaltungsfreiheit, S. 227 Fn. 22; wohl auch Schwarz, in: Bamberger/Roth, BGB, § 32 Rdn. 44; Soergel/Hadding, BGB, § 32 Rdn. 42.
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§ 5 Das Willensbildungsorgan der Verbandsmitglieder
werden; nach den bereits dargelegten allgemeinen Grundsätzen ist er vielmehr Mitglied des betreffenden Organs. Demgegenüber hat der BGH64 unter Berufung auf Lutter65 den GmbH-Gesellschafter als Organ bezeichnet. Dem liegt indes eine spezifische, vom üblichen Gebrauch abweichende Begriffsbildung zugrunde. In der Sache ging es dem Gericht darum, anschaulich zu schildern, in welch fundamental unterschiedlichem Maß GmbH-Gesellschafter einerseits und Aktionär andererseits auf die Geschäftsführung Einfluss nehmen können und wie sich dieser Unterschied auf die ihnen zustehenden Informationsrechte auswirkt. Weil die GmbH-Gesellschafter die für die Geschicke der Gesellschaft wesentlichen Entscheidungen treffen und diese mittels Weisungen an die Geschäftsführer durchsetzen können, steht zunächst der Gesellschafterversammlung als Ausfluss ihrer in § 46 Nr. 6 GmbHG verankerten Obliegenheit zur Überwachung der Geschäftsführer ein kollektives Informationsrecht zu. Daneben tritt jedoch das mitgliedschaftliche Individualrecht aus § 51a GmbHG, auch ohne besonderen Anlass unverzüglich Auskunft über alle Angelegenheiten der Gesellschaft zu erhalten und Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft zu nehmen66 . Jeder einzelne Gesellschafter ist also grundsätzlich umfassend am innergesellschaftlichen Informationsaustausch zu beteiligen und ist im Gegenzug der Pflicht zur Verschwiegenheit unterworfen67. Hieran anknüpfend bezeichnete der BGH den GmbH-Gesellschafter als Organ und stellte ihm ausdrücklich den Aktionär gegenüber, welchem diese Eigenschaft gerade nicht zukomme 68 . Diesem werde nämlich quasi-öffentlich – in der Hauptversammlung – Auskunft erteilt und dies zudem nur in dem beschränkten Umfang
64
BGHZ 135, 48, 54 f.; eingehend zu dem Urteil Witte, ZGR 1998, 151. Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 2. Aufl , S. 241; nunmehr aaO, Rdn. 752. 66 Allgemein zur Unterscheidung von kollektiven und individuellen Informationsansprüchen K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 III (S. 694 ff.); Hüffer, ZIP 1996, 401, 404 ff.; zur Rechtslage in der GmbH Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 51a Rdn. 1, 4; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 51a Rdn. 1. 67 BGHZ 135, 48, 55; daneben Lutter, ZGR 1982, 1, 12 ff.; Koppensteiner, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 51a Rdn. 20; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 51a Rdn. 5 f. 68 BGHZ 135, 48, 54 im Anschluss an Lutter, Information und Vertraulichkeit, 2. Aufl., S. 151, 233. Dass der Aktionär kein Organ ist, dürfte unstrittig sein, s. OLG Stuttgart NZG 2004, 146, 147; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 217 Fn. 17; GroßKommAktG/Mülbert, Vor § 118 Rdn. 197 Fn. 337; Pfl ugradt, Leistungsklagen, S. 35. Dagegen wurde bisweilen behauptet, der Aktionär agiere als eine „Art Organ“ oder habe eine „organähnliche Stellung“ inne, sofern er Anfechtungsklagen erhebe oder in Holzmüller-Situationen gegen einen Übergriff auf die Zuständigkeit der Hauptversammlung klage, weil es insofern weniger um seine individuellen Interessen als vielmehr eine organähnliche „Ersatzaufsicht“ gehe, so namentlich Lutter, AcP 180 (1980), 84, 142 f.; dagegen zu Recht BGHZ 83, 122, 135; GroßKommAktG/Mülbert, Vor § 118 Rdn. 197 f.; KölnKommAktG/Mertens, § 93 Rdn. 191. 65
E. Organeigenschaft des einzelnen Gesellschafters?
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des § 131 AktG, also lediglich soweit dies zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich sei. Im Ergebnis verdient die damit entwickelte Begriffsbildung, die den GmbHGesellschafter im Gegensatz zum Aktionär als Gesellschaftsorgan kennzeichnet, keine Zustimmung. Nicht in Frage zu stellen sind freilich die angeführten institutionellen Prämissen. In der Tat ist das mitgliedschaftliche Informationsrecht der Gesellschafter infolge der grundlegend verschiedenen Leitungsstrukturen in beiden Gesellschaftsformen höchst unterschiedlich ausgestaltet. Das hat zur Folge, dass es zwischen der GmbH und ihren Gesellschaftern im Grundsatz keine Geheimnisse gibt, während der Aktionär vom gesellschaftsinternen Informationsfluss weithin ausgeschlossen bleibt. Indes kann aus einer weitreichenden Teilhabe am gesellschaftsinternen Wissen nicht auf eine Organstellung geschlossen werden; ebenso wie umgekehrt nicht etwa die Organqualität der Hauptversammlung deswegen zu bezweifeln ist, weil ihr angesichts ihrer beschränkten Aufgaben und der Größe des Aktionärskreises kein umfassendes kollektives Informationsrecht gegenüber den anderen Gesellschaftsorganen zusteht 69. Der mit den für die sachgerechte Wahrnehmung seiner je unterschiedlichen Befugnisse erforderlichen Informationen auszustattende Kompetenzträger ist aber nach den obigen Ausführungen jeweils die Gesellschafterversammlung. Der einzelne Gesellschafter hingegen, und insofern besteht zwischen dem GmbH-Gesellschafter und dem Aktionär kein Unterschied, ist als Verbandsmitglied geborenes Mitglied dieses Willensbildungsorgans. Die vermeintliche Organstellung des GmbH-Gesellschafters an dem in § 51a GmbHG verankerten Informationsrecht und der damit korrespondierenden Verschwiegenheitspflicht festzumachen, begegnet im Übrigen auch im Hinblick darauf durchgreifenden Bedenken, dass es sich seiner Rechtsnatur nach um ein rein mitgliedschaftliches Individualrecht handelt, welches unabhängig von einer Gesellschafterversammlung ausgeübt werden kann und damit anders als das Fragerecht nach § 131 AktG nicht einmal den hybriden Charakter eines mitgliedschaftlichen Organrechts aufweist70 . Nur ergänzend sei hier angemerkt, dass unter einem ganz anderen Gesichtspunkt, der mit der Willensbildung der Mitglieder gar nichts zu tun hat, zukünftig voraussichtlich doch von der Organstellung des GmbH-Gesellschafters auszugehen ist. Der Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbHRechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen sieht nämlich einen neu in das Gesetz aufzunehmenden § 15a Abs. 3 InsO vor, dem zufolge im Falle der Füh69 S. zu den hauptversammlungsbezogenen Berichtspfl ichten von Vorstand und Aufsichtsrat eingehend GroßKommAktG/Decher, § 131 Rdn. 21 ff.; Weißhaupt, Informationsmängel, S. 61 ff. 70 So zutreffend Lutter ZGR 1982, 1, 3 selbst; gleichsinnig ders./Hommelhoff, GmbHG, § 51a Rdn. 1; vgl. daneben Grunewald, ZHR 146 (1982), 211, 216 f.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 51a Rdn. 9.
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§ 5 Das Willensbildungsorgan der Verbandsmitglieder
rungslosigkeit der Gesellschaft auch jeder Gesellschafter zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet ist, es sei denn, er hat von dem Insolvenzgrund oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis71. Damit wird dem einzelnen Gesellschafter, zunächst beschränkt auf eine bestimmte Pflicht, die Aufgabe und Verantwortlichkeit eines subsidiär heranzuziehenden organschaftlichen Geschäftsführers zugewiesen 72 .
F. Rechtsstellung des Versammlungsleiters I. Der Versammlungsleiter als Garant des ordnungsgemäßen Ablaufs einer Gesellschafterversammlung Nach der Gesellschafterversammlung und den einzelnen Gesellschaftern gerät als denkbarer eigenständiger Kompetenzträger und damit als Organ schließlich noch der Versammlungsleiter in das Blickfeld des Interesses. Rein theoretisch gesehen ist zwar eine Willensbildung der Mitglieder auch ohne eine solche ordnende Hand denkbar, jedoch kann ein Versammlungsleiter die Einhaltung eines formal einwandfreien Ablaufs der Zusammenkunft vor allem dann wesentlich erleichtern, wenn kontroverse Diskussionen und Abstimmungen zu erwarten sind. Ab einer bestimmten Größe des Mitgliederkreises erscheint die Bestellung einer Person, die neutral für einen ordnungsgemäßen Ablauf sorgt, sogar als ununentbehrlich. Von daher kann es nicht verwundern, dass jede beschließende Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft zwingend über einen Versammlungsleiter verfügen muss. Zu entnehmen ist das indirekt der Regelung des § 130 Abs. 2 AktG, der zufolge in die vom Notar zu beurkundende Niederschrift der Hauptversammlung die Feststellung des Vorsitzenden über die Beschlussfassung aufzunehmen ist 73 . Über seine Person wie auch über seine genaue Aufgabe und die ihm zu deren Erfüllung zustehenden Befugnisse jedoch lässt sich dem Gesetzestext wenig Konkretes entnehmen. In der Praxis ist es häufig der Aufsichtsratsvorsitzende, der dieses Amt ausübt, zwingend ist das jedoch nicht; vielmehr ist es Sache der Satzung und hilfsweise der Hauptversammlung selbst, den Versammlungsleiter zu bestimmen 74 . Das Schweigen des Gesetzes hinsichtlich sei71 Vgl. dazu Begr. RegE zum MoMiG, BR-Drucks. 354/07, S. 127 f. – Vgl. daneben die in § 35 Abs. 1 GmbHG n. F. vorgesehene subsidiäre Empfangszuständigkeit der Gesellschafter für Willenserklärungen. 72 Vgl. K. Schmidt, in: Die GmbH-Reform in der Diskussion, S. 143, 148 ff. und dens., GmbHR 2007, 1, 2 f., der von einem Fall modifizierter oder subsidiärer Selbstorganschaft spricht und für eine Verallgemeinerung dieses Ansatzes plädiert. 73 Im Grundsatz einhellige Meinung, s. nur Hüffer, AktG, § 129 Rdn. 18; GroßKommAktG/Mülbert, Vor § 118 Rdn. 73; MünchKommAktG/Kubis, § 119 Rdn. 100. 74 Vgl. dazu näher MünchKommAktG/Kubis, § 119 Rdn. 101 ff.
F. Rechtsstellung des Versammlungsleiters
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ner Befugnisse wiederum ist durch eine Besinnung auf allgemeine Grundsätze zu überwinden. Da es seine Aufgabe nur sein kann, für eine sachgemäße Erledigung der Geschäfte der Hauptversammlung zu sorgen, müssen ihm auch die dafür erforderlichen Rechte zu Gebote stehen 75 . Der Versammlungsleiter entscheidet daher etwa über die Zulassung von Aktionären, eröffnet und schließt die Versammlung, erteilt das Wort, veranlasst und leitet die Abstimmungen über die gestellten Anträge und darf gegebenenfalls auch von der angekündigten Reihenfolge der Tagesordnungspunkte abweichen oder mehrere Tagesordnungspunkte zusammen aufrufen. Vor allem aber darf und muss er für einen ungestörten Ablauf der Versammlung sorgen. Hierzu steht ihm im Verhältnis zu Dritten das Hausrecht zu; gegenüber den Aktionären kann er Ordnungsmaßnahmen ergreifen, die von Ordnungsrufen, über Beschränkungen der Redezeit bis hin zum Wortentzug und Saalverweis reichen 76 . Bei der Ausübung seiner Befugnisse hat er strikte Neutralität zu wahren und den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre sowie das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten 77. Für die Gesellschafterversammlung einer GmbH dagegen ist nicht zwingend ein Versammlungsleiter zu bestellen 78 . Weil deren ordnungsgemäße Abwicklung wegen der typischerweise geringeren Teilnehmerzahl auch ohne formale Leitung denkbar ist, erwähnt das Gesetz ihn nicht einmal, überlässt vielmehr die Regelung des Ablaufs ganz der Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter. Schreibt aber die Satzung die Bestellung eines Versammlungsleiters vor oder benennt die Gesellschafterversammlung ad hoc eine bestimmte Person, was meist zweckmäßig und praktisch die Regel ist, so gleicht seine Rechtsstellung der seines aktienrechtlichen Pendants auf den ersten Blick fast vollständig. Sofern nicht der Satzung spezielle Vorgaben zu entnehmen sind, wird sein Amt in Anlehnung an das Aktienrecht allgemein dahingehend umschrieben, dass er für einen sachgerechten Ablauf der Zusammenkunft zu sorgen habe und ihm die hierfür erforderlichen Kompetenzen zustünden 79. Eine nähere Untersu75
Grundlegend BGHZ 44, 245, 248; vgl. daneben LG Frankfurt AG 1984, 192, 194; Martens, WM 1981, 1010; Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 515, 519 f.; GroßKommAktG/ Mülbert, Vor § 118 Rdn. 87; Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 33 Rdn. 24. 76 Vgl. zum Hausrecht MünchKommAktG/Kubis, § 119 Rdn. 115; zu den Ordnungsmaßnahmen Hüffer, AktG, § 129 Rdn. 20 ff.; Martens, WM 1981, 1010 ff.; Siepelt, AG 1995, 254 ff.; vgl. auch BVerfG NJW 2000, 349. 77 Zusammenfassend GroßKommAktG/Mülbert, Vor § 118 Rdn. 95. 78 Unstr., vgl. BGHZ 76, 154, 156; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 48 Rdn. 9; Zöllner/ Noack, ZGR 1989, 525, 527; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 33 Rdn. 26; s. zur Frage, ob der ad hoc gefasste Beschluss der Gesellschafter der Einstimmigkeit bedarf oder eine Mehrheitsentscheidung genügt, sogleich unter II 2. 79 Vgl. Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 48 Rdn. 32 ff.; Vogel, Gesellschafterbeschlüsse, S. 144 ff.; Michalski/Römermann, GmbHG, § 48 Rdn. 108 ff.; Böttcher/Grewe, NZG 2002, 1086, 1087; Eickhoff, Praxis der Gesellschafterversammlung, Rdn. 242 ff.
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§ 5 Das Willensbildungsorgan der Verbandsmitglieder
chung zeigt jedoch, dass sich die Rechtsstellung des Versammlungsleiters einer GmbH-Gesellschafterversammlung in konstruktiver wie auch praktischer Hinsicht grundlegend von dem einer aktienrechtlichen Hauptversammlung unterscheidet.
II. Der Versammlungsleiter der GmbH-Gesellschafterversammlung 1. Bloßer Funktionsgehilfe und nicht Organ der Gesellschaft Zur Wahrung eines zielführenden Ablaufs der Gesellschafterversammlung einer GmbH ist ihr Versammlungsleiter nach dem Gesagten auch berechtigt, Maßnahmen zu treffen, die in die Rechte der Gesellschafter eingreifen. Diese können sich, wie etwa eine generelle Redezeitbeschränkung, gegen alle anwesenden Gesellschafter richten. Häufiger dürfte es jedoch erforderlich sein, zur Wahrung der Ordnung gezielt die Rechte einzelner Teilnehmer einzuschränken. Aufschlussreich ist nun, dass die vom Versammlungsleiter getroffenen Entscheidungen nicht unbedingt endgültig sind und er diese nicht gegen den Willen der Mehrheit der Gesellschafter durchsetzen kann. Vielmehr verbleibt der Gesellschafterversammlung anerkanntermaßen stets die Möglichkeit, durch Geschäftsordnungsbeschluss vom Versammlungsleiter getroffene Entscheidungen zu revidieren80 . Das muss schon deswegen so sein, weil nach der Grundkonzeption des Gesetzes die Gesellschafter als „Herren“ der GmbH grundsätzlich jede die Gesellschaft betreffende Entscheidung an sich ziehen dürfen und daher – vorbehaltlich einer satzungsmäßigen Regelung81 – weisungsfreie Entscheidungskompetenzen dem Versammlungsleiter nicht zustehen können. Denkbar wäre daher allenfalls, die Rechtsstellung des Versammlungsleiters in Anlehnung an die des Geschäftsführers zu bestimmen. Trotz seiner grundsätzlichen Gebundenheit an die Weisungen der Gesellschafterversammlung hat der nämlich die sowohl originäre, d. h. allein aus Gesetz und Satzung abgeleitete, als auch ausschließliche Kompetenz, als Organ der Gesellschaft deren Geschäfte zu führen82 . Die Gesellschafterversammlung kann mit anderen Worten nicht selbst an dessen Stelle geschäftsführend tätig werden, sondern muss sich stets seiner wie eines Werkzeugs bedienen. Diese Beschränkung besteht jedoch hinsichtlich der Versammlungsleitung gerade nicht; vielmehr kann die Gesellschafterversammlung ihren Ablauf ohne weiteres selbst regeln und im Zuge 80 Vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, § 48 Rdn. 8; Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 48 Rdn. 32, 37; Eickhoff, Praxis der Gesellschafterversammlung, Rdn. 262; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 48 Rdn. 34; Michalski/Römermann, GmbHG, § 48 Rdn. 162; vgl. auch OLG Hamm GmbHR 2003, 1211, 1212. 81 Näher dazu alsbald im Text. 82 Näher dazu, dass Weisungsgebundenheit die Organeigenschaft nicht ausschließt unter § 3 D III 3.
F. Rechtsstellung des Versammlungsleiters
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dessen etwa Ordnungsmaßnahmen treffen oder die Reihenfolge der Tagesordnung ändern83 . Das wiederum lässt nur den Schluss zu, dass der Versammlungsleiter keine originären Kompetenzen hat, sondern seine Zuständigkeiten von der Gesellschafterversammlung ableitet 84 . Gerade weil also die Leitungsbefugnis als Selbstorganisationsrecht bei der Gesellschafterversammlung selbst angesiedelt ist und der Versammlungsleiter nur als eine Art „Funktionsgehilfe“85 auftritt, können die Gesellschafter von ihm getroffene Entscheidungen jederzeit durch Mehrheitsbeschluss revidieren oder von sich aus die gewünschten Maßnahmen ergreifen. Angesichts dessen ist es im Regelfall ausgeschlossen, den Versammlungsleiter der GmbH-Gesellschafterversammlung als Organ zu qualifizieren86 . Das gilt zunächst für den in der Gesellschafterversammlung ad hoc gewählten Versammlungsleiter, denn Organ kann nach allgemeinen Grundsätzen immer nur eine Einrichtung innerhalb der Gesellschaft sein, der gerade durch Gesetz oder im Rahmen des gesetzlich Zulässigen durch den Gesellschaftsvertrag Aufgaben zugewiesen sind87. Selbst wenn aber die Satzung einen Versammlungsleiter vorschreibt, leitet dieser, wie gesehen, seine Kompetenzen regelmäßig von der Gesellschafterversammlung ab, während für Organe eine originäre Aufgabenzuweisung kennzeichnend ist. Freilich bleibt es den Gesellschaftern unbenommen, in der Satzung ein fakultatives Organ „Versammlungsleiter“ vorzusehen und ihm die einschlägigen Kompetenzen der Gesellschafterversammlung zur weisungsfreien Erfüllung zu übertragen88 . Sofern der Gesellschaftsvertrag keine anderweitige Regelung enthält, wird der Versammlungsleiter auch in diesem Fall durch die Gesellschafterversammlung bestimmt. 2. Bestellung durch Mehrheitsbeschluss und Beschlussfeststellungskompetenz Die Einsichten, die in die Qualifizierung des Versammlungsleiters als bloßer Funktionsgehilfe der Gesellschafterversammlung bei gleichzeitiger Zurückweisung einer Organstellung mündeten, sind nicht nur von theoretischem Interesse, sondern erweisen sich auch als weiterführend bei der Klärung einer der wenigen Streitfragen, die sich um den Versammlungsleiter der GmbH ranken. Während nämlich die herrschende Auffassung die Bestellung eines Versammlungsleiters auch ohne satzungsmäßige Vorgabe durch Mehrheitsbeschluss zu-
83 Vgl. nochmals die Nachweise in Fn. 80; daneben Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 48 Rdn. 18. 84 Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 48 Rdn. 29; Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 48 Rdn. 37. 85 So die anschauliche Charakterisierung von Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 48 Rdn. 29. 86 So auch Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 48 Rdn. 29; Michalski/Römermann, GmbHG, § 48 Rdn. 105. 87 Vgl. dazu oben § 3 D II. 88 Vgl. zur Schaffung fakultativer Organe § 3 D II 1.
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§ 5 Das Willensbildungsorgan der Verbandsmitglieder
lässt 89 , betont die Gegenmeinung die Machtfülle des Versammlungsleiters und verlangt daher das Einverständnis aller anwesenden Gesellschafter 90 . Das Anliegen, die Minderheit zu schützen, knüpft dabei nicht so sehr an die allgemeine Leitungs- und Ordnungsgewalt des Versammlungsleiters als vielmehr an seine Beschlussfeststellungskompetenz an. Zum Verständnis dieses Ansatzes muss man sich vergegenwärtigen, dass anders als im Aktienrecht eine Beurkundung des Beschlussergebnisses nur bei Satzungsänderungen erforderlich und eine förmliche Feststellung und Verkündung des Beschlussergebnisses gesetzlich überhaupt nicht vorgeschrieben ist91. Beschlüsse sind daher grundsätzlich mit Abschluss des Abstimmungsvorgangs verbindlich; im Streitfall steht es infolgedessen jedem Beteiligten frei, durch Erhebung einer Feststellungsklage, die vorbehaltlich einer Verwirkung des Rechts zeitlich unbegrenzt erhoben werden kann, den Beschlussinhalt klären zu lassen92 . Hat dagegen der Versammlungsleiter einen Beschluss festgestellt und verkündet, so ist dieser jedenfalls vorläufig verbindlich und muss mittels fristgebundener Anfechtungsklage angegriffen werden, soll er nicht bestandskräftig werden93 . Die Notwendigkeit hierzu, so wird argumentiert, schränke die gesetzlichen Klagemöglichkeiten der Minderheit ein, weshalb die Wahl des Versammlungsleiters oder jedenfalls seine Legitimation zur Beschlussfeststellung von der Zustimmung aller betroffenen Gesellschafter abhängen soll94 . Zuzugeben ist diesen kritischen Stimmen, dass sich die Beschlussfeststellungskompetenz von den sonstigen Aufgaben des Versammlungsleiters maßgeblich unterscheidet. Was die Leitung der Versammlung im Allgemeinen und Ordnungsmaßnahmen im Besonderen angeht, so kann die Gesellschafterversammlung von ihm getroffene Entscheidungen jederzeit revidieren 95 ; wenn aber 89
OLG Celle OLGR 1998, 340, s. dazu den Nichtannahmebeschluss BGH GmbHR 1999, 35; OLG München GmbHR 2005, 624, 625; Ulmer/Raiser, GmbHG, Anh. § 47 Rdn. 95; Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 48 Rdn. 30, 33; Böttcher/Grewe, NZG 2002, 1086, 1089; Werner, GmbHR 2006, 127, 128; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 48 Rdn. 9; Eickhoff, Praxis der Gesellschafterversammlung, Rdn. 246; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 48 Rdn. 30; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 48 Rdn. 8; Ch. Koch, Anfechtungsklageerfordernis, S. 218 ff. 90 OLG Frankfurt NZG 1999, 406; Hoffmann/Köster, GmbHR 2003, 127, 128; Zöllner/ Noack, ZGR 1989, 525, 528 (für die personalistische GmbH); Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 48 Rdn. 16 f.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 47 Rdn. 10; Michalski/Römermann, GmbHG, § 47 Rdn. 589. 91 Vgl. nur BGHZ 76, 154, 155 f.; OLG Celle NZG 2003, 40; Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 47 Rdn. 26; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 47 Rdn. 42; Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 372. 92 Vgl. BGH NJW 1996, 259; NJW 1999, 2268; näher Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 408 ff. 93 BGHZ 104, 66; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 48 Rdn. 58; kritisch zum Anfechtungsklageerfordernis Zöllner/Noack, ZGR 1989, 525, 532 ff.; Casper, ZHR 163 (1999), 54 ff. 94 Für die Trennung der Fragen Hoffmann/Köster, GmbHR 2003, 1327, 1329; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 48 Rdn. 16 (anders noch Voraufl. Rdn. 8). 95 S. oben unter 1.
F. Rechtsstellung des Versammlungsleiters
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die betroffenen Entscheidungen letztlich ohnehin in der Hand der Mehrheit liegen, ist kein Grund ersichtlich, für die Wahl des Versammlungsleiters von diesem in § 47 Abs. 1 GmbHG verankerten Grundsatz abzuweichen. Mit zumindest vorläufiger Verbindlichkeit festlegen, ob und, wenn ja, mit welchem Inhalt ein Beschluss gefasst wurde, kann hingegen nur ein von der Gesellschafterversammlung verschiedener Dritter, während eine erneute Befassung der Versammlung selbst zirkulär und somit nicht weiterführend wäre. Gleichwohl ist aber nicht erforderlich, dass der Versammlungsleiter seine diesbezügliche Berechtigung von einem Konsens aller (anwesenden) Gesellschafter ableitet. Zunächst kann ohne nähere Verdachtsmomente nicht einfach unterstellt werden, der Versammlungsleiter werde seine Kompetenzen missbräuchlich zum Vorteil der ihn tragenden Mehrheit ausüben96 ; rechtlich ist er jedenfalls zur Neutralität verpflichtet97. Weiterhin rechtfertigt das durch eine förmliche Beschlussfeststellung erreichte Mehr an Rechtssicherheit für alle Beteiligten die den Minderheitsgesellschaftern auferlegte Last, im Streitfall eine Anfechtungsklage erheben zu müssen und die Rechtswidrigkeit des Beschlusses nicht auf andere Weise geltend machen zu können vor allem deswegen, weil gerade nach einer kritischen Gesellschafterversammlung eine gerichtliche Klärung oftmals ohnehin unumgänglich sein dürfte. Es wäre misslich, könnte aufgrund der geforderten Einstimmigkeit gerade dann kein Versammlungsleiter mit Beschlussfeststellungskompetenz bestellt werden, wenn der Gesellschafterkreis besonders zerstritten ist98 . Hinzu kommt schließlich, dass es angesichts der Anfechtungsbefugnis aller und damit auch der abwesenden Gesellschafter 99 als inkonsequent erscheint, das Einverständnis nur der anwesenden Gesellschafter100 zu verlangen. Die in sich stimmige Forderung, es sei das Einverständnis aller Gesellschafter einzuholen, führte dagegen ohne Not dazu, dass die Bestellung eines Versammlungsleiters ohne satzungsmäßige Grundlage praktisch unmöglich wäre. Sie stünde überdies in Widerspruch zur allseits anerkannten Möglichkeit, mit satzungsändernder Mehrheit eine solche Grundlage zu schaffen101. 96 Ist die Wahl dagegen aufgrund greifbarer Anhaltspunkte oder Verdachtsmomente missbräuchlich, so kann sie angegriffen werden, s. Ulmer/Raiser, GmbHG, Anh. § 47 Rdn. 102; Koch, Anfechtungsklageerfordernis, S. 220. 97 Vgl. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 48 Rdn. 31; Eickhoff, Praxis der Gesellschafterversammlung, Rdn. 247. 98 Böttcher/Grewe, NZG 2002, 1086, 1089; Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 48 Rdn. 33. 99 Vgl. nur Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 47 Rdn. 62; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 47 Rdn. 141; Ulmer/Raiser, GmbHG, Anh. § 47 Rdn. 168: Die Einschränkungen des § 245 AktG fi nden keine Anwendung. 100 Dafür explizit Hoffmann/Köster, GmbHR 2003, 1327, 1329 ; Zöllner, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 48 Rdn. 16; Michalski/Römermann, GmbHG, § 47 Rdn. 588; unklar OLG Frankfurt NZG 1999, 406. 101 Vgl. aber Hoffmann/Köster, GmbHR 2003, 1327, 1329, die für eine entsprechende Satzungsänderung die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter verlangen.
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§ 5 Das Willensbildungsorgan der Verbandsmitglieder
Wenn demnach der Versammlungsleiter entsprechend dem Grundsatz des § 47 Abs. 1 GmbHG mit einfacher Mehrheit gewählt werden kann, so kann doch gerade im Hinblick auf die Reichweite seiner Beschlussfeststellungskompetenz nicht außer Betracht bleiben, dass er nicht weisungsfreies Gesellschaftsorgan, sondern bloßer Funktionsgehilfe der Gesellschafterversammlung ist. Solange sich seine Aufgabe darin erschöpft, die abgegebenen Stimmen zu zählen und das sich daraus ergebende Ergebnis zu verkünden, ist er dazu ohne weiteres befugt102 . Problematisch ist dagegen, ob er in den wenigen Fällen, in denen abgegebene Stimmen einem Stimmverbot unterliegen oder wegen treuwidriger Ausübung des Stimmrechts unwirksam sein könnten, eine unter Umständen in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht schwierige Wertung vornehmen und die betreffenden Stimmen unberücksichtigt lassen darf oder gar muss. Dabei ist die Situation vor allem deshalb besonders prekär, weil regelmäßig sowohl die Berücksichtigung wie die Nichtberücksichtigung eines größeren Stimmenblocks die jeweils unterlegene Fraktion zur Führung eines Anfechtungsprozesses zwingt. Bedenkt man weiter, dass die Beschlussfeststellung die einzige Aufgabe des Versammlungsleiters ist, bei der seine Entscheidung nicht durch die Gesellschafterversammlung revidiert werden kann, obschon er seiner gesamten Rechtsstellung nach lediglich als deren Funktionsgehilfe agiert, so spricht alles dafür, ihn jedenfalls bei nicht eindeutigen Fällen zur Neutralität zu verpflichten. Er ist dann nicht nur berechtigt103 , sondern sogar gehalten, von einer verbindlichen Beschlussfeststellung abzusehen und lediglich die nach dem äußeren Sachverhalt abgegebenen Stimmen zu protokollieren104 . Hält er sich nicht daran, so bleibt nach dem derzeitigen Stand der Spruchpraxis opponierenden Gesellschaftern allerdings die Erhebung einer gegebenenfalls mit einem positiven Beschlussfeststellungsantrag zu verbindenden Anfechtungsklage nicht erspart.
III. Der Versammlungsleiter im Aktienrecht 1. Versammlungsleiter als „Herr des Verfahrens“ Bezogen auf den Leiter der aktienrechtlichen Hauptversammlung lautet die sogleich zu begründende These: Anders als sein GmbH-rechtliches Pendant ist er nicht nur Funktionsgehilfe der Versammlung, sondern eigenständiges Organ 102 Zu Recht betont K. Schmidt, GmbHR 1992, 9, 13, dass die Beschlussfeststellungskompetenz nicht für kranke, sondern für gesunde Fälle zu entwickeln ist. 103 Dafür Zöllner/Noack, ZGR 1989, 525, 528; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rdn. 123; Böttcher/Grewe, NZG 2002, 1086, 1088; Ulmer/Raiser, GmbHG, Anh. § 47 Rdn. 103. 104 So richtungsweisend K. Schmidt, GmbHR 1992, 9, 13; vgl. auch OLG Hamburg GmbHR 1992, 43; Hoffmann/Köster, GmbHR 2003, 1327, 1332 f.; aA Werner, GmbHR 2006, 127, 129; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 47 Rdn. 11.
F. Rechtsstellung des Versammlungsleiters
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der Gesellschaft. Möglich ist das, weil jede beschließende Hauptversammlung zwingend einen Versammlungsleiter haben muss, es sich mit anderen Worten um eine kraft Gesetzes erforderliche Einrichtung des Gesellschaftslebens handelt; fakultative Organe dagegen können wegen des Grundsatzes der Satzungsstrenge in der AG nicht geschaffen werden105 . Was im Weiteren die Aufgabenverteilung zwischen dem Versammlungsleiter und der Hauptversammlung und damit einhergehend die Frage nach der Rechtsstellung der Versammlungsleiters angeht, so kommen angesichts des Schweigens des Gesetzes im theoretischen Ausgangspunkt verschiedene Lösungen in Betracht. Neben einer ausschließlichen Zuordnung von den Ablauf der Versammlung betreffenden Befugnissen an die Aktionäre oder den Versammlungsleiter wäre auch denkbar, dass die Hauptversammlung an Stelle des Versammlungsleiters Beschlüsse fassen oder zumindest von ihm getroffenen Entscheidungen widersprechen kann. Da sich das Aktienrecht an der Publikumsgesellschaft und damit an Versammlungen mit mehreren hundert oder gar tausend Teilnehmern auszurichten hat, muss eine ausschließliche Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung allerdings die Ausnahme bleiben. Die Beteiligung des Versammlungsleiters gilt es allein dann zu verhindern, wenn zwar äußerlich zur Geschäftsordnung gehörende, inhaltlich aber weitreichende, einer Sachentscheidung nahe stehende Maßnahmen zur Debatte stehen106 . Exemplarisch hierfür steht die Vertagung oder Absetzung von Tagesordnungspunkten. Da es Aufgabe des Versammlungsleiters ist, für eine sachgerechte Abwicklung der bekannt gemachten Tagesordnung zu sorgen, nicht aber Tagesordnungspunkte auf andere Weise als durch Sachentscheidung zu erledigen, liegt die Zuständigkeit hierfür als Ausfluss ihres Selbstorganisationsrechts zwingend bei der Hauptversammlung selbst107. Für den Regelfall hingegen ist von einer Handlungsbefugnis des Versammlungsleiters auszugehen. Immerhin könnte der Versammlungsleiter aber, wie im GmbH-Recht, seine Kompetenzen von der Hauptversammlung ableiten. Er wäre dann gleichsam nur vorläufig zuständig; seine Maßnahmen stünden unter dem Vorbehalt einer anderweitigen Mehrheitsentscheidung. Ein solches Modell einer konkurrierenden Zuständigkeit mit Letztentscheidungsrecht auf Seiten des Plenums ist für die ihrem gesetzlichen Leitbild nach auf einen überschaubaren Gesellschafterkreis angelegte GmbH sachgerecht. Zur Bewältigung der Hauptversammlung einer Publikumsaktiengesellschaft ist demgegenüber eine Person erforder105
Näher dazu § 3 D II 1 b. Vgl. zum Ausnahmecharakter solcher Kompetenzen GroßKommAktG/Mülbert, Vor § 118 Rdn. 90. 107 S. nur Hüffer, AktG, § 129 Rdn. 19; Martens, WM 1981, 1010, 1013; MünchKommAktG/Kubis, § 119 Rdn. 132; KölnKommAktG/Zöllner, § 119 Rdn. 65; Max, AG 1991, 77, 91 f.; Fischer, in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch Hauptversammlung, § 11 Rdn. 81; Reichert, in: Beck’sches Handbuch der AG, § 5 Rdn. 191. 106
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§ 5 Das Willensbildungsorgan der Verbandsmitglieder
lich, die in der Lage ist, der Versammlung selbstverantwortlich gegenüberzutreten und dabei sowohl die Mehrheit vor Obstruktionen durch Querulanten als auch die Minderheit vor einer unzulässigen Beschränkung ihrer Teilnahmerechte zu schützen. Den besonderen Bedingungen denkbarer Großveranstaltungen ist dabei nicht schon dadurch genüge getan, dass der Leiter objektiv, unparteiisch und unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu agieren hat108 ; vielmehr darf er, vor allem dort, wo es um rechtliche Wertungen geht, auch nicht zum Spielball des Mehrheitswillens der Versammlung werden109. Daher geht die ganz herrschende Meinung zu Recht davon aus, dass der Versammlungsleiter seine funktionsbezogenen Befugnisse nicht aus einer von der Hauptversammlung abgeleiteten Kompetenz, sondern aus eigenem Recht wahrnimmt110 . Dem steht auch die im Zuge des UMAG111 neu in das Gesetz aufgenommene Vorschrift des § 131 Abs. 2 S. 2 AktG nicht entgegen, der zufolge die Satzung oder Geschäftsordnung den Versammlungsleiter ermächtigen kann, das Frageund Rederecht des Aktionärs zeitlich angemessen zu beschränken. Weil nämlich schon nach bisherigem Recht das Rede- und in beschränktem Umfang auch das Fragerecht beschnitten werden konnte112 und die Neuregelung die bisherigen Kompetenzen des Versammlungsleiters nicht in Frage stellen sollte, kann er auch weiterhin ohne Ermächtigung der Aktionäre die entsprechenden Beschränkungen vornehmen. Die Bedeutung des § 131 Abs. 2 S. 2 AktG liegt allein darin, eine Ergänzung seiner Befugnisse zu ermöglichen113 . Mit der Annahme eigener Kompetenzen durchaus vereinbar wäre jedoch ein Widerspruchsrecht der Hauptversammlung. In der Tat wird im Hinblick auf zahlreiche Einzelbefugnisse diskutiert, ob der Hauptversammlung das Recht zukommt, den Versammlungsleiter zu überstimmen. Stellvertretend sei hier nur auf den Streit verwiesen, ob das Plenum selbst auch gegen den Willen des Versammlungsleiters die Reihenfolge der bekannt gemachten Tagesordnung 108 Zu diesen Anforderungen GroßKommAktG/Mülbert, Vor § 118 Rdn. 95 f.; G. Bezzenberger, ZGR 1998, 352, 362; KölnKommAktG/Zöllner, § 119 Rdn. 57. 109 Kritisch gegenüber dieser Vorstellung Bachmann, AG 1999, 210, 211. 110 Vgl. etwa GroßKommAktG/Mülbert, Vor § 118 Rdn. 87; MünchKommAktG/Kubis, § 119 Rdn. 115; Hüffer, AktG, § 129 Rdn. 1c; Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 33 Rdn. 24; Reichert, in: Beck’sches Handbuch der AG, § 5 Rdn. 189; Hennerkes/Kögel, DB 1999, 81, 82; Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 516, 520; G. Bezzenberger, ZGR 1998, 352, 358; Schaaf, ZIP 1999, 1339, 1340; Dietrich, NZG 1998, 921, 923. Ungenau daher OLG Dresden ZIP 2005, 573, 577: „von den Aktionären verliehene Handlungsmacht“. 111 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts vom 22. 9. 2005, BGBl. I, S. 2802. 112 Ganz eindeutig BVerfG NJW 2000, 349, 351; vgl. daneben OLG Stuttgart 1995, 334; Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 516, 540 f.; GroßKommAktG/Decher, § 131 Rdn. 110 ff. 113 Weißhaupt, ZIP 2005, 1766 f.; Hüffer, AktG, § 131 Rdn. 22b; MünchHdbAG/Semler, § 36 Rdn. 48.
F. Rechtsstellung des Versammlungsleiters
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ändern darf114 . Dem kann hier nicht im Einzelnen nachgegangen werden. Für die Qualifizierung der Rechtsstellung des Versammlungsleiters bedeutsamer sind zwei Feststellungen: Zum einen ist heute im Grundsatz anerkannt, dass der Versammlungsleiter nicht nur stets aus eigenem Recht, sondern in vielen Fällen überdies weisungsfrei tätig wird. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auf die vom Versammlungsleiter zu treffenden Ordnungsmaßnahmen und unter ihnen namentlich auf Redezeitbeschränkungen, welche die Hauptversammlung nach herrschender Meinung nicht revidieren können soll115 . Gleiches gilt für die rein rechtlichen Fragen, die es bei der Prüfung der Teilnahmeberechtigung von Aktionären oder für sie handelnder Personen zu klären gilt116 . Zum anderen ist in der neueren Rechtsentwicklung über die genannten Beispiele hinaus allgemein die Tendenz zu verzeichnen, die Position des Versammlungsleiters zu stärken und Widerspruchsrechte der Hauptversammlung allenfalls noch in eng begrenztem Umfang anzuerkennen117. Vor dem Hintergrund der besonderen Verhältnisse einer Publikumsgesellschaft, an der sich das Aktienrecht auszurichten hat, ist dies uneingeschränkt zu begrüßen und sollte zu der Regel verfestigt werden, dass der Versammlungsleiter „Herr des Verfahrens“118 ist und Widerspruchsrechrechte nur noch in besonders begründeten Ausnahmefällen in Erwägung zu ziehen sind. 2. Organ der Gesellschaft Insgesamt ist es daher nicht weiterführend, den Versammlungsleiter der Hauptversammlung in Anlehnung an die Rechtslage im GmbH-Recht als Funktionsgehilfe des Plenums zu bezeichnen119. Der Umstand, dass seine Beteiligung zwingend vorgeschrieben ist, er seine Befugnisse aus eigenem, ihm kraft Gesetzes zustehendem Recht wahrnimmt und dabei mit unmittelbarer Wirkung 114 Dafür etwa Max, AG 1991, 77, 86; Heidel/Terbrack/Lohr, AktG, § 129 Rdn. 9; KölnKommAktG/Zöllner, § 119 Rdn. 54; Reichert, in: Beck’sches Handbuch der AG, § 5 Rdn. 190; für ausschließliche Zuständigkeit des Versammlungsleiters dagegen zu Recht Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 516, 528 f.; GroßKommAktG/Mülbert, Vor § 118 Rdn. 108. 115 Vgl. OLG Stuttgart AG 1995, 234; MünchKommAktG/Kubis, § 119 Rdn. 51; GroßKommAktG/Mülbert, Vor § 118 Rdn. 138; Hüffer, AktG, § 129 Rdn. 20; Schaaf, ZIP 1999, 1339, 1340; aA noch RGZ 36, 24, 26; für generelle Beschränkung der Redezeit auch Max, AG 1991, 77, 91. 116 MünchKommAktG/Kubis, § 123 Rdn. 40; Fischer, in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch Hauptversammlung, § 11 Rdn. 30; eingehend Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 516, 523 ff.; aA noch RGZ 106, 258, 260. 117 Vgl. dazu GroßKommAktG/Mülbert, Vor § 118 Rdn. 90; Bachmann, AG 1999, 210; G. Bezzenberger, ZGR 1998, 352, 360, 362; daneben MünchHdbAG/Semler, § 36 Rdn. 40; MünchKommAktG/Kubis, § 119 Rdn. 115; demgegenüber für ein grundsätzliches Überprüfungsrecht der Hauptversammlung bei sog. „Ablaufentscheidungen“ Fischer, in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch Hauptversammlung, § 11 Rdn. 32 f. 118 Martens, WM 1981, 1010, 1012; vgl. daneben Krieger, AG 2006, 355, 357 f. 119 So aber Bachmann, AG 1999, 210, 211 Fn. 24.
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rechtsgestaltend für die Gesellschaft tätig wird, drängt vielmehr den Schluss auf, ihn als Organ der Gesellschaft zu qualifizieren120 . Der konkrete Versammlungsleiter als Organwalter steht daher in einem körperschaftsrechtlichen Rechtsverhältnis zur Gesellschaft und muss sich dieser gegenüber nach den allgemeinen Maßstäben organschaftlicher Haftung verantworten. Sofern er Ordnungsmaßnahmen gegen anwesende Aktionäre verhängt oder gegenüber Dritten von seinem Hausrecht Gebrauch macht, wird er nicht einmal nur als internes Willensbildungs-, sondern zugleich als externes Vertretungsorgan für die Gesellschaft tätig. Die Einordnung des Versammlungsleiters als Organ erweist sich als überaus hilfreich für das Verständnis des bei der Durchführung einer Hauptversammlung zu beachtenden Kompetenzgefüges. Die Gegenüberstellung der Organe „Versammlungsleiter“ auf der einen und „Hauptversammlung“ auf der anderen Seite führt nämlich sinnfällig vor Augen, dass es sich um zwei grundsätzlich gleichwertige Entscheidungsträger handelt, und verschafft damit überhaupt erst das notwendige dogmatische Fundament für die weitere Diskussion um die zutreffende Zuständigkeitsverteilung zwischen den beiden121. Die sich dabei im Einzelnen ergebende Abgrenzung ist Teil der Legalordnung der AG und als solcher von dem in § 23 Abs. 5 AktG niedergelegten Grundsatz der Satzungsstrenge erfasst. Sowohl die Satzung wie auch die Geschäftsordnung haben daher die gesetzlichen Rechte und Pflichten des Versammlungsleiters zu respektieren und können dessen Kompetenzen nur allgemein beschreiben, nicht aber zu Gunsten der Hauptversammlung verkürzen122 . Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, das Prinzip der Selbstorganisation erlaube der Hauptversammlung, durch Geschäftsordnung ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln123 . Denn nach der hier entwickelten Konzeption geht es gerade nicht um die Selbstorganisation innerhalb des Organs Hauptversammlung, sondern, vergleichbar der Kompetenzabgrenzung zwischen Vorstand und Hauptversammlung oder Vorstand und Aufsichtsrat, um eine Frage der Gewaltentrennung zwischen zwei Organen. 120 So zutreffend GroßKommAktG/Mülbert, Vor § 118 Rdn. 86; in die gleiche Richtung Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 516, 521; krit. dagegen MünchKommAktG/Kubis, § 119 Rdn. 112: Mit der Klassifizierung als Organ sei für die Beantwortung konkreter Sachfragen wenig gewonnen und nur ein unnötiges Diskussionsfeld über die Organpfl ichten des Versammlungsleiters eröffnet. 121 Ganz ähnlich GroßKommAktG/Mülbert, Vor § 118 Rdn. 86. 122 So auch MünchKommAktG/Kubis, § 129 Rdn. 8; Hüffer, AktG, § 129 Rdn. 1c; G. Bezzenberger, ZGR 1998, 352, 364; Dietrich, NZG 1998, 921, 923; Hennerkes/Kögel, DB 1999, 81, 82; Schaaf, ZIP 1999, 1339, 1340; Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 33 Rdn. 24, 40. 123 So in Konsequenz der Verneinung der Organeigenschaft des Versammlungsleiters Bachmann, AG 1999, 210, 211, der sich zudem auf einen seinerseits undeutlichen und verunglückten Hinweis in der Begründung zum RegE des KonTraG stützt, vgl. zu letzterem Aspekt Hüffer, AktG, § 129 Rdn. 1c.
G. Ergebnis
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G. Ergebnis Anders als in der gesetzestypischen Personengesellschaft ist die Gesellschaftergesamtheit in den juristischen Personen als Gesellschafterversammlung organisiert. Das gilt entgegen der wohl überwiegenden Meinung im Schrifttum auch für die GmbH und hat dort einerseits die Unzulässigkeit formloser und kombinierter Beschlussverfahren ohne satzungsmäßige Grundlage zur Folge und erklärt andererseits, warum selbst die Kenntnis aller Gesellschafter von einem Fehlverhalten des Geschäftsführers noch nicht die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB auslöst. Der einzelne Gesellschafter dagegen ist einem ebenfalls die GmbH betreffenden Diktum des BGH zum Trotz nicht selbst Organ, sondern allein Mitglied der Gesellschafterversammlung. Ein von der Gesellschafterversammlung zu unterscheidendes eigenständiges Organ ist schließlich der Versammlungsleiter. Das gilt allerdings nur für das Aktienrecht, wo ihm als „Herrn des Verfahrens“ weder durch das Plenum noch durch die Satzung entziehbare Befugnisse aus eigenem Recht zustehen, während er in der GmbH regelmäßig eine lediglich abgeleitete Rechtsstellung einnimmt und als weisungsgebundener „Funktionsgehilfe“ der Gesellschafterversammlung tätig wird.
§ 6 Handlungsmaxime A. Verpflichtung auf das Verbandsinteresse als Regelfall Weil Organhandeln fremdnütziges Handeln für den Verband ist, liegt es nahe, dass Organe ihr Handeln am Verbandszweck und dem daraus abzuleitenden Verbandsinteresse auszurichten haben. Die Zweckabrede beherrscht demnach als „Lebensgesetz“ des Verbandes jedes interne Geschehen. Das gilt im Ausgangspunkt zwar auch für die Mitgliederversammlung1. Zugleich zeigt ein näherer Blick auf diese aber auch, dass gegenüber allzu groben Verallgemeinerungen Zurückhaltung geboten ist. Der Mitgliederversammlung kommt nämlich deswegen eine Sonderstellung zu, weil ihre Mitglieder nicht nur Organmitglieder, sondern eben zugleich Mitglieder des Verbandes sind. In der Mitgliederversammlung decken sich mit anderen Worten mitgliedschaftliche und organmitgliedschaftliche Rechte2 . Das wiederum hat sowohl rechtskonstruktive wie auch materielle Folgen. Wegen der Verschränkung organschaftlicher und mitgliedschaftlicher Grundsätze kommt für die im Kapitalgesellschaftsrecht praktizierte materielle Beschlusskontrolle im dogmatischen Ausgangspunkt neben der von der herrschenden Meinung befürworteten Fundierung in der gesellschafterlichen Treupflicht 3 auch ein organschaftlicher Geltungsgrund in Betracht4 . Was demgegenüber die hier interessierende Frage einer Bindung an das Verbandsinteresse betrifft, so ist diese uneingeschränkt nur insoweit zu bejahen, als eine Beteiligung an der unmittelbaren Verfolgung des Gesellschaftszwecks in Rede steht, also in Fragen der Geschäftsführung. Daneben kann die Mitgliederversammlung aber auch zweckändernde Beschlüsse fassen und auf diese Weise über das Verbandsinteresse verfügen. Auch diese besondere Kategorie verbandlicher Willensbildung vollzieht sich im Wege des organschaftlichen Zurechnungsmechanismus. Selbst soweit die Mitglieder im 1 Vgl. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rdn. 93; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 233. 2 Beuthien, FS Zöllner, Bd. 1, S. 87, 98; Schöpfl in, Nichtrechtsfähiger Verein, S. 16. 3 Vgl. Hüffer, AktG, § 243 Rdn. 21; Ulmer/Raiser, GmbHG, Anh. § 47 Rdn. 135; GroßKommAktG/Henze/Notz, Anh. § 53a Rdn. 23; Wiedemann, FS Heinsius, S. 949, 960 ff. 4 Dafür Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 232 ff. – Eine weitere Festlegung auf eines der Modelle erforderte eine vertiefte Auseinandersetzung mit der komplexen Problematik der Lehre vom sachlichen Grund.
A. Verpfl ichtung auf das Verbandsinteresse als Regelfall
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Übrigen an die verabredete Zweckvorgabe gebunden sind, bleiben sie stets mehr als bloße Amtswalter. Sie dürfen bei der Wahrnehmung ihrer Rechte grundsätzlich eigene Interessen verfolgen und sind lediglich durch die Treubindung auf das Gemeinwohl verpflichtet 5 . Zu Recht hat man daher die Mitgliederversammlung als das „einzig autonomen Organ“ bezeichnet 6 . Die Mitglieder der Geschäftsführungs-, Aufsichts- und Beratungsorgane von Kapitalgesellschaften dagegen verwalten lediglich treuhänderisch fremdes Vermögen und haben sich daher bei ihrem Handeln für die Gesellschaft unbestritten allein vom Gesellschaftsinteresse leiten zu lassen7. Wie dieses im Einzelnen zu bestimmen ist, ist jedoch vor allem im Hinblick auf die AG stark umstritten. Während insoweit traditionell die Eigenständigkeit der juristischen Person betont und deshalb auf die Bewertung des Gesellschaftsvermögens abgestellt wird8 , findet sich im jüngeren Schrifttum verbreitet die These, dass das Handeln der Organe an der Maximierung des Marktwerts der Aktie und damit unmittelbar am Vermögensinteresse der Aktionäre ausgerichtet werden dürfe oder gar auszurichten sei9. Weitergehend wird zunehmend in Frage gestellt, ob im Einklang mit der überwiegenden Meinung10 tatsächlich neben dem – auf Mehrung des Gesellschaftsvermögens oder auf Steigerung des Anteilswerts gerichteten – Interesse der Gesellschaft (bzw. der Aktionäre) auch die Interessen sonstiger „stakeholder“ wie namentlich der Arbeitnehmer in den Maßstab für das Organhandeln einfließen dürfen oder gar müssen, mithin ob das Gesellschaftsinteresse durch ein davon zu unterscheidendes Unternehmensinteresse11
5 So zutreffend Wiedemann, FS Lutter, S. 801, 804; ders., Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 (S. 292); s. daneben Lutter, AcP 180 (1980), 84, 90; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 235; zu weitgehend dagegen noch BGHZ 14, 25, 38, wonach weder der Aktionär noch der GmbHGesellschafter seine eigenen Interessen hinter die der Gesellschaft zurückstellen muss. 6 Flume, Juristische Person, § 7 I 1 (S. 189). 7 Vgl. nur Nr. 4.3.3 DCGK; BGH WM 1989, 1335, 1339; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 111 Rdn. 103; GroßKommAktG/Kort, § 76 Rdn. 52; Fleischer, WM 2003, 1045 f.; Zöllner/ Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rdn. 28; Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rdn. 8. 8 In diesem Sinne wohl BGHZ 125, 239, 244; BGHZ 135, 244, 255; BGH ZIP 2006, 72, 74; KölnKommAktG/Zöllner, § 243 Rdn. 178; Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 155 („Ertragssteigerung“). 9 Vgl. namentlich Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 58 ff.; Mülbert, FS Röhricht, S. 421 ff.; Birke, Formalziel, S. 199 ff.; daneben Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 256 ff.; kritisch dazu Habersack/Schürnbrand, Modernisierung des Aktiengesetzes von 1965, Rdn. 74, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 1. 10 Vgl. etwa Hüffer, AktG, § 76 Rdn. 12; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 II 1a (S. 804 ff.); KölnKommAktG/Mertens, § 76 Rdn. 16; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 14 Rdn. 13. 11 Zur Unterscheidung zwischen Gesellschafts- und Unternehmensinteresse bereits Zöllner, Schranken, S. 20 f., 73 ff.; daneben Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 264 mit weiteren Nachweisen.
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überlagert wird12 . All das ist hier nicht weiter zu vertiefen, weil jedenfalls feststeht, dass dem gesellschaftlichen Wohl der Vorrang vor einzelnen Gruppenoder Partikularinteressen gebührt. Obschon etwa die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat gehalten sind, die Interessen der Arbeitnehmer in den Entscheidungsprozess einzubringen, gebührt im Konfl iktfall stets dem Unternehmensinteresse der Vorrang13 . Erst recht dürfen sonstige entsandte Aufsichtsratsmitglieder nicht zu Lasten des Gesellschaftsinteresses die Belange ihres Auftraggebers durchsetzen14 . Damit ist indes noch nicht gesagt, dass die Verpfl ichtung auf das Gesellschaftsinteresse für die sonstigen Organe schlechthin konstitutiv ist. Wenn diese nämlich nur der vom Gesetzgeber zugrunde zu legenden typischen Interessenlage Rechnung trägt, können die Gesellschafter nämlich womöglich bei der Schaffung fakultativer Organe von dieser Vorgabe abweichen. Näher zu untersuchen ist daher, ob im Rahmen so genannter Gruppenorgane eine Repräsentanz für gesellschaftsinterne Partikularinteressen geschaffen werden darf (dazu später unter C.) oder ob sich die Gesellschaft darüber hinausgehend sogar egoistischen Interessen gesellschaftsfremder Dritter öffnen kann (dazu nunmehr unter B.).
B. Statutarischer Dritteinfluss – die Rechtsfigur des Kreationsorgans I. Einführung Gesellschafter können sich aus einer Vielzahl von Gründen veranlasst sehen, außenstehende Dritte in den Willensbildungsprozess der Gesellschaft einzubeziehen. Solange hierzu im Gesellschaftsinteresse ein fakultatives Organ geschaffen wird, um externen unternehmerischen, technischen oder juristischen Sachverstand nicht nur gelegentlich, sondern in Form eines Beirats institutionell verfestigt nutzen zu können, wirft das keine besonderen Probleme auf15 . Lediglich im Aktien- und Genossenschaftsrecht steht dem der Grundsatz der 12 Vgl. etwa Zöllner, AG 2003, 2, 7 ff.; Mülbert, ZGR 1997, 129, 147 ff.; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 264 ff.; Birke, Formalziel, S. 155 ff.; zum Ganzen noch Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 157 ff.; Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 1 Rdn. 25 ff.; Kuhner, ZGR 2004, 244 ff. 13 Vgl. nur Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, § 25 MitbestG Rdn. 93a. 14 BGHZ 36, 296, 306 f.; BGH ZIP 2006, 2077, 2079, Tz. 18; MünchKommAktG/Semler, § 101 Rdn. 132; KölnKommAktG/Mertens, § 101 Rdn. 55; Hüffer, AktG, § 116 Rdn. 5; zu von einer öffentlichen Körperschaft entsandten Mitgliedern Kropff, FS Huber, S. 841, 848 ff.; Schön, ZGR 1996, 429, 448 ff. 15 Näher zu weiteren Gründen für die Einbindung Dritter Voormann, Beirat, S. 6 ff.; Reuter, FS 100 Jahre GmbHG, S. 631, 632: Bürkle, Rechte Dritter, S. 2 f.; Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 6 f.; Herfs, Einwirkung Dritter, S. 41 f.
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Satzungsstrenge entgegen16 . Oft sind es jedoch die Dritten selber, die aus eigennützigen Erwägungen einen Einfluss auf innergesellschaftliche Vorgänge anstreben und sich deshalb weitgehende Rechte zusichern lassen. Der Konfl ikt entsprechender Gestaltungen mit dem Grundsatz der Verbandssouveränität, dem zufolge das korporative Schicksal des Verbandes nicht in die Hände Dritter gelegt werden darf, ist dann mit den Händen greifbar17. Nicht zuletzt um diesen zu bewältigen und die Stellung des Dritten dogmatisch zu erfassen, gab es seit jeher Ansätze, auch insoweit von einer Organeinsetzung auszugehen. Schon früh bezeichnete Feine eine außerhalb der Gesellschaft angesiedelte Stelle, der satzungsmäßig das Recht zukommt, den Geschäftsführer einer GmbH zu bestellen, als „Kreationsorgan“18 . Als besonders eindrückliches praktisches Beispiel wird in diesem Zusammenhang immer wieder die Hausbank erwähnt, die sich in der Krise der GmbH Informationsrechte im Umfang des § 51a GmbHG einräumen lässt oder gar auf dem Recht besteht, den Geschäftsführer einsetzen zu dürfen, um so den Zahlungsverkehr oder die Verwendung von Kreditmitteln umittelbar steuern zu können19. Daneben wird darüber diskutiert, ob Nichtgesellschaftern Entsendungsrechte zu einem GmbH-Aufsichtsrat eingeräumt werden können 20 . Schon häufiger Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen waren aber auch Satzungsbestimmungen kirchlicher oder sonstiger weltanschaulicher Idealvereine, die grundlegende Entscheidungen wie Satzungsänderungen oder die Auflösung des Vereins von der Zustimmung einer in der Kirchenhierarchie übergeordneten Stelle abhängig machten 21. Auf ähnliche Weise könnten sich schließlich öffentliche Interessenträger vor einer Sitzverlegung oder Änderung des Unternehmensgegenstands schützen wollen 22 . Strukturell begrenzt bleibt solcher Dritteinfluss, wenn die entsprechenden Mitspracherechte lediglich schuldrechtlich begründet werden 23 . Auch die Erwähnung in der Satzung als unechter Satzungsbestandteil 24 vermag dann nichts 16
Näher dazu § 2 D II 1b. Grundlegend zum Grundsatz der Verbandssouveränität Wiedemann, FS Schilling, S. 105, 111 ff.; Schubel, Verbandssouveränität, passim; daneben etwa K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 I 3 (S. 83 ff.); Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 84 ff. 18 Feine, GmbH, § 34 II 3 (S. 474). 19 Hammen, WM 1994, 765; Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 9. 20 Vgl. einstweilen Ulmer, FS Werner, S. 911, 913. 21 BVerfGE 83, 341; KG MDR 1975, 140; BayOLG NJW 1980, 1756; OLG Köln NJW 1992, 1048. 22 Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1298; Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 10. 23 Eingehend dazu Fleck, ZGR 1988, 104 ff.; Semrau, Dritteinflussnahme, S. 129 ff.; Herfs, Einwirkung Dritter, S. 161 ff.; zurückhaltend demgegenüber Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 484, 487 ff.; Bürkle, Rechte Dritter, S. 36 ff.; ablehnend Reuter, FS 100 Jahre GmbHG, S. 631, 648; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 52 Rdn. 11. 24 Vgl. zur Unterscheidung zwischen echten und unechten (materiellen oder formellen) Satzungsbestandteilen Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 53 Rdn. 8 ff.; Zimmermann, in: Ro17
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daran zu ändern, dass die Gesellschaft allein im Außenverhältnis verpflichtet ist, ihren Unternehmensgegenstand in der geschuldeten Weise zu ändern oder eine bestimmte Person zum Geschäftsführer zu bestellen, dass der vertraglichen Bindung widersprechende Beschlüsse im Innenverhältnis gleichwohl wirksam sind. Um nicht auf Erfüllungs- oder gar Schadensersatzansprüche verwiesen zu sein, sondern seinen Einfluss mit unmittelbarer Wirkung im organisatorischen Innenverhältnis der Gesellschaft geltend machen zu können, wird dem Dritten daher daran gelegen sein, ein echtes statutarisches Mitwirkungsrecht zu erhalten. Eine ohne oder gegen seinen Willen getroffene Entscheidung ist dann nämlich wegen des Satzungsverstoßes unwirksam oder jedenfalls anfechtbar.
II. Unzulässigkeit von satzungsmäßigen Rechten Dritter ad personam Bevor auf organschaftliche Deutungsmuster zurückzukommen ist, liegt die Frage nahe, ob sich die entsprechenden Mitwirkungsbefugnisse nicht als subjektives Recht zusichern lassen. Jedenfalls ausgeschlossen ist allerdings die Einräumung von Sonderrechten im Sinne von § 35 BGB, da es sich bei ihnen um besondere Mitgliedschaftsrechte handelt und als Inhaber daher anerkanntermaßen nur Gesellschafter oder Vereinsmitglieder, nicht aber verbandsfremde Dritte in Betracht kommen 25 . Vereinzelt geblieben ist aber auch die These, in der Satzung könnten auch für Nichtmitglieder echte subjektive Rechte vorgesehen werden, welche sich dadurch auszeichnen, dass sie ausschließlich der berechtigten Person zustehen, zur Verwirklichung ihrer eigenen Interessen dienen und nur durch einen satzungsändernden Beschluss der Mitgliederversammlung wieder beseitigt werden können 26 . Dem stehe weder die Rechtsnatur der Satzung entgegen noch könne aus dem Prinzip der abgeleiteten Organverwaltung hergeleitet werden, dass Kompetenzen innerhalb einer Körperschaft ausschließlich deren Organen zugewiesen sein könnten 27. Das Handeln durch Organe sei vielmehr nur der Regelfall, doch sei nicht jede Person, der kraft Statuts
wedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 53 Rdn. 6 ff.; GroßKommAktG/Röhricht, § 23 Rdn. 8 ff. 25 S. dazu nur BGH WM 1970, 246, 247; Soergel/Hadding, BGB, § 35 Rdn. 10; Beuthien/ Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 484. Soweit Herfs, Einwirkung Dritter, S. 111 ff. eine Ausnahme für die Fälle annimmt, in denen der Dritte der Gesellschaft durch ein besonderes Rechtsverhältnis wie Nießbrauch oder Treuhand verbunden ist, setzt er sich damit nicht wirklich in Widerspruch zur hM, da es sich insoweit nach zutreffender Ansicht um Mitbeteiligte handelt, die bei wertender Betrachtung in den Kreis der Gesellschafter einbezogen sind, s. dazu Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1303. 26 Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 70 ff., 79; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 144 ff. 27 Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 70, 73 f.
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die Wahrnehmung bestimmter Zuständigkeiten zugewiesen sei, zwingend Organwalter. Damit werden jedoch ohne nähere Begründung bisher anerkannte institutionelle Grundlagen des Rechts der juristischen Personen in Frage gestellt. Denn nach ganz herrschendem Verständnis lassen sich als materielle Satzungsbestandteile nur die grundlegenden Daten der Gesellschaft, die Struktur und Funktionen der Gesellschaftsorgane sowie die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten der Gesellschafter gegenüber der juristischen Person regeln 28 . Weil die Satzung als Organisationsvertrag mit anderen Worten allein dazu bestimmt ist, die innergesellschaftlichen Rechtsbeziehungen auszugestalten, kann sie im Hinblick auf Dritte lediglich schuldrechtliche Positionen begründen. Dem ist entgegengehalten worden, aus dem Begriff des Organisationsvertrags könnten keine inhaltlichen Schlussfolgerungen gezogen werden, weshalb die rechtsdogmatische Begrenzung des Satzungsbegriffs auf die gesellschaftliche Binnenstruktur eine petitio principii enthalte 29. Tatsächlich liegen der Ablehnung satzungsmäßiger Rechte ad personam jedoch sehr wohl materielle Überlegungen zu Grunde. Zunächst einmal muss jeder Verband, soll er als solcher am Rechtsverkehr teilnehmen können, aus sich selbst heraus handlungsfähig sein. Deshalb ist schon aus konstruktiven Gründen Gestaltungen die Anerkennung zu versagen, die dazu führen, dass der Verband nicht mehr im vollem Umfang selbst und das heißt durch das Handeln seiner Mitglieder und Organe tätig werden kann 30 . Genau das wäre jedoch der Fall, wenn für den Ablauf des gesellschaftlichen Willensbildungsprozesses erforderliche Maßnahmen wie die Erteilung einer Zustimmung oder die Ernennung eines Organmitglieds nur durch einen Dritten vorgenommen werden könnte. Weiterhin drohten durch solche Rechte ad personam isolierte Berechtigungen zu entstehen, die mit allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Wertungen unvereinbar wären 31. Weder Organmitglieder noch Gesellschafter dürfen ihre Rechte nämlich nach freiem Belieben ausüben, sondern sind durch ihre Amtsstellung bzw. die gesellschaftsrechtliche Treupflicht gebunden. Sogar für die Gesellschafter als „Herren der Gesellschaft“ ist anders gewendet jedes Mitwirkungsrecht nur ein Ausschnitt aus einer jeweils aufeinander bezogenen Gesamtheit von Rechten und Pflichten. Gerade um das
28 Vgl. namentlich Ulmer, FS Werner, S. 911, 916 f., 923 f.; dens., FS Wiedemann, S. 1297; dens., GmbHG, § 3 Rdn. 42; daneben MünchKommBGB/Reuter, § 27 Rdn. 18; Erman/Westermann, BGB, § 328 Rdn. 28; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 3 Rdn. 69; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 3 Rdn. 26; Scholz/Schneider, GmbHG, § 6 Rdn. 50. 29 So Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 71; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, S. 147; Wolff, Drittbestimmter Verein, S. 167. 30 Vgl. zu diesem Aspekt Bürkle, Rechte Dritter, S. 38 f. 31 Vgl. dazu Ulmer, FS Werner, S. 911, 925; dens., FS Wiedemann, S. 1297, 1306.
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unhaltbare Ergebnis isolierter Berechtigungen Dritter zu vermeiden, wurde denn auch die organschaftliche Deutung des Vorgangs entwickelt. Dass verbandsrechtliche Berechtigungen, die weder organschaftlicher noch mitgliedschaftlicher Natur sind, schlechthin nicht in das System des geltenden Gesellschaftsrechts passen, verdeutlicht schließlich auch ihre fehlende verfahrensmäßige Durchsetzungsmöglichkeit 32 . Weder könnte ein Dritter seine Kompetenzen nämlich im Wege des Organstreits verteidigen 33 noch könnte er in der GmbH sein Recht verletzende Gesellschafterbeschlüsse anfechten, da hierzu neben den Gesellschaftern allenfalls Organe und Organmitglieder berufen sind 34 . Dritten dagegen muss jede Korrektur gesellschaftsinterner Vorgänge versagt bleiben. Es hat somit im Ergebnis dabei zu bewenden, dass die Verwaltung der Gesellschaft den Mitgliedern und Organen vorbehalten ist und Dritte daher überhaupt nur als Organwalter in der Gesellschaft tätig werden können 35 .
III. Statutarisches Drittrecht als Einräumung einer Organstellung 1. Stand der Diskussion Zu Recht konzentriert sich daher die Diskussion um die Einordnung satzungsmäßiger Rechte Dritter auf den Organbegriff. Wie schon erwähnt, hat Feine bereits im Jahre 1929 für eine Stelle außerhalb der Gesellschaft, die damit betraut ist, den Geschäftsführer einer GmbH zu bestellen, den Begriff des „Kreationsorgans“ geprägt 36 . Aufgegriffen hat diesen Gedanken sodann das Reichsgericht, als es darüber zu entscheiden hatte, ob die Änderung des Gesellschaftsvertrags einer GmbH von der Zustimmung eines Dritten abhängig gemacht werden könne. Zwar lehnte es diese Möglichkeit in Übereinstimmung mit der bis heute herrschenden Meinung 37 unter Hinweis auf den Wortlaut des § 53 GmbHG und die Stellung der Gesellschafterversammlung als oberstem Willensorgan im Ergebnis ab. Es wies jedoch darauf hin, dass der Dritte, dem ein solches Recht eingeräumt werde, als „nebengeordnetes Organ“ der Gesellschaft eingesetzt werde38 . Dieses Deutungsmuster stößt im Schrifttum – neuere Ge-
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Zutreffend Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1318 f.; ders., GmbHG, § 3 Rdn. 43. Näher dazu § 14. 34 Vgl. zur Reichweite der Anfechtungsbefugnis Ulmer/Raiser, Anh. § 47 Rdn. 177 ff.; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rdn. 127 ff.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rdn. 134 ff. 35 Hüffer, ZGR 1980, 320, 322; s. auch Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 484 f. 36 Feine, GmbH, § 34 II 3 (S. 474); vgl. auch Reuter, FS Steindorff, S. 229, 243. 37 Vgl. nur Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1316 f. mit Nachw. auch zur Gegenauffassung. 38 RGZ 169, 65, 81. 33
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richtsentscheidungen sind hingegen nicht zu verzeichnen – bis heute verbreitet auf Zustimmung 39. Im Einzelnen soll es der außerhalb des Aktienrechts bestehende Gestaltungsspielraum den Gesellschaftern erlauben, fakultative Organe zu schaffen und diese mit Befugnissen auszustatten, die ansonsten den gesetzlich vorgesehenen Organen übertragen seien. In einem weiteren Schritt könne sodann das neu eingerichtete Organ mit einem oder mehreren Nichtgesellschaftern als Organwaltern besetzt und damit die gewünschte Mitwirkungsbefugnis eingeräumt werden. Zugleich gestatte diese organschaftliche Konstruktion den die Verbandsautonomie gefährdenden Außeneinfluss zu begrenzen und sachgerecht zu bewältigen. Weil nämlich die Verpflichtung auf das Gesellschaftsinteresse für jedes Organ konstitutive Bedeutung habe und mithin von einem materiellen Organbegriff auszugehen sei, dürften die Begünstigten ihre Befugnisse gerade nicht uneingeschränkt eigennützig ausüben, sondern seien im Gegenteil kraft ihrer Amtsstellung zwingend zur Wahrung der Gesellschaftsinteressen verpflichtet und machten sich bei deren Verletzung schadensersatzpflichtig40 . Demgegenüber hat Chr. Weber geltend gemacht, die Annahme, aus der bloßen Funktionsübernahme innerhalb des fremden Organisationsverbandes folge eine Unterwerfung unter die Interessen dieses Verbandes, sei eine zweifelhafte Fiktion, welche eine substantielle Auseinandersetzung mit der Frage nach der Zulässigkeit einer freiwilligen Einbeziehung von Nichtgesellschaftern in den gesellschaftsinternen Willensbildungsprozess verhindere41. Richtigerweise sei statt dessen von einem rein formellen, allein an die Aufgabenwahrnehmung für den Verband anknüpfenden Organbegriff auszugehen, weil das Raum dafür lasse, die Grenzen des Außeneinflusses nicht mittels begrifflicher Erwägungen, sondern unter Einbeziehung allgemein-privatrechtlicher Grundsätze durch Interessenabwägungen zu ermitteln42 . Das wiederum hält Ulmer für eine „uferlose Ausweitung des Organbegriffs“43 . Im Übrigen könnten Organschaftsrechte auch nicht nach Art eines Vertrags zu Rechten Dritter eingeräumt werden. Dem stehe wohl schon der auf eine lediglich schuldrechtliche Anspruchsbegründung ausgerichtete Charakter des § 328 BGB entgegen; jedenfalls aber könnten Pflichtrechte nach Art der Stellung eines Organwalters 39 Vgl. Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 469; Hammen, WM 1994, 765, 767; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 37 Rdn. 20; Herfs, Einwirkung Dritter, S. 61 ff.; Bürkle, Rechte Dritter, S. 38 ff.; Semrau, Dritteinflussnahme, S. 115 ff.; Ulmer/ Paefgen, GmbHG, § 37 Rdn. 17; Fleck, ZGR 1988, 104, 121; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 6 Rdn. 20; vgl. auch Teubner, ZGR 1986, 565, 572. 40 Charakteristisch Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 469; Semrau, Dritteinflussnahme, S. 119; Herfs, Einwirkung Dritter, S. 71; einschränkend zum „Hausbank“-Fall aber Hammen, WM 1994, 765, 767; vgl. dazu auch Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 67 f. 41 Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 157, 168. 42 Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 168 f. 43 Ulmer, FS Werner, S. 911, 923; ders., FS Wiedemann, S. 1297, 1305 f.
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auf diese Weise keinesfalls begründet werden44 . Im Ergebnis steht er daher der Begründung eigennütziger Rechte in der Satzung gänzlich ablehnend gegenüber. Wenngleich gewichtige Stimmen dieser These gefolgt sind45 , so ist doch in zwei Bereichen eine abweichende herrschende Meinung zu konstatieren. Zum einen hält die ganz überwiegende Ansicht es für zulässig, Aufsichtsratsmitglieder in der GmbH auch von Nichtgesellschaftern entsenden zu lassen 46 . Zum anderen hat die Rechtsprechung bei kirchlichen Organisationen Zustimmungsrechte hinsichtlich grundlegender Satzungsänderungen zugunster nicht vereinsangehöriger, aber hierarchisch übergeordneter Stellen anerkannt 47. Letzeres beruht indes auf staatskirchenrechtlichen bzw. dem Grundrecht der Glaubensfreiheit beruhenden nicht verallgemeinerungsfähigen Erwägungen und soll daher nicht weiter verfolgt werden48 ; auf die Entsendungsrechte hingegen ist später zurückzukommen. 2. Die Bedeutung des Verbandszwecks a) Formeller oder materieller Organbegriff Auch für die Verfechter eines formellen Organbegriffs49 ist der Verbandszweck als Leitmaxime für das Organhandeln nicht schlechthin bedeutungslos. Immerhin soll eine Bindung an das aus dem Gesellschaftszweck abzuleitende Gesellschaftssinteresse der vom Gesetzgeber zugrunde zu legenden typischen Interessenlage entsprechen 50 . Deshalb stellen sie auch nicht in Abrede, dass sich die Geschäftsleiter und Aufsichtsratsmitglieder einer Kapitalgesellschaft am Gesellschaftsinteresse zu orientieren haben. Ob und vor allem wieweit sich 44
Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1314 f.; ders., GmbHG, § 3 Rdn. 43 gegen Hammen, WM 1994, 765, 767 ff. 45 Vgl. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rdn. 15; Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 46 Rdn. 77; Scholz/Priester, GmbHG, § 53 Rdn. 11; GroßKommAktG/Wiedemann, § 179 Rdn. 39; Zimmermann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 53 Rdn. 11; Teubner, ZGR 1986, 565, 572. 46 Flume, Juristische Person, § 7 I 2 (S. 191); Ulmer/Raiser/Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 43; Hommelhoff, ZHR 148 (1984), 118, 120 f.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 52 Rdn. 6; Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rdn. 137 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 6 Rdn. 20; Ihrig/Schlitt, NZG 1999, 333, 336; Simon, GmbHR 1999, 257, 259; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rdn. 27, § 52 Rdn. 10 ff.; MünchHdbGmbH/Marsch-Barner/ Diekmann, § 48 Rdn. 29; Michalski/Heyder, GmbHG, § 52 Rdn. 91 f.; aA Ulmer, FS Werner, S. 911, 921 f.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 52 Rdn. 43. 47 Vgl. die Nachweise in Fn. 21. 48 Vgl. Art. 4, 140 GG, Art. 137 WRV und in der Bewertung wie hier Flume, Juristische Person, § 7 I 4 (S. 199 ff.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 I 3b (S. 86). 49 Neben Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 159 ff., 168 noch Voormann, Beirat, S. 65 f.; Wolff, Drittbestimmter Verein, S. 137; Wiedemann, FS Schilling, S. 105, 109, s. zu ihm aber noch unter b); in diese Richtung tendierend Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 76 f. 50 Vgl. Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 165.
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hingegen die Gesellschafter dem Einfluss egoistischer Fremdinteressen öffnen dürften, sei eine Frage der Grenzen der Privatautonomie, welche im Einzelfall wertend und nicht generell durch begriffliche Vorfestlegung auf einen in unreflektierter Weise vorgeprägten Organbegriff zu bestimmen sei. Diese beschränkte Wirkungskraft wird indes der überragenden Bedeutung des Verbandszwecks für das Recht privater Personenvereinigungen nicht annähernd gerecht. Diese werden nämlich von der Rechtsordnung nicht um ihrer selbst willen, sondern nur als Zweckgebilde anerkannt, die darauf gerichtet sind, die von den Gründern etablierte überindividuelle Zielsetzung zu verwirklichen 51. Weil mithin der Zweck für den Verband schlechthin konstitutiv ist, bindet er alle Beteiligten und lenkt das gesamte innere Geschehen 52 . So bestimmt er nicht nur den Inhalt der mitgliedschaftlichen Treupfl ichten, die zwischen dem Verband und den Mitgliedern sowie zwischen den Mitgliedern untereinander bestehen, sondern fungiert vor allem auch als Orientierungspunkt für die Organe. Wie es § 32 BGB im Hinblick auf die Organe eines Vereins treffend zum Ausdruck bringt, werden diese „in dessen Angelegenheiten“ tätig53 . Sie handeln mithin nicht für sich selbst, sondern allein mit Wirkung für und gegen den Verband und überwinden so dessen fehlende natürliche Willensund Handlungsfähigkeit. Wenn aber die nachgeordneten Organe fremdnützig bestimmte Funktionen für den Verband wahrnehmen und ihn dadurch gleichsam verwirklichen 54 , muss es ihnen auch obliegen, den von den Gründern oder der Mitgliederversammlung festgelegten Zweck im Rahmen der von Gesetz und Satzung festgelegten Ordnung zu verfolgen 55 . Anders als der Mitgliederversammlung ist es ihnen aufgrund ihrer Funktion und der innergesellschaftlichen Zuständigkeitsverteilung versagt, über den Verbandszweck zu disponieren. Es ist also gerade das Zusammenspiel aus der Zweckbindung jeden privaten Verbandes einerseits und der funktionalen Komponente des Organbegriffs andererseits, welches die Ausrichtung des Handelns nachgeordneter Organe am Verbandszweck gebietet und damit insoweit für den materiellen Organbegriff streitet 56 . 51
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 II 1a (S. 61); Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 138 ff. Lutter, AcP 180 (1980), 84, 90; MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 148; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 1 I 1 (S. 10 f.). 53 Darauf verweist im vorliegenden Zusammenhang Hammen, WM 1994, 765, 767. 54 So die Formulierung von Rittner, Die werdende juristische Person, S. 280. 55 Vgl. dazu Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 468, Semrau, Dritteinflussnahme, S. 82 f. 56 Zumindest im Ergebnis ebenso Staub/Ulmer, HGB, § 109 Rdn. 46; ders., FS Wiedemann, S. 1297, 1304 ff.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 46 Rdn. 11; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 4 II 3a (S. 212); ders., FS Lutter, S. 801, 807 f.; Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 468 f.; Hammen, WM 1994, 765, 767; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rdn. 15; Jacoby, Das private Amt, S. 196 f.; Herfs, Einwirkung Dritter, S. 68 f.; Teubner, ZGR 1986, 565, 572; im Hinblick auf § 31 BGB auch Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 147. 52
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b) Grenzen der Privatautonomie Gewiss können die Gesellschafter einer GmbH im Einzelfall durchaus nachvollziehbare Gründe dafür anführen, warum sie ihre Gesellschaft dem Außeneinfluss öffnen und Dritten eigennützige Mitwirkungsmöglichkeiten in der Gesellschaft einräumen wollen 57. Ob sie aber allein unter Berufung auf den Grundsatz privatautonomer Gestaltungsfreiheit von den vorstehend entwickelten Vorgaben abweichen können, ist durchaus zweifelhaft. Zunächst fragt sich, ob der Einführung zu egoistischem Handeln berechtigter Organe in einem privaten Zweckverband überhaupt eine sich widerspruchsfreie Willensbildung zugrunde liegt. Denn jedenfalls das Statut einer Handelsgesellschaft kommt in die Nähe einer perplexen Willenserklärung, wenn zwar für die Gesellschaft und ihr Unternehmen eine gemeinsame Zielrichtung vereinbart wird, zugleich aber einem außenstehenden Dritten ein unkontrollierter Einfluss auf die Gesellschaft eröffnet wird58 . So kann eine erwerbswirtschaftliche GmbH ihren Zweck, langfristig nachhaltige Gewinne zu erzielen, kaum noch erreichen, wenn eine öffentliche Körperschaft dem Geschäftsführer ohne Rücksicht auf die Interessen der Gesellschaft jederzeit Weisungen erteilen und die Gesellschaft im Zuge dessen für öffentliche Zwecke dienstbar machen darf. Dem mag man entgegenhalten, es sei durchaus nicht in sich widersprüchlich, eine nur unvollständige Realisierung des primär angestrebten Ziels hinzunehmen, um im Gegenzug mit der Öffnung gegenüber dem Außeneinfluss einen weiteren Zweck verfolgen zu können. Selbst wenn aber eine solche Willensbildung in sich konsistent und nachvollziehbar sein sollte, so ist sie doch jedenfalls mit dem Leitbild eines privaten Zweckverbandes unvereinbar. Weil allein die Gesellschafter berufen sind, den das gesamte Verbandsgeschehen beherrschenden Gesellschaftszweck vorzugeben, kann ein vollständiges oder auch nur teilweises Abweichen von dem sich daraus ergebenden Gesellschaftsinteresse nicht blankettmäßig Dritten überlassen werden. Letztlich entscheidend kommt es aber gar nicht auf die Gesellschafter und die in den Vordergrund gerückte Frage an, ob sie ihre Privatautonomie wahrnehmen, wenn sie dieselbe preisgeben. Damit bleibt nämlich gänzlich ausgeblendet, dass sich die Organstruktur nicht nur im Innen-, sondern auch im Außenverhältnis auswirkt und daher auch institutionelle Erwägungen zu berücksichtigen sind. Gerade weil eine Außengesellschaft sich nicht in dem Bestehen einzelner Schuldverhältnisse oder auch eines Bündels von ihnen erschöpft, sondern als zweck- und funktionsgebundenes Subjekt am Rechtsverkehr teilnimmt, ist die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter beschränkt 59. Vor 57
Vgl. nochmals die Beispielsfälle unter I. So Wiedemann, FS Lutter, S. 801, 808. 59 Sehr kritisch zu solchen ungeschriebenen Schranken der Gestaltungsfreiheit Hey, Freie Gestaltung, S. 222 ff.; Burgard, Gestaltungsfreiheit, S. 57 ff. 58
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allem also damit nicht die Rechtssicherheit gefährdet und die Verantwortlichkeiten im Geschäftsverkehr bis zur Unkenntlichkeit aufgelöst werden, dürfen die Gesellschafter nicht nach außen offene Organisationsformen begründen 60 . Nach alldem ist von einem materiellen Organverständnis auszugehen, welcher einer vollständigen Loslösung vom Verbandsinteresse entgegensteht. Eine privatautonome Einführung drittnütziger Organe kommt mit anderen Worten nicht in Betracht. Unberührt von dieser Feststellung bleibt die Frage, ob es die Bejahung der Organeigenschaft ausschließt, dass etwa der Insolvenzverwalter oder Abschlussprüfer für den Verband Aufgaben wahrnimmt und dabei kraft Gesetzes Vorgaben zu beachten hat, die sich nicht zwingend mit dem Verbandsinteresse decken. Aus der Existenz solcher dem öffentlichen Interesse dienstbar gemachter Organe ließe sich jedoch – und allein darauf kommt es vorliegend an – kein durchgreifendes Argument zu Gunsten einer entsprechenden Gestaltungsfreiheit der Verbandsmitglieder herleiten61. c) Verpflichtung des Dritten auf das Verbandsinteresse Verbandsfremden Dritten können also nicht mit dem bloßen Hinweis, sie würden dadurch zum „Kreationsorgan“, innergesellschaftliche Mitwirkungsbefugnisse eingeräumt werden62 ; aus strukturellen Gründen und zur Wahrung der Verbandssouveränität setzt die Organeigenschaft vielmehr voraus, dass der Dritte auch materiell in die Organisationsverfassung eingebunden ist. Das wiederum erfordert neben einer Verpfl ichtung auf das Verbandsinteresse vor allem einen angemessenen Sanktionsmechanismus für den Fall des Zuwiderhandelns, wobei der persönlichen Schadensersatzpflicht des betreffenden Entscheidungsträgers die größte Bedeutung zukommt 63 . Der Sache nach muss es sich letztlich um einen fakultativ eingeführten „Beirat“ handeln, der die Besonderheit aufweist, mit nur einem Organwalter besetzt zu sein, welcher wiederum im Gesellschaftsvertrag oder der Satzung namentlich benannt ist 64 . Damit ist in aller Deutlichkeit festzuhalten: Das Anliegen, Dritten eigennützige Einflussrechte mit unmittelbarer Wirkung im Verbandsinnenverhältnis einzuräumen, ist nicht umsetzbar. Das entsprechende Verbot lässt sich auch nicht durch die schlichte Behauptung umgehen, dem Dritten seien kraft seiner Amtsstellung organschaftliche Treupflichten auferlegt, wenn ausweislich der 60
Wiedemann, FS Lutter, S. 801, 808; vgl. auch Haar, Personengesellschaft im Konzern, S. 181 f., 191. 61 Dies gegen Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 77. 62 Teubner, ZGR 1986, 565, 568; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rdn. 15. 63 Vgl. dazu Herfs, Einwirkung Dritter, S. 141 (Weisungsrecht in der GmbH); Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 45 Rdn. 18; Ulmer/Raiser/Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 44 (Entsendungsrecht zum Aufsichtsrat der GmbH); kritisch dazu Steinbeck, Vereinsautonomie, S. 77 f., die keine effektive Kontrollmöglichkeit durch die Mitglieder sieht. 64 Zur Frage, ob es sich bei der Benennung um einen echten Satzungsbestandteil handelt, s. unter 3.
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zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnisse offenkundig das Gegenteil gewollt ist 65 . Eine Vielzahl denkbarer Mitwirkungsrechte lässt sich daher nicht realisieren. So kann insbesondere einer Hausbank nicht das Recht zugebilligt werden, dem Geschäftsführer einer GmbH Weisungen zu erteilen, um so die Einhaltung der von ihr vorgegebenen Auflagen durchzusetzen und ihr Kreditengagement effektiv abzusichern. In anderen Fällen hingegen ist die Bindung an das Gesellschaftsinteresse durchaus mit dem angestrebten Erfolg in Einklang zu bringen. Geht es etwa um das Recht, ein Mitglied in den fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH zu entsenden, beschränkt sich das Pflichtenprogramm des Entsendenden darauf, eine für diese Position geeignete Person auszuwählen, von der zu erwarten ist, dass sie mit den übrigen Mitgliedern des Aufsichtsrats und mit den anderen Organen der Gesellschaft vertrauensvoll kooperiert. Der Entsandte hat sich bei seiner Tätigkeit sodann strikt am Verbandsinteresse zu orientieren und darf dabei die gesellschaftsfremden Belange seines Auftraggebers nicht in die gebotene Abwägung einbeziehen 66 . In mitbestimmten Gesellschaften mag den Arbeitnehmern eine noch größere Freiheit bei der Wahl der von ihnen zu entsendenden Aufsichtsratsmitglieder zustehen. Das ist indes ein sozial- bzw. gesellschaftspolitisch motivierter Sondertatbestand, der weder Rückschlüsse auf satzungsrechtliche Sonderrechte zulässt noch umgekehrt zur Qualifizierung der Belegschaft als Gesellschaftsorgan zwingt. Der Einräumung eines Entsendungsrechts zugunsten eines gesellschaftsfremden Dritten steht weiterhin auch die Vorschrift des § 101 Abs. 2 AktG nicht entgegen, der zufolge in der AG solche Rechte nur für bestimmte Aktionäre oder für die jeweiligen Inhaber bestimmter Aktien begründet werden können 67. Dafür spricht maßgeblich, dass diese anders als zahlreiche andere Regeln des Aktiengesetzes über den Aufsichtsrat in der Verweisungsnorm des § 52 GmbHG nicht aufgeführt ist 68 . Ein darüber hinaus gehender allgemeiner Rechtsgrundsatz wiederum, wonach allein die Gesellschafter dazu berufen sind, die Mitglieder des Aufsichtsorgans zu bestellen, ließe sich angesichts der grundsätzlichen Zulässigkeit der Fremdorganschaft im Recht der GmbH kaum rechtfertigen und kann daher auch der Vorschrift des § 101 Abs. 2 AktG nicht entnommen werden.
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Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1305 Fn. 40: Zirkelschluss; Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 168: zweifelhafte Fiktion; vgl. hinsichtlich von Rechten einer Hausbank auch Hammen, WM 1994, 765, 767; Wolff, Drittbestimmter Verein, S. 135. 66 Näher dazu Kropff, FS Huber, S. 841, 846. 67 So aber Ulmer, FS Werner, S. 911, 921 f.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 52 Rdn. 43; wie hier dagegen Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rdn. 137; Ulmer/Raiser/ Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 43. 68 In § 100 Abs. 2 RegE GmbHG 1971 (BT-Drs. VI/3088 = 7/253) war die Möglichkeit, Nichtgesellschaftern die Bestellungskompetenz zuzuweisen, sogar ausdrücklich vorgesehen.
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Bestätigt wird diese Einschätzung durch einen Blick auf die SE. Zwar werden dort im Grundsatz die Aufsichtsratsmitglieder gemäß Art. 40 Abs. 2 SEVO von der Hauptversammlung bestimmt; jedoch bleiben nach Art. 47 Abs. 4 SE-VO einzelstaatliche Rechtsvorschriften unberührt, die auch einer Minderheit von Aktionären oder anderen Personen oder Stellen die Bestellung eines Teils der Organmitglieder erlauben69. Wiewohl dem im Hinblick auf § 101 Abs. 2 AktG für Gesellschaften mit Sitz in Deutschland keine unmittelbare Bedeutung zukommt, zeigt diese Regelung doch, dass solche Entsendungsrechte Dritter mit allgemeinen Grundsätzen des europäischen Gesellschaftsrechts vereinbar sind. Mit der Maßgabe, dass hierdurch organschaftliche Treupflichten begründet werden, können daher – im Einklang mit der herrschenden Meinung 70 – Mitwirkungsbefugnisse Dritter bei der Bestellung des fakultativen GmbH-Aufsichtsrats anerkannt werden. 3. Konsequenzen für die Rechtsstellung des Dritten Nachdem es sich als unhaltbar erwiesen hat, statutarischen Dritteinfluss als Zuweisung von Rechten ad personam zu deuten, steht nicht nur fest, dass eine eigennützige Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben ausscheidet, vielmehr kann die Rechtsstellung dem Inhaber auch nicht dergestalt als subjektives Recht zugewiesen sein, dass sie nicht oder jedenfalls nur aus wichtigem Grund wieder entziehbar wäre71. In engen Grenzen zulässig ist es hingegen, in der Begründung von Rechten zugunsten gesellschaftsfremder Dritter die Schaffung eines fakultativen Organs und dessen Besetzung mit einer bestimmten Person zu sehen. Letztlich handelt es sich dabei um einen „Beirat“, der die Besonderheit aufweist, nur mit einer Person als Organwalter besetzt zu sein. Nicht nur die Pflichtenbindung, sondern auch die Einräumung und der Entzug entsprechender Positionen richten sich daher nach den allgemeinen Regeln über die Bestellung und Abberufung von Organmitgliedern. Da die Stellung als Organwalter neben Rechten auch Pflichten beinhaltet und deren Begründung das Einverständnis des Organwalters mit der Organbestellung zwingend voraussetzt72 , kommt zunächst eine Begründung des Teilhaberechts durch Vertrag zugunsten Dritter nach Maßgabe des § 328 BGB nicht in Betracht73 . Dem Dritten kann weiterhin auch nicht etwa jedes beliebige Mit69
Vgl. dazu Schwarz, SE-VO, Art. 47 Rdn. 56 ff.; MünchKommAktG/Reichert/Brandes, Art. 47 SE-VO Rdn. 4. 70 Vgl. die Nachw. in Fn. 39. 71 Vgl. zur gegenteiligen Rechtslage bei Sonderrechten im Sinne von § 35 BGB Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 14 Rdn. 18; Ulmer/Raiser, GmbHG, § 14 Rdn. 31. 72 Vgl. im vorliegenden Zusammenhang Semrau, Dritteinflussnahme, S. 119; allgemein zu Beiratsmitgliedern Voormann, Beirat, S. 141; Ulmer/Raiser/Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 363. 73 Zutreffend Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1314 f.; Koppensteiner, in: Rowedder/ Schmidt-Leithof, GmbHG, § 45 Rdn. 10; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 45
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wirkungsrecht zugebilligt werden, vielmehr richtet sich der zulässige Umfang seines Einflusses nach den allgemeinen Grundsätzen über die Kompetenzverlagerung auf Beiräte74 . Zwingende Zuständigkeiten der Gesellschafterversammlung wie auch der Grundsatz der Verbandssouveränität setzen mithin seiner Beteiligung Grenzen. Was schließlich den Entzug des Organrechts angeht, so ist vorab zu prüfen, ob auch die Bestimmung der Person des Organwalters echter Satzungsbestandteil geworden ist 75 . Während dies für die nach § 6 Abs. 3 S. 2 GmbHG erfolgte Bestellung des Geschäftsführers im Gründungsvertrag regelmäßig abzulehnen ist 76 , dürfte in den hier interessierenden Konstellationen ein dahingehender rechtsgeschäftlicher Wille regelmäßig festzustellen sein. Ein schlichter Widerruf der Bestellung ist dann nicht möglich. Auch in diesem Fall bleibt es der Gesellschafterversammlung aber unbenommen, jederzeit und ohne Angabe von Gründen die Satzung zu ändern und die Kompetenzen neu zu verteilen, ohne dass dem Dritten ein Zustimmungsvorbehalt zum Schutze seiner Rechtsstellung zu Gebote stünde77. Ein solcher lässt sich auch nicht dadurch schaffen, dass Satzungsänderungen ihrerseits von der Zustimmung des Nichtgesellschafters als einem fakultativen Gesellschaftsorgan abhängig gemacht werden 78 . Als wichtigste Ausprägung des Grundsatzes der Verbandsautonomie muss nämlich den Mitgliedern aller Verbandsformen stets die alleinige und uneingeschränkte Zuständigkeit zur Vertrags- oder Satzungsgestaltung reserviert bleiben79. Dieser allgemeine Rechtsgedanke spiegelt sich in der Vorschrift des § 53 Abs. 1 GmbHG wider, der zufolge die Änderung des Gesellschaftsvertrags nur durch Beschluss der Gesellschafter erfolgen kann. Soweit es § 53 Abs. 2 S. 2 GmbHG Rdn. 17; aA Salje, ZIP 1989, 1526, 1530; differenzierend Hammen, WM 1994, 765, 767 ff.; Wolff, Drittbestimmter Verein, S. 169 f. 74 Vgl. aus dem umfangreichen Schrifttum Voormann, Beirat, S. 56 ff.; Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 32 ff., 302 ff.; speziell zur GmbH Wiedemann, FS Lutter, S. 801, 808 ff.; Müller/Wolff, GmbHR 2003, 810 ff.; zur OHG Staub/Ulmer, HGB, § 109 Rdn. 54 ff. 75 Zutreffend Roth/Altmeppen, GmbHG, § 52 Rdn. 12; Michalski/Heyder, GmbHG, § 52 Rdn. 92. 76 Vgl. BGHZ 18, 205, 207; Ulmer, GmbHG, § 6 Rdn. 24; Scholz/Schneider, GmbHG, § 6 Rdn. 45. 77 Flume, Juristische Person, § 7 I 2 (S. 192 f.); Hommelhoff, ZHR 148 (1984), 118, 122; Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rdn. 137b; Ulmer/Raiser/Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 44. 78 Hierfür Bürkle, Rechte Dritter, S. 129 ff.; Salje, ZIP 1989, 1526, 1529; vgl. auch Müller/ Wolff, GmbHR 2003, 811, 816 Fn. 67; ebenfalls in diese Richtung, aber mit dem Vorbehalt, dass die Gesellschafter dieses Zustimmungsorgan wieder abschaffen können müssen, Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 477; Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 331. 79 Stellvertretend zur GmbH: RGZ 169, 65, 80 f.; BGHZ 43, 261, 264; Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1316 f.; Zimmermann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 53 Rdn. 35; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 53 Rdn. 84 f.; Reuter, FS 100 Jahre GmbHG, S. 631, 638 f.; für die Personengesellschaft: Wiedemann, FS Schilling, S. 105, 112; Voormann, Beirat, S. 122 f.
C. Gruppenvertretung – Gruppenorgan – Gesamtorgan
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dem Satzungsgeber anheim stellt, „weitere Erfordernisse“ aufzustellen, bezieht sich das nach sowohl zutreffender wie auch ganz herrschender Auffassung allein auf das Beschlussverfahren oder das Zustimmungsquorum, erlaubt aber gerade nicht die Beteiligung Dritter80 .
C. Gruppenvertretung – Gruppenorgan – Gesamtorgan Unproblematisch als Organ einzuordnen sind solche gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Einrichtungen, die ihre Kompetenzen von der Gesamtheit der Gesellschafter ableiten und ihre Aufgaben daher am Gesellschaftsinteresse auszurichten haben. Wie im letzten Abschnitt gezeigt werden konnte, handelt es sich dabei jedenfalls insofern um eine verbindliche Vorgabe, als gesellschaftsfremden Dritten nicht das Recht eingeräumt werden kann, mittels einer organschaftlichen Stellung ihre eigenen Interessen in der Gesellschaft durchzusetzen. Eine andere Frage ist indessen, ob die Organeigenschaft stets die Interessenwahrnehmung für den Gesamtverband voraussetzt oder ob nicht vielmehr neben solchen Gesamtorganen auch Gruppenorgane 81 anzuerkennen sind, die als Sachwalter einer Gesellschaftergruppe lediglich deren Interessen zu wahren haben. Der Wunsch nach einer solchen Gestaltung kann zwar letztlich bei allen Gesellschaftsformen aufkommen. Zu denken wäre etwa an einen Beirat in einer GmbH, der gebündelt die Rechte und Interessen eines Gesellschafterstammes zu Geltung bringen soll. Ein besonderes Bedürfnis nach Repräsentation einer bestimmten Gruppe von Gesellschaftern besteht jedoch in Mehrklassengesellschaften, also bei solchen Gesellschaftsformen, bei denen kraft Gesetzes verschiedene Gesellschaftergruppen mit unter Umständen erheblich divergierenden Interessen aufeinander treffen. So können namentlich die lediglich kapitalistisch beteiligten Kommanditisten einer KG und die Kommanditaktionäre einer KGaA den Wunsch hegen, mittels eines speziellen Gremiums ihre Interessen gegenüber den unternehmerisch engagierten und mit einer erheblichen Machtfülle ausgestatteten Komplementären zu wahren. Ob solche Einrichtungen Gesellschaftsorgane sein können, soll im Folgenden erörtert werden.
I. Obligatorische Gruppenvertretung 1. Vertreterklausel als Zwang zur einheitlichen Rechtsausübung In den Blick gerät dabei zunächst das Rechtsinstitut der obligatorischen Gruppenvertretung. Bisweilen ordnet der Gesellschaftsvertrag an, dass mehrere zu 80 81
Vgl. nur Ulmer, FS Wiedemann, S. 1297, 1316; Scholz/Priester, GmbHG, § 53 Rdn. 87 f. Die Terminologie stammt von Wiedemann, FS Schilling, S. 105, 108.
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§ 6 Handlungsmaxime
einer Gruppe gehörende Gesellschafter – etwa alle Kommanditisten oder ein Familienstamm – ihre Mitgliedschaftsrechte nicht mehr selbständig, sondern nur noch durch einen gemeinsamen Vertreter wahrnehmen dürfen 82 . Ihren charakteristischen Nutzen entfaltet diese obligatorische Gruppenvertretung immer dann, wenn die schlichte Vielzahl der Gesellschafter eine straffe Willensbildung gefährdet und damit für die Gesellschaft zum Problem wird83 . Das betrifft neben den Publikums-Kommanditgesellschaften mit ihrer wesensmäßig großen Zahl von Anlegern84 vor allem als Personengesellschaften organisierte Familiengesellschaften, bei denen die Erbfolge zu einer Zersplitterung der Anteile führt 85 . Die Vertreterklausel hindert die betroffenen Gesellschafter daran, ihre Rechte in der Gesellschaft selbst wahrzunehmen. Sie müssen zwar keinen gemeinsamen Vertreter bestellen, unterlassen sie es jedoch, können sie an der Willensbildung der Gesellschaft nicht teilnehmen86 . Weil die angestrebte Mediatisierung der Mitwirkungsrechte nur dann vollständig erreicht wird, wenn der eine Vertreter für die gesamte Gruppe mit einer Stimme spricht, ist einer solchen Klausel weiterhin nicht nur das Verbot zu entnehmen, die Gesellschafterrechte persönlich wahrzunehmen, sondern darüber hinaus auch das Gebot, diese durch den gemeinsamen Vertreter einheitlich ausüben zu lassen87. Die betroffenen Gesellschafter sind dann darauf beschränkt, den Posten des Vertreters zu besetzen und ihm Weisungen zu erteilen88 . Wiewohl die gesamte Konstruktion im Hinblick auf das Abspaltungsverbot nicht unproblematisch ist 89 , wird die Vertreterklausel heute bei der GmbH und im Hinblick auf nicht persönlich haftende Personengesellschafter durchweg anerkannt90 . Übereinstimmung über ihren Rechtscharakter wurde dabei allerdings nicht erzielt.
82
Zur Abgrenzung zu Pool-Vereinbarungen s. Odersky, FS Lutter, S. 559, 562 ff. Eingehend dazu BGHZ 46, 291, 293. 84 Vgl. dazu Heymann/Horn, HGB, § 164 Rdn. 16; MünchKommHGB/Grunewald, § 161 Rdn. 162. 85 Vgl. zur Sondererbfolge der Miterben BGHZ 22, 186, 192 f.; 68, 225, 227; BGH NJW 1996, 1284, 1285; NJW 1999, 571, 572; MünchKommBGB/Ulmer, § 727 Rdn. 33; Baumbach/ Hopt, HGB, § 139 Rdn. 14. 86 Vgl. Schlegelberger/Martens, § 161 Rdn. 79; Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 47 Rdn. 106. 87 BGHZ 46, 291, 294. 88 Str. ist allein, ob das Weisungsrecht disponibel ist, dafür etwa MünchKommHGB/Grunewald, § 161 Rdn. 171, dagegen Flume, Personengesellschaft, § 14 V (S. 224). 89 Dazu eingehend Westermann, Vertragsfreiheit, S. 357 ff.; Reuter, Schranken der Perpetuierung, S. 213 ff. 90 Vgl. BGHZ 46, 291, 294 ff.; BGH WM 1989, 63, 64; BGHZ 119, 346, 353; OLG Düsseldorf ZIP 1994, 1447; Baumbach/Hopt, HGB, § 164 Rdn. 6; Schlegelberger/Martens, HGB, § 161 Rdn. 80; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 I 6 (S. 327); K. Schmidt, ZHR 146 (1982), 525, 530 ff.; Flume, Personengesellschaft, § 14 V (S. 222); Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 48 Rdn. 26 f.; einschränkend Reuter, Schranken der Perpetuierung, S. 221. 83
C. Gruppenvertretung – Gruppenorgan – Gesamtorgan
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2. Organ der Gesellschaft oder Vertreter der Gesellschafter Einer grundlegenden Analyse hat zunächst Wiedemann die Vertreterklausel unterzogen und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass entgegen dem Anschein der Bezeichnung kein Fall rechtsgeschäftlicher Vertretung vorliege, sondern der Vertreter als gesellschaftliches Organ eingesetzt werde 91. Wer sich nämlich wie die betroffenen Gesellschafter in der Ausübung seiner Verwaltungsbefugnisse ständig „vertreten“ lassen müsse, verliere in Wahrheit diese Befugnis. Ausgeschlossen sei in diesem Zusammenhang eine Übertragung an den Vertreter als natürliche Person, weil das eine verbotene Abtretung von Mitgliedschaftsrechten wäre. Möglich, und für jede Verbandsorganisation geradezu typisch, sei hingegen die Einbuße von Mitwirkungsrechten an ein Organ der Gesellschaft92 . Weil die Organisation der Vertretung damit Bestandteil der Verfassung der Gesellschaft sei, könne sie nur von allen Gesellschaftern eingeführt, erweitert, geändert oder beseitigt werden, wohingegen den vertretenen Gesellschaftern nur insofern Raum zu eigener Gestaltung bleibe, als das Statut der Gesellschaft dies vorsehe 93 . Aufgegriffen hat diese Konzeption sodann Bälz in seiner Untersuchung über Treuhandverhältnisse in der Publikums-KG 94 . Bei publikumsgesellschaftlicher Ausgestaltung der KG greife die Vorstellung zu kurz, der unechte 95 Treuhänder repräsentiere als „Vertreter“ die Kommanditisten; vielmehr sei er als weiteres Organ der Gesellschaft zu qualifizieren. Entscheidend hierfür sei, dass der Publikumstreuhänder Aufgaben für die Gesellschaft als solche wahrnehme. Während man daran noch zweifeln könne, wo es sich nur um einen Vertreter für einzelne Kommanditisten einer kleineren oder mittleren KG handele, werde der Verwalter in einer Massengesellschaft mit dem Ziel tätig, die Leitung der Gesellschaft von der laufenden Auseinandersetzung mit einer Vielzahl von Anlegern zu entlasten96 . Nur durch eine solche kollektive Repräsentation auf Gesellschaftsebene werde die Publikumsgesellschaft überhaupt funktionsfähig. Demgegenüber hält die herrschende Meinung daran fest, dass der Vertreter Bevollmächtigter der Gruppenmitglieder und nicht Organ der Gesellschaft
91 Wiedemann, Übertragung, S. 389; ders., Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 I 6 (S. 327); daneben Schlegelberger/Martens, HGB, § 161 Rdn. 81: nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall eine solche gesellschaftsrechtliche Verfassung der Gruppenvertretung vereinbart wird. 92 Ebenfalls für eine Überwindung des Abspaltungsverbots mittels des Organgedankens Bälz, ZGR 1980, 1, 75. 93 So Wiedemann, Übertragung, S. 388; zustimmend Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 77. 94 Bälz, ZGR 1980, 1, 58 ff. 95 Anders als bei der echten Treuhand werden dort die Gesellschaftsanteile nicht auf den Treuhänder übertragen, vgl. dazu MünchKommHGB/Grunewald, § 161 Rdn. 103, 105; MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 85. 96 Bälz, ZGR 1980, 1, 59; insoweit zustimmend Maulbetsch, Beirat, S. 192.
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sei97. Nur weil es sich wirklich um einen weisungsgebundenen Vertreter handele, lasse sich das Institut mit dem Abspaltungsverbot vereinbaren98 . Im Übrigen habe der Vertreter lediglich die Belange eines Teils der Gesellschafter zu wahren und könne schon mangels Tätigwerdens im Verbandsinteresse kein Organ sein99. Die Verankerung der Vertreterklausel im Gesellschaftsvertrag erschöpft sich demzufolge darin, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen die betroffenen Mitgliedschaftsrechte ausgeübt werden können. Im Übrigen sei es – im diametralen Gegensatz zu der Position von Wiedemann100 – allein Sache der Gruppe selbst, sich und die Rechtsbeziehungen zu ihrem Vertreter zu organisieren und daraus ergebende Rechte geltend zu machen101.
II. Gruppenvertreter als Sonderfall eines Gruppenorgans Der Streit um die zutreffende Einordnung der Vertreterklausel ist im größeren Zusammenhang einer Diskussion zu sehen, die sich mit der Anerkennung so genannter Gruppenorgane befasst. Wäre der obligatorische Gruppenvertreter als Organ der Gesellschaft zu qualifizieren, so wäre damit nämlich zugleich klargestellt, dass die Ausrichtung auf das Verbandsinteresse im Hinblick auf das Organverständnis nicht konstitutiv ist und die ausschließliche Wahrnehmung der Interessen einer Gruppe von Verbandsmitgliedern die Bejahung einer Organstellung nicht ausschließt. Die keineswegs spektakuläre Eigentümlichkeit der klassischen Vertreterklausel wäre, dass durch sie ein mit nur einem Organwalter besetztes Organ geschaffen würde; zulässig wären dann jedoch auch Gruppenorgane mit mehreren Organwaltern in Form von Beiräten oder anders bezeichneten Gremien. Im Schrifttum wird die Frage, ob es Organe geben kann, die allein eine Gruppe von Gesellschaftern repräsentieren, verbreitet bejaht102 . Kraft Gesetzes
97 BGHZ 46, 291, 295 f.; Flume, Personengesellschaft, § 14 V (S. 222); Staub/Schilling, HGB, § 163 Rdn. 15; K. Schmidt, ZHR 146 (1982), 525, 531, 537; ders., Gesellschaftsrecht, § 21 II 5c (S. 623); Staub/Ulmer, HGB, § 109 Rdn. 53; MünchKommHGB/Enzinger, § 119 Rdn. 54; vgl. auch Herfs, Einwirkung Dritter, S. 69; speziell zur unechten Publikumstreuhand auch Maulbetsch, Beirat, S. 193; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 505 f. 98 So Flume, Personengesellschaft, § 14 V (S. 222); K. Schmidt, ZHR 146 (1982), 525, 531. 99 So Staub/Ulmer, HGB, § 109 Rdn. 53; Staub/Schilling, HGB, § 163 Rdn. 18; Grundmann, Treuhandvertrag, S. 506. 100 Vgl. Fn. 93. 101 Vgl. dazu K. Schmidt, ZHR 146 (1982), 525, 538; Immenga, ZGR 1974, 385, 396. 102 Grundlegend Wiedemann, FS Schilling, S. 105, 108 f.; daneben ders., Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 7 II 1b (S. 371); Burgard, Gestaltungsfreiheit, S. 273; Hölters, BB 1977, 105, 106; ders., DB 1980, 2225, 2226; Voormann, Beirat, S. 63 ff.; GroßKommAktG/Assmann/Sethe, § 287 Rdn. 116, 138 ff.; dies., FS Lutter, S. 251, 278; Ulmer/Raiser/Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 322 ff.; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 52 Rdn. 51; Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rdn. 39c; MünchKommHGB/Enzinger, § 119 Rdn. 55.
C. Gruppenvertretung – Gruppenorgan – Gesamtorgan
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primär als Gruppenorgan konzipiert sei der Aufsichtsrat der KGaA103 . Dieser habe zwar zunächst gemäß §§ 278 Abs. 3, 112 AktG die Überwachungs- und Kontrollaufgaben des aktienrechtlichen Aufsichtsrats zu erfüllen und sei insofern Gesamtorgan. Soweit er jedoch daneben nach § 287 Abs. 1 und 2 AktG die Beschlüsse der Kommanditaktionäre ausführe und diese gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern vertrete, fungiere er als Interessenvertretung einer Gesellschaftergruppe. Terminologisch werfe das kein Problem auf, wenn man nur den nirgendwo positiv verankerten materiellen Organbegriff hinter sich lasse und in einem funktionalen oder formellen Sinne als Organ jede Person oder Personengruppe anerkenne, der die gebündelte Wahrnehmung von Rechten im Rahmen der Verbandsorganisation zugewiesen sei104 . Ein einheitliches Meinungsbild ist indessen auch innerhalb des Kreises der Verfechter von Gruppenorganen nicht zu verzeichnen. Während die einen – wie oben näher ausgeführt105 – den obligatorischen Gruppenvertreter stets als Gruppenorgan einordnen wollen, unterscheiden andere zwischen einem gruppenorganschaftlichen Beirat und der Gruppenvertretung. Demnach mache eine vertragsrechtliche Konzeption mit einem rechtsgeschäftlichen Vertreter, der allein seinen Auftraggebern gegenüber verantwortlich sei, Sinn, wenn lediglich ein Vertreter bestellt werde, der nach den Weisungen der von ihm vertretenen Gesellschafter handele. Würden die Interessen der Gesellschaftergruppe hingegen von einem Kollektiv wahrgenommen, das nach dem Mehrheitsprinzip entscheide, handele es sich der Sache nach um organschaftliche Repräsentation. Die Vorstellung, als Bevollmächtigter fungiere dann die jeweilige Mehrheit eines mehrköpfigen Gremiums, sei zwar theoretisch denkbar, konstruktiv aber der falsche Weg106 . Uneinigkeit besteht jedoch vor allem über die zutreffende Bestimmung der Pflichtenbindung der Organmitglieder. Nach der einen Strömung ist es ihre Aufgabe, die Belange der von ihnen repräsentierten Gruppe im Rahmen des organschaftlichen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses in besonderem Maße zur Geltung zu bringen. Träten jedoch die genannten Sonderinteressen in einen unlösbaren Konfl ikt mit dem Unternehmensinteresse, gehe letzteres in jedem Fall vor107. Damit ist dem Begriff des Gruppenorgans allerdings seine eigentliche Sprengkraft genommen, da es ungeachtet verschiedener Ak103
So Ulmer/Raiser/Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 322; Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rdn. 39 c; s. dazu eingehend unten III 3. 104 So Wiedemann, FS Schilling, S. 105, 109; Voormann, Beirat, S. 65 f. 105 S. oben I 2. 106 Voormann, Beirat, S. 65; Ulmer/Raiser/Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 325; vgl. zur Differenzierung von Gruppenorgan und Gruppenvertretung auch GroßKommAktG/Assmann/Sethe, § 287 Rdn. 116. 107 Ulmer/Raiser/Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 373; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 52 Rdn. 51; Michalski/Heyder, GmbHG, § 52 Rdn. 415; Hofbauer, Kompetenzen des Beirats, S. 55 ff.
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§ 6 Handlungsmaxime
zente keinen prinzipiellen Unterschied zwischen den Mitgliedern eines Gesamtorgans und denen eines Gruppenorgans gäbe. Die folgende Erörterung beschränkt sich daher auf diejenige Gegenströmung, die in konsequenter Fortsetzung des Grundgedankens der Gruppenrepräsentation annimmt, Gruppenorgane seien von der Verpflichtung auf das Gesellschaftsinteresse entbunden und sollten statt dessen in erster Linie die Belange der betroffenen Gesellschaftergruppe wahrnehmen108 .
III. Auswirkungen des materiellen Organbegriffs 1. Unzulässigkeit von Gruppenorganen Die Auseinandersetzung mit der Frage, ob Gruppenorgane in dem soeben beschriebenen Sinne anzuerkennen sind, kann an diejenigen Ergebnisse anknüpfen, die im vorigen Abschnitt im Zusammenhang mit der Diskussion um die Zulässigkeit statutarischen Dritteinflusses gewonnen wurden. Zurückgewiesen wurde dort der auch von den Verfechtern der Existenz von Gruppenorganen propagierte formelle Organbegriff, dem zufolge Organe sich nicht durch Zielsetzung und Verhaltensmaßstab, sondern allein durch die Wahrnehmung von Rechten und Pflichten im Rahmen der Verbandsorganisation auszeichnen. Maßgeblich für ein materielles, der gänzlichen Ablösung vom Verbandsinteresse entgegenstehendes Verständnis sprach dabei die Erwägung, dass die Organe gerade deswegen die Handlungsfähigkeit des Verbandes herstellen sollen, damit dieser seinen Zweck verwirklichen kann109. Vor diesem Hintergrund ist aber nicht nur eine Ausrichtung an Drittinteressen, sondern auch die Verfolgung verbandsinterner Partikularinteressen problematisch. Weil das Organ Aufgaben für den Verband als solchen wahrnehmen soll, muss es seine Kompetenzen originär aus dem Gesetz oder dem Statut herleiten. Wie der BGH im Hinblick auf ein fakultatives Organ einer Personengesellschaft zutreffend formuliert hat, handelt es sich um einen Träger von Funktionen, die sich aus dem gemeinsamen Recht aller Gesellschafter herleiten110 . Schon aus funktionaler Sicht ist es daher undenkbar, dass ein Organ seine Rechtsstellung lediglich von einer Gruppe von Verbandsmitgliedern ableitet. Aufmerksamkeit verdient daneben der das gesamte Verbandsgeschehen beherr108
Wiedemann, FS Schilling, S. 105, 109; Voormann, Beirat, S. 148; Hölters, BB 1977, 105, 108. Str. ist innerhalb dieser Strömung weiterhin, ob die Organwalter des Gruppenorgans nur gegenüber den Mitgliedern der betreffenden Gruppe haften, so etwa MünchHdbAG2 /Herfs, § 77 Rdn. 63, oder ob auch eine Haftung gegenüber der Gesellschaft in Betracht kommt, so etwa Voormann, Beirat, S. 207. 109 Vgl. oben B III 2a. 110 BGH WM 1968, 98; zustimmend U. H. Schneider, DB 1973, 953, 954; Herfs, Einwirkung Dritter, S. 69 f.; Grote, Anlegerschutz, S. 65; mit Einschränkungen auch Maulbetsch, Beirat, S. 65; Wiedemann, FS Schilling, S. 105, 108 f. meint dagegen, die Ausführungen des BGH bezögen sich nur auf den gegebenen Sachverhalt.
C. Gruppenvertretung – Gruppenorgan – Gesamtorgan
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schende Charakter des Verbandszwecks. Weil die privaten Personenverbände nur als Zweckverbände Anerkennung finden, darf es keinen Bereich geben, der nicht der von ihm ausgehenden Verhaltenssteuerung unterliegt. Eine Ausrichtung an den Belangen einzelner Verbandsmitglieder oder einer Gruppe von ihnen genügt diesem Erfordernis nicht, da der Verbandszweck, aus dem die Verbandsinteressen im Einzelfall abzuleiten sind, ein überindividueller ist und keineswegs in jedem Fall mit den konkreten und aktuellen Interessen der einzelnen Verbandsmitglieder übereinstimmen muss111. Deswegen können solche Personen oder Gremien, denen lediglich die einseitige Interessenwahrung zugunsten einer Gruppe obliegt, unabhängig von Art und Umfang der ihnen übertragenen Funktionen, ein Organ schon mangels Tätigwerden im Verbandsinteresse nicht sein112 . Diese Einsicht findet sich durch einen Blick auf die Rechtsfolgen der Organschaft bestätigt. Da das Organ eine Einrichtung des Verbandes ist, werden die Organwalter auch nur diesem gegenüber berechtigt und verpfl ichtet. Dass aber unmittelbar gegenüber dem Verband eine rechtlich bewehrte Pflichtenstellung besteht, deren Inhalt nicht mit Hilfe seiner Interessen zu konkretisieren ist, sondern sich an den Belangen einer ausgewählten Gruppe von Mitgliedern ausrichtet, ist dogmatisch wie sachlich kaum nachvollziehbar113 . Abgesehen davon, dass es in solchen Fällen an einem Schaden fehlen dürfte, kann doch das Organmitglied unmöglich dem Verband gegenüber verantwortlich sein, wenn gar nicht sein Interesse, sondern lediglich dasjenige einzelner Verbandsmitglieder beeinträchtigt wurde. Im Gegenzug vermag es nicht zu überzeugen, den Verband im Rahmen des § 31 BGB für das Verhalten eines solchen Partikulargremiums einstehen zu lassen114 . Nach dem Grundgedanken dieser Vorschrift ist es angemessen, dass dem Verband nicht nur die Vorteile des Handelns seiner Organpersonen zugute kommen, sondern auch die dabei einem Dritten zugefügten Nachteile aus seinem Vermögen ausgeglichen werden115 . Das aber wiederum ist nur gerechtfertigt, wenn die Organwalter dem Verbandsinteresse verpflichtet sind und für ein dem widersprechendes Verhalten im Innenverhältnis strikt haften. Insgesamt ist daher mit der wohl überwiegenden Meinung im Schrifttum die Zulässigkeit von Gruppenorganen abzulehnen116 . In dieselbe Richtung zielt die
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K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 II 1a (S. 61); Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 138 ff. So zutreffend Staub/Ulmer, HGB, § 109 Rdn. 53; Maulbetsch, Beirat, S. 56. 113 Abweichend Voormann, Beirat, S. 207; Hölters, BB 1977, 105, 111; vgl. auch GroßKommAktG/Assmann/Sethe, § 287 Rdn. 140; konsequenter MünchHdbAG2 /Herfs, § 77 Rdn. 63: Haftung gegenüber den Mitgliedern der Gruppe; vgl. dazu noch unten 3 b). 114 Zutreffend Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 147. 115 S. dazu eingehend oben § 4 B II 1. 116 Hüffer, ZGR 1980, 320, 321 f.; Staub/Ulmer, HGB, § 109 Rdn. 53; Reuter, FS 100 Jahre GmbHG, S. 631, 635 f. Fn. 20; Maulbetsch, Beirat, S. 56; Rohleder, GmbH-Beiräte, S. 21; U. H. 112
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Rechtsprechung des BGH117, die im Hinblick auf im Gesellschaftsvertrag einer KG vorgesehene Gremien zu Recht streng danach unterscheidet, ob diese ein gewillkürtes Gesellschaftsorgan oder aber Sachwalter des Grupppeninteresses der Kommanditisten sind. Handelt es sich um ein Gesellschaftsorgan, stehen die Mitglieder in einem Rechtsverhältnis (nur) zur KG und sind zur Förderung des Gesellschaftsganzen verpflichtet. Im anderen Fall, das Gremium ist dann treffend als bloßer Kommanditistenausschuss anzusprechen118 , kommen ihm keine originären Kompetenzen zu. Weil dort vielmehr allein die Mitwirkungsund Kontrollrechte der Kommanditisten gebündelt werden, bestehen schadensersatzbewehrte Pflichten auch nur ihnen gegenüber. Was im Einzelfall gewollt ist, muss durch Auslegung ermittelt werden; im Zweifel allerdings sind die betreffenden „Beiräte“ oder „Aufsichtsräte“ Organ der Gesellschaft119. Nicht einmal der Umstand, dass deren Mitglieder ausschließlich von einer Gruppe von Gesellschaftern entsandt oder gewählt werden, schließt die Verpflichtung zur Förderung des Gesellschaftsganzen und damit die Organeigenschaft aus120 . Die Interessen dieser Gruppe werden dann dadurch gewahrt, dass die Förderung des gemeinsamen Zwecks mittelbar auch ihnen zugute kommt. Besonders nahe jedoch liegt die Organstellung, wenn die Mitglieder der Einrichtung von allen Gesellschaftern gewählt werden oder dort auch Vertreter anderer Gruppen von Gesellschaftern repräsentiert sind121. Den gleichen Schluss rechtfertigt die Anlehnung an den aktienrechtlichen Aufsichtsrat sowie ganz allgemein die Einräumung weitreichender Kontroll- und Zustimmungsbefugnisse in Geschäftsführungsfragen122 . Können hingegen nur Kommanditisten Beiratsmitglieder werden, so ist eher von einem nichtorganschaftlichen Kommanditistenausschuss auszugehen.
Schneider, DB 1973, 953, 954 f.; Herfs, Einwirkung Dritter, S. 70 Fn. 41; Reusch, Die stille Gesellschaft als Publikumspersonengesellschaft, S. 200; Schütz, Sachlegitimation, S. 114. 117 BGH NJW 1975, 1318 f. (insoweit nicht in BGHZ 64, 238); BGH WM 1983, 555, 556 f.; BGH NJW 1985, 1900; vgl. auch BGH WM 1968, 98; BGH NJW 1977, 2311; BGHZ 87, 84, 86. 118 Im Anschluss an Hüffer, ZGR 1980, 320, 322. 119 So auch BGH NJW 1985, 1900; Baumbach/Hopt, HGB, § 163 Rdn. 12. 120 Hölters, Beirat, S. 36; Maulbetsch, Beirat, S. 58; Rohleder, GmbH-Beiräte, S. 19; s. zum Aufsichtsrat der KGaA unter 3. 121 S. dazu BGH NJW 1975, 1318 f.; U. H. Schneider, DB 1973, 953, 955; Hüffer, ZGR 1980, 320, 322. 122 Zu weitgehend aber Rohleder, GmbH-Beiräte, S. 20, der bei Zustimmungsvorbehalten stets von Organbefugnissen ausgeht, dabei aber nicht berücksichtigt, dass es sich auch um abgeleitete mitgliedschaftliche Sonderrechte handeln kann.
C. Gruppenvertretung – Gruppenorgan – Gesamtorgan
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2. Kommanditistenvertreter Da Gruppenorganen im Allgemeinen die Anerkennung zu versagen ist, steht zugleich fest, dass auch der obligatorische Gruppenvertreter im Besonderen nicht als Organ zu qualifizieren ist123 . Ebenso wie der einzelne Kommanditist oder GmbH-Gesellschafter nimmt auch der Vertreter, der in seinem Interesse tätig wird, allein mitgliedschaftliche Mitverwaltungsrechte wahr. Zwar wird die Vertreterklausel insofern Bestandteil des Organisationsrechts, als im Gesellschaftsvertrag festgelegt sein muss, unter welchen Voraussetzungen die betroffenen Mitgliedschaftsrechte gegenüber der Gesellschaft ausgeübt werden können. Im Übrigen jedoch leitet der Vertreter seine weisungsabhängige Rechtsstellung ausschließlich von den Gesellschaftern ab und steht auch nur zu ihnen in einem Rechtsverhältnis124 . Infolgedessen liegt die Ausgestaltung der Vertretungsorganisation in den Händen der Gruppe selbst; der Gesellschaftsvertrag kann keine verbindlichen Aussagen darüber treffen, wie sich die Meinungsbildung dort zu vollziehen hat125 . Der lebhaft umstrittenen Folgefrage, ob die Gruppenmitglieder, wie es der traditionellen Auffassung entspricht, den Vertreter mangels gegenteiliger Absprache nur einstimmig bestellen und abberufen können126 , oder ob, wohl überzeugend, analog § 745 BGB das Mehrheitsprinzip gilt127, kann hier nicht weiter nachgegangen werden. Um ein Problem mit Organbezug handelt es sich nach dem Gesagten nämlich gerade nicht. 3. Aufsichtsrat in der Kommanditgesellschaft auf Aktien a) Überwindung der Doppeltheorie Die bisher gewonnenen Ergebnisse sollen abschließend dazu fruchtbar gemacht werden, die Rechtsstellung des Aufsichtsrats in der KGaA näher zu untersuchen. Das ist vor allem deswegen angezeigt, weil es Gelegenheit bietet, sich mit dem bereits erwähnten Argument auseinanderzusetzen, wonach es sich bei ihm kraft gesetzlicher Vorgabe jedenfalls teilweise um ein Gruppenorgan handele 123
So zutreffend die hM, vgl. die Nachw. in Fn. 97. Nicht zur Gruppe als solcher, s. dazu Maulbetsch, Beirat, S. 57. 125 K. Schmidt, ZHR 146 (1982), 525, 542 f.; Staub/Schilling, HGB, § 163 Rdn. 17; Ulmer/ Hüffer, GmbHG, § 47 Rdn. 106; Schlegelberger/Martens, HGB, § 161 Rdn. 81; offen gelassen in BGHZ 119, 346, 353; aA Wiedemann, Übertragung, S. 388; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 77; Flume, Personengesellschaft, § 14 V (S. 228); MünchKommHGB/Grunewald, § 161 Rdn. 172. 126 So BGHZ 46, 291, 295, 297; im Grundsatz auch BGH ZIP 2004, 2282, 2284; zustimmend etwa Flume, Personengesellschaft, § 14 V (S. 225); Immenga, ZGR 1974, 385, 396; Schlegelberger/Martens, HGB, § 161 Rdn. 85; vgl. auch Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 77 f. 127 Grundlegend K. Schmidt, ZHR 146 (1982), 525, 545 f., 552 f.; daneben ders., in: MünchKommBGB, § 741 Rdn. 76; zustimmend Staub/Schilling, HGB, § 163 Rdn. 17; Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, Rdn. 538; in diese Richtung ebenfalls BGHZ 119, 346, 354; OLG Düsseldorf ZIP 1994, 1447. 124
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und deren Existenz daher nicht negiert werden könne128 . Die Charakterisierung als allenfalls partielles Gruppenorgan ist dabei dem Umstand geschuldet, dass wie die KGaA als Ganzes auch ihr Aufsichtsrat im Spannungsfeld zwischen dem Recht der AG und dem der KG steht. Als Ausfluss der aktienrechtlichen Komponente hat er, wie aus § 278 Abs. 3 AktG abzuleiten ist, zunächst die Aufgabe, die Geschäftsführung zu kontrollieren. Seine Einwirkungsmöglichkeiten sind dabei zwar gegenüber denjenigen des Aufsichtsrats der AG beschränkt. Ihm fehlt zum einen die Personalkompetenz, also das Recht, die Mitglieder der Geschäftsführungsorgans zu bestellen und abzuberufen129. Zum anderen ist ihm selbst die nur mittelbare Partizipation an der Geschäftsführung durch Erlass einer Geschäftsordnung oder Begründung von Zustimmungserfordernissen nach § 111 Abs. 4 AktG versagt130 . Ungeachtet dessen steht außer Zweifel, dass er seine verbleibende Überwachungsaufgabe als Gesellschaftsorgan im Unternehmensinteresse wahrzunehmen hat131. Als Ausfluss der personengesellschaftsrechtlichen Komponente führt der Aufsichtsrat daneben gemäß § 287 Abs. 1 AktG die Beschlüsse der Kommanditaktionäre aus und vertritt nach Abs. 2 derselben Norm die Gesamtheit der Kommanditaktionäre in Rechtsstreitigkeiten mit den persönlich haftenden Gesellschaftern132 . Weil die KGaA ebenso wie die AG als Publikumsgesellschaft ausgelegt ist, leuchtet es in der Sache ohne weiteres ein, dass aus strukturellen wie rechtspolitischen Gründen nicht jedem einzelnen Kommanditaktionär dieselben Rechte und Klagemöglichkeiten eingeräumt werden können wie einem Kommanditisten133 . Wenngleich also die Beschränkung der Kommanditaktionäre auf eine Partizipation an den Beschlüssen der Hauptversammlung und die gebündelte Prozessführung durch den Aufsichtsrat angemessen ist, so bereitet doch die dogmatische Einordnung der gesetzlichen Regelung seit jeher Schwierigkeiten. Nach insbesondere im älteren Schrifttum vertretener Auffassung fungiert der Aufsichtsrat, sofern die in § 287 AktG verankerte Ausführungs- und Vertretungskompetenz in Rede steht, nicht als Organ der Gesellschaft, sondern als 128
S. dazu oben II mit Fn. 103. BGHZ 165, 192, 199; GroßKommAktG/Assmann/Sethe, § 287 Rdn. 38; Hüffer, AktG, § 278 Rdn. 15; Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, Rdn. 478. 130 Kallmeyer, ZGR 1983, 57, 66 ff.; Sethe, AG 1996, 289, 291; KölnKommAktG/Mertens/ Cahn, § 287 Rdn. 12; MünchHdbAG/Herfs, § 78 Rdn. 51 f.; Schlitt, Satzung der KGaA, S. 175; Schiedermair/Kolb, in: Beck’sches Handbuch der AG, § 7 Rdn. 85a. 131 GroßKommAktG/Assmann/Sethe, § 287 Rdn. 26; MünchKommAktG/Semler/Perlitt, § 287 Rdn. 57. 132 Streng von dieser Vertretungskompetenz zu unterscheiden ist die in §§ 278 Abs. 3, 112 AktG verankerte Befugnis, die Gesellschaft gegenüber den Komplementären zu vertreten; diese ist Ausfluss der aktienrechtlichen Kontrollaufgabe, s. dazu BGH ZIP 2005, 348 f.; Sethe, AG 1996, 289, 298 f.; Hüffer, AktG, § 278 Rdn. 16. 133 So zutreffend Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 23 Rdn. 42. 129
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Organ der Gesamtheit der Kommanditaktionäre134 . Dem liegt wiederum die Vorstellung zugrunde, dass die Kommanditaktionäre untereinander einen beschränkt rechtsfähigen Personenverband bilden, welcher neben die KGaA als verselbständigter juristischer Person mit den entsprechenden aktienrechtlichen Verhältnissen tritt. Dieser so genannten Doppeltheorie zufolge wäre der Aufsichtsrat daher je nach der wahrgenommenen Aufgabe bald Organ der juristischen Person, bald Organ der Gesamtheit der Kommanditaktionäre. Eine solche Konzeption mag historisch zu einer Zeit ihre Berechtigung gehabt haben, zu der die KGaA noch als Unterart der KG und nicht – wie seit dem AktG 1937 – als juristische Person angesehen wurde; heute jedoch bedarf es ihrer nicht mehr135 . Aus Sicht des geltenden Rechts dient der Begriff „Gesamtheit der Kommanditaktionäre“ allein dazu, der Hauptversammlung die Rechte eines Kommanditisten der KG einzuräumen. Er erweist sich damit als reine Kompetenzzuweisung innerhalb der Gesellschaft. Für die rechtliche Einordnung des Aufsichtsrats bedeutet dies, dass dieser nicht nur bei Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe, sondern ebenso, wenn er Beschlüsse der Hauptversammlung ausführt oder die Gesamtheit der Kommanditaktionäre gegenüber den Komplementären vertritt, als Organ der Gesellschaft handelt136 . b) Handlungsmaxime Umstritten ist dagegen weiterhin, welcher Handlungsmaxime der Aufsichtsrat bei Ausübung der Ausführungs- und Vertretungskompetenz nach § 287 AktG zu beachten hat. Manche Autoren nehmen trotz seiner Einordnung als Gesellschaftsorgan an, er nehme insofern nicht Kompetenzen der Gesellschaft, sondern uneigennützige Rechte der Kommanditaktionäre wahr und habe daher deren Interessen auch dann zu verfolgen, wenn diese mit dem Unternehmensinteresse kollidierten137. Für ein und dasselbe Organ gelte somit je nach Art der wahrgenommenen Aufgabe ein unterschiedliches Leitbild. Als nur konsequent 134 So etwa GroßKommAktG3 /Barz, § 287 Anm. 4 f.; Baumbach/Hueck, AktG, § 287 Anm. 2 f.; Steindorff, FS Ballerstedt, S. 127, 133; vgl. aber auch RGZ 74, 303; aus jüngerer Zeit Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 33 Rdn. 8. 135 Vgl. etwa Hüffer, AktG, § 287 Rdn. 1; Wichert, KGaA, S. 51; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 278 Rdn. 45, § 287 Rdn. 2; Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, Rdn. 492; mit Blick auf § 287 Abs. 2 AktG trotz Ablehnung eines Personenverbandes für Parteifähigkeit der Gesamtheit der Kommanditaktionäre MünchKommAktG/Semler/Perlitt, § 287 Rdn. 74; MünchHdbAG/Herfs, § 77 Rdn. 57. 136 Heute hM, s. BGHZ 165, 192, 199; Hüffer, AktG, § 287 Rdn. 1; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 23 Rdn. 43; MünchKommAktG/Semler/Perlitt, § 287 Rdn. 5; Mertens, FS Barz, S. 253, 255 f.; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 287 Rdn. 2; Sethe, AG 1996, 289, 300; GroßKommAktG/Assmann/Sethe, § 287 Rdn. 31; Heidel/Wichert, AktG, § 287 Rdn. 1; ders., KGaA, S. 51 f.; Zacharopoulou, KGaA und MitbestG, S. 106. 137 So namentlich MünchKommAktG/Semler/Perlitt, § 287 Rdn. 6, 60 ff. (§ 287 Abs. 1 AktG), 78 (§ 287 Abs. 2 AktG); Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, Rdn. 493; aber wohl auch Schlitt, Satzung der KGaA, S. 176.
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erscheint dann die Folgerung, die Mitglieder des Aufsichtsrats hafteten nicht der Gesellschaft, sondern vielmehr der Gesamtheit der Kommanditaktionäre, wenn sie im Rahmen des § 287 AktG ihre Pflichten verletzten138 . Zu überzeugen vermag diese Ansicht indessen nicht. Unrichtig ist schon die Behauptung, der Aufsichtsrat nehme uneigennützige Rechte der Kommanditaktionäre wahr. Zwar trifft es zu, dass die entsprechenden Rechte in der KG den Kommanditisten zugeordnet sind; das mitgliedschaftliche Mitwirkungsrecht des Kommanditaktionärs dagegen beschränkt sich auf die Teilhabe an den Beschlüssen der Hauptversammlung, während im Übrigen die Befugnisse originär der Hauptversammlung und dem Aufsichtsrat zugeordnet sind. Es ist daher in sich widersprüchlich anzunehmen, der Aufsichtsrat fungiere im Rahmen des § 287 AktG als Organ, nehme im Zuge dessen aber uneigennützige Rechte der Kommanditaktionäre wahr. Weil er richtigerweise als Organ allein für die Gesellschaft und nicht für die Kommanditaktionäre handelt, haben sich seine Mitglieder auch nur ihr gegenüber zu verantworten. Eine Haftung gegenüber der Gesamtheit der Kommanditaktionäre harmoniert wiederum allein mit dem überholten Ansatz, wonach der Aufsichtsrat deren Organ ist139. Was die Belange der Kommanditaktionäre angeht, so hat der Aufsichtsrat diese durchaus in besonderer Weise zu berücksichtigen und grundsätzlich auch durchzusetzen. Das eigennützige Interesse dieser Gesellschaftergruppe darf freilich nie alleiniger Maßstab seines Handelns sein. Ein Gruppenorgan in dem Sinne, dass dieses primär nicht das Gesellschaftsinteresse, sondern partikuläre Interessen einer Gesellschaftsgruppe zu wahren hat, ist, wie oben unter 2. näher begründet wurde, mit allgemeinen Grundwertungen des geltenden Verbandsrechts unvereinbar. Für den obligatorischen Aufsichtsrat kommt im Vergleich zu den dort behandelten fakultativen Beiräten ein weiterer Gesichtspunkt hinzu. Unterliegt die KGaA der unternehmerischen Mitbestimmung, so sind die Arbeitnehmervertreter innerhalb des Gremiums auch an Entscheidungen beteiligt, die die Ausführungs- und Vertretungskompetenz betreffen140 . Darüber, ob das rechtspolitisch glücklich ist oder es vorzugswürdig wäre, für die Funktionen nach § 287 AktG ein nur mit Vertretern der Anteilseignerseite zu besetzendes Organ vorzusehen, kann man trefflich streiten141. Dass aber die Arbeitnehmervertreter nach geltendem Recht vorrangig dem Interesse der Kommanditaktionäre verpflichtet sein sollen, ist wenig überzeugend und kann daher vom Gesetzgeber kaum beabsichtigt gewesen sein142 . Diese spezifisch 138
MünchKommAktG/Semler/Perlitt, § 287 Rdn. 63. Konsequent etwa GroßKommAktG3 /Barz, § 287 Anm. 7. 140 S. zur Mitbestimmung in der KGaA im Überblick MünchHdbAG/Herfs, § 78 Rdn. 59 ff.; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, § 1 MitbestG Rdn. 38 ff. 141 Vgl. dazu KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 287 Rdn. 3. 142 Vgl. dazu pointiert Mertens, FS Barz, S. 253, 255 f.: Tatbestand absurden Rechts; der Sache nach ebenso Heidel/Wichert, AktG, § 287 Rdn. 1; Zacharopoulou, KGaA und MitbestG, S. 104 ff. 139
D. Zusammenfassung
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mitbestimmungsrechtlichen Überlegungen decken sich mit den allgemeinen Lehren des Verbandsrechts, denen zufolge ein Verwaltungsorgan ebenfalls zwingend im Verbandsinteresse tätig zu werden hat. Im dem praktisch durchaus denkbaren Widerstreit zwischen dem Gruppeninteresse der Kommanditaktionäre und dem Gesellschaftsinteresse haben daher die Mitglieder des Aufsichtsrats dem letzteren den Vorzug zu gewähren143 . Sollten sie also zur Erkenntnis gelangen, dass die Ausführung eines Hauptversammlungsbeschlusses oder ein von den Kommanditaktionären angestrebter Prozess dem Gesellschaftsinteresse offenkundig widerspricht, so findet ihre Folgepflicht Grenzen. Ebenso wie der Vorstand einer AG, der nach § 83 Abs. 2 AktG verpflichtet ist, Hauptversammlungsbeschlüsse auszuführen, haben sie unter den Voraussetzungen des § 245 Nr. 5 AktG solche rechtswidrigen Beschlüsse anzufechten, von denen nach Lage der Dinge zu erwarten ist, dass ihre Umsetzung zu einer Schädigung der Gesellschaft führt144 . Von dem Vollzug der Maßnahme hat der Aufsichtsrat auch dann abzusehen, wenn der Beschluss ursprünglich im Einklang mit dem Gesetz und der Satzung stand, aber infolge veränderter Umstände seine Ausführung der Gesellschaft nunmehr Schaden zufügen würde145 . Weigert sich der Aufsichtsrat unter Berufung auf das Gesellschaftsinteresse, einen Rechtsstreit gegen die persönlich haftenden Gesellschafter zu führen, so steht es den Kommanditaktionären gemäß § 287 Abs. 2 AktG ausdrücklich frei, einen besonderen Vertreter im Sinne von § 147 AktG zu bestellen. Auch bei ihm handelt es sich indes um ein Organ der Gesellschaft146 , das nicht dem Gesellschaftsinteresse zuwider handeln darf147.
D. Zusammenfassung Dem organschaftlichen Zurechnungsmechanismus ist eine Ausrichtung auf das aus dem Verbandszweck abgeleitete Verbandsinteresse zwar nicht wesenseigen. So auch BGHZ 165, 192, 199; KölnKommAktG1 /Mertens, § 287 Rdn. 17; MünchHdbAG/Herfs, § 78 Rdn. 58; GroßKommAktG/Assmann/Sethe, § 287 Rdn. 66 (zu § 287 Abs. 2 AktG), im Hinblick auf § 287 Abs. 1 AktG halten Assmann/Sethe einen Interessenkonfl ikt für ausgeschlossen aaO Rdn. 52; ebenso KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 287 Rdn. 17. 144 Ebenso KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 287 Rdn. 17; vgl. zum Vorstand (§ 245 Nr. 4 AktG) MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 93 Rdn. 112; Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 11 Rdn. 93; ders., BB 2005, 2025, 2030; GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rdn. 92; weitergehend für generelle Pfl icht zur Klageerhebung Servatius, Strukturmaßnahmen als Unternehmensleitung, S. 348 ff. 145 Vgl. GroßKommAktG/Habersack, § 83 Rdn. 13; KölnKommAktG/Mertens, § 83 Rdn. 7. 146 Näher dazu § 3 A I. 147 Offenbar aA GroßKommAktG/Assmann/Sethe, § 287 Rdn. 66; MünchHdbAG/Herfs, § 78 Rdn. 58. 143
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§ 6 Handlungsmaxime
Das zeigt der Umstand, dass die Mitgliederversammlung einer juristischen Person im Wege organschaftlicher Willensbildung zweckändernde Beschlüsse fassen kann, in aller Deutlichkeit. Für die Tätigkeit der anderen Organe, also namentlich für die Geschäftsführungs-, Aufsichts- und Beratungsorgane jedoch ist die Verpflichtung auf das Verbandsinteresse prägend. Anders als der Mitgliederversammlung ist es ihnen aufgrund ihrer Funktion und der innergesellschaftlichen Zuständigkeitsverteilung versagt, über den Verbandszweck zu disponieren. Hiervon dürfen die Verbandsmitglieder auch unter Berufung auf den Grundsatz der Privatautonomie nicht abweichen. Kraft zwingenden Rechts können daher solche Einrichtungen, die es verbandsfremden Dritten erlauben sollen, ihre eigenen Interessen durchsetzen, unabhängig von der übertragenen Aufgabe nicht Organ des Verbandes sein. Das wiederum setzt der Möglichkeit enge Grenzen, für Dritte satzungsmäßige Mitwirkungsrechte vorzusehen. Da eine Einräumung von subjektiven Rechten nur zugunsten von Verbandsmitgliedern möglich ist, Dritte hingegen allein als Organmitglieder an der Verwaltung beteiligt sein können, muss sichergestellt sein, dass sie die entsprechenden Befugnisse tatsächlich fremdnützig im Sinne des Verbandes ausüben. Problematisch ist aber auch das Konzept des so genannten Gruppenorgans. Soweit damit lediglich zum Ausdruck gebracht werden soll, dass dessen Mitglieder die Belange der von ihnen repräsentierten Gruppe von Gesellschaftern besonders zu berücksichtigen haben, ist die Begriffsbildung zwar konsensfähig, aber wenig aussagekräftig. Die weitergehende These, ein solches Gruppenorgan habe die entsprechenden Partikularinteressen selbst unter Preisgabe des Gesellschaftsinteresses zu verfolgen, ist dagegen strikt abzulehnen. Das gilt auch für den Aufsichtsrat der KGaA. Nach zutreffender moderner Auffassung handelt er stets, also nicht nur im Rahmen seiner Überwachungsaufgabe, sondern auch bei der Ausübung der Ausführungs- und Vertretungsbefugnis nach § 287 AktG als Organ der Gesellschaft. Er ist daher im Konfliktfall verpflichtet, die Belange der Kommanditaktionäre hinter denen der Gesellschaft zurückzustellen. Ist tatsächlich eine Interessenvertretung im engeren Sinne gewollt, muss die Gruppe für die gemeinsame Wahrnehmung ihrer Rechte einen rechtsgeschäftlichen Vertreter bestellen. Hierzu kann sie durch Anordnung der obligatorischen Gruppenvertretung auch gezwungen werden.
§ 7 Organschaftliche Eingliederung außenstehender Instanzen Nicht immer wirken allein die in Gesetz und Statut der Gesellschaft vorgesehenen Organe an der Willensbildung mit, vielmehr können aufgrund besonderer organisatorischer Gegebenheiten auch formal außen stehende Instanzen unmittelbar auf das Innenverhältnis Einfluss nehmen. Das wirft die Frage auf, ob deren Rechtsstellung ebenfalls nach organschaftlichen Grundsätzen zu beurteilen ist. Aufmerksamkeit verdient in diesem Zusammenhang die GmbHG & Co KG, deren Geschäfte nur formal durch die Komplementär-GmbH geführt werden, während rein tatsächlich deren Geschäftsführer mit unmittelbarer Wirkung für und gegen die KG handelt. Daher wird der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH im Schrifttum mitunter als „mittelbares“ Organ der KG qualifiziert (dazu unter B.). Zuvor allerdings sind die Rechtsverhältnisse im Konzern näher in den Blick zu nehmen (nunmehr unter A.).
A. Das herrschende Unternehmen als Organ der abhängigen Gesellschaft Da jede konzernrechtlich relevante Abhängigkeit gesellschaftsrechtlich vermittelt sein muss1 , ist es nicht fernliegend, nach einer verbandsrechtlichen Einordnung des Konzernrechtsverhältnisses zu suchen 2 . Dabei im Speziellen an eine Organstellung zu denken, drängt sich schon deswegen auf, weil die konzernrechtlichen Haftungstatbestände der §§ 309 und 317 AktG erkennbar dem in § 93 AktG verankerten Grundtatbestand einer Organhaftung nachgebildet sind. Trotz dieser äußerlichen Ähnlichkeit der Schadensersatznormen sind im Folgenden angesichts der erheblichen sonstigen Unterschiede die bloß faktische und die beherrschungsvertraglich vermittelte Abhängigkeit je für sich zu untersuchen. Was letztere angeht, so kann an die heute weithin anerkannten Erkenntnisse über die Rechtsnatur des Beherrschungsvertrags angeknüpft werden. 1
Vgl. BGHZ 90, 381, 395 ff.; BGHZ 121, 137, 145; BGHZ 135, 107, 114; MünchKommAktG/Bayer, § 17 Rdn. 14 ff.; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 17 Rdn. 15; Hüffer, AktG, § 17 Rdn. 8. 2 Ebenso Veil, Unternehmensverträge, S. 179; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 6 IV 3b (S. 350).
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§ 7 Organschaftliche Eingliederung außenstehender Instanzen
I. Beherrschungsvertrag 1. Grundlagen Wenn § 291 AktG bestimmt, dass die abhängige Gesellschaft sich durch den Beherrschungsvertrag der Leitung eines anderen Unternehmens unterstellt, so schließt das die Begründung wechselseitiger schuldrechtlicher Ansprüche zwar keineswegs aus3 ; das Schwergewicht des Vorgangs liegt aber doch in der Umgestaltung der Verfassung der abhängigen Gesellschaft und der Einbeziehung des anderen Vertragsteils in den gesellschaftlichen Willensbildungsprozesses. Fortan ist es nämlich dem herrschenden Unternehmen gemäß § 308 Abs. 1 AktG erlaubt, dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft Weisungen zu erteilen; Gegenstand des Beherrschungsvertrags ist somit ein Leitungstransfer weg vom sonst eigenverantwortlich handelnden Vorstand der AG hin zum anderen Vertragsteil. Für das GmbH-Recht4 gilt im Grundsatz nichts anderes; nur bedeutet hier eine Leitungsunterstellung nicht nur einen Eingriff in die Kompetenzen des Geschäftsführers, sondern zudem eine Beschneidung der Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung5 . Isoliert betrachtet wäre eine solche Machtverschiebung allerdings mit dem auf eine selbständige erwerbswirtschaftliche Teilnahme am Rechtsverkehr gerichteten Verbandszweck einer unabhängigen Gesellschaft unvereinbar. Soweit § 308 Abs. 1 S. 2 AktG auch schädigende Weisungen zulässt, ist das daher Ausdruck und Folge einer Änderung des Verbandszwecks, im Zuge derer das Eigeninteresse als Maßstab unternehmerischer Betätigung durch das Konzerninteresse ersetzt wird6 . Erst das Zusammenwirken von neuer Organisationsverfassung und Zweckausrichtung berechtigt und verpflichtet die Geschäftsleitung mithin, den Weisungen des herrschenden Unternehmens Folge zu leisten, und begründet zugleich den organisationsrechtlichen Charakter des Beherrschungsvertrags7. 3 Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 Rdn. 27; Hüffer, AktG, § 291 Rdn. 18; MünchKommAktG/Altmeppen, § 291 Rdn. 35 ff.; KölnKommAktG/Koppensteiner, Vor § 291 Rdn. 157; Liebscher, GmbH-Konzernrecht, Rdn. 582; aA Bayer, Beherrschungsvertrag, S. 17 f. 4 Zur differenziert zu beurteilenden analogen Anwendbarkeit der §§ 291 ff. im GmbHRecht Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. 13 Rdn. 32; Roth/Altmeppen, Anh. § 13 Rdn. 17; Emmerich/Habersack, Lehrbuch, § 32 II (S. 437 ff.); zum Recht der Personengesellschaften MünchKommHGB/Mülbert, Bd. 3, Konzernrecht Rdn. 144 ff. 5 Zur Reichweite der Verdrängung s. näher OLG Stuttgart AG 1998, 585, 586; Zöllner, ZGR 1992, 173, 177 ff. 6 Vgl. BGHZ 103, 1, 5; BGHZ 135, 374, 377; OLG Düsseldorf ZIP 2004, 753, 755; Hachenburg/Ulmer, § 53 Rdn. 142; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 163; KölnKommAktG/Koppensteiner, Vor § 291 Rdn. 156. 7 Vgl. dazu BGHZ 103, 1, 4 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 31 III 1a (S. 948); Hachenburg/Ulmer, § 53 Rdn. 148; Veil, Unternehmensverträge, S. 200 ff.; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 Rdn. 25 ff.; kritisch dazu KölnKommAktG/Koppensteiner, Vor § 291 Rdn. 156 ff.
A. Das herrschende Unternehmen als Organ der abhängigen Gesellschaft
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Der eigentliche Kern der Strukturänderung liegt denn auch weniger in dem ihren Inhalt lediglich fi xierenden Vertragsschluss, als vielmehr in dem vorhergehenden oder nachfolgenden Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung8 . Weil durch ihn die bestehende Satzung überlagert wird, bedarf er gemäß § 293 Abs. 1 S. 2 AktG zumindest der qualifizierten Mehrheit und ist gemäß § 294 AktG im Handelsregister einzutragen. Wenn demgegenüber § 293 Abs. 1 S. 4 AktG bestimmt, die Vorschriften über Satzungsänderungen seien nicht anzuwenden, so stellt das die funktionale Nähe zur Satzungsänderung nicht in Frage, sondern trägt allein dem Umstand Rechnung, dass sich in §§ 293a ff. AktG für den Abschluss von Unternehmensverträgen spezielle Verfahrensregeln finden. 2. Organschaftliche Stellung des herrschenden Unternehmens a) Satzungsüberlagernde Neuordnung der internen Willensbildung Wie schon angedeutet, wird das herrschende Unternehmen im Schrifttum verbreitet als Organ der abhängigen Gesellschaft qualifiziert9. Hierfür lassen sich – ebenso wie für die sachlich damit übereinstimmende These des BGH, das herrschende Unternehmen übernehme durch den Beherrschungsvertrag die organschaftliche Verantwortlichkeit für die Konzernleitung10 – nach den gerade getroffenen Feststellungen in der Tat gute Gründe anführen. Soweit nach allgemeinen Grundsätzen erforderlich ist, dass Organe durch Gesetz oder Statut vorgegeben werden, bestehen keine Bedenken, diese Fähigkeit zur Organerrichtung auch dem Beherrschungsvertrag als materiell satzungsänderndem Organisationsvertrag zuzusprechen. Darüber hinaus wird regelmäßig verlangt, das Organ müsse in die Organisation der Gesellschaft „eingegliedert“ oder „eingebaut“ sein, und damit zum Ausdruck gebracht, dass eine unmittelbare Beteiligung am verbandsinternen Willensbildungsprozess vorliegen muss11. Genau diese Vorstellung jedoch liegt offenkundig der Vorschrift des § 308 Abs. 1 S. 1 AktG zu Grunde, der zufolge die vertragstypische Weisung nicht etwa dem abhängigen Unternehmen als dem 8 BGHZ 105, 324, 341 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 165 f.; ders., in: MünchKommHGB, Bd. 3, Konzernrecht Rdn. 148; Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 279; Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 52. 9 Bayer, Beherrschungsvertrag, S. 17 f.; ders., ZIP 2005, 1053, 1054; Beuthien, ZIP 1993, 1589, 1593; Baumgartl, Die konzernbeherrschte Personengesellschaft, S. 37 f.; Baumbach/ Hueck, AktG, § 309 Rdn. 4; GroßKommAktG3 /Würdinger, § 291 Anm. 12; Fabian, Beherrschungsvertrag, S. 67; Mestmäcker, Festgabe Kronstein, S. 129, 135; Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 254; vgl. auch Fleischer, DB 2005, 759, 761; Immenga, ZGR 1976, 269, 276; für Einordnung des § 309 AktG als Fall der Organhaftung MünchKommAktG/Kropff, § 317 Rdn. 5; GroßKommAktG/Hirte, § 309 Rdn. 4; Bälz, AG 1992, 277, 286; Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 282 ff.; s. daneben Emmerich/Habersack, Kommentar, § 309 Rdn. 4. 10 BGHZ 135, 374, 377. 11 Näher dazu § 3 D I.
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§ 7 Organschaftliche Eingliederung außenstehender Instanzen
Vertragspartner, sondern vielmehr unmittelbar dessen Vorstand zu erteilen ist12 . Hierin unterscheidet sich der Beherrschungsvertrag als Organisationsvertrag fundamental vom bloßen Schuldvertrag. Ein solcher kann nämlich lediglich die Vertragsparteien binden, während er im Hinblick auf deren Organe keine unmittelbare und zwingende Wirkung entfaltet. In aller Regel wird das Geschäftsleitungsorgan zwar auch im Innenverhältnis gehalten sein, den vertraglichen Verpflichtungen der Gesellschaft nachzukommen, um weiteren Schaden von ihr abzuwenden. Im Einzelfall jedoch kann es durchaus zu dem Ergebnis gelangen, dass eine schuldrechtliche Verpfl ichtung der Gesellschaft nicht zu erfüllen ist, weil die Vorteile eines Vertragsbruchs dessen Nachteile überwiegen13 . Bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags besteht dieser Ermessensspielraum hingegen nicht, eine rechtmäßige Weisung hat die Geschäftsleitung vielmehr zwingend umzusetzen14 . Dem geschilderten Ansatz steht indes dem ersten Anschein nach die Vorschrift des § 299 AktG entgegen, die an die gewohnten Kategorien des Vertragsrechts anknüpft, wenn sie bestimmt, dass der abhängigen Gesellschaft aufgrund des Unternehmensvertrags nicht die Weisung erteilt werden kann, den Vertrag zu ändern. Die Hervorhebung des Vorstands als Weisungsempfänger hätte dann immerhin noch den Sinn zu verdeutlichen, dass der Beherrschungsvertrag – vorbehaltlich des § 308 Abs. 3 AktG – allein in die Kompetenzen des Vorstands eingreift und die anderen Organe weiterhin weisungsfrei agieren können15 . Bei Lichte betrachtet besteht zwischen den unterschiedlichen Regelungsansätzen in §§ 299 und 308 AktG freilich gar kein unüberwindlicher Widerspruch, vielmehr sind sie Ausdruck des janusköpfigen Charakters des Beherrschungsvertrags, der schuld- und organisationsvertragliche Elemente in sich vereinigt. Demnach ist, wie § 299 AktG voraussetzt, die abhängige Gesellschaft gegenüber dem herrschenden Unternehmen vertraglich verpflichtet, rechtmäßigen Weisungen zu folgen. Gleichzeitig kann das herrschende Unternehmen organisationsrechtlich, genauer: organschaftlich, mit der abhängigen Gesellschaft verbunden sein und infolgedessen, wie § 308 AktG bestimmt, dem Vorstand mit im Innenverhältnis bindender Wirkung Weisungen erteilen. 12 Vgl. Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 308 Rdn. 21: „Der organisatorische Einbau legte es nahe, den Vorstand zum Weisungsempfänger zu machen.“; ebenso Beuthien, ZIP 1993, 1589, 1594; abweichend GroßKommAktG/Hirte, § 308 Rdn. 27. 13 Näher dazu GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rdn. 100; Fleischer, ZIP 2005, 141, 150; Koch, ZGR 2006, 769, 785 f.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 25; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdn. 53. 14 Sehr deutlich Veil, Unternehmensverträge, S. 201 f.; vgl. daneben Bayer, Beherrschungsvertrag, S. 19; KölnKommAktG/Koppensteiner, § 308 Rdn. 61; GroßKommAktG/Hirte, § 308 Rdn. 27. 15 Emmerich/Habersack, Kommentar, § 308 Rdn. 17; Emmerich/Habersack, Lehrbuch, § 23 III 2 (S. 341); KölnKommAktG/Koppensteiner, § 308 Rdn. 16; Kantzas, Weisungsrecht, S. 83 ff.
A. Das herrschende Unternehmen als Organ der abhängigen Gesellschaft
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b) Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens und seiner Leiter Untermauert wird die These von der organschaftlichen Stellung des herrschenden Unternehmens und seiner gesetzlichen Vertreter weiterhin durch die Vorschrift des § 309 Abs. 1 und 2 AktG, wonach letztere bei der Erteilung von Weisungen die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden haben und im Falle einer Pflichtverletzung zum Ersatz des sich daraus ergebenden Schadens verpfl ichtet sind. Mit dieser erkennbar dem Grundtatbestand der Geschäftsleiterhaftung in § 93 AktG nachgebildeten Formulierung wird die Haftungslage an die veränderte Zuständigkeitsordnung angepasst16 . Weil infolge des Beherrschungsvertrags die Leitung der Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen übergeht, weil es also mit anderen Worten praktisch zu einer „Organsubstitution“17 kommt, ist es folgerichtig, die gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens ebenso wie die Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft für die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns einstehen zu lassen. Hierzu wurde im Schrifttum angemerkt, § 309 AktG habe den Sinn, die fehlende Organbeziehung zwischen dem Konzerngeschäftsleiter und der geschädigten Gesellschaft zu überwinden18 . Damit wird die Vorschrift letztlich als Ausprägung einer Organhaftung gedeutet, ohne zu erklären, warum es an einer Organstellung fehlt und gleichwohl eine entsprechende Haftung veranlasst ist. Angesichts des organisationsrechtlichen Charakters des Beherrschungsvertrags erscheint eine solche Zurückhaltung indes gar nicht erforderlich; vielmehr vermag nur die organschaftliche Einbindung zu erklären, warum die am Beherrschungsvertrag nicht beteiligten gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens der abhängigen Gesellschaft ebenso haftungsrechtlich verantwortlich sind wie deren eigene Vorstandsmitglieder19. Die Einordnung des § 309 AktG als Fall einer Organhaftung zugunsten der abhängigen Gesellschaft bedarf freilich in zweierlei Hinsicht der Präzisierung. Zunächst ist mit ihr und der damit betonten Parallele zu §§ 93 AktG, 43 GmbHG keine Festlegung in der überaus umstrittenen Frage verbunden, wie weit die Pflichten der Geschäftsleiter des herrschenden Unternehmens reichen 20 . Die herrschende Meinung betont insofern den engen Zusammenhang von § 309 und § 308 AktG, verneint weiterhin eine Pflicht zur Ausübung der eingeräumten Leitungsmacht und bejaht daher im Grundsatz eine Haftung grundsätzlich nur 16 Begr. RegE bei Kropff, S. 404 f.; Emmerich, GS Sonnenschein, S. 651, 652 f.; GroßKommAktG/Hirte, § 309 Rdn. 4; Hüffer, AktG, § 309 Rdn. 1; Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 282. 17 Vgl. zu diesem Gedanken Immenga, ZGR 1978, 269, 276. 18 So MünchKommAktG/Altmeppen, § 309 Rdn. 138; Haar, Personengesellschaft im Konzern, S. 277. 19 Beuthien, ZIP 1993, 1589, 1594; Bayer, Beherrschungsvertrag, S. 18; s. auch Bälz, AG 1992, 277, 286. 20 Ebenso Fleischer, DB 2005, 759, 761.
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bei pflichtwidrigen Weisungen, nicht aber im Falle eines Unterlassens 21. Nach anderer Auffassung dagegen knüpft § 309 Abs. 2 AktG allgemein an eine Pflichtverletzung und gerade nicht an die Weisungserteilung an, weshalb im Ansatz durchaus Raum für eine Haftung auch für Unterlassen sei 22 . Wie auch immer diese eng mit dem Problem einer „Konzernleitungspflicht“ verknüpfte Frage zu entscheiden ist, für den vorliegenden Zusammenhang bleibt festzuhalten: Sofern und soweit solche Pflichten bestehen und verletzt wurden, haften die Vertreter des herrschenden Unternehmens der abhängigen Gesellschaft nach organschaftlichen Grundsätzen. Zum anderen ist näher zu bestimmen, wer genau beim Beherrschungsvertrag eigentlich mit der abhängigen Gesellschaft organschaftlich verbunden ist. Während im Schrifttum in diesem Zusammenhang regelmäßig das herrschende Unternehmen selbst genannt wird 23 , knüpft die Haftungsnorm des § 309 AktG an dessen gesetzlichen Vertreter und damit an die Organwalter des Leitungsorgans an. Letzteres ist sachlich ohne weiteres überzeugend. Wenn nämlich diese Haftung der Verdrängung des Vorstands der abhängigen Gesellschaft aus seiner Verantwortlichkeit Rechnung tragen soll, dann muss das Gesetz, schon damit die Steuerungs- und Präventivfunktion des Schadensersatzrechts ihre Wirkung entfalten kann, an das Verhalten der konkret agierenden Organwalter anknüpfen 24 . Organisationsrechtlich wird indes zunächst das herrschende Unternehmen mit der abhängigen Gesellschaft verbunden und damit die Grundlage für entsprechende Bindungen zwischen den Organen und Organwaltern des herrschenden Unternehmens einerseits und der abhängigen Gesellschaft andererseits geschaffen, an welche dann die Vorschrift des § 309 AktG anknüpfen kann. Diese Einsicht wiederum erlaubt es, die zutreffende Rechtsgrundlage für die zwar nicht gesondert kodifizierte, im Ergebnis aber allgemein anerkannte Haftung des herrschenden Unternehmens selbst zu benennen. Der Gesetzgeber meinte, auf eine spezielle aktienrechtliche Regelung verzichten zu können, weil das herrschende Unternehmen bereits nach allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen für ein Fehlverhalten seiner Organe hafte 25 . Im Anschluss daran wird denn auch überwiegend §§ 280, 31 BGB als Anspruchsgrundlage ge21 Hüffer, AktG, § 309 Rdn. 10; KölnKommAktG/Koppensteiner, § 309 Rdn. 3; MünchKommAktG/Altmeppen, § 309 Rdn. 46 ff.; MünchHdbAG/Krieger, § 70 Rdn. 160; Heidel/ Peres, AktG, § 309 Rdn. 22. 22 Emmerich, GS Sonnenschein, S. 651, 654 f.; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 309 Rdn. 35; GroßKommAktG/Hirte, § 309 Rdn. 28. 23 S. nochmals die Nachweise in Fn. 9. 24 Aus diesem Grund ist § 309 AktG bei einer GmbH & Co KG als herrschendem Unternehmen der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH entsprechend § 309 AktG haftbar, s. dazu Kantzas, Weisungsrecht, S. 158 f.; Hüffer, AktG, § 309 Rdn. 3; GroßKommAktG/Hirte, § 309 Rdn. 15. 25 Begr. RegE bei Kropff, S. 404 f.
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nannt 26 , wogegen angesichts des auch schuldrechtlichen Charakters des Beherrschungsvertrags keinerlei Bedenken bestehen. Vergegenwärtigt man sich jedoch nochmals dessen Doppelnatur, so drängt sich eine Parallele zur allgemeinen Geschäftsleiterhaftung auf. Ebenso wie dort die Haftung aus dem Organ- und aus dem Anstellungsverhältnis nebeneinander stehen 27, kann auch beim Beherrschungsvertrag neben der Vertragshaftung eine organschaftliche Haftung des herrschenden Unternehmens analog § 309 AktG bejaht werden 28 . Im Ergebnis ebenfalls außer Streit steht schließlich, dass die Durchsetzungsmodalitäten des § 309 Abs. 3–5 AktG auf den Anspruch aus Vertragsverletzung zu übertragen sind 29. Nach hier vertretener Ansicht lässt sich das ganz zwanglos damit erklären, dass die spezifisch verbandsrechtlichen Wertungen der Organhaftungsnorm auf die konkurrierende schuldrechtliche Anspruchsgrundlage zu übertragen sind. Ein Vorbild hierfür findet sich im Rahmen der allgemeinen Geschäftsleiterhaftung, wo eine Erstreckung der speziellen Verjährungsvorschriften der §§ 43 Abs. 4 GmbHG, 93 Abs. 6 AktG auf den Anspruch wegen Verletzung des Anstellungsvertrags allgemein anerkannt ist 30 . 3. Verteidigung gegen abweichende Positionen a) Einwände Die soeben vorgetragene organschaftliche Deutung der Stellung des herrschenden Unternehmens und seiner Organe im Vertragskonzern ist im Schrifttum nicht unwidersprochen geblieben 31. Zunächst hat Wiedemann auf zweifelsohne bestehende Unterschiede zwischen dem Vorstand einer unabhängigen AG und der Stellung des herrschenden Unternehmens aufmerksam gemacht 32 . Zum einen trage das herrschende Unternehmen seine eigene Unternehmenspolitik in die abhängige Gesellschaft hinein, während die Vorstandsmitglieder einem Wettbewerbsverbot unterlägen. Zum anderen könnten Geschäftsleiter 26 Emmerich/Habersack, Kommentar, § 309 Rdn. 21; MünchKommAktG/Altmeppen, § 309 Rdn. 138; KölnKommAktG/Koppensteiner, § 309 Rdn. 37; Heidel/Peres, AktG, § 309 Rdn. 5; näher Exner, Beherrschungsvertrag, S. 85 ff. 27 Vgl. § 13 B II, dort auch zur abweichenden Auffassung des BGH. 28 Für Organhaftung des herrschenden Unternehmens selbst Mertens, AcP 168 (1968), 225, 228 f.; Beuthien, DB 1969, 1781, 1782; Hüffer, AktG, § 309 Rdn. 27; Ulmer, FS Stimpel, S. 705, 712; dagegen GroßKommAktG/Hirte, § 309 Rdn. 30, der selbst aaO Rdn. 31 allein auf § 31 BGB abstellt. 29 MünchKommAktG/Altmeppen, § 309 Rdn. 137; Hüffer, AktG, § 309 Rdn. 27; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 309 Rdn. 21; Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 275. 30 Vgl. § 13 B II. 31 Veil, Unternehmensverträge, S. 180 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 6 IV 2b (S. 349 f.); Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 276 f.; MünchKommHGB/Mülbert, Bd. 3, Konzernrecht Rdn. 148, 237; Exner, Beherrschungsvertrag, S. 51 f.; s. auch MünchKommAktG/ Altmeppen, § 309 Rdn. 2, 16, 138. 32 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 6 IV 2b (S. 350).
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bei treuwidrigem Verhalten abgesetzt werden, während beim unternehmerischen Mehrheitsaktionär dieses Verhaltensregulativ fehle. Daher plädiert Wiedemann dafür, die Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens als besonders institutionalisierte Loyalitätspflicht des Mehrheitsaktionärs zu deuten 33 . Den damit angesprochenen Gedanken, an die Mitgliedschaft anzuknüpfen, hat sodann Veil aufgegriffen und präzisiert. Da Organschaftszuständigkeiten typischerweise fremdnützig wahrzunehmen seien, könne es nicht weiterführend sein, dem anderen Vertragsteil, welcher aus eigenem Interesse handele, ohne dabei in signifikanter Weise auf die Interessen der Gesellschaft Rücksicht nehmen zu müssen, eine organschaftliche oder organschaftsähnliche Position beizumessen 34 . Vielmehr sei die Rechtsstellung als mitgliedschaftsähnlich einzuordnen, freilich in dem Sinne, dass sie auf der die Bindungen eines Mitglieds erfassenden Skala am unteren Ende, das nur geringe Pfl ichten zur Rücksichtnahme beschreibe, zu verorten sei. Konstruktiv untermauert er seine Deutung schließlich durch einen Verweis auf die Rechtsprechung des BGH, wonach bei der GmbH durch den Beherrschungsvertrag die Weisungskompetenz der Gesellschafterversammlung auf das herrschende Unternehmen übertragen werde35 . b) Stellungnahme Soweit mit letzterem Argument angedeutet werden soll, dass die Stellung des anderen Vertragsteils deswegen als mitgliedschaftsähnlich zu verstehen sei, weil, selbstverständlich untechnisch gesprochen 36 , ihm ein mitgliedschaftliches Recht übertragen wird, so kann das nicht überzeugen. Denn zunächst steht das Weisungsrecht in der GmbH nicht den einzelnen Gesellschaftern, sondern der Gesellschafterversammlung zu 37, weshalb es sich bei der einzelnen Weisung gewiss um einen organschaftlichen Akt handelt 38 . Aber auch das hinter der Weisung stehende und in der Gesellschafterversammlung auszuübende mitgliedschaftliche Teilhaberecht des einzelnen Gesellschafters darf nicht nach Belieben eigennützig ausgeübt werden; vielmehr hat sich der Gesellschafter, wenn er materiell Aufgaben der Geschäftsführung und damit ein uneigennütziges Recht
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Wie vorige Fn. Veil, Unternehmensverträge, S. 181 f. Konsequent anders entscheidet Veil, aaO, S. 182 f. demgegenüber für den Betriebspachtvertrag, weil der Pächter neben seinem Nutzungsinteresse das Erhaltungsinteresse der verpachtenden Gesellschaft zu beachten habe und daher auch fremdnützig tätig werde. 35 Veil, Unternehmensverträge, S. 181 Fn. 22 mit Verweis auf BGHZ 105, 324, 331; BGH ZIP 1992, 395, 398. 36 Insofern zutreffend Veil, Unternehmensverträge, S. 124. 37 Vgl. zu deren Organqualität oben § 5 C. 38 So ausdrücklich BGHZ 65, 15, 19. 34
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wahrnimmt, anerkanntermaßen allein am Gesellschaftsinteresse zu orientieren 39. Für das herrschende Unternehmen gilt bei Lichte betrachtet nichts anderes; der von Veil behauptete Gegensatz zwischen dem typischerweise fremdnützigen Organhandeln einerseits und der Ausübung der aus dem Beherrschungsvertrag herrührenden Herrschaftsbefugnisse im eigenen Interesse andererseits besteht in dieser Form nicht. Weil nämlich durch den Beherrschungsvertrag in der abhängigen Gesellschaft das Eigeninteresse als Maßstab für die unternehmerische Tätigkeit durch das Konzerninteresse ersetzt wird40 , kann eigennütziges Handeln des anderen Vertragsteils zugleich fremdnütziges Organhandeln in Ausfüllung des dienenden Verbandszwecks sein. Fördert dagegen eine nachteilige Weisung weder die Belange des herrschenden Unternehmens noch eines anderen Konzernunternehmens, dann zeigt sich die organtypische Verantwortlichkeit in aller Deutlichkeit: Das herrschende Unternehmen und seine gesetzlichen Vertreter haben sich wegen der Missachtung des dienenden Verbandszwecks wie die Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft zu verantworten. Vor dem Hintergrund dieser „Gleichschaltung“ der Interessen vermag schließlich auch die Einschätzung von Baums nicht zu überzeugen, dass das herrschende Unternehmen bei der Erteilung von Weisungen nur sein vertragliches Recht ausübe und daher nicht wie ein Organ die Geschäfte der abhängigen Gesellschaft führe41. Der Beherrschungsvertrag weist vielmehr jedenfalls dann unverkennbar Züge eines Geschäftsbesorgungsvertrags einschließlich der damit einhergehenden Verpflichtung auf die Interessen des Geschäftsherrn auf42 , wenn man sich vor Augen hält, dass diese aufgrund des geänderten Ver-
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OLG Düsseldorf ZIP 1996, 1083, 1087; OLG Hamm ZIP 1993, 119, 121; Winter, Treuebindungen, S. 95 ff.; Ulmer/Raiser, GmbHG, Anh. § 47 Rdn. 132; Zöllner, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, Anh. § 47 Rdn. 94. Nicht überzeugend verweist Veil, Unternehmensverträge, S. 181 in diesem Zusammenhang zur Rechtfertigung seiner Position auf das – vorbehaltlich der Wahrung des Bestandsinteresses der Gesellschaft – freie Weisungsrecht des Alleingesellschafters. Die Haftungsfreiheit beruht in dieser Situation darauf, dass die Treupfl icht grundsätzlich verzichtbar ist und damit das Interesse der Gesellschaft auch ohne förmliche Zweckänderung von Fall zu Fall definiert werden kann, s. dazu BGHZ 119, 257, 262; Emmerich/Habersack, Kommentar, Anh. § 318 Rdn. 33; Winter, Treuebindungen, S. 190 ff. Diese Argumentation verfängt aber nur beim Alleingesellschafter oder gemeinschaftlichem Handeln aller Gesellschafter, nicht hingegen, wie gerade § 309 AktG zeigt, per se bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrags. 40 S. zur Identität vom Interesse der Muttergesellschaft und dem Konzerninteresse Hoffmann-Becking, ZHR 159 (1995), 325, 330 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 181 f.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 509; Hüffer, AktG, § 308 Rdn. 16; KölnKommAktG/ Koppensteiner, § 308 Rdn. 38. 41 Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 277 folgert daraus primär, dass die Haftung der Geschäftsleiter im Vertragskonzern keine wegen negotiorum gestio oder als faktisches Organ sei. 42 Zutreffend Emmerich/Habersack, Lehrbuch, § 11 III 3 (S. 171).
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bandszwecks der abhängigen Gesellschaft durch die Interessen des anderen Vertragsteils bestimmt werden. Kurzum: Der Umstand, dass das herrschende Unternehmen bei der Weisungserteilung um des Konzernwohls willen die abhängige Gesellschaft schädigen darf, zwingt, auch unter Zugrundelegung des für Verwaltungsorgane maßgeblichen materiellen, die Verpflichtung auf das Verbandsinteresse betonenden Organbegriffs43 , nicht dazu, von einer organschaftlichen Einordnung abzusehen. Für sie spricht vor allem, dass der Beherrschungsvertrag mit satzungsgleicher Wirkung die bisherige Geschäftsleitung weithin entmachtet und das herrschende Unternehmen und seine gesetzlichen Vertreter an deren Stelle treten lässt. Sachlich wie dogmatisch folgerichtig unterwirft das Gesetz sie daher einer an den allgemeinen Grundsätzen der Organhaftung orientierten Verantwortlichkeit. Im Ergebnis vollzieht sich die materielle Fremdbestimmung der abhängigen Gesellschaft somit rechtstechnisch durch eine Einbindung des herrschenden Unternehmens in den internen Willensbildungsprozess 44 .
II. Faktischer Konzern Die Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens und seiner gesetzlichen Vertreter ist bekanntlich nicht nur im Recht des Vertragskonzerns, sondern mittels § 317 AktG auch hinsichtlich der lediglich faktisch abhängigen AG spezialgesetzlich kodifiziert. Nach wohl herrschender Meinung soll es sich bei dieser an den unterlassenen Nachteilsausgleich im Sinne von § 311 AktG anknüpfenden Veranlassungshaftung ebenfalls um einen Fall der Organhaftung handeln45 . Das ergebe sich zum einen daraus, dass Abs. 2 der Vorschrift den ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter als Maßstab anführe; zum anderen verweise Abs. 3 im Hinblick auf die Geltendmachung und Durchsetzbarkeit des Anspruchs auf § 309 Abs. 3 bis 5 AktG und damit auf einen anerkannten Fall der Organhaftung. Trotz dieser äußerlichen Ähnlichkeiten zur Verantwortlichkeit im Vertragskonzern gilt es indessen, die Besonderheiten der faktischen Abhängigkeit nicht aus den Augen zu verlieren. Anders als im Fall des Beherrschungsvertrags erlangt das herrschende Unternehmen hier gerade nicht durch einen materiell satzungsändernden Vorgang eine eigenständige Stellung im Organisationsgefüge der Gesellschaft, die mit verbandsinternen Zuständigkeiten verbunden ist. Ins43
Zusammenfassend § 6 D. Darauf weist Bayer, Beherrschungsvertrag, S. 17 f. zu Recht hin. 45 MünchKommAktG/Kropff, § 317 Rdn. 8; KölnKommAktG/Koppensteiner, § 317 Rdn. 5; GroßKommAktG/Kort, § 117 Rdn. 265; Möhring, FS Schilling, S. 253, 263; Baumbach/Hueck, AktG, § 317 Rdn. 6; Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 344 ff.; Vogel, Haftung der Muttergesellschaft, S. 116; ähnlich Altmeppen, ZHR 171 (2007), 320, 330 ff. (Haftung für negotiorum gestio). 44
A. Das herrschende Unternehmen als Organ der abhängigen Gesellschaft
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besondere fehlt es ihm an einer rechtlich fundierten Leitungsmacht in Form eines Weisungsrechts; das Gesetz duldet vielmehr lediglich unter bestimmten Voraussetzungen die Beeinflussung des rechtlich weiterhin unabhängigen Vorstands46 . Damit soll nicht behauptet, werden, das faktische Konzern- oder Abhängigkeitsverhältnis erschöpfe sich in einer rein tatsächlichen Beziehung47 ; ganz im Gegenteil modifizieren die §§ 311 ff. AktG die Verfassung der abhängigen Gesellschaft nachhaltig. So erlaubt § 311 AktG in Abweichung von § 76 AktG dem Vorstand, sich dem fremden Willen des herrschenden Unternehmens zu öffnen, und lässt damit eine punktuelle Überlagerung des Eigenwillens und des Eigeninteresses der abhängigen Gesellschaft zu. Zwingend gewahrt bleiben durch den Nachteilsausgleich somit nur ihre Vermögensinteressen48 . Mit dieser Verfassungsänderung ist allerdings, wie nochmals hervorzuheben ist, nicht die Zuweisung einer bestimmten Rechts- oder Aufgabenstellung in der abhängigen Gesellschaft verbunden. Folglich greift die Vorschrift des § 317 Abs. 2 AktG lediglich deswegen auf das Verhalten der Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft zurück, um den Maßstab für die Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens und seiner gesetzlichen Vertreter zu bestimmen. Demgegenüber lässt sich aus ihr nicht ableiten, dass ihren Adressaten die Stellung eines Organs zukommt 49. Das verkennen indes auch die Verfechter einer Organhaftung nicht 50 . Der Grund für die Haftung liege vielmehr darin, so wird argumentiert, dass das herrschende Unternehmen in der abhängigen Gesellschaft Organfunktionen für sich in Anspruch genommen habe und deshalb deren Interessen wie ein Organ zu respektieren habe. Angesprochen ist damit letztlich die Rechtsfigur des faktischen Organs und der dort geläufige Argumentationstopos von der Verdrängung des an sich zuständigen Organs. Eine Organhaftung sei in diesem Zusammenhang nämlich vor allem deshalb angezeigt, weil der Vorstand der abhängigen Gesellschaft unter gewissen Voraussetzungen abweichend von § 93 AktG nicht hafte, obschon er sich auf ein mit den Interessen seiner Gesellschaft an sich nicht vereinbares Verhalten eingelassen habe 51. Eine solche eingeschränkte Verantwortlichkeit kommt in der Tat namentlich dann in Betracht, 46 KG ZIP 2003, 1042, 1049; Hüffer, AktG, § 311 Rdn. 48; Emmerich/Habersack, Lehrbuch, § 24 IV 3a (S. 369); KölnKommAktG/Koppensteiner, § 311 Rdn. 139; aA Wilhelm, Rechtsform und Haftung, S. 243 ff. 47 Dies betont im vorliegenden Zusammenhang MünchKommAktG/Kropff, § 317 Rdn. 8. 48 Näher dazu Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 280 f.; ders., ZHR 163 (1999), 1, 26; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 311 Rdn. 5; abweichend Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 310 ff. 49 Emmerich/Habersack, Kommentar, § 317 Rdn. 11; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 138; vgl. daneben Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 282: schon dem Wortlaut nach kein Sorgfaltsmaßstab. 50 Vgl. dazu Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 344. 51 So die Argumentation von KölnKommAktG/Koppensteiner, § 317 Rdn. 5.
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wenn ein leistungsfähiges herrschendes Unternehmen den Vorstand zu einer ausgleichsfähigen nachteiligen Maßnahme veranlasst und der Vorstand mit einem gesetzeskonformen Ausgleich rechnen durfte 52 . Nun ist nicht zu bezweifeln, dass sich das Problem der Haftung des herrschenden Unternehmens im faktischen Konzern rechtspolitisch mit Hilfe der Rechtsfigur des faktischen Organs bewältigen lässt. Nicht nur die Rechtslage in ausländischen Rechtsordnungen 53 , sondern auch Art. 9 des aus dem Jahre 1984 datierenden Vorentwurfs einer Konzernrechtsrichtlinie bezeugt das Gegenteil 54 . Nach Abs. 1 dieser Vorschrift haftet jedes Unternehmen, das sich gegenüber einer Gesellschaft wie ein faktischer Geschäftsführer verhält, unter den gleichen Voraussetzungen als wenn das Unternehmen Mitglied der Leitungsorgane der Gesellschaft wäre und folglich dafür Sorge tragen müsste, dass das Interesse dieser Gesellschaft beachtet wird. Als faktischen Geschäftsführer definiert Abs. 2 sodann jedes Unternehmen, das mittelbar oder unmittelbar bestimmenden Einfluss auf die Entscheidungsfindung der Leitungsorgane dieser Gesellschaft ausübt. Das geltende Recht jedoch folgt diesem Konzept nicht, es knüpft vielmehr am Merkmal der Veranlassung an und lässt damit eine punktuelle und ihrer Art nach womöglich sogar isolierte schädliche Einflussnahme als haftungsauslösendes Moment genügen. Für das faktische Organ hingegen ist es kennzeichnend, dass sich der Betreffende eine fremde Amtsstellung anmaßt und infolgedessen die übernommenen Geschäfte ordnungsgemäß zu erledigenden hat 55 . Wann das zu bejahen ist, konnte bisher noch nicht abschließend geklärt werden. Als einschränkende Kriterien werden etwa das Auftreten des Betreffenden im Außenverhältnis, die vollständige Verdrängung des an sich zuständigen Geschäftsführers oder eine dauerhafte Einflussnahme genannt 56 . Nirgendwo, und insbesondere auch nicht in Art. 9 des Vorentwurfs einer Konzernrechtsrichtlinie, wird jedoch ein derart weiter Begriff des faktischen Geschäftsleiters vertreten, der bereits die einmalige Veranlassung einer nachteiligen Maßnahme erfassen würde. Aus heutiger Sicht durchaus in Betracht käme dagegen die dogmatische Verortung der von § 317 AktG erfassten Sachverhalte als Verletzung der mitgliedschaftlichen Treupflicht 57. Historisch wurde § 317 AktG jedoch aus § 101 AktG
52
Dazu näher MünchKommAktG/Kropff, § 311 Rdn. 332 ff.; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 311 Rdn. 78. 53 So namentlich in der Schweiz, s. dazu Vogel, Haftung der Muttergesellschaft, S. 388 ff. 54 Abgedruckt in ZGR 1985, 446 ff.; speziell zu Art. 9 s. Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdn. 916. 55 So zutreffend Reiner, Fremdsteuerung, S. 163; ebenso bezogen auf § 117 AktG GroßKommAktG/Kort, § 117 Rdn. 54. 56 Vgl. § 11 B I 1. 57 So Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 139 f.; vgl. zur Parallelnorm des § 117 AktG BGHZ 129, 136, 160; Hüffer, AktG, § 117 Rdn. 2.
B. Mittelbare Organschaft
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1937, der Vorgängernorm des heutigen § 117 AktG, entwickelt 58 , welche wiederum von der ganz herrschenden Meinung als besonderer Tatbestand des Deliktsrechts angesehen wird 59. Sowohl diese Entstehungsgeschichte wie auch das offenkundige Bedürfnis, der abhängigen Gesellschaft gegenüber dem Außeneinfluss des mächtigen Mehrheitsaktionärs einen über den allgemeinen Tatbestand des § 117 AktG hinausgehenden Schutz zu gewähren, sprechen somit für eine Qualifikation des § 317 AktG als besonderer Deliktstatbestand60 .
III. Ergebnis Trotz aller äußerlichen Ähnlichkeit liegen den konzernrechtlichen Schadensersatztatbeständen der §§ 309 und 317 AktG gänzlich unterschiedliche Konzepte zugrunde. Während die Verantwortlichkeit bei faktischer Abhängigkeit gemäß § 317 Abs. 2 AktG als besonderer Deliktstatbestand einzuordnen ist, handelt es sich bei der Haftung im Vertragskonzern um eine besondere Ausprägung der allgemeinen Organhaftung. Nur materiell übt nämlich das herrschende Unternehmen im Rahmen eines Beherrschungsvertrags Fremdeinfluss aus, rechtstechnisch dagegen wird das herrschende Unternehmen zum Organ der abhängigen Gesellschaft.
B. Mittelbare Organschaft – zur Rechtsstellung des Geschäftsführers einer GmbH & Co KG I. Die Herausforderung: Zwei gesellschaftsrechtliche Organisationen für ein Unternehmen Die GmbH & Co KG ist hier stellvertretend für alle Kapitalgesellschaften & Co deswegen zu behandeln, weil dort ebenso wie im gerade behandelten Vertragskonzern eine formal außen stehende Instanz aufgrund besonderer organisatorischer Gegebenheiten im Ergebnis mit unmittelbarer Wirkung für die Gesellschaft tätig wird. Zurückzuführen ist das darauf, dass es sich bei ihr um das kautelarjuristische Produkt einer Typenvermischung handelt, bei der die betei58
Näher dazu Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 282. BGH NJW 1992, 3167, 3172; BGHZ 129, 136, 160; KölnKommAktG/Mertens, § 117 Rdn. 8; MünchKommAktG/Kropff, § 117 Rdn. 5; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 12 Rdn. 43; Habersack, Mitgliedschaft, S. 199; ausführlich Kort, AG 2005, 453 ff., GroßKommAktG/Kort, § 117 Rdn. 37 ff.; aA Krebs, Sonderverbindung, S. 103 f.; Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 58 ff., 81 ff.: Haftung als „Quasi-Organ“. 60 Emmerich/Habersack, Kommentar, § 317 Rdn. 11; Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 281 f.; Mertens, AcP 178 (1978), 227, 234; jedenfalls ablehnend gegenüber einer Qualifizierung als Organhaftung Reiner, Fremdsteuerung, S. 163 f., 176 f., 185; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 139 f. 59
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ligten Personen mittels zweier aufeinander abgestimmter Organisationsformen ein einheitliches Unternehmen betreiben61. Konstruktiv sind daher zwei Ebenen zu unterscheiden: Die Geschäfte der unternehmenstragenden KG werden von der GmbH als ihrer einzigen Komplementärin geführt, die sich hierfür mangels eigener natürlicher Handlungsfähigkeit wiederum ihres Geschäftsführers bedienen muss. Rein tatsächlich hingegen ist es dieser Geschäftsführer, der die KG leitet. Diese Eigentümlichkeit eines zwar auf den ersten Blick der KG organisationsrechtlich nicht verbundenen, gleichwohl aber materiell unmittelbar unternehmerischen Einfluss ausübenden Akteurs ist alsbald nach der Anerkennung dieser Rechtsform als Thema erkannt und mit dem eingängigen Begriff des „mittelbaren Geschäftsführers“ bezeichnet worden62 . Trotz dieser unverkennbaren Sonderstellung im Verhältnis zur KG entspricht es dem traditionellen Ansatz, nicht unmittelbar von der KG auf diesen durchzugreifen, sondern den gesetzlich vorgezeichneten Rechtsbeziehungen zu folgen, anstehende Sachfragen also bildlich gesprochen auf dem Umweg über die zwischengeschaltete GmbH zu lösen. So wird das allgemein anerkannte Ergebnis, dass der GmbH-Geschäftsführer nicht in illoyale Konkurrenz zur KG treten darf, mit einem methodischen Zweischritt begründet 63 . Gegenüber der KG unterliegt gemäß § 112 HGB allein die GmbH als ihre Komplementärin einem Wettbewerbsverbot. Aufgrund seiner organschaftlichen Treupflicht hat deren Geschäftsführer dieses Wettbewerbsverbot mittelbar aber doch zu beachten. Im Ansatz nichts anderes gilt für seine Abberufung. Die Entscheidung hierüber obliegt mangels abweichender Vereinbarung64 gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG allein der Gesellschafterversammlung der GmbH, die freilich aufgrund der ihr obliegenden mitgliedschaftlichen Treupflicht gehalten ist, bei der Auswahl des Geschäftsführers die Belange der Kommanditisten zu berücksichtigen65 . Die Kommanditisten sind im Gegenzug darauf verwiesen, gegen die Komplementär-GmbH vorzugehen. Da sich diese das Fehlverhalten ihres Geschäftsführers zurechnen lassen muss, kann gegebenenfalls auch in ihrer Person ein wichtiger 61 K. Schmidt, GS Heinze, S. 775, 776; Schlegelberger/Martens, HGB, § 161 Rdn. 98; Staub/Schilling, HGB, § 161 Rdn. 30; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 9 IV 1a (S. 836). 62 Grundlegend Cahn, GmbH & Co, S. 20; aus heutiger Zeit Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 9 IV 3b (S. 848); Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, § 4 MitbestG Rdn. 1; Brandes, NZG 2004, 642, 645; ders., Juristische Personen als Geschäftsführer, S. 69; Henze, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Anh. A § 177 Rdn. 64; Binz/Sorg, GmbH & Co KG, § 9 Rdn. 14. 63 Sudhoff/Breitfeld, GmbH & Co KG, § 15 Rdn. 83; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 9 IV 3b (S. 855); Henze, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Anh. A § 177 Rdn. 98; anders zur AG und Co KG OLG Hamburg ZIP 2007, 1370, 1372. 64 Vgl. dazu OLG München NZG 2004, 374. 65 BGHZ 134, 392, 399 (zur KGaA); Henze, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Anh. A § 177a Rdn. 73; Sudhoff/Liebscher, GmbH & Co KG, § 16 Rdn. 28.
B. Mittelbare Organschaft
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Grund vorliegen, der nach §§ 117, 127 HGB zur Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht berechtigt 66 ; das Recht, dem GmbH-Geschäftsführer unmittelbar Weisungen zu erteilen67 oder ihn gar selbst abzusetzen68 , steht ihnen nach herrschender Meinung nicht zu. Ein direkter Zugriff auf den Geschäftsführer wird der KG demgegenüber im Hinblick auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zugebilligt. Zu Recht sieht man es als unbillig an, die KG bei einer Fehlleistung des GmbHGeschäftsführers darauf zu verweisen, Schadensersatzansprüche gegen ihre Komplementärin geltend zu machen und im Zuge dessen deren Regressanspruch gegen den Geschäftsführer aus § 43 GmbHG zu pfänden69. Dieser Umweg wäre nämlich in der Tat nicht nur lästig, sondern stellte vor allem den Zugriff auf das Vermögen des Geschäftsführers dann nicht sicher, wenn die KG mit weiteren Gläubigern der GmbH konkurrieren muss oder die GmbH auf ihre Ersatzansprüche gegen den Geschäftsführer verzichtet 70 . Das wiederum ist dann besonders unbefriedigend, wenn die wesentliche Aufgabe der Komplementär-Gesellschaft darin besteht, die Geschäfte der KG zu führen, weil sich dann etwaige Pflichtverletzungen des Geschäftsführers zwangsläufig und in erster Linie in der KG auswirken. Konstruktiv knüpft der BGH aber auch insoweit an das Rechtsverhältnis des Geschäftsführers zur GmbH an, indem er dem zwischen GmbH und Geschäftsführer geschlossenen Anstellungsvertrag Schutzwirkung zugunsten der KG zumisst71.
66
BGH WM 1983, 750; BGH WM 1977, 500, 502; Staub/Habersack, HGB, § 127 Rdn. 2. BGH ZIP 2007, 910, 911, Tz. 6; MünchKommHGB/Grunewald, § 161 Rdn. 69; Baumbach/Hopt, HGB, Anh. § 177a Rdn. 27; Hüffer, ZGR 1981, 348, 360; Esch, NJW 1988, 1553, 1557; aA Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 22 III 2 (S. 356); vgl. daneben K. Schmidt, FS Röhricht, S. 511, 532. 68 Vgl. Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 328 ff.; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 38 Rdn. 17; MünchKommHGB/Grunewald, § 161 Rdn. 80; Esch, NJW 1988, 1553, 1557; zur GmbH & Co KGaA: Ihrig/Schlitt, ZHR Beiheft 67, S. 53 f.; GroßKommAktG/Assmann/Sethe, § 278 Rdn. 172; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 278 Rdn. 81; Kessler, NZG 2005, 145, 149; implizit BGHZ 134, 392, 399. 69 Eingehend dazu Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 55 ff.; kritisch dagegen vor allem Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 43 Rdn. 65. 70 Vgl. zur Entlastung in der GmbH & Co KG Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rdn. 108; dens., FS Röhricht, S. 511, 532; Sudhoff/Liebscher, GmbH & Co KG, § 16 Rdn. 32. 71 Grundlegend BGHZ 75, 321, 325; daneben BGH WM 1992, 691; ZIP 1995, 738; NZG 2002, 568, 569; zustimmend Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 268 ff.; Baumbach/Hopt, HGB, Anh. § 177a Rdn. 28; v. Gerkan, in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, § 161 Rdn. 60; Binz/Sorg, GmbH & Co KG, § 9 Rdn. 14 ff.; kritisch dagegen Hüffer, ZGR 1981, 348, 356. 67
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II. Die Radikallösung: Der Geschäftsführer als Organ auch der KG 1. Organisationsrechtliche Sonderverbindung Aus Sicht mancher Kritiker erscheint diese Ausgestaltung des Innenverhältnisses der GmbH & Co KG als halbherzige Behelfslösung, die der angestrebten unternehmerischen Einheit nicht gerecht werde. Sieht man von dem kühnen Vorschlag ab, die GmbH & Co KG als einheitliche Kapitalgesellschaft anzusehen 72 , sind im Schrifttum vor allem Stimmen zu verzeichnen, die auf eine eigenständige Sonderverbindung zwischen KG und GmbH-Geschäftsführer hinauslaufen. Manche setzen zu diesem Zweck beim Anstellungsvertrag an und postulieren, dieser sei nicht lediglich ein Vertrag mit Schutzwirkung, sondern vielmehr ein echter Vertrag zugunsten Dritter 73 . Dieser Ansatz kann allerdings aus zwei Gründen nicht überzeugen 74 : Zum einen ist der schuldrechtliche Anstellungsvertrag schon im Ausgangspunkt nicht das richtige Rechtsverhältnis, um Probleme der Organisationsverfassung zu bewältigen. Zum anderen entspricht es ohne weitere Anhaltspunkte auch nicht dem Interesse der Vertragsbeteiligten, den GmbH-Geschäftsführer in unmittelbare vertragliche Beziehungen zur KG zu bringen. Oftmals und gerade bei Publikumsgesellschaften wird mit der Trennung von GmbH und KG vielmehr bezweckt, den Einfluss der Kommanditisten auf die Geschäftsführung zu begrenzen 75 . Näher liegend sind demgegenüber Versuche, den GmbH-Geschäftsführer als Organ auch der KG einzuordnen 76 . Ingesamt bleibe befremdlich, so wird argumentiert, dass der für das Gesamtunternehmen zuständige Geschäftsleiter mit der unternehmenstragenden Personenhandelsgesellschaft in keinem organschaftlichen Rechtsverhältnis stehen soll. Das werde weder den tatsächlichen Verhältnissen noch der von den Parteien selbst gewollten Verflechtungsdichte zwischen den Gesellschaften gerecht 77. Eine entsprechende Rechtsfortbildung sei auch methodisch zulässig. Während bei Schaffung des HGB die besondere Situation der damals noch unbekannten typischengemischten GmbH & Co KG naturgemäß noch nicht bedacht werden konnte, wiesen die nachträglich in das 72 So namentlich Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 22 III (S. 354); dagegen zutreffend Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 32 ff. 73 So insbesondere Hüffer, ZGR 1981, 348, 358. 74 Zu Recht ablehnend Hopt, ZGR 1979, 1, 16; Henze, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Anh. A § 177a Rdn. 81; Brandes, Juristische Personen als Geschäftsführer, S. 79 f.; Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 113 ff.; Smode, Haftung des Geschäftsführers, S. 7 ff.; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rdn. 170. 75 Vgl. MünchKommHGB/Grunewald, § 161 Rdn. 69; kritisch dazu K. Schmidt, FS Röhricht, S. 511, 516. 76 Dafür explizit Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 44 Rdn. 12; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 17; etwas zurückhaltender ders., Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 9 IV 3b (S. 850 f.). 77 So Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 17.
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Gesetz eingefügten Vorschriften der §§ 130a, 130b, 177a HGB (künftig: § 15a InsO), die den GmbH-Geschäftsführer persönlich verpfl ichten, nach Maßgabe der gesetzlichen Voraussetzungen Insolvenzantrag für die KG zu stellen, eindeutig in die Richtung der Organthese. Mit der dort erfolgten Statuierung strafund schadensersatzbewehrter Handlungspflichten gegenüber der KG habe der Gesetzgeber anerkannt, dass der GmbH-Geschäftsführer für sie nicht nur wirtschaftliche Verantwortung trage, sondern auch in einer rechtlich geprägten Sonderbeziehung zu ihr stehe78 und mithin aus organisatorischer Sicht nicht mehr bloß außenstehender Dritter sei79. Die im Ergebnis weithin für richtig erachtete unmittelbare Haftung des GmbH-Geschäftsführers gegenüber der KG erweist sich dann ganz zwanglos als Anwendungsfall der Organhaftung; eines Rückgriffs auf die Notkonstruktion eines Vertrages mit Schutzwirkung bedarf es nicht mehr80 . Abgesehen von einer dogmatisch anderen Erklärung anerkannter Ergebnisse erlaubt die Organthese freilich auch, in der Sache gegenüber der herrschenden Meinung abweichende Positionen zu entwickeln. So findet der im Schrifttum von prominenter Seite propagierte Abberufungsdurchgriff, wonach die Kommanditisten bei Vorliegen eines wichtigen Grundes die Tätigkeit des GmbH-Geschäftsführers für die KG analog §§ 117, 127 HGB unterbinden können, in der behaupteten Organstellung eine nachvollziehbare Grundlage 81. 2. Das Arbeitsrecht als Vorbild Augenscheinlich folgt nunmehr auch das BAG dieser Konzeption. Zu verzeichnen gilt es nämlich eine bemerkenswerte Rechtsprechungsänderung betreffend Anstellungsverträge von Geschäftsführern, die zulässigerweise 82 nicht mit der GmbH, sondern mit der KG geschlossen wurden. Insofern ist fraglich, ob sich aus solchen Verträgen ergebende Streitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen oder vor den ordentlichen Gerichten auszutragen sind. Sedes materiae der rechtlichen Lösung ist § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG, wonach in Betrieben einer 78
Weimar/Geitzhaus, DB 1987, 2085, 2087; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 44 Rdn. 12 f.; vgl. auch Hüffer, ZGR 1981, 348, 359; Hennerkes/Lorz, DB 1997, 1388, 1391. 79 Hopt, ZGR 1979, 1, 16. 80 Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 44 Rdn. 12; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 17; für entsprechende Anwendung des § 43 GmbHG Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 22 III 2 (S. 355); Gänzle, Rechtsstellung des Kommanditisten, S. 88, 90 ff.; Weimar/Geitzhaus, DB 1987, 2026, 2032; Konzen, NJW 1989, 2977, 2984; Wilm, Geschäftsführerhaftung, S. 168 ff. (organähnlich); s. auch Heymann/Horn, HGB, § 161 Rdn. 137. 81 Explizit Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 44 Rdn. 13; ganz ähnlich Hopt, ZGR 1979, 1, 16; ebenso Baumbach/Hopt, HGB, Anh. § 177a Rdn. 30; Hüffer, ZGR 1981, 348, 359; zur GmbH & Co KGaA Schilling, BB 1998, 1905, 1906 f.; Hennerkes/Lorz, DB 1997, 1388, 1391; tendenziell auch Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 38 Rdn. 40; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 9 IV 3b (S. 852). 82 Grundlegend Fleck, ZHR 149 (1985), 387 ff.; daneben BGH NJW 1995, 1158; Binz/ Sorg, GmbH & Co KG, § 9 Rdn. 6; Sudhoff/Breitfeld, GmbH & Co KG, § 15 Rdn. 56.
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juristischen Person oder Personenmehrheit – unabhängig von der materiellrechtlichen Würdigung des Rechtsverhältnisses als Arbeits- oder als Dienstvertrag – diejenigen Personen nicht als Arbeitnehmer gelten, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder eines Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder Personengesamtheit berufen sind. Früher hielt die Rechtsprechung die Vorschrift in der hier in Rede stehenden Konstellation der Anstellung des Geschäftsführers durch die KG für nicht anwendbar, da der Geschäftsführer lediglich Organvertreter der GmbH, nicht aber zugleich gesetzlicher Vertreter der KG sei83 . Nunmehr entscheidet das BAG genau entgegengesetzt 84 . Schon seinem Wortlaut nach beschränke sich § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG nicht auf Fälle unmittelbarer Vertretung, sondern lasse auch die Einbeziehung mehrstufiger Vertretungsverhältnisse zu. Neben dem Hinweis auf die Pflichtenstellung des Geschäftsführers gegenüber der KG nach §§ 177a, 130a HGB wird der Umschwung der Rechtsprechung in der Sache vor allem damit gerechtfertigt, dass der Geschäftsführer in der KG Arbeitgeberfunktionen wahrnehme und diesen bildlich gesprochen verkörpere. Zweck des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG sei es aber gerade, solche „Hausstreitigkeiten“ im Arbeitgeberlager vor die ordentlichen Gerichte zu verweisen. Dogmatisch bedeutet das im Ergebnis, dass der GmbH-Geschäftsführer im Zuge einer Einheitsbetrachtung auch als gesetzlicher Vertreter und damit als Organ der KG gilt 85 .
III. Plädoyer für Zurückhaltung 1. Einwände Maßgebliche Bedeutung messen die Verfechter der Organthese den in §§ 130a, 130b, 177a HGB (künftig: § 15a InsO) niedergelegten Regeln über die Insolvenzantragspflicht des GmbH-Geschäftsführers zu. Denn aus ihnen wollen sie ganz allgemein ableiten, dass dieser nicht völlig außerhalb der KG stehe 86 . Ob allerdings die genannten Tatbestände tatsächlich als Nukleus für die Entwicklung einer organschaftlichen Sonderverbindung taugen, ist durchaus zweifel83
BAG ZIP 1980, 1014 f.; ZIP 1983, 607; NZA 1995, 1070; ebenso LAG Köln ZIP 2003,
1101. 84 BAG ZIP 2003, 1722 ff.; zuvor OLG München ZIP 2003, 1367 f.; OLG Hamm NZARR 1998, 372, 373; Fleck, ZHR 149 (1985), 387, 400; zustimmend K. Schmidt, GS Heinze, S. 408, 412; Zimmer/Rupp, GmbHR 2006, 572, 574; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rdn. 169; kritisch dagegen Wertenbruch, NZG 2006, 408, 412. 85 Zutreffend Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 9 IV 3b (S. 852). Vgl. auch OLG München ZIP 2003, 1367 mit unzutreffender Behauptung, in § 130a Abs. 1 S. 2 HGB spreche der Gesetzgeber von „organschaftlichen Vertretern“ der GmbHG & Co KG. Richtig ist demgegenüber, dass sich der Ausdruck „organschaftlicher Vertreter“ auf den vertretungsberechtigten Gesellschafter, im vorliegenden Zusammenhang also auf die Komplementär-GmbH bezieht. 86 So die eingängige Formulierung von Hopt, ZGR 1979, 1, 16.
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haft. Sie tragen nämlich allein dem Umstand Rechnung, dass eine Personengesellschaft, bei der keine natürliche Person persönlich haftender Gesellschafter ist, in haftungsrechtlicher Sicht einer Kapitalgesellschaft vergleichbar ist und daher wie eine solche bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit Insolvenz beantragen soll. Um diese Pflicht strafrechtlich und auf effektive Weise zivilrechtlich sanktionieren zu können, war es aus gesetzgeberischer Sicht unumgänglich, als Adressaten der Insolvenzantragspflicht die letztlich handelnden natürlichen Personen heranzuziehen. Die damit verbundene partielle Annäherung an das GmbH-Recht betrifft somit allein den Gläubigerschutz und lässt daher keine Rückschlüsse auf die gesellschaftsinterne Verfassung der GmbH & Co KG zu87. Als Anknüpfungspunkt ist des Weiteren an die Vorschrift des § 309 Abs. 2 AktG zu denken, welche die Verantwortlichkeit der gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens im Vertragskonzern begründet 88 . Nach der oben näher dargelegten und von der wohl überwiegenden Meinung geteilten Auffassung89 ist im Vertragskonzern das herrschende Unternehmen als Organ der abhängigen Gesellschaft anzusehen, so dass § 309 Abs. 2 AktG in der Tat die Haftung eines mittelbaren Organwalters begründet. Noch darüber hinausgehend wird im Schrifttum vorgeschlagen, in Gesamtanalogie zu den §§ 309 Abs. 2, 317 Abs. 3, 323 Abs. 1 S. 2 AktG ein allgemeines Prinzip der Haftung des gesetzlichen Vertreters der leitenden Gesellschaft gegenüber der geleiteten Gesellschaft zu entwickeln90 . Beide Ansätze stehen indes auf keinem methodisch sicheren Fundament91. Zwar trifft es zu, dass die genannten Vorschriften insofern über das Konzernrecht hinaus verallgemeinerungsfähig wären, als sie nicht unmittelbar der Bewältigung des Konzernkonflikts dienen92 , sondern sich im Rahmen dieses allgemeinen Ziels primär des Problems mittelbarer Geschäftsführung annehmen. Das vermag indessen nichts daran zu ändern, dass es sich um punktuelle Rechtssätze aus einem speziellen Kodifikationszusammenhang 87 Vgl. dazu Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 49 f.; Esch, NJW 1988, 1553, 1558; Mussaeus, in: Hesselmann/Tillmann/Müller-Thuns, Handbuch der GmbH & Co KG, § 5 Rdn. 50; s. auch MünchKommHGB/K. Schmidt, HGB, § 130a Rdn. 2; Staub/Habersack, HGB, § 130a Rdn. 2, 6: § 130a HGB dient nur dem Schutz der Gläubiger und der Allgemeinheit, nicht aber dem der Gesellschaft selbst. 88 So mit etwas anderer Akzentuierung auch Wilm, Geschäftsführerhaftung, S. 190 f. 89 S. dazu oben § 7 A I. 90 Grundlegend Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 154 ff.; dem folgend Brandes, Juristische Personen als Geschäftsführer, S. 81 ff.; ders., NZG 2004, 642, 646 f.; Bergmann, Fremdorganschaft, S. 265 ff. 91 Im Ergebnis ebenfalls ablehnend K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 IV 3b (S. 1649 Fn. 107); Henze, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Anh. A § 177a Rdn. 207; Gänzle, Rechtsstellung des Kommanditisten, S. 89 f.; Smode, Haftung des Geschäftsführers, S. 16 f.; Ziemons, Haftung der GmbH-Gesellschafter, S. 59 ff. 92 Darauf maßgeblich abstellend Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 103 ff.; Brandes, Juristische Personen als Geschäftsführer, S. 83.
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handelt, denen sich lege artis generelle Prinzipien der Leitungshaftung nicht entnehmen lassen93 . Auch das Argument, die Ablehnung einer organschaftlichen Sonderbeziehung zwischen GmbH-Geschäftsführer und KG werde der von den Parteien angestrebten Verflechtungsdichte nicht gerecht, vermag in dieser Allgemeinheit nicht zu überzeugen. Dieser primär wirtschaftliche Zweck darf nämlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die gewollte unternehmerische Einheit mittels zweier rechtlich selbständiger Gebilde erreicht werden soll, deren kraft zwingenden Rechts bestehende Willensbildungsautonomie es zu berücksichtigen gilt94 . Ebenso wie im ähnlich gelagerten Fall des Konzerns findet das Bestreben nach Einheit seine Grenze in der Eigenständigkeit der in den Unternehmensverbund eingebundenen Gesellschaften. Daher führt kein Weg daran vorbei, dass der Geschäftsführer vorrangig einer Pflichtenbindung gegenüber der ihn bestellenden GmbH unterliegt. Wer daneben eine diese ergänzende organschaftliche Sonderverbindung zur KG annimmt, macht den Geschäftsführer zum Diener zweier Herren und muss sich mit der schwierigen Folgefrage auseinandersetzen, wie etwaige Pflichtenkollisionen aufzulösen sind95 . Rechtstheoretisch gilt es überdies den Bruch mit dem das Recht der Personengesellschaften prägenden Grundsatz der Selbstorganschaft zu rechtfertigen96 . Schließlich lässt sich der GmbH-Geschäftsführer auch nicht als bloß faktisches Organ der KG einordnen97. Denn bei allem Streit um die Berechtigung und Reichweite dieses Rechtsinstituts besteht doch über das damit verbundene Grundanliegen Einigkeit. Demnach soll derjenige, der sich die Stellung eines Geschäftsführers rechtswidrig anmaßt, nicht mit dem Einwand Gehör finden, er sei ja gar nicht in die entsprechende Stellung berufen worden98 . Im Falle der GmbH & Co KG dagegen handelt der Geschäftsführer als Organ der GmbH und damit gesellschaftsrechtlich legitimiert mit Wirkung für und gegen die KG; mit der Konstellation des faktischen Geschäftsführers ist das schon im Ansatz nicht zu vergleichen.
93 So auch Schlegelberger/Martens, HGB, § 164 Rdn. 10; Smode, Haftung des Geschäftsführers, S. 16. 94 Vgl. KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 278 Rdn. 81; K. Schmidt, FS Röhricht, S. 511, 531 f. 95 Vgl. zu entsprechenden Ansätzen im englischen und französischen Recht Brandes, Juristische Personen als Geschäftsführer, S. 87 ff.; s. dazu noch § 10 B II 1. 96 Darauf weist Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 52 zutreffend hin; dazu allgemein § 10 B. 97 So aber Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 9 IV 3b (S. 854); Wilm, Geschäftsführerhaftung, S. 190 f.; dagegen Gänzle, Rechtsstellung des Kommanditisten, S. 85; Smode, Haftung des Geschäftsführers, S. 14 f. 98 S. dazu eingehend unten § 11 B.
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2. Eine wenig spektakuläre These Ein genereller Rückgriff auf ein organschaftliches Sonderverhältnis zwischen dem GmbH-Geschäftsführer und der KG ist nach alldem abzulehnen; im Grundsatz hat es vielmehr bei der Abwicklung übers Eck unter Einbeziehung der Komplementär-GmbH zu bewenden. Das schließt es allerdings nicht aus, in Einzelfällen einen direkten Zurechnungsdurchgriff zu bejahen99. Ebenso wie im Konzernrecht kann mit anderen Worten das Trennungsprinzip zugunsten einer Einheitsbetrachtung zurücktreten. Vorbilder hierfür finden sich nicht nur in der schon erwähnten Vorschrift des § 177a HGB, sondern auch im Bilanzrecht (§ 264a HGB) und im Mitbestimmungsrecht (§ 4 MitbestG). Methodisch setzt ein solcher Durchgriff zum einen voraus, dass dadurch schützenswerte Interessen der GmbH und ihres Geschäftsführers nicht beeinträchtigt werden. Zum anderen ist durch Auslegung zu ermitteln, welche Machtverteilung zwischen den Kommanditisten und der GmbH gewollt ist und ob danach überhaupt Raum für einen unmittelbaren Zugriff der Kommanditisten auf den GmbH-Geschäftsführer bleibt. Letztere Frage wiederum lässt sich angesichts der Vielgestaltigkeit der Erscheinungsformen der GmbH & Co KG nicht pauschal beantworten100 . Handelt es sich um eine Publikumsgesellschaft oder weichen die Beteiligungsverhältnisse in den Gesellschaften voneinander ab, so dient die Wahl der Rechtsform oftmals nicht zuletzt dazu, den Einfluss der Kommanditisten auf die Geschäftsführung zurückzudrängen101 ; ein Durchgriff auf den Geschäftsführer kommt dann kaum in Betracht102 . In der personenidentischen GmbH & Co KG dagegen besteht dieses Bedürfnis nicht. Da hier aber die Kommanditisten in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der GmbH Einfluss ausüben können, sollte das Bedürfnis nach einem direkten Zugriff auf den Geschäftsführer auch hier nicht überschätzt werden103 .
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Ähnlich Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 9 IV 3b (S. 850 f.). Grundlegend K. Schmidt, FS Röhricht, S. 511, 516 ff. mit der Unterscheidung zwischen einem „Integrationsmodell“ mit einer starken Stellung der Kommanditisten und einem „Zentralverwaltungsmodell“ mit einer dominanten Komplementär-GmbH. 101 Vgl. Sudhoff/Liebscher, § 3 Rdn. 4; MünchKommHGB/Grunewald, § 161 Rdn. 69, 80; Henze, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Anh. A § 177 Rdn. 17. 102 Weitergehend wohl K. Schmidt, FS Röhricht, S. 511, 530 ff.; vgl. daneben OLG München NZG 2004, 374. 103 Vorrangig ist die Abstimmung („Verzahnung“) der verschiedenen Organisationsregeln Aufgabe der Gestaltung von GmbH & Co-Verträgen, s. dazu K. Schmidt, FS Röhricht, S. 511, 512 f.; Baumbach/Hopt, HGB, Anh. § 177a Rdn. 6; Binz/Sorg, GmbH & Co KG, § 8 Rdn. 38 ff. 100
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3. Einzelfragen a) Ein methodisch überzeugendes Beispiel für einen solchen Durchgriff bietet die neuere Rechtsprechung des BAG, der zufolge Streitigkeiten über den Bestand und den Inhalt auch solcher Anstellungsverträge, die ausnahmsweise direkt zwischen dem GmbH-Geschäftsführer und der KG abgeschlossen wurden, nicht den ordentlichen Gerichten, sondern den Gerichten für Arbeitssachen zugewiesen sind104 . Zwar ist nicht daran zu deuteln, dass der Geschäftsführer im technischen Sinne organschaftlicher Vertreter allein der GmbH ist105 ; materiell gesehen übt er aber auch in der KG Arbeitgeberfunktionen aus. Da diese Art von „Hausstreitigkeiten“ im Arbeitgeberlager nach der Wertung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG vor den ordentlichen Gerichten auszutragen sind, liegt es nahe, ihn für die Zwecke dieser Norm als gesetzlichen Vertreter auch der KG anzusehen. Zwingendes Organisationsrecht der GmbH wird dadurch nicht tangiert. b) Schon im Hinblick auf die Haftung gegenüber der KG ist es hingegen vorzugswürdig, die vom Gesetz vorgezeichnete mittelbare Organisations- und Verwaltungsstruktur zu respektieren und im Einklang mit der herrschenden Meinung das Rechtsinstitut eines Schuldverhältnisses mit Schutzwirkung zugunsten Dritter fruchtbar zu machen. Entgegen der Rechtsprechung ist dabei allerdings vorrangig nicht an den Anstellungsvertrag, sondern an das Organverhältnis zwischen der GmbH und ihrem Geschäftsführer anzuknüpfen106 . Im Grundsatz gilt aber für beide Rechtsverhältnisse, dass sich die Tätigkeit des Geschäftsführers erkennbar und bestimmungsgemäß auf die KG auswirkt und damit das Merkmal der Leistungsnähe zu bejahen ist. Weiterhin sollten angesichts der Verpflichtung der GmbH, die Geschäfte der KG ordnungsgemäß zu führen, keine Bedenken bestehen, die erforderliche Gläubigernähe selbst dann zu bejahen, wenn die GmbH nach ihrem satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand neben der Geschäftsführung für die KG noch weitere Aufgaben zu erledigen hat107. Bezweifelt wird mitunter dagegen die Schutzbedürftigkeit der KG als der letzten Voraussetzung für die Drittwirkung. Im Falle eines Fehlverhaltens des Geschäftsführers stehe ihr nämlich schon aus §§ 280 Abs. 1, 31 BGB ein Schadensersatzanspruch gegen die Komplementär-GmbH zu und dieser eigene ver104
Vgl. die Nachweise in Fn. 84. So auch K. Schmidt, GS Heinze, S. 775, 781; ungenau OLG München ZIP 2003, 1367. 106 So auch Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdn. 291; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 56 IV 3b (S. 1649); Staub/Habersack, HGB, § 130a Rdn. 6; Goette, GmbH, § 8 Rdn. 198; MünchKommHGB/Grunewald, § 161 Rdn. 84; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rdn. 170; ablehnend Weimar/Geitzhaus, DB 1987, 2026, 2032. 107 Ebenso MünchKommHGB/Grunewald, § 161 Rdn. 82; Heymann/Horn, HGB, § 161 Rdn. 137; Mussaeus, in: Hesselmann/Tillmann/Müller-Thuns, Handbuch der GmbH & Co KG, § 5 Rdn. 54, 67; aA Hüffer, ZGR 1981, 348, 358. 105
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tragliche Anspruch decke das Interesse der KG bereits voll ab108 . Nun trifft es zwar zu, dass die Schutzbedürftigkeit des Dritten regelmäßig zu verneinen ist, sofern ihm ein eigener vertraglicher Anspruch zusteht; aber dabei handelt es sich eben nur um eine Regel, die „im Allgemeinen“ bzw. „im Zweifel“ greift109. Mit anderen Worten lässt sich trotz eines auf den ersten Blick gleichwertigen Anspruchs ein Drittschutz rechtfertigen, wenn, wie in der vorliegenden Konstellation, aus spezifisch gesellschaftsrechtlichen Gründen ein Bedürfnis dafür besteht und die Haftung aus Sicht des Schuldners nicht uferlos ausgeweitet wird110 . Der Rückgriff auf das Rechtsinstitut einer Sonderverbindung mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist aber nicht nur konstruktiv denkbar, sondern auch in der Sache überzeugend. Verpfl ichtet ist der Geschäftsführer nämlich zuvörderst der GmbH. Ist deren Unternehmensgegenstand nicht allein auf die Verwaltung der KG gerichtet, sind Kollisionen zwischen den Interessen der GmbH und der KG durchaus denkbar. Im Rahmen des konzernrechtlich Zulässigen hat der Geschäftsführer dann im Sinne der GmbH zu handeln. Im Übrigen darf sich der Geschäftsführer dann nicht schadensersatzpflichtig machen, wenn er wirksamen – also nicht sittenwidrigen und damit insbesondere nicht bewusst gläubigerschädigenden – Weisungen der Gesellschafterversammlung der GmbH Folge leistet111. Dass es insoweit nicht nur am Verschulden112 , sondern bereits am Pflichtverstoß fehlt, verdeutlicht am besten die herrschende und auch hier favorisierte Konstruktion, die vorbehaltlich der §§ 130a, 130b, 177a HGB (künftig: § 15a InsO) eine Pflichtenbindung des Geschäftsführers nur zur GmbH anerkennt und der KG lediglich im Sinne einer Schutzwirkung und damit aus einem fremden Schuldverhältnis abgeleitet eigene Schadensersatzansprüche zuerkennt.
108 So Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 145 ff.; Gänzle, Rechtsstellung des Kommanditisten, S. 88. 109 Vgl. BGHZ 133, 168, 173 („im Allgemeinen“); MünchKommBGB/Gottwald, § 328 Rdn. 117 („im Zweifel“); gänzlich ablehnend gegenüber einer solchen Regel Schwarze, AcP 203 (2003), 348 ff.; im vorliegenden Zusammenhang auch Smode, Haftung des Geschäftsführers, S. 111 ff.; aA Palandt/Grüneberg, BGB, § 328 Rdn. 18: Drittwirkung ist ausgeschlossen; vgl. auch Henze, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 177a Anh. A Rdn. 206 f.: Es sei ein Sonderrechtsverhältnis mit Schutzwirkung zu entwickeln, bei dem ein eigener vertraglicher Anspruch der KG anders als beim Anstellungsvertrag nicht schade. 110 Nicht überzeugend dagegen Krebs, Geschäftsführungshaftung, S. 148, der zwischen einem hier zu verneinenden Schutzbedürfnis im Sinne der konkreten Konstruktion und einem zu bejahenden Schutzbedürfnis im globalen Sinne unterscheidet. 111 BGHZ 75, 321, 326; MünchKommHGB/Grunewald, § 161 Rdn. 83; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 43 Rdn. 63; Konzen, NJW 1989, 2977, 2983; Fleck, ZHR 149 (1985), 387, 398; Smode, Haftung des Geschäftsführers, S. 134 f.; Haar, Personengesellschaft im Konzern, S. 318; kritisch demgegenüber Brandes, NZG 2004, 642, 647 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 9 IV 3b (S. 855). 112 So aber BGHZ 75, 321, 326.
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c) Was schließlich die Frage einer direkten Abberufung des GmbH-Geschäftsführers durch die Kommanditisten angeht, so führt die Annahme einer organschaftlichen Beziehung zwischen KG und Geschäftsführer sogar im Ergebnis in die falsche Richtung. Geht man von einer solchen aus, liegt nämlich im Weiteren auch die Bejahung des Abberufungsdurchgriffs nahe113 . Nach zutreffender Auffassung ist er indes abzulehnen114 . Obwohl die GmbH kraft ihrer Treupflicht zur Abberufung eines unfähigen oder untreuen Geschäftsführers verpflichtet ist, muss es den Gesellschaftern der KG aus zumindest drei Gründen selbst dann versagt bleiben, unmittelbar in die Organisation der GmbH einzugreifen, wenn sich deren Unternehmensgegenstand auf die Führung der Geschäfte der KG beschränkt. Erstens muss eine KG, die eine Gesellschaft zum Komplementär hat, deren kraft zwingenden Rechts bestehende Willensbildungsautonomie in Kauf nehmen und darf nicht in den Kernbereich ihres Selbstorganisationsrechts eingreifen. Genau diesem jedoch ist die Entscheidung über die Besetzung des Geschäftsführungsorgans zuzurechnen. Zweitens müsste sich ein auf die entsprechende Anwendung des § 127 HGB gestützter Entzug der Vertretungsmacht auf die Befugnis zur Leitung der KG beschränken, da den Kommanditisten sicher nicht das Recht zustehen kann, in die sonstigen, sie nicht unmittelbar betreffenden Angelegenheiten der GmbH einzugreifen. Das wiederum ist mit dem in § 37 Abs. 2 GmbHG niedergelegten Grundsatz der im Außenverhältnis unbeschränkbaren Vertretungsmacht des GmbH-Geschäftsführers unvereinbar115 . Eine Beschränkung der Vertretungsmacht dergestalt, dass der Geschäftsführer zwar noch sonstige Aufgaben wahrnehmen, anders als bisher aber nicht mehr mit Wirkung für und gegen die KG soll handeln können, ist dem geltenden Recht fremd. Drittens endlich besteht für einen Abberufungsdurchgriff auch keine zwingende praktische Notwendigkeit116 . Die Kommanditisten können statt dessen nämlich der Komplementär-GmbH die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis entziehen oder ihr damit zumindest drohen117. Im Falle einer Publikumsgesellschaft bedarf es dazu nicht einmal einer gerichtlichen Gestaltungs-
113
Vgl. nochmals die Nachweise in Fn. 68. Vgl. nochmals die Nachweise in Fn. 81. 115 Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 331; GroßKommAktG/Assmann/Sethe, § 278 Rdn. 172; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 38 Rdn. 17; aA Hopt, ZGR 1979, 1, 17. 116 So auch Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67, S. 54 (GmbH & Co KGaA); Henze, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Anh. A § 177a Rdn. 74. 117 Umstritten ist jedoch die Zulässigkeit der Entziehung der Vertretungsmacht zu Lasten des einzigen Komplementärs, wie hier bejahend K. Schmidt, ZGR 2004, 227, 230 f., 240 ff.; Staub/Habersack, HGB, § 127 Rdn. 8; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 278 Rdn. 80; aA die hM, s. nur BGHZ 51, 198; BGH NJW 1998, 1225; BGH WM 2002, 342, 343. 114
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klage nach §§ 117, 127 HGB118 , so dass die Kommanditisten die Entmachtung der GmbH mit der Maßgabe beschließen können, dass diese wirksam wird, wenn nicht binnen einer bestimmten Frist der missliebige Geschäftsführer ersetzt wird. Auf diesem Wege lässt sich die GmbH auf effektive und zugleich rechtsformgerechte Weise zu dem gewünschten Verhalten anhalten.
118 Vgl. K. Schmidt, ZGR 2004, 227, 229; Staub/Ulmer, HGB, § 117 Rdn. 5 im Anschluss an BGHZ 102, 172.
§ 8 Das Organ im Dienste öffentlicher Zwecke Im Folgenden ist die Untersuchung über die Grenzbereiche des Organbegriffs zu vervollständigen. Dabei geht es wie im vorigen Abschnitt um Instanzen, die sich je nach Sichtweise sowohl dem Außen- wie dem Innenbereich des Verbandes zuordnen lassen, jedoch die zusätzliche Besonderheit aufweisen, dass sie kraft Gesetzes öffentliche oder zumindest verbandsfremde kollektive Privatinteressen zu verfolgen haben. So fragt sich, ob der Abschlussprüfer im Anschluss an die freilich schon ältere Rechtsprechung des BGH als Organ der Gesellschaft oder aber im Einklang mit der heute im Schrifttum ganz überwiegenden Auffassung als außenstehende Kontrollinstanz mit öffentlicher Funktion zu qualifizieren ist (dazu unter B.). Ganz ähnliche Fragen stellen sich aber auch im Zusammenhang mit dem Insolvenzverwalter.
A. Insolvenzverwalter I. Ausgangspunkt Die dogmatische Aufarbeitung der Rechtsstellung des Insolvenzverwalters beschäftigt die Rechtswissenschaft seit deutlich mehr als einhundert Jahren. Es würde daher den Rahmen dieser Untersuchung sprengen, die sich um ihn rankenden Theorien im Einzelnen darzustellen, bewertend aufzuarbeiten und alle denkbaren Implikationen auszuloten1. Auszugehen ist vielmehr von der herrschenden Amtstheorie, der zufolge der Insolvenzverwalter materiellrechtlich wie prozessual im eigenen Namen und aus eigenem Recht mit Wirkung für und gegen die Masse handelt und somit als Inhaber eines privaten Amtes die ihm auferlegten gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt 2 . Diese Auffassung bringe am 1 Vgl. zum Konkursrecht Jaeger/Henckel, KO, § 6 Rdn. 4 ff.; zum geltenden Recht Uhlenbruck, InsO, § 56 Rdn. 66 ff.; MünchKommInsO/Ott, § 80 Rdn. 26 ff.; Jacoby, Das private Amt, S. 282 ff. 2 Std. Rspr. seit RGZ 29, 29; s. etwa BGHZ 88, 331, 334; BGHZ 100, 346, 351; BGH NJW 1995, 1484, 1485; BAG ZIP 2002, 1412, 1414; BFH ZIP 1997, 797, 798; BVerwG ZIP 2005, 1145, 1148; aus dem neueren Schrifttum etwa Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 15.06 ff.; Bork, Insolvenzrecht, Rdn. 68; Smid, DZWiR 2006 1, 4; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 51 Rdn. 7; für eine erheblich modifizierte „moderne“ Amtstheorie Jacoby, Das private Amt, S. 298 ff.
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besten zum Ausdruck, dass er funktionsbezogen für ein Sondervermögen zuständig sei und dabei die Belange aller Beteiligten zu einem gerechten Ausgleich zu bringen habe. Im Übrigen erlaube sie, je nach Angemessenheit im Einzelfall auf Regelungen aus dem Recht der Sachwalter, der Stellvertretung oder auch dem der Gesellschaften zurückzugreifen, ohne dass eine womöglich verfahrenszweckwidrige allgemeine Festlegung erforderlich sei 3 . Dieses als Vorzug gepriesene Charakteristikum der Amtstheorie, eine wandelbare und offene Theorie zur Erklärung der autonomen Stellung des Insolvenzverwalters zu liefern, kann man freilich auch umgekehrt als ihre eigentliche Schwäche ansehen. Jenseits der Verdeutlichung der autonomen Stellung des Insolvenzverwalters gibt sie nämlich letztlich keine befriedigende Antwort auf materiale Zuordnungs- und Zurechnungsfragen, sondern begnügt sich im Kern mit der Beschreibung von Kompetenzen und Funktionen4 . Seit jeher wird aber auch das Rechtsinstitut der Organschaft fruchtbar gemacht, um die Rechtsstellung des Verwalters zu beschreiben. So sieht die klassische Organtheorie ihn als Organ der Insolvenzmasse an 5 . Da indes nur Rechtssubjekte über Organe verfügen können, geht damit die These von der Verselbständigung der Insolvenzmasse einher. Genau dieser Nachweis lässt sich für das geltende Recht aber gerade nicht führen; vielmehr handelt es sich um eine Vermögensmasse, die ihrerseits einem Rechtsträger zugeordnet sein muss 6 . Als großer Wurf muss demgegenüber die von K. Schmidt entwickelte und vielfach mit Nachdruck bekräftigte neue Vertreter- bzw. modifizierte Organtheorie bezeichnet werden7. Diese nimmt die traditionelle Vorstellung auf, wonach der Insolvenzverwalter im Konkurs der natürlichen Person deren gesetzlicher Vertreter mit Beschränkung auf die Insolvenzmasse sei. In der Verbandsinsolvenz hingegen habe er die Stellung eines obligatorischen Fremdliquidators und sei daher Organ, und zwar nicht wie es die klassische Organtheorie postulierte der Masse, sondern vielmehr des Verbandes selbst. Diese These ist auf Zustimmung8 , ganz überwiegend freilich auf Ablehnung gesto-
3
Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 15.07; Uhlenbruck, InsO, § 56 Rdn. 74. Grundlegend die Kritik von K. Schmidt, KTS 1984, 345, 356 ff.; daneben MünchKommZPO/Lindacher, Vor § 50 Rdn. 35 f.; vgl. auch Stürner, ZZP 94 (1981), 263, 287 f. 5 Grundlegend Bötticher ZZP 77 (1964), 55 ff.; daneben etwa Hanisch, Rechtszuständigkeit, S. 275 ff.; vgl. auch MünchKommAktG/Hüffer, § 264 Rdn. 43: dogmatisch interessanteste Alternative zur Amtstheorie. 6 BGHZ 88, 331, 335; MünchKommInsO/Ott, § 80 Rdn. 34; Jacoby, Das private Amt, S. 286. 7 Grundlegend K. Schmidt, KTS 1984, 345 ff.; daneben etwa ders., NJW 1995, 911, 912 f.; ders., ZGR 1998, 633, 644 ff.; ders., Gesellschaftsrecht, § 11 VI 4 b cc (S. 326 ff.). 8 MünchKommZPO/Lindacher, Vor § 50 Rdn. 36; Hess, in: Hess/Weis/Wienberg, InsO, § 80 Rdn. 101; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 51 Rdn. 29; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 40 Rdn. 16; symphatisierend OLG Hamm GmbHR 2002, 163, 165; vgl. auch Priester, FS Thiel, S. 37, 56: unabhängiges Organ der Gesellschaft. 4
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§ 8 Das Organ im Dienste öffentlicher Zwecke
ßen9. Wie sogleich näher zu zeigen ist, war K. Schmidt’s Gesamtkonzeption von der Verbandsinsolvenz mit dem bis zum Jahre 1999 geltenden Konkursrecht in der Tat kaum vereinbar; heute lohnt indessen ein erneutes Durchdenken.
II. Die gewandelte Funktion des Verbandsinsolvenzverfahrens Die Qualifikation des Insolvenzverwalters als Verbandsorgan wird nämlich verständlich erst vor dem Hintergrund ihrer Einbettung in eine allgemeine Lehre von der Insolvenz des Unternehmensträgers10 . Demnach unterscheidet sich die Insolvenz einer natürlichen Person grundlegend von der Verbandsinsolvenz. Während das Verfahren bei natürlichen Personen allein darauf gerichtet sei, für eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger zu sorgen, handele es sich bei der Insolvenz der Gesellschaften und Vereine darüber hinaus um ein staatlich geordnetes Liquidationsverfahren, welches auf die vollständige Abwicklung des Rechtsträgers gerichtet sei. Deshalb sei die Existenz verfahrensfreien Vermögens nicht anzuerkennen, es gelte vielmehr die „Kongruenz von Gemeinschuldner, Masse und Unternehmen“11. Der Schluss, der Verwalter habe als obligatorischer Fremdliquidator für die Abwicklung des Rechtsträgers zu sorgen, liegt dann zumindest nahe. Demgegenüber entsprach es traditionellem Verständnis, das Konkursverfahren ausschließlich als ein besonders ausgestaltetes Vollstreckungsverfahren anzusehen, bei dem zwar die Vollbeendigung als Nebenfolge eintreten konnte, aber keinesfalls musste12 . Gegebenfalls hatte sich an das Insolvenzverfahren noch ein gesellschaftsrechtliches Liquidationsverfahren anzuschließen. Im Einklang damit differenzierte die ganz herrschende Meinung auch bei Handelsgesellschaften zwischen der Konkursmasse einerseits und dem konkursfreien Vermögen andererseits13 . Letzteres konnte sowohl durch konkursfreien Neuerwerb wie auch dadurch entstehen, dass der Konkursverwalter ihm lästige Gegenstände aus der Konkursmasse freigab. Wenngleich noch Beharrungstendenzen zu verzeichnen sind14 , so hat sich doch nach zutreffender Auffassung die Rechtslage durch das Inkrafttreten der 9 S. etwa Bork, Insolvenzrecht, Rdn. 66; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 63 Rdn. 82; MünchKommAktG/Hüffer, § 264 Rdn. 43; Jacoby, Das private Amt, S, 286 ff.; Gutsche, Organkompetenzen, Rdn. 151 ff.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 15.04; Henckel, FS Merz, S. 197, 205; H.-F. Müller, Verband in der Insolvenz, S. 56 ff.; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 64 Rdn. 131. 10 Vgl. neben den Nachweisen in Fn. 7 etwa noch K. Schmidt/Schulz, ZIP 1982, 1015 ff. 11 K. Schmidt/Schulz, ZIP 1982, 1015, 1017. 12 S. etwa RGZ 40, 31; BGH NJW 1996, 2035, 2036; Henckel, FS Merz, S. 197 ff. 13 S. nur Jaeger/Henckel, KO, § 6 Rdn. 18; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 63 Rdn. 78 ff. 14 Vgl. Tetzlaff, ZIP 2001, 10, 19; MünchKommInsO/Lwowski, § 80 Rdn. 104 ff.; Runkel, FS Uhlenbruck, S. 315, 317; Kluth, NZI 2000, 351, 356; sehr zurückhaltend auch BGHZ 148,
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InsO grundlegend geändert. Ausdrücklich hieß es noch in § 1 Abs. 2 S. 3 der Entwurfsfassung, dass bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit das Insolvenzverfahren an die Stelle der gesellschaftsoder organisationsrechtlichen Abwicklung trete15 . Zwar fiel diese programmatische Aussage der redaktionellen Straffung im weiteren Gesetzgebungsverfahren zum Opfer, eine sachliche Änderung war damit freilich nicht beabsichtigt16 . Ganz im Gegenteil liegt das Konzept eines Insolvenzverfahrens, das als Liquidationsverfahren auch auf die Beseitigung des Rechtsträgers abzielt, mehreren Vorschriften der InsO zu Grunde. So hat der Insolvenzverwalter in dem zwar praktisch seltenen, theoretisch gleichwohl bedeutsamen Fall eines nach Abschluss des Verfahrens verbleibenden Überschusses gemäß § 199 S. 2 InsO jedem Gesellschafter denjenigen Teil auszukehren, der diesem bei einer Abwicklung außerhalb des Insolvenzverfahrens zustünde17. Im Übrigen ist auch die Vorschrift des § 141a Abs. 1 S. 2 FGG (künftig: § 394), wonach mangels Anhaltspunkten für ein verbliebenes Gesellschaftsvermögen die Gesellschaft nach Abschluss des Insolvenzverfahrens zu löschen ist, erkennbar von der Vorstellung geleitet, dass die Gesellschaft in diesem Verfahren regelmäßig bis zur Löschungsreife abgewickelt wird. Im Ergebnis überzeugt daher allein die zunehmend vertretene Ansicht, wonach die Insolvenz der Gesellschaft im Falle des Misslingens der Sanierung nicht nur ein Gesamtvollstreckungsverfahren, sondern zugleich ein besonderes Liquidationsverfahren nach sich zieht18 . Die durch die Abwicklung verursachten Kostennachteile haben die Gläubiger zu tragen19 ; deren Interesse an optimaler Befriedigung hat bei wertender Betrachtung hinter dem öffentlichen Interesse an der Beseitigung insolventer Rechtsträger zurückzustehen. Den neu hinzugekommenen Verfahrenszweck kann der Verwalter freilich nur dann sinnvoll erfüllen, wenn das Gesellschaftsvermögen möglichst umfassend in die Masse fällt, es also mit anderen Worten kein verfahrensfreies Vermögen gibt. In diese Richtung hat die InsO jedenfalls einen großen Schritt getan: Nach ihrem § 35 Abs. 1 erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das 252, 258 f. und 3. Leitsatz: Auch in der Insolvenz einer juristischen Person obliegt dem Verwalter jedenfalls vorrangig die bestmögliche Gläubigerbefriedigung. Demgegenüber treten denkbare Liquidationsaufgaben zurück. 15 RegE, BT-Drs. 12/7302, S. 5. 16 S. dazu Bork, Insolvenzrecht, Rdn. 135; H-F. Müller, Verband in der Insolvenz, S. 13. 17 Kritisch dazu BGHZ 148, 252, 259. 18 Scholz/K. Schmidt, GmbHG, Vor § 64 Rdn. 83; Haas, in: Gottwald, InsolvenzrechtsHandbuch, § 91 Rdn. 12; H.-F. Müller, Verband in der Insolvenz, S. 13 ff.; Staub/Habersack, HGB, § 145 Rdn. 54 f.; v. Gerkan, in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, § 145 Rdn. 14; SchulzeOsterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rdn. 75. 19 Auf diese hat namentlich Henckel, FS Merz, S. 197, 203 abgestellt, dagegen zutreffend H.-F. Müller, Verband in der Insolvenz, S. 19 ff.
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er während des Verfahrens erwirbt. Damit gehört anders als nach altem Recht auch der Neuerwerb zur Insolvenzmasse. Da im Übrigen schon seit jeher anerkannt ist, dass ein der Existenzsicherung des Schuldners dienender Pfändungsschutz bei Gesellschaften kraft Natur der Sache ausscheidet 20 , kann sich massefreies Vermögen im Wesentlichen 21 allein durch Freigabe von dem Verwalter lästigen Vermögensgegenständen ergeben. Eine solche Freigabe etwa von kontaminierten Grundstücken ist im Gesetz zwar nicht näher geregelt, jedoch unter anderem in §§ 32 Abs. 3, 35 Abs. 2 InsO vorausgesetzt und seit jeher allgemein anerkannt. Da sich im Gesetz weiterhin keinerlei Hinweise für eine Beschränkung des Rechtsinstituts auf natürliche Personen finden, erkennt die herrschende Meinung die Freigabe auch in der Verbandsinsolvenz an 22 . Vor dem Hintergrund des neben die Gläubigerbefriedigung getretenen Zwecks der Vollbeendigung des Rechtsträgers ist es demgegenüber aber wohl zutreffend, mit der Gegenauffassung aus rechtssystematischen Gründen die Existenz verfahrensfreien Vermögens in der Verbandsinsolvenz ganz allgemein abzulehnen und demzufolge auch eine Freigabe von Vermögensgegenständen für unzulässig zu halten 23 . Der Verwalter hat somit nicht die Möglichkeit, die Masse von den entsprechenden Kosten zu entlasten. Die darin liegende Beeinträchtigung der optimalen Haftungsverwirklichung haben die Gläubiger als Folge des gesetzgeberischen Paradigmenwechsels hinzunehmen.
III. Der Insolvenzverwalter als Verbandsorgan 1. Vorzüge der modifizierten Organtheorie Im Hinblick auf die Dogmatik der Verbandsinsolvenz kann nach dem Gesagten knapp festgehalten werden, dass dem Insolvenzverwalter nach geltendem Recht die Aufgabe eines obligatorischen Fremdliquidators zukommt. Nun kann zwar aus dieser Funktion nicht zwingend auf seine Rechtsstellung geschlossen wer20
Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 63 Rdn. 78; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 VI 4 b) bb), S. 326. 21 S. zur Zuführung von Eigenkapital zur Sanierung aber noch Staub/Habersack, HGB, § 145 Rdn. 56; H.-F. Müller, Verband in der Insolvenz, S. 35 f. 22 BGHZ 163, 32, 34 ff.; BVerwG ZIP 2004, 2145, 2147; Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 92 Rdn. 309; MünchKommInsO/Lwowski, § 35 Rdn. 113; Smid, DZWiR 2006, 1, 4; Foerste, Insolvenzrecht, Rdn. 175; Uhlenbruck, InsO, § 35 Rdn. 24; MünchKommAktG/Hüffer, § 264 Rdn. 45 ff. 23 OLG Karlsruhe ZIP 2003, 1510, 1511; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 VI 4 b bb (S. 326); ders., AG 2006, 597, 599; Jaeger/Müller, InsO, § 35 Rdn. 148; ders., Verband in der Insolvenz, S. 25 ff., 38 ff.; MünchKommBGB/Ulmer, § 728 Rdn. 17; MünchKommBGB/Reuter, § 42 Rdn. 10; Bork, Insolvenzrecht, Rdn. 135; MünchKommInsO/Ott, § 80 Rdn. 114; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rdn. 62; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 64 Rdn. 130; Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 63 Rdn. 105. – Auch § 35 Abs. 2 InsO n. F. bezieht sich nur auf natürliche Personen, s. Begr. RegE, BT-Drs. 16/3227, S. 17.
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den 24 , jedoch geht die veränderte funktionale Einordnung seiner Tätigkeit einher mit Erkenntnissen, die sich schon in ganz frühen Judikaten des Reichsgerichts finden. Bevor sich die Rechtsprechung auf die Amtstheorie festgelegt hat, wurde der Mechanismus der Bestellung des Insolvenzverwalters nämlich völlig zutreffend dahingehend umschrieben, „dass die bisherigen Organe der Aktiengesellschaft in ihrer Funktion, die Gesellschaft nach außen zu vertreten, beseitigt werden und der Konkursverwalter an ihre Stelle tritt“25 . Wenn aber die gesellschaftsautonom gebildeten Organe weitgehend aus ihrem Aufgabenbereich verdrängt werden, dann ist es jedenfalls naheliegend, auch den sie ersetzenden Kompetenzträger als Organ anzusehen. Mit dieser Einordnung verbindet sich der wesentliche Vorzug, dass die bewährten Zuständigkeits- und Zuordnungsregeln des BGB und HGB zur Verfügung stehen, wohingegen die Amtstheorie insoweit nur wenig befriedigende Notkonstruktionen anzubieten hat. Da der Insolvenzverwalter ihr zufolge als Inhaber eines privaten Amtes stets im eigenen Namen handelt, sehen sich ihre Verfechter gezwungen, auf die fragwürdige Rechtsfigur der Ermächtigungstreuhand zurückzugreifen, um den Abschluss von Verpflichtungsgeschäften erklären zu können. Das wiederum hat zur Folge, dass eine Offenlegung der Amtstätigkeit nicht erforderlich ist, die Haftungsfolgen vielmehr vorrangig nach objektiven Gesichtspunkten zu bestimmen sind 26 . Als Organ hat der Insolvenzverwalter demgegenüber nach der Terminologie des § 26 Abs. 2 S. 1 BGB die Stellung eines gesetzlichen Vertreters, so dass der Zurechnungsmechanismus der §§ 164 ff. BGB anwendbar ist 27. Damit gilt das sehr viel sachgerechtere Offenkundigkeitsprinzip. Legt der Insolvenzverwalter offen, für fremdes Vermögen zu handeln, treffen die Wirkungen allein den Verband; andernfalls hat er entsprechend § 164 Abs. 2 BGB selbst für die Erfüllung einzustehen. Die Möglichkeit eines Zugriffs auf das Verbandsvermögen wäre für den Vertragspartner dann nämlich eine unverdiente Wohltat. Im Gegenzug verdient der BGH insofern uneingeschränkt Zustimmung, als er die Wirksamkeit von Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters wegen Insolvenzzweckwidrigkeit nach den einen angemessenen Interessenausgleich garantierenden Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht beurteilt 28 . Weiterhin sollte der Verband für ein Verschulden des Verwalters einstehen müssen. Ist er Organ, lässt sich diese Rechtsfolge problemlos aus § 31 BGB ab24 Zutreffend Staub/Habersack, HGB, § 145 Rdn. 55; H-F. Müller, Verband in der Insolvenz, S. 61; gänzlich ablehnend Uhlenbruck, InsO, § 56 Rdn. 72: Die Annahme der Liquidationsaufgabe könne die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters nicht entscheidend prägen. 25 RGZ 14, 412, 417; s. daneben RGZ 16, 337, 338. Beide Urteile sieht K. Schmidt, KTS 1984, 345, 364 denn auch zu Recht als Beleg für seine modifizierte Organtheorie an. 26 Zu Recht kritisch dazu Jacoby, Das private Amt, S. 294 f. 27 Ebenso auf der Basis einer „modernen“ Amtstheorie Jacoby, Das private Amt, S. 301 f. 28 BGHZ 150, 353, 361.
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leiten 29. Die herrschende Meinung dagegen sieht sich zu einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift genötigt und will sie mit deren angeblichen Grundgedanken rechtfertigen, dass der Rechtsträger, der die Vorteile aus der Verwaltungstätigkeit ziehe, auch die aus ihr resultierenden Nachteile zu tragen habe30 . Zwar findet sich in den Materialien in der Tat eine entsprechende Formulierung über die Korrelation von Vor- und Nachteil, jedoch hat eine nähere Untersuchung der Entstehungsgeschichte des BGB gezeigt, dass der Gesetzgeber dieses allgemeine Gerechtigkeitspostulat keineswegs bei jeder Form der Vermögensverwaltung umgesetzt wissen wollte, sondern sich gezielt auf das Verhältnis der juristischen Person zu ihren Organen beschränkt hat 31. Daher steht die sachlich gebotene entsprechende Anwendung des § 31 BGB konzeptionell auf zumindest tönernen Füßen 32 . Ein drittes und letztes Beispiel mag hier genügen, um die Begründungsdefizite der Amtstheorie zu veranschaulichen 33 . Hat die insolvente Gesellschaft ein Handelsgewerbe betrieben und führt der Insolvenzverwalter die Geschäfte (einstweilen) fort, dann drängt es sich auf, dass er dabei den besonderen Anforderungen des Handelsrechts unterliegt, also etwa die Rügeobliegenheit des § 377 HGB zu beachten hat oder auf kaufmännische Bestätigungsschreiben nicht schweigen darf. Aus Sicht der modifizierten Organtheorie ist das ganz einfach zu erklären. Die Gesellschaft bleibt nämlich trotz ihrer Auflösung als solche bestehen und nimmt auch weiterhin selbst am Rechtsverkehr teil; der Insolvenzverwalter agiert lediglich als ihr gesetzlicher Vertreter 34 . Der herrschenden Amtstheorie zufolge tritt der Verwalter hingegen im Rechtsverkehr nach außen hin im eigenen Namen auf, weshalb sie sich mit der fragwürdigen Annahme behelfen muss, dass der Verwalter zumindest wie ein Kaufmann am Handelsverkehr teilnehme und daher auf seine Tätigkeit auch Handelsrecht anwendbar sei 35 . Dass trotz aller dogmatischen Unterschiede im praktischen Ergebnis zwischen den widerstreitenden Ansätzen oft Einigkeit besteht, gibt Anlass zu einer methodenkritischen Bemerkung. Wenngleich die modifizierte Organtheorie die Fragen der materiell-rechtlichen Zuordnung des Verwalterhandelns ein29
K. Schmidt, KTS 1984, 345, 393 f.; ders., Gesellschaftsrecht, § 11 VI 4b cc (S. 327). Eingehend dazu Eckardt, KTS 1997, 411, 431 ff.; H-F. Müller, Verband in der Insolvenz, S. 58; Schöpfl in, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 31 Rdn. 2. 31 Vgl. § 4 B II. 32 Konsequent ablehnend Soergel/Hadding, BGB, § 31 Rdn. 8; Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 137 ff. 33 Vgl. zum Umwelthaftungs- und Kapitalmarkrecht K. Schmidt, AG 2006, 597, 598 ff.; daneben § 11 WpHG in der Fassung des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 5. 1. 2007 (BGBl. I, S. 10), der die maßgeblich auf die Amtstheorie gestützte und in der Sache unbefriedigende Freistellung des Insolvenzverwalters von Kapitalmarktpfl ichten durch BVerwG ZIP 2005, 1145 korrigiert; vgl. dazu die Dokumentation in ZIP 2007, 552. 34 K. Schmidt, NJW 1995, 911, 914. 35 BGH ZIP 1987, 584, 585. 30
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facher und eleganter zu erklären vermag, so ist doch auch die Amtstheorie nicht etwa schlechthin falsch, vielmehr führt auch sie bei sachgerechter Anwendung und gelegentlichen Modifikationen zu weithin interessengerechten Ergebnissen. Überdies wäre es verfehlter Ausdruck einer überkommenen Begriffsjurisprudenz, gesetzlich nicht geklärte Zweifelsfragen durch das Bekenntnis zu der einen oder anderen Theorie klären zu wollen. Im Gegenteil besteht zu Recht weithin Konsens, dass Problemlösungen nicht begrifflich-deduktiv aus einer Theorie abgeleitet, sondern nur durch Abwägung der jeweils in Rede stehenden Sachargumente gefunden werden können 36 . Damit sind die Bemühungen um die Einordnung der Rechtsstellung des Insolvenzverwalters jedoch nicht etwa überflüssig37, sondern nur die damit zu verbindenden Erwartungen auf ein realistisches Maß reduziert. Die nähere Einordnung des Amtes kann und soll die systematische Erfassung von praktischen Problemen erleichtern, erhebt aber nicht den Anspruch, erschöpfend auf alle Zweifelsfragen Antwort zu geben. Diesem Anspruch wird die modifizierte Organtheorie allerdings nicht nur hinsichtlich der bisher behandelten Zurechnungsfragen besser gerecht als die herrschende Meinung; sie vermag darüber hinaus auch die durch die Insolvenz aufgeworfene Problematik der Kompetenzabgrenzung überzeugender zu verorten 38 . Zwar hat der Insolvenzverwalter selbstverständlich nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften mit den anderen Institutionen des Insolvenzverfahrens zusammenzuarbeiten und sich ihnen auch teilweise unterzuordnen. So unterliegt er nicht nur nach § 58 InsO der gerichtlichen Aufsicht, sondern hat überdies die gemäß § 157 S. 1 InsO von der Gläubigerversammlung zu treffende Entscheidung über die vorläufige Fortführung oder Stilllegung des Unternehmens hinzunehmen 39. Der Insolvenzverwalter ist aber nicht nur Teil des Insolvenzverfahrens und seiner Institutionen, sondern nimmt auch Aufgaben innerhalb der Gesellschaft wahr. Namentlich geht nach § 80 InsO mit der Verfahrenseröffnung die Befugnis auf ihn über, das Verbandsvermögen zu verwalten und über es zu verfügen. Da aber die bisherigen Organe durch die Insolvenzeröffnung nicht in Fortfall geraten, müssen die Kompetenzen der autonomen Verbandsorgane mit den Anforderungen des Insolvenzverfahrens in Einklang gebracht und sachgerecht von den Aufgaben des Insolvenzverwalters abgegrenzt werden40 . Die Qualifizierung des Insolvenzverwalters als Organ führt 36
Jaeger/Henckel, KO, § 6 Rdn. 4; MünchKommInsO/Ott, § 80 Rdn. 35. So aber Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, § 43 Rdn. 42; Klopp/Kluth, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 22 Rdn. 20 ff.; Kluth, NZI 2000, 351 ff.; dagegen zu Recht K. Schmidt, AG 2006, 597, 598; Jacoby, Das private Amt, S. 282; Stürner, ZZP 94 (1981), 263, 286. 38 K. Schmidt, ZGR 1998, 633, 645; ders., AG 2006, 597, 598. 39 Darauf maßgeblich abstellend Jacoby, Das private Amt, S. 287. 40 S. dazu knapp Hüffer, AktG, § 264 Rdn. 10 ff.; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rdn. 58 ff.; monographisch Gutsche, Organkompetenzen, Rdn. 308 ff.; H.-F. Müller, Verband in der Insolvenz, S. 87 ff.; aus der Rechtsprechung BGH NZG 2007, 384, 386; 37
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in diesem Zusammenhang sinnfällig vor Augen, dass es sich bei der angesprochenen Kompetenzabgrenzung um ein Problem der Binnenorganisation des Verbandes handelt. 2. Widerlegbare Einwände Wenn sich die These vom Insolvenzverwalter als Verbandsorgan trotz ihrer geschilderten Vorzüge bislang nicht durchzusetzen vermochte, kann das sicher nicht allein auf die Beharrungstendenzen einer seit langem etablierten Rechtsauffassung zurückgeführt werden. Vielmehr haben ihre Gegner eine Vielzahl von ernst zu nehmenden Argumenten vorgetragen, von denen es im Folgenden die wichtigsten aufzugreifen gilt. a) Zunächst wird ihr vorgeworfen, sie sei mit allgemeinen Grundsätzen des Vertretungsrechts unvereinbar41. Während ein Vertreter regelmäßig nur diejenige Rechtsmacht ausüben könne, die der Vertretene innehabe, verliere die Gesellschaft gemäß § 80 InsO ihre Verfügungsbefugnis gerade an den Insolvenzverwalter. Konstruktiv sei deshalb nur ein Handeln aus eigenem Recht möglich. Indes ist dieser Einwand jedenfalls für die Verbandsinsolvenz nicht überzeugend. Nach der Vorstellung der modernen Organtheorie verwaltet sich der Verband nämlich stets selbst, vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch seine ursprünglichen Geschäftsführungs- und Vertretungsorgane und danach durch das mit besonderen Pflichten ausgestattete und unter staatlicher Aufsicht stehende Organ des Insolvenzverwalters. Die Regelung des § 80 InsO ist damit als Kompetenzverschiebung innerhalb des Verbandes zu deuten, welche dazu führt, dass sich der Verband selbst durch seinen obligatorischen Fremdliquidator abwickelt. In diesem Zusammenhang wird weiterhin darauf hingewiesen, der Insolvenzverwalter habe Kompetenzen, welche ein Vertreter, der seine Rechtsmacht vom Vertretenen ableite, niemals haben könne. Vor allem das in den §§ 129 ff. InsO verankerte Anfechtungsrecht, aber auch die ihm nach § 93 InsO zustehende Befugnis, die persönliche Gesellschafterhaftung geltend zu machen, sprengten die Konstruktionsmöglichkeiten der Vertreterthese42 . Dass der Insolvenzverwalter Aufgaben wahrzunehmen hat, die von denen der Geschäftsführungsorgane außerhalb der Insolvenz abweichen, lässt sich jedoch zwanglos mit dem Sonderstatus des insolventen Verbandes und den daraus folgenden Notwendigkeiten einer effektiven und dem Grundsatz der GläubigergleichbeBVerwG ZIP 2005, 1145; KG ZIP 2005, 1553; BayObLG NZG 2004, 582. Zu Recht nicht durchgesetzt hat sich demgegenüber die These von Schulz (KTS 1986, 389 ff.), die bisherigen Gesellschaftsorgane würden nahezu vollständig durch den Verwalter verdrängt. 41 So etwa Bork, Insolvenzrecht, Rdn. 66; MünchKommInsO/Ott, § 80 Rdn. 34. 42 So etwa Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 15.04; Jaeger/Henckel, KO, § 6 Rdn. 166; Klopp/Kluth, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 22 Rdn. 25; Kluth, NZI 2000, 351, 354; ebenso bereits RGZ 29, 29, 35.
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handlung Rechnung tragenden Verwaltung oder Verwertung des Gesellschaftsvermögens erklären. Daher behauptet die moderne Organtheorie auch nicht, der Insolvenzverwalter sei mit den autonomen Organen des Verbandes gleichzusetzen; in den Worten K. Schmidt’s ist er vielmehr „kein Organ wie jedes andere“43 . Man mag darin einen Mangel erblicken, treffender dürfte es sein, von der nur begrenzten Leistungsfähigkeit zu sprechen, die sich letztlich alle Einordnungsversuche vorhalten lassen müssen44 . b) Verschiedentlich wird auch ein vermeintliches Bekenntnis des Gesetzgebers zur Verteidigung der Amtstheorie bemüht. Indessen lässt sich weder § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO45 noch dem in jüngerer Zeit häufig angeführten § 19a ZPO46 eine für die rechtsdogmatische Einordnung verbindliche Bestätigung der Amtstheorie entnehmen. Nach letzterer mit dem Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung neu in das Gesetz eingefügten Vorschrift wird der allgemeine Gerichtsstand des Insolvenzverwalters für Klagen, die sich auf die Insolvenzmasse beziehen, durch den Sitz des Insolvenzgerichts bestimmt. Indem er von der Parteistellung des Insolvenzverwalters selbst ausgeht, hat der Gesetzgeber zwar die Diktion der Rechtsprechung übernommen; in der Sache ging es ihm jedoch gerade um deren Korrektur47. Nach Auffassung des BGH war nämlich für Klagen, die sich materiell gegen die Konkursmasse richteten, der allgemeine Gerichtsstand am Wohnsitz des Konkursverwalters begründet 48 . Aus Sicht der Amtstheorie ist das durchaus folgerichtig, weil danach der Insolvenzverwalter den Prozess im eigenen Namen und aus eigenem Recht führt. In der Sache ist es freilich überaus unbefriedigend, dass Klagen infolgedessen an dem unter Umständen vom Gesellschaftssitz als dem naheliegenden Anknüpfungspunkt womöglich weit entfernten Wohnsitz des Verwalters zu erheben sind. Hier wollte der Gesetzgeber zu Recht Abhilfe schaffen. Dabei hat er zwar nicht mit der Vertretertheorie auf den allgemeinen Gerichtstand des Schuldners abgestellt 49 , wohl aber durch die Bezugnahme auf das Insolvenzgericht im Sinne von §§ 2 f. InsO eine davon letztlich nur marginal abweichende Regelung getroffen. Vor dem geschilderten Hintergrund gänzlich verfehlt ist daher die im Schrifttum anzutreffende Behauptung, § 19a ZPO sei schon deshalb als eine Bestätigung der Amtsstellung des Insolvenzverwalters zu begreifen, weil die 43
K. Schmidt, KTS 1984, 345, 367. Vgl. dazu bereits unter 1. 45 So aber etwa H-F. Müller, Verband in der Insolvenz, S. 59 f.; Uhlenbruck, InsO, § 56 Rdn. 75; vgl. auch BGH ZIP 2005, 1519; zutreffend dagegen K. Schmidt, NJW 1995, 911, 913; MünchKommZPO/Lindacher, Vor § 50 Rdn. 36. 46 Vgl. MünchKommAktG/Hüffer, § 264 Rdn. 53; Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, § 43 Rdn. 43; H-F. Müller, Verband in der Insolvenz, S. 60; Gutsche, Organkompetenzen, Rdn. 152 ff. 47 Begr. RegE, BT-Drs. 12/2443, S. 108. 48 Vgl. dazu BGHZ 88, 331, 333 ff. mit zahlreichen Nachweisen auch zur Gegenmeinung. 49 Insoweit zutreffend Jauernig/Berger und H.-F. Müller, jeweils wie Fn. 46. 44
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Vorschrift unter Zugrundelegung der Vertretertheorie schlicht überflüssig wäre 50 . Das mag richtig sein, änderte freilich angesichts der entgegenstehenden Rechtsprechung des BGH nichts an der Notwendigkeit eines Eingreifens des Gesetzgebers. Die Abkehr von der wesentlich durch die Amtstheorie determinierten und als nicht sachgerecht erachteten Regel zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit hat dieser lediglich aus pragmatischen Gründen in Anlehnung an die Formulierungen der Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht. Die weitreichende und über die isolierte Bewältigung des konkreten gesetzgeberischen Anliegens hinausgehende Entscheidung zugunsten einer dogmatischen Einordnung des Insolvenzverwalters war damit nicht verbunden. Geradezu abwegig ist es jedoch, darin eine Bekräftigung der Theorie zu erblicken, aus der die zu korrigierende Regel abgeleitet wurde. c) Zum Kern des Organbegriffs dringt hingegen die Kritik vor, die modifizierte Organtheorie schließe in unzulässiger Weise aus der Funktion des Insolvenzverwalters als eines Liquidators auf dessen Rechtsstellung. Verbandsorgane seien nämlich zur Wahrnehmung des Verbandsinteresses verpfl ichtet, während der Insolvenzverwalter die Belange aller Beteiligten zu einem gerechten Ausgleich zu bringen und als im öffentlichen Interesse handelnder Amtswalter vorrangig für die möglichst effektive Befriedigung der Gläubiger zu sorgen habe 51. In dieselbe Richtung zielt der Einwand, der Insolvenzverwalter könne kein Organ sein, weil er nicht in die Organisationsstruktur des Verbandes integriert sei, diesem vielmehr wie ein Dritter gegenüber trete 52 . Denn dass der Insolvenzverwalter nicht durch ein autonomes Verbandsorgan bestellt und auch keinem solchen rechenschaftspflichtig ist, hängt doch unmittelbar und zwingend mit seiner besonderen öffentlichen Pflichtenbindung zusammen. Sollte der Verfahrenszweck nicht von vornherein verfehlt werden, musste an die Stelle verbandsautonomer Kontrolle die Rückbindung an die Gläubigerversammlung und die gerichtliche Aufsicht treten. Diesen Hintergrund verkennt nun auch K. Schmidt selbstverständlich nicht. Er sieht darin aber keinen relevanten Einwand gegen seine These vom Insolvenzverwalter als gesetzlichem Vertreter der Gesellschaft, da diese auf die rechtliche Zuordnungsproblematik abziele, welche streng von der Pfl ichtenstellung zu unterscheiden sei 53 . Der behauptete Gegensatz zwischen der Neutralität des Amtes und der Rechtskonstruktion der gesetzlichen Vertretung existiere nicht, beides liege auf unterschiedlichen Ebenen. Dieser dogmatischen Differenzierung kann gewiss zugestimmt werden. Noch nicht widerlegt ist damit 50
So aber Gutsche, Organkompetenzen, Rdn. 154. Henckel, FS Merz, S. 197, 205 ff.; Bork, Insolvenzrecht, Rdn. 66; H.-F. Müller, Verband in der Insolvenz, S. 57, 61; MünchKommAktG/Hüffer, § 264 Rdn. 43; Jacoby, Das private Amt, S. 287. 52 So H.-F. Müller, Verband in der Insolvenz, S. 18, 57; Smid, DZWiR 2006, 1, 4. 53 K. Schmidt, KTS 1984, 345, 358. 51
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aber der Vorwurf, der Insolvenzverwalter könne deswegen nicht Organ sein, weil es dafür nicht genüge, dass ein Amtswalter Funktionen innerhalb des Verbandes ausübe, sondern hinzukommen müsse, dass er seine Tätigkeit an den Interessen des Verbandes und seiner Mitglieder auszurichten habe. Nun ist im Hinblick auf die hier in Rede stehende Verwaltungstätigkeit in der Tat von einer solchen Vorgabe auszugehen 54 ; der vermeintliche Widerspruch lässt sich allerdings ausräumen. So entbindet schon in der werbenden Gesellschaft die Verfolgung des Verbandszwecks die Organe nicht von der Einhaltung der zahlreichen gesetzlichen Vorgaben, die dem öffentlichen Interesse oder dem Gläubigerschutz dienen. Auch wenn es aus Sicht der Gesellschaft nicht nützlich ist, muss der Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft die Bücher der Gesellschaft ordentlich führen, Steuern und Sozialabgaben abführen und gegebenenfalls Insolvenzantrag stellen. Der Verbandszweck darf ihm mit anderen Worten nur im Rahmen des gesetzlich Zulässigen als Leitschnur dienen. In der aufgelösten Gesellschaft nimmt diese partielle Fremdbestimmung weiter zu. Ohne dass deshalb die Organqualität der gesellschaftsrechtlichen Liquidatoren in Frage zu stellen wäre, dürfen diese nämlich das vorhandene Vermögen keineswegs nach ihrem Belieben unter den Gesellschaftern verteilen, sondern haben in der Kapitalgesellschaft zwingend dadurch für einen angemessenen Gläubigerschutz zu sorgen, dass sie erst alle Gläubiger befriedigen oder ihnen Sicherheit gewähren und zudem den Ablauf des Sperrjahres abwarten 55 . Gewiss ist in der Insolvenz die Neutralitätspflicht des Insolvenzverwalters noch stärker ausgeprägt, der bisweilen behauptete kategoriale Unterschied zwischen dem gesellschaftsrechtlichen und dem insolvenzrechtlichen Liquidationsverfahren besteht in dieser Schärfe aber nicht 56 . Entscheidend kommt noch ein weiterer Gesichtspunkt hinzu: Nach herrschender Meinung wird mit der Auflösung des Verbandes der bisherige Verbandszweck durch den Abwicklungszweck abgelöst 57. Dementsprechend soll im Fall insolvenzbedingter Auflösung der Insolvenzzweck, also der Zweck der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung, an die Stelle der bisherigen erwerbswirtschaftlichen oder ideellen Zielsetzung treten 58 . Nach der abweichenden Lehre bleibt der Verbandszweck zwar im Grundsatz unverändert, er wird aber,
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Zusammenfassend § 6 D. Vgl. zum zwingenden Charakter der §§ 73 GmbHG, 262 AktG Lutter/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 73 Rdn. 1; Schulze-Osterloh/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 73 Rdn. 2; Hüffer, AktG, § 272 Rdn. 1; zur Rechtslage im Personengesellschaftsrecht MünchKommBGB/Ulmer, § 733 Rdn. 6 ff. 56 So aber Henckel, FS Merz, S. 197, 205. 57 Vgl. nur Hüffer, AktG, § 262 Rdn. 2; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 60 Rdn. 74; MünchKommBGB/Ulmer, Vor § 723 Rdn. 6; Staub/Habersack, HGB, § 145 Rdn. 2; Soergel/Hadding, BGB, Vor § 41 Rdn. 3. 58 Vgl. BGHZ 96, 253, 255; BGHZ 103, 1, 6. 55
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soweit das erforderlich ist, durch den Verfahrenszweck überlagert 59. Es steht damit im Ergebnis außer Streit, dass auch die ursprünglichen Organe nur noch solche Maßnahmen vornehmen dürfen, die mit den Anforderungen des Insolvenzverfahrens in Einklang zu bringen sind. Auch der Umstand, dass der Insolvenzverwalter den Verband nicht im Interesse seiner Mitglieder verwaltet und liquidiert, hindert also seine Qualifikation als Organ nicht, wenn man nur den Sonderstatus des insolventen Verbandes und seine Zweckausrichtung hinreichend berücksichtigt. Da gewichtige Gründe für sie sprechen und die vorgetragenen Einwände letztlich nicht überzeugen konnten, gebührt der Einordnung des Insolvenzverwalters als Organ des Verbandes der Vorzug vor der herrschenden, aber in ihrem Erklärungsgehalt fragwürdigen Amtstheorie.
B. Abschlussprüfer I. Wandel der Anschauungen Der Abschlussprüfer nimmt insofern eine eigentümliche Stellung ein, als er einerseits in den Willensbildungsprozess der Gesellschaft eingebunden ist, andererseits aber eine gänzlich unabhängige, dem Allgemeininteresse dienende Kontrollaufgabe wahrzunehmen hat. Diese Doppelfunktion spiegelt sich aus historischer Sicht in einem Wandel der Anschauungen wider. Zunächst hat der BGH in einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 1954 die Organeigenschaft des Abschlussprüfers mit der Begründung bejaht, dass er in die Organisation der Gesellschaft eingegliedert sei und unabhängig von Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung eine Arbeit leiste, die an sich der Aufsichtsrat leisten müsse, jedoch zumeist nicht leisten könne 60 . Nicht nur aus dem mit der Gesellschaft geschlossenen Vertrag, sondern auch aus der Stellung als Organ ergäbe sich daher eine besondere Treupflicht. Obschon das geschriebene Recht damals die heute in § 323 Abs. 1 S. 3 HGB verankerte Warnpflicht noch nicht kannte, sah der BGH den Abschlussprüfer aufgrund dieser Treupflicht als verpflichtet an, seine Stimme warnend zu erheben, wenn ihm bei der Prüfung schwerwiegende Bedenken gegen die Geschäftsführung, Rentabilität oder Liquidität 59 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 V 4c (S. 313); Schulze-Osterloh/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 60 Rdn. 9; H.-F. Müller, Verband in der Insolvenz, S. 124 ff.; wohl auch Lutter/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 69 Rdn. 2. 60 BGHZ 16, 17, 25; dem folgend Baumbach/Hueck, AktG, Vor § 76 Rdn. 1 und § 163 Rdn. 4; aus neuerer Zeit ebenso MünchHdbAG2 /Wiesner, § 19 Rdn. 9; Henn, Handbuch des Aktienrechts, Rdn. 1088 f.; Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, S. 318, 332 f.; Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2123 („Organ im weiteren Sinne“); vgl. auch Staub/Ulmer, HGB, § 114 Rdn. 16, der von einem „Kontrollorgan“ spricht. Vgl. daneben die zahlreichen Nachweise zum älteren Schrifttum bei Mai, Abschlussprüfer, S. 194 Fn. 1.
B. Abschlussprüfer
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kommen61. In der Wortwahl schon wesentlich zurückhaltender, aber in der Sache ähnlich formulierte das Gericht im Jahre 1980, der Abschlussprüfer habe in der Gesellschaft „eine Stellung wie ein Organ“62 . Nunmehr ging es ihm allerdings nicht um Treupflichten, sondern um die Feststellung, dass es sich bei seiner Bestellung um ein Grundlagengeschäft handelt, an dem in der Personengesellschaft alle Gesellschafter und damit in der KG auch die Kommanditisten zu beteiligen sind. Seitdem hat der BGH, soweit ersichtlich, auf diese Argumentationslinie nicht mehr zurückgegriffen, sondern anstehende Sachprobleme im Zusammenhang mit dem Abschlussprüfer ohne ein Bekenntnis zu einer bestimmten rechtsdogmatischen Einordnung gelöst. Das dürfte nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, dass das moderne Schrifttum den Abschlussprüfer ganz überwiegend nicht mehr als Organ qualifizieren will und die gegenteilige Aussage in den älteren Entscheidungen des BGH als überholt ansieht 63 . Der Abschlussprüfer sei zwar in das interne System der Unternehmensüberwachung eingebunden, nehme darüber hinaus durch Abgabe seines Bestätigungsvermerks aber vor allem eine öffentliche Garantiefunktion gegenüber der Allgemeinheit wahr. Die damit wesensmäßig verbundene und im Gesetz an vielen Stellen hervorgehobene Unabhängigkeit lasse sich mit einer Organstellung nicht vereinbaren64 . Daher sieht man den Abschlussprüfer als „gesellschaftsexternen, unabhängigen Sachverständigen“ oder als „außenstehende Kontrollinstanz mit öffentlicher Funktion“, die eine obligatorische Fremdkontrolle durchführe. Zu Eigen gemacht hat sich diese Auffassung das BayOblG. Weil der Abschlussprüfer nicht Organ, sondern als außenstehende Kontrollinstanz mit öffentlicher Funktion vielmehr einem gerichtlich bestellten Sachverständigen ähnlich sei, könnten zur Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals der Besorgnis der Befangenheit, dessen Vorliegen nach § 318 Abs. 3 HGB die Ersetzung des Abschlussprüfers rechtfertigt, die im Zivilprozessrecht über die Ab61 BGHZ 16, 17, 25. Diese Rede- und Warnpfl icht wurde sodann mit im Wesentlichen gleichen Anforderungen in § 166 Abs. 2 des AktG 1965 aufgenommen; über § 323 Abs. 1 S. 3 HGB hinausgehende Empfehlungen enthält heute 7.2.3 DCGK. 62 BGHZ 76, 338, 342. 63 Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rdn. 323; Hopt/Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 318 Rdn. 2; Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 401 f.; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 472 f.; GroßKommAktG/Kort, § 76 Rdn. 10; KölnKommAktG/Claussen/Korth, § 318 HGB Rdn. 30 f.; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 41 Rdn. 98; SchulzeOsterloh, ZGR 1976, 411, 417 ff.; MünchKommHGB/Ebke, § 316 Rdn. 26 ff.; ders., Wirtschaftsprüfer, S. 14; Jacoby, Das private Amt, S. 143 f.; Mai, Abschlussprüfer, S. 217; Doralt, Haftung der Abschlussprüfer, S. 58; Herfs, Einwirkung Dritter, S. 70 f.; Semler, in: Semler/ Peltzer, Arbeitshandbuch Vorstand, § 1 Rdn. 64; Simitis, FS Reinhardt, S. 329, 332 ff.; MünchHdbAG/Wiesner, § 19 Rdn. 9; offen Adler/Düring/Schmaltz, § 319 HGB Rdn. 13 ff. (eindeutige Beantwortung der Frage sei unmöglich). 64 MünchKommHGB/Ebke, § 316 Rdn. 27; KölnKommAktG/Claussen/Korth, § 318 HGB Rdn. 31.
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lehnung von Sachverständigen gewonnenen Erkenntnisse herangezogen werden65 . In die gleiche Richtung zielt schließlich das OLG Stuttgart, wenn es unter Hinweis auf dessen fehlende Organeigenschaft den Grundsatz aufstellt, dass ein Abschlussprüfer trotz seiner vorherigen Tätigkeit für ein beteiligtes Unternehmen in einem späteren Spruchstellenverfahren als gerichtlicher Sachverständiger nicht von vornherein ausgeschlossen sei 66 . Innerhalb der herrschenden Lehre ist dagegen umstritten geblieben, welche Rechtsbeziehungen statt dessen zwischen dem Abschlussprüfer und der zu prüfenden Gesellschaft bestehen. Während die einen von einer ausschließlich vertraglichen Beziehung ausgehen 67, meinen die anderen, von dem schuldrechtlichen Geschäftsbesorgungsvertrag sei ein korporationsrechtliches Bestellungsverhältnis zu unterscheiden68 . Wenngleich dieses nicht organschaftlicher Natur sei, würden doch ebenso wie bei einem solchen kraft Gesetzes zwingende Rechte und Pflichten begründet. Es biete sich daher an, den Abschlussprüfer in Anlehnung an den Insolvenzverwalter und den Vormund als Inhaber eines privaten Amtes einzuordnen69. Weithin Einigkeit besteht demgegenüber darüber, dass praktische Folgerungen aus der je unterschiedlichen dogmatischen Einordnung rar sind und sich durchweg auf der Basis sowohl einer organschaftlichen Sonderbeziehung wie auch unter Rückgriff auf den Prüfauftrag erklären lassen 70 . Da dieser Befund die Aufgabe wissenschaftlicher Systembildung indessen keineswegs überflüssig macht 71 , ist im Folgenden zu untersuchen, ob die traditionelle Auffassung des BGH zutrifft, wonach der Abschlussprüfer Organ der Gesellschaft ist. Entsprechend dem hier vertretenen zweigliedrigen Organbegriff ist dabei zwischen institutionellen und funktionellen Aspekten zu unterscheiden.
65 BayOblG WM 1987, 1361, 1365; allgemein zur Besorgnis der Befangenheit BGHZ 153, 32, 40 ff.; Staub/Zimmer, HGB, § 318 Rdn. 55 ff. 66 OLG Stuttgart NZG 2006, 758, 759; in der Sache ebenso OLG München ZIP 2007, 375, 378. 67 MünchKommHGB/Ebke, § 318 Rdn. 18. 68 Vgl. neben den Nachweisen in der folgenden Fn. auch Merkt, Unternehmenspublizität, S. 473; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 41 Rdn. 84; GroßKommAktG/ Hopt/Roth, § 111 Rdn. 453 f. 69 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 42 Rdn. 11; Mai, Abschlussprüfer, S. 230 ff., 239 f.; gegen eine öffentlich-rechtliche Qualifi kation Koch, DK 2005, 723, 727 ff.; Adler/Düring/Schmaltz, § 319 HGB Rdn. 11; Mößle, Abschlussprüfer und Corporate Governance, S. 103 ff. 70 Adler/Düring/Schmaltz, § 319 HGB Rdn. 14 nennen etwa die Frage der Höchstpersönlichkeit der Leistungserbringung und der Beachtlichkeit von Mitverschulden der gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft; ebenso Schulze-Osterloh, ZGR 1976, 411, 418; KölnKommAktG/ Claussen/Korth, § 318 HGB Rdn. 31. 71 So auch Mößle, Abschlussprüfer und Corporate Governance, S. 100.
B. Abschlussprüfer
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II. Institutionelle Aspekte Aus institutioneller Sicht müsste der Abschlussprüfer zunächst in die Organisation der Gesellschaft eingegliedert sein. Dass der Abschlussprüfer nicht in den jeweiligen Organisationsgesetzen in dem Abschnitt betreffend die Verfassung der Gesellschaft erwähnt ist, reicht einigen Stimmen im Schrifttum zum Trotz allerdings sicherlich nicht aus, um insoweit zu einer ablehnenden Haltung zu gelangen 72 . Der Gesetzgeber hat den Abschlussprüfer als Rechtsinstitut nämlich allein aus pragmatischen Gründen rechtsformübergreifend in den §§ 316 ff. HGB geregelt; eine Festlegung hinsichtlich der dogmatischen Einordnung verbindet sich mit dieser Verortung nicht. Ebenso wenig steht der Qualifikation als Organ entgegen, dass nach § 319 Abs. 1 S. 1 HGB neben natürlichen Personen auch Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Abschlussprüfer sein können. Denn nach allgemeinen Grundsätzen des Verbandsrechts können auch juristische Personen als Organwalter fungieren, sofern dem nicht spezifische Vorgaben oder Wertungen des Organisationsrechts entgegenstehen 73 . Gut nachvollziehbar hingegen berufen sich die Befürworter einer organschaftlichen Deutung auf den Umstand, dass der Abschlussprüfer seine Funktion direkt aus dem Gesetz ableitet und eine besondere Legitimität aus der Art seiner Bestellung schöpft 74 . In der Tat ähnelt der Vorgang der Berufung des Abschlussprüfers weniger der Beauftragung eines Sachverständigen als vielmehr der Bestellung eines Organwalters. Rechtsformunabhängig handelt es sich nämlich um ein Grundlagengeschäft, für das die Gesellschafter zuständig sind. Das ordnet § 119 Nr. 4 AktG für die AG gesondert an; nichts anderes gilt aber nach der allgemeinen Regel des § 318 Abs. 1 S. 1 HGB, so dass auch in der GmbH – vorbehaltlich einer gemäß Abs. 1 S. 2 zulässigen anderweitigen Bestimmung im Gesellschaftsvertrag – die Gesellschafterversammlung beschließt 75 . Bei der nach dem Publizitätsgesetz prüfungspflichtigen Personengesellschaft wiederum sind nicht nur die persönlich haftenden Gesellschafter, sondern auch etwaige Kommanditisten wahlberechtigt 76 . Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine grundlegende Maßnahme handelt, welche Struktur und Organisation der Gesellschaft betrifft77. Schließlich kennt das Gesetz mit § 318 Abs. 4 HGB eine Vorschrift, die in Parallele zur Notbestel72 So aber KölnKommAktG/Claussen/Korth, § 318 HGB Rdn. 30; Jacoby, Das private Amt, S. 144. 73 Näher dazu § 10 B I; unrichtig daher Mai, Abschlussprüfer, S. 214 f. 74 So Henn, Handbuch des Aktienrechts, Rdn. 1089; vgl. daneben BGHZ 16, 17, 25. 75 S. zu den Einzelheiten möglicher anderweitiger Regelungen Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 41 Rdn. 64; Staub/Zimmer, HGB, § 318 Rdn. 6 ff. 76 BGHZ 76, 338, 342; OLG Hamm DStR 1999, 1824; Staub/Ulmer, HGB, § 114 Rdn. 16; Koller, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 114 Rdn. 2; Schulze-Osterloh, FS Hadding, S. 637, 648. 77 Vgl. MünchKommBGB/Ulmer, § 709 Rdn. 10; MünchKommHGB/Rawert, § 114 Rdn. 9 f.
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lung von Geschäftsleitern und Aufsichtsratsmitgliedern eine gerichtliche Ersatzvornahme zulässt, wenn der Abschlussprüfer bis zum Ablauf des Geschäftsjahres nicht gewählt worden ist. Letztlich zwingend ist diese Argumentation indes nicht, wird doch der eigentliche Prüfauftrag wie jeder andere schuldrechtliche Auftrag auch gemäß § 318 Abs. 1 S. 4 HGB durch den gesetzlichen Vertreter erteilt, sofern nicht kraft gesetzlicher Sonderregelung nach Art des § 111 Abs. 2 S. 3 AktG der Aufsichtsrat hierfür zuständig ist. Die vorgängige Befassung der Gesellschafter lässt sich also nicht nur mit dem organisationsrechtlichen Charakter des Vorgangs, sondern auch damit erklären, dass aus funktioneller Sicht allein diese die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers gegenüber der Geschäftsleitung und dem Aufsichtsrat als den verwaltenden Organen der Gesellschaft zu sichern vermag 78 . Ähnlich ambivalent sind im Weiteren auch die im Gesetz vorgesehenen Rechte und Pflichten des Abschlussprüfers zu beurteilen. Dass er nach § 320 Abs. 2 HGB das Recht hat, von den gesetzlichern Vertretern der Gesellschaft alle Aufklärungen und Nachweise zu verlangen, die für eine sorgfältige Prüfung erforderlich sind, und dass diese im Gegenzug von ihrer Verschwiegenheitspfl icht freigestellt sind79 , ließe sich sicherlich als ein die Eingliederung in die Organisation der Gesellschaft zum Ausdruck bringender organschaftlicher Auskunftsanspruch deuten80 . Umgekehrt sprechen aber die wohl besseren Gründe dafür, den Abschlussprüfer jenseits dieses genau definierten Bereichs im Verhältnis zur Gesellschaft als „Dritten“ anzusehen, gegenüber dem die Mitglieder der Verwaltungsorgane Stillschweigen zu bewahren haben81. Die Offenheit des Gesetzes für verschiedene Deutungen setzt sich im Rahmen der Haftung des Abschlussprüfers fort. Zunächst sprengt die sonderprivatrechtliche Verantwortlichkeitsnorm des § 323 Abs. 1 S. 3 HGB insofern das traditionelle Bild von der Haftung wegen Vertragsverletzung, als anspruchsverpflichtet neben dem Abschlussprüfer auch dessen gesetzliche Vertreter und Gehilfen sind, obwohl diese gar nicht Partner des Prüfungsvertrags sind. Freilich bleibt dieser Umstand auch dann eine bemerkenswerte Besonderheit, wenn man von einem organschaftlichen oder sonstigen gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen dem Abschlussprüfer und der zu prüfenden Gesellschaft ausgeht. Da dann die Grundsätze über die fehlerhafte Organbestellung eingriffen, ließe sich auf diese Weise allerdings ganz zwanglos das wohl allein sachgerechte Ergebnis erklären, dass die Pflicht zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung auch bei Unwirksamkeit des Prüfungsvertrags besteht 82 . Jedoch ist es keineswegs 78 Vgl. zu den entsprechenden Überlegungen in der Reformdiskussion vor 1931 Habersack, Der Abschlussprüfer, Rdn. 14, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 2. 79 Vgl. Hüffer, AktG, § 93 Rdn. 8; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 93 Rdn. 57. 80 So BGHZ 16, 17, 25. 81 So Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rdn. 467. 82 Vgl. dazu § 11 A.
B. Abschlussprüfer
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ausgeschlossen, die Vorschrift des § 323 HGB als eine zwar an den Prüfauftrag anknüpfende, aber zugleich allgemeine vertragsrechtliche Grundsätze modifizierende Sondervorschrift aufzufassen, und so ebenfalls der Problematik des nichtigen Auftrags Herr zu werden83 . In diese Sichtweise wiederum fügt sich bestens die Rechtsprechung des BGH ein, der zufolge sich die Dritthaftung des Abschlussprüfers nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bestimmt 84 .
III. Funktionelle Aspekte 1. Die Unterstützungsfunktion des Abschlussprüfers Angesichts dieses wenig klaren Bildes muss es entscheidend auf die Bewertung der von ihm für die Gesellschaft wahrgenommenen Funktionen ankommen. Insoweit wird seine Organeigenschaft mit dem Argument bezweifelt, das von ihm gefundene Prüfungsergebnis vermöge im körperschaftsinternen Prozess keinerlei unmittelbare und eigenständige Rechtsfolgen auszulösen85 . Das ist rechtstechnisch insofern richtig, als Einschränkungen des Testats oder der Versagungsvermerk als solche keinen Einfluss auf die Gültigkeit des später festgestellten Jahresabschlusses haben, sofern nur die Prüfung vollständig durchgeführt worden ist 86 . Allein soweit die Gründe, die zu diesem negativen Urteil geführt haben, ihrerseits den Tatbestand einer auf den Jahresabschluss bezogenen Nichtigkeitsvorschrift erfüllen, ergeben sich Rechtsfolgen für die Beschlussfassung. Im Übrigen jedoch hängt es allein von der Willensentscheidung der befassten Organe ab, ob und, wenn ja, auf welche Weise sie den Feststellungen und Schlussfolgerungen des Abschlussprüfers Rechnung tragen. Diese überaus formalistischen Überlegungen können indes kaum überzeugen. Nach allgemeinen Grundsätzen kommen nämlich keineswegs nur solche Stellen als Organe in Betracht, die für den Verband mit verbindlicher Wirkung Entscheidungen treffen, vielmehr kann auch die nur mittelbar Wirkung entfaltende Kontrolle oder Beratung anderer Organe Gegenstand organschaftlicher Kompetenzen sein87. Völlig ausgeblendet lässt die genannte Einschätzung denn auch die im deutschen Recht seit jeher bedeutsame Aufgabe des Abschlussprüfers, dem Aufsichtsrat unternehmensintern die Unterstützung angedeihen zu 83 Vgl. Staub/Zimmer, HGB, § 323 Rdn. 2: Modifikation der vertraglichen Haftung; Adler/Düring/Schmaltz, § 323 HGB Rdn. 172: abschließende Sonderregelung; zum österreichischen Recht explizit Doralt, Haftung der Abschlussprüfer, S. 86 f. 84 BGHZ 138, 257, 261; BGH NZG 2006, 862, 863; NJW 2006, 1975, 1977. 85 Mai, Abschlussprüfer, S. 211 ff. 86 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, § 322 HGB Rdn. 34; Hüffer, AktG, § 256 Rdn. 12; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 42 Rdn. 47; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 41 Rdn. 162. 87 Vgl. § 3 E II 2.
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lassen, die ihm eine sachgerechte Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe überhaupt erst ermöglicht. Schon die Einführung der Pflichtprüfung im Jahre 1931 verstand sich als die gesetzgeberische Antwort auf das Versagen der Aufsichtsräte bei den zahlreichen Unternehmenszusammenbrüchen am Ende der Weimarer Republik88 . Weil die Aufsichtsräte mit der Aufgabe der Prüfung des Jahresabschlusses der Gesellschaft zunehmend überfordert waren, wurde ihnen der Abschlussprüfer als Gehilfe zur Seite gestellt89. Durch die jüngere Rechtsentwicklung wurde diese Unterstützungsaufgabe sodann maßgeblich gestärkt und erweitert90 . Während sich die Aufgabe des Abschlussprüfers zunächst auf eine mehr allgemeine und zudem retrospektive Analyse der Ordnungsmäßigkeit des Abschlusses beschränkte, ist seine Tätigkeit spätestens seit dem 1998 in Kraft getretenen Gesetz zur Stärkung der Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) 91 stärker problem, risiko- und zukunftsorientiert ausgestaltet92 . Über die eigentliche Rechnungslegung hinaus sind nunmehr auch interne Prozesse, das Geschäftsumfeld und daraus resultierende Risiken in die Prüfung einzubeziehen, womit der Wandel weg vom bloßen „financial audit“ hin zum umfassenderen „business audit“ vollzogen wurde 93 . So hat der Prüfbericht gemäß § 321 Abs. 1 S. 2 HGB im Eingangsteil Stellung zu nehmen zur Lageeinschätzung durch die gesetzlichen Vertreter und dabei insbesondere auf die Beurteilung des Fortbestandes und der Entwicklung des Unternehmens einzugehen94 . Ebenfalls ein qualitatives Mehr an Informationen soll dem Aufsichtsrat der nach §§ 317 Abs. 4, 321 Abs. 4 HGB vorgeschriebene Controlling-Funktionsreport zur Verfügung stellen. Demnach hat der Abschlussprüfer bei börsennotierten Aktiengesellschaften zu beurteilen, ob das vom Vorstand gemäß § 91 Abs. 2 AktG einzurichtende Frühwarnsystem geeignet und funktionsfähig ist; hierbei ist nach teilweise vertre-
88 Eingehend dazu Habersack, Der Abschlussprüfer, Rdn. 9 ff., in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 2; Lieder, Aufsichtsrat im Wandel, S. 319 ff.; daneben Merkt, Unternehmenspublizität, S. 471 f. 89 Sehr deutlich in diesem Sinne auch BGHZ 16, 17, 25: Der Abschlussprüfer „leistet Arbeit, die an sich der Aufsichtsrat leisten müsste, jedoch zumeist nicht leisten kann“. 90 Wie hier Hommelhoff/Mattheus, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 639, 653; abweichend MünchKommHGB/Ebke, § 316 Rdn. 28: Das KonTraG habe das gesellschaftsinnenrechtliche Verständnis der Stellung des Abschlussprüfers endgültig gesprengt. 91 Gesetz vom 27. 4. 1998, BGBl. I, S. 786. 92 Vgl. Begr. RegE, BT-Drs. 13/9712, S. 26; BGHZ 153, 32, 42; Mattheus, ZGR 1999, 682, 696 ff. 93 Vgl. Hommelhoff/Mattheus, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 639, 653; Habersack, Der Abschlussprüfer, Rdn. 32, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 2. 94 Vgl. dazu Hommelhoff/Mattheus, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 639, 657 f.; MünchKommHGB/Ebke, § 321 Rdn. 20 ff.
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tener Ansicht sogar die unternehmerische Zweckmäßigkeit in die Prüfung und Berichterstattung einzubeziehen95 . 2. Die Garantiefunktion des Abschlussprüfers Hätte es bei der geschilderten Unterstützungsfunktion sein Bewenden, dann bestünden gegen eine organschaftliche Deutung des Abschlussprüfers keine Bedenken. Ihm kommt jedoch eine Doppelfunktion zu; neben seiner Mitwirkung im Rahmen der internen Unternehmensverfassung wirkt er durch die Abgabe des Bestätigungsvermerks auch im öffentlichen Interesse als Garant der Rechnungslegung gegenüber den Adressaten der unternehmerischen Jahresrechnung. Weil er als neutraler Sachverständiger die Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit der Rechnungslegung erhöhen soll, legt das Gesetz größten Wert auf die Wahrung einer qualitativ hochwertigen, unabhängigen und weisungsfreien Berufsausübung 96 . Wie im modernen Schrifttum zutreffend hervorgehoben wird97, lässt sich diese Garantiefunktion des Abschlussprüfers kaum mit der auch hier geteilten Vorstellung in Einklang bringen, der zufolge ein Kontrollorgan allein um der Verwirklichung des Verbandszwecks besteht und sich daher bei seiner Tätigkeit am Verbandsinteresse auszurichten hat98 . Zwar bringt eine unabhängige Prüfung grundsätzlich auch für die geprüfte Gesellschaft Vorteile mit sich, weil sie das Vertrauen der Vertragspartner und Anleger in das Unternehmen stärkt. Aus diesem Grunde begegnet neben der obligatorischen auch die freiwillige Prüfung. Jedoch ist damit keineswegs gesagt, dass das gesetzlich vorgeschriebene Prüfungsniveau im Allgemeinen und erst recht nicht jede Prüfungshandlung und jedes Prüfungsergebnis im Besonderen dem Unternehmensinteresse dient99. Nun sind auch die Geschäftsführungsorgane insofern partiell fremdbestimmt, als sie den Verbandszweck nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben verfolgen dürfen und daher unter Umständen auch für den Verband nachteilige Maßnahmen vornehmen müssen. Dass aber ein gänzlich vom Verbandszweck gelöstes Organ mit allgemeinen Grundsätzen nicht vereinbar ist, zeigt schon der Umstand, dass die an sich konsequente100 Haftung der Gesellschaft nach § 31 BGB für ein derart fremdbestimmtes Gebilde nicht passt. Die unbedingte 95 So Staub/Zimmer, HGB, § 317 Rdn. 35; Dörner, DB 1998, 1, 2; ablehnend hingegen Hopt/Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 317 Rdn. 10; Hommelhoff/Mattheus, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 639, 659. 96 Vgl. zur Neuregelung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in §§ 319 f. HGB durch das Bilanzrechtsreformgesetz Ring, Wpg 2005, 197. 97 Vgl. die Nachweise in Fn. 62 f.; aber auch Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 402, dem zufolge eine Harmonisierung von Organstellung und Unabhängigkeit möglich ist. 98 Zusammenfassend § 6 D. 99 Näher dazu aus ökonomischer Sicht Koch, DK 2005, 723, 726. 100 So auch Mößle, Abschlussprüfer und Corporate Governance, S. 102 f.; daneben oben § 4 B II 4.
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Haftung ist nämlich nur deswegen gerechtfertigt, weil sich der Verband seiner Organe bedient, um mit ihrer Hilfe seinem vorbestimmten Zweck nachzugehen; hieran fehlt es im Falle des Abschlussprüfers. So hat denn auch der BGH ausdrücklich klargestellt, dass der Abschlussprüfer, obschon Organ, die Gesellschaft nicht nach § 31 BGB haftbar machen könne101. Aber auch in anderer Hinsicht müssten allgemeine Grundsätze modifiziert werden. So wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Abschlussprüfer jenseits seiner gesetzlichen Auskunftsrechte im Verhältnis zur Gesellschaft als „Dritter“ anzusehen ist, dem gegenüber die Mitglieder der Verwaltungsorgane Stillschweigen zu bewahren haben102 . Umgekehrt ist es nicht gerechtfertigt, das Wissen des Abschlussprüfers im Zuge der Grundsätze über die organschaftliche Wissenszurechnung der geprüften Gesellschaft zuzurechnen.
IV. Schlussfolgerungen Indem die ältere Rechtsprechung des BGH den Abschlussprüfer als Organ qualifiziert, kann sie überzeugend die in Anlehnung an korporationsrechtliche Grundsätze ausgestaltete Bestellung und seine Unterstützungsfunktion innerhalb des Unternehmens erklären. Die Garantiefunktion des Abschlussprüfers hingegen lässt sich mit einem materiellen Organverständnis nur schwer vereinbaren und nötigt zu zahlreichen Modifikationen allgemeiner Grundsätze. Im Einklang mit der überwiegenden Meinung im modernen Schrifttum erscheint es daher als vorzugswürdig, ihn als unabhängigen Sachverständigen mit öffentlicher Funktion aufzufassen, der die Gesellschaft einer externen Kontrolle unterzieht. Die sich daran anknüpfende Frage, ob sich die Rechtsbeziehung in dem Vertragsverhältnis zur Gesellschaft erschöpft oder ob der Abschlussprüfer als Inhaber eines privaten Amtes mit ihr daneben durch ein gesondertes gesetzliches Schuldverhältnis verbunden ist, kann hier nicht vertieft werden. Im Ergebnis allerdings ist eine Aufspaltung der Rechtsverhältnisse schon deswegen sachgerecht und daher zu befürworten, weil so verhindert wird, dass Mängel des Prüfungsauftrags die Wirksamkeit der Bestellung berühren und zur Nichtigkeit des geprüften Jahresabschlusses führen103 .
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BGHZ 16, 17, 25; im Ergebnis einhellige Meinung, vgl. Baumbach/Hueck, AktG, § 163 Rdn. 4; Adler/Düring/Schmaltz, § 319 HGB Rdn. 14; Mai, Abschlussprüfer, S. 195 ff. 102 Vgl. oben unter I. 103 Vgl. § 256 Abs. 1 Nr. 3 AktG; die Vorschrift ist auf die GmbH entsprechend anzuwenden, s. Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 42a Rdn. 86.
§ 9 Konkretisierung des Organbegriffs A. Zusammenschau der gewonnenen Einsichten und Ausblick Die Detailanalyse zahlreicher Einrichtungen im Grenzbereich des Organbegriffs erlaubt es nunmehr, sowohl dessen institutionelle wie auch dessen funktionelle Komponente näher zu konkretisieren. Aus institutioneller Sicht ist das Organ eine Instanz innerhalb des Verbandes, die durch Gesetz oder Satzung geschaffen wird und Träger originärer Kompetenzen ist. Diese Aussage ist nunmehr dahingehend zu ergänzen, dass auch der Beherrschungsvertrag als satzungsüberlagernder Organisationsvertrag in der Lage ist, das herrschende Unternehmen zum Organ der abhängigen Gesellschaft zu machen. Dagegen besteht kein Bedürfnis, rechtsfortbildend den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH als in die GmbH & Co KG eingegliedert anzusehen. Die Probleme der damit angesprochenen mittelbaren Geschäftsleitung lassen sich auch konservativ unter Rückgriff auf die Rechtsverhältnisse zwischen der KG und der GmbH einerseits und der GmbH und ihrem Geschäftsführer andererseits bewältigen. Vor allem aber zeigt sich ein differenzierteres Bild von der funktionellen Komponente des Organs. Während zu Beginn allein die möglichen Gegenstände organschaftlicher Kompetenzen genannt werden konnten, hat sich im Weiteren die Aufgabenwahrnehmung im Verbandsinteresse als prägendes Element herauskristallisiert. Ein Vorbehalt gilt nur für das Repräsentationsorgan der Verbandsmitglieder, dem insofern eine Sonderstellung zukommt, als es den Verbandszweck ändern kann. Im Übrigen haben aber alle Organe das Verbandsinteresse als Verhaltensmaxime zugrunde zu legen. Entgegen vielfach vertretener Ansicht steht dieses Erfordernis allerdings weder der Organstellung des herrschenden Unternehmens beim Beherrschungsvertrag noch derjenigen des Insolvenzverwalters entgegen, da in beiden Fällen der ursprüngliche Verbandszweck modifiziert und der besonderen Lage eines dienenden oder zum Zwecke gleichmäßiger Gläubigerbefriedigung aufgelösten Verbandes angepasst ist. Dagegen können in einer werbenden Gesellschaft ohne entsprechende Zweckänderung keine Organe eingerichtet werden, mit deren Hilfe außenstehende Dritte eigennützige Interessen oder einzelne Mitglieder ihre Partikularbelange durchsetzen können. Auch sofern er für die Gesamtheit der Kommanditaktio-
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§ 9 Konkretisierung des Organbegriffs
näre tätig wird, fungiert daher der Aufsichtsrat der KGaA nicht als Organ einer Gruppe, sondern hat sich am Gesellschaftsinteresse auszurichten. Schließlich kann der Abschlussprüfer kein Organ sein, weil er zumindest vorrangig im Dienste der Allgemeinheit die Funktion eines neutralen Sachverständigen ausübt und eine vollständige Indienstnahme für öffentliche Zwecke sich mit dem auf die Verwirklichung des Verbandszwecks gerichteten Grundgedanken der Organschaft nicht vereinbaren lässt. Wenngleich die als Organ in Betracht kommenden Einrichtungen hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit behandelt wurden, so erweisen sich die dabei gewonnenen Erkenntnisse und wiederholt begegnenden Argumentationsmuster doch als hilfreich bei der systematischen Erfassung weiterer am Verbandsleben Beteiligter. Dies soll im Folgenden für den Unternehmensbeauftragten angedeutet werden, bezüglich dessen sich ebenfalls die Frage stellen lässt, ob er ein Organ ist1. Als Unternehmensbeauftragte sind nach zahlreichen Gesetzen des öffentlichen Rechts fachkundige Personen zu bestellen, die für die Wahrung eines als besonders schützenswert erachteten Allgemeinwohlbelangs zu sorgen haben. Als Datenschutz-, Geldwäsche-, Abfall- oder Strahlenschutzbeauftragte haben sie im Einzelnen verschiedene Rechte und Pflichten, welche von der Information der Belegschaft über Anhörungsrechte gegenüber der Geschäftsleitung bis hin zu Meldepflichten reichen 2 . Neben die behördliche Aufsicht über die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften tritt somit die unternehmensinterne Selbstkontrolle durch weisungsfrei agierende Angestellte. Da die Unternehmensbeauftragten ihre Tätigkeit allein dem von ihnen zu wahrenden Allgemeinbelang zu widmen haben, können sie nach den hier angestellten Überlegungen nicht zugleich ein dem Verbandsinteresse verpflichtetes Aufsichts- oder Beratungsorgan sein 3 . Zwar unterliegen auch die Organe einer uneingeschränkten Legalitätspflicht4 , die ihnen Gesetzesverstöße selbst dann verbietet, wenn sie aus Sicht des auf Gewinnmaximierung bedachten Unternehmens nützlich sein mögen 5 . Auch die Geschäftsleiter haben daher Sorge zu tragen, dass die besonderen Vorgaben des Daten- und Immissionsschutzrechts ebenso eingehalten werden wie die gesetzlichen Regeln zur Bekämpfung der Geldwäsche. Während sich die Unternehmensbeauftragten aber im Sinne eines Optimierungsgebots auf einen Teilausschnitt des öffentlichen Interesses zu 1
So andeutungsweise Rehbinder, ZHR 165 (2001), 1, 10. Eingehend zu den verschiedenen Erscheinungsformen aus gesellschaftsrechtlicher Sicht Dreher, FS Claussen, S. 69 ff.; Haouache, Unternehmensbeauftragte, S. 23 ff.; Rehbinder, ZHR 165 (2001), 1, 8 ff. 3 Im Ergebnis ebenso GroßKommAktG/Kort, § 76 Rdn. 48. 4 Vgl. Fleischer, ZIP 2005, 141 ff.; ders., in: Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rdn. 13 f., 22; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 27; GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rdn. 99; Michalski/Haas, GmbHG, § 43 Rdn. 21; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdn. 52. 5 Mit diesem Argument verneint Dreher, FS Claussen, S. 69, 76 f. eine Divergenz zwischen der Handlungsmaxime der Unternehmensbeauftragten und dem Unternehmensinteresse. 2
B. Offene Randbereiche
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konzentrieren haben, müssen die Organe zusätzlich immer auch das Unternehmen als Ganzes und seine erwerbswirtschaftliche Zwecksetzung im Blick behalten6 . Dass die Unternehmensbeauftragten im Verhältnis zur Gesellschaft Dritte sind, zeigt sich denn auch an ausgewählten Rechtsfragen, die im Verlaufe der vorstehenden Ausführungen immer wieder als Kriterium für die Bejahung oder Verneinung einer Organstellung herangezogen wurden. Da die Funktionswahrnehmung durch die Beauftragten im öffentlichen Interesse erfolgt und daher dem Unternehmen jedenfalls nicht unmittelbar zugute kommt, passt zunächst die Haftungsnorm des § 31 BGB nicht 7. Weiterhin besteht Einigkeit darüber, dass Maßnahmen der Geschäftsleitung auch dann sowohl im Außen- wie auch im Innenverhältnis wirksam sind, wenn die gesetzlich vorgeschriebene Einschaltung des Unternehmensbeauftragten unterlassen wurde 8 . Unternehmensbeauftragte sind somit nicht Teil des organschaftlichen Willensbildungsprozesses, da andernfalls eine unter Verletzung ihres Mitwirkungsrechts zustande gekommene Entscheidung zumindest im Innenverhältnis fehlerhaft sein müsste. Schließlich sind die Geschäftsleiter zwar im Grundsatz insoweit von ihrer Verschwiegenheitspfl icht befreit, als sie den Unternehmensbeauftragten nach Maßgabe spezialgesetzlicher Vorgaben Informationen zu erteilen haben. Richtiger Ansicht nach steht ihnen aber zum Schutze wichtiger Geschäftsgeheimnisse ein (vorläufiges) Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn eine publizitätsträchtige Konfrontationslage zwischen dem Unternehmensbeauftragten und der Unternehmensleitung besteht oder der Beauftragte sich schon früher auf angebliche Informationsnotwehrrechte gegenüber der Öffentlichkeit oder Behörden berufen hat9. Auch diese Einschätzung harmoniert aufs Beste mit der Qualifikation des Unternehmensbeauftragten als einem außenstehenden Dritten, der weder der organschaftlichen Verschwiegenheitspfl icht unterliegt noch im Gegenzug in das organschaftliche Informationssystem eingebunden ist.
B. Offene Randbereiche: Der Rechtsstellung des Prokuristen bei unechter Gesamtvertretung Unausgesprochene Grundlage der bisherigen Ausführungen war, dass die Organeigenschaft entweder zu bejahen oder verneinen und die allgemeinen Organlehren daher insgesamt oder gar nicht eingreifen. Daran ist auch im Grundsatz festzuhalten; in besonderen Fällen kommen allerdings auch stärker diffe6
Näher dazu Haouache, Unternehmensbeauftragte, S. 82 ff. Zutreffend Haouache, Unternehmensbeauftragte, S. 171 f. 8 Dreher, FS Claussen, S. 69, 82; GroßKommAktG/Kort, § 76 Rdn. 48. 9 So überzeugend Dreher, FS Claussen, S. 69, 85 f.; Veil, ZHR 168 (2004), 236, 238 f.; abweichend aber Haouache, Unternehmensbeauftragte, S. 120 ff. 7
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§ 9 Konkretisierung des Organbegriffs
renzierende Lösungen in Betracht. Dies sei anhand des Rechtsinstituts der „unechten“ oder „gemischten“ Gesamtvertretung erläutert.
I. Teilhabe an der organschaftlichen Vertretung Hierbei wird die organschaftliche Vertretungsmacht des gesetzlichen Vertreters einer Handelsgesellschaft derart ausgestaltet, dass er, wenn er nicht mit einem anderen gesetzlichen Vertreter zusammen agiert, die Gesellschaft nur in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten kann. Das sehen §§ 125 Abs. 3 HGB, 78 Abs. 3 AktG und 25 Abs. 2 GenG für die Personengesellschaften, die AG und die Genossenschaft ausdrücklich vor; für die GmbH gilt auch ohne besondere gesetzliche Regelung freilich nichts anderes10 . Obschon der Gesetzgeber des HGB noch vom Gegenteil ausging11 , richtet sich nach der seit langem nahezu einhelligen Auffassung der Umfang der Vertretungsmacht des Prokuristen in einem solchen Fall nach der des organschaftlichen Vertreters12 . Da sich mithin die Vertretungsmacht des Prokuristen erweitert, finden zum einen die Grundstücksgeschäfte betreffenden Beschränkungen des § 49 Abs. 2 HGB keine Anwendung; zum anderen können Prokurist und organschaftlicher Vertreter auch gemeinsam eine weitere Prokura erteilen und zum Handelsregister anmelden. Dass sich nicht statt dessen der Umfang der gemeinsamen Vertretungsmacht nach demjenigen der Prokura bestimmt, überzeugt schon deswegen, weil der organschaftliche Vertreter sonst nicht lediglich an die Mitwirkung einer weiteren Person gebunden, sondern entgegen dem Grundsatz unbeschränkter Vertretungsmacht seiner spezifischen Stellung beraubt wäre. Dieser Befund wiederum hat im Schrifttum Anlass zur Diskussion gegeben, ob dem Prokuristen im Rahmen der unechten Gesamtvertretung die Stellung eines gesetzlichen (organschaftlichen) Vertreters zukomme13 . Da auch die ablehnenden Stimmen eine Erweiterung der Vertretungsmacht des Prokuristen befürworten und ihm danach eine jedenfalls dem Umfang nach organschaft10
BGHZ 99, 76; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 35 Rdn. 39; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 35 Rdn. 56. 11 Vgl. die Nachweise in RGZ 134, 303, 306; so auch heute noch Krebs, ZHR 159 (1995), 635, 645 ff.; ders., in: MünchKommHGB, § 48 Rdn. 90 ff. 12 BGHZ 62, 166, 170; BGHZ 99, 76, 81; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rdn. 112; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 78 Rdn. 39; MünchKommHGB/ K. Schmidt, § 125 Rdn. 42. Ob man dabei annimmt, die rechtsgeschäftliche Prokura werde erweitert, so der BGH, oder von einer gesonderten gesetzlichen Vertretungsmacht ausgeht, so Beuthien/Müller, DB 1995, 461, ist ohne Belang. 13 Dafür Scholz/Schneider, GmbHG, § 35 Rdn. 71; GroßKommAktG/Habersack, § 78 Rdn. 46; Staub/Habersack, HGB, § 125 Rdn. 61; Kort, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 2 Rdn. 55; Köhl, NZG 2005, 197, 200; Heidemann, Selbstorganschaft, S. 116; Plagemann, GmbHR 2006, 576, 578; dagegen Buck, Wissen und juristische Person, S. 199; Frels, ZHR 122 (1959), 173, 186; KölnKommAktG/Mertens, § 78 Rdn. 36, 40; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rdn. 69.
B. Offene Randbereiche
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liche Vertretungsmacht zubilligen, treten die praktischen Unterschiede der widerstreitenden Auffassungen nur in speziellen Konstellationen und besonders anschaulich im Falle der Einzelermächtigung zu Tage. Wenn §§ 78 Abs. 4 S. 2 AktG, 125 Abs. 3 S. 2 HGB es jedem an der unechten Gesamtvertretung Beteiligten erlauben, den anderen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften zu ermächtigen, so folgt daraus zumindest für den organschaftlichen Vertreter, dass seine Gesamtvertretungsbefugnis zur organschaftlichen Einzelvertretungsbefugnis erstarkt14 . Der Prokurist erlangt hingegen im umgekehrten Fall nach herrschender Meinung lediglich eine besonders weitgehende gewillkürte Vertretungsmacht. Da er durch die Anordnung gemischter Gesamtvertretung weder zum Organmitglied noch zum gesetzlichen Vertreter werde und auch die folgende Ermächtigung nur seine als solche fortbestehende Vollmacht erweitere, bestimme sich seine Vertretungsmacht allein nach rechtsgeschäftlichen Grundsätzen. Kraft der Ermächtigung könne er daher nur diejenigen Rechtsgeschäfte vornehmen, zu denen ein gewillkürter Vertreter überhaupt bestellt werden kann. Deswegen sei zwar eine Ermächtigung zur alleinigen Vornahme von Grundstücksgeschäften möglich; weil aber die Erteilung einer Prokura nach § 48 Abs. 1 HGB dem gesetzlichen Vertreter vorbehalten sei, könne ihm diese Befugnis nicht übertragen werden15 . Diese Auffassung sieht sich erheblichen Bedenken ausgesetzt. Wenn im Grundfall des Zusammenwirkens Organmitglied und Prokurist eine dem Umfang nach organschaftliche Vertretungsmacht ausüben, lässt das keinen anderen Schluss zu, als dass der Prokurist an der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft mitwirkt und insofern auch die Stellung eines organschaftlichen Vertreters erlangt. Ein Widerspruch zu den allgemeinen Grundsätzen des Organbegriffs ist damit nicht verbunden, weil die unechte Gesamtvertretung der Verankerung in Gesellschaftsvertrag oder Satzung bedarf und daher neben der Funktionswahrnehmung für die Gesellschaft auch eine institutionelle Verankerung in der Organisationsverfassung zu bejahen ist. Wirkt aber der Prokurist an der organschaftlichen Vertretung mit und soll weiterhin die Einzelermächtigung seine Rechtsposition nur erweitern, so kann ein Erstarken seiner Vertretungsmacht zu einer organschaftlichen Einzelvertretungsbefugnis jedenfalls nicht mit dem Hinweis auf seinen angeblichen Status als gewillkürter Vertreter abgelehnt werden16 . Umgekehrt streitet für ein solches Erstarken der Umstand, dass den an der unechten Gesamtvertretung Beteiligten nach der gesetzlichen 14 Vgl. BGHZ 64, 72, 76; Kort, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandrechts, § 2 Rdn. 59; Heymann/Emmerich, HGB, § 125 Rdn. 25; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 35 Rdn. 44. 15 Hüffer, AktG, § 78 Rdn. 20; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 78 Rdn. 75; Frels, ZHR 122 (1959), 173, 186; KölnKommAktG/Mertens, § 78 Rdn. 59. 16 So auch GroßKommAktG/Habersack, § 78 Rdn. 50.
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§ 9 Konkretisierung des Organbegriffs
Konzeption bei der Vertretung der Gesellschaft eine gleichwertige Mitwirkungsbefugnis zukommt und gegen ein Erstarken zur Einzelvertretungsmacht in der Person des Organmitglieds keinerlei Bedenken ersichtlich sind. Für einen Gleichlauf der durch die Einzelermächtigung eingeräumten Rechtsmacht von Organmitglied und Prokurist spricht schließlich auch noch folgende Überlegung: Nach zutreffender Auffassung ist die Erklärung nach §§ 78 Abs. 4 S. 1 AktG, 125 Abs. 3 S. 1 HGB, deren Rechtsfolge bisher ungenau mit einem Erstarken der Gesamtvertretungsmacht zur Einzelvertretungsmacht umschrieben wurde, als eine Ermächtigung zur Ausübung der dem Ermächtigenden verbleibenden Vertretungsmacht zu deuten17. Organschaftliche Befugnisse sind zwar höchstpersönlich und können daher weder übertragen noch delegiert werden18 , wohl aber kann ein Gesamtvertreter aufgrund der Ermächtigung für den anderen mithandeln und übt dann neben seiner eigenen Vertretungsmacht zugleich auch diejenige des Ermächtigenden aus. Somit werden, unabhängig davon, ob die Gesamtvertreter gemeinsam handeln oder einer von ihnen zur Alleinvertretung ermächtigt ist, stets sowohl die beim Organmitglied als auch die beim Prokuristen angesiedelte Teilkomponente der gemeinsamen Gesamtvertretungsmacht ausgeübt. Infolgedessen muss auch der Umfang der im Ergebnis ausgeübten Vertretungsmacht gleich sein. Ist nun aber die Vertretungsmacht bei gemeinsamer Wahrnehmung ebenso wie bei der Ermächtigung des Organmitglieds ihrer Rechtsnatur und ihrem Umfang nach organschaftlich, kann nach dem Gesagten für die Einzelermächtigung des Prokuristen nichts anderes gelten19. Entgegen der herrschenden Meinung kann daher der ermächtigte Prokurist nicht nur alle Geschäfte vornehmen, die ein gewillkürter Vertreter überhaupt für die Gesellschaft vornehmen kann, sondern auch solche Befugnisse wahrnehmen, die den gesetzlichen Vertretern vorbehalten sind, und im Zuge dessen selbst Prokura erteilen oder die Gesellschaft im Prozess vertreten.
II. Keine umfassende Anwendung organschaftlicher Grundsätze Sofern der Prokurist im Rahmen unechter Gesamtvertretung auftritt, fungiert er somit als gesetzlicher Vertreter und muss sich dementsprechend behandeln lassen. Vertritt er etwa die Gesellschaft im Prozess, kann er nur als Partei und
17 Zutreffend Schwarz, NZG 2001, 529, 535 ff.; zustimmend GroßKommAktG/Habersack, § 78 Rdn. 50; MünchKommHGB/K. Schmidt, § 125 Rdn. 44; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rdn. 97. Demgegenüber qualifizierte das RG die Ermächtigung noch als Handlungsvollmacht, s. RGZ 80, 180, 182; ebenso Flume, Juristische Person, § 10 II 2b (S. 361 ff.). 18 Vgl. näher § 14 B III 3; unrichtig daher Frels, ZHR 122 (1959), 173, 184 ff. 19 Im Ergebnis wie hier Schwarz, NZG 2001, 529, 538 f.; GroßKommAktG/Habersack, § 78 Rdn. 50; Köhl, NZG 2005, 197, 200.
B. Offene Randbereiche
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nicht als Zeuge vernommen werden 20 ; im Gegenzug können Zustellungen allein ihm gegenüber erfolgen 21. Jedoch beschränkt sich seine Aufgabe darauf, im Rahmen seiner Amtsstellung punktuell an der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft mitzuwirken. Er ist und bleibt jedoch ein sozial abhängiger und weisungsgebundener Angestellter, der weder im Innen- noch im Außenverhältnis in eine mit seiner umfassenden Vertretungsmacht korrespondierende Pflichtenstellung eingebunden ist und anders als der persönlich haftende Gesellschafter, das Vorstandsmitglied oder der Geschäftsführer keine Gesamtverantwortung für das Unternehmen trägt 22 . So sind nach § 78 GmbHG allein die Geschäftsführer oder Liquidatoren der GmbH dafür verantwortlich, dass die im Gesetz vorgesehenen Anmeldungen zum Handelsregister bewirkt werden. Diese können zwar auch mittels unechter Gesamtvertretung unter Beteiligung eines Prokuristen erfolgen, sofern nicht das Gesetz ausdrücklich eine Anmeldung durch alle Geschäftsführer verlangt 23 . Der Umstand, dass es sich um eine originäre Organaufgabe handelt, hat jedoch zur Folge, dass die Verantwortlichkeit für die Richtigkeit der Anmeldung Sache der Geschäftsführer bleibt und auch Zwangsgelder zur Herbeiführung der Eintragung nur gegen sie gerichtet werden können 24 . Weiterhin leitet der Prokurist seine Rechtsstellung auch nicht allein aus dem Gesellschaftsvertrag oder der Satzung ab. Dort kann das Rechtsinstitut der unechten Gesamtvertretung vielmehr nur abstrakt vorgesehen werden, der einzelne Prokurist bedarf aber zwingend der rechtsgeschäftlichen Bestellung durch das Vertretungsorgan. Zu dieser Erkenntnis, dass der Prokurist eine Zwitterstellung im Spannungsfeld zwischen organschaftlichen und rechtsgeschäftlichen Prinzipien einnimmt, passt ein weiterer allgemein anerkannter Rechtssatz aus dem Recht der gemischten Gesamtvertretung. Demnach ist eine Gestaltung der Vertretungsverhältnisse unzulässig, die eine Vertretung der Gesellschaft ohne den Prokuristen unmöglich macht. Unter keinen Umständen dürfen also der einzige Komplementär einer KG oder alle Geschäftsführer einer GmbH von der Mitwirkung eines Prokuristen abhängig sein. Zur Rechtfertigung wird für die Personenhandelsgesellschaften auf den Grundsatz der Selbstorganschaft verwiesen, dem zufolge zumindest ein persönlich haftender Ge-
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Konsequent aA KölnKommAktG/Mertens, § 78 Rdn. 23; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rdn. 69. 21 AA – keine passive Vertretungsmacht – Plagemann, GmbHR 2006, 576, 582 f. 22 Vgl. auch BGHZ 148, 167, 169 f. zur Unanwendbarkeit des § 30 GmbHG auf den Prokuristen. 23 Vgl. Schulze-Osterloh/Servatius, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 78 Rdn. 3; Lutter/ Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 78 Rdn. 2; daneben RGZ 134, 303, 307 (zur AG). 24 So überzeugend Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 78 Rdn. 14; sowie dem folgend Zimmermann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 78 Rdn. 11.
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sellschafter stets allein die Gesellschaft vertreten können muss25 . In der AG wiederum soll eine solche Konstruktion mit der eigenverantwortlichen Stellung des Vorstands als Exekutivorgan unvereinbar sein 26 . Diese Gesichtspunkte treffen gewiss zu; eine rechtsformübergreifende Erklärung, die auch die GmbH einschließt 27, wird indessen zu betonen haben, dass zwar, bildlich gesprochen, die organschaftliche Vertretungsmacht auf den Prokuristen abfärbt, es sich aber bei ihm im Übrigen nicht um ein vollwertiges, in ein umfassendes Pfl ichtengefüge eingebundenes Organ oder Organmitglied handelt. Eine Ausgestaltung der Vertretungsverhältnisse, die den Prokuristen zwingend einbindet, verbietet sich demnach vor allem deshalb, weil jeder Verband stets aus sich selbst heraus und somit durch seine Organe handlungsfähig sein muss, ohne auf die Mitwirkung außenstehender Dritter angewiesen zu sein 28 . Schließlich unterliegt der Prokurist nicht den strengen Grundsätzen der Organhaftung29. Da die Prokura durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung erteilt wird und damit ohne Zutun des Prokuristen zustande kommt, wäre letzteres ohnehin nur möglich, wenn – jedenfalls konkludent – durch Bestellung und Annahme ein gesondertes korporationsrechtliches Rechtsverhältnis zwischen Gesellschaft und Prokurist begründet würde. Da der Prokurist sozial abhängig ist und keine Gesamtverantwortung trägt, besteht für eine solche Konstruktion indessen weder Berechtigung noch Bedürfnis. Angemessen ist es vielmehr, dass allein der mitwirkende Geschäftsführer nach den besonderen Grundsätzen der Organhaftung für ein etwaiges Fehlverhalten einzustehen hat, während der Prokurist der Gesellschaft immerhin wegen Verletzung seines Dienstvertrags ersatzpflichtig ist.
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BGHZ 26, 330, 333; MünchKommHGB/K. Schmidt, § 125 Rdn. 33; Staub/Habersack, HGB, § 125 Rdn. 57. 26 KölnKommAktG/Mertens, § 78 Rdn. 38; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 78 Rdn. 37. 27 Vgl. BGHZ 13, 61, 65; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rdn. 112; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 35 Rdn. 58; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rdn. 86. 28 Im Ansatz wie hier Bergmann, Fremdorganschaft, S. 77 ff.; s. daneben Roquette, FS Oppenhoff, S. 335, 337 f. 29 Wie hier Flume, Juristische Person, § 10 II 2b (S. 363); Roquette, FS Oppenhoff, S. 335, 343; F. Fischer, WiB 1996, 921, 922 f.; vgl. auch MünchKommHGB/Krebs, § 49 Rdn. 60.
Kapitel 3
Der Organwalter Nachdem bislang vom Organ als der abstrakten Verbandsinstitution die Rede war, ist im Folgenden vom Organwalter als demjenigen zu handeln, der tatsächlich mit Wirkung für und gegen den Verband agiert und damit dessen natürliche Handlungsunfähigkeit überwindet. Im Einzelnen ist das Rechtsverhältnis zwischen Organwalter und Verband und die Abgrenzung zwischen privatem und amtlichem Handeln ebenso näher zu untersuchen wie der Akt der Bestellung und die Folgen dabei auftretender Mängel. Weiterhin ist zu fragen, wer überhaupt Organwalter sein kann. Dabei interessiert vor allem, ob auch juristische Personen als Organmitglied fungieren können und welche Schranken der personengesellschaftsrechtliche Grundsatz der Selbstorganschaft für die Organbestellung mit sich bringt.
§ 10 Person des Organwalters A. Das Organmitglied als abstrakte Verbandsinstitution? Zunächst allerdings bedarf es einer dogmatischen Weichenstellung. Im jüngeren Schrifttum wird nämlich im Anschluss an entsprechende Überlegungen im öffentlichen Recht1 behauptet, auf der Ebene des Organmitglieds sei ebenso wie im Hinblick auf das Organ zwischen einer als „Amt“ zu bezeichnenden apersonalen Verbandsinstitution und dem „Amtswalter“ als der konkret tätigen natürlichen Person zu unterscheiden 2 . Die einzelnen organmitgliedschaftlichen Kompetenzen seien mit anderen Worten nicht der handelnden Person zugeordnet, sondern vielmehr in einer abstrakten Verbandsinstitution zusammengefasst. Der Amtswalter wiederum habe nur das Recht und die Pfl icht, die dort gebündelten Mitgliedschaftsrechte wahrzunehmen. Der Verband sei bis in das letzte Glied apersonal zu strukturieren, damit er organisationsrechtlich von den natürlichen Personen, die ihn willens- und handlungsfähig machen, unabhängig sei 3 . Als sogar unentbehrlich erweise sich die Zwischenschaltung einer weiteren Verbandsinstitution schließlich überall dort, wo das Amt selbst Adressat von Rechten oder Pflichten sei, weil nur so für die nötige Kontinuität beim Wechsel des Amtswalters gesorgt sei. Beispielhaft wird insofern auf die Stellung des Insolvenzantrags nach § 15 InsO verwiesen. Da dieser weder vom Verband noch dem Organwalter persönlich, sondern von der Verbandsinstitution Organmitglied gestellt werde, könne ihn auch nur der derzeitige Amtsinhaber oder nach seinem Ausscheiden sein Funktionsnachfolger wieder zurücknehmen4 . Die propagierte Verortung der organmitgliedschaftlichen Mitwirkungsrechte und -pflichten bei einer vom konkreten Amtsträger verschiedenen Stelle lässt sich allerdings nicht konsequent durchhalten. Der Umstand nämlich, dass sich der Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft für das Unterlassen der Antragstellung sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich zu verantworten hat, 1
Vgl. zum Meinungsstand eingehend Diemert, Innenrechtsstreit, S. 196 ff. So Jacoby, Das private Amt, S. 212 ff.; Bitter, Leistungsklagen, S. 49; vgl. auch Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 598; Pfl ugradt, Leistungsklagen, S. 32 ff. 3 Vgl. Bitter, Leistungsklagen, S. 49. 4 Jacoby, Das private Amt, S. 214; vgl. zum Streitstand Jaeger/Müller, InsO, § 15 Rn. 54 ff.; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 15 Rdn. 58. 2
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§ 10 Person des Organwalters
lässt nur den Schluss zu, dass er zumindest auch als natürliche Person zum Tätigwerden verpflichtet ist. Dann aber entspricht es guter Ordnung, dass ihm die entsprechende Rechtsmacht zur Erfüllung dieser Pflicht ebenfalls persönlich zugeordnet ist. Vor allem aber ist das Anliegen, durch die Zwischenschaltung einer weiteren abstrakten Verbandsinstitution für eine Kontinuität bei Amtswechseln zu sorgen, im Hinblick auf das einzelne Organmitglied in der Sache nicht gerechtfertigt. Werden etwa mehrere Geschäftsleiter auf einmal ersetzt, scheidet eine genaue personelle Zuordnung der Nachfolge schon im Ansatz aus5 . Es wäre daher willkürlich, einen von ihnen herauszugreifen und als Funktionsnachnachfolger des ausgeschiedenen Antragstellers zu bezeichnen. Im Übrigen soll ein Organmitglied nicht selten gerade keinen Nachfolger haben oder es lässt sich umgekehrt kein Vorgänger ausmachen. So kann die Gesellschafterversammlung der GmbH, wenn es an einer diesbezüglichen Satzungsvorgabe fehlt, durch Bestellung oder Abberufung von Amtsträgern nach ihrem Belieben über die Zahl der Geschäftsführer bestimmen 6 . Nach der Lehre von der Amtsstellung des Organmitglieds verbände sich damit zugleich jeweils die Einrichtung oder Aufhebung einer apersonalen Verbandseinrichtung. Das erscheint als ebenso gekünstelt wie unnötig kompliziert. Richtig ist im Gegenteil, dass es der Übertragung des Amtsprinzips auf die Organmitglieder privater Verbände nicht bedarf. Trotz ihres funktionalen Bezugs sind die Mitgliedschaftsrechte vielmehr dem Organwalter persönlich zugeordnet 7. Davon geht denn auch – wenngleich ohne nähere Problematisierung – die offenkundig ganz herrschende Meinung aus8 .
B. Juristische Personen als Organwalter I. Erscheinungsformen Da das Rechtsinstitut der Organschaft der Transformation menschlichen Verhaltens in solches des Verbandes dient, verbindet sich mit der Person des Organwalters unwillkürlich das Bild einer natürlichen Person. Schon v. Gierke hatte indes erkannt, dass der Organstellung juristischer Personen keine konstruktiven Bedenken entgegenstehen; vielmehr erscheine in einem solchen Fall „als Trägerin der Organstellung die juristische Person als solche, welche hierbei wiederum durch die nach Maßgabe ihres eignen Lebensgesetzes dazu beru5
Vgl. Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 599. Vgl. nur Ulmer, GmbHG, § 6 Rdn. 6. 7 So auch Diemert, Innenrechtsstreit, S. 270. 8 Vgl. den Überblick bei Diemert, Innenrechtsstreit, S. 212 ff.; daneben zur Zuordnung des Rechts aus § 90 Abs. 3 S. 2 AktG BGHZ 106, 54, 62: Eigenrecht des Mitglieds; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 90 Rdn. 59; Hüffer, AktG, § 90 Rdn. 21; Bork, ZGR 1989, 1, 31 ff. 6
B. Juristische Personen als Organwalter
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fenen Organe repräsentiert“ werde 9. In der Tat verlängert sich durch die Zwischenschaltung einer juristischen Person oder eines anderen rechtsfähigen Verbandes zunächst einmal lediglich die Zurechnungskette; das Handeln des Organwalters, das letztlich dem Verband zugeordnet wird, ist dann selbst nur das Produkt einer juristischen Zurechnung. Dafür finden sich auch im geltenden Recht zahlreiche Anwendungsfälle. Da rechtsfähige Verbände sich unbeschränkt an anderen rechtsfähigen Verbänden beteiligen dürfen10 , können sie zunächst geborene Mitglieder des entsprechenden Repräsentationsorgans sein, also etwa der Gesellschafterversammlung in der GmbH oder der Gesamtheit der Gesellschafter in der gesetzestypischen Personengesellschaft11. Rückschlüsse auf die Besetzung anderer Organe lassen sich daraus indessen kaum ableiten, weil die Organmitgliedschaft insofern nur als technisches Vehikel für die Ausübung der zugrunde liegenden originär mitgliedschaftlichen Befugnisse fungiert. Geläufig ist weiterhin, dass eine juristische Person als Komplementärin einer Kapitalgesellschaft & Co Geschäftsführungsfunktionen ausüben kann. Dieses Beispiel zeigt aber zugleich, dass eine Organstellung juristischer Personen zwar konstruktiv ohne weiteres möglich ist, jedoch unter Umständen zahlreiche Folgeprobleme nach sich zieht. Für die Organisationsverfassung der betroffenen KG oder KGaA bereitet es nämlich erhebliche Schwierigkeiten, dass der Geschäftsführer der Komplementär-Gesellschaft als der eigentlich unternehmerisch tätige Akteur in keinem unmittelbaren Rechtsverhältnis zu dieser Gesellschaft steht. Zu verweisen ist insoweit auf die oben angestellten Überlegungen, wie die nach allgemeiner Ansicht gebotene Haftung des mittelbaren Geschäftsführers gegenüber der Kapitalgesellschaft & Co zu begründen ist und ob und, wenn ja, auf welche Weise deren Gesellschafter Einfluss auf seine Bestellung und Abberufung nehmen können12 . Dass juristische Personen in diesem speziellen Zusammenhang die Funktion eines organschaftlichen Geschäftsführers ausüben dürfen, ist denn auch nicht Ausdruck eines eigenständigen gesetzgeberischen Unbedenklichkeitsurteils, sondern schlicht Ausfluss des das Recht der KG und der KGaA prägenden Grundsatzes der Selbstorganschaft13 . Es sind 9 V. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 687; vgl. auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 III 1 (S. 415); abweichend – nur physische Person als Organwalter – dagegen Wolff, Organschaft, Bd. 2, S. 229; daneben Ulmer/Raiser/Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 30: genereller Grundsatz des Körperschaftsrechts, wonach nur natürliche Personen Organmitglieder sein können. 10 Vgl. für die AG Hüffer, AktG, § 2 Rdn. 8 ff.; für die GmbH Ulmer, GmbHG, § 2 Rdn. 76 ff.; für den Verein Erman/Westermann, BGB, § 38 Rdn. 5; für die Personengesellschaften MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 76 ff. 11 Vgl. zur näheren Bestimmung des Willensbildungsorgans oben § 5. 12 Vgl. oben § 7 B. 13 Zutreffend Fleischer, RIW 2004, 16, 20; ders., AcP 204 (2004), 502, 532; Brandes, Juristische Personen als Geschäftsführer, S. 68; näher zum Prinzip der Selbstorganschaft § 10 C.
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§ 10 Person des Organwalters
nun einmal kraft zwingenden Rechts die persönlich haftenden Gesellschafter, denen die Leitung der Gesellschaft obliegt. Aber nicht nur als geborene, sondern auch als gekorene Organwalter kommen juristische Personen in Betracht. Sofern man den Abschlussprüfer mit der Rechtsprechung des BGH als Organ qualifiziert14 , ergibt sich das aus § 319 Abs. 1 HGB, dem zufolge hierzu neben Wirtschaftsprüfern auch Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bestellt werden können. Vor allem aber können juristische Personen das Amt des Liquidators ausüben. Für die AG und die Genossenschaft wird dies durch § 265 Abs. 2 S. 3 AktG und § 83 Abs. 2 GenG ausdrücklich klargestellt. Für die GmbH folgt diese Möglichkeit mittelbar aus dem Umstand, dass § 66 Abs. 4 GmbHG, der die Auswahl der Liquidatoren regelt, zwar auf einige Vorgaben aus dem Recht des Geschäftsführers, aber gerade nicht auf die Vorschrift des § 6 Abs. 2 S. 1 GmbHG betreffend das Erfordernis einer natürlichen Person verweist15 . Hintergrund dieser allesamt auf das AktG 1937 zurückgehenden Regelungen ist das Anliegen, die besondere Sachkunde von Treuhandgesellschaften bei der Abwicklung der Gesellschaft nutzbar zu machen16 .
II. Spezialgesetzliche Verbote 1. Geschäftsführung in Kapitalgesellschaften Andernorts dagegen schließt das Gesetz juristische Personen gezielt von bestimmten Organfunktionen aus. Prominentestes Beispiel hierfür sind sicherlich die §§ 76 Abs. 3 S. 1 AktG, 6 Abs. 2 S. 1 GmbHG, 27 Abs. 3, 40 Abs. 1 S. 4 SEAG, denen sich der allgemeine Grundsatz entnehmen lässt, dass Geschäftsleiter von Kapitalgesellschaften natürliche Personen sein müssen17. Die hierfür in den Gesetzgebungsmaterialien zum AktG 1937 und 1965 angeführte18 und im Schrift-
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Vgl. BGHZ 16, 17, 25; BGHZ 75, 338, 342; näher zum Ganzen § 8 B. Schulze-Osterloh/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 66 Rdn. 6; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 66 Rdn. 3a; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 66 Rdn. 12; Lutter/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 66 Rdn. 1; trotz fehlender expliziter Regelung ebenso Staudinger/Weick, BGB, § 48 Rdn. 2, MünchKommBGB/Reuter, § 48 Rdn. 1 für den Verein und für die OHG MünchKommHGB/K. Schmidt, § 146 Rdn. 5, Staub/Habersack, HGB, § 146 Rdn. 20; aA Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 6 III 3b (S. 569). 16 Eingehend dazu Wasmann, Mitglieder von Körperschaftsorganen, S. 34 f.; daneben MünchKommAktG/Hüffer, § 265 Rdn. 11; zuvor war die Rechtslage sehr umstritten, s. OLG Karlsruhe JW 1925, 2017 mit Nachweisen. 17 Vgl. daneben § 9 Abs. 2 S. 1 GenG in der Fassung des Gesetzes vom 14. 8. 2006 (BGBl. I, S. 1911) und dazu Begr. RegE, BT-Drucks. 16/1025, S. 83. 18 Begr. AktG 1937 RAnz Nr. 28 vom 4. 2. 1937, S. 1, 4 (zu § 75 Abs. 3 S. 3 AktG 1937); Begr. RegE bei Kropff, S. 97 (zu § 76 Abs. 3 S. 1 AktG 1965); daneben Schlegelberger/Quassowski, AktG, § 75 Rdn. 4; eingehend zur Entstehungsgeschichte Komp, Juristische Person als Geschäftsführungsorgan, S. 74 ff. 15
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tum19 bis heute wiederholte lapidare Begründung, aus dem Wesen des Vorstandsamts folge, dass es ein persönliches Tätigwerden voraussetze, vermag allerdings schon im Ansatz nicht zu überzeugen. Sie steht nicht nur in einem unauflöslichen Widerspruch zur gerade eben betonten grundsätzlichen Organfähigkeit juristischer Personen, sondern wird überdies durch einen rechtsvergleichenden Rundblick schlagend widerlegt. Während Italien und Österreich dem deutschen Modell folgen, erkennen nämlich insbesondere Frankreich, Spanien und England auch juristische Personen als Geschäftsleiter an 20 . Diesen unterschiedlichen Traditionen Rechnung tragend bestimmt Art. 47 Abs. 1 SE-VO für die Europäische Aktiengesellschaft salomonisch, dass eine Gesellschaft oder eine andere juristische Person Mitglied eines Organs der SE sein könne, sofern das für Aktiengesellschaften maßgebliche Recht des Sitzstaats nichts anderes bestimmt. Angesichts dessen kann es kaum überraschen, dass in jüngerer Zeit der Ruf nach mehr Gestaltungsfreiheit für das deutsche Kapitalgesellschaftsrecht laut geworden ist und eine Abschaffung der einschränkenden Vorschriften gefordert wird 21. Ein rechtspraktisches Bedürfnis hierfür sieht man vor allem im Konzernzusammenhang. Ohne auf das Behelfsinstrument einer Personalunion in den Geschäftsführungsorganen von Ober- und Untergesellschaft oder auf sonstige Formen der Einflussnahme angewiesen zu sein, könnten sich Muttergesellschaften unmittelbar zum Leitungsorgan abhängiger Gesellschaften bestellen und so unabhängig vom Wechsel ihres eigenen Führungspersonals eine von Kontinuität getragene Konzernleitung sicherstellen. Weitere Anwendungsmöglichkeiten sind indessen nicht ausgeschlossen. So bestellen offenbar französische und englische Gesellschaften, die selbst nicht über ausreichende Managementkapazitäten verfügen und diese deshalb auf dem Markt beziehen müssen, bisweilen hierauf spezialisierte Unternehmen unmittelbar zum Organwalter22 . Hierzulande muss man stattdessen entweder auf die Kapitalgesellschaft & Co oder aber auf die nicht in jeder Hinsicht gleichwertige Alternativkonstruktion eines Betriebsführungsvertrags zurückgreifen 23 . 19 GroßKommAktG/Kort, § 76 Rdn. 207; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 76 Rdn. 86, § 84 Rdn. 19. 20 Näher dazu Fleischer, RIW 2004, 16, 17 ff.; Brandes, Juristische Personen als Geschäftsführer, S. 18 ff.; Komp, Juristische Person als Geschäftsführungsorgan, S. 340 ff. 21 Brandes, NZG 2004, 642, 649; Wasmann, Mitglieder von Körperschaftsorganen, S. 136 ff.; Komp, Juristische Person als Geschäftsführungsorgan, S. 359 ff.; zumindest für nähere Prüfung Hommelhoff, AG 2001, 279, 283; Teichmann, ZGR 2002, 383, 455; kritisch gegenüber der Parallelvorschrift des § 100 Abs. 1 AktG für den Aufsichtsrat GroßKommAktG/ Hopt/Roth, § 100 Rdn. 17. 22 Brandes, NZG 2004, 642, 644. 23 Vgl. etwa BGH NJW 1982, 1817 – Holiday Inn; OLG München AG 1987, 380 – Holiday Inn; daneben Emmerich/Habersack, Lehrbuch, § 15 IV (S. 200 ff.); U. Huber, ZHR 152 (1988), 1.
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Anders als dies im Falle der Liquidatoren einer aufgelösten Gesellschaft geschehen ist, könnte der Gesetzgeber juristische Personen allerdings sicher nicht ohne flankierende Maßnahmen als Geschäftsleiter einer werbenden Kapitalgesellschaft zulassen. Denn zwar haben auch Liquidatoren über einen womöglich längeren Zeitraum unternehmerische Entscheidungen zu treffen; angesichts ihrer beschränkten Aufgabe sind die an die Transparenz und Effizienz der Organisationsverfassung zu stellenden Anforderungen jedoch deutlich niedriger anzusetzen 24 . Für die werbende Gesellschaft wäre demgegenüber zunächst sicherzustellen, dass diejenigen natürlichen Personen, die als mittelbare Geschäftsleiter tatsächlich die Geschicke des Unternehmens lenken, auch in ein entsprechendes Pflichtenkorsett samt zugehöriger verhaltenssteuernder Haftung eingebunden sind. Nicht befriedigen könnte es insofern, lediglich die die GmbH & Co KG betreffende höchstrichterliche Rechtsprechung fruchtbar zu machen, wonach der Anstellungsvertrag des mittelbaren Geschäftsführers Schutzwirkung auch gegenüber der eigentlich betroffenen Gesellschaft entfaltet 25 . Damit ließe sich nämlich allenfalls für die Erfüllung der gesellschaftsinternen Aufgaben sorgen, wohingegen das Erfordernis der Bestellung einer natürlichen Person auch und vor allem die Befolgung der die Gesellschaft treffenden öffentlich-rechtlichen Pflichten sicherstellen soll 26 . Ein denkbarer Ausweg wäre daher, in Anlehnung an das französische Recht und in Einklang mit Art. 19 Abs. 2 S. 2 EWIV-VO den mittelbaren Geschäftsführer denselben Pflichten und derselben straf- und zivilrechtlichen Haftung zu unterwerfen, die er gewärtigen müsste, wäre er unmittelbar Organmitglied in der verwalteten Gesellschaft 27. Eine solche Regelung mag auf den ersten Blick als konsequent erscheinen, löste bei näherem Hinsehen jedoch ihrerseits schwierige Folgefragen aus, deren wichtigste sicherlich ist, wie auf der Grundlage der dann gegenüber zwei verschiedenen Rechtsträgern bestehenden Pflichtenbindung mit Pflichtenkollisionen und Interessengegensätzen umzugehen wäre. Wer die Mitgliedschaft juristischer Personen in Geschäftsführungsorganen von Kapitalgesellschaften befürwortet, muss sich darüber hinaus mit weiteren Einwänden auseinandersetzen, die daher rühren, dass die Personalkompetenz für die Bestimmung des tatsächlichen Geschäftsleiters nicht mehr bei den Organen der geführten Gesellschaft, sondern bei der als Organwalter zwischengeschalteten juristischen Person liegt. Im Sinne einer auf effektive Unternehmens24 Im Ansatz wie hier, wenngleich zum Problem der Selbstorganschaft Flume, Personengesellschaft, § 14 VIII (S. 243); demgegenüber die funktionelle Vergleichbarkeit von Liquidator und Geschäftsführer der werbenden Gesellschaft betonend Beuthien, ZIP 1993, 1589, 1595 f.; Komp, Juristische Person als Geschäftsführungsorgan, S. 131 f.; Heidemann, Selbstorganschaft, S. 226 ff. 25 Eingehend dazu oben § 7 B. 26 Vgl. Ulmer, GmbHG, § 6 Rdn. 8; J. Schneider, ZVglRWiss 102 (2003), 387, 390. 27 Dafür Brandes, NZG 2004, 642, 646 f.; dagegen, weil dafür angeblich kein Bedürfnis bestehe, Wasmann, Mitglieder von Körperschaftsorganen, S. 137.
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kontrolle ausgerichteten guten Corporate Governance ist dieser Verlust an direkter Rückkoppelung und unmittelbarer Verantwortlichkeit schon als solcher zu beklagen 28 . Noch problematischer ist allerdings die Vorstellung, dass niemand mehr die persönliche Verantwortung für das Amt trägt, die als Organwalter berufene juristische Person vielmehr zu jeder Sitzung des Geschäftsleitungsorgans einen anderen Vertreter entsenden könnte. In Frankreich war genau das vor der Reform des Aktienrechts von 1966 geläufige Praxis mit der verhängnisvollen Folge, dass die betroffenen Gesellschaften teilweise von einer Verwaltungsratssitzung auf die andere divergierende Entscheidungen trafen 29. Der französische Gesetzgeber hat daraufhin die geschäftsführenden Gesellschaften verpflichtet, zur Wahrnehmung ihrer Befugnisse in dem Organ einen ständigen Vertreter zu bestellen und damit ein Regelungskonzept begründet, auf das Art. 47 Abs. 1 S. 2 SE-VO zurückgreifen konnte30 . Zu ergänzen wäre es noch um das in Art. 19 Abs. 2 S. 1 EWIV-VO vorgesehene Gebot, nur natürliche Personen als ständigen Vertreter zu bestellen 31. Zwar ließe sich dann das Ansinnen, in Konzernverhältnissen durch mehrere Gesellschaften direkt hindurchzuregieren 32 , nicht mehr verwirklichen. Jedoch ist diese Einschränkung geboten, weil die Transparenz der Organisationsverfassung vollends verloren ginge, wenn regelrechte Organketten gebildet werden könnten. Eines darf bei alldem freilich nicht aus dem Blick geraten: Das Rechtsinstitut des ständigen Vertreters bliebe stets ein Notbehelf, welcher das mit der Zulassung juristischer Personen als Organwalter verbundene Problem der jederzeitigen Austauschbarkeit der Entscheidungsträger und der Auflösung persönlicher Verantwortlichkeit nur abmildern, keineswegs aber befriedigend bewältigen könnte. Vor diesem Hintergrund fällt eine Bewertung leicht. Einerseits lassen die ins Feld geführten Anwendungsfälle ein dringendes rechtspraktisches Bedürfnis für eine Aufhebung der §§ 6 Abs. 2 S. 1 GmbHG, 76 Abs. 3 S. 1 AktG, 27 Abs. 3, 40 Abs. 1 S. 4 SEAG nicht erkennen, stehen doch mit dem Abschluss von Betriebsführungsverträgen und der Entsendung natürlicher Personen funktionell zumindest vergleichbare Gestaltungsalternativen bereits nach geltendem Recht zur Verfügung. Da andererseits die hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit erörterten Bedenken schwer wiegen, ist die gesetzgeberische Einschränkung der privatautonomen Gestaltungsfreiheit, nur natürliche Personen zu Geschäftsleitern von Kapitalgesellschaften bestellen zu können, im Ergebnis uneinge28
So auch Fleischer, RIW 2004, 16, 21; Schmitz, Geeigneter GmbH-Geschäftsführer,
S. 53. 29 Näher dazu Brandes, Juristische Person als Geschäftsführer, S. 167; ders., NZG 2004, 642, 648. 30 Vgl. Schwarz, SE-VO, Art. 47 Rdn. 18 ff. 31 Fleischer, RIW 2004, 16, 21; Komp, Juristische Person als Geschäftsführungsorgan, S. 124. 32 Vgl. Brandes, NZG 2004, 642, 643.
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schränkt zu begrüßen 33 . Allein die dafür ursprünglich angeführte Begründung, das Erfordernis folge aus dem Wesen des Vorstandsamts34 , vermag heute nicht mehr zu befriedigen. 2. Insolvenzverwalter Während die Begründung zum Regierungsentwurf der InsO auch juristische Personen als Insolvenzverwalter zulassen wollte35 , bestimmt die Gesetz gewordene Fassung des § 56 Abs. 1 ausdrücklich, dass nur eine geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und Schuldnern unabhängige natürliche Person zum Insolvenzverwalter zu bestellen ist. Da diesem Verbandsorgan 36 die Funktion eines obligatorischen Fremdliquidators zukommt, stellt sich die Frage, was die gegenüber dem autonom berufenen Liquidator, der – wie gesehen – auch eine juristische Person sein kann, unterschiedliche Behandlung rechtfertigt. Im Zentrum der Erwägungen des Rechtsausschusses des Bundestags stand die Vorstellung, dass der Insolvenzverwalter als Träger einer besonderen öffentlichen Vertrauensstellung persönliche Alleinverantwortung tragen müsse und mit diesem Leitbild die Auswechslung des tatsächlich handelnden Akteurs ohne Beteiligung der Gläubiger und des Aufsicht führenden Gerichts unvereinbar sei 37. In der Tat lassen die angeführten Besonderheiten des staatlichen Insolvenzverfahrens den Ausschluss juristischer Personen vom Amt des Insolvenzverwalters als durchaus plausibel erscheinen 38 .
III. Ungeregelte Sachverhalte: Vereinsvorstand und fakultativer Aufsichtsrat in der GmbH Nach den bisherigen Feststellungen ist eine Organschaft juristischer Personen konstruktiv möglich und dem geltenden Recht auch keineswegs fremd; in bestimmten Fällen bleibt die Organstellung dagegen aus guten Gründen natürlichen Personen vorbehalten. Zu kurz griffe es freilich, daraus ein Regel-Ausnahme-Verhältnis des Inhalts abzuleiten, dass eine Aufgabenwahrnehmung durch juristische Personen überall dort zulässig ist, wo sie nicht gesondert verboten wurde. Vielmehr ist stets zu prüfen, ob nicht die Freiheit des Bestellungsorgans bei der Auswahl des Organwalters durch eine analog anzuwendende 33 Wie hier Fleischer, RIW 2004, 16, 21; ders., AcP 204 (2004), 503, 520 f.; ders., in: Handbuch des Vorstandsrechts, § 1 Rdn. 76; Schmitz, Geeigneter GmbH-Geschäftsführer, S. 60. 34 Vgl. nochmals die Nachweise in Fn. 18 f. 35 Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 127 (zu § 65 RegE); zustimmend Braun, BB 1993, 2172 ff. 36 Näher zu dieser Qualifikation oben § 8 A. 37 Vgl. BT-Drucks. 12/7302, S. 161. 38 Zustimmend etwa MünchKommInsO/Graeber, § 56 Rdn. 15 f.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rdn. 6.28; Uhlenbruck, InsO, § 56 Rdn. 14; Komp, Juristische Person als Geschäftsführungsorgan, S. 142 ff.
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Verbotsvorschrift beschränkt ist. Das gilt es, im Hinblick auf den Vorstand des eingetragenen Vereins und den fakultativen Aufsichtsrat der GmbH zu veranschaulichen. Nach ganz herrschender und im Ergebnis auch zutreffender Auffassung können zu Vorstandsmitgliedern eines eingetragenen Vereins auch juristische Personen und sonstige rechtsfähige Personengemeinschaften bestellt werden 39. Das hierfür vorgetragene Argument, es fehle an einem den §§ 6 Abs. 2 S. 1 GmbHG, 76 Abs. 3 S. 1 AktG entsprechenden Bestellungshindernis40 , schöpft die Problematik allerdings nicht aus. Entscheidend ist vielmehr, dass die Geschäftsführung in Kapitalgesellschaften deswegen natürlichen Personen vorbehalten ist, weil nur durch die Zuordnung persönlicher Verantwortlichkeit den Bedürfnissen nach einer effizienten und transparenten Organisationsverfassung Rechnung getragen werden kann. Für eine solche strikte Vorgabe besteht indessen nur bei den zumindest regelmäßig eine erwerbswirtschaftliche Zielsetzung verfolgenden Kapitalgesellschaften, nicht aber beim Idealverein Anlass41. Eine entsprechende Anwendung der genannten Verbotsnormen scheidet daher aus. Umstritten ist die Rechtslage demgegenüber hinsichtlich des fakultativen42 Aufsichtsrats in der GmbH. Nach dem Wortlaut des Gesetzes besteht hier durchaus Raum für Gestaltungsfreiheit. Denn zwar verweist die einschlägige Vorschrift des § 52 Abs. 1 GmbHG auf § 100 Abs. 1 AktG, dem zufolge nur natürliche Personen zu Aufsichtsratsmitgliedern bestellt werden können. Jedoch gelten bei einer nicht der Mitbestimmung unterliegenden Gesellschaft die aktienrechtlichen Vorschriften nur, soweit nicht im Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist. Hierauf berufen sich denn auch diejenigen Stimmen im Schrifttum, die auch juristische Personen als taugliche Amtswalter ansehen, und fügen hinzu, dass etwa Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bestens geeignet seien, der geschuldeten Überwachungspflicht nachzukommen43 . Genau diese These stellt das Aktiengesetz indes in Frage, indem es zu Recht das Leitbild der persönlichen Tätigkeit eines persönlich verantwortlichen Aufsichtsratsmitglieds aufstellt44 . Nun lässt sich gewiss argumentieren, dass die Gesellschafter, 39 MünchKommBGB/Reuter, § 26 Rdn. 6; Soergel/Hadding, BGB, § 27 Rdn. 5; Schwarz, in: Bamberger/Roth, BGB, § 27 Rdn. 3; Erman/Westermann, BGB, § 27 Rdn. 3; Schöpfl in, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 26 Rdn. 2; Staudinger/Weick, BGB, § 27 Rdn. 8; AnwKommBGB/Heidel/Lochner, § 26 Rdn. 3; vgl. zu den konzernrechtlichen Implikationen Wasmann, Mitglieder von Körperschaftsorganen, S. 120 f. 40 Vgl. Flume, Juristische Person, § 10 I 1 (S. 340). 41 So zutreffend Soergel/Hadding, BGB, § 27 Rdn. 5. 42 Beim mitbestimmten Aufsichtsrat dagegen sind unstreitig natürliche Personen zu bestellen, s. nur Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 52 Rdn. 154, 261. 43 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 52 Rdn. 34; Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rdn. 159; Michalski/Heyder, GmbHG, § 52 Rdn. 56; Wasmann, Mitglieder von Körperschaftsorganen, S. 71 ff. 44 Begr. RegE bei Kropff, AktG, S. 135; Hüffer, AktG, § 100 Rdn. 2; MünchKommAktG/ Semler, § 100 Rdn. 15; kritisch GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 100 Rdn. 17.
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wenn kein gesetzlicher Zwang zur Einrichtung eines Aufsichtsrats besteht, diesem auch eine im Vergleich zum aktienrechtlichen Vorbild weniger effiziente und transparente Ausgestaltung angedeihen lassen können. Solange aber das geltende Kapitalgesellschaftsrecht keine Mechanismen zur Bewältigung der schwierigen Folgeprobleme mittelbarer Organschaft vorsieht, namentlich nicht für eine umfassende Verantwortlichkeit und Haftung des tatsächlich agierenden Verwaltungsmitglieds sorgen und dessen jederzeitigen Austausch verhindern kann, sollte den Gesellschaftern einer GmbH diese Gestaltungsform nicht eröffnet werden. Trotz der grundsätzlichen Disponibilität des Verweises auf das Aktienrecht kann daher eine juristische Person nicht in den fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH bestellt werden45 .
C. Selbstorganschaft als zwingendes Organisationsprinzip Eine andere Form der Einschränkung gesellschaftsrechtlicher Gestaltungsfreiheit begegnet bei den Personengesellschaften und in gleicher Weise bei der im Folgenden nicht näher behandelten KGaA46 . Nach dem – freilich keineswegs unbestrittenen und in seiner Reichweite nicht abschließend geklärten – Grundsatz der Selbstorganschaft können die Funktionen der organschaftlichen Geschäftsführung und Vertretung nämlich nicht von gesellschaftsfremden Dritten, sondern nur von den Gesellschaftern, genauer den unbeschränkt haftenden Gesellschaftern, wahrgenommen werden. Den Vorschriften des BGB und HGB lässt sich unmittelbar allerdings nur entnehmen, dass die Organwalter nicht erst wie bei den Körperschaften bestellt werden müssen, die Personengesellschaft vielmehr ipso iure Organe hat, weil den persönlich haftenden Gesellschaftern das Geschäftsführungs- und Vertretungsrecht als mitgliedschaftliches Pflichtrecht zusteht 47. Der Begriff Selbstorganschaft umschreibt also zunächst einmal die „Ist-Struktur“48 der Gesellschaft. Selbstorganschaft ist nach herrschender Meinung darüber hinaus aber auch ein zwingendes Organisationsprinzip, das vorgegebene „Organmonopol der unbeschränkt haftenden
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So auch Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 52 Rdn. 8; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rdn. 790; Ulmer/Raiser/Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 30; Koppensteiner, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 52 Rdn. 8; MünchHdbGmbH/Marsch-Barner/Diekmann, § 48 Rdn. 21. 46 Näher GroßKommAktG/Assmann/Sethe, § 278 Rdn. 137 f.; Hüffer, AktG, § 278 Rdn. 19; MünchKommAktG/Semler/Perlitt, § 278 Rdn. 228 f.; KölnKommAktG/Mertens/ Cahn, § 278 Rdn. 82 ff. 47 Dazu bereits oben § 3 C IV; vgl. daneben zur „subsidiären Selbstorganschaft“ in der GmbH K. Schmidt, GmbHR 2007, 1, 2 f. und oben § 5 E am Ende. 48 So der treffende Ausdruck von K. Schmidt, GS Knobbe-Keuk, S. 307, 310.
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Gesellschafter“49 mithin zugleich die Soll-Verfassung, von der durch Parteivereinbarung im Grundsatz nicht abgewichen werden kann.
I. Stellenwert in der Rechtsprechung 1. Vertretung Was zunächst die Vertretungsbefugnis angeht, so lassen sich die in der Rechtsprechung gewonnenen Erkenntnisse mit U. Huber in zwei einfachen, einander ergänzenden Lehrsätzen zusammenfassen 50 : Erstens darf der Gesellschaftsvertrag zwar einzelne, aber nicht alle persönlich haftenden Gesellschafter von der Vertretung der Gesellschaft ausschließen oder bei der Vertretung an die Mitwirkung eines Dritten binden. Und zweitens kann einem Nichtgesellschafter ebenso wie einem Kommanditisten keine organschaftliche Vertretungsmacht eingeräumt werden. Die Vorschrift des § 170 HGB, der die Vertretung den Komplementären vorbehält, ist demnach als eine Vorschrift zwingenden Rechts zu verstehen 51. Auf die technische Ausgestaltung der Verfassung der Gesellschaft kann es dabei nicht ankommen; vielmehr muss das Verbot, Dritte mit organschaftlicher Vertretungsmacht auszustatten, auch dann Platz greifen, wenn die Gesellschaft abweichend vom gesetzlichen Regelfall über ein als solches bezeichnetes Vertretungsorgan verfügt 52 . Vom Grundsatz der Selbstorganschaft nicht tangiert wird dagegen das Recht, Gesellschaftsfremden oder Kommanditisten eine von den Organvertretern abgeleitete und damit im Grundsatz weisungsgebundene und jederzeit widerrufliche rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht einzuräumen, die als Generalvollmacht sogar über den gesetzlich festgelegten Umfang einer Prokura hinausgehen kann 53 . Besonderheiten gelten dabei für den Kommanditisten. Ist er zur Mitwirkung an der Geschäftsführung berechtigt und wird ihm in diesem Zusammenhang im Gesellschaftsvertrag Prokura erteilt, so darf diese nicht nach Maßgabe des auf abhängige Dienstverpflichtete zugeschnittenen § 52 HGB jederzeit, sondern entsprechend § 117 HGB nur aus wichtigem Grund widerrufen werden 54 . Von der organschaftlichen Vertretungsmacht ist ein Widerruf allerdings in jedem Fall gedeckt. Mit anderen Worten können die Kom49
K. Schmidt, GS Knobbe-Keuk, S. 307, 315; ders., Gesellschaftsrecht, § 14 II 2b (S. 411). U. Huber, ZHR 152 (1988), 1, 13 f. 51 BGHZ 41, 367, 369; 51, 198, 200 f.; OLG Frankfurt a. M. NZG 2006, 262; zustimmend Nitschke, Personengesellschaft, S. 244; John, Organisierte Rechtsperson, S. 295 f.; Heymann/ Emmerich, HGB, § 170 Rdn. 1; Schlegelberger/Martens, HGB, § 170 Rdn. 9. 52 Staub/Habersack, HGB, § 125 Rdn. 6; MünchKommHGB/K. Schmidt, § 125 Rdn. 5; aA Beuthien, ZIP 1993, 1589, 1597 f. 53 Allg. M, s. nur BGHZ 36, 292, 295; BGH WM 1994, 237, 238; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 II 2b (S. 333); MünchKommBGB/Ulmer, § 714 Rdn. 22. 54 BGHZ 17, 392, 394 ff.; BGH BB 1976, 526. 50
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plementäre die Prokura des Kommanditisten mit Außenwirkung jederzeit widerrufen, dürfen das aber nicht, solange hierfür kein wichtiger Grund vorliegt. Schranken unterliegt dagegen das Recht, gemischte Gesamtvertretung anzuordnen und auf diese Weise die organschaftliche Vertretung der Gesellschaft von der Hinzuziehung eines Prokuristen abhängig zu machen. Nach dem Gesagten darf es den persönlich haftenden Gesellschaftern nämlich nicht unmöglich gemacht werden, von der ihnen exklusiv zugeordneten Vertretungsmacht auch ohne die Mithilfe eines Prokuristen Gebrauch zu machen. Stets muss zwar nicht jeder einzelne, wohl aber zumindest einer von ihnen in der Lage sein, die Geschicke der Gesellschaft autonom zu lenken. Daher kann der einzige persönlich haftende Gesellschafter nicht an die Mitwirkung eines Prokuristen gebunden werden 55 . Noch problematischer ist der gänzliche Ausschluss des einzigen Komplementärs von der organschaftlichen Vertretung. Einen solchen Zustand, in dem überhaupt niemand mehr für die KG handeln kann, hat der BGH als rechtlich unmöglich charakterisiert und daher die isolierte Entziehung der Vertretungsmacht zu Lasten des einzigen Komplementärs als schlechthin unzulässige Maßnahme angesehen 56 . Hiergegen hat sich im Schrifttum zu Recht Widerspruch erhoben. Denn selbst wenn man der Prämisse von der notwendigen Selbstorganschaft der unbeschränkt haftenden Gesellschafter folgt, gilt diese doch nur in der werbenden, nach § 146 HGB aber nicht mehr in der aufgelösten Gesellschaft. Es gibt daher keinen Grund, die Kommanditisten auf den nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eigentlich nachrangigen Ausschluss des einzigen Komplementärs gemäß § 140 HGB zu verweisen. Vielmehr ist der Entzug der Vertretungsmacht möglich, freilich nur um den Preis der Auflösung der Gesellschaft. Damit ist den Gesellschaftern aber immerhin die Möglichkeit belassen, im Zusammenhang mit einem Fortsetzungsbeschluss die Vertretungsverhältnisse neu zu ordnen 57. Nicht etwa gänzlich aufgehoben, sondern, wie schon angedeutet, lediglich modifiziert wird der Grundsatz der Selbstorganschaft schließlich im Liquidationsstadium 58 . Weiterhin sind es gemäß § 146 Abs. 1 S. 1 HGB im Grundsatz nämlich die Gesellschafter, die kraft ihrer Mitgliedschaft die Verwaltungsbe55 BGHZ 26, 330, 332 f.; BGHZ 99, 76, 79; Baumbach/Hopt, HGB, § 125 Rdn. 20; sowie § 9 B II. 56 BGHZ 51, 198, 200; BGH NJW 1998, 1225; BGH WM 2002, 342, 343; zustimmend Westermann, Vertragsfreiheit, S. 258 ff.; Baumbach/Hopt, HGB, § 127 Rdn. 3; Hillmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 127 Rdn. 7. 57 K. Schmidt, ZGR 2004, 227, 230 ff., 240 ff.; Wiedemann, JZ 1969, 470 f.; Staub/Habersack, HGB, § 127 Rdn. 8; Heymann/Emmerich, HGB, § 127 Rdn. 4a; Koller, in: Koller/Roth/ Morck, HGB, § 127 Rdn. 3; Werra, Selbstorganschaft, S. 82 ff. 58 K. Schmidt, GS Knobbe-Keuk, S. 307, 314; ders., in: MünchKommHGB, § 146 Rdn. 2; Bergmann, Fremdorganschaft, S. 550; aA – Grundsatz der Selbstorganschaft gilt gar nicht – Flume, Personengesellschaft, § 14 VIII (S. 241); Heidemann, Selbstorganschaft, S. 107 ff.
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fugnisse ausüben. Allerdings ist diese Organisationsverfassung nun nicht mehr zwingend. Weil die Interessen der Gesellschafter im Stadium der Abwicklung nicht mehr durch den gemeinsamen Zweck verbunden sind, sondern im Hinblick auf die bevorstehende Beendigung der Gesellschaft bereits auseinandergehen, lässt das Gesetz die Verwaltung durch einen neutralen Dritten ausdrücklich zu. In der Rechtsprechung wurde dieser Gedanke auf sogenannte liquidationsähnliche Sonderlagen ausgedehnt 59. Für den Fall der Ausschlussklage gegen den einzigen geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafter hat der BGH angenommen, dass diesem seine Rechte durch einstweilige Verfügung entzogen und diese Befugnisse auf einen Gesellschaftsfremden übertragen werden können60 . Er hat sich dabei auf einen Vergleich zu § 146 HGB berufen und im Ergebnis überzeugend ausgeführt, dass während des andauernden Prozesses die Vertrauensgrundlage zwischen den Gesellschaftern typischerweise zerstört und ein sinnvolles Zusammenwirken zwischen ihnen nicht mehr möglich sei61. Da dieser Schwebezustand möglicherweise länger andauert und die Gesellschaft bis dahin praktisch handlungsunfähig wäre, kann es in der Tat zum Schutze der Interessen aller Beteiligten sachgerecht sein, einen neutralen Interimsverwalter mit der Führung der Gesellschaftsangelegenheiten zu betrauen. 2. Geschäftsführung Unübersichtlicher ist die Rechtslage im Bereich der Geschäftsführung. Während sich nach im Schrifttum verbreiteter Ansicht das Organmonopol der Gesellschafter auf die Ausübung der Vertretungsmacht beschränkt 62 , ist nach der Rechtsprechung auch ein Ausschluss sämtlicher Gesellschafter von der Geschäftsführung und deren Übertragung auf Dritte mit dem Verbot der Fremdorganschaft unvereinbar63 . Selbst wenn die Gesellschafter einen Dritten in weitem Umfang mit Geschäftsführungsaufgaben betrauen wollen, kann dieser stets nur eine rein schuldrechtliche, von den Gesellschaftern abgeleitete und im 59 Zur Begriffsbildung s. Staub/Ulmer, HGB, § 109 Rdn. 34; Staub/Habersack, HGB, § 125 Rdn. 8. 60 BGHZ 33, 105, 108 ff. 61 Kritisch gegenüber dem Verweis auf § 146 HGB allerdings Flume, Personengesellschaft, § 14 VIII (S. 241 f.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 II 2 c (S. 412 f.); Michalski, Perpetuierung, S. 206; Reuter, Schranken der Perpetuierung, S. 184; Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 122. 62 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 II 2b (S. 333) bezeichnet das sogar als hM; vgl. daneben Westermann, FS Lutter, S. 955, 957; K. Schmidt, GS Knobbe-Keuk, S. 307, 317; sowie die Nachweise bei U. Huber, ZHR 152 (1988), 1, 15. 63 Grundlegend BGHZ 36, 292, 293 f.; im Anschluss daran BGHZ 146, 341, 360; BGH NJW 1982, 877, 878; NJW 1982, 1817; NJW 1982, 2495; NJW-RR 1994, 98; NZG 2005, 129, 130; ZIP 2006, 1622, 1623; NJW 2007, 995, 996, Tz. 8; OLG Köln NZG 1999, 769, 772; OLG Hamm NZG 1999, 1099, 1100.
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Grundsatz weisungsgebundene Rechtsposition erlangen 64 . Im Ausgangspunkt stimmt somit der höchstrichterlichen Judikatur zufolge die Rechtslage mit derjenigen bei der Vertretung überein; anders als dort jedoch sind die Kommanditisten nach einem schon älteren Grundsatzurteil des BGH nicht den gesellschaftsfremden Personen gleichgestellt. Vielmehr kann ihnen auch eine organschaftliche Mitwirkungsbefugnis eingeräumt werden, ja ein Kommanditist kann unter Ausschluss der persönlich haftenden Gesellschafter sogar zum alleinigen Geschäftsführer bestellt werden 65 . Die diesem Ergebnis auf den ersten Blick entgegenstehende Vorschrift des § 164 HGB, der zufolge Kommanditisten von der Führung der Gesellschaft ausgeschlossen sind, ist nach dieser Lesart als eine Regelung des Innenverhältnisses gemäß § 163 HGB dispositiv. Hiergegen erhebt sich im Schrifttum freilich zunehmend Widerspruch. Eine völlige Entmachtung der Komplementäre sei diesen angesichts ihres Haftungsrisikos nicht zumutbar. Jedenfalls bei besonders bedeutsamen und riskanten Geschäften müsse ihnen daher ein Widerspruchsrecht verbleiben66 . Vor allem aber beschäftigt die Gemüter, ob der Grundsatz der Selbstorganschaft den angesprochenen schuldrechtlichen Gestaltungen Grenzen setzt oder ob sich auf diesem kautelarjuristischen Umweg eine Fremdorganschaft im praktischen Ergebnis doch erreichen lässt. So hat es der BGH im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse in Publikumspersonengesellschaften nicht nur zugelassen, dass die Geschäftsführung tatsächlich allein in den Händen von Personen liegt, die zum Kreise der Initiatoren gehören, aber nicht Gesellschafter sind, sondern auch eine Klausel nicht beanstandet, der zufolge dem Geschäftsbesorger seine Befugnisse lediglich aus wichtigem Grund entzogen werden dürfen, sofern nur die Gesellschafterversammlung hierüber mit einfacher Mehrheit beschließen darf67. Während die einen meinen, auch in diesem Fall verblieben die originären Organkompetenzen bei den Gesellschaftern, weshalb der Grundsatz der Selbstorganschaft lediglich faktisch eingeschränkt sei 68 , sehen die anderen darin eine Erscheinungsform der Fremdorganschaft. Angesichts der großen praktischen Schwierigkeiten, gegen den Geschäftsbesorger vorzugehen, vermöge nämlich auch der Umstand, dass dieser formal eine lediglich abgeleitete Rechtsstellung innehabe, nichts daran zu ändern, dass von der 64
BGHZ 36, 292, 294; kritisch Flume, Personengesellschaft, § 10 I (S. 131). BGHZ 51, 198, 201; zuvor bereits RGZ 110, 418, 420; RGZ 169, 195, 107; zustimmend etwa Staub/Schilling, HGB, § 164 Rdn. 8. 66 Schlegelberger/Martens, HGB, § 164 Rdn. 29; Voormann, Beirat, S. 73; Nitschke, Personengesellschaft, S. 265; Werra, Selbstorganschaft, S. 125; ähnlich Heymann/Horn, HGB, § 164 Rdn. 10; v. Gerkan, in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, § 164 Rdn. 10; für zwingende Geltung des § 116 Abs. 2 HGB Baumbach/Hopt, HGB, § 164 Rdn. 7; Koller, in: Koller/Roth/ Morck, HGB, § 164 Rdn. 3; weitergehend MünchKommHGB/Grunewald, § 164 Rdn. 23. 67 BGH NJW 1982, 877, 878; BGH NJW 1982, 2494 f. 68 MünchKommBGB/Ulmer, § 709 Rdn. 6; ders., ZIP 2005, 1341, 1344; Habersack, BB 2005, 1695, 1697. 65
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mit der Selbstorganschaft bezweckten Machtkonzentration bei den Gesellschaftern keine Rede mehr sein könne 69. Völlig zu einer äußerlichen Fassade degradiert worden ist der Grundsatz der Selbstorganschaft nach Einschätzung zahlreicher Kommentatoren schließlich in dem bekannten Holiday-Inn Fall des BGH70 . Dort war über einen „Managementvertrag“ zu befinden, in dem einem in der Hotelbranche tätigen Unternehmen das nur aus wichtigem Grund kündbare Recht eingeräumt wurde, den laufenden Hotelbetrieb einer Familien-KG weisungsfrei zu führen. Nach Auffassung des BGH blieb die Organstellung der persönlich haftenden Gesellschafter trotzdem nicht nur rechtlich unangetastet, sondern kam auch faktisch noch so weit zum Tragen, dass sie in ihrem Wesensgehalt nicht beeinträchtigt wurde. Zur Begründung verwies der BGH auf die schadensersatzbewehrte Bindung des betriebsführenden Unternehmens an das Gesellschaftsinteresse, die verbliebenen Kündigungsmöglichkeiten sowie umfangreiche Kontroll-, Einsichtsund Mitwirkungsrechte, aufgrund derer die Gesellschafter nach wie vor Herren über die Unternehmenspolitik geblieben seien. Weil als Beleg für die fortbestehende Selbstorganschaft aber ausschließlich die typischen rechtlichen Bindungen eines Fremdorgans angeführt werden 71 , überwiegt im Schrifttum die Auffassung, eine die Gesellschafter derart verdrängende Überlassung der Geschäftsführung an Dritte sei mit einem auch materiell Geltung beanspruchenden Grundsatz der Selbstorganschaft unvereinbar 72 .
II. Materielle Legitimation Gestritten wird aber nicht nur über die aus dem Grundsatz der Selbstorganschaft im Einzelnen abzuleitenden Folgerungen, vielmehr sieht sich dieser insgesamt einer bereits Mitte des vorigen Jahrhunderts eingehend formulierten 73 und bis in jüngste Zeit vielfach wiederholten Kritik ausgesetzt 74 . Dabei wird durchaus nicht in Abrede gestellt, dass das Gesetz ganz am Leitbild der Selbstorganschaft orientiert ist. Gleichwohl handele es sich es um ein abdingbares 69 Erman/Westermann, BGB, § 709 Rdn. 4; ders., FS Lutter, S. 955, 963 f.; Heidemann, Selbstorganschaft, S. 130; offenbar auch Staudinger/Habermeier, BGB, § 709 Rdn. 12; vgl. auch Bälz, ZGR 1980, 1, 58 ff. 70 BGH NJW 1982, 1817. 71 Reuter, JZ 1986, 16, 18; Bergmann, Fremdorganschaft, S. 565. 72 Arlt, NZG 2002, 407, 410; MünchKommHGB/Rawert, § 114 Rdn. 26; Haar, Personengesellschaft im Konzern, S. 210; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 II 2b (S. 336); Werra, Selbstorganschaft, S. 118 ff.; aA aber Fenzl, Betriebspachtverträge, S. 93. 73 Vgl. vor allem Westermann, Vertragsfreiheit, S. 328 ff., 443 ff.; Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 116 ff.; Helm/Wagner, BB 1979, 225 ff. 74 Vgl. Beuthien, ZIP 1993, 1589, 1595 ff.; Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 188 ff., 287 ff.; Arlt, NZG 2002, 407, 411; Bergmann, Fremdorganschaft, S. 485 ff.; Heidemann, Selbstorganschaft, S. 159 ff.; Zinn, Selbstorganschaft, S. 34 ff.; Semrau, Dritteinflussnahme, S. 330 ff.; Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, Rdn. 239.
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Typenmerkmal, weshalb organschaftliche Fremdgeschäftsführung erst an dem Erfordernis der Wahrung der Verbandssouveränität auf eine äußere Gestaltungsgrenze stoße. Angesichts dessen kann auch hier die Frage nach dem Geltungsgrund nicht ausgeblendet werden 75 . 1. Gesamthandsprinzip Ein erster Begründungsansatz rückt das Gesamthandsprinzip in den Mittelpunkt der Überlegungen 76 . Während die juristische Person gegenüber ihren Mitgliedern verselbständigt sei, existiere die Personengesellschaft allein als Gruppe der sie konstituierenden Gesellschafter und sei daher mit der Gesamtheit ihrer Mitglieder zu identifizieren. Wenn auch nicht auf den einzelnen Gesellschafter, sondern auf die Gruppe bezogen, beanspruchten daher dieselben Funktionsvoraussetzungen der Privatautonomie Geltung wie bei der Einzelperson. Ebenso wie sich diese nicht durch verdrängende Vollmacht ihrer Handlungshoheit begeben könne, bleibe es den Personengesellschaftern versagt, die Geschäftsführungskompetenz auf Dritte zu übertragen 77. Damit wird der Grundsatz der Selbstorganschaft auf das allgemeine privatrechtliche Verbot der Selbstentmündigung zurückgeführt 78 . Wenngleich die Prämisse von der Dichotomie innerhalb der Verbandsformen sich mit der hier vertretenen Auffassung deckt 79 , so erscheint doch zweifelhaft, ob die Gegenüberstellung von Gesamthandsgesellschaft und juristischer Person im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung ist 80 . Der Unterschied zwischen beiden spielt nämlich nur dort eine Rolle, wo es darauf ankommt, ob der Verband auch nach seiner Gründung noch durch ein die Gesellschafter untereinander verbindendes Schuldverhältnis konstituiert wird oder nunmehr losgelöst davon existiert. Auf die Frage, wie die Handlungsfähigkeit des rechtsfähigen Verbandes hergestellt wird, wirkt er sich hingegen nicht aus; vielmehr sorgt sowohl Selbstorganschaft wie auch Fremdorganschaft für das nötige Eigenhandeln. Nicht die Organisationsstruktur als Gesamthand im Gegensatz zur juristischen Person, sondern allein auf den Schutz der Gesellschafter oder des Rechtsverkehrs bezogene Erwägungen können daher für eine zwingende 75 AA U. Huber, ZHR 152 (1988), 1, 13: Der Grundsatz der Selbstorganschaft folge schlicht aus dem Wortlaut der §§ 125, 126, 170 HGB und bedürfe nur de lege ferenda einer Begründung. 76 So neben den Nachweisen in den folgenden Fn. Weipert, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 164 Rdn. 2; Timm/Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 709 Rdn. 4. 77 Flume, Personengesellschaft, § 14 VIII (S. 244 f.); Reuter, FS Steindorff, S. 229, 232 ff.; Jacoby, Das private Amt, S. 186; AnwKommBGB/Heidel/Pade, § 709 Rdn. 3. 78 Hey, Freie Gestaltung, S. 201 f.; Nitschke, Personengesellschaft, S. 240. 79 Vgl. oben § 3 E III 1. 80 Skeptisch auch K. Schmidt, GS Knobbe-Keuk, S. 307, 313, 317; Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 118; gänzlich ablehnend Bergmann, Fremdorganschaft, S. 494 ff.; Heidemann, Selbstorganschaft, S. 183 f.
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Beteiligung der Gesellschafter an der Organverwaltung streiten. Ein Blick auf die Rechtsform der Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) bestätigt diese Sichtweise. Der deutsche Gesetzgeber qualifiziert diese nämlich einerseits in § 1 des Ausführungsgesetzes als Handelsgesellschaft und spricht ihr somit den Status einer juristischen Person ab; andererseits aber gilt für die Geschäftsführungsbefugnis nach Art. 19 EWIV-VO der Grundsatz der Fremdorganschaft 81. Ohne sich dem Vorwurf eines Systembruchs auszusetzen, konnte der Gesetzgeber diese Ausgestaltung treffen, weil die EWIV lediglich als ein dem Konsortium vergleichbares Kooperationsinstrument dient und nicht selbst Trägerin eines Unternehmens ist. Das angesprochene Schutzbedürfnis auf Seiten der Gesellschafter oder des Rechtsverkehrs besteht daher allenfalls in untergeordnetem Umfang82 . 2. Abspaltungsverbot Nach verbreiteter Ansicht findet der Grundsatz der Selbstorganschaft seine rechtstechnische Grundlage im Abspaltungsverbot 83 . Die organschaftliche Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis sei in der Personengesellschaft Ausfluss der Mitgliedschaft und daher – wie jedes mitgliedschaftliche Teilhaberecht – untrennbar mit dieser verbunden; eine Abspaltung und Verselbständigung wäre unvereinbar mit der Vorschrift des § 717 S. 1 BGB. Weil jedoch das Abspaltungsverbot gerade auch im Hinblick auf die genannten Verwaltungsbefugnisse seinerseits Ausfluss sogleich im Anschluss näher zu erörternder materialer Wertungen sei, verbiete sich eine sklavische Handhabung; sachlich gerechtfertigte Modifizierungen blieben somit möglich84 . Trotz dieses Vorbehalts ist die genannte Herleitung mit einem Fragezeichen zu versehen85 . Allerdings lässt sich die Vereinbarkeit der Fremdorganschaft mit dem Abspaltungsverbot nicht einfach damit begründen, dass es sich nicht um eine unzulässige Abspaltung, sondern um eine zulässige originäre Neubegründung gesellschaftsrechtlicher Verwaltungsrechte in der Person des bestellten
81 Näher dazu Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, § 11 Rdn. 17, 21; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdn. 982, 1053; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 66 II 2b (S. 1906). 82 So auch K. Schmidt, GS Knobbe-Keuk, S. 307, 313 f. 83 Vgl. etwa BGHZ 36, 292, 293; MünchKommBGB/Ulmer, § 717 Rdn. 7; Timm/Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 709 Rdn. 5; Habersack, BB 2005, 1695, 1697; MünchKommHGB/Rawert, § 114 Rdn. 25; v. Ditfurth, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 709 Rdn. 3; näher zum Zusammenhang Jaeniche, Dritteinfluss, S. 146 ff. 84 Staub/Habersack, HGB, § 125 Rdn. 5. 85 Auch als Verfechter der Selbstorganschaft kritisch MünchKommHGB/K. Schmidt, § 125 Rdn. 6 Fn. 15 und Schlegelberger/Martens, HGB, § 114 Rdn. 53; vgl. auch Heymann/ Emmerich, HGB, § 125 Rdn. 6: Stringenz formaler Argumente ist gering; ausschlaggebend sind nur sachliche Gesichtspunkte.
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Dritten handele 86 . Denn wenn die entsprechenden Teilhaberechte tatsächlich unselbständiger Natur und zwingend der Mitgliedschaft zuzuordnen sind, setzt das auch der Satzungsgestaltung Grenzen und steht der beliebigen Neuschaffung von Kompetenzträgern entgegen87. Anzusetzen ist vielmehr beim unterschiedlichen Charakter der Gesellschafterrechte in den Personengesellschaften. Eine Anbindung an die Mitgliedschaft überzeugt im Hinblick auf die eigennützigen Rechte oder – im Anschluss an Wiedemann präziser formuliert – „echten Mitgliedschaftsrechte“, bei denen der Treupflicht lediglich die Funktion einer äußeren Schranke zukommt 88 . Hier ist ein Schutz der Mitgesellschafter gegen unbotmäßige Einflussnahme in der Tat nur durch Einbeziehung des Dritten in den Verband zu gewährleisten. Bei den rein fremdnützigen, d. h. allein im Gesellschaftsinteresse auszuübenden „Organrechten“, zu denen insbesondere die Geschäftsführungsbefugnis gehört, ist dies dagegen aufgrund der umfassenden Pflichtenbindung an sich nicht erforderlich und wird auch von der herrschenden Meinung nicht strikt durchgehalten. Denn da die Personengesellschafter als Herren der Gesellschaft ursprüngliche Inhaber aller Befugnisse sind, müsste die Übertragung von Kompetenzen auf auch mit Dritten zu besetzende Organe per se unzulässig sein89. Zu Recht geht man indessen im Schrifttum vom Gegenteil aus und betont lediglich, der Grundsatz der Selbstorganschaft setze der Gestaltungsfreiheit hinsichtlich Art und Umfang der zu übertragenden Kompetenzen Grenzen. So soll zwar nach überwiegender Meinung die Bindung der Geschäftsführer an bestimmte Weisungen eines Beirats unzulässig sein; keine Bedenken bestünden aber gegen vertragliche Regelungen, die bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen von seiner Zustimmung abhängig machen90 . Ist jedoch eine Partizipation Dritter an der Organfunktion Geschäftsführung nicht gänzlich ausgeschlossen, dann kann die Selbstorganschaft ihre Grundlage kaum in der unselbständigen Natur der Organrechte finden91 ; ganz in den Mittelpunkt des Interesses rücken viel86 So aber Bergmann, Fremdorganschaft, S. 547; Beuthien, ZIP 1993, 1589, 1596; Zinn, Selbstorganschaft, S. 55 ff.; in diese Richtung auch die vereinzelt gebliebene Entscheidung BGH JZ 1960, 490. 87 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 4a (S. 560); MünchKommBGB/Ulmer, § 717 Rdn. 7. 88 Näher zur hier zugrunde gelegten Unterscheidung von echten Mitgliedschaftsrechten und Organrechten Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 3 III 1b (S. 210 f.); zuvor bereits ders., FS Heinsius, S. 949, 950. 89 Vgl. zu diesem Problem auch Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, Rdn. 241. 90 Vgl. Staub/Ulmer, HGB, § 109 Rdn. 55; Reuter, FS Steindorff, S. 229, 240 f.; Wiedemann, FS Schilling, S. 105, 120; Nitschke, Personengesellschaft, S. 300; vgl. daneben Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 57; sogar für Zulässigkeit eines Weisungsrechts Thümmel, DB 1995, 2461, 2462 f.; Werra, Selbstorganschaft, S. 128. 91 Ähnliche Überlegungen fi nden sich bei Semrau, Dritteinflussnahme, S. 339 und Arlt, NZG 2002, 407, 410.
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mehr die – freilich auch von den Gegenauffassung betonten – materiellen Schutzzwecke. 3. Gesellschafter- und Verkehrsschutz a) Als Rechtfertigung für den zwingenden Charakter der Selbstorganschaft sind zwei einander unmittelbar ergänzende Gesichtspunkte anzuführen. Zunächst verhilft es der Selbstbestimmung und dem Schutz der persönlich haftenden Gesellschafter vor fremdbestimmten Risiken zum Durchbruch, wenn ihnen die Leitung der Gesellschaft und insbesondere die organschaftliche Vertretung vorbehalten bleibt92 . Selbstorganschaft ist somit eine auf die Leitung der werbenden Personengesellschaft bezogene formale Ausprägung des Grundsatzes der Verbandssouveränität93 . Auch die von der Mitwirkung ausgeschlossenen Gesellschafter können darauf vertrauen, dass der Unternehmensleiter engagiert, aber zugleich verantwortungsvoll vorgeht, weil er die wirtschaftlichen Folgen seiner Geschäftstätigkeit selbst zu tragen hat. Die Koppelung von Teilhaberschaft und Unternehmensleitung steht mithin für ein sich selbst regulierendes Organisationsmodell, welches anderweitige Überwachungsmechanismen überflüssig macht. Berühmt geworden ist in diesem Zusammenhang das Bild vom Piloten, der den Mitreisenden die Zuversicht einer gefahrlosen Reise einflößt94 . Eine derart mit „Richtigkeitsgewähr“ ausgestattete Unternehmensführung dient aber nicht nur dem Schutz der persönlich haftenden Gesellschafter, sondern zugleich dem der Gläubiger. Hierfür besteht auch besonderer Anlass, denn bei den Personengesellschaften gibt es weder einen gesetzlich abgesicherten Haftungsfonds noch besteht Insolvenzantragspfl icht bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit. Dass die Geschäftsleitung mit Augenmaß agiert und unvertretbare Risiken meidet, liegt daher auch im Interesse des allgemeinen Rechtsverkehrs95 . b) Unangefochten sind allerdings beide Begründungsstränge nicht. Was zunächst den Schutz der Gesellschafter angeht, so glaubt man verbreitet, im Organmonopol der persönlich haftenden Gesellschafter, eine Ausprägung der These von der zwingenden Korrelation von Herrschaft und Haftung zu erkennen. Auch in der Variante „keine Haftung ohne Herrschaft“ sei diese aber dem 92 Staub/Ulmer, HGB, § 109 Rdn. 34, § 114 Rdn. 9; Habersack, BB 2005, 1695, 1697; Nitschke, Personengesellschaft, S. 217; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1 A Rdn. 43; Voormann, Beirat, S. 71. 93 MünchKommHGB/Mülbert, Bd. 3, Konzernrecht Rdn. 138; Kleindiek, Personengesellschafts-Konzern, S. 102; vgl. auch Schubel, Verbandssouveränität, S. 461; ablehnend Wiedemann, FS Schilling, S. 105, 111: nur entfernte Verwandtschaft. 94 Wiedemann, JZ 1969, 470, 471; ders., Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 II 2b (S. 334); kritisch dazu Heidemann, Selbstorganschaft, S. 65, 196. 95 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 II 2e (S. 414); ders., GS Knobbe-Keuk, S. 307, 315; Staub/Habersack, HGB, § 125 Rdn. 5; John, Organisierte Rechtsperson, S. 286 ff.; Reuter, Schranken der Perpetuierung, S. 182.
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geltenden Recht fremd96 . Zumindest bezogen auf das Innenverhältnis bestehe im Gegenteil überhaupt kein Anlass, durch paternalistische Zwangsfürsorge die Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter zu beschränken97. Für die Wahrung der Verbandssouveränität sei vielmehr allein erforderlich, dass der Einfluss der Dritten auf einer privatautonomen Entscheidung der Gesellschafter beruhe und ihnen auch wieder entzogen werden könne. Letzteres wiederum sei schon deswegen gewährleistet, weil der Gesamtheit der Gesellschafter zwingend und unveräußerlich das Recht zur Abänderung des Gesellschaftsvertrags und damit die Möglichkeit der jederzeitigen Rückkehr zur Mitgliederselbstverwaltung erhalten bleibe 98 . Nicht minder deutlich fällt das Urteil im Hinblick auf die Gläubigerinteressen aus: Ob die Gesellschaft fremd- oder selbstorganschaftlich verwaltet sei, bedeute für die Gläubiger keinen großen Unterschied, weil die ihnen zur Verfügung stehende Haftungsmasse hiervon nicht beeinflusst werde. Im Übrigen könne nicht gesagt werden, dass ein Dritter, der strikt an das Gesellschaftsinteresse gebunden sei und für jede Pflichtverletzung hafte, die Geschäfte der Gesellschaft mit größerer Wahrscheinlichkeit schlechter führe als ein Gesellschafter 99. c) Indes vermag die Kritik ihrerseits nicht zu überzeugen. Insbesondere ist eine Verwirklichung der angeführten Schutzzwecke nicht aufgrund des Hinweises obsolet, ein zwingender Gleichlauf von Herrschaft und Haftung sei nicht anzuerkennen. Für diese Feststellung ist es nicht einmal erforderlich, die in der Mitte des vorigen Jahrhunderts intensiv geführte Debatte um das genannte Schlagwort näher nachzuzeichnen100 . Denn aus heutiger Sicht sollte zweierlei außer Streit stehen: Zum einen bedarf der vermeintliche Grundsatz zunächst einmal näherer Präzisierung. Ohne dass im Einzelnen erläutert wird, welche Formen und welches Maß an Einfluss erfasst werden und ob mit Haftung eine umfassende Erfüllungshaftung für sämtliche Geschäftsschulden oder nur Schadensersatz für bestimmte schädigende Verhaltensweisen gemeint ist, bleibt sein Bedeutungsgehalt nämlich im Dunklen101. Zum anderen kann es sich selbst dann allenfalls um ein Rechtsprinzip handeln, das einen allgemeinen Ge96 Näher Heidemann, Selbstorganschaft, S. 189 ff.; Bergmann, Fremdorganschaft, S. 505 ff. 97 Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 120; Westermann, FS Lutter, S. 955, 960; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 II 2e (S. 414); Helm/Wagner, BB 1979, 225, 233; Jaeniche, Dritteinflussnahme, S. 161. 98 Beuthien, ZIP 1993, 1589, 1597; Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 293; Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 124; Zinn, Selbstorganschaft, S. 46; Semrau, Dritteinflussnahme, S. 338. 99 Hey, Freie Gestaltung, S. 202; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1 A Rdn. 42; Semrau, Dritteinflussnahme, S. 334 ff.; vgl. auch BGHZ 134, 392, 398; Westermann, Vertragsfreiheit, S. 456. 100 Vgl. stattdessen aus dem jüngeren Schrifttum jeweils mit umfassenden Nachweisen Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 18 ff.; Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 179 ff.; Meyer, Haftungsbeschränkung, S. 988 ff. 101 Ebenso Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 10 III 2a (S. 544).
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rechtigkeitsgedanken zum Ausdruck bringt, anders als eine Rechtsregel aber nicht der unmittelbaren Anwendung zugänglich ist. Um einen konkreten Rechtssatz zu entwickeln, ist daher eine nähere Ausgestaltung durch das positive Recht und vor allem ein Ausgleich mit anderen, gegenläufigen Prinzipien wie dem der Rechtssicherheit erforderlich102 . So hat der BGH im bekannten „Rektor-Fall“ die unbeschränkte Haftung eines atypischen, mit der Machtfülle eines Komplementärs ausgestatteten Kommanditisten mit dem überzeugenden Argument abgelehnt, es würde zu einer unheilvollen Rechtsunsicherheit führen, wenn das Gesetz einerseits der Parteidisposition bei der Ausgestaltung der Handlungsbefugnis weite Hand ließe, andererseits aber der Umfang der Haftung unabhängig von der gewählten Gesellschaftsform nach kaum vorhersehbaren Missbrauchserwägungen zu bestimmen wäre. Der der gesetzlichen Regelung zugrunde liegende Zusammenhang von Handlungsbefugnis und Haftung könne daher kein unauflöslicher sein103 . Wenngleich also aller Grund besteht, einer zwingenden Korrelation von Herrschaft und Haftung kritisch gegenüber zu stehen, so rechtfertigt diese Zurückhaltung jedoch nicht, die besondere Situation der persönlich haftenden Gesellschafter und das daraus folgende Schutzbedürfnis in Abrede zu stellen. Die unbeschränkte und weithin auch unbeschränkbare Haftung der Gesellschafter für alle Gesellschaftsschulden ist diesen nach dem Leitbild des Gesetzes vielmehr nur deshalb zuzumuten, weil sie oder zumindest einzelne von ihnen auf das Geschehen in der Gesellschaft mittels ihrer organschaftlichen Herrschaftsbefugnisse maßgeblichen Einfluss ausüben, während Dritte die Gesellschaft und damit mittelbar auch sie selbst nur aufgrund abgeleiteter Rechtsmacht verpflichten können104 . Die daran anknüpfende Entscheidung, die Beteiligten an diesem Organisationsgefüge festzuhalten, ist nicht Ausdruck eines aus heutiger Sicht überkommenen Paternalismus, sondern sichert im Gegenteil die Funktionsvoraussetzungen einer selbstbestimmten Teilnahme am Geschäftsleben. Zwar verbliebe den Gesellschaftern auch im Falle einer fremdorganschaftlichen Ausgestaltung der Organisationsverfassung die Möglichkeit, den Fremdgeschäftsführer wieder aus seinem Amt zu entfernen. Zur Sicherung der Selbstbestimmung der persönlich haftenden Gesellschafter keinesfalls ausreichend wäre es allerdings, wenn der Widerruf der Bestellung an das Vorliegen eines wichtigen Grundes geknüpft werden könnte105 . Ob sich jedoch im Einklang mit 102
Näher dazu Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 19 f. BGHZ 45, 204 ff.; vgl. dazu Flume, Personengesellschaft, § 13 V (S. 202); Baumbach/ Hopt, HGB, § 171 Rdn. 4; Strohn, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 171 Rdn. 29; Staub/ Schilling, HGB, § 164 Rdn. 12; eingehend Westermann, Vertragsfreiheit, S. 265 ff., 284 ff.; Nitschke, Personengesellschaft, S. 258 ff. 104 Vgl. Habersack, BB 2005, 1695, 1697; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1 A Rdn. 43. 105 Dezidiert aA Westermann, Vertragsfreiheit, S. 448 ff.; Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 125; Bergmann, Fremdorganschaft, S. 571 f.; Zinn, Selbstorganschaft, S. 39; zurückhaltend Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 296 ff. 103
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Überlegungen im Schrifttum aus §§ 27 Abs. 2 S. 1 BGB, 38 Abs. 1 GmbHG ein zwingendes Recht zum jederzeitigen Widerruf ableiten lässt106 , ist zweifelhaft. Modellcharakter kann dieses Schutzprinzip im Recht fremdorganschaftlich organisierter Verbände nämlich kaum für sich beanspruchen, ist es doch in der GmbH nach § 38 Abs. 2 S. 1 GmbHG dispositiv und fi ndet gemäß § 84 Abs. 3 AktG in der AG überhaupt keine Anwendung. Somit bliebe den Gesellschaftern allein die Rechtsmacht, durch Änderung des Gesellschaftsvertrags wieder zur gesetzlich vorgesehenen Gesellschafterselbstverwaltung zurückzukehren. Angesichts der mit der Verwirklichung eines solchen Selbsteintrittsrechts verbundenen Schwierigkeiten gemeinschaftlicher Willensbildung, in die bei der KG auch die Kommanditisten eingebunden wären107, trägt aber auch dieser Ausweg der besonderen Gefährdungslage der persönlich haftenden Gesellschafter nicht angemessen Rechnung108 . Schon aus Gründen des Selbstschutzes der Gesellschafter bedarf es daher der Selbstorganschaft. Wenn im Weiteren bestritten wird, dass dem Gesichtspunkt des präventiven Gläubigerschutzes maßgebliche Bedeutung zukomme, weil die Führung der Geschäfte durch Dritte nicht mit größerer Wahrscheinlichkeit weniger erfolgreich sei als eine Verwaltung durch die Gesellschafter109 , so trifft das nur teilweise zu. Zwar hat sich in der Tat die fremdorganschaftliche Form der Unternehmensleitung bei den Kapitalgesellschaften im Großen und Ganzen bestens bewährt. Gläubigerschutz wird jedoch nie durch ein Rechtsinstitut allein, sondern stets durch ein Zusammenspiel verschiedener Mechanismen gewährleistet, die zu kombinieren und zu gewichten zuvörderst Aufgabe des Gesetzgebers ist. So hat er bei den Kapitalgesellschaften der schadensersatzbewehrten Sorgfalts- und Treupflicht der Geschäftsleiter Regeln über die Kapitalaufbringung und -erhaltung sowie nachdrücklich sanktionierte Insolvenzantragspfl ichten zur Seite gestellt. Bei den Personengesellschaften hat er dagegen erkennbar auf die persönliche Haftung sowie die von ihr ausgehende Selbstregulierung der Unternehmensführung gesetzt. Solange der Gesetzgeber nicht eingreift und die Verhältnisse neu ordnet, indem er etwa Auszahlungssperren an Gesellschafter und Insolvenzantragspflichten auch bei den Personengesellschaften einführt, muss es den Gesellschaftern versagt bleiben, durch Zulassung Dritter als Geschäftsführungsorgan in das Gesamtgefüge des Gläubigerschutzes einzugreifen110 . Als konsequente Ergänzung des Gesellschafterschutzes trägt daher auch der mit dem Grundsatz der Selbstorganschaft verbundene Schutz des Rechtsverkehrs maßgeblich zu dessen Rechtfertigung bei. 106
Beuthien, ZIP 1993, 1589, 1597; vgl. auch Reuter, Schranken der Perpetuierung, S. 182. Diese Schwierigkeiten zu Unrecht relativierend Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 293. 108 So im Ergebnis auch Staub/Habersack, HGB, § 125 Rdn. 6. 109 Vgl. die Nachweise in Fn. 99. 110 So auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 II 2c (S. 414); Haar, Personengesellschaft im Konzern, S. 204. 107
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4. Verbleibende Einwände Legt man die vorstehend angestellten Überlegungen zugrunde, dann lassen sich auch die weiteren gegen den Grundsatz der Selbstorganschaft vorgebrachten Einwände entkräften. Ganz der Gedankenwelt begrifflicher Deduktionen verhaftet bleibt zunächst der Ausspruch des RG, wonach es ein „Schluss zwingender Logik“ sei, dass, wenn einem Gesellschafter die Vertretungsmacht entzogen werden könne, dies auch für jeden anderen bestimmt werden können müsse111. Völlig ausgeblendet bleiben dabei Schutzzweckerwägungen und damit der Umstand, dass die mit der Selbstorganschaft beabsichtigte Selbstregulierung zwar nicht die Beteiligung sämtlicher, wohl aber zumindest eines persönlich haftenden Gesellschafters voraussetzt. Ebensowenig kann aus dem Umstand, dass im Rahmen eines Ausschließungsprozesses gegen den einzigen persönlich haftenden Gesellschafter das Gericht einen Dritten per einstweiliger Verfügung vorübergehend als Vertretungsorgan einsetzen kann112 , geschlossen werden, dass eine entsprechende Gestaltung erst recht durch den übereinstimmenden Willen der Gesellschafter muss vereinbart werden können113 . Auch dem Gericht steht diese Möglichkeit nämlich nur deshalb offen, weil es angesichts der Zerstörung der Vertrauensgrundlage und der Ungewissheit, ob die erhobenen Vorwürfe berechtigt sind, zur Bestellung eines neutralen Interimsverwalters im Interesse aller Gesellschafter wie des Rechtsverkehrs oftmals keine Alternative gibt; Rückschlüsse auf die werbende Gesellschaft in Normallage lassen sich daraus nicht ableiten114 . Im Ausgangspunkt nichts anderes gilt für das Stadium der Liquidation, in dem gemäß § 146 Abs. 1, 2 HGB das Organmonopol der persönlich haftenden Gesellschafter aufgehoben ist115 . Auch wenn die Liquidatoren im Einzelfall über einen längeren Zeitraum für die Gesellschaft tätig werden, verbleiben zwischen der gegenständlich begrenzten Aufgabe der Abwicklung im Umfeld zunehmend divergierender Interessen der Gesellschafter einerseits und der umfassenden Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht in der werbenden Gesellschaft andererseits so große Unterschiede, dass sich mit dem Hinweis auf § 146 HGB die allgemeine Zulässigkeit von Drittorganschaft nicht rechtfertigen lässt116 . Bei nä-
111
RGZ 74, 297, 301; zustimmend Bergmann, Fremdorganschaft, S. 492. Vgl. BGHZ 33, 105, 108 ff. und oben I 1. 113 So aber Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 123; Westermann, Vertragsfreiheit, S. 449; Semrau, Dritteinflussnahme, S. 339; vgl. auch Zinn, Selbstorganschaft, S. 97 f. 114 Wie hier Flume, Personengesellschaft, § 14 VIII (S. 243); Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 21 II 2c (S. 339). 115 Vgl. John, Organisierte Rechtsperson, S. 297; Michalski, Perpetuierung, S. 206, 209; Haar, Personengesellschaft im Konzern, S. 205 f.; Werra, Selbstorganschaft, S. 101 f.; Reuter, Schranken der Perpetuierung, S. 184. 116 AA Beuthien, ZIP 1993, 1589, 1596; Arlt, NZG 2002, 407, 411; Heidemann, Selbstorganschaft, S. 226 ff. 112
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herem Hinsehen legt die Vorschrift vielmehr genau den gegenteiligen Schluss nahe. Bleibt schließlich noch der vielfach erhobene Vorwurf, der Grundsatz der Selbstorganschaft behaupte sich nur deshalb so hartnäckig, weil die herrschende Meinung es an jeder Stringenz bei seiner Umsetzung fehlen lasse und dem nachvollziehbaren Bedürfnis der Kautelarpraxis, fremdorganschaftlich geprägte Verwaltungsstrukturen einzuführen, kein ernsthaftes Hindernis entgegensetze117. Nur noch formell sei er bei der GmbH & Co KG gewahrt, materiell dagegen würden die Geschäfte der KG durch den (Fremd-)Geschäftsführer der Komplementär-GmbH geführt. Vor allem aber lasse sich weder die Machtfülle, mit der ein Kommanditist ausgestattet werden könne, noch die praktisch unbegrenzte Möglichkeit, Dritten abgeleitete Mitwirkungsbefugnisse einzuräumen, mit den zu seiner Rechtfertigung angeführten Schutzwecken in Einklang bringen. Damit ist die Frage nach der Reichweite des Grundsatzes der Selbstorganschaft aufgeworfen; ihr ist im Folgenden anhand ausgesuchter Fallgruppen näher nachzugehen.
III. Reichweite 1. Vertragliche Konzernierung Gleichsam vor die Klammer gezogen bietet es sich zunächst an, sich über den Zusammenhang von Selbstorganschaft und vertraglicher Konzernierung Gedanken zu machen. Nach heute überwiegender Meinung ist es zulässig, eine Personengesellschaft vertraglich fremdunternehmerischer Leitung zu unterstellen, wobei als technisches Vehikel sowohl der Gesellschaftsvertrag als auch ein Beherrschungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 AktG dienen kann118 . Verbreitet wird unter dem Gesichtspunkt des Verbots wirtschaftlicher Selbstentmündigung lediglich einschränkend verlangt, dass das herrschende Unternehmen die persönlich haftenden Gesellschafter im Innenverhältnis von ihrer Haftung für die Gesellschaftsverbindlichkeiten freistellen muss119. Mit 117 Vgl. etwa Erman/Westermann, BGB, § 709 Rdn. 3 f.; dens., FS Lutter, S. 955, 961 ff.; Heidemann, Selbstorganschaft, S. 106 ff.; Bergmann, Fremdorganschaft, S. 508 ff., 549 ff.; Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 83 f., 191 f.; die Fülle verbleibender Ausweichkonstruktionen betonen auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 II 2c (S. 412); Heymann/Emmerich, HGB, § 114 Rdn. 27; Hey, Freie Gestaltung, S. 202. 118 Vgl. Baumbach/Hopt, HGB, § 105 Rdn. 105; Emmerich/Habersack, Lehrbuch, § 34 III (S. 462 f.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 43 III 3a (S. 1296); ablehnend jedoch Flume, Personengesellschaft, § 14 X (S. 255); Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 6 I 3a (S. 519); U. Huber, ZHR 152 (1988), 1, 22. 119 Staub/Ulmer, HGB, Anh. § 105 Rdn. 15, 65; Bitter, Durchgriffshaftung, S. 418; Koller, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 109 Rdn. 4; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 54 Rdn. 12; aA MünchKommHGB/Mülbert, Bd. 3, Konzernrecht Rdn. 166 f.; Emmerich/Habersack, Lehrbuch, § 34 III (S. 463).
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den gerade entwickelten Vorstellungen vom Organmonopol der Gesellschafter lässt sich die Stellung eines gesellschaftsfremden Dritten als anderer Teil eines Beherrschungsvertrags auf den ersten Blick freilich nur schwer in Einklang bringen120 . Das ist besonders augenfällig, wenn man der hier vertretenen Auffassung folgt, wonach die Rechtsstellung des herrschenden Unternehmens nach Abschluss eines Beherrschungsvertrags als organschaftlich zu qualifizieren ist121. Der Dritte ist dann nämlich sogar im technischen Sinne ein „Fremdorgan“, dessen Kompetenzen die organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis der Gesellschafter überlagert und diesen nur noch die Aufgabe belässt, die anderweitig vorgegebene Konzernpolitik umzusetzen. Anders als vom Grundsatz der Selbstorganschaft vorausgesetzt müssen die Gesellschafter mithin fremdbestimmt agieren122 . Aus diesem Befund die Konzernresistenz von Personengesellschaften herleiten zu wollen, wäre indes voreilig. Wie schon hervorgehoben, ist das Gebot der Selbstorganschaft lediglich eine auf die Leitung der werbenden Personengesellschaft bezogene formale Ausprägung des materiell verstandenen Grundsatzes der Verbandssouveränität. Nichts anderes will auch der BGH zum Ausdruck bringen, wenn er formuliert, Selbstorganschaft gelte nicht um ihrer selbst willen, sondern sei nur der rechtlich adäquate Ausdruck für die Auffassung, dass in einer werbenden Gesellschaft mit den gleichgerichteten Interessen der Gesellschafter das Recht der Selbstbestimmung allein den Gesellschaftern zustehen soll und zustehen kann123 . Das Gebot gesellschafterlicher Selbstbestimmung hindert die Verbandsmitglieder aber zumindest im Aktien- und GmbHRecht nicht, den Verband in eine abhängige Lage zu führen und den Verbandszweck auf die Interessen des herrschenden Unternehmens auszurichten. Der Verbandssouveränität demgegenüber im Recht der Personengesellschaften einen höheren Rang beizumessen, ließe sich allenfalls mit einem Hinweis auf die persönliche Haftung einzelner Gesellschafter rechtfertigen. Da sich aber auch eine KGaA trotz des Vorhandenseins von Komplementären nach § 291 Abs. 1 S. 1 AktG durch Beherrschungsvertrag der Leitung eines anderen Unternehmens unterwerfen kann124 , bleibt nur die Schlussfolgerung, dass für den gebotenen Minderheitenschutz bereits die unstreitig erforderliche Zustimmung aller Gesellschafter125 sowie die Verlustausgleichspflicht des herrschenden 120
Ablehnend etwa Reuter, ZHR 146 (1982), 1, 16; Löffl er, Abhängige Personengesellschaft, S. 30. 121 Näher oben § 7 A I. 122 Vgl. Kleindiek, Personengesellschafts-Konzern, S. 99, 102. 123 BGHZ 33, 105, 109. 124 Vgl. Emmerich/Habersack, Lehrbuch, § 34 III (S. 463); Kleindiek, Personengesellschafts-Konzern, S. 115, 122; gegen die Überzeugungskraft dieses Vergleichs aber Haar, Personengesellschaft im Konzern, S. 281; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 6 I 3a (S. 519); U. Huber, ZHR 152 (1988), 1, 22. 125 Allg. M., s. nur MünchKommHGB/Mülbert, Bd. 3, Konzernrecht Rdn. 155 ff.
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Unternehmens sorgt. Für einen darüber hinausgehenden Selbstschutz durch den Grundsatz der Selbstorganschaft bleibt kein Raum126 . Dieser knüpft vielmehr an die Normallage einer werbenden Personengesellschaft mit gesetzestypischem Verbandszweck und dem dort typischerweise anzutreffenden Interessengleichlauf der Gesellschafter an. Er beansprucht daher – wie bereits zuvor festgestellt – weder im Stadium der Liquidation oder liquidationsähnlicher Sonderlagen noch – wie nunmehr hinzuzufügen ist – in Gesellschaften mit dienendem Verbandszweck Geltung. 2. Rechtsstellung der Kommanditisten Gegenüber gesellschaftsfremden Dritten zeichnen sich Kommanditisten nicht nur dadurch aus, dass sie Gesellschafter und damit Mitinhaber des Unternehmens sind127 ; vielmehr wirkt ihre Tätigkeit darüber hinaus auch insofern risikobegrenzend und -steuernd, als sie mit ihrer Einlage für die Gesellschaftsverbindlichkeiten haften128 . Gleichwohl sind sie im Zusammenhang mit der Anwendung des Grundsatzes der Selbstorganschaft nicht den Komplementären gleichzustellen129. Allein die summenmäßig unbeschränkte Verantwortlichkeit der Komplementäre und das daraus folgende unkalkulierbare Haftungsrisiko begründet nämlich einerseits deren besondere Schutzwürdigkeit und sorgt andererseits für die auch dem allgemeinen Rechtsverkehr dienende Richtigkeitsgewähr der von ihnen verfolgten Unternehmenspolitik. Zwar kann die Haftsumme des Kommanditisten im Einzelfall so umfänglich sein, dass zwischen dem Verlust der Einlage und einer formell unbeschränkten persönlichen Haftung wirtschaftlich kein wesentlicher Unterschied mehr besteht; derartige Besonderheiten müssen allerdings bei der schon aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlichen Typisierung außer Betracht bleiben130 . Zumindest an der organschaftlichen Vertretungsbefugnis darf der Kommanditist daher ebenso wenig wie ein Gesellschaftsfremder teilhaben. Im Einklang mit der in Rechtsprechung und Schrifttum seit jeher herrschenden Auffassung kommt der Vorschrift des § 170 HGB, der zufolge der Kommanditist zur Vertretung der Gesellschaft
126 So auch Staub/Ulmer, HGB, Anh. § 105 Rdn. 13; MünchKommHGB/Mülbert, Bd. 3, Konzernrecht Rdn. 168; Kleindiek, Personengesellschafts-Konzern, S. 102 f.; Schießl, Beherrschte Personengesellschaft, S. 49. 127 So allgemein BGHZ 17, 392, 394; MünchKommHGB/Grunewald, § 164 Rdn. 23 folgert daraus, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstorganschaft bei der Übertragung von Befugnissen ausscheide. 128 Westermann, FS Lutter, S. 955, 962; Haar, Personengesellschaft im Konzern, S. 212. 129 Schlegelberger/Martens, HGB, § 170 Rdn. 9; Jaeniche, Dritteinflussnahme, S. 191; Voormann, Beirat, S. 71. 130 So auch Schlegelberger/Martens, HGB, § 170 Rdn. 9; für eine differenzierende Lösung dagegen Nitschke, Personengesellschaft, S. 263 ff.; John, Organisierte Rechtsperson, S. 296.
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nicht ermächtigt ist, mithin zwingender Charakter zu131. Diese Auslegung ergibt sich – wie den Kritikern132 zuzugestehen ist – weder ohne weiteres aus dem Wortlaut, der Systematik oder der Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Sie ist jedoch geboten, um dem den Grundsatz der Selbstorganschaft tragenden Schutzzweck Geltung zu verschaffen. Genau im entgegengesetzten Sinne soll indes für das Innenverhältnis zu entscheiden sein. Nach der Rechtsprechung des BGH kann die organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis nämlich durch Gesellschaftsvertrag auch unter völligem Ausschluss der persönlich haftenden Gesellschafter einem oder mehreren Kommanditisten übertragen werden133 . Diese Unterscheidung leuchtet indessen keineswegs unmittelbar ein. Dogmatisch gesehen umfasst die Vertretung denjenigen Teilbereich der Geschäftsführung, der das rechtsgeschäftliche Außenhandeln der Gesellschaft betrifft134 und von der übrigen Geschäftsführung vor allem deshalb abstrahiert wurde, um den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs entgegenzukommen135 . Dritte, die mit der KG kontrahieren, sollen sich aufgrund der nach § 126 HGB unbeschränkten und unbeschränkbaren gesetzlichen Vertretungsmacht darauf verlassen können, dass der agierende Komplementär die Gesellschaft selbst dann wirksam vertreten kann, wenn er das nach dem für Außenstehende nur schwer zu überblickenden Innenverhältnis nicht darf. Für den Grundsatz der Selbstorganschaft spielt dieser Gesichtspunkt jedoch ersichtlich keine Rolle; vielmehr liegt ihm das Anliegen zugrunde, den persönlich haftenden Gesellschaftern innerhalb der Gesellschaft eine vorrangige Machtstellung zu sichern. Wie der BGH in anderem Zusammenhang selbst zutreffend hervorgehoben hat, besteht indessen aus der somit maßgeblichen Sicht der Gesellschafter zwischen Geschäftsführung und Vertretung ein enger und unmittelbarer Zusammenhang136 . Noch deutlicher wird man im Schrifttum: Bei Lichte besehen sei die Geschäftsführungsbefugnis sogar die wichtigere Befugnis137. In der Tat hätte der zwar vertretungsbefugte, aber von der Ge131 BGHZ 41, 367, 368; BGHZ 51, 198, 200; OLG Frankfurt NZG 2006, 262; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 II 2b (S. 411); U. Huber, ZHR 152 (1988), 1, 14; Baumbach/Hopt, HGB, § 170 Rdn. 1; v. Gerkan, in: Röhricht/v. Westphalen, HGB, § 170 Rdn. 1; Heymann/ Horn, HGB, § 170 Rdn. 1; Koller, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 170 Rdn. 1. 132 Flume, Personengesellschaft, § 10 I (S. 132); MünchKommHGB/Grunewald, § 170 Rdn. 13 f.; Weipert, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 170 Rdn. 4, 11; Bergmann, Fremdorganschaft, S. 516 ff.; ders., ZIP 2006, 2064 ff.; Brox, FS H. Westermann, S. 21 ff.; Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 197 f. 133 BGHZ 51, 198, 201; BGH WM 1968, 509, 510; zustimmend Staub/Schilling, HGB, § 164 Rdn. 8, 12; Flume, Personengesellschaft, § 10 I (S. 132). 134 Vgl. nur MünchKommBGB/Ulmer, § 709 Rdn. 9; Hüffer, AktG, § 77 Rdn. 3. 135 John, Organisierte Rechtsperson, S. 281; Bergmann, Fremdorganschaft, S. 517; ders., ZIP 2006, 2064, 2068. 136 BGHZ 17, 392, 395; eindringlich auch Weipert, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 164 Rdn. 5. 137 Westermann, Vertragsfreiheit, S. 451; John, Organisierte Rechtsperson, S. 281; Bergmann, ZIP 2006, 2064, 2068.
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schäftsführung im Innenverhältnis ausgeschlossene Komplementär eine kümmerliche Position. Aus eigenem Antrieb dürfte er überhaupt nicht tätig werden, da jede ohne die erforderliche interne Abstimmung vorgenommene Vertretungshandlung zugleich eine verbotene Geschäftsführungsmaßnahme beinhaltete138 . Ihm stünde somit lediglich die eher formale Kompetenz zu, anderweitig getroffene Entscheidungen im Außenverhältnis umzusetzen139. Kann es nach alldem nicht Aufgabe der zwingend den Komplementären vorbehaltenen organschaftlichen Vertretungsmacht sein, die autonome Bestimmung der Unternehmenspolitik zu ermöglichen, so bleibt als Rechtfertigung nur noch die im Schrifttum als „Notbremse“ umschriebene Funktion140 . Denn selbst wenn er dadurch gegen seine verbandsinternen Pfl ichten verstieße, könnte der Komplementär eine etwaige rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht des geschäftsführungsbefugten Kommanditisten widerrufen141 und es im Übrigen schlicht unterlassen, trotz entsprechender interner Beschlusslage bestimmte von ihm als besonders nachteilig eingeschätzte Rechtsgeschäfte vorzunehmen. Damit hielte er selbst bei völliger Entmachtung im Innenverhältnis zur Wahrung seiner elementaren Haftungsinteressen doch noch ein letztes Herrschaftsmittel in der Hand. Indessen ist es kaum Ausdruck einer in sich stimmigen Konzeption, dem persönlich haftenden Gesellschafter einerseits eine besondere Schutzwürdigkeit zuzubilligen, ihn aber andererseits darauf zu verweisen, seine Interessen durch pflichtwidrigen Eingriff in den gesellschaftsvertraglich legitimierten und von der Rechtsordnung akzeptierten gesellschaftlichen Willensbildungsprozess durchzusetzen142 . Eine solche Vorgehensweise ist dem Komplementär weder zumutbar noch vermag sie einen effektiven Schutz zu gewährleisten. Gesellschaft und Kommanditisten könnten nämlich nicht nur Schadensersatzansprüche geltend machen, sondern die Durchführung der beabsichtigten Maßnahme notfalls auch klagweise erzwingen. Der Schutz der Komplementäre gegen fremdbestimmte Risiken lässt sich demnach mit der „Notbremse“ der organschaftlichen Vertretungsmacht nicht zufriedenstellend gewährleisten. Das sich abzeichnende Ergebnis, dass das Organmonopol der persönlich haftenden Gesellschafter auch auf die Geschäftsführungsbefugnis zu erstre138 U. Huber, ZHR 152 (1988), 1, 15; Helm/Wagner, BB 1979, 225, 231; Zinn, Selbstorganschaft, S. 54. 139 Kleindiek, Personengesellschafts-Konzern, S. 99; Teichmann, Vertragsfreiheit, S. 120; Jaeniche, Dritteinflussnahme, S. 162; Heidemann, Selbstorganschaft, S. 221. 140 Näher dazu Wiedemann, JZ 1969, 470, 471; Schlegelberger/Martens, HGB, § 170 Rdn. 9. 141 S. oben I 1 zur Rechtsprechung des BGH, wonach der Widerruf einer gesellschaftsvertraglich eingeräumten Prokura in jedem Fall wirksam ist, auch wenn diese nur aus wichtigem Grund widerrufen werden darf. 142 Brox, FS H. Westermann, S. 21, 31; Bergmann, Fremdorganschaft, S. 518; ders., ZIP 2006, 2064, 2068 f.
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cken ist, sieht sich allerdings einem nahe liegenden Einwand ausgesetzt: § 163 HGB erlaubt es seinem Wortlaut nach den Gesellschaftern ausdrücklich, das Innenverhältnis nach ihren Vorstellungen zu gestalten und somit auch von der Vorschrift des § 164 HGB abzuweichen, welche die Kommanditisten von der Führung der Geschäfte ausschließt. Zu Recht setzt sich im Schrifttum allerdings immer mehr die Erkenntnis durch, dass angesichts ihrer besonderen Situation jedenfalls eine völlige Entmachtung der persönlich haftenden Gesellschafter ausgeschlossen ist. Die Vorschläge, wie eine ihnen zwingend verbleibende Mindestkompetenz ausgestaltet sein muss, sind allerdings vielfältig. Sie reichen von einem Widerspruchsrecht gegenüber Maßnahmen, die die Finanzkraft der Gesellschaft übersteigen oder besonders risikoreich sind143 , über ein Zustimmungserfordernis bei außergewöhnlichen Maßnahmen entsprechend § 116 Abs. 2 HGB144 bis hin zu einem Recht, jede Maßnahme zumindest gemeinschaftlich auch selber durchführen oder gegen den Willen der Kommanditisten unterlassen zu können145 . Damit wird jedoch anerkannt, dass dem mit dem Grundsatz der Selbstorganschaft verfolgten Zweck, die persönlich haftenden Gesellschafter sowie mittelbar auch den Rechtsverkehr zu schützen, der Vorrang gebührt vor dem allgemeinen Bekenntnis zur internen Gestaltungsfreiheit. Vergegenwärtigt man sich weiterhin noch einmal die zumindest gleichrangige Bedeutung der Geschäftsführungsbefugnis gegenüber der Vertretungsmacht, so erscheinen die im Schrifttum propagierten Ansätze als halbherzig. Im Ergebnis ist es sachlich nicht angemessen und den Komplementären nicht zuzumuten, die Leitung der Gesellschaft einem Kommanditisten überlassen oder auch nur mit ihm teilen zu müssen146 . Der Kommanditist ist somit nicht nur kraft der zwingenden Vorschrift des § 170 HGB von der organschaftlichen Vertretungsmacht, sondern in gleicher Weise von der Mitwirkung an der organschaftlichen Geschäftsführung ausgeschlossen147. Ebenso wie ein Gesellschaftsfremder kann auch er nur entweder schuldrechtlich beauftragt und bevollmächtigt oder im Rahmen vertragskonzernrechtlicher Gestaltungen mit organisationsrechtlich fundiertem Einfluss ausgestattet werden. 143 So oder ähnlich Schlegelberger/Martens, HGB, § 164 Rdn. 29; Heymann/Horn, HGB, § 164 Rdn. 10; Voormann, Beirat, S. 73; Werra, Selbstorganschaft, S. 125. 144 So Baumbach/Hopt, HGB, § 164 Rdn. 7; Koller, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 164 Rdn. 3. 145 MünchKommHGB/Grunewald, § 164 Rdn. 23; dies., Gesellschaftsrecht, 1 A Rdn. 43. 146 Vgl. dazu auch den instruktiven, freilich einen Nichtgesellschafter betreffenden Fall, der bei Westermann, FS Lutter, S. 955, 966, dems., Handbuch der Personengesellschaften, Rdn. 242a und Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 II 2b (S. 334) geschildert ist. 147 So auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 9 II 2a (S. 772 f.); Hunscha, GmbHR 1973, 257, 260; im Grundsatz auch Nitschke, Personengesellschaft, S. 259; John, Organisierte Rechtsperson, S. 295 f.; vgl. daneben Staub/Ulmer, HGB, § 109 Rdn. 35, der die hM als „problematisch“ bezeichnet.
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3. Beiräte Viel diskutiert ist die Frage, ob Dritte Mitglieder eines mit Geschäftsführungsaufgaben betrauten Beirats sein können. Macht man ernst mit der von der herrschenden Meinung zu Recht propagierten These vom Geschäftsführungsmonopol der persönlich haftenden Gesellschafter, so kann die im Schrifttum oftmals anzutreffende Großzügigkeit kaum überzeugen. Weder geht es an, die Zugehörigkeit der Frage zum Selbstorganschaftsprinzip gänzlich zu leugnen148 , noch verdienen diejenigen Stimmen Gefolgschaft, die fremdbestimmte Beiräte mit weitreichenden Weisungsrechten für zulässig erachten149 und die persönlich haftenden Gesellschafter auf das jederzeitige Recht zur Änderung des Gesellschaftsvertrags verweisen wollen150 . Vielmehr scheidet jede gesellschaftsvertragliche Übertragung von Geschäftsführungsbefugnissen auf einen für Nichtgesellschafter offenen Beirat ebenso aus wie die Einräumung von gleichfalls eine umfassende Steuerung der Gesellschaftsangelegenheiten erlaubenden Weisungsrechten151. Auch können solche Organe nicht das Recht erhalten, die Geschäftsführer zu bestimmen152 . Das gilt selbst dann, wenn es an einer überwiegenden Beteiligung Dritter fehlt und die Gesellschafter bei der Abstimmung über die Mehrheit im Gremium verfügen153 . Allerdings ist die Beteiligung eines fremdbestimmten Beirats an der Geschäftsführung nicht per se ausgeschlossen. Nach hier vertretener Ansicht findet der Grundsatz der Selbstorganschaft seine Grundlage nämlich nicht in einem förmlich verstandenen Abspaltungsverbot, sondern in dem materiellen Gebot einer Machtkonzentration bei den persönlich haftenden Gesellschaftern154 . Da der genannte Schutzzweck nicht tangiert ist, wenn innerhalb des Kreises der Gesellschafter eine anderweitig nicht behebbare Meinungsverschiedenheit besteht, kann für diesen Fall durchaus ein Beirat als Schiedsstelle eingesetzt werden155 . Keine Bedenken bestehen weiterhin gegenüber gesellschaftsvertraglichen Regelungen, die zugunsten des Beirats Zustimmungsvorbehalte vorsehen. Im 148
So aber K. Schmidt, GS Knobbe-Keuk, S. 307, 317 f.; Haack, BB 1993, 1607, 1609. Thümmel, DB 1995, 2461, 2462 f.; Konzen, NJW 1989, 2977, 2983; Chr. Weber, Außeneinfluss, S. 335 ff. 150 MünchKommHGB/Grunewald, § 161 Rdn. 151; Voormann, Beirat, S. 117. 151 Staub/Ulmer, HGB, § 109 Rdn. 55; MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 259; Reuter, FS Steindorff, S. 229, 241; Koller, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 114 Rdn. 4; MünchKommHGB/Rawert, § 114 Rdn. 30; v. Ditfurth, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, § 709 Rdn. 4. 152 Zutreffend Heymann/Emmerich, HGB, § 114 Rdn. 33. 153 AA Schlegelberger/Martens, HGB, § 161 Rdn. 116, 119; Werra, Selbstorganschaft, S. 129; offenbar auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 9 II 4b (S. 781). 154 Sehr kritisch zu der hier propagierten Differenzierung Semrau, Dritteinflussnahme, S. 339. 155 So auch Mayen, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 114 Rdn. 23; Baumbach/Hopt, HGB, § 164 Rdn. 16; näher zu solchen Schlichtungsinstanzen und ihrer Abgrenzung zu echten Schiedsgerichten oben § 3 E I. 149
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Grundsatz lassen diese die unternehmerische Initiative und Verantwortung der eigentlichen Geschäftsleitung unberührt und wirken daher primär als ein Instrument präventiver Aufsicht. Decken die Vorbehalte allerdings ein besonders breites und umfassendes Spektrum von Geschäftsführungsmaßnahmen ab und erfassen dabei insbesondere auch die zentralen Führungsentscheidungen der Gesellschaft, tritt die Unterscheidung zwischen aktivem Steuerungsrecht und bloß verhinderndem Vetorecht in den Hintergrund156 . Nur noch formal können die Geschäftsführer die Belange der Gesellschaft aktiv steuern, de facto müssen sie sich dagegen stets des Einverständnisses des Beirats versichern. Dass Zustimmungsvorbehalte aufgrund ihrer Dichte und Reichweite von einem Hilfsmittel der Kontrolle in ein Leitungsinstrument umschlagen können, findet seit jeher im Aktienrecht bei der Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Vorstand und Aufsichtsrat Berücksichtigung. Nach soweit ersichtlich unbestrittener Auffassung muss nämlich der nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG zwingend aufzustellende Zustimmungskatalog des Aufsichtsrats inhaltlich beschränkt sein und darf gerade deswegen nicht übermäßig weit ausgreifen, damit nicht das in § 76 Abs. 1 AktG verankerte Gebot eigenverantwortlicher Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand in Frage gestellt wird157. Diese Überlegung lässt sich auf den fremdbestimmten Beirat in der Personengesellschaft übertragen: Nur die Vornahme bestimmter oder allenfalls eines die Initiative der Geschäftsführung nicht gänzlich erstickenden begrenzten Katalogs von Maßnahmen darf von seiner Zustimmung abhängen158 . 4. Grenzen schuldrechtlicher Gestaltungen Im Ausgangspunkt unbestritten schließt der Grundsatz der Selbstorganschaft Dritte lediglich von der Teilhabe an organschaftlichen Befugnissen aus, hindert aber nicht, diese umfassend mit Geschäftsführungsaufgaben zu betrauen und mit den hierfür erforderlichen Vollmachten auszustatten. Allerdings soll diese Möglichkeit dort ihre Grenze finden, wo die vertraglich vorgesehene Stellung einer Übertragung organschaftlicher Kompetenzen nahe kommt und der Grundsatz der Selbstorganschaft daher umgangen wird159. In den Worten des 156 Näher dazu Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 44 f.; Veil, Unternehmensverträge, S. 236 ff., 297 ff.; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 Rdn. 24a, § 308 Rdn. 25; GroßKommAktG/Hirte, § 308 Rdn. 18; abweichend Hüffer, AktG, § 291 Rdn. 10; KölnKommAktG/Koppensteiner, § 308 Rdn. 23. 157 GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 111 Rdn. 639; MünchKommAktG/Semler, § 111 Rdn. 395; Hüffer, AktG, § 111 Rdn. 18; Fonk, ZGR 2006, 841, 846; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rdn. 112. 158 So auch Nitschke, Personengesellschaft, S. 300; Staub/Ulmer, HGB, § 109 Rdn. 55; zumindest ähnlich auch Reuter, FS Steindorff, S. 229, 241; Koller, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 114 Rdn. 4. 159 Vgl. etwa Heymann/Emmerich, HGB, § 114 Rdn. 28; MünchKommHGB/Rawert, § 114 Rdn. 26; Hillmann, in: Ebenroth/Boujong/Jost, HGB, § 125 Rdn. 9.
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§ 10 Person des Organwalters
BGH kommt es darauf an, dass die Organstellung der Gesellschafter nicht nur rechtlich unangetastet bleibt, sondern auch faktisch noch soweit zum Tragen kommt, dass sie nicht in ihrem Wesensgehalt beeinträchtigt ist160 . Das Sachproblem ist damit hinreichend deutlich umschrieben; zu bezweifeln ist jedoch, ob der gewählte methodische Ansatz glücklich ist. Der Grundsatz der Selbstorganschaft umschreibt nämlich allein diejenigen Grenzen innergesellschaftlicher Organisationsfreiheit, die bei der Zuordnung organschaftlicher Kompetenzen zu beachten sind161. Sobald aber auf diese Weise die Handlungsfähigkeit der Personengesellschaft hergestellt ist und diese wie eine natürliche Person am Rechtsverkehr teilnehmen kann, ist es eine Frage der allgemeinen Schranken der Privatautonomie, die sich für Gesellschaften wie für natürliche Personen im Ausgangspunkt in gleicher Weise stellt, inwieweit eine Preisgabe an Selbstbestimmung zulässig ist162 . Dass die Gesellschaft etwa einem Dritten nicht eine unwiderrufl iche Generalvollmacht oder aber eine verdrängende Vollmacht erteilen kann, folgt schlicht aus allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts; eines Rückgriffs auf den Gesichtspunkt einer unzulässigen Umgehung des Grundsatzes der Selbstorganschaft bedarf es hierfür nicht163 . Besondere Bedeutung kommt dabei der § 52 HGB zu entnehmenden Wertung zu, wonach eine umfassende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht allein unter dem Vorbehalt ihrer jederzeitigen Widerruflichkeit eingeräumt werden kann164 . Mit einem Fragezeichen zu versehen ist daher die Auffassung des BGH, dass einem alle Gesellschaftsbelange wahrnehmenden Geschäftsbesorger eine nur aus wichtigem Grund widerrufliche Vollmacht soll erteilt werden können, solange nur der Widerruf mit einfacher Mehrheit der Gesellschafter erfolgen kann165 . Ebenso zweifelhaft ist die Rechtsprechung des BGH, der zufolge die dem Kommanditisten im Gesellschaftsvertrag zugesicherte Prokura im Innenverhältnis nur aus wichtigem Grund widerruflich ist166 . Kann nämlich einem Kommanditisten weder organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis noch eine entsprechende Vertretungsmacht eingeräumt werden, ist er vielmehr trotz seiner Gesellschafterstellung im vorliegenden Zusammenhang einem gesellschaftsfremden Dritten gleichzustel160
BGH NJW 1982, 1817. Im Ansatz wie hier Schlegelberger/Martens, HGB, § 114 Rdn. 53. 162 So auch U. Huber, ZHR 152 (1988), 1, 15 f.; kritisch dazu K. Schmidt, GS KnobbeKeuk, S. 307, 319; Jaeniche, Dritteinflussnahme, S. 180 Fn. 108. 163 So aber Baumbach/Hopt, HGB, § 125 Rdn. 7; zutreffend dagegen Staub/Habersack, HGB, § 125 Rdn. 15; vgl. zu den genannten Formen der Vollmacht nur Staudinger/Schilken, BGB, § 168 Rdn. 9, 15. 164 Reuter, FS Steindorff, S. 299, 241; MünchKommHGB/Rawert, § 114 Rdn. 26. 165 BGH NJW 1982, 2495; unproblematisch dagegen BGH NJW 1982, 877, wo den Gesellschaftern nicht nur ein weitgehendes Weisungsrecht, sondern auch ein ordentliches Kündigungsrecht zustand. 166 Vgl. BGHZ 17, 392, 394 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 I 2b (S. 603); Baumbach/Hopt, HGB, § 170 Rdn. 4; Koller, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 170 Rdn. 1. 161
C. Selbstorganschaft als zwingendes Organisationsprinzip
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len, so ist nicht einzusehen, warum für ihn ein Sonderrecht gelten soll167. Als notwendiges Korrektiv zur unbeschränkten Vertretungsmacht will § 52 HGB sicherstellen, dass der Geschäftsherr nicht gegen seinen Willen das weitere Auftreten seines umfassend bevollmächtigten Vertreters hinnehmen muss. Dieses Anliegen beansprucht auch im Verhältnis der Komplementäre zu den Kommanditisten Geltung. Ein zentraler Unterschied besteht zwischen natürlichen Personen und Personengesellschaften im Hinblick auf die Preisgabe von Privatautonomie allerdings doch. Während die Rechtsordnung bei natürlichen Personen eine Unterwerfung unter die Entscheidungsgewalt eines anderen als nach § 138 BGB sittenwidrige Knebelung schlechthin untersagt, können sich Verbände durch Beherrschungsvertrag durchaus in eine gegenüber dem anderen Vertragsteil rechtlich abhängige Position begeben. Der methodisch richtige Ansatz ist daher – gerade bei Betriebsführungsverträgen nach Art des „Holiday-Inn“-Falls168 – zu fragen, ob es sich noch um einen schuldrechtlichen Vertrag handelt oder ob die vertraglich eingeräumten Einflussmöglichkeiten ihrem Umfang und ihrer Qualität nach bereits dem beherrschungsvertraglichen Weisungsrecht des § 308 AktG entsprechen169. Sofern das zu bejahen ist170 , handelt es sich um einen verdeckten Beherrschungsvertrag. Als solchem ist ihm keineswegs immer die Anerkennung zu versagen, vielmehr kann er bei Wahrung der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen durchaus wirksam sein oder jedenfalls nach den Grundsätzen über den fehlerhaften Unternehmensvertrag vorläufig Bestandsschutz genießen171.
IV. Resümee Entgegen der nicht verstummenden Kritik im Schrifttum ist für das Recht der Personengesellschaften am Grundsatz der Selbstorganschaft festzuhalten. Nach zutreffender Auffassung findet dieser seine Grundlage aber weder in der Organisationsform der Gesamthand noch im Abspaltungsverbot, sondern in dem doppelten Zweck eines Schutzes der persönlich haftenden Gesellschafter vor Selbstentmündigung und der institutionellen Gewährleistung einer weitere 167
So auch MünchKommHGB/Grunewald, HGB, § 170 Rdn. 17. BGH NJW 1982, 1817; näher zum Sachverhalt oben unter I 2. 169 K. Schmidt, GS Knobbe-Keuk, S. 307, 319; MünchKommHGB/Mülbert, Bd. 3, Konzernrecht Rdn. 319; vgl. daneben Löffl er, Abhängige Personengesellschaft, S. 38; Schießl, Beherrschte Personengesellschaft, S. 55. 170 Vgl. unter dem hier angesprochenen Gesichtspunkt zum „Holiday-Inn“-Fall mit unterschiedlicher Akzentuierung MünchKommHGB/Mülbert, Bd. 3, Konzernrecht Rdn. 319; KölnKommAktG/Koppensteiner, § 291 Rdn. 154; MünchKommAktG/Altmeppen, § 292 Rdn. 154. 171 Näher dazu Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 47 ff.; Hirte/Schall, DK 2006, 243 ff.; Hüffer, AktG, § 292 Rdn. 24; Liebscher, GmbH-Konzernrecht, Rdn. 592 ff. 168
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§ 10 Person des Organwalters
Kontrollmechanismen entbehrlich machenden sorgfältigen Unternehmensführung. Teilweise berechtigt ist dagegen der Einwand, mancher seiner Verfechter habe den Grundsatz durch Zulassung zahlreicher Umgehungsmöglichkeiten de facto bis zur Unkenntlichkeit ausgehöhlt. Eine konsequente Linie ergibt sich in der Tat nur dann, wenn man das Organmonopol der persönlich haftenden Gesellschafter nicht auf die Ausübung der Vertretungsbefugnis beschränkt, sondern die Geschäftsführungsbefugnis einbezieht. Das setzt nicht nur der möglichen Kompetenzübertragung auf Beiräte enge Grenzen, sondern bedeutet vor allem, dass Kommanditisten entgegen der herrschenden Meinung keine organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis eingeräumt werden kann. Zu großzügig zeigt sich die Rechtsprechung auch gegenüber Vollmachten und vermeintlich schuldrechtlichen Aufträgen zur Ausübung der Geschäftsführung. Insoweit bedarf es freilich entgegen verbreiteter Ansicht nicht des Rückgriffs auf den Gesichtspunkt einer unzulässigen Umgehung des Grundsatzes der Selbstorganschaft. Es genügt vielmehr vollauf, Vollmachten an den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen und handelsrechtlichen Schranken der Privatautonomie zu messen und dabei insbesondere der § 52 HGB zu entnehmenden Wertung zum Durchbruch zu verhelfen, dass eine umfassende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht nur unter dem Vorbehalt ihrer jederzeitigen Widerruflichkeit erteilt werden kann. Bei Betriebsführungsverträgen wiederum ist genau zu prüfen, ob nicht die vertraglich vorgesehenen Einflussmöglichkeiten das Maß eines Weisungsrechts im Sinne des § 308 AktG erreichen und der Vertrag infolgedessen als das zu behandeln ist, was er der Sache nach ist, nämlich ein nicht per se unwirksamer Beherrschungsvertrag. In anderer Hinsicht dagegen hat sich der Vorwurf systematischer Unstimmigkeit als unbegründet erwiesen. So ist eine Drittorganschaft im Stadium der Liquidation oder im Rahmen liquidationsähnlicher Sonderlagen deswegen ebenso wenig zu beanstanden wie der Abschluss von Beherrschungsverträgen, weil der Grundsatz der Selbstorganschaft seiner Konzeption nach ganz auf die Normallage einer werbenden Gesellschaft mit gesetzestypischem Verbandszweck ausgerichtet ist und daher auch nur dort Geltung beansprucht. Es bleibt allein die GmbH & Co KG als Sondertypus der Personengesellschaft, die zwar formell selbstorganschaftlich durch ihre Komplementärgesellschaft, rein tatsächlich aber durch deren Geschäftsführer und damit drittorganschaftlich verwaltet wird. Diese singuläre Durchbrechung im Rahmen einer unter zahlreichen Gesichtspunkten problematischen Rechtsform nötigt indessen keinesfalls dazu, den Grundsatz der Selbstorganschaft im Ganzen aufzugeben.
§ 11 Die Bestellung zum Organwalter Während das Organ als Teil der Verbandsverfassung stets existiert, ist hinsichtlich der Besetzung des Organs mit dem konkreten Amtsträger zwischen geborenen und gekorenen Organträgern zu unterscheiden. So ist zwar jeder Gesellschafter und jedes Vereinsmitglied in der Gesellschafter- bzw. Mitgliederversammlung vertreten, ohne dort erst hineingewählt werden zu müssen. Ebenso stehen die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse in den Personengesellschaften den Gesellschaftern nach dem Grundsatz der Selbstorganschaft kraft ihrer Mitgliedschaft zu. Im Übrigen jedoch bedarf es eines gesonderten Rechtsakts, um die Rechtsstellung als Organwalter zu begründen. Fehlt es in diesem Zusammenhang an einer wirksamen Bestellung, übt der Organwalter aber sein Amt gleichwohl aus, so soll es sich nach verbreiteter Begriffsbildung bei ihm um ein faktisches Organ handeln1. Da indessen zwischen dem Fall einer tatsächlich erfolgten und nur mangelbehafteten Bestellung einerseits und dem Tätigwerden ohne jede rechtsgeschäftliche Grundlage andererseits wesentliche rechtliche Unterschiede bestehen, ist es vorzugswürdig, von dem bloß faktischen das fehlerhafte Organ streng zu sondern 2 .
A. Die Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis I. Die fehlerhafte Bestellung zum Geschäftsleiter 1. Anlehnung an die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft Fehlerhaft erlangt ist die Stellung als Organwalter immer dann, wenn zwar ein rechtsgeschäftlicher Bestellungsakt vorliegt, dieser aber unter Wirksamkeitsmängeln leidet. So kann in der Person des Bestellten ein zwingender Aus1 Vgl. Goette, GmbH, § 8 Rdn. 7; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Vor § 35 Rdn. 11; Geißler, GmbHR 2003, 1106, 1108; J. Schneider, ZVglRWiss 102 (2003), 387, 391; Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 45. 2 So denn auch die hM, s. Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 156; Ehricke, Konzernunternehmen, S. 230; Fleischer, AG 2004, 517, 518; Hüffer, AktG, § 93 Rdn. 12; GroßKommAktG/ Hopt, § 93 Rdn. 44, 49; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rdn. 9; K. Schmidt, FS Rebmann, S. 419, 424; GroßKommAktG/Habersack, § 92 Rdn. 32; Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 198.
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§ 11 Die Bestellung zum Organwalter
schlussgrund vorliegen, die Bestellung durch ein unzuständiges Organ erfolgt oder der Bestellungsbeschluss aus anderen Gründen fehlerhaft und deswegen nichtig oder jedenfalls wirksam angefochten sein. Dass derartige Mängel nicht uneingeschränkt geltend gemacht werden können, steht im Hinblick auf die Geschäftsleiter von Kapitalgesellschaften 3 heute im Ausgangspunkt außer Streit 4 : Sofern diese tatsächlich ihre Tätigkeit für die Gesellschaft aufgenommen haben, ist vielmehr von einer vorläufig wirksamen Berufung auszugehen, die nur noch mit Wirkung ex nunc beendet werden kann. Unter sinngemäßer Heranziehung der Grundsätze über das fehlerhafte Arbeitsverhältnis hat das der BGH zunächst für den Anstellungsvertrag entschieden5 . Demnach besteht aufgrund der tatsächlichen Einflussmöglichkeiten eines Vorstandsmitglieds oder Geschäftsführers das unabweisbare Bedürfnis, auch dem tatsächlichen Amtswalter die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters abzuverlangen und ihn einer besonderen Treupflicht zu unterwerfen. Im Gegenzug stünden ihm für die Dauer seiner Beschäftigung Bezüge in der versprochenen und nicht bloß in angemessener Höhe zu 6 . Nichts anderes gilt freilich für den organschaftlichen Bestellungsakt 7. Sei jemand als Geschäftsführer eingesetzt worden und habe diese Aufgabe tatsächlich übernommen, müssten ihn, so wird zur Begründung angeführt, auch die gesetzlichen Pflichten des Organs treffen 8 . Damit sind sicherlich zentrale Wertungsgesichtspunkte angesprochen. Dem fehlerhaft Bestellten die Organverantwortlichkeit aufzuerlegen, bedeutet nämlich für diesen schon deshalb keine unzumutbare Belastung, weil er sich mit der Annahme der Bestellung den entsprechenden Pflichten freiwillig unterworfen hat. Im Gegenzug hat das für die Bestellung zuständige Organ aus seiner Sicht alles Erforderliche getan, um die vollständige Handlungsfähigkeit der Gesellschaft und die Verantwortlichkeit der beteiligten Akteure zu gewährleisten. Entscheidend kommt jedoch noch hinzu, dass der betreffende Amtswalter in Vollzug des Organverhältnisses an 3
Zur Erstreckung der Lehre auf andere Organe s. unten II 2. Überholt ist damit der methodisch fragwürdige Ansatz des RG (Z 152, 273, 277 f.), eine Haftung des Geschäftsleiters auf einen konkludent geschlossenen Vertrag oder auf Geschäftsführung ohne Auftrag zu stützen, s. dazu Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 171 f.; GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rdn. 44; Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 11 Rdn. 16. 5 BGHZ 41, 282, 284 ff.; BGHZ 65, 190, 194; BGH ZIP 1989, 294, 295; ZIP 1995, 377; NJW 1998, 3567; NJW 2000, 2983; kritisch allerdings MünchKommAktG/Hefermehl/ Spindler, § 84 Rdn. 204. 6 BGH ZIP 1995, 377, 378; Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 195 ff. 7 BGHZ 129, 30, 32; vgl. daneben BGHZ 122, 342, 348; aus dem Schrifttum etwa Hüffer, AktG, § 84 Rdn. 10; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rdn. 360; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 35 Rdn. 8; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rdn. 36; Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 11 Rdn. 16; GroßKommAktG/Kort, § 84 Rdn. 83, 305; abweichend nur Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 183 f. 8 So etwa G. H. Roth, ZGR 1989, 421, 423; Ehricke, Konzernunternehmen, S. 230; J. Schneider, ZVglRWiss 102 (2003), 387, 392. 4
A. Die Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis
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einer Vielzahl von das Innen- wie das Außenverhältnis der Gesellschaft betreffenden Maßnahmen beteiligt ist, die sich im Nachhinein kaum noch sinnvoll rückgängig machen lassen. Dieser Aspekt legt zugleich nahe, die dogmatische Fundierung der Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis in einer Anlehnung an die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft zu suchen9. Zwar ist hiergegen der Einwand erhoben worden, anders als bei der fehlerhaften Gesellschaft werde der Organwalter nicht in ein komplexes Gebilde eingebunden, in dem gemeinsam Beiträge erbracht, Werte geschaffen und vor allem auch wirtschaftliche Risiken getragen würden; vielmehr finde im reinen Organverhältnis anders als im Anstellungsverhältnis kein Leistungsaustausch statt10 . Damit wird ein Vergleich allerdings allein zur fehlerhaften Gründung einer Personengesellschaft gezogen und dabei gänzlich unberücksichtigt gelassen, dass die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft nach modernem Verständnis hierauf längst nicht mehr beschränkt ist, sondern als allgemeines Institut des Verbandsrechts auf alle Strukturänderungen Anwendung findet, bei denen wegen der sonst drohenden Rückabwicklungsschwierigkeiten eine einschränkende Auslegung der einschlägigen Nichtigkeitsvorschriften geboten ist11. So kann heute die Erstreckung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft auf fehlerhafte Unternehmensverträge und fehlerhafte Kapitalmaßnahmen als gesicherte Erkenntnis gelten12 . Noch weitergehend sieht § 246a Abs. 4 S. 2 AktG sogar einen dauerhaften Bestandsschutz vor, wenn zuvor ein gerichtliches Freigabeverfahren durchlaufen wurde. 2. Rückabwicklungsschwierigkeiten, drohende Funktionsunfähigkeit und Schutz der Gesellschaft Dass nun aber die Organisationsstruktur der Gesellschaft in ihrem Kern betroffen ist und daher bei Anwendung der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Vorschriften kaum zu bewältigende Rückabwicklungsschwierigkeiten zu besorgen sind, lässt sich bei näherem Hinsehen kaum leugnen. Ausreichenden Schutz bieten das Handelsregister und die Grundsätze über die Anscheins- und Duldungsvollmacht allenfalls noch insofern, als es um Mängel der Vertretungs9 Eingehend C. Schäfer, Fehlerhafter Verband, S. 473 ff.; daneben MünchHdbAG/Wiesner, § 20 Rdn. 35; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rdn. 8; Hüffer, AktG, § 84 Rdn. 10; Heidel/Oltmanns, AktG, § 84 Rdn. 9; s. auch MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 363. 10 So Stein, Faktisches Organ, S. 60 ff.; Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 137; Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, S. 70. 11 Dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 6 IV (S. 154 ff.); C. Schäfer, Fehlerhafter Verband, S. 137 ff., 289 ff.; MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 354 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 2 IV 2 (S. 154). 12 S. zum fehlerhaften Unternehmensvertrag BGHZ 103, 1, 4 f.; BGHZ 116, 37, 39; BGH NJW 2002, 822, 823; BGH ZIP 2005, 254; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 Rdn. 28 ff.; zur fehlerhaften Kapitalerhöhung nur Hüffer, AktG, § 248 Rdn. 7a.
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§ 11 Die Bestellung zum Organwalter
befugnis geht13 . Auch hier trägt die Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis freilich zu größerer Rechtssicherheit bei, indem sie die Frage nach der Gutgläubigkeit des Geschäftsgegners entbehrlich macht und diesem im Gegenzug die Möglichkeit abschneidet, sich auf die „wahre“ Rechtslage und damit auf das Fehlen der Vertretungsmacht zu berufen14 . Grundlegend anders ist aber die Situation im Innenverhältnis zu beurteilen, wobei dort wiederum nicht rein tatsächliche Handlungen, sondern vor allem solche Beschlüsse der Geschäftsleiter im Vordergrund des Interesses stehen, an deren Unwirksamkeit das Gesetz weitere Rechtsfolgen knüpft. a) Einberufung der Gesellschafterversammlung Paradigmatisch hierfür steht der Beschluss über die Einberufung der Gesellschafterversammlung, dessen Unwirksamkeit nach § 241 Nr. 1 AktG die Nichtigkeit sämtlicher in der Versammlung gefasster Beschlüsse nach sich zieht. Da das Erfordernis einer förmlichen Einberufung es aber lediglich allen Gesellschaftern ermöglichen soll, ihre verfassungsmäßigen Rechte in der Gesellschafterversammlung wahrzunehmen, während umgekehrt der Person des Ladenden keine besondere Bedeutung zukommt, lässt sich eine derart drakonische Sanktion kaum rechtfertigen. Zumindest stünde sie in keinem angemessenen Verhältnis zu der praktisch kaum zu bewältigenden Schwierigkeit, eine Vielzahl unter Umständen weit reichender Beschlüsse auch nach längerer Zeit wieder rückgängig machen zu müssen. Daneben verdient das Anliegen Berücksichtigung, die autonome Funktionsfähigkeit der Gesellschaft zu erhalten15 . Sind nämlich im Extremfall alle Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder einer AG oder alle GmbH-Geschäftsführer fehlerhaft bestellt, so könnte auf ordentlichem Wege keine Gesellschafterversammlung einberufen werden, die wiederum rechtswirksam Geschäftsführer oder Aufsichtsratsmitglieder wählt. Angesichts der damit drohenden Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft sollte dem Ausweg, die Gesellschafter auf ihr an ein Beteiligungsquorum geknüpftes Minderheitenrecht nach § 50 Abs. 3 GmbHG16 oder gar auf die externe Bestellung eines Notgeschäftsführers durch das Gericht zu verweisen17, gegenüber der
13 Vgl. Stein, Faktisches Organ, S. 100; MünchKommAktG/Hüffer, § 252 Rdn. 10; Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 176 ff.; etwas zurückhaltender Schäfer, Fehlerhafter Verband, S. 474. 14 S. dazu Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 182; für einen Rückgriff auf Rechtsscheinstatbestände dagegen OLG Saarbrücken GmbHR 2006, 987, 991; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 84 Rdn. 197 ff.; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rdn. 35. 15 Grundlegend dazu Stein, Faktisches Organ, S. 100 ff.; speziell zur Einberufung der Gesellschafterversammlung ebenda, S. 76 ff.; Michalski/Römermann, GmbHG, § 49 Rdn. 22; kritisch Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, S. 73 ff., 81 ff. 16 Gleiches gilt für das Einberufungsrecht des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 3 AktG. 17 So Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 191; Schultz, NZG 1999, 89, 100.
A. Die Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis
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vorläufigen Anerkennung der Einberufungsbefugnis der fehlerhaft bestellten Geschäftsleiter kein zwingender Vorrang zukommen. Dass es vielmehr aus Gründen des Bestandsschutzes hier einer von den allgemeinen bürgerlich-rechtlich Nichtigkeitsfolgen abweichenden Regelung bedarf, hat auch der Gesetzgeber anerkannt, indem er in § 122 Abs. 2 S. 2 AktG die Einberufungsbefugnis im Handelsregister eingetragener Vorstandsmitglieder fingiert. Hinsichtlich der Reichweite des damit als notwendig erkannten Bestandsschutzes wirft diese – das sei vorausgeschickt: missglückte – Norm allerdings neue Fragen auf. Insbesondere ist unklar, ob der Rechtsgedanke auf die GmbH zu übertragen ist und ob der Eintragung in diesem Zusammenhang tatsächlich konstitutive Wirkung zukommt. Auf beide Gesichtspunkte ist bei der näheren Bestimmung der Voraussetzungen der Lehre vom fehlerhaft bestellten Organmitglied zurückzukommen18 . b) Feststellung des Jahresabschlusses Wenngleich die Lehre vom fehlerhaft bestellten Geschäftsleiter im Grundsatz allgemein anerkannt ist, so findet sie doch im Einzelfall nicht die gebotene Aufmerksamkeit. Das zeigt sich besonders deutlich bei einem der folgenreichsten Beschlüsse, den der Vorstand einer AG zu treffen hat, nämlich demjenigen über die Feststellung des Jahresabschlusses nach § 172 AktG19. Hat der Vorstand hieran nicht ordnungsgemäß mitgewirkt, so ist der gleichwohl festgestellte Jahresabschluss nämlich nach § 256 Abs. 2 AktG nichtig. Damit ist die Gesellschaft zunächst ihrer Pflicht zur Rechnungslegung nicht nachgekommen; vor allem aber ist die Grundlage für die Verwendung des Jahresüberschusses, für den Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung und das Dividendenrecht der Aktionäre entfallen 20 . Nun ist nach traditioneller und auch heute wohl noch herrschender Auffassung ein unter Mitwirkung fehlerhaft bestellter Vorstandsmitglieder gefasster Beschluss nur dann ordnungsgemäß im Sinne des § 256 Abs. 2 AktG, wenn der Vorstand gleichwohl nicht unterbesetzt ist und der Vorstandsbeschluss nicht auf den Stimmen der nichtig bestellten Mitglieder beruht 21. Damit wird dem zuletzt genannten Personenkreis die Rechtsstellung eines Vorstandsmitglieds im Ergebnis abgesprochen. Ein besonderer Sachgrund, der in Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen über das fehlerhafte Bestellungsverhältnis ausnahmsweise ein Durchschlagen des Bestellungs18
Vgl. unten 3 b). Vgl. Lutter, FS Semler, S. 835, 842 f.: Die Folgen der Nichtigkeit eines Jahresabschlusses seien insbesondere für die Publikumsgesellschaft „desaströs“; zustimmend Habersack, NZG 2003, 659, 661. 20 Zur Reichweite der Nichtigkeit näher BGHZ 124, 111, 116 ff.; MünchKommAktG/Hüffer, § 256 Rdn. 74 ff.; Adler/Düring/Schmaltz, § 256 AktG Rdn. 74. 21 Adler/Düring/Schmaltz, § 256 AktG Rdn. 69; Heidel, AktG, § 256 Rdn. 20; KölnKommAktG1 /Zöllner, § 256 Rdn. 83; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 84 Rdn. 200. 19
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§ 11 Die Bestellung zum Organwalter
mangels gerade auf den Jahresabschluss rechtfertigt, ist allerdings nicht ersichtlich 22 . Entsprechenden Hinweisen im Schrifttum zum Trotz ist er jedenfalls nicht in dem Umstand zu finden, dass der Vorstand bei der Wahrnehmung der bilanzpolitischen Ermessensspielräume eine eigene unternehmerische Entscheidung mit erheblicher Tragweite trifft 23 . Denn diese Feststellung trifft auf den größeren Teil der Vorstandstätigkeit zu und unterstreicht bei Lichte betrachtet nur das besondere Bedürfnis nach einer Einschränkung der Nichtigkeitsfolgen 24 . Zu rechtfertigen ist die Wirksamkeit des Jahresabschlusses, weil durch die einschränkenden Voraussetzungen der Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis ein Mindestmaß an Qualifikation der Organwalter gesichert ist und im Verhältnis zur Gesellschaft ein Zurechnungstatbestand vorliegt 25 . Gewichtiger ist schon der Einwand, das Gesetz selbst habe dem Gedanken der Rechtssicherheit durch die Bestimmung des § 256 Abs. 6 AktG Rechnung getragen, der zufolge die Nichtigkeit des Jahresabschlusses nur binnen sechs Monaten nach seiner Bekanntmachung geltend gemacht werden kann. Daneben komme eine rechtsfortbildende Korrektur der allgemeinen Nichtigkeitsfolgen nicht in Betracht 26 . Da sich diese Vorschrift allerdings der Problematik des Bestandsschutzes des Jahresabschlusses nur ganz allgemein annimmt und den erst in jüngerer Zeit intensiv diskutierten Fragenkreis fehlerhaft bestellter Organmitglieder nicht hinreichend reflektiert, kann ihr nach dem heutigen Stand der Rechtsentwicklung keine abschließende Wirkung zukommen. Im Ergebnis hat daher der Vorstand selbst dann an der Feststellung des Jahresabschlusses ordnungsgemäß mitgewirkt, wenn alle seine Mitglieder fehlerhaft bestellt sind 27. Für eine Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 Abs. 2 AktG ist mit anderen Worten nur dort Raum, wo nicht einmal ein fehlerhaftes Bestellungsverhältnis zustande gekommen ist oder der Vorstand als Gesamtorgan nicht befasst wurde.
22 Zutreffend MünchKommAktG/Hüffer, § 256 Rdn. 39; GroßKommAktG/Kort, § 84 Rdn. 94. 23 So aber Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, S. 76 f. gegen Stein, Faktisches Organ, S. 88 f., deren Ausführungen der Problematik in der Tat nicht vollends gerecht werden; allgemein zum bilanzpolitischen Ermessensspielraum MünchKommAktG/Kropff, § 172 Rdn. 12 ff. 24 Gegen eine Erstreckung der Grundsätze über das „faktische“ Organ auf Entscheidungen, bei denen es auf unternehmerisches Leitungsermessen ankommt, allerdings Goette, GmbH, § 8 Rdn. 7, freilich mit der – hier einschlägigen – Ausnahme für öffentlich-rechtliche Pfl ichten. 25 Vgl. unten 3 b). 26 Adler/Düring/Schmaltz, § 256 AktG Rdn. 69 in Verbindung mit Rdn. 27 ff., 66. 27 So auch MünchKommAktG/Hüffer, § 256 Rdn. 39; ders., AktG, § 256 Rdn. 18; Stein, Faktisches Organ, S. 107; im Ergebnis bereits GroßKommAktG3 /Schilling, § 256 Anm. 9.
A. Die Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis
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c) Bindung an die Sorgfaltspflicht und sonstige Organpflichten Auch wenn insofern keine Rückabwicklungsschwierigkeiten im engeren Sinne bestehen, ist doch die Bindung des fehlerhaft bestellten Geschäftsleiters an die allgemeine Sorgfalts- 28 und Treupflicht 29 sowie die sonstigen im Interesse der Gesellschaft oder der Allgemeinheit bestehenden Organpflichten gleichwohl zu Recht allgemein anerkannt. Hier ist es nämlich bereits die ex-tunc-Unwirksamkeit des Rechtsverhältnisses selbst, die wegen des drohenden Verlusts von Sanktionsmöglichkeiten gegenüber dem Geschäftsleiter Korrekturbedarf hervorruft 30 . Schon in gewöhnlichen Schuldverhältnissen sind die Parteien selbst bei Nichtigkeit des zugrunde liegenden Vertrages von der Wahrung der wechselseitig bestehenden Schutzpfl ichten nicht entbunden 31. Umso mehr besteht Anlass, einen Organwalter an den mit der Annahme seiner Bestellung eingegangenen Verpflichtungen festzuhalten. Denn diesem stehen dieselben Entscheidungs- und Machtbefugnisse und derselbe vertiefte Einblick in Geschäftsinterna offen wie seinem rechtmäßig ernannten Pendant. Deswegen muss selbst denjenigen Mitgliedern des Bestellungsorgans, deren Belange bei der fehlerhaften Bestellung rechtswidrig übergangen wurden und deren primäres Ziel daher ist, den Ernannten alsbald aus seinem Amt zu entfernen, daran gelegen sein, dass er, solange er nun einmal für die Gesellschaft tätig ist, seinen Pflichten ordnungsgemäß nachkommt 32 . d) Zwischenergebnis Sofern jemand überhaupt als Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft bestellt und das Organverhältnis tatsächlich in Vollzug gesetzt wurde, ist im Grundsatz auch dann von einer vorläufig wirksamen Organstellung auszugehen, wenn der Bestellungsakt an Wirksamkeitsmängeln leidet. Was die Befugnis zur Einberufung der Gesellschafterversammlung angeht, konnte zur Begründung auf eine sonst drohende Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft verwiesen werden. Die Anwendbarkeit der Organpflichten wiederum trägt einem berechtigten Schutzbedürfnis der Gesellschaft Rechnung. Im Kern sind es jedoch die Schwierigkeiten der Rückabwicklung einer womöglich unabsehbaren Vielzahl von Beschlüssen, welche die Einschränkung der Unwirksamkeitsfolgen rechtfertigen 28 BGHZ 129, 30, 32; Fleischer, AG 2004, 517, 518; GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rdn. 44; KölnKommAktG/Mertens, § 93 Rdn. 11; Hüffer, AktG, § 93 Rdn. 12; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rdn. 2; Michalski/Haas, GmbHG, § 43 Rdn. 24; Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rdn. 1. 29 Stein, Faktisches Organ, S. 114. 30 Vgl. aber C. Schäfer, Fehlerhafter Verband, S. 25, der auch diesen Sachverhalt unter den Begriff der Rückabwicklungsschwierigkeiten subsumiert. 31 Vgl. MünchKommBGB/Kramer, Einl. § 241 Rdn. 82; Palandt/Heinrichs, BGB, Einl. § 241 Rdn. 4; Krebs, Sonderverbindung, S. 124; im vorliegenden Zusammenhang C. Schäfer, Fehlerhafter Verband, S. 475. 32 Näher Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 174 f.
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§ 11 Die Bestellung zum Organwalter
und zugleich die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft als dogmatische Grundlage der Rechtsfigur vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis ausweisen. Für die nähere Bestimmung der Voraussetzungen und Grenzen vorläufigen Bestandsschutzes kann daher im Folgenden auf die dort gewonnenen Erkenntnisse zurückgegriffen werden. 3. Voraussetzungen a) Anforderungen an den Bestellungsakt Ein fehlerhaftes Bestellungsverhältnis im hier erörterten Sinne setzt einen förmlichen Bestellungsakt voraus33 , bloßes schlüssiges Verhalten in Form eines Einverständnisses oder einer Duldung der Tätigkeit durch das zuständige Organ genügen hingegen nicht 34 . Da es nach allgemeinen Grundsätzen keine konkludente Beschlussfassung gibt und es daher ohne ausdrücklichen Wahlakt an einer rechtserheblichen Willensbildung der Gesellschaft fehlt 35 , besteht schon gar kein Rechtsverhältnis, innerhalb dessen Nichtigkeitsfolgen eingeschränkt werden könnten. Im Übrigen erweist sich die förmliche und damit dokumentierte Bestellung aus Gründen der Rechtssicherheit jedenfalls dort als unentbehrlich, wo der Geschäftsleiter, wie namentlich bei der Stellung des Insolvenzantrags, verfahrensrechtlich relevante Handlungen vornehmen soll 36 . Vor diesem Hintergrund ist es durchaus nicht selbstverständlich, im Einklang mit der herrschenden Meinung als fehlerhaft bestellt auch denjenigen Geschäftsleiter anzusehen, der nach Ablauf seiner Amtszeit seine Tätigkeit mit Billigung des Bestellungsorgans fortsetzt 37. Im Ergebnis überzeugt diese Ansicht indes gleichwohl, weil sich der Organwalter nicht lediglich faktisch eine Rechtsstellung angemaßt hat, sondern zunächst ein rechtswirksames Organverhältnis bestand, aus dem sich fortwirkende Rechte und Pflichten herleiten lassen. Insgesamt ist daher von einem nachträglich fehlerhaft gewordenen Bestellungsverhältnis auszugehen.
33
Zutreffend Stein, Faktisches Organ, S. 121 f. So aber Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 158; jedenfalls hinsichtlich der Haftung aus § 43 GmbHG auch Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rdn. 7 Fn. 13; aus strafrechtlicher Sicht Scholz/Tiedemann, GmbHG, § 84 Rdn. 33. Nicht stützen lässt sich diese Ansicht auf BGHZ 41, 282, 287, da dort der Aufsichtsrat einen von dessen Vorsitzenden geschlossenen Anstellungsvertrag duldete. 35 Für den Aufsichtsrat allg. M., s. BGHZ 10, 187, 194; BGH NJW 1989, 1928, 1929; OLG Karlsruhe ZIP 2004, 2377, 2378; MünchKommAktG/Semler, § 108 Rdn. 22 f.; vgl. daneben K. Schmidt, FS Rebmann, S. 419, 425; Lutter/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 84 Rdn. 5; G. H. Roth, ZGR 1989, 421, 424. 36 Näher dazu B II. 37 BGHZ 47, 341, 343; Hüffer, AktG, § 84 Rdn. 10; Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 158; Geißler, GmbHR 2003, 1106, 1107; offenbar aA KölnKommAktG/Mertens, § 84 Rdn. 31; GroßKommAktG/Kort, § 84 Rdn. 84. 34
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Nicht zwingend erforderlich ist demgegenüber die Bestellung gerade durch das zuständige Organ 38 . Hinter entsprechenden Forderungen steht letztlich die Überlegung, dass die Nichtbefassung des eigentlich berufenen Entscheidungsträgers als besonders grober Mangel einzustufen sei, der eine Zurechnung der Gesellschaft gegenüber ausschließe. Bei näherer Betrachtung besteht indessen gegenüber sonstigen Verfahrensfehlern, die – wie etwa die Beschlussfassung durch einen unterbesetzten Aufsichtsrat – ebenfalls das Partizipationsrecht der Organmitglieder betreffen und die Anwendung der Grundsätze über das fehlerhafte Bestellungsverhältnis anerkanntermaßen nicht ausschließen 39 , oft nur ein gradueller Unterschied. Völlig zu Recht hat daher der BGH einer Geschäftsführerbestellung, die in der von Unsicherheiten geprägten Zeit kurz vor der Wiedervereinigung Deutschlands durch einen zwischenzeitlich nicht mehr zuständigen Minister der DDR erfolgte, die Anerkennung nicht versagt 40 . Gleiches hat zu gelten, wenn die Gesellschafterversammlung einer GmbH irrig, aber doch nachvollziehbar zu der Auffassung gelangt, der nach der Satzung eigentlich zuständige Beirat sei dauerhaft handlungsunfähig, und daraufhin in Ausübung ihrer subsidiären Zuständigkeit einen neuen Geschäftsführer bestellt 41. Weiteres Anschauungsmaterial bietet die Rechtsprechung des BGH zum fehlerhaften Dienstvertrag. So hat der II. Zivilsenat diese Grundsätze in einem Fall herangezogen, in dem das Vorstandsmitglied einer AG nicht vom Gesamtaufsichtsrat oder dem Personalausschuss, sondern von dem hierzu nicht bevollmächtigten Vorsitzenden des Aufsichtsrats angestellt wurde42 . Schließlich wurde auch ein Vertrag mit einem GmbH-Geschäftsführer als vorläufig wirksam anerkannt, den dieser ohne Mitwirkung der allein zuständigen Gesellschafterversammlung mit einem anderen Geschäftsführer abgeschlossen hatte43 . Der Rechtssatz, dass die Bestellung durch das unzuständige Organ die Anwendbarkeit der Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis nicht ausschließt, kann freilich nicht schrankenlose Geltung beanspruchen. Erforderlich ist vielmehr, dass der Bestellungsakt der Gesellschaft trotz des Mangels noch zurechenbar ist und nicht als Akt willkürlicher Amtsanmaßung völlig außerhalb der Befugnisse des handelnden Organs liegt. Der Gesellschaft nicht mehr zurechenbar und daher nicht nach den Grundsätzen über das fehlerhafte Bestellungsverhält38 So aber Stein, Faktisches Organ, S. 121; vgl. auch GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rdn. 50 aE; wie hier dagegen Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 158. 39 Vgl. aus der Rechtsprechung BGHZ 18, 334, 335; BGHZ 65, 190, 194; BGH NJW 1989, 1928, 1929; daneben Thüsing, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rdn. 46. 40 BGHZ 129, 30, 32. 41 Vgl. zu dieser Rückfallkompetenz BGHZ 12, 337, 340; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rdn. 11; Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 45 Rdn. 23; Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 494. 42 BGHZ 41, 282, 287; zustimmend KölnKommAktG/Mertens, § 93 Rdn. 12. 43 BGH NJW 2000, 2983; s. zur Abschlusskompetenz der Gesellschafterversammlung BGH NJW 1991, 1680.
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nis zu behandeln wäre etwa die Bestellung eines GmbH-Geschäftsführers durch einen nur mit Beratungsaufgaben betrauten Beirat. b) Vollzug des Organverhältnisses aa) Ebenso wie der fehlerhafte Gesellschafts- und Arbeitsvertrag ist auch ein fehlerhaftes Bestellungsverhältnis nur als (vorläufig) wirksam zu behandeln, wenn es tatsächlich vollzogen worden ist. Allein dann sind die oben beschriebenen Rückabwicklungsschwierigkeiten zu besorgen44 . In Frage gestellt wird das Erfordernis der Amtsausübung allerdings im Hinblick auf die Organhaftung. Habe der Betroffene die Bestellung angenommen und damit die Organpflichten eines Geschäftsleiters übernommen, müsse er auch zum vereinbarten Zeitpunkt sein Amt antreten, weil die Gesellschaft das aus ihrer Sicht Erforderliche getan habe, um für eine ordnungsgemäße Besetzung der Organstelle zu sorgen. Sie könne daher den fehlerhaft Bestellten auf den Ersatz desjenigen Schadens in Anspruch nehmen, der ihr durch seine Untätigkeit entstanden ist 45 . Dem ist entgegenzuhalten, dass der Gesellschaft mangels wirksamer Bestellung gerade kein Anspruch auf ein Tätigwerden des vermeintlichen Organmitglieds zusteht. Ein solcher wiederum ist unabdingbare Grundlage für den postulierten Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung. Richtigerweise kann es daher im Rahmen der Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis allein darum gehen, sachgerechte Regeln für den Fall zu entwickeln, dass die Bestellung nicht nur tatsächlich angenommen, sondern das mangelbehaftete Organverhältnis auch tatsächlich vollzogen wurde 46 . Der richtige Hebel für die in vielen Fällen berechtigte Forderung nach einer Haftung des säumigen Amtswalters ist demnach an anderer Stelle zu suchen. Wenngleich der Bestellte nicht verpflichtet ist, sein Amt anzutreten, so kann ihn doch die von der Wirksamkeit des Organverhältnisses unabhängige Schutzpfl icht treffen, der Gesellschaft gegebenenfalls von dieser Absicht Mitteilung zu machen, damit diese anderweitig Vorsorge treffen kann47. Nichts anderes als für die Organhaftung gegenüber der Gesellschaft gilt für die sonstigen gesetzlichen Pfl ichten des Geschäftsleiters. Auch der Anwendungsbereich solcher Vorschriften, die den Mitgliedern des Vertretungsorgans im Interesse bestimmter Dritter oder der Allgemeinheit Verhaltenspflichten wie die Stellung des Insolvenzantrags oder der Abführung
44 BGHZ 129, 30, 32; Hüffer, AktG, § 93 Rdn. 12; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdn. 15; Goette, GmbH, § 8 Rdn. 191; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Vor § 35 Rdn. 11. 45 So Stein, Faktisches Organ, S. 123 f.; Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rdn. 7; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rdn. 2. 46 So auch Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 162; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Vor § 35 Rdn. 11. 47 Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 162.
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von Sozialversicherungsbeiträgen auferlegen, erstreckt sich nicht auf Personen, die weder rechtsgültig bestellt noch für die Gesellschaft tätig geworden sind. bb) Noch nicht abschließend geklärt ist weiterhin, welche Bedeutung neben der Amtsausübung der Handelsregistereintragung zukommt. So hat namentlich Baums geltend gemacht, nur für die Haftung des Geschäftsleiters gegenüber der Gesellschaft komme es nicht auf die Eintragung an, während sowohl hinsichtlich der Vertretungsmacht im Außenverhältnis wie auch für gesellschaftsinterne Maßnahmen eine Einschränkung der Nichtigkeitsfolge bei Abwägung der beteiligten Interessen nur dann gerechtfertigt sei, wenn der Vorgang vom Registerrichter geprüft und publik gemacht worden sei48 . In systematischer Hinsicht stützt er sich dabei vor allem auf die Regelung des § 121 Abs. 2 S. 2 AktG, wonach Personen, die als Vorstand im Handelsregister eingetragen sind, als befugt gelten, die Hauptversammlung einzuberufen49. In der Tat entspricht es der herkömmlichen Ansicht, dieser Vorschrift im Wege eines Umkehrschlusses zu entnehmen, dass neben dem rechtsgültig bestellten Vorstandsmitglied nur das eingetragene zur Einberufung berechtigt ist 50 . Allerdings ist schon im Ausgangspunkt nicht einzusehen, warum der Eintragung im Handelsregister, welche bei fehlerfreier Bestellung nur deklaratorischen Charakter hat, im Rahmen der Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis unversehens konstitutive Bedeutung zukommen soll 51. Aber auch davon abgesehen kann die vorgeschlagene Differenzierung nicht überzeugen. Noch zutreffend will Baums die Nichtigkeitsfolge insoweit einschränken, als die Pflichtenstellung des Geschäftsleiters betroffen ist. Wenn er dagegen das Innenverhältnis betreffenden Beschlüssen die Anerkennung versagt, so gewichtet er entgegen dem Grundanliegen der Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis das Interesse an einer gesetz- und satzungsmäßigen Willensbildung höher als die in jedem Fall bestehenden Rückabwicklungsschwierigkeiten. Dieser Ansatz verdient aber auch in der damit propagierten abgeschwächten Form keine Zustimmung, dass zwar kein rechtsgültiges Mandat, wohl aber ein sich in der Prüfung durch den Registerrichter manifestierendes Mindestmaß an Ordnungsmäßigkeit der Bestellung erforderlich ist, damit der Organwalter wirksam für die Gesellschaft handeln kann. Zu Recht hat sich daher für die GmbH 48
Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 168 ff., 176 ff., 184 ff.; ebenso Schultz, NZG 1999, 89,
100. 49
Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 192. Explizit BGHZ 18, 334, 339 f.; KölnKommAktG1 /Zöllner, § 121 Rdn. 20; offenbar ebenso MünchKommAktG/Kubis, § 121 Rdn. 26; GroßKommAktG/Werner, § 121 Rdn. 75 f. 51 Im Gegenteil verzichtet die Rechtsprechung bei fehlerhaften Unternehmensverträgen (insofern freilich zu Unrecht, s. Schürnbrand, ZHR 169 [2005], 35, 49 f.) sogar dort auf das Erfordernis der Eintragung, wo dieses konstitutive Bedeutung hat, s. BGHZ 116, 37, 39; BGH NJW 2002, 822, 823; ZIP 2005, 254, 255 f.; wie im Text allgemein C. Schäfer, Fehlerhafter Verband, S. 149. 50
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die Auffassung durchgesetzt, dass auch der nicht eingetragene fehlerhaft bestellte Geschäftsführer zur Einberufung der Gesellschafterversammlung berechtigt ist, sofern er das Amt auch sonst tatsächlich ausübt 52 . Vor dem Hintergrund des damit erreichten Standes der Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis bedarf umgekehrt § 121 Abs. 2 S. 2 AktG der Neubewertung. Obschon die gleich lautende Vorgängervorschrift des § 105 Abs. 1 S. 2 AktG 1937 ursprünglich einmal als Instrument zur umfassenden Bewältigung mangelhafter Bestellungsakte in das Gesetz aufgenommen wurde53 , kommt ihr nach richtiger Ansicht heute nur noch eine sehr beschränkte Bedeutung zu 54 . Da das fehlerhaft berufene Vorstandsmitglied seinem ohne Rechtsmängel bestelltem Pendant gleichsteht und letzterem auch ohne Eintragung im Handelsregister die Befugnis zur Einberufung der Hauptversammlung zusteht 55 , bedarf es jedenfalls insoweit keines Rückgriffs auf diese Norm. Von Relevanz ist § 121 Abs. 2 S. 2 AktG daher nur dort, wo es an jedem Bestellungsakt fehlt oder ein gesetzlicher Ausschlussgrund vorliegt und daher die Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis nicht eingreift 56 . Aus ganz auf die typische Realstruktur der AG abstellenden Gründen der Rechtssicherheit kann somit auch das amtsunfähige Vorstandsmitglied die Hauptversammlung einberufen, ohne dass dort gefasste Beschlüsse dem Nichtigkeitsverdikt des § 241 Nr. 1 AktG unterliegen 57. Dieser eng begrenzte Normzweck wiederum legt es nahe, § 121 Abs. 2 S. 2 AktG als in zweifacher Hinsicht nicht verallgemeinerungsfähige Sonderregelung zu qualifizieren. Zum einen kann die Vorschrift nicht in entsprechender Anwendung auf die ganz anders strukturierte GmbH übertragen werden 58 . Eine Einberufungsbefugnis desjenigen, der ohne jeden Bestellungsakt im Handelsregister als Geschäftsführer eingetragen ist, kommt daher nicht in Betracht; für ein ausreichendes, wenn auch zugegebenermaßen nicht völlig gleichwertiges Maß an Rechtssicherheit sorgt dort vielmehr allein die Lehre vom fehlerhaft 52 Vgl. etwa Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 49 Rdn. 3a; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 49 Rdn. 5; Michalski/Römermann, GmbHG, § 49 Rdn. 20 ff.; Eickhoff, Praxis der Gesellschafterversammlung, Rdn. 66 f.; Vogel, Gesellschafterbeschlüsse, S. 122; einschränkend Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 49 Rdn. 6. 53 Nach dem offiziösen Kommentar von Schlegelberger/Quassowski, AktG, § 105 Rdn. 4 sollte die neu geschaffene Vorschrift die Fälle abdecken, in denen es entweder von vornherein an einer wirksamen Bestellung fehlte oder die Zugehörigkeit zum Vorstand nachträglich ein Ende gefunden hatte. 54 Näher Stein, Faktisches Organ, S. 78 ff. 55 Allg. M., s. nur Hüffer, AktG, § 121 Rdn. 7; MünchKommAktG/Kubis, § 121 Rdn. 26. 56 Näher dazu alsbald unter d). 57 Wie hier GroßKommAktG/K. Schmidt, § 241 Rdn. 44; aA GroßKommAktG/Werner, § 121 Rdn. 77. 58 So auch Ulmer/Hüffer, GmbHG, § 49 Rdn. 7; Koppensteiner, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, GmbHG, § 49 Rdn. 2; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 49 Rdn. 3; aA OLG Düsseldorf NZG 2004, 916, 921; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 49 Rdn. 5; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 49 Rdn. 2.
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bestellten Organ. Zum anderen vermag auch im Aktienrecht die Eintragung im Handelsregister jenseits der Befugnis zur Einberufung der Hauptversammlung den tatsächlichen Vollzug des Vorstandsverhältnisses nicht zu ersetzen. Insofern setzt sich im Rahmen einer systematischen Auslegung die Parallele zur fehlerhaft gegründeten Personenhandelsgesellschaft durch, bei der nach zutreffender Auffassung die bloße Eintragung im Register für sich genommen ebenfalls noch keinen besonderen Bestandsschutz rechtfertigt 59. Vorbehaltlich der Sonderregelung des § 121 Abs. 2 S. 2 AktG verhält sich daher die deklaratorische Eintragung des Geschäftsleiters im Handelsregister in jeder Hinsicht neutral zur Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis. Weder setzt die vorübergehende Anerkennung des Organverhältnisses die Eintragung voraus noch ist umgekehrt der erforderliche Vollzug der Organstellung allein deshalb zu bejahen, weil der Betroffene als Geschäftsleiter im Handelsregister aufgeführt ist. c) Beendigung des Organstellung Ist erst einmal ein fehlerhaftes Bestellungsverhältnis begründet worden, so endet dieses weder bereits dann, wenn der Mangel den Beteiligten bekannt wird60 , noch dadurch, dass der Betreffende für die Gesellschaft schlicht nicht mehr tätig ist 61. Aus Gründen der Rechtssicherheit und zum Schutze der Interessen der Gegenseite ist vielmehr eine formale Kundgabe, also eine Amtsniederlegung seitens des Organwalters oder ein Widerruf der Bestellung seitens der Gesellschaft erforderlich62 . Zur Aufsage berechtigt ist dabei das auch sonst für Widerrufshandlungen zuständige Organ, also in der GmbH die Gesellschafterversammlung und in der AG das Aufsichtsratsplenum. Weitergehende Anforderungen sind dagegen nicht zu beachten. Insbesondere kann die Gesellschaft das Organverhältnis jederzeit beenden, ohne dass es dafür einer besonderen Rechtfertigung oder gar entsprechend § 84 Abs. 3 S. 1 AktG eines wichtigen Grundes bedürfte 63 . Schließlich muss in mitbestimmten Gesellschaften nicht das besondere Verfahren des § 31 MitbestG durchlaufen werden, das ein dreistufiges Abstimmungsverfahren vorsieht, wenn ein Mitglied der Geschäftsleitung nicht im ersten Wahlgang vom Aufsichtsrat mit Zweidrittelmehrheit gewählt wird. Die 59 Vgl. für die fehlerhafte Personenhandelsgesellschaft ebenso Staub/Ulmer, HGB, § 105 Rdn. 343; C. Schäfer, Fehlerhafter Verband, S. 159; Heymann/Emmerich, HGB, § 105 Rdn. 78; abw. Baumbach/Hopt, HGB, § 105 Rdn. 82; MünchKommHGB/K. Schmidt, § 105 Rdn. 236; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 2 V 3a (S. 155). 60 Stein, Faktisches Organ, S. 125, 136 ff.; daneben dies., in: Hachenburg, GmbHG, § 38 Rdn. 134. 61 So aber BGHZ 43, 341, 343; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 43 Rdn. 51. 62 MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 84 Rdn. 203; MünchHdbAG/Wiesner, § 20 Rdn. 36; Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 204 ff.; Hüffer, AktG, § 84 Rdn. 10; Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, Vor § 35 Rdn. 11; Thüsing, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rdn. 48. 63 Vgl. zum Anstellungsvertrag BGHZ 41, 282, 287 f.; BGH NJW 2000, 2983.
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Norm zielt auf eine Kompromissbildung zwischen Anteilseigner- und Arbeiternehmervertretern in Personalentscheidungen und damit auf die Bildung einer möglichst breiten Mehrheit ab, soll jedoch ihrem Zweck nach der raschen Entfernung fehlerhaft bestellter Vorstandsmitglieder nicht entgegenstehen. Daher genügt ein mit einfacher Mehrheit gefasster Beschluss des Aufsichtsratsplenums 64 . d) Grenzen des Rechtsinstituts Nach der zwar zunehmend kritisierten, aber nach wie vor überzeugenden herrschenden Meinung findet die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft dort ihre Grenze, wo höherrangige rechtlich geschützte Interessen der Allgemeinheit oder besonders schutzwürdiger Personen entgegenstehen65 . Die hierfür maßgebliche Erwägung, dass sich ein im Wege der Rechtsfortbildung entwickeltes Institut nicht über grundlegende Wertentscheidungen der Rechtsordnung hinwegsetzen darf, gilt für das fehlerhafte Bestellungsverhältnis in gleicher Weise. Daher ist es ausgeschlossen, einem nicht voll Geschäftsfähigen, der entgegen §§ 6 Abs. 2 S. 1 GmbHG, 76 Abs. 3 S. 1 AktG bestellt worden ist, die zahlreichen gesellschaftsrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Pflichten eines Geschäftsleiters aufzubürden und ihn für deren schuldhafte Verletzung haften zu lassen66 . Mit dem Schutzanliegen der §§ 104 ff. BGB vereinbar und im Hinblick auf die anstehenden Rückabwicklungsschwierigkeiten durchaus überlegenswert ist es hingegen, die Organstellung eines beschränkt Geschäftsfähigen 67 im Übrigen, d. h. sofern es um seine Rechte und Handlungsbefugnisse geht, anzuerkennen68 . Allerdings bestehen auch gegen die Anerkennung einer solchen „hinkenden“ Organstellung durchgreifende Bedenken69. Denn organschaftliche Rechte bedürfen der Einbindung in das damit korrespondierende Pflichtenkorsett, um ihre Wahrnehmung im Gesellschaftsinteresse sicherzustellen. Ebensowenig wie eine Zubilligung von organschaftlichen Kompetenzen ohne die
64 So auch Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, § 31 MitbestG Rdn. 44; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rdn. 360; KölnKommAktG/Mertens, § 84 Rdn. 30; aA GroßKommAktG/Kort, § 84 Rdn. 98. 65 BGH ZIP 2005, 753, 755; BGHZ 153, 214, 222; MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 332 ff.; Baumbach/Hopt, HGB, § 105 Rdn. 83; abweichend K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 6 III 3 (S. 149 ff.); C. Schäfer, Fehlerhafter Verband, S. 257 ff. 66 Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 176; GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rdn. 46; Michalski/Haas, GmbHG, § 43 Rdn. 24; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rdn. 12; Schmitz, Geeigneter GmbH-Geschäftsführer, S. 225. 67 Beim Geschäftsunfähigen wäre das zusätzliche Problem der Unwirksamkeit aller von ihm abgegebener Willenserklärungen und von ihm vorgenommener rechtsgeschäftsähnlicher Handlungen zu überwinden. 68 Dafür Stein, Faktisches Organ, S. 142. 69 Ebenso für die fehlerhafte Gesellschaft MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 337.
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Pflichten begründende Annahme des Amtes möglich ist 70 kommt daher eine nur teilweise Organstellung eines nicht voll Geschäftsfähigen in Betracht. Schwieriger zu beurteilen ist das Fehlen von Eignungsvoraussetzungen. Abzuschichten sind dabei in der Satzung aufgestellte Qualifikationsmerkmale. Deren Fehlen führt nicht zur Nichtigkeit der Bestellung, sondern begründet regelmäßig nur das Recht und gegebenenfalls die Pflicht des Bestellungsorgans, das betreffende Organmitglied aus wichtigem Grund abzuberufen 71. Zweifelhaft ist die Rechtslage hingegen, wenn ein gesetzlicher Ausschlussgrund vorliegt, jemand also etwa trotz eines Berufsverbots oder einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat und damit unter Verstoß gegen die gesetzlichen Verbote der §§ 6 Abs. 3 S. 3, 4 GmbHG, 76 Abs. 3 S. 3, 4 AktG 72 bestellt wurde 73 . Obschon im Anwendungsbereich des damit einschlägigen § 134 BGB die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft in der Regel nicht zum Zuge kommt 74 , hat Stein mit guten Gründen für eine Anerkennung des Organverhältnisses plädiert 75 . In der Tat haben die Vorschriften über die Amtsfähigkeit stets präventive Funktion und wollen im Interesse der Allgemeinheit verhindern, dass Personen, die die Mindestvoraussetzungen für eine verlässliche Aufgabenwahrnehmung nicht erfüllen, überhaupt in die entsprechende Position gelangen oder jedenfalls möglichst schnell aus dieser wieder entfernt werden. Ist aber der Schutzzweck der Verbotsnorm ohnehin verfehlt, wenn und solange der Organwalter sein Amt ausübt, so ist eine Einschränkung der Grundsätze über das fehlerhafte Bestellungsverhältnis nicht mehr ohne weiteres einsichtig. Vielmehr liegt es unverkennbar im Interesse der Gesellschafter wie der Gläubiger, dass der Amtswalter den Organpflichten nachkommt und wirksam für die Gesellschaft handeln kann. Wenn das Bestellungsverhältnis im Ergebnis gleichwohl keinen Bestandsschutz verdient, so liegt das daran, dass es nach dem soeben unter c) Ausgeführten nur durch Aufsage beendet werden könnte und daher sein Fortbestand zur Disposition des Bestellungsorgans stünde. Die Rechtsordnung kann aber nicht 70
Vgl. dazu Flume, Juristische Person, § 10 I 1 (S. 344); Soergel/Hadding, BGB, § 27 Rdn. 9. 71 Ebenso MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 84 Rdn. 24; GroßKommAktG/ Kort, § 76 Rdn. 226; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, § 31 MitbestG Rdn. 44; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rdn. 17; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rdn. 25. 72 Daneben kommen auch öffentlich-rechtliche (vgl. Art. 55 Abs. 2, 66 GG) und berufsrechtliche Bestellungshindernisse in Betracht (vgl. dazu BGH AG 1996, 366 f.). 73 Zur Qualifikation als gesetzliches Verbot s. BGH ZIP 2007, 1306, 1307, Tz. 12; Ulmer, GmbHG, § 6 Rdn. 19; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 76 Rdn. 92; Hommelhoff/ Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 6 Rdn. 12. Bei nachträglichem Eintritt des Eignungsmangels verliert der Organwalter sein Amt ex lege, eine Abberufung ist mithin nicht erforderlich, s. BGHZ 115, 78, 80. 74 So explizit BGHZ 153, 214, 222; vgl. daneben BGHZ 97, 243, 250. 75 Stein, Faktisches Organ, S. 141 f.; offenbar auch Goette, GmbH, § 8 Rdn. 14.
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ein von ihr verbotenes und für nichtig erklärtes Rechtsverhältnis, das laufend neue Rechte und Pflichten begründet, auf unbestimmte Zeit anerkennen 76 . Zwar macht sich derjenige Geschäftsleiter, der bei seiner Anmeldung zum Handelsregister der Wahrheit zuwider seine Amtsfähigkeit behauptet, strafbar 77, es gäbe jedoch kein behördliches oder sonstiges Instrumentarium, ihn gegen den Willen der Gesellschaft aus seinem Amt zu entfernen. Daher können die Grundsätze über das fehlerhafte Bestellungsverhältnis in einem solchen Fall keine Anwendung finden 78 und ein gleichwohl eingetragener Organwalter ist von Amts wegen aus dem Handelsregister zu löschen 79. Das erscheint auch deswegen als akzeptabel, weil der Betroffene gegebenenfalls immerhin noch als faktisches Organ haftbar zu machen ist und der Rechtsverkehr überdies durch die Anwendung der allgemeinen Rechtsscheinsgrundsätze geschützt wird.
II. Erweiterung zu einem allgemeinen verbandsrechtlichen Institut Während die fehlerhafte Bestellung zum Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft ausführlich diskutiert und insofern die Notwendigkeit einer Einschränkung der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Rechtsfolgen zumindest im Grundsatz außer Streit steht, ist die fehlerhafte Organstellung als allgemeines verbandsrechtliches Institut noch keinesfalls abschließend ausgelotet. Von Interesse ist insbesondere die Erstreckung auf den Widerruf der Organstellung einerseits und die Einbeziehung weiterer Organe andererseits. 1. Der fehlerhafte Entzug der Organstellung Wird dem Organwalter seine Geschäftsführungsbefugnis fehlerhaft entzogen, fallen im Vergleich zur fehlerhaften Bestellung gewisse Rückabwicklungsschwierigkeiten weg. Der Organwalter handelt gerade nicht mehr für die Gesellschaft, so dass sich die Frage nach der Wirksamkeit der von ihm vorgenommenen Handlungen nicht stellt. Soweit er weiterhin Pflichten, die ihn angesichts der zu unterstellenden Unwirksamkeit seiner Abberufung nach wie vor treffen, nicht erfüllt, scheiden Sanktionen gegenüber der Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium aus 80 ; im Übrigen dürfte es in aller Regel am Verschulden fehlen. Dass ihm schließlich in Wahrheit mehr Rechte zustanden, als er tatsächlich ausüben konnte, hat der BGH in einer das 76
So zutreffend BGHZ 75, 214, 218; BGHZ 62, 234, 241. Vgl. §§ 39 Abs. 3 S. 1, 82 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG, 81 Abs. 3 S. 1, 399 Abs. 1 Nr. 6 AktG. 78 So auch MünchHdbAG/Wiesner, § 20 Rdn. 36; Thüsing, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rdn. 47; Michalski/Lenz, GmbHG, § 35 Rdn. 24; MünchKommAktG/ Hüffer, § 256 Rdn. 39 aE; GroßKommAktG/Kort, § 84 Rdn. 90; KölnKommAktG/Mertens, § 84 Rdn. 32. 79 OLG Zweibrücken NZG 2001, 857; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rdn. 12. 80 Vgl. GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rdn. 48. 77
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Personengesellschaftsrecht betreffenden Entscheidung jedenfalls dann für unbeachtlich gehalten, wenn der Gesellschaftsvertrag keine Gesamtvertretung vorsieht, und in Konsequenz dessen die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft im konkreten Einzelfall für unanwendbar gehalten81. Dieser Schluss greift freilich zu kurz. Schon im Ansatz nicht befriedigen kann es, auf die Situation im Einzelfall abzustellen, denn hiervon zu abstrahieren macht gerade den Fortschritt der Ausbildung eines allgemeinen Rechtsinstituts gegenüber einer bloßen ad hoc-Korrektur mit Hilfe des Grundsatzes von Treu und Glauben aus82 . Der Organbesetzung strukturell vergleichbare Probleme treten aber sehr wohl auch bei der Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis auf. Weil der nur vermeintlich Ausgeschlossene nicht mehr zu den Sitzungen geladen und auch sonst trotz seines fortbestehenden Mitwirkungsrechts an der organschaftlichen Willensbildung nicht beteiligt wird, sind nämlich alle gleichwohl gefassten Beschlüsse mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit bedroht 83 . Jedenfalls unwirksam sind aber solche Maßnahmen, bei denen das Gesetz ausdrücklich ein Handeln aller Geschäftsleiter verlangt 84 . Wenn der BGH demgegenüber allein die Vornahme von Rechtsgeschäften im Außenverhältnis berücksichtigt, so schöpft das die Problematik des fehlerhaften Entzugs der Geschäftsführungsbefugnis nicht annähernd aus. Abgesehen davon ist es wenig sachgerecht, dem betroffenen Organwalter wegen seiner fortbestehenden Pflichtenstellung objektiv zahlreiche Sorgfaltspflichtverstöße vorzuwerfen und ihm zuzumuten, sich hinsichtlich des Verschuldens zu exculpieren. Zu Recht erkennt daher die überwiegende Meinung im Schrifttum die Entziehung der Geschäftsführungs- oder Vertretungsbefugnis mittels Änderung des Gesellschaftsvertrags der Personengesellschaft als Anwendungsfall der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft an85 . Für den Widerruf der Organbestellung bei den Kapitalgesellschaften ist im Ergebnis nicht anders zu entscheiden86 . Allerdings liegt eine in diesem Sinne fehlerhafte Abberufung nur dann vor, wenn der Geschäftsleiter seine Tätigkeit (zumindest zunächst) widerspruchslos einstellt 87. Immerhin in diesen Fällen unbemerkt gebliebener Nichtigkeit ist also für Rechtssicherheit gesorgt. Übt der Organwalter sein Amt dagegen wei81
BGHZ 62, 20, 27 f. Allgemein zur fehlerhaften Gesellschaft Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 2 V 5a (S. 161). 83 Vgl. MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 77 Rdn. 8; GroßKommAktG/Kort, § 77 Rdn. 9; Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 18 Rdn. 55. 84 Vgl. etwa §§ 36 Abs. 1 AktG, 78 2. Hs. GmbHG. 85 MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 362; MünchKommHGB/K. Schmidt, § 105 Rdn. 252; C. Schäfer, Fehlerhafter Verband, S. 478; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 2 V 5c (S. 164). 86 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 38 Rdn. 40; Hachenburg/Stein, GmbHG, § 38 Rdn. 96; aA GroßKommAktG/Kort, § 84 Rdn. 184. 87 Vgl. die Nachweise in der vorigen Fn. 82
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§ 11 Die Bestellung zum Organwalter
ter aus, fehlt es schon tatsächlich an einem Vollzug der Abberufung. Besteht zwischen den Beteiligten von Anfang an Streit über die Wirksamkeit des Beschlusses und wird der Organwalter gegen seinen Willen an der Wahrnehmung des Amtes gehindert, so fehlt es aus rechtlicher Sicht an einem ihm zurechenbaren Vollzugsakt 88 . Eine Parallele zur fehlerhaften Gesellschaft ist im einen wie im anderen Fall nicht zu begründen. Statt dessen hat sich für das Recht der GmbH eine im Einzelnen sehr umstrittene Kasuistik entwickelt, anhand derer zu beurteilen ist, ob eine fehlerhafte Abberufung von Anfang an nichtig oder zunächst wirksam, nach einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung dann aber mit Wirkung ex tunc unwirksam ist 89. Unbewältigt bleiben dabei zwar die hier besonders hervorgehobenen Schwierigkeiten bei der Rückabwicklung einer fehlerhaften Organstellung. Wie die Grundsatzentscheidung BGHZ 86, 177 deutlich vor Augen führt, ist das freilich nicht unbedingt der ausschlaggebende Gesichtspunkt. Dort hatte in einer GmbH, an der zwei Gesellschafter-Geschäftsführer zu je 50% beteiligt waren, der eine von ihnen den anderen mit der Behauptung, er sei aus wichtigem Grund für die Gesellschaft untragbar, von seinem Stimmrecht ausgeschlossen und als allein verbliebener Abstimmungsberechtigter einen formal gültigen Abberufungsbeschluss herbeigeführt90 . Zu Recht hat der BGH die Wirksamkeit des Widerrufs demgegenüber allein von der materiellen Rechtslage abhängig gemacht und die Parteien auf den einstweiligen Rechtsschutz verwiesen. Die Abberufung wäre sonst „ein bequemes Mittel, bei Interessengegensätzen oder Meinungsverschiedenheiten unter den Gesellschaftern einen geschäftsführenden Gesellschafter unter Umständen auf Jahre hinaus auszuschalten“91. Hier ist nun nicht der Ort zu klären, wie die offenkundigen Interessengegensätze in den einzelnen Fallgruppen sachgerecht zu bewältigen sind. Es genügt vielmehr festzustellen, dass eine pauschalierende Ausdehnung der Lehre von der fehlerhaften Organstellung, die an der rein tatsächlichen Entfernung aus dem Amt oder gar dem Abberufungsbeschluss anknüpfte, nicht nur dogmatischen Bedenken ausgesetzt wäre, sondern auch in der Sache nicht in Betracht kommt. Für größere Rechtssicherheit sorgt das Gesetz bei anderen Gesellschaftsformen. Während in der Personenhandelsgesellschaft ein Entzug der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis erst mit der Rechtskraft der gerichtlichen
88 Vgl. allgemein zum Erfordernis der Zurechenbarkeit des Vollzugs Staub/Habersack, HGB, § 123 Rdn. 20; C. Schäfer, Fehlerhafter Verband, S. 253 f.; MünchKommHGB/K. Schmidt, § 105 Rdn. 236. 89 Zum Meinungsstand Scholz/Schneider, GmbHG, § 38 Rdn. 57 ff.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 38 Rdn. 40 ff.; Grunewald, FS Zöllner, Bd. 1, S. 177 ff.; für Wirkung ex nunc Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 38 Rdn. 91. 90 Vgl. zum Ausschluss des aus wichtigem Grund Abzuberufenden BGH ZIP 1992, 760, 762; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 38 Rdn. 21; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 38 Rdn. 17. 91 BGHZ 86, 177, 181 f.; kritisch dazu Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 38 Rdn. 102 f.
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Entscheidung nach §§ 117, 127 HGB wirksam wird92 , geht die Vorschrift des § 84 Abs. 3 S. 4 AktG 93 genau den umgekehrten Weg. Danach ist der Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied aus wichtigem Grund wirksam, solange nicht seine Unwirksamkeit rechtskräftig festgestellt ist. Bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung ist damit auch der gegen seine Entlassung opponierende Organwalter von seinem Amt ausgeschlossen und hat sich jeder weiteren Tätigkeit als Vorstandsmitglied zu enthalten. Obwohl der Anwendungsbereich der Lehre von der fehlerhaften Organstellung ihm gegenüber nicht unmittelbar eröffnet und der Wortlaut des Gesetzes nicht eindeutig ist, sprechen doch die sonst zu besorgenden Rückabwicklungsschwierigkeiten eindeutig dafür, dass das Wiederaufleben der Organstellung durch richterliches Gestaltungsurteil auch in diesem Fall nur mit Wirkung ex nunc erfolgen kann94 . Vor dem genannten Hintergrund erscheint im Übrigen auch die bisher ganz herrschende Meinung, wonach sich der zu weit geratene Wortlaut der Vorschrift allein auf das Erfordernis eines wichtigen Grundes bezieht und nur ein formell wirksamer Aufsichtsratsbeschluss zu einem vorläufigen Ausschluss führt95 , als überprüfungsbedürftig. Erkennt man nämlich an, dass dem Aufsichtsrat als unabhängigem und nur dem Unternehmensinteresse verpflichtetem Organ nicht zuletzt deswegen eine Einschätzungsprärogative zukommt, damit hinsichtlich der aktuellen Besetzung des Vorstands keinerlei Zweifel aufkommen, so ist nicht recht einzusehen, warum die Lage bei einer Ungewissheit über die formelle Wirksamkeit des Aufsichtsratsbeschlusses anders zu beurteilen sein soll als bei Zweifeln über das Vorliegen eines wichtigen Grundes96 . Obschon die besonderen Schwierigkeiten der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs „wichtiger Grund“ nicht in Abrede zu stellen sind, besagt diese Einsicht doch nicht, dass sich nicht ebenso trefflich über die tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen formeller Beschlussanforderungen streiten lässt. Sofern der Aufsichtsrat nachvollziehbar die Gültigkeit seiner Entscheidung be92 Für Übertragung auf den Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH Grunewald, FS Zöllner, Bd. 1, S. 177, 185 f.; MünchHdbGmbH/Marsch-Barner/Diekmann, § 42 Rdn. 69. 93 Für eine Übertragung auf den Fremdgeschäftsführer einer GmbH OLG Hamm NZG 2002, 50, 51; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 38 Rdn. 26; Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 38 Rdn. 27; dagegen Roth/Altmeppen, GmbHG, § 38 Rdn. 50; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 38 Rdn. 40; MunchHdbGmbH/Marsch-Barner/Diekmann, § 42 Rdn. 67. 94 Im Ergebnis wie hier Schultz, NZG 1999, 89, 100; MünchKommAktG/Hefermehl/ Spindler, § 84 Rdn. 110; Heidel/Oltmanns, AktG, § 84 Rdn. 26; Grumann/Gillmann, DB 2003, 770, 771; mit zutreffenden Einschränkungen auch Janzen, NZG 2003, 468, 472; aA – für ex tunc-Wirkung – OLG Stuttgart AG 2003, 211, 212; Hüffer, AktG, § 84 Rdn. 34; ebenso für Österreich OGH AG 2001, 100, 102. 95 OLG Stuttgart AG 1985, 193; KölnKommAktG/Mertens, § 84 Rdn. 98; MünchHdbAG/Wiesner, § 20 Rdn. 52; Hüffer, AktG, § 84 Rdn. 31; GroßKommAktG/Kort, § 84 Rdn. 188; Thüsing, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandrechts, § 5 Rdn. 32; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 84 Rdn. 109. 96 Wie hier im Ansatz U. H. Schneider, ZGR 1983, 535, 545.
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hauptet und dem Widerruf seine Rechtswidrigkeit nicht auf die Stirn geschrieben steht97, ist dieser daher im Einklang mit dem Wortlaut des § 84 Abs. 3 S. 4 AktG bis zu einer entgegenstehenden gerichtlichen Klärung unabhängig von der Art des behaupteten Mangels als wirksam zu behandeln. 2. Einbeziehung anderer Organe Wenngleich die Lehre von der fehlerhaften Organstellung unter I. am Beispiel der Bestellung des Geschäftsleiters einer Kapitalgesellschaft entwickelt wurde, so waren hierfür doch nicht etwa Besonderheiten gerade dieses Organs maßgebend. Vielmehr konnte argumentativ an die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft angeknüpft werden, die sich heute längst nicht mehr auf die fehlerhafte Gründung oder den fehlerhaften Beitritt zu einer Gesellschaft beschränkt, sondern, in der Tendenz unbestritten, als allgemeines verbandsrechtliches Institut verstanden und auf zahlreiche Strukturänderungen angewendet wird. Von daher spricht nichts dagegen, auch die fehlerhafte Besetzung anderer Organe einzubeziehen, sofern nur die Unwirksamkeit des Bestellungsakts dort ebenfalls zu Rückabwicklungsschwierigkeiten führt, die sich mit den allgemeinen Vorschriften nicht sachgerecht bewältigen lassen. a) Aufsichtsrat aa) Anwendbarkeit der Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis Einer Erstreckung der Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis auf den Aufsichtsrat der AG steht die heute herrschende Meinung allerdings kritisch gegenüber. Sie kann sich dabei im Ausgangspunkt auf die Systematik des Aktiengesetzes stützen, das für die entsprechenden Wahlbeschlüsse der Hauptversammlung in den §§ 250 ff. zwar besondere Fehlerfolgen vorsieht, jedoch an der allgemeinen Unterscheidung zwischen von Anfang an nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen festhält und eine zeitliche Beschränkung der Urteilsfolgen gerade nicht vorsieht. Dass diese Vorgabe indessen einen besonderen Bestandsschutz nicht von vornherein ausschließt, zeigt ein Blick in das ältere Schrifttum. Dort findet sich nämlich verbreitet die Auffassung, die Handlungen eines lediglich anfechtbar bestellten Aufsichtsratsmitglieds blieben trotz einer gerichtlichen Kassationsentscheidung wirksam, der Betroffene verlöre sein Amt mithin nur für die Zukunft98 . Für die Anfechtung der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer nach §§ 22 MitbestG, 11 DrittelbG entspricht 97 Vgl. zu dieser Schranke KölnKommAktG/Mertens, § 84 Rdn. 101; Thüsing, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 5 Rdn. 31. 98 Vgl. etwa Baumbach/Hueck, AktG, § 252 Rdn. 3; Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 101 Rdn. 124; GroßKommAktG3 /Schilling, § 252 Anm. 5; Schlegelberger/Quassowski, AktG, § 250 Rdn. 3; aus heutiger Zeit GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 101 Rdn. 228.
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das sogar der heute herrschenden Auffassung 99. Im Aktienrecht will man dagegen in jüngerer Zeit eine auf die besonders einschneidenden Folgen von Wahlbeschlüssen gestützte Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz der Rückwirkung des rechtsgestaltenden Urteils nicht mehr anerkennen100 . Ebenso wie bei der von Anfang eintretenden Nichtigkeit sei auch in diesem Fall eine pauschale Anerkennung des in Vollzug gesetzten Rechtsverhältnisses abzulehnen, vielmehr im Einzelnen zu prüfen, welche Vorschriften des Aktiengesetzes Anwendung finden können101. Geltung beanspruchten insbesondere §§ 116, 93 AktG mit der Folge, dass auch das fehlerhaft bestellte Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft bei Verstößen gegen die Sorgfalts- oder Loyalitätspflicht auf Schadensersatz hafte, sofern es seine Tätigkeit tatsächlich aufnehme102 . Im Gegenzug soll ihm dann aber auch die in der Satzung vorgesehene oder von der Hauptversammlung festgesetzte Vergütung und nicht bloß eine dahinter zurückbleibende Aufwandsentschädigung zustehen103 . Zur Teilnahme an den Sitzungen des Aufsichtsrats sei es hingegen nicht berechtigt104 . Im Anschluss daran hat der BGH betont, dass deswegen jedoch keineswegs alle Aufsichtsratsbeschlüsse unwirksam seien. Vielmehr sei angesichts der jedes Aufsichtsratsmitglied treffenden Verpfl ichtung zur eigenverantwortlichen Willensbildung die Teilnahme weiterer Personen an den Sitzungen des Aufsichtsrats für sich genommen unschädlich. Von der Nichtigkeit des Beschlusses sei daher nur dann auszugehen, wenn entweder der Aufsichtsrat insgesamt nichtig bestellt ist105 oder der Beschluss auf der Stimme eines nichtig bestellten Mitglieds beruht, weil der Aufsichtsrat ohne ihn nicht beschlussfähig war oder die erforderliche Mehrheit nach Abzug seiner
99 Vgl. Henssler, in: Ulmer/Habersack/Henssler, § 22 MitbestG Rdn. 18, 25, § 11 DrittelbG Rdn. 7. 100 MünchKommAktG/Hüffer, § 252 Rdn. 10; GroßKommAktG/K. Schmidt, § 252 Rdn. 12; MünchHdbAG/F.-J. Semler, § 41 Rdn. 121; Jarzembowski, Fehlerhafte Organakte, S. 100. 101 Hüffer, AktG, § 101 Rdn. 17; ders., in: MünchKommAktG, § 250 Rdn. 19 f., § 252 Rdn. 10; MünchKommAktG/Semler, § 101 Rdn. 219; Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, S. 67 ff.; MünchHdbAG/F.-J. Semler, § 41 Rdn. 112; E. Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 25 Rdn. 74; vgl. auch LG München I DB 2005, 1617, 1619. 102 RGZ 152, 273, 277 ff.; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 101 Rdn. 216; GroßKommAktG/K. Schmidt, § 250 Rdn. 28; Hüffer, AktG, § 101 Rdn. 17. 103 Vgl. BGH ZIP 2006, 1529, 1532; KölnKommAktG/Mertens, § 101 Rdn. 94; GroßKommAktG/K. Schmidt, § 250 Rdn. 30; aA Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, S. 87 ff.; differenzierend E. Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 25 Rdn. 75. 104 GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 101 Rdn. 220; KölnKommAktG/Mertens, § 101 Rdn. 96. 105 BGHZ 11, 231, 246 (zur GmbH); GroßKommAktG/K. Schmidt, § 250 Rdn. 31.
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Stimme nicht erreicht wurde106 . Auf diese Grundsätze hat der BGH jüngst noch einmal verwiesen und damit erkennen lassen, dass er für einen weitergehenden Bestandsschutz offenbar keinen Raum sieht107. Im Ergebnis wird das betreffende Mitglied somit wie ein außenstehender Dritter behandelt und auf eine Konfliktbewältigung mit Hilfe derjenigen allgemeinen Regeln verwiesen, die sich hinsichtlich der fehlerhaften Bestellung eines Geschäftsleiters als unzureichend und korrekturbedürftig erwiesen haben. Das wiederum kann nur überzeugen, wenn beim Aufsichtsrat entweder Rückabwicklungsprobleme der beim Vorstand konstatierten Art überhaupt nicht oder doch jedenfalls nur in einem erheblich verminderten Maße bestehen. Dann käme in der Tat dem Anliegen, der Gesellschaft nur die Handlungen eines rechtmäßig bestellten Organs zuzurechnen, der Vorrang zu und verbleibende praktische Schwierigkeiten wären hinzunehmen108 . Sicher nicht rechtfertigen lässt sich die unterschiedliche Behandlung von Vorstand und Aufsichtsrat allerdings mit dem Hinweis, letzterer trete nur vereinzelt im Rechtsverkehr für die Gesellschaft auf109. In der Tat mögen die Vorschriften des § 15 HGB im Zusammenspiel mit den allgemeinen Rechtsscheinsgrundsätzen für einen ausreichenden Verkehrsschutz sorgen. Das gilt in gleicher Weise aber auch für den Vorstand110 . Was demgegenüber die eigentlich kritischen Beschlüsse mit internen Folgewirkungen angeht, so ist zwar hinsichtlich der besonders bedeutsamen Wahl der Vorstandsmitglieder durch die vorläufige Anerkennung der fehlerbehafteten Vorstandsverhältnisse Abhilfe geschaffen; es bleiben jedoch zahlreiche andere Beschlüsse, bei denen sich eine Parallele zum Vorstand geradezu aufdrängt. Zunächst ist nicht nur der Vorstand, sondern, wenn es das Wohl der Gesellschaft erfordert, gemäß § 111 Abs. 3 AktG auch der Aufsichtsrat gehalten, die Hauptversammlung einzuberufen; im einen wie im anderen Fall droht sich die Nichtigkeit der Organbestellung nach § 241 Nr. 1 AktG auf die Wirksamkeit des in der Folge gefassten Hauptversammlungsbeschlusses auszuwirken. Weiterhin haben Vorstand und Aufsichtsrat gemäß § 124 Abs. 3 S. 1 AktG grundsätzlich zu jedem Gegenstand der Tagesordnung, über den die Hauptversammlung entscheiden soll, je einen eigenen Vorschlag zur Beschlussfassung zu machen. Nicht recht erklärlich wäre in diesem Zusammenhang, warum ein fehlerhaft besetzter Vorstand die entsprechende Erklärung wirksam abgeben 106 BGHZ 47, 341, 345 f.; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 101 Rdn. 222; MünchKommAktG/Hüffer, § 250 Rdn. 20; MünchKommAktG/Semler, § 101 Rdn. 237 f.; E. Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 25 Rdn. 76; Heidel/Breuer/Fraune, AktG, § 101 Rdn. 24. 107 BGH ZIP 2006, 1529, 1532. 108 So denn auch die Argumentation von Jarzembowksi, Fehlerhafte Organakte, S. 105; Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, S. 74, 78. 109 Vgl. zum Zustimmungsbeschluss nur KölnKommAktG/Mertens, § 111 Rdn. 86. 110 Vgl. oben I 2.
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kann, der von einem fehlerhaft besetzten Aufsichtsrat stammende Vorschlag den anschließenden Hauptversammlungsbeschluss hingegen anfechtbar machen soll111. Ebenso ist nicht einzusehen, dass nicht wirksam bestellte Vorstandsmitglieder an der Feststellung des Jahresabschlusses mitwirken können, der entsprechende Beschluss eines nichtig bestellten Aufsichtsrats aber zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 Abs. 2 AktG führen soll112 . Dass schließlich die Anwendung der aktienrechtlichen Regeln insofern geboten ist, als es um die Verantwortlichkeit und im Gegenzug um die Vergütung des fehlerhaft bestellten Aufsichtsratsmitglieds geht, ist – wie schon erwähnt – weithin unstrittig. bb) Tatbestandliche Ausformung Insgesamt wirft die fehlerhafte Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern damit ihrer Art nach dieselben Rückabwicklungsschwierigkeiten auf, wie sie schon beim Vorstand begegneten. Da diese auch ihrem Umfang und ihrer praktischen Bedeutung nach von erheblichem Gewicht sind, muss das Streben nach der Wahrung eines gesetz- und satzungsmäßigen Zustands gegenüber dem Bestandsschutzinteresse vorläufig zurücktreten. Im Ergebnis sind daher die oben entwickelten Grundsätze über die fehlerhafte Organstellung auf den Aufsichtsrat zu übertragen113 . Das gilt zunächst für den nach § 251 AktG lediglich anfechtbaren Wahlbeschluss114 . Trotz des Mangels hat das Aufsichtsratsmitglied einstweilen dieselbe Rechtsstellung wie sein wirksam berufenes Pendant. Erfolgt keine Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses und wird dieser damit bestandskräftig, liegt sogar eine endgültig rechtswirksame Bestellung vor; das Aufsichtsratsmitglied kann dann nur noch nach Maßgabe des § 103 AktG durch Abberufung sein Amt verlieren. Wird dagegen der Wahlbeschluss durch rechtskräftiges Urteil für nichtig erklärt, kommt dieser Entscheidung nach allgemeinen Grundsätzen Rückwirkung zu. Daraus folgt aber nicht die Unwirksamkeit der gleichwohl übernommenen Amtsstellung115 . So hat der BGH zur fehlerhaften Kapitalerhöhung ausgeführt, dass das Anfechtungsurteil zurückwirkt, die durchgeführte Kapitalerhöhung aber gleichwohl bis zur Rechtskraft des
111
Vgl. zur Anfechtbarkeit bei Verstößen gegen § 124 Abs. 3 S. 1 AktG BGHZ 149, 158, 164 f.; Schäfer, ZGR 2003, 147, 162 f.; MünchKommAktG/Kubis, § 124 Rdn. 67. 112 So aber MünchKommAktG/Hüffer, § 256 Rdn. 44; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 101 Rdn. 220; immerhin für Gleichbehandlung, aber im Sinne einer Nichtigkeit nach § 256 Abs. 2 AktG Adler/Düring/Schmaltz, § 256 AktG Rdn. 66; s. zum Vorstand oben I 2 b). 113 So auch Zöllner, AG 2004, 397, 403; Stein, Faktisches Organ, S. 100 ff.; im Grundsatz auch KölnKommAktG/Mertens, § 101 Rdn. 92 ff.; vgl. auch OLG Stuttgart AG 2005, 125, 131. 114 Insoweit auch GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 101 Rdn. 228. 115 Vgl. Zöllner, AG 2004, 397, 403 Fn. 31.
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Urteils aufrechterhalten werden kann116 . Trotz der rückwirkenden Kraft der gerichtlichen Entscheidung bleiben in Parallele dazu auch die Handlungen eines fehlerhaft bestellten Aufsichtsratsmitglieds wirksam. Nicht selbstverständlich ist es dagegen, die besagten Grundsätze auch im Falle nach § 250 AktG von Anfang an nichtiger Hauptversammlungsbeschlüsse zur Anwendung zu bringen. Denn schließlich sind die damit in Rede stehenden Mängel so gewichtig, dass der Gesetzgeber den Fortbestand des Beschlusses nicht zur Disposition der Beteiligten gestellt, sondern ohne Rücksicht auf den Willen der Betroffenen selbst dessen Unwirksamkeit angeordnet hat. Wendete man jedoch die Grundsätze über das fehlerhafte Organ bei nichtigen Beschlüssen überhaupt nicht an, wären erhebliche Wertungswidersprüche im Hinblick auf die Rechtslage beim Geschäftsleiter die Folge. Es kann nämlich nicht überzeugen, es bei nicht ordnungsgemäßer Einberufung der Hauptversammlung oder fehlender Beurkundung des Beschlusses gemäß §§ 250 Abs. 1, 241 Nr. 1, 2 AktG bei der Nichtigkeit der Aufsichtsratswahl bewenden zu lassen, während beim Geschäftsleiter nicht einmal die Bestellung durch ein unzuständiges Organ eine Einschränkung der Nichtigkeitsfolgen per se ausschließt117. An die Unterscheidung zwischen bloß anfechtbaren und nichtigen Beschlüssen kann daher nicht angeknüpft werden. Sie passt auch deswegen nicht, weil es eine Sache ist, ob ein Mangel solcher Art ist, dass er grundsätzlich unbefristet oder aus Gründen der Rechtssicherheit nur binnen kurzer Frist geltend gemacht werden kann. Eine andere Frage ist hingegen, ob dieser Mangel so schwer wiegt, dass er selbst eine nur vorläufige Anerkennung der zugedachten Rechtsstellung ausschließt. Letztere Sanktion ist in Parallele zum fehlerhaft bestellten Vorstandsmitglied nur dann angezeigt, wenn ein besonders evidenter Rechtsverstoß vorliegt und höherrangige Interessen der Allgemeinheit oder besonders schutzwürdiger Personen betroffen sind118 . Das jedoch ist nur für die in § 250 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AktG genannten Rechtsverstöße zu bejahen: Wird der Aufsichtsrat entgegen den im Statusverfahren nach §§ 95 ff. AktG getroffenen Vorgaben zusammengesetzt oder folgt die Hauptversammlung einem bindenden Wahlvorschlag der Arbeitnehmer nicht, so sind letztlich mitbestimmungsrechtliche Vorgaben verletzt. Dass diese aber schwerpunktmäßig dem öffentlichen Interesse dienen, entspricht gefestigter Rechtsprechung119. Ebensowenig verdient die Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds Anerkennung, bei dem nicht einmal das in §§ 100 Abs. 1, 2 und 105 AktG geforderte Mindestmaß an Unabhängigkeit gewährleis116 Vgl. dazu BGHZ 139, 225, 231 f.; GroßKommAktG/K. Schmidt, § 248 Rdn. 7; Hüffer, AktG, § 248 Rdn. 7a. 117 Vgl. oben I 3 a). 118 Vgl. oben I 3 d). 119 Vgl. BGHZ 83, 106, 109 ff.; BGHZ 83, 151, 153 ff.; BGHZ 89, 48, 50; LG Frankfurt ZIP 1996, 1661, 1663.
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tet ist120 . Leidet der Hauptversammlungsbeschluss dagegen nur an einem förmlichen Mangel und ist er daher nach §§ 250 Abs. 1, 241 Nr. 1 und 2 AktG nichtig, so finden die Grundsätze über das fehlerhafte Bestellungsverhältnis Anwendung. Diesen zufolge kann das einstweilen als wirksam zu behandelnde Organverhältnis sowohl durch den Organwalter als auch durch die Gesellschaft jederzeit und unabhängig vom Vorliegen eines wichtigen Grundes mittels einseitiger Erklärung beendet werden. Auf Seiten der Gesellschaft zuständig hierfür ist gewöhnlich das Bestellungsorgan121. Dabei kann es im vorliegenden Zusammenhang angesichts der Schwerfälligkeit der Hauptversammlung allerdings nicht bewenden. Zu erwägen ist vielmehr, ob es nicht Sache des Aufsichtsrats ist, unter Ausschluss des betroffenen Mitglieds selbst für seine korrekte Zusammensetzung zu sorgen. Dieser Ansatz führt aber zumindest dann nicht weiter, wenn alle Aufsichtsratsmitglieder fehlerhaft bestellt sind oder die verbliebenen Aufsichtsratsmitglieder nicht mehr beschlussfähig sind. Daher ist im Ergebnis der Vorstand berechtigt und zugleich verpflichtet, ein fehlerhaft bestelltes Aufsichtsratsmitglied von der weiteren Mitwirkung im Aufsichtsrat auszuschließen und so für eine ordnungsgemäße Besetzung des Aufsichtsrats zu sorgen122 . Diese Kompetenz harmoniert insofern mit der gesetzlichen Systematik, als der Vorstand nach § 97 AktG verpflichtet ist, das Statusverfahren einzuleiten, wenn er der Auffassung ist, dass der Aufsichtsrat nicht nach den für ihn maßgeblichen Vorschriften zusammengesetzt ist. cc) Fehlerhafte Abberufung Nachdem die herrschende Meinung schon die fehlerhafte Bestellung nicht allgemein anerkennt, kann es nicht überraschen, dass sie für eine vorläufige Wirksamkeit der rechtswidrigen Abberufung ebenfalls keinen Raum sieht123 . Geltend gemacht wird insofern insbesondere, dass § 103 AktG über keine § 84 Abs. 3 S. 4 AktG entsprechende Vorschrift verfüge, die den Betroffenen auf die endgültige gerichtliche Klärung verweise. Auch deren analoge Anwendung komme nicht in Betracht, weil die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern ohne wichtigen Grund möglich sei und die Wirksamkeit des Beschlusses damit nur von leicht überprüfbaren formalen Anforderungen abhänge. Folgt man 120
Zur Erstreckung des § 250 AktG auf die Fälle des § 105 AktG s. Hüffer, AktG, § 250 Rdn. 6; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 105 Rdn. 25; MünchKommAktG/Semler, § 105 Rdn. 6. 121 S. oben I 3 c). 122 So auch KölnKommAktG/Mertens, § 101 Rdn. 95; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 101 Rdn. 217; MünchKommAktG/Semler, § 101 Rdn. 244; vgl. zur Rechtspfl icht der Gesellschaft, ein unwirksam bestelltes Aufsichtsratsmitglied von der weiteren Mitwirkung im Aufsichtsrat auszuschließen, BGHZ 165, 192, 197. 123 GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 103 Rdn. 16; MünchKommAktG/Semler, § 103 Rdn. 36; KölnKommAktG/Mertens, § 103 Rdn. 5.
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§ 11 Die Bestellung zum Organwalter
demgegenüber der hier vertretenen Auffassung, wonach § 84 Abs. 3 S. 4 AktG keineswegs nur über das Fehlen eines wichtigen Grundes hinweghilft, sondern unabhängig von der Art des Mangels das Organmitglied von seinem Amt ausschließt124 , dann liegt die angedachte Analogie keineswegs fern. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass das Aufsichtsratsmitglied anders als das Vorstandsmitglied mangels eines neben das korporationsrechtliche Bestellungsverhältnis tretenden Anstellungsvertrags von der Abberufung auch in seiner persönlichen Rechtsstellung betroffen wäre125 . Da aber das gewöhnliche Aufsichtsratsmitglied ohnehin mit seiner jederzeitigen Abberufung rechnen muss und ein vermögensmäßiger Ausgleich später im Wege des Schadensersatzes erfolgen kann, ist die entsprechende Anwendung des § 84 Abs. 3 S. 4 AktG im Ergebnis gleichwohl zu bejahen. Auf diese Weise kann ein vom Gesetzgeber offenkundig nicht hinreichend durchdachtes Problem einer den besonderen Bedürfnissen der AG Rechnung tragenden und dem heutigen Stand der Rechtsentwicklung angemessenen Lösung zugeführt werden. Hält man diese These für zu weitgehend, so sind zumindest die allgemeinen Grundsätze über die fehlerhafte Organstellung anzuwenden. Das Bedürfnis hierfür ist beim Aufsichtsrat keineswegs geringer ausgeprägt als beim Geschäftsführungsorgan. Wird das fehlerhaft abberufene Aufsichtsratsmitglied durch einen Nachfolger ersetzt, dann kann wegen der fortbestehenden Mitgliedschaft des Abberufenen die gesetzliche Höchstzahl der Mitglieder des Aufsichtsrats überschritten werden, was nach § 250 Abs. 1 Nr. 3 AktG die Nichtigkeit des Wahlakts nach sich zieht. Nicht anders als beim Vorstand können aber vor allem alle im Weiteren gefassten Aufsichtsratsbeschlüsse unwirksam sein, wenn und soweit das nur vermeintlich ausgeschlossene Mitglied zu den Sitzungen des Aufsichtsrats nicht geladen wird126 . Gegenüber der analogen Anwendung des § 84 Abs. 3 S. 4 AktG bringt dieser Ansatz allerdings eine wichtige Einschränkung mit sich. Der notwendige Vollzug der fehlerhaften Abberufung liegt nämlich nur dann vor, wenn das Aufsichtsratsmitglied die Abberufung hinnimmt und seine Tätigkeit zunächst unwidersprochen einstellt. Pocht es dagegen von Anfang an auf seine fortbestehende Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat, greift die Lehre vom fehlerhaften Organ nicht ein127. b) Fakultative Organe, besonderer Vertreter, Leiter der Hauptversammlung Eine flächendeckende Unwirksamkeit von Organhandlungen und insbesondere der gefassten Beschlüsse kann auch bei fakultativen Organen drohen, sofern 124
Vgl. oben II. 1 am Ende. Vgl. dazu unten § 13 B I. 126 MünchKommAktG/Semler, § 108 Rdn. 231; KölnKommAktG/Mertens, § 108 Rdn. 77; E. Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 27 Rdn. 79; auf Kausalitätserwägungen abstellend GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 103 Rdn. 152. 127 Vgl. zum Entzug der Geschäftsführungsbefugnis oben II. 1. 125
A. Die Lehre vom fehlerhaften Bestellungsverhältnis
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diesen substantielle innergesellschaftliche Mitwirkungsbefugnisse in Form von echten Entscheidungs- oder Zustimmungskompetenzen zustehen. Eine Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Organstellung ist dann im Grundsatz zu bejahen128 . Weitaus geringer dürfte das Bedürfnis nach einer Korrektur der allgemeinen Nichtigkeitsfolgen dagegen bei nur beratenden Gremien ausgeprägt sein. Gleiches gilt für den besonderen Vertreter nach § 147 AktG129 : Die Unwirksamkeit seiner Bestellung hat im Wesentlichen lediglich zur Folge, dass er bei der Anspruchsverfolgung als falsus procurator auftritt und eine von ihm im Namen der Gesellschaft erhobene Klage deswegen unzulässig ist. Das aber ist gewiss kein Unglück; im Übrigen kann die auf fehlerhafter Grundlage erfolgte Prozessführung jederzeit durch das zuständige ordentliche Verwaltungsorgan oder einen auf wirksamer Grundlage tätigen Sondervertreter genehmigt werden130 . Der Leiter der Hauptversammlung schließlich wird in aller Regel durch die Satzung bestimmt, so dass eine gesonderte Bestellung nicht erforderlich ist. Auch wenn er aber ausnahmsweise einmal von der Hauptversammlung selbst gewählt wird, sollte es angesichts seiner dann auf nur eine Sitzung beschränkten Tätigkeit bei dem Grundsatz sein Bewenden haben, dass nur einem wirksam berufenen Versammlungsleiter die Rechtsmacht zukommt, einen Hauptversammlungsbeschluss rechtsgestaltend festzustellen131. Sofern von einzelnen Beschlussgegenständen, wie Satzungsänderungen oder der Wahl des Aufsichtsrats, erhebliche Folgewirkungen ausgehen, ist dort anzusetzen und insoweit mittels der Lehre von der fehlerhaften Strukturänderung Abhilfe zu schaffen.
III. Resümee Die bei der Diskussion um die fehlerhafte Bestellung des Geschäftsleiters einer Kapitalgesellschaft gewonnenen Erkenntnisse lassen sich zu einer allgemeinen Lehre von der fehlerhaften Organstellung erweitern. Zunächst ist als Gegenstück zur Bestellung der fehlerhafte Entzug der Organstellung anzuerkennen. Ein rechtlich erheblicher Vollzug liegt insofern freilich nur vor, wenn der Geschäftsführer seine Tätigkeit (zunächst) widerspruchslos einstellt. Weitergehende Rechtssicherheit schafft § 84 Abs. 3 S. 4 AktG, wonach der Widerruf der Vorstandsbestellung wirksam ist, bis seine Unwirksamkeit rechtskräftig festgestellt ist. Vor allem ist die Lehre von der fehlerhaften Organstellung aber auf den Aufsichtsrat zu erstrecken. Die herrschende Meinung greift zu kurz, wenn 128
So auch Schäfer, Fehlerhafter Verband, S. 483. Wie hier Böbel, Besonderer Vertreter, S. 87 f.; zur Organstellung s. oben § 3 A I. 130 Vgl. dazu BGH NJW 1999, 3263; BGH NJW 1989, 984 f.; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 56 Rdn. 11. 131 Vgl. OLG Dresden ZIP 2005, 573, 577; zur Organstellung des Versammlungsleiters § 5 F III 2. 129
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§ 11 Die Bestellung zum Organwalter
sie dem fehlerhaft bestellten Organwalter nur Amtspflichten aufbürdet, aber nicht anerkennen will, dass er wirksam für die Gesellschaft handeln kann. Wie beim Geschäftsleiter gilt ein Vorbehalt allein für die Fälle eines evidenten Verstoßes gegen gesetzliche Vorschriften, die dem Schutz von Belangen der Allgemeinheit oder sonstiger höherrangiger Interessen dienen. Voraussetzung für die Einbeziehung weiterer Organe ist aber stets, dass erhebliche Rückabwicklungsschwierigkeiten zu besorgen sind. Auf den besonderen Vertreter im Sinne des § 147 AktG oder den Leiter der aktienrechtlichen Hauptversammlung sind die Grundsätze über das fehlerhafte Bestellungsverhältnis daher nicht zu erstrecken.
B. Die Verantwortlichkeit faktischer Organmitglieder I. Einführung 1. Das faktische Organ im deutschen Recht Der Rechtssatz, dass nicht nur der ordnungsgemäß bestellte Geschäftsführer im Schadensfall in Anspruch genommen werden kann, sondern auch eine Person, die die Geschicke der Gesellschaft wie ein Geschäftsführer maßgeblich bestimmt, ist von unmittelbarer rechtsethischer Überzeugungskraft132 . Es überrascht daher nicht, wenn die Denkfigur des faktischen Geschäftsführers im europäischen Ausland allenthalben begegnet133 und auch im deutschen Recht schon seit Zeiten des Reichsgerichts als Argumentationstopos geläufig ist134 . Während aber über die Anerkennung des fehlerhaft bestellten Organmitglieds im Grundsatz Einigkeit besteht, mangelt es an gesicherten Erkenntnissen hinsichtlich derjenigen, die ohne jeglichen Bestellungsakt für die Gesellschaft tätig werden135 . Die gewählten Ansätze und die propagierten Ergebnisse unterscheiden sich dabei in einem Ausmaß, dass kein geringerer als Wolfgang Zöllner sich zu dem Hinweis veranlasst sah, dass die Bezeichnung „faktischer Geschäftsführer“ leider „mythische Kraft als Quelle freier Rechtsfi ndung“ entfaltet136 . 132
Zu anderen Organen, insbesondere dem Aufsichtsrat unten III 5. Vgl. zu England: Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 188 ff.; J. Schneider, ZVglRWiss 102 (2003), 387, 407 ff.; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 496 ff.; Frankreich: Ehricke, Konzernunternehmen, S. 164 ff.; Reiner, Fremdsteuerung, S. 164 ff.; Schweiz: Vogel, Haftung der Muttergesellschaft, S. 301 ff.; Forstmoser, FS Meier-Hayoz, S. 125; Spanien: Embid, FS Immenga, S. 559; Österreich: OGH DK 2004, 689; allgemein Fleischer, AG 2004, 517, 519 ff.; Haas, NZI 2006, 494, 496 f.; Kort, AG 2005, 453, 454 ff. 134 Vgl. RGSt 16, 269, 270; RGSt 43, 407, 413; RGSt 64, 81, 84; RGSt 144, 387; RGSt 152, 277; vgl. dazu systematisierend K. Schmidt, FS Rebmann, S. 419, 422 ff. 135 Dem steht es gleich, wenn ein Bestellungsakt zwar vorliegt, aber derart fehlerbehaftet ist, dass auch eine vorübergehende Anerkennung als fehlerhaftes Organverhältnis nicht in Betracht kommt, s. dazu oben A I 3 d). 136 Nunmehr Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rdn. 3. 133
B. Die Verantwortlichkeit faktischer Organmitglieder
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a) Rechtsprechung Relativ homogen präsentiert sich allerdings noch die Rechtsprechung. Seit Jahrzehnten verurteilen Strafgerichte denjenigen wegen Insolvenzverschleppung, der die Geschäftsführung einer GmbH mit Einverständnis der Gesellschafter ohne förmliche Bestellung übernommen und ausgeübt hat137. Einschränkend wird hinzugefügt, hierzu müssten sowohl betriebsintern als auch nach außen hin alle Dispositionen weitgehend von dem Betreffenden ausgehen und er im Übrigen auf sämtliche Geschäftsführungsvorgänge einen bestimmenden Einfluss nehmen. Wer jedoch nach diesem Maßstab wie ein Geschäftsführer auftrete, müsse sich auch so behandeln lassen, weil sonst der Schutzzweck der entsprechenden Vorschriften verfehlt werde und die Wirtschaftskriminalität in diesem Bereich nicht wirksam zu bekämpfen sei. Gegen den Vorwurf, damit die verfassungsrechtlichen Grenzen des Analogieverbots oder der Tatbetsandsbestimmtheit zu verletzen138 , hat sich der BGH dabei stets verwahrt139. Der II. Zivilsenat hat sodann diese Rechtsprechung auf die zivilrechtliche Verantwortlichkeit wegen Insolvenzverschleppung übertragen und erläuternd hinzugefügt, es genüge, wenn der Betreffende in maßgeblichem Umfang Geschäftsführungsfunktionen wahrnehme, während eine völlige Verdrängung der gesetzlichen Geschäftsführung nicht erforderlich sei140 . Ausdrücklich offen gelassen hat er indessen die Frage, ob auch eine Haftung entsprechend § 43 GmbHG in Betracht kommt. Insofern hat er sich vielmehr damit begnügt, auf zwei jedenfalls zu beachtende Grenzlinien hinzuweisen141 : Zum einen sei die Vorschrift des § 6 Abs. 2 S. 1 GmbHG, wonach Geschäftsführer nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein könne, auch für die Beurteilung maßgebend, ob jemand als faktisches Organ zu qualifizieren sei. Die Verantwortlichkeit einer juristischen Person wurde daher schon im Ausgangspunkt verneint142 . Zum anderen müsse sich allenfalls derjenige wie ein nach dem Gesetz bestelltes Organmitglied behandeln lassen, der seinem Gesamterscheinungsbild nach wie ein solches auftrete. Maßgeblich prägend hierfür sei aber 137
BGHSt 46, 62, 65 = NJW 2000, 2285; BGHSt 31, 118, 122 = NJW 1983, 240; BGHSt 21, 101, 103 = NJW 1966, 2225; BGHSt 3, 32, 37; OLG Karlsruhe NZG 2006, 354; BayOblG NJW 1997, 1936; OLG Düsseldorf NJW 1988, 3166; vgl. daneben BGH NJW 2005, 374 zum Steuerstrafrecht; BGH NJW 1997, 66, 67 und BGH NJW 2004, 2761, 2765 zur Untreue. 138 Vgl. aus jüngerer Zeit etwa Scholz/Tiedemann, GmbHG, § 84 Rdn. 28; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 84 Rdn. 8 ff.; Lutter/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 84 Rdn. 5; Joerden, JZ 2001, 310, 311; Lindemann, Jura 2005, 305, 312 f.; rechtfertigend dagegen zuletzt Groß, Faktische Vertretungsorgane, S. 117 ff. 139 BGHSt 31, 118, 122 = NJW 1983, 240; BGHSt 46, 62, 65 = NJW 2000, 2285. 140 Grundlegend BGHZ 104, 44, 46; zuvor bereits BGHZ 75, 96, 106 f.; ebenso BGHZ 148, 167, 170; OLG Thüringen GmbHR 2002, 112, 113; OLG Stuttgart GmbHR 2005, 106, 107. 141 BGHZ 150, 61, 69; bejahend aber OLG Düsseldorf NZG 2000, 312, 313; nur aus tatsächlichen Gründen ablehnend OLG Brandenburg NZG 2002, 674, 675; s. daneben BGHZ 119, 257, 261; KG NZG 2000, 1032 f. 142 BGHZ 150, 61, 68.
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§ 11 Die Bestellung zum Organwalter
ein Handeln gerade auch im Außenverhältnis, weshalb eine bloß interne Einflussnahme auf den satzungsmäßigen Geschäftsführer keinesfalls haftungsauslösend wirken könne143 . b) Schrifttum Eine nähere Beschäftigung mit den im Schrifttum vertretenen Auffassungen fördert, insbesondere was die allgemeine Organhaftung angeht, ein verwirrendes Bild vielfältiger Ansichten zu Tage, ohne dass sich im Grundsatz oder gar in Einzelfragen Konsenslinien abzeichnen würden. Bisweilen wird die Rechtsfigur der faktischen Organschaft rundheraus abgelehnt, weil bloß tatsächliche Umstände keine rechtliche Sonderverbindung begründen könnten144 . Selbst die in der Rechtsprechung seit langem etablierte Haftung wegen Insolvenzverschleppung wird in jüngerer Zeit mit dem Hinweis kritisiert, ein Antragsrecht des nur faktischen Geschäftsleiters führe zu einer im Verfahrensrecht unerwünschten Aufweichung der Antragsbefugnis und ohne Antragsrecht komme eine Sanktion wegen versäumter Antragstellung nicht in Betracht145 . Auf der anderen Seite verstummen aber auch nicht die Stimmen derjenigen, die auf die GmbH bezogen die Rechtsfigur des faktischen Organs als Grundlage einer konzernrechtlichen Handlungshaftung heranziehen wollen. Demnach hätte der wirkungsmächtige Gesellschafter, sei er Mehrheitsgesellschafter oder gar Alleingesellschafter, für jede nachteilige Einflussnahme auf den Geschäftsführer wie ein solcher entsprechend § 43 GmbHG einzustehen146 . Zwischen diesen beiden Extremen, gänzliche Ablehnung des Rechtsinstituts einerseits und zumindest im Konzernzusammenhang die Erfassung jeder nachteiligen Einflussnahme andererseits, findet sich nun jede nur denkbare Nuancierung147. Verbreitete Zustimmung hat zunächst die restriktive Auffassung gefunden, faktisches Organ sei nur, wer das gesetzliche Organ verdränge148 . Ein Bedürfnis nach einer rechtsfortbildend entwickelten Verantwortlichkeit bestehe nämlich lediglich, wenn und soweit der Betreffende das Organ als Verant143
BGHZ 150, 61, 69; BGH ZIP 2005, 1414, 1415; ZIP 2005, 1550, 1551. Hüffer, AktG, § 93 Rdn. 12; im Ergebnis ebenso MünchHdbAG2 /Wiesner, § 26 Rdn. 3; Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 99 ff., 184 f.; Reiner, Fremdsteuerung, S. 176 f. 145 GroßKommAktG/Habersack, § 92 Rdn. 33; Haas, Gutachten E zum 66. DJT, S. 48. 146 Vgl. etwa Rehbinder, ZGR 1977, 581, 640 f.; Schulze-Osterloh, ZGR 1983, 123, 158 f.; sodann grundlegend Wilhelm, Rechtsform und Haftung, S. 285 ff., 335 ff.; im Hinblick auf den existenzvernichtenden Eingriff dens., NJW 2003, 175, 178 ff.; dem mit Einschränkungen folgend Altmeppen, ZIP 2001, 1837, 1843 ff.; vgl. auch Flume, Juristische Person, § 3 III 3 (S. 85 ff.): Haftung für Fremdgeschäftsführung, ohne dass man zur Begründung den Organbegriff bemühen müsste. 147 Vgl. dazu die Typenreihe bei G. H. Roth, ZGR 1989, 421, 423 ff. 148 Grundlegend Stein, Faktisches Organ, S. 184 ff.; zustimmend Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rdn. 7; KölnKommAktG/Mertens, § 93 Rdn. 12; GroßKommAktG/Kort, § 117 Rdn. 79 f.; Drygala, ZIP 2005, 423, 431; ähnlich Michalski/Haas, GmbHG, § 43 Rdn. 30; OLG Düsseldorf NJW 1988, 3166, 3167 (zum Strafrecht). 144
B. Die Verantwortlichkeit faktischer Organmitglieder
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wortungsträger ausschalte und damit der Gesellschaft und den Gläubigern sowohl den Primärschutz gesetzesmäßiger Pflichterfüllung wie auch den Sekundärschutz des Haftungszugriffs auf das Organ entziehe. Andere hingegen halten – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung – das Erfordernis einer völligen Verdrängung der gesetzlichen Geschäftsführung für entbehrlich; ausreichend sei vielmehr, dass der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich in die Hand nehme und dabei auch nach außen hervortrete149. Da das von internen Einwirkungen ausgehende Schädigungspotential für die Gesellschaft ebenso bedrohlich sein kann, ist aber auch dieses Abgrenzungskriterium auf Kritik gestoßen. Neben demjenigen, der die Gesellschaft selbst wie ein Geschäftsführer leite, soll statt dessen auch der verantwortlich sein, der auf einen Geschäftsführer dauerhaft Einfluss genommen habe150 . Umstritten ist aber nicht nur der Umfang der erforderlichen Tätigkeit, sondern auch, ob zwei weitere eingrenzende Merkmale, die die Rechtsprechung heranzieht, zu überzeugen vermögen. Zum einen ist nämlich fraglich, ob wirklich eine Duldung durch das für die Bestellung zuständige Organ erforderlich ist. Zum anderen wird geltend gemacht, die Qualifizierung als faktisches Organ setze keine Amtsfähigkeit nach §§ 6 Abs. 2 GmbHG, 76 Abs. 3 AktG voraus, weshalb auch juristische Personen als faktische Geschäftsführer in Betracht kämen151. 2. Gemeinschaftsrechtliche Impulse Da das faktische Organ in zahlreichen europäischen Rechtsordnungen fest etabliert ist, liegt es auch aus Sicht des Gemeinschaftsrechtsgesetzgebers nicht fern, an diese Rechtstradition anzuknüpfen. Zwar wurde insofern noch kein verbindlicher Rechtsakt erlassen. Immerhin sah aber Art. 9 des (gescheiterten) Entwurfs einer neunten Richtlinie zur Angleichung des Konzernrechts aus dem Jahre 1984 vor, die Haftung des herrschenden Unternehmens gegenüber der abhängigen Gesellschaft als eine solche für faktische Geschäftsführung auszugestalten152 . Als faktischer Geschäftsführer war nach diesem Regelungsvorschlag jedes Unternehmen anzusehen, das mittelbar oder unmittelbar bestimmenden Einfluss auf die Entscheidungsfindung der Leitungsorgane der abhängigen Gesellschaft ausübt. In ihrem aus dem Jahre 2003 datierenden Aktionsplan „Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Go149
Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rdn. 47; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 64 Rdn. 11, 13; Baumbach/Hopt, HGB, § 130a Rdn. 6; Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 204 f.; Damnitz/Degenhardt, WM 2005, 583, 589; Jung, Unternehmergesellschafter, S. 369 f. 150 Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdn. 15; Burgard, NZG 2002, 606, 607 f.; bei flächendeckenden Weisungen des GmbH-Gesellschafters bis ins Detail auch Ehricke, Konzernunternehmen, S. 238 ff.; Geißler, GmbHR 2003, 1106, 1112; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftung, S. 399 f. 151 Näher dazu unten III 2 a), b). 152 Vgl. dazu bereits § 7 A II.
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§ 11 Die Bestellung zum Organwalter
vernance in der Europäischen Union“ hat es die Kommission sodann zu einem ihrer Ziele erhoben, eine europäische Regelung der Insolvenzverschleppungshaftung auszuarbeiten, welche „Schattendirektoren“ ausdrücklich einbeziehen soll153 . 3. Denkbare Fallgestaltungen und weiteres Vorgehen a) Eine sachgerechte Auseinandersetzung mit der Rechtsfigur des faktischen Organs darf sich nicht in der Diskussion der verschiedenen theoretischen Konzeptionen erschöpfen, sondern muss stets die denkbaren praktischen Anwendungsfälle im Sinn behalten. Schon mehrfach hingewiesen wurde auf die Möglichkeit, auf diese Weise eine konzernrechtliche Handlungshaftung des herrschenden Unternehmensgesellschafters gegenüber der abhängigen Gesellschaft zu begründen. Das aber ruft – abgesehen von der Frage der im Einzelnen zu erfüllenden tatbestandlichen Voraussetzungen – offensichtlich das Bedürfnis hervor, das Verhältnis einer solchen Verantwortlichkeit sowohl zum geschriebenen Aktienkonzernrecht der §§ 311 ff. AktG als auch zu ungeschriebenen Instituten wie der Treupflichtverletzung oder der Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs zu klären. Immer wieder als faktischer Geschäftsleiter ins Spiel gebracht wird daneben derjenige, der wegen einschlägiger strafrechtlicher Verurteilungen oder wegen gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit selbst nicht als Geschäftsführer fungieren darf und deshalb einen amtstauglichen Strohmann vorschiebt154 . Zurückhaltung ist dabei freilich dann geboten, wenn es sich um eine GmbH handelt und der Hintermann als Alleingesellschafter oder im Einverständnis mit den Mitgesellschaftern von seinem Weisungsrecht gegenüber dem Geschäftsführer Gebrauch macht. Auch insofern bedarf die faktische Organschaft nämlich der Abgrenzung gegenüber mitgliedschaftlichen Einwirkungsbefugnissen. Aber auch ohne mitgliedschaftlichen Hintergrund ist eine nachhaltige Einflussnahme auf die Gesellschaft vorstellbar. Insbesondere wenn die Gesellschaft nicht über einen ordnungsgemäß bestellten Geschäftsleiter verfügt, nehmen mitunter leitende Abgestellte selbst das Heft in ihre Hand155 . Weiterhin liegt aus dem englischen, französischen und schweizerischen Recht reiches Anschau153 Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 21. 5. 2003, Ziff. 3.1.3, KOM 2003, 284 endg.; abgedruckt in NZG 2003, Beil. zu Heft 13; vgl. dazu im vorliegenden Zusammenhang Fleischer, AG 2004, 517; daneben Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 175 f.; zum jüngesten Stand der Entwicklung Hopt, ZHR 171 (2007), 199, 225 ff. 154 Eine Haftung halten für denkbar Stein, Faktisches Organ, S. 186; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdn. 15; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rdn. 3 („versteht sich“); Geißler, GmbHR 2003, 1106, 1112; MünchKommHGB/K. Schmidt, § 130a Rdn. 17; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 116; ablehnend dagegen Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rdn. 7; Michalski/Haas, GmbHG, § 43 Rdn. 30; Jung, Unternehmergesellschafter, S. 368. 155 Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 16, 19; vgl. auch BGHZ 148, 167, 168.
B. Die Verantwortlichkeit faktischer Organmitglieder
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ungsmaterial zu der Frage vor, ob und vor allem unter welchen Voraussetzungen solche Kreditinstitute als faktisches Organ haftbar gemacht werden können, die sich in Krisenzeiten intensiv steuernd in die Geschäftsführung eines Kunden einmischen, indem sie etwa die Absetzung eines aus ihrer Sicht unfähigen Geschäftsleiters durchsetzen oder die Einhaltung eines bestimmten Sanierungsplans verlangen156 . Angedacht, im Ergebnis aber durchweg verneint wird schließlich eine Qualifikation externer Unternehmensberater als faktische Geschäftsführer157. b) Bei aller Unsicherheit um das faktische Organ besteht doch zumindest in methodischer Hinsicht ein festes Fundament. Zu Recht hat sich nämlich in den letzten Jahren die Erkenntnis durchgesetzt, dass es anders als beim fehlerhaften Bestellungsverhältnis nicht darum geht, den Betroffenen in jeder Hinsicht einem förmlich bestellten Geschäftsleiter gleichzustellen. Vielmehr sind die unter dem Begriff des faktischen Organs zusammengefassten Probleme Normanwendungsprobleme158 . Hinsichtlich jeder einzelnen Norm, die von „Geschäftsführern“ oder „Vorstandsmitgliedern“ handelt, ist daher gesondert zu prüfen, ob sie im Wege der Auslegung oder der Analogie159 auch auf denjenigen Anwendung findet, der sich, ohne hierzu bestellt zu sein, die entsprechende Rechtsstellung tatsächlich anmaßt. Das soll im Folgenden exemplarisch für die Haftung wegen Insolvenzverschleppung und die allgemeine organschaftliche Verantwortlichkeit nach §§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG geschehen.
II. Insolvenzverschleppungshaftung Die fest etablierte Praxis, auch den nur faktischen Geschäftsleiter für berechtigt und verpflichtet zu halten, Insolvenzantrag zu stellen, und ihn gegebenenfalls nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 64 Abs. 1 GmbHG, 92 Abs. 2 AktG (künftig: § 15a Abs. 1 InsO) den Gläubigern gegenüber auf Schadensersatz haften zu lassen160 , sieht sich erheblichen Bedenken ausgesetzt. Nicht zu156
Näher dazu Fleischer, AG 2004, 517, 520 (England), 521 (Frankreich), 523 (Schweiz); aus deutscher Sicht Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355 ff. 157 Eingehend aus schweizerischer Sicht Bertschinger, FS Forstmoser, S. 455, 458 ff. 158 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 III 4a (S. 419); Scholz/Schneider, GmbHG, § 6 Rdn. 74; Michalski/Haas, GmbHG, § 43 Rdn. 29; Ehricke, Konzernunternehmen, S. 419; G. H. Roth, ZGR 1989, 421, 432; Stein, ZHR 148 (1984), 207, 222; Weimar, GmbHR 1997, 473, 477; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 400; dagegen allerdings Geißler, GmbHR 2003, 1106, 1107. 159 Eine solche scheidet im Strafrecht zwar aus; diese Restriktion hindert indessen nicht eine entsprechende Rechtsfortbildung im Zivilrecht, s. nur GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rdn. 49; Schulze-Osterloh/Servatius, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 84 Rdn. 30; allgemein zur Zulässigkeit der Normspaltung Mayer/Schürnbrand, JZ 2004, 545, 549; aA BGH ZIP 2006, 2077, 2079, Tz. 17 (zu § 30 WpÜG). 160 Vgl. zur Rechtsprechung Fn. 137, 140; aus dem Schrifttum Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 64 Rdn. 11; Baumbach/Hopt, HGB, § 130a Rdn. 6; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 11
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§ 11 Die Bestellung zum Organwalter
fällig hat sich die bisher veröffentlichte Rechtsprechung ausschließlich mit der Verantwortlichkeit im Nachgang an einen nicht gestellten Antrag beschäftigt; Entscheidungen betreffend die Zulässigkeit eines tatsächlich gestellten Antrags sind dagegen (soweit ersichtlich) nicht bekannt geworden. Nun sind solche Anträge von dem in Rede stehenden Personenkreis sicherlich nicht ohne weiteres zu erwarten, sie wären aber auch mit dem Sinn und Zweck des Insolvenzeröffnungsverfahrens unvereinbar. Dieser besteht nämlich darin, möglichst rasch die Frage zu klären, ob aufgrund eines zulässigen Antrags das Insolvenzverfahren zu eröffnen ist und in der Zwischenzeit vorläufige Maßnahmen zum Schutze der Gläubigergesamtheit getroffen werden müssen. Weil das Insolvenzgericht die Antragsberechtigung zwar von Amts wegen zu prüfen hat, aber in diesem Stadium des Verfahrens noch nicht von Amts wegen ermitteln darf, sollte es allein auf sicher zu handhabende Kriterien ankommen161. Die Qualifikation als faktischer Geschäftsführer setzt demgegenüber eine umfassende, auf den Einzelfall bezogene Würdigung der wahrgenommenen Funktionen voraus, welche vom Insolvenzgericht unter den genannten Rahmenbedingungen nicht zu leisten ist. Mit einer im Vordringen befindlichen Ansicht ist daher ein Antragsrecht des faktischen Geschäftsleiters abzulehnen162 . Da nun aber ohne ein Antragsrecht das Unterlassen der Antragstellung nicht vorwerfbar sein kann, lässt sich eine Insolvenzverschleppungshaftung im vorliegenden Zusammenhang nur konstruieren, wenn man, im Anschluss an Karsten Schmidt, nicht auf den versäumten Insolvenzantrag abstellt, sondern den eigentlichen Kern des Unrechts in der Fortführung des insolventen Unternehmens erblickt163 . Gegen ein solches Fortführungsverbot könnte in der Tat auch der bloß faktische Geschäftsführer verstoßen. Allerdings wird so unter der Hand ein im Gesetz konkret benanntes Unterlassungsverbot (Versäumung des Insolvenzantrags) in ein allgemeines Verhaltensverbot (Unternehmensfortführung) umgedeutet. Wie im Schrifttum zu Recht schon vielfach hervorgehoben wurde, ist ein solches Vorgehen mit den Anforderungen des strafrechtlichen Rdn. 61; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 64 Rdn. 110; Michalski/Nerlich, GmbHG, § 64 Rdn. 16; Weimar, GmbHR 1997, 473, 479. – Die rechtsformneutrale Formulierung der Insolvenzantragspfl icht ist in Art. 9 Nr. 3 des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbHRechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vorgesehen. 161 Haas, DStR 1998, 1359, 1360; ders., Gutachten E zum 66. DJT, S. 48. 162 So bereits RGSt 72, 187, 192; daneben Stein, ZHR 148 (1984), 207, 230; Haas, DStR 1998, 1359, 1360, 1362; ders., Gutachten E zum 66. DJT, S. 48; Staub/Habersack, HGB, § 130a Rdn. 12; GroßKommAktG/Habersack, § 92 Rdn. 33; Lutter/Kleindiek, in: Hommelhoff/ Lutter, GmbHG, § 64 Rdn. 26; MünchKommInsO/Schmahl, § 15 Rdn. 44; KölnKommAktG/Mertens, § 92 Rdn. 48; Schüppen, DB 1994, 197, 203; Vallender, MDR 1999, 280, 282; vgl. auch die Nachweise in der folgenden Fn. 163 K. Schmidt, FS Rebmann, S. 419, 434; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 64 Rdn. 7; MünchKommHGB/K. Schmidt, § 130a Rdn. 16; zustimmend etwa Ehricke, Konzernunternehmen, S. 233 f.; Reiner, Fremdsteuerung, S. 162; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 404; Jaeger/Müller, InsO, § 15 Rdn. 57.
B. Die Verantwortlichkeit faktischer Organmitglieder
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Bestimmtheitsgebots kaum vereinbar164 . Aus zivilrechtlicher Sicht ließen sich diese Bedenken hingegen durchaus zurückstellen, wenn nur das Verständnis der Insolvenzantragspflicht als Fortführungsverbot für sich genommen überzeugen könnte. Das ist indessen nicht der Fall. Selbstverständlich dürfen die Geschäftsleiter ein insolventes Unternehmen nicht weiterführen, damit nicht weitere neue Gläubiger hinzukommen, die eine vollständige Befriedigung ihrer Forderungen nicht zu erwarten haben, sondern allein zu einer Verschlechterung der Insolvenzquote beitragen. Darin erschöpft sich der Zweck der genannten Normen jedoch nicht; vielmehr haben auch die gegenwärtigen Gläubiger einen Anspruch darauf, dass alsbald ein geordnetes, am Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger ausgerichtetes staatliches Insolvenzverfahren eingeleitet wird165 . Das könnten sie zwar theoretisch auch mit Hilfe eines von ihnen selbst gestellten Eröffnungsantrags erreichen, zumindest über den Eröffnungsgrund der Überschuldung werden sie jedoch als Außenstehende regelmäßig in Unkenntnis sein. Erweist sich somit die Stellung eines Insolvenzantrags aus der Mitte der Gesellschaft als unabweisbar, so bleibt als letzter Ausweg noch die These, dieser müsse ja nicht unbedingt vom faktischen Organ persönlich gestellt werden. Vielmehr genüge es, wenn der Betreffende den Berechtigten anhalte, dies zu tun166 . Einem entsprechenden Hinweis wird der formell bestellte Geschäftsführer zwar schon aus dem Eigeninteresse, sich nicht strafbar und schadensersatzpflichtig zu machen, gerne folgen; über eine rechtlich abgesicherte Einwirkungsmöglichkeit verfügt der faktische Geschäftsführer insofern freilich nicht. Nur an eine solche könnte jedoch eine entsprechende Rechtspflicht anknüpfen. Demgegenüber geht es nicht an, den faktischen Geschäftsführer auf den tatsächlichen Einfluss zu verweisen, über den er offenkundig verfügt. Denn es wäre ein nicht zu rechtfertigender Wertungswiderspruch, sollte die Rechtsordnung von ihm verlangen, unter Ausnutzung einer ihm nicht gebührenden Machtstellung abermals auf eine Person einzuwirken, die im öffentlichen Interesse über die Stellung des Insolvenzantrags doch gerade eigenverantwortlich und weisungsfrei zu befinden hat. Das sich somit abzeichnende Ergebnis, dass der bloß faktische Geschäftsführer als Normadressat der Insolvenzantragspflicht ausscheidet, könnte allenfalls dann noch zu revidieren sein, wenn damit schlechthin untragbare Haftungslücken verbunden wären. Da jedoch der Geschäftsführer selbst durch das 164 Vgl. etwa Joerden, JZ 2001, 310, 311; Schüppen, DB 1994, 197, 204; Lindemann, Jura 2005, 305, 308 f.; Schulze-Osterloh/Servatius, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 84 Rdn. 30; Groß, Faktische Vertretungsorgane, S. 166; rechtfertigend aber Bisson, GmbHR 2005, 843, 849. 165 Zutreffend GroßKommAktG/Habersack, § 92 Rdn. 64. 166 So Ehricke, Konzernunternehmen, S. 234; insoweit auch Stein, ZHR 148 (1984), 207, 231.
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§ 11 Die Bestellung zum Organwalter
Unterlassen der Antragstellung gegen ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB verstößt und damit eine unerlaubte Handlung begeht, kommt im Hinblick auf einen Einfluss nehmenden Hintermann eine Haftung als Anstifter oder Gehilfe nach § 830 Abs. 2 BGB in Betracht. Diese setzt allerdings nach allgemeinen und hier auch nicht ad hoc modifizierbaren Deliktsgrundsätzen eine vorsätzliche Mitwirkung an einer vorsätzlichen Haupttat voraus167. Nimmt daher der Hintermann die Geschicke der Gesellschaft nur intensiv genug steuernd in die Hand, kann er im Einzelfall durchaus einer Verantwortlichkeit entgehen, weil der ordentliche Geschäftsführer aufgrund dieser Einmischung den Überblick über die finanzielle Lage der Gesellschaft verliert und es infolgedessen bei ihm am Vorsatz mangelt. Zumindest in eklatanten Fällen kann hier freilich eine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung der Gläubiger nach § 826 BGB Abhilfe schaffen168 . Als Gesellschafter kann der Betreffende im Übrigen auch wegen Verletzung seiner mitgliedschaftlichen Treupfl icht oder wegen existenzvernichtenden Eingriffs haften. Mithin sind die Gläubiger auch ohne eine auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den Vorschriften über die Insolvenzantragspflicht gestützte Haftung des faktischen Geschäftsleiters keineswegs rechtlos gestellt169. Das gilt erst recht, wenn das geplante Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) verabschiedet wird und die Gesellschafter einer GmbH immer dann selbst berechtigt und verpflichtet sind, Insolvenzantrag zu stellen, wenn die Gesellschaft über keinen Geschäftsführer verfügt ist170 . Dann nämlich ist auch die nach bisherigem Recht nur unzureichend bewältigte Problematik der führungslosen Gesellschaft sinnvoll geregelt und die Gesellschafter können sich nicht mehr einfach dadurch ihrer Verantwortung für die Gesellschaft entziehen, dass sie kein handlungsfähiges Vertretungsorgan bestellen. Insgesamt hat es somit bei folgendem Befund zu bewenden: Der Haftung wegen Insolvenzverschleppung unterliegt nach geltendem Recht nur derjenige, der zur Stellung des Insolvenzantrags befugt ist. Zu diesem Kreis gehört der faktische Geschäftsführer gerade nicht, weil seine Antragsberechtigung nicht mit der für das Insolvenzeröffnungsverfahren erforderlichen Schnelligkeit und Sicherheit anhand formeller Kriterien festzustel167 Vgl. allgemein MünchKommBGB/Wagner, § 823 Rdn. 23 ff.; im vorliegenden Zusammenhang Bayer/Lieder, WM 2006, 1, 9; GroßKommAktG/Habersack, § 92 Rdn. 84; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 64 Rdn. 75; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 64 Rdn. 111; aA – vorsätzliche Teilnahme an fahrlässiger Haupttat sei genügend – Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 64 Rdn. 54; Haas, DStR 1998, 1359, 1362; Ehricke, ZGR 2000, 351, 358 ff. 168 Eingehend dazu Ziemons, Haftung der GmbH-Gesellschafter, S. 206 ff.; vgl. aus der Rechtsprechung namentlich BGHZ 31, 258, 278 f.; BGH NJW 1979, 2104 f. 169 So auch GroßKommAktG/Habersack, § 92 Rdn. 33. 170 Vgl. § 15 Abs. 1 S. 2, § 15a Abs. 3 InsO in der Fassung des Regierungsentwurfs (BRDrucks. 354/07); zum noch weitergehenden Referentenentwurf Seibert, ZIP 2006, 1157, 1166 f.; Haas, GmbHR 2006, 729, 733 f.
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len ist. Im Rahmen der §§ 64 Abs. 1 GmbHG, 92 Abs. 2 AktG (künftig: § 15a Abs. 1 InsO) ist daher der faktische Geschäftsleiter dem ordentlichen Organwalter nicht gleichzustellen.
III. Allgemeine Organhaftung nach §§ 93 Abs. 2 AktG, 43 Abs. 2 GmbHG 1. Rechtfertigung Anders als bei der soeben behandelten Haftung wegen Insolvenzverschleppung lässt sich das Erfordernis eines förmlichen Bestellungsakts im Rahmen der nunmehr zu erörternden allgemeinen Haftung wegen Verletzung der Sorgfaltsoder Treupflicht zumindest nicht auf die bisher angeführten verfahrensrechtlichen Gründe stützen. Geltend gemacht wird im Schrifttum jedoch, die Rechtsfigur des faktischen Organs sei auch insoweit schon im Ansatz abzulehnen, weil bloß tatsächliche Umstände eine rechtliche Sonderverbindung nicht begründen könnten171. Das trifft indessen in dieser Allgemeinheit nicht zu. Ebenso wie das allgemeine Deliktsrecht Haftungsfolgen an die tatsächliche Übernahme von Verantwortung knüpft172 oder eine rechtmäßige Abmahnung im Wettbewerbsrecht eine Sonderverbindung begründet173 , kann vielmehr auch die tatsächliche Machtausübung über eine juristische Person sehr wohl ein besonderes Pflichtenprogramm samt zugehörigen Sanktionsregeln auslösen, wenn das nur aus teleologischen Gründen geboten ist174 . Der Normzweck der Organhaftungsvorschriften streitet nun in der Tat für eine Einbeziehung auch des faktischen Geschäftsleiters. Für sein ordnungsgemäß bestelltes Pendant sieht das Gesetz nämlich gerade deswegen besonders strenge Verhaltenvorgaben und prozessual schneidig durchzusetzende Sanktionen vor, weil er als Verwalter fremden Vermögens weitreichende Befugnisse und Einwirkungsmöglichkeiten innerhalb der Gesellschaft hat175 . Dadurch, dass die Organstellung nicht gezielt übertragen, sondern einseitig usurpiert wird, ändert sich an dieser Ausgangslage nichts176 ; vielmehr schafft das tatsächSo Hüffer, AktG, § 93 Rdn. 12; im Ergebnis ebenso MünchHdbAG2 /Wiesner, § 26 Rdn. 3; Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 99 ff., 184 f.; offenbar auch Heidel/Landwehrmann, AktG, § 93 Rdn. 4. 172 Vgl. nur MünchKommBGB/Wagner, § 823 Rdn. 288 f., § 831 Rdn. 45 mit umfangreichen Nachweisen. 173 Vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, § 311 Rdn. 24. 174 Ebenso Fleischer, AG 2004, 517, 523 f.; ders., in: Handbuch des Vorstandsrechts, § 11 Rdn. 23; Krebs, Sonderverbindung, S. 118 f., 166 f.; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 III 6 (S. 211); für die Begründung eines Sonderrechtsverhältnisses durch Machtausübung auch Wilhelm, NJW 2003, 175, 179. 175 Vgl. zur Treupfl icht Fleischer, WM 2003, 1045, 1046; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 35 Rdn. 20; zu den Besonderheiten der Darlegungs- und Beweislast Hüffer, AktG, § 93 Rdn. 16 f.; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdn. 167 ff. 176 Vgl. zur Deutung der faktischen Organschaft als Okkupierung der Organstellung MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 93 Rdn. 12; zur Gegenansicht, der zufolge ein 171
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liche Auftreten als Organmitglied genau die Bedingungen, die ausschlaggebend für die Kodifizierung einer besonderen Organverantwortlichkeit waren. Wenn also nach der Wertung des Gesetzes die allgemeinen vertrags- und deliktsrechtlichen Verhaltensanforderungen und Sanktionsmechanismen im Hinblick auf das formell bestellte Organ nicht genügen, sondern zum Schutze der Gesellschaft, ihrer Anteilseigner und Gläubiger eine gesonderte Schadensersatzordnung erforderlich ist, so kann für das faktische Organmitglied nichts anderes gelten. Soll der Schutzzweck des Gesetzes nicht verfehlt werden, ist mithin die Einbeziehung desjenigen geboten, der wie ein Geschäftsleiter handelt, ohne dazu berufen zu sein177. Eine solche weite Fassung des Normadressatenkreises ist den Betroffenen auch ohne weiteres zumutbar. Wer sich die Stellung eines Organmitglieds anmaßt und sich dabei von dem Umstand der fehlenden Bestellung nicht abhalten lässt, kann kaum mit dem Einwand gehört werden, er könne mangels Bestellung nicht in Anspruch genommen werden. Das ist letztlich Ausfluss des Verbots des venire contra factum proprium178 . Umgekehrt haftet er aber auch nicht strenger als ein formell bestelltes Organmitglied und kann daher das breite Ermessen eines Geschäftsleiters179 für sich in Anspruch nehmen180 . Mag auch mit der Anmaßung einer Organstellung der wesentliche Wertungsgesichtspunkt benannt sein, so bedarf die Figur des faktischen Organmitglieds doch der weiteren tatbestandlichen Ausformung, um der praktischen Rechtsanwendung zugänglich zu sein. Nur so lässt sich verhindern, dass diese uferlos ausgedehnt wird und am Ende jeder, der in irgendeiner Weise gesellschaftsbezogen Einfluss nimmt, der organschaftlichen Verantwortlichkeit unterworfen wird. In diesem Zusammenhang werden in Rechtsprechung und Schrifttum zahlreiche Kriterien genannt, von denen einige nicht überzeugen können und deshalb vorab auszusondern sind. 2. Untaugliche Eingrenzungskriterien a) Amtstauglichkeit Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt eine Haftung als faktisches Organ nur hinsichtlich natürlicher unbeschränkt geschäftsfähiger PerHandeln „wie ein Geschäftsführer“ nicht genügt, vielmehr eine Organverdrängung erforderlich ist, unten 2 d). 177 Im Hinblick auf § 64 Abs. 2 GmbHG ebenso BGHZ 104, 44, 47 f.; vgl. daneben OLG Düsseldorf NZG 2000, 312, 313; MünchKommAktG/Semler, § 116 Rdn. 52. 178 GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rdn. 49; Ehricke, Konzernunternehmen, S. 246. 179 Vgl. jetzt § 93 Abs. 1 S. 2 AktG; zuvor BGHZ 135, 244, 253; BGH NZG 2002, 195, 196. 180 Fleischer, AG 2004, 517, 528; vgl. zum faktischen Geschäftsführer in der EinpersonenGmbH BGHZ 119, 257, 261; Drygala, ZIP 2005, 423, 430; daneben Mertens, FS R. Fischer, S. 461, 465.
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sonen in Betracht181. Was nach §§ 6 Abs. 2 GmbHG, 76 Abs. 3 AktG für das rechtlich dem geschäftsführenden Organ angehörende Mitglied gelte, sei auch für die Beurteilung maßgeblich, ob jemand faktisch als Mitglied des geschäftsführenden Organs in Betracht komme. Ruft man sich indes noch einmal in Erinnerung, dass der maßgebliche Haftungsgrund in der rechtswidrigen Anmaßung der Organposition liegt, so ist nicht einzusehen, warum es für die Sanktionierung in diesem Zusammenhang begangener Pflichtwidrigkeiten auf die Amtstauglichkeit des Handelnden ankommen soll182 . Das drängt sich hinsichtlich desjenigen, der seine Amtsfähigkeit aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung eingebüßt hat, geradezu auf. Denn die in §§ 6 Abs. 2 S. 3 GmbHG, 76 Abs. 3 S. 3 AktG getroffenen Regelungen sollen doch wohl allein die Gesellschaft und die Allgemeinheit vor einem nicht vertrauenswürdigen Geschäftsleiter schützen, nicht aber den Straftäter vor einer Inanspruchnahme wegen pflichtvergessener Geschäftsführung. Ganz ähnliche Erwägungen streiten für die Einbeziehung juristischer Personen183 . Zwar hat sich der Gesetzgeber aus guten Gründen dafür entschieden, nur natürliche Personen als Geschäftsleiter zuzulassen. Er wollte damit vor allem sicherstellen, dass für die zahlreichen öffentlich-rechtlichen Pfl ichten ein persönlich Verantwortlicher zur Verfügung steht und die organschaftlichen Haftungsvorschriften möglichst effektiv ihre präventiv verhaltenssteuernde Wirkung entfalten können184 . Hat eine juristische Person handelnd durch ihre Organe eine Organstellung aber tatsächlich okkupiert, so ist dieser Normzweck bereits verfehlt und der betroffenen Gesellschaft am besten dadurch gedient, dass sie für schädigende Verhaltensweisen zumindest Schadensersatz verlangen kann. Die formell bestellten Organmitglieder werden dadurch regelmäßig nicht entlastet, sondern stehen vielmehr, wie vom Gesetz beabsichtigt, weiterhin als Adressaten der öffentlich-rechtlichen Pfl ichten wie auch als Haftungsschuldner zur Verfügung185 . Der These des BGH, als faktisches Organmitglied komme nur in Betracht, wer auch rechtlich dem Geschäftsführungsorgan angehören könne, überzeugt daher allein hinsichtlich der nicht voll Geschäftsfähigen. Deren Haftung wäre mit dem Schutzanliegen der §§ 104 ff. BGB 181 BGHZ 150, 61, 68; ebenso Michalski/Haas, GmbHG, § 43 Rdn. 25; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck GmbHG, § 43 Rdn. 3; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rdn. 12; Geißler, GmbHR 2003, 1106, 1107. 182 Wie hier Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdn. 15, 18; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 401. 183 Für eine Haftung juristischer Personen als faktisches Organ auch Fleischer, AG 2004, 517, 526; ders., Handbuch des Vorstandsrechts, § 11 Rdn. 28; Ehricke, Konzernunternehmen, S. 229; Burgard, NZG 2002, 606, 607 f.; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 401; ebenso die ganz überwiegende Meinung in der Schweiz, s. Vogel, Haftung der Muttergesellschaft, S. 389 ff. 184 Näher dazu oben § 10 B II 1. 185 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 IV 4b (S. 420); Konzen, NJW 1989, 2977, 2985.
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in der Tat unvereinbar; im Übrigen kommen jedoch als faktisches Organ sowohl juristische Personen als auch sonst amtsuntaugliche natürliche Personen in Betracht. b) Kenntnis oder Duldung der Gesellschaft Nach verbreiteter Auffassung erfordert die Qualifikation als faktisches Organmitglied die Duldung oder aber zumindest die Kenntnis des für die Bestellung zuständigen Organs, also im Falle der AG oder der mitbestimmten GmbH des Aufsichtsrats, im Übrigen der Gesellschafter186 . Eingeführt in die juristische Diskussion hat dieses Merkmal die Grundlagenentscheidung BGHSt 3, 32, in der der BGH erstmals neben dem fehlerhaften auch den faktischen Geschäftsführer als möglichen Täter der die Geschäftsführereigenschaft voraussetzenden strafrechtlichen Sondertatbestände ansah: Übe jemand im Einverständnis aller Gesellschafter die Funktion des Geschäftsführers aus, so liege darin eine, wenn auch bürgerlich-rechtlich unwirksame, so doch aber tatsächlich nicht zu negierende Bestellung187. Eine überzeugende methodische Anknüpfung an die anerkannten Grundsätze über das fehlerhafte Bestellungsverhältnis ist damit freilich nicht gelungen, denn im bloßen Einverständnis liegt überhaupt kein und nicht etwa ein nur gesellschaftsrechtlich fehlerhafter Organbestellungsakt188 . Bei Lichte betrachtet wurde vielmehr – jedenfalls aus zivilrechtlicher Sicht im Ergebnis zu Recht – eine Abkehr von dem Erfordernis einer förmlichen Bestellung vollzogen. Ausgehend von dieser Prämisse erweist sich dann aber die Kenntnis und die daran anknüpfende Duldung durch das Bestellungsorgan als überflüssiger Argumentationstopos189. So überrascht es denn auch nicht, dass es der BGH in einer späteren strafrechtlichen Grundlagenentscheidung ausdrücklich dahinstehen ließ, ob es auf das Einverständnis rechtlich überhaupt ankomme190 , und in Zivilsachen auf dieses Kriterium überhaupt noch nicht zurückgegriffen hat191. Sofern demgegenüber geltend gemacht wird, die Duldung sei das entscheidende Wertungsmoment, welches eine Zurechnung des Verhaltens an die Ge-
186 GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rdn. 50; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rdn. 47; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 93 Rdn. 12; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 64 Rdn. 11; Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 205; Damnitz/Degenhardt, WM 2005, 583, 589; Weimar, GmbHR 1997, 473, 474. 187 BGHSt 3, 32, 38; so auch Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rdn. 7. Nach OLG Karlsruhe NZG 2006, 354 genügt das Einverständnis der Mehrheit der Gesellschafter. 188 Vgl. zur Methodenkritik K. Schmidt, FS Rebmann, S. 419, 425; s. daneben oben A I 3 a). 189 So auch Stein, ZHR 148 (1984), 207, 216. 190 BGHSt 31, 118, 122 = NJW 1983, 240; wieder auf das Einverständnis abstellend dagegen BGHSt 46, 62, 64 f. = NJW 2000, 2285; daneben BayOblG NJW 1997, 1936. 191 Vgl. BGHZ 104, 44; BGHZ 150, 61; BGH ZIP 2005, 1414; ZIP 2005, 1550.
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sellschaft ermögliche192 , vermag das ebenfalls nicht zu überzeugen. Einer solchen Zurechnung bedarf es nämlich nicht, weil es – abgesehen von einer etwaigen Rechtsscheinshaftung im Außenverhältnis – gerade nicht darum geht, dass die Gesellschaft das Verhalten des faktischen Organmitglieds für und gegen sich gelten lassen muss, sondern ihr allein der durch das pfl ichtwidrige Verhalten entstandene Schaden ersetzt werden soll. Damit ist festzuhalten: Selbstverständlich wird das zuständige Bestellungsorgan häufig, wenn es seine Aufgaben ordnungsgemäß wahrnimmt, sogar typischerweise von der Tätigkeit eines faktischen Organmitglieds Kenntnis haben; um eine aus rechtlicher Sicht notwendige Tatbestandsvoraussetzung handelt es sich indessen nicht193 . c) Auftreten im Außenverhältnis Zweifelhaft ist weiterhin, ob es im Einklang mit der Spruchpraxis des BGH auf ein Auftreten im Außenverhältnis entscheidend ankommt194 . Sicher nicht zu rechtfertigen ist die entsprechende Forderung zunächst mit einem Hinweis darauf, dass die Haftung von Personen, die auf die Geschäftsführung maßgeblich Einfluss nähmen, selbst aber im Hintergrund blieben, mangels Regelungslücke ausscheiden müsse, weil § 117 AktG diese Fälle gezielt erfasse und sanktioniere195 . Denn diese Vorschrift ist ihrer Entstehungsgeschichte nach dem Deliktsrecht zuzuordnen und kann daher eine Haftung aus Sonderverbindung nicht verdrängen. Das ist für den Anspruch aus Treupflichtverletzung anerkannt und ohne weiteres auf die Verantwortlichkeit als faktisches Organmitglied zu übertragen196 . Gewichtiger ist schon der Einwand des BGH, das Handeln im Außenverhältnis präge die Tätigkeit als Mitglied eines Geschäftsführungsorgans so nachhaltig, dass ohne dieses nach dem maßgeblichen Gesamterscheinungsbild niemand „wie ein Organmitglied“ handeln könne197. Indessen repräsentiert ein Geschäftsleiter die Gesellschaft nur typischerweise auch nach außen hin; sowohl in der AG wie auch der GmbH ist aber eine Verteilung der Ge192 Vgl. Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rdn. 47; Geißler, GmbHR 2003, 1106, 1108. 193 Wie hier Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 64 Rdn. 7; Fleischer, AG 2004, 517, 524; für Entbehrlichkeit des Einverständnisses auch Ehricke, Konzernunternehmen, S. 235; Stein, ZHR 148 (1984), 207, 216; Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 95; ebenso offenbar G. H. Roth, ZGR 1989, 421, 424. 194 BGHZ 150, 61, 69 f.; BGHZ 104, 44, 48; daneben KG NZG 2000, 1032, 1033; Cahn, ZGR 2003, 298, 314 f.; Gehrlein, DK 2007, 1, 13; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rdn. 3; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rdn. 12; Jung, Unternehmergesellschafter, S. 369; Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 201 ff. 195 So aber Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 201 f.; wie hier dagegen Fleischer, AG 2004, 517, 525. 196 Vgl. zur Qualifikation als deliktischer Tatbestand oben § 7 A II; zum Verhältnis zur Treupfl icht GroßKommAktG/Kort, § 117 Rdn. 90 ff.; MünchKommAktG/Kropff, § 117 Rdn. 77. 197 BGHZ 150, 61, 70; sehr kritisch dazu Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 117 Fn. 9: petitio principii.
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schäfte denkbar, im Zuge derer einer von mehreren Geschäftsführern im Wesentlichen interne Aufgaben wahrnimmt und nur in geringem Umfang für die Gesellschaft nach außen tätig wird. Ins Methodologische gewendet folgt daraus, dass die Qualifikation als faktisches Organmitglied nicht das Ergebnis einer begrifflichen Subsumtion ist, sondern sich durch Zuordnung zu einem Typus vollzieht. Zu dessen Kennzeichnung können zwar bestimmte Merkmale angegeben werden, diese müssen aber nicht in jedem Fall allesamt vorliegen. Vielmehr können einzelne Elemente schwächer ausgebildet sein oder gar fehlen, sofern andere Merkmale besonders ausgeprägt sind und aus teleologischer Sicht dieses Defizit kompensieren198 . Im Hinblick auf einen wirksamen Schutz der Gesellschaft und ihrer Gläubiger lässt es sich aber kaum rechtfertigen, denjenigen, der aus dem Hintergrund steuernd die Geschicke der Gesellschaft lenkt und zentrale unternehmerische Entscheidungen trifft, nur deswegen per se von jeder Haftung freizustellen, weil er nicht nach außen in Erscheinung tritt. Auf das Bedürfnis, präventiv für eine Ausrichtung seines Handelns am Gesellschaftsinteresse zu sorgen und ihn repressiv für Schädigungen der Gesellschaft zur Verantwortung zu ziehen, wirkt sich dieser Mangel jedenfalls nicht aus199. Die zwingende Anknüpfung an ein Verhalten im Außenverhältnis führt lediglich dazu, dass die Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsleiters ohne Not zu einer Art typisierten Vertrauenshaftung degradiert wird 200 . Dass die genannte Beschränkung gleichwohl so verbreitet Zustimmung fi ndet, dürfte vor allem auf eine latente Sorge zurückzuführen sein, welche nicht immer offen artikuliert wird. Vor allem geht es nämlich um das durchaus nachvollziehbare Bestreben, die Gesellschafterhaftung nicht übermäßig ausufern zu lassen. Ohne das Merkmal der Außenbezogenheit – so wird argumentiert – ließen sich in der GmbH zulässige Weisungen der Gesellschafter und ein Handeln als faktisches Organ nicht mehr sachgerecht voneinander abgrenzen 201. In der Tat bringt das hier vorgezeichnete weite Verständnis der faktischen Geschäftsführung (insbesondere in Verbindung mit der Anerkennung juristischer Personen als Haftungsadressaten) das Folgeproblem mit sich, für eine sachgerechte Abstimmung mit den besonderen konzernrechtlichen Tatbeständen und der allgemeinen Haftung wegen Treupflichtverletzung sorgen zu müssen und dabei rechtsformspezifische Wertungen sowie sich daraus ergebende Haftungsbegrenzungen nicht unterlaufen zu dürfen. Das ist indessen – wie später im Ein198 Allgemein dazu Larenz, Methodenlehre, S. 220 ff.; im vorliegenden Zusammenhang Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 11 Rdn. 26. 199 So auch Haas, Gutachten E zum 66. DJT, S. 48; ders., NZI 2006, 494, 499; Burgard, NZG 2002, 606, 608. 200 Dafür Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 III 6 (S. 211); Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355, 359. 201 Vgl. Cahn, ZGR 2003, 298, 314; Henze, BB 2002, 1011, 1012; Gehrlein, DK 2007, 1, 13.
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zelnen zu zeigen ist 202 – durchaus möglich und rechtfertigt keinesfalls, den „Drahtzieher“ im Hintergrund 203 kurzerhand von jeglicher Verantwortung freizustellen. Ohne dass das sachlich begründet wäre, profitierten davon nämlich auch außenstehende Dritte wie Berater oder Kreditgeber, die regelmäßig nur intern Einfluss nehmen und einer sonstigen spezifisch gesellschaftsrechtlichen Haftung nicht unterliegen 204 . Ein Auftreten im Außenverhältnis ist nach alldem ebenso wie die zuvor behandelte Duldung durch die Gesellschaft als ein zwar typischerweise anzutreffendes, aber keineswegs unerlässliches Merkmal faktischer Organschaft zu charakterisieren 205 . d) Verdrängung der gesetzlichen Geschäftsleitung In ihrer grundlegenden Abhandlung zum faktischen Organ geht Stein 206 von der Prämisse aus, ein Bedürfnis für eine Rechtsfortbildung bestehe nur dort, wo die gesetzliche Organhaftung im Einzelfall keinen adäquaten Schutz biete. Wie ein Organ zur Verantwortung zu ziehen sei daher nur, wer die formell berufenen Organmitglieder als Verantwortungsträger ausschalte und damit der Gesellschaft und ihren Gläubigern den Primärschutz gesetzmäßiger Pflichterfüllung wie auch den Sekundärschutz des Haftungszugriffs auf das bestellte Organ entziehe. Obschon dieser Vorschlag, eine „Organhaftung wegen Organverdrängung“ anzunehmen, im Schrifttum durchaus Anhänger gefunden hat 207, kann die ihm zugrunde liegende, auf den Entzug des Haftungssubjekts abzielende Perspektive in dieser Allgemeinheit gleichwohl nicht überzeugen. Denn richtet man den Blick vorrangig auf den ordentlichen Organwalter und die Frage, ob er als Schuldner tatsächlich zur Verfügung steht, ist es nur folgerichtig, mit Stein die Haftung wegen faktischer Organschaft davon abhängig zu machen, ob der amtierende Geschäftsleiter, der pflichtwidrig die Vorgaben eines Dritten umsetzt, hinreichend finanziell leistungsfähig ist oder nicht 208 . Sachgerecht ist das freilich nicht 209.
202
Näher dazu unter 4. So die anschauliche Charakterisierung von Fleischer, AG 2004, 517, 525. 204 Zutreffend Stein, ZHR 148 (1984), 206, 220. 205 Zutreffend Fleischer, AG 2004, 517, 525; ders., Handbuch des Vorstandsrechts, § 11 Rdn. 26; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdn. 15; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 117; Stein, ZHR 148 (1984), 207, 220; Burgard, NZG 2002, 606, 607 f.; offenbar auch OLG Jena ZIP 2002, 631, 632; jedenfalls für den pfl ichtgebundenen Bereich Haas, Gutachten E zum 66. DJT, S. 101; ders., NZI 2006, 494, 497 f. 206 Stein, Faktisches Organ, S. 184 f. 207 Vgl. Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rdn. 7; KölnKommAktG/Mertens, § 93 Rdn. 12; GroßKommAktG/Kort, § 117 Rdn. 79 f.; Drygala, ZIP 2005, 423, 431; ganz ähnlich Michalski/Haas, GmbHG, § 43 Rdn. 30. 208 So in der Tat Stein, Faktisches Organ, S. 172; Michalski/Haas, GmbHG, § 43 Rdn. 30. 209 Ziemons, Haftung der GmbH-Gesellschafter, S. 72; Jung, Unternehmergesellschafter, S. 369. 203
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Richtig ist es demgegenüber, genau umgekehrt anzusetzen, den Hintermann in das Zentrum der Überlegungen zu stellen und zu fragen, ob er in einem Maße auf die Geschäftsführung Einfluss genommen hat, welches eine organspezifische Gefährdungslage begründet 210 . Unter dieser Voraussetzung besteht nämlich das Bedürfnis, den Betreffenden den rigiden organschaftlichen Haftungsregeln zu unterwerfen, welche sich im Vorfeld verhaltenssteuernd auswirken oder zumindest im Nachhinein für einen effektiven Schadensausgleich sorgen. Ebensowenig wie das formell bestellte kann sich daher auch das faktische Organmitglied darauf berufen, dass neben ihm noch weitere Organmitglieder an einer Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft beteiligt waren 211. Zuzustimmen ist daher im Grundsatz212 der Rechtsprechung des BGH, die ebenfalls keine vollständige Verdrängung der gesetzlichen Geschäftsführung verlangt, sofern nur der in Anspruch Genommene in maßgeblichem Umfang Geschäftsführungsfunktionen übernommen hat, wie sie nach Gesetz und Gesellschaftsvertrag für den Geschäftsführer oder Mitgeschäftsführer kennzeichnend sind 213 . 3. Konkretisierung des Haftungstatbestandes Nach den bisher getroffenen Feststellungen sind also weder die Amtstauglichkeit, die Duldung durch das zuständige Bestellungsorgan, ein nachhaltig auch nach außen hervortretendes Handeln noch schließlich die vollständige Verdrängung der gesetzlichen Geschäftsführung für die Qualifikation als faktisches Organmitglied ausschlaggebend. Der Haftung ist vielmehr jeder zu unterwerfen, der die Organstellung eines Geschäftsleiters in einem Maße usurpiert hat, welches als Kompensation die Anwendung des besonderen organschaftlichen Verantwortlichkeitsregimes erfordert. Das wiederum ist angesichts der einschneidenden Rechtsfolgen nur dann der Fall, wenn eine hoch anzusetzende Wesentlichkeitsschwelle überschritten ist. Im Ausgangspunkt zutreffend stellt daher die höchstrichterliche Rechtsprechung darauf ab, ob nach einer „Gesamtschau“ der potentielle Normadressat „in maßgeblichem 210 Zutreffend Fleischer, AG 2004, 517, 525; ders., Handbuch des Vorstandsrechts, § 11 Rdn. 25. 211 Vgl. zum gesetzlichen Geschäftsführer nur BGH NJW 1983, 1856; Fleischer, BB 2004, 2645, 2647; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 93 Rdn. 77; Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rdn. 26; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rdn. 45. 212 Bedeutung kommt dem Merkmal einer Organverdrängung dagegen bei der Frage einer Haftung wegen unterlassener Geschäftsleitung zu, s. näher 3 c). 213 BGHZ 104, 44, 48 mit insofern kritischer Anmerkung von G. H. Roth, ZGR 1989, 421, 425; ebenfalls gegen das Erfordernis einer Organverdrängung aber Fleischer, AG 2004, 517, 525; GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rdn. 49, 51; Konzen, NJW 1989, 2977, 2985; Jung, Unternehmergesellschafter, S. 368 f.; Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 205; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rdn. 12; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rdn. 3.
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Umfang Geschäftsführungsfunktionen übernommen hat“214 und ihm gegenüber den formellen Geschäftsführern zumindest ein „Übergewicht“215 zukommt. Diese notwendigerweise generalklauselartigen Umschreibungen sehen sich allerdings dem Einwand ausgesetzt, sie ermöglichten im Einzelfall keine hinreichend sichere Abgrenzung, wann eine faktische Übernahme der Geschäftsleitung vorliege und wann nur Gesellschafterrechte ausgeübt oder berechtigte Interessen eines Vertragspartners wahrgenommen werden 216 . Nun darf dieser Aspekt sicher nicht überbewertet werden, sind doch Abgrenzungsprobleme, wie der BGH in anderem Zusammenhang zu Recht ausgeführt hat, „ein allenthalben anzutreffendes und auch sonst zu bewältigendes Phänomen der Rechtsanwendung“217. Zur näheren Konkretisierung der tatbestandlichen Voraussetzungen und damit gleichzeitig zur Abschichtung von der Haftung auszunehmender Fallgruppen kann aber eine Formel beitragen, die im schweizerischen Schrifttum entwickelt wurde und sich, worauf Fleischer zutreffend hingewiesen hat 218 , auch für das deutsche Recht als weiterführend erweist. Danach setzt eine faktische Organschaft die Ausübung organspezifi scher Funktionen in organtypischer Weise voraus219. a) Wahrnehmung organspezifischer Funktionen Zunächst wird selbstverständlich niemand allein dadurch zum faktischen Organmitglied, dass er überhaupt Geschäftsführungsaufgaben in einer Kapitalgesellschaft wahrnimmt. So besteht gar kein Anlass, nachrangige Unternehmensangehörige, die die ihnen zugewiesene Rolle eines weisungsgebundenen Angestellten nicht überschreiten, nach organschaftlichen Grundsätzen zur Verantwortung zu ziehen. Selbst wenn es sich um Prokuristen oder andere leitende Angestellte handelt, genügt vielmehr die schuldrechtliche Arbeitnehmerhaftung vollauf220 . Erst die Übernahme solcher Aufgaben, die das Alltagsgeschäft übersteigen und den herausgehobenen Kernbereich der dem Geschäfts214
BGHZ 104, 44, 48; daneben Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 64 Rdn. 7. BGHSt 46, 62, 65 = NJW 2000, 2285; BGHSt 31, 118, 122 = NJW 1983, 240; BayObLG NJW 1997, 1936. 216 Vgl. Ehricke, Konzernunternehmen, S. 242; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 399; eindringlich die Problematik der Rechtssicherheit betonend auch Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 108 ff. 217 BGHZ 155, 318, 324 zur Altmantelverwendung. 218 Fleischer, AG 2004, 517, 524; ders., Handbuch des Vorstandsrechts, § 11 Rdn. 23. 219 Grundlegend Forstmoser, FS Meier-Hayoz, S. 125, 146 ff.; vgl. daneben Vogel, Haftung der Muttergesellschaft, S. 304 ff. Im Ergebnis ähnlich Ehricke, Konzernunternehmen, S. 247, der eine „formale“ (Stellung im „Lager“ der Gesellschaft) und eine „materielle“ (maßgeblicher Einfluss) Voraussetzung nebeneinander stellt. 220 OLG Düsseldorf GmbHR 1993, 159; Fleischer, AG 2004, 517, 524, 526; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 64 Rdn. 7; Stein, ZHR 148 (1984), 207, 232 f.; aus strafrechtlicher Sicht Bisson, GmbHR 2005, 843, 850. 215
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führungsorgan speziell anvertrauten Leitung der Gesellschaft betreffen, mithin die Wahrnehmung organspezifischer Aufgaben kann das Bedürfnis nach der weitergehenden organschaftlichen Verantwortlichkeit aufkommen lassen. Freilich genügen dafür nicht bereits einige wenige gezielte Einzeleingriffe 221 , vielmehr gefährdet allein eine längere Störung oder zumindest eine entsprechend hohe Eingriffsdichte das Funktionieren der ordentlichen Organe 222 . Während die nähere Bestimmung der organtypischen Aufgaben hinsichtlich des Vorstands der AG keine grundsätzlichen Probleme aufwirft, weil das Gesetz selbst in § 76 AktG als Kern der Vorstandstätigkeit die Leitung der Gesellschaft benennt, ist das gesetzliche Organisationsmodell der GmbH weitaus flexibler und lässt eine große Bandbreite an möglichen Aufgabenverteilungen innerhalb der Gesellschaft zu. Davon ausgehend hat Haas 223 argumentiert, es lasse sich anhand rechtlicher Kriterien überhaupt nicht bestimmen, ob ein Dritter funktionell mit einem ordentlichen Geschäftsführer vergleichbar sei. Insbesondere könne ein Gesellschafter nicht schon deshalb zum faktischen Geschäftsführer werden, weil er die Grundzüge der Unternehmenspolitik bestimme, außergewöhnliche Unternehmensmaßnahmen treffe und leitende Angestellte auswähle 224 . Dabei handele es sich nämlich um Führungsaufgaben, die originär der Gesellschafterversammlung und nicht dem Geschäftsführer zustünden 225 . Dieser Einschätzung ist schon im Ausgangspunkt zu widersprechen. Nach zutreffender Auffassung kommt den Geschäftsführern eine umfassende Geschäftsführungsbefugnis zu, die nur unter dem Vorbehalt der abweichenden Regelungskompetenz des Satzungsgebers und der Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung steht 226 . Daher müssen sie auch für strategische Entscheidungen oder außergewöhnliche Geschäfte nur dann die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einholen, wenn die beabsichtigten Maßnahmen mit den von den Gesellschaftern festgesetzten Grundsätzen der Geschäftspolitik nicht in Einklang stehen oder mit einem Widerspruch der Gesellschafter zu rechnen ist 227. Gerade weil und insofern sie – sei es formell berufen oder infolge 221 So aber tendenziell Fleischer, AG 2004, 517, 525; für das schweizerische Recht noch pointierter Bertschinger, FS Forstmoser, S. 454, 459; Vogel, Haftung der Muttergesellschaft, S. 310 f. 222 Wie hier Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdn. 15; Konzen, NJW 1989, 2977, 2985. 223 Michalski/Haas, GmbHG, § 43 Rdn. 26 f.; ders., NZI 2006, 494, 499. 224 So BayObLG NJW 1997, 1936; OLG Düsseldorf GmbHR 1994, 317, 318. 225 Michalski/Haas, GmbHG, § 43 Rdn. 27 unter Berufung auf BGH ZIP 1991, 509, 510, wo allerdings nur entschieden wurde, dass ein eigenmächtiges Abweichen von einer vorgegebenen Geschäftspolitik unzulässig ist; vgl. auch Groß, Faktische Vertretungsorgane, S. 139 f. 226 Eingehend Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rdn. 6 ff.; Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 37 Rdn. 4 ff.; Kort, ZIP 1991, 1274, 1275 ff.; Zitzmann, Vorlagepfl ichten des GmbH-Geschäftsführers, S. 63 ff. 227 Die Gegenauffassung sieht sich dazu genötigt, eine Ersatzzuständigkeit der Geschäftsführer anzunehmen, wenn die Gesellschafter ausdrücklich oder rein tatsächlich ihre unter-
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faktischer Amtsanmaßung – als verantwortliche Unternehmensleiter die Gesellschaft nach innen und außen repräsentieren und nicht als bloß leitende Angestellte fungieren, besteht das Bedürfnis, sie einem besonderen Verantwortlichkeitsregime zu unterwerfen. Aber auch wenn man im Anschluss an die Gegenauffassung unterstellt, es sei Sache der Gesellschafter über die Unternehmenspolitik und ungewöhnliche Einzelmaßnahmen zu entscheiden 228 , folgt daraus kein anderes Ergebnis. Vielmehr gilt auch dann, dass derjenige, der faktisch solche im Bereich der Geschäftsführung zu verortenden Aufgaben wahrnimmt, dafür nicht anders als ein formell bestellter Geschäftsführer, der seine Kompetenzen überschreitet, nach organschaftlichen Grundsätzen haftbar zu machen ist. Somit lässt sich festhalten: Faktischer Unternehmensleiter kann nur sein, wer über einen längeren Zeitraum oder zumindest mit hoher Eingriffsdichte organspezifische Funktionen ausübt. Im Hinblick auf die AG ist dafür nach dem Leitbild des § 76 AktG eine Mitwirkung an der Leitung der Gesellschaft erforderlich; in der GmbH kommt es auf eine überragende oder zumindest maßgebliche Stellung innerhalb des Unternehmens an. Leitende Angestellte, die sich rollenkonform verhalten, erfüllen diese Voraussetzung nicht. b) Wahrnehmung in organtypischer Weise Weiterhin muss das faktische Organmitglied aus einer organtypischen Stellung heraus handeln. Das wiederum setzt ein Eindringen in die gesellschaftsinterne Organisationsstruktur voraus und ist in Fällen bloß wirtschaftlicher Abhängigkeit der Gesellschaft von einem Vertragspartner regelmäßig zu verneinen 229. Zwar üben auch wichtige Lieferanten oder Abnehmer Druck auf die Gesellschaft aus und streben in Wahrnehmung ihrer eigenen Interessen für sich günstige, für die Gesellschaft hingegen typischerweise weniger günstige Maßnahmen an; die Entscheidungen werden aber letztlich nach wie vor von den hierzu berufenen Organen der Gesellschaft getroffen. Daher muss sich auch ein Kreditinstitut nicht nach organschaftlichen Grundsätzen verantworten, weil es die Fortführung seines Engagements in einer Krise an die Einhaltung bestimmter betriebswirtschaftlicher Schlüsselgrößen knüpft oder den Austausch einer unfähigen Geschäftsführung verlangt 230 . Eine abweichende Bewertung ist allernehmenspolitische Kompetenz nicht wahrnehmen, s. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rdn. 8; Michalski/Lenz, GmbHG, § 37 Rdn. 9. 228 Scholz/Schneider, GmbHG, § 37 Rdn. 12 ff.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rdn. 8 ff.; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rdn. 8; vgl. auch OLG Karlsruhe NZG 2000, 264, 267. 229 So auch Fleischer, AG 2004, 517, 524. Gleiches gilt für den Einfluss von Betriebsräten, s. Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdn. 15 und Beratern Dinkhoff, Faktischer Geschäftsführer, S. 109; Bertschinger, FS Forstmoser, S. 455, 459. 230 Eingehend zu solchen Covenants Kästle, Rechtsfragen der Verwendung von Covenants, passim; vgl. zum Abberufungsverlangen einer Hausbank BGH ZIP 2007, 119.
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dings dann angezeigt, wenn der Kreditgeber seine Rolle als externer Vertragspartner überschreitet 231 , in die korporative Sphäre der Gesellschaft übergreift und im Ergebnis selbst den Willen der Gesellschaft bildet 232 . Daran sind freilich hohe Anforderungen zu stellen, so dass nur ein so schwerwiegender Eingriff wie die vollständige Übernahme des Finanzressorts, welche die Führung etwaiger Vergleichsverhandlungen mit anderen Gläubigern einschließt, für die Annahme einer faktischen Organschaft genügen dürfte 233 . c) Reichweite der Organpflichten Da faktische Organschaft dem hier vertretenen Ansatz zufolge ein Normanwendungsproblem ist, muss nicht nur im Hinblick auf jede einzelne gesetzliche Vorschrift, sondern auch für jede einzelne Pfl icht gesondert untersucht werden, ob Adressat auch nicht formal zum Amtsträger bestellte Personen sein können. Was die allgemeine Geschäftsleiterhaftung nach §§ 43 GmbHG, 93 AktG angeht, so gilt das ohne weiteres nur für das Verbot, die Gesellschaft durch aktives Handeln zu schädigen. Unabhängig von der Art und Weise des Vorgehens besteht aller Anlass jeden, der nachhaltig Einfluss auf die Geschäftsführung nimmt, für eine Schädigung der Gesellschaft nach organschaftlichen Grundsätzen zur Verantwortung zu ziehen. Eine andere Frage ist dagegen, ob der Betreffende auch für ein Unterlassen haftet, also gehalten ist, die Gesellschaft in deren bestem Interesse zu leiten und alle dafür erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Zu bejahen ist das, wenn der Betreffende die ordentlichen Geschäftsleiter zumindest teilweise verdrängt und statt ihrer eigenhändig die Geschicke der Gesellschaft in seine Hand nimmt. Denn dann besteht die Gefahr, dass die eigentlich zur Entscheidung berufenen Organwalter nicht mehr hinreichend über den Zustand der Gesellschaft informiert sind und infolgedessen nicht mehr sachgerecht einschätzen können, was nunmehr im Gesellschaftsinteresse zu veranlassen geboten ist. Denkbar ist etwa, dass allein dem faktischen Geschäftsführer sich bietende Geschäftschancen bekannt sind oder er allein um die sich abzeichnende Gefahr des noch abwendbaren Verlusts eines wichtigen Kunden weiß. Stört mit anderen Worten das faktische Organ durch seine Eingriffe die gesellschaftliche Willensbildung so nachhaltig, dass ihre Funktionsfähigkeit 231
Vgl. zu diesem Argumentationstopos im Zusammenhang mit Aufklärungspfl ichten MünchKommBGB/Berger, Vor § 488 Rdn. 84, sowie dem verbundenen Geschäft § 358 Abs. 3 S. 3 BGB und dazu MünchKommBGB/Habersack, § 358 Rdn. 53. 232 Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355, 360; Fleischer, AG 2004, 517, 527; ders., Handbuch des Vorstandsrechts, § 11 Rdn. 31; Ehricke, Konzernunternehmen, S. 247. 233 Einen denkbaren Anwendungsfall bietet BGHZ 75, 96; vom BGH aaO, 106 in casu abgelehnt, allerdings unter der verfehlten (s. oben 2 d) Prämisse, dass eine vollständige Verdrängung der gesetzlichen Geschäftsführung erforderlich ist; im Ansatz wie hier Stein, Faktisches Organ, S. 188 f.; GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rdn. 51; KölnKommAktG/Mertens, § 93 Rdn. 12.
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ernsthaft in Frage gestellt ist, hat es, solange dieser rechtswidrige und daher alsbald zu beendende Zustand andauert, die Gesellschaft sachgerecht zu leiten. Insofern, aber auch nur insofern hat die Lehre von der „Organhaftung wegen Organverdrängung“234 ihren berechtigten Kern. Selbst unter dieser Voraussetzung steht das faktische Organmitglied dem ordentlich bestellten Geschäftsführer nicht zwingend in jeder Hinsicht gleich. Sofern es die gesetzlichen Geschäftsführer nicht vollständig verdrängt hat, ist es nämlich nicht für alle Gesellschaftsangelegenheiten verantwortlich, vielmehr beschränkt sich seine Verantwortlichkeit auf den von ihm übernommenen Aufgaben- und Wirkungskreis235 . Belässt es der Betreffende dagegen bei einer bloß internen Einflussnahme mittels Weisungen, so ändert das an der Anwendbarkeit des Schädigungsverbots nichts. Da die ordentlichen Geschäftsleiter aber in diesem Fall weder ganz noch auch nur weitgehend aus ihrer Stellung verdrängt werden und über die Lage der Gesellschaft umfassend orientiert sind, bleiben sie, soweit eine Einflussnahme nicht vorliegt, nicht nur rechtlich verpfl ichtet, sondern auch tatsächlich in der Lage, im Gesellschaftsinteresse zu agieren. Einer Inanspruchnahme des faktischen Organs bedarf es daher nicht, wenn nur das Schädigungsverbot sachgerecht weit ausgelegt wird. Umgekehrt ist der Gesellschaft am besten gedient, wenn der bloß faktische Geschäftsführer sich jeden weiteren Eingriffs enthält und nicht von der Rechtsordnung verpfl ichtet wird, sein verbotenes Tun fortzusetzen. Für eine allgemeine Pflicht zur Geschäftsleitung ist mit anderen Worten bei nur interner Einflussnahme im Ergebnis kein Raum 236 . 4. Gesellschafter als faktische Organmitglieder Nachdem der hier vertretenen Auffassung zufolge auch juristische Personen faktische Organwalter sein können und ein Auftreten nach außen nicht zwingend erforderlich ist, kommen prinzipiell auch alle Gesellschafter, die Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen, als Normadressaten der §§ 43 GmbHG, 93 AktG in Betracht. Gegenüber einer allzu leichtfertigen Bejahung faktischer Organschaft ist in diesem Zusammenhang indessen Zurückhaltung geboten, weil nicht wie ein Organ haften kann, wer nur seine Mitverwaltungsrechte ausübt und sich dabei intensiv mit Gesellschaftsdingen befasst 237. Das ist vielmehr 234
Näher dazu oben 2 d). OLG Düsseldorf NZG 2000, 312, 313; Fleischer, AG 2004, 517, 527; zum schweizerischen Recht Vogel, Haftung der Muttergesellschaft, S. 315. 236 Mit ähnlicher Tendenz Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 402. 237 Ebenso Haas, NZI 2006, 494, 499; Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rdn. 8; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rdn. 3; Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rdn. 2; Fleischer, AG 2004, 517, 524; GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rdn. 51; Drygala, ZIP 2005, 423, 429. 235
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nur dann gerechtfertigt, wenn ein Gesellschafter die ihm zukommende Rolle überschreitet und die Stellung eines Geschäftsleiters usurpiert, genauer: für das Geschäftsführungsorgan spezifische Funktionen in organtypischer Weise ausübt. Wann genau das der Fall ist, lässt sich mit Rücksicht auf die jeweils unterschiedliche Rechtsstellung der Gesellschafter nur rechtsformspezifisch bestimmen. a) GmbH aa) Das Weisungsrecht der Gesellschafter als Grenze für die Einflussnahme auf die Geschäftsführung Die Kompetenzverteilung innerhalb der GmbH erlaubt es den Gesellschaftern mittels Weisung an die Geschäftsführer auf die Geschäfte der Gesellschaft Einfluss zu nehmen. In der mehrgliedrigen Gesellschaft bedarf es hierfür einer Befassung der Gesellschafterversammlung, in der Einmann-GmbH ist nicht einmal das erforderlich 238 . Machen die Gesellschafter von dieser in ihrem Mitgliedschaftsrecht verankerten Befugnis Gebrauch, so handeln sie nicht als Verwalter fremden Vermögens, sondern bestimmen als Eigentümer der Gesellschaft deren Geschicke 239. Solange sie sich – als „Herren der Gesellschaft“ – im Rahmen dieses Kompetenzgefüges halten, geht es keinesfalls an, sie der organschaftlichen Haftung zu unterstellen 240 ; für Pflichtverletzungen, die ein Gesellschafter als solcher begeht, hat er vielmehr allein nach mitgliedschaftlichen Grundsätzen und somit unter dem Gesichtspunkt der Treupflichtverletzung einzustehen 241. Da die Treupflicht aber grundsätzlich verzichtbar ist und damit das Interesse der Gesellschaft auch unabhängig von einer förmlichen Änderung des Gesellschaftszwecks von Fall zu Fall definiert werden kann, scheidet eine Haftung sowohl der Gesellschafter wie auch der ausführenden Geschäftsführer aus, sofern unter den Gesellschaftern Einvernehmen über die zu treffenden Maßnahmen besteht 242 . Das Recht des Alleingesellschafters und der einverständlich handelnden Gesellschafter, ihre eigene Gesellschaft zu schädigen, fin238
BGHZ 119, 257, 261; Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rdn. 22. 239 Vgl. Priester, ZGR 1993, 512, 525; Mertens, FS R. Fischer, S. 461, 464; Michalski/Haas, GmbHG, § 43 Rdn. 31; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdn. 16. 240 So aber Wilhelm, Rechtsform und Haftung, S. 285 ff., 352 ff.; vgl. daneben dens., NJW 2003, 175, 178 ff.; Altmeppen, ZIP 2001, 1837, 1843 ff.; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 13 Rdn. 80 f., 86. 241 So die ganz herrschende Meinung, vgl. etwa BGHZ 95, 330, 340; Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 414 ff.; dens., ZIP 2001, 2021, 2025; Emmerich/Habersack, Anh. § 318 Rdn. 2; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 43 Rdn. 68; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 275 ff.; Winter, Treuebindungen, S. 117 ff.; Ziemons, Haftung der GmbHGesellschafter, S. 66 ff.; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rdn. 13. 242 BGHZ 122, 333, 336; BGHZ 142, 92, 95; BGH ZIP 2000, 493; Zöllner, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, Schlussanh. I Rdn. 101; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rdn. 122 ff.; vgl. daneben Begr. RegE zum MoMiG, BR-Drucks. 354/07, S. 74 f.
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det seine Grenze allein in den zwingenden Vorschriften über die Erhaltung des Stammkapitals und dem rechtsfortbildend entwickelten Existenzvernichtungsverbot 243 . Daneben soll in Zukunft noch die Pfl icht treten, im Falle der Führungslosigkeit der Gesellschaft einen Insolvenzantrag zu stellen 244 . Vor diesem Hintergrund kommt der Vorwurf, ein Gesellschafter habe die ihm zukommende Rolle überschritten und sich die Stellung eines Geschäftsführers angemaßt, allenfalls dann in Betracht, wenn er jenseits des Bereichs zulässiger Weisungsausübung nachhaltig und umfassend in Fragen der Geschäftsführung Einfluss nimmt. Mehreren Stimmen im jüngeren Schrifttum zufolge soll eine derartige Kompetenzverletzung dann zu bejahen sein, wenn der Geschäftsführer bis ins Detail und ohne jeden eigenen Entscheidungsspielraum mit Weisungen überzogen und dadurch zu einer bloßen Marionette degradiert werde 245 . Es könne nicht angehen, so wird argumentiert, dass die Gesellschafter durch ihre Weisungen die (laufende) Geschäftsführung praktisch vollständig übernehmen und sich gleichzeitig hinter dem körperschaftlichen Trennungsprinzip verschanzen, um den Verpflichtungen und Rechtsfolgen zu entgehen, die das Gesetz an die Geschäftsführung knüpft. Diese These steht und fällt mit der Prämisse, dass die Geschäftsführer nicht zu einem reinen Exekutivorgan herabgestuft werden dürfen, ihnen vielmehr ein Kernbereich eigenständiger Entscheidungskompetenz verbleiben muss, weil sonst die Erfüllung ihrer zwingenden Aufgaben erheblich gefährdet wäre und die vom Gesetz zugrunde gelegte Verfassung pervertiert würde 246 . Folgt man dieser Prämisse, ist die im Hinblick auf die faktische Organschaft gezogene Schlussfolgerung zumindest naheliegend. Lehnt man sie – wofür die besseren Gründe sprechen dürften – hingegen im Einklang mit der wohl überwiegenden Meinung ab247, so haften die Gesellschafter auch im Falle einer engmaschigen Weisungserteilung nicht nach organschaftlichen Grundsätzen. 243 Grundlegend BGH, Urteil vom 16.7.2007 – II ZR 3/04; BGHZ 149, 10, 16 f.; BGHZ 151, 181, 186 ff.; daneben BGH ZIP 2005, 117 und 250; eingehend dazu Emmerich/Habersack, Anh. § 318 Rdn. 33 ff. mit umfassenden Nachweisen. 244 Vgl. § 15a Abs. 3 InsO in der Fassung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG). Es handelt sich dabei, bezogen allein auf die führungslose Gesellschaft und eine bestimmte Rechtspfl icht, um eine neuartige subsidiäre organschaftliche Verantwortlichkeit (näher dazu § 5 E am Ende), die nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Rechtsprechung zum faktischen Geschäftsführer und die weitere Entwicklung hierzu nicht berühren soll, s. Begr. RegE, BRDrucks. 354/07, S. 128. 245 Ehricke, Konzernunternehmen, S. 238 ff.; Geißler, GmbHR 2003, 1106, 1112; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 399 f. 246 Vgl. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rdn. 17 mit zahlreichen Nachweisen. 247 OLG Nürnberg NZG 2000, 154, 155; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rdn. 4 f.; Scholz/Schneider, GmbHG, § 37 Rdn. 38; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 37 Rdn. 14; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 37 Rdn. 22; Drygala, ZIP 2005, 423, 430; Eisenhardt, FS Pfeiffer, S. 839, 845.
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Sicher maßt sich ein Gesellschafter die Position des Geschäftsführers allerdings an, soweit er sich nicht mehr des Instruments der Weisung bedient, sondern die von ihm angestrebten Maßnahmen eigenhändig umsetzt und dabei nach außen wie innen anstelle des hierzu berufenen Geschäftsführers tätig wird 248 . Ob daneben in der mehrgliedrigen GmbH auch die direkte Weisungserteilung an den Geschäftsführer unter Ausschaltung der hierfür allein zuständigen Gesellschafterversammlung zu einer Haftung entsprechend § 43 Abs. 2 GmbHG führen kann, ist nicht leicht zu beurteilen 249. Dogmatisch lässt sich einerseits argumentieren, der Gesellschafter handele zwar pflichtwidrig, überschreite aber nur die ihm bei der Ausübung seines mitgliedschaftlichen Rechts gesetzten Grenzen. Andererseits wäre auch der Vorwurf, er habe sich einen ihm nicht zustehenden Einfluss auf die Geschäftsführung angemaßt, nicht per se haltlos. Angesichts dieses zwiespältigen Befunds gilt es, sich Klarheit zu verschaffen, inwiefern eine Haftung nach organschaftlichen Grundsätzen über diejenige wegen der ohne weiteres gegebenen Treupflichtverletzung hinausgeht und ob diese weitergehende Verantwortlichkeit sich in der Sache rechtfertigen lässt. bb) Bedeutung der faktischen Organschaft neben einer Haftung wegen Treupflichtverletzung Der Geschäftsführer hat als Treuhänder fremder Interessen gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmanns anzuwenden. Welcher Verschuldensmaßstab bei der Haftung wegen Verletzung der mitgliedschaftlichen Treupflicht zum Zuge kommt, ist dagegen noch nicht abschließend geklärt. Im Hinblick auf personalistische Gesellschaften ohne etablierte Mehrheitsverhältnisse wird immer wieder die eigenübliche Sorgfalt entsprechend § 708 BGB ins Spiel gebracht 250 . Überzeugender ist es indessen, stets vom allgemeinen Grundsatz des § 276 BGB auszugehen 251. Da schon nach allgemeinem Zivilrecht gilt, dass die Sorg faltsan forderungen verkehrskreisund berufsbezogen zu bestimmen sind 252 , bleibt trotzdem genügend Raum für sachgerechte Abstufungen des Sorgfaltsmaßstabes je nach Gesellschaftsstruktur und Gesellschaftertypus. Der unternehmerisch engagierte Mehrheitsgesell248 So auch Ehricke, Konzernunternehmen, S. 245: Er verlasse den geschützten Bereich des Weisungsrechts. 249 Im vorliegenden Zusammenhang ebenfalls sehr deutlich differenzierend nach der Art der Einflussnahme Mertens, FS R. Fischer, S. 461, 464; Stein, Faktisches Organ, S. 179. 250 Vgl. Winter, Treuebindungen, S. 111; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 13 Rdn. 85; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 453; für Beschränkung auf Vorsatz aber Häsemeyer, ZHR 160 (1996), 109, 118; Krebs, Geschäftsführerhaftung, S. 224. 251 So auch Ulmer/Raiser, GmbHG, § 14 Rdn. 92; Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rdn. 84; Stein, Faktisches Organ, S. 181 f.; Scholz/Winter/Seibt, GmbHG, § 14 Rdn. 62. 252 Vgl. nur MünchKommBGB/Grundmann, § 276 Rdn. 57 ff.
B. Die Verantwortlichkeit faktischer Organmitglieder
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schafter muss sich mithin anders behandeln lassen als ein durchschnittlicher Anlagegesellschafter. So hat sich zu Recht die Auffassung durchgesetzt, dass für die Treupflichtverletzung des herrschenden Unternehmens zur Konkretisierung des § 276 BGB auf einen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter abzustellen ist 253 . Im Ergebnis wird sich daher für einen Gesellschafter, der über die erforderlichen Machtmittel und den Gestaltungswillen verfügt, in einem die Qualifizierung als faktischer Geschäftsführer rechtfertigenden Umfang auf die Leitung der Gesellschaft Einfluss zu nehmen, auch für die Haftung wegen Verletzung der Treupflicht ein von § 43 Abs. 1 GmbHG praktisch nicht zu unterscheidender Sorgfaltsmaßstab ergeben. Keine größere Bedeutung dürfte der faktischen Organschaft weiterhin im Zusammenhang mit der Beweislastverteilung zukommen. In konsequenter Fortsetzung des soeben Ausgeführten ist zumindest dem herrschenden Unternehmen, das wegen Verletzung der Treupflicht in Anspruch genommen wird, entsprechend § 93 Abs. 2 S. 2 AktG der Nachweis zuzumuten, dass ihm ein Verschulden nicht zur Last fällt 254 . Davon abgesehen und auch jenseits des Konzernzusammenhangs greift jedenfalls die allgemeine Beweislastumkehr des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Ob man eine Haftung wegen schädigender Einflussnahme an der Gesellschafterversammlung vorbei nur auf die Treupflicht oder darüber hinaus auch auf den Gesichtspunkt faktischer Geschäftsführung stützt, ist somit für die praktische Rechtsanwendung ohne Belang. Bedeutsamer sind mögliche Handlungspflichten. Zwar kann auch ihre Treupflicht die Gesellschafter zu aktivem Tätigwerden verpflichten, wenn das im Gesellschaftsinteresse ausnahmsweise zwingend geboten ist. So können sie etwa gehalten sein, die Satzung an veränderte Umstände anzupassen oder an Kapitalmaßnahmen zu Sanierungszwecken mitzuwirken 255 . Für den Bereich der Geschäftsführung lässt sich nach zutreffender herrschender Auffassung hingegen eine Treupflichtverletzung wegen bloßer Untätigkeit nicht begründen 256 . Statt ihnen Weisungen zu erteilen, können die Gesellschafter den Geschäftsführern nämlich freie Hand bei der Unternehmensführung lassen 257 ; ihr Eingreifen ist mithin zur Wahrung des Gesellschaftsinteresses nicht erforder253 BGH NJW 1976, 191, 192; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rdn. 18; Emmerich/Habersack, Anh. § 318 Rdn. 29; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftung, S. 339 f.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 43 Rdn. 69; Liebscher, GmbH-Konzernrecht, Rdn. 376. 254 Emmerich/Habersack, Anh. § 318 Rdn. 30; Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. § 13 Rdn. 85a; näher zu den Anforderungen BGHZ 152, 280; Hüffer, AktG, § 93 Rdn. 16 f. 255 BGHZ 98, 276, 278; BGHZ 129, 136, 151 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rdn. 30; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 13 Rdn. 51. 256 Vgl. Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 414 f.; Winter, Treuebindungen, S. 118 f.; Michalski/ Haas, GmbHG, § 43 Rdn. 31; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 215; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 43 Rdn. 68; Ziemons, Haftung der GmbH-Gesellschafter, S. 70. 257 Winter, Treuebindungen, S. 119; Willburger, Durchgriff auf die Gesellschafter, S. 71.
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§ 11 Die Bestellung zum Organwalter
lich. Diese allgemeinen Überlegungen harmonisieren bestens mit dem heutigen Stand der konzernrechtlichen Diskussion, der sich dahingehend zusammenfassen lässt, dass eine Konzernleitungspflicht des herrschenden Unternehmens gegenüber der abhängigen GmbH nicht besteht 258 . Eine Verantwortlichkeit nach organschaftlichen Grundsätzen brächte demgegenüber die Möglichkeit mit sich, dem Gesellschafter auch im Bereich der Geschäftsführung Handlungspflichten aufzuerlegen 259. Nach den oben angestellten Überlegungen über die Reichweite der Organpflichten des faktischen Geschäftsführers ist allerdings genau dieses Anliegen differenziert zu beurteilen 260 . Lenkt ein Gesellschafter unter Ausschaltung der Gesellschafterversammlung wie der ordentlich bestellte Geschäftsführer eigenhändig die Geschicke der Gesellschaft und nimmt in maßgeblichem Umfang Geschäftsführungshandlungen vor, ist es durchaus gerechtfertigt, das Schädigungsverbot zu einem Gebot sachgerechter Leitung zu erweitern 261. Dann lässt sich nämlich nur noch auf diese Weise sicherstellen, dass die Interessen der Gesellschaft angemessen geschützt werden. Zwar ließe sich unter den genannten Voraussetzungen möglicherweise auch im Rahmen der ja ganz auf die Umstände des Einzelfalles abzielenden mitgliedschaftlichen Treupfl icht ein Unterlassen sanktionieren; dogmatisch vorzugswürdig ist es jedoch eine Verantwortlichkeit, für deren Rechtfertigung und Ausgestaltung auf organschaftliche Grundsätze zurückzugreifen ist, auch systematisch entsprechend zu verankern 262 . Beschränkt sich der Gesellschafter demgegenüber darauf, mittels rechtswidriger Weisungen an der Gesellschafterversammlung vorbei auf die Geschäftsführung Einfluss zu nehmen, besteht für eine umfassende Leitungspflicht und somit für weitere an sich unerwünschte Eingriffe des Gesellschafters kein Bedürfnis, weil die ordentlichen Geschäftsführer weiterhin tatsächlich in der Lage sind, die Belange der Gesellschaft sachgerecht wahrzunehmen 263 .
258 Vgl. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Schlussanhang Rdn. 159; Löbbe, Unternehmenskontrolle, S. 98. 259 Vgl. Wilhelm, Rechtsform und Haftung, S. 355 f.; dens., DB 1986, 2113, 2118; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 117 f.; Jung, Unternehmergesellschafter, S. 370. 260 Vgl. 3 c). 261 So auch Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 402 f.; noch weitergehend Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdn. 18. Ein Bedürfnis für die Ergänzung der mitgliedschaftlichen durch die organschaftliche Haftung gerade im Hinblick auf Handlungspfl ichten erkennt auch Winter, Treuebindungen, S. 118 an. 262 Mit anderen Worten lässt sich eine Treupfl ichtverletzung nur unter Heranziehung der von der Lehre von der faktischen Organstellung entwickelten Gedanken begründen, vgl. dazu in etwas anderem Zusammenhang Stein, Faktisches Organ, S. 188. 263 Im Ergebnis ebenfalls gegen entsprechende Anwendung des § 43 Abs. 2 GmbHG Haas, NZI 2006, 494, 499.
B. Die Verantwortlichkeit faktischer Organmitglieder
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cc) Fazit Eine Haftung des GmbH-Gesellschafters nach organschaftlichen Grundsätzen kommt von vornherein allein dann in Betracht, wenn er seine ihm zugewiesene Rolle überschreitet, indem an der Gesellschafterversammlung vorbei nachhaltig die Geschäftsführung steuert oder diese gar selbst in wesentlichem Umfang ausübt. Gegenüber der daneben einschlägigen Haftung wegen Treupflichtverletzung hat das weniger im Hinblick auf den Haftungsmaßstab und die Beweislast als vielmehr im Hinblick darauf Bedeutung, dass der Gesellschafter nicht mehr nur schädigende Handlungen zu unterlassen hat, sondern auch einer Pflicht zum aktiven Tätigwerden unterliegen kann. Letzteres wiederum ist nur zu bejahen, soweit der Gesellschafter selbst die Geschäftsführung übernimmt. Auch dann haftet der Gesellschafter aber nur wie ein Geschäftsführer. In den Grenzen des § 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG stehen entsprechende Ansprüche daher zur Disposition der einverständlich handelnden Gesellschafter und scheiden in der Einpersonengesellschaft per se aus264 . b) Aktiengesellschaft aa) Unverbundene Gesellschaft Für die unverbundene AG ist von der Vorschrift des § 117 AktG auszugehen, die zwar eine schädigende Einflussnahme auf die Organe der Gesellschaft sanktioniert, die Haftung aber auf vorsätzliches Handeln beschränkt. Der BGH hat dieses Vorsatzerfordernis auf die Haftung wegen Treupflichtverletzung übertragen, soweit es um eine treuwidrige Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung geht, und zur Begründung angeführt, insbesondere der Kleinaktionär dürfe nicht durch die Gefahr einer Schadensersatzhaftung bereits wegen einer fahrlässig begangenen Pflichtwidrigkeit von der Ausübung seines Stimmrechts abgeschreckt werden 265 . Diese Erwägung lässt sich auf die Ausübung sonstiger Gesellschafterrechte wie die Erhebung einer Anfechtungsklage übertragen 266 . Ob dieser Maßstab aber auch außerhalb dieses Bereichs im Allgemeinen und bei der rechtswidrigen Usurpation von Geschäftsführungsmacht im Besonderen zur Anwendung gelangt, ist noch nicht ausdiskutiert 267. Kein Raum für ein solches Privileg ist jedenfalls dort, wo der Mehrheitsaktionär unter Ausnutzung seiner Stellung in maßgeblichem Umfang Geschäftsführungsfunktionen eigenhändig übernimmt und unter zumindest weitgehen264
Vgl. Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 277 f.; Haas, NZI 2006, 494, 499. BGHZ 129, 136, 162 ff.; das Schrifttum ist dem überwiegend gefolgt, s. GroßKommAktG/Henze/Notz, Anh. § 53a Rdn. 147 mit umfangreichen Nachweisen. 266 So auch Grunewald, FS Kropff, S. 89, 99; Baums, Gutachten F zum 63. DJT, S. 187. 267 Ganz allgemein für das Vorsatzerfordernis auch hier MünchKommAktG/Bungeroth, Vor § 53a Rdn. 33; GroßKommAktG/Henze/Notz, Anh. § 53a Rdn. 149; für Geltung des § 276 BGB dagegen Grunewald, FS Kropff, S. 89, 99; vgl. auch Emmerich/Habersack, § 311 Rdn. 4. 265
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§ 11 Die Bestellung zum Organwalter
der Verdrängung des Vorstands selbst die Leitung der Gesellschaft übernimmt 268 . Derjenige Aktionär, der sich auf diese Weise die Stellung eines Vorstandsmitglieds anmaßt, hat entsprechend § 93 Abs. 1 AktG wie ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter zu agieren und für ein Fehlverhalten nach organschaftlichen Grundsätzen einzustehen. Das schließt die Verantwortlichkeit für das Unterlassen im Gesellschaftsinteresse gebotener Maßnahmen ein, da eine sachgerechte Wahrnehmung der Leitungsaufgabe durch den Vorstand nicht mehr sichergestellt ist. Ebenso wie bei der GmbH hat es demgegenüber bei einem umfassend zu verstehenden Schädigungsverbot zu bewenden, wenn sich der Aktionär auf eine illegale interne Einflussnahme beschränkt 269. bb) Einflussnahme des Mutterunternehmens Was das Recht der abhängigen Gesellschaft betrifft, so ist zunächst in Erinnerung zu rufen, dass das Konzernrechtsverhältnis im Vertragskonzern nach hier vertretener Ansicht ohnehin organschaftlich zu deuten ist 270 . Das herrschende Unternehmen unterliegt daher auch einer entsprechenden Verantwortlichkeit. Für das Recht der lediglich faktisch abhängigen Gesellschaft gilt es hingegen, die Lehre von der angemaßten Organstellung mit den Vorschriften der §§ 311 ff. AktG abzustimmen. Diese erlauben es dem herrschenden Unternehmen, im Einvernehmen mit dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft seine außerhalb der Gesellschaft liegenden Interessen durchzusetzen, sofern nur die Vermögensinteressen der Gesellschaft gewahrt bleiben. Da das Gesetz somit nicht nur eine nachteilige Einflussnahme erlaubt, sondern sich darüber hinaus in § 311 Abs. 2 AktG mit einem in zeitlicher Hinsicht gestreckten Nachteilsausgleich begnügt, kommt den §§ 311 ff. AktG nach moderner Lesart nachgerade eine den Aufbau dezentral geführter Konzerne fördernde Privilegierungsfunktion zu 271. Stets aber ist der Vorstand der abhängigen AG nur berechtigt, nicht aber verpflichtet, den Weisungen des herrschenden Unternehmens zu folgen. Das herrschende Unternehmen verfügt somit über keine rechtlich gesicherte Konzernleitungsmacht; ihm kann daher erst recht keine Konzernleitungspflicht obliegen 272 .
268 Eine Haftungslücke innerhalb der gesetzlichen Vorschriften konstatieren für diesen Fall auch Stein, Faktisches Organ, S. 175 f., 188 f.; Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 202. 269 Vgl. oben a) bb). 270 Vgl. § 7 A I. 271 Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 22 ff.; Hommelhoff, Konzernleitungspfl icht, S. 124 f.; Emmerich/Habersack, § 311 Rdn. 2; KölnKommAktG/Koppensteiner, Vor § 311 Rdn. 5. 272 Fleischer, DB 2005, 759, 761 f.; Hüffer, AktG, § 311 Rdn. 8; Emmerich/Habersack, § 311 Rdn. 10; Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 23; aA S. H. Schneider/U. H. Schneider, AG 2005, 57, 61.
B. Die Verantwortlichkeit faktischer Organmitglieder
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Neben diesen ausdifferenzierten Regeln kommt der faktischen Organschaft keine eigenständige praktische Bedeutung zu 273 . Da das herrschende Unternehmen von einer ihm als Aktionär eingeräumten Rechtsmacht Gebrauch macht, lässt sich wohl schon der Vorwurf nicht erheben, es habe seine Stellung als Gesellschafter überschritten und sich eine Organstellung angemaßt. Jedenfalls aber darf die Entscheidung des Gesetzgebers zugunsten eines gestreckten Nachteilsausgleichs nicht unterlaufen werden. Ebenso wie ein Rückgriff auf den Tatbestand des § 117 AktG 274 und die Haftung wegen Treupflichtverletzung275 ausgeschlossen ist, verdrängt die Vorschrift des § 311 AktG im Rahmen ihres Anwendungsbereichs deshalb auch eine etwaige Haftung entsprechend § 93 Abs. 2 AktG. Kommt es nicht zum Nachteilsausgleich, so leben die verdrängten Tatbestände zwar wieder auf. Ein über §§ 311, 317 AktG hinausgehender Anspruch ergibt sich aber auch dann nicht. Zum einen fehlt es an einem nach §§ 311 ff. AktG ausgleichspflichtigen Nachteil nur dann, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft sich ebenso wie der Vorstand der abhängigen Gesellschaft verhalten hätte 276 . Nachteilszufügung und organschaftliche Sorgfaltspflichtverletzung sind mit anderen Worten von denselben Voraussetzungen abhängig. Zum anderen lässt sich bei der im Konzernzusammenhang regelmäßig allein in Rede stehenden internen Einflussnahme nach hier vertretener Auffassung selbst bei Bejahung einer faktischen Organstellung eine umfassende Pflicht zur Leitung und Überwachung und mithin auch eine allgemeine Konzernleitungspfl icht nicht begründen. 5. Erstreckung auf andere Organe, insbesondere den Aufsichtsrat Die Diskussion um Möglichkeit und Grenzen faktischer Organschaft konzentriert sich aus verständlichen Gründen ganz auf das Geschäftsleitungsorgan. In der Tat drängt es sich für denjenigen, der gesetzeswidrig Einfluss auf eine Gesellschaft nehmen will, auf, an dieser Stelle anzusetzen. Konzeptionell gibt es indessen keinen Grund, warum die für Vorstand und Geschäftsführer angestellten Überlegungen nicht auf andere Organe und unter ihnen insbesondere 273 Noch enger Fleischer, AG 2004, 517, 527; ders., Handbuch des Vorstandsrechts, § 11 Rdn. 33. 274 Strohn, Verfassung, S. 32 ff.; KölnKommAktG/Mertens, § 117 Rdn. 46; Hüffer, AktG, § 117 Rdn. 14; GroßKommAktG/Kort, § 117 Rdn. 262. 275 Emmerich/Habersack, § 311 Rdn. 89; KölnKommAktG/Koppensteiner, § 311 Rdn. 167 ff.; Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 26 f.; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 68 ff.; GroßKommAktG/Henze/Notz, Anh. § 53a Rdn. 156; abweichend Zöllner, ZHR 162 (1998), 235 ff.; Tröger, Treupfl icht, S. 210 ff.; Ehricke, Konzernunternehmen, S. 439 ff.; Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 317 ff. 276 BGHZ 141, 79, 88; OLG Köln ZIP 2006, 997, 1000; OLG Jena ZIP 2007, 1314, 1315; Hüffer, AktG, § 311 Rdn. 27; Emmerich/Habersack, § 311 Rdn. 40; MünchKommAktG/ Kropff, § 311 Rdn. 139 f.
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§ 11 Die Bestellung zum Organwalter
den Aufsichtsrat zu übertragen sein sollten 277. Praktische Bedeutung dürfte dabei insbesondere der Konstellation zukommen, dass zwar ein Bestellungsakt vorliegt, dieser aber derart mangelbehaftet ist, dass nicht einmal eine vorläufige Anerkennung nach der Lehre vom fehlerhaften Organverhältnis in Betracht kommt 278 . Das vermeintliche Aufsichtsratsmitglied, das gleichwohl sein Amt antritt, hat sich dann als faktisches Organ zu verantworten 279. Nichts anderes gilt, wenn ein Aufsichtsratsmitglied trotz Ablaufs seiner Amtszeit seine Tätigkeit fortsetzt. 280
IV. Zusammenfassung Es ist für jede Vorschrift und jede in Rede stehende Pflicht gesondert zu prüfen, ob Normadressat auch derjenige Organwalter ist, der sich seine Amtsstellung nur tatsächlich angemaßt hat. Aus Gründen der verfahrensrechtlichen Rechtssicherheit abzulehnen ist die Befugnis einer nicht förmlich zum Geschäftsleiter bestellten Person, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Da ohne ein Antragsrecht eine korrespondierende Antragspflicht schon aus logischen Gründen ausscheidet und sich auch Ersatzkonstruktionen wie die Umdeutung in das Verbot, das insolvente Unternehmen fortzuführen, oder das Gebot, auf die Stellung eines Insolvenzantrags hinzuwirken, nicht als weiterführend erwiesen haben, kann sich der bloß faktische Geschäftsführer entgegen der seit langem etablierten Praxis nicht wegen Insolvenzverschleppung haftbar machen. Dagegen besteht für die allgemeine Organhaftung sowohl das Bedürfnis, denjenigen, der sich die Stellung eines Geschäftsleiters anmaßt, nach den rigiden organschaftlichen Grundsätzen zur Verantwortung zu ziehen, als auch mit der Sonderverbindung kraft tatsächlicher Leitung der dogmatische Anknüpfungspunkt, eine entsprechende Haftung zu begründen. Noch nicht befriedigend gelöst ist dagegen die daran anknüpfende Frage, wie der Tatbestand faktischer Geschäftsführung näher einzugrenzen ist, damit er nicht in uferloser Weise jede gesellschaftsbezogene Einflussnahme erfasst. Sicher unrichtig ist es, insofern eine Duldung durch das zuständige Bestellungsorgan oder die Erfüllung der gesetzlichen Amtstauglichkeitsvoraussetzungen zu verlangen. Das ebenfalls häufig genannte maßgebliche Auftreten auch im Außenverhältnis und das Erfordernis einer Verdrängung der gesetzlichen Geschäftsleitung wieder277 So auch GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 116 Rdn. 12; MünchKommAktG/Semler, § 116 Rdn. 52. 278 Vgl. oben A II 2 a) bb). 279 Ebenso Hüffer, AktG, § 101 Rdn. 17; GroßKommAktG/K. Schmidt, § 250 Rdn. 31; E. Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 25 Rdn. 75; sowie bereits RGZ 152, 273, 277 ff. 280 Näher dazu Fortun/Knies, DB 2007, 1451 ff.
B. Die Verantwortlichkeit faktischer Organmitglieder
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um sind zumindest keine notwendigen Bedingungen. Entscheidend ist vielmehr, ob der Betreffende organspezifische Funktionen in organtypischer Weise ausübt. Ersteres Kriterium erlaubt, untergeordnete Tätigkeiten nachrangiger Unternehmensangehöriger auszusondern; letzteres ermöglicht die Unterscheidung zwischen unschädlichem externen Druck und haftungsbegründender Störung der innergesellschaftlichen Willensbildung. Gesellschafter schließlich können nur dann wie Organmitglieder haften, wenn sie ihre Rolle und die ihnen darin zugewiesenen Kompetenzen überschreiten. Gegenüber der Haftung wegen Verletzung ihrer mitgliedschaftlichen Treupflicht kommt dem eine eigenständige praktische Bedeutung nur insofern zu, als der Gesellschafter dann auch für das Unterlassen im Gesellschaftsinteresse gebotener Maßnahmen zur Verantwortung gezogen werden kann. Das jedoch ist allein angezeigt, wenn er nicht nur Weisungen erteilt, sondern selbst in weiten Bereichen die Geschäftsführung übernimmt und die gesetzlichen Leitungsorgane nicht mehr vollumfänglich über alle Gesellschaftsangelegenheiten im Bilde sind. Beschränkt sich das herrschende Unternehmen hingegen darauf, intern auf die abhängige Gesellschaft Einfluss zu nehmen, lässt sich auch mit dem Topos der faktischen Organschaft eine Konzernleitungspflicht gegenüber der abhängigen Gesellschaft nicht begründen. Im Konzernrecht der AG kommt überdies den speziellen Wertungen der §§ 311 ff. AktG Vorrang gegenüber allgemeinen rechtsfortbildenden Überlegungen zu.
§ 12 Handeln für den Verband A. Privates und amtliches Handeln Ein Organwalter ist nie nur Amtsträger, sondern daneben stets auch Privatperson oder anderweitig agierende juristische Person. Daher setzt zwar jeder Organakt ein Organwalterhandeln voraus, umgekehrt gilt aber nicht jedes Verhalten des Organwalters als Organakt1. An diese Einsicht knüpft sich die Frage an, wie die amtliche von der privaten Sphäre abzugrenzen ist, welche der zahlreichen Handlungen und Willensäußerungen des Organwalters dem Verband mithin als eigene zuzurechnen sind. Der Maßstab hierfür variiert je nach Sachzusammenhang. Willenserklärungen etwa wirken nur dann für und gegen den Verband, wenn der Organwalter sein Handeln für den Verband nach Maßgabe des § 164 Abs. 1 S. 2 BGB offen legt 2 . Für die Verschuldenszurechnung dagegen kommt es nach § 31 BGB darauf an, ob die zum Schadensersatz verpflichtende Handlung „in Ausführung der dem Organwalter zustehenden Verrichtungen“ begangen wurde. Eine Vermutung nach Art des § 344 Abs. 1 HGB, dass der Organwalter im Zweifel dienstlich gehandelt hat, besteht in diesem Zusammenhang nicht 3 . Entscheidend ist allein, ob ein sachlicher und nicht bloß ein zufälliger zeitlicher und örtlicher Zusammenhang mit dem Aufgabenbereich als Organwalter besteht4 . Daher kann dem Verband durchaus auch ein vorsätzlich begangenes Delikt zuzurechnen sein. Anders ist erst dort zu entscheiden, wo Handlungen in Rede stehen, die überhaupt nicht zum Aufgabenbereich der Organperson gehören oder nur bei Gelegenheit der ihm zustehenden Verrichtungen vorgenommen wurden 5 .
1
Wolff, Organschaft, Bd. 2, S. 235; Fleischer, NJW 2006, 3239, 3243. GroßKommAktG/Habersack, § 78 Rdn. 14; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 II 1 (S. 255); im Ergebnis auch Beuthien, FS Zöllner, Bd. 1, S. 87, 101; allgemein zur Anwendbarkeit der §§ 164 ff. BGB s. § 2 C II 1. 3 Fleischer, NJW 2006, 3239, 3241; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rdn. 126. 4 BGHZ 49, 19, 23; BGHZ 98, 148, 152; OLG Hamburg NZG 2002, 873. 5 Vgl. nur BGH ZIP 2007, 1560, 1561; Staudinger/Weick, BGB, § 31 Rdn. 40; Erman/ Westermann, BGB, § 31 Rdn. 5. 2
B. Doppelorganschaft – Handeln für zwei Verbände
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B. Doppelorganschaft – Handeln für zwei Verbände I. Personelle Verfl echtungen Ist der Handelnde Organwalter mehrerer Verbände, bedarf es neben der soeben behandelten Abgrenzung von privater und amtlicher Sphäre auch der Festlegung, welchem Verband das Verhalten zuzurechnen ist. Über die Zuordnung entscheidet dabei nicht der innere Wille des Akteurs, sondern die Sicht eines objektiven Beobachters 6 , die freilich auch ergeben kann, dass ein und dieselbe Verrichtung gleichzeitig Organhandlung für zwei Rechtspersonen war und daher beide gesamtschuldnerisch für einen vom Organwalter angerichteten Schaden einzustehen haben 7. Anschaulich lässt sich insofern von Doppelorganschaft sprechen8 . Besondere Aufmerksamkeit verdienen diejenigen Fälle, in denen der Betreffende nicht gänzlich losgelöst voneinander und ohne inneren Zusammenhang Aufgaben in verschiedenen Gesellschaften wahrnimmt, sondern vielmehr eine Gesellschaft aufgrund eines förmlichen Entsendungsrechts oder kraft ihres faktischen Einflusses ein Mitglied ihrer Geschäftsführung in ein Organ einer anderen Gesellschaft entsendet, damit dieses dort ihre Interessen zur Geltung bringt. Geläufig ist sowohl die Abordnung in den Aufsichtsrat9 als auch die personelle Verflechtung in Form von Vorstandsdoppelmandaten. Letztere begegnet im Konzernzusammenhang regelmäßig dergestalt, dass ein Vorstandsmitglied des herrschenden Unternehmens gleichzeitig Vorstandsvorsitzender einer abhängigen Gesellschaft ist10 . Obschon hierdurch zumindest potentielle Interessenkonflikte geradezu institutionalisiert werden, steht die Zulässigkeit dieser Praxis11 heute ebenso weithin außer Streit wie die These, dass der Handelnde die Belange jeweils derjenigen Gesellschaft vorrangig zu berücksichtigen hat, in deren Sphäre er gerade tätig wird12 . In manchen Fällen ist nun ein objektiver Konnex der Tätigkeit zum Wirkungskreis beider Gesellschaften unschwer festzustellen. So liegt es etwa dann, 6
OLG Frankfurt am Main OLGZ 1985, 112, 114; Palandt/Heinrichs, BGB, § 31 Rdn. 10; Erman/Westermann, BGB, § 31 Rdn. 5. 7 BGHZ 4, 253, 262 ff.; BGHZ 36, 296, 309. 8 So Ulmer, FS Stimpel, S. 705, 717 f. 9 Vgl. zum „Bankenvertreter“ BGHZ 90, 381; Werner, ZHR 145 (1981), 252 ff.; zu den Entsandten einer öffentlichen Körperschaft BGHZ 36, 296; allgemein Kropff, FS Huber, S. 841 ff. 10 Aschenbeck, NZG 2000, 1015; Decher, Personale Verflechtungen, S. 20 ff. 11 Vgl. zu den Vorstandsdoppelmandaten OLG Köln AG 1993, 86, 89; Hüffer, AktG, § 76 Rdn. 21; Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570, 574; Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 18 Rdn. 127; ausführlich Anders, Vorstandsdoppelmandate, S. 82 ff.; kritisch Säcker, ZHR 151 (1987), 59, 67 ff. 12 BGH NJW 1980, 1629, 1630; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 76 Rdn. 45; Kropff, FS Huber, S. 841, 846 f., 848 f.; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 2 f.; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, S. 63 ff.; abweichend Decher, Personelle Verflechtungen, S. 147.
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§ 12 Handeln für den Verband
wenn der Organwalter auf einer Dienstfahrt, die er im Interesse beider Gesellschaften unternimmt, einen Unfall verursacht13 . Weitaus schwieriger zu beurteilen ist dagegen, ob die abordnende Gesellschaft auch für solche Schäden einzustehen hat, die das Organmitglied der aufnehmenden Gesellschaft selbst zufügt und für die es dieser gegenüber nach §§ 93, 116 AktG, 52 GmbHG ersatzpflichtig ist. Während die Rechtsprechung unter Hinweis auf die unabhängige und eigenverantwortliche Rechtsstellung eines Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieds eine solche Haftung generell ablehnt, finden sich im Schrifttum auch gegenteilige, die Rechtswirklichkeit in den Vordergrund ihrer Argumentation rückende Stimmen14 . Bei näherem Hinsehen ist indessen nicht nur die Zuordnung zum Wirkungskreis der abordnenden Gesellschaft problematisch, vielmehr ist vorab zu klären, ob sich aus dem Zusammenwirken der Vorschriften über die Organhaftung einerseits und § 31 BGB andererseits überhaupt dogmatisch schlüssig ein Haftungstatbestand konstruieren lässt15 .
II. Wirkungsweise des § 31 BGB Was die Wirkungsweise des § 31 BGB angeht, so steht nämlich allein fest, dass es sich nicht um eine haftungsbegründende, sondern um eine haftungszuweisende Norm handelt, die einen Haftungstatbestand voraussetzt16 . Was aber im Einzelnen zugerechnet wird, ist noch nicht abschließend geklärt. Zunächst könnte es sich in Parallele zu § 278 BGB um eine umfassende Verhaltens- und Verschuldenszurechnung handeln, die nur dann zur Verantwortlichkeit des Verbandes führt, wenn dadurch in dessen Person die Tatbestandsvoraussetzungen einer Haftungsnorm erfüllt sind17. Da §§ 93, 116 AktG, 52 GmbHG eine Eigenhaftung allein der Organmitglieder begründen, kommt nach dieser Konzeption eine Einstandspflicht der abordnenden Gesellschaft für Fehlleistungen ihrer Organmitglieder in der aufnehmenden Gesellschaft schon im Ansatzpunkt nicht in Betracht. Immerhin möglich bliebe eine Deliktshaftung nach § 823 BGB oder § 117 AktG, denn die entsprechenden Normen richten sich gegen jedermann und sind daher auch für die abordnende Gesellschaft einschlägig, wenn nur das Verhalten des Organwalters in der aufnehmenden Ge13 So der Beispielsfall von KölnKommAktG/Mertens, § 76 Rdn. 82; GroßKommAktG/ Kort, § 76 Rdn. 174. 14 Dazu eingehend unter III 1. 15 Zu Recht auf die Notwendigkeit der Benennung eines Haftungstatbestandes und der Trennung der beiden Fragenkreise hinweisend K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 IV 4b (S. 280); Hüffer, AktG, § 309 Rdn. 28. 16 BGHZ 99, 298, 302; Bamberger/Roth/Schwarz, BGB, § 31 Rdn. 1; Palandt/Heinrichs, BGB, § 31 Rdn. 2; Soergel/Hadding, BGB, § 31 Rdn. 1. 17 So explizit Beuthien, DB 1969, 1781, 1782 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 6 IV 2b (S. 350 f.); Habersack, Mitgliedschaft, S. 211; Bisson, GmbHR 2005, 1453; vgl. daneben die Nachw. in Fn. 15.
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sellschaft als auch zu ihrem Wirkungskreis gehörig anzusehen ist18 . Da die abordnende Gesellschaft in aller Regel auch Mitglied der aufnehmenden Gesellschaft sein dürfte, ließe sich eine Haftung weiterhin auf die mitgliedschaftliche Treupflicht stützen19. Freilich lässt sich § 31 BGB auch in einem anderen Sinne verstehen, wie an der Diskussion um die deliktische Haftung juristischer Personen wegen der Verletzung von Verkehrspflichten offenbar geworden ist. Nach traditioneller Auffassung kommt eine solche Haftung nämlich nur in Betracht, wenn auch den Organwalter persönlich die in Rede stehende Verkehrspflicht trifft, weil die juristische Person ausweislich des klaren Wortlauts des § 31 BGB nur dann hafte, wenn ihr Organwalter sich auch selbst schadensersatzpflichtig gemacht habe 20 . Mithin sei die Vorschrift nichts anderes als ein gesetzlicher Schuldbeitritt 21. Die heute im Schrifttum überwiegende Auffassung lehnt demgegenüber zu Recht die Vorstellung ab, ohne Eigenhaftung des Organwalters gebe es auch keine Zurechung nach § 31 BGB, und hält statt dessen eine exklusive Deliktshaftung der juristischen Person wegen der Verletzung einer allein ihr selbst obliegenden Verkehrspflicht für möglich 22 . Damit ist jedoch die Vorstellung von einer kumulativen Mithaft der juristischen Person keineswegs aufgegeben, vielmehr sind zwei Grundtypen der Deliktshaftung zu unterscheiden: Der Verband hat zum einen exklusiv für die von seinem Organwalter zu verantwortende Verletzung einer lediglich ihm selbst obliegenden Verkehrspflicht einzustehen; zum anderen sichert § 31 BGB aber auch die Mithaftung des Verbandes in Konstellationen, in denen der Repräsentant alle Merkmale eines Deliktstatbestandes in eigener Person verwirklicht 23 . Der Verband haftet daher neben dem Organwalter, wenn dieser ein ihm persönlich auferlegtes gesetzliches Verhaltensverbot verletzt und dadurch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 823 BGB erfüllt. Zurechnungsgegenstand ist insoweit ein vollständiges Delikt des Repräsentanten. 18 Werner, ZHR 145 (1981), 252, 262 ff.; MünchKommAktG/Kropff, § 117 Rdn. 17; KölnKommAktG/Mertens, § 117 Rdn. 14; offen gelassen in BGHZ 90, 381, 398; aA GroßKommAktG/Kort, § 117 Rdn. 129 ff. 19 So zur Begründung der Haftung der Hauptgesellschaft gegenüber der abhängigen Gesellschaft im Falle der Eingliederung Emmerich/Habersack, § 323 Rdn. 9; MünchKommAktG/Grunewald, § 323 Rdn. 16. 20 Vgl. v. Bar, FS Kitawaga, S. 279, 281 ff.; Altmeppen, NJW 1996, 1017, 1023; Roth/ders., GmbHG, § 43 Rdn. 46; Brüggemeier, AcP 191 (1991), 33, 64 ff.; Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, Rdn. 1160. 21 So v. Bar, FS Kitawaga, S. 279, 282. 22 Vgl. Kleindiek, Deliktshaftung, S. 183 ff.; Medicus, ZGR 1998, 570, 573; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rdn. 207; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 IV 2 (S. 427 f.); Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rdn. 77; Spindler, Unternehmensorganisationspfl ichten, S. 859; Bisson, GmbHR 2005, 1453, 1456 ff. 23 Vgl. Kleindiek, Deliktshaftung, S. 355 ff.; Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rdn. 61; F. Bydlinski, FS Koppensteiner, S. 569, 570; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 8 III 2a (S. 721 f.).
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Im Deliktsrecht fungiert die haftungszuweisende Norm des § 31 BGB somit anerkanntermaßen zumindest auch als gesetzlicher Schuldbeitritt. Die damit getroffene Wertung, dass es richtig ist, den Verband deswegen mit zur Verantwortung zu ziehen, weil sich einer seiner Repräsentanten innerhalb seines organschaftlichen Wirkungskreises schadensersatzpflichtig gemacht hat, lässt sich freilich überzeugend nicht auf diesen Bereich beschränken. Vielmehr ist eine Mithaftung auch dort zu bejahen, wo ein Organwalter „in Ausübung der ihm zustehenden Verrichtungen“ eine Pfl icht aus einem nur zwischen ihm und einem Dritten bestehenden Sonderverhältnis verletzt. Konstruktiv bestehen daher keine durchgreifenden Einwände dagegen, die abordnende Gesellschaft für Pflichtverletzungen des Organwalters in der aufnehmenden Gesellschaft gesamtschuldnerisch neben diesem nach §§ 93, 116 AktG, 52 GmbHG in Verbindung mit § 31 BGB haften zu lassen 24 . Sieht man das anders, behalten die folgenden Ausführungen immerhin noch insofern Bedeutung, als zwischen abordnender und aufnehmender Gesellschaft kraft Mitgliedschaft ein Sonderverhältnis besteht oder aber im Einzelfall eine Verletzung von jedermann zu beachtenden Deliktsnormen im Raum steht.
III. Handeln im Wirkungskreis auch der abordnenden Gesellschaft 1. Überblick und erste Weichenstellungen Weiterhin zu klären bleibt freilich, ob und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen in diesen Fällen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 BGB und unter ihnen namentlich das Merkmal „in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen“ erfüllt sein können. Die herrschende und insbesondere auch vom BGH geteilte Meinung lehnt die Möglichkeit einer Zurechnung generell ab25 . Ganz im Vordergrund steht dabei das durchaus gewichtige Bedenken, eine solche Zurechnung zur abordnenden Gesellschaft sei mit der unabhängigen und eigenverantwortlichen Rechtsstellung eines Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieds unvereinbar. Nachdrücklich hat der BGH im Rahmen einer Grundsatzentscheidung über das kapitalmarktrechtliche „acting in concert“ zuletzt noch einmal darauf hingewiesen, dass die Vorstellung verfehlt sei, einzelne Aufsichtsratsmitglieder könnten als „Vertreter“ bestimmter Gesellschafter anzusehen sein 26 . Auch wenn der Organwalter bei der Wahrnehmung seiner gesetz24
Im Ergebnis ebenso Mestmäcker, Verwaltung, S. 265; Ulmer, FS Stimpel, S. 705, 724. BGHZ 36, 296, 309 ff.; BGHZ 90, 381, 397 f.; Soergel/Hadding, BGB, § 31 Rdn. 13; Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570, 577; GroßKommAktG/Kort, § 76 Rdn. 175 f.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 52 Rdn. 19; GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rdn. 70; MünchKommAktG/Semler, § 116 Rdn. 760; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rdn. 127; vgl. aber zur gegenteiligen Linie im Rahmen des § 117 AktG die Nachweise in Fn. 18 und zum Konzernrecht unter 3. 26 BGH ZIP 2006, 2077, 2079, Tz. 18. 25
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lichen Aufgaben pflichtwidrig den Belangen des Unternehmens, das ihn entsandt oder zur Wahl gestellt habe, den Vorrang gebe, begehe er diese Pflichtwidrigkeit daher als Organmitglied allein der aufnehmenden und nicht im Wirkungskreis der abordnenden Gesellschaft 27. Indessen darf aus der vorrangigen Pflichtenbindung des Organwalters gegenüber der aufnehmenden Gesellschaft nicht auf das Fehlen eines inneren, funktionalen Zusammenhangs zwischen der Tätigkeit dort und seinem Hauptamt geschlossen werden 28 . Bei der Bewertung der haftungsrechtlichen Strukturen hat man sich vielmehr an der Rechtswirklichkeit zu orientieren und dementsprechend zu konstatieren, dass Mitglieder von Vorständen und Aufsichtsräten vielfach deswegen bestellt oder gewählt werden, damit sie als Repräsentanten die Belange des herrschenden Unternehmens, eines öffentlich-rechtlichen Miteigners oder eines Kreditinstituts wahrnehmen 29. Solange diese sich darauf beschränken und im Konfliktfall stets den Interessen der aufnehmenden Gesellschaft den Vorrang geben, ist gegen diese Praxis nichts zu erinnern. Die abordnende Gesellschaft gleicht so lediglich teilweise die ihr in §§ 76 Abs. 3, 100 Abs. 1 AktG abgesprochene Amtstauglichkeit für die eigene Mitgliedschaft in Vorstand und Aufsichtsrat aus30 . Das Gesetz nimmt derartige Verflechtungen, die offenkundig dem Zweck der Interessenwahrung dienen, aber nicht nur hin, sondern privilegiert sie im Einzelfall sogar. So wird die weit verbreitete Übung, die Aufsichtsräte von abhängigen Gesellschaften mit den jeweiligen Mitgliedern der Geschäftsleitung des herrschenden Unternehmens zu besetzen, mittels der Vorschrift des § 100 Abs. 2 S. 2 AktG insofern erleichtert, als sich die mögliche Höchstzahl von Aufsichtsratsmandaten pro Person in diesem Fall um bis zu fünf erhöht. Nur nach dem allgemeinen Leitbild des Gesetzes ist die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern mit anderen Worten als Persönlichkeitswahl gedacht. In den hier interessierenden Fällen dagegen wird das Organmitglied gerade nicht ad personam, sondern zumindest ebenso als Vorstandsmitglied des herrschenden Unternehmens, als Sachwalter des öffentliches Interesses oder als Bankenvertreter gewählt 31. Dieser Umstand findet seine äußerlich erkennbare Entsprechung in der zeitlichen Koordinierung der verschiedenen Ämter. Gerade weil die Tätigkeit in der aufnehmenden Gesellschaft zu den Verpflichtungen aus dem Hauptamt gehört, legt der Mandatsträger nach der Beendigung seines Amtes in der abordnenden Körperschaft auch sein Mandat in der aufnehmenden 27
S. stellvertretend BGHZ 90, 381, 398. Vgl. Mestmäcker, Verwaltung, S. 262 f.; Wälde, DB 1972, 2289, 2290; KölnKommAktG/ Koppensteiner, § 309 Rdn. 41; KölnKommAktG/Mertens, § 76 Rdn. 84; Spiro, FS Vischer, S. 639, 643. 29 Zutreffend Ulmer, FS Stimpel, S. 705, 713; Koenen, Zurechnung von Organverhalten, S. 115 ff.; K. Krebs, Interessenkonfl ikte, S. 224 ff. 30 Zur entsprechenden Anwendbarkeit im GmbH-Recht s. § 10 B III. 31 Ulmer, FS Stimpel, S. 705, 719; Wiedemann, Organverantwortung, S. 30. 28
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Gesellschaft nieder und wird durch einen seiner Kollegen aus der abordnenden Gesellschaft ersetzt. Kann mithin von einer höchstpersönlichen Tätigkeit unter den genannten rechtstatsächlichen Rahmenbedingungen nicht die Rede sein, so steht auch die formal unabhängige und eigenverantwortliche Rechtsstellung einer Zurechnung nicht per se entgegen 32 . Letztlich ebenfalls nicht durchschlagend ist das entstehungsgeschichtliche Argument, auf das sich die Verfechter der herrschenden Meinung stützen können. In der Tat hat man im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Aktiengesetz 1937 eine Haftung des entsendungsberechtigten Aktionärs für Pflichtverletzungen des von ihm entsandten Aufsichtsratsmitglieds zwar erwogen, letztlich aber doch abgelehnt 33 . Wenn aber der gesetzgeberische Wille sogar im Bereich des Entsenderechts nach § 101 Abs. 2 AktG gegen eine Haftung der abordnenden Gesellschaft spreche, müsse das, so wird argumentiert, erst recht bei einer Delegation aufgrund anderer Einflussmöglichkeiten gelten 34 . Selbst bei einer besonders starken Gewichtung historischer Erwägungen spricht dieser Umstand indes allenfalls gegen eine generelle Haftung der abordnenden Gesellschaft für jede Pfl ichtverletzung des Organwalters; der Weg zu differenzierenden Lösungen (und damit auch zu der hier vertretenen Auffassung35 ), die eine Verantwortung vom Hinzutreten weiterer Zurechnungsgesichtspunkte abhängig machen, ist hierdurch dagegen nicht versperrt 36 . Davon abgesehen erscheint die Ablehnung jeglicher Einstandspfl icht der abordnenden Gesellschaft unter Zugrundelegung der soeben geschilderten Rechtswirklichkeit aus heutiger Sicht als in so hohem Maße unbefriedigend, dass der entstehungsgeschichtliche Einwand jedenfalls im Zuge einer sachgerechten Rechtsfortbildung zu überwinden ist 37. Schlicht unerfindlich bleibt schließlich, in welcher Weise die gelegentlich anzutreffenden Hinweise darauf, dass der Zugang zu Vorstand und Aufsichtsrat nur natürlichen Personen offen stehe und dass auch eine natürliche Person nicht uneingeschränkt für das Verhalten ihrer Vertreter einzustehen habe, geeignet sein sollen, die herrschende Meinung zu untermauern 38 . Denn weder kann aus ihrer fehlenden Amtstauglichkeit auf die Freistellung der juristischen Person von jeder Haftung im Zusammenhang mit der Delegation von Organwaltern geschlossen werden noch vermag das für sich genommen berechtigte Anliegen der Gleichbehandlung von natürlichen und juristischen Personen etwas daran 32
So auch OLG München ZIP 2005, 856, 857. Vgl. BGHZ 36, 296, 312; Schlegelberger/Quassowski, AktG, § 88 Anm. 28. 34 GroßKommAktG/Kort, § 76 Rdn. 175. 35 Vgl. unten 2. 36 Ebenso KölnKommAktG/Mertens, § 76 Rdn. 84; Cahn, Kapitalerhaltung, S. 73.; K. Krebs, Interessenkonfl ikte, S. 228 f. 37 So denn auch Ulmer, FS Stimpel, S. 705, 721 Fn. 66. 38 Vgl. etwa v. Planta, FS Vischer, S. 597, 603; dagegen zutreffend Koenen, Zurechnung von Organverhalten, S. 98 ff.; Mestmäcker, Verwaltung, S. 262. 33
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zu ändern, dass ein Verband für das Handeln seiner Organe umfassend einzustehen hat. Im Gegenteil lässt sich nur durch eine Zurechnung verhindern, dass die einen Organwalter abordnende juristische Person gegenüber derjenigen natürlichen Person privilegiert wird, die selbst ein Amt in der aufnehmenden Gesellschaft ausübt. Zu folgen ist daher denjenigen Stimmen, die eine Haftung der abordnenden Gesellschaft für die Pflichtverletzungen ihrer Organwalter in der aufnehmenden Gesellschaft im Grundsatz für möglich halten. Da nach den bisherigen Ausführungen ein Wahl- oder sonstiger Bestellungsakt den Zurechnungszusammenhang zur abordnenden Gesellschaft nicht zwingend unterbricht, kann die Einstandspflicht weiterhin nicht, wie im Schrifttum vorgeschlagen, auf die Konstellation des satzungsmäßigen Entsendungsrechts beschränkt sein 39. Aber auch davon abgesehen trifft man dort auf ein breites Meinungsspektrum. Manche wollen die Einstandspflicht auf Konzernverhältnisse begrenzen40 . Nur soweit der Doppelmandatsträger Konzernleitungsfunktionen ausübe, werde er nämlich für das herrschende Unternehmen tätig. Andere verlangen im Anschluss an Mertens dagegen, dass das Organmitglied seine Pflichten gerade dadurch verletzt, dass es das Interesse der abordnenden Körperschaft dem Interesse der aufnehmenden Gesellschaft überordnet und dabei deren Schädigung in Kauf nimmt41. Wiedemann ist dem mit der Maßgabe gefolgt, dass das verdeckt repräsentierte Unternehmen in dem Maße Verantwortung übernehmen müsse, in dem seine eigenen Interessen von dem Mandatsträger berücksichtigt worden seien, insbesondere also beim Vorliegen von Weisungen42 . Nach einer letzten, von Ulmer begründeten Ansicht bedarf es der von den anderen Autoren gesuchten besonderen Kriterien zur Eingrenzung der Einstandspfl icht gar nicht. Vielmehr stünden nach allgemeinen Grundsätzen sämtliche Handlungen eines Organmitglieds in dem geforderten inneren Zusammenhang mit dem Hauptamt und stellten sich mithin als Handeln innerhalb des übertragenen Wirkungskreises dar, sofern nur das betreffende Organmitglied mit Rücksicht auf sein Hauptamt und auf Veranlassung der hinter ihm stehenden Körperschaft bestellt worden sei43 . 39 So aber H. Westermann, JuS 1961, 333, 336; Soergel/Schultze-v. Lasaulx, BGB, 11. Aufl., § 31 Rdn. 25. 40 Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 252 ff.; Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rdn. 363d f.; Wälde, DB 1972, 2289, 2290; vgl. auch KölnKommAktG/Koppensteiner, § 309 Rdn. 41. 41 KölnKommAktG/Mertens, § 76 Rdn. 83 ff.; Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 35 Rdn. 132; zustimmend GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 116 Rdn. 322, § 101 Rdn. 164; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 76 Rdn. 48; K. Krebs, Interessenkonfl ikte, S. 229 ff.; Ulmer/Raiser/Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 151. 42 Wiedemann, Organverantwortung, S. 30; ähnlich v. Planta, FS Vischer, S. 597, 604, 607. 43 Ulmer, FS Stimpel, S. 705, 723 f.; ihm folgend AnwKommBGB/Heidel/Lochner, § 31 Rdn. 11; Koenen, Zurechnung von Organverhalten, S. 114 ff.; offenbar auch Zöllner/Noack,
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2. Handeln im Interesse der abordnenden Gesellschaft als Zurechnungsgrund Die zuletzt genannte Konzeption, der zufolge von einer Einstandspflicht der abordnenden Gesellschaft für jegliche Pflichtverletzung des Organwalters in der aufnehmenden Gesellschaft auszugehen ist, ist erkennbar von dem Bemühen getragen, die abordnende Gesellschaft haftungsrechtlich so zu stellen, als sei sie selbst Verwaltungsmitglied in der aufnehmenden Gesellschaft 44 . Dieses Anliegen ist jedoch nicht ohne weiteres gerechtfertigt, denn zwischen der unmittelbaren Mitgliedschaft in einem Organ und der bloßen Entsendung eines Repräsentanten bestehen rechtlich wie tatsächlich erhebliche Unterschiede45 . Ist die abordnende Gesellschaft an der aufnehmenden beteiligt, so kann sie als Mitglied der Gesellschafterversammlung ihr Stimmrecht jederzeit nach ihrem Belieben durch ihr Geschäftsführungsorgan ausüben. Demgegenüber bietet ihr die bloße Entsendung eines Repräsentanten in den Vorstand oder Aufsichtsrat keine vergleichbare Kontrolle, weil sie mangels Weisungsrechts gegenüber ihrem Repräsentanten nicht sicherstellen kann, dass der von ihren Organen gebildete Wille in der aufnehmenden Gesellschaft auch wirklich zur Geltung gebracht wird. Vorbildlich verhält sich vielmehr derjenige Organwalter, der die an ihn gestellten Anforderungen ernst nimmt und sich trotz anderweitiger Vorgaben oder erkennbar entgegenstehender Belange seines Dienstherrn ausschließlich an den (vermeintlichen) Interessen der aufnehmenden Gesellschaft orientiert. Gerade in diesen Fällen geht eine Einstandspflicht der entsendenden Körperschaft denn auch zu weit 46 . Sie kann zum einen wertungsmäßig nicht befriedigen, weil das etwaige Bemühen sowohl der abordnenden Gesellschaft wie auch des Mandatsträgers, sich rechtskonform zu verhalten und durch die Auswahl und Instruktion einer geeigneten Persönlichkeit bzw. eine entsprechende Amtsführung eine einseitige, die aufnehmende Gesellschaft schädigende Interessenwahrnehmung zu verhindern, nicht angemessen honoriert wird. Sie lässt sich zum anderen konstruktiv nicht einfach aus dem Umstand ableiten, dass die Organausübung für eine Gesellschaft haftungsrechtlich zugleich einer anderen zuzurechnen sein kann. Anders als in dem oben47 behandelten Fall einer Dienstfahrt im Interesse zweier Gesellschaften, in dem die in Rede stehende Tätigkeit bereits ihrer objektiven Zielrichtung nach in beider Wirkungskreis erfolgt, muss in den hier interessierenden Fällen erst einmal begründet werden, warum die zur Erfüllung einer persönlichen Pflicht in einem anderen Unternehmen vorgenommene Handlung zugleich der Körperschaft zuzurechnen ist, die das in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 52 Rdn. 73; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 52 Rdn. 29; s. daneben Westhoff, Bankenvertreter, S. 102 ff. 44 Vgl. auch Cahn, Kapitalerhaltung, S. 73. 45 AA Mestmäcker, Verwaltung, S. 263; wie hier dagegen BGHZ 36, 296, 311. 46 So auch Wiedemann, Organverantwortung, S. 30; Cahn, Kapitalerhaltung, S. 73. 47 S. oben B I.
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Verwaltungsmitglied entsandt oder mit ihren Stimmen gewählt hat48 . Sowohl aus teleologischen wie aus konstruktiven Gründen bedarf es daher im vorliegenden Zusammenhang eines besonderen, über die allgemein im Rahmen des § 31 BGB zu prüfenden Tatbestandsmerkmale hinausgehenden Kriteriums, das eine Zurechnung rechtfertigt. Dem eigentümlichen Gefährdungspotential von Organverflechtungen nicht gerecht wird allerdings der Vorschlag, die Verantwortung der entsendenden Gesellschaft vom Vorliegen einer Weisung oder sonstigen Einwirkung auf die Willensbildung des Mandatsträgers abhängig zu machen49. Denn eines solchen Außeneinflusses bedarf es bei dieser Organisationsstruktur gerade nicht mehr; vielmehr kann das abordnende Unternehmen seine Interessen gleichsam „von innen“ durchsetzen 50 . Eine Haftung muss deshalb vor allem auch diejenigen Fälle erfassen, in denen der Organwalter in vorauseilendem Gehorsam zu Gunsten der abordnenden Gesellschaft entscheidet. Die schädigende Einflussnahme auf einen Organwalter dagegen begegnet auch unabhängig von der besonderen Problematik der Organverflechtung und ist mittels § 117 AktG oder unter dem Gesichtspunkt der mitgliedschaftlichen Treupfl ichtverletzung zu sanktionieren. Es geht dann auch gar nicht mehr um eine Zurechnung des Verhaltens des Organwalters in der aufnehmenden Gesellschaft; das entsendende Unternehmen haftet vielmehr für die unmittelbar von ihm ausgehenden Handlungen sonstiger Organpersonen. Bereits angeklungen ist damit freilich zugleich, worauf es für die Zurechnung entscheidend ankommt. Maßgeblich ist nämlich, ob das Organmitglied seine Pflichten gegenüber der aufnehmenden Gesellschaft gerade dadurch verletzt, dass es sich als Interessenwahrer des entsendenden Unternehmens geriert und gezielt zu dessen Vorteil agiert 51. Akzeptiert es mit anderen Worten die mit der Organverflechtung einhergehenden rechtlichen Anforderungen an die Trennung der verschiedenen Sphären nicht, so begeht es die schädigende Handlung nicht mehr nur als Organmitglied der aufnehmenden, sondern auch der abordnenden Gesellschaft. Die Beschränkung der Mithaftung der abordnenden Gesellschaft auf diese Fälle und der damit einhergehende Anreiz, diese Mithaftung durch entsprechende Auswahl und Instruktion ihrer Repräsentanten zu 48
Zutreffend Cahn, Kapitalerhaltung, S. 73. So in der Tendenz aber Wiedemann, Organverantwortung, S. 30; dagegen und zumindest im Ergebnis wie hier Koenen, Zurechnung von Organverhalten, S. 112 ff. Allerdings formuliert Wiedemann in demselben Zusammenhang, es genüge, wenn die eigenen Interessen der entsendenden Gesellschaft vom Mandatsträger berücksichtigt werden. Das wiederum entspricht der sogleich im Text entwickelten Auffassung. 50 Vgl. nur Hüffer, AktG, § 311 Rdn. 22; Emmerich/Habersack, § 311 Rdn. 28; MünchKommAktG/Kropff, § 311 Rdn. 97; Säcker, ZHR 151 (1987), 49, 66; Semler, FS Stiefel, S. 719, 760. 51 Vgl. die Nachweise in Fn. 41; ablehnend Westhoff, Bankenvertreter, S. 109; Ulmer, FS Stimpel, S. 705, 723. 49
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vermeiden, stärkt zugleich präventiv die tatsächliche Durchsetzung der häufig nur auf dem Papier unabhängigen und eigenverantwortlichen Rechtsstellung der Verwaltungsmitglieder52 . Umgekehrt ist es auch sachgerecht, die abordnende Körperschaft nicht mit zur Verantwortung zu ziehen, wenn das Organmitglied aus eigenem Antrieb oder auf Veranlassung der zweiten Führungsebene zwar im Ergebnis pflichtwidrig, aber zum vermeintlich Besten der aufnehmenden Gesellschaft handelt und sich dabei womöglich noch gegen eine im Interesse der abordnenden Gesellschaft liegende oder von dieser zumindest favorisierte Handlungsalternative entscheidet. Denn dann hat sich aus der Sicht der aufnehmenden Gesellschaft lediglich das allgemeine Risiko einer pfl ichtvergessenen Verwaltung ihrer Geschäfte, nicht aber die speziell mit der Organverflechtung verbundene Gefahr der gezielten Verfolgung gesellschaftsfremder Sonderinteressen verwirklicht. Nur vor dieser zu schützen und gleichwohl eingetretene Schäden zu kompensieren, kann aber sinnvollerweise Zweck einer Mithaftung der abordnenden Gesellschaft sein. Gegen die hier favorisierte Lösung hat der BGH den Einwand erhoben, die entsprechende Motivationslage des Organwalters sei im Einzelfall nur schwer festzustellen 53 . In der Tat dürfte es dem Anspruchsteller praktisch nur schwer möglich sein, dessen innere Beweggründe zu ermitteln und vor Gericht zu beweisen. Es ist ihm aber auch nicht zumutbar, weil die entsendende Gesellschaft die Verantwortung für die personelle Verflechtung und die aus ihr resultierenden Gefährdungen trägt. Da weiterhin nach allgemeiner Lebenserfahrung ein völlig unabhängiges Organmitglied regelmäßig nicht zum Nachteil der eigenen und zugleich zum Vorteil einer dritten Gesellschaft agiert, ist an die Begünstigung des entsendenden oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens der Beweis des ersten Anscheins für die relevante Pflichtverletzung zu knüpfen 54 . Es ist dann Sache der abordnenden Gesellschaft, diese Vermutung durch den Nachweis zu entkräften, dass der Doppelmandatsträger sich trotz des äußeren Anscheins allein vom Interesse der aufnehmenden Gesellschaft hat leiten lassen und damit ein Fall schlicht sorgfaltswidriger Geschäftsführung vorliegt 55 .
52 Vgl. zu diesem Aspekt, wenngleich mit anderer Akzentsetzung Ulmer, FS Stimpel, S. 705, 722. 53 BGHZ 90, 381, 398; rechtfertigend dagegen KölnKommAktG/Mertens, § 76 Rdn. 85. 54 Auf die Weise hätte auch der BGHZ 90, 381 zugrunde liegende Fall sachgerecht bewältigt werden können: Dort hatte der Repräsentant der Hausbank im Aufsichtsrat eines in einer fi nanziellen Krisensituation befi ndlichen Industrieunternehmens für eine vorrangige Befriedigung der Bank gesorgt. 55 Vgl. zur entsprechenden Vermutung im Rahmen des § 311 AktG sogleich unter 3; weitergehend für eine unwiderlegliche Vermutung Mestmäcker, Verwaltung, S. 264.
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3. Auswirkungen auf das Konzernhaftungsrecht In einem Punkt sind die bisherigen Überlegungen noch unvollständig; ausgeblendet geblieben sind bisher nämlich die konzerndimensionalen Aspekte von Organverflechtungen. Gerade im Konzernzusammenhang begegnen indessen Doppelmandate als effektives Mittel zur Durchsetzung einer einheitlichen Konzernleitung besonders häufig. Wie schon erwähnt, wollen manche Autoren die Haftung der entsendenden Körperschaft sogar auf derartige Konstellationen beschränken. Der tragende Grund für die Inpflichtnahme der Obergesellschaft liege nicht in der konkreten Pflichtwidrigkeit des Organwalters, sondern in den institutionellen Rahmenbedingungen der Konzernleitung. Soweit der Doppelmandatsträger Konzernleitungsfunktionen ausübe, werde er für das herrschende Unternehmen tätig56 . Das ist für sich genommen ohne weiteres richtig und entspricht ganz der hier vertretenen Linie, wonach eine Mithaftung der entsendenden Gesellschaft gerade an die Ausübung der Organfunktion zu ihren Gunsten anknüpft. Letztere Gefahr besteht allerdings in allen Fällen von Organverflechtungen, weshalb es nicht überzeugen kann, die Haftung auf schädigende Konzernleitungsmaßnahmen zu beschränken 57. Umgekehrt fragt sich jedoch, ob nicht im Konzernzusammenhang eine über die allgemeinen Grundsätze hinausgehende Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens geboten ist. So hat selbst der BGH trotz seiner grundsätzlich ablehnenden Haltung eine Mithaftung der entsendenden Körperschaft immerhin für den Fall erwogen, dass „durchweg Organe einer juristischen Person in der Verwaltung einer Aktiengesellschaft tätig sind“58 . Vor allem aber rechnet die herrschende Meinung im Schrifttum in bemerkenswertem Gegensatz zu der im Übrigen überaus restriktiven Tendenz bei personeller Verflechtung im Aktienkonzern das Verhalten des Doppelorgans sowohl bei lediglich faktischer wie auch bei beherrschungsvertraglich abgesicherter Abhängigkeit dem herrschenden Unternehmen umfassend zu. a) Faktische Abhängigkeit Was zunächst die faktisch abhängige Gesellschaft angeht, so hat das herrschende Unternehmen gemäß § 311 AktG Ausgleich zu gewähren, wenn es die abhängige Gesellschaft zu einer für sie nachteiligen Maßnahme veranlasst. Insoweit besteht über zweierlei zumindest im Ausgangspunkt Einvernehmen. Zum einen ist bei einer am Schutzzweck der Norm orientierten Auslegung nicht zu bezweifeln, dass die erforderliche Veranlassung auch von einem Organwalter der abhängigen Gesellschaft ausgehen kann, sofern dieser ebenfalls im herr56 Vgl. Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 253; Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rdn. 363e. 57 So auch Ulmer, FS Stimpel, S. 705, 723; Cahn, Kapitalerhaltung, S. 71 f. 58 BGHZ 36, 296, 311.
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schenden Unternehmen tätig ist 59. Es bliebe nämlich unverständlich, warum die Norm gerade in den für die abhängige Gesellschaft besonders gefährlichen Fällen unangewendet bleiben sollte, in denen es wegen der besonderen Organisationsstruktur keines Außeneinflusses mehr bedarf60 . Zum anderen muss der abhängigen Gesellschaft und vor allem ihren außenstehenden Aktionären und Gläubigern ganz allgemein eine Beweiserleichterung zugute kommen, weil sich die Einflussnahme des herrschenden Unternehmens häufig auf eher informellem Wege vollzieht und eine außenstehende Person daher nicht in der Lage ist, konkrete Eingriffe in die Geschäftsleitung zu benennen61. Nach richtiger Ansicht ist dabei von einem Beweis des ersten Anscheins für eine Veranlassung durch das herrschende Unternehmen auszugehen, wenn es selbst oder ein anderes verbundenes Unternehmen aus der nachteiligen Maßnahme einen Vorteil gezogen hat 62 . Bei Vorliegen personeller Verflechtungen auf der Geschäftsführungsebene und damit insbesondere bei Vorstands-Doppelmandaten soll es nach wohl überwiegender Meinung dabei allerdings nicht bewenden, vielmehr soll eine unwiderlegliche Veranlassungsvermutung Platz greifen63 . Mit den hier herausgearbeiteten Grundlagen der Zurechnung lässt sich Letzteres freilich nicht vereinbaren. Danach ist eine Mithaftung der entsendenden Körperschaft vielmehr nur angezeigt, wenn und soweit der Organwalter einen zwischen den Gesellschaften bestehenden Interessenkonflikt zu Gunsten der entsendenden auflöst und dabei eine Schädigung der aufnehmenden in Kauf nimmt. Davon abzuweichen rechtfertigen auch die Besonderheiten des Abhängigkeitsverhältnisses nicht. Das herrschende Unternehmen kann nämlich über die Besetzung des Aufsichtsrats stets dafür sorgen, dass die Vorstandsmitglieder der abhängigen Gesellschaft dem herrschenden Unternehmen in besonderer Weise verbunden sind. Bei der faktischen Möglichkeit, Druck auf die Geschäftsleitung auszuüben, handelt es sich mit anderen Worten nicht um eine Besonderheit der Vorstands-Doppelmandate 64 . Es lässt sich daher mit dem bloßen Hin59 Vgl. Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570, 571; KölnKommAktG/Koppensteiner, § 311 Rdn. 30; Emmerich/Habersack, Lehrbuch, § 25 I 3 (S. 376); Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 84; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 53 Rdn. 31; Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 18 Rdn. 134. 60 Vgl. zu diesem Argument bereits oben unter 2. 61 AA – gegen jede Beweiserleichterung – namentlich Säcker, ZHR 151 (1987), 59, 63 und speziell zu Doppelmandaten Adler/Düring/Schmaltz, § 311 AktG Rdn. 32. 62 So überzeugend Emmerich/Habersack, § 311 Rdn. 33. Die Einzelheiten sind allerdings sehr umstritten. Teilweise geht man statt von einem Beweis des ersten Anscheins von einer Veranlassungsvermutung aus, die zudem bereits bei Vorliegen jeder nachteiligen Maßnahme greifen soll, so etwa MünchHdbAG/Krieger, § 69 Rdn. 76; Hüffer, AktG, § 311 Rdn. 20 f.; näher zum Ganzen Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 85 f. 63 Hüffer, AktG, § 311 Rdn. 22; MünchHdbAG/Krieger, § 69 Rdn. 75; Grigoleit, Gesellschafterhaftung, S. 444; Neuhaus, DB 1970, 1913, 1916; Strohn, Verfassung, S. 47; s. auch Säcker, ZHR 151 (1987), 59, 65 ff.; Ulmer, FS Stimpel, S. 705, 713. 64 Semler, FS Stiefel, S. 719, 740, 754; Altmeppen, DB 1991, 2225, 2227; Huber, ZHR 152 (1988), 123, 130.
B. Doppelorganschaft – Handeln für zwei Verbände
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weis auf die Mehrheitsmacht des herrschenden Unternehmens auch nicht begründen, warum das Verhalten von Doppelmandatsträgern unbedingt zuzurechnen sein soll, während ihm bei der Besetzung der Geschäftsleitung mit Dritten zugestanden wird, der Ausgleichspfl icht durch Widerlegung der Veranlassungsvermutung zu entgehen65 . Ganz im Gegenteil kann – ebenso wie in einer unabhängigen Gesellschaft – eine Beeinträchtigung der Vermögens- oder Ertragslage auch auf einer allein am vermeintlichen Wohl der aufnehmenden Gesellschaft orientierten und damit zwar pflichtwidrig, aber autonom getroffenen Entscheidung des Vorstands beruhen. Infolgedessen ist dem herrschenden Unternehmen auch bei personellen Verflechtungen der Gegenbeweis zu gestatten, dass die Maßnahme auf Umständen beruht, die mit dem Abhängigkeitsverhältnis nichts zu tun haben66 . Dieser dürfte relativ einfach zu führen sein, wenn die Doppelmandatsträger in einem mehrköpfigen Vorstand die Minderheit bilden und weder ressortmäßig noch als Vorstandsvorsitzender mit der Willensbildung befasst waren67. Aber auch in anderen Fällen ist der Nachweis einer autonomen, nicht der Konzerneinbindung geschuldeten Fehlleistung nicht per se ausgeschlossen. Im Ergebnis gelten damit im Rahmen des § 311 AktG die gleichen Zurechnungsvoraussetzungen, bei deren Vorliegen auch eine Haftung nach § 93 AktG in Verbindung mit § 31 BGB zu bejahen ist. Diese Parallelität erweist sich auch als wertungsmäßig stimmig, weil die von Vorstands-Doppelmandaten ausgehende Problematik im Kern keinen spezifisch konzernrechtlichen Bezug aufweist. Bedeutungslos ist das Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses gleichwohl nicht. Da nämlich mit der allgemeinen Organhaftung nicht die spezifische Wertung des § 311 AktG zu Gunsten eines gestreckten Nachteilsausgleichs unterlaufen werden darf, ist der Anspruch aus §§ 93 AktG, 31 BGB nur durchsetzbar, wenn eine Maßnahme dem Nachteilsausgleich nicht zugänglich ist oder ein an sich möglicher Ausgleich unterbleibt 68 .
65 So überzeugend Cahn, Kapitalerhaltung, S. 71. Aus ähnlichen Erwägungen lässt sich aus einer Personalverflechtung auch nicht auf das Vorliegen einer qualifizierten Nachteilszufügung schließen, s. Krieger, ZGR 1994, 375, 386; Emmerich/Habersack, Anh. § 317 Rdn. 13. 66 MünchKommAktG/Kropff, § 311 Rdn. 100 f.; Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 18 Rdn. 134; Emmerich/Habersack, § 311 Rdn. 35; Cahn, Kapitalerhaltung, S. 75; Streyl, Vorstands-Doppelmandate, S. 168; Hogh, Nachteilsermittlung, S. 31. 67 Vgl. allgemein zur Differenzierung anhand des Umfangs personeller Verflechtung Decher, Personelle Verflechtungen, S. 187 ff.; Lindemann, AG 1987, 225, 231 ff. 68 Vgl. zum Parallelproblem im Rahmen des § 117 AktG und der Treupflicht MünchKommAktG/Kropff, § 317 Rdn. 106 ff.; Emmerich/Habersack, § 311 Rdn. 88 ff.; Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 133 f.; daneben oben § 11 B III 4 b) am Ende.
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§ 12 Handeln für den Verband
b) Beherrschungsvertrag Besteht zwischen abordnender und aufnehmender Gesellschaft ein Beherrschungsvertrag, ist zwischen zwei unterschiedlichen Formen pfl ichtwidriger Einflussnahme zu unterscheiden. Zunächst kann der Doppelmandatsträger in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter des herrschenden Unternehmens seine Kollegen im Vorstand der abhängigen Gesellschaft anweisen, bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen vorzunehmen. Beschränkt er sich darauf, handelt er allein für das herrschende Unternehmen und gerade nicht als Organmitglied der abhängigen Gesellschaft. Ein gegen ihn gerichteter Schadensersatzanspruch der abhängigen Gesellschaft kann daher nicht auf § 93 AktG gestützt werden69 ; vielmehr wird die drohende Haftungslücke durch die Vorschrift des § 309 AktG gefüllt, welche genau für diesen Fall einer pflichtwidrigen Weisung den gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens nach organschaftlichen Grundsätzen zur Verantwortung zieht. Dass daneben das herrschende Unternehmen selbst mithaftet, steht im Ergebnis außer Streit; diskutiert wird allein darüber, ob diese Haftung auf §§ 280, 31 BGB oder eine entsprechende Anwendung des § 309 AktG zu stützen ist 70 . Nimmt der Organwalter dagegen in der abhängigen Gesellschaft eigenhändig Geschäftsführungshandlungen vor, so agiert er zuvörderst als deren Organ und haftet demnach ihr gegenüber persönlich gemäß § 93 AktG71. Eine darauf bezogene Einstandspflicht des herrschenden Unternehmens wäre nach den bisherigen Überlegungen nur dann zu bejahen, wenn er seine Pflichten in der abhängigen Gesellschaft gerade deswegen verletzt, um dem herrschenden Unternehmen zu nützen. Jedoch gilt es zu bedenken, dass der Verbandszweck der abhängigen Gesellschaft infolge des Beherrschungsvertrags nunmehr ein dienender ist und das herrschende Unternehmen gemäß § 308 Abs. 1 AktG auch nachteilige Weisungen erteilen darf, sofern sie nur ihm selbst oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen zum Vorteil gereichen. Die Zurechnung kann daher nicht an den Vorwurf anknüpfen, der Organwalter habe seine Pflichten in der abhängigen Gesellschaft zum Vorteil des herrschenden Unternehmens vernachlässigt und sich dadurch als Interessenwahrer der entsendenden Gesellschaft geriert. Da der Doppelvorstand sich bei seiner Amtstätigkeit in beiden Vorständen gleichermaßen vom Konzerninteresse leiten lassen kann 72 , handelt er vielmehr immer zugleich auch im Interesse des herrschenden Unternehmens, 69 MünchKommAktG/Altmeppen, § 309 Rdn. 60; Hüffer, AktG, § 309 Rdn. 29; Kantzas, Weisungsrecht, S. 160. 70 Näher dazu § 7 A I 2 b). 71 Vgl. GroßKommAktG/Hirte, § 309 Rdn. 13 und Emmerich/Habersack, § 309 Rdn. 23, die zutreffend betonen, dass die sogleich im Anschluss zu diskutierende Haftung nach § 309 AktG die Anwendbarkeit des § 93 AktG keinesfalls ausschließt. 72 Dazu Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570, 582; GroßKommAktG/Hirte, § 308 Rdn. 50 f.
B. Doppelorganschaft – Handeln für zwei Verbände
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wenn er als Organmitglied einer beherrschungsvertraglich gebundenen Tochter tätig wird73 . Eine Mithaftung des herrschenden Unternehmens nach § 31 BGB ist hier mit anderen Worten durchweg zu bejahen. Von der soeben behandelten Problematik strikt zu trennen ist die Frage, ob der Doppelmandatsträger (und in der Folge auch das herrschende Unternehmen) zusätzlich nach § 309 AktG haftet, wenn er keine Weisungen erteilt, sondern selbst in der abhängigen Gesellschaft Geschäftsführungsmaßnahmen vornimmt. Praktische Bedeutung hat das wegen der besonderen Durchsetzungsregeln des § 309 Abs. 3 und 4 AktG, die von § 93 Abs. 4 und 5 AktG abweichen und insbesondere ein individuelles Klagerecht und das Erfordernis eines Sonderbeschlusses der außenstehenden Aktionäre beim Anspruchsverzicht vorsehen. Selbstverständlich ist die Anwendung des § 309 AktG in dieser Konstellation keineswegs, da die Vorschrift explizit an das Vorliegen einer Weisung anknüpft 74 . Gleichwohl spricht sich die herrschende Meinung im Ergebnis zu Recht dafür aus75 . Auch insoweit beansprucht nämlich die nun schon mehrfach angeführte Überlegung Geltung, dass die Einrichtung einer Organisationsstruktur, die Weisungen und auch sonstige Maßnahmen gleicher Wirkung entbehrlich macht, haftungsrechtlich gegenüber einer pfl ichtwidrigen Weisung nicht privilegiert sein darf. Mit anderen Worten sind bei Personenidentität der Vorstandsmitglieder sämtliche auf der Ebene der abhängigen Gesellschaft getroffenen Maßnahmen zugleich dem herrschenden Unternehmen als Weisung zuzurechnen 76 . Schadensersatzansprüche gegen den Doppelmandatsträger können somit nicht nur auf § 93 AktG, sondern zusätzlich auf § 309 AktG gestützt werden und unterliegen daher – ebenso wie die parallel hierzu bestehenden Ansprüche gegen das herrschende Unternehmen – den Sonderregeln des § 309 Abs. 3 und 4 AktG.
IV. Ergebnis Das Verhalten einer natürlichen Person kann gleichzeitig Organhandlung für mehrere Verbände sein; entgegen der Rechtsprechung des BGH gilt dies auch für die Fälle der Entsendung eines Organwalters in ein anderes Unternehmen. Allerdings kommt außerhalb von Abhängigkeitsverhältnissen eine Mithaftung der abordnenden Gesellschaft für Pflichtwidrigkeiten, die ihr Organwalter als 73 So auch KölnKommAktG/Koppensteiner, § 309 Rdn. 41; Streyl, Vorstands-Doppelmandate, S. 66; Tschernig, Konzerninsolvenz, S. 116; K. Krebs, Interessenkonfl ikte, S. 239. 74 Ablehnend MünchKommAktG/Altmeppen, § 309 Rdn. 61 ff., 145 f.; skeptisch Hüffer, AktG, § 309 Rdn. 29. 75 KölnKommAktG/Koppensteiner, § 309 Rdn. 40 f.; Emmerich/Habersack, § 308 Rdn. 29, § 309 Rdn. 23; Aschenbeck, NZG 2000, 1015, 1020; Streyl, Vorstands-Doppelmandate, S. 64 ff.; Heidel/Peres, AktG, § 309 Rdn. 6; Kantzas, Weisungsrecht, S. 160 f.; s. auch MünchHdbAG/Krieger, § 70 Rdn. 160. 76 GroßKommAktG/Hirte, § 308 Rdn. 18, § 309 Rdn. 13.
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§ 12 Handeln für den Verband
Mitglied der Geschäftsführung oder des Aufsichtsrats der aufnehmenden Gesellschaft begeht, nur in Betracht, wenn dieser das Interesse der abordnenden Körperschaft pflichtwidrigerweise dem Interesse der aufnehmenden Gesellschaft überordnet und dabei deren Schädigung in Kauf nimmt. Das ist bei einem Handeln zum Vorteil der abordnenden Gesellschaft zu vermuten. Nichts anderes gilt im Rahmen eines faktischen Abhängigkeitsverhältnisses. Hier ist bei einem Handeln zugunsten des herrschenden Unternehmens eine entsprechende Veranlassung im Sinne von § 311 AktG zu vermuten. Diese Vermutung kann aber selbst bei Vorstandsdoppelmandaten durch den Nachweis widerlegt werden, dass die Pflichtverletzung schlicht auf einer Fehlleistung in der abhängigen Gesellschaft beruht und nicht mit Rücksicht auf die Belange des herrschenden Unternehmens getroffen wurde. Lediglich bei Beherrschungsverträgen ist wegen der allseitigen Ausrichtung auf das Konzerninteresse jedes Handeln eines Doppelvorstands der herrschenden Gesellschaft zuzurechnen und unterfällt überdies der besonderen Haftungsvorschrift des § 309 AktG.
§ 13 Organverhältnis und begleitende Rechtsverhältnisse A. Organverhältnis Geborene Organwalter werden unmittelbar auf gesetzlicher oder gesellschaftsvertraglicher Grundlage in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Gesellschaft für diese tätig und sind ihr allein durch das mitgliedschaftliche Rechtsverhältnis verbunden. Daher haften die Gesellschafter einer Personengesellschaft, die ihre Geschäftsführerpflichten durch sorgfalts- oder treupflichtwidrige Tätigkeit verletzen und die Gesellschaft dadurch schädigen, nach § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Gesellschaftsvertrags1. Gekorene Organwalter dagegen gelangen erst durch zwei einseitige, aber inhaltlich aufeinander bezogene Rechtsgeschäfte in ihr Amt, nämlich durch den Bestellungs- oder Wahlbeschluss des zuständigen Verbandsorgans einerseits und ihre eigene Einverständnis- oder Zustimmungserklärung andererseits2 . Die Mitwirkung des Organwalters ist deswegen unerlässlich, weil ihm ohne diese nicht die mit seiner Amtsstellung verbundenen Pflichten auferlegt werden können und die auch einseitig mögliche isolierte Einräumung von Rechten dem Interesse des Verbandes erkennbar widerspricht 3 . Begründet wird ein korporationsrechtliches Sonderverhältnis, dessen Pflichtenprogramm sich nach heute gesicherter Erkenntnis durch die Zweiteilung in Sorgfalts- und Treupflichten systematisieren lässt 4 . Der Organwalter hat somit seine Tätigkeit am Vorbild eines ordentlichen und gewissenhaften Organmitglieds auszurichten und in allen Angelegenheiten, die das Interesse der Gesellschaft berühren, allein deren Wohl und Wehe und nicht den eigenen Nutzen und den Vorteil anderer im Auge zu haben 5 . Wird er diesem Anforderungsprofil nicht gerecht, macht er sich nach den gesetzlichen Tatbe1
Zutreffend Staub/Ulmer, HGB, § 114 Rdn. 50; aA Bergmann, Fremdorganschaft, S. 178. Überzeugend Hüffer, AktG, § 84 Rdn. 4; GroßKommAktG/Kort, § 84 Rdn. 39; aA – für Einordnung als Vertrag – Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 40; Soergel/Hadding, BGB, § 27 Rdn. 9. 3 BGH WM 1992, 691, 692; Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 37 ff.; Flume, Juristische Person, § 10 I 1 (S. 344); Erman/Westermann, BGB, § 27 Rdn. 1; Scholz/Schneider, GmbHG, § 6 Rdn. 54. 4 Fleischer, WM 2003, 1045; GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rdn. 72; Hüffer, AktG, § 93 Rdn. 3; Michalski/Haas, GmbHG, § 43 Rdn. 41, 88 ff.; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rdn. 22. 5 So die wiederkehrende Formel der Rechtsprechung, s. etwa BGH WM 1989, 1335, 1339. 2
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§ 13 Organverhältnis und begleitende Rechtsverhältnisse
ständen der Organhaftung, also vor allem nach §§ 43 GmbHG, 93, 116 AktG schadensersatzpflichtig6 . Obschon über die Existenz des Organverhältnisses und die Konkretisierung des Pflichtenprogramms heute weithin Einigkeit bestehen dürfte, ist doch die Diskussion selbst über Grundsatzfragen nicht zum Erliegen gekommen. So besteht nach wie vor Streit über die Wirkungsrichtung der organschaftlichen Treubindungen. Während die herrschende Meinung im Ausgangspunkt nach wie vor überzeugend Organpflichten nur im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Organwalter anerkennt 7, sollen nach anderer Auffassung die Anteilseigner mit in den Schutzbereich einzubeziehen sein8 . Als immerhin bedenkenswert erscheint insoweit aber die jüngst vorgelegte Konzeption, wonach zwischen Leitungsorganmitglied und Kapitalgesellschafter ein gesetzliches Schuldverhältnis ohne primäre Leistungspfl icht besteht, innerhalb dessen Eigenschäden des Gesellschafters dann zu ersetzen sind, wenn ein spezifisches Funktionsdefizit in der Haftungskette Organwalter – Gesellschaft – Gesellschafter besteht9. Im Folgenden soll es jedoch um ein anderes Problem gehen, nämlich die Frage, inwieweit neben der Haftung aus dem Organverhältnis noch eine solche aus begleitenden Rechtsverhältnissen in Betracht kommt. Von Bedeutung ist das namentlich bei Geschäftsleitern von Kapitalgesellschaften, die der Gesellschaft zusätzlich durch Anstellungsvertrag oder als Gesellschafter mitgliedschaftlich verbunden sind.
B. Anstellungsverhältnis I. Die Trennungstheorie und ihre Grenzen Nach § 38 Abs. 1 GmbHG ist die Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH jederzeit widerruflich, wobei allerdings Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen unbeschadet bleiben. Dem lässt sich entnehmen, dass das Gesetz zwischen der korporationsrechtlichen und der dienstrechtlichen Stellung streng unterscheidet10 . Noch deutlicher kommt der angesprochene Trennungsgedanke in den Vorschriften des § 84 Abs. 1 und 3 AktG zum Ausdruck, die für 6
AA Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 211 ff.: Vertragshaftung. BGHZ 83, 122, 134; BGHZ 110, 323, 334; Zöllner, ZGR 1988, 392, 408 f.; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rdn. 176; GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rdn. 469; Habersack, Mitgliedschaft, S. 205 f.; GroßKommAktG/Mülbert, Vor § 118 Rdn. 194 f., 225; Fleischer, WM 2003, 1045, 1047; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 431 ff. 8 Vgl. mit erheblichen Unterschieden Raiser, ZHR 153 (1989), 1, 12 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, § 4 IV 2b (S. 241); Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 211; v. Aubel, Vorstandspfl ichten, S. 221 ff. 9 Schmolke, Organwalterhaftung, S. 221 ff. 10 BGHZ 36, 142, 143; BGHZ 78, 82, 84; BGHZ 89, 48, 52 f.; BGHZ 148, 167, 169 f.; BGH NJW 2003, 351; Goette, GmbH, § 8 Rdn. 3; Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, 7
B. Anstellungsverhältnis
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das Vorstandsmitglied einer AG explizit ein Nebeneinander von Bestellung und schuldrechtlichem Anstellungsvertrag vorsehen. Während erstere seine Rechten und Pflichten als Amtswalter begründet, sind in letzterem die persönlichen Rechtsbeziehungen des Geschäftsleiters zur Gesellschaft und damit insbesondere seine Vergütung und Altersversorgung geregelt. Nicht zu bestreiten ist freilich, dass zwischen beiden ein enger Funktionszusammenhang besteht, der mannigfache Abstimmungen erforderlich macht. Daraus folgt allerdings nicht, dass entgegen dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes11 von einem einzigen, einheitlich zu behandelnden Rechtsverhältnis auszugehen ist12 . Im Gegenteil erweist sich die Aufspaltung insbesondere dann als unerlässlich, wenn der Anstellungsvertrag nicht mit der Gesellschaft, sondern einem Dritten geschlossen wurde, was zwar im Hinblick auf die zwingende Personalkompetenz des Aufsichtsrats nicht in der AG13 , wohl aber in der GmbH im Grundsatz zulässig ist14 . Wenngleich im Ansatz bei allen Organwaltern zwischen schuldrechtlichen und korporationsrechtlichen Rechten und Pflichten zu unterscheiden ist, so ist doch der neben den Bestellungsakt tretende gesonderte Abschluss eines Anstellungs- oder Geschäftsbesorgungsvertrags eine vorrangig auf die Mitglieder des Geschäftsleitungsorgans beschränkte Besonderheit und keine allgemeine Erscheinungsform der Organschaft. Schon auf den besonderen Vertreter im Sinne des § 147 AktG lässt sie sich nicht ohne weiteres übertragen15 . Vor allem jedoch ist für einen solchen Vertrag entgegen der früher herrschenden16 und bis heute verbreiteten Auffassung17 beim Aufsichtsratsmitglied der AG kein Raum18 . Ein erster Fingerzeig in diese Richtung lässt sich der Systematik des Aktiengesetzes GmbHG, Anh. § 6 Rdn. 1; GroßKommAktG/Kort, § 84 Rdn. 16 f.; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 84 Rdn. 8. 11 Begr. zum RegE des AktG 1965 bei Kropff, S. 106. 12 So aber Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 3 ff., 211 ff., 449 ff.; abweichend auch Reuter, FS Zöllner, Bd. 1, S. 488 ff.; kritisch zu ihm Jacoby, Das private Amt, S. 542 ff. 13 Theobald, FS Raiser, S. 421 ff.; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 84 Rdn. 54; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, § 30 MitbestG Rdn. 15; differenzierend GroßKommAktG/Kort, § 84 Rdn. 324 ff. 14 BGHZ 75, 209 f.; BAG NJW 2003, 3290; NJW 1996, 1076; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rdn. 168; Fleck, ZHR 149 (1985), 387 ff.; zurückhaltend Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 35 Rdn. 165. 15 Dafür aber GroßKommAktG/Bezzenberger, § 147 Rdn. 54; aA Böbel, Besonderer Vertreter, S. 67 ff. 16 Vgl. etwa RGZ 146, 145, 152; RGZ 152, 273, 278; Baumbach/Hueck, AktG, § 101 Rdn. 7. 17 GroßKommAktG/K. Schmidt, § 250 Rdn. 30; Säcker, NJW 1979, 1521, 1529; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2 C Rdn. 85; Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, Rdn. 1067. 18 So auch GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 101 Rdn. 92; Hüffer, AktG, § 101 Rdn. 2; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, § 25 MitbestG Rdn. 82; Henssler, FS BGH, S. 387, 416; MünchKommAktG/Semler, § 101 Rdn. 155 ff.; MünchHdbAG/Hoffmann-Becking, § 33 Rdn. 10.
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§ 13 Organverhältnis und begleitende Rechtsverhältnisse
entnehmen, das für das Aufsichtsratsmitglied keinen weiteren neben die Bestellung tretenden Rechtsakt kennt. Weiterhin steht auch kein Organ zur Verfügung, das insofern sachgerecht für die Gesellschaft tätig werden könnte. Denn während der materiell zur Entscheidung berufenen Hauptversammlung die Befugnis fehlt, die Gesellschaft gegenüber den Aufsichtsratsmitgliedern rechtsgeschäftlich zu vertreten, kann der formal vertretungsberechtigte Vorstand schon aus Gründen guter Unternehmensführung kaum das richtige Gremium für die Beschlussfassung sein19. Im Übrigen ist der Aufgabenkreis des Aufsichtsratsmitglieds vorbehaltlich der Frage der Vergütung ohnehin durch das Gesetz abschließend determiniert. Die Vergütung wiederum ist nach § 113 AktG in der Satzung festzulegen oder von der Hauptversammlung einseitig zu bewilligen. Es fehlt daher auch jeder Regelungsspielraum für einen ergänzenden Anstellungsvertrag. Wie schon hervorgehoben, bedeutet die Entbehrlichkeit eines besonderen Vertrags indessen nicht, dass es in der Rechtsbeziehung zur Gesellschaft neben den Amtspflichten und -befugnissen nicht auch die persönliche Rechtsstellung des Aufsichtsratsmitglieds betreffende und damit als schuldrechtlich zu qualifizierende Elemente gäbe. Um diesen Umstand deutlich hervortreten zu lassen, ist vorgeschlagen worden, dem Organverhältnis zwar weiterhin ein Anstellungsverhältnis an die Seite zu stellen, dieses aber abweichend von der gerade verworfenen Ansicht nicht als vertragliches, sondern als gesetzliches Schuldverhältnis zu verstehen 20 . Ohne dass sich damit in der Sache Unterschiede verbänden, erscheint es demgegenüber vorzugswürdig, auf jede unnötige Verkomplizierung zu verzichten und von einem einheitlichen Rechtsverhältnis mit sowohl korporationsrechtlichem als auch schuldrechtlichem Inhalt auszugehen 21.
II. Abstimmung der Haftungstatbestände Soweit von einem Nebeneinander von Bestellungs- und Anstellungsverhältnis auszugehen ist, stellt sich die Frage, in welcher Beziehung die jeweiligen Haftungsgrundlagen zueinander stehen. Nach der den Geschäftsführer einer GmbH betreffenden Rechtsprechung des BGH kommt dem Haftungsanspruch aus Geschäftsführervertrag gegenüber der gesetzlichen Haftungsgrundlage keine eigenständige Bedeutung zu, vielmehr nehme § 43 GmbHG als gesetzliche Anspruchsgrundlage und als Spezialregelung die vertragliche Haftungsgrundlage
19
Vgl. KölnKommAktG/Mertens, § 101 Rdn. 5; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 101 Rdn. 92. 20 So KölnKommAktG/Mertens, § 101 Rdn. 5; E. Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 29 Rdn. 2. 21 Hüffer, AktG, § 101 Rdn. 2; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rdn. 712.
B. Anstellungsverhältnis
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in sich auf22 . Tragend war dabei die Erwägung, dass der Geschäftsführer nach Ablauf der in § 43 Abs. 4 GmbHG vorgesehenen Verjährungsfrist von fünf Jahren nicht noch unter Berufung auf den Dienstvertrag und damit auf die nach altem Verjährungsrecht noch 30 Jahre betragende Regelverjährungsfrist des § 195 BGB a. F. von der Gesellschaft soll in Anspruch genommen werden können 23 . Diese Rechtsprechung ist nicht nur in ihrer Begründung zweifelhaft, sondern auch im Ergebnis schon allein deswegen neu zu durchdenken, weil das Verjährungsrecht im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung grundlegend neu ausgerichtet wurde. Überzeugend ist freilich noch der nur implizit zum Ausdruck gebrachte gedankliche Ausgangspunkt, dass Pflichtverletzungen des Geschäftsleiters das Anstellungs- ebenso wie das Organverhältnis betreffen. Eine Absage wird damit zu Recht der Lehre erteilt, der zufolge der Dienstvertrag nur die entbehrliche schuldrechtliche Grundlage für die Übernahme des Geschäftsführeramts bilde und somit allein das Recht und die Pflicht zum Amt begründe, während die Rechte und Pflichten aus dem Amt ausschließlich dem körperschaftlichen Bestellungsverhältnis entsprängen 24 . Denn wenngleich er im Schwerpunkt sicherlich die vermögensrechtlichen Angelegenheiten des Geschäftsleiters regelt, so umfasst der Anstellungsvertrag bei verständiger Auslegung doch auch die Pflicht, die organschaftlichen Aufgaben sorgfältig und gewissenhaft auszuführen 25 . Soweit Gesetz und Satzung dafür Raum lassen, kann der Anstellungsvertrag sogar die Organpflichten weiter konkretisieren oder ergänzen. Sind aber infolge konsequenter Anwendung des Trennungsprinzips die Tatbestandsvoraussetzungen zweier, wenngleich auf dasselbe wirtschaftliche Ergebnis gerichteter Schadensersatznormen erfüllt, dann entspricht es der anerkannten Lehre von der Anspruchskonkurrenz 26 , dass beide Anspruchsgrundlagen samt des zugehörigen Haftungsregimes im Grundsatz selbständig nebeneinander Anwendung finden 27. Jeder Schadensersatzanspruch ist daher nach 22 BGH ZIP 1989, 1390, 1392; BGH ZIP 1997, 199, 200; zustimmend OLG Brandenburg NZG 1999, 210, 211; KG NZG 1999, 400, 402; Ulmer/Paefgen, § 43 Rdn. 5; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 43 Rdn. 4; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rdn. 2; Henze, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Anh. A § 177a Rdn. 83. 23 BGH ZIP 1989, 1390, 1392. 24 Vgl. etwa Hommelhoff, Konzernleitungspfl icht, S. 236; Krieger, Personalentscheidungen, S. 3 ff., 163 ff.; zu Recht kritisch Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 56; Fleck, ZHR 149 (1985), 387, 418. 25 So auch Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 6 Rdn. 8; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 35 Rdn. 81, 106; vgl. aber auch Goette, GmbH, § 8 Rdn. 127. 26 Vgl. nur BGHZ 116, 297, 300; BGH ZIP 2004, 1810, 1813; Palandt/Heinrichs, BGB, § 195 Rdn. 17; zur abweichende Lehre von der Anspruchsnormkonkurrenz Larenz/Wolf, AT, § 18 Rdn. 33 ff. 27 So denn auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 II 4a (S. 1077 f.); ders., FS Georgiades, S. 689, 698 ff.; Fleck, ZHR 149 (1985), 387, 418; Hüffer, AktG, § 93 Rdn. 11; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdn. 13; Sturm, Verjährung, S. 125 ff.; ablehnend Jacoby, Das private Amt, S. 545.
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seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Durchsetzung selbständig zu beurteilen. Im Ergebnis verdiente die Rechtsprechung gleichwohl Anerkennung, denn die Eigenständigkeit der Ansprüche findet dort ihre Grenze, wo eine spezifische Wertung des Gesetzes umgangen oder ausgehöhlt zu werden droht. Weil etwa der Mieter, der die Mietsache beschädigt, typischerweise zugleich den Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB verwirklicht, wendet die herrschende Meinung völlig zu Recht die für vertragliche Ansprüche vorgesehene kurze Verjährungsfrist des § 548 BGB auch auf konkurrierende deliktische Ansprüche an. Andernfalls wäre nämlich die kurze Verjährung nach Vertragsrecht praktisch bedeutungslos28 . Ganz ähnlich liegt es hier: Weil jeder Verstoß gegen Organpflichten automatisch eine Verletzung des Dienstvertrags bedeutet, musste es für beide Ansprüche einheitlich bei der kurzen fünfjährigen Verjährungsfrist der §§ 43 Abs. 4 GmbHG, 93 Abs. 6 AktG bewenden 29. Nach geltendem Recht scheint sich das Problem nun dadurch erledigt zu haben, dass der Gesetzgeber einerseits die Regelverjährungsfrist von 30 Jahren auf drei Jahre verkürzt, andererseits aber im „Gesetz über die Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts“30 die besonderen Verjährungsvorschriften für die Haftung von Organen bewusst nicht angetastet hat 31. Allerdings läuft die an sich kürzere regelmäßige Verjährungsfrist keineswegs immer vor der gesellschaftsrechtlichen Fünfjahresfrist ab. Beide unterscheiden sich nämlich wesentlich in der Frage des Verjährungsbeginns. Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt für Ansprüche wegen Organpflichtverletzung – wie schon nach bisherigem Recht 32 – gemäß § 200 S. 1 BGB mit der Entstehung des Anspruchs und das heißt ohne Rücksicht auf Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Gesellschaft von den anspruchsbegründenden Umständen mit Eintritt des Schadens33 . Demgegenüber kommt es für den Beginn der Regelverjährungsfrist nach § 199 Abs. 2 Nr. 2 BGB genau auf diese subjektive Komponente maßgeblich an; kenntnisunabhängig verjähren auf den Ersatz primärer Vermögensschäden gerichtete Schadensersatzansprüche gemäß § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB erst in zehn Jahren von ihrer Entstehung an. Bedenkt man weiterhin, dass der Gesetzgeber an der Fünfjahresfrist gerade deswegen festgehalten hat, weil die Geschäftsleiter nicht zuletzt um der 28
Vgl. BGHZ 55, 392, 398; BGH NJW 1993, 2797, 2798; gleichsinnig BGHZ 162, 306, 312 (zum Verhältnis vertraglicher Aufklärungspfl ichtverletzung und § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG); allgemein Palandt/Heinrichs, BGB, § 195 Rdn. 17; Staudinger/Peters, BGB, § 195 Rdn. 39 ff. 29 Vgl. nochmals die Nachweise in Fn. 27; daneben BGH ZIP 1989, 1390, 1392. 30 Gesetz vom 9. 12. 2004, BGBl. I, S. 3214. 31 Begr. RegE, BT-Drucks. 15/3653, S. 12; daneben Thiessen, ZHR 168 (2004), 503, 537 f. 32 BGHZ 100, 228, 231 f. (AG); BGH ZIP 2005, 852, 853 (GmbH). 33 Zutreffend Schmitt-Rolfes/Bergwitz, NZG 2006, 535, 536; Hüffer, AktG, § 93 Rdn. 37; Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rdn. 57; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rdn. 158.
B. Anstellungsverhältnis
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Versicherbarkeit der Ansprüche willen nach objektiven Kriterien Gewissheit haben sollen, ab wann ihnen für ein bestimmtes Verhalten keine Inanspruchnahme mehr droht 34 , so wird deutlich, warum an der Erstreckung der §§ 93 Abs. 6 AktG, 43 Abs. 4 GmbHG auf Ansprüche wegen Verletzung des Dienstvertrags auch weiterhin festzuhalten ist 35 . Da das Pflichtengefüge des Anstellungsverhältnisses an dasjenige aus dem Organverhältnis anknüpft und daher jede Organpflichtverletzung mit einer Verletzung des Anstellungsverhältnisses einher geht, drohte ohne diese nämlich die beabsichtigte Privilegierung der Geschäftsleiter leer zu laufen. Diese Überlegungen finden ihre Bestätigung in der Rechtsprechung zum Verhältnis von Organ- und Deliktshaftung. Deliktsrechtliche Ansprüche unterliegen seit jeher einer dreijährigen Verjährungsfrist, die auf die Kenntnis des Verletzten von dem Schaden und der Person des Verletzten abstellt und als Vorbild für das geltende allgemeine Verjährungsrecht diente36 . Mit anderen Worten stellte sich das Konkurrenzproblem dort schon immer in genau dem gleichen Maße wie nunmehr im Verhältnis zur Haftung wegen Verletzung des Dienstvertrags. Freilich ist es genau im gegenteiligen Sinne aufzulösen. Nach heute ganz herrschender Meinung hat es bei dem uneingeschränkten Nebeneinander der Tatbestände auch in verjährungsrechtlicher Hinsicht zu bewenden 37. Das überzeugt schon deswegen, weil derjenige Geschäftsleiter, der seine Organpflichten missachtet, nur ausnahmsweise zugleich eine unerlaubte Handlung begeht. Umgekehrt knüpft die deliktische Verantwortlichkeit gerade nicht an die Organstellung und die mit ihr verbundenen besonderen Rechtspflichten an, sondern kann jedermann treffen. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum das Verwaltungsmitglied als Täter einer unerlaubten Handlung gegenüber anderen Ersatzpflichtigen durch die Erstreckung der Sonderverjährungsvorschrift privilegiert werden sollte. Das gilt auch dann, wenn ihm kein schweres Verschulden, sondern nur einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist 38 . Vorrangige Geltung verdienen §§ 93 Abs. 6 AktG, 43 Abs. 4 GmbHG allein dann, wenn die deliktische Haftung auf einer Verletzung einer ausschließlich an den Geschäftsleiter gerichteten gesellschaftsrechtlichen Norm beruht, die zugleich als Schutzgesetz zugunsten der Gesellschaft anzusehen ist 39. Ist nämlich überhaupt nur 34
Vgl. nochmals die Nachweise in Fn. 31. So auch K. Schmidt, FS Georgiades, S. 689, 707; Sturm, Verjährung, S. 501 ff., 511. 36 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 102. 37 BGHZ 100, 190, 199 ff.; BGH ZIP 2005, 852, 853; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rdn. 110; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdn. 202; Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rdn. 45; kritisch allerdings Bayer, WuB C II § 43 GmbHG 1. 99 unter III. 38 Tendenziell aA K. Schmidt, FS Georgiades, S. 689, 709. 39 BGHZ 100, 190, 201; Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rdn. 45; Michalski/Haas, GmbHG, § 43 Rdn. 231; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rdn. 155; Sturm, Verjährung, S. 219 ff.; zurückhaltend Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rdn. 110. 35
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§ 13 Organverhältnis und begleitende Rechtsverhältnisse
der Organwalter tauglicher Täter, beruht die deliktische Haftung letztlich auf einer Verletzung von Organpflichten, für die aber gerade abschließend die besonderen Verjährungsvorschriften gelten sollen. Das hier propagierte Verhältnis von Organ- und Anstellungsverhältnis erweist sich als hilfreich bei der sachgerechten Lösung des bisher nur unbefriedigend gelösten Problems, auf welcher Grundlage und nach Maßgabe welchen Verjährungsregimes der Geschäftsleiter für die Verletzung solcher im Dienstvertrag geregelter Pflichten einzustehen hat, die nicht bereits kraft Gesetzes aus der Organstellung folgen. Dass eine solche Erweiterung des Pfl ichtenkreises zulässig ist, steht sowohl für die AG wie die GmbH außer Streit 40 . Vereinbart werden können namentlich besondere Dienst- oder Beratungsleistungen, ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot oder die Genehmigungspfl icht bei Veröffentlichungen. Solche Abreden stoßen erst dort auf eine Grenze, wo zwingende gesetzliche Vorgaben berührt werden. So darf zumindest in der AG der dem Vorstand vorgegebene Sorgfaltsmaßstab nicht in Richtung einer Erfolgshaftung intensiviert werden, weil das dessen freie Ausfüllung des unternehmerischen Leitungsauftrags in Frage stellte41. Ganz überwiegend geht man im Weiteren davon aus, dass diese zusätzlichen Pflichten in das organschaftliche Verhältnis einbezogen werden und demzufolge auch ihre Verletzung §§ 93 Abs. 2 AktG, 43 Abs. 2 GmbHG unterfällt 42 . Einschlägig ist damit auch die entsprechende verjährungsrechtliche Sondervorschrift, sei es, weil eine Haftung aus dem Anstellungsvertrag von der Organhaftung verdrängt wird, sei es, weil die Verjährungsvorschrift auf den vertraglichen Anspruch zu übertragen ist. Indessen bleibt im Dunkeln, wie sich der behauptete Übergang von der anstellungsvertraglichen auf die organschaftliche Ebene vollziehen soll. Der zur Begründung angeführte Satz, jeder Geschäftsleiter sei auch als Organ gehalten, seine anstellungsvertraglichen Pflichten zu erfüllen43 , entbehrt jedenfalls jeder Grundlage. Richtig ist vielmehr im Gegenteil, dass der Geschäftsleiter für die Verletzung solcher gesondert übernommener Pflichten allein nach § 280 Abs. 1 BGB einzustehen hat44 . Das wiederum wirkt sich auf das Verjährungsregime aus. Die besonderen gesellschaftsrechtlichen Verjährungsvorschriften tragen nämlich der Situation des Geschäftsleiters allein insofern Rechnung, als er nach strikten Grundsätzen für die Einhaltung der gesetzlichen Sorgfaltsanforderungen einzustehen hat, und wollen zu seinen Gunsten sicherstellen, dass er für 40 Vgl. nur GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rdn. 26; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 93 Rdn. 68; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rdn. 248 ff. 41 KölnKommAktG/Mertens, Vor § 76 Rdn. 25; Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 11 Rdn. 7. 42 GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rdn. 227; Hüffer, AktG, § 93 Rdn. 13; Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 11 Rdn. 36; Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rdn. 53. 43 Vgl. nochmals die Nachweise in der vorigen Fn. 44 Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdn. 208; Reese, DStR 1995, 532, 534; Sturm, Verjährung, S. 144 ff.
C. Mitgliedschaftsverhältnis
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fehlerhafte Geschäftsführungsmaßnahmen nach Ablauf von fünf Jahren nicht mehr in Anspruch genommen werden kann. Die zusätzlich vereinbarten Pflichten hingegen beeinflussen die Organstellung allenfalls mittelbar und sind somit von dem Normzweck der §§ 93 Abs. 6 AktG, 43 Abs. 4 GmbHG nicht erfasst 45 . Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen ihren Geschäftsleiter unterliegen daher insoweit der regemäßigen Verjährung nach §§ 195 ff. BGB.
C. Mitgliedschaftsverhältnis Ein Nebeneinander von Rechtsverhältnissen begegnet auch in der Person desjenigen gekorenen Organmitglieds, das zugleich noch Verbandsmitglied ist. Paradigmatisch hierfür steht der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, der in dieser Doppelrolle46 sowohl organschaftliche als auch mitgliedschaftliche Treupflichten zu erfüllen hat. In diesem Fall soll nach der Rechtsprechung des BGH die Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG nicht nur diejenige aus dem Mitgliedschaftsverhältnis nicht verdrängen, im Gegenteil hat der II. Zivilsenat unter der Herrschaft des früheren Rechts sogar angenommen, es gelte einheitlich für beide konkurrierenden Ansprüche die für die mitgliedschaftliche Treupflicht maßgebliche 30-jährige Regelverjährungsfrist47. Den für die Bewertung zentralen Gesichtspunkt hat er dabei selbst mit dem Hinweis angeführt, es möge Fälle geben, in denen ein Verstoß gegen die Geschäftsführungspfl ichten nicht ohne weiteres auch als Verletzung der gesellschafterlichen Treupfl icht zu qualifizieren sei48 . Eine noch pointiertere Abgrenzung findet sich im Schrifttum. Geschäftsleiterpflichten, heißt es dort, seien nicht automatisch Gesellschafterpflichten; vielmehr bedürfe es jeweils besonderer Umstände, um einen Pflichtentransfer zu rechtfertigen49. Trifft diese Einschätzung zu, so war nach früherem Recht in der Tat kein Raum für eine Übertragung der kürzeren fünfjährigen Verjährungsfrist des § 43 Abs. 4 GmbHG auf den Anspruch wegen mitgliedschaftlicher Treupfl ichtverletzung. Denn – wie schon ausgeführt – kommt eine solche nur in Betracht, 45 Überzeugend Fleck, ZHR 149 (1985), 387, 410; Sturm, Verjährung, S. 149 ff.; für das nachvertragliche Wettbewerbsverbot auch Thüsing, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rdn. 127. 46 Wiedemann, FS Heinsius, S. 949, 951; Fleischer, WM 2003, 1045, 1047. 47 Vgl. BGH ZIP 1982, 1073, 1075; BGH ZIP 1999, 240, 241; daneben BGH ZIP 2005, 320, 321; OLG Köln NZG 2000, 1137, 1138; Goette, GmbH, § 8 Rdn. 197; abweichend Winter, Treuebindungen, S. 116 f. 48 BGH ZIP 1982, 1073, 1075. 49 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rdn. 62; Fleischer, WM 2003, 1045, 1047; noch zurückhaltender Schmolke, Organwalterhaftung, S. 226 ff.; v. Aubel, Vorstandspfl ichten, S. 125 ff.; aA – für einen weitgehenden Gleichlauf – Sturm, Verjährung, S. 189 ff., 512.
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§ 13 Organverhältnis und begleitende Rechtsverhältnisse
wenn die Voraussetzungen zweier Anspruchsgrundlagen zumindest typischerweise nebeneinander erfüllt sind und daher die mit der spezialgesetzlich kürzeren Verjährungsfrist verbundene Privilegierung andernfalls praktisch ihres wesentlichen Anwendungsbereichs beraubt zu werden droht 50 . Für das geltende Recht hat sich an der gesetzlichen Ausgangslage nichts Grundlegendes geändert: Zwar ist die vom BGH für den Anspruch wegen Verletzung der mitgliedschaftlichen Treupflicht für einschlägig erachtete Regelverjährungsfrist des § 195 BGB um den Faktor zehn verkürzt worden, wegen der subjektiven Komponente des Verjährungsbeginns kann die Verjährung aber nach wie vor deutlich später als fünf Jahre nach Entstehen des Schadensersatzanspruchs ablaufen. Dem Anspruch kommt daher gegenüber der allgemeinen Organhaftung nach wie vor eigenständige Bedeutung zu. Gewisse Zweifel ruft allerdings die weitere Argumentation hervor, die der BGH in seiner die Rechtsprechungslinie begründenden Entscheidung anführt. Der Gesellschafter-Geschäftsführer habe, heißt es dort, mit der ihm vorgeworfenen unzulässigen Entnahme von Gesellschaftsmitteln nicht nur gegen seine Geschäftsführungspflichten, sondern zusätzlich auch gegen seine gesellschafterliche Treupflicht verstoßen, die Gesellschaft im Rahmen seiner Möglichkeiten vor einer unzulässigen Schmälerung des Gesellschaftsvermögen zu bewahren 51. Derart pauschal formuliert lässt sich nämlich doch ein weitgehender Gleichlauf organschaftlicher und mitgliedschaftlicher Treupflichten konstruieren, mit der Folge, dass Ansprüche gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer im Ergebnis nicht nach § 43 Abs. 4 GmbHG, sondern nach Maßgabe der Regelfrist des § 195 BGB verjähren. Die Rechtfertigung hierfür liefert der BGH an späterer Stelle nach. Die fünfjährige Frist des § 43 Abs. 4 GmbHG rechtfertige sich daraus, dass die Organmitglieder als Verwalter fremden Vermögens ein berechtigtes Interesse daran hätten, nach Ablauf einer bestimmten Frist Gewissheit darüber zu erlangen, ob im Zusammenhang mit ihrer Organtätigkeit Ansprüche gegen sie erhoben werden. Diese Erwägung treffe auf einen Gesellschafter im Hinblick auf seine mitgliedschaftliche Stellung nicht zu 52 . Der damit angedeuteten teleologischen Reduktion des § 43 Abs. 4 GmbHG steht jedoch entgegen, dass das GmbHG mehrfach und namentlich in §§ 6 Abs. 3 und 35 Abs. 4 zwischen dem Fremdgeschäftsführer und dem Gesellschafter-Geschäftsführer unterscheidet, es allerdings im Rahmen der Verjährungsvorschrift gezielt bei einer einheitlichen Behandlung belässt 53 . Abgesehen davon, dass eine pauschale Schlechterstellung des Gesellschafter-Geschäftsführers gegenüber dem Fremdgeschäftsführer auch in der Sache nicht überzeugen 50 51 52 53
Näher oben B). BGH ZIP 1982, 1073, 1075. BGH ZIP 1999, 240, 241. Vgl. in etwas anderem Zusammenhang Schmolke, Organwalterhaftung, S. 227.
C. Mitgliedschaftsverhältnis
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könnte 54 , dürfte es daher schon an der für eine Rechtsfortbildung erforderlichen planwidrigen Regelungslücke fehlen. Der Organhaftungsanspruch verjährt somit entgegen der Ansicht des BGH, der ausdrücklich von einem verjährungsrechtlichen Gleichlauf beider Ansprüche ausgeht, auch gegenüber einem Gesellschafter-Geschäftsführer nach Maßgabe des § 43 Abs. 4 GmbHG. Offen ist damit lediglich noch die Behandlung des Anspruchs wegen Verletzung der mitgliedschaftlichen Treupflicht. Was dessen Reichweite betrifft, bietet es sich an, den zu weit geratenen abstrakten Begründungsansatz des BGH, dem zufolge der Gesellschafter die Gesellschaft im Rahmen seiner Möglichkeiten vor einer unzulässigen Vermögensschmälerung zu bewahren hat, im Folgenden außer Betracht zu lassen und sich stattdessen den beiden konkret entschiedenen Fallgruppen zuzuwenden. Zunächst hat der BGH schon mehrfach einem Gesellschafter-Geschäftsführer, der dem Gesellschaftsvermögen Geldbeträge oder andere Gegenstände entnommen hat, einen Verstoß auch gegen seine mitgliedschaftlichen Pflichten vorgeworfen und Ersatzansprüche daher der Regelverjährungsfrist unterworfen 55 . Dem ist entgegen gehalten worden, es sei nicht einzusehen, inwiefern der fehlerhafte Umgang mit Geldmitteln der Gesellschaft einen Bezug zu seiner Stellung als Gesellschafter aufweise. Nur als Geschäftsführer, gerade aber nicht als Gesellschafter habe er „in die Gesellschaftskasse greifen“ können. Anders wäre demnach etwa dann zu entscheiden gewesen, wenn er den Kredit der Gesellschaft in der Öffentlichkeit herabgesetzt oder Schutzrechte der Gesellschaft verletzt hätte56 . Im Ausgangspunkt zu Recht mahnt diese Kritik an, die beiden Kategorien der Treupflicht strikt zu trennen, zieht jedoch im Ergebnis den mitgliedschaftlichen Pfl ichtenkreis zu eng. Ein Gesellschafter darf zwar als solcher sicher die Gesellschaft nicht schädigen, ist dazu aber aufgrund seiner Nähebeziehung häufig viel einfacher und effektiver in der Lage als ein außenstehender Dritter. Diese besondere Gefährdungslage bedarf der Kompensation durch eine entsprechende Treupflicht. Unbestritten ist es daher dem Gesellschafter verboten, der Gesellschaft gebührende Geschäftschancen auszunutzen 57 ; für den aktiven Griff in die Gesellschaftskasse muss das erst recht gelten 58 . Demgegenüber trifft den Gesellschafter gerade keine allgemeine Pfl icht, die Geschäfte der Gesellschaft sorgfältig zu führen59. Ein Anspruch wegen Verlet54 55
So auch Bayer, WuB II C § 43 GmbHG 1.99 unter II. 3. BGH ZIP 1982, 1073, 1075; BGH ZIP 2005, 320, 321; vgl. auch BGH ZIP 1989, 1390,
1392. 56
Westermann, NJW 1982, 2870; Sturm, Verjährung, S. 194. Vgl. nur BGH ZIP 1989, 986, 987 (zur KG); Roth/Altmeppen, GmbHG, § 13 Rdn. 44; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 13 Rdn. 62; Michalski, GmbHG, § 13 Rdn. 249 ff. 58 So auch Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdn. 203; Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rdn. 35. 59 Vgl. im vorliegenden Zusammenhang Hachenburg/Mertens, GmbHG, § 43 Rdn. 35. 57
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§ 13 Organverhältnis und begleitende Rechtsverhältnisse
zung der mitgliedschaftlichen Treupflicht scheidet daher aus, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer die Gesellschaft dadurch schädigt, dass er unternehmerische Entscheidungen auf unzureichender Tatsachengrundlage trifft oder unverhältnismäßige, die Existenz der Gesellschaft gefährdende Maßnahmen vornimmt. Keine Zustimmung verdient der BGH denn auch im Hinblick auf den zweiten Fall, in dem er neben der Verletzung der Geschäftsführerpflichten zugleich einen Verstoß gegen die gesellschafterliche Treupfl icht festgestellt hat. Dort hatte die Gesellschafter-Geschäftsführerin unter Missachtung eines entgegenstehenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung mit ihrem Ehemann einen Architektenvertrag abgeschlossen, aus dem dieser später gegen die Gesellschaft erfolgreich Honoraransprüche geltend machte 60 . Weil sie als Gesellschafterin den betreffenden Vertrag schon mangels Vertretungsmacht nämlich gar nicht hätte eingehen können, treffen sie, obschon sie auch als Gesellschafterin selbstverständlich an die geltende Beschlusslage gebunden ist, insoweit auch keine mitgliedschaftlichen Pflichten61. Was die Mitwirkung an der Geschäftsführung angeht, macht sich der Gesellschafter vielmehr allein dann schadensersatzpflichtig, wenn er dem Geschäftsführer kompetenzwidrig an der Gesellschafterversammlung vorbei Weisungen erteilt oder gar selbst für die Gesellschaft tätig wird. Damit bleibt festzuhalten: Nur ausnahmsweise und gerade nicht typischerweise verletzt der Gesellschafter-Geschäftsführer neben seinen Geschäftsführerpflichten zugleich auch seine mitgliedschaftliche Treupflicht. Dieser Anspruch kann daher der Regelverjährungsfrist unterworfen werden, ohne dass die besondere Verjährungsregel des § 43 Abs. 4 GmbHG faktisch ausgehöhlt und ihres wesentlichen Anwendungsbereichs beraubt würde. Vor diesem Hintergrund gibt es keinen Grund, den Gesellschafter-Geschäftsführer gegenüber anderen Gesellschaftern zu privilegieren und bei einem Zusammentreffen der Ansprüche einheitlich die fünfjährige Verjährungsfrist des § 43 Abs. 4 GmbHG anzuwenden62 . Vorbehaltlich der genannten Einschränkungen hinsichtlich der Reichweite der mitgliedschaftlichen Treupflicht überzeugt vielmehr auch weiterhin die zum früheren Recht ergangene Rechtsprechung des BGH, wonach für Ansprüche wegen Treupflichtverletzung die Regelverjährung nach §§ 195 ff. BGB zum Zuge kommt 63 . 60
BGH ZIP 1999, 240; zustimmend Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 14 Rdn. 23. 61 Nur im Ergebnis ähnlich Sturm, Verjährung, S. 194 f., der zwar einen Anspruch wegen der Verletzung der mitgliedschaftlichen Treupfl icht bejaht, diesen aber wegen der Nähe zur Organwalterstellung § 43 Abs. 4 GmbHG unterwerfen will. 62 So aber Ulmer/Raiser, GmbHG, § 14 Rdn. 92; Scholz/Winter/Seibt, GmbHG, § 14 Rdn. 62. 63 Ebenso Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 43 Rdn. 155; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rdn. 58; Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rdn. 45; Michalski/Haas, GmbHG, § 43 Rdn. 178.
D. Zusammenfassung
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D. Zusammenfassung Gekorene Organwalter sind der Gesellschaft durch ein besonderes Organverhältnis verbunden, welches sie zur sorgfältigen und loyalen Amtsführung verpflichtet. Daneben treten weitere Rechtsverhältnisse, wenn der Organwalter zugleich Gesellschafter oder der Gesellschaft durch Dienstvertrag verbunden ist. Letzteres allerdings ist entgegen vielfach vertretener Ansicht nicht bei Aufsichtsräten, sondern im Wesentlichen nur bei Geschäftsleitern von Kapitalgesellschaften der Fall. Für die Bestimmung des Konkurrenzverhältnisses verdienen auch nach der grundlegenden Reform durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz die Fragen der Verjährung besondere Aufmerksamkeit. Da jede Organpflichtverletzung zugleich eine Verletzung des Dienstvertrags darstellt, unterliegen beide Ansprüche den speziellen Verjährungsregeln der §§ 43 Abs. 4 GmbHG, 93 Abs. 6 AktG. Eigenständige Bedeutung kommt dem Dienstvertrag daher allein im Hinblick auf solche Pflichten zu, die dort zusätzlich über das gesetzliche Pflichtenprogramm hinaus vereinbart wurden. Genau umgekehrt liegen die Dinge im Verhältnis zur Gesellschafterstellung. Da der Gesellschafter-Geschäftsführer nur im Ausnahmefall neben seinen organschaftlichen zugleich auch seine mitgliedschaftlichen Pflichten verletzt, besteht kein Anlass, insoweit von dem Grundsatz abzuweichen, dass jeder Anspruch selbständig und nach der für ihn maßgeblichen Frist verjährt. Auf den Anspruch wegen Verletzung der mitgliedschaftlichen Treupfl icht finden somit die §§ 195 ff. BGB Anwendung.
Kapitel 4
Zusammenwirken im Verband Nachdem in den vorigen Kapiteln das Organ und der Organwalter je für sich im Mittelpunkt des Interesses standen, ist nunmehr in einem letzten Schritt das Zusammenwirken verschiedener Funktionsträger innerhalb des Verbandes näher in den Blick zu nehmen. Nicht unbehandelt bleiben kann dabei das konfrontative Aufeinandertreffen von Organen und Organwaltern in Form des Organstreits. Auch wenn dieser im Zivilrecht jedenfalls bislang keine besondere praktische Bedeutung erlangt hat, verdient die damit angesprochene Problematik hier schon deswegen Aufmerksamkeit, weil sie vertiefte Einsichten in die Rechtsstellung der Organe und die Rechtsnatur der ihnen zugeordneten Kompetenzen vermittelt (vgl. nunmehr § 14). Erst allmählich wird hingegen offenbar, welche Herausforderung von organexternen Führungsgremien ausgeht, die in Form von „Group Executive Committees“, „Aktionärsausschüssen“ oder „Bereichsvorständen“ vor allem in großen Aktiengesellschaften neben das gesetzlich vorgeschriebene Organisationsgefüge treten. Es gehört aber zu den das Organ betreffenden allgemeinen Lehren, die Grenzen aufzuzeigen, welche das Organisationsrecht solchen organexternen Gremien setzt und nach welchen Regeln sich das Zusammenwirken von organschaftlichen und nicht organschaftlichen Stellen richtet (vgl. dazu § 15).
§ 14 Organstreit A. Die judizielle Durchdringung des Verbandsinnenbereichs I. Terminologie, Konzentration auf das Aktienrecht Die organschaftliche Verwaltung einer juristischen Person ist regelmäßig auf mehrere Köpfe verteilt, die ihre Aufgaben in verschiedenen Organen oder zusammen innerhalb eines kollektiv organisierten Organs arbeitsteilig wahrnehmen. Damit verbindet sich das Bestreben, die Richtigkeitsgewähr der internen Willensbildung zu erhöhen1. Zugleich ist aber ein erhebliches Konfliktpotential vorprogrammiert, denn selbstverständlich lässt sich nicht selten treffl ich darüber streiten, welche Maßnahme im Einklang mit dem von allen Verwaltungsorganen zu verfolgenden Interesse des Verbandes liegt und bis wohin genau die jeweiligen Kompetenzen reichen. Im Einzelnen lässt sich der Inter-Organstreit als ein Konflikt zwischen verschiedenen, nicht in eine hierarchische Struktur eingebundenen Organen vom Intra-Organstreit unterscheiden, der eine Auseinandersetzung innerhalb eines mit mehreren gleichberechtigten Organmitgliedern besetzten Organs bezeichnet 2 . Paradigmatisch hierfür stehen Konflikte zwischen Vorstand und Aufsichtsrat einer AG einerseits sowie innerhalb des Aufsichtsrats andererseits; von ihnen handeln denn auch zunächst die folgenden Ausführungen 3 .
II. Abgrenzung zu Klagen betreffend die persönliche Rechtsstellung von Organmitgliedern und zur Aktionärsklage Zu erörtern sind damit Streitigkeiten, die den Funktionsablauf zwischen verschiedenen Zuständigkeitskomplexen derselben rechtsfähigen Einheit und da-
1
Eingehend dazu Schubel, Verbandssouveränität, S. 589 ff.; sowie unten B III 2. Vgl. für das öffentliche Recht W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 51 ff.; Hoppe, Organstreitigkeiten, S. 120; aus zivilrechtlicher Sicht Säcker, NJW 1979, 1521, 1522 f.; Borgmann, Organstreit, S. 3; GroßKommAktG/Kort, Vor § 76 Rdn. 54; zur Entbehrlichkeit eines Organstreits bei hierarchischen Strukturen Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rdn. 28; Jacoby, Das private Amt, S. 440 ff. 3 Zu anderen Organen und Gesellschaftsformen unten D. 2
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§ 14 Organstreit
mit sogenannte Innenrechtsbeziehungen betreffen4 . Nur insofern ist streitig, ob überhaupt und, wenn ja, in welchem Umfang Klagemöglichkeiten bestehen und wer richtige Partei eines etwaigen Rechtsstreits ist. Auseinandersetzungen um davon zu unterscheidende Außenrechtsbeziehungen werfen demgegenüber keine vergleichbaren Probleme auf. Ist ein Organwalter nämlich in seiner persönlichen Rechtsstellung betroffen, weil es um seine Vergütung oder Schadensersatzpflichtigkeit geht, so besteht kein Zweifel, dass klagbare Ansprüche existieren und diese im Verhältnis zwischen dem Organwalter als natürlicher Person und der Gesellschaft geltend zu machen sind 5 . Ebenfalls vom Organstreit zu unterscheiden ist die Aktionärsklage zur Abwehr rechtswidrigen Verbandshandelns 6 . Demnach kann sich der einzelne Aktionär nicht nur mit der Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gegen gesetzoder satzungswidrige Hauptversammlungsbeschlüsse zur Wehr setzen; vielmehr steht ihm nach heute gesicherter Erkenntnis der Weg zu den Gerichten zumindest auch dann offen, wenn die Verwaltung sich Entscheidungen im Kompetenzbereich der Hauptversammlung anmaßt und dadurch sein Recht auf Entscheidungsteilhabe verletzt 7. Da er Mitglied des Organs Hauptversammlung ist, ließe sich das in Rede stehende Recht bei rein formaler Betrachtungsweise zwar auch als Organrecht, genauer als Organmitgliedschaftsrecht qualifizieren. Jedoch kann die Vorstellung nicht überzeugen, der einzelne Aktionär nehme im Wege der Leistungsklage „wie ein Organ“ eine Ersatzaufsicht anstelle des hierzu in erster Linie berufenen Kontrollorgans wahr8 . Damit würde die Mitgliedschaft des Aktionärs im Organ Hauptversammlung gegenüber der Mitgliedschaftsbeziehung zur Gesellschaft nämlich zu Unrecht in den Vordergrund gerückt, während sie doch bei Lichte betrachtet nur das technische Vehikel ist, welches dem Verbandsmitglied eine Partizipation an der kollektiven Willensbildung ermöglichen soll9. Im Kern macht der Aktionär also nicht lediglich innerorganisatorische Rechte und Pflichten geltend, sondern beruft sich vielmehr auf eine Verletzung eines aus dem mitgliedschaftlichen Rechtsverhältnis abgeleiteten echten subjektiven Rechts. Richtige Beklagte ist daher in jedem 4 Vgl. Bork, ZGR 1989, 1, 3; Pfl ugradt, Leistungsklagen, S. 3; für das öffentliche Recht Rupp, Grundfragen, S. 34; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rdn. 5, § 21 Rdn. 26. 5 Deckert, AG 1994, 457, 458; MünchHdbAG/Hoffmann-Becking, § 33 Rdn. 70; Hüffer, AktG, § 90 Rdn. 16; Säcker, NJW 1979, 1521, 1525; E. Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 15 Rdn. 81. 6 Bork, ZGR 1989, 1, 4; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 V 2d (S. 424); eine verknüpfte Behandlung der Problemkreise erfolgt bei Teichmann, FS Mühl, S. 663; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 279 f. 7 Vgl. BGHZ 83, 122, 133 ff.; BGHZ 164, 249, 254 ff.; Adolff, ZHR 169 (2005), 310, 315 f.; Habersack, DStR 1998, 533, 535; Bayer, NJW 2000, 2609, 2610 f.; Hoffmann-Becking, ZHR 167 (2003), 357, 360. 8 So zuerst und explizit Lutter, AcP 180 (1980), 84, 142 f.; vgl. daneben Becker, Verwaltungskontrolle, S. 620; Timm, AG 1980, 172, 185; v. Gerkan, ZGR 1988, 441, 448 ff. 9 Vgl. GroßKommAktG/Mülbert, Vor § 118 Rdn. 198.
A. Die judizielle Durchdringung des Verbandsinnenbereichs
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Fall die Gesellschaft10 . Sieht man die Mitgliedschaft als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB an und hält das Deliktsrecht auch im Verbandsinnenbereich für anwendbar, so kommen daneben auch die verantwortlichen Organwalter als Anspruchsgegner in Betracht11. Angesichts der grundlegenden Unterschiede zwischen der mitgliedschaftlich geprägten Rechtsstellung der Aktionäre einerseits und der als bloße Funktionsträger dienenden Organe andererseits lassen sich, was die Verteilung der Parteirollen angeht, aus den im Hinblick auf die Aktionärsklage angestellten Überlegungen keine Rückschlüsse auf die Behandlung des Organstreits ziehen12 . In anderer Hinsicht dagegen ist ein wertungsmäßiger Abgleich durchaus geboten. In beiden Konstellationen sehen sich nämlich die Verfechter weit gehender Klagerechte dem Einwand ausgesetzt, diese seien mit der auf strikte Gewaltenteilung abzielenden aktienrechtlichen Kompetenzordnung im Allgemeinen und der Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit voraussetzenden Leitungsaufgabe des Vorstands im Besonderen unvereinbar13 .
III. Reichweite von Klagerechten In der Tat billigt das Aktiengesetz den Verwaltungsorganen oder einem seiner Mitglieder nur in einigen wenigen Fällen ausdrücklich eine Klage- oder Antragsbefugnis zu. Nach näherer Maßgabe von § 245 Nr. 4 und 5 AktG kann der Vorstand und bei persönlicher Betroffenheit auch ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats Anfechtungsklage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss erheben. Zu nennen sind weiterhin die Antragsrechte nach §§ 85, 105, 98 AktG betreffend die gerichtliche Bestellung eines Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieds sowie die gerichtliche Entscheidung über die richtige Zusammensetzung des Aufsichtsrats. Weiterhin kann ein Organwalter anerkanntermaßen seine individuellen Befugnisse als Organmitglied, die ihm als Hilfsrechte eine sachgerechte Aufgabenwahrnehmung überhaupt erst ermöglichen, innerhalb des eigenen Organs oder im Streit mit einem anderen Organ durchzusetzen14 . 10 BGHZ 82, 122, 134; BGHZ 136, 133, 141; Zöllner, ZGR 1988, 392, 432 f.; GroßKommAktG/Mülbert, Vor § 118 Rdn. 212; Adolff, ZHR 169 (2005), 310, 316; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 V 3a (S. 649). 11 Eingehend Habersack, Mitgliedschaft, S. 5, 202 ff., 297 ff.; daneben Bayer, NJW 2000, 2609, 2611 f.; generell ablehnend gegenüber einem deliktsrechtlichen Schutz allerdings Hadding, FS Kellermann, S. 91, 104 ff.; Helms, Vereinsmitgliedschaft, S. 76 ff.; Schmolke, Organwalterhaftung, S. 50 ff. 12 Vgl. Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 583 f.; Flume, Juristische Person, § 8 V 4 (S. 311 Fn. 204); abweichend Landrock, Innenrechtsstreit, S. 72 f.; Rehbinder, ZGR 1983, 92, 105 f. 13 Zum Organstreit nunmehr unter III; zur Aktionärsklage unten C III 2 b. 14 BGHZ 106, 54, 62; MünchHdbAG/Hoffmann-Becking, § 33 Rdn. 74 f.; E. Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 15 Rdn. 84; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 224 ff.; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rdn. 708; Deckert, AG 1994, 457, 460.
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§ 14 Organstreit
Deshalb kann ein Aufsichtsratsmitglied im Wege der Leitungsklage seinem in § 90 Abs. 3 S. 2 AktG verankerten Recht auf Erteilung eines Vorstandsberichts an den Aufsichtsrat Geltung verschaffen, nach § 90 Abs. 5 AktG die Weitergabe von Vorstandsberichten durch den Aufsichtsratsvorsitzenden verlangen und sein Teilnahme- und Rederecht innerhalb des Gremiums durchsetzen. Aus der Organstellung der Aufsichtsratsmitglieder und der sich daraus ergebenden gemeinsamen Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der von ihnen gefassten Beschlüsse folgt schließlich unbestritten das Interesse eines jeden einzelnen Aufsichtsratsmitglieds, die Nichtigkeit eines fehlerhaften Aufsichtsratsbeschlusses geltend zu machen15 . Jenseits dieses eng umrissenen Bereichs wird verbreitet schon das rechtspolitische Bedürfnis nach einer weiteren judiziellen Durchdringung des Verhältnisses zwischen den Organen verneint16 . Eine totale Rechtsdurchsetzung im innergesellschaftlichen Bereich in Anlehnung an öffentlich-rechtliche Vorstellungen widerspreche schon im Ausgangspunkt der aktienrechtlichen Kompetenzordnung, die jedem Organ eine freie Entfaltung innerhalb seines Kompetenzspielraums sichere17. Nicht einmal für eine Klage zur Durchsetzung der Berichtspflicht des Vorstands gegenüber dem Gesamtaufsichtsrat sei trotz des in diese Richtung deutenden Wortlauts des § 90 Abs. 1 AktG Raum. Verweigere sich der Vorstand einem Auskunftsbegehren des Aufsichtsrats, sei einer vertrauensvollen Zusammenarbeit ohnehin jede Grundlage entzogen; an der Abberufung des Vorstands führe kein Weg mehr vorbei18 . Noch negativer fällt das Urteil über die Möglichkeit aus, Geschäftsführungsmaßnahmen einer Überprüfung auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gesetzes- und Satzungsrecht zu unterziehen. Abgesehen davon, dass die Gerichte insoweit wenig kompetent seien, entspreche es der Eigenverantwortlichkeit des Vorstands, dass er sich grundsätzlich erst nachträglich für die Vornahme oder Nichtvornahme einer Maßnahme zu verantworten habe19. Die wohl überwiegende Meinung ist demgegenüber deutlicher weniger restriktiv und lässt Klagen zum Zwecke des Kompetenzschutzes zu 20 . Sie bestrei15 BGHZ 135, 244, 248; BGHZ 122, 342, 350; MünchKommAktG/Semler, § 108 Rdn. 273. 16 So vor allem Mertens, ZHR 154 (1990), 24, 26 ff.; KölnKommAktG/Mertens, Vor § 76 Rdn. 6; kritisch Borgmann, Organstreit, S. 238 ff.; Brücher, AG 1989, 190, 191 f.; Hüffer, AktG, § 90 Rdn. 18, 23; Werner, AG 1990, 1, 16; zurückhaltend Noack, ZHR 162 (1998), 120, 122; Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 21 Rdn. 12. 17 Vgl. Hüffer, AktG, § 90 Rdn. 23; KölnKommAktG/Mertens, Vor § 76 Rdn. 6. 18 Vgl. Mertens, ZHR 154 (1990), 24, 33; Brücher, AG 1989, 190, 192; vgl. auch GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 111 Rdn. 351: Interorganklage empfehle sich praktisch nicht. 19 So KölnKommAktG/Mertens, Vor § 76 Rdn. 6. 20 Bauer, Organklagen, S. 95 ff., 106 ff., 120; Bork, ZGR 1989, 1, 17 ff.; Feddersen, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 467; Geißler, GmbHR 1998, 1114, 1120; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, § 25 MitbestG Rdn. 147; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 279; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 307 ff.; Jacoby,
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tet, dass sich mit Hilfe der Personalhoheit alle Konflikte zwischen Vorstand und Aufsichtsrat sachgerecht bewältigen lassen, sei es, weil die Voraussetzungen einer Abberufung von Vorstandsmitgliedern im Einzelfall nicht vorlägen, sei es weil eine solche dem Aufsichtsrat als untunlich erscheine 21. Sehe die Verbandsordnung aber eine gewaltenteilige Verwobenheit verschiedener Zuständigkeitsträger mit kontrastierenden Aufgaben vor und erwarte sich davon eine erhöhte Richtigkeitsgewähr der Willensbildung, dann müsse dieses System um ein gesetzlich nicht vorgesehenes innerorganisatorisches Konfliktlösungsinstrument ergänzt werden, wenn es effektive praktische Wirksamkeit erlangen solle. Das geschehe am überzeugendsten dadurch, dass derjenige, zu dessen Nachteil die gesetzliche Zuständigkeitsordnung verletzt wurde, die Möglichkeit erhält, diese mit gerichtlicher Hilfe wieder herzustellen 22 . Daher könne der Aufsichtsrat die ihm gegenüber bestehende Berichtspflicht des Vorstands durchsetzen und die Beachtung von Zustimmungsvorbehalten erzwingen, wenn sich der Vorstand pflichtwidrig der vorbeugenden Überwachung durch den Aufsichtsrat zu entziehen droht 23 . Andere Autoren dagegen wollen über dieses Konzept einer Klage zur Abwehr von Übergriffen in den eigenen Kompetenzbereich und zur Durchsetzung von Hilfsrechten hinausgehen und dem Aufsichtsrat im Rahmen seiner Kontrollaufgabe ermöglichen, auch ohne Rücksicht auf eine eigene Betroffenheit gegen nicht ordnungsgemäße Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands vorzugehen. Zwar dürfe der Aufsichtsrat nicht wie der Inhaber eines Weisungsrechts in den Ermessensspielraum des Vorstands eingreifen, sehr wohl zu befürworten sei dagegen eine Klagebefugnis bei drohenden Verstößen gegen spezielle Verhaltenspflichten des Aktienrechts oder sonstigen schwerwiegenden und das Unternehmensinteresse berührenden Rechtsverletzungen 24 . Unstreitig machten sich nämlich die Vorstandsmitglieder in solchen Fällen gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig. Es entspreche aber allgemeinen Grundsätzen des Privatrechts, Schadensersatzansprüchen vorgelagerte Unterlassungsansprüche zur Seite zu stellen, sofern dadurch der Eintritt eines Schadens verhütet oder künftigen Rechtsverletzungen vorgebeugt werden könne25 . Das private Amt, S. 468 f.; Poseck, DB 1996, 2165, 2167 f.; Steinbeck, Überwachungspfl icht, S. 209 f.; Teichmann, FS Mühl, S. 663, 671. 21 Vgl. LG Darmstadt AG 1987, 218, 219; Schock, Zivilprozessuale Stellung, S. 9 f.; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 230; GroßKommAktG/Kort, Vor § 76 Rdn. 56; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, § 25 MitbestG Rdn. 145. 22 Teichmann, FS Mühl, S. 663, 667; Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 601 f. 23 Vgl. nochmals die Nachweise in Fn. 22. 24 Für Klage des Aufsichtsrats Raiser, ZGR 1989, 44, 57 ff., 64 f.; ders., AG 1989, 185, 188 f.; ders./Veil, Kapitalgesellschaften, § 14 Rdn. 97; v. Schenck, in: Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch Aufsichtsrat, § 7 Rdn. 252; H. Bitter, Leistungsklagen, S. 94 ff.; für Klage der durch den Aufsichtsrat vertretenen Gesellschaft Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 10 ff.; GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rdn. 457; Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rdn. 382. 25 So Raiser, ZGR 1989, 44, 58.
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§ 14 Organstreit
Die zuletzt beschriebenen Möglichkeiten eines Inter-Organstreits zwischen Aufsichtsrat und Vorstand waren bisher noch nicht Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen, wobei sich trefflich darüber streiten lässt, ob es für entsprechende Klagen schlicht kein praktisches Bedürfnis gibt oder ob die Beteiligten nur mangels Anerkennung und näherer Ausformung des Rechtsinstituts in der Rechtsprechung die Hürde des individuellen Prozessrisikos scheuen 26 . Verschiedentlich zu beobachten waren dagegen Klagen einzelner, ganz überwiegend der Arbeitnehmerseite zugehöriger Aufsichtsratsmitglieder, die innerhalb des Gesamtorgans keine Mehrheit für ihre Position fanden und daher auf diesem Wege gegen ein angeblich rechtswidriges Vorstandshandeln vorgehen wollten 27. Solchen Ansinnen gegenüber haben sich Rechtsprechung und Schrifttum stets reserviert gezeigt. Eine Klage aus eigenem Recht scheidet dabei nach herrschender Auffassung schon deshalb aus, weil die Kontrollbefugnis gegenüber dem Vorstand dem Gesamtaufsichtsrat und nicht dessen einzelnen Mitgliedern zustehe 28 . Eine prozessstandschaftliche Geltendmachung von Rechten des Aufsichtsrats in Anlehnung an die mitgliedschaftliche actio pro socio wiederum darf nach der vom BGH in seinem Opel-Urteil entwickelten Auffassung zumindest nicht dazu eingesetzt werden, Konflikte, die zwischen Mehrheit und Minderheit im Aufsichtsrat auftreten, über den Umweg der gerichtlichen Inanspruchnahme des Vorstands auszutragen 29. Daher muss das einzelne Mitglied nach heute gefestigter Auffassung, sich vorrangig zunächst um ein Einschreiten des Gesamtaufsichtsrats bemühen und gegen abschlägige Beschlüsse vorgehen 30 . Ob daneben in besonderen Ausnahmefällen Raum für ein direktes Vorgehen gegen den Vorstand bleibt, wird nicht einheitlich beurteilt 31.
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Für ersteres KölnKommAktG/Mertens, Vor § 76 Rdn. 6; Borgmann, Organstreit, S. 239; für zweiteres Geißler, GmbHR 1998, 1114, 1119; Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 601. 27 LG Köln AG 1976, 329; Opel-Fall: LG Darmstadt AG 1987, 218; OLG Frankfurt/Main AG 1988, 109; BGHZ 106, 54; Pelikan-Fall: LG Hannover AG 1989, 448; OLG Celle ZIP 1989, 1552. 28 BGHZ 106, 54, 63; OLG Celle ZIP 1989, 1552; Mülbert, in: Feddersen/Hommelhoff/ Schneider, Corporate Governance, S. 112; Bork, ZGR 1989, 1, 35; E. Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 29 Rdn. 87; Hauswirth, Organstreitigkeiten, S. 213; abweichend Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 603. 29 BGHZ 106, 54, 66; ebenso OLG Stuttgart NZG 2007, 549. 30 Vgl. Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, § 25 MitbestG Rdn. 148; Mülbert, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 113 f.; MünchKommAktG/Semler/Spindler, Vor § 76 Rdn. 132; Deckert, AG 1994, 457, 465. 31 Dafür etwa Bork, ZGR 1989, 1, 42; GroßKommAktG/Kort, Vor § 76 Rdn. 57, § 90 Rdn. 203; Henssler, FS BGH, Bd. 2, S. 387, 399; Raiser, AG 1989, 185, 190; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rdn. 710; Arlt, DZWiR 2007, 177, 182; jede Klagemöglichkeit verneinend dagegen Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 19 f.; Pentz, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 16 Rdn. 171, 173; Steinbeck, Überwachungspfl icht, S. 223; Poseck, DB 1996, 2165, 2169; H. Bitter, Leistungsklagen, S. 125 f.
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IV. Prozessuale Umsetzung Ebenso umstritten wie der mögliche Gegenstand von Klagen ist die Frage, zwischen welchen Parteien ein solcher Rechtsstreit auszutragen ist. Nach traditioneller Lehre sind die Organe selbst nur unselbständige Funktionseinheiten des Verbandes und deswegen nicht fähig, Träger von Rechten und Pflichten oder gar Beteiligte eines Zivilprozesses zu sein 32 . Soweit durchsetzbare Rechtspositionen bestehen, sind diese demnach zwingend im Verhältnis zwischen den einzelnen Organwaltern als natürlichen Personen und der AG als juristischer Person durchzusetzen. Allein diese Zuordnung entspricht überdies nach Einschätzung des BGH dem materiellen Recht. So soll ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied seinen behaupteten Anspruch auf Hinzuziehung eines Sachverständigen bei der Einsichtnahme in den Bericht des Abschlussprüfers schon deswegen gegen die Gesellschaft geltend zu machen haben, weil ein unmittelbares Rechtsverhältnis, aus dem sich der Anspruch herleiten könnte, allein zu ihr und nicht etwa zum tatsächlich handelnden Aufsichtsratsvorsitzenden bestehe33 . Ebenfalls gegen die Gesellschaft zu richten sei eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses, weil der Aufsichtsrat den Beschluss gerade als Organ der Gesellschaft fasse und somit allein diese durch die von ihm getroffene Entscheidung berechtigt und verpflichtet werde34 . Dieser wohl noch immer herrschenden Auffassung stehen zwei jüngere Konzeptionen gegenüber, die sich daran stören, dass damit die Parteirollen so zugewiesen werden, als ob ein Streit des Außenrechts zwischen verschiedenen selbständigen Personen geführt würde, während doch tatsächlich die Klärung der Reichweite von Verwaltungsbefugnissen innerhalb der Gesellschaft anstehe. Es wurden daher Ansätze gesucht, die die Gesellschaft selbst außen vor lassen und den Organen erlauben, den Streit untereinander auszutragen. Die eine Strömung will zu diesem Zweck die Grundsätze über die Prozessstandschaft fruchtbar machen. Organrechte und damit korrespondierende Pfl ichten seien zwar als allein der Gesellschaft dienende fremdnützige Kompetenzen materiell dem Vermögen der Gesellschaft zugeordnet 35 . Soweit ein Organ Adressat einer Kompetenzzuweisung sei und ein selbständiges rechtliches Interesse an dem Kompetenzschutz habe, könne es das fremde Recht aber im eigenen Na32 BGHZ 122, 342, 345; RGZ 75, 308, 309; OLG Hamburg ZIP 1992, 1310, 1312; Roth/ Altmeppen, GmbHG, § 52 Rdn. 46; Becker, Verwaltungskontrolle, S. 507 f.; Flume, Juristische Person, § 11 V (S. 405); Hüffer, AktG, § 90 Rdn. 18, 20; KölnKommAktG/Mertens, Vor § 76 Rdn. 4; Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rdn. 379; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 23; Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, Rdn. 847; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2 C Rdn. 88; Musielak/Weth, ZPO, § 50 Rdn. 19; Pentz, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 16 Rdn. 172. 33 BGHZ 85, 293, 295; ausdrücklich zustimmend Flume, Juristische Person, § 11 V (S. 407). 34 BGHZ 122, 342, 344. 35 Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 268 f.
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§ 14 Organstreit
men geltend machen 36 . Im praktischen Ergebnis ähnlich, aber im konstruktiven Ansatz grundverschieden sind nach der Lehre von den Organrechten die Rechtspositionen, die bald als echte subjektive Rechte, bald abschwächend als Organrechte qualifiziert werden, hingegen den Organen selbst zugeordnet. Weil das Prozessrecht eine dem materiellen Recht dienende Funktion habe und daher für die materiell-rechtlich begründeten Rechte auch die zur gerichtlichen Durchsetzung erforderlichen Mittel gewähren müsse, seien die Organe, soweit ihnen Rechte zustünden, im Weiteren auch (partiell) parteifähig. Entsprechende Überlegungen haben sich im öffentlichen Recht längst durchgesetzt 37, finden aber auch im Privatrecht zunehmend Gefolgschaft 38 .
V. Weitere Vorgehensweise Der Diskussion um die richtige prozessuale Verortung des Organstreits können sich selbst dessen schärfste Kritiker nicht entziehen. Denn trotz aller Warnungen vor den Gefahren ausufernder Klagemöglichkeiten erkennen auch sie in eng begrenztem Umfang Klagebefugnisse zur Durchsetzung von Organpflichten an, indem sie es dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied ermöglichen, seine Minderheitenrechte nach § 90 Abs. 3 S. 2, Abs. 5 AktG sowie sein Teilnahme- und Rederecht mittels einer Leistungsklage geltend zu machen. Unabhängig von der für richtig erachteten Position hinsichtlich der Reichweite der Klagrechte bedarf es daher der Auseinandersetzung mit den verschiedenen prozessualen Konzeptionen (unter B.). Dabei ist von der traditionellen, die Rechtsfähigkeit der Organe ablehnenden Auffassung auszugehen. Da sich diese indessen bei näherer Analyse als wenig tragfähig erweist, besteht doch Grund für eine rechtsfortbildende Neuorientierung 39. Diese wiederum lässt sich ohne eine nähere Bestimmung der Rechtsnatur von Organrechten nicht bewerkstel36 Grundlegend Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 275 ff.; zustimmend Teichmann, FS Mühl, S. 663, 666 ff.; offenbar auch Habersack, Mitgliedschaft, S. 192. 37 Grundlegend aus neuerer Zeit W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, S. 51 ff., 461 ff. mit umfassenden Nachweisen. 38 LG Darmstadt ZIP 1986, 1389; Bork, ZGR 1989, 1, 6 ff., 22 ff.; Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 590 ff.; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 303 ff.; Feddersen, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 466 f.; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rdn. 236; GroßKommAktG/Kort, Vor § 76 Rdn. 56, § 90 Rdn. 193; Poseck, DB 1996, 2165 f.; Raiser, AG 1989, 185, 187; v. Schenck, in: Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch Aufsichtsrat, § 7 Rdn. 232; MünchKommAktG/Semler/Spindler, Vor § 76 Rdn. 131; Jacoby, Das private Amt, S. 462 ff.; Hauswirth, Organstreitigkeiten, S. 159 ff.; Steinbeck, Überwachungspfl icht, S. 172 ff.; E. Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 15 Rdn. 83; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 50 Rdn. 24; H. Bitter, Leistungsklagen, S. 129 ff. 39 Darüber, dass die Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit von Organen ein Akt der Rechtsfortbildung ist, besteht weithin Einigkeit, s. nur Hüffer, AktG, § 90 Rdn. 18; Hauswirth, Organstreitigkeiten, S. 159; abweichend aber GroßKommAktG/Kort, § 90 Rdn. 194.
B. Die Lehre von den Organrechten
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ligen. Dadurch wird zugleich das Fundament für die nachfolgende Bestimmung des möglichen Gegenstands von Organstreitverfahren gelegt (später unter C.).
B. Die Lehre von den Organrechten I. Kritik der traditionellen Auffassung 1. Der problematische Rückgriff auf das Bestellungsverhältnis Selbstverständlich verkennen auch diejenigen, die einem förmlichen Organstreit nach dem Vorbild des öffentlichen Rechts die Anerkennung versagen wollen, nicht, dass den hier diskutierten Konflikten sachlich ein Streit zwischen verschiedenen Organen oder zwischen Mehrheit und Minderheit innerhalb eines Organs zu Grunde liegt40 . Sie meinen jedoch, zu dessen Bewältigung auf eine Einbindung der Organe selbst verzichten zu können, weil mit dem Bestellungsverhältnis zwischen Organmitglied und Gesellschaft ein Rechtsverhältnis vorliege, aus dem sich alle Rechte und Pflichten unproblematisch herleiten ließen41. Eine Auseinandersetzung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat um die Reichweite der Berichtspfl icht nach § 90 Abs. 1 AktG lässt sich demnach auflösen in eine Klage der gemäß § 112 AktG durch den Aufsichtsrat vertretenen Gesellschaft gegen die angeblich ihre Dienstpfl ichten verletzenden Vorstandsmitglieder42 . Im Gegenzug stünden dem einzelnen Organmitglied gegenüber der Gesellschaft die für seine Aufgabenerfüllung notwendigen Hilfsrechte zu. Deshalb könne das Aufsichtsratsmitglied sein Recht, von den Vorstandsberichten Kenntnis zu nehmen, gegen die durch den Vorstand vertretene Gesellschaft einklagen und auf diesem Umweg den Streit zwischen Mehrheit und Minderheit im Aufsichtsrat auflösen43 . Verallgemeinernd gesprochen liegt der Kern dieses Ansatzes darin, sich überhaupt nicht auf eine nähere Bestimmung des organisationsrechtlichen Verhältnisses der Zuständigkeitsträger einzulassen, sondern stattdessen an die damit korrespondierenden organmitgliedschaftlichen Pflichten der einzelnen Amtsträger anzuknüpfen. Mit dem Regelungskonzept des Aktiengesetzes ist dieses Vorgehen freilich nur schwer zu vereinbaren44 . Denn was die Berichts40
Vgl. MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 90 Rdn. 60. Sehr deutlich Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 4 ff.; H. Westermann, FS Bötticher, S. 369, 380; Pentz, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 16 Rdn. 172. 42 Vgl. H. Westermann, FS Bötticher, S. 369, 372 f.; Flume, Juristische Person, § 11 V (S. 406); MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 90 Rdn. 57; MünchHdbAG/Wiesner, § 25 Rdn. 39. 43 BGHZ 85, 293, 295; Hüffer, AktG, § 90 Rdn. 22; KölnKommAktG/Mertens, § 90 Rdn. 53; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 15 f.; Heidel/Oltmanns, AktG, § 90 Rdn. 25. 44 Kritisch auch Jacoby, Das private Amt, S. 460: Umetikettierung des organisationsrechtlichen Problems. 41
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pflicht des § 90 Abs. 1 AktG angeht, so hat der Vorstand als Geschäftsführungsorgan (und nicht etwa die einzelnen Vorstandsmitglieder) den Aufsichtsrat zu informieren, damit dieser als Ganzes (und nicht etwa nur die einzelnen Mitglieder) seine Überwachungsaufgabe wahrnehmen kann45 . Das einzelne Vorstandsmitglied hat zwar selbstverständlich die organmitgliedschaftliche Pfl icht, im erforderlichen Umfang an der Erstellung der Berichte mitzuwirken. Indessen kann daraus nicht gefolgert werden, dass insoweit auch ein klagbarer Anspruch der Gesellschaft gegen ihn bestünde. Der ohne weiteres richtige Beklagte ist der einzelne Organwalter nämlich nur dann, wenn er ausschließlich in seiner Rechtsstellung als natürliche Person betroffen ist. Zielen Klagen dagegen auf die Erzwingung eines rechtmäßigen organschaftlichen Funktionsablaufs ab, ist die Gesellschaft zumindest mitbetroffen, weil das Verhalten des Organwalters ihr unmittelbar zuzurechnen ist46 . Letztlich soll ein bestimmtes Verhalten der Gesellschaft selbst erzwungen werden, so dass nur äußerlich ein Konflikt zwischen zwei verschiedenen Personen ausgetragen wird, materiell gesehen jedoch die Gesellschaft sowohl auf Kläger- wie auf Beklagtenseite steht 47. Diese Feststellung wiederum hat Auswirkungen auf die Parteistellung sowohl des einzelnen Organwalters wie der Gesellschaft. Sofern der einzelne Organwalter nur als Handlungsträger der Gesellschaft betroffen ist, kann zur Begründung seiner Rechts- und Parteifähigkeit nicht einfach auf seinen Status als natürliche Person verwiesen werden; vielmehr müssen hierfür dieselben Hürden übersprungen werden, die auch im Hinblick auf das Organ als einem verselbständigten Zuständigkeitskomplex innerhalb der Gesellschaft zu nehmen sind. In vorbildlicher Weise wird der angesprochene Unterschied von der herrschenden Meinung im öffentlichen Recht berücksichtigt. Demnach ist auch ein nur mit einer Person besetztes Organ wie der „Bürgermeister“ nicht etwa als „natürliche Person“ im Sinne des § 61 Nr. 1 VwGO, sondern in direkter oder entsprechender Anwendung des § 61 Nr. 2 VwGO als „Vereinigung, der ein Recht zustehen kann,“ im Verwaltungsprozess beteiligtenfähig48 . Aus dem gleichen Grunde, also weil es nicht um die persönliche Rechtsstellung im Verhältnis zur Gesellschaft, sondern um internen Funktionenschutz geht, kommt dem Organwalter gegenüber die externe Vertretungsregelung keine Bedeutung zu. Der Aufsichtsrat kann sich also gegenüber einem opponierenden Vorstand nicht auf § 112 AktG stützen. Nur für den Fall, dass eines der Vorstandsmitglieder persönlich an dem fraglichen Rechtsverhältnis beteiligt ist, ordnet diese Vor45
Eingehend Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 292 ff., 300 f. Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 270 f. 47 Pfl ugradt, Leistungsklagen, S. 26. 48 Vgl. OVG Saarlouis NVwZ 1983, 140; VGH Mannheim DÖV 1983, 862; OVG Bautzen NVwZ-RR 1997, 665; Hoppe, Organstreitigkeiten, S. 213 f.; W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, S. 908 ff.; Buchwald, Organstreit, S. 161; Kopp/Schenke, VwGO, § 61 Rdn. 5, 11; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 21 Rdn. 8. 46
B. Die Lehre von den Organrechten
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schrift nämlich aus Besorgnis, der Vorstand als regelmäßiges Vertretungsorgan könne die erforderliche Unbefangenheit zur Wahrung der Gesellschaftsbelange nicht aufbringen49 , die Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat an. Auf eine Klärung des Verhältnisses verschiedener Funktionsträger zueinander ist die Regelung dagegen weder zugeschnitten noch kann sie hierfür ausschlaggebend sein 50 . Was auf der anderen Seite die Beteiligung der Gesellschaft angeht, so ist ihre Rolle bei Lichte besehen indifferent51. Alle in den Streit involvierten Organe und Organwalter üben Verwaltungsbefugnisse über das Gesellschaftsvermögen aus und nehmen im Zuge dessen für sich in Anspruch, dabei das Interesse der Gesellschaft am besten zu repräsentieren. Die Gesellschaft ist damit Objekt und nicht Subjekt der Auseinandersetzung. Soll sie zur Prozesspartei erhoben werden, kommt sie daher ebenso gut als Klägerin wie als Beklagte in Betracht. Angesichts dessen ist schon im Ausgangspunkt nicht einzusehen, warum gerade das eine Organ berechtigt sein soll, die Gesellschaft zu repräsentieren, während die Mitglieder des anderen den Streit persönlich zu führen haben 52 . 2. Notwendige Widersprüche Die Verfechter der traditionellen Konzeption vermögen denn auch die Zuordnung der Parteirollen nicht ohne innere Widersprüche und eine gewisse Beliebigkeit vorzunehmen. So soll dem Auskunftsrecht nach § 90 Abs. 1, 3 S. 1 AktG ein aus dem Organverhältnis abzuleitender Anspruch der Gesellschaft gegen die einzelnen Mitglieder des Vorstands zugrunde liegen 53 . Mit der gleichen Berechtigung lässt sich indessen in diesem Zusammenhang ein Anspruch der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft postulieren, die ihnen für die Wahrnehmung der geschuldeten Überwachungsaufgabe erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen 54 . Je nach Sichtweise fungiert die Gesellschaft hinsichtlich ein und desselben Anspruchs bald als Klägerin bald als Beklagte. Offen tritt genau dieser Widerspruch zu Tage, wenn man das in § 90 Abs. 3 S. 2 AktG verankerte Recht eines jeden Aufsichtsratsmitglieds hinzunimmt, die Erstattung eines Vorstandsberichts an den Gesamtaufsichtsrat zu verlangen. Hierbei soll es sich nämlich nach der konsequent zu Ende gedachten ganz überwiegenden Lehre um einen eigenen Anspruch des Aufsichts49
Allg. M., s. nur BGHZ 103, 213, 216; BGH ZIP 2006, 2213, 2214; MünchKommAktG/ Semler, § 112 Rdn. 2. 50 Zumindest im Ergebnis ebenso Bauer, Organklagen, S. 25; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 274; Hauswirth, Organstreitigkeiten, S. 124, 169 f.; Steinbeck, Überwachungspfl icht, S. 172. 51 Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 586. 52 Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 306; Bauer, Organklagen, S. 25; Lewerenz, Leistungsklagen, S. 69. 53 Vgl. die Nachweise in Fn. 42. 54 Bork, ZIP 1991, 137, 139.
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§ 14 Organstreit
ratsmitglieds gegenüber der Gesellschaft handeln 55 . Im Ergebnis ist die Gesellschaft somit hinsichtlich des einen Berichts, der dem Aufsichtsrat vom Vorstand zu erstatten ist, je nach Prozesskonstellation einmal anspruchsberechtigt und einmal anspruchsverpflichtet. Das aber kann nicht richtig sein 56 . 3. Praktische Nachteile Jedes Klagemodell muss sich freilich nicht nur am Maßstab der theoretischen Überzeugungskraft, sondern auch an seinen praktischen Ergebnissen messen lassen. Insofern nimmt die traditionelle Auffassung zwar für sich in Anspruch, sich in den geordneten Bahnen des klassischen Prozessrechts zu bewegen und auf die Entwicklung ungeschriebener Regeln für den Organstreit verzichten zu können 57, weist aber bei näherem Hinsehen ihrerseits erhebliche Defizite auf. a) Vertretung der Gesellschaft Aufmerksamkeit verdient zunächst die Bestimmung des konkret vor Gericht auftretenden Akteurs. Insofern wird bisweilen behauptet, die Lehre von der Rechts- und Parteifähigkeit der Organe und die klassische Konstruktion seien aus praktischer Sicht gleichwertig, da es praktisch keinen Unterschied mache, ob Vorstand und Aufsichtsrat dem traditionellen Verständnis entsprechend als Vertretungsorgan der Gesellschaft oder aber im Rahmen eines echten Organstreits im eigenen Namen als Partei aufträten 58 . Indessen lässt sich mit den auf die Interessenlage im Außenverhältnis zugeschnittenen Vertretungsregeln keineswegs immer eine sachgerechte Verteilung der Prozessrollen gewährleisten. Das verdeutlicht ein Blick auf die Durchsetzung des in § 90 Abs. 5 AktG verankerten Anspruchs eines jeden Aufsichtsratsmitglieds, von den Vorstandsberichten Kenntnis zu nehmen. Nach herrschender Meinung hat das Aufsichtsratsmitglied gegen die folgerichtig nach § 78 AktG durch den Vorstand vertretene Gesellschaft zu klagen 59. Selbst unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Vorstand nur eine von der Mehrheit des Aufsichtsrats oder dem Aufsichtsratsvorsitzenden getroffene Entscheidung zu verteidigen hat, bleibt diese 55 So KölnKommAktG/Mertens, § 90 Rdn. 53; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 90 Rdn. 59; Hüffer, AktG, § 90 Rdn. 21; Pentz, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 16 Rdn. 170; MünchHdbAG/Wiesner, § 25 Rdn. 39; aA – Klage gegen die Vorstandsmitglieder als notwendige Streitgenossen – LG Bonn AG 1987, 24; H. Westermann, FS Bötticher, S. 369, 378 ff. 56 Vgl. Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 582; Hauswirth, Organstreitigkeiten, S. 164. 57 Vgl. etwa die Hervorhebung der prozessualen Probleme der Anerkennung von Organstreitigkeiten bei Borgmann, Organstreit, S. 84 ff.; Zöllner, ZGR 1988, 392, 424. 58 So H. Westermann, FS Bötticher, S. 369, 376; Flume, Juristische Person, § 11 V (S. 407). 59 BGHZ 85, 293, 295; Hüffer, AktG, § 90 Rdn. 22; KölnKommAktG/Mertens, § 90 Rdn. 53; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 90 Rdn. 60; MünchHdbAG/Wiesner, § 25 Rdn. 39.
B. Die Lehre von den Organrechten
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Lösung unbefriedigend. Sie zwingt den Vorstand nämlich dazu, sich in die inneren Angelegenheiten des Aufsichtsrats einzumischen, obschon sich seine Aufgabe in diesem Zusammenhang eigentlich darin erschöpft, seine Berichte dem Aufsichtsratsvorsitzenden zu übersenden, und er daher weder rechtlich noch tatsächlich imstande ist, die eingeklagte Leistung zu erbringen 60 . Dieses Problem hat man im Schrifttum gesehen und will ihm durch entsprechende Anwendung des § 112 AktG begegnen61. Methodisch überzeugend lässt sich so die Einschaltung des Aufsichtsrats freilich nicht begründen. Denn die Vorschrift will allein eine unbefangene, von möglichen Interessenkollisionen freie Vertretung der AG gegenüber den Vorstandsmitgliedern garantieren und passt daher im Verhältnis zu Aufsichtsratsmitgliedern schon im Ansatz nicht 62 . b) Neubesetzung von Organen Eine weitere Schwäche der Einbindung natürlicher Personen in den Prozess zeigt sich im Zusammenhang mit der angesichts der beschränkten Amtsdauer von Verwaltungsmitgliedern nicht einmal unwahrscheinlichen Neubesetzung von Organen während des laufenden Verfahrens oder nach dessen Abschluss, aber vor der Vollstreckung des Titels 63 . Sind der traditionellen Auffassung folgend nicht die Organe, sondern die sie konstituierenden Organwalter die Prozessbeteiligten, dann ist jede Auswechslung eines Organmitglieds als Parteiwechsel zu behandeln. Ändert sich die personelle Zusammensetzung eines Kollegialorgans nach Rechtskraft des Urteils muss gegen den Neueintretenden notfalls erneut geklagt werden64 . Beides ist umständlich und in der Sache nicht gerechtfertigt. Wie schon mehrfach hervorgehoben, ist nämlich der einzelne in den Prozess verwickelte Organwalter nicht in seiner persönlichen Rechtsstellung betroffen, sondern streitet als für die Gesellschaft handelnder Funktionsträger um fremdnützige Verwaltungsbefugnisse. Der wesentliche Fortschritt der modernen Lehre vom Organ besteht nun aber gerade in der Erkenntnis, dass es sich hierbei um organisatorisch verselbständigte Zuständigkeitskomplexe handelt, die in ihrem Bestand vom jeweiligen Wechsel des Amtsinhabers unabhängig sind65 . Dann je60 Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 315; E. Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 29 Rdn. 83; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 274; Hauswirth, Organstreitigkeiten, S. 168. 61 Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 16; Noack, DZWiR 1994, 341, 342; Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rdn. 375; noch anders Becker, Verwaltungskontrolle, S. 508: Bestellung eines Prozesspflegers. 62 So auch BGHZ 122, 342, 345. 63 So auch Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 597; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 IV 2a (S. 422); Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rdn. 236; Hess, ZZP 117 (2004), 267, 285. 64 Vgl. Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 21; Lewerenz, Leistungsklagen, S. 100 f. 65 Eingehend oben § 3 C.
372
§ 14 Organstreit
doch ist es nur konsequent, wenn sich auch die Auseinandersetzung um die Reichweite der Verwaltungsbefugnisse und damit korrespondierender -pfl ichten unabhängig von den konkret mit der Aufgabenerfüllung betrauten natürlichen Personen vollzieht. Aus dieser Prämisse ergeben sich im Hinblick auf eine unkomplizierte und den Wertungen des materiellen Rechts entsprechende Ausgestaltung des Zivilprozesses zwei Forderungen: Zum einen sollten die Interessen des Organs im laufenden Verfahren stets von den jeweiligen Amtsträgern wahrgenommen werden; zum anderen sollten diese, unabhängig von ihrer Beteiligung im Erkenntnisverfahren, die im rechtskräftigen Urteil festgestellten Verpflichtungen des Organs zu erfüllen haben 66 . Beide Petita vermag die Lehre von der Rechts- und Parteifähigkeit der Organe anders als die traditionelle Auffassung problemlos einzulösen. Da das Organ selbst Partei ist, berührt ein Personalwechsel insbesondere nicht das laufende Verfahren; lediglich eine Unterbrechung entsprechend § 241 ZPO kommt in Betracht, wenn das Organ aufgrund des Ausscheidens einzelner Amtswalter vorübergehend nicht handlungsfähig ist 67. Dieser Grundsatz gilt übrigens nicht nur für Kollegialorgane wie den Vorstand und den Aufsichtsrat als Ganzen, sondern auch für Organteile, soweit diese innerhalb des Organs eine abgrenzbare Funktion ausüben68 . So ist die Neubesetzung des Postens des Aufsichtsratsvorsitzenden im Streit um das Einsichtsrecht eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds nach § 90 Abs. 5 AktG unerheblich, weil dieser nicht als Privatperson, sondern als Funktionsträger in Anspruch genommen wird. Hinsichtlich des einfachen Aufsichtsratsmitglieds lässt sich dagegen eine vergleichbar eindeutige Zuordnung vor allem dann nicht vornehmen, wenn das Organ als Ganzes neu besetzt wird. Daher wird dessen Klage mit seinem Ausscheiden unbegründet 69. c) Kostentragung Schließlich kann es kaum befriedigen, dass bei einem Streit um die Reichweite der Berichtspflicht der Aufsichtsrat als Vertreter der klagenden Gesellschaft auf deren Kosten agiert, während den beklagten Vorstandsmitgliedern das Kostenrisiko eines fremdnützig im zumindest vermeintlich besten Interesse der Gesellschaft geführten Prozesses aufgebürdet wird und sie zum Ausgleich 66
Konsequent aA Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 22 ausgehend von dem Standpunkt, dass jeweils nur persönliche Pfl ichten des einzelnen Organmitglieds gegenüber der Gesellschaft tituliert werden; wie hier dagegen Bork, ZIP 1991, 137, 140; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 306; Jacoby, Das private Amt, S. 462. 67 Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 597; Bork, ZGR 1989, 1, 26 f.; ebenso im Rahmen des § 245 Nr. 4 AktG GroßKommAktG/K. Schmidt, § 245 Rdn. 33; MünchKommAktG/Hüffer, § 245 Rdn. 63. 68 Überzeugend Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 598 f.; zur (fehlenden) Organqualität § 3 D III 2. 69 Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 599; aA Jacoby, Das private Amt, S. 465.
B. Die Lehre von den Organrechten
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auf einen Aufwendungsersatzanspruch verwiesen werden 70 . Ebenso wie das Organhandeln der beteiligten natürlichen Personen nach materiellem Recht der Gesellschaft zugerechnet wird, sind vielmehr auch die Prozesskosten eines solchen Binnenstreits im Ergebnis von der Gesellschaft zu tragen. Da die streitenden Organe oder Organteile mangels Vermögensfähigkeit selbst unter Zugrundelegung ihrer Parteifähigkeit als Schuldner ohnehin nicht in Betracht kommen 71 , sind die Kosten unabhängig vom Ausgang des Rechtstreits der Gesellschaft zuzuweisen. Das ergibt sich aus der Rechtsnatur des Organstreits72 , der verbreitet herangezogenen Analogie zu § 99 Abs. 6 S. 7 AktG betreffend die gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats bedarf es demnach nicht 73 . Insbesondere erscheint es auch nicht sachgerecht, entsprechend § 99 Abs. 6 S. 8 AktG einen Organwalter bei mutwilliger Prozessführung persönlich zu belasten. Der Systematik des Gesetzes entspricht es nämlich mehr, es in jedem Fall bei der Kostenschuldnerschaft der Gesellschaft zu belassen und eine Inanspruchnahme der Organwalter nur nach allgemeinen Haftungsgrundsätzen und damit im Rahmen der §§ 93, 116 AktG zuzulassen 74 . 4. Zwischenergebnis Somit ist festzuhalten: Die traditionelle Vorgehensweise, die Existenz des Organstreits zu leugnen und statt dessen auf Rechte und Pflichten aus dem Bestellungs- oder gar Anstellungsverhältnis einzelner Organmitglieder zurückzugreifen, kann schon im konzeptionellen Ansatz nicht überzeugen. Sie führt überdies nicht zu sachgerechten praktischen Ergebnissen. Von daher besteht durchaus Bedarf, rechtsfortbildend eigenständige Regeln für den privatrechtlichen Innenrechtsstreit zu entwickeln 75 .
II. Ablehnung einer prozessstandschaftlichen Konzeption Im Ergebnis keine taugliche Alternative bietet freilich die Lehre, der zufolge alle Organrechte als fremdnützige Kompetenzen dem „Interessenvermögen“ 70
So aber Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 23; Lewerenz, Leistungsklagen, S. 145 f. Dafür aber Bauer, Organklagen, S. 81; Hauswirth, Organstreitigkeiten, S. 178; im Hinblick auf Klagen nach § 245 Nr. 4 AktG auch GroßKommAktG/K. Schmidt, § 245 Rdn. 35. 72 Vgl. Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 287; Jacoby, Das private Amt, S. 466; Pfl ugradt, Leistungsklagen, S. 160 ff.; für § 245 Nr. 4 AktG auch Hüffer, AktG, § 245 Rdn. 30. 73 So aber Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 306; Bork, ZGR 1989, 1, 28 f.; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rdn. 238; Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 584. 74 Steinbeck, Überwachungspfl icht, S. 224; eine Inanspruchnahme nur im Regresswege befürworten auch Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 287; H. Bitter, Leistungsklagen, S. 133; s. auch Zöllner, ZGR 1988, 392, 424. 75 AA BGHZ 122, 342, 345; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 23; Hüffer, AktG, § 90 Rdn. 18. 71
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§ 14 Organstreit
der Gesellschaft zugeordnet sind und die Organe als Prozessstandschafter ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend machen 76 . Zwar knüpft sie im Ansatzpunkt richtig an die aus der Außenperspektive tatsächlich der Gesellschaft zuzuordnenden Verwaltungsbefugnisse an. Jedoch streitet ihre zufolge materiell-rechtlich die Gesellschaft mit sich selbst, so dass sich mit aller Schärfe die Problematik eines gegen das Zweiparteienprinzip verstoßenden Insichprozesses stellt 77. Relativierend wird denn auch hervorgehoben, Klagender und Beklagter verfolgten unterschiedliche Teilinteressen78 . Damit ist jedoch zugestanden, dass das „Interessevermögen“ nicht das ausschlaggebende Kriterium ist, die eigentliche Rechtfertigung für die Inanspruchnahme der Gerichte vielmehr in dem Umstand zu finden ist, dass sich innerhalb der Gesellschaft verschiedene Funktionsträger gegenüberstehen, die um die Reichweite der ihnen zugewiesenen Kompetenzen streiten. Dann aber ist es nur konsequent, den Organen selbst wehrfähige Rechtspositionen einzuräumen und so zumindest aus der Binnenperspektive für einen Streit zwischen verschiedenen Parteien zu sorgen, dem die Gesellschaft selbst indifferent gegenüber steht. Aus der Außenperspektive geht es freilich nach wie vor um die Funktionsfähigkeit des einen Rechtsträgers, so dass sich, wie im öffentlichen Recht weithin gebräuchlich 79 , weiterhin von einem „Insichprozess“ sprechen lässt 80 . Für einen solchen fehlt aber nur dort das Rechtsschutzbedürfnis, wo der Betroffene sich „mit sich selbst“ einigen, den Konflikt also selbst verbindlich beilegen kann81. Genau diese Voraussetzung ist in den Fällen des Organstreits aber gerade nicht erfüllt.
III. Positive Rechtfertigung der Organrechte Nach den bisherigen Feststellungen ist die zu favorisierende Position bereits deutlich in Richtung der Lehre von den Organrechten vorgezeichnet. Zum einen haben sich die mit ihr konkurrierenden Ansätze zur Bewältigung innergesellschaftlicher Konflikte als nicht tragfähig erwiesen; zum anderen führt sie, insbesondere was die Verteilung der Parteirollen, die Neubesetzung von Organen und die Kostenlast angeht, zu sachgerechten praktischen Ergebnissen
76 Grundlegend Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 275 ff.; zustimmend Teichmann, FS Mühl, S. 663, 666 ff. 77 Ablehnend Bork, ZGR 1989, 1, 25 f.; Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 589 f.; Bauer, Organklagen, S. 68; Jacoby, Das private Amt, S. 463; Raiser, AG 1989, 185, 188; Diemert, Innenrechtsstreit, S. 342 ff. 78 Teichmann, FS Mühl, S. 663, 670. 79 Vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, § 63 Rdn. 7; W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 90 f.; kritisch Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 21 Rdn. 3. 80 Ebenso Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 40 Rdn. 29. 81 Überzeugend Bork, ZGR 1989, 1, 26 Fn. 109 unter Hinweis auf H. Westermann, FS Bötticher, S. 369, 376.
B. Die Lehre von den Organrechten
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und ist daher aus institutioneller Sicht ein Fortschritt 82 . Sie lässt sich aber auch, wie im Folgenden zu zeigen ist, dogmatisch schlüssig begründen. 1. Organe als Zurechnungsendsubjekte des Innenrechts Auf den ersten Blick scheint die Existenz von den Organen selbst zugeordneten Rechtspositionen allerdings mit ihrer Rechtsnatur unvereinbar zu sein83 . Schließlich sind die Organe nach der an früherer Stelle herausgearbeiteten Definition interne Funktionseinheiten, die ausschließlich Aufgaben für den Verband wahrnehmen84 . Weil alle Organakte als Akte des Verbandes gelten, die Organe mithin nicht für sich selbst, sondern als Teil des Verbandes nur für diesen tätig werden, fungieren sie primär als „Durchgangssubjekte der Zurechnung“85 . Es konnte aber bereits darauf hingewiesen werden, dass anders als aus der Perspektive des Außenrechts auf das Innenrecht bezogen die Organe durchaus Adressaten von Vorschriften sind, die ihnen Aufgaben zuweisen und Pfl ichten auferlegen. Plastisch formuliert sind „auf der Organebene die Organe keine Organe mehr“86 , sondern vielmehr „Zurechnungsendsubjekte“ von Innenrechtssätzen87. Eine daran anknüpfende Zuordnung von Rechten kommt jedoch nur in Betracht, wenn gleichsam als Vorbedingung bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, ohne die sich Rechtsträgerschaft praktisch nicht bewältigen lässt. Weiterführend ist insofern die von John begründete Lehre von der Personifikation der Personenverbände. Sie stellt darauf ab, dass ein Verband (1) unter eigener Identitätsausstattung, (2) mit eigener Handlungsorganisation und (3) mit eigener Haftungsverfassung am Rechtsverkehr teilnimmt 88 . Letzterem Gesichtspunkt kann allerdings im Hinblick auf Organe keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen89. Mangels eigenen Auftretens im Außenrechtsverkehr stehen als möglicher vermögensrechtlicher Vollstreckungsgegenstand allein die aus Strei82
So auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 IV 2a (S. 422). In diesem Sinne KölnKommAktG/Mertens, Vor § 76 Rdn. 3; aus der Sicht des öffentlichen Rechts OVG Münster DVBl 1992, 444, 445; Hoppe, Organstreitigkeiten, S. 181 ff. 84 Eingehend dazu oben § 3 C II. 85 Grundlegend Wolff, Organschaft, Bd. 2, S. 250; vgl. daneben W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, S. 506. 86 So pointiert Schnapp, RTh 9 (1978), 275, 285; daneben Diemert, Innenrechtsstreit, S. 98. 87 Vgl. § 3 D III 1. 88 John, Organisierte Rechtsperson, S. 72 ff.; daran für die Frage der Rechtsfähigkeit der GbR anknüpfend Ulmer, AcP 198 (1998), 113, 126 ff.; ders., ZIP 2001, 585, 593; MünchKommBGB/ders., § 705 Rdn. 306; im Hinblick auf die Frage der Identitätsausstattung aA Habersack, BB 2001, 477, 478; Hadding, ZGR 2001, 712, 716 f.; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1 A Rdn. 100; offen BGH ZIP 2006, 2128, Tz. 10. 89 So auch Jacoby, Das private Amt, S. 398; Hess, ZZP 117 (2004), 267, 286 bezogen auf die Parteifähigkeit; aA OLG Hamburg ZIP 1992, 1310, 1312; Musielak/Weth, ZPO, § 50 Rdn. 19. 83
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§ 14 Organstreit
tigkeiten mit anderen Organen resultierenden Prozesskosten im Raum; diese jedoch sind nach hier vertretener Auffassung unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits der Gesellschaft aufzuerlegen90 . Sehr wohl erforderlich dagegen ist neben einer jedenfalls rudimentär ausgeprägten Handlungsorganisation ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit innerhalb des Verbandes und gegenüber den anderen Organen, welche die Kontinuität der Institution auch bei einem Wechsel einzelner ihrer Mitglieder gewährleistet91. Beide Voraussetzungen sind bei den hier in Rede stehenden Organen Vorstand und Aufsichtsrat ohne weiteres erfüllt. 2. Einräumung wehrfähiger Positionen Wenngleich also den Organen ihr Funktionsbereich zu eigener Kompetenz und Verantwortung zugeordnet ist, so bedeutet das allerdings nicht zwingend, dass sich daraus wehrfähige, im Zivilprozess durchsetzbare Rechtspositionen ergeben. Ganz im Gegenteil wird argumentiert, sämtliche Funktionen seien auf die Gesellschaft als solche und deren subjektive Rechte und Pflichten bezogen. Die Organe selbst übten diese mithin rein fremdnützig aus, ihnen fehle jedes eigene Interesse an ihrer Durchsetzung 92 . Funktionsträgerschaft bedeute daher schon im Ansatz etwas von eigener Rechtsträgerschaft Verschiedenes. Diese Sichtweise kann freilich nur solange überzeugen, wie man den Blick auf die Gesellschaft im Ganzen richtet, denn aus der Außenperspektive ist in der Tat jedes Organhandeln schlicht Handeln für die Gesellschaft. Im Verbandsinnenbereich der AG bietet sich demgegenüber ein anderes Bild: Zu verzeichnen ist hier ein Kompetenzgefüge, eine Machtbalance zwischen den Organen, innerhalb derer jedem Organ ein charakteristischer, gegen Übergriffe der anderen Organe resistenter Zuständigkeitsbereich zugewiesen ist93 . Gerade das sich daraus ergebende Zusammenspiel verschiedener Einheiten und vor allem deren wechselseitige Beschränkung und Kontrolle verspricht für die Willensbildung ein Höchstmaß an institutioneller Richtigkeitsgewähr 94 . Die Aufgabenverteilung ist auch nicht etwa bloßer Formalismus. Denn zwar haben alle Organe ihre Tätigkeit am Maßstab des Gesellschaftsinteresses auszurichten; hierdurch ist jedoch in aller Regel lediglich ein Rahmen abgesteckt. Diesen auszufüllen und aus der Fülle gesetz- und satzungsmäßiger Handlungsoptionen die erfolg90
S. oben I 3 c). Vgl. Hauswirth, Organstreitigkeiten, S. 59 ff.; Steinbeck, Überwachungspfl icht, S. 174 f.; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 304. 92 Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 271; KölnKommAktG/Mertens, Vor § 76 Rdn. 3; Teichmann, FS Mühl, S. 663, 667; vgl. daneben Rupp, Grundfragen, S. 99 f. 93 Vgl. BGHZ 164, 249, 252; GroßKommAktG/Mülbert, Vor § 118 Rdn. 42 f.; Hüffer, AktG, § 118 Rdn. 4. 94 Schubel, Verbandssouveränität, S. 589 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 IV 1 (S. 421). 91
B. Die Lehre von den Organrechten
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versprechendste auszuwählen, bleibt dem unternehmerischen Ermessen des zuständigen Organs vorbehalten. Wenngleich Organe fremdnützig handeln, ist ihnen also gleichwohl ein bestimmter Kompetenzbereich zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zugewiesen. Ist aber das Verbandsleben auf Funktionentrennung angelegt und treten im Zuge dessen die Organe einander in vergleichbarer Weise gegenüber wie natürliche und juristische Personen im Außenbereich95 , so muss die Rechtsordnung auch die Mittel bereitstellen, um die Einhaltung dieses Zuständigkeitsgefüges tatsächlich sicherzustellen 96 . Klagbare Rechte der Organe sind hierzu bestens geeignet. Systematisch sind sie zu rechtfertigen, weil es nach dem Gesagten im Verbandsinnenbereich sehr wohl verschiedene Interessensphären gibt und es nur konsequent ist, wenn die Organe auch über die Rechte verfügen, die sie benötigen, um die ihnen obliegenden Aufgaben erfüllen zu können. 3. Rechtsnatur und Abgrenzung vom subjektiven Recht Freilich weisen solche Organrechte gegenüber subjektiven Rechten im herkömmlichen Sinne wesentliche Unterschiede auf. Sie sind ihrem Träger weder zur Verwirklichung seiner individuellen Freiheit noch zur Durchsetzung eigener Interessen eingeräumt; sie sollen ihm vielmehr allein eine sachgerechte Ausübung seiner Aufgaben ermöglichen und sind daher wie diese strikt fremdnützig auszuüben. Die Organwalter haben sich bei der Ausübung der entsprechenden Befugnisse mit anderen Worten allein am Gesellschaftsinteresse zu orientieren. Die damit maßgebliche Pflichtenbindung ist der Befugnis von vornherein gleichwertig immanent und steht ihr nicht etwa als Schranke gegenüber. Diese Wechselbezüglichkeit hat die Amtliche Begründung zum Aktiengesetz 1937 treffend zum Ausdruck gebracht, wenn sie hinsichtlich der Vorstandstätigkeit ausführt: „Aus dem Recht des Vorstands zur Leitung der Gesellschaft folgt seine Pflicht, für das Wohl der Gesellschaft zu sorgen und sich für dieses Ziel tatkräftig einzusetzen“97. Infolgedessen sind die Organe von Rechts wegen gehalten, von den ihnen eingeräumten Befugnissen auch tatsächlich Gebrauch zu machen, soweit dies nach Lage des Falles im Gesellschaftsinteresse geboten ist. Daher darf der Aufsichtsrat nicht zuwarten, bis der Vorstand seine Informationspflichten erfüllt, sondern muss sich seinerseits aktiv um eine vollständige und rechtzeitige Information kümmern. Da mithin weder das „Ob“ noch das „Wie“ der Rechtsausübung im Belieben des Inhabers liegt,
95
Vgl. wenngleich mit kritischer Tendenz Pfl ugradt, Leistungsklagen, S. 30. Vgl. die ähnlichen Überlegungen bei Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 307; Lewerenz, Leistungsklagen, S. 86 ff.; Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 591; Hauswirth, Organstreitigkeiten, S. 87 ff. 97 Abgedruckt bei Klausing, Aktienrecht, S. 58 f. 96
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§ 14 Organstreit
lässt sich in einem zunächst untechnischen Sinne von Pflichtrechten sprechen98 . Nichts anderes als für die Organkompetenzen gilt aber auch für die den einzelnen Organwaltern eingeräumten organmitgliedschaftlichen Befugnisse. Diese Mitwirkungsrechte sind ihnen allein deswegen verliehen, damit sie ihre Aufgabe innerhalb der Gesellschaft sachgerecht wahrnehmen können. Als somit strikt zweckgebundene und unselbständige Hilfsmittel sind diese Befugnisse einerseits fremdnützig am Gesellschaftsinteresse orientiert auszuüben und andererseits zwingend an die Amtsstellung gekoppelt. Sie können weder rechtsgeschäftlich auf einen Dritten übertragen werden99 noch sind sie kraft Gesetzes oder aufgrund entsprechender Satzungsregelung vererblich100 . Anders als diejenigen Rechte, die dem Organwalter persönlich eingeräumt sind, erlöschen sie schließlich selbst dann mit der Beendigung der Organstellung, wenn sie für die frühere Amtstätigkeit unentbehrlich waren und bislang zu Unrecht noch nicht erfüllt worden sind. Während also ein Aufsichtsratsmitglied offene Vergütungsansprüche ohne weiteres auch nach seinem Ausscheiden geltend machen kann, gerät das Recht auf Kenntnisnahme von Vorstandsberichten nach § 90 Abs. 5 AktG in diesem Zeitpunkt unweigerlich in Fortfall und entsteht in der Person seines Nachfolgers neu. Trotz dieser offenkundigen Besonderheiten werden die entsprechenden Rechte im Schrifttum mit unterschiedlicher Begründung als subjektive Rechte eingeordnet. Zunächst wird darauf hingewiesen, dass die Zivilrechtsdogmatik als Unterfall der subjektiven Rechte auch die Kategorie der so genannten Pflichtrechte kenne101. Namentlich das Recht der elterlichen Sorge sei in durchaus vergleichbarer Weise von einer umfassenden Pfl ichtenbindung geprägt und vornehmlich im Fremdinteresse auszuüben, ohne dass deswegen seine Eigenschaft als subjektives Recht in Frage gestellt würde102 . Allerdings lässt diese Einschätzung unberücksichtigt, dass die elterliche Sorge sich zwar selbstverständlich am Wohl des Kindes zu orientieren hat, zugleich aber der Verwirklichung des grundrechtlich verbürgten Freiheitsrechts der Eltern dient. Einen vergleichbaren personalen Bezug weisen die Organbefugnisse nicht auf. Daher ist eine Qualifikation als subjektives Recht nur unter Rückzug auf einen rein 98 Vgl. Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rdn. 383; Fleischer, ZIP 2003, 1, 2; Habersack, ZSR 124 (2005) II, 533, 544; Hüffer, AktG, § 90 Rdn. 12; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 90 Rdn. 37. 99 Vgl. BGHZ 13, 61, 65; Ulmer/Paefgen, GmbHG, § 35 Rdn. 7 zur Geschäftsführungsbefugnis; abweichend Burgard, Gestaltungsfreiheit, S. 415 f. 100 Wie hier im Hinblick auf die Geschäftsführerstellung in der GmbH Goette, GmbH, § 8 Rdn. 17; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 38 Rdn. 78; aA Scholz/Schneider, GmbHG, § 38 Rdn. 4. 101 Fleischer, ZIP 2003, 1, 2; Burgard, Gestaltungsfreiheit, S. 433; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil, § 16 Rdn. 7. 102 Allgemeine Meinung, s. nur MünchKommBGB/Huber, § 1626 Rdn. 7.
B. Die Lehre von den Organrechten
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formalen Strukturbegriff möglich, dem zufolge subjektive Rechte gegen die Ingerenz anderer Rechtssubjekte abgeschirmte Verhaltensberechtigungen verleihen103 . Geistesgeschichtlich indessen ist der Begriff des subjektiven Rechts untrennbar mit der Vorstellung von der Selbstverwirklichung der Person und der Abgrenzung von Freiheitsbereichen verbunden; die beschränkten, fremdnützigen Befugnisse zur Ordnung eines arbeitsteiligen Zusammenwirkens im Interesse einer organisierten Einheit lassen sich daher mit ihm nicht erfassen104 . Von dem Konzept wehrfähiger Organbefugnisse abzuweichen, zwingt dieser Befund jedoch nicht; vielmehr ist die traditionelle Gegenüberstellung von „subjektiven“ und „objektiven“ Rechten zu erweitern105 . Im Rahmen der subjektiven Rechte im weiteren Sinne sind nämlich die der Verwirklichung persönlicher Freiheit dienenden subjektiven Rechte im engeren Sinne zu unterscheiden von den zutreffend als Organrechten zu bezeichnenden innerverbandlichen Mitwirkungsbefugnissen106 . 4. Rechts- und Parteifähigkeit a) Nach alldem lässt sich die These von der fehlenden Rechtsfähigkeit der Organe nicht länger aufrechterhalten: Zunächst weisen sie die Merkmale auf, die gleichsam als Vorbedingung erfüllt sein müssen, damit überhaupt sinnvollerweise eine Zuweisung von Rechten und Pflichten in Betracht gezogen werden kann. Entscheidende Bedeutung kommt insoweit ihrer organisatorischen Selbstständigkeit innerhalb des Verbandes und ihrer Handlungsfähigkeit zu107. Im Weiteren steht ihre primäre Funktion, als bloße Durchgangssubjekte der Zurechnung für die Handlungsfähigkeit des Verbandes zu sorgen, der Annahme ihrer Rechtsfähigkeit nicht entgegen, weil die Organe bezogen auf innerorganisatorische Fragen durchaus als Adressaten von Rechtssätzen in Betracht kommen108 . Schließlich erweist sich die Rechtsfähigkeit der Organe auch als sachgerecht, eröffnet doch die Einräumung eigener Rechte dem Organ die Möglichkeit, die ihm zugewiesene Kompetenz in dem auf Funktionentrennung
103
Vgl. Bork, ZGR 1989, 1, 8 ff.; Jacoby, Das private Amt, S. 463. Böckenförde, FS Wolff, S. 269, 302 f.; Habersack, Mitgliedschaft, S. 20; Pfl ugradt, Leistungsklagen, S. 29. 105 Damit erledigt sich auch der Einwand von Bork, ZGR 1989, 1, 10 und Pfl ugradt, Leistungsklagen, S. 29, dass Organrechte subjektive Rechte sein müssten, wenn es sich nicht ausschließlich um objektives Recht handelt; dagegen mit gleicher Tendenz wie hier Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 592. 106 Grundlegend Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 302 f.; daneben Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, § 25 MitbestG Rdn. 89; Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 590; Bauer, Organklagen, S. 65; Hauswirth, Organstreitigkeiten, S. 123; H. Bitter, Leistungsklagen, S. 71. 107 Vgl. oben 1. 108 Vgl. oben 1. 104
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angelegten Verbandsgefüge auch tatsächlich bestimmungsgemäß wahrnehmen zu können109. Allerdings sind die als Zuordnungsobjekte in Betracht kommenden Rechte sowohl ihrer Art wie auch ihrer Zahl nach eng begrenzt. Weder ist das Außenverhältnis zu anderen Rechtssubjekten tangiert noch kann ein Organ durch vertragliche Vereinbarung selbständig weitere Rechte erwerben110 ; die Rechtsfähigkeit bezieht sich vielmehr allein auf das Haben, Ausüben und Durchsetzen bestimmter innerorganisatorischer, durch Gesetz oder Satzung eingeräumter Organrechte. Deswegen sprechen ihre Befürworter von einer „relativen Rechtsfähigkeit“ oder auch von „Teilrechtsfähigkeit“111. Auch jenseits der hier diskutierten Problematik begegnet die nämliche Terminologie häufig dann, wenn rechtsfortbildend zugunsten der Anerkennung eines neuen Rechtsträgers argumentiert wird, so etwa vorübergehend bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts112 und zuletzt bei der Wohnungseigentümergemeinschaft113 . Sie ist vor allem Ausdruck einer um suchende Vorsicht bemühten, auf Kompromiss angelegten Haltung. In der Sache jedoch wird damit nur eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck gebracht. Zuordnungssubjekt sämtlicher Rechte können nämlich allenfalls114 die natürlichen Personen sein, während alle anderen Rechtsträger als Zweckschöpfungen des Rechts im Vergleich dazu defizitär sind, weil sie nur Inhaber bestimmter Rechte sein können. Gegenüber der Unfähigkeit, einer juristischen Person zu heiraten oder ein Kind zu adoptieren, bedeutet die zugegebenermaßen sehr beschränkte Zuweisung bestimmter Rechte und Pflichten an die Organe dann nur noch eine weitere lediglich graduelle Abstufung. Zu deren Kennzeichnung mag man an dem Begriff der Teilrechtsfähigkeit festhalten; besondere Rechtsfolgen verbinden sich mit ihm nicht. b) Parteifähig ist nach § 50 Abs. 1 ZPO, wer rechtsfähig ist. Dabei haben die Gesetzesverfasser vor allem natürliche und juristische Personen, sicher aber nicht Organe im Auge gehabt115 . Gleichwohl ist die Vorschrift heute unmittelbar beim Wort zu nehmen, weil aus rechtskonstruktiver Sicht ein zwingender 109
Vgl. oben 2. So auch Bork, ZGR 1989, 1, 14 Fn. 48. 111 Bauer, Organklagen, S. 32 ff.; Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 591; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 303 f.; Steinbeck, Überwachungspfl icht, S. 176; generell gegen den Begriff der Teilrechtsfähigkeit dagegen Lehmann, AcP 207 (2007), 226, 233 ff. 112 So insbesondere Flume, Personengesellschaft, § 7 II (S. 90); Hüffer, FS Stimpel, S. 165, 168; für eine uneingeschränkte Rechtsfähigkeit aber nunmehr Hadding, ZGR 2001, 712, 718; Mülbert, AcP 199 (1999), 38, 44 ff.; Ulmer, ZIP 2001, 585, 587 f.; Westermann, FS Konzen, S. 957; U. Huber, FS Lutter, S. 107, 122. 113 BGHZ 164, 154, 158 ff.; BGH ZIP 2007, 1014, 1015, Tz. 12. 114 Im Völkerrecht ist das Individuum nämlich trotz aller jüngerer Aufwertungstendenzen (zu ihnen Herdegen, Völkerrecht, § 12) auch heute noch zumindest kein vollwertiges Rechtssubjekt; darauf und damit auf die Relativität jeder Rechtsfähigkeit hinweisend Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 591. 115 OLG Hamburg ZIP 1992, 1310, 1312; Bork, ZIP 1991, 137, 139. 110
B. Die Lehre von den Organrechten
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Nexus zwischen Rechtsfähigkeit und Parteifähigkeit besteht. Wo das materielle Recht ein Recht einräumt, da muss das Prozessrecht nämlich auch die Mittel an die Hand geben, es notfalls gerichtlich durchzusetzen. Völlig zu Recht hat daher der BGH, nachdem er der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Rechtsfähigkeit zugesprochen hatte, in der Anerkennung auch ihrer Parteifähigkeit lediglich „die notwendige prozessrechtliche Konsequenz“ gesehen116 . Nichts anderes gilt denn auch für die Organe; auch hier wird die Schlacht bei der Rechtsfähigkeit geschlagen, die Parteifähigkeit folgt unweigerlich nach117. Möglich ist das, weil die hier im Hinblick auf die Rechtsfähigkeit zugrunde gelegten strukturellen Voraussetzungen zugleich den wesentlichen Anforderungen Rechnung tragen, die das Prozessrecht an eine Partei stellt118 . Zunächst stellt die Erkennbarkeit und Individualisierbarkeit der Organe sicher, dass ihre Existenz in einem etwaigen Zulassungsstreit sicher nachgewiesen werden kann. Die bei den Organen vorzufindende zumindest rudimentäre Handlungsorganisation wiederum ermöglicht es, einen Prozess durch Prozesshandlungen tatsächlich zu führen. Auf die im Allgemeinen erforderliche Haftungsverfassung schließlich kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht an, da Organe nicht in vermögensrechtliche Streitigkeiten verwickelt sein können und die anfallenden Prozesskosten unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits der Gesellschaft aufzuerlegen sind. Weithin durchgesetzt hat sich diese Sichtweise bereits im Rahmen einiger spezialgesetzlich geregelter Prozesskonstellationen. So fungiert der Vorstand, der nach § 245 Nr. 4 AktG gegen einen Hauptversammlungsbeschluss vorgeht, nach gefestigter Auffassung nicht als Vertreter der Gesellschaft, sondern ist selbst Träger der dort vorgesehenen Anfechtungsbefugnis und im Anfechtungsprozess selbst Partei119. Nichts anderes gilt für die Anträge auf Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds nach § 103 Abs. 3 AktG oder auf gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach § 98 Abs. 2 Nr. 1 AktG. Auch hier stellen Vorstand und Aufsichtsrat die Anträge aus eigenem Recht und sind selbst Beteiligte des sich anschließenden gerichtlichen Verfah-
116 BGHZ 146, 341, 348; zustimmend Wagner, ZZP 117 (2004), 305, 333 f.; Hadding, ZGR 2001, 712, 730; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 7 III 2b (S. 648). 117 So bezogen auf die GbR Wagner, ZZP 117 (2004), 305, 333; für das Organ Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 305; Bork, ZGR 1989, 1, 23; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rdn. 236; Geißler, GmbHR 1998, 1114, 1117. 118 Näher zum Folgenden Hess, ZZP 117 (2004), 267, 278, 286; MünchKommZPO/ Lindacher, § 50 Rdn. 5; Hauswirth, Organstreitigkeiten, S. 156; vgl. bezogen auf die GbR Hüffer, FS Stimpel, S. 165, 179. 119 OLG Düsseldorf ZIP 1997, 1153, 1155; MünchKommAktG/Hüffer, § 245 Rdn. 15, 62; GroßKommAktG/K. Schmidt, § 245 Rdn. 33; Mimberg, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 37 Rdn. 89; aA – Vorstand als Vertreter der AG – Flume, Juristische Person, § 11 V (S. 407).
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§ 14 Organstreit
rens120 . Wenn aber die Parteifähigkeit der Organe dort keine unüberwindlichen Probleme aufwirft, so ist nicht einzusehen, warum das im Übrigen nicht auch so sein soll121.
C. Möglicher Gegenstand von Klagen Damit ist der Weg frei für die Klärung der im Zentrum des Interesses stehenden Frage, wie weit klagbare Ansprüche auf rechtmäßiges Organverhalten gehen sollen. Dazu bedarf es einer sachgerechten und zweckmäßigen Auslegung des materiellen Gesellschaftsrechts122 ; die Rechts- und Parteifähigkeit der Organe ist mit anderen Worten kein Freibrief für die schrankenlose Einführung gesellschaftsinterner Klagemöglichkeiten. Immerhin geben aber die bisherigen Überlegungen einen deutlichen Fingerzeig, wie eine sinnvolle Grenzziehung erfolgen kann. Tragender Grund für die Bejahung von wehrfähigen Organrechten war nämlich der Befund, dass das Verbandsrecht der wechselseitigen Verflechtung und Kontrolle der Organtätigkeiten, im Rahmen derer den einzelnen Funktionsträgern Aufgabenbereiche zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zugewiesen sind, einen hohen Stellenwert beimisst. Da aber gleichzeitig klar ist, dass Kontraste wie die zwischen Geschäftsführung und ihrer Überwachung geradezu auf mögliche Konflikte angelegt sind, liegt es nahe, den Organen immer dann, aber auch nur dann ein Klagerecht zuzubilligen, wenn die Zuständigkeitsordnung zu ihrem Nachteil verletzt wurde. Rechtsschutz wäre demnach für die Verwirklichung von Hilfsrechten und zur Abwehr von Kompetenzübergriffen zu gewähren (dazu sogleich unter I. und II.), die Berechtigung eine Klage des Aufsichtsrats zur Erzwingung rechtmäßigen Vorstandsverhaltens auch ohne eigene Betroffenheit ist dagegen zumindest zweifelhaft (näher unter III.).
I. Hilfsrechte Keinen Bedenken unterliegt zunächst die Durchsetzbarkeit von so genannten Hilfsrechten. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass sich jedes Organ in den 120
Vgl. zum Verfahren nach § 103 AktG GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 103 Rdn. 73; KölnKommAktG/Mertens, § 103 Rdn. 38; MünchKommAktG/Semler, § 103 Rdn. 77; zum Verfahren nach § 98 AktG GroßKommAktG/Hopt/Roth/Perlinghaus, § 98 Rdn. 23 ff. gegen KölnKommAktG/Mertens, §§ 97–99 Rdn. 32. 121 Darauf zu Recht hinweisend Jacoby, Das private Amt, S. 464; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 220 f.; Geißler, GmbHR 1998, 1114, 1117; Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 594; gegen eine Verallgemeinerungsfähigkeit aber Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 3; Hüffer, AktG, § 90 Rdn. 16. 122 So zutreffend Bork, ZGR 1989, 1, 15; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 IV 2a (S. 422 f.).
C. Möglicher Gegenstand von Klagen
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Stand versetzen können muss, die ihm zugewiesenen Aufgaben sachgerecht erledigen zu können. Paradigmatisch für die damit angesprochene Gruppe der Teilnahme- und Informationsrechte steht das Auskunftsrecht des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand nach § 90 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 AktG. Ohne zureichende Informationen ist eine sachgerechte Kontrolle des Vorstands durch den Aufsichtsrat nämlich schon im Ansatz unmöglich. Deren Bereitstellung mag für den Vorstand zwar einen gewissen Zeit- und Arbeitsaufwand bedeuten, seine Kompetenz zur eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft ist aber durch entsprechende Klagen nicht einmal im Ansatz tangiert123 . Anerkanntermaßen steht der Durchsetzung der zivilrechtlichen Pflicht weiterhin das auf das gleiche Ziel gerichtete öffentlich-rechtliche Zwangsgeldverfahren nach § 407 AktG nicht entgegen124 . Ob sich schließlich ein klagender Aufsichtsrat durch eine solche Klage der Lächerlichkeit Preis gibt und ob ihm in Zukunft eine vertrauensvolle Kooperation mit dem Vorstand überhaupt noch möglich ist, kann getrost seiner unternehmerischen Ermessensentscheidung überlassen bleiben125 . Dem Ansinnen, einen Konflikt über die Reichweite des Informationsversorgungsrechts sine ira et studio zu klären und dadurch womöglich auch denkbare künftige Konflikte zu entschärfen, kann das Rechtsschutzinteresse jedenfalls nicht von vornherein abgesprochen werden126 . Die Parteirollen können dabei nach den zuvor herausgearbeiteten Grundlagen strikt dem materiellen Recht folgen. Das Informationsrecht steht als Annexkompetenz zu seiner Überwachungsaufgabe dem Aufsichtsrat zu; berichtspflichtig ist im Gegenzug das Vorstandskollegium als Ganzes127. Daher hat im Konfliktfall der Aufsichtsrat den Vorstand auf Auskunftserteilung zu verklagen. Hat der Vorstand seinen Pflichten genüge getan und sorgt lediglich der Aufsichtsratsvorsitzende nicht für die erforderliche Weitergabe an die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder, dann können diese ihr Recht aus § 90 Abs. 5 AktG gegenüber jenem durchsetzen128 . Gleiches gilt entgegen der Rechtsprechung, die eine Klage gegen die Gesellschaft favorisiert, wenn ein Aufsichtsratsmitglied meint, der Aufsichtsratsvorsitzende verweigere ihm bei der Einsichtnah123 Steinbeck, Überwachungspfl icht, S. 190; Poseck, DB 1996, 2165, 2167; Geißler, GmbHR 1998, 1114, 1116. 124 Eingehend H. Westermann, FS Bötticher, S. 369, 371 ff.; daneben MünchKommAktG/ Hefermehl/Spindler, § 90 Rdn. 58; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, § 25 MitbestG Rdn. 147. 125 Zutreffend Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 601 und Geißler, GmbHR 1998, 1114, 1119 gegen Mertens, ZHR 154 (1990), 24, 33. 126 MünchKommAktG/Semler/Spindler, Vor § 76 Rdn. 131; auf das Drohpotential von Klagerechten abstellend Lieder, Aufsichtsrat im Wandel, S. 860. 127 Grundlegend Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 301. 128 Wie K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 226 f.; Borgmann, Organstreit, S. 216 f.; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rdn. 237; E. Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 29 Rdn. 84.
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me in Unterlagen zu Unrecht die Beiziehung eines Sachverständigen129. Gegen den Aufsichtsrat als Organ endlich hat dasjenige Mitglied vorzugehen, das sein Organrecht auf gesetz- und satzungsmäßige Beschlussfassung verletzt sieht und die Nichtigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses festgestellt wissen möchte130 .
II. Kompetenzschutz Auf der nächsten Stufe steht ein Klagerecht zur Abwehr eines rechtswidrigen Übergriffs in den eigenen Kompetenzbereich. Zu denken ist etwa daran, dass der Vorstand entgegen § 84 Abs. 2 AktG an Stelle des Aufsichtsrats selbst einen Vorsitzenden wählt oder entgegen den Vorgaben des Aktiengesetzes am Aufsichtsrat vorbei ein weiteres Leitungsorgan in der Gesellschaft installiert131. Erhebliche praktische Relevanz kommt aber vor allem der Möglichkeit zu, einen Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG gerichtlich durchsetzen und auf diese Weise einen pflichtwidrigen Alleingang des Vorstands in Angelegenheiten der Geschäftsführung verhindern zu können. Gegenüber der bisher behandelten Nichterfüllung von Hilfsrechten sind solche Klagen insofern von anderer Qualität, als sie unmittelbar in den Kernbereich der Unternehmensleitung eingreifen und damit den originären Aufgabenbereich des Vorstands tangieren. Sie lassen sich auch nicht einfach mit dem Argument rechtfertigen, schon die Vorschrift des § 111 Abs. 4 AktG als solche begrenze die Geschäftsführungskompetenz des Vorstands und eine entsprechende Klage setze daher nur eine ohnehin bestehende Einschränkung durch132 . Denn wenn es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt, ist ja zwischen Aufsichtsrat und Vorstand gerade streitig, ob ein rechtswirksam erlassener Zustimmungsvorbehalt einschlägig oder umgekehrt der Vorstand auf eine Mitwirkung des Aufsichtsrats nicht angewiesen ist. Eine unberechtigte Klage und vor allem die allfälligen Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz hindern den Vorstand aber zumindest vorübergehend an der Ausführung einer von ihm für erforderlich gehaltenen Maßnahme und eröffnen dem Aufsichtsrat angesichts der Schnelllebigkeit heu129 Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 596 gegen BGHZ 85, 293, 295; Hüffer, AktG, § 90 Rdn. 21. 130 Wie hier Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 314 f.; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 274; Steinbeck, Überwachungspfl icht, S. 213; differenzierend Bork, ZIP 1991, 137, 143 ff.; aA – Klage gegen die Gesellschaft – die hM, s. BGHZ 122, 342, 344; BGHZ 135, 244, 247; MünchKommAktG/Semler, § 108 Rdn. 276; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 108 Rdn. 171. 131 Vgl. zu Letzterem unten § 15 D II; daneben aber auch den Opel-Fall, wo der Vorwurf im Raum stand, der Vorstand habe durch die Ausgliederung der gesamten Datenverarbeitung die dem Aufsichtsrat obliegende Überwachungsaufgabe beeinträchtigt, s. BGHZ 106, 54, 61; dazu eingehend Stein, ZGR 1988, 163. 132 So aber Bauer, Organklagen, S. 98; Raiser, ZGR 1989, 44, 61; Poseck, DB 1996, 2165, 2167.
C. Möglicher Gegenstand von Klagen
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tiger Wirtschaftsverhältnisse de facto womöglich sogar die Möglichkeit, unliebsame Projekte gänzlich zu vereiteln. Wenn im Ergebnis die organschaftliche Kompetenzschutzklage gleichwohl zu befürworten ist, so liegt das daran, dass es noch unbefriedigender wäre, wenn dem Aufsichtsrat zwar de iure bestimmte Kompetenzen zugewiesen wären, er aber nicht einschreiten könnte, wenn ihm deren effektive Wahrnehmung vom Vorstand unmöglich gemacht wird133 . Da eine Abberufung der Vorstandsmitglieder im Einzelfall rechtlich unzulässig oder unternehmerisch untunlich sein kann und ein anderweitiges innerorganisatorisches Konfliktlösungsinstrument nicht zur Verfügung steht, stellt die Abwehrklage eine sinnvolle Ergänzung der Reaktionsmöglichkeiten des Aufsichtsrats dar. Von der inhaltlichen Tendenz her fügt sie sich bestens in die gesetzgeberischen Bemühungen der letzten Jahre ein, welche durchweg auf eine Professionalisierung der Unternehmenskontrolle gerichtet waren und das Pflichtenprogramm des Aufsichtsrats erweitert oder zumindest nachdrücklich konkretisiert haben134 . Betont man aber zu Recht die besondere Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats im Gefüge der AG, so ist es nur konsequent, ihm auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen, die ihm eine effektive Aufgabenwahrnehmung ermöglichen135 . Dass entsprechende Klagen gegen den Vorstand nicht auf durchgreifende Bedenken stoßen, zeigt schließlich auch die Existenz der Aktionärsklage136 . Denn wie schon erwähnt137, kann der einzelne Aktionär zur Verhinderung von Übergriffen der Verwaltung in den Kompetenzbereich der Hauptversammlung anerkanntermaßen die Gerichte anrufen. Die Gefahr, dass der Vorstand durch unberechtigte Klagen in der eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte beeinträchtigt wird, besteht aber bei der Aktionärsklage wie beim Organstreit und ist deswegen hinzunehmen, weil die Wahrung der Zuständigkeiten von Hauptversammlung und Aufsichtsrat für das Verbandswohl ebenso bedeutsam ist wie die ungestörte Amtstätigkeit des Vorstands138 . Was die materielle Grundlage einer solchen Klage angeht, so steht zwar einem Organ oder Organmitglied anders als dem Verbandsmitglied kein subjektives Recht auf Entscheidungsteilhabe zur Seite. Sehr wohl denkbar und nach den bisherigen Überle133 Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, § 25 MitbestG Rdn. 147; Bork, ZGR 1989, 1, 18. 134 Vgl. mit unterschiedlicher Akzentsetzung Lutter, ZIP 2003, 417; Wirth, ZGR 2005, 327, 336 ff.; Sünner, ZIP 2003, 834, 835; näher Habersack/Schürnbrand, Modernisierung des Aktiengesetzes von 1965, Rdn. 32 ff., in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 1. 135 So auch Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 614 f.; Geißler, GmbHR 1998, 1114, 1115; ablehnend dagegen GroßKommAktG/Kort, § 90 Rdn. 213. 136 Vgl. dazu auch Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 603; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 10. 137 Vgl. oben A II. 138 Pfl ugradt, Leistungsklagen, S. 117.
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gungen zu bejahen ist jedoch ein fremdnützig auszuübendes Organrecht auf störungsfreie Ausübung des zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zugewiesenen Aufgabenbereichs. Seine Kompetenzen kann aber keineswegs nur der Aufsichtsrat gegenüber dem Vorstand wahren, vielmehr sind Klagen auch in umgekehrter Richtung möglich. Insbesondere kann sich der Vorstand dann zur Wehr setzen, wenn der Aufsichtsrat in unzulässiger Weise in die Geschäftsführung eingreift, indem er entweder faktisch selbst Geschäftsführungsaufgaben übernimmt oder aber einen zu weit gehenden Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG erlässt139. Immer sind dabei aber spezielle gesetzliche Wertungen zu beachten. Weigert sich der Aufsichtsrat, die erforderliche Zustimmung zu einer nach Auffassung des Vorstands im Unternehmensinteresse gebotenen Maßnahme zu erteilen, so gebührt dem Konfliktlösungsmechanismus des § 111 Abs. 4 S. 3 AktG der Vorrang140 ; der Vorstand kann also nicht klagen, sondern muss einen Beschluss der Hauptversammlung herbeiführen141.
III. Keine Erzwingung rechtmäßigen Verhaltens ohne eigene Betroffenheit 1. Widerstreitende Ansätze Bleibt als Letztes zu klären, ob der Aufsichtsrat auch dann, wenn seine eigene Amtsführung nicht tangiert ist, im Klagewege in die Tätigkeit des Vorstands einreifen kann. Von vornherein ausgeschlossen ist das nur, soweit der breite Ermessensspielraum reicht, der dem Vorstand bei der Unternehmensführung eingeräumt ist142 . Was dagegen die Unterbindung jenseits dieser Einschätzungsprärogative liegenden rechtswidrigen Verhaltens angeht, so haben sowohl die Befürworter wie die Gegner einer solchen Klage beachtliche Argumente vorgetragen. So leuchtet es einerseits nicht ohne weiteres ein, warum der Aufsichtsrat bei aktuellen oder unmittelbar bevorstehenden Pfl ichtverletzungen des Vorstands den Eintritt oder die Intensivierung eines Schadens soll abwarten und diesen dann liquidieren müssen143 . In der Tat entspricht es allgemeinen privatrechtlichen Grundsätzen, nicht nur restitutiven, sondern auch präventiven Rechtsschutz zu gewähren und folglich den Schadensersatzansprüchen Unter-
139 Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 13; Pentz, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 16 Rdn. 168. 140 Vgl. zur fehlenden praktischen Bedeutung GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 111 Rdn. 719; MünchKommAktG/Semler, § 111 Rdn. 446; Fonk, ZGR 2006, 841, 872 f. 141 Pentz, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 16 Rdn. 167. 142 Vgl. zur business judgment rule BGHZ 135, 244 und nunmehr § 93 Abs. 1 S. 2 AktG sowie dazu Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rdn. 48 ff. 143 GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rdn. 453; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 43 Rdn. 53; vgl. auch Arlt, DZWiR 2007, 177, 181 f.
C. Möglicher Gegenstand von Klagen
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lassungsansprüche an die Seite zu stellen144 . Diese sind insbesondere dann bedeutsam, wenn der drohende Schaden die persönliche Leistungsfähigkeit der Organwalter zu übersteigen droht und ein tatsächlicher Ausgleich nicht zu erwarten ist. Ein Bedürfnis, mittels Klagerechten des Aufsichtsrats die Überwachung der Vorstandstätigkeit effektiver zu gestalten, ist dabei sowohl im Innenwie im Außenverhältnis in bestimmten Fällen nicht per se von der Hand zu weisen: Nach außen hin liegt es im gewiss im besten Interesse der Gesellschaft, schwere Verstöße gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften zu vermeiden145 ; intern wiederum könnte der Aufsichtsrat zugunsten der Hauptversammlung aktiv werden und unzulässige Übergriffe in deren Kompetenzbereich abwehren, vor allem also in den gesetzlich vorgesehenen Fällen ihre Beteiligung erzwingen und für die Ausführung gesetzmäßiger146 Hauptversammlungsbeschlüsse sorgen147. Demgegenüber können die Gegner von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen oder gar Ansprüchen auf die Vornahme bestimmter Geschäftsführungsmaßnahmen auf die Leitungsautonomie des Vorstands verweisen. Sie verkennen dabei selbstverständlich nicht, dass der Vorstand an sich kein schutzwürdiges Interesse an der Respektierung seiner Kompetenz hat, wenn er sich gesetz- oder satzungswidrig verhält. Genau das wird der Vorstand freilich oftmals bestreiten und seine Organverantwortlichkeit bereits dadurch tangiert sehen, dass er seiner Auffassung nach gebotene Geschäftsführungsmaßnahmen überhaupt vor Gericht verteidigen muss und zumindest vorläufig nicht ausführen kann148 . Diese Sichtweise kann sich auf eine Grundsatzentscheidung des BGH stützen, in welcher dieser im Hinblick auf das Recht der Personengesellschaften ausgeführt hat: „Ein Urteil, das dem geschäftsführenden Gesellschafter verbietet, Zahlungen zu leisten, würde unmittelbar in das Geschäftsführungsrecht eingreifen und überwiegende Interessen der Gesellschaft, insbesondere die gesellschaftsvertraglich festgelegte Zuständigkeitsordnung verletzen. Es würde damit das sachgerechte Funktionieren der Geschäftsführung beeinträchtigen und die Verantwortung und Verantwortlichkeit für die Führung der Gesellschaftsgeschäfte, die grundsätzlich beim Geschäftsführer liegt, verwischen.“149 144 Raiser, ZGR 1989, 44, 58; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 5; Grunewald, DB 1981, 407, 408. 145 Raiser, ZGR 1989, 44, 64 f.; H. Bitter, Leistungsklagen, S. 96. 146 Näher zum Problem Fleischer, BB 2005, 2025; Haertlein, ZHR 168 (2004), 438, 442 ff. 147 Dafür Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 310; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 83 Rdn. 15; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 10; Teichmann, FS Mühl, S. 663, 679; MünchHdbAG/Wiesner, § 25 Rdn. 81. 148 Mertens, ZHR 154 (1990), 24, 29 f.; KölnKommAktG/Mertens, § 93 Rdn. 190, 194; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, § 25 MitbestG Rdn. 147; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 232; Bauer, Organklagen, S. 120. 149 BGHZ 76, 160, 168; zustimmend MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 204; Erman/ Westermann, BGB, § 705 Rdn. 55; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 3 III 6b (S. 287);
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2. Konsequente Anwendung der Lehre von den Organrechten a) Noch einmal: Der problematische Rückgriff auf das Bestellungsverhältnis Klärung in diesem Argumentationsdickicht verspricht allein eine strikte Besinnung auf die im Rahmen der Rechtfertigung der Lehre von den Organrechten gewonnenen Erkenntnisse. Bereits im Zusammenhang mit der Bestimmung der richtigen Partei für die Austragung von materiell als Organstreit zu qualifizierenden Konflikten hat sich der hier von den Verfechtern eines umfassenden Klagerechts abermals bemühte Rückgriff auf das Organverhältnis zwischen Verband und Organwalter als problematisch erwiesen. Sofern das Organhandeln als solches in Rede steht, ist nämlich nicht der Organwalter persönlich, sondern wegen der an ihn erfolgenden Zurechnung allein der Verband betroffen150 . Aus diesem Umstand war zu folgern, dass ein Streit um Organpfl ichten nicht zwischen dem Verband und dem Organwalter als natürlicher Person, sondern als Insichprozess innerhalb des Verbandes zwischen den verschiedenen Funktionseinheiten auszutragen ist. In gleicher Weise können nicht die persönlichen Pflichten der Vorstandsmitglieder, sondern nur das aktienrechtliche Organisationsgefüge als Ganzes Auskunft darüber geben, in welchem Umfang der Aufsichtsrat die Geschäftsführung kontrollieren kann. Dabei haben die Rechtsfolgen auf Art und Organisation der Gesellschaft Bedacht zu nehmen; keineswegs stehen per se alle denkbaren Sanktionen zur Verfügung151. Das zeigt auch folgendes Beispiel: Schließt der Aufsichtsratsvorsitzende einzelne Aufsichtsratsmitglieder willkürlich von der Teilnahme an einer Sitzung aus, handelt er rechtswidrig und verletzt seine Pflichten aus dem Organschaftsverhältnis. Dass aber deswegen der Vorstand als Vertreter der Gesellschaft gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden vorgehen kann, ist angesichts der aktienrechtlichen Kompetenzordnung, um es zurückhaltend zu formulieren, zumindest höchst zweifelhaft152 . Dem Vorstand obliegt es nicht, sich als umfassender „Rechtmäßigkeitsgarant“153 in die inneren Angelegenheiten des zu seiner Kontrolle eingesetzten Aufsichtsrats einzumischen154 . Nach alldem kann somit der gedankliche Schluss
Zöllner, ZGR 1988, 392, 431; ablehnend Becker, Verwaltungskontrolle, S. 552 ff.; Bork/Oepen, ZGR 2001, 515, 538; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1 A Rdn. 65. 150 Vgl. oben B I 1. 151 So zutreffend für die Personengesellschaft Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 3 III 6b (S. 287). 152 Vgl. Bork, ZIP 1991, 137, 139; Hauswirth, Organstreitigkeiten, S. 125. 153 Dafür aber ganz allgemein Peltzer, ZIP 2006, 205, 209; Semler, Liber amicorum Happ, S. 277, 279 f.; vgl. zur Pfl icht des Vorstands, gegen eine unangemessene Festsetzung der eigenen Bezüge durch den Aufsichtsrat vorzugehen, Fleischer, DB 2006, 542, 545; Spindler, ZIP 2006, 349, 354. 154 Zu Recht gegen Eingriffsmöglichkeiten des Vorstands gegenüber einem rechtswidrig handelnden Aufsichtsrat MünchKommAktG/Semler, § 116 Rdn. 68.
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von der persönlichen Schadensersatzpfl icht auf die Existenz flankierender Leistungs- oder Unterlassungsansprüche nicht überzeugen155 . b) Unvereinbarkeit eines umfassenden Rechts auf gesetzund satzungsmäßiges Verhalten mit dem geltenden Verbandsrecht Lässt man die Organbeziehung zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitgliedern außer Betracht und konzentriert sich stattdessen ganz auf das organisationsrechtliche Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat, so tritt die eigentliche Fragestellung mit aller Deutlichkeit hervor. Klagen gegen jede Form rechtswidrigen Vorstandshandelns kommen nämlich nur in Betracht, wenn dem Aufsichtsrat ein materielles Organrecht auf gesetz- und satzungsmäßiges Verhalten des Vorstands zusteht156 . Ein solches umfassendes Recht auf gesetzmäßige Betätigung auch ohne eigene Betroffenheit jedoch ist dem geltenden Recht fremd. Trotz der strikten Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht muss etwa derjenige, der Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten sucht, geltend machen, dass der Schutzbereich eines seiner Grundrechte berührt oder dass die verletzte öffentlich-rechtliche Norm gerade ihn zu schützen bestimmt ist157. Für das Aktienrecht wurde zwar gelegentlich ein angebliches Mitgliedschaftsrecht eines jeden Aktionärs auf gesetz- und satzungsmäßiges Verhalten der Gesellschaftsorgane und eine daran anknüpfende umfassende Abwehrklage propagiert158 . Die ganz herrschende Meinung jedoch erkennt ein solches nicht an, sondern lässt neben der kodifizierten Anfechtungsklage die ungeschriebene Abwehrklage gegen rechts- oder satzungswidriges Verwaltungshandeln nur zu, soweit der Aktionär die Verletzung eines bestimmten, durch die Verbandsordnung konkretisierten subjektiven Rechts behauptet159. Noch nicht abschließend geklärt ist lediglich, ob nur das Recht auf Entscheidungsteilhabe geschützt ist oder ob auch die Verletzung anderer Rechte, wie etwa das auf Gleichbehandlung, gerügt werden kann160 . Somit bleibt allein zu klären, ob für den Aufsichtsrat eine Ausnahme von dem genannten allgemeinen Grundsatz zu machen und ihm gerade im Hinblick 155
Im Ergebnis ebenso Jacoby, Das private Amt, S. 471; Borgmann, Organstreit, S. 246. Dafür in der Tat H. Bitter, Leistungsklagen, S. 95. 157 Vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rdn. 78 ff. mit umfassenden Nachweisen. 158 Vgl. Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 188 ff., 314 ff.; Becker, Verwaltungskontrolle, S. 613 ff. 159 Gegen einen umfassenden Anspruch auf gesetzmäßiges Verhalten etwa Baums, Gutachten F zum 63. Juristentag, S. 201 ff.; Bayer, NJW 2000, 2609, 2611; Habersack, Mitgliedschaft, S. 286 ff.; Hoffmann-Becking, ZHR 167 (2003), 357, 360 ff.; GroßKommAktG/Mülbert, Vor § 118 Rdn. 220 ff.; Noack, Fehlerhafte Beschlüsse, S. 41 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 V 3b (S. 649 f.); Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 279 ff.; Zöllner, ZGR 1988, 392, 421 ff. 160 Vgl. zum Streitstand Adolff, ZHR 169 (2005), 310, 316 ff.; Busch, NZG 2006, 81, 83 f.; Wilsing, ZGR 2006, 722, 733 ff.; MünchHdbAG/Wiesner, § 18 Rdn. 9; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 381 ff. 156
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auf die ihm obliegende Überwachungsaufgabe zu gestatten ist, rechtswidriges Vorstandshandeln auch ohne eigene Betroffenheit im Klagewege zu unterbinden. Der damit angedeutete Rekurs auf die Generalklausel des § 111 Abs. 1 AktG, der zufolge der Aufsichtsrat die Geschäftsführung zu überwachen hat, kann ein solches Instrumentarium für sich genommen freilich nicht rechtfertigen. Denn wie weit die Überwachungspflicht reicht und vor allem welche Befugnisse sie im Einzelnen umfasst, lässt diese gerade in der Schwebe161. Für eine abschließende Bewertung ist daher die nähere Ausgestaltung der Rolle des Aufsichtsrats im Aktiengesetz insgesamt mit in den Blick zu nehmen. Dabei zeigt sich, dass dem Aufsichtsrat für die Erfüllung seiner umfassenden Überwachungsaufgabe nur in sehr begrenztem Maße Eingriffsrechte gegenüber dem Vorstand zustehen. Er kann im Vorfeld einen Zustimmungsvorbehalt anordnen, rechtswidrige Geschäftsführungsmaßnahmen missbilligen und in gravierenden Fällen Vorstandsmitglieder abberufen; die Befugnis, dem Vorstand zur Wiederherstellung rechtmäßiger Verhältnisse Weisungen zu erteilen oder gar selbst im Wege der Ersatzvornahme tätig zu werden, steht ihm hingegen nicht zu. Mit der Anerkennung eines allgemeinen Organrechts auf gesetz- und satzungsmäßige Betätigung des Vorstands wäre daher gegenüber der geschriebenen Ordnung des Aktiengesetzes eine substantielle Erweiterung der Kompetenzen des Aufsichtsrats und damit zugleich eine merkliche Kräfteverschiebung innerhalb des Verhältnisses der Organe zueinander verbunden162 . Hierfür gibt es umso weniger Anlass, als sich mit der Einrichtung einer gewaltenteiligen Verbandsordnung erkennbar die Vorstellung verbindet, dem Verbandsinteresse sei am besten gedient, wenn jeder Funktionsträger den ihm zugewiesenen Aufgabenbereich selbständig ausfüllt. Zwanglos fügen sich in dieses Bild die bisher bejahten Klagebefugnisse ein, dient doch sowohl die Klage zur Durchsetzung von Hilfsbefugnissen als auch diejenige zur Abwehr von Kompetenzübergriffen gerade der Stabilisierung und tatsächlichen Durchsetzung der Zuständigkeitsordnung. Raum für eine Rechtsfortbildung ist insofern, weil der Gesetzgeber einerseits offenkundig großen Wert auf die Funktionentrennung gelegt hat, ohne aber andererseits für deren effektive verfahrensmäßige Absicherung zu sorgen. Demgegenüber drohten die klaren gesetzlichen Verantwortlichkeiten verwischt zu werden, wenn ein Funktionsträger dem anderen beständig in dessen Kompetenz hineinreden könnte163 . Das gilt namentlich für den hier interessierenden Bereich der Leitung der Gesellschaft, für den das Gesetz die gewollte organschaftliche Eigenverantwortlichkeit in § 76 Abs. 1 AktG besonders hervorhebt. Die Verfechter grenzenloser Klagen gegen den Vorstand beruhigen sich insofern mit dem Gedan161 162 163
Zutreffend Raiser, ZGR 1989, 44, 55. So auch Bork, ZIP 1991, 137, 139; Geißler, GmbHR 1998, 1114, 1120. Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 279; Borgmann, Organstreit, S. 246.
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ken, es gehe ohnehin nur um besonders schwere Gesetzesverstöße164 . Außerdem habe das Gericht bei der Prüfung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme, also im Rahmen der Begründetheitsprüfung, den fast immer bestehenden weiten Ermessensspielraum des Vorstands zu beachten165 . Indessen lässt sich zum einen über die Schwere eines Rechtsverstoßes nahezu immer treffl ich streiten; zum anderen kann allein der Eintritt in die materielle Prüfung für das Unternehmen großen Schaden anrichten, weil dann in einem öffentlichen Verfahren die Details des unternehmensinternen Entscheidungsprozesses ausgebreitet werden müssen. Diese Bedenken wiegen umso schwerer, als anders als bei einer Haftungsklage gegen Organmitglieder nicht im Nachhinein mit zeitlichem Abstand zum Geschehen, sondern mitten hinein in die laufende unternehmerische Aktion prozessiert würde166 . Dass der wohl regelmäßig vorgeschaltete einstweilige Rechtsschutz überdies die Durchführung viele Projekte für geraume Zeit hemmen und damit de facto vereiteln würde, wurde schon erwähnt167. Von daher sprechen die besseren Gründe dafür, dem Vorstand dort, wo er unangefochten innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs agiert, eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Rechtmäßigkeit seines Tuns zu gewähren und die Organmitglieder allein einer nachträglichen Kontrolle durch die Haftungsklage und die Entscheidung über ihre Entlastung zu unterwerfen168 . c) Folgerungen Nach alldem steht dem Aufsichtsrat kein im Wege der Leistungsklage durchsetzbares Recht auf gesetz- und satzungsmäßige Betätigung des Vorstands zur Seite. Er kann deshalb nicht eingreifen, wenn der Vorstand die Zuständigkeit der Hauptversammlung verletzt, indem er diese gänzlich übergeht oder seiner Pflicht zur Ausführung ihrer Beschlüsse nicht nachkommt169. Sowohl aus systematischen wie praktischen Gründen ist es vielmehr vorzugswürdig, allein den Aktionären als den unmittelbar in ihrer Rechtsstellung Betroffenen die Möglichkeit einer Abwehr- bzw. Erfüllungsklage zu eröffnen170 . Weiterhin kann der Aufsichtsrat rechtswidrige Geschäftsführungsmaßnahmen als solche nicht angreifen. Um diese zu verhindern, ist er vielmehr berechtigt und ver164
So Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 12; H. Bitter, Leistungsklagen, S. 96. So für die Gesellschafterklage Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 318 f.; Becker, Verwaltungskontrolle, S. 617 f.; Bork/Oepen, ZGR 2001, 515, 538; Grunewald, DB 1981, 407, 408. 166 Zutreffend Hoffmann-Becking, ZHR 167 (2003), 357, 361. 167 Vgl. oben II. 168 KölnKommAktG/Mertens, Vor § 76 Rdn. 6; Pfl ugradt, Leistungsklagen, S. 120 f. 169 Wie hier Hüffer, AktG, § 83 Rdn. 6; GroßKommAktG/Kort, § 90 Rdn. 211; KölnKommAktG/Mertens, § 83 Rdn. 8; Bork, ZGR 1989, 1, 19 f.; Hauswirth, Organstreitigkeiten, S. 126 ff., 203 f.; zumindest sehr zurückhaltend GroßKommAktG/Habersack, § 83 Rdn. 15; abweichend MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 83 Rdn. 15. 170 GroßKommAktG/Habersack, § 83 Rdn. 16; Hüffer, AktG, § 83 Rdn. 6; Zöllner, ZGR 1988, 392, 415. 165
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pflichtet, ad hoc einen Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG anzuordnen; übergeht der Vorstand diesen, steht dem Aufsichtsrat nach der hier vertretenen Konzeption die organschaftliche Kompetenzschutzklage offen.
IV. Klagen einzelner Aufsichtsratsmitglieder gegen den Vorstand 1. Aus eigenem Recht Den bisher behandelten Klagen des Aufsichtsrats gegen den Vorstand dürfte selbst nach einer Anerkennung der Lehre vom Organstreit durch die Gerichte zahlenmäßig keine besondere Bedeutung zukommen. Von ungleich größerer Brisanz wäre es dagegen, wenn auch ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied, das sich mit seiner Auffassung im Plenum nicht durchsetzen kann, gegen ein angeblich rechtswidriges Verhalten des Vorstands vorgehen könnte. Die Bereitschaft hierzu haben Arbeitnehmervertreter schon mehrfach unter Beweis gestellt171. Eines sollte freilich schon im Ausgangspunkt außer Zweifel stehen: Keinesfalls nämlich können dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied weitergehende Rechte zustehen als dem Organ insgesamt172 . Daher scheidet eine allgemeine Rüge der Rechtswidrigkeit aus; geltend gemacht werden kann allenfalls, dass spezifische Kompetenzen des Aufsichtsrats verletzt wurden. Auch in diesem beschränkten Sinne drängt sich eine Einzelklagebefugnis indessen nicht auf. Vergegenwärtigt man sich vielmehr nochmals, dass die Überwachung des Vorstands dem Gesamtaufsichtsrat als Organ und nicht dessen einzelnen Mitgliedern obliegt, so liegt im Gegenteil der Schluss nahe, dass dieser auch alleiniger Träger etwaiger Abwehransprüche ist173 . Jede andere Lösung drohte, die Stellung des Aufsichtsrats und damit das gesamte aktienrechtliche Kompetenzsystem empfi ndlich zu stören174 . Mancher Äußerung im Schrifttum zum Trotz gibt es daher kein allgemeines „Ersatzaufsichtsrecht“ als eigenes Organrecht des Aufsichtsratsmitglieds175 . Auch taugen die speziellen, jeweils einer bestimmten Sonderlage Rechnung tragenden Klagebefugnisse der §§ 90 Abs. 3 S. 2 und 245 Nr. 5 AktG nicht zur Verallgemeinerung in Richtung einer allgemeinen Organmitgliedschaftsklage176 .
171 Vgl. BGHZ 106, 54 – Opel; OLG Celle ZIP 1989, 1552 – Pelikan; LG Köln AG 1976, 329; jetzt aber auch OLG Stuttgart NZG 2007, 549. 172 Mülbert, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 112; MünchHdbAG/Hoffmann-Becking, § 33 Rdn. 76. 173 Darauf weist BGHZ 106, 54, 63 zu Recht eindringlich hin; zustimmend OLG Celle ZIP 1989, 1552. 174 Raiser, ZGR 1989, 44, 70; Krieger, EWiR 1988, 211, 212; Steinbeck, Überwachungspfl icht, S. 221. 175 Dafür aber Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 603. 176 So aber hinsichtlich § 245 Nr. 5 AktG Pfl ugradt, Leistungsklagen, S. 129 ff.; Rellermeyer, ZGR 1993, 77, 94 ff.; wie hier dagegen BGHZ 106, 54, 64; Raiser, AG 1989, 185, 189; Groß-
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Immerhin zu erwägen ist jedoch, ob eine Einzelklagebefugnis nicht in Parallele zur Aktionärsklage entwickelt werden kann. Ebenso wie sich der Aktionär als Mitglied der Hauptversammlung wehren kann, wenn der Vorstand deren Zuständigkeit usurpiert, müsse doch auch, so lautet der Kern des zugrunde liegenden Gedankens, das Aufsichtsratsmitglied einschreiten können, wenn der Vorstand den Aufsichtsrat unzulässigerweise von der Mitwirkung an Geschäftsführungsmaßnahmen ausschließt, indem er es unterlässt, die nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG erforderliche Zustimmung einzuholen. Indessen gehören zwar sowohl der Aktionär wie das Aufsichtsratsmitglied einem Organ an, für den Aktionär aber ist die Organmitgliedschaft in der Hauptversammlung nur das technische Vehikel zur Durchsetzung seines aus der Mitgliedschaft fließenden subjektiven Rechts auf Entscheidungsteilhabe. Sonstige Organmitglieder dagegen üben innerhalb des Verbandes eine rein fremdnützig-dienende Funktion aus, die sich darin erschöpft, die Handlungsfähigkeit des Organs, dem sie angehören, sicherzustellen. Die ihnen in diesem Zusammenhang eingeräumten Organrechte beziehen sich daher auch nur auf die Teilhabe an der Entscheidungsfindung innerhalb ihres Organs177. Das einzelne Aufsichtsratsmitglied kann somit zwar gemäß § 110 Abs. 1 AktG die Einberufung des Aufsichtsrats erzwingen und auf den sich anschließenden Meinungsbildungsprozess einwirken. Nicht betroffen sind seine Mitwirkungsrechte dagegen, wenn die Kompetenzen des Aufsichtsrats als Ganzem verletzt werden. Im Ergebnis kann das einzelne Aufsichtsratsmitglied somit – vorbehaltlich der Durchsetzung seines in § 90 Abs. 3 S. 2 AktG verankerten Anspruchs auf Berichterstattung – zumindest aus eigenem Recht nicht gegen rechtswidriges Vorstandsverhalten vorgehen178 . 2. Prozessstandschaft Nicht per se ausgeschlossen sind dagegen Klagen anstelle des untätigen Aufsichtsrats, also nach dem Vorbild der actio pro socio aus abgeleitetem Recht. Wenngleich die actio pro socio in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich ein Rechtsbehelf des Verbandsmitglieds ist179 , kann eine entsprechende ProzessKommAktG/K. Schmidt, § 245 Rdn. 45; Hüffer, AktG, § 90 Rdn. 16, 23; H. Bitter, Leistungsklagen, S. 121 ff. 177 Steinbeck, Überwachungspfl icht, S. 216 ff.; Kort, AG 1987, 193, 194; Diemert, Innenrechtsstreit, S. 502 ff. 178 Mülbert, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 112; GroßKommAktG/Kort, Vor § 76 Rdn. 57, § 90 Rdn. 202; Deckert, AG 1994, 457, 463 f.; E. Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 29 Rdn. 87; Raiser, AG 1989, 185, 190. 179 Deshalb gegen eine Übertragung auf den Organstreit etwa Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 19 f.; Steinbeck, Überwachungspfl icht, S. 221 f.; jedenfalls kritisch Mülbert, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 113.; im Ergebnis ebenfalls gegen eine Klagebefugnis Pentz, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 16 Rdn. 171, 173; H. Bitter, Leistungsklagen, S. 125; Poseck, DB 1996, 2165, 2169.
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führungsbefugnis im Organstreit durchaus ihren Platz haben. Entscheidendes Gewicht kommt nämlich im einen wie im anderen Fall der Erwägung zu, dass bei Versagen der gesetzlich vorgesehenen Rechtsdurchsetzungsmechanismen Bedarf für eine ergänzende Kompetenz besteht. Als deren Inhaber bietet sich das einzelne Aufsichtsratsmitglied schon deswegen an, weil es immerhin zur Mitwirkung an der Meinungsbildung des Gremiums berufen ist und eine Mitverantwortung für die Rechtmäßigkeit seines Tuns trägt180 . Da das Aufsichtsratsmitglied anders als der Aktionär ein subjektiv-rechtlich untermauertes Eigeninteresse nicht in die Waagschale zu werfen vermag, ist der Weg zu einer derartigen Prozessstandschaft freilich nur dann eröffnet, wenn diese zur Wahrung des Verbandsinteresses unabdingbar geboten ist. In Abgrenzung zu der teilweise recht großzügigen Handhabung bei der mitgliedschaftlichen actio pro socio ist dabei aus zumindest zwei Gründen nachdrücklich für Zurückhaltung und die Einordnung als bloße Notbefugnis zu plädieren181 : Erstens dürfen sich die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder nicht als weitere Kontrollinstanz neben dem Aufsichtsrat etablieren und so das Verfassungsgefüge der AG stören. Zweitens und vor allem geht es nicht an, dass Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Aufsichtsrats über den Umweg einer gerichtlichen Inanspruchnahme des Vorstands ausgetragen werden. Das Aufsichtsratsmitglied hat daher in diesem Konfliktfeld zunächst seine organinternen Rechte auszuschöpfen182 . Dazu gehört es, notfalls mit Hilfe des Einberufungsrechts gemäß § 110 AktG zunächst einmal eine Beschlussfassung des Aufsichtsrats herbeizuführen. Nur wenn diese zu spät käme, weil der Vorstand alsbald vollendete Tatsachen schaffen will, und der Gesellschaft überdies ein schwerer und irreparabler Schaden droht, kommt die hier diskutierte, regelmäßig im Wege einstweiligen Rechtsschutzes wahrzunehmende Prozessführungsbefugnis in Betracht183 . Hat der Aufsichtsrat hingegen eine geplante oder bereits durchgeführte Geschäftsführungsmaßnahme gebilligt, so muss das Aufsichtsratsmitglied in einem ersten Schritt den entsprechenden Beschluss mit der Feststellungsklage angreifen. Gegen den Vorstand kann er erst in einem zweiten Schritt und nur in dem praktisch sehr unwahrscheinlichen Fall vorgehen, dass der Aufsichtsrat trotz seines 180
Ähnlich Bork, ZGR 1989, 1, 40; Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 620 f. Raiser, ZGR 1989, 44, 68; vgl. zur actio pro socio BGHZ 25, 47, 50; BGH NJW 1985, 2830, 2831; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 3 III 6a (S. 284); enger aber MünchKommBGB/Ulmer, § 705 Rdn. 211; Erman/Westermann, BGB, § 705 Rdn. 59; Bork/Oepen, ZGR 2001, 515, 530 ff. 182 BGHZ 106, 54, 66 f.; OLG Stuttgart NZG 2007, 549; OLG Celle ZIP 1989, 1552, 1553; Raiser, ZGR 1989, 44, 69 f.; Mülbert, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 113; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, Vor § 76 Rdn. 132; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, § 25 MitbestG Rdn. 148; Kort, AG 1987, 193, 199 f. 183 Vgl. zum einstweiligen Rechtsschutz OLG Celle ZIP 1989, 1552, 1553; Krieger, EWiR 1988, 211, 212; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 52 Rdn. 56; Michalski/Heyder, GmbHG, § 52 Rdn. 300; zurückhaltend dagegen Rellermeyer, ZGR 1993, 77, 98 ff. 181
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Unterliegens nicht gegen den Vorstand einschreitet und dieser ungeachtet der erfolgten Klärung der Rechtslage seine Verletzung der Aufsichtsratskompetenz fortsetzt184 . Entsprechendes gilt, wenn das Aufsichtsratsmitglied eine aus seiner Sicht grob rechtswidrige, aber keinem vorformulierten Zustimmungsvorbehalt unterfallende Maßnahme des Vorstands verhindern will. Erschwerend kommt hier freilich noch hinzu, dass seine auf die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts gerichtete Klage nur Erfolg haben kann, wenn das dem Aufsichtsrat in § 111 Abs. 4 S. 2 AktG eingeräumte Ermessen sich im konkreten Fall zu einer Rechtspflicht verdichtet185 . Gegen diese Konzeption ist eingewendet worden, sie trage dem Gedanken der Prozessökonomie nicht genügend Rechnung. Gerade weil alle Beteiligten, also der Aufsichtsrat und seine Mitglieder ebenso wie der Vorstand, dem Gesellschaftsinteresse verpflichtet seien, müsse es vielmehr auch möglich sein, die Nichtigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses inzident im Rahmen einer gegen den Vorstand erhobenen Klage geltend zu machen186 . Für prozessuale Zweckmäßigkeitserwägungen ist indessen nur dort Raum, wo dem nicht vorrangige verbandsrechtliche Wertungen entgegenstehen. Genau das ist hier jedoch der Fall: Eine Meinungsverschiedenheit zwischen Mehrheit und Minderheit im Aufsichtsrat soll nach der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung intern zwischen den Beteiligten ausgetragen werden; andere Organe sind damit – soweit möglich – nicht zu belasten. Da sich durch entsprechende Feststellungsklagen gegen den Aufsichtsrat die überwältigende Zahl aller Konfl ikte klären lassen, erscheint es aber auch unter praktischen Gesichtspunkten vorzugswürdig, in den wenigen verbleibenden Fällen das Erfordernis zweier Prozesse hinzunehmen, anstatt ein generelles Klagerecht des Aufsichtsratsmitglieds gegen den Vorstand zuzulassen. Aus den gleichen Gründen verdient der BGH keine Gefolgschaft, wenn er erwägt, bei nichtigen Aufsichtsratsbeschlüssen ausnahmsweise eine Klage unmittelbar gegen den Vorstand zuzulassen187. Abgesehen davon, dass nach der eigenen Rechtsprechung des BGH nicht zwischen nichtigen und lediglich anfechtbaren Aufsichtsratsbeschlüssen zu unterscheiden ist188 , muss es auch in dem wohl angedachten Fall eines an einem besonders schweren Mangel leidenden Beschlusses bei der durch das Kompetenzgefüge vorgezeichneten zweistufigen Prozessführung bewenden189. Nach alldem bleibt für eine Einzelklagebefugnis des Aufsichtsratsmitglieds gegen den Vorstand nur ein äußerst schmaler, auf ganz enge Ausnahmefälle be184 185 186 187 188
BGHZ 106, 54, 67; OLG Celle ZIP 1989, 1552, 1553; Raiser, ZGR 1989, 44, 70. Vgl. BGHZ 124, 111, 127; Hüffer, AktG, § 111 Rdn. 17. So Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 608. BGHZ 104, 54, 67; dafür Bork, ZGR 1989, 1, 42; Henssler, FS BGH, Bd. 2, S. 387, 399. BGHZ 122, 342, 347 ff.; BGHZ 124, 111, 125; BGHZ 135, 244, 247; BGHZ 164, 249,
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So auch Hauswirth, Organstreitigkeiten, S. 230.
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schränkter Anwendungsbereich. Innerhalb dieses Rahmens kann das Aufsichtsratsmitglied im Übrigen nur innerorganisatorische Rechtspositionen des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand, entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung aber nicht einen gegen ein Vorstandsmitglied persönlich gerichteten Schadensersatzanspruch der Gesellschaft geltend machen190 . Wie der Organstreit im Allgemeinen, so dient nämlich auch die Einzelklagebefugnis im Besonderen allein der Durchsetzung der innerverbandlichen Zuständigkeitsordnung; ein Durchgriff auf das Außenverhältnis lässt sich auf diese Weise nicht rechtfertigen. Abgesehen davon hat der Gesetzgeber das Problem, dass der Aufsichtsrat wegen einer eigenen Verstrickung der Aufsichtsratsmehrheit in das schadensstiftende Ereignis oder aus Loyalität gegenüber dem Anspruchsgegner untätig bleibt191 , schon lange erkannt und hierauf mit dem mehrfach reformierten Instrumentarium der §§ 147 f. AktG reagiert. Neben der Aktionärsklage besteht aber für eine Einzelklagebefugnis des Aufsichtsratsmitglieds schon kein unabweisbares praktisches Bedürfnis. Im Übrigen wäre sie mit der gesetzgeberischen Wertung unvereinbar, wonach zum Schutze der Vorstandsmitglieder gegenüber einer unberechtigten Vielzahl von Klagen nur der Aufsichtsrat als Gesamtorgan oder eine qualifizierte Minderheit zur Anspruchsdurchsetzung berechtigt sein soll.
D. Organstreit jenseits des Verhältnisses zwischen Vorstand und Aufsichtsrat sowie außerhalb des Aktienrechts Das Thema Organstreit wurde bisher allein im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat in der AG diskutiert. Die hierbei angestellten Überlegungen lassen sich jedoch auch auf andere Organe und andere Gesellschaftsformen erstrecken.
I. Besonderer Vertreter, Insolvenzverwalter Was zunächst die weiteren Organe der AG angeht, so scheidet allerdings eine Einbeziehung der Hauptversammlung aus; ihr fehlt es an der erforderlichen prozessualen Handlungsfähigkeit192 . Das ist aber auch unschädlich, da die Aktionäre ihre Belange selbst mit der Gesellschafterklage wahren können. Ebenfalls ausgeschlossen sind Klagen gegen den Leiter der Hauptversammlung.193 190 Dafür Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 621; wie im Text dagegen Hauswirth, Organstreitigkeiten, S. 231 f.; vgl. auch Nitschke, Personengesellschaft, S. 333. 191 Vgl. Baums, Gutachten F zum 63. Juristentag, S. 241 f.; MünchKommAktG/Schröer, § 147 Rdn. 6. 192 Vgl. dazu oben B III 4 b). 193 Zur Organqualität § 5 D III 2.
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Von ihm begangene Pflichtverletzungen schlagen sich als Verfahrensfehler auf den Beschluss nieder und sind deshalb im Rahmen der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage geltend zu machen194 . Als streitfähige Verbandsorgane kommen dagegen der besondere Vertreter im Sinne des § 147 Abs. 2 AktG und der Insolvenzverwalter in Betracht195 . Nach den hier gewonnenen Ergebnissen ist es denn auch weder dogmatisch überzeugend noch sachgerecht, wenn dem Reichsgericht zufolge der Sondervertreter persönlich gegen die durch den Vorstand vertretene Gesellschaft Leistungsklage erheben soll, um seine ihm unbestritten zustehenden Informationsansprüche durchzusetzen196 . Vielmehr ist der Streit zwischen den Organen selbst, also zwischen besonderem Vertreter und Vorstand, auszutragen und die Gesellschaft unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits mit den Kosten zu belasten197. Zwischen dem Insolvenzverwalter und den ordentlichen Gesellschaftsorganen wiederum können mit Hilfe eines Organstreits die Grenzen des verbleibenden verbandsautonomen Kompetenzbereichs abgeklärt werden198 .
II. GmbH Verfügt eine GmbH199 über einen (fakultativen oder obligatorischen) Aufsichtsrat, so stellen sich ganz ähnliche Probleme wie in der AG. Anzuerkennen ist daher zunächst der Intraorganstreit, mit dessen Hilfe das einzelne Aufsichtsratsmitglied seine Mitwirkungsbefugnisse innerhalb des Aufsichtsrats durchsetzen kann. Ebenso wie in der AG ist das einzelne Organmitglied nicht darauf verwiesen, seinen Anspruch auf Weitergabe von Informationen entsprechend § 90 Abs. 5 AktG als natürliche Person mit vollem persönlichem Kostenrisiko gegenüber der Gesellschaft einzuklagen 200 ; die richtige Lösung liegt vielmehr auch hier in einem auf Kosten der Gesellschaft auszufechtenden Rechtstreit zwischen den direkt in den Streit verwickelten Organteilen 201. Aber auch einem Interorganstreit zwischen Aufsichtsrat und Geschäftsführer zur Durchsetzung von Hilfsbefugnissen oder zur Abwehr von Kompetenzübergriffen kann eine Berechtigung nicht von vornherein abgesprochen werden 202 . Ganz im Gegenteil 194
Vgl. Hüffer, AktG, § 243 Rdn. 26; GroßKommAktG/K. Schmidt, § 243 Rdn. 30, 33,
38. 195
Vgl. zum besonderen Vertreter § 3 A I; zum Insolvenzverwalter § 8 A. RGZ 83, 248 ff.; zum Informationsanspruch MünchKommAktG/Schröer, § 147 Rdn. 45. 197 So auch Böbel, Besonderer Vertreter, S. 111. 198 Vgl. dazu § 8 A III 1. 199 Vgl. zur Personengesellschaft Schwab, Gesellschaftsinterne Streitigkeiten, S. 622; Schütz, Sachlegitimation, S. 126. 200 So aber Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rdn. 375; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 52 Rdn. 46. 201 Vgl. oben C I. 202 So auch Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rdn. 380 ff. 196
398
§ 14 Organstreit
entfällt sogar eines der wesentlichen (im Ergebnis aber nicht überzeugenden) Argumente, welches die Kritiker des Organstreits im Hinblick auf die AG für seine rechtspolitische Entbehrlichkeit angeführt haben. Jedenfalls dem gesetzestypischen Aufsichtsrat einer mitbestimmungsfreien GmbH kann nämlich mangels entsprechender Personalkompetenz nicht vorgehalten werden, er bedürfe keiner Klagebefugnisse, sondern habe die sich widersetzende Geschäftsleitung schlicht aus dem Amt zu entfernen 203 . Wenn gleichwohl Zweifel am Vorliegen des Rechtsschutzbedürfnisses verbleiben, dann ist das einem weiteren Unterschied in den Verfassungen von AG und GmbH geschuldet, nämlich dem Umstand, dass der Geschäftsführer den Weisungen der Gesellschafterversammlung untersteht. Da aber eine außergerichtliche Streitbeilegung stets im vorrangigen Interesse der Gesellschaft liegt und sich der klagende Aufsichtsrat bei der Durchsetzung seiner fremdnützigen Organrechte eben daran zu orientieren hat, wird eine Klage regelmäßig nicht in Betracht kommen, ohne dass der Gesellschafterversammlung als dem obersten Unternehmensorgan zuvor die Gelegenheit gegeben wurde, den Geschäftsführer zu einem rechtmäßigen Verhalten anzuhalten 204 .
E. Zusammenfassung Der traditionelle Ansatz, den Organstreit mangels Rechts- und Parteifähigkeit der Organe abzulehnen und Auseinandersetzungen im Innenbereich eines Verbandes prozessual zwischen den Mitgliedern des einen am Streit beteiligten Organs und dem durch das andere Organ vertretenen Verband austragen zu lassen, kann weder in konzeptioneller noch in praktischer Hinsicht überzeugen. Richtig ist demgegenüber, dass die Organe nur aus der Außenperspektive auf ihre Funktion als Handlungsträger des Verbandes beschränkt sind, während sie im Verhältnis zu den anderen Organen des Verbandes durchaus als Adressat von Rechtssätzen in Betracht kommen und als Träger von Rechten fungieren können. Dabei handelt es sich freilich nicht um subjektive Rechte im klassischen Sinne, sondern um fremdnützig im Verbandsinteresse wahrzunehmende Organrechte. Soweit ihre Rechtsfähigkeit reicht, sind die Organe auch als Partei anzuerkennen, so dass verbandsinterne Streitigkeiten zwischen den betroffenen Organen oder Organmitgliedern selbst auszutragen sind. Organrechte sind allerdings nur insoweit anzuerkennen, als es um die Durchsetzung von Hilfsbefugnissen oder die Abwehr von Eingriffen in den 203
Vgl. Michalski/Heyder, GmbHG, § 52 Rdn. 299. Geißler, GmbHR 1998, 1114, 1117; vgl. daneben Ulmer/Raiser/Heermann, GmbHG, § 52 Rdn. 246, die bezweifeln, ob Klagen des Aufsichtsrats gegen den Geschäftsführer angesichts der übergeordneten Stellung der Gesellschafterversammlung praktische Bedeutung erlangen werden. 204
E. Zusammenfassung
399
eigenen Kompetenzbereich geht. Der Aufsichtsrat einer AG kann daher seine Informationsrechte nach § 90 AktG klageweise gegen den Vorstand durchsetzen und verhindern, dass dieser einen Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 AktG missachtet. Eine darüber hinausgehende, allgemein gegen rechtswidriges Handeln gerichtete Klage des Aufsichtsrats gegen den Vorstand oder gar umgekehrt des Vorstands gegen den Aufsichtsrat ist demgegenüber abzulehnen. Besondere Zurückhaltung ist auch bei Klagen des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds geboten. Rechte des Gesamtgremiums kann es nicht aus eigenem Recht, sondern allenfalls in gesetzlicher Prozessstandschaft wahrnehmen. Ein solches Vorgehen ist jedoch gegenüber etwaigen Rechtsbehelfen im Verhältnis zum Aufsichtsrat selbst strikt subsidiär und kommt daher nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht. Die für den Vorstand und den Aufsichtsrat der AG entwickelten Überlegungen lassen sich auf andere Organe, wie insbesondere den besonderen Vertreter im Sinne von § 147 AktG und den Insolvenzverwalter, ebenso übertragen wie auf andere Verbandsformen. So ist auch in der GmbH jedenfalls ein Intraorganstreit innerhalb des Aufsichtsrats anzuerkennen; für ein Vorgehen des Aufsichtsrats gegen den Geschäftsführer besteht hingegen erst dann ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn zuvor erfolglos die Gesellschafterversammlung eingeschaltet wurde.
§ 15 Zulässigkeitsschranken für organexterne Führungsgremien
Im Gesellschaftsvertrag oder der Satzung findet sich die Organisationsstruktur des Verbandes niedergelegt, freilich nicht zwingend erschöpfend. Gerade in Gesellschaften, die ein größeres Unternehmen betreiben, besteht verbreitet das Bedürfnis, neben dem dort vorgesehenen Grundgerüst bestehend aus den einzelnen Organen und den Regeln über ihr gewaltenteiliges Zusammenwirken ergänzend weitere Willensbildungsmechanismen vorzusehen. Deshalb werden rein tatsächlich oder aber auf der Grundlage besonderer schuldrechtlicher Verträge weitere Gremien eingerichtet, denen verbandsintern Funktionen von im Einzelnen sehr verschiedenen Gewicht übertragen werden. Da ihre Ausgestaltung jedoch selbstverständlich nicht in Widerspruch zu dem durch Gesetz und Satzung vorgegebenen Organisationsgefüge treten darf, gehört es zu den das Organ betreffenden allgemeinen Lehren, die Grenzen aufzuzeigen, welche das Organisationsrecht der Bildung solcher nicht-organschaftlicher Gremien setzt.
A. Beschränkung auf das Aktienrecht Wenngleich es sich dabei theoretisch um eine rechtsformübergreifende Problematik handelt, so beschränken sich die folgenden Ausführungen doch auf das in praktischer Hinsicht vor allem betroffene Aktienrecht. In den Personengesellschaften und der GmbH lassen sich nämlich relativ unproblematisch weitere fakultative Organe schaffen1 , so dass vor allem solche Gremien, deren Vereinbarkeit mit der gesellschaftsrechtlichen Organisationsstruktur fraglich sein könnte, zwanglos in diese integriert werden können. Aktiengesellschaften stoßen demgegenüber im vorliegenden Zusammenhang aus doppeltem Grund auf besonderes Interesse: Einerseits handelt es sich rechtstatsächlich häufig um größere Unternehmen, bei denen das Bedürfnis, das vorgegebene grobmaschige Organgefüge um ergänzende Entscheidungsstrukturen zu bereichern, vermehrt begegnet. Diesem Bedürfnis steht andererseits eine durch vollständige 1
S. dazu eingehend oben § 3 D II 1.
B. Praktische Verbreitung
401
Inflexibilität gekennzeichnete Organisationsverfassung gegenüber. Denn wie an früherer Stelle näher ausgeführt wurde 2 , lässt der Grundsatz der Satzungsstrenge die Einrichtung weiterer Gremien mit organschaftlichen Funktionen nicht zu. Wenn früher § 160 Abs. 3 Nr. 8 AktG und heute § 285 S. 1 Nr. 9 HGB die Existenz von „Beiräten oder ähnlichen Einrichtungen“ auch für das Aktienrecht voraussetzen und eine Offenlegung der Vergütung ihrer Mitglieder im Anhang der Bilanz anordnen, so sind damit ausschließlich Beiräte auf schuldrechtlicher Rechtsgrundlage gemeint. Um die Vereinbarkeit solcher organexterner Gremien mit den Anforderungen des Aktienrechts beurteilen zu können, ist es zunächst erforderlich, sich ihres rechtstatsächlichen Erscheinungsbildes zu vergewissern.
B. Praktische Verbreitung Als Beirat, Verwaltungsrat oder Regionalausschuss bezeichnete Gremien waren zu Beginn des vorigen Jahrhunderts weit verbreitet und wurden dabei bisweilen in einem Umfang für die Gesellschaft tätig, dass sich faktisch das Schwergewicht der Überwachungstätigkeit vom Aufsichtsrat weg auf sie verlagerte. Als dann im Gefolge der Beschränkung der Zahl der Aufsichtsratsmitglieder durch die Aktienrechtsnovelle von 1931 zahlreiche Gesellschaften unzulässig gewordene Aufsichtsratssitze in Beiratsposten umwandelten und damit dem angesprochenen Trend weiter Vorschub leisteten, sah sich der Gesetzgeber des Aktiengesetzes 1937 zu einem korrigierenden Eingriff genötigt 3 . Zwar hat er kein allgemeines Verbot von Beiräten ausgesprochen, sie aber gleichwohl als im Grundsatz unerwünscht angesehen und ihre Bildung deshalb einzudämmen gesucht 4 . Um jegliche Einmischung in die Aufgaben des Aufsichtsrats zu verhindern, schließt seitdem zunächst § 109 Abs. 1 AktG die Teilnahme „ständiger“ Berater an Aufsichtsratssitzungen aus5 . Darüber hinaus wollen §§ 160 Abs. 3 Nr. 8 AktG a. F., 285 Nr. 9 HGB durch die Einbeziehung der Vergütung auch von Beiratsmitgliedern verhindern, dass die Publizität von Aufsichtsratsbezügen durch die Schaffung solcher Gremien umgangen wird6 . Ein gewisses praktisches Bedürfnis für die genannten „aufsichtsratsergänzenden“ Gremien besteht aber offenkundig weiterhin. Denn nach wie vor trifft man – insbesondere bei Banken, Versicherungen und Energieversorgungsun2
S. dazu oben § 3 D II 1 b); vgl. daneben Lawall, Virtuelle Holding, S. 302. Näher dazu Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rdn. 92. 4 Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rdn. 93. 5 Kindl, Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 12 f.; KölnKommAktG/Mertens, § 109 Rdn. 16; s. daneben BGHZ 85, 293, 296; offenbar großzügiger Siebel, in: Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 5 Rdn. 110. 6 Kropff, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 160 Rdn. 99; Natzel, QuasiKonzern, S. 183. 3
402
§ 15 Zulässigkeitsschranken für organexterne Führungsgremien
ternehmen – auf besondere Beratungsgremien, die in speziellen technischen oder finanziellen Fragen Rat geben oder allgemein der Kontaktpflege zu wesentlichen Kunden dienen 7. Weitergehende Bedeutung kam freilich dem sogenannten „Shareholder Committee“, das im unmittelbaren Gefolge der Fusion von Daimler-Benz und Chrysler vorübergehend bei Daimler/Chrysler bestand8 . Um dem Anspruch eines „merger of equals“ gerecht zu werden, wurde dieses Gremium bestehend aus den zehn Anteilseignervertretern im Aufsichtsrat sowie insgesamt vier weiteren Anteilseignervertretern mit dem Ziel eingerichtet, eine regelmäßige Kommunikation der maßgebenden Aktionäre mit dem Vorstand zu gewährleisten und diesen in strategischen Fragen zu beraten. Die amerikanische Seite fürchtete nämlich, dass die Mitwirkung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat eine laufende, intensive und offene Diskussionspartnerschaft, wie sie zwischen den inside und outside directors eines boards üblich sei, in Frage stelle 9. Jedenfalls für die Übergangszeit sollte daher der Organisationsstruktur der deutschen AG ein „board-ähnliches“ Gremium und damit ein zentrales Element amerikanisch geprägter Unternehmensführung zur Seite gestellt werden. Zur Wahrung der durch das MitbestG gebotenen Parität wurde parallel ein „Labour Committee“ gebildet, dem neben den Arbeitnehmervertretern des Aufsichtsrats weitere Gewerkschaftsvertreter aus den USA und Kanada angehörten10 . Noch einflussreicher war offenkundig der „Aktivitätsausschuss“, über den das LG Köln in Sachen Felten und Guillaume zu befi nden hatte11. Jedenfalls erhob der klagende Arbeitnehmervertreter den Vorwurf, die von den beiden Hauptaktionären entsandten Mitglieder des Gremiums überwachten anstelle des Aufsichtsrats die Gesellschaft. Im Einzelnen soll sich der Aktivitätsausschuss im Zuge regelmäßig abgehaltener gemeinsamer Sitzungen vom Vorstand eingehend über alle laufenden Angelegenheiten unterrichtet haben lassen und dabei Weisungen betreffend die Leitung der Gesellschaft erteilt haben. Neben den bisher behandelten „aufsichtsratsergänzenden“ Gremien begegnen auch „vorstandsergänzende“ Gremien. Aufmerksamkeit haben dabei in jüngerer Zeit vor allem solche Konstruktionen auf sich gezogen, die auf die Schaffung einer virtuellen Holding gerichtet sind12 . Kennzeichnend für jegliche Holding ist die Trennung von strategischer Unternehmensleitung und opera7
MünchHdbAG/Hoffmann-Becking, § 29 Rdn. 18; GroßKommAktG/Kort, § 76 Rdn. 14; Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rdn. 163; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 95 Rdn. 40. 8 Vgl. dazu Endres, ZHR 163 (1999), 441, 447 f. und ausführlich Stöcker, Grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse, S. 474 ff.; s. zum bei der Deutschen Börse geplanten „Shareholder Committee“ Ziemons, Börsen-Zeitung, 13. 4. 2005, S. 2. 9 Stöcker, Grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse, S. 478. 10 Endres, ZHR 163 (1999), 441, 448. 11 LG Köln AG 1976, 320. 12 Zum Begriff s. Endres, ZHR 163 (1999), 441, 445; Schwark, FS Ulmer, S. 605, 609; Lawall, Virtuelle Holding, S. 39 ff.
B. Praktische Verbreitung
403
tivem Geschäft13 . In der klassischen Führungsholding beschränkt sich die Konzernobergesellschaft auf die Wahrnehmung strategischer Führungsaufgaben und erbringt selbst keine an den externen Markt gerichteten Leistungen; letzteres ist den unterhalb der Holding angesiedelten Tochtergesellschaften vorbehalten. Die einzelnen operativen Einheiten sind mithin sowohl untereinander wie auch gegenüber der unternehmerischen Leitung des Konzerns rechtlich verselbständigt. Bei der virtuellen Holding wird demgegenüber die angesprochene organisatorische Trennung der operativen Unternehmensbereiche von der strategischen Führung unter dem Dach einer einzigen juristischen Person angestrebt; es fehlt mit anderen Worten an der rechtlichen Selbständigkeit der zweiten Hierarchieebene. Das lässt sich dadurch bewerkstelligen, dass sich der Konzernvorstand ganz auf die zentralen Fragen der Unternehmensplanung, Unternehmenskoordinierung, Unternehmenskontrolle und Besetzung der Führungsposten konzentriert14 , während das operative Geschäft von organisatorisch verselbständigten Einheiten wahrgenommen wird. Die Leitung der einzelnen Sparten kann dabei etwa durch einen „Bereichsvorstand“ erfolgen, der aus mehreren leitenden Angestellten sowie einem Mitglied des Konzernvorstands als Vorsitzendem besteht15 . Noch weiter bei der Verlagerung der operativen Geschäftsverantwortung weg vom Vorstand und damit einen Schritt weiter hin zur Realisierung einer virtuellen Holding ist die Deutsche Bank im Jahre 2002 gegangen16 . Außer dem Vorsitzenden des zahlenmäßig stark verkleinerten Vorstands trägt seitdem kein Mitglied des Vorstands mehr direkte Geschäftsverantwortung; diese sollen sich vielmehr noch stärker als zuvor auf strategische Fragen, die Ressourcenverteilung und das Risikomanagement konzentrieren. Hierzu ist der Vorstand geschäftsübergreifend in mehrere funktionale Ressorts gegliedert. Die operativen Geschäftsbereiche wiederum werden von Bereichsleitern („Global Business Heads“) geführt, die nicht dem Vorstand angehören und sämtlich an den Vorstandsvorsitzenden berichten. Um die funktionalen und die operativen Zuständigkeiten zusammenzuführen, wurde das sogenannte „Group Executive Committee“ geschaffen, dem die Vorstandsmitglieder als geborene und die Bereichsleiter als gekorene Mitglieder angehören. Hier sollen zum einen Entscheidungen im Tagesgeschäft gefällt werden, zum anderen aber soll dieses Gremium auch 13
Vgl. Lutter, Holding-Handbuch, § 1 Rdn. 11 ff.; Hüffer, Liber amicorum Happ, S. 93,
94 ff. 14 So eine verbreitete Umschreibung der Leitungsaufgabe des § 76 AktG, s. Hüffer, AktG, § 76 Rdn. 8; Goette, FS BGH, S. 123, 125; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 76 Rdn. 16; Henze, BB 2000, 209, 210. 15 So bei der HypoVereinsbank, näher dazu Schwark, FS Ulmer, S. 605, 610; Lawall, Virtuelle Holding, S. 61 ff.; s. daneben Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 510 f.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 14 Rdn. 26. 16 Vgl. zum Folgenden LG Frankfurt/M. ZIP 2005, 302, 304; Götz, ZGR 2003, 1, 10; v. Hein, ZHR 166 (2002), 464, 467 f.; Hoffmann-Becking, NZG 2003, 745, 748.
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§ 15 Zulässigkeitsschranken für organexterne Führungsgremien
den Vorstand bei seiner Entscheidungsfindung unterstützen und in konzernstrategischen Fragen beratend Empfehlungen aussprechen. Die Wirtschaftspresse hat diese Organisationsstruktur überwiegend als faktische Annäherung an das amerikanische CEO-Modell gedeutet17 und überdies gemutmaßt, der Vorstand werde de facto weithin entmachtet und solle in Zukunft die andernorts getroffenen Entscheidungen nur noch „abnicken“18 .
C. Aufsichtsratsergänzende Gremien Was die nunmehr anstehende rechtliche Bewertung angeht, liegt es nahe, entsprechend dem rechtstatsächlichen Erscheinungsbild zwischen den vorstandsergänzenden und den aufsichtsratsergänzenden Gremien zu unterscheiden und mit letzteren zu beginnen. Auch die in dieser Gruppe zusammengefassten Erscheinungsformen sind freilich derart vielgestaltig, dass sich eine pauschalierende Würdigung verbietet, vielmehr exemplarisch die bereits geschilderten Organisationsformen zu untersuchen sind.
I. Gremien mit Überwachungsfunktion Der Blick ist daher zunächst auf den bei Felten und Guillaume eingerichteten „Aktivitätsausschuss“ als ein Beispiel für ein Gremium zu richten, das weithin die gleichen Aufgaben wie der gesetzlich vorgesehene Aufsichtsrat ausüben soll und im Zuge dessen insbesondere die Geschäftsführung zu überwachen hat. Das LG Köln hielt die Tätigkeit eines solchen Beirats einschließlich der darauf bezogenen Versorgung mit Informationen durch den Vorstand für zulässig, sofern sich seine Tätigkeit in einer Unterstützung des Aufsichtsrats erschöpft und nicht zu dessen Ausschaltung führt. Da das Gericht im Weiteren eine Einschränkung oder Behinderung des Aufsichtsrats nicht festzustellen vermochte, hatte es im Ergebnis gegen die gewählte Gestaltung keine Einwände19. Im Schrifttum ist diese Einschätzung allerdings nahezu durchweg auf Widerspruch gestoßen. Die Kompetenz des Aufsichtsrats werde nicht erst beeinträchtigt, so wird argumentiert, wenn die tatsächliche Ausübung seiner Befugnisse beschnitten werde, sondern bereits dann, wenn die gesetzlich ausgestaltete Or-
17
Vgl. Ringleb, in: Ringleb u. a., DCGK-Kommentar, Rdn. 679; Peltzer, in: Hommelhoff/ Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 237; sowie die Nachweise bei v. Hein, ZHR 166 (2002), 464, 468 Fn. 24. 18 Vgl. die Nachweise bei Götz, ZGR 2003, 1, 11 Fn. 37. 19 LG Köln AG 1976, 329, 330.
C. Aufsichtsratsergänzende Gremien
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ganverantwortung faktisch ausgehöhlt, gezielt ausgeschaltet oder der Beirat als eine Art Neben- oder Oberüberwachungsorgan eingesetzt werde20 . Diese Kritik trifft sicherlich zu, sie schöpft aber die Problematik nicht vollständig aus. Daneben gilt es zu berücksichtigen, dass auch die praktische Handhabung eines solchen Kontrollgremiums, wollte man es denn zulassen, nur schwer zu bewältigende Probleme bereiten würde. So fördert bereits die Frage nach dem für seine Errichtung zuständigen Organ bedenkliche Verwerfungen zu Tage. Da die Organstruktur der AG als solche nicht betroffen ist, vielmehr der Abschluss von rein schuldrechtlichen Geschäftsbesorgungsverträgen ansteht, unterfällt diese Aufgabe nämlich der umfassenden Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht des Vorstands. Dagegen lässt sich eine Zuständigkeit der der Sache nach viel eher berufenen Hauptversammlung schon im Ansatz nicht begründen 21. Auch der Aufsichtsrat darf zu seiner Unterstützung keine auf Dauer angelegten Beiräte installieren, weil die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder die ihnen obliegende Überwachungspflicht gemäß § 111 Abs. 5 AktG höchstpersönlich wahrzunehmen haben 22 und der Aufsichtsrat als ganzer nach § 109 Abs. 1 S. 2 AktG Dritte nur zur Beratung über einzelne Gegenstände heranziehen darf. Dass aber der Vorstand eine seiner Überwachung dienende Stelle selbst einrichtet, kann kaum Ausdruck sachgerechter Unternehmensführung sein. Das angesprochene Defizit ließe sich allenfalls teilweise dadurch kompensieren, dass die Satzung selbst das Gremium vorsieht. Immerhin soll daraus nach verbreiteter Auffassung für den Vorstand die Verpfl ichtung folgen, dieses auch tatsächlich einzurichten 23 . Ob allerdings eine solche Vorgabe vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Satzungsstrenge tatsächlich bindende Wirkung entfalten kann, ist durchaus zweifelhaft. Involviert in den Bestellungsvorgang bliebe der Vorstand aber selbst in diesem Fall. Entscheidend kommt noch hinzu, dass jede Überwachungstätigkeit, soll sie nicht praktisch leer laufen, zumindest Auskunfts- und Anhörungsrechte gegenüber der Geschäftsleitung voraussetzt. Weil aber einerseits der nahe liegen20
Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330, 331; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 95 Rdn. 45; Immenga, ZGR 1977, 249, 267; Lippert, JuS 1978, 90, 92; Voormann, Beirat, S. 54; MünchHdbAG/Wiesner, § 19 Rdn. 10; aus mitbestimmungsrechtlicher Sicht Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, § 25 MitbestG Rdn. 139, 142; Raiser, MitbestG, § 25 Rdn. 148; im Grundsatz zustimmend dagegen Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, § 11 II 2b (S. 616). 21 So auch KölnKommAktG/Mertens, Vor § 76 Rdn. 28; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 95 Rdn. 46; MünchHdbAG/Hoffmann-Becking, § 29 Rdn. 20; Schiedermair/Kolb, in: Beck’sches Handbuch der AG, § 7 Rdn. 6. 22 Erlaubt ist daher allenfalls die Hinzuziehung eines persönlichen Beraters, s. zu den dabei zu beachtenden Grenzen BGHZ 85, 293, 295 ff.; Lutter/Krieger, DB 1995, 257 ff. 23 GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 95 Rdn. 47; KölnKommAktG/Mertens, Vor § 76 Rdn. 28; MünchHdbAG/Hoffmann-Becking, § 29 Rdn. 19a; Schiedermair/Kolb, in: Beck’sches Handbuch der AG, § 7 Rdn. 5; Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rdn. 94.
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§ 15 Zulässigkeitsschranken für organexterne Führungsgremien
den Ausgestaltung als organschaftliche Rechte der aktienrechtliche Grundsatz der Satzungsstrenge entgegensteht 24 und andererseits diese Wertung durch die Begründung gleichwertiger schuldrechtlicher Ansprüche gegenüber der Gesellschaft nicht umgangen werden darf25 , ist die erforderliche Informationsversorgung nicht sichergestellt. Es ist daher nachhaltig in Frage zu stellen, ob in dem derart abgesteckten rechtlichen Rahmen eine sinnvolle Überwachung überhaupt möglich ist. Freilich bleibt dem Vorstand die Möglichkeit, schuldrechtlich verankerten Gremien ebenso wie auch Unternehmensberatern, Rechtsanwälten oder anderen Dritten interne Informationen zur Verfügung zu stellen und im Zuge dessen auch über Geschäftsgeheimnisse zu unterrichten, sofern dies im Gesellschaftsinteresse geboten und eine Weitergabe an Dritte ausgeschlossen ist 26 . Da die Beiratsmitglieder allerdings mangels Organstellung keiner gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht nach Art des § 93 Abs. 1 S. 3 AktG unterliegen, müssen sie hierzu rechtsgeschäftlich besonders verpfl ichtet werden 27. Selbst dann wäre das Kontrollgremium aber – zumindest rechtlich gesehen – hinsichtlich seiner Informationsversorgung auf das Wohlwollen des Vorstands angewiesen und verfügte gerade nicht über die für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung erforderlichen Hilfsbefugnisse. Rein tatsächlich mag im Einzelfall trotz dieser praktischen Hemmnisse und damit allein aufgrund des tatsächlichen Einflusses der regelmäßig maßgebliche Aktionäre repräsentierenden Beiratsmitglieder eine Überwachung des Vorstands möglich sein. Dann jedoch sind die schon angedeuteten Grenzen zu beachten, die das Erfordernis einer ungestörten Tätigkeit der gesetzlich vorgesehenen Organe mit sich bringt. Im Anschluss an die gegenüber dem Urteil des LG Köln im Schrifttum geäußerte Kritik ist jedenfalls solchen Gremien die Anerkennung zu versagen, die dem Aufsichtsrat weithin gleichgestellt sind, weil sie ebenfalls die Geschäftsführung umfassend und breitflächig überwachen sollen. Dass bereits dadurch die Organverantwortung des Aufsichtsrats ausgehöhlt und ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt wird, ist besonders deutlich, wenn dem Gremium – wie im Fall des Aktivitätsausschusses bei Felten und Guillaume – auch amtierende Aufsichtsratsmitglieder angehören. Deren Interesse an der Ausübung ihrer Organfunktion verringert sich nämlich in dem Maße, in dem sie den Vorstand bereits über den gesetzlich nicht vorgesehenen Beirat zu überwachen vermögen 28 . Aber selbst wenn solche personellen Verflechtungen nicht bestehen, darf die exponierte Stellung des Aufsichtsrats 24
S. dazu oben unter I und eingehend § 3 D II 1 b). Offenbar großzügiger GroßKommAktG/Kort, Vor § 76 Rdn. 17. 26 GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 95 Rdn. 49. 27 MünchKommAktG/Semler, § 111 Rdn. 467; MünchHdbAG/Hoffmann-Becking, § 29 Rdn. 21. 28 Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330, 331; Stöcker, Grenzüberschreitende Zusammenschlüsse, S. 486; Immenga, ZGR 1977, 249, 267; Lippert, JuS 1978, 90, 92; kritisch dagegen Lawall, Virtuelle Holding, S. 264. 25
C. Aufsichtsratsergänzende Gremien
407
nicht tangiert werden. Ausgehend davon bliebe womöglich noch Raum für einen Beirat, dessen Aufgabenstellung sachlich beschränkt ist und sich daher hinreichend deutlich von derjenigen des Aufsichtsrats unterscheidet 29. Eine solche Gestaltung sähe sich aber im Hinblick auf die Rechtsstellung des Vorstands Bedenken ausgesetzt. Denn dessen Leitungskompetenz steht nur unter dem Vorbehalt der Grundlagenkompetenz der Hauptversammlung und der Überwachungskompetenz des Aufsichtsrats, darf also nicht von der Kontrolle weiterer Gremien abhängig gemacht werden 30 .
II. Gremien mit Beratungsfunktion Scheidet somit die Kontrolle der Geschäftsführung als mögliche Aufgabe von schuldrechtlichen Gremien in der AG aus, bleibt immerhin noch die Beratung des Vorstands31. Völlig zweifelsfrei ist selbst das nicht, denn auch insofern bewegt sich ein Beirat im Kompetenzbereich des Aufsichtsrats. Nach heute gesicherter Erkenntnis beschränkt sich nämlich die dem Aufsichtsrat obliegende Überwachung der Geschäftsführung nicht auf abgeschlossene Sachverhalte, sondern wirkt in die Zukunft hinein und erstreckt sich auch auf grundsätzliche Fragen der künftigen Geschäftspolitik 32 . In der Sache kann sich diese Auffassung darauf stützen, dass es weitaus effektiver ist, präventiv ein rechtswidriges oder unwirtschaftliches Verhalten zu verhindern, als es im Nachhinein, sofern das überhaupt noch möglich ist, wieder zu beseitigen. Normativ wird sie durch Nr. 3.2 des DCGK 33 sowie durch § 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG untermauert, der den Vorstand verpflichtet, dem Aufsichtsrat über die beabsichtigte Geschäftspolitik zu berichten 34 . Eine so verstandene zukunftsorientierte Kontrolle wiederum kann wirksam nur durch ständige Diskussion mit dem Vorstand und insofern durch dessen laufende Beratung ausgeübt werden. Ebenso wie die Überwachungstätigkeit als Ganze umfasst freilich auch die Beratungsaufgabe des Aufsichtsrats nicht jede Einzelheit der laufenden Geschäftsführung, sondern ist auf
29
Für Zulässigkeit einer solchen Gestaltung Voormann, Beirat, S. 63. So auch GroßKommAktG/Kort, § 76 Rdn. 15; Natzel, Quasi-Konzern, S. 192 f. 31 Im Ergebnis ebenso GroßKommAktG/Kort, Vor § 76 Rdn. 17; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, § 25 MitbestG Rdn. 139; MünchHdbAG/Hoffmann-Becking, § 29 Rdn. 19a; Schiedermair/Kolb, in: Beck’sches Handbuch der AG, § 7 Rdn. 6. 32 BGHZ 114, 127, 130; BGH ZIP 2006, 1529, 1533, Tz. 17; ZIP 2007, 1056, 1060, Tz. 27; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 111 Rdn. 288 ff.; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rdn. 94 ff.; MünchKommAktG/Semler, § 111 Rdn. 246 ff. 33 Danach stimmt der Vorstand die strategische Ausrichtung des Unternehmens mit dem Aufsichtsrat ab und erörtert mit ihm in regelmäßigen Abständen den Stand der Strategieumsetzung; erläuternd dazu Lutter, in: Ringleb u. a., DCGK-Kommentar, Rdn. 360 ff. 34 Mit der Neufassung dieser Vorschrift durch das KonTraG sollte der Aspekt der zukunftsorientierten Überwachung verdeutlicht werden, s. Begr. RegE, BT-Drucks. 13/9712, S. 15. 30
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§ 15 Zulässigkeitsschranken für organexterne Führungsgremien
die wesentlichen Leitungsmaßnahmen beschränkt 35 . Darauf aufbauend wurde argumentiert, eine Beratung durch Beiräte oder ähnliche Gremien sei nur im Bereich der Vorbereitung und Umsetzung des operativen Tagesgeschäfts unproblematisch. Sofern dagegen grundsätzliche Fragen der künftigen Geschäftspolitik tangiert seien, dürfe die Funktion des Aufsichtsrats nicht durch ein gleichwertiges „Neben- oder Oberberatungsorgan“ beeinträchtigt werden 36 . Nun entspricht zwar der gedankliche Ausgangspunkt dieser These, dass die gesetzlich vorgesehenen Organe einer AG nicht nur gegen eine förmliche Beschneidung, sondern auch gegen eine faktische Aushöhlung ihres Aufgabenbereichs zu schützen sind, vollauf der hier vertretenen Ansicht. Für bloße Beratungsgremien lassen sich daraus aber die angeführten Schlussfolgerungen nicht ziehen, weil sich diese rechtlich und praktisch so deutlich vom Aufsichtrat abheben, dass dessen Entmachtung nicht zu befürchten ist 37. Ohne Auskunftsund Einsichtsrechte und damit allein auf der Basis der ihm vom Vorstand freiwillig überlassenen Informationen kann der Beirat allein Ratschläge erteilen, deren Befolgung ganz im Belieben des Vorstands steht. Insofern unterscheidet sich seine Tätigkeit nur durch ihre institutionelle Verfestigung von der zu Recht noch niemals in Frage gestellten Unterstützung des Vorstands durch externe Unternehmensberater. Für den Aufsichtsrat macht demgegenüber die Beratung lediglich einen Teilausschnitt seiner umfassenderen Überwachungstätigkeit aus; seiner Auffassung über strategische Grundsatzfragen kommt schon vor dem Hintergrund der ihm eingeräumten Personalhoheit ein Gewicht zu, dem der Vorstand langfristig nichts entgegenzusetzen hat. Im Übrigen ist noch einmal daran zu erinnern, dass die §§ 160 Abs. 3 Nr. 8 AktG a. F., 285 S. 1 Nr. 9 HGB die Existenz von Beiräten auch im Aktienrecht voraussetzen. Sollen diese aber nicht völlig funktionslos sein, so verbleibt, da eine weitergehende Beteiligung mit dem Grundsatz der Satzungsstrenge unvereinbar ist, nur die Aufgabe der Beratung des Vorstands. Diese muss sich auch nicht zwingend auf weniger bedeutsame Maßnahmen des Tagesgeschäfts beschränken. Vielmehr gehen die genannten Vorschriften erkennbar von einer herausgehobenen Stellung des Beirats aus, denn sonst wären dessen Mitglieder dort nicht in einem Zuge mit den denjenigen des Geschäftsführungsorgans und des Aufsichtrats erwähnt worden 38 . Somit darf in der AG auch in strategischen Fragen ein mit der Aufgabe der Beratung betrauter Beirat neben dem Aufsichtsrat tätig werden. 35 Boujong, AG 1995, 203, 205; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 111 Rdn. 296; Lutter/ Krieger, Aufsichtsrat, Rdn. 99; KölnKommAktG/Mertens, § 111 Rdn. 34. 36 Stöcker, Grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse, S. 483; zurückhaltend auch GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 95 Rdn. 45 („keine Bedenken gegen Beratung auf bestimmten Feldern“). 37 Ähnlich Lawall, Virtuelle Holding, S. 264 ff. 38 Kropff, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 160 Rdn. 99; Natzel, QuasiKonzern, S. 183.
C. Aufsichtsratsergänzende Gremien
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Was die Mitgliedschaft in einem solchen Gremium angeht, so gibt es keine Inkompabilitätsvorschriften zu beachten. Deshalb können einem Beirat auch Personen angehören, die bereits Mitglied des obligatorischen Organs Hauptversammlung oder Aufsichtsrat sind 39. Aufsichtratsmitglieder dürfen jedoch, wie das Zusammenspiel der §§ 113 und 114 AktG zeigt, neben ihrer Aufsichtratsvergütung für ihre Tätigkeit nur insofern ein gesondertes Entgelt erhalten, als diese nicht in den Aufgabenreich des Aufsichtsrats fällt 40 . Für die Beratung in allgemeinen unternehmerischen und strategischen Fragen muss es deswegen bei der für das Aufsichtsratsmitglied in der Satzung festgesetzten oder von der Hauptversammlung bewilligten Vergütung bewenden. Unterstützt der Beirat den Vorstand dagegen in speziellen Fragen eines besonderen Fachgebiets, deren Kenntnis vom Aufsichtsrat nicht erwartet werden kann und für die deshalb üblicherweise spezialisierte Fachleute herangezogen werden, sind entgeltliche Beratungsverträge zulässig41. Sie bedürfen nur der Zustimmung des Aufsichtsrats. Sind Aktionäre oder deren Repräsentanten Mitglied in einem fakultativen Gremium, stehen nicht so sehr Fragen der Vergütung als vielmehr die Problematik einer privilegierten Versorgung mit Informationen im Vordergrund42 . Konkret formuliert geht es darum, ob Informationen, die der Vorstand einem solchen Gremium oder einzelnen seiner Mitglieder zukommen lässt, die erweiterte Auskunftspflicht nach § 131 Abs. 4 AktG auslösen. Auch wenn es zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstands der Tagesordnung nicht erforderlich ist, sind demnach jedem Aktionär auf sein Verlangen in der Hauptversammlung die Auskünfte zu erteilen, die ein Aktionär (oder sein Repräsentant43) wegen seiner Eigenschaft als Aktionär zuvor außerhalb der Hauptversammlung erhalten hat. Gerade die Feststellung dieses Kausalzusammenhangs bereitet indessen angesichts der Doppelfunktion des Empfängers gewisse Schwierigkeiten. Richtigerweise wird man wie folgt zu differenzieren haben44 : Ist der Beirat im Unternehmensinteresse zur Beratung und Unterstützung des Vorstands eingerichtet, so wird die Auskunft bei wertender Betrachtung gerade nicht der Aktionärseigenschaft geschuldet sein, weil sie – im Hinblick auf die 39 KölnKommAktG/Mertens, Vor § 76 Rdn. 28; GroßKommAktG/Kort, Vor § 76 Rdn. 20. 40 BGHZ 114, 127, 129 ff.; BGHZ 126, 349, 344; BGH ZIP 2006, 1529, 1532 f., Tz. 16; Boujong, AG 1995, 203, 205; Hüffer, AktG, § 114 Rdn. 4; MünchKommAktG/Semler, § 114 Rdn. 20 ff. 41 BGHZ 114, 127, 132; BGH ZIP 2006, 1529, 1533, Tz. 16 f.; ZIP 2007, 22, 23, Tz. 13; ZIP 2007, 1056, 1058 f., Tz. 15 f.; Lutter/Drygala, FS Ulmer, S. 381, 389; GroßKommAktG/Hopt/ Roth, § 114 Rdn. 16 ff.; KölnKommAktG/Mertens, § 114 Rdn. 6; kritisch gegenüber der Terminologie, der Sache nach aber ebenso Jaeger, ZIP 1994, 1759 f. 42 Vgl. Ziemons, Börsen-Zeitung, 13. 4. 2005, S. 2. 43 GroßKommAktG/Decher, § 131 Rdn. 339; Hüffer, AktG, § 131 Rdn. 37. 44 MünchHdbAG/Hoffmann-Becking, § 29 Rdn. 21; ähnlich Lippert, JuS 1978, 90, 92; aA – gegen jede Anwendung des § 131 Abs. 4 AktG im Zusammenhang mit Beiräten – LG Köln AG 1976, 329.
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anderweitige Stellung des Empfängers als Beiratsmitglied – auch ohne diese erteilt worden wäre45 . Anders kann die Beurteilung ausfallen, wenn nur ein einzelnes Mitglied außerhalb von Beiratssitzungen Informationen erhält 46 . Erschöpft sich die Funktion des Beirats dagegen darin, nach Art eines „Aktionärsausschusses“ eine institutionell verfestigte Kommunikationsmöglichkeit mit dem Vorstand zu schaffen, gibt es keinen Grund, die übrigen Aktionäre von diesem Informationsfluss auszuschließen und so ein Informationsprivileg bestimmter Aktionäre entstehen zu lassen. Freilich steht die Anwendung des § 131 Abs. 4 AktG auch in diesen Fällen unter einem allgemeinen Vorbehalt. Nach hier nicht zu vertiefender, ganz überwiegender Meinung lösen nämlich Auskünfte, die einem herrschenden Aktionär in einem vertraglichen oder auch faktischen Konzernverhältnis erteilt werden, das erweiterte Auskunftsrecht nicht aus47. Abschließend gilt es, einen bisher nur am Rande erwähnten Gesichtspunkt noch einmal in aller Deutlichkeit hervorzuheben. Zwar ist die Einrichtung eines auf Beratungsfunktionen beschränkten, schuldrechtlichen Beirats in der AG zulässig; dessen Tätigkeit darf aber allein neben die Beratung des Vorstands durch den Aufsichtsrat treten. Anders gewendet ist für den Aufsichtsrat mit der Schaffung eines solchen Gremiums weder im Hinblick auf den Inhalt noch auf den Umfang der von ihm geschuldeten Beratung eine Entlastung verbunden48 . Er verfehlt mithin seine organschaftliche Pflichtenstellung, wenn er die ihm nach § 90 AktG erstatteten Vorstandsberichte nur noch passiv zur Kenntnis nimmt oder sich auf eine rückschauende Kontrolle beschränkt und die zukunftsgerichtete Beratung ganz dem Beirat überlässt. Nicht verwehrt ist es ihm dagegen, sich bereits ergangene Stellungnahmen des Beirats zu Eigen zu machen, sofern er sich nur über den Inhalt ein eigenständiges Urteil gebildet hat.
D. Vorstandsergänzende Gremien I. Leitungsverantwortung des Vorstands im Rahmen einer virtuellen Holding Die nunmehr in den Blick zu nehmenden vorstandsergänzenden Gremien sollen nach den Vorstellungen ihrer Initiatoren den Vorstand von operativen Auf45
Vgl. zu diesem Prüfungsmaßstab MünchKommAktG/Kubis, § 131 Rdn. 130. Vgl. zur parallelen Problematik bei Aufsichtsratsmitgliedern GroßKommAktG/Decher, § 131 Rdn. 343; MünchKommAktG/Kubis, § 131 Rdn. 131; abweichend Hüffer, AktG, § 131 Rdn. 37. 47 Eingehend dazu Habersack/Verse, AG 2003, 300, 305 ff.; knapp Hüffer, AktG, § 131 Rdn. 38. 48 Vgl. dazu die Nachweise auf tendenziell gegenteilige Einschätzungen in der Unternehmenspraxis bei Stöcker, Grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse, S. 491. 46
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gaben freistellen, ihm eine vor allem in großen Unternehmen ohnehin unumgängliche Konzentration auf die strategische Planung ermöglichen und so innerhalb einer einzigen juristischen Person virtuell eine Holdingstruktur etablieren. Die erforderliche organisatorische Verzahnung der nunmehr institutionell getrennten Führungsebenen wird dabei im Einzelnen auf unterschiedliche Weise erreicht. Entweder ist jeweils ein Vorstandsmitglied Vorsitzender einer jeden operativen Geschäftseinheit (Modell HypoVereinsbank) oder es wird für die operative Leitung und zur Erleichterung der Kommunikation zwischen den Ebenen ein besonderes Gremium eingerichtet, dem alle Vorstandsmitglieder und die führenden Mitarbeiter der operativen Ebene angehören (Modell Deutsche Bank). Die damit institutionell nachvollzogene Unterscheidung zwischen strategischer und operativer Planung stammt aus der Betriebswirtschaftslehre49. Unter strategischer Planung versteht man dort denjenigen Teil der Unternehmensführung, der auf die langfristige Sicherung und Schaffung von Erfolgspotentialen und die Vermeidung von Risikopotentialen abzielt. Hierzu hat die oberste Führungsebene die wichtigsten Merkmale eines Unternehmens relativ global und regelmäßig ohne nähere quantitative Eingrenzungen für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren festzulegen, wobei sie sich gezielt auf ausgewählte Problemstellungen konzentriert und zudem bewusst ein hohes Prognoserisiko in Kauf nimmt. Aufgabe der operativen Planung ist es sodann, den vorgegebenen Rahmen auszufüllen und zu konkretisieren. Das Spektrum der Entscheidungsalternativen ist dabei naturgemäß beschränkt, die Tragweite der getroffenen Entscheidung kann im Einzelfall gleichwohl groß sein. Daher liegt nur der Schwerpunkt dieser Planung bei der mittleren Führungsschicht, grundsätzlich jedoch können alle Entscheidungsträger involviert sein. Aus aktienrechtlicher Sicht ist demgegenüber ein anderes Begriffspaar von zentraler Bedeutung, nämlich die Sonderung von Geschäftsführung und Leitung. Dabei ist unter Geschäftsführung jedwede zur Förderung des Gesellschaftszwecks bestimmte, für die Gesellschaft wahrgenommene Tätigkeit zu verstehen, gleichviel, ob sie tatsächlicher oder rechtsgeschäftlicher Natur ist 50 . Nach der Grundregel des § 77 Abs. 1 AktG sind hierzu sämtliche Vorstandsmitglieder gemeinschaftlich berufen. Allerdings kann die Satzung oder Geschäftsordnung des Vorstands davon abweichen und so für eine Verteilung der Vorstandsaufgaben nach Funktionen oder Sparten sorgen 51. Zulässig ist überdies selbstverständlich auch eine Delegation an nachgeordnete Unternehmen-
49 Vgl. zum Folgenden aus der modernen Lehrbuchliteratur Schierenbeck, Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre, S. 128 ff.; Wöhe, Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 105 ff. 50 Allg. M., s. MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 77 Rdn. 1; KölnKommAktG/ Mertens, § 77 Rdn. 2. 51 Zusammenfassend GroßKommAktG/Kort, § 76 Rdn. 154 f.
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sebenen 52 . Eine äußere Grenze jeder Ressortverteilung oder Delegation wird aber dort erreicht, wo es sich um eine originäre Leitungsaufgabe handelt. Wenn nämlich § 76 Abs. 1 AktG anordnet, der Vorstand habe die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten, so ist damit nicht nur eine Kompetenzabgrenzung zur Hauptversammlung und zum Aufsichtsrat festgeschrieben, sondern vielmehr auch der unentziehbare Kernbestand der Geschäftsführungsaufgaben angesprochen, die nur der Gesamtvorstand wahrnehmen darf53 . Darunter fallen zunächst diejenigen Kompetenzen, die das Verhältnis des Vorstands zu einem anderen Organ der Gesellschaft betreffen 54 , sowie diejenigen Aufgaben, deren Erfüllung dem Vorstand durch spezielle Rechtsvorschriften im öffentlichen Interesse aufgegeben ist 55 . Daneben tritt die hier interessierende Kategorie originärer Führungs- oder Unternehmerfunktionen. Nach verbreiteter Charakterisierung sollen darunter die Unternehmensplanung, Unternehmenskoordination, Unternehmenskontrolle sowie die Besetzung wesentlicher Führungsposten fallen 56 . Diese Aufgaben dürfen somit weder innerhalb des Vorstands einem einzelnen Mitglied oder einem Ausschuss von mehreren Mitgliedern noch gar an außerhalb des Vorstands stehende leitende Angestellte delegiert werden. Für die Rechtsanwendung besteht dabei die Schwierigkeit, dass die angeführten typologischen Umschreibungen naturgemäß vage bleiben müssen. Eine nähere Festlegung erfordert Kenntnis von der Größe und Art des in Rede stehenden Unternehmens und ist daher nur im Einzelfall möglich 57. Mit der zunächst erörterten Trennung von strategischer Planung und operativer Ausführung deckt sich die dem Aktiengesetz zugrunde liegende Unterscheidung von unentziehbaren Leitungsentscheidungen und sonstigen delegierbaren Geschäftsführungsaufgaben nicht vollständig. Zwar ist es – wie Nr. 4.1.2 DCGK zutreffend hervorhebt – vornehmste Aufgabe des Vorstands, die strate52
Fleischer, ZIP 2003, 1, 8 f.; Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 217; Schießl, ZGR 1992, 64,
80 ff. 53 Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 507 f.; Hüffer, AktG, § 76 Rdn. 7; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 14 Rdn. 27; Henze, BB 2000, 209; MünchHdbAG/Wiesner, § 19 Rdn. 13. 54 Hierzu gehören etwa die Vorstandsberichte nach § 90 AktG, die Vorlage zustimmungspfl ichtiger Geschäfte nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG sowie Beschlussvorschläge nach § 124 Abs. 3 AktG, s. BGHZ 149, 158, 160 f. und dazu Fleischer, NZG 2003, 449, 450 f., C. Schäfer, ZGR 2003, 147. 55 Zu nennen sind etwa die Pfl icht zur Aufstellung des Jahresabschlusses und zur Stellung des Insolvenzantrags. 56 MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 76 Rdn. 16; KölnKommAktG/Mertens, § 76 Rdn. 5; Hüffer, Liber amicorum Happ, S. 93, 100 f.; Goette, FS BGH, S. 123, 125 f.; Semler, ZGR 2004, 631, 649; in der Terminologie abweichend Fleischer, ZIP 2003, 1, 5; ders., Handbuch des Vorstandsrechts, § 1 Rdn. 15. 57 KölnKommAktG/Mertens, § 77 Rdn. 18; Henze, BB 2000, 209, 210; s. daneben Martens, FS Fleck, S. 191, 195: Es verbleibt eine diffuse Grauzone, die nur abstrakt umschrieben, für die Praxis aber nicht weiter erhellt werden kann; Peltzer, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 226.
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gische Ausrichtung des Unternehmens zu entwickeln. Damit sind jedoch keineswegs alle strategischen Maßnahmen im Sinne der Betriebswirtschaftslehre gemeint, sondern nur bestimmte grundlegende Richtungsentscheidungen 58 . Mit anderen Worten gibt es durchaus langfristige und damit strategische, für das Gesamtunternehmen gleichwohl weniger gewichtige Entscheidungen, die innerhalb des Vorstands oder an nachgeordnete Stellen übertragen werden dürfen 59. Umgekehrt muss sich der Vorstand zwingend bestimmter operativer Aufgaben annehmen. Namentlich hat er sich um erhebliche Störungen in laufenden Betriebsprozessen und um alle Geschäfte kümmern, die für die Gesellschaft von außergewöhnlicher Bedeutung sind oder mit denen ein außergewöhnliches Risiko verbunden ist 60 . Zu Recht werden solche Maßnahmen auch in der Betriebswirtschaftslehre zum Kreis der sogenannten „echten Führungsentscheidungen“ gezählt, die aufgrund ihrer Bedeutung zwingend von der Unternehmensleitung getroffen werden müssen61. Keineswegs darf sich der Vorstand mithin einfach per se der gesamten operativen Geschäftsführung entledigen 62 . Vielmehr umschreibt allein der Rechtsbegriff der unveräußerlichen Leitungsverantwortung die Grenzen für die zulässige Delegation von Vorstandsaufgaben bei der Schaffung virtueller Holdingstrukturen.
II. Grenzen der Delegation von Vorstandsaufgaben 1. Kernbereich der Leitungsverantwortung Da der Kernbereich der Unternehmensführung zwingend in die Gesamtverantwortung des Vorstands fällt, sind einer Mitwirkung organexterner Gremien insoweit enge Grenzen gesetzt. Der Vorstand darf sich ihrer lediglich bedienen, um derartige Maßnahmen vorzubereiten oder auszuführen; die eigentliche unternehmerische Entscheidung muss dagegen stets ihm vorbehalten bleiben 63 . 58
Gleichsinnig v. Werder, in: Ringleb u. a., DCGK-Kommentar, Rdn. 613 f. Vgl. für eine Typologie strategischer Entscheidungen aus betriebswirtschaftlicher Sicht Macharzina/Wolf, Unternehmensführung, S. 266 ff.; knapp daneben v. Werder, in: Ringleb u. a., DCGK-Kommentar, Rdn. 612. 60 Henze, BB 2000, 209, 210; GroßKommAktG/Kort, § 76 Rdn. 36; Liebscher, in: Beck’sches Handbuch der AG, § 6 Rdn. 112; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 23; Schießl, ZGR 1992, 64, 68. 61 Vgl. dazu Schierenbeck, Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre, S. 101; Wöhe, Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 84 f.; aus juristischer Sicht Fleischer, ZIP 2003, 1, 4.; ders., Handbuch des Vorstandsrechts, § 1 Rdn. 15; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 15 ff. 62 So auch Lawall, Virtuelle Holding, S. 178 ff. 63 Unstr., s. Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 508; Hüffer, AktG, § 77 Rdn. 17; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 77 Rdn. 31; Hommelhoff, Konzernleitungspfl icht, S. 165; speziell für den vorliegenden Zusammenhang Schwark, FS Ulmer, S. 605, 614; Götz, ZGR 2003, 1, 11; Fleischer, NZG 2003, 449, 452; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 76 Rdn. 42. 59
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Nicht zu beanstanden ist freilich, wenn organexterne Dritte faktisch erheblichen Einfluss dadurch gewinnen, dass sie mögliche Entscheidungsvarianten entwickeln oder sogar detaillierte Beschlussvorlagen ausarbeiten, sofern nur der Vorstand am Schluss nach eingehender Abwägung selbständig entscheidet und nicht bloß die andernorts getroffene Entscheidung unkritisch „abnickt“ . Maßgeblich kommt es nämlich nicht auf den Ablauf des Entscheidungsprozesses, sondern die zielgenaue Zuordnung der Entscheidungsverantwortung an 64 . Ob nun dieser zwingenden Vorgabe bei der praktischen Ausgestaltung virtueller Holdingstrukturen angemessen Rechnung getragen wird, kann nur im Einzelfall beurteilt werden, ist aber immerhin mit einem gewissen Fragezeichen zu versehen65 . So stimmt es schon nachdenklich, wenn leitende Angestellte, die eine rein arbeitsrechtliche Verantwortlichkeit tragen und sich im Konfliktfall auf ihre Weisungsabhängigkeit berufen können, als „Bereichsvorstände“ tituliert werden und so der Eindruck entsteht, als würde der jeweilige operative Geschäftsbereich autonom von einem Kollegialorgan gleichberechtigter Mitglieder geleitet 66 . Weiterhin soll das Group Executive Committee offenkundig als zentrales Entscheidungsgremium der Deutschen Bank fungieren, in dem unter Beteiligung der zu „Global Heads“ aufgewerteten Führungskräfte der zweiten Ebene wesentliche geschäftspolitische Weichenstellungen erfolgen. Sofern sich darunter Angelegenheiten befi nden, über die dem Aufsichtsrat zu berichten ist oder die gar dessen Zustimmung unterliegen 67, wird aber die Grenze der notwendig exklusiv dem Vorstand vorbehaltenen Leitungsaufgaben zumindest berührt 68 . Eine Beteiligung von Mitarbeitern, die dem Vorstand nicht angehören, ist insoweit nur an der Vorbereitung, nicht aber an der eigentlichen Beschlussfassung zulässig. Letztere Bemerkung bedarf freilich noch der Präzisierung. Hinsichtlich der in die ausschließliche Kompetenz des Vorstands fallenden Angelegenheiten sind sicherlich nur die Vorstandsmitglieder stimmberechtigt. Fraglich ist jedoch, ob die sonstigen Mitglieder des organexternen Führungsgremiums nicht wenigstens an den entsprechenden Sitzungen des Vorstands teilnehmen dürfen. Dann nämlich könnten Leitungsentscheidungen im Rahmen von Sitzungen des organexternen Führungsgremiums getroffen werden, sofern diesem – wie im Falle des Group Executive Committee der Deutschen Bank – neben sonstigen
64
Zutreffend Fleischer, ZIP 2003, 1, 6; ders., Handbuch des Vorstandsrechts, § 1 Rdn. 17. Ebenso OLG Frankfurt/M. ZIP 2006, 610, 612; Schwark, FS Ulmer, S. 605, 614; s. daneben Endres, ZHR 163 (1999), 441, 446; MünchHdbAG/Wiesner, § 22 Rdn. 14. 66 Überzeugende Kritik an dieser Terminologie bei Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 510: „falsches Etikett“; daneben Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 14 Rdn. 26; Hüffer, AktG, § 77 Rdn. 5. 67 Vgl. zur Bedeutung dieser Kriterien Martens, FS Fleck, S. 191, 197 f.; Fleischer, ZIP 2003, 1, 6; v. Hein, ZHR 166 (2002), 464, 486; KölnKommAktG/Mertens, § 77 Rdn. 18. 68 Zutreffend Schwark, FS Ulmer, S. 605, 614. 65
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Mitarbeitern auch alle Vorstandsmitglieder angehören69. Zugunsten einer solchen Lösung wurde geltend gemacht, das Recht der Vorstandsorganisation kenne aus guten Gründen keine dem § 109 Abs. 1 S. 2 AktG entsprechende Vorschrift, wonach der Aufsichtsrat Sachverständige und Auskunftspersonen zur Beratung nur über einzelne Gegenstände hinzuziehen darf. Die Komplexität der zu beurteilenden Sachverhalte stelle nämlich zunehmend höhere Anforderungen an die sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen. Hierzu wiederum könne gerade die institutionalisierte Abstimmung innerhalb eines mit dem Unternehmen besonders vertrauten Gremiums wie dem Group Executive Committee einen wichtigen Beitrag leisten 70 . Das Interesse des einzelnen Vorstandsmitglieds an einer von außenstehenden Dritten ungestörten Aussprache sei dadurch gewahrt, dass jedes Vorstandsmitglied jederzeit die Möglichkeit habe, Vorstandsbeschlüsse in einer vertraulichen „reinen“ Vorstandssitzung herbeizuführen71. Implizit ist damit zu Recht die kollektive Verantwortung der Gesamtheit der Vorstandsmitglieder als der entscheidende Wertungsgesichtspunkt angesprochen, der der Beteiligung Dritter an Willensbildungsprozessen Grenzen setzt. Lässt man – nicht zuletzt praktischen Erfordernissen Rechnung tragend – eine weitgehende Einflussnahme Dritter im Vorbereitungsstadium von Leitungsentscheidungen zu, so sind im Gegenzug hohe Anforderungen an die Eigenverantwortlichkeit der endgültigen Beschlussfassung zu stellen 72 . Weil aber selbst nicht stimmberechtigte weitere Mitwirkende den Gang der Diskussion beeinflussen oder gar durch ihre dominante Stellung für eine vom sonst erzielten Ergebnis abweichende Meinungsbildung sorgen können, berührt die institutionalisierte Teilnahme organexterner Personen durchaus die Unabhängigkeit der Entscheidungsträger 73 . Ausgehend davon überwiegt zu Recht die Auffassung, dass ein generelles Recht des Aufsichtsratsvorsitzenden, an den Sitzungen des Vorstands teilzunehmen, nicht vorgesehen werden kann 74 . Angesichts der geschilderten Bedenken reicht schließlich auch die von der Gegenansicht hervor69
Vgl. zur Beschlussfähigkeit näher GroßKommAktG/Kort, § 77 Rdn. 9; Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 18 Rdn. 55; MünchKommAktG/ Hefermehl/Spindler, § 77 Rdn. 6 ff. 70 So Götz, ZGR 2003, 1, 11 f.; Lawall, Virtuelle Holding, S. 285 ff. 71 Götz, ZGR 2003, 1, 12 f. unter Berufung auf KölnKommAktG/Mertens, § 77 Rdn. 14. 72 Vgl. zur angesprochenen Unterscheidung zwischen decision shaping und taking Fleischer, ZIP 2003, 1, 6; tendenziell abweichend Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rdn. 15: Bei einer Vorbereitung in allen Einzelheiten könne der Vorstand nur noch eine „Überwachungsfunktion“ ausüben. 73 Ebenso im Hinblick auf die Teilnahme von Beiräten an Vorstandssitzungen Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330, 331; Immenga, ZGR 1977, 249, 267. 74 KölnKommAktG/Mertens, § 77 Rdn. 39; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 511; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, § 25 MitbestG Rdn. 53; tendenziell aA – keine Bedenken gegen eine regelmäßige Teilnahme des Aufsichtsratsvorsitzenden an den Vorstandssitzungen – GroßKommAktG/Kort, § 76 Rdn. 16.
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gehobene Möglichkeit, jederzeit die Abhaltung reiner Vorstandssitzungen verlangen zu dürfen, als Korrektiv zur Sicherung der tatsächlichen Unabhängigkeit der Willensbildung nicht aus. Es besteht nämlich gerade keine Gewähr dafür, dass die Vorstandsmitglieder von dieser Option unbeeinflusst Gebrauch machen können. Deswegen ist zur institutionellen Absicherung der Organkompetenzen eine entsprechende Anwendung des § 109 AktG geboten 75 . Nicht dem Vorstand angehörende Personen dürfen daher, auch wenn sie zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Vorstandsaufgaben beitragen, an dessen Sitzungen nur im Einzelfall teilnehmen. Ingesamt lässt sich somit festhalten: Es gibt einen herausgehobenen Kernbereich von Geschäftsführungsaufgaben, welcher zwingend vom Vorstand wahrzunehmen ist. Außenstehende Dritte und unter ihnen namentlich die Mitglieder eines organexternen Führungsgremiums dürfen an diesen Leitungsentscheidungen nur im Vorbereitungs- und Ausführungsstadium, nicht aber, und zwar auch nicht durch bloße Teilnahme an entsprechenden Sitzungen, an der eigentlichen Beschlussfassung mitwirken 76 . 2. Unterschiedliche Rechtsstellung der Mitglieder organexterner Führungsgremien Jenseits dieses Bereichs grundlegender geschäftspolitischer Entscheidungen und damit in der großen Mehrzahl der Fälle begegnet eine Betrauung nachgeordneter Gremien mit der Wahrnehmung von Geschäftsführungsaufgaben im Grundsatz keinen Bedenken. Dabei wird aber stets nur eine lediglich abgeleitete Rechtsstellung eingeräumt; nach wie vor verfügt allein der Vorstand über die originären, unmittelbar aus Gesetz und Satzung abgeleiteten Befugnisse und trägt im Gegenzug auch die Gesamtverantwortung für den Zustand der Gesellschaft. Daraus folgt zunächst, dass eine solche Delegation die Geschäftsleiterverantwortung der Vorstandsmitglieder nicht gänzlich aufzuheben, sondern ihr nur einen modifizierten Inhalt zu geben vermag. Nicht mehr eigenhändige Ausführung schulden die Vorstandsmitglieder, wohl aber immerhin noch die gehörige Sorgfalt bei der Auswahl, Einweisung und Überwachung der eingesetzten Mitarbeiter 77. Darüber hinaus kann der Vorstand ohne Angabe von Gründen die getroffene Geschäftsverteilung jederzeit revidieren und jede beliebige Angelegenheit dem vorstandsergänzenden Gremium entziehen und selbst 75 Vgl. MünchHdbAG/Wiesner, § 22 Rdn. 23; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 77 Rdn. 39; GroßKommAktG/Kort, § 77 Rdn. 89. 76 Wie hier im Ergebnis Schwark, FS Ulmer, S. 605, 614. 77 Eingehend dazu Fleischer, AG 2003, 291, 293 f.; zur Einrichtung einer Compliance-Organisation ders.,aaO, 298 ff.; s. daneben GroßKommAktG/Hopt, § 93 Rdn. 59; KölnKommAktG/Mertens, § 93 Rdn. 46; Liebscher, in: Beck’sches Handbuch der AG, § 6 Rdn. 135; zur GmbH BGHZ 127, 336, 347; BGHZ 133, 370, 377 f.; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rdn. 38.
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darüber entscheiden 78 . Schließlich wirkt sich die besondere organschaftliche Rechtsstellung des Vorstands auch auf die Beschlussfassung innerhalb organexterner Führungsgremien aus, an der einzelne oder alle seiner Mitglieder teilnehmen. Sind, wie etwa im Group Executive Committee der Deutschen Bank, sämtliche Vorstandsmitglieder auch im vorstandsergänzenden Gremium vertreten, so bedeutet jede Befassung dieses Gremiums der Sache nach automatisch eine Befassung des Vorstands selbst. Aufgrund dessen besonderer Verantwortung für die Wahrung des Unternehmensinteresses und der nur abgeleiteten Rechtsstellung aller sonstigen Mitarbeiter darf es aber innerhalb des Unternehmens keine Entscheidung geben, die sich in Widerspruch zu seinem explizit geäußerten Willen setzt. Wie § 77 Abs. 1 S. 2. Hs. 2 AktG ausdrücklich bestimmt, ist weiterhin innerhalb des Vorstands keine Beschlussfassung gegen die Mehrheit seiner Mitglieder möglich 79. Daher ist es ausgeschlossen, dass in einem organexternen Führungsgremium Entscheidungen gegen die Mehrheit der beteiligten Vorstandsmitglieder getroffen werden. Mit anderen Worten sind Regelungen unzulässig, die es einer Minderheit von Vorstandsmitgliedern erlauben, sich zusammen mit sonstigen Mitgliedern eines organexternen Führungsgremiums über den Willen der Mehrheit der Vorstandsmitglieder hinwegzusetzen80 . Gleiches gilt für einen Stichentscheid, mit dessen Hilfe externe Mitglieder ein Patt innerhalb des Vorstands auflösen könnten. Zwar verbietet § 77 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 AktG nur eine Beschlussfassung gegen den Willen der Mehrheit und lässt daher im Grundsatz Raum auch für diese Form der Abweichung vom Prinzip der Gesamtgeschäftsführung81. Als Inhaber einer solchen Sonderbefugnis kommen jedoch aus zwei eng miteinander verknüpften Gründen nur Vorstandsmitglieder, nicht aber sonstige leitende Angestellte in Betracht 82 . Zum einen darf sich der Vorstand weder aus Bequemlichkeit noch aufgrund fehlender Konsensfähigkeit seiner grundsätzlich allumfassenden Verantwortung für das Unternehmen entziehen. Zum anderen geht es nicht an, außenstehenden Dritten, die den strengen organschaftlichen Bindungen und der damit verbundenen haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit nicht unterliegen, einen so weitgehenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft zuzubilligen. Meinungs78 So auch Götz, ZGR 2003, 1, 15; Lawall, Virtuelle Holding, S. 293; Ringleb, in: Ringleb u. a., DCGK-Kommentar, Rdn. 679 Fn. 90; s. daneben Schießl, ZGR 1992, 64, 81. 79 Näher dazu GroßKommAktG/Kort, § 77 Rdn. 25; Hüffer, AktG, § 77 Rdn. 16. 80 So zutreffend Götz, ZGR 2003, 1, 14; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 76 Rdn. 42. 81 Ganz hM, s. BGHZ 89, 48, 59; Hüffer, AktG, § 77 Rdn. 11; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rdn. 439; v. Hein, ZHR 166 (2002), 464, 482; T. Bezzenberger, ZGR 1996, 661, 669 f.; zum Sonderproblem des Stichentscheids im zweiköpfigen Vorstand s. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 II 3a (S. 812). 82 Ebenso Götz, ZGR 2003, 1, 14 f.; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 76 Rdn. 42; Lawall, Virtuelle Holding, S. 291 ff.
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verschiedenheiten im Vorstand müssen mit anderen Worten unabhängig von der Bedeutung der in Rede stehenden Angelegenheit innerhalb des Vorstands gelöst werden. Noch deutlicher tritt die unterschiedliche Rechtsstellung der Mitglieder organexterner Führungszirkel schließlich dann zu Tage, wenn dem dann häufig als „Bereichsvorstand“ bezeichneten Gremium neben dem für die Sparte zuständigen Vorstandsmitglied als dem „Vorsitzenden des Bereichsvorstands“ nur noch leitende Angestellte als einfache „Mitglieder des Bereichsvorstands“ angehören. Letztere mögen in der Praxis beträchtlichen Einfluss haben; rechtlich jedoch tragen sie eine rein arbeitsrechtliche Verantwortung und sind gegenüber dem Vorstandsmitglied notwendig weisungsgebunden83 . Im Übrigen ist nicht nur der betroffene Spartenleiter berechtigt oder gegebenenfalls sogar verpflichtet, besonders wichtige oder heikle Entscheidungen dem Gesamtvorstand vorzulegen84 ; daneben steht auch jedem sonstigen Vorstandsmitglied als Ausfluss seiner ihm trotz der Ressortverteilung verbleibenden Überwachungspflicht 85 ein Interventionsrecht zu86 . Im Ergebnis kann sich die den organexternen Führungsgremien nachgesagte Machtfülle somit nur auf tatsächliche Umstände stützen, denn de jure kann von einer Entmachtung des Vorstands keine Rede sein87. Per se ausgeschlossen sind sie von der Wahrnehmung echter Leitungsentscheidungen im Sinne des § 76 AktG. Aber auch ansonsten, das heißt jenseits des Bereichs grundlegender geschäftspolitischer Entscheidungen, kann der Vorstand jederzeit die von ihnen gefassten Beschlüsse abändern oder sie gar ohne Angabe von Gründen wieder abschaffen. Zudem kann jedes einzelne Vorstandsmitglied mit Hilfe seines Interventionsrechts eine Befassung des Vorstands erzwingen und dem Gremium so seine Zuständigkeit entziehen. Sobald auch nur ein Vorstandsmitglied an der Entscheidungsfindung beteiligt ist, kommt schließlich dem einzelnen nicht dem Vorstand angehörenden Mitglied letztlich nur eine beratende Funktion zu. Ihnen gegenüber setzt sich nämlich der Wille des Vorstandsmitglieds oder – im 83
So auch Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 510. Vgl. Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 216; GroßKommAktG/Kort, § 77 Rdn. 42; daneben besteht eine Berichtspfl icht gegenüber dem Gesamtvorstand, die den anderen Mitgliedern die Wahrnehmung ihres gleich zu erörternden Interventionsrechts ermöglichen soll, s. dazu Schießl, AG 1992, 64, 69; Hüffer, AktG, § 77 Rdn. 15. 85 Vgl. Fleischer, NZG 2003, 449, 452; Hoffmann-Becking, NZG 2003, 745, 747; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 77 Rdn. 28; Liebscher, in: Beck’sches Handbuch der AG, § 6 Rdn. 110; T. Bezzenberger, ZGR 1996, 661, 671; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, S. 172 ff. 86 Im vorliegenden Zusammenhang Schwark, FS Ulmer, S. 605, 615; Lawall, Virtuelle Holding, S. 293; allgemein Martens, FS Fleck, S. 191, 196; Fleischer, NZG 2003, 449, 456; KölnKommAktG/Mertens, § 77 Rdn. 22; GroßKommAktG/Kort, § 77 Rdn. 38; MünchHdbAG/Wiesner, § 22 Rdn. 15. 87 So auch Götz, ZGR 2003, 1, 16; Nachweise aus der Tagespresse zu entsprechenden Befürchtungen, aaO, 11. 84
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Falle der Beteiligung des gesamten Vorstands – der Mehrheit der Vorstandsmitglieder zwingend durch.
III. Gleichberechtigung der Vorstandsmitglieder Im Verhältnis der Vorstandsmitglieder untereinander sind vorstandsergänzende Gremien zum Zwecke der Etablierung einer virtuellen Holdingstruktur daraufhin zu untersuchen, ob sie mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung aller Vorstandsmitglieder in Einklang stehen. Das ist schon deswegen nicht selbstverständlich, weil die Initiatoren mit der entsprechenden organisatorischen Neuordnung erklärtermaßen auch das Ziel verfolgen, die Stellung des Vorstandsvorsitzenden88 zu stärken und in Richtung eines Chief Executive Officers (CEO) anglo-amerikanischer Prägung fortzuentwickeln 89. Dass nun überhaupt von der normativen Vorgabe eines Kollegiums gleichberechtigter Mitglieder auszugehen ist, findet sich zwar im Gesetz nicht ausdrücklich formuliert, steht aber gleichwohl außer Streit90 . Der Grundsatz der Gleichberechtigung folgt nämlich ohne weiteres aus der gemeinsamen Verantwortung der Vorstandsmitglieder für die Leitung der Gesellschaft. Es entspricht überdies einem rechtsformübergreifenden Befund, dass Mitglieder eines Kollegialorgans regelmäßig gleichen Status und Rechte besitzen, wohingegen besondere Befugnisse oder Pflichten einzelner Mitglieder stets abweichender Bestimmung bedürfen91. Dem Grundsatz der Gleichberechtigung ist nun nicht bereits dann genüge getan, wenn die Vorstandsmitglieder in formaler Hinsicht gleich behandelt werden, mithin sich in einer Aussprache alle in gleichem Umfang zu Wort melden und anschließend nach Köpfen abstimmen dürfen. Vielmehr steht er auch der Ausbildung hierarchischer Strukturen innerhalb des Vorstands entgegen. Das schließt zunächst, wie sich überdies aus § 77 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 AktG deutlich ergibt, ein Weisungsrecht des Vorstandsvorsitzenden gegenüber sonstigen Vorstandsmitgliedern aus92 . Aber auch ein allzu starkes Ungleichgewicht der Leitungskompetenzen der einzelnen Vorstandsmitglieder und ein damit verbun88 Alternativ kommt auch der Vorstandssprecher in Betracht, vgl. zum Unterschied MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 84 Rdn. 83. 89 S. oben B; zur Rechtsstellung des CEO aus deutscher Perspektive Rieger, FS Peltzer, S. 339, 348 f.; v. Hein, RIW 2002, 501, 507; GroßKommAktG/Kort, § 77 Rdn. 53. 90 Vgl. Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 514 ff.; Martens, FS Fleck, S. 191, 205; Hüffer, AktG, § 77 Rdn. 18. 91 Eingehend Hoffmann-Becking, NZG 2003, 745, 746. 92 Aus diesem Grund und wegen des damit eng verbundenen Prinzips der Gesamtverantwortung die Vereinbarkeit des CEO-Modells mit deutschem Recht zutreffend verneinend MünchKommAktG/Semler, § 116 Rdn. 338; GroßKommAktG/Kort, § 77 Rdn. 54; ders., in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 3 Rdn. 10 f.; v. Hein, ZHR 166 (2002), 464, 482 ff.; Rieger, FS Peltzer, S. 339, 349; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 77 Rdn. 36; zur davon teilweise abweichenden Rechtswirklichkeit Semler, FS Lutter, S. 721, 728 f.; Ringleb,
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denes Zwei-Klassen-System innerhalb des Vorstands ist mit ihm unvereinbar 93 . Freilich besteht keine Rechtspflicht, die einzelnen Ressorts inhaltlich völlig gleichwertig auszugestalten. Eine solche Vorgabe ließe sich nicht nur praktisch niemals einlösen, sondern stünde auch in Widerspruch zur Vorschrift des § 87 Abs. 1 AktG und deren konkretisierender Erläuterung in Nr. 4.2.2 DCGK, wonach die vom jeweiligen Vorstandsmitglied wahrgenommenen Aufgaben bei der Bemessung seiner Vergütung zu berücksichtigen sind. Es dürfen aber weder Vorstandsmitglieder durch ausschließliche Zuweisung gänzlich belangloser Hilfstätigkeiten de facto „kaltgestellt“ werden noch umgekehrt ein einzelnes Vorstandsmitglied durch Schaffung eines „Super-Ressorts“ offenkundig gegenüber seinen Vorstandskollegen privilegiert werden94 . Der Grundsatz der Gleichberechtigung wirkt sich darüber hinaus auch bei der Bildung vorstandsbezogener Gremien aus. Das gilt zunächst für Ausschüsse innerhalb des Vorstands selbst. Sofern der Gesamtvorstand dadurch nicht nur von der Erledigung lediglich organisatorisch-technischer Aufgaben entlastet werden, sondern der Ausschuss als „Zentralvorstand“ auch für eine materielle Koordination der Ressorts sorgen soll, ist das mit dem geltenden Aktienrecht oft unvereinbar. Eine entsprechende Entscheidungsverlagerung bleibt selbst dann problematisch, wenn den außenstehenden Vorstandsmitgliedern das Recht zugestanden wird, die Entscheidung des engeren Gremiums nochmals im Gesamtvorstand zu thematisieren95 . Angesichts des faktischen Gewichts eines solchen inneren Leitungszirkels würde das wohl kaum je zu einer Revision der dort getroffenen Entscheidung führen und eine solche daher von vornherein kaum je angestrebt werden96 . Soweit dadurch eine Gruppe von Vorstandsmitgliedern praktisch von der Teilhabe an wichtigeren Entscheidungen ausgeschlossen wird, wäre dies mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung unvereinbar. Vor diesem Hintergrund sind die hier interessierenden Bemühungen zu würdigen, innerhalb einer Gesellschaft virtuelle Holdingstrukturen zu etablieren. Keinesfalls darf dabei so verfahren werden, dass ein Teil der Vorstandsmitglieder für die zentralen strategischen Weichenstellungen verantwortlich ist, während ein anderer Teil als bloßer „Bereichsvorstand“ lediglich einen nachgein: Ringleb u. a., DCGK-Kommentar, Rdn. 675 ff.; Peltzer, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 238. 93 Schwark, ZHR 142 (1978), 202, 218; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 514; GroßKommAktG/Kort, § 77 Rdn. 43; KölnKommAktG/Mertens, § 77 Rdn. 15. 94 Zutreffend Hoffmann-Becking, NZG 2003, 745, 749. 95 Aus diesem Grund die Zulässigkeit solcher Gestaltungen bejahend Schießl, ZGR 1992, 64, 79; s. daneben Martens, FS Fleck, S. 191, 205 f. 96 So zutreffend KölnKommAktG/Mertens, § 77 Rdn. 12; GroßKommAktG/Kort, § 77 Rdn. 43; jedenfalls eine Umgehung der Vorschriften über den Vorstandsvorsitzenden fürchtend und deshalb für das Erfordernis einer Bestellung durch den Aufsichtsrat HoffmannBecking, ZGR 1998, 497, 516 f.
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ordneten operativen Geschäftsbereich zu führen hat97. Das wäre nicht nur mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung unvereinbar, sondern stellte zudem den Grundsatz der Gesamtverantwortung in Frage, weil einzelne Vorstandsmitglieder mangels Überblick über das Gesamtunternehmen die vom Gesetz geforderte Überwachung ihrer Kollegen nicht mehr sachgerecht wahrnehmen könnten. Ebenso unzulässig wäre es, dort, wo ein Executive Committee als Schnittstelle zwischen strategischer und operativer Ebene eingerichtet ist, bestimmte Vorstandsmitglieder von der Mitwirkung an diesem maßgeblichen Führungsgremium auszuschließen. Umgekehrt ist es fragwürdig, wenn die operativen Geschäftsbereichsleitungen, wie in dem im Jahre 2002 geschaffenen Organisationsmodell der Deutschen Bank, mit der Zielsetzung direkt und ausschließlich an den Vorstandsvorsitzenden berichten sollen, dass außer diesem kein anderes Mitglied der Geschäftsleitung mehr unmittelbare Geschäftsverantwortung trägt98 . Für sich genommen ist diese herausgehobene Stellung des Vorsitzenden kaum zu rechtfertigen. Sie führt zu einer nur noch gefilterten Informationsversorgung der übrigen Mitglieder und verschafft ihm daher einen erheblichen Wissensvorsprung 99. Wenn dem Organisationsmodell im Ergebnis dennoch die Vereinbarkeit mit dem Aktienrecht zu attestieren ist, so ist das vor allem auf die parallele Einrichtung des regelmäßig tagenden Executive Committee zurückzuführen. Auf dessen Sitzungen werden die Vorstandsmitglieder nämlich laufend mit allen wesentlichen Fragen des operativen Geschäfts konfrontiert und können den persönlichen Kontakt zu den Geschäftsbereichsleitern aller Sparten suchen100 .
IV. Organexterne Führungsgremien als Herausforderung für den Aufsichtsrat Die zuvor erörterten Grundsätze der Leitungsverantwortung des Vorstands und der Gleichberechtigung aller Vorstandsmitglieder setzen der Einrichtung organexterner Führungsgremien substantielle Grenzen. Damit ein vollständiges Bild der aktienrechtlichen Problematik virtueller Holdingstrukturen entsteht, dürfen jedoch auch die Auswirkungen auf den Aufsichtsrat nicht ausgeblendet werden. Wenn der Vorstand die ihm verbleibenden Gestaltungsspielräume vollständig ausnutzt und nahezu das gesamte operative Geschäft auf eine nachgeordnete Ebene überträgt, so verbindet sich damit nämlich eine erheb97 So auch Schwark, FS Ulmer, S. 605, 615 f. in Auseinandersetzung mit entsprechenden Erscheinungen bei der HypoVereinsbank; MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler, § 77 Rdn. 35. 98 Näher dazu oben unter B. 99 Sehr kritisch deshalb Schwark, FS Ulmer, S. 605, 617; GroßKommAktG/Kort, § 77 Rdn. 54. 100 Darauf zutreffend hinweisend Hoffmann-Becking, NZG 2003, 745, 748 f.
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liche Herausforderung für den Aufsichtsrat. Er muss aktiv werden, damit er weiterhin seiner Überwachungsaufgabe effektiv nachkommen und seine Personalkompetenz sachgerecht ausüben kann. 1. Einbeziehung der operativen Führungsebene in die Überwachungstätigkeit Nach der lapidaren Formulierung des § 111 Abs. 1 AktG hat der Aufsichtsrat die Geschäftsführung zu überwachen. Der Zusatz „in allen Zweigen der Verwaltung“, der noch in § 246 HGB a. F. zu finden war, wurde im Zuge der Aktienrechtsreform 1937 gestrichen101. Nicht in allen Einzelheiten hat demnach der Vorstand den Aufsichtsrat zu überwachen, sondern sich auf Führungsentscheidungen und wesentliche Einzelmaßnahmen, mithin auf die Schwerpunkte der Leitungstätigkeit zu beschränken102 . Geboten ist diese restriktive Auslegung, weil ein weitergehender Überwachungsauftrag vom Aufsichtsrat praktisch nicht zu erfüllen wäre und rechtlich in Widerspruch zur Leitungsautonomie des Vorstands stünde103 . Als Anhaltspunkt für Grenzen und Umfang der Überwachungstätigkeit dient der Katalog des § 90 Abs. 1 AktG. Denn es leuchtet unmittelbar ein, dass sich der Vorstand gerade mit denjenigen Gegenständen befassen soll, über die ihm der Vorstand kraft Gesetzes Bericht zu erstatten hat104 . Im Ergebnis ist somit der § 111 Abs. 1 AktG zugrunde liegende Begriff der Geschäftsführung erheblich enger als sein Pendant in § 77 Abs. 1 AktG, deckt sich dagegen weithin mit dem in § 76 Abs. 1 AktG verwendeten Begriff der Leitung105 . Aus diesen Vorgaben folgt, dass es zuvörderst der Vorstand als Organ und die einzelnen Vorstandsmitglieder als handelnde Personen sind, die der Aufsichtsrat zu überwachen hat. Soweit der Vorstand weniger bedeutsame Angelegenheiten an nachgeordnete Mitarbeiter delegiert, berührt das mit anderen Worten die Tätigkeit des Aufsichtsrats grundsätzlich nicht. Dieser hat sich ohnehin lediglich um die nach wie vor beim Vorstand angesiedelten wirklich bedeutsamen Vorgänge zu kümmern. Ob diese Konzentration auf den Vorstand allerdings ausnahmslos gilt oder die Überwachung unter engen Voraussetzungen auch weitere Mitarbeiter einbeziehen sollte, muss trotz intensiver Diskussion im Schrifttum als bislang nicht abschließend geklärt gelten106 . Die Fra101 Vgl. Hüffer, AktG, § 111 Rdn. 3; Semler, in: Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch Aufsichtsrat, § 1 Rdn. 37. 102 Vgl. BGHZ 114, 127, 129; KölnKommAktG/Mertens, § 111 Rdn. 12; MünchHdbAG/ Hoffmann-Becking, § 29 Rdn. 23; MünchKommAktG/Semler, § 111 Rdn. 87, 94 f.; E. Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 26 Rdn. 3. 103 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rdn. 65; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 111 Rdn. 159. 104 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rdn. 64; MünchKommAktG/Semler, § 111 Rdn. 97; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, § 25 MitbestG Rdn. 50. 105 GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 111 Rdn. 160; Hüffer, AktG, § 111 Rdn. 3. 106 So auch Feddersen, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 452.
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ge stellte sich bisher vor allem in nach Sparten organisierten Unternehmen hinsichtlich solcher leitender Angestellter, die auf sich gestellt in größerem Umfang ihre eigene Geschäftspolitik verfolgen konnten107. Sie stellt sich in zugespitzter Form bei den hier untersuchten Organisationsformen, bei denen das operative Geschäft vollständig der zweiten Führungsebene überlassen wird. a) Stand der Diskussion Ausgehend vom Wortlaut des § 111 Abs. 1 AktG, dem zufolge der Aufsichtsrat die Geschäftsführung zu überwachen hat und der damit auf eine bestimmte Funktion, nicht aber auf einen bestimmten Personenkreis abstellt, hält eine breite Strömung innerhalb des Schrifttums es nicht für erforderlich, dass die zu kontrollierenden Maßnahmen gerade und nur vom Vorstand getroffen wurden108 . Da es nach der sachgerechten Konzeption des Gesetzes vielmehr entscheidend auf deren Bedeutung und Gewicht ankomme, sei eine Erstreckung des Prüfungsauftrags auf nachgeordnete Ebenen immer dann geboten, wenn dort Führungsentscheidungen getroffen oder maßgeblich vorbereitet werden. Der Vorstand könne nicht durch eine besondere, vom Gesetz in dieser Form nicht vorhergesehene Unternehmensorganisation die Kontrollmöglichkeit des Aufsichtsrats wesentlich verkürzen. Demgegenüber will die Gegenansicht die Kontrolle strikt auf die Tätigkeit des Vorstands beschränken109. Das könne zwar nicht unmittelbar § 111 Abs. 1 AktG entnommen werden, ergebe sich aber mittelbar aus der Systematik des Gesetzes. Zum einen statuiere § 268 Abs. 2 AktG, dass die Abwickler in ihrem Geschäftskreis die Rechte und Pflichten des Vorstands hätten und wie dieser der Überwachung durch den Aufsichtsrat unterliegen110 . Zum anderen komme eine Überwachungspflicht nur dort in Betracht, wo der zur Überwachung Berufene auch über die erforderlichen Informationen verfüge. Einer Berichtspflicht unterläge nach § 90 AktG indes nur der Vorstand, nicht aber die leitenden Angestellten111. Jenseits dieser systematischen Erwägungen wird als Argument aber vor allem das Bestreben nach einer klaren Ordnung der Zustän107 Sehr deutlich Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rdn. 15; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 111 Rdn. 252; Martens, ZfA 1980, 611, 634 f. 108 Vgl. Hüffer, AktG, § 111 Rdn. 3; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 111 Rdn. 251 ff.; M. Roth, AG 2004, 1, 5 f.; U. H. Schneider, BB 1981, 249, 252; ders., FS Hadding, S. 621, 623; Martens, ZfA 1980, 611, 634; Schönbrod, Spartenorganisation, S. 195; Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rdn. 15; Heidel/Breuer/Fraune, AktG, § 111 Rdn. 5. 109 Vgl. Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rdn. 68 f.; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/ Henssler, § 25 MitbestG Rdn. 50; MünchHdbAG/Hoffmann-Becking, § 29 Rdn. 24; v. Schenck, in: Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch Aufsichtsrat, § 7 Rdn. 29 ff.; E. Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 26 Rdn. 7; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 33 ff.; Steinbeck, Überwachungspfl icht, S. 40 ff. 110 Vgl. Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rdn. 68. 111 Vgl. Steinbeck, Überwachungspfl icht, S. 41 f.; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 34.
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digkeiten angeführt. Nachgeordnete Mitarbeiter zu leiten und zu beaufsichtigen sei Sache des Vorstands, während der Aufsichtsrat allein darüber zu wachen habe, ob er dieser Aufgabe ordnungsgemäß nachkomme. Durch die Einbeziehung der zweiten Führungsebene müsse dagegen der unzutreffende Eindruck entstehen, der Vorstand sei von seiner Kontrollpflicht zumindest teilweise entlastet oder entpflichtet. Der richtige Weg zur Bewältigung der sich durch neue Vorstandsorganisationen für den Aufsichtsrat stellenden Herausforderungen sei daher ein anderer: Der Aufsichtsrat habe immer dann einzuschreiten, wenn der Vorstand maßgebliche Leitungsfunktionen auf eine nachgeordnete Ebene delegiere, und so sicherzustellen, dass die von ihm zu kontrollierenden Maßnahmen tatsächlich auf Vorstandsebene getroffen werden112 . Zwischen den geschilderten Positionen vermittelnd wird schließlich noch geltend gemacht, die praktische Bedeutung des geschilderten Streits sei gering113 . Unstreitig habe sich der Aufsichtsrat im Rahmen der Überwachung der Geschäftsführung zumindest insoweit mit der Tätigkeit leitender Angestellter zu befassen, als er klären müsse, ob diese sachgerecht ausgewählt und überwacht werden114 . Ganz wegdiskutieren wird sich der Unterschied zwischen den verschiedenen Auffassungen freilich nicht lassen. Denn es macht sowohl hinsichtlich der Intensität der Prüfung wie auch der Frage der Einbeziehung in das System der Informationsbeschaffung115 schon einen Unterschied, ob die Tätigkeit auf der zweiten Führungsebene unmittelbar Gegenstand der Überwachung durch den Aufsichtsrat ist oder ob sie nur mittelbar als Indikator für die Bewertung der Leistungen des Vorstands dient. b) Stellungnahme Nach dem in den §§ 76 f. AktG niedergelegten Leitbild werden alle wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen vom Vorstand getroffen. Infolgedessen geht das Aktiengesetz davon aus, dass die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats zunächst einmal dem Gesamtvorstand als Organ gilt. Darüber hinaus ist sie freilich auch auf die davon gar nicht zu trennende Geschäftsführung der einzelnen Vorstandsmitglieder zu erstrecken. Der Aufsichtsrat unterliegt hier nur insofern einer Einschränkung, als er sich mit Fragen, Bedenken und Beanstandungen zunächst an das Gesamtorgan zu wenden hat, sich im Konfliktfall jedoch auch direkt mit dem einzelnen Vorstandsmitglied auseinandersetzen darf116 . Auf die hier interessierenden Organisationsformen bezogen folgt dar112
MünchKommAktG/Semler, § 111 Rdn. 110; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rdn. 69. KölnKommAktG/Mertens, § 111 Rdn. 21; Henze, BB 2000, 209, 214; Lieder, Aufsichtsrat im Wandel, S. 801; vgl. auch GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 111 Rdn. 256; Habersack, ZSR 124 (2005) II 533, 549. 114 Insoweit hat sich auch die Rspr. festgelegt, s. BGHZ 75, 120, 133. 115 Dazu alsbald unter 2. 116 Wie hier KölnKommAktG/Mertens, § 111 Rdn. 19; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 111 Rdn. 250; nur in Nuancen anders Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rdn. 67; MünchKomm113
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aus, dass Vorgänge innerhalb organexterner Führungsgremien dem Aufsichtsrat jedenfalls insofern zugänglich sind, als Vorstandsmitglieder daran beteiligt sind117. Somit verbleiben als eigentlich problematisch diejenigen Fälle, in denen die Spartenleiter das operative Geschäft völlig selbständig führen und gar nicht umhin kommen, weithin ihre eigene Geschäftspolitik zu betreiben. Ohne in das entsprechende organschaftliche Korsett von Rechten und Pflichten eingebunden zu sein, nimmt ein „Bereichsvorstand“ oder „Global Business Head“ Aufgaben wahr, die bei klassischen Organisationsformen dem Vorstand vorbehalten bleiben118 . Diesem Umstand hat die Auslegung der einschlägigen aktienrechtlichen Vorschriften angemessen Rechnung zu tragen. So hat das OLG Frankfurt a. M. die Deutsche Bank verpflichtet, den Aktionären in der Hauptversammlung über die Gesamtbezüge der nicht im Vorstand vertretenen Mitglieder des Group Executive Committee Auskunft zu erteilen119. Nur im Grundsatz ist es der Ansicht, dass die Höhe von Mitarbeiterbezügen außerhalb der Vorstandsebene zur sachgemäßen Beurteilung des Tagesordnungspunkts „Entlastung von Vorstand und Aufsichtrat“ nicht erforderlich ist und daher den Aktionären auch auf Frage nicht mitgeteilt werden muss. Für die nicht dem Vorstand angehörenden Mitglieder des organexternen Führungsgremiums dagegen hat es zu Recht anders entschieden. Gerade weil sie die Möglichkeit erhalten, in institutionalisierter Form mit dem Vorstand an der Leitung der Gesellschaft mitzuwirken, verleihe ihnen die Mitgliedschaft eine über ihre bisherige Führungsposition in den einzelnen Geschäftsbereichen hinausgehende, exponierte Stellung innerhalb der Gesellschaft. Damit korrespondiere auch dann ein gesteigertes Informationsinteresse des vernünftigen Durchschnittsaktionärs, wenn dem Gremium keine nach dem Aktienrecht unzulässigen Entscheidungsbefugnisse zugewiesen seien120 . In der Tat war schon darauf hinzuweisen, dass bei der Schaffung virtueller Holdingstrukturen in einem Umfang Geschäftsführungsaufgaben auf eine nachgeordnete Ebene delegiert werden, der das zulässige Maß regelmäßig ausschöpfen dürfte. Es wird überschritten, wenn auch zwingend beim Vorstand
AktG/Semler, § 111 Rdn. 105 f.; v. Schenck, in: Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch Aufsichtsrat, § 7 Rdn. 28. 117 So auch M. Roth, AG 2004, 1, 9. 118 Vgl. zur Bedeutung der zweiten Führungsebene auch Bernhardt, ZHR 159 (1995), 310, 313: Personenkreis, der für das Wohl und Wehe des Unternehmens maßgebend ist. Daher stellt sich auch die Frage, ob dieser Personenkreis den Anforderungen unterliegt, die das Bank- oder Versicherungsaufsichtsrecht an die Geschäftsleiter stellt, s. dazu Feddersen, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 453 mit Fn. 39. 119 OLG Frankfurt a. M. ZIP 2006, 610, 612; ZIP 2006, 614 f.; zuvor ebenso LG Frankfurt a. M. ZIP 2005, 302, 304. 120 OLG Frankfurt a. M. ZIP 2006, 610, 612.
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anzusiedelnde, originäre Leitungsaufgaben mit umfasst sind121. Da sich aber letzterer Vorwurf angesichts der Unbestimmtheit des Leitungsbegriffs nicht ohne weiteres substantiieren lässt, wird der Aufsichtsrat diese neue Form der Unternehmensorganisation keineswegs zwangsläufig beanstanden müssen. Selbst wenn kein Verstoß gegen § 76 AktG festzustellen ist, ändert das aber nichts daran, dass ein Aufsichtsrat, der unter den genannten Voraussetzungen darauf verwiesen wäre, sich allein am Vorstand auszurichten, zwangsläufig ein nur unvollständiges Bild vom Gesamtzustand des Unternehmens erhielte. Ist es jedoch einerseits dem Aufsichtsrat nicht geboten, die Einrichtung organexterner Führungsgremien zu unterbinden, und droht andererseits gleichwohl eine Aushöhlung der Überwachungstätigkeit, so sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, zumindest in diesen Fällen die zweite Führungsebene mit in die Überwachung einzubeziehen122 . Rechtsdogmatisch lässt sich die Erweiterung des zu kontrollierenden Personenkreises darauf stützen, dass das Aktiengesetz zwar im Regelfall von einer Überwachung allein des Vorstands ausgeht, in der zentralen Vorschrift des § 111 Abs. 1 aber personenunabhängig auf die Geschäftsführung abstellt. Damit lässt es dem Aufsichtsrat durchaus Raum, flexibel auf besondere, vom Leitbild der Gesetzesverfasser abweichende Führungsorganisationen zu reagieren. Diese Lösung gilt, das sei der Abgrenzung halber hinzugefügt, nur bei der virtuellen Holding. Bei der echten Holding dagegen hat der Aufsichtsrat, wie ohne weiteres und zwingend aus der fehlenden rechtlichen Einheit des Konzerns folgt123 , trotz einer wirtschaftlich durchaus vergleichbaren Interessenlage nicht etwa die Organe der selbständigen Tochtergesellschaften und deren Geschäftsführung zu überwachen124 . Vielmehr hat er sich als Aufsichtsrat der Obergesellschaft (und nicht des Konzerns!) nur deswegen mit der Führung der abhängigen Gesellschaften zu befassen, weil die Leitung des Konzerns Teil der Geschäftsführung des herrschenden Unternehmens ist125 . Die unternehmerischen Aktivitäten in den Tochtergesellschaften geraten somit nur mediatisiert über die Kontrolle der konzernleitenden Tätigkeit des Vorstands in das Blickfeld des Aufsichtsrats des herrschenden Unternehmens.
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S. oben II 1. So auch Feddersen, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 452 f.; Habersack, ZSR 124 (2005) II 533, 549; aA Schwark, FS Ulmer, S. 605, 625; Lawall, Virtuelle Holding, S. 315 f. 123 S. dazu oben § 2 B II. 124 AA vor allem U. H. Schneider, BB 1981, 249, 252; ders., FS Hadding, S. 621, 624. 125 S. speziell zur Holding Krieger, in: Lutter, Holding-Handbuch, § 6 Rdn. 6; für den Konzern im Allgemeinen Hoffmann-Becking, ZHR 159 (1995), 325, 331 f.; Martens, ZHR 159 (1995), 567, 577; Hommelhoff, ZGR 1996, 144, 152; Hüffer, AktG, § 111 Rdn. 10; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 111 Rdn. 369; eingehend Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, S. 235 ff.; s. auch K. Schmidt, FS Lutter, S. 1167, 1176. 122
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2. Informationsversorgung Eine sinnvolle Kontrolle ist ohne eine entsprechende Informationsversorgung undenkbar. Für den Aufsichtsrat ist es daher von höchstem Interesse, ob und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen er neben dem Vorstand auch Mitglieder der zweiten Führungsebene direkt befragen oder von ihnen Berichte anfordern kann. Unabhängig davon, wie der einzelne Autor zu der soeben diskutierten Problematik der personellen Ausrichtung der Aufsichtsratskontrolle steht, geht die herrschende Meinung im Grundsatz von einem Informationsvermittlungsmonopol des Vorstands aus126 . Dabei wird keineswegs übersehen, dass sich der Aufsichtrat durch unmittelbare Kontakte mit nachgeordneten Mitarbeitern in gewissem Umfang vom Vorstand als dem Objekt seiner Kontrolltätigkeit unabhängig machen und im Zuge dessen das von diesem vermittelte, womöglich fehlerhafte oder unvollständige Bild vom Zustand des Unternehmens korrigieren könnte127. Den Vorteilen einer vollständigen und direkten Information des Aufsichtsrats stünden jedoch gewichtige Nachteile gegenüber. Zum einen könne ein solches Vorgehen als Ausdruck des Misstrauens verstanden werden und daher sowohl die Autorität des Vorstands im Unternehmen als auch das Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat untergraben128 . Zum anderen werde eine Informationsversorgung des Aufsichtsrats am Vorstand vorbei auch dessen Stellung als eigenverantwortlicher Leiter des Unternehmens nicht gerecht. Aus § 90 AktG sei daher nicht nur die Pfl icht, sondern korrespondierend dazu auch das Recht des Vorstands abzuleiten, den Aufsichtsrat mit den erforderlichen Informationen zu versorgen129. Eine Ausnahme gelte nur dann, wenn der begründete Verdacht einer schweren Pflichtverletzung bestehe und eine Aufklärung sonst wesentlich erschwert wäre130 . Demgegenüber mehren sich in jüngerer Zeit zu Recht solche Stimmen, die einer Kommunikation zwischen Aufsichtsrat und Angestellten positiver gegenüber stehen. Zunächst wird darauf aufmerksam gemacht, dass neben der bisher 126 Vgl. aus dem Kreis derjenigen, die eine Erstreckung der Überwachungstätigkeit auf leitende Angestellte für möglich halten, GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 111 Rdn. 258; Hüffer, AktG, § 90 Rdn. 11, § 111 Rdn. 3; KölnKommAktG/Mertens, § 90 Rdn. 44, § 111 Rdn. 21; Feddersen, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 453; aus dem Kreis derjenigen, die allein den Vorstand als Überwachungsobjekt ansehen, MünchHdbAG/Hoffmann-Becking, § 29 Rdn. 24; E. Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 26 Rdn. 8; daneben noch Lutter, AG 2006, 517, 520 f.; Scheffl er, ZGR 2003, 236, 254 f. 127 S. zu diesem Aspekt Dreher, FS Ulmer, S. 87, 92; M. Roth, AG 2004, 1, 8. 128 Vgl. Lutter, AG 2006, 517, 521; Dreher, FS Ulmer, S. 87, 93; Scheffl er, ZGR 2003, 236, 254. 129 Vgl. Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rdn. 315; Steinbeck, Überwachungspfl icht, S. 135. 130 S. die Nachweise in Fn. 126; daneben GroßKommAktG/Kort, § 90 Rdn. 98; aA Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rdn. 315: Verweis auf Vorgehen des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 2 AktG.
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behandelten Überwachungskompetenz auch die Personalkompetenz gelegentliche und sensibel gehandhabte Direktkontakte mit nachgeordneten Mitarbeitern erlaubt. Nur die Beobachtung des unternehmensinternen Führungsnachwuchses ermöglicht es dem Aufsichtsrat nämlich, geeignete Vorstandskandidaten ausfindig zu machen131. Aber auch im Übrigen erscheint eine Neuorientierung geboten, haben sich doch der Stellenwert gesellschaftsinterner Transparenz und die Anforderungen an den Aufsichtsrat in den letzten Jahren grundlegend geändert. So setzt sich auch in der Praxis zunehmend die Erkenntnis durch, dass eine institutionalisierte Kontrolle nicht Ausdruck eines persönlichen Misstrauens ist, sondern sich unabhängig von konkreten Verdachtsmomenten gegen einen bestimmten Funktionsträger richtet132 . Zur Wahrung der besonderen Stellung des Vorstands müssen daher Kontakte des Aufsichtsrats zu Angestellten nicht per se unterbunden, sondern nur für alle Beteiligten vorhersehbar transparent ausgestaltet werden. Ein weiterer Gesichtspunkt kommt hinzu: Dort, wo der Aufsichtsrat selbst unternehmerische Entscheidungen trifft oder an solchen des Vorstands teilhat133 , kann ihm ein haftungsfreier Ermessensspielraum nur auf angemessener Informationsgrundlage zugebilligt werden. Diese aber durch Beschränkung des Zugriffs auf den Vorstand zu verkürzen, besteht gar kein Anlass. Das Gesetz selbst durchbricht nämlich seit jeher das vermeintliche Informationsmonopol des Vorstands durch die in §§ 109 Abs. 1 S. 2, 111 Abs. 2 AktG vorgesehenen Möglichkeiten, vorstandsunabhängig Schriften und Bücher der Gesellschaft einzusehen und Sachverständige und Auskunftspersonen heranzuziehen. Diese Tendenz hat der Gesetzgeber in der neueren Gesetzgebung durch die nach § 171 Abs. 1 S. 2 AktG zwingend vorgeschriebene Teilnahme des Abschlussprüfers an der Bilanzsitzung des Aufsichtsrats sogar ausgeweitet134 . Jedenfalls aber dann, wenn das gesamte operative Geschäft auf nachgeordnete Mitarbeiter verlagert ist, kann es bei der sehr restriktiven traditionellen Linie nicht bewenden. Folgt man insoweit der hier vertretenen Auffassung, wonach der Aufsichtsrat sich auch unmittelbar mit dem Geschehen auf der zweiten Führungsebene zu befassen hat, so kann das auf die Informationsversorgung
131 Vgl. Dreher, FS Ulmer, S. 87, 99 ff.; Feddersen, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 454; krit. Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 186 f. 132 Zutreffend M. Roth, AG 2004, 1, 8; Habersack, ZSR 124 (2005) II 533, 546; Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 198; daneben Altmeppen, ZGR 2004, 390, 408; Kersting, ZIP 2003, 233, 240 f. auch unter Bezugnahme auf Anforderungen des us-amerikanischen Sarbanes-Oxley-Gesetzes. 133 Vgl. dazu Habersack, ZSR 124 (2005) II 533, 542 ff.; Kropff, FS Raiser, S. 225, 228 ff.; C. Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1258. 134 Kropff, FS Raiser, S. 225, 238 f., 242; Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 158; kritisch dazu GroßKommAktG/Kort, § 90 Rdn. 97.
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des Aufsichtsrats nicht ohne Einfluss bleiben135 . Zwar darf der Aufsichtsrat in solchen Fällen nicht uneingeschränkt direkt mit den betreffenden Mitarbeitern in Kontakt treten136 . Sofern das den Untersuchungszweck nicht gefährdet, gebietet das besondere Organschaftsverhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat sowie die Stellung des Vorstands als Leitungsorgan der Gesellschaft eine gewisse Zurückhaltung des Aufsichtsrats und Abstimmung mit dem Vorstand. Erscheinen dem Aufsichtsrat allerdings die vom Vorstand zur Verfügung gestellten Informationen nicht als ausreichend oder hat er den Eindruck, bei Anwesenheit eines Angestellten Rückfragen schneller oder besser klären zu können, darf er zur Abrundung seiner Meinungsbildung auch ohne besondere Verdachtsgründe auf die Bereichsleiter Zugriff nehmen137. Daneben sollte der Aufsichtsrat in regelmäßigen Abständen den Leiter der internen Revision zur mündlichen Berichterstattung heranziehen, um sich aus erster Hand ein Bild von der Funktionsfähigkeit der internen Kontrollsysteme zu machen138 . 3. Personalkompetenz Angesichts der für die Überwachungstätigkeit geltenden Besonderheiten drängt sich natürlich die Frage auf, ob der Aufsichtrat auch berechtigt oder gar verpflichtet ist, an der Auswahl derjenigen Mitarbeiter mitzuwirken, denen das gesamte operative Geschäft zur eigenverantwortlichen Ausübung überlassen ist. Trotz ihrer zweifelsohne besonderen Bedeutung für das Unternehmen kommt ein Bestellungsrecht des Aufsichtsrats analog § 84 Abs. 1 AktG allerdings von vornherein nicht in Betracht. Ein solches wäre unvereinbar mit der Leitungsbefugnis des Vorstands nach § 76 Abs. 1 AktG, zu deren Kernbereich gerade auch die Besetzung der wichtigsten Führungsposten gehört139. Der richtige Anknüpfungspunkt ist vielmehr in der Vorschrift des § 111 Abs. 4 S. 2 AktG zu finden. Danach kann der Aufsichtsrat Maßnahmen der Geschäftsführung und damit auch die Besetzung von Führungsposten von seiner Zustimmung abhängig machen140 . Jedoch steht dem Aufsichtsrat insofern ein Ermessen 135 Wie hier Habersack, ZSR 124 (2005) II 533, 549; M. Roth, AG 2004, 1, 9; wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen den Zusammenhang zwischen dem zu überwachenden Personenkreis und dem Informationszugriff ebenso betonend MünchHdbAG/Hoffmann-Becking, § 29 Rdn. 24; MünchKommAktG/Semler, § 111 Rdn. 286. 136 So aber zumindest in der Tendenz Saage, DB 1973, 115, 117; Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rdn. 17, 22; strikt ablehnend dagegen KölnKommAktG/ Mertens, § 111 Rdn. 21. 137 Ganz ähnlich Martens, ZfA 1980, 611, 634 f.; Kropff, FS Raiser, S. 225, 242. 138 So auch Langenbucher/Blaum, DB 1994, 2197, 2205; Habersack, ZSR 124 (2005) II 533, 546; Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 349. 139 S. oben I. 140 Vgl. nur Hoffmann-Becking, ZHR 159 (1995), 325, 340; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rdn. 109, 120; KölnKommAktG/Mertens, § 111 Rdn. 69; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rdn. 11.
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zu, so dass eine entsprechende Rechtspflicht nur in dem seltenen Ausnahmefall zu bejahen ist, in dem sich überhaupt nur eine einzige Entscheidung als pflichtgemäß erweist, das Ermessen mit anderen Worten auf „Null“ reduziert ist141. Davon ist nach der Rechtsprechung des BGH immerhin dann auszugehen, wenn der Aufsichtsrat eine gesetzwidrige Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands nur noch durch die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts verhindern kann142 . Was nun Personalentscheidungen angeht, so beschränkt das Gesetz die Mitwirkung des Aufsichtsrats zwar gezielt auf die Besetzung des Vorstands, während im Übrigen der Vorstand Inhaber der Personalkompetenz ist. Ebenso wie bei der soeben erörterten personellen Reichweite des Überwachungsauftrags geht das Gesetz dabei aber erkennbar von einer Führungsstruktur aus, die alle wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen in der Hand des Vorstands belässt. Weicht die Wirklichkeit von diesem Leitbild ab, so muss der Aufsichtsrat aktiv werden und verhindern, dass die ihm als zentrales Instrument präventiver Überwachung übertragene Personalverantwortung ausgehöhlt wird143 . Zum wirtschaftlich vergleichbaren Fall einer echten Holding wird denn auch im Schrifttum ausgeführt, die dem Aufsichtsrat hinsichtlich seines eigenen Vorstands vorbehaltene Personalhoheit müsse ihm auch gegenüber den Vorständen der gemessen an ihrem Wirtschafts- und Risikopotential wichtigsten Konzerngesellschaften zustehen144 . Diese These mag auf die echte Holding gemünzt wegen gewisser Kollisionsprobleme mit der Kompetenz und Unabhängigkeit des Aufsichtsrats der abhängigen Gesellschaft angreifbar sein145 ; auf die hier interessierende virtuelle Holding übertragen überzeugt sie hingegen durchaus. Auf den umfassenden Rückzug des Vorstands aus dem operativen Geschäft hat der Aufsichtsrat durch 141 Generell sehr skeptisch Dreher, ZHR 158 (1994), 615, 634 ff.; vgl. auch Nr. 3.3 DCGK, der bewusst von der Statuierung eines Musterkatalogs absieht, s. dazu Lutter, in: Ringleb u. a., DCGK-Kommentar, Rdn. 369 ff. 142 BGHZ 124, 111, 127; ebenso LG Bielefeld AG 2000, 136, 138; zu Recht für Übertragung dieser Rechtsprechung auf erkennbar satzungs- oder zweckwidrige Maßnahmen Boujong, AG 1995, 203, 206; Henze, NJW 1998, 3309, 3312; GroßKommAktG/Hopt/Roth, § 111 Rdn. 496; vgl. daneben zur Ermessenseinschränkung bei der Verfolgung von Schadensersatzsprüchen gegenüber Vorstandsmitgliedern BGHZ 135, 244, 256 und dazu Kindler, ZHR 162 (1998), 101 ff.; Goette, FS BGH, S. 123, 140; Kling, DZWiR 2005, 45, 47, der zutreffend auf die verwaltungsrechtliche Rechtsfigur des intendierten Ermessens verweist. 143 Vgl. zum inneren Zusammenhang zwischen Personalkompetenz und Überwachungsauftrag Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rdn. 331; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 III 1 (S. 820). 144 Grundlegend Martens, ZHR 159 (1995), 567, 578; im Grundsatz zustimmend Kropff, in: Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für den Aufsichtsrat, § 8 Rdn. 43 mit Vorbehalten für die mitbestimmte abhängige Gesellschaft; ablehnend dagegen Krieger, in: Lutter, HoldingHandbuch, § 6 Rdn. 45; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, S. 328; Fonk, ZGR 2006, 841, 854. 145 Vgl. den Diskussionsbericht bei C. Schäfer, ZHR 159 (1995), 346, 347.
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geeignete organisatorische Maßnahmen zu reagieren: Um die Effektivität seiner Überwachungstätigkeit nicht zu gefährden, ist er jedenfalls im Grundsatz verpflichtet, die Besetzung der dem Vorstand unmittelbar nachgeordneten Führungsebene gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG von seiner Zustimmung abhängig zu machen146 . Rechtlich gesehen unterscheidet sich dieses Zustimmungsrecht von dem Bestellungsrecht nach § 84 AktG in mancher Hinsicht. Es kann durch einen Ausschuss ausgeübt werden, unterliegt nicht dem aufwendigen Verfahren des § 31 MitbestG und räumt vor allem keine Initiativfreiheit ein147. Als Instrument der Selbstbehauptung des Aufsichtsrats gegenüber modernen, seine Partizipationsrechte und -pflichten gefährdenden Führungsorganisationen ist es gleichwohl gut geeignet.
E. Ergebnis Zur Systematisierung der unterschiedlichen Ausprägungen organexterner Gremien im Aktienrecht bietet es sich an, danach zu differenzieren, ob diese in Ergänzung zum Aufsichtsrat oder zum Vorstand treten. Beiden Formen setzt das Aktiengesetz enge Grenzen. So dürfen neben dem Aufsichtsrat weitere Gremien nicht zur Überwachung der Geschäftsführung, sondern nur zur Beratung des Vorstands gebildet werden. Diese darf sich dann aber entgegen manchen Stimmen im Schrifttum auch auf strategische Grundsatzfragen erstrecken und muss sich nicht auf die Vorbereitung und Umsetzung des Tagesgeschäfts beschränken. Daneben werden in jüngerer Zeit organexterne Führungsgremien vor allem geschaffen, um das operative Geschäft auf eine dem Vorstand nachgeordnete Ebene zu verlagern und diesem eine Konzentration auf strategische Fragen zu ermöglichen. Aus rechtlicher Sicht ist dabei allerdings nicht das angesprochene Begriffspaar „strategisch-operativ“, sondern die damit keineswegs identische Unterscheidung zwischen einfachen Geschäftsführungsaufgaben und einem herausgehobenen Bereich originärer Leitungsaufgaben maßgeblich. Solche Entscheidungen hat der Vorstand zwingend selbst zu treffen; organexterne Führungsgremien dürfen daran nur im Stadium der Vorbereitung oder Ausführung beteiligt sein. Selbst wenn diese Vorgaben gewahrt bleiben und auch der Grundsatz der Gleichberechtigung der Vorstandsmitglieder nicht verletzt ist, erlangen die nicht dem Vorstand zugehörigen Mitglieder organexterner Füh146 Ebenso Habersack ZSR 124 (2005) II 533, 549; ähnlich Lawall, Virtuelle Holding, S. 325 („sinnvoll“); vgl. daneben Bernhardt, ZHR 159 (1995), 310, 313. 147 Näher dazu Martens, ZHR 159 (1995), 567, 579; vgl. für die Übertragbarkeit auf einen Ausschuss den Katalog in § 107 Abs. 3 S. 2 AktG und speziell zur Erteilung der Einzelzustimmung BGH ZIP 1991, 398; OLG Hamburg ZIP 1995, 1673, 1675; MünchKommAktG/Semler, § 107 Rdn. 353.
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rungsgremien eine herausgehobene Stellung innerhalb der Gesellschaft, auf die der Aufsichtsrat zu reagieren hat. Im Einzelnen darf und muss er seine Überwachungstätigkeit auf diesen Personenkreis erstrecken und sollte ihre Bestellung durch den Vorstand von seiner Zustimmung abhängig machen.
Kapitel 5
Schluss
§ 16 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen A. Grundlagen des verbandsrechtlichen Organbegriffs 1. Organschaft ist eine Erscheinungsform des Rechts verselbständigter Organisationen und gibt Antwort auf die Frage, wie als solches handlungsunfähige Rechtsgebilde einen eigenen Willen bilden und sich dementsprechend verhalten können. Ein Bedürfnis hierfür besteht bei allen juristischen Personen (einschließlich der rechtsfähigen Stiftung) und Verbänden. Über Organe verfügen damit insbesondere die rechtsfähigen Personengesellschaften, nicht dagegen der Konzern als solcher und rein schuldrechtliche Kooperationsgemeinschaften. Selbst bloße Innengesellschaften kommen als Organträger in Betracht, wenn man auch nicht rechtsfähige, stille Verbände anerkennt. 2. Der aus dem 19. Jahrhundert herrührende Streit zwischen Organ- und Vertretertheorie um die richtige Erfassung der Rechtsnatur organschaftlichen Handelns ist aus heutiger Sicht weithin überholt. Im Sinne einer modernen Organtheorie lässt sich davon sprechen, dass das Handeln der Organe dem Verband kraft wertender Zurechnung als eigenes zugerechnet wird. 3. Zu Recht durchgesetzt hat sich die Unterscheidung zwischen dem Organ als der abstrakten Verbandsinstitution und dem Organwalter als der konkret agierenden (zumeist) natürlichen Person. Daran anknüpfend ist von einem institutionell-funktionellen Organbegriff des Verbandsrechts auszugehen. 4. Aus institutioneller Sicht sind Organe organisatorisch, im Außenverhältnis aber nicht rechtlich verselbständigte Teile der Verbandsverfassung. Sie können daher nur durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung, nicht dagegen durch einfachen Beschluss eines anderen Organs oder gar auf schuldrechtlicher Grundlage errichtet werden. Die Schaffung im Gesetz nicht vorgesehener Organe ist von der Gestaltungsfreiheit der Verbandsmitglieder gedeckt; eine Ausnahme gilt nur für das Aktien- und Genossenschaftsrecht, wo dem der Grundsatz der Satzungsstrenge entgegensteht. 5. Als integraler Bestandteil der Verbandsverfassung ist ihre Existenz weiterhin unauflöslich mit der ihres Rechtsträgers verbunden. Im Zuge von Verschmelzungsvorgängen nach dem UmwG geraten sie daher zwingend in Fortfall; eine Organnachfolge findet nicht statt. Gleichwohl kann im Einzelfall ein
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§ 16 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen
berechtigtes Interesse daran bestehen, dass offen gebliebene gesellschaftsinterne Sachverhalte geklärt werden. Das hierfür zuständige Organ des neuen oder aufnehmenden Rechtsträgers lässt sich nur im Einzelfall bestimmen. 6. Mangels der erforderlichen Selbständigkeit kommt Ausschüssen und Vorsitzenden von Kollegialorganen keine eigenständige Organstellung zu; eine Ausnahme gilt wegen der ihm direkt zugeordneten Kompetenzen für den Aufsichtsratsvorsitzenden in der AG. 7. Aus funktioneller Sicht stellen die Organe die Willens- und Handlungsfähigkeit des Verbandes her. Das umfasst nicht nur das rechtsgeschäftliche und tatsächliche Handeln im Außenverhältnis; vielmehr können auch bloß interne und sogar nur mittelbar Einfluss gewährende Mitwirkungsrechte wie dasjenige zur Kontrolle oder Beratung von anderen Organen Gegenstand organschaftlicher Kompetenzen sein. Was die Streitentscheidung angeht, so ist das bloße Verbandsgericht als Organ von dem echten Schiedsgericht im Sinne der §§ 1034 ff. ZPO zu unterscheiden. 8. Differenziert sind die Änderung der Verbandsverfassung und die Vornahme anderer Grundlagengeschäfte zu beurteilen. Während juristische Personen ihre Satzung selbst durch ihr Grundlagenorgan ändern können, sind hierzu in der Personengesellschaft die Gesellschafter als die Partner des die Gesellschaft konstituierenden Schuldverhältnisses berufen. Freilich können sie von diesem Vertragsmodell abweichen und in Anlehnung an das Recht der juristischen Personen ein organschaftliches Modell der Willensbildung vereinbaren. Im Hinblick auf die sonstigen Grundlagenbeschlüsse ist weiter zu unterscheiden: In manchen Fällen – etwa bei der Veräußerung des gesamten Handelsgeschäfts – agieren die Gesellschafter ebenfalls als Vertragspartner, in anderen Fällen dagegen – etwa bei der Wahl des Abschlussprüfers – entscheiden sie in ihrer Funktion als oberstes Gesellschaftsorgan. 9. Von dem damit in Grundzügen entwickelten verbandsrechtlichen Organbegriff sind weitere Organbegriffe abzugrenzen. a) Keine eigenständige Bedeutung kommt zunächst dem im Schrifttum postulierten Organbegriff der juristischen Person zu. Als im vorliegenden Zusammenhang ebenfalls nicht erkenntnisfördernd erweist sich die Organkonzeption des Steuerrechts. b) Schließlich soll im Rahmen des § 31 BGB ein besonderer haftungsrechtlicher Organbegriff zum Tragen kommen, der ohne Rücksicht auf gesellschaftsrechtliche Gegebenheiten jeden Repräsentanten des Unternehmens erfasst. Das allerdings ist angesichts des spezifisch verbandsrechtlichen Normzwecks des § 31 BGB nicht nur methodisch zweifelhaft, sondern auch im Ergebnis fragwürdig, weil auf diese Weise natürliche Personen als Adressaten der Repräsentantenhaftung außen vor bleiben müssen. Vorzugswürdig ist es demgegenüber, unmittelbar bei § 831 Abs. 1 S. 2 BGB als der eigentlich korrekturbedürftigen Vorschrift anzusetzen und im Wege teleologischer Reduktion dem Geschäfts-
B. Das Verbandsorgan in der Detailanalyse
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herrn im Hinblick auf Repräsentanten die Möglichkeit des Entlastungsbeweises abzuschneiden. Eines besonderen haftungsrechtlichen Organbegriffs bedarf es dann nicht mehr.
B. Das Verbandsorgan in der Detailanalyse Auf diesen Grundlagen aufbauend lassen sich weitere Aussagen darüber treffen, welchen Stellen innerhalb des Verbandsgeschehens Organqualität zukommt: 10. Was zunächst das Willensbildungsorgan der Verbandsmitglieder angeht, so verfügt die gesetzestypische Personengesellschaft über keine gesonderte Gesellschafterversammlung, zur Entscheidung berufen ist vielmehr die Gesamtheit der Gesellschafter. In der AG und nach richtiger Ansicht auch in der GmbH sowie im Verein hingegen ist die Rechtslage genau umgekehrt. Dass in der GmbH die Gesellschafterversammlung als Kompetenzträger fungiert, wirkt sich in praktischer Hinsicht vor allem auf die Zulässigkeit formloser Beschlussfassung und die Wissenszurechnung aus. 11. Als ein von der Mitgliederversammlung verschiedenes Organ ist der Versammlungsleiter im Aktienrecht ausgestaltet; in der GmbH hingegen nimmt er eine abgeleitete Rechtsstellung ein und wird als bloßer Funktionsgehilfe der Gesellschafterversammlung tätig. 12. Dem organschaftlichen Zurechnungsmechanismus ist eine Ausrichtung auf das aus dem Verbandszweck abgeleitete Verbandsinteresse zwar nicht wesenseigen. Das zeigt der Umstand, dass die Mitgliederversammlung einer juristischen Person im Wege organschaftlicher Willensbildung zweckändernde Beschlüsse fassen kann, in aller Deutlichkeit. Für die Tätigkeit der anderen Organe, also namentlich für die Geschäftsführungs-, Aufsichts- und Beratungsorgane jedoch ist die Verpflichtung auf das Verbandsinteresse prägend. Anders als der Mitgliederversammlung ist es ihnen aufgrund ihrer Funktion und der innergesellschaftlichen Zuständigkeitsverteilung versagt, über den Verbandszweck zu disponieren. Hiervon dürfen die Verbandsmitglieder auch unter Berufung auf den Grundsatz der Privatautonomie nicht abweichen. a) Zunächst können keine Organe eingerichtet werden, die es verbandsfremden Dritten ermöglichen, ihre eigennützigen Belange durchzusetzen. Da ihnen zu diesem Zweck erst keine Rechte ad personam eingeräumt werden können, lassen sich satzungsmäßige Rechte Dritter nur dann verwirklichen, wenn eine fremdnützige Aufgabenwahrnehmung gesichert ist. Immerhin ist es zulässig, in der GmbH für einen Dritten das organschaftliche Recht vorzusehen, Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden. Die dem entgegenstehende Vorschrift des § 101 Abs. 2 S. 1 AktG findet auf die GmbH keine entsprechende Anwendung.
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§ 16 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen
b) Daneben ist auch das Konzept sogenannter Gruppenorgane abzulehnen, soweit sich damit die Vorstellung verbindet, die Organwalter hätten die Interessen der von ihnen repräsentierten Gesellschaftergruppe notfalls auch gegen das Verbandsinteresse durchzusetzen. Kein Organ ist daher der obligatorische Gruppenvertreter. Umgekehrt hat sich der Aufsichtsrat der KGaA als Gesellschaftsorgan auch dann am Unternehmensinteresse zu orientieren, wenn er die Gesamtheit der Kommanditaktionäre vertritt oder deren Beschlüsse ausführt. 13. Mit dem materiellen Organverständnis vereinbar und auch im Übrigen zu befürworten ist eine organschaftliche Deutung des Beherrschungsvertrags. Durch die Begründung des Weisungsrechts des herrschenden Unternehmens überlagert er nämlich nicht nur mit satzungsgleicher Wirkung die Organisationsverfassung der abhängigen Gesellschaft, sondern richtet zugleich auch deren Verbandszweck am Konzerninteresse aus. Die materielle Fremdbestimmung der abhängigen Gesellschaft vollzieht sich somit rechtstechnisch durch eine Einbindung des herrschenden Unternehmens in den internen Willensbildungsprozess. 14. Schließlich ist auch der Insolvenzverwalter als Verbandsorgan zu qualifizieren. Dem steht jedenfalls nicht entgegen, dass er im Interesse aller Beteiligten für eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger zu sorgen hat. Ein Widerspruch zu der Prämisse, dass er als Verwaltungsorgan nur innerhalb des Verbandszwecks agieren darf, liegt darin aufgrund des Sonderstatus des insolventen Verbandes nämlich nicht. Da sich aber alle materiellen Zurechnungsfragen auf diese Weise ebenso einfach wie überzeugend erklären lassen, verdient die organschaftliche Einordnung den Vorzug gegenüber der herrschenden Amtstheorie. 15. Der Abschlussprüfer hingegen ist kein Organ der Gesellschaft. Zwar kann die dafür plädierende ältere Rechtsprechung auf seine in Anlehnung an korporationsrechtliche Grundsätze ausgestaltete Bestellung und seine Unterstützungsfunktion innerhalb des Unternehmens verweisen. Jedoch lässt sich seine Garantiefunktion nur schwer mit der für Kontrollorgane maßgeblichen Verpflichtung auf das Verbandsinteresse vereinbaren. Richtigerweise kommt ihm die Stellung eines unabhängigen Sachverständigen mit öffentlicher Funktion zu. 16. Zurückhaltung ist auch beim Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft im Hinblick auf die von ihm mittelbar geleitete Kapitalgesellschaft & Co geboten. Dass er rein tatsächlich das Unternehmen führt, rechtfertigt es nicht, anstehende Probleme unter Rückgriff auf ein vermeintlich unmittelbar zwischen ihm und der Kapitalgesellschaft & Co bestehendes Organverhältnis zu bewältigen. Stattdessen hat sich im Grundsatz eine Abwicklung „übers Eck“ bewährt, die an die vorgegebene mittelbare Organisationsstruktur und damit an die Rechtsbeziehungen zwischen der Kapitalgesellschaft & Co und ihrer
C. Der Organwalter
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Komplementärin einerseits und der Komplementärin und ihrem Geschäftsführer andererseits anknüpft. 17. Schlussendlich kommen im Einzelfall auch stärker differenzierende Lösungen in Betracht. So kommt dem Prokuristen im Rahmen der unechten Gesamtvertretung die Stellung eines gesetzlichen Vertreters zu, ohne dass deswegen alle Grundsätze der Organschaft vollumfänglich Anwendung fänden. Seine Haftung etwa richtet sich weiterhin allein nach dem Anstellungsvertrag.
C. Der Organwalter Wie schon hervorgehoben, ist vom Organ als der abstrakten Verbandsinstitution der Organwalter als tatsächlicher Akteur zu unterscheiden. Insofern gilt es festzuhalten: 18. Entgegen einer im jüngeren Schrifttum propagierten Ansicht bedarf es auf der Ebene des Organmitglieds nicht der Unterscheidung zwischen einer als „Amt“ zu bezeichnenden apersonalen Verbandsinstitution und dem konkret tätigen „Amtswalter“. Die organmitgliedschaftlichen Rechte sind dem Organmitglied vielmehr persönlich zugeordnet. 19. Als Organwalter können im Grundsatz sowohl natürliche als auch juristische Personen fungieren. Aus guten Gründen hat der Gesetzgeber jedoch die Insolvenzverwaltung, die Geschäftsführung in Kapitalgesellschaften sowie die Aufsichtsratstätigkeit in der AG natürlichen Personen vorbehalten. Dieses Erfordernis ist im Wege der Analogie auf den Aufsichtsrat der GmbH, nicht aber auf den Vorstand des Vereins zu übertragen. 20. a) Eine andere Form der Beschränkung bei der Auswahl der tauglichen Geschäftsführer bringt für die Personengesellschaften der Grundsatz der Selbstorganschaft mit sich. Dass nur persönlich haftende Gesellschafter Inhaber entsprechender organschaftlicher Kompetenzen sein dürfen, dient der Verwirklichung eines angemessenen Gesellschafter- und Verkehrsschutzes in Gesellschaften mit gesetzestypischem Verbandszweck. b) Konsequent zu Ende gedacht setzt der Grundsatz der Selbstorganschaft nicht nur der möglichen Kompetenzübertragung auf für Dritte offene Beiräte enge Grenzen, sondern bedeutet vor allem, dass Kommanditisten entgegen der herrschenden Meinung keine organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis eingeräumt werden kann. Weitreichende rechtsgeschäftliche Vollmachten und schuldrechtliche Betriebsführungsverträge hingegen sind an den allgemeinen Schranken der Privatautonomie zu messen, eines Rückgriffs auf den Grundsatz der Selbstorganschaft bedarf es insoweit nicht. 21. a) Gekorene Organwalter gelangen im Gegensatz zu geborenen erst durch einen Bestellungsakt in ihr Amt. Leidet dieser an Rechtsmängeln, so ist hinsichtlich der Geschäftsleiter von Kapitalgesellschaften im Grundsatz aner-
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§ 16 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen
kannt, dass gleichwohl ein nur mit Wirkung ex nunc zu beendendes Organverhältnis zu Stande kommen kann. Die im Einzelnen zu beachtenden Voraussetzungen und Grenzen dieses Rechtsinstituts sind in Anlehnung an die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft zu bestimmen. b) Im Weiteren ist die Lehre vom fehlerhaften Organ zu einem allgemeinen verbandsrechtlichen Institut fortzuentwickeln. Zum einen verdient neben der fehlerhaften Bestellung auch der fehlerhafte Entzug einer Organstellung vorläufigen Bestandsschutz. Zum anderen sind neben den Geschäftsleitern auch andere Organe und unter ihnen namentlich der Aufsichtsrat einzubeziehen. 22. a) Um ein Normanwendungsproblem im Einzelfall handelt es sich demgegenüber bei der Frage, ob auch derjenige, der sich die entsprechende Rechtsstellung nur rein tatsächlich anmaßt, als Organwalter zu behandeln ist. Abzulehnen ist entgegen der herrschenden Meinung etwa die Haftung des bloß faktischen Organs wegen Insolvenzverschleppung. b) Dagegen besteht durchaus Raum für die allgemeine Geschäftsleiterhaftung nach §§ 43 GmbHG, 93 AktG. Das faktische Organ muss weder über die erforderliche Amtstauglichkeit verfügen noch mit Duldung der Gesellschaft tätig werden; auch ein Auftreten im Außenverhältnis ist nicht zwingend erforderlich. Entscheidend ist vielmehr allein, dass organspezifische Funktionen in organtypischer Weise wahrgenommen werden. Für das Unterlassen gebotener Geschäftsleitungsmaßnahmen hat das faktische Organ allerdings nur einzustehen, soweit es die ordentlichen Geschäftsleiter zumindest teilweise verdrängt und statt ihrer eigenhändig die Geschicke der Gesellschaft in seine Hand nimmt. c) Gesellschafter können dann wie Organmitglieder haften, wenn sie ihre Rolle und die ihnen darin zugewiesenen Kompetenzen überschreiten. Im Konzernrecht der AG genießen daher die speziellen Wertungen der §§ 311 ff. AktG Vorrang gegenüber allgemeinen rechtsfortbildenden Überlegungen. In der GmbH wiederum kommt der Organhaftung neben derjenigen wegen Verletzung der mitgliedschaftlichen Treupflicht praktische Bedeutung nur insofern zu, als der Gesellschafter auch für das Unterlassen im Gesellschaftsinteresse gebotener Maßnahmen zur Verantwortung gezogen werden kann. 23. Organwalter können zugleich für zwei Verbände tätig sein; anschaulich lässt sich insofern von Doppelorganschaft sprechen. Entgegen der herrschenden Meinung gilt das auch für den Fall, dass ein Organwalter in die Geschäftsleitung oder den Aufsichtsrat eines anderen Unternehmens entsandt wird. Eine Mithaftung der abordnenden Gesellschaft nach § 31 BGB kommt dabei immer dann in Betracht, wenn der Doppelmandatsträger bei seiner Tätigkeit in der aufnehmenden Gesellschaft gezielt zum Vorteil der abordnenden agiert. Eine weitergehende Zurechnung jeder Pflichtwidrigkeit ist zwar nicht im faktischen Konzern, wohl aber bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrags geboten.
D. Zusammenwirken im Verband
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24. Gekorene Organwalter sind dem Verband durch ein korporationsrechtliches Organverhältnis verbunden, welches sie zur sorgfältigen und loyalen Amtsführung verpflichtet. Daneben treten weitere Rechtsverhältnisse, wenn der Organwalter Verbandsmitglied oder dem Verband durch ein Dienstverhältnis verbunden ist. Dabei gilt im Grundsatz, dass etwaige Schadensersatzansprüche selbständig nach den jeweils für sie maßgeblichen Fristen verjähren. Lediglich auf die Ansprüche wegen Verletzung des Dienstvertrags ist das besondere Verjährungsregime des Organhaftungsrechts zu übertragen. Eigenständige Bedeutung kommt diesem daher nur im Hinblick auf solche Pfl ichten zu, die dort zusätzlich über das gesetzliche Pflichtenprogramm hinaus vereinbart wurden.
D. Zusammenwirken im Verband Hinsichtlich des Zusammenwirkens der verschiedenen organschaftlichen und nicht-organschaftlichen Instanzen innerhalb des Verbandes gilt: 25. a) Während die Organe aus der Außenperspektive lediglich mit Wirkung für und gegen den Verband handeln, kommen sie im Verhältnis zu den anderen Organen durchaus als Adressat von Rechtssätzen in Betracht und können daher auch als Träger von Rechten fungieren. Dabei handelt es sich freilich nicht um subjektive Rechte im klassischen Sinne, sondern um fremdnützig im Verbandsinteresse wahrzunehmende Organrechte. Soweit ihre Rechtsfähigkeit reicht, sind die Organe auch als Partei anzuerkennen, so dass verbandsinterne Streitigkeiten zwischen den betroffenen Organen oder Organmitgliedern selbst auszutragen sind. b) Klagbare Rechte und Pflichten sind jedoch nur in engem Umfang anzuerkennen. In der AG etwa können Aufsichtsrat und Vorstand jeweils nur Hilfsbefugnisse durchsetzen oder einen Eingriff in den eigenen Kompetenzbereich abwehren. Eine allgemeine Organklage zur Herstellung rechtmäßiger Verhältnisse ist dagegen abzulehnen. In der GmbH hat der Aufsichtsrat darüber hinaus zunächst die Gesellschafterversammlung einzuschalten. Noch restriktiver ist die Klagebefugnis einzelner Aufsichtsratsmitglieder zu beurteilen. 26. Vor allem in der AG begegnen neben organschaftlichen auch auf schuldrechtlicher Basis eingerichtete Entscheidungsträger. Ihnen setzt das Aktiengesetz enge Grenzen, wobei im Einzelnen aufsichtsratsergänzende und vorstandsergänzende Gremien zu unterscheiden sind. a) Neben dem Aufsichtsrat dürfen weitere Gremien nicht zur Überwachung, sondern nur zur Beratung des Vorstands eingesetzt werden. b) Organexterne Führungsgremien wiederum werden in jüngerer Zeit vermehrt eingerichtet, um eine virtuelle Holdingstruktur zu bilden und den Vorstand vom operativen Geschäft zu entlasten. Bei ihrer Ausgestaltung ist den
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§ 16 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen
Grundsätzen der Leitungsverantwortung des Vorstands und der Gleichberechtigung aller Vorstandsmitglieder Rechnung zu tragen. Ihre herausgehobene Stellung verlangt überdies, dass der Aufsichtsrat seine Überwachungstätigkeit auf solche Gremien erstreckt und die Bestellung ihrer Mitglieder durch den Vorstand im Regelfall von seiner Zustimmung abhängig macht.
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Sachregister Abberufungsdurchgriff 200 Abschlussprüfer 31, 36, 75, 90, 159, 214 ff. – Garantiefunktion 221 f. – Grundlagengeschäft 215 – Unterstützungsfunktion 219 ff. Abspaltungsverbot 164 ff., 249 ff. Actio pro socio 364, 393 Aktionärsklage 360, 385 „Aktivitätsausschuss“ 404 Allzuständigkeit 51 Anstellungsvertrag 191, 344 ff. – Aufsichtsrat 345 f. – Erweiterung des Pfl ichtenkreises 350 – Trennungstheorie 344 f. – Verjährung 346 ff. Aufsichtsrat – Ausschuss 59 f. – fehlerhafte Bestellung 286 ff. – Gegenstand der Überwachungstätigkeit 422 ff. – Informationsversorgung 427 ff. – KGaA 171 ff. – Organstreit s. dort – Personalkompetenz 429 ff. Aufsichtsratsergänzende Gremien 401, 404 ff. Aufsichtsratsvorsitzender 60, 383 Ausschuss 59 f. Außenorgan 105 Außenrecht 360 Beherrschungsvertrag 33, 178 ff., 195, 265, 340 f. Beirat 30, 55 ff., 76, 130, 150, 163, 170, 262 f., 401, 408 Beratungsgremium 74 ff., 407 ff. Bereichsvorstand 403, 418, 425 Beschlussbestätigung 122 Beschlussfassung 126, 130, 274
Beschlusskontrolle 148 Besitz 23 f. Besonderer Vertreter 31, 66, 105, 109, 175, 293, 345, 397 Bestellungsverhältnis 343 ff., 367, 388 Betriebsführungsvertrag 237, 265 Bilanzfeststellung 91 Buchführungspfl icht 58 Chief Executive Officer 419 Deliktsfähigkeit 20, 101 Direktor, geschäftsführender 62 Doppelmandate 327 ff. Doppelorganschaft 327 ff. Dritteinfluss 150 ff. Eingliederung 37, 49, 179, 217 Einpersonengesellschaft 321 Einzelklagebefugnis 395 Entlastung 65, 90 Entsendungsrecht 74, 151 Entsprechenserklärung 58 Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung 13, 123, 238 Faktisches Organ 187, 196, 294 ff. – Amtsfähigkeit 304 ff. – Aufsichtsrat 324 – Außenverhältnis 307 ff. – Duldung 306 f. – Gemeinschaftsrecht 297 f. – Gesellschafter 315 ff. – Insolvenzverschleppung 299 ff. – Kreditinstitut 313 – Prokurist 311 – Verdrängung der Geschäftsleitung 309 f. Fakultatives Organ 50 ff.
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Sachregister
Fehlerhaftes Organ – Amtsfähigkeit 281 – Aufsichtsrat 286 ff. – Beendigung 279 f. – Bestellungsakt 274 ff. – fehlerhafte Abberufung 282 ff., 291 f. – Geschäftsfähigkeit 280 – Handelsregister 277 – Jahresabschluss 271 – Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft 267 ff. – Rückabwicklungsschwierigkeiten 269 ff. – Vollzug 276 Formwechsel 64, 77 Fremdorganschaft 47 Gesamthandsprinzip 248 Gesamtorgan 34 f. Gesamtvertretung 225 ff. Geschäftsfähigkeit 22, 280 Gesellschafterversammlung 88, 123 ff., 270 – AG 121 f., 396 – GmbH 123 ff. – Personengesellschaft 123 Gesellschaftsinteresse 149, 174 f. Gestaltungsfreiheit 50 ff., 158 Gewinnabführungsvertrag 97 Gleichberechtigung 409 f., 419 GmbH – Gesamtheit der Gesellschafter 123 ff. – Gesellschafterversammlung 123 ff. – Organeigenschaft des Gesellschafters 133 ff. – Organstreit s. dort – Satzungsmäßige Rechte Dritter 150 ff. GmbH & Co s. Kapitalgesellschaft & Co Group Executive Committee 403, 414 Grundlagengeschäft 76, 89 ff., 215 Gruppenorgan 34 f., 166 ff. Gruppenvertretung 163 ff., 171 Handelsregister 179, 277 Handlungsfähigkeit 10, 18, 39, 157 Handlungsorganisation 375 Hauptversammlung 121 f. Hilfsorgan 75
Holding 402, 411 „Holiday-Inn“-Entscheidung 265 Identitätsausstattung 365 Informationsversorgung 427 ff. Innenrecht 375 Insichprozess 374 Insolvenzantrag 233, 299 ff. Insolvenzverwalter 32, 159, 202 ff., 240, 397 – Anfechtungsrecht 210 – Freigabe 206 – Gerichtsstand 211 – Rügeobliegenheit 208 Institutionenbildung 2, 47 Jahresabschluss 92, 271 f. Juristische Person – Abgrenzung zur Personengesellschaft 77 ff. – als Organwalter 234 ff. – Organe 9 ff. – Theorie 18 Kapitalgesellschaft & Co – Abberufung 200 – Anstellungsvertrag 191 – Haftung 198 f. – mittelbarer Geschäftsleiter 190 – Wettbewerbsverbot 190 Kollegialorgan 60, 419 Kommanditist 37, 171, 258 ff. Kommanditistenausschuss 37, 170 Kommanditistenvertreter 171 Kompetenzschutz 384 ff. Kompetenzverlagerung 52 Kontrollgremium 74 ff., 404 ff. Konzern 14 ff. – Beherrschungsvertrag s. dort – faktischer 186 ff., 337 ff. – Leitungspfl icht 182, 320, 322 – Selbstorganschaft 256 Konzessionssystem 19 Kooperationsgemeinschaft, schuldrechtliche 11 Kreationsorgan 34, 73, 150 ff. Kündigung 127, 131
Sachregister
Labour Committee 402 Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft 267 ff. Leitungsverantwortung 411 ff. Liquidator 213, 236, 244, 255 Mehrheitsprinzip 84, 87, 128, 417 Mitgliedschaft 351 ff. Monistisches System 63 Öffentliches Recht 3 „Opel“-Urteil 364 Organ – Begriff s. dort – Besitz 23 f. – faktisches s. dort – fakultatives 49 – fehlerhaftes s. dort – Gesamtorgan s. dort – Gestaltungsfreiheit 50 ff. – Gruppenorgan s. dort – Kompetenzen 68 ff. – Kreationsorgan s. dort – mittelbares 189 ff., 238 – Nachfolge 64 ff. – notwendiges 106 – Rechte 367 ff. – Rechtsfähigkeit 57 ff., 379 f. – Rechtsstreit s. dort – Substitution 181 Organbegriff – formeller 155 ff., 167 – haftungsrechtlicher 99 ff. – institutionell-funktioneller 43, 223 – materieller 155 ff., 167 – Steuerrecht 96 ff. – zweigliedriger 46 Organexterne Führungsgremien 400 ff. Organisationsvertrag 153, 178 Organrechte 374 ff. Organstreit – actio pro socio 364, 393 – GmbH 397 f. – Hilfsrechte 382 ff. – Insichprozess 374 – Kompetenzschutz 384 ff. – Kosten 372 f. – „Opel“-Urteil 364
475
– Parteifähigkeit 380 f. – Parteirolle 370 – Parteiwechsel 371 – Pfl ichtrecht 378 – Prozessstandschaft 365, 374, 393 ff. – Vertretung 370 Organsubstitution 181 Organteil 60, 372 Organtheorie 17 ff., 101 ff. Organtrias 30 Organverflechtung 336 Organverhältnis – und Anstellungsverhältnis 344 ff. – und Deliktsrecht 349 – und Mitgliedschaftsverhältnis 351 ff. – Verjährung 346 ff. Organwalter – als abstrakte Verbandsinstitution 233 f. – Bestellung 267 ff. – Eigenhaftung 329 – geborener 48, 236, 267, 343 – gekorener 236, 267, 343 – juristische Person 234 ff. Parteifähigkeit 380 f. Personalkompetenz 429 ff. Personengesellschaft – Abgrenzung zur juristischen Person 77 ff. – Änderung des Gesellschaftsvertrags 81 ff. – Gesellschafterversammlung 123 – Grundlagengeschäft 89 ff. – Organe 12 ff., 46 ff. – Selbstorganschaft s. dort Pfl ichtenkollision 238 Pfl ichtrecht 378 Planung – operative 411 – strategische 411 Privatautonomie 158, 176 Prokurist 225 ff., 244, 311 Prozessstandschaft 365, 374 Publikumsgesellschaft 37, 86, 164 f., 192, 197, 246 Rechte ad personam 152 ff. Rechtsberatungsgesetz 25 f.
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Sachregister
Rechtsdienstleistungsgesetz 25 Rechtsfähigkeit 57 ff., 78, 81, 379 f. „Rektor“-Fall 253 Repräsentantenhaftung 108 ff., 334 Richtigkeitsgewähr 359, 363, 376 Rügeobliegenheit 208 Satzungsänderung 79, 162, 179 Satzungsstrenge 50, 53 ff., 151, 401, 405 Schiedsgericht 36, 69 ff. Schuldbeitritt 330 Selbständigkeit 57 ff. Selbstorganschaft 14, 47, 196, 229, 235, 242 ff. – Abspaltungsverbot 249 – Beirat 262 ff. – Betriebsführungsvertrag 265 – Gesamthandsprinzip 248 – „Holiday-Inn“-Entscheidung 265 – Kommanditist 258 ff. – Konzernrecht 256 f. – Liquidationsstadium 244 – Prokurist 244 Shareholder Committee 402 Sonderrecht 72 ff., 152 ff. Steuerrecht 96 ff. Subjektives Recht 377 ff. Trennungstheorie 344 ff. Treupfl icht 74, 153, 318 ff., 343, 352 Umwandlung 64 ff. Unternehmensbeauftragte 224 f. Unternehmensinteresse 149 Verband, stiller 16 f. Verbandsgericht 69 ff. Verbandssouveränität 151, 162, 251, 257 Verbandszweck 148 Verein – juristische Person als Vorstandsmitglied 241 – Mitgliederversammlung 133
– Satzungsmäßige Rechte Dritter 189 ff. Verjährung 183, 346 ff. Verrichtungsgehilfe 100, 108, 114 Versammlungsleiter – AG 142 ff., 293 – Beschlussfeststellungskompetenz 139 ff. – GmbH 138 ff. – Widerspruchsrecht 144 Versammlungsprinzip 128 Verschmelzung 64 ff. Vertragsbruch 180 Vertrag zugunsten Dritter 161, 192 Vertreter – besonderer s. dort – ständiger 239 Vertreterklausel 163 ff. Vertretertheorie 17 ff., 101 ff. Verwaltungsrat 62 Vorgesellschaft 11 Vormund 103 Vorstand – fehlerhafte Bestellung 267 ff. – Gleichberechtigung 419 ff. – juristische Person als Mitglied 236 ff. – Leitungsverantwortung 411 ff. – Organstreit s. dort – Willensbildung 416 ff. Vorstandsdoppelmandate 327, 338 Vorstandsergänzende Gremien 402, 410 ff. Vorverständnis 41 Weisungsfreiheit 61 Wettbewerbsverbot 183, 190 Wirtschafts- und Sozialausschuss 75 Wissenszurechnung 27 f., 127 Wohnungseigentümergemeinschaft 11 Zurechnung 45, 48 Zurechnungsendsubjekt 375 Zuständigkeitskomplex 43 Zwangsgeldverfahren 383