Eigentum im Recht der Energiewirtschaft [1 ed.] 9783737009171, 9783847109174


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Eigentum im Recht der Energiewirtschaft [1 ed.]
 9783737009171, 9783847109174

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Bonner Rechtswissenschaftliche Abhandlungen Neue Folge

Band 16

Herausgegeben von Udo Di Fabio, Urs Kindhäuser und Wulf-Henning Roth

Foroud Shirvani (Hg.)

Eigentum im Recht der Energiewirtschaft

V& R unipress Bonn University Press

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. Verçffentlichungen der Bonn University Press erscheinen im Verlag V& R unipress GmbH.  2018, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Gçttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Vandenhoeck & Ruprecht Verlage j www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2198-7130 ISBN 978-3-7370-0917-1

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

Matthias Schmidt-Preuß Energie und Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

Markus Ludwigs Atomausstieg, Eigentums- und Vertrauensschutz: Das Atomausstiegsurteil des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

Georg Hermes Energieversorgung und Enteignung zugunsten Privater . . . . . . . . . .

53

Matthias Knauff Erneuerbare Energien, Vertrauens- und Investitionsschutz . . . . . . . .

79

Meinhard Schröder Die EEG-Umlage auf dem Prüfstand der Verfassung und des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

Marc Ruttloff Stilllegungsverbote für Energieerzeuger : Eigentumswidrige Zwangsbewirtschaftung?

. . . . . . . . . . . . . . . . 115

Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

Vorwort

Der vorliegende Band beinhaltet die Vorträge der Tagung »Eigentum in der Energiewirtschaft«, die der Herausgeber am 14. September 2017 an der Universität Bonn veranstaltet hat. Die Idee zur Durchführung dieser Tagung konkretisierte sich, nachdem das Bundesverfassungsgericht am 6. Dezember 2016 sein Urteil zum Atomausstieg verkündet hatte. Dieses Urteil beschäftigt sich mit einigen grundlegenden rechtlichen Aspekten des Ausstiegs der Bundesrepublik aus der Kernenergie und nimmt dabei zu grundsätzlichen eigentumsverfassungsrechtlichen Themen Stellung. Das Atomausstiegsurteil zeigt exemplarisch die verschiedenen Verbindungslinien zwischen der Eigentumsgarantie und der staatlichen Energiepolitik: Zwar kann der Staat aufgrund der überragenden Bedeutung der Energieversorgung die rechtlichen Koordinaten der Energiewirtschaft festlegen und dabei auch grundrechts- bzw. eigentumsrelevante Eingriffe vornehmen. Er muss allerdings die eigentumsverfassungsrechtlichen Kautelen beachten, die die höchstrichterliche Rechtsprechung und die Staatsrechtswissenschaft in den vergangenen Jahrzehnten in dogmatischer Feinarbeit entwickelt haben. Das gilt gerade im Zeitalter der Energiewende, in dem der Staat nicht selten das Eigentum von Privatpersonen oder Unternehmen belastet bzw. in Anspruch nimmt, um energie- oder klimapolitische Maßnahmen durchzusetzen. Der vorliegende Tagungsband will diese Thematik aufgreifen und dabei die Querschnittsfunktion des Eigentumsgrundrechts sowie dessen Einfluss auf das Recht der Energiewirtschaft verdeutlichen. Der Herausgeber dankt zuvörderst den Referenten und Autoren, die durch ihre Vorträge und schriftlichen Beiträge maßgeblich zum Gelingen dieses wissenschaftlichen Projekts beigetragen haben. Er dankt ferner der Gottfried Meulenbergh Stiftung, die die Tagung finanziell unterstützte und die Publikation dieses Tagungsbandes ermöglichte. Dank schuldet der Herausgeber nicht zuletzt den Mitarbeitern der Stiftungsprofessur für Öffentliches Recht, insbesondere das Eigentumsgrundrecht an der Universität Bonn, die sich bei

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Vorwort

der Organisation der Tagung und der Veröffentlichung dieses Bandes besonders engagiert haben. Bonn, im Juni 2018

Foroud Shirvani

Matthias Schmidt-Preuß

Energie und Eigentum

I.

Liberalisierung und Energiewende

Mit der Thematik »Eigentum im Energiesektor« sind zwei Kernkomponenten genannt, die beide je für sich überragende Bedeutung haben und sich darüber hinaus einander nachhaltig ergänzen. Eine sichere und effiziente Energieversorgung ist ohne Eigentum kaum denkbar. Umgekehrt sind Eigentum und seine Nutzung in den unterschiedlichen ökonomischen Einsatzfeldern einer hochentwickelten Volkswirtschaft ohne eine stabile Energieversorgungsbasis nicht vorstellbar. Der rechtliche Ordnungsrahmen der Energiewirtschaft ist in charakteristischer Weise durch die Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte auf der einen und die klimapolitisch orientierte Energiewende auf der anderen Seite geprägt. Hiermit werden den Unternehmen normative Daten gesetzt, die für ihr ökonomisches Handeln maßgeblich sind. Dabei kommt dem – demokratisch legitimierten – Gesetzgeber ein prinzipielles Gestaltungsmandat zu. Dies eröffnet Spielräume, die allerdings auch nicht unbegrenzt sind. Insofern kann die Energiepolitik Ziele der Liberalisierung der Strommärkte oder regenerativer Stromerzeugung verfolgen, ist bei der operativen Ausgestaltung jedoch an die Schranken der Verfassung – nicht zuletzt auch an das Eigentumsgrundrecht – gebunden. Wo die Grenzlinie zwischen einer nachhaltigen und das Eigentum berührenden Liberalisierungs- bzw. Klimaschutzpolitik einerseits und den auch für den einfachen Gesetzgeber unantastbaren Grenzen der Eigentumsgarantie andererseits verläuft, lässt sich nicht pauschal, sondern erst auf Grund einer sorgfältigen Exegese ermitteln. Diese muss sowohl verfassungsrechtlich ausgewiesene Ziele als auch grundrechtliche Verbürgungen – ggf. in multipolaren Konfliktlagen – untereinander und gegeneinander austarieren sowie verhältnismäßig zuordnen. Der Beitrag gliedert sich in zwei größere Blöcke. Zunächst – sozusagen in einem vorgezogenen »allgemeinen Teil« – ist das Eigentum seiner Funktion und seinem Inhalte nach anzusprechen und anhand einiger Eckpunkte in seiner verfassungsrechtlichen Grundierung zu präsentieren. Im zweiten Block sollen

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Matthias Schmidt-Preuß

sodann auf dieser Grundlage einige aktuelle, exemplarische Referenzbeispiele vorgestellt werden, anhand derer sich die Bedeutung des Eigentums in der Energieversorgung besonders eindringlich manifestiert.

II.

Grundlagen, Eckwerte und Gehalt des Eigentumsgrundrechts gem. Art. 14 GG

1.

Ökonomische Funktion des Eigentums im Rahmen der Wirtschaftsverfassung

Das Eigentum zeichnet sich in – auch wirtschaftlich – herausragender Weise dadurch aus, dass es den jeweiligen Gegenstand einer bestimmten Person – und nur dieser – im Sinne eines Herrschaftsrechts zuordnet. Es verleiht die Berechtigung, selbst autonom darüber zu befinden, wie mit dem Eigentumsobjekt umgegangen wird. Es kennzeichnet die Essenz des Eigentums, privatnützig1 über die Art und Weise seiner Nutzung entscheiden zu dürfen. Dies bedeutet, dass der Eigentümer jede andere Person von der Nutzung des Objekts – etwa einer Anlage – ausschließen kann.2 Hier lässt sich vom exclusionary principle sprechen.3 Diese Ausschließlichkeit und die damit garantierten exklusiven Nutzungsmöglichkeiten sind schon für sich genommen eine offensichtlich eminent bedeutsame Gewährleistung.4 In ökonomischem Kontext repräsentieren sie einen u. U. hohen wirtschaftlichen Wert. Darin aber erschöpft sich die Funktion des Eigentums keineswegs, womit sich der Blick auf die Investitionsfreiheit richtet, die nicht zuletzt für die Energiewirtschaft besonders im Fokus steht. Nur wenn gewiss ist, dass der Eigentümer die Ergebnisse einer Investition behalten und jeden Dritten davon ausschließen kann, wird er als Investor bereit sein, das finanzielle Wagnis einzugehen, etwa eine Produktionsanlage zu errichten. In der marktwirtschaftlichen Ordnung ist das Risiko unvermeidbar, da Investitionsentscheidungen bei Ungewissheit getroffen werden müssen. Es liegt auf der Hand, dass man ein solches Risiko nicht eingehen würde, wenn zu befürchten wäre, dass der Ertrag einer erfolgreichen Investition dem ungehinderten Zugriff Dritter unterläge. Hierin besteht die charakteristische Anreizfunktion des Eigentums.5 Nur 1 Vgl. z. B. BVerfGE 134, 242 (290) – Garzweiler I/II; 79, 292 (303) – Eigenbedarf; aus der Lit. Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 14 Rn. 375ff. 2 Hierzu und zum Folgenden Schmidt-Preuß, Substanzerhaltung und Eigentum, 2003, S. 24. 3 Vgl. in diesem Sinne Mankiw/Taylor, Economics, 4th ed., 2017, S. 223. 4 BVerfG, VIZ 2001, 330 (331) – Sachenrechtsbereinigung: »Dem grundrechtlichen Schutz (durch das Eigentumsgrundrecht, scil d. Verf.) unterliegt … das Recht, den Eigentumsgegenstand selbst zu nutzen und Dritte von Besitz und Nutzung auszuschließen ….« 5 Vgl. z. B. Samuelson/Nordhaus, Economics, 18th ed., 2005, S. 34.

Energie und Eigentum

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wenn der (erhoffte) Verkauf der in der Anlage produzierten Güter nach Abzug der Kosten als Residualgröße einen Gewinn zu generieren verspricht, wird es zur risikoreichen Investition kommen. In diesem Sinne ist das Eigentum Anreiz für Initiative, Risikoübernahme und Investition.6 Eigentum und Investition sind unauflöslich verbunden. Vor diesem Hintergrund wird der Standort des Eigentums im Rahmen der Wirtschaftsordnung insgesamt deutlich. Da die soziale Marktwirtschaft gemäß Art. 3 Abs. 3 S. 2 EUV die Wirtschaftsverfassung der EU und damit auch der Bundesrepublik Deutschland ist,7 stellt sich das Eigentum auch in dieser Hinsicht als ein entscheidender Faktor dar. Wettbewerb und Markt garantieren Effizienz und Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Dies aber setzt notwendig eigenverantwortliche Akteure voraus, die risikoreiche Investitionen tätigen, von denen Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze im Allgemeinen und die Energieversorgungssicherheit im Besonderen entscheidend abhängen. Damit lässt sich unterstreichen: Das Eigentum stellt einen zentralen Wirkungsfaktor der Wirtschaftsverfassung dar.

2.

Verfassungsrechtliche Dimension von Bestandsgarantie, Verfügungsfreiheit und Investitionsfreiheit

Die vorstehenden Aussagen zur ökonomischen Funktion des Eigentums sind im Folgenden im verfassungsrechtlichen Kontext zu fundieren. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die beiden Kernfunktionen des Eigentums stets hervorgehoben: Art. 14 GG schützt zum einen das »Halten eines Titels«, also das ausschließliche Innehaben eines Gegenstandes und damit die Bestandsgarantie.8 Zum anderen umfasst Art. 14 GG aber auch die Garantie, den Eigentumsgegenstand nach eigenen Vorstellungen nutzen zu können. Das BVerfG9 spricht 6 Schmidt-Preuß (o. Fußn. 2), S. 24. 7 Schmidt-Preuß, Die soziale Marktwirtschaft als Wirtschaftsverfassung der Europäischen Union, in: FS Säcker, 2011, S. 969 (970ff., 977ff.); ders., Entschädigungspflicht für den Verlust von Anteilseigentum in der Insolvenz, NJW 2016, 1269. 8 BVerfGE 134, 242 (291) – Garzweiler I/II. Zur »Befugnis« s. bereits BVerfGE 58, 300 (336) – Naßauskiesung. Zum Stellenwert des Eigentums in der Garzweiler-Entscheidung Durner/ Karrenstein, Anmerkungen zum Urteil des BVerfG in der Rechtssache »Garzweiler«, DVBl. 2014, 182 (183f.); Kühne, Verfassungsrechtliche Fragen der bergrechtlichen Enteignung – Zum Garzweiler-Urteil des BVerfG vom 17. 12. 2013, NVwZ 2014, 321 (323f., 325f.); Shirvani, Eigentumsschutz und Energiepolitik – Die Garzweiler-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts –, EnWZ 2015, 3 (5ff.). 9 BVerfGE 134, 242 (291) – Garzweiler I/II; Schmidt-Preuß, Verfassungsrechtliche Grundlagen der Energiepolitik, in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Energierecht Bd. 1, 4. Aufl., 2018, Einl. C Rn. 20; ders., Die Gewährleistung des Privateigentums durch Art. 14 GG im Lichte aktueller Probleme, AG 1996, 1f.

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Matthias Schmidt-Preuß

insoweit von »Verfügungsbefugnis«. Diese Gewährleistung der Verfügungs- und Nutzungsfreiheit kann kaum in ihrer Dimension überschätzt werden. Art. 14 GG wäre wenig wert, wenn man nur das Eigentum an einer Maschine innehaben, diese aber nicht nach eigenen Vorstellungen – was Produkt und Produktionsweise angeht – nutzen dürfte. Die Nutzungs- bzw. Verfügungsbefugnis als zweiter Garantiegehalt des Eigentums führt verfassungsrechtlich unmittelbar zur Gewährleistung der Investitionsfreiheit.10 Sie besteht darin, Finanzmittel – Eigen- bzw. Fremdkapital – für den Erwerb von Grundstücken, Produktionsanlagen oder Rechten einzusetzen, um damit Güter erstellen und am Markt gewinnbringend absetzen zu können (asset deal). Ebenso kann über Geldtitel verfügt werden, um Anteile an Unternehmen ganz oder teilweise zu erwerben, die auf dem Zielmarkt bereits operieren (share deal). In beiden Fällen ist es das Ziel, die aufgewendeten Finanzierungskosten innerhalb einer bestimmten Frist amortisieren zu können und nach Erreichen des turn-around die Überschüsse als Gewinn im Sinne einer Prämie für Risikoübernahme und Initiative zu vereinnahmen. Hiermit bestätigt sich der soeben dargelegte wirtschaftliche Anreiz im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft (II. 1.) auch auf der verfassungsrechtlichen Ebene. Im Rahmen der Wirtschaftsverfassung müssen Wettbewerbsordnung und Regulierung dafür sorgen, Missstände infolge von marktbeherrschenden Stellungen und Machtmissbrauch zu verhindern. Als Zwischenfazit ist festzuhalten: Der Schutzbereich des Art. 14 GG umfasst die Bestandsgarantie und die Verfügungs- bzw. Nutzungsfreiheit und damit insbesondere auch die Investitionsfreiheit. Sie ist notabene in beiden Richtungen geschützt. In ihrer positiven Dimension bietet sie Schutz vor übermäßigen Eingriffen, deren Erscheinungsformen von partiellen Begrenzungen bis zum absoluten Verbot reichen können. Im Ausgangspunkt ist dies die Freiheit, ohne Einschränkungen des Staates investieren zu können. Ebenso aber schützt das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG auch die negative Investitionsfreiheit. Damit ist die Freiheit verbürgt, von einem Investment auch absehen zu können.

10 Schmidt-Preuß, Energieversorgung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Bd. IV, 3. Aufl., 2006, § 93 Rn. 44; vgl. auch Burgi, Regulierung, Investitionsfreiheit und technischer Fortschritt, in: Schmidt-Preuß/Körber (Hrsg.), Regulierung und Gemeinwohl, 2016, S. 143 (150); vgl. in der Sache auch Möstl, Rechtsfragen der Kraftwerksregulierung, EnWZ 2015, 243 (246): »Freiheit zu einem privatnützigen Eigentumsgebrauch« im Bereich der Kraftwerksregulierung.

Energie und Eigentum

3.

Maßstäbe der Rechtfertigung

a)

Enteignung versus Inhalts- und Schrankenbestimmung

13

Nach diesen Bemerkungen zum Inhalt des Eigentums drängt sich die Frage auf, nach welchen Maßstäben sich ein – allgemein steuernder oder regulatorischer – Eingriff in das Eigentum gegebenenfalls rechtfertigen lässt. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG enthält eine Fundamentalgarantie. Danach wird das Eigentum gewährleistet. Für den Fall notwendiger Begrenzungen werden sodann zwei Grundvarianten gesetzgeberischer Gestaltung aufgeführt. Bei der ersten handelt es sich um die Enteignung, deren Voraussetzungen in Art. 14 Abs. 3 GG explizit normiert sind und das formelle Erfordernis einer gesetzlichen Entschädigung vorsehen. Die zweite Variante ist die Inhalts- und Schrankenbestimmung gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, wonach Inhalt und Schranken des Eigentums vom Gesetzgeber ausgestaltet werden. Folgerichtig ist zunächst die Frage zu klären, wie Enteignung und Inhalts- und Schrankenbestimmungen abzugrenzen sind. In seinem Atomausstiegs-Urteil vom 6. 12. 2016 hat sich das BVerfG11 eindeutig zur Güterbeschaffungstheorie bekannt. Danach liegt eine Enteignung vor, wenn der Staat einem Privaten einen Vermögensgegenstand entzieht, um ihn zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe einzusetzen. Was vorher – trotz der Baulandumlegungsentscheidung des BVerfG12 vom 22. 5. 2015 – als noch nicht vollends ausgemacht erscheinen mochte, hat jetzt seine unzweideutige Positionsbestimmung erfahren. Damit sind die Würfel auf verfassungsgerichtlicher Ebene gefallen. Das gilt auch dann, wenn man die Abgrenzung nach den Kriterien konkret-individuell/ abstrakt-generell13 präferiert und danach fragt, ob auf der normativen Ebene eine breitflächige, strukturelle und anonyme Norm und damit eine Inhalts- und Schrankenbestimmung vorliegt, während die Enteignung durch eine finale, punktuelle und direkte Maßnahme gekennzeichnet ist,14 die gezielt auf Eigentumspositionen zugreift. Die Güterbeschaffung ist ein Kriterium, das eine klare Abgrenzung ermöglicht und zugleich die Enteignung in einen engen Anwendungskorridor kanali11 BVerfGE 143, 246 Rn. 242ff. – 13. AtG-Novelle; dazu aus der Lit. Kühne, Die Bewältigung des Atomausstiegs – Rechtliches und Politisches, in: Braunschweigische Wissenschaftliche Gesellschaft, Jahrbuch 2016, S. 86 (91); Ludwigs, Das Urteil des BVerfG zum Atomausstiegsgesetz 2011 – Karlsruhe locuta, causa finita?, NVwZ-Beilage 2017, 3 (4); Shirvani, Atomausstieg und mäandernde Gesetzgebung – Zum Atomausstiegsurteil des Bundesverfassungsgerichts –, DÖV 2017, 281 (282ff.). 12 BVerfGE 104, 1 (110) – Baulandumlegung. 13 Schmidt-Preuß, Atomausstieg und Eigentum, NJW 2000, 1524 (1525); vgl. auch Kingreen/ Poscher, Grundrechte. Staatsrecht II, 33. Aufl., 2017 Rn. 1026 (sowie auch Rn. 1028); Axer, in: Hillgruber/Axer (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 14 Rn. 16. 14 Schmidt-Preuß (o. Fußn. 13), 1525.

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siert. Wären die materiellen Anforderungen an eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung geringer als jene der Enteignung, würde das einen erweiterten legislativen Gestaltungsspielraum bedeuten. Allerdings stehen sowohl die Inhalts- und Schrankenbestimmung als auch die Enteignung – trotz ihrer konstruktiven Unterschiedlichkeit – »unter dem Dach« des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und weisen dementsprechend inhaltlich-maßstäbliche Gemeinsamkeiten auf. Das gilt in herausragender Weise für den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.15 Ihn hat das BVerfG als das Leitmaß sowohl für die Enteignung16 als auch für die Inhalts- und Schrankenbestimmung17 hervorgehoben. Das ist bedeutsam auch für die finanzielle Kompensation. Auf der einen Seite ist zwingendes Rechtmäßigkeitskriterium einer Enteignung, dass im Gesetz eine Entschädigung vorgesehen ist, die unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen ist (Art. 14 Abs. 3 S. 2 und 3 GG). Damit ist die Höhe des Ausgleichs nicht numerisch bestimmt, doch wird sie regelmäßig auf den Verkehrswert hinauslaufen.18

b)

Ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung

Auf der anderen Seite kennt Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG keine derartige »JunktimKlausel«. Doch hat die Rspr. des BVerfG mit der Herausstellung des Verhältnismäßigkeitsprinzips auch die Tür für die ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmungen geöffnet, wie die Pflichtexemplar-Entscheidung19 und der Beschluss zum rheinlandpfälzischen Denkmalschutzgesetz20 belegen. Danach muss die Regelung ein verfassungsgemäßes Ziel verfolgen sowie geeignet, erforderlich und angemessen (proportional bzw. verhältnismäßig i. e. S.) sein. Wäre sie dies im Ausgangspunkt nicht, sieht das BVerfG wichtige – abgestufte – Möglichkeiten einer verhältnismäßigkeitswahrenden Abhilfe vor. Dabei handelt es sich zunächst um einen physischen Ausgleich, technische bzw. administrative Maßnahmen oder Übergangsregelungen. Wo dies nicht zum Ziel eines adäquaten Ausgleichs führt, kann eine finanzielle Kompensation die gebotene Grdl. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 2. Aufl., 1999, S. VII ff., 18ff., 126ff. BVerfGE 134, 242 (292ff.) – Garzweiler I/II. BVerfGE 100, 226 (239ff.) – rheinland-pfälzisches Denkmalschutzgesetz. Vgl. BVerfGE 100, 289 (305) – Altana: Verkehrswert im Sinne einer »vollen« Entschädigung, mit der Begründung, dass der Minderheitsaktionär im Konzerninteresse ausscheiden müsse (S. 303); auf dieser Linie im Konflikt zwischen Netzbetreiber und konkurrierendem Netznutzer Schmidt-Preuß (o. Fußn. 7), 1273; ders. (o. Fußn. 2), S. 39; die Möglichkeit einer auch unter dem Verkehrswert liegenden Entscheidung betonend Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 595; Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, 3. Aufl., 2013, Art. 14 Rn. 132; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 15. Aufl., 2018, Art. 14 Rn. 96. 19 BVerfGE 57, 137 (144ff.) – Pflichtexemplar. 20 BVerfGE 100, 226 (239ff.) – rheinland-pfälzisches Denkmalschutzgesetz.

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Energie und Eigentum

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Balance herstellen und die notwendige Verhältnismäßigkeit bewirken.21 Die Höhe lehnt sich dabei an die Enteignungsentschädigung an.22 Bei der Rechtfertigungsprüfung geht es um die Abwägung zwischen dem Freiheitsrecht – hier dem Eigentumsgrundrecht – einerseits und dem Gemeinwohlgrund, dem die Regelung dient, andererseits. Gerade im Bereich der eigentumsrelevanten Regelungen im Energiesektor ist daher zu fragen, welches öffentliche Interesse hier gegenüber dem Eigentumsgrundrecht auf die Waagschale gebracht werden kann. Dies ist in erster Linie die Energieversorgungssicherheit. Deren überragende Bedeutung hat das BVerfG23 nachdrücklich unterstrichen. Von allen Gemeinwohlzielen hat die Gewährleistung einer stabilen Energieversorgung für private Verbraucher, für Gewerbe und Industrie, die Volkswirtschaft insgesamt sowie die Stabilität der staatlichen Ordnung Priorität. Des Weiteren ist die Etablierung und Festigung des wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs24 als herausragendes Gemeinwohlgut zu nennen. Nicht zuletzt stand es bei der Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte Pate. Auch hat der Wettbewerb als tragendes Element der sozialen Marktwirtschaft (Art. 3 Abs. 3 S. 2 EUV) – verfassungsrechtliches Gewicht.25 Für den Bereich des EEG ist die klimapolitische Zielsetzung – insbesondere die Schonung von fossilen Energieressourcen durch den Einsatz regenerativer Quellen bei der Stromerzeugung – von großer Bedeutung.26 Hier kommt die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG zum Tragen.

4.

Grundrechtsfähigkeit

In der Energiewirtschaft stehen Unternehmen – insbesondere im Strom- und Gassektor – vielfach ganz (Eigengesellschaften) oder teilweise, bisweilen mehrheitlich (gemischt-wirtschaftliche Unternehmen) im Besitz der öffentlichen Hand, wobei dies typischerweise für kommunale Unternehmen gilt. Hier fragt

21 Als letzte Option sieht das BVerfG (E 100, 226 [245] – rheinland-pfälzisches Denkmalschutzgesetz) Regelungen für »Härtefälle« vor. 22 Schmidt-Preuß (o. Fußn. 2), S. 39f.; zur Enteignungsentschädigung II. 3. a). 23 BVerfGE 30, 292 (311) – Erdölbevorratung. 24 Vgl. einfachrechtlich § 1 II EnWG. 25 S. o. II. 1.; z. B. BVerfGE 32, 311 (317) – Steinmetz; der Stellenwert des Eigentums in der sozialen Marktwirtschaft wird exemplarisch deutlich im Katalog des Vertrages zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, dazu Schmidt-Preuß, Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz vor dem Hintergrund des Staatsvertrages zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, DVBl. 1993, 236 (237). 26 Vgl. einfachrechtlich § 1 I EEG 2017.

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Matthias Schmidt-Preuß

sich, ob sie sich auf das Eigentumsgrundrecht berufen können. Das BVerfG27 hat bis heute die Grundrechtsfähigkeit abgelehnt, soweit es sich um Eigengesellschaften oder um Unternehmen handelt, die infolge einer Stimmrechtsmehrheit von der öffentlichen Hand beherrscht werden. Maßgeblich dafür ist insbesondere die Überlegung, dass auf der Seite des Berechtigten und des Verpflichteten nicht dieselbe Person stehen könne (Konfusionstheorie). Dagegen spricht, dass die Unternehmen in vielfältiger Hinsicht von der Rechtsordnung als eigenständige Personen anerkannt werden, eine (objektiv-rechtliche) Ungleichheit mit anderen Unternehmen zu vermeiden ist und dass die Fungibilität der Anteile jederzeit eine Änderung der Beteiligungsverhältnisse bewirken und damit zu einer unsicheren Beurteilungsbasis führen kann.28

III.

Spanungsfelder des Eigentums in ausgewählten Referenzfällen des Energiesektors

Nach den ökologischen und verfassungsrechtlichen Grundlagen ist im Folgenden aufzuzeigen, wie sich das Eigentumsgrundrecht in exemplarischen Brennpunkten des Energiesektors augenfällig Geltung verschafft.

1.

Unbundling

Die Kommission hatte bei der Vorbereitung des 3. Liberalisierungs-Pakets von 2009 als Hauptursache für die nach wie vor als ungenügend angesehene Wettbewerbs- und Verbraucherpreisentwicklung eine noch nicht hinreichende Entflechtung vertikal integrierter Energieversorgungsunternehmen ausgemacht. Als Remedur präferierte sie eine Verschärfung durch ein uneingeschränktes Ownership Unbundling (OU). Das wäre auf eine vollständige Herauslösung des Netzbereichs aus dem Konzernverbund – also ein absolutes Erwerbsverbot bzw. Verkaufsgebot – hinausgelaufen.29 Einerseits ließen sich auf diese Weise sicherlich jegliche Risiken einer wettbewerbswidrigen Orientierung der Netztochter an den Konzerninteressen vermeiden. Andererseits war nicht übersehbar, dass eine solche Regelung ohne jegliche Kompensation mit dem Eigen27 BVerfG, NVwZ 2009, 1282 Rn. 15ff. – Mainova; s. zuvor u. a. BVerfG, JZ 1990, 335 – HEW m. Anm. Kühne. 28 Hierzu Schmidt-Preuß, in: FS Büdenbender, 2018, S. 187ff. sowie ders. (o. Fußn. 9), Einl. C Rn. 30; ders., Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 2005, S. 68f., 717ff.; a. A. Huber, in: von Mangoldt/Klein/Starck/Huber/Voßkuhle (Hrsg.), GG, Bd. 1, 7. Aufl., 2018, Art. 19 Abs. 3 Rn. 276ff., 279ff. 29 Vgl. Baur/Pritzsche/Klauer, Ownership Unbundling, 2006, S. 26ff., 6.

Energie und Eigentum

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tumsgrundrecht in Konflikt geraten könnte. Der Richtlinientext läßt es dann auch zu, dass eine Minderheitsbeteiligung beim Mutterkonzern verbleiben darf. Sie beträgt nach der deutschen Umsetzung in § 8 Abs. 2 S. 1, 2 und 6 EnWG bis zu 25,0 % des (bei der Beschlussfassung vertretenen) stimmberechtigten Kapitals. Insofern wurde nicht ein absolutes, sondern ein moderates Ownership Unbundling verabschiedet. Ferner findet sich in der Strom- bzw. der Gas-Richtlinie30 (Strom/Gas-RL) das Optionsmodell, nach dem – alternativ zum OU – auch zwei weitere Entflechtungsvarianten gewählt werden können. Dies gilt zum einen für die Variante des Independent System Operator (ISO), die – isoliert betrachtet – allerdings gleichfalls eigentumsrechtliche Bedenken aufwarf:31 Hier muss der Netzeigentümer praktisch alle Investitionen finanzieren, die der Unabhängige Systembetreiber anordnet. Als dritte Alternative im Rahmen des Optionsmodells steht der Independent Transport Operator (ITO) zur Verfügung, der auf Drängen von Deutschland und Frankreich und sechs weiteren Mitgliedstaaten in die Richtlinie aufgenommen wurde. In dessen Mittelpunkt steht ein mit beachtlichen Zuständigkeiten ausgestattetes »Aufsichtsorgan«, dessen Mitglieder mehrheitlich von der Eigentümerseite gestellt werden. Ein dichtes Geflecht von regulatorischen Vorkehrungen dient dazu, die Unabhängigkeit des ITO zu gewährleisten. Damit werden Wettbewerbs- und Eigentumsbelangen angemessen austariert, so dass dieses Modell eigentumsgrundrechtlich nicht beanstandet werden kann. Da es als Option den Unternehmen zur Verfügung steht, können eigentumsgrundrechtliche Bedenken auch gegen das OU- bzw. ISO-Modell nicht mit Erfolg erhoben werden.32 Dies gilt sowohl für Art. 17 GR-Charta gegenüber der Strom/Gas-RL als auch für Art. 14 GG hinsichtlich der den Umsetzungsspielraum wahrnehmenden Regelung in § 8 bzw. § 9 EnWG.

2.

Investitionszwang

Im Zentrum der eigentumsbasierten Investitionsfreiheit steht das praktisch überaus relevante Problem des sogenannten Investitionszwangs. Die Strom/GasRL von 2009 adressierte die prekäre Situation, dass die für einen fluktuierenden, wettbewerblichen Handel mit Strom und Gas im europäischen Energiemarkt unverzichtbaren Investitionen in die notwendigen Netze ausbleibt. Für diesen Fall sieht Art 22 Abs. 1 lit. a-c Strom/Gas-RL eine dreistufige Regelung vor. Auf der ersten Ebene kann der säumige Netzbetreiber von der Regulierungsbehörde 30 Richtlinie 2009/72/EG, ABl. L (vom 14. 8. 2009), S. 55 (Strom) sowie Richtlinie 2009/73/EG, ABl. L (vom 14. 8. 2009), S. 94 (im Folgenden: Strom-RL bzw. Gas-RL). 31 Schmidt-Preuß, OU-ISO-ITO: Die Unbundling-Optionen des 3. EU-Liberalisierungspakets, et 9/2009, 82 (84). 32 Schmidt-Preuß (o. Fußn. 9), Einl. C Rn. 39.

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formell aufgefordert werden, die im sogenannten Netzentwicklungsplan (§ 12b EnWG) – der am Ende in das normativ verpflichtende Bundesbedarfsplan-Gesetz mündet (§ 12e EnWG) – vorgesehene Investition zu tätigen (§ 65 Abs. 2a EnWG). Hat dies keinen Erfolg, kann auf einer zweiten Stufe eine Ausschreibung der Investition erfolgen (§ 65 Abs. 2a S. 2 EnWG). Art 22 Abs. 1 lit. c der Strom/ Gas-RL sieht als last resort eine Kapitalerhöhung vor, die einen investitionsbereiten Dritten begünstigt. Letztere Maßnahme führt zu einem staatlich erzwungenen Eintritt eines Dritten in den Eigentümerkreis des Netzbetreibers. Damit käme es zu einer Zwangskapitalerhöhung und somit zu einem massiven Eingriff zu Lasten der Anteilseigner der Gesellschaft. Maßnahmen der Kapitalerhöhung sind das Herzstück der eigentumsgrundrechtlichen Investitions- und Finanzierungsfreiheit.33 Wird den Gesellschaftern (im Falle einer Umsetzung) ein Anteilseigner von außen aufgezwungen, wird das Bezugsrecht des Gesellschafters beseitigt, das zu den eminenten Mitgliedschaftsrechten gehört und damit eigentumsgrundrechtlich geschützt ist. Die staatliche Anordnung einer Erweiterung des Gesellschafterkreises mit Bezugsrechtsausschluss wird in die Eigentumsrechte der Gesellschafter so massiv eingegriffen, dass von Verhältnismäßigkeit nicht mehr gesprochen werden kann.34 Damit verstößt diese richtlinienrechtliche Regelung gegen das Eigentumsgrundrecht des Art. 17 GrCh.35 Es überrascht nicht, dass der deutsche EnWG-Gesetzgeber von der Umsetzung dieser Alternative – also der Einführung einer Zwangskapitalerhöhung – ostentativ Abstand genommen hat (§ 65 Abs. 2a S. 1 und 2 EnWG). Dies ist kein Umsetzungsdefizit, da der mitgliedstaatliche Gesetzgeber über ein explizites Wahlrecht verfügt. Zugleich nimmt er das unionsgrundrechtliche Eigentum ernst und vermeidet einen Konflikt mit Art. 14 GG.

3.

Redispatch

Eine weitere Kategorie von eigentumsrelevanten Regelungen im Energiesektor stellt der Redispatch – das Gesetz spricht von der Anpassung von Wirkleistungsbzw. Blindleistungseinspeisung oder des Wirkleistungsbezugs – gemäß § 13a 33 Schmidt-Preuß, OU-ISO-ITO: Die Unbundling-Optionen des 3. EU-Liberalisierungspakets, et 9/2009, 82 (87); s. auch oben II. 2. 34 Richtlinie 2009/72/EG, ABl. L (vom 14. 8. 2009), S. 55. 35 Schmidt-Preuß, Planung und Durchsetzung von Investitionen, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß (Hrsg.), Regulierung in der Energiewirtschaft, 2. Aufl., 2016, Kap 106 Rn. 17; ders., et 9/2009, 82 (87); ebenso Gärditz/Rubel, Die regulierungsbehördliche Sanktionierung ausbleibender Netzinvestitionen im Rahmen des dritten Legislativpakets zur Liberalisierung der Energiebinnenmärkte, N& R 2010, 194 (201).

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EnWG dar. Danach kann der Übertragungsnetzbetreiber ein Kraftwerk vor dem Engpass auffordern, die Einspeisung zu drosseln, um die Netzüberlastung und damit einen Blackout zu verhindern, und gleichzeitig einem Kraftwerk dahinter die Erhöhung der Stromeinspeisung auferlegen.36 Beispielhaft ist die Situation des Stromtransports vom Norden Deutschlands, insbesondere im windreichen und damit netzbeanspruchenden Winter, in den Süden. Angesichts des abstraktgenerellen Charakters der Vorschrift bzw. mangels einer Güterbeschaffung handelt es sich um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung. Diese muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen. Das zur Reduzierung der Stromeinspeisung gezwungene Kraftwerk kann das Produktionspotenzial nicht einer anderweitigen Nutzung zuführen, was einen entsprechenden Ausgleich erfordert. Dafür sieht § 13a Abs. 2 S. 2 EnWG n. F. einen Katalog von Bestandteilen einer »angemessenen Vergütung« vor. Danach besteht sie aus (1.) den Erzeugungsauslagen, (2.) dem anteiligen Werteverbrauch, (3.) den entgangenen Erlösen (sofern sie die beiden vorgenannten Werte übersteigen) und (4.) den Auslagen für die Herstellung der Betriebsbereitschaft. Die Aufnahme der entgangenen Erlösmöglichkeiten ist die Reaktion auf den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 28. 4. 2015,37 das bei der früheren Regelung den Verzicht auf die Opportunitätskosten gerügt hatte. Das verdient Zustimmung. Die Pflicht zur Teilnahme am Redispatch macht es den Kraftwerken unmöglich, Gewinne – z. B. am Intraday-Markt – zu erwirtschaften. Dieser unübersehbare Nachteil ist im Sinne der betriebswirtschaftlichen Kalkulationsregel als entgangene Opportunität auszugleichen. In der Sache hat das OLG Düsseldorf damit dem Eigentumsgrundrecht Rechnung getragen, weil ohne die Zuerkennung von Opportunitätskosten die Substanzerhaltung signifikant gefährdet wäre. Wird der gewinnbringende Einsatz von Kapazitäten gesetzlich ausgeschlossen, verlangt das Eigentumsgrundrecht einen verhältnismäßigen Ausgleich, also den Ersatz dessen, was eine anderweitige Verwendung erbracht hätte.38

36 Schmidt-Preuß, Energierecht heute, RdE-Sonderheft Oktober 2017, 3 (6). 37 OLG Düsseldorf, VI-3 Kart 332/12 (V) Rn. 166ff. – Redispatch; dazu Schmidt-Preuß, Das Stilllegungsverbot gem. § 13a EnWG, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß (Hrsg.), Regulierung in der Energiewirtschaft, 2. Aufl., 2016, Kap. 107 Rn. 38. 38 Schmidt-Preuß (o. Fußn. 9), Einl. C Rn. 121; s. auch Burgi, Regulierung, Investitionsfreiheit und technischer Fortschritt, in: Schmidt-Preuß/Körber (Hrsg.), Regulierung und Gemeinwohl, 2016, S. 143 (146); ohne Bezug auf Art. 14 GG, aber mit demselben Ergebnis Ruttloff, Redispatch und »angemessene Vergütung« – Präjudizien für den Strommarkt 2.0?, NVwZ 2015, 1086 (1088).

20 4.

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Stilllegungsverbot

Des Weiteren hat das sog. Stilllegungsverbot nach § 13b EnWG immense Bedeutung im Kontext des Eigentumsgrundrechts. Hintergrund ist die Tatsache, dass infolge der Förderung von Strom aus regenerativen Quellen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) das Angebot auf dem Stromgroßhandelsmarkt spürbar steigt und – ceteris paribus – der Preis sinkt. Dies führt nicht nur – paradoxerweise – zur Erhöhung des Förderbedarfs. Vielmehr mindert sich auch die Profitabilität von Kraftwerken, die ihre Kosten nicht mehr decken können. Ökonomischer Vernunft entspricht es in einem solchen Fall, die Produktlinie bzw. den Betrieb einzustellen.39 Genau dies aber verbietet § 13b EnWG. Damit ist die – wie oben (II. 1.) ausgeführt – durch Art. 14 GG geschützte negative Investitionsfreiheit berührt. § 13b EnWG verpflichtet Stromproduzenten mit einer Nennleistung ab 10 MW, vorläufige oder endgültige Stilllegungen ihrer Anlagen dem (systemverantwortlichen) Übertragungsnetzbetreiber mindestens 12 Monate vorher anzuzeigen. Stilllegungen ohne Anzeige und vor Ablauf eines Jahres nach einer solchen sind – bei technisch und rechtlich möglichem Weiterbetrieb – verboten (§ 13b Abs. 1 S. 2 EnWG). Der Übertragungsnetzbetreiber prüft nach der Anzeige, ob die Anlage systemrelevant – also für die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit unverzichtbar – ist. Vorläufige Stilllegungen sind nach Ablauf der Jahresfrist in diesem Fall bei entsprechender Ausweisung durch den systemverantwortlichen relevanten Übertragungsnetzbetreiber verboten. Die Betriebsbereitschaft muss vorgehalten oder wiederhergestellt werden. Endgültige Stilllegungen sind – auch nach einem Jahr – verboten, wenn sie gleichfalls als systemrelevant ausgewiesen sind, die Ausweisung von der BNetzA genehmigt und der Weiterbetrieb technisch sowie rechtlich möglich ist. Die Anlage muss in dieser Zeit in einem Zustand erhalten werden, der eine Anforderung zur weiteren Vorhaltung oder Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft ermöglicht, sowie bei Anforderung durch einen Übertragungsnetzbetreiber die Betriebsbereitschaft weiter vorhalten oder wiederherstellen, soweit dies technisch und rechtlich möglich ist. Der hierin liegende Eingriff in die (negative) Investitionsfreiheit ist als Inhalts- und Schrankenbestimmung zu qualifizieren (II. 1.) und bedarf eines verhältnismäßigen Ausgleichs. Dieser muss die Kosten der Erhaltung der Betriebsbereitschaft bzw. des Wiederhochfahrens der Anlage ebenso erfassen wie die Opportunitätskosten. Für den Fall der vorläufigen (§ 13c Abs. 1 und 2 EnWG) und der endgültigen (§ 13c Abs. 3 EnWG) Stilllegung werden entsprechende Vergütungssätze bestimmt. Insoweit verlangt das Eigentumsgrundrecht eine verhältnismäßige Entschädigung. Sie muss nach den bereits genannten betriebswirtschaftlichen Kalkulationsregeln 39 Vgl. hierzu und zum Folgenden Schmidt-Preuß (o. Fußn. 37), Kap. 107 Rn. 6.

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(II. 3.) dem Kraftwerk das ersetzen, was ihm an Opportunitäten dadurch entgangen ist, dass es wegen des Stilllegungsverbots auf konkurrierende gewinnbringende Verwendungen verzichten muss. Dabei kommt es auf eine Gesamtbetrachtung an. Nicht überzeugend ist es daher, im Falle der endgültigen Stilllegung den Ersatz von Opportunitätskosten mit der Erwägung zu verweigern, dass es in diesem Falle keinen entgangenen Gewinn gebe.40 Zu Recht hat der Gesetzgeber daher in § 13c Abs. 3 S. 1 Nr. 4 EnWG expressis verbis Opportunitätskosten als Teil der angemessenen Vergütung normiert und damit dem Eigentumsgrundrecht entsprochen.41

5.

Pflichten, Verantwortung, Aufgaben

Betreiber von Energieversorgungsnetzen sind gem. § 11 Abs. 1 S. 1 EnWG verpflichtet, ein »sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz diskriminierungsfrei zu betreiben, zu warten und bedarfsgerecht zu optimieren, zu verstärken und auszubauen, soweit es wirtschaftlich zumutbar ist.« Damit ist ein einschneidendes Pflichtenprogramm42 formuliert, das die Eigentumsgarantie auf den Plan ruft. Allerdings kommt die – für die Rechtfertigung entscheidende – Weichenstellung am Ende der Vorschrift in dem wichtigen Vorbehalt der wirtschaftlichen Zumutbarkeit43 zum Ausdruck. Damit ist ein Korrektiv normiert, das eine Substanzerhaltung gewährleistet und damit dem Eigentumsgrundrecht Genüge tut. Bei der Zumutbarkeitsabschätzung schlägt auch zu Buche, dass die Netzbetreiber von den Konkurrenten als Gegenleistung für die Inanspruchnahme der Infrastruktur Netznutzungsentgelte erheben können.44

40 So Möstl (o. Fußn. 10), 247; krit. dagegen Burgi, Regulierung, Investitionsfreiheit und technischer Fortschritt, in: Schmidt-Preuß/Körber (Hrsg.), Regulierung und Gemeinwohl, 2016, S. 143 (166); ebenso Ruttloff (o. Fußn. 38), 1087. 41 Schmidt-Preuß (o. Fußn. 37), Kap. 107 Rn. 33. 42 Ruthig, Grundsatz der Sicherheitsvorsorge, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß (Hrsg.), Regulierung in der Energiewirtschaft, 2. Aufl., 2016, Kap. 97 Rn. 34ff. 43 Dazu Schmidt-Preuß (o. Fußn. 9), Einl. C Rn. 111; Riemer, Investitionspflichten der Betreiber von Elektrizitätsübertragungsnetzen, 2017, S. 141ff. 44 Vgl. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 521 für den Fall einer »Durchleitung«.

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6.

Entgeltregulierung

a)

Grundsätzliches

aa) Die Entgeltregulierung ist in der Energiewirtschaft von besonderer Bedeutung, wo Netze als nicht duplizierbare Transportmittel dienen, also bei Strom und (weitgehend) bei Gas. Dabei handelt es sich um ein natürliches Monopol, weil ein einziger Anbieter zu geringeren volkswirtschaftlichen Kosten tätig sein kann, als es mehreren möglich ist (Kriterium der subadditiven Kosten). Hier liegt die Gefahr auf der Hand, dass sich der Netzeigentümer am Cournot’schen Punkt (auf den das Lot vom Schnittpunkt von Grenzerlös- und Grenzkostenkurve auf die Preis-Absatzkurve trifft)45 vom »süßen Gift des Monopols« verführen lässt. Das rechtfertigt die sogenannte »bottle-neck-Regulierung«. Deren »scharfe Zähne« greifen in die Nutzungs- und Verfügungsfreiheit und damit in die – sogleich näher aufzugreifende – Entgeltfreiheit des Eigentümers ein. Art. 14 GG fordert hier, dass die Substanz des Netzbetreibers intakt bleibt. Dies wäre nicht mehr der Fall, wenn er seine Gemeinwohlaufgabe als neutraler Infrastrukturanbieter nicht mehr erfüllen kann (»staatliche Erfüllbarkeitsgarantie«).46 Aus Gründen der Eigentumsfreiheit müssen die Netznutzungsentgelte daher so festgelegt werden, dass sie es dem Netzbetreiber ermöglichen, sich aus eigener Kraft am Markt zu behaupten. Allerdings honoriert Art. 14 GG nicht betriebswirtschaftliche Ineffizienz.47 Damit ist die eigentumsrechtliche Substanzgarantie zentraler Eckwert für die Entgeltregulierung. bb) Weiterhin ist zu betonen, dass der Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts auch die Freiheit der Preisfestsetzung enthält, die Entgeltregulierung sich also an Art. 14 GG messen lassen muss.48 Zur Nutzungs- und Verfügungsfreiheit gehört die autonome Preisbestimmung, also auch die Entscheidung über die vom Konkurrenten zu zahlenden Netznutzungsentgelte. Wegen des Sachzusammenhangs der Entgeltregulierung mit der Substanzerhaltung liegt der verfassungsrechtliche Fokus auf dem Eigentumsgrundrecht. Mit der hinzutretenden Berufsfreiheit gem. Art. 12 GG besteht Idealkonkurrenz.49 cc) Als Eingriffsart ist die Entgeltregulierung als Inhalts- und Schrankenbe-

45 Varian, Intermediate Microeconomics, 9th ed., 2014, S. 466; s. dazu Schmidt-Preuß, Regulierung – Reflexion aus Anlass der Liberalisierung im Strom- und Gassektor, in: FS R. Schmidt, 2006, S. 547 (550). 46 Schmidt-Preuß (o. Fußn. 2), S. 45f. 47 Schmidt-Preuß (o. Fußn. 2), S. 58. 48 Ibid. S. 25; ebenso Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 521; ders., Verfassungsfragen der Durchleitung, in: FS Baur, 2002, S. 209 (216); Depenheuer/Froese, in: von Mangoldt/ Klein/Starck/Huber/Voßkuhle (Hrsg.), GG, 7. Aufl., 2018, Art. 14 Rn. 368. 49 Schmidt-Preuß (o. Fußn. 9), Einl. C Rn. 24.

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stimmung einzuordnen.50 Es handelt sich um eine abstrakt-generelle, die Netznutzungsentgelte breitflächig, strukturell und anonym ausgestaltende Normierung. Dasselbe Ergebnis folgt aus dem Kriterium der Güterbeschaffung, weil es nicht um den Zugriff auf ein physisches Gut zur Verwendung für eine Gemeinwohlaufgabe geht (II. 3. a)). dd) Kontrovers diskutiert wird, welche Maßstäbe für die Festsetzung von Netznutzungsentgelten dem Eigentumsgrundrecht zu entnehmen sind. Insoweit wird versucht, das zulässige Entgeltniveau unter Berücksichtigung von Anreizen für eine effiziente Leistungserbringung und einer angemessenen, wettbewerbsfähigen und risikoangepassten Verzinsung des eigesetzten Kapitals (§ 21 Abs. 2 S. 1 EnWG) mit Hilfe betriebswirtschaftlicher Methoden im Vergleichswege zu ermitteln. Hiergegen hat Papier kritisch angewandt, dass mit der Ableitung von Kostenpositionen das Eigentumsgrundrecht letztlich überfordert würde.51 Damit stellt sich die gewichtige Frage nach Möglichkeiten und Grenzen eigentumsgrundrechtlicher Maßstabsgebung im Bereich der Entgeltregulierung. Auch wenn Art. 14 GG in der Tat nicht unmittelbar Kosten und Renditen zu entnehmen sind, erscheint es am Ende unverzichtbar, konkretisierende Eckpunkte mit betriebswirtschaftlichen Hilfsmitteln zu bestimmen, um die Grenze der eigentumsgrundrechtlichen Angemessenheit in diesem intrikaten Bereich interdisziplinär52 operationalisierbar zu machen.

b)

Der Effizienzmaßstab in der Anreizregulierung

Die Transport- und Verteilernetzbetreiber dürfen die Entgelte für die Nutzung ihrer Netze durch Lieferanten nicht frei festsetzen. Vielmehr müssen diese Netznutzungsentgelte von der BNetzA fixiert werden, wobei 2009 an die Stelle der Einzelgenehmigung die sog. Anreizregulierung auf Grund einer entsprechenden Verordnung (ARegV) getreten ist. Danach setzt die BNetzA eine je individuelle Erlösobergrenze für jedes Jahr der fünfjährigen Regulierungsperiode fest. Die ARegV führt zur Entkoppelung von Erlösen und Kosten, um dem Netzbetreiber ein Inzentiv zu bieten, effizienter zu werden und Kosten zu re50 Schmidt-Preuß (o. Fußn. 9), Einl. C Rn. 68; ders. (o. Fußn. 2), S. 29; übereinstimmend Papier (o. Fußn. 48), S. 212f.; gleichfalls Depenheuer/Froese, in: von Mangoldt/Klein/Starck/Huber/ Voßkuhle (Hrsg.), GG, 7. Aufl., 2018, Art. 14 Rn. 368; s. auch Hardach, Die Anreizregulierung der Energieversorgungsnetze, 2010, S. 123f.; Grün, Kosten in der Entgeltregulierung von Stromnetzen, 2018, S. 88f. 51 Papier, Die Regelung von Durchleitungsrechten, 1997, S. 50, in Auseinandersetzung mit Schmidt-Preuß, Verfassungskonflikt um die Durchleitung?, RdE 1996, 1 (4ff.); ders. (o. Fußn. 9), 7ff.; dazu wiederum Schmidt-Preuß (o. Fußn. 2), S. 61. 52 Schmidt-Preuß, Das Regulierungsrecht als interdisziplinäre Disziplin am Beispiel des Energierechts, in: FS Kühne, 2009, S. 329 (331ff.).

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duzieren.53 § 21 Abs. 2 S. 1 EnWG spricht davon, dass die Entgelte einem Vergleich mit effizienten, gleichartigen Unternehmen standhalten müssen. Hierfür hat die ARegV in einer mathematischen Formel eine Quantifizierung vorgenommen, die alle Netzbetreiber aufgrund statistischer Vergleiche (Stochastic Frontier Analysis [SFA] bzw. Data Envelopment Analysis [DEA]) gem. § 7 ARegV mit Anlage 3 hinter dem »Frontier«-Unternehmen einordnet mit der Folge, dass der jeweilige Effizienz-Rückstand innerhalb von fünf Jahren aufgeholt werden muss. Bleibt der Netzbetreiber mit seinen Kosten unterhalb dieses Erlös-Obergrenzen-Pfades, darf er die Differenz als Gewinn vereinnahmen. Typischerweise kann dieses Reglement – auch aufgrund seiner eingebauten Milderungen wie z. B. das Best-of-Four-Prinzip54 – vom jeweiligen Netzbetreiber bewältigt werden. Dem Erfordernis des § 21a Abs. 5 S. 4 EnWG, dass die Effizienzanforderungen der ARegV vom Netzbetreiber mit möglichen und zumutbaren Anstrengungen eingehalten oder übertroffen werden können,55 wird entsprochen. Damit wird das eigentumsgrundrechtliche Anforderungsprofil wiedergespiegelt und die Substanzerhaltung nach Art. 14 GG gewahrt. c)

Das Verbot der Abschreibungen unter Null

Das nächste Referenzbeispiel betrifft das sog. Verbot der Abschreibung unter Null gem. § 6 Abs. 6 S. 1 und 2, Abs. 7 der Strom- bzw. der Gasnetzentgeltverordnung (Strom/GasNEV). Hierunter versteht man, dass der Netzkäufer bei der Ermittlung der Netzentgelte Abschreibungen dann nicht geltend machen darf, wenn das Netz bereits in einem früheren Stadium vom Verkäufer ganz oder teilweise abgeschrieben worden ist. Insofern ist das Abschreibungsvolumen, »verbraucht« und lebt nicht wieder auf.56 Dies gilt ausdrücklich auch im Fall des Eigentümerwechsels. Ein – vereinfachendes – Beispiel: Der Verteilernetzbetreiber (VNB) X kaufte im Jahr 1995 als Ersterwerber ein Strom-Netz, das 2018 von dem VNB Y im Wege des Zweiterwerbs für 100.000 Euro übernommen wurde. Die bis 2018 nach den einschlägigen Vorschriften angefallenen Abschreibungen belassen einen Restwert von 20.000 Euro. Dann kann Y nur diesen Betrag als Ausschreibungsbasis zugrunde legen, nicht dagegen seine Anschaffungskosten von 100.000 Euro. Das ggf. erwartete weitere Abschreibungsvolumen von 80.000 Euro »verfällt« wegen des Verbots von Abschreibungen unter Null. Dieses Verbot wurde in § 6 Abs. 6 S. 1 und 2, Abs. 7 Strom/GasNEV eingeführt, um zu 53 Vgl. Ludwigs, Unternehmensbezogene Effizienzanforderungen, 2013, S. 196f. 54 Hierzu Weyer, Beeinflussbare, vorübergehend nicht beeinflussbare, volatile Kostenanteile; Effizienzvergleich; Effizienzvorgaben, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß (Hrsg.), Regulierung in der Energiewirtschaft, 2. Aufl., 2016, Kap. 83 Rn. 41ff. 55 Hardach (o. Fußn. 50), S. 243ff. 56 Vgl. Grün (o. Fußn. 50), S. 289ff.

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verhindern, dass es zu Doppel- oder Mehrfachabschreibungen und damit zu überhöhten Netznutzungsentgelten zu Lasten des Konkurrenten sowie – nach Weiterwälzung – zur entsprechenden Erhöhung des Strompreises für die Verbraucher kommt.57 Bei Netzkäufen nach 2005 hat der Erwerber allerdings hiervon Kenntnis und kann sich darauf einstellen. Auch werden sich Konsequenzen in Gestalt eines niedrigeren Kaufpreises einstellen.58 Allerdings gilt das Verbot der Abschreibung unter Null auch dann, wenn der Netzkauf vor Inkrafttreten des § 6 Abs. 6 S. 1 und 2, Abs. 7 Strom/GasNEV erfolgt ist und der Käufer hiervon noch keine Kenntnis von der Verschlechterung des Abschreibungsvolumens haben konnte. Hier stellt sich die Frage, ob diese (unecht) rückwirkende Schlechterstellung mit Art. 14 GG konform ist. In der Abwägung schlagen auf der einen Seite Wettbewerb und Preisgünstigkeit bei der Stromversorgung als verfassungsrechtlich legitime Ziele von beträchtlichem Gewicht zu Buche. Sie entsprechen den Postulaten der sozialen Marktwirtschaft gem. Art. 3 Abs. 3 S. 2 EUV (II. 2.). Dem stehen die Eigentumsinteressen einschließlich des Vertrauensschutzes der Netzkäufer entgegen. Sie können geltend machen, dass sie im Vertrauen auf die fortbestehende Rechtslage den Kauf vorgenommen hätten und bei einem nunmehr reduzierten Abschreibungsvolumen die Refinanzierung ihrer Investition misslänge. Im Schrifttum59 ist den Belangen des Wettbewerbs und der Preisgünstigkeit Vorrang eingeräumt worden. Das gelte insbesondere soweit ein den Sachzeitwert übersteigernder Kaufpreis gezahlt worden sei.60 Damit erweist sich das Verbot der Abschreibung unter Null gem. § 6 Abs. 6 S. 1 und 2, Abs. 7 Strom/GasNEV als verfassungsgemäß. d)

Eigenkapitalverzinsung

Zu den anerkannten Kostenarten im Rahmen der Entgeltregulierung im Stromund Gassektor gehören nicht zuletzt die Eigenkapitalzinsen, die praktisch den Gewinn des Netzbetreibers repräsentieren und seine Rendite darstellen. Art. 14 GG verlangt eine Eigenkapitalverzinsung, die attraktiv genug ist, um den Investor am Kapitalmarkt zu veranlassen, dem Netzbetreiber das Eigenkapital zur Verfügung zu stellen, das dieser zur Realisierung seiner kostspieligen Infrastrukturaufgaben benötigt.61 Andernfalls wäre die Substanz des Unternehmens Sachse, Vom Monopolpreis zur wirtschaftlich angemessenen Vergütung, 2013, S. 144f. S. hierzu auch Grün (o. Fußn. 50), S. 265. Grün (o. Fußn. 50), S. 262ff.; s. auf einfach-gesetzlicher Ebene S. 252ff. Im Ergebnis ebenso BGH, RdE 2008, 341 (342f.) Rn. 52f., der allerdings den Schutzbereich des Art. 14 GG nicht eröffnet sah, jedoch eine Ausnahme für den Fall des Erwerbs vollständig abgeschriebener Netze bei gleichzeitiger Unmöglichkeit der Verzinsung des eingesetzten Kapitals. 61 Schmidt-Preuß (o. Fußn. 2), S. 55ff., 64ff.; s. dazu u. a. Ludwigs (o. Fußn. 53), S. 226ff.;

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gefährdet oder beseitigt.62 Damit kommt es entscheidend auf eine Eigenkapitalverzinsung an, die es einem effizienten Netzbetreiber erlaubt, sich aus eigener Kraft am Markt zu behaupten (V.1). Für deren Festlegung durch die BNetzA sieht § 7 Abs. 4 und 5 Strom/GasNEV einen Katalog sachgerechter Kriterien vor. Zur Konkretisierung dieser ökonomischen Merkmale bietet sich das in Theorie und Praxis weltweit anerkannte Capital Asset Pricing Model (CAPM) an. Danach erfolgt die empirisch gewonnene Bestimmung einer Rendite anhand der Formel: risikoloser Basiszinssatz plus Wagniszuschlag, wobei sich dieser wiederum aus dem Produkt von Marktrisikoprämie und Beta-Faktor errechnet.63 Mit diesem auf empirischen Daten beruhenden Ansatz wird ein angemessener, wettbewerbsfähiger und risikoadäquater Eigenkapitalzinssatz berechnet. Den Anforderungen des § 21 Abs. 2 S. 1 EnWG ist damit entsprochen. Da dem Netzbetreiber eine Rendite zuerkannt wird, die sich an einem Vergleich mit einem Index sowie einer individuellen Effizienzgröße orientiert, ist damit auch die Verhältnismäßigkeit im Rahmen des Eigentumsgrundrechts genügt. Das OLG Düsseldorf64 hat in seiner Entscheidung vom 22. 3. 2018 die Festlegung des Eigenkapitalzinssatzes für die dritte Regulierungsperiode durch die BNetzA aufgehoben. Dabei hat es eine zu geringe Marktrisikoprämie gerügt, die den außergewöhnlichen Umständen auf den Kapitalmärkten nicht Rechnung trage. Dies beruhe auf der Zugrundelegung allein historischer Daten durch die BNetzA, die allgemein durchaus zutreffe, außergewöhnlichen Situationen aber nicht Rechnung trage. Genau eine solche exzeptionelle Lage stelle aber der durch die Finanz- und Schuldenkrise ausgelöste »Strukturbruch« dar, der das heutige Marktumfeld und die Investorenerwartungen ganz erheblich beeinflusst habe. Gehe man – wie die BNetzA – von langfristigen historischen Daten (/ la Dimson, Marsh & Staunton) aus, hätten die »krisenhaften Ereignisse« mit der Folge eines historisch niedrigen Zinsniveaus berücksichtigt und in eine Plausibilitätsbetrachtung einbezogenen werden müssen. Insoweit verweist der Senat auf die Politik der USNotenbank und der EZB, durch abgesenkte Leitzinsen und Ankäufe von Wertpapieren für Liquidität zu sorgen. Da die Marktrisikoprämie das »Überrisiko« Schneider, Regulierungsrecht der Netzwirtschaften I, 2013, S. 703, der die Substanzerhaltung auch für den österreichischen Rechtskreis befürwortet. 62 Schmidt-Preuß (o. Fußn. 2), S. 51; diese Grenze anerkennend Papier (o. Fußn. 48), S. 209 (221); ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 521. 63 Dazu Maltry, Betriebswirtschaftliche Grundlagen der kostenbasierten Entgeltregulierung, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß (Hrsg.), Regulierung in der Energiewirtschaft, 2. Aufl., 2016, Kap. 76 Rn. 41ff.; Wöhe/Döring/Brösel, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 26. Aufl., 2016, S. 621b ff.; im regulierungsrechtlichen Kontext Schmidt-Preuß (o. Fußn. 2), S. 68f.; Werkmeister, Die Kapitalverzinsung im Rahmen der Entgeltregulierung gemäß § 31 TKG , 2011, S. 65ff., 166ff. 64 OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22. 3. 2018 – VI-3 Kart 319/16 (V), RdE 2018, 264 (271ff.); dazu Grün (o. Fußn. 50), S. 421ff.

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im Hinblick auf den risikolosen Basiszinssatz abbildet, würde der Verzicht auf eine Berücksichtigung der »Verwerfungen« auf den Finanz- und Kapitalmärkten das Zinsdifferenzial und damit die Marktrisikoprämie unterschätzen, also am Ende zu einem zu geringen Eigenkapitalzinssatz führen. Damit könnte – dem interdisziplinären Charakter des Energieregulierungsrechts entsprechend – am Ende die betriebswirtschaftliche Würdigung den Ausschlag geben. Entscheidend wird sein, ob der nunmehr angerufene BGH die Eingrenzung des Einschätzungsspielraums der BNetzA durch das OLG Düsseldorf bestätigt.

7.

EEG 2017 und Eigentum

Im Folgenden ist zu fragen, welche Probleme sich im Verhältnis von EEG und Art. 14 GG stellen. a)

Abnahme- und Transportpflicht der Netzbetreiber

Im dezentral strukturierten Stromversorgungssystem der Energiewende trifft den Netzbetreiber die Pflicht, den aus regenerativen Quellen erzeugten Strom unverzüglich und vorrangig physikalisch abzunehmen, zu übertragen und zu verteilen (§ 11 Abs. 1 EEG 2017). Damit ist die negative Investitionsfreiheit betroffen. Dieser gesetzliche Eingriff in das Eigentumsgrundrecht (II. 1.) findet seine Rechtfertigung darin, dass die Zielsetzung, die Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen zugunsten regenerativer Energien zurückzuführen, legitim ist. Ferner ist die – als Inhalts- und Schrankenbestimmung zu würdigende – Vorschrift im Lichte des Verhältnismäßigkeitsprinzips anzuwenden. Dabei schlägt zu Buche, dass die Kosten der Netzbetreiber in den Netzentgelten berücksichtigt werden können. b)

Zahlungspflicht der Netzbetreiber

Darüber hinaus steht den Anlagenbetreibern ein Anspruch auf Zahlung der Marktprämie gegenüber dem Netzbetreiber zu (§§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 20 EEG 2017). Deren Höhe ergibt sich, wenn man vom sog. anzulegenden Wert65 – der sich bei Neuanlagen aus dem eigenen Gebot, ansonsten aus dem Gesetz ergibt – den im Rahmen der Direktvermarktung erzielten Erlös des Anlagenbetreibers abzieht. In dieser Zahlungspflicht liegt ein Eingriff in das Eigentumsgrundrecht. Der Anspruch auf die Marktprämie ergibt sich aus einem privatrechtlichen Vertrag zwischen Netzbetreiber und Anlagenbetreiber. Als vermögenswertes Recht ist er 65 Dazu Salje, EEG 2017, 2018, § 40 Rn. 1.

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durch das Eigentumsgrundrecht geschützt. Da dieses zivilrechtliche Vertragsverhältnis vom Staat veranlasst und durch § 20 EEG 2017 fundiert ist, liegt ein Eingriff vor.66 Dieser Eingriff ist eigentumsgrundrechtlich aber nicht zu beanstanden, weil der (Verteiler-)Netzbetreiber das Fördergeld vom vorgelagerten Übertragungsnetzbetreiber erstattet erhält. In diesem Sinne werden die Zahlungslasten hochgewälzt. Dort findet ein Horizontalausgleich zwischen den Übertragungsnetzbetreibern statt. Diese haben das Recht, von den – Letztverbraucher versorgenden – Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) pro rata die Kosten ersetzt zu verlangen. Die EVU wiederum werden bestrebt sein, diese Belastung als EEG-Umlage an die Endkunden weiterzugeben (§§ 56, 58, 60 EEG 2017).67 Rechtlich ist diese Zahlungspflicht der Endverbraucher nicht bindend vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen. Insgesamt bietet das Refinanzierungssystem des EEG 2017 den zunächst belasteten Netzbetreibern einen umlagefinanzierten Ausgleich, so dass eigentumsgrundrechtliche Bedenken nicht bestehen. c)

Netzausbaupflicht der Netzbetreiber im EEG 2017

Nach § 12 EEG 2017 sind die Netzbetreiber verpflichtet, auf Verlangen der Einspeisewilligen unverzüglich ihre Netze zu optimieren, zu verstärken und auszubauen.68 Damit wird in das Eigentumsgrundrecht – das nach den obigen Ausführungen auch die negative Investitionsfreiheit schützt (II. 2.) – eingegriffen. § 12 Abs. 3 EEG 2017 konditioniert diese Pflichten jedoch dahin, dass dies dem Netzbetreiber nicht abverlangt werden kann, wenn dem die wirtschaftliche Unzumutbarkeit entgegenstünde. Mit dieser Zumutbarkeitsklausel69 hat der Gesetzgeber dem verfassungsrechtlichen Maßstab der Verhältnismäßigkeit Ausdruck verliehen, der auch in der Abwägung im Rahmen der Angemessenheitsprüfung des Art. 14 GG gilt (II. 1.). Da der Netzbetreiber die Kosten der Optimierung, Verstärkung und des Ausbaus des Netzes in den Netzentgelten weitergeben darf, ist die Netzausbaupflicht verhältnismäßig und damit eigentumsgrundrechtlich nicht zu beanstanden.70

66 Da es aber an einer administrativ-institutionellen Inkorporierung in den staatlichen Bereich fehlt, liegt kein Beihilfetatbestand vor, vgl. Schmidt-Preuß, Das EuG-Urteil zum EEG 2012: Kein Hemmnis für die Energiewende, EurUP, 2016, 251 (252ff.). 67 Salje, EEG 2017, 2018, § 57 Rn. 1 ff. 68 Vgl. hierzu Salje, EEG 2017, 2018, § 12 Rn. 2 ff. 69 Diese gilt auch für die Anschlusspflicht gem. § 8 I, IV EEG 2017. 70 Schmidt-Preuß (o. Fußn. 9), Einl. C Rn. 118; Strobel, Die Investitionsplanungs- und Investitionspflichten der Übertragungsnetzbetreiber, 2017, S. 214ff.; Salje, EEG 2017, 2018, § 12 Rn. 12ff.

Energie und Eigentum

d)

29

Festvergütung und Marktprämie

Die frühere und seit 2014 nur noch in geringem Umfang bestehende Festvergütung garantiert dem Betreiber von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus regenerativen Quellen für 20 Jahre einen festen Betrag. Entsprechendes gilt im Falle der Marktprämie. Hier ließe sich die Frage stellen, ob der Gesetzgeber diesen Anspruch während der 20 Jahre zu Lasten der Bestandsanlagen verkürzen oder beseitigen darf. Der Zahlungsanspruch ist zwar in § 19 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EEG 2017 gewährleistet. Ausgeprägt wird er aber in einem privatrechtlichen Vertrag. Somit ist der Anspruch auf Zahlung von Vergütung bzw. Marktprämie zivilrechtlicher Art und stellt daher ein vermögenswertes, von Art. 14 GG geschütztes Recht dar.71 Auf die Rspr. des BVerfG72 zu den nur bei eigener Leistung geschützten öffentlich-rechtlichen Gewährleistungen ist nicht einzugehen. Das Eigentumsgrundrecht gewährleistet auch den Vertrauensschutz.73 Er stünde hier einer weitreichenden, dazu noch übergangslosen Verkürzung oder gar einer kompletten Beseitigung des Anspruchs auf Vergütung bzw. Marktprämie entgegen.74 Maßgeblich sind die Grundsätze der unechten Rückwirkung, da das Gesetz zwar von dem Anspruch spricht, aber deutlich macht, dass er sich revolvierend mit der fortgesetzten Stromeinspeisung aktualisiert (§§ 20 Abs. 1, 21 Abs. 1 EEG 2017). Dementsprechend dauert auch die Phase der Amortisation noch an. Daher wird in einen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen. Somit bedarf es der Abwägung zwischen den Bestandsinteressen der Anlagenbetreiber und dem öffentlichen Interesse.75 Zum einen schlägt es für die Anlagenbetreiber etwa zu Buche, wenn sie ihr Vertrauen durch Investitionen betätigt und damit gerade dem durch die 20-jährige Förderfrist manifestierten Gesetzzweck entsprochen haben. Zum anderen ist das öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit des Fördersystems und einer für die Verbraucher akzeptablen EEG-Umlage auf die Waagschale zu legen. In diesem Sinne hat das BVerfG76 in seinem Beschluss vom 20. 9. 2016 eine unecht rückwirkende Ver71 BVerfG, RdE 2017, 128 Rn. 16, 41 – Biogasanlagen; ebenso Klinski, EEG-Vergütung: Vertrauensschutz bei künftigen Änderungen der Rechtslage?, Rechtsgutachten, 2009, S. 21ff. 72 St. Rspr. seit BVerfGE 18, 392 (397) – Beurkundung. 73 Vgl. BVerfGE 143, 246 Rn. 268, 372–13. AtG-Novelle; dazu Shirvani (o. Fußn. 11), 285. 74 So – für die Vergütung – auch Klinski (o. Fußn. 71), S. 21ff.; vgl. auch – ohne eindeutige Stellungnahme – BVerfG, NVwZ 2009, 1025 – Anlagensplitting. 75 Vgl. Papier/Krönke, Investitionen in erneuerbare Energien und Vertrauensschutz, REE 2012, 1 (10), die eine »schonungslos abrupte Radikalität« einer Förderungsreduzierung für unvereinbar mit der gebotenen Abwägung der gegenläufigen Belange halten; s. auch Kment, Das Ende der sonnigen Zeiten für die Solarindustrie nach der Kürzung der Vergütungsansprüche – ein (verfassungsrechtlicher) Vertrauensbruch?, NVwZ 2012, 397 (398f.): Die besondere Schutzwürdigkeit des Vertrauens der Investoren ergebe sich gerade aus der Festlegung der Mindestvergütung »für einen abschließend definierten Zeitraum«. 76 BVerfG, RdE 2017, 128 Rn. 27–41 – Biogasanlagen.

30

Matthias Schmidt-Preuß

kürzung des Vergütungsanspruchs – auch bei Fundierung des Vertrauensschutzes in Art. 14 GG – für abwägungsfehlerfrei angesehen. Dabei hatte die Kürzung – gemessen an der Vergütung für das gesamte Kalenderjahr – nur eine »untergeordnete Bedeutung«. Damit sind Eckwerte für eine Fortentwicklung des Fördersystems gesetzt.

8.

Ausblick

Der Blick auf das Eigentumsgrundrecht und seine Wirkkraft im Energiesektor zeigt ein Doppeltes. Zum einen manifestiert sich eindrucksvoll, dass Art. 14 GG als gewichtiges Leitmaß auch in den Konfliktfeldern einer dynamischen Energiepolitik wirkmächtig ist. Zum anderen wird deutlich, dass dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber Gestaltungsspielraum verbleibt, um weitreichende energiepolitische Ziele wie die Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte sowie die Energiewende unter Beachtung des Eigentumsgrundrechts zu verfolgen.

Markus Ludwigs

Atomausstieg, Eigentums- und Vertrauensschutz: Das Atomausstiegsurteil des BVerfG*

I.

Einführung

Kaum ein Urteil des BVerfG der letzten Jahre wurde mit größerer Spannung erwartet als die Entscheidung zur 13. AtG-Novelle vom 31. Juli 2011. Im Schrifttum sind die einzelnen Facetten des beschleunigten Kernenergieausstiegs bereits im Vorfeld detailliert analysiert und kontrovers diskutiert worden.1 Mit dem Atomausstiegsurteil des Ersten Senats vom 6. Dezember 2016 wurde die 13. AtG-Novelle nun zwar als im Wesentlichen mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt.2 Zugleich ergeben sich aber auch wichtige Einschränkungen im Hinblick * Die Schriftfassung des Beitrags entstand im Rahmen des von der Fritz Thyssen Stiftung geförderten Projekts »Das Recht der Energiewende«. Es handelt sich um eine aktualisierte, überarbeitete und erweiterte Fassung des in NVwZ-Beil. 1/2017, 3–8 publizierten Besprechungsaufsatzes »Das Urteil des BVerfG zum Atomausstiegsgesetz 2011 – Karlsruhe locuta, causa finita?«. Der Beitrag ist auf dem Stand vom 15. 2. 2018. 1 Einen Verstoß bejahend z. B. Di Fabio, Beschleunigter Kernenergieausstieg und Eigentumsgarantie, in: ders./Durner/Wagner (Hrsg.), Kernenergieausstieg 2011, 2013, S. 9 (17ff., 62ff., 114ff.; 117ff.); Moench, Verfassungs- und europarechtliche Rahmenbedingungen des Kernenergieausstiegs, in: Ludwigs (Hrsg.), Der Atomausstieg und seine Folgen, 2016, S. 13 (29ff.); Ossenbühl, Verfassungsrechtliche Fragen des beschleunigten Ausstiegs aus der Kernenergie, 2012, S. 15ff., 72f.; Schwarz, »Güterbeschaffung« als notwendiges Element des Enteignungsbegriffes?, DVBl 2013, 133 (140); a. A. Enzensperger, Der zweite Atomausstieg im Lichte des Verfassungsrechts, DÖV 2016, 939 (942ff.); Mann/Sieven, Der Atomausstieg und seine Folgeprobleme im Kontext der Energiewende, VerwArch 106 (2015), 184 (192ff., 207); Wallrabenstein, Die Verfassungsmäßigkeit des jüngsten Atomausstiegs, HFR 2011, 109 (111ff.); Wieland, Verfassungsfragen der Beendigung der Nutzung der Kernenergie, EnWZ 2013, 252 (258); differenzierend Kloepfer, 13. Atomgesetznovelle und Grundrechte, DVBl 2011, 1437 (1442, 1446); Ludwigs, Der Atomausstieg und die Folgen: Fordert der Paradigmenwechsel in der Energiepolitik einen Paradigmenwechsel beim Eigentumsschutz?, NVwZ 2016, 1 (2f.); Schlömer, Der beschleunigte Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie, 2013, S. 69ff., 164f. 2 BVerfGE 143, 246; hierzu aus der Lit.: Berkemann, Der Atomausstieg und das Bundesverfassungsgericht – Eine Rezension, DVBl 2017, 793; Börner, Was bedeutet das Urteil des BVerfG vom 6. 12. 2016 in Sachen Atomausstieg für den Investitionsschutz?, RdE 2017, 119; Däuper, Das Atomausstiegs-Urteil und seine Folgen, NuR 2017, 169; Fehling/Overkamp, Beschleu-

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Markus Ludwigs

auf die Gewährleistung einer konzerninternen Verstromung der bereits 2002 zugewiesenen Reststrommengen und den Ausgleich für etwaige frustrierte Investitionen im Vertrauen auf die Laufzeitverlängerung aus dem Jahr 2010. Nachfolgend werden nach einer kurzen Skizzierung des Hintergrunds der Entscheidung (II.) deren zentrale Aussagen präsentiert (III.), einer kritischen Würdigung unterzogen (IV.) und die Konsequenzen des Urteils beleuchtet (V.).

II.

Hintergrund

Der Kernenergieausstieg wurzelt in einer Verständigung der rot-grünen Bundesregierung mit den Versorgungsunternehmen aus dem Jahr 2000.3 Die Umsetzung dieses sog. Atomkonsens I erfolgte zwei Jahre später im Wege der gesetzlichen Zuweisung von Reststrommengen, die auf eine Regellaufzeit der Kernkraftwerke von 32 Jahren ausgerichtet waren.4 Nach dem Wechsel zur schwarz-gelben Regierung 2009 sollte die Atomenergie zunächst noch länger als »Brückentechnologie« erhalten bleiben. Zu diesem Zweck erfolgte eine Zuweisung weiterer Reststrommengen an die Energieversorger mit der 11. AtG-Novelle vom 8. Dezember 2010.5 Die hiermit verbundene Laufzeitverlängerung um durchschnittlich zwölf Jahre wurde dann aber in Reaktion auf die Nuklearkatastrophe von Fukushima mit der 13. AtG-Novelle 2011 wieder zurückgenommen.6 Rechtstechnisch erfolgte dieser zentrale Schritt der Energiewende durch Streichung der 2010 neu aufgenommenen vierten Spalte über »zusätzliche Elektrizitätsmengen« in Anlage 3 (zu § 7 Abs. 1a) des Atomgesetzes. Darüber

3 4 5 6

nigter Atomausstieg nach Fukushima, ZJS 2017, 486; Frenz, Anmerkung zu BVerfG, Urt. v. 06. 12. 2016 – 1 BvR 2821/11 u. a., DVBl. 2017, 121; Froese, Der Eigentumsentzug ohne Güterbeschaffung als Enteignung »light«?, NJW 2017, 444; Hofmann, Ausgewählte Probleme des allgemeinen Umweltrechts, Die Verwaltung 50 (2017), 247 (271ff.); Kingreen, Verfassungsmäßigkeit des beschleunigten Ausstiegs aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie, JURA (JK) 2017, 608; Knappe/Seibert, Grundsätzliche Verfassungskonformität der 13. Atomgesetznovelle, NuR 2017, 32; Ludwigs, Das Urteil des BVerfG zum Atomausstiegsgesetz 2011 – Karlsruhe locuta, causa finita?, NVwZ-Beil. 1/2017, 3; Muckel, Atomausstieg nicht ganz vereinbar mit dem Grundgesetz, JA 2017, 234; Roller, Die verfassungsrechtliche Bewertung des Atomausstiegs 2011, ZUR 2017, 277; Roßnagel/Hentschel/Emanuel, Der Atomausstieg ist verfassungsgemäß, UPR 2017, 128; Sachs, Zulässigkeit von Eigentumsbeschränkungen – Zumutbarkeit von Eigentumsentzug ohne Güterbeschaffungszweck, JuS 2017, 569; Shirvani, Atomausstieg und mäandernde Gesetzgebung, DÖV 2017, 281; Schmitt/Werner, Die Staatshaftung für legislatives Unrecht am Beispiel des Atomausstiegs, NVwZ 2017, 21; Ziehm, Anmerkung zum Urt. des BVerfG v. 06. 12. 2016 – 1 BvR 2821/11 u. a., ZUR 2017, 172. Ausführlich zur Vorgeschichte zuletzt Büdenbender, Rechtliche Bilanz der Energiewende 2011 im Hinblick auf den Ausstieg aus der Kernenergie, DVBl. 2017, 1449. BGBl. I 2002, S. 1351 (§ 7 Abs. 1a AtG i. V. m. Spalte 2 der Anlage 3 zum AtG 2002). BGBl. I 2010, S. 1814. BGBl. I 2011, S. 1704.

Atomausstieg, Eigentums- und Vertrauensschutz

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hinaus wurde in § 7 Abs. 1a S. 1 Nr. 1–6 AtG erstmals eine exakte zeitliche Befristung der Betriebsberechtigungen der einzelnen, namentlich bezeichneten Anlagen etabliert. Für die sieben ältesten Kraftwerke sowie das KKW Krümmel bedeutete dies den sofortigen Verlust der Betriebsberechtigung. Bereits im Vorfeld hatte die Bundesregierung für jene acht Anlagen ein rechtsgrundloses7 dreimonatiges Moratorium verkündet, dessen Rechtswidrigkeit später höchstrichterlich festgestellt wurde.8 Eine Abschaltung der verbliebenen neun Atomkraftwerke erfolgt(e) in fünf weiteren Stufen bis Ende 2022. Die drei großen Energieversorger E.ON, RWE und Vattenfall sowie die Betreibergesellschaft des KKW Krümmel erhoben daraufhin Verfassungsbeschwerden gegen die 13. AtGNovelle und stützten sich insbesondere auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Medienberichten zufolge stand ein Energiewendeschaden von bis zu 19 Milliarden Euro im Raum.9

III.

Zentrale Aussagen der Entscheidung

Das Urteil des Ersten Senats vom 6. Dezember 2016 kann schon heute zu den leading cases der BVerfG-Judikatur gezählt werden. Der Grund hierfür ist die Vielzahl grundrechtsdogmatisch bedeutsamer – z. T. von tradierten Mustern abweichender – Feststellungen. Im Schrifttum sind die Reaktionen gespalten ausgefallen. Sie reichen von dezidierter Zustimmung10 über differenziert-kritische Stellungnahmen11 bis hin zu bisweilen harscher Ablehnung12. 7 Näher Mann/Sieven (o. Fußn. 1), 189ff. m. w. N.; s. auch Battis/Ruttloff, Vom Moratorium zur Energiewende – und wieder zurück, NVwZ 2013, 817 (818ff.); Gärditz, »Atommoratorium« rechtsstaatlich betrachtet – Anmerkung zu HessVGH, Urt. v. 25. 2. 2013, 6 C 824/11.T, EurUP 2013, 222 (223ff., 225). 8 BVerwG, ZUR 2014, 236; BVerwG, BeckRS 2014, 45730; im Anschluss an HessVGH, ZUR 2013, 367; HessVGH, NVwZ 2013, 888 (LS); die staatshaftungsrechtlichen Klagen der Energieversorger wurden in Erfüllung des zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den EVU geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrags über die Finanzierung des Kernenergieausstiegs vom 26. 6. 2017 zurückgenommen (abrufbar unter https://www.bmwi.de; letzter Abruf: 14. 2. 2018). 9 Jung/Bünder, F.A.Z. v. 5. 12. 2016, S. 17. 10 Roßnagel/Hentschel/Emanuel (o. Fußn. 2), 132: »Das Urteil überzeugt in vollem Umfang«; Däuper (o. Fußn. 2), 172: »Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Urteil sowohl dogmatisch als auch in seinem Pragmatismus überzeugt«. 11 Shirvani (o. Fußn. 2), 281: »Die Entscheidung enthält weiterführende und klärende Aussagen zur (…) Eigentumsdogmatik, provoziert aber in manchen Punkten Widerspruch«; Ludwigs (o. Fußn. 2), 3: »Ungeachtet der durchweg überzeugenden Resultate ergeben sich (…) auch argumentative Leerstellen, die einer kritischen Würdigung bedürfen«. 12 Berkemann (o. Fußn. 2), 798 (zum Enteignungsbegriff): »Nein, das BVerfG hat hier nicht sorgfältig gearbeitet (…)«; Börner (o. Fußn. 2), 123: »Diese Urteilsbegründung leidet an fehlender Plausibilität und an Widersprüchen und ist investitionsfeindlich«.

34

Markus Ludwigs

Die nachfolgende Darstellung konzentriert sich insbesondere auf die zentralen Aussagen zum Eigentums- und Vertrauensschutz sowie zur Vorfrage der Grundrechtsfähigkeit.13

1.

Grundrechtsfähigkeit von Vattenfall

Eine bereits im Vorfeld streitig diskutierte Frage bildete die Grundrechtsberechtigung von Vattenfall. Hierzu betonte die überwiegende Ansicht im Schrifttum, dass die über eine Kette von Beteiligungen zu 100 % vom schwedischen Staat beherrschte Vattenfall Europe Nuclear Energy GmbH im Lichte der vom BVerfG entwickelten Lehre vom personalen Substrat nicht als grundrechtsfähig angesehen werden könne.14 Der Erste Senat hat sich dieser Bewertung indes nicht angeschlossen.15 Das Gericht betont vielmehr, dass sich eine erwerbswirtschaftlich tätige inländische juristische Person des Privatrechts, die vollständig von einem Mitgliedstaat der EU getragen wird »in Ausnahmefällen auf die Eigentumsfreiheit berufen und Verfassungsbeschwerde erheben kann«.16 Zur Begründung verweisen die Richter in einem ersten Schritt auf die besonderen Umstände des Falles.17 Einerseits fehle es zwar auch bei ausländischer staatlicher Rechtsträgerschaft an der Möglichkeit des Durchgriffs auf ein hinter der juristischen Person stehendes personales Substrat. Andererseits sei kein Raum für das ansonsten kumulativ hinzutretende

13 Zum Verzicht auf eine nähere Prüfung von Art. 12 GG: BverfGE 143, 246 Rn. 390f., wonach der Schutz der Berufsfreiheit »in diesem Fall nicht weiter [geht] als der des Eigentumsrechts für dessen berufliche Nutzung«; vgl. zudem Rn. 392–395, wo ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG mangels »Willkür einer gesetzlichen Einzelfallregelung« verneint wird; s. zu Art. 3 Abs. 1 GG noch unter III.5. 14 Statt vieler Bruch/Greve, Atomausstieg 2011 als Verletzung der Grundrechte der Kernkraftwerksbetreiber?, DÖV 2011, 794 (796); Kahl/Bews, Rechtsfragen der Energiewende – Teil 1, JURA 2014, 1004 (1008f.); Ludwigs (o. Fußn. 1), 2; Schlömer (o Fußn. 1), S. 98f.; a. A. Kloepfer (o. Fußn. 1), 1439; de Witt, Ist der Atomausstieg 2011 mit Art. 14 GG vereinbar?, UPR 2012, 281 (283). 15 Zuvor noch unentschieden BVerfG-K, NVwZ 2010, 373 (374); näher Goldhammer/Sieber, Juristische Person und Grundrechtsschutz in Europa, JuS 2018, 22; Ludwigs/Friedmann, Die Grundrechtsberechtigung staatlich beherrschter Unternehmen und juristischer Personen des öffentlichen Rechts – Kontinuität oder Wandel der verfassungsrechtlichen Dogmatik?, NVwZ 2018, 22; Knaier/Wolff, Prozessuale und materielle Grundrechtsberechtigung für Staatsunternehmen durch die Niederlassungsfreiheit?, EWS 2017, 207. 16 BVerfGE 143, 246, LS 2 und Rn. 184ff.; ferner Rn. 203ff., wo mit Blick auf die nur zu 50 % von Vattenfall gehaltene KKW Krümmel GmbH & Co. OHG ergänzend darauf hingewiesen wird, dass es hier schon »keine Anzeichen für eine mehrheitlich staatliche Verantwortung für das Unternehmen« gebe (Rn. 205). 17 BVerfGE 143, 246 Rn. 196 mit Rn. 191ff.

Atomausstieg, Eigentums- und Vertrauensschutz

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Konfusionsargument, wonach der (deutsche!) Staat nicht zugleich grundrechtsverpflichtet und grundrechtsberechtigt sein kann. Angesichts der insoweit »offene[n] Auslegung«18 des Art. 19 Abs. 3 GG rekurriert das BVerfG in einem zweiten Schritt entscheidend auf den Grundsatz der Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes im Allgemeinen sowie die Niederlassungsfreiheit (Art. 54 Abs. 1 i. V. m. Art. 49 Abs. 1 S. 2 AEUV) bzw. das Recht auf wirksame Beschwerde (Art. 13 EMRK i. V. m. Art. 1 ZP 1) im Besonderen. Zum einen fehle es an den Voraussetzungen für eine Rechtfertigung der festzustellenden Beschränkung19 der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit. Zum anderen erscheine es im Lichte der als Auslegungshilfe heranzuziehenden EMRK und der Judikatur des EGMR naheliegend, eine effektive Rechtsschutzmöglichkeit gegen die 13. AtG-Novelle zu eröffnen.

2.

Gegenstand des eigentumsrechtlichen Schutzes

Die angegriffenen Bestimmungen der 13. AtG-Novelle misst das BVerfG sodann primär an der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Dabei erfolgt zunächst eine Bestimmung der betroffenen Eigentumsrechte. Der Erste Senat stellt insoweit maßgeblich auf die Nutzungsbefugnis der Anlagen ab. Zugleich wird betont, dass die den Kernkraftwerken durch Gesetz zugewiesenen Reststrommengen von 2002 bzw. 2010 keinen selbständigen Gegenstand des Eigentumsschutzes bilden, sondern »nur« als maßgebliche Nutzungsgrößen am Eigentumsschutz der Anlagen teilhaben.20 Des Weiteren bestehe auch an öffentlich-rechtlichen Genehmigungen grundsätzlich kein verfassungsrechtlich geschütztes Eigentum. Konkret fehle es hierfür bei den atomrechtlichen Genehmigungen sowohl an einer zumindest eingeschränkten Verfügungsbefugnis als auch an einem auf hinreichenden Eigenleistungen beruhenden Erwerb.21 Zum Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb begnügt sich der Erste Senat schließlich mit der Aussage, wonach hieraus vorliegend selbst bei seiner (umstrittenen) Anerken-

18 BVerfGE 143, 246 Rn. 196. 19 Diese liegt konkret in der Kombination der aus dem Atomausstiegsgesetz 2011 resultierenden Belastungen mit den (nur) für staatlich beherrschte Unternehmen fehlenden Rechtsschutzmöglichkeiten hiergegen (BVerfGE 143, 246 Rn. 200). 20 BVerfGE 143, 246 LS 3 und Rn. 228ff., 233ff., 239; s. auch noch Rn. 238, zur Sonderstellung der dem damals bereits stillgelegten KKW Mülheim-Kärlich zugewiesenen, auf einem Vergleich mit der öffentlichen Hand beruhenden und daher »eher weitergehenden Eigentumsschutz« genießenden, Reststrommengen. 21 BVerfGE 143, 246 Rn. 231f.

36

Markus Ludwigs

nung22 kein weitergehender verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz resultieren würde.23

3.

Enteignungsbegriff

Die im Vorfeld des Urteils umkämpfteste Frage betraf die Qualität des mit der 13. AtG-Novelle verbundenen Eingriffs. Mit Blick auf die Rechtfertigung kommt es entscheidend darauf an, ob die einschlägigen Bestimmungen eine bloße Inhalts- und Schrankenbestimmung24 oder eine Enteignung25 darstellen. Im letztgenannten Fall wäre das Atomausstiegsgesetz 2011 schon deshalb verfassungswidrig, weil es an einer gesetzlichen Entschädigungsregelung im Sinne der Junktimklausel des Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG fehlt. Der Erste Senat setzt sich zunächst eingehend mit dem konstitutiven Charakter des im Beschluss zur Baulandumlegung etablierten,26 in der Folgejudikatur aber nicht immer konsequent eingeforderten27 und im Schrifttum umstrittenen28 Merkmals der Güterbeschaffung auseinander. Sein Festhalten hieran stützt das Gericht vor allem auf zwei funktionale Gründe.29 Zum einen bestehe ein praktischer Bedarf für den »bloßen Eigentumsentzug« (ohne Güterbeschaffung) gerade dann, wenn das Eigentumsrecht im weitesten Sinne bemakelt ist oder in sonstiger Weise als Gemeinwohllast wahrgenommen wird. In solchen Fällen entspreche es der grundsätzlichen Sozialbindung des Eigentums aus Art. 14 Abs. 2 GG, dass der Eigentumsentzug nicht als entschädigungspflichtige Enteignung, sondern als nur ausnahmsweise kompensationspflichtige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums qualifiziert wird. Zum anderen ermögliche das konstitutive Enteignungsmerkmal der Güterbeschaffung eine klare kategoriale Abgrenzung zwischen Enteignung und Inhalts- und Schran22 Bejahend z. B. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, 81. EL 2017, Art. 14 Rn. 95ff.; verneinend Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 14 Rn. 61ff. 23 BVerfGE 143, 246 Rn. 240; im Vorfeld bereits Di Fabio (o. Fußn. 1), S. 25; vgl. überdies Rn. 241 des Urteils, wonach das europäische Eigentum und die Nutzungsrechte an den Kernbrennstoffen (Art. 86, 87 EAG) akzessorisch zum nationalen Nutzungsregime sind. 24 Statt vieler Kloepfer (o. Fußn. 1), 1439; Mann/Sieven (o. Fußn. 1), 197ff.; Schlömer, Zur Verfassungsmäßigkeit des beschleunigten Atomausstiegs, ZNER 2014, 363 (367). 25 Dafür Moench (o. Fußn. 1), S. 36ff.; Ossenbühl (o. Fußn. 1), S. 53ff.; Schwarz (o. Fußn. 1), 140. 26 BVerfGE 104, 1 (10). 27 Die Frage offenlassend BVerfGE 134, 242 (289); s. aber auch BVerfGE 126, 331 (359). 28 Kritisch Moench (o. Fußn. 1), S. 37ff.; Ossenbühl (o. Fußn. 1), S. 36ff.; Schwarz (o. Fußn. 1), 138; ders., in: Maunz/Dürig, GG, 81. EL 2017, Art. 87c Rn. 19; de Witt (o. Fußn. 14), 285; den konstitutiven Charakter des Güterbeschaffungsvorgangs bejahend Kahl/Bews (o. Fußn. 14), 1016; Kloepfer (o. Fußn. 1), 1439; Kersten/Ingold, Die Beschleunigung des Atomausstiegs – Verfassungsrechtliche Anforderungen, ZG 2011, 350 (358). 29 BVerfGE 143, 246 LS 4 und Rn. 251ff.

Atomausstieg, Eigentums- und Vertrauensschutz

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kenbestimmung. Auf diese Weise könne auch die in der Sache unstreitige grundsätzliche Entschädigungslosigkeit von Einziehung, Verfall oder Vernichtung beschlagnahmter Güter nach Straf- und Polizeirecht konsistent erklärt werden. Im Lichte des derart zugrunde gelegten, eng gefassten (»klassischen«) Enteignungsbegriffs betont der Erste Senat allerdings zugleich, dass Fälle der Eigentumsentziehung ohne Güterbeschaffung aufgrund ihrer Eingriffstiefe einer spezifischen Behandlung bedürfen. Namentlich müsse sich der Gesetzgeber hier stets die Frage stellen, ob eine solche rechtsentziehende Inhalts- und Schrankenbestimmung vor Art. 14 GG »nur dann Bestand haben kann, wenn angemessene Ausgleichsregelungen vorgesehen sind«.30 Im Rahmen der Subsumtion stellt der Erste Senat sodann fest, dass die angegriffenen Bestimmungen der 13. AtG-Novelle weder zu einem Entzug konkreter selbständiger Rechtspositionen führen noch mit einer Güterbeschaffung verbunden sind.31

4.

Streichung der Laufzeitverlängerung von 2010

Anknüpfend an die zuvor vorgenommene Qualifizierung der Eingriffsregelungen als Inhalts- und Schrankenbestimmungen diskutiert der Erste Senat in einem nächsten Schritt deren Verhältnismäßigkeit. Den Bezugspunkt bildet der vom Gesetzgeber verfolgte legitime Zweck einer zeit- und umfangmäßigen Minimierung des mit der Kernenergienutzung verbundenen sog. Restrisikos. Dabei betonen die Richter, dass die Legitimität dieser Zielsetzung auch dann nicht zu beanstanden ist, wenn sie allein auf einer politischen Neubewertung der Bereitschaft zur Hinnahme des Restrisikos beruhen sollte.32 Im Weiteren differenziert das Gericht zwischen den ursprünglich zugewiesenen Reststrommengen aus dem Jahr 2002 und den Zusatzstrommengen von 2010. Die entschädigungslose Rücknahme der Ende 2010 erfolgten Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke um durchschnittlich zwölf Jahre bewertet das Gericht, ungeachtet des »in quantitativer Hinsicht (…) äußerst umfangreich[en] [Eingriffs]« als verfassungsgemäß.33 Zur Begründung wird insbesondere auf das in mehrfacher Hinsicht eingeschränkte Vertrauen in den Erhalt der Zusatzstrommengen rekurriert.34 Zum einen weise das unternehmerische Eigentum an Atomanlagen mit Blick auf die bezweckte Energieversorgung der Bevölkerung 30 31 32 33 34

BVerfGE 143, 246 LS 5 und Rn. 258ff. BVerfGE 143, 246 Rn. 243, 262ff. BVerfGE 143, 246 Rn. 283. BVerfGE 143, 246 LS 6 und Rn. 292ff. BVerfGE 143, 246 Rn. 295ff.

38

Markus Ludwigs

und den Charakter der Kernenergie als Hochrisikotechnologie einen besonders intensiven sozialen Bezug auf. Hiermit verbunden sei ein besonders weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung des Atomrechts.35 Zum anderen sei die Laufzeitverlängerung von 2010 nicht mit Eigenleistungen der betroffenen Unternehmen verbunden gewesen. Die Gewährung der Zusatzstrommengen habe, anders als die 2002 zugewiesenen Reststrommengen, keine Kompensation für anderweitige Einschränkungen des Eigentums dargestellt, sondern sei politisch motiviert gewesen und partizipiere daher nur in geringem Umfang am eigentumsrechtlichen Bestandsschutz.36 In der Gesamtabwägung überwiege das in Qualität und Quantität erhebliche Gemeinwohlinteresse (Art. 2 Abs. 2 bzw. Art. 20a GG) die mit der zwölfjährigen Laufzeitverkürzung verbundenen Eigentumsbelastungen »eindeutig«.37

5.

Unmöglichkeit konzerninterner Verstromung

Anders fällt die Bewertung mit Blick auf die im Zuge der 13. AtG-Novelle etablierten festen Abschalttermine der einzelnen Kernkraftwerke in § 7 Abs. 1a S. 1 Nr. 1–6 AtG aus. Der Erste Senat stellt insoweit fest, dass in der Folge zwei der Beschwerdeführerinnen (Vattenfall und RWE) substantielle Teile ihrer ursprünglich zugewiesenen Reststrommengen nicht mehr konzernintern nutzen können. Konsequenz des in diesem Fall besonders verbürgten Vertrauensschutzes sei eine unzumutbare Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums.38 Konkret gelangen die Richter mit Blick auf Vattenfall zu dem Befund, dass auf Basis der 13. AtG-Novelle voraussichtlich etwa 30 % der 2002 zugeteilten Reststrommengen nicht mehr in konzerneigenen Kernkraftwerken verstromt werden können. Für RWE belaufe sich die Prognose zwar nur auf einen Anteil zwischen 5 % und 6 %, was aber in absoluten Zahlen ca. vier Jahresproduktionsmengen eines Kraftwerks entspreche und daher ebenfalls zu einer nicht unerheblichen Eigentumsbelastung führe.39 Im Übrigen existierten mit E.ON und EnBW nur zwei Nachfrager, deren begrenzte zusätzliche Verstromungskapazitäten das Angebot nicht vollständig abdeckten, mit der Folge, dass diese den 35 36 37 38 39

BVerfGE 143, 246 Rn. 297f., mit Verweis auf BVerfGE 49, 89 (127). BVerfGE 143, 246 Rn. 299ff. BVerfGE 143, 246 Rn. 305; s. auch Rn. 303. BVerfGE 143, 246, LS 7 und Rn. 310ff. BVerfGE 143, 246 Rn. 331, 333, mit den ergänzenden Hinweisen, dass der Anteil nicht mehr verstrombarer Elektrizitätsmengen in Relation zu den Ende 2010 zur Verfügung stehenden Reststrommengen sogar rund 66 % (Vattenfall) bzw. zwischen 19 % und 22 % (RWE) betrage.

Atomausstieg, Eigentums- und Vertrauensschutz

39

Preis hierfür weitgehend selbst bestimmten könnten.40 Anders als bei den mit der 11. AtG-Novelle von 2010 zugeteilten Zusatzstrommengen genieße das Nutzungseigentum an den Reststrommengen von 2002 zudem besonderen Schutz.41 Jene Reststrommengen seien zentraler Gegenstand einer im Wege des Atomkonsenses vorbereiteten Übergangsregelung mit Kompensationscharakter, die hinsichtlich der Strommengen des KKW Mülheim-Kärlich überdies auch auf einem Vergleich beruhe. Hinzu komme die in der gesetzlichen Staffelung der Restlaufzeiten der Kernkraftwerke (§ 7 Abs. 1a S. 1 Nr. 1–6 AtG) liegende und vor Art. 3 Abs. 1 GG nicht begründbare Benachteiligung von Vattenfall und RWE gegenüber E.ON und EnBW im Hinblick auf die unterschiedliche Verstrombarkeit der Reststrommengen.42

6.

Frustrierte Investitionen

Einen weiteren, im Vorfeld der Entscheidung bereits vielfach monierten Verstoß der 13. AtG-Novelle erblickt der Erste Senat im Fehlen einer Regelung für frustrierte Investitionen.43 Zur Begründung rekurriert das Gericht auf den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes, der in Art. 14 Abs. 1 GG für die vermögenswerten Güter eine besondere Ausprägung gefunden habe. Die Kraftwerkbetreiber hätten sich durch die 11. AtG-Novelle zu Investitionen in ihre Anlagen ermutigt fühlen dürfen. Mit einem Abstand nehmen des Gesetzgebers von der energiepolitischen Grundsatzentscheidung einer Laufzeitverlängerung noch in derselben Legislaturperiode sei nicht zu rechnen gewesen. Berechtigtes Vertrauen komme allerdings nur für Investitionen im kurzen Zeitraum zwischen dem Beschluss des Bundestages über die 11. AtG-Novelle am 28. Oktober 201044 und dem Schreiben des BMU vom 16. März 2011 über das dreimonatige Atommoratorium in Betracht.45 40 BVerfGE 143, 246 Rn. 320. 41 BVerfGE 143, 246 Rn. 334ff., wo (in Rn. 346) zudem der besondere Bestands- und Vertrauensschutz in die Mülheim-Kärlich-Reststrommengen unterstrichen wird. 42 BVerfGE 143, 246 Rn. 347ff., wo (in Rn. 360) auch darauf hingewiesen wird, dass konkrete Sicherheitsbedenken gegen die Wiederinbetriebnahme des mit einer Laufzeit von lediglich 27,36 Jahren notierten (Rn. 357) KKW Krümmel zum Jahresende 2011 nicht substantiiert behauptet wurden; näher zum »Sonderfall Krümmel«: Roller (o. Fußn. 2), 283. 43 BVerfGE 143, 246 LS 8 und Rn. 369ff. 44 Das Datum wurde durch Berichtigungsbeschluss des Ersten Senats v. 20. 12. 2016 geändert (zuvor hieß es: »8. Dezember 2010«). 45 BVerfGE 143, 246 Rn. 377; vgl. zudem den Hinweis in Rn. 372, wonach es (zur Vermeidung von Doppelkompensationen) keiner gesonderten Ausgleichsregelung mit Blick auf Investitionen im Vertrauen auf die im Wesentlichen vollständige Verstrombarkeit der 2002erReststrommengen bedarf.

40 7.

Markus Ludwigs

Sachaufklärungs- und Begründungspflicht

Mit Blick auf die als verletzt gerügten Sachverhaltsermittlungsanforderungen betont der Erste Senat, dass dem Grundgesetz keine selbständige, von den Anforderungen der materiellen Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes unabhängige, Sachaufklärungspflicht entnommen werden könne.46 Das Grundgesetz vertraue auf die Transparenz und den öffentlichen Diskurs im parlamentarischen Verfahren. Für die 13. AtG-Novelle gelte insoweit nichts anderes. Eine Sonderkonstellation sei nicht einschlägig.47 Was schließlich den ebenfalls geltend gemachten Verstoß gegen die Begründungsanforderungen betrifft, so weisen die Karlsruher Richter schließlich darauf hin, dass die Art. 76ff. GG zum Gesetzgebungsverfahren keine besondere Verfahrenspflicht zur Gesetzesbegründung statuierten. Entscheidend sei, dass im Ergebnis die verfassungsrechtlichen Anforderungen gewahrt werden. Eine Sonderkonstellation ausnahmsweise gebotener Gesetzesbegründung liege nicht vor.48

IV.

Kritische Würdigung

Im Rahmen der nachfolgenden Würdigung sind die vorstehend skizzierten Kernaussagen kritisch zu hinterfragen. Dabei ergibt sich hinsichtlich der gefundenen Ergebnisse ein durchweg positiver Befund, während die Begründungswege nicht immer überzeugen können.

1.

Inkonsistente Bejahung der Grundrechtsfähigkeit

Differenziert zu würdigen ist insbesondere die Anerkennung der Grundrechtsfähigkeit von Vattenfall. Bedenklich erscheint insoweit zunächst die Ableitung aus dem Europarecht. Die im Urteil dokumentierte Prüfung bleibt lückenhaft. Dies gilt neben der sich in wenigen Sätzen erschöpfenden Prüfung des Art. 13 EMRKvor allem für die im Zentrum stehende These eines in der Verwehrung der Verfassungsbeschwerde liegenden Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit.49 46 Siehe auch zum Folgenden: BVerfGE 143, 246 Rn. 273ff. 47 Zu den Sonderkonstellationen, in denen eine selbständige Sachaufklärungspflicht des Gesetzgebers angenommen wurde, vgl. BVerfGE 143, 246 Rn. 274, unter exemplarischem Rekurs auf BVerfGE 95, 1 (23f.), BVerfGE 86, 90 (108f.) und BVerfGE 139, 64 (127); s. auch noch unter IV.5. 48 BVerfGE 143, 246 Rn. 279. 49 Zum Folgenden schon Ludwigs, Die Energiewende und der Energiebinnenmarkt – Kon-

Atomausstieg, Eigentums- und Vertrauensschutz

41

Fragwürdig ist insoweit bereits die Annahme eines rechtfertigungsbedürftigen Eingriffs. Gegen die Einschlägigkeit von Art. 54 Abs. 1 i. V. m. Art. 49 Abs. 1 S. 2 AEUV lässt sich anführen, dass die Niederlassungsfreiheit grundsätzlich keinen Schutz vor nicht-diskriminierenden Maßnahmen nach Markteintritt gewährt. Wollte man dies anders sehen, würden die Grundfreiheiten den Charakter allgemeiner Deregulierungsgebote annehmen. Dies zu verhindern und die Grundfreiheiten auf ihren Kern als »transnationale Integrationsnormen«50 zurückzuführen, bildete gerade den Impetus der Keck-Judikatur des EuGH.51 Das hinter dieser Rechtsprechung stehende Marktzugangskriterium erscheint auch verallgemeinerungsfähig.52 Die Grundfreiheiten schützen danach nur dann vor nicht-diskriminierenden nationalen Maßnahmen, wenn der Marktzugang betroffen ist. Dies wiederum bedingt allerdings, dass es überhaupt noch einen Markt gibt, was hier mit Blick auf den expliziten Ausschluss neuer Anlagengenehmigungen in § 7 Abs. 1 S. 2 AtG und das Ausstiegsszenario des § 7 Abs. 1a AtG zumindest fragwürdig erscheint. Zwar könnte erwogen werden, ob nicht gewissermaßen als Kehrseite des Marktzugangs auch der Verbleib in einem einmal eröffneten Markt geschützt wird (was eine Rechtsschutzmöglichkeit gegen »marktschließende Maßnahmen« bedingt).53 Zu bedenken ist insoweit aber, dass die Entscheidung über die Erzeugung von Kernenergie und den damit zusammenhängenden Markt im Lichte des energiepolitischen Souveränitätsvorbehalts aus Art. 194 Abs. 2 UA 2 AEUVallein den Mitgliedstaaten zugewiesen ist.54 Angesichts dieser intrikaten Rechtsfragen wäre jedenfalls eine vertieftere Auseinandersetzung im Urteilstext angezeigt gewesen. Gleiches gilt im Übrigen auch für die ohne nähere Begründung verneinte Rechtfertigungsmöglichkeit. Hier hätte durchaus problematisiert werden können, ob die vom BVerfG in ständiger Rechtsprechung propagierte, der Grundrechtsfähigkeit staatlich beherrschter Unternehmen entgegenstehende Lehre vom personalen Substrat nicht als Ausdruck eines individualistischen Grundrechtsverständnisses Teil der na-

50 51 52 53 54

vergenzen und Konfliktlinien, in: Gundel/Lange (Hrsg.), Neuausrichtung der deutschen Energieversorgung – Zwischenbilanz der Energiewende, 2015, S. 37 (46f.); näher zum Eingriff bereits in Fußn. 19; s. auch Knaier/Wolff (o. Fußn. 15). Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 34–36 AEUV Rn. 5 ff. Grundlegend EuGH, Rs. C-267/91 und C-268/91 (Keck und Mithouard), ECLI:EU:C:1993: 905, Rn. 14ff. Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 34–36 AEUV Rn. 50; aus der EuGH-Rspr. zur Niederlassungsfreiheit jüngst EuGH, Rs. C-594/14 (Kornhaas), ECLI:EU:C:2015:806, Rn. 22ff. In diese Richtung Nettesheim, Gesetzgebungsverfahren im europäischen Staatenverbund – zwischen Voluntarismus und Loyalitätspflicht, 2014, S. 168ff. Darauf hinweisend bereits Ludwigs (o. Fußn. 1), 4, unter ergänzendem Hinweis auf die Gemeinsame Erklärung der Mitgliedstaaten Nr. 4 zur Anwendung des Euratom-Vertrags von 1994, ABl. 1994 Nr. C 241/371.

42

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tionalen Identität im Sinne des Art. 4 Abs. 2 EUV ist und daher den Eingriff rechtfertigen kann.55 Wenn dem BVerfG gleichwohl im Ergebnis zuzustimmen und die Grundrechtsfähigkeit von Vattenfall zu bejahen ist, dann aus einem Grund, der vom Ersten Senat gerade nicht anerkannt wird. In der Sache vermag das in ständiger Rechtsprechung propagierte Erfordernis eines personalen Substrats nämlich von vornherein nicht zu überzeugen. Die damit verbundene Fokussierung auf die hinter der juristischen Person stehenden natürlichen Personen reduziert Art. 19 Abs. 3 GG auf die bloße Regelung einer Art »Grundrechtstreuhand«.56 Dabei wird ausgeblendet, dass juristische Personen dem Staat selbständig gegenübertreten können. Vorzugswürdig wäre es daher, für die Grundrechtsberechtigung allein darauf abzustellen, ob die juristische Person in demselben Außenrechtsverhältnis zum Staat steht, wie eine natürliche Person. Maßgeblich wäre danach das Vorliegen einer grundrechtstypischen Gefährdungslage.57 Auf diese Weise könnte zudem ein Gleichklang mit der EGMR-Judikatur zur Menschenrechtsfähigkeit staatlich beherrschter Unternehmen erreicht werden.58 Wie sich das BVerfG hierzu in Zukunft positionieren wird, ist eine der im Urteil bewusst offen gelassenen Fragen.59 Allein mit einer Ausdehnung der Grundrechtsberechtigung auf die vom deutschen Staat beherrschten Unternehmen (in grundrechtstypischer Gefährdungslage) könnte freilich der drohenden Asymmetrie des Grundrechtsschutzes entgegengewirkt werden.60 Der vage Hinweis des Ersten Senats darauf, dass selbst einem vom deutschen Staat beherrschten Wettbewerber »wenigstens innerhalb der Staatsorganisation Möglichkeiten der Interessenwahrnehmung zur Verfügung [stehen]«,61 erscheint jedenfalls kaum weiterführend. Abgesehen davon, dass ein solcher, gänzlich andere Ziele verfolgender Kompetenzschutz schwerlich als Äquivalent zum fehlenden Grundrechtsschutz angesehen werden kann,62 fehlt Kommunen von vornherein ein unmittelbares Beteiligungsrecht im Gesetzgebungsverfahren.63 55 Grundlegend zum Schutz der nationalen Identität als rechtmäßiges Ziel zur Beschränkung von Grundfreiheiten: EuGH, Rs. C-208/09 (Sayn-Wittgenstein), ECLI:EU:C:2010:806, Rn. 81ff. 56 v. Mutius, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), BK-GG, 188. EL 2017, Art. 19 Abs. 3 Rn. 32; daran anknüpfend bereits Ludwigs, Unternehmensbezogene Effizienzanforderungen im Öffentlichen Recht, 2013, S. 220f.; s. auch ders./Friedmann (o. Fußn. 15), 23ff. 57 Näher Ludwigs/Friedmann (o. Fußn. 15), 27. 58 EGMR, Urteil v. 13. 12. 2007, Islamic Republic of Iran Shipping Lines, Nr. 40998/98, §§ 79ff. 59 BVerfGE 143, 246 Rn. 202. 60 Kritisch insoweit auch Kingreen, Das Verfassungsrecht der Zwischenschicht, JöR 65 (2017), 1 (18f.); Roller (o. Fußn. 2), 285; Shirvani (o. Fußn. 2), 283; a. A. Muckel (o. Fußn. 2), 236. 61 BVerfGE 143, 246 Rn. 194; hieraus auf eine drohende – durch die Anerkennung der Grundrechtsfähigkeit von Vattenfall vermiedene – mittelbare Diskriminierung in Fällen ausländischer staatlicher Rechtsträgerschaft schließend: Fehling/Overkamp (o. Fußn. 2), 489. 62 Kingreen (o. Fußn. 60), 18f.

Atomausstieg, Eigentums- und Vertrauensschutz

2.

43

Präzise Bestimmung des geschützten Eigentums

Uneingeschränkte Zustimmung verdienen demgegenüber die Ausführungen zu den geschützten Eigentumspositionen. Insbesondere überzeugt es, wenn das BVerfG zentral auf die »Eigentumsrechte (…) hinsichtlich der existierenden Anlagen und ihrer Nutzung« abstellt.64 Denn jedenfalls dann, wenn eine atomrechtliche Genehmigung einmal erteilt wurde, partizipiert die hieraus resultierende konkretisierte Nutzungsbefugnis am eigentumsrechtlichen Schutz der Anlage.65 Anlageneigentum, Betriebsgenehmigung und Reststrommengen verschmelzen zu einer vollwertigen Eigentumsposition in Form der grundrechtlich geschützten Nutzungsbefugnis.66 Hierfür bedarf es auch nicht des konstruierten Rückgriffs auf einen, vom Ersten Senat mit Recht verneinten, selbständigen Schutz der Reststrommengen.67 Bei diesen handelt es sich vielmehr primär um Quantifizierungen der aus dem Anlageneigentum fließenden Nutzungsrechte.68 Zu folgen ist dem Gericht im Übrigen auch mit Blick auf die Verneinung eines autonomen Eigentumsschutzes der atomrechtlichen Genehmigungen.69 Zu Recht weisen die Richter hier, im Einklang mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum, auf die mangelnde Verfügungsbefugnis und das Fehlen eines auf hinreichenden Eigenleistungen beruhenden Erwerbs hin.70

3.

Trennscharfes Enteignungsverständnis

Zu überzeugen vermögen im Weiteren auch die Ausführungen des BVerfG zur Abgrenzung zwischen Enteignung einerseits und Inhalts- und Schrankenbestimmung andererseits. Zwar ist in vergleichender Perspektive zu Recht darauf hingewiesen worden, dass die Karlsruher Richter mit dem nunmehr bestätigten engen Enteignungsbegriff einen »eigentumsdogmatische[n] Sonderweg« be63 Darauf mit Recht hinweisend Shirvani (o. Fußn. 2), 283. 64 BVerfGE 143, 246 Rn. 227. 65 Ludwigs (o. Fußn. 1), 2; jeden eigentumsrechtlichen Schutz der Nutzung von Atommeilern verneinend dagegen Wieland (o. Fußn. 1), 255f.; Ziehm, Atomausstieg und Energiewende, ZNER 2012, 221 (222). 66 Kersten/Ingold (o. Fußn. 28), 355; ferner Ludwigs, Die Energiewende im Zeichen des Europaund Verfassungsrechts, RW 2014, 254 (259); de Witt (o. Fußn. 14), 283. 67 A. A. Kersten/Ingold (o. Fußn. 28), 370ff. 68 Ossenbühl (o. Fußn. 1), S. 17ff., 28; ebenso Mann/Sieven (o. Fußn. 1), 193f.; Ludwigs (o. Fußn. 66), 259; etwas anderes könnte allein für die im Vergleichswege zugewiesenen und daher besonders schutzwürdigen Mülheim-Kärlich-Reststrommengen gelten (vgl. BVerfGE 143, 246 Rn. 238). 69 Zustimmend auch Berkemann (o. Fußn. 2), 797; s. auch Knappe/Seibert (o. Fußn. 2), 34. 70 BVerfGE 143, 246 Rn. 231f.; aus der Lit. statt vieler Kloepfer (o. Fußn. 1), 1438; a. A. aber Schwarz (o. Fußn. 1), 135.

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schreiten.71 In der Sache erscheinen die vom Ersten Senat angeführten funktionalen Gründe72 aber durchaus gewichtig.73 Dies gilt umso mehr, als das Gericht einer drohenden Verkürzung des Eigentumsschutzes wirksam begegnet. Konkret geschieht dies durch Aufwertung der Rechtsfigur der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung. Im Urteil wird insoweit eine spezifische Gruppe von Eingriffen herausgearbeitet, die hinsichtlich der Intensität des Eingriffs zwischen einer formellen Enteignung und einer »normalen« Inhalts- und Schrankenbestimmung anzusiedeln ist. Konkret handelt es sich gerade um diejenigen Konstellationen, in denen der Staat aus Gemeinwohlgründen Eigentum entzieht, ohne dass damit ein Güterbeschaffungsvorgang verbunden wäre. Hier statuiert der Erste Senat die Pflicht des Gesetzgebers, sich stets die Frage zu stellen, ob eine solche besonders eingriffsintensive Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach angemessenen Ausgleichsregelungen verlangt, um vor Art. 14 GG Bestand zu haben.74 Hervorzuheben ist allerdings auch, dass die Richter dabei keineswegs allein an einen finanziellen Ausgleich denken (der weiterhin die Ausnahme bleiben soll), sondern primär Ausnahmen und Befreiungen oder Übergangsregelungen adressieren.75 Mit Blick auf die 13. AtGNovelle erkennt das Gericht im Übrigen zutreffend, dass die angegriffenen Bestimmungen – abgesehen von der ersichtlich fehlenden Güterbeschaffung76 – schon nicht zu einem Entzug konkreter selbständiger Rechtspositionen führen.77 Die vorstehend skizzierte besondere Prüfpflicht des Gesetzgebers in Fällen des Eigentumsentzugs ohne Güterbeschaffung war daher hier von vornherein nicht einschlägig.78 Maßgeblich erscheint insoweit, dass der in Rede stehende Verlust 71 Begriff im Kontext von Di Fabio (o. Fußn. 1), S. 61; zum weitergehenden Enteignungsbegriff in EMRK, GRCh und Investitionsschutzrecht vgl. Ludwigs (o. Fußn. 1), 3f., 5f. 72 Hierzu oben unter III.3. 73 Zustimmend auch Knappe/Seibert (o. Fußn. 2), 34; Roller (o. Fußn. 2), 281; kritisch dagegen Berkemann (o. Fußn. 2), 798f.; Börner (o. Fußn. 2), 123f.; Froese (o. Fußn. 2), 34; Hofmann (o. Fußn. 2), 274f.; s. auch Cornils, § 6 Der Begriff der Enteignung – Rückschritt als Fortschritt?, in: Depenheuer/Shirvani (Hrsg.), Die Enteignung, 2018, S. 137 (149ff.); Schlick, § 5 »Nassauskiesung« und ihre Folgen – Wirkungsgeschichte einer Entscheidung, in: Depenheuer/ Shirvani (Hrsg.), aaO, S. 111 (116ff.). 74 BVerfGE 143, 246 Rn. 258ff. 75 Vgl. insoweit bereits BVerfG-K, NVwZ 2010, 512 (514). 76 Anders offenbar Hofmann (o. Fußn. 2), 274 mit Fußn. 99, der als »Gut« die »Erhöhung der öffentlichen Sicherheit« begreifen will und sich damit gegen den allein trennscharfen Ansatz des Ersten Senats wendet, wonach es auf einen Übergang der betroffenen Eigentumspositionen (hier in Gestalt der Betriebsgrundstücke und Kraftwerksanlagen) auf den Staat oder einen Dritten ankommt (BVerfGE 143, 246 Rn. 265, 240). 77 BVerfGE 143, 246 Rn. 262ff., wo zudem mit Recht betont wird, dass ein Eigentumsentzug allenfalls hinsichtlich der Mülheim-Kärlich-Reststrommengen in Betracht kommt, für die es dann aber jedenfalls an einem Güterbeschaffungsvorgang fehlt. 78 Etwas anderes könnte allein für die Mülheim-Kärlich-Reststrommengen angenommen werden (die Frage offenlassend BVerfGE 143, 246 Rn. 265). Deren besonderer Qualität hat der

Atomausstieg, Eigentums- und Vertrauensschutz

45

von Nutzungsmöglichkeiten an den Kernkraftwerken nicht mit dem Entzug von Eigentumsrechten gleichgesetzt werden kann. Diese Bewertung stellt gleichsam die logische Konsequenz aus der (zutreffenden) Verneinung eines autonomen Eigentumsschutzes von Reststrommengen und Betriebsgenehmigung dar. Bemerkenswert erscheint nach alledem, dass weder die Ausführungen zum Merkmal der Güterbeschaffung noch zur Ausgleichs-Prüfpflicht bei Eigentumsentzug ohne Güterbeschaffung durch den zu beurteilenden Sachverhalt zwingend geboten waren. Es handelt sich insoweit vielmehr um bloße obiter dicta,79 denen gleichwohl für die BVerfG-Judikatur der Zukunft prägende Bedeutung zukommen dürfte. Letztlich nicht durchschlagend erscheint schließlich die Kritik im Schrifttum, wonach das Atomausstiegsurteil eine Berücksichtigung der enteignungsrechtlichen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 1 Abs. 1 S. 2 des 1. ZP-EMRK vermissen lasse.80 Zwar trifft es zu, dass in der EMRK ein weiter, auch die De-factoEnteignung umfassender Begriff der Eigentumsentziehung zugrunde gelegt wird.81 Zu bedenken ist aber ein Zweifaches: Zum einen resultiert aus der EGMRJudikatur keine Pflicht zur Anpassung der deutschen Dogmatik, soweit ein äquivalenter Eigentumsschutz sichergestellt wird.82 Gerade dies wird durch die Aufwertung der Rechtsfigur der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung gewährleistet. Zum anderen wäre vorliegend auch eine indirekte Enteignung im Hinblick darauf zu verneinen, dass das forcierte Ausstiegsmodell der 13. AtG-Novelle durchgängig auf Kernkraftwerke traf, die zuvor bereits durch Reststrommengen limitiert worden waren.83

4.

Differenzierte Behandlung der Reststrommengen

Als beifallswürdig erweist sich ferner die differenzierte Beurteilung der Schutzwürdigkeit der Reststrommengenzuweisungen aus den Jahren 2002 einerseits und 2010 andererseits.84 Was zunächst die nach dem Ausstiegsgesetz 2002 verbleibenden Laufzeiten betrifft, so sollten hiermit gerade die Eigentumsrechte der Kraftwerkbetreiber gewahrt werden. Der Kompromiss- und

79 80 81 82 83 84

Erste Senat dann auch im Rahmen der nachfolgenden Verhältnismäßigkeitsprüfung Rechnung getragen (aaO, Rn. 346); näher Roller (o. Fußn. 2), 283. Kritisch Berkemann (o. Fußn. 2), 798f. Shirvani (o. Fußn. 2), 284f. Näher Ludwigs (o. Fußn. 1), 3f. m. w. N. Darauf hinweisend bereits Ludwigs (o. Fußn. 66), 260f. Näher Ludwigs (o. Fußn. 66), 261f. Ebenso z. B. Knappe/Seibert (o. Fußn. 2), 35; kritisch im Hinblick auf die unterbliebene Differenzierung zwischen echter und – hier ersichtlich vorliegender – unechter Rückwirkung: Hofmann (o. Fußn. 2), 273f.; s. ferner Shirvani (o. Fußn. 2), 286.

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Kompensationscharakter der Reststrommengenzuweisungen von 2002 begründet eine erhöhte Schutzwürdigkeit des Vertrauens. Vor diesem Hintergrund erklärt sich, dass die Richter nach detaillierter Ermittlung der nicht unerheblichen und im Wettbewerb nachteiligen Verstrombarkeitsdefizite bei Vattenfall und RWE zur Verfassungswidrigkeit der Staffelung der Restlaufzeiten in § 7 Abs. 1a S. 1 Nr. 1–6 AtG gelangten. In scharfem Kontrast hierzu stellten die Zusatzstrommengen der 11. AtGNovelle weder eine Kompensation für anderweitige Einschränkungen des Eigentums dar, noch beruhten sie in sonstiger Weise auf spezifischen Eigenleistungen der Energieversorger. Die Laufzeitverlängerung von 2010 bildete vielmehr das Resultat einer energie-, klima- und wirtschaftspolitischen Entscheidung von Bundesregierung und Gesetzgeber (»Brückenfunktion« der Kernenergie).85 Mit Recht verweist das BVerfG zudem darauf, dass der Zeitraum zwischen der am 13. Dezember 2010 im Bundesgesetzblatt verkündeten 11. AtGNovelle und dem sog. Moratorium von Mitte März 2011 zu kurz gewesen sei, um die generelle Annahme begründen zu können, dass sich die Kernkraftbetreiber bereits nachhaltig auf die Laufzeitverlängerung eingerichtet hätten. Dessen ungeachtet schließt es der begrenzte Zeitraum von weniger als fünf Monaten zwischen dem Bundestagsbeschluss über die 11. AtG-Novelle am 28. Oktober 201086 und dem Moratoriumsschreiben des BMU vom 16. März 2011 nicht aus, dass im schutzwürdigen Vertrauen auf die Zusatzstrommengen zusätzliche Investitionen getätigt wurden, die mit der 13. AtG-Novelle entwertet worden sind. Dem trägt der Erste Senat auch Rechnung, indem er das Fehlen einer Ausgleichsregelung für frustrierte Investitionen als Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG qualifiziert.

5.

Vertiefungsfähige, aber verfassungskonforme Prüfung formeller Anforderungen

Eine differenzierte Bewertung ist schließlich wiederum im Hinblick auf die als verletzt gerügten Sachverhaltsermittlungs- und Begründungsanforderungen angezeigt. In kritischer Perspektive ist insoweit auf die nur wenige Zeilen umfassenden Ausführungen des Ersten Senats hinzuweisen. Gerade angesichts der uneinheitlichen Judikatur des BVerfG wurde hier eine Gelegenheit zu Klarstellung verpasst, in welchen »Sonderkonstellationen« von Verfassungs wegen die Notwendigkeit selbständiger Sachaufklärungspflichten im Gesetzgebungsver85 BVerfGE 143, 246 Rn. 300, mit Verweis auf BT-Drs. 17/3051, S. 1. 86 Vgl. insoweit bereits den Hinweis in Fußn. 44.

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fahren besteht bzw. ausnahmsweise eine Gesetzesbegründung geboten sein kann. Den unterschiedlichen Zugriff der beiden Senate des BVerfG hat jüngst G. Britz prägnant herausgearbeitet.87 Danach praktiziert der Erste Senat in seinen Zuständigkeitsbereichen eine Methodenprüfung in Form der Ergebniskontrolle. Hierbei handelt es sich letztlich um eine Begründbarkeitsprüfung, die maßgeblich darauf abstellt, dass die Anforderungen des Grundgesetzes »im Ergebnis nicht verfehlt werden«.88 Dem Gesetzgeber wird damit letztlich die »materielle« Argumentationslast dafür auferlegt, ob er die Folgen einer Entscheidung im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hinreichend in seine Überlegungen eingestellt hat.89 Demgegenüber hat sich der Zweite Senat im Besoldungsrecht zuletzt deutlich zugunsten einer prozeduralen Herangehensweise positioniert.90 Eine bloße Begründbarkeit genügt demzufolge gerade nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Prozeduralisierung. Ungeachtet dieser methodischen Divergenzen besteht aber Einigkeit dahingehend, dass es sich bei prozeduralen Verfassungsanforderungen an Gesetzgebung nur um einen nicht verallgemeinerungsfähigen »spezifischen Kontrollzugriff für Sonderfälle« handeln kann.91 Richtet man nun den Blick auf die 13. AtG-Novelle, wird erkennbar, dass die Überprüfung der Neubewertung des sog. Restrisikos durch den Gesetzgeber der 13. AtG-Novelle aufgrund ihres im Kern politischen Charakters schwerlich in Form einer Methodenkontrolle (wie im Besoldungsrecht) erfolgen konnte.92 Hinzu kommt, dass vorliegend eine effektive Ergebniskontrolle am Maßstab (insbesondere) des Eigentumsgrundrechts durch das BVerfG sichergestellt war.93 Vor diesem Hintergrund ist dem Ersten Senat letztlich zuzustimmen, dass hinsichtlich der Sachverhaltsermittlungs- und Begründungsanforderungen keine Sonderkonstellation und damit auch kein Verfassungsverstoß vorlag. 87 Britz, Verfassungsrechtliche Verfahrens- und Rationalitätsanforderungen an die Gesetzgebung, Die Verwaltung 50 (2017), 421 (423ff.). 88 BVerfGE 137, 34 Rn. 77 (Existenzminimum); s. auch BVerfGE 139, 148 Rn. 61 (Hochschulfusion); BVerfGE 140, 65 Rn. 33 (Betreuungsgeld); BVerfGE 143, 246 Rn. 275, 277 (Atomausstieg); in Richtung einer stärkeren Prozeduralisierung noch die Hartz-IV-Entscheidung: BVerfGE 125, 175 (226); erläuternd und einordnend Britz (o. Fußn. 87), 423ff., 427f., 430f. 89 Berkemann (o. Fußn. 2), 801. 90 Zur Professorenbesoldung: BVerfGE 130, 263 (301f.); zur A-Besoldung: BVerfGE 140, 240 Rn. 112f.; zur Richterbesoldung: BVerfGE 139, 64 Rn. 129f. 91 Britz (o. Fußn. 87), 430. 92 Ebenso Roller (o. Fußn. 2), 285, der zudem darauf hinweist, dass der Gesetzgeber seiner politischen Bewertungsverantwortung durch Berücksichtigung der Ergebnisse von RSKStudie und Ethikkommission entsprochen habe; zweifelnd Berkemann (o. Fußn. 2), 801. 93 Siehe insoweit Britz (o. Fußn. 87), 429, die darauf hinweist, dass mittels Begründungs- und Tatsachenermittlungspflichten ein verfassungsrechtlicher Kontrollzugriff allein dort ermöglicht werden soll, wo eine direkte Ergebniskontrolle nicht funktioniert.

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Markus Ludwigs

V.

Konsequenzen des Urteils

1.

Beseitigung der Verfassungsverstöße

Fragt man nach den Folgen des Urteils, so ist zunächst die unmittelbare Verpflichtung des Gesetzgebers hervorzuheben, den festgestellten und nicht zur Nichtigkeit des § 7 Abs. 1a S. 1 AtG führenden Verfassungsverstößen94 bis zum 30. Juni 2018 abzuhelfen. Der Erste Senat hat hierfür verschiedene Optionen aufgezeigt.95 Mit Blick auf die konzerninterne Verstromung der Reststrommengen wurden neben einer – politisch schwerlich durchsetzbaren – Verlängerung der Laufzeiten einzelner konzerneigener Kernkraftwerke auch andere Ausgleichsmöglichkeiten benannt. Konkret könne eine hinreichende (»im Wesentlichen«) Kompensation der Verstromungsdefizite unter Umständen ebenso durch die gesetzliche Sicherstellung einer Weitergabemöglichkeit von nicht mehr nutzbaren Elektrizitätsmengen zu ökonomisch zumutbaren Bedingungen erfolgen. Der hiermit verbundene Kontrahierungszwang dürfte allerdings seinerseits komplexe verfassungsrechtliche Folgefragen auslösen.96 Daneben bleibt es dem Gesetzgeber nach Auffassung des BVerfG unbenommen, eine angemessene finanzielle Kompensation vorzusehen. Hierbei handelt es sich letztlich um die wahrscheinlichste Lösung. Konkretisierend weist der Erste Senat zugleich darauf hin, dass der Ausgleich nur das zur Herstellung der Angemessenheit erforderliche Maß erreichen muss. Voller Wertersatz ist mithin nicht gefordert. Damit ist weiterer Diskussionsbedarf hinsichtlich der genauen Höhe etwaiger Entschädigungsansprüche vorprogrammiert. Gleiches gilt mit Blick auf die geforderte Ausgleichsregelung für frustrierte Investitionen. Insoweit betonte der Erste Senat wiederum explizit, dass vom Gestaltungsermessen des Gesetzgebers alternativ zur finanziellen Entschädigung auch die Einräumung individueller Laufzeitverlängerungen gedeckt wäre, was allerdings kaum realistisch erscheint. Inwieweit der Bundesgesetzgeber dem Nachbesserungsauftrag des BVerfG fristgerecht bis zum 30. Juni 2018 nachkommen wird, bleibt abzuwarten. Ausweislich der Antwort auf eine Kleine Anfrage vom 8. Februar 2018 prüft die Bundesregierung gegenwärtig noch immer die Umsetzung des Urteils.97 Wenig überraschend ist eine Verlängerung der Laufzeiten einzelner Atomkraftwerk bis 94 Vgl. BVerfGE 143, 246 Rn. 400ff. 95 Zum Folgenden: BVerfGE 143, 246 Rn. 404; s. auch Rn. 382; allgemein zu den staatlichen Handlungsmöglichkeiten beim Atomausstieg: Schmitz/Helleberg/Martini, Kernenergieausstieg – Staat und Unternehmen zwischen Eingriffsgesetzen und konsensualen Lösungstechniken, NVwZ 2017, 1332. 96 Zweifelnd auch Roller (o. Fußn. 2), 286. 97 BT-Drs. 19/680.

Atomausstieg, Eigentums- und Vertrauensschutz

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über das Jahr 2022 hinaus allerdings explizit nicht mehr Gegenstand der Prüfung.98

2.

Vattenfall-Verfahren vor dem ICSID und Kohleausstieg

Von diesen direkten Konsequenzen sind die indirekten Folgewirkungen des Urteils zu unterscheiden. Insoweit ist vor allem auf die weiter anhängige Schiedsklage von Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Weltbankgericht ICSID99 hinzuweisen.100 Für dieses Verfahren dürfte dem Karlsruher Urteil durchaus eine erhebliche Bedeutung zukommen. Zwar ließe sich prima facie argumentieren, dass die Unvereinbarkeitserklärung des BVerfG dem Schiedsgericht gerade Anlass geben könnte, Vattenfall insoweit eine Entschädigung zuzusprechen. Denkbar wäre eine Anknüpfung an das Gebot der fairen und gerechten Behandlung aus Art. 10 Abs. 1 des Energiecharta-Vertrages.101 Bei näherer Betrachtung können die Anerkennung der Grundrechtsfähigkeit von Vattenfall durch den Ersten Senat und die hieran anknüpfenden materiell-rechtlichen Konsequenzen aber auch umgekehrt als Beleg für die rechtliche Stabilität der deutschen Rechtsordnung angeführt werden, was die Erfolgsaussichten der Klage schmälern dürfte.102 Insbesondere ist zu beachten, dass Vattenfall bei Erlass der vom BVerfG angemahnten Neuregelungen zur konzerninternen Verstromung und zum Ausgleich frustrierter Investitionen – zumindest wirtschaftlich – im Kern so gestellt würde, wie es 2002 vorgesehen war. Bedenkt man weiter, dass das Atomausstiegsgesetz 2002 auf dem von den Energieversorgungsunternehmen mitgetragenen Atomkonsens I beruhte und auch nicht gerichtlich angegriffen wurde, liegt die Prognose nahe, dass eine 98 Ibid. Nach Abschluss dieses Manuskripts ist nunmehr am 4. 7. 2018 die 16. AtG-Novelle in Kraft getreten (BGBl. I 2018, S. 1122, 1124). Durch Einfügung der §§ 7 e bis g AtG sollen sowohl die Anspruchsgrundlagen als auch das Verwaltungsverfahren für eine angemessene finanzielle Kompensation geregelt werden (differenzierte Analyse bei Ludwigs, Die 16. AtGNovelle – Beitrag zum Rechtsfrieden oder neuer Konfliktherd?, NVwZ 2018 [i.E.]). 99 International Centre for Settlement of Investment Disputes. 100 ICSID Case No ARB/12/12, Vattenfall AB et al. v. Federal Republic of Germany (No. 2); näher Dederer, Rechtsschutz bei Investitionsstreitigkeiten vor ICSID-Schiedsgerichten – am Beispiel des Verfahrens »Vattenfall II«, in: Raetzke/Feldmann/Frank (Hrsg.), Aus der Werkstatt des Nuklearrechts, 2016, S. 119ff.; Gundel, in: Ludwigs (o. Fußn. 1), S. 47ff.; ders., Völkerrechtliche Rahmenbedingungen der Energiewende, EnWZ 2016, 243ff.; Ludwigs (o. Fußn. 1), 4ff.; Krajewski, Verfassungsrechtliche Probleme des Eigentumsschutzes durch internationales Investitionsrecht, in: ders./Reuß/Tabbara (Hrsg.), GS für Rittstieg, 2015, S. 80 (89ff.). 101 Zu weiteren diskutierten Rechtsgrundlagen vgl. Ludwigs (o. Fußn. 1), 5f. 102 Andeutungsweise auch Krajewski (o. Fußn. 100), S. 91f.

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Markus Ludwigs

Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland nunmehr zumindest weniger wahrscheinlich ist. Weitergehend wird im Schrifttum kontrovers diskutiert, inwieweit das Atomausstiegsurteil des BVerfG auf einen möglichen Kohleausstieg übertragbar ist.103 Einerseits ist zugunsten eines – ggf. sogar erleichterten – Ausstiegs neben Art. 20a GG104 darauf hingewiesen worden, dass im Kohlesektor bislang keine derartig wechselhafte, den Vertrauensschutz in besonderer Weise herausfordernde Gesetzgebung mit Übergangsregelungen wie im Atomsektor existiert.105 Dem wird entgegengehalten, dass der Sozialbezug weniger stark ausgeprägt sei, weil die Kohlenutzung nicht solche hohen Gefährdungen wie die Nutzung der Kernenergie berge.106 Nach dem Scheitern der sog. Jamaika-Koalition in Berlin steht die Thematik zwar nicht mehr ganz oben auf der politischen Agenda. Immerhin sieht aber auch die von CDU/CSU und SPD ausgehandelte – noch von den Mitgliedern der SPD zu bestätigende – Koalitionsvereinbarung vor, dass sich die neu einzusetzende Kommission »Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung« mit der Planung des Kohleausstiegs befassen und ein Abschlussdatum für die Kohleverstromung vorschlagen soll.107

VI.

Fazit

Wenngleich das Urteil des Ersten Senats damit noch nicht alle Fragen rund um den beschleunigten Kernenergieausstieg von 2011 abschließend beantwortet, handelt es sich doch – wie auch beim Beschluss des Zweiten Senats zur Kern103 Vgl. Däuper/Michaels, Ein gesetzlicher Ausstieg aus der Kohleverstromung vor dem Hintergrund des Urteils des BVerfG zum Atomausstieg, EnWZ 2017, 211; Rodi, Kohleausstieg – Bewertung der Instrumentendebatte aus juristischer und rechtspolitischer Sicht, EnWZ 2017, 195; Ziehm, Das Urteil des BVerfG zum Atomausstieg: Konsequenzen für den Kohleausstieg, ZNER 2017, 7; knapp Fehling/Overkamp (o. Fußn. 2), 493f.; Frenz (o. Fußn. 2), 123; Berkemann (o. Fußn. 2), 799; Franzius, Das Recht der Energiewende, JuS 2018, 28 (28f.); Roßnagel/ Hentschel/ Emanuel (o. Fußn. 2), 133; zur unionsrechtlichen Zulässigkeit vgl. Klinski, Instrumente eines Kohleausstiegs im Lichte des EU-Rechts, EnWZ 2017, 203. 104 Däuper/Michaels (o. Fußn. 103), 215; dagegen aber Frenz (o. Fußn. 2), 123, der annimmt, dass weder die grundrechtliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 GG noch die Umweltstaatszielbestimmung nach Art. 20a GG tangiert sei. 105 Däuper/Michaels (o. Fußn. 103), 215; Fehling/Overkamp (o. Fußn. 2), 494; prägnant Shirvani (o. Fußn. 2), 281: »mäandernde Gesetzgebung«. 106 Frenz (o. Fußn. 2), 123, unter Verneinung des Charakters der Kohlenutzung als »Hochrisikotechnologie«. 107 Ein neuer Aufbruch für Europa. Eine neue Dynamik für Deutschland. Ein neuer Zusammenhalt für unser Land – Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD v. 7. 2. 2018, S. 142; abrufbar unter https://www.cdu.de/koalitionsvertrag-2018 (letzter Abruf: 14. 2. 2018). Nach Abschluss dieses Manuskripts erfolgte die Einsetzung der Kommission mit Beschluss des Bundeskabinetts v. 6. 6. 2018.

Atomausstieg, Eigentums- und Vertrauensschutz

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brennstoffsteuer vom 13. April 2017108 – um einen Meilenstein, der die weitere Entwicklung prägen dürfte und einen wichtigen Beitrag zur rechtsstaatlichen Einhegung der bisweilen sprunghaften Energiewendepolitik darstellt. Zugleich leistet die Entscheidung mit der Festlegung auf den konstitutiven Charakter des (Enteignungs-)Merkmals der Güterbeschaffung, einer Aufwertung der Rechtsfigur der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung und der Betonung des in Art. 14 Abs. 1 GG verorteten Vertrauensschutzes109 einen bedeutenden Beitrag zur Festigung und Fortentwicklung der Dogmatik des Eigentumsgrundrechts. Argumentative Lücken verbleiben allerdings bei der inkonsistenten Bejahung der Grundrechtsfähigkeit von Vattenfall. Die weitere Diskussion zur Grundrechtsberechtigung staatlich beherrschter Unternehmen könnte freilich erweisen, dass der Erste Senat auch insoweit – wenngleich ungewollt – entscheidend zum Aufbrechen der festgefahrenen Argumentationslinien beigetragen hat.

108 BVerfG, NJW 2017, 2249; hierzu näher Ludwigs, Die Kernbrennstoffsteuer vor dem BVerfG – Rückschlag der Energiewende oder Sieg des Rechtsstaats?, NVwZ 2017, 1509; Wernsmann, JZ 2017, 954; v. Weschpfennig, DVBl. 2017, 899. 109 Zweifelnd Shirvani (o. Fußn. 2), 285.

Georg Hermes

Energieversorgung und Enteignung zugunsten Privater

Der Zusammenhang von Energieversorgung und der Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten Privater verspricht fruchtbare Spannung. Dass die leitungsgebundene Energieversorgung nicht ohne Enteignungen zugunsten ihrer privaten Akteure auskommt, ist unbestritten und wurde bereits vor mehr als dreißig Jahren verfassungsgerichtlich1 am Maßstab der Eigentumsgarantie geprüft und für unproblematisch erachtet. Diese Entscheidung ist zugleich die erste in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die mit der Frage nach der Zulässigkeit einer Enteignung zugunsten Privater »grundrechtsdogmatisch vermintes Gelände«2 betrat. Die Energieversorgungslandschaft ist aber auch heute noch – und angesichts ihrer zwischenzeitlich durchlaufenen Veränderungen erneut – Anwendungsgebiet und problematischer Testfall für die verfassungsrechtlichen Regeln zur Zulässigkeit der Enteignung zugunsten Privater (dazu I.). Zwei neuere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts veranschaulichen die Aktualität des Themas aus der Perspektive der energierechtlichen Enteignung zugunsten eines Windparks einerseits und der Enteignung zugunsten eines privaten Chemieunternehmens für eine Rohrleitungsanlage andererseits (dazu II.). Sie lassen es angezeigt erscheinen, sich des Standes der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Enteignung zugunsten Privater zu vergewissern (dazu III.). Für die vor diesem Hintergrund auftretenden offenen Fragen werden Orientierungspunkte vorgeschlagen, die die Bestimmung der im Sinne des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG legitimen Gemeinwohlziele nicht allein dem Gesetzgeber überlassen und für die Energieversorgung zu dem Ergebnis führen, dass zugunsten von Erzeugungsanlagen die Enteignung in der Regel verfassungsrechtlich unzulässig ist (dazu IV.).

1 BVerfGE 66, 248ff. 2 Höfling/Stöckle, Enteignung zugunsten Privater – Ethylen-Pipeline-Süd (Baden-Württemberg) – Anmerkung zum Beschluss des BVerfG vom 25. 01. 2017, DVBl. 2017, 1176 (1180).

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I.

Georg Hermes

Energieversorgung damals und heute als Testfall der Enteignung zugunsten Privater

An der allgemeinen Versorgung mit elektrischer Energie besteht ein dringendes, durch die stetig fortschreitende »Elektrifizierung« aller Lebensbereiche sogar kontinuierlich steigendes öffentliches Interesse. Deshalb ist die Enteignung zugunsten eines Energieversorgungsunternehmens gerechtfertigt, wenn eine für das Versorgungssystem notwendige Anlage nur realisiert werden kann, indem privates Grundstückseigentum in Anspruch genommen wird. Diese Zulässigkeit einer Enteignung insbesondere für die Realisierung großer Leitungsvorhaben fand mit den »Überlandzentralen« und dem Elektrizitätstransport über größere Entfernungen Anfang des 20. Jahrhunderts Anerkennung3 und wurde dann im Gesetz zur Förderung der Energiewirtschaft aus dem Jahr 1935 kodifiziert.4 Der Umstand, dass das Energieversorgungssystem nicht durch staatliche Einrichtungen betrieben wird und es sich deshalb um eine Enteignung handelt, die zugunsten »Privater« oder zumindest zugunsten privatrechtlich organisierter Unternehmen erfolgt, an denen auch Private beteiligt sind, hat in der Vergangenheit zu keinen nennenswerten Bedenken Anlass gegeben. So konnte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1984 ohne großen Begründungsaufwand die Vereinbarkeit der energiewirtschaftsrechtlichen Enteignungsnorm mit Art. 14 Abs. 3 GG feststellen.5 Der Grund für diesen weitreichenden Konsens darüber, dass die leitungsgebundene Energieversorgung eine Enteignung rechtfertige, lag über lange Zeit in der Gestaltung ihres Ordnungsrahmens, der durch spezifische Gemeinwohlbindungen der beteiligten Energieversorgungsunternehmen geprägt war. So konnte das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung bereits bei der Formulierung des verfassungsrechtlichen Maßstabes darauf verweisen, dass es einer allgemeinen Entscheidung über die Zulässigkeit der Enteignung zugunsten eines privatrechtlich organisierten Unternehmens nicht bedarf, weil eine solche Enteignung jedenfalls dann zulässig ist, wenn dem Unternehmen »die Erfüllung einer dem Gemeinwohl dienenden Aufgabe zugewiesen und zudem sichergestellt« ist, dass »es zum Nutzen der Allgemeinheit geführt« wird. Unter dieser Voraussetzung diene der staatliche Zugriff »der Erledigung einer dem Staat oder den Gemeinden obliegenden Angelegenheit« und diese »besondere Zielrichtung« des Unternehmens überlagere dessen »privatrechtliche Struktur sowie den auf die Erzielung von Gewinn ge3 S. die Nachweise dazu bei Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, 1998, S. 286f., 291. 4 »Soweit für Zwecke der öffentlichen Energieversorgung die Entziehung oder die Beschränkung von Grundeigentum […] erforderlich wird, stellt der Reichswirtschaftsminister die Zulässigkeit der Enteignung fest.« (§ 11 Abs. 1). 5 BVerfGE 66, 248ff.

Energieversorgung und Enteignung zugunsten Privater

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richteten Zweck« und lasse diese »unter dem Blickwinkel des Enteignungsrechts in den Hintergrund treten«6. Handelte es sich also um eine »dem Staat oder den Gemeinden obliegende Angelegenheit«, deren Erfüllung Privaten »zugewiesen« ist, so stellte sich die Frage nach der Zulässigkeit von oder nach besonderen Anforderungen an Enteignungen zugunsten Privater nicht. Auf der Grundlage des damaligen Ordnungsrahmens für die leitungsgebundene Energieversorgung hat das Bundesverfassungsgericht diese Voraussetzung für die Energieversorgung bejaht. Dieser rechtliche Rahmen fand sich damals in erster Linie im Energiewirtschaftsgesetz aus dem Jahr 1935 und in der wettbewerbsrechtlichen Freistellung der Konzessions-, Demarkations- und Verbundverträge, durch die die Energieversorgungsunternehmen im Verlauf der Entwicklung geschlossene Versorgungsgebiete konstituiert hatten. Zur Begründung wird zunächst die Qualität der Energieversorgungsaufgabe als »öffentliche Aufgabe von größter Bedeutung« hervorgehoben, die zum Bereich der »Daseinsvorsorge« gehöre und die durch die Angewiesenheit der Bürger »zur Sicherung einer menschwürdigen Existenz« geprägt sei. Zum Nachweis dafür, dass die »Erfüllung dieser öffentlichen Aufgabe« auch »den privatrechtlich organisierten Energieversorgungsunternehmen durch das Energiewirtschaftsgesetz zugewiesen« wurde, verweist das Bundesverfassungsgericht auf die Vorschrift, die »ohne Rücksicht auf Rechtsformen und Eigentumsverhältnisse« als Energieversorgungsunternehmen der öffentlichen Energieversorgung alle Unternehmen und Betriebe definiert, die andere mit elektrischer Energie oder Gas versorgen.7 Schließlich wird zum Nachweis dafür, dass die Unternehmen zum Nutzen der Allgemeinheit geführt werden, auf die allgemeine Anschluss- und Versorgungspflicht sowie auf eine Reihe energieaufsichtsrechtlicher Instrumente verwiesen. Zu diesen gehörte nach damaligem Energierecht u. a. eine umfassende Auskunfts- und Mitteilungspflicht der Energieversorgungsunternehmen, die Anzeigepflicht für Errichtung, Umbau und Stilllegung von Anlagen mit der Möglichkeit, diese Vorhaben zu beanstanden und zu untersagen (Investitionskontrolle), sowie die Tarifpreiskontrolle und die behördliche Befugnis, den Betrieb eines »unfähigen« Unternehmens zu untersagen und dessen Aufgaben einem anderen Unternehmen zu übertragen (»Abmeierung«).8 Dass von dieser alten Konstruktion des Energierechts inzwischen kaum ein Stein auf dem anderen geblieben ist, bedarf hier keiner detaillierten Erläuterung. 6 BVerfGE 66, 248 (257). 7 BVerfGE 66, 248 (258), verweist mit dem Hinweis »vgl.« auf § 2 Abs. 2 EnWG. 8 Für einen knappen Überblick über die Grundstrukturen des »alten« Energiewirtschaftsrechts s. nur Hermes (o. Fußn. 3), S. 30ff.

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Spätestens seit den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts befindet sich die leitungsgebundene Energieversorgung in einem unionsrechtlich getriebenen Prozess der Liberalisierung, der trotz aller steuernden staatlichen Eingriffe insbesondere im Interesse des Umwelt- und Klimaschutzes die Energieversorgungslandschaft grundlegend umgestaltet hat. Die Umsetzung der ersten Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie aus dem Jahr 1996 führte bereits zur Ablösung wesentlicher Elemente der alten energiewirtschaftlichen Ordnung durch das Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts aus dem Jahr 1998. Kaum weniger einschneidende Veränderungen brachte dann das Energiewirtschaftsgesetz 2005, das in Umsetzung der Energiebinnenmarkt-Richtlinien aus dem Jahr 2003 eine deutlich verschärfte Regulierung des Netzzugangs mit sich brachte und zutreffend bezeichnet wurde als »Paradigmenwechsel in der Methode, Wettbewerb zu ermöglichen«9. Seitdem befindet sich das Energierecht in einem kontinuierlichen Wandel. Dieser Wandlungsprozess, der inzwischen in erster Linie durch die Förderung erneuerbarer Energien, durch die Folgen des Atomausstiegs, durch Bemühungen um die Gewährleistung von Versorgungssicherheit in einem liberalisierten Erzeugermarkt und durch die nach wie vor relevanten Probleme des grenzüberschreitenden Stromhandels geprägt ist, lässt sich kaum als kontinuierlich vertiefte Liberalisierung beschreiben. Allerdings lassen sich diese Entwicklungen auch sicher nicht im Sinne einer allmählichen Rückkehr zur oben umrissenen alten Ordnung deuten. Zutreffend hat deshalb eine Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts10 die Frage aufgeworfen, »ob beziehungsweise mit welchen Folgen die Energieversorgung noch als ›Daseinsvorsorge‹ im Sinne« der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1984 zum Enteignungsrecht nach dem EnWG 1935 qualifiziert werden kann. Die Frage blieb unbeantwortet11 und ist nach wie vor offen. Deshalb kann die (erste) Frage nach Zulässigkeit und Grenzen einer Enteignung zugunsten Privater für Zwecke der Energieversorgung als eine (wieder) offene angesehen werden. Sie ist zugleich ein durchaus kritischer Testfall für die Tragfähigkeit der Lösungen, die das Bundesverfassungsgericht und die Rechtswissenschaft für die allgemeinere und grundsätzlichere (zweite) Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Enteignungen zugunsten Privater anzubieten haben.

9 BVerfG (1. Kammer des Ersten Senats), Beschluss v. 10.9.2008 – 1 BvR 1914/02, juris Rn. 24. 10 BVerfG (1. Kammer des Ersten Senats), Beschluss v. 10.9.2008 – 1 BvR 1914/02, juris Rn. 24. 11 Die Verfassungsbeschwerde 1 BvR 1914/02 betraf Enteignungen auf der Grundlage des EnWG 1935 und teilweise auch noch des EnWG 1998. Mit der zitierten Frage macht die Kammer deutlich, warum von einer Annahme der Verfassungsbeschwerde eine Klärung verfassungsrechtlicher Fragen, die auch das ab 2005 geltende neue Energiewirtschaftsrecht betreffen, nicht zu erwarten war.

Energieversorgung und Enteignung zugunsten Privater

II.

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Private Windparks und Rohrleitungen – Bundesgerichte auf der Suche nach dem Allgemeinwohl

Diese beiden Fragen und die erheblichen Unsicherheiten bei der Suche nach ihrer Beantwortung lassen sich exemplarisch an zwei jüngeren Entscheidungen zeigen, in denen es einerseits um die Zulässigkeit der Enteignung zugunsten von Energieerzeugungsanlagen (Windpark) und andererseits um die Anforderungen an eine Enteignung zugunsten Privater aus Anlass einer privaten Rohrleitungsanlage zum Transport von Kohlenmonoxid und Kohlenmonoxid-Wasserstoffgemischen zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen ging.

1.

Enteignung zugunsten privater Betreiber von Windparks?

Nähert man sich der Enteignung zugunsten Privater in der Energieversorgung aus der Perspektive der energierechtlichen Praxis, so gehört es dort zum »Alltag«, dass für die Realisierung neuer Leitungsvorhaben die erforderlichen Trassengrundstücke notfalls enteignet werden. Demgegenüber suchte man lange vergebens nach (veröffentlichten) Gerichtsentscheidungen, bei denen die Enteignung zugunsten von Erzeugungsanlagen in Streit stand.12 Für die verfassungsrechtliche Frage nach Voraussetzungen und Grenzen einer Enteignung zugunsten Privater in der »neuen« liberalisierten Welt der leitungsgebundenen Energieversorgung ist aber gerade diese Konstellation einer Enteignung zum Zweck der Verwirklichung einer Erzeugungsanlage von besonderem Interesse. Denn die nach wie vor unbestrittene und gesetzlich präzise ausgeformte »dienende« Transportfunktion der Netze, ihre staatliche Planung und der allgemeine Zugang für »Durchleitungen« lassen kaum Zweifel daran aufkommen, dass sie – obwohl in der Hand Privater – dem Allgemeinwohl dienen und deshalb die Enteignung rechtfertigen.13 Ob dagegen in einem wettbewerblich geordneten Erzeugungsmarkt die Strom produzierenden Unternehmen ihr Geschäft mit Hilfe von Enteignungen betreiben dürfen, wenn ihnen der freihändige Erwerb der erforderlichen Anlagengrundstücke nicht gelingt, ist fraglich. Eben um eine solche Enteignung zugunsten eines aus acht Windkraftanlagen bestehenden Windparks ging es in dem Fall, der dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. März 201514 zugrunde lag. Während es dem Windpark-Be12 So auch das Ergebnis der Recherche, die das OLG Jena, ZNER 2014, 97ff. (Rn. 49), offenbar angestellt hatte. 13 S. dazu Hermes (o. Fußn. 3), S. 357ff. 14 BGHZ 204, 274ff.; Vorinstanzen: OLG Jena, ZNER 2014, 97ff., und LG Meiningen, U. v. 7. 3. 2012 – BLK O 672/11 (12), BeckRS 2015, 06799. Im Streit standen zwar nicht die Flächen für die Erzeugungsanlagen selbst sondern nur für deren Zuwegung. Diese konnte rechtlich aber

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Georg Hermes

treiber offenbar gelungen war, die für die Windkraftanlagen erforderlichen Grundstücke zu erwerben, weigerte sich die Eigentümerin15 der Zufahrtswege (Waldwege), den für die schweren Fahrzeuge in der Bauphase und für die weitere Unterhaltung des Windparks erforderlichen Ausbau und die Nutzung zu gestatten. Die zuständige Landesenteignungsbehörde ordnete dann zugunsten der Windparkbetreiberin eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wegerecht) im Wege der Enteignung an, gegen die die Wegeeigentümerin Rechtsschutz vor der zuständigen Baulandkammer, dem Baulandsenat und schließlich dem Bundesgerichtshof16 suchte. Die maßgebliche gesetzliche Grundlage für Enteignungen zur Realisierung von Energieversorgungsvorhaben findet sich in § 45 EnWG, dessen Absatz 1 Nr. 1 die Enteignung für planfestgestellte oder -genehmigte große Leitungsvorhaben (Hochspannungsfreileitungen, Gasversorgungsleitungen, Netzanbindung von Windenergieanlagen auf See etc.) für zulässig erklärt. Nicht planfeststellungsbedürftig und -fähig und somit nicht nach dieser Nr. 1 des § 45 Abs. 1 EnWG enteignungsbegünstigt sind dagegen »kleine« Leitungen.17 Daneben erklärt die hier allein in Frage kommende Vorschrift des § 45 Abs. 1 Nr. 2 EnWG die Enteignung für zulässig zur Durchführung »eines sonstigen Vorhabens zum Zwecke der Energieversorgung«. Unter diese Nr. 2 fallen etwa »kleine« Leitungsvorhaben,18 die nicht der Planfeststellung/Plangenehmigung unterworfen sind, sowie Anlagen mit funktionalem Netzzusammenhang (Umspannwerke, Transformatorenstationen, Maststandplätze)19. Ob neben solchen Netzvorhaben

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19

nur im Wege der Enteignung durchgesetzt werden, wenn auch die Erzeugungsanlage selbst, deren Erschließung die Zuwegung dient, eine Enteignung rechtfertigte; so auch OLG Jena, ebda, Rn. 48. Neben der Zuwegung ging es in dem Verfahren auch noch um den Leitungsanschluss des Windparks, der aber enteignungsrechtlich anderen Regeln für (Anschluss-)Leitungen folgt und deshalb hier nicht weiter behandelt wird. Ein Sonderproblem lag hier darin, dass Eigentümerin der Zuwegungsgrundstücke die Standortgemeinde war. Das ist aber ohne Belang, weil einer Gemeinde – auch wenn diese sich nicht auf die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie berufen kann – ihr »einfachgesetzliches« Eigentum nur entzogen (oder beschränkt) werden kann auf der Grundlage gesetzlicher Enteignungsvorschriften, die ihrerseits im Lichte des Art. 14 GG ausgelegt werden müssen, weil sie auch (und sogar regelmäßig) auf private Eigentümer Anwendung finden, die den Schutz von Art. 14 GG genießen. Zur der landesrechtlichen Besonderheit, dass auch die Entscheidung über die Zulässigkeit der Enteignung den ordentlichen Gerichten zugewiesen ist, s. Greinacher, Enteignung für einen Netzanschluss und eine Zuwegung eines Windparks, ER 2015, 235 (236). Elektrizitätsfreileitungen unter 110 kV Nennspannung und Gasversorgungsleitungen mit einem Durchmesser von 300 mm oder weniger. S. etwa VG Schleswig, U. v. 20.1.2011 – 12 A 193/09 (Juris), für eine Gasversorgungsleitung unterhalb des planfeststellungsbedürftigen Durchmessers. Praktisch bedeutsam sind insbesondere (regelmäßig nicht planfeststellungsbedürftige) Leitungen zur Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien, dazu Wichert, Enteignung und Besitzeinweisung für energiewirtschaftliche Leistungsvorhaben, NVwZ 2009, 876ff. Dazu etwa Pielow, Enteignung, in: BerlK-EnR, 3. Aufl. 2014, § 45 Rn. 12.

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auch Energieerzeugungsanlagen enteignungsbegünstigt im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 2 EnWG sein können, ist dagegen in der Literatur umstritten20 und war in dem hier referierten Verfahren offenbar erstmalig zu entscheiden. Das zuständige Landesministerium, in dessen Kompetenz als Energieaufsichtsbehörde nach dem zweistufigen energierechtlichen Enteignungsverfahren bei »sonstigen Vorhaben« die Feststellung der Zulässigkeit der Enteignung fiel, bejahte die Möglichkeit einer Enteignung zugunsten von Erzeugungsanlagen ebenso wie das erstinstanzlich zuständige LG Meiningen. Das OLG Jena dagegen ließ die Enteignung zugunsten der Windparkbetreiberin scheitern – und zwar in erster Linie mit der Begründung, dass die Zuwegung ebenso wenig wie die Windkraftanlagen selbst ein sonstiges Vorhaben zum Zwecke der Energieversorgung i. S. d. § 45 Abs. 1 Nr. 2 EnWG sei, weil die im Wettbewerb stehenden Erzeuger anders als der gemeinwohlgebundene Netzbetreiber nach dem neuen Energiewirtschaftsrecht keiner Gemeinwohlbindung mehr unterlägen und daher nicht von einer Enteignung profitieren dürften.21 Der Bundesgerichtshof ist dieser Begründung nicht gefolgt,22 weil der Wortlaut des § 45 Abs. 1 Nr. 2 EnWG weit gefasst sei, folglich »ohne weiteres auch Energieerzeugungsanlagen mit« einschließe und auch die Entstehungsgeschichte nichts für eine Beschränkung der Enteignungsmöglichkeit auf Netzvorhaben hergebe. Während sich das Berufungsgericht also bei der Auslegung des § 45 EnWG an dem grundlegenden Wandel des Ordnungsrahmens der Energiewirtschaft seit Ende der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts orientiert, beschränkt der Bundesgerichtshof sich auf die Beobachtung, dass dieser Wandel im Wortlaut und in den einzelnen Gesetzesbegründungen23 der energierechtlichen Enteignungsvorschrift seit 1998 keinen Niederschlag gefunden habe. Der zweite durch den Fall aufgeworfene Problemkreis, der indirekt ebenfalls mit der Zulässigkeit einer Enteignung zugunsten privater Erzeugungsanlagenbetreiber zusammenhängt, betrifft das Verhältnis der Enteignung zur vorgelagerten (oder parallelen) öffentlich-rechtlichen Zulassungsentscheidung für die Anlage, zu deren Realisierung enteignet werden soll. Hierzu hatte das Oberlandesgericht aus einem systematischen Vergleich zwischen der Planfeststellung bei Leitungsvorhaben (mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung) und der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bei Erzeugungsanlagen (ohne enteig20 Ausführliche Nachw. dazu bei OLG Jena, ZNER 2014, 97 Rn. 50, 52. 21 OLG Jena, ZNER 2014, 97 Rn. 52. Daneben werden auch systematische Gesichtspunkte werden für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 45 Abs. 1 Nr. 2 EnWG auf kleinere Leitungsvorhaben ins Feld geführt; OLG Jena, ZNER 2014, 97 Rn. 54. 22 BGHZ 204, 274 Rn. 23 und 45 (dort auch das folgende Zitat). 23 Das Urteil des BGHZ 204, 274 verweist insoweit auf die Sequenz: § 11 EnWG 1935, § 12 EnWG 1998, § 12 EnWG 2001 (nach Einführung der Planfeststellung für Leitungsvorhaben; BTDrs. 14/4599, S. 162), § 45 EnWG 2005 (BT-Drs. 15/3917, S. 67).

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nungsrechtliche Vorwirkung) gefolgert, die Enteignung könne nicht das Mittel darstellen, um bei Erzeugungsanlagen »überhaupt erst deren Genehmigungsfähigkeit nach Maßgabe des einschlägigen Fachrechts herbeizuführen«24 – hier also die nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i. V. m. § 35 BauGB erforderliche Erschließung der Windparkgrundstücke. Während das OLG damit den planungsund enteignungsrechtlich grundlegenden und kategorialen Unterschied zwischen Planfeststellung und Genehmigung25 zutreffend erfasst haben dürfte, versucht es der Bundesgerichtshof mit einem verfahrensrechtlichen Zugriff: Mangels einer bestandskräftigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung sei es die Pflicht der Enteignungsbehörde, eigenverantwortlich zu prüfen, dass dem Vorhaben – als Voraussetzung jeder Enteignung – keine öffentlich-rechtlichen Hindernisse entgegenstehen. Die Enteignungsbehörde hätte also nach Ansicht des Bundesgerichtshofs prüfen sollen, ob als rechtliche Voraussetzung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung die Erschließung des Windparks gesichert ist, was aber nur durch eine – von der Enteignungsbehörde selbst zu prüfende (!) – Enteignung geschehen konnte.26 Dass dem Bundesgerichtshof hier der Überblick über das Verhältnis verschiedener öffentlich-rechtlicher Entscheidungen verloren gegangen ist, wird schon daran deutlich, dass nach seiner Konstruktion Rechtmäßigkeitsvoraussetzung (gesicherte Erschließung durch zulässige Enteignung) und Rechtsfolge (Zulässigkeit der Enteignung) der enteignungsbehördlichen Entscheidung zusammenfallen. Die Enteignungsbehörde kann aber offensichtlich nicht auf die Prüfung von Voraussetzungen verwiesen werden, deren Vorhandensein Gegenstand gerade ihrer Entscheidung ist, weil eben die Erschließung nur noch von der Zulässigkeit der Enteignung abhängt. Angesichts dieser argumentativen Schwäche überrascht es nicht, dass der Bundesgerichtshof die Unzulässigkeit der Enteignung auf ein weiteres – materielles – Argument stützt. Es fehle nämlich an einer ausreichenden Begründung des energiewirtschaftlichen Bedarfs,27 der nach § 45 Abs. 1 EnWG Voraussetzung für die Enteignung ist und in der ersten Stufe des Verfahrens gem. § 45 Abs. 2 S. 3 EnWG von der zuständigen (Landes-)Energieaufsichtsbehörde zu prüfen und festzustellen ist. Anhand einer strengen Erforderlichkeitsprüfung sei unter Berücksichtigung sämtlicher Versorgungsalternativen (andere mögliche Standorte für Erzeugungsanlagen) zu prüfen, ob das Vorhaben entweder eine 24 OLG Jena, ZNER 2014, 97 Rn. 56. 25 Dazu schon und immer noch wegweisend Wahl, Genehmigung und Planungsentscheidung, DVBl. 1982, S. 51ff. 26 Die Möglichkeit einer Enteignung der für die Erschließung notwendigen Flächen genügt regelmäßig nicht für eine »gesicherte Erschließung«; s. dazu nur Söfker, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 30 BauGB (Stand August 2015), Rn. 51. 27 BGHZ 204, 274 Rn. 33ff.

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Versorgungslücke schließt oder der Versorgungssicherheit dient.28 Bei näherem Hinsehen wird allerdings fraglich, wie eine solche Versorgungslücke aussehen könnte, da das Urteil auch »Importmöglichkeiten« und Bezugsmöglichkeiten aus Quellen in Betracht zieht, die außerhalb des jeweils betroffenen Versorgungsgebietes liegen. Eine »Erzeugungslücke« bedeutet also noch keine Versorgungslücke, weil Elektrizität bekanntlich auch über größere Entfernungen transportiert werden kann. Lücken können hier allein durch zu geringe Leitungskapazitäten entstehen, zu deren Beseitigung das Recht der Energieleitungen29 entsprechende Verpflichtungen an die Netzbetreiber adressiert. Darüber hinaus kennt das neuere Energierecht spezielle Instrumente und Verpflichtungen von Erzeugungsanlagenbetreibern im Interesse der Versorgungssicherheit.30 Der Bundesgerichtshof hat mit der geforderten Bedarfsprüfung ein Bewirtschaftungsinstrument aus der »alten« in die »neue« Ordnung der Energiewirtschaft transplantiert, mit der es sich offensichtlich nicht verträgt. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs wirft offensichtlich mehr Fragen auf, als sie zu klären vermag. Die Grundsatzfrage nach der Zulässigkeit einer Enteignung zugunsten Privater für Zwecke der Energieversorgung jenseits der unstreitigen Netzvorhaben bleibt offen.

2.

Enteignung zugunsten privater Rohrleitungsbetreiber?

Wenn man sich nun aus der Perspektive des Verfassungsrechts und der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 14 GG der Enteignung zugunsten Privater in der Energieversorgung nähert, so fällt zunächst auf, dass über die eingangs erwähnte Entscheidung aus dem Jahr 1984 und über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2013 zum Braunkohletagebau Garzweiler31 hinaus kaum Judikatur zu verzeichnen ist. Außer einer Kammerentscheidung aus dem Jahr 200832, mit der eine Verfassungsbeschwerde gegen Enteignungen nach dem EnWG 1935 für eine Hochspannungsfreileitung nicht zur Entscheidung angenommen wurde, sind Entscheidungen zu Enteignungen 28 BGHZ 204, 274 Rn. 38ff. (dort auch zum Folgenden). 29 Für einen Überblick über das Planungsrecht für Leitungen s. Hermes, Planung von Erzeugungsanlagen und Transportnetzen, in: Schneider/Theobald (Hrsg.), Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl. 2013, § 7 Rn. 11ff., 52ff. 30 S. etwa die Übersicht bei Schweizer/Mattis, Die neuen gesetzlichen Instrumente für Versorgungssicherheit im deutschen Stromnetz, ET 2016, 84ff.; für einen knappen Überblick über die Instrumente »Redispatch«, Netzreserve, Kapazitätsreserve und Sicherheitsbereitschaft von Braunkohlekraftwerken s. Franzius, Das Recht der Energiewende, JuS 2018, 28 (30f.). 31 BVerfGE 134, 242ff.; dazu noch genauer unten III. 32 BVerfG (1. Kammer des Ersten Senats), Beschluss v. 10.9.2008 – 1 BvR 1914/02, juris.

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zugunsten von Energieversorgungsunternehmen nicht ersichtlich und auch zu sonstigen Enteignungen zugunsten Privater rar. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die besondere Bedeutung eines Beschlusses aus dem Jahr 2016,33 der sich aus Anlass einer Vorlage des OVG Münster mit der Enteignung zugunsten eines Rohrleitungsvorhabens der Bayer AG nach dem »Gesetz über die Errichtung und den Betrieb einer Rohrleitungsanlage zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen«34 befasst. Dieser letzte verfassungsgerichtliche Stand zum Thema Enteignung zugunsten Privater aus Anlass eines prima facie jedenfalls nicht offensichtlich dem Gemeinwohl dienlichen Projektes lässt einen Beitrag zur hier interessierenden Thematik aus der verfassungsrechtlichen Perspektive erwarten. Wie der Titel des die Enteignung legitimierenden nordrhein-westfälischen Gesetzes bereits deutlich erkennen lässt, geht es um die Verbindung zwischen zwei Chemieparks durch eine Rohrleitung. Das in Dormagen produzierte gasförmige Kohlenmonoxid soll für die Produktion von Polycarbonaten und Polyurethanen zum Standort Krefeld-Uerdingen über eine ca. 66 km lange Rohrleitungsanlage transportiert werden. Um die Enteignung der für dieses Vorhaben erforderlichen Grundstücke zu ermöglichen, erließ das Land Nordrhein-Westfalen das Projektgesetz,35 nach dessen § 1 Satz 1 die Errichtung und der Betrieb einer Rohrleitungsanlage für die Durchleitung von Kohlenmonoxid und Kohlenmonoxid-Wasserstoffgemischen zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen dem Wohl der Allgemeinheit gemäß Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG dienen. Nach § 2 des Gesetzes dient die Verwirklichung der Rohrleitungsanlage insbesondere dazu, »die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Kohlenmonoxidversorgung zu erhöhen, um dadurch die wirtschaftliche Struktur der Chemieindustrie und der mittelständischen Kunststoff verarbeitenden Unternehmen in NordrheinWestfalen zu stärken und damit Arbeitsplätze zu sichern«. Außerdem werden in dieser Vorschrift die Stärkung und der Ausbau des Verbundes »von Standorten und Unternehmen«, ein diskriminierungsfreier Zugang bei hoher Verfügbarkeit sowie eine Verbesserung der Umweltbilanz der Kohlenmonoxidproduktion als Zweck des Vorhabens genannt. Auf Antrag des betreibenden Unternehmens der chemischen Industrie erließ die zuständige Behörde auf der Grundlage von § 20 UVPG den Planfeststellungsbeschluss für das Vorhaben, der nach dem Projektgesetz mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung ausgestattet war. Im Verfahren über die Klage eines betroffenen Grundstückseigentümers gegen diesen Planfeststellungsbeschluss hat das OVG Münster das Verfahren ausgesetzt und

33 BVerfG (2. Kammer des Ersten Senats), NVwZ 2017, 399ff. 34 Vom 21. 3. 2006, GV. NRW S. 130. 35 S. o. Fußn. 34.

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dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 1 Satz 1 des Rohrleitungsgesetzes mit Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar ist.36 Um die genaueren verfassungsrechtlichen Anforderungen zu bestimmen, geht das OVG davon aus, dass die Enteignung zugunsten einer »im Ausgangspunkt privatnützigen Verwendung« stattfinden soll, weil die Rohrleitungsanlage der gewinnorientierten Herstellung von Polycarbonaten und Polyurethanen dient und die Verwirklichung eigener betriebswirtschaftlicher Ziele des enteignungsbegünstigten Unternehmens ermöglicht.37 Da dieses Unternehmen kein Träger öffentlicher Aufgaben und weder die Rohrleitungsanlage noch das durch sie transportierte Kohlenmonoxid für die Allgemeinheit nutzbar seien und weil der Betrieb von Rohrleitungsanlagen zur Versorgung von Industriebetrieben mit Kohlenmonoxid auch keine öffentliche Aufgabe sei, könne das Wohl der Allgemeinheit hier nur mittelbar gefördert werden.38 Den deshalb erhöhten Anforderungen an Enteignungen zugunsten Privater, die sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei nur mittelbarer Förderung von Gemeinwohlzielen ergeben,39 werde das nordrhein-westfälische Rohrleitungsgesetz aber nicht gerecht. Denn die Errichtung und der Betrieb der Rohrleitungsanlage könne nicht selbst das Gemeinwohlziel darstellen – dies würde die Gleichsetzung von Enteignungszweck und Vorhaben bedeuten40 –, weshalb die verfassungsrechtlich erforderlichen Gemeinwohlzwecke nur aus § 2 des Gesetzes (wirtschaftliche Struktur der Chemieindustrie, Arbeitsplätze etc.) geschlossen werden könnten. Die dort »als Enteignungszweck genannten Gesichtspunkte, soweit es sich überhaupt um Gemeinwohlbelange oder -ziele handelt«, sind nach Auffassung des OVG aber nicht konkret genug, um die von der Planfeststellungsbehörde vorzunehmende – verfassungsrechtlich gebotene – enteignungsrechtliche Gesamtabwägung ausreichend zu determinieren41. Im Kern erschöpfe § 2 sich in der positiven Bewertung der durch die Rohrleitungsanlage bewirkten Verfügbarkeit von Kohlenmonoxid an einem Chemiestandort. Es gehe um die »Standort- und Wirtschaftsförderung zugunsten eines als wichtig für die Gesamtwirtschaft von Nordrhein-Westfalen eingestuften Großunternehmens«42. Unabhängig davon enthalte das Rohrleitungsgesetz keine Regelungen zur Sicherung des Enteignungszwecks, insbesondere keine Bindungen des enteig36 OVG Münster, Beschluss v. 28.8.2014 – 20 A 1923/11, juris; die Abdrucke des Beschlusses in ZUR 2015, 179ff. und in DVBl. 2015, 109ff. sind stark gekürzt und werden deshalb hier nicht herangezogen. 37 OVG Münster, Beschluss v. 28.8.2014 – 20 A 1923/11, juris Rn. 203. 38 OVG Münster, Beschluss v. 28.8.2014 – 20 A 1923/11, juris Rn. 204f. 39 S. die Zusammenfassung dieser Rechtsprechung aus der Sicht des vorlegenden Gerichts OVG Münster, Beschluss v. 28. 8. 2014–20 A 1923/11, juris Rn. 211ff. 40 OVG Münster, Beschluss v. 28.8.2014 – 20 A 1923/11, juris Rn. 247, 249, 252. 41 OVG Münster, Beschluss v. 28.8.2014 – 20 A 1923/11, juris Rn. 253ff., 285. 42 OVG Münster, Beschluss v. 28.8.2014 – 20 A 1923/11, juris Rn. 286.

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nungsbegünstigten Unternehmens.43 Solcher Sicherungen bedürfe es, weil der Eintritt der vom Gesetzgeber intendierten positiven Folgewirkungen insbesondere für die wirtschaftliche Struktur und die Arbeitsplätze von privatnützigen Dispositionen des begünstigten Unternehmens abhängig und keineswegs gesichert sei. Dieser Sicherungsauftrag des Gesetzgebers könne sich auch nicht darauf beschränken, den Betrieb der Anlage zu sichern. Denn damit allein sei das Gemeinwohlziel noch nicht erreicht und die gebotene Sicherung, dass das Vorhaben zu den intendierten Gemeinwohl-Folgewirkungen führe, könne nicht durch eine unsichere Prognose des Gesetzgebers ersetzt werden.44 Der Beschluss der zweiten Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts beurteilt diese Vorlage mangels ausreichender Begründung als unzulässig. Hinter diesem scheinbar prozessualen Monitum nicht ausreichender Begründung verbergen sich allerdings materielle Aussagen zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die gesetzliche Zulassung von Enteignungen zugunsten Privater, mit denen sich die Vorlage nicht ausreichend auseinandergesetzt und deswegen die Begründungsstandards für konkrete Normenkontrollen unterschritten haben soll. Die beiden zentralen Einwände gegen die Verfassungsmäßigkeit des Rohrleitungsgesetzes, die das OVG vorgebracht hat, beruhen nach Auffassung der Kammer auf überzogenen verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Enteignung zugunsten Privater. Dabei geht es zunächst um die besonderen Anforderungen an die Gemeinwohlzwecke, hinter denen ein hinreichend schwerwiegendes, spezifisch öffentliches Interesse stehen muss, sowie deren gesetzliche Präzisierung.45 In engem Zusammenhang damit meint die Kammer, das OVG habe die Anforderungen an eine gesetzliche Determinierung der Gesamtabwägung überspannt.46 Schließlich geht der Kammerbeschluss davon aus, dass das vorlegende Gericht sich mit seinen Anforderungen an die Sicherung des Enteignungszwecks durch gesetzliche Bindungen des enteignungsbegünstigten Unternehmens nicht an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehalten hat.47 Es bedarf keiner vertieften Analyse, um zu erkennen, dass es sich bei diesen Streitpunkten um die zentralen verfassungsrechtlichen Anforderungen an Enteignungen zugunsten Privater handelt. Wenn die Kammer zu jedem dieser drei Punkte dem vorlegenden Gericht vorhält, es habe jeweils die verfassungsrechtlichen Maßstäbe abweichend von der Senatsrechtsprechung zu streng formuliert, so liegt es nahe, sich dieses Standes der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu vergewissern. Anlass dazu besteht auch deshalb, weil 43 44 45 46 47

OVG Münster, Beschluss v. 28.8.2014 – 20 A 1923/11, juris Rn. 344ff. OVG Münster, Beschluss v. 28.8.2014 – 20 A 1923/11, juris Rn. 349, 351. BVerfG, NVwZ 2017, 399 Rn. 29ff. Dazu BVerfG, NVwZ 2017, 399 Rn. 33ff. Dazu BVerfG, NVwZ 2017, 399 Rn. 35ff.

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dem Beschluss vorgehalten worden ist, seinerseits »ohne Senatsfundament – im konkreten Fall mehr noch: dieses verlassend – Verfassungsrechtsfortbildung« betrieben zu haben.48

III.

Zum Stand der Anforderungen an Enteignungen zugunsten Privater

Im Folgenden soll deshalb die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Problem der Enteignung zugunsten Privater in den Blick genommen werden, die sich neben der eingangs erwähnten Entscheidung aus dem Jahr 1984 zur Enteignung für eine Hochspannungsfreileitung49 im Wesentlichen auf das Boxberg-50 und das Garzweiler-Urteil51 beschränkt. Es geht dabei um eine Vergewisserung über die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Enteignungen zugunsten Privater aus Anlass und mit Blick auf die zuvor erläuterten konkreten Testfälle der Enteignung zugunsten von Energieerzeugungsanlagen einerseits und der neueren Projektgesetze für private Rohrleitungsvorhaben etc.52 andererseits.

48 Höfling/Stöckle, (o. Fußn. 2), 1180, bezogen auf die Frage, ob es bei Enteignungen zugunsten Privater zur Sicherung des Enteignungszwecks ausreicht, dass das jeweilige Vorhaben realisiert wird oder ob darüber hinausgehende Sicherungen des Gemeinwohlzwecks erforderlich sind (zu diesem Problem noch genauer unten III. 2.). Ähnlich die Einschätzung von Hoops, Verabschiedet sich das BVerfG von »Boxberg« und seinem international vorbildlichen Schutz vor Enteignungen zugunsten Privater?, NVwZ 2017, 1496 (1496), der meint, die Kammer sei »von der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG, insbesondere dem BoxbergUrteil, auf beunruhigende Weise abgewichen«. 49 S. o. in und bei Fußn. 5. 50 BVerfGE 74, 264ff. 51 BVerfGE 134, 242ff. 52 Zum Gesetz zur Errichtung und zum Betrieb einer Ethylen-Rohrleitungsanlage in BadenWürttemberg aus dem Jahr 2009 s. BVerfG (1. Kammer des Ersten Senats), DVBl 2017, 1174; zum Werkflugplatz-Enteignungsgesetz der Freien und Hansestadt Hamburg vom 18. Februar 2004 s. OVG Hamburg, NVwZ 2005, 105ff.; dazu Lenz, Der Airbus-Baustopp – Wann darf für Arbeitsplätze enteignet werden?, NJW 2005, 257ff.; s. auch Battis/ Otto, Die Enteignung von Grundstücken zur Erweiterung industrieller Produktionsstätten am Beispiel des Werkflugplatz-Enteignungsgesetzes, DVBl. 2004, 1501ff.; zur Landesmesse Stuttgart s. VG Stuttgart, U. v. 19.2.2004 – 1 K 1577/03, juris, und VGH Mannheim, NuR 2005, 250ff.

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Gesetzliche Konkretisierung des Allgemeinwohls und Verhältnismäßigkeit

Eine solche Vergewisserung hat ihren Ausgangspunkt bei dem Wortlaut von Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG zu nehmen, wonach eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig ist. Trotz aller Schwierigkeiten, das Allgemeinwohl als Maßstab (verfassungs-)gerichtlicher Kontrolle zu präzisieren,53 besteht kein Anlass, die normative Kraft dieser zentralen materiellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzung54 für den hoheitlichen Zugriff auf das private Eigentum vorschnell preiszugeben. Die bereits in den Verfassungsurkunden des 19. Jahrhunderts formulierte Selbstverständlichkeit, dass Enteignungen ihre Legitimation nur aus »öffentlichen Zwecken«, »Staatszwecken«, dem »öffentlichen Nutzen« oder aus dem »öffentlichen Wohl« beziehen können,55 bedarf der Konkretisierung, nachdem die Eigentumsgarantie seit dem Urteil zur Naßauskiesung56 wieder mehr als nur die Garantie angemessener Entschädigung zum Inhalt hat und deshalb auch die Abwehr ungerechtfertigter Enteignungen ermöglichen muss. Die allgemein anerkannten negativen Annäherungen an das Allgemeinwohl, wonach jedenfalls ausschließlich private Interessen, rein fiskalische Interessen oder vom Grundgesetz missbilligte Ziele eine Enteignung nicht rechtfertigen können,57 taugt als Orientierungshilfe in umstrittenen Grenzbereichen kaum. Und der Hinweis, eine Enteignung könne nur »durch ein Gemeinwohlziel von besonderem Gewicht gerechtfertigt werden«58, muss eher den appellativen – primär an den Gesetzgeber gerichteten – Grundrechtswirkungen zugerechnet werden als dem Teil des Verfassungsrechts, das als Maßstab verfassungsgerichtlicher Entscheidungen fungieren kann. Von hier aus führt in einer demokratisch verfassten Ordnung der Weg unausweichlich zu der Erkenntnis, dass es allein »dem demokratisch legitimierten, parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten« ist, »diejenigen Ziele des Gemeinwohls festzulegen, deren Erreichung erforderlichenfalls auch mittels Enteignung durchgesetzt werden soll«, und dass

53 Knapp zusammenfassend etwa Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2013, Art. 14 Rn. 116ff.; einen Überblick über die Versuche, das »Wohl der Allgemeinheit« durch Anknüpfung an Staatsaufgaben oder Staatszwecke zu bestimmen, gibt Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, 1989, S. 124ff. 54 So BVerfGE 134, 242 (292 Rn. 170). 55 Nachweise dazu bei Shirvani, Entwicklung des Enteignungsrechts vom frühen 19. Jahrhundert bis zur Weimarer Reichsverfassung, in: Depenheuer/Shirvani (Hrsg.), Die Enteignung, 2018, § 2, S. 25 (35). 56 BVerfGE 58, 300 (328ff.). 57 BVerfGE 134, 242 (293 Rn. 172). 58 BVerfGE 134, 242 (292 Rn. 169) und (293, Rn. 173), wo das Gemeinwohlziel »von besonderem Gewicht« in Kontrast gesetzt wird zu einem »beliebigen öffentlichen Interesse«.

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dem Gesetzgeber bei dieser Auswahl der Gemeinwohlziele ein »weiter Spielraum« zusteht.59 Wegen dieser materiellen Schwäche des Allgemeinwohlerfordernisses gewinnen der Gesetzesvorbehalt des Art. 14 Abs. 3 S. 3 GG und die genaueren Anforderungen an die parlamentsgesetzliche Konkretisierung des Allgemeinwohls zentrale Bedeutung. Das zur Enteignung ermächtigende Gesetz »muss hinreichend bestimmt regeln, zu welchem Zweck, unter welchen Voraussetzungen und für welche Vorhaben enteignet werden darf«60. Dabei sind die Konkretisierung des Gemeinwohlziels und der zu seiner Erreichung zulässigen Vorhaben in der Weise aufeinander bezogen, dass Präzisierungen des einen die Offenheit des anderen ermöglichen und umgekehrt.61 Daneben hat insbesondere das Urteil zur Enteignung für Zwecke des Braunkohletagebaus die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und seine verschiedenen Anwendungsebenen hervorgehoben.62 Für die hier interessierenden Testfälle ist hervorzuheben, dass nicht nur die Inanspruchnahme des einzelnen Grundstücks für das konkrete Vorhaben erforderlich sein muss, sondern auch das enteignungsbegünstigte Vorhaben einen substantiellen Beitrag zur Erreichung des legitimierenden Gemeinwohlziels63 leisten muss. Gleiches gilt für die Angemessenheit, die nicht nur im Hinblick auf die Relation der Enteignung zum konkreten Vorhaben (unabhängig von Entschädigung), sondern auch im Hinblick auf ein angemessenes Verhältnis der Bedeutung des Vorhabens zum konkret verfolgten Gemeinwohlziel (Gesamtabwägung privater und öffentliche Belange64) zu prüfen ist.

2.

Enteignung zugunsten Privater: Zulässigkeit und Besonderheiten

Wenn diese allgemeinen Anforderungen nach Art. 14 Abs. 3 GG erfüllt sind, ist auch eine Enteignung zugunsten Privater nicht ausgeschlossen.65 Die zentrale Weichenstellung bereits des Boxberg-Urteils liegt in eben dieser allgemeinen und weitreichenden Aussage, dass es für die Verfassungsmäßigkeit einer Enteignung nicht entscheidend darauf ankommt, ob sie zugunsten eines Privaten 59 60 61 62 63

BVerfGE 134, 242 (292 Rn. 171f.); 74, 264 (285). BVerfGE 134, 242 (293 Rn. 174). BVerfGE 134, 242 (294 Rn. 176). BVerfGE 134, 242 (296ff. Rn. 182ff.). Fachplanungsrechtliche Rechtfertigung in dem Sinne, dass das Vorhaben »vernünftigerweise geboten« ist, um einen Beitrag zur infrastrukturellen Funktion zu leisten, die hinter dem jeweiligen Fachgesetz steht (Straßen, Schienen, Flughäfen etc.). 64 BVerfGE 74, 264 (293f.); BVerfGE 134, 242 (299 Rn. 189, 308 Rn. 212). 65 BVerfGE 134, 242 (294f. Rn. 178).

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oder eines Trägers öffentlicher Verwaltung erfolgt,66 wenn sie sich nur zu einem durch den Gesetzgeber hinreichend festgelegten Allgemeinwohlzweck als erforderlich erweist. Allerdings sollen bei Enteignungen zugunsten Privater – im Unterschied zu normalen Enteignungen zugunsten eines Trägers öffentlicher Verwaltung – »besondere Anforderungen« gelten, die sich zunächst auf das Gewicht des öffentlichen Interesses beziehen, welches hinter dem Enteignungsziel steht. Gefordert ist ein »hinreichend schwerwiegendes, spezifisch öffentliches Interesse«67. Diese Anforderung an das Gewicht des Gemeinwohlziels ist durchaus einer gerichtlichen Vertretbarkeitskontrolle zugänglich und muss weder allein dem Gesetzgeber überlassen noch der Beliebigkeit anheim gegeben werden. Das hat sich gezeigt etwa an den Beispielen der Energieversorgung, die das Verfassungsgericht als »öffentliche Aufgabe von größter Bedeutung«68 eingestuft hat, und an der Versorgung des Marktes mit Rohstoffen, der »für die Lebensfähigkeit einer modernen Industriegesellschaft wie der Bundesrepublik Deutschland ein besonders hoher Stellenwert«69 zukommt. Erhöhte Anforderungen gelten auch für die Bestimmtheit des zur Enteignung ermächtigenden Gesetzes, das »unzweideutig« zu regeln hat, »ob und für welche Vorhaben« eine Enteignung zugunsten Privater zulässig sein soll.70 Diese erhöhten Anforderungen an die gesetzliche Konkretisierung folgen nicht nur aus der bereits erwähnten – jede Enteignung betreffenden – Schwierigkeit, das in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG genannte Wohl der Allgemeinheit näher zu bestimmen. Sie dienen nach dem Boxberg-Urteil auch dazu, sicherzustellen, dass speziell bei Enteignungen zugunsten Privater gesichert ist, dass »die Entscheidung über die Zulässigkeit der Enteignung insoweit nicht in die Hand der Verwaltung gegeben wird«71. Aus der Perspektive des Vorbehalts des Gesetzes könnte man dies auch in dem Sinne deuten, dass die (Grundrechts-)Wesentlichkeit bei Enteignungen zugunsten Privater ein gesteigertes Maß erreicht, weshalb das Gesetz der Verwaltung hier weniger Gestaltungsmacht einräumen darf als bei normalen Enteignungen zugunsten eines Trägers öffentlicher Verwaltung. Diese besonderen Anforderungen an die gesetzliche Zulassung von Enteignungen zugunsten Privater wurden in dem Urteil zum Braunkohletagebau fortgeführt und ergänzt. Hier wurde nämlich neben dem allgemeinen Hinweis auf die erhöhten Anforderungen an die Klarheit und Bestimmtheit der gesetzlichen Regelungen für 66 BVerfGE 74, 264 (285). 67 BVerfGE 134, 242 (295 Rn. 178); BVerfGE 74, 264 (289): »besonders schwerwiegendes, dringendes öffentliches Interesse«. 68 BVerfGE 66, 248 (258). 69 BVerfGE 134, 242 (304 Rn. 202). 70 BVerfGE 74, 264( 285f.); nahezu wortgleich BVerfGE 134, 242 (295 Rn. 180). 71 BVerfGE 74, 264 (286).

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Enteignungen zugunsten Privater betont, dass die Verantwortung für Einzelfallentscheidungen (Vorhaben, Enteignungsobjekt, Verhältnismäßigkeit) »in den Händen des Staates« verbleiben müsse und nicht faktisch dem enteignungsbegünstigten Privaten überlassen werden dürfe.72 Zu den erhöhten Anforderungen an die normative Programmierung im Verhältnis von Legislative und Exekutive tritt also das Gebot, die staatliche Verantwortung für die Gewährleistung des Allgemeinwohls im Verhältnis zwischen gesetzlicher und exekutiver Konkretisierung auf der einen und unternehmerischen Entscheidungen des Enteignungsbegünstigten auf der anderen Seite abzusichern. In diesen Kontext gehören auch die erhöhten Anforderungen an die materiell- und verfahrensrechtlichen Regelungen, die sicherstellen, dass der Verhältnismäßigkeit und der Gleichheit im »Interessendreieck Gemeinwohl-EnteigneterBegünstigter«73 Rechnung getragen wird. Schließlich sind bei Enteignungen zugunsten Privater die Konsequenzen aus dem Umstand zu ziehen, dass der enteignungsbegünstigte Private nicht gemeinwohlverpflichtet ist. Es bedarf deshalb »gesetzlicher Regeln, die sicherstellen, dass begünstigte Private das enteignete Gut zur Verwirklichung des die Enteignung legitimierenden Ziels verwenden werden und dass diese Nutzung dauerhaft erfolgt«74. In diesem Zusammenhang hatte das Boxberg-Urteil von einer Enteignung zugunsten Privater gesprochen, »die nur mittelbar dem Gemeinwohl dient und die in erhöhtem Maße der Gefahr des Mißbrauchs zu Lasten des Schwächeren ausgesetzt ist«75. Dabei ist aber durchaus nicht eindeutig erkennbar, ob durch diese »Mittelbarkeit« alle Enteignungen zugunsten Privater gekennzeichnet sind und deshalb alle Enteignungen zugunsten Privater besonderer Sicherungsvorkehrungen bedürfen, oder ob die nur mittelbare Gemeinwohldienlichkeit eine besonders problematische Kategorie von Enteignungen zugunsten Privater markiert, die deshalb nochmals gesteigerten Anforderungen unterliegt. Für ein Verständnis im erstgenannten Sinne spricht der Begründungszusammenhang, der für alle Enteignungen darauf hinweist, dass der enteignungsbegünstigte Private »im Regelfall eigene Interessen unter Nutzung der ihm von der Rechtsordnung verliehenen Privatautonomie verfolgt«76. Wenn dies dann in Kontrast gestellt wird zu dem durch reguläre Enteignungen begünstigten Träger öffentlicher Verwaltung, »der unmittelbar staatliche Aufgaben erfüllt und dabei allen rechtlichen Bindungen unterworfen ist, denen der Staat bei seiner 72 BVerfGE 134, 242 (S. 295f. Rn. 180). 73 BVerfGE 74, 264 (286). 74 BVerfGE 134, 242 (295 Rn. 179), wo es weiter heißt: »soweit sie nicht der Natur der Verwendung gemäß auf eine einmalige Inanspruchnahme beschränkt ist«. 75 BVerfGE 74, 264 (285). 76 BVerfGE 74, 264 (285) (dort auch das im Text folgende Zitat).

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Tätigkeit unterliegt«, so scheint die Mittelbarkeit der Gemeinwohldienlichkeit als ein allgemeines Merkmal aller Enteignungen zugunsten Privater verstanden zu werden. Einer besonderen Gewährleistung, dass der Enteignungszweck erreicht und dauerhaft gesichert wird, bedarf es aus dieser Sicht deshalb, weil die Verwirklichung des Gemeinwohlzwecks bei Enteignungen zugunsten Privater stets durch legitime Privatinteressen des Begünstigten beeinträchtigt oder modifiziert werden kann und in diesem Sinne nur »mittelbar« dem Gemeinwohl dient. Ein anderes Verständnis, wonach die nur mittelbare Förderung des Allgemeinwohls einen besonders problematischen Teil der Enteignungen zugunsten Privater kennzeichnet, erscheint plausibel, wenn man bedenkt, dass bereits in der Boxberg-Entscheidung innerhalb der Enteignungen zugunsten Privater unterschieden wird zwischen solchen zugunsten von Unternehmen, deren Geschäftsgegenstand dem »allgemein anerkannten Bereich der Daseinsvorsorge zuzuordnen« ist, und solchen, bei denen sich der Nutzen für das allgemeine Wohl »nur als mittelbare Folge der Unternehmenstätigkeit ergeben«77 kann. Während es im ersten Fall genüge, hinreichende Vorkehrungen dafür zu treffen, dass das begünstigte Unternehmen seine öffentliche Aufgabe ordnungsgemäß erfüllt,78 seien im zweiten Fall »besondere Anforderungen an die gesetzliche Konkretisierung des nur mittelbar erfüllten und daher nicht von vornherein handgreiflichen Enteignungszwecks« zu stellen.79 Nach diesem Verständnis dient die »Mittelbarkeit« also dazu, die Grenze zwischen den »einfachen« Fällen der Enteignung zugunsten von Unternehmen der Daseinsvorsorge nach dem Modell der alten energiewirtschaftlichen Ordnung einerseits und den »schwierigen« Enteignungen zugunsten solcher Unternehmen andererseits zu markieren, deren Geschäftsgegenstand nicht auf die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe gerichtet ist, so dass sich der Nutzen für das allgemeine Wohl »nur als mittelbare Folge der Unternehmenstätigkeit ergeben«80 kann. Diese beiden Varianten hat das Garzweiler-Urteil im Sinne einer gleitenden »je-desto-Formel« zusammengeführt. Während nämlich das Boxberg-Urteil noch gefordert hatte, dass der Gemeinwohlbezug der Unternehmenstätigkeit auf Dauer durch eine »effektive rechtliche Bindung des begünstigten Privaten an das Gemeinwohlziel« garantiert ist,81 bezieht das Gericht 26 Jahre später diese Anforderung nicht mehr auf das enteignungsbegünstigte Unternehmen als Ganzes sondern nur noch auf den konkreten Enteignungsgegenstand, das »enteignete 77 BVerfGE 74, 264 (286). 78 Hierzu verweist das Boxberg-Urteil, BVerfGE 74, 264 (286), auf die Entscheidung zu den Hochspannungsleitungen: BVerfGE 66, 248 (258). 79 BVerfGE 74, 264 (286). 80 BVerfGE 74, 264 (286). 81 BVerfGE 74, 264 (286).

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Gut«, welches »zur Verwirklichung des die Enteignung legitimierenden Ziels« dauerhaft verwendet werden muss.82 Auch findet sich keine kategoriale Unterscheidung zwischen unmittelbarer und nur mittelbarer Ausrichtung des Unternehmensgegenstandes auf das Gemeinwohl mehr. Stattdessen favorisiert das Bundesverfassungsgericht nunmehr ein »skalierendes Abwägungsmodell«83. Danach bedarf die Sicherung der dauerhaften Gemeinwohlnutzung des enteigneten Gutes – z. B. durch behördliche Zulassungs-, Überwachungs- und Eingriffsrechte – »umso genauerer und detaillierterer gesetzlicher Vorgaben, je weniger schon der Geschäftsgegenstand des privaten Unternehmens, zu dessen Gunsten die Enteignung erfolgt, darauf ausgerichtet ist, dem gemeinen Wohl zu dienen«84.

IV.

Offene Fragen und Orientierungspunkte

Diese Eckpunkte eines verfassungsrechtlichen Rahmens für Enteignungen zugunsten Privater sind offensichtlich interpretationsfähig und weiter konkretisierungsbedürftig. Das zeigen nicht zuletzt die Unstimmigkeiten zwischen dem OVG Münster und der Kammer des Bundesverfassungsgerichts aus Anlass des Rohrleitungsgesetzes. Aber auch die offensichtliche Orientierungslosigkeit des Bundesgerichtshofs im Umgang mit der Frage nach der Enteignung zugunsten privater Stromerzeugungsanlagen zwischen Eigentumsgarantie und energierechtlicher Sicherung öffentlicher Interessen signalisiert Klärungsbedarf.

1.

Private Unternehmen, Gemeinwohl und Industriepolitik durch Enteignung

Der Konflikt zwischen dem Vorlagebeschluss des OVG Münster und der Kammerentscheidung zur privaten Rohrleitung zwischen Dormagen und KrefeldUerdingen lässt sich im Kern wohl auf die Frage zurückführen, ob die gesetzgeberische Dezision, dass an diesem konkreten Projekt ein die Enteignung rechtfertigendes öffentliches Interesse besteht, verfassungsrechtlich ausreicht. Während das OVG diese Frage verneint und deshalb nach weiteren Präzisierungen und dauerhaften Sicherungen der durch das Vorhaben hervorgerufenen Folgewirkungen mit Gemeinwohlqualität sucht, begnügt sich die zweite Kam82 BVerfGE 134, 242 (295 Rn. 179); auf diesen nicht unerheblichen Unterschied weisen auch Höfling/Stöckle (o. Fußn. 2), 1177, hin. 83 So Höfling/Stöckle (o. Fußn. 2), 1178. 84 BVerfGE 134, 242 (296 Rn. 181).

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mer des Ersten Senats mit eben dieser gesetzgeberischen Entscheidung. Denn sie dehnt den Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers im Hinblick auf die Konkretisierung des Gemeinwohls offensichtlich auf rein privatnützige Zwecke aus,85 indem sie auf Nachweise oder administrative Sicherungen dafür, dass das privatnützige Rohrleitungsvorhaben mittelbar zur Verwirklichung der vom Gesetzgeber angeführten Gemeinwohlziele beiträgt, verzichtet. Weil der Beschluss letztlich allein die Errichtung und den Betrieb der Rohrleitung als Gemeinwohlziel ausreichen lässt – also Vorhaben und Gemeinwohlziel gleichsetzt –, bedarf es auch keiner Sicherungen dafür, dass die Gemeinwohlziele durch das Vorhaben dauerhaft erreicht werden. Stattdessen verweist die Kammer nur auf die Instrumente (insbesondere Rückenteignung), die sicherstellen, dass die Rohrleitung betrieben und nicht zweckentfremdet wird.86 Das ist auf die berechtigte Kritik gestoßen, die Kammer unterschreite die verfassungsrechtlich vorgesehenen Sicherungen, wenn sie im Ergebnis die bloße Sicherung der Vorhabenerfüllung als ausreichend ansehe.87 Diese Kritik ist berechtigt. Denn auf diese Weise wird die Allgemeinwohlklausel des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG, soweit sie anerkanntermaßen Enteignungszwecke ausschließt, die ausschließlich im Interesse Privater liegen,88 ihres materiellen Gehalts beraubt. Angesichts der Weite des Spielraums, der dem Gesetzgeber hier bei der Gemeinwohldefinition eingeräumt wird, reduziert sich die Allgemeinwohlklausel in ihrer Wirkung auf den Gesetzesvorbehalt des Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG. Wo dem Gesetzgeber keine substantiellen Grenzen bei seiner Konkretisierung des Wohls der Allgemeinheit gezogen sind, reduziert sich das materielle Gebot auf das formelle Erfordernis gesetzgeberischer Dezision. Kaum erkennbar ist nach der Kammerentscheidung etwa, welche verfassungsrechtlichen Grenzen einen Landesgesetzgeber daran hindern könnten, im Interesse der Verfügbarkeit und verbrauchsnahen Produktion von Erfrischungsgetränken und zur Förderung des lokalen Wirtschaftsstandortes (Arbeitsplätze) den Standort für einen Getränkehersteller im Wege eines Projektgesetzes zu sichern, das die Enteignung erlaubt. Die Beliebigkeit, Unkontrollierbarkeit und fehlende Sicherung des Gemeinwohls bleibt sprachlich verklausuliert, wenn der Enteignungszweck definiert wird als die »Sicherung der Förderung wirtschaftlicher Strukturen in den durch die Parameter der Errichtung und des Betriebs der 85 So die Einschätzung von Hoops (o. Fußn. 48), 1497. 86 Kritisch in diesem Sinne auch Hoops (o. Fußn. 48), 1499f.; dazu, dass die Rückübertragungsansprüche nicht zu den Instrumenten gezählt werden, die die Erfüllung des Gemeinwohlzwecks sichern, s. nur Muckel, Die Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG als Recht zur Abwehr missbräuchlicher Enteignungen zugunsten Privater – Eine Fallstudie, in: FS Schnapp, 2008, S. 181 (191) m. w. N. 87 Höfling/Stöckle (o. Fußn. 2), 1179. 88 BVerfGE 134, 242 (293) m. w. N.

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Rohrleitung vorgegebenen Grenzen«89. Die Gemeinwohlziele (Struktur der Chemieindustrie, Standortverbund, Umweltbilanz etc.), die die Enteignung rechtfertigen sollen, werden also »begrenzt« durch die Definition des enteignungsbegünstigten Vorhabens. Dies bedeutet nichts anderes als dass der Gesetzgeber den Enteignungszweck letztlich allein durch die Definition des Vorhabens bestimmen darf. Dann ist es konsequent, wenn das Projektgesetz nur noch dafür Sorge zu tragen, dass das Vorhaben tatsächlich realisiert und betrieben wird. Solange dies geschieht, ist dem Allgemeinwohlerfordernis Genüge getan – nicht, weil Arbeitsplätze gesichert werden, weil die Umwelt geschützt wird oder weil die Versorgungssicherheit erhöht wird, sondern weil das Gesetz das Vorhaben als diesen Zwecken dienlich definiert hat. Auf diese Weise wird die Enteignung zugunsten Privater zum zulässigen Instrument gesetzlicher Struktur-, Industrie- und Arbeitsmarktpolitik. Das Boxberg- und das GarzweilerUrteil waren in dieser Hinsicht noch durch deutliche Skepsis geprägt.90

2.

Allgemeinwohl und die Allgemeinheit von Enteignungsgesetzen

Diese Kritik an der Kammerentscheidung zum nordhein-westfälischen Rohrleitungsgesetz scheint zurück zu führen zu der (Un-)Möglichkeit einer verfassungsrechtlichen und verfassungsgerichtlichen Präzisierung des Allgemeinwohls, die eventuellen gesetzgeberischen Fehleinschätzungen zur Gemeinwohlqualität bestimmter Ziele entgegengehalten werden könnte.91 Die beiden hier vorgestellten Beispielsfälle könnten allerdings auch Anlass sein, Orientierungspunkte für eine Präzisierung der Kriterien für Enteignungen zugunsten Privater zu gewinnen, die nicht in die zwangsläufige Kapitulation vor der Aufgabe führen, das Wohl der Allgemeinheit auf Verfassungsebene mit Hilfe materieller Kriterien zu bestimmen. Ausgangspunkt für die Gewinnung solcher Orientierungspunkte ist zunächst die Beobachtung des Unterschiedes zwischen Projektgesetzen, die auf einen konkreten Einzelfall, ein bestimmtes Vorhaben (z. B. Rohrleitung) bezogen sind, einerseits und »allgemeinen« Enteignungsgesetzen, wie sie der Bundesgerichtshof im Fall des Windparks in Gestalt des § 45 EnWG anzuwenden hatte. Offensichtlich bestehen zwischen diesen beiden Gesetzestypen grundlegende

89 So – bezogen auf die konkrete Rohrleitung – BVerfG, NVwZ 2017, 399 Rn. 36. 90 BVerfGE 74, 264 (287); BVerfGE 134, 242 (305 Rn. 204). 91 So insbesondere BVerfGE 56, 266 (274ff.) – Sondervotum Böhmer, Kritik daran etwa bei Wieland (o. Fußn. 53), Art. 14 Rn. 116 in Fußn. 575 m. w. N.

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Unterschiede, die speziell bei der Anwendung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an Enteignungen zugunsten Privater zum Tragen kommen.92 Wie am Beispiel des § 45 EnWG noch zu erläutern sein wird,93 kommen »allgemeine« Enteignungsgesetze schon im Interesse ihrer administrativen Vollziehbarkeit nicht umhin, die enteignungsbegünstigten Vorhaben (z. B. öffentliche Straßen, Schienenwege, Flughäfen etc.) anhand allgemeiner Merkmale zu definieren, die bereits Bezugspunkte zu dem dahinter stehenden – vom Gesetzgeber explizit umschriebenen oder implizit vorausgesetzten – öffentlichen Zweck erkennen lassen. Die Gemeinwohldienlichkeit eines konkreten Vorhabens ist im Rahmen solcher »allgemeinen« Gesetze durch typisierbare Instrumente z. B. des Planungs- oder Regulierungsrechts gesichert. Dies erlaubt es der verfassungsrechtlichen Kontrolle, nach der Konsistenz innerhalb eines die Enteignung gestattenden Fachgesetzes zu fragen oder auch systematisierende Vergleiche verschiedener Fachgesetze mit Enteignungsmöglichkeit anzustellen. Es dürfte kein Zufall sein, dass es über das Wohl der Allgemeinheit, dem solche Gesetze dienen, und über seine dauerhafte Sicherung kaum zu verfassungsrechtlichen Streitigkeiten gekommen ist.94 Ganz anders stellt sich der Modus des gesetzgeberischen Zugriffs bei den einzelfallbezogenen Projektgesetzen dar, die das Boxberg-Urteil für durchsetzungsbedürftige Großprojekte als Ausweg nahegelegt hatte.95 Hier liegt die Gefahr besonders nahe, nicht nur auf die Typisierung der Vorhaben zu verzichten, die ihrer Art nach dem Gemeinwohl dienen, sondern wegen der genauen gesetzlichen Bestimmung des einzelnen enteignungsbegünstigten Vorhabens auch auf die Präzisierung und vor allem auf die dauerhafte Sicherung der damit verfolgten öffentlichen Zwecke zu verzichten. Auch ohne dem »Trugbild vom Gesetz als einer zweckfreien, generell-abstrakten, dauerhaften Regel«96 nachzuirren oder die Notwendigkeit partikularer legislativer Regelungen im Interventionsstaat zu leugnen, muss man die besondere Problematik erkennen, die Projektgesetze mit Enteignung zugunsten Privater mit sich bringen. Dies führt 92 Ähnlich im Ansatz Dietlein/Riedel, Allgemeinwohlerfordernis und Zwecksicherung bei der Enteignung zugunsten Privater, in: FS Schnapp, 2008, S. 65 (71ff.). 93 S. unten 3. 94 Eine Ausnahme stellt BVerfGE 66, 248ff. dar, wo allerdings nur die Grundsatzfrage der Betätigung und Enteignungsbegünstigung Privater und nicht die Gemeinwohlqualität der Energieversorgung in Rede stand. 95 BVerfGE 74, 264 (297). Den Unterschied bringt zum Verschwinden, wer demgegenüber vertritt, der gesamte Verkehrswegebau sei »Strukturpolitik« – so Schmidt-Aßmann, Bemerkungen zum Boxberg-Urteil des BVerfG, NJW 1987, 1587 (1588) – und so die Enteignung für private Großvorhaben aus Gründen strukturpolitischer Förderung auf eine Stufe stellt mit der Enteignung zugunsten öffentlicher Infrastrukturen nach Maßgabe allgemeiner (Fachplanungs-)Gesetze. 96 Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2013, Art. 19 I Rn. 13.

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dann zu der Notwendigkeit, solche Einzelfallgesetze97 mit besonderer Sorgfalt auf ihre Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz zu überprüfen. Die Leistung, die bei allgemeinen Enteignungsgesetzen die Typisierung der begünstigten Vorhaben und die Einbettung der Enteignung in planungs- und regulierungsrechtliche Sicherungen des Gemeinwohls erbringen, muss bei Projektgesetzen durch den Nachweis ersetzt werden, dass die Privilegierung des konkreten Vorhabens am Maßstab des Gleichheitssatzes gerechtfertigt ist und wirksame Vorkehrungen getroffen sind, damit die mit dem Vorhaben intendierten, ausreichend präzise definierten, positiven Wirkungen für benannte Gemeinwohlziele dauerhaft erreicht werden. An diesem Nachweis hat es bei dem nordrhein-westfälischen Rohrleitungsgesetz gefehlt.

3.

Folgerungen für Enteignungen im Interesse der Energieversorgung

Die Anwendung der »allgemeinen« energierechtlichen Enteignungsvorschrift des § 45 EnWG auf Erzeugungsanlagen (z. B. Windpark) kann dagegen als Beispiel dafür dienen, wie verfassungsrechtliche Kontrolle ohne »externe« Bestimmung von Gemeinwohlgründen im Bereich der Energieversorgung allein aufgrund der »internen« gesetzlichen Ausgestaltung des Sachbereichs zu klaren Ergebnissen gelangen kann. Zwar besteht unbestrittenermaßen nach wie vor ein erhebliches öffentliches Interesse an einer funktionsfähigen leitungsgebundenen Energieversorgung. Allerdings genügt ein kurzer Blick auf die »internen« gesetzlichen Strukturen des Energierechts um zu erkennen, dass dieses öffentliche Interesse nach der »neuen« Ordnung nicht mit Hilfe einer Gemeinwohlbindung der Betreiber von Erzeugungsanlagen gesichert wird. Vielmehr weist das Energierecht den Erzeugungsanlagenbetreibern die Rolle von Akteuren zu, die im Wettbewerb ihre Gewinnerzielungsabsichten verfolgen, indem sie Elektrizität produzieren und verkaufen. Voraussetzung für das Funktionieren dieses Wettbewerbsmodells ist die Existenz, der bedarfsgerechte Ausbau, die sichere Funktionsfähigkeit und vor allem die Zugänglichkeit eines Transport- und Verteilungsnetzes für alle Produzenten und Abnehmer zu angemessenen Bedingungen und Preisen. Diese Funktion der Energienetze begründet – nicht anders als dies bei Straßen- oder Schienennetzen der Fall ist – das Allgemeinwohlinteresse, das die Enteignung für Energieleitungen rechtfertigt. Diese Allgemeinwohldienlichkeit wird gewährleistet durch ein elaboriertes Planungsrecht und eine intensive Regulierung der 97 Zur nur beschränkten Wirkung, die Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG in diesem Kontext entfalten kann, s. nur Dreier (o. Fußn. 96), Art. 19 Rn. 9 ff.

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Netzbetreiber im Hinblick auf Ausbau, Unterhaltung und Netzzugangsbedingungen. Konsequent erlaubt § 45 Abs. 1 Nr. 1 EnWG für Leitungsvorhaben, die durch die Bezugnahme auf die Planfeststellungsnormen präzise definiert sind, die Enteignung. Die Anforderungen an Enteignungen zugunsten Privater sind hier in jeder Hinsicht erfüllt. Gleiches gilt für kleine Netzvorhaben, die zwar keiner Planfeststellung bedürfen, deren gemeiner Nutzen aber durch die Netzregulierung (allgemeine Zugänglichkeit zu angemessenen Bedingungen) sichergestellt ist. Diese können unter die »sonstigen Vorhaben zum Zwecke der Energieversorgung« im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 2 EnWG gefasst werden. Ganz anders stellt sich die Situation für Erzeugungsanlagen dar, was nur demjenigen verborgen bleiben kann, der seinen Blick isoliert auf den Wortlaut des § 45 Abs. 1 Nr. 2 EnWG richtet und dabei findet, dieser sei »weit gefasst« und schließe folglich »ohne weiteres auch Energieerzeugungsanlagen mit ein«98. Richtet man den Blick stattdessen auch auf die Struktur des Energierechts, so zeigt sich, dass Erzeugungsanlagen keiner Regulierung unterliegen und dass auch keine staatliche Erzeugungsplanung existiert, die die Erforderlichkeit eines bestimmten Vorhabens an einem bestimmten Ort prüft. Dem entspricht es, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Genehmigung einer neuen Erzeugungsanlage hat, ohne dass es auf einen behördlich zu prüfenden »Bedarf« für diese Anlage ankommt. Die vom Bundesverfassungsgericht vor mehr als dreißig Jahren zur Rechtfertigung der Enteignung nach der alten Rechtslage angeführten Interventionsinstrumente wurden beseitigt. Die Betreiber von Erzeugungsanlagen unterliegen keinerlei Betriebspflicht mehr, können die Energieerzeugung also jederzeit nach ihren unternehmerischen Dispositionen einstellen.99 Auch die Grundversorgungspflicht aus § 36 EnWG trifft nicht die Betreiber von Energieerzeugungsanlagen. Das neue Energiewirtschaftsrecht geht vielmehr davon aus, dass der Grundversorger sich die erforderliche Energie am Markt beschafft. »Versorgungslücken«, von deren Nachweis der Bundesgerichtshof die Enteignung für neue Erzeugungsanlagen abhängig machen will,100 schließt nach dem geltenden Energierecht der nationale und europäische Energiebinnenmarkt. Wo dessen Leitungskapazitäten nicht ausreichen, sieht das Recht spezielle Notmaßnahmen vor. Die Enteignung für neue Erzeugungsanlagen gehört nicht dazu. Eine Enteignung zugunsten von Energieerzeugungsanlagen ist daher auf der Grundlage der Systementscheidung des geltenden Energierechts verfassungsrechtlich ausgeschlossen. Die gebotene verfassungskonforme Auslegung von 98 So BGHZ 204, 274 Rn. 45. 99 Diese Regel wird durch die Ausnahmeregelung für systemrelevante Erzeugungsanlagen im Interesse der Versorgungssicherheit (§ 13b EnWG) bestätigt. 100 BGHZ 204, 274 Rn. 41.

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§ 45 Abs. 1 Nr. 2 EnWG erlaubt die Enteignung nur für Netzvorhaben. Auf diese Weise zeigt sich, dass die Analyse der internen Strukturen eines »allgemeinen« Gesetzes, welches die Enteignung zugunsten Privater erlaubt, durchaus Auskunft darüber gibt, ob den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG Genüge getan ist.

Matthias Knauff

Erneuerbare Energien, Vertrauens- und Investitionsschutz

I.

Einleitung

Der Ausbau erneuerbarer Energien schreitet voran. Orientiert an ehrgeizigen Zielen hat sich die Energieversorgung in Deutschland in den letzten 20 Jahren grundlegend gewandelt. Ebenso grundlegende Änderungen hat auch das Energierecht erfahren. War dieses zunächst ausschließlich auf konventionelle Energieträger ausgerichtet, hat es beginnend mit dem Stromeinspeisungsgesetz rechtlich die Weichen für die Energiewende gestellt. Als Mittel der Wahl dienten und dienen weiterhin finanzielle Fördermaßnahmen zugunsten der Nutzung erneuerbarer Energien. Nur punktuell, so etwa in Bezug auf Kraftstoffe, vgl. §§ 37a ff. BImSchG, hat sich der Gesetzgeber für ordnungsrechtliche Maßnahmen zur Durchsetzung seiner Ziele entschieden. Ökologischer Fortschritt soll damit im Wesentlichen durch ökonomische Anreize erreicht werden. Dieses Regelungsmodell wirft zahlreiche juristische Fragen auf. Vielfach diskutiert wurde die beihilferechtliche Dimension;1 insoweit hat die Entscheidung des EuG vom 10. Mai 20162 (vorläufige) Klarheit gebracht. Zudem ermöglicht diese der EU-Kommission, mittels der Allgemeinen Gruppenfreistel1 Für eine Qualifikation als Beihilfe siehe etwa Bungenberg/Motzkus, Das EEG-2012-Modell und die Privilegierung stromintensiver Unternehmen aus dem Blickwinkel des EU-Beihilfenrechts, in: v. Kielmansegg (Hrsg.), Die EEG-Reform – Bilanz, Konzeptionen, Perspektiven, 2015, S. 81 (90ff.); Koenig/Schramm, Beihilfenrechtliche Bewertung der Stromnetzentgeltbefreiungen nach § 19 Abs. 2 StromNEV (a. F.) und der EEG-Umlagemechanismen im Lichte der jüngsten Eröffnungsbeschlüsse der Europäischen Kommission, in: Löwer (Hrsg.), Europäische und internationale Aspekte der Energierechtsreformdebatte, 2014, S. 23 (27ff.); a. A. Kröger, Die Förderung erneuerbarer Energie im Europäischen Elektrizitätsbinnenmarkt. Binnenmarktintegration erneuerbarer Energien durch Europäisierung nationaler Fördersysteme, 2015, S. 219ff.; Behlau, Die Förderung der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien auf dem Prüfstand des europäischen Beihilfenrechts, in: Müller (Hrsg.), 20 Jahre Recht der Erneuerbaren Energien, 2012, S. 336 (362f.); Burgi/Wolff, Der Beihilfebegriff als fortbestehende Grenze einer EU-Energieumweltpolitik durch Exekutivhandeln, EuZW 2014, 647 (652f.); Ismer/Karch, Das EEG im Konflikt mit dem Unionsrecht, ZUR 2013, 526 (530ff.). 2 EuG, Rs. T-47/15 (Deutschland/Kommission), ECLI:EU:T:2016:281.

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lungsverordnung VO (EU) Nr. 651/20143 sowie den Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen4 erheblichen Einfluss auf den Fördermechanismus und seine Weiterentwicklung zu nehmen.5 Ebenfalls bedeutsam ist die im Folgenden näher in den Blick zu nehmende Frage nach dem Verhältnis von erneuerbaren Energien, Vertrauens- und Investitionsschutz. Diese erhält ihre Brisanz durch die hohe Änderungsdynamik des maßgeblichen Rechtsrahmens, welche geeignet ist, im Falle der Reduktion oder der Abschaffung von Fördermaßnahmen Gewinnerwartungen zu enttäuschen. Die Auseinandersetzung damit soll in drei Schritten erfolgen. Nach einem Überblick über die Rahmenbedingungen der Energiewende (II.) ist die Bedeutung des Verfassungsrechts in deren Kontext in den Blick zu nehmen (III.). Daran schließt sich eine Betrachtung der Gestaltung der Energiewende durch das einfache Recht an, wobei das EEG 2017 und seine Lösung der Vertrauensschutzproblematik im Fokus stehen sollen (IV.).

II.

Rahmenbedingungen der Energiewende

Obwohl das Recht in Bezug auf die Energiewende eine zentrale Rolle spielt, ist diese in erster Linie politisches Ziel und – im Erfolgsfalle – tatsächliche Erscheinung. Eine juristische Betrachtung wird hierdurch zwar nicht unmöglich; sie muss diese Umstände jedoch zur Kenntnis nehmen und sich ihrer nachgeordneten Funktion in gestalterischer Hinsicht bewusst sein.

1.

Erneuerbare Energien als wesentlicher Bestandteil der Energiewende

Die Ersetzung konventioneller durch erneuerbare Energien ist ein wesentlicher Bestandteil der Energiewende. Zwar können auch die Steigerung der Energieeffizienz6 sowie der Verzicht auf die Nutzung von Energie7 zu einer Erreichung 3 ABl. 2014 L 187/1. 4 ABl. 2014 C 200/1. 5 Zur Rolle der Kommission siehe Knauff, Beihilferechtliche Steuerung der Energiepolitik? Der Einfluss der EU-Kommission auf die Energiepolitik der Mitgliedstaaten, in: Gundel/Lange (Hrsg.), Energieversorgung zwischen Energiewende und Energieunion, 2017, S. 55ff. 6 Zum Energieeffizienzrecht siehe etwa Britz/Eifert/Reimer (Hrsg.), Energieeffizienzrecht. Perspektiven und Probleme, 2010; Knauff, Energieeffizienz als Verwaltungsaufgabe, Die Verwaltung 47 (2014), 407ff. 7 Zum »Energiesuffizienzrecht« als dritter Säule des Umweltenergierechts neben dem Recht der Erneuerbaren Energien und dem Energieeffizienzrecht Müller, Klimawandel als Herausforderung der Rechtsordnung, in: Gesellschaft für Umweltrecht (Hrsg.), Dokumentation zur 31. Wissenschaftlichen Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht e.V., Berlin 2007, 2008,

Erneuerbare Energien, Vertrauens- und Investitionsschutz

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der mit der Energiewende verbundenen Klimaschutzziele beitragen. Auf Grundlage des tatsächlichen Energiebedarfs genügen diese Maßnahmen jedoch nicht. Politisch besteht daher Übereinstimmung, dass ein Ausbau erneuerbarer Energien zwingend erforderlich ist. Auf nationaler wie europäischer Ebene hat sich dies in ehrgeizigen Ausbauzielen niedergeschlagen. Insbesondere soll die Stromversorgung im Jahr 2050 zu mindestens 80 % auf erneuerbaren Energien beruhen.8 Wenngleich diese bereits heute mit ca. 35 % die wichtigste Stromquelle in Deutschland sind,9 ist der Weg dahin noch weit, so dass es weiterer Anstrengungen bedarf. Trotz gelegentlicher Rufe nach der Abschaffung des EEG10 ist vor diesem Hintergrund nicht zu erwarten, dass die Förderung erneuerbarer Energien in absehbarer Zeit eingestellt wird. Erst wenn die Erzeugungskosten von Strom aus erneuerbaren Energien unter denjenigen konventioneller Energieträger liegen oder diese durch ordnungsrechtliche Maßnahmen vom Markt genommen werden, kann im Hinblick auf die Erreichung der Ausbauziele auf eine Förderung verzichtet werden. Zugleich kann durch die Ausgestaltung der Förderung seitens des Staates Einfluss auf den Ausbaupfad genommen werden, insbesondere um die Ausbaukosten zu reduzieren. Darüber hinaus begrenzt die Notwendigkeit des Netzausbaus die Möglichkeiten eines »überbeschleunigten« Ausbaus erneuerbarer Energien.

2.

Verlässlichkeit von Entscheidungen als Investitionsvoraussetzung

Da die Energiewende keine umfassende Planung und Verstaatlichung11 der Energieerzeugung mit sich bringen soll,12 bedarf es privater Investoren, welche die

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9 10 11

S. 191 (216ff.); vgl. auch Ekardt, Förderung effizienter Energieverwendung: Europäische und deutsche Steuerungsinstrumente, ZUR 2004, 405. Energiekonzept für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung vom 28. September 2010, S. 5 (abrufbar unter http://www.bundesregierung.de/ContentAr chiv/DE/Archiv17/_Anlagen/2012/02/energiekonzept-final.pdf ?__blob=publicationFile& v =5). Klimaschutzplan 2050. Klimaschutzpolitische Grundsa¨ tze und Ziele der Bundesregierung, S. 34 (abrufbar unter http://www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/ Klimaschutz/klimaschutzplan_2050_bf.pdf), bezogen auf das Jahr 2015. Siehe etwa das Programm der AfD zur Bundestagswahl 2017, S. 66 (abrufbar unter https:// www.afd.de/wahlprogramm). Zur Frage der (Re-)Kommunalisierung siehe aber sektorspezifisch Berlo/Wagner, Stadtwerke-Neugründungen und Rekommunalisierungen, 2013; Grünewald, Die (Re)Kommunalisierung in der Energieverteilung, 2016; Janning, Rekommunalisierung in der Energiewirtschaft – Chancen und Risiken, 2011; Knauff, Zurück zur kommunalen Daseinsvorsorge in der Energieversorgung?, EnWZ 2015, 51ff.; Müller, Rekommunalisierung. Chancen und Risiken von Strom- und Gasnetzen in kommunaler Hand, VR 2014, 145ff.; Richter/ Brahms, Rekommunalisierung von Strom- und Gasnetzen, KommJur 2014, 6ff.; allgemein Bauer, Zukunftsthema »Rekommunalisierung«, DÖV 2012, 329ff.; Bauer/Büchner/Hajasch (Hrsg.),

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politisch formulierten Ausbauziele durch die Errichtung von Windkraft-, Photovoltaik- und sonstigen Anlagen, die elektrische Energie aus erneuerbaren Energieträgern gewinnen, realisieren. Dabei kann mit wenigen Ausnahmen nicht unterstellt werden, dass andere als ökonomische Motive eine maßgebliche Rolle spielen. Vielmehr legt die tatsächliche Entwicklung nahe, dass die bereits im Stromeinspeisungsgesetz angelegte Kombination von Einspeisevorrang und Vergütung oberhalb des Marktpreises, die sich in garantierten Gewinnen niederschlägt, die wesentliche Ursache für den massiven und die politischen Erwartungen übersteigenden Ausbau erneuerbarer Energien war.13 Damit geht einher, dass Investoren im Bereich erneuerbarer Energien sich nicht wesentlich von denjenigen anderer Sektoren unterscheiden. Die politisch gewünschten Investitionen erfolgen daher nur dann und in dem Umfang, in dem eine Gewinnerwartung besteht. Diese kann individuell ebenso wie die Risikobereitschaft unterschiedlich hoch ausfallen; je geringer aber die Wahrscheinlichkeit ist, dass die eingesetzten Mittel eine Rendite erwirtschaften, desto geringer wird im allgemeinen die Investitionsbereitschaft ausgeprägt sein. Ein gutes Investitionsklima wird damit zugleich zur Gelingensbedingung der Energiewende. Der Staat kann hierauf insbesondere auf zwei Wegen spezifisch Einfluss nehmen. Zum einen kann er durch die Ausgestaltung der Förderung erneuerbarer Energien, insbesondere durch die Festlegung der Voraussetzungen und Höhe der Förderung, auf die Gewinnerwartung einwirken. Zum anderen müssen seine Entscheidungen verlässlich sein,14 da entsprechende Investitionen im Hinblick auf die Herstellung der Nutzbarkeit geeigneter Grundstücke, der Einholung rechtlich gebotener Genehmigungen sowie der Anlagenerrichtung sowohl einer zeitintensiven Vorbereitung bedürfen als auch der Anlagenbetrieb langfristig erfolgt und insbesondere die Gewinnschwelle unter Berücksichtigung der unvermeidbaren Kosten auch unter Berücksichtigung der staatlich veranlassten Förderung erst nach einigen Jahren überschritten wird. Die Attraktivität einer Betätigung im Bereich erneuerbarer Energien ergibt sich daher aus Investorenperspektive mangels »schnellen Geldes« nicht allein aus dem status quo, sondern auch und ganz wesentlich aus dessen Fortschreibung über einen möglichst langen Zeitraum hinweg.

Rekommunalisierung öffentlicher Daseinsvorsorge, 2012; Brüning, (Re-)Kommunalisierung von Aufgaben aus privater Hand – Maßstäbe und Grenzen, VerwArch 100 (2009), 453ff.; Guckelberger, Die Rekommunalisierung privatisierter Leistungen in Deutschland, VerwArch 104 (2013), 161ff.; Ipsen (Hrsg.), Rekommunalisierung von Versorgungsleistungen?, 2012. 12 Siehe diesbezüglich Papier/Krönke, Investitionen in Erneuerbare Energien und Vertrauensschutz, REE 2012, 1 (2f.). 13 BT-Drucks. 18/1304, S. 90. 14 Vgl. auch Burgi, Die Energiewende und das Recht, JZ 2013, 745 (751).

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3.

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Unsicherheit

Eine besondere Herausforderung der Energiewende besteht schließlich in ihrer Vorbildlosigkeit. Insbesondere bei der Frage ihrer Durchführung sind alle beteiligten Akteure einschließlich des Gesetzgebers auf das Prinzip von Versuch und Irrtum verwiesen. Weder die technologischen Voraussetzungen und ihre (notwendige) Weiterentwicklung noch die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen lassen sich mit hinreichender Genauigkeit prognostizieren. Zugleich treten immer neue Problemstellungen auf und bedürfen einer Lösung. Verwiesen sei nur auf die Themenkomplexe Energiearmut15 und »Wind im Wald«16. Hieraus resultiert eine erhebliche Unsicherheit, die sich in einer hohen Entwicklungsdynamik in technischer, ökonomischer, politischer und wegen des Realitätsbezugs des Rechts auch juristischer Hinsicht unvermeidbar niederschlägt.

III.

Bedeutung des Verfassungsrechts für die Energiewende

Aus juristischer Perspektive stehen die Energiewende und der damit verbundene Ausbau erneuerbarer Energien trotz ihrer Besonderheiten nicht außerhalb der Rechtsordnung, sondern müssen sich in diese einfügen und werden durch sie geprägt. Zwar verfügt der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des spezifischen Energiewenderechts über erhebliche Spielräume. Das Verfassungsrecht stellt jedoch einen Rahmen dar, dessen Grenzen nicht überschritten werden dürfen.

1.

Verbindlichkeit

Wenngleich die uneingeschränkte und uneinschränkbare Verbindlichkeit des Grundgesetzes außer Frage steht, ist dieser Umstand ungeachtet seiner Selbstverständlichkeit als Grundlage der nachfolgenden Ausführungen hervorzuheben. In diesem Zusammenhang ist zugleich festzustellen, dass es kein spezifi15 Siehe insbesondere COM (2016) 860 final, S. 12f.; zu möglichen sozialrechtlichen Reaktionen Schlack, Energiearmut – Herausforderung in Zeiten der Energiewende, EnWZ 2013, 27ff. 16 Aus der juristischen Literatur siehe dazu u. a. Marschall, Naturschutzrechtliche Probleme bei der Zulassung und Planung von Windenergieanlagen auf dem Land, 2016, S. 195ff.; Geßner/ Genth, Windenergie im Wald? – Besonderheiten des Genehmigungsverfahrens am Beispiel des brandenburgischen Landesrechts, NuR 2012, 161ff.; Schrödter, Die Planung von Windkraftanlagen in Wäldern unter besonderer Berücksichtigung der waldrechtlichen Eingriffsregelungen, ZNER 2015, 413ff.; Schwarzenberg/Ruß, Die Windenergieerlasse der Länder – Überblick und neue Entwicklungen, ZUR 2016, 278 (283f.).

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sches Energiewendeverfassungsrecht gibt. Bislang hat es der verfassungsändernde Gesetzgeber nicht für notwendig erachtet, spezielle Regelungen in Bezug auf die Energiewende zu schaffen. Dies hat zur Folge, dass die im Hinblick auf die Energiewende ergriffenen Maßnahmen an den allgemeinen, für alle Lebensbereiche geltenden Bestimmungen des Verfassungsrechts zu messen sind. Methodisch ausgeschlossen sind damit zugleich energiewendespezifische Interpretationen der allgemeinen grundgesetzlichen Gewährleistungen. Nicht das Grundgesetz und sein Verständnis müssen sich an die Energiewende anpassen, sondern vielmehr muss die Energiewende unter Beachtung des Verfassungsrechts erfolgen.17

2.

Relevante Gewährleistungen

Für die hier zu behandelnde Themenstellung sind einige materiellrechtliche Gewährleistungen des Grundgesetzes von besonderer Bedeutung. Das Umweltstaatsprinzip, die Grundrechte und der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes sollen im Folgenden unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG näher in den Blick genommen werden. a)

Umweltstaatsprinzip

Das in Art. 20a GG normierte Umweltstaatsprinzip bildet den wichtigsten verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt für das Klimaschutzrecht und damit zugleich für das Recht der Energiewende einschließlich des Ausbaus erneuerbarer Energien. Ihm kommt ungeachtet seiner Unbestimmtheit eine wesentliche Maßstabfunktion für die Ausgestaltung dieser Bereiche der Rechtsordnung zu.18 Lassen sich der Vorschrift nach zutreffender Auffassung weder ein Verschlechterungsverbot19 noch ein materielles Umweltschutzniveau20 entnehmen und verfügt der Bundesgesetzgeber auch über weite Ausgestaltungsspielräume, so legt Art. 20a GG zumindest nahe, dem Umweltschutz in der Rechtsordnung ein hohes Gewicht einzuräumen. Damit geht einher, dass der Gesetzgeber idealer17 Müller-Terpitz, Die Bewältigung der Energiewende im Lichte des Grundgesetzes, RdE 2015, 49 (50). 18 Parallel zum Naturschutzrecht Köck/Wolf, Grenzen der Abweichungsgesetzgebung im Naturschutz, NVwZ 2008, 353 (357). 19 Krings, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), GG, 14. Aufl. 2017, Art. 20a, Rn. 25; a. A. etwa Epiney, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Band 2, 6. Aufl. 2010, Art. 20a, Rn. 65ff.; tendenziell auch Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band 2, 3. Aufl. 2015, Art. 20a, Rn. 44. 20 Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, 7. Aufl. 2014, Art. 20a, Rn. 39.

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weise ein wirkungsorientiertes und neue Erkenntnisse berücksichtigendes Regelungskonzept verfolgen soll. Im Lichte der Vorschrift gibt die tatsächliche Dynamik der Energiewende daher Anlass für eine stetige Verbesserung der darauf bezogenen Vorschriften im Sinne eines besseren Umwelt- und Klimaschutzes. Dies schließt eine Reaktion auf erkannte Defizite ein. Wenngleich Art. 20a GG die Möglichkeiten zu Grundrechtseingriffen aus Umwelt- und Klimaschutzgründen verstärkt,21 befreit die Vorschrift den Gesetzgeber gleichwohl nicht von der Beachtung der Grundrechte. Wie die Formulierung der Norm explizit klarstellt, hat der verfassungsrechtlich gebotene Umweltschutz »im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung« zu erfolgen. Das politische Ziel eines in höchstem Maße effektiven Umwelt- und Klimaschutzes ist daher nicht geeignet, grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu überwinden, sondern kann allein innerhalb ihrer verfassungsrechtlich angelegten Schranken wirksam werden. Auch dies gilt überdies nur für unmittelbar dem Umwelt- oder Klimaschutz dienende Maßnahmen, nicht aber für deren – insbesondere finanzielle – »Nebenaspekte« ohne unmittelbaren Umweltschutzbezug.

b)

Grundrechte

Die Energiewende berührt grundrechtlich geschützte Positionen in vielerlei Hinsicht. Von potenziell wesentlicher Bedeutung sind dabei insbesondere die Eigentums- und die Berufsfreiheit. aa) Eigentumsfreiheit Der Schutzbereich von Art. 14 GG gewährleistet dem Eigentümer im Ausgangspunkt unzweifelhaft das Recht, Immobilien nach eigenem Belieben und damit etwa für die Errichtung von Anlagen zur Gewinnung von Energie aus erneuerbaren Quellen zu nutzen oder dies zu unterlassen. Aus der verfassungsrechtlich angelegten Normgeprägtheit des Grundrechts folgt gleichwohl eine weitgehende Befugnis des Gesetzgebers, auf die Realisierbarkeit im Einzelfall Einfluss zu nehmen. So stellt sich das Verbot der Errichtung von Windkraftanlagen außerhalb von in Flächennutzungsplänen vorgesehenen Konzentrationszonen als zulässige Inhaltsbestimmung dar.22 Undeutlicher ist, ob und in welchem Umfang andere auf erneuerbare Energien bezogene Maßnahmen dem Schutzbereich der Eigentumsfreiheit unterfallen. Das BVerfG hat in zwei Entscheidungen aus den Jahren 2009 und 2016 21 Siehe nur BVerfGE 128, 1 (38 ff.); Schulze-Fielitz (o. Fußn. 19), Rn. 87f.; Gärditz, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.), Umweltrecht, Art. 20a GG, Rn. 68f. 22 Siehe nur BVerwGE 117, 287 (303f.).

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ausdrücklich offen gelassen, ob und inwieweit dem Grunde nach gesetzlich garantierte, im Einzelnen allerdings erst künftig entstehende Vergütungsansprüche für die Einspeisung erneuerbarer Energien, die aus der Nutzung von Bestandsanlagen generiert werden und die dem einspeisenden Eigentümer einen über den Marktpreis hinausgehenden Erlös für Strom aus diesen Energiequellen sichern und damit einen Anreiz für Investitionen bieten sollen, als solche oder in Verbindung mit dem Eigentum an den Erzeugungsanlagen von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt werden.23 In Bezug auf – funktional identische24 – Subventionen hat das Gericht jedoch deren Schutz (zu Recht25) abgelehnt, da die betroffene Rechtsposition einseitig staatlich gewährt werde und nicht auf eigenen Leistungen des Empfängers beruhe.26 Soweit der Abbau derartiger Vergünstigungen einer wirtschaftlichen Fortführung der bisherigen Eigentumsnutzung unmöglich macht, fehlt es jedenfalls an der Finalität des Eingriffs.27 Doch selbst soweit eine Zuordnung nicht unmittelbar mit der Anlage verbundener Positionen dem Eigentumsschutz unterfallen sollte, anerkennt das BVerfG einen weiten Ausgestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Insbesondere hat es das Ziel, eine Belastung der Netzbetreiber, Letztversorger und Stromkunden mit unnötig hohen Kosten zu vermeiden, als legitim und § 19 Abs. 1 EEG 2009, durch den räumlich zusammenhängende Biogasanlagen eines Betreibers normativ mit der Folge geringerer Einspeisevergütungen zu einer einzigen Anlage zusammengefasst wurden, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend qualifiziert.28 Damit anerkennt das Gericht zugleich die Notwendigkeit, die Energiewende in finanzieller Hinsicht »allgemeinverträglich« zu gestalten, auch wenn sich dies im Einzelfall negativ auf dieser dienende Investitionsentscheidungen auszuwirken geeignet ist, und gesteht dem Gesetzgeber zugleich zu, neue Erkenntnisse und Wertungen bei der Weiterentwicklung des Rechts der erneuerbaren Energien zu berücksichtigen. Die in Art. 14 Abs. 2 GG enthaltene verfassungsrechtliche Wertung wird insoweit trotz einer fehlenden expliziten Bezugnahme in den Entscheidungen deutlich.

23 BVerfGE 122, 374ff.; BVerfG, NVwZ 2017, 705 Rn. 34. 24 Vgl. BVerfG, NJW 1997, 573 (574). 25 Goldhammer, Zulässiger »Energiesoli« oder verfassungswidriger Eingriff ?, NVwZ-Extra 8/ 2013, 1 (2); a. A. unter Hinweis auf die getroffenen Vermögensdispositionen Leisner-Egensperger, Die Einschränkung der Solarstromsubventionen, NVwZ 2012, 985 (987). 26 BVerfGE 48, 403 (413); 72, 175 (193ff.); 105, 17 (32). 27 Shirvani, Abbau von Umweltsubventionen und Grundrechte. Verfassungsrechtliche Überlegungen unter besonderer Berücksichtigung des Eigentums- und Vertrauensschutzes, in: FS Papier, 2013, S. 625 (630f.); a. A. Leisner-Egensperger (o. Fußn. 25), 987. 28 BVerfGE 122, 374 (392f.).

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bb) Berufsfreiheit Entsprechendes wie für die Eigentumsfreiheit gilt im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG für eine unternehmerische Betätigung im Bereich erneuerbarer Energien. Ähnlich wie in anderen Zusammenhängen erweist sich die Berufsfreiheit als eher schwaches Grundrecht, zumal sich eine berufsregelnde Tendenz bei energiewendebezogenen Maßnahmen kaum je bejahen lassen kann.29 In der Rechtsprechung des BVerfG wird dies nicht zuletzt daran deutlich, dass in keiner der Entscheidungen, die sich mit erneuerbaren Energien befassen, eine eigenständige Thematisierung der Berufsfreiheit erfolgt, obwohl deren Verletzung mitunter gerügt wurde.30

c)

Vertrauensschutz

Besondere Bedeutung kommt vor dem Hintergrund der Dynamik der Energiewende des darauf bezogenen einfachen Rechts dem Grundsatz des Vertrauensschutzes zu.31 Dies hat sich in der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG in mehreren Entscheidungen niedergeschlagen. Wenngleich es sich im Kern um eine rechtsstaatliche Gewährleistung handelt, nimmt das Gericht diesbezüglich eine Prüfung im Zusammenhang mit den Grundrechten vor. Überdies spielt in diesem Kontext der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine Rolle. In seiner bereits vorstehend zitierten Entscheidung zu § 19 Abs. 1 EEG 2009 betonte das Gericht zunächst in Anknüpfung an seine ständige Rechtsprechung die grundsätzliche Verfassungskonformität einer unechten sowie die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit einer echten Rückwirkung. In Bezug auf letztere betont es jedoch die Ausnahmen. Das Rückwirkungsverbot finde im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze. Es gelte dort nicht, wo sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte. Das sei namentlich dann der Fall, wenn die Betroffenen schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen wird, nicht mit dem Fortbestand der Regelungen rechnen konnten. Ferner komme ein Vertrauensschutz nicht in Betracht, wenn die Rechtslage so unklar und verworren war, dass eine Klärung erwartet werden musste. Schließlich müsse der Vertrauensschutz zurücktreten, wenn überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehen, eine rückwirkende Beseitigung erfordern. Vor diesem Hintergrund ließ das Gericht es dahinstehen, ob § 19 Abs. 1 EEG 2009 eine echte oder unechte Rückwirkung entfaltete. Jedenfalls hätten die Beschwerdeführerinnen in keinem Fall und zu keinem Zeitpunkt auf den Fortbestand der in der 29 Vgl. auch Shirvani (o. Fußn. 27), 631f.; Goldhammer (o. Fußn. 25), 3. 30 Vgl. BVerfG, NVwZ 2017, 702 Rn. 41; NVwZ 2017, 705 Rn. 54. 31 Siehe dazu auch Papier/Krönke (o. Fußn. 12), 4ff.

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früheren Vorschrift (§ 3 Abs. 2 Satz 2 EEG 2004) nach ihrer – in der Kommentarliteratur umstrittenen – Auffassung getroffenen Regelung vertrauen können. Vielmehr hätten sie jedenfalls mit einer künftigen Änderung dieser Rechtspraxis durch den Gesetzgeber rechnen müssen. In Bezug auf die 20-jährige Vergütungsgarantie des § 12 Abs. 3 Satz 1 EEG 2004 führte das BVerfG aus, dass offen bleiben könne, ob § 19 Abs. 1 EEG 2009 aufgrund eines etwa in § 12 Abs. 3 Satz 1 EEG 2004 normierten besonderen Vertrauenstatbestandes den verfassungsrechtlichen Anforderungen einer echten Rückwirkung genügen müsse. Da sich ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand der in § 3 Abs. 2 Satz 2 EEG 2004 getroffenen Regelung zu keinem Zeitpunkt bilden konnte, wäre eine diesbezügliche Änderung der Vergütungsvorschriften verfassungsrechtlich selbst dann nicht zu beanstanden, wenn ihr echte Rückwirkung zukäme. Auch § 12 Abs. 3 Satz 1 EEG 2004 statuiere keinen uneingeschränkten Anspruch der Anlagenbetreiber auf Aufrechterhaltung des vergütungsrechtlichen Status quo, der von Verfassungs wegen einer Schließung im Nachhinein erkannter Gesetzeslücken entgegenstünde. Das zögerliche Vorgehen des Gesetzgebers, führte das Gericht ergänzend aus, dem die bestehenden Rechtsunsicherheiten und die missbilligte Praxis des Anlagensplittings jedenfalls seit August 2006 bewusst waren, möge unverständlich erscheinen. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung spiele dies ebenso wenig eine Rolle wie die Frage, ob die Erstreckung der nunmehr getroffenen Regelung auf Bestandsanlagen mit Blick auf die Zielsetzung des § 1 Abs. 1 und 2 EEG 2009 rechts- und umweltpolitisch sinnvoll sei.32 In zwei Entscheidungen vom 20. September 2016 qualifizierte das BVerfG nachträgliche Änderungen der Förderbedingungen nunmehr explizit als unechte Rückwirkung,33 nahm die erhobenen Verfassungsbeschwerden aber nicht zur Entscheidung an. Die Rechtssache 1 BvR 1387/15 betraf § 101 Abs. 2 Nr. 1 EEG 2014, wodurch eine durch das EEG 2009 eingeführte (und bereits durch das EEG 2012 teilweise geänderte) zusätzliche Vergütung für den Einsatz nachwachsender Rohstoffe bei der Stromerzeugung durch Biomasse dahin gehend umstrukturiert wurde, dass der Bonus für Bestandsanlagen künftig nur noch dann geltend gemacht werden könne, wenn Landschaftspflegematerial im Sinne des Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2012 und damit anders als zuvor nicht aus Mais-Monokulturen zum Einsatz komme. Das BVerfG konstatierte, dass die Rechtsfolgen von § 101 Abs. 2 Nr. 1 EEG 2014 erst nach seiner Verkündung einträten und damit den gesetzlich für einen Zeitraum von 20 Jahren zuzüglich des Inbetriebnahmejahres vorgesehenen Vergütungsanspruch, zu dem auch der Landschaftspflegebonus in seiner konkreten Gestalt gehörte, beträfe. Damit gehe 32 BVerfGE 122, 374 (394ff.). 33 Ebenso Goldhammer (o. Fußn. 25), 4; Kreuter-Kirchhof, Grundrechtliche Maßstäbe für eine Reform des EEG, NVwZ 2014, 770 (774).

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»grundsätzlich auch eine Entwertung des nach zuvor geltender Rechtslage bestehenden Rechts von Biogasanlagenbetreibern einher, für den Einsatz bestimmter Substrate den Landschaftspflegebonus verlangen zu können.«34 Die Regelung weise auch konstitutiv rückwirkenden Charakter auf, weil durch sie andere zur vorherigen Rechtslage vertretbare Auffassungen ausgeschlossen würden. Jedoch verstoße die Regelung nicht gegen die insoweit an unecht rückwirkende Gesetze zu stellenden Anforderungen. Die sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergebenden Grenzen der Zulässigkeit von unecht rückwirkenden Gesetzen »sind erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen … Der – verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende … – Zweck der angegriffenen Regelung liegt insbesondere darin, der unter dem Begriff »Landschaftspflegemais« bekannt gewordenen Fehlentwicklung, der die üblicherweise von Monokulturen hervorgerufenen negativen Auswirkungen zugeschrieben werden, Einhalt zu gebieten (BT-Drucks. 18/1304, 182). Die Regelung ist zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und auch angemessen. … Zwar kommt den Bestandsinteressen von Biogasanlagenbetreibern in der Abwägung im Grundsatz ein nicht nur unerhebliches Gewicht zu. Denn diese durften, nachdem den Biogasanlagenbetreibern gesetzlich ein bestimmter Vergütungsanspruch nebst einem unter bestimmten Voraussetzungen gewährten Landschaftspflegebonus für 20 Jahre zuzüglich des Inbetriebnahmejahres versprochen worden war, in von Verfassungs wegen schutzwürdiger Weise grundsätzlich davon ausgehen, dass die Voraussetzungen, unter denen dieser Landschaftspflegebonus gewährt wird, innerhalb des genannten Zeitraumes nicht verschärft werden. Dies gilt auch, soweit es sich bei den Regelungen zum Landschaftspflegebonus im Erneuerbare-Energien-Gesetz 2009 um eine unbestimmte Regelung handelt … Die im Grundsatz gewichtigen Bestandsinteressen sind durch die angegriffene Bestimmung tatsächlich aber nur geringfügig beeinträchtigt. Die Verschärfung der Voraussetzungen für den Erhalt des Landschaftspflegebonus betrifft lediglich einen mit Blick auf den gesamten Vergütungsanspruch vergleichsweise geringen Teil desselben. Dass ihr eine Belastung drohte, die etwa die Wirtschaftlichkeit des Betriebs der Anlage insgesamt in Frage stellen würde, ist danach nicht erkennbar.«35 An die Darlegung des Umstandes, dass »erkennbar wird, dass diese rückwirkende Kraft eine schutzwürdige Vertrauensposition gerade auch desjenigen entwertet, der sich gegen sie wendet«36, stellte 34 BVerfG, NVwZ 2017, 705 Rn. 40. 35 BVerfG, NVwZ 2017, 705 Rn. 48ff. 36 BVerfG, NVwZ 2017, 705 Rn. 44.

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das BVerfG überdies hohe und im konkreten Fall nicht erfüllte (und wohl auch kaum erfüllbare) Anforderungen. Die Rechtssache 1 BvR 1299/15 betraf § 101 Abs. 1 EEG 2014. Die Vorschrift begründete eine Deckelung der Menge an Strom, für die Betreiber von Bestandsbiogasanlagen ihren Vergütungsanspruch in voller Höhe geltend machen können, auf 95 % der installierten Leistung beziehungsweise einer Kürzung der Vergütung für die in einem Kalenderjahr darüber hinaus gehende Stromproduktion auf den – gegenüber der ursprünglichen Vergütung deutlich niedrigeren – Marktwert. Das BVerfG stellte zunächst klar, dass »Gesetze, auf die ein schutzwürdiges Vertrauen des Einzelnen gründet, … nicht ohne besondere und überwiegende Gründe des öffentlichen Interesses rückwirkend geändert werden [dürfen]; der Einzelne kann sich jedoch dann nicht auf Vertrauensschutz berufen, wenn das Vertrauen auf den Fortbestand einer ihm günstigen Regelung eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber billigerweise nicht beanspruchen darf … Insbesondere genießt die allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde auch in Zukunft unverändert bleiben, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz … Verspricht der Gesetzgeber allerdings – wie hier in den verschiedenen Fassungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes – für einen konkret festgelegten längeren Zeitraum Vergütungen einer bestimmten Höhe für nach den Bedingungen des Gesetzes produzierten Strom, schafft er eine besondere Vertrauensgrundlage für darauf aufbauende Investitionen. Auf die Initiierung derartiger Investitionen ist eine solche Gesetzgebung angelegt. Die Erwartung, diese Rechtslage werde für den garantierten Zeitraum insoweit unverändert bleiben, genießt daher besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Den darauf aufbauenden Investitionen kann der Gesetzgeber mit Wirkung für den geschützten Zeitraum nicht ohne weiteres im Nachhinein die Grundlage entziehen. Dieser besondere Vertrauensschutz für Investitionen, die auf der Grundlage einer derartigen, eine bestimmte Vergütung garantierenden Gesetzeslage getätigt wurden, schließt allerdings – gerade wenn sich die Zusage, wie hier, über einen so langen Zeitraum erstreckt – nicht jegliche Randkorrektur der Gewährungsbedingungen aus, sofern sie sich auf ein berechtigtes öffentliches Interesse stützen kann, die Garantie im Kern unberührt lässt und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen nicht unangemessen zurücksetzt.«37 Diese Grenzen seien durch § 101 Abs. 1 EEG 2014 trotz der damit verbundenen Belastung für Bestandsanlagen nicht verletzt. Diese verfolge einen legitimen Zweck, der »ganz allgemein in der Durchsetzung eines Systemwechsels von der Förderung des Einsatzes von nachwachsenden Rohstoffen und Energiepflanzen zu der Förderung des Einsatzes von kostengünstigen Rest- und Abfallstoffen … Konkret ist die Regelung in diesem Zusammenhang darauf gerichtet, Ausweicheffekten 37 BVerfG, NVwZ 2017, 702 Rn. 24f.

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entgegenzuwirken. Diese resultieren aus der grundsätzlichen Möglichkeit des nachträglichen Ausbaus von Altanlagen und dabei der Ausnutzung alter Vergütungsregelungen. Anlagenbetreiber können durch die ›Flucht in ein früheres Erneuerbare-Energien-Gesetz‹ die Vorteile der Altregelungen maximieren und perpetuieren, was die Etablierung des neuen Vergütungsregimes gefährdet…«38 Insoweit sei die Regelung auch geeignet und erforderlich. Zudem beinträchtige die Vorschrift »das berechtigte Vertrauen der betroffenen Anlagenbetreiber in den unveränderten Bestand der Vergütungsregelung nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne. … Der Gesetzgeber berücksichtigt das berechtigte Vertrauen des Altanlagenbetreibers im Ergebnis dadurch angemessen, dass er den bei Inbetriebnahme der Anlage zugesagten Vergütungsanspruch bis zu einer aus dieser Anlage bereits erzielten Höchstleistung im Grundsatz weiterhin für die durch Gesetz versprochenen 20 Jahre garantiert.« Dabei durfte der Gesetzgeber die in § 101 Abs. 1 EEG 2014 als Schwelle normierten 95 % der installierten Leistung als typischerweise im Durchschnitt zu erreichende Auslastungsobergrenze ansehen. Folglich werde »[d]ie Vergütung der Produktion von Bestandsanlagen in der bei ihrer Inbetriebnahme zugesagten Höhe … in dem realistischer Weise zu erwartenden Umfang weitestgehend gewahrt. … Einen weitergehenden Schutz seines Vertrauens in die uneingeschränkte Vergütung von Produktionserhöhungen aus Um- oder Erweiterungsbauten, die unter einem neuen EEG-Regime in Altanlagen installiert wurden, kann der jeweilige Biogasanlagenbetreiber nicht beanspruchen. … [Es] lässt sich den früheren Fassungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes … keine klare Aussage dahin entnehmen, dass der Gesetzgeber solche nachträglichen Um- oder Erweiterungsbauten bewusst in den Vertrauensschutz der 20-Jahre-Garantie einbeziehen wollte. Ein Vertrauen auf den Fortbestand der Möglichkeit zum leistungssteigernden Um- und Ausbau ist daher von Verfassungs wegen nicht schutzwürdig.« Weiter führt das Gericht aus: »Soweit den Anlagenbetreibern durch die angegriffene Übergangsregelung unabhängig von nachträglichen Um- oder Erweiterungsbauten ein künftiger Vergütungsanspruch gekürzt wird, weil die Produktion über der in den Vorjahren erzielten Höchstbemessungsleistung liegt, kommt ihren Bestandsinteressen in der Abwägung allerdings im Grundsatz ein nicht nur unerhebliches Gewicht zu. Denn sie durften, da ihnen insoweit gesetzlich ein bestimmter Vergütungsanspruch für 20 Jahre zuzüglich des Inbetriebnahmejahres versprochen worden war, im Grundsatz in berechtigtem Vertrauen davon ausgehen, dass dieser Vergütungsanspruch nicht auf ein bestimmtes Maß der installierten Leistung begrenzt wird, sondern dem Versprechen gemäß für jede in einem Kalenderjahr produzierte Kilowattstunde entsteht.« Dass die hiernach im Grundsatz gewichtigen Bestandsinteressen durch 38 BVerfG, NVwZ 2017, 702 Rn. 27.

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die Bestimmung in mehr als nur vergleichsweise geringfügigem Maße beeinträchtigt wären, lehnte das BVerfG jedoch unter Verweis darauf ab, dass »ein ganz wesentlicher Teil des Vergütungsanspruchs von der angegriffenen Bestimmung unberührt« bleibe und die Vergütungskürzung »nur einen verschwindend geringen Teil des Vergütungsanspruchs bezogen auf ein Kalenderjahr betreffen« dürfte.39 Keinerlei Bedeutung maß das BVerfG dem Vertrauensschutz in einer Entscheidung aus dem Jahr 2010 zu. Diese betraf die Abschaffung der Förderung von Photovoltaikanlagen auf ehemaligen Ackerflächen durch eine erhöhte Vergütungspflicht des durch diese erzeugten Stroms durch den jeweiligen Netzbetreiber, für die kein spätestens zu einem gesetzlich bestimmten, mit der ersten Lesung des Gesetzes übereinstimmenden Stichtag beschlossener Bebauungsplan vorlag, während der Konzeptions- und Planungsphase einer derartigen Anlage. Diese Änderung treffe »potenzielle Investoren in einer unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ungesicherten Situation, weil auch nach bisherigem Recht ein entsprechender Bebauungsplan – wenn auch ohne bestimmte Frist – erforderlich und dessen Beschluss … rechtlich ungewiss war. In solchen Fällen nunmehr eine Frist, die sich am Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan ausrichtet, einzuführen, belastet den Betroffenen nicht unangemessen und dient dem legitimen gesetzgeberischen Ziel, den künftigen Verbrauch von Freiflächen für Photovoltaikanlagen zum Schutz von Natur und Landschaft und zugunsten der Nahrungs- und Futtermittelproduktion effektiv zu begrenzen«.40 Insgesamt lässt das BVerfG in seinen Entscheidungen mit Bezug zur Energiewende eine deutliche Zurückhaltung bei der Anwendung des Vertrauensschutzgrundsatzes erkennen. Die Dynamik der Rechtsentwicklung in diesem Bereich wird durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung nicht in Frage gestellt.41 De facto verfügt der Gesetzgeber daher über erhebliche Gestaltungsspielräume, die er insbesondere für (Detail-)Korrekturen von Regelungen nutzen kann, die er aufgrund der tatsächlichen Entwicklungen für nicht mehr sachgemäß erachtet, wenngleich die verfassungsrechtlichen Grenzen diesbezüglich undeutlich bleiben.42 Die Ausführungen des BVerfG legen jedoch auch nahe, dass eine grundlegende Änderung der »Geschäftsbedingungen«, etwa durch eine gesetzliche Abschaffung der Förderung für die Stromerzeugung aus

39 BVerfG, NVwZ 2017, 702 Rn. 34ff. 40 BVerfG, NVwZ-RR 2010, 905 Rn. 42. 41 Von einer gesetzgeberfreundlichen Judikatur spricht auch schon Goldhammer (o. Fußn. 25), 6. 42 Mattern, Anm. zu BVerfG-Beschluss vom 20. 09. 2016–1 BvR 1299/15, EnWZ 2017, 73 (74).

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erneuerbaren Energien unabhängig von den wirtschaftlichen Auswirkungen im Einzelfall, gleichwohl verfassungsrechtlich unzulässig ist.43

IV.

Gestaltung der Energiewende durch die Gesetzgebung

Die konkrete rechtliche Ausgestaltung der Energiewende und damit insbesondere die Setzung der Rahmenbedingungen für den Ausbau erneuerbarer Energien erfolgt notwendigerweise durch die Gesetzgebung. Das Recht dient dabei als Instrument zur Erreichung der politisch festgelegten Ziele. Wenngleich insoweit keine grundlegenden Unterschiede zu anderen Lebens-und Regelungsbereichen bestehen, tritt die instrumentelle Funktion im Recht der Energiewende besonders deutlich zu Tage. Davon zeugt nicht nur das wenig ausgeprägte Bemühen des Gesetzgebers um eine Anknüpfung an den Stand der Rechtsentwicklung und der Rechtsdogmatik,44 sondern vor allem die hohe Änderungsfrequenz, welche in der Literatur bereits zu den wesentlichen Charakteristika des Rechtsgebiets gezählt worden ist45 und welche die Akteure vor erhebliche planerische, ökonomische und juristische Herausforderungen stellt.

1.

Die Förderung erneuerbarer Energien im Wandel

Betrachtet man die Entwicklung des Rechts der erneuerbaren Energien im Überblick, wird die Veränderung der zu Grunde liegenden Regelungskonzepte deutlich.46 Zwar bildet der Ausbau erneuerbarer Energien seit dem Stromeinspeisungsgesetz bis heute das zentrale politische Ziel. Die zu dessen Erreichung zunächst vorgesehene uneingeschränkte Investorenfreundlichkeit ist jedoch zwischenzeitlich einer intensiven staatlichen Einflussnahme auf den Ausbauprozess gewichen. Dieser zielt in doppelter Weise auf eine Beschränkung ab: Zum einen soll die Höhe der Mehrvergütung abgebaut und damit der weitere Anstieg der EEG-Umlage begrenzt werden. Bedeutsame Schritte dahin bildeten die im EEG 200947 eingeführte Pflicht zur Direktvermarktung, die Schaffung einer Marktprämie durch das EEG 2012 sowie die im EEG 2014 zunächst ver43 Siehe auch parallel Müller-Terpitz (o. Fußn. 17), 55f. 44 Vgl. bezogen auf Ausschreibungen Knauff, Ausschreibungen im Energierecht @ Problemlösungsinstrument oder bürokratischer Irrweg?, NVwZ 2017, 1591ff. 45 Müller, Thesen zur regulierungsrechtlichen Zukunft der Stromnetzinfrastruktur, in: Kment (Hrsg.), Netzausbau zugunsten erneuerbarer Energien, 2013, S. 101 (113f.). 46 Siehe auch bereits Burgi (o. Fußn. 14), 747f. 47 Die verschiedenen Fassungen des EEG sind unter https://www.erneuerbare-energien.de/EE/ Redaktion/DE/Dossier/eeg.html?cms_docId=71120 zugänglich.

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Matthias Knauff

suchsweise eingeführten Ausschreibungen. Zum anderen wurde mit dem EEG 2017 ein Ausbaupfad dadurch festgelegt, dass grundsätzlich eine Förderung nur noch bis zur Erreichung der jährlichen Ausschreibungskontingente gewährt wird. Dies macht einen Zubau von Erzeugungsanlagen jenseits dieser regelmäßig wirtschaftlich unattraktiv. Im Falle des parallel erlassenen WindSeeG ist dieser sogar rechtlich ausgeschlossen, da allein bezuschlagte Projekte planfestgestellt und damit realisiert werden können.48 Die Förderung erneuerbarer Energien und ihre Notwendigkeit hat der Gesetzgeber gleichwohl bislang nicht infrage gestellt. Das Vertrauen in die Kräfte des Marktes unter Verzicht auf eine unmittelbare finanzielle Privilegierung der Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energien ist bislang wenig ausgeprägt.

2.

Vertrauensschutz und Investitionssicherheit im Recht der erneuerbaren Energien

Die Attraktivität erneuerbarer Energien für Investoren wurde und wird weiterhin durch langfristige gesetzliche Festlegungen der Förderungshöhe hergestellt. Wenngleich im Lauf der Jahre Detailanpassungen vorgenommen wurden, die nicht zuletzt Gegenstand der zuvor dargestellten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung waren, hat der Gesetzgeber dieses Regelungsmodell nie grundlegend infrage gestellt. Er hat damit den tatsächlichen Investitionsvoraussetzungen ebenso Rechnung getragen wie dem verfassungsrechtlichen Gebot des Vertrauensschutzes.49 Der Umstand, dass dies politisch wie volkswirtschaftlich nicht stets zu optimalen Ergebnissen führt, hat sich im Zuge der Weiterentwicklung des Rechtsrahmens vor allem in der Änderung der Förderungsvoraussetzungen für neue Anlagen niedergeschlagen.50 Folge ist, dass sich die Investitionsbedingungen heute deutlich von denjenigen in der Frühzeit der Energiewende unterscheiden. Gleichwohl erhält jeder Investor grundsätzlich diejenige Förderung, die im Zeitpunkt der Inbetriebnahme seiner Anlage gesetzlich vorgesehen war. Die häufigen Änderungen des die Förderungsbedingungen festlegenden Rechtsrahmens, die in den letzten Jahren aus Investorensicht stets mit Verschlechterungen einhergingen, haben jedoch durchaus das Potenzial, sich ne48 Die hatte bereits ein 0,00 Cent-Angebot zur Folge, vgl. https://www.bundesnetzagentur.de/ SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2017/13042017_WindSeeG.html. 49 Vgl. auch Papier/Krönke (o. Fußn. 12), 9; Panknin, EEG-umlagefreie Eigenerzeugung – Status quo und Ausblick, EnWZ 2014, 13 (17). 50 Zur Übereinstimmung mit dem Vertrauensschutzgrundsatz diesbezüglich Müller-Terpitz (o. Fußn. 17), 52.

Erneuerbare Energien, Vertrauens- und Investitionsschutz

95

gativ auf die Investitionsbereitschaft auszuwirken.51 Die damit einhergehende Gefahr eines verzögerten Ausbaus der Stromversorgung aus erneuerbaren Energien52 hat sich bislang gleichwohl nicht realisiert. Es ist daher davon auszugehen, dass auch die gesetzlich abgesenkten bzw. in Ausschreibungen53 erzielbaren Mehrvergütungen den Betreibern auch weiterhin einen rentablen Betrieb ihrer Anlagen ermöglichen.

3.

Insbesondere: EEG 2017

Aktuell wird der Ausbau und die Förderung erneuerbarer Energien im Wesentlichen durch das EEG 2017 ausgestaltet,54 dessen Regelungsmodell maßgeblich durch Vorstellungen der EU-Kommission geprägt wurde. Gefördert werden – von Ausnahmen zugunsten von Kleinanlagen abgesehen – nur noch solche neuen Anlagen, die in einer Ausschreibung der BNetzA einen Zuschlag erhalten haben. Die Förderungshöhe richtet sich nach dem jeweiligen Gebot. Voraussetzung für die Teilnahme ist neben einer Erfüllung der Ausschreibungsbedingungen grundsätzlich die Existenz einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die zu errichtende Anlage. Hiervon befreit sind allein sogenannte Bürgerenergiegesellschaften, denen damit ein vom Gesetzgeber gewollter Wettbewerbsvorteil zukommt.55 Durch diese gesetzliche Ausgestaltung werden Investitionen in neue Anlagen zur Stromgewinnung aus erneuerbaren Energien mit erheblichen Unsicherheiten belastet. Insbesondere genügt allein die Verfügbarkeit eines geeigneten Standorts nicht mehr. Der Zwang, in einer wettbewerblichen Ausschreibung erfolgreich zu sein, um Zuschüsse zu erhalten, steigert die Wahrscheinlichkeit, dass die Aufwendungen für die Anlagenplanung und -genehmigung verloren 51 Vgl. auch Boemke, Die Regelungen des EEG 2017 im Überblick, NVwZ 2017, 1. 52 Den Zusammenhang von Förderung und Ausbau hervorhebend auch Mattern (o. Fußn. 42), 74. 53 Von den in der ersten Ausschreibung nach dem EEG 2017 eingereichten 256 Geboten mit einem Volumen von 2.137 Megawatt wurden 70 Gebote mit einem Gebotsumfang von 807 Megawatt bezuschlagt, vgl. https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Pressemitteilun gen/DE/2017/19052017_Onshore.html;jsessionid=546F19B6C2D2A9D77933C9E3D373A2 20. 54 Im Überblick dazu Boemke (o. Fußn. 51), 1ff. 55 Die Ausnahmen für »Bürgerenergiegesellschaften« erwiesen sich in der ersten Ausschreibung als höchst relevant, vgl. https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Pressemittei lungen/DE/2017/19052017_Onshore.html;jsessionid=546F19B6C2D2A9D77933C9E3D373 A220. Ob es sich jedoch tatsächlich stets um solche handelte, ist fraglich, vgl. https://www. welt.de/wirtschaft/article165807760/Die-schmutzige-Trickserei-mit-der-Buergerenergie.html; http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/windparks-firmen-tarnen-sich-als-buerger gesellschaften-a-1152947.html.

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sind.56 Relativiert wird dieses Risiko zwar durch die Möglichkeiten, den Zuschussbedarf so niedrig anzusetzen, dass die Chance auf Erteilung des Zuschlags steigt, sowie einer mehrfachen Teilnahme mit einem Projekt an Ausschreibungen bis zum Erfolgsfall. Beides geht jedoch mit wirtschaftlichen Nachteilen einher. Ein Vertrauensschutz vor und unabhängig von einer Zuschlagerteilung kann auf Grundlage des EEG 2017 nicht begründet werden. Ist ein Zuschlag jedoch erfolgt, wird dadurch ein Anspruch auf Förderung für die bezuschlagte Anlage und den individuell bezuschlagten Gebotswert begründet. Während der (weiterhin) 20-jährigen Anspruchsdauer, § 25 EEG 2017, steht der Grundsatz des Vertrauensschutzes nunmehr auch Reduzierungen der Förderungshöhe entgegen. Anders als bei einer gesetzlichen Festlegung der Anspruchshöhe, welche den Entscheidungen des BVerfG zugrunde lag, liegt den Geboten bei Ausschreibungen eine individuelle Kalkulation gemäß den konkreten wirtschaftlichen Erfordernissen des jeweiligen Projekts zugrunde. Dabei ist vor dem Hintergrund des durchgeführten Wettbewerbs davon auszugehen, dass diese grundsätzlich nicht mehr als eine Kostendeckung und einen angemessenen Gewinn enthalten, so dass eine nachträgliche einseitige Kürzung der Förderungshöhe unmittelbar die Wirtschaftlichkeit des Projekts beseitigen würde. Gerade eine solche Wirkung hat das BVerfG jedoch in seiner Entscheidung zur Absenkung der garantierten (Mehr-)Vergütung von Biomasseanlagen mit Blick auf den Vertrauensschutz ausgeschlossen,57 so dass kein Raum für eine Abwägung mehr besteht. Insoweit vermittelt der Übergang von der gesetzlich festgelegten Förderung zum Ausschreibungssystem letztlich eine stärkere Investitionssicherheit. Voraussetzung ist jedoch ein Erfolg im Ausschreibungswettbewerb. Für bereits realisierte oder bei Inkrafttreten des EEG 2017 genehmigte,58 an das Anlagenregister gemeldete und bis Ende 2018 in Betrieb zu nehmende Anlagen sind Übergangsvorschriften vorgesehen.59 Die § 22 Abs. 2ff., §§ 100f., 104 EEG 2017 nehmen »Altprojekte« von der Geltung der Neuregelungen über die Förderung aus.60 Soweit Modifikationen der früheren Rechtslage erfolgen, 56 Vgl. auch BT-Drs. 18/1304, 182. 57 BVerfG, NVwZ 2017, 702. 58 Zu den damit verbundenen Fragen siehe Operhalsky/Fechler, Der Genehmigungsbegriff im EEG 2017, NVwZ 2017, 13ff. 59 Zutreffend von einem »Gebot der Rechtsstaatlichkeit« spricht insoweit Kment, Das Ende der sonnigen Zeiten für die Solarindustrie nach der Kürzung der Vergütungsansprüche – ein (verfassungsrechtlicher) Vertrauensbruch?, NVwZ 2012, 397 (399). Für die konkrete Ausgestaltung konstatiert Boemke (o. Fußn. 51), 3, dass diese »Planungssicherheit für Investoren« schaffe. 60 Zu den hinsichtlich der Vertrauensschutzproblematik abweichenden verfassungsrechtlichen Fragestellungen des WindSeeG siehe Dannecker/Ruttloff, Kein Vertrauensschutz für Off-

Erneuerbare Energien, Vertrauens- und Investitionsschutz

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handelt es sich um Detailaspekte, die vor dem Hintergrund der Ausführungen des BVerfG grundsätzlich als verfassungsrechtlich unbedenklich zu qualifizieren sind.

V.

Fazit

Die Dynamik der Energiewende zwingt den Gesetzgeber zu regelmäßigen Anpassungen des maßgeblichen Rechtsrahmens.61 Die damit einhergehenden Änderungen der Rahmenbedingungen für Investitionen sind aus individueller Perspektive zweifellos misslich, letztlich aber nicht zu vermeiden, sollen nicht Fehlentwicklungen perpetuiert und neue Erkenntnisse wirkungslos bleiben. Rufen nach einer Stärkung des Vertrauensschutzes in Bezug auf den unveränderten Erhalt von Förderungen62 hat das BVerfG in seinen zum EEG ergangenen Entscheidungen eine Absage erteilt.63 Bislang hat sich der Gesetzgeber bei den Novellen des EEG allerdings erkennbar bemüht, Vertrauensschutz und Investitionssicherheit auch bei Änderungen der gesetzlichen Zielsetzungen zu gewährleisten.64 Dass dies aus Investorensicht nicht stets optimal gelungen sein mag, stellt die Verfassungskonformität seines Handelns nicht in Frage. Die – auch häufige und schnelle – Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen gehört zu den Gegebenheiten, auf die sich Marktakteure bei ihren Entscheidungen einstellen müssen, wenn sie in einem von hoher Dynamik geprägten Sektor tätig sein wollen. Dem damit verbundenen Risiko stehen erhebliche Verdienstchancen gegenüber, die im Falle der Förderung erneuerbarer Energien gerade ebenfalls durch den Gesetzgeber eröffnet werden.65 Gelänge es perspektivisch, die Notwendigkeit einer Förderung erneuerbarer Energien im Zuge ihrer Marktintegration in ökonomischer Hinsicht wie auch durch eine entsprechende Gestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen des

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shore-Windparkprojekte?, EnWZ 2016, 490 (492ff.); Schulte/Kloos, Zur Verfassungswidrigkeit des »neuen Rechts« der erneuerbaren Energien, DVBl. 2017, 596 (599ff.). Nach der noch immer zutreffenden Einschätzung von Wustlich/Kachel, Die EEG Novelle – Vom Erwachsenwerden eines Gesetzes, ZUR 2012, 1 (3), »bleibt das EEG ›work in progress‹«. So etwa Leisner-Egensperger (o. Fußn. 25), 989. Zustimmend zur Rechtsprechung des BVerfG Mattern (o. Fußn. 42), 74f.; im Ergebnis aus unterschiedlichen Erwägungen ebenso Goldhammer (o. Fußn. 25), 5; Kreuter-Kirchhof (o. Fußn. 33), 774f. Nach Boemke (o. Fußn. 51), 4, war »wesentlicher Leitgedanke jeder Neufassung des EEG … stets der Schutz des Vertrauens von Investoren.« Zu Anwendungsproblemen in Verbindung mit der »10H-Regelung« siehe etwa Numberger, Vertrauensschutz im Zusammenhang mit der Energiewende, GewArch 2015, 150 (152ff.). Aufgrund dessen für die Anerkennung einer höheren gesetzgeberischen Flexibilität Mattern (o. Fußn. 42), 75.

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Matthias Knauff

Energiesektors insgesamt zu überwinden, verlören die zahlreichen bislang in Bezug auf das EEG diskutierten juristischen Probleme ihre Grundlage. Dies wäre ein Fortschritt nicht nur in Bezug auf den Klimaschutz und dessen Kosten, sondern auch für die Rechtsordnung, deren Komplexität im Interesse ihrer Verständlichkeit und Anwendungsfreundlichkeit auf das unbedingt erforderliche Maß begrenzt sein sollte.66

66 Zu »guter Gesetzgebung« siehe etwa Blum, Wege zu besserer Gesetzgebung, 2004; Ennuschat, Wege zur besseren Gesetzgebung – sachverständige Beratung, Begründung, Folgenabschätzung und Wirkungskontrolle, DVBl. 2004, 986ff.; Redeker, Wege zu besserer Gesetzgebung, ZRP 2004, 160ff.; H.-P. Schneider, Meliora Legalia, ZG 19 (2004), 105ff.; SchulzeFielitz, Wege, Umwege oder Holzwege zu besserer Gesetzgebung durch sachverständige Beratung, Begründung, Folgeabschätzung und Wirkungskontrolle?, JZ 2004, 862ff.; Schuppert, Bausteine einer kritischen Gesetzgebungslehre, Beih. ZG 18 (2003); Thierse, Wege zu besserer Gesetzgebung – sachverständige Beratung, Begründung, Folgeabschätzung und Wirkungskontrolle, NVwZ 2005, 153ff.

Meinhard Schröder

Die EEG-Umlage auf dem Prüfstand der Verfassung und des Unionsrechts

Die Förderung der Erzeugung erneuerbarer Energien im Wege der EEG-Umlage ist nicht nur politisch umstritten, sondern wirft auch (immer wieder neue) verfassungs- und unionsrechtliche Fragen auf, obwohl die EEG-Umlage selbst trotz gewisser Modifikationen im Detail kein Novum darstellt, sondern dem Grunde nach bereits seit dem Jahr 2000, als das erste EEG eingeführt wurde, besteht.1 Heute können viele Fragen als zumindest in der Rechtsprechung geklärt betrachtet werden. Angesichts der dynamischen Entwicklung nicht nur des Ausbaus der erneuerbaren Energien, sondern auch des EEG, das regelmäßigen Änderungen unterworfen ist, stellen sie sich aber immer wieder mit leicht veränderter Akzentuierung. Dies gilt namentlich für die Frage der Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht, wo die klassischen Kritikpunkte (»Beihilfenproblematik«) in jüngerer Zeit von weiteren Vorwürfen ergänzt wurden. Im Folgenden soll die EEG-Umlage zunächst auf den Prüfstand der Verfassung (II.) und sodann auf den des Unionsrechts (III.) gestellt werden.

I.

Das System der EEG-Umlage

Die EEG-Umlage ist das gesetzlich vorgesehene Verfahren, in dem die Differenz zwischen den garantierten Vergütungen für die Einspeisung erneuerbarer Energie in die Netze und dem ohnehin für diese Energie zu erzielenden Marktpreis aufgebracht wird. Produzenten erneuerbarer Energien haben einen Anspruch darauf, dass ihnen diese 20 Jahre lang zu einem bestimmten Garantiepreis abgenommen wird.2 Dieser wurde früher durch den Gesetzgeber festgelegt, und zwar trotz der im Vergleich zur konventionellen Energieerzeugung höheren Produktionskosten erneuerbaren Energien tendenziell zu hoch. In1 Das Stromeinspeisungsgesetz von 1991 beinhaltete demgegenüber noch nicht die Kostenwälzung. 2 §§ 11, 19 EEG 2017.

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zwischen hat man erkannt, dass die Energiewende zu einem stärkeren Grad mit marktwirtschaftlichen Prinzipien vereinbar ist und (auf Druck der Europäischen Kommission3) zumindest teilweise ein Ausschreibungsmodell eingeführt,4 das zu deutlich geringeren garantierten Einspeisevergütungen führen, damit aber zugleich den Ausbau der erneuerbaren Energien reduzieren wird.5 Vor allem aufgrund der Altverpflichtungen beläuft sich der Gesamtvergütungsanspruch der Produzenten erneuerbarer Energien 2017 auf ungefähr 29,5 Milliarden Euro (zum Vergleich: das ist mehr als doppelt so viel wie das Aufkommen der Tabaksteuer); am Markt lassen sich mit diesem Strom aber nur ca. 4,7 Milliarden Euro erlösen.6 Die Differenz, im Jahr 2017 also 24,8 Milliarden Euro, ungefähr 20 Mal der Gesamthaushalt der Stadt Bonn, zahlt der Staat, der die Energiewende bestellt und den Produzenten die Vergütungen garantiert hat, aber nicht etwa aus Steuermitteln, wie dies sonst bei direkten Subventionen regelmäßig der Fall ist. Die Vertragspartner der mit dem Garantiepreis Beglückten werden aber auch nicht (wie etwa beim Mindestlohn) mit den Kosten allein gelassen, da der Gesetzgeber erkannt hat, dass die dann naheliegende Weitergabe der Kosten rein nach den Gesetzen des Marktes unerwünschte Wirkungen haben könnte. Er greift daher wieder zu einer planwirtschaftlichen Lösung und lässt die 24,8 Milliarden Euro von den Übertragungsnetzbetreibern (mittelbar) auf die Stromverbraucher umlegen,7 sofern diese nicht in den Genuss der »besonderen Ausgleichsregelung«8 kommen, d. h. aus wirtschaftspolitischen Gründen von der EEG-Umlage zumindest teilweise befreit sind.9 Wer zu diesen Privilegierten gehört, bestimmt sich aus Gründen, auf die noch einzugehen sein wird, nach europarechtlichen Maßstäben; es gelten insofern Leitlinien der Europäischen Kommission, nach denen Betriebe, die sich durch eine besondere »Strom- und Handelsintensität« auszeichnen, privilegiert werden dürfen. Für die verbliebenen, nicht so privilegierten Zahlungspflichtigen resultiert aus dem Umlageverfahren im Jahr 2017 eine Belastung von 6,88 Cent / Kilowattstunde verbrauchten 3 Vgl. die Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014–2020, Mitteilung 2014/C 200/01, ABl. 2014, C-200/1; dazu etwa Pause/Kahles, Der Einfluss der EU-Kommission auf das EEG 2014 und EEG 2017, ER 2/2017, 55 (57ff.). 4 § 22ff. EEG 2017. 5 Dieser folgt nun einem gesetzlich festgelegten Ausbaupfad, § 4 EEG 2017. 6 Pressemitteilung der Bundesnetzagentur vom 14. Oktober 2016. 7 Formal trifft die Last zwar die Elektrizitätsversorgungsunternehmen, die die Endverbraucher beliefern, dass diese die Umlage tatsächlich auf die Verbraucher abwälzen, ist wirtschaftlich aber naheliegend; zumal sie in der Stromrechnung ausgewiesen wird, § 78 EEG. Die EEGUmlage wird aber auch für Eigenversorger und den Verbrauch von Strom erhoben, der nicht von einem Energieversorgungsunternehmen geliefert wurde, vgl. § 61 EEG. 8 §§ 63 ff EEG. 9 Siehe zur Funktionsweise des EEG schon eingehend Schröder, Grenzen der Umlage von Kosten auf die Allgemeinheit. Verfassungsrechtliche und europarechtliche Überlegungen am Beispiel der Förderung erneuerbarer Energien, AöR 140 (2015), 89 (91).

Die EEG-Umlage auf dem Prüfstand der Verfassung und des Unionsrechts

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Stroms, das ist etwa ein Viertel der Gesamtstromrechnung dieser nicht privilegierten Kunden.

II.

EEG-Umlage und Verfassung

Diese Vorgehensweise des Gesetzgebers führt aus der Warte des Verfassungsrechts zu zwei Problemkreisen. Einerseits bestimmt der Gesetzgeber Leistungen in vertraglichen Beziehungen, was mit Blick auf die Grundrechte der Beteiligten Fragen aufwirft. Andererseits stellt sich die Frage, ob die geschilderte Umverteilung von 24,8 Milliarden Euro finanzverfassungsrechtlich unproblematisch ist. Schließlich ist darauf hinzuweise, dass die ständigen Änderungen des EEG nicht selten Fragen allgemeinen rechtsstaatlichen wie des spezifisch eigentumsrechtlichen Vertrauensschutzes aufwerfen, worauf hier aber nicht näher eingegangen werden soll.

1.

Grundrechtliche Fragen

Die grundrechtlichen Probleme der EEG-Umlage werden seit fast 20 Jahren diskutiert.10 Freiheitsrechtlich problematisch ist, vereinfacht gesagt, die Pflicht zur Teilnahme am Umlagesystem (in welcher Rolle auch immer), gleichheitsrechtlich hingegen die Bestimmung des Kreises der Teilnehmer sowohl auf Zahler- als auch auf Empfängerseite. a)

Freiheitsrechtliche Unbedenklichkeit des Umlagemechanismus

Der Mechanismus der EEG-Umlage führt zu einer Kette von Grundrechtseingriffen. Sie beginnt mit dem Zwang der Netzbetreiber, den Strom abzunehmen und über dem Marktpreis zu vergüten. Es folgen die Verpflichtung der Übertragungsnetzbetreiber, die Umlage zu errechnen und zu verwalten und die Verpflichtung der Abnehmer, den jeweiligen Teil der Umlage zu zahlen. Man kann hier zunächst lange darüber streiten, welche Grundrechte maßstäblich sind, die Rechtfertigung ist aber relativ offensichtlich möglich: Für die Übertragungsnetzbetreiber, die die Umlage verwalten, liegt insoweit eine Berufsausübungsregelung vor und nicht etwa ein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Ob letzterer überhaupt verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz genießt, ist aufgrund der gängigen Trennung 10 Siehe etwa Raabe/Meyer, Das Erneuerbare-Energien-Gesetz, NJW 2000, 1298 (1300ff.).

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zwischen Erwerb und Erworbenem zweifelhaft.11 Jedenfalls resultierte auch aus einer Zuordnung zur Eigentumsgarantie für die bloße Belastung mit einer »Verwaltungsaufgabe« kein höherer Schutz als der auch durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährte. Dass nach den Maßstäben der EMRK, deren Rechte als Auslegungshilfe auch für die Grundrechte des Grundgesetzes dienen,12 die Eigentumsgarantie aus Art. 1 des 1. ZP maßgeblich sein dürfte, weil die EMRK keinen Schutz der Berufsfreiheit kennt, ändert an dieser Einordung nichts. Das Konventionsrecht verlangt grundsätzlich keine Aufgabe dogmatischer Figuren und Strukturen des nationalen Rechts, sondern nur einen effektiven Schutz der Konventionsrechte im Ergebnis. Der Eingriff in die Berufsfreiheit lässt sich unter Berufung auf das legitime Ziel des Klima- und Umweltschutzes, das gemäß Art. 20a GG sogar Verfassungsrang genießt, relativ leicht rechtfertigen, indem man die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit von anderen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Berufsausübung, wie sie in den Urteilen zur Erdölbevorratung13 und zur Vorratsdatenspeicherung14 getroffen wurden, entsprechend anwendet:15 »Grundsätzlich kann [der Gesetzgeber] Lasten und Maßnahmen zur Wahrung von Gemeinwohlbelangen, die als Folge kommerzieller Aktivitäten regelungsbedürftig sind, den entsprechenden Marktakteuren auferlegen, um die damit verbundenen Kosten auf diese Weise in den Markt und den Marktpreis zu integrieren. Dabei ist der Gesetzgeber nicht darauf beschränkt, Private nur dann in Dienst zu nehmen, wenn ihre berufliche Tätigkeit unmittelbar Gefahren auslösen kann oder sie hinsichtlich dieser Gefahren unmittelbar ein Verschulden trifft. Vielmehr reicht insoweit eine hinreichende Sach- und Verantwortungsnähe zwischen der beruflichen Tätigkeit und der auferlegten Verpflichtung.«16 Obgleich der Pflichtenkatalog der Netzbetreiber in den vergangenen Jahren gewachsen ist, bestehen daher grundsätzlich keine Bedenken, ihnen auch die Verwaltung der EEG-Umlage aufzuerlegen.17 Schwieriger als die Verwaltungstätigkeit sind die staatlichen Preisvorgaben grundrechtlich einzuordnen. Sie lassen sich als Eingriff in die Privatautonomie ansehen, deren Grundlage meist in Art. 2 Abs. 1 GG gesehen wird,18 für Unternehmen aber eher im Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) liegt,19 11 12 13 14 15 16 17 18 19

Vgl. zum Streit etwa Axer, in: BeckOK GG (Stand: 2017), Art. 14 GG Rn. 51ff. BVerfGE 111, 307 (317, 329). BVerfGE 30, 292 (325f.) unter Hinweis auf die Abwälzungsmöglichkeit. BVerfGE 125, 260 (361f.). So auch Manssen, Die Verfassungsmäßigkeit von EEG-Umlage und besonderer Ausgleichsregelung im Erneuerbare-Energien-Gesetz, WiVerw 2012, 170 (175). BVerfGE 125, 260 (361f.). Skeptischer Burgi, Die Energiewende und das Recht, JZ 2013, 745 (747, 750). So etwa in BVerfG, NJW 1996, 2021. Vgl. etwa BVerfGE 106, 275 (299): »Die Berufsfreiheit umfasst das Recht der am Markt

Die EEG-Umlage auf dem Prüfstand der Verfassung und des Unionsrechts

103

oder, wenn man in der Umlage eine Abgabe sieht (dazu sogleich), als Auferlegung einer Zahlungspflicht qualifizieren, die dann, wenn man dem Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts folgt,20 an der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG zu messen ist. Folgt man hingegen dem Ersten Senat und beruft sich darauf, dass das durch Abgaben belastete Vermögen als Ganzes nicht durch Art. 14 GG geschützt wird, landet man eher wieder bei Art. 2 Abs. 1 GG,21 es sei denn, die Belastung hätte erdrosselnde Wirkung, was wiederum zur Anwendung von Art. 14 GG führen könnte.22 Dass die EEG-Umlage eine erdrosselnde Wirkung hat, erscheint allerdings eher fernliegend, insbesondere da der Gesetzgeber diejenigen, für die es zu einer solchen Wirkung kommen könnte, nämlich besonders stromintensive Unternehmen, durch die »besondere Ausgleichregelung« privilegiert hat. Auch die Rechtfertigung der Belastung mit der EEG-Umlage stellt – unbeschadet eines möglichen Verstoßes gegen die Finanzverfassung (dazu sogleich) – kein ernstzunehmendes Problem dar : Soweit die finanzielle Belastung weitergereicht werden kann, ist sie ohnehin zu vernachlässigen, und für den Letztzahlungsverpflichteten ist – selbst wenn man punktuell den wohl strengsten Maßstab des Art. 14 GG zugrunde legt – aufgrund der spezifisch lastenverteilenden Wirkungsweise der Umlage in aller Regel nicht davon auszugehen, dass er mit den relativ geringen Beträgen überfordert ist;23 auch insofern ist auf die »besondere Ausgleichsregelung« hinzuweisen. Selbst eine kumulative Betrachtung, die auch andere staatlich induzierte finanzielle Belastungen in den Blick nimmt,24 würde an dieser Unbedenklichkeit derzeit nichts ändern.

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22 23 24

Tätigen, die Bedingungen ihrer Marktteilhabe selbst festzusetzen. Insbesondere kann der Anbieter Art und Qualität sowie den Preis der angebotenen Güter und Leistungen selbst festlegen. In gleicher Weise ist aber auch das Recht der Nachfrager geschützt, zu entscheiden, ob sie zu diesen Bedingungen Güter erwerben oder Leistungen abnehmen. Soweit Marktteilnehmer in ihrem Marktverhalten durch gesetzliche Regeln beschränkt werden, ist dies an ihren Grundrechten zu messen, nicht an denen der anderen Marktteilnehmer.« Siehe insbesondere BVerfGE 115, 97 (110ff.) zur Belastung mit der Einkommensteuer. Zustimmend P. Kirchhof, Die Steuern, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 3. Aufl. 2007, § 118 Rn. 117ff. Vgl. auch eingehend Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, 1993, S. 365 mit Fn. 9. BVerfGE 4, 7 (17); 8, 274 (330); 10, 89 (116); 75, 108 (154); 78, 249 (277); 81, 108 (122); 93, 121 (137); 97, 332 (349); für diese Sichtweise auch etwa Manssen (o. Fußn. 15), 172; Burgi (o. Fußn. 17), 749. In einer neueren Entscheidung, BVerfGE 137, 1 (17, Rn. 37) ist nur diffus von einem »Eingriff in die persönliche Freiheitsentfaltung im vermögensrechtlichen Bereich« ohne Nennung eines bestimmten Grundrechts die Rede. BVerfGE 50, 57 (104). So auch Manssen (o. Fußn. 15), 177, allerdings noch von einer deutlich niedrigeren Umlage ausgehend. Das Argument des relativ niedrigen Anteils an den allgemeinen Lebenshaltungsoder Betriebskosten bleibt aber gültig. Vgl. Wahlhäuser, Wird die »heimliche Steuer unheimlich«? Ein Zwischenbericht über die

104 b)

Meinhard Schröder

Gleichheitssatz als Maßstab für den Kreis der Beteiligten

Ebenfalls eher unergiebig als Prüfungsmaßstab ist der Gleichheitssatz. Auf Empfängerseite könnten ihm Vorgaben dafür zu entnehmen sein, was zu fördern ist und was nicht. Die parallele Problematik für direkte Subventionen ist allerdings bis heute nicht gelöst – Art. 3 GG vermag der politischen Prioritätensetzung nichts entgegenzusetzen,25 mag es um die Rettung einzelner insolvenzgefährdeter Unternehmen, die Einstufung bestimmter Unternehmen als »systemisch« und damit rettungswürdig oder schlicht um Subventionierung bestimmter Wirtschaftsbereiche gehen. Nichts anderes wird sich auch für die Frage ergeben, welche Formen erneuerbarer Energien im Umlageweg in welcher Höhe gefördert werden sollen; allenfalls in offensichtlichen Fällen kann hier ein Gleichheitsproblem entstehen. Zumindest auf den ersten Blick stärkere Direktivkraft entfaltet der Gleichheitssatz auf der Seite der Verpflichtung zur Zahlung der EEG-Umlage. Für staatliche Abgaben ist insofern schlagwortartig von »Belastungsgleichheit« die Rede.26 Den daraus fließenden Grundsatz, ohne hinreichenden Differenzierungsgrund keine Ausnahmen von der Belastung mit Abgaben vorzunehmen, wird man für die EEG-Umlage selbst dann für einschlägig erachten können, wenn man sie nicht als Abgabe im Rechtssinne einordnet – auch die staatliche Verteilung von finanziellen Lasten unter Privaten muss sich an den Gleichheitssatz halten. Betrachtet man allerdings die praktische Handhabung dieses Maßstabs im Abgabenrecht genauer, ergeben sich erhebliche Zweifel an der Durchschlagskraft des Gleichheitssatzes in diesem Bereich: So gilt beispielsweise im Umsatzsteuerrecht der ermäßigte Steuersatz von 7 % für Maulesel, nicht aber für Esel, und für Krabben, nicht aber für Hummer. Fragen der Gleichheit bei Belastungsrabatten sind also ziemlich offensichtlich auf dem stufenlosen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstab, den das Bundesverfassungsgericht heute im Bereich des Gleichheitssatzes anwendet,27 ganz unten anzusiedeln und lösen keine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung, sondern nur eine auf das Willkürverbot (in einer sehr großzügigen Handhabung) beschränkte Prüfung aus. Bei Anwendung solcher Maßstäbe ist selbstverständlich auch die teilweise Befreiung der besonders stromintensiven und/oder wettbewerbssensiblen Unternehmen von der EEG-Umlage gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden. Umsetzung des Gebots zur haushaltsrechtlichen Dokumentation von Sonderabgaben im Haushaltsgesetz 2005, NVwZ 2005, 1389 (1390). 25 So auch Beckhaus, Der Verantwortungsbegriff im Rahmen öffentlich-rechtlicher Zahlungspflichten, 2013, S. 215. 26 Dazu etwa BVerfGE 137, 1 (19f.). 27 Vgl. aus neuerer Zeit BVerfG, NVwZ 2017, 1689 (1693).

Die EEG-Umlage auf dem Prüfstand der Verfassung und des Unionsrechts

2.

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Finanzverfassungsrecht: EEG-Umlage als unzulässige Sonderabgabe?

Mit Blick auf die nicht unbeträchtlichen Finanzströme, die die EEG-Umlage generiert und von den Endverbrauchern zu den Produzenten erneuerbarer Energien lenkt, wird seit langem auch der Vorwurf des Verstoßes gegen die Finanzverfassung erhoben, weil die EEG-Umlage wie weiland der Kohlepfennig28 eine unzulässige Sonderabgabe darstelle.29 Träfe dieser Vorwurf zu, ginge damit auch eine Grundrechtsverletzung einher, denn die Zahlungspflichtigen sind durch eine verfassungswidrige Abgabe dann in ihrem Eigentum oder in ihrer Handlungsfreiheit beeinträchtigt – je nachdem, welcher Auffassung man folgt. Die mit der Frage befassten Zivilgerichte30 haben den Vorwurf des Verstoßes gegen die Finanzverfassung zurückgewiesen, das Bundesverfassungsgericht hat die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Der BGH hat als Begründung insbesondere eine fehlende Aufkommenswirkung zugunsten der öffentlichen Hand angegeben und die EEG-Umlage lediglich als Preisregelung gesehen. Dies überzeugt allerdings nicht: Eine Aufkommenswirkung zugunsten der öffentlichen Hand lässt sich zwar tatsächlich nicht feststellen, ist aber für den Abgabenbegriff richtigerweise auch nicht konstitutiv. Es genügt, dass der Finanzstrom dem Staat zurechenbar ist,31 dieser also nach seinen Vorgaben Geld erheben und sofort weiterverteilen lässt, wie dies heute bei der EEG-Umlage durch die Übertragungsnetzbetreiber unter Aufsicht der Bundesnetzagentur geschieht. Anders als es vor Einführung der sogenannten »neuen Wälzung« der Fall war, gibt es keine reine Kette von Abnahmeverpflichtungen und Preisregelungen mehr, sondern eine eigene, in § 60 Abs. 1 Satz 1 EEG32 normierte, gegenleistungslose Zahlungsverpflichtung, die neben den Börsenkaufpreis für Strom tritt und erst danach wieder als Preisbestandteil des Verkaufspreises des Stroms an den Verbraucher weitergegeben werden kann. Dass gegenüber dem Endverbraucher letztlich nur ein Gesamtpreis in Rechnung gestellt wird, liegt in der Natur indirekter Belastungen, wie beispielsweise ein Blick auf die Umsatzsteuer beweist. Die Notwendigkeit der isolierten Betrachtung der Umlageerhebung wird dadurch bestätigt, dass sie nach § 61 EEG33 auch für Strom stattfindet, der gar nicht von einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen geliefert, sondern zum Eigenverbrauch produziert wurde. Hierin liegt eine originäre, finanzielle Belastung ohne jeden Anknüp28 BVerfGE 91, 186 (201ff.). 29 So insbesondere Manssen, Die EEG-Umlage als verfassungswidrige Sonderabgabe, DÖV 2012, 499ff.; ders. (o. Fußn. 15), 170ff.; siehe auch Schröder (o. Fußn. 9), 101. 30 BGH, NVwZ 2014, 1180; OLG Hamm, EnWZ 2013, 417. 31 Vgl. schon Schröder (o. Fußn. 9), 98ff. 32 Zuvor § 37 Abs. 2 EEG 2012. 33 Zuvor § 37 Abs. 3 EEG 2012.

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fungspunkt an einen Kaufvertrag, so dass die Annahme einer »Preisregelung« geradezu absurd wäre.34 Der BGH hat dies leider verkannt und konnte die EEG-Umlage in der Folge auch nicht mehr an den Voraussetzungen messen, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für Sonderabgaben hergeleitet wurden. Nach dieser Rechtsprechung gebietet es die Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung, nichtsteuerliche Abgaben nur unter engen Voraussetzungen zuzulassen. Unproblematisch sind insofern vor allem Vorzugslasten, also Gebühren und Beiträge, weil ihnen eine tatsächliche oder potentielle Gegenleistung gegenübersteht. Andere nichtsteuerliche Abgaben sind Sonderabgaben, die sich wiederum in solche mit Lenkungszweck (die idealerweise gar nicht erhoben werden sollen) und solche mit Finanzierungszweck unterteilen lassen. Die EEGUmlage zählt zu letzteren. Solcher Sonderabgaben mit Finanzierungszweck darf sich der Gesetzgeber aber nur im Rahmen der Verfolgung eines Sachzwecks bedienen, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht. Es muss eine vorgefundene, von der Allgemeinheit abgrenzbare, homogene Gruppe belastet werden. Zwischen dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck und dieser Gruppe muss weiterhin eine spezifische Sachnähe bestehen, die so genannte Finanzierungsverantwortung. Der Ertrag der Sonderabgabe muss »gruppennützig« verwendet werden, und schließlich ist eine vollständige haushaltsrechtliche Dokumentation erforderlich.35 Es ist ziemlich offensichtlich, dass die EEG-Umlage diese Kriterien nicht erfüllt. Es fehlt schon an der von der Allgemeinheit abgrenzbaren, homogenen Gruppe. Diese ist insbesondere nicht in den zur Zahlung der Umlage unmittelbar verpflichteten Energieversorgungsunternehmen zu sehen, sondern – entsprechend der allgemeinen Sichtweise bei indirekten Abgaben – in den Stromverbrauchern, auf die sie typischerweise abgewälzt wird.36 Im Einklang mit dieser Bewertung hat das Bundesverfassungsgericht auch schon in der Entscheidung zum Kohlepfennig nicht auf die unmittelbar zahlungspflichtigen Energieversorgungsunternehmen, sondern auf die Stromverbraucher abgestellt und ihre 34 Auch eine getrennte Betrachtung der Zahlungspflicht für Energieversorgungsunternehmen, die Strom liefern, und für Eigenversorger erscheint wenig überzeugend, so aber Riedel/Weiss, Ausgleichsmechanismus des Erneuerbare-Energien-Gesetzes: Finanzverfassungsrechtliche Grenzen einer Einbeziehung der Eigenversorgung, EnWZ 2013, 402 (407f.). 35 Vgl. etwa aus jüngerer Zeit BVerfGE 122, 316 (334f.); grundlegend zu Sonderabgaben BVerfGE 55, 274 zur Ausbildungsplatzförderungsabgabe. 36 So auch Manssen (o. Fußn. 15), 186; Bickenbach, Die Finanzierung der »Energiewende« in der Zwickmühle aus Finanzverfassung und Art. 107, 108 AEUV, DÖV 2013, 953 (956). Auch bei der EEG-Umlage wird man schwerlich bezweifeln können, dass der Gesetzgeber von einer Abwälzung auf den Verbraucher ausgeht; andernfalls bedürfte es weder einer teilweisen Befreiung stromintensiver Betriebe von der Umlage noch einer Verpflichtung zur Ausweisung auf der Stromrechnung.

Die EEG-Umlage auf dem Prüfstand der Verfassung und des Unionsrechts

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Abgrenzbarkeit von der Allgemeinheit mit der Begründung verneint, das Interesse an der Stromversorgung sei heute so allgemein wie das Interesse am täglichen Brot.37 Fehlt es an der von der Allgemeinheit abgrenzbaren Gruppe, ist aber auch eine gruppennützige Verwendung des Aufkommens nicht ersichtlich; selbst wenn man abweichend von dieser Auffassung die Energieversorgungsunternehmen als homogene Gruppe ansähe, wären Klima- und Umweltschutz gesamtstaatliche und nicht deren spezielle Aufgabe. Vor diesem Hintergrund eines andauernden Verstoßes gegen das Finanzverfassungsrecht ist es begrüßenswert, wenn derzeit (wenngleich aus anderen Gründen, nämlich der nur sehr bedingt kontrollierbaren Entwicklung der EEGUmlage, die insofern eine riskante Finanzierungsform darstellt38), über eine alternative Finanzierung der Energiewende nachgedacht wird.

III.

EEG-Umlage und Unionsrecht

Aufgrund der »Verfassungsentscheidung des Grundgesetzes für eine internationale Zusammenarbeit«,39 die sich insbesondere in der Öffnung für die europäische Integration (Art. 23 GG) zeigt, kommt es allerdings zu »materiellen Verfassungsänderungen«40 – europäisches Recht ergänzt das nationale Verfassungsrecht und verdrängt es teilweise sogar ; dem Unionsrecht kann Anwendungsvorrang auch vor der Verfassung41 und damit auch vor den genannten Bestimmungen, an deren Maßstab die EEG-Umlage zunächst untersucht wurde, zukommen. Daher ist die verfassungsrechtliche Betrachtung der EEG-Umlage auf mögliche Modifikationen durch das Unionsrecht hin zu untersuchen. Grundsätzlich stehen die Prüfungsmaßstäbe des Verfassungsrechts und des Unionsrechts getrennt nebeneinander.42 Eine staatliche Maßnahme kann also verfassungskonform, aber unionsrechtswidrig, oder verfassungswidrig, aber unionsrechtskonform sein. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts vor dem Verfassungsrecht kommt dagegen nur dann zum Tragen, wenn eine Normenkollision vorliegt, das Unionsrecht also zwingend etwas anderes verlangt als das Verfassungsrecht. Zu klären ist insofern zunächst, welche Bestimmungen des Unionsrechts für die Beurteilung der EEG-Umlage überhaupt Bedeutung gewinnen können. 37 BVerfGE 91, 186 (206). 38 Schröder (o. Fußn. 9), 116. 39 Grundlegend K. Vogel, Die Verfassungsentscheidung des Grundgesetzes für eine internationale Zusammenarbeit, 1964. 40 Vgl. statt vieler Sauer, Staatsrecht III, 3. Aufl. 2016, § 4 Rn. 8b. 41 EuGH, Rs. 11–70 (Internationale Handelsgesellschaft), Slg. 1970, 1125 Rn. 3. 42 BVerfGE 116, 202 (214f.).

108 1.

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Beihilfenrecht, Art. 107ff. AEUV

Zu nennen ist zunächst das Beihilfenrecht. Bekanntermaßen ist die Europäische Kommission der Auffassung, es liege in Gestalt des EEG-Finanzierungsmechanismus in doppelter Hinsicht eine staatliche Beihilfe vor: primär zugunsten der Produzenten erneuerbarer Energien und sekundär zugunsten der Privilegierten, die aufgrund der besonderen Ausgleichsregelung keine volle EEG-Umlage zahlen müssen.43 Wenngleich diese Auffassung unter Berufung darauf, dass die Begünstigung nicht aus staatlichen Mitteln stamme (die Argumentation ist insofern ähnlich wie zum Finanzverfassungsrecht), bestritten wird,44 hat das EuG sie im Jahr 2016 (zu Recht45) bestätigt;46 über das Rechtsmittel der Bundesrepublik47 dagegen hat der EuGH noch nicht entschieden. Sieht man die EEG-Umlage als staatliche Beihilfe, ergeben sich daraus unmittelbar keine Konsequenzen für ihre Beurteilung am Maßstab der Verfassung, weil damit keine Normkollision einhergeht. Die Art. 107ff. AEUV und das auf ihrer Grundlage erlassene Sekundärrecht stellen lediglich zusätzliche Anforderungen an Beihilfen wie den EEG-Finanzierungsmechanismus auf und können zu ihrer Unzulässigkeit führen. Sie schränken also die politische Handlungsfreiheit der Mitgliedstaaten (gegebenenfalls über das verfassungsrechtlich Gebotene hinaus) ein, geben der Europäischen Kommission, die über die Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt entscheidet und daher die genannten Listen erlassen hat, vielleicht einen Entscheidungsspielraum in Politikbereichen, für die der Union grundsätzlich die Kompetenz fehlt,48 verlangen aber weder unter Widerspruch zu verfassungsrechtlichen Vorgaben eine Förderung der erneuerbaren Energien noch verbieten sie sie unter einem solchen Widerspruch. Vielmehr ist nach Art. 194 Abs. 2 UAbs. 2 AUEV die Bestimmung des Energiemixes und die entsprechende Förderung primär Sache der Mitgliedstaaten.

43 Kommission, Beschl. C (2014) 8786 v. 25. 11. 2014, ABl. 2015 L 250, 122 (SA.33995). 44 So etwa Ehrmann, Anmerkung zu EuG, Rs. T-47/15 (Deutschland/Kommission), NVwZ 2016, 997 (998). Reuter, Unterfällt die Besondere Ausgleichsregelung nach EEG den Beihilferegelungen nach Art. 107 AEUV?, RdE 2014, 160 (164f.). Kritisch zur Ausweitung des Beihilfenbegriffs auch Nettesheim, EU-Beihilferecht und nichtfiskalische Finanzierungsmechanismen, NJW 2014, 1847 (1851f.). 45 Ausführliche Begründung schon bei Schröder (o. Fußn. 9), 98, 102ff. 46 Rs. T-47/15 (Deutschland/Kommission), ECLI:EU:T:2016:281. 47 Rs. C-405/16 P. 48 Burgi/Wolff, Der Beihilfebegriff als fortbestehende Grenze einer EU-Energie-Umweltpolitik durch Exekutivhandeln, EuZW 2014, 647 (650).

Die EEG-Umlage auf dem Prüfstand der Verfassung und des Unionsrechts

2.

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Grundfreiheiten

Stärkere Bedeutung könnten die Grundfreiheiten entfalten: Strom ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine Ware;49 und die grundsätzliche50 Beschränkung der mit der EEG-Umlage erreichten Förderung auf inländische Produzenten könnte insofern eine Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit im Sinne der »Dassonville-Formel«51 darstellen, weil sie den Marktzugang ausländischer Ökostromproduzenten, die auch nicht zu Marktpreisen produzieren können, beeinträchtigt. Die Folge wäre, dass die nach verfassungsrechtlichen Maßstäben unbedenkliche Ungleichbehandlung im Hinblick auf die Förderung und die Rabatte für bestimmte Unternehmen strengeren Maßstäben unterworfen würde. Der EuGH hat sich im Fall alands Vindkraft, der die schwedische Ökostromförderung betrifft, mit dieser Frage auseinandergesetzt: Während Generalanwalt Yves Bot eine Verletzung der Warenverkehrsfreiheit annahm,52 folgte ihm der EuGH nicht, und zwar mit der Begründung, die Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit sei durch Gründe des Umweltschutzes gerechtfertigt und anders sei die auch durch die europäische Richtlinie über die Förderung erneuerbarer Energien53 erlaubte mitgliedstaatliche Subventionierung nicht praktizierbar.54 Ob diese Argumentation dem Umstand, dass auch die Union an die Grundfreiheiten gebunden ist,55 hinreichendes Gewicht beimisst, erscheint fraglich.56 49 Vgl. etwa EuGH, Rs. C-393/92 (Gmeente Amelo), Slg. 1994, I-1477 Rn. 28. 50 Nach § 5 EEG »sollen« inzwischen im Ausschreibungsverfahren nun 5 % der Zuschläge an ausländische Anlagen gehen. 51 EuGH Rs. 8/74 (Dassonville), Slg. 1974, 837 Rn. 5. 52 SchlA v. 28. 1. 2014, Rs. C-573/12 (alands Vindkraft), ECLI:EU:C:2014:37 Rn. 63ff.; siehe dazu etwa Gundel, Die Vorgaben der Warenverkehrsfreiheit für die Förderung erneuerbarer Energien – Neue Lösungen für ein altes Problem?, EnWZ 2014, 99 (104f.); kritisch Ludwigs, Die Förderung erneuerbarer Energien im doppelten Zangengriff des Unionsrechts, EuZW 2014, 201 (202). 53 Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG, ABl. 2009 L 140/16. 54 EuGH, Rs. C-573/12 (alands Vindkraft), ECLI:EU:C:2014:2037 Rn. 99, 119. Siehe dazu etwa Glinski, Kein Zwang zur Öffnung nationaler Fördersysteme für erneuerbare Energien zugunsten ausländischer Hersteller, EuR 2014, 567ff. 55 St. Rspr., vgl. etwa EuGH, Rs. 87/83 (Rewe Zentrale), Slg. 1984, 1229 Rn. 18; Rs. 15/83 (Denkavit), Slg. 1984, 2171 Rn. 15; Rs. C-154/04 und C-155/04 (Alliance for Natural Health u. a.), Slg. 2005, I-6451 Rn. 47. 56 Ebenfalls fraglich erscheint die Anwendung ungeschriebener Rechtfertigungsgründe auf eine offensichtlich diskriminierende Maßnahme, vgl. zu diesem Problem Schroeder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 36 AEUV Rn. 34; der EuGH begegnet dem, indem er den Umweltschutz als zugleich dem Schutz der Gesundheit und des Lebens i. S. d. Art. 36 AEUV dienend einstuft, Rs. C-573/12 (alands Vindkraft), ECLI:EU:C:2014:2037 Rn. 80.

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Die Europäische Kommission hat den EEG-Fördermechanismus allerdings auch an Art. 30, 110 AEUV gemessen und ihn als diskriminierende Abgabe angesehen. Sie beruft sich insofern darauf, dass eine Abgabe auch dann verboten sei, wenn sie zwar auf inländische und eingeführte Erzeugnisse nach denselben Kriterien erhoben werde, jedoch »mit dem Aufkommen aus dieser Belastung Tätigkeiten gefördert werden sollen, die speziell den belasteten inländischen Erzeugnissen zugutekommen«. Die EEG-Umlage werde auch auf importierten Strom erhoben, begünstige aber nur den im Inland produzierten Strom.57 Wenngleich in Reaktion auf diesen Vorwurf in § 5 Abs. 2 EEG in bescheidenem Umfang eine Öffnung der EEG-Förderung für ausländische Anbieter erfolgte, so ist dies weniger als ein Eingeständnis der Richtigkeit der Auffassung der Kommission als vielmehr ein politischer Kompromiss zu sehen. Bei genauerer Betrachtung berücksichtigt die Kommission in ihrer Auffassung nämlich nicht ausreichend die Unterscheidung zwischen tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnissen: Erstere fallen unter Art. 30, 110 AEUV, letztere unter Art. 34 AEUV.58 Dass die Umlage ausländischen Anbietern von erneuerbarer Energie nicht zugutekommt, beeinträchtigt deren Marktzugang, stellt aber keine tarifäre Belastung dar. Dass die Kehrseite der Medaille, die mehr oder weniger allgemeine Zahlungspflicht für die Umlage, nun tarifäre Wirkung auf eben diese erneuerbaren Energien haben soll, weil mit ihrem Aufkommen nunmehr die »belasteten inländischen Erzeugnisse« wieder entlastet werden sollen, überzeugt nicht. Dagegen spricht schon, wie es beispielsweise das LG Hamburg richtig erkannt hat, dass die Umlage auf jedweden Strom und nicht nur auf Ökostrom zu zahlen ist und damit verschiedene Personenkreise betroffen sind.59 Letztlich geht es bei Art. 30, 110 AEUV darum, dass im Hinblick auf Abgaben keine versteckte Diskriminierung durch nur formale Gleichbehandlung, der eine parallele Entlastung der inländischen Produkte gegenübersteht, erfolgen darf. Dies ist aber mit Blick auf die EEG-Umlage nicht ersichtlich.

3.

Unionsgrundrechte

Die wohl größte Bedeutung für die EEG-Umlage kommt zumindest potentiell den Unionsgrundrechten zu. Sie fordern, wenn sie denn anwendbar sind, im Fall von Grundrechtseingriffen oder Ungleichbehandlungen eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die anders als vielleicht früher heute in keiner Weise mehr ober-

57 Kommission, Beschluss (EU) 2015/1585, Rn. 217ff. 58 Vgl. statt vieler Schroeder, in: Streinz, AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 34 Rn. 4. 59 LG Hamburg, Urteil v. 13. 11. 2015, Rs. 304 O 20/15.

Die EEG-Umlage auf dem Prüfstand der Verfassung und des Unionsrechts

111

flächlich ist60 und somit zu anderen Ergebnissen als die im nationalen Recht führen kann. a)

Anwendungsbereich

Der Anwendungsbereich der Unionsgrundrechte wird in Art. Art. 51 Abs. 1 GRCh bestimmt. Offensichtlich ist er eröffnet, soweit die Europäische Kommission ihre Entscheidung über die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Binnenmarkt trifft – nach Art. 51 Abs. 1 GRCh ist sie als Organ der Union (Art. 13 Abs. 1 UAbs. 2 EUV) dabei an die Unionsgrundrechte gebunden. Ihre »Leitlinien«, mit denen sie die Vereinbarkeit bestimmter Beihilfen mit dem Binnenmarkt zum Ausdruck bringt und anhand derer beispielsweise die Zulässigkeit der »besonderen Ausgleichsregelung« des EEG zu beurteilen ist, sind daher an den Unionsgrundrechten zu messen. Zur Anwendung kommt insofern vor allem der Gleichheitssatz des Art. 20 der Charta, dem ungerechtfertigte Privilegierungen oder Nicht-Privilegierungen widersprechen können. Liest man die Leitlinien der Kommission vor diesem Hintergrund auch als Dokument zur Wahrung des Gleichheitssatzes im europäischen (Binnenmarkt-)Sinne, sind dessen Anforderungen mitunter strenger als die des Art. 3 Abs. 1 GG: Gründe, die im deutschen Recht eine Abweichung von der gleichmäßigen Belastung mit der EEG-Umlage rechtfertigen, werden teilweise nicht (vollständig) anerkannt (deshalb mussten in gewissem Umfang auch Unternehmen die EEG-Umlage nachzahlen). Man kann dies als Fall der Rechtspolitik durch die Europäische Kommission sehen,61 letztlich ist es aber auch eine Konsequenz der Überlagerung mehrerer Grundrechtsschichten, die parallel Geltung beanspruchen und bis zu einem gewissen Grad individuell geprägte Abwägungsentscheidungen erfordern. Ist darüber hinaus auch die Bundesrepublik Deutschland im Bereich des EEG an die Unionsgrundrechte gebunden? Voraussetzung dafür ist gemäß Art. 51 Abs. 1 GRCh, dass sie insoweit das Unionsrecht »durchführt«. Was das bedeutet, ist umstritten. Während vor allem im deutschen Schrifttum mit einer gewissen Berechtigung vor der potentiell unitarisierenden Wirkung der Unionsgrundrechte, die man derzeit mit Blick auf die Vorratsdatenspeicherung besichtigen kann,62 gewarnt wird63 und unter Berufung auf Erwägungen des GrundrechteKonvents eine restriktive Auslegung gefordert wird, liest der Europäische Ge60 Eingehende Analyse bei Trstenjak/Beysen, Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit in der Unionsrechtsordnung, EuR 2012, 265. 61 Burgi/Wolff (o. Fußn. 48), 650. 62 OVG Münster, K& R 2017, 597. 63 Huber, Unitarisierung durch Gemeinschaftsgrundrechte – Zur Überprüfungsbedürftigkeit der ERT-Rechtsprechung, EuR 2008, 190ff.

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richtshof Art. 51 GRCh eher großzügig als Kodifikation seiner bisherigen, durch mehrere Fallgruppen geprägten Rechtsprechung. Diese bietet gleich mehrere Anknüpfungspunkte, um eine Bindung Deutschlands an Unionsgrundrechte im Zusammenhang mit der EEG-Umlage zu begründen. Zu nennen ist zunächst die ERT-Rechtsprechung, nach der die Beschränkung von Grundfreiheiten durch die Mitgliedstaaten ihre Bindung an die Unionsgrundrechte auslöst,64 und die vom EuGH etwa in der Rechtssache Pfleger auch über das Inkrafttreten der Grundrechtecharta hinaus aufrechterhalten wurde.65 Diese Rechtsprechung ist nach dem Gesagten unmittelbar einschlägig, soweit die EEG-Förderung auf Inländer begrenzt ist. Darüber hinaus ließe sich darüber nachdenken, den Gedanken der ERT-Rechtsprechung auch insgesamt auf das Beihilfenrecht zu übertragen, da dort wie bei den Grundfreiheiten eine mitgliedstaatliche Maßnahme mit binnenmarktfördernden Primärrecht der Union kollidiert. Schließlich lässt sich die Bindung Deutschlands an die Unionsgrundrechte im Bereich der EEG-Umlage auch damit begründen, dass die Bundesrepublik insofern im Anwendungsbereich der bereits erwähnten Richtlinie über erneuerbare Energien handelt. Diese determiniert zwar nicht die Umsetzung, ermöglicht aber eine Förderung.66 Damit liegt in der Sache dieselbe Situation vor wie bei der Entscheidung des EuGH zu nationalen Vorratsdatenspeicherungen, die durch die »Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation« auch nicht vorgeschrieben, sondern nur autorisiert wurden67 und nun am Maßstab der Unionsgrundrechte zu messen sind.68 In der Telekommunikations-Datenschutzrichtlinie ist die Geltung der Unionsgrundrechte zwar im Gegensatz zur Erneuerbare-Energien-Richtlinie ausdrücklich angeordnet, nach den Maßstäben der neueren Rechtsprechung des EuGH zu diesem Fall der Bindung der Mitgliedstaaten im »Anwendungsbereich« des Unionsrechts (akerberg Fransson,69 Siragusa70) dürfte sich aber hier nichts anderes ergeben: Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie verpflichtet dazu, Maßnahmen zur Erhöhung des Ökostromanteils am Energiemix zu treffen, so dass die EEG-Förderung (zumindest auch) im Anwendungsbereich des Unionsrechts erfolgt.

64 65 66 67

EuGH, Rs. C-260/89 (ERT), Slg. 1991, Rn. 43. EuGH, Rs. C-390/12 (Pfleger), ECLI:EU:C:2014:281 Rn. 35. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2009/28/EG. Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), ABl. 2002 L 201/37. 68 EuGH, verb. Rs. C-203/15 und C-698/15(Tele2 Sverige), ECLI:EU:C:2016:970 Rn. 91. 69 EuGH, Rs. C-617/10 (akerberg,Fransson), ECLI:EU:C:2013:105 Rn. 18ff. 70 EuGH, Rs. C-206/13 (Siragusa), ECLI:EU:C:2014:126 Rn. 22.

Die EEG-Umlage auf dem Prüfstand der Verfassung und des Unionsrechts

b)

113

Konsequenzen

Dass die Unionsgrundrechte, hier also die Berufsfreiheit (Art. 15 GRCh), die Unternehmerfreiheit (Art. 16 GRCh) und der bereits angesprochene Gleichheitssatz des Art. 20 GRCh Anwendung finden, bedeutet nicht, dass für die Grundrechte der Mitgliedstaaten kein Raum mehr bliebe, jedenfalls solange man nicht der zumindest früher vertretenen strengen Trennungsthese des Bundesverfassungsgerichts71 folgt. Gemäß Art. 53 GRCh bleibt es den Mitgliedstaaten unbenommen, weitergehende Grundrechte ihrer Verfassungen zur Geltung zu bringen. Diese Meistbegünstigungsklausel72 steht zwar unter einem doppelten Vorbehalt: Erstens darf der höhere nationale Schutzstandard nicht die einheitliche Anwendung des Unionsrechts beeinträchtigen, wie der EuGH in der Rechtssache Melloni festgestellt hat.73 Zweitens (man könnte das auch als einen Unterfall dieser Ausnahme ansehen) kommt im Fall von multipolaren Grundrechtskonstellationen kein weitergehender Schutz in Betracht, weil damit zugleich dem sich ebenfalls auf ein Unionsgrundrecht berufenden Dritten ein geringerer Schutz zugestanden würde. Da nach dem bereits Gesagten die deutschen Grundrechte der EEG-Umlage nicht entgegenstehen, stellt sich diese Frage hier aber ohnehin nicht. Zu klären bleibt, ob sich den Unionsgrundrechten strengere Maßstäbe für die EEG-Umlage entnehmen lassen. Rechtsprechung zur Auslegung der Art. 15, 16 und 20 GRCh im Hinblick auf die konkreten Fragestellungen gibt es bisher nicht, und ohnehin ist jeder Fall anders zu bewerten. Es bleibt das abstrakte Risiko eines anderen Ausgangs der notwendigen Verhältnismäßigkeitsprüfungen. Wenngleich unsicher ist, ob die deutschen Gerichte, die die EEG-Umlage bereits für unbedenklich erachtet haben, dabei auch die Unionsgrundrechte implizit berücksichtigt haben, ist nicht anzunehmen, dass sie bei ausdrücklicher Prüfung zu einem anderen Ergebnis kämen. Die entscheidende Frage ist daher, ob über die kritischen Fragen des EEG auch durch den EuGH entschieden werden und sich ein anderes Abwägungsergebnis aktualisieren könnte, denn eine margin of appreciation wie beim EGMR74 gibt es hier nicht. Vertragsverletzungsverfahren wegen solcher Grundrechtsverletzungen sind unwahrscheinlich, aber jedes Gericht, das innerstaatlich mit einer solchen Frage befasst ist, könnte – übrigens unter wesentlich leichteren Voraussetzungen als bei der konkreten Normen-

71 BVerfGE 73, 339 (387); eingehend dazu Thym, Die Reichweite der EU-Grundrechte-Charta – Zu viel Grundrechtsschutz?, NVwZ 2013, 889 (892). 72 Streinz/Michl, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 53 GRCh Rn. 3. 73 EuGH, Rs. C-399/11 (Melloni), ECLI:EU:C:2013:107 Rn. 58ff. 74 Vgl. etwa EGMR, Urteil v. 7. 12. 1976, Nr. 5493/72, Handyside; siehe zu der Frage auch Hwang, Grundrechtsschutz unter der Voraussetzung des europäischen Grundkonsenses?, EuR 2013, 307ff.

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Meinhard Schröder

kontrolle – ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV initiieren, um zu klären, ob der EEG-Mechanismus auch den Unionsgrundrechten entspricht. Letztinstanzliche Gerichte sind dazu sogar verpflichtet, denn ein acte clair oder 8clair8 ist die Vereinbarkeit der EEG-Umlage mit den Unionsgrundrechten sicher nicht.75

IV.

Fazit

Die EEG-Umlage war in ihrer Ursprungsidee eine nahezu geniale Erfindung zum Aufbau eines Wirtschaftszweigs ohne Belastung des Staatshaushalts: Als Kette von Preisregelungen war sie finanzverfassungsrechtlich irrelevant und aufgrund der geringen Belastungen selbst für die nicht privilegierten Stromkunden grundrechtlich unproblematisch. Die Neustrukturierung der Refinanzierung der Umlage durch die Übertragungsnetzbetreiber im Zuge der Einführung einer »neuen Wälzung« macht allerdings, auch wenn die Gerichte dies nicht so sehen, aus der EEG-Umlage eine verfassungswidrige Sonderabgabe, und die Genialität muss angesichts der Kostenentwicklung auch bezweifelt werden. Rein grundrechtlich ist gegen die Umlage gleichwohl unverändert nichts einzuwenden. Diese verfassungsrechtliche Beurteilung ist um eine unionsrechtliche zu ergänzen: Die Unionsgrundrechte, die gleich aus mehreren Gründen neben den deutschen Grundrechten Anwendung finden, enthalten abstrakt keine strengeren Maßstäbe als die des Grundgesetzes, vermögen in der Anwendung im Einzelfall aber theoretisch zu anderen Ergebnissen zu führen. Dies gilt namentlich für die gleichheitsrechtliche Problematik der Privilegierungen von der EEGUmlage, die nun vor allem im Rahmen der beihilfenrechtlichen Prüfung der Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt durch die Kommission Bedeutung gewinnt. Die EEG-Umlage ist damit ein – bislang wenig erkanntes – Paradebeispiel für das Zusammenspiel der Grundrechtsschichten in Europa.

75 Siehe zur Vorlagepflicht eingehend Schröder, Die Vorlagepflicht zum EuGH aus europarechtlicher und nationaler Perspektive, EuR 2011, 808ff.

Marc Ruttloff

Stilllegungsverbote für Energieerzeuger: Eigentumswidrige Zwangsbewirtschaftung?

I.

Einleitung

Aufgrund der Energiewende, insbesondere jedoch infolge des im Jahre 2011 beschlossenen beschleunigten Kernenergieausstiegs, ist das Stromnetz auf allen Spannungsebenen großen Belastungen ausgesetzt. Wegen der hohen Volatilität der Erzeugungskapazitäten im Bereich der erneuerbaren Energien (vor allem bei den Energieträgern Wind und Sonne) werden angesichts der technologiebedingt stark schwankenden Erzeugungsleistung immer häufiger Eingriffe zur Erhaltung der Netzstabilität notwendig.1 Zudem erfordert die Gewährleistung der Versorgungssicherheit – ein gerade für die Bundesrepublik Deutschland als hochentwickeltes Industrieland herausragend wichtiges Ziel –, dass stets genügend grundlastfähige Energieerzeugungsanlagen bereitgehalten werden. Diesem Anliegen der Netzstabilität und Versorgungssicherheit versucht der Gesetzgeber mit den §§ 13ff. EnWG gerecht zu werden. Eine zentrale Rolle bei der Gewährleistung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Energieversorgungssystems kommt dabei nach § 13 Abs. 1 EnWG dem Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) zu, den der Gesetzgeber zur Erfüllung seiner Aufgaben mit einem breiten Instrumentarium ausgestattet hat. Dies schließt weitgehende Überwachungs- und Eingriffsbefugnisse gegenüber anderen Marktteilnehmern, insbesondere den Kraftwerksbetreibern, mit ein – eine Entwicklung, die in der Literatur als Teil eines neuen regulatorischen Trends hin zur Kraftwerksregulierung als Teil der Netzregulierung gesehen wird.2 Eine wichtige Rolle spielen im Rahmen der Gewährleistung von Netz- und Versorgungssicherheit die Kompetenzen über Stilllegungsverbote für Kraftwerke (II). Hintergrund ist, dass konventionelle Gas- und insbesondere Kohlekraftwerke aufgrund des teilweisen Überangebots von preiswertem Windstrom 1 Vgl. zur aktuellen Situation z. B. Bundesnetzagentur, Quartalsbericht zu Netz- und Systemsicherheitsmaßnahmen, 4. Quartal und Gesamtjahr 2016, 2017, S. 1ff. 2 Vgl. z. B. Wolfers/Wollenschläger, Zwang zum Erhalt von Kraftwerken, N& R 2013, 251 (252).

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Marc Ruttloff

nicht mehr rentabel zu betreiben sind, sie jedoch gleichzeitig eine zentrale Rolle bei der Gewährleistung der Netzstabilität und Versorgungssicherheit spielen.3 Deshalb hat der Gesetzgeber in § 13b EnWG geplante Kraftwerksstilllegungen einem relativ rigiden Regulierungsregime unterworfen, das es unter anderem ermöglicht, eine seitens des Anlagenbetreibers beabsichtigte Stilllegung zu verhindern, wenn das betroffene Kraftwerk durch den regelverantwortlichen ÜNB als systemrelevant eingestuft wird. Diese Regelung birgt verfassungsrechtliches Konfliktpotenzial (III). Es handelt sich dabei um eine Indienstnahme der privaten Kraftwerksbetreiber und ihres Eigentums für die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe.4 Im Ergebnis genügen die gesetzlichen Regelungen nicht in jeder Hinsicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Insofern besteht Nachbesserungsbedarf für den Gesetzgeber (IV.).

II.

Die Stilllegungsverbote gemäß § 13b EnWG: Regulatorischer Kontext und Normgehalt

Die Stilllegungsverbote eröffnen eine weitreichende Kompetenz zum Eingriff in die unternehmerische Freiheit.

1.

Das Stilllegungsverbot im Kontext der Netzreserve

Gemäß § 13 Abs. 1 EnWG obliegt es den regelverantwortlichen ÜNB, im Bereich ihrer Regelzone Gefährdungen oder Störungen der Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems abzuwenden bzw. zu beseitigen. Hierzu stehen ihnen grundsätzlich drei Arten von Maßnahmen zur Verfügung: Netzbezogene Maßnahmen, wie Netzabschaltungen (Abs. 1 Nr. 1), marktbezogene Maßnahmen, wie der Einsatz vertraglich vereinbarter zu- oder abschaltbarer Lasten (Nr. 2) sowie schließlich der Einsatz der Netz- und Kapazitätsreserve (Nr. 3). Die Maßnahmen der Nummern 1–3 stehen in einem Subsidiaritätsverhältnis, d. h. der ÜNB darf erst auf die Netz- und Kapazitätsreserve zurückgreifen, wenn sowohl netzbezogene wie auch marktbezogene Maßnahmen nicht erfolgversprechend sind. Hintergrund dieser Abstufung ist die unterschiedliche Eingriffsintensität der verschiedenen Maßnahmen:5 Netzbezogene Maßnahmen 3 Zum Hintergrund s. Möstl, Rechtsfragen der Kraftwerksregulierung, EnWZ 2015, 243 (243f.). 4 Wolfers/Wollenschläger (o. Fußn. 2), 251ff. 5 So bereits zur Vorgängerfassung der Vorschrift Hartmann/Weise, in: Danner/Theobald, Energierecht, Band I, 89. EL 2016, § 13 EnWG Rn. 16; Ruttloff, Redispatch und »angemessene Vergütung« – Präjudizien für den Strommarkt 2.0?, NVwZ 2015, 1086 (1090).

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117

wirken überhaupt nicht auf Dritte; marktbezogene Maßnahmen haben zwar Außenwirkungen, aber grundsätzlich nur punktueller und vorübergehender Natur und werden regelmäßig auf Grundlage vertraglicher Vereinbarungen finanziell kompensiert. Die Inanspruchnahme der Netz- wie auch Kapazitätsreserve erfordern jedoch im Ergebnis, ein Kraftwerk ausschließlich für diese Reservemechanismen zur Verfügung zu halten und zu keinem Zeitpunkt am sonstigen Energiemarkt mehr teilzunehmen. Es besteht also eine sehr hohe Grundrechtsrelevanz. In diesem regulatorischen Gesamtprogramm sind die Stilllegungsverbote nach § 13b EnWG ein wesentlicher Baustein. Konkret geht es darum, dass Kraftwerke, die durch ihre Eigentümer/Betreiber zur Stilllegung vorgesehen worden sind, unter bestimmten Umständen in Betriebsbereitschaft (sog. »Sicherheitsbereitschaft«) gehalten werden müssen, um als Teil der sogenannten »Netzreserve« zu dienen. Eingeführt wurde die Netzreserve bereits durch die zum 6. Juli 2013 in Kraft getretene Reservekraftwerksverordnung (mittlerweile gemäß Art. 6 des Strommarktgesetzes6 in Netzreserveverordnung umbenannt). Ebenfalls im Zuge des Strommarktgesetzes wurde für die Netzreserve eine eigene Rechtsgrundlage im EnWG geschaffen (§ 13d)7, der durch die detaillierten Regelungen der Netzreserveverordnung8 präzisiert wird. Der Zweck der Netzreserve besteht darin, die Netzstabilität zu gewährleisten, indem ausreichende Kraftwerkskapazitäten für erforderliche sogenannte »Redispatch«-Eingriffe der ÜNB bereitgehalten werden. Dies steht vor folgendem Hintergrund: Der Strombedarf ist in der Regel im Winterhalbjahr besonders hoch, gleichzeitig wird zu dieser Zeit in den Windparks an Nord- und Ostsee besonders viel Strom erzeugt. Jedoch kommt es aufgrund von Netzengpässen in Richtung Süddeutschland zu erheblichen Leistungsungleichgewichten, was es erforderlich macht, Energieerzeugungsanlagen im Norden ab- und Anlagen mit gleicher Leistung im Süden zuzuschalten, um das Netz zu entlasten – ein Vorgang, der fachsprachlich als »Redispatch« bezeichnet wird.9 Gebildet wird die Netzreserve gemäß § 13d Abs. 1 S. 2 EnWG aus drei Kom-

6 Gesetz zur Weiterentwicklung des Strommarktes (Strommarktgesetz) vom 26. Juli 2016, BGBl. I, 1768. 7 Vgl. hierzu Ruttloff/Lippert, in: Säcker, EnergieR, Band I, 4. Aufl. 2018, § 13d EnWG; Ruttloff, Kapazitätsreserve, Netzreserve und Sicherheitsbereitschaft als neue Instrumente zur Gewährleistung von Versorgungssicherheit und Klimaschutz, in: Ludwigs (Hrsg.), Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit in der Energiewende, 2018. 8 Vgl. hierzu die Kommentierung zur NetzResV: Ruttloff/Lippert, in: Säcker, EnergieR, Band III, 4. Aufl. 2018, NetzResV. 9 Hierzu u. a. Ruttloff/Kindler, Redispatch – gestern, heute und morgen, EnWZ 2015, 401; Ruttloff (o. Fußn. 7).

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ponenten:10 Dazu gehören erstens derzeit nicht einspeisende systemrelevante Anlagen, die von ihren Betreibern wieder betriebsbereit gemacht werden müssen (§ 13d Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EnWG), zweitens zur vorläufigen oder endgültigen Stilllegung angezeigte Anlagen (§ 13d Abs. 1 S. 2 Nr. 2 EnWG) sowie schließlich drittens, geeignete Anlagen im europäischen Ausland (§ 13d Abs. 1 S. 2 Nr. 3 EnWG). Im Kontext des vorliegenden Beitrags sind primär die Anlagen der zweiten Gruppe relevant, also die von ihren Betreibern zur Stilllegung angezeigten Energieerzeugungsanlagen. § 13d Abs. 1 S. 2 Nr. 2 EnWG ist dabei im Kontext mit der Regelung des § 13b EnWG zu sehen, der die Stilllegung von Energieerzeugungsanlagen eingehend regelt:

a)

Der Regelungsgehalt des § 13b EnWG

§ 13b EnWG hat sechs Absätze, die sowohl die Voraussetzungen als auch das Verfahren der Stilllegung von Energieerzeugungsanlagen detailliert regeln.

b)

Anzeigepflicht

Absatz 1 statuiert zunächst eine grundsätzliche Anzeigepflicht: Betreiber von Anlagen mit einer Nennleistung größer oder gleich 10 Megawatt sind verpflichtet, den jeweils für sie regelzuständigen ÜNB über geplante Stilllegungen dieser Anlagen in Kenntnis zu setzen. Die Anzeige muss spätestens 12 Monate im Voraus, d. h. vor dem geplanten Abschalttermin, beim ÜNB eingehen. Gemäß § 13b Abs. 1 S. 2 EnWG sind vorläufige und endgültige Anlagenstilllegungen vor Ablauf dieser Vorlauffrist grundsätzlich verboten, jedenfalls sofern dem Weiterbetrieb keine unüberwindbaren technischen oder rechtlichen Hürden entgegenstehen; dieses Stilllegungsverbot während der Vorlaufzeit wird auch als »kleines Stilllegungsverbot« bezeichnet; es soll dem regelzuständigen ÜNB ausreichend Zeit geben, die Auswirkungen der Stilllegung der betroffenen Anlage für die Netzstabilität einzuschätzen und erforderlichenfalls entsprechende Vorkehrungen zu treffen.11 Verstöße gegen die Anzeigepflicht sowie gegen das »kleine Stilllegungsverbot« sind gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3e bzw. Nr. 3f EnWG Ordnungswidrigkeiten. Bei Verstößen gegen die Anzeigepflicht kann ein Bußgeld bis zur Höhe von 100.000 E verhängt werden, bei Verstößen gegen das »kleine Stilllegungsverbot« beträgt der Höchstbetrag der Geldbuße 5.000.000 E. 10 Vgl. hierzu Ruttloff (o. Fußn. 7). 11 Vgl. eingehend zum »kleinen Stilllegungsverbot« Riewe, Versorgungssicherheit durch Kapazitätsmechanismen: Eine juristisch-ökonomische Analyse, 2016, S. 373f.; Ruttloff (o. Fußn. 7).

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Nach Angaben der Bundesnetzagentur (BNetzA)12 sind bisher (mit Stand vom 18. Juli 2017) Stilllegungsanzeigen für 90 Kraftwerksblöcke mit einer NettoNennleistung von insgesamt 19.597,5 Megawatt eingegangen, eine Zahl, die die erhebliche Brisanz des Themas Kraftwerksstilllegungen in Bezug auf die Gewährleistung der Netz- und Versorgungssicherheit deutlich macht. c)

Systemrelevanz

§ 13b Abs. 2 EnWG definiert den Schlüsselbegriff der »Systemrelevanz«: Demnach ist eine Anlage dann systemrelevant, wenn ihre Stilllegung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer nicht unerheblichen Gefährdung oder Störung der Elektrizitätsversorgung führen würde und zudem – kumulativ – diese Gefährdung oder Störung nicht anders als durch das Inbetriebhalten der Anlage abgewendet werden kann.13 Die Beurteilung der Systemrelevanz einer Anlage, deren Stilllegung durch den Betreiber nach § 13b Abs. 1 EnWG angezeigt wurde, obliegt dem systemverantwortlichen ÜNB. Das Ergebnis der Prüfung muss dem Anlagenbetreiber sowie der BNetzA unverzüglich mitgeteilt werden. Bisher haben die ÜNB bei ca. 28 % der angezeigten Stilllegungen die Systemrelevanz der Anlagen angenommen.14 d)

Vorläufige und endgültige Stilllegung

§ 13b Abs. 3 EnWG enthält die Definition des Rechtsbegriffs der »Stilllegung« und unterscheidet dabei zwischen vorläufigen und endgültigen Stilllegungen: Vorläufige Stilllegungen sind demnach Maßnahmen, die bewirken, dass eine Anlage nicht mehr anfahrbereit ist, aber innerhalb eines Jahres nach entsprechender Anforderung durch den ÜNB wieder anfahrbereit gemacht werden kann. Bei endgültigen Stilllegungen kann eine solche Anfahrbereitschaft in diesem Zeitraum nicht mehr wiederhergestellt werden. Die durch die bisherige Rechtslage15 verursachte Kritik an der Definition der beiden Stilllegungsarten als unscharf,16 dürfte sich angesichts der klareren Formulierung in § 13b Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 EnWG entschärft, wenn auch 12 Daten abrufbar unter https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sach gebiete/Energie/Unternehmen_Institutionen/Versorgungssicherheit/Erzeugungskapazitae ten/KWSAL/KWSAL_2017_07.pdf ?__blob=publicationFile& v=2. 13 So § 13 Abs. 2 S. 2 EnWG. 14 Berechnet aufgrund der Daten der BNetzA, https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/ Downloads/DE/Sachgebiete/Energie/Unternehmen_Institutionen/Versorgungssicherheit/ Erzeugungskapazitaeten/KWSAL/KWSAL_2017_07.pdf ?__blob=publicationFile& v=2. 15 § 13a Abs. 1 Satz 3 und 4 EnWG a. F. 16 Fietze, Vorläufiges Stilllegungsverbot und Weiterbetrieb »systemrelevanter Anlagen« – Rechtsfragen der Stilllegung von Kraftwerken, EWeRK 2014, 351 (357).

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nicht vollständig erledigt haben.17 Der zeitliche Rahmen von einem Jahr birgt noch immer Rechtsunsicherheiten in Grenzfällen, wenn der prognostizierbare Zeitrahmen für die Wiederinbetriebnahme sowohl über als auch unter einem Jahr liegen kann, weil gewisse technische oder sonstige Unsicherheiten bestehen, die den Zeitrahmen potenziell beeinflussen. In einem solchen Fall wird man zusätzlich auf das subjektive Abgrenzungskriterium zurückgreifen müssen, ob der Betreiber im Zeitpunkt der Stilllegung eine vorläufige oder endgültige Betriebseinstellung intendiert hat. Als Indiz, allerdings ohne Verbindlichkeitscharakter, können dabei die Angaben in der Anzeige nach § 13b Abs. 1 EnWG herangezogen werden, soweit die Vorläufigkeit oder Endgültigkeit spezifiziert wird. Zusätzlich können objektive Hilfskriterien herangezogen werden, aus denen sich Rückschlüsse auf die Vorläufigkeit oder Endgültigkeit ableiten lassen. Dazu zählen beispielsweise Maßnahmen bei der Stilllegung, die typischerweise nur bei einer endgültigen Betriebseinstellung getroffen werden, wie die Veräußerung von Vorräten, Lagerbeständen und Ersatzteilen, der Abzug des Betriebspersonals und der Rückbau der Anlage.18 Maßgeblich für die Unterscheidung zwischen vorläufiger und endgültiger Stilllegung ist in diesen Fällen, ob die jeweilige Anlage unter Anlegung eines objektiven Maßstabs dem Systemsicherheitszugriff der ÜNB tatsächlich entzogen wird oder nicht.19 e)

Vorläufige Stilllegungsverbote

Die Absätze 4 und 5 enthalten die eigentlichen Vorschriften über die Stilllegungsverbote, wobei Absatz 4 vorläufige, Absatz 5 dagegen endgültige Stilllegungen regelt. Danach sind vorläufige Stilllegungen auch nach Ablauf der Vorlauffrist von einem Jahr nach Anzeige gegenüber dem ÜNB verboten, wenn dieser die betroffene Anlage als systemrelevant ausgewiesen hat. Eine solche Anweisung gilt für einen (verlängerbaren) Zeitraum von 24 Monaten. Endgültige Stilllegungen sind solche, nach denen eine Wiederinbetriebnahme nicht innerhalb eines Jahres möglich ist. Das Verbot der endgültigen Stilllegung betrifft nach § 13 Abs. 5 S. 1 EnWG nur Anlagen mit einer Nennleistung ab 50 Megawatt.

17 Optimistischer Chaaban/Godron, Das neue Strommarktgesetz: Was ändert sich für stillgelegte Kraftwerke in der Netzreserve?, ER 2016, 106 (108). 18 Vgl. zur bisherigen Rechtslage König, in: Säcker, Energierecht, Band 1, 3. Aufl. 2014, § 13a Rn. 6. 19 Sötebier, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 3. Aufl. 2014, § 13a Rn. 14 zur Abgrenzung nach der bisherigen Rechtslage.

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f)

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Endgültige Stilllegungsverbote

Da das Verbot endgültiger Stilllegung einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit darstellt – schließlich wird eine endgültige Stilllegung insbesondere dann zu erwägen sein, wenn ein Weiterbetrieb einer Anlage aus betriebswirtschaftlichen Gründen als nicht mehr sinnvoll erscheint – hat der Gesetzgeber in § 13b Abs. 5 EnWG gesonderte Verfahrensanforderungen aufgestellt: Ein Verbot der endgültigen Stilllegung setzt zunächst voraus, dass der ÜNB die betreffende Anlage als systemrelevant ausweist. Diese Ausweisung muss zusätzlich durch die BNetzA genehmigt werden, wobei der Antrag des ÜNB auf Genehmigung zu begründen ist. Die Dauer der Ausweisung als systemrelevant »soll« 24 Monate nicht übersteigen; jedoch ist auch ein unbegrenztes Stilllegungsverbot möglich, wenn dies zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit erforderlich ist. Die Filterfunktion des Genehmigungsvorbehalts durch die BNetzA sollte nicht überschätzt werden. In der Praxis zeigt sich bisher, dass sich dieses Zustimmungserfordernis nicht als relevante Hürde für die Ausweisungen durch die ÜNB erweist: Bislang wurden alle 18 Ausweisungen als systemrelevant durch die BNetzA genehmigt, die Erfolgsquote der ÜNB beträgt somit bisher 100 %. Allerdings erfolgten die Genehmigungen teilweise unter Auflagen.20

2.

Die Entschädigungsregel des § 13c EnWG

Aufgrund der erheblichen wirtschaftlichen Belastung, die für die Anlagenbetreiber mit dem Weiterbetrieb von nicht mehr rentabel arbeitenden Anlagen verbunden ist, hat der Gesetzgeber in § 13b EnWG eine Entschädigungsregel eingeführt. Diese ist im Hinblick auf die Vereinbarkeit der Stilllegungsverbote mit den Grundrechten von erheblicher Bedeutung: Nach dieser Vorschrift wird bei Verboten vorläufiger oder endgültiger Stilllegung ein finanzieller Ausgleich gewährt; für den Zeitraum des »kleinen Stilllegungsverbots«, also die zwölfmonatige Wartefrist im Anschluss an die Abgabe der Stilllegungsanzeige, ist dagegen keine Kompensation vorgesehen. Beim Verbot vorläufiger Stilllegungen sind nach § 13c Abs. 1 EnWG drei verschiedene Arten von Kosten zu erstatten: Dies sind zunächst die Betriebsbereitschaftsauslagen, also Kosten für die Herstellung der Betriebsbereitschaft (inkl. ggf. erforderlicher immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen), ferner Kosten für erforderliche Reparaturarbeiten sowie Kosten, die dem Anlagenbetreiber lau20 Daten und Bescheide abrufbar unter : https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/Versorgungssicherheit/Erzeugungskapa zitaeten/Systemrelevante_KW/Systemrel_KW_node.html.

122

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fend durch die Bereithaltung seiner Anlage im Rahmen der Netzreserve entstehen. Zweitens sind Erzeugungsauslagen zu erstatten, und zwar in Form eines Arbeitspreises für die notwendigen Auslagen, die für eine Einspeisung von Strom durch die Anlage entstehen. Auch Mehrkosten, die durch zusätzliche Instandhaltung und zusätzlichen Verschleiß aufgewendet werden, müssen erstattet werden, wenn und soweit diese unmittelbar auf Grund der jeweiligen Anpassung der Einspeisung entstehen. Drittens wird ein anteiliger Werteverbrauch ausgeglichen, wobei Grundlage für dessen Bestimmung gemäß Abs. 1 S. 3 Hs. 1 die handelsrechtlichen Restwerte und Restnutzungsdauern in Jahren sind. In Abs. 1 S. 3 Hs. 2 wird ferner festgelegt, dass für die Bestimmung des anteiligen Werteverbrauchs als Schlüssel das Verhältnis aus den anrechenbaren Betriebsstunden im Rahmen von Redispatch-Maßnahmen nach § 13a Abs. 1 S. 2 EnWG und den für die Anlage bei der Investitionsentscheidung betriebswirtschaftlich geplanten Betriebsstunden zugrunde zu legen ist. Etwas anders gilt für die finanzielle Entschädigung bei Verboten endgültiger Stilllegung, § 13c Abs. 3 EnWG: Auch hier sind Erzeugungs- und Betriebsbereitschaftsauslagen zu erstatten, dazu kommen jedoch die Kosten für erforderliche Erhaltungsmaßnahmen sowie Opportunitätskosten in Form einer »angemessenen Verzinsung« für die verlängerte Kapitalbindung von im Rahmen der Netzreserve bereitgehaltenen Anlagen und Grundstücken. Allgemein lässt sich die gesetzgeberische Regelungsintention hinter § 13c EnWG wie folgt zusammenfassen:21 Die Anlagenbetreiber sollen für die Dauer der Bereithaltung ihrer Anlagen in der Netzreserve finanziell kompensiert werden, ohne dass es zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Besserstellung im Vergleich mit Betreibern nicht systemrelevanter Anlagen kommt. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die Tatsache, dass § 13c EnWG grundsätzlich nur die Kompensation tatsächlich entstandener Kosten gewährt – sei es in Form von Aufwendungsersatz oder von Zinsverlusten durch verlängerte Kapitalbedingung –, nicht jedoch eine Rendite: Weil der Gesetzgeber davon ausging, dass ohnehin nur solche Anlagen stillgelegt werden, die keine Rendite mehr abwerfen, soll den Anlagenbetreibern insoweit durch die Stilllegungsverbote kein Vorteil erwachsen.

III.

Grundrechtliche Problematik der Stilllegungsverbote

Mit den Stilllegungsverboten ist eine wesentliche Einschränkung der Entscheidungs- und Verfügungsfreiheit der Kraftwerksbetreiber verbunden. Sie sind damit in erheblichem Maße in ihren Wirtschaftsgrundrechten beeinträchtigt. 21 Vgl. hierzu auch BT-Drs. 18/7317, S. 91ff.

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Nicht in jeder Hinsicht sind diese Beeinträchtigungen nach den verfassungsrechtlichen Anforderungen umfänglich gerechtfertigt.

1.

Abgrenzung der einschlägigen Schutzbereiche: Art. 12 und Art. 14 GG

Das Verbot, ein Kraftwerk aufgrund einer autonomen Entscheidung stillzulegen, berührt sowohl die unternehmerische Handlungs- und Gestaltungsfreiheit als auch die Nutzungsfreiheit hinsichtlich des Kraftwerkseigentums. In Betracht kommen folglich einerseits die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG, andererseits – da in der Praxis in den meisten Fällen Betreiber- und Eigentümereigenschaft in einer (in der Regel juristischen) Person zusammenfallen – die Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG als betroffene Grundrechte. Im Rahmen des Art. 12 GG kommt vorliegend allein eine Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG in Betracht; nicht einschlägig ist dagegen die Freiheit vom Arbeitszwang gemäß Art. 12 Abs. 2 GG, denn diese ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann nicht einschlägig, wenn es um die Umstände des Tätigwerdens im einmal frei gewählten Beruf geht.22 Daneben ist Art. 14 GG betroffen, weil die Stilllegungsverbote gleichzeitig eine Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit des Anlageneigentums mit sich bringen. Das Konkurrenzverhältnis dieser Wirtschaftsgrundrechte ist in solchen Konstellationen schwierig zu bestimmen und die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung in ihrer historischen Entwicklung in dieser Hinsicht nicht immer konsistent. Für die grundrechtliche Einordnung einer Indienstnahme Privater zur Erfüllung öffentlicher Zwecke ergibt sich aus der Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Erdölbevorratung23, dass die einschlägigen staatlichen Maßnahmen grundsätzlich vorrangig am Maßstab der Berufsfreiheit zu messen sind. Ist daneben sachlich auch der Schutzbereich der Eigentumsfreiheit berührt, so erfolgt die Abgrenzung nach dem Schwerpunkt der betreffenden Maßnahme. Dazu führte das Bundesverfassungsgericht zur »Erdölbevorratung« aus: »Greift somit ein Akt der öffentlichen Gewalt eher in die Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungstätigkeit ein, so ist der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG berührt; begrenzt er mehr die Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögensgüter, so kommt der Schutz des Art. 14 GG in Betracht.«24

22 Vgl. z. B. BVerfGE 47, 285 (319) – Notargebühren. 23 BVerfGE 30, 292. 24 BVerfGE 30, 292 (335).

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Danach ist der Schwerpunkt für die Stilllegungsverbote wohl bei Art. 14 GG zu sehen, denn es geht um die Verwendungsmöglichkeiten eines konkreten Vermögensgutes, nämlich des Eigentums an den betroffenen Energieerzeugungsanlagen. Anders ausgedrückt betrifft die staatliche Regulierung hier weniger die abstrakten Bedingungen der Ausübung der Tätigkeit des Energieerzeugers; vielmehr geht es um die Einschränkung der Nutzungsbefugnis an einer spezifischen Erzeugungsanlage zugunsten des öffentlichen Interesses an einem sicheren und stabilen Netzbetrieb. In diesem Sinne passen die eigentumsgrundrechtlichen Kategorien – wie »Privatnützigkeit« und »Sozialbindung« – besser auf die mit den Stilllegungsverboten verbundene spezifische Eingriffsrichtung und -intensität als die abstraktere, vom einzelnen Vermögensgegenstand losgelöste Dogmatik zu Art. 12 GG.

2.

Art des Eingriffs in Art. 14 GG

Dogmatisch setzt die verfassungsrechtliche Bewertung am Maßstab des Art. 14 GG voraus, nicht nur die Intensität, sondern auch die Art des Grundrechtseingriffs näher zu bestimmen. Bei Eingriffen in Art. 14 GG unterscheidet die Rechtsprechung – an die Normstruktur anknüpfend – zwischen und Inhaltsund Schrankenbestimmungen (Art. 14 Abs. 1 S. 2) und Enteignungen (Art. 14 Abs. 3 GG). Inhalts- und Schrankenbestimmungen versteht das Bundesverfassungsgericht als die generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum geschützt werden.25 Eine Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG dagegen ist die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter Eigentumspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben.26 Eine Enteignung begründen Stilllegungsverbote nicht. Zwar wird die Nutzungsmöglichkeit des Eigentums an den Kraftwerksanlagen durch die Stilllegungsverbote erheblich eingeschränkt, es erfolgt jedoch keine finale Entziehung einer Eigentumsposition. Mit anderen Worten: Es fehlt an dem vom Bundesverfassungsgericht nunmehr seit der sogenannten »Baulandumlegungsentscheidung«27 als Wesensmerkmal der Enteignung geforderten staatlichen Güterbeschaffungsvorgang.28 Vielmehr geht es vorliegend um eine Einschränkung der Privatnützigkeit eigentumsrechtlich geschützter Rechtspositionen. Eine solche unterfällt jedoch der Eingriffskategorie der Inhalts- und Schrankenbe25 26 27 28

Vgl. z. B. BVerfGE 110, 1 (24f.) m. w. N. St. Rspr.; s. z. B. BVerfGE 112, 93 (109) m. w. N. BVerfGE 104, 1 (10). Klarstellend nun BVerfGE 143, 246, Rn. 246ff.

Stilllegungsverbote für Energieerzeuger

125

stimmung. Selbst wenn man der teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung folgt, dass Inhalts- und Schrankenbestimmungen bei (faktisch) völliger Aufhebung der Privatnützigkeit in eine Enteignung umschlagen können,29 dürfte ein solcher Fall hier nicht gegeben sein: Auch wenn der Anlageneigentümer durch das Stilllegungsverbot erheblich in seiner Dispositionsbefugnis über seinen Eigentumsgegenstand eingeschränkt ist, verbleiben ihm dennoch grundlegende Eigentümerrechte. So bleibt es ihm etwa grundsätzlich freigestellt, die Energieerzeugungsanlage – statt sie in Bereitschaft zu halten – wieder in den Regelbetrieb zurückzuführen und somit auf eigene Rechnung zu betreiben.

3.

Sonderproblem: Verfassungswidrige Beleihung des ÜNB?

Handelt es bei den Stilllegungsverboten mithin um einen Eingriff in Art. 14 GG in Gestalt einer Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, so stellt sich angesichts der konkreten gesetzlichen Ausgestaltung die weiterführende Frage, ob der Gesetzgeber von Verfassung wegen berechtigt war, den ÜNB die Kompetenz zur Beurteilung der Systemrelevanz einzuräumen und damit letztlich eine (Vor-)Entscheidung über den Grundrechtseingriff im konkreten Einzelfall zu treffen. Teilweise wird die Auffassung vertreten, die Delegation dieser Entscheidung auf einen privatrechtlichen Akteur stelle eine Beleihung dar, die mangels eines hinreichenden staatlichen Aufsichtsregimes verfassungswidrig sei.30 Richtigerweise ist die Einbeziehung der ÜNB im Rahmen des Verfahrens nach § 13b EnWG keine Beleihung im verfassungsrechtlichen Sinne.31 Eine Beleihung setzt nämlich voraus, dass dem Beliehenen konkrete Verwaltungsaufgaben zur Ausführung in eigenem Namen übertragen werden und dass er mit originär öffentlich-rechtlichen Instrumenten zur Durchsetzung seiner dabei getroffenen Maßnahmen ausgestattet ist.32 Eine Übertragung hoheitlicher Befugnisse ist in § 13b EnWG gerade nicht vorgesehen; insbesondere sind die ÜNB nicht befugt, gegenüber den Kraftwerksbetreibern Anordnungen per Verwaltungsakt zu erlassen und gegebenenfalls im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchzuset29 Vgl. etwa Ossenbühl, Verfassungsrechtliche Fragen eines beschleunigten Ausstiegs aus der Kernenergie, 2012, S. 45; Schwarz, »Güterbeschaffung« als notwendiges Element des Enteignungsbegriffes?, DVBl 2013, 133 (138). 30 So insb. Tüngler, in: Kment, EnWG, 2015, § 13 Rn. 38; Wolfers/Wollenschläger (o. Fußn. 2), 254. 31 Hierzu und zum Folgenden bereits Ruttloff (o. Fußn. 5), 1089. 32 Vgl. hierzu BVerfGE 102, 370 (390f.); BVerwG, DVBl 1970, 73; Jestaedt, Grundbegriffe des Verwaltungsorganisationsrechts, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 14 Rn. 31.

126

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zen. Vielmehr hat der Gesetzgeber lediglich an die fachliche Beurteilung durch die ÜNB eine bestimmte, qua Gesetz eintretende Rechtsfolge, nämlich das Stilllegungsverbot, geknüpft. Ferner ist zu beachten, dass die Ausweisung der Systemrelevanz durch die BNetzA als einem originären Träger hoheitlicher Gewalt, zu genehmigen ist. Selbst wenn man eine Beleihung der ÜNB annähme, dürfte damit jedenfalls von der gesetzgeberischen Konzeption her eine ausreichende Aufsichtsfunktion der BNetzA gewährleistet sein.33

4.

Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eigentumseingriffs: Insbesondere Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit

Zu prüfen ist ferner die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eigentumseingriffs. Die Rechtfertigung eines Eigentumseingriffs nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG setzt – neben einer gesetzlichen Grundlage – insbesondere voraus, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums verläuft grundsätzlich entsprechend dem hergebrachten grundrechtsdogmatischen Schema:34 Nach der Feststellung eines legitimen Zwecks folgt die Prüfung der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit.

a)

Legitimer Zweck

Der Begriff des legitimen Zwecks im grundrechtsdogmatischen Sinne ist weit zu verstehen: Legitim ist jeder Zweck, der nicht gegen das Grundgesetz verstößt. Zweck des Stilllegungsverbotes ist es, durch Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft systemrelevanter Kraftwerke Netzengpässe zu vermeiden und somit zur Sicherheit des Elektrizitätsversorgungssystems beizutragen. Hierbei handelt es sich nicht nur um ein legitimes, also verfassungsrechtlich nicht verbotenes Anliegen (was ausreichend wäre), sondern um ein überragend wichtiges Allgemeininteresse. So hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung von 1984 zur Verfassungsmäßigkeit des Energiewirtschaftsgesetzes unter anderem ausgeführt: »Die Sicherstellung der Energieversorgung durch geeignete Maßnahmen, wie zum Beispiel die Errichtung oder Erweiterung von Energieanlagen, ist eine öffentliche Aufgabe von größter Bedeutung. Die Energieversorgung gehört zum Bereich der Da33 Vgl. auch Ruttloff (o. Fußn. 5), 1089; ferner hierzu allgemein BVerfGE 130, 76 (111ff.); Wolff/ Bachof/Stober/Kluth, VerwR I, 7. Aufl. 2010, § 90 Rn. 40. 34 Axer, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand: 34. Ed. (2017), Art. 14 Rn. 88.

Stilllegungsverbote für Energieerzeuger

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seinsvorsorge; sie ist eine Leistung, derer der Bürger zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich bedarf.«35

Ein legitimer Eingriffszweck ist damit zweifellos gegeben. b)

Geeignetheit

Die Geeignetheit der Stilllegungsverbote zur Förderung des Zwecks der Netzstabilität liegt unmittelbar auf der Hand: Die Unterwerfung der Kraftwerksbetreiber unter ein Regelungsregime, dass Kraftwerksstilllegungen von einer vorherigen Prüfung der Systemrelevanz abhängig macht und Mittel vorsieht, die Stilllegung systemrelevanter Kraftwerke zu verhindern, ist geeignet, die disruptiven Auswirkungen von Kraftwerkstilllegungen auf die Netzstabilität zu verhüten. c)

Erforderlichkeit

Auch die Erforderlichkeit gibt kaum Anlass zu Zweifel, da ein gleich effektives, aber milderes Mittel nicht ersichtlich ist. Ein solches milderes Mittel könnte zwar darin bestehen, Investitionsanreize zur Schaffung ausreichender Reservekraftwerkskapazitäten bereitzustellen. Jedoch ist hierbei zu berücksichtigen, dass eine solche Vorgehensweise aufgrund erheblicher Planungs- und Fertigstellungsdauer kaum gleichermaßen effektiv wäre. Vor demselben Hintergrund kommt auch der geplante – aber bisher u. a. aufgrund mangelnder allgemeiner Akzeptanz bzw. öffentlichen Widerstands nur schleppend voranschreitende – Netzausbau zwischen den erzeugungsstarken Regionen im Norden und den verbrauchsstarken Regionen im Süden Deutschlands jedenfalls als kurzfristig gleich geeignete Abhilfe nicht in Betracht. d)

Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne

Ferner müsste die Regelung den Anforderungen der dritten Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung, auch als »Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn«, »Angemessenheit« oder »Zumutbarkeit« bezeichnet, genügen.36 Auf dieser Stufe der Prüfung erfolgt die eigentliche Abwägung der betroffenen Rechtsgüter, bei der die Schwere der mit der staatlichen Maßnahme verbundenen Grundrechtsbeeinträchtigung zur Bedeutung des mit der Maßnahme verfolgten öffentlichen Zweckes ins Verhältnis gesetzt wird. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn als 35 BVerfGE 66, 248 (258). 36 Vgl. allgemein z. B. Merten, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, in: ders./Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. III, 2009, § 68 Rn. 71.

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Schranken-Schranke ist wichtiges Element der allgemeinen Grundrechtsdogmatik und als solches bei allen Freiheitsgrundrechten anwendbar (sowie in abgewandelter Form auch beim Gleichheitssatz). Zugleich unterliegt sie jeweils bestimmten grundrechtsspezifischen Besonderheiten. Solche Besonderheiten bestehen auch im Rahmen der Prüfung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Dazu wurden in Staatsrechtslehre und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besondere, eigentumsrechtsspezifische Abwägungskriterien entwickelt. In diesem Zusammenhang sollen insbesondere die Eigenschaften des konkreten Eigentumsgegenstandes einbezogen werden. Relevante »entscheidungslenkende Topoi« sind hierbei etwa der Leistungsbezug des Eigentums, der Persönlichkeitsbzw. Sozialbezug sowie die Situationsgebundenheit des Eigentumsobjekts.37 aa) Ausgleichspflichtige Indienstnahme Einen weiteren wichtigen Aspekt der Frage, ob eine konkrete Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne wahrt, ob sie also »zumutbar« ist, sieht die Rechtsprechung im Bestehen einer – finanziellen – Ausgleichsregelung.38 Dahinter steckt folgender Gedanke: Zwar sind Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums nach der Konzeption des Verfassungsgebers aufgrund der Normgeprägtheit des Schutzbereichs des Art. 14 GG grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen. Dennoch kann eine an sich zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Einzelfall zu einer unverhältnismäßigen oder gleichheitswidrigen Belastung führen.39 Dies ist etwa der Fall, wenn eine Eigentumsbeschränkung ausschließlich oder vorrangig eine bestimmte Gruppe Eigentümer belastet, ohne dass dies durch spezifische Gründe gerechtfertigt ist.40 Vor allem die letztgenannte Erwägung, der das Gleichheitsargument zugrunde liegt, dürfte für den Gesetzgeber ausschlaggebend dafür gewesen sein, eine finanzielle Entschädigungsregelung für die vom Stilllegungsverbot betroffenen Kraftwerksbetreiber vorzusehen.41 Denn ohne eine solche käme es zu einer nicht zu rechtfertigenden Benachteiligung derjenigen Betreiber, deren Kraftwerke – aus Gründen, die von ihnen selbst nicht beeinflusst werden können, wie 37 Vgl. Depenheuer, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 14 Rn. 275ff. 38 Verfassungsgerichtliche Leitentscheidung für die Anerkennung der »ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung« war insoweit die sog. »Pflichtexemplar-Entscheidung«, BVerfGE 58, 137. 39 Vgl. Wieland, in: Dreier, GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 14 Rn. 152. 40 Vgl. Wieland (o. Fußn. 39), Art. 14 Rn. 151, unter Verweis auf die »Pflichtexemplar-Entscheidung« BVerfGE 58, 137. 41 Vgl. in diesem Sinne die Gesetzesbegründung zu § 13c EnWG, BT-Drs. 18/7317, 91ff.

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etwa ihrer geographischen Lage – als systemrelevant eingestuft werden, gegenüber denjenigen, für die dies nicht gilt und die daher nicht dem Regime der Stilllegungsverbote unterliegen. Die Folgen dieser den Betreibern systemrelevanter Kraftwerke auferlegten Sonderlast erfordern es aus Gründen des Verhältnismäßigkeitsgebots, ihnen für die Indienstnahme ihres Eigentums eine finanzielle Kompensation zu gewähren. Dieses (Zwischen-)Ergebnis wird gestützt, wenn man die Kriterien der Entschädigungspflicht für staatliche Indienstnahmen Privater, wie sie das Bundesverfassungsgericht zu Art. 12 GG entwickelt hat, auf die Eigentumsfreiheit aus Art. 14 GG überträgt. Nach dieser Rechtsprechung ist bei einer Indienstnahme ein finanzieller Ausgleich dann entbehrlich, wenn es sich um Nebenpflichten der unternehmerischen Tätigkeit handele; wenn dagegen der Kernbereich der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit betroffen ist, ist eine Entschädigung geboten.42 Der Grundgedanke dieser Rechtsprechung lässt sich auf die vorliegende Fragestellung übertragen: Weil mit den Stilllegungsverboten das Marktaustrittsrecht als unternehmerisches Kernrecht betroffen ist, und weil somit die Verfügungsbefugnis über das Kraftwerkseigentum in einem ganz zentralen Aspekt eingeschränkt wird, ist jedenfalls die grundsätzliche Existenz einer Entschädigungsregelung – d. h. die Frage des »Ob« einer Entschädigung – verfassungsrechtlich zwingend. bb) Umfang der Ausgleichspflicht Daher verschiebt sich der Schwerpunkt in der Prüfung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Stilllegungsverbotes von der Frage des »Ob« der finanziellen Kompensation zum »Wie«, also zu ihrer konkreten Ausgestaltung. Hier stellt sich die Frage, ob der gewährte Ausgleich ausreichend ist, die Verhältnismäßigkeit der Inhalts- und Schrankenbestimmung zu gewährleisten. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund problematisch, dass die Ausgleichsregelung des § 13c EnWG – wie oben dargestellt – lediglich die Kosten für die Aufrechterhaltung (ggf. auch für die Wiederherstellung) der Betriebsbereitschaft sowie für erforderliche Reparatur- und Instandhaltungsmaßnahmen erfasst. Nicht gewährt wird dagegen eine Rendite in jeglicher Form. Die gesetzgeberische Intention hinter dieser Ausgestaltung der Entschädigungsregelung dürfte gewesen sein, dass von ihren Betreibern zur Stilllegung vorgesehene Kraftwerke ohnehin nicht wirtschaftlich zu betreiben sein dürften, weshalb es unangemessen wäre, für ihre Indienstnahme im Interesse des Allgemeinwohls einen Ausgleich zu gewähren, welchen die Betreiber ohne diese am freien Markt nicht zu erzielen in der Lage wären. Insofern dürfte – ohne dass dieser Gedanke hier vertieft werden 42 Grundlegend BVerfGE 30, 292 (311ff.) – Erdölbevorratung; zu dieser Rechtsprechungslinie s. a. im Einzelnen Ruttloff (o. Fußn. 5), 1091.

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kann – auch der Gesichtspunkt der Vereinbarkeit mit europäischem Beihilfenrecht bei der Ausgestaltung des finanziellen Ausgleichs für die von Stilllegungsverboten betroffenen Anlagenbetreibern eine Rolle gespielt haben.43 Trotz dieser – durchaus bedenkenswerten – Erwägungen erscheint es zweifelhaft, ob der Gesetzgeber im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit des Grundrechteingriffs berechtigt war, den von den Stilllegungsverboten betroffenen Kraftwerkseigentümern jegliche Rendite zu verweigern; denn bei wirtschaftlich genutzten Eigentumsgütern gilt eine »Rentabilitätsvermutung«, d. h., grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Eigentümer durch die Nutzung dieser Güter im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit nicht nur die entstehenden Kosten deckt, sondern auch einen Gewinn erwirtschaftet – dies spricht dafür, auch auf der Sekundärebene einer Entschädigung für Eigentumseingriffe eine bloße Auslagenerstattung für nicht ausreichend zu halten. Nicht umsonst definiert das Bundesverfassungsgericht den Beruf im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG als »jede auf Dauer angelegte Tätigkeit zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage«,44 die den Gedanken der »Rentabilitätsvermutung« mit der Gewinnerzielungsabsicht in sich trägt, da nur ein gewisser finanzieller Ertrag die Lebensgrundlage gewährleisten kann. Bei der Beantwortung dieser Frage, ob die Verweigerung selbst einer Grundrendite den Eigentümern zumutbar ist, sind indes einerseits der Sozialbezug der betroffenen Eigentumsposition, andererseits die Schwere des mit der staatlichen Indienstnahme im Rahmen der Stilllegungsverbote verbundenen Eigentumseingriffs zu berücksichtigen. Dabei entspricht es anerkannten Grundsätzen der Dogmatik des Art. 14 GG, dass der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum umso größer ist, je stärker der Sozialbezug der betroffenen Eigentumsposition ist.45 cc) Situationsgebundenheit vs. Härtefallausgleich Vor diesem Hintergrund ließe sich argumentieren, dass das Kraftwerkseigentum in besonderem Maße sozialgebunden ist und deshalb einer entsprechend weitgehenden gesetzlichen Regulierung unterworfen werden kann. Dies wird teilweise mit Blick auf die Einbindung jedes einzelnen Kraftwerks in das Gesamtsystem »Energieversorgungsnetz« begründet: Mittels einer Analogie zum bekannten Argumentationstopos der Situationsgebundenheit von Grundstücken

43 Die Gesetzesbegründung spricht insoweit – allgemein gehalten – davon, es gelte, »Marktverzerrungen« durch die Vergütungsregelung zu vermeiden, vgl. BT-Drs. 18/7317, 92. 44 BVerfGE 7, 377 (397); 111, 10 (28). 45 Vgl. in diesem Sinne z. B. BVerfGE 37, 132 (140) – Mieterhöhung; BVerfGE 42, 263 (294) – Conterganstiftung.

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im Bodenrecht46 wird insoweit eine Mitverantwortung des einzelnen Kraftwerksbetreibers für die Netzstabilität zu begründen versucht, von deren Gewährung er selbst – zumindest potenziell – profitiere und an deren Aufrechterhaltung er deshalb mitzuwirken verpflichtet sei. In diesem Sinne wird der Begriff der »Systemrelevanz«,47 wie er etwa in § 13b EnWG verwendet wird, gedeutet: »[A]bwegig allerdings ist es nicht, dass Kraftwerke, die sich an ein öffentliches Versorgungsnetz anschließen lassen und in dieses einspeisen, damit – jedenfalls soweit sie »systemrelevant« sind – auch eine Verantwortung für die Funktionstüchtigkeit des Gesamtsystems übernehmen und so einer situationsbedingten Sozialpflichtigkeit unterliegen, die prinzipiell legitimer Anknüpfungspunkt für entsprechende Regulierungsmaßnahmen sein kann.«48

So plausibel diese Erwägung ist, stellt sich dennoch die Frage, ob das Argument der Systemrelevanz eines Kraftwerks es rechtfertigen kann, einen Kraftwerksbetreiber für einen erheblichen Zeitraum – und nach § 13b Abs. 5 EnWG ist ja grundsätzlich sogar ein unbefristetes Stilllegungsverbot möglich – einer renditelosen Zwangsbewirtschaftung im Interesse der Allgemeinheit zu unterwerfen. Gerade im (Härte-)Fall eines unbefristeten Stilllegungsverbots stellt sich die Frage, ob von der konkreten Eigentumsposition mehr als eine »leere Hülse« übrig bleibt. Fraglich ist, mit anderen Worten, ob der im Rahmen von § 13c EnWG den von den Stilllegungsverboten betroffenen Kraftwerksbetreibern gewährte renditelose Aufwendungsersatz ausreichend ist, um den »Kernbereich der Privatnützigkeit des Eigentums« zu wahren, oder ob das Eigentumsrecht hier nicht »zu einer bloßen Last wird«, wie es das Bundesverfassungsgericht in der »Denkmalschutzentscheidung« anschaulich formuliert hat: »Nimmt man die gesetzliche Erhaltungspflicht hinzu, so wird aus dem Recht eine Last, die der Eigentümer allein im öffentlichen Interesse zu tragen hat, ohne dafür die Vorteile einer privaten Nutzung genießen zu können. Die Rechtsposition des Betroffenen nähert sich damit einer Lage, in der sie den Namen »Eigentum« nicht mehr verdient.«49

Legt man diesen Maßstab zugrunde, so dürfte jedenfalls im Fall eines langandauernden oder gar unbefristeten Stilllegungsverbots die Grenze erreicht sein, an der ein renditeloser Aufwendungsersatz nicht mehr ausreicht, um die Privatnützigkeit des Eigentums in ihrem Kern zu wahren und somit die Verhältnismäßigkeit der Regelung zu sichern. Zwar trifft es zu, dass Kraftwerke, die von 46 Dazu z. B. Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 13. Aufl. 2016, § 42 Rn. 3, der vom »evidenten Sozialbezug von Bauland« spricht. 47 Eingehend zur Funktion dieses Begriffs im Energierecht vgl. Steffens, Das Argument der Systemrelevanz am Beispiel des Energiesektors, VerwArch 2014, 313. 48 Möstl (o. Fußn. 3), 247. 49 BVerfGE 100, 226 (243).

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ihren Betreibern zur vorübergehenden oder endgültigen Stilllegung vorgesehen sind, in der Regel (derzeit) keine oder nur unzureichende Gewinne abwerfen werden;50 ein Stilllegungsverbot verwehrt dem Eigentümer einer Anlage jedoch auch jede andere, möglicherweise gewinnbringendere Nutzung des Anlagengrundstücks oder der darauf vorhandenen Infrastruktur. Insofern sehen auch Stimmen, die die Stilllegungsverbote für grundsätzlich verfassungskonform halten, hier zu Recht einen »größtmöglichen Kontrast zu der dem Art. 14 GG zugrunde liegenden Idee des prinzipiell privatnützigen Eigentumsgebrauchs«.51 Jedenfalls für den Härtefall des langfristigen oder gar unbegrenzten Stilllegungsverbots hätte der Gesetzgeber wohl im Rahmen der Ausgleichsregelung des Art. 13c EnWG die Gewährung zumindest einer Grundrendite sicherstellen müssen. dd) Ausgleichspflicht bei »kleinem Stilllegungsverbot« Neben diesem hauptsächlichen verfassungsrechtlichen Einwand gegen die gesetzliche Ausgestaltung der Stilllegungsverbote bestehen in weiteren Punkten zumindest Bedenken und Zweifel: So ist es zum Beispiel als nicht unproblematisch einzustufen, dass während des sogenannten »kleinen Stilllegungsverbots« – also der Phase zwischen Anzeige und tatsächlicher Stilllegung – überhaupt keine Vergütung gewährt wird, also nicht einmal ein Aufwendungsersatz. Hinzu kommt, dass das »kleine Stilllegungsverbot« alle Kraftwerke einbezieht, also nicht nur die (potenziell) systemrelevanten. Indes dürfte die Planung einer Kraftwerksstilllegung durch den Betreiber in der Praxis ohnehin regelmäßig mit einem Vorlauf von – zumindest – mehreren Monaten verbunden sein, so dass sich die mit dem »kleinen Stilllegungsverbot« einhergehende Belastung insgesamt in Grenzen hält und eine Entschädigung für diesen Zeitraum nicht zwingend erforderlich ist. ee) Unverhältnismäßigkeit wegen regelungstechnischer Unschärfen Weitere mögliche Einwände und Bedenken gegen die konkrete Ausgestaltung der Entschädigungsvorschrift sollen abschließend nur kurz erwähnt werden: So erscheint die Differenzierung bei der Entschädigung für vorläufige und endgültige Stilllegungen angesichts der Unschärfe der gesetzlichen Unterscheidung zwischen beiden Stilllegungsarten52 als nicht willkürfrei. Angesichts des fließenden Übergangs ist zweifelhaft, ob es gerechtfertigt ist, eine Verzinsung für die 50 Vgl. Möstl (o. Fußn. 3), 248. 51 So Möstl (o. Fußn. 3), 248. 52 Vgl. zu den Auslegungsschwierigkeiten bei der Definition in § 13b Abs. 3 EnWG, wonach zu differenzieren ist, ob die Wiederinbetriebnahme binnen eines Jahres möglich wäre, oben II.2.c).

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verlängerte Kapitalbindung nur im Falle des Verbots der endgültigen Stilllegung zu gewähren. Ein weiteres, eher praktisches Problem, das hier ebenfalls nur kurz erwähnt werden soll, resultiert aus der Schwierigkeit, angesichts der Ungewissheit der zukünftigen Marktentwicklung mit hinreichender Sicherheit die handelsrechtlichen Restwerte und Restnutzungsdauern zu prognostizieren, welche als Grundlage für die Bemessung des anteiligen Wertverbrauchs im Sinne des § 13b Abs. 1 Nr. 3 EnWG benötigt werden.

IV.

Fazit

Insgesamt bleibt feststellen, dass die Einführung der Stilllegungsverbote nach § 13b EnWG mit einer weiteren Stärkung des ÜNB als eines zentralen energiewirtschaftlichen Akteurs im Rahmen der Energiewende einhergeht. Dabei lassen sich die Stilllegungsverbote als Anzeichen für einen Trend zum Einstieg in die Kraftwerksregulierung (gewissermaßen über die »Hintertür« der Netzregulierung) deuten.53 Die starke Rolle der Übertragungsnetzbetreiber, die gewinnorientierte Privatunternehmen sind und denen – nach der hier vertretenen Ansicht54 – keine hoheitlichen Aufgaben, etwa im Wege einer Beleihung, übertragen worden sind, ist jedenfalls so lange unproblematisch, wie die BNetzA ihre Kontrollfunktion hinsichtlich der Ausweisungen von Kraftwerken als systemrelevant ernst nimmt; die Tatsache, dass bisher sämtliche entsprechenden Ausweisungen genehmigt wurden, lässt allerdings Zweifel an der Intensität der Überprüfung dieser Ausweisungen durch die BNetzA aufkommen. Aus grundrechtlicher Sicht dürften die Stilllegungsverbote aufgrund ihres Bezugs auf das Eigentumsobjekt »Kraftwerk« schwerpunktmäßig an Art. 14 GG zu messen sein, zumal die eigentumsrechtliche Dogmatik, wie gesehen, in besonderer Weise geeignet ist, die spezifische Konfliktlage der Zwangsbewirtschaftung grundrechtsdogmatisch zu erfassen. Der Eingriff in das Eigentumsgrundrecht, der hier in Form einer – ausgleichspflichtigen – Inhalts- und Schrankenbestimmung erfolgt, ist nach der hier vertretenen Auffassung nicht in jedem Detail verhältnismäßig. Der Topos der »Systemrelevanz« dient als eine Konkretisierung der Sozialpflichtigkeit des Eigentums, was den Gesetzgeber aber nicht von der Verpflichtung entbindet, einen angemessenen Ausgleich zwischen Sozialbezug und Privatnützigkeit des Eigentums herzustellen. Dies dürfte ihm mit der vorliegenden Regelung des § 13c EnWG nicht in allen Einzelheiten gelungen sein. Bedenken bestehen hier vor allem angesichts der Tat53 So Wolfers/Wollenschläger (o. Fußn. 2), 252. 54 S. o., III.3.

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sache, dass durch die – potenziell auch unbefristet möglichen – Stilllegungsverbote letztlich die Privatnützigkeit des Eigentums als Grundgedanke des Art. 14 GG in ihrem Kern berührt wird, ohne dass hierfür zumindest eine geringfügige Rendite gewährt wird. So lässt sich (mit dem Bundesverfassungsgericht) sagen, dass hier – gerade im Fall eines sehr langandauernden Stilllegungsverbots – das »Recht zur bloßen Last« wird. Es hätte dem Gesetzgeber gut angestanden, jedenfalls für diese Konstellation eine Härtefallregelung zu treffen, um den Eigentümer für die Unmöglichkeit, sein Eigentum einer rentablen Verwendung zuzuführen, angemessen zu entschädigen.

Autorenverzeichnis

Dr. Georg Hermes Professor an der Goethe-Universität Frankfurt am Main Dr. Matthias Knauff, LL.M. Eur. Professor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena Dr. Markus Ludwigs Professor an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg Dr. Marc Ruttloff Rechtsanwalt in der Kanzlei Gleiss Lutz Dr. Matthias Schmidt-Preuß Professor an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Dr. Meinhard Schröder Professor an der Universität Passau