Obligatio re contracta: Ein Beitrag zur sogenannten Kategorie der Realverträge im römischen Recht 3161544943, 9783161544941

Gegenstand dieser Untersuchung ist die Kategorie der Realverträge im römischen Recht, deren Elemente nach herrschender M

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German Pages 342 [344] Year 2017

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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
§ 1. Einleitung
A. Zum Gegenstand der Untersuchung
B. Zum Forschungsstand. Überblick
C. Zielsetzung
§ 2. Divisiones obligationum und Realobligation im vor- und frühklassischen römischen Recht
A. Prämissen
B. Vor- und frühklassische divisiones obligationum. Die Realobligation bei Q. Mucius Scaevola, Cicero und Labeo
I. Die legis actio per condictionem und die Gliederung der Gründe von certum dare oportere
1. Anerkennung der formlosen mutui datio als zivilrechtlicher Obligationsentstehungsgrund
2. Ausdehnung des oportere iure civili und Gliederung der Gründe von certum dare oportere
II. Gründe des certum dare oportere bei Q. Mucius Scaevola
1. Die Quelle
2. Contrahere und solvere obligationem
3. Re contrahere
III. Pecunia data, stipulata und expensa lata bei Cicero
1. Ciceros Rede Pro Roscio comoedo
2. Gründe des certam pecuniam dare oportere
IV. Vertrag und Realobligation nach Labeo
1. Der Vertrag nach Labeo
a) D. 50,16,19. Ultro citroque obligatio
b) Gegenseitigkeit und bonae fidei iudicia. Die sog. unvollkommen zweiseitigen Schuldverhältnisse
2. Gerere und agere. Die Realobligation nach Labeo
a) Gerere
b) Agere
c) Die Realobligation nach Labeo
C. Resümee
§ 3. Divisiones obligationum in der gaianisch-justinianischen Tradition
A. Problemstellung
I. Vielfalt in der gaianisch-justinianischen Tradition
II. Contrahere obligationem. Entstehungsgrund oder Abschlussmodus?
B. Divisio obligationum und Vertrag in den Institutionen des Gaius
I. Die Einteilung der Obligationsentstehungsgründe
1. Die Obereinteilung der Obligationen. Gai. 3,88
2. Die Vierteilung der Obligationen aus Vertrag. Gai. 3,89
a) Obligatio re contracta
b) Obligatio verbis contracta
c) Obligatio litteris contracta
d) Obligatio consensu contracta
II. Vertrag nach den Institutionen des Gaius
1. Die gaianische Vertragsidee: Vertrag als rechtmäßiger Obligationsentstehungsgrund
a) Gai. 3,88
b) Bestätigung der gaianischen Vertragsidee in sonstigen Quellen der klassischen Jurisprudenz außerhalb Gaius
2. Anwendungen der gaianischen Vertragsidee
a) Vormundschaft
b) Mitgift
c) Geschäftsführung ohne Auftrag
d) Zahlung einer Nichtschuld
3. Fazit
C. Divisio obligationum und Vertrag in den res cottidianae
I. Eine echte gaianische Schrift?
II. Einteilung der Obligationsentstehungsgründe und Vertragsidee
1. Dreiteilung der Obligationsentstehungsgründe
2. Vertragsidee und Einteilung der Obligationen aus Vertrag
a) Vertragsidee
b) Einteilung der Obligationen aus Vertrag
D. Divisio obligationum in den Institutionen Justinians
I. Von der Zweiteilung über die Dreiteilung zur Vierteilung der Obligationsentstehungsgründe
II. Vertragsidee und Einteilung der Obligationen aus Vertrag
1. Vertragsidee
2. Einteilung der Obligationen aus Vertrag
E. Resümee
§ 4. Die obligatio re contracta im klassischen römischen Recht
A. Die obligatio re contracta in den Institutionen des Gaius
I. Problemstellung
II. Obligationsbegründung „durch eine Sache“
1. Re contrahitur obligatio velut mutui datione
a) Bedeutungsvielfältigkeit von res
b) Re: durch datio rei
2. Darlehen als Realobligationsentstehungsgrund
a) Grundzüge. Sachübereignung
b) Rückgewährpflicht. Strengrechtlichkeit
c) Unentgeltlichkeit
d) Klagbarkeit
e) Mutuum cum stipulatione
III. Zahlung einer Nichtschuld
1. Grundzüge
a) Struktur
b) Klagbarkeit
2. Realobligation aus Zahlung einer Nichtschuld
a) Velut
b) Re obligatur
IV. Sonstige Realobligationsentstehungsgründe?
1. Fiduzia
a) Struktur
b) Realobligationsbegründung durch Fiduzia?
2. Leihe, Verwahrung und Pfand als Realobligationsentstehungsgründe?
B. Die obligatio re contracta in sonstigen klassischen Quellen
I. Die Realobligation bei Q. Mucius Scaevola und Labeo
1. Q. Mucius Scaevola
2. Labeo
II. Die Realobligation bei Paulus
III. Das sog. Geschäft re et verbis
C. Resümee
§ 5. Sonstige obligationes re contractae?
A. Die obligatio re contracta in den res cottidianae
I. Problemdarstellung: Zäsur oder Kontinuität?
II. Darlehen
III. Leihe
1. Unentgeltliche Sachübergabe
2. Gebrauch
3. Rückgabeverpflichtung
4. Haftung
5. Klagbarkeit
IV. Verwahrung
1. Sachübergabe
2. Unentgeltliche Aufbewahrung
3. Rückgabeverpflichtung
4. Haftung
5. Klagbarkeit
V. Pfand
1. Sachübergabe
2. Rückgabeverpflichtung
3. Akzessorietät
4. Haftung
5. Klagbarkeit
VI. Realobligationsbegründung durch Leihe, Verwahrung und Pfand?
B. Die Realobligation bei Modestin
I. Zwischen Westen und Osten
II. Re obligamur, cum res ipsa intercedit?
C. Die obligatio re contracta in den Institutionen Justinians
D. Resümee
§ 6. Ergebnisse
A. Die Realobligation im vor- und frühklassischen römischen Recht
B. Die Gliederungen der Obligationsentstehungsgründe in der gaianisch-justinianischen Tradition
C. Die Realobligation im klassischen römischen Recht
D. Sonstige Realobligationsentstehungsgründe?
Resumen de la investigación
Sintesi della ricerca
Literaturverzeichnis
Quellenregister
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Obligatio re contracta: Ein Beitrag zur sogenannten Kategorie der Realverträge im römischen Recht
 3161544943, 9783161544941

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Ius Romanum Beiträge zu Methode und Geschichte des römischen Rechts herausgegeben von Martin Avenarius, Christian Baldus, Richard Böhr, Wojciech Dajczak, Massimo Miglietta und José-Domingo Rodríguez Martín

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Adolfo Wegmann Stockebrand

Obligatio re contracta Ein Beitrag zur sogenannten Kategorie der Realverträge im römischen Recht

Mohr Siebeck

Adolfo Wegmann Stockebrand, geboren 1981; Studium der Rechtswissenschaften an der Pontificia Universidad Católica de Chile (Päpstlichen Katholischen Universität Chile) in Santiago de Chile; DAAD-Stipendiat, Doktorand am Institut für geschichtliche Rechts­ wissenschaft der Universität Heidelberg; 2014 Promotion; seit 2015 Assistenzprofessor für Römisches Recht und Bürgerliches Recht an der Päpstlichen Katholischen Universität Chile.

ISBN 978-3-16-154494-1/ eISBN 978-3-16-160506-2 unveränderte eBook-Ausgabe 2021 ISSN 2197-8573 (Ius Romanum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2017 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden.

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Untersuchung über die obligatio re contracta im römischen Recht hat im Wintersemester 2014/2015 der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation vorgelegen. Speziell und in erster Linie gilt mein ganz herzlicher Dank meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Christian Baldus, der die Arbeit stets angeregt und ihren Werdegang wohlwollend und geduldig begleitet hat. Er war während meines vierjährigen Aufenthalts in Deutschland nicht nur ein hilfreicher, kritischer und fürsorglicher Förderer, der mir das römische Recht nahegebracht hat, sondern auch hatte er allzeit ein offenes Ohr für Probleme und Anliegen jeder Art. Ganz herzlich bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Prof. Dr. Jan Dirk Harke (damals Würzburg, heute Jena) für die rasche Anfertigung des Zweitgutachtens sowie für bereichernde Hinweise und Anregungen, und Herrn Prof. Dr. Peter Gröschler (Mainz), Vorsitzender des Prüfungsausschusses. Herrn Prof. Dr. Martin Avenarius (Köln) und Herrn Prof. Dr. Massimo Miglietta (Trient), die sich intensiv mit dem Manuskript auseinandergesetzt haben, bin ich zu großem Dank verpflichtet. Für die Annahme der Arbeit in die Reihe Ius Romanum danke ich den Herren Herausgebern sowie dem Verlag. Santiago de Chile, im September 2016

Adolfo Wegmann

Inhaltsverzeichnis

§ 1 Einleitung ................................................................................. 1 A. Zum Gegenstand der Untersuchung ................................................................ 1 B. Zum Forschungsstand. Überblick ................................................................... 6 C. Zielsetzung .................................................................................................... 23

§ 2 Divisiones obligationum und Realobligation im vor- und frühklassischen römischen Recht............................................. 25 A. Prämissen ...................................................................................................... 25 B. Vor- und frühklassische divisiones obligationum. Die Realobligation bei Q. Mucius Scaevola, Cicero und Labeo .................................................. 27 I. Die legis actio per condictionem und die Gliederung der Gründe von certum dare oportere ........................................................................... 27 1. Anerkennung der formlosen mutui datio als zivilrechtlicher Obligationsentstehungsgrund ................................................................ 27 2. Ausdehnung des oportere iure civili und Gliederung der Gründe von certum dare oportere ...................................................................... 32 II. Gründe des certum dare oportere bei Q. Mucius Scaevola ....................... 34 1. Die Quelle .............................................................................................. 34 2. Contrahere und solvere obligationem .................................................... 38 3. Re contrahere ......................................................................................... 39 III. Pecunia data, stipulata und expensa lata bei Cicero .................................. 43 1. Ciceros Rede Pro Roscio comoedo........................................................ 43 2. Gründe des certam pecuniam dare oportere .......................................... 44 IV. Vertrag und Realobligation nach Labeo .................................................... 46 1. Der Vertrag nach Labeo......................................................................... 46 a) D. 50,16,19. Ultro citroque obligatio ................................................. 46 b) Gegenseitigkeit und bonae fidei iudicia. Die sog. unvollkommen zweiseitigen Schuldverhältnisse ................ 50 2. Gerere und agere. Die Realobligation nach Labeo ................................ 57 a) Gerere ................................................................................................ 57 b) Agere ................................................................................................. 58 c) Die Realobligation nach Labeo ......................................................... 59

X

Inhaltsverzeichnis

C. Resümee ........................................................................................................ 61

§ 3 Divisiones obligationum in der gaianisch-justinianischen Tradition................................................................................... 64 A. Problemstellung ............................................................................................ 64 I. Vielfalt in der gaianisch-justinianischen Tradition .................................... 64 II. Contrahere obligationem. Entstehungsgrund oder Abschlussmodus? ...... 69 B. Divisio obligationum und Vertrag in den Institutionen des Gaius ............... 76 I. Die Einteilung der Obligationsentstehungsgründe .................................... 76 1. Die Obereinteilung der Obligationen. Gai. 3,88 .................................... 76 2. Die Vierteilung der Obligationen aus Vertrag. Gai. 3,89 ...................... 81 a) Obligatio re contracta ........................................................................ 82 b) Obligatio verbis contracta ................................................................. 83 c) Obligatio litteris contracta ................................................................. 84 d) Obligatio consensu contracta ............................................................. 84 II. Vertrag nach den Institutionen des Gaius .................................................. 85 1. Die gaianische Vertragsidee: ................................................................. 85 Vertrag als rechtmäßiger Obligationsentstehungsgrund ........................ 85 a) Gai. 3,88 ............................................................................................ 85 b) Bestätigung der gaianischen Vertragsidee in sonstigen Quellen ....... 86 der klassischen Jurisprudenz außerhalb Gaius....................................... 86 2. Anwendungen der gaianischen Vertragsidee......................................... 93 a) Vormundschaft .................................................................................. 93 b) Mitgift ................................................................................................ 94 c) Geschäftsführung ohne Auftrag ......................................................... 95 d) Zahlung einer Nichtschuld ................................................................ 97 3. Fazit ....................................................................................................... 98 C. Divisio obligationum und Vertrag in den res cottidianae ............................ 99 I. Eine echte gaianische Schrift? ................................................................... 99 II. Einteilung der Obligationsentstehungsgründe und Vertragsidee ............ 101 1. Dreiteilung der Obligationsentstehungsgründe ................................... 101 2. Vertragsidee und Einteilung der Obligationen aus Vertrag ................. 103 a) Vertragsidee ..................................................................................... 103 b) Einteilung der Obligationen aus Vertrag ......................................... 106 D. Divisio obligationum in den Institutionen Justinians ................................. 108 I. Von der Zweiteilung über die Dreiteilung zur Vierteilung der Obligationsentstehungsgründe................................................................ 108

Inhaltsverzeichnis

XI

II. Vertragsidee und Einteilung der Obligationen aus Vertrag..................... 110 1. Vertragsidee ......................................................................................... 110 2. Einteilung der Obligationen aus Vertrag ............................................. 110 E. Resümee ....................................................................................................... 112

§ 4 Die obligatio re contracta im klassischen römischen Recht .................................................................... 115 A. Die obligatio re contracta in den Institutionen des Gaius.......................... 115 I. Problemstellung ....................................................................................... 115 II. Obligationsbegründung „durch eine Sache“............................................ 116 1. Re contrahitur obligatio velut mutui datione ....................................... 116 a) Bedeutungsvielfältigkeit von res ..................................................... 116 b) Re: durch datio rei ........................................................................... 117 2. Darlehen als Realobligationsentstehungsgrund ................................... 124 a) Grundzüge. Sachübereignung .......................................................... 124 b) Rückgewährpflicht. Strengrechtlichkeit .......................................... 133 c) Unentgeltlichkeit ............................................................................. 137 d) Klagbarkeit ...................................................................................... 138 e) Mutuum cum stipulatione ................................................................ 141 III. Zahlung einer Nichtschuld ...................................................................... 146 1. Grundzüge............................................................................................ 146 a) Struktur ............................................................................................ 146 b) Klagbarkeit ...................................................................................... 149 2. Realobligation aus Zahlung einer Nichtschuld .................................... 151 a) Velut ................................................................................................ 151 b) Re obligatur ..................................................................................... 152 IV. Sonstige Realobligationsentstehungsgründe? ......................................... 160 1. Fiduzia ................................................................................................. 160 a) Struktur ............................................................................................ 160 b) Realobligationsbegründung durch Fiduzia? .................................... 163 2. Leihe, Verwahrung und Pfand als Realobligationsentstehungsgründe? .................................................... 167 B. Die obligatio re contracta in sonstigen klassischen Quellen ...................... 177 I. Die Realobligation bei Q. Mucius Scaevola und Labeo .......................... 177 1. Q. Mucius Scaevola ............................................................................. 177 2. Labeo ................................................................................................... 177 II. Die Realobligation bei Paulus ................................................................. 179 III. Das sog. Geschäft re et verbis ................................................................. 181

XII

Inhaltsverzeichnis

C. Resümee ...................................................................................................... 182

§ 5 Sonstige obligationes re contractae? ................................... 183 A. Die obligatio re contracta in den res cottidianae ....................................... 183 I. Problemdarstellung: Zäsur oder Kontinuität? .......................................... 183 II. Darlehen................................................................................................... 185 III. Leihe ........................................................................................................ 186 1. Unentgeltliche Sachübergabe .............................................................. 189 2. Gebrauch .............................................................................................. 191 3. Rückgabeverpflichtung ........................................................................ 191 4. Haftung ................................................................................................ 192 5. Klagbarkeit .......................................................................................... 193 IV. Verwahrung ............................................................................................. 196 1. Sachübergabe ....................................................................................... 197 2. Unentgeltliche Aufbewahrung ............................................................. 199 3. Rückgabeverpflichtung ........................................................................ 201 4. Haftung ................................................................................................ 202 5. Klagbarkeit .......................................................................................... 203 V. Pfand ........................................................................................................ 206 1. Sachübergabe ....................................................................................... 209 2. Rückgabeverpflichtung ........................................................................ 213 3. Akzessorietät........................................................................................ 215 4. Haftung ................................................................................................ 216 5. Klagbarkeit .......................................................................................... 217 VI. Realobligationsbegründung durch Leihe, Verwahrung und Pfand? ........ 218 B. Die Realobligation bei Modestin................................................................. 225 I. Zwischen Westen und Osten.................................................................... 225 II. Re obligamur, cum res ipsa intercedit? ................................................... 229 C. Die obligatio re contracta in den Institutionen Justinians ......................... 236 D. Resümee ...................................................................................................... 239

§ 6 Ergebnisse............................................................................. 241 A. Die Realobligation im vor- und frühklassischen römischen Recht ............. 241 B. Die Gliederungen der Obligationsentstehungsgründe in der gaianisch-justinianischen Tradition............................................................ 242

Inhaltsverzeichnis

XIII

C. Die Realobligation im klassischen römischen Recht .................................. 244 D. Sonstige Realobligationsentstehungsgründe? ............................................ 244

Resumen de la investigación ...................................................... 247 Sintesi della ricerca..................................................................... 257 Literaturverzeichnis ......................................................................... 269 Quellenregister ................................................................................ 315

§ 1 Einleitung A. Zum Gegenstand der Untersuchung A. Zum Gegenstand der Untersuchung

Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist die sogenannte Kategorie der Realverträge im römischen Recht. Der Begriff Realvertrag (vom lateinischen re, wörtlich „durch eine Sache“) gehört zum Allgemeingut der romanistischen Rechtstradition.1 In der Mehrzahl der Rechtsordnungen kontinentaleuropäischer Rechtskultur2 gilt die Sachübergabe (sog. „realer Moment“), sei es mit oder ohne Eigentumsübertragung, als logisch-strukturelle Voraussetzung für das Zustandekommen gewisser vertraglicher Schuldverhältnisse, in denen die Hauptverpflichtung des Schuldners in der Rückgabe derselben oder gleichartigen Sachen besteht. Es geht um die sog. Rückgewährschuldverhältnisse, gemeinhin Realverträge genannt. Diese Schuldbeziehungen bilden eine entweder gesetzlich oder dogmatisch aufgebaute Kategorie, deren Elemente in der Regel das Darlehen, die Leihe und die Verwahrung – und in manchen Rechtsordnungen auch das Faustpfand – sind.3 Die große Ausnahme innerhalb der Rechtsordnungen romanistischer Rechtstradition bilden die deutsch-

1

Maschi [1973] S. 1: „Se il giurista contemporaneo rivolge uno sguardo ai concetti fondamentali ed elementari, che costituiscono il suo patrimonio culturale, trova in essi l’idea del contratto reale.“ Überblick zur Kategorie der Realverträge in dogmengeschichtlicher Perspektive bei Verdam [1953] S. 745 ff. 2 Nicht unproblematisch sind die Begriffe „Rechtskultur“, „Rechtsfamilie“ und „Rechtskreis“. Es geht um eine Frage, diehier aber nicht vertieft werden soll. Dazu vgl. etwa Glenn [2010] S. 1 ff.; ders. [2006] S. 421 ff.; den von Scholler/Tellenbach [2002] herausgegebenen Band; Kötz [1998] S. 493 ff.; Zweigert/ders. [1996] S. 62 ff., 72 ff. Zu dieser Frage aus rechtssoziologischer Perspektive Raiser [2013] S. 329 ff. Ausführlich zu den romanistischen Hintergründen des modernen Schuldrechts kontinentaler Rechtsordnungen Zimmermann [1996]; vgl. auch ders. [1999a] S. 1 ff.; ders. [2002] S. 259 ff.; Knütel [1994] S. 244 ff.; Pichonnaz [2008] S. 323 ff.; Ranieri [2009] S. 19 ff. Zum Vergleich mit der englischen Rechtskultur siehe Ibbetson [2001] S. 153 ff.; Zimmermann [2002] S. 255 ff.; Farnsworth [2006] S. 907 ff. Klassisch zum Einfluss der romanistischen Tradition auf die englische Rechtsordnung aus kontinentaleuropäischer Perspektive Koschaker [1947] S. 213 ff. 3 Siehe zum Beispiel den französischen Code Civil: Art. 1875 (Leihe), 1892 (Darlehen), 1915 (Verwahrung) und 2011 (Treuhand); den italienischen Codice Civile: Art. 1766 (Verwahrung), 1803 (Leihe), 1813 (Darlehen) und 2786 (Pfand); den spanischen Código Civil: Art. 1740 (Darlehen und Leihe), 1758 (Verwahrung) und 1863 (Pfand).

2

§ 1 Einleitung

sprachigen Kodifikationen, nämlich BGB, ABGB und OR, welche in verschiedenem Maße die Figur des Realvertrages beseitigt haben.4 Aus diesen Tatbeständen entsteht für den Nehmer kein Anspruch auf die Sachübergabe (etwa auf Geldauszahlung beim Gelddarlehen), denn nur durch sie lässt sich das Schuldverhältnis erst begründen. Ebenso wenig darf der Geber vor der Überlassung die Rückgewähr von dem Nehmer verlangen, weil man nicht zurückgeben kann, was noch nicht in Empfang genommen worden ist.5 Die Sachübergabe wirkt contrahendi causa, nicht solvendi causa; es geht also um die Begründung des Rechtsverhältnisses, nicht um die Leistungserbringung im Rahmen eines schon bestehenden Vertrages: Erst durch die Sachüberlassung kommt der Vertrag zustande und geht der Nehmer die dazugehörige Rückgewährverpflichtung ein. Die Verabredung, künftig eine Sache zu überlassen, kann wohl verbindlich sein, aber sie steht im Bereich der Vorverhandlungen oder bestenfalls des Vorvertrages, nicht des Realvertrages selbst.6 Gemeinsame Merkmale der modernen Realverträge sind demnach das 4

Nach § 488 und § 607 BGB werden Gelddarlehen und Sachdarlehen grundsätzlich als Konsensualverträge definiert, denn die Darlehensgewährung stellt die Erfüllung der Obligation des Darlehensgebers dar. Die Überlassung einer vertretbaren Sache bildet also die Leistungserbringung, nicht den Entstehungsgrund des Vertrages, sodass es hier um eine Überlassung solvendi causa statt contrahendi causa geht. Gleiches gilt für den Leihvertrag (§ 598 BGB). Die Darstellung der Verwahrung nach § 688 BGB ist eher undeutlich; der Wortlaut dieses Paragrafen bietet Anhaltspunkte für die Einordnung der Verwahrung als Realvertrag. Wie Harke [2011a] S. 298 sich ausdrückt, „hat sich die Realvertragsstruktur noch insoweit erhalten, als § 688 BGB die Verpflichtung des Verwahrers zur Aufbewahrung auf eine vom Hinterleger bereits übergebene bewegliche Sache bezieht“. Allerdings wird die Verwahrung in Rechtsprechung und Lehre gemeinhin als Konsensualvertrag eingeordnet. Weitere Angaben hierzu bei Henssler [2012] S. 2772 f. Zur Diskussion über die Realverträge in der deutschen Privatrechtsdogmatik kurz nach Inkrafttreten BGB siehe Boehmer [1913] S. 314 ff.; Kohler [1909] S. 1 ff.; Hoeniger [1909] S. 278 ff.; Schloßmann [1903] S. 1 ff. Nach der Reform des ABGB im Zuge der Verbraucherkredit-RL 2008/48/EG wurde das Darlehensrecht neu gefasst und das Darlehen gemäß dem neuen § 983 ABGB als „Konsensualvertrag“ ausgestaltet. Hingegen werden sowohl die Verwahrung (§ 957) als auch die Leihe (§971) als ein Realvertrag eingeordnet. Nach OR sind Darlehen (Art. 312), Leihe (Art. 305) und Verwahrung (Art. 472) Konsensualverträge. Die Sachhingabe stellt die Erfüllung der Obligation des Darlehensgebers oder des Verleihers dar. Bei der Verwahrung verpflichtet sich der Verwahrer, die Sache vom Hinterleger zu übernehmen, woraus gefolgert werden darf, dass der Vertrag vor der Übergabe bereits zustande gekommen ist. 5 So nach der klassischen Erklärung des Donellus, Opera omnia III (Lucae 1767) Lib. XII, Cap. XII und XIII: Neque enim reddi potest, nisi quae prius accepta fuit (…) sic fit, ut traditione rei et conventione de re reddenda intervenientibus, cum alioqui nisi re tradita non posset ulla obligatio de re reddenda contrahi. In his sine dubio re contrahatur obligatio ad eam ipsam praestationem, quam vis nominum his contractibus inditorum indicat. Über Donellus, den bedeutendsten Systematiker des Zivilrechts vor Savigny, siehe Alburquerque [2004] S. 232 ff.; Avenarius [2006] S. 61 ff.; Cannata [2011] S. 497 ff.; Hattenhauer [2013a] S. 502 ff.; ders. [2013b] S. 1 ff.; ders. [2013c] S. 51 ff. 6 Ausdrücklich in diesem Sinne § 957 ABGB (Verwahrung): „Wenn jemand eine fremde Sache in seine Obsorge übernimmt; so entsteht ein Verwahrungsvertrag. Das angenommene

A. Zum Gegenstand der Untersuchung

3

Zustandekommen durch Sachübergabe auf der einen Seite und die Konzentration auf die Rückforderung auf der anderen Seite7, sei es von denselben Sachen, die von einer Partei übergeben worden sind, sei es von gleichartigen Sachen. Hierin besteht der Kern der dogmatischen Struktur des modernen Realvertrages. Die Kategorie der Realverträge wurzelt in der europäischen Rechtswissenschaft, die von der Wiederentdeckung der Digesten in Oberitalien im 11. Jh. an eine neue Blüte nach dem Untergang Roms erfuhr.8 Gegenstand der neuen scientia iuris, die Anlass zur Bildung eines gemeinen Rechts (ius commune) gab9, war das Corpus iuris10, welches als ratio scripta betrachtet – und verehrt – wurde11. Die römischrechtliche Kompilation enthält zwei Quellen, die eine – in den Digesten – aus den res cottidianae12, die andere aus den Institutionen Justinians13, aus denen gefolgert werden könnte, dass im römischen Recht sowohl das mutuum (Darlehen) als auch das commodatum (Leihe), das depositum (Verwahrung) und das pignus (Pfand) als obligationes re contractae (modern gesagt: „Realverträge“) betrachtet wurden, d.h. als Versprechen, eine fremde, noch nicht übergebene Sache in die Obsorge zu übernehmen, macht zwar den versprechenden Teil verbindlich; es ist aber noch kein Verwahrungsvertrag.“ Auch § 971 ABGB (Leihe): „Wenn jemandem eine unverbrauchbare Sache bloß zum unentgeltlichen Gebrauche auf eine bestimmte Zeit übergeben wird; so entsteht ein Leihvertrag. Der Vertrag, wodurch man jemandem eine Sache zu leihen verspricht, ohne sie zu übergeben, ist zwar verbindlich, aber noch kein Leihvertrag.“ Im gleichen Sinne der bis zum 10. Juni 2010 geltende § 983 ABGB (Darlehen): „Wenn jemandem verbrauchbare Sachen unter der Bedingung übergeben werden, daß er zwar willkürlich darüber verfügen könne, aber nach einer gewissen Zeit ebensoviel von derselben Gattung und Güte zurückgeben soll; so entsteht ein Darlehensvertrag. Er ist mit dem, obgleich ebenfalls verbindlichen Vertrage (§ 936), ein Darlehen künftig zu geben, nicht zu verwechseln.“ Wie oben erwähnt, besteht das Darlehen im österreichischen Recht seit 2010 in einem Konsensualvertrag. Weitere Angaben hierzu bei Griss [2010] S. 1041 ff., 1066 ff. Eingehend in deutscher Sprache zur Beziehung zwischen Vorvertrag und Realvertrag vor und kurz nach Inkrafttreten BGB Adler [1892] S. 190 ff.; Schloßmann [1903] S. 1 ff. 7 Siehe jetzt Harke [2013] S. 30. 8 Dazu klassisch Calasso [1954] S. 345 ff.; Wieacker [1967] S. 26 ff.; Cortese [1992] S. 7 ff. Vgl. auch Bellomo [2005] S. 60 ff., 117 ff. Zur Schule der Glossatoren vgl. vor allem Weimar [1973] S. 129 ff.; Lange [1997] (dazu Jakobs [1999] S. 222 ff.); zu den Kommentatoren vgl. vor allem Horn [1973] S. 261 ff.; Lange/Kriechbaum [2007]. 9 Grundlegend zum Begriff ius commune Calasso [1951] S. 33 ff. Vgl. auch Bellomo [2005] S. 57 ff.; Jansen [2008] S. 159 ff.; ders. [2009] S. 916 ff. 10 Accursius, Magna Glossa, Gl. Notitia ad Dig. 1,1,10: omnia in corpore iuris inveniuntur. Über die Rezeption des Corpus iuris im Mittelalter vgl. etwa Radding [1993] S. 501 ff.; ders. [2000] S. 274 ff. Zur „Herrschaft“ des Corpus iuris als Grundlage der mittelalterlichen Rechtswissenschaft siehe nur Lange [1997] S. 30 ff. 11 Eingehend zum Ursprung des Ausdruckes ratio scripta im Mittelalter Guzmán Brito [1981]. 12 D. 44,7,1,2-6 (Gai. 2 res cott.). 13 I. 3,14pr.-4.

4

§ 1 Einleitung

Schuldverhältnisse, die „durch eine Sache“ kontrahiert werden.14 In diesem Zusammenhang haben die gemeinrechtlichen Juristen die Denkfigur des sog. contractus re auf diese vier Tatbestände angewendet15, obwohl sie als solche kein einziges Mal in den römischen Quellen erscheint.16 Für die mittelalterliche und neuzeitliche Jurisprudenz waren die Institutionen des Gaius nur mittelbar, hauptsächlich durch die im Corpus iuris enthaltenen Hinweise zugänglich17; eine genaue Anschauung dieses Anfängerlehrbuches fehlte.18 Sowohl die Komplexität als auch die Vielfältigkeit der römischen Rechtsentwicklungen waren in der Zeit des ius commune fast ausschließlich durch den Schleier der byzantinischen Kompilation zu beobachten und darauf beschränkt19; das Konfrontieren der Exzerpte aus den res cottidianae und der Institutionen Justinians mit den Institutionen des Gaius war demnach zu einem Großteil ausgeschlossen. Was die Struktur der obligatio re contracta im klassischen römischen Recht angeht, ist dieser Umstand maßgeblich: Die gemeinrechtlichen Gelehrten konnten bis zur Entdeckung des fast vollständigen Textes der Institutio-

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Ausführlich dazu unten § 5. Nach der mittelalterlichen Privatrechtslehre handelt es sich um Verträge, die durch eine Sache (re) „bekleidet“ werden. Für sie – wie für alle Verträge – wird die Willensübereinstimmung der Parteien als wichtigstes Element angesehen, allerdings reicht sie nicht aus, um die Verbindlichkeit rechtlich zu begründen. Jedenfalls weisen die Texte auf die Kontrahierung des Schuldverhältnisses durch Sachhingabe hin, nicht auf eine bloße „Bekleidung“ (vestimentum). Azo, Summa Codicis, si certum petatur (Fol. 107 Col. 2): Contrahitur autem mutuum si recepturi sumus non eandem speciem quam dedimus alioquin comodatum erit aut depositum sed idem genus id est tantundem in eodem genere. Eingehend zu den sog. vestimenta in der Lehre der Glossatoren Volante [2001] S. 99 ff. (dazu Stolfi [2002] S. 441 ff.). 16 Unzutreffend vertritt Bussi [1939] S. 7 die Ansicht, dass das römische Recht zwischen contractus re, verbis, litteris und consensu unterschieden habe, dass diese Unterscheidung bereits in der Zeit Justinians nur von historischer Bedeutung gewesen sei und dass die mittelalterliche Jurisprudenz kein Interesse an ihr gehabt habe. Der Ausdruck contractus re lässt sich aber erst im gemeinen Recht finden, was dieser Autor offenbar übersah. 17 Die Digesten enthalten knapp 15 Fragmente aus den Institutionen des Gaius, die Mehrheit (neun) aus dem ersten Buch: D. 1,1,9 (= Gai. 1,1); D. 1,5,1 (= Gai. 1,8); D. 1,5,3 (= Gai. 1,9); D. 1,5,6 (= Gai. 1,11); D. 1,6,1 (= Gai. 1,48; 50-53); D. 1,6,3 (= Gai. 1,55); D. 1,7,2 (= Gai. 1,98-99; 103; 107); D. 1,7,28 (= Gai. 1,133); D. 26,4,7 (= Gai. 1,156); aus dem zweiten Buch: D. 1,8,1 (= Gai. 2,2-3; 8-14); D. 28,1,4 (= Gai. 2,114); D. 28,3,13 (= Gai. 2,133); D. 41,1,10 (= Gai. 2,86-93); D. 41,3,37 (= Gai. 2,50); aus dem dritten Buch: D. 44,7,2 (= Gai. 3,135-137). Ausführlich zur indirekten Überlieferung der Institutionen des Gaius Nelson [1981] S. 80 ff., 182 ff. (dazu Liebs [1983] S. 113 ff.; Wieacker [1983a] S. 630 ff.); kurz Manthe [2004] S. 15 ff., 21 ff. 18 Manthe [2004] S. 15. 19 Man kannte die Epitome Gai, eine in der Lex Romana Visigothorum enthaltene gekürzte und umgeformte Version der gaianischen Institutionen. Grundlegend zu diesem Werk Archi [1937]. Vgl. auch Wenger [1953] S. 509 ff, 555 ff.; Schulz [1961] S. 381 ff.; Nelson [1981] S. 123 ff.; Liebs [2002] S. 127 ff.; Wieacker [2006] S. 246 f. 15

A. Zum Gegenstand der Untersuchung

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nen des Gaius 181620 keinen direkten Zugang zu einer präziseren Idee haben, was eigentlich re contrahitur obligatio für diesen hochklassischen Juristen 21 bedeutete. Die äußere Anordnung der Obligationsentstehungsgründe im Allgemeinen und der Realobligation im Speziellen in den res cottidianae und den Institutionen Justinians weicht von derjenigen der Institutionen des Gaius erheblich ab: Im gaianischen Lehrbuch wird nur ein Vertrag als Begründungstatbestand einer Realobligation (re contrahere) genannt, und zwar das mutuum22; darüber hinaus lässt sich die solutio indebiti (Zahlung einer Nichtschuld) als nichtvertraglicher Realobligationsentstehungsgrund bezeichnen23. Von sonstigen obligationes re contractae ist in den gaianischen Institutionen so gut wie keine Rede. Was die res cottidianae und die Institutionen Justinians betrifft, spricht man in beiden Werken von re contrahere bezeichnenderweise nur in Bezug auf die mutui datio (Darlehensgewährung); trotzdem wird die Rückgewährpflicht jeweils von Entleiher, Verwahrer und Pfandgläubiger als re obligari im Allgemeinen bezeichnet. Dies hat Anlass zur verbreiteten Ansicht gegeben, dass die Leihe, die Verwahrung und das Pfand die „Realverträge“ des römischen Rechts zusammen mit dem Darlehen gebiltet haben. Aus dem Gebrauch des speziellen Ausdruckes re contrahere in den Quellen ergibt sich, dass die römische Realobligation aus einer eigentumsverschaffenden Sachüberlassung entstand, nicht aus einer bloßen ohne dinglichen Bezug erfolgenden Sachhingabe.24 Diese Bedeutung der obligatio re contracta war aber bis zum „Glücksstern“ Niebuhrs unbekannt. Unter diesen Umständen war für eine kritische Auseinandersetzung mit den Texten der sog. gaianisch-justinianischen Tradition hinsichtlich der Realobligation kein Platz. Dass die Sachhingabe, sei es mit oder ohne Eigentumsübertragung, die Voraussetzung für das Zustandekommen einer bestimmten Kategorie von Schuldverhältnissen bildet, stand im ius commune außer Frage: res ipsa facit 20

Zur Entdeckung durch Barthold Georg Niebuhr in einem Palimpsest der Biblioteca Capitolare von Verona vgl. Briguglio [2011] S. 263 ff.; Varvaro [2011] S. 239 ff.; ders. [2012]. Monografisch zum Cod. Ver. Briguglio [2012]. 21 So nach der üblichen deutschen Periodisierung. Die italienische Romanistik gliedert die Geschichte der römischen Jurisprudenz nach Kaiserdynastien. So entspricht die „Hochklassik“ im Wesentlichen dem, was die italienische Lehre als „epoca antoniniana“ (sog. Adoptivkaiserzeit, zweite Hälfte des 2. Jhs. n. Chr.) bezeichnet. Die Übersetzung von „Hochklassik“ in die romanischen Sprachen für die Periodisierung der Geschichte ist jedenfalls nicht unproblematisch, da „hoch“ (französisch haut, italienisch und spanisch alto) eine völlig andere Bedeutung zugeschrieben wird, etwa beim Ausdruck „alto medioevo“, mit dem sowohl auf Italienisch als auch auf Spanisch nicht das Hochmittelalter, sondern das Frühmittelalter bezeichnet wird. Gleiches gilt für den französischen Ausdruck „haut moyen âge“. 22 Gai. 3,90: Re contrahitur obligatio velut mutui datione (…). 23 Gai. 3,91: Is quoque, qui non debitum accepit ab eo, qui per errorem soluit, re obligatur (…) sed haec species obligationis non uidetur ex contractu consistere (…). 24 Ausführlich dazu unten § 4.

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§ 1 Einleitung

contractum. Davon ist die gesamte romanistische Rechtstradition bis zu den modernen Kodifikationen ausgegangen.25 Der unzweifelhafte Einfluss des römischen Privatrechts auf die modernen Rechtsordnungen kontinentaleuropäischer Rechtskultur gibt also den Anstoß dafür, die Frage zu stellen, inwieweit die Kategorie der Realverträge, so wie wir sie kennen, schon dem Recht der alten Römer zugeschrieben werden darf oder nicht.

B. Zum Forschungsstand. Überblick B. Zum Forschungsstand. Überblick

Mit der dieser Untersuchung zugrunde liegenden Frage, ob eine Kategorie der Realverträge, so wie wir sie uns vorstellen, im römischen Recht wirklich bestand, hat sich die Romanistik kaum beschäftigt. Dass die Römer die angesprochene Kategorie kannten und dass deren Bestandteile mutuum, commodatum, depositum und pignus waren, wird in der Lehre gemeinhin für eine Tatsache gehalten. Was die Lehrbuchliteratur angeht, bilden die Realverträge einen unentbehrlichen Teil jeder Darstellung des römischen Vertragsrechts.26 Gemeinsame Merkmale der römischen Realverträge seien nach der herrschenden Meinung die Schuldverhältnisbegründung durch Sachhingabe einerseits und die Konzentration auf die Rückgewähr der hingegebenen Sachen andererseits, d.h. die oben erwähnten Charakteristika des modernen Realvertrages.27 Manche bezeichnen diese Kategorie ohne Weiteres als „unumstrittene Gegebenheit“ (dato acquisito).28 Es wurde sogar unlängst die Existenz eines Systems der Realverträge im römischen Recht behauptet, welches von anderen Vertragssystemen (der Verbal- und Konsensualverträge) zu unterscheiden sei.29 Die einzige Monografie, die sich ausführlich dieser Frage widmet, trägt bezeichnenderweise den Titel „La categoria dei contratti reali. Corso di diritto romano“ und hat zum Ziel, die Klassizität des Realvertragscharakters von Darlehen, Leihe und Verwahrung (nicht vom Pfand) zu beweisen.30 Die darin 25

Zur Lehre der Realverträge im gemeinen Recht siehe Coing [1985] S. 469 ff. Um die Liste nur auf die aktuellste deutschsprachige Lehrbuchliteratur zu beschränken, vgl. Liebs [2004] S. 242 ff.; Harke [2008] S. 162 ff.; Honsell [2010] S. 118 ff.; Kaser/Knütel [2014] S. 228 ff. 27 S.o. § 1 A. 28 Pugliese/Sitzia/Vacca [2012] S. 315. 29 Harke [2013] S. 38: „Erkennt man, dass Real-, Verbal- und Konsensualverträge nicht Elemente eines einheitlichen Ganzen, vielmehr zeitlich und sachlich voneinander getrennte Phänomene sind, kann man gleich drei Systeme ausmachen, die jeweils das Potential hatten, die gesamte Breite vertraglicher Schuldbeziehungen zu erfassen (…). Ein System gab es aber nicht. Es gab drei.“ 30 Maschi [1973] insbes. S. 74 ff. Im gleichen Sinne schon ders. [1971] S. 667 ff., 690 ff. 26

B. Zum Forschungsstand. Überblick

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angeführten Argumente sind jedoch alles andere als befriedigend.31 Nur vereinzelt hat man diesbezüglich einen Vorbehalt formuliert, um bestenfalls zwischen Realverträgen „im eigentlichen und im nicht eigentlichen Sinne“ zu unterscheiden32 oder von Realverträgen des ius gentium zu reden33. Allerdings ergeben sich diese Annahmen aus den römischen Quellen nicht: Von uneigentlichen oder völkergemeinrechtlichen obligationes re contractae, die vom mutuum zu trennen wären, war im römischen Recht keine Rede. Schon die in unseren Quellen bezeugte Zurechnung des mutuum dem ius gentium 34 macht die Unterscheidung zwischen diesem Vertrag und sonstigen angeblichen „völkergemeinrechtlichen Realverträgen“ zwecklos. Von Einzelheiten abgesehen, hat es sich bisher in der Lehre als herrschende Meinung durchgesetzt, ohne auf nennenswerten Widerstand gestoßen zu sein, dass die Kategorie der Realverträge ein authentisches römisches Konstrukt sei. Es handelt sich aber um eine Ansicht, die den Inhalt der römischen Quellen kaum widerspiegelt. Eine aufmerksamere Analyse der uns erhaltenen Texte, in denen Darlehen, Leihe, Verwahrung und Pfand in Betracht kommen, erlaubt eher die Erkenntnis, dass im klassischen römischen Recht die erwähnte Kategorie, so wie wir sie kennen, mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht existierte. Die Quellen bezeugen, dass die Römer die obligatio re contracta kannten und ihre Kennzeichen bestimmten.35 Jedenfalls hatte sie mit der modernen Realvertragsidee sehr wenig zu tun: Die römische obligatio re contracta oder, wenn man die Sprache unserer Quellen in die Sprache des modernen Rechts übertragen will, der römische „Realvertrag“ war das vertragliche Schuldverhältnis, welches durch eigentumsverschaffende Sachüberlassung (datio rei im rechtstechnischen Sinne) begründet wurde. „Durch eine Sache“ (re) lässt sich eine Schuldbeziehung nur insoweit kontrahieren, als etwas übereignet worden ist, wie Paulus uns unterrichtet: re enim non potest obligatio contrahi, nisi quatenus datum sit.36 Ferner ging es um ein strikt einseitiges Schuldverhältnis, aus dem eine symmetrische Rückgewährpflicht entstand, welche mit einer strengrechtlichen reddere-Klage, der condictio (Kondiktion)37, durch31

S.u. § 4 A IV2. Guarino [2001] S. 855 ff. 33 Talamanca [1990a] S. 547 ff.; zusammengefasst ders. [2013] S. 263 ff. 34 Gai. 3,132: (…) sed numeratione pecuniae obligantur; quod genus obligationis iuris gentium est. Siehe auch D. 50,17,84,1 (Paul. 3 quaest.). Dazu vgl. Kaser [1993a] S. 140, 152 ff. 35 Siehe Gai. 3,90 (vgl. Gai Ep. 2,9,1); D. 2,14,17pr. (Paul. 3 ad ed.); D. 44,7,1,2 (Gai. 2 res cott.); D. 44,7,52,1 und 3 (Mod. 2 reg.); D. 46,3,80 (Pomp. 4 ad Q. Muc.); D. 50,16,19 (Ulp. 11 ad ed.); I. 3,14pr. 36 D. 2,14,17pr. (Paul. 3 ad ed.). Ausführlich dazu unten § 4 B II. 37 Die römische condictio war auf die Verwirklichung von Rückforderungsansprüchen mangels eines Behaltungsgrundes (causa retinendi) gerichtet. Näheres dazu unten § 2 B I. 32

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§ 1 Einleitung

setzbar war: Nur der Nehmer geht eine Verpflichtung ein, und zwar zur Rückgewähr der gleichen Geldsumme bzw. des einfachen Wertes der übereigneten Sache; hierin erschöpft sich die von ihm geschuldete Leistung, wie der spätklassische Jurist uns in derselben Stelle berichtet: Si tibi decem dem et paciscar, ut viginti mihi debeantur, non nascitur obligatio ultra decem.38 Das Gesagte spricht maßgeblich für die Beschränkung unserer „Vertragskategorie“ auf das mutuum (mutui datio). Das Darlehen ist der einzige Vertrag, der diese Elemente verbindet: Einseitigkeit des Schuldverhältnisses, Strengrechtlichkeit der Rückgabepflicht und Begründung durch Sachübereignung. Dies ergibt sich mit Deutlichkeit aus den Institutionen des Gaius: Re contrahitur obligatio velut mutui datione.39 Durch Sachübereignung (re) wird eine Schuldbeziehung nämlich40 durch Darlehensgewährung (mutui datione) begründet.41 Auch die strengrechtliche Rückgewährpflicht aus solutio indebiti kann als Realobligation bezeichnet werden, da ihr ebenso eine Eigentumsübertragung zugrunde liegt (nam proinde ei condici potest si paret eum dare oportere), aber nicht als eine aus Vertrag (non videtur ex contractu consistere). Insofern gebraucht Gaius für diesen Tatbestand die sehr generelle Redewendung re obligatur42, nicht die spezielle re contrahitur obligatio, die dem mutuum vorbehalten bleibt. Über sonstige Realobligationsentstehungsgründe, seien sie vertraglich oder nicht, versagen uns die Institutionen des Gaius jede Auskunft (dazu ausführlich § 4). Das Gleiche gilt für andere Quellen klassischer Zeit, in denen die Begründung einer vertraglichen Schuldbeziehung „durch eine Sache“ (re) erörtert wird: Die vertragliche Realobligation entsteht ausnahmslos aus einer Darlehensgewährung. 43 38

Im gleichen Sinne D. 12,1,11,1 (Ulp. 26 ad ed.), wo Ulpian auf die seiner Meinung nach zutreffende Lehre des Proculus zurückgreift: Si tibi dedero decem sic, ut novem debeas, Proculus ait, et recte, non amplius te ipso iure debere quam novem. sed si dedero, ut undecim debeas, putat Proculus amplius quam decem condici non posse. 39 Gai. 3,90. Ausführlich zu dieser Quelle unten § 4 A II. 40 Zur Übersetzung der Partikel velut als „nämlich/und zwar“ statt – wie üblich – „beispielsweise“ s.u. § 4 A II2a). 41 Siehe auch Gai. 3,131: In dieser Quelle werden die nomina arcaria (Kassenforderungen) ausdrücklich als Entstehungsgründe einer Realobligation bezeichnet, da sie in der Eintragung in das Hausbuch des Gläubigers (codex accepti et expensi) von einer wirklichen Geldauszahlung (numeratio: Gelddarlehensgewährung) bestehen: Alia causa est eorum nominum, quae arcaria uocantur. in his enim rei, non litterarum obligatio consistit (…) numeratio autem pecuniae rei facit obligationem (...). Soweit in das Hausbuch fiktive Zahlungen eingetragen werden, geht es nicht um Kassenforderungen, sondern um Buchforderungen (nomina transscripticia), die nicht re, sondern litteris begründet werden. Es handelt sich um den sog. Litteralkontrakt (Gai. 3,128 ff.). Näheres dazu unten§ 4 A II2a). 42 Gai. 3,91: Is quoque, qui non debitum accepit ab eo, qui per errorem solvit, re obligatur (...). Ausführlich zu dieser Quelle unten § 4 A III. 43 D. 2,14,17pr. (Paul. 3 ad ed.); D. 44,7,52,3 (Mod. 2 reg.); D. 46,3,80 (Pomp. 4 ad Q. Muc.); D. 50,16,19 (Ulp. 11 ad ed.). Dazu s.u. §§ 2 B und 4 B.

B. Zum Forschungsstand. Überblick

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Die traditionelle Betrachtung des commodatum, des depositum und des pignus – Schuldverhältnisse, die durch bloße, nicht eigentumsverschaffende Sachüberlassung begründet werden – als Realverträge, beruht ausschließlich auf den res cottidianae und den Institutionen Justinians. Zwei Quellen – D. 44,7,1,2-6 und I. 3,14pr.-4 – stellen die Leihe, die Verwahrung und das Pfand auf den ersten Blick als eine Gruppe von vertraglichen Schuldbeziehungen mit dem Darlehen zusammen. In den erwähnten Texten ist jedoch im Hinblick auf diese Tatbestände bezeichnenderweise nicht von obligationes re contractae die Rede, sondern nur davon, dass jemand „aufgrund einer Sache“ eine Rückgewährpflicht eingeht: re obligatur, wie bei der Zahlung einer Nichtschuld in den gaianischen Institutionen, ggf. re tenetur. Hier geht es weniger um den Schuldverhältnisbegründungstatbestand an sich als vielmehr um die konkrete Situation des Nehmers, der zur Rückgabe der res ipsa verpflichtet ist. Dies scheint auf die Kennzeichen der jeweiligen Tatsachenklagen (actiones commodati, depositi und pigneraticia in factum conceptae) hinzuweisen, die auf die Rückforderung des einfachen Sachwertes (quanti ea res est) gerichtet und beschränkt sind44 (wie die zivilrechtliche condictio des Darlehensgebers und des Zahlenden einer Nichtschuld), mehr als auf die vertraglichen Figuren selbst (dazu ausführlich § 5). Von einer Bezeichnung der Leihe, der Verwahrung oder des Pfandes als Fälle des re contrahere finden sich in den uns erhaltenen Quellen keine Spuren. Wie in den folgenden Paragrafen der vorliegenden Untersuchung gezeigt wird, kommt der Ausdruck re contrahere (modern gesagt: Realvertrag), mit dem die Begründung einer Kontraktsobligation „durch eine Sache“ gemeint wird, in der Gesamtheit der römischen Quellen und in allen Stufen der römischen Rechtsentwicklung von der Vorklassik bis zur justinianischen Zeit ausschließlich in Bezug auf das mutuum zur Anwendung. Der Unterschied zwischen der obligatio re contracta in den Institutionen des Gaius und der angeblich ausgedehnten Kategorie der Realverträge in den res cottidianae und den Institutionen Justinians ist in der Lehre freilich nicht übersehen worden. Aber sie ist zu stark von der justinianischen Systematik und der davon ausgehenden romanistischen Tradition zum Nachteil des gaianischen Lehrbuches abhängig geblieben.45 Um jeden Preis hat man gewollt, 44

So ergibt sich aus Gai. 4,47 für die in factum konzipierten Klagen wegen Verwahrung und Leihe: (…) si paret (…) mensam argenteam (…) redditam non esse, quanti ea res erit, tantam pecuniam (…) condemnato. 45 Die Auseinandersetzung des modernen Rechtshistorikers mit den Quellen der sog. gaianisch-justinianischen Tradition stellt eine methodologische Frage ersten Ranges dar, die hier jedoch nicht vertieft werden kann. Die romanistische Forschung ist von dieser Tradition maßgeblich geprägt worden. Sowohl Darstellungen des römischen Privatrechts im Allgemeinen als auch konkreter Fragen im Speziellen tendieren dazu, durch die „Systematik“ der angesprochenen Tradition – die, nebenbei gesagt, nicht immer so „systematisch“ ist, wie man gemeinhin glaubt – bestimmt zu werden. In diesem Sinne Sargenti [1976] S. 458: „La sistematica gaiana ci condiziona, insomma, come ha sempre condizionato lo studio del diritto

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§ 1 Einleitung

den Realvertragscharakter der Leihe, der Verwahrung und des Pfandes dem Gaius der Institutionen selbst zuzuschreiben.46 Ausgangspunkt jeder (überwiegend lehrbuchlicher) Erörterung der sog. Realverträge im römischen Recht ist „das alte und sehr bekannte Problem“47 der Beschränkung der obligatio re contracta in den Institutionen des Gaius auf den Darlehensvertrag.48 Der Lehre ist es ein „Rätsel“49, warum Gaius weder die Leihe noch die Verwahrung noch die Verpfändung als obligationes re contractae bezeichnete, obwohl in den Institutionen klar erscheint, dass er diese Schuldverhältnisse gut kannte50. Diese Ansicht unterstellt als eine Gegebenheit, dass Gaius – und mit ihm die klassische Jurisprudenz – sowohl die Leihe als auch die Verwahrung und das Pfand für obligationes re contractae gehalten habe, auch wenn er sie nicht ausdrücklich so nannte; andernfalls hätten ihre Vertreter kein erklärungsforderndes rätselhaftes Schweigen des Gaius vor Augen. Die Möglichkeit, dass Gaius nur das mutuum als obligatio re contracta genannt hat, weil nur es Begründungstatbestand einer Realobligation aus Vertrag im klassischen römischen Recht war, wird in der Lehre nicht einmal berücksichtigt. In diesem Zusammenhang ist die Einschränkung der Realvertraglichkeit auf das Darlehen für eine „Lücke“ (lacuna)51 oder „Auslassung“ (omissione) in den Institutionen gehalten worden und man hat versucht, den Grund für einen solchen angeblichen Fehler des Gaius zu finden.52 Mangels einer überzeugenden Erklärung hat man sogar behauptet, dass der Grund für diese „Lücke“ das Versehen eines Abschreibers oder Kopisten gewesen sei.53 Dieser Ansicht nach hätte der unbekannte Abschreiber eine ganze Seite des Cod. Ver. einfach übersprungen. Dieses Argument ist freilich nichts mehr als eine petitio principii. Es ist alles andere als offensichtlich, dass Gaius mehrere romano, anche prima che si conoscesse direttamente l’opera del giurista, avendo cominciato a condizionare i compilatori giustinianei ed influenziato, attraverso di essi, tutti gli sforzi sistematici del pensiero giuridico occidentale.“ Weitere Angaben zur Frage der römischen Ursprünge der modernen Rechtssystematik bei Wołodkiewicz [1978b]. 46 Auch D’Ors [1975b] S. 7 ff., der die Klassizität der Kategorie der Realverträge abstreitet und daher Gaius als „Vornachklassiker“ bezeichnet. 47 Guarino [1968] S. 115. 48 Dazu vgl. vor allem Maschi [1971] S. 690 ff.; ders. [1973] S. 74 ff.; Quadrato [1979] S. 69 ff. Schulz [1934] S. 36 (Fn. 61) zählt die Beschränkung auf die mutui datio ohne Weiteres zu den „erstaunlichen Willkürlichkeiten“ der Institutionen des Gaius. Gründe für eine so scharfe Aussage werden von diesem Autor nicht einmal angedeutet. 49 Wubbe [1967] S. 503. 50 Siehe Gai. 2,50; 3,196-7; 3,200; 3,204; 3,206-7; 4,33; 4,47. 51 Quadrato [1979] S. 69 ff. 52 Vgl. etwa für Leihe und Verpfändung Segré [1906] S. 331 ff.; für die Verwahrung Rotondi [1922a] S. 39 ff.; Gandolfi [1976] S. 10 ff.; für die Leihe Pastori [1995] S. 150 ff.; für Leihe und Verwahrung Maschi [1971] S. 698 ff. 53 Maschi [1971] S. 742 ff.; ders. [1973] S. 246 ff.

B. Zum Forschungsstand. Überblick

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obligationes re contractae kannte; die Quellen sprechen in der Tat maßgeblich dagegen. Die Suche nach der Kategorie der Realverträge im römischen Recht hat auch die Ediktsforschung involviert. Nicht nur die Kondiktion, sondern auch die „kondiktionenartigen“54 Tatsachenklagen wegen Leihe und Verpfändung finden sich im edictum de rebus creditis (Titel XVII nach der Wiederherstellung Lenels), wohingegen die Verwahrung im edictum de bonae fidei iudiciis (Titel XIX nach Lenel) eingeordnet ist. Vergeblich hat man versucht, die Stellung der actio depositi unter den Klagen nach Treu und Glauben zu erläutern, da in klassischer Zeit der Rückforderungsanspruch des Hinterlegers nicht nur durch eine actio in ius ex fide bona zu verwirklichen war, sondern auch durch eine in factum konzipierte Klage, die, wie die condictio und die actiones commodati und pigneraticia in factum conceptae, auf die Rückgewähr des einfachen Sachwertes gerichtet war. 55 Das Problem liegt für die herrschende Meinung darin, dass das depositum der einzige „Realvertrag“ sei, dessen Klage nicht in den Titel XVII des prätorischen Edikts eingeordnet wurde. Die Lehre geht von der Vermutung aus, dass die römische Verwahrung, genauso wie das Darlehen, die Leihe und das Pfand, eine causa credendi (Kreditentstehungsgrund) gebildet habe, sodass die hinterlegte Sache zu den res creditae zählen sollte. Insofern hat man angenommen, dass die Klage wegen Verwahrung aus einer ursprünglichen Stellung im edictum de rebus creditis durch das edictum de bonae fidei iudiciis „angezogen“ worden sei.56 Diese Ansicht setzt voraus – obwohl nicht immer so explizit ausgedrückt –, dass das edictum de rebus creditis eine Art Widerspiegelung der sog. Kategorie der Realverträge im prätorischen Edikt darstelle, sodass alle Elemente der Vertragskategorie hier zusammengestellt sein sollten.57 Anders formuliert: causa credendi und obligatio re contracta seien zwei Seiten derselben Medaille.58 Nur unter diesen Prämissen könnte die 54

Vgl. Pernice [1873] S. 429 ff.; Kaser [1935] S. 65 ff. Gai. 4,47. Zur Frage der Klageduplizität in der neuesten Literatur vgl. Kranjc [2005] S. 127 ff.; Veronese [2011] S. 239 ff., 253 ff.; Walter [2012] S. 65 ff. 56 Vgl. Maschi [1973] S. 226 ff. In diesem Sinne bereits Bonfante [1934] S. 404 (Fn. 1). 57 Zutreffend kritisiert Albanese [1971] S. 33 (Fn. 13) diese Ansicht: „Alla base di tutte le difficoltà sta chiaramente la convinzione, a nostro avviso infondata, di una coincidenza, o comunque di una stretta relazione, tra il credere edittale e la formazione della categoria dei c.d. contratti reali comprensiva del mutuo, commodato, deposito e pegno.“ 58 In diesem Sinne vgl. vor allem Maschi [1973] S. 254 ff. Unlängst (und noch schärfer) hat Castresana [2013] S. 199 dieselbe Ansicht vertreten: „Las relaciones protegidas en el Edicto son cuatro: la pecunia constituta, el commodatum, el pignus y el depositum. En todas ellas, a excepción de la pecunia constituta, subsiste la entrega de bienes como elemento típico constitutivo de compromiso (…). Hay una simple consigna de bienes que el pretor descubre como principio operativo en la relación de crédito, lo cual no deja de recordarnos el valor vinculante de la entrega material de cosas (= elemento real = re obligatio contracta).“ Die Behauptung dieser Autorin, dass die Verwahrung zum edictum de rebus creditis gehöre, ist 55

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Stellung der actio depositi im edictum de bonae fidei iudiciis als verblüffend erscheinen. Für die angesprochene Meinung enthalten unsere Quellen keinen Beleg; sie übersieht sowohl die Trennung zwischen dem depositum und den causae credendi, die sich aus den Texten ergibt59, als auch die Entwicklungsgeschichte der actio depositi selbst60. Die Quellen unterrichten uns mit Klarheit, dass das depositum keine causa credendi war, und keine Quelle lässt vermuten, dass die actio depositi einst mit der condictio und anderen „kondiktionenartigen Klagen“ (den actiones commodati und pigneraticia in factum) in das edictum de rebus creditis zusammengestellt wurde. Aus einer Stelle, in der Paulus eine condictio depositae rei nomine anerkennt, folgt nicht unbedingt, dass die Verwahrung einst im edictum de rebus creditis eingeordnet war, sondern nur, dass man in einem konkreten Sachverhalt, von dem wir so gut wie nichts wissen, wegen Verwahrung kondizieren konnte.61 Hinzu freilich unzutreffend: Die Klage wegen Verwahrung findet sich im Titel XIX de bonae fidei iudiciis des prätorischen Edikts. 59 Am deutlichsten in D. 42,5,24,2 (Ulp. 63 ad ed.): (…) aliud est enim credere, aliud deponere. Siehe auch D. 12,1,1,1 (Ulp. 26 ad ed.), Stelle, in der das depositum nicht zu den causae credendi gezählt wird. 60 Man findet in den Quellen gewisse Gründe für die Annahme, dass die Geltendmachung des Rückgewährsanspruches des Hinterlegers einen ursprünglichen Deliktscharakter gehabt hätte. Dafür spricht besonders deutlich die Verurteilung auf das Doppelte nach dem Recht der Zwölftafeln (XII Tab. 8,19; PS 2,12,11 = Coll. 10,7,11) sowie die Beschränkung der Haftung des Verwahrers auf dolus. Nach Kaser [1971] S. 535 hätte die in factum konzipierte Formel pönale Merkmale besessen, die jedoch durch die Beschränkung auf den einfachen Sachwert abgestreift worden seien. Ausführlich zu dieser Frage Walter [2012] S. 203 ff. Allgemeines über die Klagbarkeit der Verwahrung unten § 5 A IV5. 61 D. 16,3,13,1 (Paul. 31 ad ed.): Competit etiam condictio depositae rei nomine, sed non antequam id dolo admissum sit: non enim quemquam hoc ipso, quod depositum accipiat, condictione obligari, verum quod dolum malum admiserit. Ungewiss ist, ob das römische Recht eine Konkurrenz von condictio und actio depositi kannte. Die neueste Forschung orientiert sich an der Annahme, dass es in dieser Quelle um eine condictio ex causa furtiva gehe, wahrscheinlich aus furtum usus wie in D. 13,1,16 (Pomp. 38 ad Q. Muc.). In diesem Sinne Walter [2012] S. 329 ff. Allerdings enthält der paulinische Text, so wie er uns erhalten ist, kein klares Indiz dafür. Paulus gewährt die condictio auch bei der Leihe, wie man in D. 12,5,9pr. (Paul. 5 ad Plaut.) liest, nämlich für einen Fall, der nichts zu tun mit dem furtum hat. Er bezieht sich aber eindeutig auf den Diebstahl in seinem Einzelbuch über die Konkurrenz der Klagen: D. 44,7,34,1 (Paul. l.s. conc. act.). Wie Walter zu Recht sagt (S. 332), fehlt in den Quellen die ausdrückliche Bezeichnung der condictio als ex causa furtiva, sofern es klar erscheint, dass es um diesen Tatbestand geht. Der Zusammenhang von D. 16,3,13,1 ist uns aber völlig unbekannt, sodass die Aussage Walters, dass „auch in unserer Stelle“ erkennbar gewesen sein könnte, dass es um die Kondiktion wegen Diebstahls geht (S. 332), eine reine Konjektur darstellt. Saccoccio [2002] S. 135 ff. vertritt die Meinung, dass der Hinterleger die res deposita wegen rechtsgrundlosen Behaltens durch den Verwahrer kondizieren könnte; die Stelle stimme mit der allgemeinen Rückforderungsbarkeit wegen Vorenthaltung ex iniusta causa nach D. 12,5,6 (Ulp. 18 ad Sab.) überein. Es ist jedoch nicht klar, und Saccoccio erläutert das auch nicht, in welchen Fällen, die keine Leistungsstörung darstellen und daher die Erhebung der actio depositi nicht zulassen, der Verwahrer die hinterlegte Sache ex iniusta

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kommt, dass unter den Prämissen der erwähnten Ansicht auch der Grund der Stellung der Klage wegen Leihe im Edikt de rebus creditis im Dunkeln bleiben würde, denn der Anspruch des Verleihers war in klassischer Zeit ebenso mit einer Klage nach Treu und Glauben geltend zu machen62; trotzdem wurde das commodatum durch das edictum de bonae fidei iudiciis nicht „angezogen“. Wir sind der Meinung, dass das Hauptproblem bezüglich der Interpretation des edictum de rebus creditis darin besteht, dass die Lehre im prätorischen Edikt nicht selten materiellrechtliche Figuren vielmehr als Klagen sieht. Das edictum perpetuum stellt in Wirklichkeit keinen Katalog von Rechtsgeschäften dar, sondern von Rechtsbehelfen.63 Wie unten gezeigt wird, finden sich die Tatsachenklagen wegen Leihe und Verpfändung im Edikt de rebus creditis, weil sie nach dem Vorbild der condictio – der auf Rückgewähr einer res credita gerichteten Klage schlechthin – gebildet wurden, nicht weil bei der Begründung der Leih- und Pfandschuldverhältnisse eine Sachhingabe vorkommt. Die verpflichtungserzeugende Tätigkeit spielt für die Einordnung einer actio in das edictum de rebus creditis keine Rolle, wie die Vielfalt der causae credendi in dieser Hinsicht zeigt: Sowohl die stipulatio certi als auch die pecunia constituta, also eine Verbal- und eine Konsensualobligation, bilden Kreditentstehungsgründe. Der Angelpunkt des edictum de rebus creditis ist die prozessuale Durchsetzbarkeit der jeweiligen Ansprüche durch eine strengrechtliche reddere-Klage, sei sie die Kondiktion selbst oder eine kondiktionenartige Klage, ohne Rücksicht auf die Art, auf die das Schuldverhältnis zu begründen ist. Über die Einordnung der Leihe, der Verpfändung und der Verwahrung in das re contrahere versagt uns das Edikt jeden Beleg.64 Die angebliche „Lücke“ in den Institutionen des Gaius im Rahmen der Erörterung der obligatio re contracta einerseits und die Beziehung des edictum de rebus creditis zu Leihe, Verpfändung und Verwahrung andererseits stellen den Kern des Forschungsstands über die sog. Kategorie der Realverträge im römischen Recht dar. Bedauerlicherweise hat sich die Lehre auf diese Randprobleme konzentriert und nicht auf die Hauptfrage, von der jede Erforschung der römischen Realobligation ausgehen muss, und zwar die Bedeutung, welcausa vorenthält. Diese Frage, die hier nicht vertieft werden kann, fordert eine zusammenfassende kritische Untersuchung über die Lehre der condictio bei Paulus. 62 Gai. 4,47. Zur Klage nach Treu und Glauben des Verleihers vgl. vor allem Pastori [1995] S. 95 ff., 122 ff. 63 Siehe die zutreffende Anmerkung von D’Ors [1964] S. 397 zur „Systematik“ der römischen Verträge Grossos, die ohnehin die gesamte Rechtsromanistik als Adressat hat: „(...) si se me permite una observación general a la ‘impostazione’ de Grosso, diría que se preocupa demasiado de la sistemática de las figuras (como ya Gayo) y demasiado poco de las acciones, que es lo que realmente interesaba a los clásicos.“ Zum „Stil“ des Edikts vgl. Kaser [1951] S. 21 ff. 64 Dazu s.u. § 5 A III-V.

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che die klassischen Juristen der Begründung eines Schuldverhältnisses „durch eine Sache“ (re contrahitur obligatio) zugeschrieben haben. Eine unumstrittene Tatsache ist die Klassizität der Kategorie der Realverträge nämlich nicht. Andernfalls wäre die vorliegende Untersuchung überflüssig. Die klassischen Juristen kannten keinen allgemein geltenden Vertragsbegriff, sondern nur verschiedene Ansichten, die einander gegenüberstanden.65 Demzufolge haben sie auch keine allgemein geltenden „Vertragskategorien“ gebildet. Die Römer hatten keine besondere Neigung zu theoretischen Konstruktionen und Definitionen66; für manche Rechtsinstitute ist ein Terminus vorhanden, es fehlt aber eine Definition.67 Klassifizierungen des Rechtsstoffes sind grundsätzlich in der didaktischen Literatur zu finden.68 Der Aufbau abstrakter Rechtsbegriffe und Kategorien ist vielmehr ein typisches Erzeugnis der Pandektenwissenschaft und ihre Übertragung auf die klassische Jurisprudenz kann mit sich bringen, wie von Lübtow sich ausdrückt, „die Wirklichkeit zu vergewaltigen“ 69. Die Römer dachten an die konkreten Rechtsfiguren, aus denen sich ihre Rechtsordnung aufbaute, ohne zu allgemeinen Kategorien vorzudringen.70 Das Gesagte bedeutet aber nicht, dass eine „geniale Intuition“ – so nach Kaser – die Rechtsfindung der römischen Juristen entscheidend kennzeichne65

Überblick bei Riccobono [1930] S. 123 ff.; Grosso [1961] S. 750 ff.; Schiavone [1971] S. 37 ff.; Melillo [1982] S. 449 ff.; Talamanca [2006] S. 37 ff.; Burdese [2007] S. 565 ff.; Paricio [2008] S. 25 ff.; Sirks [2014] S. 133 ff. 66 Die Römer schätzten allgemeine juristische Regeln, Lehren und Begriffe nämlich nicht, sondern sie zeigten sich zurückhaltend diesen gegenüber. Prägnant Javolen in D. 50,17,202 (Iav. 11 epist.): Omnis definitio in iure civili periculosa est: parum est enim ut non subverti possit. Definitio ist hier gleichbedeutend mit regula. Vgl. Heumann/Seckel [1926] S. 129. Über die Definitionen der römischen Juristen und insbesondere für diese Stelle vgl. Behrens [1957] S. 352 ff.; Martini [1966] S. 167 ff.; ders. [1984] S. 146 ff.; Carcaterra [1966] S. 185 ff.; Albanese [1970] S. 701 ff.; Nörr [1972b] S. 18 ff.; Eckardt [1978] S. 179 ff.; Reinoso Barbero [1987] S. 285 ff.; Giaro [2007b] S. 262 ff.; Scarano Ussani [2012] S. 109 ff. 67 Schulz [1934] S. 30 spricht von einer „Abstraktionsfeindschaft“ der Römer, die sich in der „Abneigung der juristischen Begriffsbestimmung“ zeige. Zur Frage der juristischen Terminologie der Römer vgl. Kaser [1965] S. 97 ff. 68 In besonderem Maße in den Werken der sog. gaianisch-justinianischen Tradition. Zur Kategorienbildung im römischen Recht vgl. (jedenfalls sehr systematisch orientiert) Vincenti [2007], der im Wesentlichen dem gaianischen Schema personae – res – actiones folgt, um dann verschiedene Rechtsinstitute in mehrere Kategorien und Unterkategorien zu unterteilen. Grundlegend zur Lehre der sog. „Werktypen“ der römischen Jurisprudenz Schulz [1961] S. 186 ff., 380 ff. für die „isagogische“ (einführende, didaktische) Literatur; weiterhin Liebs [1997] S. 99 ff. Jüngst über diese Frage (zurückhaltend) Baldus [2012b] S. 50 ff. 69 Von Lübtow [1944] S. 231. 70 Kaser [1971] S. 2. Hiermit könnte man an eine sozusagen „konservative Tendenz“ der römischen Jurisprudenz zum Einzelfall denken, im Gegensatz zu einer „progressiven Tendenz“ zum System. Dazu vgl. vor allem Nörr [1978] S. 153 ff.; ders. [1983] S. 9 ff. Schulz [1934] S. 57 ff. hat den sog. „Konservativismus“ der römischen Juristen zum Prinzip des römischen Rechts erhoben.

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te.71 Mit Intuition meinte Kaser die „Gewinnung der richtigen Entscheidung durch ein unmittelbares Erfassen, das des rationalen Argumentierens nicht bedarf“, das „spontane Erschauen der richtigen Lösung“72, das auf einem verfeinerten juristischen Sachgefühl beruhe. Die erwähnte These Kasers ist in der gegenwärtigen Forschung überwunden oder doch präzisiert worden: Die Rechtsfindung war in Rom nicht eine Sache von Intuition, sondern sie verlief planmäßig.73 Die Römer kontrollierten ihre Rechtsschöpfung „rational“, um keine willkürlichen Entscheidungen hervorzubringen.74 Aber „rational“ ist für den römischen Juristen nicht gleichbedeutend mit „systematisch“.75 71

Hinsichtlich der klassischen Jurisprudenz sagt Kaser [1971] S. 3: „Sie hält an der praktischen Aufgabe der Rechtsfindung fest, die Fälle des Lebens richtig zu entscheiden, und begnügt sich mit bloßen Ansätzen zu einer theoretischen Begriffsbildung im Dienst dieser Kasuistik. Vor allem die in der rechtsschöpferischen Praxis tätigen Meister der juristischen Klassik enthalten sich der theoretischen Spekulation, weil sie ihrer nicht bedürfen: Sie finden den Weg zur richtigen Rechtserkenntnis vornehmlich mit ihrer genialen Intuition, die sie ihrer sicheren Lebensanschauung verdanken. Die Deduktion, die sich häufiger auf die Erfahrungen der bisherigen Fallpraxis stützt als auf die Rechtsbegriffe, dient ihnen dabei als bloßes Hilfsmittel.“ Grundlegend zur Methode der römischen Rechtsfindung aus der Perspektive der romanistischen Forschung nach der Zeit der Interpolationenkritik ders. [1962] S. 47 ff.; ders. [1972a]. Zum „methodologischen Vermächtnis“ Kasers siehe Knütel [1998] S. 33 ff. 72 Kaser [1962] S. 54. In ähnlichem Sinne bereits von Lübtow [1944] S. 231; weiterhin Waldstein [1976] S. 4 ff. Anders Riccobono [1948] S. 76; Giaro [1988] S. 426 ff.; Knütel [2005] S. 475 ff.; ders. [2006] S. 523 ff.; Harke [2010a] S. 9 ff., 11. Die 20. Ausgabe von Kaser/Knütel [2014] spiegelt die in den letzten Beiträgen von Knütel enthaltenen Überlegungen nicht genau wider, sondern geht eher auf die erwähnte Ansicht Kasers zurück. Im Kurz-Lehrbuch sagt man noch (S. 23), die römischen Juristen sind nicht „weltfremde Gelehrte, sondern Männer des praktischen Rechtslebens, die ihre Wissenschaft unmittelbar aus dem Rechtsleben schöpfen und umgekehrt ihre Erkenntnisse der Praxis unmittelbar dienstbar machen“. Unmittelbare Rechtsschöpfung aus dem Leben klingt zu sehr nach „Intuition“, obwohl man zugeben muss, dass der Satz in dieser Kürze nicht klar genug ist. 73 Harke [2010a] S. 24. 74 Vgl. Knütel [2005] S. 498; ders. [2006] S. 525 f., 554; Harke [2010a] S. 9 ff. Nach Horak [1969] S. 17 ff. könnte man zwischen dem sog. „Entdeckungszusammenhang“, in dem die Intuition ihre Rolle spielt, und dem sog. „Begründungszusammenhang“, in dem nur rational begründete Aussagen Platz finden, unterscheiden. 75 Die Anwendung des Begriffes „System“ auf das römische Recht ist eine Frage, die hier nicht vertieft werden kann. Wie Kaser [1986] S. 89 (Fn. 11) anmerkt, werde das Wort „System“ oft mit einem eher untechnischen Sinne benutzt. Auf ähnliche Weise spricht Orestano [1981] S. 13 (Fn. 14) von einem „uso indiscriminato“ des Systembegriffs. Monografisch zur Systemfrage im römischen Recht Cappellini [1984]; systemskeptisch Cuena Boy [1998] (dazu Baldus [2001] S. 122 ff.). Das Wort System ist nicht römisch, sondern es stammt aus dem griechischen τὸ σύστηµα („das Zusammengestellte“). Tatsächlich kannten die alten Römer kein Wort, um exakt diesen Begriff zu bezeichnen, genauso wie die alten Griechen kein Wort für „Recht“ oder „Jurist“ hatten. Das Gesagte spiegelt ganz genau den Inbegriff beider Rechtskulturen wider. Überblick dazu bei Stolfi [2006] S. 23 f. Der Systembegriff ist jedenfalls alles andere als eindeutig. Orestano [1987] S. 134 wendet auf das römische Recht vielmehr den Begriff „disposizione“ (Anordnung) als „modo di collocare gli argomenti in una successione del tutto estrinseca, variamente determinata“ an statt System.

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Wenn man von Systematik spricht, muss man zwischen äußerem und innerem System unterscheiden.76 Man versteht üblicherweise unter „äußerem“ System die „Ordnung der fertiggestellten Gedanken, die der Forscher im Darstellungsinteresse vornimmt, durch Bildung von Ordnungsbegriffen, Einteilungen, Reihenfolge der Erörterungen usw.“77 Kurz gesprochen: Es geht um die „äußere“ Anordnung (dispositio) oder Darstellung des Rechtsstoffes. Sie hat im römischen Recht eine bescheidende Rolle gespielt78: Die Bildung einer logischen, lückenlosen und widerspruchsfreien Rechtsordnung, die Kodifizierungsbestrebungen entspricht, gehörte zu den Neigungen der römischen Juristen freilich nicht.79 Eine auf die Lösung spezieller Einzelfälle orientierte kasuistische Perspektive beherrschte alle Stufen der römischen Rechtsgeschichte.80 Dieses Kennzeichen des römischen Rechts ist für den modernen Juristen nicht selten sehr schwer zu verstehen.81 Lantella [1975] S. 24 ff. sieht im Begriff „Systematik“ ein Wort in der Krise. Die Vieldeutigkeit des Systembegriffes ist noch von Giaro [1988] S. 191 hervorgehoben worden. Ausführlich zur Systematik in didaktischen Werken überhaupt (nicht nur juristisch) unter hellenistischem Einfluss Fuhrmann [1960]; vgl. auch Donini [1994] S. 5027 ff. Über die philosophischen Grundlagen einer angeblichen „Systematik“ des römischen Rechts vgl. mehrfach La Pira [1934b] S. 336 ff.; ders. [1935] S. 319 ff.; ders. [1936] S. 131 ff. Vgl. auch Martini [2006] S. 87 ff. Klassisch zu den griechischen Wurzeln des sog. institutionellen Systems Wieacker [1953] S. 93 ff.; weiterhin Guzmán Brito [1980] S. 17 ff. Obwohl die griechische Philosophie den Juristen (wie jedem gebildeten Römer) bekannt war, hat sie auf die klassische Jurisprudenz kaum sichtbar eingewirkt. In diesem Sinne vgl. von Lübtow [1944] S. 224 ff. Klassisch in deutscher Sprache – obwohl nicht unumstritten – über Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz Canaris [1969]. 76 Die Trennung zwischen beiden Systemen geht auf den Zivilrechtsdogmatiker Philipp Heck [1932] zurück. Grundlegend zu dieser Unterscheidung im römischen Recht Wieacker [1953] S. 93 ff. 77 Heck [1932] S. 142. In ähnlichem Sinne bezieht sich Wieacker [1991] S. 63 auf „eine konventionelle Darstellungsform der Gegenstände einer Wissenschaft, wie etwa in der Geographie die topographische Beschreibung der Erdteile, in der Zoologie die Kreise, Ordnungen, Gattungen und Familien“. 78 Wieacker [2006] S. 51. 79 Klassisch dazu Schulz [1934] S. 9. Nach der Ansicht von Kaser [1962] S. 77 hat das römische Recht ein solches System niemals gehabt und konnte es infolge seines kasuistischen Stils das auch nicht haben. Bejahend bezüglich der Existenz eines äußeren Systems im alten Rom Scherillo [1953] S. 445 ff. 80 Dazu vgl. etwa Kaser [1962] S. 54; weiterhin Raggi [2007] S. 38 ff. Dieses Kennzeichen des römischen Rechts motivierte harte Vorwürfe von Cicero (de leg. 2,47; de orat. 2,142) gegen die unendlichen Rechtsfälle und die dementsprechende Verwirrung in der juristischen Praxis. 81 Zutreffend bemerkt Cuena Boy [1998] S. 16 in Bezug auf die moderne Idee der Rechtssystematik, die nicht selten zu anachronistischen Konstrukten führt: „Sin llegar a la necesidad de una comprobación concreta, e incluso antes de toda precisión sobre su configuración y su concepto, la mayoría de los juristas parece aceptar de buena gana la existencia real del sistema jurídico. El punto de partida es la convicción de que el sistema – al que en un plano primario y puramente intuitivo se equipara con la noción genérica de ‘orden’

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Was das „innere“ System betrifft, wird dieser Begriff mit dem „sachlichen Zusammenhang zwischen den hervorgebrachten Gedanken“ 82 identifiziert; es geht also um eine „systematische Form der Erkenntnis, die Einheit der Rechtsidee gegenüber der bunten Vielheit der konkreten Wirklichkeit (…) die Harmonie des Ganzen trotz Kasuistik der Methode“83. Es handelt sich dann um ein zur Praxis dienendes vernetztes juristisches Denken, „ein System von inneren Leitlinien“84 auf dessen Basis Entscheidungen getroffen werden können.85 Hier kann man das „Spannungsverhältnis“ zwischen Kasuistik und System finden, wie Gokel zutreffend betont.86 Ausschlaggebend für das Verständnis der römischen Rechtsfindung ist es, dass die klassischen Juristen unmittelbar vom Prozess, von den Einzelfällen ausgingen87, sodass Jurisprudenz, Rechtsanwendung und Rechtsfortbildung im alten Rom untrennbar waren.88 Von diesem Gesichtspunkt aus lässt sich das römische Recht als „Fallrecht“ bezeichnen.89 Ohne Übertreibung kann man sagen: Im Mittelpunkt des römischen Privatrechts steht die actio (Klage). Insofern pflegt man in der Lehre von „aktionenrechtlichem Denken“ der römischen Juristen zu reden.90 Vor dem Schuldverhältnis als solchem und dem dazugehörenden Anspruch genoss die actio „Vorrang“ in dem Sinne, – es inherente al concepto mismo de derecho y que, por tanto, todo derecho históricamente determinado ha de tener su sistema propio.“ 82 Heck [1932] S. 142. 83 Von Lübtow [1948] S. 519. 84 Gokel [2014] S. 45. 85 Nach der Ansicht von Wieacker [2006] S. 51 f. bildet das innere System den „Inbegriff der gedanklichen Operationen, mit denen sie [die römischen Juristen] die Kohärenz der Elemente ihres Wissensbereichs sichern und diesen zu einem fortschreitend konvergierenden Erkenntniszusammenhang ausbauen (…) eine Struktur von (realen oder intellegiblen) Entitäten (wie mathematischen, theologischen, rechtsdogmatischen Sätzen), wenn sie den folgenden Rahmenbedingungen genügt: (1) sie schließe alle Elemente ihrer Klasse ein, (2) sie sei nach außen gegen alle ‘systemfremden’ Elemente abgeschlossen, also selbstgenügsam (autark), (3) nach innen seien alle ihre Elemente untereinander konsistent“. 86 Gokel [2014] S. 55 f. 87 Wie Schulz [1934] S. 11 f. zutreffend betont, kennzeichnet das römische Recht „die leise allmähliche Fortbildung an der Hand der Fälle und im Wege der juristischen Diskussion (…), Hand in Hand mit dem Jurisdiktions-Magistrat, der seine Rechtsmittel (insbesondere actio und exceptio) im Einzelfalle geben oder denegieren kann“. 88 Vgl. Kaser [1971] S. 2; ders./Knütel [2014] S. 23 ff. Klassisch zum jurisprudenziellen Charakter des römischen Rechts Lombardi [1967] S. 1-78; monografisch zur Rolle der Jurisprudenz als Quelle des römischen Rechts Vacca [2012]. Näheres zur Beziehung des klassischen römischen Rechts zur Praxis bei Giaro [2007a] S. 2233 ff. 89 Vgl. Kaser [1971] S. 2; weiterhin – mit Präzisierung des Begriffes – Knütel [2006] S. 526 f. Zum engen Zusammenhang zwischen ius und richterlicher Entscheidung schon im altrömischen Recht siehe ausführlich Gioffredi [1955]. 90 Vgl. etwa Schulz [1934] S. 28 f.; D’Ors [1943] S. 58 ff.; Kaufmann [1964] S. 482 ff.; Talamanca [1990a] S. 273 ff.; Kollmann [1996] S. 54 ff.; Miceli [2011] S. 97 ff. Zurückhaltend Babusiaux [2012] S. 367 ff.

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dass in ihr sich der Angelpunkt des römischen Rechts fand.91 Anders ausgedrückt: Das römische Recht artikulierte sich grundsätzlich weniger auf der Basis von materiellrechtlichen Figuren als vielmehr von Prozessinstrumenten, die der Prätor durch sein Edikt zur Verfügung der Interessierten stellte, vor allem Klagen und Einreden.92 Die klassischen Juristen betrachteten das Privatrecht, wie Schulz zutreffend betont hat, „vom Standpunkt der Rechtsbehelfe [aus], die der Durchsetzung des Privatrechts dienen (actio, exceptio, Interdict, in integrum restitutio) (…). Auf weiten Gebieten des Rechtes beschränkt sich die Jurisprudenz auf die Interpretation der im Edikt proponierten Rechtsbehelfe, insbesondere der Aktionen“93. Von der modernen Unterscheidung zwischen materiellem und formellem Recht94 war im alten Rom nicht die Rede.95 Bei den Römern bestand ein rechtlich bindender Anspruch nur unter der Bedingung 96, dass eine hierfür geeignete Klage entweder durch das ius civile (Zivilrecht im engeren Sinne) oder durch das ius honorarium (Honorarrecht)97 vorgesehen war. Von einer allgemeinen Klagbarkeit jeder rechtmäßi91

In diesem Sinne Pugliese [1939] S. 145: „(...) emerge evidente la priorità, che godeva nel campo del ius honorarium la concessione dell’actio sul riconoscimento del diritto subiettivo e sull’imposizione dell’obbligo. Da un lato, infatti, l’actio ha cronologicamente preceduto il sorgere delle figure pretorie dell’obbligo e del diritto subiettivo, riproducendo in scala ridotta quello que si è detto essere stato il probabile processo genetico dell’obligatio; dall’altro, anche dopo la configurazione di situazioni giuridiche materiali pretorie, è indubbio que gli obblighi venivano imposti e i diritti riconosciuti attraverso la concessione di actiones, onde formalmente la norma pretoria promanante dall’Editto aveva una mera natura processuale.“ Ähnlich Lombardi [1967] S. 14: „(...) il processo si pone come l’inizio del diritto.“ Vgl. auch Provera [1983] S. 325 ff. 92 D’Ors [1943] S. 58 ff. bezeichnet das römische Recht als „Klagensystem“. Zur Aufgabe des Prätors in der Fortbildung des römischen Rechts vgl. von Lübtow [1983] S. 349 ff.; Kaser [1984] S. 1 ff.; Gallo [1997] S. 53 ff. 93 Schulz [1934] S. 28 f. Bildlich dargestellt von Baldus [2012a] S. 34: „Eine solche Erkenntnis ist die, die unsere mediterranen Kollegen mit der juristischen Muttermilch aufnehmen und die der deutsche Romanist oft erst unter der Sonne des Südens ganz zu begreifen vermag: Das wahre Rückgrat des römischen Rechts ist der Prozess. Nur von ihm aus finden wir die Filetstücke, und zu ihm führen alle Gräten.“ 94 Ausführlich zur Entstehungsgeschichte dieser systematischen Unterscheidung in der Rechtswissenschaft Kollmann [1996] S. 27 ff. 95 Zutreffend Lombardi [1967] S. 1: „Con diritto privato va intesa, per Roma, la dinamica unità formata dal diritto materiale e dal diritto processuale (sarebbe forse meglio dire, romanamente, ‘azionale’), che non si prestano ad essere capiti e studiati indipendentemente l’uno dall’altro.“ In ähnlichem Sinne Kollmann [1996] S. 100: „Trotz der – für den Leser der Digesten – materiell-rechtlichen Bedeutung des Begriffs Actio in den Digesten liegt diesem Werk keine Trennung von formellem und materiellem Recht zugrunde.“ Näheres zur Frage der Interdependenz zwischen „Prozessrecht“ und „materiellem Recht“ in der römischen Antike bei Nörr [2003] S. 1727 ff. 96 Abgesehen von der uralten religiös/sozial wirkenden Bindung gewisser Vereinbarungen unter patres. Dazu vgl. Kaser [1949] S. 22 ff., 301 ff.; ders. [1993b] S. 151 ff. 97 Vgl. D. 1,1,7,1 (Pap. 2 def.); D. 1,1,11 (Paul. 14 ad Sab.). Das Honorarrecht gehört zu

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gen conventio (Vereinbarung) war keine Rede; im Gegenteil dazu galt die Regel ex nudo pacto actio non nascitur: Aus einer nackten Vereinbarung entsteht keine actio, wohl aber ggf. eine exceptio (Einrede).98 Der römische Kreis von klagbaren Vertragsschuldverhältnissen war – trotz eines gewissen Versuches, den sog. Innominatkontrakten Klagbarkeit anzuerkennen99 – strikt beschränkt; das römische Vertragsrecht war einem Typenzwang (numerus clausus) unterworfen.100 Das Gesagte bedeutet nicht, dass die Römer keine Privatautonomie anerkannt hätten; sie ist jedenfalls nicht im modernen Sinne zu verstehen. Das römische Recht kannte die Vertragsfreiheit im Sinne der Freiheit sowohl der Begründung als auch der Inhaltsbestimmung der Verträge, aber nicht als die Freiheit der Parteien, neue vertragliche Figuren zu schöpfen.101 Der gemeinrechtliche und in den modernen Rechtsordnungen allgemein geltende Grundsatz pacta sunt servanda („die Vereinbarungen sind zu achten“) spiegelt das römische Vertragsrecht nicht genau wider. Allerdings kann man in den römischen Quellen eine Tendenz, die sicherlich von Pedius ausgeht, zur Anerkennung des Konsenses als allgemeinem Geltungsgrund aller Verträge beobachten: nullum esse contractum, nullam obligationem, quae non habeat in se conventionem („es gibt keinen Vertrag, keine Obligation, die nicht ein Übereinkommen in sich trägt“).102 Anders dem Zivilrecht im weiteren Sinne (gegenüber dem ius gentium) und bildet seine „lebendige Stimme“ (viva vox iuris civilis), wie man in D. 1,1,8 (Marci. 1 inst.) liest. Zur Beziehung zwischen Zivil- und Honorarrecht vgl. vor allem Lauria [1946] S. 597 ff.; Segrè [1946] S. 731 ff.; Kaser [1978] S. 231 ff.; ders. [1984] S. 1 ff. 98 D. 2,14,7,4 (Ulp. 4 ad ed.); PS 2,14,1. Dazu vgl. etwa Voci [1946a] S. 298 ff.; Biondi [1953] S. 131 ff.; Grosso [1963] S. 187 ff.; Talamanca [2006] S. 37 ff. 99 Siehe D. 2,14,7,2 (Ulp. 4 ad ed.). Dazu vgl. etwa Voci [1946a] S. 243 ff.; Biondi [1953] S. 90 ff.; Grosso [1963] S. 51 ff., 163 ff.; Burdese [1985a] S. 397 ff.; ders. [1985b] S. 14 ff.; ders. [1986] S. 442 ff.; ders. [1994] S. 63 ff.; ders. [2006] S. 111 ff.; Dalla Massara [2006] S. 279 ff.; ders. [2011] S. 175 ff.; Zhang [2007] S. 167 ff.; Cannata [2010] S. 35 ff.; Pelloso [2011] S. 89 ff. 100 Dazu eingehend Betti [1944] S. 249 ff.; Talamanca [1990b] S. 35 ff. 101 Kaser [1971] S. 477. Dazu vgl. nur Zimmermann [1996] S. 508 ff.; Harke [2008] S. 43 ff.; ders. [2013] S. 17 ff. Weitere Angaben zur Willensfreiheit im römischen Recht bei Baldus [2007] S. 25 ff., 37 ff. (gekürzte deutsche Fassung: ders. [2008a] S. 167 ff.); ders. [2010] S. 2 ff. (spanische Fassung: ders. [2011a] S. 175 ff.); Wallinga [2010] S. 985 ff.; monografisch Giuffrè [2013]. Eine Gleichsetzung zwischen Willensübereinstimmung und Vertrag lässt sich erst in byzantinischer Zeit finden, und zwar in PT 3,13,2, einer Quelle, in der für den Vertrag der Begriff synállagma angewendet wird. Zu dieser Quelle vgl. vor allem Falcone [1999] S. 27 ff. (dazu Burdese [2001b] S. 269 ff.); ders. [2001] S. 65 ff.; ders. [2008] S. 269 ff. 102 D. 2,14,1,3 (Ulp. 4 ad ed.): Conventionis verbum generale est ad omnia pertinens, de quibus negotii contrahendi transigendique causa consentiunt qui inter se agunt: nam sicuti convenire dicuntur qui ex diversis locis in unum locum colliguntur et veniunt, ita et qui ex diversis animi motibus in unum consentiunt, id est in unam sententiam decurrunt. adeo autem conventionis nomen generale est, ut eleganter dicat Pedius nullum esse contractum, nullam obligationem, quae non habeat in se conventionem, sive re sive verbis fiat: nam et stipulatio,

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§ 1 Einleitung

formuliert: Jeder Vertrag besteht wesentlich in einer Vereinbarung (conventionis nomen generale est); es ist jedoch nicht jede Vereinbarung unbedingt klagbar (ex nudo pacto actio non nascitur)103, weil das pactum keine ausreichende Grundlage für eine Vertragsobligation bildet. Kurz gesagt: Nicht jede conventio führt zu einem contractus. Diese Strömung hat sich in der klassischen Jurisprudenz niemals endgültig durchgesetzt. Die Institutionen des Gaius enthalten eine Obereinteilung der Obligationsentstehungsgründe (summa divisio obligationum), in der dem Vertrag allein das Delikt gegenübersteht.104 Wie unten gezeigt wird, kann man in der gaianischen Vertragsidee wohl eine verpflichtungserzeugende rechtmäßige Handlung ohne Weiteres sehen: Ein Schuldverhältnisentstehungsgrund lässt sich als Vertrag bezeichnen, sofern er keine rechtswidrige Tätigkeit darstellt. Spuren dieser Vertragsidee sind noch in der spätklassischen Jurisprudenz zu finden, wie uns Stellen von Ulpian105 und Paulus106 mitteilen.107 Die Geltung des Formularprozesses in klassischer Zeit als allgemeines Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit für privatrechtliche Streite bedeutet freilich nicht, dass derselbe Rechtsweg für alle derartige Ansprüche eröffnet gewesen wäre. Die Stellung der actio im Mittelpunkt des römischen Privatrechts bringt mit sich, dass die Klageformel den entsprechenden Anspruch sachlich bestimmt; der Inhalt des Anspruches wird durch die Klage grundlegend determiniert, nicht umgekehrt. So bestimmt der schon erwähnte strengrechtliche Charakter der condictio, dass zum Beispiel der Anspruch des Darlehensgebers sich darin erschöpft, die Rückgewähr des vom Darlehensnehmer in Empfang genommenen Darlehensbetrages zu fordern108; es besteht eine Symmetrie zwischen dem schuldbegründenden Tatbestand und dem auflösenden. Daher kann man aus Darlehen keinen Anspruch auf Zinszahlung geltend machen. Für das entgeltliche Kreditgeschäft ist die Stipulation zuquae verbis fit, nisi habeat consensum, nulla est. Hierzu vgl. etwa Riccobono [1930] S. 123 ff.; Voci [1946a] S. 297 ff.; Grosso [1963] S. 53 ff.; Mayer-Maly [1975] S. 118 ff.; ders. [1991] S. 213 ff.; Melillo [1982] S. 498 ff.; Sargenti [1988] S. 44 ff.; Meyer-Pritzl [1998] S. 102 ff.; Romano [2004] S. 239 ff.; Garofalo [2006a] S. 337 ff.; Schmidlin [2007] S. 58 ff.; Paricio [2008] S. 77 ff. 103 Aus D. 2,14,7,2 (Ulp. 4 ad ed.) darf man folgern, dass Celsus, in Kontroverse mit Aristo, keine Klage auf die Gegenleistung im Rahmen der Innominatkontrakte anerkannte. Näheres dazu bei Zhang [2007] S. 167 ff. 104 Gai. 3,88: Nunc transeamus ad obligationes. Quarum summa divisio in duas species diducitur: omnis enim obligatio vel ex contractu nascitur vel ex delicto. Siehe auch Gai. 4,2; 4,112-113. 105 D. 5,1,57 (Ulp. 41 ad Sab.); D. 50,17,23 (Ulp. 29 ad Sab.). 106 D. 3,5,15 (Paul. 7 ad Plaut.); D. 5,3,14 (Paul. 20 ad ed.); D. 44,7,49 (Paul. 18 ad Plaut.). 107 S.u. § 3 B I-II. 108 Siehe etwa D. 2,14,17pr. (Paul. 3 ad ed.); D. 12,1,11,1 (Ulp. 26 ad ed.).

B. Zum Forschungsstand. Überblick

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ständig: Die Zinsen müssen besonders stipuliert und mit der actio (incerti) ex stipulatu, der Klage wegen Stipulation auf ein incertum, eingeklagt werden.109 Unter diesen Umständen hätte sich ein klassischer Jurist kaum vorgestellt, dass strengrechtlich klagbare Ansprüche einerseits und nach Treu und Glauben klagbare Ansprüche andererseits – wie das bei der Leihe und der Verwahrung der Fall ist – in dieselbe Gruppe von Schuldverhältnissen eingegliedert werden können. Abgesehen davon, dass bei der Begründung von Darlehen, Leihe, Verwahrung und Pfand die Hingabe einer Sache vorliegt, zeigen diese Tatbestände kein rechtlich bedeutendes gemeinsames Kennzeichen.110 Dies ist jedenfalls zu wenig, um eine vertragliche Kategorie zu bilden, denn die Sachhingabe als solche enthält keine bestimmte juristische Qualifizierung. Die Hingabe einer Sache hat an sich keine konkrete juristische Funktion; sie kann verschiedenen Zwecken dienen, die von Fall zu Fall zu identifizieren sind, etwa Eigentumsübertragung, Besitzerwerb, Erwerb von bloßer tatsächlicher Innehabung (Fremdbesitz, sog. Detention), Bestellung von dinglichen Sicherungsrechten oder von beschränkten Rechten an fremder Sache. Schärfer formuliert: Römischrechtlich betrachtet bedeutet das Vorliegen einer Sachüberlassung bei der Schuldverhältnisbegründung nichts Genaues und daher erweist es sich als nutzlos als klassifizierendes Kriterium.111 Ferner sprechen die Quellen weniger von „Vertragsabschlussmodus“ als vielmehr von den konkreten verpflichtungserzeugenden Handlungen, aus denen die Kontraktsobligationen entstehen. Wie unten gesehen werden wird, entspricht die Idee, dass re, verbis, litteris und consensu contrahere die Arten des Vertragszustandekommens darstellen, eher der modernen Vorstellung, nach der jeder Vertrag im Grunde eine Vereinbarung ist und die Willensübereinstimmung der Parteien in unterschiedlichen Weisen geäußert werden kann. Allein nach dieser Vertragsidee könnte das Vorliegen einer Sachhingabe

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Siehe zum Beispiel D. 2,14,4,3 (Paul. 3 ad ed.); D. 12,1,40 (Paul. 3 quaest.); D. 19,5,24 (Afr. 8 quaest.). Dazu vgl. Michel [1962] S. 113 ff.; Kaser [1963] S. 155 ff.; Gröschler [2006] S. 261 ff.; ders. [2009a] S. 109 ff.; ders. [2009b] S. 387 ff.; Cherchi [2012] S. 39 ff. Ausführlich zur Unentgeltlichkeit des römischen Darlehens Salazar Revuelta [1999] (dazu Gröschler [2003] S. 274 ff.). Dazu s.u. § 4 A II2c). 110 Richtig bemerkt Schulz [1954] S. 469, dass „otherweise the contracts assembled in this group have nothing in common“. In ähnlichem Sinne Quadrato [1979] S. 78, der die erhebliche Heterogenität zwischen den sog. Realverträgen betont. Erstaunlicherweise halten beide Autoren die sog. Kategorie der Realverträge für klassisch. 111 Zutreffend Perozzi [1928] S. 32 (Fn. 1): „La frase: contratto che si fa colla cosa (re) non significa infatti nulla; ed è enorme in ogni caso riassumere in un’unica categoria per il modo di perfezionamento contratti che si perfezionano colla trasmissione del dominio e contratti che si perfezionano dando una cosa, di cui il dante conserva la proprietà e il possesso o sempre o agli effetti almeno dell’usucapione come nel pegno.“ Im gleichen Sinne De Francisci [1916] S. 394.

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§ 1 Einleitung

beim „Vertragsabschluss“ ein sinnvolles klassifikatorisches Kriterium bilden. Die Klassiker sind aber nicht davon ausgegangen (s.u. § 3 A II). Unter den sog. „Realverträgen“ ist das Darlehen der einzige, aus dem ein dare oportere entsteht, da nur die vom Darlehensgeber durchgeführte Sachüberlassung in einer Vermögensverschiebung (datio rei: Eigentumsübertragung) besteht. Bei den sonstigen Elementen der angeblichen Vertragskategorie geht es um eine einfache Sachüberlassung an den Nehmer mit bloßem Detentionserwerb (so bei Leihe und Verwahrung) oder mit Besitzerwerb (beim Pfand), d.h. eine ohne dinglichen Bezug erfolgende Sachhingabe. Daher bildet die in diesen Fällen geleistete Rückgewähr kein dare rem, wie Ulpian uns hinsichtlich der hinterlegten Sache unterrichtet: (…) aliud est enim reddere, aliud quasi de suo dare.112 Darüber hinaus erschöpft sich die Verpflichtung von Entleiher und Verwahrer nicht darin, die Vertragsgegenstände zurückzugewähren: Die Klage nach Treu und Glauben, mit der die Ansprüche von Verleiher und Hinterleger geltend gemacht werden können, eröffnet einen weiten Beurteilungsspielraum für den Richter und bringt demnach potenziell sonstige Verpflichtungen neben der Rückgabe mit sich. In diesem Sinne stellen weder Leihe noch Verwahrung reine Rückgewährschuldverhältnisse dar.113 Was das Pfand angeht, ist dieses Rechtsverhältnis im Gegensatz zu Darlehen, Leihe und Verwahrung primär nicht auf die Rückgabe der Sache gerichtet, sondern auf die Sicherung einer Schuld durch die Bestellung eines sog. beschränkten dinglichen Rechts an fremder Sache. Daher dürfen die Parteien den Verfall wegen Nichterbringung der gesicherten Leistung vereinbaren (sog. lex commissoria)114, ohne gegen das Wesen des Pfandes zu verstoßen: Das Hauptinteresse des Verpfänders als Geber besteht weniger darin, die Pfandsache zurückzubekommen, als vielmehr darin, die Erfüllung seiner Schuld zu sichern, um auf diese Weise etwa eine bestimmte Geldsumme als Darlehen zu erhalten. Auch beim pactum de vendendo, wodurch man das Recht des Gläubigers zum Pfandverkauf verabredet, wird die Sache bei Nichterfüllung nicht zurückgegeben. 115 Die Rückgewähr bei mutuum, commodatum und depositum ist erforderlich – auch wenn sie in der Tat ausfallen kann – in dem Sinne, dass sie den wesentlichen Gegenstand dieser Figuren bildet: Darlehensgeber, Verleiher und Hinterleger übergeben eine Sache, um

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D. 16,3,1,33 (Ulp. 30 ad ed.). Anders Harke [2008] S. 167 ff. Dazu s.u. § 5 A. 114 Vgl. 20,1,16,9 (Marci. l.s. form. hyp.). Ausführlich zur lex commissoria beim Pfand Burdese [1949] S. 110 ff. Vgl. auch Biscardi [1962] S. 575 ff. 115 Siehe etwa Gai. 2,64; D. 10,2,25,14 (Paul. 23 ad ed.); D. 13,7,34 (Marci. l.s. form. hyp.); D. 47,2,74 (Iav. 15 ex Cass.); D. 47,10,15,32 (Ulp. 77 ad ed.). Dazu vgl. Manigk [1941] S. 1248 ff.; Burdese [1949] S. 132 ff.; Frezza [1963] S. 200 ff. 113

C. Zielsetzung

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sie dann zurückzubekommen. Bei diesen Tatbeständen ist die Vereinbarung eines Verfalls oder eine Verkaufsabrede unvorstellbar. Ferner können Entleiher, Verwahrer und Pfandgläubiger eventuelle Gegenansprüche jeweils gegen Verleiher, Hinterleger und Verpfänder durch iudicia contraria durchsetzen, und zwar für den Ersatz von Aufwendungen oder Schäden, die sie getätigt oder erlitten haben. Daher handelt es sich um keine strikt einseitigen Schuldverhältnisse. Unter diesen Umständen ist es also mehr als fraglich, dass Leihe, Verwahrung und Verpfändung mit dem Darlehen als eine „Vertragskategorie“ zusammengestellt werden dürfen. Alles spricht dafür, dass die intellektuelle Heimat der Realvertraglichkeit von commodatum, depositum und pignus nicht im klassischen römischen Recht zu finden ist.

C. Zielsetzung C. Zielsetzung

Es ist nicht Aufgabe dieser Dissertation, Darlehen, Leihe, Verwahrung und Pfand in allen Einzelheiten darzustellen, sofern das keine erhebliche Hilfe leistet, um in die Struktur des „römischen Realvertrages“ Licht zu bringen. Deshalb wird der Leser erfahren, dass viele Fragen, die in Bezug auf die einzelnen Figuren Anlass zu lebhaften Diskussionen gegeben haben, gar nicht in Betracht gezogen oder nur am Rande bemerkt werden. Dazu ist auf die entsprechende spezielle Literatur zu verweisen. Unser Ziel liegt darin, die Struktur der römischen obligatio re contracta zu erforschen. In diesem Zusammenhang kommt die Kategorie der Realverträge in der späteren romanistischen Tradition nicht in Betracht, nicht einmal andeutungsweise; das steht jenseits der Zielsetzung der vorliegenden Untersuchung, die rein römischrechtlich bleiben will und soll. Eine solche Entscheidung beruht auf der Überzeugung, dass unsere Aufgabe darin besteht, die römischen Quellen möglichst frei von dogmatischen (oder dogmatisierenden) Vorurteilen zu analysieren116, um auf diese Weise (auch möglichst) die erhebliche Gefahr einer „Vernachlässigung des historischen Kontexts“ zu vermeiden117. Infolgedessen werden wir nicht die moderne Kategorie der Realverträge in den römischen Rechtsquellen suchen, sondern das, was sie über die obligatio re contracta wirklich mitzuteilen vermögen. Wie Baldus zutreffend betont hat, dürfen wir „vom römischen Recht nicht das System erwarten, das wir 116

Das Bestehen eines Spannungsverhältnisses zwischen rechtsgeschichtlicher Wissenschaft und zivilrechtlicher Dogmatik lässt sich freilich nicht bestreiten. Zu dieser Frage vgl. schon Betti [1928] S. 129 ff.; De Francisci [1936] S. 1 ff. Grundlegend zur Historizität der modernen Rechtsromanistik Orestano [1987] S. 11 ff., 455 ff., 557 ff. 117 Avenarius [2008] S. 12. Zur Frage der Dekontextualisierung und Resubstanzialisierung römischrechtlicher Denkfiguren vgl. Nörr [1994] S. 67 ff.; monografisch Lanza [2006].

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§ 1 Einleitung

gern hätten“.118 Es geht darum, wie man oftmals sagt, sich von den sog. „pandektistischen Brillen“ zu befreien und die römischen Quellen kritisch zu untersuchen.119 Das System der Pandektenwissenschaft ist nicht das System der Pandekten selbst.120 Da die vorliegende Untersuchung sich mit der Entstehungsgeschichte einer Rechtskategorie befasst, begegnen wir der Gefahr, die römischen Quellen außerhalb ihres ursprünglichen Zusammenhangs auszulegen und in ihnen ein „anordnendes Schema“121 oder systematische Bildungen zu sehen; anders gesagt: mit anachronistischen Begriffsbildungen anachronistische Vorstellungen vom römischen Recht zu konstruieren122. Aus diesem Grund erweist sich als maßgeblich die Unterscheidung zwischen den römischen Rechtsquellen und der Bedeutung, die man ihnen in den verschiedenen Stufen der romanistischen Tradition zugeschrieben hat.123 Die uns erhaltenen Quellen sprechen dafür, dass die sog. Kategorie der Realverträge, so wie wir sie kennen, sich im klassischen römischen Recht nicht finden lässt; die obligatio re contracta, der römische „Realvertrag“, war für die Klassiker auf das mutuum beschränkt. Dogmatische Konstrukte, die wir nicht selten um jeden Preis bei den alten Römern finden wollen, könnten bloße Hirngespinste sein, wie Orestano eleganter zum Ausdruck gebracht hat.124

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Baldus [2012a] S. 34. Hierzu vgl. vor allem Giaro [1988] S. 180 ff., 191; Orestano [1987] S. 420 ff. 120 Baldus [2012a] S. 33. Grundlegend zu dieser Frage Schwarz [1921] S. 578 ff. Überblick bei Baldus [2008b] S. 23 ff. Näheres zur Kritik an der Pandektistik in der geschichtlichen Rechtswissenschaft bei Brutti [1979] S. 317 ff. 121 Orestano [1987] S. 420. Wie Wieacker [1983b] S. 87 sich ausdrückt, solle der Rechtshistoriker in der Rechtsgeschichte keine „metaphysische oder dogmatische Dignität“ suchen. In ähnlichem Sinne Avenarius [2008] S. 10: „(...) eine überzeugende Historisierung muß jeweils voraussetzen, daß die geschichtliche Distanz ernstgenommen und der Gegenstand der Forschung in seiner historischen Eigenart respektiert wird.“ 122 Schermaier [2009] S. 51. Näheres über anachronistische Begriffsbildung in der rechtsgeschichtlichen Arbeit bei Hoetink [1955a] S. 39 ff.; ders. [1955b] S. 1 ff. 123 Avenarius [2008] S. 10. In ähnlichem Sinne bereits Bretone [1982] IX: „La giurisprudenza romana è un fenomeno storico che i moderni osservano, non di rado, attraverso la lente deformante della tradizione romanistica, attenduandone o annulandone le disparità e i contrasti in un disegno uniforme, grandioso e fittizio.“ Vgl. auch die treffende Überlegung von Vacca [2006] S. 30: „(...) sino a che punto può dirsi che i contenuti delle attuali codificazioni sono romanistici, o meglio, romani? Da un lato il diritto romano viene presentato continuamente come modello di diritto giurisprudenziale e casistico, ma dall’altro è a i suoi contenuti che si fa riferimento quando si parla di sistemi romanistici (…) che per loro natura non erano sempre riducibili a regole fisse e unitarie, a categorie logiche generali e astratte.“ 124 Orestano [1980] S. 237: „(...) risvegliandomi da un sogno di tanti anni ho percepito con chiarezza repentina che la mia è stata una corsa neppure dietro ad un fantasma, ma a un ‘non-esistente’: proprio, come già scritto, dietro a una chimera. Solo che fino a giorni fa ritenevo ‘chimera’ la mia possibilità di raggiungere l’‘oggetto’. Mentre ora mi è ben chiaro che la ‘chimera’ non è la raggiungibilità, è l’‘oggetto’ stesso (…).“ 119

§ 2 Divisiones obligationum und Realobligation im vorund frühklassischen römischen Recht A. Prämissen A. Prämissen Die Klassifizierung des Rechtsstoffes in Kategorien ist grundsätzlich ein Ergebnis der didaktischen Literatur.1 Hier kommen unter anderem die „Einteilungen der Obligationen“ (divisiones obligationum) in Betracht.2 Sie stammen aus der klassischen Rechtsschule3: Die römischen Juristen gingen von der Kasuistik, der Entscheidung von Einzelfällen aus, sodass sie sich nicht dazu berufen fühlten, ein auf der Basis von allgemeinen Kategorien gebildetes „Rechtssystem“ zu schaffen. Das Gesagte gilt aber nicht in demselben Maße für die hauptsächlich der Lehre gewidmeten Juristen: Sie sollten ihren Schülern die Grundlagen des ius auf die möglichst deutlichste Weise zugänglich machen.4 Von diesen sog. „Schuljuristen“ hebt sich Gaius als die bedeutendste Gestalt ab. Gliederungen der Obligationen oder, genauer gesagt, der Obligationsentstehungsgründe, sind insbesondere in den Werken der sog. gaianisch-justinianischen Tradition enthalten, und zwar in den Institutionen des Gaius, den res cottidianae und den hieran anknüpfenden Institutionen Justinians (dazu ausführlich § 3). Allerdings spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, wie unten gesehen werden wird, dass die ersten Versuche, die Obligationsentstehungsgründe zu unterscheiden, in der prozessualen Praxis wurzeln.5 Selbst die Idee der Obligation ist im Prozess verankert; insofern ist der Ursprung der Identifizierung von Schuldbegründungstatbeständen hier zu finden.6 Die Bestimmung der 1

Zu den griechischen Wurzeln der römischen Kategorienbildung vgl. vor allem Wieacker [1953] S. 93 ff.; ders. [1969] S. 448 ff.; ders. [1991] S. 63 ff. Allgemeines zum systematischen Lehrbuch in der Antike bei Fuhrmann [1960]. 2 Vgl. Kaser [1983] S. 73. 3 Kaser [1971] S. 522. 4 In diesem Sinne sprechen Kaser/Knütel [2014] S. 4 von einer praktisch orientierten „Hauptströmung“ der Jurisprudenz, die vornehmlich von Julian und Celsus repräsentiert werde, und einer didaktischen „Nebenströmung“, die vom elementaren Rechtsunterricht ausgehe. Zum Modell des Rechtsunterrichts im alten Rom vgl. Kodrębski [1976] S. 177 ff.; Liebs [1976] S. 197 ff., 217 ff.; Stolfi [2008] S. 9 ff. 5 S.u. § 2 B I. 6 Vgl. D’Ors [1992] S. 318 ff.; Fernández Barreiro [1994] S. 29 ff. Eine Darstellung der römischen Kontraktsobligationen aus prozessualer Perspektive bei Fuenteseca [1953] S. 539

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§ 2 Divisiones obligationum und Realobligation

Schuldverhältnisentstehungsgründe sollte bereits in spätrepublikanischer Zeit eine wichtige Frage für die damals noch junge Jurisprudenz darstellen. Anstoß dafür ist hochwahrscheinlich die Einführung des abstrakten agere per condictionem gewesen, da man fortan die Gründe des certum dari oportere (causae credendi) und daher die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der condictio festlegen musste.7 Man findet Individualisierungen, ggf. Unterscheidungen der Obligationsentstehungsgründe bei dem spätrepublikanischen Juristen Q. Mucius Scaevola (mittelbar zugänglich durch den seinem „Zivilrecht“ gewidmeten Kommentar des Pomponius)8, mehr oder weniger in der gleichen Epoche bei Cicero9 und dann bei dem frühklassischen Juristen Labeo (mittelbar zugänglich durch den Kommentar Ulpians zum Edikt)10. Anders als in den institutionellen Texten enthalten diese Quellen keine systematische Gliederung der Schuldverhältnisentstehungsgründe: Sie legen vielmehr unvollständige „Kataloge“ von Verpflichtungsgründen vor und gehen von praktischen Zwecken mit weniger prinzipieller Tendenz aus.11 So ist der Fall bei Q. Mucius in Bezug auf die Weisen, in denen die Verpflichtungen auf ein certum aufgelöst werden können, bei Cicero für die Bestimmung der Gründe des certum dare oportere zur Verteidigung des Interesses eines Klienten in einem konkreten Rechtsstreit, und bei Labeo hinsichtlich der korrekten Bedeutung – vielleicht philologisch betrachtet – von contrahere. Diese vor- und frühklassische Vielfalt zeigt mit erheblicher Deutlichkeit, wie Mayer-Maly zutreffend betont hat, dass wir im römischen Recht keinen bloßen Weg von der Zweiteilung der obligationes in den Institutionen des Gaius über die Dreiteilung der res cottidianae zur justinianischen Vierteilung finden, sondern mehrere Ansichten in den verschiedenen Stufen der römischen Rechtsentwicklung.12 Ferner kann man wohl sagen, wie im folgenden Abschnitt gezeigt wird, dass für die Römer die Frage der Obligationsentstehungsgründe grundsätzlich nicht darin bestand, sie einfach didaktisch/systematisch zu klassifizieren, sondern eher sie festzulegen.13 Anders formuliert: Es ging um das praktische Bedürfnis, den Grund des jeweils geltend zu machenden Anspruches zu bestimmen, damit die entsprechende Klage wirksam erhoben wird. ff.; ders. [1987] S. 469 ff. Die prozessuale Betrachtung des römischen Vertragsrechts charakterisiert die spanische Romanistik. 7 Vgl. Cannata [1970b] S. 53 ff.; ders. [2008] S. 38 ff. 8 D. 46,3,80 (Pomp. 4 ad Q. Muc.). S.u. § 2 B II. 9 Cic., pro Rosc. com. 4,13; 5,14. S.u. § 2 B III. 10 D. 50,16,19 (Ulp. 11 ad ed.). S.u. § 2 B IV. 11 Vgl. Mayer-Maly [1966] S. 47. 12 Vgl. Mayer-Maly [1967] S. 375 ff. Im gleichen Sinne Cannata [1970b] S. 53. 13 So Mayer-Maly [1967] S. 383: „I should emphasise that the main task of any divisio obligationum is to justify the obligation.“

B. Vor- und frühklassische divisiones obligationum

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B. Vor- und frühklassische divisiones obligationum. Die Realobligation bei Q. Mucius Scaevola, Cicero und Labeo B. Vor- und frühklassische divisiones obligationum

I. Die legis actio per condictionem und die Gliederung der Gründe von certum dare oportere 1. Anerkennung der formlosen mutui datio als zivilrechtlicher Obligationsentstehungsgrund Hochwahrscheinlich haben sich die Römer mit dem Problem der Bestimmung der Obligationsentstehungsgründe zum ersten Mal wegen der Einführung des agere per condictionem in das Legisaktionenverfahren auseinandergesetzt.14 Die uralte sponsio/stipulatio, die das altrömische Schuldrecht beherrschte, charakterisierte sich durch das Verschweigen ihres Rechtsgrundes, d.h. durch ihre Abstraktion: Als mündliches, an eine Frage- und Antwortform gebundenes Leistungsversprechen hatte sie keinen vorausbestimmten Zweck, sie konnte jedes Interesse verwirklichen, das als Schuldgegenstand zulässig war.15 Dann war das Geschäft abstrakt, aber nicht seine Klage: Der Anspruch aus sponsio/stipulatio war durch die legis actio per iudicis arbitrive postulationem zu verwirklichen, in deren Spruchformel der Rechtsgrund der Klage genannt werden musste.16 Es handelte sich um ein agere nominata causa.17 Man darf annehmen, dass die formfreie Darlehensgewährung (mutui datio) ursprünglich nicht unmittelbar klagbar war und daher nicht als selbstständiger Entstehungsgrund einer Zivilobligation (obligatio ex iure civili) galt.18 Damit die Darlehensgewährung über rechtsbindende Kraft und daher über Klagbarkeit verfügte, musste sie durch ein zivilrechtliches Geschäft begleitet werden. 14

Vgl. Cannata [1970b] S. 53; ders. [2008] S. 39 ff. Dazu vgl. Magdelain [1943] S. 184 ff.; Biondi [1953] S. 267 ff.; Pastori [1958] S. 5 ff.; ders. [1961] S. 9 ff.; ders. [1994] S. 23 ff.; Kaser [1971] S. 538 ff.; Behrends [1974] S. 34 ff.; Sacconi [1989] S. 3 ff.; Zimmermann [1996] S. 68 ff.; Cannata [2008] S. 19 ff.; Finkenauer [2010] S. 3 ff. Eingehend zur Frage des Stipulationsrechtsgrundes (causa stipulationis) Wolf [1970]; vgl. auch Wacke [1972] S. 231 ff. 16 Gai. 4,17a: Per iudicis postulationem agebatur, si qua de re ut ita ageretur lex iussisset sicuti lex XII tabularum de eo quod ex stipulatione petitur. eaque res talis fere erat. qui agebat sic dicebat: EX SPONSIONE TE MIII X MILIA SESTERTIORVM DARE OPORTERE AIO: ID POSTVLO AIAS AN NEGES. aduersarius dicebat non oportere. actor dicebat: QVANDO TV NEGAS, TE PRAETOR IVDICEM SIVE ARBITRVM POSTVLO VTI DES. itaque in eo genere actionis sine poena quisque negabat. item de hereditate diuidenda inter coheredes eadem lex per iudicis postulationem agi iussit. idem fecit lex Licinnia, si de aliqua re communi diuidenda ageretur. itaque nominata causa ex qua agebatur statim arbiter petebatur. Scherillo [1969] S. 5 ff. sieht in diesem modus agendi die Grundlage des Formularverfahrens. 17 Dazu vgl. Albanese [1987] S. 106, 112; Giomaro [1988] S. 1 ff.; Kaser/Hackl [1996] S. 107 ff. 18 Vgl. Maschi [1973] S. 141. 15

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§ 2 Divisiones obligationum und Realobligation

Auf diese Weise war der Anspruch aus mutui datio nur mittelbar durchsetzbar. Dies bedeutet aber nicht, dass die formlose Darlehensgewährung überhaupt keine Anerkennung fand. Gaius unterrichtet uns, dass die numeratio pecuniae dem ius gentium zugeordnet war19: Die Römer haben das formfreie Gelddarlehen sicherlich schon frühzeitig mit Nichtrömern im Rahmen des Wirtschaftsverkehrs auf der italischen Halbinsel sowie in überseeischen Territorien praktiziert.20 Die Abhängigkeit des quiritischen Schuldrechts von dem formgebundenen mündlichen Leistungsversprechen reichte aber nach der erheblichen Expansion des Handels, welche die Zeit nach dem Ende der Punischen Kriege kennzeichnete (3. Jh. v. Chr.), nicht mehr aus, um die Bedürfnisse von Rechtsverkehr und Fernhandel zu befriedigen.21 In einer Marktwirtschaft sind in besonderem Maße möglichst formfreie Kreditgeschäfte erforderlich.22 19

Gai. 3,132: (…) sed numeratione pecuniae obligantur; quod genus obligationis iuris gentium est. Siehe auch D. 50,17,84,1 (Paul. 3 quaest.). Hierzu vgl. Kaser [1966b] S. 5 ff.; ders. [1971] S. 532 (Fn. 25); ders. [1993a] S. 140, 152 ff.; Behrends [1974] S. 103 (Fn. 393). 20 Kaser [1993a] S. 140. Vgl. auch Wieacker [1988] S. 265 ff. 21 Vgl. Cannata [2008] S. 39. 22 Das altrömische ius diente zum Schutz der eingeschränkten Rechtsbeziehungen, welche innerhalb der ursprünglich überwiegend landwirtschaftlichen römischen Gemeinschaft stattfanden. In dieser primitiven Gesellschaft, die von mehr oder weniger selbstgenügsamen Hausgruppen gebildet wurde, hatten Handel und Gewerbe kaum Bedeutung und die Übereignung der sog. res pretiosiores, die wirtschaftlich mit Abstand bedeutendsten Güter (Grundstücke, Zugtiere, usw.: praedia tam urbana quam rustica, aedes, fundi), wurde durch sakral-formale Geschäfte vollzogen (namentlich durch mancipatio). Ausführlich zum älteren römischen Recht Carle [1888]; Cornil [1930]; Kaser [1949]. Ein schematischer Überblick bei Marrone [2010] S. 7 ff., der diese Stufe der römischen Rechtsentwicklung durch die folgenden Kennzeichen darstellt: Knappheit von Rechtsstrukturen („povertà di strutture“), Formalismus („formalismo“) und landwirtschaftlicher Charakter („ruralità“). Näheres zu den sog. res pretiosiores bei Gallo [1958] S. 31 ff. Zur mancipatio vgl. vor allem Kunkel [1928] S. 998 ff.; Kaser [1956a] S. 107 ff.; kurz ders. [1971] S. 41 ff. In diesem Zusammenhang war im Zivilrecht für formfrei begründete Verpflichtungen kein Platz, obgleich sich ein formloses Rückgabeversprechen im Namen der fides durchsetzen ließ. Wer gegen die fides verstieß, sollte jedenfalls mit religiösen und sozialpolitischen Sanktionen rechnen, was sowohl seine künftigen wirtschaftlichen als auch sozialen und politischen Beziehungen komplizierte. Wie Cicero uns mitteilt, bedeutet fides die Durchführung davon, was gesagt (versprochen) worden ist; Cic., de re pub. 4,7,21: fides enim nomen ipsum mihi videtur habere, cum fit quod dicitur; de off. 1,7,23: audeamus imitari Stoicos, qui studiose exquirunt, unde verba sint ducta, credamusque, quia fiat, quod dictum est appellatam fidem. Grundlegend zur Rolle der fides im altrömischen Recht Lombardi [1961] S. 90 ff.; vgl. auch etwa Castresana [1991] S. 14 ff.; Kofanov [2003] S. 333 ff.; Beduschi [2008] S. 1 ff. Klassisch zur fides als rechtsschöpferischem Element Kunkel [1939] S. 1 ff. Umfangreich über die bona fides bei den römischen Juristen Talamanca [2003b] S. 1 ff. Die Grundlage der Kohäsion in der alten römischen Gesellschaft war durch ein Netz von gegenseitigen sozialen Verbindungen und der Solidarität unter den Bürgern (Patrizier oder Plebejer, Reiche oder Arme, Adel oder einfache Leute) gekennzeichnet. Das Zugehörigkeitsgefühl unter den patres familiarum und die necessitudo (eine Verbindung religiöser Natur) waren die vereinigenden Elemente der römischen Gemeinschaft, was in besonderer Weise für die älteste Zeit gilt. Überblick hierzu bei Pani

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In diesem Kontext tritt die legis actio per condictionem, die jüngste unter den Legisaktionen23, auf. Nach dem Bericht des Gaius wurde sie durch die leges Silia24 und Calpurnia25 zum Rechtsschutz des certum dari geschaffen.26 [2010] S. 83 ff. Das Gesagte bedeutet, dass die römische Welt grundsätzlich keine Gleichgültigkeit, sondern Feindseligkeit oder Freundschaft kannte und der fides als Worthalten einen großen Wert zuschrieb, sodass ursprünglich die formlose datio einem amicus oder das formlose Rückgabeversprechen genügten, um die Beteiligten zu binden, ohne dass das Zivilrecht eintreten musste. In diesem Sinne Giuffrè [1989] S. 32: „(...) in un mondo che non conosce l’indifferenza, ma ostilità o amicizia, in cui profondo è il rispetto per la parola data, in relazione anche alle concezioni religiose della fides, la datio ad un amicus accompagnata de una promessa di restituzione da parte del postulante (magari in modi dialogici, ma non formali) è sufficente a fondare un rapporto vincolante.“ Gleichsinnig ders. [1977] S. 416; Maschi [1973] S. 101 ff.; Albanese [1963] S. 135 ff. Zum Sinne von amicus in den Rechtsquellen siehe D. 50,16,223,1 (Paul. 2 sent): ‘Amicos’ appellare debemus non levi notitia coniunctos, sed quibus fuerint in iura cum patre familias honestis familiaritatis quaesita rationibus. Ausführlich zur Rolle der amicitia im römischen Schuldrecht Finazzi [2010] S. 633 ff., 744 ff. Im Laufe der Zeit und in besonderer Weise wegen des tiefen wirtschaftlichen und sozialen Wandels der römischen Gemeinschaft in der Zeit der Mittelmeerexpansion nach den Punischen Kriegen wurde die relative Gleichstellung unter den patres gestört, sodass die eventuelle Hegemonie einer der Parteien eines Darlehens eine Abschwächung der Freundschaftsverbindung und daher der fides als (sakrale) Pflicht zum Worthalten mit sich brachte. Amicitia und fides reichten somit nicht mehr aus, um die Parteien zu binden. Näheres hierzu bei Kaser [1963] S. 173; Giuffrè [1989] S. 32. Monografisch zu Inhalt und Bedeutung der rechtlich-religiösen Sanktion im alten Rom Fiori [1996]; Garofalo [2006b]; Peppe [2007] S. 4103 ff. Zur religiös-juristischen Bedeutung der fides vgl. Kofanov [2003] S. 333 ff. Zum Einfluss der Religion auf das frührömische Recht vgl. nur Latte [1950] S. 47 ff. Zur hieran anknüpfenden Beziehung zwischen fas und ius vgl. etwa Orestano [1940] S. 194 ff.; Noailles [1948]; ders. [1949] S. 16 ff.; Nicoletti [1961] S. 100 ff.; van den Brink [1968] S. 24 ff.; Guarino [1990] S. 134 ff.; Kaser [1993b] S. 151 ff. 23 Überblick zu den legis actiones bei Weiss [1925a] S. 1838 ff.; umfassend Pugliese [1962]; Behrends [1974]; Albanese [1987]; Kaser/Hackl [1996] S. 25 ff. 24 Wahrscheinlich ein plebiscitum Ende des 3. Jhs. v. Chr. Hierzu vgl. vor allem Rotondi [1912] S. 261, der gegen Weiss für willkürlich hält, dieses Gesetz mit der Lex Silia de ponderibus publicis zu identifizieren; Weiss [1925c] S. 2415, nach dem es um ein auf Antrag der Volkstribunen P. und M. Silius ergangenes plebiscitum geht; weiterhin Elster [2003] S. 252 ff. mit Literatur. 25 Hierzu vgl. vor allem Rotondi [1912] S. 263 ff.; Weiss [1925b] S. 2337 f.; weiterhin Elster [2003] S. 266 ff. Man hat versucht, das Gesetz dem praetor urbanus vom Jahr 211 v. Chr. C. Calpurnius Piso zuzuweisen. Allerdings bildet der Name des Gesetzes das einzige Argument dafür. Mommsen [1899] S. 708 hat das Gesetz ohne Weiteres mit der lex Calpurnia de repetundis identifiziert. 26 Gai. 4,19: Haec autem legis actio constituta est per legem Siliam et Calpurniam, lege quidem Silia certae pecuniae, lege vero Calpurnia de omni certa re. Dazu vor allem Frezza [1972] S. 172 ff.; Behrends [1974] S. 97 ff.; Albanese [1987] S. 110 ff.; Kaser/Hackl [1996] S. 111 ff. Die Bedeutung von res certa und certum wird von Gaius wie folgend erklärt: D. 45,1,74 (Gai. 8 ad ed. prov.): Stipulationum quaedam certae sunt, quaedam incertae. Certum est, quod ex ipsa pronuntiatione apparet quid quale quantumque sit, ut ecce aurei decem, fundus Tusculanus, homo Stichus, tritici Africi optimi modii centum, vini Campani optimi amphorae centum. In ähnlichem Sinne Ulpian in D. 45,1,75pr., 4 und 5 (Ulp. 22 ad ed.): Ubi autem non apparet, quid quale quantumque est in stipulatione, incertam esse stipulationem

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Anwendungsbereich des hieraus entstehenden agere per condictionem27 waren die Ansprüche auf eine bestimmte Geldsumme (certa pecunia) oder auf eine Menge anderer individuell bestimmter Sachen (omnis certa res)28, d.h. dicendum est. (...) 4. Illud dubitationem recipit, si quis id, quod ex Arethusa ancilla natum erit, aut fructus, qui in fundo Tusculano nati erunt, dari sibi stipulatus sit, an certum stipulatus videatur. Sed ipsa natura manifestissimum est incerti esse hanc stipulationem. 5. Sed qui vinum aut oleum vel triticum, quod in horreo est, stipulatur, certum stipulari intellegitur. 27 Zu den Grundrissen des agere per condictionem siehe Gai. 4,18: Itaque haec quidem actio proprie condictio uocabatur. nam actor aduersario denuntiabat, ut ad iudicem capiendum die XXX. adesset; nunc uero non proprie condictionem dicimus actionem in personam esse, qua intendimus dari nobis oportere. nulla enim hoc tempore eo nomine denuntiatio fit. 28 Man hat in Gai. 4,19 gemeinhin einen Hinweis auf die vertretbaren Sachen gelesen. In diesem Sinne vgl. etwa Behrends [1974] S. 105 ff.; Kaser [1984] S. 51. Eine solche Interpretation lässt sich aber aus dem Text nicht entnehmen, denn er bezieht sich im Allgemeinen auf die individuell bestimmten Sachen (omnis certa res), ohne sich auf die Sachen, quae pondere numero mensura constant zu beschränken. Das Gesagte wird durch einen weiteren gaianischen Text bezeugt, nämlich Gai. 4,33: Nulla autem formula ad condictionis fictionem exprimitur: sive enim pecuniam sive rem aliquam certam debitam nobis petamus, eam ipsam dari nobis oportere intendimus nec ullam adiungimus condictionis fictionem; itaque simul intellegimus eas formulas, quibus pecuniam aut rem aliquam nobis dari oportere intendimus, sua vi ac potestate valere (…). Aus dem abgeschriebenen Text folgt deutlich, dass Gaius nach der Natur der geschuldeten Sache zwischen zwei Arten von condictio unterscheidet, und zwar zwischen der actio certae creditae pecuniae für Geldschulden (pecunia numerata) und der condictio certae rei für aliqua certa res, ohne zu erwägen, ob die Sachen vertretbar oder unvertretbar sind. Vgl. Albanese [1971] S. 15 (Fn. 5); Saccoccio [2002] S. 25. Man muss jedenfalls berücksichtigen, dass die einzige vertragliche Figur, die ein certum dare in der Zeit des Legisaktionenverfahrens durch Sachübereignung (re) begründen kann, das Darlehen ist, welches sich auf vertretbare Sachen beschränkt. Hingegen kann die verbis kontrahierte Obligation (Stipulation) auch individuell bestimmte unvertretbare Sachen zum Gegenstand haben, die als solche ebenso ein certum bilden. Hinzu kommt, dass die sog. condictio triticaria, d.h. die condictio certae rei in ihrer nahklassischen Benennung, sowohl für Ansprüche auf vertretbare als auch auf unvertretbare Sachen zulässig ist, wie Ulpian uns mitteilt: D. 13,3,1pr. (Ulp. 27 ad ed.): Qui certam pecuniam numeratam petit, illa actione utitur si certum petetur: qui autem alias res, per triticariam condictionem petet. Et generaliter dicendum est eas res per hanc actionem peti, si quae sint praeter pecuniam numeratam, sive in pondere sive in mensura constent, sive mobiles sint sive soli (...). Wenn Ulpian die Grundzüge der condictio certae rei erklärt, spricht er von (individuell bestimmten) Sachen im Allgemeinen (aliae res), deren Gewicht oder Maß bestimmt ist. Diese Sachen können – so sagt ausdrücklich der spätklassische Jurist – beweglich oder unbeweglich sein (sive mobiles sive soli). Bewegliche Sachen (res mobiles) können vertretbar oder unvertretbar sein; unbewegliche Sachen (res soli) sind aber notwendig unvertretbar. Drei der vier Stellen, die den dritten Titel des 13. Buches der Digesten de condictione triticaria bilden, beziehen sich ganz eindeutig auf unvertretbare Sachen, und zwar: die schon erwähnte D. 13,3,1pr., die von beweglichen und unbeweglichen Sachen spricht, D. 13,3,2 (Ulp. 18 ad Sab.), in der von der Herausgabe eines Grundstückes die Rede ist, und D. 13,3,3 (Ulp. 27 ad ed.), die sich auf einen konkreten Sklaven bezieht. Nur in D. 13,3,4 (Gai. 9 ad ed. prov.) geht es um vertretbare Sachen (Wein, Öl und Getreide). Allerdings geht es in dieser Quelle um praktisch dieselben Beispiele von D. 45,1,74 (Gai. 8 ad ed. prov.) im Rahmen der Erklärung

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auf ein certum29. Diese Ansprüche waren durch Sachübereignung (re), mündliches formgebundenes Leistungsversprechen (verbis) oder Eintragung (Buchung, Lastschrift) einer fiktiven Geldauszahlung in das Hausbuch des Gläubigers mit Zustimmung des Schuldners (litteris)30 zu vollziehen. Die verbis und litteris begründeten Obligationen auf ein certum waren bereits durch die ältesten Legisaktionen verfolgbar: die Verbalobligation (sponsio/stipulatio) durch die legis actio per iudicis arbitrive postulationem und die Litteralobligation (expensilatio, nomen transscripticium) durch die legis actio sacramento (in personam).31 Voraussetzung für die Klagbarkeit der Ansprüche auf ein certum war gewiss, dass es um durch das Zivilrecht anerkannte rechtmäßige Akte ging, wovon die formfreie mutui datio ursprünglich ausgeschlossen war.32 Die Einführung der legis actio per condictionem brachte also die Anerkennung der formlosen mutui datio als eigenständiger Entstehungsgrund einer obligatio ex iure civili auf certum dari mit sich.33 Fortan bedurfte man keines mündder Bedeutung von certum, sodass auch hier keine allgemeine Folgerung für die Beschränkung der Klage auf vertretbare Sachen entnommen werden kann. 29 Zum certum beim Legisaktionenverfahren vgl. Varvaro [2008] S. 153 ff. 30 Dieser Tatbestand besteht wesentlich in der förmlichen Begründung eines Kredits durch die Eintragung einer fiktiven Geldauszahlung (expensum ferre) in das Hausbuch des Gläubigers (codex accepti et expensi) mit Zustimmung des Schuldners. Es handelt sich also um eine Buchung ohne Zahlung. Der Anspruch des Gläubigers aus expensilatio wurde im Legisaktionenverfahren durch die legis actio sacramento in personam und später im Formularverfahren durch die condictio (konkret die actio certae creditae pecuniae) geltend gemacht. Soweit in das Hausbuch wirkliche Zahlungen eingetragen werden, geht es nicht um Buchforderungen (nomina transscripticia), sondern um Kassenforderungen (nomina arcaria), welche re begründet werden (hierzu unten § 4 A II2a)). Dies ergibt sich aus Gai. 3,131: Alia causa est eorum nominum, quae arcaria uocantur. in his enim rei, non litterarum obligatio consistit, quippe non aliter ualent, quam si numerata sit pecunia; numeratio autem pecuniae rei facit obligationem. qua de causa recte dicemus arcaria nomina nullam facere obligationem, sed obligationis factae testimonium praebere. Überblick hierzu bei Kaser/Knütel [2014] S. 239 f. Ausführlich zu der Litteralobligation Thilo [1980]. 31 Gai. 4,20: Quare autem haec actio desiderata sit, cum de eo quod nobis dari oportet, potuerimus aut sacramento aut per iudicis postulationem agere, valde quaeritur. Talamanca [1987] S. 20 (Fn. 131) vertritt die Ansicht, dass der Ausdruck valde quaeritur nicht ernst zu nehmen sei, da, wenn Gaius über diese Frage schrieb, sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr eine wirkliche Problematik für die römischen Juristen dargestellt habe. In diesem Sinne gehe es vielmehr um den Ausdruck eines historischen oder antiquarischen Interesses des Gaius. 32 Vgl. Albanese [1987] S. 110; Pugliese [1954] S. 378. 33 Wie schon erwähnt, fand die Existenz einer Obligation iure civili, d.h. eines oportere, in Bezug auf ein formloses Kreditgeschäft vor der Einführung der legis actio per condictionem keine zivilrechtliche Anerkennung. Wie Kaser/Hackl [1996] S. 112 sich ausdrücken, wird „der Anstoß für die Einführung dieser legis actio [wird] vom Darlehen ausgegangen sein. Aus formloser mutui datio ohne Stipulation konnte man bis dahin vermutlich überhaupt nicht klagen“. In ähnlichem Sinne Cannata [2008] S. 47: „Il loro scopo generale, che si desume direttamente dal carattere astratto dell’azione che fecero introdurre con la lex Silia, era quello

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lichen Versprechens und keiner Eintragung in das Hausbuch des Gläubigers, um eine zivilrechtliche Kreditobligation zu begründen; nun reicht hierfür eine formfreie Übereignung (traditio) hin. Infolgedessen werden von der Einführung dieses modus agendi an sowohl die Ansprüche aus stipulatio als auch aus expensilatio und aus mutui datio durch dieselbe Spruchformel durchgesetzt, sofern der Leistungsgegenstand in einem certum besteht. Gleiches gilt im Rahmen des Formularverfahrens für die condictio.34 2. Ausdehnung des oportere iure civili und Gliederung der Gründe von certum dare oportere Die Einführung dieses neuen modus agendi gab Anlass zur Ausdehnung des Anwendungsbereiches des oportere iure civili35: Das alte ius civile erkennt von da an die formlose pecunia adnumerata zusammen mit der pecunia stipulata und expensa lata als Kreditobligationsentstehungsgrund an.36 Die Abstraktion charakterisiert das agere per condictionem, da durch diesen modus agendi eine bestimmte Geldsumme (certa pecunia) oder eine bestimmte Menge sonstiger individuell bestimmter Sachen (omnis certa res) gefordert werden kann, ohne dass der Verpflichtungsgrund genannt werden muss. Vorausgesetzt ist nur, dass die Klage sich auf ein certum dare oportere (zum Beispiel eine Schuld von zehntausend Sesterzen) bezieht.37 Die abstrakte Gestaltung der Klage stellt im Gegenteil zur kausalen iudicis postulatio38 und zum vielleicht ebenso kausalen – was in der Lehre bestritten

di permettere l’impiego dell’obligatio in casi ulteriori rispetto a quello della sponsio (…) vigendo il sistema delle legis actiones, un mutuo non può essere sanzionato con un’azione – in termini sostanziali: non può dare luogo ad obbligazione – perché nessuna legge lo prevede, né esiste alcuna azione adatta a far valere la relativa pretesa sostanziale, una volta che la si fosse riconosciuta.“ Besonders bemerkenswert ist der Umstand, dass das mutuum den einzigen formfreien Zivilobligationsentstehungsgrund bis zur Anerkennung der obligationes consensu contractae gebildet hat. Vgl. Talamanca [1979] S. 13. 34 Gai. 4,17b: Per condictionem ita agebatur: AIO TE MIHI SESTERTIORVM X MILIA DARE OPORTERE (...). Vgl. auch Gai. 4,41: Intentio est ea pars formulae, qua actor desiderium suum concludit, uelut haec pars formulae: SI PARET NVMERIVM NEGIDIVM AVLO AGERIO SESTERTIVM X MILIA DARE OPORTERE (...). Zur Klageformel grundlegend Lenel, EP, S. 232 ff.; ferner Mantovani [1999] S. 48 f. 35 Zur Bedeutung von oportere als zivilrechtlicher Obligation siehe Gai. 4,45: Sed eas quidem formulas, in quibus de iure quaeritur, in ius conceptas uocamus, quales sunt, quibus intendimus nostrum esse aliquid ex iure Quiritium aut nobis dari oportere aut pro fure damnum decidi oportere; sunt et aliae, in quibus iuris ciuilis intentio est. Vgl. vor allem Sturm [1965] S. 211 ff.; Kaser [1966b] S. 5 ff. 36 Vgl. Mayr [1900] S. 128; Di Iorio [1959] S. 1092. 37 Gai. 4,17b. 38 Gai. 4,17a: Per iudicis postulationem agebatur, si qua de re ut ita ageretur lex iussisset sicuti lex XII tabularum de eo quod ex stipulatione petitur (…).

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ist – agere sacramento39 einen deutlichen Fortschritt im Legisaktionenverfahren dar.40 Selbstverständlich muss der Kläger den Grund der Obligation apud iudicem bestimmen und beweisen, um seinen Anspruch zu verwirklichen; der Klagegrund muss aber in der Formel nicht individualisiert werden. In diesem Zusammenhang tritt für den Richter eine neue Aufgabe ein: Während er gemäß den älteren legis actiones einfach das Bestehen der causa nominata zu überprüfen hatte, geht es beim agere per condictionem um die Festlegung, ob der Anspruch des Klägers einen Grund hat und, für einen solchen Fall, welchen.41 Die erste Individualisierung der Obligationsentstehungsgründe mag also auf die Gerichtsbarkeit nach dem agere per condictionem zurückgehen: Der Richter musste adnumeratio (formfreie mutui datio), stipulatio und expensilatio als Gründe eines certum dare oportere (Gegenstand der Klage) untereinander und von anderen Tatbeständen unterscheiden, da sie und nur sie diesen modus agendi eröffnen konnten. Infolgedessen kann man hier von einer vom Prozess ausgehenden Individualisierung der Gründe des certum dari in re dare oportere (formfreies Darlehen), verbis dare oportere (Stipulation auf ein certum) und litteris dare oportere (Eintragung einer fiktiven Geldauszahlung in das Hausbuch des Gläubigers mit Zustimmung des Schuldners) sprechen. Zusammenfassend darf man festhalten: Die erste Gliederung der Obligationsentstehungsgründe wurde prozessual orientiert in Bezug auf den Anwendungsbereich des agere per condictionem geschaffen.42 39

Zur Frage der nominatio causae in Bezug auf die legis actio sacramento vgl. eingehend Giomaro [1988] S. 17 ff. Für die Kausalität der legis actio sacramento vgl. vor allem Kaser/Hackl [1996] S. 88 (Fn. 11): „Obwohl die Sakramentsklage generalis ist, wird ihre Formel nicht ‘abstrakt’ gefaßt gewesen sein, sondern die actio durch Nennung des Klagengrundes individualisiert haben.“ Anders Bekker [1904] S. 57: „Die ‘actio generalis’ der Römer war das abstrakte Klagformular, ohne Angabe der Causa, die iudicis postulatio aber im Gegensatze hierzu allemal nur da zulässig, wo für die strittige Sache eine individualisierte, die Angabe der Causa umschließende Spruchformel bereits in Gebrauch genommen worden.“ Ähnlich Levy [1934] S. 297, 303; weiterhin Talamanca [1999] S. 167 (Fn. 404). Nach Albanese [1987] S. 106 bildet die nominatio causae eine Besonderheit der iudicis postulatio, die eine Neuheit gegenüber dem agere sacramento in personam darstellt: „(...) questa necessità di agere nominata causa sarà stata un’ulteriore particolarità tecnica innovativa rispetto alla l.a. sacramenti in personam.“ 40 Siehe Gai. 4,11 zum agere sacramento in personam; Gai. 4,17a zur iudicis postulatio; 4,21 und 4,24 zur manus iniectio. Die pignoris capio bezieht sich nicht direkt auf die Obligationen. Vgl. Cannata [1970b] S. 54 mit Literatur; Pugliese [1962] S. 15, 310, 332, 343. Nach der Ansicht von Kaser [1993] S. 153 f. drückt die abstrakte Formelgestaltung eine fortgeschrittene juristische Technik aus und „verweist damit die lex Silia in eine Zeit, in der die hier hinter der Gesetzgebung stehenden Juristen zu ‘formeltechnischer Generalisierung’ bereits fähig waren“. 41 Vgl. Cannata [1970b] S. 55. 42 Vgl. Cannata [1970a] S. 431 ff.; ders. [1970b] S. 53 ff.; ders. [1995] S. 60 ff.

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II. Gründe des certum dare oportere bei Q. Mucius Scaevola 1. Die Quelle Die Vierteilung der Vertragsschuldverhältnisse in obligationes re, verbis, litteris und consensu contractae ist erstmals in den Institutionen des Gaius belegt (s.u. § 3 B I). Allerdings findet man eine Art Dreiteilung in der prozessualen Praxis nach der Einführung des agere per condictionem: Die Unterscheidung zwischen den Gründen des certum dari in re, verbis und litteris dare oportere erscheint schon in der spätrepublikanischen Jurisprudenz.43 So teilt uns Pomponius in seinem Kommentar zum Zivilrecht des Q. Mucius mit: D. 46,3,80 (Pomp. 4 ad Q. Muc.): Prout quidque contractum est, ita et solvi debet: ut, cum re contraxerimus, re solvi debet: veluti cum mutuum dedimus, ut retro pecuniae tantundem solvi debeat. et cum verbis aliquid contraximus, vel re vel verbis obligatio solvi debet, verbis, veluti cum acceptum promissori fit, re, veluti cum solvit quod promisit. Aeque cum emptio vel venditio vel locatio contracta est, quoniam consensu nudo contrahi potest, etiam dissensu contrario dissolvi potest. Alles muss so aufgelöst werden, wie es kontrahiert worden ist; so muss, wenn wir durch eine Sache kontrahiert haben werden, es durch eine Sache aufgelöst werden, nämlich wenn wir ein Darlehen gegeben haben, muss ebenso viel Geld zurückgezahlt werden. Und wenn wir durch Worte etwas kontrahiert haben, so muss die Verpflichtung entweder durch eine Sache oder durch Worte aufgelöst werden; durch Worte, etwa wenn wir es dem Versprechen durch Akzeptilation auflösen; durch eine Sache, nämlich wenn jemand leistet, was er versprochen hat. Ebenso wenn ein Kauf oder Verkauf oder eine Miete kontrahiert worden ist, weil, was durch bloßen Konsens kontrahiert worden ist, auch durch Dissens aufgelöst werden kann.

Über die nicht vollständige Echtheit dieser Quelle hat man viel geschrieben. Eine ausführliche Erörterung dieser Frage würde den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen.44 Die älteste Lehre hat die Stelle pauschal für unecht gehalten, nicht selten wegen rein formalistischer Vorurteile.45 Gegen eine solche scharfe Textkritik hat vor allem Cannata reagiert.46 Die vorwiegend sprachlichen 47 und einige sachliche48 Mängel der Quelle reichen nicht 43

Vgl. Kaser [1983] S. 77 ff.; Cannata [1970a] S. 431 ff.; ders. [2008] S. 38 ff. Dazu vgl. Fiori [2007] S. 1955 ff. und Santoro [2012] S. 555 ff., 560 ff. mit zahlreichen Hinweisen auf die ältere Literatur. 45 Vgl. vor allem Stoll [1924] S. 13 ff. 46 Cannata [1970a] S. 440 ff. Siehe auch ders. [2008] S. 61 ff. Für die wesentliche Echtheit der Quelle hatte sich Voci [1946a] S. 80 ff. schon geäußert. Weiterhin Gallo [1992] S. 33 ff.; Fiori [2007] S. 1959 ff.; Santoro [2012] S. 555 ff. 47 So bildet der Satz dissensu contrario dissolvi potest eine sprachliche Ungenauigkeit, die von Cannata zu Recht in consensu contrario korrigiert worden ist. Vgl. Cannata [1970a] S. 440; ders. [2008] S. 61 (Fn. 133): „(...) si pensi semplicemente che la risoluzione consensuale del contratto si fa con un accordo (appunto un accordo contrario rispetto all’accordo 44

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hin, damit eine starke Überarbeitung behauptet werden kann. Unter diesen Umständen mag ihr Inhalt grundsätzlich auf die spätrepublikanische Jurisprudenz zurückgehen. Hiervon geht die moderne Romanistik aus, die in der Stelle einen sozusagen „mucianischen Kern“ sieht.49 Die Gliederung des Rechtsstoffes in genera (Gattungen) ist ein bedeutendes Merkmal des Werkes des Q. Mucius50; tatsächlich finden wir einen explicontrattuale) e non col disaccordo.“ Vgl. auch Knütel [1968] S. 10 ff., 14 ff.; Flume [1990] S. 45 ff, 50. Hinzu kommt, dass es eine Redundanz im letzten Satz der Stelle gibt: aeque (…) emptio vel venditio vel locatio (…) dissensu contrario. Der Gebrauch der Konjunktion vel zwischen emptio und venditio ist selten und ist daher gemeinhin als unecht angesehen worden. In diesem Sinne D’Ors [1975b] S. 17. Allerdings lässt sich eine „getrennte“ Benennung der Konsensualobligationen auch bei Cicero finden, was eher für die Echtheit des Ausdruckes spricht. So etwa Cic., de off. 3,70: (…) rebus emptis, venditis, conductis, locatis (...). Darüber hinaus hat man bemerkt, dass am Anfang des Textes das quidque contrahere und damit die Obligation und nicht der Vertrag gemeint ist. Am Ende des Textes ist aber von dem Vertrag (emptio vel venditio vel locatio) und nicht mehr von der Obligation die Rede. Es ist jedoch zu beachten, dass Q. Mucius sich konkret auf die Tatbestände, aus denen die Obligationen entstehen, zu beziehen scheint. Wie unten gezeigt wird, bildet das Gesagte den ständigen Gesichtspunkt, aus dem sich die römischen Juristen mit der Frage der Schuldverhältnisbegründung auseinandergesetzt haben (s.u. § 3 A II). Weitere Angaben bei Fiori [2007] S. 1959 ff.; Santoro [2012] S. 586 ff. 48 In diesem Zusammenhang kommt zunächst der Kontrast zwischen dem Hinweis auf die Konsensualobligationen und dem Rest des Textes in Betracht. Der Teil von aeque bis potest, konkret die Aufhebung der Konsensualobligation durch contrarius dissensus , ist von einigen Autoren Pomponius statt Q. Mucius zugeschrieben worden. Vgl. Index Interpolationum III, S. 453; ferner Brasiello [1930] S. 563 ff.; ders. [1944] S. 108; D’Ors [1951] S. 270 ff.; Kaser [1953b] S. 160 ff.; Grosso [1976b] S. 140. Dies, weil in diesem Satz nicht mehr vom certum dare die Rede ist, sondern vom dare facere oportere ex fide bona, was im Rest der Quelle nicht behandelt wird. In diesem Sinne Knütel [1968] S. 13 ff.; Cannata [1970a] S. 443 ff.; Kaser [1983] S. 78. Hingegen Gallo [1992] S. 33 ff. und Burdese [1993] S. 42 ff., die unzutreffend die Ansicht vertreten, dass in dieser Stelle sich die Idee des consensus als Geltungsgrund jedes Vertrags finden lasse. Man hat auch gesagt, dass die Quelle vor der vermuteten Bearbeitung ausschließlich die Obligationen re und verbis behandelt habe, sodass hier von den Obligationen litteris und consensu keine Rede gewesen sei. In diesem Sinne Brasiello [1930] S. 563 ff. und D’Ors [1951] S. 270 ff.; ders. [1975b] S. 17 ff. Hinzu kommt, dass die Symmetrie zwischen obligatio und solutio Verdacht erregt hat. Die Symmetrie ist früher gemeinhin als Interpolationsindiz betrachtet worden. Hierzu vgl. Meylan [1934] S. 24 ff.; Solazzi [1935] S. 16 ff.; Voci [1946a] S. 80 (Fn. 2) mit Hinweisen auf die ältere Literatur. Zum sog. Symmetrieprinzip in der modernen Forschung und insbesondere bezüglich dieser Quelle Schmidlin [1970] S. 74 ff.; Knütel [1971] S. 98 ff.; Nörr [1972b] S. 60. Siehe auch Lantella/Stolfi [2005] S. 131 ff.; Santoro [2012] S. 555 ff. Weitere Angaben zu dieser Frage bei Fiori [2007] S. 1959 ff., 1965 ff. 49 Vgl. Santoro [2012] S. 555 ff.; Fiori [2007] S. 1958 ff.; Cascione [2003] S. 408; Burdese [1993] S. 42 ff.; Schiavone [1992] S. 205; Gallo [1992] S. 25; Cannata [1970a] S. 440 ff.; Knütel [1968] S. 10 ff.; Voci [1946a] S. 80 ff. Sargenti [1976] S. 465 (Fn. 9) vertritt die Meinung, dass das originale mucianische Lemma auf den Satz Prout quidque contractum est, ita et solvi debet beschränkt gewesen sein müsse. 50 D. 1,2,2,41 (Pomp. l.s. enchir.): Post hos Quintus Mucius Publii filius pontifex maximus ius civile primus constituit generatim in libros decem et octo redigendo. Dazu vgl. Schulz

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ziten Hinweis darauf in den Institutionen des Gaius hinsichtlich der Vormundschaftsgattungen (genera tutelarum)51 sowie einen anderen auf die Besitzsgattungen (genera possessionis) im Kommentar des Paulus zum Edikt52. Es besteht kein gewichtiger Grund, um die divisio re verbis (ursprünglich vielleicht auch litteris) dem Q. Mucius selbst nicht zuzuschreiben.53 Der Text hat sich sicherlich den Gründen des certum dare oportere gewidmet, d.h. den Klagegründen der condictio.54 Aus der Abwesenheit der obligationes litteris wird gemeinhin abgeleitet, dass die Kompilatoren die Hinweise auf diese Schuldverhältnisse gestrichen haben.55 Man hat diesbezüglich auch die These aufgestellt, dass der Grund für das Schweigen über die Litteralobligationen eher in einer reinen Beweisfunktion der Eintragung in den codex accepti et expensi als in einer bewussten Bearbeitung durch die Byzantiner zu finden sei.56 Man muss aber berücksichtigen, dass die Eintragung einer fiktiven Geldauszahlung in das Hausbuch des Gläubigers (expensilatio, nomen transscripticium) der Begründungstatbestand der Litteralobligation ist (Buchforderung). Anders ist der Fall bei dem nomen arcarium: Hier handelt es sich um eine wirkliche Geldauszahlung, die in das Hausbuch ein[1961] S. 111 ff.; Behrends [1976] S. 3 ff.; Stein [1983] S. 151 ff. Grundlegend zum Schema genus-species bei den römischen Juristen Talamanca [1977] S. 3 ff. 51 Gai. 1,188: Ex his apparet, quot sint species tutelarum. Si vero quaeramus, in quot genera hae species diducantur, longa erit disputatio: Nam de ea re valde veteres dubitaverunt. Nosque diligentius hunc tractatum exsecuti sumus et in edicti interpretatione et in his libris, quos ex Quinto Mucio fecimus: Hoc solum tantisper sufficit admonuisse, quod quidam quinque genera esse dixerunt, ut Quintus Mucius; alii tria, ut Servius Sulpicius; alii duo, ut Labeo; alii tot genera esse crediderunt, quot etiam species essent. 52 D. 41,2,3,23 (Paul. 54 ad ed.): Quod autem Quintus Mucius inter genera possessionum posuit, si quando iussu magistratus rei servandae causa possidemus, ineptissimum est: nam qui creditorem rei servandae causa vel quia damni infecti non caveatur, mittit in possessionem vel ventris nomine, non possessionem, sed custodiam rerum et observationem concedit: et ideo, cum damni infecti non cavente vicino in possessionem missi sumus, si id longo tempore fiat, etiam possidere nobis et per longam possessionem capere praetor causa cognita permittit. 53 Zutreffend etwa Voci [1946a] S. 82; Cannata [1970a] S. 440 ff.; ders. [2008] S. 61 ff. 54 In diesem Sinne Cannata [1970a] S. 431 ff.; ders. [2008] S. 61 ff.; Kaser [1983] S. 77 ff. 55 Für einen Eingriff der Kompilatoren vgl. etwa De Ruggiero [1925] S. 371 ff.; Grosso [1950] S. 100 ff.; Kaser [1953b] S. 161 (Fn. 129); ders. [1983] S. 77; Cannata [1970a] S. 441; ders. [2008] S. 63; Gallo [1992] S. 30 ff.; Saccoccio [2002] S. 155; Cascione [2003] S. 408 ff. Hingegen Brasiello [1930] S. 563 ff.; ders. [1944] S. 108; D’Ors [1951] S. 270 ff.; ders. [1975b] S. 17 ff. Man muss gestehen, dass die These des Kompilatoreneingriffes nicht unproblematisch ist, denn die Litteralobligation liegt als eine species der vertraglichen Obligationen noch in I. 3,13,2 vor. Es ist schwierig zu verstehen, warum die Kompilatoren die Hinweise auf die obligationes litteris in den Digesten streichen wollen konnten, wenn sie diese Schuldverhältnisse im byzantinischen Lehrbuch ausdrücklich nennen, auch wenn nach historischen Gründen. 56 In diesem Sinne Betti [1958b] S. 10; weiterhin Cascione [2003] S. 408 (Fn. 35).

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getragen wird (Kassenforderung), sodass die Obligation nicht litteris, sondern re begründet wird. Aus dem Gesagten folgt, dass allein beim nomen arcarium die Eintragung eine bloße Beweisfunktion hat57, nicht bei der Litteralobligation, die litteris kontrahiert wird.58 Die Frage nach dem Grund der Abwesenheit der Litteralobligation in unserer Quelle bleibt offen. Was die Konsensualobligationen angeht, ist es sehr unwahrscheinlich, dass sie von Q. Mucius erörtert wurden, da sie mit dem certum dare oportere nichts zu tun haben. Obwohl in den Quellen bezeugt ist, dass das consensu contrahi bereits in der Zeit des Q. Mucius als Zivilobligationsentstehungsgrund anerkannt worden war59, gehört es nicht zu dem Bereich, auf den die divisio re verbis (und litteris) Anwendung fand, und zwar das certum dare oportere.60 Man darf also annehmen, dass von der Konsensualobligation im mucianischen Text keine Rede war und der Hinweis hierauf durch Pomponius hinzugefügt wurde.61 Im vierten Buch seines Kommentars ad Quintum Mucium beschäftigte sich Pomponius mit den Legaten; die unserer Quelle zugrunde liegende Erörterung sollte zum legatum liberationis (Befreiungslegat) führen.62 Der hochklassische Jurist hat möglicherweise an die Befreiung durch Legat (liberatio legata) von einer Verpflichtung aus mutuum cum stipulatione gedacht.63 Daher ist es möglich, dass Pomponius Tatbestände von contrahere consensu einführen wollte, um die Darstellung des sog. Symmetrieprinzips zwischen Kontrahierung und Aufhebung der Schuldverhältnisse, zwischen obligatio und solutio vollständig zu machen, vielleicht selbst als Fälle von liberatio legata.64

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Das ergibt sich aus Gai. 3,131: (…) numeratio autem pecuniae rei facit obligationem. qua de causa recte dicemus arcaria nomina nullam facere obligationem, sed obligationis factae testimonium praebere. 58 Gai. 3,89: (...) re contrahitur obligatio aut uerbis aut litteris aut consensu. 59 Siehe D. 19,1,40 (Pomp. 31 ad Q. Muc.); Cic., de off. 3,17,70. Dazu Gallo [1992] S. 32 ff.; Melillo [1994] S. 29; Cascione [2003] S. 400 ff. 60 Cannata [1970a] S. 444; ders. [2008] S. 66. 61 Vgl. Kaser [1983] S. 78; Cascione [2003] S. 168 ff.; Santoro [2012] S. 606. Anders Fiori [2007] S. 1965 (Fn. 31), 1973. 62 Siehe Lenel, Pal. II, S. 63 (Nr. 239); Knütel [1968] S. 10; Santoro [2012] S. 558. Zur liberatio legata vgl. vor allem De Villa [1939]; Santalucia [1964]; knapp Kaser [1971] S. 751. 63 In diesem Sinne Knütel [1968] S. 10; weiterhin Santoro [2012] S. 558 f. Pomponius erkannte im mutuum cum stipulatione nur einen Obligationsentstehungsgrund an, und zwar die Stipulation: D. 46,2,7 (Pomp. 24 ad Sab.): Cum enim pecunia mutua data stipulamur, non puto obligationem numeratione nasci et deinde eam stipulatione novari, quia id agitur, ut sola stipulatio teneat, et magis implendae stipulationis gratia numeratio intellegenda est fieri. Vgl. auch D. 46,2,6,1 (Ulp. 46 ad Sab.); D. 45,1,126,2 (Paul. 13 quaest.). Näheres zum sog. mutuum cum stipulatione unten § 4 A II2e). 64 Santoro [2012] S. 559 f.

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2. Contrahere und solvere obligationem Q. Mucius sagt, dass alles so aufgelöst werden muss, wie es kontrahiert worden ist: Prout quidque contractum est, ita et solvi debet. Es geht um die Symmetrie zwischen obligatio und solutio (sog. Symmetrieprinzip).65 Im Sprachgebrauch der Klassiker bedeuten solvere und solutio generell „erfüllen“ und „Erfüllung“.66 Diese Begriffe beziehen sich auf die Begleichung einer Schuld; nach den Worten Kasers, auf ihr natürliches Ende durch Leistung des Geschuldeten, durch „Verwirklichung ihres Daseinszwecks“67. Dann gibt es eine Antithese zwischen der solutio auf der einen Seite und den sonstigen Gründen für das Erlöschen der Obligationen auf der anderen Seite.68 In D. 46,3,80 geht es aber um die solutio als Aufhebung der Obligationen im Allgemeinen, nicht um die Erfüllung (solutio im engeren Sinne) im Speziellen. Besonders bemerkenswert ist es, dass hier das Verb contrahere zum ersten Mal in Bezug auf die Begründung eines Schuldverhältnisses gebraucht wird.69 Daher stimmen wir der Ansicht Santoros zu, dass in der Quelle weniger von der Obligation selbst als vielmehr von dem Tatbestand, aus dem sie entsteht („atti vincolanti“), die Rede ist.70 So muss die Obligation, welche re (durch Sachübereignung) begründet worden ist, auch re (durch Rückgewähr des tantundem) aufgelöst werden: cum re contraxerimus, re solvi debet. Dass ein Gelddarlehen mit dem gleichen Geldbetrag zurückgezahlt werden muss, ist im Gegensatz zu Schmidlins Meinung kein „leerer Schematismus“, son65

Dazu vgl. vor allem Schmidlin [1970] S. 74 ff.; Knütel [1971] S. 98 ff.; Nörr [1972b] S. 60. Ferner für diese Quelle Fiori [2007] S. 1965 ff.; Santoro [2012] S. 555 ff., 605. 66 Siehe VIR V, S. 612 ff.; D. 50,16,176 (Ulp. 45 ad Sab): ‘Solutionis’ verbo satisfactionem quoque omnem accipiendam placet. ‘Solvere’ dicimus eum, qui fecit quod facere promisit. Siehe auch D. 46,3,54 (Paul. 56 ad ed.); D. 46,3,98,6 (Paul. 15 quaest.); D. 50,16,47 (Paul. 56 ad ed.). Zur Bedeutung von solvere-solutio im klassischen römischen Recht vgl. Sargenti [1981] S. 532 ff.; Longo [1965] S. 316 ff.; Cruz [1962] insbes. S. 57 ff.; Solazzi [1935] S. 9 ff.; Kretschmar [1906] S. 1 ff. 67 Kaser [1971] S. 635. Ähnlich bereits Cruz [1962] S. 60 ff., 355 ff. Diese Ausdrucksweise Kasers ist nicht unproblematisch, weil sie auf den ersten Blick auf eine Vorrangstellung der Naturalleistung hinzuweisen scheint („natürliches Ende“ der Verpflichtung durch Leistung, „Verwirklichung ihres Daseinszwecks“). Das war aber nicht genau der Fall des klassischen römischen Rechts, in dem nur die Verurteilung in Geld (condemnatio pecuniaria) denkbar war (Gai. 4,48). Die Aussage Kasers ist jedoch im Grunde richtig: Man geht eine Verpflichtung ein, um das Geschuldete zu leisten. Eine andere Frage ist, wie das Interesse des Gläubigers im Fall von Leistungsstörung im Prozess tatsächlich befriedigt wird. 68 Vgl. Arangio-Ruiz [1960] S. 392. Eine Unterscheidung zwischen natürlichem und zivilrechtlichem Erlöschen einer Obligation erscheint in D. 46,3,107 (Pomp. 2 enchir.). Dazu vgl. Solazzi [1935] S. 5. 69 Vgl. Burdese [1993] S. 42; ders. [2001a] S. 321. Schiavone [1992] S. 57 f. spricht diesbezüglich von einem „primo nucleo di pensiero ontologico“. 70 Santoro [2012] S. 586 ff. Hingegen Fiori [2007] S. 1974.

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dern formale Entsprechung.71 Ähnliches gilt für die Verpflichtungen, die durch formgebundenes mündliches Versprechen oder – nach Pomponius – durch Konsens kontrahiert worden sind: Einerseits wird die Verbalobligation entweder durch Akzeptilation72 oder durch Leistung des Versprechens aufgelöst73, andererseits werden die Konsensualobligationen consensu contrario aufgehoben 74. 3. Re contrahere Q. Mucius wendet sich zunächst der durch Sachübereignung (re) kontrahierten Obligation zu, welche durch das Gelddarlehen dargestellt wird: (…) cum re contraxerimus, re solvi debet: veluti cum mutuum dedimus, ut retro pecuniae tantundem solvi debeat. Die Obligation, die re begründet worden ist, muss ebenso re aufgelöst werden; nämlich wenn man Geld als Darlehen gegeben hat, muss ebenso viel Geld zurückgezahlt werden. Gemäß dem Symmetrieprinzip kann das Darlehensschuldverhältnis re getilgt werden (Geldauszahlung als Erfüllungshandlung), da es re begründet worden ist (Geldauszahlung als Begründungshandlung)75: Die Obligation, die durch Sachübereignung kontrahiert wird, ist durch Sachübereignung – in diesem Fall des gleichen Geldbetrages als tantundem eiusdem generis – aufzulösen.

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Schmidlin [1970] S. 75. Ohne weitere Angaben sagt dieser Autor (S. 76), dass anstelle des Darlehens und der formfreien Rückzahlung das nexum und die nexi liberatio ständen, da nur diese älteren Figuren dem Symmetrieprinzip voll gerecht gewesen seien. Warum Darlehensgewährung und Rückzahlung „leeren Schematismus“ und daher keine Symmetrie darstellen, ist kaum verständlich. Dass zwischen dem nexum (als ältester Darlehensform) und der solutio per aes et libram eine Korrespondenz bestand, bedeutet nicht, dass sie nicht mehr zwischen dem formlosen Darlehen und der ebenso formlosen Rückzahlung existiert. Wie Knütel [1968] S. 12 zutreffend betont, kann die Realobligation als Beispiel „par excellence“ für das Symmetrieprinzip gelten, denn bei ihr koinzidieren die Schuldtilgungsart, die Leistungserbringung und der Konträrakt. 72 Zur Akzeptilation als Konträrakt der Stipulation siehe D. 46,4,8,3 (Ulp. 48 ad Sab.): Acceptum fieri non potest, nisi quod verbis colligatum est: acceptilatio enim verborum obligationem tollit, quia et ipsa verbis fit: neque enim potest verbis tolli, quod non verbis contractum est. Siehe auch D. 50,17,35 (Ulp. 48 ad Sab.): Nihil tam naturale est quam eo genere quidque dissolvere, quo colligatum est. Ideo verborum obligatio verbis tollitur (…). Dazu vgl. Meylan [1934]; Solazzi [1935] 245 ff.; Flume [1990] S. 39 ff.; Mollá Nebot [1993] S. 118 ff. für diese Quelle. 73 Die solutio re einer Verbalobligation steht jedenfalls im Widerspruch zum Symmetrieprinzip. Insofern ist die Zulassung der Realsolution im Rahmen einer Verbalobligation in der Lehre gemeinhin als byzantinische oder zumindest nachklassische Bearbeitung angesehen worden. Vgl. Solazzi [1935] S. 16 f.; Kaser [1953b] S. 160 f.; Knütel [1968] S. 15; Gallo [1992] S. 29 f.; Laborenz [2014] S. 95. 74 D. 50,17,35 (Ulp. 48 ad Sab.): Nihil tam naturale est quam eo genere quidque dissolvere, quo colligatum est (…) nudi consensus obligatio contrario consensu dissolvitur. 75 Vgl. Kaser [1983] S. 77; Knütel [1968] S. 12.

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Es ist unmöglich, beim Lesen dieses Textes nicht an die Darstellung der obligatio re contracta in Gai. 3,90 zu denken: Re contrahitur obligatio velut mutui datione76. Die Übereinstimmung zwischen beiden Quellen liegt auf der Hand. Der Hinweis auf das Darlehen bei Q. Mucius ist von Santoro als eine Glosse bezeichnet worden. Trotzdem schreibt dieser Autor den Satz ut, cum re contraxerimus, re solvi debet, der im Grunde denselben Inhalt hat, dem Q. Mucius zu.77 Es ist anzunehmen, dass bei Q. Mucius eine Identifizierung des re contrahere mit der Darlehensgewährung vorlag, wenn auch nicht unbedingt explizit.78 Dann besteht die angebliche Glosse allein in der ausdrücklichen Nennung des Darlehens; sachlich macht sie keinen Unterschied. Der originale Text behandelte die Gründe des certum dare oportere, weswegen er sich auf das Darlehen beziehen musste, zumindest implizit: Das mutuum ist der einzige vertragliche Tatbestand, aus dem ein certum dare oportere durch Sachübereignung (re) begründet werden kann; das re kontrahierte certum dare oportere (re dare oportere) erschöpft sich in der Darlehensgewährung. Im Übrigen bildet das Gesagte einen Beweis dafür, dass die Partikel velut(i) nicht unbedingt eine Exemplifizierung bedeutet, sondern sie kann wohl taxativ sein, im Sinne von „und zwar“, „nämlich“, und dies auch für den eventuellen Fall, dass sie nicht von Q. Mucius, sondern erst von Pomponius in die Quelle hinzugefügt wurde.79 Die Identität zwischen re contrahere und mutui datio in diesem Text ist deutlich und stimmt mit der klassischen Jurisprudenz völlig überein.80 Konsequent ist hier von commodatum, depositum und pignus keine Rede. Die ursprüngliche Bedeutung von credere (certum dari)81 ist die eigentumsverschaffende Sachüberlassung an vertretbaren Sachen, d.h. die Darle76

Dazu s.u. § 4 A II. Im gleichen Sinne I. 3,14pr.: Re contrahitur obligatio veluti mutui datione (...); ohne velut D. 44,7,1,2 (Gai. 2 res cott.): Re contrahitur obligatio mutui datione (…). Siehe auch Gai Ep. 2,9,1: Re contrahitur quoties aliqua cuicumque mutuo dantur (…). 77 Santoro [2012] S. 605 ff., 609 ff. 78 Zu Recht Burdese [2001a] S. 321. Knütel [1968] S. 12 nimmt an, dass im ursprünglichen Text von der Realobligation (der Autor spricht von „Realkontrakten“) die Rede gewesen sein dürfte, wenn auch in anderer Form. 79 Zu dieser Bedeutung von velut vgl. Betti [1912] S. 66; Ferrini [1929] S. 81; Maschi [1973] S. 249. Zum Gebrauch von velut in Gai. 3,90 s.u. § 4 A II2a). 80 Dazu s.u. § 4. 81 Der lateinische Begriff credere hat eine ungewisse Etymologie. Der herrschenden Meinung nach stammt er aus einer Wurzel der proto-indoeuropäischen Ursprache, die in engerer Beziehung zu „vertrauen“ und „glauben“ steht. Daher ist unter credere im Wesentlichen fidem sequi zu verstehen. Dazu siehe nur Ernout/Meillet [1959] S. 148; Walde/Hofmann [1938] S. 287. Nach Pariente [1953] S. 340 stellt credere eine Zusammensetzung von cernere (sichten, scheiden) und dare (geben) dar, auf die Art und Weise, dass credere in einem certum dare besteht. In ähnlichem Sinne D’Ors [1965a] S. 1151 ff. (= ders. [1963] S. 345 ff.). Zum Gebrauch der Vokabel credere in den Rechtsquellen siehe nur Heumann/Seckel [1926] S. 111. Sie ist im VIR nicht enthalten.

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hensgewährung. Zahlreiche Quellen, die etwa sechs Jahrhunderte juristischer Entwicklung von der späteren Republik bis zur Zeit Justinians abdecken, bestätigen die grundlegende Identität zwischen credere und mutui datio.82 Eine Erstreckung des creditum auf die Leihe und die Verpfändung (niemals auf die Verwahrung)83 kannte mit Sicherheit Celsus84, sie war aber für Alfen noch unbekannt85. Es handelt sich demnach um eine Entwicklung, die Q. Mucius aus zeitlichen Gründen nicht erfahren konnte.

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Siehe zum Beispiel Gai. 3,124; D. 12,1,2pr.-1 (Paul. 28 ad ed.); D. 12,1,8 (Pomp. 6 ad Plaut.); D. 12,1,20 (Iul. 18 dig.); D. 12,1,30 (Paul. 5 ad Plaut.); D. 12,1,41 (Afr. 8 quaest.); D. 14,1,7,1 (Afr. 8 quaest.); D. 14,3,19,3 (Pap. 3 resp.); D. 14,6,1pr. (Ulp. 29 ad ed.); D. 16,1,17pr. (Afr. 4 quaest.); D. 17,1,34pr. (Afr. 8 quaest); D. 17,1,48pr. (Cels. 7 dig.); D. 19,2,31 (Alf. 5 dig. a Paul. epit.); D. 19,5,24 (Afr. 8 quaest.); D. 20,5,12,1 (Tryph. 8 disp.); D. 24,1,50pr. (Iav. 13 epist.); D. 26,7,16 (Paul. 7 ad Sab.); D. 31,85 (Paul. 4 resp.); D. 45,1,126,2 (Paul. 3 quaest.); D. 42,5,24,2 (Ulp. 63 ad ed.). 83 So ausdrücklich Ulpian in D. 42,5,24,2 (Ulp. 63 ad ed.): (…) aliud est enim credere, aliud deponere (…). Das ergibt sich auch aus D. 12,1,1,1 (Ulp. 26 ad ed.), wo von der Verwahrung – im Gegensatz zu der Leihe und dem Pfand – als causa credendi keine Rede ist (siehe die nächste Fußnote). 84 D. 12,1,1,1 (Ulp. 26 ad ed.): Quoniam igitur multa ad contractus varios pertinentia iura sub hoc titulo praetor inseruit, ideo rerum creditarum titulum praemisit: omnes enim contractus, quos alienam fidem secuti instituimus, complectitur: nam, ut libro primo quaestionum Celsus ait, credendi generalis appellatio est: ideo sub hoc titulo praetor et de commodato et de pignore edixit. Nam cuicumque rei adsentiamur alienam fidem secuti mox recepturi quid, ex hoc contractu credere dicimur. Rei quoque verbum ut generale praetor elegit. Die Interpolationsverdachte von De Francisci [1916] S. 395, 425, Pringsheim [1930] S. 375 und Schulz [1951] S. 22 ff. beruhen auf rein stilistischen (nicht selten widersprüchlichen) Vorurteilen, die zu keiner geeigneten Interpretation der Stelle führen. Für die Echtheit der Quelle vgl. eingehend Albanese [1971] S. 5 ff., 54 ff. für die Auseinandersetzung mit der These Schulzs; ferner Jung [2002] S. 29 ff., 40 ff. Die Quelle ist teils in einem Papyrus erhalten: Papyrus Rylands 474 b (Recto) (P. Ryl. III 474). Dazu vgl. vor allem De Zulueta [1939] S. 139 ff., der die Auflage von Roberts [1938] S. 63 ff. verbessert hat. Siehe auch D. 12,1,2,3 (Paul. 28 ad ed.): Creditum ergo a mutuo differt qua genus a specie: nam creditum consistit extra eas res, quae pondere numero mensura continentur sic, ut, si eandem rem recepturi sumus, creditum est. item mutuum non potest esse, nisi proficiscatur pecunia, creditum autem interdum etiam si nihil proficiscatur, veluti si post nuptias dos promittatur. Die Weise, in der sich Paulus ausdrückt, zeigt eindeutig, dass das Darlehen nicht die einzige, allerdings die wichtigste und paradigmatische causa credendi ist. 85 Siehe D. 19,2,31 (Alf. 5 dig. a Paul. epit.). Alfen identifiziert das creditum mit den Geschäften, die eine Eigentumsübertragung bedeuten, und zwar das mutuum, die sog. locatio conductio irregularis und das sog. depositum irregulare. Zur sog. locatio conductio irregularis vgl. Mayer-Maly [1956] S. 34 ff.; Benke [1987] S. 156 ff., 191 ff.; Metro [1995] S. 191 ff.; Fiori [1999] S. 65 ff. Zum sog. depositum irregulare vgl. Niemeyer [1889]; Longo [1906] S. 121 ff.; Segrè [1907] S. 197 ff.; Bonifacio [1947] S. 80 ff.; Brasiello [1954] S. 23 ff.; Adams [1962] S. 360 ff.; Geiger [1962]; Astuti [1960] S. 224 ff. Klami [1969]; Litewski [1972] 557 ff.; ders. [1974] S. 215 ff.; ders. [1975] S. 279 ff.; Maschi [1973] S. 381 ff.; Gandolfi [1976] S. 148 ff.; Vigneron [1984] S. 307 ff.; Bürge [1987] S. 536 ff.; Valmaña Ochaita [1996]; Scotti [2002] S. 183 ff. Ausführlich zu den sog. „unregelmäßigen Verträgen“ Santarelli [1984]; vgl. auch Crifò [1988] S. 215 ff.

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§ 2 Divisiones obligationum und Realobligation

Ulpian teilt uns mit, dass das creditum im edictum perpetuum einen ausgedehnten Sinn hatte, nach dem nicht nur das mutuum als causa credendi gegolten hat, sondern auch sonstige Tatbestände, denen keine datio rei zugrunde liegt, nämlich commodatum und pignus.86 In einer Zeit, die nicht genau bestimmt werden kann, aber jedenfalls nach Alfen, wurden Darlehen, Leihe und Pfand durch das adsentiri rei alienam fidem secuti, das Wesen des ediktalischen credere, vereinheitlicht und konsequent in denselben Ediktstitel (de rebus creditis) zusammengestellt.87 Wie Ulpian uns unterrichtet, sagt man, wenn wir mit irgendeiner Sachhingabe einverstanden sind und dabei der Treue des anderen in der Weise vertrauen, dass wir von ihm alsbald etwas zurückzubekommen hoffen, dass wir ihm etwas aufgrund dieses Vertragsschuldverhältnisses anvertrauen (nam cuicumque rei adsentiamur alienam fidem secuti mox recepturi quid, ex hoc contractu credere dicimur). Die Sachhingabe setzt voraus, dass der Geber sich auf die Treue des Nehmers verlässt. Anders formuliert: Der Geber „glaubt“ an die Treue des Nehmers, der sich zur Rückgabe verpflichtet, und „folgt“ ihr. Unter diesen Umständen können sowohl Entleiher als auch Pfandgläubiger als Schuldner eines creditum betrachtet werden, aber nicht der Hinterleger. Bei dem depositum geht es um eine fides aliena, fehlt es jedoch das andere Element, das für den Begriff des credere im Edikt entscheidend ist: adsentiri rei hinsichtlich der fides aliena, um die Sache zurückzuerhalten (mox recepturi). Beim depositum wird die Sache nur im Interesse des Hinterlegers anvertraut, nicht des Verwahrers (Empfängers), sodass es kein adsentiri rei im Sinne des Edikts gibt. Der Hinterleger ist die Partei, welche die Initiative ergreift, um das Schuldverhältnis zu begründen; der Vertrag liegt allein in seinem Interesse. Deshalb ist die Haftung des Verwahrers auf den Vorsatz beschränkt.88 Kurz ausgedrückt: Bei der Verwahrung gibt es eine fides aliena, aber kein alienam fidem secuti im Sinne des prätorischen Edikts. Der Hinterleger glaubt an die Redlichkeit des Verwahrers, „folgt“ ihr aber nicht.89

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Zum Begriff des creditum vgl. D’Ors [1953] S. 134 ff.; ders. [1956] S. 6 ff.; ders. [1957] S. 73 ff.; ders. [1963] S. 345 ff.; ders. [1965a] S. 1151 ff.; ders. [1975a] S. 205 ff.; Wunner [1964] S. 55 ff.; Santoro [1971] S. 377 ff.; Albanese [1971] S. 5 ff.; ders. [1973] S. 77 ff.; ders. [1991a] S. 1171 ff.; ders. [1991b] S. 1551 ff.; Cannata [1974] S. 104 ff.; Martini [1980] S. 109 ff.; Jung [2002] S. 29 ff. (dazu Schanbacher [2004] S. 613 ff.; Gröschler [2005] S. 184 ff.). 87 Gewiss geht es hier nicht um fides im Sinne der bonae fidei iudicia. Die im edictum de rebus creditis enthaltenen Klagen sind strengrechtlich, d.h. sie sind auf den einfachen Sachwert gerichtet. Von einem weiten Beurteilungsspielraum für den Richter, der die Klagen nach Treu und Glauben charakterisiert, ist beim strengrechtlichen creditum keine Rede. 88 Zur Haftung des Verwahrers s.u. § 5 A IV4. 89 Vgl. Albanese [1971] S. 5 ff., 35, 39; ders. [1973] S. 77 ff.; ders. [1991b] S. 1153 ff.; ders. [1991c] S. 1173 ff.; Santoro [1971] S. 377 ff.; Cannata [1974] S. 104 ff.; Martini [1980] S. 109 ff.; Jung [2002] S. 44; Gröschler [2005] S. 184.

B. Vor- und frühklassische divisiones obligationum

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Trotzdem begründet weder die Leihe noch das Pfand ein re dare oportere, weil diese Schuldverhältnisse auf keiner datio rei beruhen. Dass Darlehen, Leihe und Pfand im edictum de rebus creditis zusammengestellt sind, muss nicht zur Verwirrung führen: Causa credendi und obligatio re contracta sind zwei verschiedene Dinge.90 Die Einordnung der actiones commodati und pigneraticia in factum conceptae in das edictum de rebus creditis beruht auf der „Kondiktionenartigkeit“ dieser Klagen. Nichts weniger, aber auch nichts mehr. Vorauszuschicken ist, dass auch nach der Ausdehnung des credere im prätorischen Edikt auf commodatum und pignus der Gebrauch des Ausdruckes re contrahere in den Quellen ständig auf das mutuum vorbehalten blieb.91 Die Umwandlung des credere im Edikt brachte keine Bedeutungsänderung des re contrahere mit sich. III. Pecunia data, stipulata und expensa lata bei Cicero 1. Ciceros Rede Pro Roscio comoedo Cicero nennt die Gründe des certum dare oportere in seiner Rede Pro Roscio Comoedo (4,13 bis 5,14).92 Der Gegenstand der Rede lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Der Schauspieler Q. Roscius, jetzt Beklagter und Klient von Cicero, hatte vor Jahren einen Gesellschaftsvertrag mit dem Kläger, einem Geschäftsmann namens C. Fannius Chaerea, abgeschlossen. Unternehmensgegenstand war der Sklave Panurgus, den Fannius in die Gesellschaft einbrachte und Roscius als Schauspieler ausbildete. Die Parteien hatten auf diese Weise geplant, das Talent des Sklaven für gemeinschaftliche Rechnung zu verwerten. Panurgus wurde aber von einem gewissen Q. Flavius getötet, weswegen die Miteigentümer eine actio legis Aquiliae gegen den Täter erheben durften. Obwohl Fannius die Vertretung von Roscius im Prozess als sein cognitor übernahm, machte Roscius den Fehler, lite contestata aus Vergleich ein Grundstück von Flavius im Werte von 200.000 Sesterzen in Zahlung zu nehmen. Infolgedessen verlangte Fannius von Roscius eine Beteiligung an der Abfindung. Man verglich sich darin, dass Roscius dem Fannius 100.000 Sesterzen (die Hälfte der Abfindung) versprach, Fannius seinerseits dem Roscius die Hälfte des Betrages, den er gegebenenfalls von Flavius erhalten könnte. Roscius bezahlte aber nur eine erste Rate von 50.000 Sesterzen, weshalb Fannius drei Jahre später im Wege der actio certae creditae pecuniae gegen Roscius klagte. Es handelt sich also um einen Einzelfall, dessen Gegenstand eine Verpflichtung auf 50.000 Sesterzen ist. Die Rede widmet sich dem Versuch zu

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A.A. Maschi [1973] S. 254 ff.; Castresana [2013] S. 199. Ausführlich dazu unten §§ 4-5. 92 Klassisch zu dieser Rede in juristischer Sicht Pflüger [1904]. 91

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beweisen, dass die Klage des Fannius unbegründet sei, da keiner der möglichen Klagegründe bestehe. 2. Gründe des certam pecuniam dare oportere In der Rede Ciceros liegt keine systematische Einteilung der Obligationsentstehungsgründe vor. Es geht ganz konkret um die Verteidigung des Interesses seines Klienten Q. Roscius, der wegen einer Verpflichtung auf eine bestimmte Geldsumme beklagt worden ist.93 Es liegt auf der Hand, dass es hier um die Geltendmachung eines Anspruches auf ein certum geht, nämlich auf certa pecunia.94 Insofern bezieht sich Cicero auf die Tatbestände der actio certae creditae pecuniae, nicht des contrahere im Allgemeinen.95 Figuren, aus denen kein certam pecuniam dare oportere entsteht, bleiben konsequent von der Rede ausgeschlossen.96 Es gibt keinen Zweifel daran, dass die von Fannius gegen Roscius erhobene Klage die condictio auf eine Geldsumme ist, d.h. die actio certae creditae pecuniae.97 Die intentio der Klage lautet nach dem Bericht Ciceros Si paret HS 50000 dari98, was der Klageformel der actio certae creditae pecuniae entspricht99. Eine Unterscheidung zwischen der actio certae creditae pecuniae und der durch Fannius erhobenen actio100 ist auszuschließen, denn die Formel der Klage gegen Roscius ist identisch mit der Formel der condictio auf eine Geldsumme. Wenn „zwei“ Klagen dieselbe Formel haben, bedeutet dies unbezweifelbar, dass es sich um eine einzige Klage handelt: Die Identität der römischen actio beruht auf der Klagformel, konkret auf der intentio.101 Nach Cicero gibt es in einem Fall, wie dem hier vorliegenden, drei mögliche Gründe für ein certam pecuniam dare oportere und damit für die Zulässigkeit der actio certae creditae pecuniae, und zwar die pecunia data, stipulata und expensa lata.102 In dieser Ausdrucksweise lässt sich die praktische 93

Vgl. Pflüger [1904] S. 5; Donatuti [1951] S. 40 ff. Vgl. Cannata [1970a] S. 444 ff.; ders. [1970b] S. 58 (Fn. 13); ders. [1995] S. 59; ders. [2008] S. 59 ff.; Sargenti [1976] S. 463 ff. 95 Kaser [1983] S. 78. 96 Vgl. Schwarz [1952] S. 285; ferner Cannata [1995] S. 61. 97 In diesem Sinne bereits Baron [1880] S. 124 ff. Vgl. Kaser/Hackl [1996] S. 334; Sargenti [1976] S. 463; Watson [1965] S. 14 ff.; Donatuti [1951] S. 36 ff. 98 Cic., pro Rosc. com. 4,11: Quid est in iudicio? Derectum, asperum, simplex: si paret HS iccc dari (…). Zur Quelle vgl. unlängst Platschek [2011] S. 369 ff. 99 Gai. 4,41; 4,50. Grundlegend zur Rekonstruktion der Formel Lenel, EP, S. 237; ferner Mantovani [1999] S. 48 (Nr. 19). 100 So denken Robbe [1941] S. 35 ff.; Schwarz [1952] S. 286 ff.; Van Oven [1958] S. 391 ff., ohne dass diese Ansicht Anklang in der Lehre gefunden hat. 101 Dazu vgl. vor allem Kaser/Hackl [1996] S. 308 ff. 102 Cic., pro Rosc. com. 4,13: Iam duae partes causae sunt confectae; adnumerasse sese 94

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Zielsetzung Ciceros betrachten: Anders als Q. Mucius spricht der Redner von pecunia data, stipulata und expensa lata, nicht von re und verbis (ursprünglich vielleicht auch litteris) contrahere.103 Die Redeweise Ciceros ist eher deskriptiv als analytisch104 und geht vom Sachverhalt aus.105 Die drei Gründe der condictio entsprechen den drei genera von Entstehungsgründen des certum dare oportere bei Q. Mucius, aber nicht als Tatbestände des contrahere, sondern der actio des Klägers. Es ist also zu vermeiden, die Rede „in chiave contrattualistica“ zu betrachten, denn von vertraglichen Figuren spricht Cicero gar nicht.106 In der oratio geht es um Darlehensgewährung, Stipulation und Litteralobligation nicht als Fälle des contrahere an sich, sondern als Gründe der actio certae creditae pecuniae107, d.h. als causae credendi. Die Funktion, die diese drei Tatbestände zusammenhält, ist es, ein creditum zu begründen108, und dieses setzt eine datio rei voraus: Zu der Zeit Ciceros war das credere auf die Eigentumsübertragung an den betroffenen Sachen beschränkt, wie wir aus den Digesten Alfens erfahren.109 Die Erstreckung des creditum auf Figuren, die keine Sachübereignung bedeuten, hatte damals noch nicht stattgefunden 110, geschweige denn die spätere Ausdehnung des Begriffes auf alle Schuldverhältnisse, sodass jeder Anspruch in einem creditum besteht und jeder Gläubiger creditor ist111. Daher kann man verstehen, warum diese oratio nichts nützt, um das Alter der condictio ex causa furtiva zu bestimmen.112 Dieser Kondiktionsgrund wird hier kein einziges Mal erwähnt, da es um einen spezifischen „vertraglichen“ Fall geht, der eine datio rei voraussetzt und mit dem furtum (Diebstahl) nichts zu tun hat.113 Infolgedessen wäre ein Hinweis auf die condictio ex negat, expensum tulisse non dicit, cum tabulas non recitat. Reliquum est ut stipulatum se esse dicat (...); 5,14: Pecunia petita est certa; cum tertia parte sponsio facta est. Haec pecunia necesse est aut data aut expensa lata aut stipulata sit. 103 Vgl. Cannata [1995] S. 60. 104 Vgl. die formula Baetica: FIRA III 92 (S. 296 f.). 105 Cannata [1970a] S. 445; ders. [1970b] S. 58 (Fn. 13); Sargenti [1976] S. 464 ff. 106 Sargenti [1976] S. 465. 107 Vgl. Kaser [1983] S. 78. 108 Zutreffend Cannata [1970a] S. 445; Kaser [1983] S. 78. 109 D. 19,2,31 (Alf. 5 dig. a Paul. epit.). 110 Vgl. D. 12,1,1,1 (Ulp. 26 ad ed.); D. 12,1,2,3 (Paul. 28 ad ed.). 111 Zu dieser Bedeutung der Begriffe creditum und creditor, auf der die moderne Dogmatik beruht, siehe Gai. 3,124; D. 50,16,10 (Ulp. 6 ad ed.) und D. 50,16,11 (Gai. 1 ad ed. prov.). 112 Siehe Gai. 4,4. Zu den historischen Grundlagen der condictio ex causa furtiva vgl. Pika [1988] S. 21 ff. 113 Allerdings bezeichnet Fannius das Verhalten des Roscius als fallere, fraudare, circumscribere (6,16 ff.) und spricht sogar von furtum (9,26 ff.). Dies ist aber nicht wörtlich zu nehmen. Vgl. Schwarz [1952] S. 285.

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causa furtiva überflüssig gewesen, da er für die Entscheidung des Rechtsstreits zwecklos gewesen wäre.114 Aus demselben Grund lässt sich kein Hinweis auf die damals schon anerkannten Konsensualobligationen finden.115 Was Cicero sagt, das bezieht sich nur auf die actio certae creditae pecuniae, welche auf die Zahlung einer abstrakten Geldsumme gerichtet ist, nicht aber auf die Kondiktion wegen Diebstahls, denn die res furtiva kann keineswegs abstrakt sein.116 Zusammenfassend kann festgehalten werden: Cicero wollte offensichtlich keine allgemeine Einteilung der Obligationsentstehungsgründe vorlegen, nicht einmal in Bezug auf die pecunia certa credita; als Anwalt strebte er danach, das Interesse seines Klienten tüchtig zu verteidigen, und dazu hat er nur dasjenige betont, was im Rechtsstreit dienen konnte117. Insofern lässt sich hier – abstrakt gesagt – von der Erörterung des re, verbis und litteris contrahere als Gründe des certum dare oportere sprechen, nicht aber als Elemente einer Klassifizierung der Schuldverhältnisentstehungsgründe, denn diese hätte auch die sog. Konsensualobligationen enthalten sollen. Trotz der systematischen Neigungen Ciceros118 trägt diese Rede zum Aufbau einer systematischen Einteilung der causae obligationum nicht bei. IV. Vertrag und Realobligation nach Labeo 1. Der Vertrag nach Labeo a) D. 50,16,19. Ultro citroque obligatio Einige Jahrzehnte nach Q. Mucius wurde das contrahere zum ersten Mal definiert. Es handelt sich um die einzige Stelle im gesamten Corpus römischer Rechtsquellen119, in der eine Vertragsdefinition vorliegt. Daraus darf man jedoch nicht folgern, dass diese Definition unbedingt von der klassischen römischen Jurisprudenz in Anspruch genommen wurde.120 Es ist sogar unge114

Vgl. Pflüger [1904] S. 5 ff.; Donatuti [1951] S. 40 ff.; Schwarz [1952] S. 285; Sargenti [1976] S. 464. 115 Vgl. D. 19,1,40 (Pomp. 31 ad Q. Muc.); Cic., de off. 3,17,70. Weitere Angaben dazu bei Cascione [2003] S. 400 ff. 116 Pflüger [1904] S. 15 ff. 117 Pflüger [1904] S. 5. 118 Siehe Cic., de orat. 1,41,186-187; 1,42,187 ff.; Brut. 41,152 ff.; Gell. 1,22,7. Dazu grundlegend Mette [1954]; Bona [1980] S. 282 ff. (dazu siehe die „nota di lettura“ von Cuena Boy [2009] S. 1 ff.). 119 Für die wesentliche Echtheit der Stelle schon Betti [1915] S. 10 ff.; De Francisci [1916] S. 332 ff. Die moderne Forschung ist ebenfalls überwiegend für die Authentizität des Textes. Vgl. etwa Santoro [1983] S. 48 ff.; Gallo [2006a] S. 142 ff.; Fiori [2012] S. 311 ff. mit reichlichen Hinweisen auf die ältere Literatur. Eine eher isolierte starke Interpolationskritik bei Voci [1946a] S. 51 ff. und Schulz [1954] S. 466. 120 Die von Labeo durchgeführte Unterscheidung zwischen agere, gerere und contrahere

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wiss, inwieweit ihr Urheber sie für die Lösung praktischer Einzelfälle gebraucht hat.121 Der Autor der Definition, die uns in einem Fragment des Kommentars Ulpians zum Edikt überliefert und in den Titel de verborum significatione der Digesten (D. 50,16)122 als „einschränkende Definition“123 durch partitio124 eingegliedert wurde125, ist Labeo, der bedeutendste frühklassische Jurist und Gründer der sog. prokulianischen Rechtsschule126. D. 50,16,19 (Ulp. 11 ad ed.): Labeo libro primo praetoris urbani definit, quod quaedam agantur, quaedam gerantur, quaedam contrahantur: et actum quidem generale verbum esse, sive verbis sive re quid agatur, ut in stipulatione vel numeratione: contractum autem ultro citroque obligationem, quod Graeci συνάλλαγµα vocant, veluti emptionem venditi onem, locationem conductionem, societatem: gestum rem significare sine verbis factam. Labeo unterscheidet im ersten Buch vom Stadtprätor, dass einiges verhandelt, anderes geführt und anderes kontrahiert wird: Und zwar sei Handlung ein allgemeiner Ausdruck, möge etwas durch Worte oder durch eine Sache verhandelt werden, wie bei der Stipulation oder der Geldauszahlung; Vertrag sei aber eine gegenseitige Obligation, was die Griechen συνάλλαγµα nennen, zum Beispiel Kauf, Miete, Gesellschaft; Führung bezeichne eine ohne Worte durchgeführte Sache.

Diese Quelle, hinsichtlich derer „praktisch alles diskutiert wird“ 127, ist einer eigenständigen Untersuchung würdig; eine detaillierte Erörterung würde aber den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Aus diesem Grund können im Folgenden nur die wichtigsten Ansätze vorgestellt werden, die in Beziehung zur Frage der sog. Kategorie der Realverträge stehen.

konnte von Ulpian (mit der Vermittlung von Pomponius) im Rahmen seines Kommentars zum edictum quod metus causa (immer noch im 11. Buch des Ediktskommentars) gebraucht werden; D. 4,2,9,1 (Ulp. 11 ad ed.). Näheres zu dieser These bei Albanese [1972] S. 194 ff., 246. 121 Siehe D. 13,4,2,8 (Ulp. 27 ad ed.); D. 15,1,3,1 (Ulp. 29 ad ed.); D. 42,8,6,6 (Ulp. 66 ad ed.). Dazu vgl. Albanese [1972] S. 218 ff.; ferner Santoro [1983] S. 7 ff.; Talamanca [1990b] S. 102 ff. 122 Zu diesem Titel siehe nur Marrone [1994] S. 583 ff.; ders. [1995] S. 169 ff. 123 Marrone [1994] S. 593. 124 Agere, gerere und contrahere zählen Teile auf, die nicht zum Ganzen zusammenzusetzen sind. Zum Begriff partitio als dialektisches Werkzeug siehe Cic., top. 5,28 ff. Dazu vgl. vor allem Nörr [1972a] S. 21 ff., 65 ff.; weiterhin Kaser [1983] S. 79; Burdese [2006] S. 121. 125 Paricio [2008] S. 43 spricht von einer „Rettung“ der Stelle in extremis durch die Kompilatoren. 126 D. 1,2,2,47 (Pomp. l.s. enchir.). Klassisch zu den sog. Schulen der „Sabinianer“ und „Prokulianer“ Baviera [1898]. Vgl. auch Liebs [1976] S. 198 ff.; Falchi [1981]; Scarano Ussani [1997] S. 88 ff.; Stolfi [1997] S. 1 ff. 127 Paricio [2006] S. 353. Selbst die von Labeo durchgeführte partitio erscheint ziemlich problematisch. Eine zusammenfassende Darstellung der exegetischen Probleme der Quelle bei Cannata [1995] S. 63.

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§ 2 Divisiones obligationum und Realobligation

Die Quelle enthält eine Definition des Vertrages in dem Sinne von gegenseitigem Schuldverhältnis; das ist die Bedeutung von ultro citroque obligatio (contractum autem ultro citroque obligationem).128 Eine explizite Unterscheidung zwischen der obligatio und dem contractus lässt sich an diesem Text nicht belegen: Der Stelle zufolge besteht der Vertrag in einer Art (species) der Gattung (genus) Obligation.129 Allerdings bildet der Vertrag den Entstehungsgrund der Obligation, nicht diese selbst: Labeo unterscheidet das contrahere von dem agere und dem gerere auf derselben Ebene, und diese beide stellen selbstverständlich nicht die obligatio selbst dar, sondern den Tatbestand, aus dem sie entsteht. Das Gleiche muss für den contractus, das dritte Element der partitio, gelten. Labeo wollte auf die aus Vertrag entstandene gegenseitige Obligation hinweisen, wie die Darstellung mit dem Kauf, der Miete und der Gesellschaft zeigt. Kennzeichen der vertraglichen Obligation ist nach Labeo ihre Gegenseitigkeit130, welche durch das griechische Wort synállagma (...quod Graeci συνάλλαγµα vocant) bezeichnet wird131. Dies bedeutet, dass es sich um einen Vertrag handelt, wenn alle Beteiligten am Schuldverhältnis gegenseitige Verpflichtungen eingehen: Jede Partei ist zugleich Gläubiger und Schuldner, wie es bei dem Kauf, der Miete und der Gesellschaft der Fall ist (...veluti 128

Dazu vgl. Pernice [1873] S. 469 ff.; ders. [1888] S. 196 (Fn. 4), 249 ss.; Perozzi [1903] S. 345 (337) (Fn. 1); Marchi [1912] S. 29; De Francisci [1913] S. 1 ff.; Betti [1915] S. 10 ff.; Lauria [1938] S. 165 ff.; Voci [1946a] S. 51 ff.; Grosso [1963] S. 48 ff.; Schiavone [1971] S. 37 ff.; D’Ors [1976] S. 17 ff.; Melillo [1982] S. 470 ff.; ders. [1994] S. 155 ff.; Santoro [1983] S. 6 ff. mit zahlreichen Hinweisen auf die ältere Literatur; Sargenti [1987] S. 25 ff.; ders. [1997] S. 145 ff.; mehrfach Gallo [1992] S. 97 ff.; ders. [2006a] S. 139 ff.; ders. [2006b] S. 162 ff.; Biscotti [2002] S. 427 ff.; Dalla Massara [2004] S. 293 ff.; Burdese [2006] S. 111 ff.; Paricio [2006] S. 354 ff.; ders. [2008] S. 44 ff.; Cannata [2009a] S. 33; Gröschler [2009c] S. 51 ff.; Fiori [2012] S. 313 ff. 129 Contractus ist ebenso eine Art von actus. In diesem Sinne Burdese [1992] S. 203. 130 Dazu umfassend Santoro [1983] S. 5 ff. Vgl. auch Gallo [1991] S. 3 ff.; ders. [1992] S. 71 ff.; ders. [2006a] S. 139 ff.; ders. [2006b] S. 162 ff. und die in der nächsten Fußnote aufgeführte Literatur. 131 Siehe auch D. 2,14,7,2 (Ulp. 4 ad ed.) zur Beziehung zwischen synállagma und den sog. Innominatkontrakten nach Aristo. Vgl. Sargenti [1988] S. 24 ff.; ders. [1997] S. 145 ff.; Gallo [1995] S. 90 ff.; ders. [2006b] S. 162 ff.; Santoro [2006] S. 223 ff.; Cannata [2006] S. 204 ff.; ders. [2010] S. 33 ff.; Dalla Massara [2006] S. 281 ff.; ders. [2011] S. 175 ff.; Zhang [2007] S. 167 ff.; Pelloso [2007] S. 5 ff.; ders. [2011] S. 89 ff.; Paricio [2008] S. 57 ff. Ausführlich zur Bedeutung von synállagma im römischen Recht Partsch [1931] S. 3 ff.; Benöhr [1965]; Grosso [1976a] S. 341 ff.; Biscardi [1983] S. 127 ff.; Santoro [1983] S. 35 ff., 277 ff.; Sargenti [1987] S. 50 ff.; Gallo [1991] S. 3 ff.; ders. [1992]; ders. [1995]; ders. [2006a] S. 139 ff.; ders. [2006b] S. 161 ff.; Rodeghiero [2004] S. 1 ff.; Gröschler [2009c] S. 51 ff.; Cannata [2010] S. 33 ff. Zur Bedeutung von synállagma im griechischen Recht vgl. Maffi [1980] S. 11 ff.; Pelloso [2007] S. 5 ff. Zum byzantinischen Recht vgl. eingehend Falcone [1999] S. 27 ff. (dazu Burdese [2001b] S. 269 ff.); ders. [2001] S. 65 ff.; ders. [2008] S. 269 ff. Für die Zuschreibung des Ausdruckes quod Graeci synállagma vocant an Ulpian statt Labeo vgl. Guarino [2001] S. 775.

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emptionem venditionem, locationem conductionem, societatem). Insofern geht es hier im Wesentlichen um die Bestimmung des Begriffes eines konkreten Verpflichtungsgrundes (des Vertrages), ohne dass die sonstigen („Handlung“ und „Führung“) genau präzisiert werden. Dann ist von einer divisio obligationum als solcher in dieser Quelle keine Rede. Der herrschenden Meinung nach hat die Vertragsdefinition Labeos keinen großen Anklang in der römischen Jurisprudenz gefunden und ist eine Randansicht geblieben.132 In ähnlichem Sinne hat man gesagt, dass hier eher von philologisch-theoretischen Erwägungen des sehr originellen frühklassischen Juristen gegen den für ihn zu ausgedehnten und untechnischen Gebrauch des Terminus im Rechtsverkehr die Rede sei133, über deren ursprüngliche Stellung in den Schriften Labeos und damit über den originären Zusammenhang es keine Sicherheit gebe134. Insofern handele es sich um ganz persönliche Überlegungen in dem Sinne, den agere, gerere und contrahere haben sollten, wenn sie sprachlich präzise gebraucht werden.135 Die (isolierte) Ansicht, der 132

Vgl. etwa Albanese [1972] S. 189 ff., 246; Sargenti [1976] S. 486 ff.; Santoro [1983] S. 7 ff.; Lantella/Stolfi [2005] S. 142. Anders Schiavone [1971] 37 ff.; D’Ors [1957] S. 73 ff.; ders. [1976] S. 17 ff.; ders. [2004] S. 545 ff.; Gallo [1995] S. 41 ff. (dazu Schiavone [1995] S. 535 ff.). Nach Ansicht von D’Ors stellt die Definition Labeos den wahren klassischen Vertragsbegriff dar. In der Tat finden sich in der Kompilation mehrere Stellen, in denen einseitige Schuldverhältnisse als Vertrag behandelt werden. Für die Stipulation siehe etwa D. 2,14,1,3 (Ulp. 4 ad ed.); D. 12,1,9,4 (Ulp. 26 ad ed.); D. 42,8,10,22 (Ulp. 73 ad ed.); D. 46,2,6,1 (Ulp. 46 ad Sab.); D. 50,17,34 (Ulp. 45 ad Sab.). Eine scharfe Trennung zwischen Stipulation und Vertrag findet sich unter den ulpianischen Quellen nur in D. 50,16,19. Für das Darlehen als Vertrag siehe etwa D. 12,1,1,1 (Ulp. 26 ad ed.); D. 12,1,9pr. (Ulp. 26 ad ed.), wo der Hinweis auf das Darlehen nicht ausdrücklich ist, aber eindeutig; D. 12,1,9,4 (Ulp. 26 ad ed.); D. 14,6,3,3 (Ulp. 29 ad ed.); D. 14,6,9,2 (Ulp. 29 ad ed.); D. 16,1,2,4 (Ulp. 29 ad ed.). Für Leihe und Verwahrung siehe etwa D. 2,14,7,1 (Ulp. 4 ad ed.); D. 2,14,50 (Ulp. 42 ad Sab.); D. 4,4,9,2 (Ulp. 11 ad ed.); D. 13,6,5,2 (Ulp. 28 ad ed.); D. 16,3,1,6, 13, 30 und 42 (Ulp. 30 ad ed.); D. 16,3,7,1 (Ulp. 30 ad ed.). 133 Albanese [1972] S. 189 ff., 246: „In generale, l’atteggiamento di Labeone mi appare come un atteggiamento – ben conforme al temperamento del grande giurisconsulto – di critica indipendente pure rispetto ai testi normativi; ed anche come espressione della ben nota ‘cultura filologica’ di Labeone.“ Zum unterschiedlichen Gebrauch von contrahere in den römischen Quellen siehe etwa Voci [1946a] S. 11 ff.; Wunner [1964] S. 14 ff.; ferner Guzmán Brito [2005] S. 33 ff. mit mehreren Hinweisen auf die ältere Literatur. 134 Hypothesen über die unbekannte ursprüngliche Stellung des Textes bei Lenel, Pal. I, S. 502 (Fn. 3); ders., Pal. II, S. 462; Betti [1915] S. 12; Schiavone [1971] S. 49 ff.; Albanese [1972] S. 195 ff.; Melillo [1982] S. 471 ff.; Bretone [1993] S. 30 ff. In der Lehre denkt man gemeinhin, dass D. 50,16,19 im Kommentar Ulpians zum Edikt über metus enthalten war. Hingegen bleibt die Stellung der Definition von contrahere im Ediktskommentar Labeos im Dunkeln: Man weiß nur, dass sie in dem Anfang dieses Werkes eingegliedert war, wie Ulpian uns mitteilt (Labeo libro primo praetoris urbani definit...). Albanese [1972] S. 207 ff. hat die These aufgestellt, dass die Definition sich im Rahmen der Erörterung des ius donum revocandi finde. Vgl. auch Finazzi [2003] S. 91; Fiori [2012] S. 314 (Fn. 10). Über den konkreten Zusammenhang des Textes im Werk Labeos kann man so gut wie nichts sagen. 135 Vgl. Albanese [1972] S. 224; Sargenti [1976] S. 486 ff.; Marrone [1995] S. 177.

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zufolge der Vertragsbegriff Labeos der authentisch klassische sei, wird praktisch allein von D’Ors und dessen Schülern vertreten.136 Nicht völlig klar ist, auf welche Schuldverhältnisse sich Labeo bezieht, wenn er von contractus spricht. Gewiss geht der Jurist davon aus, dass die kontrahierten Obligationen gegenseitig sind (ultro citroque obligatio); mehr sagt die Quelle nicht. Unter diesen Umständen darf man folgern, dass der eventuelle Konsensualcharakter der Obligationsbegründung keine Rolle für ihre Bezeichnung als contrahere spielt137: Begründung durch Willensübereinkommen und Einseitigkeit oder Gegenseitigkeit eines Schuldverhältnisses sind zwei verschiedene Dinge; tatsächlich steht in der Quelle vom Konsens als Obligationsentstehungsgrund kein Wort. Die Darstellung des contrahere durch Tatbestände, denen der Konsens zugrunde liegt, ist in diesem Zusammenhang unmaßgeblich. b) Gegenseitigkeit und bonae fidei iudicia. Die sog. unvollkommen zweiseitigen Schuldverhältnisse Man hat versucht, das contrahere Labeos mit den bonae fidei iudicia gleichzusetzen.138 Dies, weil sowohl der Kauf als auch die Miete und die Gesellschaft Schuldverhältnisse sind, die durch Klagen nach Treu und Glauben geschützt werden. Unter dieser Prämisse könnten sowohl die Vormundschaft (tutela) als auch die auftragslose Geschäftsführung (negotiorum gestio) zu den Verträgen zählen, da für diese Tatbestände der Rechtsschutz durch Klagen nach Treu und Glauben schon in der Zeit Ciceros bezeugt ist.139 Allerdings besitzen wir keine Quelle, in der Labeo sich auf die tutela oder die negotiorum gestio als Verträge bezieht.140 136

Siehe etwa D’Ors [1957] S. 73 ff.; ders. [1976] S. 17 ff.; zusammenfassend ders. [2004] S. 545 ff. Vgl. auch Guzmán Brito [1996] S. 104 ff.; ders. [2005] S. 40 ff.; Samper [2007] S. 335 ff. 137 Zutreffend D’Ors [1976] S. 17 ff.; Sargenti [1987] S. 49; ders. [1997] S. 147; Guzmán Brito [2005] S. 43; Lantella/Stolfi [2005] S. 131 ff.; Gallo [2006a] S. 148 ff.; Talamanca [2006] S. 51 (Fn. 53); Paricio [2006] S. 355; ders. [2008] S. 47 ff. Für einen Vertragsbegriff als Übereinkommen vgl. Grosso [1963] S. 48 ff.; Santoro [1983] S. 28 ff.; Melillo [1994] S. 175 ff.; Burdese [2006] S. 111 ff., 120 ff.; ders. [2007] S. 572; Cannata [2008] S. 81; Marrone [2010] S. 431. 138 Vgl. vor allem (im Überblick) D’Ors [2004] S. 545 ff. 139 Cic., de off. 3,17,70. Vgl. auch Cic., de nat. deor. 3,30,74; top. 10,42; 17,66. 140 Dazu vgl. Paricio [2008] S. 50; ähnlich Guzmán Brito [2005] S. 42 ff.; D’Ors [1976] S. 32; ders. [2004] S. 545. Nach Ansicht von Paricio bildet die Mitgift (und die hieran anknüpfende actio rei uxoriae) einen „Grenzfall“, denn nur einer Seite (der Frau) ist es nach beendeter Ehe gestattet, die Klage gegen den Mann oder seine Erben zur Herausgabe der Mitgift zu erheben. Insofern erweist sich die „Gegenseitigkeit“ der Mitgift nur in den sog. retentiones mittels Einreden. Vgl. hierzu Paricio [2008] S. 50 ff.; ders. [2001b] S. 369; Cremades/ders. [1983] S. 65 ff. Ähnlich D’Ors [2004] S. 545. Allerdings ist es mehr als fraglich, dass die actio rei uxoriae unter die vertraglichen Klagen nach D. 50,16,19 eingeglie-

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Die Gleichsetzung von contractus und Klagen des edictum de bonae fidei iudiciis beruht auf der Vermutung, dass die Schuldverhältnisse dieses Ediktstitels ausnahmslos gegenseitig seien.141 Diese Ansicht ist unzutreffend, weil nicht alle durch eine Klage nach Treu und Glauben geschützten Tatbestände gegenseitige Schuldverhältnisse darstellen. Es gibt einige, die grundsätzlich einseitig sind und allenfalls – modern ausgedrückt – als „unvollkommen zweiseitig“ bezeichnet werden könnten, nämlich Auftrag und Verwahrung: Der Anspruch des Gläubigers ist durch eine actio directa (Direktklage) zu verwirklichen; in bestimmten Situationen kann auch der Schuldner einen eventuellen Anspruch gegen den Gläubiger durch eine actio contraria (Konträrklage) geltend machen. Strukturell sind aber diese Schuldverhältnisse einseitig; das altruistische Element von Auftrag und Verwahrung bleibt bestimmend, selbst wenn Ersatz durch den Schuldner gefordert werden kann.142 Zur Unterstützung der These, dass nach Labeo auch die sog. unvollkommen zweiseitigen Schuldverhältnisse contractus sind, wird gemeinhin eine Stelle zitiert, in der der frühklassische Jurist sowohl den Auftrag als auch die Verwahrung als contractus behandelt.143 Die Begründungsart dieser Figuren kommt dort (wie in D. 50,16,19) für ihre Bezeichnung als Verträge gar nicht in Betracht: Der Auftrag wird durch Konsens begründet, die Verwahrung durch ohne dinglichen Bezug erfolgende Sachüberlassung. Ausschlaggebend für die Bezeichnung eines Tatbestandes als contractus ist nach D. 50,16,19 das Kriterium der Gegenseitigkeit (ultro citroque obligatio). Damit hat Labeo an die aktuelle und nicht einfach die potenzielle Gegenseitigkeit als wesentliche Voraussetzung oder qualifizierendes Element jedes contractus gedacht.144 Anderes sagt die Quelle nicht. Von einer angeblichen „elastischen Idee der Gegenseitigkeit“145 oder einem „asymmetrischen Rechtsverhältnis“146 ist in dert werden kann. Die Ansicht Paricios beruht offensichtlich darauf, dass die Vertragsidee Labeos auch die sog. unvollkommen zweiseitigen Schuldverhältnisse umfasse, was alles andere als sicher ist. Zur Klagformel der actio rei uxoriae grundlegend Lenel, EP, S. 305; ferner Mantovani [1999] S. 60. Weitere Angaben bei Söllner [1969] insbes. 135 ff.; Varvaro [2006]; Stagl [2009] S. 1-25. 141 Vgl. etwa D’Ors [1957] S. 73 ff.; ders. [1976] S. 24 ff.; ders. [2004] S. 545 ff.; Sargenti [1987] S. 45 ff.; Guzmán Brito [2005] S. 42 ff.; Paricio [2006] S. 355 ff. Undeutlich ist die Meinung von Gallo [1992] S. 211 ff., der einerseits die Vertraglichkeit der Schuldverhältnisse nach Labeo auf Treu und Glauben zurückführt, und andererseits beide Phänomene zu trennen versucht. 142 Benöhr [1965] S. 6. 143 D. 17,1,8pr. (Ulp. 31 ad ed.): Si procuratorem dedero nec instrumenta mihi causae reddat, qua actione mihi teneatur? et Labeo putat mandati eum teneri nec esse probabilem sententiam existimantium ex hac causa agi posse depositi: uniuscuiusque enim contractus initium spectandum et causam. 144 Für die Anwendung des Vertragsbegriffs auf die sog. unvollkommen zweiseitigen Schuldverhältnisse vgl. Santoro [1983] S. 61 ff.; Gallo [1992] S. 188 ff.; D’Ors [2004] S. 547; Burdese [2006] S. 120; Paricio [2008] S. 49 ff.; Cannata [2009a] S. 34. 145 Gallo [1992] S. 188, 211 ff.

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D. 50,16,19 keine Rede. Wir dürfen die Quelle nicht nach unseren eigenen modernen Vorstellungen ergänzen: Auftrag und Verwahrung führen Verpflichtungen grundsätzlich nur für eine Seite (Mandatar und Verwahrer) herbei; dann kann man von ultro citroque obligatio nicht sprechen.147 Die sog. „unvollkommene Zweiseitigkeit“ von Auftrag und Verwahrung bringt nicht viel Licht in die Frage der Vertragsidee Labeos, denn es geht um ein viel späteres dogmatisches Konstrukt, das in den klassischen römischen Quellen nicht erscheint. Das iudicium contrarium war ein rein prozessualtechnischer Rechtsbehelf, der über eine eigene Formel verfügte. Actio directa und actio contraria waren deutlich unterschiedlich, denn die erste war in ius ex fide bona konzipiert, wohingegen die zweite in factum konzipiert und nur unter bestimmten Bedingungen zulässig war.148 In klassischer Zeit konnte der Schuldner bei Auftrag, Verwahrung und sonstigen Fällen in bestimmten Situationen gegen den Gläubiger klagen, sofern jener Aufwendungen getätigt oder Schäden erlitten hatte. Daraus darf man aber nicht folgern, dass diese Tatbestände rechtlich für gegenseitige Schuldverhältnisse gehalten wurden; vereinzelte Lösungen für konkrete Fälle bilden keine allgemeine Kategorie. Auftrag und Verwahrung sind grundsätzlich einseitig; die Eingliederung dieser Figuren in einen Begriff, den die Gegenseitigkeit kennzeichnet, ist eher verblüffend. Über die Gleichsetzung der sog. unvollkommenen Zweiseitigkeit mit der wirklichen Gegenseitigkeit (ultro citroque obligatio) versagen uns die klassischen Quellen eine sichere Auskunft.149 Die auf den Direkt- und Konträrklagen beruhende Kategorie der Schuldverhältnisse, deren Elemente in materiellrechtlichem Ton als „unvollkommen gegenseitige Verträge“ bezeichnet werden, stellt das klassische römische Recht nicht dar. Es ist fragwürdig, dass Labeo seine Vertragsdefinition von der Bedingung abhängig machen wollte, dass eine Verpflichtung potenziell herbeigeführt wird.150 Ultro citroque obligatio bildet nach D. 50,16,19 das Wesen des contrahere; die Bezeichnung eines Schuldverhältnisses als contractus kann nicht an einer bloß „eventuellen Gegenseitigkeit“ liegen.151 Nicht umsonst werden 146

D’Ors [2004] S. 547. Zu Recht Albanese [1972] S. 219. Für die These der „vollkommenen“ Zweiseitigkeit des mandatum siehe Viaro [2011] S. 331 ff. 148 Vgl. D. 13,6,18,2 (Gai. 9 ad ed. prov.). Grundlegend dazu Provera [1951] S. 7 ff., 29 ff. Vgl. auch Grosso [1963] S. 224 ff. 149 Vgl. I. 4,16,2 für das justinianische Recht. 150 Gallo [1992] S. 211 (Fn. 132) unterscheidet zwischen Eventualität und Potenzialität, ohne den Grund und Sinn dieser Unterscheidung zu erklären. Dass die Verpflichtung einer Partei nur potenziell ist, bedeutet gewiss ihre Eventualität. D’Ors [2004] S. 547 spricht ausdrücklich von Eventualität: „(...) en este sentido se habla de que los contratos son ‘sinalagmáticos’ (del griego synallagma, ‘contrato recíproco’), aunque en algunos de ellos una de las acciones sea tan sólo eventual (‘sinalagmáticos imperfectos’).“ In ähnlichem Sinne Grosso [1963] S. 229; Paricio [2006] S. 356; Cannata [2009a] S. 34. 151 Eine ähnliche Kritik gegen die sog. unvollkommene Gegenseitigkeit in Bezug auf die 147

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in der Quelle nur der Kauf, die Miete und die Gesellschaft erwähnt. Dass in der Definition Labeos nur „vollkommene“ gegenseitige Schuldverhältnisse in Betracht gezogen werden, aber keine „unvollkommenen“, ist kein Zufall: Diese Tatbestände bilden gegenseitige Schuldverhältnisse im eigentlichen Sinne, nicht nur potenziell. Hinzu kommt, dass die Berufung auf den Auftrag und die Verwahrung einen Gedankengang im Zirkel darstellt: Man benutzt D. 17,1,8pr. als Beweis dafür, dass die Vertragsidee von D. 50,16,19 auch die sog. unvollkommen gegenseitigen Schuldverhältnisse umfasst, um dann zu behaupten, dass mandatum und depositum von Labeo als contractus betrachtet werden, weil sie unvollkommen gegenseitige Schuldverhältnisse sind. Insofern bildet D. 17,1,8pr. zugleich sowohl den Beweis als auch die Folge der angeblichen Anwendung der Definition von D. 50,16,19 auf synallagmatisch imperfekte Schuldbeziehungen. Ferner ist ungewiss, ob zu der Zeit Labeos schon eine actio in ius ex fide bona für die Verwirklichung des Anspruches des Hinterlegers existierte.152 Deswegen erstaunt es, dass Gallo, für den die Bezeichnung des depositum als contractus auf dem Kriterium der bona fides beruht153, wenige Zeilen später die Ansicht vertritt, dass damals diese Schuldbeziehung nur durch eine actio in factum geschützt war154. Die Annahme, dass Labeo „ha anticipato sviluppi verificatisi in periodi posteriori“155, ist alles andere als befriedigend. Mit einer solchen Argumentationsweise könnte man wohl jede erdenkliche Theorie einem römischen Juristen zuschreiben, unter dem „Vorwand“, dass er seine Kollegen an Genialität übertraf. Labeo behandelt auch die Verpfändung als contractus.156 Hier geht es um ein Schuldverhältnis, dessen Klage im edictum de rebus creditis enthalten ist iudicia contraria schon bei Biondi [1918] S. 172 ff. Anders Gallo [1992] S. 211, dessen Ansicht in den kommenden Zeilen erörtert wird. 152 D. 16,3,34 (Lab. 2 pith.): Potes agere depositi cum eo, qui tibi non aliter quam nummis a te acceptis depositum reddere voluerit, quamvis sine mora et incorruptum reddiderit. Nach der Ansicht von Gandolfi [1976] S. 88 ff. bildet diese Stelle einen Beweis dafür, dass Labeo die actio depositi in ius ex fide bona kannte, da man darauf hinweist, dass der Gegenstand sine mora und incorruptum zurückgegeben wurde. Diese Folgerung lässt sich aber aus dem Text nicht mit Sicherheit entnehmen. Vgl. Rotondi [1922a] S. 38; Burillo [1962] S. 280; ähnlich Sargenti [1987] S. 45 ff. Nach der Ansicht von Rotondi [1922a] S. 45 geht die actio depositi in ius concepta auf das 1. Jh. n. Chr. zurück, nach Burillo [1962] S. 284 erst auf Julian (2. Jh. n. Chr.). 153 Gallo [1992] S. 211. 154 Gallo [1992] S. 212. 155 Gallo [1992] S. 212 (Fn. 136). 156 D. 42,8,6,6 (Ulp. 66 ad ed.): Apud Labeonem scriptum est eum, qui suum recipiat, nullam videri fraudem facere, hoc est eum, qui quod sibi debetur receperat: eum enim, quem praeses invitum solvere cogat, impune non solvere iniquum esse: totum enim hoc edictum ad contractus pertinere, in quibus se praetor non interponit, ut puta pignora venditionesque. D’Ors [1976] S. 22 bezeichnet diesen Text pauschal als korrumpiert („auf jeden Fall korrumpiert“) und beschränkt sich darauf, auf ein Werk seines Sohnes (D’Ors [1974b] S.

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und möglicherweise niemals oder allenfalls am Ende der klassischen Zeit über eine actio in ius ex fide bona verfügte.157 In diesem Zusammenhang könnte man die Rechtfertigung für die Bezeichnung der Verpfändung als contractus in der sog. „unvollkommenen Gegenseitigkeit“ dieses Schuldverhältnisses finden, da der Pfandgläubiger in bestimmten Fällen eine Konträrklage gegen den Verpfänder erheben darf. Das entspricht aber, wie oben gesagt, dem Inhalt von D. 50,16,19 nicht. Über Fiduzia und Leihe kann man nichts Sicheres sagen. Uns ist keine Quelle erhalten, die diese Schuldverhältnisse als contractus behandelt und zugleich auf Labeo zurückzuführen ist.158 Was die Fiduzia angeht, liegt ihre Stellung im Schema Labeos im Dunkeln. Sie war durch formgebundene Sachübereignung (mancipatio oder in iure cessio) zu begründen und mit einer actio ex fide bona geschützt159; strukturell stand sie sozusagen zwischen der einseitigen obligatio re contracta und dem sog. unvollkommen zweiseitigen Schuldverhältnis, denn in bestimmten Situationen konnte der Fiduziar eventuelle Ersatzansprüche gegen den Fiduzianten verwirklichen160. Sargenti hat die These aufgestellt, dass, wo der Bezug auf das pignus erscheint, fiducia zu lesen sei.161 Allerdings bleibt diese Behauptung mangels Beweisen im Rahmen der bloßen Vermutung: Die These Sargentis beruht nur darauf, wie die117) hinzuweisen, ohne einen Grund für seinen Interpolationsverdacht vorzulegen: „La referencia de Ulpiano no sabemos hasta qué punto corresponde al texto de Labeón, pero, en todo caso, es un texto corrompido.“ In ähnlichem Sinne Sargenti [1976] S. 480 ff.; ders. [1987] S. 46 ff. Für die grundlegende Echtheit des Hinweises auf die Verpfändung trotz gewisser Zweifel an der vollständigen Echtheit des Textes Santoro [1983] S. 65 ff.; Gallo [1992] S. 214. In der Spezialliteratur über Pfandrecht (Frezza [1963]; Biscardi [1976]; Kaser [1982b]; Krämer [2007]) wird diese Stelle gar nicht in Betracht gezogen. 157 Vgl. Talamanca [1990a] S. 552. Nach Segrè [1906] S. 333 ff. stellt C. 4,24,6 (Sev. Alex., a. 225), ein Reskript des Kaisers Severus Alexander, den einzigen Nachweis für eine Klage nach Treu und Glauben für das Pfand dar. Biondi [1918] S. 233 ff. spricht von einem justinianischen Ursprung der actio pigneraticia ex fide bona. Für die sehr zweifelhafte These einer zivilrechtlichen Klage wegen Verpfändung ohne Klausel ex fide bona vgl. Levy [1915] S. 1. 158 Aus D. 13,6,1,1 (Ulp. 28 ad ed.) kann man keine Folge in Bezug auf die Zuschreibung eines vertraglichen Charakters der Leihe von Labeo ziehen. Der Begriff contractus wird nicht gebraucht. Die Quelle bezieht sich auf die Frage danach, ob nur bewegliche Sachen ausgeliehen werden können. Dies wurde Gegenstand von lebhaften Kontroversen unter den römischen Juristen. Die Quelle lautet: Huius edicti interpretatio non est difficilis. unum solummodo notandum, quod qui edictum concepit commodati fecit mentionem, cum Paconius utendi fecit mentionem. inter commodatum autem et utendum datum Labeo quidem ait tantum interesse, quantum inter genus et speciem: commodari enim rem mobilem, non etiam soli, utendam dari etiam soli. sed ut apparet, proprie commodata res dicitur et quae soli est, idque et Cassius existimat. Vivianus amplius etiam habitationem commodari posse ait. 159 Zur Klageformel Lenel, EP, S. 291 ff.; ferner Mantovani [1999] S. 66 ff. Vgl. auch Grosso [1929a] S. 81 ff.; Noordraven [1999] S. 297 ff.; Paricio [2003] S. 49 ff. 160 Näheres zur Fiduzia unten § 4 A IV1. 161 Sargenti [1987] S. 48.

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ser Autor selbst eingesteht, dass die Kompilatoren die Hinweise auf die fiducia (cum creditore) durch das pignus ersetzt haben. Daraus darf man jedoch nicht folgern, dass jeder Hinweis auf das Pfand unbedingt für interpoliert gehalten werden muss, als ob das klassische römische Recht kein pignus gekannt hätte. Was die Leihe betrifft, findet sie sich im edictum de rebus creditis wie das Pfand, verfügte aber seit einer ungewissen Zeit162 wie die Verwahrung über eine actio in ius ex fide bona für die Verwirklichung des Anspruches des Verleihers sowie (in bestimmten Situationen) über eine Konträrklage zugunsten des Entleihers163. Unter diesen Umständen könnte die Leihe (unrömisch) für einen „unvollkommen zweiseitigen Vertrag“ gehalten werden. 164 Daher hat man in der Lehre gesagt, dass auch die Leihe der Vertragsidee Labeos entspreche.165 Das stimmt aber mit der in D. 50,16,19 dargestellten Vertragsidee nicht überein. Offen bleibt also die Frage, ob Auftrag, Verwahrung, Leihe und Pfand in der definitio von D. 50,16,19 wirklich mitgemeint wurden oder nicht.166 Ebenso ungewiss ist, ob die atypischen Vereinbarungen in den Vertragsbegriff Labeos einzugliedern sind. Einige Quellen bezeugen, dass Labeo Rechtsschutz für diese Rechtsbeziehungen anerkannte, weswegen er als „Erfinder“ des agere praescriptis verbis bezeichnet worden ist.167 Allerdings 162

Vielleicht nach Plautius. Übliches Argument dazu ist eine Stelle des Kommentars des Paulus ad Plautium, in der dem Verleiher die condictio gewährt wird; D. 12,5,9pr. (Paul. 5 ad Plaut.): Si vestimenta utenda tibi commodavero, deinde pretium, ut reciperem, dedissem, condictione me recte acturum responsum est: quamvis enim propter rem datum sit et causa secuta sit, tamen turpiter datum est. Dazu vgl. Kaser [1966b] S. 1, 30 ff.; Pastori [1995] S. 142 ff.; Berndt [2005] S. 22 f. Man muss aber einräumen, dass diese Quelle keine sichere Auskunft über das Alter der actio commodati in ius enthält. Näheres dazu unten § 5 A III. 163 Der herrschenden Meinung nach verfügte die Leihe über eine actio in ius ex fide bona schon in klassischer Zeit, wann genau ist aber ungewiss. Dazu vgl. Maschi [1971] S. 695 ff.; ders. [1973] S. 218 ff.; Robaye [1989] S. 351 ff.; Cerami [1994] S. 310 ff.; Pastori [1995] S. 95 ff.; Burdese [2001] S. 329; Berndt [2005] S. 24 ff. Gegen eine zivilrechtliche und nach Treu und Glauben konzipierte Klage wegen Leihe D’Ors [1953] S. 181 ff.; ders. [2004] S. 494; Cruz [1962] S. 209 ff.; früher Paricio [1982] S. 235 ff.; ders. [1983] S. 43 ff. Jetzt für zwei Formeln der actio commodati Paricio [2001a] S. 163 ff. Für eine in ius konzipierte Klage wegen Leihe ohne ex fide bona-Klausel Levy [1915] S. 1; ders. [1922] S. 52 ff. Auch Kaser [1971] S. 534 vertritt die Meinung, dass die Formel keine Klausel ex fide bona enthält. Etwas verwirrend sagt er dann, dass die Klage „von den Juristen in wesentlichen Beziehungen den bonae fidei iudicia gleichgehalten“ wurde. Vgl. auch ders. [1966b] S. 30 ff. 164 Zur sog. unvollkommenen Zweiseitigkeit der Leihe vgl. vor allem Pastori [1995] S. 454 ff. 165 Vgl. Gallo [1992] S. 212. 166 Kaser [1983] S. 79. 167 Artner [2002] S. 71. Grund dafür sind vor allem D. 18,1,80,3 (Lab. 5 post. a Iav. epit.) und D. 19,5,19pr. (Ulp. 31 ad ed.). In beiden Stellen wird das Wort contractus benutzt. Vgl. auch (ohne ausdrücklichen Gebrauch von contractus) D. 18,1,50 (Ulp. 11 ad ed.); D. 18,1,79 (Iav. 5 ex post. Lab.); D. 19,5,1,1 (Pap. 8 quaest.); D. 19,5,17,1 (Ulp. 28 ad ed.) und D.

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§ 2 Divisiones obligationum und Realobligation

bedeutet dies nicht unbedingt, dass Labeo diese Vereinbarungen als contractus im Sinne von D. 50,16,19 ansah.168 Aus den Auskünften, die uns die Quellen liefern, lassen sich die wesentlichen Merkmale des contrahere nach Labeo nicht genau präzisieren. D. 50,16,19 spricht maßgeblich dafür, dass die (vollkommene) Gegenseitigkeit erforderlich ist, wohingegen D. 17,1,8pr. durch die Bezeichnung von Auftrag und Verwahrung als contractus dieser Ansicht zu widersprechen scheint. Gleiches gilt für D. 42,8,6,6 hinsichtlich der Verpfändung. Andererseits dient die These der Erstreckung des Vertragsbegriffs auf alle Tatbestände des edictum de bonae fidei iudiciis – seien sie konsensual oder nicht – dazu, den vertraglichen Charakter von Auftrag und Verwahrung zu rechtfertigen, macht aber die Vertragsdefinition als ultro citroque obligatio und die Behandlung des Pfandes als contractus kaum verständlich. Kurz gesagt: Über den vertraglichen Charakter des Auftrags, der Verwahrung, der Verpfändung und der Leihe in Bezug auf D. 50,16,19, d.h. als ultro citroque obligatio, lässt sich in den Quellen, die direkt oder indirekt auf die Lehre Labeos zurückführen, keine sichere Auskunft finden. Was aus den erwähnten Quellen doch mit Sicherheit abgeleitet werden kann, ist, dass Labeo sowohl das Darlehen als auch die Stipulation, reine einseitige Schuldverhältnisse, aus dem Bereich des contractus ausschloss. Dieser Umstand ist für unsere Untersuchung bestimmend, wie unten gesehen werden wird.169 Nach alldem überrascht nicht, dass die Vertragsdefinition Labeos für eigenartig gehalten und ihr eine eher marginale Bedeutung innerhalb der römischen Jurisprudenz zugeschrieben worden ist. Alles spricht dafür, dass die sonstigen römischen Juristen das contrahere nicht auf die gegenseitigen Schuldverhältnisse beschränkt haben.170 Wie Albanese sich ausdrückt, scheint D. 50,16,19 eine Randansicht im Rahmen der Entwicklung des Vertragsbegriffes im römischen Recht zu sein.171 Es ist sogar ungewiss, ob Labeo seine Vertragsdefinition auf die Lösung von Einzelfällen angewendet hat, wie aus einigen Stellen, die auf die Lehre Labeos zurückführen, aber auf D. 50,16,19

19,5,20pr. (Ulp. 32 ad ed.). Dazu vgl. Santoro [1983] S. 70 ff.; ders. [1991] S. 83 ff.; mehrfach Burdese [1985a] S. 397 ff.; ders. [1985b] S. 19 ff.; ders. [1986] S. 442 ff.; ders. [1994] S. 69 ff.; ders. [2006] S. 129 ff.; Gallo [1991] S. 3 ff.; ders. [1992] S. 160 ff., 190 ff.; ders. [2006a] S. 150 ff.; Zhang [2007] S. 85 ff.; Schmidlin [2007] S. 78 ff. 168 Gegen die Erstreckung des Vertragsbegriffs von D. 50,16,19 auf atypische Vereinbarungen Sargenti [1987] S. 62 ff.; ders. [1997] S. 147 ff. Skeptisch Paricio [2008] S. 51 ff. Gegen die Klassizität der actio praescriptis verbis vgl. Sargenti [2006] S. 229 ff. Zur sog. actio in factum civilis vgl. Cannata [2009b] S. 9 ff. 169 S.u. § 2 B IV2c). 170 Dazu vgl. etwa Grosso [1963] S. 29 ff.; Wunner [1964] S. 36; Melillo [1982] S. 473. 171 Albanese [1972] S. 246: „D. 50,16,19 mi sembra documento d’un travaglio, per così dire, marginale, rispetto al filone diretto e centrale dell’evoluzione della nozione di contractus.“

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nicht passen, abgeleitet werden mag.172 Aber unter diesen Umständen muss man die Frage stellen, die hier nicht vertieft werden kann, warum Ulpian die Vertragsdefinition Labeos in seinem Ediktskommentar zitiert hat und warum die Kompilatoren diese Stelle in den Titel 50,16 der Digesten „über die Bedeutung der Worte“ eingeführt haben. Von einer Beschränkung der Vertraglichkeit auf die gegenseitigen Schuldverhältnisse ist bei Ulpian keine Rede, geschweige denn bei den byzantinischen Kompilatoren; trotzdem haben sie die Vertragsdefinition Labeos für wichtig genug gehalten, dass es sich gelohnt hat, sie in D. 50,16 wiederzufinden. Die römischen Rechtsquellen, so wie sie uns erhalten sind, haben bisher eine befriedigende Antwort darauf versagt. 2. Gerere und agere. Die Realobligation nach Labeo a) Gerere Die Definition des contrahere bildet nicht den einzigen Gegenstand von D. 50,16,19, auch wenn sie im Mittelpunkt der zahlreichen Interpretationen der Quelle steht. Der Text bietet prinzipiell eine partitio, welche agere, gerere und contrahere voneinander unterscheidet: quaedam agantur, quaedam gerantur, quaedam contrahantur. Damit wollte Labeo auf jede mögliche Aktivität mit juristischer Relevanz hinweisen.173 Der sozusagen unglücklichste Aspekt der partitio ist der, der das gerere betrifft.174 Der Satz gestum rem significare sine verbis factam („Führung bezeichnet eine ohne Worte durchgeführte Sache“) ermöglicht nicht, ein semantisches Feld präzise zu begrenzen.175 In der Lehre herrscht die Ansicht, dass hier die Ablativform verbis nicht „mündlich“ wie im Bereich der Obligationsbegründung bedeute, sondern im Allgemeinen „durch Worte“, sei es mündlich oder schriftlich.176 Hinzu kommt, dass auch die numeratio, d.h. das agere re, in einem facere sine verbis besteht oder zumindest bestehen kann. Sogar das contrahere kann ein facere sine verbis bilden. Darüber hinaus sind uns einige Quellen erhalten, in denen Labeo sich auf das gerere als agere oder facere im Allgemeinen bezieht.177 Dann ist das gestum nach D. 50,16,19 eher als eine materielle Aktivi172

Siehe D. 13,4,2,8 (Ulp. 27 ad ed.); D. 15,1,3,1 (Ulp. 29 ad ed.); D. 42,8,6,6 (Ulp. 66 ad ed.). Dazu vgl. vor allem Albanese [1972] S. 218 ff.; ferner Santoro [1983] S. 7 ff.; Talamanca [1990b] S. 102 ff. Für die Kohärenz Labeos im Gebrauch des Terminus contractus vgl. D’Ors [1976] S. 21 ff.; ferner Sargenti [1987] S. 41 ff. 173 Vgl. Voci [1946a] S. 57; Grosso [1963] S. 48 ff. 174 Interpolationsverdacht bei Gallo [1992] S. 97 ff.; ders. [2006a] S. 142 ff. 175 In diesem Sinne Sargenti [1976] S. 485 ff. 176 Vgl. Albanese [1972] S. 232 ff.; Santoro [1983] S. 54 ff.; Gallo [1992] S. 95. 177 Siehe etwa D. 3,3,33pr. (Ulp. 9 ad ed.); D. 3,5,3,5 (Gai. 3 ad ed. prov.); D. 3,5,3,9 (Ulp. 10 ad ed.); D. 3,5,9,1 (Ulp. 10 ad ed.); D. 4,4,3,1 (Ulp. 11 ad ed.); D. 19,5,19pr. (Ulp. 31 ad ed.); D. 29,2,27 (Pomp. 3 ad Sab.). Dazu vgl. Albanese [1972] S. 218.

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tät mit rechtlicher Relevanz zu betrachten, was den Gebrauch des Wortes res (res sine verbis facta) im weitesten Sinne rechtfertigt.178 Daher kann man hier von einer genau durchgeführten partitio nicht reden. b) Agere Das agere wird ebenfalls im weiteren Sinne definiert.179 Es besteht in einer allgemeinen Benennung für Handlungen, die „durch Worte“ oder „durch eine Sache“ verhandelt werden: (…) actum quidem generale verbum esse, sive verbis sive re quid agatur. Allerdings weist es konkret auf eine für die Erzeugung von Rechtseffekten gerichtete menschliche Handlung hin.180 Eine solche Idee von actum scheint die Unterscheidung zwischen erlaubten und unerlaubten Handlungen zu übersehen. Die Modalität der Handlung ist ebenso gleichgültig. Insofern könnte im Text eine gewisse Verbindung zwischen agere und contrahere gefunden werden; der contractus erscheint eher als ein Element des Oberbegriffes actus als eine verschiedene „Kategorie“. Beide Begriffe werden aber in der Quelle als Schuldverhältnisbegründungstatbestände ausdrücklich differenziert. Manche Autoren haben in der Trennung zwischen agere und contrahere den Unterschied zwischen konsensualen und nicht konsensualen Akten gesehen.181 Die Stelle sagt jedoch nichts über eine Identifizierung von contractus und Konsensualobligation. Tatsächlich führt eine solche Interpretation der Quelle zu Widersprüchen, denn es ist bezeugt, dass Labeo auch in den obligationes re, also beim agere, ein Konsensualelement sah.182 Wenn die Vertragsdefinition von D. 50,16,19 nicht auf der Gegenseitigkeit, sondern auf einem Konsenselement beruht, sollte die numeratio in das contrahere eingegliedert werden, aber das verstößt offensichtlich gegen den Wortlaut des Textes. Das agere bildet konkret eine Handlung verbis (formgebundenes mündliches Leistungsversprechen) oder re (Darlehensgewährung), die ein einseitiges Schuldverhältnis begründet, wohingegen das contrahere die Gegenseitigkeit charakterisiert. In diesem Sinne sind agere und contrahere vielmehr inkompatibel miteinander. Nach D. 50,16,19 können Stipulation und Darlehen wohl

178

Vgl. Burdese [2006] S. 122. Zu actum-agere in dieser Stelle vgl. eingehend Albanese [1972] S. 189 ff., 216 ff.; Santoro [1983] S. 5 ff., 20 ff. Näheres zur Bedeutung von actus in den römischen Rechtsquellen bei Guzmán Brito [2005] S. 19 ff. 180 Vgl. Burdese [2006] S. 121 ff.; Gallo [2006a] S. 149. 181 In diesem Sinne Santoro [1983] S. 41; Burdese [2006] S. 122. Kritisch hingegen Gallo [2006a] S. 148 ff. 182 D. 2,14,2pr. (Paul. 3 ad ed.): Labeo ait convenire posse vel re vel per epistulam vel per nuntium inter absentes quoque posse (...). Dazu vgl. Gallo [1992] S. 145 ff.; ders. [2006a] S. 148. 179

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als causae credendi (Entstehungsgründe eines certum dare oportere) bezeichnet werden, aber nicht als contractus.183 c) Die Realobligation nach Labeo Aus der Vertragsdefinition von D. 50,16,19 darf man schließen, dass die re oder verbis begründeten Obligationen einseitig sind, denn sie wurden in den allgemeinen Begriff actum und nicht in das contrahere eingegliedert, welches die Gegenseitigkeit kennzeichnet.184 Man erläutert die Bedeutung von re und verbis durch die Tatbestände, auf die in dem Text Bezug genommen wird: agere verbis ist die stipulatio, agere re ist die numeratio, d.h. die mutui datio, konkret die Gelddarlehensgewährung: actum quidem generale verbum esse, sive verbis sive re quid agatur, ut in stipulatione vel numeratione. Stipulation und Darlehen begründen strikt einseitige Schuldverhältnisse, aus denen der Gläubiger eine strengrechtliche Klage erhält: die condictio für den Darlehensnehmer und den Gläubiger aus Stipulation mit bestimmtem Leistungsge-

183

Vgl. D’Ors [1953] S. 200. Nach D. 50,16,19 ist es eher unwahrscheinlich, dass die Bezeichnung des de eo quod certo loco dari oportere, ein Tatbestand von Stipulation und daher von actum, als Vertrag in D. 13,4,2,8 (Ulp. 27 ad ed.) Labeo und nicht Julian zugeschrieben werden kann. Hierzu vgl. D’Ors [1976] S. 21; Sargenti [1976] S. 478; Santoro [1983] S. 63 ff.; Gallo [1992] S. 182 ff.; Burdese [2006] S. 127. Was das Edikt de eo quod certo loco betrifft, geht es um einen Anhang der Rubrik si certum petetur. Es handelt sich um ein Sonderedikt, dessen Gegenstand in den Kreditschulden besteht, die an einem bestimmten Ort erfüllt werden müssen (de eo quod certo loco dari oportet). Nach den Regeln der strengrechtlichen Obligationen darf die Leistung gegen den Willen des Gläubigers an keinem anderen als dem verabredeten Ort erbracht werden: D. 13,4,9 (Ulp. 47 ad Sab.): Is qui certo loco dare promittit nullo alio loco, quam in quo promisit, solvere invito stipulatore potest. Vgl. auch Gai. 4,53c.; I. 4,6,33c. Trotzdem schützte man in klassischer Zeit den Anspruch des Gläubigers aus Stipulation, der gegen seinen Schuldner an einem anderen als dem verabredeten Ort klagen wollte, wenn für den Gläubiger klar war, dass die Verpflichtung am festgesetzten Ort nicht erfüllt wird. Siehe D. 13,4,1 (Gai. 9 ad ed prov.); D. 13,4,2,1 (Ulp. 27 ad ed.). Alles spricht dafür, dass keine actio de eo quod certo loco mit selbstständiger Formel existierte, sondern nur ein Sonderfall der condictio, in dem die Klage (mit intentio certa) im Sinne Si paret N. Negidium A. Agerio decem Ephesi dare oportere (...) modifiziert wurde. Es handelt sich also um die actio certae creditae pecuniae für Geldkredite oder die condictio certae rei für andere Kreditschulden mit der Einführung eines anderen Zahlungsortes in die intentio (adiectio loci), um die plus petitio loco zu vermeiden. Tatsächlich findet sich in der Kompilation keine Quelle, in der ausdrücklich von einer actio de eo quod certo loco die Rede ist. Zum certo loco dari vgl. Glück [1811] § 845 ff., S. 301 ff.; Treptow [1875]; Conrat [1877]; Gradenwitz [1903] S. 238 ff.; Beseler [1907]; Biondi [1909] S. 222 ff.; ders. [1913] S. 1 ff.; ders. [1916] S. 19 ff.; Dumas [1910] S. 610 ff.; Arangio-Ruiz [1912] S. 130 ff.; ders. [1913] S. 147 ff.; Huwardas [1932]; Kaser [1935] S. 125 ff.; Biscardi [1957] S. 262; Amarelli [1984] S. 99 ff., 111 ff.; Periñán [2001] S. 317 ff.; Pulitanò [2007a] S. 2137 ff.; dies. [2007b] S. 581 ff.; dies. [2009]. Zur Klageformel siehe Lenel, EP, S. 241; ferner Mantovani [1999] S. 49. 184

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genstand, die actio (incerti) ex stipulatu für den Gläubiger aus Stipulation mit unbestimmtem Leistungsgegenstand.185 Aus Darlehen wird nur der Nehmer verpflichtet, und zwar zur Rückgewähr der Darlehensvaluta.186 Der Geber geht keine Verpflichtung ein, denn die von ihm durchgeführte Sachübereignung stellt den Schuldverhältnisentstehungsgrund dar, nicht die Erbringung einer schon geschuldeten Leistung. Konsequent wird die mutui datio als Entstehungsgrund eines Schuldverhältnisses „durch eine Sache“ (re) vom Bereich des contrahere ausgeschlossen: Nach dem Schema von D. 50,16,19 sind contractus und reines Rückgewährschuldverhältnis inkompatibel miteinander. Daher ist in der Quelle von re agere die Rede, nicht (wie bei Q. Mucius/Pomponius) von re contrahere.187 Kurz formuliert: Für Labeo ist das Darlehen der Entstehungsgrund einer Realobligation, nicht aber einer aus Vertrag. Aus einem abweichenden Gesichtspunkt kommt Gaius bezüglich der Zahlung einer Nichtschuld zum selben Schluss.188 Die explizite Identifizierung der Begründung einer Realobligation mit der numeratio ist nur in diesem Sinne zu verstehen: Numeratio bedeutet Geldauszahlung (numeratio pecuniae), sodass sie auf die mutui datio hinweist. Die wesentlichen Merkmale der Realobligation werden auf diese Weise von Labeo skizziert: Es geht um ein einseitiges Schuldverhältnis, das durch datio rei begründet wird. Für sonstige Realobligationen nach Labeo finden sich im gesamten Corpus römischer Rechtsquellen keine Belege: Es gibt keinen Text, der auf die Lehre Labeos zurückführt, in dem die Ablativform re („durch eine Sache“) auf die Begründung eines Schuldverhältnisses außerhalb des Darlehens angewendet wird. Wie unten ausführlich gezeigt wird, beschränken sich alle römischen Rechtsquellen, in denen ein „durch eine Sache“ (re) begründetes Schuldverhältnis erörtert wird, ausnahmslos auf die mutui datio.189 Wenn D. 50,16,19 zusammen mit anderen Quellen, die auf die Lehre Labeos zurückführen, analysiert wird, lässt sich annehmen, dass für diesen Juristen das Darlehen „etwas anderes“ als die Verwahrung, die Verpfändung und wahrscheinlich die Leihe darstellt. Wie oben erwähnt, bleibt die genaue Bedeutung des contrahere nach Labeo eher ungewiss. Trotzdem gibt es in den Quellen Belege dafür, dass Labeo die Verwahrung und die Verpfändung für contractus gehalten hat. Theoretisch gilt das Gleiche für die Leihe: Commodatum, depositum und 185

D. 12,1,24 (Ulp. l.s. pand.): Si quis certum stipulatus fuerit, ex stipulatu actionem non habet, sed illa condicticia actione id persequi debet, per quam certum petitur. Vgl. Gai. 4,136; I. 3,15pr. 186 S.u. § 4 A II2. 187 D. 46,3,80 (Pomp. 4 ad Q. Muc.). 188 Gai. 3,91. 189 Dazu s.u. §§ 4-5.

C. Resümee

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pignus sind Schuldbeziehungen, die durch bloße ohne dinglichen Bezug erfolgende Sachhingabe begründet werden und kein reines Rückgewährschuldverhältnis darstellen. Die Betrachtung dieser Figuren als contractus bringt als logische Folge mit sich, dass sie keine Realobligation bilden, denn das re obligari gehört nach Labeo zur Gruppe des agere statt zu derjenigen des contrahere. Die Realobligation ist kein contractus und umgekehrt kann der contractus nicht zugleich eine Realobligation sein. Die Bezeichnung des depositum und des pignus als Realobligationsentstehungsgründe würde ihre Ausschließung vom contrahere bedeuten, was den Quellen widerspricht. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Nach D. 50,16,19 ist das Darlehen kein contractus, sondern der Entstehungsgrund einer (nichtvertraglichen) Realobligation (re agere). Die strikte Einseitigkeit – und die hieran anknüpfende Strengrechtlichkeit – des Darlehens passt mit der Vertragsdefinition Labeos als ultro citroque obligatio bestimmt nicht zusammen. Schuldverhältnisse, die durch ohne dinglichen Bezug erfolgende Sachhingabe begründet werden, gehören zum contrahere (Verwahrung und Pfand, vielleicht auch die Leihe), nicht zum re agere. Es geht hier um Tatbestände, in denen in bestimmten Situationen für den Schuldner eine Konträrklage gegen den Gläubiger zur Verfügung steht, weshalb sie üblich aber unrömisch als unvollkommen gegenseitige Schuldverhältnisse bezeichnet werden. Das mutuum auf der einen Seite und das depositum, das pignus und vielleicht das commodatum auf der anderen Seite gehören nach Labeo zu unterschiedlichen „Kategorien“ der Schuldverhältnisentstehungsgründe. Warum Labeo Auftrag, Verwahrung und Pfand für contractus gehalten hat, wenn bei ihnen keine authentische ultro citroque obligatio vorliegt, bleibt unklar. Sicher ist aber, dass das Kriterium dafür, ein Schuldverhältnis in das contrahere einzugliedern, nicht in seiner Begründungsart besteht: Dass eine Schuldbeziehung durch formgebundenes mündliches Versprechen, durch Sachübereignung oder durch bloße Sachhingabe begründet wird, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Insofern bietet diese Quelle schon ein Indiz dafür, dass die sog. Kategorie der Realverträge, so wie wir sie kennen, mit der Art der römischen Juristen kaum zu tun hat.

C. Resümee C. Resümee

Die in diesem Paragrafen erörterten Quellen enthalten keine systematische Klassifizierung der Obligationsentstehungsgründe. Anstoß für die Bestimmung der Tatbestände, aus denen die Verpflichtungen entstehen, war die Einführung des agere per condictionem in das Legisaktionenverfahren durch die leges Silia und Calpurnia, mit denen die zivilrechtliche Anerkennung der

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§ 2 Divisiones obligationum und Realobligation

formlosen mutui datio gewährt wurde. Im Rahmen dieses modus agendi musste man die Gründe des certum dare oportere individualisieren, damit die Klage wirksam erhoben werden konnte. Sowohl der Jurist Q. Mucius als auch der Redner Cicero unterscheiden zwischen bestimmten Obligationsentstehungsgründen in einem beschränkten Bereich, und zwar bei den Klagegründen des certum dari. In D. 46,3,80 bezieht sich Q. Mucius auf die Arten, auf die die Obligationen auf ein certum aufgehoben werden können. Der Hinweis auf die Konsensualobligationen, der den Anschein von einer vollständigen Einteilung der Schuldverhältnisse geben könnte, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit Pomponius zuzuschreiben. Die Quelle Ciceros (pro Rosc. com. 4,13; 5,14) hat zum Zweck, die Grundlosigkeit der actio certae creditae pecuniae, die gegen seinen Klienten Roscius erhoben wurde, zu beweisen, weswegen nur die Gründe des certam pecuniam dare oportere in Betracht kommen. Hier zeigt man, dass der Redner (zumindest in diesem Zusammenhang) von praktischen Zwecken mit weniger prinzipieller Tendenz ausgegangen ist. Was Labeo angeht (D. 50,16,19), definiert er den contractus als ultro citroque obligatio, also als Entstehungsgrund gegenseitiger Verpflichtungen. Für die Annahme einer solchen Ansicht in der sonstigen römischen Jurisprudenz fehlt es an Belegen in den Quellen; trotzdem wurde sie von Ulpian kommentiert und durch die Kompilatoren in D. 50,16 eingeführt. Ungewiss ist, inwieweit Labeo seine eigene Vertragsdefinition in Anspruch nahm, um Einzelfälle zu entscheiden. In den angesprochenen Quellen erweist sich, dass die Begründung einer Realobligation (re contrahere bei Q. Mucius, pecunia data bei Cicero und re agere bei Labeo) mit der mutui datio identifiziert wird. Die Begründung re einer Obligation bedeutet die Übereignung der hingegebenen Sachen (datio rei), nicht die bloße Überlassung. Schuldverhältnisse, die durch nicht eigentumsverschaffende Sachhingabe kontrahiert werden (Leihe, Verwahrung und Verpfändung), sind nicht für vertragliche Realobligationen zu halten: bei Q. Mucius nicht, weil er sich auf das re kontrahierte certum dare oportere (re dare oportere) bezieht und die bloße Sachhingabe kein dare rem bedeutet; bei Cicero nicht, weil er von den Klagegründen der actio certae creditae pecuniae spricht, welcher eine datio rei (fiktiv beim nomen transscripticium) zugrunde liegt; bei Labeo nicht, weil er das agere (verbis oder re) mit den strikt einseitigen Schuldverhältnissen identifiziert, die daher vom Vertragsbereich ausgeschlossen sind. Deswegen beschränkt er das re agere (Realobligation) auf die Darlehensgewährung. Schuldverhältnisse, die durch ohne dinglichen Bezug erfolgende Sachüberlassung begründet werden, sind nach Labeo contractus und gehören demnach zu einer Gruppe von Obligationsentstehungsgründen, die mit der Realobligation inkompatibel sind. Für die angebliche Kategorie der Realverträge, deren Elemente nach der herrschenden Mei-

C. Resümee

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nung Darlehen, Leihe, Verwahrung und Pfand sein sollen, finden sich in den erörterten Quellen überhaupt keine Belege.

§ 3 Divisiones obligationum in der gaianischjustinianischen Tradition A. Problemstellung A. Problemstellung

I. Vielfalt in der gaianisch-justinianischen Tradition Wie oben erwähnt, lassen sich Gliederungen des Rechtsstoffes in Kategorien grundsätzlich in der didaktischen Literatur finden. Hiervon heben sich die divisiones obligationum der sog. gaianisch-justinianischen Tradition ab: Es geht um die Institutionen des Gaius, die res cottidianae und die hieran anknüpfenden Institutionen Justinians. Die Institutionen des Gaius enthalten zunächst eine Zweiteilung der Obligationen in solche aus Vertrag und aus Delikt und dann eine Vierteilung derjenigen aus Vertrag in Real-, Verbal-, Litteral- und Konsensualobligationen.1 In den res cottidianae liegt eine Dreiteilung der Obligationsentstehungsgründe in Vertrag, Delikt und verschiedenen anderen (nicht näher bestimmten) Gründen (variae causarum figurae) vor.2 Schließlich ist uns in den Institutionen Justinians eine Vierteilung der Obligationsentstehungsgründe in Vertrag, Delikt, quasi aus Vertrag und quasi aus Delikt erhalten.3 Die Nachwirkung dieser Tradition ist keineswegs unterzubewerten; sie hat mit bleibendem Erfolg auf die Rechtsdogmatik eingewirkt und bildet die Basis der modernen Schuldrechtssystematik.4 Die Mehrzahl der Rechtsordnungen romanistischer Tradition enthalten eine mehr oder minder deutlich gestaltete Klassifizierung der Schuldverhältnisentstehungsgründe in der Form eines Gesetzbuchartikels oder Paragrafen.5 In diesem Zusammenhang bilden BGB und ZGB bemerkenswerte Ausnahmen, da diese von der Pandektenwissenschaft entscheidend geprägten Kodifikationen keine Aufzählung der 1

Gai. 3,88-89. Dazu s.u. § 3 B. D. 44,7,1pr.-1 (Gai. 2 res cott.). Dazu s.u. § 3 C. 3 I. 3,13,1-2. Dazu s.u. § 3 D. 4 Vgl. etwa Wołodkiewicz [1978b]; Kaser [1983] S. 73; Paricio [1994] S. 49 ff.; De los Mozos Touya [1994] S. 103 ff.; Stagl [2014] S. 313 ff. Allgemeines zur Bewertung der gaianischen Institutionen Flume [1962] S. 1 ff. 5 Zum Beispiel Art. 1370 des französischen Code Civil; § 859 ABGB; Art. 1173 des italienischen Codice Civile (vgl. Art. 1097 Codice Civile 1865); Art. 1089 des spanischen Código Civil. 2

A. Problemstellung

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Schuldverhältnisentstehungsgründe als solche haben. Allerdings lässt sich in ihrer Systematik eine Gliederung finden: Im BGB unterscheidet man zwischen Schuldverhältnissen aus Vertrag (§ 311 ff.), aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 ff.) und aus unerlaubter Handlung (§ 823 ff.). Im gleichen Sinne OR (fünftes Buch des ZGB): Art. 1 ff. (Verträge), Art. 41 ff. (unerlaubte Handlungen) und Art. 62 ff. (ungerechtfertigte Bereicherung). Einen eigenartigen Fall bildet das neue Zivilgesetzbuch der Niederlande (NBW 1992), wo das Gesetz als einziger Verpflichtungsgrund vorliegt.6 Aus dem Gesagten darf man jedoch nicht ableiten, dass die divisio obligationum, insbesondere, was die Schuldverhältnisse aus Vertrag angeht, eine „Erfindung“ des Gaius sei.7 Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass sie in der Praxis wurzelt. Die bereits angesprochenen Individualisierungen der Entstehungsgründe des certum dare oportere bestätigen diese Ansicht.8 Ferner könnte man in der Ordnung der institutionellen Einteilung der Obligationen aus Vertrag (obligationes re, verbis, litteris und consensu contractae) im Wesentlichen die historische Reihenfolge der rechtmäßigen Schuldverhältnisentstehungsgründe betrachten. Wie Schiavone zum Ausdruck bringt, schaffen rituelles Sprechen gewisser Worte und rituelle Handlungen für die archaische Mentalität ihre eigene Wirklichkeit, ein konkretes Dasein, welches mit der durch unsere Sinne wahrgenommenen Realität vergleichbar ist. Sowohl Wort als auch Handeln spielten für die alten Römer eine „normative“ Rolle in dem Sinne, dass das Sprechen bestimmter Worte und die Durchführung bestimmter Akte (am häufigsten einer Sachleistung) Rechtswirkungen erzeugten, da dem gesprochenen Wort und dem rituellen Handeln magisch-religiöse Effekte zugeschrieben wurden. Kurz gesagt: Wort und Handlung hatten rechtsschöpferische Kraft.9 Die altrömischen „Rechtsgeschäfte“ sollten von Hand zu Hand vor sich gehen oder zumindest einer Wortformel entsprechen, wenn sie nicht unmittelbar auf einer Sachleistung beruhen konnten.10 Unter diesen Umständen darf man annehmen, dass die Wirksamkeit der ältesten Schuldverhältnisse einer Sachleistung oder dem Sprechen bestimmter Worte (certa verba) nachgeordnet war. Dies entspricht in sehr groben Zügen der Struktur der später durch die Jurisprudenz rechtstechnisch gebildeten 6

Art. 6:1 NBW: „Verbintenissen kunnen slechts ontstaan, indien dit uit de wet voortvloeit.“ 7 Für die These der Erfindung des Gaius vgl. D’Ors [1951] S. 273; ders. [1953] S. 134 ff.; ders. [1957] S. 75 ff.; ders. [1975b] S. 9 ff. Hingegen etwa Pernice [1888] S. 221; Dulckeit [1951] S. 153; Grosso [1963] S. 4; Wunner [1964] S. 42 ff.; Cannata [1970a] S. 434; Saccoccio [2002] S. 503. 8 S.o. § 2 B I-III. 9 Schiavone [2005] S. 66. Näheres hierzu bei Hägerström [1941] S. 107 ff.; Kaser [1949] S. 303. Monografisch zur Bedeutung des Wortes im römischen Recht Castresana [2007]. 10 Von Lübtow [1951] S. 243.

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obligationes re und verbis contractae.11 Die ältesten geschäftlichen Figuren des römischen Rechts – mancipatio und nexum – waren untrennbar mit einer Sachleistung verbunden, zugleich waren sie stark formalisiert: Sie bestanden sowohl in dem Tausch Stück gegen Stück im Beisein von Zeugen als auch in förmlichen Handlungen wie der Zuwägung des Kupfers (Libralakte, Akte per aes et libram).12 Was den Kauf als wirtschaftlich bedeutendsten Vertrag angeht, war er ursprünglich ein Austausch, ohne dass man zwischen Ware (merx) und Preis (pretium) – und daher zwischen den Parteien – unterscheiden konnte.13 In der Entwicklung des Vertrages nach dem uralten Austausch Stück gegen Stück und vor dem formfreien Kreditkauf iuris gentium14 musste eine Zwischenstufe bestehen, und zwar der Kauf Zug um Zug oder dinglich wirkender Kauf von Ware gegen Preis.15 Es ging also um ein Handgeschäft. Dieser Kauf war durch mancipatio und daher durch formgebundene Erbringung der beiderseitigen Leistungen (Sachübereignung und Preiszahlung) zu vollziehen.16 Infolgedessen war der römische Kauf in dieser Entwicklungsstufe ein Barkauf oder, um präziser zu sein, eine Barkaufmanzipation17: Die mancipatio, Ursprung des Konsensualkaufs18, spielte die Rolle eines unmittelbar dinglich wirksamen Kaufs und lässt sich insofern als „Realgeschäft“ betrachten. 19 Die Herbeiführung von Rechtseffekten ohne Sachleistung stellt eine fortgeschrittene Stufe dar. Die mancipatio entfaltete sich von einem Geschäft mit realem Geldbetrag zu einem mit symbolischem Geldbetrag durch die Übergabe einer Kupfermünze (nummo uno)20: Die Manzipation als „imaginärer (Bar)Kauf“21 wurde im Laufe der Zeit ein förmlicher Akt mit symbolischem 11

Gai. 3,90; 3,92. Vgl. Gai. 1,119; 1,122; 2,27; 2,104. 13 D. 18,1,1pr. (Paul. 33 ad ed.): Origo emendi vendendique a permutationibus coepit. olim enim non ita erat nummus neque aliud merx, aliud pretium vocabatur (...). Siehe auch D. 19,4,1pr. (Paul. 32 ad ed.). Zur Quelle vgl. etwa Tomulescu [1971] S. 711 ff.; Pugliese [1991] S. 26; Gagliardi [2007] S. 103 ff.; Marotta [2012] S. 161 ff. Zur Geld- und Naturalwirtschaft im römischen Recht siehe Bürge [1982] S. 128 ff. 14 D. 18,1,1,2 (Paul. 33 ad ed.). Zum völkergemeinrechtlichen Ursprung des Kaufs vgl. vor allem Kaser [1993a] S. 142 ff. 15 Vgl. vor allem Arangio-Ruiz [1961] S. 5 ff.; weiterhin Gagliardi [2007] S. 109 ff. mit reichlichen Hinweisen auf die ältere Literatur. 16 Vgl. nur Kaser [1971] S. 545. 17 Vgl. Kaser [1956a] S. 107 ff. Näheres zum Barkauf bei Wolf [1977] S. 1 ff.; ders. [1998] S. 501 ff.; ders. [2001] S. 29 ff. Unlängst, mit Vergleich zu den altorientalischen und griechischen Rechten, Pfeifer [2013] insbes. S. 77 ff., 108 ff. 18 Dazu vgl. De Zulueta [1949] S. 2 ff. 19 Von Lübtow [1939] S. 127; im gleichen Sinne bereits Bechmann [1876] S. 68 ff. 20 Vgl. Kaser [1949] S. 330 ff.; ders. [1971] S. 44; von Lübtow [1951] S. 245; Wolf [1998] S. 501 ff.; Pfeifer [2013] S. 77 ff., 108 ff. 21 Dies ergibt sich aus Gai. 1,119: Est autem mancipatio, ut supra quoque diximus, tantum 12

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Preis und damit ein des materialen Grundes entbehrendes „abstraktes“ Veräußerungsgeschäft, das unterschiedliche mancipationis causae annehmen konnte.22 Die Manzipation hat auf diese Weise ihre dingliche Gestaltung theoretisch behalten, als sie schon ein formgebundenes Geschäft bildete.23 Hier zeigt sich die (nicht symmetrische) geschichtliche Entwicklung der geschäftlichen Figuren des römischen Rechts: Der ursprünglich wesentliche Realmoment geht zugunsten der Förmlichkeit der Akte allmählich verloren.24 Daher kann die historische Reihenfolge der Schuldverhältnisentstehungsgründe folgendermaßen skizziert werden: Sie beginnt mit der Realobligation und fährt über die Verbal- und die zeitlich spätere Litteral- zur Konsensualobligation fort.25 Der Rechtsverkehr beruht zunächst auf mit einer Sachleistung verbundenen Tatbeständen, dann kommt die Erzeugung von Rechtseffekten durch das Wort (was eine gewisse „Entmaterialisierung“ des Geschäfts bedeutet), dann durch die Schrift (die ein allgemein höheres Kulturniveau voraussetzt)26 und schließlich durch bloße Willensübereinstimmung27. Dass die Stipulation zivilrechtliche Durchsetzbarkeit vor dem formfreien Darlehen fand, spricht nicht gegen diese Ansicht. Wie oben gesagt 28, haben die Römer die mutui datio dem ius gentium zugeordnet.29 Die formlose Darlehensgewährung wurde von den Römern bereits in frühen Zeiten mit Nichtrömern sowohl in Italien als auch in überseeischen Territorien praktiziert.30 Was den Wirtschaftsverkehr unter Bürgern angeht, schrieb die älteste römische Gesellschaft der fides als Worthalten einen großen Wert zu, sodass ursprünglich die formlose datio einem amicus oder das formlose Rückgewährimaginaria quaedam venditio (...). Vgl. auch Gai. 1,113. Es geht um eine Verbildlichung des Kaufs. Hierzu vgl. etwa Brezzo [1891] S. 65 ff.; Rabel [1906] S. 300 ff.; Kunkel [1928] S. 998; Husserl [1930] S. 478; Kaser [1956a] S. 107 ff.; Arangio-Ruiz [1961] S. 18 ff.; Albanese [1982] S. 41 ff.; Corbino [2006] S. 16 ff.; Pfeifer [2013] S. 77 ff. Die Kreditierung des Vertrages konnte mit hoher Wahrscheinlichkeit erst durch Stundung der Preiszahlung und ein Haftungsgeschäft (stipulatio) vollzogen werden. In diesem Sinne Kaser [1971] S. 546. Zu weiteren Quellen der mancipatio nummo uno siehe Wolf [1998] S. 503. 22 Siehe nur Kunkel [1928] S. 998. 23 Vgl. Pfeifer [2013] S. 78. 24 Von Lübtow [1951] S. 245. 25 Von Lübtow [1951] S. 247; im gleichen Sinne bereits Marchi [1912] S. 37. 26 Die Litteralobligation hat mit hoher Wahrscheinlichkeit in den ältesten Stufen der römischen Rechtsentwicklung nicht bestanden oder bestenfalls kaum eine Rolle gespielt, als parvae et rarae litterae erant (Liv., 6,1,2). Zur Frage des Analphabetismus im römischen Recht vgl. Fröschl [1987] S. 85 ff. 27 Die Erzeugung von Rechtswirkungen durch bloßes Willensübereinkommen stellt ein besonderes Merkmal des römischen Rechts im Rahmen der antiken Rechtsgeschichte dar. Dazu siehe nur Volterra [1937] S. 150 ff. 28 S.o. § 2 B I1. 29 Gai. 3,132; D. 50,17,84,1 (Paul. 3 quaest.). Dazu vgl. Kaser [1966b] S. 5 ff.; ders. [1971] S. 532 (Fn. 25); ders. [1993a] S. 140, 152 ff.; Behrends [1974] S. 103 (Fn. 393). 30 Vgl. Kaser [1993a] S. 140.

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versprechen genügen sollten, um die Beteiligten zu binden, ohne dass eine zivilrechtliche actio eintreten musste.31 Die formlose mutui datio, das dinglich wirksame „Realgeschäft“ war für die alten Römer schon vor der Einführung des agere per condictionem bekannt. Die angedeutete Entwicklungslinie erweist sich in besonderem Maße in dem von den römischen Juristen immer weiter anerkannten Wert des Übereinkommens der Parteien zur Begründung vertraglicher Schuldverhältnisse. Die römische Jurisprudenz (mindestens ab Pedius) ist allmählich zur Erkenntnis gekommen, dass dem contractus die übereinstimmende Willenserklärung der Parteien zugrunde liegt32: Jeder contractus besteht im Wesentlichen in einer conventio; es ist aber nicht jede Vereinbarung unbedingt klagbar, weil bei der Begründung bestimmter Schuldverhältnisse eine Sachübereignung, ein formgebundenes Leistungsversprechen oder die Eintragung einer fiktiven Geldauszahlung in das Hausbuch des Gläubigers erforderlich ist. Das Willensübereinkommen bildet keine ausreichende Grundlage für eine Vertragsobligation dar. Allerdings hat sich diese Ansicht in klassischer Zeit nicht endgültig durchgesetzt und wurde in den Institutionen des Gaius nicht übernommen, wie man aus der darin vorliegenden Obereinteilung der Obligationsentstehungsgründe schließen darf.33 Anderes gilt für die res cottidianae und die Institutionen Justinians: In beiden Werken scheint der Konsens die Basis aller Verträge zu bilden. Rechtmäßige Tatbestände, denen kein Willensübereinkommen zugrunde liegt, sind in diesen Schriften vom Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse ausgeschlossen.34 Unter diesen Umständen kann man von einer einheitlichen Vertragsidee innerhalb der sog. gaianisch-justinianischen Tradition nicht sprechen. Das stellt schon ein erhebliches Hindernis dar, wenn man von vertraglichen Kategorien reden will: Ohne allgemein geltenden Vertragsbegriff ist eine konsequente Gliederung in Kategorien nicht zu begreifen. Auch wenn wörtlich gleich, müssen re, verbis, litteris und consensu obligari in den Texten der erwähnten Tradition nicht unbedingt dieselbe juristische Bedeutung haben.

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Vgl. Giuffrè [1989] S. 32; ders. [1977] S. 416; Maschi [1973] S. 101 ff.; Albanese [1963] S. 135 ff. 32 D. 2,14,1,3 (Ulp. 4 ad ed.). Überblick zu dieser Entwicklung bei Riccobono [1930] S. 123 ff.; Grosso [1961] S. 750 ff.; Schiavone [1971] S. 37 ff.; Melillo [1982] S. 449 ff.; Talamanca [2006] S. 37 ff.; Burdese [2007] S. 565 ff.; Paricio [2008] S. 25 ff. 33 Gai. 3,88. Dazu s.u. § 3 B I-II. 34 D. 44,7,5pr.-6 (Gai. 3 res cott.); I. 3,27pr.-7.

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II. Contrahere obligationem. Entstehungsgrund oder Abschlussmodus? Das Verb contrahere ist bedeutungsvielfältig und hat daher keinen präzisen technischen Sinn.35 Es bedeutet nicht unbedingt, was wir uns heute praktisch automatisch vorstellen, nämlich „Vertragsabschluss“, Zustandekommen eines Vertrages. Contrahere hat in den römischen Rechtsquellen vielmehr den Sinn der Schaffung eines Verhältnisses, einer obligatorischen Bindung zwischen zwei oder mehr Personen durch erlaubtes Handeln 36, eines objektiven Verhältnisses zwischen verschiedenen Vermögen37. Kurz formuliert: Contrahere stellt die Schuldverhältnisbegründung durch eine rechtmäßige Handlung dar. Wie unten zu sehen sein wird, beruhen die Gliederung der Obligationen in solche aus Vertrag und aus Delikt und die der Kontraktsobligationen in Real-, Verbal- Litteral und Konsensualobligationen auf dem jeweiligen Fundament, dem Entstehungsgrund des Schuldverhältnisses.38 In seiner divisio obligationum gebraucht Gaius entweder die Partikel ex für die Zweiteilung der Obligationen in solche aus Vertrag und aus Delikt (ex contractu – ex delicto; Gai. 3,88) oder die Ablativform ohne Präposition für die Vierteilung der Obligationen aus Vertrag (re, verbis, litteris und consensu contrahere; Gai. 3,89). Beide Ausdrucksweisen sprechen maßgeblich dafür, dass Gaius von einem kausalen Element ausgeht: Das Schuldverhältnis wird durch einen oder aus einem bestimmten Tatbestand begründet.39 Die Passagen der gaianischen Institutionen, in denen von contrahere obligationem die Rede ist, beziehen sich unmittelbar auf die konkreten Handlungen, die materiellen Tätigkeiten, wodurch ein Schuldverhältnis bzw. eine bestimmte Verpflichtung begründet wird.40 Ein deutliches Beispiel dazu ist 35

Siehe VIR I, S. 1002 f.; vgl. auch Heumann/Seckel [1926] S. 105. Dazu vgl. etwa Betti [1912] S. 65 ff.; ders. [1915] S. 10 ff.; De Francisci [1916] S. 213 ff.; Riccobono [1930] S. 123 ff.; Lauria [1938] S. 165 ff., Voci [1946a] S. 11 ff.; Grosso [1963] S. 29 ff.; Wunner [1964] S. 4 ff.; Wołodkiewicz [1978a] S. 295 ff.; Melillo [1994] S. 125 ff.; Guzmán Brito [2005] S. 33 ff. 36 Vgl. Schwarz [1952] S. 192. 37 Betti [1912] S. 68 (Fn. 3): „rapporto di obbligazione“; ders. [1915] S. 62: „relazione obbiettiva di due individualità patrimoniali distinte“. Vgl. auch Lauria [1938] S. 172, 179 ff.; Schiavone [1971] S. 160; Wołodkiewicz [1978a] S. 298; Coma Fort [1996] S. 147 (Fn. 350). In diesem Sinne spricht Melillo [1994] S. 130 in Bezug auf das negotium contractum von einem „affare portato a compimento insieme“, einem „fenomeno di cooperazione attiva“. Ähnlich Guzmán Brito [2005] S. 35: „(...) el verbo contrahere prácticamente carece de todo tecnicismo específico y que en general es utilizable para describir cualquier actuación bilateral para indicar bien la celebración del acto, bien su resultado, es decir, la relación generada misma.“ 38 S.u. § 3 B. 39 Vgl. auch Gai. 2,81; 2,82; 3,96; 3,124; 3,136; 3,138; 3,155; 3,157. 40 Vgl. Falcone [2011] S. 30. Siehe zum Beispiel Gai. 3,96, wo ausdrücklich von der Causa der Obligation die Rede ist: Item uno loquente et sine interrogatione alii promittente contrahitur obligatio, si libertus patrono aut donum aut munus aut operas se daturum esse

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Gai. 2,81. Gaius sagt, dass die Geldauszahlung als Darlehen durch eine Frau eine Rückgewährpflicht begründet (contrahit obligationem), weil das Geld ins Eigentum des Empfängers übergeht (quia facit eam accipientis); dies, obwohl die Frau, die unter Vormundschaft steht, ohne Zustimmung ihres Vormundes vorgegangen ist.41 Gai. 2,81: Ideoque si quando mulier mutuam pecuniam alicui sine tutoris auctoritate dederit, quia facit eam accipientis, cum scilicet pecunia res nec mancipi sit, contrahit obligationem. Und wenn daher eine Frau jemandem Geld ohne Zustimmung des Vormunds in Darlehen überlassen hat, so begründet sie ein Schuldverhältnis, da sie das Geld, welches nämlich eine Sache nec mancipi ist, zum Eigentum des Empfängers macht.42

In der Stelle geht es um den Grund der Verpflichtung des Empfängers, das Geld zurückzuzahlen. Trotz der Erwähnung der mutui datio (mutuam pecuniam...dederit) wird der „Abschluss“ des Darlehensvertrages nicht in Betracht gezogen: Gaius denkt an die datio weniger als das Zustandekommen des Vertrages als vielmehr als die durch die Frau durchgeführte verpflichtungserzeugende Tätigkeit (die Gewährung einer Geldsumme). Das Fundament der Rückzahlungspflicht liegt nach Gaius darin, dass der Empfänger Eigentümer des Geldes wird (quia facit eam accipientis). Die Frau hat die Geldsumme nicht einfach hingegeben, sondern übereignet, denn die pecunia stellt eine res nec mancipi dar, die als solche auch ohne Zustimmung des Vormundes (sine tutoris auctoritate) durch eine Frau veräußert werden kann.43 iurauit, etsi haec sola causa est, ex qua iureiurando contrahitur obligatio. sane ex alia nulla causa iureiurando homines obligantur, utique cum quaeritur de iure Romanorum. nam apud peregrinos quid iuris sit, singularum ciuitatium iura requirentes aliud intellegere poterimus; 3,124, wo obligationem contrahere sich konkret auf die datio pecuniae bezieht: Sed beneficium legis Corneliae omnibus commune est. qua lege idem pro eodem apud eundem eodem anno uetatur in ampliorem summam obligari creditae pecuniae quam in XX milia; et quamuis sponsores uel fidepromissores in amplam pecuniam, uelut in sestertium C milia se obligauerint, tamen dumtaxat in XX milia tenentur. pecuniam autem creditam dicimus non solum eam, quam credendi causa damus, sed omnem, quam tum, cum contrahitur obligatio, certum est debitum iri, id est, quae sine ulla condicione deducitur in obligationem (...); 3,157, eine Stelle, aus der abgeleitet werden darf, dass die Obligation aus dem Inhalt des Auftrages an sich entsteht, nicht aus dem Abschluss des Auftragsvertrages als solchem: Illud constat, si quis de ea re mandet, quae contra bonos mores est, non contrahi obligationem, ueluti si tibi mandem, ut Titio furtum aut iniuriam facias. 41 Vgl. Zannini [1976] S. 83. 42 Ich stütze mich in der deutschen Übersetzung auf diejenige von Manthe [2004] S. 139. 43 Gai. 2,80: Nunc admonendi sumus neque feminam neque pupillum sine tutoris auctoritate rem mancipi alienare posse; nec mancipi vero feminam quidem posse, pupillum non posse. Anders im justinianischen Recht (I. 2,8,2), nach dem weder von männlichen noch von weiblichen Mündeln die Sachen ohne förmliche Zustimmung des Vormunds veräußert werden können.

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Insofern spielt der sog. Vertragsabschluss keine Rolle. In der Ulpiani Epitome (11,27) wird die Regel formuliert, dass ohne Genehmigung des Vormunds die Frauen weder ein Geschäft abschließen noch eine res mancipi veräußern können.44 Wenn man dieses Fragment mit Gai. 2,81 in Verbindung bringt, darf man folgern, dass in diesem Fall der Darlehensvertrag unwirksam ist; trotzdem wird der Empfänger verpflichtet, das Geld zurückzuzahlen, da die Frau das Eigentum an Sachen nec mancipi übertragen hat. Anders gesagt: Obgleich der Darlehensvertrag ohne Zustimmung des Vormundes unwirksam ist, ist der Nehmer zur Rückzahlung verpflichtet, weil seine Obligation nicht aus dem sog. „Vertragszustandekommen“ entsteht, sondern unmittelbar aus der Sachübereignung. Aus alldem folgt, dass contrahere obligationem sich konkret auf die obligationsbegründende Handlung bezieht, nicht abstrakt auf den Abschluss des Vertrages, welcher hier jedenfalls für nichtig zu halten ist. In ähnlichem Sinne drückt sich Gaius in Bezug auf die von einem unmündigen Kind ohne Genehmigung seines Vormunds durchgeführte Darlehensgewährung aus. Gai. 2,82: At si pupillus idem fecerit, quia non facit accipientis sine tutoris auctoritate pecuniam, nullam contrahit obligationem: unde pupillus uindicare quidem nummos suos potest, sicubi extent, id est eos petere suos ex iure Quiritium esse [….vv. 5....]. Hat aber ein unmündiges Kind dasselbe getan, so begründet es kein Schuldverhältnis, da es sein Geld nicht zum Eigentum des Empfängers macht. Daher kann zwar ein unmündiges Kind seine Münzen herausverlangen, soweit sie noch vorhanden sind, d.h. sie so verlangen, als gehörten sie ihm nach quiritischem Recht (…).45

Der pupillus kann weder res mancipi noch res nec mancipi selbstständig veräußern.46 Es ist dem unmündigen Kind nicht gestattet, ohne Genehmigung des Vormunds das Eigentum zu übertragen (nullum dominium transferre potest).47 Da das Mündel ohne interpositio auctoritatis des Vormunds über44

UE 11,27: Tutoris auctoritas necessaria est mulieribus quidem in his rebus (...) si civile negotium gerant (…) si rem mancipi alienent (…). Nach der Lex Atilia (vor 186 v. Chr.) wurde die Vormundschaft für wichtige Geschäfte der Frauen bestellt, obwohl die tutela legitima durch die Lex Claudia bereits aufgehoben worden war. Siehe auch UE 11,18. Hierzu vgl. Avenarius [2005a] S. 311 ff., 318 ff.; ders. [2005b] S. 29, 31. In Bezug auf das Darlehen siehe Gröschler [1997] S. 194 ff. 45 Ich stütze mich in der deutschen Übersetzung auf diejenige von Manthe [2004] S. 139. Das Fragment ist uns unvollständig erhalten; eine sichere Rekonstruktion des Textes nach id est ist nicht möglich. Zu den verschiedenen Ergänzungsversuchen siehe David/Nelson [1954] S. 294 ff. 46 Gai. 2,80; 2,84; UE 11,27; I. 2,8,2. Siehe auch 12,1,19,1 (Iul. 10 dig); D. 14,6,3,2 (Ulp. 29 ad ed.); D. 46,3,14,8 (Ulp. 30 ad Sab.). Dazu vgl. Labruna [1962] S. 90 ff.; Kaser [1961b] S. 208 ff. Hingegen ist dem pupillus der Eigentumserwerb gestattet, weil er seine Rechtslage auch ohne Zustimmung des Vormundes verbessern darf (Gai. 2,83). 47 D. 26,8,9,2 (Gai. 12 ad ed. prov.).

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§ 3 Divisiones obligationum in der gaianisch-justinianischen Tradition

haupt keine Sache veräußern darf, kann er keine Realobligation begründen. Dementsprechend ist aus der von ihm durchgeführten Gewährung einer Geldsumme keine Rückgewährpflicht entstanden (nullam contrahit obligationem), da keine Eigentumsübertragung an der überlassenen Geldsumme stattfindet (quia non facit accipientis suam pecuniam). Insofern kann das Mündel die condictio nicht erheben, sondern die pecunia vindizieren. Genauso wie in Gai. 2,81 konzentriert sich Gaius auf die schuldbegründende Tätigkeit, nicht auf das Zustandekommen des Vertrages, der auf jeden Fall für unwirksam gehalten werden muss48. Hinsichtlich der Gliederung der Kontraktsobligationen können Sachübereignung, formgebundenes mündliches Leistungsversprechen, Eintragung in das Hausbuch des Gläubigers mit Zustimmung des Schuldners und Willensübereinstimmung als „Entstehungsgründe“ in kausalem und sozusagen materiellem Sinne betrachtet werden (causae obligationis)49 oder abstrakt als Arten des Vertragszustandekommens, gemeinhin „Vertragsabschlussmodus“ genannt. Der in der Lehre herrschende zweite Blickwinkel ist zu stark von der modernen konsensualistischen Vertragsidee50 geprägt und belastet, sodass wir es für zweckmäßig halten, den Gebrauch des Ausdruckes Abschlussmodus in der vorliegenden Untersuchung zu vermeiden. Die erwähnte Perspektive geht von der Voraussetzung aus, dass der Vertrag im Grunde eine conventio (Vereinbarung) sei und der Konsens sich in verschiedenen Weisen äußern lasse, nämlich durch Sachübereignung, mündliches Versprechen, Eintragung in das Hausbuch des Gläubigers oder „bloße“ Willensübereinstimmung. Die Betrachtung des re, verbis und litteris contrahere als spezielle Konsensäußerungsarten bringt als Folge mit sich, dass sie als „Zutaten“ zum Willensübereinkommen der Parteien angesehen werden: Beim Vertrag geht es im Wesentlichen um eine Vereinbarung, die in gewissen Fällen eines bestimmten Konsensäußerungsmodus bedarf, damit der Vertrag wirksam abgeschlossen wird.51 Der „bloße“ Konsens ist nicht immer 48

Vgl. Longo [1933a] S. 26 ff.; Viard [1939] S. 52 ff.; Kaser [1961b] S. 211 ff.; Labruna [1962] S. 90 ff.; Zannini [1976] S. 82 ff. 49 In diesem Sinne Falcone [2011] S. 30: „(...) non sorprende che Gaio, anziché indugiare su un enunciato che descriva in termini astratti cosa è un obligatio, abbia direttamente affrontato, sul piano dei concreti comportamenti dei soggetti agenti, le causae che danno vita ad un’obligatio.“ Vgl. Pernice [1888] S. 222; Perozzi [1898] S. 163 ff.; Brasiello [1930] S. 541 ff.; ders. [1944] S. 101 ff.; Voci [1946a] S. 70; Kaser [1971] S. 522; Dalla Massara [2004] S. 351 ff. für die obligatio re contracta. 50 Zur historischen Entwicklung der modernen Vertragslehre siehe monografisch Nanz [1985]; Kegel [2002]; zu ihren philosophischen Gründen Gordley [1991]. 51 Zutreffend Brasiello [1944] S. 103 f.: „Il fondare infatti la partizione sull’elemento perfezionatore, come apparirà anche in questo studio, non può essere frutto che di uno sforzo che i giuristi classici non avrebbero motivo di fare, mentre si impone – e, come vedremo, nemmeno sempre – ai compilatori, i quali, pure considerando tutti i contratti come consensuali, volevano ancora inquadrarli negli schemi classici.“

A. Problemstellung

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ausreichende Grundlage für das Zustandekommen einer Vertragsobligation. 52 Unter dieser Prämisse darf man „vertragliche Kategorien“ aufbauen53, denn allen Verträgen liege ein vereinigendes Element zugrunde, und zwar die conventio. Diese Ansicht hat sich niemals in der klassischen Jurisprudenz endgültig durchgesetzt, und das war auf jeden Fall nicht der Standpunkt des Gaius: Für den Gaius der Institutionen beruhen die vertraglichen Obligationen nicht unbedingt auf dem Konsens.54 Der Unterschied ist fein aber maßgeblich: Römisch betrachtet sind die Sachübereignung, das formgebundene mündliche Leistungsversprechen, die Eintragung in das Hausbuch des Gläubigers und das Willensübereinkommen die konkreten selbstständigen Tatbestände (Handlungen, Tätigkeiten), aus denen die jeweiligen Schuldverhältnisse entstehen. Re, verbis und litteris contrahere sind keine bloßen Beiwerke zum Konsens, keine speziellen Entfaltungen der Konsensäußerung für Sonderfälle, sondern voneinander unabhängig rechtmäßige verpflichtungserzeugende Vorgänge. Wie unten zu sehen sein wird, unterteilt man die Kontraktsobligationen in Gai. 3,89 in vier verschiedenen Gattungen (in quattuor genera diducantur); hingegen sind die einzelnen Delikte nach Gai. 3,182 auf einen einheitlichen Grund zurückzuführen (quarum omnium rerum uno genere consistit obligatio). Bemerkenswert ist es, dass Gaius sich darum kümmert, diese Unterscheidung ausdrücklich zu machen.55 Nach diesem dialektischen Schema erweisen sich die obligationes ex contractu als die Schuldverhältnisse, deren „Wirkursachen“, im Gegensatz zu den Deliktsobligationen, unvereinbar miteinander sind.56 Harke scheint diese Ansicht zu vertreten: „Erkennt man, dass Real-, Verbal- und Konsensualverträge nicht Elemente eines einheitlichen Ganzen, vielmehr zeitlich und sachlich voneinander getrennte Phänomene sind (...)“57. Was das re contrahere im Spezifischen betrifft, bildet das Vorliegen einer Sachleistung bei Schuldverhältnisbegründung ein zu grobes Kriterium, um Kontraktsobligationen sinnvoll zu klassifizieren58: Die eigentumsverschaffende Darlehensgewährung ist mit der ohne dinglichen Bezug erfolgenden Sachüberlassung bei Leihe, Verwahrung und Pfand rechtlich kaum vergleichbar. Ebenso wenig kann man die Rechtsposition eines Darlehensnehmers, der das Eigentum am Darlehensbetrag erwirbt, mit der eines Entleihers oder eines 52

So versteht Harke [2008] S. 44 die Begründung eines Schuldverhältnisses „durch eine Sache“ (re): „Hier muß zum Konsens der Parteien noch die Übergabe der Darlehensvaluta oder der verliehenen oder niedergelegten Sache kommen“. 53 Ähnlich Orestano [1959] S. 455 ff. in Bezug auf das Schema genus-species in Gai. 3,88 ff. 54 S.u. § 3 B. 55 Vgl. auch D. 44,7,4 (Gai. 3 res cott.). 56 S.u. § 3 B I1. 57 Harke [2013] S. 38. 58 Zutreffend Perozzi [1928] S. 32 (Fn. 1); gleichsinnig De Francisci [1916] S. 394.

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§ 3 Divisiones obligationum in der gaianisch-justinianischen Tradition

Verwahrers, der nichts mehr als die tatsächliche Innehabung an der Sache hat, in dieselbe „Kategorie“ einordnen. Ähnliches gilt in Bezug auf das Pfand, denn der Pfandgläubiger erwirbt den Besitz an der Pfandsache, nicht das Eigentum. Ferner ist die Rückgewährpflicht des Pfandgläubigers, im Gegensatz zum Darlehensnehmer, Entleiher und Verwahrer, nicht immer erforderlich, denn die Parteien können den Verfall wegen Nichterfüllung der gesicherten Schuld oder eine Verkaufsabrede vereinbaren. Hinzu kommt die grundlegende Differenzierung zwischen der strengrechtlichen Klage wegen Darlehens (condictio) einerseits und den zivilrechtlichen Klagen nach Treu und Glauben wegen Leihe und Verwahrung (actiones commodati und depositi in ius conceptae) mit der dementsprechenden Inhaltserweiterung der jeweils zu erbringenden Leistungen (oportere ex fide bona) andererseits. Die Beschränkung des reinen Rückgewährschuldverhältnischarakters auf das mutuum hängt mit der angesprochenen prozessualen Unterscheidung zusammen. Jede Ähnlichkeit, die die Klassiker zwischen dem Darlehen als Realobligationsentstehungsgrund auf der einen Seite und der Leihe, der Verwahrung und dem Pfand auf der anderen Seite sehen konnten, musste von dem strikten reddere-Charakter der jeweils erhebbaren kondiktionenartigen Tatsachenklagen (actiones commodati, depositi und pigneraticia in factum conceptae) abhängen.59 Wie unten ausführlich gezeigt werden wird, sprich die Behandlung dieser Schuldverhältnisse in den res cottidianae60 maßgeblich für diese Ansicht.61 Das Gesagte ist nicht trivial: Die moderne Rechtsdogmatik – und nicht selten auch die Romanistik – geht von der wesentlichen Gleichsetzung zwischen Vertrag und Vereinbarung aus. Unter dieser Voraussetzung kann das Vorliegen einer Sachhingabe beim „Vertragsabschluss“ als differenzierendes und damit qualifizierendes Element des Vertrages gelten, ohne Rücksicht darauf, ob sie eigentumsübertragend ist oder nicht; wichtig ist nur, dass ein bestimmtes Schuldverhältnis die Überlassung einer Sache als Konsensäußerungsmodus fordert, damit es zustande kommt. Allein unter diesen Umständen ließen sich Darlehen, Leihe, Verwahrung und Pfand als Elemente einer „Kategorie der durch Sachüberlassung abgeschlossenen Verträge“ ansehen. Schärfer formuliert: Das Vorliegen einer Sache beim Vertragsabschluss gilt als vertragskategorisierendes Kriterium dort und nur dort, wenn das dare rem in seiner rechtstechnischen Bedeutung (verpflichtungserzeugende eigentumsverschaffende Sachüberlassung) ausgehöhlt wird. Ein solches Kriterium erscheint weder in der klassischen Jurisprudenz, die das re contrahere ständig mit dem mutuum identifiziert hat62, noch im Edikt, wo vom Abschlussmodus 59

Dazu s.u. § 5 A III-V. D. 44,7,1,3 und 5-6 (Gai. 2 res cott.). 61 Ausführlich dazu unten § 5 A VI. 62 Das klassische römische Recht kannte nur eine obligatio re contracta (modern gesagt: 60

A. Problemstellung

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als Basis für die Eingliederung bestimmter Vertragsklagen in das edictum de rebus creditis oder in das edictum de bonae fidei iudiciis keine Rede ist63. Hieraus lassen sich mehrere Elemente einer Kategorie des re contrahere nicht finden. Eine derartige sehr abgeschwächte Idee der Begründung eines Schuldverhältnisses „durch eine Sache“ könnte allenfalls in der eigenartigen Realobligationsdefinition Modestins wahrgenommen werden: Re obligamur, cum res ipsa intercedit.64 Allerdings entspricht die Anwendung dieser Definition von Modestin selbst, wie unten ausführlich gezeigt werden wird, der klassischen Beschränkung des re contrahere auf das mutuum.65 Was die durch eine konsensualistische Vertragsvorstellung geprägten Institutionen Justinians betrifft, zeigen sie – nach dem Vorbild der res cottidianae – eine bemerkenswerte Vorsicht hinsichtlich der Bildung einer Kategorie der Realverträge, die sprachlich spürbar ist: Hier stellt nur die mutui datio eine obligatio re contracta dar. Bei Leihe, Verwahrung und Verpfändung spricht man nur von der Verbindung der Empfängerverpflichtung an die Hingabe einer Sache durch den Gebrauch der allgemeinen Ausdrucksweise re obligatur.66 Trotzdem lautet die Rubrik des entsprechenden Titels des byzantinischen Rechtslehrbuches folgendermaßen: quibus modis re contrahitur obligatio („Die Arten, auf die eine Obligation durch eine Sache begründet wird“). Daraus darf man wohl annehmen, wie unten zu sehen sein wird, dass in den Institutionen Justinians mehrere Realobligationsentstehungsgründe anerkannt wurden, allerdings in einem sehr weiteren Sinne des re obligari, der vom klassischen Recht entscheidend abweicht.67

Realvertrag), und zwar das Darlehen. Zum vor- und frühklassischen Recht s.o. § 2 B II und IV. Zum hoch- und spätklassischen Recht s.u. § 4. 63 Das edictum de rebus creditis enthält Tatbestände, welche durch Sachübereignung (mutuum), einfache Sachüberlassung (commodatum und pignus), formgebundenes mündliches Versprechen (de eo quod certo loco dare oportere) und formfreies Versprechen (pecunia constituta) begründet werden. Seinerseits findet sich im edictum de bonae fidei iudiciis das durch einfache Sachhingabe begründete depositum neben den konsensualen emptio-venditio, locatio-conductio, societas und mandatum. Das Kriterium für die Einführung eines Tatbestandes in das edictum de rebus creditis ist die Strengrechtlichkeit („Kondiktionenartigkeitscharakter“) der Klage, und zwar, dass sie darauf beschränkt ist, Rückgabeansprüche auf den einfachen Sachwert zu verwirklichen. In diesem Sinne ist die sog. Heterogenität dieses Edikts eher scheinbar als real. 64 D. 44,7,52,1 (Mod. 2 reg.). 65 D. 44,7,52,3 (Mod. 2 reg.). Ausführlich dazu unten § 5 B II. 66 I. 3,14,2-4. In den res cottidianae erscheint bei Verwahrung und Pfand der Ausdruck re (nobis) tenetur statt re (nobis) obligatur: D. 44,7,1,5-6 (Gai. 2 res cott.). Dazu s.u. § 5 A IVV. 67 Ausführlich dazu unten § 5 C.

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§ 3 Divisiones obligationum in der gaianisch-justinianischen Tradition

B. Divisio obligationum und Vertrag in den Institutionen des Gaius B. Divisio obligationum und Vertrag in den Institutionen des Gaius

I. Die Einteilung der Obligationsentstehungsgründe 1. Die Obereinteilung der Obligationen. Gai. 3,88 Wie oben gezeigt, geht die erste Individualisierung der Obligationsentstehungsgründe auf die spätrepublikanische Jurisprudenz zurück. Sie hat sich auf die Gründe des certum dare oportere im Rahmen des agere per condictionem konzentriert.68 Außerhalb des certum dare oportere gibt es jedoch noch andere Schuldverhältnisentstehungsgründe, nämlich die durch Willensübereinstimmung kontrahierten Verträge (Kauf, Miete, Gesellschaft und Auftrag), die rechtswidrigen Handlungen (Delikte) und das Damnationslegat (legatum per damnationem), wovon Verpflichtungen für den Erben des de cuius ausgehen69. Insofern darf man nicht von einer divisio obligationum im eigentlichen Sinne reden; eine solche Konstruktion lässt sich erst in den Institutionen des Gaius finden (Gai. 3,88 ff.).70 Der Wert der Institutionen darf weder unter- noch überschätzt werden71; das gilt in besonderem Maße für die gaianische Gliederung der Verpflichtungsentstehungsgründe.72 Dieses Anfängerlehrbuch hat auf die spätere Rechtsdogmatik mit bleibendem Erfolg eingewirkt und die Grundlage der Schuldrechtssystematik in der Mehrzahl der modernen zivilrechtlichen Kodifikationen gebildet.73 Die Rechtfertigung der Äußerung von Mayer-Maly, Gaius sei das greatest systematising talent in Roman jurisprudence74, ist vielleicht in dieser Tat mehr als im eigentlichen Wert des Beitrages dieses „Schuljuristen“ zu finden.75 Die Darstellung des Schuldrechts in den Institutionen beginnt mit der Gliederung der Obligationen in zwei Arten, welche die Obereinteilung (summa divisio) bildet. Elemente der summa divisio sind die Obligationen aus Vertrag einerseits und die Obligationen aus Delikt andererseits. 68

S.o. § 2 B I-III. Gai. 2,201 ff. Eingehend zum Damnationslegat als Verpflichtungsentstehungsgrund Grosso [1962] insbes. S. 80, 391 ff.; Voci [1963] S. 223 ff.; Ginesta Amargós [1989] S. 23 ff. 70 Vgl. etwa Voci [1946a] S. 69; Talamanca [1979] S. 41; Stein [1983] S. 151. Nach der Ansicht von Cannata [2008] S. 73 hat Gaius seine divisio obligationum der Systematik zuliebe entwickelt („per amore della sistematica“). 71 Dazu vgl. etwa Flume [1962] S. 1 ff.; unlängst Stagl [2014] S. 313 ff. 72 Von Lübtow [1951] S. 242. 73 Vgl. etwa Sargenti [1976] S. 458; Kaser [1983] S. 73; Paricio [1994] S. 49. Weitere Angaben zum Einfluss dieser Zweiteilung auf das geltende Recht bei Zimmermann [1996] S. 10 ff. 74 Mayer-Maly [1967] S. 381. 75 Allgemeines zur Bewertung der gaianischen Institutionen Flume [1962] S. 1 ff. 69

B. Divisio obligationum und Vertrag in den Institutionen des Gaius

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Gai. 3,88: Nunc transeamus ad obligationes. Quarum summa divisio in duas species diducitur: omnis enim obligatio vel ex contractu nascitur vel ex delicto. Nun gehen wir zu den Obligationen über, deren Obereinteilung zwei Arten umfasst, denn jede Obligation entsteht entweder aus Vertrag oder aus Delikt.

Gaius gebraucht die Redewendung nunc transeamus, um den Übergang zu einem neuen Thema zu bezeichnen.76 In diesem Fall geht es um den Übergang von der Erbschaft zur Erörterung des Schuldrechts, die mit der Obereinteilung der Schuldverhältnisse anfängt. Mit dem Ausdruck summa divisio weist Gaius darauf hin, dass hier von der umfassendsten Einteilung der Obligationen die Rede ist.77 Anders formuliert: Außer den Elementen der divisio gibt es keine sonstige Art von Verpflichtungen mehr78; dem Vertrag steht allein das Delikt gegenüber.79 Das Gesagte lässt sich ferner aus dem Gebrauch der Redewendung omnis obligatio ableiten, die unmissverständlich als „jede Obligation/alle Obligationen“ zu lesen ist. Die unter modernem Gesichtspunkt sachliche Unvollständigkeit des Textes bedeutet nicht, dass Gaius selbst seine summa divisio obligationum nicht für erschöpfend gehalten hat80; 76

Dazu vgl. Nelson/Manthe [1999] S. 71. Diese Redewendung begegnet uns auch in Gai. 1,142 in Bezug auf die Vormundschaft und die Pflegschaft (transeamus nunc at aliam divisionem...), in Gai. 2,246 in Bezug auf das Fideikommiss (nunc transeamus ad fideicommissa) und in Gai. 3,182 für die rechtswidrigen Handlungen (transeamus nunc ad obligationes, quae ex delicto nascuntur...). Weitere Angaben zu sonstigen stereotypen Redewendungen in den gaianischen Institutionen bei Nelson [1981] S. 405 ff. 77 Vgl. Gai Ep. 2,9pr: Obligatio in duas species dividitur; nam omnes obligationes aut ex contractu nascuntur aut ex culpa (...). Hier hat der Herausgeber den Ausdruck ex delicto (aus Delikt) von Gai. 3,88 durch ex culpa (aus Fahrlässigkeit) ersetzt. Der Sinn des Textes ist jedenfalls derselbe. Grundlegend zu diesem Werk Archi [1937]. 78 Vgl. Pernice [1888] S. 196 ff.; Segrè [1929] S. 435 ff.; Lauria [1938] S. 172; Schulz [1954] S. 466 ff.; Paricio [1994] S. 49 ff.; ders. [1997] S. 153; ders. [2008] S. 28 ff.; Saccoccio [2002] S. 490; Cannata [2008] S. 82 ff. 79 Zutreffend Schulz [1954] S. 466: „Obviously this is a classification of all possible obligations; consequently contractus must need embrance any legal act from which obligations resulted, delicts alone being excluded.“ Weiterhin Paricio [2008] S. 34: „Así pues, aunque Gayo no incluya una definición de contrato, parece claro que tiende a configurarlo como una categoría donde se engloban todos los actos lícitos reconocidos por el ius civile, convencionales o no convencionales, destinados a crear un vínculo obligatorio, al margen del cual, y como contrapuesto a él, queda el ámbito de los delitos.“ 80 Zum dem Gaius nachgesagten Bestreben nach Vollständigkeit siehe D. 1,2,1 (Gai. 1 ad leg. XII Tab.): in omnibus rebus animadverto id perfectum esse, quod ex omnibus suis partibus constaret. Vgl. Biscardi [1966] S. 21; Paricio [1997] S. 153. Talamanca [2006] S. 52 spricht von einer „portata apparentemente esaustiva della bipartizione“; im gleichen Sinne Zimmermann [1996] S. 14. Harke [2008] S. 40 spricht von einem „augenfälligen Mangel“. In ähnlichem Sinne vertritt Cannata [2008] S. 83 die Meinung, dass die summa divisio von Gai. 3,88 nur Ordnungszwecke habe („ha scopo puramente ordinatorio“) und jedenfalls unzureichend sei („anche insufficiente respetto al suo stesso scopo“), denn sie übergehe die Analyse der Struktur der Verpflichtungsentstehungsgründe.

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§ 3 Divisiones obligationum in der gaianisch-justinianischen Tradition

er macht in seiner Obereinteilung klar, dass es nur zwei mögliche Schuldverhältnisentstehungsgründe gibt, nämlich den Vertrag und das Delikt. Konsequent teilt uns Gaius in anderer Passage der Institutionen mit, dass der schuldrechtlichen Klage entweder der Vertrag oder das Delikt zugrunde liegt. Gai. 4,2: In personam actio est, qua agimus cum aliquo qui nobis vel ex contractu vel ex delicto obligatus est, id est cum intendimus dare facere praestare oportere. Eine Klage ist schuldrechtlich, mit welcher man gegen jemanden klagt, der uns entweder aus Vertrag oder aus Delikt verpflichtet ist, das heißt, wenn man im Klagantrag erklärt, dass er übereignen, tun oder leisten muss. 81

Die Existenz eines tertium quid zwischen Vertrag und Delikt ist somit ausgeschlossen: Es gibt keine Verpflichtung und keine schuldrechtliche Klage (zwei Seiten derselben Medaille), die weder aus Vertrag noch aus Delikt entsteht.82 Gaius bestätigt diese Bedeutung der summa divisio in anderen Passagen seiner Institutionen, und zwar in Gai 1,9 in Bezug auf das Recht der Personen (summa divisio personarum)83 und in Gai. 2,2 in Bezug auf das Recht der Gegenstände (summa divisio rerum)84. Die sachliche Vollkommenheit der Obereinteilung der Personen in Freie und Sklaven auf der einen Seite und derjenigen der Sachen in solche von göttlichem und von menschlichem Recht auf der anderen Seite bilden maßgebliche Indizien dafür, dass er in Gai. 3,88 eine ebenso vollständige Einteilung der Obligationen vorlegen wollte.85 Diese Ansicht scheint in den unten erörterten spätklassischen Quellen bestätigt zu sein, da dort dem Vertrag nur das Delikt gegenübersteht.86 In diesem Zusammenhang kann man mit von Lübtow sagen, dass Vertrag bei den Klassikern „vielmehr das nichtdeliktische Obligationsverhältnis, den rechtsgeschäftlichen Bindungsakt“ bedeutet.87 Im gleichen Sinne spricht Kaser in Bezug auf den Vertrag von jedem erlaubten haftungsbegründenden Vorgang.88

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Ich stütze mich in der deutschen Übersetzung auf diejenige von Manthe [2004] S. 321. Vgl. auch Gai. 4,112-113. 83 Gai. 1,9: Et quidem summa divisio personarum haec est, quod omnes homines aut liberi sunt aut servi. Bemerkenswert ist der Ausdruck quidem (gewiss, zweifellos), mit dem Gaius die Gliederung behaupten will. Vgl. Vincenti [2007] S. 19 ff.; Paricio [2008] S. 29. 84 Gai. 2,2: Summa itaque rerum divisio in duos articulos diducitur: nam aliae sunt divini iuris, aliae humani. Vergleichbar ist die Redensart Ulpians in D. 50,16,195,1 (Ulp. 46 ad ed.): ‘Familiae’ appellatio (…) et in res et in personas deducitur. Vgl. Nelson/Manthe [1999] S. 71; Vincenti [2007] S. 48 ff. 85 Vgl. Schulz [1954] S. 466; weiterhin Paricio [1994] S. 49; ders. [2008] S. 30. 86 D. 5,1,57 (Ulp. 41 ad Sab.); D. 5,3,14 (Paul. 20 ad ed.); D. 44,7,25,1 (Ulp. l.s. reg.). Dazu s.u. § 3 B II1b). 87 Von Lübtow [1952] S. 99. 88 Kaser [1971] S. 523. 82

B. Divisio obligationum und Vertrag in den Institutionen des Gaius

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Die summa divisio obligationum besteht in zwei Arten (species), nämlich Vertrag und Delikt. Dann wird jede species wiederum in Gattungen (genera) unterteilt (Gai. 3,89 und 3,182). Man hat gesagt, dass Gaius die Ordnung der genera und der species umgekehrt habe, denn die Gattung sei in Arten zu untergliedern, nicht die Art in Gattungen.89 Es ist aber zu berücksichtigen, dass Gaius eine divisio in drei Stufen vorlegt: zunächst die Obligationen aus Vertrag und aus Delikt in Gai. 3,88 (species), dann die Gliederung der Obligationen aus Vertrag und der aus Delikt in Gai. 3,89 und 3,182 (genera), schließlich die einzelnen Verträge und die einzelnen Delikte (species). Offenbar wollte Gaius die Darstellung der Verpflichtungsentstehungsgründe mit den einzelnen Verträgen und Delikten beenden, also mit den species der genera „Vertrag“ und „Delikt“, weswegen er in seiner Dreistufengliederung ebenso mit species (summa divisio in duas species...) anfangen konnte.90 Die dialektische91 Gestaltung der dreistufigen Einteilung fordert das erwähnte Schema. Hinzu kommt, dass eine species sich doch als genus für sub-species (Unterarten) verhalten kann92: Die obligatio ex contractu bildet eine species des genus obligatio (Gai. 3,88) und zugleich das genus für die obligationes re, verbis, litteris und consensu contractae (unter diesem Gesichtspunkt: species von obligatio ex contractu), welche ihrerseits als genera für die einzelnen contractus (species von obligationes, re, verbis, litteris oder consensu contractae) behandelt werden (Gai. 3,89).93 Besonders bemerkenswert ist der Gebrauch des Ausdruckes unum genus in Gai. 3,182 bezüglich der delicta.94 Gaius unterscheidet zwischen den Delikten, welche eine einzige Gattung bilden (uno gerere consistit obligatio), und den Verträgen, die sich in vier Gattungen unterteilen (in IIII genera diducan89

Vgl. Orestano [1959] S. 445 ff.; Martini [1964] S. 462 ff. So meint zu Recht Cannata [2008] S. 80: „Siccome Gaio fa uso solo delle nozioni diairetiche di genera e species, volendole alternare, se voleva finire con le species non gli restava che incominciare con le species. Si aggiunga che la divisio ‘re-verbis-litteris’ era stata tramandata come divisio in genera, e come tale Gaio la voleva certo inserire ancora nel suo schema. Forse sarebbe stato più corretto che facesse due divisioni iniziali in genera, e solo l’ultima in species; ma lui non la pensò così.“ 91 Nach der Ansicht von Orestano [1959] S. 453 ff. geht es hier eher um ein rhetorisches Schema, und zwar die coniectura. Vgl. auch Talamanca [1977] S. 15. Allgemeines zum dialektischen Schema der gaianischen Institutionen Guzmán Brito [2007] S. 427 ff. 92 Orestano [1959] S. 451; weiterhin Talamanca [1977] S. 15 (Fn. 56). 93 Vgl. Talamanca [1977] S. 198 (Fn. 568). Die Zahlung einer Nichtschuld (solutio indebiti), ein nichtvertragliches Schuldverhältnis, wird als Art (...haec species obligationis) der Gattung Realobligation in Gai. 3,91 bezeichnet (is quoque, qui non debitum...re obligatur). 94 Gai. 3,182: Transeamus nunc ad obligationes, quae ex delicto nascuntur, ueluti si quis furtum fecerit, bona rapuerit, damnum dederit, iniuriam commiserit. quarum omnium rerum uno genere consistit obligatio, cum ex contractu obligationes in IIII genera diducantur, sicut supra exposuimus. 90

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§ 3 Divisiones obligationum in der gaianisch-justinianischen Tradition

tur), wie er schon in Gai. 3,89 gesagt hatte95. Daher darf man annehmen, dass die einzelnen Delikte auf einen „einheitlichen Grund“ zurückführen.96 Allerdings ließen sie sich wie die Verträge in genera untergliedern: Gaius selbst weist auf die Frage der Diebstahlsgattungen (genera furtorum) in der frühklassischen Jurisprudenz hin.97 Wichtig ist auf jeden Fall der Umstand, dass Gaius die dialektische Gliederung der Verträge von derjenigen der Delikte ausdrücklich unterscheiden will: Er macht explizit, dass die Verträge – im Gegensatz zu den Delikten – nicht auf einen allgemeinen Begründungstatbestand zurückgeführt werden können. Die obligationes ex contractu können unterschiedliche Entstehungsgründe haben, die als „Wirkursachen“, als causae obligationis, unvereinbar miteinander sind.98 So darf man auch aus einem Fragment der res cottidianae schließen: Die Delikte bilden eine einzige Gattung (omnia unius generis sunt); hingegen (alioquin) bestehen die Verträge nicht nur durch eine Sache, sondern auch durch Worte oder durch Willensübereinstimmung.99 Damit wollte der Urheber der res cottidianae klarmachen, dass die vertraglichen Schuldverhältnisse nicht in einer einheitlichen Gattung bestehen, sondern in drei unterschiedlichen (die vierte, die Litteralobligation, kommt dort nicht in Betracht), die der jeweilige Begründungstatbestand charakterisiert. Die Real-, Verbal- und Konsensualobligationen beruhen demnach nicht auf einem einheitlichen Geltungsgrund. Die hier vorgestellte Unterscheidung ist nicht unterzubewerten. In den res cottidianae erscheint eine Vertragsidee, der das Willensübereinkommen der Parteien zugrunde liegt. Daher wäre eine Darstellung der obligationes re, verbis und consensu contractae nicht mehr als genera wie in den Institutionen des Gaius zu erwarten, sondern als species eines einzigen genus100, wie es tatsächlich in den Institutionen Justinians der Fall ist101. In diesem Zusammenhang stellen die res cottidianae weniger eine Zäsur als vielmehr eine 95

Gai. 3,89: Et prius uideamus de his, quae ex contractu nascuntur. Harum autem quattuor genera sunt (…). 96 Orestano [1959] S. 455 ff. 97 Gai. 3,183: Furtorum autem genera Servius Sulpicius et Masurius Sabinus IIII esse dixerunt, manifestum et nec manifestum, conceptum et oblatum; Labeo duo, manifestum et nec manifestum (...). Dazu vgl. Talamanca [1977] S. 209 ff., 249 ff. 98 Orestano [1959] S. 455 ff. 99 D. 44,7,4 (Gai. 3 res cott.): Ex maleficio nascuntur obligationes, veluti ex furto, ex damno, ex rapina, ex iniuria. quae omnia unius generis sunt: nam hae re tantum consistunt, id est ipso maleficio, cum alioquin ex contractu obligationes non tantum re consistant, sed etiam verbis et consensu. 100 Vgl. Orestano [1959] S. 455 ff.; zurückhaltend Talamanca [1977] S. 198 (Fn. 568), 204 ff. (Fn. 580). 101 I. 3,13,2: (…) Prius est, ut de his quae ex contractu sunt dispiciamus. Harum aeque quattuor species sunt: aut enim re contrahuntur aut verbis aut litteris aut consensu. de quibus singulis dispiciamus.

B. Divisio obligationum und Vertrag in den Institutionen des Gaius

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Kontinuität gegenüber den gaianischen Institutionen dar: Die Vertragsobligationen sind nicht auf einen einzigen Geltungsgrund, der alle Verträge vereinheitlicht, zurückzuführen. Übrigens sind wir der Meinung, dass die erwähnte Quelle der res cottidianae ein wichtiges Indiz für die Urheberschaft des Gaius selbst ist, denn trotz der teils neuen äußeren Anordnung des Schuldrechts lassen sich in dieser Schrift deutliche Belege des Gedankengangs, des inneren Systems des Gaius der Institutionen wahrnehmen.102 2. Die Vierteilung der Obligationen aus Vertrag. Gai. 3,89 Nach der summa divisio der Obligationen in solche aus Vertrag und aus Delikt wendet sich Gaius der berühmten und auf die zivilrechtliche Dogmatik sehr einflussreichen Vierteilung der vertraglichen Schuldverhältnisse nach dem Entstehungsgrund zu.103 Es geht um die zweite Stufe der von Gaius vorgelegten divisio obligationum. Gai. 3,89: Et prius videamus de his, quae ex contractu nascuntur. Harum autem quattuor genera sunt: aut enim re contrahitur obligatio aut verbis aut litteris aut consensu. Und zunächst betrachten wir diejenigen , die aus Vertrag entstehen. Es gibt von ihnen vier Gattungen: Eine Obligation wird entweder durch eine Sache oder durch Worte oder durch Schrift oder durch Willensübereinstimmung begründet.104

Gegenstand der Quelle ist es, die rechtmäßigen verpflichtungserzeugenden Tatbestände zu unterscheiden. Gaius bezieht sich hier (wie in Gai. 3,88) auf die Schuldverhältnisse, welche aus einem Vertrag (ex contractu) entstehen, nicht auf die Verträge als solche. Die Vierteilung der obligationes ex contrac102

Näheres dazu unten § 3 C I. Vgl. Gai Ep. 2,9pr.: (…) Quae ex contractu nascuntur, quattuor genera sunt, quae singula hoc ordine distinguuntur: aut enim re contrahitur obligatio, aut verbis, aut litteris, aut consensu. 104 Vgl. die Übersetzung Nelson/Manthe [1999] S. 80, die von harum bis consensu folgendermaßen lautet: „Es gibt deren vier Arten: eine Obligation kommt nämlich entweder durch Sachübertragung, durch (bindende) mündliche Zusage, durch briefliche Ermächtigung oder durch bloße Zustimmung zustande.“ Diese Autoren scheinen die Ablativformen re, verbis, litteris und consensu als Abschlussmodus des Vertrages zu interpretieren, denn sie gebrauchen den Ausdruck „zustande kommen“. Ähnliches gilt für die neueste Übersetzung Manthes. Manthe [2004] S. 253-255 übersetzt dieselbe Passage wie folgt: „Eine Verpflichtung kommt nämlich entweder durch Sachübergabe oder durch Worte oder durch briefliche Ermächtigung oder durch Willensübereinstimmung zustande.“ Hier gebraucht Manthe nochmals den Ausdruck „zustande kommen“. Hinzu kommt, dass er nicht mehr von Sachübertragung in Bezug auf die Realobligation spricht, sondern im Allgemeinen von Sachübergabe, die auch ohne dinglichen Bezug erfolgen kann. Das stimmt mit dem Sinn von re contrahere in den römischen Quellen nicht überein. Ausführlich dazu unten § 4 A II1b). 103

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§ 3 Divisiones obligationum in der gaianisch-justinianischen Tradition

tu in Gai. 3,89, die auch in Gai. 3,119a hinsichtlich der Bürgschaft erscheint105, stellt eine Neuheit in der römischen Jurisprudenz dar: Die Institutionen enthalten die erste Individualisierung der Obligationen aus Vertrag, in der die aus dem ius gentium stammenden Konsensualobligationen106 behandelt werden. Gaius unterscheidet vier Gruppen von vertraglichen Verhältnissen, und zwar die, die aus Sachübereignung (re) oder aus formgebundenem mündlichem Leistungsversprechen (verbis) oder aus Eintragung einer fiktiven Geldauszahlung in das Hausbuch des Gläubigers mit Zustimmung des Schuldners (litteris) oder aus Willensübereinstimmung der Parteien (consensu) entstehen. Diese Tatbestände bilden jeweils den Grund des Schuldverhältnisses, die causa obligationis und daher in gewissem Sinne die Verbindlichkeit selbst. Um einen Ausdruck von Voci zu benutzen, könnte man sagen: Das Schuldverhältnis ist in der datio, in den verba, usw.107 Gaius definiert nicht die vertraglichen Schuldverhältnisse; sie werden durch die konkreten Figuren dargestellt. a) Obligatio re contracta Die klassische obligatio re contracta wird unten ausführlich erörtert (s.u. § 4). Vorauszuschicken ist, dass Gaius sie mit der mutui datio identifiziert (Gai. 3,90).108 Das Darlehen besteht in der Sachübereignung einer bestimmten 105

Gai. 3,119a: Fideiussor vero omnibus obligationibus, id est sive re sive verbis sive litteris sive consensu contractae fuerint obligationes, adici potest (…). 106 Zum völkergemeinrechtlichen Ursprung der obligationes consensu contractae siehe D. 18,1,1,2 (Paul. 33 ad ed.) für den Kauf; D. 19,2,1 (Paul. 34 ad ed.) für die Miete und Gai. 3,154 für die Gesellschaft. In den Quellen gibt es keine sichere Auskunft über die Entstehung des Auftrages aus dem ius gentium; nicht eindeutig ist D. 17,1,1,4 (Paul. 32 ad ed.): Mandatum (…) originem ex officio atque amicitia trahit (...). Mandatsverhältnisse beruhen in der Regel auf freundschaftlichen Beziehungen. Dazu vgl. Nörr [1993] S. 13 ff.; Rundel [2005] S. 163 ff.; Kroppenberg [2009] S. 299 ff. Ausführlich über die Beziehung zwischen Freundschaft und Rechtspflichten im römischen Recht Finazzi [2010] S. 633 ff., 752 ff. zum Auftrag. Aus dieser Quelle darf man nicht unbedingt schließen, dass der Ursprung des Mandats im ius gentium zu finden ist. Prägnant Winkel [1993] S. 56: „Zu wenig wurde in dieser Frage nach dem Ursprung bis heute die Zugehörigkeit des mandatum zum ius gentium in Beziehung gebracht, wofür es keine direkten Quellen gibt.“ Vgl. auch Watson [1961] S. 18 ff.; Kaser [1984] S. 23 ff.; ders. [1993a] S. 142 ff. Anders Arangio-Ruiz [1949] S. 44 ff., der die Ansicht vertreten hat, der Ursprung des Auftrags sei im internationalen Handelsverkehr zwischen Römern und peregrini im 3. Jh. v. Chr. und daher im ius gentium zu suchen; ähnlich Voci [1946a] S. 165. Eine zusammenfassende Darstellung dieser noch offenen Frage bei Randazzo [2005] S. 95 ff. 107 Voci [1946a] S. 71. Vgl. D. 44,7,4 (Gai. 3 res cott.). 108 Gai. 3,90: Re contrahitur obligatio uelut mutui datione; mutui autem datio proprie in his fere rebus contingit, quae res pondere, numero, mensura constant, qualis est pecunia numerata, uinum, oleum, frumentum, aes, argentum, aurum; quas res aut numerando aut metiendo aut pendendo in hoc damus, ut accipientium fiant et quandoque nobis non eaedem,

B. Divisio obligationum und Vertrag in den Institutionen des Gaius

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Geldsumme oder einer bestimmten Menge anderer vertretbarer Sachen, wodurch der Empfänger eine gattungsmäßige Rückgabepflicht eingeht. Die obligatio re contracta charakterisiert sich demnach durch den Übergang des Eigentums an den hingegebenen Sachen zum Empfänger, und zwar durch die Durchführung einer datio rei im rechtstechnischen Sinne.109 Die datio bildet den Rechtsgrund der Rückgewährpflicht110; die Verpflichtung des Empfängers entsteht unmittelbar aus der Verschaffung zivilrechtlichen Eigentums.111 Der Anspruch des Darlehensgebers auf Rückerstattung des tantundem wird mit der strengrechtlichen condictio geltend gemacht: mit der actio certae creditae pecuniae für eine Geldsumme oder mit der condictio certae rei für sonstige vertretbare Sachen. Ferner begründet die solutio indebiti eine Realobligation, allerdings keine vertragliche.112 Auf sonstige Realobligationen, seien sie aus Vertrag oder nicht, findet man in den Institutionen des Gaius überhaupt keinen Hinweis. b) Obligatio verbis contracta Die Verbalobligation wird durch die stipulatio dargestellt.113 Als formgebundenes mündliches Leistungsversprechen kann die Stipulation jedes Interesse befriedigen, das als Gegenstand eines Schuldverhältnisses zulässig ist, sei es dare, facere oder praestare.114 Die Stipulation ist ein abstraktes Verpflichtungsgeschäft mit hervorragender Anwendbarkeit auf die verschiedensten Zwecke. Die Verpflichtung entsteht unmittelbar aus dem formellen mündlichen Versprechen einer Leistung. Wenn der Gegenstand der Stipulation ein certum ist, wird der Anspruch des Gläubigers mit der condictio verwirklicht; wenn es um ein incertum geht, klagt man gegen den Schuldner mit der actio (incerti) ex stipulatu.115 sed aliae eiusdem naturae reddantur. unde etiam mutuum appellatum est, quia quod ita tibi a me datum est, ex meo tuum fit. 109 Ausführlich zur rechtstechnischen Bedeutung der datio rei unten § 4 A II1b). 110 Vgl. Dalla Massara [2004] S. 351 ff. 111 Vgl. Gai. 2,81-82; D. 12,1,19,1 (Iul. 10 dig.). 112 Gai. 3,91. 113 Gai. 3,92: Verbis obligatio fit ex interrogatione et responsione, uelut DARI SPONDES? SPONDEO, DABIS? DABO, PROMITTIS? PROMITTO, FIDEPROMITTIS? FIDEPROMITTO, FIDEIVBES? FIDEIVBEO, FACIES? FACIAM. Dazu vgl. etwa Biondi [1953] S. 267 ff.; ders. [1962] S. 105 ff.; mehrfach monografisch Pastori [1958]; ders. [1961]; ders. [1994]; Arangio-Ruiz [1962] S. 193 ff.; Talamanca [1978] S. 195 ff.; ders. [1990b] S. 35 ff.; Sacconi [1989]. 114 Vgl. nur Kaser [1971] S. 538. 115 D. 12,1,24 (Ulp. l.s. pand.): Si quis certum stipulatus fuerit, ex stipulatu actionem non habet, sed illa condicticia actione id persequi debet, per quam certum petitur. Vgl. I. 3,15pr.; Cic., pro Rosc. com. 5,14. Dazu vgl. etwa Schwarz [1952] S. 289 (Fn. 36); D’Ors [1960] S. 323 ff.; Kaser [1971] S. 542; ders. [1976] S. 7 ff.

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c) Obligatio litteris contracta Die Litteralobligation besteht in der förmlichen Begründung eines Kredits durch die Eintragung (expensum ferre) einer fiktiven Geldauszahlung in das Hausbuch des Gläubigers (codex accepti et expensi) mit Zustimmung des Schuldners, als ob die gebuchte Summe als Darlehen gewährt worden wäre.116 Es handelt sich um eine Buchung ohne Zahlung. Entstehungsgrund der Verpflichtung ist die Eintragung als solche. Soweit in das Hausbuch wirkliche Zahlungen eingetragen werden, geht es nicht um Buchforderungen (nomina transscripticia), sondern um Kassenforderungen (nomina arcaria), welche nicht litteris, sondern re begründet werden (numeratio autem pecuniae rei facit obligationem).117 Da die Litteralobligation sich als ein fiktives Gelddarlehen erweist, ist der Anspruch des Schuldners ebenso wie beim mutuum mit der actio certae creditae pecuniae zu verwirklichen. d) Obligatio consensu contracta Die Konsensualobligation wird durch ihre bedeutendsten Beispiele dargestellt, nämlich Kauf, Miete, Gesellschaft und Auftrag.118 Auch die conventio pignoris sei unter den Konsensualobligationen einzugliedern, denn Gaius bezieht sich auf sie ausdrücklich als ein durch Willensübereinkommen begründetes Schuldverhältnis (consensu contrahere).119 Entstehungsgrund des Schuldverhältnisses ist die Willensübereinstimmung der Parteien. Kauf, Miete und Gesellschaft führen gegenseitige Verpflichtungen herbei, d.h. die Parteien sind zugleich Gläubiger und Schuldner füreinander; in diesem Sinne sprach Labeo von ultro citroque obligatio120. Der Auftrag begründet kein authentisches gegenseitiges Schuldverhältnis, da im Prinzip nur der Beauf116

Gai. 3,128: Litteris obligatio fit veluti in nominibus transscripticiis. fit autem nomen transscripticium duplici modo, vel a re in personam vel a persona in personam. Monografisch zur Litteralobligation Thilo [1980]. Vgl. auch De Ruggiero [1925] S. 369 ff.; Kaser [1971] S. 544; Cremades [1994] S. 519 ff.; Behrends [2000] S. 57 ff.; Kaser/Knütel [2014] S. 239 f. 117 Gai. 3,131: Alia causa est eorum nominum, quae arcaria uocantur. in his enim rei, non litterarum obligatio consistit, quippe non aliter ualent, quam si numerata sit pecunia; numeratio autem pecuniae rei facit obligationem. qua de causa recte dicemus arcaria nomina nullam facere obligationem, sed obligationis factae testimonium praebere. 118 Gai. 3,135: Consensu fiunt obligationes in emptionibus et uenditionibus, locationibus conductionibus, societatibus, mandatis. 119 D. 20,1,4 (Gai. l.s. form. hyp.): Contrahitur hypotheca per pactum conventum (…); D. 22,4,4 (Gai. l.s. form. hyp.): In re hypothecae nomine obligata ad rem non pertinet, quibus fit verbis, sicuti est et in his obligationibus, quae consensu contrahuntur (...). Vgl. auch D. 13,7,1pr. (Ulp. 40 ad Sab.). Die Hypothek konnte auch unter Abwesenden (inter absentes) abgeschlossen werden, was auf ihrem Konsensualcharakter beruht; vgl. Gai. 3,136; D. 20,1,23,1 (Mod. 3 reg.). In D. 20,1,34,1 (Scaev. 27 dig.) bezieht sich Scaevola auf den bloßen Beweiszweck der Beurkundung der conventio pignoris. 120 D. 50,16,19 (Ulp. 11 ad ed.). Zur Quelle s.o. § 2 B IV.

B. Divisio obligationum und Vertrag in den Institutionen des Gaius

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tragte Verpflichtungen eingeht. Unter bestimmten Umständen kann aber auch er einen Anspruch gegen den Mandanten durch eine actio contraria geltend machen; daher wird das mandatum in der Lehre gemeinhin (unrömisch) als unvollkommen zweiseitiger Vertrag bezeichnet.121 Gemeinsames Merkmal der Konsensualobligationen ist auch, dass sie durch Klagen nach Treu und Glauben geschützt und daher im edictum de bonae fidei iudiciis eingegliedert sind. II. Vertrag nach den Institutionen des Gaius 1. Die gaianische Vertragsidee: Vertrag als rechtmäßiger Obligationsentstehungsgrund a) Gai. 3,88 Wie oben erwähnt, wird in Gai. 3,88 von omnis obligatio gesprochen, was zum Ausdruck bringt, dass es keine Obligation gibt, die weder aus Vertrag noch aus Delikt entsteht. Aus der in dieser Stelle vorgelegten summa divisio obligationum darf man folgern, dass für Gaius der Vertrag in jedem erlaubten (rechtmäßigen) verpflichtungserzeugenden Akt besteht122; allein die unerlaubten (rechtswidrigen) Handlungen stehen ihm gegenüber. Unter diesem Gesichtspunkt sind die vertraglichen Schuldverhältnisse negativ zu definieren als nichtdeliktische Obligationen. Die Willensübereinstimmung der Parteien kommt für die Bezeichnung eines schuldbegründenden Tatbestandes als Vertrag gar nicht in Betracht. Der Gebrauch des Ausdruckes sufficit consensisse in Gai. 3,136123 bedeutet nicht, dass jede vertragliche Obligation den Konsens der Parteien voraussetzt.124 Durch den Satz sed sufficit eos, qui negotium gerunt, consensisse wollte Gaius die Hinlänglichkeit des Konsenses und damit die Irrelevanz der Förmlichkeiten, um eine obligatio consensu zu begründen (neque verborum neque scripturae ulla proprietas desideratur), erklären. Von der Kontrahierung sonstiger Obligationen ist in dieser Quelle 121

Für die These der „vollkommenen“ Zweiseitigkeit des mandatum siehe Viaro [2011] S. 331 ff. 122 Vgl. von Lübtow [1952] S. 99; Schulz [1954] S. 466; Kaser [1971] S. 523; Paricio [2008] S. 34. 123 Gai. 3,136: Ideo autem istis modis consensu dicimus obligationes contrahi, quod neque uerborum neque scripturae ulla proprietas desideratur, sed sufficit eos, qui negotium gerunt, consensisse. unde inter absentes quoque talia negotia contrahuntur, ueluti per epistulam aut per internuntium, cum alioquin uerborum obligatio inter absentes fieri non possit. 124 Zu Recht Sargenti [1988] S. 55: „Ed é, senza dubbio, arbitrario, frutto dell’aprioristica convinzione che il consensualismo sia già radicato da tempo nel pensiero giuridico romano come principio ispiratore dell’idea di contratto, immaginare che Gaio abbia inteso la categoria in senso consensualistico, abbia visto, cioè, il consenso come elemento comune delle diverse figure di obbligazione che dovrebbero rientrare nella categoria delle obligationes ex contractu.“

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§ 3 Divisiones obligationum in der gaianisch-justinianischen Tradition

keine Rede, sodass daraus kein allgemein geltendes Prinzip für alle Vertragsobligationen geschlossen werden darf.125 In Gai. 3,89 ff. werden unterschiedliche Rechtsverhältnisse erörtert, die als gemeinsame Charakteristik haben, dass sie aus einem Begründungstatbestand entstehen, der sich als contrahere bezeichnen lässt. Nach Gaius bildet der Konsens keine allgemeine Grundlage des contrahere; jeder Vertragsobligation liegt eine selbstständige äußere verpflichtungserzeugende Tätigkeit zugrunde, und zwar die Sachübereignung, das formgebundene mündliche Leistungsversprechen, die Eintragung in das Hausbuch des Gläubigers oder das Willensübereinkommen.126 Es handelt sich um die konkreten voneinander unabhängig rechtmäßigen Handlungen, die vom ius für geeignet gehalten werden, um bestimmte Rechtswirkungen herbeizuführen. Das vertragliche Schuldverhältnis wird durch die von der Rechtsordnung festgesetzten objektiven Elemente eines nomen contractus (Sachübereignung bei der mutui datio, mündliches Versprechen bei der stipulatio, die Eintragung litteris in den codex accepti et expensi bei der expensilatio, Konsens bei emptio venditio, locatio conductio, societas und mandatum) begründet.127 Nur bestimmte Schuldverhältnisse können ein proprium nomen contractus haben128, und zwar wenn der festgesetzte verpflichtungserzeugende Tatbestand vollzogen worden ist. Wie oben gezeigt, wird die Zweiteilung der Obligationsentstehungsgründe auch im Rahmen der Klassifizierung der Klagen angewendet: Dort sagt Gaius deutlich, dass den schuldrechtlichen Klagen entweder ein Vertrag oder ein Delikt zugrunde liegt.129 Kurz formuliert: Der Vertrag bildet für Gaius nichts mehr als den rechtmäßigen (d.h. nichtdeliktischen) Verpflichtungs- und Klagegrund. b) Bestätigung der gaianischen Vertragsidee in sonstigen Quellen der klassischen Jurisprudenz außerhalb Gaius Man hat in der Lehre gesagt, dass die in den Institutionen vorliegende Vertragsidee eine Besonderheit des Gaius sei, welche keinen Anklang unter den 125

Vgl. Sargenti [1988] S. 56; Martini [1991] S. 99 (Fn. 10); Paricio [1997] S. 154; ders. [2008] S. 32. 126 Vgl. von Lübtow [1952] S. 99 ff.; Dulckeit [1951] S. 148 ff. 127 Vgl. Betti [1944] S. 256 ff.; Gallo [1991] S. 53 ff.; Meyer-Pritzl [1998] 109. 128 D. 2,14,7,1 (Ulp. 4 ad ed.): Quae pariunt actiones, in suo nomine non stant, sed transeunt in proprium nomen contractus: ut emptio venditio, locatio conductio, societas, commodatum, depositum et ceteri similes contractus. Zum Begriff nomen contractus siehe auch D. 19,3,1pr. (Ulp. 32 ad ed.); D. 19,4,1,2 (Paul. 32 ad ed.); D. 19,5,1pr. (Pap. 8 quaest.); D. 19,5,3 (Iul. 14 dig.). Dazu vgl. etwa Meyer-Pritzl [1998] S. 107; Burdese [2007] S. 576. 129 Gai. 4,2: In personam actio est, qua agimus, quotiens litigamus cum aliquo, qui nobis uel ex contractu uel ex delicto obligatus est (…).

B. Divisio obligationum und Vertrag in den Institutionen des Gaius

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römischen Juristen gefunden habe.130 Eine solche Ansicht geht von der Annahme aus, dass die klassische Jurisprudenz eine Vertragsidee entwickelt hätte, die auf dem Willensübereinkommen der Parteien als Grundlage aller Verträge beruht.131 Allerdings sprechen die Quellen mehr dafür, dass die römische Jurisprudenz eine einheitliche Vertragsidee niemals erreichte.132 In der justinianischen Kompilation sind uns Quellen erhalten, in denen das gaianische Schema Vertrag – Delikt mit erheblicher Deutlichkeit erscheint; sie zeigen, dass der Entstehungsgrund eines Schuldverhältnisses entweder der Vertrag oder das Delikt sein kann.133 In diesem Sinne darf man den contractus für einen rechtmäßigen Schuldverhältnisentstehungsgrund ohne Weiteres halten. Der spätklassische Jurist Paulus drückt sich diesbezüglich folgendermaßen aus: D. 5,3,14 (Paul. 20 ad ed.): Sed utrum ex delicto an ex contractu debitor sit, nihil refert (...). Ob jemand aus Delikt oder aus Vertrag Schuldner ist, spielt keine Rolle (…).

Palingenetisch gehört die Stelle zu dem 20. Buch des Kommentars des Paulus zum Edikt an, welches dem edictum si hereditas petatur gewidmet war.134 Die Kompilatoren haben sie in eine Reihe von Fragmenten eingeführt, die, was die Ediktsmasse angeht, vorwiegend aus dem 15. Buch des Kommentars zum Edikt Ulpians (BK 95), dem 6. Buch des Kommentars des Gaius zum Provinzialedikt (BK 98) und dem erwähnten Buch des Ediktskommentars des Paulus (BK 96) stammen.135 Es geht hier um eine Katene, die mit Ulpian in D. 5,3,9 anfängt, und deren Gegenstand die Passivlegitimation zur Erbschaftsklage ist. Ganz offensichtlich wurden die Texte sprachlich miteinander verbunden, damit es scheint, dass sie einen einheitlichen Diskurs darstellen. Ulpian teilt uns mit, dass es zwei Klassen von Passivlegitimierten zur Erbschaftsklage gibt, nämlich die possessores pro herede (die gutgläubig davon ausgehen, Erben zu sein) und die possessores pro possessore (bösgläubige Besitzer).136 Dann sagt er, dass die Klage auch gegen den Erbschaftsschuld130

Siehe nur Schulz [1954] S. 467. Dazu vgl. vor allem Riccobono [1930] S. 123 ff. 132 Nach Ansicht von Sargenti [1988] S. 73 nicht einmal in justinianischer Zeit. 133 Vgl. Paricio [2008] S. 83 ff. 134 Lenel, Pal. I, c. 1001 (Nr. 311); ders., EP, S. 176 ff. 135 Dazu grundlegend Bluhme [1820] S. 257 ff., 266. Ferner Mantovani [1987] insbes. S. 94 ff. (Tabelle der Bücher der Ediktsmasse mit einigen Korrekturen). Fast alle Fragmente stammen aus dem 15. Buch des Ulpian, dem 6. Buch des Gaius und dem 20. Buch des Paulus, mit einer einzigen Ausnahme, und zwar D. 5,3,12 (Ulp. 67 ad ed.). Das 67. Buch ad edictum Ulpians gehört ebenfalls zur Ediktsmasse (BK 101). 136 D. 5,3,9 (Ulp. 15 ad ed.): Regulariter definiendum est eum demum teneri petitione hereditatis, qui vel ius pro herede vel pro possessore possidet vel rem hereditariam. Vgl. auch D. 5,4,10 (Pap. 6 quaest.); Gai. 4,144. Die Bedeutung von possessio pro herede vel 131

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§ 3 Divisiones obligationum in der gaianisch-justinianischen Tradition

ner (debitor hereditarius) gerichtet werden darf137, auch wenn dieser keine einzige körperliche Erbschaftssache besitzt138. In diesem Zusammenhang bringt Paulus zum Ausdruck, dass es für die Zulässigkeit der Klage gegen den Erbschaftsschuldner gleichgültig ist, ob dieser wegen Vertrag oder Delikt verpflichtet ist. Man darf annehmen, dass Paulus sich ganz im Allgemeinen auf die möglichen Entstehungsgründe der Erbschaftsschuld bezogen hat, um den Leitsatz behaupten zu können, dass die Klage gegen jeden debitor hereditarius geltend zu machen ist, ohne zu unterscheiden, woraus die Schuld entsteht. Wahrscheinlich war der Text ursprünglich mit dem SC Iuventianum139 verbunden, wie andere Passagen des 20. Buches des paulinischen Kommentars zum Edikt.140 Der juventianische Senatsbeschluss legt fest, dass als Erbschaftsbesitzer und daher als Passivlegitimierter der Klage auch gilt, wer die Erbschaftsgegenstände vor dem Prozessbeginn (ante litem contestatam) arglistig aufgegeben hat (dolo desinere possidere).141 Da auch der Erbschaftsschuldner Passivlegitimierter der Klage ist, konnte Paulus hier die Gelegenheit finden, um die Obligationsentstehungsgründe andeutungsweise in Betracht zu ziehen: Ohne Rücksicht auf den Entstehungsgrund seiner Verpflichtung ist der Erbschaftsschuldner dem SC Iuventianum unterworfen, wenn er sich der Nachlasssachen ante litem contestatam arglistig begeben hat. Anders formuliert: Paulus wollte betonen, dass es keine possessore wird in D. 5,3,11pr. (Ulp. 15 ad ed.) erläutert: Pro herede possidet, qui putat se heredem esse. sed an et is, qui scit se heredem non esse, pro herede possideat, quaeritur: et Arrianus libro secundo de interdictis putat teneri, quo iure nos uti Proculus scribit. sed enim et bonorum possessor pro herede videtur possidere. Eingehend zur Passivlegitimation in der römischen Erbschaftsklage Talamanca [1956]. Vgl. auch Longo [1933] S. 1 ff.; Carcaterra [1948b] S. 21 ff.; Di Paola [1954] S. 41 ff.; Müller-Ehlen [1998] S. 4 ff.; Casinos Mora [2006] S. 163 ff. 137 D. 5,3,13,15 (Ulp. 15 ad ed.): Item a debitore hereditario quasi a iuris possessore: nam et a iuris possessoribus posse hereditatem peti constat. Diese Passivlegitimation des Erbschaftsschuldners scheint gegen den dinglichen Charakter der Erbschaftsklage zu verstoßen. Dazu vgl. Carcaterra [1948a] S. 47 ff.; Di Paola [1954] S. 14 (Fn. 45); Talamanca [1956] S. 143 ff.; Quadrato [1972] S. 81 ff.; Kaser [1982c] S. 254 ff.; Casinos Mora [2006] S. 86. 138 Siehe D. 5,3,10pr. (Gai. 6 ad ed. prov.). Vgl. Kaser [1982c] S. 258 f. 139 Zum Text des Senatsbeschlusses siehe D. 5,3,20,6 (Ulp. 15 ad ed.). Monografisch dazu González Roldán [2008]. 140 Siehe Lenel, Pal. II, c. 1001 ff. (Nr. 311 ff.). Im 20. Buch zum Edikt weist Paulus drei Mal (nach der Überlieferung) ausdrücklich auf das SC hin, und zwar in D. 5,3,28 (post senatus consultum...); D. 5,3,30 (quod senatus voluit...) und D. 5,3,36,3 (verba senatus consulti...). In D. 5,3,22 und D. 5,3,40 spricht Paulus von einer oratio Hadrians, die sich eindeutig auf dieses SC bezieht. Hinzu kommt die Anwendung des SC im Rahmen der rei vindicatio für den Fall der arglistigen Besitzaufgabe ante litem contestatam in D. 6,1,27,3 (Paul. 21 ad ed.). Näheres hierzu bei González Roldán [2008] S. 25, 216 ff. 141 Zum dolo desinere possidere siehe monografisch González Roldán [2010].

B. Divisio obligationum und Vertrag in den Institutionen des Gaius

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Rolle spielt, aus welchem Grund jemand verpflichtet ist; wenn eine Erbschaftsschuld besteht, lässt sich die hereditatis petitio (auch im Rahmen des juventianischen Senatsbeschlusses) gegen den debitor hereditarius erheben. Die Quelle scheint in ihrem uns überlieferten Zustand hinreichend generisch konzipiert zu sein, um alle erdenklichen causae obligationis zu umfassen. Daher müssen Vertrag und Delikt alle Schuldverhältnisentstehungsgründe abdecken, da der contractus allein dem delictum gegenübersteht. Dies entspricht der Idee des Vertrages als rechtmäßigem verpflichtungserzeugenden Akt, die aus Gai. 3,88 abzuleiten ist. Ebenso in Bezug auf die Passivlegitimation einer Klage vertritt Ulpian dieselbe Ansicht: D. 5,1,57 (Ulp. 41 ad Sab.): Tam ex contractibus quam ex delictis in filium familias competit actio (...). Sowohl aus Verträgen als auch aus Delikten steht gegen einen Haussohn die Klage zu (...).

Der Text gehört zum 41. Buch des Kommentars Ulpians zum Zivilrecht des Masurius Sabinus an, welches dem furtum (Diebstahl) gewidmet war.142 Der Kontext unserer Quelle ist die Passivlegitimation des Gewalthabers eines diebischen Gewaltunterworfenen.143 Hauskinder sind nach römischem Recht grundsätzlich vermögensunfähig; mit der Ausnahme des peculium castrense144 fallen alle Erwerbe dem Hausvater zu. Der filius familias kann sich jedoch nach Zivilrecht rechtsgeschäftlich verpflichten; dementsprechend darf man gegen ihn die Klagen aus diesen Geschäften erheben. Wird der Haussohn verurteilt, so scheitert allerdings die gegen ihn gerichtete Vollstreckung an der väterlichen Gewalt.145 Aus dem Delikt des Hauskindes haftet der Hausvater, der sich jedenfalls durch die noxae deditio seines Gewaltunterworfenen befreien kann. Nach Lenel steht die Quelle in Zusammenhang mit D. 9,4,35.146 Während in D. 9,4,35 von der Verurteilung des Haussohnes die Rede ist, geht es in D. 5,1,57 um die Klagemöglichkeiten gegen ihn 147: Man kann gegen den filius familias entweder aus Vertrag oder aus Delikt klagen. Damit bezieht sich

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Lenel, Pal. II, c. 1162 ff. (Nr. 2861 ff.), 1167. D. 13,1,4 (Ulp. 41 ad ed.): Si servus vel filius familias furtum commiserit, condicendum est domino id quod ad eum pervenit: in residuum noxae servum dominus dedere potest. Dazu vgl. nur Pika [1988] S. 89 ff., 96 ff. 144 Vgl. D. 42,6,1,9 (Ulp. 64 ad ed.). 145 Kaser [1971] S. 343. 146 D. 9,4,35 (Ulp. 41 ad Sab.): Et si condemnatus fuerit, filius iudicatum facere debet: tenet enim condemnatio. quin immo etiam illud dicendum est patrem quoque post condemnationem filii dumtaxat de peculio posse conveniri. Siehe Lenel, Pal. II, c. 1167 (Nr. 2873). 147 Vgl. Pika [1988] S. 97 (Fn. 39). 143

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§ 3 Divisiones obligationum in der gaianisch-justinianischen Tradition

Ulpian andeutungsweise auf die Obligationsentstehungsgründe (contractus und delictum). Obwohl uns der genaue Kontext des Textes nicht erkennbar ist, darf man vermuten, dass Ulpian klarmachen wollte, dass die Klage gegen den Haussohn zulässig ist, unabhängig von dem Grund, aus dem er sich verpflichtet hat. Die allgemeine Ausdrucksweise der Stelle spricht für diese Annahme. Wie Paulus in D. 5,3,14 hat Ulpian gewollt, alle möglichen Obligationsentstehungsgründe abzudecken: Jedes Schuldverhältnis (hier: des Hauskindes) entsteht entweder aus Vertrag oder aus Delikt. Das ulpianische Fragment lässt sich mit einem aus dem 3. Buch des Kommentars des Gaius zum Provinzialedikt vergleichen, in dem gesagt wird, dass der Haussohn „sich aus allen Gründen wie der Hausvater verpflichtet“ und deswegen kann man gegen jenen klagen wie gegen diesen: Filius familias ex omnibus causis tamquam pater familias obligatur et ob id agi cum eo tamquam cum patre familias potest.148 Unter ex omnibus causis obligatur muss man verstehen, dass der Haussohn eine Obligation aus allen erdenklichen Entstehungsgründen eingehen kann, und wir haben schon gesehen, dass diese nach dem gaianischen Schema entweder Vertrag oder Delikt sind (Gai. 3,88). Die Zweiteilung der Obligationsentstehungsgründe in Vertrag und Delikt lässt sich noch aus einem dem Ulpian zugeschriebenen Fragment ableiten, dieses Mal im Rahmen der Klassifizierung der schuldrechtlichen Klagen: D. 44,7,25,1 (Ulp. l.s. reg.): Actionum autem quaedam ex contractu, quaedam ex facto, quaedam in factum sunt. Ex contractu actio est, quotiens quis sui lucri causa cum aliquo contrahit, veluti emendo vendendo locando conducendo et ceteris similibus. Ex facto actio est, quotiens ex eo teneri quis incipit, quod ipse admisit, veluti furtum vel iniuriam commisit vel damnum dedit. In factum actio dicitur, qualis est exempli gratia actio, quae datur patrono adversus libertum, a quo contra edictum praetoris in ius vocatus est. Unter den Klagen gibt es aber solche aus Vertrag, solche aus Handlung und solche, die auf eine Tatsache zugeschnitten sind. Es gibt eine Klage aus Vertrag, wenn jemand um seines Vermögensprofits willen mit einem anderen kontrahiert, so etwa kaufend, verkaufend, vermietend oder mietend, und in weiteren ähnlichen Fällen. Es gibt eine Klage aus Handlung, wenn jemand wegen einer Handlung in Anspruch genommen wird, die er selbst begangen hat, wie etwa wenn er einen Diebstahl, eine Persönlichkeitsverletzung begangen oder einen Schaden verursacht hat. Eine Klage wird auf eine bestimmte Tatsache zugeschnitten benannt, so zum Beispiel diejenige Klage, welche dem Patron gegen den Freigelassenen, von dem er dem prätorischen Edikt zuwider vor Gericht geladen worden ist, gegeben wird.149 148

D. 44,7,39 (Gai. 3 ad ed. prov.). Nach Lenel, Pal. I, c. 192 (Nr. 74) bezog sich diese Stelle ursprünglich auf das edictum de cognitoribus et procuratoribus et defensoribus. Vgl. ders., EP, S. 86 ff. 149 Ich stütze mich auf die deutsche Übersetzung von Avenarius [2005a] S. 525 ff.

B. Divisio obligationum und Vertrag in den Institutionen des Gaius

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Die Frage nach der Urheberschaft dieser Stelle, die aus dem pseudoulpianischen liber singularis regularum (Einzelschrift der Rechtsregeln)150 stammt, kann hier nicht vertieft werden.151 Das Werk stellt jedenfalls im Wesentlichen klassische Lehren dar.152 Das könnte die grundlegenden Gemeinsamkeiten mit den gaianischen Institutionen153 – trotz einiger wichtiger Diskrepanzen154 – erklären.155 Man hat gesagt, dass die Übereinstimmungen, die sich zwischen Gaius und dieser Schrift beobachten lassen, auf dieselbe juristische Unterrichtstradition zurückführen.156 Dagegen hat Avenarius die Ansicht vertreten, dass die Unterschiede zwischen beiden Werken auf dem Einfluss unterschiedlicher Wissenschaftstraditionen beruhen: Der liber singularis regularum (gegen 180 n. Chr.) sei eine Elementarschrift der prokulianischen 150

Auch als tituli ex corpore Ulpiani bekannt. Die Digesten enthalten zwei Stellen unter dieser Rubrik, und zwar D. 22,5,17 und D. 44,7,25. Man findet noch drei Stellen in Coll. 2,2; 6,2 und 16,4. Vgl. Lenel, Pal. II, S. 1016. Zu diesem Werk, seiner Entstehung und Überlieferung vgl. vor allem Arangio-Ruiz [1921] S. 178 ff.; Albertario [1922] S. 73 ff.; Schulz [1926]; ders. [1961] S. 220 ff.; Nelson [1981] S. 80 ff.; Mercogliano [1997] S. 3 ff.; Sallmann [1997] S. 207 f.; Honoré [2002] S. 207 ff.; Avenarius [2005a] S. 15 ff.; Mattioli [2012a] S. 7 ff.; dies. [2012b] S. 85 ff. Eine Herausgabe der Schrift mit deutscher Übersetzung bei Avenarius [2005b]. 151 Für die nachklassische Entstehung des Werkes Arangio-Ruiz [1921] S. 178 ff., 207 ff.; ders. [1926] S. 83 (Fn. 1), der diese Schrift als zweite Auflage der gaianischen Institutionen bezeichnet; Schulz [1926] S. 12; ders. [1961] S. 221; Wieacker [1975] S. 69 ff.; Marotta [2000] S. 25 (Fn. 56); Honoré [2002] S. 210. D’Ors [2004] S. 442 hält die Quelle für einen „tractatus glosemático“. Hingegen wird das Werk durch Mercogliano [1997] S. 101 ff. der Feder Ulpians selbst zugeschrieben. Ein einfach geschriebenes Buch über Rechtsregeln passt gut zu den geistigen Tendenzen des 3. Jh. n. Chr., als die Juristen kaiserliche Beamte, „Bürokraten“ waren, sodass das Lernen aus einem Elementarbuch als Ausgangspunkt für die Verwaltungslaufbahn gelten sollte. In diesem Sinne Luzzato [1955] S. 108 ff. Albertario [1922] S. 73 ff. vertritt die Ansicht, dass die handschriftliche Überschrift Tituli ex corpore Ulpiani (Codex Vaticanus Reginensis latinus 1128, 10.-11. Jh.) als ein Auszug aus einem größeren Sammelwerk (corpus) von ulpianischen Schriften zu betrachten sei. Nach Ansicht von Wieacker [1971] S. 223 kann man hier vom Epilog einer Epoche sprechen: Es gehe um ein Werk vom Ende der klassischen Zeit, sodass in ihm sowohl der Glanz dieser Zeit als auch die Merkmale der neuen zu finden seien. Avenarius [2005a] S. 104 ff., 140 ff., vertritt die vermittelnde Ansicht, dass der liber singularis regularum nicht von Ulpian selbst verfasst werden könne. Der Text stellt jedenfalls grundsätzlich klassische Doktrinen dar und der Herausgeber des Textes hat mit der Person Ulpian verbunden sein sollen (gegen 180 n. Chr.). 152 Vgl. Avenarius [2005a] S. 104. Die Zeit der Textedition entspricht nach Wieacker [1971] S. 223 der sog. „früh-nachklassischen“ oder „epiklassischen“ Zeit. 153 Arangio-Ruiz [1921] S. 178 ff.; ders. [1926] S. 83 ff. ist für die direkte Entstehung der tituli ex corpore Ulpiani aus den gaianischen Institutionen. Ähnlich Schulz [1926] S. 18 ff.; ders. [1961] S. 221, der die Schrift als „ungeschickt“, „unlogisch“, „unschön“, „formell sehr schlecht“, „salopp“, „ungemein nachlässig stilisiert“ bezeichnet. Sprachliche Einwände gegen die Ansicht von Schulz bei Albertario [1922] S. 103 ff.; ferner Nelson [1981] S. 86 ff. 154 Dazu Nelson [1981] S. 92 ff.; Avenarius [2005a] S. 104 f. 155 Avenarius [2005a] S. 104; Nelson [1981] S. 339 ff. 156 Nelson [1981] S. 338 f. mit tabellarischer Gegenüberstellung zwischen den Institutionen des Gaius und dem liber singularis regularum (S. 339 ff.).

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§ 3 Divisiones obligationum in der gaianisch-justinianischen Tradition

Schuldtradition; hingegen seien die Institutionen des Gaius in die Tradition der sabinianischen Rechtsschule einzugliedern.157 Unabhängig von dieser Frage, die, wie gesagt, hier nicht vertieft werden kann, ist es anzunehmen, dass beide Schriften auf derselben Basis und demselben Stoff beruhen und wesentliche Gemeinsamkeiten untereinander zeigen.158 Die Quelle enthält keine systematische Gliederung der Schuldverhältnisentstehungsgründe, sondern eine knappe Klassifizierung der schuldrechtlichen Klagen (actiones in personam).159 Das andere Element der Dichotomie, die sachenrechtliche Klage (die Stelle weist ausdrücklich in ihrem principium auf die Zweiteilung zwischen actiones in rem und in personam hin)160 bleibt von dieser Klassifizierung ausgeschlossen. Es geht also um Schuldrecht aus prozessualer Perspektive. Die Quelle handelt zunächst von den zivilrechtlichen Klagen, die entweder aus Vertrag oder aus Delikt entstehen.161 Das scheint gemeint zu sein, wenn 157

Avenarius [2005a] S. 92 ff., 104: „Wir haben grundlegende Gemeinsamkeiten zwischen dem liber singularis regularum und den Gaius-Institutionen damit erklärt, daß beide Texte auf demselben Grundbestand des Stoffes beruhen. Dieser Grundbestand rührt aus der frühen Kaiserzeit her und geht letztlich auf die Wissenschaft des Servius zurück (…). Daß die beiden auf dieser Grundlage schließlich entstandenen Texte gleichwohl wichtige Unterschiede aufweisen, resultiert daraus, daß ihre weitere Ausarbeitung unter dem Einfluß unterschiedlicher Wissenschaftstraditionen erfolgte.“ 158 Avenarius [2005a] S. 104. 159 Dazu bereits Arangio-Ruiz [1926] S. 83 ff.; weiterhin Talamanca [1979] S. 39 (Fn. 258); ders. [2003a] S. 97 (Fn. 342); Avenarius [2005a] S. 525 ff. 160 D. 44,7,25pr. (Ulp. l.s. reg.): Actionum genera sunt duo, in rem, quae dicitur vindicatio, et in personam, quae condictio appellatur (…). Vgl. Gai. 4,1; I. 4,6,1. Die Gleichsetzung der schuldrechtlichen Klagen mit den Kondiktionen im principium der Stelle (...in personam, quae condictio appellatur...) nimmt eine sehr weite Bedeutung dieser Klage an. Zur Gleichsetzung der actio in rem mit der vindicatio und der actio in personam mit der condictio siehe Gai. 4,5; 4,18. 161 Der Hinweis auf die Klagen aus Vertrag und aus Delikt muss im Text als auf die zivilrechtlichen Klagen bezogen betrachtet werden, seien sie strengrechtlich oder nach Treu und Glauben konzipiert. Dazu vgl. bereits Wlassak [1888] S. 82 ff.; weiterhin Grosso [1963] S. 26; Behrends [1971] S. 464; Avenarius [2005a] S. 523. Nur wenn hier von zivilrechtlichen Klagen die Rede ist, zeigt sich als zweckmäßig die Gegenüberstellung von diesen auf derselben Gliederungsebene mit den amtsrechtlichen Klagen (actiones in factum), denn die in factum konzipierten Klagen enthalten kein zivilrechtliches Klagebegehren (iuris civilis intentio), sondern stattdessen die jeweils zugrunde liegende Tatsache. Vgl. Pugliese [1985] S. 332; Avenarius [2005a] S. 523. Das hier vorliegende Beispiel der actio in factum entspricht dem Beispiel in Gai. 4,46. Die Struktur der Klageklassifizierung in D. 44,7,25,1 enthält eine fehlerhafte Systematik. In diesem Sinne Mayer-Maly [1966] S. 47; Kaser/Hackl [1996] S. 233 (Fn. 13); Avenarius [2005a] S. 526 (Fn. 16.). Nach der herrschenden Meinung werden die actiones in factum mit solchen Klagen identifiziert, die eine formula in factum concepta besitzen. Hierzu vgl. De Francisci [1916] S. 35 ff.; Wenger [1925] S. 152 (Fn. 12); Wesener [1962] S. 503; Kaser/Hackl [1996] S. 329; Gröschler [2002] S. 11 ff., 18 ff. Die actio in factum bezeichnet eine spezifische Art von prätorischen Klagen, welche im Rahmen des Formularverfahrens durch den Prätor in Bezug auf einen einzelnen Sachverhalt gewährt

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im Text von actio ex facto die Rede ist: actiones ex facto seien die, die aus Verletzungshandlungen entstehen. Alle genannten facta, woraus die Klage ex facto entstehen kann, sind typisierte unerlaubte Handlungen, und zwar Diebstahl (furtum), persönliche Verletzung (iniuria) und Schaden (damnum).162 Damit drückt man im Text aus, dass die Grundlage der actio ex facto nicht in einer rechtmäßigen Verpflichtung liegt, sondern in einer tatsächlichen schädigenden Handlung.163 Daher kann man actio ex facto in der Stelle für Klage aus unerlaubter (rechtswidriger) Handlung übersetzen, wie Avenarius zutreffend vorschlägt. Unter actio ex facto darf man demnach die Klage aus Delikt verstehen, die allein der Klage aus Vertrag gegenübersteht. Dies entspricht gerade der schon erwähnten Zweiteilung der actiones in personam nach Gai. 4,2.164 2. Anwendungen der gaianischen Vertragsidee Ferner wird die Vertragsidee des Gaius in anderen Stellen seiner Institutionen bestätigt und angewendet, und zwar hinsichtlich der Erörterung von Schuldverhältnissen, denen die Willensübereinstimmung der Beteiligten nicht zugrunde liegt und die daher nach unserer modernen Vorstellung keineswegs als Verträge zu bezeichnen sind. a) Vormundschaft In Gai 4,182 liegt eine unvollständige Liste der infamierenden Klagen vor.165 Gaius erwähnt darunter die actiones furti, vi bonorum raptorum und iniuriawerden, wenn eine vom Zivilrecht vorgegebene Klage fehlt. Vgl. D. 1,1,7,1 (Pap. 2 def.); D. 19,5,11 (Pomp. 39 ad Q. Muc.). Die actiones in factum können zur Durchsetzung sowohl von vertraglichen als auch von deliktischen Schuldverhältnissen dienen; insofern ist ihre Gegenüberstellung den vertraglichen und deliktischen Klagen systematisch betrachtet unzutreffend. Der vertragliche oder deliktische Charakter der actiones in factum bedeutet, dass sie den actiones ex contractu oder ex facto (ex delicto) untergeordnet sind und keineswegs gegenübergestellt werden dürfen. Aus diesem Grund hat Mayer-Maly [1966] S. 47 von einem „erfolglosen Systembildungsversuch“ gesprochen. Die Gegenüberstellung der actiones civiles und honorariae auf derselben Stufe zeigt nach der Ansicht von Avenarius [2005a] S. 529 den Einfluss der Ediktsordnung auf diese Schrift. 162 Vgl. D. 44,7,4 (Gai. 3 res cott.): Ex maleficio nascuntur obligationes, veluti ex furto, ex damno, ex rapina, ex iniuria (...). 163 Avenarius [2005a] S. 527. 164 Gai. 4,2: In personam actio est, qua agimus cum aliquo qui nobis vel ex contractu vel ex delicto obligatus est (…). 165 Gai. 4,182: Quibusdam iudiciis damnati ignominiosi fiunt, uelut furti, ui bonorum raptorum, iniuriarum, item pro socio, fiduciae, tutelae, mandati, depositi. sed furti aut ui bonorum raptorum aut iniuriarum non solum damnati notantur ignominia, sed etiam pacti, ut in edicto praetoris scriptum est; et recte. plurimum enim interest, utrum ex delicto aliquis an ex contractu debitor sit. nec tamen ulla parte edicti id ipsum nominatim exprimitur, ut aliquis ignominiosus sit, sed qui prohibetur et pro alio postulare et cognitorem dare procuratoremue

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rum auf der einen Seite und die actiones pro socio, fiduciae, tutelae, mandati und depositi auf der anderen Seite. Dann fügt er hinzu, dass es unterschiedlich ist, aus Vertrag oder aus Delikt Schuldner zu sein: utrum ex delicto aliquis an ex contractu debitor sit. Die drei ersten Klagen werden als deliktisch bezeichnet, um ein gemeinsames prozessuales Merkmal in Bezug auf den Vergleich zu skizzieren. In diesem Zusammenhang muss sich der andere Bestandteil der Dichotomie (die Klage aus Vertrag) auf die sonstigen fünf erwähnten Klagen beziehen, zu denen die actio tutelae zählt. Es gibt keine dritte Alternative. Die Lektüre dieser Quelle zusammen mit Gai. 3,88, Gai. 4,2 und Gai. 4,112-113 führt unserer Meinung nach dazu, die Vormundschaft (tutela) für ein vertragliches Schuldverhältnis im hier in Rede stehenden Sinne zu halten: Was keine obligatio ex delicto bildet, das ist eine ex contractu.166 Die tutela wird auch in spätklassischen Quellen als contractus angesehen, nämlich bei Ulpian167 und Paulus168. b) Mitgift Für die Mitgift (dos) ist keine Willensübereinstimmung erforderlich; tatsächlich bildet die dotis dictio einen einseitigen rechtmäßigen verpflichtungserzeugenden Vorgang, der sich uno loquente, nulla praecedente interrogatione vollzieht. Allerdings scheint sie in Gai. 3,95a als vertragliche Verbalobligation behandelt zu sein, denn dort gebraucht Gaius den Ausdruck contrahere.169 Gleiches gilt für ein Fragment des Ulpian, in dem wahrscheinlich die Meinung des Sabinus selbst dargestellt wird: Hier wird die Mitgift zu den Vertragsobligationen gezählt (et quidem in contractibus...), konkret zu denjenigen, wonach man sowohl für Arglist als auch für Fahrlässigkeit haftet (et

habere, item procuratorio aut cognitorio nomine iudicio interuenire, ignominiosus esse dicitur. 166 Vgl. Schulz [1954] S. 469; Biscardi [1966] S. 23; Paricio [2008] S. 32 ff. 167 D. 13,5,1,6 (Ulp. 27 ad ed.): Debitum autem ex quacumque causa potest constitui, id est ex quocumque contractu sive certi sive incerti, et si ex causa emptionis quis pretium debeat vel ex causa dotis vel ex causa tutelae vel ex quocumque alio contractu; D. 50,17,23 (Ulp. 29 ad Sab.): Contractus quidam dolum malum dumtaxat recipiunt, quidam et dolum et culpam. dolum tantum: depositum et precarium. dolum et culpam mandatum, commodatum, venditum, pignori acceptum, locatum, item dotis datio, tutelae, negotia gesta (…). 168 D. 44,7,49 (Paul. 18 ad Plaut.): Ex contractibus venientes actiones in heredes dantur, licet delictum quoque versetur, veluti cum tutor in tutela gerenda dolo fecerit aut is apud quem depositum est (…). 169 Gai. 3,95a: Sunt et aliae obligationes quae nulla praecedente interrogatione contrahi possunt […...] si debitor mulieris iussu eius, dum […....] doti dicat quod debet (...). Vgl. Gai Ep. 2,9,3-4. Zur Mitgift vgl. monografisch Söllner [1969] insbes. 135 ff.; Cremades/Paricio [1983]; Varvaro [2006]; Stagl [2009] insbes. S. 1-25. Zur Klageformel der actio rei uxoriae siehe Lenel, EP, S. 305; ferner Mantovani [1999] S. 60.

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dolus et culpa praestatur), weil sie im Interesse beider Parteien liegt (ubi utriusque utilitas vertitur).170 c) Geschäftsführung ohne Auftrag Die formlose Geschäftsführung ohne Auftrag (negotiorum gestio) charakterisieren sowohl der Fremdgeschäftsführungswille des Geschäftsbesorgers als auch die Nützlichkeit der Geschäftsführung für den Geschäftsherrn. Insofern entspricht sie nicht nur in ihren Rechtseffekten, sondern auch in ihrer Struktur dem ebenso formlosen Auftragsvertrag (mandatum).171 Der Unterschied zwischen beiden Tatbeständen liegt gewiss darin, dass der negotiorum gestio keine Willensübereinstimmung der Parteien zugrunde liegt, wohingegen das mandatum eine obligatio consensu contracta ist.172 Außer dem Konsensmangel gibt es keine maßgebliche Unterscheidung zwischen beiden Schuldverhältnisentstehungsgründen.173 Zu den ersten Anwendungsfällen der negotiorum gestio gehörte die Vermögenssorge durch einen procurator omnium bonorum in Abwesenheit des Beklagten174, was im Wesentlichen dem Bild einer Konsensualobligation entsprach.175 Über die Vertraglichkeit der auftragslosen Geschäftsführung versagen uns die Institutionen eine sichere Auskunft. Sie kann aber nicht von vornherein ausgeschlossen werden, nur weil kein Willensübereinkommen besteht. Die actio negotiorum gestorum wird von Gaius sehr knapp und unsystematisch behandelt; sie erscheint hinsichtlich der Unterscheidung zwischen den actiones, quae ad legis actionem exprimuntur (gemeinhin fictae legis actiones genannt) und denjenigen, die sua vi ac potestate constant176, oder unter den bonae fidei iudicia177. Aber in einer Materienordnung wie derjenigen der 170

D. 13,6,5,2 (Ulp. 28 ad ed.): Nunc videndum est, quid veniat in commodati actione, utrum dolus an et culpa an vero et omne periculum. et quidem in contractibus interdum dolum solum, interdum et culpam praestamus (…) sed ubi utriusque utilitas vertitur, ut in empto, ut in locato, ut in dote, ut in pignore, ut in societate, et dolus et culpa praestatur. Vgl. nochmals D. 13,5,1,6 (Ulp. 27 ad ed.) und weiter D. 50,17,23 (Ulp. 29 ad Sab.). 171 Harke [2007] S. 9 f. Der Autor bezieht sich zu Recht auf eine „vertragsähnliche Kombination von Fremdgeschäftsführungswillen und Nützlichkeit“, worauf die hoch- und spätklassischen Juristen sich konzentrierten (S. 10). Darüber hinaus bilden negotiorum gestio, mandatum und societas im römischen Recht, wie Harke [2008] S. 177 sagt, eine Einheit, die dazu dient, „die unentgeltlichen Rechtsbeziehungen zu bewältigen“. Vgl. auch ders. [2005] S. 43 ff. zur societas als Geschäftsführungsverhältnis. 172 Gai. 3,135. 173 In diesem Sinne Harke [2007] S. 9. 174 Vgl. D. 3,5,1 (Ulp. 10 ad ed.). 175 Harke [2007] S. 9. Vgl. auch Seiler [1968] S. 109 f. 176 Gai. 4,33. Vgl. auch Gai. 4,10. Es geht um die Klagen mit formula ficticia. Dazu vgl. Magdelain [1991] S. 239 ff.; Bianchi [1997] S. 229 ff.; Mercogliano [2001] S. 13 ff. Bei Di Lella [1984] werden diese Stellen nicht in Betracht gezogen. 177 Gai. 4,62.

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Institutionen des Gaius, die außer Vertrag und Delikt keinen Obligationsentstehungsgrund anerkennt, lässt sich die rechtmäßige und dem mandatum nahestehende negotiorum gestio nur als vertragliches Schuldverhältnis ansehen, denn sie ist bestimmt nicht deliktisch.178 Die auftragslose Geschäftsführung ist mit der Vertragsidee, die man aus der summa divisio in Gai. 3,88 ableitet, völlig kompatibel: Sie stellt eine rechtmäßige verpflichtungserzeugende Handlung dar. Was in diesem Sinne für die Vormundschaft und die Mitgift gilt, muss auch für die negotiorum gestio gelten. Erst in den res cottidianae, wo eine neue äußere Anordnung der Schuldverhältnisentstehungsgründe vorliegt, ist von der negotiorum gestio unter den nicht näher bestimmten nichtvertraglichen variae causarum figurae die Rede179; von Obligation „quasi aus Vertrag“ nur in den Institutionen Justinians180. Hinzu kommt, dass die Gleichstellung der Geschäftsführung ohne Auftrag mit den obligationes, quae ex contractu nascuntur, sowohl bei Ulpian als auch bei Paulus bezeugt ist, und zwar in D. 11,7,1181, D. 50,17,23182 und D. 3,5,15183. 178

Zu Recht Paricio [2008] S. 33. D. 44,7,5pr. (Gai. 3 res cott.). Dazu vgl. Seiler [1968] S. 167 ff.; Coma Fort [1996] S. 125 ff.; Cenderelli [1997] S. 49 ff. 180 I. 3,27,1. Dazu vgl. Pacchioni [1935] S. 33 ff. Undeutlich in diesem Zusammenhang Wlassak [1879] S. 72 ff. 181 D. 11,7,1 (Ulp. 10 ad ed.): Qui propter funus aliquid impendit, cum defuncto contrahere creditur, non cum herede. Diese Quelle findet sich nicht im Titel 5 des 3. Buchs der Digesten de negotiis gestis, sondern im Titel 7 des 11. Buchs de religiosis et sumptibus funerum et ut funus ducere liceat. Dessen ungeachtet gehört dieses Fragment nicht zum 25. Buch des Kommentars Ulpians zum Edikt, wo die actio funeraria behandelt wird, sondern zum 10. Buch über die negotiorum gestio. Dies ist jedenfalls nicht überraschend, denn das Edikt de negotiis gestis (Titel VIII § 35 nach der Wiederherstellung Lenels) enthält einen Abschnitt über negotia quae cuiusque cum is moritur fuerint. Vgl. Lenel, Pal. II, S. 459 (Nr. 358); ders., EP, S. 101 ff.; ferner Cenderelli [1997] S. 75 ff. 182 D. 50,17,23 (Ulp. 29 ad Sab.): Contractus quidam dolum malum dumtaxat recipiunt, quidam et dolum et culpam. dolum tantum: depositum et precarium. dolum et culpam mandatum, commodatum, venditum, pignori acceptum, locatum, item dotis datio, tutelae, negotia gesta (...). Der Kommentar Ulpians beruht auf dem ius civile Sabinus und dessen Systematik. Nach der Ansicht von Schulz [1906] S. 67 entspricht der Inhalt des Textes im Wesentlichen dem Zivilrecht des Sabinus. Sowohl D. 11,7,1 als auch D. 50,17,23 sprechen – stillschweigend oder ausdrücklich – über die Geschäftsführung ohne Auftrag. Aus beiden Quellen ist eine Idee von Vertrag – sei es als Verb contrahere im ersten oder als Substantiv contractus im zweiten Text – als rechtmäßiger verpflichtungserzeugender Tatbestand herzuleiten. Andernfalls wären beide Fragmente unverständlich, denn im ersten spricht Ulpian vom contrahere mit dem Verstorbenen, wohingegen im zweiten es um eine Reihe von vertraglichen Obligationen geht, unter denen nicht nur die negotiorum gestio erwähnt wird, sondern auch die tutela und die dotis dictio. 183 D. 3,5,15 (Paul. 7 ad Plaut.): Sed et cum aliquis negotia mea gerat, non multa negotia sunt, sed unus contractus, nisi si ab initio ad unum negotium accessit, ut finito eo discederet: hoc enim casu si nova voluntate aliquid quoque adgredi coeperit, alius contractus est. Es geht um ein Fragment aus den libri ad Plautium des Paulus. Dieses Werk wurde von den 179

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d) Zahlung einer Nichtschuld Die Zahlung einer Nichtschuld (solutio indebiti), d.h. die irrtümliche Erfüllung einer nicht bestehenden Obligation, wird in Gai. 3,91 als Realobligationsentstehungsgrund erörtert: Is quoque, qui non debitum accepit ab eo, qui per errorem solvit, re obligatur. Der Grund dafür liegt darin, dass die solutio indebiti der Struktur der mutui datio sehr nahesteht184: Sie besteht in einer Sachübereignung (datio rei) und der Anspruch des Zahlenden auf Rückgewähr der von ihm übereigneten Sache wird durch die condictio geltend gemacht, als ob der Nehmer ein Darlehen in Empfang genommen hätte (ac si mutuum accepisset). Der Gebrauch des Wortes quoque (ebenfalls) scheint auf den ersten Blick darauf hinzuweisen, dass die Zahlung einer Nichtschuld eine obligatio re contracta darstellt wie das Darlehen (Gai. 3,90). Allerdings bringt Gaius zum Ausdruck, dass es in diesem Fall keine Vertragsobligation Kompilatoren hoch geschätzt, wie die 177 in den Digesten enthaltenen Fragmente aus dieser Schrift beweisen. Dazu siehe nur Krüger [1912] S. 173; Schulz [1961] S. 271. Das 7. Buch ad Plautium erörterte nicht die Geschäftsführung ohne Auftrag, sondern die Vormundschaft. Vgl. Lenel, Pal. I, c. 1158 (Nr. 1135). Da uns nur vier Fragmente aus diesem Buch erhalten sind, kann man keine genaue Vorstellung von der Erörterung der Materie bei Paulus haben. Es ist jedenfalls möglich, wie Cenderelli [1997] S. 71 meint, dass Paulus im 7. Buch ad Plautium sowohl die Vormundschaft als auch die Geschäftsführung ohne Auftrag getrennt behandelt hat. Aus dem Titel des Werkes könnte man annehmen, dass schon der unbekannte Plautius die negotiorum gestio mit dem contractus gleichgestellt hat und seiner Ansicht vom spätklassischen Paulus zugestimmt wurde. In derselben Richtung geht die bereits erwähnte Digestenstelle D. 44,7,49 (Paul. 18 ad Plaut.), in der Paulus, nochmals im Rahmen seines Kommentars ad Plautium, die Vormundschaft als Vertragsschuldverhältnis behandelt. Die Digesten enthalten sechs Fragmente aus dem 18. Buch ad Plautium, dessen genauer Inhalt ebenso schwierig zu bestimmen ist. Allerdings lässt sich in diesen Stellen kein ausdrücklicher Hinweis auf das Denken des Plautius selbst finden, im Gegensatz zu anderen Quellen, in denen Ausdrücke wie Plautius ait (D. 3,3,61 [Paul. 1 ad Plaut.]), apud Plautium placuit (D. 24,1,28,3 [Paul. 7 ad Sab.]) oder Plautius:...Paulus:... (D. 34,2,8 [Paul. 9 ad Plaut.]; D. 35,1,43pr. [Paul. 8 ad Plaut.]; D. 35,1,44,10 [Paul. 9 ad Plaut.]; D. 35,2,49pr. [Paul. 12 ad Plaut.] und D. 39,2,22,1 [Paul. 10 ad Plaut.]) auf eine ganz eindeutige Weise zeigen, dass der gesamte Text oder ein Teil von ihm in einem mehr oder minder wörtlichen Zitat des kommentierten Juristen besteht. Deshalb ist es nicht auszuschließen, dass in diesen zwei Stellen (auch oder vorwiegend) Paulus zu Wort kommt. In diesem Sinne Cenderelli [1997] S. 71 ff.; Finazzi [2003] S. 71 ff.; skeptisch Talamanca [2006] S. 53 (Fn. 61). Die übliche Genauigkeit der Redeweise des Paulus spricht gegen eine untechnische Anwendung des Worts contractus in D. 3,5,15, welches in der Stelle zwei Mal gebraucht wird. Wenn Paulus die Absicht gehabt hätte, nur den Verpflichtungsgrund in einem sehr allgemeinen Sinne anzusprechen, wäre es viel zweckmäßiger gewesen, den Ausdruck actum zu benutzen, denn er ist ein allgemeiner Begriff (vgl. D. 50,16,19 [Ulp. 11 ad ed.]: actum quidem generale verbum esse). Wie Cenderelli [1997] S. 65 ff. sich zu Recht ausdrückt, hätte kein klassischer Jurist, geschweige denn Paulus, das Substantiv contractus zwei Mal in wenigen Zeilen so leichtsinnig gebraucht, wenn es sich um keinen Vertrag gehandelt hätte. Ein so grobes Versehen des Juristen in der Anwendung eines so wichtigen Begriffs wie contractus muss grundsätzlich ausgeschlossen werden. 184 Zu den Grundzügen der solutio indebiti siehe auch D. 12,6,1,1 (Ulp. 26 ad ed.); D. 12,6,26,3 (Ulp. 26 ad ed.); D. 12,6,65,9 (Paul. 17 ad Plaut.); FV 266 (Ulp. 26 ad ed.).

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gibt (non videtur ex contractu consistere), weil, wer mit der Absicht, eine Schuld zu erfüllen, etwas übereignet, eher eine Verpflichtung auflösen als begründen will: quia is, qui solvendi animo dat, magis distrahere vult negotium quam contrahere. Dann bildet die solutio indebiti für Gaius kein contrahere. Unter diesen Umständen könnte man glauben, dass der Grund für die Ausschließung der Zahlung einer Nichtschuld aus dem Vertragsbereich darin liegt, dass ihr die Willensübereinstimmung der Beteiligten nicht zugrunde liegt. Diese Ansicht trifft aber nicht zu. Wie unten ausführlich zu zeigen sein wird, ist in Gai. 3,91 nicht vom Konsens als Geltungsgrund der Verträge die Rede, sondern von der Absicht des solvens, eine Verpflichtung aufzulösen oder zu begründen.185 Gaius stellt die Vertraglichkeit der Zahlung einer Nichtschuld in Abrede, weil der Zahlende kein Schuldverhältnis begründen will, und der Vertrag ist nach seiner Vorstellung nichts anderes als ein rechtmäßiger schuldbegründender Tatbestand (Gai. 3,88: obligatio ex contractu nascitur). Bei der Zahlung einer Nichtschuld will der solvens eine nicht bestehende Obligation erfüllen und daher auflösen. Insofern lässt sich die solutio indebiti als distrahere betrachten, aber nicht als contrahere. 3. Fazit Zusammenfassend kann festgehalten werden: Eine Vertragsobligationsidee, die auf der Willensübereinstimmung der Parteien beruht, lässt sich aus den Institutionen des Gaius nicht schließen. Unsere Quellen zeigen mit erheblicher Deutlichkeit, dass Gaius die Obereinteilung der Obligationen in solche aus Vertrag und aus Delikt für vollständig hielt und konsequent gebrauchte186: Vertrag ist jeder rechtmäßige verpflichtungserzeugende Tatbestand, dem allein das Delikt als rechtswidrige schuldbegründende Tätigkeit gegenübersteht. Darüber hinaus sind uns in der justinianischen Kompilation mehrere Quellen erhalten, aus denen abgeleitet werden darf, dass die gaianische summa divisio obligationum keine bloße didaktische Vereinfachung ist, denn sie bezeugen, dass die klassische Jurisprudenz die Zweiteilung Vertrag – Delikt im Rahmen der Lösung von Einzelfällen fruchtbar angewendet hat. In diesem Sinne darf man von einer einheitlichen Vertragsidee in der klassischen römischen Jurisprudenz, die auf der Willensübereinstimmung beruht, nicht reden.

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Ausführlich dazu unten § 4 A III. Unzutreffend sieht hier Guzmán Brito [2005] S. 52 den Bedarf einer Vereinbarung zwischen den Parteien. 186 Vgl. Martini [1991] S. 98; Paricio [2008] S. 31 ff.

C. Divisio obligationum und Vertrag in den res cottidianae

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C. Divisio obligationum und Vertrag in den res cottidianae C. Divisio obligationum und Vertrag in den res cottidianae

I. Eine echte gaianische Schrift? Im Index Florentinus (XX) ist die Schrift aureon βιβλία ἑπτά erwähnt, we lche den Namen des Gaius trägt und in den inscriptiones der Digestenfragmente manchmal als aurea (im Sinne von „Goldenen Rechtsregeln“), manchmal als res cottidianae (im Sinne von „Elementaren Lehren“, „Jurisprudenz des täglichen Lebens“) bezeichnet wird.187 Der Titel der Schrift weist auf ein Elementarbuch hin, das die Grundrisse des Rechts knapp vorlegt.188 Sowohl Systematisierung als auch Vereinfachung sind Kennzeichen von erfolgreichen Lehrbüchern; es handelt sich gewiss um Ziele, die jeder Schuljurist anstreben sollte.189 Da diese Tendenzen aber in besonderem Maße die Nachklassik charakterisieren, ist von einem Teil der Lehre angenommen worden, dass die res cottidianae am Ende des 3. Jhs. entstanden seien190, oder vielleicht „ein Vorlesungshypomnema, wenn nicht von Gaius selbst, so doch von einem (zu den großen Klassikern nicht gehörenden) Rechtslehrer der klassischen Periode, das in nachklassischer Zeit da und dort überarbeitet worden ist“ 191, seien. Die Frage der Urheberschaft dieses Werkes hat Kaser vor einigen Jahrzehnten zu Recht als „heißes Eisen“ (ferro ardente) charakterisiert192; tatsächlich ist niemand in der Lage, etwas darüber mit hundertprozentiger Sicherheit auszusagen.

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Der Titel des Werkes war wahrscheinlich Gai rerum cottidianarum sive aureorum libri VII. Man darf annehmen, dass beim Zitieren der lange Titel verkürzt wurde, was die Variationen in den Inskriptionen der Digestfragmente rechtfertigt. Siehe etwa D. 7,1,3 (Gai. 2 res cott.), wo die inscriptio Gaius libro secundo rerum cottidianarum vel aureorum lautet; D. 18,6,2 (Gai. 2 res cott.), wo die inscriptio Gaius libro secundo cottidianarum rerum lautet; D. 40,2,7 (Gai. 1 res cott.) mit der inscriptio Gaius libro primo rerum cottidianarum sive aureorum und D. 44,7,1 (Gai. 2 res cott.) mit der inscriptio Gaius libro secundo aureorum. Vgl. Schulz [1961] S. 201; Cannata [2008] S. 103. Nach Lenel, Pal. I, c. 251 (Fn. 3) ist aurea nicht der originale Titel der Schrift, sondern ihre Benennung in der Umgebung der Rechtsschulen. 188 Cannata [2008] S. 104 bezieht sich auf die res cottidianae als vade mecum des römischen Juristen. 189 Vgl. Wieacker [2006] S. 116. 190 Für die Nachklassizität der res cottidianae Arangio-Ruiz [1930] S. 495 ff.; Albertario [1936] S. 101; ders. [1940] S. 517; Brasiello [1944] S. 106; Voci [1946a] S. 291; Di Marzo [1948] S. 1 ff.; Schulz [1961] S. 201 ff.; Wagner [1978] S. 133 ff.; Paricio [1994] S. 54 ff. (nimmt aber keine deutliche Stellung mehr in ders. [1997] S. 157; lässt die Frage offen in ders. [2008] S. 91 ff.); Coma Fort [1996] S. 211 ff.; Kunkel/Schermaier [2005] S. 189 ff.; Cannata [2008] S. 103 ff. 191 Schulz [1961] S. 202. 192 Kaser [1966a] S. 45.

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Es lässt sich nicht bestreiten, dass die „Dogmatik“ der res cottidianae sich von der der Institutionen in mehreren Punkten unterscheidet193; dies reicht aber nicht hin, um den nachklassischen Charakter der Schrift zu belegen. Wie Falcone zutreffend bemerkt hat, gibt es zwei Tatsachen, von denen man ausgehen muss: Zum einen stimmen die Inskriptionen der Digestenstellen, der Index Florentinus und die einführende Konstitution der justinianischen Institutionen194 darin überein, dass der Autor der res cottidianae Gaius ist; zum anderen zeigt diese Schrift deutliche gaianische Spuren.195 Wer dieses Werk einem Juristen nachklassischer Zeit zuschreiben will, trägt dafür die Beweislast.196 Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass die res cottidianae eine Bearbeitung der gaianischen Institutionen darstellen. Daraus darf man aber nicht unbedingt folgern, dass sie nicht von Gaius selbst verfasst wurden; eine Bearbeitung seines eigenen Lehrbuches konnte er durchaus unternehmen.197 In diesem Sinne haben manche Autoren die Ansicht vertreten, dass die res cottidianae in einer von Gaius selbst durchgeführten Bearbeitung seiner Institutionen bestehen.198 Mehr oder minder in dieser Richtung ist Kaser noch weitergegangen und hat sogar gesagt, dass die res cottidianae keine bloße Neuauflage der Institutionen gewesen seien, sondern ein neu geschriebenes und selbstständiges Werk, dessen höhere Qualität für die Urheberschaft des Gaius spreche.199 Es gibt nach alldem keinen zwingenden Grund dafür, Gaius nicht für den Autor dieser Schrift zu halten.200 Die These der Urheberschaft des Gaius, sei es, dass die res cottidianae eine Bearbeitung der Institutionen oder ein neues selbstständiges Werk darstellen, hat sich in der modernen Forschung in großem Maße durchgesetzt201; man kann freilich nicht von einer völligen Übereinstimmung in der Lehre sprechen. 193

Darin liegt der Grund von Cannata [2008] S. 103 ff. dafür, die res cottidianae für nachklassisch zu halten. 194 Const. Imp. § 6. 195 Falcone [2003] S. 31. Ähnlich Martini [2012] S. 173 ff., 188: „(...) come non ci siano differenze fra le Res cottidianae e le Institutiones gaiane tali da non conciliarsi con l’idea di un autore comune delle due opere.“ 196 Falcone [2011] S. 17: „(…) dalla palese impronta gaiana dei frammenti pervenutici, dovrebbero profilarsi contro-argomenti davvero conclusivi.“ 197 In diesem Sinne Honoré [1962a] S. 113 ff.; Liebs [1966] S. 63; ders. [2004] S. 68. 198 Vgl. Honoré [1962a] S. 113 ff.; Wołodkiewicz [1970] S. 84 ff.; Wieacker [2006] S. 116 ff. 199 Kaser [1993a] S. 96. 200 Wieacker [2006] S. 116. 201 Für die Urheberschaft des Gaius siehe Baviera [1898] S. 25 ff.; Ferrini [1901] S. 107 ff.; Betti [1912] S. 87 ff.; Krüger [1912] S. 203; Wieacker [1960] S. 187 ff.; ders. [1983a] S. 636 ff.; Wieacker [2006] S. 116; Honoré [1962a] S. 113 ff.; Grosso [1960] S. 424, 471; ders. [1963] S. 12 ff.; mehrfach Liebs: [1966] S. 63 ff.; ders. [1976] S. 230; ders. [1983] S. 117 ff.; ders. [2004] S. 68; Wubbe [1967] S. 523 ff.; Wołodkiewicz [1970] S. 84 ff.; Schiavone [1971]

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Die Schrift, von der Fragmente nur in der justinianischen Kompilation erhalten sind, stellt ein auf dem Inhalt der Institutionen des Gaius beruhendes Werk dar. Anderes gilt für ihre Materienordnung, die von der Struktur der Institutionen deutlich abweicht.202 Die res cottidianae legen wenige historische Nachrichten vor und gehen normalerweise nicht ins Detail; man meint gemeinhin in der Lehre, dass eine vollständige, abstrakte und systematische Darstellung der Materien das Werk charakterisierte. Unter diesem Gesichtspunkt zeigen sie einen erheblichen Fortschritt in Systematisierung und Dogmatisierung des Rechtsstoffes einerseits und eine Vereinfachung der Begründungen andererseits.203 Man weiß dies aber nicht mit Gewissheit. Eine umfassende Untersuchung über die 26 in den Digesten enthaltenen Exzerpte aus den res cottidianae fehlt noch.204 II. Einteilung der Obligationsentstehungsgründe und Vertragsidee 1. Dreiteilung der Obligationsentstehungsgründe Wie soeben erwähnt, weicht die äußere Systematik der res cottidianae von derjenigen der gaianischen Institutionen ab. Man interpretiert oftmals die Unterschiede in der Ordnung des Rechtsstoffes als den Versuch des Urhebers der res cottidianae (für uns Gaius selbst), angebliche Fehler in der Materienerörterung der Institutionen zu berichtigen.205 Das bedeutendste Beispiel der neuen äußeren Anordnung des Rechtsstoffes nach den res cottidianae ist die Einteilung der Obligationsentstehungsgründe: Die Dichotomie Vertrag – Delikt der Institutionen wird in den res cottidianae eine Trichotomie, denn neben Vertrag und Delikt wird die Gruppe der obligationes ex variis causarum figuris hinzugefügt.206 S. 122 ff.; Gallo [1973] S. 172 ff.; Diósdi [1976] S. 613 ff.; Nelson [1981] S. 308 ff.; ders./Manthe [1999] S. 63 ff.; Melillo [1982] S. 490 ff.; Kaser [1983] S. 82; ders. [1993a] S. 94 ff.; Stanojević [1989] S. 84 ff.; De los Mozos Touya [1994] S. 115 ff.; Tondo [1995] S. 380 ff.; Stolfi [1997] S. 68 ff.; Saccoccio [2002] S. 509 ff.; Falcone [2003] S. 30 ff.; ders. [2011] S. 17; Lantella/Stolfi [2005] S. 136; Waldstein/Rainer [2014] S. 231; (eher zurückhaltend) Bretone [2010] S. 262; Baldus [2012b] S. 56 (Fn. 59); Martini [2012] S. 173 ff.; Talamanca [2013] S. 259. 202 Vgl. etwa Schulz [1961] S. 202; Waldstein/Rainer [2014] S. 231; Wieacker [2006] S. 116 ff. 203 Ferrini [1901] S. 107. Für die moderne deutschsprachige Literatur siehe nur Wieacker [2006] S. 116. 204 Siehe Lenel, Pal. I, c. 251 ff. Die Monografie von Coma Fort [1996] beschränkt sich auf den jedenfalls sehr wichtigen Bereich des Schuldrechts. 205 Vgl. Cannata [2008] S. 105. 206 Dazu eingehend Wołodkiewicz [1970] S. 77 ff.; Gallo [1973] S. 171 ff.; Coma Fort [1996] S. 17 ff. Vgl. auch Paricio [1987] S. 29 ff.; ders. [1994] S. 54 ff. Perozzi [1903] S. 350 hält die variae causarum figurae für eine Hinzufügung der Kompilatoren. Im gleichen Sinne Mitteis [1908] S. 38. Anders Tripiccione [1925] S. 119; Di Marzo [1948] S. 5; Wołodkiewicz, a.a.O., S. 127 ff.; Gallo, a.a.O., S. 171 ff.

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D. 44,7,1pr. (Gai. 2 res cott.): Obligationes aut ex contractu nascuntur aut ex maleficio aut proprio quodam iure ex variis causarum figuris. Die Obligationen entstehen entweder aus einem Vertrag oder aus einem Delikt oder aus einer eigentümlichen rechtlichen Bestimmung aus verschiedenen anderen Gründen.

Genauso wie in den Institutionen geht es hier nicht um eine Gliederung der Obligationen an sich, sondern vielmehr um die Gliederung ihrer Entstehungsgründe. Dafür legt Gaius zunächst zwei species vor, nämlich Vertrag und Delikt (das hier durch das Wort maleficium bezeichnet wird).207 Dann fügt er die neue Gruppe von (nicht näher bestimmten) verschiedenen schuldbegründenden Tatbeständen (causae)208 hinzu. Es charakterisiert die variae causarum figurae das Fehlen des Willens zur Verpflichtungsbegründung.209 Dies ergibt sich aus D. 44,7,5pr.-3: Die res cottidianae bezeichnen als solche Arten von Obligationsentstehungsgründen die auftragslose Geschäftsführung210, die Vormundschaft211, das Damnationslegat212 und die Zahlung einer Nichtschuld213; es geht also um Schuldverhältnisse, denen keine Willensübereinstimmung zugrunde liegt.214 Diese Obligationsentstehungsgründe sind in diesem Werk vom vertraglichen Bereich eindeutig ausgeschlossen. Man kann sagen, dass die „verschiedenen anderen Gründe“ die rechtmäßigen schuldbegründenden Tatbestände ohne Willensübereinkommen der Parteien sind.215 Unter diesen Umständen kann man annehmen, dass es in D. 44,7,1pr. weniger um eine Dreiteilung im eigentlichen Sinne als vielmehr um eine Zweiteilung geht, denn die grundlegende Gliederung betrifft Vertrag und Delikt, wohingegen die variae causarum figurae nicht näher bestimmte schuldbe-

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Schon in den Institutionen wird der Begriff maleficium in Bezug auf die Delikte gebraucht, nämlich in Gai. 4,75; 4,80 und 4,112. Delictum und maleficium werden in der Lehre gemeinhin als Synonyme betrachtet. Dazu vgl. etwa Albertario [1925] S. 199 ff.; Wołodkiewicz [1970] S. 116; Coma Fort [1996] S. 18 (Fn. 13); Cannata [2008] S. 106. Zum Gebrauch des Terminus maleficium bei Gaius siehe monografisch Arnese [2011] (dazu Caravaglios [2012] S. 745 ff.). 208 Zum Gebrauch des Wortes causa im Sinne von Obligationsentstehungsgrund vgl. auch D. 3,5,34,3 (Scaev. 1 quaest.) und D. 15,1,49,2 (Pomp. 4 ad Q. Muc.). 209 Dazu vgl. Coma Fort [1996] S. 29, 125 ff. 210 D. 44,7,5pr. (Gai. 3 res cott.). 211 D. 44,7,5,1 (Gai. 3 res cott.). 212 D. 44,7,5,2 (Gai. 3 res cott.). 213 D. 44,7,5,3 (Gai. 3 res cott.). 214 Nach Paricio [1987] S. 31 könnte vielleicht die Gemeinschaft (communio incidens) nach dem Vergleich mit den Institutionen Justinians (I. 3,27,3-4) die Liste der variae causarum figurae erweitern. Es ist aber nicht klar, ob dieser Autor sich auf eine denkbare Lücke im überlieferten Text der res cottidianae bezieht. 215 Vgl. etwa Paricio [1987] S. 31; ders. [1995] S. 55; Coma Fort [1996] S. 29; Cannata [2008] S. 115.

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gründende Tatbestände darstellen, die in diese Zweiteilung nicht passen.216 Schon der Ausdruck proprio quodam iure weist darauf hin, dass diese Schuldverhältnisse nach einer eigentümlichen rechtlichen Bestimmung, nach eigenem Recht, sozusagen „auf eigene Weise“ operieren. Die variae causarum figurae bilden eine residuale Gruppe; sie ist keine genau artikulierte Kategorie von Obligationsentstehungsgründen.217 Von der Bezeichnung von negotiorum gestio, tutela, legatum und solutio indebiti als Obligationen quasi ex contractu ist in den res cottidianae keine Rede. Anders als bei den rechtswidrigen Fällen von variae causarum figurae, welche ausdrücklich als quasi ex maleficio – nicht aber als „Quasidelikte“ – bezeichnet werden 218, ist die Terminologie bezüglich der rechtmäßigen Fälle eher unpräzise. So heißt es von der negotiorum gestio, dass neque ex contractu neque ex maleficio actiones nascuntur (D. 44,7,5pr.), in Bezug auf das Damnationslegat, dass der Erbe neque ex contractu neque ex maleficio obligatus esse intellegitur (D. 44,7,5,2), und hinsichtlich der solutio indebiti, dass der Empfänger obligatur quidem quasi ex mutui datione (D. 44,7,5,3). Nur in Bezug auf die tutela wird die Ausdrucksweise quasi ex contractu teneri videtur (D. 44,7,5,1) gebraucht. Dieser Text ist aber identisch mit der entsprechenden Passage der Institutionen Justinians219; daher ist die Hinzufügung dieses Satzes durch die Kompilatoren nicht auszuschließen.220 2. Vertragsidee und Einteilung der Obligationen aus Vertrag a) Vertragsidee Die Eingliederung der auftragslosen Geschäftsführung, der Vormundschaft, des Damnationslegats und der Zahlung einer Nichtschuld in die Gruppe der obligationes ex variis causarum figuris bringt eine Folgerung mit sich: Die Vertragsobligation beschränkt sich auf solche Schuldverhältnisse, denen der Konsens zugrunde liegt. Obligationen, die nicht auf der Willensübereinstimmung der Parteien beruhen, sind vom Vertragsbereich ausgeschlossen. Der Vertrag scheint demnach in den res cottidianae eine neue Bedeutung zu erlangen, denn er besteht nicht mehr in einer erlaubten (rechtmäßigen) verpflichtungserzeugenden Handlung ohne Weiteres, die nur dem Delikt (uner216

Vgl. Cannata [2008] S. 107, 115. Zu Recht spricht Paricio [2008] S. 94 von einer „categoría vaga y residual“. 218 Es handelt sich um Tatbestände, die der Tradition nach als „Quasidelikte“ bezeichnet werden: D. 44,7,5,4 (Gai. 3 res cott.); D. 44,7,5,5 (Gai. 3 res cott.) und D. 44,7,5,6 (Gai. 3 res cott.). Dazu siehe Stojcevic [1957] S. 57 ff.; Stein [1958] S. 563 ff.; Wołodkiewicz [1970] S. 77 ff.; Gallo [1973] S. 189 ff.; Longo [1983] S. 399 ff.; Cannata [1987a] S. 33 ff.; Paricio [1987] S. 32 ff.; Giménez-Candela [1990] S. 3 ff.; Földi [2001] S. 413 ff.; Mattioli [2010] S. 11 ff. 219 I. 3,27,2. 220 Paricio [1987] S. 32. 217

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laubter oder rechtswidriger Handlung) gegenübersteht.221 Manche Autoren haben hier eine Weiterentwicklung des Vorbehaltes, der in Gai. 3,91 in Bezug auf den vertraglichen Charakter der Zahlung einer Nichtschuld erscheint222, gesehen, weiterhin die Aufnahme der auf Pedius zurückführenden Vertragslehre, nach der jeder contractus auf einer conventio beruht223. Wie oben gesehen, liegt in den res cottidianae dieselbe dialektische Unterscheidung hinsichtlich der Erörterung der Obligationen aus Vertrag und aus Delikt vor wie in den gaianischen Institutionen.224 In den Institutionen unterscheidet Gaius zwischen den Delikten, die eine einheitliche Gattung darstellen (uno gerere consistit obligatio), und den Verträgen, die in vier Gattungen zu unterteilen sind (in IIII genera diducantur).225 Die einzelnen Delikte sind somit auf einen einheitlichen Grund zurückzuführen.226 Im Gegenteil dazu sind die Vertragsobligationen in vier Gattungen zu gliedern, die auf voneinander unabhängigen selbstständigen rechtmäßigen Begründungstatbeständen beruhen. Gleiches gilt für die res cottidianae: Die Delikte bilden eine einzige Gattung (omnia unius generis sunt); dagegen (alioquin) können die Verträge nicht nur „durch eine Sache“ (re) bestehen, sondern auch „durch Worte“ (verbis) oder „durch Willensübereinstimmung“ (consensu): cum alioquin ex contractu obligationes non tantum re consistant, sed etiam verbis et consensu.227 Die Beschränkung der Vertragsobligationen in den res cottidianae auf die auf dem Konsens beruhenden Schuldverhältnisse sollte mit sich bringen, dass Sachübereignung, formgebundenes mündliches Versprechen und „bloßer“ Konsens für die Arten gehalten werden, in denen die Willensübereinstimmung der Parteien als allgemein geltender Vertragsentstehungsgrund geäußert wird, also für Zutaten zum Konsens. In diesem Zusammenhang sollten die obligationes re, verbis und consensu contractae (die obligatio litteris contracta wird in dieser Schrift nicht in Betracht gezogen) keine genera bilden, sondern species eines einheitlichen genus, nämlich des conventio221

Gai. 3,88. Vgl. auch Gai Ep. 2,9pr. Dazu unten § 4 A III. 223 D. 2,14,1,3 (Ulp. 4 ad ed.). Zur in den Institutionen des Gaius vorliegenden Vertragsidee, die nicht auf dem Konsens beruht, sondern auf der Rechtmäßigkeit der schuldbegründenden Handlung, s.o. § 3 B I-II. 224 S.o. § 3 B I1. 225 Gai. 3,182: Transeamus nunc ad obligationes, quae ex delicto nascuntur (…) quarum omnium rerum uno genere consistit obligatio, cum ex contractu obligationes in IIII genera diducantur, sicut supra exposuimus. Vgl. Gai. 3,89: Et prius uideamus de his, quae ex contractu nascuntur. Harum autem quattuor genera sunt (…). 226 Vgl. Orestano [1959] S. 455 ff. Trotzdem lassen sich auch die Delikte in Gattungen gliedern: Gai. 3,183. Dazu vgl. Talamanca [1977] S. 209 ff., 249 ff. 227 D. 44,7,4 (Gai. 3 res cott.). Die Litteralobligationen werden in dieser Schrift nicht behandelt. 222

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Vertrages. Das ist aber nicht der Fall: Trotz der abweichenden äußeren Systematik bleibt der Urheber der res cottidianae der Idee treu, dass re, verbis und consensu contrahere voneinander unabhängige Schuldverhältnisentstehungsgründe bilden, die nicht auf eine allumfassende Gattung zu reduzieren sind228. Eine dialektische Konstruktion, nach der alle Verträge auf eine einzige Gattung zurückführen, sodass sie als species dieses allumfassenden genus (der conventio-Vertrag) betrachtet werden können, da jedem contractus ein allgemeiner Geltungsgrund zugrunde liegt, erscheint erst in den Institutionen Justinians.229 Daher sind wir der Ansicht, dass die hierin vorliegende neue Materienordnung des Schuldrechts darauf gerichtet war, die Zweiteilung der Obligationsentstehungsgründe (Gai. 3,88) an einen Zustand der Rechtsentwicklung, in dem sich die Idee der conventio als Basis aller Verträge (nicht endgültig) aufgedrängt hatte, sozusagen „anzupassen“.230 Anders ausgedrückt: Gaius hatte vor, eine erneuerte äußere Anordnung der Schuldverhältnisentstehungsgründe vorzulegen, die die in jener Zeit hochwahrscheinlich erheblich verbreitete, auf dem Konsens beruhende Vertragslehre widerspiegeln konnte. Es ist kaum vorstellbar, dass Gaius seine Idee des contrahere in den wenigen Jahren, die zwischen den Institutionen und den res cottidianae vorübergegangen sind, so grundlegend verändert hat. Wie Martini zutreffend bemerkt, bedeutet die neue Schuldrechtssystematik der res cottidianae nicht unbedingt, dass die Vertragslehre des Gaius (oder die klassische im Allgemeinen) aus dem Konsens beruht.231 Die Betrachtung der Vereinbarung als Geltungsgrund der Verträge setzte sich in der römischen Jurisprudenz allmählich durch; eine einheitliche allgemein anerkannte Vertragsidee wurde aber, wie schon gezeigt, niemals erreicht. Es ist in den Quellen bezeugt, dass noch in der spätklassischen Zeit die Zweiteilung der Obligationen in solche aus Vertrag und aus Delikt und damit die Idee des Vertrages als nichtdeliktischer schuldbegründender Tatbestand praktische Anwendung gefunden hat.232 In diesem Sinne scheinen die res cottidianae weniger eine Zäsur als vielmehr eine Kontinuität gegenüber den Institutionen des Gaius darzustellen: Die vertraglichen Schuldverhältnisse lassen sich nicht auf einen einheitlichen, allgemein geltenden Entstehungsgrund, der sie vereinheitlichte, zurückführen. Das spricht eher gegen eine Vertragsidee, nach der jedem contractus ein Willensübereinkommen zugrunde liegt. Daher darf man annehmen, dass die 228

In ähnlichem Sinne Harke [2013] S. 38. I. 3,13,2: (…) Prius est, ut de his quae ex contractu sunt dispiciamus. Harum aeque quattuor species sunt: aut enim re contrahuntur aut verbis aut litteris aut consensu. de quibus singulis dispiciamus. 230 Anders Paricio [1994] S. 55. 231 Martini [2012] S. 179 (Fn. 11). Vgl. auch ders. [1991] S. 97 ff. 232 S.o. § 3 B II1b). 229

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Dreiteilung der Obligationsentstehungsgründe nicht im offenen Widerspruch zu Gai. 3,88 steht.233 Der Unterschied zwischen den Institutionen und den res cottidianae bezieht sich eher auf die äußere Anordnung des Rechtsstoffes als auf das innere System; der Gedankengang des Gaius der Institutionen hinsichtlich der Obligationsentstehungsgründe lässt sich hier mit gewisser Deutlichkeit noch wahrnehmen. Das Gesagte führt im Übrigen zu der Folgerung, dass die Systematik der res cottidianae von derjenigen der Institutionen des Gaius nicht so weit abweicht, wie man gemeinhin vermutet.234 b) Einteilung der Obligationen aus Vertrag Die Kontraktsobligationen werden nach D. 44,7,1,1 in drei genera unterteilt, und zwar die obligationes re, verbis und consensu contractae. Im Unterschied zu den Institutionen ist in den res cottidianae von den obligationes litteris contractae keine Rede.235 D. 44,7,1,1 (Gai. 2 res cott.): Obligationes ex contractu aut re contrahuntur aut verbis aut consensu. Die Obligationen aus Vertrag werden entweder durch eine Sache, oder durch Worte oder durch den Konsens begründet.

Bezüglich der obligationes verbis und consensu contractae bieten die res cottidianae keine Neuheiten: Auf der einen Seite wird die Verbalobligation genauso wie in Gai. 3,92 mit der Stipulation identifiziert236; auf der anderen Seite bilden Kauf, Miete, Gesellschaft und Auftrag die Konsensualobligationen237. Allerdings wurden die Stellen der res cottidianae, in denen der Ver233

Unzutreffend Coma Fort [1996] S. 29: „En definitiva, la innovación parece deberse a un autor posterior a Gayo; en todo caso, tal y como han llegado hasta nosotros las fuentes, no es fácil pensar en la paternidad gayana de las res cottidianae, pues una modificación tan extrema en la manera de concebir el contrato resulta difícilmente atribuible a una única persona (lo que, por lo demás, llevaría a considerar a Gayo como el creador del concepto ‘definitivo’ del contractus).“ 234 Vgl. Martini [2012] S. 188. 235 Das Schweigen der res cottidianae in Bezug auf die obligationes litteris ist eine Frage, die hier nicht vertieft werden kann. Es ist schwierig, einen Grund dafür zu finden, denn die Litteralobligationen werden in den Institutionen ausführlich behandelt (Gai. 3,128 ff.). Die These der Streichung durch die Kompilatoren ist strittig, denn die obligationes litteris liegen in I. 3,13,2 als eine species der vertraglichen Obligationen vor. Aus dem Gesagten darf man aber nicht entnehmen, dass die res cottidianae nachklassisch sind, wie Coma Fort [1996] S. 41 es tut: „Con esta visión de conjunto, se hace difícil mantener la paternidad gayana de las res cottidianae.“ 236 D. 44,7,1,7 (Gai. 2 res cott.): Verbis obligatio contrahitur ex interrogatione et responsu, cum quid dari fierive nobis stipulemur. 237 Siehe D. 18,6,2pr.-1 und D. 18,6,16 (Gai. 2 res cott.) für den Kauf; D. 19,2,2pr.-1 (Gai. 2 res cott.) für die Miete; D. 17,2,72 (Gai. 2 res cott.) für die Gesellschaft und D. 17,1,2pr.-6 (Gai. 2 res cott.) für den Auftrag.

C. Divisio obligationum und Vertrag in den res cottidianae

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fasser die obligationes consensu contractae erörtert, nicht in den Digestentitel 44,7 de obligationibus et actionibus eingeführt. Die Digestenstelle, in der die Reihe konsensualer Kontraktsobligationen zu finden ist238, wurde direkt aus den Institutionen genommen.239 Die große Neuheit in Bezug auf die Systematik der Vertragsobligationen ist zweifellos die Erörterung von Verwahrung, Leihe und Verpfändung nach dem Darlehen, als ob diese vier Schuldverhältnisse zu derselben Gruppe gehörten.240 Deswegen ist der Urheber dieser Schrift in einem Teil der Lehre als „Erfinder“ der Kategorie der Realverträge bezeichnet worden.241 Erstaunlicherweise vertreten Autoren, welche die Nachklassizität der res cottidianae behaupten, zugleich die Ansicht, dass der angebliche Realvertragscharakter von Leihe, Verwahrung und Pfand dem klassischen römischen Recht entspreche. Anders gesagt: Eine diesen Autoren zufolge nachklassische Schrift stelle die Systematik des klassischen römischen Vertragsrechts dar.242 Die angesprochene Ansicht trifft nicht zu. Wie unten ausführlich zu sehen sein wird, darf man aus dem Umstand, dass mutuum, commodatum, depositum und pignus „gemeinsam“ in D. 44,7,1,2-6 erörtert werden, keine Bildung einer Kategorie der Realverträge folgern.243 Im klassischen römischen Recht war das Darlehen die einzige obligatio re contracta. Das zeigt sich ganz deutlich sowohl in den Institutionen des Gaius als auch in anderen Quellen der klassischen Jurisprudenz.244 Das gesamte Corpus römischrechtlicher Quellen enthält überhaupt keinen Beleg dafür, dass die rechtstechnische Ausdrucksweise re contrahitur obligatio im Hinblick auf sonstige Schuldverhältnisse gebraucht wurde. Aus der Anwendung in den res cottidianae der sehr allgemeinen Ausdrücke re (nobis) obligatur und re (nobis) tenetur auf die Leihe, die Verwahrung und das Pfand245 lässt sich nicht ohne Weiteres ableiten, dass diese Tatbestände für obligationes re contractae gehalten wurden.246 Das stellt eine sehr verbreitete Konjektur dar, die textuell aber nicht belegt ist. 238

D. 44,7,2pr. (Gai. 3 inst.): Consensu fiunt obligationes in emptionibus venditionibus, locationibus condictionibus, societatibus, mandatis. 239 Gai. 3,135. 240 D. 44,7,1,2-6 (Gai. 2 res cott.). 241 In diesem Sinne vor allem D’Ors [1975b] S. 7 ff. Vgl. auch Cannata [2008] S. 110. Wieacker [2006] S. 116 spricht von einer „Vervollständigung der Realkontrakte durch commodatum, depositum und pignus“. 242 Dazu siehe nur Schulz [1954] S. 506; ders. [1961] S. 202. 243 Ausführlich dazu unten § 5 A VI. 244 Ausführlich dazu unten § 4. 245 D. 44,7,1,3-6 (Gai. 2 res cott.): 3. Is quoque, cui rem aliquam commodamus, re nobis obligatur (…). 5. Is quoque, apud quem rem aliquam deponimus, re nobis tenetur (…). 6. Creditor quoque, qui pignus accepit, re tenetur (…). 246 Bezeichnenderweise benutzt Gaius denselben Ausdruck in Gai. 3,91, um die Zahlung einer Nichtschuld von der obligatio re contracta zu unterscheiden. Dazu s.u. § 4 A III.

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§ 3 Divisiones obligationum in der gaianisch-justinianischen Tradition

D. Divisio obligationum in den Institutionen Justinians D. Divisio obligationum in den Institutionen Justinians

I. Von der Zweiteilung über die Dreiteilung zur Vierteilung der Obligationsentstehungsgründe Nach ihrer berühmten Definition der Obligation247 enthalten die Institutionen Justinians eine Gliederung der Obligationen in zivile und prätorische 248 sowie eine Gliederung der Schuldverhältnisentstehungsgründe nach gaianischem Vorbild. I. 3,13,2: Sequens divisio in quattuor species deducitur: aut enim ex contractu sunt aut quasi ex contractu aut ex maleficio aut quasi ex maleficio. Prius est, ut de his quae ex contractu sunt dispiciamus. Harum aeque quattuor species sunt: aut enim re contrahuntur aut verbis aut litteris aut consensu. de quibus singulis dispiciamus. Die weitere Gliederung ergibt vier Arten. Denn die Obligationen entstehen entweder aus Vertrag oder aus Delikt oder quasi aus Vertrag oder quasi aus Delikt. Zuerst wollen wir diejenigen, die aus Vertrag entstehen, untersuchen. Von diesen gibt es ebenfalls vier Arten. Sie werden entweder durch eine Sache oder durch Worte oder durch Schrift oder durch Konsens begründet. Wir wollen sie einzeln untersuchen.249

247

I. 3,13pr.: Nunc transeamus ad obligationes. obligatio est iuris vinculum, quo necessitate adstringimur alicuius solvendae rei, secundum nostrae civitatis iura. Grundlegend dazu Falcone [2003]; ders. [2005] S. 67 ff. Vgl. auch Guarino [2000] S. 263 ff.; Cannata [1978] S. 149 ff. Siehe auch die Deskription des „Obligationenwesens“ nach Paulus in D. 44,7,3pr. (Paul. 2 inst.). Dazu vgl. Cannata [2003] S. 12 ff. 248 I. 3,13,1: Omnium autem obligationum summa divisio in duo genera deducitur: namque aut civiles sunt aut praetoriae. civiles sunt, quae aut legibus constitutae aut certe iure civili comprobatae sunt. praetoriae sunt, quas praetor ex sua iurisdictione constituit, quae etiam honorariae vocantur. 249 Ich stütze mich in der deutschen Übersetzung dieser Stelle auf diejenige von Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler [2007] S. 171. Diese Autoren übersetzen quasi ex contractu und quasi ex maleficio mit Quasivertrag und Quasidelikt, was sowohl sprachlich als auch historisch unzutreffend ist. Die Kategorien des Quasivertrags und des Quasidelikts finden sich nicht in den Institutionen Justinians, sondern in der Paraphrasis des Theophilus. Die Ausdrucksweise der justinianischen Institutionen geht eher in die Richtung der variae causarum figurae der res cottidianae, denn quasi ex contractu und quasi ex maleficio stellen keinen selbstständigen Obligationengrund dar. In diesem Sinne Coma Fort [1996] S. 30: „Las variae causarum figurae, por tanto, se han dividido en dos categorías: quasi ex contractu y quasi ex maleficio. En cierto modo, cabe decir que ya venían enunciadas en las res cottidianae y que sólo por motivos de elegancia esquemática y de simetría aparecen expuestas de esa manera en las Institutiones de Justiniano.“ Wie Nörr [1973] S. 428 sich ausdrückt, „ist das Quasi-Institut die Scheinbefriedigung eines strengen Systembedürfnisses“. Siehe I. 3,27,3 (Gemeinschaft): quasi ex contractu teneri videtur; I. 3,27,5 (Damnationslegat): quasi ex contractu debere intellegitur; I. 3,27,6 (Zahlung einer Nichtschuld): quasi ex contractu debere videtur. Dazu vgl. Paricio [1987] S. 29 ff.; Cannata [1987a] S. 25 ff.; ders. [1987b] S. 304 ff.; monografisch Mattioli [2010] S. 11 ff. Zur Bedeutung von quasi in den römischen Rechtsquellen, die nach Kaser [1969] S. 59 (Fn. 45) „einen noch kaum erforschten Wirkungs-

D. Divisio obligationum in den Institutionen Justinians

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Die zitierte Stelle enthält eine Einteilung der Obligationen in vier Arten (sequens divisio in quattuor species) mit einer Weiterunterteilung der Obligationen aus Vertrag ebenfalls in vier Arten.250 Die Autoren der justinianischen Institutionen haben die Materienordnung der res cottidianae grundsätzlich übernommen, aber gleichzeitig bearbeitet, um sie an ihre „strengen Systembedürfnisse“251 anzupassen. Das Gesagte erweist sich in besonderem Maße in der neuen dogmatischen Gestaltung der Obligationen, die weder aus Vertrag noch aus Delikt entstehen. Die byzantinischen Lehrer wären sehr wahrscheinlich in Schwierigkeiten gekommen, wenn sie die Dichotomie zwischen Obligationen aus Vertrag und aus Delikt und daneben die unbestimmte Gruppe der variae causarum figurae ihren Schülern zu erklären versucht hätten. Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass zu der Zeit Justinians der Konsens den allgemeinen Geltungsgrund aller Verträge gebildet hat.252 Trotzdem lässt sich eine explizite Gleichsetzung zwischen contractus und conventio nicht in den Institutionen finden, sondern erst in der hieran anknüpfenden Paraphrasis des Theophilus.253 Unter diesen Umständen bedeuten die variae causarum figurae einen didaktischen Fortschritt, denn sie ermöglichen, den Vertrag auf solche Schuldverhältnisse zu beschränken, welchen ein Konsens zugrunde liegt. Die „verschiedenen anderen Gründe“ reichen aber nicht aus, um jeden möglichen Verpflichtungsentstehungsgrund genau zu präzisieren. So wurden die Gruppen quasi ex contractu und quasi ex maleficio nach ihrer Analogie mit den Hauptgruppen Vertrag und Delikt konstruiert254: Auf der einen Seite entspricht die obligatio quasi ex contractu der ex contractu, denn beide beruhen auf rechtmäßigen schuldbegründenden Tatbeständen; auf der anderen Seite entspricht die obligatio quasi ex maleficio der ex maleficio, da beide aus rechtswidrigen Handlungen entstehen. Auf diese Weise sind die systematischen Begriffe obligatio quasi ex contractu und obligatio quasi ex maleficio entstanden. Insofern bildet die Zweiteilung der Obligationsentstehungsgründe der Institutionen des Gaius, die in den res cottidianae zu einer Dreiteilung wurde, die Basis, auf der die byzantinische Vierteilung gestaltet worden ist.

bereich der Analogie“ bildet, vgl. vor allem Kerber [1970] (dazu Nörr [1973] S. 421 ff.); Wesener [1973] S. 1387 ff.; Hackl [1999] S. 117 ff. 250 Näheres zur dialektischen Einteilung der Obligationen in den Institutionen Justinians bei Cannata [2008] S. 123 ff. 251 Nörr [1973] S. 428. 252 Anders Sargenti [1988] S. 73. 253 PT 3,13,2. Zur Quelle vgl. vor allem Falcone [1999] S. 27 ff. (dazu Burdese [2001b] S. 269 ff.); ders. [2001] S. 65 ff.; ders. [2008] S. 269 ff. 254 Cannata [2008] S. 125.

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§ 3 Divisiones obligationum in der gaianisch-justinianischen Tradition

II. Vertragsidee und Einteilung der Obligationen aus Vertrag 1. Vertragsidee Man kann annehmen, dass zu der Zeit des Verfassens der Institutionen Justinians die in den gaianischen Institutionen enthaltene Vertragsidee nicht mehr gegolten hat. Die Byzantiner haben den Vertrag aus einer neuen Perspektive betrachtet. Der oben zitierte Text der Paraphrasis bildet das deutlichste Beispiel dazu, was die byzantinischen Schuljuristen unter Vertrag verstanden haben: Der Vertrag (contractus) ist eine Vereinbarung (conventio). Anders formuliert: Für die Byzantiner waren alle Verträge ihrer Struktur zufolge im Wesentlichen eine Vereinbarung. Diese konsensualistische Ansicht, welche die romanistische Tradition entscheidend geprägt hat, gab den Anstoß dafür, dass res, verba und litterae nicht mehr als Entstehungsgründe eines vertraglichen Schuldverhältnisses betrachtet wurden, sondern als Konsensäußerungsarten, als Zutaten zum Konsens beim Zustandekommen des Vertrages.255 In diesem Zusammenhang stellen die Real-, Verbal-, Litteral- und Konsensualobligationen keine Vertragsobligationsgattungen mehr dar, sondern die Arten eines einheitlichen genus, des conventio-Vertrages.256 2. Einteilung der Obligationen aus Vertrag Das justinianische Recht hat die klassische Einteilung der Obligationen aus Vertrag nur formell aufgenommen. Der Sinn der justinianischen Gliederung ist von der gaianischen divisio weit entfernt. Nach Justinian sind alle Verträge konsensual; der Unterschied zwischen den Kategorien besteht darin, dass einige Verträge einfach durch die Willensübereinstimmung der Parteien „abgeschlossen“ werden, wohingegen andere entweder einer Sachübereignung, eines formgebundenen mündlichen Leistungsversprechens oder (aus didaktisch-historischen Gründen noch erwähnt) der Eintragung in das Hausbuch des Gläubigers als Zutaten zum Konsens bedürfen. Anders formuliert: Der Vertrag, der im Wesentlichen eine Vereinbarung ist, kommt re, verbis, litteris oder consensu zustande.257 Unter diesen Umständen ist eine obligatio verbis contracta nichts anderes als eine Konsensualobligation, in der die Willensübereinstimmung der Parteien durch ein formgebundenes Leistungsversprechen geäußert wird. Gleiches gilt für die obligatio re contracta: Es handelt sich um eine Vereinbarung, die sich durch eine Sachleistung vollzieht; die Sachhingabe ist einfach eine spe-

255

Vgl. Brasiello [1930] S. 569; ders. [1944] S. 147. Anders in Gai. 3,89 und D. 44,7,4 (Gai. 3 res cott.). 257 Zutreffend Brasiello [1944] S. 110: „(...) ed è nelle Istituzioni che si dà ad essa [die Einteilung der Obligationen] il nuovo fondamento, consistente non più nell’elemento causale, ma nell’elemento perfezionatore.“ 256

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zielle Konsensäußerungsart.258 In diesem Sinne erweist sich die klassische Unterscheidung zwischen dare rem im rechtstechnischen Sinne (Sachübereignung) und im nicht rechtstechnischen Sinne (bloße Sachüberlassung) als unbedeutend; wichtig ist nur, dass eine Sachhingabe beim Vertragsabschluss vorkommt. In diesem Zusammenhang darf man zum Beispiel sagen, dass eine Verpflichtung re et verbis „abgeschlossen“ worden ist. Das wäre in klassischer Zeit unvorstellbar gewesen. Bei den Klassikern waren re und verbis schuldbegründende Tatbestände, die als solche unkompatibel miteinander waren: Der Rechtsgrund der Obligation ist entweder die Sachübereignung oder das formgebundene mündliche Versprechen, aber nicht beide, als ob es sich um ein „Ungeheuer mit zwei Köpfen“ handele259. Anders ist das bei den Byzantinern: Da Sachübereignung und formgebundenes mündliches Leistungsversprechen Konsensäußerungsarten darstellen, lassen sie sich gut kombinieren, ohne dass diese Juristen sich in ihren Rechtskenntnissen beleidigt fühlen müssen. Die Institutionen Justinians enthalten nach dem Vorbild der Institutionen des Gaius eine Vierteilung der Obligationen aus Vertrag, denn im Gegenteil zu den res cottidianae werden hier neben den obligationes re, verbis und consensu auch die obligationes litteris contractae erörtert: prius est, ut de his quae ex contractu sunt dispiciamus. harum aeque quattuor species sunt: aut enim re contrahuntur aut verbis aut litteris aut consensu. de quibus singulis dispiciamus. In diesem Schema ist also auf den ersten Blick keine Neuheit in Bezug auf die gaianischen Institutionen zu sehen. Die Verbalobligation wird genauso wie in Gai. 3,92 und in D. 44,7,1,7 mit der Stipulation identifiziert.260 Der Hinweis auf die Litteralobligation bezieht sich auf ihr altes Regime und damit (wenngleich nicht ausdrücklich) auf ihre Erörterung bei Gaius.261 Die Gruppe der Konsensualobligationen besteht ebenfalls aus Kauf, Miete, Gesellschaft und Auftrag.262 258

Vgl. Brasiello [1944] S. 111. Dazu s.u. § 4 A II1e). 260 I. 3,15pr.: Verbis obligatio contrahitur ex interrogatione et responsione, cum quid dari fierive nobis stipulamur (…). 261 I. 3,21pr.: Olim scriptura fiebat obligatio, quae nominibus fieri dicebatur: quae nomina hodie non sunt in usu. Nach Ansicht von Cannata [2008] S. 129 hatten die byzantinischen Schüler die Litteralobligation noch aus den gaianischen Institutionen gelernt, was der Hinweis in den Institutionen Justinians auf diese damals nicht mehr geltenden Schuldverhältnisse rechtfertigt. 262 I. 3,22: Consensu fiunt obligationes in emptionibus venditionibus, locationibus conductionibus, societatibus, mandatis. Ideo autem istis modis consensu dicitur obligatio contrahi, quia neque scriptura neque praesentia omnimodo opus est, ac ne dari quidquam necesse est, ut substantiam capiat obligatio, sed sufficit eos qui negotium gerunt consentire (…). 259

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§ 3 Divisiones obligationum in der gaianisch-justinianischen Tradition

Was die Realobligationen angeht, folgt das byzantinische Lehrbuch formell dem Vorbild der res cottidianae: Nach der Erörterung des Darlehens als obligatio re contracta werden die Leihe, die Verwahrung und die Verpfändung hinzugefügt. Hier gilt dasselbe, was wir bereits bezüglich der obligatio re contracta nach den res cottidianae gesagt haben. Wie in den Institutionen des Gaius und den res cottidianae ist bei Justinian von re contrahitur obligatio nur hinsichtlich des Darlehens die Rede.263 Für die sonstigen angeblichen „Realverträge“ bezieht sich das byzantinische Anfängerlehrbuch ausnahmslos auf einen Schuldner (den Empfänger), der „aufgrund einer Sache“ eine Verpflichtung (zur Rückgewähr) eingeht (re obligatur)264 mit einem allgemeinen Hinweis auf die durch den Gläubiger zu erhebende Klage265. In den Institutionen Justinians lässt sich keine Stelle finden, in der Leihe, Verwahrung und Pfand als obligationes re contractae bezeichnet werden. Trotzdem spräche die Vertragslehre, die zu der Zeit Justinians gegolten hat, eher dafür, dass die Byzantiner eine andere Vorstellung von der Realvertraglichkeit gehabt hätten, und zwar die Erstreckung des Realvertragscharakters außerhalb des Darlehens auch auf die Leihe, die Verwahrung und das Pfand. Dies, weil das re contrahere vielleicht nicht mehr als die Schuldbegründung durch Sachübereignung angesehen wurde, sondern einfach als eine durch Sachhingabe erfolgende Konsensäußerung. Unter diesen Umständen wäre der Ursprung der modernen Kategorie der Realverträge erst in byzantinischer Zeit zu finden.266

E. Resümee E. Resümee

Die gaianisch-justinianische Tradition hat mit bleibendem Erfolg auf die kontinentaleuropäische Privatrechtswissenschaft eingewirkt. Das Gesagte gilt in besonderem Maße hinsichtlich der Klassifizierung der Obligationen (divisiones obligationum). Die moderne Vertragsvorstellung beruht aber auf der spätesten Stufe dieser Tradition, und zwar auf den Institutionen Justinians. Davon ausgehend wird der Vertrag im Wesentlichen für eine Vereinbarung 263

I. 3,14pr.: Re contrahitur obligatio veluti mutui datione (…).Vgl. Gai. 3,90: Re contrahitur obligatio velut mutui datione (…); D. 44,7,1,2 (Gai. 2 res cott.): Re contrahitur obligatio mutui datione (...). 264 I. 3,14,2: Item is cui res aliqua utenda datur, id est commodatur, re obligatur et tenetur commodati actione (…); 3: Praeterea et is apud quem res aliqua deponitur re obligatur, et actione depositi, qua et ipse de ea re quam accepit restituenda tenetur. 4: Creditor quoque qui pignus accepit re obligatur, qui et ipse de ea ipsa re quam accepit restituenda tenetur actione pigneraticia (…). Es geht also um dieselbe Redeweise, die Gaius in seinen Institutionen (Gai. 3,91) gebraucht hat, um die Vertraglichkeit und damit den Realvertragscharakter der Zahlung einer Nichtschuld in Abrede zu stellen. 265 Das charakterisiert die Byzantiner. Vgl. Segrè [1929] S. 439 (Fn. 21). 266 Dazu s.u. § 5 C.

E. Resümee

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(conventio) zwischen den Parteien gehalten. Dies entspricht der in den Institutionen des Gaius vorliegenden Vertragsidee bestimmt nicht: Bei dem Gaius der Institutionen bildet der Vertrag einen rechtmäßigen schuldbegründenden Tatbestand, der allein dem Delikt (der rechtswidrigen Handlung) gegenübersteht (Gai. 3,88). Tatbestände, denen der Konsens nicht zugrunde liegt, werden als Verträge behandelt, sofern sie rechtmäßig sind. Diese Ansicht wird in mehreren Fragmenten der klassischen Jurisprudenz bestätigt. Die vertraglichen Obligationen werden in re, verbis, litteris und consensu contractae unterschieden (Gai. 3,89). Sachübereignung, formgebundenes mündliches Leistungsversprechen, Eintragung in das Hausbuch des Gläubigers und Konsens sind die konkreten, voneinander unabhängigen Vorgänge, aus denen ein Schuldverhältnis entstehen kann (Entstehungsgründe, causae obligationis). In den res cottidianae fügte Gaius eine neue residuale Gruppe von Verpflichtungsentstehungsgründen hinzu, die sog. variae causarum figurae („verschiedene andere Gründe“). Die Absicht des Gaius war es, seine Schuldrechtssystematik an die sich allmählich aufdrängende Idee des Vertrages als auf dem Konsens beruhender verpflichtungserzeugender Tatbestand anzupassen. Der Unterschied zwischen den Institutionen und den res cottidianae erweist sich in der äußeren Systematik, nicht in dem inneren System: Der Gedankengang des Gaius der Institutionen in Bezug auf die Gliederung der Kontraktsobligationen lässt sich auch in den res cottidianae wahrnehmen. Die Gleichstellung zwischen contractus und conventio wurde erst in justinianischer Zeit erreicht: Fortan gelten re, verbis, litteris und consensu contrahere als Willensübereinstimmungsäußerungsarten, als species eines einzigen genus, denn alle Verträge sind im Wesentlichen eine Vereinbarung. Trotz der Unterschiede in der äußeren Systematik ist die obligatio re contracta in den Werken der angesprochenen Tradition strukturell gleich gestaltet: Die obligatio re contracta wird allein mit dem Darlehen identifiziert: re contrahitur obligatio mutui datione. Obgleich Leihe, Verwahrung und Verpfändung in den res cottidianae unmittelbar nach dem Darlehen erörtert werden und daher auf den ersten Blick Elemente der gleichen Vertragsgruppe zu sein scheinen, ist ihr Realvertragscharakter textuell nicht belegt. Die res cottidianae beziehen sich in Bezug auf Leihe, Verwahrung und Verpfändung ausschließlich auf den Nehmer, der „aufgrund einer Sache“ eine Rückgabepflicht eingeht (re obligatur ggf. re tenetur), ohne dass der rechtstechnische Ausdruck re contrahitur obligatio in Betracht kommt. Bezeichnenderweise handelt es sich um dieselbe Redeweise, die Gaius in seinen Institutionen gebraucht, um den Realvertragscharakter der Zahlung einer Nichtschuld in Abrede zu stellen. Erst in den Institutionen Justinians könnte man eine Erstreckung der Realvertraglichkeit auf die Leihe, die Verwahrung und die Verpfändung finden. Das ergibt sich jedenfalls weniger aus dem Text von I. 3,14 selbst als viel-

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§ 3 Divisiones obligationum in der gaianisch-justinianischen Tradition

mehr aus der byzantinischen Vertragslehre, nach der jeder Vertrag im Wesentlichen eine Vereinbarung ist, sodass das re contrahere nunmehr eine neue weite Bedeutung haben könnte, und zwar als durch Sachhingabe erfolgende Konsensäußerungsart.

§ 4 Die obligatio re contracta im klassischen römischen Recht A. Die obligatio re contracta in den Institutionen des Gaius A. Die obligatio re contracta in den Institutionen des Gaius

I. Problemstellung Die bereits angesprochene Obereinteilung der Obligationsentstehungsgründe in Vertrag und Delikt (Gai. 3,88) wird in Gai. 3,89 durch eine Vierteilung der Obligationen aus Vertrag fortentwickelt.1 Die folgenden Paragrafen der Institutionen des Gaius widmen sich mit mehr oder weniger Ausführlichkeit den vier Arten (quattuor genera) von vertraglichen Schuldverhältnissen2, freilich ohne sie zu definieren. Das Gesagte ist für den modernen Juristen besonders bemerkenswert, wenn man daran denkt, dass das mit Abstand bedeutendste Vermächtnis des gaianischen Anfängerlehrbuchs in seiner Systematik liegt3, und sowohl System als auch Didaktik fordern nach moderner Ansicht eine Begriffsbildung. Insofern scheint Gaius die römische Zurückhaltung gegenüber Rechtsdefinitionen zu bestätigen.4 Unter diesen Umständen tritt die obligatio re contracta als erste Gruppe der Vertragsschuldverhältnisse auf. Dass Gaius trotz seiner überwiegend didaktischen Zielsetzung uns keinen Begriff der Realobligation hinterließ, ist von größter Bedeutung für die vorliegende Untersuchung, denn es ist dann unsere Aufgabe, die Struktur einer derartigen Obligation nach Indizien zu rekonstruieren.

1

S.o. § 3 B I. Gai. 3,90-91 für die obligationes re contractae; Gai. 3,92-127 für die obligationes verbis contractae; Gai. 3,128-134 für die obligationes litteris contractae und Gai. 3,135-162 für die obligationes consensu contractae. Dann werden in Gai. 3,182-225 die obligationes ex delicto erörtert. 3 Vgl. vor allem Kaser [1953b] S. 127 ff.; ders. [1966a] S. 42 ff.; Wieacker [1969] S. 448 ff.; Bona [1976] S. 407 ff.; ferner Guzmán Brito [1980] S. 17 ff.; Lantella [1981] S. 27 ff.; Cuena Boy [1998] S. 109 ff.; Falcone [2011] S. 17 ff.; Baldus [2012b] S. 43 ff. 4 Vgl. D. 50,17,202 (Iav. 11 epist.). 2

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§ 4 Die obligatio re contracta im klassischen römischen Recht

II. Obligationsbegründung „durch eine Sache“ 1. Re contrahitur obligatio velut mutui datione a) Bedeutungsvielfältigkeit von res Das lateinische Wort res ist bedeutungsvielfältig. In der justinianischen Kompilation kann es sowohl Sache, Gegenstand (im allgemeinen Sinne) als auch – unter anderem – Vermögen, Streitgegenstand, Rechtsstreit, Angelegenheit, Geschäft, Tätlichkeit, Tatumstand, Tatsache, Handlung usw. bedeuten.5 Nichts anderes ergibt sich aus den Institutionen des Gaius.6 Hinsichtlich der Begründung eines Schuldverhältnisses muss res (in ihrer Ablativform re, wörtlich „durch eine Sache“) jedoch eine präzisere Bedeutung haben, damit die obligatio re contracta von den obligationes verbis, litteris und consensu contractae unterschieden werden kann. Daher halten wir die Ansicht für unzutreffend, dass re einfach im Sinne von „durch Tat“ oder „faktisch“ zu interpretieren sei.7 Wenn unter re contrahitur obligatio die faktische Vollziehung einer Obligation verstanden wird8, begreift man nicht, worin der Unterschied zu den obligationes verbis und litteris contractae besteht: Auch die Verbal- und Litteralobligationen setzen eine faktische Tat (Handlung) voraus, die sich als formgebundenes mündliches Leistungsversprechen oder als Eintragung in das Hausbuch des Gläubigers erweist. Nicht nur das re contrahere bringt eine Verbindlichkeit hervor, wenn eine Handlung bereits „getätigt“ worden ist9, sondern auch das verbis und litteris contrahere, jedes auf seine eigene Weise. Hinzu kommt, dass die Willensübereinstimmung selbst als faktische Tat in einem weiteren Sinne angesehen werden kann.10 Sachübereignung, formgebundenes mündliches Leistungsversprechen, Eintragung in das Hausbuch des Gläubigers mit Zustimmung des Schuldners und 5

Siehe VIR V, S. 100 ff. Vgl. auch Heumann/Seckel [1926] S. 511 ff. Überblick bei Becker [1999] S. 31 ff. 6 Dazu Becker [1999] S. 35 ff.; mit Erwägungen über Systembildung Baldus [2012b] S. 43 ff. 7 Vgl. Pernice [1873] S. 419 ff.; ders. [1888] S. 222; Brasiello [1930] S. 576 ff.; weiterhin Liebs [2004] S. 244. Diese Ansicht geht davon aus, dass die justinianische Kompilation einige Quellen enthält, in denen man eine Antithese zwischen obligatio re und obligatio verbis contracta findet. Siehe etwa D. 29,2,95 (Paul. 4 sent.) und D. 38,1,24 (Iul. 52 dig.). 8 In diesem Sinne Liebs [2004] S. 244. 9 Liebs [2004] S. 245: „Realverträge sind (zum Teil) ‚getätigte’ Verträge.“ Das Gesagte bedeutet nicht, dass die römische Realobligation eine durch „(Vor)Leistung“ eingegangene Verpflichtung darstellt, da dieser Begriff dazu führen könnte, die obligatio re mit dem sog. Innominatkontrakt zu verwechseln. Siehe D. 2,14,7,2 (Ulp. 4 ad ed.). Dazu vgl. Grosso [1963] S. 163 ff.; Dalla Massara [2004] S. 96 ff.; ders. [2006] S. 279 ff. Die systematische Konstruktion des sog. „Innominatrealvertrages“ (Austausch von Sachleistungen) gehört bestimmt nicht zu dem klassischen römischen Recht. Dazu vgl. Harke [2008] S. 51 f.; 189 ff. 10 Biondi [1953] S. 231; vgl. auch Maschi [1973] S. 86.

A. Die obligatio re contracta in den Institutionen des Gaius

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Willensübereinstimmung der Parteien bilden die unterschiedlichen Vorgänge, durch die ein Schuldverhältnis sich begründen lässt (Entstehungsgründe). Die Aussage von Liebs, die obligatio re contracta sei der „faktische Vertrag“11 der Römer im Sinne von „durch Tat“, „formlos vollzogen“12, hilft nicht dabei, die Struktur der römischen Realobligation zu erläutern. Dies, weil sie zwar ermöglicht, die Realobligation von der Verbal- und der Litteralobligation zu unterscheiden, aber nicht hinreicht, um die Realobligation von der Konsensualobligation, der formlosen Obligation schlechthin, begrifflich zu trennen. Ferner stehen die Verpflichtungsbegründung durch eine „Tat“ und die durch eine Förmlichkeit einander nicht unbedingt gegenüber: Zum Beispiel war das stark formalisierte nexum untrennbar mit einer Sachleistung verbunden; die faktischen Handlungen der Beteiligten hatten zugleich eine deutlich förmliche Gestaltung. Aus alldem folgt, dass der Ausdruck re contrahitur obligatio eine eingeschränkte Bedeutung haben muss, die nicht in einer bloßen materiellen Tätigkeit zu finden ist.13 b) Re: durch datio rei Manche römische Rechtsquellen berichten uns über eine Dreiteilung des Leistungsinhalts, wonach die durch den Schuldner zu erfüllende Verpflichtung in einem dare, facere oder praestare besteht. Gaius teilt uns in einer schon erwähnten Stelle seiner Institutionen mit: Gai. 4,2: In personam actio est, qua agimus cum aliquo, qui nobis vel ex contractu vel ex delicto obligatus est, id est, cum intendimus dare facere praestare oportere. Eine Klage ist schuldrechtlich, mit welcher man gegen jemanden klagt, der uns entweder aus Vertrag oder aus Delikt verpflichtet ist, das heißt, wenn man im Klagantrag erklärt, dass er übereignen, tun oder leisten muss.14

Im gleichen Sinne sagt Paulus: D. 44,7,3pr. (Paul. 2 inst.): Obligationum substantia non in eo consistit, ut aliquod corpus nostrum aut servitutem nostram faciat sed ut alium nobis obstringat ad dandum aliquid vel faciendum vel praestandum.

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Nicht im modernen Sinne des sog. faktischen Vertrages; Liebs [2004] S. 245: „Die Realverträge waren also die faktischen Verträge der Römer, nur daß es bei ihnen nicht schon, wie bei den heutigen faktischen Verträgen, an einer Einigung fehlte, sondern an der Einhaltung der Form.“ 12 Liebs [2004] S. 244 f. 13 In diesem Sinne Maschi [1971] S. 769 ff.; ders. [1973] S. 86 ff. 14 Ich stütze mich in der deutschen Übersetzung auf diejenige von Manthe [2004] S. 321.

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§ 4 Die obligatio re contracta im klassischen römischen Recht

Das Wesen der Obligationen besteht nicht darin, dass sie eine körperliche Sache oder eine Dienstbarkeit zu unserer macht, sondern dass sie einen anderen dazu verpflichtet, uns etwas zu übereignen, zu tun oder zu leisten.

Nach diesen Quellen erschöpft sich der Leistungsinhalt in einem dare, facere oder praestare. Diese Dreiteilung ist Gegenstand von Kritiken gewesen, denn praestare hat an sich keine präzise Bedeutung, sondern es kann vielfältige Leistungen umfassen, unter anderem das dare und das facere selbst.15 Auf jeden Fall war praestare ein Formelwort16, wie man aus den soeben zitierten Stellen entnehmen kann.17 Hinzu kommt, dass in einigen Quellen, die nicht von praestare sprechen, dare und facere einander gegenübergestellt sind.18 Dies, obwohl das facere jede materielle Handlung und damit auch das dare begrifflich enthalten könnte.19 Man muss zwischen einem untechnischen und einem rechtstechnischen Sinne dieser Ausdrücke unterscheiden, um ihre Bedeutung in den Rechtsquellen richtig zu verstehen. Dare, facere und praestare sind Vokabeln, die sowohl in nichtjuristischen als auch in juristischen Zusammenhängen nicht selten in einem allgemeinen Sinne gebraucht werden. Tatsächlich lässt sich der Begriff dare in unseren Quellen gelegentlich als „geben“ im Allgemeinen benutzen20; man findet aber für ihn zumeist eine 15

Praestare umfasst nicht nur Leistungen im Rahmen des Vertragsrechts, sondern auch Leistungen aus Legaten und Fideikommissen und, was die vertraglichen Schuldverhältnisse betrifft, nicht nur Leistungen im Rahmen der Klagen nach Treu und Glauben, sondern auch in Bezug auf strengrechtliche Klagen. Dazu ausführlich Mayr [1921] S. 198 ff., 212 ff. Vgl. auch Grosso [1955] S. 32 ff.; Pastori [1985] S. 159 ff. Eingehend zur Bedeutung von praestare in den römischen Quellen (aus der Perspektive der Haftung) Cardilli [1995] S. 63 ff.; ders. [1996] S. 81 ff. 16 Praestare war ein Intentionswort. Hierzu vgl. Mitteis [1908] S. 86 (Fn. 36); Mayr [1921] S. 206 ff.; Perozzi [1928] S. 84; Grosso [1955] S. 32 ff.; Cardilli [1996] S. 82 ff. 17 Allerdings ist die Zahl der Formeln, in denen von praestare die Rede ist, sehr klein: Es geht um die actio familiae erciscundae (D. 10,2,22,4-5 [Ulp. 19 ad ed.]; D. 10,2,24pr. [Ulp. 19 ad ed.]; D. 10,2,25,16 [Paul. 23 ad ed.]), die actio communi dividundo (D. 10,3,11 [Gai. 7 ad ed prov.]) und (zweifelhaft) die actio pro socio (D. 17,2,52,2 [Ulp. 31 ad ed.]). Besonders bemerkenswert ist der Fall des Auftragsvertrages: Die vielfache Anwendung des praestare in den römischen Quellen zur Bezeichnung der Verpflichtungen des Mandatars hat anscheinend keinen Platz in der Formel der Klage aus Auftrag gefunden, in der nur von dare facere die Rede ist. Siehe Gai. 3,155; D. 17,1,26,7 (Paul. 32 ad ed.); D. 17,1,31 (Iul. 14 dig.); D. 17,1,34pr. (Afr. 8 quaest.); D. 17,1,35 (Nerat. 5 mem.); D. 17,1,45,5 (Paul. 5 ad Plaut.); D. 17,1,59,1 (Paul. 4 resp.). Dazu vgl. Lenel, EP, S. 208, 211, 297, 295 ff.; weiterhin Mantovani [1999] S. 61, 61, 54, 55. Die Erwähnung von praestare in den Teilungsklageformeln könnte ihren Grund im hohen Alter dieser Klagen haben. Insofern könnte es sich um eine Urbedeutung des praestare handeln. In diesem Sinne Karlowa [1901] S. 458; Mayr [1921] S. 207 ff. 18 D. 44,7,25pr. (Ulp. l.s. reg.); D. 45,1,2pr. (Paul. 12 ad Sab.). 19 Vgl. Grosso [1955] S. 13 ff.; Pastori [1985] S. 125 ff. 20 So etwa dare responsa in D. 1,2,2,47 (Pomp. l.s. enchir.); dare vocationem in D. 2,12,9 (Ulp. 7 de off. proc.); dare liberam facultatem in D. 35,2,1pr. (Paul. ad leg. Falc.); dare actionem in Gai. 4,112; D. 14,6,1pr. (Ulp. 29 ad ed.) und D. 16,1,2,1 (Ulp. 29 ad ed.); dare

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technische Bedeutung, und zwar die Verschaffung zivilrechtlichen Eigentums (Eigentumsübertragung).21 Dass dare rem nicht bloße Sachhingabe, sondern Übertragung des Eigentums an einer Sache bedeutet, bringt Gaius mit großer Deutlichkeit im Rahmen seiner Erörterung der Klagearten zum Ausdruck: Gai. 4,4: Sic itaque discretis actionibus certum est non posse nos rem nostram ab alio ita petere: SI PARET EVM DARE OPORTERE; nec enim quod nostrum est, nobis dari potest, cum scilicet id dari nobis intellegatur, quod ita datur, ut nostrum fiat; nec res, quae nostra iam est, nostra amplius fieri potest. plane odio furum, quo magis pluribus actionibus teneantur, receptum est, ut extra poenam dupli aut quadrupli rei recipiendae nomine fures etiam hac actione teneantur: SI PARET EOS DARE OPORTERE, quamuis sit etiam aduersus eos haec actio, qua rem nostram esse petimus. Da sich die Klagen daher so unterscheiden, kann man gewiss nicht unsere eigene Sache von einem anderen derart verlangen: Wenn es sich erweist, dass er übereignen muss; denn weder kann das, was einem gehört, einem übereignet werden (weil man natürlich darunter, dass einem etwas übereignet wird, versteht, dass es es in dessen Eigentum übergeht) noch kann eine Sache, die , noch mehr in dessen Eigentum übergehen. Allerdings hat sich aus Hass gegen Diebe, um sie aus noch mehr Klagen haften zu lassen, die Ansicht durchgesetzt, dass Diebe, abgesehen von der Buße in doppelter oder vierfacher Höhe, auch noch wegen der Rückgabe der Sache aus folgender Klage haften: wenn es sich erweist, dass sie übereignen müssen, obgleich gegen sie auch diejenige Klage anwendbar ist, mit welcher man eine Sache als einem gehörig verlangt.22

Nach Gaius besteht das dare rem darin, dass die hingegebenen Sachen ins Eigentum des Empfängers übergehen (...ita datur, ut nostrum fiat). In diesem Sinne erklärt er, dass es kein dare darstellt, eine Sache ihrem Eigentümer zu übergeben, denn sie kann nicht noch mehr in dessen Eigentum übergehen (...nec res, quae nostra iam est, nostra amplius fieri potest). In diesem Zusammenhang hatte Gaius die Zulässigkeit der condictio gegen den Dieb (fur) als Ausnahmefall besonders zu erläutern.23 Der Täter begeht Diebstahl (furtum), wenn er eine Sache wegnimmt, unterschlägt oder veruntreut24; das bringt aber keinen Eigentumserwerb mit sich. Das furtum ist keine Art des bonorum possessionem in D. 38,15,2,2 (Ulp. 49 ad ed.); dare sententiam in D. 49,1,19 (Mod. l.s. de en. cas.); dare in matrimonium in D. 50,1,37,2 (Call. 1 cognit.) usw. 21 Vgl. Grosso [1955] S. 18. 22 Ich stütze mich in der deutschen Übersetzung auf diejenige von Manthe [2004] S. 321. 23 Zum Diebstahlsbegriff siehe D. 47,2,1,3 (Paul. 39 ad ed.) = I. 4,1,1. Vgl. auch Gell. 11,18,20 ff. Nach der Ansicht von Kaser/Knütel [2014] S. 299 ist diese Definition von zweifelhaftem Wert. 24 Siehe etwa D. 19,5,17,5 (Ulp. 28 ad ed.); D. 27,3,9,7 (Ulp. 25 ad ed.); D. 41,2,3,18 (Paul. 54 ad ed.); D. 44,7,34,2 (Paul. l.s. conc. act.). Dazu vgl. Pika [1988] S. 16.

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Eigentumserwerbs und die gestohlene Sache ist nicht zu ersitzen.25 Der fur wird nicht Eigentümer der gestohlenen Sache, daher kann er nicht dare. Trotzdem ist die condictio auch gegen ihn zulässig 26, sodass man von einer „Anomalie“ im klassischen römischen Kondiktionenrecht sprechen kann.27 Gaius rechtfertigt diesen Ausnahmefall mit dem sog. „Hass gegen Diebe“ (odio furum).28 Obgleich die Berufung auf den Hass gegen den Dieb keine wirkliche Erklärung darstellt29, liegt das Ziel dieser Entscheidung auf der Hand, und zwar dem Betroffenen eine Pluralität von Klagen zu gewährleisten (...quo magis pluribus actionibus teneantur)30. Der Eigentümer darf auf diese Weise nicht nur die actio furti und die rei vindicatio31 gegen den fur erheben, sondern auch die condictio. Insofern spricht man von der sog. condictio ex causa furtiva. Die Klage ist (wie in jedem Anwendungsfall der Kondiktion) auf den einfachen Sachwert gerichtet32; hierzu ist aber eine Formel auf dare oportere erforderlich33, sodass in diesem Fall von einem untechnischen Gebrauch des dare oportere in der Klageformel die Rede ist34. Auf dieser Quelle beruht die Meinung, dass es für die Zulässigkeit der condictio zwei Begründungstatbestände gebe35, und zwar die datio rei (Eigentumsübertragung) als normaler und allgemeiner Fall und das furtum als Ausnahmefall36. Die Aus25

XII Tab. 8,17; Gai. 2,45 und 49; D. 41,3,33pr. (Iul. 44 dig.) für die lex Atinia. Ausführlich zur Zulässigkeit der condictio gegen den Dieb Bossowski [1927] S. 343 ff.; Pika [1988]. Ferner Saccoccio [2002] S. 5 ff.; Hähnchen [2003] S. 111 ff. 27 Hähnchen [2003] S. 111. 28 Zum sog. odio furum vgl. D’Ors [1965b] S. 453 ff. 29 In diesem Sinne Siber [1936] S. 259 (Fn. 47). Für die „Absurdität“ dieser Erklärung der condictio ex causa furtiva Levy [1918] S. 282 (Fn. 3): „(...) am besten läßt man aber diese Stelle hier überhaupt beiseite, da die Heranziehung des odium furum einen Verzicht auf jede historische Erklärung bedeutet.“ Donatuti [1951] S. 42 (Fn. 36) gibt zu, dass der jurisprudenzielle Ursprung der condictio ex causa furtiva in einer Anomalie bestehen könne, da die Jurisprudenz eine Quelle von ius singulare gewesen sei. 30 Vgl. Daube [1947] S. 292. 31 Nach Voci [2005] S. 18 ist das nützlich, wenn die Herausgabe der Sache möglich ist. Wenn der fur die Sache nicht mehr hat, gibt es gegen ihn nichts zu vindizieren. 32 Siehe nur Kaser [1935] S. 120 ff. 33 Gai. 4,41. Andernfalls würde der Eigentümer weniger Ersatz für seine verlorene Sache bekommen, zum Beispiel wenn die Klage auf dem Verlust nur des Besitzes beruht; D. 4,2,21,2 (Paul. 11 ad ed): (…) aestimatur enim quod restitui oportet, id es quod abest (...). Vgl. Hähnchen [2003] S. 113. 34 Hähnchen [2003] S. 112. 35 Vgl. etwa Harke [2003] S. 50 ff.; Hähnchen [2003] S. 111 ff. 36 Nach Ansicht von D’Ors [1953] S. 151 stellt das furtum keine Ausnahme zum klassischen Regime der Kondiktion dar, da bei der litis contestatio der Betroffene auf die rei vindicatio verzichtet und daher das Eigentum an der gestohlenen Sache verloren hätte. Unter diesen Umständen sei der Dieb auf dare im rechtstechnischen Sinne verpflichtet, denn er enthält die Sache in seinem Vermögen ohne Rechtsgrund (causa retinendi) vor. Diese Ansicht hat in der Lehre keine Annahme gefunden. 26

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nahme bestätigt jedenfalls die Regel; Gaius geht davon aus, dass die Kondiktion wegen Diebstahls besonders gerechtfertigt werden muss, da ihr keine datio rei zugrunde liegt. Ebenso eindeutig drückt sich Gaius aus in: Gai. 2,204: Quod autem ita legatum est, post aditam hereditatem, etiamsi pure legatum est, non, ut per uindicationem legatum, continuo legatario adquiritur, sed nihilo minus heredis est: et ideo legatarius in personam agere debet, id est intendere heredem sibi dare oportere, et tum heres rem, si mancipi sit, mancipio dare aut in iure cedere possessionemque tradere debet; si nec mancipi sit, sufficit, si tradiderit. nam si mancipi rem tantum tradiderit nec mancipauerit, usucapione demum pleno iure fit legatarii. completur autem usucapio, sicut alio quoque loco diximus, mobilium quidem rerum anno, earum uero, quae solo teneantur, biennio. Und zwar wird das, was derart vermacht worden ist, und auch, wenn es unbedingt vermacht ist, nach dem Erbschaftsantritt nicht wie bei einem Vermächtnis mit dinglicher Wirkung unmittelbar durch den Vermächtnisnehmer erworben, sondern gehört trotzdem dem Erben. Und daher muss der Vermächtnisnehmer eine schuldrechtliche Klage anstrengen, das heißt im Klagantrag erklären, dass der Erbe verpflichtet ist, es ihm zu übereignen; und dann muss der Erbe , wenn es eine Manzipiumsache ist, manzipieren oder gerichtlich abtreten und den Besitz übertragen; ist es eine Nicht-Manzipiumsache, so genügt die formlose Übereignung. Wenn er nämlich eine Manzipiumsache lediglich formlos übereignet und nicht manzipiert, so gelangt sie erst durch Ersitzung in das unbeschränkte Eigentum des Vermächtnisnehmers. Und zwar wird die Ersitzung, wie an anderer Stelle auch gesagt, bei beweglichen Sachen in einem Jahr, aber bei solchen Sachen, die zu Grund und Boden gehören, in einem Zeitraum von zwei Jahren vollendet.37

Im zitierten Text wird gesagt, dass es zwei Arten gibt, wie der Erbe seine Obligation auf dare (dare oportere) erfüllen kann, und zwar die mancipatio oder die in iure cessio, wenn es sich um eine res mancipi handelt, oder die traditio (formfreie Übereignung), wenn die Sache nec mancipi ist. Aus dem Gesagten resultiert, dass ein dare oportere sich ausschließlich durch Eigentumsübertragung als erfüllt betrachten lässt, sei es förmlich oder formfrei gemäß der Natur der geschuldeten Sache. Diese Ansicht entspricht genau der Bedeutung von dare rem in sonstigen Quellen der klassischen Jurisprudenz.38 Dare war in klassischer Zeit technischer Begriff für die Verschaffung zivilrechtlichen Eigentums (dare rem) oder von „beschränkten dinglichen Rechten an fremder Sache“ (dare ius).39 Fragmente von der früh- bis zur spätklassischen Zeit stimmen hierin völlig überein. So etwa bringt Labeo zum 37

Ich stütze mich in der deutschen Übersetzung auf diejenige von Manthe [2004] S. 189. Weitere Angaben dazu bei Grosso [1955] S. 19 ff.; Pastori [1985] S. 131 ff. 39 Vgl. Stock [1932] S. 1; Grosso [1955] S. 26 ff.; Pastori [1985] S. 140 ff. Näheres zu den sog. iura in re aliena bei Wubbe [1965] S. 333 ff.; Giuffrè [1992] S. 113 ff.; unlängst Baldus [2014] S. 61 ff. 38

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Ausdruck, dass die Übergabe eines Sklaven durch den Erben keine wirkliche datio und damit keine Vermächtniserfüllung darstellt, wenn der Sklave evinziert wird.40 Der Grund für die Entscheidung Labeos liegt darin, dass in einem solchen Fall keine Eigentumsübertragung stattgefunden hat, andernfalls ließe sich der Sklave nicht evinzieren (...quia non videtur heres dedisse, quod ita dederat, ut habere non possis). Von derselben Idee geht Pomponius aus, wenn er sagt, dass die Übergabe eines fremden Sklaven den Schuldner nicht befreit, wenn der Leistungsgegenstand in der datio des Sklaven besteht.41 Da das Eigentum des Gebers an der Sache die logische Voraussetzung für ihre Übereignung bildet42, ist die Übergabe eines fremden Sklaven kein dare rem. In ähnlichem Sinne sagt Paulus, dass die Sache, die zu der Zeit, zu der sie hingegeben wird, nicht ins Eigentum des Empfängers übergeht, nicht als data angesehen wird: non videntur data, quae eo tempore quo dentur accipientis non fiunt.43 Bezeichnenderweise wurde diese Stelle durch die Kompilatoren in die „Regeln des alten Rechts“ eingeführt. Ulpian sagt ebenfalls, dass die Stipulation fundum Tusculanum dari die Verpflichtung bedeutet, das Grundstück zu übereignen (...ut dominium omnimodo efficiatur stipulatoris quoquo modo).44 Papinian unterscheidet in Bezug auf eine Stipulation zwischen dare rem und der Verschaffung der vacua possessio.45 Daraus darf man schließen, 40

D. 32,29,3 (Lab. 2 post. a Iav. epit.): Si heres tibi servo generaliter legato Stichum tradiderit isque a te evictus fuisset, posse te ex testamento agere Labeo scribit, quia non videtur heres dedisse, quod ita dederat, ut habere non possis (...). Vgl. D. 21,2,58 (Iav. 1 ex Plaut.); D. 30,71,1 (Ulp. 51 ad ed.). 41 D. 17,1,47,1 (Pomp. 3 ex Plaut.): Si is, qui pro te hominem dare fideiussit, alienum hominem stipulatori dederit, nec ipse liberatur nec te liberat et ideo mandati actionem tecum non habet. sed si stipulator eum hominem usuceperit, dicendum esse Iulianus ait liberationem contingere: eo ergo casu mandati actio post usucapionem demum tecum erit. Der Schuldner wird also nur befreit, wenn der Empfänger den hingegebenen Sklaven ersitzt, denn nur dann wird der Gläubiger Eigentümer. 42 So nach der in D. 50,17,54 (Ulp. 46 ad ed.) formulierten Regel nemo plus iuris ad alium transferre potest, quam ipse haberet. 43 D. 50,17,167pr. (Paul. 49 ad ed.). 44 D. 45,1,75,10 (Ulp. 22 ad ed.): Haec stipulatio: ‘fundum tusculanum dari?’ ostendit se certi esse, continetque, ut dominium omnimodo efficiatur stipulatoris quoquo modo. Quoquo modo besteht sehr wahrscheinlich in einer Bearbeitung durch die Kompilatoren, um einen konkreten Hinweis auf die mutui datio oder die in iure cessio zu ersetzen. In diesem Sinne vgl. Grosso [1955] S. 19. 45 D. 22,1,4pr. (Pap. 27 quaest.): Si stipulatus sis rem dari vacuamque possessionem tradi, fructus postea captos actione incerti ex stipulatu propter inferiora verba consecuturum te ratio suadet. an idem de partu ancillae responderi possit, considerandum est. nam quod ad verba superiora pertinet, sive factum rei promittendi sive effectum per traditionem dominii transferendi continent, partus non continetur: verum si emptor a venditore novandi animo ita stipulatus est, factum tradendi stipulatus intellegitur, quia non est verisimile plus venditorem promisisse, quam iudicio empti praestare compelleretur. sed tamen propter illa verba ‘vacuamque possessionem tradi’ potest dici partus quoque rationem committi incerti stipulatione: etenim ancilla tradita partum postea editum in bonis suis reus stipulandi habere

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dass die Stipulation über dare rem die Verpflichtung bedeutet, das Eigentum an der Sache zu übertragen. Das Eigentum muss jedenfalls vollständig und unwiderruflich übertragen sein, sonst gilt die dare-Pflicht als nicht erfüllt.46 Aus dem Gesagten darf man herleiten, dass dare rem sich im nostrum facere verwirklicht, und zwar in der Verschaffung zivilrechtlichen Eigentums an der hingegebenen Sache. Wenn die Sache nicht ins Eigentum des Empfängers übergeht, kann man immer noch die jeweilige Klage erheben, um den Anspruch auf dare rem geltend zu machen, weil die geschuldete Leistung nicht erbracht worden ist. Daher ist datio rei als die Hingabe, wodurch das Eigentum tatsächlich übertragen wird, zu betrachten, und nicht einfach als die Handlung des Schuldners an sich: Es geht um die Verbindung zwischen einer Handlung (Sachhingabe) und einem Ergebnis (Eigentumsübertragung). 47 Dare rem stellt eine rechtlich qualifizierte Handlung dar. Wenn man das dare isoliert und untechnisch berücksichtigt, lässt es sich wohl als Hingabe im allgemeinen Sinne bezeichnen. Das ist aber nicht der Inhalt des dare oportere, welches die technisch-schuldrechtliche Bedeutung von dare rem bestimmt: Datio rei oder dare rem besteht in der Erfüllung einer Verpflichtung durch eigentumsverschaffende Sachüberlassung. Re contrahitur obligatio hat in den Institutionen des Gaius eine präzise Bedeutung, und zwar die Obligationskontrahierung durch datio rei. Anders ausgedrückt: Re contrahere ist die Schuldverhältnisbegründung durch Sachübereignung. Das Gesagte erscheint deutlich in Gai. 3,90, der Stelle der Institutionen, in der Gaius die Struktur der obligatio re contracta erörtert. Prägnant unterrichtet uns Gaius, dass die obligatio re contracta nämlich durch Darlehensgewährung begründet wird: re contrahitur obligatio velut mutui datione. Den römischen „Realvertrag“ identifiziert man also mit dem mutuum. Dass die mutui datio den Übergang der hingegebenen vertretbaren Sa-

potuisset. Der Jurist unterscheidet zwischen einer datio rei (Verschaffung zivilrechtlichen Eigentums) und der Verschaffung der vacua possessio. Hierzu vgl. Pastori [1994] S. 291. 46 Siehe D. 31,66,6 (Pap. 17 quaest.) und D. 46,3,38,3 (Afr. 7 quaest.) hinsichtlich eines Nießbrauches an dem hingegebenen Gegenstand; D. 46,3,20 (Pomp. 22 ad Sab.) und D. 46,3,98pr. (Paul. 15 quaest.) in Bezug auf eine bereits verpfändete Sache; nochmals D. 46,3,98pr. (Paul. 15 quaest.) und weiter D. 45,1,83,6 (Paul. 72 ad ed.) bezüglich eines Legats per vindictationem sub condicione; D. 12,6,63 (Gai. l.s. de cas.); D. 46,3,38,3 (Afr. 7 quaest.) und nochmals D. 46,3,98pr. (Paul. 15 quaest.) für die Hingabe eines statuliber. Vgl. Grosso [1955] S. 21 ff. 47 Zutreffend Pastori [1985] S. 133, 139: „La lettura delle fonti relative al significato di dare consente di raffigurare in un comportamento personale e, altresì, nel risultato che lo stesso determina, il contenuto della prestazione, la cui struttura pertanto si risolve nella connessione di tali elementi. Questi, in quanto contribuiscono a conferire identità alla prestazione, non sono separabili, dacchè il risultato appare come la proiezione del comportamento. La prestazione si configura come un atto unito da un nesso causale a un risultato, causa il primo, effetto il secondo.“

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chen ins Eigentum des Empfängers mit sich bringt, ist unbestreitbar.48 Anschließend teilt uns Gaius mit (Gai. 3,91), dass auch die solutio indebiti den Entstehungsgrund einer Realobligation bildet. Wie das Darlehen besteht die Zahlung einer Nichtschuld in einer datio rei; die solutio indebiti kommt im Rahmen der Obligationen auf dare in Betracht (...si paret eum dare oportere). Die Zahlung einer Nichtschuld wird sozusagen als die nichtvertragliche Widerspiegelung des Darlehens angesehen (...ac si mutuum accepisset). Beide Institute unterscheiden sich darin, dass die solutio indebiti gar kein contrahere und daher auch kein re contrahere darstellt, da, wer eine nicht bestehende Verpflichtung irrtümlich leistet, eher eine obligatio auflösen als begründen will (distrahere statt contrahere). Deswegen spricht Gaius diesbezüglich im Allgemeinen von dem accipiens, der „aufgrund einer Sache“ eine Verpflichtung zur Rückgewähr eingeht (re obligatur), nicht aber von der Kontrahierung eines Schuldverhältnisses „durch eine Sache“ (re contrahitur obligatio). Die solutio indebiti ist folglich Entstehungsgrund einer Realobligation, weil ihr eine datio rei zugrunde liegt, nicht aber einer Obligation aus Vertrag.49 Bei der solutio indebiti wird eine Verbindlichkeit geschaffen, die auf die Rückgewähr der vom Nehmer in Empfang genommenen Sache gerichtet ist, aber man kann nicht von re contrahitur obligatio sprechen, da das contrahere fehlt. Aus alldem darf man folgern, dass die datio rei das Wesen der Realobligation darstellt50: Unter re contrahere ist die „Schuldverhältnisbegründung durch Übertragung des Eigentums an einer Sache“ zu verstehen. Das vertragliche Schuldverhältnis, welches nicht durch eine datio rei begründet wird, bildet in diesem Schema kein re contrahere, auch wenn der Schuldbegründungstatbestand mit einer Sache verbunden ist, wie das bei der ohne dinglichen Bezug erfolgenden Sachüberlassung bei Leihe, Verwahrung und Pfand der Fall ist.51 2. Darlehen als Realobligationsentstehungsgrund a) Grundzüge. Sachübereignung Ausgangspunkt zur Bestimmung der Realobligationsstruktur im klassischen römischen Recht ist Gai. 3,90.

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Gai. 3,90: (…) unde etiam mutuum appellatum est, quia quod ita tibi a me datum est, ex meo tuum fit; gleichsinnig D. 12,1,2,2 (Paul. 28 ad ed.): Appellata est autem mutui datio ab eo, quod de meo tuum fit: et ideo, si non fiat tuum, non nascitur obligatio. Zur Vertretbarkeit der als Darlehen hingegebenen Sachen siehe nur Rüfner [2000] S. 32 ff. 49 Ausführlich dazu unten § 4 A III. 50 Vgl. Viard [1939] S. 42. 51 Dazu s.u. § 4 A IV2.

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Gai. 3,90: Re contrahitur obligatio velut mutui datione; mutui autem datio proprie in his fere rebus contingit, quae [res] pondere, numero, mensura constant, qualis est pecunia numerata, uinum, oleum, frumentum, aes, argentum, aurum; quas res aut numerando aut metiendo aut pendendo in hoc damus, ut accipientium fiant et quandoque nobis non eaedem, sed aliae eiusdem naturae reddantur. unde etiam mutuum appellatum est, quia quod ita tibi a me datum est, ex meo tuum fit. Durch Sachübereignung wird eine Obligation zum Beispiel/nämlich durch Darlehensgewährung begründet; im eigentlichen Sinne findet für diejenigen Sachen statt, welche in Gewicht, Zahl oder Maß bestehen, wie es Bargeld, Wein, Öl, Getreide, Erz, Silber und Gold sind; diese Sachen geben wir durch Zuzählung, Zumessung oder Zuwiegung mit der Absicht hin, dass sie Eigentum der Empfänger werden und uns später nicht dieselben Sachen, sondern andere derselben Beschaffenheit zurückgegeben werden. Daher wird das Geschäft „mutuum“ genannt, weil das, was derart dir von mir übereignet worden ist, „ex meo tuum“ (aus dem Meinigen zum Deinigen) wird.52

Die gaianische Darstellung der mutui datio entspricht der klassischen Struktur des Geschäftes, wie eine Stelle des Paulus bezeugt.53 Das klassische Darlehen, Grundlage des römischen Kreditverkehrs, besteht in der Sachübereignung einer bestimmten Geldsumme in Münzen (pecunia numerata) oder einer bestimmten Menge von anderen vertretbaren Sachen (res, quae pondere numero mensura constant)54, die in der Regel (aber nicht begriffsnotwendig) auch verbrauchbar sind55, mit der Abrede, dass die gleiche Geldsumme oder die gleiche Menge von Sachen derselben Gattung und Güte (gattungsmäßige Rückerstattung: tantundem eiusdem generis) zurückgegeben werden muss.56 52

Ich stütze mich in der deutschen Übersetzung auf diejenige von Manthe [2004] S. 255. D. 12,1,2,1 (Paul. 28 ad ed.): Mutui datio consistit in his rebus, quae pondere numero mensura consistunt, quoniam eorum datione possumus in creditum ire, quia in genere suo functionem recipiunt per solutionem quam specie: nam in ceteris rebus ideo in creditum ire non possumus, quia aliud pro alio invito creditori solvi non potest. Nach Ansicht von Nelson/Manthe [1999] S. 81 dürfte die Definition „im juristischen Schulbetrieb von der einen Generation auf die andere tradiert worden sein“. 54 Zur Geschichte der vertretbaren Sachen siehe nur Rüfner [2000] insbes. S. 24-73 für das römische Recht (dazu Baldus [2003] S. 212 ff.). 55 Vgl. Rüfner [2000] S. 32 ff.; Varvaro [2008] S. 24 ff. 56 Vgl. D. 12,1,2pr.-1 (Paul. 28 ad ed.); D. 44,7,1,2 (Gai. 2 res cott.); I. 3,14pr.; Gai Ep. 2,9,1. Überblick bei Kreller [1935] S. 571 ff.; Longo [1964] S. 1048 ff.; Kaser [1971] S. 530 ff.; Giuffrè [1977] S. 414 ff.; Zimmermann [1996] S. 153 ff.; Harke [2008] S. 162 ff.; Honsell [2010] S. 118 ff.; Kaser/Knütel [2014] S. 230 ff. Klassisch die Darstellung von Huschke [1882]. Näheres hierzu bei Jung [2002] S. 52 ff. (dazu Gröschler [2005] S. 184 ff.); Giuffrè [1989]; von Lübtow [1965] S. 15 ff.; Viard [1939]; Longo [1933a]. Die in D. 12,1,2,pr.-2 skizzierte Struktur des Darlehens entspricht gerade der gaianischen Formulierung: Übereignung von vertretbaren Sachen und gattungsmäßige Rückgabepflicht des Darlehensnehmers. Kaum verständlich ist deshalb die nicht bewiesene Aussage von Saccoccio [2002] S. 490, dass der gaianische Text „presenta invece una struttura completamente diversa da quella posta quasi in apertura della pars de rebus del Digesto (Paul., 28 ad ed. in D.12,1,2,1)“. 53

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Hierauf beruht die Pseudoetymologie mutuum = quod ex meo tuum fit.57 Schuldbegründender Tatbestand ist der Eingang der als Darlehen übereigneten Sachen in das Vermögen des Nehmers, und zwar die datio rei.58 Ohne Verschaffung zivilrechtlichen Eigentums entsteht keine Realobligation: Das Schuldverhältnis wird nämlich durch die Sachübereignung „kontrahiert“ (Gai. 3,89-90).59 Mit Viard kann man sagen, dass der Darlehensvertrag im Wesentlichen in der datio besteht.60 In diesem Sinne teilt Paulus mit, dass ohne Vermögensverschiebung kein Darlehensschuldverhältnis begründet wird: si non fiat tuum, non nascitur obligatio.61 Deshalb ist die Darlehensgewährung an fremden Sachen unwirksam.62 Dasselbe gilt für den Fall, dass es dem Darlehensgeber nicht gestattet ist, die hingegebenen Sachen zu veräußern (zum Beispiel die Darlehensgewährung durch ein Mündel ohne Zustimmung des Vormundes).63 Die erwähnte Struktur bedeutet, dass vor der Sachübereignung – dem sog. „realen Moment“ – kein Anspruch für den Nehmer entsteht, da noch keine Schuldbeziehung mit dem Darlehensgeber existiert. Dementsprechend darf der Geber vor der mutui datio keine Rückgewähr von dem Nehmer fordern, weil nicht zurückgegeben werden kann, was noch nicht in Empfang genommen worden ist. Um einen modernen dogmatischen Ausdruck anzuwenden, darf man sagen, dass die Auszahlung als Darlehen contrahendi causa wirkt, denn sie ist auf die Begründung des Schuldverhältnisses gerichtet: Erst mit der Eigentumsübertragung an den betroffenen Sachen entsteht

Warum die Darlehensdarstellung des Paulus „völlig unterschiedlich“ von derjenigen des Gaius ist und worin der angebliche Unterschied besteht, wird von Saccoccio einfach nicht gesagt. Abgesehen vom Gebrauch unterschiedlicher Verben und von Sprachstileigentümlichkeiten der Juristen ist sowohl bei Gaius als auch bei Paulus dieselbe Schuldverhältnisstruktur dargestellt. 57 Gai. 3,90 in fine; D. 12,1,2,2 (Paul. 28 ad ed.): Appellata est autem mutui datio ab eo, quod de meo tuum fit: et ideo, si non faciat tuum, non nascitur obligatio. Siehe auch Varr., ling. lat. 5,179. Vgl. etwa Schulz [1954] S. 508; von Lübtow [1965] S. 15; Carcaterra [1966] S. 147; Giuffrè [1977] S. 415 (Fn. 1); Jung [2002] S. 86 ff. Voci [2004] S. 431 (Fn. 3) spricht von einer „fantasiosa etimologia“. 58 Vgl. etwa De Francisci [1916] S. 394, 398 ff.; Perozzi [1928] S. 29; Kreller [1935] S. 573; Giuffrè [1977] S. 434; ders. [1989] S. 70; Talamanca [1990a] S. 541. 59 Vgl. auch Gai. 3,131. 60 Viard [1939] S. 42: „Le contrat de prêt est essentiellement une datio. Le transfert constitue à lui seul la base de l’obligation.“ 61 D. 12,1,2,2 (Paul. 28 ad ed.). Zur Begründung des Darlehensschuldverhältnisses durch traditio brevi manu siehe D. 12,1,9,9 (Ulp. 27 ad ed.). Vgl. auch D. 17,1,34pr. (Afr. 8 quaest.). 62 Ausdrücklich Paulus in D. 12,1,2,4 (Paul. 28 ad ed.): In mutui datione oportet dominum esse dantem (...). Vgl. Longo [1964] S. 1048; Giuffrè [1977] S. 432; ders. [1989] S. 74; Roset [1994] S. 234. 63 Vgl. Gai. 2,82; 2,84; D. 12,1,19,1 (Iul. 10 dig.); UE 11,27; I. 2,8,2.

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ein Darlehensvertrag und geht folglich der Darlehensnehmer die Rückgewährpflicht ein.64 Gegenstand der Darlehensgewährung sind nur vertretbare Sachen: mutui autem datio proprie in his fere rebus contingit, quae [res] pondere, numero, mensura constant.65 Dafür bietet Gaius als Beispiele das Geld – vertretbare Sache schlechthin – und sonstige für die römische Wirtschaft bedeutende landwirtschaftliche sowie metallische Produkte. Sie sind in der Regel auch verbrauchbar, obwohl beide Klassen von Sachen begrifflich unterschieden werden müssen, da die vertretbaren Sachen durch ihren Gebrauch nicht unbedingt aufgebraucht werden.66 Die Vertretbarkeit der Gegenstände ist eine logische Folge des wirtschaftlichen Zwecks der mutui datio, denn er wird durch die Eigentumsübertragung an den als Darlehen hingegebenen Sachen (normalerweise Geld) befriedigt (...ut accipientium fiant): quia tunc nummi, qui mei erant, tui fiunt67. Die vertretbare Natur der Darlehensgegenstände bewirkt, dass sie ins Eigentum des Darlehensnehmers übergehen68: Die Übergabe von vertretbaren Sachen mit der Abrede, dass die res ipsa zurückgegeben werden muss, ist kaum verständlich; sie ist theoretisch möglich, entspricht aber nicht der wirtschaftlichen Rolle des Geschäftes und bildet daher keinen Darlehensvertrag.69 Die Notwendigkeit der Eigentumsübertragung ist

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Daher ist das Versprechen einer künftigen Darlehensgewährung nur klagbar, wenn eine Stipulation (in faciendo) eintritt. So nach D. 45,1,68 (Paul. 2 ad ed.). Vgl. Talamanca [1990a] S. 540. 65 Dazu vgl. vor allem Rüfner [2000] S. 32 ff.; Varvaro [2008] S. 30 ff. Außer Gai. 3,90 findet man diese Redeweise bei Gaius noch in Gai. 2,196 in Bezug auf das Vermächtnis per vindicationem: (…) res quae pondere numero mensura constant (...); in Gai. 3,175 über das Vermächtnis per damnationem im Rahmen der Novation: (…) quod pondere numero constet (…) quod mensura constat (...), in D. 18,1,35,5 (Gai. 10 ad ed. prov.): In his quae pondere numero mensurave constant, und in D. 23,3,42 (Gai. 11 ad ed. prov.): Res (…) quae pondere numero mensura constant. Ähnlich D. 13,3,1pr. (Ulp. 27 ad ed.): (…) res (…) quae (…) praeter pecuniam numeratam, sive pondere sive in mensura constent (...); D. 35,2,30,3 (Maec. 8 fideic.): (…) his (…) quae pondere numero mensura constant (...); Ulp., Fr. Vindob. 2,1 (= FIRA pars altera, S. 306): (…) Mutuae autem dari possunt res non aliae, quam quae pondere numero mensura continentur. Siehe ferner D. 14,6,7,3 (Ulp. 29 ad ed.) über den Anwendungsbereich des SC Macedonianum. Weitere Angaben hierzu bei Giuffrè [1989] S. 75; Jung [2002] S. 52 ff. Es ist bemerkenswert, dass Gaius immer das Verb constare benutzt. Paulus gebraucht das Verb consistere statt constare; D. 12,1,2,1 (Paul. 28 ad ed.): (…) quae pondere numero mensura consistunt (...). In diesem Kontext ist die Kernbedeutung beider Ausdrucksweisen dieselbe. 66 Näheres dazu bei Varvaro [2008] S. 24 ff. 67 D. 17,1,34pr. (Afr. 8 quaest.). 68 Vgl. Rüfner [2000] S. 32. 69 D. 12,1,2pr. (Paul. 28 ad ed.): Mutuum damus recepturi non eandem speciem quam dedimus (alioquin commodatum erit aut depositum), sed idem genus (…). Vgl. auch D. 12,1,18,1 (Ulp. 7 disp.).

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demnach keine bloße theoretische Konstruktion der Römer, sondern die Folge der Funktion des Darlehens im Rechtsverkehr.70 Auf jeden Fall darf man die Rolle des Willens der Parteien nicht unterbewerten. Eine datio kann unterschiedliche causae haben, weswegen sie nicht unbedingt eine Rückgewährpflicht begründet.71 Das ist der Fall etwa bei der Schenkung, da wer schenkt, so gibt, dass er nicht zurückerhält.72 Die mutui datio enthält in sich den übereinstimmenden Parteiwillen, die konkreten Rechtseffekte dieses Vertrages herbeizuführen (quod actum)73; die Sachübereignung wird von den Parteien (inter consentientes)74 juristisch qualifiziert, um die Rückgewährpflicht credendi causa zu begründen (...ut obligatio constituatur)75. Wie Julian uns berichtet, verpflichtet nicht jede Auszahlung den 70

Vgl. von Lübtow [1965] S. 15. Vgl. nur Giuffrè [1989] S. 71. 72 D. 43,26,1,2 (Ulp. 1 inst.): (…) qui donat, sic dat, ne recipiat (…). Die Schenkung ist im klassischen römischen Recht kein Verpflichtungsgeschäft, sondern nur ein Rechtsgrund (causa donandi), der die jeweilige Zuwendung rechtfertigt. Erst durch ein Gesetz Konstantins (FV 249) wurde die Schenkung ein selbstständiges Geschäft. Dazu vgl. Archi [1958] S. 391 ff.; monografisch ders. [1960]. Überblick bei Kaser [1971] S. 601 ff.; Zimmermann [1996] S. 477 ff.; Harke [2006] S. 11; ders. [2008] S. 173 ff.; Kaser/Knütel [2014] S. 281 ff. Zur Beziehung zwischen donare und negotium gerere siehe nur Archi [1971] S. 669 ff. Die donatio setzt die Einigung von Schenker und Beschenktem über die Unentgeltlichkeit und insbesondere den sog. animus donandi des Schenkers voraus. Siehe D. 39,5,1 (Iul. 17 dig.); D. 39,5,34pr. (Paul. 5 sent.); C. 5,3,1 (Sev. et Ant., s.a.); C. 5,15,2 (Alex., a. 229); C. 5,16,16 (Diocl. et Max., a. 291). Pringsheim [1921] S. 273 ff. hält die Hinweise auf den animus donandi überall für unecht. Für die in der modernen Romanistik überwiegend angenommene Echtheit dieser Hinweise siehe Biondi [1947] S. 133 ff.; ders. [1955] S. 692 ff.; Archi [1951] S. 109 ff.; ders. [1960] S. 33 ff.; Broise [1964] S. 227 ff.; ders. [1975] S. 40 ff. Perozzi [1928] S. 722 identifiziert den animus donandi mit der causa donationis. Die causa donationis kann wohl als objektives Element der Schenkung (die Freigebigkeit an sich) betrachtet werden, während der animus das subjektive Element bildet. 73 Der praktische Zweck der Parteien wurde von den Römern als id quod actum est bezeichnet. In diesem Sinne Kaser [1954] S. 238: „Den Klassiker interessiert hier immer nur die Frage ‚quid actum sit’, also was wirklich der durch Auslegung zu ermittelnde Inhalt des Rechtsgeschäfts ist.“ Ausführlich dazu Pringsheim [1961] S. 1 ff.; jüngst Babusiaux [2006] insbes. S. 59 ff. Zum quod actum hinsichtlich der mutui datio vgl. Longo [1933a] S. 10 ff.; Kreller [1935] S. 573; Viard [1939] S. 7, 45 ff.; Raber [1965] S. 58 ff.; Sacconi [1987] S. 423; Giuffrè [1989] S. 70 ff.; Zimmermann [1996] S. 156 ff. 74 D. 12,1,32 (Cels. 5 dig.): Si et me et titium mutuam pecuniam rogaveris et ego meum debitorem tibi promittere iusserim, tu stipulatus sis, cum putares eum titii debitorem esse, an mihi obligaris? subsisto, si quidem nullum negotium mecum contraxisti: sed propius est ut obligari te existimem, non quia pecuniam tibi credidi ( hoc enim nisi inter consentientes fieri non potest): sed quia pecunia mea ad te pervenit, eam mihi a te reddi bonum et aequum est. 75 Ausdrücklich in diesem Sinne Paulus in D. 44,7,3,1 (Paul. 2 inst.): Non satis autem est dantis esse nummos et fieri accipientis, ut obligatio nascatur, sed etiam hoc animo dari et accipi, ut obligatio constituatur. itaque si quis pecuniam suam donandi causa dederit mihi, quamquam et donantis fuerit et mea fiat, tamen non obligabor ei, quia non hoc inter nos actum est. Gleichsinnig D. 12,1,19pr. (Iul. 10 dig.). Vgl. auch D. 12,1,18pr.-1 (Ulp. 7 disp.). Hieraus ergibt sich deutlich, welche Rolle die Einigung der Parteien zur Begründung eines 71

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Empfänger, sondern nur die, welche auf die Begründung einer Rückzahlungsverpflichtung zweckgerichtet ist (sed quotiens id ipsum agitur).76 Der Umstand einer Geldauszahlung verpflichtet den Empfänger nicht ohne Weiteres zur Rückzahlung, sondern nur, wenn die Zweckbestimmung darauf gerichtet ist (...quia non hoc inter nos actum est).77 Insofern integriert man die datio rei als Begründungselement des Schuldverhältnisses durch eine Zweckabrede, die an sich keinen selbstständigen subjektiven Tatbestand bildet.78 Darlehensvertrages spielt. In D. 44,7,3pr. wird festgestellt, dass das Wesen der Obligationen (obligatiunum substantia) darin liegt, dass jemand sich auf dare, facere oder praestare verpflichtet (vgl. Gai. 4,2). Hier handelt es sich zweifellos um eine allgemeingültige Aussage für alle Schuldverhältnisse. Dann kommt der erste Paragraf, welcher mit dem Satz non satis autem est („es reicht aber nicht aus“) auf den Begründungstatbestand des Darlehensschuldverhältnisses hinweist. Dadurch hat Paulus vor, die sowohl eigentumsübertragende als auch rückgabepflichtsbegründende Absicht der Parteien betonen, da ohne sie keine wirkliche mutui datio begründet werden kann: Non satis autem est (…) sed etiam hoc animo dari et accipi, ut obligatio constituatur. Auf diese Weise unterscheidet man im Text zwischen dem Darlehen, wodurch die Erstattungspflicht des Nehmers begründet wird, und der Schenkung, bei der der Beschenkte außerhalb bestimmter Bedingungen auf keine Rückgabe verpflichtet ist: ...itaque si quis pecuniam suam donandi causa dederit mihi (…) tamen non obligabor ei. 76 D. 12,1,19pr. (Iul. 10 dig.): Non omnis numeratio eum qui accepit obligat, sed quotiens id ipsum agitur, ut confestim obligaretur. nam et is, qui mortis causa pecuniam donat, numerat pecuniam, sed non aliter obligabit accipientem, quam si exstitisset casus, in quem obligatio collata fuisset, veluti si donator convaluisset aut is qui accipiebat prior decessisset (...). Vgl. auch D. 12,1,20 (Iul. 18 dig.); D. 12,1,18pr.-1 (Ulp. 7 disp.). Wie Babusiaux [2006] S. 60 bemerkt, betont Julian, dass nicht jede Auszahlung den Empfänger verpflichtet, „sondern nur die, mit der bezweckt werde (sed quotiens id ipsum agitur), ihn sofort zu verpflichten“. Der Text Julians behandelt Auslegungsfragen in Bezug auf die Entstehung einer mutui datio. Der hochklassische Jurist bezieht sich beispielsweise auf die Schenkung von Todes wegen (donatio mortis causa), um zu erklären, dass nicht jede numeratio den Nehmer verpflichtet. Was die Schenkung von Todes wegen angeht, weisen die Quellen überwiegend (obwohl nicht immer ausdrücklich) auf eine datio hin, die auf jeden Fall vom Willen des Erblassers rechtlich qualifiziert werden muss. Siehe zum Beispiel D. 22,1,38,3 (Paul. 6 ad Plaut.); D. 32,3,3 (Ulp. 1 fideic.); D. 39,6,37,1 (Ulp. 15 ad leg. Iul. et Pap.); D. 39,6,39 (Paul. 17 ad Plaut.); D. 39,6,42pr. (Pap. 13 resp.). Ausführlich dazu Di Paola [1950] S. 50 ff. Die spezifische Motivation der Schenkung von Todes wegen wird von Marcian erläutert; D. 39,6,1pr. (Marci. 9 inst.): Mortis causa donatio est, cum quis habere se vult quam eum cui donat magisque eum cui donat quam heredem suum. Vgl. I. 2,7,1. Dazu vgl. Di Paola [1950] S. 133 ff.; Rodríguez Díaz [2000] S. 52 ff.; Rüger [2011] S. 21 ff. Der Schenker, der eine Geldsumme übereignet, verpflichtet den Empfänger nur bei Eintritt des Falles, auf den die Pflicht abgestellt hatte, etwa wenn der Schenker genesen ist oder der Beschenkte vorherverstorben ist. Außer diesen Fällen wird keine Erstattungsverpflichtung des Beschenkten zu entstehen gelassen. Die datio und damit das begründete Schuldverhältnis wird durch die Zielsetzung der Beteiligten bestimmt. Vgl. nur Rüger [2011] S. 232. Zur Zulässigkeit der condictio, um in diesem Fall die Rückgabe zu fordern, siehe Di Paola [1950] S. 50 ff.; Amelotti [1953] S. 141 (Fn. 145), 143 (Fn. 150); Simonius [1958] S. 144 ff.; Rodríguez Díaz [2000] S. 138 ff. 77 D. 44,7,3,1 (Paul. 2 inst.). Vgl. Simonius [1958] S. 127 ff.; Pringsheim [1961] S. 77 ff.; Kaser [1963] S. 167; ders. [1971] S. 601; Sacconi [1987] S. 427 ff.; Rüger [2011] S. 232. 78 Vgl. Longo [1933a] S. 10 ff.; Viard [1939] S. 7; Voci [1946b] S. 389; Kaser [1963] S.

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Kurz formuliert: Die Willensübereinstimmung zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer (hoc animo dari et accipi) setzt das Ziel der datio rei als Begründungstatbestand eines creditum (causa credendi)79 und bestimmt die Modalitäten der Rückgewähr80. Die Bedeutung der Ablativform re („durch eine Sache“) bezüglich der Begründung eines Schuldverhältnisses lässt sich mit erheblicher Gewissheit aus den gaianischen Institutionen sehen. In Gai. 3,90 wird die mutui datio als Vorbild, „source-type“81 der Realobligation genannt; das Darlehen bildet den Inbegriff der Realobligation. Gaius wollte gewiss die typisierenden Merkmale eines derartigen Schuldverhältnisses durch die mutui datio erklären. Zusammen mit Gai. 3,89 und Gai. 3,119a ist Gai. 3,90 der einzige Text der Institutionen, in dem ausdrücklich von der obligatio re contracta die Rede ist; allerdings wird ihre Struktur nur hier erläutert. Dass die mutui datio das strukturelle Vorbild des re obligari darstellt, erweist sich ebenso im Rahmen der Erörterung der Litteralobligation: Gai. 3,131: Alia causa est eorum nominum, quae arcaria uocantur. in his enim rei, non litterarum obligatio consistit, quippe non aliter ualent, quam si numerata sit pecunia; numeratio autem pecuniae rei facit obligationem. qua de causa recte dicemus arcaria nomina nullam facere obligationem, sed obligationis factae testimonium praebere. Eine andere rechtliche Beschaffenheit haben die sogenannten Kassenforderungen. Bei diesen besteht eine Obligation durch Sachübereignung, nicht eine Litteralobligation, da sie nur wirksam sind, wenn das Geld bar bezahlt worden ist; die bare Geldauszahlung begründet aber eine Sachübereignungsverpflichtung. Deswegen sagt man zu Recht, dass die Kassenforderungen keine Verpflichtung begründen, sondern sie bieten einen Beweis für eine bereits begründete Verpflichtung.82

Der Stelle zufolge bildet die obligatio litteris contracta eine Buchung ohne Zahlung. Soweit in das Hausbuch des Gläubigers wirkliche Zahlungen eingetragen werden, geht es nicht um Buchforderungen (nomina transscripticia), 173; von Lübtow [1965] S. 19; Stanojević [1969] S. 326; Giuffrè [1977] S. 434 ff.; ders. [1989] S. 70 ff.; Sacconi [1987] S. 423; Zimmermann [1996] S. 156 ff. Zur sog. conventio mutui vgl. Saccoccio [2011] S. 349 ff. 79 Zum mutuum als causa credendi (mutuum kommt nicht immer ausdrücklich in Betracht, aber der Bezug auf diesen Tatbestand ist offensichtlich) siehe zum Beispiel D. 12,1,2pr.-1 (Paul. 28 ad ed.); D. 12,1,8 (Pomp. 6 ad Plaut.); D. 12,1,20 (Iul. 18 dig.); D. 12,1,30 (Paul. 5 ad Plaut.); D. 12,1,41 (Afr. 8 quaest.); D. 14,1,7,1 (Afr. 8 quaest.); D. 14,3,19,3 (Pap. 3 resp.); D. 14,6,1pr. (Ulp. 29 ad ed.); D. 16,1,17pr. (Afr. 4 quaest.); D. 17,1,34pr. (Afr. 8 quaest); D. 17,1,48pr. (Cel. 7 dig.); D. 19,2,31 (Alf. 5 dig. a Paul. epit.); D. 19,5,24 (Afr. 8 quaest.); D. 20,5,12,1 (Tryph. 8 disp.); D. 24,1,50pr. (Iav. 13 epist.); D. 26,7,16 (Paul. 7 ad Sab.); D. 31,85 (Paul. 4 resp.); D. 45,1,126,2 (Paul. 3 quaest.); D. 42,5,24,2 (Ulp. 63 ad ed.). 80 Voci [2004] S. 431. 81 Viard [1939] S. 57. 82 Ich stütze mich in der deutschen Übersetzung auf diejenige von Manthe [2004] S. 273.

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sondern um Kassenforderungen (nomina arcaria).83 Diese bestehen nicht in Litteralobligationen, sondern in Realobligationen, da sie durch Geldauszahlung, also durch Sachübereignung begründet werden (...numeratio autem pecuniae rei facit obligationem)84: Die Geldauszahlung – so nach Gaius – „macht“ (im Sinne von „begründet“) das Schuldverhältnis. 85 In diesem Zusammenhang sagt er, dass die Kassenforderungen keine neue Verbindlichkeit darstellen: Die Eintragung von wirklichen Auszahlungen in das Hausbuch des Gläubigers ist kein schuldbegründender Tatbestand (arcaria nomina nullam facere obligationem); sie kann allerdings zum Beweis der Rückzahlungsverpflichtung dienen (...sed obligationis factae testimonium praebere). Die rechtliche Beschaffenheit der Realobligation wird also durch die Eintragung in den codex accepti et expensi nicht verändert. Bezeichnenderweise sind Gai. 3,90 und 3,131 die einzigen Stellen der Institutionen, in denen die Begründung einer Kontraktsobligation „durch eine Sache“ erörtert (und nicht einfach erwähnt, wie in Gai. 3,89 und 3,119a) wird, obwohl in Gai. 3,131 der rechtstechnische Ausdruck obligatio re contracta nicht angewendet wird. Man findet im gaianischen Lehrbuch überhaupt keinen anderen Text, in dem sonstige Verträge als Begründungstatbestände einer Realobligation genannt werden. In Gai. 3,90 liegt die Partikel velut vor. Sie wird gemeinhin im Sinne einer Exemplifizierung angesehen. Allerdings ist zu beachten, dass velut nicht unbedingt „beispielsweise“ bedeutet; die Partikel kann auch taxativ sein, im Sinne von „und zwar“, „nämlich“.86 Insofern darf man im Darlehen den einzigen Vertrag sehen, der eine Realobligation begründet, nicht ein bloßes Beispiel. Gleiches gilt für D. 46,3,80, wo ebenso velut(i) in Bezug auf das mutuum benutzt wird. Aus dem Kontext der mucianischen Quelle (die Auflösung der Verpflichtungen auf ein certum dare oportere) kann man folgern, dass für Q. Mucius die mutui datio den einzigen Tatbestand des re contrahere und nicht nur ein Beispiel darstellte.87

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Siehe auch TPSulp. 60-65 (= Camodeca [1999] S. 151 ff.). Dazu vgl. etwa Gröschler [1997] S. 76 ff.; Thilo [1980] S. 130 ff. 84 Vgl. Brasiello [1930] S. 581; ferner Kaser/Knütel [2014] S. 239. 85 Hier geht es nicht um den einzigen Fall, in dem Gaius sich auf die Begründung eines Schuldverhältnisses mit dem Gebrauch des Verbes „machen“ bezieht. Siehe auch Gai. 3,92: Verbis obligatio fit ex interrogatione et responsione (...); 3,128: Litteris obligatio fit ueluti in nominibus transscripticiis (...); 3,135: Consensu fiunt obligationes in emptionibus et uenditionibus, locationibus conductionibus, societatibus, mandatis. 86 Vgl. Betti [1912] S. 66; Ferrini [1929] S. 81; Voci [1946a] S. 121; Magdelain [1958] S. 96 (Fn. 219); Maschi [1971] S. 725; ders. [1973] S. 249. 87 D. 46,3,80 (Pomp. 4 ad Q. Muc.): (…) ut, cum re contraxerimus, re solvi debet: veluti cum mutuum dedimus, ut retro pecuniae tantundem solvi debeat (…). Zu dieser Quelle s.o. § 2 B II.

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Sei es, dass Gaius mit velut auf ein Beispiel hingewiesen hat, sei es, dass er zum Ausdruck bringen wollte, dass allein die Darlehensgewährung eine Realobligation begründet, identifiziert sich das re obligari mit dem durch Sachübereignung begründeten Schuldverhältnis. Das Darlehen bildet den Inbegriff des re obligari. Der einzige genannte Tatbestand, der außerhalb des Darlehens als Entstehungsgrund einer Realobligation angesehen wird, ist die ebenso auf einer Eigentumsübertragung beruhende Zahlung einer Nichtschuld, die als nicht vertraglich bezeichnet wird (Gai. 3,91). Sonstige Schuldverhältnisse kommen hinsichtlich der Begründung einer Realobligation kein einziges Mal in Betracht. Unter diesen Umständen kann man das velut in zwei unterschiedlichen Sinnen interpretieren. Als Entstehungsgrund einer vertraglichen Realobligation (obligatio re contracta) ist velut taxativ zu verstehen: Man begründet eine Realobligation aus Vertrag nämlich allein durch Darlehensgewährung (re contrahitur obligatio velut mutui datione). Als Entstehungsgrund einer Realobligation im Allgemeinen (nicht unbedingt vertraglich) lässt sich das velut als „zum Beispiel“ lesen, denn auch bei der Zahlung einer Nichtschuld geht es um eine Realobligation, obwohl sie nicht „kontrahiert“ worden ist. Deshalb spricht Gaius in diesem Hinblick – unmittelbar nach der Erörterung des Darlehens – generell von re obligatur und nicht mehr von re contrahitur obligatio. Die Behandlung der solutio indebiti als die Widerspiegelung der mutui datio im außervertraglichen Bereich nicht nur in den gaianischen Institutionen (Gai. 3,91: ...ac si mutuum accepisset...) und sonstigen Quellen klassischer Zeit88, sondern auch in den res cottidianae (...quasi ex mutui datione...)89 und noch in den Institutionen Justinians (...quasi ex contractu debere videtur...ac si mutuum illi daretur...)90, spricht maßgeblich für die Ansicht, wie unten ausführlich zu zeigen sein wird 91, dass die Erörterung der solutio indebiti als Begründungstatbestand einer (nichtvertraglichen) Realobligation sich darin erklärt, dass sie dem mutuum strukturell sehr nahesteht; daher lässt sie sich als Realobligationsentstehungsgrund betrachten. 88

Im Digestentitel 12,6 (de condictione indebiti) spricht man von der irrtümlichen Erfüllung von dare-Verpflichtungen im rechtstechnischen Sinne, zumeist hinsichtlich Geldschulden. Siehe etwa D. 12,6,15,1 (Paul. 10 ad Sab.); D. 12,6,19,2 und 4 (Pomp. 22 ad Sab.); D. 12,6,21 (Paul. 3 quaest.); D. 12,6,25 (Ulp. 47 ad Sab.); D. 12,6,26pr.-2 (Ulp. 26 ad ed.); D. 12,6,47 (Cels. 6 dig.); D. 12,6,57,1 (Pap. 3 resp.); D. 12,6,67pr. (Scaev. 5 dig.). Vgl. auch in anderen Digestentiteln D. 12,4,9,1 (Paul. 17 ad Plaut.); D. 12,4,14 (Paul. 3 ad Sab.); D. 13,1,18 (Scaev. 4 quaest.). 89 D. 44,7,5,3 (Gai. 3 res cott.): Is quoque, qui non debitum accipit per errorem solventis, obligatur quidem quasi ex mutui datione (…). 90 I. 3,27,6: Item is, cui quis per errorem non debitum solvit, quasi ex contractu debere videtur (…) sed tamen proinde is qui accepit obligatur, ac si mutuum illi daretur, et ideo condictione tenetur. 91 S.u. § 4 A III2.

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Aus alldem sind zwei Folgerungen abzuleiten, welche nicht als voneinander unabhängig, sondern für komplementär gehalten werden müssen: Auf der einen Seite ist das mutuum nicht der einzige Realobligationstatbestand 92; allerdings bildet es den einzigen genannten Fall von obligatio re contracta. Auf der anderen Seite stellt dieser Vertrag den Entstehungsgrund einer Realobligation schlechthin dar, ihren Inbegriff. Dies bedeutet, dass jede erdenkliche Realobligation dem Darlehen strukturell nahestehen muss; Schuldverhältnisse, die strukturell den wesentlichen Kennzeichen des Darlehens – und zwar Schuldverhältnisbegründung durch eigentumsverschaffende Sachüberlassung und Beschränkung der Verpflichtung des Nehmers auf die Rückgewähr des übereigneten Sachwertes – nicht entsprechen, sind somit – trotz ihrer Verbindung mit einer Sache beim „Vertragsabschluss“ – nicht als Realobligationen zu bezeichnen. Nach den Institutionen des Gaius charakterisieren die Realobligation: Erstens die Schuldverhältnisbegründung durch Sachübereignung (datio rei), zweitens die Rückgabepflicht des Nehmers (sog. Rückgewährschuldverhältnis), drittens der strengrechtliche Charakter dieser Pflicht, d.h. die Beschränkung der Rückgabe auf den einfachen Sachwert, der vom Nehmer in Empfang genommen worden ist93. Daher hält Gaius weder das commodatum noch das depositum noch das pignus für einen Realobligationsentstehungsgrund, doch die solutio indebiti schon (als nicht vertragliche Realobligation). b) Rückgewährpflicht. Strengrechtlichkeit Die Darlehensgewährung bietet nur einen zeitweiligen Rechtsgrund dafür, die empfangenen Sachen zu behalten. Nach Ende der Darlehenslaufzeit muss der Nehmer den Darlehensbetrag zurückgeben, weil von da an keine causa retinendi mehr besteht. In diesem Sinne ist die Situation des Darlehensnehmers nach Ablauf der Darlehensfrist mit der einer datio sine causa vergleichbar.94 Ein Darlehensvertrag ohne Fristangabe für die Erstattung des Darlehensbetrags ist wirtschaftlich kaum vorstellbar. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, dieselbe Geldsumme oder dieselbe Menge von anderen Sachen derselben Gattung und Güte zurückzugewähren, also das tantundem eiusdem generis (...nobis non eaedem, sed aliae eiusdem 92

Vgl. etwa Schwarz [1952] S. 16; Wołodkiewicz [1970] S. 92 ff.; Quadrato [1979] S. 78 ff.; MacCormack [1985] S. 153; Coma Fort [1996] S. 45. Zurückhaltend Guarino [1968] S. 116; ders. [1994] S. 330. 93 Vgl. Brasiello [1930] S. 545 (Fn. 16). Anders Harke [2008] S. 48, 162 ff.; ders. [2013] S. 30 ff. Näheres hierzu unten §§ 4 A IV2; 5 A VI. 94 Gröschler [2003] S. 275. Die Frist für die Erstattung des Darlehensbetrags musste ursprünglich durch ein pactum festgelegt werden, sodass der Darlehensnehmer die exceptio pacti conventi gegen den Gläubiger erheben konnte. In klassischer Zeit ist sie im Vertrag enthalten. Siehe D. 12,1,22 (Iul. 4 ex Min.); D. 13,3,4 (Gai. 9 ad ed. prov.). Vgl. Sacconi [1987] S. 424 ff.; Marrone [2010] S. 437 (Fn. 87).

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naturae reddantur).95 Es geht also um eine gattungsmäßige Rückerstattung. Der geschuldete Gegenstand ist eine res certa96; dem Darlehensgeber steht ein Anspruch auf certum dare oportere zu, sei es, dass es um certa res oder um certa (numerata) pecunia geht.97 Nach dem strengrechtlichen Charakter der Kondiktion98 darf der Darlehensgeber nur den Betrag verlangen, der von ihm übereignet worden ist99; die Klageformel ist auf den einfachen Sachwert gerichtet (quanti ea res est). Dies bedeutet, dass die Verpflichtung des Darlehensnehmers sich darin erschöpft, dieselbe Quantität der von ihm empfangenen Sachen zurückzugeben.100 So nennt die Formel der actio certae creditae pecuniae sowohl in der intentio als auch in der condemnatio die gleiche Geldsumme. Damit ist dem Richter der Betrag der Verurteilung genau vorgeschrieben.101 Ähnliches gilt im Fall der condictio certae rei: Der Richter hat einfach den Wert der in der intentio bezeichneten Sachen abzuschätzen, da nur eine Verurteilung in Geld (condemnatio pecuniaria) denkbar ist102: quanti ea res est, tantam pecuniam condamna.103 Das konkrete „Interesse“ des Gläubigers spielt diesbezüglich keine Rolle; für eine richterliche Beurteilung der Verpflichtung des Darlehensnehmers nach Treu und Glauben mit der dazugehörenden Leistungsinhaltserweiterung ist bei der Kondiktion kein Platz. Aus dem Gesagten folgt, dass die Realobligation die Symmetrie zwischen begründender und auflösender (erfüllender) datio rei charakterisiert. Das wird in Gai. 3,90 nicht ausdrücklich gesagt; es kann jedoch aus der Quelle ge95

Gai. 3,90; im gleichen Sinne D. 12,1,2pr. (Paul. 28 ad ed.). Siehe auch D. 44,7,1,2 (Gai. 2 res cott.); I. 3,14pr.; Gai Ep. 2,9,1. 96 Zur Bedeutung von certum siehe D. 12,1,6 (Paul. 28 ad ed.): Certum est, cuius species vel quantitas, quae in obligatione versatur, aut nomine suo aut ea demonstratione quae nominis vice fungitur qualis quantaque sit ostenditur. Nam et Pedius libro primo de stipulationibus nihil referre ait, proprio nomine res appelletur an digito ostendatur an vocabulis quibusdam demonstretur: quatenus mutua vice fungantur quae tantundem praesent; D. 45,1,74 (Gai. 8 ad ed prov.): Stipulationum quaedam certae sunt, quaedam incertae. Certum est, quod ex ipsa pronuntiatione apparet quid quale quantumque sit, ut ecce aurei decem, fundus Tusculanus, homo Stichus, tritici Africi optimi modii centum, vini Campani optimi amphorae centum. Vgl. auch D. 45,1,75pr., 4 und 5 (Ulp. 22 ad ed.). 97 Vgl. Gai. 4,19. 98 S.u. § 4 AII2d). 99 Näheres hierzu bei Giuffrè [1989] S. 75 ff. 100 Zutreffend Brasiello [1930] S. 583: „Pei classici che si potesse contrarre un’obligatio re oltre la somma trasmessa egualmente non era ammissibile“; im gleichen Sinne Talamanca [1990a] S. 541: „(...) l’obbligazione sorge nei limiti in cui è avvenuta la datio.“ Monografisch zur Beziehung zwischen Interesse und Sachwert Schieder [2011]. Unlängst ausführlich zur Frage des Schadenersatzes im Rahmen der strengrechtlichen Klagen Zanovello [2015] S. 259 ff. 101 Kaser [1935] S. 86. Vgl. auch Medicus [1998] S. 67 f. 102 Gai. 4,48. Vgl. Kaser [1935] S. 87. 103 Vgl. Gai. 4,47; 4,51; 4,163.

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schlossen werden, denn Gaius sagt, dass die Darlehensgewährung mit der Absicht durchgeführt wird, dass die hingegebenen Sachen Eigentum der Empfänger werden und später nicht dieselben Sachen, sondern andere derselben Beschaffenheit zurückgegeben werden müssen (...in hoc damus, ut accipientium fiant et quandoque nobis non eaedem, sed aliae eiusdem naturae reddantur). Die Beschränkung der Rückgabepflicht auf den einfachen Sachwert ist in dieser Formulierung implizit. Dies erscheint aber ausdrücklich in anderen Stellen der klassischen Jurisprudenz. So zum Beispiel in einem Fragment aus dem 3. Buch des Kommentars des Paulus zum Edikt, im Rahmen der Erörterung des edictum de pactis et conventionibus 104: D. 2,14,17pr. (Paul. 3 ad ed.): Si tibi decem dem et paciscar, ut viginti mihi debeantur, non nascitur obligatio ultra decem: re enim non potest obligatio contrahi, nisi quatenus datum sit. Wenn ich dir zehn übereigne und vereinbare, dass mir zwanzig geschuldet werden, entsteht keine Verpflichtung über zehn hinaus. Durch Sachübereignung kann nämlich ein Schuldverhältnis nur insoweit begründet werden, als etwas übereignet worden ist.

Im gleichen Sinne drückt sich Ulpian im 26. Buch seines Kommentars zum Edikt (über das edictum si certum petetur)105 aus: D. 12,1,11,1 (Ulp. 26 ad ed.): Si tibi dedero decem sic, ut novem debeas, Proculus ait, et recte, non amplius te ipso iure debere quam novem. sed si dedero, ut undecim debeas, putat Proculus amplius quam decem condici non posse. Wenn ich dir zehn mit der Abrede übereigne, dass du neun schuldest, schuldest du, wie Proculus sagt, und zwar zu Recht, nach dem Zivilrecht nicht mehr als neun. Wenn ich dir aber zehn mit der Abrede übereigne, dass du mir elf schuldest, meint Proculus, dass nicht mehr als zehn kondiziert werden können.

Wie Paulus uns mitteilt, kann eine Realobligation nur insoweit begründet werden, als etwas übereignet worden ist: Re enim non potest obligatio contrahi, nisi quatenus datum sit. Obwohl hier das mutuum nicht ausdrücklich erwähnt wird, liegt es auf der Hand, dass es hier um diesen Tatbestand geht: Es handelt sich um einen Vertrag, der eine auf den einfachen Wert der übereigneten vertretbaren Sachen beschränkte Rückgewährpflicht begründet: Si tibi decem dem et paciscar, ut viginti mihi debeantur, non nascitur obligatio ultra decem. Ein solcher Vertrag kann nur das Darlehen sein. Das paulinische Fragment stellt auf diese Weise die wesentliche Struktur der obligatio re contracta dar: Das Darlehen bildet kein bloßes Beispiel vertraglicher Realobligation, sondern den einzigen Entstehungsgrund eines solchen Schuldver104 105

ff.

Dazu siehe Lenel, EP, S. 64 f. Titel XVII des Edikts nach der Wiederherstellung Lenels. Dazu siehe Lenel, EP, S. 232

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hältnisses; das Realvertragsschuldverhältnis wird durch datio rei begründet und identifiziert sich demnach mit dem Darlehensvertrag.106 Die Quelle spricht von der Symmetrie zwischen schuldbegründender und schuldauflösender Handlung, von der bereits bei Q. Mucius (auch in Bezug auf das mutuum) die Rede war: Die Rückgewährverpflichtung, die re begründet worden ist, beschränkt sich auf den vom Darlehensnehmer erhaltenen Geldbetrag (retro pecuniae tantundem solvere).107 Es gehört zur Struktur des Rückgewährschuldverhältnisses, dass Darlehensgewährung und Rückgewähr einander entsprechen.108 Die Rückzahlung eines höheren Betrages ist somit rechtsgrundlos. Das Gesagte bedeutet, dass die Realobligation durch Verschaffung zivilrechtlichen Eigentums begründet wird und ein reines (strengrechtliches) Rückgewährschuldverhältnis darstellt. Die ulpianische Quelle sagt im Wesentlichen dasselbe. Wie Ulpian uns berichtet, lässt sich die Erstattung von weniger Geld, als übereignet worden ist, von den Parteien vereinbaren. Das bildet einen rechtmäßigen Rechtsverzicht seitens des Gebers, der als Schenkung betrachtet werden kann. Die Rückzahlung von mehr Geld, als im Darlehen gewährt worden ist, kann aber nicht vereinbart werden, denn ihr fehlt der Rechtsgrund. Das hatte schon Proculus zutreffend gemeint. Kurz formuliert: Der Anspruch des Gebers ist auf den einfachen Sachwert gerichtet. Das ist eine Folge des strengrechtlichen reddere-Charakters der Kondiktion, der die Struktur der Realobligation bestimmt. Der Darlehensnehmer befreit sich nicht, wenn er Exemplare zurückgibt, die zwar gattungsmäßig sind, aber von schlechterer Qualität (res deterior) als die empfangenen. Der Anspruch des Darlehensgebers hat also nicht einfach Sachen derselben Menge und Gattung wie die übereigneten als Gegenstand, sondern Sachen der gleichen Güte. Die zu erbringende Leistung des Darlehensnehmers ist in diesem Sinne zu interpretieren, wie Pomponius uns unterrichtet: (…) id autem agi intellegitur, ut eiusdem generis et eadem bonitate solvatur, qua datum sit.109 Diese Regel gilt selbst dann, wenn die Parteien gar nichts über die Qualität der zurückzugebenden Sachen vereinbart haben.

106

Näheres dazu unten § 4 B II. D. 46,3,80 (Pomp. 4 ad Q. Muc.). 108 Zu Recht Voci [2004] S. 432. 109 D. 12,1,3 (Pomp. 27 ad Sab.): Cum quid mutuum dederimus, etsi non cavimus, ut aeque bonum nobis redderetur, non licet debitori deteriorem rem, quae ex eodem genere sit, reddere, veluti vinum novum pro vetere: nam in contrahendo quod agitur pro cauto habendum est, id autem agi intellegitur, ut eiusdem generis et eadem bonitate solvatur, qua datum sit. Ähnlich D. 44,7,1,2 (Gai. 2 res cott.), wo man eiusdem generis et qualitatis liest. In I. 3,14pr. wird der Ausdruck eiusdem naturae et qualitatis gebraucht. Dazu vgl. Beretta [1943] S. 221 ff.; weiterhin Jung [2002] S. 93 ff.; Varvaro [2008] S. 285 ff. 107

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c) Unentgeltlichkeit Wie soeben erwähnt, beschränkt sich die Rückgewährverpflichtung des Darlehensnehmers auf den Darlehensbetrag. Eine Folge davon ist die prinzipielle Unentgeltlichkeit des römischen Darlehensvertrages. 110 Sie spiegelt sozusagen die Strengrechtlichkeit der condictio auf der materiellrechtlichen Ebene wider111, denn diese Klage ist darauf gerichtet (und beschränkt), rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen.112 Anders ausgedrückt: Der einzige Anspruch, der aus der mutui datio entsteht, ist derjenige des Darlehensgebers auf Rückgewähr der Darlehensvaluta. Ungeachtet der erheblichen Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse im alten Rom nach den Punischen Kriegen ist die Unentgeltlichkeit des römischen Darlehens dauerhaft erhalten geblieben113, da sie der Struktur der durch Sachübereignung begründeten Obligation entspricht.114 Deswegen führt die Darlehensgewährung keinen Anspruch auf Zinsen (usurae) herbei115: Sie müssen besonders stipuliert und mit der actio (incerti) ex stipulatu eingeklagt werden.116 Allerdings erscheint die Stipulation von Zinsen nicht immer ausdrücklich, wie die Dokumente der Praxis bezeugen.117 Es liegt aber auf der Hand, dass dieses Geschäft in der Regel eine Zinszahlung enthalten sollte, andernfalls hätte das Gelddarlehen keine wirtschaftliche Bedeutung gehabt. Die Zinsstipulation ist jedenfalls vom sog. Geschäft re et verbis zu unterscheiden, wie unten zu zeigen sein wird.118 110

Dazu siehe monografisch Salazar Revuelta [1999] (dazu Gröschler [2003] S. 274 ff.). Ausführlich zur Unentgeltlichkeit im römischen Recht Michel [1962] insbes. S. 103 ff. zum Darlehen. 111 Ganz umgekehrt meint Gröschler [2003] S. 275, dass die Unentgeltlichkeit sich auf der prozessualen Ebene im strengrechtlichen Charakter der condictio widerspiegelt. In diesem Sinne schon Salazar Revuelta [1999] S. 41 ff., 91 ff., 223 ff. 112 Gröschler [2003] S. 275. 113 Vgl. Salazar Revuelta [1999] S. 39; Gröschler [2003] S. 274. 114 Maschi [1973] S. 148. 115 Vgl. D. 12,6,26pr. (Ulp. 26 ad ed.); D. 46,3,5,2 (Ulp. 43 ad Sab.); C. 4,32,3 (Sev. et Ant., a. 200). Eingehend zur Frage der vereinbarten Zinsen Cherchi [2012] S. 1 ff., 97 ff. 116 Das ergibt sich aus D. 19,5,24 (Afr. 8 quaest.): (…) respondit pecuniae quidem creditae usuras nisi in stipulationem deductas non deberi (...). Respondit bezieht sich auf Julian, den Lehrer Afrikans. Vgl. auch D. 2,14,4,3 (Paul. 3 ad ed.) und D. 12,1,40 (Paul. 3 quaest.). Dazu vgl. Kaser [1963] S. 155 ff.; Giuffrè [1989] S. 85 ff.; Zimmermann [1996] S. 154 ff.; Gröschler [2006] S. 261 ff.; ders. [2009a] S. 109 ff.; ders. [2009b] S. 387 ff.; Bramante [2007] S. 465 ff.; Harke [2011b] S. 49 f.; Cherchi [2012] S. 39 ff. 117 Keine der sulpizianischen Tafeln, auf denen Darlehensverträge beurkundet worden sind (TPSulp. 50-59), enthält einen ausdrücklichen Hinweis auf Zinsen. Eine Zinsstipulation enthält eine transsilvanische Tafel; CIL III 2 (Nr. 5, S. 934 f.) = FIRA III 122 (a. 162), S. 393 f. Näheres dazu bei Gröschler [2009a] S. 112 ff.; ders. [2009b] S. 387 ff.; Cherchi [2012] S. 20 ff. 118 Dazu unten § 4 A II2e).

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d) Klagbarkeit Wie oben erwähnt, wurde der formlosen mutui datio nicht immer unmittelbare Rechtsverbindlichkeit zuerkannt.119 Die ursprüngliche lediglich mittelbare Klagbarkeit des formlosen Kreditgeschäfts entweder mit dem agere sacramento oder mit der iudicis postulatio120 wurde erst mit der Einführung des agere per condictionem durch die leges Silia und Calpurnia überwunden.121 Der neue modus agendi122 hatte zum Anwendungsbereich die Ansprüche auf ein certum 123, welche entweder aus Stipulation (verbis) oder aus Eintragung in das Hausbuch des Gläubigers mit Zustimmung des Schuldners (litteris) oder aus formloser Darlehensgewährung (re) entstehen konnten. Von da an galt also das formfreie Darlehen als Entstehungsgrund einer obligatio ex iure civili auf certum dari.124 Daher darf man annehmen, dass auf diese Weise die obligatio re contracta in das römische Schuldrecht eintrat. Das agere per condictionem hatte jedenfalls kein langes Leben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurden die legis actiones höchstens vier Generationen nach der Einführung des agere per condictionem mittels dreier Gesetze – der lex Aebutia (de formulis)125 (gegen 130 v. Chr.) und zweier leges Iuliae 17 v. Chr. (Leges Iuliae iudiciorum publicorum et privatorum 126) durch das Formularverfahren ersetzt.127 Allerdings versagen uns die Quellen eine sichere Auskunft darüber, ob die legis actio per condictionem durch die lex Aebutia wirklich „abgeschafft“ wurde128; bestenfalls könnte man sagen, dass dieses Gesetz zum Untergang des Legisaktionenverfahrens maßgeblich beitrug. Im Formularverfahren wird das mutuum durch die condictio geschützt, die sich in der Rubrik si certum petetur des edictum de rebus creditis findet.129 119

S.o. § 2 B I1. Gai. 4,20. 121 Gai. 4,19. Dazu vgl. vor allem Frezza [1972] S. 172 ff.; Behrends [1974] S. 11 ff.; Albanese [1987] S. 5 ff.; Kaser/Hackl [1996] S. 25 ff. 122 Zu den Grundrissen des agere per condictionem siehe Gai. 4,17b. 123 Zum certum beim Legisaktionenverfahren vgl. Varvaro [2008] S. 153 ff. 124 Vgl. Kaser/Hackl [1996] S. 112; Cannata [2008] S. 47. 125 Zur Lex Aebutia vgl. vor allem Rotondi [1912] S. 304; Berger [1940] S. 379 ff.; Kaser [1953a] S. 25 ff.; Talamanca [1999] S. 68 ff.; Elster [2003] S. 454 ff. 126 Gai. 4,30; Gell. 16,10,8. Hierzu klassisch Rotondi [1912] S. 448 ff.; ausführlich Talamanca [1999] S. 63 ff.; Bertoldi [2003] S. 5 ff., 107 ff. 127 Es bleibt noch im Dunkeln, wie genau der Übergang vom Legisaktionen- zum Formularverfahren stattfand. Es geht um eine Frage, die hier nicht vertieft werden kann. Eingehend dazu mit Auseinandersetzung mit der Spezialliteratur Bertoldi [2003] S. 107 ff., Zusammenfassungen S. 155 ff. und 241 ff. 128 Bertoldi [2003] S. 155. In diesem Sinne bereits Wlassak [1888] S. 154. 129 Das edictum de rebus creditis ist nach Lenel in die folgenden „Rubriken“ unterteilt: (§ 95) si certum petetur, (§ 96) de eo quod certo loco dari oportet, (§ 97) de pecunia constituta, (§ 98) commodati [vel contra], (§ 99) de pigneraticia actione [vel contra] und (§ 100) de 120

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Diese Klage bildet im Wesentlichen lediglich das Resultat der Entwicklung der legis actio per condictionem im Rahmen des flexibleren agere per formulas.130 Wie ihre Vorgängerin ist die klassische Kondiktion eine abstrakte Klage, da in ihrer Formel kein Verpflichtungsgrund genannt werden muss131; jedes dare oportere auf eine certa pecunia oder eine certa res lässt sich mit der condictio geltend machen.132 Das Gesagte brachte ein Zusammenspiel zwischen Abstraktion und Juristenrecht mit sich: Das vielseitige Anwendungsgebiet der condictio wurde durch die römische Jurisprudenz kasuistisch, vom Prozess aus konstruiert. Die einheitliche Formel lautet wie folgt: si paret N. Negidium A. Agerio sestertium X milia dare oportere.133 Die Kondiktion compensationibus. Um diese Materienordnung zu bestimmen, hat Lenel hauptsächlich die Kommentare ad edictum des Ulpian, Paulus und Gaius und die Digesten Julians (es handelt es sich konkret um die 26. und 27. Bücher des Kommentars zum Edikt Ulpians, die 28. und 29. Bücher des Kommentars zum Edikt des Paulus, das 9. Buch des Kommentars zum Provinzialedikt des Gaius und die 10. und 11. Bücher der Digesta Julians) aber auch die Ordnung der Titel der (justinianischen) Digesten und das zweite Buch der Pauli Sententiae gebraucht. Rudorff [1869] hat eine abweichende Materienordnung vorgeschlagen, und zwar: (§ 93) si certum petetur, (§ 94) de iureiurando, (§ 95) de condictione triticaria, (§ 96) de eo quod certo loco dari oportet, (§ 97) de pecunia constituta, (§ 98) de compensationibus, (§ 99) commodati und (§ 100) de pigneraticia actione. Nicht unumstritten ist die Existenz von Rubriken im Edikt. Eine Kritik gegen diese Rekonstruktion des Edikts bei Domingo [1991] S. 290 ff. Nach der Wiederherstellung Lenels umfasst das Edikt si certum petetur die folgenden Materien: die Eideszuschiebung, die Formel der actio certae creditae pecuniae, die dazugehörige sponsio et restipulatio tertiae partis und die Formel der condictio certae rei. Vgl. Lenel, EP, S. 231 ff. Die Eideszuschiebung stellt die 2. und 3. Titel des 12. Buches der Digesten dar, nämlich De iureiurando sive voluntario sive necessario sive iudiciali (42 Fragmente) und De in litem iurando (11 Fragmente). Der Codex enthält die Rubrik de rebus creditis et de iureiurando (4,1) vor der Rubrik si certum petatur (statt petetur) (4,2). Zur sponsio et restipulatio tertiae partis siehe Gai. 4,13; 4,171; 4,180; 4,181; D. 50,17,41pr. (Ulp. 26 ad ed.); TPSulp. 31 (= TP. 34). Dazu vgl. Lenel, EP, S. 238; Liebs [1986] S. 165; Murga [1989] S. 137; Kaser/Hackl [1996] S. 283; Varvaro [2008] S. 158; ders. [2009] S. 853 ff.; ders. [2012] S. 714 (Fn. 20). 130 Zu Recht Murga [1989] S. 132 f. Vgl. auch Cortese [2013b] S. 1 ff. Zur Entstehungsgeschichte der klassischen condictio siehe Liebs [1986] S. 163 ff. 131 Kritisch gegen die herrschende Meinung Varvaro [2014] S. 267 ff., der von einer nur eventuellen Abstraktheit spricht: „(...) la condictio era una un’azione che solo eventualmente era ‘astratta’, in quanto si prestava a essere causalizzata ogni qual volta ciò fosse stato ritenuto opportuno o necessario.“ (S. 276). Ferner vertritt dieser Autor die Meinung, dass die offensichtliche Verbindung zwischen der legis actio per condictionem und der condictio des Formularverfahrens nicht unbedingt bedeutet, dass bei der Kondiktion die causa petendi (actionis) nicht genannt werden konnte (S. 278); sie konnte wohl ausdrücklich genannt werden, wie wir aus der praescriptio von TPSulp. 31 erfahren. 132 D. 12,1,9pr. (Ulp. 26. ad ed.): Certi condictio competit ex omni causa, ex omni obligatione, ex qua certum petitur, sive ex certo contractu petatur sive ex incerto: licet enim nobis ex omni contractu certum condicere, dummodo praesens sit obligatio: ceterum si in diem sit vel sub condicione obligatio, ante diem vel condicionem non potero agere. Vgl. Kaser [1984] S. 52; ders./Hackl [1996] S. 112; ausführlich Saccoccio [2002] S. 54 ff. 133 Gai. 4,41: Intentio est ea pars formulae, qua actor desiderium suum concludit, uelut

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wird als actio certae creditae pecuniae bezeichnet, wenn ihr Gegenstand eine bestimmte Geldsumme ist134; wenn es um eine bestimmte Menge von anderen genau bestimmten Sachen geht, wird die Klage als condictio certae rei bezeichnet135. Als auf ein certum dari gerichtete Klage wurde die condictio in das edictum de rebus creditis (Titel XVII nach der Wiederherstellung Lenels) eingeführt; tatsächlich ist sie das Vorbild für die sonstigen in diesem Ediktstitel enthaltenen Klagen (sog. kondiktionenartige Klagen).136 Der Darlehensgeber kann nach Fristablauf den übereigneten Betrag kondizieren. Der Anspruch des Gebers beruht darauf, dass die Darlehensgewährung nur zeitweilig ist; daher ist das Behalten der Darlehensvaluta nach Ende der Laufzeit grundlos (retentio sine causa).137 Anders formuliert: Es gibt eine wirksame datio (Voraussetzung der condictio)138, aber es besteht keine causa retinendi mehr, sodass die Vermögensverschiebung rückgängig zu machen ist.139 Die Natur der Sache bestimmt, dass nicht die res ipsa, die in der Regel verbrauchbar ist, herauszuverlangen ist, sondern das tantundem eiusdem generis. Wie oben gesagt, ist die condictio eine strengrechtliche Klage. Dies bedeutet, dass der Anspruch des Gläubigers auf den einfachen Sachwert gerichtet ist; er ist auf die Quantität beschränkt, die vom Darlehensnehmer in Empfang genommen worden ist. Anders als bei den Klagen nach Treu und Glauben wird dem Richter kein weiter Beurteilungsspielraum eröffnet; er muss nach dem im Klageantrag bezeichneten Geldbetrag oder Sachwert verurteilen: haec pars formulae: SI PARET NVMERIVM NEGIDIVM AVLO AGERIO SESTERTIVM X MILIA DARE OPORTERE (...); Gai. 4,17b: Per condictionem ita agebatur: AIO TE MIHI SESTERTIORVM X MILIA DARE OPORTERE (...); Gai. 4,50: Certae pecuniae uelut in ea formula, qua certam pecuniam petimus; nam illic ima parte formulae ita est: IVDEX, NVMERIVM NEGIDIVM AVLO AGERIO SESTERTIVM X MILIA CONDEMNA. SI NON PARET, ABSOLVE. Zur Klageformel grundlegend Lenel, EP, S. 232 ff.; weiterhin Mantovani [1999] S. 48 f. 134 Vgl. Gai. 4,13; 4,50; 4,171. 135 Die Kompilatoren haben diese Klage condictio triticaria benannt, sehr wahrscheinlich nach dem Vorbild der Formel für die Rückgewähr einer bestimmten Menge von Getreide; D. 13,3,1pr. (Ulp. 27 ad ed.): Qui certam pecuniam numeratam petit, illa actione utitur si certum petetur: qui autem alias res, per triticariam condictionem petet. Et generaliter dicendum est eas res per hanc actionem peti, si quae sint praeter pecuniam numeratam, sive in pondere sive in mensura constent, sive mobiles sint sive soli (...). Die im Titel 13,3 der Digesten enthaltenen Beispiele passen genau auf die Fälle der condictio certae rei im 12. Buch der Digesten. In den Quellen lässt sich zwischen der condictio certae rei und der sog. condictio triticaria überhaupt kein sachlicher Unterschied finden. Die Fragmente von D. 13,3 entsprechen dem klassischen Regime der condictio certae rei. 136 Siehe Lenel, EP, S. 231 ff. 137 Vgl. Schwarz [1952] S. 212 ff.; weiterhin Hähnchen [2003] S. 35 f.; Gröschler [2003] S. 275. 138 Dazu vgl. Donatuti [1951] S. 50 ff., 64 ff. 139 Vgl. Gröschler [2003] S. 275.

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quanti ea res est, tantam pecuniam condamna.140 Tatsächlich lässt sich in den Quellen eine scharfe Trennung zwischen den strengrechtlichen Klagen des edictum de rebus creditis und den Klagen des edictum de bonae fidei iudiciis betrachten, welche die Vorstellung der römischen Juristen von ihrem Schuldrecht entscheidend geprägt hat. e) Mutuum cum stipulatione Nach der oben angesprochenen Einführung eines selbstständigen Rechtsschutzes für den Anspruch des Darlehensgebers war es für seine Geltendmachung nicht mehr notwendig, die formlose mutui datio mit der stipulatio einzukleiden. Allerdings wird das römische Darlehen häufig so gestaltet, dass sich die Parteien nicht mit der formlosen Sachübereignung begnügen, sondern sie schließen eine Stipulation ab, mit der nicht nur die Zinsen, sondern auch das Kapital versprochen werden. Es geht um das sog. mutuum cum stipulatione.141 Mehrere Stellen der Digesten betonen, dass ein Darlehensschuldverhältnis ohne Stipulation begründet worden sei, was im Gegenschluss die Häufigkeit der Verbindung von beiden Verträgen erweist.142 Eine Beurkundung143 der Auszahlung durch den Darlehensgeber sowie des Rückzahlungsversprechens des Darlehensnehmers in Form der stipulatio (mutua pecunia in stipulatum deducta) wird in den Dokumenten der Praxis, insbesondere aus dem Archiv der Sulpizier, reichlich bezeugt.144 In diesem Sinne kann man von einer „Ergänzung“ des formlosen Darlehens durch die formgebundene Stipulation sprechen.145 Auf den ersten Blick könnte man hier einen kombinierten Vertrag oder ein „Stipulationsdarlehen“ sehen, weil in einigen spätklassischen Quellen die Figur des sog. Geschäftes re et verbis zu erscheinen scheint146, welches scharf 140

Vgl. Kaser [1935] S. 86. Dazu vgl. vor allem Kaser [1963] S. 155 ff.; ferner Talamanca [2003a] S. 7 ff.; Gröschler [2006] S. 261 ff. 142 Siehe D. 19,5,24 (Afr. 8 quaest.); D. 39,5,2,5 (Iul. 60 dig.); D. 46,1,56,2 (Paul. 15 quaest.). Dazu vgl. Gröschler [2006] S. 265. 143 Normalerweise in der Form von in der ersten Person abgefasst geschriebenen Urkunden (chirographa) oder in der dritten Person abgefassten Zeugenurkunden (testationes). Vgl. Gröschler [2006] S. 261. 144 TPSulp. 50-59 und 66-69. Siehe auch CIL III 2 (Nr. 5, S. 934 f.) = FIRA III 122 (a. 162), S. 393 f. Grundlegend hierzu Camodeca [1999] S. 133 ff., 161 ff.; Gröschler [1997] S. 67 ff. Vgl. auch Wolf [2010] S. 17 ff. Überblick bei Bramante [2007] S. 467 ff. Zum römischen Bankwesen vgl. ausführlich Bürge [1987] S. 465 ff.; Petrucci [1991]; ders. [2002]. 145 Gröschler [2006] S. 261. 146 D. 44,7,52,3 (Mod. 2 reg.): Re et verbis pariter obligamur, cum et res interrogationi intercedit, consentientes in aliquam rem. Ähnlich D. 12,1,9,4 (Ulp. 26 ad ed.): Numeravi tibi decem et haec alii stipulatus sum: nulla est stipulatio: an condicere decem per hanc actionem possim, quasi duobus contractibus intervenientibus, uno qui re factus est, id est numeratione, alio qui verbis, id est inutiliter, quoniam alii stipulari non potui? et puto posse. 141

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§ 4 Die obligatio re contracta im klassischen römischen Recht

als ein „Ungeheuer mit zwei Köpfen“ bezeichnet worden ist147. Die klassischen Juristen haben gewiss keine mythologische Gestalt geschaffen; unserer Meinung nach geht es hier um die Perspektive, aus der wir in der Moderne die römischen Rechtsquellen betrachten. Die Lehre hat hinreichend bewiesen, dass das sog. Geschäft re et verbis nicht das klassische römische Recht widerspiegelt.148 Beim mutuum cum stipulatione haben die Klassiker angenommen, dass nur ein schuldbegründender Tatbestand besteht (unus contractus est), und zwar die Stipulation.149 In dieser Hinsicht hat die Lehre in groben Zügen zwei Ansichten vertreten150: Nach der ersten bringt die obligatio verbis mit sich, dass die obligatio re nicht entsteht. Die numeratio stelle die Erfüllung der Stipulation dar, d.h. es gehe nicht um eine datio contrahendi causa, sondern solvendi causa (implendae stipulationis gratia).151 Nach der zweiten wird das wirklich entstandene Darlehensschuldverhältnis wegen der novierenden Wirkung der Stipulation aufgelöst.152 Dies setzt selbstverständlich 147

D’Ors [1951] S. 284 spricht von einem „engendro bizantino“ und „monstruo bifronte“. Dazu vgl. Pernice [1893] S. 246 ff.; Segrè [1917] S. 141 ff.; Longo [1933a] S. 16 ff.; D’Ors [1951] S. 267 ff.; Grosso [1963] S. 95 ff.; Kaser [1963] S. 155 ff.; Giuffrè [1989] S. 85 ff.; umfangreich Talamanca [2003a] S. 7 ff. Nach Kaser [1975] S. 370 (Fn. 9) könnte die Figur des mutuum cum stipulatione „immerhin bereits einen klassischen Kopf zur Wendung re et verbis angeregt haben“. Anders Gröschler [2006] S. 273 ff., der von einem „Kombinationsmodell“ spricht. 149 D. 46,2,6,1 (Ulp. 46 ad ed.): Cum pecuniam mutuam dedit quis sine stipulatione et ex continenti fecit stipulationem, unus contractus est. idem erit dicendum et si ante stipulatio facta est, mox pecunia numerata sit. Im gleichen Sinne D. 46,2,7 (Pomp. 24 ad Sab.): Cum enim pecunia mutua data stipulamur, non puto obligationem numeratione nasci et deinde eam stipulatione novari, quia id agitur, ut sola stipulatio teneat, et magis implendae stipulationis gratia numeratio intellegenda est fieri. Siehe auch D. 45,1,126,2 (Paul. 3 quaest.). Hierzu vgl. Pernice [1893] S. 246 ff.; Segrè [1917] S. 141 ff.; Longo [1933a] S. 16 ff.; Grosso [1963] S. 96; Apathy [1975] S. 47 ff.; Sacconi [1989] S. 39 ff.; Giuffrè [1989] S. 85 ff.; Voci [2004] S. 431. Eine ausführliche Exegese dieser Quellen zuletzt bei Talamanca [2003a] S. 30 ff. Dokumente der Praxis scheinen aber zu bezeugen, dass beim „Stipulationsdarlehen“ sowohl die stipulatio als auch die mutui datio bestehen, denn man sagt, dass die (als Darlehen) hingegebene Geldsumme „geschuldet ist“. So in TPSulp. 51: (…) C. Novius Eunus scrippsi me accepisse {ab} mutua (…) et debere ei sesterta decem milia nummu, que ei redam (...). Dazu vgl. Wolf/Crook [1989] S. 18; Manthe [1994] S. 375 ff.; Gröschler [1997] S. 159 (Fn. 40). Masi Doria [1992] S. 776 ist der Ansicht, dass die Koexistenz von zwei Verpflichtungen (verbis und re) die konkreteste sei, denn es gebe keinen bedeutenden Unterschied zwischen der actio ex stipulatu in Bezug auf certa pecunia und der actio certae creditae pecuniae. Kritisch hingegen Talamanca [2003a] S. 25 (Fn. 87). 150 Eine umfassende Darstellung davon mit neuen Auslegungsperspektiven bei Talamanca [2003a] S. 7 ff. 151 In diesem Sinne Giuffrè [1989] S. 101: „(...) la datio (…) costituiva, in pratica, la realizzazione della funzione socio-economica sottesa alla promessa di restituzione.“ 152 Vgl. vor allem Segrè [1917] S. 150 ff.; Apathy [1975] S. 47 ff. Im gleichen Sinne Giuffrè [1989] S. 101. Kritisch dagegen Talamanca [2003a] S. 37 ff., der die Ansicht vertritt, dass in diesem Fall keine obligatio re contracta entstehe. Insofern gebe es keine Verpflichtung, die durch stipulatio noviert werden kann. So dieser Autor auf S. 38: „(...) nella sequenza 148

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voraus, dass die Stipulation zeitlich nach der numeratio abgeschlossen wird (ex intervallo). Tatsächlich stellt die Sequenz numeratio-stipulatio die allgemeine Tendenz in der Praxis dar153; die gegenläufige Ordnung stipulationumeratio (stipulatio in continenti) ist aber auch möglich und hoch relevant154. Abgesehen von den lebhaften Diskussionen in der Lehre über diesen Tatbestand lässt sich aus den Quellen schließen, dass das sog. Stipulationsdarlehen in der Tat nur eine Verbalobligation ist: Dabei besteht keine obligatio re contracta, sondern nur eine obligatio verbis contracta. Im klassischen römischen Recht beruht die Klage wegen mutuum cum stipulatione auf der Stipulation, nicht auf der Geldgewährung155; das Kondizieren wegen Darlehens ist somit ausgeschlossen. Umstritten ist in diesem Zusammenhang die Frage des Rechtsschutzes des Gläubigers für den Fall, dass die Stipulation unwirksam ist. Pernice hat die Ansicht vertreten, dass der Geber die condictio wegen „widerrechtlicher Bereicherung“ erheben könnte.156 Dies nach der Maxime, dass niemand sich aus dem Nachteil oder Schaden eines anderen bereichern darf.157 Diese Gestaltung des Kreditgeschäftes hatte mehrere mögliche Gründe, nämlich die Einkleidung des Zinsversprechens in die Form der stipulatio158, die Verbesserung der Beweislage159 oder die Umgehung der strukturellen Voraussetzung des Darlehens, die Sachen wirklich zu übereignen, damit das numeratio-stipulatio, quello che manca per integrare la novazione è l’obbligazione da novare, in quanto – nella tradizionale valutazione dei giuristi romani ribadita da Pomponio, da Paolo e da Ulpiano – non viene in essere nella fattispecie il mutuo, e la numeratio, fatta implendae stipulationis gratia, non crea alcuna obbligazione.“ 153 Vgl. Talamanca [2003a] S. 41. 154 Siehe D. 46,2,6,1 (Ulp. 46 ad Sab.). 155 Kaser [1975] S. 370 (Fn. 9); weiterhin Talamanca [2003a] S. 7 ff. 156 Pernice [1893] S. 261 ff. Nach D’Ors [1951] S. 294 f. konnte der Geber die condictio ex numeratione erheben, da seiner Meinung nach ein wirkliches Darlehensschuldverhältnis begründet worden war. Näheres dazu bei Talamanca [2003a] S. 30 ff. Vgl. auch Carrasco García [2000] S. 130 ff. 157 Siehe D. 12,6,14 (Pomp. 21 ad Sab.): Nam hoc natura aequum est neminem cum alterius detrimento fieri locupletiorem; fast gleich D. 50,17,206 (Pomp. 9 ex var. lect.): Iure naturae aequum est neminem cum alterius detrimento et iniuria fieri locupletiorem. Vgl. auch D. 12,6,66 (Pap. 8 quaest.): Haec condictio ex bono et aequo introducta, quod alterius apud alterum sine causa deprehenditur, revocare consuevit. 158 Vgl. Kaser [1963] S. 161; weiterhin Gröschler [1997] S. 165 ff., 193 ff. 159 Bei der Stipulation trifft den Schuldner die Beweislast in Bezug auf die Nichtzahlung des Darlehensbetrages. Im Gegensatz dazu muss der Darlehensgeber die Auszahlung der Darlehensvaluta beweisen. Allerdings ist zu beachten, wie Gröschler [2006] S. 265 zu Recht betont, dass die Auszahlung schon durch die Beurkundung des Geschäftes bezeugt wurde, sodass in der Praxis keine große Schwierigkeiten bezüglich der Beweislast in Betracht kommen sollten. Vgl. auch Apathy [1975] S. 51 (Fn. 16); Manthe [1994] S. 375 f. Monografisch zur Beweislast beim Darlehen Giomaro [2012] S. 19 ff.

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§ 4 Die obligatio re contracta im klassischen römischen Recht

Schuldverhältnis begründet wird160. Es war in der Praxis häufig, dass der künftige Darlehensnehmer vor der Darlehensgewährung in einer Stipulation oder in einer schriftlichen Urkunde (cautio) versprach, die Geldsumme zurückzuzahlen, obwohl sie noch nicht ausgezahlt worden war. Ungeachtet der Nichtvalutierung geht der künftige Nehmer in diesem Fall die Rückzahlungsverpflichtung ein, als ob er das Geld wirklich erhalten hätte. Die Begründung der Rechtsverbindlichkeit durch formgebundenes mündliches Leistungsversprechen (verbis) bedeutet, dass der Schuldner sich zur Rückzahlung verpflichtet, auch wenn ihm nichts wirklich übereignet worden ist: Verpflichtungsentstehungsgrund sind die verba, nicht die datio. Die Einführung sowohl der querela als auch der exceptio non numeratae pecuniae, jene für die aktive Verteidigung des Schuldners wegen Nichtauszahlung der Valuta161, diese für seine passive Abwehr gegen den klagenden Gläubiger162, beweisen, dass Kreditgeschäfte ohne datio im römischen Rechtsverkehr gar nicht selten gewesen sein sollten, andernfalls wäre die Schaffung dieser Verteidigungsinstrumente unnötig gewesen. Den Klassikern musste unvorstellbar sein, dass eine Verpflichtung zugleich durch Sachübereignung und formgebundenes mündliches Versprechen (re et verbis) kontrahiert wird, da sie als Schuldverhältnisentstehungsgründe inkompatibel miteinander sind. Die Quellen streiten gegen das sog. „Kombinationsmodell“ (das Bestehen von zwei Verpflichtungsgründen), wie Gröschler es so nennt.163 Wie oben gesehen, sind die obligationes re und verbis contractae voneinander getrennte Phänomene, unterschiedliche Gattungen,, nicht Arten eines einheitlichen genus.164 Begründungstatbestand einer Obligation kann entweder die Sachübereignung oder das formgebundene mündliche Leistungsversprechen sein, nicht beide zugleich. 165

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Gröschler [2006] S. 266. D. 17,1,29pr. (Ulp. 7 disp.); D. 44,4,4,16 (Ulp. 76 ad ed.); C. 4,30,3 (Ant., a. 215). Dazu vgl. Cimma [1984] S. 160 ff.; Litewski [1994] S. 405 ff. 162 D. 17,1,29pr. (Ulp. 7 disp.); D. 44,4,4,16 (Ulp. 76 ad ed.); C. 2,6,3 (Gord., a. 240). Dazu vgl. eingehend Facelli [1886] S. 55 ff.; Cimma [1984] S. 5 ff.; Sacconi [1989] S. 43 ff.; Litewski [1994] S. 405 ff.; Carrasco García [2000] S. 33 ff.; González-Palenzuela [2001] S. 61 ff. Nach Gai. 4,116 wird dem Schuldner im Fall von Nichtvalutierung eine exceptio doli gegen den Gläubiger gewährt. Im gleichen Sinne Ulpian in D. 44,4,2,3 (Ulp. 76 ad ed.). Hierzu vgl. D’Ors [1951] S. 282 ff., 288 ff.; Kaser [1963] S. 158 (Fn. 15); Wolf [1970] S. 29 ff.; Gröschler [2006] S. 267 ff. Die exceptio non numeratae pecuniae entwickelte sich in der spätklassischen Jurisprudenz und kaiserlichen Rechtsprechung als Sonderform der exceptio doli. Vgl. Harke [2008] S. 165. 163 Gröschler [2006] S. 273 ff. 164 Gai. 3,89; 3,182; D. 44,7,4 (Gai. 3 res cott.). Zum Vergleich mit dem justinianischen Recht siehe I. 3,13,2. 165 Vgl. Kaser [1963] S. 156. 161

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Das ergibt sich mit erheblicher Deutlichkeit aus Gai. 3,131.166 Gaius betont, dass die Kassenforderungen (nomina arcaria) „eine andere rechtliche Beschaffenheit“ haben (alia causa est eorum nominum, quae arcaria uocantur...) als die Buchforderungen (nomina transscripticia). Dies, weil es bei dem Litteralkontrakt um eine fiktive Geldauszahlung geht, wohingegen bei dem nomen arcarium ein durch eigentumsverschaffende Sachüberlassung begründetes Schuldverhältnis besteht, da es nur wirksam ist, wenn das Geld wirklich ausgezahlt worden ist. Obwohl bei den Kassenforderungen eine Eintragung in das Hausbuch des Gläubigers besteht, wird die Rückgewährpflicht nicht durch die litterae begründet (...non litterarum obligatio consistit), sondern allein durch die numeratio (...numeratio autem pecuniae rei facit obligationem), d.h. durch eine datio rei. Deswegen sagt Gaius zu Recht, dass die nomina arcaria als solche keine Rückgewährpflicht begründen (...qua de causa recte dicemus arcaria nomina nullam facere obligationem), sondern sie bieten einen Beweis für eine bereits durch Sachübereignung begründete Verpflichtung (...sed obligationis factae testimonium praebere). Das nomen arcarium stellt nichts anderes als die Buchung in den codex accepti et expensi einer durch Geldauszahlung kontrahierten Realobligation dar, d.h. einer mutui datio. Kurz ausgedrückt: Ein Schuldverhältnis kann entweder durch die litterae oder durch die numeratio begründet werden, aber keineswegs durch beide Handlungen zugleich. Warum könnte das gleiche Argument nicht für das sog. Geschäft re et verbis gelten? Die Idee, dass ein Schuldverhältnis re und verbis begründet werden kann, geht von der Vorstellung der Sachübereignung und des formgebundenen mündlichen Versprechens als bloße Zutaten zum Konsens aus.167 Nur unter diesen Umständen lassen sich re und verbis contrahere miteinander kombinieren. Das Gesagte setzt also eine Vertragsidee voraus, nach der jeder Vertrag im Wesentlichen in einer Vereinbarung (conventio) besteht. Unter dieser Prämisse kann man begreifen, dass ein Vertrag sozusagen „doppelt abgeschlossen“ wird oder, genauer gesagt, dass die Parteien gleichzeitig auf unterschiedliche Weise ihr Willensübereinkommen äußern. Dies war aber nicht die Vorstellung der klassischen römischen Jurisprudenz, die von der causa obligationis für die Gliederung der Obligationen ausgegangen ist, und ein Schuldverhältnis kann nicht zugleich aus mehr als einer Wirkursache entstehen.168

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Zur Quelle s.o. § 4 A II2a). S.o. § 3 D II. 168 S.o. § 3 A II. 167

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III. Zahlung einer Nichtschuld 1. Grundzüge a) Struktur Die Zahlung einer Nichtschuld (solutio indebiti) folgt in den Institutionen des Gaius auf die Darstellung der mutui datio. Ausgangspunkt zur Erörterung dieses Tatbestandes ist Gai. 3,91. Gai. 3,91: Is quoque, qui non debitum accepit ab eo, qui per errorem solvit, re obligatur; nam proinde ei condici potest SI PARET EVM DARE OPORTERE, ac si mutuum accepisset. Unde quidam putant pupillum aut mulierem, cui sine tutoris auctoritate non debitum per errorem datum est, non teneri condictione, non magis quam mutui datione. Sed haec species obligationis non videtur ex contractu consistere, quia is, qui solvendi animo dat, magis distrahere vult negotium quam contrahere. Wer etwas nicht Geschuldetes von jemandem, der irrtümlich gezahlt hat, in Empfang nimmt, wird ebenfalls aufgrund einer Sache verpflichtet; denn gegen ihn kann man mit der Kondiktionsformel „wenn es sich erweist, dass er zu übereignen verpflichtet ist“ auf dieselbe Weise klagen, wie wenn er ein Darlehen erhalten hätte. Deswegen meinen manche, dass ein Mündel oder eine Frau, dem oder der ohne Zustimmung des Vormundes etwas nicht Geschuldetes irrtümlich übereignet worden ist, ebenso wenig aufgrund der Kondiktion hafte wie bei Übereignung eines Darlehens. Aber eine derartige Verpflichtung entsteht ersichtlich nicht aus einem Vertrag, weil derjenige, der mit der Absicht, eine Schuld zu erfüllen, übereignet, eher eine Verpflichtung auflösen als begründen will.169

Die solutio indebiti ist eine Unterart der solutio.170 Das streng formgebundene altrömische Recht kannte als Rechtsakt, mit dem eine Obligation abgelöst werden kann, nur die nexi liberatio oder solutio per aes et libram (Libralzahlung).171 Die Fortentwicklung des römischen Privatrechts brachte die allmähliche Überwindung dieser Phase zugunsten des Erlöschens der Schuldverhältnisse durch formfreie Zahlung mit sich, wenn vom Geschäft keine Förmlichkeit strukturell vorausgesetzt wurde. So erschöpft sich die solutio im Rahmen eines Gelddarlehensvertrages in der Zahlung von so viel Geld, wie gegeben worden ist (sog. Symmetrieprinzip)172: retro pecuniae tantundem solvere.173 169

Ich stütze mich in der deutschen Übersetzung auf diejenige von Manthe [2004] S. 255. Zur solutio im römischen Recht siehe D. 50,16,176 (Ulp. 45 ad Sab): ‘Solutionis’ verbo satisfactionem quoque omnem accipiendam placet. ‘Solvere’ dicimus eum, qui fecit quod facere promisit. Vgl. auch D. 46,3,54 (Paul. 56 ad ed.); D. 46,3,98,6 (Paul. 15 quaest.) und D. 50,16,47 (Paul. 56 ad ed.). Dazu vgl. vor allem Kretschmar [1906] S. 1 ff.; Solazzi [1935] S. 9 ff.; Cruz [1962] S. 57 ff.; Longo [1965] S. 316 ff.; Sargenti [1981] S. 532 ff. 171 XII Tab. 1,6; 8,2; Gai. 3,173 ff.; Cic., de leg. 2,20,51; 2,21,53. Vgl. Albanese [1982] S. 66 f.; Sargenti [1981] S. 532 ff.; Kaser [1971] S. 171 ff.; Solazzi [1935] S. 9 ff.; Steiner [1914] S. 1 ff.; Mitteis [1908] S. 262 ff.; Kretschmar [1906] S. 1 ff. 172 Dazu vor allem Schmidlin [1970] S. 74 ff.; Knütel [1971] S. 98 ff.; Nörr [1972b] S. 60; 170

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Es kann aber geschehen, dass die bezahlte Schuld gar nicht besteht oder dass sie besteht, der Zahlende (solvens) aber nicht der wirkliche Schuldner ist.174 Wenn die Zahlung in den erwähnten Fällen auf dem Irrtum des Zahlenden beruht, kommt die solutio indebiti in Betracht. Es liegt also eine Zahlung einer Nichtschuld vor, wenn jemand irrtümlich (...qui per errorem solvit) auf eine Nichtschuld (indebitum) leistet, sei es, dass die Verpflichtung gar nicht begründet worden oder untergegangen ist, sei es, dass sie wegen einer dauernden Einrede (exceptio perpetua) nicht durchgesetzt werden kann (sog. prätorische Nichtschuld)175. Kurz formuliert: Bei der solutio indebiti existiert die bezahlte Obligation gar nicht oder sie existiert zwar, aber der Zahlende ist nicht der wirkliche Schuldner oder kann zur Leistung nicht gezwungen werden. Elemente der solutio indebiti sind also das Erfüllen (solvere) eines indebitum auf der einen Seite und der Irrtum (error) des Zahlenden auf der anderen Seite.176 Das Bestehen eines Irrtums bedeutet, dass die Zahlung unwissentlich ist; die wissentliche Erfüllung einer Nichtschuld schließt den Rückforderungsanspruch aus: (…) sed si sciens se non debere solvit, cessat repetitio.177 Die klassischen Juristen betrachteten die solutio indebiti als die irrtümliche Erfüllung von dare-Verpflichtungen, und zwar solchen, die in einer eigentumsverschaffenden Sachüberlassung bestehen. Dies ist aus Gai. 3,91 zu weiterhin Cortese [2013a] S. 98; Santoro [2012] S. 555 ff. Die Symmetrie ist früher gemeinhin als Interpolationsindiz betrachtet worden. Dazu vgl. Meylan [1934] S. 24 ff.; Solazzi [1935] S. 16 ff.; Voci [1946a] S. 80 (Fn. 2) mit Hinweisen auf die ältere Literatur. 173 D. 46,3,80 (Pomp. 4 ad Q. Muc.). Zur Quelle s.o. § 2 B II. 174 D. 12,6,65,9 (Paul. 17 ad Plaut.): Indebitum est non tantum, quod omnino non debetur, sed et quod alii debetur, si alii solvatur, aut si id quod alius debebat alius quasi ipse debeat solvat. Eingehend zur Quelle Pellecchi [1998] S. 69 ff. 175 FV 266: Indebitum solutum accipimus non solum si omnino non debebatur, sed et si per aliquam exceptionem peti non poterat, id est perpetuam exceptionem. Quare hoc quoque repeti poterit, si quis perpetua exceptione totus solverit (…). Die Quelle entspricht D. 12,6,26,3 (Ulp. 26 ad ed.). 176 Vgl. etwa Schwarz [1952] S. 7 ff.; Archi [1953] S. 335 ff.; unlängst Cortese [2013a] S. 97 ff. Was den Nehmer (accipiens) angeht, begeht ein furtum, wer wissentlich ein indebitum annimmt. Dies ergibt sich aus D. 13,1,18 (Scaev. 4 quaest.): Quoniam furtum fit, cum quis indebitos nummos sciens acceperit, videndum, si procurator suos nummos solvat, an ipsi furtum fiat. Et Pomponius epistularum libro octavo ipsum condicere ait ex causa furtiva: sed et me condicere, si ratum habeam quod indebitum datum sit. sed altera condictione altera tollitur. Siehe auch D. 47,2,43pr. (Ulp. 41 ad Sab.) und D. 47,2,44pr. (Pomp. 11 ad Sab.). Ausführlich dazu Fargnoli [2006]. Vgl. auch Fitting [1926]; Kaser [1961a] S. 76; Cannata [2005b] S. 19. 177 D. 12,6,1,1 (Ulp. 26 ad ed.): Et quidem si quis indebitum ignorans solvit, per hanc actionem condicere potest: sed si sciens se non debere solvit, cessat repetitio. Im gleichen Sinne D. 12,6,50 (Pomp. 5 ad Q. Muc.): Quod quis sciens indebitum dedit hac mente, ut postea repeteret, repetere non potest. Die wissentliche Zahlung einer Nichtschuld ist keine Schenkung, steht ihr aber nahe. Vgl. D. 46,2,12 (Paul. 31 ad ed.). Dazu Schwarz [1952] S. 111 ff.; Archi [1960] S. 121 ff.; Kaser [1971] S. 596 (Fn. 36); Cannata [2005b] S. 18.

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entnehmen, denn die Quelle bezieht sich auf diese Schuldverhältnisse (...si paret eum dare oportere). Gleiches gilt für die Stellen aus dem Titel 12,6 der Digesten (de condictione indebiti), in dem die sog. Kondiktion des nicht Geschuldeten erörtert wird178: Dort spricht man ausschließlich von dare im rechtstechnischen Sinne, zumeist hinsichtlich Geldschulden.179 Da der solutio indebiti keine wirksame Obligation zugrunde liegt, könnte man zunächst folgern, dass die hingegebene Sache nicht ins Eigentum des Empfängers übergeht; dies, weil die formlose Übereignung (traditio) einen Rechtsgrund voraussetzt, damit das Eigentum wirksam übertragen wird. In diesem Zusammenhang geht man das Problem der causa traditionis an.180 Wird eine Sache zur Erfüllung einer Verpflichtung übereignet, so geht das Eigentum über, auch wenn die obligatio gar nicht besteht. Diese Lösung beruht darauf, dass für diesen Fall die Römer nicht die Verpflichtung als causa traditionis angesehen haben, sondern die Erfüllung selbst (solutio).181 Was etwa zur Erfüllung einer Stipulation tradiert wird, ist nicht ex causa stipulationis ge178

Die klassische Kondiktion war eine einheitliche Klage, die auf mehrere Fälle Anwendung gefunden hat. Nur im justinianischen Recht handelt es sich um mehrere Klagen mit selbstständigen Bezeichnungen, unter anderem die condictio indebiti. Ausführlich zu dieser Entwicklung Saccoccio [2002] S. 549 ff. 179 Siehe etwa D. 12,6,15,1 (Paul. 10 ad Sab.); D. 12,6,19,2 und 4 (Pomp. 22 ad Sab.); D. 12,6,21 (Paul. 3 quaest.); D. 12,6,25 (Ulp. 47 ad Sab.); D. 12,6,26pr.-2 (Ulp. 26 ad ed.); D. 12,6,47 (Cels. 6 dig.); D. 12,6,57,1 (Pap. 3 resp.); D. 12,6,67pr. (Scaev. 5 dig.). Vgl. auch in anderen Digestentiteln D. 12,4,9,1 (Paul. 17 ad Plaut.); D. 12,4,14 (Paul. 3 ad Sab.); D. 13,1,18 (Scaev. 4 quaest.). Anders als die mutui datio setzt die solutio indebiti nicht voraus, dass die übereigneten Sachen vertretbar sind; die nicht geschuldete Leistung kann in einer Geldsumme (normaler Fall), in einer bestimmten Menge von sonstigen vertretbaren Sachen (res, quae pondere numero mensura constant) oder in individuell bestimmten Sachen bestehen. Daraus folgt, dass nicht nur dieselbe Geldsumme (pecunia numerata) oder dieselbe Menge gleichartiger Sachen (tantundem eiusdem generis) zurückzugeben ist, sondern auch, wenn der Fall so ist, die übereigneten Sachen selbst (res ipsa). In diesem Sinne teilt uns Pomponius in D. 12,6,7 (Pomp. 9 ad Sab.) mit, dass, wenn etwas nicht Geschuldetes irrtümlich gezahlt wird, es entweder selbst oder ebensoviel zurückverlangt werden kann: Quod indebitum per errorem solvitur, aut ipsum aut tantundem repetitur. Vgl. auch D. 12,6,15pr.-1 (Paul. 10 ad Sab.). 180 Zur notwendigen Kausalität der Verfügungsakte siehe D. 41,1,31pr. (Paul. 31 ad ed.): Numquam nuda traditio transfert dominium, sed ita, si venditio aut aliqua iusta causa praecesserit, propter quam traditio sequeretur. In ähnlichem Sinne Gai. 2,20: Itaque si tibi vestem vel aurum vel argentum tradidero sive ex venditionis causa sive ex donationis sive quavis alia ex causa, statim tua fit ea res, si modo ego eius dominus sim. Dazu vgl. Kaser [1961a] S. 61 ff.; Jahr [1963] S. 141 ff.; Cannata [2005b] S. 18 ff.; Vacca [2007] S. 2714 ff.; Cortese [2013a] S. 100 ff. 181 Kaser [1961a] S. 69 ff. Insofern ist die Ansicht von Sanfilippo [1943] S. 76 ff., dass die Voraussetzung zur Zulässigkeit der sog. condictio indebiti die datio sine causa ist, nicht genau. Diese Stellungnahme beruht auf D. 12,7,1pr. (Ulp. 43 ad Sab.): Est et haec species condictionis, si quis sine causa promiserit vel si solverit quis indebitum. qui autem promisit sine causa, condicere quantitatem non potest quam non dedit, sed ipsam obligationem. Näheres zu dieser Stelle bei Fargnoli [2001] S. 243 ff. mit Literatur.

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leistet, sondern ex causa solvendi.182 Daher stellt die solutio indebiti eine wirksame datio rei dar.183 b) Klagbarkeit Grundsätzlich ist die condictio zulässig, wenn eine „rechtsgeschäftliche“ datio vorliegt und es für die Vorenthaltung der empfangenen Sache keinen Rechtsgrund gibt.184 Vereinzelt haben die römischen Juristen die condictio auch in Fällen gewährt, in denen keine datio stattfindet (sog. condictio sine datione).185 Prägnant spricht Gaius in unserer Quelle von der Gewährung der Kondiktion wegen einer Leistung auf dare: (…) nam proinde ei condici potest si paret eum dare oportere. Die Zahlung einer Nichtschuld bedeutet also die Verschaffung zivilrechtlichen Eigentums. Unzutreffend ist demnach die Ansicht, dass es in Gai. 3,91 allein um die Funktion der solutio indebiti als Auslöserin der Kondiktion gehe, nicht aber als Übereignungsgeschäft.186 Gaius bezieht sich auf die solutio indebiti deutlich als die irrtümliche Erfüllung einer nicht bestehenden Verpflichtung auf dare, d.h. als eine Sachübereignung.

182

ff.

183

Zur Frage der solutio als iusta causa traditionis vgl. ausführlich Laborenz [2014] S. 90

Zutreffend Kaser [1961a] S. 70 ff. Ferner Kupisch [1987] S. 16 ff.; Cannata [2005b] S. 18 ff. Undeutlich Voci [1946a], der in Bezug auf die datio sagt: „(...) è chiaro che causa qui non esiste (...)“ (S. 117), um einige Zeilen später zu sagen, dass „la causa petendi è nel fatto dell’arricchimento del convenuto: solo, ch’è stabilito il modo dell’arricchimento: deve avvenire mediante una datio.“ (S. 118). 184 Die condictio beruht grundsätzlich auf der Grundlosigkeit des Behaltens vom accipiens, die datio vorausgesetzt. Vgl. etwa Kipp [1901] S. 854; Sanfilippo [1943] S. 52, 87 ff.; Schwarz [1952] S. 191 ff.; Kupisch [1987] S. 4 ff. D. 12,6,33 (Iul. 39 dig.): Si in area tua aedificassem et tu aedes possideres, condictio locum non habebit, quia nullum negotium inter nos contraheretur: nam is, qui non debitam pecuniam solverit, hoc ipso aliquid negotii gerit: cum autem aedificium in area sua ab alio positum dominus occupat, nullum negotium contrahit (...). Siehe auch D. 12,1,19,1 (Iul. 10 dig.); D. 12,1,32 (Cels. 5 dig.). Dazu vgl. Schwarz [1952] S. 191 ff.; Fargnoli [2001] S. 242 ff.; Saccoccio [2002] S. 234 ff.; 278 ff. 185 Ein deutliches Beispiel dazu bildet der oben erwähnte Fall des furtum; Gai. 4,4. Die Zulässigkeit der Kondiktion für Tatbestände, denen keine datio rei zugrunde liegt, scheint auf der sog. Lehre der veteres zu beruhen, wie Ulpian uns unterrichtet; D. 12,5,6 (Ulp. 18 ad Sab.): Perpetuo Sabinus probavit veterum opinionem existimantium id, quod ex iniusta causa apud aliquem sit, posse condici: in qua sententia etiam Celsus est. Eine ausführliche Erläuterung dieser Frage würde den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen. Eingehend zur sog. condictio sine datione mit Hinweisen auf die ältere Literatur Heine [2006] (S. 111 ff. für diese Quelle). Vgl. auch Saccoccio [2002] S. 98 ff.; Hähnchen [2004] S. 385 ff. Cortese [2013b] S. 41 ff., 42 bezieht sich auf die datio als „il campo più vasto di impiego pratico della condictio“, also nicht der einzige. Gegen die Existenz von Fällen von condictio sine datione im römischen Recht D’Ors [1974a] S. 1 ff., nach dessen Ansicht es um dationes ex eventu oder ob causam geht. 186 Laborenz [2014] S. 236.

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Der Übergang der hingegebenen Sachen ins Eigentum des accipiens durch die solutio indebiti ist wirksam, aber ungerechtfertigt; der Nehmer hat keinen Rechtsgrund für das Behalten der von ihm in Empfang genommenen Sachen und ist einem Rückforderungsanspruch des Zahlenden ausgesetzt187, denn die Rückgabepflicht wegen Zahlung einer Nichtschuld entsteht unabhängig von einem „Geschäftswillen“ der Parteien188. Daher kann der Zahlende die condictio erheben, um das irrtümlicherweise Bezahlte und vom accipiens grundlos Behaltene zurückzubekommen.189 Hierin liegt die causa petendi des solvens. Ferner beruht die condictio auf dem Verstoß gegen die bereits erwähnte Regel, dass sich niemand aus dem Schaden oder Nachteil eines anderen ungerechtfertigt oder unrechtmäßig bereichern soll.190 In diesem Sinne wird die condictio oftmals, obwohl historisch missverständlich, als „Bereicherungsklage“ bezeichnet.191 Das Gesagte muss jedenfalls nicht zur Annahme führen, dass die Römer ein System des Bereicherungsrechts gekannt hätten: Das moderne Recht der ungerechtfertigten Bereicherung bildet eine Generalisierung und Fortbildung konkreter römischer Ansatzpunkte, zu denen vor allem die solutio indebiti gehört.192 Die klassische condictio war eine einheitliche Klage, die auf mehrere Fallkonstellationen Anwendung fand. Da nach justinianischem Recht die Kondiktion wegen Erfüllung einer Nichtschuld zu einer eigenständigen Klage wurde193, ist ein gesamter Titel der Digesten (D. 12,6) der sog. condictio indebiti („Kondiktion des nicht Geschuldeten“) gewidmet.194 187

Vgl. Sanfilippo [1943] S. 52, 87 ff.; Schwarz [1952] S. 191 ff.; Kaser [1961a] S. 70 ff.; Kupisch [1987] S. 4 ff. 188 D. 13,6,13,2 (Pomp. 11 ad Sab.): (…) plerumque enim id accidit, ut extra id quod ageretur tacita obligatio nascatur, veluti cum per errorem indebitum solvendi causa datur. Weitere Angaben zur Quelle bei Cannata [1987b] S. 303 ff.; ders. [2005b] S. 20 (Fn. 22). 189 Gai. 3,91. Vgl. auch D. 12,6,1,1 (Ulp. 26 ad ed.); D. 12,6,2pr. (Ulp. 16 ad Sab.); D. 12,6,6pr.-3 (Paul. 3 ad Sab.); D. 12,6,16pr. (Pomp. 15 ad Sab.). Hierzu eingehend Schwarz [1952] S. 7 ff., 191 ff.; Kupisch [1987] S. 15 ff.; Giuffrè [1999] S. 11; Fargnoli [2001] S. 10 ff.; Saccoccio [2002] S. 489 ff., 520 ff.; Hähnchen [2003] S. 73 ff.; Vacca [2007] S. 2714 ff. 190 Siehe D. 12,6,14 (Pomp. 21 ad Sab.); D. 12,6,66 (Pap. 8 quaest.); D. 50,17,206 (Pomp. 9 ex var. lect.). Dazu vgl. Vacca [2007] S. 2709 ff.; Heine [2006] S. 111 ff.; Cannata [2005a] S. 90 ff.; [2005b] S. 20 ff.; Hähnchen [2004] S. 385 ff.; dies. [2003] S. 58 ff.; Harke [2003] S. 49 ff.; Santoro [1971] S. 190 ff. Schwarz [1952] S. 302 ff. hält die Berufung auf die Billigkeit als Grundlage der condictio für unklassisch. In diesem Sinne bereits Pringsheim [1932] S. 139 ff. 191 Vgl. vor allem von Koschembahr-Lyskowski [1903]; weiterhin Kupisch [1987] S. 15 ff. 192 Zimmermann [2005] S. 255. 193 Dazu siehe nur Saccoccio [2002] S. 549 ff. 194 Dazu vgl. Cortese [2013a] S. 95 ff.; Vacca [2007] S. 2714 ff.; Harke [2003] S. 50 ff.; Hähnchen [2003] S. 73 ff.; Saccoccio [2002] S. 489 ff.; Fargnoli [2001] S. 10 ff.; Schwarz [1952] S. 7 ff.; von Lübtow [1952] S. 141 ff. (dazu Voci [1953] 412 ff.).

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Auch wenn Gegenstand der solutio indebiti sowohl vertretbare als auch unvertretbare Sachen sein können, bezieht sich die Kasuistik, die uns in den Digesten erhalten ist, vorwiegend auf die Zahlung von Geldsummen195; das bildet mit Sicherheit den mit Abstand bedeutendsten Anwendungsfall der Kondiktion wegen Zahlung einer Nichtschuld im römischen Recht. 2. Realobligation aus Zahlung einer Nichtschuld a) Velut Man begründet eine vertragliche Realobligation nämlich durch Darlehensgewährung: re contrahitur obligatio velut mutui datione (Gai. 3,90). Wie schon erwähnt, ist der Gebrauch der Partikel velut hinsichtlich der Kontrahierung eines „Realvertrages“ als taxativ zu interpretieren: In den gaianischen Institutionen erkennt man nur eine obligatio re contracta an, und zwar (velut) die aus einer mutui datio entstehende.196 Allerdings ist das mutuum nicht der einzige Realobligationsentstehungsgrund, denn Gaius selbst unterrichtet uns, dass auch durch die Zahlung einer Nichtschuld eine Realobligation begründet werden kann, obwohl kein contractus in Betracht kommt. Deshalb spricht er in diesem Hinblick generell von re obligatur und nicht von obligatio re contracta im Speziellen.197 Damit wollte Gaius darauf hinweisen, dass die mutui datio nicht den einzigen Entstehungsgrund einer Realobligation darstellt, sehr wohl aber ihren Inbegriff, ihren Entstehungsgrund schlechthin. Aus Gai. 3,91 darf man folgern, dass die solutio indebiti der mutui datio strukturell sehr nahesteht; daher kann sie als Realobligation betrachtet werden.198 Man gewährt die condictio gegen den accipiens, als ob er ein Darlehen in Empfang genommen hätte: nam proinde ei condici potest si paret eum dare oportere, ac si mutuum accepisset. Nicht umsonst werden mutuum und solutio indebiti in demselben Titel des prätorischen Edikts (de rebus creditis) und daher zusammen in den spätklassischen Kommentaren zum Edikt behandelt (26. Buch des Kommentars Ulpians und 28. Buch des Kommentars des Paulus). Die strukturellen Ähnlichkeiten zwischen beiden Instituten liegen auf der Hand: Einerseits wird der accipiens wegen einer Sachübereignung (datio rei) zur Rückgabe (die daher in einem dare rem besteht) verpflichtet; andererseits ist gegen ihn eine strengrechtliche reddere-Klage (condictio) eröffnet, damit der Geber den vom Nehmer empfangenen Betrag zurückbekommt.199 195

Siehe Fn. 179. S.o. § 4 A II. 197 Zu Recht betont Betti [1912] S. 66, dass re obligari ein unbestimmter Ausdruck ist („espressione indeterminata“). 198 S.u. § 4 A III2b). 199 Der Zahlende kann jedenfalls auch die eventuellen Früchte und Zuwächse der Sache 196

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Die Quellen, in denen die Zahlung einer Nichtschuld erörtert wird, beziehen sich zumeist auf Einzelfälle, die unter normalen Umständen – ohne Irrtum in Bezug auf das Bestehen der dare-Verpflichtung – eine Darlehensrückzahlung gebildet hätten. 200 Anders formuliert: Die Zahlung einer Nichtschuld ist ein an das Darlehen angelehntes reines Rückgewährschuldverhältnis. Nach dem Gesagten überrascht es nicht, dass sie in den Institutionen des Gaius im Rahmen der Erörterung der Realobligation auf das Darlehen folgt: Die solutio indebiti lässt sich zweifellos als Realobligationsentstehungsgrund betrachten.201 Von Leihe, Verwahrung und Verpfändung hingegen ist in den Institutionen des Gaius als Entstehungsgründe einer Realobligation konsequent keine Rede, denn sie entsprechen nicht der klassischen Struktur der Realobligation, welcher die Verschaffung zivilrechtlichen Eigentums zugrunde liegt, sei es wissentlich oder irrtümlich. Daher erweist es sich als zwecklos, wie unten ausführlich zu zeigen sein wird, in der Partikel velut einen stillschweigenden Bezug auf die durch bloße Sachhingabe begründeten Schuldverhältnisse zu suchen.202 b) Re obligatur Die Zahlung einer Nichtschuld begründet eine Realobligation. Gaius drückt sich folgendermaßen aus: Wer etwas nicht Geschuldetes von jemandem, der irrtümlich gezahlt hat, in Empfang nimmt, wird ebenfalls „aufgrund einer Sache“ verpflichtet (Is quoque, qui non debitum accepit ab eo, qui per errorem solvit, re obligatur). Bezeichnenderweise ist nur hinsichtlich des Darlehens von re contrahitur obligatio die Rede (Gai. 3,90). Bei der Zahlung einer Nichtschuld liegt eine grundlegende terminologische Unterscheidung vor: Vorsichtig beschränkt sich Gaius darauf, auf die Verbindung der Verpflichtung des accipiens mit der ihm übereigneten Sache hinzuweisen (re obligatur). Der Unterschied ist fein, aber dogmatisch von höchster Bedeutung: Bei der solutio indebiti wird der Empfänger „aufgrund einer Sache“ (re) verpflichtet, allerdings wird keine vertragliche Realobligation begründet (re contrahere). Gaius richtet den Blick nicht auf das Schuldverhältnis als solches, sondern auf die Person des accipiens, der wegen einer Sachübereignung Schuldner geworden ist. Dass ein Rückforderungsanspruch entsteht, wird deutlich zum Ausdruck gebracht (ei condici potest), aber Gaius sagt nicht, dass ein Rückgewährschuldverhältnis kontrahiert worden ist.203 Es handelt sich sicherlich nicht einfach um ein stilistisches Mittel, um eine Wiederhozurückverlangen. Dazu siehe D. 12,6,15pr. (Paul. 10 ad Sab.) und D. 12,6,65,5 (Paul. 17 ad Plaut.). 200 Siehe die in Fn. 179 zitierten Quellen. 201 Zutreffend Cannata [2005b] S. 17; Cortese [2013a] S. 99. 202 Dazu s.u. § 4 A IV2. 203 Vgl. Schwarz [1952] S. 8.

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lung zu vermeiden. Stattdessen wird der Grund für diese terminologische Unterscheidung in derselben Stelle (in fine) erläutert: Wer mit der Absicht, eine Schuld zu erfüllen, etwas übereignet, will eher eine Verpflichtung auflösen als begründen (...is, qui solvendi animo dat, magis distrahere vult negotium quam contrahere). Wie oben gesagt, beruht die gaianische Vertragsidee nicht auf der Willensübereinstimmung der Parteien, sondern auf der Begründung eines Schuldverhältnisses durch rechtmäßige Handlung: Dem Vertrag steht allein die rechtswidrige Handlung (Delikt) gegenüber (Gai. 3,88).204 In diesem Sinne ist die Obereinteilung der Obligationsentstehungsgründe in Vertrag und Delikt zu interpretieren. 205 Allerdings ist die genaue Stellung der Zahlung einer Nichtschuld innerhalb des „Systems“ der gaianischen Institutionen eher ungewiss. Was dies angeht, wird in Gai. 3,91 ein caveat formuliert: Die irrtümliche Zahlung einer Nichtschuld scheint distrahere zu bedeuten, aber kein contrahere. Gaius zweifelt an der Möglichkeit, diese Situation als contrahere zu bezeichnen, obwohl die Betrachtung der solutio indebiti als Vertrag mit der summa divisio obligationum übereinstimmt206. In der Tat wird im ersten Teil von Gai. 3,91 gesagt, dass die Zahlung einer Nichtschuld eine Realobligation darstellt, wo man auf den ersten Blick „vertragliche Realobligation“ lesen könnte: Dies ist die Funktion von quoque („ebenfalls“), das die Gleichstellung zwischen solutio indebiti und mutuum als Gründe einer Realobligation ausdrückt, und das Darlehen ist nach Gai. 3,90 ein Vertrag (re contrahitur obligatio).207 Aber dann tritt der Zweifel des Gaius ein (sed haec species obligationis...) und er sagt (vorsichtig), dass die Zahlung einer Nichtschuld non videtur ex contractu consistere. In diesem Zusammenhang lässt sich das velut auch als taxativ ansehen, wenn man annimmt, dass die Partikel nur auf die Realobligation aus Vertrag (re contrahere) hinweist. Man muss zugeben, dass die Redeweise des Gaius eher undeutlich ist, aber daraus darf man nicht folgern, dass zwischen diesem Text und der Stelle Julians, in der die solutio indebiti als negotium (gerere/contrahere) bezeichnet wird208, ein offener Widerspruch besteht209. Bei der solutio indebiti 204

S.o. § 3 B I-II. Vgl. Gai. 4,2; 4,112-113; 4,182. Siehe auch D. 3,5,15 (Paul. 7 ad Plaut.); D. 5,1,57 (Ulp. 41 ad Sab.); D. 5,3,14 (Paul. 20 ad ed.); D. 44,7,25,1 (Ulp. l.s. reg.); D. 44,7,49 (Paul. 18 ad Plaut.); D. 50,17,23 (Ulp. 29 ad Sab.). 206 In diesem Sinne auch Laborenz [2014] S. 234: „Damit verbleibt für die condictio indebiti – welche evident nicht deliktischen Ursprungs ist – nur die Kategorie ex contractu.“ 207 Vgl. Betti [1912] S. 66. 208 D. 12,6,33 (Iul. 39 dig.): Si in area tua aedificassem et tu aedes possideres, condictio locum non habebit, quia nullum negotium inter nos contraheretur: nam is, qui non debitam pecuniam solverit, hoc ipso aliquid negotii gerit: cum autem aedificium in area sua ab alio positum dominus occupat, nullum negotium contrahit (…). Zum Verb contrahere und dem Begriff negotium contractum vgl. Betti [1912] S. 65 ff.; ders. [1915] S. 3 ff.; Voci [1946a] S. 205

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kommt ein negotium in Betracht, und zwar die Leistung in der Form einer Eigentumsübertragung (datio), mit der der Zahlende die nicht bestehende Verpflichtung auflösen will.210 Negotium gerere/contrahere bedeutet „die Schaffung eines Spannungsverhältnisses“, einer obligatorischen Bindung zwischen den Beteiligten durch erlaubtes Handeln211, eines „objektiven Verhältnisses zwischen verschiedenen Vermögen“212. Aus diesem Grund gibt es für das Bauen auf fremdem Boden (so lautet das Beispiel Julians) keine condictio (condictio locum non habebit), da inaedificare kein dare und deswegen kein „Geschäft“ ist (nullum negotium inter nos contraheretur), die Zahlung einer Nichtschuld aber schon (...nam is, qui non debitam pecuniam solverit, hoc ipso aliquid negotii gerit)213. Daher ist negotium contractum (gestum) nicht gleichbedeutend mit contractus (Vertrag), d.h. contrahere wird nicht im Sinne der Begründung einer obligatio contracta214 betrachtet, sondern als Schaffung einer Bindung zwischen zwei oder mehreren Parteien im allgemeinen Sinne gebraucht. Dies gilt auch für den Fall, dass die Beteiligten die herbeigeführten Rechtseffekte nicht wollen.215 Das julianische negotium contractum und das gaianische contrahere/distrahere beziehen sich nicht auf genau denselben Gegenstand. Nach D. 12,6,33 umfasst das negotium contrahere jeden Tatbestand, aus dem eine Eigentumsübertragung entsteht (factum dantis).216 Die Struktur der gaianischen Passage lässt daran denken, dass für Gaius (wie für Julian) die Zahlung einer Nichtschuld ein negotium ist: Andernfalls hätte keine Eigentumsübertragung stattgefunden und wäre die condictio nicht zulässig. Trotzdem zögert 46 ff.; Grosso [1963] S. 29 ff., 38 ff.; Wunner [1964] S. 4 ff.; Wołodkiewicz [1978a] S. 297 ff.; ferner Melillo [1994] S. 125 ff.; Saccoccio [2002] S. 288 ff.; Guzmán Brito [2005] S. 33 f. 209 Anders Grosso [1963] S. 34 ff.; Melillo [1994] S. 65; Saccoccio [2002] S. 502 ff. 210 Vgl. Voci [1946a] S. 12, 105. 211 Schwarz [1952] S. 192. 212 Betti [1912] S. 68 (Fn. 3): „rapporto di obbligazione“; ders. [1915] S. 62: „relazione obbiettiva di due individualità patrimoniali distinte.“ In ähnlichem Sinne vgl. Lauria [1938] S. 172, 179 ff.; Schiavone [1971] S. 160; Wołodkiewicz [1978a] S. 298; Melillo [1994] S. 130; Coma Fort [1996] S. 147 (Fn. 350); Guzmán Brito [2005] S. 35. Näheres dazu oben § 3 B II. 213 Vgl. Schwarz [1952] S. 192 f.; weiterhin Saccoccio [2002] S. 287 ff. Die Quelle Julians wird in der Monografie von Fargnoli [2001] nicht einmal erwähnt. 214 Der Ausdruck obligatio contracta ohne unmittelbare Wortverbindung mit re, verbis, litteris oder consensu contrahere (obligationes re, verbis, litteris und consensu contractae) erscheint drei Mal in den Quellen (zweimal bei Gaius), und zwar in D. 45,1,1,4 (Ulp. 48 ad Sab.) (non esse contractam obligationem... obligatio nisi in decem non erit contracta...); Gai. 3,83 (operarum obligatio libertorum, quae per iusiurandum contracta est) und Gai. 4,131 (...obligatio contracta intellegitur). Darüber hinaus ist es strittig, ob in D. 46,3,80 (Pomp. 4 ad Q. Muc.) in fine von der Obligation oder dem Vertrag die Rede ist (...cum emptio vel venditio vel locatio contracta est). Hierzu s.o. § 2 B II. 215 Vgl. Melillo [1994] S. 130. 216 Vgl. Saccoccio [2002] S. 289.

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Gaius, diese Situation als (negotium) contrahere zu bezeichnen, denn er spricht von der Begründung der Schuldverhältnisse im Speziellen (obligationem contrahere) und nicht von der Geschäftsführung (negotium gerere/contrahere nach Julian) im Allgemeinen. Nicht umsonst wird dem contrahere in Gai. 3,89 ff. konkret der Sinn der Begründung einer vertraglichen Schuldbeziehung zugeschrieben, und das ist deutlich beschränkter als das gerere Julians.217 In Gai. 3,91 geht es nicht um die Betrachtung der solutio indebiti als negotium (das wird vorausgesetzt), sondern um die Bezeichnung der Handlung des Zahlenden als contrahere in einem beschränkten speziellen Sinne.218 In diesem Zusammenhang stellt Gaius den vertraglichen Charakter der Zahlung einer Nichtschuld in Abrede. Er verneint nicht, dass bei der solutio indebiti ein negotium vorliegt, sondern dass der solvens ein Schuldverhältnis begründen (contrahere) will. Tatsächlich geht die Argumentation des Gaius davon aus, dass die geleisteten Sachen rechtsgeschäftlich wirksam ins Eigentum des accipiens übergegangen sind. Der Grund dieser Stellungnahme ist nicht, dass der solutio indebiti kein Konsens zugrunde liegt, denn Gaius erkennt ihn nicht als allgemeinen Geltungsgrund des contrahere an.219 Das gaianische caveat beruht darauf, dass der Wille des Zahlenden nicht auf die Begründung einer Obligation gerichtet ist, sondern auf ihre Auflösung 220, da der „Bindungswille“ fehlt221. Kurz formuliert: Gaius hat vor Augen, dass der Vertrag ein schuldbegründender Tatbestand ist (obligatio ex contractu nascitur), nicht ein schuldauflösender; daher ist die solutio indebiti vom Vertragsbereich auszuschließen.

217

Vgl. Gai. 3,136 = D. 44,7,2,2 (Gai. 3 inst.). Gaius, der bisher nur von obligationes gesprochen hat, verändert bezeichnenderweise seine Redeweise in Gai. 3,91 in fine und bezieht sich nicht mehr auf obligationem contrahere, sondern auf negotium contrahere/distrahere. In den res cottidianae ist aber diesbezüglich von obligationem contrahere die Rede; D. 44,7,5,3 (Gai. 3 res cott.): (…) magis distrahendae obligationis animo quam contrahendae dare videtur. Es ist möglich, wie Saccoccio [2002] S. 504 meint, dass der Grund dafür, in den Institutionen in diesem Zusammenhang von negotium und nicht mehr von obligatio zu sprechen, in der ersten Auseinandersetzung des Gaius mit der These Julians liegt. Eine solche Aufmerksamkeit für diese Termini in Bezug auf die Frage der solutio indebiti war vielleicht beim Verfassen der res cottidianae, in denen die Zahlung einer Nichtschuld zu den variae causarum figurae gezählt wird, nicht mehr notwendig. Für die Nichtklassizität von obligationem contrahere vgl. Segrè [1929] S. 440 (Fn. 23); hingegen Arangio-Ruiz [1930] S. 509 ff.; weiterhin Saccoccio [2002] S. 504. 219 S.o. § 3 B I-II. 220 Voci [1946a] S. 98 f.; ferner etwa Sargenti [1988] S. 55 ff.; Coma Fort [1996] S. 26, 147; Paricio [1997] S. 154; ders. [2008] S. 31. 221 Zutreffend D’Ors [1951] S. 280 (Fn. 62): „Es claro que los reparos de Gayo no están en notar la falta de conventio, como si vislumbrase el cuasicontrato, sino en hacer observar la falta de intención vinculativa, que no es lo mismo exactamente.“ 218

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In Gai. 3,91 findet man also eine Gedankenschichtung hinsichtlich der Beziehung der Zahlung einer Nichtschuld zum Darlehen222: Was die Realobligation angeht, bildet die solutio indebiti ein reines Rückgewährschuldverhältnis wie das mutuum (is quoque (…) re obligatur). Was die Vertraglichkeit betrifft, ist die Zahlung einer Nichtschuld kein contractus, da es bei ihr ein negotium distrahere gibt, nicht ein contrahere (sed haec species (…) contrahere).223 Konsequent bezeichnet Gaius die solutio indebiti nicht als obligatio re contracta im Speziellen, sondern als re obligari im Allgemeinen: Mutui datio und solutio indebiti bilden zwar beide Verbindlichkeiten aus Eigentumsübertragung und sind mit der gleichen Klage verfolgbar, aber nur das Darlehen ist eine obligatio ex contractu (re contrahitur obligatio).224 Anders ausgedrückt: Die Rückgewährpflicht wegen Zahlung einer Nichtschuld ist eine Realobligation, aber keine aus Vertrag. Modern gesprochen könnte man von „außervertraglicher“ Realobligation reden (...haec species obligationis non videtur ex contractu consistere).225 Bezeichnenderweise wird dieselbe terminologische Unterscheidung in den res cottidianae und in den Institutionen Justinians beibehalten. Gai. 3,91 ist mit Gewissheit das Vorbild für I. 3,14,1226; D. 44,7,5,3227 das Vorbild für I. 3,27,6228. Beim ersten Textpaar gibt es kaum Unterschiede. Die Kompilatoren fügten daturque agenti contra eum propter repetitionem condicticia actio 222

Vgl. Voci [1946a] S. 99. Es gibt keinen überzeugenden Grund dafür, die Passage als glossematisch zu betrachten. Hierzu vgl. Coma Fort [1996] S. 151 ff. mit Literatur. 224 Hähnchen [2003] S. 78. 225 Begrifflich unpräzise Hähnchen [2003] S. 78: „Die condictio indebiti ist nämlich kein Realkontrakt (3.89-90), wohl aber eine Realobligation.“ Die condictio ist die Klage, womit der Anspruch geltend gemacht wird, nicht das Schuldverhältnis, woraus der Anspruch entsteht. Vgl. auch Betti [1912] S. 66 ff.; Riccobono [1917] S. 287; Sanfilippo [1943] S. 25 ff.; Voci [1946a] S. 98, 119 ff.; Schwarz [1952] S. 8, 14; Maschi [1973] S. 76; Saccoccio [2002] S. 501. 226 I. 3,14,1: Is quoque, qui non debitum accepit ab eo qui per errorem solvit re obligatur: daturque agenti contra eum propter repetitionem condicticia actio; nam proinde ei condici potest SI PARET EUM DARE OPORTERE ac si mutuum accepisset. unde pupillus, si ei sine tutoris auctoritate non debitum per errorem datum est, non tenetur indebiti condictione, non magis quam mutui datione. sed haec species obligationis non videtur ex contractu consistere, cum is qui solvendi animo dat magis distrahere voluit negotium quam contrahere. 227 D. 44,7,5,3 (Gai. 3 res cott.): Is quoque, qui non debitum accipit per errorem solventis, obligatur quidem quasi ex mutui datione et eadem actione tenetur, qua debitores creditoribus: sed non potest intellegi is, qui ex ea causa tenetur, ex contractu obligatus esse: qui enim solvit per errorem, magis distrahendae obligationis animo quam contrahendae dare videtur. 228 I. 3,27,6: Item is cui quis per errorem non debitum solvit quasi ex contractu debere videtur. adeo enim non intellegitur proprie ex contractu obligatus ut, si certiorem rationem sequamur, magis, ut supra diximus, ex distractu quam ex contractu possit dici obligatus esse: nam qui solvendi animo pecuniam dat, in hoc dare videtur, ut distrahat potius negotium quam contrahat. sed tamen proinde is qui accepit obligatur, ac si mutuum illi daretur, et ideo condictione tenetur. 223

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hinzu, um klarzumachen, wer die Klage wegen Zahlung einer Nichtschuld erheben kann.229 Mehr Unterschiede lassen sich zwischen dem Text der res cottidianae und dem zweiten Text der Institutionen Justinians betrachten. In den res cottidianae kommt zum Ausdruck, dass, wer wegen Irrtums des Zahlenden etwas nicht Geschuldetes empfangen hat, als ob durch Darlehensgewährung verpflichtet und durch dieselbe Klage in Anspruch zu nehmen ist: Is quoque, qui non debitum accipit per errorem solventis, obligatur quidem quasi ex mutui datione et eadem actione tenetur. Der justinianische Text spricht aber von quasi ex contractu debere videtur, hier ohne ausdrücklichen Bezug auf das Darlehen. Trotz sprachlicher Unterschiede, die zur Anpassung der Stelle an die neue Gruppe der variae causarum figurae dienen230, entspricht der Text der res cottidianae im Wesentlichen der in den gaianischen Institutionen vertretenen Ansicht. So liest man in den res cottidianae obligatur quidem quasi ex mutui datione statt ac si mutuum accepisset, was jedenfalls die Beziehung der solutio indebiti zum mutuum ausdrückt. Historisch betrachtet kann man hier die Basis für die spätere Kategorie der Quasiverträge sehen231: Die solutio indebiti wird nicht mehr unmittelbar nach der mutui datio erörtert, sondern sie findet sich unter den variae causarum figurae (D. 44,7,5pr.-6) eingegliedert232, auf jeden Fall mit dem angesprochenen Bezug auf das Darlehen. Ähnliches gilt für I. 3,27,6: Die solutio indebiti wird abstrakt formuliert als Obligation quasi ex contractu bezeichnet, obwohl der Bezug auf das mutuum nicht fehlt (...ac si mutuum illi daretur). Daher kann man im quasi ex contractu von Justinian das quasi ex mutui datione der res cottidianae lesen.233 Inhaltlich geht es immer um die Verpflichtung des Empfängers gleichartig wie durch mutui datio. Gemeinsames Kennzeichen der res cottidianae und der Institutionen Justinians ist, dass die konkrete Situation des accipiens, dessen Pflicht mit einer Sachübereignung verbunden ist, im Mittelpunkt steht. Keine von diesen Stellen bezieht sich eigentlich auf die Kontrahierung eines Schuldverhältnisses „durch eine Sache“ (re contrahitur obligatio). Die gaianischen Institutionen sind gewiss das Vorbild dieser Darstellung der solutio indebiti. Insofern liegt in den Institutionen des Gaius, in den res cottidianae und in den Institutionen Justinians wesentlich dieselbe Darstellung der Zahlung 229

Vgl. Coma Fort [1996] S. 145. Nach Segrè [1929] S. 439 (Fn. 21) sei es bei den Byzantinern üblich, einen ausdrücklichen Hinweis auf die Klage hinzuzufügen. 230 Hierzu vgl. Riccobono [1917] S. 285 ff. Man sieht bei Coma Fort [1996] S. 146 eine gewisse Tendenz dazu, die sprachlichen Unterschiede zwischen beiden Quellen überzubewerten. Das entspricht jedenfalls der von ihm vertretenen Ansicht, dass die res cottidianae nicht dem Gaius zuzuschreiben seien. 231 Vgl. Coma Fort [1996] S. 146. 232 Siehe D. 44,7,1pr. (Gai. 2 res cott.). Hierzu vgl. Wołodkiewicz [1970] S. 77 ff.; Gallo [1973] S. 171 ff.; Coma Fort [1996] S. 125 ff., 143 ff. 233 Coma Fort [1996] S. 148.

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einer Nichtschuld vor: Der Empfänger wird (rechtsgeschäftlich, aber nicht vertraglich) verpflichtet, als ob er ein Darlehen erhalten hätte.234 Die Zulässigkeit der condictio entsteht ebenso aus dem „Quasidarlehenscharakter“ der solutio indebiti (...et eadem actione tenetur nach den res cottidianae, ...et ideo condictione tenetur nach den Institutionen Justinians). In diesem Zusammenhang erweist sich die Zahlung einer Nichtschuld als eine Art Widerspiegelung des Darlehens im außervertraglichen Bereich. Der Sprung zur endgültigen Unabhängigkeit der solutio indebiti vom mutuum tritt erst in I. 3,27,6 auf (obligatio quasi ex contractu), obwohl die klassische Beziehung zwischen beiden Instituten durch die byzantinischen Lehrer nicht ganz beseitigt wurde (...is qui accepit obligatur, ac si mutuum illi daretur). Ungeachtet der unterschiedlichen äußeren Anordnung des Rechtsstoffes bildet die solutio indebiti nach den Institutionen des Gaius, den res cottidianae und den Institutionen Justinians eine außervertragliche Realobligation. Die neue Systematik der Obligationsentstehungsgründe nach den res cottidianae235 (weiterentwickelt in den Institutionen Justinians)236 bringt es also mit sich, dass der Zweifel von Gai. 3,91 am vertraglichen Charakter des Instituts sich bestätigt hat, denn Gaius sagt ausdrücklich, dass der accipiens nicht mehr als aus einem Vertrag verpflichtet angesehen werden kann: (…) sed non potest intellegi is, qui ex ea causa tenetur, ex contractu obligatus esse.237 Diese Ansicht beruht aber jetzt darauf, dass der Zahlung einer Nichtschuld keine Willensübereinstimmung zwischen den Beteiligten zugrunde liegt. Die variae causarum figurae („verschiedene andere Gründe“), welche das dritte nicht näher bestimmte Element der neuen divisio obligationum bilden, unterscheiden sich vom Vertrag darin, dass sie das Fehlen des übereinstimmenden Parteiwillens in der Verpflichtungsbegründung kennzeichnet. In diesem Schema ist die Zahlung einer Nichtschuld trotz ihrer engeren Beziehung zum Darlehen kein Vertrag. Die Vorsicht, mit der sich Gaius in den Institutionen in Bezug auf das Problem des vertraglichen Charakters dieses Tatbestandes ausdrückt (sed haec species obligationis non videtur ex contractu consistere), scheint für ihn in den res cottidianae nicht mehr erforderlich gewesen zu sein, denn die solutio indebiti findet sich in diese neue Gruppe von nicht genau klassifizierbar außervertraglichen Tatbeständen eingegliedert. Allerdings wurde das caveat von Gai. 3,91 in einer neuen Formulierung grundsätzlich beibehalten: qui enim solvit per errorem, magis distrahendae obligationis animo quam contrahendae dare videtur.238 234

Gai. 3,91; D. 44,7,5,3 (Gai. 3 res cott.); I. 3,14,1; I. 3,27,6. S.o. § 3 C. 236 S.o. § 3 D. 237 Vgl. I. 3,27,6: (…) adeo enim non intellegitur proprie ex contractu obligatus (…). 238 D. 44,7,5,3 (Gai. 3 res cott.). Vgl. I. 3,14,1: (…) is qui solvendi animo dat magis distrahere voluit negotium quam contrahere; I. 3,27,6: (…) in hoc dare videtur, ut distrahat 235

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Unserer Meinung nach spricht das Gesagte mehr für eine „Anpassung“ des Gaius an die allmähliche Durchsetzung der Vorstellung des Konsenses als Geltungsgrund aller Verträge239 als für die pauschale Aufnahme einer abweichenden Vertragsidee.240 Anders gesagt: Gaius wollte eine neue äußere Anordnung der Schuldverhältnisse vorlegen, die die zu jener Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit schon erheblich verbreitete konsensualistische Vertragslehre widerspiegeln konnte. Es ist kaum begreifbar, dass Gaius seine Idee des contrahere in den wenigen Jahren, die zwischen den Institutionen und den res cottidianae liegen, so grundlegend verändert hat. Wie Martini betont, bedeutet die neue Schuldrechtssystematik der res cottidianae nicht unbedingt, dass die Vertragsidee des Gaius aus dem Konsens beruht.241 Tatsächlich entspricht die Bezeichnung des re, verbis und consensu contrahere als selbstständige Gattungen, voneinander getrennte Phänomene, und nicht als Arten eines einheitlichen allumfassenden genus242 weniger einer konsensualistischen Vertragsidee, wie es sich in den Institutionen Justinians erweist243, als vielmehr der gaianischen Unabhängigkeit der unterschiedlichen rechtmäßigen Schuldbegründungstatbestände, die auf keinen Fall als bloße Zutaten zum Konsens (Konsensäußerungsarten) anzusehen sind244. Die Änderungen, welche in den res cottidianae gegenüber den Institutionen des Gaius wahrzunehmen sind, dienten dazu, die Stellung der solutio indebiti im Rahmen der neuen divisio obligationum darzustellen245, nicht dazu, eine abweichende Vertragsidee aufzunehmen. Der Gedankengang des Gaius der Institutionen, das gaianische innere System, bleibt in den res cottidianae (zumindest in diesem Zusammenhang) grundsätzlich ungetastet.

potius negotium quam contrahat. In diesen Quellen geht es nicht um Konsens, sondern um die Absicht des solvens, eine Obligation aufzulösen. 239 Überblick dazu bei Riccobono [1930] S. 123 ff.; Grosso [1961] S. 750 ff.; Schiavone [1971] S. 37 ff.; Melillo [1982] S. 449 ff.; Talamanca [2006] S. 37 ff.; Burdese [2007] S. 565 ff.; Paricio [2008] S. 25 ff. 240 Dazu s.o. § 3 C II2a). 241 Martini [2012] S. 179 (Fn. 11). Vgl. auch ders. [1991] S. 97 ff. 242 D. 44,7,4 (Gai. 3 res cott.): Ex maleficio nascuntur obligationes (...) quae omnia unius generis sunt: nam hae re tantum consistunt, id est ipso maleficio, cum alioquin ex contractu obligationes non tantum re consistant, sed etiam verbis et consensu. 243 I. 3,13,2: Sequens divisio in quattuor species deducitur (...) prius est, ut de his quae ex contractu sunt dispiciamus. harum aeque quattuor species sunt: aut enim re contrahuntur aut verbis aut litteris aut consensu (...). 244 Gai. 3,182: Transeamus nunc ad obligationes, quae ex delicto nascuntur (...) quarum omnium rerum uno genere consistit obligatio, cum ex contractu obligationes in IIII genera diducantur (...). Vgl. auch Gai. 3,88-89. 245 Vgl. Riccobono [1917] S. 285.

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IV. Sonstige Realobligationsentstehungsgründe? 1. Fiduzia a) Struktur Das römische Recht kannte neben dem Darlehen noch ein vertragliches Schuldverhältnis, welches durch datio rei im rechtstechnischen Sinne begründet wird, und zwar die Fiduzia oder Treuhand (fiducia).246 In der Hochklassik hat sie ihre praktische Bedeutung größtenteils eingebüßt; am Ende der klassischen Periode stirbt sie ab. Die Quellen, die uns über dieses Rechtsinstitut unterrichten, sind sehr knapp und nicht selten dunkel.247 Allerdings lassen 246

Das älteste Zeugnis der fiducia ist ein Fragment der Komödie Epidicus des Plautus: Plaut., Epid. 697-9. Dazu vgl. Watson [1962] S. 329 ff.; ders. [1965] S. 172 ff.; Bellocci [1979] S. 29 ff.; Noordraven [1999] S. 12 ff.; Bertoldi [2012] S. 21 ff. Eingehend zur fiducia in archaischer Zeit Bellocci [1983] S. 221 ff. 247 Die Quellen über die Fiduzia sind ausschließlich außerhalb der justinianischen Kompilation zu finden. Obwohl man in einigen Fragmenten Spuren von der römischen Treuhand finden kann, wird die fiducia als solche im Corpus Iuris kein einziges Mal erwähnt. Der Begriff fiducia wird in einigen Stellen der Digesten verwendet, aber nicht im Sinne von fiduziarischer Übereignung, sondern generisch als „Vertrauen“. Vgl. D. 1,2,2,47 (Pomp. l.s. enchir.); D. 3,5,30,6 (Pap. 2 resp.); D. 22,3,14 (Ulp. 2 off. cons.); D. 40,12,41,1 (Paul. l.s. art. lib. caus.); D. 40,12,43 (Pomp. 3 sen. cons.) und D. 47,10,32 (Ulp. 42 ad Sab.). Der Grund dafür liegt darin, dass die Fiduzia ihre praktische Bedeutung allmählich verlor und in der Zeit der justinianischen Kompilation nicht mehr existierte. Ein ausgestorbenes Rechtsinstitut wie die fiducia hatte im Rahmen des rechtspolitischen Projekts Justinians keine Rolle zu spielen. In diesem Sinne wird angenommen, dass mehrere Digestenfragmente, in denen ursprünglich von der Treuhand die Rede gewesen sein konnte, von den Kompilatoren (und vielleicht schon in früheren Textstufen) interpoliert wurden. Dazu eingehend Noordraven [1990] S. 230 ff.; ders. [1999] S. 16 ff. Die Institutionen des Gaius leisten diesbezüglich keine große Hilfe, da dort die fiducia nur ein Mal ausdrücklich behandelt wird. Allerdings reicht die Stelle dafür aus, die Unterscheidung zwischen fiducia cum amico und cum creditore zu begreifen; Gai. 2,60: Sed cum fiducia contrahitur aut cum creditore pignoris iure aut cum amico, quo tutius nostrae res apud eum essent, si quidem cum amico contracta sit fiducia, sane omni modo conpetit usus receptio; si uero cum creditore, soluta quidem pecunia omni modo conpetit, nondum uero soluta ita demum competit, si neque conduxerit eam rem a creditore debitor neque precario rogauerit, ut eam rem possidere liceret; quo casu lucratiua usus capio conpetit. Andere Fragmente der Institutionen erwähnen die fiducia direkt oder indirekt, ohne dass sie den Hauptgegenstand des Textes darstellt. Siehe Gai. 1,114 (coemptio fiduciae causa); 2,59; 2,220 und 3,201 (mancipatio fiduciae causa); 4,33 (actio fiduciae); 4,62 (actio fiduciae im Rahmen der bonae fidei iudicia); 4,182 (actio fiduciae im Rahmen der Infamieklagen). Darüber hinaus wird die mancipatio familiae als alte fiduziarische Form der Testamentserrichtung (testamentum per mancipationem) durch Gaius erörtert, ohne (unnötigen) ausdrücklichen Hinweis auf die fiducia. Gai. 2,102: Accessit deinde tertium genus testamenti, quod per aes et libram agitur: qui enim neque calatis comitiis neque in procinctu testamentum fecerat, is, si subita morte urguebatur, amico familiam suam, id est patrimonium suum, mancipio dabat eumque rogabat, quid cuique post mortem suam dari uellet. quod testamentum dicitur per aes et libram, scilicet quia per mancipationem peragitur. Umfassend dazu Terranova [2011] S. 27 ff. Mehr Licht bringen ganz unterschiedliche Quellen aus der Rechtspraxis, wie zum Beispiel die sog. mancipatio Pompeiana (CIL IV 1 [Nr. 3340, S. 416]

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sich ihre Grundrisse mit gewisser Sicherheit skizzieren. Die römische Fiduzia besteht in der unentgeltlichen Übertragung des Eigentums an einer res mancipi, bei der der Fiduziar (Empfänger) sich verpflichtet, für die erhaltene Sache zu sorgen und sie (gegebenenfalls und unter bestimmten Bedingungen) entweder dem Fiduzianten (dem vorigen Eigentümer) zurückzugeben oder sie aus seiner Macht zu entlassen und für einen bestimmten schon vereinbarten Zweck anzuwenden.248 Die Struktur der fiducia hat zwei voneinander differenzierte Elemente, die jeweils als sachenrechtlicher und schuldrechtlicher Teil bezeichnet werden können.249 Einerseits geht es um die Eigentumsübertragung (datio rei), welche entweder durch mancipatio oder in iure cessio, also durch formgebundene Arten des Eigentumserwerbs, durchgeführt wird.250 Andererseits geht es um das pactum fiduciae (Treuvereinbarung), d.h. die Vereinbarung der Parteien in Bezug auf die Zielsetzung der Übereignung, wie etwa Schuldsicherung, Aufbewahrung, Leihe, Schenkung, Freilassung, Verfügung von Todes wegen. Die fiducia erweist sich als ein komplexes Geschäft. Der Grund dafür liegt nicht nur in der soeben skizzierten dualistischen Struktur, sondern auch in der Vielfalt ihrer möglichen Ziele: Die fiducia ist nicht auf einen einzigen praktischen Zweck gerichtet; sie kann jedes Interesse verwirklichen, das als Schuldgegenstand zulässig und wofür eine Eigentumsübertragung geeignet ist. Der Unterschied zwischen fiduziarischen Tatbeständen besteht also im

= FIRA III 91 [a. 61], S. 291 ff.) und die formula Baetica (FIRA III 92 [S. 295 ff.]). Überblick dazu bei Peppe [2008] S. 173 ff. 248 Noordraven [1990] S. 229; vgl. ders. [1999] S. 1; Longo [1933c] S. 5. Überblick bei Harke [2008] S. 259 ff.; Honsell [2010] S. 76 ff.; Kaser/Knütel [2014] S. 175 f. 249 Dazu eingehend Noordraven [1999] S. 124 ff. 250 Gegenstand der fiducia kann nicht nur eine Sache sein, sondern auch eine familienrechtliche Macht über freie Personen. Bei der Treuhand bringt aber die mancipatio oder in iure cessio nicht immer eine wirkliche Sachhingabe mit sich, denn der Fiduziant kann – nach Vereinbarung mit dem Fiduziar – den Besitz an der Sache behalten und das Eigentum innerhalb eines Jahres durch usureceptio, eine besondere Ersitzungsform, zurückerwerben. Das Gesagte hat Sinn nur im Rahmen der sog. fiducia cum creditore (Sicherungstreuhand), deren Gegenstand die Realsicherung einer Schuld ist. Da der Gläubiger/Fiduziar Eigentümer ist, darf er im Nichterfüllungsfall die Sache vom Schuldner/Fiduzianten oder von einem Dritten herausfordern. Dagegen erscheint die Erhaltung des Sachbesitzes vom Fiduzianten bei der fiducia cum amico als zwecklos. Daher ist die Übertragung der Sache in diesem Fall eine logische Notwendigkeit. Die usureceptio erscheint in Gai. 2,59-60 und I. 3,201. Dazu Kaser/Knütel [2014] S. 175; Bertoldi [2012] S. 116 ff.; Oliviero [2007] S. 3891 ff.; Noordraven [1999] S. 186 ff.; Bellocci [1983] S. 236 ff.; Kaser [1982a] S. 272 ff.; Franciosi [1975] S. 388 ff.; Frezza [1963] S. 24 ff.; Mayer-Maly [1961] S. 1131 f.; ders. [1960] S. 34 ff.; Wubbe [1960b] S. 13 ff.; Erbe [1940] S. 64 ff.; Manigk [1909a] S. 2305 ff.; Oertmann [1890] S. 249 ff.; Huschke [1848] S. 250 ff. Ähnlich war die in Gai. 2,61 erwähnte usureceptio ex praediatura. Sie betrifft den Kauf seitens des populus romanus von Sachen, die als Realsicherung dienen. Die Sachen können nach zwei Jahren durch Ersitzung zurückerworben werden.

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Grund der Übereignung251, welcher den Veräußerungsakt rechtlich qualifiziert. Trotz ihrer Multifunktionalität lässt sich die Treuhand nach ihrem wirtschaftlichen Zweck in zwei „Hauptkategorien“ untergliedern, nämlich die fiducia cum creditore („Treuhand mit dem Gläubiger“, d.h. Sicherungstreuhand oder Sicherungsübereignung) und die fiducia cum amico („Treuhand mit dem Freund“). Diese schematische Einteilung geht auf die Institutionen des Gaius zurück.252 Die fiducia cum creditore dient zur pfandähnlichen Realsicherung einer Schuld; insofern liegt sie im Interesse des Sicherungsnehmers, sodass man von einer „eigennützigen Treuhand“ sprechen kann.253 Die fiducia cum amico kann auf mehrere Fälle Anwendung finden254, welche im Interesse des Veräußerers liegen (Leihe, Verwahrung, Freilassung usw.). Insofern handelt es sich um eine „fremdnützige Treuhand“.255 Für die Verwirklichung des Rückforderungsanspruches des Fiduzianten auf die übereignete Sache steht ihm die actio fiduciae zur Verfügung. Es handelt sich um eine schuldrechtliche sowie infamierende Klage nach Treu und Glauben256, die im Titel XIX (nach der Wiederherstellung Lenels) de bonae fidei iudiciis des prätorischen Edikts enthalten ist. Sie existiert sowohl als actio directa als auch als actio contraria für die Geltendmachung von eventuellen Gegenansprüchen des Fiduziars257, und zwar für den Ersatz der Aufwendungen oder Schäden, die er getätigt oder erlitten hat. 251

Marrone [2010] S. 449. Gai. 2,60. 253 Harke [2008] S. 260. Näheres zur fiducia cum creditore im Speziellen bei Longo [1934] S. 795 ff.; Frezza [1963] S. 3 ff; Biscardi [1976] S. 21 ff.; Fuenteseca [1994] S. 387 ff.; Noordraven [1999] S. 64 ff. 254 Vgl. Göppert [1892] S. 317. 255 Harke [2008] S. 260. Näheres zur fiducia cum amico im Speziellen bei Göppert [1892] S. 317 ff.; Niemeyer [1892] S. 297 ff.; weiterhin Noordraven [1999] S. 48 ff.; Bertoldi [2008] S. 47 ff. 256 Gai. 4,62; 4,182. Vgl. auch Cic., de off. 3,15,61; 3,17,70; ad fam. 7,12,2; top. 17,66. Zur Formel der actio fiduciae grundlegend Lenel, EP, S. 291 ff.; ferner Mantovani [1999] S. 66 ff. Vgl. auch Grosso [1929a] S. 81 ff.; weiterhin Paricio [2003] S. 49 ff. Umstritten ist, ob eine Klage für die fiducia cum creditore und eine andere für die fiducia cum amico existierte, oder nur eine einheitliche Klage für die unterschiedlichen Anwendungsfälle des Instituts. Die Quellen, in denen die Treuhand in Betracht kommt, beziehen sich zumeist auf die Sicherungstreuhand. Darauf beruht die Formelrekonstruktion Lenels. Aus dem Umstand, dass die Quellen über fiducia generell von einer actio fiduciae sprechen, ohne eine Differenzierung zu machen, könnte man schließen, dass es um eine einzige Klageformel geht. Allerdings erscheint in D. 13,7,31 (Afr. 8 quaest.), einem Text, der sich in der Originalfassung mit erheblicher Sicherheit auf die fiducia bezog, eine deutliche Unterscheidung zwischen fiducia cum amico und fiducia cum creditore, die an verschiedene Formeln denken lässt. Für eine einheitliche Formel für beide Arten von Treuhand vgl. Noordraven [1990] S. 249 ff.; ders. [1999] S. 297 ff. Skeptisch Mantovani [1999] S. 67 (Fn. 233). 257 Siehe D. 13,7,22pr.-4 (Ulp. 30 ad ed.). Gleichsinnig D. 13,7,24pr.-ult. (Ulp. 30 ad ed.). 252

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b) Realobligationsbegründung durch Fiduzia? Über einen Realobligationscharakter der römischen Fiduzia versagen uns die Quellen eine Auskunft.258 Die Annahme Guarinos, die fiducia stelle eine „Realobligation im eigentlichen Sinne“ dar259, ist eine reine Konjektur, die nirgends belegt ist. Selbst die Vertraglichkeit der fiducia ist in der Lehre in Zweifel gezogen worden.260 Allerdings gliedert Gaius einerseits die actio fiduciae in die Gruppe der vertraglichen Klagen261 und andererseits die fiducia als solche in den Begriff des contrahere ein262. Daher lässt sich die Fiduzia gut als Vertrag bezeichnen. In dieser Richtung äußert sich auch die neueste Forschung.263 In diesem Zusammenhang ist es legitim, die Frage zu stellen, ob im gaianischen Schema die Fiduzia als vertraglicher realobligationsbegründender Tatbestand gegolten hat oder nicht; anders gesagt: ob sie ein „Realvertrag“ war oder nicht. Nach der herrschenden Meinung bleibt es offen, ob die fiducia in die sog. Kategorie der Realverträge eingegliedert wurde.264 Manchmal wird gefragt, warum Gaius nicht auch die fiducia ausdrücklich als obligatio re contracta

Zum Bezug der Stelle auf die Treuhand statt auf das Pfand Noordraven [1999] S. 49, 183, 165, 223, 230; Erbe [1940] S. 117 ff.; Longo [1933c] S. 136 ff. Anders Biondi [1918] S. 167 ff. Zum iudicium contrarium fiduciae vgl. vor allem Provera [1951] S. 56 ff., 91 ff. Zum infamierenden Charakter der Klage siehe nur Rotondi [1922d] S. 137 ff. 258 Eingehend zur Fiduzia als Realvertrag in der Moderne Fercia [2012] S. 245 ff. 259 Guarino [2001] S. 859. 260 Der Ausgangspunkt für diese Ansicht ist, dass die Treuhand eine die mancipatio begleitende Vereinbarung (pactum fiduciae) vielmehr als ein selbstständiges Schuldverhältnis darstelle. Vgl. nur Frezza [1963] S. 92. 261 Gai. 4,182: Quibusdam iudiciis damnati ignominiosi fiunt, uelut furti, ui bonorum raptorum, iniuriarum, item pro socio, fiduciae, tutelae, mandati, depositi. sed furti aut ui bonorum raptorum aut iniuriarum non solum damnati notantur ignominia, sed etiam pacti, ut in edicto praetoris scriptum est; et recte. plurimum enim interest, utrum ex delicto aliquis an ex contractu debitor sit. nec tamen ulla parte edicti id ipsum nominatim exprimitur, ut aliquis ignominiosus sit, sed qui prohibetur et pro alio postulare et cognitorem dare procuratoremue habere, item procuratorio aut cognitorio nomine iudicio interuenire, ignominiosus esse dicitur. Gaius erwähnt unter den infamierenden Klagen die actiones furti, vi bonorum raptorum und iniuriarum auf der einen Seite und die actiones pro socio, fiduciae, tutelae, mandati und depositi auf der anderen Seite, um dann hinzuzufügen, dass es unterschiedlich ist, aus Vertrag oder aus Delikt Schuldner zu sein (utrum ex delicto aliquis an ex contractu debitor sit). Die ersten drei Klagen werden ausdrücklich als Obligationen aus Delikt bezeichnet, um ein gemeinsames prozessuales Kennzeichen in Bezug auf den Vergleich zu skizzieren. Das andere Element der Dichotomie (die Obligation aus Vertrag) muss konsequent auf die sonstigen fünf Klagen hinweisen, zu denen die Klage wegen Treuhand zählt. Für den vertraglichen Charakter der Treuhand siehe auch D. 13,7,24pr. (Ulp. 30 ad ed.). 262 Gai. 2,60: Sed cum fiducia contrahitur (…). 263 Dazu vgl. Fercia [2012] insbes. S. 152 ff. 264 Vgl. nur Kaser [1971] S. 538.

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bezeichnete, was die bejahende Antwort auf die erste Frage unterstellt.265 Wir müssen aber negativ antworten. Trotz der Begründung der fiducia durch datio rei266 lassen sich wesentliche Unterschiede zwischen diesem Institut und der klassischen obligatio re contracta betrachten. Es geht jedenfalls nicht um die Vielfalt der möglichen Ziele der Treuhand; das ist kein maßgebliches Kriterium, um diese Figur vom Bereich der Realobligation auszuschließen.267 Die Stipulation bildet wegen ihrer Abstraktion das römische zielvielfältige Geschäft schlechthin, und dies hat Gaius nicht daran gehindert, sie in eine bestimmte Gruppe von vertraglichen Schuldverhältnissen einzugliedern, und zwar in das verbis contrahere.268 Die gaianische Gliederung der vertraglichen Obligationen beruht auf dem Begründungstatbestand, nicht auf dem Zweck, den man mit dem contractus erreichen will. Die komplexe Struktur der Treuhand ist ebenso noch kein hinreichender Grund dafür, ihren Realvertragscharakter in Abrede zu stellen. 269 Die dualistische Gestaltung der fiducia als sachenrechtlicher Veräußerungsakt einerseits und schuldrechtliche Vereinbarung andererseits sagt nichts gegen die Vertraglichkeit des Geschäftes aus. Die Trennung zwischen beiden „Momenten“ ist eher theoretisch; wirklich erweist sich die Treuhand als eine Einheit270: Die datio rei wird durch das pactum fiduciae rechtlich qualifiziert, weshalb man von einer fiduziarischen Sachübereignung (fiduciae causa) reden kann271. Eine Sachübereignung ist fiduziarisch, weil es so von den Parteien vereinbart worden ist. Bei der Fiduzia sind also datio und pactum begrifflich zu unterscheiden, praktisch aber untrennbar. Der maßgebliche Grund, aus dem die Realvertraglichkeit der römischen Fiduzia auszuschließen ist, liegt darin, dass der Fiduziar nicht notwendig zur Rückgewährübereignung verpflichtet ist. 272 Der Fiduziar hat für die von ihm in Empfang genommenen Sachen zu sorgen und sie gegebenenfalls und nur unter bestimmten Bedingungen dem Fiduzianten zurückzugeben. Eine andere Möglichkeit ist, dass der Fiduziar die Sachen aus seiner Macht entlässt und sie für einen bestimmten (beim pactum fiduciae bereits vereinbarten) Zweck

265

Vgl. Pernice [1873] S. 423; Perozzi [1928] S. 259; Voci [1946a] S. 121 ff.; Grosso [1963] S. 114 ff. 266 So in den Regelfällen. Wie oben erwähnt, ist es bei der fiducia cum creditore möglich (und häufig), dass keine wirkliche Sachhingabe stattfindet, denn der Fiduziant kann nach Vereinbarung mit dem Fiduziar den Besitz an der Sache behalten und das Eigentum innerhalb eines Jahres durch usureceptio zurückerwerben. 267 Anders Maschi [1973] S. 127; Bertoldi [2012] S. 219. 268 Gai. 3,92 ff. 269 Anders Maschi [1973] S. 94. 270 Dazu vgl. vor allem Noordraven [1999] S. 124 ff. 271 Vgl. Grosso [1963] S. 115. 272 Zutreffend Magdelain [1958] S. 102; vgl. auch Maschi [1973] S. 95.

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verwendet.273 Der Empfänger verpflichtet sich also nicht unbedingt dazu, die Sachen zurückzugewähren, sondern vielmehr dazu, mit ihnen in einer bestimmten Weise zu verfahren.274 Dieses Verfahren kann eventuell die Rückgabe bedeuten, muss es aber nicht. Diese Gestaltung der fiduziarischen Verpflichtung erweist sich am deutlichsten bei der Sicherungstreuhand (fiducia cum creditore): Der Fiduziar (Gläubiger) muss die von ihm empfangenen Gegenstände nur unter der Voraussetzung zurückgewähren, dass der Fiduziant die von ihm geschuldete und durch fiducia gesicherte Verpflichtung rechtzeitig erfüllt hat. Diesbezüglich stellt sich die Frage, die hier nicht vertieft werden kann, inwieweit der Fiduziar sich aus den fiduziarischen Sachen befriedigen kann.275 Eine Möglichkeit ist, dass mit dem Verzug des Fiduzianten das Sicherheitseigentum des Fiduziars volles, unbelastetes Eigentum wird (Verfall); eine andere, dass der Fiduziar seinen Anspruch durch den Verkauf der Sachen befriedigt (ius vendendi)276. Ferner entsteht das Problem, ob solche Folgen von selbst eintreten oder ob sie von den Parteien besonders vereinbart werden müssen, wie es beim Pfand der Fall ist.277 Sicher ist jedenfalls, dass bei Nichterfüllung der gesicherten Verpflichtung die res fiduciaria nicht ins Eigentum des Fiduzianten zurückfällt. Ähnliches gilt für die fiducia cum amico, denn der geschäftliche Zweck wird nicht immer mit der Rückgewähr befriedigt. Die Treuhand kann zum Beispiel auf die Freilassung des dem Fiduziar übertragenen Sklaven gerichtet sein (fiducia manumissionis causa).278 In einem solchen Fall wäre die Rückgabe einfach nicht zweckmäßig. Keine Rückgewähr wird auch bei fiduziarischer Testamentserrichtung (mancipatio 273

Vgl. Noordraven [1999] S. 1; schon ders. [1990] S. 229. Vgl. Harke [2008] S. 260. Eingehend dazu Noordraven [1999] S. 216 ff. 275 Dazu siehe nur Noordraven [1999] S. 231 ff. 276 Vgl. Noordraven [1999] S. 231. Zum ius vendendi des Fiduziars siehe jüngst Bertoldi [2012] S. 78 ff. Die Vereinbarung, wonach der Fiduziar die Sachen öffentlich verkaufen konnte (pactum vendendi), war sicherlich üblich in der Praxis, aber nicht erforderlich. Vgl. Noordraven [1990] S. 248. 277 Umfassend zu dieser Frage Burdese [1949] S. 7 ff., der die Ansicht vertritt, die Nichterfüllung der gesicherten Schuld reiche nicht hin, damit der Fiduziar die Sache in seinem Eigentum behalten kann. Für diesen Fall ist nach diesem Autor eine besonders vereinbarte lex commissoria erforderlich (S. 9 ff.). In ähnlichem Sinne bereits Dernburg [1860] S. 19; Pernice [1892] S. 139; Grosso [1929b] S. 269 ff. Nach diesen Autoren ist die fiducia cum creditore einfach als Druckmittel gegen den Schuldner zu betrachten, also kein „Verfall“. Anders Noordraven [1999] S. 239, der die Ansicht vertritt, dass bei Nichterfüllung der Verfall automatisch erfolge: „(...) die Sache bleibt im Eigentum des Gläubigers; die Rückgabepflicht verfällt. Eine spezielle Vereinbarung hierfür ist nicht notwendig.“ Dieses Schema entspricht genauer dem eigentumsübertragenden Charakter der Treuhand; die mancipatio (oder in iure cessio) wirkt abstrakt und verschafft dem Fiduziar (unabhängig von dem Vereinbarten im pactum fiduciae) unbeschränktes Eigentum an der res fiduciaria. 278 Siehe D. 17,1,27,1 (Gai. 9 ad ed prov.); D. 17,1,30 (Iul. 13 dig.). Dazu vgl. vor allem Grosso [1929b] S. 251 ff.; ferner Kaser [1941] S. 153 ff.; Noordraven [1999] S. 66 ff. 274

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familiae) bezweckt.279 Der Erwerber (familiae emptor) hat nur eine Schutzgewalt (custodela), wohingegen der Veräußerer die Verfügungsgewalt (mandatela) behält, solange er lebt.280 Ziel dieses Tatbestandes ist, dass nach dem Tod des Erblassers der Fiduziar über die ihm anvertrauten Gegenstände nach dessen Willen verfügt. Aus alldem folgt, dass die Rückgewährpflicht keine notwendige Folge der Fiduzia ist, was maßgeblich gegen die Bezeichnung dieser Figur als Realobligationsentstehungsgrund spricht. Wie bereits angesprochen, kennzeichnen die Realobligation sowohl ihre Begründung durch datio rei als auch ihr strengrechtlicher Rückgewährcharakter. Dies folgt aus Gai. 3,90-91. Hinzu kommt, dass der Anspruch des Fiduzianten mit einer Klage nach Treu und Glauben geltend zu machen ist. Die actio fiduciae ist keine strengrechtliche reddere-Klage: Selbst wenn die Rückgabepflicht besteht, erschöpfen sich die Verpflichtungen des Fiduziars nicht in der Rückgewähr. Die vom Fiduziar eingegangenen Verpflichtungen beruhen grundsätzlich auf der jeweiligen Zielsetzung; er muss mit den ihm anvertrauten Sachen so verfahren, wie es im pactum fiduciae vereinbart worden ist.281 So hat der Fiduziant außer der (eventuellen) Hauptpflicht auf Rückgewähr Nebenpflichten, zum Beispiel die, dafür zu sorgen, dass die Sachen unbeschädigt bleiben. Daher haftet er für culpa.282 Ebenso muss der Fiduziar alle aus der res fiduciaria erhaltenen Vorteile dem Fiduzianten übertragen oder sich auf seine Forderung anrechnen lassen.283 Ferner kann auch der Fiduziant eventuell verpflichtet werden; dies verstößt aber gegen die strikte Einseitigkeit der Realobligation. Zusammenfassend kann festgehalten werden: Die römische Fiduzia ist nicht unbedingt auf die Rückgabe gerichtet, und wenn dies doch der Fall ist, erstreckt sich die Verpflichtung des Fiduziars nicht lediglich darauf, einfach zurückzugeben, was er in Empfang genommen hat. Die Realobligation als reines Rückgewährschuldverhältnis charakterisiert aber die Symmetrie zwischen begründender und auflösender datio rei.284 Deshalb stellt die fiducia keinen realobligationsbegründenden Tatbestand nach dem klassischen römischen Recht dar.

279

Gai. 2,102-108. Ausführlich dazu Terranova [2011] S. 27 ff. Vgl. auch Noordraven [1999] S. 110 ff.; Überblick bei Kaser/Knütel [2014] S. 385 ff. 280 Kaser/Knütel [2014] S. 53. 281 Vgl. Noordraven [1990] S. 247. 282 Siehe D. 13,7,22pr.,4 (Ulp. 30 ad ed.). Zur Haftung des Fiduziars siehe nur Rotondi [1922d] S. 137 ff. 283 Noordraven [1990] S. 247. 284 D. 2,14,17pr. (Paul. 3 ad ed.); D. 46,3,80 (Pomp. 4 ad Q. Muc.). Dazu vgl. Brasiello [1930] S. 583.

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2. Leihe, Verwahrung und Pfand als Realobligationsentstehungsgründe? Wie schon gezeigt worden ist, ist Realobligationsbegründungstatbestand die datio rei im rechtstechnischen Sinne, also die Verschaffung zivilrechtlichen Eigentums; daraus entsteht ein auf den einfachen Wert der übereigneten Sachen gerichteter Rückforderungsanspruch, der durch die strengrechtliche Kondiktion zu verwirklichen ist. Die Stellen der Institutionen, in denen die Realobligation erörtert wird, beziehen sich ausschließlich auf das Darlehen und die Zahlung einer Nichtschuld: Das mutuum begründet die vertragliche Realobligation, die solutio indebiti die außervertragliche (Gai. 3,90-91). Die Darlehensgewährung bildet den Inbegriff der Realobligationsentstehungsgründe und den einzigen genannten Tatbestand, aus dem eine obligatio re contracta entsteht; die Zahlung einer Nichtschuld wird praktisch als die nichtvertragliche Seite der mutui datio angesehen.285 Bei der Erörterung des re contrahere widmet Gaius kein einziges Wort anderen Schuldverhältnissen. Das Schweigen des Gaius in Bezug auf die Leihe, die Verwahrung und das Pfand ist kein Zufall, geschweige denn eine „Lücke“286: Die nicht eigentumsübertragende Sachhingabe bringt keine Kontrahierung eines Schuldverhältnisses „durch eine Sache“ mit sich; dare rem bedeutet nicht einfach „eine Sache zu geben“, wie man oftmals annimmt, sondern ganz präzise „eine Sache zu übereignen“287. Römischrechtlich betrachtet hat die ohne dinglichen Bezug erfolgende Sachüberlassung bei Leihe, Verwahrung und Pfand mit der eigentumsverschaffenden Darlehensgewährung oder Zahlung einer Nichtschuld kaum etwas zu tun; das bloße Bestehen einer Sache bei der Begründung eines Schuldverhältnisses bedeutet für die Klassiker nichts Konkretes. Ebenso unvergleichbar ist die Rechtsposition des Darlehensnehmers oder des Empfängers eines nicht Geschuldeten, der Eigentümer wird, mit der Situation des Entleihers oder des Verwahrers, der nur die tatsächliche Innehabung an der hingegebenen Sache erwirbt. Darüber hinaus gibt es einen maßgeblichen Unterschied zwischen der strengrechtlichen Klage wegen Darlehens und Zahlung einer Nichtschuld (condictio) und den Klagen nach Treu und Glauben wegen Leihe und Verwahrung: Die Kondiktion ist auf den einfachen Wert der übereigneten Sache beschränkt, wohingegen bei den Klagen nach Treu und Glauben dem Richter ein weiter Beurteilungsspielraum eröffnet wird, mit der dementsprechenden Inhaltserweiterung der jeweils zu erbringenden Leistungen. Daraus folgt, dass weder die Leihe noch die Verwahrung reine Rückgewährschuldverhältnisse darstellen, denn die Verurteilung 285

S.o. § 4 A II-III. Das meint unzutreffend Quadrato [1979] S. 69. 287 Das ergibt sich mit völler Deutlichkeit aus Gai. 2,204; 4,4; D. 17,1,47,1 (Pomp. 3 ex Plaut.); D. 22,1,4pr. (Pap. 27 quaest.); D. 32,29,3 (Lab. 2 post. a Iav. epit.); D. 45,1,75,10 (Ulp. 22 ad ed.); D. 50,17,167pr. (Paul. 49 ad ed.). S.o. § 4 A II1b). 286

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nach dem Kriterium der bona fides schließt die genaue Symmetrie zwischen begründendem und auflösendem Tatbestand aus, welche die Realobligation als strengrechtliches Schuldverhältnis charakterisiert 288. Was das Pfand betrifft, bedeutet es in der Regel die Rückgabe der verpfändeten Sache, muss es aber nicht, da man den Verfall wegen Nichterbringung der gesicherten Leistung vereinbaren darf. Hinzu kommt, dass Entleiher, Verwahrer und Pfandgläubiger eventuelle Gegenansprüche jeweils gegen Verleiher, Hinterleger und Verpfänder durchsetzen können, nämlich für den Ersatz der Aufwendungen oder Schäden, die sie getätigt oder erlitten haben. Daher bilden weder die Leihe noch die Verwahrung noch das Pfand strikt einseitige Schuldverhältnisse. Die strikte Einseitigkeit kennzeichnet aber die Realobligation. Kurz gesagt: Commodatum, depositum und pignus entsprechen der Struktur der klassischen Realobligation bestimmt nicht. Aus diesem Grund erschöpft sich die Kategorie der Realobligationen in dem mutuum und der solutio indebiti und die Realvertraglichkeit allein in dem mutuum. Wenn es sonstige Realobligationsentstehungsgründe gäbe, die anders strukturiert sind, hätte Gaius zumindest aus didaktischen Gründen erwähnen sollen, dass die Eigentumsverschaffung keine notwendige Voraussetzung jeder Realobligation ist. Anders formuliert: Wenn für Gaius nicht nur die datio rei eine Realobligation begründet, sondern auch die bloße Sachüberlassung, hätte er immerhin auf zwei Untergruppen hinweisen sollen, und zwar auf die Realobligation mit und die Realobligation ohne Sachübereignung. Auf diese Weise kämen seine Leser in die Lage, die gesamte Breite der Kategorie (zumindest in Grundrissen) zu begreifen. Das erwartet man von einem Anfängerlehrbuch. Die angebliche Realvertraglichkeit der Leihe, der Verwahrung und des Pfandes ist aber in den Institutionen gar nicht belegt. Es ist kaum vorstellbar, dass Gaius keinen einzigen Hinweis auf die durch bloße Sachhingabe begründeten Schuldverhältnisse vorgelegt hat, wenn er diese Tatbestände für Realobligationsentstehungsgründe gehalten hat. Die strukturellen Unterschiede zwischen dem Darlehen und den Verträgen, die durch nicht eigentumsverschaffende Sachhingabe begründet werden, sind so deutlich und ausschlaggebend, dass es auszuschließen ist, dass Gaius sie einfach übersah. Dies insbesondere, wenn man daran denkt, dass Gaius ein nicht vertragliches Schuldverhältnis (aus Zahlung einer Nichtschuld) als Realobligation bezeichnet, weil es durch datio rei begründet wird und mit der condictio geltend zu machen ist. Wenn für Gaius sowohl die Leihe als auch die Verwahrung und das Pfand obligationes re contractae gebildet hätten, wäre die Beschränkung der Darstellung des „Realvertrages“ auf das Darlehen mehr verwirrend als erklärend. Dies, weil die Verträge, die keine Sachübereignung bedeuten, die 288

Vgl. D. 2,14,17pr. (Paul. 3 ad ed.); D. 12,1,11,1 (Ulp. 26 ad ed.); D. 46,3,80 (Pomp. 4 ad Q. Muc.).

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Mehrheit unter den realobligationsbegründenden Tatbeständen (drei unter vier) wären; trotzdem wurden sie gar nicht in Betracht gezogen, sehr wohl aber eine Situation – die indebiti solutio –, die nicht einmal vertraglich ist und – wie das Darlehen – aus einer Sachübereignung entsteht289. Die Konsequenz, mit der Gaius die technische Bedeutung der datio rei behandelt290 und dann die Begründung der Realobligation in die erforderliche Beziehung zum dare rem stellt, lässt unserer Ansicht nach keinen Raum für Zweifel: Ohne Übertragung des Eigentums an der hingegebenen Sache entsteht keine Realobligation. Nur eine abgeschwächte nicht klassische Bedeutung des re obligari könnte auch andere Schuldverhältnisse umfassen, die durch ohne dinglichen Bezug erfolgende Sachüberlassung begründet werden.291 Wie Wubbe treffend zum Ausdruck gebracht hat, „depositario, comodatario e creditore pignoratizio potrebbero, a partire dal momento in cui ricevono la cosa, essere considerati debitori, obligati re in un senso debolissimo di tale espressione“292. Das Gesagte ist nicht trivial. Es ist ein „altes und bekanntes Problem der Romanistik“ („vecchio e ben noto problema“)293, ein „Rätsel“ („énigme“)294, warum Gaius weder die Leihe noch die Verwahrung noch die Verpfändung als obligationes re contractae zusammen mit dem Darlehen bezeichnet hat, obwohl aus den Institutionen klar hervorgeht, dass er diese Verträge gut kannte295. In der Sekundärliteratur findet man die Aussage, in den Institutionen des Gaius gebe es eine „Lücke“ hinsichtlich der Erörterung der Realverträge.296 Die Lehre besteht darauf, die drei erwähnten Schuldverhältnisse zusammen mit dem Darlehen als „Realverträge“ anzusehen und diese Vertragskategorie dem Gaius selbst zuzuschreiben. Allerdings müssen die Autoren, die von der Prämisse ausgehen, dass Leihe, Verwahrung und Verpfändung Realverträge bilden, zugleich einräumen, dass die angeblichen Elemente dieser Vertragskategorie zu heterogen sind.297 289

Unzutreffend hält D’Ors [1975b] S. 11 (Fn. 4) den Bezug auf die Zahlung einer Nichtschuld für ein „beschämendes Beispiel“ („vergonzante“). Anders Maschi [1971] S. 753 f., der bezeichnenderweise die Betrachtung der solutio indebiti als Realobligation für eines der höchsten Ergebnisse der römischen Jurisprudenz hält: „Chi ha cancellato come spurio questo passo ha tolto alla giurisprudenza romana uno dei suoi risultati più alti e si è precluso la via a intendere la dottrina del contratto reale.“ 290 Siehe Gai. 2,204; 4,4. 291 Dazu s.u. § 5. 292 Wubbe [1990] S. 119. Vgl. ders. [1967] S. 504 ff. 293 So Guarino [1968] S. 115. 294 Wubbe [1967] S. 503. 295 Siehe Gai. 2,50; 3,196-7; 3,200; 3,204; 3,206-7; 4,33; 4,47. 296 Quadrato [1979] S. 69. 297 In diesem Sinne Quadrato [1979] S. 78: „(...) per chiarire le ragioni di presenze così eterogenee in una stessa categoria.“ Ähnlich schon Schulz [1954] S. 469 in Bezug auf das

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§ 4 Die obligatio re contracta im klassischen römischen Recht

Maschi hat versucht, das Schweigen der Institutionen bezüglich Leihe und Verwahrung – er schließt das Pfand wegen Nichtbestehens einer Rückgewährpflicht aus – damit zu erklären, dass der Hinweis auf diese Verträge im Palimpsest von Verona absichtlich gestrichen worden sei.298 Der Abschreiber hätte also eine ganze Seite des Cod. Ver. einfach übersprungen. Dieses Argument ist freilich nichts mehr als eine petitio principii. Um die Ausdrucksweise Maschis selbst zu benutzen, geht es hier um eine „Akrobatik“, um den gaianischen Text mit der eigenen Ansicht dieses Autors in Übereinstimmung zu bringen.299 Nicht nur in den Institutionen, sondern auch in anderen Texten der klassischen Jurisprudenz wird allein das Darlehen als obligatio re contracta bezeichnet, denn das re contrahere entsteht aus einer eigentumsverschaffenden Sachüberlassung (datio rei im rechtstechnischen Sinne)300. Die Ansicht, nach der mutuum, commodatum und depositum die sog. Kategorie der Realverträge bilden301, ist eine Konjektur, die textuell nirgends belegt ist. Selbst Maschi gibt zu, dass die Partikel velut in Gai. 3,90 nicht nur eine exemplarische Funktion hat, sondern sie könnte taxativ sein, nämlich auf das Darlehen beschränkt.302 Das sollte genügen, um die Hypothese einer Streichung von ursprünglichen Hinweisen auf andere Verträge zumindest in Zweifel zu ziehen. Ausgangspunkt und Mittel zu Aufstellung und Beweis einer romanistischen These sind die Quellen, und in ihnen ist von sonstigen Realverträgen außer dem Darlehen so gut wie keine Rede. Verblüffend ist daher die Behauptung Maschis, es sei nicht bewiesen, dass Gaius nur das Darlehen als obligatio re contracta behandelt habe.303 Erstaunlicherweise bringt sogar dieser Autor zum Ausdruck, der uns erhaltene Text der Institutionen des Gaius bilde keinen Beweis dafür, was in den Institutionen selbst vorliegt304; die Lehre der Institutionen des Gaius sei nicht Bestehen einer Sachhingabe bei der Begründung des Schuldverhältnisses: „(...) otherweise the contracts assembled in this group have nothing in common.“ 298 Maschi [1971] S. 720 ff., 725: „(...) chi ha scritto il ms. Ver. ha tolto la menzione degli altri contratti reali, ma ha lasciato il velut, che allora assume significato limitativo.“ 299 Vgl. Maschi [1971] S. 719. 300 Verwirrend Maschi [1973] S. 88, der die Realobligation mit der datio rei identifiziert: „L’obligatio re sorge dunque dalla datio rei e per ciò esattamente Gaio propone come esempio tipico la numeratio pecuniae, cioè la consegna di denaro contato, quale si ha nel mutuo.“ Dann versucht aber dieser Autor, die sog. Kategorie der Realverträge auf Leihe und Verwahrung auszudehnen. 301 Maschi [1971] S. 731: „E infatti le fonti (Institutiones e Digesta), depurate di ogni intrusione successiva, mostrano che mutuo, deposito, comodato (accantonando sempre, per le ragioni dette, il pegno) costituiscono la categoria dei contratti reali.“ 302 Maschi [1971] S. 725; ders. [1973] S. 249. 303 Maschi [1971] S. 724: „Che Gaio trattase del solo mutuo, non è affatto provato.“ 304 Maschi [1971] S. 724 (es folgt dem vorigen Zitat): „(...) da quanto abbiamo visto, tutto fa presumere il contrario sia da un punto di vista logico-giuridico sia dal punto di vista storico. Di fronte a ciò l’affermazione del ms. Ver. non costituisce affatto una prova.“

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in ihnen zu finden, sondern in den Institutionen Justinians305. Maschi zufolge sollte man also das klassische Recht nicht in den klassischen Quellen suchen, sondern in den byzantinischen, einfach weil diese besser zu seiner eigenen systematischen Vorstellung des Vertragsrechts passen. Ferner hält Maschi es für unbedeutend, ob die res cottidianae, in denen die Gruppe der Realobligationen auf den ersten Blick auch die Leihe, die Verwahrung und die Verpfändung zu umfassen scheint, klassisch sind oder nicht.306 Die Zuschreibung eines Realvertragscharakters nach klassischem Recht an diese Schuldverhältnisse sollte aber zumindest voraussetzen, wenn man kohärent sein will, dass die res cottidianae klassisches Recht darstellen. Das ist aber für Maschi nicht wichtig. Darüber hinaus vermeidet dieser Autor es, den bedeutendsten Punkt seiner eigenen These zu erörtern, und zwar den Grund, aus dem der Verfasser des Palimpsests von Verona eine derartige (absichtliche) Verfälschung des gaianischen Textes durchgeführt hätte. Wegen des offensichtlichen Fehlens von Beweisen gesteht Maschi, die von ihm vermutete Streichung habe überhaupt keine Rechtfertigung („non ha alcuna giustificazione“).307 Der Versuch dieses Autors, die Klassizität der Realvertraglichkeit der Leihe und der Verwahrung zu beweisen, beruht also allein auf der Annahme, dass der Verfasser des Palimpsests den angeblichen Bezug auf diese zwei Verträge bei der Erörterung der Realobligationen „ungerechtfertigt“ gestrichen habe. Selbstverständlich bieten die Quellen für diese bloße Konjektur keine Unterstützung. Vom bösen oder bestenfalls sehr nachlässigen Kopisten gibt es einfach keine Spuren. Andere Autoren haben ebenfalls zu erklären versucht, warum in den Institutionen des Gaius von Leihe, Verwahrung und Pfand als Realobligationsentstehungsgründen keine Rede ist. Rotondi hat die These aufgestellt, Gaius habe beim Verfassen dieses Teiles der Institutionen Werke der sabinianischen Schule benutzt, in denen weder die Verwahrung noch die Leihe als zivilrechtlich anerkannte Schuldverhältnisse erschienen seien.308 Rotondi geht also von der Voraussetzung aus, dass der Grund, aus dem diese Schuldverhältnisse in den Institutionen nicht als Realverträge erscheinen, darin liegt, dass Gaius sie nicht als Verträge anerkannt hat. Anders gesagt: Rotondi sieht im Realobligationscharakter der Leihe und der Verwahrung eine Gegebenheit; daher sollen sie unbedingt Realverträge bilden, wenn sie für zivilrechtliche Verträge ge-

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Vgl. Maschi [1971] S. 722 f. Maschi [1971] S. 724. 307 Maschi [1971] S. 731: „La restrizione del ms. Ver. al solo mutuo delle obbligazioni contrattuali re non ha alcuna giustificazione nè in relazione alla dottrina classica nè in relazione ai concetti esposti da Gaio anche a volersi limitare alle sue Institutiones.“ 308 Rotondi [1922a] S. 39 ff. 306

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halten werden. In ähnlichem Sinne sagt Pastori, Gaius habe sich nur auf das ius civile und daher nur auf die actiones in ius conceptae bezogen.309 Bei aufmerksamer Lektüre der Institutionen kann man die Richtigkeit dieser Ansichten widerlegen. Gaius spricht ausdrücklich von den zivilrechtlich konzipierten Klagen wegen Leihe und Verwahrung.310 Ebenso darf man aus anderen Passagen der Institutionen herleiten, dass Gaius sowohl die Leihe als auch die Verwahrung für Verträge hielt.311 Darüber hinaus ist der Bezug auf die „opere di maestri sabiniani“ so generell und ungenau, dass daraus keine Folgerung entnommen werden kann.312 Rotondi hätte zumindest sagen sollen, auf welche Werke er hinweist. Die Vermutung, dass Masurius Sabinus keine actio depositi oder commodati in ius gekannt habe (was jedenfalls alles andere als sicher ist)313, bedeutet selbst dann, wenn sie zutreffen sollte, nicht unbedingt, dass die späteren Vertreter der Rechtsschule sie auch nicht gekannt haben. Ebenso vage ist die Äußerung, Gaius sei ein an die traditionellen Lehren eng gebundener Provinzjurist gewesen, der wenig von der Entwicklung des Rechts gewusst habe.314 Diese Ansicht beruht lediglich auf einem Vorurteil; tatsächlich stimmt die Erörterung der obligatio re contracta in den Institutionen des Gaius mit Fragmenten von anderen Juristen überein, die keineswegs für nicht gut genug ausgebildete Provinzjuristen zu halten sind.315 Mangels auf den Quellen beruhender Argumente für seine These sagt dann Rotondi, Gaius habe gewusst, dass die Verwahrung ein zivilrechtlicher Vertrag war, allerdings sei er nicht aufmerksam genug gewesen, sie in den entsprechenden Katalog einzuführen.316 Dies bedeutet zu sagen, dass Gaius gut unterrichtet über die Entwicklung des römischen Rechts und insbesondere über den Vertragscharakter der Verwahrung war (was im Widerspruch zur oben erwähnten Annahme Rotondis steht), aber nachlässig. Dies ist gewiss nichts mehr als eine petitio principii. Die Quellen sprechen deutlich gegen diese

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Pastori [1995] S. 152 ff. Gai. 4,47. 311 Siehe Gai. 2,50; 3,206-207; 4,33; 4,182. 312 Vgl. Maschi [1971] S. 703. 313 Aus D. 17,2,38pr. (Paul. 6 ad Sab.) darf man folgern, dass Sabinus sowohl die Klage nach Treu und Glauben wegen Verwahrung als auch wegen Leihe kannte: Pro socio arbiter prospicere debet cautionibus in futuro damno vel lucro pendente ex ea societate. quod Sabinus in omnibus bonae fidei iudiciis existimavit, sive generalia sunt (veluti pro socio, negotiorum gestorum, tutelae) sive specialia (veluti mandati, commodati, depositi). 314 Vgl. Rotondi [1922a] S. 40 ff. Zur Beziehung des Gaius zum ius controversum siehe Quadrato [2010] S. XIII ff.; Brutti [2012] S. 75 ff. 315 Nämlich Q. Mucius Scaevola, Labeo, Pomponius, Paulus, Ulpian. 316 Rotondi [1922a] S. 41: „Gaio, pur sapendo benissimo che ormai il deposito era un giudizio di buona fede, un contratto riconosciuto, non ha l’avvertenza di inserirlo nell’elenco.“ 310

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Ansicht: Leihe und Verwahrung waren für Gaius zivilrechtliche Verträge, aber keine Realverträge. Gar nichts erklärt die Meinung Honorés, die Klassifizierung der Obligationen sei älter als diejenige der Verträge.317 Gewiss ist in Gai. 3,88 ff. von Schuldverhältnissen und nicht von Verträgen im materiellrechtlichen Sinne die Rede, allerdings erörtert Gaius die Obligationen aus Vertrag (obligationes ex contractu) und dann ihre unterschiedlichen Begründungstatbestände (re, verbis, litteris und consensu contrahere). Gaius hat vor Augen sowohl die Obligation (im Vordergrund) als auch den Vertrag (im Hintergrund). Darüber hinaus ist Gai. 3,91 ein Beweis dafür, dass Gaius nicht nur vom obligari ausgeht, sondern auch vom contrahere. Ein bedeutender Beweis dafür, dass für Gaius weder die Leihe noch die Verwahrung noch die Verpfändung „Realverträge“ gebildet haben, lässt sich in der Epitome Gai finden: In diesem nachklassischen Werk erschöpft sich die Realvertraglichkeit ebenfalls in dem mutuum. Gai Ep. 2,9,1: Re contrahitur quoties aliqua cuicumque mutuo dantur, quae in his rebus contingunt, quae pondere, numero, mensura continentur; hoc est, si pecunia numeretur, vel frumentum detur, vinum aut oleum, aut aes, aut ferrum, argentum vel aurum. Quae omnia numerando aut pensando aut metiendo ad hoc damus, ut eorum fiant, qui ea accipiunt, et ad nos statuto tempore non ipsae res, sed aliae eius naturae, quales datae sunt, atquae ipsius ponderis, numeri vel mensurae reddantur. Propter quod mutuum appellatum est, quasi a me tibi ita datum sit, ut ex meo tuum fieret. Durch Sachübereignung wird begründet, wenn jemandem Sachen, welche nach Gewicht, Zahl oder Maß bestimmt werden, in Darlehen gewährt werden, wie es Bargeld, Getreide, Wein, Öl, Erz, Eisen, Silber und Gold sind. Diese Sachen geben wir durch Zuzählung, Zuwiegung oder Zumessung mit der Absicht hin, dass sie Eigentum der Empfänger werden und uns später nicht dieselben Sachen, sondern andere derselben Beschaffenheit der Sachen, die nach Gewicht, Zahl oder Maß gegeben wurden, zurückgegeben werden. Daher wird das Geschäft „mutuum“ genannt, weil das, was derart dir von mir übereignet worden ist, „ex meo tuum“ (aus dem Meinigen zum Deinigen) wird.

Die Epitome Gai, eine nach der Mitte des 5. Jhs. n. Chr. vermutlich in Gallien verfasste Bearbeitung und Vereinfachung der Institutionen des Gaius318, zeigt bei der Erörterung der Realobligation eine bemerkenswerte Treue zu ihrem Vorbild, und zwar Gai. 3,90. Dies erkennt Maschi selbst an.319 Wie Archi zutreffend betont hat, folgt der Verfasser dem Text der Institutionen praktisch

317

Honoré [1962a] S. 99 ff. Grundlegend dazu Archi [1937] S. 7 ff.; 34 ff. Vgl. auch Wenger [1953] S. 509 ff, 555 ff.; Schulz [1961] S. 381 ff.; Nelson [1981] S. 123 ff.; Liebs [2002] S. 127 ff.; Wieacker [2006] S. 246 f. 319 Maschi [1971] S. 725. 318

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§ 4 Die obligatio re contracta im klassischen römischen Recht

Wort für Wort, was eher außergewöhnlich ist.320 Kleine sprachliche Unterschiede zwischen beiden Texten spielen keine erhebliche Rolle; die Struktur des Darlehensvertrages in der Epitome stimmt mit dem institutionellen Text in allen wichtigen Punkten überein. In diesem Zusammenhang bildet das Nichtvorliegen der Partikel velut keinen auffallenden Unterschied zwischen dieser Schrift und ihrem klassischen Vorbild. Gemäß Gai. 3,90 erschöpft sich die Realvertraglichkeit in dem mutuum: re contrahitur obligatio velut mutui datione. Ihm folgt in der Erörterung des re obligari die solutio indebiti; sie begründet eine Realobligation, weil sie auf einer datio rei beruht. Die Zahlung einer Nichtschuld könnte nach der Obereinteilung der Obligationsentstehungsgründe in Gai. 3,88 wohl als Vertrag gelten, denn ihr liegt eine rechtmäßige Handlung zugrunde. In diesem Kontext kommt das velut von Gai. 3,90 in Betracht. Allerdings formuliert Gaius ein caveat und sagt, dass bei der Zahlung einer Nichtschuld die Auflösung (distrahere) vielmehr als die Begründung (contrahere) einer Verpflichtung vorzuliegen scheint. Kurz gesagt: Die solutio indebiti ist kein Vertrag, doch ein Realobligationsentstehungsgrund. Nach den Institutionen des Gaius gibt es also zwei Realobligationsentstehungsgründe, und zwar die vertragliche mutui datio und die außervertragliche solutio indebiti (Gai. 3,90-91). Deswegen wird der Ausdruck re contrahitur obligatio allein dem mutuum vorbehalten. Im 5. Jh. gibt es keinen Zweifel mehr daran, dass die solutio indebiti nicht als ein Vertrag angesehen werden kann. Bereits in den res cottidianae erscheint die Zahlung einer Nichtschuld unter den residualen variae causarum figurae eingegliedert. Daher ist das velut bei der Erörterung des „Realvertrages“ nicht mehr notwendig. Gleiches gilt für die Epitome: Das Darlehen ist der Realvertrag. Unter solchen Umständen ist der Hinweis auf die solutio indebiti und damit der Gebrauch der Partikel velut nicht mehr nötig. Deshalb sagt der Verfasser kurz und knapp, dass man eine Realobligation „kontrahiert“, wenn vertretbare Sachen als Darlehen übereignet werden: re contrahitur quoties aliqua cuicumque mutuo dantur (…). Dieser Text bildet einen deutlichen Beweis dafür, dass sich die Realobligation nach Gaius in dem durch Sachübereignung begründeten Schuldverhältnis erschöpft.321 Von der Leihe, der Verwahrung und der Verpfändung als Realverträge ist in der Epitome keine Rede. Das Gesagte ist besonders bemerkenswert, wenn man daran denkt, dass ihr Verfasser eine deutliche materiellrechtliche Tendenz zeigt, denn die actiones (4. Buch der Institutionen) kommen nicht in Betracht. In Abweichung von der Klassik konzentriert sich die Epitome auf Figuren sozusagen im materiellrechtlichen Sinne, nicht auf die

320 321

Archi [1937] S. 381. Richtig Quadrato [1979] S. 79 f.

A. Die obligatio re contracta in den Institutionen des Gaius

175

Klagen.322 Es ist möglich, dass im 5. Jh. das re obligari in einem sehr abgeschwächten Sinne des Terminus verstanden worden sein könnte.323 Allein unter diesen Umständen ließen sich auch diese Schuldverhältnisse in einem sehr weiten Sinne des Wortes als Realverträge ansehen.324 Allerdings findet man dafür in der Epitome keinen Beleg. Der Grund für ein derartiges Schweigen in Bezug auf Leihe, Verwahrung und Verpfändung muss darin liegen, dass von diesen Verträgen in dem klassischen Vorbild (den gaianischen Institutionen) keine Rede war.325 Es ist kaum vorstellbar, dass der Verfasser der Epitome diese Rechtsbeziehungen nicht erwähnen wollte, wenn sie auch in den Institutionen als Realobligationsentstehungsgründe erörtert wurden. Wenn Darlehen, Leihe, Verwahrung und Pfand als Realobligationen gelten, bildet das durch eigentumsverschaffende Sachüberlassung begründete Darlehensschuldverhältnis numerisch die Ausnahme; hingegen bilden Leihe, Verwahrung und Verpfändung, Schuldverhältnisse, die durch ohne dinglichen Bezug erfolgende Sachüberlassung begründet werden, die Regel. Insofern hätte ein sorgfältiger Verfasser wenigstens ein durch bloße Sachhingabe begründetes Schuldverhältnis erwähnt, damit seine Leser die gesamte Breite dieser Vertragskategorie erfahren konnten, d.h. die Erstreckung der Realvertraglichkeit auf jedes Schuldverhältnis, bei dessen Begründung eine Sachüberlassung besteht, ohne Rücksicht darauf, ob sie die Verschaffung zivilrechtlichen Eigentums bedeutet oder nicht. Maschi vertritt die Meinung, die nirgends belegt ist, dass der Urheber der Epitome die angeblichen Bezüge auf die Leihe und die Verwahrung als Realverträge (Maschi schließt das Pfand aus) einfach gestrichen habe. Daher musste er auch die Partikel velut beseitigen.326 Bei dieser Verfälschung der gaianischen Erörterung der Realobligation wäre der Verfasser der Epitome aufmerksamer als der Kopist des Palimpsests von Verona gewesen, denn jener hätte zumindest das velut gestrichen, um die Beschränkung der Realvertraglichkeit auf das Darlehen kohärent zu machen, ein Detail, das der Kopist des Palimpsests übersehen hätte. Hier hätten wir also eine zweite absichtliche Verfälschung des gaianischen Denkens vor Augen, für die man keinen vernünftigen Grund findet. Es ist zweckwidrig, in einem vorwiegend didakti322

Vgl. Maschi [1971] S. 696. Wie auch im byzantinischen Recht. Dazu s.u. § 5 C. 324 Ähnlich Wubbe [1990] S. 119. 325 In ähnlichem Sinne D’Ors [1975b] S. 11: „Por mi parte, pienso que la reducción de Epit. Gai 2, 8, 1 al mutuo (con supresión del imbroglio de la solutio indebiti) era un indicio a favor del texto corto de las institutiones; es decir, que el texto amplio de las res cottidianae era el fruto de una nueva reflexión de Gayo.“ 326 Maschi [1971] S. 725: „E così ha fatto l’autore dell’Epitome però togliendo il velut, che poteva dare adito a dubbi, e introducendo il quoties, che senza incertezza fa riferimento al solo mutuo.“ Vgl. auch ders. [1973] S. 363. 323

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§ 4 Die obligatio re contracta im klassischen römischen Recht

schen Werk327 den Hinweis auf die Mehrheit der Realobligationen (drei von vier) zu streichen, denn so würde die Breite der Kategorie für die Leser einfach unverständlich. Wie Liebs zutreffend betont, achtete der Verfasser auf Aktualität und ließ weg, was veraltet war.328 In diesem Zusammenhang erscheint das absichtliche Schweigen über einen so wichtigen Punkt mehr als fragwürdig. Obwohl die res cottidianae und die Institutionen Justinians die einzigen Werke sind, in denen die angebliche Kategorie der Realverträge vorzuliegen scheint, behauptet Maschi, dass die Beschränkung der Realvertraglichkeit auf das Darlehen (in Einklang mit Gai. 3,90) eine nachklassische Auffassung darstelle.329 Kurz formuliert: Nach der Ansicht Maschis bildet die in den Institutionen des Gaius vorliegende Identifizierung der obligatio re contracta mit dem Darlehen „nachklassisches Recht“; dagegen stellt die allein in den res cottidianae und in den Institutionen Justinians und auch dort nur auf den ersten Blick vorliegende Erstreckung der „Kategorie der Realverträge“ auf Leihe, Verwahrung und Pfand „klassisches Recht“ dar. Die klassischen Quellen, so wie sie uns erhalten sind, streiten gegen die anachronistische These Maschis. Zusammenfassend kann festgehalten werden: Man findet in den Institutionen des Gaius überhaupt kein Indiz dafür, dass im klassischen römischen Recht außerhalb des mutuum auch das commodatum, das depositum und das pignus für „Realverträge“ gehalten wurden. Gaius kannte nur einen Realvertrag, und zwar das Darlehen, und nur einen außervertraglichen Realobligationsentstehungsgrund, nämlich die Zahlung einer Nichtschuld. Über sonstige obligationes re contractae versagen uns die Institutionen jede Auskunft. Die gaianische Realobligationslehre wird in der nachklassischen Epitome Gai bestätigt: Dort wird allein die Darlehensgewährung als Begründungstatbestand einer vertraglichen Realobligation behandelt. Dieser Umstand spricht maßgeblich dafür, dass in den Institutionen des Gaius, dem Vorbild der Epitome, nur von der mutui datio die Rede war.

327

Vgl. Liebs [2002] S. 127. Liebs [2002] S. 127. 329 Maschi [1971] S. 725 f.: „Ciò perchè l’epitomatore non sa assurgere alla categoria dei contratti reali, egli vede il contratto reale unicamente in una fattispecie concreta, rappresentata dal mutuo. Questa è la concezione postclassica, ma questa non è la concezione classica e non poteva essere quella gaiana.“ 328

B. Die obligatio re contracta in sonstigen klassischen Quellen

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B. Die obligatio re contracta in sonstigen klassischen Quellen B. Die obligatio re contracta in sonstigen klassischen Quellen

I. Die Realobligation bei Q. Mucius Scaevola und Labeo 1. Q. Mucius Scaevola Wie oben gezeigt330, liegt beim spätrepublikanischen Juristen Q. Mucius Scaevola eine Individualisierung der Entstehungsgründe des certum dare oportere auf der Basis ihrer Auflösung vor.331 In diesem Zusammenhang behandelt er die Realobligation. Nach dem mucianischen Text, kommentiert von Pomponius, besteht das re contrahere in der Darlehensgewährung: (…) cum re contraxerimus, re solvi debet: veluti cum mutuum dedimus, ut retro pecuniae tantundem solvi debeat. Nach dem Symmetrieprinzip wird der Darlehensvertrag re aufgelöst (re als Erfüllungstatbestand), weil er re begründet worden ist (re als Begründungstatbestand). Die Übereinstimmung der Formulierung des re contrahere in dieser Quelle mit dem re contrahitur obligatio velut mutui datione des Gaius liegt auf der Hand. Aus dem Gebrauch von veluti muss man nicht folgern, dass das Darlehen nur ein Beispiel unter mehreren möglichen Realobligationsentstehungsgründen ist. Die Stelle erörtert die Gründe des certum dare oportere, und die mutui datio ist der einzige Tatbestand, durch den ein re dare oportere begründet werden kann. Da die Leihe, die Verwahrung und das Pfand durch ohne dinglichen Bezug erfolgende Sachhingabe kontrahiert werden, können sie kein certum dari begründen. Unter diesen Umständen ist für die Leihe, die Verwahrung und die Verpfändung als Tatbestände des re contrahere kein Platz. Das re dare oportere und somit das re contrahere erschöpft sich also im mutuum. Man kann wohl annehmen, dass der Hochklassiker Pomponius dieselbe Ansicht vertreten hat. Ferner entspricht die mucianische Gleichsetzung zwischen re contrahere und mutui datio dem agere re Labeos. 2. Labeo Von der Realobligationsidee Labeos ist ebenfalls schon die Rede gewesen.332 In D. 50,16,19 unterscheidet der frühklassische Jurist zwischen gerere, agere und contrahere als rechtlich bindenden Handlungen, ohne den Inhalt dieser

330

Dazu s.o. § 2 B II. D. 46,3,80 (Pomp. 4 ad Q. Muc.): Prout quidque contractum est, ita et solvi debet: ut, cum re contraxerimus, re solvi debet: veluti cum mutuum dedimus, ut retro pecuniae tantundem solvi debeat. et cum verbis aliquid contraximus, vel re vel verbis obligatio solvi debet, verbis, veluti cum acceptum promissori fit, re, veluti cum solvit quod promisit. Aeque cum emptio vel venditio vel locatio contracta est, quoniam consensu nudo contrahi potest, etiam dissensu contrario dissolvi potest. 332 Dazu s.o. § 2 B IV. 331

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§ 4 Die obligatio re contracta im klassischen römischen Recht

Begriffe genau zu präzisieren.333 Labeo schließt die Realobligation (re agere) vom Bereich der Verträge aus. Der Grund dafür liegt darin, dass die Realobligation strikt einseitig ist, wohingegen den Vertrag die Gegenseitigkeit charakterisiert (ultro citroque obligatio). Daher spricht Labeo von re agere und nicht von re contrahere (wie Q. Mucius) oder obligatio re contracta (wie Gaius). Man identifiziert die Realobligation nämlich mit dem Darlehen, in der Quelle konkret mit dem Gelddarlehen (numeratio): actum quidem generale verbum esse, sive verbis sive re quid agatur, ut in stipulatione vel numeratione. Das Darlehen ist der einzige von Labeo genannte Entstehungsgrund einer Realobligation, aber mangels gegenseitigen Charakters kein Realvertrag. Von einer Exemplifizierung des re agere (re obligari) durch die mutui datio ist keine Rede: Das re agere wird mit dem Darlehen gleichgesetzt. Die Ansicht, dass die numeratio als bloßes Beispiel erwähnt wird, setzt voraus, dass es noch andere Tatbestände von Realobligation gibt, was aber nicht der Fall ist. Andere Stellen, die auf die Lehre Labeos zurückführen, lassen uns erkennen, dass für den frühklassischen Juristen das Darlehen den Entstehungsgrund einer Realobligation darstellt. Dies, weil Labeo sowohl die Verwahrung334 als auch die Verpfändung335 als contractus behandelt, was die Ausschließung dieser Schuldverhältnisse vom Bereich des re agere (Realobligation) bedeutet. Bei aufmerksamer Lektüre von D. 50,16,19 darf man ableiten, dass das auf einer datio rei beruhende einseitige re agere und das gegenseitige contrahere miteinander inkompatibel sind: Die Realobligation ist kein Vertrag und umgekehrt, der Vertrag kann nicht zugleich eine Realobligation sein. Auch wenn uns keine Quelle erhalten ist, in der Labeo die Leihe als contractus bezeichnet, gibt es keinen gewichtigen Grund dafür, sie nicht als contrahere anzusehen. Die uns nicht genau bekannten Gründe, aus denen Labeo die Verwahrung und die Verpfändung für contractus gehalten hat, müssen jedenfalls auch für die Leihe gelten: Es handelt sich um Schuldverhältnisse, die durch bloße Sachhingabe begründet werden und aus denen in bestimmten Situationen der Nehmer einen Anspruch gegen den Geber geltend machen kann (sog. „unvollkommen zweiseitige Verträge“). Unter diesen Umständen sind alle möglichen Kandidaten für Realobligationsentstehungsgründe vom Realobligationsbereich ausgeschlossen, da sie der Struktur des re 333

D. 50,16,19 (Ulp. 11 ad ed.): Labeo libro primo praetoris urbani definit, quod quaedam agantur, quaedam gerantur, quaedam contrahantur: et actum quidem generale verbum esse, sive verbis sive re quid agatur, ut in stipulatione vel numeratione: contractum autem ultro citroque obligationem, quod graeci συνάλλαγµα vocant, veluti emptionem venditionem, locationem conductionem, societatem: gestum rem significare sine verbis factam. 334 D. 17,1,8pr. (Ulp. 31 ad ed.). 335 D. 42,8,6,6 (Ulp. 66 ad ed.).

B. Die obligatio re contracta in sonstigen klassischen Quellen

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agere nicht entsprechen. Der Realobligationscharakter erschöpft sich also in dem durch eigentumsverschaffende Sachüberlassung begründeten Schuldverhältnis. Gleiches gilt für die hoch- und spätklassische Jurisprudenz. II. Die Realobligation bei Paulus Die klassische Struktur der obligatio re contracta wird in einem bereits angesprochenen Fragment aus dem Kommentar des Paulus zum Edikt am deutlichsten dargestellt.336 D. 2,14,17pr. (Paul. 3 ad ed.): Si tibi decem dem et paciscar, ut viginti mihi debeantur, non nascitur obligatio ultra decem: re enim non potest obligatio contrahi, nisi quatenus datum sit. Wenn ich dir zehn übereigne und vereinbare, dass mir zwanzig geschuldet werden, entsteht keine Verpflichtung über zehn hinaus. Durch Sachübereignung kann nämlich ein Schuldverhältnis nur insoweit begründet werden, als etwas übereignet worden ist.

Zunächst muss man bemerken, dass es sich um die einzige der gaianischjustinianischen Tradition nicht angehörende römischrechtliche Stelle handelt, in welcher der Ausdruck obligatio re contracta erscheint. Die prägnant dargestellte Struktur der Realobligation aus Vertrag oder, wenn man die Sprache der römischen Quellen in die Sprache der romanistischen Tradition übertragen will, des „Realvertrages“, führt zur Folge, dass es im römischen Recht keinen Realvertrag außer dem Darlehen gibt. Paulus berichtet uns, dass eine Realobligation nur insoweit begründet werden kann, als etwas übereignet worden ist: (…) re enim non potest obligatio contrahi, nisi quatenus datum sit. Das mutuum wird hier nicht ausdrücklich erwähnt; es liegt aber auf der Hand, dass von der mutui datio die Rede ist. Paulus bezieht sich auf eine einseitige Vertragsobligation, die durch datio rei begründet worden ist und aus der eine Verpflichtung zur Rückgewähr entsteht, die auf den einfachen Wert der übereigneten vertretbaren Sachen beschränkt ist: Si tibi decem dem et paciscar, ut viginti mihi debeantur, non nascitur obligatio ultra decem. Es handelt sich also um eine einseitige und strengrechtliche durch eigentumsverschaffende Sachüberlassung von vertretbaren Sachen kontrahierte Obligation. Es gibt gewiss nur ein Schuldverhältnis, das diese Elemente verbindet, und zwar das Darlehen. Eine bloße Musterfunktion dieses Vertrages ist somit auszuschließen. So deutlich ist für Paulus die Gleichsetzung zwischen Darlehen und Realvertrag, dass er es für unnötig hält, ausdrücklich von mutuum zu reden. Dass der Jurist sich mit obligatio re contracta auf das Darlehen bezogen hat, musste in jener Zeit als eine Selbstverständlichkeit gelten. Aus diesem Grund ist 336

S.o. § 4 A II2b).

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§ 4 Die obligatio re contracta im klassischen römischen Recht

konsequent von Leihe, Verwahrung und Pfand keine Rede. Diese Verträge werden nicht durch datio rei, sondern durch bloße Sachhingabe begründet. Darüber hinaus erschöpft sich die Verpflichtung des Schuldners aus commodatum oder depositum seit der Einführung der Klagen nach Treu und Glauben für die Geltendmachung der Ansprüche des Hinterlegers und des Verleihers nicht mehr darin, die geliehene oder niederlegte Sache einfach zurückzugeben. Die Eröffnung eines weiten Beurteilungsspielraums für den Richter nach dem Kriterium der bona fides bringt gewisse Nebenleistungspflichten mit sich. Daher stellen diese Verträge kein reines (strengrechtliches) Rückgewährschuldverhältnis dar. Was die Verpfändung betrifft, entsteht in der Regel eine Rückgabepflicht für den Pfandgläubiger, muss es aber nicht, da die Parteien den Verfall für die Nichterfüllung der gesicherten Verpflichtung vereinbaren können. Ferner kann sowohl der Entleiher als auch der Verwahrer und der Pfandgläubiger in bestimmten Situationen einen Anspruch gegen den jeweiligen Gläubiger verwirklichen, nämlich wenn sie Aufwendungen getätigt oder Schäden erlitten haben. In diesem Sinne stellt keine von diesen Vertragsobligationen ein einseitiges Schuldverhältnis dar. Gegenstand der Quelle ist, den reinen Rückgewährcharakter des Realvertrages (konkret des Gelddarlehens) zu erörtern, d.h. seine Strengrechtlichkeit: Die Pflicht des Nehmers erschöpft sich darin, den in Empfang genommenen Darlehensbetrag zurückzuzahlen. Paulus setzt sich mit einem Tatbestand auseinander, der mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr häufig in der Praxis vorkam, und zwar die Vereinbarung zwischen den Parteien, mehr Geld als das, was hingegeben worden ist, zurückzuzahlen, offensichtlich mit dem Ziel, die Zinsen zu verschleiern. In diesem Zusammenhang bringt Paulus zum Ausdruck, dass die Rückgewährverpflichtung, welche re begründet worden ist, sich auf den von dem Nehmer wirklich erhaltenen Betrag beschränkt. Die Rückzahlung von 20, wenn nur zehn übereignet worden sind, ist für den zehn betragenden Unterschied rechtsgrundlos.337 Dies ohne Rücksicht auf eventuelle Vereinbarungen zwischen den Parteien, die zwecklos sind.338 Das Gesagte entspricht der Symmetrie zwischen dem Gegebenen und dem Zurückgegebenen (retro pecuniae tantundem solvere)339, welche die Struktur der Realobligation kennzeichnet. Für das entgeltliche Kreditgeschäft ist die Stipulation zuständig: Die Zinsen müssen besonders stipuliert und mit der actio (incerti) ex stipulatu eingeklagt werden.340 Dagegen lässt sich die Rückzah337

Vgl. Kaser [1963] S. 168 ff.; Gröschler [2003] S. 275. Gleichsinnig Ulpian in D. 12,1,11,1 (Ulp. 26 ad ed.): Si tibi dedero decem sic, ut novem debeas, Proculus ait, et recte, non amplius te ipso iure debere quam novem. sed si dedero, ut undecim debeas, putat Proculus amplius quam decem condici non posse. 339 Vgl. D. 46,3,80 (Pomp. 4 ad Q. Muc.). 340 Siehe etwa D. 2,14,4,3 (Paul. 3 ad ed.); D. 12,1,40 (Paul. 3 quaest.); D. 19,5,24 (Afr. 8 quaest.). Dazu s.u. § 4 A II2c). 338

B. Die obligatio re contracta in sonstigen klassischen Quellen

181

lung von weniger Geld, als erlangt worden ist, von den Parteien durchaus vereinbaren, denn diese Situation bildet einen rechtmäßigen Rechtsverzicht des Darlehensgebers, der als Schenkung angesehen werden kann. III. Das sog. Geschäft re et verbis Von dem sog. Geschäft re et verbis ist ebenso schon die Rede gewesen.341 Die Quellen, in denen dieser Tatbestand in Betracht gezogen wird, beziehen sich auf die Frage des Rückzahlungsversprechens des Darlehensnehmers in Form der Stipulation, eine Figur, die als die „Ergänzung“ des formlosen Darlehens durch die formgebundene Stipulation bezeichnet werden kann342. Die Durchführung der numeratio mit der Absicht, eine Rückzahlungsverpflichtung zu begründen, stellt den Entstehungsgrund einer obligatio re contracta dar. Unter Kontrahierung re eines Schuldverhältnisses versteht man die Darlehensgewährung. Dieses Prinzip bleibt fest, andernfalls hätte das mutuum cum stipulatione für die Römer kein dogmatisches Problem bedeutet. Die Quellen bezeugen, dass die römischen Juristen sich mit der Frage des Entstehungsgrundes dieses Schuldverhältnisses gründlich auseinandersetzten. Wir haben gesehen, dass sie annahmen, dass bei diesem Tatbestand keine obligatio re contracta bestehe, sondern nur eine obligatio verbis contracta. Wie Ulpian uns mitteilt, geht es in diesem Fall nur um „einen Vertrag“ (unus contractus est), und zwar die Stipulation.343 Die komplexe Struktur des Geschäftes ermöglicht es nicht, die Verpflichtung des Schuldners ex numeratione (re) zu begründen. Die Nichtbegründung der Realobligation im Fall der stipulatio in continenti beruht darauf, dass das Geld nicht contrahendi causa ausgezahlt wird, sondern solvendi causa, nämlich in Erfüllung der Stipulation (implendae stipulationis gratia). Im Fall der stipulatio ex intervallo wird das wirklich entstandene Darlehensschuldverhältnis wegen der novierenden Wirkung der Stipulation aufgehoben. Das quod actum est, der Parteiwille, bestimmt die Entstehung einer verborum obligatio statt einer obligatio re. Alle Quellen, in denen die Begründung re eines Schuldverhältnisses erörtert wird, beziehen sich ausnahmslos auf die mutui datio, sei es in Zusammenspiel mit der stipulatio oder nicht. Die klassische obligatio re contracta erschöpft sich in dem durch Darlehensgewährung begründeten Schuldverhältnis, wie Gaius uns prägnant unterrichtet: Re contrahitur obligatio (velut) mutui datione.

341

Dazu s.o. § 4 A II2e). Gröschler [2006] S. 261. 343 D. 46,2,6,1 (Ulp. 46 ad ed.). Vgl. auch D. 46,2,7 (Pomp. 24 ad Sab.); D. 45,1,126,2 (Paul. 3 quaest.). 342

182

§ 4 Die obligatio re contracta im klassischen römischen Recht

C. Resümee C. Resümee

Nach Gaius bedeutet dare rem den Übergang der hingegebenen Sache ins Eigentum des Empfängers (Gai. 4,4; 2,204). Das stimmt mit anderen Quellen der klassischen Jurisprudenz völlig überein (vgl. D. 17,1,47,1; D. 22,1,4pr.; D. 32,29,3; D. 45,1,75,10; D. 50,17,167pr.). Begründungstatbestand einer Realobligation ist die datio rei, d.h. eine eigentumsverschaffende Sachüberlassung. Daraus entsteht ein auf den einfachen Wert der übereigneten Sachen gerichteter Rückforderungsanspruch, der durch die strengrechtliche condictio geltend zu machen ist. Es handelt sich also um ein einseitiges reines (strengrechtliches) Rückgewährschuldverhältnis. Die Stellen der Institutionen, in denen die Realobligation erörtert wird, beziehen sich ausschließlich auf das Darlehen und die Zahlung einer Nichtschuld: Das mutuum begründet die vertragliche Realobligation, die solutio indebiti die außervertragliche (Gai. 3,90-91). Das Darlehen ist der einzige Tatbestand, der als obligatio re contracta genannt wird. In diesem Sinne kann man von dem mutuum als „Realvertrag“ sprechen. Dieselbe Realobligationsstruktur ergibt sich aus sonstigen Quellen der römischen Jurisprudenz von der Vor- bis zur Spätklassik: Das re contrahere wird ausnahmslos mit dem Darlehen gleichgestellt, sei es, dass es in Zusammenspiel mit der Stipulation steht oder nicht. Das ist der Fall bei Q. Mucius (D. 46,3,80), bei Labeo (D. 50,16,19) bei Paulus (D. 2,14,17pr.) und in den mehreren Stellen, in denen die Frage des sog. Geschäftes re et verbis in Betracht gezogen wird. Aus diesem Grund ist in den klassischen Quellen von Leihe, Verwahrung und Verpfändung als Realobligationsentstehungsgründen keine Rede. Diese Tatbestände bilden kein strikt einseitiges und strengrechtliches Rückgewährschuldverhältnis, sodass sie der klassischen Struktur der Realobligation, so wie sie uns in den Quellen dargestellt wird, nicht entsprechen. Es lässt sich festhalten: Das klassische römische Recht kannte nur eine obligatio re contracta (modern gesprochen: „Realvertrag“), und zwar das mutuum.

§ 5 Sonstige obligationes re contractae? A. Die obligatio re contracta in den res cottidianae A. Die obligatio re contracta in den res cottidianae

I. Problemdarstellung: Zäsur oder Kontinuität? Von der Frage der Urheberschaft der res cottidianae ist bereits die Rede gewesen.1 Wir haben auch gesehen, dass nach den Institutionen des Gaius die Realobligation in einem einseitigen und strengrechtlichen, durch eigentumsverschaffende Sachhingabe begründeten Schuldverhältnis besteht2, eine Ansicht, die in anderen Quellen der klassischen Jurisprudenz Bestätigung findet3. Diese Struktur gilt sowohl für die vertragliche Realobligation (aus Darlehensgewährung, Gai. 3,90) als auch für die außervertragliche (aus Zahlung einer Nichtschuld; Gai. 3,91). In den Institutionen kommt kein anderer realobligationsbegründender Tatbestand in Betracht; die These der Erstreckung der Realvertraglichkeit auf andere Schuldverhältnisse, konkret auf die Leihe, die Verwahrung und die Verpfändung, entbehrt jeden Beweises. In diesem Zusammenhang scheinen die res cottidianae sowohl systematisch als auch inhaltlich eine Zäsur im römischen Vertragsrecht darzustellen: systematisch, weil hier eine neue Klassifizierung der Schuldverhältnisse vorliegt; inhaltlich, weil diese Systematik eine neue Idee von Vertrag und von Realobligation mit sich zu bringen scheint. Dass es in den res cottidianae eine neue Materienordnung gibt, ist eine unbestrittene Tatsache. Was die Vertragsidee angeht, sind wir der Ansicht, dass sich in diesem Werk weniger eine neue gaianische Vertragsidee als vielmehr eine „Anpassung“ des „äußeren“ Systems der Institutionen an die sich damals allmählich aufdrängende Vorstellung des Konsenses als zugrunde liegendem Element aller Verträge finden lässt.4 Schuldbegründende Tatbestände, die auf keiner Willensübereinstimmung der Parteien beruhen, wurden in die residuale Gruppe der variae causarum figurae eingegliedert. Sie wurden also aus didaktischen Gründen an die neue Realität angepasst und – man könnte sagen in extremis – in dieser sehr ungenauen Kategorie zusammengestellt.

1

S.o. § 3 C I. S.o. § 4 A. 3 S.o. § 4 B. 4 Vgl. D. 2,14,1,3 (Ulp. 4 ad ed.). 2

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§ 5 Sonstige obligationes re contractae?

Im Gegensatz zu den Delikten sind die Vertragsobligationen nach den res cottidianae nicht auf ein einheitliches genus zurückzuführen.5 Diese Schrift folgt der dialektischen Gliederung der Vertragsobligationsentstehungsgründe nach den Institutionen des Gaius (vier voneinander unabhängigen Gattungen, die auf keinem allumfassenden Geltungsgrund beruhen)6 und unterscheidet sich deutlich von derjenigen der Institutionen Justinians (vier Arten eines einzigen genus, und zwar des conventio-Vertrages)7. Wie Harke zutreffend betont, sind die obligationes re, verbis und consensu contractae nicht Elemente eines einheitlichen Ganzen, sondern voneinander getrennte Phänomene.8 Unter diesen Umständen kann man annehmen, dass die res cottidianae den Gedankengang des Gaius, sein „inneres“ System hinsichtlich der Obligationsentstehungsgründe, getreu widerspiegeln.9 Das Gesagte ermöglicht es, das Vorliegen einer auf einem vereinheitlichten Geltungsgrund beruhenden Vertragsidee in den res cottidianae zumindest in Zweifel zu ziehen. Was das re contrahere betrifft, hat der Autor der res cottidianae (so nach der herrschenden Meinung) die klassische Realobligation grundlegend neu gestaltet. Aus dem Umstand, dass in diesem Werk Leihe, Verwahrung und Verpfändung unmittelbar nach der Erörterung des Darlehens zusammengestellt wurden, hat man gemeinhin entnommen, dass diese vier Schuldverhältnisse eine vertragliche Kategorie bilden, und zwar die sog. Kategorie der Realverträge. Diese Ansicht geht davon aus, dass Darlehen, Leihe, Verwahrung und Verpfändung die Verbindung mit einer res gemeinsam haben: Erstens kommt die Sache im Moment der Begründung dieser vier Schuldverhältnisse vor, zweitens verpflichten sich die jeweiligen Nehmer dazu, eine Sache dem Geber zurückzugewähren. In den vier Fällen handelt es sich also um ein Schuldverhältnis, welches durch Sachhingabe begründet wird. Der unzweifelhafte systematisierende Impuls des Gaius der res cottidianae ist aber nicht hinreichend gewesen, um die klassische Struktur der obligatio re contracta zu ersetzen. Wenn wir unsere moderne Vorstellung des Realvertrages für einen Augenblick beiseite lassen, kann man noch die klassischen Merkmale der Realobligation trotz der neuen Materienordnung betrachten: Dem „Realvertrag“ der res cottidianae liegt eine Sachübereignung zugrunde, nicht einfach eine Sachhingabe, und es geht um ein strikt einseitiges und strengrechtliches Schuldverhältnis, sodass die bloße „Konzentration“ auf die Rückgabe nicht hinreicht, damit man von einer obligatio re contracta sprechen kann. Die res cottidianae stellen eine Kontinuität gegenüber dem klassi-

5

D. 44,7,4 (Gai. 3 res cott.). Gai. 3,89; 3,183. 7 I. 3,13,2. 8 Harke [2013] S. 38. 9 Dazu s.o. § 3 C II2a). 6

A. Die obligatio re contracta in den res cottidianae

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schen re contrahere vielmehr als eine Zäsur dar: Nach den res cottidianae ist das Darlehen der einzige Realvertrag. II. Darlehen Ausgangspunkt zur Bestimmung der Realobligationsstruktur nach den res cottidianae ist: D. 44,7,1,2 (Gai. 2 res cott.): Re contrahitur obligatio mutui datione. mutui autem datio consistit in his rebus, quae pondere numero mensurave constant, veluti vino oleo frumento pecunia numerata, quas res in hoc damus, ut fiant accipientis, postea alias recepturi eiusdem generis et qualitatis. Durch Sachübereignung wird eine Obligation durch Darlehensgewährung begründet. Das Darlehen besteht aber in solchen Sachen, die in Gewicht, Zahl oder Maß bestehen, wie es Wein, Öl, Getreide und Bargeld sind. Diese Sachen geben wir mit der Absicht hin, dass sie Eigentum der Empfänger werden und uns später andere derselben Gattung und Beschaffenheit zurückgegeben werden.

Die Darstellung des römischen Darlehens in dieser Quelle stimmt mit Gai. 3,90 völlig überein. Abgesehen von gewissen dogmatisch unbedeutenden sprachlichen Varianten10, wird das mutuum folgendermaßen dargestellt: Es besteht in der Übereignung einer bestimmten Menge von vertretbaren Sachen (quae pondere numero mensurave constant) mit der Abrede, dass dieselbe Menge von Sachen gleicher Gattung und Qualität zurückgewährt werden muss (ut fiant accipientis, postea alias recepturi eiusdem generis et qualitatis). Es wird vom Parteiwillen bestimmt, dass die datio rei nur zeitweilig wirkt; daher wird ein Rückforderungsanspruch begründet, der nach Ablauf der Frist geltend gemacht werden kann. Eine Wiederholung der Darlehensstruktur ist hier nicht notwendig; deshalb verweisen wir auf das in diesem Hinblick bereits Gesagte.11 Von großer Bedeutung ist aber der Umstand, dass in den res cottidianae die Partikel velut nicht mehr vorliegt: Re contrahitur obligatio mutui datione. Der Grund dafür ist die neue äußere Systematik der Verpflichtungsentstehungsgründe, wonach die Obligationen entweder aus Vertrag, aus Delikt oder aus verschiedenen anderen Gründen (ex variis causarum figuris) entstehen.12 Innerhalb dieser neuen Materienordnung liegt der Konsens jedem Vertrag zugrunde, sodass die Zahlung einer Nichtschuld keineswegs unter den Vertragsschuldverhältnissen eingegliedert werden kann. Wie oben erwähnt, beruht der Zweifel des Gaius am vertraglichen Charakter der solutio indebiti (Gai. 3,91) nicht darauf, dass ihr keine Willensübereinstimmung unter den 10

Dazu siehe nur Coma Fort [1996] S. 44 f. S.o. § 4 A II. 12 D. 44,7,1pr. (Gai. 2 res cott.). 11

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Parteien zugrunde liegt, sondern darauf, dass, wer wegen Irrtums eine Nichtschuld bezahlt, ein Schuldverhältnis eher aufheben als begründen will: quia is, qui solvendi animo dat, magis distrahere vult negotium quam contrahere.13 Trotzdem hat Gaius die solutio indebiti unmittelbar nach dem mutuum in seiner Darstellung der obligatio re contracta hinzugefügt: Auf die gaianische Idee von Vertrag als schuldbegründender rechtmäßiger Handlung im Allgemeinen passt die Zahlung einer Nichtschuld gut, sie ist aber auf die Aufhebung statt auf die Begründung eines Schuldverhältnisses gerichtet, was eher für ihre Ausschließung vom Gebiet der Verträge spricht. Der contractus ist nach Gai. 3,88 ein schuldbegründender Tatbestand (obligatio ex contractu nascitur), nicht ein auflösender. Unter diesem Umstand spielte die Partikel velut in den gaianischen Institutionen ihre Rolle, da die Frage der Stellung der solutio indebiti unter den Verträgen nicht endgültig entschieden war. In der Materienordnung der res cottidianae ist aber für die solutio indebiti unter den Vertragsobligationen kein Platz mehr; konsequent wird sie in die Gruppe der variae causarum figurae und nicht mehr unmittelbar nach dem Darlehen eingegliedert.14 Die mutui datio bildet zweifellos den einzigen Fall des re contrahere (re contrahitur obligatio mutui datione). Das velut ist in diesem Zusammenhang unnötig. Deswegen halten wir die Ansicht für unzutreffend, nach der in den res cottidianae kein velut notwendig sei, weil dort „alle Realverträge“ erörtert werden.15 III. Leihe Der Leihvertrag (commodatum) besteht in der unentgeltlichen Überlassung einer Sache zum Gebrauch.16 Die Leihe charakterisieren die folgenden Elemente: unentgeltliche Übergabe von (grundsätzlich) beweglichen Sachen, Gebrauch und Rückgabeverpflichtung des Entleihers. Die älteste Benennung für commodare war utendum dare, was die Übergabe einer Sache zu ihrem Gebrauch ausdrückt17; diese Bezeichnung wurde später in das Edikt einge13

S.o. § 4 A III. D. 44,7,5,3 (Gai. 3 res cott.). 15 So meint MacCormack [1985] S. 154 (Fn. 64): „(...) It is not needed in the res cottidianae because the other real contracts are expressly mentioned.“ Im gleichen Sinne Coma Fort [1996] S. 47. 16 D. 16,3,1pr.-1 (Ulp. 28 ad ed.); I. 3,14,2. Überblick bei Leonhard [1901] S. 771 ff.; Pastori [1959] S. 688 ff.; Scherillo [1960] S. 981 ff.; Cerami [1994] S. 301 ff.; Zimmermann [1996] S. 188 ff.; Harke [2008] S. 167 ff.; Honsell [2010] S. 120 ff.; Kaser/Knütel [2014] S. 232 f. 17 Gell. 6,15,2: Itaque Q. Scaevola in librorum, quos de iure civili composuit, XVI. verba haec posuit: ‘Quod cui servandum datum est, si id usus est, sive, quod utendum accepit, ad aliam rem, atque accepit, usus est, furti se obligavit’. Zur Terminologie der Leihe vgl. Pastori [1995] S. 47 ff.; ferner Berndt [2005] S. 50 ff. 14

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führt18. Ursprünglich war die Leihe vom Darlehen nicht präzise getrennt.19 Das Institut hat sich sicher aus kleinen Gefälligkeitsgeschäften entwickelt20; die wirtschaftlich-soziale Funktion der Leihe liegt darin, den unentgeltlichen Gebrauch fremder Sachen zu gestatten, was in der Regel die Freundschaft oder sonstige Arten von engeren persönlichen Beziehungen voraussetzt und daher geringe Brisanz verursacht.21 Dies bildet einen erheblichen Unterschied zwischen der Leihe einerseits und dem Darlehen, der Kreditoperation schlechthin, andererseits. Literarische Quellen republikanischer Zeit weisen auf die Leihe ohne Bezüge auf ihren rechtlichen Charakter hin.22 Q. Mucius zeigte sich eher dubitativ gegenüber der präzisen Abgrenzung des Leihtatbestandes23; andererseits könnte die Terminologie bezüglich der Leihe zu der Zeit Labeos noch nicht genau bestimmt gewesen sein, wie uns Ulpian mitteilt24. Daraus darf man folgern, dass erst in der Frühklassik oder bestenfalls in spätrepublikanischer Zeit dieses Institut juristische Anerkennung gefunden hat.25 Nach der herrschenden Meinung könnte der Grund für den Eingriff des Prätors, um dem commodatum rechtliche Bindung zuzuerkennen, darin bestehen, dass der Zweck der Leihe bereits mit der in vorklassischer Zeit weit verbreiteten fiducia cum amico zu verwirklichen war.26 Die Digesten enthalten mehrere Fragmente, in denen von dem commodatum die Rede ist, aber deren ursprünglicher Gegenstand die fiducia gewesen sein mag.27 Allerdings besteht zwischen fiducia und commodatum eine essenzielle Unterscheidung: Während die fiducia die Übereignung des Eigentums an den betroffenen Sachen (datio rei) mit sich bringt, bedeutet die Leihe eine ohne dinglichen Bezug erfolgende Sachhingabe. In diesem Sinne scheint die fiduziarische Eigen18

Siehe D. 16,3,1,1 (Ulp. 28 ad ed.). Dazu vgl. vor allem Pastori [1995] S. 47 ff., 140 ff. 20 Kaser [1971] S. 533. 21 Die ältesten Quellen weisen auf Leihe dem proximus, vicinus oder amicus hin. Siehe Plaut., Aul. 1,2,17; Asin. 2,4,38-39; Cic., Verr. 4; Auct. ad Herenn., 4,51,64. Vgl. Pastori [1959] S. 688; ders. [1995] S. 15 ff.; Zimmermann [1996] S. 189. 22 Siehe Plaut., Rud. 2,4,21; Pers. 1,3,36; Aul. 1,2,17; 2,9,4; Asin. 2,4,38-39; Cic., Fam. 13,35; Verr. 6,9; Tusc. 3,17; Auct. ad Herenn., 4,51,64; Plin., Ep. 2,11; Ovid., Art. am. 1,435; Ter., Hecyr. 5,1,34. 23 D. 13,6,5,2-3 (Ulp. 28 ad ed.). Die präventive aestimatio der res commodata scheint die Leihe dem Darlehen anzugleichen. Dazu vgl. Pastori [1959] S. 688. 24 Siehe D. 16,3,1,1 (Ulp. 28 ad ed.). 25 Eingehend zur historischen Entwicklung der Leihe Ferrini [1929] S. 81 ff.; Zannini [1983] S. 9 ff.; Pastori [1995] S. 71 ff. 26 Vgl. Pastori [1959] S. 688; ders. [1995] S. 78 ff.; Zannini [1983] S. 9 ff.; Talamanca [1990a] S. 548. 27 Siehe D. 9,4,22pr. (Paul. 18 ad ed.); D. 13,7,31 (Afr. 8 quaest.); D. 15,1,27pr. (Gai. 9 ad ed prov.); D. 16,3,1,47 (Ulp. 30 ad ed.); D. 44,7,16 (Iul. 13 dig.). Grundlegend dazu De Ruggiero [1907] S. 5 ff.; weiterhin Zannini [1983] S. 38 ff.; Noordraven [1999] S. 17 ff. 19

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tumsübereignung bezüglich der Leihe unverhältnismäßig zu sein.28 Dieses Argument gilt jedenfalls auch für die Verwahrung und die Verpfändung: Die Fiduzia ist gegenüber den Zwecken dieser Schuldverhältnisse immer unverhältnismäßig, denn sie bedeutet eine datio rei im rechtstechnischen Sinne; trotzdem geht die Lehre gemeinhin davon aus, dass sowohl die Verwahrung als auch die Verpfändung ursprünglich die Form einer fiduziarischen Sachübereignung hatten29. Andererseits erscheint in den Quellen, dass zur Zeit des Q. Mucius die sog. condictio ex causa furtiva gegen den Entleiher, der die Sache nicht zurückgibt, zulässig war.30 Aus dem Gesagten darf man folgern, dass der Rechtsschutz der Leihe durch die actio commodati aus einer ursprünglichen Anwendung der condictio ex causa furtiva entsteht; anders gesagt: Die actio commodati in factum wurde nach dem Vorbild der Kondiktion konstruiert. Die Tatsachenklage wegen Leihe ist mit der Kondiktion sehr eng verbunden, weshalb man hier von einer „kondiktionenartigen“ Klage sprechen kann.31 Diese Ansicht stimmt mit der Stellung der actio commodati im edictum de rebus creditis überein, dessen paradigmatische Figur in der condictio besteht.32 Ulpian stellt die Grundzüge der Leihe folgendermaßen dar: D. 13,6,1pr.-1 (Ulp. 28 ad ed.): Ait praetor: ‘quod quis commodasse dicetur, de eo iudicium dabo’. 1. Huius edicti interpretatio non est difficilis. unum solummodo notandum, quod qui edictum concepit commodati fecit mentionem, cum Paconius utendi fecit mentionem. inter commodatum autem et utendum datum Labeo quidem ait tantum interesse, quantum inter genus et speciem: commodari enim rem mobilem, non etiam soli, utendam dari etiam soli. sed ut apparet, proprie commodata res dicitur et quae soli est, idque et Cassius existimat. Vivianus amplius etiam habitationem commodari posse ait. Der Prätor sagt: ‘Wenn vorgetragen wird, dass jemand etwas verliehen hat, werde ich im Hinblick darauf eine Klage gewähren’. 1. Es ist nicht schwierig, dieses Edikt zu erläutern. Anzumerken ist nur, dass derjenige, der das Edikt verfasst hat, von Leihe spricht, während Paconius von Gebrauch spricht. Nach Labeo besteht zwischen dem Verliehenen und dem

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Aus diesem Grund ist Scherillo [1960] S. 985 skeptisch gegenüber dem fiduziarischen Ursprung des Leihvertrages. Darüber hinaus bezieht sich die gaianische Stelle, in der die fiducia cum amico dargestellt wird, eher auf die Bewahrung von fremden Sachen als depositum als auf das commodatum; Gai. 2,60: Sed cum fiducia contrahitur aut cum creditore pignoris iure aut cum amico, quo tutius nostrae res apud eum essent, si quidem cum amico contracta sit fiducia, sane omni modo conpetit usus receptio (...). Dazu vgl. Maschi [1973] S. 130; Zannini [1983] S. 24 ff. mit Literatur. 29 Dazu siehe nur De Ruggiero [1907] S. 5 ff.; Noordraven [1999] S. 17 ff. mit Quellenhinweisen. 30 D. 13,1,16 (Pomp. 38 ad Q. Muc.); D. 47,2,77pr. (Pomp. 38 ad Q. Muc.); Gell. 6,15,2. Vgl. Scherillo [1960] S. 985 ff.; Talamanca [1990a] S. 547; Marrone [2010] S. 445. 31 Vgl. Pernice [1873] S. 429 ff. 32 Zu Recht Scherillo [1960] S. 986.

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zum Gebrauch Gegebenen nämlich derselbe Unterschied wie zwischen Art und Gattung. Verliehen würden bewegliche Sachen, nicht auch Grundstücke; hingegen werden zum Gebrauch auch Grundstücke gegeben. Dass auch das Grundstück als verliehene Sache bezeichnet werden kann, ist aber klar, und Cassius ist auch dieser Meinung. Darüber hinaus sagt Vivianus, dass auch eine Wohnung verliehen werden kann.33

1. Unentgeltliche Sachübergabe Die Sachhingabe liegt der Leihe zugrunde. Dies bedeutet, dass das Leihschuldverhältnis durch die Hingabe der Sache begründet wird; vor diesem „realen Moment“ besteht keine Rechtsverbindlichkeit. Es geht um eine einfache Sachübergabe, d.h. die Sache geht nicht ins Eigentum des Entleihers über, der nur die tatsächliche Innehabung hat (possessio naturalis, possessio pro alieno, sog. detentio).34 Dass der Leihe keine eigentumsverschaffende Sachüberlassung zugrunde liegt, wird von Ulpian deutlich mitgeteilt: Nemo enim commodando rem facit eius cui commodat („Niemand verschafft Eigentum an der Sache demjenigen, dem er leiht“)35. Es geht hier also um keine datio rei.36 Die wenigen Quellen, in denen bezüglich der Leihe von dare die Rede ist, gebrauchen dieses Verb nicht in seinem rechtstechnischen Sinne von Eigentumsübertragung, sondern in seinem weitesten Sinne als „geben“.37 Der Entleiher hat nur eine faktische Sachherrschaft, d.h. keinen Interdiktenbesitz und folglich keinen Besitzvorteil.38 In diesem Sinne hat Kaser 33

Ich stütze mich in der deutschen Übersetzung auf diejenige von Zimmermann [1999b] S. 162 f. 34 Die übliche Bezeichnung detentio geht nicht auf die römischen Quellen zurück. Zu dieser Frage siehe nur Radin [1930] S. 153 ff. Zum Ausdruck possessio naturalis siehe D. 10,3,7,11 (Ulp. 20 ad ed.); D. 10,4,3,15 (Ulp. 24 ad ed.); D. 22,1,38,10 (Paul. 6 ad Plaut.); D. 41,2,24 (Iav. 14 epist.); D. 41,5,2,1-2 (Iul. 44 dig.); D. 45,1,38,7-8 (Ulp. 49 ad Sab.). Zum Besitz alieno nomine siehe D. 41,2,9 (Gai. 25 ad ed prov.); D. 41,2,18pr. (Cels. 23 dig.); D. 41,3,31,3 (Paul. 32 ad Sab.); Gai. 4,153. Zur römischen Terminologie für den Besitz vgl. Cannata [1962] S. 51 ff. Grundlegend zu den Vorstufen des klassischen Besitzbegriffes Kaser [1956a] S. 313 ff. 35 D. 13,6,9 (Ulp. 2 ad ed.). Gleichsinnig D. 43,26,1,3 (Ulp. 1 inst.) = Ulp., Fr. Vindob. 1,1 (= FIRA pars altera, S. 305) in Bezug auf das precarium: Et est simile commodato: nam et qui commodat rem, sic commodat, ut non faciat rem accipientis, sed ut ei uti re commodata permittat. 36 S.o. § 4 A II1b) zur rechtstechnischen Bedeutung von dare rem. 37 D. 6,2,9,1 (Ulp. 16 ad ed.); D. 13,6,1,1 (Ulp. 28 ad ed.); D. 13,6,5,3 (Ulp. 28 ad ed.); D. 34,3,8,7 (Pomp. 6 ad Sab.). 38 Dazu vgl. vor allem Arnò [1936] S. 433 ff.; Kaser [1953c] S. 259 ff.; ders. [1971] S. 389 ff.; Albanese [1985] S. 56 ff.; Lambrini [1998] S. 77 ff. Anders beim precarium. Zur Definition des precarium siehe D. 43,26,1pr. (Ulp. 1 inst.): Precarium est, quod precibus petenti utendum conceditur tamdiu, quamdiu is qui concessit patitur. Nach D. 43,26,2pr.-1 (Ulp. 71 ad ed.) genoss der Prekarist ein Rückerstattungsinterdikt (interdictum quod precario). Dazu eingehend Zamorani [1969] S. 56 ff. (dazu Kaser [1972b] S. 94 ff.); Albanese [1985] S. 87 ff.; Biavaschi [2006] S. 115 ff.

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zum Ausdruck gebracht, die sog. Detention sei nur der äußere Anschein, das Abbild des Besitzes, ohne die juristische Qualifikation als Besitz zu haben. 39 Der Entleiher übt seine Sachherrschaft alieno nomine aus, und zwar im Namen des Verleihers. Anders formuliert: Bei der Leihe besteht das corpore possidere, aber kein animus rem sibi habendi. Aus dem Gesagten folgt, dass der Verleiher Eigentümer und/oder Besitzer der Sache bleibt, wenn er bereits Eigentümer und/oder Besitzer war: Rei commodatae et possessionem et proprietatem retinemus („Wir behalten sowohl den Besitz als auch das Eigentum an der verliehenen Sache“)40. Der Entleiher ist also weder Eigentümer noch Besitzer. Daraus resultiert, dass der Verleiher nicht unbedingt Eigentümer oder Besitzer sein muss41; die Struktur des Vertrages setzt nur voraus, dass der Verleiher die tatsächliche Innehabung der Sache gehabt hat, andernfalls könnte er sie materiell nicht verleihen. In diesem Zusammenhang ist die Klage wegen Leihe auch von dem Dieb und dem bösgläubigen Besitzer zu erheben.42 Grundsätzlich sind nur bewegliche Sachen zu leihen; sie entsprechen am besten der Struktur des Instituts, denn sie können materiell überlassen werden. Allerdings ist die Verleihung von Grundstücken theoretisch möglich; dies wurde Gegenstand von Kontroversen unter den römischen Juristen43, und in den Digesten lassen sich Hinweise auf die Leihe einer Wohnung (die habitatio) finden44. Begriffliche Voraussetzung der Leihe ist es, dass die geliehenen Sachen unvertretbar und unverbrauchbar sind, andernfalls könnte die res ipsa nicht zurückgegeben werden.45 Die Sachübergabe bei der Leihe wirkt unentgeltlich; das bildet ein wesentliches Kennzeichen der Leihe, welches die Unterscheidung dieses Vertrages von der Miete ermöglicht.46 Die Unentgeltlichkeit bedeutet jedenfalls nicht, 39

Kaser [1953c] S. 261. D. 13,6,8 (Pomp. 5 ad Sab.). Vgl. I. 3,14,2. 41 D. 13,6,15 (Paul. 29 ad ed.): Commodare possumus etiam alienam rem, quam possidemus, tametsi scientes alienam possidemus. 42 So ausdrücklich in D. 13,6,16 (Marcell. 5 dig.): Ita ut et si fur vel praedo commodaverit, habeat commodati actionem. 43 Vgl. D. 13,6,1,1 (Ulp. 28 ad ed.). 44 So nach der Lehre des Vivianus. Vgl. D. 13,6,1,1 (Ulp. 28 ad ed.) und D. 19,5,17pr. (Ulp. 28 ad ed.). Pomponius wendet hingegen auf das gratis habitare die Regeln der Schenkung an; D. 39,5,9pr. (Pomp. 33 ad Sab.): In aedibus alienis habitare gratis donatio videtur (...). Umfassend zu dieser Frage Slapnicar [1981] S. 41 ff. Vgl. auch Pastori [1995] S. 174 ff.; Zimmermann [1996] S. 191. 45 Vgl. D. 13,6,3,6 (Ulp. 28 ad ed.). Eine Ausnahme bildet der in dieser Quelle erwähnte Fall des sog. commodatum ad pompam vel ostentationem. Dazu siehe nur Talamanca [1990a] S. 547; Pastori [1995] S. 172. 46 D. 13,6,5,12 (Ulp. 28 ad ed.); I. 3,14,2. Dazu vgl. etwa Pastori [1959] S. 688; Scherillo [1960] S. 982; Michel [1962] S. 95 ff.; Talamanca [1990a] S. 547; Zimmermann [1996] S. 188; Marrone [2010] S. 445. Zur Entgeltlichkeit der Miete vgl. D. 19,2,2pr. (Gai. 2 res cott.). 40

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dass das commodatum mit der donatio zu verwechseln wäre, denn anders als bei der Schenkung ist die Leihe keine endgültige Zuwendung (qui donat, sic dat, ne recipiat)47. 2. Gebrauch Ökonomisch-sozialer Zweck der Leihe ist der unentgeltliche Gebrauch (usus) fremder Sachen. Der Gebrauch muss im Rahmen der von den Parteien bestimmten Umstände stattfinden48; der vertragswidrige Gebrauch (Gebrauchsüberschreitung) gilt als furtum49. Die erwähnte Unentgeltlichkeit des usus bedeutet, dass der Vertrag ausschließlich im Interesse des Entleihers liegt; das Schuldverhältnis bringt für den Verleiher überhaupt keinen Nutzen mit sich. Wird eine Vergütung für den Verleiher ausgemacht, so bedeutet dies, dass der Vertrag kein commodatum ist, sondern eine locatio-conductio. Wer den Vorteil hat, muss die Lasten tragen, weswegen der Entleiher die gewöhnlichen Kosten für den Unterhalt der entliehenen Sachen zu tragen hat.50 Aus dem Gesagten folgt, dass die Leihe ein prinzipiell einseitiger Vertrag ist, denn der Verleiher geht in der Regel keine Verpflichtung zugunsten des Entleihers ein. Dies erklärt weiter die Erstreckung der Haftung des Entleihers auf jedes Verschulden51; eine Beschränkung der Haftung konnte freilich von den Parteien besonders vereinbart werden. Das commodatum wird gemeinhin (unrömisch) als „unvollkommen zweiseitiger Vertrag“ bezeichnet, da unter bestimmten Voraussetzungen auch der Entleiher eine Klage gegen den Verleiher erheben kann (iudicium contrarium). 3. Rückgabeverpflichtung Im Unterschied zum Darlehensnehmer wird der Entleiher nicht Eigentümer der geliehenen Sachen, nicht einmal Besitzer; aus diesem Grund ist er verpflichtet, nicht die gleiche Menge von Sachen derselben Art und Qualität zurückzugeben (tantundem eiusdem generis), sondern die geliehene Sache selbst: Es handelt sich um eine Rückgabe der res ipsa.52 Anders als bei der Verwahrung kann der Verleiher die Sachrückgabe nicht jederzeit fordern, sondern erst nach Ablauf der vereinbarten Leihfrist.53 Von einer Rückgabe47

D. 43,26,1,2 (Ulp. 1 inst.). Zum vertragswidrigen Gebrauch siehe etwa D. 13,6,5,7 (Ulp. 28 ad ed.) und D. 13,6,23 (Pomp. 21 ad Q. Muc.). 49 Gai. 3,197; D. 13,1,16 (Pomp. 38 ad Q. Muc.); D. 13,6,5,8 (Ulp. 28 ad ed.); D. 47,2,77pr. (Pomp. 38 ad Q. Muc.); Val. Max., 8,2,4. 50 Vgl. Honsell [2010] S. 121. 51 D. 13,6,5,2 ff. (Ulp. 28 ad ed.). 52 Siehe etwa D. 13,6,5pr. (Ulp. 28 ad ed.); D. 44,7,1,3 (Gai. 2 res cott.). 53 D. 13,6,5pr. (Ulp. 28 ad ed.); D. 13,6,17,3 (Paul. 29 ad ed.). 48

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forderung mutata voluntate ist also beim commodatum keine Rede54; der Verleiher ist an die vereinbarte Frist streng gebunden. Was den Inhalt dieser Verpflichtung angeht, wird der Entleiher durch die bloße Rückgabe von seinen Obligationen nicht befreit; er muss die entliehenen Sachen unbeschädigt behalten, andernfalls sieht man die Sache als nicht zurückgegeben an.55 4. Haftung Solange die Leihe nur durch eine amtsrechtliche Klage sanktioniert war, haftete der Entleiher nur dafür, dass er die Sache nicht zurückgegeben hatte; das ist aus dem si paret rem commodatam redditam non esse der Formel in factum concepta der Klage wegen Leihe zu entnehmen.56 Erst nach der Einführung einer zivilrechtlich konzipierten Klage wurde die Haftung des Entleihers ausgedehnt, zum Beispiel auf erlittenen Schaden. Unter diesen Umständen erschöpft sich die Obligation des Entleihers nicht mehr darin, die entliehenen Sachen nach Ablauf der vereinbarten Frist zurückzugewähren; er muss die Sachen im Verlaufe des commodatum unbeschädigt erhalten. Der Umfang der Haftung des Entleihers wird grundsätzlich vom sog. Utilitätsprinzip bestimmt57: Wer den Vorteil des Vertrages hat, muss konsequent die Gefahr tragen. Der Entleiher haftet für die Bewachung der Sache (custodia)58 und daher für jedes Verschulden (Nachlässigkeit)59; insofern befreit ihn der unverschuldete Sachverlust durch Diebstahl bestimmt nicht60.

54

Vgl. D. 16,3,1,22 (Ulp. 30 ad ed.) und D. 16,3,1,45-46 (Ulp. 30 ad ed.) für die Verwahrung. 55 D. 13,6,3,1 (Ulp. 28 ad ed.): (...) proprie enim dicitur res non reddita, quae deterior redditur. Vgl. auch D. 13,6,10pr. (Ulp. 29 ad Sab.). Dazu siehe nur Pastori [1995] S. 182, 188 ff.; Zimmermann [1996] S. 195 ff. 56 Vgl. Harke [2008] S. 168; Kaser/Knütel [2014] S. 232. 57 Dazu ausführlich Kübler [1910] S. 235 ff.; ders. [1917] S. 73 ff.; Nörr [1956] S. 68 ff.; Betti [1958a] S. 47 ff.; Michel [1962] S. 325 ff.; Navarra [2007] S. 225 ff.; Santucci [2008] S. 281 ff.; ders. [2010] S. 55 ff.; Garofalo [2011] S. 34 ff. Vgl. auch Voci [1990] S. 138 ff.; Talamanca [1990a] S. 548; Zimmermann [1996] S. 198; Harke [2006] S. 14 ff., 20 ff.; ders. [2008] S. 169. Allgemeines zur Frage der utilitas im römischen Recht Navarra [2002]. 58 D. 13,6,5,5 (Ulp. 28 ad ed.): Custodiam plane commodatae rei etiam diligentem debet praestare. Gleichsinnig Gai. 3,206: Quae de fullone aut sarcinatore diximus, eadem transferemus et ad eum, cui rem commodauimus. nam ut illi mercedem capiendo custodiam praestant, ita hic quoque utendi commodum percipiendo similiter necesse habet custodiam praestare. 59 D. 13,6,5,2-9 (Ulp. 28 ad ed.); D. 13,6,18pr. (Gai. 9 ad ed. prov.). Hierzu vgl. Scherillo [1960] S. 982; Pastori [1995] S. 238 ff.; Zimmermann [1996] S. 192 ff.; Harke [2006] S. 15; ders. [2008] S. 168 ff.; Kaser/Knütel [2014] S. 232; Honsell [2010] S. 120. Zur römischen diligentia klassisch (obwohl teils überwunden) Kunkel [1925] S. 266 ff.; ferner Cannata [1969]; Voci [1990] S. 29 ff.; De Falco [1991]. 60 Vgl. Schulz [1954] S. 515.

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Der Entleiher entledigt sich nur unter bestimmten und sehr eingeschränkten Voraussetzungen von der Haftung für die beschädigten Sachen.61 Infolgedessen beschränkt sich die geforderte Sorgfalt des Entleihers nicht auf das abstrakte Kriterium des bonus paterfamilias; der Entleiher muss sich als ein diligentissimus paterfamilias verhalten62. Dies bedeutet, dass der Entleiher auch für niederen Zufall (casus minor) haften muss; ausgenommen sind nur Fälle höherer Gewalt (vis maior), und zwar der natürliche Tod von Sklaven oder Tieren, Krieg, Seeräuberei, Schiffbruch, der Brandfall usw.63 Der Entleiher kann ausnahmsweise nur für Vorsatz haften, wenn es so vereinbart worden ist oder die Leihe nur im Interesse des Verleihers liegt.64 Ebenso kann man vereinbaren, dass der Entleiher jede Gefahr trägt (sog. Versicherungshaftung).65 Hingegen ist eine Befreiung von der Haftung für Vorsatz durch pactum nicht gestattet.66 5. Klagbarkeit Zum Schutz der Leihe hat der Prätor sehr wahrscheinlich Ende des 2. Jhs. v. Chr. eine Tatsachenklage gewährt (actio commodati in factum).67 Die Verur61

Das Wesen der Bewachungshaftung wird von Schulz [1954] S. 515 so skizziert: Der Entleiher „was absolutely liable for certain typical accidents which were regarded as avoidable by properly watching and guarding the borrowed thing, and on the other hand he was not liable for other typical accidents which were invariably regarded as not avoidable by the exercise of care“. Zur custodia-Haftung vgl. etwa Paris [1926] S. 107 ff.; Luzzatto [1938] S. 72 ff.; Krückmann [1944] S. 1 ff.; Sargenti [1954] S. 127 ff.; Betti [1958a] S. 115 ff.; Talamanca [1962] S. 562 ff.; Metro [1966] S. 150 ff.; Kaser [1971] S. 535; Cannata [1966] S. 23 ff.; ders. [1969] S. 20 ff.; ders. [1996] S. 68 ff.; Voci [1990] S. 62 ff.; Pastori [1995] S. 238 ff.; Zimmermann [1996] S. 193 ff. 62 D. 13,6,18pr. (Gai. 9 ad ed. prov.): In rebus commodatis talis diligentia praestanda est, qualem quisque diligentissimus pater familias suis rebus adhibet, ita ut tantum eos casus non praestet, quibus resisti non possit, veluti mortes servorum quae sine dolo et culpa eius accidunt, latronum hostiumve incursus, piratarum insidias, naufragium, incendium, fugas servorum qui custodiri non solent. Vgl. auch D. 44,7,1,4 (Gai. 2 res cott.). 63 Zur Höheren Gewalt im römischen Recht vgl. etwa Luzzatto [1938] S. 2 ff.; Sargenti [1954] S. 127 ff.; Mayer-Maly [1958] S. 58 ff. 64 D. 13,6,5,10 (Ulp. 28 ad ed.). 65 Dazu siehe nur Krückmann [1943] S. 1 ff. 66 D. 13,6,17pr. (Paul. 29 ad ed.): In commodato haec pactio, ne dolus praestetur, rata non est. Siehe auch D. 50,17,23 (Ulp. 29 ad Sab.): (...) quod Celsus putat non valere, si convenerit, ne dolus praestetur: hoc enim bonae fidei iudicio contrarium est: et ita utimur (...). 67 Gai. 4,47: (…) at illa formula, quae ita concepta est: IVDEX ESTO. SI PARET AVLVM AGERIVM APVD NVMERIVM NEGIDIVM MENSAM ARGENTEAM DEPOSVISSE EAMQVE DOLO MALO NVMERII NEGIDII AVLO AGERIO REDDITAM NON ESSE, QVANTI EA RES ERIT, TANTAM PECVNIAM, IVDEX, NVMERIVM NEGIDIVM AVLO AGERIO CONDEMNATO. SI NON PARET, ABSOLVITO, in factum concepta est. similes etiam commodati formulae sunt. Vgl. D. 13,6,1pr. (Ulp. 28 ad ed.): Ait praetor: ‘quod quis commodasse dicetur, de eo iudicium dabo’. Zur Formel der actio commodati in factum

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§ 5 Sonstige obligationes re contractae?

teilung des Entleihers setzte voraus, wie die Formel uns mitteilt, dass die geliehenen Sachen nicht zurückgegeben wurden (si paret rem commodatam redditam non esse); dementsprechend war die Verurteilung auf den einfachen Wert der Sache beschränkt (quanti ea res erit)68. Unter diesen Umständen darf die Tatsachenklage wegen Leihe als kondiktionenartige Klage bezeichnet werden, denn sie ist auf den Sachwert der geliehenen Sachen gerichtet und beschränkt. Es geht also um eine nach dem Vorbild der condictio konstruierte reddere-Klage69, die als solche in das edictum de rebus creditis (Titel XVII des prätorischen Edikts nach der Wiederherstellung Lenels) eingegliedert wurde70; der reddere-Charakter der Klage vermittelt dann die Zusammenstellung mit der condictio.71 Das Gesagte bedeutet aber nicht, dass allgemeine Schlüsse aus dem Rückgewährcharakter der Klage in Beziehung zu den sonstigen reddere-Klagen für die Bildung einer Kategorie der Realverträge gezogen werden können.72 Die juristisch bedeutende Affinität der Leihe mit dem Darlehen ist prozessual, nicht „materiellrechtlich“, und darauf beschränkt, was die strengrechtliche Tatsachenklage betrifft. Auf jeden Fall geht es hier um eine Ähnlichkeit zwischen dem Realvertrag und der Leihe, die, wie unten zu sehen sein wird, von dem Gaius der res cottidianae nicht übersehen wurde.73 Über den angeblichen Realvertragscharakter der Leihe lassen sich aus dem Edikt hingegen keine Belege finden. Nach der Ausdehnung, die der Begriff credere in der Hochklassik erfuhr, kann die Leihe als eine causa credendi betrachtet werden. Die Eingliederung der Leihe in das edictum de rebus creditis und damit ihre Bezeichnung als Kreditentstehungsgrund hat mit einem angeblichen „Realvertragscharakter“ des Geschäftes nichts zu tun. Vom „Vertragsabschluss“ durch Sachhingabe als Kriterium, um Tatbestände in den Titel XVII des Edikts einzuführen, ist in den Quellen keine Rede. Das edictum de rebus creditis enthält auch Klagen für den Schutz von Tatbeständen, die materiellrechtlich betrachtet durch formgebundenes mündliches Versprechen (bei der concepta grundlegend Lenel, EP, S. 252 ff.; ferner Mantovani [1999] S. 66. Vgl. auch Pastori [1995] S. 95 ff. 68 D. 13,6,3,2 (Ulp. 28 ad ed.): In hac actione sicut in ceteris bonae fidei iudiciis similiter in litem iurabitur: et rei iudicandae tempus, quanti res sit, observatur, quamvis in stricti litis contestatae tempus spectetur. Dazu vgl. Kaser [1935] S. 75 ff.; Pastori [1959] S. 689; Scherillo [1960] S. 987. 69 Kaser [1935] S. 75 ff. 70 Siehe D. 12,1,1,1 (Ulp. 26 ad ed.). 71 Darüber hinaus ist in den Quellen bezeugt, dass der Anspruch aus Leihe einst mit der condictio selbst geltend zu machen war: D. 12,5,9pr. (Paul. 5 ad Plaut.): Si vestimenta utenda tibi commodavero, deinde pretium, ut reciperem, dedissem, condictione me recte acturum responsum est: quamvis enim propter rem datum sit et causa secuta sit, tamen turpiter datum est. Dazu vgl. Kaser [1966b] S. 1, 30 ff.; Pastori [1995] S. 142 ff.; Berndt [2005] S. 22 f. 72 Vgl. Kaser [1982b] S. 61 (Fn. 10). 73 Dazu s.u. § 5 A VI.

A. Die obligatio re contracta in den res cottidianae

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Stipulation auf certum) oder formloses Versprechen (Zusage) bei der pecunia constituta 74 begründet werden. Gemeinsames Kennzeichen aller Tatbestände dieses Titels ist der strengrechtliche Charakter der Klage, sozusagen ihre „Kondiktionenartigkeit“. Zwischen dem Ende der Republik (1. Jh. v. Chr.) und den ersten Jahrzehnten des Prinzipats (1. Jh. n. Chr.)75 wurde eine zivilrechtliche Klage wegen Leihe eingeführt (actio commodati in ius), die mit hoher Wahrscheinlichkeit nach Treu und Glauben konzipiert war.76 Beide Klagen wurden in klassischer

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D. 13,5,1pr. (Ulp. 27 ad ed.): (…) qui constituta ex consensu facta custodit (…). In diesem Sinne geht es um ein „nicht stipulatorisches“ Versprechen. Anders La Rosa [1997] S. 203, nach deren Ansicht die pecunia constituta nur durch das Wort constituo begründet werden konnte. Aus dem formlosen Charakter der pecunia constituta folgt, dass sie auch unter Abwesenden und sogar per Brief verabredet werden kann: D. 13,5,5,3 (Ulp. 27 ad ed.); D. 13,5,14,3 (Ulp. 27 ad ed.); D. 13,5,24 (Marcel. l.s. resp.); D. 13,5,26 (Scaev. 1 resp.); D. 13,5,31 (Scaev. 5 dig.). Zu den Grundzügen der pecunia constituta siehe D. 13,5,1,1 (Ulp. 27 ad ed.): ‘Ait praetor: Qui pecuniam debitam constituit’. ‘Qui’ sic accipiendum est ‘quaeve’, nam et mulieres de constituta tenentur, si non intercesserint. Was den Gegenstand der Obligation betrifft, besteht er darin, einen bestimmten Geldbetrag (pecunia certa) oder eine bestimmte Menge anderer vertretbarer Sachen (certa res quae pondere numero mensura constant) zu übereignen oder dafür eine Sicherheit zu stellen: D. 13,5,14,1-2 (Ulp. 27 ad ed.); D. 13,5,21,2 (Paul. 29 ad ed.); C. 4,18,2,1 (Iust., a. 531). Vgl. Bruns [1861] S. 50; Philippin [1929] S. 69 ff.; Astuti [1941] S. 10 ff., 188 ff., 211; Tondo [1958] S. 208 ff.; Guizzi [1959] S. 299; Frezza [1962] S. 251 ff.; Kaser [1971] S. 584; Ricart [1994] S. 704; Rüfner [2000] S. 44 ff.; Platschek [2013] S. 12 ff. Die Rubrik de pecunia constituta („über die Erfüllungszusage“) ist ein Anhang der Rubrik si certum petetur. Das edictum de pecunia constituta mag auf Labeo zurückgehen. Das ergibt sich aus D. 13,5,3,2 (Ulp. 27 ad ed.) und D. 13,5,27 (Ulp. 14 ad ed.). Dazu vgl. bereits Bruns [1861] S. 41; zuletzt Varvaro [2009] S. 833; Platschek [2013] S. 111 ff. Dieses Institut wurde vom hellenistischen Bankwesen stark beeinflusst (dazu siehe nur Platschek [2013] S. 56 ff.). Es kann mit gewisser Sicherheit aus den im 27. Buch des Ediktskommentars Ulpians, im 29. Buch des Ediktskommentars Paulus’ und im 11. Buch der Digesten Julians enthaltenen Nachrichten rekonstruiert werden. Auf diesen Werken beruht der 5. Titel des 13. Buches der Digesten de pecunia constituta. Eingehend zum Edikt de pecunia constituta Varvaro [2009] S. 829 ff.; Costa [2011] S. 129 ff.; Platschek [2013] S. 11 ff. Überblick bei Ricart [1994] S. 695 ff.; Waelkens [2002] S. 171 ff. 75 Zum Alter der actio commodati in ius vgl. nur Segré [1906] S. 331 ff.; weiterhin Pastori [1995] S. 95 ff. 76 Gai. 4,47: Sed ex quibusdam causis praetor et in ius et in factum conceptas formulas proponit, ueluti depositi et commodati. illa enim formula, quae ita concepta est: IVDEX ESTO. QVOD AVLVS AGERIVS APVD NVMERIVM NEGIDIVM MENSAM ARGENTEAM DEPOSVIT, QVA DE RE AGITVR, QVIDQVID OB EAM REM NVMERIVM NEGIDIVM AVLO AGERIO DARE FACERE OPORTET EX FIDE BONA, EIVS, IVDEX, NVMERIVM NEGIDIVM AVLO AGERIO CONDEMNATO. SI NON PARET, ABSOLVITO, in ius concepta est (...). Zur Formel in ius grundlegend Lenel, EP, S. 253 f; ferner Mantovani [1999] S. 52. Vgl. auch Pastori [1995] S. 95 ff. Man hat jedoch den bona-fides-Charakter der actio commodati bezweifelt, denn sie steht nicht im gaianischen Katalog der Klagen nach Treu und Glauben; Gai. 4,62: Sunt autem bonae fidei iudicia haec: ex empto uendito, locato conducto, negotiorum gestorum, mandati, depositi, fiduciae, pro socio, tutelae, rei uxoriae. Zum Unterschied zwischen dieser Quelle und Gai. 4,47 vgl. vor allem Pastori [1995] S. 95 ff.

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Zeit erhalten.77 Anders als bei der actio in factum wird dem Richter ein weiter Beurteilungsspielraum eröffnet; der Verleiher kann mit der actio in ius ex fide bona jeden Anspruch geltend machen, der im Rahmen eines Schuldverhältnisses nach Treu und Glauben befriedigt werden soll. Insofern kann der Verleiher gegen den Entleiher klagen, zum Beispiel wenn die Sache nicht unbeschädigt zurückgegeben wird und er daher Schäden erlitt.78 Von der Rückgabe selbst ist jedenfalls in der Formel nach Treu und Glauben keine Rede. Da diese Klage durch den Verleiher zu erheben ist, wird sie als actio commodati directa bezeichnet. Unter bestimmten Voraussetzungen ist es auch dem Entleiher gestattet, eventuelle Gegenansprüche gegen den Verleiher zu verwirklichen, nämlich wenn er Aufwendungen getätigt79 oder Schäden erlitten hat80; dazu dient die actio commodati contraria (iudicium contrarium)81, welche nur in factum konzipiert ist82. Zur Geltendmachung seines Anspruches gegen den Verleiher kann der Entleiher auch das sog. ius retentionis (Zurückhaltungsrecht)83 durch die exceptio doli (gegen die actio commodati directa in factum) und die compensatio (Aufrechnung)84 (gegen die actio commodati directa in ius) ausüben. IV. Verwahrung Bei der klassischen Verwahrung (depositum)85 übergibt der Hinterleger eine bewegliche Sache dem Verwahrer, der sich unentgeltlich zu ihrer Aufbewah-

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Die Stellen vom Titel 13,6 der Digesten beziehen sich jedenfalls vorwiegend auf die in factum konzipierte Klageformel. Trotzdem lassen sich auch Hinweise auf die Anwendung der Klage nach Treu und Glauben finden. Eingehend zur Klageduplizität Kranjc [2005] S. 127 ff.; Veronese [2011] S. 239 ff., 263 ff. 78 D. 13,6,3,1 (Ulp. 28 ad ed.). 79 Siehe zum Beispiel D. 13,6,18,2 (Gai. 9 ad ed. prov.) für die Kosten der Heilung eines entliehenen Sklaven. Dazu vgl. Pastori [1995] S. 417 ff.; ferner Berndt [2005] S. 135 ff. 80 Siehe etwa D. 13,6,18,3 (Gai. 9 ad ed. prov.) für den Fall, dass der Verleiher wissentlich eine mangelhafte Sache verliehen hat. Dazu vgl. Pastori [1995] S. 417 ff.; ferner Berndt [2005] S. 137 f. 81 Dazu vor allem Pastori [1995] S. 426 ff. 82 Zum Tatsachencharakter der iudicia contraria vgl. vor allem Provera [1951] S. 7 ff., 29 ff. 83 D. 47,2,15,2 (Paul. 5 ad Sab.); D. 47,2,60 (Iul. 3 ad Min.). Dazu vgl. Scherillo [1960] S. 990 ff.; Pastori [1995] S. 421 ff. Eingehend zur retentio im römischen Recht Bürge [1979] S. 176 ff. für das commodatum. 84 D. 13,6,18,4 (Gai. 9 ad ed prov.). Dazu vgl. Scherillo [1960] S. 991; Pastori [1995] S. 419. 85 Zum historischen Ursprung der Verwahrung vgl. Leonhard [1905] S. 233 ff.; Rotondi [1922a] S. 11 ff.; Longo [1933b] S. 7 ff.; Bonifacio [1960] S. 495 ff.; Astuti [1964] S. 212 ff.; Gandolfi [1976] S. 39 ff. In der dezemviralen Gesetzgebung verfügte der Hinterleger über eine actio in duplum. Siehe XII Tab. 8,19; PS 2,12,11 = Coll. 10,7,11.

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rung und Rückgabe verpflichtet, sobald es der Hinterleger verlangt.86 Ulpian skizziert die Grundzüge der Verwahrung folgendermaßen87: D. 16,3,1pr. (Ulp. 30 ad ed.): Depositum est, quod custodiendum alicui datum est, dictum ex eo quod ponitur: praepositio enim de auget depositum, ut ostendat totum fidei eius commissum, quod ad custodiam rei pertinet. Deponiert ist, was in die Aufbewahrung eines anderen gegeben worden ist, benannt danach, dass etwas hingelegt wird. Die Präposition ‚de’ verstärkt nämlich das Wort ‚positum’, um auszudrücken, dass alles, was die Aufbewahrung der Sache mit sich bringt, der Gewissenhaftigkeit des Verwahrers anvertraut ist. 88

Die Verwahrung wird durch die folgenden Elemente charakterisiert: Übergabe von beweglichen Sachen, unentgeltliche Aufbewahrung und Rückgabeverpflichtung des Verwahrers. Hinzu kommt, dass der Verwahrer ursprünglich nur für dolus (Arglist) haftet, später auch für culpa (Fahrlässigkeit), und zwar die sog. diligentia quam in suis. 1. Sachübergabe Der Verwahrung liegt eine Sachhingabe zugrunde; das Übereinkommen über die Aufbewahrung einer noch nicht hingegebenen Sache ist demnach kein depositum, sondern ein mandatum ad custodiendum (Auftrag zur Aufbewahrung).89 Das Schuldverhältnis wird durch einfache Sachübergabe begründet, d.h. die Sache geht nicht ins Eigentum des Verwahrers über, der nur die tatsächliche Innehabung der deponierten Sache hat (possessio naturalis, possessio pro alieno, sog. detentio)90, soweit er nicht Sequester ist91. Der Verwahrer 86

Überblick bei Leonhard [1905] S. 233 ff.; Bonifacio [1960] S. 495 ff.; Astuti [1964] S. 212 ff.; Panero [1994] S. 251 ff.; Zimmermann [1996] S. 205 ff.; Harke [2008] S. 170 ff.; Honsell [2010] S. 121 ff.; Kaser/Knütel [2014] S. 233 f. 87 Vgl. I. 3,14,3; PS 2,12,2 = Coll. 10,7,2: depositum est quasi diu positum. 88 Ich stütze mich in der deutschen Übersetzung auf diejenige von Knütel [1999] S. 330. 89 Siehe D. 16,3,1,12-13 (Ulp. 30 ad ed.). Dazu vgl. Guarino [2001] S. 870. 90 Zur possessio naturalis siehe D. 10,3,7,11 (Ulp. 20 ad ed.); D. 10,4,3,15 (Ulp. 24 ad ed.); D. 22,1,38,10 (Paul. 6 ad Plaut.); D. 41,2,24 (Iav. 14 epist.); D. 41,5,2,1-2 (Iul. 44 dig.); D. 45,1,38,7-8 (Ulp. 49 ad Sab.). Zum Besitz alieno nomine siehe D. 41,2,9 (Gai. 25 ad ed prov.); D. 41,2,18pr. (Cels. 23 dig.); D. 41,3,31,3 (Paul. 32 ad Sab.); Gai. 4,153. 91 Ein Sequester ist die Person, der die Sache von den streitenden Parteien zur Verwahrung übergeben wird. D. 50,16,110 (Mod. 6 pand.): ‘Sequester’ dicitur, apud quem plures eandem rem, de qua controversia est, deposuerunt: dictus ab eo, quod occurrenti aut quasi sequenti eos qui contendunt committitur. Vgl. auch D. 16,3,6 (Paul 2 ad ed.); D. 16,3,17pr. (Flor. 7 inst.). Der Sequester hat den Besitz der verwahrten Sachen; dies ergibt sich aus D. 16,3,17,1 (Flor. 7 inst.) und D. 41,2,39 (Iul. 2 ex Min.). Zum sequestrum vgl. etwa Arangio-Ruiz [1906] S. 471 ff.; ders. [1907] S. 233 ff.; Longo [1933b] S. 152 ff.; Astuti [1964] S. 223 ff.; Guizzi [1964] S. 318 ff.; García Vásquez [2001] S. 351 ff.; Rodríguez Martín [2008] S. 361 ff. Überblick bei Kaser [1971] S. 536.

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hat nur eine faktische Sachherrschaft, und zwar keinen Interdiktenbesitz und folglich keinen Besitzvorteil.92 Deswegen kann die Stellung des Verwahrers gegenüber der Sache nicht als Besitz im rechtstechnischen Sinne bezeichnet werden.93 Der Verwahrung liegt also keine datio rei zugrunde. Die Quellen, in denen von dare in Bezug auf die Verwahrung die Rede ist, benutzen den Begriff nicht in seinem rechtstechnischen Sinne von Eigentumsübertragung, sondern in dem weitesten Sinne des Wortes, d.h. als „geben“.94 In anderen Fällen handelt es sich um die sog. unregelmäßige Verwahrung (depositum irregulare), die wie beim Darlehen die Verschaffung zivilrechtlichen Eigentums – also eine wirkliche datio – bedeutet und deren Abgrenzung zum mutuum und daher zum credere für die klassischen Juristen hochproblematisch war.95 Der Verwahrer, der jedermann außer dem Eigentümer selbst sein kann 96, übt die tatsächliche Innehabung über die Sache in Namen des Hinterlegers (alieno nomine) aus, d.h. es gibt ein corpore possidere, aber kein animus rem sibi habendi. Der Hinterleger behält das Eigentum und/oder den Besitz an der Sache, wenn er bereits Eigentümer und/oder Besitzer war: Rei depositae proprietas apud deponentem manet, (sicut) et possessio97. Da dem Verwahrer weder das Eigentum noch der Besitz übertragen wird, muss der Hinterleger nicht unbedingt Eigentümer oder Besitzer sein; notwendig ist nur, dass er die tatsächliche Innehabung über die Sache gehabt hat, andernfalls könnte er die Sache nicht niederlegen.98 Aus diesem Grund darf der Verwahrer seinerseits die Sache einem Unterverwahrer übergeben99; weder die ursprüngliche Hin92

Dazu vgl. vor allem Arnò [1936] S. 433 ff.; Kaser [1953c] S. 259 ff.; ders. [1971] S. 389 ff.; Albanese [1985] S. 56 ff.; Lambrini [1998] S. 77 ff. 93 Kaser [1953c] S. 261. 94 D. 4,8,11,2 (Ulp. 13 ad ed.); D. 16,3,1pr. und 8 (Ulp. 30 ad ed.); D. 24,1,52pr. (Pap. 10 quaest.). 95 Siehe etwa D. 12,1,9,9 (Ulp. 26 ad ed.); D. 12,1,10 (Ulp. 2 ad ed.); D. 16,3,1,34 (Ulp. 30 ad ed.); D. 16,3,24 (Pap. 9 quaest.); D. 16,3,25,1 (Pap. 3 resp.); D. 16,3,26,1 (Paul. 4 resp.); D. 16,3,29,1 (Paul. 2 sent.); D. 17,1,34pr. (Afr. 8 quaest.); D. 19,2,31 (Alf. 5 dig. a Paul. epit.); D. 19,5,18 (Ulp. 30 ad ed.). Zur sog. unregelmäßigen Verwahrung (depositum irregulare) im römischen Recht vgl. Niemeyer [1889]; Longo [1906] S. 121 ff.; Segré [1907] S. 197 ff.; Bonifacio [1947] S. 80 ff.; Brasiello [1954] S. 23 ff.; Adams [1962] S. 360 ff.; Geiger [1962]; Astuti [1960] S. 224 ff. Klami [1969]; Litewski [1972] 557 ff.; ders. [1974] S. 215 ff.; ders. [1975] S. 279 ff.; Maschi [1973] S. 381 ff.; Gandolfi [1976] S. 148 ff.; Vigneron [1984] S. 307 ff.; Bürge [1987] S. 536 ff.; Valmaña Ochaita [1996]; Scotti [2002] S. 183 ff. 96 D. 16,3,15 (Iul. 13 dig.); D. 50,17,45pr. (Ulp. 30 ad ed.). Siehe auch D. 16,3,31,1 (Tryph. 9 disp.) zu der Person, deren Eigentum an der hinterlegten Sache nicht kennt. Zu diesem Fall vgl. Longo [1933b] S. 14 ff. 97 D. 16,3,17,1 (Flor. 7 inst.). Vgl. auch D. 6,1,9 (Ulp. 16 ad ed.); D. 16,3,7,1 (Ulp. 30 ad ed.); D. 41,2,3,20 (Paul. 54 ad ed.); Gai. 4,153. 98 Vgl. PS 2,12,1 = Coll. 10,7,1. 99 Vgl. D. 16,3,16 (Afr. 7 quaest.); D. 41,2,30,6 (Paul. 15 ad Sab.).

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terlegung noch eventuell folgende Unterverwahrungen bringen eine Veränderung in der Rechtsposition des Eigentümers oder Besitzers mit sich. Der Verwahrer ist nicht einmal zum Sachgebrauch befugt; durch vertragswidrige Benutzung der Sache begeht er ein furtum usus.100 Wird dem Verwahrer nachträglich der Sachgebrauch gestattet, ändert sich die „Natur“ des Vertrages: Wenn der Vertragsgegenstand in vertretbaren Sachen besteht, wird die Verwahrung zum Darlehen; wenn es um unvertretbare Sachen geht, wird sie zur Leihe.101 Ziel und Struktur des Vertrages setzen voraus, dass die Sache beweglich ist: In den Quellen lässt sich kein Hinweis auf die Verwahrung von unbeweglichen Sachen finden, denn depositum bezieht sich auf id quod ponitur, was Bewegung bedeutet.102 In der Regel sind die Sachen, die hinterlegt werden, individuell bestimmt (unvertretbare Sachen); theoretisch ist aber die Verwahrung von vertretbaren Sachen (außer dem Fall des Gelddarlehens) auch möglich.103 2. Unentgeltliche Aufbewahrung Der Verwahrer muss die deponierten Sachen aufbewahren. Dies bedeutet, dass seine Verpflichtung in Bewachung (custodia) besteht; in der Tat wird sie als custodire104 oder servare105 bezeichnet. Die Bewachung ist der Zweck der Sachhingabe: Das Interesse des Hinterlegers wird nur befriedigt, wenn die Sachen unbeschädigt zurückgegeben werden. Aus den Quellen lässt sich jedenfalls nicht genau bestimmen, ob der Verwahrer auf positive Bewachungsaktivitäten oder auf ein bestimmtes Verhalten gegenüber den Sachen verpflichtet ist.106 Beim depositum bewahrt der Nehmer die Sache unentgeltlich auf; das ist ein wesentliches Element des Vertrages.107 Dass der Verwahrer sich unent100

Gai. 3,196. Vgl. auch D. 13,1,16 (Pomp. 38 ad Q. Muc.); D. 47,2,77pr. (Pomp. 38 ad Q. Muc.). Zur actio furtum gegen den Verwahrer, die bis auf die Zeit von Q. Mucius nach Gell. 6,15,2 bezeugt ist, vgl. Liebs [1972] S. 110; Gandolfi [1976] S. 54 ff.; Walter [2012] S. 323 ff. 101 Vgl. Honsell [2010] S. 121. 102 Dazu vgl. Rotondi [1922b] S. 69; Longo [1933b] S. 15 ff.; Astuti [1964] S. 214; zuletzt Walter [2012] S. 25. Deponere hat grundsätzlich die Bedeutung von „niederlegen“. Siehe TLL V 1, S. 576, 45. 103 Vgl. Astuti [1964] S. 214; Guarino [2001] S. 870; Walter [2012] S. 25 (Fn. 4). 104 Siehe etwa D. 16,3,1pr. (Ulp. 30 ad ed.); D. 16,3,1,9 (Ulp. 30 ad ed.); PS 2,12,3 = Coll. 10,7,3. Vgl. nur Walter [2012] S. 28. 105 D. 16,3,1,8 (Ulp. 30 ad ed.). Vgl. nur Walter [2012] S. 28. 106 Walter [2012] S. 28. 107 Dazu vgl. vor allem Rotondi [1922b] S. 60; Longo [1933b] S. 16 ff.; Bonifacio [1960] S. 497 ff.; Michel [1962] S. 56 ff.; Astuti [1964] S. 215 ff.; Kaser [1971] S. 534; Gandolfi [1976] S. 27 ff.; Talamanca [1990a] S. 549; Zimmermann [1996] S. 213 f.; Guarino [2001] S.

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geltlich verpflichtet, wird in mehreren Quellen betont108 und dient insbesondere der Abgrenzung zur Miete109: Wird eine Vergütung für den Verwahrer ausgemacht, so bringt dies mit sich, dass der Vertrag kein depositum darstellt, sondern eine locatio-conductio. Damit die Verwahrung entgeltlich erfolgt, muss das Entgelt besonders versprochen werden.110 Die Verwahrung ist grundsätzlich ein einseitiger Vertrag, denn der Hinterleger geht in der Regel keine Verpflichtung gegenüber dem Verwahrer ein. Das Gesagte erklärt weiter die Beschränkung der Verwahrerhaftung auf dolus111: Der Vertrag liegt ausschließlich im Interesse des Hinterlegers.112 Auf jeden Fall können die Parteien eine Ausdehnung der Haftung auf die Verwahrerfahrlässigkeit besonders vereinbaren. Allerdings wird das depositum nach der Tradition gemeinhin als „unvollkommen zweiseitiger Vertrag“ bezeichnet113, denn unter bestimmten Voraussetzungen kann auch der Verwahrer eine Klage gegen den Hinterleger erheben (iudicium contrarium).

870; Scotti [2008] S. 21 ff.; zuletzt Walter [2012] S. 30. In D. 13,6,5,2 (Ulp. 28 ad ed.) und D. 47,8,2,23 (Ulp. 56 ad ed.) liegt eine Vergütung zugunsten des Verwahrers vor; dies würde aber dem Recht justinianischer Zeit entsprechen. Dazu vgl. Longo [1933b] S. 18 ff.; Astuti [1964] S. 216; Walter [2012] S. 426 (Fn. 87). 108 Siehe zum Beispiel D. 4,9,3,1 (Ulp. 14 ad ed.); D. 16,3,1,8-9 (Ulp. 30 ad ed.); D. 47,8,2,23 (Ulp. 56 ad ed.); im allgemeinen Sinne (ut generaliter dixerimus...) I. 3,26,13. 109 D. 16,3,1,8-10 (Ulp. 30 ad ed.). 110 Siehe nur Kaser/Knütel [2014] S. 233. 111 D. 13,6,5,2 (Ulp. 28 ad ed.): (…) quia nulla utilitas eius versatur apud quem deponitur, merito dolus praestatur solus (…). 112 Dieses Merkmal der Verwahrung ist entscheidend für die Ausschließung des Vertrages vom Gebiet des creditum nach D. 12,1,1,1 (Ulp. 26 ad ed.). Vgl. auch D. 42,5,24,2 (Ulp. 63 ad ed.): (…) aliud est enim credere, aliud deponere (…). Bei der Verwahrung kommt eine fides aliena in Betracht, es fehlt aber das andere Element, das wesentlich für das credere ist: adsentiri rei hinsichtlich der fides aliena, um die Sache zurückzuerhalten (mox recepturi). Beim depositum wird die Sache allein im Interesse des Hinterlegers anvertraut, nicht des Verwahrers, sodass es kein adsentiri rei im Sinne des Edikts gibt. Der Hinterleger ist die Partei, welche die Initiative ergreift, um das Schuldverhältnis zu begründen. Im Gegensatz dazu ist bei Darlehen, Pfand und Leihe der Nehmer die Partei, die Interesse an der Hingabe der Sache hat und daraus Nutzen zieht; die Sachen werden in seinem eigenen Interesse anvertraut, nicht in dem des Gebers. Nicht selten wird dies durch den Gebrauch des Verbes rogare ausgedrückt. Siehe zum Beispiel D. 12,1,4pr. (Ulp. 34 ad Sab.): (…) desideravis mutuam pecuniam (…); D. 12,1,11pr. (Ulp. 26 ad ed.): Rogasti me, um tibi pecuniam crederem (…); D. 12,1,32 (Cels. 5 dig.): Si et me et Titium mutuam pecuniam rogaveris (…); D. 13,6,5,6 (Ulp. 28 ad ed.): (…) is qui rogavit (…); D. 13,6,5,7 (Ulp. 28 ad ed.): (…) eum qui commodatum rogavit. Vgl. Albanese [1971] S. 36 (Fn. 18). Man kann also sagen, dass es bei der Verwahrung eine fides aliena gibt, aber kein alienam fidem secuti; der Hinterleger glaubt an die Redlichkeit des Verwahrers, folgt ihr aber nicht. Nur Darlehensgeber, Verleiher und Verpfänder „folgen“ der Treue des Schuldners. Vgl. Albanese [1971] S. 5 ff., 35, 39; ders. [1973] S. 77 ff.; ders. [1991b] S. 1153 ff.; ders. [1991c] S. 1173 ff.; Santoro [1971] S. 377 ff.; Jung [2002] S. 44; Gröschler [2005] S. 184. 113 Vgl. vor allem Kaser [1971] S. 528; weiterhin Walter [2012] S. 30.

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3. Rückgabeverpflichtung Bei der Verwahrung ist dieselbe Sache (res ipsa) zurückzugeben. Andernfalls handelt es sich um ein Darlehen oder um die sog. unregelmäßige Verwahrung. Diese Verpflichtung ist verletzt, wenn die Sache in der tatsächlichen Innehabung des Verwahrers ist und er sie wegen Arglist nicht zurückgibt oder nicht zurückgeben kann114 oder beschädigt zurückgibt115. Ebenso wie der Entstehungsgrund des Schuldverhältnisses, welcher in einer ohne dinglichen Bezug erfolgenden Sachhingabe besteht, stellt die Leistung des Verwahrers eine bloße Sachüberlassung dar, die keine Eigentumsübertragung bedeutet. Die Rückgabe der deponierten Sachen ist demnach keine datio rei. Dies teilt uns Ulpian ausdrücklich mit: aliud est enim reddere, aliud quasi de suo dare („es ist nicht dasselbe, eine Sache zurückzugeben und etwas angeblich aus dem eigenen Vermögen zu übereignen“).116 Das reddere ist kein dare, sondern ein facere. Im Übrigen bestätigt diese Quelle, dass der Gebrauch von dare in der Verwahrungsdefinition (D. 16,3,1pr.) nicht im technischen, sondern im weiteren Sinne verstanden werden muss: Wenn die Rückgewähr der verwahrten Sachen keine datio rei ist, muss unbedingt dasselbe für die verwahrungsbegründende Sachhingabe gelten. Anders gesagt: Der Verwahrer kann kein Eigentum an der deponierten Sache übertragen, weil der Hinterleger bei der Begründung des Schuldverhältnisses ebenso kein Eigentum übertragen hat. In ähnlichem Sinne unterscheidet Pomponius zwischen einer Obligation auf dare (aus Stipulation oder Testament) und einer auf reddere (aus Verwahrung)117: Reddere ist kein dare rem. Im Unterschied zur Leihe kann der Hinterleger die Sachrückgabe jederzeit fordern.118 Dies ist ein wesentliches Merkmal des depositum; auch wenn für die Rückgabe eine Frist vereinbart worden ist, darf der Hinterleger die Verwahrungssache mutata voluntate fordern.119 Die Rückgabepflicht ist also an keine Frist gebunden; die vereinbarte Rückgabezeit bindet nur den Verwahrer, aber nicht den Hinterleger.

114

D. 16,3,1,21 und 32 (Ulp. 30 ad ed.). Vgl. Walter [2012] S. 29. D. 16,3,1,16 (Ulp. 30 ad ed.). Vgl. Walter [2012] S. 29. 116 D. 16,3,1,33 (Ulp. 30 ad ed.). Vgl. auch D. 42,5,24,2 (Ulp. 63 ad ed.): (…) aliud est enim credere, aliud deponere (...). Eingehend zur Bedeutung von reddere Panero [1989] S. 75 ff. 117 D. 16,3,12,3 (Pomp. 22 ad Sab.). 118 D. 16,3,1,22 (Ulp. 30 ad ed.). Anders nach D. 13,6,17,3 (Paul. 29 ad ed.) für die Leihe. 119 D. 16,3,1,45-46 (Ulp. 30 ad ed.).Vgl. Walter [2012] S. 29. 115

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4. Haftung Im klassischen römischen Recht haftet der Verwahrer grundsätzlich nur für Vorsatz120, wie sich aus der Formel der Tatsachenklage wegen Verwahrung ergibt121, nämlich wenn er die Sache nicht zurückgibt oder beschädigt zurückgibt. Das Gesagte wird durch Wortverbindungen wie dolus solus, dolus tantum und dolus dumtaxat zum Ausdruck gebracht.122 Das Schuldverhältnis wird ausschließlich im Interesse des Hinterlegers begründet und bei Nichterfüllung bewirkt die Verurteilung Infamie.123 Insofern ist die Beschränkung der Haftung des Verwahrers auf dolus aus dem sog. Utilitätsprinzip124 einerseits und aus dem sog. Infamieprinzip125 andererseits zu entnehmen. Es ist zweifelhaft, ob bei der Formel nach Treu und Glauben auch die grobe Nachlässigkeit einbezogen war126; allerdings ist in den res cottidianae ausdrücklich von magna negligentia die Rede127. Der Hochklassiker Celsus teilt uns mit, dass die Ungleichbehandlung deponierter und eigener Sachen ein arglistiges Verhalten bedeute; insofern sei der Verwahrer nicht haftbar, wenn er gewöhnlich und in den eigenen Angelegenheiten nachlässig ist, also wenn kein Unterschied zwischen der Sorgfalt im Umgang mit hinterlegten und eigenen Sachen besteht.128 Davon geht das Haftungskriterium der sog. diligentia quam in suis (sog. lex quod Nerva) aus.129 Unter diesen Umständen kann sich der Verwahrer nur mit der Behauptung verteidigen, dass er auch in eigenen Angelegenheiten überaus nachlässig ist, andernfalls gerät er in fraus. 120

Dazu vgl. Rotondi [1922c] S. 91 ff.; Arangio-Ruiz [1933] S. 29 ff.; Longo [1933b] S. 30 ff.; Bonifacio [1960] S. 497; Kaser [1971] S. 535; Litewski [1976] S. 4 ff.; Cannata [1996] S. 72.; Harke [2006] S. 15 ff.; ders. [2008] S. 170; Marlasca Martínez [2010] S. 886 ff.; Walter [2012] S. 157 ff. 121 Dazu grundlegend Lenel, EP, S. 288 ff.; ferner Mantovani [1999] S. 66. 122 Siehe etwa D. 4,9,3,1 (Ulp. 14 ad ed.); D. 13,1,16 (Pomp 38 ad Q. Muc.); D. 13,6,5,2 (Ulp. 28 ad ed.); D. 16,3,1pr. (Ulp. 30 ad ed.); D. 16,3,1,47 (Ulp. 30 ad ed.); D. 19,5,17,2 (Ulp. 28 ad ed.); D. 47,2,14,3 (Ulp. 29 ad Sab.); D. 50,17,23 (Ulp. 29 ad Sab.); Gai. 3,207; PS 2,12,6 = Coll. 10,7,6; Mod. 2 diff. = Coll. 10,2,1 und 4; I. 3,14,3. 123 Gai. 4,182; D. 3,2,1 (Iul. 1 ad ed.); Mod. 2 diff. = Coll. 10,2,4. 124 Vgl. Kübler [1910] S. 235 ff.; ders. [1917] S. 73 ff.; Nörr [1956] S. 68 ff.; Betti [1958a] S. 47 ff.; Harke [2006] S. 20 ff.; Walter [2012] S. 157. 125 Zum Infamieprinzip siehe Mitteis [1908] S. 325 ff. Vgl. auch Kaser [1956b] S. 220 ff. 126 Vgl. Rotondi [1922c] S. 91 ff.; Kaser [1971] S. 535; Litewski [1976] S. 40 ff.; Walter [2012] S. 157. 127 D. 44,7,1,5 (Gai. 2 res cott.). Vgl. C. 4,34,1 (Sev. Alex., a. 234). 128 D. 16,3,32 (Cels. 11 dig.): Quod Nerva diceret latiorem culpam dolum esse, Proculo displicebat, mihi verissimum videtur. nam et si quis non ad eum modum quem hominum natura desiderat diligens est, nisi tamen ad suum modum curam in deposito praestat, fraude non caret: nec enim salva fide minorem is quam suis rebus diligentiam praestabit. Vgl. I. 3,14,3. 129 Vgl. Litewski [1976] S. 46 ff.; Zimmermann [1996] S. 210 ff.; Harke [2008] S. 170 ff.; Santucci [2010] S. 91 ff. Monografisch Maganzani [2006].

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Daher hat sich in der Lehre die Ansicht durchgesetzt, dass der Verwahrer nicht nur für Vorsatz, sondern auch für grobe Nachlässigkeit haftet.130 Eine Erweiterung der Haftung des Verwahrers bis zur custodia-Garantie lässt sich nur im Rahmen des bonae fidei iudicium finden.131 Über die Chronologie der nach Treu und Glauben konzipierten Klage wegen Verwahrung und damit der custodia-Haftung des Verwahrers versagen uns die Quellen sichere Auskünfte.132 Der Haftungsumfang konnte durch Vereinbarung zugunsten des Hinterlegers (gemäß den Regeln der bonae fidei iudicia) verändert werden133; auf diese Weise konnte man den Verwahrer nicht nur für Vorsatz, sondern auch für Nachlässigkeit haftbar machen134. Eine Befreiung der Haftung für Vorsatz durch pactum war hingegen nicht gestattet, da solche Vereinbarungen für sittenwidrig gehalten wurden.135 5. Klagbarkeit Das altrömische Recht kannte keinen selbstständigen Rechtsschutz für die formfreie Hingabe beweglicher Sachen einer Person, die sich unentgeltlich auf ihre Obhut und Rückgabe verpflichtet. Man darf annehmen, dass der Eigentümer die hinterlegten Sachen vindizieren konnte, selbstverständlich unter der Voraussetzung, dass der Nehmer noch in der tatsächlichen Innehabung der Sachen war.136 Darüber hinaus berichten uns die Quellen, dass die actio legis Aquiliae137 und ggf. die actio furti138 erhoben werden konnten. 130

Vgl. nur Harke [2008] S. 171. Zur custodia-Haftung siehe D. 16,3,1pr. (Ulp. 30 ad ed.): Depositum est, quod custodiendum alicui datum est (…); D. 16,3,1,35 (Ulp. 30 ad ed.): (…) non solum dolum, sed etiam culpam et custodiam praestet (...). Dazu vgl. Betti [1958a] S. 115 ff.; Metro [1966] S. 127 ff.; Kaser [1971] S. 535; Cannata [1966] S. 23 ff.; ders. [1969] S. 20 ff.; ders. [1996] S. 68 ff. 132 Zu dieser Frage vgl. Rotondi [1922a] S. 1 ff.; Burillo [1962] S. 233 ff.; Gandolfi [1976] S. 69 ff.; Walter [2012] S. 33 ff. 133 Siehe D. 2,14,7,15 (Ulp. 4 ad ed.); D. 2,14,27,3 (Paul. 3 ad ed.); D. 13,6,5,2 (Ulp. 28 ad ed.); D. 16,3,1,6 (Ulp. 30 ad ed.); D. 16,3,1,35 (Ulp. 30 ad ed.); D. 17,1,39 (Nerat. 7 memb.); D. 45,2,9pr. (Pap. 27 quaest.). Zur Wirksamkeit der Vereinbarungen bei den bonae fidei iudicia ausführlich Grosso [1928] S. 3 ff.; Biondi [1953] S. 170 ff. 134 Dazu vgl. Litewski [1976] S. 64 ff. 135 D. 16,3,1,7 (Ulp. 30 ad ed.): Illud non probabis, dolum non esse praestandum si convenerit: nam haec conventio contra bonam fidem contraque bonos mores est et ideo nec sequenda est. Im gleichen Sinne D. 50,17,23 (Ulp. 29 ad Sab.): (...) quod Celsus putat non valere, si convenerit, ne dolus praestetur: hoc enim bonae fidei iudicio contrarium est: et ita utimur (...). 136 In diesem Sinne Gandolfi [1976] S. 62 ff. Zur Frage der Konkurrenz zwischen actio depositi und reivindicatio siehe nur Walter [2012] S. 309 ff. 137 Für den Fall, dass die hinterlegte Sache beschädigt wird. Siehe D. 9,2,42 (Iul. 48 dig.); D. 13,6,18,1 (Gai. 9 ad ed prov.). Dazu vgl. Levy [1922] S. 65 ff.; Gandolfi [1976] S. 63 ff. Eingehend zu lex Aquilia und rei persecutio Rossetti [2013]. 131

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Die älteste Nachricht über die rechtliche Anerkennung der Verwahrung als selbstständiges Geschäft berichtet, dass nach den XII Tafeln eine Klage ex causa depositi (aufgrund einer Verwahrung) in duplum (für das Doppelte) gewährt wurde; nach dem prätorischen Edikt sei aber nur eine Klage in simplum (für den einfachen Sachwert) zulässig.139 Aus dem Charakter in duplum der ältesten Klage wegen Verwahrung sowie aus der grundsätzlichen Beschränkung der Haftung des Verwahrers auf Vorsatz und der Vererblichkeit der späteren amtsrechtlichen Klage darf man folgern, dass die erste juristische Anerkennung dieses Schuldverhältnisses deliktisch war.140 Die Einführung einer prätorischen Klage gegen den Verwahrer brachte keine Abschaffung der actio furti mit sich; beide Klagen wurden im römischen Recht bis zur Zeit Justinians erhalten.141 Paulus weist darauf hin, dass der Prätor eine Klage zum Schutz der Verwahrung zu Verfügung gestellt habe, und zwar zum Schutz eines tatsächlichen deponere.142 Es handelt sich also um eine actio depositi in factum concepta, d.h. eine Tatsachenklage wegen Verwahrung.143 Was den Ursprung dieser Klage angeht, ist es unbestritten, dass sie bereits Alfen144, Trebaz145 und Aulus Ofilius146 bekannt war. Q. Mucius kannte sie wahrscheinlich nicht, denn er sagt nach einem Bericht des Gellius, dass der Verwahrer, der die 138

Für den Fall, dass der Verwahrer die hinterlegte Sache gebraucht oder verkauft hat. Dass der Hinterleger die actio furti gegen den Verwahrer erheben konnte, ist bis auf die Zeit des Q. Mucius bezeugt. Gell. 6,15,2: Itaque Q. Scaevola in librorum, quos de iure civili composuit, XVI. verba haec posuit: ‘Quod cui servandum datum est, si id usus est, sive, quod utendum accepit, ad aliam rem, atque accepit, usus est, furti se obligavit’. Dazu vgl. Gandolfi [1976] S. 54 ff.; Walter [2012] S. 325 ff. 139 XII Tab. 8,19; PS 2,12,11 = Coll. 10,7,11: Ex causa depositi lege duodecim tabularum in duplum actio datur, edicto praetoris in simplum. Hierzu vgl. eingehend Gandolfi [1976] S. 46 ff. Zum deliktischen Charakter der actio depositi siehe jetzt Walter [2012] S. 203 ff. 140 Vgl. Rotondi [1922a] S. 18 ff.; Gandolfi [1976] S. 50 ff. 141 D. 16,3,29pr. (Paul. 2 sent.); I. 4,1,6. Nach der Ansicht von Liebs [1972] S. 91 (Fn. 27) könnte man aus dem Fragment des Paulus verstehen, dass beide Klagen zustehen, aber nur eine von ihnen zu erheben ist. In diesem Sinne Walter [2012] S. 328 (Fn. 640). 142 Vgl. D. 16,3,1,1 (Ulp. 30 ad ed.). 143 Gai. 4,47: (…) at illa formula, quae ita concepta est: IVDEX ESTO. SI PARET AVLVM AGERIVM APVD NVMERIVM NEGIDIVM MENSAM ARGENTEAM DEPOSVISSE EAMQVE DOLO MALO NVMERII NEGIDII AVLO AGERIO REDDITAM NON ESSE, QVANTI EA RES ERIT, TANTAM PECVNIAM, IVDEX, NVMERIVM NEGIDIVM AVLO AGERIO CONDEMNATO. SI NON PARET, ABSOLVITO, in factum concepta est. similes etiam commodati formulae sunt. Zur Formel in factum grundlegend Lenel, EP, S. 288 ff.; ferner Mantovani [1999] S. 66. Vgl. auch Rotondi [1922a] S. 1 ff.; Burillo [1962] S. 233; Gandolfi [1976] S. 69 ff.; Walter [2012] S. 33 ff. 144 D. 46,3,35 (Alf. 2 dig. a Paul. epit.). 145 D. 16,3,1,41 (Ulp. 30 ad ed.); D. 16,3,21,1 (Paul. 60 ad ed.); D. 41,4,2,7 (Paul. 54 ad ed.). 146 D. 34,2,39,1 (Iav. 2 post. Lab.).

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Sache gebraucht, furti se obligavit.147 Allerdings könnte die Vergangenheitsform obligavit darauf hinweisen, wie Gandolfi meint, dass Q. Mucius zwischen dem Rechtsschutz des Hinterlegers vor und nach der Einführung der actio in factum unterscheiden wollte.148 Man darf also annehmen, dass die actio depositi in factum mindestens auf das 1. Jh. v. Chr. zurückgeht. Diese Klage ist auf den einfachen Wert der hinterlegten Sache gerichtet; es handelt sich also um eine strengrechtliche reddere-Klage.149 Für den Fall, dass Sachen bei zwei oder mehr Personen hinterlegt werden, kann der Hinterleger die Klage gegen alle erheben und es gilt unter den mehreren Verwahrern das Solidaritätsprinzip, d.h. es gibt zwischen ihnen eine Gesamtobligation.150 Genauso wie bei der Leihe muss man aus dem strengrechtlichen Rückgewährcharakter der Tatsachenklage wegen Verwahrung keine allgemeine Folgerung für die Realvertraglichkeit des depositum im klassischen römischen Recht ziehen.151 Die juristisch bedeutende sozusagen „Affinität“ der Verwahrung mit dem Darlehen ist nicht „materiellrechtlich“, sondern prozessual und darauf beschränkt, was die auf die Rückgewähr des einfachen Sachwertes gerichtete actio depositi in factum concepta angeht. Es handelt sich hier um eine Ähnlichkeit zwischen dem Realvertrag und der Verwahrung, die, wie unten zu sehen sein wird, der Gaius der res cottidianae nicht übersah.152 Schon in frühklassischer Zeit (1. Jh. n. Chr.) wurde neben der amtsrechtlichen Klage eine nach Treu und Glauben konzipierte Klage wegen Verwahrung eingeführt, und zwar die actio depositi in ius ex fide bona153, wodurch dem Richter ein weiter Beurteilungsspielraum eröffnet wurde. Beide Klagen 147

Gell. 6,15,2. Dazu vgl. Rotondi [1922a] S. 33. Gandolfi [1976] S. 91. 149 Vgl. Kaser [1935] S. 69 ff. 150 Siehe D. 16,3,1,43 (Ulp. 30 ad ed.); D. 45,2,9pr. (Pap. 27 quaest.). Dazu vgl. Litewski [1978] S. 5 ff.; Schmieder [2007] S. 217 ff.; Steiner [2009] S. 27 ff., 231 ff. Allgemeines zur Gesamtobligation bei Harke [2010b] S. 1 ff.; Finkenauer [2013] S. 164 ff. 151 Vgl. Kaser [1982b] S. 61 (Fn. 10). 152 Dazu s.u. § 5 A VI. 153 Gai. 4,47: Sed ex quibusdam causis praetor et in ius et in factum conceptas formulas proponit, ueluti depositi et commodati. illa enim formula, quae ita concepta est: IVDEX ESTO. QVOD AVLVS AGERIVS APVD NVMERIVM NEGIDIVM MENSAM ARGENTEAM DEPOSVIT, QVA DE RE AGITVR, QVIDQVID OB EAM REM NVMERIVM NEGIDIVM AVLO AGERIO DARE FACERE OPORTET EX FIDE BONA, EIVS, IVDEX, NVMERIVM NEGIDIVM AVLO AGERIO CONDEMNATO. SI NON PARET, ABSOLVITO, in ius concepta est (...). Siehe auch Gai. 4,62: Sunt autem bonae fidei iudicia haec: ex empto uendito, locato conducto, negotiorum gestorum, mandati, depositi, fiduciae, pro socio, tutelae, rei uxoriae. Vgl. auch D. 13,4,7pr. (Paul. 28 ad ed.); D. 16,3,12,1 (Pomp. 22 ad Sab.); D. 16,3,24 (Pap. 9 quaest.); D. 16,3,29,1 (Paul. 2 sent.); D. 17,2,38pr. (Paul. 6 ad Sab.). Zur Formel in ius ex fide bona grundlegend Lenel, EP, S. 288 ff.; ferner Mantovani [1999] S. 51. Vgl. auch Rotondi [1922a] S. 1 ff.; Burillo [1962] S. 233; Gandolfi [1976] S. 69 ff.; Walter [2012] S. 33 ff. 148

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ex deposito existierten während der gesamten weiteren römischen Rechtsgeschichte.154 Obgleich das depositum ein grundsätzlich einseitiges Schuldverhältnis darstellt, konnte der Verwahrer unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch gegen den Hinterleger geltend machen; insofern unterscheidet man zwischen der actio depositi directa des Hinterlegers und der actio depositi contraria des Verwahrers. Die actio contraria war auf den Ersatz von eventuellen Aufwendungen und Schäden gerichtet, die der Verwahrer durch die von ihm aufbewahrte Sache erlitten hatte.155 V. Pfand Das römische Pfand (pignus) lässt sich aus zwei verschiedenen Perspektiven betrachten, und zwar als beschränktes Recht an fremder Sache (sog. ius in re aliena) und als vertragliches Schuldverhältnis156. Eine ausführliche Erörterung der sachenrechtlichen Seite des Pfandes würde den Rahmen der vorliegenden Dissertation sprengen.157 Vorauszuschicken ist nur, dass eine systematische Darstellung des Pfandrechts als ius in re aliena den Quellen fremd ist.158 Die sog. beschränkten Rechte an fremder Sache entzogen sich einer systematischen Behandlung: Die römische Jurisprudenz hat weder einen Begriff noch eine Kategorie der iura in re aliena entwickelt, die sowohl die Dienstbarkeiten als auch den Nießbrauch und das Pfand umfasst hätte.159

154

Eingehend zur Klageduplizität Kranjc [2005] S. 127 ff.; Veronese [2011] S. 239 ff.,

253 ff. 155

Vgl. D. 16,3,5pr. (Ulp. 30 ad ed.); D. 16,3,23 (Mod. 2 diff.) = Coll. 10,2,5. Dazu vgl. Provera [1951] S. 16, 33, 111; Schwarz [1954] S. 121 ff.; Walter [2012] S. 30, 345 ff.; Überblick bei Kaser/Knütel [2014] S. 233. Zum Schadenersatz siehe D. 13,7,31 (Afr. 8 quaest.), ursprünglich zur fiducia. Dazu vgl. etwa Schwarz [1954] S. 134 ff.; Kaser [1971] S. 535 (Fn. 13); Noordraven [1999] S. 181 ff. 156 Vgl. D. 13,7,1,pr-1 (Ulp. 40 ad Sab.); D. 44,7,1,6 (Gai. 2 res cott.); I. 3,14,2. 157 Dazu vgl. Bachofen [1847]; Dernburg [1860]; ders. [1864]; Manigk [1904]; Frezza [1963] S. 81 ff.; Biscardi [1976] S. 137 ff.; Kaser [1982b] S. 1 ff. (dazu Wacke [1998a] S. 168 ff.); Braukmann [2008] (dazu Knütel [2010] S. 303 ff.; Schanbacher [2010b] S. 443 ff.). Überblick bei Talamanca [1990a] S. 479 ff.; Harke [2008] S. 255 ff.; Honsell [2010] S. 77 ff.; Marrone [2010] S. 376 ff.; Kaser/Knütel [2014] S. 176 ff. 158 Zu Recht Kaser [1982b] S. 23. Auch wenn es anachronistisch ist, von einer Kategorie der dinglichen Rechte im römischen Recht zu reden, lassen sich mit den systematisch dargestellt beschränkten dinglichen Rechten an fremder Sache der Moderne mehrere sachliche Ähnlichkeiten finden. In diesem Sinne vgl. Watson [1968] S. 93, 176; Kaser [1971] S. 374; De Churruca [1994] S. 342. Anders La Pira [1934a] S. 233, der den dinglichen Charakter der actio serviana in Abrede stellt. Zur Entstehung der sog. beschränkten Sachenrechte im altrömischen Recht vgl. vor allem Kaser [1956a] S. 302 ff. Zur Dogmengeschichte der sog. iura in re aliena vgl. ausführlich Giuffrè [1992] insbes. S. 113 ff. für das römische Recht. 159 Vgl. Arangio-Ruiz [1908] S. 361 ff.; ders. [1909] S. 417 ff.; Wubbe [1965] S. 333 ff.; Kaser [1982b] S. 22 ff.

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Selbst der Ausdruck ius in re wird vereinzelt und vielmehr in untechnischem Sinne gebraucht, bezeichnenderweise kein einziges Mal als Wortfolge.160 Uns interessiert die schuldrechtliche Seite der römischen Verpfändung, d.h. das pignus als Vertrag. Wie Ulpian uns mitteilt, nennt man Pfand im eigentlichen Sinne das, was auf den Gläubiger übergeht; man spricht hingegen von Hypothek, wenn kein Besitz auf den Gläubiger übergeht.161 D. 13,7,9,2 (Ulp. 28 ad ed.): Proprie pignus dicimus, quod ad creditorem transit, hypothecam, cum non transit nec possessio ad creditorem. Wir bezeichnen als Pfand im eigentlichen Sinne, was in den Besitz des Gläubigers übergeht; von Hypothek, wenn nicht einmal der Besitz auf den Gläubiger übergeht.162

Ulpian unterscheidet das Besitzpfand oder Faustpfand, das Pfand schlechthin (proprie pignus dicimus), welches die Hingabe einer Sache voraussetzt, vom besitzlosen Pfand (hypotheca), das keinen materiellen Sachübergang mit sich bringt.163 Bei der Begründung des hypothekarischen Schuldverhältnisses (conventio pignoris) liegt also kein „reales Moment“ vor, sondern die Willensübereinstimmung der Parteien reicht hin.164 Daher soll die Hypothek in der vorliegenden Untersuchung nicht vertieft werden.165 Wir beschränken uns darauf, die Sachhingabe zur Sicherung einer Verpflichtung zu erörtern, da nur die Struktur des Faustpfandes Fragen in Bezug auf die sogenannte Kategorie der Realverträge im römischen Recht mit sich bringt.

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Siehe D. 4,2,13 (Call. 5 cogn.) = D. 48,7,7; D. 7,1,2 (Cels. 18 dig.); D. 9,4,30 (Gai. l.s. ed. praet. urb.) = D. 39,2,19pr.; D. 10,1,8 (Ulp. 6 opin.); D. 18,6,8,2 (Paul. 33 ad ed.); D. 30,71,5 (Ulp. 51 ad ed.); D. 32,20 (Ulp. 6 fideic.); D. 39,2,13,1 (Ulp. 53 ad ed.); D. 39,3,8 (Ulp. 53 ad ed.); D. 47,8,2,22 (Ulp. 56 ad ed.) = I. 4,2,2. Dazu kommen noch C. 7,39,8,1 (Iust., a. 528) und C. 8,13,2 (Sev. et Ant., a. 204). 161 Allerdings unterscheiden sich Pfand und Hypothek Marcian zufolge nur nach dem Namen; D. 20,1,5,1 (Marci. l.s. form. hyp): Inter pignus autem et hypothecam tantum nominis sonus differt. 162 Ich stütze mich in der deutschen Übersetzung auf diejenige von Zimmermann [1999b] S. 180. 163 Der Gebrauch des Wortes hypotheca in den römischen Quellen ist erstmals bei Julian belegt: D. 41,3,33,4 (Iul. 44 dig.). 164 D. 20,1,4 (Gai. l.s. form. hyp.): Contrahitur hypotheca per pactum conventum (…). Im gleichen Sinne D. 22,4,4 (Gai. l.s. form. hyp.). Aus dem konsensualen Charakter der Hypothek folgt, dass sie auch unter Abwesenden (inter absentes) abgeschlossen werden konnte: D. 20,1,23,1 (Mod. 3 reg.). Vgl. auch Gai. 3,136 für die Regel des Abschlusses der obligationes consensu contractae unter Abwesenden; eine praktische Anwendung in D. 20,1,34,1 (Scaev. 27 dig.) über den bloßen Beweiszweck der Beurkundung einer conventio pignoris. 165 Zur Struktur der conventio pignoris vgl. La Pira [1934a] S. 225 ff.; Biscardi [1976] S. 150 ff.; Kaser [1982b] S. 155 ff. Monografisch zum besitzlosen Pfand Krämer [2007].

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§ 5 Sonstige obligationes re contractae?

Der Faustpfandvertrag besteht in der Sachüberlassung zur Sicherung einer Obligation mit der Abrede, dass dieselben Sachen zurückgegeben werden müssen, sobald die hiermit gesicherte Obligation erfüllt wird.166 Die Frühgeschichte des römischen Pfandvertrages liegt zu einem Großteil im Dunkeln167; man kann jedenfalls annehmen, dass er ursprünglich ein öffentlich-sakrales Fundament hatte, wie Gaius uns in Bezug auf die altertümliche pignoris capio unterrichtet.168 Es ist wahrscheinlich, dass die älteste römische Verpfändung ausschließlich ein Besitzpfand war und sich dann auch zum besitzlosen Pfand fortentwickelte.169 Anders formuliert: Das Pfand hat sich vom pignus datum zum pignus obligatum (conventum) entwickelt, wie man aus den Worten Ulpians ableiten darf: Pignus contrahitur non sola traditione, sed etiam nuda conventione, etsi non traditum est.170 In dieser Stelle teilt der spätklassische Jurist mit, dass die Verpfändung nicht nur durch Übergabe (non sola traditione), sondern auch (sed etiam) durch bloße Vereinbarung (nuda conventione) begründet wird, auch wenn die Sache nicht übergeben worden ist. Die Worte Ulpians lassen sich wohl als Vorrang der Sachübergabe vor der nachträglichen conventio als Pfandobligationsentstehungsgrund interpretieren. Die älteste und eigentliche Form der Verpfändung ist also die dingliche, nämlich die sog. datio pignoris, welche in einer traditio possessionis besteht

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Überblick bei Manigk [1941] S. 1239 ff.; Bove [1965] S. 763 ff.; Burdese [1982] S. 662 ff.; De Churruca [1994] S. 333 ff.; Zimmermann [1996] S. 220 ff.; Harke [2008] S. 254 ff.; Honsell [2010] S. 77 ff.; Kaser/Knütel [2014] S. 234 f. 167 Zur Geschichte des Instituts vgl. Manigk [1904] S. 5 ff.; ders. [1941] S. 1239 ff.; Bove [1965] S. 763 ff.; Kunkel [1973] S. 150 ff.; Biscardi [1976] S. 137 ff.; Rascón [1976] S. 22 ff.; Burdese [1982] S. 662 ff.; Kaser [1982b] S. 1 ff., 255 (dazu Wacke [1998a] S. 169 ff.); Schanbacher [2006] S. 49 ff.; Verhagen [2013] S. 51 ff. Das Pfand erscheint bereits in Fest., de verb. sign. 213. Die Etymologie aus pugnus (Faust) nach D. 50,16,238,2 (Gai. 6 ad XII tab.) wird seit Langem für unzutreffend gehalten. Vgl. bereits Bachofen [1847] S. 5; Dernburg [1860] S. 49; im gleichen Sinne Frezza [1963] S. 81 ff.; Rascón [1976] S. 15 ff.; Burdese [1982] S. 662; De Churruca [1994] S. 336 ff.; Krämer [2007] S. 23; Kaser/Knütel [2014] S. 176. Die ältesten Formeln für das Vertragspfand sind uns in Catos de agri cultura überliefert. Siehe etwa Cat., de agr. cult. 146,5; 149,7; 150,6-7. Weitere Angaben dazu bei Burdese [1949] S. 98 ff.; Sargenti [1956] S. 158 ff.; von Lübtow [1957] S. 303 ff.; Frezza [1963] S. 84 ff., 169 ff.; Rascón [1976] S. 32 ff.; Kaser [1982b] S. 5 ff.; Schanbacher [2005] S. 191 ff.; ders. [2010] S. 148 ff. 168 Gai. 4,26-29. Zur pignoris capio vgl. etwa Steinwenter [1941] S. 1234 ff.; Albanese [1987] S. 52 ff.; Talamanca [1987] S. 20 ff.; Kaser/Hackl [1996] S. 146 ff. 169 Vgl. D. 13,7,1pr. (Ulp. 40 ad Sab.); D. 20,1,4 (Gai. l.s. form. hyp.). Dazu vor allem Biscardi [1976] S. 137 ff.; Kaser [1982b] S. 5, 128 ff. (dazu Wacke [1998a] S. 168 ff.). Anders Schanbacher [2006] S. 50 ff. 170 D. 13,7,1pr. (Ulp. 40 ad Sab.). Vgl. Frezza [1963] S. 93 ff.; Kaser [1982b] S. 1 ff.; Wacke [1998a] S. 168 ff.; Schanbacher [2006] S. 48 ff.; Harke [2008] S. 255 ff. Eingehend zur Entwicklung des besitzlosen Pfandes Krämer [2007] S. 143 ff.

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und als solche den Pfandgläubiger zum Besitzer der hingegebenen Pfandsache macht. 1. Sachübergabe Das Faustpfand wird durch Sachübergabe begründet; vor diesem „realen Moment“ gibt es zwischen den Beteiligten kein Pfandschuldverhältnis. Die sog. datio pignoris, wesentliches Element der Verpfändung „im eigentlichen Sinne“171, setzt jedenfalls die Übereinstimmung der Parteien zur Anwendung der hingegebenen Sachen als Kaution voraus172. Die Pfandsache geht nicht ins Eigentum des Nehmers über: Das Pfand führt zum Übergang des Besitzes auf den Gläubiger, wohingegen das Eigentum beim Schuldner bleibt: pignus manente proprietate debitoris solam possessionem transfert ad creditorem173. Im Vergleich zu Leihe und Verwahrung hat die Sachübergabe beim Pfand die Besonderheit, dass der Pfandgläubiger den Besitz (possessio) und nicht die bloße tatsächliche Innehabung an der Sache erhält.174 Der Verpfänder behält seinerseits das Eigentum, ggf. den Besitz der Pfandsachen ad usucapionem175. Der Besitz des Pfandgläubigers, dessen Zweck die effektive Befriedigung seines Interesses ist, wird mit Interdikten geschützt.176 In diesem Sinne spricht man von traditio possessionis (Besitzübergang): Beim Faustpfand erwirbt der Pfandgläubiger Interdiktenbesitz (possessio ad interdicta, ius possidendi)177, d.h. er hat eine dingliche Rechtsposition gegenüber fremden 171

D. 13,7,9,2 (Ulp. 28 ad ed.). Vgl. D. 13,7,1,1 (Ulp. 40 ad Sab.). 173 D. 13,7,35,1 (Flor. 8 inst.). Zur Eigentumsübertragung zur Sicherung einer Obligation durch fiducia cum creditore (Sicherungstreuhand) vgl. etwa Fuenteseca [1994] S. 387 ff.; Noordraven [1999] S. 64 ff.; Bertoldi [2012] 57 ff., 86 ff., 116 ff. Zur Parallelität von Pfand und Sicherungstreuhand vgl. Kreller [1942] S. 143 ff.; Kaser [1982b] S. 107 ff. 174 Die Quellen sprechen sehr häufig von possessio und possidere in Bezug auf den Pfandgläubiger. Siehe Gai. 4,147; D. 10,4,3,15 (Ulp. 24 ad ed.); D. 13,7,9,2 (Ulp. 28 ad ed.); D. 13,7,28pr. (Iul. 11 dig.); D. 13,7,35,1 (Flor. 8 inst.); D. 13,7,39 (Mod. 4 resp.); D. 13,7,40pr. (Pap. 3 resp.); D. 20,1,1pr. (Pap. 11 resp.); D. 20,1,10 (Ulp. 73 ad ed.); D. 20,1,11,1 (Marci. l.s. form. hyp.); D. 20,4,14 (Paul. 14 ad Plaut.); D. 20,5,13 (Paul. 1 decret.); D. 41,2,40pr. (Afr. 7 quaest.); D. 41,3,13pr. (Paul. 5 ad Plaut.); D. 43,33,1,1 (Iul. 49 dig.); PS 2,13,8. In D. 13,7,40,2 (Pap. 3 resp.) ist von corporalis possessio die Rede, wahrscheinlich um zwischen pignus datum und pignus obligatum zu unterscheiden. Vgl. Albanese [1985] S. 83 (Fn. 288). 175 D. 41,3,16 (Iav. 4 ad Plaut.): (…) qui pignori dedit ad usucapionem tantum possidet (...). Siehe auch D. 41,2,1,15 (Paul. 54 ad ed.); D. 41,2,36 (Iul. 13 dig.); D. 41,3,33,4 (Iul. 44 dig.). Vgl. Frezza [1963] S. 198; Kaser [1971] S. 389; Burdese [1982] S. 670; Albanese [1985] S. 83. 176 Vgl. Frezza [1963] S. 81 ff.; Biscardi [1976] S. 137 ff.; ders. [1991] S. 50 ff.; Kaser [1982b] S. 27; Albanese [1985] S. 83 ff.; De Churruca [1994] S. 341 ff. 177 Vgl. D. 41,3,16 (Iav. 4 ad Plaut.); D. 41,2,1,15 (Paul. 54 ad ed.). Zum Interdiktenbesitz des Pfandgläubigers vgl. Kreller [1944] S. 306 ff.; Frezza [1963] S. 197 ff.; Burdese [1982] S. 665; Albanese [1985] S. 83 ff. 172

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§ 5 Sonstige obligationes re contractae?

Sachen, die unter diesem Gesichtspunkt in gewissem Maße derjenigen des Sequesters178 und des Prekaristen179 (beide Interdiktenbesitzer) ähnelt. Es wird jedenfalls vorausgesetzt, dass der Verpfänder zivilrechtlicher oder zumindest prätorischer Eigentümer (in bonis) der Sache ist180 und die gesicherte Verpflichtung wirklich existiert. Der Gläubiger besitzt die verpfändeten Sachen nicht in bonis181, also ohne iusta causa usucapionis; daher geht es eher um eine possessio pro alieno182. Trotzdem unterrichten uns die Quellen, dass der Pfandgläubiger im eigenen Interesse besitzt: Seine possessio beruht auf eigenem Recht (suo iure)183, sie wird für gerecht (iusta) gehalten184 und berechtigt dazu, den Besitz zu behalten (animus retinendi possessionem)185. Hinzu kommt, dass der Pfandgläubiger die actio furti sogar gegen den Verpfänder selbst erheben kann186: Nimmt der Verpfänder die Sache eigenmächtig weg (Pfandkehr), begeht er ein furtum.187 Ohnehin konnte man dem Pfandgläubiger verbieten, die verpfändeten Sachen zu veräußern.188 Wenn der Pfandgläubiger die verpfändete Sache ohne Zustimmung des Schuldners an einen Dritten veräußert, bevor die Schuld getilgt ist, begeht er ebenso ein furtum (in diesem Fall: furtum pignoris).189

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Siehe D. 16,3,17,1 (Flor. 7 inst.) und D. 41,2,39 (Iul. 2 ex Min.) zum Besitz des Sequesters. Dazu vgl. Biscardi [1976] S. 143; Albanese [1985] S. 90 f.; García Vásquez [2001] S. 369 ff.; Rodríguez Martín [2008] S. 361 ff. 179 Siehe etwa D. 43,26,2pr.-1 (Ulp. 71 ad ed.) zum interdictum quod precario. Eingehend dazu Zamorani [1969] S. 56 ff. (dazu Kaser [1972b] S. 94 ff.); Albanese [1985] S. 87 ff.; Biavaschi [2006] S. 115 ff. 180 D. 20,1,3pr. (Pap. 20 quaest.); D. 20,1,15,1 (Gai. l.s. form. hyp.). Dazu vgl. Biscardi [1976] S. 143; Burdese [1982] S. 667; Kaser [1982b] S. 10 ff.; Harke [2008] S. 256. Wenn der Schuldner das Eigentum nach der Verpfändung erhält, wird der Pfandgläubiger mit einer actio utilis geschützt: D. 20,1,1pr. (Pap. 11 resp.). 181 C. 4,24,9 (Diocl. et Max., a. 293). 182 D. 41,3,13pr. (Paul. 5 ad Plaut.): Pignori rem acceptam usu non capimus, quia pro alieno possidemus. In ähnlichem Sinne D. 47,2,12,2 (Ulp. 29 ad Sab.). Vgl. Albanese [1985] S. 83. 183 D. 42,8,13 (Paul. 68 ad ed.). 184 D. 6,2,13,1 (Gai. 7 ad ed. prov.). 185 D. 13,7,37 (Paul. 5 ad Plaut.). 186 Die Regel wird von Ulpian in D. 47,2,19,5 (Ulp. 40 ad Sab.) dargestellt: Qui rem pignori dat eamque subripit, furti actione tenetur. Vgl. Gai. 3,200 (= I. 4,1,10); 3,204 (= I. 4,1,14); D. 13,7,3 (Pomp. 18 ad Sab.); D. 41,3,4,21 (Paul. 54 ad ed.); D. 47,2,12,2 (Ulp. 29 ad Sab.); D. 47,2,14,5-7 (Ulp. 29 ad ed.); D. 47,2,15pr. (Paul. 5 ad Sab.); PS 2,31,19. 187 Es geht um das sog. furtum rei suae, furtum possessionis: D. 47,2,1,3 (Paul. 39 ad ed.). 188 D. 20,5,7,2 (Marci. l.s. form. hyp.). Dazu vgl. De Ruggiero [1910] S. 57 ff.; Schlichting [1973] S. 9 ff.; Kaser [1982b] S. 35 ff. 189 Zum sog. furtum pignoris, das auch in Bezug auf andere Konstellationen in Betracht kommen kann, vgl. Frezza [1963] S. 48 ff.; Ankum [1979] S. 127 ff.; ders. [1980] S. 95 ff.; ders. [1987] S. 169 ff.; Kaser [1982a] S. 249 ff. (= ders. [1982b] S. 233 ff.).

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Aus alldem folgt, dass es sich hier um keine datio rei im rechtstechnischen Sinne handelt. Die sehr wenigen Quellen, in denen bezüglich der Verpfändung von dare die Rede ist, gebrauchen dieses Verb nicht in seinem engeren Sinne von Eigentumsübertragung, sondern in seinem weitesten Sinne als „geben“.190 Völlig anders ist es beim besitzlosen Pfand: Wegen der Ausdehnung des Pfandbegriffs auf die Hypothek191 wurde das erwähnte „reale Element“ auf die Verwendung der Sache zur Sicherung der Leistungserfüllung reduziert; in diesem Sinne spricht man von res obligata192. Dies bedeutet im Wesentlichen, dass die Sache für den Zugriff des Gläubigers zur Verfügung steht, ohne dass er die tatsächliche Gewalt darüber hat.193 In diesem Zusammenhang spricht die Lehre gemeinhin von den sog. beschränkten Rechten an fremder Sache; dies, obwohl die Römer keine einheitliche Vorstellung des ius in re aliena kannten. Dem römischen Rechtsdenken entspricht die anspruchslose aber präzise Bezeichnung „besitzloses Pfand“ viel mehr als die häufig angewendete Benennung „Recht an fremder Sache“. Hat der Verpfänder dem Gläubiger die Sache nicht hingegeben, sondern mit ihm vereinbart, ut res pignori ei sit, stellt der Prätor dem Gläubiger im Fall von nicht fristgerechter Schulderfüllung eine Klage zur Verfügung, und zwar die actio Serviana, womit der Pfandgläubiger sein Recht an der verpfändeten Sache gegenüber jedermann verfolgen kann.194 Anders gesagt: Damit kann dem Pfandgläubiger der Besitz verschafft werden.195

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Siehe D. 6,2,9,1 (Ulp. 16 ad ed.); D. 13,7,1,1 (Ulp. 40 ad Sab.); D. 13,7,2 (Pomp. 6 ad Sab.); D. 13,7,6 (Pomp. 35 ad Sab.); D. 13,7,31 (Afr. 8 quaest); D. 34,3,8,7 (Pomp. 6 ad Sab.). 191 Siehe D. 20,1,5,1 (Marci. l.s. form. hyp). 192 Siehe etwa D. 20,1,4 (Gai. l.s. form. hyp.); D. 20,1,10 (Ulp. 73 ad ed.); D. 20,1,32 (Scaev. 5 resp.); D. 20,4,5 (Ulp. 3 disp.); D. 20,4,9,3 (Afr. 8 quaest.); D. 20,4,11,2 (Gai. l.s. form. hyp.); D. 20,4,20 (Tryph. 8 disp.); D. 22,4,4 (Gai. l.s. form. hyp.); D. 39,2,44,1 (Afr. 9 quaest.); D. 49,14,28 (Ulp. 3 disp.); PS 3,6,8. Dazu vgl. vor allem Biscardi [1976] S. 15 ff.; ders. [1991] S. 73 ff. 193 Vgl. D. 20,4,12pr. (Marci. l.s. form. hyp.). 194 Dazu vgl. La Pira [1934a] S. 227 ff.; Frezza [1963] S. 327 ff.; Wubbe [1965] S. 341; Wagner [1968] S. 51 ff.; Kaser [1982b] S. 133 ff.; Krämer [2007] S. 38 ff. Zur Klageformel grundlegend Lenel, EP, S. 494 ff.; ferner Mantovani [1999] S. 47. 195 Vgl. D. 21,2,66pr. (Pap. 28 quaest.). Die Klage weist funktionale Parallelen zur actio Publiciana und damit zur rei vindicatio auf. So spricht man von vindicatio pignoris etwa in D. 13,7,43pr. (Scaev. 5 dig.); D. 20,1,16,3 (Marci. l.s. form. hyp.) oder D. 20,4,12pr. (Marci. l.s. form. hyp.). Das enge Verhältnis der actio Publiciana zur rei vindicatio wird von Ulpian in D. 6,2,7,2 (Ulp. 16 ad ed.) erörtert: Marcellus libro septimo decimo digestorum scribit eum, qui a furioso ignorans eum furere emit, posse usucapere: ergo et publicianam habebit. Hierzu vgl. Krämer [2007] S. 38. Gegen den dinglichen Charakter der actio Serviana La Pira [1934a] S. 232 ff.

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§ 5 Sonstige obligationes re contractae?

Gegenstand der Verpfändung können sowohl bewegliche Sachen als auch Grundstücke sein 196, obwohl jene der sachübergehenden Struktur des Pfandes „im eigentlichen Sinne“ (Besitzpfand) besser entsprechen: Proprie pignus dicimus, quod ad creditorem transit.197 In beiden Fällen müssen die Sachen veräußerbar sein.198 Die verpfändeten Sachen müssen nicht unbedingt körperlich sein; sie können auch in „unkörperlichen Sachen“ (Rechten) bestehen199, wie in dem Nießbrauch200, den Felddienstbarkeiten201 oder einem Anspruch im Allgemeinen202. Selbst das gesamte Vermögen des Schuldners mit seinen gegenwärtigen und künftigen Gegenständen lässt sich verpfänden.203 Die Verpfändung eigener Sachen war sicherlich die Regel; trotzdem ist die Verpfändung fremder Sachen (res aliena pignori data) unter der Voraussetzung möglich, dass der Eigentümer der Pfandsachen sie genehmigt, wie Paulus uns unterrichtet204. Ebenso möglich sind im römischen Recht die miteinander nicht zu verwechselnden Fälle der Verpfändung einer Sache, die mehreren Schuldnern gehört (communio)205, und die mehrfache Verpfändung, d.h. die 196

Vgl. D. 13,7,6pr.-1 (Pomp. 35 ad Sab.); D. 13,7,8pr. (Pomp. 35 ad Sab.); D. 20,1,1,2 (Pap. 11 resp.). Zur Verpfändung des praedium vectigale siehe D. 13,7,16,2 (Paul. 29 ad ed.); dazu Bove [1965] S. 172 ff.; Burdese [1982] S. 668. Ausführlich zum ager vectigalis Bove [1960]. 197 D. 13,7,9,2 (Ulp. 28 ad ed.). 198 Vgl. D. 20,1,9,1 (Gai. 9 ad ed. prov.). Zur Verpfändung von Früchten und vom geborenen Sohn einer Sklavin (partus ancillae) siehe etwa D. 20,1,1,2 (Pap. 11 resp.); D. 20,1,15pr. (Gai. l.s. form. hyp.) und D. 20,4,11,3 (Gai. l.s. form. hyp.). Dazu vgl. eingehend Romano [1931] S. 3 ff.; Mentxaka [1986] S. 161 ff. 199 Dazu vgl. Frezza [1963] S. 175 ff. Zum Begriff „unkörperliche Sache“ im römischen Recht vgl. Baldus [2011b] S. 7 ff.; Falcone [2012] S. 125 ff. 200 D. 20,1,11,2 (Marci. l.s. form. hyp); D. 20,1,15pr. (Gai. l.s. form. hyp.). Vgl. Frezza [1963] S. 175 ff.; Burdese [1982] S. 667. 201 Vgl. D. 20,1,11,3 (Marci. l.s. form. hyp); D. 20,1,12 (Paul. 68 ad ed.). 202 Dies bedeutet die Zession eines Anspruches des Schuldners (Verpfänders) an den Gläubiger, der durch eine actio utilis geschützt und mit der Zulässigkeit der Klage in seinem eigenen Anspruch befriedigt wird. Gegen den Verpfänder kann der schuldende Dritte eine Einrede (exceptio) erheben. Vgl. D. 13,7,18pr. (Paul. 29 ad ed.); D. 20,1,13,2 (Marci. l.s. form. hyp.); C. 4,39,7 (Diocl. et Max., s.a.); C. 8,16,4 (Alex., a. 225). 203 D. 20,1,1pr. (Pap. 11 resp.): Conventio generalis in pignore dando bonorum vel postea quaesitorum recepta est (…). Siehe auch D. 20,1,15,1 (Gai. l.s. form. hyp.); D. 20,1,29pr. (Paul. 5 resp.); D. 20,1,34,2 (Scaev. 27 dig.). Eingehend dazu Wagner [1968] S. 4 ff. Vgl. auch Frezza [1963] S. 170 ff. 204 D. 13,7,20pr. (Paul. 29 ad ed.): Aliena res pignori dari voluntate domini potest: sed et si ignorante eo data sit et ratum habuerit, pignus valebit. Siehe auch D. 13,7,41 (Paul. 3 quaest.); D. 20,1,16,1 (Marci. l.s. form. hyp.); D. 20,5,12,1 (Tryph. 8 disp.); D. 22,3,23 (Marci. l.s. form. hyp.); D. 23,7,20pr. Hierzu vgl. vor allem Volterra [1930] S. 5 ff.; Tondo [1959] S. 3 ff.; Wubbe [1960a] (dazu Wieacker [1962] S. 58 ff.); Frezza [1963] S. 127 ff. Vgl. auch Vorderwülbecke [1992] S. 4 ff. für D. 13,7,41. 205 C. 8,20,1 (Ant., a. 214). Vgl. auch D. 20,4,3,2 (Pap. 11 resp.); D. 20,6,7,4 (Gai. l.s. form. hyp.) und D. 20,6,8,3 (Marci. l.s. form. hyp.). Dazu Frezza [1963] S. 148 ff.

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Verpfändung zugunsten mehrerer Gläubiger (sog. sub pignus, Nachverpfändung)206. Im zweiten Fall bekommt der zweite Pfandgläubiger ein Recht am Überschuss (superfluum) nach der Verwertung der Pfandsache gemäß dem Leitsatz prior tempore potior iure207; oder die Gläubiger haben ein normales Pfandrecht an der gesamten Sache unter der Bedingung, dass das erste Pfandrecht erlischt208. 2. Rückgabeverpflichtung Nach Erfüllung der gesicherten Forderung muss der Pfandgläubiger die verpfändeten Sachen dem Verpfänder zurückgeben209; darin besteht der Zweck der actio pigneraticia directa. Beim Pfand steht die Rückgabepflicht des Pfandgläubigers also unter der Bedingung, dass sein Anspruch durch den Verpfänder fristgerecht befriedigt worden ist. Insbesondere die deutschsprachige Romanistik hat die Ansicht vertreten, das älteste pignus sei ein Verfallspfand gewesen.210 Sie ist durch italienische Romanisten, aber auch von Stimmen aus der deutschen Romanistik in Abrede gestellt worden.211 Verfall des Pfandes bedeutet, dass das Interesse des Gläubigers bei Nichterfüllung der gesicherten Verpflichtung durch automatischen Übergang des Eigentums der Pfandsachen befriedigt wurde, sodass die anfängliche Stellung des Pfandgläubigers sehr stark sein sollte.212 Der herrschenden Meinung nach erforderte der Verfall immer eine ausdrückliche Vereinbarung 213, die in den Quellen als lex commissoria bezeichnet wird214. Allerdings ist die Notwendigkeit

206

Vgl. D. 13,7,40,2 (Pap. 3 resp.); D. 20,1,13,2 (Marci. l.s. form. hyp.); D. 20,1,15,2 (Gai. l.s. form. hyp.); D. 44,3,14,3 (Scaev. l.s. quaest. sing. tract.); C. 8,23,2 (Diocl. et Max., a. 290). Zur Pluralität von Pfandgläubigern und dem dazugehörenden Vorrecht des ersten Gläubigers vgl. Frezza [1963] S. 247 ff.; Kaser [1968] S. 29 ff.; Burdese [1982] S. 668. Zur sog. Konvaleszenz von Pfandrechten siehe monografisch Schanbacher [1987] S. 9 ff. (dazu Wacke [1998b] S. 438 ff.). 207 C. 8,17,3 (Ant., a. 213). Vgl. Kaser [1968] S. 50 ff. 208 Vgl. Harke [2008] S. 256. 209 D. 13,7,9,3-5 (Ulp. 28 ad Sab.). Vgl. auch D. 13,7,10 (Gai. 9 ad ed. prov.). Zu Sonderfällen über die Schulderfüllung siehe D. 13,7,11pr.-5 (Ulp. 28 ad ed.). 210 Dazu vgl. Manigk [1941] S. 1248 ff.; von Lübtow [1957] S. 314 ff.; Kaser [1982b] S. 12 ff.; Schanbacher [2006] S. 49 ff. Fuenteseca [1994] S. 409 ff., 433 ff., hat gesagt, die These des Verfallspfands stelle ein Charakteristikum der deutschsprachigen Romanistik dar. 211 Vgl. Burdese [1949] S. 95 ff.; Frezza [1963] S. 82 ff. Zur deutschen Romanistik vgl. Schlichting [1973] S. 91; Wacke [1998a] S. 169 ff. 212 Kaser [1944] S. 391 ff.; ders. [1982b] S. 48 ff. spricht sogar von einer Vorstufe zum Eigentum. Kritisch dagegen Wacke [1998a] S. 172. 213 Vgl. vor allem Burdese [1949] S. 95 ff., 110 ff.; Frezza [1963] S. 83. Weiterhin Wacke [1998a] S. 169 ff. 214 Vgl. 20,1,16,9 (Marci. l.s. form. hyp.). Ausführlich zur lex commissoria beim Pfand Burdese [1949] S. 110 ff. Vgl. auch Biscardi [1962] S. 575 ff.

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§ 5 Sonstige obligationes re contractae?

eines ausdrücklichen pactum über den Verfall nur für die fiducia belegt215, nicht für das Pfand216. Eine solche Folge der Verpfändung muss der dinglichen Struktur dieses Instituts zumindest in seiner ursprünglichen Gestaltung entsprechen, genauso wie in anderen Rechten des antiken Mittelmeerraums.217 Wie Kaser sich ausdrückte: Wenn jemand eine Sache übergibt, um die Erbringung einer Leistung zu sichern, soll er sie zurückerhalten, wenn er erfüllt; er soll sie aber an den Nehmer verlieren, wenn er nicht erfüllt.218 Sei es, dass der Verfall immer besonders vereinbart werden musste oder nicht, ist in den Quellen doch jedenfalls bezeugt, dass das Verfallspfand bis zum Verbot der lex commissoria durch Konstantin den Großen überdauerte.219 Das Verfallspfand ist tatsächlich im klassischen römischen Recht in zwei Erscheinungsformen überliefert, nämlich durch Vereinbarungen, mit denen der Gläubiger die Pfandsachen für den Fall der Nichterfüllung vom Verpfänder abkauft220 oder an Erfüllungs Statt (datio in solutum)221 erhält. Es ist umstritten, wie diese Abreden sich zur lex commissoria verhielten222; auf jeden 215

Siehe PS 2,13,6-8; D. 18,3,2 (Pomp. 35 ad Sab.) und D. 18,3,3 (Ulp. 30 ad ed.).Vgl. Lenel, Pal. II, S. 147 und 619; Kaser [1982b] S. 15 (Fn. 82). 216 In diesem Sinne Kaser [1982b] S. 15 (Fn. 83). Anders Burdese [1949] S. 112 ff.; Frezza [1963] S. 83. 217 Zum altorientalischen Verfallspfand vgl. Haase [1965] S. 110. Zum griechischen Verfallspfand eingehend Raape [1912]; vgl. auch Manigk [1909b] S. 272 ff. Schanbacher [2006] S. 150 ff.; ders. [2010a] S. 143 ff. vertritt die Ansicht, dass das römische Pfandrecht ein von außerhalb rezipiertes Fremdrecht gewesen sei, konkret aus der griechischen Rechtskultur. Zur Verpfändungspraxis siehe ders. [2005] S. 191 ff. 218 Kaser [1982b] S. 14. In diesem Sinne bereits Manigk [1941] S. 1248. Vgl. auch Harke [2008] S. 256. 219 Die lex commissoria beim Pfand wurde durch eine später von Justinian übernommene Kaiserkonstitution Konstantins 326 verboten. C. 8,34,3 = CTh. 3,2,1: Quoniam inter alias captiones praecipue commissoriae pignorum legis crescit asperitas, placet infirmari eam et in posterum omnem eius memoriam aboleri. Si quis igitur tali contractu laborat, hac sanctione respiret, quae cum praeteritis praesentia quoque depellit et futura prohibet. creditores enim re amissa iubemus recuperare quod dederunt. Zur Quelle siehe eingehend Dernburg [1864] S. 274 ff.; Steiner [1914] S. 110 ff.; Manigk [1941] S. 1270 ff.; Burdese [1949] S. 110 ff.; Frezza [1963] S. 225 ff.; Biscardi [1976] S. 176 ff.; Kaser [1982b] S. 19 ff. 220 D. 20,5,12pr. (Tryph. 8 disp.): Rescriptum est ab imperatore libellos agente Papiniano creditorem a debitore pignus emere posse, quia in dominio manet debitoris. Dazu vgl. Burdese [1949] S. 119 ff. (dazu Kaser [1950] S. 564); von Lübtow [1957] S. 333 ff.; Frezza [1963] S. 226 ff.; Kaser [1982b] S. 19, 37. Überblick bei Harke [2008] S. 256. Der Verkauf der Pfandsachen durch den Verpfänder an den Gläubiger geht auf das altgriechische Recht zurück. Dazu siehe nur Rabel [1907] S. 351 ff. 221 C. 4,51,4; (Diocl. et Max., a. 294); C. 8,13,13 (Diocl. et Max., a. 293). Näheres dazu bei Burdese [1949] S. 126 ff. Ferner Kaser [1982b] S. 19 ff.; Harke [2008] S. 256. 222 Für die grundlegende Identität zwischen lex commissoria und Pfandverkauf vgl. Römer [1866] S. 151 ff.; Raape [1913] S. 79 ff.; Steiner [1914] S. 106 ff.; Levy [1956] S. 188 ff.; von Lübtow [1957] S. 337; Kaser [1982b] S. 19. Hingegen Saccoccio [2008] S. 56 ff.

A. Die obligatio re contracta in den res cottidianae

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Fall können die Vereinbarungen über datio in solutum oder Verkauf der verpfändeten Sachen aufgrund ihres Verfallsklauselcharakters als Analogfiguren zur lex commissoria betrachtet werden.223 Darüber hinaus war es dem Pfandgläubiger bei Nichterfüllung der gesicherten Obligation unter gewissen Voraussetzungen gestattet, die verpfändeten Sachen zu verkaufen, um seinen Anspruch aus dem Kaufpreis zu befriedigen (sog. ius vendendi oder distrahendi)224, und zwar unter Rückgewähr des Überschusses (superfluum oder hyperocha)225. In diesem Zusammenhang ist die Rückgabepflicht des Pfandgläubigers – im Unterschied zu dem Darlehensnehmer, dem Entleiher und dem Verwahrer – nicht immer erforderlich. Hinzu kommt, dass an der Wende zur nachklassischen Zeit dem Pfandgläubiger gestattet wurde, die verpfändeten Sachen bis zur Erfüllung von weiteren ungesicherten Forderungen, die er gegen den Pfandschuldner hat, durch Erhebung der exceptio doli zurückzuerhalten (sog. pignus Gordianum).226 3. Akzessorietät Die Bestellung des Pfandrechts setzt voraus, dass die gesicherte Obligation wirklich besteht; andernfalls ist es nicht wirksam begründet und folglich entsteht es nicht. Erlischt die gesicherte Forderung, erlischt auch das Pfand automatisch. Dies bedeutet, dass das Pfandrecht akzessorischen Charakter hat.227 Wenn die gesicherte Leistung unter einer Bedingung steht, gilt dassel-

223

Vgl. Burdese [1949] S. 119 ff.; Kaser [1982b] S. 19. Siehe Gai. 2,64; D. 10,2,25,14 (Paul. 23 ad ed.); D. 13,7,8,1 (Pomp. 35 ad Sab.); D. 13,7,34 (Marci. l.s. form. hyp.); D. 16,1,32,1 (Pomp. 1 sen. cons.); D. 17,1,22,3 (Paul. 32 ad ed.); D. 17,1,59,1 (Paul. 4 resp.); D. 20,1,26,2 (Mod. 4 resp.); D. 20,3,3 (Paul. 3 quaest.); D. 20,4,3,2 (Pap. 11 resp.); D. 20,4,12,5 (Marci. l.s. form. hyp.); D. 20,4,21,1 (Scaev. 27 dig.); D. 26,8,5,5 (Ulp. 40 ad Sab.); D. 27,9,5,3 (Ulp. 35 ad ed.); D. 44,3,14,5 (Scaev. l.s. quaest. pub. tract.); D. 45,1,38,23 (Ulp. 49 ad Sab.); D. 47,2,74 (Iav. 15 ex Cass.); D. 47,10,15,32 (Ulp. 77 ad ed.); C. 4,24,4 (Alex., a. 223); C. 5,37,18 (Diocl. et Max., a. 293); C. 8,27,7 (Gord., a. 238). Dazu eingehend Manigk [1941] S. 1248 ff.; Burdese [1949] S. 132 ff.; Frezza [1963] S. 200 ff.; Ratti [1985] S. 3 ff. 225 Siehe etwa D. 13,7,6,1 (Pomp. 35 ad Sab.); D. 13,7,24,2 (Ulp. 30 ad ed.); D. 13,7,42 (Pap. 3 resp.); D. 20,1,15,2 (Gai. l.s. form. hyp.); D. 46,3,96,3 (Pap. 11 resp.). Der Ausdruck hyperocha findet sich in den Digesten nur in D. 20,4,20 (Tryph. 8 disp.). Dazu vgl. Manigk [1916] S. 291 ff.; ferner Kaser [1968] S. 66 ff. 226 C. 8,26,1pr.-3 (Gord., a. 239). Dazu vgl. vor allem Nardi [1939] S. 53 ff.; Frezza [1963] S. 233 ff.; Schanbacher [1997] S. 240 ff.; Bueno Delgado [2004] S. 17 ff. 227 D. 46,3,43 (Ulp. 2 reg.); C. 8,32,1 (Sev. et Ant., a. 197). Vgl. auch D. 16,1,13,1 (Gai. 9 ad ed. prov.); D. 20,1,13,4-5 (Marci. l.s. form. hyp.); D. 36,1,61pr. (Paul. 4 quaest.); D. 44,2,30,1 (Paul. 14 quaest.). Zur Akzessorietät des römischen Pfandes vgl. Carrelli [1934] S. 3 ff.; Frezza [1963] S. 99 ff.; Burdese [1982] S. 668; Ratti [1985] S. 27 ff.; Marino [2009] S. 46 ff.; Schanbacher [2010a] S. 141 ff. 224

216

§ 5 Sonstige obligationes re contractae?

be für das Pfand.228 Aufgrund der Akzessorietät umfasst das Pfand die vom Pfandgläubiger getätigten Aufwendungen.229 Wie oben erwähnt, besteht die grundlegende Verpflichtung des Pfandgläubigers nach Erbringung der gesicherten Leistung darin, die verpfändeten Sachen zurückzugeben. Da nach der Erfüllung der Pfandgläubiger keinen Rechtsgrund mehr hat, um die Pfandsache vorzuenthalten, kann der Verpfänder die Rückgabe mit der actio pigneraticia directa fordern. 4. Haftung Der Pfandgläubiger muss die verpfändeten Sachen bewachen und behalten, selbstverständlich unter der Voraussetzung, dass er sie besitzt. Das Haftungskriterium ist die Nachlässigkeit (culpa)230 und das Vorbild die Sorgfalt eines diligens pater familias231. Der Pfandgläubiger haftet für die Beschädigungen, welche die Sachen aufgrund seiner Nachlässigkeit erlitten haben 232, und darf sie ohne Zustimmung des Verpfänders nicht gebrauchen; andernfalls begeht er ein furtum usus233. Allerdings teilen uns Quellen spätklassischer Zeit mit, dass der Pfandgläubiger auch für Bewachung (custodia) gehaftet habe.234 In diesem Zusammenhang kommt die Frage der Haftung des Gläubigers für den Diebstahl der verpfändeten Sachen in Betracht (furtum pignoris).235 Der Verpfänder kann eventuell verpflichtet sein, dem Pfandgläubiger die Kosten der Sachaufbewahrung und getätigten Aufwendungen zu ersetzen. Für die Erstat228

D. 20,4,9pr.-1 (Afr. 8 quaest.); D. 20,4,11pr.-1 (Gai. l.s. form. hyp.); D. 20,3,4 (Paul. 5

resp.).

229

Vgl. D. 13,7,8pr. und 5 (Pomp. 35 ad Sab.). Siehe etwa D. 13,6,5,2 (Ulp. 28 ad ed.); D. 13,7,30 (Paul. 5 epit. Alf. dig.); D. 20,1,2 (Pap. 3 resp.); D. 20,1,27 (Marcell. 5 dig.); D. 42,5,9,5 (Ulp. 62 ad ed.); D. 44,4,4,8 (Ulp. 76 ad ed.); I. 3,14,4. 231 D. 13,7,14 (Paul. 29 ad ed.): Ea igitur, quae diligens pater familias in suis rebus praestare solet, a creditore exiguntur. 232 Vgl. C. 4,24,3 (Alex., a. 222). 233 D. 47,2,55pr. (Gai. 13 ad ed. prov.): Si pignore creditor utatur, furti tenetur. Vgl. Gai. 3,196 für das furtum usus bei der Verwahrung und Gai. 3,197 bei der Leihe. 234 D. 13,7,13,1 (Ulp. 38 ad ed.): Venit autem in hac actione et dolus et culpa, ut in commodato: venit et custodia: vis maior non venit. Vgl. auch D. 5,3,19pr. (Paul. 20 ad ed.); C. 8,13,19 (Diocl. et Max., a. 293). Dazu vgl. Kunkel [1925] S. 282; Arangio-Ruiz [1933] s. 138 ff.; Luzzatto [1938] S. 225 ff.; Nörr [1956] S. 84; Betti [1958a] S. 157 ff.; Frezza [1963] S. 242 ff.; Metro [1966] S. 179 ff. Die Hinweise auf die custodia könnten wohl als die Verpflichtung, die verpfändeten Sachen unbeschädigt zu behalten, vielmehr als in ihrem rechtstechnischen Sinne von Haftung für das periculum rei bis zur vis maior betrachtet werden; dies, weil die Gefahr für die Sache grundsätzlich vom Verpfänder getragen wird. Dazu siehe D. 5,3,19pr. (Paul. 20 ad ed.); D. 46,1,52pr. (Pap. 11 resp.). In diesem Sinne vgl. Frezza [1963] S. 243. 235 D. 13,7,22pr. (Ulp. 30 ad ed.); D. 47,2,14,6 (Ulp. 29 ad Sab.). Dazu vgl. vor allem Frezza [1963] S. 48 ff.; Ankum [1979] S. 127 ff.; ders. [1980] S. 95 ff.; Kaser [1982a] S. 249 ff. (= ders. [1982b] S. 233 ff.). 230

A. Die obligatio re contracta in den res cottidianae

217

tung des Betrages von Sachaufbewahrungskosten und Aufwendungen hat der Pfandgläubiger ein Zurückhaltungsrecht (sog. ius retentionis).236 5. Klagbarkeit Zum Schutz des Verpfänders hat der Prätor eine Tatsachenklage gewährt, die actio pigneraticia in factum, die auf die Rückgabe der Pfandsachen gerichtet war.237 Voraussetzungen für die Verurteilung des Pfandgläubigers waren die sog. datio pignoris, die Erfüllung der gesicherten Verpflichtung und die mora accipiendi des Pfandgläubigers (Gläubigerverzug).238 Die Verurteilung war konsequent auf den einfachen Wert der Pfandsache beschränkt (quanti ea res erit).239 Die Tatsachenklage wegen Verpfändung bildet also eine strengrechtliche „kondiktionenartige“ reddere-Klage240, die als solche in das edictum de rebus creditis eingegliedert wurde.241 Wie oben bezüglich der Leihe und der Verwahrung gesagt worden ist, bedeutet dies aber nicht, dass allgemeine Schlüsse für eine angebliche Realvertraglichkeit des römischen pignus gezogen werden können.242 Für eine Eingliederung der actio pigneraticia in das edictum de rebus creditis, weil der Pfandvertrag durch Sachhingabe „abgeschlossen“ wird, lassen sich in den Quellen überhaupt keine Belege finden. Die juristisch bedeutende „Affinität“ der Verpfändung mit dem Darlehen bezieht sich auf den strengrechtlichen Charakter der actio, nicht auf die Begründungsart des Schuldverhältnisses. Man muss jedenfalls zugeben, dass es sich um eine „Ähnlichkeit“ zwischen dem Realvertrag und der Verpfändung handelt, die, wie unten zu sehen sein wird, der Gaius der res cottidianae berücksichtigt hat.243 236

Vgl. D. 13,7,8pr. (Pomp. 35 ad Sab.). Eingehend zur retentio im römischen Recht Bürge [1979] insbes. S. 148 ff. (actio Serviana), 172 ff. (actio pigneraticia contraria). 237 Zur Formel in factum concepta grundlegend Lenel, EP, S. 254 ff.; ferner Mantovani [1999] S. 67 f. Zur Klage vgl. auch Wubbe [1960a] S. 128 ff.; Frezza [1963] S. 318 ff.; Kaser [1982b] S. 61 ff.; Burdese [1982] S. 672 ff; Zimmermann [1996] S. 221 ff.; Braukmann [2008] S. 40 ff. 238 Vgl. Lenel, EP, S. 254 ff.; Frezza [1963] S. 320; Burdese [1982] S. 673. 239 Siehe nur Kaser [1935] S. 78 ff. 240 Vgl. Kaser [1935] S. 78 ff.; ders. [1982b] S. 61, 93 ff. 241 Siehe D. 12,1,1,1 (Ulp. 26 ad ed.). Wie Kaser [1982b] S. 62 richtig betont, vermittelt das reddere die Zusammenstellung mit der condictio. Die Formel ist nach dem Vorbild der Kondiktion ausgebaut. Daher wurde sie in das edictum de rebus creditis eingeführt. Nach der Ausdehnung des Begriffs credere im Edikt lässt sich das Pfand wohl als causa credendi betrachten. Tatsächlich bezeugen die Quellen, dass der Anspruch des Verpfänders auf Rückgabe der Pfandsachen ursprünglich mit der condictio geltend gemacht wurde: D. 12,1,4,1 (Ulp. 34 ad Sab.): Res pignori data pecunia soluta condici potest (…). Dazu vgl. nur Santoro [1971] S. 186 ff., 196 ff. 242 Vgl. Kaser [1982b] S. 61 (Fn. 10). 243 Dazu s.u. § 5 A VI.

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§ 5 Sonstige obligationes re contractae?

Ob der Verpfänder auch über eine in ius ex fide bona konzipierte Klage verfügte, um seinen Anspruch gegen den Pfandgläubiger geltend zu machen, ist ungewiss244; von ihr ist im gaianischen Katalog der Klagen nach Treu und Glauben keine Rede245 und eine in ius konzipierte Formel war offenbar nicht im Edikt proponiert246. Vielleicht hat eine actio pigneraticia in ius concepta ex fide bona an der Wende zur nachklassischen Zeit bestehen können247; sie wird jedenfalls in den Institutionen Justinians ausdrücklich erwähnt248. Zur Verwirklichung der eventuellen Gegenansprüche des Pfandgläubigers (zum Beispiel für getätigte Aufwendungen oder Aufbewahrungskosten) war eine actio pigneraticia contraria mit einer Formel in factum concepta zulässig.249 VI. Realobligationsbegründung durch Leihe, Verwahrung und Pfand? Ausgangspunkt für die Ansicht, dass im römischen Recht Leihe, Verwahrung und Pfand als Realverträge gegolten hätten, ist ein Text der res cottidianae. D. 44,7,1 (Gai. 2 res cott.): (...) 3. Is quoque, cui rem aliquam commodamus, re nobis obligatur, sed is de ea ipsa re quam acceperit restituenda tenetur (...) 5. Is quoque, apud quem rem aliquam deponimus, re nobis tenetur: qui et ipse de ea re quam acceperit restituenda tenetur (…) 6. Creditor quoque, qui pignus accepit, re tenetur: qui et ipse de ea ipsa re quam accepit restituenda tenetur (...). (...) 3. Ebenso wird uns der, dem wir eine Sache verleihen, aufgrund der Sache verpflichtet; er ist aber verpflichtet, dieselbe Sache, die er empfangen hat, zurückzugeben (...) 5. Ebenso wird uns der, bei dem wir eine Sache hinterlegen, aufgrund der Sache verpflichtet. 244

Bejahend Karlowa [1901] S. 1315. Eingehend zu dieser Frage Segré [1906] S. 331 ff. Vgl. auch Frezza [1963] S. 318 ff.; Burdese [1982] S. 672 ff.; Kaser [1982b] S. 78 ff.; Zimmermann [1996] S. 222 ff. Talamanca [1990a] S. 552 hält die These, dass eine actio pigneraticia in ius ex fide bona in der Spätklassik bestand, für eine „ipotesi che appare preferibile“. Nach Segrè [1906] S. 333 ff. stellt C. 4,24,6 (Sev. Alex., a. 225) den einzigen Nachweis für eine actio in ius ex fide bona für das Pfand dar. Biondi [1918] S. 233 ff. spricht von einem justinianischen Ursprung der actio pigneraticia ex fide bona. Für die sehr zweifelhafte These einer zivilrechtlichen Klage wegen Verpfändung ohne Klausel ex fide bona vgl. Levy [1915] S. 1. 245 Gai. 4,62. 246 Kaser [1982b] S. 94. 247 So denkt Talamanca [1990a] S. 552. 248 I. 4,6,28: Actionum autem quaedam bonae fidei sunt, quaedam stricti iuris, bonae fidei sunt hae: ex empto, vendito, locato, conducto, negotiorum gestorum, mandati, depositi, pro socio, tutelae, commodati, pigneraticia, familiae erciscundae, communi dividundo, praescriptis verbis quae de aestimato proponitur, et ea quae ex permutatione competit, et hereditatis petitio (…). 249 Siehe etwa D. 13,7,1,2 (Ulp. 40 ad Sab.); D. 13,7,3 (Pomp. 18 ad Sab.); D. 13,7,8pr. (Pomp. 35 ad Sab.); D. 13,7,9pr. (Ulp. 28 ad ed.); D. 13,7,24pr. (Ulp. 30 ad ed.); D. 13,7,25 (Ulp. 31 ad ed.); D. 13,7,32 (Marci. 4 reg.); D. 46,1,54 (Paul. 3 quaest.); D. 47,2,62,1 (Afr. 8 quaest.). Dazu vgl. Kaser [1982b] S. 86 ff.; Zimmermann [1996] S. 227 ff.

A. Die obligatio re contracta in den res cottidianae

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Er ist auch verpflichtet, dieselbe Sache, die er erhalten hat, zurückzugeben (...) 6. Ebenso wird der Gläubiger, welcher eine Pfandsache annimmt, aufgrund der Sache verpflichtet. Er ist auch verpflichtet, dieselbe Sache, die er erhalten hat, zurückzugeben (...).

Auf den ersten Blick bilden Leihe, Verwahrung und Pfand obligationes re contractae wegen ihrer Erörterung unmittelbar nach dem Darlehen.250 Quoque („auch“, „ebenfalls“) weist offensichtlich auf das Darlehen hin, womit gemeint wäre, dass diese Figuren wie das Darlehen einen Realobligationsentstehungsgrund darstellen. In der Quelle lässt sich eine Hinzufügung finden. D. 44,7,1,2 entspricht genau dem Text von Gai. 3,90 (ohne velut): re contrahitur obligatio mutui datione. Die obligatio re contracta wird durch Darlehensgewährung begründet. In diesem Zusammenhang stimmen die res cottidianae mit der Darstellung der Realobligation in den Institutionen des Gaius völlig überein. Dann wird eine Serie von neuen Tatbeständen hinzugefügt, einer nach dem anderen, immer mit Gebrauch derselben Satzkonstruktion (kleine sprachliche Unterschiede ausgenommen). Eine Bezeichnung von commodatum, depositum und pignus als obligationes re contractae ist aber in der Quelle nicht belegt; man spricht allein von dem Schuldner (Entleiher, Verwahrer oder Pfandgläubiger), der aufgrund einer Sache eine Rückgewährverpflichtung eingeht: re nobis obligatur oder re (nobis) tenetur. Bezeichnenderweise handelt es sich um dieselbe Ausdrucksweise, die in Gai. 3,91 benutzt wird, um den Vertragscharakter der solutio indebiti in Abrede zu stellen und sie von dem mutuum zu unterscheiden: Wer etwas nicht Geschuldetes von jemandem, der irrtümlich gezahlt hat, in Empfang nimmt, wird ebenfalls aufgrund einer Sache verpflichtet. Genauso wie bei der Zahlung einer Nichtschuld werden die Leihe, die Verwahrung und das Pfand vom Bereich des re contrahere ausgeschlossen: Is quoque, qui non debitum accepit ab eo, qui per errorem solvit, re obligatur (Zahlung einer Nichtschuld) ist fast gleich mit is quoque, cui rem aliquam commodamus, re nobis obligatur (Leihe), mit is quoque, apud quem rem aliquam deponimus, re nobis tenetur, (Verwahrung) und mit creditor quoque, qui pignus accepit, re tenetur (Verpfändung). Von re contrahere ist bei diesen Tatbeständen so gut wie keine Rede. Gaius bezieht sich hier – wie bei der Erörterung der solutio indebiti – in einem sehr allgemeinen Sinne auf den Schuldner (Entleiher, Verwahrer oder Pfandgläubiger), der aufgrund einer Sache eine Verpflichtung (zur Rückgabe der res ipsa) eingeht. Gaius weist nicht auf die Kontrahierung des Schuldverhältnisses im Speziellen hin (contrahere), wofür es kein Wort gibt, sondern auf die Beziehung der Verpflichtung des Schuldners zu einer Sachhingabe im Allgemeinen. 250

Siehe nur Coma Fort [1996] S. 50 f., 63 ff., 71 ff.

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§ 5 Sonstige obligationes re contractae?

Der Grund für diese terminologische Unterscheidung liegt nicht darin, dass die Leihe, die Verwahrung und die Verpfändung kein contrahere darstellen. In den Institutionen des Gaius werden sowohl die Leihe als auch die Verwahrung als vertragliche Schuldverhältnisse angesehen.251 Was das Faustpfand betrifft, erscheint es in den Institutionen (wie üblich in den Quellen) als das dingliche Recht des Pfandgläubigers an der verpfändeten Sache (sachenrechtliche Seite des pignus). Es gibt aber keinen Grund zu denken, dass Gaius das pignus nicht als vertragliches Schuldverhältnis anerkannt hat; tatsächlich bezieht er sich auf das besitzlose Pfand als contrahere.252 Da Gaius weder die Leihe noch die Verwahrung noch die Verpfändung als obligationes re contractae bezeichnet, muss der Grund dafür also nicht in der Ausschließung von diesen Tatbeständen aus dem Bereich des contrahere liegen (wie es bei der Zahlung einer Nichtschuld der Fall ist), sondern in ihrer Ausschließung vom Bereich der Realobligationsentstehungsgründe. Anders formuliert: Leihe, Verwahrung und Verpfändung stellen für Gaius ein contrahere dar, aber nicht ein re contrahere. Die Gründe für eine solche Stellungnahme des Gaius sind schon dargestellt worden.253 Sie können hier folgendermaßen zusammengefasst werden: Erstens: Entstehungsgrund der römischen Realobligation ist die eigentumsverschaffende Sachüberlassung (datio rei im rechtstechnischen Sinne).254 Hingegen werden die Leihe, die Verwahrung und das Pfand durch bloße ohne dinglichen Bezug erfolgende Sachhingabe begründet. Zweitens: Die römische Realobligation ist ein reines Rückgewährschuldverhältnis, das durch die strengrechtliche condictio geltend gemacht wird. Dies bedeutet, dass die Verpflichtung des Nehmers sich darauf beschränkt, den einfachen Wert der von ihm erlangten Sachen zurückzugewähren (quanti ea res est).255 Im Gegensatz dazu stellen Leihe und Verwahrung kein reines (strengrechtliches) Rückgewährschuldverhältnis dar, denn die Geltendmachung des Anspruchs von Verleiher und Hinterleger durch eine Klage nach Treu und Glauben bringt die Eröffnung eines weiten Beurteilungsspielraums für den Richter mit sich, sodass sich die zu erfüllende Verpflichtung von Entleiher und Verwahrer nicht darin erschöpft, die geliehene oder niederlegte Sache einfach zurückzugewähren. Man fordert von dem Schuldner vor allem eine Sorgfalt im Verhalten gegenüber der Sache, die im Rahmen der strengrechtlichen reddere-Klagen nicht in Betracht kommt. Die Beurteilung des Verhaltens des Entleihers, ggf. des Verwahrers, gemäß dem Kriterium der 251

Vgl. Gai. 2,50; 3,206-207; 4,33; 4,47. D. 20,1,4 (Gai. l.s. form. hyp.); D. 22,4,4 (Gai. l.s. form. hyp.). 253 Dazu s.o. § 4. 254 Vgl. Gai. 3,90-91; D. 2,14,17pr. (Paul. 3 ad ed.); D. 46,3,80 (Pomp. 4 ad Q. Muc.); D. 50,16,19 (Ulp. 11 ad ed.). 255 Siehe die in der vorigen Fußnote zitierten Quellen. 252

A. Die obligatio re contracta in den res cottidianae

221

bona fides unterscheidet sich wesentlich vom Regime der strengrechtlichen Klagen.256 Die bloße „Konzentration“ auf die Rückgabepflicht ist nicht genug, um eine obligatio re contracta zu begründen; die Quellen, in denen die Realobligation erörtert wird, beziehen sich ausschließlich auf eine Rückgewährpflicht, die auf den einfachen Wert der übereigneten Sache beschränkt ist.257 Was die Verpfändung angeht, ist die Rückgabepflicht des Pfandgläubigers nicht notwendig gegeben, da der Verfall wegen Nichterfüllung der gesicherten Verpflichtung vereinbart werden kann. Drittens: Die römische Realobligation ist strikt einseitig, d.h. nur der Nehmer geht eine Verpflichtung ein, und zwar zur Rückgewähr des von ihm in Empfang genommenen Betrages. Bei Leihe, Verwahrung und Pfand kann aber der Schuldner in bestimmten Situationen einen Gegenanspruch durch eine actio contraria geltend machen, konkret für den Ersatz der Aufwendungen oder Schäden, die er getätigt oder erlitten hat. Daher werden diese Schuldverhältnisse gemeinhin (aber unrömisch) als unvollkommen zweiseitige Verträge bezeichnet. Unter diesen Umständen ist anzunehmen, dass keine von diesen Kontraktsobligationen als Realobligationsentstehungsgrund nach klassischem römischem Recht angesehen werden kann; sie entsprechen der klassischen Struktur der Realobligation bestimmt nicht. Sie sind Verträge, bei deren Begründung eine Sachhingabe vorkommt, aber das reicht nicht hin, um sie für Realverträge zu halten. Durch die terminologische Unterscheidung zwischen dem Darlehen (re contrahere) und diesen Schuldverhältnissen (re obligari oder re teneri) hat Gaius in seinen res cottidianae die klassische Struktur der Realobligation nicht verändert, sondern bestätigt. In diesem Zusammenhang muss man also die Frage stellen, warum Gaius die Leihe, die Verwahrung und die Verpfändung nach der Erörterung des re contrahere hinzugefügt hat. Wir haben schon gesagt, dass die äußere Systematik der res cottidianae von derjenigen der gaianischen Institutionen abweicht.258 Mit hoher Wahrscheinlichkeit liegt der Grund dafür darin, dass Gaius eine erneuerte allgemeine Darstellung der Schuldverhältnisentstehungsgründe unter zwei Gesichtspunkten vorlegen wollte, und zwar: Auf der einen Seite ging es darum, die in jener Zeit sicherlich erheblich verbreitete, 256

Vgl. Pastori [1995] S. 354 ff.; Veronese [2011] S. 253 ff., 263 ff., 276: „(...) la formula in ius avrebbe consentito di tener conto dell’atteggiamento concreto del comodatario nell’usare la cosa, in tanto rilevante in quanto si consideri gravante sul comodatario, oltre all’obbligo di restituire la cosa, un obbligo (autonomo) di diligentia nei confronti della cosa, che si traduce essenzialmente nel farne un uso conforme a buona fede.“ 257 Unzutreffend meint Harke [2008] S. 48, 168, dass die Konzentration auf die Rückgabe, die sich auch bei der Klage nach Treu und Glauben erweist, die Bezeichnung dieser Tatbestände als Realverträge rechtfertigt. Die Quellen stehen dieser Annahme entgegen. 258 Dazu s.o. § 3 C II.

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§ 5 Sonstige obligationes re contractae?

auf dem Konsens beruhende Vertragslehre widerzuspiegeln; auf der anderen Seite darum, für die Tatbestände, die in den Institutionen gar nicht oder nur andeutungsweise in Betracht gezogen worden waren, einen Platz in dieser neuen Materienordnung zu finden. Das Gesagte erklärt die Eingliederung der rechtmäßigen schuldbegründenden Tatbestände, denen kein Willensübereinkommen zugrunde liegt, in die sehr unpräzise und residuale Gruppe der variae causarum figurae einerseits sowie die Hinzufügung der Leihe, der Verwahrung und der Verpfändung unter die Vertragsobligationsbegründungstatbestände andererseits. Auf diese Weise zeigt sich die divisio obligationum der res cottidianae vollständiger als diejenige der Institutionen, obwohl an der inneren Struktur der betroffenen Schuldverhältnisse nichts geändert wurde. Die Einführung des commodatum, des depositum und des pignus nach der Darstellung des re contrahere beruht darauf, dass diese Figuren im Schema der Obligationsentstehungsgründe nur hier einen Platz finden könnten. Gewiss haben Leihe, Verwahrung und Faustpfand mit einer Verbalobligation nichts zu tun, auch nicht mit der Litteral- oder Konsensualobligation. Daher bleibt für sie nur eine Möglichkeit übrig, und zwar eine Einordnung in der Nähe der Realobligation. Als Gaius seinen Schülern die Leihe, die Verwahrung und das Pfand darstellen wollte, musste er diese Tatbestände systematisch einordnen, und die Gruppe, die dazu noch am ehesten passte, war diejenige der Realobligationen. Gaius war aber bewusst, dass diese Tatbestände der Realobligationsstruktur nicht entsprechen. Das Vorliegen einer Sachhingabe bei der Schuldverhältnisbegründung bedeutet juristisch betrachtet nichts Konkretes; es ist ein zu grobes Kriterium, um Kontraktsobligationen sinnvoll zu klassifizieren.259 Die eigentumsverschaffende Darlehensgewährung ist mit der bloßen ohne dinglichen Bezug erfolgenden Sachüberlassung bei Leihe, Verwahrung und Verpfändung rechtlich nicht vergleichbar. Trotzdem gibt es zwischen diesen vier Verträgen eine praktische Ähnlichkeit: Sowohl bei mutuum als auch bei commodatum, depositum und pignus handelt es sich um ein Rückgewährschuldverhältnis, obwohl beim Pfand die Rückgabe nicht notwendig gegeben ist. Diese Ähnlichkeit zwischen dem Realvertrag und den sonstigen erwähnten Schuldverhältnissen hat eine juristische Bedeutung, wenn sie aus prozessualer Perspektive betrachtet wird: Die jeweiligen Ansprüche des Verleihers, des Hinterlegers und des Verpfänders auf die Sachrückgabe werden durch actiones in factum (Tatsachenklagen) geschützt. Die Tatsachenklagen wegen Leihe, Verwahrung und Verpfändung sind strengrechtliche Klagen, die als solche auf die Rückgewähr des einfachen Sachwertes gerichtet sind; es handelt sich also um „kondiktionenartige“ reddere-Klagen, bei denen dem Richter kein weiter Beurteilungsspielraum eröffnet wird: Es geht um die Rückgabe 259

Vgl. Perozzi [1928] S. 32 (Fn. 1); gleichsinnig De Francisci [1916] S. 394.

A. Die obligatio re contracta in den res cottidianae

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der in Empfang genommenen Sachen wie bei der condictio wegen mutuum oder solutio indebiti, nichts weiter. Allein unter diesen Vorbehalten könnte man zwischen dem Darlehen auf der einen Seite und der Leihe, der Verwahrung und der Verpfändung auf der anderen Seite ein gemeinsames Element finden, das juristisch betrachtet eine Annäherung der durch einfache Sachhingabe begründeten Schuldverhältnisse an die durch eigentumsverschaffende Sachüberlassung begründete obligatio re contracta rechtfertigt. Nur in diesem Zusammenhang ließen sich commodatum, depositum und pignus als re obligari betrachten, jedenfalls in einem sehr weiten (und groben) Sinne des Wortes.260 Der Schlüssel liegt also im Prozess, konkret in der Geltendmachung der jeweiligen Tatbestände durch eine strengrechtliche Klage, weswegen man (nur unter diesen Bedingungen) von reinen Rückgewährschuldverhältnissen sprechen könnte. Auch Harke scheint diese Ansicht zu vertreten, wenn er sagt, dass der Rückgewährschuldverhältnischarakter der Leihe offensichtlich sei, „solange die Leihe nur mit einer Tatsachenklage sanktioniert wird, die sich allein gegen den Entleiher richtet und seine Haftung davon abhängig macht, daß er die verliehene Sache nicht zurückgegeben hat“261. Trotzdem meint dieser Autor, dass die „Konzentration“ auf die Rückgewähr nach der Klage nach Treu und Glauben genügt, um diese Figuren für Realverträge zu halten.262 Eine solche Ausdehnung des re contrahere auf den Bereich der bonae fidei iudicia ist aber textlich nirgends belegt. Unsere Ansicht wird dadurch bestätigt, dass Gaius nicht nur die Ausdrucksweise re obligatur gebraucht, sondern auch re tenetur. Im zweiten Fall geht es um einen Ausdruck, der in den Quellen bekanntlich auf die prätorischen Schuldverhältnisse angewendet wird.263 Es ist aber belegt, dass Gaius die angesprochenen Schuldverhältnisse für zivilrechtliche Verträge gehalten hat.264 Durch den Gebrauch dieser Redeweise wollte Gaius die weite Anwendung des Begriffes re obligari auf die Leihe, die Verwahrung und die Verpfändung ganz konkret auf die Tatsachenklagen beziehen, die prätorisch sind. Es handelt sich also um einen Bezug auf das prätorische Recht, aber nicht auf 260

Zutreffend Wubbe [1990] S. 119: „La responsabilità introdotta con le nuove actiones in factum conceptae abituerà i giuristi all’idea che il detentore, siccome sarà debitore ove non restituisca la cosa, ha l’obbligazione contrattuale di restituire. Si tratta di una specie di riflesso (…). Così depositario, comodatario e creditore pignoratizio potrebbero, a partire del momento in cui rivecono la cosa, essere considerati debitori, obligati re in un senso debolissimo di tale espressione.“ 261 Harke [2008] S. 167 f. 262 Harke [2008] S. 48, 168. 263 Vgl. Bretone [2010] S. 150; Varvaro [2008] S. 204 (Fn. 724). Zur Erstreckung des Begriffes obligatio auf prätorische Schuldverhältnisse vgl. Segrè [1930] S. 499 ff.; Kaser [1984] S. 14. 264 Siehe Gai. 4,47; D. 20,1,4 (Gai. l.s. form. hyp.); D. 22,4,4 (Gai. l.s. form. hyp.).

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§ 5 Sonstige obligationes re contractae?

„prätorische Verträge“, sondern auf zivilrechtliche Verträge, die einen prätorischen Schutz in der Form der actiones commodati, depositi oder pigneraticia in factum behalten haben. Kurz formuliert: Die eingegangene Verpflichtung des Entleihers, des Verwahrers und des Pfandgläubigers ließe sich als re obligari in einem sehr weiten Sinne ansehen, sofern sie durch eine strengrechtliche, in factum konzipierte reddere-Klage zu verwirklichen ist, d.h. durch eine „kondiktionenartige“ Klage. Man muss jedenfalls betonen, dass eine solche weite Bedeutung der Realobligation sich nur in den res cottidianae und, wie unten zu sehen sein wird, in den hieran anknüpfenden Institutionen Justinians finden lässt. Von einer Erstreckung der Kategorie des re obligari auf Tatbestände, denen keine Sachübereignung zugrunde liegt, ist außerhalb dieser didaktischen Werke überhaupt keine Rede. Alles spricht dafür, dass es hier um nichts mehr als eine scholastische Mühe des Gaius geht, um commodatum, depositum und pignus in sein weiterentwickeltes äußeres System einzuordnen, ohne danach zu streben, die Struktur der Realobligation neu zu gestalten. Es handelt sich also einfach um die Formel, die Gaius gefunden hat, um die systematische Darstellung der Obligationsentstehungsgründe vollständig zu machen, damit die Leihe, die Verwahrung und das Pfand nicht außerhalb der Materienordnung bleiben, aber keineswegs um eine Gleichsetzung zwischen Schuldverhältnissen, deren Strukturen nicht übereinstimmen. Daher beschränkt sich Gaius ganz vorsichtig darauf, auf die Situation des Schuldners hinzuweisen, der eine Rückgabepflicht aufgrund einer Sachhingabe eingegangen ist. In dieser Ausdrucksweise erweist sich noch das caveat, das Gaius hinsichtlich der Vertraglichkeit der Zahlung einer Nichtschuld in seinen Institutionen formuliert hat, aber auf einer verschiedenen Perspektive, weil das, was hier in Abrede gestellt wird, nicht die Vertraglichkeit der angesprochenen Schuldverhältnisse im Allgemeinen ist, sondern ihr Realvertragscharakter im Speziellen. Man kann also von re obligari in Bezug auf die Leihe, die Verwahrung und das Pfand sprechen, jedenfalls in einem sehr abgeschwächten Sinne des Wortes265, aber keinesfalls von re contrahere. Aus alldem folgt, dass die res cottidianae keinen Beweis für den angeblichen Realvertragscharakter von Leihe, Verwahrung und Pfand im klassischen römischen Recht bilden. Die res cottidianae stellen eine Kontinuität im Hinblick auf die Bedeutung des re contrahere eher als eine Zäsur dar. Materiell betrachtet stehen commodatum, depositum und pignus dem mutuum nahe und können daher in einem sehr weiten Sinne, der in keiner anderen klassischen Quelle belegt ist, als re obligari gelten, ggf. re tenetur, sofern die entsprechende Rückgewährpflicht durch eine strengrechtliche Tatsachenklage zu verwirklichen ist. 265

Vgl. Cannata [2005b] S. 16.

B. Die Realobligation bei Modestin

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Zusammenfassend darf man festhalten: Die res cottidianae bestätigen die klassische Lehre, nach der es nur einen Realvertrag gibt, und zwar das mutuum: Re contrahitur obligatio mutui datione.

B. Die Realobligation bei Modestin B. Die Realobligation bei Modestin

I. Zwischen Westen und Osten Modestin ist in die Rechtsgeschichte hauptsächlich aus zwei Gründen eingegangen, nämlich: Er war der letzte bedeutende „klassische Jurist“266 und zusammen mit Papinian, Paulus, Gaius und seinem eigenen Lehrer Ulpian267 einer der fünf auctoritates des sog. Zitiergesetzes (426). Kraft dieses Gesetzes zählte Modestin zu der ausgewählten Gruppe der Juristen, deren Schriften in den zu jener Zeit vorliegenden Fassungen als verbindlich anerkannt wurden.268 Dieser Umstand spricht maßgeblich für das hohe Ansehen, dessen Modestin sich schon zu Lebzeiten und dann in der Spätantike erfreuen sollte. Nicht umsonst wurde er von Kaiser Gordian III. als ein Jurist non contemnendae auctoritatis bezeichnet.269 Die Kompilatoren haben in den Digesten 347 Fragmente aus seinen Schriften erhalten270; weiter bezieht sich Arcadius Charisius in einem Text ausdrücklich auf ihn271. Es geht gewiss um eine geringe Menge im Vergleich zu anderen spätklassischen Juristen272; allerdings ist sie groß genug, damit wir uns eine allgemeine Vorstellung von seiner Leistung innerhalb der römischen Jurisprudenz machen können. Erstaunlicherweise haben die erwähnten Umstände es nicht bewirkt, das Interesse der Romanistik für die Person und das Werk Modestins wirklich zu wecken. Die Lehre hat ihn gemeinhin für einen nicht besonders begabten Juristen gehalten und auf die bescheidene Rolle als Schüler Ulpians beschränkt. Die einzige Schrift des Modestin, der die Lehre 266

Siehe nur Brassloff [1912] S. 667, 674; Orestano [1964] S. 819; Kunkel [1967] S. 259; Gómez-Iglesias [2004] S. 214. 267 Dass Modestin ein Schüler Ulpians war, erwähnt Ulpian selbst in Bezug auf eine Anfrage, die Modestin an ihn aus Dalmatien gerichtet hatte: D. 47,2,52,20 (Ulp. 37 ad ed.). Es ist ungewiss, aus welchem Grund sich Modestin in dieser Provinz aufhielt. Dalmatien könnte vielleicht seine Heimat gewesen sein. Vgl. Kunkel [1967] S. 259. Näheres zur Beziehung zwischen Ulpian und Modestin bei Viarengo [2009a] S. 56 ff. mit Literatur. 268 CTh. 1,4,3. Näheres zum Zitiergesetz bei Fernández Cano [2000]. 269 C. 3,42,5 (Gord., a. 239). Siehe auch C. 3,28,36,2 (Iust., a. 531). 270 Lenel, Pal. I, c. 701 ff. 271 D. 50,4,18,26 (Arc. Char. l.s. de mun. civ.). Zur Beziehung zwischen den beiden Juristen siehe nur Viarengo [2009a] S. 205 ff. mit Literatur. 272 Überblick zu Modestin im Rahmen der spätklassischen Jurisprudenz („Severan lawyers“) bei Honoré [1962b] S. 213 ff.

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§ 5 Sonstige obligationes re contractae?

ihre Aufmerksamkeit gründlich geschenkt hat, ist seine in griechischer Sprache verfasste, praktisch orientierte Monografie über die Befreiung von der Vormundschaft, deren Titel von den Kompilatoren in das Lateinische als libri de excusationibus übersetzt wurde.273 Sie hat mit aller Wahrscheinlichkeit der Rechtspraxis in griechisch sprechenden Territorien gedient. Die sonstigen Werke Modestins, unter anderem (neben Monografien über Einzelfragen) die Pandectae, Differentiae, Responsae und die für uns sehr wichtigen Regulae (Rechtsregeln), bedürfen noch, wie schon Schulz vor mehreren Jahrzehnten bemerkt hat, „der zusammenfassenden kritischen Untersuchung“274. Man weiß sehr wenig über die Herkunft und Lebensgeschichte Modestins. Er bekleidete das Amt des praefectus vigilum 275 und ist Lehrer des Sohnes des Kaisers Maximinus Thrax, C. Iulius Verus Maximinus, gewesen276; als Gutachter war er noch 239 tätig277. Für die Bestimmung seiner Heimat versagen uns die Quellen eine sichere Auskunft278; weder der Name noch das Kognomen leistet eine Hilfe279. Man hat gemeinhin vermutet, dass unser Jurist aus einer hellenistischen Provinz stamme. 280 Aus gewissen Hinweisen in den Fragmenten der Schrift de excusationibus hat man ihn mit dem nördlichen Kleinasien in Beziehung gesetzt.281 Ob Modestin wirklich aus Anatolien stammt, ist ungewiss; allerdings darf man annehmen, dass er dieser Region eng verbunden war, vielleicht zeitlebens.282 Auf jeden Fall spricht alles dafür, dass Modestin ein guter Kenner der griechischen Sprache und der Rechtsvorstellungen des hellenistischen Raums gewesen sein muss.283 Die libri de excusationibus sind zweifellos der Rechtspraxis im Osten gewidmet und in

273

Eingehend dazu Masiello [1983]; vgl. auch Viarengo [1996]; Volterra [1970] S. 583 ff.; Altmann [1955] S. 1 ff.; Peters [1912] S. 511 ff. 274 Schulz [1961] S. 224. Überblick zu den Schriften Modestins (nach Werkgattungen untergliedert) bei Liebs [1997] S. 196 ff. 275 CIL VI 266 = Bruns, Fontes, S. 406 (Nr. 188). Näheres dazu bei Viarengo [2009a] S. 157 ff. 276 SHA, Vita Max. 27,5. Dazu siehe nur Viarengo [2009a] S. 177 ff. mit Literatur. 277 C. 3,42,5 (Gord., a. 239). Dazu siehe nur Viarengo [2009a] S. 181 ff. mit Literatur. 278 Kunkel [1967] S. 260. 279 Der Name Herennius ist italisch und findet sich in der Kaiserzeit überall. Dazu siehe nur Münzer [1912] S. 661 f. Das Kognomen Modestinus ist zwar verhältnismäßig selten, aber in den verschiedensten Teilen des Reiches verbreitet. Vgl. Kunkel [1967] S. 261; Viarengo [2009a] S. 6 f. mit Literatur. Das Pronomen ist nicht überliefert. 280 Vgl. Brassloff [1912] S. 668; Peters [1912] S. 511 ff.; Orestano [1964] S. 819; Liebs [1997] S. 195. 281 Siehe D. 27,1,6,9 und 14 (Mod. 2 exc.). Vgl. Peters [1912] S. 511 ff.; Krüger [1912] S. 253; Kunkel [1967] S. 259; Liebs [1997] S. 195; Viarengo [2009a] S. 7 ff. 282 Liebs [1997] S. 195. 283 Altmann [1955] S. 68. Ausführlich zur Beziehung der spätklassischen Juristen zu den Rechten der Provinzen Talamanca [1976] S. 95 ff.

B. Die Realobligation bei Modestin

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den libri responsorum werden griechische Fragen behandelt.284 Man findet in seinen Schriften Vergleiche zwischen der römischen und der griechischen Rechtsterminologie (apud Romanos/apud Graecos)285 und Gutachten über in griechischer Sprache abgefasste letztwillige Verfügungen286. Aus diesem Umstand darf man aber keine sicheren Schlüsse auf die Herkunft des Juristen ziehen: Der Gebrauch der griechischen Sprache ist häufig auch unter anderen Juristen, die keine persönliche Beziehung zum Osten hatten; Griechischkenntnisse waren für jeden gut ausgebildeten Römer eine Selbstverständlichkeit. Vergleiche zwischen römischen und griechischen Begriffen287 begegnen wir auch bei Labeo, Gaius, Pomponius, Papinian, Paulus, Ulpian,288 und zwar sowohl bei Juristen, deren östliche Herkunft mehr oder wenig deutlich belegt ist (Ulpian, Gaius), als auch bei Juristen, über deren Herkunft nur wenig oder gar nichts bekannt ist (Papinian, Paulus)289 oder die sicher aus Italien stammen (Labeo)290. Ferner setzte sich Cervidius Scaevola, über dessen Herkunft man kaum etwas weiß291, nicht selten mit letztwilligen Verfügungen aus griechisch sprechenden Provinzen auseinander292. Jedenfalls ist es unwahrscheinlich, dass Modestin ein griechischer Muttersprachler war293: De excusationibus ist die einzige auf Griechisch ver284

Siehe D. 31,34,1 und 7 (Mod. 10 resp.); D. 34,1,4pr. (Mod. 10 resp.) und D. 50,12,10 (Mod. 10 resp.), wo wörtliche Zitate in griechischer Sprache erscheinen. Vgl. Schulz [1961] S. 321. 285 D. 38,10,4pr.-6 (Mod. 12 pand.) über die Verwandtschaftsbeziehungen. Dazu vgl. Viarengo [2009a] S. 21 ff.; dies. [2009b] S. 917 ff. 286 Siehe etwa D. 34,1,4pr. (Mod. 10 resp.). Dazu vgl. unlängst Häusler [2016] S. 420 ff., 441 ff. 287 Zur Übernahme griechischen Wissens in den Juristenschriften vgl. Babusiaux [2014] S. 35 ff. 288 Siehe etwa D. 1,16,4,5 (Ulp. 1 de off. proc.); D. 2,13,7,1 (Paul. 3 ad ed.); D. 3,2,4,1 (Ulp. 6 ad ed.); D. 11,7,42 (Flor. 7 inst.); D. 21,1,5 (Paul. 11 ad Sab.); D. 22,3,28 (Lab. 7 pith. a Paul. epit.); D. 26,7,46,1 (Paul. 9 resp.); D. 33,7,2,1 (Pap. 7 resp.); D. 38,10,10,1 (Paul. l.s. de grad. et adf.); D. 39,6,35,1 (Paul. 6 ad leg. Iul. et Pap.); D. 41,2,1pr. (Paul. 54 ad ed.); D. 41,3,30pr. (Pomp. 30 ad Sab.); D. 47,2,1pr. (Paul. 39 ad ed.); D. 48,5,6,1 (Pap. 1 de adult.); D. 50,14,3 (Ulp. 8 de omn. trib.); D. 50,16,5,1 (Paul. 2 ad ed.); D. 50,16,19 (Ulp. 11 ad ed.); D. 50,16,144 (Paul. 10 ad leg. Iul. et Pap.); D. 50,16,163,1 (Paul. 2 ad Sab.); D. 50,16,233,2 (Gai. 1 ad leg. XII Tab.); D. 50,16,236pr.-1 (Gai. 4 ad leg. XII Tab.). 289 Siehe nur Kunkel [1967] S. 224 ff., 244 f. 290 Siehe nur Kunkel [1967] S. 32 ff. 291 Vgl. Kunkel [1967] S. 217 ff.; Parma [2007] S. 4019 ff.; Gokel [2014] S. 68 ff. Der Gentilname des Juristen spricht für eine westliche Herkunft. 292 Siehe etwa D. 32,101pr. (Scaev. 16 dig.); D. 33,4,14 (Scaev. 15 dig.); D. 34,4,30,1 und 3 (Scaev. 20 dig.) und D. 40,4,60 (Scaev. 24 dig.) als Beispiele für Quellen, in denen der griechische Text der Verfügung wörtlich zitiert wird. Monografisch zur Behandlung von letztwilligen Verfügungen bei Quintus Cervidius Scaevola im Allgemeinen Spina [2012]; zu letztwilligen Verfügungen in griechischer Sprache bei diesem Juristen Häusler [2016] S. 420 ff., 426 ff. 293 Vgl. Altmann [1955] S. 68; Viarengo [2009a] S. 5 (Fn. 10), 13. Zur Sprache der Werke

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§ 5 Sonstige obligationes re contractae?

fasste Schrift Modestins, und schon in der Widmung294 macht der Jurist klar, dass es schwierig ist, römische Rechtsbegriffe in griechischer Sprache darzustellen295. Das Gesagte spricht eher für einen lateinischen Muttersprachler mit herrvorragenden Kenntnissen der griechischen Sprache und (Rechts-)Kultur. Man darf annehmen, dass Anfang des 3. Jhs. n. Chr., insbesondere nach Erlass der constitutio Antoniniana (212), das Bedürfnis nach auf Griechisch geschriebenen Darstellungen des römischen Rechts besonders lebhaft sein musste.296 Unter diesen Umständen bedurfte die Übertragung der römischen Rechtswissenschaft auf die östliche Seite des Reiches des Bilingualismus, nicht zuletzt weil Roma communis nostra patria est297. Tatsächlich erweist sich Modestin als besonders aufmerksam für die Frage der Sprache für das Verständnis juristischer Begriffe, die für die nicht lateinischen Muttersprachler nicht selten missverständlich sind.298 Vielleicht dachte er an aktuelle oder künftige Schüler, deren Muttersprache nicht das Lateinische war.299 Bezeichnenderweise wurden die Schriften Modestins nur in den östlichen nachklassischen Rechtssammlungen benutzt300, nicht aber in den westlichen, was für eine Entfernung des sog. „Vulgärrechts“ in dieser Hälfte des Reiches von dem Denken Modestins sprechen könnte301. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Erstens enthalten unsere Quellen keine sichere Auskunft über die Herkunft Modestins, zweitens stand der Jurist in engerer Beziehung zu der östlichen Reichshälfte und ihrer Rechtspraxis.

Modestins siehe nur Brassloff [1912] S. 674. Wie Häusler [2016] S. 441 sagt, gilt Modestin auf jeden Fall als ein Jurist, der durch seine Schriften dazu beitragen wollte, die Verbreitung des römischen Rechts in den hellenistischen Gebieten des römischen Reiches zu fördern. 294 Adressat der Schrift ist ein gewisser Egnatius Dexter; D. 27,1,1pr. (Mod. 1 exc.): Herennius Modestinus Egnatio Dextro (…). Man kann vermuten, dass Egnatius Dexter mit der Vormundschaftsgerichtsbarkeit in einer Provinz griechischer Sprache zu tun hatte. Die praktische Natur des Werkes spricht für diese Annahme. Näheres hierzu bei Viarengo [2009a] S. 10 ff. 295 D. 27,1,1,1 (Mod. 1 exc.). Vgl. Schulz [1961] S. 320; Viarengo [2009a] S. 12 ff. 296 Schulz [1961] S. 321. In ähnlichem Sinne Talamanca [1976] S. 198 ff., 200. 297 D. 50,1,33 (Mod. l.s. de man.); ähnlich D. 27,1,6,11 (Mod. 2 exc.). Dazu vgl. Schulz [1934] S. 74 ff.; Viarengo [2009a] S. 40 ff. 298 Siehe D. 50,16,103 (Mod. 8 reg.) über die Bedeutung der appellatio capitalis. In diesem Sinne spricht Talamanca [1976] S. 200 von einer „maggiore disponibilità, da parte di Modestino, al nuovo clima che si era creato con l’emanazione della constitutio Antoniniana“. 299 Vgl. Viarengo [2009a] S. 40. 300 Mod. 6 diff. = Coll. 1,12,1; Mod. 2 diff. = Coll. 10,2,1-7; Mod. 2 diff. = Schol. Sin. 6; Mod. 1 reg. = Schol. Sin. 13. 301 Dies scheint die Meinung von Brassloff [1912] S. 675 zu sein: „In den Fragm. Vatic. ist er nicht exzerpiert, was sich aus der Entstehung dieser Rechtssammlung in der westlichen Reichshälfte erklärt.“

B. Die Realobligation bei Modestin

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II. Re obligamur, cum res ipsa intercedit? Wir haben gesehen, dass in Bezug auf die Struktur des re contrahere die klassischen Rechtsquellen völlig übereinstimmen: Es geht um die Begründung eines strengrechtlichen und einseitigen Rückgewährschuldverhältnisses durch eigentumsverschaffende Sachüberlassung.302 Die abgeschwächte Bedeutung des re obligari im Allgemeinen (nicht des re contrahere im Speziellen), die sich in den res cottidianae wahrnehmen lässt, stellt keine strukturelle Umwandlung der klassischen Realobligation dar; weder commodatum noch depositum noch pignus werden als obligationes re contractae angesehen, sondern bestenfalls als Tatbestände, aus denen der Schuldner eine Rückgewährpflicht aufgrund einer (hingegebenen) Sache eingeht (re obligatur, re tenetur). Dies bezieht sich jedenfalls weniger auf die erwähnten Schuldverhältnisse selbst als vielmehr auf die strengrechtlichen Tatsachenklagen wegen Leihe, Verwahrung und Verpfändung. Dies rechtfertigt den Gebrauch des Ausdruckes re obligari in einem sehr allgemeinen Sinne des Wortes zu didaktischen Zwecken. Daher darf man annehmen, dass die res cottidianae der klassischen Jurisprudenz im Wesentlichen treu bleiben; die Unterschiede zu den gaianischen Institutionen spiegeln das äußere System des Werkes wider, bedeuten aber keine Veränderung der klassischen Realobligationsstruktur. In diesem Zusammenhang kommt ein Fragment Modestins in Betracht. Die einzige Digestenstelle (dies muss betont werden), die eine abweichende Bedeutung der Realobligation zu enthalten scheint, gehört zum zweiten Buch der „Rechtsregeln“ Modestins. Die Teile der Quelle, die uns interessieren, lauten folgendermaßen: D. 44,7,52 (Mod. 2 reg.): Obligamur aut re, aut verbis, aut simul utroque, aut consensu, aut lege, aut iure honorario, aut necessitate, aut ex peccato. 1. Re obligamur, cum res ipsa intercedit. Wir verpflichten uns entweder durch eine Sache oder durch Worte oder durch beides zugleich oder durch Konsens oder durch Gesetz oder durch Honorarrecht oder durch Notwendigkeit oder durch Delikt. 1. Wir verpflichten uns durch eine Sache, wenn die Sache selbst vorkommt.

Eine ausführliche Erläuterung der Fragen, die sich in Bezug auf diese Quelle stellen könnten, würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen. Gewisse allgemeine Bemerkungen sollten hinreichen, um den Zusammenhang der Quelle zu begreifen. Es geht um ein Fragment aus den regularum libri X („Zehn Bücher der Rechtsregeln“) Modestins.303 Diese Schrift ist noch nicht Gegenstand einer eigenständigen zusammenfassenden Untersuchung gewe302

S.o. § 4. Dazu vgl. Wieacker [1960] S. 60 ff.; Schulz [1961] S. 224; Liebs [1976] S. 234 ff.; ders. [1997] S. 198; Viarengo [2012] S. 12 ff. 303

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§ 5 Sonstige obligationes re contractae?

sen. Sie wurde nach dem Tod Caracallas und somit nach der allgemeinen Verleihung des römischen Bürgerrechts für alle freien Reichsuntertanen (212) geschrieben.304 Dieses Werk charakterisiert sich durch die Formulierung abstrakter Rechtssätze und juristischer Prinzipien, nach einer unbekannten Systematik geordnet.305 Es enthält verschiedene Elemente, die an die Anfängerlehrbücher erinnern: „theoretisierende Stücke“306, Gebrauch des Plurals in der ersten Person (typisch für die didaktischen Werke)307, und vor allem Definitionen308 und mehrere Klassifizierungen und Unterscheidungen mit dem Gebrauch von bestimmten Satzkonstruktionen309. Einige von diesen Unterscheidungen folgen der Methode der libri differentiarum.310 Nicht umsonst hat sich Brassloff auf eine „scholastische Vorliebe für Distinktionen“ bei Modestin bezogen.311 In diesem Sinne ist diese Schrift mit der didaktischen Literatur vergleichbar.312 Auf den ersten Blick liegt in dieser Stelle eine Klassifizierung der Obligationsentstehungsgründe vor; es handelt sich aber um einen eher unsystematischen Katalog der Tatbestände, aus denen die Verpflichtungen entstehen.313 304

D. 1,9,3 (Mod. 6 reg.): (…) divus Severus et Antoninus permiserunt. Liebs [1997] S. 198. 306 So Liebs [1976] S. 227. Siehe D. 1,3,7 (Mod. 1 reg.); D. 1,3,40 (Mod. 1 reg.); D. 23,2,1 (Mod. 1 reg.). 307 D. 17,2,4pr. (Mod. 3 reg.): (…) nos dubium non est. Vgl. Liebs [1976] S. 228 (Fn. 168); Viarengo [2012] S. 13. 308 Definition der Ehe (matrimonium) in D. 23,2,1 (Mod. 1 reg.); der Verführung (stuprum) in D. 48,5,35pr. (Mod. 1 reg.); der Adoption und Adrogation (adoptio und adrogatio) in D. 1,7,1,1 (Mod. 2 reg.). 309 Etwa durch den Gebrauch von altera...altera: D. 1,7,1,1 (Mod. 2 reg.); aut...aut...: D. 1,3,40 (Mod. 1 reg.); D. 44,7,52pr. (Mod. 2 reg.); D. 45,1,100 (Mod. 8 reg.); et...et...: D. 4,6,32 (Mod. 9 reg.); D. 17,2,4pr. (Mod. 3 reg.); quae...quae... und quaedam...quaedam...: D. 50,17,196 (Mod. 8 reg.); vel...vel...: D. 18,1,62,1 (Mod. 5 reg.); vel...sive...: D. 46,6,7 (Mod. 6 reg.). 310 Strukturiert auf der Basis der differentia sind: D. 1,7,1,1 (Mod. 2 reg.); D. 48,5,35pr.-1 (Mod. 1 reg.); D. 50,17,196 (Mod. 8 reg.). Vgl. Liebs [1976] S. 227 f.; Wieacker [2006] S. 148; Viarengo [2012] S. 14. 311 Brassloff [1912] S. 675. 312 Vgl. Schmidlin [1970] S. 127; Viarengo [2012] S. 13. 313 Vgl. nur Mayer-Maly [1967] S. 385; weiterhin Viarengo [2009a] S. 102. D’Ors [1951] S. 300 ff. spricht von einem „abigarrado catálogo“. In diesem Zusammenhang fügt Modestin die necessitas (Notwendigkeit) und die lex (Gesetz) hinzu. Eine Eigentümlichkeit dieser Quelle bildet der Hinweis auf das Gesetz als Obligationsgrund, der mit Erfolg auf die zivilrechtlichen Kodifikationen romanistischer Tradition eingewirkt hat. Dazu vgl. MayerMaly [1965] S. 437 ff.; Viarengo [2009a] S. 103 ff.; dies. [2012] S. 65 ff. Obwohl die Bezeichnung des Gesetzes als Obligationengrund eher seltsam ist, lassen sich mehrere Hinweise darauf in den Quellen finden. So in D. 1,1,7 (Pap. 2 def.) und Gai. 1,2, wo die lex ausdrücklich unter die Rechtsquellen gezählt wird. Noch im Schlussteil der justinianischen Obligationsdefinition könnte man einen Bezug auf das Gesetz finden. I. 3,13pr.: Obligatio est iuris vinculum, quo necessitate adstringimur alicuius solvendae rei secundum nostrae 305

B. Die Realobligation bei Modestin

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Das Schema Modestins ist augenfällig vielfältiger als das gaianische; es umfasst nicht weniger als acht Obligationsentstehungsgründe. Der Quelle zufolge kann man eine Verpflichtung „durch eine Sache“ (re), durch formgebundenes mündliches Versprechen (verbis), durch beide Elemente zugleich (simul utroque), durch Konsens (consensu), durch Gesetz (lege), durch prätorisches Recht (iure honorario), durch Notwendigkeit (necessitate) oder durch Delikt (ex peccato) begründen. Besonders bemerkenswert ist der Umstand, dass sich kein Wort über den Vertrag als Obligationsentstehungsgrund finden lässt. Das ist aber implizit: Die Ablativformen re, verbis, und consensu (die Litteralobligation kommt hier nicht in Betracht) beziehen sich auf das contrahere, konkret auf die unterschiedlichen Tatbestände, durch die eine Vertragsobligation begründet werden kann.314 In diesem Zusammenhang stellt die Quelle nichts Neues dar.315 civitatis iura. Vgl. Mayer-Maly [1965] S. 441, der die Stelle Modestins im Wesentlichen für klassisch hält. Über einen eventuellen justinianischen Ursprung des Satzes, mit dem Zweck, die Notwendigkeit der Rechtsordnungsmäßigkeit jeder Obligation zu betonen, vgl. Biscardi [1951] S. 40 ff. Der Schlussteil von I. 3,13pr. ähnelt jedenfalls sehr einer Stelle der res cottidianae, und zwar D. 41,1,1pr. (Gai. 2 res cott.): Quarundam rerum dominium nanciscimur iure gentium, quod ratione naturali inter omnes homines peraeque servatur, quarundam iure civili, id est iure proprio civitatis nostrae. Näheres hierzu bei Falcone [2003] S. 67 ff. Grundlegend zur Bedeutung des Gesetzes für die Bildung des römischen Rechts Rotondi [1912]; kritisch demgegenüber Mantovani [2012] S. 707 ff. (dazu Baldus [2013] S. 331 ff., insbes. 333 ff.). Nach dem Artikel Mantovanis kann man wohl von einem neuen Forschungsstand über die Rolle des Gesetzes im römischen Recht sprechen. Zum Diskussionstand vgl. Cannata [2012] S. 257 ff. Die sog. Obligation ex necessitate bildet ebenso eine Notwendigkeit im Rahmen der Kataloge der Obligationsentstehungsgründe, obwohl es in den Digesten einige Quellen gibt, in denen der Tatbestand des necessitatem imponere sich finden lässt. Siehe D. 23,3,9,1 (Ulp. 31 ad Sab.); D. 36,1,32,2 (Call. 9 inst.); D. 40,12,44pr. (Ven. 7 act.); D. 48,10,15,3 (Call. 1 quaest.). Dazu vgl. Mayer-Maly [1966] S. 59 ff. Der Hinweis auf diesen Obligationsentstehungsgrund ist unter die Interpolationsvermutungen geraten. Hierzu vgl. etwa Voci [1946a] S. 294 (Fn. 1); D’Ors [1951] S. 301 ff. Die Obligation ex necessitate wird von Modestin wie folgt erläutert: D. 44,7,52,7 (Mod. 2 reg.): Necessitate obligantur, quibus non licet aliud facere quam quod praeceptum est: quod evenit in necessario herede. Ausführlich zur Quelle Mayer-Maly [1966] S. 47 ff. Hier geht es also um die unmittelbar vom Recht geschaffene Notwendigkeit, welche nach Mayer-Maly [1966] S. 67 mehr oder minder der Gruppe der variae causarum figurae der res cottidianae entsprechen könnte. Das obligari necessitate von D. 44,7,52,7 im Sinne eines Verpflichtungsgrunds entspricht nicht dem necessitate adstringi von I. 3,3pr. In der justinianischen Quelle heißt es nur, dass die Obligation immer ein necessitate adstringi bedeutet. Hierzu vgl. nur Guarino [2000] S. 265. Die necessitas bildet jedenfalls einen Entwicklungsfaktor des Rechts neben der consuetudo (Gewohnheit) und dem consensus (Konsens). D. 1,3,40 (Mod. 1 reg.): Ergo omne ius aut consensus fecit aut necessitas constituit aut firmavit consuetudo. Hierzu vgl. Lauria [1967] S. 221; weiterhin Viarengo [2009a] S. 103 ff.; dies. [2012] S. 51 ff., 81 ff. 314 S.o. § 3 A II. 315 Nach Talamanca [2003a] S. 94 fehlt in der Quelle „una terminologia ben delineata, come quella che – fissata in Gai. 3,89 – concerneva i quattuor genera delle obligationes contractae“. Aber wie gesagt, geht es hier nicht um eine systematische Gliederung der Obligationsentstehungsgründe, sondern einfach um einen Katalog.

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§ 5 Sonstige obligationes re contractae?

Mit simul utroque wird das mutuum cum stipulatione gemeint. Wie oben erwähnt316, bezeugen die Quellen die Praxis des Rückzahlungsversprechens des Darlehensnehmers in Form einer Stipulation (mutua pecunia in stipulatum deducta); es geht um die „Ergänzung“ des formlosen mutuum durch die formgebundene stipulatio317. Die Klassiker haben in diesem Fall angenommen, dass es nur einen schuldbegründenden Tatbestand gibt (unus contractus est), und zwar die Stipulation.318 Das sog. Stipulationsdarlehen ist also eine obligatio verbis contracta, keine obligatio re contracta. Unter diesen Umständen erweist es sich als verblüffend, dass Modestin nicht nur die Stipulation sondern auch den Realvertrag (Darlehen) als Begründungstatbestand (zugleich) anerkennt, als ob es um eine doppelte Verursachung des Schuldverhältnisses gehe.319 Daher ist der Text von vielen Autoren als bearbeitet angesehen worden.320 Sei es, dass in dieser Stelle Modestin die gleichzeitige Begründung der Rückgewährpflicht durch Darlehen und Stipulation gemeint hat oder nicht, finden wir in der gesamten Kompilation außerhalb dieser sehr „unsystematischen“ Individualisierung der Obligationsentstehungsgründe überhaupt keinen Beleg dafür, dass Modestin die angesprochene „zweiköpfige“ Figur anerkannt hat.321 Das sog. Geschäft re et verbis, das die Romanistik entsetzt hat, erscheint bei Modestin nur in diesem didaktisch orientierten Katalog der verpflichtungserzeugenden Tatbestände, aber sonst nirgends wieder. Ferner muss man berücksichtigen, dass die Dokumente der Praxis bezeugen, dass beim mutuum cum stipulatione sowohl die stipulatio als auch die mutui datio als bestehend betrachtet wurden, denn man sagt, dass die (als Darlehen) hingegebene Geldsumme „geschuldet ist“. Das bedeutet, dass die 316

S.o. § 4 A II1e). Gröschler [2006] S. 261. 318 D. 45,1,126,2 (Paul. 3 quaest.); D. 46,2,6,1 (Ulp. 46 ad ed.); D. 46,2,7 (Pomp. 24 ad Sab.). Dazu vgl. Pernice [1893] S. 246 ff.; Segrè [1917] S. 141 ff.; Longo [1933a] S. 16 ff.; Grosso [1963] S. 96; Apathy [1975] S. 47 ff.; Sacconi [1989] S. 39 ff.; Giuffrè [1989] S. 85 ff.; Voci [2004] S. 431; Talamanca [2003a] S. 7 ff. 319 Vgl. auch D. 12,1,9,4 (Ulp. 26 ad ed.). Zur Quelle siehe nur Talamanca [2003a] S. 101 ff. mit Literatur. 320 Dazu siehe nur Kaser [1975] S. 370 (Fn. 9); Talamanca [2003a] S. 93 ff.; Cannata [2008] S. 92 ff. 321 Nichts zu tun mit der Frage des sog. Geschäfts re et verbis hat D. 17,2,4pr. (Mod. 3 reg.): Societatem coire et re et verbis et per nuntium posse nos dubium non est. Hier geht es um die Arten, in denen der Konsens geäußert werden kann, um ein Gesellschaftsschuldverhältnis (obligatio consensu contracta) zu begründen. Manche Autoren haben die Ansicht vertreten, dass im römischen Recht eine societas re contracta bestanden habe, die mit dem Gemeinschaftseigentum zu identifizieren sei. Es geht um eine Frage, die hier nicht vertieft werden kann. Dazu vgl. Ein [1931] S. 73 ff.; Frezza [1932] S. 3 ff.; Poggi [1934] S. 11 ff.; Arangio-Ruiz [1936] S. 357 ff.; ders. [1965] S. 58; Guarino [1972] S. 87 (Fn. 300); (sehr kritisch) Talamanca [2012] S. 55 ff., 66. 317

B. Die Realobligation bei Modestin

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Rückzahlungsverpflichtung unmittelbar aus der Darlehensgewährung und nicht (nur) aus der Stipulation entstanden gewesen ist. 322 In diesem Sinne könnte man also sagen, dass in diesem Fall die Begründung der Rückzahlungspflicht durch mutuum der klassischen Jurisprudenz widerspricht, nicht aber der Praxis des Kreditrechtsverkehrs. Unter diesen Umständen darf man vermuten, dass Modestin die eigenartige Figur des mutuum cum stipulatione östlichen aktuellen oder künftigen Schülern, die keine lateinischen Muttersprachler waren und sich mit einem lateinischen, aber nach der constitutio Antoniniana nicht mehr fremden Recht auseinandersetzen mussten, zugänglich machen wollte. Wie haben schon gesehen, dass dies eine besondere Neigung Modestins gewesen zu sein scheint.323 Die Bezeichnung des mutuum cum stipulatione ist für denjenigen, der sich sprachlich oder fachlich mit den Subtilitäten der römischen Jurisprudenz nicht genug auskennt, eher missverständlich und führt zur Verwirrung hinsichtlich der Rechtsstruktur dieses Geschäftes. Die doppelte Begründung durch Darlehen und Stipulation ist tatsächlich das, was sich ein Laie spontan unter diesem Tatbestand vorstellen würde, und das, was die Dokumente der Praxis uns berichten. Der gute Kenner der Rechtskultur im Osten und Lehrer Modestin musste diesen Umstand vor Augen haben. Aber wenn es um die Lösung von Einzelfällen sozusagen „in gutem Latein“ geht, ist bei dem Klassiker Modestin von einer Anwendung der in dieser Quelle enthaltenen ungenauen Darstellung des mutuum cum stipulatione keine Rede. Besonders verblüffend ist auf den ersten Blick der erste Paragraf der Quelle, in dem die ganz eigenartige Definition des re obligari vorliegt: Re obligamur, cum res ipsa intercedit. Wir verpflichten uns durch eine Sache, wenn die Sache selbst vorkommt. Eine so weite Bedeutung des re obligari erscheint in keiner anderen römischen Rechtsquelle. Wie das sog. Geschäft re et verbis im principium der Stelle in Bezug auf das mutuum cum stipulatione, widerspricht der Wortlaut der Stelle der Struktur der klassischen Realobligation: Realobligationsbegründungstatbestand nach klassischem römischem Recht ist die Verschaffung zivilrechtlichen Eigentums (datio rei im rechtstechnischen Sinne); aus dieser datio entsteht für den Geber ein durch die strengrechtliche Kondiktion geltend zu machender Rückforderungsanspruch, der auf den einfachen Wert der übereigneten Sachen (quanti ea res est) gerichtet ist. Vertraglicher Begründungstatbestand einer Realobligation ist das 322

TPSulp. 51: (…) C. Novius Eunus scrippsi me accepisse {ab} mutua (…) et debere ei sesterta decem milia nummu, que ei redam (...). Dazu vgl. Wolf/Crook [1989] S. 18; Manthe [1994] S. 375 ff.; Gröschler [1997] S. 159 (Fn. 40). Masi Doria [1992] S. 776. hat die Ansicht vertreten, dass die Koexistenz von zwei Verpflichtungen (verbis und re) die konkreteste sei, denn es gebe keinen bedeutenden Unterschied zwischen der actio ex stipulatu in Bezug auf certa pecunia und der actio certae creditae pecuniae. Hingegen Talamanca [2003a] S. 25 (Fn. 87). 323 S.o. § 5 B I.

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§ 5 Sonstige obligationes re contractae?

mutuum, außervertraglicher die solutio indebiti. Das ist es, was man aus den Quellen der klassischen Jurisprudenz schließen kann.324 Zunächst einmal muss man sagen, dass die Definition Modestins missverständlich ist, da rem ipsam intercedere sowohl auf die Begründungsstruktur des Schuldverhältnisses als auch auf seinen Gegenstand hinweisen könnte.325 Aber wenn Modestin sich auf den Gegenstand der Obligation als solchen und nicht auf ihren Entstehungsgrund bezogen hätte, wäre jede erdenkliche Verpflichtung als Realobligation anzusehen, einfach weil eine Sache auf irgendwelche Weise in Betracht kommt, sei es als Entstehungsgrund oder als zu erbringende Leistung. Unter diesen Umständen ließen sich praktisch alle Schuldverhältnisse als Realobligation bezeichnen. Das ist aber absurd. Modestin musste an etwas Konkreteres gedacht haben. Aus dem Zusammenhang der Stelle kann man mit Gewissheit ableiten, dass der Jurist auf die Tatbestände, aus denen die Verpflichtungen entstehen, hingewiesen hat. In diesem Sinne ist die Anwendung von rem ipsam intercedere auf den Gegenstand des Schuldverhältnisses auszuschließen.326 Daraus folgt, dass Modestin sich auf das re obligari als Obligationsentstehungsgrund bezieht, jedenfalls durch eine unglückliche Formulierung.327 Wir sind der Ansicht, dass bei der Realobligationsdefinition Modestins ebenso das gilt, was wir in Bezug auf das sog. Geschäft re et verbis gesagt haben. Im klassischen römischen Recht ist von einer Identifizierung der Realobligation mit jedem Schuldverhältnis, bei dessen Begründung eine Sache vorkommt, keine Rede; die römische Realvertraglichkeit beschränkt sich auf das Darlehen. So dachte Modestin selbst: Wenn er die Bedeutung des re et verbis obligari erklärt, benutzt er genau dieselbe Ausdrucksweise seiner Realobligationsdefinition: Re et verbis pariter obligamur, cum et res interrogationi intercedit, consentientes in aliquam rem.328 In der Stelle erörtert Modestin das in ihrem principium erwähnte mutuum cum stipulatione (Obligamur aut re, aut verbis, aut simul utroque...), sodass hier unter re obligari ganz konkret die eigentumsverschaffende Sachüberlassung als Darlehen (mutui datio) zu verstehen ist.329 Nach Modestin besteht eine „Realverbalobligation“, wenn bei der interrogatio, also bei der formgebundenen mündlichen Anfrage des stipulator, auch 324

Ganz eindeutig in Gai. 3,90-91; D. 2,14,17pr. (Paul. 3 ad ed.). Vgl. auch D. 46,3,80 (Pomp. 4 ad Q. Muc.); D. 50,16,19 (Ulp. 11 ad ed.). 325 Talamanca [2003a] S. 97. 326 Vgl. Fercia [2012] S. 45. 327 Fercia [2012] S. 47 spricht von einer „categoria generalissima di re obligari“. Vgl. auch Wubbe [1990] S. 119; ders. [1967] S. 504 ff. 328 D. 44,7,52,3 (Mod. 2 reg.). 329 Der Schlusssatz bezieht sich auf die Sache als Gegenstand des Geschäftes (consentientes in aliquam rem), nicht auf die Sachhingabe als Obligationsentstehungsgrund. Vgl. Talamanca [2003a] S. 98.

B. Die Realobligation bei Modestin

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eine Sache vorkommt: cum et res interrogationi intercedit. Die Ausdrucksweisen Modestins im ersten und dritten Paragrafen der Quelle stimmen völlig überein: Wir verpflichten uns „durch eine Sache“, wenn die Sache selbst vorkommt: Re obligamur, cum res ipsa intercedit; wir verpflichten uns „durch eine Sache und durch die Worte“, wenn bei der mündlichen Anfrage zugleich eine Sache vorkommt: Re et verbis pariter obligamur, cum et res interrogationi intercedit. Ohne die Bezüge auf die Stipulation (verba, interrogatio und die zusammenstellende Partikel et) sind der erste und der dritte Paragraf gleich: Re (et verbis pariter) obligamur, cum (et) res (interrogationi) intercedit. Es fehlt nur (res) ipsa, das jedenfalls unnötig ist. Aus dem Gesagten folgt, dass die sehr unpräzise Redewendung cum res ipsa intercedit, die auf den ersten Blick die Breite der Kategorie der Realobligationen auszudehnen scheint, eine spezifische Bedeutung hat, die mit der klassischen Jurisprudenz in Einklang steht: Die intercessio rei als Begründungstatbestand eines Schuldverhältnisses ist die Darlehensgewährung, die eigentumsverschaffende Sachüberlassung; man kontrahiert eine Realobligation nämlich durch mutui datio. Auch wenn wörtlich sehr unterschiedlich, haben das re obligamur, cum res ipsa intercedit des Modestin und das re contrahitur obligatio (velut) mutui datione des Gaius die gleiche juristische Bedeutung. Die sehr allgemeine Realobligationsdefinition von D. 44,7,52,1 erscheint nur in diesem eigenartigen Katalog der Obligationsentstehungsgründe, der wahrscheinlich östliche nicht lateinische Muttersprachler als Adressaten hatte, die sich mit dem römischen und nicht mehr fremden Recht auseinandersetzen mussten, und nirgends sonst. Für ihre Anwendung, sei es bei Modestin oder anderen Juristen, auf Vertragsobligationen, die durch ohne dinglichen Bezug erfolgende Sachhingabe begründet werden, nämlich Leihe, Verwahrung und Verpfändung, lassen sich im gesamten Corpus römischer Rechtsquellen überhaupt keine Belege finden. Man kann also wohl annehmen, dass Modestin das römische re obligari in einer sehr einfachen Weise (betonen wir das „sehr“) erklären und einem breiten Publikum zugänglich machen wollte; das rechtfertigt die – vielleicht ein wenig grobe – Verallgemeinerung des Begriffes. Dies auf jeden Fall, ohne die klassische Realobligation in ihrer rechtstechnischen Bedeutung auszuhöhlen. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Trotz der sprachlichen Ungenauigkeit der Formulierung, die beim ersten Anschein die Bedeutung des re obligari auf andere Verträge außerhalb des Darlehens zu erstrecken scheint, hat Modestin die klassische Struktur der Realobligation nicht berührt; die intercessio rei des Modestin ist nichts Anderes als das auf die mutui datio beschränkte re obligari/re agere/re contrahere von Q. Mucius, Labeo, Gaius, Pomponius, Paulus, Ulpian. Modestin war der letzte Klassiker – und ist immer noch ein Klassiker.

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§ 5 Sonstige obligationes re contractae?

C. Die obligatio re contracta in den Institutionen Justinians C. Die obligatio re contracta in den Institutionen Justinians

Von der Gliederung der Obligationsentstehungsgründe im Allgemeinen und der vertraglichen Schuldverhältnisse im Speziellen nach den Institutionen Justinians ist bereits die Rede gewesen.330 Für die systematische Struktur der hier enthaltenen Darstellung der Realobligation gilt im Wesentlichen das Gleiche, das wir schon in Bezug auf die res cottidianae gesagt haben.331 Ausgangspunkt dafür ist I. 3,14pr.,2-4. I. 3,14: Re contrahitur obligatio veluti mutui datione (…). 2. Item is cui res aliqua utenda datur, id est commodatur, re obligatur et tenetur commodati actione. Sed is ab eo qui mutuum accepit longe distat: namque non ita res datur, ut eius fiat, et ob id de ea re ipsa restituenda tenetur (…). 3. Praeterea et is apud quem res aliqua deponitur re obligatur, et actione depositi, qua et ipse de ea re quam accepit restituenda tenetur (...). 4. Creditor quoque qui pignus accepit re obligatur, qui et ipse de ea ipsa re quam accepit restituenda tenetur actione pigneraticia (…). Durch Sachübereignung wird eine Obligation zum Beispiel/nämlich durch Darlehensgewährung begründet (…). 2. Ebenso wird uns der, dem eine Sache zum Gebrauch gegeben, d.h. geliehen wird, uns aufgrund der Sache verpflichtet, und er haftet mit der Klage aus Leihe. Aber er unterscheidet sich deutlich von demjenigen, der ein Darlehen empfängt, denn die Sache wird ihm nicht so gegeben, dass sie sein Eigentum wird, und daher haftet er auf Rückgabe der Sache selbst (...). 3. Außerdem wird der, bei dem eine Sache hinterlegt wird, aufgrund der Sache verpflichtet. Er haftet mit der Klage aus Verwahrung auf die Rückgabe der Sache selbst, die er empfangen hat (...). 4. Ebenso wird der Gläubiger, welcher eine Pfandsache annimmt, aufgrund der Sache verpflichtet. Er haftet auf die Rückgabe der Sache selbst, die er empfangen hat, und zwar mit der Klage aus Pfand (…).

Das Vorbild des principium der Quelle ist zweifellos Gai. 3,90, nicht D. 44,7,1,2. Das ergibt sich daraus, dass, wie in den Institutionen des Gaius, auch hier die Partikel veluti (velut bei Gaius) gebraucht wird. Sie fehlt aber in den res cottidianae.332 Trotz einiger sprachlicher Eigentümlichkeiten lassen sich in der Darstellung des Darlehens keine strukturellen Unterschiede finden. Die mutui datio von Justinian ist wie die mutui datio des Gaius die Übereignung von vertretbaren Sachen mit der Abrede, dass die gleiche Geldsumme oder die gleiche Menge von Sachen derselben Gattung und Güte (gattungsmäßige Rückerstattung: tantundem eiusdem generis) zurückgegeben werden muss. Auch hier ist das mutuum der einzige genannte Begründungstatbestand einer Realobligation aus Vertrag oder, wenn man so will, der einzige genannte Realvertrag. Wie in den res cottidianae könnte man auf den 330

Dazu s.o. § 3 D. Dazu s.o. § 5 A VI. 332 Sie fehlt auch in Gai Ep. 2,9,1. Dazu s.o. § 4 A IV2. 331

C. Die obligatio re contracta in den Institutionen Justinians

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ersten Blick glauben, dass auch die Leihe, die Verwahrung und das Pfand obligationes re contractae sind333, da bei Justinian ebenso eine Hinzufügung von Verbindlichkeiten vorkommt. Die Darstellung des re contrahere in I. 3,14pr. entspricht genau der von Gai. 3,90: re contrahitur obligatio velut(i) mutui datione. Dann (nach dem Vorbild der res cottidianae) wird eine Serie von Schuldbeziehungen hinzugefügt, eine nach der anderen, die kennzeichnet, dass der Schuldner eine Verpflichtung zur Rückgabe aufgrund einer Sache (einer Sachhingabe) eingeht. Die Wiederholung der Partikel quoque in den res cottidianae wird hier beseitigt. Die byzantinischen Schuljuristen benutzen item für den Entleiher, praeterea für den Verwahrer und quoque für den Pfandgläubiger. Der Unterschied ist jedenfalls rein stilistisch; inhaltlich geht es bei den drei Fällen um den Hinweis auf das Darlehen als Realobligationsentstehungsgrund. Leihe, Verwahrung und Verpfändung werden aber nicht wie das Darlehen als obligationes re contractae bezeichnet; auf diese Schuldverhältnisse wird der generelle Ausdruck re obligatur angewendet. Die in den res cottidianae enthaltene Redeweise re tenetur, die auf den prätorischen Rechtsschutz zurückführt, wurde beiseite gelassen. Nur hinsichtlich der Darlehensgewährung ist von obligatio re contracta die Rede, genauso wie in den Institutionen des Gaius und in den res cottidianae. Die Rubrik des Titels lautet folgendermaßen: quibus modis re contrahitur obligatio („Die Arten, auf die eine Obligation durch eine Sache begründet wird“). Aus dem Gesagten könnte man annehmen, dass die Urheber der Institutionen Justinians mehrere Realobligationsentstehungsgründe anerkannt haben. In diesem Zusammenhang könnte der Gebrauch der Partikel veluti eine andere Bedeutung haben als bei Gaius, und zwar die Bezeichnung des mutuum nicht mehr als der einzige Realvertrag, sondern nur als Beispiel. Auch wenn velut und veluti an sich gleichbedeutend sind, d.h. die beiden Partikeln entweder „und zwar/nämlich“ oder „zum Beispiel“ bedeuten können, sodass ihre genaue Bedeutung in jeder Quelle besonders gedeutet werden muss, wird velut in den Institutionen Justinians nur einmal benutzt, nämlich mit einer taxativen Bedeutung334. Dies entspräche der Bedeutung des velut in Gai. 3,90. Die Partikel veluti erscheint ihrerseits außer in I. 3,14pr. 137 Male in den Institutionen Justinians335, um Beispiele zu geben. Das Gesagte bedeutet nicht, das veluti unbedingt als „beispielsweise“ in allen Fällen übersetzt werden muss336, aber bei Justinian spricht alles zumindest statistisch dafür. 333

So meinen etwa Evans-Jones/MacCormack [1998] S. 128 ff. I. 2,24,2 (in fine). 335 Suche durch die Bibliotheca Iuris Antiqui (BIA). 336 Das veluti in D. 46,3,80 (Pomp. 4 ad Q. Muc.) muss taxativ verstanden werden, wie sich aus dem Kontext der Quelle ergibt: Das Darlehen ist der einzige Vertrag, aus dem ein 334

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§ 5 Sonstige obligationes re contractae?

Unter diesen Umständen darf man annehmen, dass die Byzantiner sich auf das mutuum als ein Beispiel des re contrahere bezogen haben, um dann die sonstigen Realobligationsentstehungsgründe, „die anderen Arten des re contrahere“, zu erörtern. Anders gesagt: Die Institutionen Justinians hätten die äußere Struktur der gaianischen Schriften behalten, nicht aber ihren Geist; nach justinianischem Recht wäre von der Beschränkung der Realvertraglichkeit allein auf das Darlehen keine Rede mehr. Gründe für diese Vermutung fehlen nicht: Erstens: Schon die res cottidianae stellen in gewissem Maße (was die systematische Darstellung des Rechtsstoffes betrifft) einen Fortschritt in dieser Richtung dar; sprachlich betrachtet stimmen beide Werke im Hinblick auf die Erörterung dieser Materie in allen wesentlichen Punkten überein: Man bezeichnet als obligatio re contracta nur das mutuum, um dann das commodatum, das depositum und das pignus als Fälle des generellen re obligari zu behandeln. Zweitens: Die Vertragsidee, die zur Zeit Justinians galt, war sicherlich die, nach der jeder Vertrag im Wesentlichen eine Vereinbarung ist.337 Re, verbis, litteris und consensu contrahere ließen sich also wohl für Konsensäußerungsarten (species des conventio-Vertrages) halten.338 In diesem Zusammenhang würde das re contrahere in seiner klassischen Bedeutung ausgehöhlt, da es nicht mehr als selbstständiger verpflichtungserzeugender Vorgang angesehen würde, sondern als das Vorliegen einer Sachhingabe bei dem „Abschluss“ eines Vertrages im Allgemeinen, ohne Rücksicht darauf, ob sie eigentumsverschaffend ist oder nicht. Dann wäre das re contrahere eine bloße Zutat zum Konsens, eine spezielle Entfaltung der Konsensäußerung für bestimmte Verträge, bei deren „Zustandekommen“ eine Sachhingabe erforderlich ist.339 Unter diesen Prämissen wäre es nicht überraschend, dass die Byzantiner nicht nur das Darlehen, sondern auch die Leihe, die Verwahrung und die Verpfändung als „Realverträge“ angesehen hätten. Man muss aber betonen, dass die Byzantiner gegenüber ihren klassischen Vorbildern in der Form treu geblieben sind: In I. 3,14 ist – von der Rubrik und der möglichen Bedeutung der Partikel veluti abgesehen – keine Erstreckung des re contrahere auf andere Schuldverhältnisse außerhalb des Darlehens textuell deutlich belegt. Wie gesagt, entspricht diese Quelle im Wesentlichen der Darstellung der Realobligation in den res cottidianae, und diese bilden ihrerseits eine Kontinuität in Bezug auf die Struktur der klassischen (re) certum dare oportere begründet werden kann. Daher ist veluti in dieser Stelle nicht als „zum Beispiel“ zu interpretieren. Dazu s.o. § 2 B II. 337 PT 3,13,2. Eingehend zur Quelle Falcone [1999] S. 27 ff. (dazu Burdese [2001b] S. 269 ff.); ders. [2001] S. 65 ff.; ders. [2008] S. 269 ff. 338 Vgl. I. 3,13,2. 339 S.o. § 3 A II.

D. Resümee

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obligatio re contracta, keine Zäsur. Bei Leihe, Verwahrung und Pfand beziehen sich die Institutionen Justinians auf den Schuldner (Entleiher, Verwahrer oder Pfandgläubiger), der aufgrund einer Sache eine Verpflichtung zur Rückgabe der res ipsa eingeht. Im Vordergrund steht also der Bezug der Verpflichtung des Schuldners auf eine Sachhingabe, nicht die Begründung eines vertraglichen Schuldverhältnisses als solche. Die Grundzüge der klassischen obligatio re contracta lassen sich demnach in den Institutionen Justinians sprachlich noch erkennen. Der klassische Realvertrag ist aber jetzt nichts mehr als ein Phantom: Die Vertragsidee, auf der die byzantinische Rechtslehre beruht, hat das re contrahere der Klassiker in seiner rechtstechnischen Bedeutung ausgehöhlt. In I. 3,14pr. sagt man immer noch, dass die Darlehensgewährung eine obligatio re contracta begründet (klassisches Recht), wohingegen die Leihe, die Verwahrung und die Verpfändung nur ein re obligari im weitesten Sinne des Wortes darstellen. Die byzantinischen Leser sollten die Quelle aber ganz anders interpretieren: Man kontrahiere eine Realobligation (zum Beispiel) durch mutui datio, aber auch das commodatum, das depositum und das pignus seien Realverträge. Die Rubrik von I. 3,14 ist ein sehr wichtiges Indiz dafür. Hochwahrscheinlich existierte der klassische Realvertrag im 6. Jh. n. Chr. nicht mehr, obwohl er in den Quellen immer noch wahrnehmbar war. Im Einklang mit modernen hermeneutischen Tendenzen könnte man sagen: Der Text selbst existiert nicht, es existieren nur die Interpretationen. Wenn man die Ursprünge der modernen Kategorie der Realverträge finden will, sind sie erst hier zu suchen, nicht im klassischen römischen Recht.

D. Resümee D. Resümee

Die Erörterung der Leihe, der Verwahrung und der Verpfändung unmittelbar nach dem Darlehen in den res cottidianae (D. 44,7,1,2-6) bedeutet nicht, dass auch diese Schuldverhältnisse obligationes re contractae darstellen. Obwohl die Materienordnung der res cottidianae von derjenigen der gaianischen Institutionen abweicht, bleibt die Struktur der klassischen Realobligation unverändert. Aus der aufmerksamen Analyse der Quelle resultiert, dass weder die Leihe noch die Verwahrung noch das Pfand Realverträge sind. Allenfalls lassen sie sich in einem sehr weiten Sinne des Begriffes als „Verpflichtungen aufgrund einer Sachhingabe“ bezeichnen. Auf commodatum, depositum und pignus werden generelle Ausdrucksweisen wie re obligatur/re tenetur angewendet, sofern sie durch strengrechtliche auf den einfachen Sachwert gerichtete actiones in factum (Tatsachenklagen) geschützt werden. Dies bedeutet, dass Gaius nicht an die Kontrahierung eines Vertragsschuldverhältnisses dachte, sondern vielmehr an die konkrete Stel-

240

§ 5 Sonstige obligationes re contractae?

lung des Schuldners, der „aufgrund einer Sache“ eine Verpflichtung eingeht, deren Erfüllung nach einem strengrechtlichen Regime gefordert werden kann. Bezeichnenderweise handelt es sich um dieselbe Formel, die Gaius in den Institutionen gebraucht hat, um den Vertragscharakter der Zahlung einer Nichtschuld in Abrede zu stellen und sie von dem Darlehen zu unterscheiden. Die Realobligation ist eine einseitige strengrechtliche Rückgewährpflicht; die „Konzentration“ auf die Rückgabe, wie es bei den nach Treu und Glauben konzipierten Klagen wegen Leihe und Verwahrung der Fall ist, reicht nicht hin, um eine obligatio re contracta zu begründen. Anders gesagt: Leihe, Verwahrung und Pfand sind kein wirklicher Realobligationsentstehungsgrund, sie sind aber „etwas Ähnliches“, denn das Rückgewährschuldverhältnis wird (auch) mit einer strengrechtlichen „kondiktionenartigen“ reddereTatsachenklage geschützt. Der Schlüssel zur Betrachtung dieser Tatbestände als Gründe eines re obligari (in einem sehr weiten Sinne des Wortes) liegt also im Prozess. Nur unter diesen Vorbehalten ließen sich diese Schuldbeziehungen als re obligari ansehen. Das entspricht aber der Struktur des Realvertrages nach klassischem Recht nicht. Daher bleibt der Ausdruck re contrahitur obligatio auf das Darlehen beschränkt. Jenseits systematischer und didaktischer Zwecke ist diese Verallgemeinerung der Idee des re obligari nicht vorstellbar. Ähnliches gilt für die Realobligationsdefinition Modestins. Die Institutionen Justinians sind der angesprochenen Struktur der obligatio re contracta formell treu geblieben (I. 3,14pr.-4). Trotzdem ermöglicht die dogmatische Entwicklung der Vertragsidee bei den Byzantinern zu vermuten, dass man in diesem Lehrbuch nicht mehr allein an das Darlehen als Realvertrag gedacht hat, sondern auch an die Leihe, die Verwahrung und die Verpfändung. Der Ursprung der modernen Kategorie der Realverträge wäre also erst hier zu finden, keineswegs im klassischen römischen Recht.

§ 6 Ergebnisse Abschließend wollen wir die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung zusammenfassen. Unser Ziel war es, die Struktur der obligatio re contracta, modern gesagt des römischen Realvertrages, zu ermitteln. In dieser Hinsicht hat sich ein deutliches Bild ergeben.

A. Die Realobligation im vor- und frühklassischen römischen Recht A. Die Realobligation im vor- und…Recht

I Anstoß für die Individualisierung der schuldbegründenden Tatbestände ist die Einführung des agere per condictionem in das Legisaktionenverfahren durch die leges Silia und Calpurnia gewesen. Durch diese Gesetze wurde die formlose mutui datio als Entstehungsgrund einer zivilrechtlichen Obligation auf certum dari anerkannt. Unter diesen Umständen musste man die Gründe des certum dare oportere bestimmen, damit die Klage wirksam erhoben werden konnte. Diese Gründe sind die Darlehensgewährung (re dare oportere), die Stipulation (verbis dare oportere) und die Litteralobligation (litteris dare oportere).1 Q. Mucius und Cicero unterscheiden zwischen Obligationsentstehungsgründen im Rahmen des certum dari. Q. Mucius erörtert die Arten, auf die die Obligationen auf ein certum aufgehoben werden können (D. 46,3,80). In diesem Zusammenhang wird das sog. Symmetrieprinzip zwischen dem schuldbegründenden Tatbestand und dem auflösenden in Betracht gezogen. Die Absicht Ciceros ist es, die Grundlosigkeit der actio certae creditae pecuniae, die gegen seinen Klienten Roscius erhoben worden ist, zu beweisen, weswegen er sich ganz konkret auf die Gründe des certam pecuniam dare oportere bezieht (pro Rosc. com. 4,13; 5,14).2 Labeo definiert den Vertrag als ultro citroque obligatio, d.h. als Entstehungsgrund gegenseitiger Verpflichtungen (D. 50,16,19). Ungewiss ist, welche Schuldverhältnisse Labeo in seine Vertragsdefinition einschließen wollte; es ist umstritten, ob nur „vollkommene“ oder auch „unvollkommene“ gegenseitige Schuldver-

1 2

§2BI § 2 B III.

242

§ 6 Ergebnisse

hältnisse. Über eine Annahme dieser Ansicht in der römischen Jurisprudenz für die Lösung von Einzelfällen versagen uns die Quellen jeden Beleg. II In den erwähnten Quellen erweist sich eine Identität zwischen der Realobligation und dem mutuum. Man begründet re eine Obligation (re contrahere bei Q. Mucius, re agere bei Labeo) durch Sachübereignung, d.h. durch datio rei, nicht durch ohne dinglichen Bezug erfolgende Sachhingabe. Schuldverhältnisse, die durch nicht eigentumsverschaffende Sachüberlassung kontrahiert werden, nämlich commodatum, depositum und pignus, begründen keine Realobligation. So ist das nach Q. Mucius, weil er sich auf das re kontrahierte certum dare oportere (re dare oportere) bezieht, und die bloße Sachhingabe bedeutet kein dare rem3 und bei Labeo, da er das re agere mit der strikt einseitigen mutui datio gleichstellt, die somit vom Vertragsbereich ausgeschlossen wird. Sowohl die Verwahrung als auch die Verpfändung (und man könnte wohl annehmen, auch die Leihe) sind nach Labeo Verträge, sodass sie zu einer Kategorie gehören, die mit der Realobligation (re agere) inkompatibel ist4. Von der angeblichen Kategorie der Realverträge ist in diesen Quellen keine Rede.

B. Die Gliederungen der Obligationsentstehungsgründe in der gaianisch-justinianischen Tradition B. Die Gliederungen der Obligationsentstehungsgründe

I Die Gliederungen der Obligationsentstehungsgründe (die divisiones obligationum) der gaianisch-justinianischen Tradition haben mit bleibendem Erfolg auf die romanistische Rechtstradition eingewirkt. Die moderne Vertragsidee, nach der der Vertrag im Wesentlichen in einer Vereinbarung besteht, beruht grundsätzlich auf der spätesten Stufe dieser Tradition, nämlich auf den Institutionen Justinians. Bei dem Gaius der Institutionen ist der Vertrag ein rechtmäßiger verpflichtungserzeugender Tatbestand, der allein dem Delikt (rechtswidrige Handlung) gegenübersteht. Schuldverhältnisse, denen der Konsens nicht zugrunde liegt, werden als Verträge angesehen, sofern sie rechtmäßig sind. Diese Ansicht wird in mehreren Stellen der klassischen Jurisprudenz bestätigt.5 Die vertraglichen Obligationen werden in re, verbis, litteris und consensu contractae gegliedert.6 Sachübereignung, formgebunde3

§ 2 B II. § 2 B IV. 5 § 3 B II. 6 § 3 B I. 4

B. Die Gliederungen der Obligationsentstehungsgründe

243

nes mündliches Leistungsversprechen, Eintragung in das Hausbuch des Gläubigers und Konsens sind die konkreten, voneinander unabhängigen Vorgänge, aus denen die Schuldverhältnisse entstehen (Entstehungsgründe, causae obligationis).7 II In den res cottidianae fügt Gaius eine neue residuale Gruppe von Verpflichtungsentstehungsgründen hinzu, die sog. variae causarum figurae. Die Absicht des Gaius ist es, seine Schuldrechtssystematik an die sich allmählich aufdrängende Idee des Vertrages als ein auf dem Konsens beruhender verpflichtungserzeugender Tatbestand anzupassen. Der Unterschied zwischen den Institutionen und den res cottidianae erweist sich in der äußeren Systematik, nicht in dem inneren System: Der Gedankengang des Gaius der Institutionen hinsichtlich der Gliederung der Vertragsobligationen ist in den res cottidianae noch wahrzunehmen.8 Die Gleichstellung zwischen contractus und conventio wurde erst in justinianischer Zeit erreicht: Fortan sind re, verbis, litteris und consensu contrahere bloße Konsensäußerungsarten, Zutaten zum Konsens.9 III Trotz der systematischen Unterschiede ist die Struktur der obligatio re contracta in den Werken der angesprochenen Tradition gleich gestaltet: Die obligatio re contracta wird mit dem Darlehen gleichgesetzt: re contrahitur obligatio mutui datione. Auch wenn das commodatum, das depositum und das pignus in den res cottidianae nach dem Darlehen erörtert werden und sie daher auf den ersten Blick Elemente der gleichen Vertragsgruppe wären, ist ihr Realvertragscharakter textuell nicht belegt. Dieses Werk bezieht sich hinsichtlich dieser Tatbestände ausschließlich auf den Empfänger, der „aufgrund einer Sache“ eine Verpflichtung zur Rückgewähr eingeht (re obligatur/re tenetur); die Redeweise re contrahitur obligatio kommt gar nicht in Betracht. Erst in den Institutionen Justinians könnte man von einer möglichen Erstreckung des re contrahere auf die Leihe, die Verwahrung und die Verpfändung sprechen, obwohl im byzantinischen Anfängerbuch die Bezeichnung obligatio re contracta nach seinen klassischen Vorbildern allein auf das Darlehen angewendet wird.

7

§ 3 A II. § 3 C II. 9 § 3 D II. 8

244

§ 6 Ergebnisse

C. Die Realobligation im klassischen römischen Recht C. Die Realobligation im klassischen römischen Recht

I Dare rem bedeutet den Übergang der überlassenen Sache ins Eigentum des Empfängers. Begründungstatbestand der Realobligation ist die datio rei, d.h. eine eigentumsverschaffende Sachüberlassung.10 Die Stellen der Institutionen des Gaius, in denen die Realobligation erörtert wird, beziehen sich ausschließlich auf das Darlehen und die Zahlung einer Nichtschuld: Das mutuum begründet die vertragliche Realobligation; es ist der einzige Tatbestand, der als obligatio re contracta genannt wird (Gai. 3,90). Daher kann man von dem mutuum als dem einzigen „Realvertrag“ sprechen.11 Die solutio indebiti begründet die außervertragliche Realobligation (Gai. 3,91).12 Aus diesen Tatbeständen entsteht ein auf den einfachen Wert der übereigneten Sachen gerichteter Rückforderungsanspruch, der durch die strengrechtliche condictio zu verwirklichen ist. Die Realobligation stellt dann ein einseitiges reines (strengrechtliches) Rückgewährschuldverhältnis dar. II Dieselbe Realobligationsstruktur ergibt sich aus anderen Quellen der klassischen Jurisprudenz: Das re contrahere wird immer mit dem mutuum gleichgestellt, sei es, dass es in Zusammenspiel mit der Stipulation steht oder nicht. Das klassische römische Recht kannte nur einen „Realvertrag“, und zwar das mutuum.13 Von einem Realvertragscharakter des commodatum, des depositum und des pignus ist in den klassischen Quellen keine Rede. Der Grund dafür liegt darin, dass keine von diesen Vertragsobligationen ein strikt einseitiges und strengrechtliches Rückgewährschuldverhältnis darstellt; sie entsprechen der klassischen Struktur des re contrahere nicht.14

D. Sonstige Realobligationsentstehungsgründe? D. Sonstige Realobligationsentstehungsgründe?

I Die Erörterung der Leihe, der Verwahrung und der Verpfändung unmittelbar nach dem Darlehen in den res cottidianae bedeutet nicht, dass diese Tatbestände für Realverträge zu halten sind. Obwohl die Materienordnung der res 10

§ 4 A II1. § 4 A II2. 12 § 4 A III. 13 § 4 B. 14 § 4 A IV2. 11

D. Sonstige Realobligationsentstehungsgründe?

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cottidianae von derjenigen der gaianischen Institutionen abweicht, bleibt die klassische Struktur des Realvertrages unverändert. Daher bleibt der Ausdruck re contrahitur obligatio dem Darlehen vorbehalten.15 Weder die Leihe noch die Verwahrung noch das Pfand werden als obligationes re contractae angesehen; diese Schuldverhältnisse könnten in einem sehr weiten Sinne als „Verpflichtungen aufgrund einer Sachhingabe“ bezeichnet werden, sofern ihre Erfüllung nach einem strengrechtlichen prozessualen Regime zu fordern ist. Für commodatum, depositum und pignus gebraucht man dort die generellen Redeweisen re obligatur/re tenetur, sofern sie durch actiones in factum (Tatsachenklagen) geschützt werden, die auf den einfachen Wert der hingegebenen Sachen gerichtet sind. Die Realobligation ist eine einseitige strengrechtliche Rückgewährpflicht; die bloße Konzentration auf die Rückgewähr, wie es bei den nach Treu und Glauben konzipierten Klagen wegen Leihe und Verwahrung der Fall ist, reicht nicht hin, damit eine obligatio re contracta begründet wird. Bezeichnenderweise handelt es sich bei Leihe, Verwahrung und Pfand um dieselbe Formel, die Gaius in seinen Institutionen gebraucht hatte, um den Vertragscharakter der Zahlung einer Nichtschuld in Abrede zu stellen und sie von dem Darlehen zu unterscheiden. Leihe, Verwahrung und Pfand sind kein wirklicher Realobligationsentstehungsgrund, sie stehen aber dem Realvertrag nahe, sofern das Rückgewährschuldverhältnis mit einer strengrechtlichen reddere-Tatsachenklage geltend zu machen ist. Nur unter diesen Vorbehalten ließen sich diese Schuldbeziehungen als re obligari in einem sehr weiten Sinne des Begriffes bezeichnen.16 Die Realobligationsdefinition Modestins (re obligamur, cum res ipsa intercedit), die zwar auf den ersten Blick im Widerspruch zu dem klassischen Recht zu stehen scheint, bestätigt aber die klassische Realvertragslehre im Rahmen der Erläuterung des sog. Geschäfts re et verbis: Unter intercessio rei und daher unter re obligari versteht Modestin ganz konkret die Darlehensgewährung.17 II Dieselbe Darstellung des re contrahere nach den res cottidianae zeigt sich in den Institutionen Justinians: Nur das Darlehen begründet eine obligatio re contracta; in Bezug auf die Leihe, die Verwahrung und die Verpfändung geht es um die Verpflichtung des Schuldners zur Rückgabe, der als re obligatur bezeichnet wird. Die Institutionen Justinians sind aber der Struktur des klas15

§ 5 A II. § 5 A VI. 17 § 5 B. 16

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§ 6 Ergebnisse

sischen Realvertrages nur formell treu geblieben. Die Vertragsidee, auf die die byzantinischen Schuljuristen sich berufen, bringt mit sich, dass das re contrahere in seiner klassischen Bedeutung ausgehöhlt wird: Da alle Verträge im Wesentlichen eine Vereinbarung sind, stellt das re contrahere eine bloße Konsensäußerungsart für den Vertragsabschluss dar, die das Vorliegen einer Sachhingabe kennzeichnet. Unter diesen Umständen darf man wohl vermuten, dass die Byzantiner hochwahrscheinlich nicht nur das Darlehen als Realvertrag angesehen haben, sondern auch die Leihe, die Verwahrung und die Verpfändung. Dies, obwohl die Grundzüge der klassischen obligatio re contracta in dem byzantinischen Anfängerbuch textuell noch wahrzunehmen sind18. Der klassische Realvertrag sollte im 6. Jh. n. Chr. nur noch ein Phantom sein. Wenn man den alten Römern die Urheberschaft der Kategorie der Realverträge zuschreiben will, sind die Ursprünge dieses Konstruktes erst hier zu suchen. Die Klassiker kannten nur eine obligatio re contracta, und zwar das mutuum. Die Kategorie der Realverträge, so wie wir sie kennen, lässt sich im klassischen römischen Recht nicht finden.

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§ 5 C.

Resumen de la investigación El objeto de la presente monografía es la así llamada categoría de los contratos reales en el derecho romano. La noción de contrato real forma parte del patrimonio común de la tradición romanística; la mayoría de los ordenamientos jurídicos de cultura jurídica europea-continental consagra figuras contractuales para cuyo perfeccionamiento se requiere la entrega de una cosa (el “momento real”), ya sea que ésta suponga o no una transferencia de dominio. En concreto, se trata del mutuo o préstamo de consumo, el comodato o préstamo de uso, el depósito y, en algunos casos, la prenda (véase por ejemplo Code Civil francés: art. 1875 para el comodato, art. 1892 para el mutuo, y art. 1915 para el depósito; Codice Civile italiano: art. 1766 para el depósito, art. 1803 para el comodato, art. 1813 para el mutuo, art. 2786 para la prenda; Código Civil español: art. 1740 para mutuo y comodato, art. 1758 para el depósito, art. 1863 para la prenda). La gran excepción en este contexto la constituyen las codificaciones civiles germánicas, que han suprimido esta categoría total (BGB y OR-ZGB) o parcialmente (ABGB para el mutuo), dando a los contratos que la componen el carácter de consensuales. Como se ha dicho, los contratos reales se perfeccionan mediante la entrega de una cosa, sea ésta translaticia de dominio (mutuo) o no (comodato, depósito y prenda). Lo anterior significa que la referida entrega opera contrahendi causa, no solvendi causa, vale decir, no supone el cumplimiento (solvere) de una obligación preexistente, sino que hace nacer (contrahere) la relación obligatoria entre las partes. De esta guisa, el futuro adquirente (mutuario, comodatario, depositario, acreedor prendario) no puede reclamar la entrega de la cosa, puesto que antes de ella no hay contrato cuyo cumplimiento pueda ser exigido, como tampoco puede el futuro mutuante, comodante, depositante o deudor pignoraticio, exigir la restitución antes de que el así llamado momento real se verifique, ya que no se puede restituir lo que todavía no ha sido recibido. Consecuencialmente, el acuerdo de entregar una cosa puede ser jurídicamente vinculante, pero se sitúa en el plano de las tratativas preliminares o del contrato preparatorio, no del contrato real. Asimismo, la principal obligación del adquirente consiste en la restitución, ya sea de la misma cosa recibida (res ipsa) en el caso del comodato, el depósito y la prenda, o bien de otras tantas del mismo género y calidad (tantundem eiusdem generis et qualitatis), tratándose del mutuo. Los rasgos comunes de los contratos reales son, por tanto, su perfeccionamiento mediante la entrega de una cosa, por una parte, y la

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Resumen de la investigación

concentración en la obligación de restituir, por la otra. Este es el corazón de la estructura dogmática de la moderna categoría de los contratos reales. La construcción de esta categoría contractual por parte de la ciencia jurídica europea del ius commune se basa en dos fuentes de la compilación justinianea, una correspondiente a un fragmento de las res cottidianae contenido en el Digesto1, y la otra a las Instituciones de Justiniano2. A primera vista, de ambos textos resultaría que el derecho romano habría conocido cuatro obligationes re contractae, esto es, obligaciones que se contraen re, “por medio de una cosa” (en términos modernos: contratos reales): mutuum (mutuo), commodatum (comodato), depositum (depósito) y pignus (prenda). En este orden de cosas, la jurisprudencia medieval desarrolló la noción de contractus re y la aplicó a estas cuatro figuras, a pesar de que se trata de un concepto que no aparece siquiera una sola vez en las fuentes jurídicas romanas. Que la entrega de una cosa fuera el supuesto básico para el perfeccionamiento de estos tipos contractuales estaba fuera de discusión en el ius commune: res ipsa facit contractum. Este es el punto de partida de la moderna comprensión del contrato real. Ahora bien, hasta el descubrimiento de Palimpsesto de Verona por Niebuhr, en 1816, nuestra principal fuente de conocimiento del derecho clásico fuera de la compilación justinianea, las Instituciones de Gayo, sólo fue accesible para la ciencia del ius commune de manera indirecta, fundamentalmente a través de las referencias contenidas en el Corpus Iuris. Lo dicho constituye un hecho de enorme trascendencia en orden a determinar la estructura de la obligatio re contracta en el derecho romano. En efecto, hasta 1816 no era posible confrontar críticamente el así llamado contrato real según las res cottidianae y las Instituciones de Justiniano, con el tratamiento de la misma materia en las Instituciones gayanas. Pues bien, lo cierto es que la exposición sistemática de las fuentes de las obligaciones en general y de las obligaciones contraídas “por medio de una cosa” en particular en las res cottidianae y las Instituciones de Justiniano difiere considerablemente de la forma en la cual Gayo trata estas materias en su manual: en las Instituciones de Gayo se menciona un solo caso de obligación real nacida de contrato (obligatio re contracta), a saber, el mutuum3, y un supuesto extracontractual de obligación real, la solutio indebiti (pago de lo no debido)4. En las Instituciones de Gayo no se encuentra referencia alguna a posibles obligationes re contractae aparte del mutuo, ni siquiera de manera indirecta. En lo que concierne a las res cottidianae y las Instituciones de Justiniano, ambas obras emplean la expresión re contrahere (específicamente, re contra1

D. 44,7,1,2-6 (Gai. 2 res cott.). I. 3,14pr.-4. 3 Gai. 3,90: Re contrahitur obligatio velut mutui datione (…). 4 Gai. 3,91: Is quoque, qui non debitum accepit ab eo, qui per errorem soluit, re obligatur (…) sed haec species obligationis non uidetur ex contractu consistere (…). 2

Resumen de la investigación

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hitur obligatio) exclusivamente con relación a la mutui datio, al igual que las Instituciones de Gayo; no obstante, la obligación de restitución del comodatario, depositario y acreedor prendario, respectivamente, es calificada en términos generales como re obligari o re teneri. Es esta situación la que ha dado lugar a la extendida opinión de que no solo el mutuo, sino que también el comodato, el depósito y la prenda habrían sido considerados por la jurisprudencia romana como miembros de una misma categoría contractual, a saber, la de los contratos reales. Sin embargo, lo cierto es que del empleo de la expresión técnica re contrahere en las fuentes jurídicas romanas se deduce que la obligación contraída “por medio de una cosa” encontraba su fundamento en un acto de transferencia dominical, no en el mero acto material de entrega de una cosa, privada de efectos reales. Lo dicho se desprende de la circunstancia de que todas las fuentes en las que de alguna forma se hace alusión a la constitución re de una obligación contractual (obligatio re contracta), se refieren a una datio rei en sentido propio, esto es, a la transferencia de la propiedad5. En efecto, las fuentes nos muestran con meridiana claridad que dare rem tenía en el derecho romano un significado técnico-jurídico muy preciso, a saber, la entrega de una cosa transfiriendo el dominio sobre ella6. No ha llegado a nosotros fuente jurídica romana alguna, dentro o fuera de la compilación justinianea, en la cual un tipo contractual fundado en la mera entrega no translaticia de dominio de una cosa aparezca tratado como un supuesto de re contrahere. A pesar de la duda razonable que plantean los textos, la cuestión de si la categoría de los contratos reales, tal y como la conocemos, se remonta al derecho romano clásico, apenas ha sido objeto de atención de parte de la ciencia romanística. La doctrina considera como un hecho indubitado que los romanos conocieron esta categoría, y que ella estaba compuesta por mutuum, commodatum, depositum y pignus, así como la circunstancia de que su estructura básica estaría representada por la entrega como acto perfeccionador del contrato, por una parte, y la concentración de las obligaciones del deudor en la restitución de la cosa recibida o de otras tantas del mismo género y calidad, por la otra; es decir, las características de la moderna categoría contractual antes referidas. La única monografía dedicada al tema, de Carlo Alberto Maschi, lleva el título “La categoria dei contratti reali. Corso di diritto ro5

Gai. 3,90 (cf. Gai Ep. 2,9,1); D. 2,14,17pr. (Paul. 3 ad ed.); D. 44,7,1,2 (Gai. 2 res cott.); D. 44,7,52,1 y 3 (Mod. 2 reg.); D. 46,3,80 (Pomp. 4 ad Q. Muc.); D. 50,16,19 (Ulp. 11 ad ed.) (re agere en vez de contrahere, por reducir Labeón la noción de contractus al ultro citroque obligatio, lo que excluye al mutuo, esencialmente unilateral); I. 3,14pr. 6 Esta idea se encuentra claramente expresada en Gai. 2,204; 4,4; D. 17,1,47,1 (Pomp. 3 ex Plaut.); D. 22,1,4pr. (Pap. 27 quaest.); D. 32,29,3 (Lab. 2 post. a Iav. epit.); D. 45,1,75,10 (Ulp. 22 ad ed.); D. 50,17,167pr. (Paul. 49 ad ed.).

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Resumen de la investigación

mano” (1973) y tiene por finalidad probar dicho carácter del comodato y el depósito, junto con el mutuo (no así de la prenda). Por otra parte, Guarino ha propuesto una distinción de las obligaciones reales entre aquellas en sentido propio (que suponen transferencia de dominio) y en sentido impropio (que se basan en la mera entrega), mientras que Talamanca ha llegado a hablar de contratos reales del ius gentium. Sin embargo, estas posturas no encuentran sustento textual en las fuentes: ninguno de los textos que han llegado hasta nosotros hace alusión a supuestas obligationes re contractae en sentido impropio o del derecho de gentes, distinguiéndolas de obligaciones reales en sentido propio o del derecho civil; por lo demás, la circunstancia de que nuestras fuentes atestiguan que el propio mutuum tendría su origen en el ius Gentium7 demuestra por sí sola la falta de fundamento de la tesis según la cual sería posible distinguir entre esta figura y otros contratos reales del derecho de gentes. En síntesis, dejando aparte discusiones de detalle, en la doctrina romanística ha dominado sin contrapesos hasta ahora la tesis según la cual la categoría de los contratos reales, tal y como la conocemos, constituye una construcción dogmática auténticamente romana. A nuestro juicio, en cambio, se trata de un constructo retrospectivo falso. Un atento análisis exegético de las fuentes jurídicas romanas que tratan ya sea de la obligatio re contracta en general, o bien, del mutuum, el commodatum, el depositum o el pignus en particular, permite llegar a la conclusión de que, en lo que respecta al derecho romano clásico, esta categoría contractual nunca existió en la forma que la comprendemos hoy. Las fuentes demuestran que los romanos conocieron la noción de obligatio re contracta (re contrahere) y que establecieron sus características esenciales8. Sin embargo, ella tenía muy poco que ver con la moderna idea de contrato real: la obligatio re contracta romana o, si así se quiere por facilidad del discurso, el “contrato real romano”, era una relación obligatoria contraída mediante una datio rei en sentido técnico-jurídico, es decir, una entrega translaticia de dominio. Como elegantemente nos enseña el jurista Paulo, se puede contraer una obligación por medio de la cosa solo en la medida que algo ha sido dado (transferido en dominio): re enim non potest obligatio contrahi, nisi quatenus datum sit9. Además, el “contrato real romano” es estrictamente unilateral, del cual surge una obligación de restitución que guarda perfecta simetría con el acto constitutivo del vínculo y cuyo cumplimiento se exige mediante una acción restitutoria de estricto derecho, la condictio: solo el adquirente resulta obligado, específicamente al pago de la cantidad de dinero recibida o el equivalente del simple valor de la cosa al momento de la litis contestatio (quanti ea res est). A esto se reduce la prestación por él debida, como nos explica nuevamente 7

Gai. 3,132; D. 50,17,84,1 (Paul. 3 quaest.). Véase las fuentes citadas en n. 5. 9 D. 2,14,17pr. (Paul. 3 ad ed.). 8

Resumen de la investigación

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Paulo en la misma fuente citada: Si tibi decem dem et paciscar, ut viginti mihi debeantur, non nascitur obligatio ultra decem. Lo anterior supone una identificación entre obligatio re contracta y mutuum (mutui datio), con exclusión de cualquier otra figura. En efecto, el mutuo es el único contrato que reúne los elementos contenidos en la explicación pauliana del re contrahere: nacimiento de la relación obligatoria a través de una entrega translaticia de dominio, unilateralidad del contrato y carácter de estricto derecho de la obligación de restitución. Lo dicho se desprende con igual claridad de las Instituciones de Gayo: Re contrahitur obligatio velut mutui datione (Gai. 3,90). Mediante transferencia de dominio (re) se contrae una obligación, a saber, mediante dación en mutuo. Lo dicho justifica que Gayo, inmediatamente después de explicar la mutui datio como constitutiva de una obligatio re contracta, se refiera a la solutio indebiti como desencadenante de una obligación real no contractual para el accipiens (Gai. 3,91), precisamente porque el pago de lo debido se refiere a una obligación de dar en sentido estricto, como en el mutuo (…nam proinde ei condici potest si paret eum dare oportere, ac si mutuum accepisset). De este modo, la obligación de restitución del accipiens puede ser calificada como obligación real, que, al igual que el mutuo, se hace valer mediante el ejercicio de la condictio, pero no como nacida de contrato (non videtur ex contractu consistere), ya que quien paga lo que no debe, busca extinguir una obligación (distrahere) más que contraerla (contrahere). Este es el motivo por el cual Gayo emplea la expresión genérica re obligatur respecto del falso acreedor (Is quoque, qui non debitum accepit ab eo, qui per errorem solvit, re obligatur), mas no la especial re contrahitur obligatio para el supuesto negocial, que queda reservada al mutuum. Sobre otras fuentes de obligación real, sean o no contractuales, no es posible encontrar en el manual gayano la más mínima mención. Lo mismo puede decirse respecto de otras fuentes clásicas, en las cuales se habla de contraer un vínculo obligatorio “a través de una cosa” (re): la obligación real contractual (obligatio re contracta) procede única y exclusivamente de una dación en mutuo. En su comentario al derecho civil de Quinto Mucio Escévola, Pomponio nos explica que las obligaciones se disuelven del mismo modo como se contraen (Prout quidque contractum est, ita et solvi debet)10. En este contexto, se señala que la obligación contraída “por medio de una cosa” se extingue del mismo modo, a saber, cuando damos una cantidad en mutuo, hay que restituir la misma cantidad: (…) cum re contraxerimus, re solvi debet: veluti cum mutuum dedimus, ut retro pecuniae tantundem solvi debeat. El contexto original de la fuente debió ser el tratamiento de las causas del certum dare oportere, esto es, los supuestos de la condictio. Si bien puede discutirse sobre si la referencia explícita al mutuo se encontraba en el texto original muciano, o 10

D. 46,3,80 (Pomp. 4 ad Q. Muc.).

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bien procede de Pomponio (o incluso de los compiladores), lo cierto es que el jurista tardo-republicano debió aludir al mutuo al menos de forma implícita. Lo anterior, debido a que el mutuum es el único supuesto de constitución de un certum dare oportere “a través de una cosa” (re): el certum dare oportere contraído re (re dare oportere) se limita a la mutui datio. Labeón, por su parte, citado en un fragmento procedente del comentario de Ulpiano al edicto del pretor urbano, expone su conocida – y controvertida – idea de contrato, identificándolo con la existencia de obligaciones recíprocas (ultro citroque obligatio), lo que a su juicio correspondería al συνάλλαγµα griego11. Según el texto, el jurista de época augustea excluye al mutuum y la stipulatio del ámbito de los contratos, precisamente por tratarse de figuras que generan obligaciones sólo para una de las partes: …et actum quidem generale verbum esse, sive verbis sive re quid agatur, ut in stipulatione vel numeratione. De ahí que, tratándose de la mutui datio (en concreto, a propósito del mutuo de dinero), el jurista hable de re agere, en vez de re contrahere, como hacía Q. Mucio, y como harán después Gayo y Paulo. Ya este solo hecho bastaría para negar la existencia de una categoría de los contratos reales al menos en el pensamiento de Labeón, toda vez que para él el mutuo ni siquiera puede ser calificado como contrato, con lo que el adjetivo “real” para la conformación de una categoría contractual específica deja de tener importancia. Pero esto no es todo; el Digesto contiene dos textos que se remiten a doctrinas sostenidas por Labeón, en las cuales consta que este jurista habría calificado como contractus tanto al depósito12 como a la prenda13. Si bien no hay textos que, fundándose en ideas labeonianas, se refieran explícitamente al comodato como contrato, cuesta entender que los motivos que llevaron a Labeón a considerar al depósito como contrato, no fueran aplicables también al comodato. De lo dicho resulta que, de los cuatro integrantes tradicionales de la categoría de los contratos reales, dos de ellos son designados por Labeón expresamente como contratos (depósito y prenda), sobre uno de ellos no se pronuncia (comodato), y el cuarto, el mutuo, siendo el único para el cual se emplea la forma ablativa re, es excluido de la categoría del contrahere y reducido a la del (re) agere. Dicho en otros términos: Labeón reconoce una sola causa de obligación nacida re (el mutuo), con la particularidad de que ésta no cumple con el requisito indispensable para constituir un contrato, al no ser bilateral, de modo tal que se distingue tajantemente del depósito y la prenda (¿y tal vez del comodato?), que sí son contratos. Resulta, pues, inútil, buscar indicios de la así llamada categoría de los contratos reales en la noción labeoniana de contractus: la obligación de restitución nacida de la transferencia del dominio de una cosa (re) no es contractual, mientras sí lo es 11

D. 50,16,19 (Ulp. 11 ad ed.). D. 17,1,8pr. (Ulp. 31 ad ed.). 13 D. 42,8,6,6 (Ulp. 66 ad ed.). 12

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la obligación de restitución nacida de la mera entrega, respecto de la cual no procede aplicar la forma ablativa re (a través de datio rei). Otro tanto nos enseña Modestino, discípulo de Ulpiano. Según el jurista tardo-clásico, nos obligamos “por medio de una cosa”, cuando la cosa misma interviene al momento de constituir la relación obligatoria: Re obligamur, cum res ipsa intercedit14. A primera vista, la noción de obligación real de Modestino pareciera coincidir con la moderna idea de contrato real, esto es, su perfeccionamiento a través de la entrega de una cosa. Ahora bien, una atenta mirada de esta fuente conduce más bien a la solución contraria, específicamente, a la idea de re contrahere/obligari presente en los textos de Q. Mucio/Pomponio, Labeón, Gayo y Paulo, donde se identifica la constitución de la obligación real única y exclusivamente con la dación en mutuo. En efecto, en el tercer párrafo del fragmento citado, Modestino emplea exactamente las mismas palabras para explicar en qué consiste el así llamado negocio re et verbis, que como sabemos, se refiere al problema altamente relevante en la práctica comercial romana del mutuum cum stipulatione. De lo que está hablando el jurista es, pues, del mutuo acompañado de una promesa formal verbal que cubra el capital más los intereses, o solo estos últimos, en el marco de lo que hoy en día llamaríamos una operación de crédito de dinero. Como se ha adelantado, a propósito de este supuesto negocial, Modestino señala que nos obligamos “por medio de una cosa” (re) y “por las palabras” (verbis) cuando junto a la pregunta del estipulante concurre una cosa: Re et verbis pariter obligamur, cum et res interrogationi intercedit (…)15. Dicho en otros términos: nos obligamos simultáneamente por la cosa y por las palabras cuando, junto a la dación en mutuo, se promete una cantidad de dinero en virtud de una estipulación. Si en la especie se excluyen todas las palabras que hacen alusión a la stipulatio (et verbis pariter, et…interrogationi), lo que queda no puede referirse sino al mutuum, y lo que queda no es otra cosa que el re obligamur, cum res (ipsa) intercedit del primer párrafo de la fuente, donde se habla de la obligación real en términos generales. Cabe destacar que el texto transcrito es el único caso de aplicación por parte de Modestino de su – a primera vista – amplísima noción de obligación real, que en los hechos resulta corresponder exactamente a la idea defendida por sus predecesores: se contrae una obligación real por la dación en mutuo. Del comodato, el depósito y la prenda como supuestas obligationes re contractae no se encuentra rastro alguno en las fuentes antes señaladas, ni en ninguna otra. La tradicional consideración del commodatum, el depositum y el pignus – relaciones obligatorias que nacen de una mera entrega, no translaticia de dominio – como contratos reales, se funda únicamente en los textos de la compilación justinianea mencionados al principio de este resumen: D. 14 15

D. 44,7,52,1 (Mod. 2 reg.). D. 44,7,52,3 (Mod. 2 reg.).

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Resumen de la investigación

44,7,1,2-616 y I. 3,14pr.-417. Ambas fuentes, inmediatamente después de identificar la obligatio re contracta única y exclusivamente con el mutuo, en plena concordancia con la jurisprudencia clásica, exponen los elementos fundamentales de la obligación de restitución contraída, respectivamente, por el comodatario, el depositario y el acreedor pignoraticio. Ahora bien, en ninguno de estos tres casos se emplea la expresión técnica re contrahitur obligatio, como ocurre con respecto a la mutui datio, sino expresiones más bien genéricas, como son re obligatur y re tenetur. Asimismo, cabe destacar que re obligatur es el mismo giro utilizado en Gai. 3,91 para distinguir la obligación a restituir del accipiens de un indebitum de la obligación real contractual, que nace del mutuo (Gai. 3,90). En este sentido, el acento está puesto – como en Gai. 3,91 – en la concreta situación del deudor, que se obliga a la restitución de la res ipsa (res commodata, deposita o pignorata) y, por ende, está obligado “en virtud de una cosa” (re), más que a la formación de un contrato “por medio de una cosa” (re contrahitur obligatio). En efecto, creemos que la forma en que se expresa el autor de las res cottidianae, seguida casi textualmente en las Instituciones de Justiniano, hace alusión no a los contratos en sí, sino más bien a las acciones por medio de las cuales se hacía valer la mencionada obligación de restitución, respectivamente: actiones commodati, depositi y pigneraticia in factum conceptae. Se trata de acciones pretorias análogas a la condictio del mutuum (el contrato real romano) y la solutio indebiti (la obligación real extracontractual romana), concebida en el derecho (in ius concepta), esto es, acciones estrictamente restitutorias, limitadas al simple valor de la cosa debida al momento de la sentencia (quanti ea res erit). De hecho, el uso del verbo teneri (re tenetur), propio del ámbito de las acciones honorarias, respecto del depositario y el acreedor pignoraticio, demuestra que el autor de las res cottidianae pensaba más en la posibilidad de ejercer una actio in factum, posicionando al deudor en una situación análoga a la del mutuario contra quien se ejerce una condictio, que en una asimilación de estas figuras al mutuo. Asimismo, tanto la ubicación de las actiones commodati y pigneraticia in factum en el título 16

D. 44,7,1 (Gai. 2 res cott.): 2. Re contrahitur obligatio mutui datione (...) 3. Is quoque, cui rem aliquam commodamus, re nobis obligatur, sed is de ea ipsa re quam acceperit restituenda tenetur (...) 5. Is quoque, apud quem rem aliquam deponimus, re nobis tenetur: qui et ipse de ea re quam acceperit restituenda tenetur (…) 6. Creditor quoque, qui pignus accepit, re tenetur: qui et ipse de ea ipsa re quam accepit restituenda tenetur (...). 17 I. 3,14: Re contrahitur obligatio veluti mutui datione (…). 2. Item is cui res aliqua utenda datur, id est commodatur, re obligatur et tenetur commodati actione. Sed is ab eo qui mutuum accepit longe distat: namque non ita res datur, ut eius fiat, et ob id de ea re ipsa restituenda tenetur (…). 3. Praeterea et is apud quem res aliqua deponitur re obligatur, et actione depositi, qua et ipse de ea re quam accepit restituenda tenetur (...). 4. Creditor quoque qui pignus accepit re obligatur, qui et ipse de ea ipsa re quam accepit restituenda tenetur actione pigneraticia (…).

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XVII de rebus creditis del edicto del pretor urbano (según la reconstrucción de Lenel) a continuación de la condictio, así como textos del Digesto que atestiguan una originaria (¿o tal vez concurrente?) protección del interés del comodante, deudor pignoraticio y depositante, respectivamente, por medio de la condictio18, constituyen poderosos argumentos a favor de la tesis, ya sostenida en su tiempo por Pernice, de que estas acciones pretorias habrían sido construidas según el modelo de la condictio (kondiktionenartige Klagen). Lo dicho no debe extrañar si se tiene en cuenta que el punto de partida del quehacer de los juristas romanos era la casuística, la solución de problemas jurídicos concretos, de modo tal que no debieron tener una especial vocación por la construcción de categorías sistemáticas. E incluso un profesor de derecho como lo fue Gayo, más interesado en ofrecer un sistema coherente y ordenado a sus alumnos que sus colegas de la práctica, mal podría haber encontrado un criterio de clasificación satisfactorio, en orden a la creación de una categoría contractual, en la simple entrega material de una cosa, ya que ésta, considerada en sí misma, carece de un significado jurídico específico. En efecto, en términos estrictamente jurídicos (que es lo que debe contar a la hora de crear categorías jurídicas), la transferencia de dominio operada en la dación en mutuo, la mera entrega en el comodato y el depósito, y la entrega constitutiva de posesión protegida por interdictos en el caso de la prenda, no tienen en común nada más que el hecho que todas ellas suponen el desplazamiento físico de una cosa. Decir que el mutuo, el comodato, el depósito y la prenda suponen la entrega de una cosa, no debió significar a los ojos de un jurista romano nada en concreto; al menos, nada con relevancia para el derecho. En síntesis, no hay fuente jurídica romana alguna, ya sea dentro o fuera de la compilación justinianea, en la cual se haga alusión al comodato, el depósito o la prenda como casos de re contrahere; esta expresión técnica, con la cual los juristas romanos designaban la constitución de un vínculo contractual “a través de una cosa”, aparece en textos que cubren desde la jurisprudencia tardo republicana hasta el derecho justinianeo, única y exclusivamente referida a la mutui datio. Ahora bien, las Instituciones de Justiniano presentan, como se ha dicho, la misma exposición del re contrahere que las res cottidianae: el mutuo es el único supuesto explícitamente mencionado de obligatio re contracta; con respecto al comodato, el depósito y la prenda, se habla más bien de la vinculación de la obligación de restitución del comodatario, depositario o acreedor pignoraticio, respectivamente, con una cosa, mediante el empleo de la expresión genérica re obligatur. Sin embargo, es posible sostener con bastante verosimilitud que el manual justinianeo se mantuvo fiel a la estructura clásica del contrato real romano sólo en términos formales. La idea de contrato como 18

D. 12,1,4,1 (Ulp. 34 ad Sab.) para la prenda; D. 12,5,9pr. (Paul. 5 ad Plaut.) para el comodato; D. 16,3,13,1 (Paul. 31 ad ed.) para el depósito.

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convención, que con toda seguridad inspiraba a los profesores de derecho bizantinos, debió traer consigo que el re contrahere fuera desprovisto de su contenido técnico original: cuando todos los contratos son esencialmente una convención, el re contrahere ya no representa un modo de constitución de una relación obligatoria autónomo, como lo era en el régimen clásico, sino simplemente una manera específica de manifestar el consentimiento entre las partes, esto es, una forma de perfeccionar el contrato que supone la entrega material de una cosa. Bajo estas circunstancias, bien se puede suponer que los juristas bizantinos vieron una obligación real contractual no solo en el mutuo, sino que también en el comodato, el depósito y la prenda, ya que estos cuatro contratos “se perfeccionan” por medio de la entrega, por distintos que sean los efectos jurídicos en cada caso. Así se desprende, por lo demás, de la rúbrica de la fuente, que se refiere en plural a “los modos a través de los cuales se contrae una obligación por la cosa” (Quibus modis re contrahitur obligatio). Lo anterior, a pesar de que los rasgos esenciales de la obligatio re contracta clásica todavía pueden apreciarse en el texto literal de la fuente justinianea, que reserva el uso del término a la sola mutui datio del mismo modo que sus precedentes clásicos. La interpretación del texto, empero, ya no fue la misma que en los siglos anteriores. En conclusión: el contrato real del derecho romano clásico debió representar en el siglo VI d.C. nada más que un fantasma. Si se quiere atribuir a los antiguos romanos la autoría de nuestra categoría de los contratos reales, sus orígenes no se remontan más allá de la época de Justiniano. Los clásicos conocieron solo una obligatio re contracta, a saber, la nacida de mutui datio, y por tanto, solo un “contrato real”: el mutuum. La categoría de los contratos reales, compuesta, tal y como la conocemos, por mutuo, comodato, depósito y prenda, no es una construcción dogmática del derecho romano clásico.

Sintesi della ricerca*

L’oggetto di questa ricerca consiste nello studio della cosiddetta categoria dei contratti reali in diritto romano. La nozione di conratto reale costituisce parte del patrimonio comune della tradizione romanistica; gli ordinamenti appartenenti alle cultura giuridica europea continentale, in numero nettamente prevalente, riconoscono infatti figure contrattuali per il cui perfezionamento si richiede la consegna di una cosa (il “momento reale”), sia che questa presupponga o meno anche il trasferimento della proprietà. Più concretamente, si tratta del mutuo, o prestito di consumo, del comodato, o prestito d’uso, del deposito e, in taluni casi, del pegno (si veda, a titolo di esempio, Code Civil francese: l’art. 1875 per il comodato, l’art. 1892 per il mutuo e l’art. 1915 per il deposito; Codice Civile italiano: l’art. 1766 per il deposito, l’art. 1803 per il comodato, l’art. 1813 per il mutuo, l’art. 2786 per il pegno; Código Civil spagnolo: l’art. 1740 per il mutuo e il comodato, l’art. 1758 per il deposito, l’art. 1863 per il pegno). Una significativa eccezione, in tale contesto, è costituita dalle codificazioni di area germanica, le quali hanno soppresso del tutto (BGB e OR-ZGB), o solo parzialmente (ABGB per il mutuo), tale categoria, dando pertanto ai contratti che la compongono carattere consensuale. Come è stato sottolineato, i contratti reali si perfezionano mediante la consegna di una cosa, sia che questa comporti il trasferimento della proprietà (mutuo), sia che ciò non avvenga (comodato, deposito e pegno). Questo significa, pertanto, che la citata consegna della cosa opera contrahendi causa, e non solvendi causa, e cioè non presuppone l’adempimento (solvere) di una obbligazione preesistente, bensì comporta essa stessa il sorgere (contrahere) di un rapporto di natura obbligatoria tra le parti. In tal modo, il futuro accipiente (mutuatario, comodatario, depositario, creditore pignoratizio) non ha alcuna possibilità di reclamare la consegna della cosa, prima che essa abbia luogo, dal momento che ancora non esiste alcun contratto il cui adempimento possa essere esatto, così come, altrettanto, il futuro mutuante, comodante, depositante o debitore pignoratizio non potrà esigere alcuna restituzione, prima che si verifichi il cosiddetto momento reale, in considerazione del fatto che non è possibile restituire ciò che ancora non si è ricevuto. Conseguente*

Für die Übersetzung der Zusammenfassung ins Italienische danke ich Herrn Dr. Tommaso Beggio (Helsinki/Heidelberg) ganz herzlich.

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Sintesi della ricerca

mente ne risulta che l’accordo di consegnare una cosa può essere giuridicamente vincolante, ma si colloca sul piano giuridico delle trattative preliminari o del contratto preparatorio, e non del contratto reale in senso proprio. Allo stesso modo, l’obbligazione principale dell’accipiente consiste nella restituzione o della medesima cosa ricevuta (res ipsa), come nel caso del comodato, del deposito e del pegno, o di una pari quantità di cose del medesimo genere e qualità (tantundem eiusdem generis et qualitatis), se si tratta del mutuo. Come si può ben vedere, dunque, le caratteristiche comuni dei contratti reali consistono nel perfezionamento tramite consegna della cosa, da una parte, e nell’esistenza di un’obbligazione di restituire la cosa, dall’altra. Il nucleo centrale della struttura dogmatica della moderna categoria dei contratti reali consta pertanto di questi elementi. La costruzione di tale categoria contrattuale da parte della scienza giuridica europea del ius commune si basa su due fonti tràdite nella compilazione giustinianea, una corrispondente ad un frammento tratto dalle res cottidianae e contenuta nel Digesto1, l’altra proveniente dalle Istituzioni di Giustiniano2. Ad un primo sguardo, parrebbe risultare, dalla lettura di entrambi i testi, che il diritto romano conoscesse quattro tipi di obligationes re contractae, con il che si intende obbligazioni che si contraggono re, “per il tramite di una cosa” (e dunque, in termini moderni: contratti reali): mutuum (mutuo), commodatum (comodato), depositum (deposito) e pignus (pegno). A partire da tale contesto, la giurisprudenza medievale sviluppò la nozione di contractus re e la applicò alle suddette quattro figure, nonostante si tratti di un concetto che non emerge nemmeno una volta nelle fonti giuridiche romane. Che la consegna di una cosa stesse a fondamento essenziale per il perfezionamento di queste tipologie contrattuali era tuttavia fuori di discussione per il ius commune: res ipsa facit contractum. E questo presupposto rappresenta, di fatto, il punto di partenza per la moderna concezione del contratto reale. Sino alla scoperta del Palinsesto veronese da parte del Niehbur, avvenuta nel 1816, le Istituzioni di Gaio, nostra principale fonte di conoscenza del diritto classico, al di fuori della compilazione giustinianea, furono accessibili alla scienza del ius commune soltanto in via indiretta, e fondamentalmente attraverso i riferimenti ad essa contenuti nel Corpus iuris. Tale dato costituisce una circostanza di enorme rilevanza, in relazione alla ricostruzione della struttura della obligatio re contracta nell’ambito del diritto romano. Di fatto, sino al 1816 non fu possibile effettuare un vaglio critico in merito al cosiddetto contratto reale, secondo quanto era possibile apprendere dalle res cottidianae e dalle Istituzioni di Giustiniano, con quanto era contenuto sulla medesima materia nelle Istituzioni gaiane. Ora, senza alcun dubbio si può notare come l’esposizione sistematica delle fonti delle obbligazioni, in generale, e 1 2

D. 44,7,1,2-6 (Gai. 2 res cott.). I. 3,14pr.-4.

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delle obbligazioni contratte “per il tramite di una cosa”, in particolare, nelle res cottidianae e nelle Istituzioni di Giustiniano differisca sensibilmente dal modo in cui Gaio tratta di tale tematica all’interno del suo manuale: nelle Istituzioni gaiane si menziona, infatti, un solo caso di obbligazione reale nata da contratto (obligatio re contracta), e cioè, nello specifico, il mutuum3, e un caso extracontrattuale di obbligazione reale, la solutio indebiti (pagamento dell’indebito)4. Nelle Istituzioni di Gaio, pertanto, non si incontra alcun riferimento a possibili obligationes re contractae, eccezion fatta per il mutuo, nemmeno in via indiretta. Per quanto concerne, invece, le res cottidianae e le Istituzioni di Giustiniano, entrambe le opere impiegano l’espressione re contrahere (più nello specifico, re contrahitur obligatio) esclusivamente in relazione alla mutui datio, così come avviene nelle Istituzioni di Gaio; la obbligazione a restituire del comodatario, depositario e creditore pignoratizio, rispettivamente, viene tuttavia qualificata in termini generali come re obligari o re teneri. Tale situazione ha dato così luogo alla diffusa opinione che non soltanto il mutuo, bensì anche il comodato, il deposito e il pegno sarebbero stati considerati dalla giurisprudenza romana come tipologie di una medesima categoria contrattuale, ovverosia quella dei contratti reali. È in ogni caso certo che dall’impiego dell’espressione tecnica re contrahere nelle fonti giuridiche romane si deduce che l’obbligazione contratta “per il tramite di una cosa” trovasse il proprio fondamento in un atto di trasferimento dominicale della cosa, e non in un mero atto formale di consegna della cosa, come tale privo di effetti reali. Quanto appena affermato lo si apprende dalla circostanza che in tutte le fonti nelle quali, in qualsiasi forma, si alluda alla costituzione re di un’obbligazione contrattuale (obligatio re contracta), le stesse si riferiscono ad una datio rei in senso proprio, ovverosia al trasferimento della proprietà5. Le fonti, di fatto, ci mostrano con evidente chiarezza che dare rem in diritto romano aveva un significato tecnico-giuridico assai preciso, e cioè la consegna di una cosa con il contestuale trasferimento del diritto di proprietà sulla stessa6. A noi non è giunta fonte giuridica romana alcuna, sia essa proveniente dalla compilazione giustinianea, o estranea alla 3

Gai. 3,90: Re contrahitur obligatio velut mutui datione ... Gai. 3,91: Is quoque, qui non debitum accepit ab eo, qui per errorem soluit, re obligatur … sed haec species obligationis non uidetur ex contractu consistere ... 5 Gai. 3,90 (cf. Gai Ep. 2,9,1); D. 2,14,17 pr. (Paul. 3 ad ed.); D. 44,7,1,2 (Gai. 2 res cott.); D. 44,7,52,1 y 3 (Mod. 2 reg.); D. 46,3,80 (Pomp. 4 ad Q. Muc.); D. 50,16,19 (Ulp. 11 ad ed.) (re agere invece di contrahere, avendo Labeone ristretto la nozione di contractus al ultro citroque obligatio, il che comporta l’esclusione del mutuo, essenzialmente unilaterale); I. 3,14 pr. 6 Tale idea viene espressamente enunciata in Gai. 2,204; 4,4; D. 17,1,47,1 (Pomp. 3 ex Plaut.); D. 22,1,4 pr. (Pap. 27 quaest.); D. 32,29,3 (Lab. 2 post. a Iav. epit.); D. 45,1,75,10 (Ulp. 22 ad ed.); D. 50,17,167 pr. (Paul. 49 ad ed.). 4

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Sintesi della ricerca

stessa, nella quale una tipologia contrattuale fondata solamente sulla mera consegna della cosa, priva di effetti traslativi della proprietà, appaia essere considerata come una fattispecie di re contrahere. Sebbene l’interpretazione tradizionale dei testi dia adito a non pochi – e assai ragionevoli - dubbi, tale interpretazione, per quanto concerne la questione relativa alla possibilità di far risalire la categoria dei contratti reali, così come noi la conosciamo, al diritto romano classico, è stata oggetto di scarsa attenzione da parte della scienza romanistica. La dottrina infatti considera come non controverso il fatto che i romani conoscessero siffatta categoria, e che essa fosse composta dal mutuum, dal comodatum, dal depositum e dal pignus, così come la circostanza che la struttura fondamentale consistesse nella consegna, quale atto in grado di perfezionare il contratto, da una parte, e che, dall’altra, l’obbligazione del debitore si sostanziasse nella restituzione della cosa ricevuta, o di altrettante cose del medesimo genere e della medesima qualità di quelle ricevute; si tratta, per l’appunto, delle caratteristiche della moderna categoria contrattuale, come in precedenza messo in luce. L’unica monografia dedicata al tema, ad opera di Carlo Alberto Maschi, dal titolo “La categoria dei contratti reali. Corso di diritto romano” (1973), si caratterizza per la finalità di dimostrare la sussistenza di tali elementi in relazione al comodato e al deposito, unitamente al mutuo (non così invece per il pegno). Dal canto suo, Guarino ha invece proposto una distinzione, all’interno delle obbligazioni reali, tra quelle tali in senso proprio (le quali presuppongono perciò il trasferimento della proprietà) e quelle in senso improprio (che si fondano sulla mera consegna), mentre Talamanca ha preferito parlare in relazione a queste ultime di contratti reali di ius gentium. Le suddette posizioni non incontrano tuttavia alcun sostegno testuale nelle fonti: nessuno dei testi che ci è giunto pare infatti alludere a supposte obligationes re contractae in senso improprio o del ius gentium, distinguendole dalle obbligazioni reali in senso proprio o del diritto civile. La circostanza che le fonti attestino, inoltre, che proprio il mutuum troverebbe la propria origine nel ius gentium7 dimostra viceversa la mancanza di fondamento della tesi che vorrebbe poter distinguere tra questa figura contrattuale e gli altri contratti reali del ius gentium. In sintesi, e tralasciando le discussioni riguardanti aspetti marginali della questione, nella dottrina romanistica ha sino ad oggi dominato, senza incontrare alcuna opposizione, la tesi secondo la quale la categoria dei contratti reali, così come noi la conosciamo, costituirebbe una costruzione dogmatica autenticamente romana. Quella ora descritta, invece, ad avviso di chi scrive, è una ricostruzione a posteriori non condivisibile. Un’analisi esegetica attenta delle fonti giuridiche romane, che trattano sia della obligatio re contracta in generale, sia del 7

Gai. 3,132; D. 50,17,84,1 (Paul. 3 quaest.).

Sintesi della ricerca

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mutuum, del commodatum, del depositum o del pignus in particolare, ci permette viceversa di giungere alla conclusione secondo la quale, in riferimento al diritto romano classico, questa categoria contrattuale non sarebbe mai esistita, nella forma in cui essa viene oggi concepita. Le fonti dimostrano che i romani conobbero la nozione di obligatio re contracta (re contrahere) e che ne stabilirono le caratteristiche fondamentali8. Essa differiva nettamente, tuttavia, dalla moderna idea di contratto reale: la obligatio re contracta romana, o, a fini di semplificazione dell’esposizione, il “contratto reale romano”, constava di un rapporto obbligatorio stretto mediante una datio rei in senso tecnico-giuridico, e cioè una consegna avente effetti traslativi della proprietà. Come ci insegna elegantemente il giurista Paolo, è possibile contrarre un’obbligazione per mezzo della cosa solo nella misura in cui qualcosa sia stato dato (trasferimento della proprietà): re enim non potest obligatio contrahi, nisi quatenus datum sit9. Il “contratto reale romano”, da intendersi dunque quale mutuum, è inoltre strettamente unilaterale, e da esso sorge una obbligazione alla restituzione della cosa che si colloca in perfetta simmetria rispetto all’atto costitutivo del vincolo, il cui soddisfacimento si può esigere mediante un’azione restitutoria di stretto diritto, la condictio: solo l’accipiente risulta pertanto obbligato, nello specifico, al pagamento della quantità di denaro ricevuta o all’equivalente del semplice valore della cosa al momento della litis contestatio (quanti ea res est). A questo si riduce quindi la prestazione dovuta da tale soggetto, come ci spiega ancora una volta Paolo nella medesima fonte già in precedenza citata: Si tibi decem dem et paciscar, ut viginti mihi debeantur, non nascitur obligatio ultra decem. Quanto detto sino ad ora presuppone una identificazione tra la obligatio re contracta e il mutuum (mutui datio), con esclusione di qualsiasi altra figura. A ben vedere, il mutuo è di fatto l’unico contratto che riunisce in sé gli elementi che caratterizzano il re contrahere secondo la descrizione paolina: nascita del rapporto obbligatorio attraverso una consegna traslativa del dominio, unilateralità del contratto e carattere di stretto diritto dell’obbligazione alla restituzione. Ciò si apprende con altrettanta chiarezza dalle Istituzioni di Gaio: Re contrahitur obligatio velut mutui datione (Gai. 3,90). Attraverso il trasferimento del dominio (re - datio) si contrae un’obbligazione, nello specifico mediante dazione in mutuo. Tutto questo giustifica il fatto che Gaio, subito dopo aver descritto la mutui datio come costitutiva di una obligatio re contracta, si riferisca alla solutio indebiti come causa costitutiva di un’obbligazione reale non contrattuale per l’accipiens (Gai. 3,91), e precisamente perché il pagamento del debito si riferisce ad un’obbligazione di dare in senso stretto, come nel mutuo (… nam proinde ei condici potest si paret 8 9

Vd. le fonti citate alla nt. 5. D. 2,14,17 pr. (Paul. 3 ad ed.).

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eum dare oportere, ac si mutuum accepisset). In tal modo, l’obbligazione alla restituzione dell’accipiens può essere qualificata come obbligazione reale, la quale, proprio come nel caso del mutuo, viene fatta valere per il tramite della condictio, tuttavia non derivante in questo caso da contratto (non videtur ex contractu consistere), poiché colui il quale paghi l’indebito intende estinguere un’obbligazione (distrahere), anziché contrarla (contrahere). Questo è il motivo per il quale Gaio utilizza l’espressione più generica re obligatur rispetto al creditore putativo (Is quoque, qui non debitum accepit ab eo, qui per errorem solvit, re obligatur), e non la specifica re contrahitur obligatio per la fattispecie negoziale, in quanto quest’ultima rimane riservata al mutuum. Al di fuori di quelle citate, ad ogni modo, non è possibile trovare la benché minima menzione nel manuale gaiano di ulteriori fonti di obbligazioni reali, aventi o meno natura contrattuale. Lo stesso può dirsi in riferimento ad altre fonti classiche, laddove si discute di contrarre un vincolo obbligatorio “per il tramite di una cosa” (re): l’obbligazione reale contrattuale (obligatio re contracta) deriva solo ed esclusivamente da una dazione in mutuo. Nel suo commentario ai libri iuris civilis di Quinto Mucio Scevola, Pomponio ci spiega che le obbligazioni si sciolgono nello stesso modo in cui si contraggono (Prout quidque contractum est, ita et solvi debet) 10. In tale contesto, viene altresì posto in evidenza che l’obbligazione contratta “per il tramite di una cosa” si estingue nello stesso modo, cioè, allorquando venga data una certa quantità di cose a titolo di mutuo, deve essere restituita la medesima quantità: ... cum re contraxerimus, re solvi debet: veluti cum mutuum dedimus, ut retro pecuniae tantundem solvi debeat. Il contesto originale della fonte riguarda le cause del certum dare oportere, e dunque i presupposti della condictio. Sebbene si possa discutere se il riferimento esplicito al mutuo fosse già presente nel testo muciano, o se invece provenga da Pomponio (qualora non sia stato inserito dai compilatori), appare tuttavia certo che il giurista tardorepubblicano dovette aver fatto allusione al mutuo, quantomeno implicitamente. Dal momento infatti che il mutuum è l’unico caso di costituzione di un certum dare oportere “per il tramite di una cosa” (re), il certum dare oportere contratto re (re dare oportere) si limita alla mutui datio. Labeone, a sua volta, citato in un frammento proveniente dal commentario di Ulpiano all’editto del pretore urbano, espone la sua ben nota – e altrettanto controversa - idea di contratto, identificando quest’ultimo con l’esistenza di obbligazioni reciproche (ultro citroque obligatio), il che, a suo giudizio, corrisponderebbe al συνάλλαγµα greco11. Secondo quanto si rinviene nel testo, il giurista di epoca augustea esclude il mutuum e la stipulatio dall’ambito dei contratti, e precisamente perché si tratta di figure che generano obbligazioni 10 11

D. 46,3,80 (Pomp. 4 ad Q. Muc.). D. 50,16,19 (Ulp. 11 ad ed.).

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per una delle parti soltanto: ...et actum quidem generale verbum esse, sive verbis sive re quid agatur, ut in stipulatione vel numeratione. Ne deriva che, allorquando si tratti di mutui datio (in concreto, con riferimento al mutuo di denaro), il giurista parla di re agere, anziché di re contrahere, come faceva invece Q. Mucio, e come faranno poi Gaio e Paolo. Quanto detto sarebbe già di per sé sufficiente a negare l’esistenza di una categoria dei contratti reali, almeno per quanto riguarda il pensiero di Labeone, considerando che per quest’ultimo il mutuo non poteva essere qualificato come contratto, di tal guisa che l’aggettivo “reale” per la configurazione di una specifica categoria contrattuale avrebbe cessato di avere una qualche rilevanza. Questo non è tutto, peraltro: il Digesto contiene infatti due testi, che rinviano a dottrine sostenute da Labeone, secondo le quali tale giurista avrebbe qualificato come contractus tanto il deposito12, quanto il pegno13. Sebbene non vi siano testi che, basandosi sulle idee di Labeone, si riferiscano esplicitamente al comodato come contratto, resta difficile da comprendere per quale motivo le ragioni che spinsero Labeone a considerare il deposito come contratto non sarebbero state altresì applicabili al comodato. Da quanto detto sinora risulta che, delle quattro tipologie che compongono tradizionalmente la categoria dei contratti reali, due di esse vengono espressamente designate da Labeone quali contratti (deposito e pegno), su una di esse il giurista non si pronuncia (comodato), e la quarta, il mutuo, essendo l’unica per la quale si fa ricorso alla forma modale re, viene esclusa dalla categoria del contrahere e ridotta a quella del (re) agere. In altri termini: Labeone riconosce una sola causa di obbligazione nascente re (il mutuo), con la particolarità che, tuttavia, questa non soddisfa al contempo il requisito essenziale affinché si dia l’esistenza di un contratto, non essendo bilaterale, tant’è che essa si distingue nettamente dal deposito e dal pegno (e forse anche dal comodato?), i quali invece senza dubbio vengono qualificati quali contratti. Risulta pertanto inutile ricercare indizi relativi alla cosiddetta categoria dei contratti reali all’interno della nozione labeoniana di contractus: l’obbligazione a restituire che nasce dal trasferimento del dominio su di una cosa (re) non ha forma contrattuale, mentre tale forma contraddistingue invece l’obbligazione alla restituzione che nasce dalla mera consegna, rispetto alla quale non occorre applicare la forma modale re (attraverso datio rei). Altrettanto possiamo apprendere da Modestino, discepolo di Ulpiano. Secondo questo giurista tardoclassico, ci si obbliga “attraverso una cosa”, quando la cosa stessa interviene nel momento in cui si costituisce il rapporto obbligatorio: Re obligamur, cum res ipsa intercedit14. A prima vista, la nozione di obbligazione reale proposta da Modestino parrebbe coincidere con la moderna 12

D. 17,1,8 pr. (Ulp. 31 ad ed.). D. 42,8,6,6 (Ulp. 66 ad ed.). 14 D. 44,7,52,1 (Mod. 2 reg.). 13

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idea di contratto reale, cioè con l’idea che il suo perfezionamento avvenga attraverso la consegna di una cosa. Ebbene, un’analisi attenta della fonte in questione conduce in realtà alla soluzione contraria, e, nello specifico, a quella idea di re contrahere/obligari presente nei testi di Q. Mucio (attraverso Pomponio), Labeone, Gaio e Paolo, ove si identifica la costituzione dell’obbligazione reale solo e unicamente con la dazione in mutuo. Di fatto, nel terzo paragrafo del frammento citato, Modestino utilizza esattamente le medesime parole per spiegare in che cosa consista il cosiddetto negozio re et verbis, che, come è noto, fa riferimento al problema, di notevole rilievo nell’ambito della pratica commerciale romana, del mutuum cum stipulatione. Quello di cui sta parlando il giurista, quindi, è il mutuo accompagnato da una promessa verbale formale che va a ricomprendere il capitale insieme agli interessi, o solo questi ultimi, nell’ambito di quella che oggi chiameremmo un’operazione di credito di denaro. Come si è anticipato, in riferimento a questa fattispecie negoziale, Modestino indica che ci si obbliga “per il tramite di una cosa” (re) e “attraverso le parole” (verbis), quando unitamente alla domanda dello stipulante vi sia anche una cosa: Re et verbis pariter obligamur, cum et res interrogationi intercedit …15. Altrimenti detto, ci si obbliga contestualmente attraverso una cosa ed attraverso le parole quando, insieme alla dazione in mutuo, si promette una quantità di denaro in virtù di una stipulazione. Se, nel caso di specie, si escludono tutte le formulazioni che facciano riferimento alla stipulatio (et verbis pariter, et...interrogationi), quanto rimane non può riferirsi se non al mutuum, e quel che rimane altro non è che il re obligamur, cum res ipsa intercedit del primo paragrafo della fonte, laddove si parla di obbligazione reale in termini generali. È opportuno evidenziare che il testo tràdito è l’unico caso di applicazione, da parte di Modestino, della sua – a prima vista – amplissima nozione di obbligazione reale, che nei fatti risulta corrispondere all’idea propugnata dai giuristi a lui precedenti: si contrae un’obbligazione reale attraverso la dazione in mutuo. Del comodato, del deposito e del pegno, quali fattispecie di obligationes re contractae, non si incontra alcuna traccia nelle fonti in precedenza prese in considerazione, né in alcuna altra fonte. La tralatizia concezione del commodatum, del depositum e del pignus – rapporti obbligatorî che nascono da una mera consegna, non contestualmente traslativa del dominio – quali contratti reali, si basa unicamente sui testi della compliazione giustinianea citati all’inizio di questa sintesi: D. 44,7,1,2-616 e I. 3,14 pr.-417. Entrambe le fonti, immediata15

D. 44,7,52,3 (Mod. 2 reg.). D. 44,7,1 (Gai. 2 res cott.): 2. Re contrahitur obligatio mutui datione ... 3. Is quoque, cui rem aliquam commodamus, re nobis obligatur, sed is de ea ipsa re quam acceperit restituenda tenetur ... 5. Is quoque, apud quem rem aliquam deponimus, re nobis tenetur: qui et ipse de ea re quam acceperit restituenda tenetur … 6. Creditor quoque, qui pignus accepit, re tenetur: qui et ipse de ea ipsa re quam accepit restituenda tenetur ... 17 I. 3,14: Re contrahitur obligatio veluti mutui datione …. 2. Item is cui res aliqua utenda 16

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mente dopo aver identificato la obligatio re contracta solo ed esclusivamente con il mutuo, in perfetta concordanza con la giurisprudenza classica, illustrano gli elementi fondamentali dell’obbligazione alla restituzione contratta, rispettivamente, dal comodatario, dal depositario e dal creditore pignoratizio. In nessuno di questi tre casi, tuttavia, si utilizza l’espressione tecnica di re contrahitur obligatio, come avviene in riferimento alla mutui datio, bensì espressioni assai più generiche, come possono essere re obligatur e re tenetur. Parimenti, vale la pena sottolineare come re obligatur sia la stessa espressione utilizzata in Gai. 3,91 al fine di distinguere l’obbligazione a restituire dell’accipiens di un indebitum dalla obbligazione reale contrattuale, che nasce dal mutuo (Gai. 3,90). In tal senso, l’accento viene posto – come in Gai. 3,91 – sulla concreta situazione del debitore, il quale si obbliga alla restituzione della res ipsa (res commodata, deposita o pignorata) e, quindi, risulta obbligato “in virtù di una cosa” (re), piuttosto in virtù del costituirsi di un contratto “per il tramite di una cosa” (re contrahitur obligatio). Di fatto, si ritiene che la forma usata dall’autore delle res cottidianae per esprimersi, seguita poi quasi letteralmente nelle Istituzioni di Giustiniano, faccia riferimento non tanto ai contratti in sé, quanto piuttosto alle azioni attraverso le quali sia possibile far valere la già menzionata obbligazione alla restituzione, e quindi, rispettivamente: actiones commodati, depositi e pigneraticia in factum conceptae. Si tratta di azioni pretorie analoghe alla condictio utilizzata in riferimento al mutuum (il contratto reale romano) e alla solutio indebiti (l’obbligazione reale extracontrattuale romana), concepita in diritto (in ius concepta), e dunque azioni strettamente restitutorie, limitate al semplice valore della cosa dovuta al momento della sentenza (quanti ea res erit). Di fatto, l’uso del verbo teneri (re tenetur), proprio dell’ambito delle azioni onorarie, nei confronti del depositario e del creditore pignoratizio, dimostra che l’autore delle res cottidianae pensava più alla possibilità di esercitare una actio in factum, ponendo così il debitore in una situazione analoga a quella del mutuatario nei confronti del quale si eserciti una condictio, che ad una assimilazione di queste figure al mutuo. Allo stesso modo, tanto la collocazione delle actiones commodati e pigneraticia in factum nel titolo XVII de rebus creditis dell’editto del pretore urbano (secondo la ricostruzione del Lenel) a seguito della condictio, così come taluni testi del Digesto i quali attestano un’originaria (o forse concorrente?) protezione dell’interesse del comodante, del debitore pignoratizio e del depositante, rispettivamente, attradatur, id est commodatur, re obligatur et tenetur commodati actione. Sed is ab eo qui mutuum accepit longe distat: namque non ita res datur, ut eius fiat, et ob id de ea re ipsa restituenda tenetur … 3. Praeterea et is apud quem res aliqua deponitur re obligatur, et actione depositi, qua et ipse de ea re quam accepit restituenda tenetur ... 4. Creditor quoque qui pignus accepit re obligatur, qui et ipse de ea ipsa re quam accepit restituenda tenetur actione pigneraticia …

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verso la condictio18, costituiscono solidi argomenti a favore della tesi, già sostenuta a suo tempo da Pernice, secondo la quale tali azioni pretorie sarebbero state costruite seguendo il modello della condictio (kondiktionenartige Klagen). Quanto si è detto sinora non deve stupire, se si tiene presente che il punto di partenza dell’attività dei giuristi romani era rappresentato dalla casistica e dalla soluzione di problemi giuridici concreti, con la conseguenza che essi non dimostrarono una particolare vocazione per la costruzione di categorie sistematiche. Ed anche un insegnante di diritto, come fu Gaio, per quanto maggiormente interessato ad offrire ai suoi alunni l’esposizione di un sistema coerente ed ordinato, di quanto non potessero esserlo altri suoi colleghi giuristi, non avrebbe potuto in alcun modo individuare nella semplice consegna di una cosa un criterio di classificazione soddisfacente, in ordine alla creazione di una categoria contrattuale, dal momento che la suddetta consegna, considerata in quanto tale, risulta essere priva di un significato giuridico specifico. Di fatto, il trasferimento del dominio effettuato per mezzo della dazione in mutuo, la mera consegna nel comodato e nel deposito, e la consegna costitutiva di un possesso protetto tramite interdetti nel caso del pegno, non presentano alcunché in comune, in termini strettamente giuridici (ciò che in effetti rileva, allorquando si debba creare una corrispondente categoria) se non il fatto che tutte queste fattispecie implicano lo spostamento fisico di una cosa. Affermare che il mutuo, il comodato, il deposito e il pegno presupponessero la consegna di una cosa non dovette significare nulla di concreto agli occhi di un giurista romano; o, quantomeno, nulla di veramente rilevante per il diritto. In sintesi, dunque, non vi è alcuna fonte giuridica romana, sia essa contenuta all’interno della compilazione giustinianea, o all’infuori di essa, nella quale si faccia riferimento al comodato, al deposito o al pegno come a casi di re contrahere; la suddetta espressione tecnica, con la quale i giuristi romani designavano la costituzione di un vincolo contrattuale “mediante una cosa”, appare invece essere riferita, nei testi a noi giunti e che coprono un arco temporale che va dalla giurisprudenza tardorepubblicana, sino al diritto giustinianeo, sempre solo ed esclusivamente alla mutui datio. Le Istituzioni di Giustiniano, in ogni caso, presentano, come si è detto, la medesima esposizione del re contrahere che ritroviamo nelle res cottidianae: il mutuo è l’unica fattispecie esplicitamente menzionata di obligatio re contracta; per quanto concerne il comodato, il deposito ed il pegno, si parla piuttosto dell’esistenza di un’obbligazione alla restituzione da parte del comodatario, del depositario o del creditore pignoratizio, vincolata rispettivamente alla precedente consegna della cosa stessa, mediante l’impiego della generica espressione re obligatur. È possibile tuttavia sostenere con sufficiente livello 18

D. 12,1,4,1 (Ulp. 34 ad Sab.) per il pegno; D. 12,5,9 pr. (Paul. 5 ad Plaut.) per il comodato; D. 16,3,13,1 (Paul. 31 ad ed.) per il deposito.

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di verosimiglianza che il manuale giustinianeo si fosse mantenuto fedele alla struttura classica del contratto reale romano solo in termini formali. L’idea di contratto come convenzione, che con certezza ispirava i professori di diritto bizantini, dovette comportare la conseguenza che il re contrahere risultasse ormai sprovvisto del suo contenuto tecnico originale: quando tutti i contratti sono essenzialmente una convenzione, il re contrahere non rappresenta più un modo di costituzione di un rapporto obbligatorio autonomo, come lo era invece nel regime classico, quanto piuttosto e semplicemente un mezzo per manifestare il consenso tra le parti, ovverosia una forma di perfezionamento del contratto, la quale presuppone la consegna materiale di una cosa. Si può pertanto ben ritenere che i giuristi bizantini individuarono, in tali circostanze, un’obbligazione reale contrattuale non solo nel mutuo, bensì anche nel comodato, nel deposito e nel pegno, dal momento che questi quattro contratti “si perfezionano” con la consegna della cosa, per quanto diversi possano poi essere gli effetti giuridici che ne derivano in ciascuna fattispecie. In tal senso si spiega, d’altro canto, la rubrica della fonte, che si riferisce al plurale a “i modi attraverso i quali si contrae un’obbligazione per il tramite di una cosa” (Quibus modis re contrahitur obligatio). Di conseguenza, nonostante sia ancora possibile apprezzare le caratteristiche essenziali della obligatio re contracta classica nel testo letterale della fonte giustinianea, la quale riserva l’uso del termine specifico alla sola mutui datio, proprio come avveniva nei passi dei giuristi classici ad essa precedenti, l’interpretazione che ne venne data non fu, tuttavia, la medesima che era stata viceversa adottata nei secoli precedenti. In conclusione: il contratto reale del diritto romano classico dovette rappresentare nel VI secolo d.C. nulla più che un’ombra. Se si intende attribuire agli antichi romani la paternità della nostra odierna categoria dei contratti reali, le sue origini non possono comunque essere ricercate in un’epoca antecedente a quella di Giustiniano. I classici conobbero soltanto una obligatio re contracta, ovverosia quella derivante dalla mutui datio, e pertanto, solo un “contratto reale”: il mutuum. La categoria dei contratti reali composta, così come noi la intendiamo, dal mutuo, dal comodato, dal deposito e dal pegno, non può pertanto essere considerata una costruzione dogmatica del diritto romano classico.

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417 230313

1,8 1,9 1,11 1,48 1,50 1,51 1,52 1,53 1,55 1,98 1,99 1,103 1,107 1,113 1,114 1,119 1,122 1,133 1,142 1,156 1,188 2,2 2,3 2,8 2,9 2,10 2,11 2,12 2,13 2,14 2,20 2,27 2,45 2,49 2,50 2,59

417 417, 7883 417 417 417 417 417 417 417 417 417 417 417 6721 160247 6612, 6621 6612 417 7776 417 3651 417, 7884 417 417 417 417 417 417 417 417 148180 6612 12025 12025 417,1050, 169295, 172311, 220251 160247, 161250

316 2,60 2,61 2,64 2,80 2,81 2,82 2,83 2,84 2,86 2,87 2,88 2,89 2,90 2,91 2,92 2,93 2,102 2,103 2,104 2,105 2,106 2,107 2,108 2,114 2,133 2,196 2,201 2,204 2,220 2,246 3,83 3,88

3,89

3,90

Quellenregister 160247, 161250, 162252, 163262, 18828 161250 22115, 215224 7043, 7146 6939, 70, 71, 72, 83111 6939, 71, 83111, 12663 7146 7146, 12663 417 417 417 417 417 417 417 417 160247, 166279 166279 6612, 166279 166279 166279 166279 166279 417 417 12765 7669 121, 167287, 169290, 182 160247 7776 154214 20104, 641, 6833, 69, 7353, 76, 7777, 7780, 78, 79, 81, 85, 86, 89, 90, 94, 96, 98, 104221, 105, 106, 113, 115, 153, 159244, 173, 174, 186 3758, 641, 69, 73, 78, 79, 80, 8095, 81, 82, 84, 104225, 110256, 113, 115, 126, 131, 144164, 155, 156225, 159244, 1846, 231315 522, 735, 839, 40, 4079,

3,91

3,92 3,92 – 3,127 3,95a 3,96 3,119a 3,124 3,128 3,128 – 3,134 3,131 3,132 3,135 3,135 – 3,162 3,136 3,137 3,138 3,154 3,155 3,157 3,173 3,175 3,182 3, 182 – 3,225

6611, 82–83108, 97, 112263, 1152, 123, 124, 12448, 125, 126, 12657, 12765, 131, 134, 13495, 151, 152, 153, 166, 167, 170, 173, 174, 176, 182, 183, 185, 219, 220254, 234324, 236, 237, 244 523, 842, 60188, 7993, 83112, 97, 98, 104, 107246, 112264, 1152, 124, 132, 146, 147, 149, 150189, 151, 153, 155, 155218, 156, 158, 158234, 166, 167, 173, 174, 182, 183, 185, 219, 220254, 234324, 244 6611, 83113, 106, 111, 13185, 164268 1152 94, 94169 6939, 6940 82, 82105, 130, 131 4182, 45111, 6939, 7040 841, 84116, 106235, 13185 1152 841, 3130, 3757, 84117, 12659, 131, 145 734, 2819, 6729 417, 84118, 95172, 107239, 13185 1152 417, 6939, 85, 85123, 155217, 207164 417 6939 82106 6939, 11817 6939, 7040 143171 12765 73, 7776, 79, 7994, 104225, 144164, 159244 1152

317

Quellenregister 3,183 3,196 3,197 3,200 3,201 3,204 3,206 3,207 4,1 4,2

4,4 4,5 4,10 4,13 4,11 4,17a 4,17b 4,18 4,19 4,20 4,21 4,24 4,26 4,27 4,28 4,29 4,30 4,33

4,41 4,45 4,46 4,47

4,48

8097, 104226, 1846 1050, 169295, 199100, 216233 1050, 169295, 19149, 216233 1050, 169295, 210186 160247 1050, 169295, 210186 1050, 169295, 172311, 19258, 220251 1050, 169295, 172311, 202122, 220251 92160 20104, 78, 86129, 93, 93164, 94, 117, 12975, 153205 45112, 119, 149185, 169290, 182 92160 95176 139129, 140134 3340 2716, 3238, 3340 3234, 37, 138122, 140133 3027, 92160 2926, 3028, 13497, 138121 3131, 138120 3340 3340 208168 208168 208168 208168 138126 1050, 3028, 95176, 160247, 169295, 172311, 220251 3234, 4499, 12033, 139 – 140133 3235 92161 944, 1050, 1155, 1362, 169295, 134103, 310 67 172 , 193 , 19576, 204143, 205153, 251 264 220 , 223 3867, 134102

4,50 4,51 4,53c 4,62 4,75 4,80 4,112 4,113 4,116 4,131 4,136 4,144 4,147 4,153 4,163 4,171 4,180 4,181 4,182

Epitome Gai 2,9pr. 2,9,1

4499, 140133, 140134 134103 59184 95177, 160247, 162256, 19576, 205153, 218245 102207 102207 20104, 7882, 94, 207 102 , 11820, 153205 20104, 7882, 94, 153205 144162 154214 60185 87144 209174 18934, 19790, 19897 134103 139129, 140134 139129 139129 93–94165, 153205, 160247, 162256, 163261, 172311, 202123

2,9,3 2,9,4

7777, 81103, 103221 735, 4076, 102, 12556, 13495, 173, 229 94169 94169

Pauli Sententiae 2,12,1 2,12,2 2,12,3 2,12,6 2,12,11 2,13,6 2,13,7 2,13,8 2,14,1 2,31,19 3,6,8

19898 19787 199104 202122 1260, 19685, 204139 214215 214215 209174, 214215 1998 210186 211192

Scholia Sinaitica 6 13

228300 228300

318 Ulp., Fr. Vindob. 1,1 2,1

Quellenregister Ulpiani Epitome 11,18 11,27

18935 12765

7144 71, 7144, 7146, 12663

2. Justinianische Quellen Const. Imp. §6

100

194

Iustiniani Institutiones 2,7,1 12976 2,8,2 7043, 7146, 12663 2,24,2 237334 3,3pr. 231313 3,13pr. 108247, 230 - 231313 3,13,1 643, 108248 3,13,2 3655, 643, 80101, 105229, 106235, 108, 144164, 159243, 1847, 238338 3,14 113, 238, 239 3,14pr. 735, 9, 4076, 112263, 12556, 13495, 136109, 236, 239, 240 3,14,1 313, 9, 41, 156, 156226, 158234, 158238, 240 3,14,2 313, 9, 7566, 112264, 18616, 19040, 19046, 206156, 236, 237, 240 3,14,3 313, 9, 7566, 19787, 202122, 202128, 236, 240 3,14,4 313, 9, 7566, 216230, 236, 240 3,15pr. 60185, 83115, 111260 3,21pr. 111261 3,22 111262 3,26,13 200108 3,27pr. 6834 3,27,1 6834, 96180 3,27,2 6834, 103 3,27,3 6834, 102214, 108249 3,27,4 6834, 102214 3,27,5 6834, 108249 3,27,6 6834, 108249, 13290, 156228, 157, 158237

3,27,7 3,201 4,1,1 4,1,6 4,1,10 4,1,14 4,2,2 4,6,1 4,6,28 4,6,33c 4,16,2

6834 161250 11923 204141 210186 210186 207160 92160 218248 59184 52149

Digesta Iustiniani Augusti 1,1,7 230313 1,1,7, 1 1897, 93161 1,1,8 1997 1,1,9 417 1,1,11 1897 1,2,1 7780 1,2,2,41 3550 1,2,2,47 47126, 11820, 160247 1,3,7 230306 1,3,40 230306, 230309, 231313 1,5,1 417 1,5,3 417 1,5,6 417 1,6,1 417 1,6,3 417 1,7,1,1 230308, 230309, 230310 1,7,2 417 1,7,28 417 1,8,1 417 1,9,3 230304 1,16,4,5 227288 2,12,9 11820 2,13,7,1 227288 2,14,1,3 19102, 49132, 6832, 104223, 1834 2,14,2pr. 58182 2,14,4,3 21109, 137116, 180340

Quellenregister 2,14,7,1 2,14,7,2 2,14,7,4 2,14,7,15 2,14,17pr.

2,14,27,3 2,14,50 3,2,1 3,2,4,1 3,3,33pr. 3,3,61 3,5,1 3,5,3,5 3,5,3,9 3,5,9,1 3,5,15 3,5,30,6 3,5,34,3 4,2,9,1 4,2,13 4,2,21,2 4,4,3,1 4,4,9,2 4,6,32 4,8,11,2 4,9,3,1 5,1,57 5,3,9 5,3,10pr. 5,3,11pr. 5,3,12 5,3,13,15 5,3,14 5,3,19pr. 5,3,20,6 5,3,22 5,3,28 5,3,30 5,3,36,3 5,3,40 5,4,10 6,1,9 6,1,27,3

49132, 86128 1999, 20103, 48131, 1167 1998 203133 735, 736, 843, 20108, 135, 166284, 168288, 182, 220254, 234324 203133 49132 202123 227288 57177 97183 95174 57 57 57 20106, 96 - 97183, 153205 160247 102208 47120 207160 12033 57177 49132 230309 19894 200108, 202122 20105, 7886, 89, 153205 87 88138 88136 87135 88137 20106, 7886, 87, 90, 153205 216234 88139 88140 88140 88140 88140 88140 87136 19897 88140

6,2,7,2 6,2,9,1 6,2,13,1 7,1,2 7,1,3 9,2,42 9,4,22pr. 9,4,30 9,4,35 10,1,8 10,2,22,4 10,2,22,5 10,2,24pr. 10,2,25,14 10,2,25,16 10,3,7,11 10,3,11 10,4,3,15 11,7,1 11,7,42 12,1,1,1

12,1,2pr. 12,1,2,1 12,1,2,2 12,1,2,3 12,1,2,4 12,1,3 12,1,4pr. 12,1,4,1 12,1,6 12,1,8 12,1,9pr. 12,1,9,4 12,1,9,9 12,1,10 12,1,11pr. 12,1,11,1 12,1,18pr. 12,1,18,1 12,1,19pr. 12,1,19,1 12,1,20

319 211195 18937, 211190 210184 207160 99187 203137 18727 207160 89, 89146 207160 11817 11817 11817 22115, 215224 11817 18934, 19790 11817 18934, 19790, 209174 96181, 96182 227288 1259, 4183, 4184, 45110, 49132, 19470, 200112, 217241 4182, 12556, 12769, 13079, 13495 4182, 12553, 12556, 12765, 13079 12448, 12556, 12657, 12661 4184, 45110 12662 136109 200112 217241 13496 4182, 13079 49132, 139132 49132, 141146, 232319 12661, 19895 19895 200112 838, 20108, 135, 288 168 , 180338 12875, 12976 12769, 12875 12875, 12976 7146, 83111, 12663, 149184 4182, 12976, 13079

320 12,1,22 12,1,24 12,1,30 12,1,32 12,1,40 12,1,41 12,4,9,1 12,4,14 12,5,6 12,5,9pr. 12,5,9,1 12,6 12,6,1,1 12,6,2pr. 12,6,6pr. 12,6,6,1 12,6,6,2 12,6,6,3 12,6,7 12,6,14 12,6,15pr. 12,6,15,1 12,6,16pr. 12,6,19,2 12,6,19,4 12,6,21 12,6,25 12,6,26pr. 12,6,26,1 12,6,26,2 12,6,26,3 12,6,33 12,6,47 12,6,50 12,6,57,1 12,6,63 12,6,65,5 12,6,65,9 12,6,66 12,6,67pr. 12,7,1pr. 13,1,4 13,1,16 13,1,18 13,3 13,3,1pr. 13,3,2 13,3,3

Quellenregister 13394 60185, 83115 4182, 13079 12874, 149184, 200112 21109, 137116, 180340 4182, 13079 13288, 148179 13288, 148179 1261, 149185 1261, 55162 19471 13288, 148, 150 97184, 147177, 150189 150189 150189 150189 150189 150189 148179 143157, 150190 148179, 152199 13288, 148179 150189 13288, 148179 148179 13288, 148179 13288, 148179 13288, 137115, 148179 13288, 148179 13288, 148179 97184, 147175 149184, 153208, 154 13288, 148179 147177 13288, 148179 12346 152199 97184, 147174 143157, 150190 148179 148181 89143 1261, 18830, 19149, 199100, 202122 13288, 147176, 148179 140135 3028, 12765, 140135 3028 3028

13,3,4 13,4,1 13,4,2,1 13,4,2,8 13,4,7pr. 13,4,9 13,5,1pr. 13,5,1,1 13,5,1,6 13,5,3,2 13,5,5,3 13,5,14,1 13,5,14,2 13,5,14,3 13,5,21,2 13,5,24 13,5,26 13,5,27 13,5,31 13,6,1pr. 13,6,1,1 13,6,3,1 13,6,3,2 13,6,3,6 13,6,5pr. 13,6,5,2

13,6,5,3 13,6,5,4 13,6,5,5 13,6,5,6 13,6,5,7 13,6,5,8 13,6,5,9 13,6,5,10 13,6,5,12 13,6,8 13,6,9 13,6,10pr. 13,6,13,2 13,6,15 13,6,16 13,6,17pr. 13,6,17,3 13,6,18pr. 13,6,18,1

3028, 13394 59184 59184 47121, 57172, 59184 205153 59184 19574 19574 94167, 95170 19574 19574 19574 19574 19574 19574 19574 19574 19574 19574 19367 54158, 18937, 19043, 19044 19255, 19678 19468 19045 19152, 19153 49132, 95170, 18723, 19151, 19259, 200107, 202122, 200111, 133 230 203 , 216 18723, 18937, 19259 19259 19258, 19259 19259, 200112 19148, 19259, 200112 19149, 19259 19259 19364 19046 19040 18935 19255 150188 19041 19042 19366 19153, 201118 19259, 19362 203137

Quellenregister 13,6,18,2 13,6,18,3 13,6,18,4 13,6,23 13,7,1pr. 13,7,1,1 13,7,1,2 13,7,2 13,7,3 13,7,6 13,7,6pr. 13,7,6,1 13,7,8pr. 13,7,8,1 13,7,8,5 13,7,9pr. 13,7,9,2 13,7,9,3 13,7,9,4 13,7,9,5 13,7,10 13,7,11pr. 13,7,11,1 13,7,11,2 13,7,11,3 13,7,11,4 13,7,11,5 13,7,13,1 13,7,14 13,7,16,2 13,7,18pr. 13,7,20pr. 13,7,22pr. 13,7,22,1 13,7,22,2 13,7,22,3 13,7,22,4 13,7,24pr. 13,7,24,2 13,7,24pr. – ult. 13,7,25 13,7,28pr. 13,7,30 13,7,31

52148, 19679 19680 19684 19148 84119, 206156, 208169, 208170 206156, 209171, 211190 218249 211190 210186, 218249 211190 212196 212196, 215225 212196, 216229, 217236, 218249 215224 216229 218249 209171, 209174, 212197 213209 213209 213209 213209 213209 213209 213209 213209 213209 213209 216234 216231 212196 212202 212204 162257, 166282, 216235 162257 162257 162257 162257, 166282 163261, 218249 215225 162257 218249 209174 216230 162256, 18727, 206155,

13,7,32 13,7,34 13,7,35,1 13,7,37 13,7,39 13,7,40pr. 13,7,40,2 13,7,41 13,7,42 13,7,43pr. 13,14,7 14,1,7,1 14,3,19,3 14,6,1pr. 14,6,3,2 14,6,3,3 14,6,7,3 14,6,9,2 15,1,3,1 15,1,27pr. 15,1,49,2 16,1,2,1 16,1,2,4 16,1,13,1 16,1,17pr. 16,1,32,1 16,3,1pr.

16,3,1,1 16,3,1,6 16,3,1,7 16,3,1,8 16,3,1,9 16,3,1,10 16,3,1,12 16,3,1,13 16,3,1,16 16,3,1,21 16,3,1,22 16,3,1,30 16,3,1,32 16,3,1,33 16,3,1,34 16,3,1,35

321 211190 218249 22115, 215224 209173, 209174 210185 209174 209174 209174, 213206 212204 215225 211195 210 4182, 13079 4182, 13079 4182, 11820, 13079 7146 49132 12765 49132 47121, 57172 18727 102208 11820 49132 215227 4182, 13079 215224 18616, 197, 19894, 199104, 201, 202122, 203131 18616, 18718, 18724, 204142 49132, 203133 203135 19894, 199105, 200108, 200109 199104, 200108, 200109 200109 19789 49132, 19789 201115 201114 19254, 201118 49132 201114 22112, 201116 19895 203131, 203133

322 16,3,1,41 16,3,1,42 16,3,1,43 16,3,1,45 16,3,1,46 16,3,1,47 16,3,5pr. 16,3,6 16,3,7,1 16,3,12,1 16,3,12,3 16,3,13,1 16,3,15 16,3,16 16,3,17pr. 16,3,17,1 16,3,21,1 16,3,23 16,3,24 16,3,25,1 16,3,26,1 16,3,29pr. 16,3,29,1 16,3,31,1 16,3,32 16,3,34 17,1,1,4 17,1,2pr. 17,1,2,1 17,1,2,2 17,1,2,3 17,1,2,4 17,1,2,5 17,1,2,6 17,1,8pr. 17,1,22,3 17,1,26,7 17,1,27,1 17,1,29pr. 17,1,30 17,1,31 17,1,34pr. 17,1,34pr. 17,1,35 17,1,39 17,1,45,5 17,1,47,1 17,1,48pr.

Quellenregister 204145 49132 205150 19254, 201119 19254, 201119 18727, 202122 206155 19791 49132, 19897 205153 201117 1261 19896 19899 19791 19791, 19897, 210178 204145 206155 19895, 205153 19895 19895 204141 19895, 205153 19896 202128 53152 82106 106237 106237 106237 106237 106237 106237 106237 5114, 53, 56, 178334 215224 11817 165278 144161, 144162 165278 11817 4182, 11817, 12661, 12765, 13079 19895 11817 203133 11817 12241, 167287, 182 4182, 13079

17,1,59,1 17,2,4pr. 17,2,38pr. 17,2,52,2 17,2,72 18,1,1pr. 18,1,1,2 18,1,35,5 18,1,50 18,1,62,1 18,1,79 18,1,80,3 18,3,2 18,3,3 18,6,2 18,6,2pr. 18,6,2,1 18,6,8,2 18,6,16 19,1,40 19,2,1 19,2,2pr. 19,2,2,1 19,2,31 19,3,1pr. 19,4,1pr. 19,4,1,2 19,5,1pr. 19,5,1,1 19,5,3 19,5,11 19,5,17pr. 19,5,17,1 19,5,17,2 19,5,17,5 19,5,18 19,5,19pr. 19,5,20pr. 19,5,24

20,1,1pr. 20,1,1,2 20,1,2 20,1,3pr. 20,1,4

11817, 215224 230307, 230309, 232321 172313, 205153 11817 106237 6613 6614, 82106 12765 55167 230309 55167 55167 214215 214215 99187 106237 106237 207160 106237 3759, 46115 82106 106237, 19046 106237, 185 4182, 4185, 45109, 13079, 19895 86128 6613 86128 86128 55167 86128 93161 19044 55167 202122 11924 19895 55167, 57177 56167 21109, 4182, 13079, 137116, 141142, 180340 209174, 210180, 212203 212196, 212198 216230 210180 84119, 207164, 208169,

Quellenregister

20,1,5,1 20,1,9,1 20,1,10 20,1,11,1 20,1,11,2 20,1,11,3 20,1,12 20,1,13,2 20,1,13,4 20,1,13,5 20,1,15pr. 20,1,15,1 20,1,15,2 20,1,16,1 20,1,16,3 20,1,16,9 20,1,23,1 20,1,26,2 20,1,27 20,1,29pr. 20,1,32 20,1,34,1 20,1,34,2 20,3,3 20,3,4 20,4,3,2 20,4,5 20,4,9pr. 20,4,9,1 20,4,9,3 20,4,11pr. 20,4,11,1 20,4,11,2 20,4,11,3 20,4,12pr. 20,4,12,5 20,4,14 20,4,20 20,4,21,1 20,5,7,2 20,5,12pr. 20,5,12,1 20,5,13 20,6,7,4 20,6,8,3 21,1,5 21,2,58

211192, 220252, 223264 207161, 211191 212198 209174, 211192 209174 212200 212201 212201 212202, 213206 215227 215227 212198, 212200 210180, 212203 213206, 215225 212204 211195 22114, 213214 84119, 207164 215224 216230 212203 211192 84119, 207164 212203 215224 216228 212205, 215224 211192 216228 216228 211192 216228 216228 211192 212198 211193, 211195 215224 209174 211192, 215225 215224 210188 214220 4182, 13079, 212204 209174 212205 212205 227288 12240

21,2,66pr. 22,1,4pr. 22,1,38,3 22,1,38,10 22,3,14 22,3,23 22,3,28 22,4,4 22,5,17 23,2,1 23,3,9,1 23,3,42 23,7,20pr. 24,1,28,3 24,1,50pr. 24,1,52pr. 26,4,7 26,7,16 26,7,46,1 26,8,5,5 26,8,9,2 27,1,1pr. 27,1,6,9 27,1,6,11 27,1,6,14 27,3,9,7 27,9,5,3 28,1,4 28,3,13 29,2,27 29,2,95 30,71,1 30,71,5 31,34,1 31,34,7 31,66,6 31,85 32,3,3 32,20 32,29,3 32,101pr. 33,4,14 33,7,2,1 34,1,4pr. 34,2,8 34,2,39,1 34,3,8,7

323 211195 122-12345, 167287, 182 12976 18934, 19790 160247 212204 227288 84119, 207164, 211192, 220252, 223264 91150 230306, 230308 231313 12765 212204 97183 4182, 13079 19894 417 4182, 13079 227288 215224 7146 228295 226281 228297 226281 11924 215224 417 417 57177 1167 12240 207160 227284 227284 12346 4182, 13079 12976 207160 12240, 167287, 182 227292 227292 227288 227284, 227286 97183 204146 18937, 211190

324 34,4,30,1 34,4,30,3 35,1,43pr. 35,1,44,10 35,2,1pr. 35,2,30,3 35,2,49pr. 36,1,32,2 36,1,61pr. 38,1,24 38,10,4pr. 38,10,4,1 38,10,4,2 38,10,4,3 38,10,4,4 38,10,4,5 38,10,4,6 38,10,10,1 38,15,2,2 39,2,13,1 39,2,19pr. 39,2,22,1 39,2,44,1 39,3,8 39,5,1 39,5,2,5 39,5,9pr. 39,5,34pr. 39,6,1pr. 39,6,35,1 39,6,37,1 39,6,39 39,6,42pr. 40,2,7 40,4,60 40,12,41,1 40,12,43 40,12,44pr. 41,1,1pr. 41,1,10 41,1,31pr. 41,2,1pr. 41,2,1,15 41,2,3,18 41,2,3,20 41,2,3,23 41,2,9 41,2,18pr. 41,2,18pr.

Quellenregister 227292 227292 97183 97183 11820 12765 97183 231313 215227 1167 227285 227285 227285 227285 227285 227285 227285 227288 11920 207160 207160 97183 211192 207160 12872 141142 19044 12872 12976 227288 12976 12976 12976 99187 227292 160247 160247 231313 231313 417 148180 227288 209175, 209177 11924 19897 3652 18934, 19790 18934 19790

41,2,30,6 41,2,24 41,2,36 41,2,39 41,2,40pr. 41,3,4,21 41,3,13pr. 41,3,16 41,3,30pr. 41,3,31,3 41,3,33pr. 41,3,33,4 41,3,37 41,4,2,7 41,5,2,1 41,5,2,2 42,5,9,5 42,5,24,2 42,6,1,9 42,8,6,6 42,8,10,22 42,8,13 43,26,1pr. 43,26,1,2 43,26,1,3 43,26,2pr. 43,26,2,1 43,33,1,1 44,2,30,1 44,3,14,3 44,3,14,5 44,4,2,3 44,4,4,8 44,4,4,16 44,7,1 44,7,1pr. 44,7,1,1 44,7,1,2

44,7,1,3 44,7,1,4 44,7,1,5

19899 18934, 19790 209175 19791, 210178 209174 210186 209174, 210182 209175, 209177 227288 18934, 19790 12025 207163, 209175 417 204145 18934, 19790 18934, 19790 216230 1259, 4182, 4183, 13079, 200112, 201116 89144 47121, 53156, 56, 57172, 178335 49132 210183 18938 12872, 19147 18935 210179 18938, 210179 209174 215227 213206 215224 144162 216230 144161, 144162 99187, 218 642, 102, 157232 642, 106 312, 735, 9, 4076, 107, 107240, 112263, 12556, 13495, 136109, 185, 219, 236, 239 312, 9, 7460, 107, 107240, 19152, 239 312, 9, 107, 107240, 19362, 239 312, 9, 7460, 7566, 107, 107240, 202127,

Quellenregister

44,7,1,6

44,7,1,7 44,7,2 44,7,2pr. 44,7,2,2 44,7,3pr. 44,7,3,1 44,7,4

44,7,5pr. 44,7,5,1 44,7,5,2 44,7,5,3

44,7,5,4 44,7,5,5 44,7,5,6 44,7,16 44,7,25 44,7,25pr. 44,7,25,1 44,7,34,1 44,7,34,2 44,7,39 44,7,49 44,7,52 44,7,52pr. 44,7,52,1 44,7,52,3 44,7,52,7 45,1,1,4 45,1,2pr. 45,1,38,7 45,1,38,8

239 312, 9, 7460, 7566, 107, 107240, 206156, 239 106236, 111 417 107238 155217 117, 12975 106, 12875, 12977 7355, 8099, 82107, 93162, 104227, 110256, 144164, 159242, 1845 6834, 96179, 102, 102210, 103, 157 6834, 102, 102211, 103, 157 6834, 102, 102212, 103, 157 6834, 102, 102213, 103, 13289, 155218, 156, 156227, 157, 158234, 158238, 18614 6834, 102, 103218, 157 6834, 102, 103218, 157 6834, 102, 103218, 157 18727 91150 92160, 11818 7886, 90, 92161, 153205 1261 11924 90148 20106, 94168, 97183, 153205 229 230309 735, 7564, 235 735, 843, 7564, 141146, 234328 231313 154214 11818 18934, 19790 18934, 19790

45,1,38,23 45,1,68 45,1,74 45,1,75pr. 45,1,75,1 45,1,75,4 45,1,75,5 45,1,75,10 45,1,83,6 45,1,100 45,1,126,2

45,2,9pr. 46,1,52pr. 46,1,54 46,1,56,2 46,2,6,1

46,2,7 46,2,12 46,3,5,2 46,3,14,8 46,3,20 46,3,35 46,3,38,3 46,3,43 46,3,54 46,3,80

46,3,96,3 46,3,98pr. 46,3,98,6 46,3,107 46,4,8,3 46,6,7 47,2,1pr. 47,2,1,3 47,2,12,2 47,2,14,3 47,2,14,5 47,2,14,6

325 215224 12764 2926, 3028, 13495 2926, 13496 13496 2926, 134996 2926, 13496 12244, 167287, 182 12346 230309 3763, 4182, 13079, 142149, 181343, 232318 203133, 205150 216234 218249 141142 3763, 49132, 142149, 143154, 181343, 232318 3763, 142149, 181343, 232318 147177 137115 7146 12346 204144 12346 215227 3866, 146170 735, 843, 268, 34, 38, 60187, 62, 131, 13187, 136107, 147173, 154214, 166284, 168288, 177331, 180339, 182, 220254, 234324, 237336, 241 215225 12346 3866, 146170 3867 3972 230309 227288 11923, 210187 210182, 210186 202122 210186 210186, 216235

326 47,2,14,7 47,2,15pr. 47,2,15,2 47,2,19,5 47,2,43pr. 47,2,44pr. 47,2,52,20 47,2,55pr. 47,2,60 47,2,62,1 47,2,74 47,2,77pr. 47,8,2,22 47,8,2,23 47,10,15,32 47,10,32 48,5,6,1 48,5,35pr. 48,5,35,1 48,7,7 48,10,15,3 49,1,19 49,14,28 50,1,33 50,1,37,2 50,4,18,26 50,12,10 50,14,3 50,16,5,1 50,16,10 50,16,11 50,16,19

50,16,47 50,16,103 50,16,110 50,16,144 50,16,163,1 50,16,176 50,16,195,1 50,16,223,1

Quellenregister 210186 210186 19683 210186 147176 147176 225267 216233 19683 218249 22115, 215224 18830, 19149, 199100 207160 200107, 200108 22115, 215224 160247 227288 230308, 230310 230310 207160 231313 11920 211192 228297 11920 225271 227284 227288 227288 45111 45111 735, 843, 2610, 46, 47, 49132, 49134, 50140, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 56168, 57, 58, 59, 59184, 60, 61, 62, 84120, 97183, 177, 178, 178333, 182, 220254, 227288, 324 234 , 241 3866, 146170 228298 19791 227288 227288 3866, 146170 7884 2922

50,17,34 50,17,35 50,17,41pr. 50,17,45pr. 50,17,54 50,17,84,1 50,17,167pr. 50,17,196 50,17,202 50,17,206

227288 227288 227288 208167 20105, 94167, 95170, 96182, 153205, 19366, 202122, 203135 49132 3972, 3974 139129 19896 12242 734, 2819, 6729 12243, 167287, 182 230309, 230310 1466, 1154 143157, 150190

Codex Iustinianus 2,6,3 3,28,36,2 3,42,5 4,18,2,1 4,24,3 4,24,4 4,24,6 4,24,9 4,30,3 4,32,3 4,34,1 4,39,7 4,51,4 5,3,1 5,15,2 5,16,16 5,37,18 7,39,8,1 8,13,2 8,13,13 8,13,19 8,16,4 8,17,3 8,20,1 8,23,2 8,26,1pr. 8,26,1,1 8,26,1,2 8,26,1,3

144162 225269 225269, 226277 19574 216232 215224 54157, 218244 210181 144161 137115 202127 212202 214221 12872 12872 12872 215224 207160 207160 214221 216234 212202 213207 212205 213206 215226 215226 215226 215226

50,16,233,2 50,16,236pr. 50,16,236,1 50,16,238,2 50,17,23

327

Quellenregister 8,27,7 8,32,1

215224 215227

8,34,3

214219

3. Nachjustinianische Quellen Accursius Magna Glossa Gl. Notitia ad Dig. 1, 1, 10

Codice Civile 1865 (Italien) Art. 1097 645 310

Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch §859 645 §936 36 §957 24 , 26 §971 24 , 36 §983 24 , 36 Azo Summa Codicis Fol. 107, Col. 2

415

Bürgerliches Gesetzbuch §311 65 §488 24 §598 24 §607 24 §688 24 §812 65 §823 65

Codice Civile 1942 (Italien) Art. 1173 645 Art. 1766 13 Art. 1803 13 Art. 1813 13 Art. 2786 13 Código Civil (Spanien) Art. 1089 645 Art. 1740 13 Art. 1758 13 Art. 1863 13 Nieuw Burgerlijk Wetboek (Niederlande) Art. 6:1 656 Obligationenrecht (Schweiz) Art. 1 65 Art. 41 65 Art. 62 65 Art. 305 24 Art. 312 24 Art. 472 24

Code Civil (Frankreich) Art. 1370 645 Art. 1875 13 Art. 1892 13 Art. 1915 13 Art. 2011 13

Theophili Paraphrasis 3,13,2 19101, 108, 238337

II. Literarische Quellen Auctor ad Herennium Rhetorica ad Herennium 4,51,64 18721, 18722 Cato De agri cultura 146,5 149,7 150,6

208167 208167 208167

150,7

208167

Cicero Brutus 41,152

46118

De legibus 2,20,51 2,21,53

146171 146171

328 2,47

Quellenregister 1680

Gellius Noctes Atticae 1,22,7 6,15,2 11,18,20 16,10,8

46118 18617, 18830, 199100, 204138, 205147 11923 138126

Livius Ab Urbe condita 6,1,2

6726

Ovidius Ars amatoria 1,435

18722

Plautus Asinaria 2,4,38 2,4,39

18721, 18722 18721, 18722

Epistulae ad Familiares 7,12,2 162256 13,35 18722

Aulularia 1,2,17 2,9,4

18721, 18722 18722

In Verrem 4 6,9

Epidicus 697 698 699

160246 160246 160246

Persa 1,3,36

18722

Rudens 2,4,21

18722

Plinius Minor Epistulae 2,11

18722

De natura deorum 3,30,74 50139 De officiis 1,7,23 3,15,61 3,17,70 3,70

2822 162256 3759, 46115, 52, 162256 3547

De oratore 1,41,186 1,41,187 1,42,187 2,142

46118 46118 46118 1680

De republica 4,7,21

28

22

18721 18722

Pro Q. Roscio Comoedo 4,11 4498 4,13 269, 43, 44102, 62, 241 5,14 269, 43, 45102, 62, 83115, 241 Topica 5,28 10,42 17,66

47124 50139 50139, 162256

Tusculanae Disputationes 3,17 18722

Scriptores Historiae Augustae Vita Maximini Duo 27,5 226276

Festus De verborum significatione 213 208167

Terentius Hecyra 5,1,34

18722

329

Quellenregister Valerius Maximus Facta et dicta memorabilia 8,2,4 19149

Varro De lingua Latina 5,179

12657

III. Epigraphische und papyrologische Quellen Corpus inscriptionum latinarum – Fontes iuris romani anteiustiniani FIRA pars. altera S. 305 18935 FIRA pars altera S. 306 12765 CIL III 2; FIRA III 122 137117, 141144 CIL IV 1; FIRA III 91 160–161247 FIRA III 92 45104, 161247

CIL VI 266

226275

Rylands Papyri III 474

4184

Tabulae Pompeianae Sulpiciorum 31 139129 50–59 137117, 141144 51 142149, 233322 13183 60–65 66–69 141144