Objektive Marktzugangsbeschränkungen im Taxengewerbe aus verfassungs- und europarechtlicher Sicht: Eine rechtliche Untersuchung auf der Grundlage wirtschaftswissenschaftlicher, empirischer und historischer Erkenntnisse [1 ed.] 9783428492138, 9783428092130

Den Mittelpunkt der Untersuchung bildet die Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit der zahlenmäßigen Begrenzung von Tax

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Objektive Marktzugangsbeschränkungen im Taxengewerbe aus verfassungs- und europarechtlicher Sicht: Eine rechtliche Untersuchung auf der Grundlage wirtschaftswissenschaftlicher, empirischer und historischer Erkenntnisse [1 ed.]
 9783428492138, 9783428092130

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Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft

Band 114

Objektive Marktzugangsbeschränkungen im Taxengewerbe aus verfassungsund europarechtlicher Sicht Eine rechtliche Untersuchung auf der Grundlage wirtschaftswissenschaftlicher, empirischer und historischer Erkenntnisse

Von

Alexander Bardarsky

Duncker & Humblot · Berlin

ALEXANDER BARDARSKY

Objektive Marktzugangsbeschränkungen im Taxengewerbe aus verfassungs- und europarechtlicher Sicht

Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Hans-Uwe Erichsen Dr. Helmut Kollhosser Dr. Jürgen Welp

Band 114

Objektive Marktzugangsbeschränkungen im Taxengewerbe aus verfassungsund europarechtlicher Sicht Eine rechtliche Untersuchung auf der Grundlage wirtschaftswissenschaftlicher, empirischer und historischer Erkenntnisse

Von

Alexander Bardarsky

Duncker & Humblot * Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Bardarsky, Alexander Objektive Markzugangsbeschränkungen im Taxengewerbe aus verfassungs- und europarechtlicher Sicht : eine rechtliche Untersuchung auf der Grundlage wirtschaftswissenschaftlicher, empirischer und historischer Erkenntnisse / von Alexander Bardarsky. - Berlin : Duncker und Humblot, 1998 (Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft ; Bd. 114) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-09213-9

D6 Alle Rechte vorbehalten © 1998 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 3-428-09213-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Meinen Eltern in Dankbarkeit

Vorwort Im Dezember 1995 ist diese Arbeit von der Juristischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen worden. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung befindet sich die Arbeit in den wesentlichen Teilen auf dem Stand von Dezember 1996. Für die Anregung zu diesem Thema und für seine Begleitung danke ich meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Dirk Ehlers. Herrn Prof. Dr. Bodo Pieroth habe ich für die Ausfertigung des Zweitgutachtens zu danken. Meinem Vater, Dimiter T. Bardarsky, bin ich in vielerlei Hinsicht zu tiefem Dank verpflichtet, ganz besonders für sein immerwährendes Engagement und seine schrankenlose Hilfsbereitschaft. Auch meiner lieben Frau, Dr. Bärbel Bardarsky, danke ich in besonderem Maße, da ich in ihr einen nimmermüden, interessierten und wertvollen Zuhörer und Gesprächspartner fand. Meiner Schwester, Frau Dr. Brigitte Krokotsch, gilt mein Dank für ihre sachkundigen Hinweise zu berlinhistorischen Fragen ebenso wie Herrn Dr. Merl, von der Handelskammer Hamburg für die Bereitstellung vorbildhafi gesammelter Daten über das Hamburger Taxengewerbe. Zu danken habe ich schließlich auch den vielen Taxiunternehmern und -fahrern, die mir durch ihre offenen Schilderungen wichtige Einblicke in die tägliche Berufspraxis und -erst- dabei zutagetretenden Probleme bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorschriften ermöglichten. Berlin, 07. Juni 1997 Alexander Bardarsky

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

19

Erster

Teil

Geschichte und Gegenwart des deutschen Taxengewerbes

22

1. Kapitel: Die historische Entwicklung des Taxengewerbes in Berlin

22

2. Kapitel: Die Entwicklung des PBefG und seiner zahlenmäßigen Beschränkung des Taxengewerbes

48

3. Kapitel: Der gegenwärtige staatliche Ordnungsrahmen

61

1. Abschnitt: Überblick

62

2. Abschnitt: Die subjektiven Zulassungsschranken

69

3. Abschnitt: Die objektive Zulassungsschranke

72

4. Abschnitt: Rechtsanwendungsprobleme und Fehleranalyse

75

Zwe iter

Teil

Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG mit den Grundrechten

88

nsverzeichnis

1. Kapitel: Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 GG

89

1. Abschnitt: Eingriff in den Schutzbereich

90

2. Abschnitt: Die Schranke aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG

92

A. Formelle Anforderungen an § 13 Abs. 4 PBefG

93

I. Verifizierbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung II. Tatsachenfeststellung und Folgeneinschätzung als Pflicht des Gesetzgebers . 1. Die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts 2. Die Meinungen in der Literatur

94 99 99 106

a) Verneinung einer Ermittlungspflicht

106

b) Bejahung einer Ermittlungspflicht. . .

108

3. Stellungnahme

112

B. Materielle Anforderungen an § 13 Abs. 4 PBefG

118

I. Das überragend wichtige Gemeinschaftsgut

118

1. Die Auffassungen in der Rechtsprechung

119

2. Die Meinungen in der Literatur

126

3. Stellungnahme

127

a) Die „Funktionsföhigkeit des örtlichen Taxengewerbes" im Wandel . . .

128

b) Die Verkehrssicherheit

134

c) Die Ordnung im Taxenverkehr

136

d) Der Schutz des Mittelstandes

137

4. Zwischenergebnis II. Die nachweisbare oder höchstwahrscheinliche Gefahr 1. Die Auffassungen in der Rechtsprechung

138 139 140

a) BVerwGE 1, 92 ff.

140

b) BVerfGE 11, 168 ff.

141

c) Die spätere Rechtsprechung von BVerwG und BVerfG

144

d) Die Rechtsprechung der Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte. . 146 2. Die Meinungen in der Literatur

150

nsverzeichnis

11

3. Exkurs: Das Urteil des VfGH Österreich vom 23.6.1986 zur zahlenmäßigen Begrenzung der Taxen 154 4. Stellungnahme

158

a) Prüfung des Arguments „drohendes Markversagen" mittels wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse 159 aa) Einfuhrung

160

bb) Betriebswirtschaftliche „Besonderheiten" ?

163

(1) Nichtspeicherbarkeit der Leistungen und Nachfrageempfindlichkeiten

163

(2) Die Leerfahrten

167

cc) Die volkswirtschaftlichen „Besonderheiten" ( 1 ) Das natürliche Monopol

169 169

(2) Externe Effekte

172

(3 ) Die ruinöse Konkurrenz

173

(a) „Zitronenwettbewerb"

174

(b) Verdrängungs- und Vernichtungswettbewerb

175

(c) Verzögerte Anpassung

177

dd) Zusammenfassung und Zwischenergebnis

186

b) Prüfung des Arguments „drohendes Markversagen" mittels empirischer Datenanalyse 187 aa) Einführung

187

bb) Die Entwicklung in deutschen Städten ohne zahlenmäßige Begrenzung der Taxen

189

(1) Hamburg

189

(2) Berlin

196

(3) Andere Städte

199

(4) Zwischenergebnis

201

cc) Die Entwicklung in den USA (1) Überblick

202 202

(2) Die Erfahrungen mit einer Deregulierung des Taxengewerbes. . 206 dd) Zusammenfassung und Zwischenergebnis

210

12

nsverzeichnis

2. Kapitel: Gesamtergebnis und Schlußfolgerungen

Dritter

212

Teil

Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung im Taxengewerbe mit dem Recht der Europäischen Union 1. Kapitel: Die Zulassung von EU-Ausländern als Taxiunternehmer nach deutschem Recht

215

216

2. Kapitel: Überblick über die einschlägigen Regelungen des Europarechts. . 217 3. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG mit der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 52 EGV

219

1. Abschnitt: Der Inhalt der Niederlassungsfreiheit

221

A. Die Rechtsprechung des EuGH

221

B. Die Meinungen in der Literatur

235

I. Art. 52 EGV als Diskriminierungsverbot II. Art. 52 EGV als allgemeines Beschränkungsverbot C. Stellungnahme

235 239 241

2. Abschnitt: Rechtfertigung des Eingriffs von § 13 Abs. 4 PBefG in die Niederlassungsfreiheit 246

3. Abschnitt: Rechtsfolge und Zwischenergebnis

247

4. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG mit der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 59 f. EGV

247

1. Abschnitt: Anwendbarkeit der Art 59 f. EGV auf den Verkehr

249

A. Die Frist zur Umsetzung der Dienstleistungsfreiheit im Verkehr

250

I. Die Rechtsprechung des EuGH

250

II. Die Meinungen in der Literatur

254

nsverzeichnis

13

Β. Stellungnahme

255

2. Abschnitt: Der Inhalt der Dienstleistungsfreiheit

262

A. Die grundsätzliche Auslegung der Dienstleistungsfreiheit

263

I. Die Rechtsprechung des EuGH

263

II. Die Meinungen in der Literatur

267

1. Die Dienstleistungsfreiheit als Diskriminierungsverbot

267

2. Die Dienstleistungsfreiheit als allgemeines Beschränkungsverbot

268

III. Stellungnahme

269

IV. Exkurs: Qualitative Beschränkung von Dienstleistungsunternehmen im Lichte der EuGH-Rechtsprechung zu Art. 30 EGV

273

B. Die Auslegung im Verkehrsbereich

277

I. Die Rechsprechung des EuGH

277

II. Die Meinungen in der Literatur

279

III. Stellungnahme

281

3. Abschnitt: Zusammenfassung und Zwischenergebnis

284

5. Kapitel: Ergebnis

285

Vierter

Teil

Zusammenfassung

286

Literaturverzeichnis

288

Sachwortregister

303

Abkürzungsverzeichnis a. Α.

anderer Auffassung

abgedr.

abgedruckt

Abi.

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften

Abs.

Absatz

Abschn.

Abschnitt

a. F.

alte Fassung

AöR

Archiv des öffentlichen Recht

Art.

Artikel

AZVO

Arbeitszeitverordnung

BB

Betriebsberater

Beschl.

Beschluß

Betr'e

Betriebe

BGBl

Bundesgesetzblatt

BOKraft

Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrtunternehmen im Personenverkehr vom 21. Juli 1975

bspw.

beispielsweise

BT

Bundestag

BT Drucks.

Bundestags-Drucksache

BR

Bundesrat

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung)

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BZP

Bundes-Zentralverband der Deutschen Personenverkehrsunternehmer mit Pkw e. V.

15

Abkürzungsverzeichnis

DB

Der Betrieb

DDR

Deutsche Demokratische Republik

Dez.

Dezember

dies.

dieselbe

dito

dasselbe

DÖV

Die Öffentliche Verwaltung

DPV

Der Personenverkehr

DVB1

Deutsche Verwaltungsblatt

DV

Durchführungsverordnung

DVO PBefG

Durchführungsverordnung zum PBefG

EAGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft

EEA

Einheitliche Europäische Akte

EG

Europäische Gemeinschaft

EGKSV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18.4.1951

EGV

Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft vom 7.2.1993

ENeuOG

Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27.12.1993

EU

Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EuGHE

Entscheidungssammlung

des

Europäischen

Gerichtshofs EuGRZ

Europäische Grundrechte-Zeitschrift

EUR

Europarecht

EUV

Vertrag über die Europäische Union

EuZw

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EWG EWGV

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Gemeinschaft

Gem.

16

Abkürzungsverzeichnis

GewArchiv

Gewerbearchiv

GG

Grundgesetz

gem.

gemäß

GüKG

Güterkraftverkehrsgesetz

Hdb.

Handbuch

h. M

herrschende Meinung

i. d. F.

in der Fassung von

insbes.

insbesondere

i. S. d.

im Sinne des

i. ü .

im übrigen

i. V. m.

in Verbindung mit

Kap.

Kapitel

lit.

Ziffer

Ls

Leitsatz

m. a. W.

mit anderen Worten

Ms

Mitgliedstaaten

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

n. F.

neueste Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NZV

Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht

ÖPNV

Öffentlicher Personennahverkehr

OVG

Oberverwaltungsgericht

PBefG

Personenbeförderungsgesetz

PBG

Personenbeförderungsgesetz vom 4.12.1934 in der Fassung vom 6.12.1937

RiLi

Richtlinie

RIW

Recht der Internationalen Wirtschaft

Rn.

Randnummer

Rs.

Rechtssache

Abkürzungsverzeichnis

17

s. a.

siehe auch

Slg.

Entscheidungssammlung des Europäischen Gerichtshofs

s. u.

siehe unten

TranspR

Transportrecht

unveröff.

unveröffentlicht

VerfGH

Verfassungsgerichtshof

VerfGHNW

Verfassungsgerichtshof von Nordrhein-Westfalen

VfGH

Verfassungsgerichtshof von Österreich

VG

Verwaltungsgericht

vgbl.

vergleichbar

VO

Verordnung

VRS

Verkehrsrecht-Sammlung

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

VVDStrL.

Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

wirtsch.

wirtschaftlich

WiSt

Wirtschaftswissenschaftliches Studium

WuW

Wirtschaft und Wettbewerb

WVRK

Wiener Vertragsrecht Konventionen

ZfV

Zeitschrift fur Verkehrswissenschaften

ZG

Zeitschrift für Gesetzgebung

Ziff.

Ziffer

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik (Beilage zur NJW)

2 Bardarsky

Einleitung Das Taxengewerbe wird nach der Deregulierung des Verkehrsmarktes der am stärksten regulierte Verkehrszweig in Deutschland sein. Die Reglementierungen reichen von Zulassungsbeschränkungen, weitreichenden Unternehmerpflichten und Tarifbindung bis hin zum Werbeverbot. Die intensivste Beschränkung beinhaltet der § 13 Abs. 4 PBefG. Danach können die Behörden unter bestimmten Voraussetzungen die Zahl der Taxen in ihrem Zuständigkeitsbereich begrenzen, also Neubewerbern wie expansionswilligen Altunternehmern die erforderliche Fahrzeugkonzession verweigern. Die Vorschrift hat in der Praxis zwei gravierende Folgeerscheinungen: Jahrelange Wartezeiten bis in den zweistelligen Bereich und korrespondierend hierzu Preise für die übertragbaren Konzessionen bis in sechsstellige Dimensionen. In den meisten deutschen Großstädten wird faktisch nur derjenige Taxiunternehmer, der die geforderten Summen für die Konzession aufbringen kann. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich in den vergangenen 35 Jahren mit Detailregelungen des Verteilungsverfahrens beschäftigt, ohne die eigentliche Ursache der Mißstände, die Möglichkeit zur Kontingentierung der Konzessionen durch die Behörden, in Frage zu stellen. Die Aktualität des Problems erkennt, wer die Verkehrsentwicklung in den Innenstädten verfolgt. Obwohl die Netze des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) immer weiter ausgebaut worden sind, hat der Individualverkehr gerade dort extrem zugenommen. Das Taxi ist prädestiniert, die bestehende Lücke zwischen Individualverkehr einerseits und Linienverkehr andererseits zu füllen. Es ist das einzige Verkehrsmittel, das prinzipiell alle Vorteile des eigenen Pkw im innerstädtischen Verkehr - und noch einige zusätzlich - in sich vereint und nach einer Umstrukturierung die interessanteste Alternative für bisherige Selbstfahrer sein könnte. Dem steht § 13 Abs. 4 PBefG jedoch in zweifacher Hinsicht entgegen: Zum einen wird durch die künstliche Begrenzung der Taxizahlen der Innovationsdruck von den bestehenden, alteingesessenen Unternehmen genommen. Und zum anderen gelangen gerade innovationsfreudige und -interessierte Jungunternehmer erst gar nicht auf den Markt. Entsprechend lautete deshalb im April 1990 der Vorschlag der von der Bundesregierung eingesetzten "Unabhängigen Expertenkommission zum Abbau marktwidriger Regulierungen", Deregulierungskommission: Aufhebung des § 13 Abs 4 PBefG. Im Gegensatz zu den meisten anderen Vorschlägen der Kommission, wurde dieser von der Bundesregierung jedoch nicht in den Bundestag eingebracht. Die angegebene Begründung - eine "zu starke" Expansion des Gewerbes in den alten Bundesländern vor Inkrafttreten des PBefG - wird nur 2»

20

Einleitung

vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung des Taxengewerbes und des § 13 Abs. 4 PBefG nachvollziehbar (dazu im 1. Teil). Im Vordergrund der heutigen Argumentation steht ein Kausalverlauf, den das Bundesverfassungsgericht, im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG, bereits 1960 formulierte. Danach wäre der Zulauf in das Taxengewerbe ohne behördliche Regulierung so stark, daß die unvermeidliche Übersetzung des Gewerbes in einen ruinösen Wettbewerb aller Unternehmer münden und schließlich zum Darniederliegen des ganzen Berufes, dem Verlust seiner Existenz und damit auch seiner Funktion fuhren werde. Die vorliegende Arbeit wird zeigen, daß dieser Kausalverlauf dem Gesetz zugrunde gelegt wurde, ohne auch nur von einer der drei Staatsgewalten auf seine sachliche Richtigkeit hin überprüft worden zu sein. Dies wirft bereits die grundsätzliche Frage auf, ob ein solches Gesetzgebungsverfahren noch den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht (dazu im 2. Teil, 1. Kap., 2. Abschn. Α.). Vergegenwärtigt man sich, daß die angesprochenen extremen Wartezeiten und Konzessionspreise seit drei Jahrzehnten auf einer unbewiesenen Hypothese beruhen, wird die Zielsetzung dieser Arbeit deutlich. Die konstruktive Kritik eines Teils der Rechtsprechung und Literatur scheiterte bislang ausnahmslos daran, daß sie im Bereich der logischen Überlegung blieb und deshalb vom 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts schlichtweg ignoriert wurde. Vor diesem Hintergrund konnte sich die hier vorgenommene Auseinandersetzung mit § 13 Abs. 4 PBefG nicht auf eine rechtsdogmatische Argumentation beschränken. Deshalb erfolgt nach der Darstellung der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur eine eigenständige Untersuchung über die Folgen einer Aufhebung von § 13 Abs. 4 PBefG (2. Teil, 1. Kap., 2. Abschn., Β., II., § 4). Der von BVerfG und Gesetzgeber zugrunde gelegte, oben wiedergegebene Kausal verlauf hat seine Wurzeln in einer vor allem wirtschaftswissenschaftlich prüfbaren Behauptung: Die natürlichen marktwirtschaftlichen Regularien von Angebot und Nachfrage funktionieren im Taxengewerbe nicht. Zur Vermeidung von Übersetzung, ruinöser Konkurrenz und schließlichem Existenz- und Funktionsverlust muß der Zugang zum Gewerbe seitens des Staates geregelt werden. In den Wirtschaftswissenschaften ist das Phänomen des "Marktversagens" seit langem bekannt, so daß anhand der einschlägigen Erkenntnisse die Voraussetzungen für ein solches Marktversagen herausgearbeitet und mit den Gegebenheiten im Taxengewerbe verglichen werden konnten. Allerdings ist auch diese Untersuchung eine theoretische und provoziert damit den Einwand, daß in der Praxis alles anders aussehe. Im Vorgriff darauf wurden die in der wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse mit der tatsächlichen und dezidiert dargelegten Entwicklung in deutschen Städten verglichen, die auf eine zahlenmäßige Begrenzung der Taxen verzichten. Zusätzlich werden in den USA gemachte Erfahrungen wiedergege-

Einleitung

ben und analysiert, die in der Öffentlichkeit als abschreckende Nachweise für die Richtigkeit des beschriebenen Kausalablaufs angeführt werden. Zusammen mit der Auswertung von 250 Jahren Taxengeschichte in Berlin entsteht somit ein stabiles und aussagekräftiges Fundament für eine sachgerechte, an objektiven Maßstäben und Fakten ausgerichtete Entscheidung über die Berechtigung von § 13 Abs. 4 PBefG. Im zusammenwachsenden Europa und vor dem Hintergrund des am 1.1.1993 auf der Grundlage des Maastrichter Vertrages in Kraft getretenen "Gemeinsamen Binnenmarktes" war § 13 Abs. 4 PBefG schließlich auch einer Prüfung an europarechtlichen Maßstäben zu unterziehen. Im 3. Teil der Arbeit wird deshalb in konstruktiver Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur der Frage nachgegangen, ob bzw. inwieweit die scharfen deutschen Restriktionen im Taxengewerbe auch auf niederlassungs- und dienstleistungswillige EU-Ausländer anzuwenden sind.

Erster

Teil

Geschichte und Gegenwart des deutschen Taxengewerbes Eine einheitliche Regelung des Droschkengewerbes für das gesamte deutsche Gebiet entstand erst in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts. Bis dahin unterlag das Beförderungswesen regional unterschiedlichen Bestimmungen. Das Droschkenwesen selbst war und ist typischerweise regional organisiert. Auch große Betriebe erreichten nie überregionale Bedeutung. Jede Stadt bildet einen in sich abgeschlossenen Markt, so daß die Entwicklung in den einzelnen Regionen durchaus unterschiedlich voneinander verlaufen kann. Die Probleme dieses Gewerbezweiges waren immer dieselben und sind es noch immer. Sie treten am deutlichsten in den Großstädten hervor, in denen die Entwicklung - verglichen mit Gebieten großer Fläche und geringer Droschkendichte - wie im Zeitraffer verläuft und die Ursachen und Wechselwirkungen sehr viel klarer zu erkennen sind. Unter den deutschen Großstädten kommt Berlin eine besondere Bedeutung zu. Dies zum einen deshalb, weil die Geschichte des Droschkengewerbes hier über 250 Jahre alt ist und Berlin damals durch seine Handelsbeziehungen und die Entwicklung des Gewerbes zu den bedeutendsten Städten Mittel-Europas gehörte. Entsprechend groß war seine Anziehungskraft für ausländische Besucher, die wiederum maßgeblichen Einfluß auf die Entwicklung der Personenbeförderung hatten. Zum anderen war Berlin zur damaligen Zeit Residenz des Preußischen Königs. Das Lohnfuhrwesen in dieser Stadt war seine Erfindung und unterlag seinem besonderen Augenmerk. Im Vergleich zu anderen Regionen wurde deshalb sehr schnell auf Fehlentwicklungen des Beförderungswesens reagiert, weshalb sich die angesprochene Wechselwirkung hier besonders deutlich abzeichnet. I.Kapitel

Die historische Entwicklung des Taxengewerbes in Berlin Die Gründung des Personenb'eförderungswesens in Berlin geht auf eine Kabinettsorder Friedrich Wilhelms I. im Jahr 1739 zurück. 1 Um die Entwicklung

1 Das erste nicht private, innerstädtische Personentransportmittel entstand bereits ein halbes Jahrhundert früher. Nach dem „Reglement für die Porte-Chaisen" wurde am 1.

1. Kapitel: Historische Entwicklung des Taxengewerbes in Berlin

23

der Stadt zu fordern und den Bedarf der vielen Besucher nach innerstädtischen Verkehrsmitteln zu erfüllen, beschloß der König am 11. Dezember 1739 per allerhöchster Kabinettsorder die Errichtung eines Personen-Lohnfuhrwesens. Für einen ersten Versuch wurden 15 Fiaker 2 auf Kosten des Königs nach einer genauen Vorlage und mit großen weißen Nummern versehen3 angefertigt und einer entsprechenden Zahl von Kutschern kostenlos zur Verfügung gestellt. Diese mußten nur die Pferde stellen und besaßen alleine das Privileg der innerstädtischen Beförderung gegen Lohn. Die Preise, die sie für eine Beförderung zu nehmen hatten, waren einheitlich und fest vorgegeben. Insgesamt gab es fünf Standplätze, an denen die Kutscher jeden Tag von sechs Uhr morgens bis 19 Uhr abends zu halten hatten. Wegen der Chancengleichheit mußten die Plätze wöchentlich gewechselt werden. An den Plätzen selbst galt die "Reihefahrt", d.h., daß der Fahrgast immer den an erster Stelle stehenden Wagen nehmen mußte. Der Betrieb des neuen Beförderungsmittels wurde, wegen längerer Herstellungsdauer zunächst mit den eigenen Droschken der Kutscher, am 24. Dezember 1739 aufgenommen. Bereits am 30. Dezember 1739 machten die Fiakerhalter dem König den Vorschlag, ein für jedermann geltendes Verbot zu erlassen, Wagen und Pferde an andere zu vermieten. Zur Begründung gaben sie an, daß die Resonanz in der Öffentlichkeit in der zurückliegenden Woche zu gering gewesen sei. Daraufhin wurde am 4. Januar 1740 mittels Kabinettsorder ein entsprechendes Verbot mit einer Ausnahmeregelung für die Gastwirte erlassen.4 Nach der Fertigstellung der bestellten 15 Fiaker wurde am 16. Januar 1740 durch königliches Reglement die "Fiaker-Gesellschaft" gegründet. Die Aufnahmebedingungen sahen vor, daß die Interessenten wenigstens drei bis vier Pferde und einen eigenen "Schwimmerwagen" wegen etwaiger reparaturbedingter Fiakerausfalle besitzen mußten. Wer mehr als einen Fiaker übernehmen wollte, mußte über mindestens sechs Pferde und zwei "Schwimmerwagen" verfügen. Die Gesamtzahl der Fiaker sollte weiterhin auf etwa 15 oder 16 begrenzt sein. Ausbesserungen waren aus Mitteln der Interessenten zu bezahlen. Im Todesfall übernahmen die Erben den Fiaker oder gaben ihn an einen

Januar 1688 für das Publikum 12 Sänften mit 24 Trägern an verschiedenen Stellen in der Stadt aufgestellt, Eger/zur Megede/Schürmann,(1986), Seite 75. 2 Dabei handelt es sich um viersitzige, sog. "Schwimmerwagen", mit platter Decke und ganzen Türen, die vorne mit kleinen Fenstern ausgestattet waren. 3 Die Nummerierung stellte eine Sicherheitsmaßnahme dar, die es jedem Fahrgast ermöglichen sollte, einen Wagen beim Polizeipräsidium zu melden, der einen überhöhten Preis forderte. 4 Vgl. zum Vorstehenden: Dieterici, Seite 155 - 157, diesbzgl. unter Hinweis auf einen aus archivarischen Quellen zusammengestellten und im Jahre 1838 gehaltenen Vortrag des preussischen Geschichtsforschers, Herrn Geheimen Archivrath Dr. Riedel.

Erster Teil: Geschichte und Gegenwart

24

neuen Interessenten weiter, unentgeltlich, sofern es sich um ein Fahrzeug des Königs handelte, oder gegen Bezahlung, wenn der Wagen selbst angeschafft worden war. Zur Überwachung der Fuhrleute wurde ein "Wagencommissarius" eingestellt, der aus den Mitteln der Gesellschaft zu bezahlen war. Trotz der zahlenmäßigen Beschränkung der Fiaker und der anderen Reglementierungen geriet die Gesellschaft bald in Schwierigkeiten. Die Einkünfte waren niedrig und die Qualität der zu stellenden Pferde wurde immer schlechter. Die Ursachen waren zum einen die, gemessen an damaligen Verhältnissen, viel zu hohen und unflexiblen Fuhrlöhne. 5 Zum anderen stammten die meisten Fiakerhalter aus ärmlichen Verhältnissen, sparten zuerst bei der Pflege der Arbeitsmittel und besaßen in aller Regel auch nicht die vorgeschriebene Zahl an Pferden. In einem Schreiben des zuständigen Stadtpräsidenten aus jener Zeit heißt es: "Es seynd schon etliche Pferde umgefallen, andere können keine Dienste mehr thun und die übrigen werden täglich matter. Es ist wahr, die Fiacres finden sich zum Theil auf den angewiesenen Plätzen nicht ordentlich ein, halten auch nicht von Morgen bis Abend 10 Uhr ohne Zwischenzeit: die Interessenten sagen: Eins sowohl als das Andere sei schlechterdings unmöglich. Es würden wenigsten 4 Pferde dazu erfordert. Da nun auf 1 Pferd kaum 3 Gr. des Tages könnten gerechnet werden, sie sämmtliche arme Leute mit Frau und Kindern wären, so sei der Schluss leicht zu machen, dass sie dabei zu Grunde gehen müssten.[...] Soll die Sache einigermaassen bestehen; so müssten über die Verordnungen wider Eingriffe in dies Fuhrwesen strenger gehalten werden, [...]." 6 Um die Fiakerhalter dazu zu zwingen, ihre Fuhrwerke immer sauber zu halten, hob der Stadtpräsident 1744 die "Reihefahrt" auf. Jedem Kunden stand es danach frei, sich den besten Wagen in der Reihe auszusuchen. Den Kutschern war fortan eine Ablehnung der Beförderung unter Hinweis auf vor ihnen stehende Fahrzeuge bei Strafe verboten. Das Interesse an den Fuhrwerken stieg nicht zuletzt wegen des Vorbilds, daß die Berliner Bürger in der Pariser Entwicklung sahen, wo das Droschkengewerbe schon früh in Mode gekommen war und florierte. Einen ersten Durchbruch erzielte das Gewerbe, als die Tarife am 24. Mai 1758 gesenkt wurden. Die Fiaker waren nun für eine größere Kundenzahl erschwinglich geworden, so daß sich ihre Zahl auf 40 im Jahr 1770 erhöhte, was gemessen an den damaligen Verkehrsverhältnissen durchaus an-

5

Die Bevölkerung kritisierte beispielsweise, daß für die Beförderung einer Person der gleiche Preis berechnet wurde wie für den Transport von vier Personen. 6 So bei Dieterici, Seite 158.

1. Kapitel: Historische Entwicklung des Taxengewerbes in Berlin

25

gemessen war. 7 Dennoch verringerte sich die Zahl der offiziellen Fiaker bis 1780 wieder auf 20. Dafür gab es im wesentlichen zwei Gründe: Zum einen war das Verbot für nicht privilegierte Fuhrherren mittlerweile in Vergessenheit geraten. Die bemittelten Fuhrleute waren mittlerweile aus der Gesellschaft ausgetreten und betrieben mit guten Wagen und Pferden eigene "MiethsUnternehmen". Demgegenüber handelte es sich bei den übrigen Fiakerhaltern um "arme, anderweitig keine Beschäftigung mehr findende Leute" mit unzumutbarem Verhalten. Eine entsprechende Beschreibung lautet: "Ausserdem war das Betragen der Fiaker-Fuhrleute ein so ungesittetes und ruchloses geworden, dass Personen aus den höheren Ständen und Frauenzimmer sich derselben nicht mehr bedienten." 8 Der Kundenkreis bestand fast nur noch aus Ortsfremden. Als die Zahl der Fiaker 1784 auf ganze sieben zurückging, versuchte das Generaldirectorium, das Fiakerwesen meistbietend zu verpachten. Das Polizeidirectorium warnte zwar hiervor, da die Verpachtung notwendigerweise die Wiedereinführung der Privilegien bedeute und damit die Existenz der mittlerweile 111 privaten Fuhrwesen gefährdet sei. Das Problem erledigte sich jedoch von selbst, da kein einziger Interessent für die Verpachtung gefunden werden konnte und die "wilden Fiaker" den Bedarf zu günstigeren Tarifen zu befriedigen vermochten. Infolgedessen löste sich "Der zur Haltung von Fiacres privilegierte Verein von Fuhrleuten" im Jahr 1794 selbst auf. In den folgenden zwei Jahrzehnten existierte in Berlin kein öffentliches, d.h. staatlich reguliertes Droschkenwesen. Dies war zugleich die erste Zeit seit Beginn ihrer Existenz, in der die Fiaker überhaupt ohne staatliche Kontrolle ihre Dienste erbringen konnten. Am 24. September 1812 beantragte der Dessauer Pferdehändler Alexis Mortier, ihm die ausschließliche Erlaubnis zur Durchführung von Personenbeförderungen in Berlin mittels neuer, aus Warschau importierter einspänniger Wagen zu erteilen. 9 Obwohl in den Jahren 1808 und 1810 die allgemeine Gewerbefreiheit proklamiert worden war, erhielt Mortier 1815 das Privileg, für die folgenden sechs Jahre als einziger in Berlin die Personenbeförderung mittels der "Warschauer Droschken" vornehmen zu dürfen. 10 Die mit der Erlaubnis verbundenen Auflagen sahen vor, daß der Betrieb mit mindestens 30 Fahrzeugen und 50 Pferden eröffnet wurde, die Wagen an polizeilich 7 Vgl. Kubisch, Seite 17; Nach Angaben in "Das Berliner Taxi Gewerbe", Sonderausgabe 1900 - 1975, besaß 1769 Berlin eine Fläche von 1330 ha und 133.520 Einwohnern. 8 Dieterici, Seite 158. 9 Mortier begründete sein Gesuch u.a. mit dem Hinweis auf die Erleichterung des Handels und aller Gewerbezweige sowie der Verschönerung der königlichen Residenz durch die eleganten Wagen, Dieterici, Seite 159. 10 Die entsprechende Kabinettsorder von König Friedrich Wilhelm ΙΠ. aus Wien vom 29. November 1814 ist im Original abgedruckt bei Evgénieff, Seite 23.

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vorgegebenen Stellen warteten, nach der Fahrt dorthin zurückkehrten und im übrigen allen polizeilichen Anordnungen strengstens unterworfen waren. Weiter wurde die Vorgabe eines "mäßig fixierten Fahrpreises" vorbehalten und die kostenlose, nächtliche Zurverfügungstellung eines Pferdes für die Feuerwache vereinbart. 11 Das Unternehmen wurde ein voller Erfolg. Die in dunkelgrünen Jacken mit gelben Schnüren und schwarzlackierten Zylindern gekleideten Kutscher hatten mit den schmutzigen Fiakerfuhrherren vergangener Zeiten nichts gemein.12 Die Zuverlässigkeit der Wagenführer wurde durch eine obrigkeitliche Instruktion sichergestellt, die von jedem eingestellten Kutscher die Entrichtung einer Kaution über 50 Thaler verlangte, die im Falle eines Pflichtverstoßes an die Staatskasse fielen. 13 Als bald nach der Eröffnung auch andere Unternehmer die Erteilung von Konzessionen verlangten, kam es zu einem Streit über die Reichweite des an Mortier vergebenen Privilegs. Die Antragsteller wiesen einerseits auf den Widerspruch zwischen Privileg und Gewerbefreiheit, andererseits auf den Wortlaut des Privilegs selbst hin. Dieses beziehe sich nämlich nur auf die Beförderung mit "Warschauer Droschken", weshalb ihnen zumindest die Beförderung mit anderen Fuhrwerken gestattet werden müsse.14 Auf diesen Vortrag hin gestattete die Polizeibehörde tatsächlich die Gründung einiger Konkurrenzbetriebe, die allerdings strengen Auflagen unterworfen waren. Dazu gehörte neben vorgegebenen Preisen auch, daß Fahrgäste entweder nur am Wohnort der Unternehmer oder von unterwegs und nur in besonderen Ausnahmen von festen Halteplätzen aus aufgenommen werden durften. Als Mortier sich hiergegen zur Wehr setzte, entschied der König persönlich durch eine auf den 19. Dezember 1816 datierte Kabinettsorder, in der es heißt: "Auf ihren Bericht vom 25. November setze ich hiermit fest, dass den hiesigen Lohnfuhrleuten das Halten des Droschken-Fuhrwerks während der Dauer des Mortier'schen Privilegiums gänzlich untersagt werden muss; - dagegen soll nunmehr dem Mortier auch nicht verstattet sein, andere Wagen als Droschken auf Plätzen und in den Strassen aufzustellen, soweit es den Lohnfuhrleuten nach wie vor freisteht, in anderen Wagen als Droschken auch auf den Strassen jemand aufzunehmen."15 Die Regelung erwies sich für Mortier und für das Allgemeinwohl als sehr vorteilhaft. Der Betrieb umfaßte bereits 1817 insgesamt 70 Droschken und 124 Pferde. Bis zum Ablauf des Privilegs im Jahr 1821 konnten Überprüfungen des Mortier'sehen Betriebs fast nur über dessen ausgezeichneten Zustand berichten. Als 1819 wieder ein Antrag auf Erteilung einer Konzession gestellt wurde, flammte der alte Streit wieder auf. Der Polizeiminister äußerte die Auf-

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Dieterici, Seite 159; s.a. Dominik, Seite 144. Dominik, Seite 144. Ein durchschnittliches Monatsgehalt der Kutscher betrug 14 Thaler. Dominik, Seite 144. Wiedergegeben bei Dieterici, Seite 160.

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fassung, daß es dem öffentlichen Fuhrwesen schlecht gehe, weil die Konkurrenz fehlte. Die Droschken seien weder reinlich, noch in ausreichendem Maße vorhanden. Der Innen- und der Handelsministers schlossen sich im Ergebnis dieser Auffassung an. Demgegenüber bemerkte der Polizeipräsident, daß die fortgesetzten Untersuchungen den angeblich schlechten Zustand der Wagen nicht bestätigen könnten und bei freier Konkurrenz die Existenz des Gewerbes an sich gefährdet sei. Da der Magistrat von Berlin eine Verlängerung des Privilegs unter Hinweis auf die Gewerbefreiheit ablehnte16, entspann sich in der Regierung eine Diskussion über die Frage, ob das öffentliche Fuhrwesen überhaupt Gegenstand der allgemeinen Gewerbefreiheit sein könne. So wurde darauf hingewiesen, daß das Droschkengewerbe Teile der Straßen und öffentlichen Plätze in Beschlag nehme, worauf kein Privater und kein Gewerbetreibender einen Anspruch haben könne.17 Die Befürworter des Privilegs prognostizierten dagegen, daß bei einer Aufhebung des Privilegs "besonders in frequent en, Zuspruch versprechenden Gegenden, eine missverstandene, ganz zügellose Art von gewerblicher Concurrenz Platz greifen" werde. 18 Bei freier Konkurrenz würden die abseits gelegenen Stadtgebiete nicht mehr bedient werden, in denen Mortier sich zur Aufstellung von Wartepunkten verpflichtet habe. Nur ein Großunternehmer könne sich dieses unwirtschaftliche Vorgehen erlauben, weil er einen Ausgleich durch den Überschuß besser frequentierter Warteplätze vornehmen könne. Entscheidend für die Verlängerung des Privilegs war schließlich der Hinweis, daß sich kein Unternehmer im voraus bereit erklärt habe, im Falle der Marktfreigabe Fuhrwerke aufzustellen und mit anderen ein vergleichbares Unternehmen zu gründen. Die offizielle Begründung lautete dann, daß das Fuhrgewerbe ein umherziehendes Gewerbe sei und deshalb sowie "aus mehrfachen anderen Interessen der Local-Polizeibehörde" der Genehmigung bedürfe. "Bei dieser Concession ist darauf zu rücksichtigen, dass einerseits die öffentliche Sicherheit und Wohlanständigkeit auf keine Weise verletzt und gefährdet, andererseits aber auch die grösstmögliche Bequemlichkeit des Publicums erreicht werde." 19 Im Mittelpunkt der vom Polizeipräsidium neu ausgearbeiteten und allgemein formulierten Rechtsvorschriften stand die Gewähr-

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Knaths, Seite 7. Dieser Aspekt wurde in der Neuzeit auch in einigen Kantonen der Schweiz und einigen US Bundesstaaten diskutiert. Die Lösung bestand darin, daß nur die Unternehmer eine Konzession erhalten, die einen eigenen, also privaten Stehplatz für ihre Fahrzeuge nachweisen können, von dem aus die Beförderungen durchgeführt werden. 18 Bericht der königlichen Regierung vom 14. November 1819, auszugsweise wiedergegeben bei Dieterici, Seite 161. Zur vergleichbaren Situation 200 Jahre später in den USA, unten Seite 169 ff., sowie bei Peter, Seite 21 zu Phoenix/Arizona. 19 Regierungserklärung vom 31. Januar 1820, wiedergegeben bei Dieterici, Seite 17

161.

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leistung der Fahrzeugsicherheit und der Zuverlässigkeit der Wagenführer. 20 Deshalb durfte die Erlaubnis zur Aufstellung von Mietsfuhrwerken an öffentlichen Plätzen und Straßen nur ungeteilt vergeben werden, und zwar an denjenigen, welcher diese Verpflichtungen erfüllen, die höchste Pacht zahlen und die erforderliche Zahl an Fuhrwerken stellen konnte. Da sich nur Mortier hierzu bereit erklärte, wurde sein Privileg durch Kabinettsorder vom 13. Dezember 1820 für weitere sechs Jahre ab dem 1. Oktober 1821 verlängert. In dem zusätzlich am 16. März unterzeichneten Vertrag wurden die Mindestzahl der Wagen, die nur innerhalb der Stadt verkehren durften, von ursprünglich 100 auf 80 gesenkt und insgesamt 30 verschiedene Halteplätze festgelegt. Die Kutscher mußten nach Ausführung der Fahrt nicht mehr an den ursprünglichen Halteplatz zurückfahren, sondern durften den nächstgelegenen ansteuern. Der Preis für die Beförderungen war nun durch die Berücksichtigung von Zeit und Personenzahl flexibel gestaltet. Die mit der Aufsicht betrauten Beamten stellten in den Folgejahren immer wieder lobend fest, daß der Betrieb Mortiers ausgezeichnet funktionierte. 1825 war die Zahl der sich immer in sehr gutem Zustand befindenden Droschken, einschließlich sechs Reservewagen, auf 89 angewachsen. Die 170 Pferde waren in ausgezeichnetem Zustand, und für die Wagenutensilien bestand ein regelrechtes Magazin zum schnellen Austausch. Wegen der allseitigen Zufriedenheit stimmte der König bereits 1824 einer weiteren Verlängerung des Privilegs zu, so daß der Polizeiminister das örtliche Polizeipräsidium anwies, den Vertrag auf weitere 10 Jahre ab 1827 zu erteilen. Das Unternehmen expandierte weiter. Die Zahl der Droschken betrug 1827 bereits 120.21. Die Gesamtzahl aller Wagen stieg bis 1837 auf insgesamt 270, die der Halteplätze innerhalb und außerhalb der Stadt auf 70. 22 Der Erfolg dieses ersten Droschken-Großunternehmens auf deutschem Boden beruhte einerseits sicherlich auf ihrer verhältnismäßig guten Übersichtlichkeit und der so ermöglichten Konzentration der Leitungsmacht in einer Hand. Dadurch wurde vor allem die interne Überwachung wesentlich erleichtert. Mißstände konnten sehr schnell erkannt und abgestellt werden. Andererseits hat Mortier seinen Betrieb immer den veränderten Erfordernissen und insbesondere 20 "Der Plan und die Bedingungen für die Einrichtung eines auf öffentlichen Strassen und Plätzen der Residenz Berlin aufzustellenden und von dort aus dem Publicum zu vermiethenden Fuhrwerks" vom 23. August 1820, bei Dieterici, Seite 161. 21 Da sich das Privileg von Mortier nur auf die eleganten Droschken (zweisitzige Wagen), das Aufstellen an öffentlichen Haltepunkten und Fahrten innerhalb der Stadtgrenzen bezog, gab es auch andere Betriebe mit "Lohnkutschen", die entweder andere Modelle benutzten oder Fahrten nach außerhalb durchführten. Die Gesamtzahl der Fuhrwerke in Berlin betrug einschließlich der Droschken von Mortier 1292. Eine genaue Auflistung wurde im Auftrag von Prinz Carl von Preußen zum 6. November 1827 erstellt, und ist bei Dieterici, Seite 163, abgedruckt. 22 Kubisch, Seite 20; Evgénieff, Seite 23.

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den Publikumswünschen angepaßt. Als die Presse auf die Pariser Verhältnisse hinwies23 und der Wunsch nach anderen als zweisitzigen Wagen laut wurde, kam Mortier diesem ebenso nach wie der Forderung nach Fahrten über die Stadtgrenze hinaus. Ein entscheidender Faktor für seinen Erfolg bestand in der kostengünstigen Struktur des Unternehmens. So unterhielt Mortier zur Sicherstellung eines immer einwandfreien technischen Zustands der Wagen eine eigene Werkstatt, in der sämtliche Reperaturen von betriebseigenen Handwerkern ohne längere Verzögerung durchgeführt werden konnten. Wenn ein Wagen ausfiel, stand sofort ein Ersatzwagen bereit, so daß es keine Verdienstausfalle gab. Schließlich waren auch die Einkaufskonditionen für den Großbetrieb sehr viel günstiger als bei Kleinunternehmern, wie sich bei den besseren und billigeren Stallungen und Ersatzpferden zeigte.24 Trotz der positiven Erfahrungen wurde das Privileg von Mortier über das Jahr 1837 hinaus nicht mehr verlängert. Die Kommunalbehörden wollten elegantere Wagen, schneller fahrende Kutscher und niedrigere Preise. Die Mehrheit im Magistratskollegium sah dies durch die Zulassung der Konkurrenz gewährleistet, während die Majorität der Stadtverordneten aus dem gleichen Grund für die Aufrechterhaltung des Monopols stimmte. Die Entscheidung fällte schließlich die Regierung, in der man sich auf die Einführung der Gewerbefreiheit geeinigt hatte. Um einen gemäßigten Übergang zu ermöglichen, wurde das "Prinzip der beschränkten Konkurrenz" und damit die erste Bedürfnisprüfung in der Geschichte des Droschkenwesens eingeführt. Danach sollte das Gewerbe vorerst nur aus so vielen "Händen" bestehen, wie nötig seien, um den Wetteifer zu beleben. Betriebserweiterungen sollten nur dann genehmigt werden, wenn "entweder das anerkannte Bedürfhiss eine vermehrte Zahl von Fuhrwerken erfordere, oder dass der neue Concurrent neue Vorteile für das Publicum biete." 25 Sichere Anhaltspunkte zur Ermittlung der bedürfnisgerechten Zahl an Fuhrwerken sollten die Verhandlungen mit den Beteiligten selbst ergeben.26 Durch die neuen Regelungen sollte das Fuhrwesen an Mannigfaltigkeiten in der Gattung der Fuhrwerke gewinnen und durch neuere Formen und möglichst auch durch die Verminderung des Preises den Bedürfhissen und Wün-

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Ein entsprechender Zeitungsausschnitt ist bei Dieterici auf Seite 163 abgedruckt. Kubisch, Seite 20, spricht von mehreren tausend "Gäulen", die an den Betrieb geliefert wurden. 25 Dieterici, Seite 164. Eine vergleichbare Regelung gilt auch heute noch für den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, vgl. § 13 Abs. 2 Ziff. 2 PBefG. 26 Eine entsprechende Vorgabe des Polizeiministers lautete: "Auch soll die Anzahl der zugelassenen Fuhrwerke nicht unbeschränkt sein. Vielmehr werden die Verhandlungen mit den Betheiligten den sichersten Anhalt für das obwaltende Bedürfhiss geben, und soll auf diese ermittelte Zahl vorläufig das Gewerbe beschränkt bleiben", vgl. die umfassende Darstellung der ministeriellen Grundsätze bei Knaths, Seite 9 f. 24

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sehen des Publikums entsprechen. Um die Qualität zu sichern, wurden die Verträge zur Betriebserlaubnis auf ein Jahr befristet und seitens des Polizeipräsidiums eine Reihe von " Contractsbedirgungen" ausgearbeitet. Diese enthielten genaue Vorschriften über die Beschaffenheit der Wagen und Pferde, die Qualifikation der Kutscher und ein von den Fuhrherren zu führendes Register über das Personal. Der monatliche Wechsel der Standplätze mittels Verlosung war ebenso geregelt wie die polizeiliche Kontrolle und das einschlägige Strafverfahren bei Verstößen. Das Ministerium erkannte die Zweckmäßigkeit dieser Bestimmungen, legte aber die Zahl der Droschken von vornherein auf 300 fest. Der Tarif wurde aus den eingereichten Angeboten der Unternehmer ermittelt. Da Mortier immer noch die günstigste Position besaß, fielen seine Angebote sehr niedrig aus, weshalb auch der am 22. September 1837 allgemein festgesetzte Tarif sehr niedrig war. Etwa ein Jahr nach Wegfall des Monopols, im Oktober 1838, waren ingesamt 339 ein- und 42 zweispännige Droschken zugelassen. Schon bald zeigte sich, daß insbesondere die Kleinunternehmer ihre Wagen und Pferde vernachlässigten und deren Zustand immer schlecher wurde. Dies war vor allem auf eine Neuerung bei den Tarifvorschriften zurückzuführen. Diese unterschieden nunmehr zwischen Zeit- und Tourenfahrten und verpflichteten jeden Unternehmer, innerhalb der Stadt jede Fuhre auszuführen. Da für den gesamten Innenstadtbereich ein einheitlicher und sehr niedriger Preis festgesetzt worden war, wurden die Unternehmer zur Durchführung unrentabler Fuhren gezwungen, was sich auf die Einnahmen der Kleinunternehmer, die nur einen Wagen und damit keine Möglichkeit zur Mischkalkulation besaßen, sehr negativ auswirkte. 27 Diese Entwicklung fiel zunächst nicht so sehr auf, weil sich der größte Teil der 1838 zugelassenen Droschken in der Hand von drei Großunternehmen befand. 28 Dies änderte sich jedoch, als man feststellte, daß immer mehr arme Leute in das Transportgewerbe drängten und zumeist nur ein Fahrzeug zu stellen vermochten. Für die Behörden gestaltete sich die Durchsetzung der Untemehmerpflichten, insbesondere der Haltung eines Ersatzwagens, als "schwer und mit grosser Härte" verbunden. Bereits im Juni 1839 bildete sich deshalb unter Führung der drei größten Unternehmer eine Vereinigung, die der geplanten weiteren Tarifabsenkung mit Erfolg entgegentrat. Darüberhinaus erreichte sie, daß nach der neuen Droschkenordnung vom 4. Oktober 1839 jeder 27

Knaths, Seiteil. Der Grund für diese Konzentration bestand in der Dehnbarkeit des Begriffs "beschränkte Konkurrenz", der den Behörden sowohl die Ausdehnung als auch die Restriktion des Gewerbes erlaubte. In den folgenden Jahren experimentierte die Obrikeit und änderte die ursprüngliche Droschkenordnung, immer auf der Grundlage des Begriffs "beschränkte Konkurrenz", bis 1861 insgesamt sechs mal. Eine Zusammenfassung der einzelnen Regelungen findet sich bei Knaths, B. Systematischer Teil (Seite 45 ff.). 28

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Neuunternehmer im Besitz von mindestens 5 Droschken und einem Ersatzwagen sein mußte. Da jedes Pferd etwa 500 Thaler kostete und für jeden Wagen ein Kaution von 20 Thalern hinterlegt werden mußte, die bei Pflichtverstößen verfiel, stellten die Kosten einer Betriebseröffiiung zunächst einen wirksamen Schutz gegen neue Konkurrenten, vor allem gegen die Kleinunternehmer dar. 29 Dennoch wurden von der Behörde, die nun auf den Abschluß von befristeten Verträgen verzichtete und stattdessen unbefristete Konzessionen ausgab, neue Wagen zugelassen. 1841 gab es bereits 458 ein- und 164 zweispännige Wagen in Berlin. 30 Nach Meinung des mit der Kontrolle der Unternehmer beauftragten "Wagencommissarius" konnte jedoch auch eine genaue polizeiliche Überwachung der Unternehmerpflichten die Verschlechterung der Wagen und Pferde nicht verhindern, da "der Nahrungsstand der Gewerbetreibenden ein zu schlechter sei." 31 Die Pferde wurden als zumeist alt und kraftlos beschrieben, "die sich in einer Gangart bewegen, die schwer zu charakterisieren sei, aber jedenfalls mit dem polizeilich erlaubten Trabe keine Aehnlichkeit habe."32 Die Fahrgäste verloren an Zeit, was sie durch den niedrigeren - fahrzeitbezogenen Tarif einsparten. Dennoch ließ die Behörde 1845 weitere 300 Droschken zu. Im Oktober 1846 entstand für das Droschkengewerbe eine neue Konkurrenz in Form der im Viertelstundentakt auf fünf vorgegebenen Linien verkehrenden Omnibusse. Als sich die allgemeine Konjunktur 1847 weiter verschlechterte und die Teuerungsrate zunahm, verringerte sich die Zahl der Fahraufträge spürbar, während gleichzeitig die Ausgaben der Gewerbetreibenden stiegen. Deshalb wurde die Mindestzahl der Droschken vorübergehend auf 4 gesenkt. Im Jahr 1849 wurde eine starre Obergrenze von 1000 ein - und zweispännigen Droschken festgesetzt und vorgeschrieben, daß jeder Neuunternehmer fünf neue (!) Wagen nebst einem Ersatzfahrzeug besitzen müsse.33 In der grundlegenden Droschkenordnung vom 5. Januar 1854 wurden nunmehr auch die Pflichten der Kutscher bis ins Detail festgelegt. Diese benötigten fortan einen "Fuhrschein", der das Bestehen einer Eignungsprüfung voraussetzte, mußten in einer bestimmten Weise gekleidet sein und ein höfliches Benehmen an den Tag legen. Die Konzession für tagsüber fahrende Droschken wurde nur an Unternehmer vergeben, die mindestens 5 Droschken gleichzeitig in Betrieb hatten.

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Dieterici, Seite 181. Dominik, Seite 144; Knaths, Seite 12. 31 Dieterici, Seite 182. 32 Dominik, Seite 144. 33 Eine ungefähre Beurteilung der Droschkenentwicklung wird durch die Gegenüberstellung mit dem Bevölkerungszuwachs Berlins möglich. Bei der Einführung der 15 Fiaker im Jahr 1739 besaß die Stadt etwa 81.000 Einwohner. Zur Zeit des Monopols von Mortier (Stand 1832) kamen auf 248.196 Einwohner 150 Droschken. Nach Wegfall des Monopols erhöhte sich die Zahl der Droschken auf 957 gegenüber 412.445 Bürgern. (Quelle: Knaths, Seite 19; Dieterici, Seite 187). 30

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Eine wesentliche Neuerung beinhaltete auch § 15, der die Schaffung einer Zwangsorganisation unter polizeilicher Aufsicht vorsah. Danach mußte jeder Kutscher einem Verein beitreten, der dann u.a. die Kontrolle der Mitglieder während der Betriebszeiten und Vorsorgen für den Krankheitsfall treffen sollte.34 Die Zahl der Droschken wurde über ein Jahrzehnt konsequent unter 1000 gehalten. Trotz dieser Begrenzung wurde das Droschkengewerbe gegen Ende der fünfziger Jahre zumeist von vermögenlosen Besitzern betrieben. Die "Übelzustände" wurden so schlimm, daß die Behörden einige hundert Wagen stillegten.35 Dennoch blieben die erhofften Verbesserungen aus, weil die Behörde den Fehler beging, den betroffenen Unternehmern die Konzession zu belassen, woraufhin diese sofort neue Wagen in Betrieb nahmen.36 In der Folge wurden die Droschken dann in zwei Klassen aufgeteilt. Aus Sicht der Behörden bestand die einzige Möglichkeit zur Abhilfe in der erneuten Konzentration des Gewerbes unter einem Dach. Doch scheiterte die Gründung einer Aktiengesellschaft mit 1000 Droschken und 100 Omnibussen - alle waren bereits genehmigt kurzfristig an fehlenden Finanzmitteln. Am 22. Juni 1862 wurde die völlige Gewerbefreiheit eingeführt. Dies bedeutete, daß es nunmehr keine zahlenmäßige Beschränkung mehr gab und die Zulassung nur von der persönlichen Zuverlässigkeit des Bewerbers abhing. Das Erfordnernis der fünf Neuwagen nebst Kautionsstellung fiel ebenfalls fort. Zugleich wurden die Tarife gesenkt. In der Folge stieg die Zahl der Droschken drastisch an. Unter den Neuunternehmern waren solche, "die oft mit der Pferdepflege und dem Fuhrbetrieb nicht vertraut waren, oder gar völlig mittellos aus den früheren Kutscherkreisen hervorgingen und bei ihren ein bis zwei Droschken, die sie in Betrieb setzten, keine Ersparnisse sammeln und so den Betrieb nicht ordnungsgemäß aufrechterhalten konnten."37 Von 1239 Fahrzeugen im Jahr 1862 stieg die Zahl der Droschken auf 2077 im Jahr 1865, also um 67, 64 %. Gleichzeitig entstand 1864 mit der Eröffnung der ersten Straßenbahn auf deutschem Boden eine neue Konkurrenz, die sich in den folgenden Jahren immer mehr etablierte. 38 In diese Zeit fallt die Entstehung einer Theorie, die bis in die Gegenwart hinein zur Begründung für die Notwendigkeit einer zahlenmäßigen Begrenzung des Droschkengewerbes herangezogen wird:

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Knaths, Seite 49 f. von Wüstenhoff, Seite 277. 36 Unter Berücksichtigung der Preise von Neuwagen können die festgestellten Mängel zumindest bei den Wagen dieser Unternehmer also nicht auf finanzielle Schwierigkeiten zurückzufuhren gewesen sein. 37 Knaths, Seite 13; s.a. von Wüstenhoff, Seite 277. 38 Eger/zur Megede/Schürmann, (1896), Seite 83. 35

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"Im Allgemeinen ist wohl auch der Satz unumstösslich, dass bei den meisten Gewerben die natürlichen Gesetze von Nachfrage und Angebot, vonfreier Concurrenz sowohl dem Produzenten wie dem Consumenten die besten Bedingungen gewähren. Dass indessen bei einem Gewerbebetrieb, der das öffentliche Interesse so lebhaft berührt, dem deshalb weitgehende Beschränkungen aus polizeilichen Rücksichten auferlegt werden müssen, diese allgemeinen Grundsätze nicht so frei walten können, dürfte ebensowenig einem Zweifel unterliegen. Die Parallele ist nicht schwer zu ziehen. Der Consument, der von einem Gewerbetreibenden oder Fabrikanten Waaren geliefert erhält, die seinen Ansprüchen nicht genügen, hat durch die Concurrenz für alle Zukunft das Mittel in der Hand, zukünftig besser bedient zu werden. Wer dagegen einer Droschke augenblicklich bedarf, hat häufig gar nicht die Möglichkeit einer Auswahl. Dann ist es allerdings betrübend, wenn der Kutscher mit einem stoischen Blick auf sein kniehängendes, abgemattetes Pferd bei Aufforderungen zu weiten Fahrten die Milde des Passagiers anruft, eine solche Thierquälerei nicht zu üben. Da der Consument (Passagier) in dieser Weise von dem Producenten (Wagenhalter) abhängig ist, so hat er ein Recht, von der Obrigkeit Schutz und die stricte Innehaltung gewisser allgemeiner Bedingungen bei Eingehung seines Contracts zu fordern." 39 Das Wesentliche dieser Aussage liegt in den beiden Behauptungen, daß 1. die Gesetze von Angebot und Nachfrage im Droschkengewerbe keine Wirkung haben40 und 2. die Ursache hierfür in der fehlenden Möglichkeit der Fahrgäste liegt, sich für eine eilige Beförderung eine von mehreren Droschken aussuchen zu können und deshalb zumeist auf die einzig zur Verfugung stehenden Wagen zurückgreifen zu müssen. Die Klagen des Publikums über den schlechten Zustand der Wagen stiegen weiter. Der damalige Droschkenbesitzer-Verein sah die Ursache hierfür einerseits in dem schlechten Zustand der Straßen, die Wagen und Pferde ruinierten, und andererseits in zu niedrigen Tarifen. 41 Als Ergebnis einer genauen technischen Überprüfung aller Fahrzeuge in den Jahren 1868/69 wurden von den mittlerweile 2639 Wagen 1630, also 61,76 %, aus dem Verkehr gezogen. Wie

39 Dieterici, Seite 241; ähnliche Ausführungen bei von Wüstenhofif, Seite 277, enden mit der Feststellung: "Die Aufsichtsbehörde muß jederzeit berechtigt sein, die Entwicklung des Gewerbes zu leiten und geeigneten Falles beobachtete Mißstände abzustellen, ohne durch gewerbefreiheitliche Bestimmungen in ihrem Vorgehen gehemmt zu sein. Nur so dürfte es gelingen, ein Fuhrwesen einzurichten, welches den öffentlichen Verkehrsanforderungen entspricht und seinen Mann, wenn er haushälterisch wirtschaftet, ernährt." 40 Vgl. zur normativen Theorie des Marktversagens, 2. Teil Kapitel 1 II § 4 1. 41 Evgénieff, Seite 25.

3 Bardarsky

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bereits einige Jahre zuvor, hatten die Unternehmer jedoch wenig später neue Droschken in Betrieb oder die alten in den vorschriftsmäßigen Betrieb gebracht. Dies verdeutlicht zweierlei: 1. Zum einen war der mangelhafte Zustand der Wagen nicht auf das Fehlen finanzieller Mittel bei den Unternehmern zurückzuführen. 42 2. Zum anderen hatte es in den Jahren zuvor entweder überhaupt keine, oder nur eine höchst oberflächliche Kontrolle der Fahrzeuge durch die Behörden gegeben. Bis zum Jahr 1872 war die Zahl der Droschken in der Klasse I. auf 286, in der Klasse II. auf 3424 gestiegen.43 Die Tatsache, daß die Behörden die große Zahl der alten Droschken nicht zwangsweise reduzierten, beruht einerseits auf dem Mitte 1870 ausgebrochenen Krieg mit Frankreich, durch den die Nachfrage an Wagen wieder stieg. Andererseits gestatteten es soziale Rücksichten nicht, die große Masse der Droschkenkutscher brotlos zu machen.44 Eine positive Wende brachte schließlich die Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen. Die Löhne waren gestiegen und die Erwerbsmöglichkeiten hatten sich verbessert, so daß nun auch Minderbemittelte die Droschken benutzten, um Zeit zu sparen. Die Mieten waren in der Stadt so gestiegen, daß viele Bürger nach Außerhalb zogen, und deshalb - eigene Wagen waren sowohl in der Anschaffung als auch im Unterhalt zu teuer - auf die Fuhrwerke angewiesen wa" ren. 45 1872 wurde die allgemeine Gewerbefreiheit wieder aufgehoben. Dabei war das Fehlen größerer Proteste vor allem darauf zurückzuführen, daß die neue Obergrenze noch über den bisherigen Zulassungszahlen lag und die Änderung somit nicht sofort spürbar wurde. 46 Die Gesamtzahl der Droschken legte zukünftig wieder das Polizeipräsidium fest, das auch vierteljährlich die Halteplätze neu bestimmte, an denen beliebig viele Wagen warten durften. Weitere Änderungen enthielt die Polizei Verordnung vom 20. Januar 1873, die im wesentlichen bis 1905 unverändert fortgalt. Zwar unterlagen die Kutscher auch weiter42 Von wesentlicher Bedeutung dürfte hier auch die Unterstützung durch die "Centraibank für Genossenschaften" gewesen sein, die bereits seit einigen Jahren den Kauf von Wagen und Pferden durch kleinere Besitzerfinanzierte, Evgénieff, Seite 28. 43 Die Einwohnerzahl lag bei 824.484, Knaths, Seite 19. 44 Evgénieff, Seite 25. 45 von Wüstenhoff, Seite 279. 46 Die zukünftige Obergrenze für Droschken der Klasse I. lag bei 1000 (Bestand 1872: 286), für Droschken der Klasse Π. bei 3500 (Bestand 1872: 3424). Beförderungen in Droschken der I. Klasse waren zwar etwas teurer, boten dem Fahrgast aber auch ein sauberes Gefährt undfrische Pferde, die ihn schneller an das Ziel brachten - vgl. Knaths, Seite 19; dort auch der Hinweis auf die Bevökerungszahl innerhalb des Pflichtfahrbereichs, der bereits über die Stadtmauer hinaus ausgedehnt worden war: 860.000 auf 12000 ha Fläche (Stand 1872).

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hin grundsätzlich einem Kontrahierungszwang. Doch entfiel der einheitliche Tarif für die Fuhren innerhalb der Stadt zugunsten einer Preisregelung, die sich an den konkret zurückgelegten Wegstrecken und der Fahrzeit orientierte. 47 Die Droschkenbesitzer selbst begrüßten ihre zahlenmäßige Begrenzung keineswegs einhellig als positiven Fortschritt. So heißt es in einer Eingabe der Fuhrwerksherren größerer Städte an den Reichstag vom 12. Oktober 1873, "daß im Droschkengewerbe von einer Gewerbefreiheit nicht füglich mehr die Rede sein kann, weil man uns eine Freiheit in unserem Geschäftsbetriebe nicht gestattet hat", und weiter: "So stellt sich die Thatsache heraus, daß unser Gewerbebetrieb gewissermaßen zu einem Versuchsfelde benutzt wird, auf welchem wir die Kosten der Experimente zu tragen haben".48 Im selben Jahr entfiel deshalb die zahlenmäßige Beschränkung bei der Neuzulassung von Droschken wieder. 49 Mit der Gründung der "Aktien-Gesellschaft für öffentliches Fuhrwesen" am 3. März 1873 war zum vorerst letzten Mal der Versuch unternommen worden, das Droschkengewerbe unter einem Dach zu konzentrieren. Als Zweck der Gesellschaft wurde angegeben, das "an argen Mißständen leidende Droschkenfuhrwesen Berlins in die Hand zu nehmen, nach kaufmännischen Gesichtspunkten ein Groß-Fuhrgeschäft anzulegen und zu betreiben." 50 Das Unternehmen stand von Beginn an unter ungünstigen Vorzeichen. Von den vorgesehenen 1200 Droschken konnten 20 % wegen Material- und Konstruktionsfehlern erst gar nicht in Betrieb genommen werden. Der Preis für die Wagen lag trotz der hohen bestellten Stückzahl (500) infolge der Lieferung über mehrere Zwischenhändler sogar über den herkömmlichen Preisen bei Einzelbestellungen. Für gute Standorte wurden überhöhte Grundstückspreise bezahlt und wegen des dauernden Ausfalls von Droschken konnte die volle Kapazität selten ausgenutzt werden. Nachdem 1881 fast alle Pferde von der Rotzepedemie befallen worden waren, stellte das Unternehmen am 22. März 1882 den Betrieb ein. Trotz der Verfehlung des eigentlichen Zwecks hatte die Gründung der Gesellschaft je-

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Der Fahrgast konnte die Abrechnung anhand eines vom Kutscher mitzuführenden Wegmessers kontrollieren. Dieser bestand aus einem Stadtplan, in dem die einzelnen Straßenzüge farbig dargestellt waren. Die Farbe wechselte nach jeweils 160 m, der Entfernung, die ein trabendes Pferd durchschnittlich in einer Minute zurücklegen konnte. In einem Zeitabschnitt (15 Minuten) konnten also insgesamt 2400 m zurückgelegt werden, vgl. von Wüstenhoff, Seite 278; Knaths, Seite 51/52. 48 Wiedergegeben bei: von Wüstenhoff, Seite 279, der mit Blick auf die Zahl der Verstöße gegen die neuen Vorschriften bemerkt: "[...] dazu kommt ein in jenen, zumeist aus den ungebildeteren Kreisen hervorgegangenen Gewerbetreibenden wohnender Hang zur Widersetzlichkeit, vornehmlich gegenüber polizeilichem Einschreiten, wodurch sie sich in ihrem freien Gewerbebetriebe geschmälert finden". 49 Knaths, Seite 17; die Möglichkeit einer Beschränkung blieb aber weiterhin durch das Droschkenpolizeireglement vom 20. Januar 1873 bestehen. 50 Wiedergegeben bei Evgénieff, Seite 28. 3*

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doch eines ganz deutlich gezeigt: Ein technisch einwandfreier Zustand der Wagen hing nicht vom wirtschaftlichen "Können" der Unternehmer ab, sondern nur von ihrem Willen. Denn vor allem die Besitzer der kleinen Unternehmen hatten wegen der befürchteten Konkurrenz durch die 1000 zusätzlichen Wagen zahlreiche Verbesserungen an den Wagen vorgenommen und freiwillig Reservepferde eingestellt, die größeren Betriebe auch Reservewagen. Auch war die Zahl der Neuwagen in den Jahren 1873-75 so hoch wie noch nie. Die durchaus vorhandenen Finanzmittel wurden also nur dann in den Betrieb investiert, wenn ein finanzieller Anreiz bestand. Dies bestätigt insbesondere die Entwicklung nach der Auflösung der Aktiengesellschaft. Zwei Jahre später waren wieder die gleichen Verhältnisse vorzufinden, wie sie vor Gründung der AG bestanden hatten. Der große Bestand an alten Wagen wurde nun weder ersetzt noch genügend repariert. 51 Das Argument lautete wiederum, daß die kapitalschwachen Einzelfuhrherren kaum den notwendigsten Lebensunterhalt erwirtschafteten und deshalb finanziell nicht im Stande waren, Wagen und Pferde in dem vorgeschriebenen Zustand zu halten. Die Droschkenbesitzer machten hierfür vor allem die Betrügereien der Kutscher verantwortlich, "welche den Tagesverdienst entweder nicht voll auslieferten oder das Futter statt zu verfuttern zu Gelde machten."52 Durch die Anhebung des Mindestalters für Kutscher auf 18 Jahre wurde zwar erreicht, daß Verstöße nicht mehr wegen Strafunmündigkeit ungeahndet blieben. Doch konnten Geldstrafen oftmals infolge Mittellosigkeit der Betroffenen nicht eingetrieben werden. Daraufhin ging man zu Verwarnungen und Fahrscheinentziehungen über, die bei wiederholten Verstößen auf Dauer ausgedehnt wurden. Außerdem mußten Kutscher nun Stundenzettel über die geleisteten Fahrten fuhren. Zwangsläufig stellt sich die Frage, weshalb die Obrigkeit seit der Erstzulassung von Droschken nicht in der Lage gewesen ist, Verstöße gegen die aufgestellten Bestimmungen und Pflichten wirkungsvoll zu ahnden. Hierfür gibt es mehrere Erklärungen: Zum einen entsteht der Eindruck, daß die Ordnungshüter aus Rücksicht auf soziale Härten nicht hart genug durchgriffen. Denn aus ihrer Sicht war die Durchsetzung von Unternehmerpflichten wie der Besitz eines Reservewagens oder -pferdes gleichbedeutend mit dem unverschuldeten finanziellen Ruin der meisten Kleinunternehmer. Dessen Folgen waren im 19. Jahrhundert wegen der fehlenden sozialen Absicherung natürlich weitaus gravierender als heute. Zum anderen reichten die vom Staat für die Kontrollen zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel oft nicht aus. Die Überwachung des gesamten Gewerbes oblag entweder dem allgemeinen Polizeidienst oder einigen wenigen Sonderbeamten. Unter Berücksichtigung der Vielzahl von Unterneh51 52

Evgénieff, Seite 31/32. von Wüstenhoff, Seite 281.

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men bedeutete beides eine Überforderung der Betroffenen. 53Das Gewerbe selbst wehrte sich gegen die Einstellung besonderer Beamter, weil deren Besoldung aus Sondereinnahmen der Gewerbetreibenden hätte bezahlt werden sollen. Die Schwierigkeiten nahmen mit zunehmender Ausdehnung der Stadt noch zu. Viele Droschkenbesitzer wohnten mittlerweile in den Vororten. Die Ahndung von Pflichtverstößen der Unternehmer erforderte nicht nur einen verhältnismäßig hohen Aufwand, sondern war in vielen Fällen auch erfolglos, weil der Betroffene noch vor Eintreffen der Polizei verschwunden war. 54 Die Vermieter in den Vorstädten verhinderten wiederum mit Erfolg die Einführung einer Wohnsitzpflicht für Droschkenbesitzer innerhalb der Stadt. Einen bedeutenden Fortschritt brachte die Einführung des Taxameter im Jahr 1892. Zum einen wurde damit den Betrügereien der Kutscher ein Ende gesetzt. Zum anderen erhöhte sich die Zahl der Fahrgäste, die bei der früheren Abrechnung nach Zeit wegen der zu langsamen Fahrweise das Verkehrsmittel erst gar nicht benutzt hatten.55 Für sie bedeutete der Übergang zum reinen Entfernungstarif eine Verbilligung der Tarife. Der Einbau der Geräte war zunächst in das Belieben der Droschkenbesitzer gestellt worden. Da die Bevölkerung aber sichtlich die so ausgestatteten Fahrzeuge bevorzugte, 56 rüsteten die meisten Unternehmer schon bald freiwillig ihre Droschken mit dem Taxameter nach. Die spätere Festschreibung als Pflichtausstattung brachte keine Veränderung für den praktischen Alltag mehr. Obwohl es nach wie vor Klagen aus dem Gewerbe über das schlechte Geschäft und Forderungen nach Tariferhöhungen gab, waren die folgenden zehn Jahre durch eine stetige Zunahme der Beförderungen und Droschken gekennzeichnet. Insgesamt handelte es sich um eine ruhige und gesunde Entwicklung, die auch als "die beste Zeit des Gewerbes" bezeichnet wurde. 57 Am 8. Juni 1898 stellt der Polizeipräsident fest, daß die vorhandenen Droschken zur Erfüllung des vorhandenen Bedürfnisses ausreichten und deshalb bis zum 1. 10. 1899 grundsätzlich keine Neuzulassungen mehr genehmigt werden würden. Eine 53

Die leichtere und sicherere Überwachung des Gewerbes dürfte einer der Gründe für die ursprüngliche Aufrechterhaltung des Privilegs und die nachfolgenden zahlenmäßigen Beschränkungen der Droschken gewesen sein. 54 von Wüstenhoff, Seite 281. 55 In einer Übersicht des Berliner Städtischen Jahrbuchs 1870 war zu lesen: "An das Leichenfuhrwerke schließt sich passend der Droschken, welche im Bezug auf die Langsamkeit gewissermaßen den Leichenzug nachahmen."- nach Evgénieff, Seite 32, Fn. 19. 56 Angeblich lag der Verdienst dieser Unternehmer um das 10 fache über dem anderer, Evgénieff, Seite 33. 57 Evgénieff, Seite 33; dort auch folgende Feststellung: "Gute Verdienste wurden verschwiegen, über schlechte laut geklagt, wie es auch sonst im Droschkengewerbe üblich geworden war."

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Übertragung der Droschken auf Dritte war erlaubt. Die Gesamtzahl der Fahrzeuge hatte mittlerweile 7622 erreicht. Berlin besaß rund 1.963.200 Einwohner und eine Ausdehnung von ca. 14.000 ha. 58 Nach Ablauf der Frist sollte erneut geprüft werden, ob "die Vermehrung der Droschken im öffentlichen Interesse erwünscht ist. Indem ich dies zur öffentlichen Kenntniss bringe, spreche ich die Erwartung aus, daß die Droschkenbesitzer, welche einstweilen eine Vergrößerung der Konkurrenz nicht zu befürchten haben, es sich angelegen sein lassen werden, die Beschaffenheit ihrer Betriebsmaterialien nach Kräften zu heben."59 Der Zulassungsstop wurde mehrmals verlängert und blieb bis zum 9. Juli 1904 ununterbrochen in Kraft. Die Abschottung des Gewerbes bewirkte zugleich eine zunehmende Konzentration. Der Anteil der Ein-Wagen-Betriebe am Gesamtaufkommen verminderte sich von 24, 9 % auf 19, 4 %, während sich die Zahl der Großbetriebe mit 30 Wagen und mehr von 8, 38 % auf 14 % erhöhte. Die durchschnittliche Betriebsgröße stieg von 2, 49 Fahrzeugen auf 3, 19. Die optimale Größe eines Unternehmens wurde nach diesen frühen Erfahrungen mit 60 bis 100 Fahrzeugen beziffert. 60 Der Grund hierfür war die Überlegung, daß ein Betrieb dieser Größe gerade noch von einer Person unmittelbar übersehen und gelenkt werden konnte. Am 9. Juli 1904 entfiel die sog. Nummernsperre wieder. Ab dem 1. Oktober wurde also jedem Antrag auf Zulassung einer neuen Droschke mit Fahrpreisanzeiger stattgegeben.61 Dennoch nahm die Zahl der Pferdedroschken in den folgenden Jahren unaufhaltsam ab. Ursächlich war die zunehmenden Etablierung eines neuen Transportmittels, der Motordroschke. Nach der Eröffnung des ersten Kraftdroschkenbetriebes durch Paul Kandelhardt im Jahr der Marktöffnung (1904) stieg die Zahl der neuen Droschken 1905 auf 57, 1906 auf 245 und erreichte mit etwa 700 im Jahre 1907 ihren vorläufigen Höchststand. Eine wesentliche Ursache für diese rasche Zunahme setzten wiederum die Banken, die mittlerweile in das Abzahlungsgeschäft eingestiegen waren. Einem Großteil der Unternehmer und ehemaligen Kutscher wurde erst durch diese Finanzierungsart die Anschaffung einer Kraftdroschke ermöglicht. Andererseits wurde dadurch wieder ein Kreislauf in Gang gesetzt: Die scheinbar günstige Finanzierung be-

58

Knaths, Seite 17. Bekanntmachung des Polizeipräsidenten "von Windheim" vom 8. 6. 1898, abgedruckt bei: Knaths, Seite 17. 60 Evgénieff, Seite 34. Demgegenüber betrug die durchschnittliche Betriebsgröße im März 1991 - bezogen auf das Gebiet der alten Bundesrepublik - nur 1,8 Taxen pro Betrieb (42.894 Fahrzeuge auf 24.365 Unternehmer) - entnommen: Geschäftsbericht des BZP 1993, Seite 54. Demnach gibt es heute sehr viel mehr Klein- und Kleinstbetriebe bzw. umgekehrt sehr viel weniger Großbetriebe im Taxengewerbe als zur "Blütezeit" des Gewerbes. 61 Kubisch, Seite 36. 59

1. Kapitel: Historische Entwicklung des Taxengewerbes in Berlin

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dingte einen hohen Zuwachs der Betriebe und damit ein schnelles Ansteigen der Konkurrenz. Dadurch wurde die Rentabilität gemindert, was sich vor allem auf die Kleinbetriebe sehr negativ auswirkte. Denn diese konnten mangels ausreichender finanzieller Rücklagen schon bald ihre Abzahlungsraten nicht mehr aufbringen. Ein Grund hierfür war auch die hohe Reperaturanfalligkeit der neuen Droschken und die damit verbundenen hohen Kosten, mit denen die Unternehmer beim Neukauf der Droschken allein auf Kredit nicht gerechnet hatten.62 Im Jahre 1907 wurden deshalb von den etwa 700 zugelassenen Kraftdroschken über die Hälfte von den Gläubigern, zumeist Autofabriken, die unter Eigentumsvorbehalt geliefert hatten, gepfändet. 63 Als weitere Konsequenz verhängte der Polizeipräsident von Berlin 64 1909 erneut eine Zulassungssperre, die sich allerdings nur auf Droschken mit Verbrennungsmotor bezog.65 Nach Intervention der Autoindustrie wurde die Regelung durch eine Verordnung des Polizeipräsidenten vom 6. April 1911 insofern gelockert, als daß nunmehr für zehn aus dem Betrieb gezogene Pferdedroschken eine Kraftdroschke zugelassen wurde. Besonders hervorzuheben ist die Tatsache, daß die angesprochenen Probleme im Droschkengewerbe keineswegs alle Betriebe gleichermaßen, sondern in erster Linie die Klein- und Kleinstbetriebe betrafen, die allerdings nach wie vor das "Gros" der Unternehmer bildeten. Demgegenüber waren die mittelständischen Betriebe mit einer Fahrzeugzahl von unter 100 in weitaus geringerem Maße oder gar nicht von dem Anstieg der Konkurrenz betroffen. So gelang es beispielsweise der von Paul Kandelhardt 1906 unter Mitwirkung eines Bankhauses und einer Automobilfabrik (Adler) gegründeten "AutomobilFuhrwesen Kandelhardt A,G." noch im Jahr der Zulassungssperre (1909) ihren Fahrzeugbestand durch den Kauf von gebrauchten Droschken von 51 auf 60 weiter aufzustocken. Andere, etwa gleich große Betriebe verzeichneten eben62 Zu dieser Fehleinschätzung hatten auch die Autohersteiler beigetragen, indem sie in ihren Werbeversprechen eine Lebensdauer von zehn Jahren in Aussicht stellten. 63 Knaths, Seite 29; Evgénieff, Seite 36/37, Fn. 23. 64 Auch in den anderen deutschen Großstädten wurden in diesem Jahr die Motordroschken konzessioniert. Doch war ihre Zahl weit geringer als in Berlin: München 134; Nürnberg - 40; Hamburg - 39; Frankfurt/M. - 31 Fahrzeuge. 65 Wortlaut der Verordnung des Polizeipräsidenten "von Stubenrauch" vom 22. Januar 1909: "Im Hinblick darauf, daß trotz des in den letzten Jahren eingetretenen starken Rückgangs der Erträgnisse des Droschkengewerbes die Zahl der Kraftdroschken sich noch im Laufe des Jahres 1908 sehr erheblich und weit über das vorhandene Bedürfiiis hinaus vermehrt hat, sehe ich mich genötigt, im öffentlichen Interesse die Bestimmung zu treffen, daß vom heutigen Tage ab neue Erlaubnisscheine für "Kraftdroschken mit Verbrennungsmotoren" innerhalb des Ortspolizeibezirks Berlin nicht mehr zur Ausgabe gelangen (V 2 Abs. 5 u. 6 des § 1 der Droschkenordnung vom 16.2.05). Eine gleiche Bestimmung ist für die übrigen Ortspolizeibezirke des Landespolizeibezirks Berlin getroffen worden." So bei Knaths, Seite 29 m.w.N.

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Erster Teil: Geschichte und Gegenwart

falls positive Ergebnisse. 66 Diese Unternehmen waren es auch, die schließlich in besonderem Maße von der Zulassungssperre profitierten. Da die Übertragung der "Nummern" weiterhin erlaubt war, hatte sich bald ein reger Handel entwickelt, so daß der Preis für eine Genehmigung bis 1913 auf 10.000 bis 11.000 Mark stieg.67 Die Betriebe mittlerer Größe 68 konnten leichter als die Kleinunternehmer den Kauf dieser Genehmigungen finanzieren und expandierten weiter. Der Fuhrpark der Kandelhardt A.G. erweiterte sich 1912 auf 65 Autodroschken, 17 Privat- und 25 Geschäftswagen. Die AutomobilBetriebs-Aktiengesellschaft besaß damals mit 140 Benzindroschken und 110 Elektrofahrzeugen den größten Wagenpark Deutschlands.69 Durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges kam das Gewerbe weitgehend zum Erliegen. Viele Kleinunternehmer wurden ins Militär eingezogen oder stellten sich und ihre Wagen freiwillig zur Verfügung. Den übrigen fehlte es an den notwendigen Betriebsstoffen wie Öl und Gummi für die Reifen. Ab 1. November 1916 war die Benutzung der Kraftdroschken für Vergnügungsfahrten verboten. Erst 1920 wurde der Versuch unternommen, das Droschkengewerbe wieder aufzubauen. Die bisherigen Modelle waren mittlerweile veraltet und die Betriebskosten gestiegen, so daß man Versuche mit neuen Modellen unternahm, die z.T. nur ein oder zwei Sitzplätze für Fahrgäste besaßen.70 Nachdem die ersten dreirädrigen Modelle wegen Mängel bei der Betriebssicherheit bald wieder verschwanden und neue vierrädrige Kleindroschken hergestellt wurden, nahm der Absatz stark zu. Dies lag im wesentlichen auch daran, daß diese Wagen nicht unter die noch immer seit 1909 geltende Zulassungssperre fielen und Freinummern erhielten. Zudem durften die Unternehmer mit diesen Wagen 25 % unter dem normalen Tarif bleiben, was die Kundennachfrage erhöhte. Ab 18. November 1924 durften Pferdedroschken wieder in Kraftdroschken umgewandelt werden, nun aber im Verhältnis 1:1. Darauf stiegen die Preise für die Genehmigungen innerhalb weniger Tage auf 10.000 bis 14.000 Mark. Durch die hohe Verschuldung der Neuunternehmer sah der Polizeipräsident eine von vornherein gegebene Gefährdung der Rentabilität dieser Betriebe, so daß die Nummern ab 30. Dezember 1924 nicht mehr übertragen werden durften. Als

66

Evgénieff, Seite 38. Evgénieff, Seite 36. 68 Großbetriebe mit über hundert Fahrzeugen gab es zu der Zeit in Berlin nicht. 69 Knaths, Seite 31. 70 Da sich herausgestellt hatte, daß mit den meisten Fahrten nur ein oder zwei Personen befördert wurden, sah man die Herstellung von Wagen mit fünf Sitzplätzen als Verschwendung an. 67

1. Kapitel: Historische Entwicklung des Taxengewerbes in Berlin

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Folge fielen die Preise wieder bis auf 4000 Mark. 71 Auf Drängen der Autoindustrie erhielten jedoch die Droschken eine Freinummer, die nachweislich vor dem 10. Januar 1925 bestellt worden waren. Die Besteller sparten die Kosten, die bei einem Erwerb von Nummern auf dem freien Markt angefallen wären, so daß eine Vielzahl von Unternehmern zu Betrugsmanövern griff. Die Ausgabe der Freinummern wurde deshalb für Fahrzeuge, die nicht bis zum 10. November 1925 in Betrieb genommen worden waren, wieder eingestellt. Dieser Zeitraum hatte immerhin ausgereicht, um die Zahl der neu zugelassenen Großdroschken vom 1. Januar bis zum 1. Dezember 1925 um 1703, das waren 63,50 % des Gesamtbestandes, zu erhöhen. Ingesamt stellt sich die Entwicklung jener Zeit in Berlin, analog zu der im gesamten Deutschen Reich,72 wie folgt dar: Großkraftdroschken 2644 2617 2876 4607 4936 4698

Jahr 1923 1924 1925 1926 1927 1928

Kleinkraftdroschken 16 25 25 1338 3618 4417

Summe

Fläche (ha)

2660 2642 2901 5945 8554 9115

87.810

87.845

Bevölkerung 4018733 4004299 4087766 4094800 4143400 4219700

Quelle: Knaths, Seite 43 Trotz Aufrechterhaltung der grundsätzlichen Zulassungssperre war die Zahl der Droschken also extrem gestiegen. Den rechtlichen Hintergrund bildeten drei Ausnahmeregelungen. Dies war zum einen die Vergabe von Freinummern an die "Kleinkrafidroschken", deren Zahl ab 1925 um ein vielfaches stieg, ferner die Möglichkeit des Umtausches von Genehmigungen für Pferdedroschken im Verhältnis 1:173 und drittens die große Zahl der Neubestellungen von Großdroschken, für die ebenfalls Freinummern erteilt wurden. Ursächlich für das extreme Ansteigen der Existenzgründungen und die Verdreifachung der Droschkenzahl waren u.a. Auslandskredite, die es den Autoherstellern ermöglichten, ihre Produkte zu sehr günstigen Preisen herzustellen 71 72

Knaths, Seite 35. Zum Vergleich der Droschkenbestand im gesamten Deutschen Reich: 1923

1924

1925

1926

1927

1928

1929

1930

1931

1932

Dro7635 schken

7823

11122

16172

21150

23778

25752

26819

26531

2330 0

Jahr

Quelle: Evgénieff, Seite 65; Kubisch, Seite 74 73

Die Ära der Pferdedroschken endete durch § 13 der Berliner Droschkenordnung vom 22. Juni 1927: "Eine Erlaubnis zum Pferdedroschkenbetrieb wird nicht mehr erteilt."

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Erster Teil: Geschichte und Gegenwart

und zu veräußern. Wegen des ingesamt noch niedrigen Angebots an Droschken und der dementsprechend hohen Beförderungspreise zahlte sich die Anschaffung einer Droschke schnell aus. Die Autohersteller produzierten dennoch über die Nachfrage hinaus und gingen unter Beteiligung der Banken dazu über, selbst Großbetriebe zu gründen oder sich in kleinere Betriebe einzukaufen. Trotz der grundsätzlichen Zulassungssperre reduzierte sich der Anteil der Einwagenbetriebe von 61, 9 % im Jahr 1923 auf 19, 2 % im Jahr 1928.74 Eine Ursache für diesen Rückgang lag in der Unerfahrenheit vieler Neuunternehmer, die aus anderen Branchen stammten und Fehler bei der Betriebsführung machten, die mit der Auswahl des falschen Wagens begannen und beim Abschluß extrem nachteiliger Finanzierungsbedingungen nicht aufhörten. Besonders hart betroffen waren die Unternehmer, die 1925 oder 1926 überhöhte Preise für die Neuwagen bezahlt und hohe Kredite in Anspruch genommen hatten, die sie bei der Verdreifachung der Konkurrenzbetriebe nicht mehr zurückzahlen konnten. Aber auch die Großbetriebe machten Managementfehler, die sich bitter rächten. Durch die Zahlung überhöhter Preise bei der Wagenlieferung oder auch bei den Krediten büßten sie ihren größten Vorteil, die Verbilligung der Preise durch Großeinkäufe, von vornherein ein. Andererseits erhielten sie im Gegensatz zu den meisten Kleinunternehmern nicht die normalen Zahlungserleichterungen, sondern mußten unverzinste Anzahlungen leisten, was wegen der sehr langen Lieferzeiten zu enormen Zinsverlusten führte. Die Auslieferung erfolgte oft so spät, daß sie bereits in die Zeit der großen Preis-Baisse fiel, die bis zu 50 % betrug. 75 Die Schuldzinsen wiederum wurden nicht für den tatsächlich geschuldeten Betrag berechnet, sondern für die gesamte Summe, unabhängig von dem bereits getilgten Betrag. Auch gehörten die Prämien der regelmäßig von den Kreditinstituten - gegen höhere Gebühren - vermittelten Versicherungen nicht zu den günstigsten. Von großer Bedeutung war schließlich auch die damalige Tarifpolitik. Das Verhältnis der Preise für die Benutzung von Großdroschken zu Kleinkraft- und Pferdedroschken sowie den bis Januar 1928 in Betrieb befindlichen Motorraddroschken war auf 100: 75: 50 festgesetzt worden. Die Preise fixierten Höchstgrenzen, die von den Unternehmern auch unterschritten werden durften. Der Fehler dieser Regelung bestand darin, daß den Unternehmern gestattet wurde, ihre Fahrzeuge so umzurüsten, daß die Unterschiede aus Sicht der Fahrgäste weitgehend wegfielen. Als die Besitzer von Kleindroschken ihre Fahrzeuge statt der bisherigen zwei mit vier Sitzen 74 Ein größerer Teil der Unternehmen, nämlich 21, 2 % bzw. 22, 2 % besaß zwei oder drei bis fünf Wagen. Immerhin 12, 5 % der Betriebe hatten zwischen sechs und zwanzig Wagen, 7, 4 % verfügten über 21 bis 50 Fahrzeuge und erstaunliche 17, 4 % der Unternehmen besaßen einen Wagenpark von über 50 Droschken, Evgénieff, Seite 42. 75 Evgénieff, Seite 48.

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ausstatteten, sahen sich die Inhaber der Großdroschken zunehmend gezwungen, ebenfalls zu den niedrigeren Tarifen zu fahren, obwohl ihre Betriebskosten höher waren. Die Besitzer der Kleindroschken wiederum fürchteten den starken Zulauf der noch günstigeren Motorraddroschken und paßten ihre Tarife zunehmend nach unten an. Die Großunternehmen zögerten bei der Umstellung und verloren dadurch nicht nur Einnahmen, sondern auch ihre besten Fahrer. Die unterschiedlichen Tarife und mit ihnen die verschiedenen, für den Fahrgast zur Verfügung stehenden Droschkentypen wurden schließlich durch die Einführung einer Einheitsdroschke beendet.76 In der Zwischenzeit war allerdings ein Teil der Betriebe bereits in Konkurs gegangen, die übrigen konzentrierten sich zunehmend in den Händen der Gläubigerbanken. Die 1928 verhängte generelle Zulassungssperre bewirkte, daß die zusammen mit den größtenteils schrottreifen Wagen auf die Gläubiger übergegangenen Konzessionen einen gewissen Handelswert erhielten. Diese künstliche Schaffung von Werten und die damit verbundene Abschottung vor weiterer Konkurrenz rief bei den Gläubigern zugleich die Hoffnung hervor, die Konzessionen gewinnbringend zu verwerten. Getreu dem alten Gedanken, wonach das öffentliche Fuhrwesen in öffentlicher Hand konzentriert werden sollte, wurden die Droschkennummern u.a. der Berliner-Verkehrs-Gesellschafi angeboten. Als diese aus finanziellen Gründen ablehnte, wurde am 18. Oktober 1929 die Kraftag-Groß-Berliner-Kraftdroschken A.G." gegründet. Hauptaktionär und zugleich Hauptlieferant war der italienische Autohersteller Fiat, der auf diesem Wege die eigenen Wagen in den deutschen Handel einführen wollte. Der Nummernbesitz erhöhte sich durch Zukäufe im ersten Betriebsjahr auf 1460, der Wagenbestand umfaßte im November 1930 1000 Stück. Zugleich betrieb das Unternehmen als Novität im Gewerbe ein gezieltes Marketing. Mehrere Wagen wurden mit Regenschirmen für die Fahrgäste ausgerüstet und über ein Rabattsystem erhielten Kunden für Fahrquittungen über 20, - R M einen Freifahrtgutschein über 1,- RM. Darüberhinaus wurde der Wiedererkennungswert stark erhöht, indem die Wagen eine einheitliche Farbgebung, eigene Firmenzeichen und eine Firmenaufschrift erhielten. In der Folge führten die übrigen Unternehmer ihre Einnahmenverluste unzutreffenderweise auf die "Kraftag" und nicht auf die allgemeine Wirtschaftskrise zurück und begannen ebenfalls, z.T. noch

76 Zuvor hatte die Polizei auf der Grundlage eigener Rentabilitätsberechnungen lediglich die Tarife mit der Verordnung vom 15. Oktober 1927 weitgehend einander angeglichen. Kleindroschken durften danach nicht mehr als zwei Personen befördern und die Motorradroschken täglich nur eine Beförderung zu niedrigeren Preisen durchführen.

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höhere Rabatte zu gewähren. 77 Daraufhin stellte die Kraftag das Rabattsystem bald wieder ein. Mitte 1931 mußte die Kraftag wegen hoher Verluste fast ein Drittel ihrer Wagen stillegen. Nach weiteren Stillegungen schmolz der Wagenbestand von vormals 1293 im Dezember 1930 auf 700 Stück im Frühjahr 1932 zusammen. Nach einem Wechsel in der Betriebsleitung wurden die Benzinkosten, nach Pariser Vorbild, ab 1931 den Fahrern auferlegt. Daraufhin konnte die Zahl der Leerkilometer erheblich verringert werden. Anstelle des früheren Rabattsystems wurde nun ein Gutscheinblock zu 10,- R M verkauft, dem ein Freifahrtschein über 1,- R M beigefügt war. 78 Doch auch diese Maßnahmen vermochten die wirtschaftliche Situation des größten deutschen Taxiunternehmens nicht zu stabilisieren. Die allgemeine Wirtschaftskrise verschlimmerte sich, die Benzinpreise wurden erhöht und die hohen Fahrtpreise beibehalten. Entsprechend ging die Nachfrage immer weiter zurück. Hatten die Droschken Ende 1927 noch rund eine halbe Million Fahrgäste täglich befördert, waren es Anfang 1932 noch 150.000.79 Zwar hatte sich der Droschkenbestand von 9168 im Jahr 1928 stetig verringert bis er 1932 bei 8442 lag. Diese Entwicklung entsprach jedoch bei weitem nicht dem Rückgang bei den Aufträgen. Zum anderen paßte sich auch die Zahl der Unternehmen diesen Veränderungen nicht an, sondern erhöhte sich auf dem Höhepunkt der Krise noch von 3351 im Jahr 1930 auf 3699 (1931) und 3747 (1932). Besonders aufschlußreich ist die Entwicklung bei den Unternehmen mit nur einem Wagen. Während sich die Zahl aller Unternehmer mit mehreren Fahrzeugen ab 1930 verringerte, stieg die Zahl der Kleinstbetriebe sogar stark an, von 1654 (1930) auf 2070 (1931) und schließlich 2252 (1932). 80 Die Zunahme erklärt sich rein rechnerisch nur zum Teil aus der Verringerung des Fahrzeugbestandes bei den größeren Unternehmen. Da die Zulassungssperre nach wie vor in Kraft war, kommt als Erklärung für diese Entwicklung nur in Betracht, daß die nach wie vor übertragbaren Konzessionen von Einzelpersonen gekauft wurden, die sich durch die Selbständigkeit die Erwirtschaftung eines Existenzminimums versprachen. Das Drosckkengewerbe hatte in Krisenzeiten also die Funktion eines Aufifangbeckens für die sozial schwachen, arbeitslosen Personen. Daneben ist ein weiterer Umstand bemerkenswert. Die Kraftag hatte zwar mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu rechnen, doch hatte allein ihre Existenz ausgereicht, um die Kleinbetriebe zur Erneuerung ihrer Wagen und

77 Kubisch, Seite 83/84, beschreibt, wie die Unternehmer die Rabatte mit Schlemmkreide auf die Windschutzscheibe schrieben, und wieder wegwischten, sobald keine Konkurrenz mehr neben ihnen stand. 78 Evgénieff, Seite 62. 79 Das Berliner Taxi Gewerbe, Sonderausgabe 1900-1975, Juni 1975, Seite 72. 80 Evgénieff, Seite 65.

1. Kapitel: Historische Entwicklung des Taxengewerbes in Berlin

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oder zur Neuanschaffung zu veranlassen. Die neuen, stark verchromten und blitzenden Wagen zeigen, daß die Droschkenbesitzer auch früher durchaus in der Lage gewesen waren, ihre Fahrzeuge zumindest in einem technisch einwandfreien Zustand zu halten. Allein wegen des fehlenden Anreizes - der später in Form des großen Konkurrenzbetriebes Kraftag auftrat - waren die zur Verfügung stehenden Mittel nicht in den Betrieb und die Fahrzeuge geflossen. Der Berliner Polizei gelang es schließlich durch zwei Maßnahmen, die Zahl der Droschken auf unter 6000 zu senken. Zum einen wurde das umschichtige Fahren angeordnet, was praktisch einem Fahrverbot für jeden zweiten Tag entsprach. Denn fortan durften von den nach wie vor nummerierten Fahrzeugen jene mit geraden Zahlen an einem, und die mit den ungeraden Zahlen an dem darauffolgenden Tag fahren. Nach einer zweiten Regelung erhielt derjenige, der zwei Fahrzeuge stillegte, eine Ausnahmegenehmigung und durfte jeden Tag fahren. 81 Erst ein Angebot der Reichsregierung führte dann zu dem entscheidenden Rückgang der Taxenzahlen: Danach kaufte die Regierung den Droschkenbesitzern ihre Konzessionen ab und verpflichtete sich gleichzeitig zur Überführung der ehemaligen Unternehmer in einen anderen Beruf. 82 Die Unternehmer machten allerdings erst 1934/35 von diesem Angebot vermehrt Gebrauch, als die Regierung die Preise von 2500 R M auf 3500 R M erhöhte. Außerdem besagte eine andere Regelung von 1935/36, daß jeder Unternehmer, der freiwillig seine Konzession zurückgab, 4000,- R M erhielt, bei zwangsläufiger Außerverkehrziehung 83 aber nur 3000,- RM. Mehrwagenbesitzer bekamen für jeden stillgelegten Wagen 500,- RM. 8 4 Die starke Resonanz zeigt jedoch deutlich, daß viele Droschkenbesitzer diesen Beruf nur als ultima ratio angesehen hatten, um sich bei der schlechten Arbeitsmarktlage überhaupt einen Verdienst sichern zu können. Mittlerweile war ein neues, erstmals im gesamten deutschen Reich geltendes Personenbeforderungsgesetz in Kraft getreten, das im wesentlichen die in Berlin entwickelten Regelungen übernahm und Gegenstand des folgenden Abschnittes ist. In der Zusammenschau lassen sich die Erkenntnisse aus der Entwicklung des Droschkengewerbes seit 1739 wie folgt zusammenfassen und auswerten:

81

Das Berliner Taxi Gewerbe, Sonderausgabe 1900 - 1975, Juni 1975, Seite 72. Kubisch, Seite 117. 83 Die Pflicht zur jährlichen Untersuchung der Fahrzeuge vor dem Kraftverkehrsamt wurde erst im März 1939 eingeführt, Kubisch, Seite 118. 84 Das Berliner Taxi Gewerbe, Sonderausgabe 1900 - 1975, Juni 1975, Seite 74. 82

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1. Die quantitative Versorgung der Bevölkerung mit Droschken ist seit den Anfangsjahren des Gewerbes im 18. Jahrhundert zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen, auch nicht während der über lange Zeiträume hinweg geltenden völligen Gewerbefreiheit. Die zahlenmäßige Begrenzung der Droschken ist demnach nicht erforderlich, um die Verkehrsbedienung sicherzustellen. 2. Die Gewährleistung der Qualität ist demgegenüber seit Beginn an ein großes Problem gewesen. Für die Bevölkerung stellte sich nie die Frage, ob bei Bedarf eine Droschke zur Verfügung stand, sondern nur, ob die Sicherheit des Wagens und die Zuverlässigkeit des Kutschers gegeben waren. Die besten Erfahrungen wurden während eines Monopols und auch unter einem Oligopol von einigen wenigen Großunternehmen gemacht.85 Wirtschaftliche Zusammenbrüche beruhten hier weniger auf veränderten Marktbedingungen als auf gravierenden Mangementfehlern einzelner Entscheidungsträger. Wegen ihrer strukturellen Vorteile arbeiten Großbetriebe ökonomischer als Kleinstbetriebe und gewährleisten darüberhinaus eine strenge Überwachung. Die Konstellation, die am ehesten zu einer Gefahrdung der Verkehrssicherheit führte, war eine schlechte allgemeine Konjunkturlage mit vielen Kleinstunternehmern im Droschkengewerbe. Von ihnen stammte ein Großteil aus völlig anderen Branchen und war gerade wegen der schlechten allgemeinen Konjunktur und den andererseits fehlenden tatsächlichen Hindernissen in das Gewerbe getrieben worden, ohne ein nachhaltiges Interesse zum dauerhaften Verbleib zu besitzen. Eine Übersetzung des Gewerbes läßt sich folglich durch solche Berufszugangsregelungen verhindern, die speziell auf Bewerber ohne längerfristige Interessen zugeschnitten sind. Dies sind insbesondere längere Vorbereitungszeiten, etwa durch eine vorgeschriebene Mindestzeit als Fahrer. Die andere Möglichkeit bestände in einer Art Krisenmechanismus, durch den der Zufluß in das Gewerbe automatisch ab einem bestimmten Tiefstpunkt der allgemeinen Konjunktur verringert wird, also z.B. die Koppelung der Zulassungszahlen mit der Entwicklung der regionalen Arbeitslosenquote. 3. Die zahlenmäßige Begrenzung des Gewerbes sichert dagegen keine dauerhafte Abhilfe. Denn die Festlegung starrer Höchstzahlen berücksichtigt nicht, daß sich die wirtschaftliche Situation des Droschkengewerbes nach der allgemeinen Konjunkturlage richtet und damit auch starken Schwankungen unterworfen ist. Die Festschreibung von starren Höchstzahlen in konjunkturstarken Zeiten bedeutet zugleich die Festschreibung eines Überangebotes bei allgemei-

85

In den USA werden auch heute noch im Hinblick auf die Verkehrssicherheit die besten Erfahrungen in den Städten gemacht, die eine bestimmte Mindestzahl von Taxen vorschreiben, in der Regel zwischen fünf und fünfundzwanzig, die ein neu anzumeldendes Unternehmen mindestens aufweisen muß (franchise oder medallion system). Insbesondere die Erfahrungen mit Mortier haben gezeigt, daß Großunternehmen auch viel kostengünstiger arbeiten können als einzelne Kleinunternehmer. Dazu unten, 2. Teil 2. Kapitel 2. b) dd).

1. Kapitel: Historische Entwicklung des Taxengewerbes in Berlin

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ner Konjunkturschwäche. Denn die Unternehmer, die eine Konzession erhalten haben, geben ihren Betrieb allein deshalb nicht auf, weil sie wissen, daß sie in besseren Zeiten wegen der Begrenzung keine Konzession mehr erhalten können. Zudem ist bei einer allgemein schlechten Konjunkturlage die Aussicht auf einen geringen Verdienst im Droschkengewerbe besser als eine mögliche Arbeitslosigkeit auf der anderen Seite. 4. In der Geschichte wurde mehrfach die Erfahrung gemacht, daß die Kleinunternehmer ihre Gewinne regelmäßig nur dann in den Betrieb investieren und die Verkehrssicherheit sicherstellen, wenn ein entsprechend großer Anreiz besteht, z.B. weil die alten Wagen zwangsweise aus dem Verkehr gezogen worden waren oder wenn eine starke Konkurrenz etwa durch einen Großunternehmer drohte. Eine solche Motivation ist auch dann gegeben, wenn die Unternehmer starken Kontrollen ausgesetzt sind und im Falle wiederholter Verstöße gegen die gesetzlichen Vorschriften mit empfindlichen Sanktionen bis hin zur dauerhaften Entziehung der Konzession rechnen müssen. 5. Das eigentliche Problem liegt eher in der Umsetzung dieser Erkenntnis. Läßt man einmal den Umstand außer acht, daß die Pflichten der Unternehmer oftmals aus sozialen Rücksichten von den Überwachungsorganen nicht durchgesetzt wurden, so lag der Hauptgrund für die Erfolglosigkeit der Überwachung vor allem in zu geringen staatlichen Mitteln hierfür. Daran hat sich bei der heutigen Finanzlage der Gemeinden auch zwischenzeitlich wenig geändert. 86 Aus staatlicher Sicht war und ist das einfachste Mittel zur Sicherstellung die generelle Begrenzung der Taxenzahlen, wodurch den Unternehmern ein relativ sicheres Einkommen gewährleistet wird. Die günstigste und deshalb praktikabelste Lösung bestände allerdings darin, die Unternehmer - so wie früher die Kutscher - zur Mitgliedschaft in Zweckverbänden zu verpflichten, und diesen gleichzeitig die Überwachung ihrer Mitglieder zu übertragen. 87

86 Vgl. auch BZP (1991), Seite 6: "[...] denn eine Überwachung greift nicht. Dies zeigt die heutige Lage, >yo de facto die durch Gesetz vorgeschriebene Aufsicht durch die zuständigen Behörden wegen der bekannten Personalmängel einfach nicht wahrgenommen wird;" Die Europäische Kommission beanstandete 1993 die unzulängliche Durchsetzung der für Verkehrsunternehmer geltenden Vorschriften infolge unzulänglicher Kontrollen durch die Behörden. Ein Grund hierfür sei auch, daß nur in beschränktem Umfang die notwendigen finanziellen Mittel bereitgestellt würden. Kommission 1993, Seite 58 (Nr. 275 ff.). 87 In den USA werden sehr gute Erfahrungen mit Zulassungsvorschriften gemacht, nach denen Bewerber eine Konzession nur dann erhalten, wenn sie einen Platz in einer der großen Taxivereinigungen nachweisen können, s.u.: "Die Entwicklung in den USA". In Deutschland gehen die genossenschaftlich organisierten Funktleitzentralen mit rigiden Maßnahmen bis hin zum Ausschluß gegen Mitglieder vor, die sich eines Pflichtverstoßes schuldig gemacht haben und gewährleisten dadurch eine starke Disziplin der angeschlossenen Unternehmer. Über eine gemeinsame Dachorganisation ließen sich darüberhinaus die gleichen Vorteile erzielen, die auch einem Großunternehmen beim Einkauf großer Materialmengen, eigene Werkstätten etc. zugute kommen.

Erster Teil: Geschichte und Gegenwart

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2. Kapitel

Die Entwicklung des PBefG und seiner zahlenmäßigen Beschränkung des Taxengewerbes Die Gründe für eine zahlenmäßige Beschränkung der Droschken gehen, wie oben gezeigt wurde, bis in das 19. Jahrhundert zurück. Der Ursprung des Personenbeförderungsrechtes war nicht verkehrswirtschaftlicher, sondern verkehrspolizeilicher Natur. 88 Es war dem Ermessen der einzelnen Ortspolizeibehörden überlassen, ob und in welcher Weise sie den Gelegenheitsverkehr durch Verordnungen regeln wollten. 89 Den Anstoß zur einheitlichen Regelung der innerörtlichen Personenbeförderung gab die Regelung des Linienverkehrs. Um die Kraftfahrtlinien an überörtliche Verkehrsbedürfhisse anpassen zu können, wurde am 24.02.1919 die erste Kraftfahrtlinienverordnung erlassen.90 Danach war die entgeltliche Beförderung über die Grenzen des Gemeindebezirks hinaus an die Erteilung einer staatlichen Genehmigung gebunden.91 Diese Genehmigung durfte nur erteilt werden, wenn die Sicherheit und Leistungsfähigkeit nach der Person des Unternehmers und der Beschaffenheit des Betriebes, insbesondere des Fahrzeuges selbst, gewährleistet waren. 92 Darüber hinaus

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Sigi, Einleitung, Seite 2. Aus der Begründung des Reichsverkehrsministers zum Personenbeforderungsgesetz 1934, abgedruckt bei: Gülde, Seite 9,10; s.a. §§ 37,40, 76 Gewerbeordnung a.F. 90 RGBl. 1919, 97; nach derfrüheren Rechtsauffassung besaß diese Verordnung Gesetzeskraft, Greif, Vorbemerkung vor § 1, Seite 1. 91 Kaufer vertritt die Ansicht, daß "die Reglementierungen des Kraftwagenverkehrs unter Berufung auf die inhärente Neigung dieser Branche zu ruinöser Konkurrenz" auf den Versuch der Post zurückgingen, das vormalige Monopol für Überlandtransporte vor Konkurrenz zu schützen, Kaufer, Seite 17. Vgl. dazu auch die Äußerungen des MdB Schmidt in der 14. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 11.2.1954, Sitzungsprotokoll Seite 444. Tatsächlich benötigte die Reichspost als einziger Verkehrsträger auch nach Inkrafttreten des PBefG 1934 keine formelle Genehmigung, die bloße Anzeige, einen Linienverkehr einrichten zu wollen, genügte, § 27 PBefG 1934 i.V.m. § 36 der DVO 1935. In späteren Zeiten war der federführende Ausschuß in Sachen PBefG derjenige für das Post- und Fernmeldewesen, so etwa bei den Entwürfen vom 21.9.1954 (BT II. Drucks. 831) und 8. 3. 1958 (BT m. Drucks. 255). 92 Sigi, Seite 3; Oppelt, Anm. 4 zu § 9, Seite 68, verweist auf ein Urteil des OVG Münster vom 11.4.1951 (- ΠΙ A 347/50 -), in dem die besonderen Pflichten und Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit des Fahrers und die Sicherheit des Fahrzeuges bei Kraftwagenfahrern vor allem "wegen der dem Kraftverkehr eigenen Schnelligkeit und der damit für den Verkehr auf öffentlichen Straßen verbundenen Gefahr" begründet wurden. 89

2. Kapitel: Die Entwicklung des PBefG

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wurde ein Unternehmen nur dann neu zugelassen, wenn es den "Interessen des öffentlichen Verkehrs" nicht zuwiderlief. 93 Der "öffentliche Verkehr" wurde lange Zeit als die Gesamtheit der Verkehrsteilnehmer einschließlich des Individualverkehrs definiert. Den Beförderern fremder Personen wurde jedoch von Anfang an eine Sonderstellung eingeräumt, weil sie nicht nur am Verkehr teilnahmen, sondern diesem zu dienen bestimmt und deshalb den öffentlichen Verkehrsbetrieben wie der Eisenbahn und Straßenbahn vergleichbar waren. 94 In diesem engeren Sinne war unter "öffentlichem Verkehr" die Gesamtheit aller personenbefördernden Unternehmen zu verstehen. Das "öffentliche Interesse" an ihnen war das "Interesse der Öffentlichkeit" an ihnen. Die zahlenmäßige Begrenzung diente damals dem Schutz "der Ordnung innerhalb des Gesamtverkehrswesens" und nicht dem Schutz der Verkehrsträger um ihrer selbst willen.95Diese Unterscheidung war insofern von großer Bedeutung, als es zum Schutz der Verkehrsträger selbst genügt hätte, die Zahl der Konkurrenzbetriebe zu beschränken, sobald der Verkehrsträger von wirtschaftlichen Schwierigkeiten bedroht wurde. Steht dagegen das Interesse der Öffentlichkeit am geordneten Gesamtverkehrswesen im Mittelpunkt der Prüfung, so ist zusätzlich in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die Gefahrdung des einzelnen Verkehrsträgers tatsächlich auch zu einer Bedrohung des Gesamtverkehrswesen führt. Diese zweite Kausalitätsprüfung wurde jedoch nie vorgenommen, weil sich - nach dem damaligen Verständnis - die einzelnen Verkehrsträger innerhalb des Gesamtorganismus "Verkehrswesen" gegenseitig bedingten und Störungen in einem Verkehrsträger deshalb automatisch die Bedrohung der anderen bedeutete.96

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In leicht abgewandelter Form existiert die Formulierung immer noch im heutigen Personenbeförderungsgesetz. In § 13 Abs. 2 Ziff. 2 und Abs. 4 Satz 1 PBefG wird die Erteilung einer Genehmigung für den Linien- und den Taxenverkehr von einer Nichtbeeinträchtigung der "öffentlichen Verkehrsinteressen" abhängig gemacht. 94 So Oppelt, Anm. 4 zu § 9, Seite 68/69, unter Hinweis auf OVG Münster, 3. Senat, Urteil vom 11.4.1951 - III A 347/50 -. 95 Vgl. die Stellungnahmen des Verkehrsministers, zu lesen in BVerfGE 11, 168, 173 ff. 96 Das BVerfG hat 1960 dieses Verständnis vom Zusammenspiel der einzelnen Verkehrsträger abgelehnt: "Es geht nicht an, unter Berufung auf die "Einheit des Verkehrs", d.h. auf die Zusammenhänge innerhalb des "Verkehrsorganismus", anzunehmen, daß objektive Zulassungsvoraussetzungen nur einheitlich für alle Verkehrsträger zulässig oder unzulässig sein könnten, also für alle Arten der Personenbeförderung zulässig sein müßten, wenn sie sich auch nur für eine Art als gerechtfertigt und notwendig erweisen." (BVerfGE 11, 168, 183/184). Der § 13 Abs. 4 PBefG stellt seinem Wortlaut nach jedoch auch heute noch auf die Beeinträchtigung öffentlicher Verkehrsinteressen ab. 4 Bardarsky

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Erster Teil: Geschichte und Gegenwart

In die Überlandverkehrsordnung von 193197 wurde aufgrund des verschärften Wettbewerbs zwischen Schiene und Straße den Unternehmern erstmals das Recht zur Anhörung eingeräumt, § 7 der VO. Dies bedeutete zugleich, daß die im Verkehrsgebiet bereits vorhandenen Betreiber von Kraftfahrtlinien unter Hinweis auf öffentliche Interessen der Genehmigungserteilung an neue Unternehmen widersprechen konnten.98 Durch eine Befristung der Genehmigung (§ 8 Abs. 1) sollte eine regelmäßige Prüfung der Unternehmen auf ihre Vereinbarkeit mit den "öffentlichen Interessen" (§ 6) erreicht werden. 99 Das Ziel der Verordnung war insgesamt, die Entstehung eines "unbilligen Wettbewerbs" im Straßenpersonenverkehr zu verhindern. 100 Diese Regelungen wurden im wesentlichen 1934 in das erste einheitliche Personenbeförderungsgesetz 101 übernommen, das in seinen wesentlichen Grundzügen insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Unternehmerschaft und Staat bis heute gilt. 102 Erstmals wurde nun der "nicht linienmäßige Kraftverkehr" in einem für das gesamte Reich geltenden Gesetz geregelt. Nach dem herrschenden Verständnis über die Funktionsweise des Verkehrswesens betrachtete man die einzelnen Verkehrsträger als sich gegenseitig bedingende Teile eines Gesamtorganismus. Es war daher nur folgerichtig, das Personenbeförderungsgewerbe insgesamt zur Aufrechterhaltung der Ordnung einer

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Dritte Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen, Fünfter Teil, Kap. V, RGBl. I, Seite 558. Der wesentliche Inhalt der VO wurde dann in das Kraftfahrtliniengesetz vom 26.8.1925 (RGBL. I Seite 319) übernommen, Greif, Vor § 1, Seite 1. 98 In diesen Fällen entschied letztlich der Verkehrsminister selbst, § 13 der VO; vgl hierzu den Allgemeinen Teil der amtlichen Begründung des Personenbeförderungsgesetzes, abgedruckt bei: Rautenberg/Frantzioch, Seite 37; Greif, Vor § 1, Anm. 4., Seite 3. 99 Vgl. BT-Drucks. 831 vom 21. 9. 1953, Seite 28; Greif, Vor § 1, Anm. 4, Seite 2. 100 Allgemeiner Teil der amtlichen Begründung des Personenbeförderungsgesetzes, abgedruckt bei: Rautenberg/Frantzoich, Seite 37. 101 Gesetz über die Beförderung von Personen zu Lande (PBefG) vom 4. 12. 1934, RGBl. I, Seite 1217. Die Änderungen an Teilen des Gesetzes durch das Änderungsgesetz vom 6. Dezember 1937 (RGBl. I., Seite 1319) traten erst durch das Personenbeförderungsgesetz vom 16. Januar 1952 (BGBl. I., Seite 21) in Kraft. 102 Greif, Vorbemerkung vor § 1, Rn. 4; s.a. BVerfGE 11, 168, 170; so: Fromm weist darauf hin, daß wesentliche Aussagen gemäß der früheren Übung in den Runderlassen des Reichsverkehrsministers enthalten gewesen seien, Fromm, Personenbeförderungsrecht, Seite 233 m.w.N. Allerdings wurden Taxen und Mietwagen weder in § 2 noch in den speziell den Gelegenheitsverkehr regelnden §§ 28 - 30 des PBefG ausdrücklich genannt. Erst in § 38 Abs. 1 der Durchführungsverordnung zum PBefG vom 26. 3. 1935 (RGBL I, Seite 473) wird ausdrücklich festgestellt: "Als Gelegenheitsverkehr gilt der Verkehr mit Droschken, Ausflugswagen, Überlandwagen oder Mietwagen."

2. Kapitel: Die Entwicklung des PBefG

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einheitlichen Reglementierung zu unterwerfen. 103 Die zugrundeliegende Auffassung von der Notwendigkeit der ordnenden Hand des Staates erklärt sich aus dem wirtschaftlichen und politischen Zeitgeschehen. Die Weltwirtschaftskrise in den Jahren 1929/30 hatte grundsätzliche Zweifel an den Selbstheilungskräften des Marktes ausgelöst. Das Vertrauen in die Gesetze von Angebot und Nachfrage existierte nicht mehr. Seiner Intention nach zielte das PBefG also nicht auf die Durchsetzung eines freien Wettbewerbs, sondern auf dessen Verhinderung. Allein die Konzentration von Leitungsbefugnissen in der ordnenden Hand des Staates versprach Sicherheit und Stabilität. Die dahinterstehende politische Absicht wird vor dem Hintergrund deutlich, daß das PBefG 1934 nicht in dem üblichen Gesetzgebungsverfahren zustande gekommen, sondern unmittelbar vom Kabinett Hitlers erlassen worden war und die Unterschrift des Reichskanzlers und Führers Adolf Hitler trug. Eine parlamentarische Anhörung oder Diskussion hatte es nicht gegeben. Die Präambel zum PBefG lautete: "Im nationalsozialistischen Staat gehört die Führung des Verkehrs zu den Aufgaben des Staates. [...] Jedem Beförderungszweige müssen diejenigen Aufgaben zugewiesen werden, die er im Rahmen des Gesamtverkehrs und der Wirtschaft am besten zu lösen vermag." 104 Die Genehmigungspflichtigkeit des Droschkengewerbes wurde mit der Verhinderung eines "überhandnehmenden Wettbewerbs des sog. Mietwagengewerbes" zur Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit der Gesamtwirtschaft begründet. 105 Das wichtigste Mittel zur Lenkung des Verkehrswesens war der allgemeine Genehmigungsvorbehalt für die gewerbsmäßige Personenbeförderung in § 2 PBefG. Durch § 9 PBefG wurden die Behörden ermächtigt, die Zahl der als renitent geltenden Droschkenunternehmer jederzeit und nach eigenem Gutdünken zu beschränken. Zu diesem Zweck enthielt die Vorschrift gleich zwei Rechtsgrundlagen, um die Versagung der Genehmigungserteilung begründen zu können: "(1) Die Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn der Antragsteller zuverlässig ist, die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Betriebes gewährleistet ist und das Unternehmen den Interessen des öffentlichen Verkehrs nicht zuwiderläuft.

103 Außerdem wollte man auf Dauer eine "Gesetzeskonkurrenz" zwischen der bisherigen Überlandverkehrs-Gesetzgebung des Reichs und dem teilweise überschneidenden Polizeiordnungsrecht der Länder (§ 37 i.V.m. § 76 Reichsgewerbeordnung) vermeiden vgl. die Begründung des Reichsverkehrsministers, Reichsanzeiger Nr. 292, 1934; auch abgedruckt in: Gülde, Seite 9, 10 und in Hoche, Seite 507 f. 104 RGBl. 1934, Seite 1217. 105 Wörtlich heißt es in der Begründung des Reichsverkehrsministers zum PBefG 1934: "Die Ausdehnung des staatlichen Genehmigungszwanges [...] auch auf den Gelegenheitsverkehr [...] beruht auf der Erwägung, daß der überhandnehmende Wettbewerb des sog. Mietwagengewerbes in sich und gegenüber anderen Verkehrsunternehmen zur Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit der Gesamtwirtschaft geregelt werden muß." abgedr. in: Gülde, Seite 10 f.

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Erster Teil: Geschichte und Gegenwart

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(2) Die Genehmigung ist zu versagen, wenn kein Bedürfiiis vorliegt." Wegen der gehäuften Verwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe waren die Behörden bei der Festlegung zahlenmäßiger Begrenzungen des Gewerbes relativ frei. Der Unterschied zwischen den beiden Absätzen wurde damit erklärt, daß in Absatz 2 ein "volkswirtschaftliches Bedürfnis" gemeint sei, das "den verkehrswirtschaftlichen Notwendigkeiten Rechnung" trägt, das notleidende "Verkehrsgewerbe auf eine gesunde Grundlage" stellt und ihm die Möglichkeit gibt, "die zu einer angemessenen Lebenshaltung und wirtschaftlichen Betriebsführung notwendigen Mittel zu erwerben." 106 Demgegenüber sollte Absatz 1 die Allgemeinheit und ihr Bedürfiiis nach der Versorgung mit Droschkendiensten schützen. Die praktische Umsetzbarkeit dieser Auslegungen erschien allerdings zweifelhaft angesichts der Formulierung von § 11 DVO: 1 0 7 "(1) Die Prüfung, ob die Interessen des öffentlichen Verkehrs gewahrt sind, soll sich vornehmlich auf das Verkehrsbedürfiiis, [...] erstrecken. [...] (2) Das Unternehmen läuft insbesondere den Interessen des öffentlichen Verkehrs zuwider: [...] 2. wenn es bereits vorhandenen Verkehrsunternehmen einen unbilligen Wettbewerb bereitet oder ihrer dem öffentlichen Bedürfiiis mehr entsprechenden Ausgestaltung vorgreift." War schon die praktische Differenzierung zwischen einem "Bedürfiiis" 108 und einem "Verkehrsbedürfhis" 109 nicht einfach, so ließ sich der Unterschied zwischen der Verhinderung eines unbilligen Wettbewerbs 110 und einem Konkurrenzschutz nach § 9 Abs. 2 PBefG erst recht nicht mehr ausmachen. Denn ein Wettbewerb galt dann als "unbillig", wenn er geeignet erschien, den öffentlichen Verkehr in seiner Gesamtheit "in Unordnung zu bringen" und eine Gefahr für die bestmögliche Ausgestaltung des gesamten Verkehrsnetzes bestand. In diesem Zusammenhang wurde auch die Warnung ausgesprochen, daß die Überspitzung des Wettbewerbprinzips leicht aus einem Leistungswettbewerb einen

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Vgl. die Ausführungen in BVerfGE 11, 168, 180 unter Hinweis auf Abschnitt I 4 der Richtlinie vom 13. Juli 1935. 107 Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Beförderung von Personen zu Lande vom 26. März 1935, RGBl. I., Seite 472; vgl. auch § 9 Abs. 2 der Durchführungsbestimmungen über den Überlandverkehr mit Kraftfahrzeugen vom 9. Oktober 1931, (RGBl I, Seite572): "Die Prüfung, ob die Interessen des öffentlichen Verkehrs gewahrt sind, soll sich auf das Verkehrsbedürfiiis [...] erstrecken." 108 § 9 Abs. 2 PBefG. 109 § 9 Abs. 1 PBefG i.V.m. § 11 Abs. 1 DVO. 110 § 9 Abs. 1 PBefG i.V.m. § 11 Abs. 2, Ziff. 2 DVO.

2. Kapitel: Die Entwicklung des PBefG

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Vernichtungswettbewerb machen könne. 111 In einem Richtlinienerlaß wurde den Behörden dann ab Mitte 1935 empfohlen, den § 11 Abs. 2 DVO entgegen seiner allgemein gehaltenen Formulierung nur noch auf den Überlandverkehr und nicht mehr auf die Kraftdroschken anzuwenden.112 Die unterschiedlichen Interessenlagen zwischen Lenkungsbedürfnis und Schutz der bestehenden Unternehmen zur Sicherung der Wirtschaft einerseits und der Gewerbefreiheit auf der anderen Seite zeigten auch in der politischen Diskussion Folgen.113 Wegen fehlender Einigung verzögerte sich die Verabschiedung eines neuen Personenbeförderungsgesetzes um Jahre, obwohl die Beratungen im Bundestag bereits 1954 weitgehend abgeschlossen worden waren. 114 Die Bemühungen wurden erst forciert, als der erste Senat des BVerwG am 10. März 1954 den § 9 Abs. 2 PBefG aufgrund eines Verstoßes gegen Artikel 12 Abs. 1 GG für unanwendbar erklärte. 115 Obwohl den Behörden auch weiterhin die Berücksichtigung der "öffentlichen Interessen" nach § 9 Abs. 1 PBefG erlaubt blieb, hielt die Bundesregierung weiter an der Bedürfiiisprüfung fest. Da eine Einigung über den vorliegenden Regierungsentwurf 16 nicht erzielt

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Oppelt, Seite 70. Dieser Hinweis ist deshalb besonders bemerkenswert, weil das Argument eines drohenden Vernichtungswettbewerbes bei unbeschränkter Taxenzulassung auch 1995 noch benutzt wird, vgl. Seite 142 ff. 112 Richtlinien für die Genehmigung des Gelegenheitsverkehrs, Runderlaß vom 13. Juli 1935, Einleitung sowie unter I. 3., RGBl. B, Seite 100. Zweifel an der tatsächlichen Differenzierung durch die Behörden gründen auf dem Umstand, daß einige Jahre später die zahlenmäßige Begrenzung des Droschkengewerbes mit dem Schutz vor einem "ruinösen Vernichtungswettbewerb" begründet wurde. 113 Vgl. auch Fromm, Personenbeförderungsrecht, Seite 233. 1,4 BT Drucks. 831 vom 21. 9. 1954; Der Entwurf war bereits abschließend in Ausschüssen für Kommunalpolitik, für Wirtschaftspolitik und in dem federführenden Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen sowie abschließend dem Unterausschuß "Personenbeförderungsgesetz" behandelt worden, vgl.: Rautenberg/Frantzioch, Seite 39. Bereits in der Wahlperiode zuvor hatte der Verkehrsminister die Bemühungen zur Verabschiedung eines neuen PBefG für gescheitert erklärt, Fromm, Personenbeförderungsrecht, Seite 234 unter Hinweis auf das Bulletin der Bundesregierung Nr. 147 vom 6.8. 1953, Seite 1242. 115 BVerwGE 1, 94 ff. Da es sich um vorkonstitutionelles Recht handelte, war eine vorherige Anrufung des BVerfG nicht erforderlich.Das Urteil des BVerwG ist insofern von herausragender Bedeutung, als die dort angestellten Überlegungen den Grundstein für die spätere Rechtsprechung des BVerfG und damit auch für die gegenwärtige Rechtslage legten. 116 Der Vorschlag (BT Drucks. 831 vom 21.9.1954) sah folgende Neuregelung in § 13 vor: "(2) Die Genehmigung ist zu versagen, wenn 1. durch den beantragten Verkehr die öffentlichen Verkehrsinteressen beeinträchtigt werden [...].

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Erster Teil: Geschichte und Gegenwart

werden konnte, wurde am 27.1.1955 ein ausschließlich den § 9 Abs. 2 PBefG betreffender Entwurf aus der Mitte des Bundestages eingebracht. 117 Danach sollten § 9 Abs. 2 und 3 PBefG folgende Fassung erhalten: "(2) Ein Unternehmen läuft den Interessen des öffentlichen Verkehrs zuwider, wenn für den beantragten Verkehr kein öffentliches Verkehrsbedürfiiis vorliegt. (3) Die nach diesem Gesetz und seine Durchführungsbestimmungen genehmigungspflichtigen Verkehrsarten und Verkehrsmittel dienen dem öffentlichen Verkehrsbedürfhis; an ihnen besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse." Aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken in den Ausschußberatungen erhielt der neue § 9 PBefG des Änderungsgesetzes zum PBefG 118 jedoch einen anderen Wortlaut: "(1) Die Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn der Antragsteller zuverlässig ist, die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Betriebes gewährleistet ist und das Unternehmen den Interessen des öffentlichen Verkehrs nicht zuwiderläuft. (2) Die Genehmigung darf bei allen in § 2 genannten Verkehrsarten nicht erteilt werden, wenn der Verkehr mit den vorhandenen Verkehrsmitteln befriedigend bedient werden kann." Bei Lichte betrachtet, handelte es sich um eine "Trotzreaktion". 119 Objektive Zulassungsvoraussetzungen wurden dort wieder eingeführt, wo das ΒVerwG sie zuvor verworfen hatte. Denn der Inhalt der neuen Vorschrift stimmte trotz des veränderten Wortlautes mit dem des § 9 Abs. 2 PBefG a.F. überein. 120 Das BVerwG verzichtete auf eine weitere Auseinandersetzung mit diesem Gesetz,121 zumal es sich nun um nachkonstitutionelles Recht handelte, über dessen Verfas-

(3) Eine Beeinträchtigung der öffentlichen Verkehrsinteressen ist insbesondere gegeben, wenn für den beantragten Verkehr kein öffentliches Verkehrsinteresses vorliegt. Ein öffentliches Verkehrsinteresse ist insbesondere dann gegeben, wenn der Verkehr mit den vorhandenen Verkehrsmitteln befriedigend bedient werden kann [...]." 117 BT Drucks. 1166 vom 27.1.1955. 118 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Beförderung von Personen zu Lande vom 12. 9. 1955, BGBL. 1 1955, Seife 573. 119 Fromm, Personenbeförderungsrecht, Seite 234. 120 Entsprechend auch die Bemerkung des Abgeordneten Scheuren als Berichterstatter des federführenden Ausschusses für Verkehrswesen: "Im wesentlichen zielt demnach dieser Gesetzentwurf auf die Wiederherstellung des alten Rechtszustandes ab." BT Drucks. 831, 2. Wahlperiode, Seite 3. Dazu auch: Oppelt, Anm. 6 zu § 9 PBefG, Seite 71. 121 So ausdrücklich BVerwGE 4, 89.

2. Kapitel: Die Entwicklung des PBefG

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sungsmäßigkeit allein das Bundesverfassungsgericht entscheiden konnte.122 Die Meinungsverschiedenheit zwischen Gesetzgeber und Bundesverwaltungsgericht über die Zulässigkeit der Bedürfnisprüfung wurde schließlich im Wege von sieben Vorlagebeschlüssen an das Bundesverfassungsgericht herangetragen. Alle Untergerichte vertraten die Auffassung, daß auch die Neufassung des § 9 Abs. 2 PBG das Grundrecht der Berufsfreiheit verletzte. 123 Das Bundesverfassungsgericht ließ die Ausführungen der Regierung zu dem im Wortlaut geänderten § 9 Abs. 2 PBefG in nahezu allen wesentlichen Aussagen "zur Makulatur werden" 124 und erklärte die Vorschrift wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG für verfassungswidrig. 125 Zwar sei grundsätzlich nicht auszuschließen, daß es ohne zahlenmäßige Begrenzung der Droschken zu einer Übersetzung des Gewerbes mit ruinösem Wettbewerb komme und letztlich der ganze Beruf darniederliege. 126 Die Bedürfiiisprüfung setze jedoch beim Schutz des Rechtsguts "Existenz- und Funktionsfahigkeit" des örtlichen Droschkengewerbes zu früh ein, da sie den Behörden erlaube, bereits einem einzelnen Unternehmer die Zulassung zu versagen, obwohl durch diese noch nicht die Gefahr einer Übersetzung und des Darniederliegens des Berufes entstehe.127 Der § 9 Abs. 2 PBefG diene damit unmittelbar nur dem Konkurrenzschutz der bereits im Beruf Tätigen. Dies aber dürfe, so das Gericht unter Bezugnahme auf die Apothekenentscheidung,128 niemals der Zweck einer Zulassungsregelung sein.

122 Konsequenterweise stellte das BVerwG noch im Jahre 1959, im Zusammenhang mit der Prüfling der Genehmigungsvoraussetzungen für den Omnibusverkehr, ausschließlich auf § 9 Abs. 1 PBG i.d.F. von 1934 ab, BVerwGE 9,284 ff. 123 Im einzelnen benannt in BVerfGE 11, 168. Vgl. die umfassende Auflistung der Gerichte mit gegenteiliger Auffassung in BT-Drucks. 831 vom 21.9.1954, Seite 36 ff. Die Inaussichtstellung der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung veranlaßte den Gesetzgeber Ende 1958 die Beratung des von der Bundesregierung vorgelegten Entwurfs eines neuen Personenbeförderungsgesetzes, BT Drucks. 3/255 vom 8.3.1958, auszusetzen; dazu auch: Fromm, DVBL. 1960, 792. 124 Fromm, NZV Bd. 63, (1992), 251, 258. 125 BVerfGE 11,168. 126 Diese Hypothese hatte das Gericht widerwillig dem Vortrag der Verkehrsverwaltung entnommen, in der Sache bezweifelt, aber nicht widerlegen können, vgl. BVerfGE 11, 168, insbes. Seite 188: "Die Gefahr, die in diesem Zusammenhang von der Verkehrsverwaltung stets angeführt wird, [...]. ... Selbst wenn man aber den Ablauf dieser Kausalkette abstrakt als möglich und wahrscheinlich ansähe [...]." 127 BVerfGE 11, 168, 188: "[...] es besteht vielmehr ein mehr oder weniger breiter Grenzbereich, innerhalb dessen trotz an sich zureichender Verkehrsbedienung noch neue Unternehmen ohne Gefahr für den Bestand des Berufes im ganzen zugelassen werden können." 128 BVerfGE 7, 377,408.

Erster Teil: Geschichte und Gegenwart

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Um die Gefahren einer Übersetzung, die möglicherweise überhaupt nicht eintrete, 129 abzuwehren, genüge deshalb allein die Vorschrift des § 9 Abs. 1 PBefG. Die Folge dieser Entscheidung bestand darin, daß die Parlamentarier die Urteilsbegründung ohne nähere Auseinandersetzung zum Gesetzeswortlaut erhoben, so daß der neue § 13 Abs. 3 PBefG folgende Formulierung enthielt: "Beim Verkehr mit Kraftdroschken ist die Genehmigung zu versagen, wenn die öffentlichen Verkehrsinteressen dadurch beeinträchtig werden, daß das örtliche Droschkengewerbe durch die Ausübung des beantragten Verkehrs in seiner Existenz bedroht wird." 130 Die folgenden Jahre offenbarten, daß der Gesetzgeber vorschnell gehandelt hatte. Denn das Gesetz ließ jeden konkreten Maßstab für die Vergabe der Konzession missen. Die Behörden sahen sich dem Problem gegenüber, eine bevorstehende Existenzbedrohung des Gewerbes mit hinreichender Sicherheit vorhersagen und begründen zu müssen, ohne irgendwelche Anhaltspunkte zu kennen. Die Möglichkeit einer Existenzbedrohung des Gewerbes an sich veranlaßte die Behörden in aller Regel zu einer sehr restriktiven Vergabe von Konzessionen, was immer wieder zu Beanstandungen der Verwaltungsgerichte führte. Diese sahen, daß die Klagen über den "angeblich allerorts bevorstehenden Ruin dieser Branche in einem logisch scheinbar nicht zu erklärbaren Gegensatz zu den Tatsachen standen. Denn der Handel mit Genehmigungen florierte ebenso wie im Güterfernverkehr, der anerkanntermaßen nicht notleidend ist." 131 Die Gerichte folgerten gerade aus dem Handelswert einer Konzession auf die Aufnahmefähigkeit des Gewerbes für weitere Unternehmer. Denn wenn bereits im Gewerbe arbeitende Personen, zumeist Fahrer, bereit waren, einige zehntausend Mark für den Betrieb eines einzigen Taxis zu bezahlen, so mußten die Verdienstaussichten besser sein, als es die Klagen der Gewerbetreibenden immer wieder nahelegten und auch für eine Reihe zusätzlicher Unternehmer reichen, bevor die Grenze zur Existenzbedrohung des Gewerbes auch nur in Sicht kam. Die lebhafte Diskussion zu Beginn der sechziger Jahre legte sich weitgehend, nachdem das Bundesverwaltungsgericht 1966 die anzulegenden Maßstäbe konkretisiert hatte.132 Fortan kam es im wesentlichen auf drei Merkmale an, nämlich "ob im Laufe der letzten Jahre einzelne Unternehmer in Konkurs gegangen sind, aus allgemeinen betrieblichen Gründen Vollstreckungsmaßnahmen ausgesetzt 129 130 131 132

BVerfGE 11,168,188. BGBl. 1.1961, Seite 245/246. Fromm, NZV 1992,259. Urteil vom 25. Februar 1966, in: BVerwGE 23,314, 318.

2. Kapitel: Die Entwicklung des PBefG

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waren oder sogar wegen Unwirtschafilichkeit ihren Betrieb aufgegeben haben". Um den Genehmigungsbehörden ein schrittweises Herantasten an diesen kritischen Bereich zu ermöglichen, erlaubte die Rechtsprechung, nach jeder Ausweitung des örtlichen Taxenkontingents einen Beobachtungszeitraum einzuschalten. Innerhalb dieses Zeitraumes durfte eine weitere Konzessionsvergabe mit dem Hinweis verweigert werden, daß zunächst die Auswirkungen der bereits erteilten Genehmigungen auf das Gewerbe abgewartet werden müßten. Trotz dieser Vorgaben waren in der Praxis ganz andere Kriterien entscheidend, wie eine Untersuchung von 1977 verdeutlichte. 133 Damals waren die Genehmigungsbehörden von 120 deutschen Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern nach ihren Maßstäben bei der Vergabe neuer Konzessionen befragt worden. Der Fragebogen gab fünf konkrete Kriterien vor und ließ zusätzlich die Möglichkeit zur Bennenung anderer Merkmale. Am häufigsten wurden angekreuzt: - nach Absprache mit Vertretern des Gewerbes: 42,5 % - auf Drängen des Antragstellers: 40 % Weniger bedeutsam waren offensichtlich die anderen Möglichkeiten: - nach Stichproben in den Bilanzen der Unternehmer: 30,8 % - auf Bitten der Bürgerschaft nach mehr Taxis: 2 1 , 7 % Die geringste Bedeutung maßen die Behörden offensichtlich den Konzessionspreisen bei, womit sie sich in völligem Gegensatz zu den Gerichten befanden: - wenn die Preise der gehandelten Konzessionen zu hoch steigen: 15 %. 134 Nur vier Behörden gaben unter der Rubrik "Sonstiges" an, daß Konzessionen nur dann vergeben würden, wenn dadurch kein ruinöser Wettbewerb entstehe. Die vom BVerwG genannten Kriterien, (Zahl der Konkurse im Droschkengewerbe und die Gründe hierfür,...), waren nicht einmal genannt worden. Die Wesentlichkeitstheorie des BVerfG 135 machte es nach Meinung des OVG Münster im Jahr 1979 notwendig, konkrete Merkmale bei der Vergabe von 133

1977.

Wollrab, Struktur und Bedeutung des Taxiverkehrs in der BRD, Königswinter

134 Die geringe Bedeutung erklärt sich nur zum Teil aus der reinen Unkenntnis der Behörden, da 64,7 % von Ihnen auf die Frage nach der Höhe der Konzessionspreise genauere Angaben machen konnten, Wollrab, Seite 63. 135 BVerfGE 33,125; 47,46, 79; 58,268,269.

Erster Teil: Geschichte und Gegenwart

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Konzessionen im PBefG zu benennen und § 13 Abs. 3 neu zu fassen. 136 Die gleiche Auffassung vertraten zwei Jahre später die Verkehrsminister der Länder in einem Beschluß vom 16.11.1981 und schließlich auch das Bundesverwaltungsgericht. 137 Dabei ließ das Gericht erkennen, daß die Zulassungsschranke im allgemeinen niedrig anzusetzen sei, ein Zulassungsstop also eher zu früh als zu spät verhängt werden müsse. Der Gesetzgeber reagierte mit dem Erlaß der sogenannten "Taxinovelle", die zum 1. Oktober 1983 in Kraft trat und ihrer Tendenz nach den Zugang zum Taxengewerbe weiter erschwerte. Denn nach der Neuregelung genügte den Behörden bereits die Gefahrdung allein der "Funktionsfahigkeit" des örtlichen Droschkengewerbes, um einen Zulassungsstop zu verhängen, § 13 Abs. 4 Satz 1 PBefG. Nach der Auffassung des federführenden Verkehrsausschusses schließt die Funktionsfähigkeit die Existenzfähigkeit mit ein, geht also über diese hinaus und bildet damit nicht nur ein Synonym zur bisherigen Regelung.138 In der Konsequenz dürfen die Behörden damit den Zugang zum Taxengewerbe zu einem früheren Zeitpunkt versperren, als dies bisher möglich war. Um dem Wesentlichkeitsgrundsatz zu genügen, wurden nun in § 13 Abs. 4 Satz 2 PBefG 4 Kriterien eingefügt, die die Genehmigungsbehörde bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit mit zu berücksichtigen hat. Hierzu "soll" die Behörde einen Beobachtungszeitraum von höchstens einem Jahr seit Erteilung der letzten Genehmigung einschalten.139 Zugleich entschied sich der Ausschuß gegen die im Gesetzentwurf vorgesehene Neufassung, nach der die Taxikonzessionen zukünftig nur noch in den

136

OVG Münster, Urteil vom 16. 3. 1979, in Gew Arch 1980,141 Ls 1. BVerwGE vom 27.11.1981 in NJW 1982, 1168. Das Gericht äußerte nun erstmals deutlich, daß vor der Einschaltung eines Beobachtungszeitraumes mit gleichzeitigem Zulassungsstop zuerst dessen Erforderlichkeit überprüft werden müsse. Diese sei in der Regel nur zu bejahen, wenn zuvor "Genehmigungen in einer Anzahl erteilt worden sind, die geeignet ist, das gesamte örtliche Droschkengewerbe erheblich zu beeinflussen und es dem Grenzbereich des ruinösen Wettbewerbs und damit der Existenzbedrohung nahe zu bringen." Das Gericht revidierte diese Auffassung faktisch in seinem Urteil vom 7.9.1989, (E 82, 295 ff. = NJW 1990, 1376, 1378), indem es klarstellte, daß auch eine mehrfache Verlängerung des Beobachtungszeitraumes ohne zwischenzeitliche Erteilung von Konzessionen zulässig sei, wenn die Behörde - im Rahmen des ihr zustehenden Prognosespielraumes - eine permanent bestehende Gefahr für die Existenz- und Funktionsfahigkeit des örtlichen Taxengewerbes darlege. 138 Der aus der Mitte des Bundestages eingebrachte Gesetzentwurf (BT Drucks. 9/2128 vom 24.11.1982) hatte noch an eine Bedrohung von Existzenz- oder Funktionsfähigkeit angeknüpft. Der Verkehrsausschuß gab dann jedoch einer, allein auf die Funktionsfähigkeit abstellenden Version den Vorzug, weil die Funktionsfähigkeit die Existenzfähikeit mit einschließe (BT Drucks. 9/2266,6). 139 So ausdrücklich in § 13 Abs. 4 Satz 3 PBefG. 137

2. Kapitel: Die Entwicklung des PBefG

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Fällen von Alter und Krankheit übertragbar sein sollten. Stattdessen blieb die Genehmigung auch weiterhin grundsätzlich übertragbar, wurde aber von der gleichzeitigen Übertragung des ganzen Unternehmens oder zumindest seiner wesentlichen Teile abhängig gemacht, § 2 Abs. 3 PBefG. Aufgrund dessen wurde die Rechtsprechung auch zu Beginn der neunziger Jahre noch mit der verfassungsrechtlichen Problematik des Konzessionshandels konfrontiert. 140 Die objektive Zulassungsbeschränkung wird von der Rechtsprechung, insbesondere dem Bundesverwaltungsgericht, nach wie vor als unumgänglich zum Schutz des Taxengewerbes eingestuft. Allein eine Nebenbemerkung des Bundesverfassungsgerichts in einem neueren Urteil deutet auf leise Zweifel hin. Dort heißt es: "Sollte die Neuregelung des § 13 Abs. 4 PBefG oder ihre Anwendung im Einzelfall den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügen, könnte dies gegenüber der Verweigerung des Zugangs zum Beruf des Taxiunternehmers geltend gemacht werden." 141 Zur Überprüfung marktwidriger Beschränkungen setzte die Bundesregierung Ende 1987 die "Unabhängige Expertenkommission zum Abbau marktwidriger Regulierungen" (Deregulierungskom-mission) ein, die sich Anfang 1988 konstituierte. 142 Die Kommission sollte die volkswirtschaftlichen Kosten der bestehenden Regulierungen untersuchen und Vorschläge zu deren Abbau machen, falls klar erkennbar werde, daß die Kosten der Regulierung deren Nutzen überwiege. Für das Taxengewerbe gelangten die Experten in ihrem 1990 vorgelegten l.Teil zu dem Ergebnis, daß sowohl die Kontingentierung der Konzessionen als auch die Festsetzung der Preise auch unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht haltbar und deshalb aufzuheben seien. Bereits an dem ohne Kontingentierung und Tarifpflicht funktionierenden Mietwagengewerbe sei zu ersehen, daß die Marktmechanismen, also die Selbstregulierung des Angebots an Taxen durch die jeweilige Nachfrage, auch ohne Regulierung wirksam seien.143 Dieser Vorschlag der Deregulierungskommission wurde jedoch, im Gegensatz zu ähnlichen Ergebnissen in anderen Wirtschaftsbereichen durch die Bundesregierung nicht in den Bundestag einge-

140 In seinem Urteil vom 4.10.1989 (NJW 1990, 1352 f.) stellt das BVerfG ausdrücklich fest, daß die behördliche Genehmigungspraxis den Genehmigungshandel "offenbar" nicht habe verhindern können. Den weiteren Ausführungen läßt sich jedoch entnehmen, daß die Übertragungsmöglichkeit nach Ansicht des Gerichts an sich nicht verfassungswidrig sei, weil "verdiente Altunternehmer" ein schutzwürdiges Interesse daran hätten, sich zur Ruhe zu setzen und ihren Betrieb ganz oder teilweise zu veräußern, um den Ertrag ihres Berufslebens zu realisieren (aaO, Seite 1353). 141 Beschluß vom 14. 11. 1989, BVerfGE 81, 70, 87 f. 142 Vgl. zur Entwicklung der Deregulierungsdiskussion: Kurz, Seite 41-58. 143 Zu dem gleichen Ergebnis gelangte die volkswirtschaftliche Abteilung der deutschen Bank in einer 1990 herausgebrachten Untersuchung, Deutsche Bank, Verkehr 2000, Europa vor dem Verkehrsinfarkt ?, Mai 1990.

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Erster Teil: Geschichte und Gegenwart

bracht. 144 Auch die Neufassung des Personenbeförderungsgesetzes zum 1.1.1996 enthält deshalb keine Änderung der Regelung zur objektiven Zulassungsbeschränkung für Taxenkonzessionen. Aus den historischen Erfahrungen lassen sich folgende Schlußfolgerungen ziehen: Die Vorschrift des § 13 Abs. 4 PBefG beinhaltet einen Anachronismus. Sie entstand als Teil der allgemeinen Genehmigungspflicht unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise und sollte dem Staat die weitestmöglichen Befugnisse einräumen, um "die Ordnung im gesamten Verkehrswesen" und "die Leistungsfähigkeit der Gesamtwirtschaft" aufrechtzuerhalten. Der Wettbewerb sollte unterbunden und durch eine staatliche Lenkung des gesamten Verkehrssektors ersetzt werden. Aufgrund dessen wurde den Behörden von vornherein ein möglichst großer Handlungsspielraum eingeräumt. Dieses Sicherheits- und Lenkungsbedürfnis spiegelte sich in der Ausgestaltung der Rechtsgrundlage für den intensivsten Eingriff in das Droschkenwesen wider - der zahlenmäßigen Begrenzung der Konzessionen. Denn die Behörden besaßen danach gleich mehrere Alternativen, um einen Eingriff begründen zu können. Von diesen war wiederum jede so allgemein formuliert, daß die Konkretisierung der Eingriffsvorausset-zungen letztlich der Verwaltung selbst oblag. Obwohl sich die allgemeinen Erkenntnisse über die Regelungsbedürftigkeit von Marktabläufen seit 1934 stark veränderten, blieben die Rechtsgrundlage für eine zahlenmäßige Begrenzung der Droschken und ihre Begründung nahezu unverändert. Noch im Vorfeld der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung vom 8.6.1960 äußerte der Verkehrsminister die Auffassung, daß die unbegrenzte Vermehrung der Unternehmen einer Verkehrsart unvermeidlich nachteilige Auswirkungen auf andere Verkehrsarten hätte und damit die Ordnung im Verkehrs störe. Außerdem seien für eine Erweiterung des Straßennetzes die finanziellen Mittel nicht vorhanden. 145 Vor diesem Hintergrund erscheint die Behauptung der Verwaltung, eine zahlenmäßige Begrenzung der Unternehmer sei zum Schutz des Gewerbes selbst notwendig, eher als taktischer Schachzug, denn einen Beleg oder Nachweis für die Richtigkeit dieser Behauptung gab es weder vor noch

144 Der Grund hierfür sind die Erfahrungen, die nach der Wende in den Gebieten der ehemaligen DDR gemacht wurden. Laut Einigungsvertrag trat das PBefG dort erst nach dem 31.12.1992 in Kraft. Bis dahin gab es für die Behörden keine Rechtsgrundlage, um die Zahl der Taxen zu beschränken. Die überaus starke Zunahme der Taxen in diesem Übergangszeitraum veranlaßte die zuständige Koalitionsarbeitsgruppe zu der Annahme, daß ähnliche Reaktionen auch durch einen Wegfall des § 13 Abs. 4 PBefG im übrigen Deutschland ausgelöst würden. Zur beachtlichen Lobbyarbeit der Taxiverbände vgl.: Taximagazin Nr. 3/91, Seite 5 ff. und Nr. 7/92, Seite 17. 145 So wiedergegeben in BVerfGE 11,168,174.

3. Kapitel: Der gegenwärtige staatliche Ordnungsrahmen

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nach dem Urteil des BVerfG vom 8.6.1960. Andererseits war die im Gesetz unterstellte Kausalität zwischen der Zulassung "zu vieler" Neuunternehmer und einer Existenzbedrohung des Gewerbes so allgemein beschrieben, daß das BVerfG einen Zusammenhang als zumindest "abstrakt" und "prinzipiell möglich" nicht auszuschließen vermochte. Die entsprechend abgefaßte Urteilsbegründung wurde zum Gesetz erhoben und der Verwaltung damit auch weiterhin die Möglichkeit eingeräumt, die Voraussetzungen für ihr Eingreifen de facto selbst festzulegen. In der Praxis bleibt die auf bundesverfassungsgerichtlicher Ebene vorgenommene Reduktion der Anwendungsvoraussetzungen von § 13 Abs. 4 PBefG deshalb weitgehend unberücksichtigt. Auch nach der Taxinovelle von 1983 hat sich daran wenig geändert. 146

3. Kapitel

Der gegenwärtige staatliche Ordnungsrahmen Das deutsche Taxengewerbe ist in ein feinmaschiges Netz unterschiedlichster Reglementierungen eingefaßt. Der Staat hat weite Bereiche der unternehmerischen Tätigkeit streng reguliert und tiefgreifenden Verpflichtungen unterworfen, die u.a. mit gemeinwirtschaftlichen Interessen an dieser Art Dienstleistung begründet werden. Das umfassende Regelungswerk beruht auf den dargelegten historischen Erfahrungen und Grundsätzen, die wiederum auf der dem Verkehrssektor beigemessenen Bedeutung für die gesamte Wirtschaft beruhen. Mit der dezidierten Beschreibung dieses Ordnungsrahmens soll deshalb zugleich der Frage nachgegangen werden, ob nicht gerade der Umfang der Regelungen die zahlenmäßige Begrenzung der Taxen überflüssig werden läßt, m.a.W., ob die übrigen Regularien nicht bereits ausreichen, um den mit § 13 Abs. 4 PBefG verfolgten Zweck zu sichern. 147 Die für das Taxengewerbe bundeseinheitlich maßgebenden Bestimmungen sind im wesentlichen in den §§ 1 - 27, 46 - 51 Personenbeförderungsgesetz (PBefG), in der Berufszugangs-Verordnung 148 sowie in der BOKraft 149 enthal146

Vgl. unten zu "Probleme bei der Anwendung", 4. Abschnitt Vgl. auch Ehlers, in: Achterberg/Püttner, Wirtschaftsaufsicht, Rn. 642. Darüber hinaus werden in diesem Kapitel die Grundlagen für den späteren Vergleich mit ausländischen Regulierungssystemen gelegt, vgl. unten zu "Das Argument eines drohenden Marktversagens in der empirischen Datenanalyse". 148 Verordnung über den Zugang zum Beruf des Straßenpersonenverkehrsunternehmers i.d.F. vom 9. April 1991, BGBl. I. Seite 896 149 Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrtunternehmen im Personenverkehr (BO Kraft) vom 21. Juni 1975 (BGBl I. Seite 1573), zuletzt geändert durch Artikel 6 147

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Erster Teil: Geschichte und Gegenwart

ten. Sie lassen sich in Anlehnung an den zeitlichen Ablauf des Verfahrens in zwei Gruppen unterteilen. Die erste betrifft die Voraussetzungen, die jeder Bewerber erfüllen muß, um als Taxiunternehmer zugelassen zu werden. Diese lassen sich wiederum unterteilen in subjektive, also personenbezogene Voraussetzungen einerseits (Abschnitt 2) und ein objektives, dem Einfluß des Bewerbers entzogenes Kriterium andererseits (Abschnitt 3). Der andere Teil der Normen behandelt die allgemein zu beachtenden Grundsätze und die spezifischen Pflichten der zugelassenen Unternehmer. Diese werden im folgenden 1. Abschnitt beschrieben. 150 1. Abschnitt Überblick Das PBefG statuiert in § 2 Abs. 1 eine Genehmigungspflicht für die Personenbeförderung mit "Kraftfahrzeugen im Gelegenheitsverkehr". Dazu zählt auch der "Verkehr mit Taxen". 151 Nach der gesetzlichen Legaldefinition in § 147 Abs. 1 PBefG ist dies "die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, die der Unternehmer an behördlich zugelassenen Stellen bereithält und mit denen er Fahrten zu einem vom Fahrgast bestimmten Ziel ausführt." Im Gegensatz zu Mietwagen, die nur Beförderungsaufträge ausführen dürfen, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind (§ 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG) darf der Taxiunternehmer auch während der Fahrt Beförderungsaufträge entgegennehmen (§ 47 Abs. 1 Satz 2 PBefG). Jedes in Betrieb genommene Taxi bedarf einer spezifischen Konzession.152 Ihre Geltungsdauer beträgt bei der Ersterteilung zwei, danach höchstens vier

Abs. 118 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (ENeuOG) vom 27. Dezember 1993 (BGBl I, Seite 2378, 2420), abgedruckt bei Bidinger Κ 201. 150 In den landesrechtlichen oder kommunalen Taxenordnungen sind Einzelheiten über den Umfang der Betriebspflicht, die Ordnung auf Taxenständen und den Dienstbetrieb geregelt (vgl. § 47 Abs. 3 PBefG). Vgl. auch die Arbeitszeitverordnung (AZVO) und § 99 GWB; s.a. BVerwG vom 8. 7. 1988 (VRS 46, 64 = NZV 1988, 198), wonach § 47 Abs. 3 PBefG die Landesregierung nicht dazu berechtigt, "durch Rechtsverordnungen die Pflicht der Taxiunternehmer zur namentlichen Benennung der beschäftigten Fahrer, der Art ihrer Fahrberechtigung, sowie der Art und Dauer ihrer Beschäftigung jeweils mit Beschäftigungsantritt und -ende zu regeln." 151 § 46 Abs. 2 Ziff. 1 PBefG. Zur Schaffung einer einheitlichen Terminologie wurde durch das dritte Rechtsbereinigungsgesetz vom 28. 6. 1990 der Begriff "Kraftdroschkenverkehr" in "Taxenverkehr" geändert. 152 Vgl. zum Begriff der Konzession, der hier als Synonym zur Genehmigung im Sinne des § 2 PBefG verstanden wird: § 15 Abs. 2 GewO sowie König, Teil 1, II. (Seite 100 ff.).

3. Kapitel: Der gegenwärtige staatliche Ordnungsrahmen

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Jahre (§16 Abs. 3 PBefG). Die sog. Altunternehmer werden durch eine Besitzstandsklausel geschützt, nach welcher 'eine jahrelange Unternehmensführung entsprechend dem öffentlichen Verkehrsinteresse' bei einem Antrag auf Wiedererteilung zu berücksichtigen ist (§13 Abs. 3 PBefG). In der Praxis genügt deshalb für die Wiedererteilung allein der Nachweis weiterhin vorhandener subjektiver Voraussetzungen, der allerdings den Anforderungen der Berufszugangs-Verordnung entsprechen muß. 153 Zu unterscheiden sind der Antrag auf Verlängerung einer bereits erteilten Konzession und der Antrag auf die Erteilung zusätzlicher Konzessionen für weitere Fahrzeuge. Im letztgenannten Fall der Betriegserweiterung ist der Altunternehmer grundsätzlich wie ein Neubewerber zu behandeln, d.h. er muß subjektive und objektive Voraussetzungen erfüllen. Um die früher gängige Praxis unter den Altunternehmern zu unterbinden, durch Massenanträge die Zulassung von Neubewerbern zu blockieren, 154 werden die unterschiedlichen Bewerbergruppen in zwei Wartelisten geführt. Ähnlich wie in § 10 Abs. 3 GüKG sind dann bei der Vergabe neuer Konzessionen beide Gruppen nach dem Grundsatz der breitestmöglichen Streuung 155 "angemessen" zu berücksichtigen (§ 13 Abs. 5 Satz 1 PBefG). In der Praxis ist sowohl eine paritätische Verteilung als auch eine Bevorzugung der Neuunternehmer im Verhältnis 4: 1 zu finden. 156 Innerhalb der Listen zählt das Prioritätsprinzip, 157 die frühere Eintragung geht also der späteren vor. Die Rangstelle auf der Liste verleiht dem Inhaber eine

153 So zuletzt der Beschluß des OVG Münster vom 23. 3. 1993 in: VRS 85, 317 = DÖV 1993, 80 ff. 154 Vgl. hierzu BVerwG vom 28. 6. 1963, E 16, 190 f., sowie Flatten, DVB1. 1963, 141. 155 Basedow, Seite 84. 156 Zwischen 1990 und 1993 wurden in München bei der Vergabe von 204 Konzessionen Neubewerber gegenüber Altunternehmern im Verhältnis 4: 1 bevorzugt. Vgl. auch analog: BVerwGE 80, 270, 278 und OVG Münster, Urteil vom 9.5.1989 in VRS 77, 381 ff. Das OVG Münster weist allerdings daraufhin, daß eine generelle Nachrangigkeit der Altunternehmer mit Artikel 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar wäre, da dieses Recht auch die unternehmerische Wachstumsfreiheit schütze. Eine Bevorzugung von Neuunternehmern gegenüber Altunternehmern im Verhältnis von 2: 1 sei jedenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich, da Art. 12 Abs. 1 GG keinen absoluten Vorrang von Neubewerbem gebiete, vgl. Urteil vom 9. 5. 1989 in: DÖV 1989, 1045 - 1046, Ls. 1 bestätigt durch BVerwG vom 19. 9. 1989-7 CB 32/89 - unveröffentlicht. 157 § 13 Abs. 5 Satz 2 PBefG. Nach der Rechtsprechung entspringt diese Vorgehensweise "dem Gerechtigkeitsgedanken, und zwar nicht nur bezüglich des öffentlichen Interesses an einem geordneteten Vergabeverfahren, sondern auch bezüglich des Interesses der einzelnen Listenbewerber an einer gerechten und möglichst berechenbaren Berücksichtigung ihrer Bewerbungen, also des Interesses an ihrem beruflichen Fortkommen." So OVG Münster, GewArch. 1991,23; s.a. BVerwGE 16,190 ff; 64,238 ff.

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Erster Teil: Geschichte und Gegenwart

materiell rechtliche Position, 158 und damit auch das einklagbare subjektiv öffentliche Recht, daß die Vormerklisten weder umgangen159 noch abgebaut160 werden. Nach der Rechtsprechung begründet der Listenplatz darüberhinaus eine Anwartschaft auf die möglichst baldige Verwirklichung der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG. 161 Im Gegensatz hierzu müssen Bewerber in der Praxis viele Jahre auf die Erteilung einer Konzession warten. 162 Die finanzkräftigeren unter ihnen wählen deshalb eine andere Möglichkeit, um § 13 Abs. 4 PBefG zu umgehen. Der § 2 Abs. 2 Ziff. 2 PBefG gestattet nämlich jedem Unternehmer, seine Konzession auf Dritte zu übertragen, so daß dieser dann nur noch die subjektiven Voraussetzungen nachweisen muß. In der Folge hat sich in Städten mit besonders restriktiver Genehmigungsvergabe ein regelrechter Markt für Konzessionen gebildet, die regelmäßig zu hohen fünfstelligen Summen gehandelt werden. 163 Um das Spekulantentum zu unterbinden, wurden im Rahmen der Taxinovelle von 1983 die Voraussetzungen durch § 2 Abs. 3 PBefG dahingehend abgeändert, daß eine Genehmigung nur übertragen werden darf, "wenn gleichzeitig das ganze Unternehmen oder wesentliche selbständige und abgrenzbare Teile des Unternehmens übertragen werden". Unter dem Eindruck der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Handel mit kontingentierten Genehmigungen im Güterfernverkehr 164 einigten sich die Bundesländer auf eine re-

158 OVG Münster, DÖV 1989, 1045; OVG Münster vom 11. 6. 1990, DÖV 1991, 473 Ls 1: Der Rang auf der Vormerkliste für die Vergabe von Taxikonzessionen gibt dem Bewerber eine den Schutz des § 42 Abs. 2 VwGO genießende Rechtsposition, die u.a. zum Widerspruch gegen die Zuteilung einer Konzession außerhalb der Vormerkliste oder ohne Berücksichtigung der Rangfolge berechtigt."A.A. VGH München vom 18. 5. 1987, in: DÖV 1987, 974 - 975 (Ls. 2): "Die sogenannte Warteliste hat lediglich verfahrensrechtliche Bedeutung für die jeweilige Entscheidungsinstanz und kann als solche nicht den Zulassungsanspruch des zur Entscheidung stehenden Konzessionsbewerbers beeiflussen". 159 BVerwG vom 6.11.1989, NJW 1990, 1378 f.; s.a. OVG NW vom 11.6.1990, DÖV 1991, 473 f. (= NZV 1990, 446 f. = GewA 1981, 23 ff. = NWVBL 3/91, 90 f.); VGH München, Beschluß vom 5.8.1991 - 11 Β 91.1801 - (unveröffentlicht), nach dem der Pächter einer Konzession nicht automatisch in die Position des Altunternehmers eintrete und unabhängig von seinem Rang auf der Vormerkliste eine Genehmigung erhalte, bei Bidinger, NZV 1992, 346. 160 OVG Münster vom 11.6.1990, NZV 1990, 446,447 = VRS 79, 463 f. = NWVBL 3/91,90,91. 161 Vgl. OVG Münster vom 11.6.1990, NZV 1990, 446 f. = NWVBL 3/91, 90, 91; s.a. OVG NW vom 9.5.1989, VRS 77, 381 = DÖV 1989, 1045; zur vglb. Situation im Schornsteinfegerrecht: BVerwG vom 15.3.1988, GewA 1988, 333 und VG Ansbach vom 10.11.1988, GewA 1989, 200. 162 Dazu im 4. Abschnitt. 163 Vgl. zu den bezahlten Summen unten zu "Rechtsanwendungsprobleme und Fehleranalyse". 164 Das Gericht hatte festgestellt, daß der Handel mit Konzessionen im Güterfernverkehr gegen Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, BVerfGE 40,196,218.

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striktive Übertragunspraxis. Nach den "Allgemeinen Grundsätzen" der Verwaltung darf ein Unternehmer die auf seinen Namen eingetragenen Konzessionen nicht einzeln und an verschiedene Erwerber übertragen, sondern nur alle zugleich und an einen Erwerber ("Paketlösung").165 Dem gleichen Zweck dient die zeitliche Begrenzung der Erstkonzession auf zwei Jahre, innerhalb derer die Übertragung auf Dritte untersagt ist. 166 Trotz dieser Beschränkungen existiert der Handel mit Konzessionen nach wie vor. 167 Der Grund hierfür sind die zahlreichen Umgehungsmöglichkeiten. So kann die "Paketlösung" einfach dadurch umgangen werden, daß der Erwerber eine neue Konzessionen nicht auf seinen eigenen Namen eintragen läßt, sondern auf einen Dritten, z.B. ein Familienmitglied oder eine für diesen Zweck gegründete juristische Person. 168 Das Übertragungsverbot des § 13 Abs. 5 Satz 5 PBefG verliert seine Wirkung weitgehend durch eine Weiterverpachtung, denn für Außenstehende ist kaum zu erkennen, wer in einem Betrieb lediglich als Fahrer eingestellt ist und wer zusätzlich auch die Konzession gepachtet hat. Die Betriebs-, BefÖrderungs- und Tarifpflicht jedes Taxiunternehmers bilden die drei Säulen, mit denen der Staat im Rahmen seiner Daseinsfürsorge die Mindestversorgung der Bevölkerung mit Taxidienstleistungen sicherstellt. Gerade ihre Existenz begründet die Zweifel an der Notwendigkeit einer zahlenmäßigen Beschränkung des Taxengewerbes. Die gemeinwirtschaftliche Betriebspflicht 169 verlangt von den Unternehmern, ihren Betrieb ordnungsgemäß einzurichten und während der Dauer der Genehmigung nach den öffentlichen Verkehrsinteressen und dem Stand der Technik ordnungsgemäß aufrechtzuerhalten. Das Fahrzeug muß an einer behördlich zugelassenen Stelle bereitgehalten werden.170 Das "Bereithalten" geht über das bloße Aufstellen des Fahrzeuges hin-

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Vgl. "Allgemeine Grundsätze zur Durchführung und Neuregelung des Taxi- und Mietwagenverkehrs" unter 2.a) und die Stellungnahme des Bundesministers für Verkehr in Taxi Heute 4/87, Seite 8/9. 166 § 13 Abs. 5 Satz 4 PBefG. Bedenken im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG meldet Basedow, Seite 84, an. 167 So auch ausdrücklich das BVerfGE in seiner Entscheidung vom 4. 10. 1989, NJW 1990, 1352, 1353; ähnlich die Feststellungen des VG Düsseldorf, Urteil vom 9. 1. 1989 - (unveröffentlicht) - 6 Κ 4679/87 - Seite 13. 168 Entsprechend die Ratschläge von Insidern: "Setzen Sie den Ehepartner, Oma, Tante, Bruder oder sonst eine vertrauenswürdige Person als Namensträger ein. Die Geschäfte führen dann Sie. Das lohnt sich langfristig auf jeden Fall, trotz des anfanglichen Mehraufwandes." Betz/Bruckschen, Seite 37. 169 § 21 PBefG. 170 § 47 Abs. 1 PBefG. Gegenüber der Formulierung vor dem Inkrafttreten des fünften Änderungsgesetzes ("bereitstellen") wird damit klargestellt, daß "Fahraufträge nicht nur am Standplatz, sondern auch während der Fahrt, veranlaßt durch abwinkende Fahrgäste oder über Funkvermittlung, angenommen werden können." Ziff. 6 der Allgemei5 Bardarsky

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aus. Hinzukommen muß die für jederman erkennbar zum Ausdruck kommende Bereitschaft, Beförderungsaufträge jederzeit, d.h. ohne Verzögerungen "sofort" auszuführen." 171 Dadurch soll verhindert werden, daß die Fahrer ihren Wagen an besonders geschäftsgünstigen Stellen deponieren und für längere Zeit verlassen.172 Die Ausgestaltung der Betriebspflicht ist sehr unterschiedlich. Einige Städte verlangen ein Bereithalten der Fahrzeuge an jedem zweiten Tag, andere an 180 Tagen im Jahr, und in einigen Gemeinden genügt der Nachweis einer mit dem Taxi zurückgelegten, aber nicht näher vorgeschriebenen Kilometerzahl. 173 Allgemein wird jedoch die Nichteinhaltung der Betriebspflicht durch eine Reihe von Freizeitunternehmern beklagt, die ihren Betrieb nur zu den besonders verkehrsreichen Zeiten öffnen und im übrigen einer anderen Beschäftigung nachgehen.174 Dieses Verhalten hat auch Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung und damit auf die Funktionsfahigkeit des Taxengewerbes, da den Behörden bei der Festlegung der Taxenzahlen keine sicheren Daten zur Verfügung stehen. Das Personenbeförderungsgesetz versucht Pflichtverstößen vorzubeugen, indem § 47 Abs. 5 die Vermietung von Taxen an Selbstfahrer verbietet und die nebenberuflichen Unternehmer bei der Vergabe weiterer Konzessionen benachteiligt.175 Außerdem berechtigt ein Verstoß gegen die Betriebspflicht die Behörden zum Widerruf der Konzession.176 Andererseits ist die Nichteinhaltung der Betriebspflicht in der Praxis nur schwer nachzuweisen. Auch hat der Wegfall der Aufzeichnungspflichten 177 die Bereitschaft zur Aufrechterhaltung des Betriebes in verkehrsschwachen Zeiten sicher nicht gefördert. 1 7 8 Die Beförderungspflicht ist in § 22 PBefG umschrieben und in § 13 der BOKraft weiter konkretisiert. Der Unternehmer ist danach zur Beförderung jeder Person verpflichtet, wenn die geltenden Beförderungsbedingungen eingehalten und die Beförderung mit den regelmäßig eingesetzten Fahrzeugen ausgeführt

nen Grundsätze zur Durchführung und Neuregelung des Taxi- und Mietwagenverkehrs, abgedruckt bei Bidinger, Κ 320. 171 BVerwGE 61,9,11. 172 BVerwGE 61, 9,13; Frotscher, JuS 1983, 939. 173 Letzeres ist in Wiesbaden der Fall. 174 Dazu: L/M/W/E, § 54 a Anm. 5; Bidinger, NZV 1988,198. 175 § 13 Abs. 5 Satz 2, Ziff. 2 PBefG. 176 §25 Abs. 1 Satz 2 PBefG. 177 BVerwG vom 8. 7.1988, NZV 1988,198. 178 Grundsätzliche Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Betriebspflicht äußert Lange, Seite 202, der sie als eine "übermäßige und damit unzulässige Einschränkung ihrer unternehmerischen Dispositionsfreiheit als ein Bestandteil des Rechts am Gewerbebetrieb" bezeichnet.

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werden kann. 179 Eine Verweigerung ist gemäß § 22 Ziff. 3 PBefG nur aufgrund unabwendbarer Umstände gestattet, oder wenn zu befurchten ist, daß der Fahrgast die Sicherheit und Ordnung des Betriebes oder der Fahrgäste gefährdet (§ 13 BO Kraft). Das besondere Gewicht, welches der Gesetzgeber gerade dieser Pflicht beimißt, wird daran deutlich, daß ein Verstoß - anders als bei der Betriebspflicht - als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 10.000,D M geahndet werden kann (§61 Abs. 1 Ziff. 3 c PBefG). Dabei wird die Vertragsfreiheit des Unternehmers in erheblichem Maße eingeschränkt. Er ist selbst dann zum Abschluß des privatrechtlichen Beforderungsvertrages verpflichtet, wenn ihm die Fahrt wegen geringer Entfernung nicht lohnend erscheint oder es auch tatsächlich nicht ist, denn der Unternehmer muß sich nach Ausführung des Auftrags , z.B. eine Fahrt auf dem Flughafen vom Gebäudeausgang bis auf den Parkplatz, regelmäßig wieder ganz hinten in eine lange Reihe wartender Taxis einreihen. 180 Dies bedeutet längere Standzeiten, weil die Fahrgäste trotz fehlender Verpflichtung erfahrungsgemäß das erste Taxi in der Reihe wählen, nicht zuletzt deshalb, weil die Unternehmer selbst untereinander eine entsprechende Absprache getroffen haben.181 Das Bundesverwaltungsgericht hat klargestellt, daß die Beförderungspflicht seitens der Behörden nicht durch eine restriktive Vergabe der Konzessionen an Neubewerber ausgeglichen werden darf. 182 Um die Benachteiligung gegenüber den an keine Beförderungspflicht gebundenen Mietwagenunternehmern (§ 49 Abs. 3 PBefG) abzugleichen, werden die Taxiunternehmer in zweifacher Hinsicht privilegiert. Der erste Vorteil besteht in einer Benachteiligung der Mietwagenunternehmer, die Aufträge grundsätzlich nur an ihrem Betriebssitz entgegenehmen dürfen und deshalb nach jedem Auftrag dorthin zurückkehren müs-

179

§ 22 Ziff. 1 und 2 PBefG; s.a.zuletzt: OLG Düsseldorf vom 24.3.1993, NZV 1993, 365. 180 Dazu: OLG Düsseldorf vom 24.3.1993 - 5 Ss (OWi) 9/93 -; Ls abgedruckt in NZV 1993, 365. 181 Vgl. zu den Gründen, die zur Aufhebung der sog. "Reihefahrt" im 18. Jahrhundert führten: Oben, 1. Kapitel. 182 BVerwG, Urteil vom 15.4.1988, E 79, 208, 212 (=NJW 1988, 3221, 3222): "Diese Beschränkungen sind Rahmenbedingungen des Taxengewerbes, die jeder Taxenunternehmer, der sich für diesen Beruf entscheidet, vorfindet und mit dem Antrag auf Zulassung in Kauf nimmt. Es wäre widersprüchlich, nach Zulassung zu dem Beruf eine Zugangssperre für weitere Bewerber, die sich denselben Rahmenbedingungen zu unterwerfen bereit sind, mit der Begründung zu beanspruchen, diese Rahmenbedingungen erforderten einen Ausgleich durch Beschränkung des Angebots an Beförderungsleistungen im Taxenverkehr." *

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sen.183 Zum zweiten müssen die Taxiunternehmer ihre Einnahmen aus den meisten Personenbeförderungen nur mit dem halben Umsatzsteuersatz versteuern. 184 Die Tarifpflicht betrifft die Preisgestaltung der Unternehmer und stellt einerseits sicher, daß die Inanspruchnahme der Taxen auch für weniger solvente Bevölkerungskreise nicht von vonrherein ausgeschlossen ist. Zum anderen wird die Ausnutzung von Notlagen unterbunden, etwa bei Reisenden, die an exponierten Stellen nicht die Möglichkeit zur Benutzung anderer Verkehrsmittel haben.185 Denn die Entgelte dürfen nur bei Fahrten, deren Ziel außerhalb des von den Behörden festgelegten Pflichtfahrbereiches liegt, frei ausgehandelt werden. 186 Innerhalb dieses Bereiches, der zumeist mit den Stadtgrenzen übereinstimmt, legen die örtlichen Behörden einheitliche Tarife fest, die von den Unternehmern "nicht über- oder unterschritten werden" dürfen. 187 "Ermäßigungen, die nicht unter gleichen Bedingungen jedermann zugute kommen, sind verboten und nichtig". 188 Bei der Preisbindung steht vor allem die Ergänzungsfunktion zum Linienverkehr im Vordergrund. "Das Taxi soll wie der Bus im Vertrauen auf einen angemessenen Fahrpreis benutzt werden können." 189 Deshalb wird von der gesetzlichen Möglichkeit zur Festlegung der Beförderungsentgelte flächendeckend Gebrauch gemacht. Daß die freie Aushandelbarkeit der Preise im Taxengewerbe wenig vermißt wird, zeigt die geringe Resonanz auf die 1983 geschaffene Möglichkeit, in Ausnahmefallen Sondervereinbarungen zu treffen. 190 Die Festsetzung der Preise erfolgt einerseits unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der örtlichen Unternehmer, einer ausreichenden Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals und der notwendigen technischen Entwicklung. Andererseits sind die öffentlichen Verkehrsinteressen und das Gemeinwohl zu berücksichtigen. 191 Zu diesem Zweck können die betroffene Gemeinde, die 183

§ 49 Abs. 4 Satz 2 und 3 PBefG. § 12 Abs. 2Nr 10 UStG. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Bevorzugung wurde durch das BVerfG zuletzt in der Entscheidung vom 11.2.1990 (BVerfGE 85, 238, 244 f.) festgestellt. 185 Zu den grundrechtlichen Grenzen: H.P. Ipsen, 1976, Seite 85 ff.; s.a. Ossenbühl, AöR Bd. 115, (1990) Seite 21/22 zur Bedeutung der Preisregulierung im Hinblick auf die Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 GG. Zum Verhältnis von § 51 Abs. 1 PBefG zu den Art. 85 und 86 EGV: Basedow, § 4 m. 3 bei Fn. 140. 186 § 37 Abs. 3 BOKraft, wonach der Fahrzeugfuhrer den Fahrgast vor Fahrtbeginn darauf hinzuweisen hat, "daß das Beförderungsentgelt für die gesamte Fahrtstrecke frei zu vereinbaren ist. Kommt keine Vereinbarung zustande, gelten die für den Pflichtfahrbereich festgesetzten Beförderungsentgelte als vereinbart." 187 § 51 Abs. 5 i.V.m. § 39 Abs. 3 Satz 1 PBefG. 188 § 51 Abs. 5 i.V.m. § 39 Abs. 3 Satz 2 PBefG. 189 Gries, Seite 110. 190 § 52 Abs. 2 PBefG. Vgl. BZP, Seite 12. 191 § 51 Abs. 3 i.V.m. § 39 Abs. 2 PBefG. 184

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zuständige Gewerbeaufsichtsbehörde sowie die Industrie- und Handelskammer, Fachverbände und die Taxiverbände gutachterlich gehört werden. 192 Selbst wenn die Anhörungen stattfinden - die Behörde kann gem. § 14 Abs. 3 PBefG unter Hinweis auf eigene Sachkenntnis auch darauf verzichten -, sind diese nicht notwendigerweise aufschlußreich. Auch die angesprochenen Stellen sind keineswegs zur Erfassung und Zusammenstellung einschlägiger Daten verpflichtet. Deshalb beruht die Festlegung der neuen Tarife letztlich vor allem auf den Informationen des Gewerbes selbst. Die auf eine Vermeidung jeden Wettbewerbes gerichtete Intention der Taxenregulierung äußert sich schließlich auch in einer Vorschrift der BOKraft, durch die Taxen- und Mietwagenunternehmern die Eigenwerbung an Fahrzeugen untersagt wird (§ 26 Abs. 3 BO Kraft). Auch jede andere, eine Identifizierung ermöglichende Kenntlichmachung oder Beschriftung ist durch die Norm untersagt. Wie die historische Entwicklung in Berlin gezeigt hat, 193 bestand der wichtigste Grund für eine zahlenmäßige Begrenzung der Taxen seit jeher in der Sicherstellung eines technisch einwandfreien Zustandes der Fahrzeuge. Die gegenwärtige Rechtslage verlangt deshalb von Taxen- und Mietwagenunternehmern, ihre Fahrzeuge alle 12 Monate einer Hauptuntersuchung zu unterziehen. 194 Darüber hinaus wird geprüft, ob das Fahrzeug auch den Ausrüstungs- und Beschaffenheitsvorschriften der BO Kraft entspricht. Nach der Hauptuntersuchung wird ein Prüfbericht angefertigt, den der Unternehmer dann unverzüglich den Genehmigungsbehörden vorzulegen hat (§ 41 Abs. 2 BO Kraft). Vor der ersten Inbetriebnahme eines Fahrzeugs in einem Unternehmen findet stets eine außerordentliche Hauptuntersuchung statt (§ 41 Abs. 2 BO Kraft). Dies gilt selbst dann, wenn das gekaufte Fahrzeug wenige Wochen vorher bereits einer Hauptuntersuchung unterzogen worden ist.

2. Abschnitt Die subjektiven Zulassungsschranken Die Erteilung einer Betriebsgenehmigung an den Bewerber setzt zum Schutz der Allgemeinheit zunächst die Erfüllung der üblichen gewerberechtlichen Kriterien voraus. Dazu gehören nach § 13 Abs. 1 - 3 PBefG die Sicherheit und Lei-

192 193 194

Vgl. § 51 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 2 PBefG. Vgl. dazu im 1. Kapitel. Anlage VHI 2.1.2.2. zu § 29 Abs. 1 und 2 PBefG.

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stungsfahigkeit des Betriebes sowie die Zuverlässigkeit des Antragstellers und seine fachliche Eignung. 195 Diese Anforderungen werden ergänzt und abgesichert durch die Verpflichtung der Behörden zum jederzeitigen Widerruf der Genehmigungen, sobald die persönlichen Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind. 196 Darüber hinaus "kann" die Behörde die Genehmigung auch dann wiederrufen, wenn der Unternehmer seine arbeitsrechtlichen, sozialrechtlichen oder unternehmensbezogenen steuerrechtlichen Verpflichtungen nicht einhält.197 Schließlich sind die Finanzbehörden gem. § 25 Abs. 3 Hs. 2 PBefG berechtigt, von sich aus den Genehmigungsbehörden "Mitteilung über die wiederholte Nichterfüllung der sich aus seinem Unternehmen ergebenden steuerrechtlichen Verpflichtungen oder die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 der Abgabenordnung zu machen." In der Berufszugangs-Verordnung PBefG vom 9. April 1991 werden die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 PBefG bundeseinheitlich konkretisiert. 198 Ihre Anforderungen gelten nicht nur bei der Ersterteilung einer Genehmigung, sondern müssen auch bei deren Verlängerung nach zwei bzw. vier Jahren erfüllt werden. 199 Entgegen dem ersten Anschein stellen die Kriterien in der Praxis keine besonders schwierigen Anforderungen an die Bewerber. So ist nach § 2 Abs. 1 der Verordnung die Leistungsfähigkeit des Betriebes 200 immer dann "gewährleistet, wenn die zur Aufnahme und ordnungsgemäßen Führung des Betriebes erforderlichen finanziellen Mittel verfügbar sind." Die Norm hat einen historischen Hintergrund und soll sicherstellen, daß der Unter195

Die an den Fahrzeugführer gestellten Anforderungen ergeben sich aus den §§15 d-k StVZO, insbesondere hinsichtlich seiner Ortskenntnis, § 15 e Abs. 1 Ziffer 5 StVZO. 196 Der § 25 Abs. 1 PBefG steht insofern gleichberechtigt neben dem § 49 Abs. 2 VwVfG. Nach der amtlichen Begründung sollen Bagatellverstöße hierbei allerdings außer acht bleiben, BT Drucks. 11/4310. 197 § 25 Abs. 2 PBefG. Zu der Frage, ob die Norm eine rechtskräftige Feststellung voraussetzt oder ob auch Ordnungswidrigkeiten als "schwerwiegender Verstoß" in diesem Sinne zu werten sind: Bidinger, NZV 1990,451. 198 BGBl I. Seite 896. Den Anstoß für die Verordnung gab die EWG Richtlinie, 89/438 (ABl. EG 1989Nr L. 212 Seite 101), in der einheitliche, subjektive Anforderungen an Personenkraftverkehrsunternehmer festgelegt sind. Diese Richtlinie betrifft zwar nur die Beförderung in Wagen mit nçun oder mehr Sitzplätzen, also Busse. Unter Berufung auf den Sachzusammenhang hat der Verkehrsminister jedoch diese subjektiven Kriterien in die BerufszugangsVO PBefG und damit auch für Taxiunternehmer übernommen. Vor ihrem Inkrafttreten gab es in den Bundesländern durchaus unterschiedliche Auffassungen bzw. Auslegungen zu der Frage der Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Betriebes, vgl. etwa noch Bidinger Β § 13 Anm. 5 ff. 199 OVG NW vom 23. 3. 1993, in VRS 85, 317 ff. 200 § 13 Abs. 1 Ziff. 1 PBefG.

3. Kapitel: Der gegenwärtige staatliche Ordnungsrahmen

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nehmer finanziell in der Lage ist, die aus dem Betrieb erwachsenden Verbindlichkeiten zu erfüllen und die Fahrzeuge in betriebssicherem Zustand halten zu können.201 Die heute gängige Praxis entspricht diesem Zweck allerdings kaum mehr, da regelmäßig eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes und 3000,- D M Eigenkapital je eingesetztem Fahrzeug genügen, um als leistungsfähig zu gelten.202 Als Nachweis können Bankauszüge, Lebensversicherungen, Grundbuchauszüge und Sparbücher oder einfach Bargeld vorgelegt werden. Vor der Einführung dieser bundeseinheitlichen Untergrenze verlangten die Genehmigungsbehörden zum Teil wesentlich höher liegende Eigenkapitalsnachweise. Die Berufszugangs-VO führte hier also zu einer Absenkung der subjektiven Anforderungen. Als Folge schnellten die Zulassungszahlen in einigen Städten ohne zahlenmäßige Begrenzung durch die Behörden in die Höhe. 203 Die persönliche Eignung des Bewerbers wird durch ein polizeiliches Führungszeugnis und eine Auskunft aus dem Gewerbezentralregister nachgewiesen, die fachliche Eignung durch das Bestehen einer Fachkundeprüfung. Diese muß allerdings nicht vom Konzessionsinhaber selbst erbracht werden. Da die Anstellung eines Geschäftsführers mit bestandener Fachkundeprüfung genügt,204 betreiben immer mehr Neulinge ihr Unternehmen ohne eigenen Fachkundenachweis. Dabei ist für die Behörde das tatsächliche Verhältnis zwischen den beteiligten Personen kaum nachvollziehbar, so daß sich ein Kontrolldefizit ergibt. Die Gründe für dieses Verhalten mögen darin bestehen, daß die von den Industrie- und Handelskammern 205 durchgeführten Prüfungen je nach Region 206 sehr

201

F/M/M/M, § 13, Seite 68 c. Vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 4 Berufszugangs-VO und die Ausführugen im 1. Kapitel. Nach Ansicht der Deregulierungskommission könnte der Eigenkapitalsnachweis auch ganz entfallen, Erster Bericht vom März 1990, Seite 155, Vorschlag 30; ebenso der BZP, Seite 9. 203 In Hamburg mußte vor 1991 ein Eigenkapital von ca. 19.000,- DM je Fahzeug nachgewiesen werden, in Nordrhein-Westfalen lag der Betrag bei 50 % des zur Betriebsgründung erforderlichen Anlage- bzw. Umlaufvermögens, bzw. 30 % für Wiederbewerber, Taxi Heute, 12/1988 Seite 7. In Hamburg wird die Zahl der Taxen seit den sechziger Jahren nicht mehr beschränkt. Als Folge der drastischen Senkung des Eigenkapitalerfordernisses erhöhte sich die Zuwachsrate der neu zugelassenen Taxen drastisch: im Jahr 1991 gegenüber 1990 um 338 und weiter auf 385 im Jahr 1992. Demgegenüber hatte der Zuwachs in den beiden Vorjahren noch bei 210 bzw. 231 Fahrzeugen gelegen, (1988 auf 1989 bzw. 1989 auf 1990). Quelle: Handelskammer Hamburg, Abt. Verkehrswirtschaft. 204 § 13 Abs. 1 Ziff. 3,2. Alt. PBefG. 205 § 4 Abs. 5 Berufszugangs-VO. 206 Die einzelnen Prüfungsgebiete sind zwar durch eine Anlage bundeseinheitlich geregelt, die konkrete Ausgestaltung der Prüfung liegt jedoch im Ermessen der jeweiligen 202

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Erster Teil: Geschichte und Gegenwart

schwer sind und eine entsprechend lange Vorbereitungszeit erfordern. Im Ergebnis beklagen die Behörden die zunehmende Zahl der fachlich unausgebildeten Neulinge, die wegen mangelnder betriebswirtschaftlicher Grundlage mit falschen Erwartungen an die Verdienstmöglichkeiten herangehen und insbesondere Probleme bei der Aufstellung eines Jahresfinanzplanes haben. Bei Personen, die mindestens drei Jahre in leitender Tätigkeit in einem Taxiunternehmen beschäftigt waren, wird die fachliche Eignung auch ohne Prüfung unterstellt. 207 Die Anstellung als Fahrer in bloßer Nebentätigkeit genügt hierfür nicht. 3. Abschnitt Die objektive Zulassungsschranke Die örtlichen Genehmigungsbehörden sind bei der Ausgabe der Taxikonzessionen nicht an konkrete oder einheitliche Höchstgrenzen gebunden. Dennoch kommt dem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 208 in § 13 Abs. 4 PBefG im Ergebnis die Funktion einer zahlenmäßig variablen Kontingentierung 209 zu. § 13 Abs. 4 Satz 1 PBefG lautet: "Beim Verkehr mit Taxen ist die Genehmigung zu versagen, wenn die öffentlichen Verkehrsinteressen dadurch beeinträchtigt werden, daß durch die Ausübung des beantragten Verkehrs das örtliche Taxengewerbe in seiner Funktionsfähigkeit bedroht wird." Auffallend ist bereits, daß die Genehmigungsvoraussetzungen gleich an mehrere unbestimmte Rechtsbegriffe anknüpfen. Dies bietet zwar den Vorteil einer großen Flexibilität bei der Anpassung an unterschiedliche regionale Ausgangsbedingungen, bedeutet aber andererseits, wie die Praxis zeigt, die immanente Tendenz zur uneinheitlichen Anwendung durch die verschiedenen Behörden

IHK und ist entsprechend unterschiedlich, Betz/Bruckschen, Seite 33/34; Wollrab, Seite 58. 207 §3 Abs 2 Satz 2, 2. Hs Berufszugangs-VO. Die Vorschrift wird allerdings unterschiedlich ausgelegt. Ein Teil der Behörden vertritt die Auffassung, daß sich die Norm nur auf die Altunternehmer aus den neuen Bundesländern beziehe, die zwar eine lange unternehmerische Praxis, aber keine Fachkundeprüfung abgelegt haben; vgl. demgegenüber: F/M/M/M, Anhang zum PBefG, A 2 Π., zu § 3 Berufszugangs-Verordnung. 208 Zum Begriff: Maurer, § 9 Rn 51 ff. 209 König: Teil 1, Kapitel 3 m. 2. b) aa) (Seite 128).

3. Kapitel: Der gegenwärtige staatliche Ordnungsrahmen

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und ihre Sachbearbeiter. 210 Darüber hinaus stellt sich die Frage, weshalb im ersten Satzteil auf die öffentlichen Verkehrsinteressen abgestellt wird, wenn diese im zweiten Satzteil ausschließlich auf die Funktionsfahigkeit des Taxengewerbes reduziert werden. Anscheinend ebensogut könnte von vornherein allein auf die Funktionsfahigkeit abgestellt werden. Dennoch handelt es sich weder um eine Tautologie, noch um ein rein historisches Überbleibsel. 211 Durch die Erwähnung der öffentlichen Verkehrsinteressen soll vielmehr zum Ausdruck gebracht werden, daß die zahlenmäßige Beschränkung der Taxen ausschließlich zum Schutz der Allgemeinheit erfolgen darf und private Interessen, etwa die der bereits zugelassenen Unternehmer, außer acht zu bleiben haben. Der erste Satzteil enthält also eine Leitlinie für die Auslegung der "Bedrohung der Funktionsfahigkeit des örtlichen Taxengewerbes". Um die Praktikabilität der Norm zu erhöhen und unter dem Eindruck des Wesentlichkeitsgrundsatzes, wurden im Rahmen der Taxinovelle von 1983 die folgenden Kriterien in § 13 Abs. 4 Satz 3 PBefG aufgenommen: 1. die Nachfrage nach Beförderungsaufträgen im Taxenverkehr, 2. die Taxendichte, 3. die Entwicklung der Ertrags- und Kostenlage unter Einbeziehung der Einsatzzeit und 4. die Anzahl und Ursachen der Geschäftsaufgaben. Nach dem Wortlaut der Norm ("insbesondere") handelt es sich nur um eine beispielhafte Aufzählung. Es steht der Behörde also frei, über die aufgezählten Kriterien hinaus auch andere Gesichtspunkte, wie bspw. die Angebotslage im öffentlichen Nahverkehr und im Mietwagengewerbe oder die für Konzessionen bezahlten Preise 212 zu berücksichtigen. Die Formulierung "sind [...] zu berücksichtigen" legt darüber hinaus nahe, daß die benannten Anforderungen den Mindeststandard jeder Prüfung im Rahmen des § 13 Abs. 4 PBefG beinhal-

210 Vgl. im folgenden 4. Abschnitt. Auf die Gefahr einer Okkupation des öffentlichen Interesses durch private Interessen als Folge von "Fast-Leerformeln" weist Leisner hin, DÖV 1970,217 ff. insbes. unter Π. 2 c. 211 Vgl. zur Entstehungsgeschichte oben, Kapitel 2. 212 So in den "Allgemeinen Grundsätzen". Zur Ermittlung der Konzessionspreise wurde vereinbart, daß dem Antrag auf Übertragung der Genehmigung der Kaufvertrag zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber beizufügen ist. Diese Vorgehensweise führt allerdings selten zu realistischen Ergebnissen, weil die Unternehmer wissen, daß die angegebenen Beträge der Besteuerung unterliegen und darüber hinaus von den Behörden als Maßstab für die Aufnahmefähigkeit des Taxengewerbes gewertet werden je höher die bezahlten Summen für die Konzessionen sind, desto besser müssen die Verdienstaussichten sein und desto eher können neue Bewerber zugelassen werden.

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ten. 213 Wie zu zeigen sein wird, bestehen jedoch erhebliche Probleme bei der praktischen Umsetzung, u.a. deshalb, weil den Behörden weder in rechtlicher, noch in finanzieller oder personeller Hinsicht genügend Mittel zur Verfügung stehen, um verifizierbare Informationen zu ermitteln. 214 Das Ausmaß der Probleme mit § 13 Abs. 4 PBefG auf behördlicher Seite wird sichtbar, wenn man berücksichtigt, daß die Verkehrsminister der Länder es 1987 für notwendig hielten, ihre nachgeordneten Behörden - in Form einer "Neuregelung" des Taxiund Mietwagenverkehrs - darauf hinzuweisen, daß das Prüfungsergebnis bei Anwendung der Vorschrift "voll nachprüfbar und nachvollziehbar" sein müsse.215 Zugleich wurden die nach der Rechtsprechung ohnehin geltenden Maßstäbe bei der Anwendung einer zahlenmäßigen Beschränkung wiederholt. 216 Nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 4 Satz 3 PBefG "soll" die Behörde einen Beobachtungszeitraum von höchstens einem Jahr seit der letzten Erteilung der Genehmigung einschalten, um die Auswirkungen früher erteilter Genehmigungen auf die öffentlichen Verkehrsinteressen festzustellen. 217 Entsprechend weisen die Verkehrsminister ihre Behörden daraufhin, daß wegen der im allgemeinen schlechten Ertrags- und Kostenlage im Taxengewerbe nur in Ausnahmefallen auf die Einschaltung eines Beobachtungszeitraumes zu verzichten sei. 218 Infolgedessen werden in den meisten Städten, sofern überhaupt, nur zu bestimmten Terminen Genehmigungen entsprechend dem Ergebnis der Beobachtungen erteilt. 213

Demgegenüber werden die Kriterien in den Allgemeinen Grundsätzen (unter 4.2) lediglich als "Entscheidungshilfen" bezeichnet, was eine gewisse Freiwilligkeit bei der Berücksichtigung impliziert. 214 Auch die Unternehmer sind zur Auskunft über die in § 13 Abs. 4 Satz 3 PBefG geforderten Kriterien nicht verpflichtet. Der neue § 54 a PBefG berechtigt die Genehmigungsbehörde zwar "zur Durchführung der Aufsicht und zur Vorbereitung ihrer Entscheidung" die erforderlichen Ermittlungen anstellen und die Bücher und Geschäftspapiere des Unternehmers durchsehen zu lassen, sowie Auskünfte vom Unternehmer oder seinen Beschäftigten einzuholen. Sowohl nach seinem Wortlaut als auch nach semer Stellung im V. Abschnitt des PBefG über die "Aufsicht" kann § 54 a jedoch nur als Rechtsgrundlage zur Überprüfung der unternehmerischen Pflichten dienen, und nicht zur Eruierung der für die Entscheidung nach § 13 Abs. 4 PBefG erforderlichen Informationen. Vgl. ausführlich zu den Problemen bei der Umsetzung im folgenden 4. Abschnitt . 215 Allgemeinen Grundsätze, 4. 2 . 216 Wörtlich heißt es unter 4.1 der Allgemeinen Grundsätze: "Der Begriff "Funktionsfähigkeit" schließt die Existenzfahigkeit mit ein. Die Grenze der Funktionsfahigkeit ist im allgemeinen eher erreicht als die Grenze der Existenzbedrohung. Der Begriff "Existenzfähigkeit" stellt nicht allein auf die wirtschaftliche Lage des örtlichen Taxengewerbes, sondern auch auf die ausreichende und ordnungsgemäße Bedienung des Taxenverkehrs als Teil des öffentlichen Verkehrs ab." 217 § 13 Abs. 4 Satz 3 und 4 PBefG. 218 Allgemeine Grundsätze unter 4.3.

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4. Abschnitt Rechtsanwendungsprobleme und Fehleranalyse Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Grundlagenurteil von 1960 die Rechtmäßigkeit einer zahlenmäßigen Begrenzung der Taxen durch die Behörden allein auf die ungeprüfte Hypothese gestützt, daß jedenfalls in der Theorie eine Bedrohung der Existenz- und Funktionsfahigkeit des Droschkengewerbes durch Übersetzung, also gleichsam von innen heraus denkbar sei. Dabei hat es die Beurteilung im Einzelfall den örtlichen Genehmigungsbehörden überlassen, ohne eine konkrete Definition für diesen Zustand oder konkrete Anhaltspunkte zur Einschätzung des Geschehensablaufes vorzugeben. Die schlichte Erhebung der Urteilsbegründung, zum Gesetz unter gleichzeitiger Einräumung eines schwer nachzuprüfenden Beurteilungsspielraumes haben dazu geführt, daß die Behörden der meisten deutschen Großstädte den Zugang zum Taxengewerbe über Jahre hinweg völlig absperren. Die abstrakt denkbare Möglichkeit einer "ruinösen Konkurrenz" wird in der Praxis als Regelfall unterstellt. Das Ergebnis von § 13 Abs. 4 PBefG läßt sich kaum von den Auswirkungen einer Bedürfnisprüfung unterscheiden. 219 Der Gesetzgeber und die höchstrichterliche Rechtsprechung sind davon ausgegangen, daß sich die Genehmigungsbehörden mit zunehmender Praxis an die maßgebliche Grenze herantasten könnten.220 Aufgrund von Erfahrungswerten sollte sich dann eine einheitliche Linie entwickeln. Dies ist insofern auch der Fall, als daß die Bewerber auf eine Taxenkonzession in den meisten Großstädten mittlerweile mehrjährige Wartezeiten in Kauf nehmen müssen, in der Regel zwischen fünf bis zehn Jahren. Dabei ist es noch im Jahr 1995 durchaus keine Seltenheit, daß die Vormerklisten unbeschiedene Anträge aus den siebziger Jahren enthalten.221 Die Antragsteller warten also seit zwanzig (!) Jahren und mehr auf die Genehmigung zum Betrieb einer Taxe. Die behördliche Praxis sieht vielerorts so aus, daß unmittelbar aufeinanderfolgend mehrere Beobachtungszeiträume von jeweils einem Jahr eingeschaltet werden, ohne zwischenzeitlich auch nur eine Konzession auszugeben. Dadurch füllen sich die Wartelisten. Es ist leicht nachvollziehbar, daß ein Bewerber, der an Stelle Nr. 1000 eingetragen wird, zum Zeitpunkt der Bescheidung seinen Be-

219 Nach einer 1977 durchgeführten repräsentativen Umfrage hatten 89,7 % der deutschen Großstädte die Zahl der zugelassenen Taxen beschränkt und Wartelisten eingerichtet, Wollrab, Struktur und Bedeutung des Taxiverkehrs in der BRD, Seite 60. 220 BVerwGE 64, 238, 240: "[...] weil sich die Linie, auf der die Grenze zwischen Gewährleistung und Beeinträchtigung der öffentlichen Verkehrsinteressen verläuft, weniger durch Wirtschaftlichkeitsberechungen, sondern vor allem durch praktische Erfahrungen ermitteln läßt, [...]." 221 So etwa in Köln und Aachen.

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rufswunsch regelmäßig bereits aufgegeben hat. 222 Die Begründung lautet in jedem Fall, daß nach Auffassung der Behörden bereits das vorhandene Kontingent an Taxen eine Bedrohung der Funktionsfähigkeit im Sinne von § 13 Abs. 4 PBefG bedeutet.223 Diese Vorgehensweise ist keineswegs neu. So stellte das BVerwG in einem Fall von 1963 fest, daß auf der Warteliste der Düsseldorfer Genehmigungsbehörde etwa 1435 (!) Bewerber eingetragen waren - gegenüber 450 zugelassenen Unternehmern. 224 Da die Konzessionen nicht zurückgegeben werden müssen, findet eine Fluktuation tatsächlich nur über den Verkauf der Genehmigungen statt. Hier wird die zweite extreme Auswirkung des § 13 Abs. 4 PBefG sichtbar. Denn der im Rahmen der Taxinovelle von 1983 neugestaltete § 2 Abs. 3 PBefG erlaubt nach wie vor die Übertragung auf Dritte und ist leicht zu umgehen.225 Bereits 1977 ergab eine Umfrage in 136 Großstädten, daß Spitzenpreise von über 27.500,- D M für eine Konzession verlangt und auch bezahlt worden waren. Der Durchschnittspreis lag etwa bei der Hälfte dieses Be-

222

In Köln standen wegen der restriktiven Genehmigungsvergabe zwischen 1980 und 1990 etwa 1000 Bewerber in den Wartelisten. Erst seit Beginn der neunziger Jahre wurden sukzessive etwa 100 neue Genehmigungen erteilt. Ähnlich ist die Situation in vielen anderen Großstädten. In Frankfurt sind nach Auskunft der Taxenzulassungsstelle etwa 1712 Taxen zugelassen, während auf der gemeinsamen Warteliste ca. 700 Eintragungen stehen. 223 Ein solches Beispiel ist auch München. Dort setzte die Taxikommission des Stadtrates in der Zeit von 1982 bis Ende Februar 1988 jeweils im März einen einjährigen Beobachtungszeitraum fest, ohne zwischenzeitlich neue Genehmigungen zu erteilen. Auf den Wartelisten standen rund 500 Bewerber, vgl. BayVGH vom 14.3.1987 (unveröff.) - 11 Β 84 A. 2225 -. 224 BVerwGE 16, 190 ff. Das Gericht begnügte sich damals mit der pauschalen Zusicherung der Behörde, sie werde Erhebungen über "die maßgebenden Umstände" anstellen. 225 Die Existenz eines Konzessionshandels wird zwar oftmals bestritten. Im Gegensatz hierzu sah sich das BVerfG allerdings noch Ende 1989 zu der Feststellung veranlaßt, die bisherige behördliche Genehmigungspraxis habe einen Handel nicht verhindern können, NJW 1990, 1352, 1353.Das Gericht bestätigte dort allerdings die Verfassungsmäßigkeit der Übertragungsmöglichkeit gem. § 2 Abs. 2 Ziff. 2 PBefG an sich unter Hinweis auf "verdiente Altkonzessionäre", die den Ertrag ihres Berufslebens realisieren wollten. Die im Hinblick auf den Schutz des Art. 14 GG erforderliche wirtschaftliche Eigenleistung sahen die Richter in dem Aufbau eines "good will". Die gegenteiligen Ansichten der vorlegenden Gerichte seien insofern "wirklichkeitsfremd". Dem BVerfG ist allerdings insofern zu widersprechen, als in der Tat ein Großteil der Unternehmer einen "good will" gar nicht aufbauen kann. Über 60 % von ihnen sind nämlich einer Funkleitzentrale angeschlossen, die Aufträge allein danach vermitteln, welcher Wagen den geringsten Weg zurücklegen muß, Grätz, Seite 30. Eine Bestellung bestimmter Unternehmer oder Fahrer ist nicht möglich, somit auch nicht der Aufbau einer Stammkundschaft. Gleiches gilt für immerhin ein Fünftel der Taxihalter, die nur von festen Standorten wie Flughäfen oder Hauptbahnhöfen aus fahren, Grätz, Seite 30/31. Zudem hätte für das BVerfG auch die Möglichkeit einer verfassungskonformen Reduktion auf bestimmte Übertragungsmöglichkeit bestanden.

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träges. 226 Dabei sind durchaus starke Unterschiede bei den Preisen festzustellen, die zumeist mit der Intensität der behördlichen Restriktion in Zusammenhang stehen. In einem Prozeß, der 1987 vor dem Bayrischen VGH stattfand, ergab die Beweisaufnahme, daß der Durchschnittspreis fur Konzessionen in München etwa 16.000,- D M betrug. 227 Der Grund für den relativ niedrigen Preis besteht darin, daß sich die Ertragslage des Gewerbes, trotz eines jahrelangen absoluten Zulassungsstopps der Behörden durch äußere Einflüsse verschlechtert hat. 228 Demgegenüber bezog sich das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung von 1988 auf die Angaben des OVG Koblenz, nach dem für eine Konzession Kaufpreise von ca. 40.000,- D M oder monatliche Pachtpreise von bis zu 800,- D M bezahlt worden waren. 229 Die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Befragungen von Behörden ergaben, daß sich die verkaufswilligen Unternehmer in vielen Städten bei Angeboten von weniger als 50.000,- D M erst gar nicht auf Verhandlungen einlassen und letztlich Preise von über 60.000,- D M erzielen -evtl. mitveräußerte Fahrzeuge werden extra berechnetein preisbewehrter "good will" existiert regelmäßig nicht. 230 Den höchsten zu ermittelnden Betrag ergab schließlich die Beweisaufnahme des V G Düsseldorf im Jahr 1989. Danach hatte ein Bewerber im Zuständigkeitsbereich des Gerichts für die Genehmigung einer einzigen Taxe 102.000,- D M (!) bezahlt.231 In den meisten der ermittelten Fällen waren über 45.000,- D M bezahlt worden, in einigen anderen auch über 60.000,- DM. Daß es sich hierbei durchaus nicht um Fälle von "Wirtschafisblindheit", sondern um ein ökonomisch sinnvolles Vor-

226

Wollrab, Seite 63. Auf der Warteliste waren etwa 500 Antragsteller eingetragen (Bay VGH, Urteil vom 14.5.1987 - 11 Β 84 A. 2225 - Seite 3/4). Seit Jahren gab es keine Neuzulassungen. 228 Die Hauptursache für die schlechte Wirtschaftslage der Taxiunternehmer ist der Bau des neuen Flughafens München II. Dieser liegt zum einen so weit außerhalb, daß eine Taxifahrt in die Stadt sehr kostspielig ist. Zum anderen anderen existiert in Form des neuen Bahnzubringers eine sehr günstige Alternative, die an vierundzwanzig Stunden in Abständen von zwanzig Minuten verkehrt. Als Folge suchen einige hundert Unternehmer, die früher von den Flughafentransfers lebten, ihre Auskommen in der Stadt. 229 BVerwGE 79, 208 ff. (ohne Preisangaben), = NJW 1988, 3221, 3222 (mit Preisen). Das OVG Münster folgerte 1990 aus Kaufpreisen von über 10.000,- DM und monatlichen Pachtzahlungen von 300,- bis 400,- DM, daß der örtliche Taxenmarkt aufnahmefähiger sei als von den Unternehmern selbst immer wieder behauptet worden war, VRS Bd. 79 (1990), 463/464. Demgegenüber wurden in Köln selbst bei schlechter Konjunktur (1982) bereits rund 50.000,- DM für ein altersschwaches Taxi mit Konzession bezahlt, Die Zeit, vom 9. 7. 1982, "Der 'schöne Franz' funkt mit". 230 Insider raten Berufsinteressierten, sich zumindest auf Preise von 20.000,- bis 50.000,- DM einzustellen, Betz/Bruckschen, Seite 53. 231 VG Düsseldorf, (unveröffentlichtes) Urteil vom 9.1.1989 - 6 Κ 4679/87 - Seite 3. Daß auch andernorts Preise "bis zu 100.000,- DM bezahlt" werden, läßt sich auch den Veröffentlichungen des Gewerbes entnehmen, vgl. Taximagazin Nr. 4/91, Seite 37. 227

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Erster Teil: Geschichte und Gegenwart

gehen handelte, zeigt die Tatsache, daß alle Käufern zuvor als Taxifahrer oder Taxiunternehmer gearbeitet hatten und somit den besten Überblick über die Verdienstmöglichkeiten besaßen. Ohne an dieser Stelle auf die näheren Gründe einzugehen, belegen die immer wieder für einzelne Konzessionen bezahlten hohen Summen jedenfalls, daß den Behörden eine realistische Einschätzung der im Taxengewerbe herrschenden Verhältnisse offensichtlich nicht möglich ist, obwohl das BVerwG bereits 1981 auf den Zusammenhang zwischen der Höhe der Konzessionspreise und dem Erreichen der sog. "Ruingrenze" im Taxengewerbe hingewiesen hatte.232 In Regensburg gelangten die zuständigen Behörden zu Beginn der neunziger Jahre zu der Schlußfolgerung, daß eine zahlenmäßige Begrenzung der Taxen nicht praktikabel sei und lösten die vorhandene Vormerkliste auf. 233 Sie folgten damit dem Beispiel von Hamburg, daß bereits seit Jahrzehnten ohne eine zahlenmäßige Beschränkung des Gewerbes auskommt. In Berlin verhängten die Behörden in den letzten zwanzig Jahren nur einmal, 1983, einen kurzen Zulassungsstop. In diesen Städten erhalten die Bewerber folglich innerhalb kurzer Zeit nach Erbringung des Nachweises über die subjektiven Voraussetzungen beliebig viele Konzessionen für Taxen. Die restriktiven Beschränkungen des Marktzugangs durch die Behörden sind trotz der beschriebenen extremen Auswirkungen nur schwer angreifbar. Der Beurteilungsspielraum, den das BVerwG der Verwaltung zubilligt, ist sehr groß und eine Widerlegung der Behauptung, die Funktionsfähigkeit des örtlichen Gewerbes sei gefährdet, auch deshalb stark erschwert. Dabei ist das Verfahren daß zu diesen Behauptungen führt, aus mehreren Gründen zweifelhaft. Der größte Unsicherheitsfaktor ergibt sich aus der fehlenden Definition der "Funktionsunfahigkeit des Taxengewerbes". Im Einzelfall muß der zuständige Sachbearbeiter in der Genehmigungsbehörde ein für ihn unbekanntes und in der Praxis noch nicht beobachtetes Phänomen selbst definieren. In einem zweiten Schritt müßte er dann den Geschehensablauf nachvollziehen, der zu diesem theoretischen Marktversagen hinführt, um den Zeitpunkt bestimmen zu können,

232 BVerwGE 64, 238, 243 f. = NJW 1981, 1168, 1169; so auch in E 79, 208, 216 vom 15. 4. 1988: "Solange für den Markteintritt noch erhebliche Preise, sei es in Form des Kaufpreises für den Erwerb einer Konzession, sei es in Form des Pachtzinses für die Übertragung des Betriebs, gezahlt werden, und zwar nicht einmalig oder von einzelnen unerfahrenen Interessenten, sondern über Jahre hinweg und von im Taxengewerbe erfahrenenen Interessenten, solange besteht grundsätzlich kein Anlaß für erne emsthafte Sorge um die Funktionsfahigkeit des örtlichen Taxenverkehrs [...]." So bereits auch: Storsberg, Der Personenverkehr, Heft 2/1983, Seite 4 f. 233 Wörtlich heißt es in einem Schreiben der Stadt Regensburg an die Regierung der Oberpfalz vom 29. 5. 1989: "Eine Anwendung des § 13 Abs. 4 PBefG ist nicht möglich, da nach Meinung der Stadt Regensburg keine objektive Prüfung der Funktionsfähigkeit des örtlichen Taxigewerbes möglich ist." So wiedergegeben in Bay VG Regensburg vom 7. 12. 1990, (unveröffentlicht), - RO 9 Κ 90 0785 -.

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zu dem die Funktionsunfähigkeit i.S.v. § 13 Abs. 4 PBefG bedroht ist. Der Gesetzgeber hat erst 1983 erkannt, daß die Genehmigungsbehörden damit absolut überfordert waren und jeder Sachbearbeiter seine eigenen Maßstäbe aufstellte. Die ausdrückliche Benennung der vier entscheidungserheblichen Merkmale in § 13 Abs. 4 Sazt 2 PBefG sollte hier weiterhelfen. Doch hätte der fehlende Erfolg dieser Maßnahme im vorhinein erkannt werden können, denn das Bundesverwaltungsgericht hatte bereits 1966 einen ausführlichen Kriterienkatalog aufgestellt, 234 ohne daß dies Auswirkungen auf die behördliche Praxis gezeigt hatte.235 Die Behörden wissen durch die vier Merkmale zwar, "wie" sie ihre Entscheidung begründen könnten, die Zielsetzung und damit der Sinn und Zweck ihres Handelns bleiben jedoch unklar. Entsprechende Unsicherheiten werden besonders deutlich, wenn die Ablehnung von Zulassungsanträgen nicht mit einer Bedrohung der Funktionsfahigkeit des Gewerbes, sondern mit dem Hinweis auf arbeitsrechtliche und soziale Auswirkungen begründet wird. 236 Gleiches gilt für eine Ablehnung mit dem Hinweis, die Bedienung der Öffentlichkeit sei bereits durch die zugelassenen Verkehrsmittel "ausreichend sichergestellt". 237 Die Sicherstellung der Bedienung reicht jedoch, wie das BVerfG festgestellt hat, 238 im Hinblick auf das Recht der Bewerber zur freien Berufswahl gerade nicht aus, denn gesicherte Verhältnisse bedeuten eben nicht, daß durch die Zulassung einiger zusätzlicher Unternehmer sofort die Funktionsfahigkeit des gesamten Gewerbes gefährdet wird. Hier besteht ein mehr oder weniger breiter Grenzbereich, den die Behörde unter Zugrundelegung konkreter und verifizierbarer Daten bis an die Grenze der Funktionsfahigkeitsgefahrdung in Anspruch nehmen muß. Die von der Behörde benutze Formulierung offenbart also, daß hier eine Bedürfiiisprüfung durchgeführt worden ist, die das BVerfG bereits 1960 für verfassungswidrig erklärt hat. Daß dies kein Einzelfall ist, zeigt auch ein von der Stadt Berlin Mitte der achtziger Jahre in Auftrag gegebenes Gutachten zu § 13 Abs. 4 PBefG. Darin wurde die Empfehlung ausgesprochen, die Zahl der zugelassenen Taxen bei etwa 4800 Fahrzeugen einzufrieren, da dann gerade noch von einer befriedigenden wirtschaftlichen Situation gesprochen werden könne. Eine Bedrohung der Funktionsfahigkeit sei zwar

234

BVerwG, Urteil vom 25. 2. 1966, E 23, 314, 318. Hierzu die Untersuchung von Wollrab, Seite 61 f. 236 So festgestellt in einer - unveröffentlichten - Entscheidung des Bayrischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 7.12.1990 - RO 9 Κ 90 0785 - Seite 4. Das Gericht resümierte, daß in der behördlichen Entscheidung zu keinem der in § 13 Abs. 4 PBefG genannten Kriterien sachgerechte Untersuchungen angestellt worden waren. 237 So in einem unveröffentlichten Urteil des Bay VGH vom 1. 3. 1982 - 11 Β 81 Α. 1313, Seite 2. 238 BVerfGE 11,168 ff. 235

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noch nicht gegeben, stehe aber unmittelbar bevor. 239 Als die Behörde, dem Untersuchungsergebnis folgend, einen Zulassungsstop verhängte, erhob ein Betroffener Klage mit dem Antrag auf Zulassung von 50 Taxen. Das OVG Berlin stellte dann fest, daß die Gutachter unter der Überschrift "Funktionsfahigkeitsprüfung" in Wirklichkeit eine Bedürfhisprüfung durchgeführt hatten. Die maßgebliche Ausgangsfrage, "ob das bestehende Taxengewerbe bei Zulassung neuer Unternehmen durch Übersetzung und ruinöse Konkurrenz in seiner Existenz bedroht würde", sei erst gar nicht erkannt worden. Schließlich ständen auch die Schlußfolgerungen des Gutachtens im Widerspruch zu dessen eigenen Feststellungen.240 Die Beispiele verdeutlichen, daß die Vorschrift des § 13 Abs. 4 PBefG nicht nur für die Arbeit der Praktiker viel zu abstrakt und nicht faßbar ist. Die Entscheidung über die Begrenzung der Taxenzahlen bedeutet stets ein Spiel um die richtigen Worte. Denn das Ergebnis einer an der Funktionsfahigkeit orientierten Prüfung läßt sich von dem Resultat einer Bedürfhisprüfung kaum unterscheiden - zahlenmäßige Obergrenzen, die jede natürliche Fluktuation unterbinden, werden in beiden Fällen festgesetzt. Die Behörden verwenden deshalb zu ihrer eigenen Sicherheit oft stereotype Formulierungen, mit denen auf eine drohende Funktionsunfahigkeit Bezug genommen wird. Denn die ungerechtfertigte Ablehnung eines Genehmigungsantrages vermag die Regreßfolgen des § 839 BGB auszulösen und birgt damit - trotz des großen Beurteilungspielraumes - ein Risiko für die zuständigen Beamten in sich. 241 Eine inhaltliche Prüfung der behördlichen Vorgehensweise ist wegen des zugestandenen weiten Beurteilungsspielraumes aber wesentlich schwieriger als der Nachweis, daß die Behörde ausweislich der gewählten Formulierung tatsächlich eine Bedürfhisprüfung durchgeführt hat. Auch die Installation der ausdrücklich genannten vier Kriterien in § 13 Abs. 4 Satz 2 PBefG bedeutete keine Entscheidungs-, sondern eher eine formelle Begründungshilfe. Daür gibt es, neben der ungenauen Zielvorgabe, eine weite239

Gutachten der SNV Studiengesellschaft Nahverkehr Berlin m.b.H., Veröffentlichung vom 15. 1. 1985, Seite 47. 240 OVG Berlin, Beschluß vom 8. 1. 1986 - 1 Β 79.83 (unveröffentlicht) - bestätigt durch: BVerwG vom 26. 9. 1986 - ebenfalls unveröffentlicht. 241 Der Grund für die fehlende Einschaltung eines Beobachtungszeitraumes in den vergangenen zehn Jahren in Berlin ist die Aufhebung des letzten Zulassungsstops durch die Gerichte. Der obsiegende Unternehmer erhob im Anschluß Klage auf Ersatz des Gewinns, der ihm durch die Ablehnung der beantragten 50 Taxen entstanden war, erhielt auch hier Recht und eine sehr hohe Summe zugesprochen. Daraufhin beschloß die Behörde, die Zahl der Taxen so lange nicht mehr zu begrenzen, also § 13 Abs. 4 PBefG nicht mehr anzuwenden, bis die örtlichen Taxenverbände wirklich aussagekräftige Daten als Beleg für die Gefahr einer ruinösen Konkurrenz vorlegen. Zu den Auswirkungen dieses Vorgehens ausführlich unten zu "Das Argument eines drohenden Marktversagens in der empirischen Datenanalyse". Zur Frage des Anspruchs auf Schadensersatz vgl. auch BGH vom 27. 1. 1975, in: WM 1975,426 ff.

3. Kapitel: Der gegenwärtige staatliche Ordnungsrahmen

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re, eigentlich einfache Ursache: Die Berücksichtigung der vier Merkmale ist zwar als Imperativ vorgeschrieben -"sind zu berücksichtigen"-, nicht aber die Sammlung oder Erhebung der entsprechenden Daten. Oftmals verfügen die zuständigen Sachbearbeiter deshalb gar nicht über das erforderliche Material, um eine realistische Prüfung anhand der vier Kriterien vorzunehmen. 242 Dies macht sich am wenigsten bei dem unter § 13 Abs. 4 Ziff. 2 PBefG genannten Merkmal der "Taxendichte", also dem Verhältnis von Taxen zu Einwohnerzahl, bemerkbar, da diese Daten veröffentlicht werden und deshalb relativ einfach zu beschaffen sind. Gerade diesem Merkmal ist jedoch die geringste Aussagekraft beizumessen.243 Da die regelmäßige Inanspruchnahme der Taxen für den Großteil der Bevölkerung zu teuer ist, steht die Häufigkeit seiner Benutzung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Größe der sozialen Mittel- und Oberschicht der jeweiligen Stadt, dem Touristenaufkommen und der wirtschaftlichen Entwicklung in der Region. Sofern Vergleichsdaten über andere Städte eingeholt werden, sind diese wegen der vielfaltigen und unterschiedlichen Struktur nur eingeschränkt verwertbar. Weitaus größere Bedeutung kommt deshalb dem Kriterium "Nachfrage nach Beförderungsaufträgen" zu. 244 Hier macht sich das angesprochene Informationsdefizit besonders bemerkbar. Die Behörden können die Unternehmer zwar auffordern, bestimmte Daten zur Verfügung zu stellen der § 54 a Abs. 1 Ziff. 2 PBefG statuiert insofern eine Auskunftspflicht; 245 doch

242

Kritisch auch: Fromm, Personenbeförderungsgesetz, Seite 56. In anderen Verkehrsbereichen ist die Bedeutung verläßlicher Daten bereits erkannt worden. So hatte die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr schon bislang erne Statistik auf der Grundlage der eingereichten Frachtbriefe geführt. Nach dem neuen Gesetz zur Aufhebung der Tarife im Güterverkehr vom 13. August 1993 (BGBl. I., Seite 1489) wird nun unter Einbeziehung des gewerblichen Güternahverkehrs vierteljährlich Bericht erstattet. Dazu: Maiworm, Transportrecht 1994, 257 ff. 243 So auch Bidinger, § 13 Rn. 89 und das Taxigewerbe selbst, unter Hinweis auf die unterschiedliche Wirtschaftskraft der Städte, vor allem im Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland, Taximagazin Nr. 1/2,1993, Seite 18. 244 § 13 Abs. 4 Ziff. 1 PBefG. Auch die Behörden selbst haben dies schnell erkannt. Theoretisch wird zwar ein Verhältnis von einem Taxi auf tausend Einwohner als grober Richtwert zugrundegelegt. In der Praxis divergiert die Taxendichte in den Pflichtfahrbereichen der Städte jedoch um den Faktor drei, Gries, Seite 108 f. 245 Insoweit Fromm, Personenbeförderungsgesetz, Seite 56: "Zudem bleibt offen, ob die Genehmigungsbehörden hierüber [...] jemals verläßliche Unterlagen erhalten." Die Anwendung des § 54 a PBefG auf die Erhebung von Daten für eine Entscheidung nach §13 Abs. 4 PBefG ist allerdings nicht unzweifelhaft. Denn die Vorschrift steht im V. Abschnitt unter der Überschrift "Aufsicht, Prüfungsbefugnisse". In systematischer Auslegung wäre § 54 a PBefG also dahingehend zu verstehen, daß er der Behörde die faktische Möglichkeit verschaffen soll, "als Aufsichtsbehörde" evtl. Pflichtverstöße der Unternehmer zu ermitteln. Dieses Verständnis legt auch der Wortlaut des Absatz 1 nahe: "Die Behörde kann zur Durchführung der Aufsicht und zur Vorbereitung ihrer Entscheidungen [...] die erforderlichen Ermittlungen anstellen [...]." Der § 54 a PBefG bezieht sich ersichtlich nur auf die Verwaltung in ihrer Funktion als "Aufsichtsbehörde", ö Bardarsky

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Erster Teil: Geschichte und Gegenwart

bestehen schon grundsätzliche Bedenken dagegen, sich auf Informationen zu verlassen, die einerseits kaum überprüfbar sind, andererseits aber für die Auskunfterteilenden sehr nachteilhaft sein können. Denn der Zweck der Auskunftserhebung besteht schließlich darin, festzustellen, ob die Einkünfte im Taxengewerbe so hoch sind, daß der Markt für weitere (Konkurrenz-) Betriebe aufnahmefähig erscheint. 246 Darüber hinaus ist der einzelne Unternehmer von seinen Angaben auch unmittelbar, nämlich in steuerlicher Hinsicht, betroffen. Es ist keineswegs ungewöhnlich, daß Unternehmer in ihren Steuererklärungen zu niedrige Umsätze angeben247 oder umgekehrt Pauschalangaben machen, die über den tatsächlichen Kosten liegen. Die Genehmigungsbehörden orientieren sich teilweise an den Steuervoranmeldungen der Unternehmer und stoßen immer wieder auf eine Reihe von Unternehmern, die während eines ganzen Jahres fast ohne Gewinn gefahren sein müßten. Insgesamt sind die vom Gewerbe zur Verfugung gestellten Daten ohnehin oft zu lückenhaft oder in sich widersprüchlich, um in eine Entscheidung nach § 13 Abs. 4 PBefG einfließen zu können.248 Naturgemäß macht sich das Fehlen objektiver Daten bei dem dritten Kriterium, der "Entwicklung der Ertrags- und Kostenlage unter Einbeziehung der Einsatzzeit", in § 13 Abs. 4 Ziff. 3 PBefG am stärksten bemerkbar. 249 Als Beispiel kann

nicht "als Genehmigungsbehörde", die über die Vergabe neuer Konzessionen zu befinden hat. A.A. offenbar: BVerwGE 64,238,247 f. 246 In einer Entscheidung des VG Münster waren die Richter dem Hinweis nachgegangen, der Vorsitzende des Verbandes der Kraftfahrdroschkenunternehmer habe auf einer Versammlung die Ansicht geäußert, daß kein Mitglied eine höhere Jahresleistung als 70.000 km angeben dürfe. In der Berufungsentscheidung des OVG, in der sich dieser Hinweis findet, wies der Vertreter des öffentlichen Interesses zudem daraufhin, daß die bei einer Fragebogenaktion gemachten Angaben der Unternehmer zum Teil falsch oder wenigstens unvollständig gewesen seien, OVG Münster, Urteil vom 18. 12. 1969, in: OVGE Münster/Lüneburg, Bd. 26,1, 5. 247 Ein wegen Steuerhinterziehung angeklagter Taxiunternehmer verteidigte sich mit dem Hinweis, daß es im Gewerbe durchaus üblich und zur Vermeidung von Verlusten auch notwendig sei, die Hälfte des vom Fahrer eingefahreren Umsatzes diesem zu überlassen und nur den Rest in den Büchern anzugeben. Der Behauptung widersprachen die Vertreter des Gewerbes mit dem Hinweis auf regelmäßige Überprüfungen der Finanzämter. In dem gleichen Artikel (Taximagazin Nr. 5/91, Seite 27) wird allerdings auf eine Entscheidung des LG Darmstadt verwiesen, in welcher die Richter konzedierten, "das Taxengewerbe arbeite am Rand der Legalität, die Verschleierung von Einkünften sei nicht unüblich.". 248 So auch die Feststellungen des VG Regensburg in einer (unveröffentlichten) Entscheidung vom 7. 12. 1990, - RO 9 Κ 90 0785 -. 249 Grundsätzliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieses Kriteriums gehen auf eine Entscheidung des BVerwG aus dem Jahre 1966 zurück. Damals hatte das Gericht festgestellt, daß die Zulassung zum Taxengewerbe nicht davon abhängen darf, "ob dem einzelnen Droschkenunternehmer nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ein Durchschnittseinkommen verbleibt, das als ausreichend anzusehen ist, um die Wirtschaftlichkeit des Droschkenunternehmens zu bejahen. [...] Letzten Endes handelt es sich um eine unzulässige Bedürfhisprüfung." (BVerwGE 23, 314, 317; s.a. Fromm, Personenbeforde-

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83

auf die Erfahrungen der Taxenzulassungsstelle in Berlin verwiesen werden, die zu Beginn der neunziger Jahre die fünf großen örtlichen Taxigenossenschafien aufgefordert hatte, Daten über die Entwicklung der Ertrags- und Kostenlage in ihren Unternehmen einzureichen. Nur eine der Genossenschaften reagierte auf die Bitte. Die eingereichten Unterlagen enthielten Prozentangaben, denen zufolge die Aufträge in den letzten Jahren einen starken Rückgang aufwiesen. Dennoch wäre der Schluß auf eine Bedrohung der Funktionsfahigkeit des Gewerbes hier falsch gewesen. Denn die Angaben bezogen sich allesamt auf die Veränderungen gegenüber 1988, einem Jahr, in dem die Zahl der Beförderungen wegen zahlreicher öffentlicher Veranstaltungen einen außergewöhnlichen Höchststand erreicht hatte, der weit über die normale Auftragslage hinausging. Die Abnahme der Aufträge bedeutete also lediglich eine Rückkehr zu den normalen Beförderungszahlen, was wegen der fehlenden konkreten Zahlen nicht sofort zu erkennen war. Das vierte Merkmal, "die Anzahl und Ursachen der Geschäftsaufgaben", ist schon deshalb wenig brauchbar, weil die Unternehmer ihre Betriebe selten aufgeben, sondern regelmäßig auf einen Käufer übertragen. Darüber hinaus sind die Behörden auch nicht dazu verpflichtet, Statistiken über Geschäftsaufgaben oder Konzessionsübertragungen zu führen oder die Unternehmer nach den Gründen ihres Handelns zu fragen. Dementsprechend selten stehen solche Unterlagen bei einer Entscheidung nach § 13 Abs. 4 PBefG zur Verfügung. 250 Von der Rechtsprechung ist außerhalb des § 13 Abs. 4 Satz 2 PBefG die Höhe der für Konzessionen bezahlten Preise als wichtiges Indiz eingestuft worden.251 Diese sind jedoch ein gut gehütetes Geheimnis. Sofern Behörden sich die Kaufverträge bei der Genehmigung der Konzessionsübertragung vorlegen lasrungsgesetz, Seite 56). Die Ertragslage des Gewerbes ist aber nichts anderes als eben die Summe der Einzelumsätze. Auch wenn diese dann wieder gleichmäßig auf jeden Unternehmer umgelegt wird und man so ein rechnerisches Duchschnittseinkommen ermittelt, handelt es sich nur um eine theoretische Größe. In Wirklichkeit stehen dahinter sowohl Unternehmer mit geringem Umsatz, als auch solche mit besseren Umsätzen. Beschränkt man die Zulassung neuer Unternehmer, um das rechnerisch ermittelte "zu" niedrige Durchschnittseinkommen zu erhöhen, so geschieht dies letztlich nur zur Unterstützung der Unternehmer mit einem geringeren Umsatz. Im Ergebnis dient dieses Kriterium also der Sicherung eines Mindesteinkommens für umsatzschwache Unternehmer und führt damit zu einer Bedürfnisprüfung- auch wenn es sich um eine indirekte Form der Subventionierung handelt. 250 Eine der ganz großen Ausnahmen ist hier Hamburg. Seit Aufhebung der zahlenmäßigen Begrenzung der Taxen in den sechziger Jahren werden dort alle Veränderungen der Fahrzeug- und Unternehmerzahlen genauestens erfaßt und ausgewertet. Zu den Ergebnissen in Hamburg vgl. unter "Die Entwicklung in deutschen Städten ohne zahlenmäßige Taxenbegrenzung". 251 BVerwGE 79,208, 216; VG Münster, Urteil vom 7. 3. 1989, VRS 77, 158. 6*

Erster Teil: Geschichte und Gegenwart

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sen,252 wird -im Hinblick auf die Steuerpflichtigkeit des Veräußerers- von vornherein mit zu niedrigen Angaben gerechnet. Die bisherigen Ausführungen zeigen ein gemeinsames Problem ganz deutlich: Das Fehlen von aussagekräftigen und verifizierbaren Daten. Für Außenstehende ist das Taxigewerbe von sehr geringer Transparenz. Dabei macht es grundsätzlich keinen Unterschied, ob die örtliche Behörde selbst ermittelt, oder die Aufsichtsbehörde im Wege der Amtshilfe um die Erstellung eines Gutachtens bittet oder selbst einen Sachverständigen beauftragt. Von diesen Möglichkeiten ist die letztere sicherlich diejenige, die am ehesten zu verwertbaren Ergebnissen führen kann. Doch sind solche Gutachten sehr kostenintensiv und können deshalb nur selten in Auftrag gegeben werden. Aus diesem Grund wird von den Sachverständigen auch die Nennung einer konkreten Zahl von Taxen erwartet, bei der eine Gefahr für die Funktionsfahigkeit des Gewerbes bejaht werden kann. Diese Zahl gilt dann auf Jahre hinaus als starre Obergrenze, jenseits derer kein weiteres Unternehmen zuzulassen ist. In den meisten Fällen dürfte die Entscheidung nach § 13 Abs. 4 PBefG jedoch den für das Taxengewerbe zuständigen Sachbearbeitern als Teil ihres normalen Dezernates überlassen werden, womit diese, wie beschrieben, regelmäßig überfordert sein dürften. 253 Das Informationsproblem ist kaum zu beseitigen, da auch die Daten von Industrie· und Handelskammern, Oberfinanzdirektionen, Innungskrankenkassen und den gesetzlichen Unfallversicherungen, den Gewerbeaufsichtsämtern und den Gewerkschaften nur einen Einblick in einzelne Extremfalle verschafft. 254 Somit kristallisieren sich zwei grundsätzliche Probleme bei der Anwendung von § 13 Abs. 4 PBefG heraus: Das erste besteht darin, daß die Behörde rechtlich wie faktisch -auf Grund ihrer mangelhaften finanziellen und personellen Ausstattung-255 bei der Beur-

252

Auch die Vorlage der Kaufverträge ist durchaus nicht üblich. In der Untersuchung von Wollrab antworteten 48 der befragten 136 Genehmigungsbehörden (35, 3 %) auf die Frage nach den Preisen für die gehandelten Konzessionen entweder gar nicht oder mit "weiß nicht, keine Angaben", Wollrab, Seite 63. 253 Demgegenüber vertrat der ehemalige Vorsitzende Richter am zuständigen Senat des Bayerischen VGH, Czermak, bereits in den sechziger Jahren die Auffassung, daß den abgelehnten Antragstellern konkrete Tatsachen und Erfahrungssätze entgegengehalten werden müßten und deshalb die Hinzuziehung eines Wirtschaftssachverständigen unumgänglich sei, DÖV 1964, 56. 254 Vgl. insofern das in § 14 Abs. 2 PBefG vorgeschlagene Verfahren. 255 Entsprechende Kritik kommt selbst aus den Reihen der Unternehmer, so in BZP Seite 6: "[...] denn eine Überwachung greift nicht. Dies zeigt die heutige Lage, wo de

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85

teilung eines ihr unbekannten, abstrakt umschriebenen Phänomens letztlich auf die Angaben aus dem Gewerbe selbst angewiesen ist. Dafür werden entweder die Unternehmer selbst per Fragebogen gebeten, entsprechende Angaben über ihren Betrieb zu machen256 oder die örtlichen Interessenvertreter nach § 14 Abs. 2 PBefG zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert. Diese Angaben, insbesondere über die Entwicklung der Ertrags- und Kostenlage (§13 Abs. 4 Ziff. 3 PBefG), bilden dann die Grundlage für die Entscheidung der Behörde über die Zulassung neuer Unternehmer. Da das gelieferte Material für die Behörde kaum verifizierbar ist, entscheiden damit indirekt die zugelassenen Unternehmer selbst über Zulassung und Zahl ihrer Konkurrenten. 257 Das zweite, systemimmanente und nicht zu beseitigende Problem wird deutlich, wenn man berücksichtigt, daß in der behördlichen Praxis die Angaben über die gleichbleibend niedrige Zahl von Zwangsvollstreckungen bei Taxiunternehmern etc. gerade nicht zu der Zulassung weiterer Bewerber führt. 258 Selbst wenn diese Daten also ermittelt werden können, werden sie immer nur als Argument für die Beschränkung der Zulassungszahlen, nie aber als Grund für eine Marktöffhung benutzt. Damit rückt die Interessenlage der Entscheidungsträger selbst in den Vordergrund. Dabei ist zunächst von der Gemeinsamkeit aller, wie auch immer gearteter Daten auszugehen, daß sie nämlich naturgemäß nur ein Bild über den status quo vermitteln können. Sofern sich daraus eine positive Bilanz ergibt, stellt sich für die Behörde die Frage, ob sie diesen Zustand "sehenden Auges" durch die Zulassung weiterer Bewerber gefährden soll. Mit anderen Worten: Gelangt die Behörde nach der Befragung der Gewerbeaufsichtsämter, Versicherungen usw. zu dem Ergebnis, daß es zur Zeit wenig Zwangsvollstreckungen bei Taxiunternehmern und kaum Pflichtverstöße oder andere negative Auffälligkeiten gibt, so wird ihr größtes Interesse naturgemäß facto die durch Gesetz vorgeschriebene Aufsicht durch die zuständigen Behörden wegen der Personalengpässe einfach nicht wahrgenommen wird". 256 Zweifel äußerte das OVG Hamburg im Hinblick auf den repräsentativen Querschnitt solcher Befragungen, Urteil vom 5.10.1962, DVB1 1963,153, 154. 257 Auf EU-Ebene wurde die Notwendigkeit gesicherten Datenmaterials zur sachgerechten Regelung des Verkehrs bereits erkannt. Die Kommission äußerte die Auffassung: "Die Berechtigung künftiger Initiativen und deren möglicher Inhalt hängen weitgehend von der Verfügbarkeit sachdienlicher Informationen über das Funktionieren des Verkehrsmarktes und die verschiedenen daran beteiligten Verkehrsträger ab. "Kommission 1993, Seite 21 (Nr. 70). Auf die Bundesrepublik bezogen stellt König fest (Seite 297), daß Vollzugsdefizite des Verwaltungshandelns insbesondere auch auf der schlechten Information der verteilungslenkenden Behörde über Verteilungswirkung und -bedingungen beruhen. 258 Die Zahl der Pflichtverletzungen und Zwangsvollstreckungen gegen Taxiunternehmer ist selbst in den Städten ohne zahlenmäßige Beschränkung grundsätzlich sehr niedrig. Trotzdem ist in etwa 90 % der deutschen Großstädte der Zugang zum Taxengewerbe zahlenmäßig beschränkt.

Erster Teil: Geschichte und Gegenwart

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in der Aufrechterhaltung dieser Situation bestehen. Es wird kaum vorkommen, daß eine Behörde wegen guter Ergebnisse ihre Zulassungspraxis ändert und wieder mehr Bewerber zuläßt in der Voraussicht, daß dadurch eine negative Veränderung etwa bei den Pflichtverstößen eintreten kann und sie die Zulassung dann ohnehin wieder beschränken wird. Die Verwaltung ist also bemüht, einen positiven status quo beizubehalten, wofür die beste Garantie ein Einfrieren des Taxenbestandes ist. Aus Sicht der Behörden kann eine liberalere Zulassungspraxis nie Vorteile, sondern nur Nachteile bringen und stellt deshalb immer ein unerwünschtes Risiko dar. Der Begriff der Funktionsunfähigkeit und das Grundrecht der Bewerber auf freie Berufswahl sind abstrakte Größen, während Nachteile einer liberaleren Zulassungspraxis -unabhängig von ihrer Bedeutung für die Funktionsfahigkeit des Gewerbes- vielfaltig und sehr real sind. Grundsätzlich haben also die Regulierer und die Regulierten ein gemeinsames Interesse an der Beibehaltung des status quo. Die Interessenvertreter (auch) der Berufsanwärter -nach dem BVerfG sind das im Zweifel die Verwaltungsgerichte 259 - werden demgegenüber nicht nur durch den großen Beurteilungsspielraum der Verwaltung, sondern auch, wie sich noch zeigen wird, durch die Rechtsprechung des BVerwG in ihrer Überwachungsfunktion stark behindert. In ihrer Gesamtheit legen die aufgezeigten grundsätzlichen Probleme bei der Anwendung des § 13 Abs. 4 PBefG den Schluß nahe, daß die Vorschrift "ungeeignet" im Sinne des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist und zudem gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstößt. Denn der danach zu gewährleistende Schutz der Grundrechte läßt sich gegenüber einer Ausschöpfung der Verwaltungsautonomie nur durch verfahrensrechtliche Vorkehrungen erreichen. Die Beurteilungsentscheidungen müssen fair und nachvollziehbar getroffen werden und setzen deshalb einen entsprechenden Dokumentations-, Informations- und Begründungsaufwand voraus. 260 Die aufgezeigten Probleme bei der Anwendung von § 13 Abs. 4 PBefG haben deutlich werden lassen, daß die Vorschrift diesen Anforderungen gerade nicht entpricht. Eine

259

BVerfGE 11,168,191 f. Vgl. Stober, DÖV 1995, 125, 134; siehe dort auch Seite 126: "Eine zuverlässige Befunderhebung stößt allerdings an mehrere Grenzen. Handlungs- und Verfahrensspielräume werden in der Verwaltungspraxis angewendet und ausprobiert. Die Exekutive ist jedoch weder öffentlich noch führt sie exakte Statistiken über die verschiedenen Handlungsweisen und ihre konkrete Umsetzung. So werden normsubstituierende Absprachen nicht unbedingt publik gemacht, oder sie gelangen nur bei einem "Betriebsunfall" an die Öffentlichkeit. [...] Es fehlt nicht nur eine allgemein verwaltungsrechtliche, sondern eine spezifisch wirtschaftsverwaltungsrechtlich orientierte Rechtstatsachenforschung, die auf einer gesicherten empirischen Datengrundlage die Erscheinungsformen des Verwaltungshandelns einschließlich der Motive und Wirkungen systematisch erfaßt und aufbereitet. Praxisberichte besitzen Seltenheitswert [...]." 260

3. Kapitel: Der gegenwärtige staatliche Ordnungsrahmen

87

vertiefte Auseinandersetzung erübrigt sich jedoch, wenn die Vorschrift gegen die verfassungsrechtlich abgesicherten Grundrechte verstößt. Diese Frage steht deshalb im Mittelpunkt des folgenden 2. Teils.

Zweiter

Teil

Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG mit den Grundrechten Die zahlenmäßige Begrenzung der Taxen ist im Hinblick auf die Grundrechte zunächst unter drei Aspekten von Bedeutung. Zum einen wird das Recht der Bewerber auf freie Wahl ihres Berufes stark eingeschränkt, so daß es einer Überprüfung an den Maßstäben des Art. 12 Abs. 1 GG bedarf. Zum anderen beschneidet die Regelung aber auch die Möglichkeit der bereits zugelassenen Unternehmer, ihren Betrieb durch zusätzliche Taxen noch zu erweitern. Insoweit ist auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aus Art. 14 Abs. 1 GG tangiert. Schließlich könnte geltend gemacht werden, daß der Gleichheitsgrundsatz in Art. 3 GG betroffen ist, wenn Bewerber in einer Stadt lediglich die subjektiven Voraussetzungen erfüllen müssen, während in anderen Städten Wartezeiten bis zu einigen Jahrzehnten bestehen. Ein Verstoß des § 13 Abs. 4 PBefG gegen Art. 3 GG ist jedoch von vornherein abzulehnen. Denn die Vorschrift gestattet den Behörden eine unterschiedliche Handhabung nur in den Fällen, in denen die zugrundeliegenden, in § 13 Abs. 4 PBefG beispielhaft benannten Rahmenbedingungen voneinander abweichen. Die unterschiedliche Behandlung der Bewerber beruht, zumindest in der Theorie, auf unterschiedlichen Sachverhalten, weshalb weder "Gleiches ungleich" noch "Ungleiches gleich" behandelt wird. 1 Der Art. 14 GG scheidet nach Auffassung des BVerfG ebenfalls als Prüfungsmaßstab für § 13 Abs. 4 PBefG aus, da sich dieser auf die Art der Berufsausübung und nicht auf das Ergebnis der beruflichen Tätigkeit beziehe.2 Das Gericht befindet sich damit in Einklang mit seiner ständigen Rechtsprechung, nach der die Berufsfreiheit den Erwerb und die Eigentumsgarantie das Erworbene schützt.3 Andererseits wird in

1 In der konkreten behördlichen Anwendung des § 13 Abs. 4 PBfeG käme allerdings ein Verstoß gegen art. 3 GG für deg Fall in Betracht, daß die Rahmenbedingungen von Vergleichsstädten mit unterschiedlichen Verwaltungshandhabungen im wesentlichen miteinander übereinstimmen. Eine verfassungswidrige Anwendung bedeutet allerdings keine Verfassungswidrigkeit der Norm selbst. 2 BVerfG, Beschluß vom 8. 11. 1983, in: NVwZ 1984, 365 f. 3 BVerfGE 30,292, 334 f.; 31, 8, 32; BGHZ 97,204,209; vgl. auch BGH vom 27. 9. 1989 in: NJW 1990, 1354, 1355 zum Verhältnis von Art. 14 Abs. 1 GG zu § 2 Abs. 3 PBefG.

1.Kapitel: Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 GG

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der Literatur geltend gemacht, daß sich die beiden Grundrechte nicht nur funktionell aufeinander beziehen, sondern im Schutzbereich auch sachlich überschneiden. Der Art. 14 GG schütze nicht nur den Bestand von Vermögenswerten Rechten und Sachen, sondern auch den Umgang mit ihnen und ihre Nutzung. Das Prinzip des privaten Eigentums fordere aufgrund seiner "makroökonomischen Systemfunktion" eine Wirtschaftsordnung, die Wettbewerb und dezentrale Selbstregulation organisiere. 4 Auch das BVerwG ist im Zusammenhang mit § 13 Abs. 4 PBefG auf das besondere Verhältnis zwischen Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie eingegangen und hat die Auffassung vertreten, daß Art. 14 Abs. 1 GG zum Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes keine Zugangsbeschränkungen zur Ausübung des Gewerbes gestatte, die Art. 12 Abs. 1 GG verbietet. 5 Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung, der hier gefolgt wird, bedeutet ein nicht gerechtfertigter Eingriff in die freie Berufswahl der Bewerber durch die Ablehnung der beantragten Konzession nach § 13 Abs. 4 PBefG zugleich auch eine Verletzung des Art. 14 GG. Die folgenden Ausführungen zu Art. 12 GG sind damit auch für das Eigentumsrecht präjudizierend.

1. Kapitel

Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 GG Das Grundrecht auf freie Berufswahl und das Personenbeförderungsgesetz haben vom Grundsatz her diametral entgegengesetzte Ausrichtungen. Während die Berufsfreiheit in ihrer objektiven Ausprägung zu den institutionellen Sicherungen einer freien marktwirtschaftlichen Ordnung gehört 6 und zugleich als das Hauptgrundrecht einer freien wirtschaftlichen Betätigung betrachtet wird, 7 ist

4 Ossenbühl, AÖR Bd. 115 (1990), Seite 25 f. und dem weiteren Hinweis, daß Art. 14 GG aus mikroökonomischer Sicht dem einzelnen ökonomisch nutzbare Freiheitsräume zu eröffnen habe (Seite 27). Vgl. auch Papier, der ebenfalls keine strikte, alternative Exklusivität zwischen Art. 12 und 14 GG sieht, sondern die beiden Grundrechte auch kumulativ betrachtet, in: Hdb. Verfassungsrecht, § 18, Rn. 59 ff. 5 BVerwGE 79, 208, 213 (= NJW 1988, 3221, 3222); in BVerwGE 80, 270, 280 vertrat das Gericht die Auffassung, daß sich ein Unternehmer, der seinen Betrieb auf die Ausübung des Güterfernverkehrs ausgerichtet hat, ohne im Besitz einer entsprechenden Genehmigung zu sein, sich nicht auf Art. 14 GG berufen kann, wenn ein Gesetz die Berufsausübung zulässigerweise gem Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG beschränkt. A.A. König, Seite 195, unter Hinweis auf das Optimierungsgebot der besonderen Verhälnismäßigkeitsanforderungen einer Berufsregelung. 6 Maunz/Zippelius, § 291. 1 . 7 Ossenbühl, AÖR Bd. 115 (1990) Seite 1,5.

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das PBefG von der Vorstellung eines notwendigen Staatsdirigismus geprägt, in dessen Repertoir an Lenkungsmöglichkeiten die zahlenmäßige Beschränkung gem. § 13 Abs. 4 PBefG zu den gravierendsten gehört. 8 Naturgemäß ist deshalb Art. 12 Abs. 1 GG der wesentliche Maßstab für die Eingriffsermächtigung des § 13 Abs. 4 PBefG. 1. Abschnitt Eingriff in den Schutzbereich "Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeit und Ausbildungsstätte frei zu wählen."9 Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist ein "Beruf' im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG jede auf Dauer angelegte, der Schaffung oder Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Tätigkeit. 10 Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe bestehen gegen die Einordung der Tätigkeit eines Taxiunternehmers als "Beruf' keine Bedenken. Bei der Beurteilung des § 13 Abs. 4 PBefG als Eingriffsnorm darf die Unterscheidung zwischen dem Beruf "Taxiunternehmer" und dem Beruf "Personenkraftverkehrsunternehmer" mit der Untergruppe Taxiunternehmer nicht außer acht gelassen werden. Denn je weiter das Berufsbild geschnitten ist, desto eher ist ein gesetzgeberischer Eingriff als Ausübungsregel einzuordnen. Spezielle Ausübungsformen eines allgemeineren Berufs sind nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung keine eigenständigen Berufe. 11 Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner grundlegenden Entscheidung zum Taxengewerbe nicht festgelegt, sondern zunächst festgestellt, die gewerbliche Personenbeförderung sei schlechthin ein Beruf, 12 sprach noch auf derselben Seite dann von mehreren Personenbeförderungsberufen und behandelte schließlich einzelne Arten des Gelegenheitsverkehrs. 13 Dennoch kann dem Ta-

8

Vgl. auch: Stober, WiVR, § 491. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG. 10 BVerfGE 7, 377, 397; 32,1, 32 ff. 11 BVerfGE 12, 147; 21, 232; 59, 302. Demgegenüber war dem BVerfG in seiner Apothekenentscheidung eine Einstufung der einschlägigen Vorschrift als objektive Zulassungsschranke nur deshalb möglich, weil es sowohl die Tätigkeit des selbständigen Apothekers als auch die des unselbständigen Apothekers als eigenständige Berufe interpretierte. Damit stellte der Übergang von der Tätigkeit eines angestellten zur Tätigkeit eines selbständigen Apothekers einen Akt der Berufswahl dar, BVerfGE 7, 377,399. 12 BVerfGE 11, 168, 183: "Wer die gewerbliche Personenbeförderung betreibt, ergreift einen "Beruf' in dem Sinne, in dem die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts diesen Begriff gedeutet hat (BVerfGE 7, 377, (397)." 13 BVerfGE 11,168,185. 9

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xengewerbe die Eigenschaft als eigenständiger Berufsstand nicht abgesprochen werden. Diese Eigenständigkeit ist geschichtlich dadurch belegt, daß das Droschkengewerbe seit jeher eine genau bestimmbare Funktion, nämlich die Ergänzung des Linienverkehrs besaß und von Anfang an einem speziellen Regelungswerk unterworfen war, das sich bis in die Gegenwart hinein fortgesetzt hat. Insbesondere die charakteristischen Unternehmerpflichten unterscheiden das Taxengewerbe von jeder anderen Verkehrsart und machen es unverwechselbar. Im Hinblick auf die Bestimmung der Eingriffsschranke ist schließlich eine Abgrenzung des Gewerbes von den staatlich gebundenen Berufen notwendig. Denn das BVerfG hat festgestellt, daß Sonderregeln in Anlehnung an Art. 33 GG die Wirkung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG umso stärker zurückdrängen, je näher der Beruf durch öffentlich-rechtliche Bindungen und Auflagen an den "öffentlichen Dienst" herangeführt wird. 14 Dabei hängt die Frage, an welchem Punkt zwischen "freiem" Beruf mit gewissen öffentlich-rechtlichen Auflagen und Berufen mit völliger Einbeziehung in die unmittelbare Staatsorganisation solche Berufe ihren Platz erhalten sollen, von Eigenart und Gewicht der zu erfüllenden öffentlichen Aufgaben ab.15 Das Taxigewerbe liegt auf der Grenze zwischen unternehmerischer Wirtschaft und öffentlicher Aufgabenerfüllung. 16 Der Taxiunternehmer ist zahlreichen Beschränkungen unterworfen, die, wie z.B. die Beförderungspflicht, auch gemeinwirtschaftlicher Art sind. Durch die voraussichtliche Einbeziehung der den Linienverkehr ergänzenden Taxen in den ÖPNV 17 wird die öffentlich-rechtliche Aufgabenstellung zusätzlich klargestellt. Dennoch übt der Taxiunternehmer keinen staatlich gebundenen Beruf aus. In Analogie zum Kassenarzturteil des BVerfG 18 ist vielmehr festzustellen, daß der Taxiunternehmer zwar auch eine öffentliche Aufgabe übernimmt und durch die Zulassung in ein öffentlich-rechtliches System einbezogen wird, entscheidend ist jedoch, daß die Tätigkeit weiterhin eine freiberufliche bleibt. Entsprechend oft wird im PBefG die Unternehmereigenschaft betont.19 Legt man die Terminologie des Bundesverfassungsgerichts zugrunde, läßt sich scheinbar problemlos die weitere Einordnung des § 13 Abs. 4 PBefG als "objektive Beschränkung der Berufswahl" vornehmen. Denn die Gefahrdung 14

BVerfGE 7, 377, 398; 17, 371, 377 ff. BVerfGE 7, 377, 398. 16 So auch Püttner, Seite 199 f. 17 § 8 Abs. 2 des ab 1. 1. 1996 geltenden PBefG, abgedr. bei Bidinger, A 900. 18 BVerfGE 11, 30, 39 f. 19 §§ 2 Abs. 1 Satz 2; 3; 6; 13 Abs. 1 Ziff. 2 ; 14 Abs. 1 Ziff. 5; 19; 21; 22; 23. Zum Ganzen: Maunz/Zippelius, § 29 Π. Anm. 3; Schramm, § 34 Β (Seite 217); Papier, in: Hdb. Verfas-sungsrecht, § 18 Rn. 37 und 48 ff. 15

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der Funktionsfahigkeit des örtlichen Taxengewerbes ist ein dem Einfluß der Berufswilligen entzogenes und von ihrer Qualifikation unabhängiges Kriterium. Andererseits bezieht sich der verhängte Zulassungsstopp nur auf den Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Genehmigungsbehörde. Theoretisch könnte der Bewerber auch in einer anderen Gemeinde seinem Berufswunsch folgen. Deshalb wird die Frage aufgeworfen, "ob und inwieweit örtliche Beschränkungen als Berufszulassungs- oder nur als Berufsausübungsregelungen zu werten sind." 20 Hierzu ist einerseits festzustellen, daß die Berufswahl zum Taxenunternehmer in rund 90 % der deutschen Großstädte einer zahlenmäßigen Beschränkung unterliegt 21 und damit faktisch von einem beinahe flächendekkenden Zulassungsstopp gesprochen werden kann. Zum anderen hat das BVerfG in der Mühlenentscheidung bereits erklärt, "die freie Berufswahl beinhaltet auch die Befugnis, den gewählten Beruf an jedem gewünschten Ort aufzunehmen."22 Im Ergebnis ist damit festzuhalten, daß § 13 Abs. 4 PBefG eine objektive Beschränkung des Grundrechts auf freie Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG statuiert. 2. Abschnitt Die Schranke aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG " Die Berufsausübung kann durch ein Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden."23 Der § 13 Abs. 4 PBefG betrifft das Recht auf "freie Wahl" des Berufes Taxiunternehmer, weshalb der auf die "Berufsausübung" abstellende Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG dem Wortlaut nach nicht einschlägig ist. Doch hat das BVerfG bereits in der Apothekenentscheidung festgestellt, daß Wahl und Ausübung eines Berufes nicht trennbare Elemente eines einheitlichen Freiheitsrechtes sind und deshalb Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG auf beide Facetten der Berufsfreiheit anzuwenden ist. 24 Vermag somit die Berufswahl "Taxiunternehmer" nach dem Grundgesetz durch ein Gesetz wie das PBefG eingeschränkt werden, ist weitere

20

von Ebner, Seite 9 f. Wollrab, Seite 60. 22 BVerfGE 25, 1, 19; vgl. auch Tettinger, AÖR Bd. 108 (1983), Seite 92, 110 und von Ebner selbst, Seite 9 f. 23 Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG. 24 BVerfGE 7, 377, 399 ff. 21

1.Kapitel: Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 GG

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Voraussetzung, daß auch die einschlägige Norm des § 13 Abs. 4 PBefG in formeller und materieller Hinsicht verfassungsgemäß ist. A. Formelle Anforderungen

an § 13 Abs. 4 PBefG

Die formelle Rechtmäßigkeit des Personenbeförderungsgesetzes unterliegt keinen Bedenken, soweit es die im Grundgesetz normierten Anforderungen der Art. 76 ff GG betrifft. Es stellt sich aber die Frage, ob und inwieweit der Gesetzgeber darüber hinaus andere Anforderungen an das Gesetzgebungsverfahren zu beachten hat, die nicht im Grundgesetz normiert sind. Konkret ist damit gemeint, ob und inwieweit der Gesetzgeber verpflichtet ist, sich vor der Schlußabstimmung im Plenum über die entscheidungserheblichen Tatsachen zu informieren und durch Prognosen oder Beurteilungen von Entwicklungen durch Tatsachenmaterial wie Statistiken oder ähnliches zu belegen. Denn unter Berücksichtigung des Wesentlichkeitsgrundsatzes lag die Entscheidung darüber, ob eine zahlenmäßige Beschränkung des Taxengewerbes überhaupt notwendig war, allein beim Gesetzgeber.25 Deshalb durfte er sich dieser grundsätzlichen Entscheidung auch nicht zulässigerweise dadurch entziehen, daß er die Entscheidung im Einzelfall der Verwaltung überließ. Dies impliziert bereits die Annahme einer grundsätzlichen Notwendigkeit zur Beschränkung. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Mitbestimmungsurteil dezidiert Stellung zur Frage der Tatsachenermittlung im Vorfeld einer gesetzgeberischen Entscheidung bezogen und die Ausschöpfung von Erkenntnisqueljen als "Anforderungen des Verfahrens" bezeichnet.26 Die Literatur bemerkt insoweit: "Mit der Anerkennung einer gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative soll nicht auf rationale Erkenntnismöglichkeiten, sondern nur auf scheinrationale Besserwisserei hinsichtlich ungewisser Entwicklungen verzichtet werden." 27 Damit kommt der Frage ein besonderer Stellenwert zu, ob bzw. inwieweit sich der Gesetzgeber bei der Installation der objektiven Zulassungsbeschränkung für Taxen in das PBefG bzw. der Aufrechterhaltung in späteren Neufas-

25 Beachte auch Papier, DVB1 1984, 808: "Bei Eingriffen in die Berufswahlfreiheit durch objektive Zugangsbeschränkungen oder -sperren kann wegen der Schwere und Tragweite des Eingriffs eine generalisierende und typisierende Betrachtung nicht ausreichen. Der Gesetzgeber hat also nicht allein die generelle Verhältnismäßigkeit zu wahren. Er muß auch gewährleisten, daß im konkreten Gesetzesvollzug für die rechtsanwendenden Organe die Möglichkeit und der Zwang gegeben sind, die Anforderungen des Obermaßverbotes zu wahren. Es reicht mit anderen Worten nicht, daß Kontingentierung und Bedarfsfestsetzung bei abstrakter Betrachtung zum Gemeinwohlschutz zwingend erforderlich sind." 26 BVerfGE 50,290, 333 f. 27 König, Seite 363 f. und Breuer, Seite 40.

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sungen Tatsachenmaterial zur Beurteilung der prognostizierten Gefahr für das Gewerbe herbeigezogen hat. Die Antwort ergibt sich zum Teil aus dem oben Gesagten zur Entwicklung der objektiven Zulassungsschranke. Verfolgt man den Weg des heutigen § 13 Abs. 4 PBefG speziell unter dieser Fragestellung zurück, so zeigt sich, daß die grundsätzliche Notwendigkeit einer zahlenmäßigen Beschränkung zu keiner Zeit in Frage gestellt wurde. Dementsprechend gab und gibt es keine offiziellen Untersuchungen, die diese Auffassung hätten bestätigen oder widerlegen können. I. Verifizierbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung In seiner gegenwärtigen Fassung gilt das Personenbeförderungsgesetz seit dem 1. Juli 1990. Die letztmalige Änderung der objekiven Zulassungsschranke erfolgte 1983 im Rahmen der sog. Taxinovelle. 28 Dem lag ein Entwurf verschiedener Abgeordneter zugrunde, der eine Neufassung des PBefG zur gesetzlichen Verankerung des Prioritätsprinzips und der Unterbindung des Konzessionshandels vorsah. 29 Letzteres sollte jedoch nicht über den Wegfall des § 13 Abs. 4 PBefG - der letztlich für die Schaffung der künstlichen Werte verantwortlich ist - erreicht werden, sondern über eine Reduzierung der Übertragungsmöglichkeit nach § 2 Abs. 3 PBefG. 30 Der Grund für eine zahlenmäßige Beschränkung sollte von einer Bedrohung der Existenz des Gewerbes auf eine "Gefahrdung von Existenz oder Funktion" ausgedehnt werden. Der Bundestag stellte in seinen Beratungen fest, daß die "Grenze, bei der die Bedrohung der Funktions- oder Existenzfahigkeit des örtlichen Taxigewerbes eintritt, " nur schwer zu ermitteln sei und die Behörde deshalb die Möglichkeit haben müsse, vor der Neuvergabe einen Beobachtungszeitraum einzuschalten.31 Offenbar wurde also nicht die grundsätzliche Notwendigkeit der objektiven Schranke problematisiert, sondern ausschließlich ihre Umsetzung.32 Die einzige Begründung hierfür enthält der pauschale Hinweis auf "ordnungsrechtliche Gründe", die eine unbeschränkte Ausgabe der Konzessionen nicht möglich mache.33

28

Verkündungstermin: 1. 3. 1983, inkraftgetreten am 1. 10. 1983. T. Drucks. 9/2128 vom 24. 11. 1982. 30 Danach sollte eine Übertragung der Konzession nur noch bei Überschreitung des 65. Lebensjahres oder bei Niederlegung des Berufes aus gesundheitlichen Gründen gestattet sein. 31 BT Drucks. 9/2128, Seite 7 f. 32 Man war sich darüber im klaren, daß die Konkretisierung der Genehmigungsvergabe die praktischen Schwierigkeiten des Verwaltungsverfahrens nicht völlig beseitigen würde, hoffte aber diese durch die gesetzliche Ausgestaltung der Rechtsanwendung zu vereinfachen und letztlich auch klarer zu machen, vgl. BT Drucks. 9/2128, Seite 7 f. 33 BT Drucks. 9/2128, Seite 7, linke Spalte, Mitte. 29

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In den'Beratungen des zuständigen 14. Ausschusses,34 findet sich nur der Hinweis des Abgeordneten Merkel, daß der Ausschuß einmütig "die Vorlage als einen seit langem falligen Schritt zur Reform der Rahmenvorschriften für den Taxi- und Mietwagenverkehr" begrüße. 35 Im Hinblick auf die Neufassung der objektiven Beschränkung bemerkt der Ausschuß lediglich, daß die Funktionsfahigkeit die Existenzfahigkeit mit einschließe, "so daß es einer besonderen Erwähnung dieses Gesichtspunktes an dieser Stelle im Gesetzestext nicht bedurfte." 36 Der Bundestag hatte die Sache ohne Aussprache in der ersten Sitzung an den Ausschuß verwiesen und übernahm dessen Vorschlag am 15.12.1982 in 2. und 3. Beratung 37 - ebenfalls ohne Aussprache. 38 Der Bundesrat überwies den Vorschlag an den Ausschuß für Verkehr und Post und stimmte ihm, dem Ausschuß folgend, am 4. 2. 1983 ohne weiteren Änderungsvorschlag zu. Somit war im Rahmen der Neufassung des § 13 Abs. 3 PBefG a.F. die grundsätzliche Notwendigkeit einer zahlenmäßigen Beschränkung nie in Zweifel gezogen oder ernsthaft untersucht worden. Damit wiederholte sich ein Vorgang, der bereits rund 20 Jahre zuvor im Rahmen der damaligen Neufassung der objektiven Zulassungsschranke, § 13 Abs. 3 PBefG, zu beobachten gewesen war. 39 Die Vorschrift war zumindest mittelbar auf die Beratungen des Bundestagsausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen zurückzuführen. Dieser wiederum hatte die Begründung des bundesverfassungsgerichtlichen Grundlagenurteils vom 8. 6. 1960 ohne eigene Stellungnahmen und Nachforschungen übernommen. 40 Dabei hatte das BVerfG selbst die Frage, ob eine Bedrohung von Existenz und Funktion eines regionalen Taxengewerbes in realiter möglich sei, unbeantwortet gelassen und sogar erhebliche Zweifel an dem unterstellten Kausalverlauf gezeigt. Die Art und

34 Die Überweisung an den Ausschuß erfolgte ohne Aussprache am 3. 12. 1982, vgl. 1. Beratung am 3. 12. 1982,134. Sitzung. 35 BT Drucks. 9/2266, Seite 6. Der Ausschuß ersetzte das in der Vorlage vorgeschlagene grundsätzliche Verbot der Konzessionsübertragung durch die heute geltende allgemeine Formulierung, "weil durch eine enumerative Aufzählung von Gründen, bei denen eine Übertragung zulässig sein soll, nicht alle berechtigten Fälle erfaßt werden können." 36 dito. 37 139. Sitzung des BT am 15.12.1982. 38 In der Beschlußempfehlung des Ausschusses vom 9. 12. 1982 (aaO, Seite 1) lautet der einzige Satz unter "A. Problem Die Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes über den Taxi- und Mietwagenverkehr sind mehr als 20 Jahre alt." Unter der Rubrik "C. Alternativen" heißt es nur "entfallen". 39 Erlaß des Gesetzes am 21.3.1961, inkraftgetreten am 1.6.1961. 40 Vgl. den Bericht des Abgeordneten Brück (BT Drucks. 2450, 3. Wahlperiode) mit der kurzen Feststellung: "Die Vorschrift paßt sich an die oben zitierten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts an."

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Weise, in der das Gericht diese Zweifel an verschiedenen Stellen äußert, macht deutlich, daß die These, ein Wegfall der Bedürfiiisprüfung werde zur "Übersetzung des Gewerbes, damit zu einem ruinösen Wettbewerb und so schließlich zum Darniederliegen des ganzen Berufes" fuhren, nicht von den Richtern selbst entwickelt wurde. 41 Diese war vielmehr vom Verkehrsminister in verschiedenen Stellungnahmen zur Bedürfiiisprüfung aufgestellt und schließlich vom BVerfG aufgegriffen worden. 42 Offensichtlich widerwillig, zur inhaltlichen Prüfung aber anscheinend nicht willens oder in der Lage, identifizierten die Richter die Möglichkeit dieses Kausalverlaufs schließlich als allein tragfahige Grundlage für die Rechtfertigung einer zahlenmäßigen Begrenzung der Droschken. 43 Eine gewisse Ironie liegt darin, daß die Richter die Entscheidung darüber, ob der geschilderte Geschehensablauf in der Praxis überhaupt möglich sei, in dem Glauben aus der Hand gegeben hatten, an ihrer Stelle werde der Gesetzgeber selbst eine entsprechende Prüfung vornehmen. Zu diesem Zweck hatten sie ausdrücklich dem Gesetzgeber ins Stammbuch geschrieben, daß seiner Auffassung über "die drohenden oder höchstwahrscheinlichen Gefahren sowie über das zur Abwehr Gebotene" zwar entscheidendes Gewicht zukomme, "es genügt aber nicht, in allgemein gehaltenen Ausführungen bei jeder Lockerung der objektiven Zulassungsvoraussetzungen "Unordnung" und "ruinöse Auswirkungen" auf dem Gesamtgebiet des Verkehrs vorauszusagen, ohne daß die kausalen Zusammenhänge im einzelnen ersichtlich wären. Es muß stets dargetan werden, welche konkreten Störungen des Verkehrswesens überhaupt oder nur des Personenbeförderungswesens mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit eintreten werden und ob ihnen nicht durch Ausübungsregelungen oder subjektive Zulassungsvoraussetzungen mit Erfolg begegnet werden kann." 44 Die fehlende Auseinandersetzung des Gesetzgebers in der Sache wiegt umso schwerer angesichts der Tatsache, daß die von den Richtern selbst bezweifelte Möglichkeit einer Vernichtungskonkurrenz unreflektiert von den Parlamentariern zum neuen gesetzlichen Maßstab für die Verhängung einer absoluten Zulassungsschranke gemacht wurde. Verfolgt man "die Geschichte der Vernichtungskonkurrenz" weiter zurück, so ist festzustellen, daß die Abgeordneten sie vor dem bundesverfassungsgerichtlichen Urteil- immer nur unter zwei Aspekten erörtert hatten: Dies waren zum einen die erhöhten Unfallzahlen, also die Si41

BVerfGE 11,168,188. BVerfGE 11, 168,174. 43 Dabei war dem Gericht die Gefahr eines Mißbrauchs durchaus bewußt, wie die warnenden Hinweise auf allgemeine verkehrspolitische Planungs- und Lenkungsbestrebungen zeigen, die als Motiv für eine zahlenmäßige Beschränkung ebenso unzulässig seien wie die Bedürfiiisprüfung selbst, vor deren verdeckter Wiedereinführung die Richter ebenfalls warnten, BVerfGE 11, 168,191. 44 BVerfGE 11, 168, 185. 42

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cherheit auf den Straßen. Zwar hatte der Abgeordnete Hoflmann in der zweiten Beratung zur Gesetzesänderung Bedenken dahingehend geäußert, daß sich die Verkehrssicherheit durch eine Bedürfhisprüfung in keiner Weise erhöhen ließe und stattdessen schärfere Prüfungen der persönlichen Zuverlässigkeit und der Fahrzeugeigenschaften vorzunehmen seien: "Man kann aber doch, glaube ich, nicht davon ausgehen, daß die bereits konzessionierten Unternehmungen durchweg im Straßenverkehr zuverlässiger seien, als neue Unternehmungen, die ihre Zulassung begehren", 45 doch setzte sich schließlich der Abegordnete Rademacher mit dem Argument durch, daß normative Vorschriften und scharfe Kontrollen bei diesen Verkehrsarten in der Praxis bedeuteten, daß man "vor Antritt der Fahrt vor jede Garage einen Polizisten stellen müßte. Meistens ist es aber leider so - und anders geht es auch nicht, wenn wir nicht in einen Polizeistaat von unvorstellbaren Ausmaßen hineinkommen wollen -, daß die Unzulänglichkeiten erst festgestellt werden, wenn ein schreckliches Unglück, wie wir sie zu Genüge erlebt haben, passiert ist." 46 Der andere, immer wieder als Folge der Vernichtungskonkurrenz angesprochene Aspekt betraf die Wechselbeziehung zwischen Gelegenheitsverkehr und dem gemeinwirtschaftlich strukturierten Linienverkehr. Ein freier Zugang zum Gelegenheitsverkehr bewirke, so die Argumentation, daß die Unternehmer bei Übersetzung und fehlender Kapazitätsauslastung gerade die für den Linienverkehr besonders rentablen Beförderungsstrecken vermehrt bedienen würden und so dessen Kostendeckung, letztlich also den Linienverkehr selbst gefährdeten. 47 Läßt man die Frage nach der sachlichen Richtigkeit der Argumentation einmal außer acht -das BVerfG hat 1960 beide Argumente verworfen-, wird jedenfalls deutlich, daß der von den Abgeordneten allein berücksichtigte Kausalver45 BT - Stenographische Berichte Bd. 26, vom 13. Juli 1955, Seite 5469; vgl. dort auch die weitere Bemerkung: "Wir wissen doch alle, daß leider über die Frage des Bedürfnisses in erster Linie von der hohen Warte der Interessentenwünsche aus entschieden wird. Das kann nicht gut anders sein; denn eine Behörde, die über einen Zulassungsantrag zu entscheiden hat, wird immer genötigt sein, sich der Beratung durch Sachverständige zu bedienen, und diese Sachverständigen stammen eben aus dem Kreis der beati possidentes, also der Leute, die auf ihren Konzessionen wie auf Erbhöfen sitzen und die im Zweifel natürlich immer der Meinung sind, daß sie allein den Bedarf befriedigen können und deshalb die Zulassung weiterer Unternehmungen unerwünscht oder gar unsinnig ist." 46 Stenographische Berichte Bd. 26, vom 13. Juli 1955, Seite 5470. Der Abgeordneten Rademacher hatte selbst den zur Gesetzesänderung von 1955, (BGBl 1955, I. 573), führenden Vorschlag, (BT-Drucks. 1166,2. Wahlperiode), eingebracht. 47 Vgl. zur "Vemichtungskonkurrenz" als Gefahr für die Ordnung im Verkehrswesen etwa die Begründung zur Gesetzesändertung, BT-Drucks. 3/255, Seite 27. In den Wirtschaftswissenschaften hat man für das beschriebene Verhalten eine anschauliche Bezeichnung gefunden: Rosinenpicken.

7 Bardarsky

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lauf bei der "Vernichtungskonkurrenz" (Gefahrdung der Sicherheit und Ordnung im Verkehr) tatsächlich ein ganz anderer war, als derjenige, der später dem BVerfG gegenüber behauptet wurde (Gefährdung von Existenz und Funktion des Droschkengewerbes). Schließlich kommt noch ein Umstand hinzu, der später gegenüber dem Bundesverfassungsgericht ebenfalls ganz wegfiel, daß nämlich die Gefahr einer "Vernichtungskonkurrenz" überhaupt nur für Verkehrszweige erörtert wurde, in denen die Fahrpreise frei und nicht geregelt waren. Der Zusammenhang zur Verkehrssicherheit wurde dann wie folgt hergestellt: "Aber es ist gar kein Zweifel, daß bei einer um 50 % verstärkten Konkurrenz eine weitere gegenseitige Unterbietung eintreten würde und daß die Unternehmer dann leider nicht mehr so viel Sorgfalt auf das Transportmaterial legen können, wie sie es heute tun." 48 Die entscheidende Güterabwägung lautete also immer "Verkehrssicherheit und -Ordnung versus Marktfreiheit", nicht aber "Existenz- und Funktionsfähigkeit des Droschkengewerbes contra Marktfreiheit". 49 Das Argument der "Vernichtungskonkurrenz" war auch schon in den zwanziger und dreißiger Jahren zur Rechtfertigung einer Bedürfiiisprüfung geprüft worden, damals allerdings im Hinblick auf die Omnibusse im Überlandverkehr. Bereits in der DVO zum PBefG 1934 hatte es geheißen, daß die öffentlichen Interessen einen Zulassungsstopp erforderten, wenn das beantragte Unternehmen "bereits vorhandenen Unternehmen einen unbilligen Wettbewerb bereitet." 50 Im Zusammenhang damit war der warnende Hinweis zu lesen, daß aus dem Leistungswettbewerb leicht ein Vernichtungswettbewerb entstehen könne.51 Bei Berücksichtigung der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse jener Zeit 52 ist evident, daß auch damals eine Überprüfung der Theorie des Vernichtungswettbewerbs unter dem Aspekt einer Existenzbedrohung des Gewerbes nicht 48 Rede des Abgeordneten Rademacher in der zweiten Lesung des BT, aaO, Stenographische Berichte, Seite 5470, mit dem dringenden Appell: "Ich bitte Sie , sich bei dieser Abstimmung Ihrer Verantwortung wirklich bewußt zu sein. Es geht ausschließlich darum, die Sicherheit auf den Straßen noch zu erhöhen und nicht noch weiter herabzusetzen." 49 Vgl. auch BT Drucks. 2/831, Seite 37. Dort hatte die Regierung folgenden Vorschlag für § 13 Abs. 2 Ziff. 1 PBefG gemacht: "Die Genehmigung ist zu versagen, wenn (1) durch den beantragten Verkehr die öffentlichen Verkehrsinteressen beeinträchtigt werden [...]." In der Begründung, Seite 37, hieß es dazu: "In ihrer Gesamtheit bezwecken die Vorschriften der [§13] Absätze 2 bis 5 den Schutz der bestehenden Unternehmen [...]." 50 § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Beförderung von Personen zu Lande, vom 26. März 1935, RGBL. I. 1935, Seite 473,475. 51 Oppelt, zu § 9 PBefG Anm. 4 (Seite 70). 52 Dazu oben, "Die Entwicklung des PBefG und seiner zahlenmäßigen Beschränkung des Taxengewerbes".

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stattgefunden hat.53 Auch in den späteren Gesetzesmaterialien ist ein Hinweis auf eine diesbezügliche ernsthafte Prüfung oder auch nur Infragestellung nicht enthalten.54 Im Ergebnis ist festzustellen, daß die Behauptung, mit der die objektive Zulassungsschranke im Taxengewerbe auch heute noch begründet wird die Gefahr eines Vernichtungswettbewerbs - ursprünglich zur Rechtfertigung einer Bedürfhisprüfung benutzt wurde und sich allein auf die Aspekte Verkehrssicherheit und Ordnung im (gesamten) Verkehrswesen bezog. Eine Überprüfung der prognostizierten Gefahr einer Existenz- oder Funktionsbedrohung anhand von Erfahrungsberichten oder wirtschaftswissenschaftlichen Gutachten etc. hat trotz vorhandener Möglichkeit 5 5 nicht stattgefunden. Damit wird die grundsätzliche Frage relevant, ob bzw. inwieweit der Gesetzgeber überhaupt verpflichtet ist, vor der Schlußabstimmung über ein Gesetz im Plenum verifizierbares Tatsachenmaterial heranzuziehen. Weitergehend ist dann zu fragen, ob Fehler des Gesetzgebers in diesem "Vorverfahren" per se zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes führt, unabhängig von dessen sachlicher Richtigkeit oder ob dies nur bei definitiv nachweisbaren Fehler in der Sache der Fall ist. II. Tatsachenfeststellung und Folgeneinschätzung als Pflicht des Gesetzgebers 1. Die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage einer Informationsverschaf53

In der offiziellen Begründung des Reichsverkehrsministers zum PBefG 1934 heißt es dementsprechend nur, die Ausdehnung des staatlichen Genehmigungszwangs auf den Gelegenheitsverkehr "beruht auf der Erwägung [!], daß der überhandnehmende Wettbewerb des sog. Mietwagengewerbes in sich und gegenüber den anderen Verkehrsunternehmen zur Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit der Gesamtverkehrswirtschaft geregelt werden muß." So wiedergegeben in: Gülde, Seite 10/11). 54 Vgl. auch den Entwurf der Bundesregierung vom 21. 9. 1954 (BT Drucks. 831, 2. Wahlperiode), in dem noch pauschal auf ein "öffentliches Verkehrsbedürfiiis" abgestellt wurde, sowie die Beratungen des Bundesrates während der darauffolgenden 3. Wahlperiode (BT Drucks. 255 und 831). Auch in dem Entwurf einiger Abgeordneter zur Änderung des PBefG vom 27.1.1955 (BT Drucks. 2/1166) und den anschließenden Ausschußberatungen (BT Drucks. 1480,2. Wahlperiode) wurde die Notwendigkeit einer objektiven Schranke nicht in Frage gestellt. 55 So schrieb Evgénieff bereits 1934 über die Verhältnisse im Ausland: "Der grundsätzliche Unterschied zwischen den deutschen und ausländischen Betrieben beruht darauf, daß das Droschkengewerbe im Auslande seit weit über 100 Jahren von den verschiedenen Bindungen, Aufsichten, behördlichen oder kommunalen Regelungen grundsätzlich frei war, oder daß die Eingriffe sich in solcher Form vollzogen hatten, daß das Gefühl der Unabhängigkeit und Selbstverantwortung nicht verloren ging oder abgestumpft wurde." (Seite 71) In Bezug auf deutsche Verhältnisse stellte Evgénieff fest: "Dem Unternehmungs- und Konkurrenzstreben als den wichtigsten Kräften für Fortentwicklung und Leistungsfähigkeit sind die engsten Schranken gezogen und jegliche Expansionen von Amts wegen verboten." (Seite 71). 7*

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fungspflicht des Gesetzgebers regelmäßig nur tangiert und sich stattdessen mit dem zeitlich nachfolgenden Prozeß der gesetzgeberischen Prognose und korrespondierend hierzu der Kontrolldichte bei deren Überprüfung befaßt. Bereits im Apothekenurteil hatte das BVerfG im Zusammenhang mit einer objektiven Zulassungsbeschränkung betont, daß nicht nur der Inhalt des zur Prüfung stehenden Gesetzes zu berücksichtigen sei. Darüber hinaus müßten vielmehr auch "die für seine Gestaltung maßgebenden Erwägungen des Gesetzgebers [...] im einzelnen analysiert werden" 56 Die Richter betonen, daß "die Beurteilung hypothetischer Kausalverläufe, die den Normierungen des Gesetzgebers zugrundeliegen, auf ihre größere oder geringere Wahrscheinlichkeit hin" auch vom Richter durchgeführt werden könnte. Der Hinweis, daß im Rahmen dieser Prüfung auch die Erfahrungsgrundlagen des Gesetzgebers von größter Bedeutung seien, scheint darauf hinzudeuten, daß auch eine entsprechende Pflicht des Gesetzgebers zur rationalen Begründung seiner Entscheidung gefordert wird. Andererseits betont das Gericht anschließend, daß der Gesetzgeber legitimerweise auch andere Ziele als die des Grundrechtsschutzes verfolgen dürfe, und das Gericht seine Maßnahmen deshalb nicht als unvermeidliche Beschränkung des Grundrechtes akzeptieren müsse. Diese Äußerung deutet wiederum darauf hin, daß das Gericht nur das Ergebnis des gesetzgeberischen Entscheidungsprozesses überprüft und der Motivation keine eigenständige Bedeutung für die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes beimißt. In der Taxenentscheidung von 1960 gestand das Gericht dem Gesetzgeber zu, daß "seiner Auffassung über drohende oder höchstwahrscheinliche Gefahren sowie über das zur Abwehr Gebotene entscheidendes Gewicht" zukomme.57 Gleichzeitig formulierte es aber auch die Voraussetzungen, deren Einhaltung dem Gesetzgeber erst diese Einschätzungsprärogative verschaffen sollte: "Es genügt aber nicht, in allgemein gehaltenen Ausführungen bei jeder Lockerung der objektiven Zulassungsvoraussetzungen "Unordnung" und "ruinöse Auswirkungen" auf dem Gesamtgebiet des Verkehrs vorauszusagen, ohne daß die kausalen Zusammenhänge im einzelnen ersichtlich wären. Es muß stets dargetan werden, welche konkreten Störungen des Verkehrswesens überhaupt oder auch nur des Personenbeförderungswesens mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit eintreten werden und ob ihnen nicht durch Ausübungsregelungen oder subjektive Zulassungsvoraussetzungen mit Erfolg begegnet werden kann." 58 Der Gesetzgeber mißverstand diese Anforderungen des BVerfG, indem er sich unmittelbar nach dem Richterspruch dessen vage Hypothese einer "Übersetzung des Gewerbes, ruinö-

56 57 58

BVerfGE 7, 377,412 BVerfGE 11,168,185. BVerfGE 11,168,185.

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sen Konkurrenz und Existenz- und Funktionsbedrohung" ohne weitere Prüfung auf ihre Stichhaltigkeit zu eigen machte. Nachdem das BVerfG 1970 schon angedeutet hatte, es werde die Schaffung vollendeter Tatsachen noch vor den Gesetzgebungsberatungen dergestalt, "daß von einer freien und unabhängigen Entscheidung des Abgeordneten nicht mehr gesprochen werden könnte" nicht mehr hinnehmen,59 erweiterten die Richter den Gegenstand bundesverfassungsgerichtlicher Kontrolle in der Entscheidung zum Mühlenstrukturgesetz nun ausdrücklich: "Die verfassungsrechtliche Prüfung erstreckt sich zunächst darauf, ob der Gesetzgeber sich die Kenntnis von der zur Zeit des Erlasses des Gesetzes bestehenden Ausgangslage in korrekter und ausreichender Weise verschafft hat." 60 Erst im Mitbestimmungsurteil 61 äußerte sich das Bundesverfassungsgericht dann ausführlicher über die Bedeutung erreichbarer Erkenntnisquellen und Abschätzungsmaterialien bei der gesetzgeberischen Beurteilung hypothetischer Kausalverläufe: "Ungewißheit über die Auswirkungen eines Gesetzes in einer ungewissen Zukunft kann nicht die Befugnis des Gesetzgebers ausschließen, ein Gesetz zu erlassen, auch wenn dieses von großer Tragweite ist. Umgekehrt kann Ungewißheit nicht schon als solche ausreichen, einen verfassungsgerichtlicher Kontrolle nicht zugänglichen Prognosespielraum des Gesetzgebers zu begründen. Prognosen enthalten stets ein Wahrscheinlichkeitsurteil, dessen Grundlagen ausgewiesen werden können und müssen; diese sind einer Beurteilung nicht entzogen. Im einzelnen hängt die Entscheidungsprärogative des Gesetzgebers von Faktoren verschiedener Art ab, im besonderen von der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden und der Bedeutung der auf dem Spiele stehenden Rechtsgüter. [...] Dieser Maßstab verlangt, daß der Gesetzgeber sich an einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung des erreichbaren Materials orientiert hat. Er muß [!] die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ausgeschöpft haben, um die voraussichtlichen Auswirkungen seiner Regelung so zuverlässig wie möglich abschätzen zu können und einen Verstoß gegen Verfassungsrecht zu vermeiden." 62 Den dogmatischen Standort einer entsprechenden verfassungsrechtlichen Pflicht beschreibt des Gericht nur vage, indem es formuliert: "Es handelt sich also eher um Anforderungen des Verfahrens." 63

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BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE

29,221,234 f. 39,210,226. 50,290 ff. 50,290, 332f., 333f. 50,290, 334.

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Das BVerfG hat mit diesen Äußerungen explizit zu erkennen gegeben, daß sich die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes nicht nur an dem objektiven Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens ausrichtet, sondern auch am Prozeß der Entscheidungsfindung und deren Vorbereitung durch die Beschaffung der einschlägigen Tatsachengrundlage. Eine Bestätigung dieser Auffassung findet sich auch in anderem Zusammenhang, wenn das BVerfG betont: "Prognosen enthalten ein Wahrscheinlichkeitsurteil, dessen Grundlagen ausgewiesen werden können und müssen; diese sind einer Beurteilung nicht entzogen."64 Würde sich das Gericht nur am Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens, also an dem Gesetz selbst orientieren, so wäre eine Pflicht des Gesetzgebers zur Ausweisung seiner Entscheidungsgrundlagen überflüssig. Das Gericht stellt somit klar, daß es eine solche Tatsachengrundlage jedenfalls geben muß, auch wenn die gesetzgeberische Beurteilung des Materials dann nur in unterschiedlichem Maße der Nachprüfung unterzogen werden kann. Im Volkszählungsurteil konkretisiert das Gericht die Anforderungen an den Gesetzgeber weiter: "Vor künftigen Entscheidungen für eine Erhebung wird sich der Gesetzgeber erneut mit dem dann erreichten Stand der Methodendiskussion auseinandersetzen müssen, um festzustellen, ob die herkömmlichen Methoden der Informationserhebung und Verarbeitung beibehalten werden können. 6 5 Die sich stetig weiterentwickelnden Methoden der amtlichen Statistik und der Sozialforschung dürfe der Gesetzgeber nicht unberücksichtigt lassen: "Er muß ungewissen Auswirkungen eines Gesetzes dadurch Rechnung tragen, daß er die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ausschöpft, um die Auswirkungen so zuverlässig wie möglich abschätzen zu können [...] M 6 6 . Im Mitbestimmungsurteil hatte das BVerfG bereits festgestellt, daß die sichersten Anhaltspunkte für die Auswirkungen eines Gesetzes Erfahrungen mit vergleichbaren Regelungen im In- und Ausland liefern könnten. Im konkreten Fall wurde positiv gewürdigt, daß eine eingesetzte Kommission die einschlägige Gesamtproblematik unter politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Gesichtspunkten sowie unter Berücksichtigung der umfassenden Fachdiskussion untersucht habe, und umfassende Anhörungen im Gesetzgebungsverfahren stattgefunden hatten.67 Damit kam das Gericht zu dem Ergebnis: "Insgesamt hat der Gesetzgeber sich mithin an dem derzeitigen Stand der Erfahrungen und Einsichten orientiert." 68 Deshalb (!) sei seine Beurteilung der Auswirkungen des Gesetzes als vertretbar anzusehen, "mag sie sich später auch teilweise oder gänzlich als Irrtum erweisen, so daß der Gesetzgeber zur

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BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE

73,40, 92; s.a. E 70,191,206. 65,1, 55. 65,1,55. 50,290, 334 f. 50,290, 335.

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Korrektur verpflichtet ist [...].' 1,69 In der Entscheidung zum Tierversand wurde eine Reglementierung der Versendung von Tieren u.a. deswegen beanstandet, weil das Parlament weder eine Anhörung der betroffenen Berufsgruppen noch eine hinreichende tatsächliche Prüfung der behaupteten Mißstände durchgeführt hatte.70 Im Urteil zur Neuregelung des Schwangerschafisabbruchs schließlich stellt das BVerfG zunächst fest, daß sich für den Gesetzgeber aus Art. 20 Abs. 3 GG, dem hohen Rang des geschützten Rechtsguts "Leben", der Art seiner Gefährdung und den wechselnden Anschauungen die Pflicht ergebe, zu beobachten, "wie sich sein gesetztliches Schutzkonzept in der gesellschaftlichen Wirklichkeit auswirkt (Beobachtungspflicht). [...] Die Beobachtungspflicht schließt ein, daß der Gesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz dafür sorgt, daß die für die Beurteilung der Wirkungen des Gesetzes notwendigen Daten planmäßig erhoben, gesammelt und ausgewertet werden. Verläßliche Statistiken mit hinreichender Aussagekraft [...] sind dazu unerläßlich. [...] Mit der Schutzpflicht nicht mehr zu vereinbaren ist es aber jedenfalls, auf jede staatliche Statistik [...] zu verzichten. Der Gesetzgeber beraubt sich damit des Erfahrungsmaterials, dessen er für die Beobachtung der Auswirkungen seines Schutzkonzeptes braucht." 71 Diese Anforderungen an eine Beobachtungspflicht des Gesetzgebers nach Erlaß eines Gesetzes lassen den Schluß zu, daß das BVerfG mindestens ebensolche Anforderungen an das Verfahren stellt, welches der Schlußabstimmung über das Gesetz im Plenum vorangeht. Die Vorgehensweise in der Canabis-Entscheidung72 bestätigt diese Auffassung erneut. Zwar erfolgt zunächst die obligatorische Feststellung, daß der Gesetzgeber bei der Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit des gewählten Mittels sowie bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Einschätzung und Prognose der dem einzelnen oder der Allgemeinheit drohenden Gefahren einen Beurteilungsspielraum hat.73 Im weiteren führt das Gericht dann jedoch selbst eine umfassende Untersuchung über die Auswirkungen des Cannabiskonsums anhand des gegenwärtigen Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse durch. 74 Die Ausführlichkeit, mit der sich die Richter auf den aktuellen Sachstand einlassen, verdeutlicht die hohen Anforderungen, die diesbezüglich an den Gesetzgeber gestellt werden, und zwar sowohl hinsichtlich seiner Informationspflicht vor Erlaß des Gesetzes als auch 69 BVerfGE 50, 290, 335 unter Hinweis auf BVerfGE 25, 1, 13 sowie seinen Beschluß vom 8. August 1978, EuGRZ 1978, 564. 70 BVerfGE 36, 47, 60 ff. insbesondere auch 65: "Für eine geeignete Abgrenzung fehlen indessen ausreichende Unterlagen"; in einer Entscheidung zu Art. 14 GG hat das Gericht dann selbst die Gesetzesmaterialien herangezogen, um zu prüfen, ob tatsächlich schwerwiegende Gründe des Gemeinwohls geprüft worden waren, BVerfGE 72,9,24. 71 BVerfGE 88,203, 310 f. 72 BVerfGE 90, 145 ff. 73 BVerfGE 90,145,173. 74 BVerfGE 90,145,178 ff.

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im Zusammenhang mit der Beobachtungs- und evtl. Nachbesserungspflicht. 75 In der Zusammenschau wird deutlich, daß das Bundesverfassungsgericht sich nicht ausschließlich am Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens orientiert, sondern auch daran, ob sich der Gesetzgeber eine rationale Entscheidungsgrundlage geschaffen hat. Aus einigen Entscheidungen des BVerfG geht hervor, daß die Anforderungen, die an den Umfang des gesetzgeberischen Prognoseverfahrens zu stellen sind, nicht immer gleich hoch sind. Dabei dient als Anknüpfungspunkt insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. So erklärt das BVerfG in der Apothekenentscheidung, daß es durchaus selbst die Kompetenz besäße "zu prüfen, ob ein überragendes Gemeinschaftsgut gefährdet ist und ob die gesetzliche Regelung der Abwehr dieser Gefahr überhaupt dienen kann." 76 Im allgemeinen könne "nur die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut diesen Eingriff in die freie Berufswahl legitimieren.[...]." 77 Mit dem Ergebnis, die befürchteten Gefahren hätten seitens des Gesetzgebers "nicht so wahrscheinlich gemacht werden können, daß darauf [...] die schärfste Einschränkung der freien Berufswahl" 78 gestützt werden könnte, stellte das Gericht fest, daß zumindest auf der Ebene der objektiven Zulassungsbeschränkungen die weitest mögliche Sorgfalt bei der Ermittlung der Prognosegrundlage anzuwenden sei. Besonders deutlich hat das BVerfG diese Abstufung in der Entscheidung über die Mitfahrzentralen formuliert: "Je mehr dabei der gesetzliche Eingriff elementare Äußerungsformen der menschlichen Handlungsfreiheit berührt, um so sorgfaltiger müssen die zu seiner Rechtfertigung vorgebrachten Gründe gegen den grundsätzlichen Freiheitsanspruch des Bürgers abgewogen werden." 79 Geht man da75 Vgl. auch die abweichende Meinung des Richters Sommer, wonach der Senat seine Entscheidung auf eine noch breitere, aktuellere und damit überzeugungskräftigere Tatsachengrundlage hätte stützen müssen, BVerfGE 90, 145, 214, 217. Im übrigen ist festzustellen, daß das BVerfG seine Prüfungskompetenz auch bei der Überprüfung verwaltungsrechtlicher Entscheidungen immer weiter ausdehnt, so insbesondere in den Urteilen: BVerfGE 83, 130 (Mutzenbacher); 84, 34 und 59 (Prüfungs- und Kapazitätsrecht); vom 11.11.94 (Kriegsschuldlüge). Kritisch hierzu: Sendler, DVB1 1994, 1089 ff.; s.a. die rechtsvergleichenden Beiträge in: Frohwein . 76 BVerfGE 7, 377,409. 77 BVerfGE 7, 377,408. 78 BVerfGE 7, 377, 431; s.a. dâs Ergebnis zum Arzneimittelgesetz, BVerfGE 17, 269, 279: "Die behaupteten Gefahren vermögen somit auch unter Berücksichtigung der von der Bundesregierung unter Hinweis auf Veterinärberichte dargelegten Einzelfälle einen so schwerwiegenden Eingriff in die Berufstätigkeit der Beschwerdeführer nicht zu rechtfertigen." 79 BVerfGE 17, 306, 314. Ähnlich auch die Kalkarentscheidung, in der das Gericht feststellt (BVerfGE 49, 89, 138), "daß die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadensereignisses, die bei einer Genehmigung hingenommen werden darf, so gering wie

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von aus, daß der Abwägungsprozeß eine Richtigkeitsprüfung der behaupteten Tatsachen impliziert, korrespondiert der Sorgfaltigkeitsmaßstab, den der Gesetzgeber bei der Schaffung einer rationalen Entscheidungs- und Prognosegrundlage anzulegen hat, also im Falle des Art. 12 GG, mit der Intensität des Eingriffs. Dies wird indirekt auch durch eine Gegenüberstellung mit der zweiten Mühlenentscheidung bestätigt, in welcher das Gericht über eine Berufsausübungsregelung zu befinden hatte. Dort billigt das BVerfG dem Gesetzgeber nämlich einen Beurteilungs- und Handlungsspielraum in der Bestimmung wirtschaftspolitischer Ziele und der zu ihrer Verfolgung geeigneten Maßnahmen zu, weshalb "der Gesetzgeber auch durch wirtschaftspolitische Lenkungsmaßnahmen das freie Spiel der Kräfte korrigieren darf [...]." 8 0 Aufschlußreich ist schließlich der Hinweis, daß der Gesetzgeber Maßnahmen zur Regelung der Berufsausübung auch dann ergreifen dürfe, wenn die Gefahren für das Gemeinschaftsgut noch fernliegend erscheinen, "sofern seine Vorstellungen über die im Falle seiner Untätigkeit mögliche gefahrbringende Entwicklung nicht in dem Maße wirtschaftlichen Gesetzen oder praktischer Erfahrung widersprechen, daß sie vernünftigerweise keine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen abgeben können [...]". 81 Abgesehen davon, daß die Maßstäbe zur Rechtfertigung objektiver Beschränkungen sehr viel strenger sind, enthält diese Feststellung eine Konkretisierung im Hinblick auf die Methodik des gesetzgeberischen Entscheidungsverfahrens. Hatte das Gericht in seinem Mitbestimmungsurteil bereits festgestellt, daß es die wichtigsten Grundlagen einer Prognoseentscheidung in Erfahrungswerten, also der Analyse empirischer Daten aus dem In- und Ausland, sehe, stellt es hier klar, daß als weiterer Maßstab auch die "wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten" zu berücksichtigen sind. Damit bestätigt es seine eigene Vorgehensweise im Apothekenurteil, in der es sowohl ausländische Experten über ihre einschlägigen Erfahrungen befragt als auch einen Wirtschaftswissenschaftler zu Rate gezogen hatte. Das BVerfG hat die Ermittlung von Tatsachenmaterial als Grundlage einer Prognoseentscheidung als "formelle Anforderungen des Verfahrens" bezeichnet. Tatsächlich hat es sich aber über die Auswirkungen einer fehlenden oder unzureichenden Prognosegrundlage nicht geäußert und, soweit ersichtlich, bislang auch kein Gesetz allein aus diesem Grunde für verfassungswidrig erklärt. 82

möglich sein muß, und zwar um so geringer, je schwerwiegender die Schadensart und die Schadensfolgen, die auf dem Spiel stehen, sein können [...]." 80 BVerfGE 39,210,226. 81 BVerfGE 39, 210, 226; s.a. BVerfGE 25, 1, 17; 38, 61, 87. Tettinger ( AöR Bd. 108 (1983) 92, 119) weist zu Recht darauf hin, daß "unter solchen Vorzeichen das Apotheken-Urteil von 1958 kaum in gehabter Weise ergangen wäre." 82 Im Apothekenurteil hatte das BVerfG nicht nur festgestellt, daß die Prognose des Gesetzgebers auf einer unzureichenden oder falschen Grundlage beruhte, sondern dar-

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Entsprechende Überlegungen finden stattdessen regelmäßig im Zusammenhang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz statt, wenn etwa ein Gesetz als zwekkuntauglich und von Anfang an verfassungswidrig bezeichnet wird, da es auch unter Berücksichtigung eines dem Gesetzgeber zugebilligten Beurteilungsspielraumes "objektiv untauglich", 83 "objektiv ungeeignet"84 oder "schlechthin ungeeignet"85 sei, den gesetzgeberischen Zweck zu erfüllen. Mangels Erforderlichkeit sei ein Gesetz jedenfalls dann von Anfang an verfassungswidrig, wenn bei einer Betrachtung ex ante feststehe, daß ein gleich wirksames, aber weniger eingreifendes Mittel zur Verfügung stand.86 Im Ergebnis ist damit festzuhalten, daß das BVerfG zu einer Verpflichtung des Gesetzgebers zur Schaffung einer rationalen Entscheidungsgrundlage tendiert, aber keine klaren Aussagen zu den Rechtsfolgen eines Pflichtverstoßes macht. 2. Die Meinungen in der Literatur a) Verneinung einer Ermittlungspflicht Ein Teil der Literaturmeinungen läßt sich zu der Aussage zusammenfassen: "Der Gesetzgeber schuldet gar nichts anderes als das Gesetz."87 Nach der Auffassung von Schiaich sei eine generelle Pflicht zur optimalen Methodik des Gesetzgebers dem Grundgesetz nicht zu entnehmen. "Der gewählte Mandatsträger ist nicht ein Beamter, Gesetzgebung ist nicht Verwaltung, die Normenkontrolle darf den Gesetzgeber nicht in Pflichten einspannen, die die Eigenart des parlamentarischen Verfahrens verbiegen würden." 88 Schiaich stellt die Nachprüfbarkeit einer solchen Verpflichtung in Frage, wenn er betont, es sei ja schon schwierig festzustellen, ob sich "der Gesetzgeber" sachkundig gemacht habe.89

über hinaus nachgewiesen, daß auch das Ergebnis, also die Prognose selbst, falsch war. Die Wahrscheinlichkeit war zu gering und reichte für einen Eingriff auf objektiver Ebene nicht aus, BVerfGE 7, 377,415 ff.; s.a. E 39,1, 51. 83 BVerfGE 16,147,181. 84 BVerfGE 17, 306, 317. 85 BVerfGE 19,119,126 f. 86 BVerfGE 17,269,279 f.; Demgegenüber hat das VerfG NW im Meerbusch-Urteil ein Gesetz für nichtig erklärt, weil sich der staatliche Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren kein hinreichendes Bild von den erheblichen Umständen gemacht habe, ohne daß es darauf ankomme, ob das Gesetz seinem Inhalt nach möglich sei, VerfGH NW, DVB1. 1976, 391, vollständig in: Städte und Gemeinderat, 1975, 367; s.a. VerfGH NW, NJW 1976,2209. 87 Schiaich, Seite 312; Gusy, ZRP 1985,295 ff. 88 Schiaich, Seite 313 m.w.N.; Lorenz, in: Stark/Stern, Seite 222; Merten, in Hill, Seite 82 ff. 89 Schiaich, Seite 313.

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Dabei weist er vor allem auf die mangelnde Konkretisierbarkeit des Pflichtadressaten hin, denn es sei unklar, ob hier die Regierung gemeint sei, die die Gesetzesvorlage macht, oder der Abgeordnete im zuständigen Ausschuß oder alle Abgeordneten, die an der Schlußabstimmung im Plenum teilgenommen hätten. 90 Im Ergebnis könne es nur darauf ankommen, was letztlich objektiv Inhalt des Gesetzes geworden sei. Mit dem Hinweis, "Die Normenkontrolle testet das Gesetz; sie dient nicht dem nachträglichen rechtlichen Gehör für den Gesetzgeber", soll deutlich werden, daß das Grundgesetz selbst auch gar nicht auf eine Überprüfung der gesetzgeberischen Motive eingerichtet sei.91 Entsprechend gelangt Schiaich dann zu der Feststellung: "Es kommt auf die gesetzgeberischen Motive nicht mehr an." 92 Auch Gusy äußert starke Bedenken an der Möglichkeit zur Umsetzung einer umfassenden Aufklärungspflicht des Gesetzgebers. Der ökonomische, soziale und technische Wandel vollziehe sich mit einem Tempo, das Konstanzerwartung zu einer nahezu unkalkulierbaren Größe schwinden lasse. "Dadurch wird die Aufgabe konkreter Analysen faktischer Voraussetzungen und Wirkungsbedingungen von Gesetzen in Gegenwart und Zukunft zu einem nicht mehr leistbaren Faktor." 93 Diese Tätigkeit bedeute schlicht eine Überforderung von Abgeordneten und Parlament. Der Bundestag sei zwar gem. Art. 77 Abs. 1 GG das zuständige Organ für den Beschluß der Gesetze, die einzelnen Abgeordneten würden jedoch vom Volk umittelbar gewählt, könnten und müßten deshalb in keinerlei Weise durch spezifische Kenntnisse qualifiziert sein. Zudem sei das Gesetzgebungsverfahren auch so ausgestaltet, daß das Parlament Informationen gar nicht mit eigenen Mitteln beschaffen oder verarbeiten könne, nicht einmal das Recht zur Heranziehung unabhängiger Sachverständiger sei vorgesehen.94 Gusy zieht daraus die Schlußfol90

Schiaich, Seite 313. Schiaich, VVDStrL Bd. 39, (1981), Seite 99, 108; demgegenüber wendet Kisker ein, daß eine Überprüfung des Gesetzgebers im Entscheidungsprozeß sich letztlich aus dem Wunsch erkläre, bei der Überprüfung vager materieller Kriterien (Verhältnismäßigkeit, Willkürverbot etc.) zurückstecken zu können. Dort, wo von dem Gesetzgeber beträchtliche Gestaltungsspielräume auszufüllen seien, müsse die Diskussion im Vorfeld der Gesetzgebung möglichst umfassend geführt und alle Möglichkeiten rationaler Entscheidungsfindung ausgeschöpft werden. Kisker, WDStRL Bd. 39, (1981), Seite 172. 92 Schiaich, Seite 314; so im Ergebnis wohl auch Korinek, Seite 107 ff., der zwar ausdrücklich auf die Frage abstellt, ob den Gesetzgeber eine Pflicht zu Tatsacheerhebung und Folgeeinschätzung trifft (Seite 111), sie aber letztlich unbeantwortet läßt. Denn seines Erachtens nach sind die entsprechenden Nachprüfungen des Gesetzgebers nur der pragmatische Anknüpfungspunkt für eine verfassungsgerichtliche Tatsachenfeststellung (Seite 111). Aus Sicht des Verfassungsgerichtes seien jedoch nicht die Annahmen und Einschätzungen des Gesetzgebers entscheidend, sondern "die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes hic et nunc". Kontrolliert werde nur das Ergebnis des gesetzgeberischen Aktes (Seite 112). 93 Gusy, ZRP 1985,291,297. 94 Gusy, ZRP 1985, 291, 297 f. mit dem zutreffenden Hinweis, daß demgegenüber 91

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gerung, eine Entscheidung des Parlaments "findet ihre immanente Rechtfertigung in der politischen Akzeptanz, nicht in ihrer sachlichen Richtigkeit. In diesem Sinne ist auch demokratische Mehrheitsentscheidung nicht Herrschaft des sachlich Richtigen, sondern des Kompromißfähigen." 95 Dieser Auffassung schließt sich Janssen unter Bezugnahme auf das Demokratieprinzip des Grundgesetzes an. Das Grundgesetz habe sich nach Art. 20 Abs. 2 GG für eine mittelbare, repräsentative Demokratie entschieden. Den einzelnen Abgeordneten sei für die Beratung eines Gesetzentwurfes keine Lösung vorgegeben, diese werde vielmehr erst durch die Beratungen in freier Diskussion gefunden. Daraus folgert Janssen, daß nicht die sichere, wahrscheinliche oder mögliche Richtigkeit Mehrheitsentscheidungen legitimiere, sondern allein das rechtsstaatlichdemokratische Willensbildungsverfahren. Für Janssen liegt damit der Sinn von parlamentarischen Beratungen nicht in der Gewährleistung einer richtigen Entscheidung, sondern "in der Vermittlung demokratischer Legitimation und der Rationalisierung des Gesetzes."96 Den Terminus der Rationalität versteht Janssen im Sinne von Hesse, indem er diesen mit den Worten zitiert: "Die damit gewonnene Rationalität des politischen Prozesses ist freilich weniger eine solche funktioneller Regungslosigkeit, dafür um so mehr eine solche der Einsehbarkeit, Überschaubarkeit, Verstehbarkeit: substantielle Rationalität, die tätige Anteilnahme erst ermöglicht und die Grundlage staatlicher Legitimtät ist." 97 Schließlich folgt der Hinweis, daß die wirklichen Gründe des Parlaments für das beschlossene Gesetz keineswegs immer nachvollziehbar seien und - bewußt oder unbewußt - in den parlamentarischen Beratungen gar nicht zur Sprache gekommen sein könnten.98 Die Gesetzesmaterialien könnten deshalb nie positiv die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes begründen. 99 b) Bejahung einer Ermittlungspflicht Nach der Gegenmeinung ist der Gesetzgeber durchaus zur Ermittlung der notwendigen Tatsachen im Vorfeld eines Gesetzesbeschlusses verpflichtet. Ossenbühl weist auf Gefahren hin, die durch eine unvollständige oder fehlende Sachaufklärung des Gesetzgebers entstehen können, "weil das Parlament sich die Exekutive, insbesondere die Regierung in geeigneteren und kompetenteren Stellen, systematisch Spezialwissen ansammle, welches der Regierung, nicht aber den Parlamentariern, ständig zur Verfugung stehe. Der Bundestag sei demgegenüber auf die Ausübung von Zitier- und Fragerechten im Einzefall angewiesen und weise dementsprechend gegenüber der Exekutive ein erhebliches Informationsdefizit auf. 95 Gusy, ZRP 1985, 291, 297 f. 96 Janssen, Seite 193. 97 Janssen, Seite 192 Fn. 31 mit Bezug auf Hesse (in der aktuellen Auflage Seite 58 Rn. 138). 98 Janssen, Seite 193. 99 Janssen, Seite 196.

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auf 'abstrakt und schematisch beschworene Gefahren' stützt". 100 Eine Kontrolle des Verfahrens sei notwendig, um zumindest teilweise ein Defizit an bundesverfassungsgerichtlicher Inhaltskontrolle zu kompensieren. Das Grundgesetz enthalte zwar kein Wort über eine Pflicht des Gesetzgebers zur Tatsachenermittlung, setze diese aber wohl stillschweigend voraus. 101 Insbesondere müßten dort, wo unvertretbare Entscheidungen gefallt würden, besondere Anforderungen an die Begründung gestellt werden, um Mißbräuchen und Nachlässigkeiten vorzubeugen.102 Ein Nachschieben von Gründen im Normenkontrollverfahren zu gestatten sei gefahrlich, weil "die Tatsachenergänzung dem politischen Normsetzungsprozeß und der dort beheimateten Wertung und Würdigung entzogen ist, also zu einer Motiwerfalschung des Gesetzgebers führen kann und die Gefahr in sich birgt, daß das Bundesverfassungsgericht sein Ermessen an die Stelle des Ermessens des Gesetzgebers setzt."103 Tatsachenergänzungen im Normenkontrollverfahren sollten deshalb grundsätzlich unzulässig sein.104 Zudem sei es auch nicht Aufgabe des BVerfG, ein sachgemäßes Gesetzgebungsverfahren nachzuholen.105 Im Ergebnis ist den Ausführungen von Ossenbühl zu entnehmen, daß eine fehlende oder unvollständige Sachaufklärung des Gesetzgebers seines Erachtens zur Nichtigkeit des Gesetzes führt: "Solange [die] empirische Basis fehlt, mangelt es [...] an der verfahrensrechtlichen Legititmation des Eingriffs." Und noch deutlicher: "Daß ein nachlässig verfahrender Gesetzgeber in gleicher Weise wie ein Verwaltungsbeamter unter dem Damoklesschwert der gerichtlichen Kassation seiner Entscheidung steht, sichert den Grundrechtsschutz, ohne daß das Demokratieprinzip Schaden nimmt". 106 Auch Schwerdtfeger postulierte als erster die Notwendigkeit eines "inneren Gesetzgebungsverfahrens", das jedem Gesetzesbeschluß vorangehen müsse.107 Danach habe der Gesetzgeber die einschlägigen Fakten, Interessen, Gesichtspunkte möglichst vollständig und mit richtigem Inhalt heranzuziehen. Durch die Analyse des bisherigen Zustandes seien die Daten so aufzubereiten, daß unter-

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Ossenbühl, Seite 487 m.w.N. Ossenbühl, Seite 482. 102 Ossenbühl, Seite 513 f. auch unter Hinweis auf BVerwGE 39,197,204. 103 Ossenbühl, Seite 488. 104 Darin übereinstimmend: Schiaich, WDStRL Bd. 40, Seite 99,108. 105 Vgl. auch Böckenförde, der eine teilweise Einebnung des qualitativen Unterschiedes zwischen Gesetzgebung und Rechtsprechung konstatiert, (Seite 61), und einer Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers durchaus kritisch gegenübersteht, (Seite 66). 106 Ossenbühl, Seite 488, unter Begrüßung der höchstrichterlichen Entscheidung zum Einzelhandel, in dem das BVerfG ein Gesetz für nichtig erklärte, weil die der Allgemeinheit drohenden Gefahren weder im einzelnen dargelegt noch wahrscheinlich gemacht waren (BVerfGE 19, 330, 340). 107 Schwerdtfeger, Seite 173 ff. 101

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schiedliche Lösungsansätze in einem Abwägungsprozeß einander gegenüber gestellt werden könnten.108 Ebenso wie Gusy sieht auch Schwerdtfeger die Aufklärungsarbeit durch knappe finanzielle und personelle Mittel erschwert. Anders als Gusy zieht er daraus jedoch nicht den Schluß, daß eine umfassende Tatsachenermittlung deshalb ingesamt nicht möglich sei, sondern nimmt eine Abstufung vor. Die bereitzustellenden Mittel müßten umso größer sein, "je schwerer der bevorstehende Grundrechtseingriff wird und je zentraler und wichtiger der aufzuklärende Gesichtspunkt für die Abwägung des Gesetzgebers ist". 109 Sofern eine nähere Aufklärung nicht möglich sei, müßten Diagnosen und Prognosen erfolgen, deren Grundlage wiederum das aufbereitete Tatsachenmaterial sei. Nur auf dieser Basis könnte die Prognose und die Möglichkeit eines anderen Verlaufs mit dem richtigen Grad an Wahrscheinlichkeit angesetzt werden. 110 Nach Meinung von Schwerdtfeger ist ein Grundrechtseingriff also erst dann zulässig, wenn dieses Gesetzgebungsverfahren so rational wie möglich durchlaufen wurde. "So vermitteln erst die Verfahrenseinbindungen dem Grundrechtsträger durchgehenden Schutz gegen gesetzgeberische Willkür. Ihnen kommen zentrale rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung zu." 111 Ein Verfahrensfehler sei bereits dann relevant, wenn nicht auszuschließen sei, daß in einem rechtmäßigen Verfahren ein inhaltlich anderes oder kein Gesetz ergangen wäre. Ein positiver Nachweis, daß das Gesetz anders ausgesehen hätte, sei nicht erforderlich. Bei solchermaßen relevanten Verfahrensfehlern dürfe der Bundespräsident das Gesetz nicht ausfertigen oder verkünden, "denn dann wäre es nicht "nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustande gekommen", Art. 82 I GG. Ein dennoch verkündetes Gesetz sei verfassungswidrig." 112 Stettner betrachtet die Rationalität als Grundvoraussetzung für eine verfassungsrechtlichen Erfordernissen genügende legislatorische Zukunftsprojektion. "Der gebotene Vernünftigkeits- und Plausibilitätsstandard fordert vom Gesetzgeber eine gründliche Tatsachenermittlung im fraglichen Sachbereich, welche alle Erkenntnismöglichkeiten einschließt."113 Dabei sieht Stern die Gefahr einer nicht hinreichenden oder einseitigen Auswahl der Fakten und Daten, der mangelhaften Erwägung von Alternativen oder unsorgfältigen Analysen im konzeptionellen Vorgehen in der Fehlleitung des grundrechtlichen Abwä108

Schwerdtfeger, Seite 173. Schwerdtfeger, Seite 181. 110 Schwerdtfeger, Seite 182. 111 Schwerdtfeger, Seite 178. 112 Schwerdtfeger, Seite 186, der zugleich daraufhinweist (Seite 187), daß das Gesetz bei entsprechender Rüge innerhalb eines Jahres nach der Verkündung nichtig sei, also - aus Gründen der Rechtssicherheit - so zu betrachten sei, als habe es niemals Gültigkeit erlangt. 113 Stettner, NVwZ 1989, 806, 807. 109

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gungsvorganges.114 Eine vermittelnde Position nimmt Papier ein: Dem Gesetzgeber sei es im Bereich der Wirtschaftspolitik erlaubt, die Ziele festzusetzen, so daß seiner Einschätzung über die drohenden Gefahren eines Unterlassens Vorrang gebühre. "Folgerichtig ist dann aber eine solche Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers in den Fällen zu verneinen, in denen nicht mehr irgendein verfassungslegitimer Eingriffsgrund genügt, sondern wegen der objektiven Eingriffswirkung auf die Berufswahlfreiheit eine nachweisbare oder doch eine höchst wahrscheinliche Gefahrensituation verlangt wird." 115 Sofern sich die vom Gesetzgeber angenommene schwere Gefahrenlage im Bereich objektiver Berufswahlregelungen nicht nachweisen lasse, sei ein Grundrechtsverstoß zu bejahen. Den Gesetzgeber trifft insofern also eine Beweispflicht für seine Behauptung. Kloepfer stimmt zwar dem Einwand von Gusy und Schiaich zu, daß der einzelne Abgeordnete regelmäßig kein Sachverständiger für gesetzliche Sachregelungsmaterien sei. Insofern sei er auch nicht der Adressat einer Verfassungspflicht zur optimalen Gesetzgebung.116 Die Sicherung der materiellen Verfassungmäßigkeit eines Gesetzes erfordere aber, daß sich der Gesetzgeber das notwendige Entscheidungswissen - wie auch immer - verschaffe, z.B. durch Anhörungen. Den Standort für eine solche Verpflichtung lokalisiert Kloepfer in den Verfassungsanforderungen an den Inhalt des bereits fertigen Gesetzes, insbesondere den Prinzipien der Geeignetheit und Erforderlichkeit. 117 Die Auffassung des BVerfG, nach der eine falsche Prognose des Gesetzgebers dann nicht zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes führe, wenn die Vorausschau "sachgerecht und vertretbar" erschien, hinterfragt Kloepfer kritisch mit dem Hinweis, daß so die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes durch den Glauben an die Verfassungsmäßigkeit ersetzt werde. 118 Fehlende, evident unvollständige 114 Stem, § 91 V. 3 a (Seite 1354). Korrespondierend hierzu im Zusammenhang mit der Prüfungsbefugnis des BVerfG dann die Feststellung, das Gericht könne sich nicht bloß darauf beschränken, den Informationsstand des Gesetzgebers zu akzeptieren, sondern müsse die "Realien", die dem Gesetz zugrundeliegen, selbst erforschen. "Für den Schutz der Grundrechte hat dies erhebliche Bedeutung, weil sie dadurch aus ihrem tatsächlichen Wirkungsfeld heraus interpretiert werden." Stern, § 91 Π. 3, Seite 11261 f. Wie Stem weiter bemerkt, kann das BVerfG zur Feststellung der gesetzgeberischen Motive über Anfragen nach § 82 Abs. 4 BVerfGG die notwendigen Materialien von den obersten Gerichtshöfen des Bundes und der Länder Materialien beschaffen. Auch Verbände und Sachverständige können um gutachterliche Stellungnahmen gebeten werden, Stem, § 91 Π. 3, Seite 1266. 115 Papier, in: Hdb. Verfassungsrecht, § 18, Rn. 81, vgl. hierzu auch Rn. 54. 116 Kloepfer, WDStRL Bd. 40 (1982), Seite 89. 117 Kloepfer, WDStRL Bd. 40 (1982), Seite 90 f. 118 Kloepfer (NJW 1971, 1585, 1586) mit der weiteren Bemerkung, daß das Gebot der Geeignetheit letztlich reduzierend zu einem Verbot völliger Ungeeignetheit verkehrt werde.

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oder ersichtlich unzutreffende Tatsachenfeststellung begründeten ein fehlerhaftes gesetzgeberisches Entscheidungsverfahren. Dessen Folge sieht Kloepfer zwar in der Verfassungswidrigkeit, nicht aber notwendigerweise in der Nichtigkeit des Gesetzes. Seiner Meinung nach komme als Alternative hierzu auch die Pflicht zur Aufhebung, Korrektur und Nachbesserung in Betracht. 119 3. Stellungnahme Die Argumentation der Gegner einer gesetzgeberischen Ermittlungspflicht bezieht sich in einem ersten Schritt weniger auf die Existenz einer solchen Pflicht an sich als vielmehr auf die Probleme bei der Umsetzung. Im Umkehrschluß wird von der fehlenden Praktikabilität auf das Nichtbestehen geschlossen - "eine Pflicht, die sich nicht verwirklichen läßt, ist keine Pflicht." Sofern die Frage nach dem möglichen Standort einer solchgearteten Verpflichtung gestellt wird, besteht die Antwort in einem Zirkelschluß. Der in diesem Zusammenhang geäußerte Hinweis auf das Demokratieprinzip wird anscheinend mit dem eingängigen Beispiel widerlegt, daß ein Gesetz auch dann nicht verfassungswidrig sei, wenn die Koalitionspartner darüber per Los entschieden hätten.120 Das Ergebnis dieser "Argumentation" ist jedoch mit ihrem Ausgangspunkt identisch, denn: gäbe es eine verfassungsrechtliche Tatsachenermittlungspflicht und hätten die Koalitionspartner ihr nicht entsprochen, so wäre die Losentscheidung eben verfassungswidrig. Die Behauptung, diese Entscheidung sei es nicht, ist nicht mehr als eben eine solche. Die Existenz einer Tatsachenermittlungspflicht des Gesetzgebers, also das Gebot zur Wirklichkeitsgerechtigkeit, 121 ist zwar nicht ausdrücklich im Grundgesetz genannt, jedoch an verschiedenen Stellen innerhalb des Verfassungsrechtes offenbar. So wird der Abgeordnete nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG als

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Kloepfer, WDStRL Bd. 40 (1982) Seite 91. Merten, in Hill Seite 86. Dort auch ähnlich anschaulich: "Für den Gleichheitssatz genügt es also nach wie vor, wenn der Gesetzgeber im Dunkeln herumschießt, wenn nur das Verfassungsgericht nachträglich irgendeinen Schuß noch als Treffer gelten läßt." Vgl. demgegenüber Hoffmann mit dem Hinweis, (ZG 1993,105), daß eine Prognose des Gesetzgebers jedenfalls dann von vornherein unvertretbar ist, wenn "die Analyse auf den Künsten einer Kartenlegerin beruhte." Andererseits sieht auch Merten (Seite 81) die Gefahr der parlamentarischen Demokratie mit ihren Prinzipien der Diskontinuität und der Wahlperiodizität darin, "daß sie zur Gefälligkeitsdemokratie ausartet, und ihre Gesetze nicht sachgerecht sondern wählergerecht ausgestaltet." 121 König, Seite 384, lokalisiert die Wurzeln des "Gebots zur Wirklichkeitsgerechtigkeit" im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, ebenso: Schulze-Fielitz, Seite 496. Andere Autoren stützen sich auf ein allgemeines verfassungsrechtlich verankertes Gebot zur Rationalität: vgl. Hoffmann, ZG 1990, 109; Gebauer, 1139 ff., insbesondere 1144 und Hill, ZG 1993, 7, m.w.N. 120

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"Vertreter des ganzen Volkes" gewählt. Das bedeutet, daß als oberste Richtschnur der Mandatsausübung das Wohl des Gesamtvolkes und nicht einer Teilgruppe des Volkes, also Partikularinteressen, zu stehen hat. Ein Abgeordneter, der sich über den Gegenstand seiner Entscheidung nicht sachkundig macht bzw. machen läßt oder nur einseitig an ihn herangetragene Informationen berücksichtigt, entscheidet "ins Blaue hinein", gibt die Entscheidung in Wirklichkeit aus der Hand und überträgt damit die Entscheidungsmacht auf andere. 122 Zivilrechtlich betrachtet, ist und bleibt derjenige, der Zusicherungen ins Blaue abgibt oder seine Vertretungsmacht ohne ausdrückliche Ermächtigung hierzu auf Dritte überträgt, der Verantwortliche. Aus der Tatsache, daß die Abgeordneten vor einer persönlichen Inhaftungnahme geschützt sind, folgern zu wollen, daß sie deshalb auch keine Pflicht zu verantwortungsbewußtem Handeln treffe, ist schlicht falsch. Vielmehr ist umgekehrt festzustellen, daß die Abgeordneten regelmäßig viel weiterreichende und gewichtigere Entscheidungen treffen als ein Privatmann und sie ihre Entscheidung deshalb im Vergleich zu diesem "erst recht" umsichtig und verantwortungsvoll vorbereiten müssen. Wer die Entscheidungsmacht übernimmt, trägt als deren Kehrseite Verantwortung. Wer dabei andere vertritt, hat die Pflicht zu bestmöglichem Handeln für die Vertretenen übernommen. 123 Wer "das ganze Volk" vertritt, kann sich nicht vor den Karren von Partikularinteressen spannen lassen, ohne damit gegen sein Mandat zu verstoßen. Wer sich erst gar nicht informiert, handelt ohne Sachkompetenz, nimmt dadurch sehenden Auges Verstöße gegen die Interessen der Vertretenen in Kauf und handelt damit ebenfalls gegen sein Mandat. 124 Da in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG der Grundsatz der repräsentativen Demokratie verankert ist, verstieße eine solche Handlungsweise auch gegen das Demokratieprinzip selbst. Ein solcher Verstoß wäre auch unter dem Gesichtspunkt zu bejahen, daß die

122 von Arnim weist auf die Bedeutung der Interessenverbände und ihrer Einflußnahme von innen und außen hin. Ersteres sei dadurch gekennzeichnet, daß Verbandsvertreter selbst in die Parteien, Parlamente, Regierungen und Behörden gelangen (Seite 291). Zentral wichtige und nicht öffentlich tagende Parlamentsausschüsse seien mittlerweile zum großen Teil von Verbandsvertretern besetzt (Seite 293, 317, 323). Die Einflußnahme von außen führt über die Beeinflussung von Ministem und Abgeordneten, wobei in der Praxis die Anhörung der Spitzenverbände über Gesetzentwürfe als Plattform diene (Seite 291). Die Gründe für den Verbandseinfluß seien letztlich Geld, Sachverstand und vor allem Wahlstimmen (Seite 287). 123 Als Beispiel für die strengen Anforderungen kann die Situation der Rechtsanwälte dienen, die persönlich haften, wenn ihren Mandanten dadurch Nachteile entstehen, daß die neueste höchstrichterliche Rechtsprechung nicht bekannt war. Als Übergangsfrist werden etwa zwei Wochen nach der Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift zugestanden. 124 Vgl. zur sog. Putativgefahr im Polizei- und Ordnungsrecht bei Knemeyer, Rn. 71. Der Beamte handelt pflichtwidrig, wenn er "vorwerfbar von einem falschen Sachverhalt ausging, etwa weil er nicht ordnungsgemäß aufgeklärt oder entgegen polizeilicher Grundsätze falsch prognostiziert hat."

8 Bardarsky

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Grundlage einer Freiheit und Ordnung verpflichteten Demokratie darin besteht, daß keine Macht unkontrolliert sein darf. Eine Tatsachenermittlungspflicht des Gesetzgebers zu verneinen, bedeutet, auf seine Kontrolle zu verzichten. Hiergegen ließe sich zwar einwenden, daß die Entscheidungen des Gesetzgebers letztlich der Nachprüfung durch das BVerfG unterstehen, dieses Argument läßt jedoch andererseits den Grundsatz der Gewaltenteilung, Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG, unberücksichtigt, da uninformierte Parlamentarier, die ihre Entscheidung in dem Bewußtsein treffen, das BVerfG "werde es schon richten", die Entscheidung von vornherein auf die rechtsprechende Gewalt verlagern. 125 Das Treffen der ersten, an sachlichen Kriterien ausgerichteten Entscheidung entspricht aber weder Aufgabe und Funktion der Richter noch gewährleistet sie in jedem Fall ein sachgerechtes Ergebnis. Jedenfalls in personeller Hinsicht lassen sich die Kapazitäten des BVerfG nicht mit denen des Parlamentes vergleichen. In den Worten des Prozeßrechts ausgedrückt beraubt die Unwissenheit der Parlamentarier den Bürger in jedem Fall einer Tatsacheninstanz bei der Entscheidung darüber, ob bzw. wie in seine Rechte eingegriffen wird. Im Hinblick auf die Tragweite einer einmal durch den Gesetzgeber gefällten Entscheidung spricht auch der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 Abs. 4 GG, für eine Tatsachenermittlungspflicht des Gesetzgebers. Denn der Rechtsweg bis zur Aufhebung oder Änderung eines fehlerhaften Gesetzes nimmt leicht zehn Jahre und mehr in Anspruch. Dabei ist es völlig bedeutungslos, ob der Fehler durch eine sachgerechte Tatsachenermittlung im Vorfeld der parlamentarischen Entscheidung hätte vermieden werden können oder ob es andere Ursachen gab. Mit anderen Worten ist aus Sicht des Bürgers nicht hinnehmbar, daß Grundrechte über Jahre hinweg u.U. stark beeinträchtigt werden, weil die dem Gesetz zugrundeliegenden Fakten fahrlässig lückenhaft, falsch ( der gar nicht ermittelt worden sind. Die besonderen Anforderungen an das gesetzgeberische "Vorverfahren" dienen letztlich dem Schutz der Grundrechte und unterbinden deren Unterlaufen durch konstruierte Scheinmotivationen und - prognosen. 126 Hiergegen ließe sich zwar einwenden, daß der Gesetzgeber über eine Einschätzungsprärogative verfügt, weil ihm - anders als der Verwaltung - ein grundsätzlicher Vertrauensvorschuß entgegengebracht wird, 127 die Stoßrichtung des Ar-

125 Vgl. die grundlegende Kritik von Böckenförde, Seite 61 f.: "Es vollzieht sich ein gleitender Übergang vom parlamentarischen Gesetzgebungsstaat zum verfassungsrechtlichen Jurisdiktionsstaat." Seite 71: "Auf den demokratischen politischen Prozeß, die in ihm zu findenen oder auszuhandelnden Lösungen [kommt es] nicht mehr entscheidend an; er kann umgangen oder ersetzt werden." 126 So auch Friauf, JA 1984, 537, 544; s.a. Degenhart, der noch in einer der Vorauflagen auf die Gefahren von Verbandsein Wirkungen hinwies, weil dies in der ungleichen Repräsentation betroffener Interessen, d.h. im Ubergewicht und der Überrepräsentation wirksam organisierter Interessen münden könne, § 1 V. (Rn. 56). 127 Pieroth/Schlink, Rn. 303.

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guments ist jedoch umkehrbar, denn das größere Vertrauen in den Gesetzgeber basiert gerade auf dem Glauben an seine Objektivität, die wiederum nur durch eine gründliche Vorbereitung der Entscheidungen gewährleistet werden kann. Die Prärogative bei der Bewertung von Tatsachen basiert gerade auf dem Vertrauen in die Gründlichkeit der Vorarbeit, also bei der Zusammenstellung der Fakten. Die Einräumung eines Prognosespielraumes setzt eine angemessene Auswertung der verfügbaren empirischen Daten und wirtschaftlichen Erfahrungssätze voraus. Eine ohne diesfc Vorbereitung abgegebene Prognose ist schon per definitionem keine. 128 Der hiernach gebotenen Bejahung einer gesetzgeberischen Tatsachenermittlungspflicht steht der Einwand einer fehlenden Praktikabilität nicht entgegen. Dabei kann der Hinweis auf die wesentlich bessere Sachausstattung der Verwaltung von vornherein außer acht gelassen werden. Im Umkehrschluß würde dieses Argument nämlich bedeuten, daß sich die Parlamentarier mehr oder weniger auf die Richtigkeit der Gesetzentwürfe, zumindest soweit sie von der Bundesregierung eingebracht werden, verlassen und damit eine der Exekutive nicht zustehende aber faktisch bestehende Entscheidungsgewalt antizipieren. Dies wäre ein evidenter Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung, Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG. Der richtige Adressat einer Tatsachenermittlungspflicht ist der Gesetzgeber als Gesamtheit der an der Schlußabstimmung beteiligten Abgeordneten des Bundestages. Dabei kann zweierlei nicht verkannt werden: Erstens setzt das passive Wahlrecht keine besonderen Kenntnisse voraus, so daß eine Reihe von Abgeordneten ohne spezifisches Fachwissen in den Bundestag einzieht. Zweitens hat die Zahl der zu verabschiedenden Gesetze einen solchen Umfang angenommen, daß der einzelne Abgeordnete definitiv nicht in der Lage ist, sich für jedes Gesetz die einschlägigen Kenntnisse anzueignen.129 Daraus den Schluß zu ziehen, eine adäquate Vorbereitung der Gesetze sei generell nicht möglich, wäre allerdings falsch, denn die Intensität der Vorbereitung muß nicht gleichbleibend hoch sein. Vielmehr gilt: Je höher der Wert des betroffenen Rechtsgutes und je gravierender der Eingriff darin sind, desto größer müssen die Anstrengungen sein, das Gesetz auf eine gesicherte Basis aus Fakten zu stellen. Dies gilt naturgemäß in besonderem Maße bei Entscheidungen über ungewisse Geschehensabläufe, wenn also Grundrechtseingriffe auf einem Urteil

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Nach der Definition des Duden ist eine Prognose die "Vorhersage einer zukünftigen Entwicklung auf Grund kritischer Beurteilung des Gegenwärtigen". 129 Hierzu auch Jenninger, Seite 20, der die Ursache für die Flut der zu entscheidenden Gesetze und damit die Überlastung des Bundestages in zu vielen Detailproblemen und Beschwernissen sieht. Realistisch in der Einschätzung Mußgnug, Seite 24, 45 ff.: "Die Bundesregierung, der Bundestag und der Bundesrat haben es mit der Gesetzgebung schwer. Auf ihrer Tagesordnung stehen zu viele Gesetze zugleich. Das läßt ihnen wenig Zeit zum gesetzgeberischen Nachdenken." *

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der Abgeordneten über anzunehmende Wahrscheinlichkeiten beruhen. Der Arbeitsaufwand ist für die Parlamentarier also durchaus nicht gleichbleibend hoch. Dies muß auch gar nicht sein, da das BVerfG selbst entsprechende Vorgaben macht, indem es die Maßstäbe an die Kontrolldichte bei Tatsachenfeststellungen und Prognoseentscheidungen unterschiedlich gestaltet.130 Die Informationsbeschaffung wird durch den wissenschaftlichen Parlamentsdienst und vor allem durch den Zugriff auf verschiedene Datenbanken, insbesondere der Statistischen Bundes- und Landesämter, wesentlich erleichtert. In der parlamentarischen Praxis verteilt sich die Arbeit ohnehin auf verschiedene Bundestagsgremien, wie etwa die Fraktionen oder auch Arbeitsgemeinschaften. Die eigentlichen Werkstätten des Parlaments sind jedoch die Fachausschüsse.131 Hier kann und muß das wesentliche Tatsachenmaterial über das eingebrachte Gesetzesvorhaben gesammelt und so aufbereitet werden, daß den Abgeordneten im Plenum eine vertiefte sachliche Auseinandersetzung möglich gemacht wird. Sofern Prognosen abzugeben sind, müssen die einschlägigen empirischen Daten und wirtschaftlichen Erfahrungssätze ausgewertet und berücksichtigt werden. Stark einseitige Filterungen in den Ausschüssen sind kein Grund für eine Verneinung der Tatsachenermittlungspflicht des Gesetzgebers, sondern müssen und können mit spezifischen Mitteln bekämpft werden. 132 Im Ergebnis ist damit zunächst festzustellen, daß eine gesetzgeberische Pflicht zur Tatsachenermittlung besteht und, insbesondere wegen der abgestuften "Ermittlungsdichte" und durch die Ausschußarbeiten, auch faktisch umsetzbar ist. Dieser Verpflichtung ist das Parlament im Hinblick auf die objektive Zulassungsbeschränkung der Taxen zu keinem Zeitpunkt nachgekommen. Obwohl es sich um die intensivste Form eines Eingriffes in die Berufsfreiheit handelt und die überragende Bedeutung des Art. 12 GG außer Frage steht, hat eine Überprüfung anhand einschlägiger empirischer Daten und wirtschaftswissen-

130 Dezidiert: BVerfGE 50, 290, 333 (Mitbestimmung). Zutreffend allerdings Schiaich, Seite 310 (Rn. 501), mit der Feststellung, daß der Umfang der Nachprüfung letztlich "problembezogen dosiert" werde und letztlich die Qualität und Schwere der betroffenen Verfassungsnorm den Prüfungsmaßstab bestimme. 131 Jenninger, Seite 20. 132 Von Arnim weist darauf hin, daß vor allem die für die Gesetzgebungsarbeit zentral wichtigen Ausschüsse mit Interessenvertretern besetzt seien und schlägt deshalb die Beiziehung von Gremien zur Gesetzesberatung vor, die nur mit Zweidrittelmehrheit im Parlament bestellt werden können, von Arnim, Seite 292 und 326. Im Ergebnis ähnlich Jenninger, Seite 20, der für die Einrichtung eines Hauptausschusses plädiert, in dem auch die Fachdebatten stattfinden sollen - und zwar öffentlich. Vgl. auch die umfassenden Vorschläge zur Optimierung der Gesetzgebungsarbeit bei Schulze-Fielitz, insbesondere Seite 468 ff. und 491 ff.

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schaftlicher Erkenntnisse nie stattgefunden. 133 Auch bei den Beratungen zur Taxinovelle von 1983 und der dabei anstehenden Änderung der objektiven Zulassungsschranke wurde deren Notwendigkeit ebensowenig bezweifelt wie begründet. 134 Letztlich beruht die objektive Zulassungsschranke im Taxengewerbe also auf unbewiesenen Behauptungen, die von der Verkehrsverwaltung in den fünfziger Jahren aufgestellt wurden. Der gänzliche Verzicht auf eine begleitende oder zumindest nachträgliche Untersuchung der Jahrzehnte alten Schranke offenbart zugleich den Verstoß des Gesetzgebers gegen seine Pflicht zur Beobachtung und ggf. auch Nachbesserung, die ihm das BVerfG bei grundrechtsrelevanten Eingriffen auf dieser Stufe auferlegt. 135 Soweit ersichtlich wird eine Aufhebung des § 13 Abs. 4 PBefG auch im Rahmen der Vorbereitung auf die Neufassung des PBefG zum 1.1.1996 nicht ernsthaft geprüft, obwohl mittlerweile die Sachverständigenexpertisen der Deregulierungskommission vorliegen, in denen die Streichung des § 13 Abs. 4 PBefG empfohlen wird. 136 Mit diesem permanenten Verstoß gegen "Anforderungen des Verfahrens" 137 verletzt § 13 Abs. 4 PBefG das Verfassungsrecht. 138 Im Ergebnis ist damit festzuhalten: Der § 13 Abs. 4 PBefG ist schon wegen der permanent unterlassenen Überprüfung anhand einschlägiger wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse und empirischen Materials verfassungswidrig. B. Materielle Anforderungen

an § 13 Abs. 4 PBefG

Der in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG normierte Regelungsvorbehalt bezieht sich trotz der Differenzierung im vorhergehenden Satz 1 zwischen Berufswahl -und 133 Dabei beweisen die Ausführungen von Evgénieff aus dem Jahr 1934 (Seite 71 ff.) über die Regelung der Droschken im Ausland, daß die Berücksichtigung empirischen Materials im damaligen Gesetzgebungsverfahren durchaus möglich gewesen wäre. 134 Storsberg, in: DPV, 1983, Heft 2, Seite 6: "Mangel an Beratungszeit führt mehr oder weniger zwangläufig dazu, daß Schnelligkeit vor Genauigkeit geht. Beim 5. Gesetz zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes (Taxinovelle von 1983) war die Beratungszeit besonders kurz." 135 BVerfGE 88, 203, 310 f. (Schwangerschaftsabbruch): "Die Beobachtungspflicht schließt ein, daß der Gesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz dafür sorgt, daß die für die Beurteilung der Wirkungen notwendigen Daten planmäßig erhoben, gesammelt und ausgewertet werden. Verläßliche Statistiken mit hinreichender Aussagekraft [...] sind unerläßlich." 136 Deregulierungskommission, Seite 155, Nr. 207, Vorschlag 30. Zur Bedeutung des Berichtes für den Gesetzgeber auch König Seite 360: "Der Gesetzgeber muß sich zur Verwirklichung des ausgewählten Lenkungszwecks unter Einschaltung von Sachverständigen auf fachwissenschaftlich bewährte Prognosen und Einschätzungen stützen." 137 BVerfGE 50,290, 333 f. 138 Vgl. allgemein: Stettner, Seite 808; Papier, in: Hdb. Verfassungsrecht, § 18, Rn. 84; von Arnim, Seite 195.

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Berufsausübungsregelungen seinem Wortlaut nach lediglich auf Berufsausübungsregelungen. Dennoch wäre der Rückschluß auf ein vorbehaltlos zu gewährendes Grundrecht der freien Berufswahl unzutreffend, wie ein Blick auf Art. 74 Nr. 19 GG zeigt. Denn die Vorschrift bezieht sich auf die Gesetzgebungskompetenz für die "Zulassung" zu bestimmten Berufen. Inzident wird also vorausgesetzt, daß Regelungen für die Berufszulassung nicht ausgeschlossen, also unter bestimmten Umständen grundgesetzlich erlaubt sind. Dem Bundesverfassungsgericht ist ohne Einschränkungen zuzustimmen, wenn es diese Umstände in seiner grundlegenden Apothekenentscheidung139 wie folgt formulierte: "Die Freiheit der Berufswahl darf nur eingeschränkt werden, soweit der Schutz besonders wichtiger Gemeinschafisgüter es zwingend erfordert. [...] An den Nachweis der Notwendigkeit objektiver Zulassungsvoraussetzungen sind besonders strenge Anforderungen zu stellen; im allgemeinen wird nur die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut diese Maßnahme rechtfertigen können."140 Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist die Eingriffsnorm des § 13 Abs. 4 PBefG allein dann gerechtfertigt, wenn sie zum Schutz eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes vor nachweisbaren oder höchstwahrscheinlich schweren Gefahren zwingend erforderlich ist. I. Das überragend wichtige Gemeinschaftsgut Der genauen Definition des zu schützenden Gemeinschaftsgutes 141 kommt im Falle des § 13 Abs. 4 PBefG ein besonderer Stellenwert zu. Zum einen, weil die Voraussetzungen, unter denen die Behörde einen absoluten Zulassungsstopp

139

400f.

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BVerfGE 7, 377 ff., auch unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte, Seite

BVerfGE 7, 377, 378, Ls. 6 b) und c). Rupp, Seite 212 ff., bemerkt grundsätzlich, daß sich die in den einzelnen Grundrechten geschützten Individualinteressen zwar noch in etwa bestimmen und graduieren ließen, beim Gemeinwohl fingen die Konturen jedoch bereits zu fließen an, "zumal wenn man in Betracht zieht, daß das Staatsinteresse oder das Gemeinwohl schon gar zu oft zur beschönigenden Etikettierungfreiheitsvernichtender Willkür und zur Propagierung einseitiger Staatsräson hat herhalten müssen. Bei der schließlich erforderlichen Abwägung von grundrechtlichen Individualinteressen mit Gemeinwohlinteressen wird jedenfalls endgültig evident, daß diese Art Abwägung nicht nach dem Vorbild einer Küchenwaage geschehen kann. Das Bundesverfassungsgericht sucht diese Frage zu meistern, indem es sie umgeht." Ossenbühl weist darauf hin, daß manche Gemeinschaftsgüter in einer Abstraktionshöhe gehalten und so formuliert sind, "daß sie mit dem jeweils angegriffenen gesetzgeberischen Eingriff kaum noch rational vermittelt werden können." AöR 115, (1990), 11. 141

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verhängen kann, denkbar unklar formuliert und damit Lücken im Rechtsschutz vorprogrammiert sind. 142 Die Eingriffsintensität gebietet hier eine deutliche Eingrenzung. Zum anderen sind, insbesondere in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, Tendenzen erkennbar, die Rahmenvorgaben der Behörde über die vom Bundesverfassungsgericht gezogenen Grenzen hinaus aufzuweichen. Der Verwaltung wird letztlich freie Hand bei der Frage gelassen, wann bzw. weshalb sie die Zulassung weiterer Taxen untersagt. 143 1. Die Auffassungen in der Rechtsprechung Das Bundesverwaltungsgericht nahm erstmals 1954 zu der zahlenmäßigen Begrenzung der Taxen Stellung. Dabei wurden zunächst Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer als zu schützendes Rechtsgut identifiziert, denn die Droschkenunternehmer könnten ohne zahlenmäßige Begrenzung und als Folge einer stärker werdenden Konkurrenz die Betriebssicherheit ihrer Fahrzeuge vernachlässigen und dadurch andere gefährden. Wenn dieser Aspekt im folgenden zunächst nicht weiter berücksichtigt wird, dann deshalb, weil die Rechtsprechung von Beginn an konsequent die Auffassung vertrat, daß die zahlenmäßige Begrenzung der Droschken nicht das richtige Mittel - nach heutigen Maßstäben also nicht erforderlich - sei, um diese Gefahr zu bekämpfen. Die Betriebssicherheit könne und müsse stattdessen durch eine laufende Überwachung der Unternehmer erreicht werden. 144 Das Bundesverwaltungsgericht stufte im weiteren die "Ordnung im öffentlichen Verkehr" als notwendiges Rechtsgut für den Bestand der Gemeinschaft ein. In diesem Zusammenhang leitete es die Bedeutung der Droschken mit den folgenden Überlegungen her, die grundlegend für die gesamte weitere Rechtsprechung, auch die des BVerfG, geworden sind: "Jedenfalls sind unter den Interessen des öffentlichen Verkehrs im Sinne des § 9 Abs. 1 PBefG die Interessen zu verstehen, die die Allgemeinheit an einem geordne-

142 Zu den typischen Fehlem bei der Anwendung des § 13 Abs. 4 PBefG vgl. oben, 3. Kapitel, 4. Abschnitt. Ossenbühl könnte diese Vorschrift vor Augen gehabt haben, als er kritisierte, daß manche Gemeinschaftsgüter in einer Abstraktionshöhe gehalten und so formuliert seien, "daß sie mit dem jeweils angegriffenen gesetzgeberischen Eingriff kaum noch rational vermittelt werden können." Ossenbühl, AöR 115 (1990), Seite 11. Anschaulich die Kritik von Rupp, der die Abwägung von Individual- gegen Gemeinschaftsinteressen mit der Handhabung einer Küchenwaage vergleicht, AöR 92, (1967), 233. 143 Zu den Folgen vgl. oben, 3. Kapitel, 4. Abschnitt. 144 BVerwGE 1, 92, 94; 1, 165, 166; später ausdrücklich auch: BVerfGE 11, 168, 189; VGH Bremen, DVB1 1959,180 f..

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ten Verkehrswesen hat. Die Beschränkung der Berufszulassung im Hinblick auf die Interessen des öffentlichen Verkehrs greift deshalb nur für solche Verkehrsarten und Verkehrsmittel durch, für die ein überwiegendes Interesse der Allgemeinheit vorliegt. Es fragt sich daher, ob der Droschkenverkehr eine solche Verkehrsart und ein solches Verkehrsmittel darstellt. Diese Frage ist zu bejahen. Aus § 39 Abs. 1 DV folgt, daß Droschken öffentliche Verkehrsmittel sind, da sie auf öffentlichen Wegen oder Plätzen für den öffentlichen Verkehr bereitgehalten werden. Jedoch ergibt sich hieraus noch nicht ohne weiteres , daß sie deshalb auch zu den Verkehrsmitteln gehören, an denen die staatliche Gemeinschaft ein überwiegendes öffentliches Interesse hat, die also zugleich öffentlichen Verkehrsbedürfnissen dienen. Es ist durchaus denkbar, daß es Verkehrsmittel gibt, die öffentliche Verkehrsmittel sind, an denen aber gleichwohl ein öffentliches Verkehrsinteresse nicht besteht, weil sie sich ihrer Art nach nicht als notwendige Ergänzung des öffentlichen Verkehrs darstellen. Eine solche Einschränkung trifft für die Droschken nicht zu; denn jedenfalls dort, wo wegen der Verkehrsdichte Droschken überhaupt eingesetzt werden, sind sie erforderlich, um die Lücken zu schließen, die der öffentliche Linienverkehr läßt. Sie sind deshalb nicht nur öffentliche Verkehrsmittel, sondern erfüllen darüber hinaus öffentliche Verkehrsbedürfnisse." 145 Diese Ausführungen wurden durch das BVerfG 1960 aufgegriffen und konkretisiert, indem es sagte: "Die Kraftdroschken sind in den größeren Städten, wo sie praktisch allein eingesetzt werden, die wichtigsten Träger individueller Verkehrsbedienung. Im modernen Großstadtverkehr kann auf ihre Dienste nicht mehr verzichtet werden; sie stellen die notwendige, von keinem anderen Verkehrsträger übernehmbare Ergänzung des öffentlichen Linien- und des Straßenbahnverkehrs dar. [...] Diese ihre Stellung im Rahmen des Verkehrsganzen rechtfertigt es, Existenz und Funktionieren dieses Zweiges des Gelegenheitsverkehrs als ein schutzwürdiges Gemeinschaftsgut im Sinne der Auslegung des Art. 12 Abs. 1 GG anzusehen."146 Das Gericht hatte die zahlenmäßige Begrenzung der Droschken nur deshalb nicht insgesamt für verfassungswidrig erklärt, weil sich der Inhalt des § 9 Abs. 1 PBefG seiner Meinung nach in verfassungskonformer Auslegung auf den Schutz von "Existenz und Funktionieren" des Droschkengewerbes reduzieren ließ. Dennoch verkannte das Gericht die Gefahr einer kontraproduktiven Auslegung in der Praxis nicht, und nahm deshalb deutlich Bezug auf Interessen und 145

BVerwGE 1,92, 95 f. BVerfGE 11, 168, 186 f. Das BVerfG bestätigte in anderem Zusammenhang in den Jahren 1983 und 1989 ausdrücklich, daß es an dieser Auffassung auch weiterhin festhalte, vgl. BVerfG, Beschluß vom 8. 11. 1983, in: NVwZ 1984, 365 f. sowie vom 14. 11. 1989, BVerfGE 81, 70 ff. (= DÖV 1990,245,246). 146

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Rechtsgüter, die anders als durch eine zahlenmäßige Begrenzung der Droschken zu schützen seien. Dazu gehören "allgemeine verkehrspolitische Planungs- und Lenkungsbestrebungen der Verwaltung", 147 die "Sicherheit des Verkehrs", 148 das "Eindringen arbeitsloser Droschkenunternehmer in den Linienverkehr", 149 der "Schutz vor den wirtschaftlichen Gefahren einer Übersetzung für das Verkehrsgewerbe" 150 und im Zusammenhang hiermit der"Konkurrenzschutz". 151 Insbesondere eine Vernachlässigung der Sicherheitsvorkehrungen durch einen stark konkurrenzbedrohten Droschkenunternehmer 152 und die Gefahr, daß "die öffentlichen Halteplätze für die Droschken nicht ausreichen und dadurch der Verkehr behindert wird", 153 oder auch konkurrenzbedingte tätliche Auseinandersetzungen unter den Fahrern, wie sie der Polizeipräsident von Mannheim geschildert hatte,154 seien durch Ausübungsregelungen und behördliche Überwachungen nicht aber durch zahlenmäßige Beschränkungen zu bekämpfen. Der Gesetzgeber erhob die Begründung des BVerfG zum Gesetz, so daß sich die quantitative Zulassungsbeschränkung des Taxengewerbes bis 1983 an einer Gefahrdung seiner Existenzfahigkeit ausrichtete. Durch die Taxinovelle rückte dann die Bedrohung der Funktionsfahigkeit an die Stelle der Existenzbedrohung. Das Bundesverwaltungsgericht übenahm die Erklärung des Verkehrsausschusses, wonach die Funktionsfahigkeit des Gewerbes seine Existenzfahigkeit mit einschließe, bezweifelt allerdings den praktischen Nutzen dieser terminologischen Ausweitung. 155 Jedenfalls könne von einer Vorverlagerung im Sinne einer Gewährleistung der wirtschaftlichen Grundlagen des örtlichen Taxengewerbes nicht gesprochen werden. Auch weiterhin dürfe mit einer zahlenmäßigen Begrenzung der Taxen nicht der Zweck verfolgt werden, "die bereits in diesem Beruf Tätigen vor wirtschaftlich spürbarer - auch harter - Konkurrenz und vor den wirtschaftlichen - bis zum möglichen finanziellen Ruin reichenden - Risiken dieses Berufs zu schützen."156

147

BVerfGE 1 1 , 168, 191. BVerfGE 1 1 , 168, 189. 149 BVerfGE 1 1 , 168, 189. ISO BVerfGE 1 1 , 168, 181. 151 BVerfGE 1 1 , 168, 188 f. 152 BVerfGE 1 1 , 168, 189. 153 BVerfGE 1 1 , 168, 191. 154 BVerfGE 1 1 , 168, 176. 155 BVerwGE 79,208,211 . 156 BVerwGE 79, 208, 211 f.; im Ergebnis ebenso: VGH München vom 13. 4. 1987, VRS 73, 477 und vom 14.5.1987, Gew Archiv 1987, 227 sowie VG Münster, vom 26.11.1987, VRS 74,472. 148

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In mehrfacher Hinsicht bedeutet dann die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7.9.1989 einen Wendepunkt. Auch dort wurde zunächst festgestellt, daß die Funktionsfähigkeit des örtlichen Taxengewerbes nur um des öffentlichen Verkehrsinteresses willen geschützt werde, nicht hingegen zum Schutz des bestehenden Gewerbes vor -möglicherweise einzelne Unternehmer ruinierender- Konkurrenz. 157 Dann aber heißt es weiter: "Die Funktionsfähigkeit ist allerdings nicht erst dann bedroht, wenn die Gefahr eines Zusammenbruchs des örtlichen Taxengewerbes insgesamt besteht. Um einen solchen gänzlichen Zusammenbruch des örtlichen Taxengewerbes zu vermeiden, bedürfte es nicht der in § 13 Abs. 4 und 5 PBefG vorgesehenen Konzessionierurig, sondern dazu reichte es aus, den Zugang zum Taxengewerbe den marktwirtschaftlichen Gesetzen von Angebot und Nachfrage zu überlassen. " I 5 8 Die Besonderheit dieser Äußerungen besteht in ihrer Existenz. Denn diese beiden Sätze beinhalten die erste und einzige Aussage, in der das BVerwG in seiner gesamten Rechtsprechung zum Taxengewerbe auf marktwirtschaftliche Zusammenhänge eingeht. Die eigentliche Tragweite dieser Äußerung wird aber erst vor dem Hintergrund erkennbar, daß die jahrelangen Zulassungsstopps bis 1983 allesamt damit begründet worden waren, andernfalls werde die "Existenzfähigkeit" des Gewerbes gefährdet. Diese höchstrichterliche Stellungnahme zu den Gesetzmäßigkeiten von Angebot und Nachfrage hat wegen des geänderten Wortlauts der objektiven Schranke zwar keine direkte Bedeutung mehr für die gegenwärtige Rechtslage - obwohl derselbe Senat noch im Jahr zuvor den Unterschied zwischen Existenz- und Funktionsfähigkeit bezweifelt hat. Sie offenbart aber, daß der § 13 Abs. 3 PBefG a.F. seinen Zweck verfehlt hat, weil ein Zusammenbrechen des Gewerbes überhaupt nicht möglich war. Die zweite Besonderheit besteht darin, daß das BVerwG das zu schützende Rechtsgut nun nicht mehr allein in der Gewährleistung einer Verkehrsbedienung schlechthin sieht, sondern meint: "Die Konzessionierung des örtlichen Taxengewerbes ist nach dem Willen des Gesetzgebers ein Instrument bestmöglicher Befriedigung des öffentlichen Bedürfnisses nach individueller Verkehrsbedienung [...]." 159 157

BVerwGE 82,295, 302. BVerwGE 82,295, 302. 159 BVerwGE 82, 295, 297; auf Seite 302 heißt es "möglichst guten Bedienung". Demgegenüber bestimmt der § 8 Abs. 3 PBefG für den gesamten Verkehrsbereich, daß die Genehmigungsbehörden auf eine "befriedigende" Bedienung hinzuarbeiten haben. Nach der voraussichtlich ab 1.1.1996 geltenden Fassung wird lediglich eine "ausreichende" Bedienung notwendig sein - vgl. Art. 4 § 1 ENeuOG zum 1.1.1996; so bis158

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Zugleich macht das Gericht deutlich, daß die zahlenmäßige Beschränkung der Taxen das Mittel zur Verwirklichung dieses Zieles ist, also: bessere Verkehrsbedienung durch weniger Taxen. Läßt man die grundsätzlichen Zweifel an der Behauptung vorerst außer acht, daß eine größere Anzahl Taxen eine schlechtere Versorgung oder, wie das BVerwG formuliert, "Verkehrsbedienung" verursachen soll, so fallt auch eine Veränderung der an das Gewerbe gestellten Ansprüche auf. Durfte ein neu zuzulassendes Unternehmen ursprünglich nur den Interessen des öffentlichen Verkehrs nicht zuwiderlaufen, 160 muß nun darauf geachtet werden, daß es der "bestmöglichen Bedienung" des Verkehrs nicht im Wege steht. Die Ansprüche sind gestiegen, der vom BVerfG beschriebene "mehr oder weniger breite Grenzbereich, innerhalb dessen trotz an sich zureichender Verkehrsbedienung noch neue Unternehmen ohne Gefahr für den Bestand des Berufes im ganzen zugelassen werden können", hat sich verringert. Zugleich macht sich der Perspektivenwechsel bemerkbar, denn das BVerfG beschrieb einen Negativtatbestand -soviel Taxen zulassen, bis eine Gefahr sichtbar wird-, das BVerwG dagegen verwendet eine Positivformulierung -soviel Taxen zulassen wie "zur bestmöglichen Bedienung" erforderlich sind- und zieht den Grenzstrich damit schon viel früher. 161 Die Konsequenz der bundesverwaltunsgerichtlichen Auffassung besteht darin, daß neue Taxen dann nicht mehr zuzulassen sind, wenn in der Bevölkerung kein Verlangen nach weiteren Taxendienstleistungen mehr besteht, weil die Bürger bereits bestens versorgt sind. Wechselt man im vorhergehenden Satz das Wort "Verlangen" gegen das Synonym "Bedürfiiis" aus, dann zeigt sich die Gefährlichkeit der Argumentation. 162 Besonders auffallig ist der Kunstgriff, mit dem das Bundesverwaltungsgericht schließlich in einer langen Kausalkette die "öffentlichen Interessen" an der zahlenmäßigen Begrenzung der Taxen mit den "Interessen an der Verkehrssicherheit" gleichsetzt:

lang auch in 4.1 der Allgemeinen Grundsätze zur Durchführung und Neuregelung des Taxi- und Mietwagenverkehrs. 160 §9 Abs. 1 PBefG 1934. 161 Bemerkenswert ist die Bezugnahme des BVerwG auf den Willen des Gesetzgebers und eine eigene Entscheidung (E 79, 208, 210). Wie oben gezeigt wurde, hat der Gesetzgeber die Begründung des BVerfG-Urteils von 1960 schlicht übernommen. Bei der Durchsicht dieser Entscheidung und auch der von BVerwGE 79,208,210 zeigt sich, daß keines der beiden Gerichte den Grund für eine Ablehnung weiterer Zulassungen in einer Gefahr für die "bestmögliche Befriedigung" des Verkehrs gesehen hat. Die Ausführungen des BVerwG entsprechen deshalb eher einer verdeckten "Rechtsfortbildung". 162 Vgl. BVerfGE 11,168,188 ff. (zur Bedürfiiisprüfung).

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"Der Gesetzgeber schützt, wie ausgeführt, die Funktionsfahigkeit des örtlichen Taxengewerbes mit dem Ziel einer möglichst guten Bedienung des individuellen öffentlichen Verkehrs in Ergänzung vor allem zu dem öffentlichen Linienverkehr. Zur Annahme einer Bedrohung der Funktionsfähigkeit dieses jedermann zugänglichen Verkehrsangebotes genügt deshalb eine von der Behörde konkret zu belegende Gefahr, daß die Erteilung weiterer Genehmigungen zu schwerwiegenden Mängeln in der Verkehrsbedienung durch Taxen führen kann, etwa derart, daß die Existenzfähigkeit von Betrieben allgemein nur unter übermäßiger, die Verkehrssicherheit gefährdender Einsatzzeit der Fahrer oder nur unter Einsatz unterbezahlter Gelegenheitsfahrer mit ähnlichen Gefahren für die Verkehrssicherheit oder die ansonsten zuverlässige Verkehrsbedienung gesichert werden kann."163 Sowohl das BVerfG als auch das BVerwG 164 hatten übereinstimmend festgestellt, daß Sparmaßnahmen konkurrenzbedrohter Unternehmer bei der Betriebssicherheit ihrer Fahrzeuge und eine dadurch verursachte Gefahrdung der Verkehrsteilnehmer nicht durch eine zahlenmäßige Beschränkung der Droschken, sondern durch laufende Überprüfungen und Ausübungsregelungen zu gewährleisten sei. Das Bundesverwaltungsgericht des Jahres 1989 stellt auf Sparmaßnahmen der Unternehmer in personeller Hinsicht ab (übermäßige Einsatzzeiten bzw. Einsatz unterbezahlter Gelegenheitsfahrer), sieht darin Gefahren für die Verkehrssicherheit , die wiederum schwerwiegende Mängel der Verkehrsbedienung verursachen und also auch eine Gefahrdung der Funktionsfahigkeit bedeuten. Diese Argumentation bedeutet faktisch einen Rückschritt in die Zeit vor 1954 und kommt einer "Bankrotterklärung der staatlichen Verkehrsaufsicht" gleich. 165 Denn die Arbeitszeitverordnung (AZO), die Ausführungsverordnung hierzu (AVAZO) und die Verordnung über die Beschäftigungszeiten im Straßenverkehr enthalten genaue Bestimmungen über die von den Fahrern eines Taxis einzuhaltenden Fahrzeiten. Neue Unternehmer nicht zuzulassen, um zu gewährleisten, daß sich die im Beruf Tätigen an die gesetzlichen Vorschriften 163 BVerwGE 82, 295, 302; Bidinger (NZV 1990, 339) meint hierzu: "Die immer vom Taxigewerbe vorgebrachten Argumente, dieser Teil des ÖPNV müsse -im Gegensatz zu den Großraumverkehrsmitteln des ÖPNV- erst "sterben", ehe ihm geholfen werden könne, hat damit im Ergebnis in der höchstrichterlichen Rechtsprechung gebührende Beachtung und die entsprechende verfassungskonforme Lösung gefunden." 164 BVerwGE 1, 92, 94; 1, 165,166; BVerfGE 11,168,189: "[...] einer Vernachlässigung der Sicherheitsvorschriften durch einen stark konkurrenzbedrohten Droschkenuntemehmer kann und muß durch eine entsprechende Überwachung vorgebeugt werden." 165 Das Zitat ist einer Erklärung des Klägers in BVerfGE 11, 168, 177 entliehen, der sich damit auf denVortrag des Verkehrsministers bezog, die Verkehrsaufsicht könne die Verkehrssicherheit nicht ohne objektive Zulassungsschranken gewährleisten.

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halten,· bedeutet, ein Versagen der behördlichen Überwachung einzugestehen. Werden Lücken in den Vorschriften zur Arbeitszeit geltend gemacht, sind diese zu schließen,166 alles andere entspricht einer evidenten Verkennung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Außerdem sind Verstöße gegen Berufspflichten durchaus nicht immer die Folge von wirtschaftlichen Notlagen. Das BVerfG stellte dazu bereits 1958 fest: "Häufig werden sie [Pflichtverletzungen] von Berufs angehör igen in gesicherten Positionen aus Gewinnsucht begangen" 167 Die Argumentation des BVerwG ist zudem in sich selbst unzutreffend. Zum einen dürfte eine Unterbezahlung der Fahrer wegen des allgemeinen Fahrermangels in der Praxis kaum vorkommen, 168 zum anderen ist es schwer nachzuvollziehen, daß unterbezahlte Gelegenheitsfahrer generell "ähnliche Gefahren für die Verkehrssicherheit" bedeuten sollen wie "übermäßige Einsatzzeiten von Fahrern". Dabei ist nicht zu vergessen, daß auch ein Großteil der Unternehmer ohne längere Fahrpraxis in den Beruf einsteigt, dies ganz einfach deshalb, weil die subjektiven Voraussetzungen keine höheren Anforderungen stellen. Sollte darin generell eine Gefahr für die Verkehrssicherheit gesehen werden, können § 13 Abs. 1 PBefG bzw. die Berufszugangs-VO entsprechend ergänzt werden, z.B. durch einen längeren Beschäftigungsnachweis als Fahrer. 169

166

Die Arbeitszeitregelungen gelten nicht für aushelfende Studenten und den selbstfahrenden Unternehmer. Dieser kann im Gegensatz zu seinem angestellten Fahrer also durchaus 16 bis 20 Stunden täglich fahren. Demgegenüber darf die regelmäßige Arbeitszeit eines angestellten Fahrers werktäglich 8 Stunden nicht übersteigen. Die Arbeitsschicht darf mit Pausen 12 Stunden nicht übersteigen. Die Lenkzeit ohne Unterbrechung darf höchstens viereinhalb Stunden betragen. Danach müssen mindestens 30 Minuten Pause eingelegt werden. Die Arbeitszeitgesetze gelten grundsätzlich auch für nebenberuflich angestellte Aushilfskräfte. Die Beschäftgungszeiten aus der Hauptbeschäftigung zählen dann zu den werktäglich erlaubten 8 Stunden Arbeit. Eine zusätzliche Nachtschicht während der Woche ist also untersagt. Es bleibt aber die Möglichkeit, bspw. am Samstag volle 8 Stunden zu fahren. 167 BVerfGE 7, 377,430. 168 In den Großstädten rüsten die Unternehmer mittlerweile ihre Fahrzeuge mit besonderen Annehmlichkeiten wie Funktelefon, CD-Player usw. aus, nicht für die Kunden, sondern um Fahrer anzuwerben, die zu 50 % und mehr am Umsatz beteiligt sind. Die Fachzeitschriften und Studentenmagazine sind voll mit Suchanzeigen von Unternehmern, z.T. bereits unter eigenen Rubriken. Abwerbungen von Fahrern sind keine Seltenheit. 169 Vgl. zum ganzen auch in: Taximagazin Nr. 3/91, Seite 6: Ohne objektive Zulassungsschranke könnten die Unternehmer fest angestelltes Pesonal nicht mehr angemessen entlohnen; BZP, Seite 6: Folge des überproportionalen Einsatzes von Fahrern sind Qualitätsmängel der Dienstleistung Taxi. Taximagazin Nr. 1/2, 1993, Seite 18: "Das Gewerbe ist beispielsweise wegen der absolut unzureichenden Einnahmesituation zu langen Schichtzeiten bis an die Grenze der jeweiligen Belastbarkeit gezwungen, was fast zwangsläufig Auswirkungen auf die Sicherheit der Kunden und Unternehmer selbst nach sich ziehen muß."

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2. Die Meinungen in der Literatur Soweit sich die Literatur überhaupt mit dem überragend wichtigen Gemeinschaftsgut im Taxengewerbe beschäftigt, geht sie zumeist nicht über ein Repetieren der Rechtsprechung, insbesondere der BVerfG-Entscheidung von 1960 hinaus. Etwas Bewegung kam im Rahmen der Taxinovelle von 1983 auf, als die Existenz- gegen die Funktionsfahigkeit ausgestauscht wurde. 170 Einige Autoren äußerten daraufhin die Auffassung, daß durch den Austausch eine Vorverlagerung der maßgeblichen Eingriffschwelle stattgefunden hätte.171 Peters ging sogar noch darüber hinaus und sah die Funktion des öffentlichen Personenverkehrs allgemein in der Erbringung vielseitiger, qualitativ guter und preiswerter Verkehrsleistungen. 172 Zu den wenigen kritischen Autoren gehören Frotscher/Becht 173, die zunächst die überragend wichtige Bedeutung des Taxengewerbes für die Allgemeinheit hinterfragten, da letztlich nur die Bequemlichkeit und der Vorteil des einzelnen Bürgers, von bestimmten Fahrzeiten und Routen unabhängig zu sein, geschützt werde und in Notfallen Feuerwehr und Krankenwagen bereitständen. Außerdem werde die "individuelle Verkehrsbedienung" in der modernen Industriegesellschaft ohnehin überwiegend durch den privateigenen Pkw-Verkehr geleistet. Die überragende Bedeutung des Gewerbes wurde schließlich darin gesehen, daß nicht jeder Bürger ein eigenes Auto besitzt und gerade für ältere oder kranke Menschen Taxen oftmals die einzige Möglichkeit bedeuteten, "Entfernungen zu überbrücken, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten oder wichtige Besorgungen zu erledigen. Feuerwehr und Krankenwagen können diese Funktion nicht übernehmen."174 Schließlich entspreche die Sicherung individueller Verkehrsbedienung durch Taxen damit auch der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für den Sozialstaat. Einen wesentlichen Unterschied zwischen der Gefahrdung der Funktionsfahigkeit des Gewerbes und seiner Existenzbedrohung vermögen die Autoren jedoch nicht auszumachen: "In beiden Fällen droht der völlige Zusammenbruch der individuellen Verkehrsversorgung. Ausschlaggebend sollte eigentlich die Funktionsfahigkeit sein. Denn ein funktionsunfähiges, aber noch

170

Die Zulässigkeit der Bedürfiiisprüfung an sich wurde schon relativ früh, nämlich im Zusammenhang mit dem oben behandelten Urteil des BVerwG (E 1, 92 ff.) von 1954 problematisiert, vgl. Abraham, in: JZ 1954, 561, 563. 171 Bidinger, PersBefR § 13 Anm. 86 c; so auch: Münz/Haselau § 13 Rn. 7 (Seite 16); Zeiselmair, Verkehrsdienst 1983, 98. 172 Peters, Seite 27, der im übrigen, auch unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit, Zweifel an der Zulässigkeit objektiver Zulassungsbeschränkungen im Taxengewerbe äußerte. 173 Frotscher/Becht, Jura 1984, 612. 174 Frotscher/Becht, Jura 1984, 612.

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existierendes örtliches Taxengewerbe kann die ihm zugedachte öffentliche Aufgabe nicht erfüllen." 175 Fromm 176 äußert Bedenken hinsichtlich des Terminus "Funktionsfähigkeit", weil diese schon dann in Frage gestellt sei, "wenn -aus welchen Gründen auch immerUnzuträglichkeiten bei der Verkehrsabwicklung, beispielsweise infolge eines Mißverhältnisses zwischen der Zahl der Standplätze und der Anzahl der Taxen auftreten - Erscheinungen mithin, die nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts durch Ausübungsregelungen bekämpft werden müssen." Demgegenüber bestehe die Quintessenz des bundesverfassungsgerichtlichen Urteils von 1960 gerade darin, daß die "Erhaltung eines funktionsfähigen Droschkenverkehrs" erst dann gefährdet sei, wenn seine Existenz durch Übersetzung auf dem Spiel stehe.177 3. Stellungnahme Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil von 1981 die vom BVerfG 1960 vorgenommene verfassungskonforme Reduktion des § 13 Abs. 4 PBefG mißachtet. Die Funktion des Taxengewerbes besteht nicht darin, die Sicherheit der eigenen Betriebe zu gewährleisten. Naheliegender wäre es gewesen, offen auf die Probleme bei der Überwachung des Gewerbes hinzuweisen dies ist ausweislich der Historie nichts neues - und auf praktikable Möglichkeiten zur Abhilfe einzugehen. Die Alternative wäre vdas offene und darlegungspflichtige Bekenntnis gewesen, daß die Verwaltung die Sicherheit der Bevölkerung ohne zahlenmäßige Begrenzung der Taxen nicht gewährleisten kann. Die Einbeziehung verkehrspolizeilicher Aspekte in die Gründe für eine jahrelange Aussperrung von Bewerbern, die selbst keine Pflichtverstöße begangen haben, war nur deshalb möglich, weil das vom BVerfG eingebrachte Schlagwort der "Funktion" des Gewerbes offensichtlich zu konturlos und damit schutzlos jeder Interpretation ausgesetzt ist. Unter dem Schutz des BVerwG haben sich die Freiheiten der anwendenden Verwaltung seit 1934 kaum verringert. 178 Die schon aus Gründen des Rechtsschutzes gebotene Eingrenzung der Norm darf angesichts der gravierenden Veränderungen im Verkehrswesen nicht lediglich in einer Rückbesinnung auf das Urteil des BVerfG von 1960 bestehen. Die Be175

Frotscher/Becht, Jura 1984, 612. Fromm, BB 1987,1340. 177 Fromm, BB 1987, 1340. 178 Vgl. auch die Kritik von Fromm, Anwaltshandbuch, Nr. 14, Rn. 3: "Die von der Rechtsprechung selbst geforderte Konkretisierung der Vorschrift hat lediglich dazu geführt, daß ein unbestimmter Rechtsbegrifif durch mehrere weitere, ebenso unbestimmte Rechtsbegriffe erläutert wird, die ihrerseits der Klärung durch die Rechtsprechung bedürfen. Sie ist dabei anscheinend überfordert." 176

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deutung des Taxengewerbes hat sich geändert, oder anders, die vom Taxengewerbe zu erfüllenden Aufgaben müssen sich ändern, damit es in seiner Gesamtheit das Prädikat "überragend wichtig" behält. a) Die "Funktionsfahigkeit des örtlichen Taxengewerbes" im Wandel Die Frage nach der Funktion des Gewerbes könnte zunächst mit seiner Betätigung beantwortet werden. Diese besteht schlicht darin, Personen von einem Ort zu einem von ihnen bestimmten anderen Ort zu befördern. Die gleiche Tätigkeit verrichten auch die Mietwagenunternehmer. Dennoch besteht an ihnen, so das BVerfG, kein überragendes Interesse der Allgemeinheit. Zur Begründung weist das BVerfG darauf hin, daß die Dienste der Mietwagen nicht öffentlich angeboten werden. 179 Allerdings sind auch die Taxiunternehmer nicht dazu verpflichtet, ihre Fahrzeuge an öffentlichen Stellen bereitzuhalten. § 47 Abs. 1 Satz 2 PBefG gestattet den Unternehmern ausdrücklich, ihre Aufträge am Betriebssitz entgegenzunehmen. Die Rechtfertigung für die ungleiche Qualifizierung der beiden Verkehrsarten ist deshalb eher in dem weiteren Hinweis zu suchen, daß die Mietwagenunternehmer bei der Ausgestaltung ihrer Verträge frei sind und insbesondere weder einer Beförderungspflicht noch einer Tarifbindung unterstehen.180 Für die Bevölkerung machen diese beiden Unternehmerpflichten in der Tat den besonderen Wert des Taxengewerbes auch gegenüber den Mietwagen aus, bedeuten sie doch für den einzelnen ein besonders hohes Maß an Sicherheit im Hinblick auf die Grundversorgung mit Beförderungsdiensten. Weshalb diese Pflichten dennoch nicht die besondere Funktion des Taxengewerbes begründen können, läßt sich am besten mit den Worten des BVerwG ausdrücken: "Diese Beschränkungen sind Rahmenbedingungen des Taxengewerbes, die jeder Taxenunternehmer, der sich für diesen Beruf entscheidet, vorfindet und mit dem Antrag auf Zulassung zu ihm in Kauf nimmt. Es wäre widersprüchlich, nach Zulassung zu dem Beruf eine Zulassungssperre für weitere Bewerber, die sich denselben Rahmenbedingungen zu unterwerfen bereit sind, mit der Begründung zu beanspruchen, diese Rahmenbedingungen erforderten einen Ausgleich durch Beschränkung des Angebots an Beförderungsleistungen im Taxenverkehr." 181 Die "überragend wichtige" Bedeutung des Taxengewerbes gründet demnach nicht auf einer besonderen Tätigkeit oder Verpflichtung der Unternehmer. Der Blickwinkel ist hier ein globaler, der über die Einzelbetrachtung des Gewerbes hinausgeht und auf ordnungspolitische Aspekte zielt. Historisch betrachtet war 179 180 181

BVerfGE 11, 168,187. BVerfGE 11,168,187. BVerwG vom 15. 8. 1988, in BVerwGE 79,208, 212.

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das Taxengewerbe immer Teil eines Verkehrskonzeptes, das den Bürgern ermöglichen sollte, sich auch ohne eigene Fortbewegungsmittel von einem Ort zum anderen zu begeben. Die Verkehrsmittel dienten in ihrer Gesamtheit der Daseinsfürsorge, weil sich nur durch sie das Grundbedürfiiis nach freier Fortbewegung realisieren ließ. Da es im 18. Jahrhundert nur zwei Verkehrsarten gab, war die Aufgabenverteilung von Beginn an eindeutig, - die Droschken übernahmen alle Beförderungen im innerstädtischen Bereich und der Linienverkehr führte die Überlandtransporte aus.182 Wegen der zunehmenden Ausdehnung der Städte und des Anwachsens ihrer Bevölkerung mußte der Linienverkehr sukzessive auch Fahrten innerhalb der Städte übernehmen. Die Linien wurden nach und nach immer besser ausgebaut, so daß sich die Rollen bald verkehrten, die Droschken ergänzten nun den innerstädtischen Linienverkehr. Genau darin erblickte das Bundesverfassungsgericht dann 1960 die besondere Funktion der Droschken. 183 Denn diese gewährleisteten den Bürgern die Möglichkeit, zu jeder Tages- und Nachtzeit an jeden Ort in der Stadt gebracht zu werden. Dabei handelte es sich durchaus nicht um ein Luxusgut. Denn der Linienverkehr konnte nur eine gewisse Grundversorgung der Bevölkerung sicherstellen. So war es zwar tagsüber regelmäßig möglich, mit Bussen und in den Großstädten auch mit U- und S-Bahnen jeden Ort innerhalb der Stadt zu erreichen. Andererseits erforderte dies einen hohen Zeitaufwand und u.U. das Zurücklegen längerer Fußwege. Die Benutzung eines Taxis bedeutete nicht nur eine hohe Zeitersparnis für den Fahrgast und die Möglichkeit, Gepäck transportieren zu lassen, bestimmte Bevölkerungsgruppen, vor allem ältere oder behinderte Menschen, waren auf die Beförderung von Haustür zu Haustür geradezu existenziell angewiesen. Für die Allgemeinheit wurde das Taxi darüber hinaus schon deshalb unverzichtbar, weil der Linienverkehr zu bestimmten Zeiten, vor allem in den Nachtstunden, die Beförderung ganz einstellte. Wer dann noch größere Strecken zurücklegen mußte, war allein auf die Taxifahrer angewiesen. Das grundsätzliche Problem des Taxengewerbes besteht darin, daß es einerseits den Linienverkehr ergänzen soll, andererseits aber in zunehmendem Maße von diesem selbst ersetzt zu werden droht. Die Betreiber des Linienverkehrs haben es nicht bei der klaren Rollenverteilung belassen, sondern ihr Betätigungsfeld in jeder Hinsicht immer weiter ausgedehnt. Damit sind sie zwangsläu-

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Dazu oben, 1. Kapitel. Das BVerfG stellte zwar auf die "Existenz- und Funktionsfähigkeit" des Droschkengewerbes ab, die "überragend wichtige Bedeutung" des Gewerbes besteht jedoch nicht in seiner Existenz schlechthin, sondern resultiert für das Gericht aus der Fähigkeit, die Lücken in der Verkehrsversorgung zu schließen. Die Existenz der Droschken wird nur um dieser Funktion willen geschützt. Fiele der Versorgungsaspekt für die Allgemeinheit weg, wäre die Existenz des Gewerbes auch nicht mehr von überragend wichtiger Bedeutung. 183

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fig in Regionen vorgestoßen, die früher allein den Taxen vorbehalten waren. 184 Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, daß die Netze des ÖPNV vor allem in den Großstädten immer dichter werden. Für die Versorgung der Bevölkerung bedeutet dies konkret: Kürzere Beförderungsdauer durch die Benutzung von Sonderspuren auf den Straßen, geringe Wartezeiten infolge hoher Taktfrequenz, kürzere Fußwege wegen der Einrichtung zusätzlicher Haltestellen und Linien, dadurch auch keine unfrequentierten Gebiete mehr innerhalb der Stadt und in zunehmendem Maße auch die Möglichkeit, einen Nachtverkehr in Anspruch zu nehmen. Das Taxengewerbe hat es umgekehrt nicht vermocht, seinen Aufgaben- und Tätigkeitsbereich auch nur annähernd so stark zu erweitern und neue Zielgruppen anzusprechen. Wegen der größtenteils identischen Zielgruppe besteht die logische Konsequenz darin, daß die Bedeutung des Taxengewerbes für die Daseinsvorsorge im gleichen Maße abnimmt wie die Bedeutung und Attraktivität des Linienverkehrs zunimmt. 185 Eine ganz andere, eher aus der Gegenrichtung kommende gesellschaftliche Entwicklung hat ebenfalls gravierende Auswirkungen auf das Taxengewerbe: Die extreme Zunahme des Individualverkehrs. Denn der Besitz eines eigenen Pkw hat im Regelfall immer noch zur Folge, daß die Inhaber weitestgehend auf die Benutzung des Linienverkehrs und erst Recht auf die Inanspruchnahme der wesentlich teureren Taxen verzichten. Das Taxengewerbe läuft bei dieser zunehmenden Polarisierung zwischen ÖPNV und Individualverkehr Gefahr, sein eigenes Profil zu verlieren, ersetzt zu werden und von dem Status der "unverzichtbaren Ergänzung" abzurutschen auf die Stufe einer lediglich "bequemeren Alternative". Juristisch betrachtet steht am Endpunkt dieser Entwicklung der Verlust des Prädikats "überragend wichtiges Gemeinschaftsgut" und der Übergang zum "wichtigen Gemeinschaftsgut" oder sogar zur "vernünftigen Gemeinwohlerwägung". Beides vermag die Einschaltung einer objektiven Zulassungsschranke zu seinem Schutz dann nicht mehr zu rechtfertigen.

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Als Beispiel kann die Entwicklung in München dienen. Die S-Bahn vom neuen Flughafen in die Stadt verkehrt rund um die Uhr etwa alle 20 Minuten für einen Preis von rund 10,- DM. Die gleiche Fahrt kostet mit dem Taxi ca. 90,- DM. Fluggäste benutzen deshalb größtenteils diese S-Bahn oder die sehr gut ausgestatteten Mietwagen mit Chauffeur, die oft auch noch günstiger sind als Taxen. 185 Nieße, Seite 8, beschreibt diese Entwicklung auf Berlin bezogen folgendermaßen: "Aber uns bedroht nicht nur die Rezession, sondern auch eine zunehmende Konkurrenz. Bisher waren Messen und Ausstellungen Höhepunkte für unser Gewerbe. Inzwischen fahren wir nur noch einen kleinen Teil der Besucher. Zunehmend übernehmen Busse, Fahrdienste, Hotel- und Messeshuttles das Geschäft. [...] Mit konzessionsrechtlichen Maßnahmen läßt sich die Konkurrenz auf Dauer nicht zurückdrängen."

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Daß diese Entwicklung bereits in Gang gesetzt wurde, kann dem Ergebnis einer 1991 durchgeführten Marktuntersuchung zu Taxi-Nutzungsgewohnheiten entnommen werden. 186 Darin nannten lediglich 38,9 % der Befragten das Fehlen anderer Nahverkehrsmittel als Anlaß für die Benutzung eines Taxis und dies auch nur bezogen auf die Nachtstunden. Aus Sicht der anderen 61,1 % waren die Taxen also nicht notwendig, um Versorgungslücken zu schließen, m.a.W., nach den Erfahrungen dieser Personen gab es solche Lücken auch nicht. Der am häufigsten genannte Grund für die Benutzung eines Taxis war der vorherige Konsum von Alkohol. Auf die Frage "Was schätzen Sie besonders am Taxifahren" bezog sich lediglich ein Zehntel der Befragten auf die "jederzeitige Verfügbarkeit" der Taxen. Im Umkehrschluß: Für 90 % der Befragten war die Möglichkeit, jederzeit von einem Taxi befördert zu werden, nicht relevant. Die mit Abstand häufigste Antwort (24,7 %) lautete ganz anders: Wegen des Komforts. In der Quintessenz bestätigt das Untersuchungsergebnis die Veränderung in der Funktion der Taxen, weg vom "zur Schließung von Versorungslücken unverzichtbaren Verkehrsmittel" in Richtung auf "die bequemere Alternative" neben anderen Fortbewegungsmöglichkeiten. Damit stellt sich die Frage, ob das Taxengewerbe für die Verkehrsbedienung der Allgemeinheit immer noch von "überragend wichtiger Bedeutung" ist. Die Antwort könnte in dem Umstand liegen, daß sich auch die Ansprüche in der Gesellschaft verändert haben. Das Taxi garantiert von allen Verkehrsträgern die größte Mobilität; das bedeutet Zeitersparnis und dies ist heute so wichtig wie nie zuvor. Doch auch in dieser Hinsicht ist das Taxi für das Gros der Bevölkerung nicht besonders wichtig. Nach dem Ergebnis der oben angesprochenen Untersuchung war "Zeitnot" nur für rund 15 % der Befragten ein Anlaß, das Taxi zu benutzen. Die Antwort auf die Frage nach der überragenden Bedeutung der Taxen kann nach alledem nicht mehr in einer Einzigartigkeit ihrer Leistungen gesehen werden. Selbst in Bereichen, in denen der Transport von Haus zu Haus von existenzieller Bedeutung ist, etwa für ältere oder kranke Menschen, können Taxen mittlerweile durch eine Vielzahl privater und öffentlicher Krankentransportdienste und vor allem durch die Mietwagen ersetzt werden. 187

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Auszugsweise in Taximagazin Nr. 3/91, Seite 13. Mietwagenunternehmen bieten darüber hinaus die Vorteile, Sonderkonditionen einzuräumen, - etwa bei Vielfahrer, und auf Wunsch immer den selben, u.U. bekannten Fahrer vermitteln zu können. Letzteres ist gerade für ältere Menschen ein wichtiger Gesichtspunkt, den die Taxen zum großen Teil nicht mehr erfüllen können. Denn Funkzentralen vermitteln auf die Bestellung hin nicht einen bestimmen Unternehmer bzw. Fahrer, sondern das Fahrzeug, das den kürzesten Weg zurücklegen muß. 187

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Die Taxiunternehmer haben sich bisher auf die Bedienung eines ganz bestimmten, relativ kleinen Teils der Bevölkerung beschränkt, lange Wartezeiten für die Wenigen in Kauf genommen, die bereit sind, die hohen Preise zu zahlen und haben dabei das Gros der Bevölkerung außen vor gelassen. Mittlerweile sind sie von der Konkurrenz der anderen Verkehrsarten auf eigenem Terrain eingeholt worden. 188 Die Zukunft der Taxen kann deshalb nur in der Erschließung einer ganz neuen Zielgruppe liegen, nämlich derjenigen, die bisher auch den Linienverkehr nicht oder nur selten nutzten. Damit sind diejenigen gemeint, die nach wie vor eine Fahrt mit dem eigenen Auto in der Stadt einer Benutzung des Linienverkehrs vorziehen. In dieser Zielsetzung liegt zugleich die neue Funktion der Taxen, nämlich in Konkurrenz mit dem Individualverkehr in den Innenstädten zu treten und diesen langfristig so weit wie möglich zu ersetzten. An der Bedeutung dieser Aufgabenstellung kann nicht zweifeln, wer die Entwicklung der letzten Jahre verfolgt hat. 189 Der Linienverkehr ist günstig, aber im Vergleich zum eigenen Pkw zu unflexibel. Die Taxen dagegen haben alle Vorteile, die der eigene Pkw auch bietet - und noch einige mehr -, 1 9 0 werden aber deshalb nicht entsprechend genutzt, weil sie für Vielfahrten zu teuer sind. Die Taxiunternehmer wiederum verlangen hohe Preise, weil sie sich mit einem sehr geringen Ausnutzungsgrad zufriedengeben. Im Verhältnis zur Dauer der eigentlichen Beförderung sind die Standzeiten sehr lang. Die große Schwäche des bisherigen Systems liegt auch und vor allem darin, daß die Unternehmer ausschließlich Exklusivtransporte durchführen. Die Taxinutzer müssen also immer den vollen Streckenpreis bezahlen, und der ist ihnen eben zu hoch. Die Lösung liegt in dem Stichwort "share-ride-system". Dahinter verbirgt sich die Durchführung von Sammelbeförderungen in Großraumtaxen zu wesentlich günstigeren Preisen für die Benutzer. 191 Diese neue Form der Taxendienste nähert sich einerseits - unter quantitativen Aspekten - dem Linienverkehr an, behält aber andererseits die Vorteile des "alten Taxis", nämlich Mobilität und Flexibilität. Diese Entwicklung zeigt, daß die herkömmlichen Taxendienste zukünftig nicht mehr die gleiche Bedeutung haben wird wie bisher. Der Gesetzgeber scheint die sich abzeichnende Differenzierung bei der Wertigkeit von Taxendiensten bereits in den Änderungen des PBefG zum 1.1.1996 berücksich-

188 Nieße, Seite 8, zur Situation des Gewerbes in Berlin: "Wir werden immer öfter feststellen, daß wir für die Kunden, die uns bleiben, zu viele Taxen sind." 189 Als Stichworte mögen genügen: Smogentwicklung, Ozonanstieg, Gesundheitsschädigung, Umweltschutz, partielle und temporäre Fahrverbote, generell autofreie Innenstädte, Parkraumnot, usw. 190 Zu den Vorteilen gehören insbesondere die wegfallende Parkplatzsuche - die in Großstädten nicht selten mehr als eine halbe Stunde dauern kann - und die schnellere Fortbewegung auf gesonderten Taxenspuren. 191 Vgl. den Modellvorschlag von Nieße, Seite 8 ff.

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tigt zu haben. Unter Bezugnahme auf den Linienverkehr heißt es dort in dem neuen § 8 Abs. 2 PBefG: "Öffentlicher Personennahverkehr ist auch der Verkehr mit Taxen oder Mietwagen, der eine der in Absatz 1 genannten Verkehrsarten ersetzt, ergänzt oder verdichtet." Das BVerfG hatte 1960 erklärt, die überragend wichtige Funktion des gesamten Taxengewerbes bestehe in der Ergänzung des Linienvekehrs. Der Gesetzgeber von 1993 nimmt dagegen eine Differenzierung vof, denn im Umkehrschluß ist § 8 Abs. 2 PBefG 1996 zu entnehmen, daß es eben auch Taxen gibt, die den Linienverkehr nicht ersetzen, ergänzen oder verdichten. 192 Noch deutlicher wird die Unterscheidung durch den neuen § 8 Abs. 1 Satz 1 PBefG, der eine Definition des ÖPNV enthält: "Öffentlicher Personennahverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen." Da § 8 Abs. 2 PBefG n.F. nur einen Teil der Taxen in den ÖPNV einbezieht, wird im Kontext mit § 8 Abs. 1 Satz 1 PBefG n.F. deutlich, daß die übrigen eben nicht dazu bestimmt sind, "die Verkehrsnachfrage [...] zu befriedigen." Danach ist die Ausgrenzung aus dem ÖPNV für die betroffenen Unternehmer gleichbedeutend mit dem Wegfall der überragend wichtigen Bedeutung für die Allgemeinheit. 193 Sie werden damit faktisch auf die gleiche Stufe gesetzt, auf der bisher das gesamte Mietwagengewerbe stand. Unabhängig von der Frage, mit welchen Mitteln und Verfahren diese Differenzierung zukünftig durchzuführen sein wird, kann im Ergebnis festgestellt werden: 192 Nach einer Äußerung von Bidinger haben sich die Bundesländer heftig gegen eine generelle Einbeziehung der Taxen und Mietwagen in den ÖPNV gewehrt. Der zukünftige § 8 a PBefG beziehe sich deshalb wohl nur auf Ruftaxis, Anrufsammeitaxis, Linientaxis und Nachttaxis. Durch die Einbeziehung dieser Taxen und Mietwagen in den Linienverkehr werde im Ergebnis dem Mobilitätsbedürfhis der Bevölkerung auch in Räumen und Zeiten schwacher Verkehrsnachfrage entsprochen, NZV 1994, 212. Mit dem Hinweis, daß der Taxiverkehr (wohl "insgesamt") schon nach der bisherigen h.M. wegen seiner Ergänzungsfunktion dem ÖPNV zuzurechnen gewesen sei: Fromm, TranspR 1994,426. 193 Der praktische Nutzen dieser Unterscheidung dürfte darin liegen, daß zukünftig einige Unternehmer, nämlich solche mit zukunftsträchtigen Betriebsgestaltungen, wie z.B. dem Sammeltaxidienst (share-ride-system), o.ä., besonders gefördert werden, denn die Erfahrungen in den USA haben gezeigt, daß echte Veränderungen im Dienstleistungsangebot der Taxen regelmäßig wegen des damit verbundenen finanziellen Risikos scheitern, welches das Gros der Kleinunternehmer nicht bereit ist einzugehen.

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Die Teile des Taxengewerbes, die ab dem 1.1.1996 gemäß § 8 Abs. 2 PBefG n.F. dem ÖPNV angehören, gelten im Hinblick auf den zukünftigen Funktionswandel auch weiterhin als "überragend wichtiges Gemeinschaftsgut". Die Anwendung des § 13 Abs. 4 PBefG zum Schutz der nicht in den ÖPNV integrierten Taxen ist dagegen verfassungswidrig. Denn bei ihnen handelt es sich nicht um "überragend wichtige Gemeinschaftsgüter". 194 Die Frage, ob oder inwieweit es überhaupt notwendig ist, das Taxengewerbe durch eine zahlenmäßige Begrenzung zu schützen, ist Gegenstand der folgenden Erörterungen unter II. Da in der öffentlichen Diskussion um einen Wegfall des § 13 Abs. 4 PBefG immer wieder auf die Negativfolgen für andere Rechtsgüter als die Funktionsfahigkeit des Taxengewerbes hingewiesen wird, ist deren Stellenwert ebenfalls einer Prüfung zu unterziehen. 195 b) Die Verkehrssicherheit Die Gewährleistung der Verkehrssicherheit war und ist eines der Hauptargumente für die Regulierung des Verkehrs, 196 insbesondere die zahlenmäßige Begrenzung der Taxen. Eine Gefährdung des Verkehrs durch den freien Zugang zum Taxengewerbe wurde sowohl vom Gesetzgeber diskutiert, 197 als auch von der Exekutive immer wieder behauptet.198 Die dort eher abstrakt gehaltenen Befürchtungen wurden von Seiten des Taxengewerbes eindrucksvoll konkretisiert: "Die Sicherheit von Fahrgästen und Taxifahrern wird durch die dann unausweichliche Überalterung der Fahrzeuge erheblich verringert." 199 Auf euro-

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Letztlich wird es also ein Nebeneinander von Taxen mit "neuem" und "herkömmlichem" Dienstleistungsangebot geben. Die zweite Kategorie wird mittelfristig eine neue Gruppe zusammen mit den bisherigen Mietwagen bilden, denn nach dem oben Gesagten gibt es keine Rechtfertigung für eine Aufrechterhaltung der künstlichen Differenzierung. 195 Zur Notwendigkeit einer genauen Abgrenzung von Gemeinwohl- und Partikularinteressen, Ipsen, JuS 1990, 634, 636; Czybulka, NVwZ 1991,145,146. 196 Vgl. etwa: Monopolkommission, Nr. 856, Seite 324. 197 Entwurf eines Personenbeförderungsgesetzes, BT. Drucks. 255 vom 8. 3. 1958, Seite 27: "Die Zulassung von Verkehrsunternehmen über das öffentliche Verkehrsbedürfhis hinaus würde zu einer Vernichtungskonkurrenz zwischen den Verkehrsunternehmen führen und die Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Verkehr gefährden und schließlich beseitigen." 198 Hierzu insbesondere BVerfGE 11,168,175. 199 Taximagazin Nr. 3/91, Seite 6; BZP, Seite 6. In einem offenen Brief an die Ministerpräsidenten der fünf neuen Bundesländer warnte das Gewerbe, durch das Fehlen quantitativer Zulassungsbeschränkung sei vor allem die Sicherheit für die Benutzer der Taxen betroffen, denn durch die Suspendierung des § 13 Abs. 4 PBefG bis zum 31. 12. 1992 könne kaum ein Unternehmer seinen Betrieb ordnungsgemäß führen bzw. aufbauen. Taximagazin Nr. 4/91, Seite 14. Vgl. auch Taximagazin Nr. 1/2, 1993, Seite 18:

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päischer Ebene werden derartige und andere Äußerungen sichtbar ernst genommen, wenn die Kommission resümiert: "Die Liberalisierung des Marktes zu einem Zeitpunkt, wo die Nachfrage infolge eines rückläufigen Wirtschaftswachstums ruht, setzt alle - vor allem die kleinen - Betreiber, unabhängig davon, ob sie ihren eigenen Kundenstamm haben oder als Subunternehmer auftreten, wachsendem Wettbewerbsdruck aus. Dermaßen unter Druck gesetzt, halten sich sowohl Betreiber als auch Fahrer immer weniger an die vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten."200 Läßt man einmal die Zweifel außer acht, ob durch eine restriktive Vergabepraxis tatsächlich die Verkehrssicherheit erhöht werden kann, 201 bedarf es in diesem Zusammenhang lediglich einer Erinnerung an die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung. Diese hat seit jeher betont, daß solcherart Gefahren durch Überwachungs- und Berufsausübungsmaßnahmen bewältigt werden können und müssen, nicht aber durch eine unterschiedslose Aussperrung voll qualifizierter Bewerber. 202 Unter Berufung auf entsprechende Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts im Apothekenurteil 203 stellte das Bundesverwaltungsgericht im Kodein-Urteil fest, daß die vom Betäubungsmittelverkehr ausgehenden Gefahren nicht die Aufrechterhaltung der Bedürfhisprüfung zu rechtfertigen vermöge und Lücken bei der gesetzlichen Kontrolle nur durch Maßnahmen des Gesetzgebers zu beseitigen seien.204 Da Vorschriften sowohl über den technischen Zustand der Fahrzeuge als auch über Qualifikation der Fahrer und der Arbeitszeiten existieren, kann es somit nur auf deren Durchsetzung durch die Behörden ankommen. Der erhöhte Aufwand in finanzieller oder personeller Hinsicht ist kein zulässiges Argument für den Ausschluß voll qualifizierter Bewerber.

"Das Gewerbe ist beispielsweise wegen der absolut unzureichenden Einnahmesituation zu langen Schichtzeiten bis an die Grenze der jeweiligen Belastbarkeit gezwungen, was fast zwangsläufig Auswirkungen auf die Sicherheit der Kunden und Unternehmer nach sich ziehen muß." 200 Kommission 1993, Seite 58, Nr. 276 sowie Seite 44, Nr. 185 ff.; s.a. Wissmann, Seite 186. 201 Kritisch: Deregulierungskommission, Teil 1, Ziff. 168 (46); König, Seite 387; s.a. BVerfGE 7, 377,430 (bb). 202 BVerfGE 7, 377, 430; 11, 168, 189; BVerwGE 1, 92, 94; BVerwG vom 15. und 17.12.1953, DVBL. 1954, 360 bzw. NJW 1954,1013. 203 BVerfGE 7, 377,405. 204 BVerwGE 8, 121, 126. Nach Meinung des Verkehrsministers - wiedergegeben in BVerfGE 11, 168, 175 f. - herrschen im Taxengewerbe allerdings andere Verhältnisse: "Anders als im Apothekenwesen ließen sich im gewerblichen Straßenverkehr die hier drohenden Gefahren nicht durch verstärkte Kontroll- und Aufsichtsmaßnahmen bannen."

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c) Die Ordnung im Taxenverkehr Der Aspekt der "Ordnung im Verkehr" und insbesondere im Taxengewerbe zielt in die gleiche Richtung wie die Verkehrssicherheit. Eine Gefahrdung der Verkehrsordnung wurde entweder mit der Bedrohung der Verkehrssicherheit gleichgesetzt oder zumindest als ein ihr unmittelbar vorgelagtertes Stadium betrachtet. Allerdings hat die Bedeutung des Terminus "Ordnung im Verkehr" einen auffalligen Wandel durchgemacht. Denn während das Argument bis zur Entscheidung des BVerfG von 1960 darauf zielte, daß eine starke Expansion des Taxengewerbes die Ordnung im Gesamtverkehrswesen stören werde, 205 hieß es danach, das Taxengewerbe selbst geriete durch eine unbegrenzte Vermehrung in Unordnung. Der dem Argument beigemessene Stellenwert wird in den Allgemeinen Grundsätzen der Exekutive deutlich, wo es unter 4.1 heißt, daß der Begriff der "Existenzfahigkeit" des örtlichen Taxengewerbes auf die ausreichende und (!) ordnungsgemäße Bedienung des Taxenverkehrs abstelle. Auch der VGH München spricht in einem Beschluß aus dem Jahr 1991 davon, daß die Begrenzung der Konzessionen durch § 13 Abs. 4 PBefG aus "ordnungspolitischen Gründen" notwendig sei. 206 Die Vertreter des Gewerbes weisen darauf hin, daß es ohne zahlenmäßige Begrenzung noch mehr Fahrer geben werde, die aufgrund fehlender Halteplätze in zweiter Reihe parken müßten, was zu entsprechenden Behinderungen des Verkehrs führe. 207 Sollte gleichzeitig auch die starre Tarifbindung zugunsten der Vorgabe von Höchstpreisen wegfallen, so bedeute dies "Unregelmäßigkeiten bei der Fahrpreisberechnung" und eine massive Störung der Verkehrsordnung durch den offenen Konkurrenzkampf der Fahrer. 208 Diese Argumente verdeutlichen wiederum die mangelnde Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Denn das BVerfG hat in seiner Entscheidung 1960 ganz klar ausgesprochen, daß Auswirkungen der hier vorgetragenen Art 2 0 9 allein durch Beschränkungen auf subjektiver Ebene und erforderlichenfalls auch strengen Überwachungsmaßnahmen zu begeg-

205

Vgl. in BVerfGE 11,168,174 f. VGH München, (unveröffentlichter) Beschluß vom 5. 8. 1991, - 11 Β 91.1801 -, bei Bidinger, NZV 1992, 346. 207 BZP, Seite 6; Taximagazin Nr. 1/2,1993, Seite 18. 208 Taximagazin Nr. 3/91, Seite 6; BZP, Seite 7. 209 Das Polizeipräsidium von Mahnheim hatte damals - nachzulesen in BVerfGE 11, 168, 176 - darauf hingewiesen, daß es wegen der nicht praktizierten zahlenmäßigen Beschränkung der Taxen zu einem Verkehrschaos komme, dem die Polizei kaum wirksam begegnen könne. "Die Droschkenplätze seien überfüllt gewesen; die Fahrer hätten sich vor den Lokalen aufgestellt, aus denen sie Kundschaft erwarteten, oder seien in langsamem Tempo durch die Stadt gependelt, um ihre Kundschaft im Vorbeifahren zu suchen; es sei aus Konkurrenzgründen sogar zu tätlichen Auseinandersetzungen unter den Fahrern gekommen." 206

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nen sei. Deshalb bedeutet eine Anwendung des § 13 Abs. 4 PBefG zur Sicherung der "Ordnung im Taxengewerbe" letztlich nur eine Arbeitserleichterung der Überwachungsorgane. d) Der Schutz des Mittelstandes Der Schutz der kleinen und mittelständischen Unternehmen im Taxengewerbe ist bislang untrennbar mit der Zielsetzung des § 13 Abs. 4 PBefG verbunden.210 Denn die "Funktionsfahigkeit des Gewerbes" zu schützen, bedeutet nichts anderes, als die Existenz einer Vielzahl von Betrieben zu gewährleisten. Da diese zu 80 oder 90 % aus Ein- oder Zwei-Wagen-Betrieben bestehen, wird automatisch der Klein- und Mittelstand durch die Verknappung der Konkurrenz gem. § 13 Abs. 4 PefG gesichert. 211 Aus Sicht der Allgemeinheit ist dies jedoch nicht unbedingt notwendig. Dem Fahrgast ist es gleich, ob der Fahrer ein Kleinunternehmer ist oder einem Großbetrieb angehört. Die Funktionsfähigkeit des Gewerbes ließe sich aus dieser Perspektive ebensogut durch eine überschaubare Zahl regionaler Großbetriebe gewährleisten und ist de facto nicht untrennbar mit der Existenz eines breiten Mittelstandes verbunden. Das Taxengewerbe warnt denn auch vor einer Aufhebung des § 13 Abs. 4 PBefG mit dem Hinweis auf eine "Existenzvernichtung vieler Kleinbetriebe durch Konzentration auf Großbetriebe sowie soziale Verarmung des Fahrpersonals. [...] Konzentration bedeutet weniger Wettbewerb, die Betriebspflicht wird unterlau* fen." 212 Die Kehrseite des § 13 Abs. 4 PBefG besteht allerdings darin, daß der Marktzugang "gerade für junge Nachwuchsunternehmer erschwert [wird], von denen wir am ehesten Innovations- und Risikobereitschaft erwarten können." 213 Der Schutz des alten Mittelstandes erschwert zugleich die notwendige Umstellung auf eine neue Funktion des Gewerbes, weg von der reinen Ergänzung des Linienverkehrs hin zu einer aktiven Konkurrenz und Alternative für den Individualverkehr. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber im Rahmen der allgemeinen Wirtschaftsverwaltung zwar einen größeren Spielraum eingeräumt. So könne z.B. die Erwägung, wirtschaftlich stärkere Unternehmen in ihrer Tätigkeit zu begrenzen, um im Interesse des Mittelstandsschutzes die wirtschaftlich weniger leistungsfähigen Betriebe zu erhalten, nicht beanstandet

210

Dazu auch Fromm, Personenbeförderungsrecht, Seite 231,235. Vgl. auch Storsberg ( Beihefte Seite 114 f.): "Aus verkehrspolitischer Sicht dient die geltende Marktordnung der Erhaltung und Stärkung des mittelständischen Verkehrsgewerbes." 212 Taximagazin, Nr. 3/91, Seite 6; BZP, Seite 8; AK-GG Rittstieg, Art. 12, Rn. 92, meint, daß die Berufsabschließung, also die Begrenzung der Anzahl der Berufsangehörigen aus sozialpolitischer Sicht ein Instrument des Mittelstandsschutzes sei. 2,3 Storsberg, Beihefte, Seite 115. 211

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werden. Vielmehr dürfe der Gesetzgeber durch Lenkungsmaßnahmen das freie Spiel der Kräfte korrigieren, um so die von ihm erstrebte Wirtschafts- und Sozialordnung zu erreichen. 214 Solche Hilfsmaßnahmen haben ihre Grenze jedoch bei der Einschaltung von Zulassungsbeschränkungen, insbesondere wenn es sich um den stärkst möglichen Eingriff in die Berufsfreiheit, eine objektive Schranke, handelt. Solchen Überlegungen steht auch die klare Aussage entgegen, daß Zulassungsbeschränkungen niemals zum Schutz der bereits im Beruf Tätigen vor Konkurrenz dienen dürfen. 215 Die Zahl der Taxen zu begrenzen, um den Mittelstand zu sichern, heißt aber nichts anderes, als den Schutz vor Konkurrenz in den Mittelpunkt des § 13 Abs. 4 PBefG zu stellen. In der behördlichen Praxis wird sich kaum unterscheiden lassen, ob § 13 Abs. 4 PBefG mit der Intention angewendet wird, die Funktionsfähigkeit des Gewerbes zu sichern oder um die kleinen und mittelständischen Unternehmer zu schützen. Festzuhalten ist aber, daß der Hinweis auf eine Konzentration des Gewerbes hin zu mehr regionalen Großbetrieben aus verfassungsrechtlicher Sicht kein Rechtfertigungsgrund für die Einschaltung des § 13 Abs. 4 PBefG ist. 4. Zwischenergebnis Das einzige Rechtsgut, welches die vom BVerfG an eine objektive Zulassungsbeschränkung, wie § 13 Abs. 4 PBefG, gestellten Anforderungen erfüllt, ist gegenwärtig - noch - die Existenz des Taxengewerbes an sich. Bereits heute ist nicht mehr das gesamte regionale Taxengewerbe als "überragend wichtig" für die Gemeinschaft einzustufen, sondern nur diejenigen Unternehmer, die den in § 8 Abs. 1 Satz 1 PBefG genannten öffentlichen Personenverkehr ersetzen, ergänzen oder verdichten, § 8 Abs. 2 PBefG. Mittelfristig werden allerdings nur die Taxenunternehmer von "überragend wichtiger Bedeutung" sein, die mit ihrem Angebot eine realistische Alternative zum innerstädtischen Individualverkehr bieten. II. Die nachweisbare oder höchstwahrscheinliche Gefahr Die wichtigste Frage im Zusammenhang mit § 13 Abs. 4 PBefG lautet: Ist ein Schutz des Gewerbes durch eine zahlenmäßige Begrenzung überhaupt notwendig oder anders: Ist es überhaupt möglich, daß die Existenz und Funktion des gesamten Taxengewerbes einer Region ernsthaft in Gefahr gerät, also real

214 Ständige Rechtsprechung, seit BVerfGE 4, 1, 19 (Nachtbackverbot); s.a. E 19, 101, 114; 21, 292, 299; 23, 50, 60; 37, 1, 23 f.; 39, 210, 225 f. Vgl. zur "Staatszielbestimmung" Mittel-standschutz auch Czybulka, NVwZ 1991,145,148. 215 BVerfGE 7, 377,408; 11,168,189.

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vernichtet werden kann? Die Rechtsprechung ist hier durchaus geteilter Meinung. Dabei tritt deutlich ein Unterschied hervor zwischen der Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG einerseits und der von Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten andererseits. 216 Das BVerfG hat in diesem Zusammenhang 1960 die Hypothese eines bestimmten Kausalablaufs aufgegriffen und lediglich nicht ganz ausschließen können. Das BVerwG hat die These -ohne Prüfung auf ihre sachliche Berechtigung- zum Faktum erklärt und sich zukünftig nur noch um eine Konkretisierung der einschlägigen Beurteilungskriterien und einen möglichst großen Freiraum für die Verwaltung bemüht. Die grundlegenden Entscheidungen beider Gerichte werden im folgenden dezidiert dargelegt und erörtert. Ein Teil der Unter- und Obergerichte hat die generelle Frage nach der Möglichkeit einer Existenz- und Funktionsgefahrdung der Droschken entweder nicht gestellt oder mit einem Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung beantwortet. Daneben gibt es jedoch eine Reihe von Gerichten, die sich sehr intensiv mit der Frage auseinandergesetzt haben, ob der vom BVerfG aufgezeigte und vom BVerwG zementierte Kausalverlauf tatsächlich eine reale Gefahr darstellen kann. Diese Gerichte haben sich wesentlich intensiver mit der Problematik auseinandergesetzt als die höchstrichterliche Rechtsprechung. Das BVerwG hat keines der dabei vorgetragenen Argumente jemals in einer seiner Entscheidungen berücksichtigt. Auch oder gerade deshalb werden sie hier ausführlich dargelegt. 1. Die Auffassungen in der Rechtsprechung a) BVerwGE 1, 92 ff. In der ersten einschlägigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts von 1954 spiegelte sich die allgemein herrschende Auffassung wieder, daß ein funktionierendes Wirtschaftssystem auf die dirigistischen Eingriffe des Staates und eine umfassende Wirtschaftslenkung angewiesen sei. Das Gericht begnügte sich damit, die Bedeutung des Taxengewerbes für die Gemeinschaft hervorzuheben und Schloß von dessen Schutzwürdigkeit auf seine Schutzbedürftigkeit, was wiederum die Notwendigkeit einer zahlenmäßigen Begrenzung der Droschken zu begründen schien:

216 Die Tendenz des BVerwG, den Genehmigungsbehörden einen möglichst weiten Spielraum zu verschaffen, wurde in der Literatur bereits 1961 kommentiert. So habe das BVerfG die Generalklausel des § 9 Abs. 1 PBefG a.F. zwar nicht als Freibriefe billigen Ermessens, sondern als unbestimmte Rechtsbegriffe angesehen. In praxi werde sich dadurch jedoch nicht allzuviel geändert haben, sofern es den Instanzgerichten nicht gelänge, die Zulassung der Revision zu verhindern, vgl. Heinze, NJW 1961,999,1001.

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"Sind somit die Droschken öffentliche Verkehrsmittel, die zugleich ein öffentliches Verkehrsbedürfiiis zu erfüllen haben, so muß [!] die Zulassung zum Droschkengewerbe daran gebunden werden, daß sie im Einzelfall nicht den Interessen des öffentlichen Verkehrs zuwiderläuft. Diese Interessen erfordern, daß Art und Zahl aller den öffentlichen Verkehrsbedürfiiissen dienenden Verkehrsmittel durch behördliche Planung und Lenkung aufeinander abgestimmt werden. Im Interesse des öffentlichen Verkehrs ist deshalb die Verwaltung befugt, die Zahl der zuzulassenden Droschken dem öffentlichen Verkehrsbedüfiiis entsprechend zu beschränken."217 Die Notwendigkeit der Maßnahme wird ebensowenig bezweifelt wie das Fehlen anderweitiger, gleich sicherer Alternativen. Anschließend werden die beiden Rechtsgrundlagen für die zahlenmäßige Begrenzung dann in sehr unterschiedlichem Maße gewürdigt. Während die Auseinandersetzung mit der Bedürfiiisprüfung in § 9 Abs. 2 PBefG sehr kritisch geführt wird und die einzelnen Argumente (Gefahrdung der Verkehrssicherheit etc.) aufgegriffen und einzeln bewertet werden, 218 unterbleibt eine vergleichbar Prüfung im Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 PBefG völlig. Statt dessen wurde der Verwaltung hier das Recht zugestanden, die Maßstäbe für eine Begrenzung der Taxen aus Gründen des "öffentlichen Interesses" selbst zu bestimmen. De facto konnten damit im Rahmen des § 9 Abs. 1 PBefG auch die Gesichtspunkte aus § 9 Abs. 2 PBefG übernommen werden. Dieses Zugeständnis gründet auf der Annahme, daß der Verkehrssektor einen Gesamtorganismus bildet, in dem jede Veränderung in einer Verkehrsart unmittelbar negative Folgen für eine andere verursachen könnte. Die Aufrechterhaltung der Ordnung im Verkehr erforderte also die Lenkung der einzelnen Verkehrsarten. Deshalb mußte den einzelnen Genehmigungsbehörden ein größtmöglicher Freiraum eingeräumt werden. Nicht das Taxengewerbe an sich war von größter Bedeutung, sondern die Vekehrsordnung. Entsprechende Ausführungen lauteten: "Die Beurteilung der Frage, ob im Einzelfall den Interessen des öffentlichen Verkehrs Genüge geleistet ist, richtet sich nach verkehrspolitischen und verkehrswirtschaftlichen Gesichtspunkten. Sie liegt deshalb im Ermessen der Verwaltung. Bei dem Begriff "Interessen des öffentlichen Verkehrs" versagen objektive Maßstäbe und Erfahrungsgrundsätze. Was im Einzelfall den Interessen des öffentlichen Verkehrs entspricht oder widerspricht, richtet sich nicht allein nach Umfang, Bevölkerungszahl und wirtschaftlicher Struktur des zu betreuenden Verkehrsgebietes; hinzu kommt vielmehr die von der Verwaltung zu lösende Frage, mit welchen Verkehrsmitteln die Interessen des öffentlichen Verkehrs befriedigt werden sollen, ob durch Einrichtung oder Ausbau von Schienenbahnen oder sonstigen Linienver217 218

BVerwGE 1, 92, 96. BVerwGE 1, 92, 94

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kehrsmitteln oder durch Zulassung anderer öffentlicher Verkehrsmittel. Die Entscheidung hierüber muß dem Willensentschluß der Verwaltung überlassen bleiben. Schon ihrer Struktur nach kann es sich dabei nicht um eine Rechtsfrage handeln.219 b) BVerfGE 11, 168 ff. Die wichtigste Entscheidung zur objektiven Zulassungsschranke ist die des Bundesverfassungsgerichts vom 8. 6. I960. 220 Die als besonderer Vorzug hervorgehobene individuelle Anpassungsfähigkeit des Gelegenheitsverkehrs, also der Droschken und Mietwagen, veranlaßte das Gericht gleichzeitig zu der Feststellung: "Gerade deshalb aber sind die Leistungen der Unternehmen des Gelegenheitsverkehrs für den Benutzer in viel höherem Maße vertauschbar als die des Linienverkehrs. Betriebsunterbrechungen und Wechsel infolge des Wettbewerbs führen hier nicht zu schwerwiegenden Störungen der Verkehrsbedienung im ganzen."221 Obwohl das Gericht dem Droschkengewerbe also eine erhöhte "Resistenz" bescheinigt, liegt es mit den folgenden Ausführungen wieder auf der Linie des BVerwG. "Es ist oben dargelegt, daß an Existenz- und Funktionsfahigkeit des Droschkenverkehrs ein wichtiges Intesse der Allgemeinheit besteht, daß die Droschken zu den öffentlichen Verkehrsmitteln gehören und deshalb [!] intensiver behördlicher Überwachung und Regelung unterliegen. Es ist daher [!] jedenfalls prinzipiell möglich, daß die Zulassung eines neuen Unternehmens den Interessen des öffentlichen Verkehrs zuwiderläuft." 222 Auch das BVerfG zieht also den Schluß von der Schulzwürdigkeit des Gewerbes auf seine Schutzbedürftigkeit. Im Gegensatz zum BVerwG wollen die Bundesverfassungsrichter den Genehmigungsbehörden jedoch nicht völlig freie Hand in dieser Frage lassen. Vielmehr gebiete die Rücksicht auf die Freiheit des einzelnen Unternehmers eine Einengung des behördlichen Ermessens. In verfassungskonformer Auslegung wird die Eingriffsermächtigung des § 9 Abs. 1 PBefG deshalb auf die Fälle reduziert, in denen "eine akute Gefährdung eines

219

BVerwGE 1, 92, 96 f. BVerfGE 11,168 ff. 221 BVerfGE 11, 168 186. Diese Passage ist zugleich eine der wenigen Stellen, in welcher die Richter den Indikativ benutzen. Die übrigen Ausführungen sind zumeist im Konjunktiv formuliert. 222 BVerfGE 11,168,190. 220

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wichtigen Gemeinschaftsgutes einträte, der anders nicht begegnet werden kann" 223 Nachdem das Gericht dann mehrmals und eindringlich daraufhingewiesen hatte, daß § 9 Abs. 1 PBefG - im Gegensatz zur Annahme des BVerwG - nicht für die Umsetzung "wirtschafts- und verkehrspolitischer Planung und Gestaltung" und als Fortsetzung der Bedürfiiisprüfung (§ 9 Abs. 2 PBefG) benutzt werden dürfe, folgt dann die Feststellung: "Da beim Droschkenverkehr eine Konkurrenz mit dem Linienverkehr und dem Schienenverkehr der Bundesbahn in nennenswertem Umfang nicht besteht, diese für die Allgemeinheit überragend wichtigen Verkehrszweige also durch die Zulassung eines Droschkenunternehmens nicht gefährdet werden können, wird als ernste Gefahr im wesentlichen nur übrig bleiben, daß das Droschkengewerbe selbst bei unkontrolliertem Eindringen neuer Unternehmen durch Übersetzung und ruinösen Wettbewerb in seiner Existenz bedroht würde. Sollte diese Gefahr -konkret beweisbar- eingetreten oder nach dem sorfaltig begründeten Urteil der Verwaltungsbehörde in drohende Nähe gerückt sein, so würde das die Versagung der Genehmigung nach § 9 Abs. 1 PBG rechtfertigen können."224 Die Überlegung der Richter wird vor dem Hintergrund einer früheren Bemerkung deutlich: "Die Gefahr, die in diesem Zusammenhang von der Verkehrsverwaltung stets angeführt wird, ist die, daß es bei Wegfall der Bedürfiiisprüfung zur Übersetzung des Gewerbes, damit zu ruinösem Wettbewerb und so schließlich zum Dariederliegen des ganzen Berufs kommen werde. Selbst wenn man aber den Ablauf dieser Kausalkette abstrakt als möglich und wahrscheinlich ansähe, [...]." 2 2 5 Der von den Richtern beschriebene Kausalverlauf wurde offensichtlich nicht von ihnen selbst entwickelt und hergeleitet, sondern dem entsprechenden unbewiesenen- Vortrag der Verwaltung entnommen. Die vom Gericht gewählten Formulierungen zeugen zwar von deutlichem Unwohlsein und starken Zweifeln. Letztlich akzeptiert das BVerfG jedoch die Behauptung, daß es ohne die Möglichkeit einer zahlenmäßigen Begrenzung der Droschken zu einem "Daniederliegen" des ganzen Droschkengewerbes und seiner "Existenzvernichtung" kommen könne. Die unbegrenzte Zulassung von Droschken kann also dazu führen, daß am Ende eines "ruinösen Wettbewerbs" zu wenig oder sogar überhaupt keine Unternehmer übrig bleiben, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Andererseits wurde der Geschehensablauf mit einer ganzen 223 224 225

BVerfGE 11,168,190. BVerfGE 11,168,191. BVerfGE 11,168,188.

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Reihe Von abstrakten Begriffen geschildert, ohne daß sich in dem ganzen Urteil eine konkrete oder praktisch verwertbare Definition oder Erklärung hierzu findet. Genau darin liegt die innere Widersprüchlichkeit der Entscheidung. Denn im Ergebnis obliegt es nach wie vor der Verwaltung, die konkreten Voraussetzung der objektiven Zulassungsschranke selbst zu bestimmen. Die Vorgaben des BVerfG waren zu abstrakt und allgemein gehalten, um den Genehmigungsbehörden in der praktischen Arbeit wirklich als Richtlinien zu dienen oder Grenzen zu markieren. Wenn das Gericht von einem "mehr oder weniger breiten Grenzbereich" spricht, "innerhalb dessen trotz an sich zureichender Verkehrsbedienung noch neue Unternehmen ohne Gefahr für den Bestand des Berufes im ganzen zugelassen werden können", 226 ist das ebenso zutreffend wie wirkungslos. Den Richtern war die Problematik durchaus bewußt, wie daraus hervorgeht, daß sie es ausdrücklich als "Aufgabe der Verwaltungsgerichte" bezeichnten, "die verfassungskonforme Auslegung des § 9 Abs. 1 PBefG zu überwachen." Auch an die Adresse des BVerwG gerichtet, das den Verwaltungsgerichten lediglich eine Überprüfung auf Ermessensfehler zubilligen wollte, heißt es abschließend: "Es mag in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß gegen eine Gesetzesbestimmung, die versuchen würde, den Gerichten diese Prüfung zu entziehen, indem sie die Genehmigung in das "pflichtgemäße Ermessen" der Verwaltungsbehörde stellt, verfassungsrechtliche Bedenken bestünden."227 Daß die Bundesverwaltungsrichter den Überwachungsauftrag des BVerfG ganz anders verstanden und umsetzten als die Unter- und Obergerichte, zeigte sich in der folgenden Zeit. c) Die spätere Rechtsprechung von BVerwG und BVerfG In den späteren Entscheidungen der beiden Gerichte wurde die Notwendigkeit einer objektiven Zulassungsschranke im Droschkengewerbe nie in Frage gestellt. Die Behörden steckten allerdings in dem Dilemma, daß sie zwar einerseits an konkrete Vorgaben nicht gebunden waren, ihnen andererseits aber gerade deshalb die praktikablen Anhaltspunkte fehlten, um eine "Gefahrdung der Existenzfahigkeit", wie es nun in § 13 Abs. 3 PBefG hieß, beurteilen und auch begründen zu können. Dies war Grund für das BVerwG, 1966 einen Kriterienkatalog aufzustellen, der von den Behörden beim Herantasten an die sog. 226 227

BVerfGE 11,168,188. BVerfGE 11,168,192.

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PBefG

"Ruingrenze" beachtet werden sollte. 228 Vor dem Hintergrund der mittlerweile vom BVerfG entwickelten Wesentlichkeitstheorie plädierte das BVerwG dann für die Aufnahme der Kriterien in den Wortlaut der objektiven Zulassungsschranke, betonte aber zugleich den zu erhaltenden weiten Beurteilungsspielraum der Verwaltung. 229 Diese habe zunächst zwar zu prüfen, "ob es überhaupt erforderlich ist, die wirtschaftliche Lage des Droschkengewerbes zu beobachten und während dieses Zeitraums keine weiteren Genehmigungen zu erteilen." 230 Anschließend betonte das Gericht dann, daß der Verwaltung ein Einschätzungsermessen bei der Frage zustehe, "wie lange zwingend abzuwarten ist, wie sich neu erteilte Genehmigungen auf die Existenz des örtlichen Droschkengewerbes auswirken." 231 Für die Praxis hieß das: Keine konkreten Vorgaben, ob überhaupt bzw. in welchen Zeitabständen neue Konzessionen ausgegeben werden. Nach Ansicht des Gerichts sei die Grenze zwischen Gewährleistung und Beeinträchtigung der öffentlichen Verkehrsinteressen "vor allem durch praktische Erfahrungen" zu ermitteln. 232 Gleichzeitig wurde die Überwachungsfunktion der Verwaltungsgerichte stark eingeschränkt, indem es hieß: "Eine derartige Entscheidung hat das Gericht (nur) daraufhin zu prüfen, ob die Behörde den maßgebenden Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt sowie die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte erkannt hat und ob die Prognose der Behörde über den möglichen Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung erkennbar fehlerhaft ist." 2 3 3 In der Entscheidung vom 15. April 1988 bekräftigte das Gericht die Auffassung, der Behörde stehe bei der Einschätzung, ab welcher Zahl zugelassener Taxen die Funktionsfahigkeit bedroht sei, "ein nur begrenzt gerichtlich nach-

228

BVerwGE 23, 314, 317 f. Zu diesen Kriterien gehörte u.a. der Grad des Konkurrenzkampfes zwischen den Unternehmern, die Zahl der Konkurse und ihre Ursachen, Mängel der Betriebssicherheit infolge wirtschaftlichen Unvermögens, nicht aber eine mit betriebswirtschaftlichen Methoden vorgenommene Untersuchung der Gewinn- und Verlustrechnung in der Art einer Steuerbilanz (aaO, Seite 317). 229 BVerwGE 64,238 ff. (= NJW 1982,1168 ff.). 230 BVerwGE 64, 238,242. 231 BVerwGE 64, 238, 242 (= Urteil vom 27. 11. 1981, in: NJW 1982, 1168, 1169). Die Begründung hierfür stand allerdings im Widerspruch zur Auffassung des BVerfG. Nach Meinung des BVewG (aaO, Seite 242) handelt es sich nämlich um eine "prognostische Entscheidung wertenden Charakters mit Verkehrs-

und wirtschaftspoliti-

schem Einschlag [...]." Demgegenüber hatte das BVerfG 1960 betont (BVerfGE 11, 168, 190 ), daß die vom BVerwG berücksichtigten Gesichtspunkte "wirtschafts- und verkehrspolitischer Planung und Gestaltung" als Grund für die zahlenmäßige Begrenzung der Droschken nicht herangezogen werden dürften, "obwohl sie im Rahmen der "Interessen des öffentlichen Verkehrs" gewürdigt werden könnten." 232 BVerwGE 64,238,240 (= NJW 1982,1168). 233 BVerwGE 64,238,242.

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prüfbarer Beurteilungsspielraum zu". 234 Das Gericht dürfe die Zahl der noch zu erteilenden Genehmigungen keinesfalls selbst einschätzen und die Behörde auch nur dann zur Erteilung der beantragten Genehmigung verpflichten, wenn die Sachlage "keinen Raum" für die behördliche Einschätzung gebe, die Prognose "offensichtlich fehlerhaft" sei oder auf eine "offensichtlich" zu niedrige Zahl hinauslaufe. 235 In dem Urteil vom 7.9.1989 236 bestätigte das Gericht nochmals den Beurteilungsspielraum der Verwaltung und veränderte nun zusätzlich den nach der Rechtsprechung des BVerfG von der Verwaltung zu beachtenden Maßstab. Diese sollte zukünftig eine Begrenzung der Taxenzahl nicht erst dann vornehmen, wenn der Zusammenbruch des Gewerbes droht, sondern schon dann, wenn ihrer Meinung nach "die Existenzfahigkeit von Betrieben allgemein nur unter übermäßiger, die Verkehrssicherheit gefährdender Einsatzzeit der Fahrer oder nur unter Einsatz unterbezahlter Gelegenheitsfahrer mit ähnlichen Gefahren für die Verkehrssicherheit oder die ansonsten zuverlässige Verkehrsbedienung gesichert werden kann." 237 An anderer Stelle wurde bereits festgestellt, daß das BVerwG mit diesen Grundsätzen genau die Rechtsgüter zum "überragend wichtigen Gemeinschaftsgut" erklärt hat, die das BVerfG vor 35 Jahren ausdrücklich davon ausgenommen hatte. Zugleich hatte das BVerwG neue unbestimmte Rechtsbegriffe zur Beurteilung der Gefahr eingeführt, die der Behörde einen kaum mehr zu widerlegenden Spielraum bei der Einschätzung der Situation ermöglichte. Denn eine "übermäßige, die Verkehrssicherheit gefährdende Einsatzzeit" oder "ähnliche Gefahren durch den Einsatz unterbezahlter Gelegenheitsfahrer für die zuverlässige Verkehrsbedienung" sind Begriffe, deren Interpretation allein der Behörde obliegt und von den Verwaltungsgerichten kaum mehr nachzuprüfen sind. Schließlich rechtfertigt das Gericht ausdrücklich die Praktik der Behörden, über mehrere Jahre hinweg Beobachtungszeiträume

234

BVerwGE 79,208, 209 Ls. 2 (= NJW 1988, 3221). BVerwGE 79, 208,214, 215. 236 BVerwGE 82, 295 ff. (= NJW 1990, 1376 ff.). 237 BVerwGE 82, 295, 302. Demgegenüber hatte der VGH Bremen bereits 1958 in seinem Vorlagebeschluß an das BVerfG ausgeführt, daß eine Gefahr für die Sicherheit des Droschkengewerbes durch zu lange Tätigkeiten der Fahrer und dem Ergebnis, daß diese "nicht mehr frisch genug seien", nicht durch eine Beschränkung der Berufsfreiheit zu erreichen seien, sondern durch eine Beschränkung der Arbeitszeit der Fahrer in Verbindung mit einer geeigneten Kontrolle der Einhaltung dieser Arbeitszeitbeschränkungen. " Dabei ist es unerheblich, wieweit dies nach geltendem Recht möglich ist. Soweit das geltende Recht es nicht zuläßt, ist der Gesetzgeber gehalten, durch eine gesetzliche Regelung der Berufsausübung die nötige Abhilfe zu schaffen." VGH Bremen, DVB1. 1959, 180, 181. Vgl. auch in Taximagazin Nr. 12/92, Seite -I-, wo Interessenvertreter von der fehlenden Funktionsfähigkeit des Berliner Taxengewerbes u.a. "durch schon als kriminell zu bezeichnende Arbeitszeiten" spricht. 235

10 Bardarsky

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einzuschalten, ohne zwischenzeitlich Konzessionen zu vergeben. Die gegenteilige Auffassung verkenne nämlich die gesetzliche Regelung, nach der sich die Zulassungssperre - bei rechtmäßiger Prognose - daraus ergebe, daß mit dem bereits vorhandenen Bestand die Grenze zur Bedrohung der Funktionsfahigkeit erreicht sei. 238 Zuletzt äußerte sich auch das Bundesverfassungsgericht im Jahre1990 zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Konzessionshandels und gab dabei die Übereinstimmung mit der früheren Rechtsprechung zu erkennen. 239 d) Die Rechtsprechung der Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte Ein Großteil der Verwaltungs- und z.T. auch die Oberverwaltungsgerichte äußerten insbesondere in den sechziger Jahren dezidierte Zweifel an der Notwendigkeit einer zahlenmäßigen Beschränkung im Taxengewerbe. Im Mittelpunkt der Argumentation stand oftmals die Annahme, daß die rentabilitätsorientierten Unternehmer bei geringer werdenden Gewinnen ab einem bestimmten Zeitpunkt freiwillig das Gewerbe verlassen würden. So vertrat der VGH Bremen in seinem Vorlagebeschluß an das BVerfG die Auffassung: "Bei der Prüfung der Frage, inwieweit die genannten Zulassungsbestimmungen des PBG der Sicherheit und Leistungsfähigkeit des öff. Verkehrs dienen und inwieweit sie dafür erforderlich sind, ist zunächst davon auszugehen, daß auch ohne diese Bestimmungen nicht beliebig viele Kraftdroschken am öff. Verkehr teilnehmen würden. Vielmehr würde die Einschätzung der Rentabilität des Betriebes einer Kraftdroschke durch ihren Besitzer das Ausmaß des Kraftdroschkenverkehrs auf den öff. Straßen bestimmen." 2 4 0 In die gleiche Richtung zielte die Argumentation des VG Frankfurt/Main, das mit einem offensichtlichen Seitenblick auf das Apothekenurteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 1958 241 ausführte:

238

BVerwGE 82,295, 303 (= NJW 1990,1376,1378). BVerfG, Beschluß vom 4. 10. 1989, in NJW 1990,1352 f. 240 VGH Bremen, Vorlagebeschluß vom 2.12.1958 in DVB1. 1959, 180, 181. So auch das VG Frankfurt/Main in DVB1. 1960,445. 241 BVerfGE 7, 377 ff. In dieser Entscheidung hatte das BVerfG daraufhingewiesen (Seite 419), daß eine allgemeine Gründungsfreudigkeit der Apotheker über alle wirtschaftliche Vorsicht und Vernunft hinaus ein Maß an "Wirtschaftsblindheit" voraussetze, das weder den Apothekern noch anderen Gewerbetreibenden unterstellt werden könne. 239

1.Kapitel: Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 GG

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"Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß - im Gegensatz zu allen anderen Berufen - gerade bei der Aufnahme und Führung von Taxenunternehmen wirtschaftliche Unvernunft und falsche Einschätzung der Marktlage die Oberhand gewinnen sollten, zumal die Mehrzahl der derzeitigen Bewerber bereits im Kraftverkehrsgewerbe tätig ist. [...] Hinzu kommt, daß ein Bewerber, der bereit ist, Kapital für die erstrebte Berufsausübung zu investieren, die gegenwärtige Marktlage und die zukünftigen Gewinnchancen richtiger einzuschätzen vermag, als das in einem behördlichen Feststellungsverfahren möglidh ist." 2 4 2 Unabhängig von einer freiwilligen Entscheidung der Unternehmer über den Verbleib im Gewerbe wurden auch marktwirtschaftliche Zwänge als Argument für eine Selbstregulierung des Gewerbes angeführt. So meinte das OVG Hamburg: "Nach den Erfahrungen des Marktablaufs könnten die hier in Frage kommenden weiteren Zulassungen möglicherweise zur Folge haben, daß auf Grund des erhöhten Angebots an Droschkenkilometern (ohne entsprechende Steigerung der Nachfrage) einige wirtschaftlich schwächere oder wenig rührige Droschkenunternehmer in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und damit gezwungenermaßen ausscheiden müssen, sofern sie nicht auf Grund vernunftmäßiger wirtschaftlicher Überlegungen schon vorher - freiwillig - den verschärften Konkurrenzkampf aufgeben. Hierdurch würde den leistungsfähigeren Betrieben neuer Raum gegeben."243 Der Ablauf des marktwirtschaftlichen Ausleseprozesses bei geringer werdenden Gewinnen innerhalb des Gewerbes wurde bereits 1969 vom VG Berlin sehr anschaulich beschrieben: "Steigt die Zahl der zugelassenen Droschken, so sinken bei gleichbleibendem Bedarf der von dem einzelnen Unternehmer erzielbare Umsatz und damit sein Gewinn. Von einer gewissen Grenze an wird die Fortsetzung des Gewerbebetriebes für einzelne Unternehmer unrentabel. Diese Grenze erreichen nicht alle Unternehmer zur gleichen Zeit, weil ihre Ertragslage verschieden und unter anderem von Höhe und Zinssatz des aufgenommenen Fremdkapitals, technischem Zustand und Reparaturanfal242 VG Frankfurt/Main, Urteil vom 13.6.1961, in DVBL 1961, 562, 564. Vgl. auch das Urteil des BayVGH vom 18. 5. 1987 in DÖV 1987, 974, 975, wonach gerade das Vorhandensein von Bewerbern auf der Warteliste "für gesunde" Erwerbsverhältnisse im örtlichen Droschkengewerbe einschließlich der Möglichkeit einer weiteren Verbesserung der Verkehrsbedienung spricht und im Einklang mit der inzwischen bestätigten Entwicklungsvoraussage des BVerfG u.a. für den Apothekerberuf steht, daß das Interesse an der Neugründung von gewerblichen Betrieben regelmäßig allein auf einer richtigen Beurteilung der Marktlage beruht, nicht etwa auf "Wirtschaftsblindheit" (BVerfGE 7, 377/419)." 243 OVG Hamburg, Urteil vom 5.10.1962, in DVB1 1963, 153, 155.

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ligkeit des Fahrzeugs, seinen je nach Typ unterschiedlichen Betriebskosten, der Fahrweise des eingesetzten Fahrers und insbesondere der Häufigkeit und Schwere der von ihm verschuldeten Unfälle mit Reparaturkosten und Verdienstausfall abhängt. Daher werden die jeweils unwirtschaftlichsten Unternehmen ihren Betrieb einstellen. Gleichzeitig läßt wegen der verminderten Gewinnaussichten auch die Nachfrage nach Droschkengenehmigungen nach, die zur Zeit noch sehr stark ist. Daher wird die Gesamtzahl der Droschken [...] eine wirtschaftlich vernünftige, der Marktlage angepaßte Grenze auch ohne behördliches Eingreifen von selbst nicht übersteigen."244 Zum Teil wurde argumentiert, daß an die Stelle einiger ausscheidender Unternehmer immer andere Bewerber treten würden und es schon deshalb nie eine Existenzvernichtung des Gewerbes geben könne.245 Schließlich wurde pauschal auf marktwirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten Bezug genommen, nach denen eine Existenzgefahrdung des Taxengewerbes bei Wegfall der zahlenmäßigen Beschränkung von vornherein ausgeschlossen sei: "Denn es widerspricht jeder wirtschaftlichen Erfahrung, daß sich ein Gewerbezweig bei gleichbleibender oder gar steigender Nachfrage gewissermaßen selbst ausrottet." 246 Der bei wegfallender quantitativer Beschränkung entstehende Leistungswettbewerb mit seinem scharfen Ausleseverfahren sei im Gegenteil nicht nur unschädlich, sondern im Interesse des öffentlichen Verkehrs sogar in hohem Maße erwünscht. "Der Fahrer wird künftig mehr als bisher den zu erwartenden Verkehrsbedarf nach Ort und Zeit vorausschätzen und sich diesem Bedarf anpassen müssen. Insgesamt werden umsichtige und fleißige Fahrer höhere Umsätze erzielen als andere. Außerdem werden ihnen Höflichkeit und Unterstützung insbesondere älterer Fahrgäste

244

VG Berlin, Urteil vom 19.2.1969, GewArch 1969,135,136. VG Frankfurt, Urteil vom 18.12.1962, in DÖV 1963,192. 246 VG Frankfurt/Main, Urteil vom 13.6.1961, in DVB1. 1961, 562, 564; dasselbe im Urteil vom 6.10.1964 in DVB1. 1964,962 f.; kritisch auch OVG NW in einem 46 Seiten umfassenden Urteil vom 18. 12. 1969 - V m A 1261/66 - mit dem Hinweis (Seite 23) auf diefreiheitliche Wirtschaftsordnung, die wiederum auf dem Grundsatz von Angebot und Nachfrage beruhe. VG Neustadt, vom 27.5.1975 - 6 Κ 190/74 - (zusammengefaßt in: DPV 1976, 6 f.) mit dem Hinweis auf die gewöhnlich ausreichenden Regulierungsmechanismen derfreien Marktwirtschaft. 245

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beim Ein- und Aussteigen sowie beim Verladen ihres Gepäcks höhere Trinkgelder einbringen."247 In einer früheren Entscheidung hatte das VG Berlin hierzu bereits ausgeführt: "Die durch die Neuzulassungen hervorgerufene Entwicklung läuft lediglich auf einen gewissen Strukturwandel innerhalb des Gewerbes hinaus: Durch das Eindringen der bisher angestellten Fahrer in die Unternehmerschaft ergibt sich die marktwirtschaftlich sehr gesunde Entwicklung, daß die bisher fast monopolartig geschützten zugelassenen Droschkenunternehmer demfrischeren Wind einer freieren Konkurrenz ausgesetzt und damit Unternehmern in anderen Zweigen der Wirtschaft gleichgestellt werden." 248 Letztlich bedeute ein aus diesen Gründen verhängter Zulassungsstop, so das VG Berlin weiter, daß entgegen der Auffassung des BVerfG gerade der Konkurrenzschutz zum Zweck der Zulassungsregelung gemacht werde. 249 Die vorangestellten Urteilspassagen lassen jedenfalls deutlich werden, daß die Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte bei der Frage einer Existenzbedrohung des Taxengewerbes intensive Ursachenforschung betrieben haben und auch vor der Einbeziehung wirtschaftswissenschaftlicher Aspekte nicht zurückscheuten. Demgegenüber bleibt festzustellen, daß sich das Bundesverwaltungsgericht in keiner der einschlägigen Entscheidungen ernsthaft mit den genannten Argumenten und Aspekten auseinandergesetzt hat. 2. Die Meinungen in der Literatur Die juristische Literatur zeigt im wesentlichen die gleiche Entwicklung wie die Rechtsprechung. Die objektive Beschränkung des Droschkengewerbes war in den sechziger Jahren Gegenstand einer ganzen Reihe von Veröffentlichungen, in denen auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes durchaus kritisch betrachtet wurde. 250 Mit zunehmender Zementierung der zahlenmäßigen Beschränkung durch das Bundesverwaltungsgericht verstummten jedoch 247

VG Berlin, Urteil vom 19.2.1969, GewArch 1969,135,136. VG Berlin, Urteil vom 29.11.1961, NJW 1962,1835,1836. 249 dito; dazu Czermak (später Vorsitzender Richter in dem für Taxikonzessionen zuständigen Senat beimVGH München), NJW 1963, 526: "Das ist die Entscheidung von Richtern, die Mut zu ihrem Amte haben! Das ist die Lösung des "Problems", die allein den Intentionen des Grundgesetzes und des BVerfG zu Art. 12 GG entspricht." 250 Wöckl, BayVBl 1960,312 ff.; Heinze, NJW 1960,1561; Müller, DPV 1961,152; Czermak, NJW 1961, 526; Samper, BayVBl 1963, 144 ff.; Sauerwein, BayVBl 1963, 312; Beinhardt, DVB11964,100 ff. 248

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Zweiter Teil: Vereinbarkeit des §

Abs.

PBefG

diese Stimmen, so daß es in den achtziger und neunziger Jahren -trotz gleichbleibender Problematik- verhältnismäßig wenig Veröffentlichungen zu dem Thema gibt. 251 Die einschlägige Kommentarliteratur beschränkt sich auf ein zustimmendes Repetieren der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Umgekehrt sind die in der Literatur vorgetragenen und im folgenden wiedergegebenen Argumente konsequent in den Entscheidungen des BVerwG ausgeblendet worden. Samper 252 stellte die Überlegung an, ob das Abstellen auf eine Existenzbedrohung (§ 13 Abs. 3 PBefG a.F.) letztlich wieder eine "verkappte Bedürfnisprüfung" beinhaltet. Jedenfalls in den Großstädten stimme die höchstrichterliche Argumentation nicht mit der wirtschaftlichen Wirklichkeit überein: "Setzt ein im Sinne des § 13 Abs. 3 ruinöser Wettbewerb ein (weil die auf das einzelne Fahrzeug fallenden Anteile am örtlichen Beforderungsbedürfnis zu klein werden), so wird die ruinöse Wirkung sehr verschieden sein. Sie wird so sehr verschieden sein, daß sich ein Ruin bei vielen Unternehmern überhaupt nicht abzeichnet. Es wird eben, wie immer im Wirtschaftsleben, erste und zweite und dritte Opfer geben. Niemals werden durch den ruinösen Wettbewerb alle Unternehmer gleichzeitig in gleicher Weise bedroht werden. Wird eine genügende Zahl von "Opfern" auf der Strecke geblieben sein, so wird die Existenzbedrohungsgrenze an einem bestimmten Punkt wieder unterschritten, womit ein ruinöser Wettbewerb beendet ist. Eine Bedrohung des g e s a m t e n örtlichen Gewerbes ist daher niemals denkbar, es sei denn, die Betriebsverhältnisse wären bei allen Unternehmern die genau gleichen. Diesen Fall gibt es aber praktisch nicht. Art und Weise, in welcher das Kraftdroschkengewerbe betrieben werden kann und betrieben wird, sind vielmehr so verschieden, daß sich ein Feld von einer Differnziertheit ergibt, wie es schwerlich auf dem Gebiet eines anderen Gewerbes gefunden werden kann. [...] Das Ergebnis ist daher die Feststellung, daß die Versagungsvorschrift des § 13 Abs. 3 PBefG nicht praktikabel ist." Auf der gleichen Linie argumentiert Sauerwein, 253 der einen Ausleseprozeß infolge zunehmender Überfüllung als "naturgegebene Tatsache" betrachtet. Zu Beginn der Entwicklung werde ein Teil der Unternehmer freiwillig in besser verdienende Gewerbezweige abwandern, andere müßten später Konkurs anmelden. Dennoch werde es niemals eine Existenzbedrohung des örtlichen Gewer251 Vgl. etwa: Lange, Seite 194 ff.; Fromm, Personenbeförderungsrecht, Seite 237; von Ebner, Seite 1 ff.; Friehe, GewArchiv 1982, 218 ff.; Frotscher, JuS 1983, 934 ff.; ders., WuWV, Seite 200 f., dort insbesondere Fn. 54 - 56; Schwark, Rn. 980; Ehlers, in: Achterberg/Püttner, Wirt-schaftsaufsicht, Rn. 642,643. 252 R. Samper, BayVBl 1963,144,145 f. 253 Sauerwein, BayVBl 1963, 312 f.

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bes geben: "Auf Grund der gegebenen verkehrsbildenden Faktoren sind ja für eine gewisse Zahl Betriebe stets optimale, für eine größere Zahl noch befriedigende und für eine noch größere Zahl immerhin noch ausreichende Existenzmöglichkeiten vorhanden. Wird demnach eine wachsende Zahl Unternehmen bei Stagnation der verkehrsbildenden Faktoren zugelassen, beginnt der Ausleseprozeß in o.a. Reihenfolge." 254 Im Unterschied zu Samper sieht Sauerwein allerdings eher Nachteile in dem beschriebenen Ausleseprozeß. Er bewegt sich auf der gleichen Linie die das BVerwG noch heute vertritt wenn er bemerkt: "Die Unrentabilität seines Unternehmens wird am ehesten jener Unternehmer zu beklagen haben, der seine gesamte Kraft ausschließlich dem Taxengewerbe widmet, eine vernünftige Arbeitszeit einhält, legalen oder illegalen Nebenerwerbsmöglichkeiten nicht nachgeht und im übrigen gesetzestreu für die Aufrechterhaltung der Sicherheit des Fahrbetriebs jeweils unverzüglich die anfallenden Reparaturen, Reifenemeuerungen usw. durchführt. Am längsten wird sich über Wasser halten, wer solche Geldausgaben möglichst lange aufschiebt, bis er vielleicht einmal bei einer Polizeikontrolle auffällt und seine regulären Einnahmen durch entsprechende Aktivität aufzubessern versteht. Hierzu bietet gerade der Beruf eines Taxiunternehmens vielfachen Anreiz (Überschreiten der Arbeitszeit - die ja für den Unternehmer selbst nicht gesetzlich begrenzt ist -, Schwarzhandel u.a.)."255 Anders als das Bundesverwaltungsgericht, schließt Sauerwein daraus jedoch nicht auf die Notwendigkeit einer zahlenmäßigen Beschränkung, sondern auf deren Verfassungswidrigkeit, da in einem Rechtsstaat "nichts sein darf, was nicht sein kann": "Rechtstheoretisch ist der Tatbestand des § 13 Abs. 3 PBefG sicher einwandfrei, lediglich ist er in der Rechtswirklichkeit nicht umsetzbar." 256 Auch Müller steht einem freien Marktzugang im Taxengewerbe kritisch gegenüber und begründet dies mit volkswirtschaftlichen Aspekten. Die Möglichkeit eines Unternehmers, aufgrund seiner Tüchtigkeit mehr zu verdienen als andere, sei geradezu der Motor einer fortschreitenden technischen und wirtschaftlichen Entwicklung: "Die besten und aktivsten Unternehmer sind ständig darauf bedacht, technische und wirtschaftliche Verbesserungen zu finden, mit denen sie sich derartige Prämien verdienen können; diese Verbesserungen werden dann früher oder später auch von den anderen Unternehmern übernommen; auf diese Weise wächst die Produktivität unserer Volkswirtschaft ständig." Der Anreiz zu gewinnbringenden Verbesserungen werde den Taxiunternehmern jedoch dann genommen, wenn ab einer bestimmten Einkommensgrenze neue 254 255 256

Sauerwein, BayVBl 1963, 312 . dito. dito.

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Zweiter Teil: Vereinbarkeit des § 13 Abs.

PBefG

Konzessionen erteilt würden und sich die Zahl der Konkurrenzbetriebe wieder erhöhe. 257 Zudem sei die Prüfung einer Existenzbedrohung des Gewerbes anhand der Unternehmereinkommen unpraktikabel. Denn die Einkommenssituation werde von unterschiedlichsten Faktoren bis hin zum Wetter beeinflußt. Zur Einordnung der Angaben seien deshalb periodische Erhebungen erforderlich, die wiederum mit einem erheblichen behördlichen Prüfungsaufwand verbunden seien.258 Storsberg weist zunächst darauf hin, daß die kollektive Vernichtung eines ganzen Gewerbes gegen jede ökonomische Erfahrung spreche. Im Gegensatz zu Müller ist er der Auffassung, daß die Zulassungsbeschränkungen keine ausreichende Gewähr für ein wirtschaftlich gesundes und leistungsstarkes Taxigewerbe bieten. Denn die Konzessionen würden wegen des Prioritätsprinzips weitgehend nach dem Zufallsprinzip verteilt, also auch an Bewerber die ihre kostenlose Genehmigung gar nicht selbst nutzen könnten oder wollten. Der Vorteil eines freien Marktzutritts läge demgegenüber darin, daß die potentiellen Gewinne allein denen zufließen, die auch das unternehmerische Risiko für die angebotenen Verkehrsleistungen übernehmen. 259 Beinhardt bezeichnet die Auffassung, daß es eine Existenzbedrohung des örtlichen Droschkengewerbes gar nicht gebe als "in ihrer neoliberalen Zuversicht zu weitgehend". Er begründet dies mit dem Hinweis darauf, daß eine schlagartige Zulassung vieler Bewerber im Grenzbereich zwischen Übersetzung und ruinösem Wettbewerb "sicherlich auf längere Zeit hinaus im Droschkengewerbe zu erheblicher Verwirrung und zu Funktionsstörungen führen" werde. Im Gegensatz zu Sauerwein ist Beinhardt jedoch der Auffassung, daß der § 13 Abs. 3 PBefG i.d.F. von 1961 durchaus nicht völlig impraktikabel sei. Denn die unbestimmten Rechtsbegriffe könnten "nach herrschender Meinung und Rechtsprechung nach durchschnittlicher sozialer, wirtschaftlicher oder technischer Anschauung mit einem hinreichend bestimmten Rechtsgehalt gefüllt und mit hinreichender Deutlichkeit festgestellt und angewendet werden." 260 Auch Wöckl erklärte die objektive Zulassungsschranke nicht von vornherein für verfassungswidrig. Seiner Meinung nach müsse jedoch mehr darauf geachtet werden, daß die Existenzsicherung der Droschkenunternehmer für sich allein keinen Grund für die Ablehnung von Neuzulassungen darstelle:

257 258 259 260

Müller, DPV 1961, Heft 8, Seite 152 f. Müller, aaO, Seite 154. Storsberg, DPV 1983, Heft 2, Seite 4. Beinhardt, DVB1 1964,100,102.

1.Kapitel: Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 GG

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"Wenn etwa in einer mittleren Stadt das Droschkengewerbe übersetzt ist, so daß alle Unternehmer einer Nebenbeschäftigung nachgehen müssen, ohne daß dies sich auf die Leistungsfähigkeit ihrer Unternehmen auswirkt, so wäre hier kein Grund, eine Neuzulassung abzulehnen. Dies wäre erst möglich, wenn sich die schlechte Erwerbslage der vorhandenen Unternehmer dahin auswirkte, daß sie ihren öffentlichen Aufgaben nicht mehr nachkommen könnten. Die Existenzgefahrdung ist also nicht vom Standpunkt dieses Gewerbes oder gar eines einzelnen Unternehmers am betreffenden Orte, sondern stets von außen her, also von der Öffentlichkeit her zu betrachten." 2 6 1 Im Vorfeld der Taxinovelle von 1983 griff Friehe 262 die Einwände von Samper und Sauerwein wieder auf. Er wies zunächst darauf hin, daß das Bundesverwaltungsgericht bislang den Einwand nicht habe widerlegen können, daß die Selbstregulierungskräfte des Marktes einem plötzlichen Ausfall des ganzen Gewerbes entgegenstünden. Es sei in der Tat schwer vorstellbar, wie in einer Marktwitschaft ein gesamter Wirtschaftszweig vernichtet werden könne: "In der wirtschaftlichen Realität gibt es kein Unternehmen, dessen Kosten- und Erlösstruktur sich mit der eines anderen Unternehmens vollständig zur Deckung bringen läßt. Speziell im Taxengewerbe beeinflussen Standort, Betriebsgröße, Fahrzeugkosten und persönliche Verhältnisse des Unternehmers die Kostenseite des einzelnen Betriebes zum Teil erheblich. Die unterschiedliche Rentabilität erzwingt in der Krise des Marktes einen Ausleseprozeß. Zu einer plötzlichen massenhaften Betriebsaufgabe kann es nicht kommen, weil zunächst die Schwächsten in besser verdienende Branchen abwandern bzw. von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und Konkurs betroffen sind. In dem Maße, wie sie als Anbieter von Verkehrsleistungen ausfallen, erhöhen sich die Chancen der im Markt verbliebenen Unternehmer, im weiteren Wettbewerb bestehen zu können." Friehe kritisiert in diesem Zusammenhang die Verwaltungsbehörden. Seiner Ansicht nach wäre die Vorschrift des § 13 Abs. 3 PBefG auf Dauer unanwendbar geblieben, wenn die Verwaltungsbehörden sie nicht mit höchstrichterlicher Billigung in eine abgeschwächte Bedürfiiisprüfung umfunktioniert hätten. Dennoch steht auch Friehe dem gänzlichen Wegfall einer Begrenzungsmöglichkeit nicht unkritisch gegenüber. Er weist dabei auf die Gefahr hin, daß ein vollständig liberalisiertes Taxigewerbe zum Sammelbecken Arbeitsloser werde, und 261

Wöckl, BayVBl 1960, 312, 313; ähnliche Bedenken äußerte in den siebziger Jahren auch Lange, Seite 194, der bezweifelte, ob die Zulassungspraxis diese Grenzziehung tatsächlich vornehme. "Daß sich neben dem Kraftdroschkenverkehr ein florierender "Minicar" Mietwagenverkehr entwickeln konnte, gibt insofern zu ernsthaften Bedenken Anlaß." 262 Friehe, GewArch 1982,218 ff.

Zweiter Teil: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

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die einzelnen Unternehmer "mangels ausreichender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit keine verläßlichen Partner bei der Erfüllung der öffentlichen Verkehrsaufgaben" seien.263 Seiner Meinung nach sollte deshalb die Möglichkeit einer zahlenmäßigen Zulassungsbeschränkung weiterhin für den Fall bestehen, daß "das örtliche Droschkengewerbe in seiner wirtschaftlichen Funktionsfahigkeit so weit bedroht ist, daß dadurch öffentliche Verkehrsinteressen beeinträchtigt werden." 264 3. Exkurs: Das Urteil des VfGH Österreich vom 23. 6. 1986 zur zahlenmäßigen Begrenzung der Taxen Die Reglemtentierung des Taxengewerbes in Österreich entsprach beim Urteilsspruch des Verfassungsgerichtshofs vom Juni 1986 im wesentlichen den deutschen Regelungen. Das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz (GelVerkG) beinhaltete ebenfalls subjektive und objektive Voraussetzungen für die Zulassung zum Taxengewerbe. Für die Erteilung von Taxikonzessionen mußte gemäß § 5 Abs. 1 GelVerkG "ein Bedarf nach der beabsichtigten Gewerbeausübung sowie die Leistungsfähigkeit des Betriebes gegeben sein."265 Der § 5 Abs. 4 GelVerkG konkretisierte weiter: "Bei der Beurteilung des Bedarfs nach der Ausübung des Taxi-Gewerbes hat die Behörde insbesondere auf zumutbare Wartezeiten für die Fahrgäste sowie auf die wirtschaftliche Lage der bestehenden Taxi-Gewerbebetriebe, in Gemeinden mit über 100.000 Einwohnern überdies auf die Entwicklung der Einwohnerzahl bedacht zu nehmen." Inhaltlich und systematisch sind diese Regelungen mit § 13 Abs. 4 PBefG vergleichbar. 266 Der § 5 Abs. 1,1. Halbsatz GelVerkG enthält wie § 13 Abs. 4 263

Friehe, aaO, Seite 220. Friehe, aaO, Seite 220 f. 265 §§ 3 Abs. 1 Ziff. 3 und 5 Abs. 1 GelVerkG ( BGBl 85/1952 i.d.F. von BGBl 486/1981). 266 Die Kriterien des § 5 Abs. 4 GelVerkG entsprechen im wesentlichen denen des § 13 Abs. 4 Satz 2 PBefG. Das Merkmal der "Entwicklung der wirtschaftlichen Lage des Taxengewerbes" (§5 Abs. 4 GelVerkG) ist mit dem der "Nachfrage nach Beförderungsaufträgen" in § 13 Abs. 4 Satz 2 Ziff. 1 PBefG vergleichbar, und die Berücksichtigung der Bevölkerungsentwicklung mit der Taxendichte gem. § 13 Abs. 4 Satz 2 Ziff.2 PBefG. Die Wartezeit wird in der Praxis auch als Indiz für die "Funktionsfahigkeit des Taxengewerbes", § 13 Abs. 4 Satz 1 PBefG, gewertet. 264

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Satz 1 PBefG eine Generalklausel, die es den Behörden erlaubt, "je nach Bedarf' die Zahl der Taxen zu beschränken. Die Vorschrift diene jedoch, so der VfGH in Übereinstimmung mit dem BVerwG, 267 nicht dem wirschaftlichen Schutz der Unternehmer als Selbstzweck. Vielmehr sei eine Beschränkung des Marktzugangs nur dann zulässig, wenn dies durch das "öffentliche Interesse" geboten und sachlich zu rechtfertigen sei. 268 Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hatte sich 1985 und 1986 mit insgesamt 49 Beschwerden zu beschäftigen, die jeweils gegen Ablehnungen von Anträgen auf Konzessionserteilung erhoben worden waren. Der VwGH prüfte die einschlägige Ermächtigungsgrundlage der Behörden, § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 GelVerkG und stellte Anträge, die vom VfGH von Amts wegen zu prüfenden Vorschrift als verfassungswidrig aufzuheben. Das Bemerkenswerte an der daraufhin ergehenden Entscheidung des VfGH vom 23. Juni 1986 ist zunächst der Umstand, daß sich der VfGH - im Gegensatz zum BVerfG und BVerwG - selbst Klarheit über die Funktion und Wirkungsweise der Bedarfsprüfung verschaffte und die Folgen der zahlenmäßigen Beschränkung bzw. ihres Wegfalls abschätzte. Aber auch inhaltlich weicht die Entscheidung in wesentlichen Punkten von den Auffassungen des BVerfG und des BVerwG in Deutschland zur objektiven Zulassungsbeschränkung im Taxengewerbe ab. Der VfGH gelangte schlicht zu dem Ergebnis, im Hinblick auf das Verfassungsrecht der Erwerbsausübungsfreiheit, Art. 6 StGG, könne er "keinen Grund dafür erkennen, weshalb es das öffentliche Interesse erfordert, als Voraussetzung für die Erteilung einer Konzession für das Taxi-Gewerbe zu fordern, daß ein Bedarf nach dessen Ausübung besteht. [...] das Ziel, der Bevölkerung, die Dienstleistung des Taxifahrens bestmöglich zu gewährleisten [,wird] durch eine Beschränkung der Zahl der Taxikonzessionen geradezu inhibiert; je mehr Taxis fahren, desto weniger Wartezeiten sind für den Benutzer zu erwarten. Es scheint, daß Ziele der Sicherheit die Bedarfsprüfung nicht rechtfertigen kön-

267

Vgl. nur BVerwGE 79, 208, 211 f. VfGH vom 23. Juni 1986, Slg. 10931, Seite 740 f. mit Hinweis auf VfGH Slg. 8765/1980, sowie unveröffentlicht in den Entscheidungen vom 4. Oktober 1984, G 70/84, Seite 21 f., vom 7. März 1985, Β 251/83, Seite 12 und vom 3. Dezember 1985, G 168/85). Die Wartezeit 269 VfGH vom 23. Juni 1986, Slg. 10932, Seite 740. 270 VfGH, aaO, Seite 748 f. 268

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Zweiter Teil: Vereinbarkeit des § 13 Abs.

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Im einzelnen enthält die Entscheidung des VfGH folgende Feststellungen270: 1. Gesetzliche Regelungen, die die Erwerbsausübungsfreiheit beschränken, verletzen diese nur dann nicht, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten und sachlich gerechtfertigt sind. 2. Dem Gesetzgeber ist zwar bei der Frage, ob das Fehlen objektiver Zulassungsvoraussetzungen öffentliche Interessen beeinträchtigt oder gefährdet, ebenso ein Gestaltungsspielraum eingeräumt wie bei der Beurteilung der Tauglichkeit und Adäquanz des Mittels. Der VfGH setzt seine Vorstellungen hierzu jedoch nicht anstelle jener des Gesetzgebers, sondern prüft das Gesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit. 3. Das Gericht griff den Vortrag der Bundesregierung auf, wonach dem TaxiGewerbe die wichtige Funktion zukomme, räumliche und zeitliche Lücken der Versorgung durch öffentliche Verkehrsmittel zu füllen und bestätigte, daß die Funktionsfahigkeit des Gelegenheitsverkehrs - und damit auch die des Taxengewerbes - im öffentlichen Interesse liege. a. Die Bundesregierung hatte mit ausdrücklichem Bezug auf die Regelung in § 13 Abs. 4 PBefG vorgetragen, daß ein Wegfall der objektiven Schranke zu einer Übersetzung des Taxengewerbes und damit zu einer ruinösen Konkurrenz führen werde. Als mögliche Folge behauptete sie erst gar nicht eine vollkommene Funktionsunfahigkeit des ganzen örtlichen Taxengewerbes, sondern eine qualitative Verschlecherung des Taxi-Angebots. Der VfGH bemerkte diesbezüglich, daß das Ziel, eine möglichst sichere und angenehme Taxifahrt zu gewährleisten, zwar vom öffentlichen Interesse erfaßt sei, "es kann aber durch eine Bedarfsprüfung überhaupt nicht erreicht werden" Diesem rechtspolitischen Anliegen können vor allem subjektive Zulassungsvoraussetzungen sowie Vorschriften über die Verkehrstüchtigkeit der Fahrzeuge dienen.271 Den Gesichtspunkt einer zu befürchtenden ruinösen Konkurrenz griff der VfGH dann bei den Mietwagen wieder auf. "Geradezu unverständlich ist der Einwand der Bundesregierung, im Fall einer Aufhebung der Bedarfsprüfung würde unter den Mietwagen-Unternehmern ein ruinöser Wettbewerb eintreten, der zu Konkursen führe, was wiederum die vielfach mit Mietwagen durchgeführten laufenden Schulfahrten beeinträchtigen könne: Die Annahme, daß sich im Fall der Aufhebung des § 5 Abs. 1 GelVerkG die Zahl der Mietwagen wesentlich vermehren werde, steht im Widerspruch zur Behauptung, daß dann kein sofortiger Ersatz für das in Konkurs geratene Mietwagen-Unternehmen zu finden sei."

271

VfGH, aaO, Seite 748.

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b. Söllten tatsächlich die Mißstände im Taxengewerbe zunehmen, so ist diesen mit Straßen- oder gewerbepolizeilichen Mitteln entgegenzuwirken. Die Argumentation, daß bei Wegfall der objektiven Beschränkung die Zahl der Taxen ansteigen und insbesondere mangels ausreichender Standplätze den Straßenverkehr erheblich gefährden würde, ist verfehlt. Zum einen ist die Gesamtzahl der Taxen im Vergleich zum übrigen Straßenverkehr relativ gering und wird es auch bleiben. Mehr Taxen, auch über den tatsächlichen Gebrauch hinaus, würden zudem wahrscheinlich den Individualverkehr entlasten. Damit wird zugleich das Argument, mehr Taxen seien umweltbelastend, widerlegt. Die Bedarfsprüfung ist deshalb ein untaugliches, jedenfalls aber völlig unadäquates Mittel zur Sicherung eines funktionsfähigen Straßenverkehrs. c. Das "Ziel, der Bevölkerung die Möglichkeit zu bieten, rasch ein freies Taxi zu bekommen, wird durch die Zulassungsvoraussetzungen eher inhibiert als gefördert. Andere Maßnahmen wären hierzu ungleich tauglicher und beschränkten Grundrechte nicht oder nicht im gleichen Ausmaß." 4. Der VfGH gelangt zu dem Ergebnis, die Bedarfsprüfung sei ein "absolut ungeeignetes, zum Teil ein völlig inadäquates Mittel. Tatsächlich dient sie dem (nicht im öffentlichen Interesse gelegenen) Konkurrenzschutz und führt ... dazu, daß Taxikonzessionen verpachtet und verkauft werden, ein (vielleicht vom Gesetzgeber nicht beabsichtigter) praktisch bedeutsamer, vom Standpunkt der Erwerbsausübungsfreiheit negativ zu bewertender Nebeneffekt der bestehenden Regelung."272 4. Stellungnahme "Die Niederlassungsfreiheit wird selbstverständlich eine Vermehrung der [...] zur Folge haben. Das ist an sich keineswegs bedenklich. [...] Es kommt sonach darauf an, wie das Ausmaß der Vermehrung zu beurteilen ist." 273 Dieses Zitat wurde der Apothekenentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes entnommen. Im Anschluß daran stieg das Gericht selbst in die Prüfling der behaupteten Folgen eines freien Marktzuganges ein. Hierzu bediente es sich u.a. eines wirtschaftswissenschaftlichen Sachverständigen, untersuchte historische Entwicklungen in Deutschland und zog empirische Daten aus dem Ausland zu Rate. In der Taxenentscheidung verzichtete das Gericht dagegen vollständig auf eine eigene Prüfung und übernahm - wie bereits dargelegt - im wesentlichen die Behauptungen der Verkehrsverwaltung, wonach der Wegfall der objektiven Beschränkung folgenden Kausalverlauf auslöse: 272 273

VfGH, aaO, Seite 749. BVerfGE 7, 377,417.

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1. Übersetzung des Taxigewerbes, als Ursache für 2. eine ruinöse Konkurrenz, mit der Folge des 3. Daniederliegens des gesamten örtlichen Berufstandes und der Vernichtung seiner Existenz und Funktion. Es wurde bereits aufgezeigt, daß dieser Geschehensablauf sowohl in der juristischen Literatur als von den Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten stark angezweifelt worden ist. Daß diese Zweifel nicht bis zum BVerwG durchdrangen und von diesem standhaft ignoriert werden konnten, hat seine Ursache allein darin, daß die vorgebrachten Argumente nicht mit prüfbaren Daten und Fakten belegt worden waren, sondern zumeist eine eigene und damit per se angreifbare Meinung des jeweiligen Verfassers wiederspiegelten. Im folgenden Teil der Arbeit werden deshalb - in Anlehnung an die Methodik des BVerfG im Apothekenurteil - die wissenschaftlichen Grundlagen dargelegt, die eine juristisch fundierte Beurteilung des § 13 Abs. 4 PBefG erst ermöglichen. Dabei ist evident, daß es für die Folgen eines Wegfalls von § 13 Abs. 4 PBefG keinen Beweis im naturwissenschaftlichen Sinne geben kann. Es liegt in der Natur der Fragestellung, daß es sich um die Abgabe eines Wahrscheinlichkeitsurteils, um eine Prognose, handelt. Gerade deshalb und wegen der dem Taxengewerbe beigemessenen Bedeutung wird die Ausgangsfrage aus völlig unterschiedlichen Blickwinkeln behandelt - der gemeinsame Nenner, so vorhanden 274, gibt dann die Antwort auf die Frage, ob § 13 Abs. 4 PBefG erforderlich ist, um eine "höchstwahrscheinliche Gefahr" für die Existenz- und Funktionsfahigkeit des Taxengewerbes abzuwenden. a) Prüfung des Arguments "drohendes Marktversagen" mittels wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse Die Einbeziehung wirtschaftlicher Aspekte in die Jurisprudenz ist wegen der unterschiedlichen Wertmaßstäbe grundsätzlich problematisch. 275 Während in

274

Nicht zu vergessen ist, daß die Beweis- und Darlegungslast für die Berechtigung der objektiven Schranke allein beim Gesetzgeber liegt, vgl. Papier, DVB1 1984, 801, 808; ders. in Hdb. Verfassungsrecht, § 18, Rn. 80 ff.; Wemer, ZfV 1988, 55; Dönges, Seite 5; Bülow, in: Hdb. Verfassungsrecht, § 30, Rn. 72, bemerkt allerdings realistisch: "Gesetzgebung ist in Recht verwandelte Politikgestaltung". An anderer Stelle (aaO, Rn. 64 m.w.N.) folgt dann der Hinweis auf den "stillschweigenden Konsens der Fraktionen im Bundestag, nur über die voraussichtlichen Wirkungen der Gesetze zu debattieren, nicht aber über die tatsächlich eingetretenen." Zum ganzen auch oben, 2. Abschnitt, A. (Formelle Anforderungen). 275 Zur Bedeutung ökonomischer Erkenntnisse für die Jurisprudenz: Koenig, Seite 31, "Zur Relevanz von Wettbewerbstheorien im Hinblick auf staatliche Marktzutrittsschranken" und Seite 177 f.: "Die Berücksichtigung ökonomischer Wirkungsbedingun-

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den Wirtschaftswissenschaften der möglichst effektive Einsatz von Ressourcen eine der obersten Maximen bildet, ist der Staat aufgrund seiner Aufgabenstellung (Daseinsvorsorge) und Bindungen (Sozialstaatsprinzip) oftmals zu einer von ökonomischen Gesichtspunkten abweichenden Verhaltensweise gezwungen. Die unterschiedliche Bewertung bestimmter Marktentwicklungen ist jedoch immer erst der zweite Schritt. An erster Stelle hat die Beschreibung des Phänomens sowie die Überprüfung seiner Ursachen und Auswirkungen zu erfolgen. Dieser erste Schritt wird unter folgenden Gesichtspunkten angegangen: Gibt es Gründe aus denen ganze Gewerbezweige nicht den marktwirtschaftlichen Gesetzen folgen und ohne staatliche Regulierung zusammenbrechen? Welches sind die Voraussetzungen hierfür und sind sie im Taxengewerbe einschlägig, also konkret: Wird ein Wegfall der zahlenmäßigen Begrenzung der Taxen 1. zu einer Übersetzung des Gewerbes fuhren, 2. die in einer ruinösen Konkurrenz aller Unternehmer ausartet und letztlich 3. einen Existenz- und Funktionsverlust des Gewerbes herbeiführt, m.a.W., eine Unterversorgung der Bevölkerung mit Taxendienstleistungen auslöst aa) Einführung Das Verkehrswesen und hier insbesondere das Taxengewerbe zählen seit ihren Anfangen zu den am stärksten staatlich regulierten Sektoren der deutschen Wirtschaft. Dabei ist unter "Regulierung" wirtschaftlicher Vorgänge die direkte Einschränkung der Gewerbe- und Vertragsfreiheit durch staatliche Eingriffe zu verstehen, welche nicht die für alle geltenden Spielregeln der Marktwirtschaft festlegen. 276 Die Intensität der staatlichen Eingriffe hat sich zunächst auch nach der Gründung der Bundesrepublik nicht geändert, obwohl gerade nach dem zweiten Weltkrieg ein Neuanfang nach marktwirtschaftlichen Prinzipien gewagt wurde. Die typische Begründung ist seit jeher, daß ein unbehinderter Wettbewerbsprozeß zu unerwünschten Ergebnissen führt. Die Regulierung diene dem gen bei der staatlichen Verteilungslenkung in unternehmerischen Freiheitsräumen fördert [...] insbesondere einefreiheitsschonende Marktregulierung." Schulze-Fielitz (Seite 495) verweist hier auch auf die Zweckrationalität wirtschaftswissenschaftlicher Forschung, durch deren Einbeziehung sich das Niveau der Gesetzesbegründungen deutlich heben ließe. Vgl. auch Bryde, NJW 1984,2177, 2180. 276 Kroker, Seite 9; Weber, Seite 31/31 - beide unter Hinweis auf Müller/Vogelsang, 1979, Seite 19; Soltwedel et al Seite 3; vgl auch zu den unterschiedlichen Definitionen: Werner, Seite 58 ff.; Eikhof, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie, Bd. 5, Seite 122 ff; König, Seite 290 f.; allgemein Kaufer, Vorwort: "Die Öffentliche Regulierung ist eine amerikanische Instituion zur Kontrolle von wettbewerbspolitischen Ausnahmebereichen, die über hundert Jahre alt ist und deren Wurzeln weit ins englische Common Law zurückreichen."

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Interesse der Allgemeinheit, etwa der Mindestversorgung, weil vermutet wurde, der Markt könne dies nicht in ausreichendem Maß gewährleisten. 277 Wirtschaftswissenschaftlich lassen sich Wettbewerbsregulierungen unter zwei verschiedenen Blickwinkeln untersuchen. Die normative Theorie fragt, in welchen Fällen staatliche Wettbewerbseingriffe tatsächlich ökonomisch sinnvoll und notwendig sind. 278 Sie steht insofern dem juristischen Verhältnismäßigkeitsprinzip nahe, als daß sie nach "geeigneten" Alternativen zu bestehenden Regulierungseingriffen sucht.279 Basedow definiert sie als "eine Begründung der bestehenden Marktregulierung aus ökonomischen Gesetzlichkeiten, als gleichsam aus der Natur der Sache".280 "Die positive Theorie der Regulierung versucht, die konkreten politischen, historischen und ökonomischen Gründe zu ermitteln, die dazu geführt haben, Regulierungsmaßnahmen zu ergreifen und aufrechtzuerhalten, und geht dabei der Frage nach, weshalb die Erkenntnisse der normativen Theorie wenig Beachtung finden. 281 Die objektive Zulassungsbeschränkung im Taxengewerbe wird seit dem Urteil des BVerfG von 1960 stereotyp mit dem Hinweis begründet, daß bei Wegfall der zahlenmäßigen Beschränkung das gesamte Taxengewerbe infolge einer für alle Unternehmer ruinösen Konkurrenz zusammenbrechen werde. M.a.W. wird behauptet, daß die marktwirtschaftlichen Gesetze, wonach sich Angebot und Nachfrage aufeinander einstellen, im Taxengewerbe keine Wirkung besitzen.282 Die Notwendigkeit einer staatlichen Beschränkung ist Gegenstand der 277

Vgl. bei Kurz, Seite 48 und bei Dönges, Seite 3. Soltwedel et al Seite 4; nach Kroker, Seite 10, bezieht die normative Theorie ihre Argumente für die Notwendigkeit staatlicher Eingriffe aus der "market-failure-theory", die unerwünschte Marktergebnisse auf die Existenz unzureichender Marktkonstellationen zurückführe und Abhilfe nur in korrigierenden staatlichen Eingriffen sehe. 279 König, Seite 291 f.; Basedow, Staatswissenschaften und Staatspraxis, 1991, Seite 152. 280 Basedow, Seite 51. 281 Die Vertreter dieser Theorie sehen in staatlicher Regulierung denn auch weniger ein Instrument zur "Heilung" von Marktversagen, als vielmehr ein Instrument, das Politiker gezielt einsetzen, um ihre Wiederwahlchancen zu erhöhen. Daraus erkläre sich auch die Resistenz objektiv unberechtigter staatlicher Regulierungen gegenüber Deregulierungsforderungen. Die erweiterte "capture"-Theorie sieht sogar einen politischen Markt für Regulierungen, in dem die an einer Verringerung des Wettbewerbs interssierten Gruppierungen die Nachfrager und die Politiker die Anbieter seien, vgl. Kroker, Seite 10 f.; Soltwedel et al, Seite 198, sprechen von einer Art "Ehe", die die Anbieter mit den Regulierungsbehörden eingingen. Vgl. auch: Derergulierungskommission, Seite 31 ff.; Aberle, Hamburger Jahrbuch 1987, 160 f.; Dönges, Beihefte der Konjunkturpolitik Nr. 36, (1989), Seite 182. 282 Die Bundesregierung hat in ihrem "Bericht über die Ausnahmebereiche des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen" (BT Drucks. 7/3206 vom 4. 2. 1975) die Ansicht vertreten, daß eine Koordination von Angebot und Nachfrage im gesamten 278

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normativen Theorie, weshalb diese im Mittelpunkt der folgenden Erörterungen steht. Die normative Theorie ist die Theorie des Marktversagens 283 und "so alt wie das Bestreben, Wettbewerbsbeschränkungen mit der Berufung auf das Öffentliche Interesse und das Gemeinwohl zu rechtfertigen." 284 Regulierungen in Form von Zulassungs- und Preisbeschränkungen werden von ihren Befürwortern normativ mit einem drohenden Versagen des Marktes begründet. Als Argument wird auch heute noch auf "Besonderheiten des Verkehrs" hingewiesen, die in einem freien Wettbewerb ohne staatliche Eingriffe zu einer Abweichung von den "üblicherweise erwarteten positiven Wirkungen" des Wettbewerbs führen würden. 285 Angesichts der existenziell hohen Bedeutung des Verkehrs für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft dürfe dessen Entwicklung ohnehin nicht von den Zufälligkeiten des Marktes abhängig gemacht werden. Bereits deshalb sei in diesem Bereich ein lenkendes Eingreifen des Staates erforder lieh. 286 Die Regulierungsgegner prüfen diese traditionelle Argumentation und die Regulierungsmaßnahmen auf ihre ökonomische Berechtigung und darauf, ob nicht letztlich die Regulierung selbst erst zu einem Marktversagen führt. 287 Die "Lehre von den Besonderheiten des Verkehrs" spielte im Rahmen der verkehrspolitischen Entwicklung nach dem zweiten Weltkrieg und insbesondere zu Anfang der sechziger Jahre in Deutschland eine besondere Rolle. Das Stichwort lautete "kontrollierte Wettbewerbsordnung". Die Besonderheiten wurden

Verkehrsbereich ausgeschlossen sei. Der Verkehr ist deshalb einer der wettbewerbspolitischen Ausnahmebereiche und gem. § 99 GWB von den wichtigsten Vorschriften dieses Gesetzes und damit der Wettbewerbsaufsicht ausgeschlossen An ihre Stelle ist gerade im Taxengewerbe die direkte Kontrolle des Marktzugangs, der Preise und der Kontrahierungszwang. Die "kontrollierte Wettbewerbsordnung" für die gewerbliche Personenbeförderung wird dadurch auf die Elemente Kontrolle und Ordnung reduziert, der Wettbewerb ist nahezu bedeutungslos. Zum Selbstregulierungsprozeß der Wirtschaft vgl. auch Bleckmann, JuS 1991, 536 ff. 283 So etwa Werner, Seite 64 ff. 284 Kaufer, Seite 14. 285 So die Feststellung der Deregulierungskommission, Seite 106; vgl. auch Soltwedel, Seite 4 m.w.N. und Eikhof, Seite 124 ff., zu den unterschiedlichen Auslegungen von "Marktversagen" und der Abgrenzung zu "Wettbewerbsversagen". 286 Vgl bei Hamm, Seite 73; die Ursprünge der Lehre von den Besonderheiten im Verkehrsgewerbe dürften allerdings viel älter sein und wurden bereits 1878 bei Emil Sax genannt, vgl. Werner, Seite 154, sowie Deregulierungskommission, Seite 106. Auf die Bedeutung des Verkehrsgewerbes weist auch Sanmann, Seite 107, nachdrücklich hin, - für die Ausübung von politischer Herrschaft sei ein funktionsfähiges Verkehrswesen unumgänglich. 287 Zumpfort, Seite 351. 11 Bardarsky

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sowohl für den Güter- als auch für den Personenverkehr ins Feld geführt. 288 Ihr Einfluß gerade auf die Jurisprudenz wird deutlich, wenn man berücksichtigt, daß sie für die gegenwärtige weitgehende Herausnahme des Verkehrs aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (§ 99 GWB) ursächlich ist. 289 Auf EU-Ebene wird ihr Einfluß durch die wörtliche Aufiiahme in Art. 75 Abs. 1 des EG-Vertrages erkennbar. Die Lehre von den Besonderheiten des Verkehrs dient auch heute noch als Argument gegen eine Liberalisierung bzw. Deregulierung der Verkehrsmärkte. 290 Die Gefahr einer ruinösen Konkurrenz ist dabei, wie in den meisten Besonderheitenlehren, von herausragender Bedeutung.291 In der seit ihrer Entstehung anhaltenden Debatte hat die Besonderheitenlehre immer neue Variationen hervorgebracht. 292 Aus Sicht der Politik liegt in diesen Besonderheiten auch die Begründung dafür, daß - wie im Taxengewerbe - "die vorrangige Entscheidungsgewalt und Verantwortung für unser Verkehrssystem" immer noch bei der öffentlichen Hand liegt 293 und nicht den Gesetzen des Marktes überantwortet wurde. Andererseits lassen die positiven Erfahrungen in den zahlenmäßig nicht beschränkten Verkehrsarten "Güternahverkehr" und "Mietwagengewerbe" Zweifel an der Begründetheit der Besonderheitenlehre entstehen. Im folgenden werden die für das Taxengewerbe als Besonderheiten gewerteten Umstände herausgearbeitet und einer kritischen Würdigung unterzogen. 294

288

331.

289

Krakowski, Regulierung in der Bundesrepublik Deutschland, 1988, Seite 314,

Willeke, Dokumentation, Seite 50. Deregulierungskommission, Seite 106; Ihde, Seite 157; vgl zur Diskussion die vielfachen Nachweise bei Werner, Seite 154, Fn. 100 und Seite 156, Fn. 103; Willeke, Seite 155 f.; Seidenfus, Seite 266, Fn. 6; Jarass, Seite 286 (§ 21 I 1. b.), gelangte aufgrund der Besonderheiten zu dem Ergebnis: "Alle diese Faktoren machen Transportleistungen zu "öffentlichen Gütern", zu Gütern also, bei denen die Regeln des Marktes nur unzureichend funktionieren können. Der Staat muß sich daher der Verkehrswirtschaft annehmen." 291 Ewers, Wirtschaftsdienst 1990, Seite 501. 292 Ewers, Mitglied der 1988 von der Bundesregulierung eingesetzten "Deregulierungskommission" konstatiert (Wirtschaftsdienst 1990, 501), daß die "tradierte Lehre von den Besonderheiten im Transportwesen für die Funktionsfähigkeit" sowohl nach Ansicht der Deregulierungs- als auch der Monopolkommission vor dem Hintergrund der modernen Markt- und Wettbewerbstheorie nicht mehr haltbar ist." Allein die Existenz dieser Bemerkung läßt erkennen, daß die politische Realtität gegenwärtig noch anders aussieht - vgl. auch Wacker-Theodorakopoulos, Seite 291 f ; Willeke, Seite 155 f.; Laaser, in: Handbuch Marktwirtschaft, Seite 329 f. 293 Bürgel, Seite 12. 294 Ein Kennzeichen der "Besonderheiten" besteht darin, daß es keine einheitliche Lehre mit klar abgrenzbaren Argumenten, sondern eine Vielzahl von Varianten mit z.T. nur leicht verschobenen Schwerpunkten gibt. Überschneidungen bei der Darstellung 290

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bb) Betriebswirtschaftliche "Besonderheiten" ? (1) Nichtspeicherbarkeit der Leistungen und Nachfrageempfindlichkeiten Naturgemäß ist im Verkehrsgewerbe - anders als im Warenmarkt - eine Produktion auf Vorrat nicht möglich. Infolgedessen sei das Gewerbe besonders nachfrageempfindlich, weshalb sich .die Unternehmer ständig am theoretischen Spitzenbedarf orientierten, um auf eine kurzfristige zusätzliche Beförderungsnachfrage nicht verzichten zu müssen. Dies führe auch in nachfrageschwachen Zeiten zu einem strukturellen Überangebot. 295 Die Unternehmer versuchten, die hohen Fixkosten durch eine möglichst hohe Kapazitätsausnutzung aufzufangen, was ein "inverses", ökonomisch nicht nachvollziehbares Verhalten der Anbieter, nämlich die Anschaffung weiterer Beförderungsmittel, bedinge.296 Die dabei entstehenden Überkapazitäten seien nur schwer abbaubar 297 und könnten langfristig zu einer ruinösen Konkurrenz im Gewerbe führen. 298 Um diese Entwicklung zu verhindern, müsse der Staat regulierend eingreifen, die Zahl der Fahrzeuge beschränken und insbesondere feste Tarife vorgeben 299 Das Taxengewerbe ist, wie kaum ein anderer Verkehrszweig, erheblich von Nachfrageschwankungen betroffen. 300 Während der üblichen Urlaubszeiten und insbesondere im Sommer gehen die Nachfrage nach den typischen Beförderungsleistungen und damit auch die Umsätze extrem zurück. Die gegenteilige Entwicklung tritt während besonderer Veranstaltungen und Ereignisse, z.B. Kongresse, Festspiele etc. auf. Dort kommt es zu extremen Nachfragespitzen. Zusätzliche Probleme bei der Einschätzung der Nachfrage entstehen durch die sog. "Freizeitfahrer". Da sie nur zu besonders nachfragestarken Zeiten fahren, entsteht sowohl in der Unternehmerschaft als auch bei den Genehmigungsbehörden ein verzerrtes Bild vom tatsächlichen Beförderungsbedarf. Nach Mei-

sind deshalb unvermeidbar und werden zugunsten einer klaren Strukturierung in Kauf genommen. 295 Vgl. bei Basedow,Seite 45, der selbst aber starke Zweifel anmeldet, aaO, Seite 49 f. 296 Werner, Seite 156. 297 Vgl. auch Heinrich Bürgel, Seite 11. 298 Bürgel, Seite 11/12; als eine der Ursachen für die ruinöse Konkurrenz ebenfalls genannt bei Massenberg, Seite 25. 299 Dazu: Hamm, Seite 74; Soltwedel et al, Seite 226. 300 Der größte deutsche Verband von Taxenuntemehmem BDP sah eine geringe Kapazitätsauslastung als Charakteristikum des Taxigewerbes an und zog daraus den Schluß, daß vorhandene Überkapazitäten durch staatliche Maßnahmen in Form der Beschränkung von Neuzulassungen erforderlich seien, in: DPV 12/1976, Seite 380 f. 11'

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nung der Interessenvertreter führen diese Unwägbarkeiten dazu, daß die Taxiunternehmer, die oft als Familienbetrieb organisiert sind, versuchen, Umsatzrück-gänge durch um so höhere Arbeitszeiten bis hin zur "Selbstausbeutung" abzugleichen. 301 Dem Hinweis auf die fehlende Möglichkeit einer Bevorratung ist jedoch entgegenzuhalten, daß dies keine Besonderheit des Verkehrsgewerbes ist, sondern für alle Dienstleistungsunternehmen gilt. Alle Dienstleistungsanbieter müssen bei ihrer Kalkulation beachten, daß die Fixkosten in nachfragestillen Zeiten über die Preise für die erbrachten Leistungen mitabgedeckt werden. 302 Entsprechend kostendeckend muß die Planung der einzusetzenden Kapazitäten verlaufen. 303 Die Nachfrageschwankungen im Taxengewerbe sind zwar besonders hoch. Doch ist die Kenntnis der besonders umsatzstarken und -schwachen Zeiten und der entsprechenden Standplätze gerade das Charakteristikum dieses Gewerbes und fester Bestandteil des Berufsbildes. Gerade dort liegt die besondere unternehmerische Leistung. Die zur Erstellung einer Finanzplanung notwendigen Kenntnisse werden den angehenden Unternehmern durch die Berufsverbände vermittelt und sind Teil der Fachkundeprüfung. 304 Die Fehler, die später bei der Finanz- und Bedarfsplanung gemacht werden und zu einem vorzeitigem Ausscheiden von Unternehmern führen, haben ihre Ursachen in den Fehlern bei der Berufsvorbereitung. Eine Abhilfe ist deshalb nicht mit der Beschränkung von Wettbewerb durch eine zahlenmäßige Begrenzung der Konkurrenz und durch Preisvorgaben zu schaffen, sondern durch eine bessere Ausbildung.305 Denn gerade das Taxengewerbe ist naturgemäß bei der Anpassung an 301

Der BDP stellte für seine Mitglieder bereits 1976 fest, daß in "der überwiegenden Zahl der Betriebe" eine Mitarbeit des Ehegatten aus "existenziellen Gründen" notwendig sei, in: DPV, 12/1976, Seite 379 f. Vgl. zum Stellenwert der Arbeitsbelastung der Unternehmer für das BVerwG in: BVerwGE 82,295, 302. 302 Puf meint (Seite 308), die angeblichen Besonderheiten machten deutlich, daß "die Verfasser diese immer und offensichtlich nur im Vergleich zu Industrieunternehmen abgeleitet haben: "Eine Industrieproduktion kann auf Lager gehalten werden, die Verkehrsleistung naturgemäß nicht. Dieser Blick auf die Industrieproduktion hat nun über viele Jahre - wahrscheinlich bis heute - den Blick dafür verstellt, daß Verkehrsunternehmen Dienstleistungsunternehmen sind - mit allen Konsequenzen für die Ausgestaltung der Preis- und Leistungsangebote. Aus dieser Sicht allerdings fallen die angeblichen Besonderheiten schnell in sich zusammen: Welcher Friseur kann schon auf Vorrat produzieren ?" 303 Diese Ansicht vertritt auch Basedow, Seite 49. 304 § 13 Abs. 1 Ziff. 3 PBefG i.V.m. § 3 Abs. 1 Berufszugangsverordnung und die dazugehörende Anlage 2. 305 Auch innerhalb des Gewerbes gibt es Stimmen, die für eine berufsbezogene Ausbildung unter Federführung der Industrie- und Handelskammern plädieren, vgl. Rüdiger, Taximagazin Nr. 4/91, Seite 25: "Es sollte nicht weiter die Absicht des Gesetzgebers bleiben, das Leistungsniveau des Taxi- und Mietwagenfahrers dem eines ungelernten Arbeiters gleichzusetzen, nur um die Tür für Jobber offenzuhalten."

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die Nachfrageschwankungen überaus flexibel. Durch einen Stamm an Aushilfsfahrern kann ein Unternehmer sehr schnell auf Veränderungen bei der Nachfrage nach seinen Leistungen reagieren. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit eines Mehrschichtenbetriebes. Die Notwendigkeit einer ständigen Orientierung am Spitzenbedarf und die damit verbundenen hohen Fixkosten können also gerade im Taxengewerbe sehr gut vermieden werden. Dennoch entstehende Probleme bei der Anpassung an die Nachfrage und dadurch verursachte wirtschaftliche Schwierigkeiten sind eher darauf zurückzuführen, daß etwa die Hälfte der Unternehmerschaft aus Alleinfahrer besteht, die keine Fahrer beschäftigen. 306 Ein solches Unternehmen kann weder flexibel auf die Nachfrage reagieren noch diese in vollem Umfang ausschöpfen. Hinzu kommt, daß die Einnahmen-Kosten-Relation bei Betrieben, die nur aus einem Fahrzeug, einem Fahrer und einer Schicht bestehen, von vornherein wesentlich schlechter ist als bei Unternehmen mit mehreren Fahrzeugen, Fahrern und Schichten.307 Eine schlechte Ertragslage im Taxengewerbe entsteht also nicht durch zuviel Konkurrenz, sondern durch die fehlende Ausnutzung des wirtschaftlichen und unternehmerischen Potentials. Dies macht sich nicht nur in dem großen Anteil der Kleinstbetriebe bemerkbar, sondern auch darin, daß fast ein Fünftel der Unternehmer die Beförderungen allein auf bestimmte Standorte, wie Flughäfen oder Hauptbahnhöfe, beschränkt. 308 Die Einstellung des Gewerbes, wonach "die Leistung bei allen die gleiche ist" 309 , spiegelt sich in der zumeist austauschbaren Angebotspalette der meisten Unternehmen wieder. 310 Ein Wettbewerb über die 306 Ergebnis einer Befragung von 1313 Unternehmern im Frühjahr 1989, nachzulesen bei Grätz, Seite 26 ff. Danach gaben 47,1 % der Unternehmer an Alleinfahrer zu sein. 67,7 % der Unternehmer besaßen nur ein Fahrzeug. Nach anderen Quellen liegt der Anteil der Ein-Wagen-Unternehmen sogar bei 74 % , Amtliche Bekanntmachung des BMV vom 1. 8. 1989, abgedruckt bei: F/M/M/M u.a. zu § 47 PBefG. 307 In einem Betrieb mit nur einem Fahrzeug liegt dessen Kilometerleistung bei etwa 59.000 im Jahr. Demgegenüber erreichen Betriebe mit mehreren Fahrzeugen über 80.000 Kilometer jährlich pro Wagen, nachzulesen bei Grätz, Seite 30. 308 Bei Grätz, Seite 30 f. 309 Taximagazin, Nr. 3/91, Seite 6. 310 Mittlerweile gibt es zwar Großraumtaxis, Raucher- bzw. Nichtrauchertaxis, Taxis mit Telefon, Frauentaxis usw. Im Verhältnis zur Nachfrage nach Sonderdiensten in der Bevölkerung ist die Zahl der entsprechend ausgerüsteten Unternehmer jedoch gering. In einer repräsentativen Umfrage wünschten 1991 z.B. 58, 4 % der Befragten mehr Frauen-Nacht-Taxis, 48, 8 % mehr Sammeltaxis und 46, 3 % die Möglichkeit einer bargeldlosen Zahlung (Mehrfachbenennung war möglich), auszugsweise in: Taximagazin Nr. 3/91, Seite 13 f. Die Nachfrage ist also durchaus vorhanden, wird von den Unternehmern aber nicht entsprechend genutzt. Politker beklagen, daß Modellversuche nur schleppend vorwärts kämen und die Initiative etwa für Sammeltaxis fast ausschließlich von den Kommunen und nicht von den Taxiverbänden ausgehe, Dauberthäuser, Seite 102,104 und 106. Dazu auch: Nieße, Seite 8. Dabei wurde bereits 1977 eine Reihe von neuen Betriebsformen für Taxen vorgestellt, vgl. "Unkonventionelle Betriebsformen" zu 3.

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Leistung findet wegen der künstlich niedrig gehaltenen Konkurrenz selten statt. Dabei wirkt sich die zahlenmäßige Begrenzung der Konkurrenz letztlich zum Nachteil der Unternehmer aus. Denn diese haben auf die Erschließung neuer Kundenpotentiale und auf Umstrukturierungsmaßnahmen in dem Bewußtsein verzichtet, daß ihnen wegen der begrenzten Konkurrenz in jedem Fall ein sicheres Mindesteinkommen zufließt. Zwischenzeitliche Umsatzeinbußen konnten mit längeren Arbeitszeiten wieder ausgeglichen werden. Mittlerweile sind die Unternehmer vielerorts von der Konkurrenz durch das immer besser ausgebaute ÖPNV-Netz überrascht worden, klammern sich aber an die alten Strukturen und Dienstleistungen. Neben den Unternehmern, die bewußt auf eine personelle oder technische Expansion verzichten, gibt es viele, die Aushilfsfahrer suchen, aber nicht finden. Der Fahrermangel spiegelt sich in den studentischen Magazinen wieder, in denen mit äußerst attraktiven Angeboten um Fahrer geworben wird. Vereinzelt kommt es zu einem regelrechten "Fahrerhandel" und Abwerbungen. 311 Die große Nachfrage nach Fahrern zeigt aber andererseits, daß die Unternehmer einen größeren Bedarf nach Taxenleistungen im Markt sehen, als sie mit ihren personellen Mitteln zu decken imstande sind. Anstelle zusätzlicher Fahrer könnten ebensogut neu zuzulassende Unternehmer die Nachfrage befriedigen. In letzter Konsequenz bedeutet dies, daß gerade die Nichtzulassung von Neuunternehmern bei gleichzeitigem Fahrermangel die bessere Bedienung der Bevölkerung mit Taxenleistungen verhindert, - nicht umgekehrt. (2) Die Leerfahrten Die Befürworter einer strengen Regulierung weisen auf die außergewöhnliche Belastung des Gewerbes wegen der typischen "Unpaarigkeit der Verkehrsströme" hin. Das bedeutet, daß für die Rückfahrt vom Zielort in der Regel kein Kunde gefunden wird, so daß den meisten Fahrten mit einem Kunden auch eine Leerfahrt gegenübersteht. Aufgrund dessen sei die Gesamtkostendeckung der Verkehrsunternehmer von vornherein gefährdet. 312 Das Argument 311

Taximagazin Nr. 3/93, Seite XV: "Abwerbungen sind an der Tagesordnung; eine Taxe ohne Fahrer bringt keine Einnahme, aber es entstehen in jedem Fall Kosten. Damit diese Kosten irgendwie abgetragen Werden können, werden Fahrer zu Phantasiepreisen beschäftigt, nur um die Kosten, wenn auch nur teilweise, durch Einnahmen abzudekken;" Fahrer werden mit Angeboten gelockt wie: Einstiegsprämie von 3000,- DM, 55 % für Studenten und Prämienzuschuß bis 5% , 14 Gehälter, Urlaubs- und Weihnachtsgeld für Aushilfen, Studenten, Festfahrer; Mercedez Benz 250 mit Autotelefon, beheiztem Fahrersitz und CD-Player u.ä., wiedergegeben in Taximagazin 3/93, Seite XV. 312 Heinrich Bürgel, Seite 11 f.; Das Argument, es käme gerade in jenen Verkehrsrichtungen, in denen besonders viele Leerfahrten entstünden, bei Taxen also die städti-

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trifft wiederum in besonderem Maße auf die Taxiunternehmer zu, da diese mangels ausreichender Standplätze auf den Suchverkehr angewiesen seien.313 Bei einer geringeren Nachfrage tagsüber müssen die Fahrer oft mehrere Standplätze anfahren, um ihr Fahrzeug im Sinne des PBefG bereitstellen zu können314 und haben dadurch eine hohe Zahl an "Leerkilometern". Taxiunternehmer seien, so ein weiterer Einwand, darüber hinaus besonders durch ihre Beförderungspflicht belastet, die sie auch zur Durchführung nicht kostendeckender Kurzfahrten verpflichtet. Diese Argumentation übersieht jedoch, daß die hohe Zahl der Leerfahrten und die besonderen Pflichen jedem Unternehmer schon vor seiner Tätigkeit bekannt sind, also bewußt in Kauf genommen werden und zu dem Berufsbild des freien Taxiunternehmers gehören. Andererseits liegt es in der Hand der Unternehmer selbst, die Leerkilometer durch unternehmerische Maßnahmen zu vermindern, z.B. durch den Anschluß an eine Funkleitzentrale. 315 Im günstigsten Fall wird über Funk noch vor Ablieferung des Fahrgastes oder auf dem Rückweg ein neuer Auftrag vermittelt. Im übrigen gilt hier prinzipiell das gleiche wie bei dem Argument der Nachfrageschwankungen. Auch die Leerfahrten können und müssen durch eine langfristige Finanzplanung miteinkalkuliert werden. Wenn mit Leerfahrten zu rechnen ist, dann müssen die Unternehmer die Preise für die Hinfahrt so berechnen, daß mindestens die Kosten für den gesamten Fahrzeugumlauf gedeckt sind. Die starre Tarifbindung schließt zwar - gegenwärtig noch - die Vereinbarung individueller Preise aus. Doch sind die Behörden gem. § 39 Abs. 2 PBefG zu einer Festlegung der Tarife "unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens" verpflichtet. Die Übereinstimmung mit der tatsächlichen Kostensituation der Unternehmer wird durch die Interessenvertreter gewährleistet, die ihrem Antrag auf Tariferhöhung die einschlägigen Daten beifügen. 316 Schließlich ist auch bei der Frage nach den Kosten festzustellen, daß die Unternehmer längst nicht alle Maßnahmen ergreifen, die aus ökonomischer Sicht sinnvoll und geboten erscheinen. So wehren sich gerade die Kleinstbetriebe gegen jede Form der Zusammenschließung

sehen Randzonen, zu einem erhöhten Preisdruck bzw. fehlender Belieferung (so bei Hamm, Seite 75), gilt im Taxengewerbe aufgrund der bestehenden Preisbindung und vor allem wegen der Beförderungspflicht nicht. 313 BZP, Seite 6. 314 So auch für die Situation in Berlin in Taximagazin,1993, Nr. 1/2, Seite 18. 315 Nach Informationen des BZP, Seite 11, liefen 1991 bereits etwa zwei Drittel aller Bestellungen über eine Taxi-Zentrale. 316 Sollten sich die nach diesen Regeln ermittelten Preise im Falle einer Preisfreigabe am Markt nicht erzielen lassen, ist dies ein Zeichen für bestehende Überkapazitäten oder dafür, daß es tüchtige Unternehmer gibt, die durch geschickte Disposition der Fahrzeuge weniger Leerfahrten erreichen als ihre Konkurrenten, vgl. Hamm 1989, Seite 76.

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mit anderen Unternehmern, um ihre Selbständigkeit nicht zu gefährden, verhindern dadurch aber zugleich eine Kostensenkung durch gemeinsam betriebene Reperaturwerkstätten oder günstigere Kraftstoffeinkäufe. Am Beispiel des Mietwagengewerbes zeigt sich schließlich, daß selbst eine hohe Zahl von Leerkilometer nicht notwendigerweise durch eine künstliche Begrenzung der Konkurrenz ausgeglichen werden muß. Denn die Mietwagenunternehmer dürfen Beförderungsaufträge grundsätzlich nur an ihrem Betriebssitz annehmen, so daß die Möglichkeit einer zwischenzeitlichen Fahrgastaufnahme regelmäßig wegfallt. Naturgemäß ist die Zahl der ohne Fahrgast zurückgelegten Kilometer hier besonders hoch: Dennoch kommt das Gewerbe ohne eine zahlenmäßige Begrenzung aus.317 Die Ergebnisse dieses Teil lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Die betriebswirtschaftlichen "Besonderheiten" sind keine. Die Nichtspeicherbarkeit und bestehende Nachfrageschwankungen sind gerade kennzeichnend für jedes Dienstleistungsgewerbe, ohne daß dieses deshalb besonders streng reglementiert werden müßte. Das gleiche gilt hinsichtlich des hohen Anteils an Leerfahrten, wie das kaum reglementierte Mietwagengewerbe zeigt. 2. Wirtschaftliche Schwierigkeiten im Taxengewerbe entstehen nicht durch eine zu große Konkurrenz der Taxen untereinander. Die Ursachen liegen vielmehr darin, daß die Unternehmer im Vertrauen auf den niedrigen Konkurrenzdruck die herkömmlichen, unökonomischen Betriebsstrukturen beibehalten haben und ihnen wegen des zunehmenden Ausbaus des ÖPNV die alten Kundenstämme wegbröckeln. cc) Die volkswirtschaftlichen "Besonderheiten" ?

Die Gegner einer Deregulierung weisen immer wieder auf das Vorhandensein natürlicher Monopole, externer Effekte und einer permanenten Neigung verschiedener Verkehrsträger zu einer ruinösen Konkurrenz hin. Das freie Spiel der Kräfte, ein Aufeinandereinstellen von Angebot und Nachfrage und freier Wettberb mit freiem Marktzutritt und ohne Preisbindung seien deshalb im Verkehrsmarkt nicht möglich. 318 317 Nach einer Hochrechnung lag die Zahl der Mietwagen 1991 im gesamten Bundesgebiet bei 20.060 Fahrzeugen, gegenüber 52.560 Taxen, aus: Geschäftsbericht des BZP 1993, Seite 57. 318 Auch diese Argumentation ist - wenn auch eher versteckt - ein Teil der Lehre von den Besonderheiten, Laaser, Seite 58.

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(1) Das natürliche Monopol Nach volkswirtschaftlichen Erkenntnissen weisen die Verkehrsmärkte eine Tendenz zur Monopolbildung auf, die als eine Ursache für das Versagen der üblichen marktwirtschaftlichen Koordination von Angebot und Nachfrage bewertet wird. 319 Die Ursachen werden in der besonderen Kostenstruktur dieses Bereiches gesehen. Mit zunehmender Unternehmensgröße stiegen im Verkehrswesen auch die Vorteile bei der Kosten-Gewinn-Relation gegenüber kleineren, insbesondere einzelnen Mitbewerbern (economics of scale), so daß sich zuletzt der größte Anbieter allein durchsetzen werde. 320 Die notwendige Voraussetzung für eine Monopolisierung besteht also darin, daß ein einzelnes Unternehmen die gesamte Nachfrage kostengünstiger befriedigen kann als eine Vielzahl von Anbietern. Dies ist wiederum dann der Fall, wenn bei hohen Fixkosten die Durchschnittskosten mit steigender Ausbringungsmenge ständig sinken.321 Im Taxengewerbe kann bspw. die Zahl der Leerfahrten durch eine gezielte Koordination, wie sie heutzutage durch genossenschaftliche Funkzentralen erfolgt, gesenkt werden. Je mehr Taxen angeschlossen sind, desto weniger bzw. kürzere Leerfahrten gibt es. Bis zu einem gewissen Ausnutzungsgrad wäre also auch die Vereinigung vieler Taxen in einer Hand, z.B. eines einzelnen Großunternehmens, für dieses kostengünstiger. 322 Bei dieser Überlegung darf jedoch nicht übersehen werden, daß die regionale Monopolstellung eines einzelnen Taxiunternehmers nicht notwendigerweise von Nachteil für die Funktionsfahigkeit des örtlichen Taxengewerbes ist. Wie die Geschichte des Taxengewerbes in Berlin gezeigt hat 323 , ist die Verkehrsbedienung sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht nicht von der Zahl der Unternehmen, sondern von der Zahl und Koordination der einsatzbereiten Fahrzeuge abhängig.324 Die Funktionsfahigkeit des Gewerbes 319

Vgl. hierzu: Werner, Seite 131 ff.; Kroker, Seite 12; aus der Sicht der Taxiunternehmer stellen schon "Konzentrationsbewegungen" die ersten Anzeichen für einen"ruinösen Wettbewerbs" dar, Betz/Bruckschen, Seite 35. 320 Bei Basedow, Seite 43. 321 So etwa bei: Eisenbahn, Fernsprechdienst, Stromversorgung, vgl. Kroker, Seite 12. 322 Die praktische Umsetzbarkeit bewies der deutsch-östereichische Autoverkäufer Johann Hertz, dem es in den USA gelang, ein Taxi unternehmen aufzubauen, daß 1930 etwa über 57.000 Fahrzeuge und über 80.000 angestellte Fahrer verfügte und in 1300 Städten vertreten war. Da er alle seine Wagen gelb anstreichen ließ, nannte sich das Unternehmen "Yellow Taxicab Company" - nachzulesen bei Evgénieff, Seite 72-75. 323 Vgl. oben, 1. Teil, Kapitel 1. 324 Die möglichen Vorteile einer Monopolisierung für die Fahrgäste zeigt das obige Beispiel. Johann Hertz führte nämlich ein völlig neues Konzept in das Taxengewerbe ein, suchte Chauffeure, die im Gegensatz zu den ungefälligen Kollegen seine Grundidee

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kann deshalb allenfalls unter dem Gesichtspunkt als gefährdet angesehen werden, daß ein solches Großunternehmen in Konkurs fallen und dadurch schlagartig die Verkehrsbedienung zum Erliegen bringen kann. 325 Ein solches Ereignis wird es im Taxengewerbe jedoch aus den gleichen Gründen nicht geben, die bereits gegen die Bildung eines Monopols sprechen. Denn die Marktzutrittsschranken sind - eben mit Ausnahme des § 13 Abs. 4 PBefG - grundsätzlich so niedrig, daß eine Betriebsgründung gerade für Einzelpersonen jederzeit relativ problemlos möglich ist. Die Erfüllung der personenbezogenen Voraussetzungen erfordert in der Regel keinen größeren Zeitoder Kostenaufwand, so daß der angehende Unternehmer im wesentlichen nur einen Pkw anschaffen muß, um den Betrieb zu eröffnen. Bei der beschriebenen Ausgangssituation - kurzfristige Unterversorgung der Bevölkerung - lassen sich auch entsprechende Kapitalgeber relativ schnell finden. Das Fahrzeug muß zwar entsprechend den §§ 25 - 29, 41 BOKraft umgerüstet sein. Für diese Art Spezialfahrzeug existiert jedoch ein größerer Gebrauchtwagenmarkt, der es ermöglicht, voll ausgerüstete Fahrzeuge älteren Datums zu günstigen Preisen zu erwerben. Zum anderen hat der Unternehmer umgekehrt die Sicherheit, daß er den Markt auch ohne größeren Kapitalverlust wieder verlassen kann. Dieses überschaubare und vergleichsweise geringe finan-zielle Risiko bei der Gründung eines Ein-Mann-Betriebes wirkt sich auch auf die Gründungsfreudigkeit aus. Dementsprechend ist das Taxengewerbe in Deutschland ausgesprochen polypolistisch strukturiert. Im Bundesdurchschnitt besitzen zwischen 80 % und 84 % der Unternehmer nur ein oder zwei Taxis, 326 wobei der Schwerpunkt mit 74 % deutlich auf dem Ein-Wagen-Unternehmer liegt. 327 vom "Dienst an der Kundschaft" übernahmen und umsetzten. Alle Fahrzeuge erhielten Taxameter, die richtig funktionierten und fuhren zu ortsbilligsten, einheitlichen Preisen. Von dem an Übervorteilung gewohnten Publikum wurden die allesamt gelb angestrichenen Droschken bald mit Sicherheit in bezug auf Fahrt, Wagen, Preis und Fahrer identifiziert. Durch unentgeltliche Kundendienste, wie den Tranport des Gepäcks vom Bahnhof zur Droschke und das Warten der Chauffeure, "bis die alleinstehende Dame sicher den Hauseingang erreicht hat", trugen weiter zur Sympathie bei. Während deutsche Fahrer heute regelmäßig nur prozentual beteiligt werden, bezahlte Hertz schon in den dreißiger Jahren seinen Chauffeuren bis zu 70 % des Verdienstes als Festlohn und ermöglichte ihnen eine Beteiligung an dem Unternehmen. Durch die Politik der möglichst niedrigen Preise - die immer noch die Rentablität des Unternehmens sicherten wurde die Benutzung seiner Fahrzeuge auch den breiteren Bevölkerungsschichten zugänglich - nachzulesen bei Evgeniefif, Seite 72-75. 325 Die Gefahr besteht allerdings auf einem künstlich beschränkten Taximarkt noch viel eher, wie ein Beispiel aus den USA zeigt. Dort führte gerade der Konkurs eines Taxigroßunternehmers zur Aufhebung der quantitativen Beschränkung (Shaw u.a., Seite 81,34). 326 Der Wert von 80 % ist einer im Frühjahr 1989 durchgeführten Untersuchung entnommen worden, bei der 1313 Unternehmer befragt wurden - auszugsweise bei: Grätz, Seite 25; der zweite Wert von 84 % beruht auf den Angaben des Berichts über die Ent-

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Volkswirtschaftlich betrachtet fehlen also die Voraussetzungen für die Bildung regionaler oder sogar überregionaler Monopole. 328 Selbst wenn es aber in der ein oder anderen Gemeinde zur Bildung eines Taximonopolisten käme, löst dies keine Gefahr für die Versorgung der Bevölkerung aus, auch nicht im Falle eines Konkurses. Denn aufgrund der niedrigen Marktzutrittsvoraussetzungen werden sich kleinere Unternehmen in dem Maße Zugang zum Markt verschaffen, in dem die Versorgung der Bevölkerung durch den Monopolisten nachläßt.329 Eine Unterversorgung der Bevölkerung durch eine Monopolisierung des örtlichen Taxengewerbes ist damit weder unmittelbar noch mittelbar zu befürchten. Wie in der Literatur bemerkt wird, ist "die Bekämpfung der wirtschaftlichen Konzentration zwar möglicherweise wirtschaftspolitisch erwünscht aber sicher nicht verfassungsrechtlich geboten und im übrigen Aufgabe der Kartellbehörden." 330 (2) Externe Effekte

Unter externen Effekten versteht man die positiven und negativen Auswirkungen des Verkehrs auf andere Sektoren der Volkswirtschaft oder einzelne Wirtschaftsubjekte in deren Eigenschaft als Verkehrsteilnehmer. Dazu gehört u.a. die Sicherheit auf den Verkehrswegen, also die Vermeidung eines zusätzlichen Unfallrisikos. Das Argument zielt auf den von der Rechtsprechung aufgegriffenen Aspekt, daß es ohne die Zulassungsbeschränkung zu einer Vernachwicklung des Taxen- und Mietwagengewerbes in der Bundesrepublik Deutschland, Amtliche Bekanntmachung des BMV vom 1. 8. 1989 in VKBL 1989, 641, ebenfalls abgedruckt bei: F/M/M/M zu § 47 PBefG. 327 F/M/M/M zu § 47 PBefG. Eine gewisse Verzerrung mag zwar durch den Umstand entstehen, daß die Unternehmer bei der gegenwärtigen Rechtslage nicht beliebig viele Konzessionen erhalten können. Andererseits hat sich auch in den Städten ohne zahlenmäßige Beschränkung gezeigt, daß die meisten Unternehmer auch dann nur ein Fahrzeug einsetzen, vgl. hierzu auch unten, zu: "Die Entwicklung in deutschen Städten ohne zahlenmäßige Taxenbegrenzung". Die gleiche polypolistische Marktstruktur bei Taxen wurde auch im Vereinigten Königreich festgestellt, so bei Laaser, Seite 88 m.w.N. 328 Wegen dieser polypolistischen Struktur wird in der Literatur auch die Auffassung vertreten, daß Märkte wie das Taxengewerbe "allenfalls dann monopolisiert werden, wenn künstliche Marktzugangsbeschränkungen errichtet würden, etwa wenn die zuständige Genehmigungsbehörde die Konzessionsvergabe nach § 13 IV PBefG sehr restrikiv handhabt oder die innergewerblichen Zusammenschlüsse gegen potentielle Preisbrecher diskriminieren." - vgl. Laaser Seite 89. 329 Damit scheidet ebenfalls die Gefahr aus, daß der ehemalige Preisdrücker die Preise später dauerhaft über das Wettbewerbsniveau anhebt. 330 Basedow, Seite 127.

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lässigung von Sicherheitsvorschriften komme, weil der Wettbewerb die finanziellen Reserven aufzehren und gleichzeitig der Einsatz von Personal und Material intensiver werde. 331 In der öffentlichen und politischen Diskussion wird deshalb behauptet, daß verschärfter Wettbewerb zu einer Vernachlässigung von u.U. kostenträchtigen Sicherheitsmaßnahmen fuhren werde. 332 Dieser Aspekt bedarf hier jedoch keiner weiteren Vertiefung, da die Verkehrssicherheit nach den oben getroffenen Feststellungen in erster Linie durch Überwachungsmaßnahmen, keinesfalls aber durch eine zahlenmäßige Begrenzung des Gewerbes sicherzustellen ist. 333 (3) Die ruinöse Konkurrenz Das klassische juristische Argument, mit dem objektive Zulassungsbeschränkungen im Taxengewerbe begründet werden, ist seit jeher dessen angebliche chronische Neigung zu einer ruinösen Konkurrenz. 334 Dieser Begriff ist allerdings weder im wirtschaftswissenschaftlichen noch im politischen Sprachgebrauch inhaltlich eindeutig bestimmt, sondern im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich unscharf und mehrdeutig definiert. 335 Die Bezugnahme auf eine

331 Zur Bedeutung übermäßiger Einsatzzeiten: BVerwGE 82, 295, 302 und oben, B. Π. a) § 1. 332 In diesem Zusammenhang wird regelmäßig auf die negative Entwicklung in einigen deregulierten US-Städten hingewiesen, in denen insbesondere die Fahrzeuge der Kleinstunternehmer zum Teil gravierende technische Mängel aufwiesen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß in den USA z.T. gänzlich andere Ausgangsbedingungen im Vergleich zu der Bundesrepublik bestehen. Einerseits können die Zulassungsvoraussetzungen für die Unternehmer sehr viel niedriger als hierzulande sein, andererseits stehen für die Kontrolle der Fahrzeuge - so dies denn vorgesehen ist - nicht immer die notwendigen personellen undfinanziellen Mittel zur Verfügung, s.u.: "Die Entwicklung in den USA". 333 Volkswirtschaftlich gesehen ist es zudem unter Berücksichtigung einschlägiger Studien (vgl. Laaser, Seite 101 ff.) höchst fraglich, ob die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften im regulierten Markt tatsächlich auf die "Oligopolgewinne" zurückzuführen ist. Gerade im Taxengewerbe dürfte eher die strikte Überwachung des Gewerbes durch die eigenen Verbände und insbesondere die Funkzentralen mit z.T. rigiden Strafen bis hin zum Ausschluß bedeutsam sein. Immerhin werden mittlerweile über 60 % der Beförderungsaufträge durch Funkzentralen vermittelt werden (bei Grätz, Seite 30). 334 Der vom BVerfG beschriebene Kausalverlauf besteht aus drei, ineinander übergehenden Phasen, von denen die ruinöse Konkurrenz die mittlere ist. Das BVerwG setzt dagegen die ruinöse Konkurrenz mit deren möglicher, keinesfalls aber zwingenden Folge, nämlich einer Existenz- und Funktionsbedrohung gleich, vgl. BVerwGE 64, 238, 242: " [...] und es dem Grenzbereich des ruinösen Wettbewerbs und damit der Existenzbedrohung nahe zu bringen." 335 Soltwedel et al, Seite 9, 217 f.; Willeke, Seite 157; Krakowski, Seite 93. Die "ruinöse Konkurrenz" wird im wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum als Teil der Lehre von den Besonderheiten (Laaser, Seite 58) oder auch als deren Produkt angesehen

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ruinöse Konkurrenz kann also durchaus unterschiedliche Sachverhalte betreffen. 336 Nach der allgemeinsten Erklärung ist die ruinöse Konkurrenz ein Sammelbegriff für eine Reihe von Wettbewerbssituationen, in denen ein Versagen des marktwirtschaftlichen Ausleseprozesses mit gesamtwirtschaftlich schädlichen Auswirkungen befürchtet wird. Ihr Ausgangspunkt ist die Kartellentscheidung des Reichsgerichts vom 4. 2. 1897, nach der sinkende Preise als Indikator für eine Gefährdung des betreffenden Gewerbezweiges und damit auch das Vorliegen ruinöser Umstände zu werten seien. Mit der folgenden Formulierung wurde, so die volkswirtschaftliche Literatur, 337 der "ruinösen Konkurrenz" als Interventionsgrund Tür und Tor geöffnet: "Sinken in einem Gewerbezweig die Preise der Produkte allzu tief herab und wird dadurch der gedeihliche Betrieb des Gewerbes unmöglich gemacht oder gefährdet, so ist die dann eintretende Krisis nicht nur dem einzelnen, sondern auch der Volkswirtschaft im allgemeinen verderblich, und es liegt daher im Interesse der Gesamtheit, daß nicht dauernd unangemessen niedrige Preise in einem Gewerbezweig bestehen."338 Die in den Volkswirtschaften diskutierten Erscheinungsformen der ruinösen Konkurrenz lassen sich grob in drei Kategorien einteilen,339 von denen im folgenden jede auf ihre Relevanz für die Situation im Taxengewerbe untersucht wird. (a) "Zitronenwettbewerb" Die erste Erscheinungsform der "ruinösen Konkurrenz" wird in der Literatur als "Zitronenwettbewerb" bezeichnet. Der Begriff beruht auf der Annahme, daß es in einem unkontrollierten Markt unseriösen Anbietern mit qualitativ schlechten Leistungen gelingen kann, seriöse Anbieter mit guten Leistungen aufgrund von Informationsdefiziten der Kunden aus dem Markt zu drängen. Da sich die Qualitätsunterschiede nicht im Preis wiederspiegelten, nähme der Anreiz, schlechte Qualitäten zu vermarkten, zu, während sich auf Kundenseite infolge negativer Erfahrungen das Interesse und ihre Preisgebote reduzierten. Seriöse Anbieter könnten so ihre Kosten nicht mehr decken und müßten den (Werner, Seite 154). Vgl. auch: Willeke/Aberle, ZfV 1967, Heft 1, Seite 31, WackerTheororakopolous, Wirtschaftsdienst 1988, Seite 374. 336 Eine Zusammenstellung wirtschaftswissenschaftlicher Definitionsvorschläge findet sich bei Willeke, Seite 157 ff. 337 So Soltwedel et al, Seite 10, Fn. 2; s.a. Willeke 1977, Seite 157, der die dort zitierte Entscheidung als "oberflächlich und dilletantisch" bezeichnet. 338 RGZ 38,157. 339 Vgl. bei Tolksdorf, Seite 28 ff. und 201 ff. m.w.N.

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Markt verlassen. 340 Am Ende des unregulierten Prozesses würde der Markt nur noch mit "Zitronen", d.h. mit minderwertigen Produkten aus im Zweifel unwirtschaftlichen Produktionen beliefert. 341 Überträgt man diese Argumentation auf die Dienstleistungen des Taxengewerbes bedeutet dies, daß sich letztlich die Unternehmer durchsetzen werden, die ihre Leistung, die Personenbeförderung, mit mangelhaften Mitteln technischer und personeller Art erbringen. 342 Dieses Verständnis einer ruinösen Konkurrenz zielt in die gleiche Richtung wie die oben angesprochenen "externen Effekte", die zu einer Gefährdung der Verkehrssicherheit führen. Es kann deshalb grundsätzlich auf das oben Gesagte verwiesen werden. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht ist zusätzlich folgendes zu beachten. Das Modell des "Zitronenwettbewerbs" wurde in den USA entwickelt. Die dortigen Ausgangsbedingungen unterscheiden sich z.T. gravierend von der Situation in Deutschland. Ein unregulierter Markt in den USA beinhaltet nicht nur das Fehlen quantitativer Beschränkungen, sondern darüber hinaus den weitgehenden Verzicht auf subjektive Anforderungen und scharfe staatliche Kontrollen. Demgegenüber hat der Gesetzgeber in Deutschland berücksichtigt, daß der typische Kunde jeden Fahrer mit seinem Fahrzeug nur einmal in Anspruch nehmen wird und schlechte Erfahrungen mit Qualitätsdefiziten deshalb zukünftig nicht verwerten kann. Dieses Informationsdefizit könnte dazu führen, daß Unternehmer Qualtätsmängel bewußt in Kauf nehmen.343 Deshalb besteht in der Bundesrepublik ein dichtes Netz aus Vorschriften, das die Qualität der Dienstleistungen sicherstellt. 344 Soweit die Qualitätsverluste auf Einsparungen beruhen, die sich nicht in Verstößen gegen die gesetzlichen Pflichten auswirken - z.B. die Benutzung eines kleineren Pkw -, ist dies eine typische Erscheinung der Marktwirtschaft und durchaus legitim und sogar wünschenswert. Im Hinblick auf die Gefahr eines "Zitronenwettbewerbs" genügt in der Bundesrepublik der bestehende Ordnungsrahmen für Taxiunternehmer. Einer zahlenmäßigen Begrenzung der Unternehmer bedarf es nicht.

340 So beschrieben bei Laaser, Seite 79 m.w.N.; vgl auch bei Kaufer, Beihefte zur Konjunkturpolitik Nr. 32 (1985), Seite 14: "Als ruinös bezeichnet man eine Konkurrenz, wo der Anbieter der besseren Produktqualitäten von denen schlechterer Produktqualitäten aus dem Markt verdrängt wird, weil sich die Lüge im Wettbewerb lohnt." 341 Werner, Seite 152. 342 Vgl. hierzu: BVerwGE 82,295,302; s.o.: "Die Verkehrssicherheit". 343 Insofern trifft der Einwand von Laaser, daß "Einzelne Nachfrager immer wieder auf unseriöse Anbieter hereinfallen [mögen], nicht aber alle Nachfrager permanent" im Taxengewerbe nicht zu. (Der Ausspruch wird ursprünglich Abraham Lincoln zugeschrieben, vgl. Laaser, Seite 79 und Soltwedel et al, Seite 11 und 12 Fn. 1.) 344 Vgl. dazu oben 1. Teil, 3. Kapitel.

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(b) Verdrängungs- und Vernichtungswettbewerb Die zweite Erscheinungsform der ruinösen Konkurrenz läßt sich als "agressiver Verdrängungs- und Vernichtungswettbewerb" beschreiben. 345 Auf hochverdichteten Märkten und in Oligopolen könne es zu gezielten Preisunterbietungen der Unternehmer ohne Rücksicht auf Leistungs- oder Kostenkriterien auch unterhalb der Kostengrenze kommen - mit dem Ziel, sich gegenseitig aus dem Markt zu drängen. 346 Die erste Voraussetzung für diese Erscheinungsform ist im deutschen Taxengewerbe wegen der gegenwärtig bestehenden starren Tarifbindung bereits nicht gegeben. Selbst wenn aber im Rahmen einer zukünftigen Neustrukturierung die unflexible Preisbindung wegfallen sollte, wird es einen "Verdrängungs- und Vernichtungswettbewerb" im Taxengewerbe nicht geben. Denn es fehlt auch die zweite Voraussetzung, der hochverdichtete, also aus wenigen, aber finanzstarken Anbietern bestehende Markt. 347 Die Tendenz zur Bildung solcher Oligopole ist im Taxengewerbe aus den gleichen Gründen zu verneinen, die im Zusammenhang mit einer Monopolbildung genannt wurden.348 Das Taxengewerbe war bis auf die Zeiten der monarchistischen Vergabe 345 In dem Entwurf eines Personenbeförderungsgesetzes vom 8. 3. 1958 (BT Drucks. ΠΙ 25, Seite 27) heißt es: "Die Zulassung von Verkehrsunternehmen über das öffentliche Verkehrsbedürfnis hinaus würde zu einer Vernichtungskonkurrenz zwischen den Verkehrsunternehmen führen und die Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Verkehr gefahrden und schließlich beseitigen. "Die Auffassung des Bundesverkehrsministers gibt das BVerfG 1960 wie folgt wieder: " [...] die Zulassung von Unternehmen über das öffentliche Verkehrsbedürfiiis hinaus würde zu einer Vernichtungskonkurrenz zwischen den Verkehrsunternehmen führen und die Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Verkehr gefährden und schließlich beseitigen." (BVerfGE 11, 168, 175) Peters bezog sich 1968 (Seite 20) auf die bestehende Auffassung als er sagte: "Die Anhänger dieser These befürchten, daß der von Urnen unterstellte " Vernichtungswettbewerb" zwischen den Verkehrsunternehmen eine gesicherte und dauerhafte Verkehrsbedienung in Frage stellt und den nach "gemeinwirtschaftlichen" Grundsätzen betriebenen Unternehmen der öffentlichen Hand die wirtschaftliche Basis für den Globalausgleich entzieht, was sich zu Lasten der Allgemeinheit auswirken würde." 346 Diese Art des Wettbewerbs ist auch Gegenstand des § 1 UWG. Danach werden Verkäufe unter dem Einstandspreis als wettbewerbswidrig angesehen, wenn "sie die Gefahr begründen, daß die Mitbewerber von einem bestimmten Markt verdrängt und dadurch der Wettbewerb auf dem Markt völlig oder nahezu völlig aufgehoben wird", oder wenn die Gefahr einer Nachahmung durch Dritte mit der Möglichkeit einer gemeinschaftsschädigenden Störung des Wettbewerbs besteht, vgl. Hefermehl/Baumbach, § 1 UWG, Rn. 257, 874; Nordemann, Rn. 243 ff. 347 Machlup meint, daß es auf unkonzentrierten Märkten einen Verdrängungswettbewerb schon deshalb nicht geben werde, weil sich dort erst gar keine Macht zur Durchführung dieser Verdrängungsstrategie bilde, Machlup, Seite 166, nach Wollrab, Seite 55, Fn. 2: "Needless to say, the best known name for ologopoly in fight is cut-throat competition. Cut-throat competition can never occur under polypolistic conditions, it always pre-supposes a fair degree of monopolistic power on the part of some of the competitors, and it is not competition for business but competition to subdue a rival." 348 Vgl. oben: "Das natürliche Monopol".

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des Beförderungsprivilegs seit jeher polypolistisch zusammengesetzt. Dies liegt vor allem daran, daß ein Unternehmer auch mit nur einem Fahrzeug bereits seinen Lebensunterhalt sichern kann - auch wenn die Arbeitszeiten infolge schlechterer Auslastung und Kosten/Einnahmen-Relation höher sind, als bei Mehrfahrzeug - oder auch Mehrschichtbetrieben. 349 Zudem stehen den Großbetrieben die genossenschafltich organisierten und aus einer Vielzahl von Kleinunternehmern bestehenden Funkzentralen als gleichwertige Konkurrenten gegenüber. Schließlich ist es aufgrund des jederzeit leicht zu bewerkstelligenden Markteintritts auch nicht möglich - und das ist das eigentliche Motiv bei dieser Kampfstrategie -, die Preise nach der Verdrängung von Konkurrenten wieder drastisch anzuheben, die erkämpfte Monopolstellung also wirtschaftlich nutzen zu können. Ein ruinöser Verdrängungswettbewerb wäre sinnlos.350 Letztlich beständen auch die Folgen dieses Wettbewerbs nicht in der von § 13 Abs. 4 PBefG vorausgesetzten Bedrohung der Funktionsfahigkeit des Taxengewerbes. Denn am Ende eines Verdrängungswettbewerbs stünde eine zunehmende Monopolisierung. Da für die Verkehrsbedienung nicht die Zahl der Unternehmer, sondern die Zahl der zur Verfügung stehenden Fahrzeuge entscheidend ist - theoretisch könnte auch ein einzelnes Großunternehmen den regionalen Bedarf an Taxendienstleistungen befriedigen 351 -, stellt der Verdrängungswettbewerb keine Bedrohung für die Allgemeinheit, sondern für den Mittelstand im Taxenwesen dar. Im Ergebnis ist damit festzuhalten, daß eine zahlenmäßige Begrenzung der Taxen, § 13 Abs. 4 PBefG, nicht erforderlich ist, um einen Verdrängungs- und Vernichtungswettbewerb abzuwenden.352

349 Dennoch wird es immer eine Vielzahl von Kleinstunternehmern geben, die bereit sind, höhere Arbeitszeiten in Kauf zu nehmen, da die Selbständigkeit als Taxiunternehmer für viele - aufgrund fehlender oder auf dem Berufsmarkt nicht mehr anerkannter Qualifikationen - die einzige berufliche Perspektive ist. Das Gewerbe bemängelt, das Leistungsniveau des Taxiunternehmers stehe dem eines ungelernten Arbeiters gleich, Nieße, Seite 8. 350 Vgl. Werner, Seite 153. 351 Als Beispiel kann Johannes Herzt dienen, der mit seinen "Yellow cabs" das bis heute wohl innovativste Taxiunternehmen überhaupt aufbaute. 352 Eine Reihe von Autoren vertritt demgegenüber die Auffassung, daß gerade die Unterbindung der Konkurrenz durch eine Begrenzung der Neuzulassungen einen solchen Verdrängungswettbewerb bedinge. Soltwedel et al, Seite 224; Baum, WuW, 1989, Seite 708 (analog im Güterfernverkehr); Hamm, ORDO Bd. 29 (1978), Seite 164: "Ein Übermaß an staatlichen Interventionen führt jenen Zustand [ruinöse Konkurrenz] herbei, der dann widersinnigerweise durch wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen bekämpft wird. Eikhof, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie, Bd. 5 (1986), Seite 131 m.w.N.

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(c) Verzögerte Anpassung

Sofern die Literatur überhaupt Bezug auf die Rechtsprechung nimmt, nach der die ruinöse Konkurrenz nicht nur einzelne Unternehmer, sondern die Existenz des ganzen Gewerbes bedrohe, wird der Erklärungsansatz in einem verzögerten Anpassungsprozeß gesehen.353 Dies bedeutet, daß sich die Unternehmer nicht schnell genug wirtschaftlichen Veränderungen anpassen und es deshalb zur Bildung von Überkapazitäten kommt. 354 Dabei steht einem permanenten Zustrom neuer Unternehmer in das Gewerbe eine wesentlich geringere Zahl ausscheidender Unternehmer gegenüber. In der Theorie würden die ohne große Behinderung in den Markt strömenden Neuunternnehmer zuänchst die niedrigen Verdienste hinnehmen, während die Altunternehmer auch bei starken Umsatzrückgängen den Markt wegen hoher Austrittsschranken lange Zeit nicht verlassen. Die Entwicklung eskaliert dann irgendwann darin, daß die meisten Unternehmer das Gewerbe etwa gleichzeitig verlassen - die Neuunternehmer wegen fehlender Aussicht auf Umsatzsteigerung, die Altunternehmer wegen fehlender Aussicht auf Umsatzfestigung -, so daß seine Existenz und Funktion akut gefährdet werden. 355 353

Laaser, Seite 89 f. Werner, Seite 151 f.; Tolksdorf, Seite 31 ff., 202; Willeke, Seite 162 f., der - mit großen Zweifeln am empirischen Gehalt der ruinösen Konkurrenz - eine länger anhaltende Strukturkrise prognostiziert, darin aber keine Überspitzung des Wettbewerbs und die Lösung nicht in einer Verminderung der Wettbewerbsintensität sieht. Nach Eikhof, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie, Bd. 5, Seite 131, ist bei Branchenoder Strukturkrise um so eher mit langfristigen Uberkapazitäten zu rechnen, "je weiter die Märkte in ihrer Phasenentwicklung fortgeschritten, je höher die Marktaustrittshemmnisse bei den eingesetzten Faktoren, je geringer die Innovationskompetenz der betreffenden Anbieter sowie die Effizienzunterschiede zwischen ihnen sind und je größer das Ausmaß strukturerhaltender, mobilitätshemmender und wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen des Staates ist." Aufgrund dieser weiten Einbeziehung von Faktoren gelangt Eikhof dann auch zu dem Schluß, daß wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen zwar die Symptome, nicht aber die Ursachen für die Strukturkrisen beseitigen können. Deren wirksame Bekämpfung setze vielmehr in erster Linie innovatorische Untemehmensaktivitäten voraus, die durch eine Wettbewerbsforderung anstelle einer Beschränkung unterstützt würden. 355 Anschaulich Hamm, Jahrbuch für Sozialwissenschaften 1963, Seite 266: "Wenn man in einem kalten Zimmer Feuer im Ofen anmacht, dauert es gewisse Zeit, bis das Zimmer durchwärmt ist. Schaut man auf das Thermometer, daß zunächst die Kälte weiter anzeigt, so könnte man versucht sein, viel mehr Kohle, als zur Erwärmung des Zimmers erforderlich ist, in den Ofen zu schütten." Der Vergleich könnte auch zur Verdeutlichung des in den Wirtschaftswissenschaften bekannten "Schweinezyklus" dienen. Voraussetzung für die Bildung der Überkapazität ist allerdings entweder, daß die Investition eine lange Ausreifungszeit (Zeit zwischen Investitionsbeginn und dem Erscheinen der ersten Güter aus den neuen Anlagen) ausgesetzt sind, und der Unternehmer von daher für eine gewisse Zeit den Ertrag seines Betriebes nicht richtig einzuschätzen vermag und durch eine günstige Gewinnsituation wohlmöglich noch zur Aus354

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Für diese Entwicklung gibt es drei grundsätzliche und kumulative Voraussetzungen: 1. Ein zersplitterter, klein- bis mittelbetrieblich strukturierter Markt 2. Niedrige Markteintrittschranken 3. Hohe Marktaustrittschranken Die erste Bedingung trifft auf das Taxengewerbe zu, da dieses traditionell polypolistisch strukturiert ist und überwiegend aus Kleinst- und Kleinbetrieben mit nur ein oder zwei Fahrzeugen besteht. Zu den als zweite Voraussetzung genannten Markteintrittschranken gehören unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten alle tatsächlichen Hindernisse, die einen Interessenten von einem Markteintritt abhalten, seine Entscheidung also beeinflussen können. Die personenbezogenen Anforderungen in § 13 Abs. 1 PBefG sind nur eine Komponente bei der Entscheidung für oder gegen eine Existenzgründung als Taxiunternehmer. Der Vorrang anderer Gesichtspunkte zeigt sich überall dort, wo der Zulauf in das Gewerbe schwankt, obwohl die subjektiven Voraussetzungen immer dieselben sind. Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist hierbei die allgemeine Arbeitsmarkt- und Konjunkturlage. Je schwächer die regionale Konjunktur und je höher die Arbeitslosenzahl ist, desto stärker ist der Zulauf in das Taxengewerbe. Die Frage nach der Höhe der Markteintrittsschranken bezieht sich also in erster Linie auf die davon betroffene Personengruppe. Aus Sicht eines Arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten Bürgers sind die entscheidenden Faktoren für eine Existenzgründung im Taxengewerbe die notwendige Vorbereitungs- bzw. Ausbildungsdauer und finanziellen Anforderungen bzw. Risiken. Beide Elemente werden zunächst durch die Berufszugangs-Verordnung genauer geregelt. Erfahrungsgemäß eignen sich die Bewerber die danach Vorausgesetzen Kenntnisse innerhalb weniger Wochen, u.a. durch Abend- oder Wochenendkurse bei den regionalen Taxiverbänden an oder stellen ganz einfach einen Geschäftsführer mit bestandener Fachkundeprüfung an. 356 Die Beziehung zwischen Geschäftsführer und Konzessionsinhaber läßt sich in der Praxis so gut wie nicht überprüfen. Auch in finanzieller Hinsicht sind die gesetzlichen Anforderungen leicht zu überwinden. Denn seit dem Inkrafttreten der Berufszugangs-Verordnung vom 9. 4. 1991 genügt für den Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit des Betriebes grundsätzlich ein Eigenkapital von 3000,- D M je eingesetztem Fahrzeug. 357 Die weitung seiner Kapazität veranlaßt wird. Oder es müssen besonders große Nachteile drohen, die den Unternehmer auf lange Sicht vom Verlassen des Marktes abhalten. 356 § 13 Abs. 1 Ziff. 3,2. Alt. PBefG. 357 § 13 Abs. 1 Ziff. 1 PBefG i.V.m. § 2 Abs. 2 Ziff. 4 Berufszugangs-Verordnung. Vor ihrem Inkrafttreten waren die finanziellen Anforderungen an die Bewerber regional

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ohnehin sehr niedrig bemessene Summe kann auch durch die Vorlage von Bargeld nachgewiesen werden, so daß auch eine Umgehung problemlos möglich ist. Obwohl also die gesetzlichen Voraussetzungen relativ einfach zu erfüllen sind, kann sich der Zugang zum Gewerbe aus einem anderen Grund sehr schwierig gestalten. Dieser Faktor ist das Verhalten der Fremdkapitalgeber. Die tatsächlichen Anfangskosten, vor allem die Anschaffung eines den Anforderungen der BOKraft entsprechenden Pkw sind relativ hoch und können in der Regel ohne die Aufnahme von Krediten nicht bewältigt werden. 358 Da die laufenden Kosten ebenfalls relativ hoch sind, fordern die Kreditinstitute neben der Sicherungsübereignung des Fahrzeugs immer die Aufstellung eines detaillierten Finanzplans. Die Bewertung des Risikos hängt dann von den jeweiligen Verdienstaussichten im Gewerbe ab, letztlich also von dessen spezifischer regionalen Konjunkturlage. Dies bedeutet: Je schlechter die Konjunkturlage ist, desto höher werden die Anforderungen an die Interessenten. Potentielle Neueinsteiger mit illusorischen Rentabilitätskalkülen haben erst gar keine Chance, in den Markt zu gelangen. Schließlich spricht sich eine schlechte Ertragslage im Taxengewerbe auch unter Außenstehenden herum, so daß die Attraktivität des Gewerbes ab einem gewissen Punkt ohnehin nachläßt.359 Ein entscheidendes Kriterium ist dabei die individuelle Situation der Bewerber. Denn ein wesentlicher Grund für die Einführung bzw. Aufrechterhaltung einer zahlenmäßigen Begrenzung der Taxen waren, im In- wie im Ausland, die schlechten Erfahrungen, die während einer extremen Wirtschaftskrise gemacht worden sind. Die Bürger mußten um ihre wirtschaftliche Existenz fürchten und sahen in der Selbständigkeit als Taxiunternehmer die einzige Möglichkeit, um zumindest lebensnotwen-

unterschiedlich und regelmäßig wesentlich höher. Dazu oben, 1 .Teil, 3. Kapitel, 2. Abschnitt. 358 Die in den Fachmagazinen angebotenen, voll ausgerüsteten Fahrzeuge werden kaum unter 20.000,- DM verkauft, bei Fahrzeugen mit Stern liegen die Summen auch weitaus höher. 359 In Übereinstimmung mit dem Apothekenurteil, wonach es eine allgemeine Wirtschaftsblindheit weder bei Apothekern noch anderen wirtschaftstheoretisch nicht vorgebildeten Gewerbetreibenden gebe (BVerfGE 7, 377, 419), stellt Hamm (1989, Seite 79 f.) fest: "Ist mit einer Kostendeckung nicht zu rechnen, werden sich Investoren und Fremdkapitalanleger regelmäßig nicht finden lassen. Die Vorstellung, kleine Unternehmer seien wirtschaftliche Selbstmörder, ist wirklichkeitsfremd und widerspricht den Erfahrungen." Vgl. auch Soltwedel et al, Seite 240 ff. und Basedow, Seite 83, mit der Bemerkung, daß ein exiStenz- und funktionsbedrohtes Gewerbe für Außenseiter alles andere als attraktiv ist: "[...] die von diesem Markt ausgehenden Signale - geringe Gewinne, vielleicht gar Verluste und Konkurse - sorgen von allein dafür, daß die Anzahl der Neubewerber zurückgeht." Für den insoweit vergleichbaren Güterverkehrsmarkt auch: Baum, WuW, 1989, Seite 709. 12*

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dige Einkünfte zu erzielen. 360 Diese Erfahrungen lassen sich auf die heutigen Verhältnisse in der Bundesrepublik nicht mehr übertragen. Die sozialen staatlichen Leistungen sind jedenfalls so bemessen, daß eine wirtschaftliche Existenzbedrohung als Motiv für die Selbständigkeit als Taxiunternehmer ausscheidet. Damit steht einer Übersetzung des Gewerbes bei schwacher Konkunktur und infolge niedriger gesetzlicher Anforderungen ein wirksames Regulativ in Form der Fremdkapitalgeber entgegen. Auch die Marktaustrittsschranken sind im Taxengewerbe nicht so hoch, als daß die von der Rechtsprechung prognostizierten Folgen einer "Existenz- und Funktionsbedrohung" realistisch wären. 361 Der Begriff ist ebenfalls weit auszulegen und umfaßt alle Umstände, die einen Unternehmer davon abhalten könnten, einen unrentablen Betrieb aufzugeben. 362 Aus volkswirtschaftlicher Sicht bestehen die gravierendsten Austrittsschranken darin , daß der Unternehmer im Falle eines Marktaustritts hohe finanzielle Verluste in Kauf nehmen müßte, weil sich die mit hohem finanziellen Aufwand angeschafften Kapitalgüter nicht oder nur weit unter dem Anschaffungspreis veräußern ließen, (sog. "sunk costs"). Der Unternehmer würde auf der Suche nach geeigneten Abnehmern die Betriebsaufgabe wesentlich länger hinauszögern, als dies wirtschaftlich opportun ist, und dabei lange Zeit auch ein geringes Einkommen hinnehmen.363 Im Taxengewerbe ist diese Befürchtung jedoch unberechtigt. Das Kapital der Unternehmer besteht regelmäßig nur aus einem Fahrzeug und einer Funkanlage. Das Taxi muß zwar gemäß den §§ 25-29, 41 BOKraft umgerüstetet worden sein. Doch gibt es für diese Art Spezialfahrzeug einen funktionsfähigen Markt, so daß die Kapitalverluste relativ niedrig ausfallen werden und keinen Grund für ein unverhältnismäßig langes Hinauszögern der Betriebsaufgabe bilden. Über-

360

Vgl. dazu oben, 1. Kapitel sowie zur Situation in den USA im folgenden unter 2. c) In den USA wurde der "Run zu den Taxen" während der Weltwirtschaftskrise zusätzlich dadurch begünstigt, daß die Autoindustrie ihre Überproduktion zu äußerst günstigen Konditionen Arbeitslosen zur Verfügung stellten, um sich als Taxiunternehmer zu betätigen. Zur ähnlichen Bedeutung der Zentralbank für das Genossenschaftswesen in Deutschland vgl. oben, l.Teil, 1. Kapitel. 361 Auf die Existenz solcher Schranken weist allerdings die Entwicklung in den Krisenjahren um 1982 hin. Während die Zahl der beförderten Personen 1982 gegenüber dem Vorjahr um 35 Millionen auf 320 Millionen zurückging, erhöhte sich der Taxenbestand sogar noch leicht um 500 auf 58.000 Fahrzeuge. 362 Zohlnhöfer, Seite 81, definiert Marktaustrittschranken allgemein als all jene Kosten und Nachteile, die der Marktaustritt verursacht. 363 Vgl. allgemein Schmidt/Engelke, Seite 400; Kruse, Beihefte zur Konjunkturpolitik Nr. 32, (1985), Seite 33; s.a. Wollrab Seite 56.

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kapazatiäten könnten daher leicht abgebaut werden. Der "Faktor Kapital" ist somit beweglich.364 Ein weiterer Grund für eine Verzögerung könnte in der fehlenden Transparenz der Betriebe, auch für ihre Inhaber liegen. Den Unternehmern ist die fehlende Rentabilität ihres Unternehmens längere Zeit nicht bewußt, weil eine Kosten- und Gewinnanalyse unter Gegenüberstellung der Einnahmen und Kosten, vor allem auch der Arbeitszeit, entweder gar nicht, oder nur durch den Steuerberater erfolgt, - also am Ende eines Jahres oder spätestens nach vier Jahren, beim Antrag auf Verlängerung. 365 Die Praxis macht allerdings deutlich, daß ein Großteil der Unternehmer auch im Bewußtsein der Unrentabilität schwächere Umsätze bzw. höhere Arbeitszeiten in Kauf nehmen, weil sie die Selbständigkeit als Unternehmer einer u.U. besser bezahlten abhängigen Tätigkeit vorziehen.366 Aus ökonomischer Sicht basiert das idealisierte Bild des freien und unabhängigen Unternehmers zwar auf irrationalen Überlegungen. 367 Die Aussicht, sein eigener Herr zu sein ohne Vorgesetzten und allein über die Geschicke des Unternehmens bestimmen zu können, übt jedoch eine starke Anziehungskraft aus, deretwegen viele Unternehmer einen wirtschaftlich gebotenen Marktaustritt über das ökonomisch vertretbare Maß hinaus verzögern. In der Literatur wurde schon in den sechziger Jahren festgestellt, es sei durchaus denkbar, "daß einigen Unternehmern die selbstständige Betätigung im Verkehr einen so hohen psychischen, nicht in Mark und Pfennig umzurechnenden Nutzen verschafft, daß sie bewußt einen Verdienst in Kauf nehmen, der niedriger

364 Vgl. Müller/Vogelsang, Seite 255; Wollrab, Seite 56: "Die bestehenden Überkapazitäten an Taxis können folglich nicht der Grund für einen harten, evtl. ruinösen Wettbewerb sein, sondern allenfalls Symptom. 365 In Taximagazin Nr. 7/92, Seite 19, heißt es: "Wenn sich die lieben Kollegen einmal die Mühe machen würden, ihren durchschnittlichen Stundenumsatz über Monate zu ermitteln, [...]." Der Verfasser errechnet einen zu versteuernden Stundenumsatz von 7.DM, von dem dann noch Zahlungen für Krankenkasse, Rente etc. zu entrichten seien. 366 So schon der BayVGH vom 14. 2. 1962, DPV 1962, 105, 107. Ebenfalls zu berücksichtigen ist der Umstand, daß die Ehepartner vieler Unternehmer berufstätig, und höhere Einnahmen aus den Unternehmen deshalb nicht unbedingt zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz notwendig sind. Zum Teil gehen die Unternehmer selbst noch einer anderen Beschäftigung nach und fahren nur zu umsatzstarken Zeiten, etwa an Wochenenden oder bei besonderen kulturellen Ereignissen. Die US-amerikanischen Behörden bekämpfen dieses Verhalten z.T. mit der Forderung eines bestimmten Mindestumsatzes. In der Bundesrepublik wird das Kriterium Umsatz jedoch als objektive Zulassungsschranke eingestuft, mit entsprechenden Anforderungen an die Erforderlichkeit, vgl. Gubelt, in: von Münch, Art. 12, Rn. 60. 367 Insider sprechen deshalb von der "typischen Einsteigerbranche" für Leute, die den Schritt in die Selbstständigkeit zum ersten Mal machen. Das wirtschaftliche Risiko sei zwar gering, ebenso aber auch die Gewinnaussichten, Betz/Bruckschen, Seite 9.

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liegt als bei andersartiger Verwendung ihrer Arbeitskraft." 368 Schließlich sind die mit einer Betriebsaufgabe möglicherweise verbundenen immateriellen Nachteile für den Unternehmer zu berücksichtigen. Denn ein Taxiunternehmer der sich vor die Alternative gestellt sieht, entweder mit einem niedrigen Einkommen und hohen Arbeitszeiten auskommen zu müssen oder in die Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe abzurutschen, wird die Betriebsaufgabe so lange wie möglich hinauszögern. 369 Ein entscheidender Faktor bei der Frage nach beruflichen Alternativen ist die fehlende spezifische Ausbildung der Taxiunternehmer. Denn auch bei jahrelanger Tätigkeit 370 können Taxiunternehmr nur wenige Qualifikationen erwerben und nachweisen, die auch in anderen Berufen gefragt sind. 371 Darüber hinaus liegen die gestellten Berufsanforderungen in der Regel so niedrig, daß ein überproportional hoher Anteil der Unternehmer ohne abgeschlossene Berufsausbildung in das Gewerbe übergewechselt ist und deshalb auch später nur schwer auf dem Arbeitsmarkt weiter vermittelt werden kann. Schließlich haben Taxiunternehmer wegen ihrer Selbständigkeit weder ein Anrecht auf Arbeitslosengeld, noch auf Umschulungen.372 In ihrer Gesamtheit führen die genannten Umstände dazu, daß die Unternehmer eine Betriebsaufgabe länger hinauszögern, als dies nach wirtschaftlichen Maßstäben sinnvoll wäre. Im Zusammenspiel mit den oftmals niedrigen Markteintrittsschranken kann es

368

Hamm, Jahrbuch für Sozialwissenschaften 1963, Seite 269 f. Vgl. auch Wollrab, Seite 57, der insofern von der "Unbeweglichkeit des Faktors Arbeit" spricht.Vergleichbare Feststellungen wurden auch bei Taxiunternehmern in der Schweiz gemacht. Im Rahmen einer Befragung von Züricher Taxiunternehmern wurden 1976 von 84 % dem Berufsmerkmal "sein eigener Herr zu sein" auf einer fünfstufigen Bewertungsskala die größte Bedeutung beigemessen, 62 % nannten hier die Möglichkeit, den Dienst selbst einzuteilen, und 60 % die Unabhängigkeit. So bei Mom, der zu dem Ergebnis gelangt, daß das Kostendenken vieler Taxihalter gegenüber der Liebe zum Wagen in den Hintergrund trete. Vgl. auch Soltwedel et al, Seite 21, zum Berufsbild des "Trucker". 369 So auch Wollrab, Seite 56 f. 370 Nach dem Stand von 1989 waren rund 62 % der Unternehmer länger als 11 Jahre und insgesamt 22, 8 % sogar mehr als 20 Jahre in diesem Beruf tätig. Der Durchschnitt lag bei 15 Jahren, Grätz, Seite 25 f. 371 Allerdings belegen die Anzeigenrubriken der Studentenmagazine und der Fachzeitschriften sehr deutlich, daß auch wegen der Umstellung auf einen Mehrschichtbetrieb ein großer Fahrermangel besteht, so daß Unternehmer auch auf längere Sicht keine Probleme haben werden, nach der -Aufgabe ihrer Selbständigkeit jedenfalls als angestellter Fahrer weiter ihr Auskommen zu finden. 372 Taximagazin Nr. 3/93, Seite XV: "Selbstfahrende Taxiunternehmer werden in vielen Fällen die Sozialhilfeempfänger von Morgen sein." Mit Blick auf die "Selbstausbeutung" der Unternehmer ist allerdings zu berücksichtigen, daß sich Verdienstmöglichkeiten in erster Linie nach den Qualifikationen richten.Ein großer Teil der Unternehmer könnte deshalb auch in anderen Berufen ohne Mehrarbeit keine höhere Einnahmen zu erzielen.

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deshalb, gerade in Zeiten schlechter Konjunktur, zu einem Anstieg der Unternehmerzahlen kommen. Aus mehreren Gründen wird diese Entwicklung jedoch nicht zu dem von der Rechtsprechung prognostizierten "Darniederliegen des ganzen Berufes" führen. 373 Wiederum stellen auch hier die Fremdkapitalgeber ein wirksames Regularium dar. Da die meisten Unternehmer höhere laufende Kredite in Anspruch nehmen, geraten sie bei verspäteten Tilgungsleistungen als Folge von Umsatzrückgängen unter den Zwang, ihre weitere Existenzberechtigung gegenüber den Kreditgebern begründen zu können. Die Verweigerung einer Kreditverlängerung bedeutet für jeden Unternehmer dann zwangsläufig das wirtschaftliche "Aus". Längerfristig stellen auch die Genehmigungsbehörden eine wirksame zweite Kontrollinstanz dar. Denn die Unternehmer müssen bei Antragstellung auf Verlängerung der Konzession - Jungunternehmer gem. § 13 Abs. 5, Satz 5, Halbsatz 1 PBefG nach zwei Jahren - erneut die subjektiven Voraussetzungen nachweisen. Das bedeutet konkret die Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes, der Krankenkasse und Berufsgenossenschaft sowie eine Vermögensübersicht 374 und ein polizeiliches Führungszeugnis, § 12 Abs. 2, 3 PBefG. Die Behörde führt das in § 14 PBefG vorgesehene Anhörungsverfahren in der Regel erst durch, wenn sämtliche Unterlagen vorliegen. Sollte es zu Mißständen, insbesondere zu nicht erbrachten Versicherungsleistungen gekommen sein, begründet dies ernsthafte Zweifel am Vorliegen der subjektiven Zulassungsvoraussetzungen und führt zur Verweigerung der Konzessionsverlängerung. 375 Schließlich sind die zeitliche Komponente und das Zusammenspiel von Markteintritts- und -austrittsschranken zu berücksichtigen. Ein völliger Zusammenbruch der Verkehrsbedienung impliziert die gleichzeitige Betriebsaufgabe aller oder zumindest des größten Teils der regionalen Unternehmerschaft aufgrund ungenügender wirtschaftlicher Verhältnisse. Die dabei unterstellte Gleichzeitigkeit setzt jedoch voraus, daß alle (!) Unternehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage verlieren. Selbst wenn man davon ausginge, daß die Umsätze im 373

BVerfGE 11,168,188. Die Vermögensübersicht ist zum Nachweis der Leistungsfähigkeit, § 13 Abs. 1 Nr. 1 PBefG, erforderlich und gliedert sich in Aktiva mit den Untergruppen "Anlagevermögen" (Grundstücke, Gebäude, Fahrzeugpark, Geschäftsausstattung) und "Umlaufvermögen" (Vorräte, Forderungen, Wertpapiere, Bankguthaben, Kassenbestand) sowie in Passiva mit den Untergruppen langfristige und kurzfristige Verbindlichkeiten. 375 Das Taxengewerbe wies seine Mitglieder 1990 ausdrücklich darauf hin, daß in den letzten 3 Jahren verstärkte Kontrollen durch Finanzämter, Gewerbeaufsichtsämter. Arbeitsämter und Sozialversicherungsträger erfolgt seien, und deshalb auf die Einhaltung der Vorschriften insbesondere über die zu führenden Unterlagen besonders zu achten sei. Taxi Heute 4/1990, Seite 4. 374

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gesamten Taxigewerbe zurückgingen und alle Unternehmer wirtschaftliche Not litten, wird der Zeitpunkt, zu dem eine Betriebsaufgabe unvermeidlich wird, bei jedem Unternehmen ein anderer sein,- je nach den finanziellen Hintergründen des einzelnen Unternehmens. 376 Berücksichtigt man ferner, daß gerade der Wegfall des § 13 Abs. 4 PBefG ein jederzeitiges Nachrücken neuer Unternehmer an die Stelle der ausgeschiedenen ermöglicht, 377 ist offensichtlich, daß die Funktion des § 13 Abs. 4 PBefG de facto nicht in der Vermeidung einer Unterversorgung der Bevölkerung liegt, sondern in der Verhinderung einer "zu" starken Fluktuation im Gewerbe mit all ihren, insbesondere aus behördlicher Sicht, unerwünschten Nebenfolgen. Irrtümlich wird in der volkswirtschaftlichen Literatur angenommen, daß die Auffassung der Rechtsprechung mit dem Modell der verzögerten Anpassung übereinstimme. So schreibt Laaser zwar, das Ergebnis der verzögerten Anpassung bestehe darin, daß "marginale Unternehmer nicht schnell genug aus dem Markt ausscheiden, um das Überleben der intramarginalen zu garantieren." 378 Damit meint er aber eben nicht, daß am Ende der Entwicklung nicht genügend Unternehmer vorhanden wären, um die Verkehrsbedienung zu sichern. Wenn die Rechtsprechung von einer Bedrohung der Existenz- und Funktionsfahigkeit spricht, dann ist damit ein tatsächlicher Mangel an Taxenfahrzeugen gemeint, so daß die Ergänzung des Linienverkehrs nicht mehr gewährleistet ist. Demgegenüber bezieht Laaser die Aussagen der Rechtsprechung auf die Zahl der Unternehmer. Existenzvernichtung in seinem Sinne bedeutet der Wegfall des Mittelstandes im Taxengewerbe. Da dieses zu etwa 90 % aus kleinen und mittleren Betrieben besteht, bedeutet deren langfristiges Ausscheiden in gewisser Weise auch die Vernichtung des Gewerbes in seiner bisher bestehenden Form. Diese Auffassung basiert auf einem Verständnis, wonach die ruinöse Konkurrenz letztlich ein Unterfall des natürlichen Monopols, oder gleichsam der zu diesem hinführende Prozeß ist. 379 Nach wirtschaftswissenschaftlicher Auffassung werden sich deshalb am Ende der ruinösen Konkurrenz ein regionaler Großbetrieb oder mehrerer kostengünstig arbeitende Großunternehmen gebildet haben. Diese können die Bevölkerung aber ebenso gut mit Taxidienstleistungen versorgen wie eine größere Zahl kleiner Unternehmen. Die These, wonach ein Wegfall des § 13 Abs. 4 PBefG zu einer ruinösen Konkurrenz im Taxengewerbe mit einer 376

Vgl. dazu die entsprechenden Ansichten in Rechtsprechung und Literatur, oben Π. § 1 unter 4. und § 2. 377 Die Anforderungen der Finanziers an Neuuntemehmer sinken entsprechend der steigenden Nachfrage in der Bevölkerung nach Beförderungsleistungen. 378 Laaser, Seite 89, unter Hinweis auf Tolksdorf, Seite 29 ff; Vgl. auch: Wollrab, Seite 54 ff; Soltwedel et al, Seite 224. 379 Laaser, Seite 77; in diesem Sinne auch Soltwedel et al, Seite 10 Fn 2 f.; Werner, Seite 153; Willeke, Seite 161; Kroker, Seite 13.

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Existenz- und Funktionsbedrohung führe, wird durch die Wirtschaftswissenschaften also sowohl im Hinblick auf die Voraussetzungen einer "ruinösen Konkurrenz", als auch in bezug auf deren Folgen widerlegt. 380 Ein an volkswirtschaftlichen Erkenntnissen ausgerichtetes Gegenmodell zu § 13 Abs. 4 PBefG sieht demgegenüber wie folgt aus: 1. Der § 13 Abs. 4 PBefG kann die zunehmenden wirtschaftlichen Probleme des Gewerbes durch den fortschreitenden Ausbau des ÖPNV nicht verhindern. 2. Diese Entwicklung und ihre Spätfolgen sind für die einzelnen Unternehmer jedoch nur schwer einzuschätzen. Die scheinbare wirtschaftliche Sicherheit durch eine künstliche Begrenzung der Taxenzahlen verleitet die Unternehmer zu dem Schluß, daß Innovationen zur Erweiterung der Kundenstämme nicht notwendig sind. 3. Die Beibehaltung des bisherigen Verhaltens führt im Zusammenhang mit 1. dazu, daß sich die wirtschaftliche Situation aller Unternehmer stetig verschlechtert. Diese Entwicklung kann durch die Erhöhung der Arbeitszeiten nur vorübergehend ausgeglichen werden. 4. Unter dem Schutz des § 13 Abs. 4 PBefG wird eine größere Zahl der Unternehmer bis an die Grenze der persönlichen und wirtschaftlichen Belastung gehen. Da die Entwicklung sehr langsam vonstatten geht, wird ein großer Teil der Unternehmer gleichzeitig den Punkt der völligen Unwirtschaftlichkeit und Betriebsaufgabe erreichen. 5. Gleichzeitig verhindert die Anwendung des § 13 Abs. 4 PBefG einen adäquaten Ersatz durch neue Unternehmer. Die ausscheidenden Unternehmer müssen ihre Konzessionen nicht zurückgeben und werden sie in der Regel an Kollegen verkaufen. Dadurch geht die Zahl der Unternehmen zurück, während die Kapazität, d.h. die Zahl der Taxen bei den übrigen weiter zunimmt. 7. Sofern auch diese Unternehmer der Entwicklung zu 1. nicht entgegenwirken, können sie ebenfalls auf Dauer wirtschaftlich nicht bestehen. Es kommt zu einer Wiederholung von 1.-6. 8. Das Ende dieser Spirale bilden in den Großstädten einige wenige Großunternehmen, während es in den ländlicheren Gebieten in Ermangelung einer Unternehmerschaft zum völligen Wegfall der Versorgung kommt. dd) Zusammenfassung und Zwischenergebnis 1. Nach wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen wird ein Wegfall der zahlenmäßigen Beschränkung im Taxengewerbe keine Unterversorgung mit 380

Im Ergebnis gelangen Soltwedel et al sogar zu der Auffassung, die Furcht vor einer ruinösen Konkurrenz im Taxengewerbe sei "kaum mehr als ein Vorwand für protektionistische Gruppeninteressen". Ökonomische Gründe, eine Marktöflhung als schädlich abzulehnen, gebe es jedenfalls nicht, vgl. aaO, Seite 277,280.

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Taxendienstleistungen auslösen. Die Funktion des Taxengewerbes wird auch ohne zahlenmäßige Begrenzung der Taxen gemäß § 13 Abs. 4 PBefG nicht gefährdet. 2. Eine Störung der wechselseitigen Beziehung von Angebot und Nachfrage kommt allein in Form einer verzögerten Anpassung in Betracht. Bei durchschnittlicher Konjunktur- und Arbeitsmarktlage wird die Zahl der Taxiunternehmer relativ konstant bleiben. Eine hohe regionale Arbeitslosigkeit kann jedoch einen verstärkten Zustrom auslösen. Die gegenwärtigen gesetzlichen Anforderungen sind kein wirksames Mittel, um in Krisenzeiten einen starken Zulauf in das Taxengewerbe zu verhindern. Um nachteilige, nicht in einer Existenz· oder Funktionsbedrohung bestehende Folgen zu vermeiden, wird jedoch regelmäßig das Regulativ der Fremdkapitalgeber genügen. Eine zusätzliche Absicherung läßt sich durch eine Anhebung des Eigenkapitalnachweises, den Nachweis vertiefter betriebswirtschaftlicher Kenntnisse oder eine praktische Zeit bei einem bereits zugelassenen Unternehmer erreichen. Wegen der Abhängigkeit des Zustroms in das Gewerbe von der allgemeinen Arbeitsmarktlage würde auch ein Krisenmechanismus ausreichen, wonach die Zulassungszahlen an die Arbeitslosenquote gekoppelt werden. 3. Wirtschaftliche Schwierigkeiten des Taxengewerbes beruhen regelmäßig nicht auf interner, sondern auf zunehmend externer Konkurrenz durch den ÖPNV. Da die Verkehrsnetze immer besser ausgebaut werden, verliert das Taxengewerbe Kunden, ohne neue Kundenstämme durch neue Dienstleistungen zu erschließen. Das richtige Mittel zur Bekämpfung von wirtschaftlichen Problemen im Gewerbe ist deshalb nicht seine zahlenmäßige Begrenzung, sondern die Motivation zur Vornahme von Umstrukturierungsmaßnahmen. b) Prüfung des Arguments "drohendes Marktversagen" mittels empirischer Datenanalyse aa) Einführung In diesem Teil der Arbeit werden allein die oben herausgearbeiteten Ergebnisse einer Prüfung anhand von Erfahrungen aus der Praxis unterzogen. 381 Der

381

Vgl. auch BVerfGE 50, 290, 334: "Die sichersten Anhaltspunkte für die Auswirkungen eines Gesetzes vermögen Erfahrungen mit vergleichbaren Regelungen im Inund Ausland zu liefern." Auch in der Apothekenentscheidung, BVerfGE 7, 377 ff. hatte das Gericht auf die Notwendigkeit hingewiesen, sich einen umfassenden Einblick in die durch das Gesetz zu ordnenden Lebensverhältnisse zu verschaffen, und zu diesem Zweck Experten aus dem In- und Ausland befragt, aaO, Seite 412 und 415 ff. Vgl. auch Dönges, Seite 18, zur Bedeutung der empirischen Wirtschaftsforschung, sowie SchulzeFielitz, Seite 496 f.

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1 Abs.

G

Ausgangspunkt ist vorgegeben. Denn das zu schützende Rechtsgut besteht bei Anwendung der Stufentheorie allein in der Funktionsfahigkeit des Taxengewerbes.382 Die zu prüfende Hypothese besagt, daß in einem Markt ohne quantitative Zugangsbeschränkungen die Funktion des Taxengewerbes, also die ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Taxendiensten, nicht mehr gegeben ist. M.a.W. soll ein Wegfall des § 13 Abs. 4 PBefG letztlich zu einer Verringerung des Bestandes an Taxen unter die Bedarfsgrenze führen. Der Kausalzusammenhang zwischen der Aufhebung einer zahlenmäßigen Zugangsbeschränkung und dieser Unterversorgung wird in einem extremen Ansteigen des Taxenbestandes durch neu hinzugekommene Unternehmer gesehen, was schließlich - infolge allgemein ruinöser Konkurrenz - zu einer überproportionalen Zahl an Konkursen im Verhältnis zur Neueröffiiung von Unternehmen führen werde. Im Ergebnis gäbe es also nach der Marktöflhung weniger Unternehmer mit - das ist im Hinblick auf die Versorgung entscheidend - weniger Fahrzeugen als vorher. Dieser Kausalverlauf müßte sich in den Städten, in denen der § 13 Abs. 4 PBefG faktisch nicht angewandt wird, statistisch in einer extremen Erhöhung der Unternehmer- und Taxenzulassungszahlen und langfristig in einer extremen Abnahme des Taxenbestandes ausdrücken. Diese Entwicklung steht im Mittelpunkt der folgenden Untersuchung. Am aussagekräftigsten ist naturgemäß die Entwicklung in den deutschen Städten. Von diesen erlauben nur wenige einen Marktzugang ohne quantitative Schranken. 383 Mit Abstand sind Berlin und Hamburg hierbei die Städte mit der höchsten Einwohnerzahl. Da sie gleichzeitig zu den einwohnerstärksten Städten Deutschlands gehören, ist davon auszugehen, daß sich eine Entwicklung in die eine oder andere Richtung hier besonders schnell und deutlich abzeichnen wird. Ein Schwerpunkt der folgenden Untersuchung liegt deshalb auf der Auswertung einschlägiger Daten aus diesen beiden Städten. Die Entwicklung in den neuen Bundesländern bildete die Begründung dafür, daß der Vorschlag der Deregulierungskommisson zur Aufhebung des § 13 Abs. 4 PBefG von ihrem Auftraggeber, der Bundesregierung, nicht in den Bundestag eingebracht wurde. Wegen einer Regelung im Einigungsvertrag trat das PBefG in den neuen Bundesländern erst zum 1.1.1993 in Kraft. 384 Entsprechend der

382

Vgl. oben, § 4 "Zwischenergebnis". Nach der Untersuchung von Wollrab (Seite 60), verzichteten lediglich 10,3 % der Großstädte auf eine zahlenmäßige Beschränkung der Taxen. 384 Die Verordnung der DDR über den gewerblichen Personenverkehr (PBefVO vom 20. Juni 1990, Gesetzblatt der DDR vom 12. Juli 1990, Seite 574) hatte den Zugang zum Taxenverkehr ausschließlich von subjektiven Voraussetzungen abhängig gemacht (vgl. auch: § 3 der Anordnung über den Betrieb von Kraftfahrzeugen im Personenverkehr, BO-Kraft, vom 26. August 1971, Sonderdruck des Gesetzesblattes Nr. 383

Zweiter Teil: Vereinbarkeit des § 13 Abs.

PBefG

vorerst weitergeltenden bisherigen Rechtslage wurde die Zahl der Taxen nicht begrenzt. 385 In den Jahren nach der Wende war ein extremer Anstieg bei den Zulassungszahlen zu verzeichnen. Das Gewerbe sprach von der Zunahme der konzessionierten Taxen um den Faktor 2,5 in der Zeit zwischen Oktober 1989 und Oktober 1990. 80 % der Unternehmer könnten aus ihren Einkünften die Familien nicht ernähren. Die fehlende Möglichkeit zur ordentlichen Betriebsführung werde auch die Sicherheit der Taxibenutzer betreffen. 386 Wenn die Entwicklung in den neuen Bundesländern dennoch nicht in die folgende Untersuchung über die Folgen eines Wegfalls von § 13 Abs. 4 PBefG miteinfließen, dann hat dies zwei Gründe: Erstens betreffen die geschilderten Auswirkungen allesamt nicht die Existenz- oder Funktionsfahigkeit des Gewerbes. Eine Untérversorgung der Bevölkerung wurde weder beobachtet noch behauptet.387 Zweitens sind die Ergebnisse aufgrund der besonderen Situation nicht verallgemeinerungsfahig. 388 Die Gründe hierfür sind offensichtlich. Nach Oktober 1989 wurden immer mehr Bürger der ehemaligen DDR arbeitslos, das bisher erworbene Wissen verlor seinen Wert und die berufliche Zukunft war höchst ungewiß. In der DDR waren die Taxiunternehmer immer ein privilegierter Berufsstand, weshalb die Attraktivität des Berufsbildes eine ganz andere als im übrigen Bundesgebiet war. Vor allem aber handelte es sich beim Taxiunternehmer um einen der ganz wenigen Berufe, die weder besondere Vorkenntnisse, noch einen Ortswechsel erforderten. Damit sind die Ausgangsbedingungen mit der Situation im alten Bundesgebiet in keiner Hinsicht zu vergleichen.

711). Diese Vorschriften galten aufgrund des Einigungsvertrages (Kapitel XI Sachgebiet B: Straßenverkehr Abschnitt m Nr. 3) bis zum 31. 12. 1992 fort. 385 Seitens des Taxengewerbes wurde diese Phase deshalb als "Vor- bzw. Probelauf' des Verkehrsministeriums für eine geplante spätere Aufhebung des § 13 Abs. 4 PBefG im gesamten Bundesgebiet bezeichnet, Taximagazin Nr. 9/92, Seite 19. 386 Taximagazin Nr. 4/91, Seite 14. 387 Mit dieser Feststellung wird die Bedeutung der Situation für den einzelnen Unternehmer nicht in Frage gestellt. Andererseits besteht das "überragend wichtige Gemeinschaftsgut" in der quantitativen Gewährleistung der Versorgung. Qualitativen Mängeln ist durch gesteigerte Überwachungsmaßnahmen und eine Anhebung der subjektiven Kriterien entgegenzuwirken. Da die Folgen absehbar waren, hätten gerade bis zur Normalisierung der Ausgangsbedingungen strengere Übergangsvorschriften geschaffen werden müssen. 388 Die durch die "Wende" verursachten Umstände, insbesondere die allgemeine Unsicherheit in der Bevölkerung, z.T. hervorgerufen durch die schlagartige Veralterung des Fachwissens gemessen an neuen Standards, und die hohe Arbeitslosigkeit ließen den Beruf des selbständigen Taxiunternehmers, der zu DDR-Zeiten über einen gehobenen sozialen Status verfügte und weder besondere Anforderungen an die Qualifikation noch die Kapitalausstattung stellt, um so begehrter erscheinen. Hinzu kam die Befürchtung, daß dieser Weg nach der absehbaren Einführung des PBefG zukünftig verschlossen bleiben würde, so daß es zu vielen "Vorratsanmeldungen" kam.

.Kapitel: Vereinbarkeit

1 Abs.

189

G

bb) Die Entwicklung in deutschen Städten ohne zahlenmäßige Begrenzung der Taxen (1) Hamburg In der Hansestadt wurde der Marktzugang für Taxiunternehmer 1965 freigegeben. Ursächlich hierfür war ein Urteil des OVG Hamburg, in dem einem auf Zulassung klagenden Unternehmer, der auf einer aussichtslosen Position auf der Warteliste gestanden hatte, Recht gegeben wurde. 389 Seit diesem Zeitpunkt erteilt die Genehmigungsbehörde jedem Unternehmer, der die subjektiven Voraussetzungen erfüllt, Konzessionen in unbeschränkter Zahl. Die Tabelle zeigt die Entwicklung des Taxenbestandes und der Taxenbetriebe ("Betré") in den vergangenen 30 Jahren:

Jahr

1965

1966

1967

1968

1969

1970

1971

1972

1973

Taxen 3391

3696

3419

3311

3407

3442

3523

3549

3506

Betré

2566

2955

2849

2802

2905

3028

3127

3150

3090

Jahr

1974

1975

1976

1977

1078

1979

1980

1981

1982

Taxen 3455

3596

3666

3702

3790

3802

3817

3718

3603

Betré

3029

3088

3147

3148

3196

3178

3082

3082

3005

Jahr

1983

1984

1985

1986

1987

1988

1989

1990

1991

Taxen 3633

3541

3567

3686

3725

3747

3690

3617

3689

Betré

2885

2843

2854

2809

2788

2748

2676

2636

2983

389 OVG Hamburg, Urteil vom 5. 10. 1962, DVB1 1963, 153 ff. Die Behörde hatte auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens die Zahl der Taxen bei 2625 einfrieren wollen. Das OVG nannte zehn Gründe aus denen das Gutachten nicht verwertbar sei. Der Feststellung, daß bei unbeschränkter Zulassung die Kilometerleistung "je Wagen" sinken werde, widersprachen die Richter mit dem Hinweis: "Diese Feststellung läßt unberücksichtigt, daß sich die Verschlechterung der Rentabilitätslage auf die strukturell und in ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sehr verschiedenartigen Betriebe auch unterschiedlich auswirken würde." Die wirtschaftlich schächeren oder weniger rührigen Unternehmer würden zwangsläufig als erste ausscheiden und den leistungsfähigeren neuen Raum geben, Seite 155). So auch der Beschluß des OVG vom 9. April 1987, (unveröffentlicht), - Bs VI 9/87 -.

Zweiter Teil: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

190

Jahr

1992

1993

1994

1995

Taxen

3814

3905

3911

3831

Betré

2645

2647

2605

2548

Quelle: Industrie- und Handelskammer Hamburg, Abteilung Verkehr, Dr. Merl.

Bei Zugrundelegung der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung hätte nach dem Wegfall der zahlenmäßigen Beschränkung im Jahr 1965 über einen längeren Zeitraum eine extreme Zunahme der Fahrzeugzahlen verzeichnet werden müssen, die in der Folgezeit zu einer extremen Abnahme der Fahrzeuge und damit einer Unterversorgung der Bevölkerung führen sollte. Die vorliegenden Zahlen widerlegen dies. Zwar ist im Jahr nach der Freigabe der Konzessionen eine Zunahme von 3391 auf 3696, also um 305 Fahrzeuge festzustellen ( 9,0 %). Bereits im darauffolgenden Jahr, 1967, verringerte sich die Zahl der Fahrzeuge jedoch wieder um 287 ( 8,2 %) auf 3419. In den folgenden Jahrzehnten wurden diese Extremwerte zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd erreicht. 390 Von 1973 bis 1988 ist insgesamt eine Zunahme des Fahrzeugbestandes von 3506 auf 3747, also 6,87 % zu verzeichnen. Im gesamten (alten) Bundesgebiet stieg die Zahl der Taxen dagegen von 29.167 auf 40.139, also um 37,62 %. 391 Ohne zahlenmäßige Begrenzung erhöhte sich der Fahrzeugbestand in Hamburg also in weit geringerem Maße als im gesamten Bundesgebiet, in dem etwa 90 % der Genehmigungsbehörden in Großstädten die Zahl der Neuzulassungen begrenzen. Die unterbliebene Begrenzung durch die Behörden hat in Hamburg also weder einen längeren extremen Anstieg der Fahrzeugzahlen verursacht noch im Laufe der Jahrzehnte zu einer rapiden Abnahme und anschließender Unterversorgung infolge "ruinöser Konkurrenz" geführt. 392 Bereits damit ist die Theorie der "ruinösen Konkurrenz" im Taxengewerbe bei Wegfall einer zahlenmäßigen Konzessionsbegrenzung widerlegt. Dieses Ergebnis wird durch eine Reihe weiterer empirischer Erkenntnisse bestätigt: Nach der gesetzgeberischen Begründung, die § 13 Abs. 4 PBefG zugrunde liegt, soll der Wegfall der quantativen Beschränkung eine Überschwemmung des Gewerbes mit Neuunternehmern auslösen und dann zu einer insgesamt ruinösen Konkurrenz und einer hohen Zahl von Betriebsaufgaben führen. Die

390 Die höchste Zunahme lag bei 141 Fahrzeugen (von 1974 auf 1975), die stärkste Abnahme bei 92 Fahrzeugen (1982). 391 Quelle: BZP Geschäftsbericht 1993. 392 Auch die behauptete starke Fluktuation in der Unternehmerschaft ist nicht eingetreten. Die Zahl der Betriebe fiel zwischen 1973 und 1988 in Hamburg von 3090 auf 2788, während sie im gesamten Bundesgebiet sogar noch stieg - von 23.494 auf 24.032.

.Kapitel: Vereinbarkeit

1 Abs.

191

G

Behörden und Gerichte orientieren sich deshalb bei der Beurteilung der Funktionsfahigkeit des Taxengewerbes an der Zahl der Betriebsaufgaben. Die Taxenverbände kritisieren diese Vorgehensweise mit dem Hinweis, daß sich für die Konzessionen regelmäßig ein hoher Preis erzielen lasse, und die Unternehmer deshalb eher ihren Betrieb übertragen als aufgeben und die Konzession zurückgeben werden. Eine geringe Zahl an Betriebsaufgaben sei deshalb kein realistischer Indikator für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten und den Grad der Konkurrenz im Gewerbe. Demgegenüber ist folgendes zu bemerken. Zum einen kommt es für die Funktionsfahigkeit des Taxengewerbes im Sinne einer quantitativ ausreichenden Fahrgastbedienung schon generell nicht auf die Zahl der Betriebsaufgaben, sondern auf die Zahl der zur Verfügung stehenden Fahrzeuge an. Wenn der Bedarf durch vorhandene oder neue Unternehmer gedeckt wird, kann von einer Funktionsunfahigkeit nicht die Rede sein. Zum anderen kann die Verdienstaussicht und damit der Grad der Konkurrenz nicht so schlecht sein, wenn sich immer wieder Käufer finden, die bereit sind, einen hohen Preis für Konzessionen zu zahlen; dies gilt umso mehr, als ein großer Teil der Käufer die örtlichen Verhältnisse aus eigener Erfahrung sehr genau kennt, z.B. einige Jahre als Fahrer beschäftigt war. Die Argumentation steht und fällt schließlich mit der Möglichkeit einer realistischen Einschätzung der wirtschaftlich bedingten Betriebsaufgaben bzw. Konzessionsrückgaben. Aussagekräftige Ergebnisse lassen sich unter Berücksichtigung des obigen Einwands nur dort erzielen, wo es für den Unternehmer keine lohnendere Alternative zur Rückgabe der Konzession gibt. Dies ist allein in den Städten der Fall, in denen die Konzession an sich keinen nennenswerten Marktpreis besitzt. Diese Voraussetzung ist lediglich in den Städten gegeben, in denen ein Unternehmer jederzeit, also ohne quantitative Beschränkung eine Genehmigung erhalten kann, also kein Kaufanreiz besteht. M.a.W., liegt die Zahl der wirtschaftlich motivierten Konzessionsrückgaben auch in Städten ohne künstliche Beschränkung des Marktzugangs nicht außergewöhnlich hoch, ist auch hierdurch die Theorie der ruinösen Konkurrenz widerlegt. Die IHK Hamburg befragt Unternehmer die ihre Betriebe aufgeben seit 1984 nach den Gründen hierfür. Das Ergebnis fiel folgendermaßen aus:

a

Aufgaben Gründe: wirtschftl. Berufsw." Alter Gesundh. sonstiges Gesamt Betriebe b

1984

1985

1986

1987

1988

1989

41 96 47 39 8 231 2885

41 91 35 59

17 88 35 38 6 184 2854

13 76 29 22 48 188 2809

32 64 40 32 7 175 2778

20 48 39 45 12 164 2748

-

226 2843

Berufsw. = Berufswechsel;b Zahl der Betriebe, Stand 31.12. eines Jahres

192

Zweiter Teil: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

Aufgaben Gründe: wirtschftl. Berufsw.' Alter Gesundh. sonstiges Gesamt Betriebeb a

1990

1991

1992

1993

1994

1995

25 62 42 34 29 192 2676

19 73 50 38 18 198 2636

25 53 53 32 18 164 2645

8 53 50 21 37 169 2647

27 70 68 29 22 216 2605

37 70 47 36 22 212 2548

Berufsw. = Berufswechsel; b Zahl der Betriebe, Stand 31.12. eines Jahres

Das maßgebliche Indiz für die wirtschaftliche Situation eines Gewerbes ist die Zahl der Betriebsaufgaben aufgrund wirtschaftlichen Niedergangs oder Zusammenbruchs. Die entsprechenden Angaben unter der Rubrik "wirtschaftl." zeigen, daß Betriebsaufgaben nur in verhältnismäßig wenigen Fällen auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen waren. Gemessen an der Gesamtzahl der Unternehmen zum Stand 31.12. des Vorjahres, drückt sich dies prozentual wie folgt aus:

Jahr

1984

1985

1986

1987

1988

1989

1990

1991

1992

1993

1994

1995

%

1,37

1,42

0,60

0,46

1,14

0,72

0,91

0,71

0,95

0,30

1,02

1,42

Die Zahl der Betriebsaufgaben aus wirtschaftlichen Gründen hat in diesen 11 Jahren nie 1,42 % überschritten. Der Mittelwert liegt bei 0,92 %. Dieses Ergebnis zeigt, daß ein Wegfall der objektiven Zulassungsbeschränkung keineswegs zu einem "Massensterben der Betriebe" führen muß, wie es das Taxengewerbe selbst immer wieder prognostiziert. Es wird deutlich, daß zu keinem Zeitpunkt die Gefahr einer "ruinösen Konkurrenz" bestanden hat, sondern umgekehrt, die Zahl der wirtschaftlich bedingten Aufgaben sogar sehr niedrig liegt. Auch mit diesem Ergebnis wird die These widerlegt, daß der Wegfall des § 13 Abs. 4 PBefG den Ruin des ganzen Gewerbes und damit eine Unterversorgung der Allgemeinheit mit Taxen verursachen werde. Eines der wichtigsten Indizien für den wirtschaftlichen Zustand und die Entwicklung eines Gewerbes ist die Zahl der Betriebsexpansionen. Wenn die Zahl sehr niedrig liegt oder sogar gegen Null tendiert, bedeutet dies vor allem, daß die Kenner der Branche, die eingesessenen Unternehmer, die Renditemöglichkeiten und damit die wirtschaftliche Situation in ihrem Gewerbe eher pessimistisch einschätzen. Eine permanent höhere Zahl von Betriebsvergrößerungen zeigt demgegenüber, daß die Altunternehmer immer noch ein Entwicklungspotential sehen, m.a.W., den Markt als noch nicht gesättigt einschätzen. Im Ver-

.Kapitel: Vereinbarkeit

1 Abs.

G

193

hältnis zu den Konzessionsrückgaben aus wirtschaftlichen Gründen stellt sich die Entwicklung bei den Betriebsexpansionen bis 1991 wie folgt dar:

1984

1985

1986

1987

1988

1989

Betriebsaufgabe aus wirtsch. Gründen

41

41

17

13

32

20

Betriebsvergrößerung

118

134

148

97

120

73

1990

1991

1992

1993

1994

1995

Betriebsaufgabe aus wirtsch. Gründen

25

19

25

8

27

37

Betriebsvergrößerung

96

169

175

158

182

155

Danach wurde für jede Genehmigung, die aus wirtschaftlichen Gründen zurückgegeben wurde, ein Mehrfaches an zusätzlichen Konzessionen seitens der Altunternehmer beantragt. Es gab also wesentlich mehr Altunternehmer, die im örtlichen Taxengewerbe einen Markt mit zunehmenden Gewinnchancen sahen, als solche, die hier keine Perspektive mehr erblickten. Die Gefahr einer ruinösen Konkurrenz bei Wegfall des § 13 Abs. 4 PBefG wurde insbesondere mit einer extremen Zunahme "wirtschaftsblinder" Jungunternehmer begründet, durch die auch alteingesessene Betriebe auf Dauer gefährdet werden würden. Zur Prüfung dieser Behauptung wurde die Entwicklung in 22 Jahren bei den Betriebsvergrößerungen [1] der Zahl der Neuzugänge [2] gegenübergestellt.

Γ1] [2]

1971 49 338

1972 66 333

1973 44 254

1974 52 239

1975 77 361

1976 66 257

[1] [2]

1977 73 288

1978 88 273

1979 102 208

1980 122 189

1981 97 134

1982 83 164

1983 131 203

1984 118 136

1985 134 273

1986 148 264

1987 97 196

1988 120 247

[1] [2] 13 Bardarsky

194

Zweiter Teil: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

[2]

1989 73 137

[1] [2]

1995 155 172

[1]

1990 96 135

1991 169 169

1992 175 210

1993 158 210

1994 182 199

Wie der Tabelle zu entnehmen ist, hat sich die Zahl der Neuzugänge über einen Zeitraum von 20 Jahren deutlich verringert, von 338 im Jahr 1971 auf 134 im Jahr 1981 und 172 im Jahr 1995.393 Demgegenüber stieg die Zahl der zum Zwecke einer Betriebsvergrößerung erteilten Konzessionen stetig an, bis sie im Jahr 1991 sogar der Zahl der Neuunternehmer entsprach und 1994 einen Höchststand erreichte. 394 Sowohl die Alt- als auch die Neuunternehmer haben demnach über den gesamten Zeitraum gleichermaßen ein Gewinnpotential im Taxengewerbe gesehen. Dies läßt zum einen den Schluß zu, daß die Gewinnchancen im Taxengewerbe tatsächlich nicht so schlecht waren, wie immer behauptet; zum anderen zeigt die gleiche Einschätzung des Marktes durch Altund Jungunternehmer, daß letztere bei weitem nicht so wirtschaflsblind sind, wie es von den Verfechtern der Theorie einer ruinösen Konkurrenz unterstellt wird. Der prognostizierte, überproportionale Ansturm von Neubewerbern blieb aus. Das Verhältnis von 1: 6,9 im Jahre 1971 zugunsten der Neuunternehmer hatte sich 10 Jahre später auf 1: 1,37 und 1991 schließlich auf 1: 1 verringert. 395 Die Angaben aus Hamburg zeigen, daß der § 13 Abs. 4 PBefG keineswegs notwendig ist, um eine dauerhafte Überschwemmung des Taxengewerbes mit

393 Die extreme Zunahme an Neubewerbern von 136 im Jahr 1984 auf über das Doppelte 1985 (273) und 1986 (264) ist darauf zurückzuführen, daß in diesem Zeitraum über die Einschaltung eines Beobachtungszeitraums mit absolutem Zulassungsstop spekuliert wurde, was zur Beantragung von Genehmigungen "zur Sicherheit" führte. Die Zulassungssperre wurde dann am 1. 10. 1986 verhängt und dauerte bis 30.6.1987. Dazu: OVG Hamburg, (unveröffentlichter) Beschluß vom 4.9.1987, - Bs VI 9/87 -. 394 Die Zahlen für 1992 und 1993 sind lediglich der Vollständigkeit halber mitaufgefuhrt. Sie wurden in diesem Zusammenhang als nicht repräsentativ eingestuft, weil die Entwicklung nach den Angaben der Behörden durch das Inkraftreten der Berufszugangsverordnung am 1. 5. 1991 wesentlich beeinflußt wurde. Dadurch wurde das erforderliche Eigenkapital zum Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit (§13 Abs. 1 PBefG) von ursprünglich etwa 19.000,- DM je Fahrzeug auf 3000,- DM je Taxi gesenkt. 395 Demgegenüber wurden im streng regulierten München die Unternehmer, die ihren Betrieb vergrößern wollten, im Verhältnis von 1: 4 bei der Konzessionsvergabe benachteiligt.

.Kapitel: Vereinbarkeit

1 Abs.

G

195

unerfahrenen und der wirtschaftlichen Realität gegenüber verschlossenen Jungunternehmern zu verhindern. Deren Zahl liegt in den regulierten Städten zumeist über der in Hamburg. Die Gefahr einer Monopolisierung, also eine extreme Zunahme der Großunternehmen bei gleichzeitigem starken Rückgang der Kleinunternehmer, bestätigt sich ebenfalls nicht. Im Jahr 1965 gab es in Hamburg 2566 Betriebe mit insgesamt 3391 Taxen, je Betrieb also durchschnittlich 1,32 Taxen. 1995 existierten 2548 Unternehmen mit ingesamt 3831 Fahrzeugen, also durchschnittlich 1,5 Taxen je Betrieb. Die Zahl der Unternehmen ist drei Jahrzehnte später nahezu identisch mit dem Stand von 1965. Schließlich widerlegt die Hamburger Statistik auch die Behauptung, daß die Verkehrssicherheit bei einem Wegfall des § 13 Abs. 4 PBefG in erheblichem Maße gefährdet sei. In den 22 Jahren zwischen 1971 und 1993 betrug die Zahl der wegen Verstoßes gegen das Personenbeförderungsgesetz zurückgenommenen Konzessionen im höchsten Fall 17 (1974 und 1983).396 Auf die Gesamtzahl der zugelassenen Fahrzeuge 397 bezogen, bedeutet dies, daß auf rund 203 bzw. 213 Konzessionen je eine Genehmigung kam, die zurückgenommen werden mußte, das sind weniger als 0,5 %. Anfang der neunziger Jahren kam es lediglich in 8 (1990) bzw. 2 (1991) Fällen zu einer Konzessionsrücknahme; 1992 und 1993 wurden keine Genehmigungen entzogen. Damit ist die Behauptung widerlegt, daß der Wegfall des § 13 Abs. 4 PBefG automatisch zu einer erheblichen Gefahrdung der Verkehrssicherheit führen werde. (2) Berlin In der Geschichte West-Berlins wurde bis 1996 dreimal ein Beobachtungszeitraum eingeschaltet, und zwar erstmalig in den Jahren 1965 bis 1969. Nachdem das Verwaltungsgericht Berlin die Behörde 1969 zur Neubescheidung an einen, die Konzession beantragenden Kläger verurteilt hatte,398 wurde der Zulassungsstop bis 1971 aufgehoben. Für ein Jahr, von 1971 bis 1972 wurde die Genehmigungsausgabe wieder restriktiver gehandhabt. Danach wurde auf Drängen des Gewerbes letztmalig 1983 ein Beobachtungszeitraum mit absoluter Zulassungssperre verhängt. Hiergegen erhob ein Unternehmer Klage auf Zulassung von 50 Taxen. In letzter Instanz gab das BVerwG dem Kläger Recht, woraufhin dieser eine Schadensersatzklage gegen die Stadt Berlin wegen entgange396

Eine Ausnahme bildet das Jahr 1988, in dem in 72 Fällen die Konzession zurückgenommen wurde. Bereits 1989 normalisierte sich die Zahl auf 6; 1990 waren es 8, und 1991 nur 2 Unternehmer; in den Jahren 1992 und 1993 gab es keine Rücknahmen. 397 3455 (im Jahr 1974) bzw. 3633 (im Jahr 1983). 398 VG Berlin, vom 19. 2.1969, Az. 4 A 149/68. 1

Zweiter Teil: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

196

nen Gewinns einreichte und obsiegte. Seitdem vertritt die Behörde konsequent die Auffassung, daß die Interessenverbände der zugelassenen Taxiunternehmer aussagekräftiges Beweismaterial zur Verfügung stellen müssen, um die erneute Einschaltung eines Beobachtungszeitraums zu erreichen. Dies ist in der Vergangenheit allerdings nie gelungen. Nach Ansicht der Genehmigungsbehörde bestand trotz des "offenen" Marktzugangs in Berlin weder die Gefahr einer ruinösen Konkurrenz noch einer Unterversorgung der Bevölkerung. Die Entwicklung der Zulassungszahlen bestätigt diese Annahme: 1979

1980

1981

1982

1983

1984

Taxenbest. 4999

5060

5111

5061

5020

4984

1985

1986

1987

1988

1989

1990

Taxenbest. 4758

4642

4914

5000

5013

5013

Quelle: Landeseinwohneramt Berlin, Abteilung Taxenzulassung; Berliner Taxifibel, in: Taxi Spiegel 1983, Heft Nr. 7, Seite 14,28; jeweils: Stand von Januar eines Jahres.

Wie zu erkennen ist, hat sich die Zahl der Fahrzeuge, respektive der Konzessionen im Zeitraum von 10 Jahren zwischen Januar 1979 und Januar 1990 kaum verändert. 399 Gemessen an 1979 lag der höchste Fahrzeugstand bei 5111, was einer Zunahme von rund einem Prozent entspricht. Der niedrigste Stand war 1986 mit 4672 Fahrzeugen zu verzeichnen, was einer Abnahme von 6,5 Prozent entspricht - über einen Zeitraum von 7 Jahren. Wie die Tabelle zeigt, war weder die eine noch die andere Entwicklung von längerer Dauer. Insgesamt ist die Entwicklung bemerkenswert konstant verlaufen. Der Fahrzeugbestand hat sich 1990 gegenüber 1979 um 1 Prozent verändert. Für die Bundesrepublik gibt es keine konkreten Angaben für die Zeit von Januar 1979 bis Januar 1990.400 Aussagekräftige Rückschlüsse läßt aber auch die Entwicklung der Taxenzahlen von April 1979 bis April 1991 zu. Die Zahl der Taxen stieg in diesem Zeitraum von 34.450 auf 42.894 im April 1991, also um 24, 51 % an. Bei einem zugrundegelegten Zeitraum von 1979 bis April 1988 (40.139 Fahrzeuge) lag die Zunahme bei 16,514 %. 401 D.h., daß die Zunahme der Fahrzeuge und damit der

399

Die zugrundeliegenden Daten ließen sich lediglich für den Zeitraum zwischen 1980 und 1994 ermitteln. Wegen der besonderen Situation in Berlin infolge der Vereinigung mit dem Ostteil der Stadt wurde hier nur die Entwicklung bis 1990 berücksichtigt. 400 Erhebungen über die Entwicklung des Taxi- und Mietwagengewerbes im Bundesgebiet erfolgen in Abständen von drei Jahren. 401 Zwischen 1982 und 1988: 5,488 %.

.Kapitel: Vereinbarkeit

1 Abs.

197

G

Konzessionen im gesamten Bundesgebiet wesentlich über der Zunahme in Berlin lag. Da die weitaus meisten Städte im Bundesgebiet eine künstliche quantitative Beschränkung des Taxenmarktes vornehmen, bestätigt das Ergebnis die Vermututung, daß gerade die künstliche Verknappung mittelfristig einen Anstieg der Zulassungen verursacht. Denn in Berlin war während des gesamten Untersuchungszeitraums kein Anzeichen für die als zwingend vorhergesagte extreme Entwicklung zu erkennen, weder im Hinblick auf ein ruinöses Ansteigen der Zulassungszahlen, und erst recht nicht in Richtung auf eine Unterversorgung der Bevölkerung. Die Entwicklung in Berlin widerlegt somit ebenfalls die Theorie einer Tendenz zur ruinösen Konkurrenz im Taxengewerbe. Diese Aussage wird auch durch andere empirische Ergebnisse bestätigt. Die Entwicklung nach der Vereinigung mit dem Ostteil der Stadt zeigt, daß sich selbst unter extremen Bedingungen die Gesetze des Marktes, die Wechselwirkung von Angebot und Nachfrage mittelfristig durchsetzen. Im Rahmen der Wiedervereinigung beider Stadtteile erhöhte sich die Zahl der Taxenzulassungen von 5095 im November 1990 auf 7031 im Dezember 1990. Der Höchststand wurde mit 7388 Fahrzeugen bzw. Konzessionen im Mai 1992 erreicht. In den folgenden Jahren verringerte sich der Fahrzeugbestand kontinuierlich:

Taxen

Mai 1992

31.12.92

31.12.93

31.12.94

31.12.95

31.10.96

7388

7277

7200

7060

6978

6918

Quelle: Landeseinwohneramt Berlin, Abteilung Taxenzulassung.

Die Zahlen verdeutlichen, daß selbst die extreme Zunahme von Taxen innerhalb kürzester Zeit keinen ruinösen Wettbewerb mit der Folge eines "Massensterbens der Betriebe" ausgelöst hat, sondern das Angebot sich langsam auf die Nachfrage einstellt. Die von Seiten der Unternehmer immer wieder geforderte Einschaltung eines Beobachtungszeitraums mit dem Ziel eines Zulassungsstops war somit unnötig. Zudem verdeutlicht der langsame Anpassungsprozeß, daß auch die prognostizierte Unterversorgung der Bevölkerung mit Taxendienstleistungen ausgeblieben ist, die Funktionsfähigkeit des Taxengewerbes also nie gefährdet war. Die Behauptung, daß wirtschaftsblinde Existenzgründer ohne behördliche Zulassungsbegrenzung dauerhaft in das Gewerbe strömen und eine allgemein ruinöse Konkurrenz auslösen würden, erweist sich ebenfalls als unzutreffend. Die Verteilung der neu ausgegebenen Konzessionen zwischen Alt- und Neuunternehmern zeigt, daß sich gerade die Existenzgründer bei der positiven Einschätzung der Marktchancen eher zurückhalten.

198

Zweiter Teil: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

Taxenzugänge Konzessionen - an Altunternehmer - an Neuunternehmer

1989

1990

1991

1992

1993

1994

1995

10/96

184 172

276 174

469 355

399 714

345 285

300 285

270 273

213 191

Quelle: Landeseinwohneramt Berlin, Abteilung Taxenzulassung.

Mit einer Ausnahme haben die Neuunternehmer durchweg weniger Konzessionen beantragt als die erfahrenen Unternehmer. Wie in Hamburg liegt die Zahl der von Alt- und Neuunternehmern beantragten Konzessionen relativ nahe beieinander. Dies spricht dafür, daß sich beide Gruppen bei der Einschätzung des Marktes an den gleichen Kriterien orientieren und bestätigt die Annahme, daß der weitaus größte Teil der Existenzgründer nicht aus gewerbefremden Neulingen, sondern aus markterfahrenen Personen, vor allem ehemaligen Taxifahrern, besteht. Von einer völlig unrealistischen Markteinschätzung wirtschaftsblinder Jungunternehmer kann also nicht die Rede sein. Es bestätigt sich die Aussage des BVerfG in der Apothekenentscheidung, wonach Gewerbetreibenden die Fähigkeit, die Chancen einer Geschäftsgründung beurteilen zu können, ohne weiteres zuzutrauen ist, BVerfGE 7, 377,419. Die Angaben zeigen darüberhinaus, daß die Marktgesetze von Angebot und Nachfrage auch im Taxengewerbe gelten. Die Altunternehmer haben kurz vor Erreichen des Zulassungszenits im Mai 1992 weniger Konzessionen beantragt; bei den Neugründungen gab es einen Nachlauf von etwa einem Jahr, 1992; danach sind auch hier die Zahlen stark zurückgegangen. Der Markt hat sich auch ohne behördlich verfügten Konzessionsstop in kurzer Zeit von selbst reguliert. Bemerkenswert ist die verhältnismäßig hohe Zahl der Altunternehmer, die auch nach Erreichen der Taxenhöchstzahl im Jahr 1992 zusätzliche Konzessionen beantragt haben. Da die Anschaffung neuer Taxen mit erheblichen Kosten verbunden ist, muß es eine entsprechende Zahl von Unternehmern gegeben haben, die trotz der geringeren Nachfrage gute Gewinne erwirtschafteten und die zukünftigen Marktchancen positiv bewerteten. Dies spricht für einen marktwirtschaftlich gesunden Ausleseprozeß, in dem sich Leistung auszahlt und diejenigen Erfolg haben, die ihr Metier am besten beherrschen. Schließlich ist im Vergleich zu anderen Großstädten mit quantitativen Beschränkungen die Taxendichte in Berlin erheblich geringer. Während in Berlin nur 2,01 Taxen auf 1000 Einwohner kommen, sind es in Düsseldorf 2,25, in Frankfurt 2,58 und in München 2,65 Taxen. 402

402

Quelle: Landeseinwohneramt Berlin, Taxenzulassungsstelle; Stand: 11.11.1996.

.Kapitel: Vereinbarkeit

1 Abs.

199

G

Im Ergebnis zeigt die Entwicklung in Berlin ohne quantiative Beschränkung einen konstanteren und ruhigeren Verlauf als das übrige Taxengewerbe im gesamten, zumeist regulierten Bundesgebiet. (3) Andere Städte

Im Frühjahr 1991 wurde in Regensburg die Taxi vormerkliste aufgelöst. Der Auslöser war ein Urteil des Vewaltungsgerichts Regensburg vom Dezember des Vorjahres. 403 Die Folgen des faktischen Wegfalls von § 13 Abs. 4 PBefG sind in der folgenden Tabelle dargestellt:

Neuzulassung

1979

80/81

1982

1984

85/86

87/88

89/90

1991

1992

1993

1994

10

7

4

4

20

10

16

18

11

5

8

Offensichtlich hat der freie Marktzugang auch hier keine Überschwemmung des Taxengewerbes mit Existenzgründern ausgelöst.404 Die Entwicklung hält sich vielmehr genau im Rahmen der vergangenen zwölf Jahre, in denen die Behörde eine künstliche Begrenzung der Zulassungen vorgenommen hatte. Auch dieses Ergebnis widerlegt die Theorie der Rechtsprechung, wonach in der ersten Phase nach Aufhebung der Beschränkung eine extreme Zunahme bei den Neuzulassungen hätte verzeichnet werden müssen, die dann mittel- oder langfristig in der ruinösen Konkurrenz aller Unternehmen mündet. Wie die Stadt Regensburg mitteilte, war bei der Wiedererteilung der Konzessionen nach 2 bzw. 4 Jahren das subjektive Kriterium der Leistungsfähigkeit des Betriebes immer erfüllt, so daß für die Behörde kein Anhaltspunkt für eine Funktionsunfähigkeit des örtlichen Taxengewerbes gegeben war. Auch die Qualität der Dienstleistungen und insbesondere die Sicherheit in den Betrieben hatte nicht nachgelassen.

403 Urteil vom 7. 12. 1990, (unveröffentlicht), - RO 9 Κ 90 0785 -. In der Urteilsbegründung beziehen sich die Richter u.a. auf ein Schreiben der Stadt Regensburg an die Regierung der Oberpfalz vom Mai 1989. Darin hieß es: "Eine Anwendung des § 13 Abs. 4 PBefG ist nicht möglich, da nach Meinung der Stadt Regensburg keine objektive Prüfung der Funktionsfahigkeit des örtlichen Taxigewerbes möglich ist." 404 Quelle: Stadt Regensburg, Amt für öffentliche Ordnung und Straßenverkehr, Abteilung Kraftverkehr; im gleichen Maße ist das Interesse an einer Übertragung, also dem Verkauf der Konzessionen zurückgegangen. Die Genehmigungen werden nun zumeist aus Altersgründen oder bei Eheschließung an die Stadt zurückgegeben. Der frühere Konzessionshandel existiert nicht mehr.

200

Zweiter Teil: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

In Wiesbaden wurde Ende der siebziger Jahre die Höchstzahl der zuzulassenden Taxen durch Beschluß des Magistrats auf 400 festgelegt. Obwohl die Zahl der bis dahin ausgegebenen Konzessionen wesentlich niedriger lag, löste der Beschluß keine "Übersetzung" des Gewerbes durch Neuunternehmer aus. Angebot und Nachfrage pendelten sich ohne künstliche Begrenzung aufeinander ein. Im November 1996 liegt die Zahl der Taxikonzessionen immer noch rund zehn Prozent unterhalb der Höchstgrenze. 405 Vermehrte Pflichtverstöße oder Gefahrdungen der Verkehrssicherheit mit der Folge einer Konzessionsentziehung gab es ebenfalls nicht. Die von den Unternehmern zur Verlängerung ihrer Konzessionen eingereichten Unterlagen zeigen zudem, daß die finanzielle Leistungsfähigkeit nicht nachgelassen hat. Im Ergebnis gilt für Wiesbaden das gleiche wie für Regensburg. Der faktische Wegfall des § 13 Abs. 4 PBefG verursachte keine Übersetzung des Gewerbes, keine ruinöse Konkurrenz aller Unternehmer, und erst recht keine Unterversorgung der Bevölkerung mit Taxendiensten. (4) Zwischenergebnis Die erste Voraussetzung für eine Bedrohung der Funktionsfahigkeit des örtlichen Taxengewerbes, ein extremes und permanentes Ansteigen der Taxenzulassungen ist in keiner der vier untersuchten Städte aufgetreten. In den beiden Großstädten ergab die Langzeitbeobachtung, daß der Anstieg bei den Zulassungen sogar weit unter dem im Bundesdurchschnitt lag. Ein Ansteigen der Fahrzeugzahlen ist demzufolge nicht auf einen zahlenmäßig unbeschränkten Marktzugang, sondern auf die künstliche Verknappung durch § 13 Abs. 4 PBefG zurückzuführen. Damit werden die Ergebnisse der wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchung durch die Praxis in vollem Umfang bestätigt. Entsprechend der Vorhersage des Bundesverfassungsgerichtes zum Apothekerberuf hat die Aufhebung der Zulassungsbeschränkung auch im Taxenwesen zu keiner Überschwemmung durch "wirtschaftsblinde" Jungunternehmer geführt. In Hamburg ergab die Beobachtung zwischen 1984 und 1991, daß im Durchschnittjährlich weniger als 1 % der Konzessionen aus wirtschaftlichen Gründen zurückgegeben wurden. Diese extern niedrige Zahl widerspricht nicht nur evident der prognostizierten ruinösen Konkurrenz für das gesamte Gewerbe, sondern deutet auch auf einen natürlichen Ausleseprozeß hin. Denn sowohl in Hamburg als auch in Berlin war zu beobachten, daß ein verhältnismäßig großer 405

Quelle: Ordnungsamt Wiesbaden; Stand 18.11.1996.

.Kapitel: Vereinbarkeit

1 Abs.

G

201

Teil der Anträge auf Konzessionserteilung von Altunternehmern gestellt wurde, die ihren Betrieb noch vergrößern wollten. Das Untersuchungsergebnis bestätigt damit nicht nur, daß auch im Taxengewerbe die Gesetze der Marktwirtschaft zur Anwendung gelangen und eine ruinöse Konkurrenz verhindern. Darüber hinaus zeigt sich, daß eine Marktöffnung oft zu wesentlich besseren Ergebnissen führte, als die künstliche Verknappung durch § 13 Abs. 4 PBefG. cc) Die Entwicklung in den USA (1) Überblick Die Ursprünge der amerikanischen Regulierungsbegründung für das Taxenwesen liegen in Großbritannien. Die ersten Städte, die nach dem Aufkommen von Taxen in Amerika zu Beginn dieses Jahrhunderts strenge Beschränkungen einführten, hatten das britische System übernommen, nach dem die Taxen zahlenmäßig beschränkt und bestimmte Qualifikationen von den Unternehmern gefordert wurden. Insgesamt war die Zahl der regulierenden Städte bis zur großen Depression gering. In den frühen dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts führte jedoch das enorme Ansteigen der Arbeitslosigkeit zu einem extremen Anstieg der Taxenzahlen - obwohl sich immer weniger Menschen diese Dienste erlauben konnten. Die scheinbar widersinnige Entwicklung ist einerseits darauf zurückzuführen, daß die Selbständigkeit als Taxiunternehmer für viele Erwerbslose die einzige Möglichkeit war, ein Einkommen zu erwirtschaften, mit dem zumindest die Grundversorgung gesichert werden konnte. Andererseits wurde ihnen der Schritt in die Selbständigkeit nicht nur infolge fehlender gesetzlicher Beschränkungen - auch subjektiver Art - sehr leicht gemacht, sondern vor allem durch extrem geringe Voraussetzungen in finanzieller Hinsicht. Die Automobilhersteller und -händler verfügten infolge der extrem schlechten Konjunkturlage über so große Bestände an unbezahlten Fahrzeugen, daß sie dazu übergingen, diese für ein relativ geringes Entgelt an Arbeitslose zu vermieten, die diese dann als Taxi nutzten. Diese gegenläufige Entwicklung und die extrem schlechte Situation der "Mietunternehmer" führte zu regelrechten Preiskämpfen, Erpressungen, dem Fehlen von Versicherungsschutz und vielen Konkursen. Als Reaktion auf diese Zustände hatten bis 1932 bereits 35 % aller US-Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern den Zugang zum Taxengewerbe zahlenmäßig beschränkt. Chicago fror die Konzessionen 1934 bei 4108 ein, und senkte sie nochmals 1937 auf nur noch 3000. In 14 Staaten wurden Gesetze verabschiedet, die erstmals den Abschluß einer Fahrzeugversicherung zwingend vorschrie-

202

Zweiter Teil: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

ben. 406 Seit damals wird in den meisten US-Städten die Zahl der Taxen begrenzt. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen während der großen Depression zielt die Begründung in der Regel auf eine Vermeidung von "ruinöser Konkurrenz" und einer zu großen Preis- und Angebotsfluktuation. 407 Durch die Beschränkung soll ferner ein übermäßiger Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern, insbesondere dem öffentlichen Personennahverkehr vermieden und die Entlastung des Straßenverkehrs durch weniger Taxen auf Kundensuche erreicht werden. 408 In der ein oder anderen Form regulieren heute alle Staaten der USA das Taxengewerbe. Dabei bestehen zwischen den einzelnen Staaten allerdings gravierende Unterschiede. Im Hinblick auf die Zuständigkeit und die Regelungsformen lassen sich vier Gruppen bilden: Erstens solche Staaten, die selbst unmittelbar eine Regulierung in Form von Höchstzahlbestimmungen für Taxen und Unternehmer vornehmen. 409 Zweitens die Einbindung des Taxengewerbes in ein allgemeines Beförderungsgesetz (motor carrier act). 410 Damit werden Taxenbetriebe den gleichen Bedingungen unterworfen wie der Güterfernverkehr oder Busunternehmen. Die dritte Kategorie bilden Staaten, die formell selbst über Zulassungen entscheiden, dies aber auf der Basis von Stellungnahmen der örtlichen Behörden und Taxiverbände tun. 411 Die mit Abstand meisten US-Staaten (vierzig) geben lediglich bestimmte Mindestbedingungen für die Zulassung vor, z.B. im Hinblick auf die Gesundheit des Unternehmers oder abzuschließende Versicherungen. Im übrigen bleibt die Regulierung des Taxengewerbes allein den örtlichen Behörden überlassen. 412 Entsprechend groß ist die Zahl der unterschiedlichen Regulierungssysteme. 406

Shaw u.a. I., Seite 7. Müller/Vogelsang, Seite 165, mit einem Zitat aus dem "Report of the Mayor's Commission on the taxi cabs in New York, Sept. 23, 1933, Seite 18: "The excess of taxi licenses is an obstacle to the soft and efficient operation on the taxi cab industry. It is an evil in principally because of its trends to take awayfrom all drivers all sense of security in their jobs or of the dignity and responsibility of their calling." In New York ist die Zahl der Taxen seit 1937 (!) bei genau 11787 eingefroren. Erstmals sollen 1996 400 Taxen mehr zugelassen werden. Hintergrund ist die schlechte Finanzlage der Stadt - die Konzessionen sollen per Auktion an den Meistbietenden versteigert werden. Zur Sicherung bzw. Wiederherstellung eines Mindesqualitätsstandards bei den Fahrzeugen sollen Unternehmer mit mehr als einem Taxi per Verordnung dazu verpflichtet werden, die Wagen alle drei Jahre auszutauschen, Taximagazin Nr. 5/96, Seite 38. 408 Müller/Vogelsang, Seite 165, m.w.N. 409 Nach Shaw u.a. I., Seite 9, sind dies: Maryland, Pennsylvania, Nevada. 410 dito: Colorado, Connecticut, Delaware, Montana, Nebraska. 411 dito: Rhode Island, Kentucky. 412 Auch auf regionaler Ebene gibt es keine einheitlichen Zuständigkeiten. In den meisten Städten liegt die Zuständigkeit bei einem "City Council or Manager" (27, 2 %), dem "Finance or Clerk Departments" (24, 3 %), "License Department" (18,4 %), 407

.Kapitel: Vereinbarkeit

1 Abs.

G

203

Inhaltlich lassen sich sechs Arten von Zugangsregelungen unterscheiden. 413 Das häufigste Verfahren besteht in der Festsetzung verbindlicher Höchstzahlen durch die Gemeinden (predetermined ceiling). Dabei gibt es keinen festen Maßstab, so daß die Zahlen oft willkürlich festgelegt werden und zumeist der Zahl der zum entsprechenden Zeitpunkt zugelassenen Taxen entsprechen. Eine Änderung des Erlasses ist nur durch den Stadtrat möglich, der dabei an keinerlei sachliche Vorgaben gebunden ist. Eine flexiblere Zulassungsregulierung ist die Ausrichtung der Zulassungszahlen nach einem bestimmten Verhältnis zur Einwohnerzahl (populatio ratio). 414 Das Standardverhältnis liegt bei 1 Taxi auf 1000 Einwohner. Die Gemeinden weichen jedoch regelmäßig von diese Leitlinie ab, wobei der Eindruck entsteht, daß diese Verhältniszahl mittels einer einfachen Teilung der Einwohnerzahl durch die jeweils aktuelle Zahl der Taxen entsteht. Damit sind zwar ebenso wie bei dem "predetermined ceiling" unsachgemäße Einflüsse, z.B. politischer Natur, nicht auszuschließen. Der Vorteil liegt aber in der flexiberen Anpassung an die Nachfrage, auch wenn diese ausschließlich an der Einwohnerzahl ausgerichtet wird. 415 Für das dritte Verfahren, dem "convenience and necessity" Test gibt es keine einheitliche Definition, so daß der Eindruck entsteht, jede Gemeinde entwickele hier ihre eigenen Maßstäbe. Die Bandbreite reicht von der Ermächtigung zur Festlegung von Zulassungszahlen ohne Vorgabe konkreter Kriterien bis zur Aufstellung einer Vielzahl von Merkmalen. 416 Die meisten Gemeinden haben keine konkreten Maßstäbe aufgestellt, so daß Neuzulassungen regelmäßig nur dann erfolgen können, wenn der Neubewerber eine Unterversorgung durch die "Transportation or Taxicab Department" (17, 5 %) und dem "Police Department" (12, 6 %). Zumeist sind andere Stellen mit der Überwachung des Taxengewerbes (technischer Zustand, Straßenpatrouillen) beauftragt, in der Regel das "Police Department" (64, 8 %). 413 Die folgenden Ausführungen beruhen im wesentlichen auf einer Untersuchung des Transportministeriums bis Oktober 1983, in deren Verlauf die Zulassungspraktiken von 120 US-Großstädten erfaßt wurden: Shaw u.a. I. und Π. 414 Das Merkmal enspricht dem Kriterium der Taxendichte in § 13 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 PBefG. 415 Müller/Vogelsang, Seite 165, stellten fest, daß nach einigen städtischen Verordnungen zusätzliche Lizenzen nur dann erteilt werden, wenn das Verhältnis Betriebskosten zu Umsatz (operating ratio) unter einen bestimmten Prozentsatz fällt. 416 So fordert etwa Hillborough County einen Nachweis des Bewerbers, daß die gegenwärtig zugelassenen Taxen keinen ausreichenden "service" erbringen, die Fähigkeit, diese Lücke sachgerecht auszufüllen, die Sicherheit, daß durch die Neuzulassung keine gegenläufigen Auswirkungen auf bereits zugelassene Unternehmer zu befürchten sind (vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG), die Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit der neu zuzulassenden Beförderungen und einen "managment plan" zur Leitung des Unternehmens, Shaw u.a. I., Seite 24 f.

204

Zweiter Teil: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

bestehenden Unternehmen nachweisen kann. 417 So werden in einigen Städten zusätzliche Lizenzen nur dann erteilt, wenn das Verhältnis Betriebskosten zu Umsatz unter einen bestimmten Prozentsatz fallt. Die urprünglichen Zulassungszahlen werden z.T. nur deshalb beibehalten, weil das örtliche Taxengewerbe und die Behörde sich nicht auf eine einheitliche Definition von "convenience and necessity" einigen können. Einige Gemeinden praktizieren ein sog. "franchise" oder auch "medallion system". Die gebräuchlichste Methode besteht darin, einer bestimmten Gesellschaft die Genehmigung fur eine genau vorgegebene Zahl von Taxen zu erteilen, die dann nicht mehr erhöht wird. In einer anderen Ausprägung können die Taxengesellschaften später auch mehr Fahrzeuge anmelden, als sie ursprünglich beantragt hatten. Die einzigen Anforderungen bestehen darin, die anfallende Gebühr für jedes Fahrzeug an die Gemeinde zu entrichten und eine technische Fahrzeugkontrolle zu bestehen. Der Nachteil des zweiten Verfahrens besteht darin, daß neue Unternehmer kaum eine Chance auf Zulassung haben. Vorteile ergeben sich daraus, daß die Gesellschaften wirtschaftlich rechnen müssen und bei der Anpassung des Fahrzeugbestandes an die Nachfrage sehr flexibel sind. Im Vergleich zu den vorherigen Zulassungspraktiken werden unsachliche, inbesondere politische Motive bei der Konzessionsvergabe völlig ausgeschaltet. Viele Städte legen für die Zulassung zum Taxengewerbe sog. "minimum standards" fest, die im deutschen Rechtssystem als subjektive Schranken einzuordnen wären. Beispiele hierfür sind: Eine 24-Stunden Rufbereitschaft, überdurchschnittliche Versicherungsraten, strenge Fahrzeugkontrollen, öffentliche Telefonnummern, Sicherheit für die Überwachung der Fahrer, Taxistände auf privatem Boden, eine Mindestanzahl von Fahrzeugen. Außer der letztgenannten Voraussetzung kann jedes der anderen Kriterien für sich einen Unternehmer kaum von der Neuzulassung abhalten. Manche Gemeinden verlangen allerdings die Erfüllung mehrerer Merkmale oder stellen an jedes einzelne so hohe Anforderungen, daß die Anforderungen für die meisten Einzelunternehmer zu hoch sind. Demgegenüber deklarieren einige Städte418 einen offenen Marktzugang ("open entry"). Die einzigen Anforderungen für die Zulassung eines Taxiunter-

417 Vergleichbaren Regelungen war in Kanada der Güterfernverkehr unterworfen. Im Februar 1985 einigten sich die Verkehrsminister des Bundes und der Provincen dann auf eine Erleichterung des Verfahrens, indem die Beweislast umgekehrt wurde. Nunmehr muß regelmäßig seitens der etablierten Unternehmen nachgewiesen werden, daß die Erteilung neuer Konzessionen den öffentlichen Interessen zuwiderläuft, Laaser, Seite 181. 418 Seattle, Washington, Tacoma, Spokane.

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1 Abs.

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205

nehmens bestehen regelmäßig im Nachweis einer Mindestversicherung des Fahrers und einer fehlenden Vorstrafe. 419 Ebenso wie in der Bundesrepublik ist das Taxengewerbe in den meisten Städten der USA quantitativen Beschränkungen unterworfen. Der Untersuchung von Shaw u.a. zufolge regulierten 90 von 103 Städten den Zugang zum Taxengewerbe, also 87,8 %. Das Ergebnis relativiert sich allerdings, wenn man berücksichtigt, daß der offene Marktzugang in den USA in der Regel etwas anderes bedeutet als in der Bundesrepublik, nämlich de facto viel weiter reicht und oft gleichbedeutend ist mit dem Verzicht auf subjektive Mindestanforderungen, wie sie § 13 Abs. 1 PBefG enthält. Die Situation nach Wegfall des § 13 Abs. 4 PBefG in Deutschland entspricht deshalb am ehesten einer Beschränkung durch "minimum standards" in den USA. Diese genügten immerhin 18 der untersuchten Städte (17,5%), um das Taxengewerbe wirksam zu regulieren. Insgesamt verzichten damit rund 30 % der Städte auf eine zahlenmäßige Beschränkung des Taxengewerbes. 420 Ein Vergleich der regulierenden Städte mit denen, die einen vollkommen offenen Markt praktizieren, im Hinblick auf die Einwohner, die Regionen und die Art der Verwaltungsbehörde, brachte keine weiteren Aufschlüsse ("because the data were spread out fairly evenly among the different cells"). 421 Die einzigen Übereinstimmungen bestanden darin, daß der Trend von einer starken Regulierung in Richtung einer zunehmenden Liberalisierung ging, und daß die meisten der deregulierenden Städte sich im Westen der USA befinden. (2) Die Erfahrungen mit einer Deregulierung des Taxengewerbes Die Ausgangsfrage für die zu schildernden Erfahrungen lautete: Führt der Wegfall einer zahlenmäßigen Beschränkung im Taxengewerbe zu einer Gefahr für dessen Funktionsfähigkeit, also zu einer quantitativen Unterversorgung mit Taxendiensten ? Die Antwort ist eindeutig: Nein! In keiner der hier zugrundegelegten Untersuchungen hat in den USA eine Aufhebung der zahlenmäßigen Beschränkung von Taxen zu einer Unterversorgung der Bevölkerung geführt. 422

419

Allerdings gibt es auch Gemeinden, die einen offenen Marktzugang deklarieren und Anforderungen stellen, die andernorts als "minimum standards" eingestuft werden. 420 Wollrab, Seite 60, zufolge verzichten in der Bundesrepublik lediglich 10,3 % der Großstädte auf eine zahlenmäßige Beschränkung des Gewerbes. 421 Shaw, u.a. sind deshalb der Auffassung, daß die Unterschiede auf regionalen Besonderheiten, z.B. den jeweiligen politischen Einflüssen zurückzuführen sind (aaO Seite 31 f.). 422 vgl. Teal, Berglund, Journal of Transport, Economy and Policy, Bd. 21 (1987), Seite 37flf.; Shaw u.a. I. und Π.

206

Zweiter Teil: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

Es ist fast durchweg das Gegenteil festzustellen. In Atlanta etwa hatten die Behörde bereits 1965 einen "open entry" installiert. Sechzehn Jahre später wurde der Marktzugang wieder beschränkt, u.a. deshalb, weil die Zahl der Taxen nach Ansicht der Behörden zu hoch geworden war. 423 Dieses Langzeitergebnis und alle Beobachtungen in den anderen Städten ohne quantitative Beschränkung bestätigen die wirtschaftswissenschaftliche Aussage, wonach selbst eine starke Zunahme bei den Taxenzahlen nie zu einer Unterversorgung der Bevölkerung führen wird. 424 Diesen Ergebnissen kommt um so größere Bedeutung zu, als daß sie - gemessen an der Rechtslage in Deutschland - in der Regel unter Extrembedingungen zustande kamen. Die Behörden haben nämlich in vielen Fällen zugleich mit der Aufhebung der zahlenmäßigen Beschränkung, auch auf subjektive Beschränkungen, die mit § 13 Abs. 1 PBefG vergleichbar sind, verzichtet und darüber hinaus regelmäßig die Preisbindung aufgehoben. In den achtziger Jahren haben einige US-Städte ihre Zulassungsvoraussetzungen für das Taxengewerbe gelockert. Von den neunzehn Städten, in denen Shaw u.a. überhaupt eine Änderung der Zulassungsbedingungen feststellten, 425 haben alle den Zugang zum Taxengewerbe erleichtert. Fünfzehn Städte verzichteten ganz auf eine zahlenmäßige Begrenzung der Taxenzulassungen. Zehn von ihnen wechselten zu einem "open entry" 426 , fünf behielten "minimum standards". 427 Eine Reihe dieser Städte haben darüber hinaus die Preise freigegeben oder nur an Höchstgrenzen gebunden.428 Im Ergebnis haben die Städte mit einem Ordnungsrahmen, der dem in Deutschland nach Aufhebung des § 13 Abs. 4 PBefG entsprechen würde - also mit "minimum standards" und Festtarifen -, den offenen Markt auch beibehalten. Von den Städten mit "open entry" und freien Preisvereinbarungen haben drei nachträglich die Zulassungskriterien

423

Shaw, u.a., Seite 37. Vgl. oben zu II. § 4 2 d. Erwartungsgemäß hat sich gezeigt, daß die Versorgung der Bevölkerung infolge verringerter Wartezeiten sogar noch verbessert wurde (Teal, Berglund, Seite 42; Roger F. Teal, Taxicab regulatory change in San Diego, in: Taxicab Mangement, 1986, Seite 28, 30. 425 Insgesamt wurden 103 Städte in die Untersuchung einbezogen. 426 Seattle (Wash.), Milwaukee (WI), Oakland (CA), Spokane (WA), Berkeley (CA), Tacoma (WA), Phoenix (Az), Tucson (AZ), Sacramento (CA), Atlanta (GA), Fresno (CA), San Diegeo (CA), Shaw, Gilbert u.a., Seite 33 ff. 427 Portland (OR), Madison (WI), Charlotte (NC), Sacramento (CA), Jacksonville (FL) Die vier am häufigsten genannten Gründe für diesen Wechsel waren: Die Entlastung der öffentlichen Verwaltung; die Anregung des Wettbewerbs; zu ungenaue Verfahren bei der Regulierung von Marktzugang und Preisen; Beispiele aus anderen Städte. 428 Seattle (WA), Madison (WI), Phoenix (AZ), Tucson (AZ), Charlotte (NC), Sacramento (CA), Fresno (CA), San Diego (CA) - Shaw u.a., Seite 34 ff. und 53 ff; Teal/Berglund, Journal of Transport, Economy and Policy, Bd. 21 (1987), Seite 37 f. 424

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1 Abs.

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207

wieder angehoben. Von diesen hat allein San Diego eine allgemeine zahlenmäßige Beschränkung der Taxen reinstalliert. 429 Übereinstimmend ist festzustellen, daß in allen Städten, die fortan auf eine zahlenmäßige Begrenzung der Taxen verzichteten, die Zulassungszahlen stiegen. Die Zuwachsraten waren allerdings extrem unterschiedlich und reichten von 18 % in Kansas City bis zu 127 % in San Diego. 430 Der Grund hierfür war, daß einige Städte nur auf die zahlenmäßige Begrenzung verzichtet und "minimum standards" beibehalten hatten, während andere auch die personenbezogenen Anforderungen aufhoben oder sie sehr weit herunterschraubten. Größere finanzielle Hindernisse gab es nicht, da die Wagen sehr günstig zu kaufen waren, und in der Regel eine geringe Anzahlung genügte.431 Kansas City und Oakland forderten dagegen eine Funkausstattung in den Wagen und eine Frequenzschaltung. Beides kostete etwa 1000,- US $, genügte aber anscheinend, um die Zuwachsraten relativ niedrig ausfallen zu lassen, (18 % bzw. 38 %). Auch in Portland war die zahlenmäßige Begrenzung aufgehoben worden. Statt dessen mußte jeder Bewerber einen Mindestbestand von 10 (später 15) Taxen nachweisen, einen 24-Stunden Dienst bieten und über Funk erreichbar sein. Im Ergebnis war in Portland drei Jahre nach dem Wegfall der Höchstzahlenbegrenzung (population ratio) nur ein Unternehmen neu zugelassen worden. 432 Übereinstimmend war in allen Städten die größte Fluktuation bei den Klein- und Einzelunternehmen festzustellen, die geringste bei den neuen mittleren und großen Betrieben. Von den großen Taxiunternehmen, die bereits vor der Marktöffhung existiert hatten, schied keines aus. Nach den Angaben aus sieben deregulierten Städten waren nur drei Neuzugänge von Unternehmen mit 25 und mehr Taxen zu verzeichnen, - obwohl Taxen in den USA zu sehr niedrigen Preisen gehandelt werden. Die Erklärung hierfür sehen Teal/Berglund vor allem 429 Fresno installierte "minimum standards" für Neuuntemehmer (Shaw u.a., Seite 37); San Diego fror die Zahl der Taxen auf den Stand von 1984 ein (Shaw u.a., Seite 37) und Phoenix beschränkte die Zahl der Taxen mit Erlaubnis der Flughafenbedienung (zu den Gründen: Shaw u.a., Seite 41; die Stadt Atlanta hatte unter Beibehaltung eines Tarifsystems den Taxenzugang 1965freigegeben und 1981 wieder durch Vorgaben von Höchstzahlen (predetermining ceiling) und einer Mindestgröße von 25 Fahrzeugen je Neuuntemehmer beschränkt. Dazu auch Peter, Seite 21, m.w.N. 430 Grundlage sind hier die z.T. veröffentlichten Daten von neun Großstädten, die dereguliert hatten, (Teal/Berglund, Seite 39 f.).In den anderen Städten sahen die Zuwachsraten wie folgt aus: Seattle: 33 %; Sacramento: 56 %; Phoenix: 83 %; Tucson: 33 %; Oakland: 38 %. 431 Teal/Berglund konstatieren (Seite 53), daß das Taxengewerbe eine der wenigen Möglichkeiten in den USA bietet, sich mit einem Minimum an Können und finanzieller Ausstattung ("minimal skills and minimal capital") selbständig zu machen. 432 Gelb, P.M. (1982), Taxi Regulatoiy Revision in Portland, Oregon: A case study U.S. Department of Transportation, Rep. No. UMTA-MA-06-0049-82-7, vgl. Teal/Berglund, Seite 40.

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darin, daß die Unternehmer neben einem beträchtlichen Grundkapital auch über die Fähigkeit verfügen müssen, fremde Geldgeber von ihrem Vorhaben zu überzeugen.433 Dafür waren offensichtlich die Voraussetzungen nicht gegeben. Die wenigen statistischen Unterlagen über die Service-Leistungen (level of service) deuten darauf hin, daß die Wartezeit bei den telefonischen Bestellungen in erster Linie von der Größe des angerufenen Unternehmens und weniger von der Gesamtzahl der Taxen abhängig ist. Die einzige Untersuchung über die allgemeine Wartezeit wurde in San Diego durchgeführt. Sie lag vor der Deregulierung bei durchschnittlich zehn Minuten, danach bei acht Minuten. Da in San Diego die mit Abstand höchste Zuwachsrate bei Taxen zu verzeichnen war, darf darauf geschlossen werden, daß sich die Wartezeit - als wichtigster Anhaltspunkt für die Funktionsfahigkeit des Taxengewerbes - durch einen Wegfall von zahlenmäßigen Beschränkungen verbessert. 434 Gleichzeitig stieg in San Diego die Zahl der Ablehnungen bei Beförderungen und der nicht erschienenen Taxen von 5 % im Jahre 1976 auf 18 % in 1979 - dem Jahr der Deregulie" rung. 435 Die Entwicklung bei den Preisen bestätigt die wirtschaftswissenschaftliche Auffassung, wonach selbst ein unbeschränkter Zugang in Verbindung mit einer freien Preisbildung im Taxengewerbe keinen aggressiven Preis- und Verdrängungswettbewerb auslösen werde. Zugleich werden Einzelangaben über extreme Preisentwicklungen relativiert. 436 In einer Untersuchung wurde die Preisentwicklung in sieben deregulierten und 14 regulierten Städten zwischen 1971 und 1984 einander gegenübergestellt. In beiden Gruppen waren die Preise erheblich gestiegen. Die wesentlichen Ursachen hierfür waren die Verteuerung des Kraftstoffs, die Inflation und die steigende Zahl angestellter Fahrer, durch die sich die Betriebskosten erhöhten. Die entscheidende Feststellung bestand aber darin, daß die Preise in den Städten ohne Tarifbindung, also mit freier Aushandelbarkeit des Fahrpreises, durchschnittlich nicht höher stiegen als in den Städten mit festen Vorgaben, und mit 133 % gegenüber 136 % Steigerung sogar noch gün-

433

Teal/Berglund, Seite 52 f. In den deutschen Medien wird die Ursache für längere Wartezeiten ebenfalls in der geringen Konkurrenz gesehen, Riecker, Seite 60. 435 Teal, Taxicab managment, 1986, Seite 30. Diese Entwicklung würde nach der Rechtsauffassung in Deutschland zwar nicht ausreichen, um eine zahlenmäßige Begrenzung zu rechtfertigen. Statt dessen müßte die Überwachung durch die örtlichen Behörden wesentlich verstärkt werden. 436 Peter, Seite 22, beziffert die Erhöhung der Durchschnittstarife infolge der Deregulierung in San Diego mit über 60 % und in Seattle um ca. 72 %. 434

.Kapitel: Vereinbarkeit

1 Abs.

G

209

stiger blieben. 437 In einer anderen Studie wurden die Preissteigerungen im Taxengewerbe mit der Entwicklung bei den allgemeinen Lebenshaltungskosten verglichen. Danach lagen die Preise für Taxidienste in den regulierten Städten leicht unterhalb des allgemeinen Indexes, und in den Städten ohne Preisbeschränkung leicht über der allgemeinen Teuerungsrate. 438 Die Zahl der durchschnittlichen Beförderungsaufträge pro Taxi ging nach der Deregulierung um bis zu einem Drittel zurück. 439 Wegen des fehlenden Preiswettbewerbs wurden allerdings auch keine neuen Kundenkreise erschlossen. Die Abnahme der Beförderungsaufträge pro Taxi stand jedenfalls in keinem unmittelbaren Verhältnis zu der Steigerungsrate bei den Neuzulassungen. In Phoenix und San Diego hatte diese Spitzenwerte von 83 % und 127 % aufgewiesen, wobei die Abnahme der Aufträge pro Fahrzeug bei 34 % und 37 % lag. In Tucson und Seattle war die Taxenzunahme mit jeweils 33 % sehr viel geringer ausgefallen. Dennoch war auch hier eine Abnahme der Aufträge von 38 % und in Seattle sogar von 48 % zu verzeichnen. 440 Dies deutet daraufhin, daß der Auftragsrückgang noch andere Ursachen als die fehlende Zulassungsbeschränkung hatte, z.B. eine besonders schlechte regionale Konjunkturentwicklung. Die Unternehmer gingen dazu über, anstelle fest angestellter Fahrer mit einem Mindestgehalt mehr Aushilfsfahrer einzustellen. Das Durchschnittseinkommen der Fahrer sank gegenüber den Verdiensten vor der Deregulierung um bis zu 30 %. Die Deregulierung hat zu keinen wesentlichen Neuheiten bei den Taxidienstleistungen gefuhrt. Den einzelnen Unternehmern war das Risiko einer Umstellung, z.B. auf ein share-ride-system zu groß, so daß es in den meisten Städten bei den - auch in Deutschland praktizierten - Einzelbeförderungen

437

Die Angaben beziehen sich auf den Kurzstreckenbereich. Bei Langstrecken lag der Preisanstieg in deregulierten Städten etwas höher als in den Gemeinden mit Tarifbindung, 143 % gegenüber 133 %. Wegen - nicht näher beschriebener - regionaler "Anomalien" wurden Fresno, Oakland und Los Angeles nicht in der Untersuchung berücksichtigt. In Fresno waren die Preise außergewöhnlich stark angestiegen. Die Ursachen sahen Teal/ Berglund (Seite 44) in der Kombination von Preis- und Zulassungsderegulierung mit einem nur aus Kleinunternehmern bestehenden Markt. 438 Der Untersuchung wurde die Entwicklung in jeweils fünf Städten ohne Preisbeschränkungen und 14 Städten mit Tarifsystem im Zeitraum von drei Jahren (Juni 1979 bis Juni 1982) zugrundegelegt, bei: Teal/Berglund, Seite 44. 439 Die Angaben beruhen - mangels umfassenderer Studien - nur auf der Entwicklung in vier Städten, und dies auch nur über einen Beobachtungszeitraum von ein bis zwei Jahren, Teal/Berglund, Seite 46 f., m.w.N.. Sie sind deshalb nicht als repräsentative Ergebnisse, sondern als Indizien und Beispiele für extreme Entwicklungen zu bewerten. 440 Teal/Berglund,Seite 47, weisen darauf hin, daß die Daten aus Seattle möglicherweise auf unvollständigen Angaben beruhen. 1 Bardarsky

210

Zweiter Teil: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

(exclusive rides) blieb. 441 Immerhin gewährten Unternehmer für bestimmte Fahrten oder besondere Kundengruppen, z.B. ältere Menschen, auch Preisnachlässe. dd) Zusammenfassung und Zwischenergebnis 1. Ein Wegfall der zahlenmäßigen Beschränkung in der Neuzeit hat weder in Deutschland, noch in den USA zu einer Unterversorgung der Bevölkerung geführt. Es gab selbst unter den z.T. äußerst niedrigen Markteintrittsschranken in den USA weder eine Existenz- noch eine Funktionsbedrohung. Sofern Firmenzusammenbrüche auftraten, waren davon in erster Linie Kleinunternehmer betroffen und kaum mittlere oder große Betriebe. 2. Die Gründe für die heute in den meisten US-Großstädten praktizierte quantitative Beschränkung des Taxenweßens sind die extremen Zunahmen bei den Taxenzulassungen und deren Folgeerscheinungen während der großen Depression, als die Arbeitslosigkeit ein Maximum erreicht hatte. 3. Selbst in den Städten, die neben einer quantitativen Begrenzung auch auf Preisbindungen und höhere subjektive Anforderungen verzichteten, wurde kein "aggressiver Verdrängungswettbewerb" über den Preis ausgelöst. 4. Die Zahl der Taxen hat in diesen Städten zum Teil sehr stark zugenommen, so daß hier ein "verzögerter Anpassungsprozeß" zu konstatieren ist. Wegen der z.T. extrem niedrigen Eintrittsschranken - insbesondere finanzieller Art - genügten bereits kleinere Austrittshemmnisse, um die Unternehmer von einem Ausscheiden aus dem Markt abzuhalten. Dabei ist eine verallgemeinerungsfähige Austrittsschranke nicht zu identifizieren. Der extreme Rückgang der Beförderungsaufträge, auch in Städten mit verhältnismäßig geringer Zulassungssteigerung, läßt jedoch den Schluß auf einen allgemeinen Rückgang bei der Taxennachfrage zu. Eine wesentliche Ursache hierfür ist erfahrungsgemäß eine regionale oder allgemeine Konjunkturschwäche. Damit wäre auch der in anderen Städten beobachtete starke Anstieg der Zulassungszahlen zu erklären. Denn bei einem stärkeren Rückgang der Konjunktur erhöht sich die Zahl der Arbeitslosen, die - gerade wegen der unzureichenden sozialen Versorgung eine berufliche Zukunft im Taxengewerbe anstreben. M.a.W., ein regionales Ansteigen der Zulassungszahlen kann auch andere Gründe als die Deregulierung des Taxengewerbes haben.

441

Im Gegensatz hierzu kann der Taxifahrer bei dem "share ride system" während einer Fahrt zusätzlich Personen aufnehmen. Der Preis für die Beförderung ist unabhängig von der Zahl der möglicherweise noch zusteigenden Fahrgäste wesentlich geringer als beim "exclusive ride". Der erste Fahrgst bestimmt das Ziel der Fahrt, dem sich andere dann anschließen können.

2.Kapitel: Gesamtergebnis und Schlußfolgerungen

211

5. Das Ergebnis zu 4. wird durch die Beobachtung gestützt, daß die Zahl der Neuzulassungen bei Wegfall der zahlenmäßigen Beschränkung um so geringer ausfallt, je höher die subjektiven - insbesondere die finanziellen - Anforderungen sind. Die wirksamste Schranke ist das Erfordernis mehrerer Taxen je Neuunternehmer. Die Gründe hierfür - hohe Anschaffiingskosten und deshalb erforderliche Fremdkapitalgeber - treffen grundsätzlich auf jeden Taxiunternehmer in Deutschland zu, da dessen Kosten wesentlich über denen des amerikanischen Kollegen liegen. 6. Die Zunahme der zur Verfügung stehenden Taxen hat die Nachfrage auf Kundenseite nicht erhöht. Dies zeigt die Bedeutung der auf gleichem Niveau gebliebenen Preise und den Mangel an wesentlichen Innovationen. Neue Kundenstämme können danach vor allem durch niedrigere Preise erschlossen werden, die sich wiederum nur durch eine höhere Auslastung der Taxen wirtschaftlich umsetzen lassen. Die entsprechende Lösung des Problems, das "share ride system", wurde von den zumeist sehr kleinen Unternehmen wegen des finanziellen Risikos nicht oder nur unzureichend, d.h. ohne entsprechende Werbung angewandt. 2. Kapitel

Gesamtergebnis und Schlußfolgerungen Die durchgeführten historischen, wirtschaftswissenschaftlichen und empirischen Untersuchungen gelangen zu einem übereinstimmenden, eindeutigen Ergebnis: Eine zahlenmäßige Begrenzung der Taxikonzessionen ist weder zur Sicherung der Existenz des Gewerbes noch zur Gewährleistung seiner Funktion im Sinne einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Taxidiensten erforderlich. Vor dem Hintergrund des Art. 12 Abs. 1 GG ist die Rechtsfolge vorgegeben: § 13 Abs. 4 PBefG ist wegen Verletzung des Grundrechts der Berufsfreiheit verfassungswidrig. Die fehlende Erforderlichkeit gründet sich aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht darauf, daß die Voraussetzungen für ein Versagen des Taximarktes nicht gegeben sind. Selbst wenn in Einzelfallen, insbesondere durch hohe Arbeitslosenzahlen, ein verstärkter Zustrom in das Taxengewerbe entsteht, könnte dies langfristig eine Reduzierung der kleinen Taxibetriebe, nicht aber der Taxifahrzeuge zur Folge haben. Die Versorgung der Bevölkerung wäre weiterhin gewährleistet - durch größere Betriebe mit höherer Kapazität. Diese Hypothese wird zunächst durch die historische Entwicklung des Taxengewerbes in Berlin bestätigt. Denn zu keinem einzigen Zeitpunkt in der 14*

212

Zweiter Teil: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

250jährigen Geschichte drohte der Bevölkerung eine Unterversorgung mit Droschkendiensten, auch nicht während einer völligen Gewerbefreiheit. Darüber hinaus hat der Verzicht deutscher Behörden auf eine zahlenmäßige Begrenzung in keinem der hier untersuchten Fälle eine "Übersetzung" des Gewerbes, geschweige denn eine allgemein ruinöse Konkurrenz ausgelöst. Alle Untersuchungsergebnisse lassen nur den Schluß zu, daß es die von der Rechtsprechung zur Rechtfertigung der objektiven Schranke prognostizierte Unterversorgung der Bevölkerung als Folge einer Übersetzung realiter nicht gibt. Etwas anderes wird letztlich auch von den Taxiverbänden selbst nicht behauptet. Denn die vorgebrachten Argumente beziehen sich allesamt auf die Qualität der Taxendienste, nicht auf ihre Quantität.442 Doch ist zu unterscheiden. In den deutschen Städten, die auf eine zahlenmäßige Begrenzung der Taxen verzichtet haben, wurden Einbußen bei der Qualität, also vor allem bei der Einhaltung der technischen Sicherheitsvorschriften und der Fahrpreisberechnung nicht festgestellt. Die historische Entwicklung in Berlin und die Erfahrungen in den USA zeigen jedoch, daß unter bestimmten Voraussetzungen größere Qualitätsdefizite auftreten können. Von entscheidender Bedeutung sind hier die unterschiedlichen wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen. In konjunkturellen Krisenzeiten sinkt die Nachfrage nach Taxidiensten, während die Zahl derjenigen, die ihre einzige berufliche Perspektive in der Selbständigkeit als Taxiunternehmer sehen, steigt. Ein aktuelles Beispiel sind die neuen Bundesländer, in denen nach der Wende und noch vor Geltung des PBefG eine Vielzahl von Personen in das Taxengewerbe strömten, die einen ganz anderen beruflichen Hintergrund, zugleich aber eine höchst ungewisse berufliche Perspektive hatten. Das BVerfG hat völlig zu Recht festgestellt, daß Unregelmäßigkeiten der im Beruf Tätigen keine Rechtfertigung für die Nichtzulassung voll qualifizierter Bewerber sind, und vor allem durch Überwachungsmaßnahmen bekämpft werden müssen. Die Realität sieht allerdings so aus, daß den Behörden schon heute sowohl die finanziellen als auch die personellen Mittel fehlen, um die gegenwärtig gebotene Überwachung wirksam durchführen zu können. Um dennoch einen wirksamen Schutz des Gewerbes zu erreichen, insbesondere zu verhindern, daß es zum Sammelbecken von Beschäftigungslosen aus anderen Berufszweigen wird, sind drei Maßnahmen denkbar: 442

Dies gilt auch für die Hinweise auf das Rückkaufprogramm der kanadischen Regierung. Diese hatte zwischen 1985 und 1990 etwa 25 % der in Umlauf befindlichen rund 5220 Taxikonzessionen für bis zu 30.000 $ zurückgekauft. Wie sich aus einer Mitteilung des Transportministeriums von Québec vom 30. Juli 1991 ergibt, bestand das Ziel dieser Aktion jedoch nicht in der Sicherung einer "ausreichenden Verkehrsbedienung" mit Taxidiensten, sondern in der Erhöhung der Produktivität und Rentabilität des Gewerbes. Die Stadt hatte sich nämlich über 'unzureichende Einkommen und verminderte Leistung in bezug auf die Berufsethik des Fahrers und die Sicherheit der Kunden beklagt.

2.Kapitel: Gesamtergebnis und Schlußfolgerungen

213

Die erste Möglichkeit ist die Installation eines Krisenmechanismus. Wegen des Zusammenhangs zwischen einem Ansteigen der Taxenunternehmer und einem Absinken der regionalen Konjunkturlage wäre hier eine Koppelung der Zulassungszahlen an allgemeinwirtschaftlich extreme Eckdaten denkbar. Die zweite Möglichkeit zur Gewährleistung der Qualität bestände in der Zwangsmitgliedschaft in regionalen Berufsverbänden mit weitreichenderen Kompetenzen. Hier lassen sich die Erfahrungen mit den Funkzentralen übertragen, die bereits heute äußerst wirksam die Disziplin unter ihren Mitgliedern zu wahren wissen. Auch das BVerfG hat in seiner Apothekenentscheidung die Berufsgerichtsbarkeit als ein sehr geeignetes Mittel eingestuft, die wirklichen Gefahrenquellen zu treffen. 443 Letztlich erscheint eine Anhebung der derzeit zu niedrigen subjektiven Anforderungen geboten. Die entscheidenden Komponenten sind hierbei die finanziellen und die fachlichen Anforderungen an die Bewerber. Dies bedeutet zum einen die Erhöhung des in § 2 Abs. 3 Ziff. 4 Berufszugangs-Verordnung vorgeschriebenen Eigenkapitals auf einen fünfstelligen Betrag. 444 Zum anderen ist, auch wegen des immer wieder festgestellten Mangels an notwendigen betriebswirtschaftlichen Kenntnissen bei Berufsanfängern, an eine Änderung des § 3 Berufszugangs-Verordnung zu denken. Danach könnte zukünftig neben dem Bestehen der theoretischen Prüfung auch der Nachweis eines praktischen Berufsjahres bei einem Taxiunternehmer gefordert werden. Alternativ zu der praktischen Tätigkeit müßte auch der Nachweis vertiefter betriebswirtschaftlicher Kenntnisse genügen. Alle genannten Schutzmaßnahmen setzen jedoch eines in jedem Fall voraus die Einstufung des Taxengewerbes als wichtiges Gemeinschaftsgut. Durch die Ausweitung des Individualverkehrs einerseits und des immer stärkeren Ausbaus des Linienverkehrs-ÖPNV andererseits ist die Bedeutung der Taxidienstleistungen gefährdet. Sofern Haus-zu-Haus Beförderungen notwendig sind, stehen mittlerweile eine Reihe privater und öffentlicher Krankentransportdienste und vor allem das Mietwagengewerbe zur Verfügung. Das Taxengewerbe hat unter dem Schutz des § 13 Abs. 4 PBefG wichtige betriebliche Umstrukturierungen, (Mehrschichtbetrieb, Zweck-Zusammenschlüsse kleiner Unternehmen) ebenso 443

BVerfGE 7,377,438 f. Wie sich im zweiten Teil der Arbeit zeigen wird, gibt es von Seiten des EURechts keine Notwendigkeit zur Festlegung eines niedrigen Betrages. Hintergrund der Berufszugangs-Verordnung ist zwar eine EU-Verordnung vergleichbaren Inhalts für Personenkraftverkehrsunternehmer. Diese bezieht sich jedoch nur auf die Fahrer von Pkw mit 9 Sitzplätzen oder mehr. Das Taxengewerbe wurde nur des Sachzusammenhangs wegen mitgeregelt. 444

214

Zweiter Teil: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

vernachlässigt wie eine Ausweitung des Leistungsangebots. Mittel- und langfristig ist die Ausrichtung des Gewerbes auf eine realistische Alternative zum innerstädtischen Individualverkehr unumgänglich - dies schon deshalb, weil der ÖPNV, im Gegensatz zu den Taxen, aus Sicht vieler Autobesitzer nie die von ihnen erwartete Flexibilität besitzen wird. Ein erster Schritt, um das Taxengewerbe hier attraktiver zu machen, etwa durch die systematische Einrichtung von Sammeltaxi-Diensten, und es einer neuen Funktion zuzuführen, könnte die Einbeziehung in den ÖPNV durch § 8 Abs. 2 PBefG 1996 sein.

Dritter

Teil

Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung im Taxengewerbe mit dem Recht der Europäischen Union Das Europarecht ist für die nationale Rechtslage in zweierlei Hinsicht von besonderer Bedeutung. Zum einen vermag es mitgliedstaatliches Recht zu verdrängen,1 so daß auch die Behörden verpflichtet sind, EU-rechtswidrige Vorschriften nicht anzuwenden.2 Zum anderen ist das Europarecht vielfach unmittelbar anwendbar, d.h. es verleiht den EU-Bürgern korrespondierende subjektive Rechte, die sie im Klagewege gegen die Mitgliedstaaten durchsetzen können.3 Zu beachten ist jedoch, daß die Grundfreiheiten des EGV nicht auf Sachverhalte anwendbar sind, die sich ausschließlich innerhalb eines Mitgliedstaats abspielen.4 Ein Deutscher mit Wohnsitz in Deutschland könnte sich also nicht gegen die Versagung einer Konzession gemäß § 13 Abs. 4 PBefG zur Wehr setzen, indem er sich auf einen Verstoß der Vorschrift gegen das Europarecht beruft. Für einen EU-Bürger ist das Europarecht dagegen unter zwei, im folgenden behandelten Aspekten von Bedeutung. Zum einen stellt sich die Frage, ob einem EU-Bürger mit einer Taxi-Niederlassung in der Bundesrepublik die innerdeutsche Beförderung unter Hinweis auf § 13 Abs. 4 PBefG untersagt werden darf. Zum anderen ist zu fragen, ob ein Taxiunternehmer mit Sitz im benachbarten EU-Ausland vorübergehend Beförderungen in der Bundesrepublik

1

EuGH vom 13.2.1969 - Rs. 14/68 (Walt Wilhelm / Bundeskartellamt), Slg. 1969,1. Ehlers, in: Allgem. VerwaltungsR., § 3 Rn. 30 ff.; ders. NVwZ 1990, 811. 3 Vgl. Art. 5 EGV, dem die Pflicht der nationalen Gerichte und Behörden entnommen wird, den einzelnen Bürgern den Rechtsschutz zu gewähren, der sich für sie aus der unmittelbaren Wirkung gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen ergibt. Hierzu: EuGH Urteil vom 19.6.1990, Rs. C-213/89, Rn. 19, Slg. 1990, 2433; EuGH vom 5.2.1963 Rs. 26/62 (van Gendeloos / Niederländische Finanzverwaltung), Slg. 1963,1. 4 Speziell im Hinblick auf Art. 52 EGV: EuGHE vom 8.12.1987, Rs. 20/87, (Ministère public/ André Gauchard), Slg. 1987, 4879 Ls. 2; Basedow, Staatswissenschaften und Staatspraxis,1991, 157f. Vgl. auch BVerwG vom 22.1.1970, in: DVBL 1970, 627; dazu auch BGH vom 18.9.1989, in: BB 1989, 2207 und BVerfG vom 8.11.1989, in: AnwBl 1989,669. In seinem Urteil vom 27.9.1988, Rs 81/87, Daily Mail, (RIW 1989, 304 ff.) stellte der EuGH fest, daß sich auch Inländer gegenüber ihrem eigenen Staat auf das Diskriminierungsverbot des Art. 52 EGV berufen können, sofern ein grenzüberschreitender Sachverhalt zugrundeliegt. Zum Problem der Inländerungleichbehandlung auch: Ehlers, NVwZ 1990, 811. 2

216

Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

vornehmen und dort Fahrgäste für die Rückfahrt aufnehmen darf, ohne hierbei der Vorschrift des § 13 Abs. 4 PBefG unterworfen zu sein.

1. Kapitel

Die Zulassung von EU-Ausländern als Taxiunternehmer nach deutschem Recht Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PBefG unterliegt den Vorschriften des Gesetzes 11die entgeltliche oder geschäftsmäßige Beförderung von Personen [...] mit Kraftfahrzeugen". Da die Vorschrift nicht zwischen deutschen und ausländischen Personen unterscheidet, gilt das PBefG unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Bewerbers, also auch für die gewerbliche Personenbeförderung von Ausländern, die in der Bundesrepublik niedergelassen sind. Sie bedürfen damit ebenso wie Inländer der Genehmigung nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 PBefG und müssen die in § 13 Abs. 1 und 4 PBefG festgelegten Voraussetzungen erfüllen.

Im Unterschied hierzu bezeichnet die "Kabotage" innerdeutsche Beförderungen durch Unternehmer, die ihren Sitz im Ausland haben. Sie ist in der Bundesrepublik für das Taxigewerbe gänzlich untersagt. Für einen Taxiunternehmer mit Sitz im Ausland besteht damit keine Möglichkeit, innerhalb der Bundesrepublik Beförderungen durchzuführen. 5 Bis zum Erlaß des EuGH Urteil vom 22.5.1985 galt dies für alle Verkehrsunternehmer, d.h. in keinem Mitgliedstaat waren Unternehmer zur Kabotage zugelassen, weder für den Güterkraft- noch für den Personenkraftverkehr.

5 Von Beförderungen innerhalb der Bundesrepublik sind solche in die Bundesrepublik zu unterscheiden. Bei den zuletzt genannten handelt es sich um grenzüberschreitende Beförderungen, auf die gem. § 51 Abs. 1 PBefG das PBefG anzuwenden ist, "soweit nichts anderes bestimmt ist". Solche anderweitigen Bestimmungen sind z.T. in zwischenstaatlichen Abkommen (§51 Abs. 3 PBefG) enthalten, die zwar die Beförderung mit Taxen in das jeweils andere Nachbarland gestatten, aber die Aufnahme von Fahrgästen, insbesondere für die Rückfahrt, untersagen, vgl. etwa die Protokollabsprache über das Genehmigungsverfahren im deutsch-belgischen Straßenpersonenverkehr vom 9. Juni 1978, Art. 6. Für Busunternehmer wurde dagegen durch die am 1.6.1992 in Kraft getretene Verordnung (EWG) 684/92 des Rates (ABl. EG Nr. L 74)"etwas anderes bestimmt". Danach ist eine Unterwegsbedienung beim Gelegenheitsverkehr weder für Einzelpersonen noch für Gruppen verboten. Dazu: Fey, Transportrecht 1993, Seite 283f.

2. Kapitel: Überblick über die einschlägigen Regelungen

217

Als Folge des Urteils wurden in den neunziger Jahren Regelungen für verschiedene Verkehrsbereiche getroffen 6.Wegen seiner überwiegend regional begrenzten Bedeutung sind entsprechende Normierungen für das Taxengewerbe jedoch nicht vorgesehen.

2. Kapitel

Überblick über die einschlägigen Regelungen des Europarechts Der Maastricher Vertrag über die Europäische Union (EUV) vom 7. Februar 1992 trat am 1. Januar 1993 in Kraft, ohne die Rechtslage für das Verkehrgewerbe, insbesondere das Taxengewerbe, primärrechtlich zu verändern. 7 Die maßgeblichen Regelungen des EGV wurden weiterhin beibehalten.8 Im wesentlichen handelt es sich um die Vorschriften über eine gemeinsame Verkehrspolitik der Mitgliedstaaten (Art. 74 ff. EGV) sowie die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit, Art. 52 ff. und Art. 59 ff. EGV. Der in Art. 2, 3 und 7 a EGV angestrebte Europäische Binnenmarkt ist seit dem 1.1.1993 in Kraft 9 , wenn auch noch nicht vollendet.

Sekundärrechtliche Maßnahmen gem. Art. 189 EGV existierten für das Taxengewerbe nicht. Die Grundzüge einer gemeinsamen Politik für den gesamten öffentlichen Personennahverkehr wurden von der Europäischen Kommission recht spät- 1995-erstmals veröffentlicht. 10 Allerdings hat der Rat nach einer

6 Vgl. Frohnmeyer, in: Grabitz/Hilf, Art. 75 Rn. 31. Demgegenüber wurde die Kabotage für den Güterfernverkehr durch den Rat am 25.10.1993 neu geregelt, VO (EWG) Nr. 3118/93, Abi. L 279/1. Bis 1. Juli 1998 wird das bestehende Kabotagekontingent schrittweise erweitert, danach ist die Kabotage frei. Auch für den Omnibusverkehr hat der Rat bereits eine VO (EWG) Nr. 2452/92 vom 23.7.1992 (Abi. L 251/1) über die Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsuntemehmen zum Personenverkehr mit Kraftomnibussen innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, verabschiedet. 7 Zu beachten ist insofern nur der neue Art. 3 a EGV, der eine offene und am Wettbewerb orientierte Marktwirtschaft proklamiert; vgl. zur angestrebten Liberalisierung des Taxengewerbes: Kommission 1993, Seite 67. 8 Text: Sartorius Π. Nr. 150. 9 Vgl. Art. 7 a EGV. 10 Bull EU 1995.

218

Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

Drohung des Parlaments, erneut Untätigkeitsklage zu erheben,11 1989 eine Richtlinie über den Zugang zum Beruf des Personenkraflverkehrunternehmers verabschiedet12. Diese betraf jedoch nur die Beförderung mit Fahrzeugen, "welche nach ihrer Bauart und ihrer Ausstattung geeignet und dazu bestimmt sind, mehr als neun Personen - einschließlich Fahrer - zu befördern." 13 Obwohl die Richtlinie also nicht das Taxengewerbe betrifft, hat der Bundesverkehrsminister die darin enthaltenen personenbezogenen Voraussetzungen wegen des Sachzusammenhangs in der Berufszugangs-Verordnung auch auf die Taxenunternehmer übertragen. 14 Diese Anforderungen konkretisieren lediglich die in § 13 Abs. 1 PBefG festgelegten Bestimmungen und unterliegen aus europarechtlicher Sicht keinen Bedenken. Die Vorschrift des § 13 Abs. 4 PBefG ist jedoch nicht auf gemeinsames Sekundärrecht zurückzuführen. Sie betrifft jeden ausländischen Staatsangehörigen, der sich in Deutschland niederlassen und ein Taxiunternehmen eröffnen will - unabhängig von der umgekehrt in seinem Heimatstaat für deutsche Unternehmer geltenden Rechtslage. Da beispielsweise in den Niederlanden die Zahl der Taxen nicht begrenzt wird, kann ein dort niedergelassener deutscher Unternehmer binnen kurzem seinen Taxibetrieb eröffnen, während sein niederländischer Kollege umgekehrt in der Bundesrepublik wegen § 13 Abs. 4 PBefG jahrelange Wartezeiten in Kauf nehmen muß.15

11

Schweitzer, § 10, Π. 2 e, bb (Seite 314) m.w.N. Der Rat reagierte mit dem Beschluß einer Verordnung zur Liberalisierung der Kabotage im Güterfernverkehr, (EWG) Nr. 4059/89, (Abi. Nr. L 390, Seite 3 ff. vom 30. Dezember 1989 i.d.F. ABl. 1991, L 36, Seite 8). Die Zulassungsfreiheit für den grenzüberschreitenden Gütertransport gemäß Art. 75 Abs. 1 Ziff. a EGV, wurde bereits durch die Rats-Verordnung (EWG) Nr. 881/92, (ABl. EG Nr. L 95 vom 9.4.1992, Seite 1), verwirklicht. Die erforderlichen Lizenzen sind quantitativ nicht beschränkt und lediglich von der Erfüllung personengebundener Voraussetzungen abhängig, Art. 3 Abs. 2 der VO. Andererseits sind die Konzessionen für den inländischen Güterfernverkehr deutscher Unternehmer weiterhin beschränkt. Der Bundesverkehrsminister hat allerdings auch hier eine Liberalisierung der deutschen Verkehrsmarktordnung und die gänzliche Aufhebung der Kontingentierung angekündigt, (DZV Nr. 113 vom 23.9.1993, Seite 1). Zur Entwicklung: Gronemeyer, Transportrecht 1994,267 ff. 12 Durch Artikel 2 der Richtlinie 89/438/EWG (ABl. EG 1989 Nr. L 212, Seite 101) vom 21. Juni 1989 wurde die Richtlinie 74/562/EWG des Rates über den Zugang zum Beruf des Personenkraftverkehrsunternehmers im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr geändert. Gemäß Art. 191 Abs. 2 des EGV ist die Richtlinie durch Bekanntgabe an die Mitgliedstaaten verbindliches Recht geworden. 13 Art. 1 Abs. 2,2. Spiegelstrich RiLi 74/562. 14 Berufszugangs-Verordnung vom 9. April 1991, BGBl I., 1991, Seite 896 ff. In nachfolgenden europarechtlichen Verordnungen zum Personenverkehr wurde das Taxengewerbe ebenfalls nicht berücksichtigt, vgl. hierzu bei Bidinger, unter Ν 130 und Ν 141. 15 Der für den Transport zuständige Kommissar van Miert äußerte 1991 im Namen der Kommission die Auffassung, daß der Taxiverkehr in erster Linie von den Mitgliedstaaten und den lokalen Behörden zu regeln wäre, da diese über die zu diesem Zweck

3. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

219

In der juristischen Literatur wird mittlerweile davon ausgegangen, daß der gemeinsame Verkehrsmarkt - auch ohne Veränderungen fur das Taxengewerbe - 1993 "för alle Verkehrsträger zu Lande, zu Wasser und in der Luft" errichtet worden ist und nunmehr lediglich seine Funktionsfahigkeit zu testen sei.16 Damit wird die Frage bedeutsam, ob bzw. inwieweit die Beschränkung des § 13 Abs. 4 PBefG und das Kabotageverbot mit den bereits bestehenden europarechtlichen Vorschriften vereinbar sind.

3. Kapitel

Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG mit der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 52 EGV Die Niederlassungsfreiheit umfaßt nach Art. 52 Satz 3 EGV "die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten". Sie beinhaltet zugleich das Gebot, Beschränkungen von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates bei der Umsetzung dieses Vorhabens im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates der EU schrittweise aufzuheben. 17 In Abgrenzung zur Dienstleistungsfreiheit,

erforderlichen Informationen verfügen. Daher würden die Gemeinschaftsregeln solche Angelegenheiten nicht mit einschließen, die wie Taxizulassungen zu dem Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten gehören (ABl. EG, Antwort des EG-Kommissars für Transport, Karel van Miert am 11.3.1991, C 63/53, Seite 53, auf die Anfrage des Herrn Mc Cubbin vom 17.9.1990, Nr. 2101/90). Durch die Verankerung des Subsidiaritätsprinzips in Art. 3 b EGV ist mittlerweile jedoch erkennbar geworden, daß Zulassungsregelungen für niederlassungswillige Bürger aus anderen EU-Staaten nicht in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt. Aus Art. 3 b Abs. 2 EGV geht hervor, daß Bereiche, die in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen, auch nur von dieser zu regeln sind. Dazu gehören auch die Grundfreiheiten des Vertrages (Bull EG, Nr. 10, 1992, Seite 122 f.). Die Reglementierung der Niederlassungsfreiheit von Taxiuntemehmen aus EU-Mitgliedstaaten fallt deshalb nicht in den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten. Die Bemerkung des EG-Kommissars gilt daher nur für die Regelung der Taxenzulassung auf nationaler Ebene, also für die eigenen Staatsangehörigen, nicht aber für Bürger aus anderen Mitgliedstaaten der EU. 16 Erdmenger, Verkehrspolitik, Seite 197, mit der Bemerkung zu den RiLi vom 25. 10. 1993, ABl. L 279 vom 12. 11. 1993: "Die genannten Rechtsvorschriften zur Kabotage und zur Besteuerung im Straßengüterverkehr bilden den Schlußstein des Gesamtprogramms zur Liberalisierung der Beförderungsdienstleistungen und zur Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen der Verkehrsunternehmen, das die Gemeinschaft seit Jahren verfolgt hat." 17 Art. 52 Satz 1 EGV: "Die Beschränkungen [...] werden [...] aufgehoben."

220

Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

Art. 59 EGV, setzt die Niederlassungsfreiheit eine dauerhafte, insbesondere wirtschaftliche Integration in einem Mitgliedstaat voraus. 18 Im Hinblick auf das Taxengewerbe werden also jene EU-Bürger geschützt, die sich in einem anderen Land der EU auf Dauer als Taxiunternehmer betätigen oder eine Zweigniederlassung eröffnen wollen. 19 Die Niederlassungsfreiheit gilt unstreitig seit Ablauf der Übergangszeit am 31.12.1969 unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der EU, 20 d.h. entgegenstehendes Recht in den Mitgliedstaaten muß außer Anwendung bleiben.21 Weiterer Rechtsakte der Gemeinschaft zur Durchführung der Niederlassungsfreihéit bedarf es nicht. 22 Die Art. 74 ff. EGV enthalten spezielle Vorschriften über die gemeinsame Verkehrspolitik, so daß sich die Frage nach ihrem Verhältnis zu den übrigen Normen des EGV stellt. Einerseits könnten die Art. 74 ff. EGV die anderen Vorschriften verdrängen. Dafür spräche der Umstand, daß die gemeinsame Verkehrspolitik allein in das Ermessen des Rates gestellt wird. Andererseits wird vertreten, daß der Rat seinerseits bei der Festlegung der gemeinsamen Ver18

Randelzhofer, in: Grabitz/Hilf, Art. 52 Rn 8; Erhard, in: Lenz, zu Art. 52 Rn. 2; dogmatisch wohl a.A. Bleckmann, Rn. 1103 f., nach dem Art. 52 EVG alle Tätigkeiten umfaßt die auch in Art. 59 EGV umrissen sind: "Er [Art. 52 EGV] ist auf diese Tätigkeiten nur deshalb nicht anwendbar, weil die Art. 59 ff. für diese Tätigkeiten ein Sonderregime darstellen. [...] Immer dann, wenn eine Tätigkeit nicht unter Art. 59 fallt, ist sie unter Art. 52 zu subsumieren, der eine ähnliche Regelung enthält wie die Art. 59 ff." 19 Für die Einordnung mehrerer kurzfristig hintereinander erbrachter Einzelleistungen in den Bereich der Dienstleistung oder der Niederlassung stellt die Literatur auf das Gesamtverhalten des Unternehmers ab, also bspw. die Einrichtung am Leistungsort, den Beitritt zu Verbänden des Aufenthaltsortes usw., vgl. Bleckmann, Rn. 1100 m.w.N. Bei einem Taxiunternehmer, der ohne weitere Einrichtungen im Nachbarland nur zur stundenweisen Betätigung über die Grenze fahrt, ist demnach von der Erbringung einer Dienstleistung i.Seited. Art. 59 EGV auszugehen. 20 Vgl. Art. 7 Abs. 7 EGV, der das Ende der Übergangszeit als "Endtermin für das Inkraftreten aller vorgesehenenVorschriften sowie für die Durchführung aller Maßnahmen, die zur Errichtung des Gemeinsamen Marktes gehören", bezeichnet; im übrigen: EuGH, Urteil vom 21.6.1974, Rs. 2/74 - Reyners Nr. 24-28,29-31, EuGHE 1974, Seite 631, 652; ebenso Urteil vom 28.6.1977, Rs. 11/77 - Patrick, EuGHE 1977, Seite 1199; s.a. EuGH vom 14. 7. 1988, 4415 - Kommission/Griechenland und EuGH, Urteil vom 7.5.1991 - Rs. C-340/89, Vlassopoulou/Ministerium, Slg. 1991, 2357ff, Nr. 13, (= EuZW 1991, 380,381); zum ganzen auch: Stober, § 26 VI. 1, m.w.N. 21 Erhard, in: Lenz, Art. 52 Rn. 4. 22 Inländer können sich nur insofern auf Art. 52 EGV berufen, als ihrem Vortrag ein gemeinschaftsrechtlich relevanter Sachverhalt zugrundeliegt. In diesem Fall können sie sich ihrem Heimatstaat gegenüber auf die durch das Gemeinschaftsrecht gewährten Vorteile berufen. Ohne diesen Anknüpfungspunkt ist eine Berufung auf die Regelungen des EGV ausgeschlossen. Dazu: Erhard in: Lenz, Art. 52 Rn. 6 m.w.N.

3. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

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kehrspolitik an die übrigen Bestimmungen des EGV gebunden ist. 23 Der EuGH hat sich der zweiten Auffassung angeschlossen. Damit verbunden war die Feststellung, daß allein die Art. 74 ff. EGV dort einschlägig seien, wo ausdrücklich auf sie verwiesen werde. 24 Da im Kapitel über die Niederlassungsfreiheit eine solche Verweisung fehlt, ist im Wege des argumentum contrario von der unmittelbaren Anwendbarkeit der Art. 52 ff. EGV im Verkehrsbereich auszugehen.25 Durch das Genehmigungserfordernis aus § 2 Abs. 1 Nr. 4 PBefG und die damit verbundene Unterwerfung unter die quantitative Schranke des § 13 Abs. 4 PBefG werden Bürger aus anderen Mitgliedstaaten, die sich in der Bundesrepublik als Taxiunternehmer betätigen wollen, unzweifelhaft behindert. Ob darin ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit des Art. 52 EGV liegt, beurteilt sich - wie im folgenden dargestellt - nach dem Inhalt, den man dieser Grundfreiheit beimißt. Sofern Art. 52 EGV auf ein reines Verbot der Ausländerdiskriminierung reduziert wird, liegt kein Verstoß vor, denn der § 13 Abs. 4 PBefG gilt gleichermaßen für In- und Ausländer. Wer dagegen die Niederlassungsfreiheit als grundsätzliches Verbot jeglicher Beschränkung für EU-Bürger bei der Niederlassung in einem anderen EU-Mitgliedstaat, muß einen Verstoß durch § 13 Abs. 4 PBefG bejahen. Allerdings wäre dann zu prüfen, ob die Zulassungsschranke durch besondere, übergeordnete Gründe gerechtfertigt ist.

1. Abschnitt

Der Inhalt der Niederlassungsfreiheit A. Die Rechtsprechung des EuGH Der Rechtsprechung des EuGH ist mittlerweile ein eindeutiges Ergebnis zu dieser Frage zu entnehmen. Seine Aussagen waren jedoch über Jahrzehnte uneinheitlich und werden sowohl von den Befürwortern einer restriktiven Auslegung als auch von den Vertretern der liberaleren Linie für ihren jeweiligen Standpunkt in Anspruch genommen. Festzustellen ist, daß der EuGH in der weit überwiegenden Mehrheit seiner Entscheidungen zu Art. 52 EGV, ausschließlich auf das Gleichbehandlungsgebot abgestellt hat, in den neunziger

23 Zum Meinungsstand: Erdmenger, in E/B, vor Art. 74 bis 84, Rn. 13 ff. m.w.N.; Bleckmann, Rn. 1718fif. m.w.N. 24 Z.B. in Art. 61 Abs. 1 und Art. 77 EGV; vgl. EuGH vom 4. 4. 1974 - Kommission/Frank-reich, 167/73 - Slg. 1974, 359, 369, insbesondere Nr. 17. 25 So auch: Erhard, in: Lenz, Art. 52, Rn. 2.

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Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

Jahren jedoch eindeutig in Richtung auf eine Auslegung als allgemeines Beschränkungsverbot mit Rechtfertigungsmöglichkeit umschwenkte . 2 6 In der Sache Reyners 27 hatte der EuGH über eine belgische Vorschrift zu entscheiden, durch welche die Aufnahme in die Rechtsanwaltschaft des Landes vom Besitz der belgischen Staatsangehörigkeit abhängig gemacht wurde. Eine Befreiung von dieser Pflicht war nur für den Fall vorgesehen, daß der Heimatstaat des Antragstellers ebenfalls eine Befreiung vorsah (Gegenseitigkeitserfordernis). Reyners wurde in Brüssel als Kind niederländischer Eltern geboren, studierte und promovierte in Belgien und wurde dennoch nicht in die belgische Rechtsanwaltschaft aufgenommen, weil er die niederländische Staatsbürgerschaft beibehalten hatte, und die Niederlande Ausländer ohne Ausnahme von der Zulassung als Rechtsanwalt ausschlossen. Die besondere Bedeutung des daraufhin ergangenen EuGH-Urteils liegt weniger in den Aussagen zum Inhalt der Niederlassungsfreiheit als vor allem in der Feststellung, daß Art. 52 EGV seit Ablauf der Übergangszeit eine "unmittelbar geltende Bestimmung sei.28 Der EuGH konstatiert im Hinblick auf das allgemeine Diskriminierungsverbot in Art. 6 EGV a.F.: "Artikel 52 stellt die Verwirklichung im besonderen Bereich des Niederlassungsrechts sicher" 19 Damit ist klargestellt, daß der Gerichtshof den Artikel 52 - zumindest im vorliegenden Fall - als eine besondere Ausprägung des allgemeinen Gleichheitsgebotes zur Anwendung bringt. Da der Sachverhalt keinen Anlaß gab, auf andere Beschränkungen einzugehen als eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, kann diesen Feststellungen jedoch keine abschließende Stellungnahme entnommen werden. 30 Die Auslegung des Art. 52 EGV als Diskriminierungsverbot bildet einen Grundkonsens, ohne ein weitergehendes Verständnis auszuschließen.

26 In der Sache beziehen sich die meisten Entscheidungen auf nationale Qualifikationsvoraussetzungen, also personenbezogene, subjektive Schranken der Berufsaufnahme oder -ausübung, so daß auch kein Anlaß zu einer Ausweitung der Niederlassungsfreiheit bestand. 27 EuGH Urteil vom 21. 6. 1974, Rs. 2/74, Reyners, in: EuGHE 1974, Seite 631; so auch Urteil vom 28. 6. 1977, Rs. 11/77, Patrick, in: EuGH Slg. 1977, Seite 1199. 28 EuGH Slg. 1974, 631,653, Tenor zu 1 und Nr. 32: "Mit Ablauf der Übergangszeit sind die im Kapitel über das Niederlassungsrecht vorgesehenen Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Inländerbehandlung rechtlich überflüssig geworden, weil seit jenem Zeipunkt der Vertrag selber diesem Grundsatz unmittelbare Wirkung verleiht." Seitdem immer wieder bestätigt, bspw. in Rs 270/83, Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Französische Republik, Urteil vom 28. Januar 1986, Slg. 1986, Seite 273, Ls. 1. 29 EuGH Slg. 1974, 631, 651 Nr. 16/20. 30 A.A. Everling, DB 1990, 1853, 1854; Wägenbaur, EuZW 1991, 427,429.

3. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

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Auch dem Thieffry-Urteil von 1977 lag die Klage eines Rechtsanwaltes zugrunde. Jean Thieffiy war belgischer Rechtsanwalt und Inhaber eines belgischen Diploms, dessen akademische Gleichwertigkeit mit der französischen "licence en droit" seitens der zuständigen französischen Universität anerkannt worden war. Dennoch wurde ihm die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft mit der Begründung verweigert, er sei nicht Inhaber der französischen "licence en droit". In seiner Entscheidung stellt der EuGH auf die Gleichwertigkeit des belgischen und des französischen Diploms ab und betont, daß bei dieser Sachlage das Erfordernis des französischen Diploms "eine mit der durch Artikel 52 des Vertrages gewährleisteten Freiheit der Niederlassung unvereinbare Beschränkung" sei.31 Die Entscheidung geht insoweit über die Feststellungen im Reyners-Urteil hinaus, als die Niederlassungsfreiheit im Zusammenhang mit dem Allgemeinen Programm 32 gesehen wird. Demzufolge sollen durch Art. 52 EGV "nicht nur die offensichtlichen, sondern auch alle versteckten Diskriminierungen beseitigt werden"™ Dies sind all jene Regelungen, die zwar nicht ausdrücklich auf die Staatsangehörigkeit eines Bewerbers abstellen, aber im übrigen Anforderungen stellen, die typischerweise von Angehörigen anderer Staaten nicht erfüllt werden. Der Sinn und Zweck dieser Auslegung besteht also darin, eine Umgehung des Diskriminierungsverbotes durch das Abstellen auf Formalien mit der gleichen Wirkung zu verhindern. Akademisch gleichwertige Qualifikationen nur deshalb nicht anzuerkennen, weil sie eben nicht im Land der beantragten Zulassung abgelegt worden sind, bedeutet im Ergebnis nichts anderes, als auf die Staatsangehörigkeit als entscheidendem Merkmal abzustellen.34 Eine Formulierung in diesem Urteil mag auf ein weitergehendes Verständnis der Niederlassungsfreiheit hindeuten. Der Gerichtshof betont im ersten Leitsatz des Urteils: 35

31 EuGH Urteil vom 28. 4. 1977, Rs. 71/76 (Jean Thieffiy gegen Conseil del Ordre des avocats bei der Cour d'appel Paris), in: Slg. 1977, Seite 765,766, Ls. 3. 32 Allgemeines Programm zur Aufhebung der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vom 18. 12. 1961, ABl. EG 1962 vom 15. 1. 1962. 33 EuGH Urteil vom 28. 4. 1977, Rs. 71/76, Thieffiy, in: EuGH Slg. 1977, Seite 765,777, Nr. 13 f. 34 A.A. Wägenbauer, EuZW 1991, 427, 431; Gomig, NJW 1989, 1120, 1121, die eine Inländergleichbehandlung bereits darin sehen, daß Ausländem überhaupt ermöglicht wird, einen Abschluß im Inland zu machen - unter den gleichen Voraussetzungen wie die Inländer. Die Verpflichtung der Staaten, im Rahmen ihrer Möglichkeiten ausländische Diplome als den inländischen gleichwertig anzuerkennen, gehe deshalb über eine Gleichbehandlung hinaus. Dem könnte entgegengehalten werden, daß die Pflicht zur Anerkennung gleichwertiger ausländischer Abschlüsse lediglich dazu diene, die indirekte Diskriminierung zu unterbinden und deshalb gerade nicht über eine Gewährleistung der Inländergleichbehandlung hinausginge. 35 EuGH, Slg. 1977, 765; s.a. Seite 777, Nr. 15/18.

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Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

"Die Freiheit der Niederlassung unter Beachtung im Allgemeininteresse gerechtfertigter Berufsregelungen gehört zu den Zielen des Vertrages. Soweit das Gemeinschaftsrecht hierzu selbst nichts bestimmt, kann es sich ergeben, daß die Verwirklichung dieser Zielsetzung gemäß Artikel 5 des Vertrages durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten erfolgt." Das Abstellen auf eine Rechtfertigung durch Allgemeininteressen läßt hier eine Interpretation über die Auslegung des Art. 52 EGV als Diskriminierungsverbot hinaus zu. Anders formuliert könnte der Inhalt des ersten Satzes auch lauten: "Die Niederlassungsfreiheit ist auch gewährleistet, wenn Berufsbeschränkungen vorliegen, sofern diese durch Allgemeininteressen gerechtfertigt sind." Der EuGH stellt hier eindeutig nicht auf die unterschiedliche Staatsangehörigkeit als Ausgangspunkt ab. Um die indirekte Diskriminierung als Unterfall des allgemeinen Diskriminierungsverbotes zu kennzeichnen, hätte er unproblematisch eine entsprechend deutliche Formulierung wählen können.36 Statt dessen kann im Umkehrschluß aus obiger Äußerung auch formuliert werden: "Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch Berufsregelungen die nicht durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt sind, ist unzulässig ." Die Formulierung des EuGH geht also weit über ein Diskriminierungsverbot hinaus und ähnelt eher dem Art. 12 Abs. 1 GG. Daran ändert auch die Bezugnahme auf Art. 5 EGV im nächsten Satz nichts, denn diese betrifft nicht den Inhalt der Niederlassungsfreiheit, sondern die Modalitäten der Umsetzung. Im ThieffryUrteil sind damit erstmals konkrete Anhaltspunkte für die Annahme enthalten, daß der EuGH die Niederlassungsfreiheit über ein Diskriminierungsverbot hinaus als allgemeines Beschränkungsverbot versteht, auch wenn der Gerichtshof eine entsprechende Prüfung der Allgemeininteressen nicht vornimmt, was allerdings für sein Ergebnis auch nicht erforderlich war. Das dritte Urteil zur Zulassung von Rechtsanwälten im Ausland von 198437 wird von den Befürwortern eines allgemeinen Beschränkungsverbots als weitere 36

So z.B.: "Wird ein im Ausland erworbenens Diplom als gleichwertig zu einer im Inland abgelegten Qualifikation bestätigt, formell aber - trotz Vorliegen der fachlichen Voraussetzungen - auf die Notwendigkeit eines entsprechenden Abschlusses im Inland abgestellt, so ist der Anknüpfungspunkt dieser Beschränkung allein, daß die Prüfung in einem anderen Staat abgelegt wurde. Mit dem Prüfungsort ist in aller Regel die Staatsangehörigkeit der Prüflinge verbunden, so daß das Abstellen auf den Prüfungsort in Wirklichkeit ein Abstellen auf die Staatsangehörigkeit der Bewerber beinhaltet. Dieses aber wird durch das Diskriminierungsverbot untersagt." Ein weiteres Argument hätte lauten können: "Das Anknüpfen an den Entstehungsort eines Abschlusses ist mit dem Abstellen auf den Herkunftsort einer Ware vergleichbar. Letzteres beinhaltet einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten des EGV. Für eine andere Wertung speziell im Bereich der Niederlassungsfreiheit besteht kein Anlaß." 37 EuGH, Urteil vom 12. Juli 1984, Rs. 107/83, Klopp, Ordre des avocats au barreau de Paris gegen Onno Klopp, Slg. 1984, Seite 2971 ff.

3. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

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Bestätigung ihrer Auffassung verstanden. Der Rechtsanwalt Onno Klopp unterhielt in Düsseldorf eine Kanzlei und beantragte in Paris die Zulassung als Rechtsanwalt, um dort eine zweite Kanzlei zu eröffnen. Obwohl Klopp durch denfranzösischen Universitätsabschluß die fachlichen, also subjektiven Voraussetzungen erfüllte, wurde sein Antrag von der Rechtsanwaltskammer Paris abgelehnt. Zur Begründung wurde auf eine Vorschrift im französischen Recht hingewiesen, nach der Rechtsanwälte nur eine Kanzlei unterhalten durften, und zwar im Bezirk des Tribunal de grande instance, bei dem sie zugelassen waren. Der Ordre des avocats und die französische Regierung verteidigten die Vorschrift mit dem Argument, daß Art. 52 EGV für den Zugang zum Niederlassungsrecht und für die Ausübung dieses Rechts auf die Bestimmungen des Mitgliedstaates der Niederlassung verweise. Die streitbefangene französische Vorschrift gelte aber unterschiedslos für Inländer und für Ausländer und sei deshalb nicht diskriminierend. Zudem liege der Grundsatz, daß ein Rechtsanwalt nur eine Kanzlei haben dürfe im Allgemeininteresse, da hierdurch gesichert werden solle, daß der Rechtsanwalt dem Gericht und seinen Mandanten auch tatsächlich zur Verfügung stehe. Die Kläger verfolgten mit diesem Vortrag gleich zwei Argumentationslinien. Die eine stellte auf die traditionelle Auslegung des Art. 52 EGV als reines Diskriminierungsverbot ab. Da die Staatsangehörigkeit in der französischen Vorschrift als Kriterium nicht genannt wurde, lag bei dieser Interpretation kein Verstoß gegen Art. 52 EGV vor. Andererseits wurde mit der Bezugnahme auf ein durch die Norm zu schützendes Allgemeininteresse auf die im ThieffryUrteil zum Ausdruck gekommene weitergehende Auslegung Rücksicht genommen. Danach hätten die Kläger in jedem Fall obsiegen müssen. Daß dem nicht so war, erklärt sich daraus, daß der EuGH zunächst weder auf die eine noch auf die andere Auslegung, sondern unmittelbar auf den Wortlaut des Art. 52 EGV abstellte und einen Sonderfall kreierte:

"Daß sich die Niederlassungsfreiheit nicht auf das Recht beschränkt, nur eine Niederlassung innerhalb der Gemeinschaft zu gründen, wird durch den Wortlaut des Artikels 52 EWG-Vertrag selbst bestätigt. Nach dieser Vorschrift gilt die schrittweise Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit auch für die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates ansässig sind. Die Vorschrift muß als besonderer Ausdruck eines allemeinen Grundsatzes verstanden werden, der auch für die freien Berufe gilt, wonach das Niederlassungsrecht auch die Möglichkeit umfaßt, unter Beachtung der jeweiligen Berufsre-

Bardarsky

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Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

gelungen im Gebiet der Gemeinschaft mehr als eine Stätte für die Ausübung einer Tätigkeit einzurichten und beizubehalten."38 Entscheidend für das Verständnis ist das Abstellen auf den Wortlaut und die wörtliche Wiedergabe des Art. 52 Satz 2 EGV im zweiten Satz des Zitats. Der EuGH bezieht sich ersichtlich darauf, daß Art. 52 Satz 2 EGV dem Wortlaut nach nicht die Einrichtung einer Agentur, Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft erlaubt, sondern statt dessen die Pluralform enthält. Der Art. 52 Satz 1 und 2 EGV gebietet nämlich die Aufhebung von Beschränkungen bei der Grün-dung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften. 39 Der zweite, oben zitierte Satz enhält dann kein zusätzliches Argument, sondern lediglich eine Behauptung, daß nämlich die Niederlassungsfreiheit " [...] als besonderer Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes" eben dazu berechtige " [...] im Gebiet der Gemeinschaft mehr als eine Stätte für die Ausübung einer Tätigkeit einzurichten." In der Literatur wird darauf hingewiesen, daß der EuGH mit diesem Urteil über eine Anwendung des Diskriminierungsverbotes hinausgegangen sei. Dieses hätte lediglich verlangt, Zweigstellen für Ausländer insoweit zuzulassen, als der Aufhahmestaat seinen eigenen Angehörigen innerstaatlich die Zweigstelle erlaube. "In Staaten, die Zweigstellen innerstaatlich nicht zulassen, könnten diese auch nicht nach Art. 52 EGV begründet werden." 40 Da der EuGH die Auffassung äußerte, daß ausländische Anwälte dennoch berechtigt wären, aufgrund der Niederlassungsfreiheit auch in diesen Staaten eine Zweigniederlassung zu gründen, würde Art. 52 EGV hier wie ein Beschränkungsverbot angewendet. In der Tat hat der EuGH einen Verstoß der französischen Vorschrift gegen die Niederlassungsfreiheit angenommen, obwohl diese weder direkt nocht indirekt eine Diskriminierung der Ausländer beinhaltete. Wenn man Art. 52 EGV ausschließlich als ein Diskriminierungsverbot oder als allgemeines Beschränkungsverbot versteht, dann kann hier nur die zweite Alternative einschlägig sein. Die andere, dritte Möglichkeit lautet, daß der EuGH den Verstoß zwar auf

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EuGH, Slg. 1984,2971,2989 f, Nr. 19. Bei genauer Betrachtung, ist allerdings auch der in Art. 52 Satz 2 EGV verwendetete Plural kein sicheres Argument. Die Vorschrift gestattet nicht einem Angehörigen eines Mitgliedstaates die Gründung mehrerer Agenturen usw., sondern bezieht diese Erlaubnis auf "Angehörige", verwendet also auch für die Beschreibung des Rechtsinhabers ebenfalls den Plural: "mehrere Angehörige von [...] dürfen mehrere [...] gründen." Die Auslegung, daß auch ein einzelner "Angehöriger" mehrere Niederlassungen gründen darf, verstößt zwar nicht gegen den Wortlaut, ist andererseits aber nur eine von zwei Möglichkeiten. 40 Merle, Seite 68. 39

3. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

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Art. 52 EGV stützt, hier aber einen zusätzlichen Aspekt außerhalb des bisherigen Meinungsstreits anspricht. Denn im Ergebnis geht es um eine ganz allgemeine kompetenzrechtliche Frage: Darf Frankreich eine Regelung erlassen, deren Wirkung auch das Hoheitsgebiet und die Kompetenz eines Mitgliedstaates betrifft und dort die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit behindert? Denn durch die französische Vorschrift wird es einerseits Franzosen untersagt, eine Zweitniederlassung in Mitgliedstaaten zu gründen - selbst wenn diese dies zulassen oder sogar wünschen. Zum anderen werden EU-Ausländer dazu gezwungen, Zweitniederlassungen im Ausland aufzugeben, wenn sie sich in Frankreich niederlassen wollen. Der EuGH spricht beide Fallkonstellationen, also auch die Beschränkung für die französischen Staatsangehörigen an 41 , wenn er im Hinblick auf Art. 52 Abs. 2 EGV allgemein formuliert: "Wie sich aus dieser Vorschrift und ihrem Zusammenhang ergibt, steht es jedem Mitgliedstaat in Ermangelung besonderer gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften in diesem Bereich frei, die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs für sein Hoheitsgebiet zu regeln. Dieser Grundsatz bedeutet jedoch nicht, daß einem Rechtsanwalt durch die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats vorgeschrieben werden kann, im gesamten Gebiet der Gemeinschaft nur eine einzige Kanzlei zu unterhalten. Eine solche einschränkende Auslegung hätte nämlich zur Folge, daß ein Rechtsanwalt, der sich einmal in einem bestimmten Mitgliedstaat niedergelassen hat, die Freiheitsrechte des Vertrages zur Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat nur noch in Anspruch nehmen könnte, wenn er seine bereits bestehende Niederlassung aufgeben würde."42 Wenn jeder Mitgliedstaat dem Beispiel Frankreichs folgen würde, könnte durch nationale Regeln dem Sinn und Zweck des Vertrages, der Schaffung eines Binnenmarktes ohne innerstaatliche Grenzen, in dem sich jeder überall frei niederlassen und betätigen kann, empfindlich behindert werden. Der EuGH stellt deshalb eindeutig fest, daß die Kompetenz Frankreichs in dieser, den EGV betreffenden Hinsicht an seinen Landesgrenzen endet. Diese Feststellung knüpft damit nicht an den traditionellen Auslegungsdisput zu Art. 52 EGV als Diskriminierungs- oder allgemeines Beschränkungsverbot an, sondern enthält eine zu41 Daß ein Mitgliedstaat der Gemeinschaft auch gegenüber seinen eigenen Staatsangehörigen nicht berechtigt ist, eine Niederlassung im Ausland zu behindern, hat der EuGH in späteren Entscheidungen explizit festgestellt. Die Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit "verbieten es aber auch dem Herkunftsstaat, die Niederlassung seiner Staatsangehörigen [...] in einem anderen Mitgliedstaat zu behindern." Die durch Art. 52 ff. EGV garantierten Rechte wären sinnentleert, "wenn der Herkunftsstaat den Unternehmen verbieten könnte, auszuwandern, um sich in einem Mitgliedstaat niederzulassen ", vgl. Urteil vom 27. September 1988 in der Rechtssache 81/87, Daily Mail and General Trust, Slg. 1988, 5505, 5510, Nr. 16. 42 EuGH, Slg. 1984,2971,2989, Nr. 17 f.

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Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

sätzliche, eher formell-, denn materiell-rechtliche Komponente.43 Denn eine Anwendung als Beschränkungsverbot hätte - im Anschluß an die Feststellung im Thieffiy-Urteil- die anschließende Prüfung des notwendigen Regulativs notwendig gemacht, nämlich ob diese Beschränkung durch zwingende Allgemeininteressen gerechtfertigt ist. Auf eine solche Relevanzprüfung läßt sich der EuGH im Fall Klopp jedoch nicht ein. Der Gerichtshof billigt im weiteren dem Aufiiahmemitgliedstaat zwar das Recht zu, durch nationale Vorschrifen einen ausreichenden Kontakt der dort zugelassenen Rechtsanwälte zu den Gerichten und ihren Mandanten sicherzustellen. 44 Bevor er dann feststellt, daß dieser Kontakt nach dem "heutigen Stand des Verkehrs- und Fernmeldewesens" 45 auch aus dem Ausland möglich sei, betont der EuGH, dieses Recht dürfe "jedoch nicht dazu führen, daß die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten an der tatsächlichen Ausübung ihres durch den Vertrag gewährleisteten Niederlassungsrechts gehindert werden ,"46 Mit anderen Worten, berechtigt die Sicherstellung einer geordneten Rechtspflege zwar, das "Wie" der Tätigkeit zu regeln, nicht jedoch das "Ob". Ohne eine Prüfung der Gewichtigkeit der vorgebrachten Gründe vorzunehmen, spricht der EuGH Frankreich das Recht zu einer solchen Beschränkung ab. Damit folgt der EuGH also auch nicht den Befürwortern eines allgemeinen Beschränkungsverbotes - selbst diese betrachten zwingende Allgemeininteressen oder den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als notwendiges Regulativ -, sondern bleibt außerhalb dieser Kategorien. Der EuGH wollte offensichtlich eine verallgemeinerungsfähige Anwendung im Sinne eines allgemeinen Beschränkungsverbotes vermeiden. Denn im Ergebnis hat der Gerichtshof eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit durch eine nicht diskriminierende Vorschrift bejaht, ohne eine mögliche Rechtfertigung ernsthaft zu prüfen. Diese Vorgehensweise kann nicht zu einer allgemeinverbindlichen, neuen Anwendung des Art. 52 EGV führen, sondern ist allein als auf die vorliegende formell-rechtliche Frage beschränkt anzusehen. Denn ein ausnahmsloses Beschränkungsverbot hätte nicht absehbare, weitreichende Konsequenzen, denen der EuGH in seiner grundsätzlichen Linie gerade entgegenzuwirken sucht. Im Ergebnis läßt sich die Entscheidung Klopp deshalb weder als Bestätigung einer Interpretation des Art. 52 EGV als Diskriminierungs- noch für ein allgemeines Beschränkungsverbot heranziehen, sondern ist allein auf die Frage der Zweitniederlassung beschränkt. Die Entscheidung ist zwar ein weiterer wichti43

Der EuGH begründet seine Entscheidung deshalb nicht mit einem in Art. 52 EGV enthaltenen allgemeinen Beschränkungsverbot, sondern bezieht sich unmittelbar auf den Wortlaut des Art. 52 EGV und einen allgemeinen, aber nicht näher bestimmten Grundsatz. 44 EuGH, Slg. 1984,2971,2990, Nr. 20 f. 45 EuGH, Slg. 1984,2971 ff., Nr. 21. 46 EuGH, Slg. 1984,2971 ff., Nr. 20.

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ger Schritt bei der Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes, steht aber außerhalb des angesprochenen Meinungsstreits. Der EuGH wies 1985 in der Sache Steinhauser47 daraufhin, daß in dem vom Rat beschlossenen Programm zur Aufhebung der Niederlassungsfreiheit, 48 das nach § 54 EGV den Rahmen für die Liberalisierung bildet, nützliche Hinweise zur Verwirklichung dieses Grundrechts enthalten seien. Das Programm bezeichnet als aufzuhebende Beschränkungen in Abschnitt III "jedes Verbot oder jede Behinderung der selbständigen Tätigkeiten der Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten, die darin bestehen, daß [fremde Staatsangehörige] anders behandelt werden als die eigenen." Auch aus den weiteren Erläuterungen des Programms geht hervor, daß der Rat bei der Abfassung ersichtlich nur eine Ungleichbehandlung von Ausländern unterbinden wollte. 49 Dies erlaubt die Schlußfolgerung, daß auch der EuGH von einer restriktiven Auslegung der Niederlassungsfreiheit ausgeht, die allein im Verbot der mittel- oder unmittelbaren Ausländerdiskriminierung besteht. Auch in den folgenden Jahren stellte der EuGH bei seinen einschlägigen Entscheidungen lediglich auf die Auslegung des Art. 52 EGV als Verbot unmittelbarer 50 oder versteckter 51 Diskriminierungen ab. Ebenso verhält es sich 1991 in der Sache Vlassopoulou/Ministerium, in welcher der EuGH zwar nicht explizit auf die Staatsangehörigkeit abstellt, aber ausführte, "daß nationale Qualifikationsvoraussetzungen, selbst wenn sie ohne Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit angewandt werden, sich dahin auswirken können, daß sie die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten in der Ausübung des ihnen durch Artikel 52 EWG-Vertrag gewährleisteten Niederlassungsrechts beeinträchtigen. Dies kann der Fall sein, wenn die fraglichen nationalen Vorschriften die von dem Betroffenen in einem anderen Mitgliedstaat bereits erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten unberücksichtigt lassen."52 Wenn das im Ausland erworbene Diplom die gleiche Qualifikation

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EuGH, Urteil vom 30. April 1985, Rs. 197/84, P. Steinhauser gegen Stadt Biarritz, Slg. 1985, 1823 ff., 1827 Nr. 15. 48 Allgemeines Programm zur Aufhebung der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vom 18.12.1961, ABl. EG 1962 vom 15.1.1962, Seite 36. 49 Everling weist allerdings zu recht darauf hin: "Jedes Werk löst sich von seinen Schöpfern und ist klüger als diese." (DB 1990,1853). 50 EuGH, Urteil vom 12.11.1987, Rs. 198/86, Slg. 1987, 4480, 4484 Nr. 11; s.a. Urteil vom 8.12.1987, Rs. 20/87, Slg.1987,4893,4896, Nr. 11. 51 EuGH, Urteil vom 5.12.1989, Rs. C-3/88, Slg. 1989,4056,4059, Nr. 8. 52 EuGH, Urteil vom 7. 5. 1991, Slg. 1991,2379,2383, Nr. 15, (= EuZW 1991, 380 f. Nr. 15); vgl. auch Nachbaur, EuZW 1991,471.

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Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

verleiht wie eine im Inland abgelegte Prüfung, bedeutet die Anerkennung des ausländischen Diploms als gleichwertig lediglich eine Inländergleichbehandlung.53 Der EuGH hatte in der Entscheidung wiederum auf eine versteckte Form der Diskriminierung abgestellt und nicht auf ein allgemeines Beschränkungsverbot zurückgreifen müssen. In eine ganz andere Richtung wiesen dagegen die Ausführungen des EuGH in dem Urteil zur Zweitniederlassung von Ärzten. 54 Die Feststellungen erinnern an das Thieffry-Urteil, in dem auf nationale, durch Allgemeininteressen gerechtfertigte Berufsregelungen Bezug genommen wurde, wenn der Gerichtshof nun feststellt: "Die Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, die ihre Berufstätigkeit in einem andern Mitgliedstaat ausüben, haben dort die Vorschriften zu beachten, denen die Ausübung des betreffenden Berufs in diesem Mitgliedstaat unterliegt. [...] Führen diese Vorschriften jedoch zur Beschränkung [...] der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft, so sind sie mit dem EWG-Vertrag nur vereinbar, wenn die in ihnen enthaltenen Beschränkungen wirklich in Anbetracht allgemeiner Verpflichtungen gerechtfertigt sind, von denen die Ausübung der fraglichen Berufe abhängt, und wenn sie sowohl für die eigenen Staatsangehörigen als auch für Ausländer gelten. Dies ist nicht der Fall, wenn die Beschränkungen geeignet sind, eine Diskriminierung der in anderen Staaten niedergelassenen Ärzte und Zahnärzte zu bewirken oder [!] den Zugang zum Beruf über das zur Erreichung der genannten Ziele erforderliche Maß hinaus zu beschränken."55 In späteren Entscheidungen wandte der EuGH die Niederlassungsfreiheit dagegen wiederholt allein im Sinne eines Diskriminierungsverbotes an. Die Ablehnung des deutsch/französischen Rechtsanwalts Claude Gullung auf Aufnahme in das französische Rechtsberaterverzeichnis wurde von der zuständigen Stelle mit seiner fehlenden Zuverlässigkeit begründet. Der EuGH betonte, daß das "von einigen Mitgliedstaaten aufgestellte Erfordernis der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als gemeinschaftsrechtlich zulässig anzusehen ist, sofern diese Zulassung den Angehörigen aller Mitgliedstaaten ohne Diskriminierung offensteht." 56 Allerdings spricht der EuGH anschließend davon, daß durch die Notwendigkeit einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft "die Zuverlässigkeit und

53

So auch: Nachbaur, EuZW 1991,471. Urteil vom 30. April 1986, Rs 96/85, Zweitniederlassung von Ärzten I (Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen die Französische Republik), Slg. 1986, Seite 1475 ff. 55 EuGH, Rs. 96/85, Slg. 1986, Ls., Seite 1475; s.a. Nr. 10 f. 56 EuGH, Urteil vom 19. Januar 1988, Rs. 292/86, Slg. 1988,111,140 Nr. 29. 54

3. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

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die Beachtung der standesrechtlichen Grundsätze sowie die disziplinarische Kontrolle der Tätigkeit gewährleistet werden; es dient somit einem schutzwürdigen Zweck." 57 Diese Bemerkung war für die Lösung des Falles nicht erforderlich. Zur Begründung des gefundenen Ergebnisses hätte allein die Anwendung als Diskriminierungsverbot ausgereicht. Der Gerichtshof hat auf diese Weise allerdings klargestellt, daß auch eine Anwendung des Art. 52 EGV als weitergehendes Beschränkungsverbot nichts am Ergebnis des Falles geändert hätte.58 Man kann sich deshalb dem Eindruck nicht verschließen, daß der Gerichtshof zwar grundsätzlich von einem bloßen Diskriminierungsverbot ausging, die Mitgliedstaaten aber gleichzeitig auf die Möglichkeit einer weiteren Auslegung hinweisen und dadurch zu einem zügigen Abbau von Beschränkungen anhalten wollte. Mit dem Urteil über die Ablehnung der griechischen Rechtsanwältin Vlassopoulou zur deutschen Rechtsanwaltschafi wegen eines fehlenden Befähigungsnachweises gem. § 4 BRAO 5 9 geht der EuGH ebenfalls nicht über die im Thieffry-Urteil geäußerten Grundsätze zu Art. 52 EGV hinaus. Auch hier ging es um die formale Gleichstellung einer ausländischen Qualifikation mit einem inländischen Gegenstück. Der Unterschied zur Rechtssache Thieffry besteht darin, daß der Aufnahmestaat die Qualifikation der Antragstellerin noch nicht formell anerkannt hatte. Die Neuerung der Entscheidung besteht darin, daß der EuGH nun dem Mitgliedstaat die Beweislast für das NichtVorliegen der materiellen Gleichwertigkeit auferlegt und damit zur Durchführung eines Prüfungsverfahrens zwingt. Denn eine objektive Feststellung erfordere, so der EuGH, daß die Behörden vor einer Entscheidung die in den ausländischen Diplomen bescheinigten Fachkenntnisse mit den nach nationalem Recht vorgeschriebenen Kenntnissen und Fähigkeiten vergleichen. 60 Auch in diesem Urteil wird also die Umsetzung der Niederlassungsfreiheit in den Mitgliedstaaten durch formelle Begleitmaßnahmen gesichert. Eine eindeutige Festlegung im Hinblick auf die Auslegung des Art. 52 EGV ist dem jedoch nicht zu entnehmen. In der Entscheidung zum Zugang des Arztes, Zahnarztes und Tierarztes bezog sich der EuGH 1992 auf sein Urteil zur Zweitniederlassung von Ärzten von 198661 und betonte, daß Beschränkungen, insbesondere der Niederlassungsfrei-

57

Ibidem. Hailbronner bemerkt jedoch zu Recht, daß aus diesem Nebensatz allein nicht der Schluß auf eine grundlegende Änderung der bisherigen Rechtsprechung geschlossen werden kann, in: Handkommentar Art. 52, Rn. 14. 59 EuGH, Urteil vom 7. Mai 1991, Rs. C-340/89, Slg. 1991,2357 ff. 60 EuGH, aaO, Seite 2384 Nr. 16 f. 61 EuGH Urteil vom 30. April 1986, Rs 96/85, Slg. 1986, Seite 1475 ff. 58

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Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

heit, nur dann mit dem Vertrag vereinbar seien, wenn sie "wirklich in Anbetracht allgemeiner Verpflichtungen gerechtfertigt sind, von deren Erfüllung die ordnungsgemäße Ausübung der fraglichen Berufe abhängt und [!] wenn sie unterschiedslos für Inländer wie für die Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten gelten."62 Dies sei jedenfalls nicht der Fall, wenn die Beschränkungen geeignet seien, den Zugang zum Beruf über das zur Erreichung der genannten Ziele erforderliche Maß hinaus zu behindern. Im Jahr 1993 wandte der EuGH in der Rechtssache Kraus 63 den Art. 52 EGV wiederum als allgemeines Beschränkungsverbot an. Kraus hatte nach Ablegung des ersten juristischen Staatsexamens in Deutschland an der Universität Edinburgh den akademischen Grad eines "Master of Laws" erworben. Als er bei dem Ministerium des Landes Baden-Württemberg um die Bestätigung bat, daß der Führung dieses Titels in Deutschland nichts entgegenstehe, wurde ihm mitgeteilt, er müsse hierzu aufgrund eines Gesetzes vom 7. Juni 1939 eine förmliche Genehmigung beantragen, andernfalls könne die Titelführung gegen § 132 a Abs. 1 StGB verstoßen. Das von Kraus angerufene Verwaltungsgericht Stuttgart legte die Sache dem EuGH vor, der unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Art. 3 lit. c und Art. 5 EGV feststellte: "Daher stehen die Artikel 48 und 52 jeder nationalen Regelung über die Voraussetzungen für die Führung eines in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen ergänzenden akademischen Grades entgegen, die zwar ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar ist, die aber geeignet ist, die Ausübung der durch den EWG-Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten durch die Gemeinschaftsangehörigen [...] zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. 6 4 Die Intention des EuGH, den Charakter der Niederlassungsfreiheit als allgemeines Beschränkungsverbot mit Rechtfertigungsmöglichkeit herauszustreichen, wird vor dem Hintergrund deutlich, daß sich das Gericht auch auf einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot hätte stützen können. Denn das Genehmigungserfordernis bezog sich allein auf ausländische Befähigungsnachweise, so daß jedenfalls eine versteckte Diskriminierung vorlag. Das Gericht weitete zudem den Schutzbereich des Art. 52 EGV stark aus, indem es auf die bloße "Eignung" nationaler Maßnahmen abstellte, die Anwendung der Grundfreiheiten "weniger attraktiv zu machen". Das Regulativ zu diesem weiten 62 EuGH Urteil vom 16.6.1992, Rs. C-351/90, Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Großherzogtum Luxemburg, Slg. 1992, 3945 ff., 3962 Nr 14. 63 EuGH Urteil vom 31. 3. 1993, Rs. C-19/92, Kraus/Land Baden-Württemberg, Slg. 1993,1689,1697, Nr. 32 (= EuZW 1993, 322 ff). 64 EuGH Urteil vom 31. 3. 1993, Rs. C-19/92, Kraus/Land Baden-Württemberg, Slg. 1993,1689 ff, 1697 Nr. 32 (=EuZW 1993, 322 ff.)

3. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

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Schutzbereich bildet dann eine Verhältnismäßigkeitsprüfung deren Kriterien der EuGH wie folgt beschreibt: "Anders verhielte es sich nur, wenn mit einer solchen Regelung ein berechtigter Zweck verfolgt würde, der mit dem EWG-Vertrag vereinbar und aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt wäre [...]. In einem solchen Fall müßte jedoch darüber hinaus die Anwendung derfraglichen nationalen Regelung geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zwecks zu gewährleisten, und sie dürfte nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich ist [...]."65 Nicht eindeutig zuzuordnen ist die Entscheidung in Sachen Peralta, in welcher der Gerichtshof 1994 feststellte: "Zwar sollen die Vertragsbestimmungen, die die Niederlassungsfreiheit gewährleisten, nach ihrem Wortlaut insbesondere die Inländerbehandlung im Aufhahmemitgliedstaat sicherstellen, sie verbieten es aber auch dem Herkunftsstaat, daß er die Niederlassung eines seiner Staatsangehörigen [...] in einem anderen Mitgliedstaat behindert." 66 Betont der Gerichtshof damit - ohne Notwendigkeit - ein Nebeneinander von Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot, so verwischt sich dieser Eindruck, wenn der EuGH im folgenden anstelle des Behinderungsverbots im Sinne der Entscheidung Kraus offenbar die erstmals im Klopp Urteil erkennbar gewordene dritte Argumentationsschiene verfolgt, indem er ausführt: "Die durch Artikel 52 ff. garantierten Rechte wären nämlich ihrer Substanz beraubt, wenn der Herkunftsstaat den Unternehmen verbieten könnte, auszuwandern, um sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen [...]". 67 So, wie in der KloppEntscheidung, in welcher der EuGH zur Begründung auf einen in Art. 52 EGV enthaltenen "allgemeinen Grundsatz" Bezug nahm, steht auch hier ein teleologischer Ansatz im Vordergrund, der sich in den herkömmlichen Streit um die Auslegung als Diskriminierungs- oder allgemeines Beschränkungsverbot nicht einordnen läßt.68

65 EuGH, aaO, Nr. 32;so auch Generalanwalt Van Gerven in seinem Schlußantrag, Slg. 1993,1676 ff. 66 EuGH Urteil vom 14. 7. 1994, Slg. 1994,3487 ff, 3499 Nr. 31. 67 Urteil des EuGH vom 14. Juli 1994, Rs. C-379/92, Strafverfahren gegen Matteo Peralta, Slg. 1994, 3487, 3499, Nr. 31. 68 Ebenfalls zu dem Recht jedes EU-Bürgers mehr als eine Stätte für die Ausübung einer Tätigkeit einzurichten: EuGH, Rs. 143/87, Stanton, Slg. 1988, 3877, Nr. 11; Rs. 154/87 und 155/87, Wolf, Slg.1988, 3897, Nr. 11; Rs. C-106/91, Ramrath, Slg. 1992, 3351, 3382, Nr. 20; Rs. C-351/90, Luxemburg, Slg. 1992, 3945 ff, 3961 Nr 11.

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Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

In der Entscheidung Gebhard aus dem Jahr 199669 hebt der EuGH dann hervor, daß die Niederlassungsfreiheit gleichrangig neben dem absoluten Verbot einer Diskriminierung auch ein allgemeines Beschränkungsverbot mit Rechtfertigungsmöglichkeit beinhaltet. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Deutsche Gebhard war 1977 in Stuttgart als Rechtsanwalt zugelassen worden und arbeitete seit 1978 in Mailand zunächst als Mitarbeiter, später als Sozius in einer Anwaltssozietät. Im Jahre 1989 eröffiiete Gebhard dort seine eigene Kanzlei, führte die Bezeichnung "avvocato" im Briefkopf seines beruflichen Briefpapiers und trat als solcher vor der Pretura und dem Tribunale Mailand auf. Die Rechtsanwaltkammer Mailand untersagte Gebhard die Verwendung der Bezeichnung "avvocato", woraufhin dieser unter Berufung auf eine zehnjährige Berufsausbildung in Italien die Aufnahme in die Rechtsanwaltschaft Mailand beantragte. Die Rechtsanwaltskammer unterließ die Bescheidung des Antrags und verhängte statt dessen im Rahmen eines Disziplinarverfahrens ein sechsmonatiges Berufsausübungsverbot gegen Gebhard. Zur Begründung berief sich die Rechtsanwaltkammer auf Art. 2 des Gesetzes Nr. 31/82, wonach einem im EU-Ausland zugelassenen Rechtsanwalt [nur] die vorrübergehende Vertretung von Mandanten in Italien gestattet, die Einrichtung einer Kanzlei in Italien zu diesem Zweck jedoch untersagt war. Demgegenüber leitete Gebhard aus der Richtlinie 77/249/EWG, wonach dienstleistende Rechtsanwälte die entsprechende Berufsbezeichnung des Niederlassungsstaates führen dürfen, auch das Recht auf eine eigene Kanzlei ab und legte Rechtsbehelf beim Consiglio Nazionale Forense ein. Dieser legte dem EuGH daraufhin zwei Fragen zur Auslegung dieser Richtlinie vor. Der EuGH stellte in seiner Entscheidung vom 30.11.1995 zunächst fest, daß die Aufnahme und Ausübung einiger selbständiger Tätigkeiten im Aufhahmestaat von Rechts- und Verwaltungsvorschriften abhängig gemacht werden dürfte, sofern diese durch Allgemeininteressen gerechtfertigt seien. Deshalb seien grundsätzlich die Voraussetzungen für die Verwendung von Berufsbezeichnungen wie des "avvocato" - bei gleicher Geltung für eigene Staatsangehörige - auch von EU-Ausländern zu beachten. Anschließend wiederholt und bekräftigt der EuGH die bereits in dem Kraus-Urteil aufgestellten Maßstäbe, indem er ausführt: "Aus der Rechtssprechung des Gerichtshofes ergibt sich jedoch, daß nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Frei-

69 EuGH-Urteil vom 30.11.1995, Rs. C-55/94, Reinhard Gebhard/Consiglo dell'ordine degli avvocati e procuratori di Milano, in: NJW 1996, 579 f.

3. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

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heiten behindern oder weniger attraktiv machen können, vier Voraussetzungen erfüllen müssen: Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist [...]."7° Mit diesen Ausführungen stellt der EuGH als Ergebnis eines jahrzehntelangen Entwicklungsprozesses definitiv klar, daß die Niederlassungsfreiheit sowohl im Sinne eines absoluten Diskriminierungsverbotes als auch als allgemeines Beschränkungsverbot mit Rechtfertigungsmöglichkeit anzuwenden ist. 71 B. Die Meinungen in der Literatur I. Art. 52 EGV als Diskriminierungsverbot Ein Teil der Literatur versteht die Niederlassungsfreiheit allein als Verbot einer Diskriminierung von Ausländern im Verhältnis zu Inländern (Inländergleich-behandlung). Danach stellt sich die Niederlassungsfreiheit als "relatives Recht" dar. 72 Denn der konkrete Inhalt der Niederlassungsfreiheit bestimmt sich im Einzelfall nach jenen Rechten, die den Angehörigen des Aufnahmestaates zugebilligt werden. Die Ausübung dieses Freiheitsrechtes ist niederlassungswilligen EG-Ausländern also nur in der Weise möglich, wie es den Staatsangehörigen des Aufhahmestaats offensteht. Übertragen auf die deutschen Regelungen des Taxengewerbes bedeutet diese Auffassung also, daß die Niederlassungsfreiheit einer Anwendung des § 13 Abs. 4 PBefG auf niederlassungswillige EU-Ausländer in der Bundesrepublik nicht entgegensteht. Die Vertreter dieser Auffassung können sich zunächst auf den Wortlaut des Art. 52 EGV beziehen.73 Nach dessen Satz 3 EGV "umfaßt die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten 70

EuGH in: NJW 1996, 579, 581 Zugleich werden weitläufige Irritationen beseitigt, die durch die KeckEntscheidung zur Warenverkehrsfreiheit ausgelöst worden waren. Vgl. dazu unten Π. Abschnitt, Α., ΠΙ. 72 Hailbronner spricht insofern von der "herrschenden Meinung", in: Handkommentar, Art. 52, Rn. 12; ders. Das Deutsche Bundesrecht, Vor §§ 3-7; so auch: Everling, DB 1990, 1857 m.w.N. unter Fn. 31 ("wohl immer noch herrschende Meinung"); ders. EuR 1989, 345; Randelzhofer in: Grabitz/Hilf Art. 52. Rn 36; Nachbaur, EuZW 1991, 470; Gornig, NJW 1989, 1121: Dolzer, Seite 6 ff.; Nicolaysen, Seite 110, 112; Ress, Seite 341 ff ; s.a. bei Troberg, - der selbst aber nicht eindeutig zuzuordnen ist - in: E/B Art. 52, Rn. 17 f. und 37. 73 de Crayencourt, Seite 34; Dolzer, Seite 6. 71

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Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

[...] nach den Bestimmungen des Aufiiahmestaates für seine eigenen Angehörigen." Durch den letzten Satzteil sei klargestellt, daß den Ausländern keine weitergehenden Rechte als den Inländern, sondern nur eine Gleichbehandlung eingeräumt werden müßten. Eine historische Auslegung gelänge ebenfalls zu dem Ergebnis, daß sich Art. 52 EGV auf ein Diskriminierungsverbot beschränkt. Denn die Niederlassungsfreiheit umfaßte nach Auffassung der Vertragsverfasser allein das Verbot der Ungleichbehandlung von Ausländern. 74 Für eine enge Auslegung des Art. 52 EGV können auch systematische Argumente angeführt werden. Denn die Vorschrift enthält unstreitig eine Konkretisierung des Art. 6 EGV, der ein allgemein formuliertes Diskriminierungsverbot als Ausprägung eines allgemeinen Gleichheitssatzes enthält.75 Systematisch erübrige sich also ein Rückgriff auf Art. 6 EGV, sofern der vorliegende Sachverhalt den sachlichen Anwendungsbereich einer der vier Grundfreiheiten betreffe. Diese Deutung wird anscheinend durch den EuGH bestätigt, der in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertritt, daß Art. 6 EGV nur dann unmittelbar zur Anwendung kommt, wenn keines der besonderen Diskriminierungsverbote eingreift. 76 "Ebenso wie Art. 7 EWG-Vertrag [heute Art. 6 EGV] im Lichte der Einzelbestimmungen, sind also umgekehrt die Einzelbestimmungen im Lichte des Art. 7 EWG-Vertrag auszulegen."77 Diese bildeten demzufolge

74

Dazu Everling, der selbst an den Vertragsarbeiten beteiligt gewesen war, in: Festschrift, Seite 113 ff. und 120 f. 75 Vgl. Nachbaur, EuZW 1991, 470 f.; Fastenrath, JZ 1987, 171 m.w.N. Zu dem ungeschriebenen allgemeinen Diskriminierungsverbot: Nicolaysen, Europarecht, Seite 99 m.w.N.; s.a. Bleckmann, Rn. 1256 ff., nach dessen Ansicht der allgemeine Gleichheitssatz für die Organe der EG gilt; EuGH vom 5.3.1980 - Ferwerda/Produktschap voor Vee en Vlees, 265/ 78 in: Slg. 1980, 617, der aus den konkreten Gleichheitssätzen der Mitgliedstaaten auf einen allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung folgert. 76 Auch in einer neueren Entscheidung betont der EuGH: "Es ist daran zu erinnern, daß Artikel 7 EWG-Vertrag (Artikel 6 EG-Vertrag), in dem das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit als allgemeiner Grundsatz niedergelegt ist, autonom nur auf durch das Gemeinschaftsrecht geregelte Situationen angewendet werden kann, für die der Vertrag keine besonderen Diskriminierungsverbote vorsieht", aus: Urteil des EuGH vom 14. Juli 1994, Rs. C-379/92, Strafverfahren gegen Matteo Peralta, 1-3487, 3495 unter Hinweis auf ein Urteil vom 10. Dezember 1991 in der Rechtssache C-170/90, Merci convezionali porto di Genova, Slg. 1991,1-5889, Randnr. 11; ebenso: EuGH Urteil vom 17. Mai 1994, Rs. C- 18/93, Corsica Ferries Italia SRL gegen Corpo dei piloti del porto di Genova, 1-1812,1819/1820 = Nr. 19. 77 Bleckmann, RIW 1985, 920 (der allerdings der Gegenauffassung zuzurechnen ist); Fastenrath, JZ 1987,171.

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lediglich Adaptionen des Art. 6 EGV. 78 Dem Argument, daß die Grundfreiheiten dann überflüssig wären, 79 ließe sich entgegenhalten, daß das Diskriminierungsverbot in den einzelnen Bereichen unterschiedlich umgesetzt wird und einige Kapitel Spezialvorschriften enthalten, die in anderen nicht zu finden sind.80 Die Konkretisierung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes in den Grundfreiheiten erlaubt also eine flexiblere Anpassung an die Eigenheiten des jeweiligen Bereichs. Ferner wird auf die Kompetenz des Rates in Art. 56 Abs. 2 EGV hingewiesen, durch den Erlaß von Richtlinien die rechtlichen Unterschiede in den einzelnen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Umsetzung der Niederlassungsfreiheit abzugleichen. Dadurch sei eine schrittweise Liberalisierung der gesamten EG auf der Basis einer gesicherten Ausländergleichbehandlung im Rahmen einer koordinierten Niederlassungsfreiheit möglich. 81 Eine weitergehende Auslegung von Art. 52 EGV könnte demgegenüber bei dem Weg in die umfassende und koordinierte Liberalisierung hinderlich sein. Ein systematisches Argument läßt sich unmittelbar aus Art. 56 Abs. 1 EGV ableiten, der ebenfalls im Kapitel über die Niederlassungsfreiheit steht.82 Der darin enthaltene Grundsatz des ordre public enthält eine Ausnahme zu Art. 52 EGV, indem er den Mitgliedstaaten erlaubt, aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auch Sonderregelungen für Ausländer zu erlassen. Im Umkehrschluß müßte "die Regel" also lauten, daß Ungleichbehandlungen grundsätzlich verboten sind. Die Schlußfolgerung, daß Art. 52 EGV auch nicht mehr als eben dieses Verbot enthält, ergibt sich auch aus einer weiteren Überlegung. Der Grundsatz des ordre public erlaubt den Staaten, in Notfallen die gewährten Freiheitsrechte einzuschränken. Er muß seinem Sinn und Zweck nach allgemein gelten, also die Beschränkung aller (!) gewährten Rechte erlauben. Wenn Art. 56 Abs. 1 EGV nun ausdrücklich eine Berechtigung zur Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung statuiert, kann dies nur bedeuten, daß es eben keine weitergehenden Rechte in Form eines allgemeinen Beschrän-

78

Vgl. auch bei Blumenwitz, NJW 1989, 622; Reitmaier, Seite 9 ff. und 77 ff; zweifelnd, unter Hinweis auf die uneinheitliche EuGH Rechtsprechung: Randelzhofer, in: Grabitz/ Hilf Art. 52, Rn. 1 und 36. 79 Gornig, NJW 1989,1121. 80 Vgl. das 4. Kapitel des EGV, Art. 67 ff, über den Kapital- und Zahlungsverkehr. 81 Vgl. bei Blumenwitz, NJW. 1989, 622 m.w.N. 82 Die Vorschrift lautet: "(1) Dieses Kapitel und die auf Grund desselben getroffenen Maßnahmen beeinträchtigen nicht die Anwendbarkeit der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die eine Sonderregelung für Ausländer vorsehen und aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind."

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Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

kungsverbotes gibt. Denn eine solche Rechtsposition könnte nach dem Wortlaut von Art. 56 Abs. 1 EGB selbst in Notfällen nicht eingeschränkt werden. Dies aber widerspricht ersichtlich dem Sinn und Zweck einer Notfallregelung. Als zu berücksichtigender Gesichtspunkt wird auch die Vermeidung eventueller Souveränitätseinbußen der Mitgliedstaaten genannt. Ein absoluter Niederlassungsschutz für Ausländer verschaffe diesen Rechte, die über die Gewährleistungen der jeweiligen Landesverfassungen hinausgingen.83 Dies könne wiederum zu einer auch politisch unerwünschten Schlechterstellung der Inländer führen, die u.U. weiterhin an restriktivere innerstaatliche Vorschriften gebunden sind. Sofern sich aber auch Inländer bei innerstaatlichen Vorgängen auf die Niederlassungsfreiheit berufen könnten, würde eine umfassende Liberalisierung erzwungen, ohne daß die Staaten selbst entsprechende Auffangmaßnahmen hätten erlassen können.84 In diesem Zusammenhang ist auch die Befürchtung einer schwer einschätzbaren Konkurrenz für die Einheimischen zu sehen. Ein ungehinderter Zugang könnte in einigen Wirtschaftsbereichen einen Wettbewerbsdruck und Konkurrenzkampf in Gang setzen, auf den die einheimische Wirtschaft nicht eingestellt ist. Anders als bei der Dienstleistungsfreiheit, die von der h.M. im Sinne eines allgemeineren Beschränkungsverbotes ausgelegt wird, konkurriert ein im Inland niedergelassener EG-Ausländer in viel stärkerem Maße mit den Einheimischen als dies bei einer nur vorübergehenden Tätigkeit der Fall ist. Auch der Schutz potentieller Kunden oder Klienten sei zu bedenken. "Wer einen mit allen Rechten und Berufsbezeichnungen ausgestatteten, dauerhaft niedergelassenen Berufs- oder Gewerbetreibenden aufsucht, muß sich darauf verlassen können, daß er die im Inland geforderte Qualifikation besitzt. Beim Dienstleistungserbringer, der als in seinem Herkunftsstaat zugelassen auftritt, ist ohne weiteres ersichtlich, daß dies nicht der Fall ist." 85 Als ein Standardargument kann schließlich der Hinweis gelten, daß es ausländischen Unternehmen gerade wegen des dauerhaften Charakters einer Niederlassung zugemutet werden könne, sich den rechtlichen Rahmenbedingungen des Aufhahmestaates anzupassen.86 83

Blumenwitz, NJW 1989, 622 . Everling, DB 1990, 1857. 85 Everling, DB 1990,1857. 86 Everling, DB 1990, Seite 1857; differenzierend und nur bezogen auf "Marktregulierungen, die nicht den Zugang zu einem Markt versperren, sondern lediglich das unternehmerische Verhalten auf diesem Markt ordnen": Basedow, Wirtschaftsdienst 1991, 372; a.A. Beutler, Anm. 9.6.2 (Seite 328 f.): " Zwar ist richtig, daß anders als beim Waren- und Dienstleistungsverkehr, in dem auch nicht-diskriminierende Maßnahmen darauf geprüft werden, ob sie dem Allgemeininteresse entsprechen [...], bei der Niederlassung ein Wirtschaftssubjekt das Zentrum seiner Tätigkeit in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, so daß ihm grundsätzlich zugemutet werden kann, sich allen dort auf seine 84

3. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

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Eben darin liege der Unterschied zwischen Niederlassungsfreiheit und den weitergehenden Waren- und Dienstleistungsfreiheiten, die grenzüberschreitende Vorgänge voraussetzten. Da sich der Niederlassungswillige voll in die Wirtschaft und Gesellschaft eines anderen Staates eingliedert, sei nicht einzusehen, weshalb er gegenüber den Inländern bevorzugt, diese umgekehrt ihm gegenüber also benachteiligt werden sollten.87 Folgt man der Auffassung, daß die Niederlassungsfreiheit lediglich das Verbot einer Diskriminierung von Ausländern gegenüber Inländern beinhaltet, so liegt eine Kollision mit § 13 Abs. 4 PBefG nicht vor. Denn die Vorschrift ist auf EU-Ausländer mit einer Niederlassung in der Bundesrepublik gleichermaßen anzuwenden wie auf Deutsche. II. Art. 52 EGV als allgemeines Beschränkungsverbot Nach anderer Auffassung enthält die Niederlassungsfreiheit neben dem Gebot der Inländergleichbehandlung ein allgemeines Beschränkungsverbot, daß auch nichtdiskriminierende Behinderungen bei der Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten im Aufhahmestaat verbietet, soweit die betreffende Regelung nicht durch ein überwiegendes Allgemeininteresse gerechtfertigt ist. 88 Zur Begründung dient zunächst ebenfalls der Wortlaut des Art. 52 EVG. In Satz 1 werde allgemein die Aufhebung der "Beschränkungen" gefordert. Eine Konkretisierung des Begriffs finde sich weder in der Norm selbst, noch in den übrigen Vorschriften des EGV. Der Wortsinn deute also auf das Gebot zur Aufhebung aller Beschränkungen hin. 89 Dagegen spreche auch nicht Art. 52 Tätigkeit anzuwendenden Vorschriften zu fügen. Doch sind die für den Waren- und Dienstleistungsverkehr entwickelten Regeln jedenfalls auf bestimmte Niederlassungshindernisse anzuwenden, die sich für stark regulierte Tätigkeiten, so bei Konzessionssystemen und Bedürfhisprüfungen, ergeben. Nur wenn insoweit die Niederlassungsfreiheit nicht nur als Diskriminierungsverbot, sondern als Freiheitsrecht verstanden wird, also innerstaatliche Niederlassungshindernisse am Allgemeininteresse gemessen werden, kann für diese Tätigkeiten die Niederlassungsfreiheit praktisch realisiert werden." 87 Troberg, in: E/B, Art. 52, Rn. 38; s.a. Knobbe-Keuk, DB 1990, 2575, - die im übrigen für eine Auslegung im Sinne eines allgemeinen Beschränkungsverbots plädiert. 88 Vgl. die Nachweise bei Troberg - der selbst nicht eindeutig Stellung bezieht - in: E/B, Art. 52, Rn. 37, Fn. 34; Erhard, in: Lenz, Art. 52, Rn. 7; Geiger, Art. 52, Rn. 15 ff.; Ehlers, NVwZ 1990, 810 ff; Immenga, JA 1993, 259; Steindorff, EuR 1988, 19; Behrens, Jura 1989, 569; Sack, JuS 1990, 353 f.; Knobbe-Keuk, DB 1990, 2574; Blumenwitz, NJW 1989, 622; Bleckmann, Rn. 1095,1142 ff; ders. DVB1. 1986, 69 ff, 72; Gomig, NJW 1989,1121, Fn. 16 m.w.N.; Pescatore, EuGRZ 1978, 441 ff; Kewenig, JZ 1990, 21: "Unstreitig ist schließlich, daß die Diskriminierungsverbote [...] als "Beschränkungsverbote" zu verstehen sind". 89 Merle, Seite 52; Sack, JuS 1990, 355; Bleckmann, DVB1 1986, 72.

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Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

Satz 3 EGV 90 , da das Verb "umfaßt" nicht zwingend besage, daß die Niederlassungs-freiheit auf die konkret angesprochene Inländergleichbehandlung zu reduzieren sei, sondern gerade ein "Mehr" zulasse.91 Der Satz 3 des Art. 52 EGV sei vom Wortsinn her offen und hebe nur eine Facette des Beschränkungsverbotes, die Diskriminierung, als den gravierendsten Verstoß, besonders hervor. 92 Im Zusammenhang mit dem Wortlaut wird auch auf die englische Fassung Bezug genommen. Die Verwendung der Worte "shall include" anstelle allein des Verbs "includes" mache deutlich, daß die Inländergleichbehandlung in der Niederlassungsfreiheit miteinbezogen werden soll, aber nur beispielhaft für die aufzuhebenden Beschränkungen genannt sei.93 Des weiteren wird auf die Anwendung der anderen Grundfreiheiten, insbesondere der Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit, Art. 30 bzw. 59 EGV, aufmerksam gemacht, in denen der Schritt vom bloßen Diskriminierungsverbot zum absoluten Grundrecht bereits vollzogen sei.94 Wegen der Parallelität der Grundfreiheiten müsse auch die Niederlassungsfreiheit im Sinne eines weitreichenden Beschränkungsverbotes ausgelegt werden. 95 Schließlich wird auf die Zielsetzung des EGV Bezug genommen. Nationale Zulassungs- und Ausübungsvorschriften würden der Förderung des freien Personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und damit dem Interesse an einer optimalen Wirtschaftsentwicklung entgegenstehen. Dem Art. 52 EGV käme deshalb neben den anderen Grundfreiheiten die Funktion zu, Beschränkungen der Berufsfreiheit einzuschränken.96

90

Art. 52 Satz 3: "Vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr umfaßt die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten [...] nach den Bestimmungen des Aufhahmestaates für seine eigenen Angehörigen." 91 Wägenbaur, EuZW 1991,431; dazu auch Knobbe-Keuke, DB 1990, 2574. 92 Wägenbaur, EuZW 1991,431; Steindorff, EuR 1988, 21. 93 Merle, Seite 53 f., bezieht sich dabei auf die Textpassage: "freedom of establishment shall include the right [...] and the conditions laid down for its own nationals by the law of the country where such establishment is effected [...]." 94 Behrens, Jura 1989, 568, zitiert zustimmend den EuGH vom 30.4.1986, - Rs. 96/85 Kommission/französische Republik, Slg. 1986, 1475 f., Rn. 10-11), indem er meint, "daß Beschränkungen 'der Niederlassungsfreiheit und [!] des freien Dienstleistungsverkehrs' dem Gemeinschaftsrecht widersprächen, wenn sie geeignet seien, Angehörige anderer Mitgliedsstaaten zu diskriminieren oder [!] den Zugang zum Beruf über das 'in Anbetracht allgemeiner Verpflichtungen' erforderliche Maß hinaus zu behindern." 95 Blumenwitz, NJW 1989, 622 f.; Bleckmann, Rn. 1144. 96 Bleckmann, Rn. 1142 ff.

3. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

241

Bei Zugrundelegung dieser Meinung verstößt die Anwendung des § 13 Abs. 4 PBefG gegen Art. 52 EGV, da die Aufnahme der Tätigkeit als Taxiunternehmer durch die quantitativen Beschränkungen erheblich erschwert werde. 97 C. Stellungnahme Bei der Auslegung des Art. 52 EGV fuhren der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte zu keinem eindeutigen Ergebnis. Wie sich gezeigt hat, ist der Wortlaut durchaus nicht eindeutig zu verstehen, sondern läßt sowohl eine restriktive als auch eine extensive Interpretation zu. So hat sich auch der EuGH bei der Anwendung der Dienstleistungsfreiheit trotz der - mit Art. 59 Satz 3 EGV vergleichbaren - Bezugnahme des Art. 60 Satz 3 auf die Bedingungen des Aufnahmestaates nicht von einer Auslegung über das Diskriminierungsverbot hinaus abhalten lassen. Ein evidenter Verstoß gegen den Wortsinn ist also bei keiner der beiden Lesarten anzunehmen. Historisch betrachtet wurde die Niederlassungsfreiheit allein mit dem Ziel geschaffen, die Ungleichbehandlung von Ausländern gegenüber Inländern zu verhindern. Auf die Entstehungsgeschichte abzustellen bedeutet jedoch, das bei Abfassung der Norm vorhandene Verständnis auf die gegenwärtigen Sachverhalte anzuwenden und damit zwischenzeitliche Änderungen der Ausgangsbedingungen zu ignorieren. Je weiter die Schaffung einer Vorschrift zurückliegt, desto eher werden die damaligen Beweggründe nicht mehr dem aktuellen Zeitgeschehen entsprechen. Dies gilt bei den Vorschriften des EGV um so mehr, als sie keinen status quo festschreiben, sondern einen Prozeß hin zur Vewirklichung eines Gemeinsamen Marktes in Gang setzen und sichern wollen. Everling meint deshalb zu Recht: "Jedes Werk löst sich von seinen Schöpfern und ist klüger als diese."98 Die Entstehungsgeschichte des Art. 52 EGV spricht für seine Interpretation als Diskriminierungsverbot. Entscheidend sind jedoch die systematische und die teleologische Auslegung. Den systematischen Argumenten kommt eine größere Bedeutung zu, weil sie auf ein bestehendes Gesamtkonzept hinweisen, daß durch eine entgegenstehen-

97 Ob eine " Verletzung" der Niederlassungsfreiheit vorliegt, beurteilt sich dann nach einer möglichen Rechtfertigung durch zwingende Allgemeininteressen, die ihrerseits an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen sind. 98 Everling, DB 1990, 1853 der fortfährt: "Der Vertrag hat sich bei der Anwendung alsbald von den Grundlagen entfernt und ist eigene Wege gegangen. Das gilt auch für die Auslegung der zitierten Klausel [Art. 52 Satz 2 EGV], wobei zunächst offen bleiben mag, ob es sich um Ab- und Irrwege handelt." Der EuGH hat in seiner einschlägigen Rechtsprechung gänzlich auf die Ergründung von Motiven der Vertragsverfasser verzichtet. Pointiert auch Knobbe-Keuk, DB 1990, 2573: "Art. 52 EWG-Vertrag ist klüger als seine 'Väter' ".

16 Bardarsky

242

Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

de Auslegung einzelner Aspekte nicht gefährdet werden darf. Diese Gesichtspunkte sprechen für eine Auslegung des Art. 52 EGV als allgemeines Beschränkungsverbot. Das Argument, wonach die Niederlassungsfreiheit nur eine Adaption des Art. 6 EGV sei, ist zunächst nur eine Behauptung. Denn sie impliziert, daß eine Umsetzung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes durch Spezialvorschriften in die unterschiedlichen Sachgebiete überhaupt erforderlich ist. Enthielten die Grundfreiheiten tatächlich nur ein Diskrimierungsverbot, so wäre eine Umsetzung gerade nicht notwendig. Der Art. 6 EGV steht im Ersten Teil des EGV unter der Überschrift "Grundsätze" und ist somit gleichsam als "vor die Klammer gezogen" ohnehin bei der Anwendung der folgenden Vorschriften zu beachten. Selbst der EuGH geht davon aus, daß es sich bei Art. 6 EGV nicht um einen reinen Programmsatz, sondern um ein durchsetzbares Gebot handelt." Versteht man Art. 6 EGV als vollstreckbares Gebot, sind konsequenterweise die Einzelausformungen mit identischem Inhalt als bloße Wiederholungen überflüssig. Dies widerspräche aber dem allgemeinen, im Völkerrecht als "effet utile" bekannten Grundsatz, daß Normen so auszulegen sind, daß sie nicht durch ein Zusammenfallen mit allgemeineren Vorschriften in demselben Gesetz ihre praktische Bedeutung und Nützlichkeit verlieren. 100 Die sonach erforderliche selbständige Bedeutung der Grundfreiheiten könnte bei der Reduzierung auf ein - bereits in Art. 6 EGV enhaltenes - Diskriminierungsverbot nur darin bestehen, daß diese Beschränkung zeitlich begrenzt ist. Mit anderen Worten müßte den Freiheiten das Gebot immanent sein, sukzessive auf allgemeine Beschränkungsverbote erweitert zu werden, und zwar - je nach den freiheitsspezifischen Umständen - zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Gegen einen solchen Sinngehalt spricht allerdings die notwendig damit verbundene Intention, das formelle Normgebungsverfahren zu umgehen. Denn die Grundfreiheiten nur auf Bedarf bereitzustellen und je nach den veränderten Umständen zu unterschiedlichen Zeitpunkten erweiternd anzuwenden wäre nur dann erforderlich, wenn es keine Möglichkeit gäbe, die Grundfreiheiten nachträglich erweiternd anzuwenden. Eben dies ist jedoch durch die Rechtsetzungsmöglichkeiten gem. Art. 189 EGV, insbesondere mittels unmittelbar geltender Verordnungen, gewährleistet. Auch unter Berücksichtigung des "effet utile"Grundsatzes ist Art. 52 EGV somit eher als allgemeines Beschränkungsverbot mit Rechtfertigungsvorbehalt auszulegen.

99

43 ff.

Vgl. etwa in EuGHE vom 14.7.1994, Rs. C-379/92, Peralta, Slg. 1994, 3487 Nr.

100 Dazu: EuGH, Urteil vom 3. 7. 1979, Rs. 185-204/78, Slg. 1979, 2345, 2359 Nr. 4; s.a. EuGH Rs. 9/70, Slg. 1970, 825 ff., 838 Nr. 5 und Rs. 23/70, Slg. 1970, 881 ff., 894 Nr. 5.

3. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

243

Darüber hinaus sprechen die Grundsätze des Ersten Teils des EGV gegen eine Interpretation der Grundfreiheiten als "Beschränkungsverbote in spe". Denn als Zielvorgabe wird in Art. 3 lit. c EGV die Beseitigung von Hindernissen für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr gleichermaßen genannt. Wenn die Grundfreiheiten ihre Daseinsberechtigung gegenüber Art. 6 EGV aus der Möglichkeit einer sukzessiven und zeitlich differenzierten Erweiterung auf Beschränkungsverbote schöpfen sollten, wäre Art. 3 lit. c EGV die richtige Stelle gewesen, um diese Intention zum Ausdruck zu bringen. Tatsächlich enthält Art. 3 c EGV eine solche Differenzierung nicht. Unter Berücksichtigung des allgemein gehaltenen Wortlauts der Vorschrift ist vielmehr von dem Gebot einer zeitlich parallelen Verwirklichung der Grundfreiheiten auszugehen.101 Zu fragen ist deshalb nach der gegenwärtigen Interpretation und Anwendung der Dienstleistungs- und der Warenverkehrsfreiheit: Im Vorgriff auf die folgenden Erörterungen zu Art. 59 EGV ist bereits an dieser Stelle festzustellen, daß die Dienstleistungsfreiheit heute überwiegend im Sinne eines allgemeinen Beschränkungsverbots verstanden wird. 102 Bei der Warenverkehrsfreiheit ist zu berücksichtigen, daß "mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen" bereits nach dem Wortlaut des Art. 30 EGV verboten sind. Die Anwendung des § 13 Abs. 4 PBefG auf Taxiunternehmer aus dem angrenzenden EU-Ausland bedeutet eine zahlenmäßige -in der Terminologie der Warenverkehrsfreiheit: "mengen-mäßige"- Begrenzung dieser Unternehmer in Deutschland. Eine zu § 13 Abs. 4 PBefG äquivalente Regelung im Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit würde somit evident gegen Art. 30 EGV verstoßen. Ausgehend von einem in Art. 3 lit. c EGV enthaltenen Gebot, Beschränkungen der Grundfreiheiten gleichzeitig abzubauen wäre somit auch die Niederlassungsfreiheit als allgemeines Beschränkungsverbot anzuwenden.

101

Die fehlende explizite Nennung der Niederlassungsfreiheit in Art. 3 lit. c EGV bedeutet nicht etwa, daß Art. 52 EGV in dessen Zielsetzung nicht miteinbezogen werden sollte. Nach Auffassung des EuGH bezieht sich die Freizügigkeit (EGV Dritter Teil, Titel III.) sowohl auf die Rechte der Arbeitnehmer als auch auf die Niederlassungsfreiheit, EuGH, Urteil vom 31. Januar 1984, Rs. 286/82 und 26/83, Luisi und Carbone, in: Slg. 1984, Seite 377 ff., Nr.9. Auch beinhaltet der in Art. 3 lit. c EGV genannte "freie Personenverkehr" seinem Sinn nach die durch Art. 52 EGV gewährte Freiheit von Personen, ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat zu wählen. Zudem bezieht sich die Formulierung in Art. 3 lit. c EGV auf die Überschriften des ΠΙ. und IV. Titels, wo auch die Niederlassungsfreiheit geregelt ist, ohne in der Überschrift selbst explizit genannt zu werden. Schließlich wäre es gerade nach demfrüheren Verständnis, das der Niederlassungsfreiheit eine wesentlich größere Bedeutung beimaß als der Dienstleistungsfreiheit inkonsequent, gerade die Verwirklichung der bedeutsameren Grundfreiheit nicht durch Art. 3 lit. c EGV zu regeln. Vgl. auch Ehlers, NVwZ 1990, 811 (Niederlassungsfreiheit als Teilelement des freien Personenverkehrs). 102 Vgl. im folgenden Kapitel 4. 16*

244

Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

Diese Auffassung steht auch nicht in Widerspruch zu Sinn und Zweck des "ordre public"-Grundsatzes in Art. 56 EGV, der sich dem Wortlaut nach lediglich auf die Anwendung von Art. 52 EGV als Diskriminierungsverbot bezieht. Die Vorschrift wurde zur gleichen Zeit wie die Niederlassungsfreiheit geschaffen und konnte sich wegen des damaligen Verständnisses nicht auf ein allgemeines Beschränkungsverbot beziehen. Ihrem Sinn und Zweck entsprechend ist die Vorschrift so zu lesen, daß sie eine Einschränkung "der in Art. 52 EGV gewährten Rechte" erlaubt. Eine weitergehende Interpretation der Niederlassungsfreiheit als Beschränkungsverbot zieht deshalb automatisch die äquivalente, extensive Auslegung des Art. 56 EGV nach sich, so daß erst gar kein Widerspruch zwischen den beiden Normen entsteht. Das Argument von der notwendigen, durch eine weite Auslegung des Art. 52 EGV behinderten Koordinierung der Mitgliedstaaten beruht ebenso wie die Sorge vor eventuellen Souveränitätseinbußen oder nicht absehbaren Folgen einer zunehmenden Konkurrenz auf dem Gedanken, daß vor einer Liberalisierung die Harmonisierung erfolgen müsse. Dieses Junktim hat der EuGH schon 1974 in der Reyners-Entscheidung abgelehnt und für die Zeit nach Ablauf der Übergangsfrist am 31.12.1969 eine unmittelbare Wirkung der Niederlassungsfreiheit in allen Mitgliedstaaten festgestellt, ohne daß es noch auf den Erlaß harmonisierender Richtlinien ankämen.103 Dennoch wird den Mitgliedstaaten auch bei einer weiten Auslegung des Art. 52 EGV nicht die Möglichkeit genommen, die Niederlassungsfreiheit einzuschränken. Neben den in Art. 56 EGV genannten Gründen vermögen alle zwingenden Gründe des Allgemeinwohls Beschränkungen bei der Anwendung des Art. 52 EGV zu rechtfertigen. Letztlich bedeutet die extensivere Auslegung des Art. 52 EGV lediglich eine Umkehr der Beweislast. Die Mitgliedstaaten können also nicht mit einem Hinweis auf einzelne Bereiche, in denen sie eine Harmonisierung für notwendig erachten bzw. Allgemeininteressen als gefährdet einstufen, die Liberalisierung insgesamt, d.h. in allen Bereichen verhindern. Vielmehr sind die vorgebrachten Gründe für eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit in jedem Einzelfall am Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu messen. Die hierdurch gewährleistete, stetige, sukzessive und den individuellen Verhältnissen angepaßte Umsetzung der Grundfreiheiten entspricht jedoch gerade dem Sinn und Zweck des Vertrages. Denn die Aufgabe der Gemeinschaft besteht gem. Art. 2 EGV in der Errichtung eines Gemeinsamen Marktes, worunter nach der Legaldefinition in Art. 7 a Satz 2 EGV die Schaffung eines Raumes ohne Binnengrenzen zu verstehen ist, "in dem der freie Verkehr von [...] Personen [...] gewährleistet ist". "Frei" heißt "ohne Beschränkung", - nicht "ohne diskriminierende Beschränkung".

103

EuGH, Urteil vom 21. Juni 1974, Rs. 2/74 (Reyners), Slg. 1974, Seite 631 ff. Nr. 28,29,31.

3. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG

245

Gleiches gilt im Hinblick auf Art. 3 lit. c EGV 1 0 4 , nach welchem "Hindernisse" für den "freien" Personenverkehr zu beseitigen sind. In die gleiche Richtung zielt auch der neue Art. 3 a Abs. 1 EGV, wonach die Tätigkeit der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft im Sinne des § 2 Abs. EGV auch die Einführung einer Wirtschaftspolitik umfaßt, die "dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist." Eine Interpretation der Niederlassungsfreiheit, die allein auf das Diskriminierungsverbot abstellt, verstößt somit gegen den Zweck der Gemeinschaft. Die Tatsache, daß das Diskriminierungsverbot des Art. 6 EGV ebenfalls im Ersten Teil des EGV verankert ist, hat für die Auslegung der genannten Vorschrift keine Bedeutung. Neben dem eindeutigen Wortlaut (Beseitigung von Hindernissen für den "freien" Personenverkehr) ist die unterschiedliche Funktion zu berücksichtigen. Denn die Art. 2, 3 und 7 a EGV beschreiben die Zielsetzung des Vertrages, während Art. 6 EGV nur einen anfänglichen Mindestkonsens formuliert. Das Diskriminierungsverbot formuliert nicht das endgültige Ziel, sondern dient lediglich der begleitenden Sicherung des Prozesses in Richtung auf einen Gemeinsamen Markt. Damit sind aber auch die Grundfreiheiten nicht im Sinne des Art. 6 EGV auszulegen, sondern im Sinne der oben genannten Artikel. Interpretiert man Art. 52 EGV im Lichte dieser Vorschriften, entspricht allein eine Auslegung als allgemeines Beschränkungsverbot den gestellten Anforderungen. Der EuGH hat festgestellt, daß die Niederlassungfreiheit nach Ablauf der den Staaten eingeräumten Übergangsfrist am 31.12.1969 unmittelbar gilt. 105 Da Art. 52 EGV nach den obigen Feststellungen seitdem grundsätzlich jede

104 Selbst wenn Art. 3 keine selbständigen, unmittelbar anwendbaren materiellen Normen enthält, wird aus seiner Stellung in dem mit "Grundsätze" überschriebenen Ersten Teil seine Ausstrahlung auf die übrigen Normen des EGV deutlich. Diese sind also"im Lichte der Grundsätze" zu verstehen und auszulegen. Die Anwendung des Art. 3 lit. c EGV auf die Niederlassungsfreiheit im Verkehrswesen wird auch nicht durch die besondere Erwähnung des Verkehrs in Art. 3 lit. f EGV verdrängt. Der EuGH hat bereits 1974 entschieden, daß die Vorschriften über die gemeinsame Verkehrspolitik nicht dazu dienen, die Grundsatzbestimmungen u.a. über die Niederlassungsfreiheit außer Kraft zu setzen, sondern Urnen gerade Wirksamkeit verleihen sollen, EuGH-Urteil vom 4. April 1974, Rs. 167/73, Kommission/Französische Republik, Slg. 1974, 359, 370 f. Insofern haben die Vorschriften über den Verkehr eine unterstützende Funktion. Sie sollen die Grundfreiheiten nicht behindern oder deren Verwirklichung hinauszögern, sondern den Weg zu ihrer Verwirklichung festlegen, indem sie die spezifischen Modalitäten, u.a. die Zuständigkeit und das Verfahren (Art. 75 Abs. 1 EGV) und den Zeitrahmen (Art. 79, 80 EGV) regeln. Die für die Niederlassungsfreiheit geltende Zielvorgabe in Art. 3 lit. c EGV gilt deshalb gleichermaßen für den Bereich des Verkehrs, auch wenn dieser gesondert in Art. 3 f EGV genannt ist. 105 Vgl. EuGH-Urteil vom 21. Juni 1974, (Reyners), Slg. 1974, Seite 631 ff., Nr. 28.

246

Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

Beschränkung eines niederlassungswilligen Bürgers aus einem Mitgliedstaat in einem anderen untersagt, verstößt § 13 Abs. 4 PBefG gegen die Niederlassungsfreiheit. 2. Abschnitt Rechtfertigung des Eingriffs von § 13 Abs. 4 PBefG in die Niederlassungsfreiheit Den Mitgliedstaaten wird durch bestimmte Vorbehalte des EU-Rechts ein gewisser Gestaltungsspielraum eingeräumt. So enthalten die Art. 52 ff. EGV Ausnahmen vom Grundsatz der Niederlassungsfreiheit bei Tätigkeiten in Ausübung öffentlicher Gewalt (Art. 55 EGV) und gestatten Sonderregeln für Ausländer, die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind (Art. 56 Abs. 1 EGV). Für das Taxengewerbe ist keine der Ausnahmen von Bedeutung. Weder üben Taxiunternehmer öffentliche Gewalt aus noch bestehen Anhaltspunkte für die Annahme, daß durch die Niederlassung von Unternehmern aus anderen EG-Mitgliedstaaten der Grundsatz des ordre public betroffen wird. Zur Rechtfertigung bleiben damit nur zwingende Gründe des Allgemeinwohls. 106 Die Einstufung nationaler Interessen als zwingende Allgemeininterssen müssen die einzelnen Staaten aufgrund der regionalen Unterschiede zunächst selbst vornehmen können. Als Schranke dieses Rechtfertigungsgrundes sind jedoch die Grundfreiheiten zu sehen, in deren Lichte die zwingenden nationalen Erfordernisse zu betrachten sind. Außerdem ist auch hier das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu beachten.107 Wie bereits im ersten Teil der Arbeit festgestellt wurde, ist die Zulassungsschranke des § 13 Abs. 4 PBefG gegenüber deutschen Bewerbern nicht durch zwingende Allgemeinwohlinteressen gerechtfertigt. Die dort erörterten Zusammenhänge gelten im gleichen Maße bei einem Wegfall der objektiven Schranke für die Bürger aus den Mitgliedstaaten, zumal der Zuwachs der Unternehmerschaft durch diesen Personenkreis weit geringer sein wird als bei einer innerdeutschen Liberalisierung. Der EuGH hat zudem in anderem Zusammenhang ausdrücklich festgestellt, daß der Schutz vor auswärtiger Konkurrenz nicht zu den legitimen Allgemeininteressen eines Staates zählt. Die Beschränkung der

106 Der EuGH stuft das Allgemeininteresse als Rechtfertigungsgrund ein, EuGH, Slg. 1986, 3755, 3808 f., 3810, 3813 (= NJW 1987, 572 ff.), während das Schrifttum hierin häufig immanente Schranken sieht, und bei Einschlägigkeit bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der Grundfreiheit verneint. 107 EuGH, Urteil vom 11. Juli 1989, Rs. 265/87, Schränder/Hauptzollamt Gronau, Slg. 1989,2237, Rn. 21; s.a. Schöne, RIW 1990,557.

4. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG und Art. 59 f. EGV

247

Niederlassungsfreiheit ausländischer Taxiunternehmer in der Bundesrepublik ist somit nicht durch zwingende Allgemeininteressen gerechtfertigt. Damit verletzt das Genehmigungserfordernis nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 13 Abs. 4 PBefG für Taxiunternehmer aus den anderen Mitgliedstaaten bei der Aufnahme ihrer Tätigkeit in Deutschland die in Art. 52 EGV garantierte Niederlassungsfreiheit. 108 3. Abschnitt Rechtsfolge und Zwischenergebnis Nach der mittlerweile wohl h.M. kommt dem Gemeinschaftsrecht ein Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten zu. 109 Nationale Gerichte und Behörden dürfen die entsprechenden Normen, hier den § 13 Abs. 4 PBefG, damit nicht mehr anwenden. Das bedeutet, daß Ausländern aus einem Mitgliedstaat der EU, die sich in Deutschland niederlassen und ein Taxiunternehmenen eröffnen wollen, die Konzession ohne Berücksichtigung des § 13 Abs. 4 PBefG zu erteilen ist. 110 4. Kapitel

Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG mit der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 59 f. EGV "Dienstleistungen im Sinne dieses Vertrages sind Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden [...]." 1 1 1 108

So im Ergebnis auch Ehlers, NVwZ 1990, 815. EuGH, Rs. 106/77, Slg. 1978, Seite 629 ff.; vgl. BVerfG-Urteil vom 28.1.1992, BayVBl. 1992, 625, 626; BVerwG, Urteil vom 29.11.1990, in: RIW 1991, 426 m.w.N.; Pipkom, in: E/B, Art. 1, Rn. 37 ff.; Grabitz in: Grabitz/Hilf, Art. 189, Rn. 26 ff. m.w.N.; Müller-Graff in: Dauses, Α. I., Rn. 70; vgl. auch: Schweitzer/Hummer, § 8 Β (Seite 212 ff.) m.w.N.; Ehlers, DVB1. 1991, 608; Oppermann, Rn. 523; Weindl, Seite 84; Gomig, NJW 1989, 1126; Immenga, JA 1993, 260. 110 Die damit verbundene Ungleichbehandlung ist auch in Deutschland kein unbekanntes Phämomen. So müssen nach dem bekannten Bierurteil (EuGH, Slg. 1987, 1227, 1272, 1276 = NJW 1987, 1133) in Deutschland gebraute Biere auch nach der neuen Bierverordnung vom 2.7.1990 (BGBl. I, 1322) nach wie vor nach dem Reinheitsgebot gebraut werden, während dies für EU-ausländische Biere nicht der Fall sein muß. Damit stellt sich die Frage, ob es Deutschen zu empfehlen ist, sich bspw. in den Niederlanden niederzulassen - dort gibt es keine quantitativen Beschränkungen -, um dann von dort aus in der Bundesrepublik eine Zulassung für die Eröffnung einer Zweigniederlassung zu beantragen; Gomig, NJW 1989, 1127, empfahl diese Lösung für Rechtsanwälte mit Blick auf das Zweigstellenverbot, der Wohnsitzpflicht und das Lokalisierungsgebot. 111 Art. 60 Satz 1 EGV. 109

248

Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

Zu den beispielhaft in Art. 60 Satz 2 lit. d) EGV aufgezählten Dienstleistungen gehören u.a. die freiberuflichen Tätigkeiten, so daß auch die Berufsausübung des Taxiunternehmers von der Dienstleistungsfreiheit erfaßt wird. Allerdings setzt auch diese Grundfreiheit einen grenzüberschreitenden Sachverhalt voraus: Leistender und Leistungsempfanger müssen in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sein.112 Die Dienstleistungsfreiheit erfordert also im Unterschied zur Niederlassungsfreiheit gerade nicht, daß der Unternehmer einer dauerhaften Tätigkeit in einem anderen Staat der Union nachgehen will. Im Hinblick auf das Taxigewerbe ist die Dienstleistungsfreiheit mithin in den Fällen von Bedeutung, in denen Unternehmer aus grenznahen Gebieten in den Nachbarstaat fahren und dort innerstaatliche Beförderungen durchführen oder für die Rückfahrt Fahrgäste aufnehmen wollen. 113 Solche Kabotagefahrten sind nach der bisher herrschenden Meinung verboten, obwohl Art. 59 Satz 1 EGV bestimmt: "Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfangers ansässig sind, werden während der Übergangszeit nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen schrittweise aufgehoben." Mit dem Ablauf der Übergangsfrist am 31.12.1969114 ergeben sich deshalb zwei Fragestellungen. Zum einen ist zu untersuchen, ob die Dienstleistungsfreiheit am 1.1.1970 oder jedenfalls zu irgendeinem späteren Zeitpunkt in allen Bereichen, also auch im Verkehrswesen in Kraft getreten ist. Im Falle der Bejahung ist dann weiter zu fragen, ob die Geltung der Art. 59 ff. EGV gleichzusetzen ist mit einer Pflicht der Mitgliedstaaten zur schrankenlosen Zulassung von Kabotagefahrten oder ob sich die Dienstleistungsfreiheit im Verbot einer Diskriminierung erschöpft. Letzteres hätte zur Folge, daß ausländische Unternehmer für Kabotagefahrten den gleichen Zulassungsvoraussetzungen - also auch § 13 Abs. 4 PBefG - unterworfen werden dürften, wie inländische Unternehmer.

112

Die Notwendigkeit eines grenzüberschreitenden Sachverhaltes hat der EuGH auch in neueren Entscheidungen betont, vgl.: EuGH, Urteil vom 19.3.1992, Rs. C-60/91, Strafverfahren gegen José Antonio Batista Morais, EWS, 1994, Seite 56. 113 Zu den übrigen Ausprägungen der Dienstleistungsfreiheit: Behrens, Jura 1989, 567; s.a. Basedow, Wirtschaftsdienst 1991, 372. 114 Vgl. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 EGV.

4. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG und Art. 59 f. EGV

249

1. Abschnitt Anwendbarkeit der Art. 59 f. EGV auf den Verkehr Der Artikel 61 EGV steht im 3. Kapitel des EGV über die Dienstleistungsfreiheit und enthält in Absatz 1 folgende Bestimmung: "Für denfreien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs gelten die Bestimmungen des Titels über den Verkehr." Die Zentralvorschrift des maßgeblichen Titels IV., Art. 75 EGV, enthält in Abs. 1 lit. b die Regelung, daß der Rat der Gemeinschaft "für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaates, in dem sie nicht ansässig sind, die Bedingungen festlegen" wird. 115 Systematisch schließt also der Art. 61 EGV eine unmittelbare Geltung der Dienstleistungsfreiheit im Verkehrswesen zum 1. 1. 1970 aus, ohne daß in den Vorschriften über den Verkehr eine Ersatzfrist oder zumindest ein konkreter Zeitraum genannt wird. Dieses hatte einen jahrzehntelangen Stillstand in der gemeinsamen Verkehrspolitik zur Folge. 116 Es stellte sich die Frage, ob der dem Rat zugestandene Gestaltungsspielraum auch in zeitlicher Hinsicht unbegrenzt war. Die Antwort darauf suchte das Europäische Parlament, als es am 22. Januar 1983 eine Klage gegen den Rat wegen Untätigkeit vor dem Europäischen Gerichtshof einreichte. 117

115

Nach Art. 84 Abs. 1 EGV bezieht sich der IV. Titel des EGV u.a. auf den Straßenverkehr und gilt damit auch für das Taxengewerbe. Vgl. zum Verhältnis der Vorschriften über den Verkehr zu den übrigen Normen des Vertrages: Erdmenger, in E/B, vor Art. 74 bis 84, Rn. 13 ff. 116 Hallstein, Seite 220, der bei den Verhandlungen zum EWGV auf deutscher Seite mitgewirkt hatte, prägte für den Bereich des Verkehrs später den Begriff: "Das ironische Kapitel". Basedow, Seite 157, 159, sieht die Ursachen für den Stillstand in der politischen Ausgangslage der fünfziger Jahre, nämlich der Annahme, daß dem Transportwesen nur eine Hilfsfunktion für die Güterwirtschaft zukomme. Eikhof/B erkelova, Seite 596/597, stellen auf die Interessengegensätze zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten ab, vor allem das Bedürfiiis der Flächenstaaten nach einer Angleichung der wettbewerbswirksamen Rahmenbedingungen also Harmonisierung vor Liberalisierung. Dazu auch: H. P. Ipsen, Seite 860. 117 Es war zugleich das erste Mal in der Geschichte der Gemeinschaft, daß ein Gemeinschaftsorgan gegen ein anderes Klage wegen dessen Untätigkeit nach Art. 175 EGV erhob.

250

Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

A. Die Frist zur Umsetzung der Dienstleistungsfreiheit

im Verkehr

I. Die Rechtsprechung des EuGH Unter Hinweis auf die 25-jährige Säumnis des Rates bei der Einfuhrung einer gemeinsamen Verkehrspolitik hatte das Parlament am 22. Januar 1983 nach Art. 175 EG-Vertrag eine Untätigkeitsklage gegen den Rat erhoben, der die Kommission später beitrat. Der Europäische Gerichtshof bestätigte in seinem daraufhin ergangenen Urteil vom 22. Mai 1985 118 einen grundsätzlichen Ermessensspielaum des Rates bei der Durchführung von politischen Aufträgen des Vertrages. So sei es auch Sache des Rates, nach den Verfahrensregeln der Art. 74 ff. EGV die Ziele und Mittel der gemeinsamen Verkehrspolitik festzulegen. Dies gelte jedoch nicht für die Umsetzung der Dienstleistungsfreiheit im Verkehrswesen. Denn die Art. 59, 60 i.V.m. Art. 75 Abs. 1 lit. a und b EGV enthielten insofern eine konkrete Vorgabe des zu erreichenden Ergebnisses. 119 Der Rat könne deshalb nur hinsichtlich der näheren Einzelheiten zur Verwirklichung dieses Ziels ein gewisses Ermessen ausüben.120 Im Ergebnis stellte der EuGH deshalb fest, daß der Rat seine Pflicht aus Art. 75 Abs. 1 lit. b EGV verletzt habe, Bedingungen für die Zulassung von EG-Ausländern zur Kabotage festzulegen.121 Der Gerichtshof hätte nun die Möglichkeit gehabt, als Folge dieser Untätigkeit die zwischenzeitlich eingetretene unmittelbare Geltung der Art. 59 ff. EGV im Verkehrswesen festzustellen oder zumindest eine konkrete Umsetzungsfrist zu nennen. Statt dessen widersprachen die Richter ausdrücklich der

118 EuGH, Rs. 13/83, Europäisches Parlament und Kommission der Europäischen Gemeinschaft gegen Rat der Europäischen Gemeinschaft und Königreich Niederlande, Slg. 1985, 1556 ff., ( = TranspR 1986,100 ff; mit Gründen auch in NJW 1985,2080). 119 Im Rahmen des Art. 175 EGV kann eine Untätigkeit nur dann festgestellt werden, wenn die vorgeworfene Unterlassung Maßnahmen betrifft, deren Folgen sich konkretisieren lassen, so daß sie nach Art. 176 EGV vollstreckt werden können, vgl. Streinz, Rn. 251. 120 EuGH Slg. 1985,1556 ff, insbesondere Nr. 26 ff, 47 ff, 64 ff. 121 Mit ihren übrigen Anträgen unterlag die Kommission. Mit dem ersten Antrag war das Fehlen der gemeinsamen Verkehrspolitik als solcher gerügt worden. Der EuGH, aaO, Nr. 47, 53, verneinte jedoch eine Pflicht des Rates zur Einführung der gemeinsamen Verkehrspolitik, da Art. 74 EGV diesbezüglich nicht hinreichend konkret und deshalb auch nicht justizialbel sei. Die Bestimmungen in Art. 75 Abs. 1 lit. a) und b) EGV seien insofern eine Ausnahme, so daß dem ersten Antrag teilweise stattgegeben wurde. Mit dem zweiten Antrag wurde die Feststellung begehrt, daß der Rat den EGV dadurch verletzt habe, daß er über 16 näher beschriebene Initiativen nicht entschieden habe. Die Ablehnung dieses Antrags ergab sich folgerichtig aus den Ausführungen zum ersten Antrag. Basedow, Seite 175, meint hierzu: "Wenn nämlich die Pflicht zur Formulierung einer gemeinsamen Verkehrspolitik als solcher nicht justiziabel ist, dann betrifft dies in erster Linie die Auswahl der regelungsbedürftigen Gegenstände und ebenso die Art und Weise ihrer Behandlung. Es konnte dem Rat dann auch nicht zum Vorwurf gereichen, daß er bestimmte Vorschläge der Kommission auf die lange Bank schob."

4. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG und Art. 59 f. E G V 2 5 1

These der niederländischen Regierung wonach die Dienstleistungsfreiheit mittlerweile schon in Kraft getreten sei und beließen es im übrigen bei der Feststellung einer Vertragsverletzung des Rates. Zur Begründung genügte dem EuGH der Hinweis auf Art. 61 Abs. 1 EGV: "Die Anwendung der insbesondere in den Art. 59 und 60 EWG-Vertrag niedergelegten Grundsätze der Dienstleistungsfreiheit muß daher nach dem Vertrag durch die Verwirklichung der gemeinsamen Verkehrspolitik erreicht werden, und zwar vor allem durch die Festlegung der gemeinsamen Regeln für den internationalen Verkehr und der Bedingungen für die Zulassung von nicht gebietesansässigen Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, wie sie in Artikel 75 Absatz 1 Buchstaben a und b vorgesehen sind und welche notwendigerweise die Dienstleistungsfreiheit betreffen. Der von der niederländischen Regierung vertretenen Ansicht, der Ablauf der Übergangszeit habe dazu geführt, daß die Artikel 59 und 60 EWG-Vertrag auch im Verkehrssektor unmittelbar anwendbar seien, kann somit nicht gefolgt werden." 122 Das Urteil enthält weder Ausführungen zu den Folgen der bisherigen Untätigkeit, noch zu den Konsequenzen eines möglicherweise auch zukünftigen, weiteren Untätigbleibens: "Das Parlament, die Kommission und die niederländische Regierung weisen noch auf die Rechtslage hin, die sich ergäbe, wenn der Rat es nach einer etwaigen Verurteilung immer noch unterließe, einen Beschluß zu fassen. Diese Frage ist jedoch hypothetisch. Der Rat hat nach Artikel 176 die sich aus diesem Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen; da in dieser Bestimmung keine Frist festgesetzt wurde, ist davon auszugehen, daß er hierfür über einen angemessenen Zeitraum verfügt. Es besteht keine Veranlassung, in diesem Urteil zu prüfen, welche Folgen es hätte, wenn der Rat weiterhin untätig bliebe."123 Die einzige konkrete Feststellung mit weitreichender Bedeutung lautet, daß "die objektiven Schwierigkeiten, die dem Rat zufolge den notwendigen Fortschritten auf dem Weg zu einer gemeinsamen Verkehrspolitik entgegenstehen, im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits unerheblich" seien.124 Konsequent heißt es später: "Dabei steht es dem Rat frei, zusätzlich zu den gebotenen Liberalisierungsmaßnahmen Begleitmaßnahmen zu ergreifen, die er für erforderlich hält, und zwar in der Reihenfolge, die ihm richtig erscheint." 125 Mit diesen Aus122 123 124 125

EuGH, Slg. 1985,1556,1599, Nr. 62 f. EuGH, aaO, Seite 1600, Nr. 69 . EuGH, aaO, Seite 1596, Nr. 48. EuGH, aaO, Seite 1601, Nr. 71.

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Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

führungen hatte der Gerichtshof endlich "das paralysierende Junktim von Harmonisierung und Liberalisierung" 126 aufgehoben und zu erkennen gegeben, daß er eine weitere Untätigkeit des Rates wegen fehlender Vereinheitlichung der Ausgangsbedingungen nicht akzeptieren werde. Der EuGH erhielt 1991 erneut Gelegenheit, zur Frage einer unmittelbaren Anwendbarkeit der Dienstleistungsfreiheit im Verkehrswesen Stellung zu beziehen. Die deutsche Spedition Pienaud Wieger wollte ein in den Niederlanden ansässiges Unternehmen mit der Beförderung von Gütern im Fernverkehr innerhalb Deutschlands beauftragen. Die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr lehnte die beantragte Genehmigung mit dem Hinweis ab, daß Beförderungen im Binnengüterverkehr nur von in Deutschland ansässigen Unternehmen durchgeführt werden dürften. In der daraufhin erhobenen Klage machte die Spedition geltend, die im GüKG enthaltenen Beschränkungen für Leistungen von Verkehrsunternehmern mit Sitz und Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat seien aufgrund der unmittelbaren Geltung des Art. 59 EGV außer Kraft getreten. Das BVerwG hielt es aufgrund der zum Zeitpunkt des Urteils (1989) vergangenen 4 Jahre seit dem Urteil des EuGH von 1985 "als Folge eines solchen weiteren Untätigbleibens des Rates auch nicht für ausgeschlossen, daß Art. 59 und 60 EWGV jedenfalls solche nationalen Beschränkungen des innerstaatlichen Güterfernverkehrs verdrängen, die im Rahmen einer gemeinschaftlichen Verkehrspolitik abgebaut werden könnten, ohne im Interesse einer - notwendigen - Ordnung des Güterfernverkehrsmarktes und der den einzelnen Verkehrsträgern dabei zuzuweisenden Rolle durch ähnliche oder gleichgerichtete Vorschriften oder Bedingungen i.S.d. Art. 75 I lit. a und b EWGV ersetzt werden zu müssen." 127 Nach Ansicht des BVerwG genügte also das Regulativ einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, um eine unmittelbare Wirkung der Dienstleistungsfreiheit auch im Verkehrswesen zu erlauben. Das Gericht legte deshalb dem EuGH die Frage vor, ob die Art. 59, 60 EGV nun unmittelbar auf das Verkehrswesen anzuwenden seien, weil der Rat es auch nach 1985 unterlassen habe, "die Dienstleistungsfreiheit auf dem Gebiet des internationalen Verkehrs sicherzustellen und die Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Ver-

126

Basedow, zu Fn 72. BVerwG, Beschluß vom 9.11.1989 - 7 C 3/88 -, EuZW 1990, Seite 70, 72. Demgegenüber hatte die Vorinstanz, das OVG Münster, eine unmittelbare Geltung der Dienstleistungsfreiheit mit der Behauptung abgelehnt, daß der Zeitraum von zweieinhalb Jahren gegenüber der Länge der Vertragsverletzung vor dem EuGH Urteil von 1985, (15 Jahre), kaum ins Gewicht falle, Urteil vom 11.12.1987, TranspR 1988, 233, 234. 127

4. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG und Art. 59 f. E G V 2 5 3

kehr innerhalb eines Mitgliedstaates, in dem sie nicht ansässig sind, festzulegen, [ ] " 128 In seiner Entscheidung vom 7. 11. 1991 129 wiederholte der EuGH zunächst die wesentlichen Grundsätze der Entscheidung von 1985, insbesondere die Feststellung, daß dem Rat ein "angemessener Zeitraum" zur Verfügung stehe, um die sich aus dem Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen. Das Urteil enthält im unmittelbaren Anschluß folgende Kernaussage: "In Anbetracht der Komplexität des Straßenkabotagesektors stehen der Verwirklichung des freien Dienstleistungsverkehrs in diesem Bereich noch erhebliche Schwierigkeiten entgegen. Die Verwirklichung dieses Ziels kann geordnet nur im Rahmen einer gemeinsamen Verkehrspolitik erfolgen, bei der die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Probleme berücksichtigt und gleiche Wettbewerbsbedingungen gewährleistet werden. Der Rat war somit befugt, die Liberalisierung der Straßenkabotage schrittweise in Angriff zu nehmen."130 Nach Ansicht des Gerichts war der Rat seiner Verpflichtung bislang durch die Interims-Verordnung vom 21.12.1989 über die Zulassung von Kabotagefahrten im Güterkraftverkehr und der darin enthaltenen Selbstverpflichtung zum Erlaß einer endgültigen Regelung bis spätestens 1.1.1993 nachgekommen. Entsprechend der vorgelegten Frage gelangten die Richter deshalb zu dem Schluß, daß unter diesen Umständen und angesichts dessen, daß das BVerwG nach der im Zeitpunkt seiner Entscheidung geltenden Rechtslage zu entscheiden habe, die Art. 59, 60 EGV dem Verbot innerdeutscher Beförderungen durch das niederländische Unternehmen nicht entgegenständen.131 Das Urteil wirft zwei Fragen auf: Erstens, inwieweit die Feststellungen des Gerichts auch für das Taxengewerbe Geltung beanspruchen können - der zugrundeliegende Sachverhalt betraf allein den Güterfernverkehr. Zweitens, ob die Art. 59, 60 EGV mittlerweile, also vier Jahre nach dem EuGH-Urteil und sechs Jahre nach der Entscheidung des BVerwG unmittelbar im Verkehrswesen in Kraft getreten sind.

128 BVerwG, EuZW 1990, Seite 70, Ls. Daraufhin wurde noch vor der Entscheidung des EuGH die KabotageVO für den Güterfernverkehr beschlossen, ABl EG Nr. L 390 vom 30.12.1989. 129 EuGH, Rs. C-17/90 (Pinaud Wieger GmbH Spedition/Bundesanstalt für den Güterfernverkehr), EuZW 1992, 62 ff. 130 EuGH, aaO, Seite 63, Nr. 11 f.; die "Komplexität" war auch vom OVG Münster als einer der Vorinstanzen genannt worden, Urteil vom 27.11.1988, TranspR 1988,233. 131 EuGH, aaO, Nr. 14.

254

Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

Im Hinblick auf die erste Frage ist zu berücksichtigen, daß sich die wesentlichen Feststellungen des EuGH in der Sache auf "den Straßenkabotagesektor" bezogen, also ganz allgemein formuliert waren. Zum anderen standen die Ausführungen in unmittelbarem Zusammenhang mit der EuGH-Entscheidung von 1985, die sich wiederum auf das Verkehrswesen insgesamt, nicht nur den Güterfernverkehr bezog. Somit ist davon auszugehen, daß sich die Feststellungen des EuGH auch auf die Kabotagefahrten des Taxengewerbes übertragen lassen. Die zweite Frage ist dahingehend zu beantworten, daß bei Zugrundelegung der vom EuGH geäußerten Auffassung die Dienstleistungsfreiheit auch 1995 nicht unmittelbar im Verkehrssektor anzuwenden ist. Denn der Rat ist in der Zwischenzeit nicht untätig geblieben, sondern hat Richtlinien zur Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit sowohl im Güterfernverkehr als auch im Personenverkehr erlassen - letztere beziehen sich allerdings nur auf Kraftomnibusse. Um in der Terminologie des EuGH zu sprechen, hat der Rat also weitere "Schritte bei der Inangriffnahme einer Liberalisierung der Straßenkabotage" gemacht, so daß ihm bei einer ganzheitlichen Betrachtung des Verkehrswesens eine Untätigkeit nicht vorgehalten werden kann. Zudem bestehen nach wie vor wirtschaftliche und vor allem ökologische Probleme, die den Straßenkabotagesektor nicht weniger komplex haben werden lassen.132 Im Ergebnis ist damit festzuhalten, daß bei Zugrundelegung der Auffassung des EuGH die Dienstleistungsfreiheit auch gegenwärtig keine Freigabe von Kabotagefahrten durch Taxen gebietet. II. Die Meinungen in der Literatur In der Literatur bestehen unterschiedliche Meinungen über die Dauer des dem Rat zuzubilligenden "angemessenen Zeitraums" zur Umsetzung der Dienstleistungsfreiheit im Verkehrswesen. Erdmenger billigte dem Rat im allgemeinen etwa den Zeitraum einer Präsidentschaft, also 6 Monate zu. 133 Jedenfalls sei aber 1989 die Zeit zur Umsetzung der erforderliche Maßnahmen abge132 Auch 1994 hat der EuGH allgemein daraufhingewiesen, daß aufgrund der Verweisung in Art. 61 Abs. 1 EGV "auf dem Verkehrssektor das Ziel des Art. 59 EWGVertrag, die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs während der Übergangszeit aufzuheben, im Rahmen der in den Artikeln 74 und 75 definierten gemeinsamen Politik hätte erreicht werden müssen." (Der zugrundeliegende Sachverhalt bezog sich allerdings auf den internationalen Schiffsverkehr und zielte somit in erster Linie auf Art. 84 Abs. 2 EGV.) EuGH Rs. C-18/93, Corsica Ferries, Urteil vom 17. Mai 1994, Slg. 1994,1 1812 ff. Nr. 23 f. unter Hinweis u. a. auf die Rechtssachen 209/84 bis 213/84, Asjes, Slg. 1986,1425, Nr. 37). 133 Erdmenger, EuR 1985,385.

4. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG und Art. 59 f. E G V 2 5 5

laufen. 134 Nach anderer Meinung ist dagegen eine Frist von 3 Jahren 135 und nach einer weiteren Auffassung sogar von 12 Jahren einzuräumen. 136 Nach der zuletzt genannten Auffassung läuft die Frist zur Umsetzung der Art. 59, 60 EGV also erst 1997 ab. Begründet wird dies u.a. mit dem Hinweis, daß vor der Untätigkeitsklage nur ganz geringe Fortschritte bei der Umsetzung der Dienstleistungsfreiheit im Verkehr gemacht worden seien, "und die Schwierigkeiten auf diesem Weg heute nicht geringer sind als nach Inkrafitreten des E WG-Vertrages". 137 Die Frist zur Nachbesserung dürfe aber nicht länger sein als die zur anfänglichen Leistung. Beutler sieht schließlich überhaupt keine zeitliche Begrenzung, wenn er meint: "Solange der Rat seine Rechtssetzungsbefugnisse nicht wahrgenommen hat, bestehen die staatlichen Zuständigkeiten fort." 1 3 8 B. Stellungnahme Die Kernaussage der EuGH-Rechtsprechung bildet die Behauptung, daß der Straßenkabotagesektor zu komplex sei, um bereits einen Fristablauf und damit eine unmittelbare Geltung der Dienstleistungsfreiheit im Verkehr zu bejahen. Die Kritik an dieser Aussage setzt bereits an ihrer Allgemeinheit an, denn mit dem Hinweis auf eine "zu komplexe" Materie ließe sich die Verwirklichung der Vertragsziele in allen schwierigen Gebieten verschieben. 139 Der EuGH ist darüber hinaus den Nachweis für die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Betrachtung des Verkehrswesens schuldig geblieben, nach der eine geordnete Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit nur im Rahmen einer gemeinsamen Verkehrspolitik erfolgen könne. In der Konsequenz bedeutet diese Auffassung, daß kein Teilbereich des Verkehrs liberalisiert werden kann, solange sich die Mitgliedstaaten nicht über die einheitliche Regelung aller Verkehrsbereiche, die Berücksichtigung wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Probleme und die Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen geeinigt haben. Diese pauschale Betrachtungsweise verliert jedoch ihre Berechtigung gegenüber einer gleich geeigneten, aber spezifischen Verfahrensweise. Danach gilt die Dienstleistungsfreiheit unmittelbar für den gesamten Verkehrssektor mit der einen Ausnahme, daß nationale Zulassungsbeschränkungen für Kabotagefahrten durch legitime Allgemeininteressen des jeweiligen Staates gerechtfertigt werden kön-

134 135 136 137 138 139

Erdmenger, in: E/B Art. 75, Rn. 45. Rogge, Internationales Verkehrswesen 37, (1985), 312. Basedow, Seite 181 ff. Basedow, Seite 181 f. Beutler, Anm. 15.1.1. (Seite 477). So auch Huff, EuZW 1992, 63.

256

Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

nen. 140 Diese Vorgehensweise würde je nach Komplexität des konkreten Verkehrsbereichs eine flexiblere Umsetzung der Dienstleistungsfreiheit ermöglichen und wäre insbesondere für das Taxengewerbe von Vorteil. Dieses ist seit jeher und typischerweise innerstaatlich und vor allem regional organisiert, so daß Kabotagefahrten ohnehin nur in den Grenzgebieten stattfinden würden. Im Verhältnis zu den Fernfahrten des Güter- oder auch Busverkehrs sind Kabotagefahrten des Taxengewerbes für die Mitgliedstaaten deshalb nur von geringer Bedeutung. Möglicherweise ist dies auch der Grund für die in der Literatur vertretene Auffassung, daß 1993 mit den Richtlinien über die Kabotage und die Besteuerung im Straßengüterverkehr "der Schlußstein des Gesamtprogramms zur Liberalisierung der Beförderungsdienstleistungen und zur Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen" erbracht worden sei. 141 Im Zusammenhang mit der zitierten Kernaussage des EuGH im Urteil vom 7. November 1991 wäre also - infolge der Verwirklichung der gemeinsamen Verkehrspolititk - spätestens 1993 auch der Grund für ein Kabotageverbot im Taxengewerbe weggefallen. Eine unmittelbare Geltung der Dienstleistungsfreiheit kann auch mit Hinweis auf Art. 7 a EGV begründet werden. Die Vorschrift lautet: "Die Gemeinschaft trifft die erforderlichen Maßnahmen, um bis zum 31. Dezember 1992 gemäß dem vorliegenden Artikel, [...] den Artikeln 84, [...] unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieses Vertrages den Binnenmarkt schrittweise zu verwirklichen. Der Binnenmarkt umfaßt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem derfreie Verkehr von [...] Personen, Dienstleistungen [...] gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages gewährleistet ist." Der Art. 84 EGV enthält für den IV. Titel zum Verkehr folgende Feststellung: "(1) Dieser Titel gilt für Beförderungen im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr. (2) Der Rat kann mit qualifizierter Mehrheit darüber entscheiden, ob, inwieweit und nach welchem Verfahren geeignete Vorschriften für die Seeschiffahrt und Luftfahrt zu erlassen sind. Die Verfahrensvorschriften des Artikels 75 Absätze 1 und 3 finden Anwendung."

140

Allerdings trägt der beschränkende Staat dann die Beweislast für die Verhältnismäßigkeit seiner Maßnahme, so daß der pauschale Hinweis auf einen Harmonisierungsbedarf in anderen Verkehrsbereichen nicht mehr genügen würde. Allgemein zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: EuGH, Rs. C-154/89, Fremdenführer, EuZW 1991, Seite 352 ff. 141 Vgl. Erdmenger, Verkehrspolitik, Seite 197.

4. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG und Art. 59 f. EGV

257

In der Zusammenschau lassen diese Vorschriften erkennen, daß die Einfuhrung der Dienstleistungsfreiheit im Verkehrswesens zum 1.1.1993 eines der Ziele des EGV ist. Darüber hinaus könnte dem Art. 7 a Satz 2 EGV die Rechtsfolge zu entnehmen sein, daß unabhängig von den Bemühungen der Gemeinschaft mit Wirkung zum 1.1.1993 der freie (!) Dienstleistungsverkehr gewährleistet wird. Gegen eine Anwendung des Art. 7 a EGV auf den gesamten Verkehr wird jedoch vorgebracht, daß der Binnenmarkt nicht - wie in Art. 7 a EGV formuliert - durch Maßnahmen "gemäß Art. 84" verwirklicht werden könne, wenn Art. 84 der Gemeinschaft nur für Luft- und Seeschiffahrt, nicht aber für die Binnenverkehrsträger politische Handlungsspielräume einräume: "Da die Gemeinschaft nach Art. 84 I gar keine Maßnahmen treffen kann, kann sie auch nicht gemäß dieser Bestimmungen zur Verwirklichung des Binnenmarktes beitragen". 142 Außerdem sei in Art. 75 Abs. 2 EGV eine eigene Fristvorschrift für den Verkehr enthalten, so daß es einer weiteren Fristsetzung durch Art. 7 a EGV nicht bedürfe. Schließlich wird eine Vereinbarung der Regierungsvertreter noch vor der Einfügung des Art. 7 a in den EGV durch die Einheitliche Europäische Akte (EEA) geltend gemacht, nach der mit dem Datum 31.12.1992 keinerlei Rechtswirkungen verbunden seien.143 Das erste Argument vermag zwar mit dem Wortlaut des Art. 7 a EGV begründet zu werden. Hierbei wird allerdings nicht berücksichtigt, daß der dort angesprochene Art. 84 EGV seinerseits einen Bezug zum gesamten IV. Titel über die Regelungen zum Verkehrswesen herstellt. Der Hinweis in Art. 7 a EGV auf den Art. 84 EGV ist also nichts anderes als eine indirekte Bezugnahme auf den gesamten IV. Titel. Die Zwischenschaltung des Art. 84 EGV erklärt sich mit der dort vorgenommenen Differenzierung. Denn Art. 84 Abs. 1 EGV erlegt dem Rat in Zusammenhang mit Art. 75 Abs. 1 und 2 EGV die Pflicht auf, die Kabotagefreiheit für den Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffahrtsverkehr bis zum 31.12.1969 (Art. 75 Abs. 2 EGV) umzusetzen. Einem solchen Zeitdruck ist der Rat für die besonders wichtigen Bereiche der Seeschiffahrt und der Luftfahrt nicht ausgesetzt. Denn Art. 84 Abs. 2 EGV räumt ihm hierbei ein besonderes Ermessen ("kann") ein. In Art. 7 a EGV wird diese Differenzierung gerade durch die ausdrückliche Bezugnahme auf Art. 84 EGV auch weiterhin respektiert. Danach gilt also: Für die Verkehrsarten, in denen gem. Art. 84 Abs. 1 i.V.m. Art. 75 Abs. 2 EGV bereits bis zum 31.12.1969 Kabotageregelungen etc. hätten erlassen werden müssen, gilt nun die neue Frist bis zum 31.12.1992; für die besonders wichtigen Verkehrsberei142 143

Basedow, Seite 182. Basedow, Seite 182.

1 Bardarsky

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Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

che in Art. 84 Abs. 2 EGV wird dem Rat dagegen auch weiterhin ein Ermessen über den 31.12.1992 hinaus eingeräumt. Damit ist der Verkehrsbereich also keineswegs durch die Verweisung auf Art. 84 EGV im Ganzen von der Fristsetzung in Art. 7 a EGV ausgenommen, auch wenn Art. 84 EGV keine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage enthält.144 Die eigenständige Bedeutung der Fristsetzung in Art. 7 a EGV gegenüber der in Art. 75 Abs. 2 EGV genannten Frist ergibt sich bereits aus dem Umstand, daß letztere am 31.12.1969 erfolglos abgelaufen ist. Die zwischenzeitliche Untätigkeit wäre an sich schon Grund genug, um mittels einer erneuten Fristsetzung die Umsetzung (auch) der Dienstleistungsfreiheit im Verkehr anzumahnen. Darüber hinaus ist auch das besondere zeitliche Umfeld zu bedenken, in das die Entstehung des Art. 7 a EGV fallt. Die Vorschrift wurde nämlich als Art. 8 a durch Art. 13 der EEA - beschlossen im Dezember 1985 - in den EWGV eingefügt. Wenige Monate zuvor, im Mai 1985 hatte der EuGH die Untätigkeit der EG im Verkehrsbereich verurteilt. Auf dem Mailänder Gipfel vom 28./29. Juni 1985 hatten die Regierungschefs das Weisbuch der Kommission zur Vollendung des Binnenmarktes bestätigt. Darin wurde das Ende der Frist zur Umsetzung der Dienstleistungsfreiheit im Personenverkehr auf das Jahr 1989 festgeschrieben. Am 14. November 1985 beschloß die EG-Ministerkonferenz auf ihrer Ratstagung dann die Verwirklichung eines freien Verkehrsmarktes für den Güterfernverkehr ohne Mengengrenzen zum 31. Dezember 1992. Den zu erwartenden Schlußpunkt in dieser Entwicklung bildet dann der Beschluß im Dezember 1985, den gesamten Binnenmarkt bis zum 31. Dezember 1992 zu verwirklichen. Vor diesem Hintergrund ist es höchst unwahrscheinlich, daß gerade der Verkehr nicht in den Anwendungsbereich des Art. 7 a EGV miteinbezogen werden sollte. Folgt man deshalb der Meinung, daß sich die Fristsetzung in Art. 7 a EGV auch und gerade auf den Verkehrssektor bezieht, stellt sich weiter die Frage, welche Folgen das Verstreichen des 31.12.1992 auslöst. Die Antwort könnte in

144

So im Ergebnis auch Geiger, Art. 74, Rn. 10: "Die Einbeziehung der Verkehrspolitik in die Entwicklung des Binnenmarktes (Art. 7 a ) bestätigt, daß Art. 74 die Errichtung eines gemeinsamen Verkehrsmarktes ohne mengenmäßige Beschränkungen anstrebt, in dem sich Preise und Leistungen unter gleichen Wettbewerbsbedingungen entwickeln." Vgl. auch Frohnmeyer in Grabitz/Hilf, Art. 74, Rn. 10 der aus "der Einbeziehung des Verkehrs in die Vorschriften über den Binnenmarkt nach Art. 7 a EGV" auf den Auftrag der gemeinsamen Verkehrspolitik zur Hinwirkung auf einen integrierten Verkehrsmarkt schließt. Darunter sei "ein Markt mit den Merkmalen eines Binnenmarktes zu verstehen, in dem keine Behinderungen an den inneren Grenzen bestehen und in dem sich die Verkehrsuntemehmen nach Maßgabe ihrer eigenwirtschaftlichen Planungen frei niederlassen und innerhalb eines bestehenden Ordnungsrahmens unter gleichartigen Wettbewerbsbedingungen betätigen können".

4. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG und Art. 59 f. EGV

259

der von Basedow angesprochenen Vereinbarung der Regierungsvertreter über die Rechtsfolgen des Art. 7 a EGV (Art. 8 a EEA) zu sehen sein. Dabei handelt es sich um eine in der Schlußakte der EEA enthaltene Protokollnotiz mit folgendem Wortlaut: "Die Konferenz möchte mit Artikel 8 a den festen politischen Willen zum Ausdruck bringen, vor dem 1. Januar 1993 die Beschlüsse zu fassen, die zur Verwirklichung des in diesem Artikel beschriebenen Binnenmarktes erforderlich sind, und zwar insbesondere die Beschlüsse, die zur Ausführung des von der Kommission in dem Weißbuch über den Binnenmarkt aufgestellten Programms notwendig sind. Die Festsetzung des Termins "31.12.1992" bringt keine automatische rechtliche Wirkung mit sich."145 Die mit der Notiz verbundenen rechtlichen Folgen sind jedoch dogmatisch weit weniger eindeutig als ihr Wortlaut. Das hängt bereits mit ihrer Stellung innerhalb der EEA zusammen. Die Erklärung befindet sich nämlich nicht in der eigentlichen EEA, sondern in der Schlußakte und ist somit erst gar nicht Vertragsbestandteil geworden. 146 Damit haben die Vertragspartner zu erkennen gegeben, daß dieser Erklärung gerade nicht die gleiche Bedeutung beizumessen ist wie den Bestimmungen der EEA selbst. Andernfalls wäre eine entsprechende Willensbekundung erforderlich gewesen, wie sie in den Gründungsverträgen der EG gemäß Art. 239 EWGV, Art. 207 EAGV, Art. 84 EGKSV enthalten sind. 147 Schließlich kann Protokollerklärungen auch wegen des numerus clausus der Rechtsakte nach Art. 189 EGV sowie "des grundsätzlich "begleitenden" und internen Charakters (Art. 18 GO/MR)" keine Rechtsaktqualität beigemessen werden. 148 In der Literatur wird die Protokollnotiz deshalb z.T. lediglich als Auslegungshilfe herangezogen. Grabitz 149 verweist in diesem Zusammenhang auf Art. 31 Abs. 2 des Wiener Vertragsrechtsübereinkommens (WVRK), 1 5 0 der u.a. lautet: "2. Für die Auslegung eines Vertrages bedeutet der Zusammenhang außer dem Vertragswortlaut samt Präambel und Anlagen a) jede sich auf den Vertrag beziehende Übereinkunft, die zwischen allen Vertragsparteien anläßlich des Vertragsabschlusses getroffen wurde;

145 146 147 148 149 150

1*

Abgedruckt in: Sartorius DL, Nr. 151; dazu auch: Scherzberg/Pieper, Seite 144. Grabitz in: Grabitz/Hilf, EEA, Rn. 2,22, 28. So auch Grabitz in: Grabitz/Hilf, EEA, Rn. 27. Pechstein, EuR, 1990,250. Grabitz, Art. 8 a, Rn. 6 und zur EEA, Rn. 29. Abgedruckt: Sartorius Π. Nr. 320.

260

Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

b) jede Urkunde, die von einer oder mehreren Vertragsparteien anläßlich des Vertragsabschlusses abgefaßt und von den anderen Vertragsparteien als eine sich auf den Vertrag beziehende Urkunde angenommen wurde." Gegen die Anwendung des Art. 31 Abs. 2 a WVRK werden allerdings Bedenken angemeldet. So weist Pieper daraufhin, daß es sich bei der Einfuhrung des Art. 8 a EEA in den EGV um eine große Vertragsrevision im Sinne des Art. 236 EGV handele.151 Deshalb könne man zu dem Ergebnis gelangen, daß es sich um eine rein europarechtliche Frage handelt, was dazu führe, daß die in der WVRK niedergelegten völkerrechtlichen Auslegungsgrundsätze nicht heranzuziehen wären. 152 Die Exklusivität des EGV gegenüber allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen sieht Pieper auch durch den Teil der Lehre bestätigt, der eine Änderung des Vertrages nur im Rahmen des durch den EGV vorgesehenen Verfahrens für möglich hält. 153 Auch Pechstein ist der Auffassung, daß das zwingende Erfordernis der Berücksichtigung interpretativer Erklärungen aus Art. 31 Abs. 2 b WVRK nicht einfach im EG-Recht zu übernehmen sei. Zur Begründung weist Pechstein daraufhin, daß das EG-Recht zu einer eigenständigen Rechtsordnung mit einer Reihe von Besonderheiten geworden sei. 154 Bei Zugrundelegung dieser Meinungen erscheint die Auffassung vertretbar, daß die zitierte Protokollnotiz keineswegs zwingend bei der Anwendung des Art. 7 a EGV zu berücksichtigen ist. Jedenfalls stellt die Notiz nur eine von mehreren Auslegungshilfen dar, zu denen auch der Wortlaut einer Norm gehört. 155 Dieser spricht bei Art. 7 a EGV eher für eine rechtlich bindende Verpflichtung, da es in Satz 1 heißt: "Die Gemeinschaft trifft die erforderlichen Maßnahmen, um bis zum 31. Dezember 1992 [...] den Binnenmarkt schrittweise zu verwirklichen.".

151 Pieper, in: Scherzberg/Pieper, Seite 14; zustimmend insofern: Grabitz, in: Grabitz/Hilf, EEA, Rn. 1: "Die EEA besitzt eine Doppelfunktion: Zum einen ist sie das in Art. 236 EWGV, Art. 204 EAGV und Art. 96 EGKSV vorgesehene Abkommen zwischen den Ms der EG zur Änderung der Gründungsverträge der drei Gemeinschaften." 152 Pieper, in: Scherzberg/Pieper, Seite 14. 153 Pieper, in: Scherzberg/Pieper, Seite 15 unter Hinweis auf Vedder, in: Grabitz/Hilf, Art. 236, Rz. 22 ff, dieser u.a. mit Hinweis auf: EuGH vom 15. 6. 1978 - Defrenne 1, Rs. 43/75 - Slg. 1976,455,478. 154 Der EuGH hat bereits 1964 festgestellt, daß der EWG-Vertrag im Unterschied zu gewöhnlichen internationalen Verträgen eine eigene Rechtsordnung geschaffen habe (EuGH, Rs. 6/64, Costa/ENEL, Slg. 1964, Seite 1251, 1269 f.). Vgl. auch zu den "Besonderheiten" wie der grundsätzlichen Geheimhaltung von Protokollerklärungen gem. Art. 18 GO des Rates und der Zuweisung der Interpretationskompetenz für das EG-Recht an den EuGH (Art. 164,177 EGV): Pechstein, EuR 1990,250. 155 So auch Art. 31 Abs. 2 WVRK.

4. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG und Art. 59 f. E G V 2 6 1

Diese Auslegung wird auch von dem systematischen Zusammenhang zwischen Art. 7 a und Art. 7 c EGV getragen. Durch Art. 7 c EGV wird der Kommission unter bestimmten Umständen die Möglichkeit eingeräumt, bei der Formulierung ihrer Vorschläge zur Verwirklichung der Ziele des Art. 7 a EGV Ausnahmeregelungen zu formulieren. Der Art. 7 c Satz 2 EGV enthält allerdings folgende Einschränkung: "Erhalten diese Bestimmungen die Form von Ausnahmeregelungen, so müssen sie vorübergehender Art sein und dürfen das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes so wenig wie möglich stören." Bereits die Formulierung deutet daraufhin, daß der Gemeinsame Markt zum 1.1.1993 tatsächlich in Funktion treten soll. Denn nur dann können Störungen durch die Umsetzung verspäteter Vorschläge überhaupt hervorgerufen werden. Zum anderen impliziert die Existenz einer Ausnahmeregelung an sich, daß die Regel anders aussieht. Wenn also Übergangszeiten und Abstufungen 156 die Ausnahmen sind, dann ist im Umkehrschluß am 1.1.1993 der Gemeinsame Binnenmarkt in Form des Art. 7 a Abs. 2 EGV in Kraft getreten. Um dies in bestimmten Bereichen zu verhindern muß die Kommission zu diesem Termin zumindest Vorschläge gemacht haben, in denen sie die Ausnahme konkret formuliert. Wenn Art. 7 c Abs. 2 EGV bestimmt, daß Ausnahmeregelungen in den Bestimmungen der Kommission nur vorübergehender Art sein dürfen, dann bedeutet dies konsequenterweise auch, daß die Norm nicht einfach dadurch umgangen werden darf, daß Vorschläge und Bestimmungen erst gar nicht gemacht werden. Da die Kommission für das Taxengewerbe keinerlei Bestimmungen getroffen hat, ergibt die systematische Auslegung, daß sich der Binnenmarkt, so wie er in Art. 7 a Abs. 2 EGV definiert ist, für das Taxengewerbe am 1.1.1993 verwirklicht hat. Für dieses Ergebnis spricht schließlich auch die teleologische Auslegung 157 des Art. 7 a EGV. Die Reduktion des Art. 7 a EGV auf einen rein politischen Programmsatz widerspricht dem Sinn und Zweck jeder Fristsetzung. Diese bestehen darin, den Betroffenen zu einem bestimmten Verhalten innerhalb des gesetzen Zeitraums anzuhalten. Der beabsichtigte Motivationsdruck ist aber naturgemäß nur dann gegeben, wenn im Fall der Säumnis eine unerwünschte, als nachteilig empfundene Folge zu erwarten ist. Darüber hinaus entspräche die

156

So beispielhaft bei Lenz, in: Lenz, Art. 7 c, Rn. 3. Vgl. auch Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 WVRK ab: " Ein Vertrag ist nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Ziels und Zwecks auszulegen." 157

262

Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

zwingende Berücksichtigung der Protokollnotiz auch nicht dem ihr eingeräumten Stellenwert. Gerade ihre Nichteinbeziehung in den Text des Art. 8 a EEA ( Art. 7 a EGV) und in die EEA überhaupt machen deutlich, daß dem Satz "Die Festsetzung des Termins "31. 12. 1992 bringt keine automatische rechtliche Wirkung mit sich" nicht der gleiche Rang eingeräumt werden soll wie der Fristsetzung in Art. 8 a EEA selbst.158 Diese Notiz darf deshalb auch nicht den Art. 7 a EGV dominieren. Genau dies wäre aber der Fall, wenn ihretwegen die Einführung des Binnenmarktes auf unbestimmte Zeit verschoben werden dürfte. Damit würde genau das Gegenteil von dem erreicht, was nach dem Wortlaut von Art. 7 a Abs. 1 EGV gewollt ist. Die Protokollnotiz kann nicht den Sinn haben, den Eintritt von Rechtsfolgen zu diesem Datum "automatisch zu verhindern". Im Ergebnis ist deshalb davon auszugehen, daß die Dienstleistungsfreiheit nach Verstreichen des 31.12.1992 für die in Art. 84 Abs. 1 EGV genannten Verkehrsarten unmittelbar in Kraft getreten ist. Damit wird die zweite Frage relevant, welcher Inhalt der Dienstleistungsfreiheit beizumessen ist. 2. Abschnitt Der Inhalt der Dienstleistungsfreiheit Die unterschiedlichen Interpretationen der Dienstleistungsfreiheit gehen, analog zum Meinungsstand bei der Niederlassungsfreiheit, entweder von einem reinen Diskriminierungsverbot oder einem grundsätzlichen Beschränkungsverbot mit Rechtfertigungsmöglichkeit aus. Nach beiden Auffassungen dürfen also Kabotagefahrten der Taxiunternehmer nicht von vornherein pauschal untersagt werden. Der Unterschied besteht allerdings darin, daß die Behörden durch ein Diskriminierungsverbot nicht daran gehindert würden, innerstaatliche Beförderungen von Unternehmern mit Sitz im Ausland an die gleichen Zulassungsvoraussetzungen zu knüpfen, die für ihre eigenen Unternehmer gelten.159 Ein allgemeines Beschränkungsverbot hat demgegenüber zur Folge, daß jede Normierung einer Behinderung von Kabotagefahrten der besonderen Rechtfertigung bedarf. Da es sich bei den vorgebrachten Begründungen regelmäßig um die gleichen handeln wird, mit denen bislang auch die rein innerstaatlichen Beschränkungen gerechtfertigt werden, handelt es sich faktisch um eine Art Inzidenzkontrolle innerstaatlicher Beschränkungen. Die Argumente für die eine 158

So auch Grabitz in: Grabitz/Hilf, EEU, Rn. 27. So etwa Brandt, TranspR, 1989, 247: "Gebietsfremden Verkehrsunternehmern aus anderen EG-Mitgliedstaaten muß also mit anderen Worten die Durchführung der innerstaatlichen Beförderungen unter denselben Bedingungen gestattet werden, wie sie der betreffende Mitgliedstaat seinen eigenen Verkehrsunternehmern vorschreibt." 159

4. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG und Art. 59 f. EGV

263

oder andere Auslegung stimmen zum Teil mit denen überein, die auch im Streit um Art. 52 EGV von Bedeutung waren, gehen andererseits mit speziellen Erwägungen zum Verkehrsbereich aber auch darüber hinaus. Da es sich um zwei unterschiedliche Argumentationsschienen handelt, wird bei ihrer Darstellung differenziert. A. Die grundsätzliche Auslegung der Dienstleistungsfreiheit I. Die Rechtsprechung des EuGH Der EuGH hat in verschiedenen Entscheidungen deutlich gemacht, daß eine Behinderung des freien Dienstleistungsverkehrs nur dann zulässig ist, wenn sie unterschiedslos für In- und Ausländer gilt und durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt ist. Er hat dabei schon früh zu erkennen gegeben, daß es sich dabei um eine Mindestanforderung handelt und die Dienstleistungsfreiheit über ein bloßes Diskriminierungsverbot hinaus angewandt. So formulierte der Gerichtshof in dem grundlegenden Urteil in der Sache van Binsbergen: "Unter die Beschränkungen, deren Beseitigung die Artikel 59 und 60 vorsehen, fallen alle Anforderungen, die an den Leistenden namentlich aus Gründen seiner Staatsangehörigkeit oder wegen des Fehlens eines ständigen Aufenthalts in dem Staate, in dem die Leistung erbracht wird, gestellt werden, und nicht für im Staatsgebiet ansässige Personen gelten oder [!] in anderer Weise geeignet sind, die Tätigkeiten des Leistenden zu unterbinden oder zu behindern."160 Der EuGH sieht jedoch andererseits die Notwendigkeit eines Regulativs, wenn er ausführt: "In Anbetracht der Besonderheiten der Dienstleistungen dürfen jedoch diejenigen an den Leistungserbringer gestellten besonderen Anforderungen nicht als mit dem Vertrag unvereinbar angesehen werden, die sich aus der Anwendung durch das Allgemeininteresse gerechtfertigter Berufsregelungen [...] ergeben und die für alle im Gebiet des Staates, in dem die Leistung erbracht wird, ansässigen Personen verbindlich sind." 1 6 1 In der Entscheidung Coenen bestätigt der EuGH diese Rechtsprechung und definiert Beschränkungen des Art. 59 EGV als "alle Anforderungen, die an den Leistenden namentlich aus Gründen seiner Staatsangehörigkeit oder wegen des 160

EuGH, aaO, Seite 1309, Nr. 10/12. EuGH, Urteil vom 3. Dezember 1974, Rs. 33/74, Johannes Henricus Maria van Binsbergen gegen Bestuur van de Bedrijfsvereniging voor de Metaalnijverheid, Slg. 1974, Seite 1299,1309, Nr. 10/12. 161

Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

264

Fehlens eines Wohnsitzes in dem Staate, in dem die Leistung erbracht wird, gestellt werden und nicht für im Staatsgebiet ansässige Personen gelten, oder [!] in anderer Weise geeignet sind, die Tätigkeit des Leistenden zu unterbinden oder zu behindern." 1 6 2 Von besonderer Bedeutung ist das Urteil des EuGH in der Rechtssache Webb. 163 Nach niederländischem Recht unterlag die Überlassung von Arbeitnehmern einem Genehmigungsvorbehalt des Arbeitsministeriums. Der Direktor eines englischen Unternehmens mit Sitz in England, Alfred John Webb, hatte ohne Einholung der Genehmigung technisches Personal in die Niederlande vermittelt und war deshalb zu einer Geldbuße verurteilt worden. Der EuGH hatte über die Frage zu entscheiden, ob es Art. 59 EGV einem Mitgliedstaat verbietet, von einem Unternehmen, das in einem anderen Mitlgliedstaat ansässig ist, für die Arbeitnehmerüberlassung in seinem Hoheitsgebiet eine Genehmigung zu verlangen, insbesondere wenn eine Genehmigung von dem anderen Mitgliedstaat erteilt worden war. Der Gerichtshof stellte zunächst wie im van Binsbergen-Urteil fest, daß Art. 59 EGV jedenfalls das Verbot einer Diskriminierung von EU-Ausländern enthalte und führt weiter aus, "daß jede für die Staatsangehörigen dieses Staates geltende nationale Regelung, die normalerweise eine Dauertätigkeit von in diesem Staat ansässigen Unternehmen zum Gegenstand hat, [nicht] in vollem Umfang auf zeitlich begrenzte Tätigkeiten angewandt werden könnte, die von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen ausgeübt werden." 164 Der EuGH gelangt dann zu dem Ergebnis: "Jedoch darf derfreie Dienstleistungsverkehr als fundamentaler Grundsatz des Vertrages nur durch Regelungen beschränkt werden, die durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt sind und die für alle im Hoheitsgebiet des genannten Staats tätigen Personen oder Unternehmen verbindlich sind, und zwar nur insoweit, als dem Allgemeininteresse nicht bereits durch die Rechtsvorschriften Rechnung getragen ist, denen der Leistungserbringer in dem Staat unterliegt, in dem er ansässig ist." 165 Diese Rechtsprechung hat der EuGH auch in den neunziger Jahren beibehalten. In dem Dennemeyer-Urteil vom 25.7.1991 kommt sehr deutlich zum

162

EuGH-Urteil vom 26. November 1975, Rs. 39/75, Robert Gerardus Coenen und andere gegen Sociaal-Economische Raad, Slg. 1975,1547,1554, Nr. 5/7. 163 EuGH, Urteil vom 17. Dezember 1981, Strafverfahren gegen Alfred John Webb, Slg. 1981, Seite 3305 ff. 164 EuGH, aaO, Seite 3324 Nr. 16. 165 EuGH, aaO, Seite 3325 Nr. 17.

4. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG und Art. 59 f. E G V 2 6 5

Ausdruck, daß der EuGH die Dienstleistungsfreiheit über ein Diskrimierungsverbot hinaus ausdehnt. Dort heißt es, daß "Artikel 59 EWG-Vertrag nicht nur die Beseitigung sämtlicher Diskriminierungen des Dienstleistungserbringers aufgrund seiner Staatsangehörigkeit, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen - selbst wenn sie unterschiedslos für einheimische Dienstleistende wie für Dienstleistende anderer Mitgliedstaaten gelten - verlangt, wenn sie geeignet sind, die Tätigkeit des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden oder zu behindern."166 Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs mußten also sowohl dem Gleichbehandlungsgebot entsprechen, als auch zur Wahrung von Allgemeininteressen zwingend notwendig sein, wobei die Erforderlichkeit und die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne besonders geprüft wurden. 167 Dabei ging der EuGH regelmäßig 1 6 8 von einem dreistufigen Schema aus: 1. Gelten die Beschränkungen unterschiedslos für In- und Ausländer ? 2. Ist ein Schutz überhaupt erforderlich oder wird er bereits durch Maßnahmen des Heimatlandes gewährleistet ? 3. Ist die Beschränkung verhältnismäßig im engeren Sinne ?

166

EuGH, Rs. C-76/90, Säger/Dennemeyer, Slg. 1991, 4221, 4243 Nr. 12, bestätigt auch EuGH-Urteil vom 24.3.1994, Rs. C-275/92, NJW 1994, 2013, 2015, Nr. 43; s.a. EuGH Urteil vom 4. 12. 1979, Rs. 205/84, Kommission/Deutschland, EuGHE 1986, Seite 3755, 3802 Nr. 25, Seite 3803 Nr. 27, sowie EuGH in: EuZW 1992, 56 zum niederländischen Mediengesetz. 167 So zuletzt auch EuGH, Rs. C-43/93, Vander Eist, Slg. I 1994, Nr. 16 m.w.N.; dort auch die Feststellung: "Dabei sind nach Artikel 59 EWG-Vertrag nicht nur sämtliche Diskriminierungen des in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistungserbringers zu beseitigen, die auf seiner Staatsangehörigkeit beruhen, sondern auch alle Beschränkungen aufzuheben, die - obwohl sie unterschiedslos für einheimische Dienstleistende wie für Dienstleistende anderer Mitgliedstaaten gelten - geeignet sind, die Tätigkeit eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistenden, der dort rechtmäßig gleichartige Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden oder zu behindern". EuGH, aaO, Nr. 14 unter Hinweis auf Rs. C-76/90, Slg. 1991, 4221, Nr. 12. 168 Rs. 110 und 111/78, van Wesemael, Urteil vom 18.1.1979, Slg. 1979, Seite 35; Rs. 279/80, Webb, Urteil vom 17.12.1981, Slg. 1981, 3305, insbesondere Nr. 17; Rs. C-76/90, Säger/Dennemeyer, Urteil vom 25.7.1991, Slg. 1991, 4221. In der letztgenannten Entscheidung hat der Gerichtshof festgestellt, daß eine nationale Regelung, die die Erbringung von bestimmten Dienstleistungen durch einen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmen im Inland von der Erteilung einer behördlichen Erlaubnis abhängig macht, eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit im Sinne von Art. 59 EGV darstellt, EuGH, aaO, Nr. 14.

266

Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

Auch 1994 stellte der EuGH fest, daß Art. 59 EGV jeder nationalen Regelung entgegenstehe, die die Dienstleistungsfreiheit ohne objektive Rechtfertigung beschränkt. Zugleich betont der Gerichtshof, daß unter dem Gesichtspunkt eines einheitlichen Marktes und im Hinblick auf die Verwirklichung seiner Ziele, auch die Anwendung einer nationalen Regelung ausgeschlossen werde, die die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten gegenüber der Erbringung von Dienstleistungen innerhalb eines Mitgliedstaates erschwert. 169 Im Mai 1995 konstatierte der Gerichtshof in der Alpine-Entscheidung, daß auch ein Verbot, das "allgemeinen und nichtdiskriminierenden Charakter hat und das weder bezweckt noch bewirkt, dem nationalen Markt einen Vorteil gegenüber den Dienstleistungserbringern zu verschaffen", dennoch eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen kann. 170 Anschließend prüfte der EuGH die Angemessenheit und Erforderlichkeit der Regelung sowie die Möglichkeit zur Rechtfertigung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses.171 Schließlich ist auf die Entscheidung in Sachen Gebhard zu verweisen, in welcher der EuGH für die Prüfung nationaler Maßnahmen, die potentiell eine der Grundfreiheiten des EGV behindern könnten, ein vierstufiges Prüfungsschema proklamierte, das sowohl auf eine nichtdiskriminierende Anwendung als auch auf eine Rechtertigung durch Allgemeininteressen abstellte.

Im Ergebnis ist somit festzuhalten, daß der EuGH die Dienstleistungsfreiheit gleichrangig als ein Diskriminierungsverbot und allgemeines Beschränkungsverbot anwendet.

169 EuGH, Urteil vom 5.10.1994, Rs. C-381/93, Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Französische Republik, in: Tätigkeiten des Gerichtshofes und des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaft, Nr. 27/94, Seite 28 f. 170 EuGH, Urteil vom 10.5.1995, Rs. C-384/93, Alpine Investments BV/Minister von Financien, NJW 1995, 2541, 2542 Nr. 35. Vgl. die vergleichbare Feststellung im Zusammenhang mit Art. 30 EGV im Urteil vom 6.7.1995, Rs. C-470/93, NJW 1995, 3243, Nr. 13. 171 EuGH, aaO, Nr. 40 ff.

4. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG und Art. 59 f. EGV

267

II. Die Meinungen in der Literatur 1. Die Dienstleistungsfreiheit

als Diskriminierungsverbot

In der früheren Literatur wurde Art. 59 EGV als reines Diskriminierungsverbot interpretiert. 172 Als Argument wurde der Wortlaut des Art. 60 Satz 3 EGV herangezogen, nach welchem eine Leistung in einem anderen Mitgliedstaat "unter den Voraussetzungen, welche dieser Staat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt" erbracht werden dürfen. 173 Auch konnte man sich in Übereinstimmung mit den "Vätern des Vertrages" wähnen, die keine Aufspaltung zwischen Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit beabsichtigten und beide Freiheiten als Diskriminierungsverbot angewendet wissen wollten. 174 Als systematisches Argument wird ferner ein besonderes Verhältnis zwischen dem allgemeinen Diskriminierungsverbot in Art. 6 EGV und den Art. 59, 60 EGV unterstellt. Danach sind letztere eine Adaption von Art. 6 EGV für einen speziellen Bereich und können ihre Eigenständigkeit auch dadurch beweisen, daß sie zusätzlich die versteckten, praktisch aber ebenfalls diskriminierenden Beschränkungen erfassen. 175 Zum Teil wird angenommen, daß der EuGH trotz nichtdiskriminierenden Charakters einer Maßnahme nur deshalb einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit bejaht habe, weil die betroffenen Ausländer sowohl den Vorschriften ihres Heimatlandes, als auch denen des Empfangerstaates unterworfen und damit jedenfalls faktisch gegenüber Inländern benachteiligt seien. Im Ergebnis nehme der EuGH einen Verstoß gegen Art. 59 EGV somit nur dann an, wenn eine verschleierte, faktische Diskriminierung zumindest in dem vorbenannten Sinne bestehe.176 Schließlich könnte auch auf die weit verbreitete Auslegung der Niederlassungsfreiheit als reinem Diskriminierungsverbot verwiesen werden. Wegen der nahezu identischen Formulierung in Art. 60 Satz 3, Halbsatz 2 EGV und Art. 52 Satz 3, Halbsatz 2 EGV und der in Art. 3 lit. c EGV zum Ausdruck kommenden

172

H. P. Ipsen, Seite 645; Nicolaysen, Seite 116; de Crayencour, Seite 34. Hailbronner/N achbaur, EuZW 1992,105,109. 174 Vgl. Everling, Festschrift Seite 111 ff., insbesondere Seite 120 ff. 175 Vgl. die Argumentation von Dolzer, Seite 8, zum Verhältnis von Art. 6 und Art. 52 EGV. 176 Trautwein, Jura 1995,191,193. 173

268

Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

Parallelität der Freiheiten läßt sich auch eine restriktive Auslegung des Dienstleistungsfreiheit begründen. 2. Die Dienstleistungsfreiheit

als allgemeines Beschränkungsverbot

Die herrschende Meinung 177 versteht die Dienstleistungsfreiheit über ein Diskriminierungsverbot hinaus als die Untersagung jeglicher Beschränkung der vorübergehenden Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat, sofern sie nicht durch zwingende Allgemeininteressen gerechtfertigt ist. Dabei wird auf den Wortlaut des Art. 59 Satz 1 EGV hingewiesen, in dem es allgemein heißt: "Die Beschränkungen [...] werden [...] aufgehoben" . m Gegen einen systematischen Zusammenhang zwischen Art. 6 EGV und den Grundfreiheiten, wonach diese nur eine spezielle Adaption des allgemeinen Diskriminierungsverbotes seien, spreche das "effet-utile-Prinzip". 179 Danach seien alle Normen so auszulegen, daß sie eine selbständige Bedeutung erhielten, was bei der Annahme einer bloßen Adaption des Art. 6 EGV gerade nicht der Fall sei. Gegen eine vergleichende Heranziehung der Rechtsprechung zu Art. 52 EGV wird eingewandt, daß sich der Erwerbstätige bei Erbringung einer Leistung im Sinne des Art. 59 EGV nur vorübergehend in dem anderen Mitgliedstaat aufhalte und sich dort gerade nicht integriere, sondern in seinem jeweiligen Sitzstaat verwurzelt bleibe. Daraus wird gefolgert, daß sich der Anbieter auch bei Leistungserbringung im Ausland in erster Linie an den im heimischen Staat herrschenden rechtlichen Rahmenbedingungen orientieren dürfe, sog. Herkunftslandprinzip. 180 "Andernfalls stünde die Dienstleistungsfreiheit nur

177

Hakenberg, in: Lenz, zu Art. 60, Rn. 19; Geiger, zu Art. 60, Rn. 12; Ehlers, NVwZ 1990, 810 ff.; Immenga, JA 1993, 259; Bleckmann, Rn. 1161 ff; Basedow, Wirtschaftsdienst 1991, 372; ders. in: Staatswissenschaften und Staatspraxis, 1991, Heft 2, Seite, 160; Schöne, RIW 1990, 550, 555; Behrens, Jura 1989, 567; Gomig, NJW 1989, 1120 ff; Steindorff, RIW 1983, 831, 833 ; Kewenig bezeichnet es als unstreitig, daß "die Diskriminierungsverbote nicht nur Ungleichbehandlungen im eigentlichen Sinne verbieten, sondern darüber hinausgehend weithin als "Beschränkungsverbote" zu verstehen sind." JZ 1990,20,21. 178 Steindorff, RIW 1983, 834. 179 Ehlers, NVwZ 1990, 811; vgl. auch Bleckmann, DVB1 1986, 73. 180 Vgl. auch Deregulierungskommission, Kapitel ΙΠ., Anm. 28 (Seite 9): "Der vorübergehende Charakter der Dienstleistung in einem anderen Land impliziert, daß das Unternehmen dabei im Prinzip von den rechtlichen Rahmenbedingungen seines Herkunftslandes ausgehen kann." Für den niederländischen Unternehmer würde dies bedeuten, daß er, ohne der objektiven Schranke des § 13 Abs. 4 PBefG unterworfen zu sein, zeitweilig Beförderungen innerhalb der Bundesrepublik vornehmen darf.

4. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG und Art. 59 f. EGV

269

auf dem Papier. Wenn z.B. ein Handwerker aus Reims keinen Auftrag in Saarbrücken ausführen dürfte, ohne zuvor den Großen Befähigungsnachweis nach der deutschen Handwerksordnung beizubringen, wäre die Dienstleistungsfreiheit für das Handwerk praktisch ohne jede Wirkung." 181 Weiter wird auf die "integrationsfreundliche Entwicklung" der Rechtsprechung des EuGH zur dritten Grundfreiheit, über den Warenverkehr Bezug genommen.182 Übertragen auf den Bereich der Dienstleistung bedeute diese Rechtsprechung, daß eine in einem Land genehmigte Dienstleistung grundsätzlich auch in jedem anderen Mitgliedstaat erbracht werden dürfe. Die Übertragbarkeit selbst wird mit einer parallelen Entwicklung der Warenverkehrs- und der Dienstleistungsfreiheit sowohl in historischer als auch in methodischer Hinsicht begründet. 183 III. Stellungnahme Der Wortlaut der Art. 59, 60 EGV kann für beide Auslegungen herangezogen werden. Ein eindeutiger Verstoß gegen den Wortsinn der Norm ist keiner Meinung entgegenzuhalten. Der Hinweis auf eine besondere Systematik von Art. 6 zu Art. 59, 60 EGV ist eher als ihrerseits nachweisbedürftige Behauptung zu bewerten. Die Eigenständigkeit der Dienstleistungsfreiheit als Diskriminierungsverbot kann jedenfalls nicht mit einer - gegenüber Art. 6 EGV erweiterten - Einbeziehung auch der versteckten Diskriminierungen begründert werden.

181

Basedow, Wirtschaftsdienst 1991, 372; ders. Staatswissenschaften und Staatspraxis, Heft 1 1991, 160: Um der Effektivität willen gebiete die Dienstleistungsfreiheit die Beseitigung aller Anforderungen des nationalen Rechts, die "geeignet sind, die Tätigkeiten des Leistenden zu unterbinden oder zu behindern." Vgl. auch Kewenig, JZ 1990, 20, 24 mit dem Hinweis, jede Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit sei mit "der ratio des Verbotes" unvereinbar. 182 Steindorfif, RIW 1983, 833; Roth, EuR 1986, 357. Der EuGH hatte 1974 festgestellt, daß "jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen" und gem. Art. 30 EGV aufzuheben ist, EuGH-Urteil vom 11. 7. 1974, Rs. 8/74, in: EuGH, Slg. 1974, Seite 837, 852 Nr. 5; vgl. auch Art. 30 EGV. In der grundlegenden Cassis-de-Dijon Entscheidung hat der Gerichtshof einige Jahre später auf das Herkunftslandprinzip abgestellt, wonach die rechtmäßige Herstellung und der Vertrieb einer Ware in einem Mitgliedstàat auch dann zum Vertrieb in einem anderen Mitgliedstaat berechtigen, wenn dessen Anforderungen nicht erfüllt sind, EuGH-Urteil vom 20. 2.1979, Rs. 120/78, in: EuGH, Slg. 1979, Seite 649,664 Nr. 15. Als Ausnahme hat der Gerichtshof allein entgegenstehende Allgemeininteressen anerkannt. 183 Troberg in E/B, Vor Art. 59-66, Rn. 22 und Art. 59, Rn. 8; Bleckmann, RIW 1985, 918 m.w.N.

270

Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

Denn der gleiche Effekt ließe sich auch durch eine entsprechende Interpretation des Art. 6 EGV erreichen. Die Annahme, daß vom EuGH als nicht diskriminierend und dennoch als rechtfertigungsbedürftig eingestufte Maßnahmen auf dem Zwang des Dienstleistenden zur Beachtung von zweierlei Recht beruhe - dem des Herkunftsstaates, und den Normen des Leistungsortes -, also letztlich versteckte Diskriminierungen darstellten, 184 führt bei der Frage nach der Reichweite des Art. 59 EGV nicht weiter. Zum einen handelt es sich eher um eine Frage der Terminologie, ob nichtdiskriminirende Beschränkungen der Dienstleistungfreiheit in Wahrheit versteckte Diskriminierungen sind oder nicht. A n der Notwendigkeit einer Rechtfertigung durch zwingende Allgemeininteressen ändert sich dadurch nichts. Zum anderen ist die Unterwerfung unter mehrstaatliches Recht die Folge der Grenzüberschreitung des Dienstleistungsverkehrs. Erst aufgrund des mindestens zwei Staaten berührenden Sachverhalts wird der Anwendungsbereich des Art. 59 EGV überhaupt erst eröffnet. Die Unterwerfung des Dienstleistenden unter mehrstaatliches Recht per se als nicht gemeinschaftskomform und rechtfertigungbedürftig zu werten, bedeutet eine Vermengung mit dem Tatbestandsmerkmal der "Beschränkung". Dies kann vor dem Hintergrund einer Vielzahl von nationalen, den Dienstleistungsverkehr nicht behindernden Maßnahmen nicht richtig sein. 185 Die Bejahung eines grenzüberschreitenden Sachverhalts ist Voraussetzung für die weitere Prüfung, ob die jeweilige nationale Maßnahme tatsächlich eine Beschränkung der Leistungserbringung bedeutet. Sofern dies nicht der Fall ist, kommt es auf die Frage eines diskriminierenden Charakters oder einer Rechtfertigung durch zwingende Allgemeininteressen erst gar nicht an. 186 Eine Übertragung der für die Warenverkehrsfreiheit geltenden Grundsätze auf die Dienstleistungsfreiheit führt zu dem Ergebnis, daß eine zahlenmäßige Beschränkung von Dienstleistern aus dem EU-Ausland verboten ist. Denn der Art. 30 EGV enthält das Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen, die 184

Vgl. Trautwein, Jura 1995,191,193. Zur weitergehenden Frage, ob eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nur dann vorliegt, wenn sie geeignet ist, den Dienstleistungsverkehr - spürbar - zu beeinträchtigen: Kort, JZ 1996,132, 137 f. 186 Zudem hat der EuGH wiederholt festgestellt, daß Art. 59 EGV auch Beschränkungen durch den Staat des Leistungserbringers verbietet, vgl. etwa in der AlpineEntscheidung vom 10.5.1995, NJW 1995, 2541, 2542, Nr. 30. Der Leistungserbringer kann also jegliche, den freien Dienstleistungsverkehr betreffende nationale Maßnahme auf einen Verstoß gegen Art. 59 EGV überprüfen lassen. Sollte tatsächlich eine - nichtdiskriminierende - Beschränkung vorliegen, muß er diese nur gegen sich gelten lassen, wenn sie durch zwingende Allgemeininteressen gerechtfertigt ist. Damit sind die Interessen des Dienstleistungserbringers ausreichend sichergestellt. 185

4. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG und Art. 59 f. EGV

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mit einer quantitativen Beschränkung von Dienstleistungen bzw. Dienstleistungserbringern gleichzusetzen sind. Allerdings setzt eine Folgerung von der Handhabung der Warenverkehrsfreiheit 187 auf den Inhalt der Dienstleistungsfreiheit die Vergleichbarkeit und damit Gemeinsamkeiten voraus. Diese bestehen zunächst darin, daß der Dienstleistungs- ebenso wie der Warenverkehr auf den grenzüberschreitenden Handel ausgerichtet ist und beide Bereiche Parallelen in methodischer und historischer Hinsicht aufweisen. 188 Formell betrachtet, drückt sich das " Parallelbehandlungsgebot" in der gemeinsamen Erwähnung mit den anderen Freiheiten in Art. 3 lit. c EGV aus: "Die Tätigkeit der Gemeinschaft im Sinne des Art. 2 umfaßt [...] einen Binnenmarkt, der durch die Beseitigung der Hindemisse für denfreien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gekennzeichnet ist;" Da die Vorschrift "die Beseitigung von Hindernissen" gleichermaßen für alle Grundfreiheiten formuliert, liegt die Vermutung einer beabsichtigten Gleichbehandlung nahe. Hiergegen ließe sich allerdings einwenden, daß ebenfalls in Art. 3 EGV eine Sonderregelung für den Warenverkehr enthalten ist, in welcher mengenmäßige Beschränkungen bei der Ein - und Ausfuhr von Waren ausdrücklich untersagt werden. 189 Der Art. 3 lit. a EGV wäre überflüssig und ginge inhaltlich in Art. 3 lit. c EGV auf, wenn dieser tatsächlich ein allgemeines Beschränkungsverbot für alle Grundfreiheiten einschließlich der Warenverkehrsfreiheit beschreiben wollte. Im Umkehrschluß liegt die Annahme nahe, daß "die Hindernisse", deren Beseitigung der allgemeine Art. 3 lit. c EGV vorsieht, eben nicht mit den zuvor in Art. 3 lit. a EGV genannten Beschränkungen übereinstimmt, also auch kein allgemeines Beschränkungsverbot enthalten kann. Das Argument einer Parallelbehandlung der Freiheiten wegen der gemeinsamen Erwähnung in Art. 3 lit. c EGV spräche damit sogar gegen eine Auslegung der anderen Grundfreiheiten als allgemeine Beschränkungsverbote.

187 In den beiden grundlegenden Entscheidungen Dassonville und Cassis-de-Dijon hat der EuGH die Warenverkehrsfreiheit über das Diskriminierungsverbot hinaus als allgemeines Beschränkungsverbot angewendet, vgl.: Urteil vom 11. 7. 1979, Rs. 8/74, EuGHE 1974, 837 (Dassonville) und vom 20. 2. 1979, Rs. 120/78, EuGHE 1979, 649; vgl. auch Bleckmann, EuR 1987, 32. 188 Dazu: Knobbe-Keuke, DB 1990, 273; Troberg in: E/B, Vorbemerkung zu Art. 5966, Rn. 20 und Rn. 22 sowie Art. 59 Rn. 8. 189 Art 3 lit. a EGV: "Die Tätigkeit der Gemeinschaft im Sinne des Art. 2 umfaßt [...] die Abschaffung der Zölle und mengenmäßigen Beschränkungen bei der Ein- und Ausfuhr von Waren sowie aller sonstigen Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten;"

272

Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

Die Sonderregelung der Warenverkehrsfreiheit in Art. 3 lit. a EGV begründet jedoch keineswegs zwingend eine einschränkende Auslegung des Art. 3 lit. c EGV. Dagegen spricht bereits der Wortlaut des Art. 3 lit. c, der gerade keine Einschränkung auf bestimmte Hindernisse vorsieht. Darüber hinaus kann das Mengenbeschränkungsverbot in Art. 3 lit. a EGV systematisch auch als besonders hervorgehobener Unterfall der in Art. 3 lit. c EGV geregelten "Beseitigung von Hindernissen" eingeordnet werden. Dafür spricht zunächst die zusätzliche Erwähnung einer "Abschaffung der Zölle" in Art. 3 lit. a EGV, die andernfalls nicht ohne weiteres als Hindernis im Sinne des Art. 3 lit. c EGV zu identifizieren ist. Die Funktion des Art. 3 lit. a EGV läßt sich deshalb auch in einer beispielhaften Konkretisierung des Art. 3 lit. c EGV sehen. Diese Auslegung wird schließlich durch die allgemeine Zielsetzung des Vertrages bestätigt. Nach Art. 2 und Art. 7 Satz 2 EGV besteht die Aufgabe der Gemeinschaft in der Errichtung eines Gemeinsamen Marktes, also eines Raumes ohne Binnengrenzen und "freiem" Waren-, Personen- und Dienstleistungsverkehr. Gemäß Art. 3 a EGV zählt dazu auch die Einführung einer Wirtschaftspolitik, die "dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist. 1,190 Die Formulierungen, insbesondere das Wort "frei", lassen erkennen, daß der zum 1. 1. 1993 verwirklichte Binnenmarkt, (Art. 7 a EGV), durch das Fehlen jeglicher Beschränkungen gekennzeichnet ist, also nicht nur eine bestimmte Art der Behinderung untersagt. Durch die Bezugnahme des Art. 3 EGV auf Art. 2 EGV wird deutlich, daß diese Zielsetzung in Art. 3 EGV mitübernommen wird. Eine einschränkende Auslegung des Art. 3 lit. c EGV auf "alle Hindernisse außer den in Art. 3 lit. a EGV genannten" würde deshalb evident gegen die im ersten Halbsatz des Art. 3 EGV erkennbar gewordene Intention der Norm verstoßen. Erklärt sich somit der Art. 3 lit. a EGV als Unterfall der lit. c EGV, so spricht die gemeinsame Erwähnung der Grundfreiheiten für eine parallele Behandlung. Wegen des Wortlauts von Art. 3 lit. c EGV und der Zielsetzung des Vertrages ist die Dienstleistungsfreiheit als allgemeines Beschränkungsverbot anzuwenden. Damit verbietet die Dienstleistungsfreiheit grundsätzlich auch die zahlenmäßige Beschränkung innerdeutscher Kabotagefahrten von Taxiunternehmern mit Sitz im Ausland durch § 13 Abs. 4 PBefG.

190

Demgegenüber gehören Zutrittsbeschränkungen, wie sie der § 13 Abs. 4 PBefG vorsieht, unter langfristigen Aspekten zu den gravierendsten Wettbewerbsbeschränkungen, s.a. Eickhof/Berkelova, WiSt 1990, 596.

4. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG und Art. 59 f. EGV

273

IV. Exkurs: Qualitative Beschränkung von Dienstleistungsunternehmen im Lichte der EuGH-Rechtsprechung zu Art. 30 EGV In der Keck-Entscheidung vom 24.11.1993191 hat der EuGH nach eigenem Bekunden seine jahrzehntelange Rechtsprechung zur Warenverkehrsfreiheit geändert. Damit stellte sich zugleich die Frage nach den möglichen Auswirkungen auf den Inhalt und die Anwendung der Dienstleistungsfreiheit. 192 Die Bedeutung der Keck-Entscheidung erschließt sich vor dem Hintergrund der vormaligen EuGH Rechtsprechung zur Warenverkehrsfreiheit. Der Gerichtshof hatte 1974 in Sachen Dassonville193 entschieden, daß unter den gemäß Art. 30 EGV verbotenen "Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen" jedenfalls Handelsregelungen der Mitgliedstaaten mit der Eignung zu verstehen seien, den innerstaatlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern. 194 Solche Behinderungen sah der EuGH im Fall Cassis-de-Dijon auch in der nationalen Festsetzung eines Mindestweingeistgehalts für Trinkbranntweine, soweit davon die Einfuhr alkoholischer Getränke betroffen war, die in ihrem Herkunftsstaat bereits rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht worden waren. 195 Die exportierenden Unternehmen sollten nicht gezwungen werden, die - unter Umständen einander widersprechenden - Zulassungsvorschriften zweier EUStaaten erfüllen zu müssen, selbst wenn die betreffende nationale Vorschrift unterschiedslos auch für die im Inland veräußerten Produkte einheimischer Unternehmen galt. Ausgenommen hiervon wurden Vorschriften, die durch einen im Allgemeininteresse liegenden, den Erfordernissen des freien Warenverkehrs vorgehenden Zweck gerechtfertigt waren. 196 Mit der Entscheidung in Sachen Keck 197 schien der EuGH - ganz entgegen seiner erkennbar gewordenen Tendenz bei der Auslegung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit von der Auslegung der Warenverkehrsfreiheit als allgemeinem Beschränkungsverbot mit Rechtfertigungsmöglichkeit zugunsten einer Interpretation als - reinem - Diskriminierungsverbot abzurücken. In dem Urteil heißt es nach Darlegung der Grundsätze aus den Urteilen Dassonville und Cassis-de-Dijon:

191

EuGH, Rs. C-267/91 und C-268/91, Strafverfahren gegen Bernard Keck und Daniel Mithouard, EuZW 1993, 770 (=NJW 1994,121). 192 So etwa bei Kort, JZ 1996, 132, 136 ff. 193 EuGH, Urteil vom 11.7.1974, Rs. 8/74, Slg 1974, 837 ff. 194 EuGH, Slg. 1974, 837, 852, Nr. 5. 195 EuGH, Urteil vom 20.2.1979, Rs. 120/78, Slg. 1974, 649, 664, Nr. 15. 196 EuGH, Urteil vom 20.2.1979, Rs. 120/78, Slg. 1974, 649, 664, Nr. 15. 197 EuGH, Urteil vom 24.11.1993, Rs. C-267/91 und C-268/91, Strafverfahren gegen Bernard Keck und Daniel Mithouard, EuZW 1993, 770 (= NJW 1994, 121). 18 Bardarsky

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Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

"Demgegenüber ist entgegen der bisherigen Rechtsprechung [1] die Anwendung nationaler Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten [2] beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne des Urteils Dassonville [...] unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten [3], die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise [4] berühren ." 1 9 8 Die Entscheidung hat in der Literatur ein nachhaltiges Echo und die Frage ausgelöst, ob es sich tatsächlich um einen Umschwung der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung handelt und der Gerichtshof den Art. 30 EGV fortan insgesamt als reines Diskriminierungsverbot verstanden wissen will. 1 9 9 Dafür sprechen die vom EuGH selbst gewählte Formulierung - "entgegen der bisherigen Rechtsprechung" - und der Wortlaut. Denn der Gerichtshof stellt in der zitierten Passage nicht mehr auf rechtfertigende Allgemeininteressen, sondern allein auf Gesichtspunkte einer direkten [3] oder indirekten [4] Diskriminierung ab. Andererseits bezieht sich die Aussage allein auf bestimmte Verkaufsmodalitäten [2] und damit nur auf einen Teil der "Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen". Tatsächlich hat dèr EuGH lediglich klargestellt, daß - insoweit "entgegen der bisherigen Rechtsprechung" [1], insbesondere in Sache Dassonville - nicht jedes potentielle Hemmnis für den freien Warenverkehr von vornherein dem Schutzbereich des Art. 30 EGV unterfällt und damit eine Prüfung von Allgemeininteressen erforderlich macht. 200 Für

198

EuGH, NJW 1994, 121, Nr. 16. In der Hünermund-Entscheidung vom 15. 12. 1993 (Rs. C-292/92, EuZW 1994, 119 ff.) hat der EuGH diese Rechtsprechung bestätigt, indem er die "Dassonville" - Formel mittels eines "sofern'-Zusatzes um die KeckGrundsätze reduzierte, aaO, Seite 120, Nr. 21: "Insoweit ist daraufhinzuweisen, daß die Anwendung nationaler Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten nicht geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne des Urteils Dassonville (EuGH, Slg. 1974 = NJW 1975, 515) unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berühren." 199 Vgl. etwa: Koenig/Sander, EuZW 1996, 8 ff; Kort, JZ 1996, 132 ff; Möschel, NJW 1994,429 ff; Arndt, NJW 1994,121; Sedemund/Montag, NJW 1994, 625 ff; Fezer, JZ 1994, 317 ff; Remien, JZ 1994, 349 ff; instruktiv auch zum Verfahrensablauf: Lenz, NJW 1994,1633 ff. 200 So begründet der EuGH die Überprüfung und Klarstellung seiner einschlägigen Recht-sprechung eingangs mit der Bemerkung: "Da sich die Wirtschaftsteilnehmer immer häufiger auf Art. 30 EWGV berufen, um jedwede Regelung zu beanstanden, die

4. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG und Art. 59 f. EGV

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produktbezogene Beschränkungen, wie sie der EuGH unter Bezugnahme auf die Cassis Entscheidung auch in dem Keck Urteil erwähnt, 201 bleibt es bei den bisher aufgestellten Rechtfertigungsanforderungen. 202 Regelungen über " Verkaufsmodalitäten" [2] unterfallen dagegen nicht mehr dem Verbot des Art. 30 EGV, sofern sie nicht diskriminierenden Charakter besitzen. Damit stellt sich die Frage nach einer Eingrenzung des Begriffs "Verkaufsmodalitäten". 203 Zuzustimmen ist hier der Auffassung, wonach eine Auslegung an Wortlaut und Sinn des Art. 30 EGW zu erfolgen hat. 204 Wenn nach dem Wortlaut von Art. 30 EGV mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen und diesen gleichgestellte Maßnahmen verboten sind, so kann es sich bei "Verkaufsmodalitäten" nur um Maßnahmen handeln, die von der Wirkung her nicht mit mengenmäßigen Beschränkungen vergleichbar sind. Anders ausgedrückt, betreffen die damit angesprochenen Regelungen nicht das "Ob", sondern das "Wie" des Verkaufs. 205 Dies impliziert bereits der vom EuGH verwendete Begriff der "Modalitäten" an sich. 206 Läßt sich die Frage nach dem Inhalt der erlaubten "Verkaufsmodalitätenregelungen" für den Bereich der Warenverkehrsfreiheit bereits nicht eindeutig beantworten, gilt dies in noch höherem Maße für eine Übertragung der Keck-Entscheidung auf die Dienstleistungsfreiheit - was sind "Dienstleistungserbringungsmodaltäten"? Die Übertragbarkeit der Keck-Rechtsprechung an sich ist von vornherein zweifelhaft, weil die Dienstleistung naturgemäß viel stärker mit dem Aspekt "Vertrieb", also der Art und Weise der Leistungserbringung,

sich als Beschränkung ihrer geschäftlichen Freiheit auswirkt, auch wenn sie nicht auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten gerichtet ist, [...]." 201 Vgl. EuGH, NJW 1994,121 Nr. 15 für bestimmte nationale Vorschriften über die Bezeichnung von Waren, "ihrer Form, ihrer Abmessung, ihres Gewichts, ihrer Zusammensetzung, ihrer Aufmachung, ihrer Etikettierung und ihrer Verpackung [...]." Vgl. auch die Beschreibung von Maßnahmen im Sinne der Art. 30 ff. EGV in der Richtlinie 70/50 EWG vom 22. 12. 1969, ABl. Nr. L I 13/29, insbesondere unter Art. 2 Abs. 3 lit. j). 202 Vgl. auch: Koenig/Sander, EuZW 1996, 8, 10; Möschel, NJW 1994, 429, 430; Fezer, JZ 1994, 317, 320. 203 Vgl. auch Remien, JZ 1994,349, 353. 204 Arndt, Jus 1994,469,472 f. 205 So auch Arndt, Jus 1994,469,473. 206 Eine weitere Eingrenzung läßt sich der Intention des EuGH entnehmen, die Berufung auf Art. 30 EGV in dem Fall von vornherein zu versagen, in dem die angegriffene Regelung "nicht auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten gerichtet ist", EuGH, NJW 1994, 121, Nr. 14. Als Abgrenzungskriterium vermag dies jedoch nicht zu befriedigen, weil durchaus Modalitätsregelungen denkbar sind, die für ausländische Hersteller und Anbieter praktisch kaum einzuhalten sind und im Ergebnis einer mengenmäßigen Beschränkung gleichkommen. Die Eingrenzung für solche Maßnahmen wäre dann über das Verbot - auch versteckter - Diskriminierungen nach Art. 6 EGV vorzunehmen. 18*

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Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

verbunden ist als bei der Warenverkehrsfreiheit, wo zwischen den verschiedenen Phasen - Herstellung und Verkauf - in der Regel deutlich unterschieden werden kann. 207 Als kleinster gemeinsamer Nenner dürfte zunächst feststehen, daß Waren- und Dienstleistungen ohne Auslandsberührung von vornherein aus dem Anwendungsbereich der Artikel 30 und 59 EGV herausfallen. Anknüpfend an die Unterscheidung zwischen Regelungen die das "Ob", und solchen die das "Wie" des Verkaufs betreffen sind Zulassungsbeschränkungen im Bereich der Dienstleistungsfreiheit nicht mit "Verkaufsmodalitäten" gleichzusetzen, unabhängig davon, ob es sich um objektive oder subjektive Zulassungskriterien handelt. Hier bleibt es demnach bei der Anwendung der Dienstleistungsfreiheit als Beschränkungsverbot mit Rechtfertigungsmöglichkeit. Demgegenüber sind Regelungen, welche Modalitäten bei der Ausübung der Dienstleistungen - zeitlich also nach erfolgter Zulassung - betreffen, grundsätzlich zulässig, es sei denn, sie verstoßen gegen das Diskriminierungsverbot. Auf das Taxengewerbe übertragen hieße dies, daß neben der objektiven Schranke in § 13 Abs. 4 PBefG auch die subjektive Zulassungsbeschränkung in § 13 Abs. 1 PBefG als Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit grundsätzlich verboten ist und ihre Anwendung eine besondere Rechtfertigung durch überwiegende Allgemeininteressen voraussetzt. Demgegenüber betreffen etwa die Betriebs-, Beforderungs- und die Tarifpflicht (§§ 21, 22, 39 PBefG) sowie die Regelungen über die Ausstattung der Taxenfahrzeuge und das Eigenwerbeverbot (§§ 25 - 29, 41, 26 Abs. 3 BOKraft) Modalitäten der Berufsausübung und verletzen nach den Keck'schen Grundsätzen nur im Falle einer Diskriminierung die Dienstleistungsfreiheit. Zumindest unter dem Gesichtspunkt der versteckten Diskriminierung könnte dies bei einem größeren Teil der für Taxenunternehmer geltenden Regelungen der Fall sein - welcher im Grenzgebiet ansässige ausländische Unternehmer kann es sich etwa leisten, sein Fahrzeug zusätzlich nach den Vorschriften der BOKrafi, z.B. mit elfenbeinweißem Anstrich und geeichtem Tarifzähler auszustatten? Bei einander widersprechenden Regelungen in den Nachbarstaaten über die Ausstattung der Taxen wäre die Dienstleistungsfreiheit faktisch nicht durchsetzbar. Im Ergebnis ist also jede Regelung für Taxen darauf zu untersuchen, ob sie entweder diskriminierend wirkt oder durch zwingende Allgemeininteressen gerechtfertigt ist. Eine Abwendung von der Keck'schen Differenzierung nach Regelungen der Produktzulassung und von Verkaufsmodalitäten deutet die Entscheidung in Sachen Gebhard 208 an. Dort hatte der EuGH ganz allgemein festgestellt, daß nationale Maßnahmen, welche die Ausübung der Freiheiten behindern, kumulativ die genannten vier Voraussetzungen erfüllen müßten. Danach wären also 207 208

So auch Kort, JZ 1996,132,136. EuGH, NJW 1996,579 ff.

4. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG und Art. 59 f. E G V 2 7 7

auch Verkaufsmodalitäten, die ganz sicher die Ausübung der Warenverkehrsfreiheit weniger attraktiv machen, nur zulässig, wenn sie auch aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt sind. Der Tenor der KeckEntscheidung wäre damit zugunsten einer einheitlichen Anwendung aller Grundfreiheiten des EGV aufgehoben. Abzuwarten bleibt, ob der EuGH diese Parallelschaltung beibehält oder die in dem Keck-Urteil vorgenommene Differenzierung durch Kasuistik weiter zu verfeinern sucht. Wünschenswert ist allein ersteres. Allein durch ein grundsätzliches Beschränkungsverbot mit Rechtfertigungsvorbehalt läßt sich die im EGV vorgegebene Prämisse erreichen: der Gemeinsame Binnenmarkt mit freiem Waren-, Personen- und Dienstleistungsverkehr. 209 B. Die Auslegung im Verkehrsbereich I. Die Rechtsprechung des EuGH Da der EuGH eine unmittelbare Anwendbarkeit der Dienstleistungsfreiheit auf das Verkehrswesen bislang verneint hat, verwundert es kaum, daß seine Äußerungen über den Inhalt der Dienstleistungsfreiheit im Verkehr sehr zurückhaltend sind. In seiner Entscheidung von 22.5.1985210 hatte der Gerichtshof zwar unter Hinweis auf Art. 61 Abs. 1 EGV festgestellt, daß sich die Dienstleistungsfreiheit im Verkehr nur unter Berücksichtigung der Art. 74 ff. EGV verwirklichen lasse. Diese Vorschriften enthalten jedoch keine Aussage über den konkreten Inhalt der Dienstleistungsfreiheit, sondern beschreiben nur den zu regelnden Bereich. 211 Daraus könnte nun gefolgert werden, daß lediglich der Zeitpunkt einer Umsetzung der Art. 59, 60 EGV im Verkehrsbereich unklar sei, ihr Inhalt als allgemeines Beschränkungsverbot aber feststehe. Die Äußerungen des EuGH lassen insofern jedoch Zweifel aufkommen, wenn er feststellt, es werde zu Recht geltend gemacht, "daß der Rat gemäß Artikel 75 Absatz 1 Buchstaben a und b unter anderem zur Einführung der Dienstleistungsfreiheit auf dem Gebiet des Verkehrs verpflichtet ist und daß der Umfang dieser Verpflichtung durch den Vertrag eindeutig bestimmt wird. Aufgrund der Artikel 59 und 60 umfassen nämlich die zwingenden Erfordernisse der Dienstleistungsfreiheit, wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 17. Dezember 1981 in der Rechtssache 279/80 (Webb, Slg. 1981, 3305) enschieden hat, das Gebot der Beseitigung sämtlicher Diskriminierungen des Leistungserbringers

209 2,0

2080. 211

Vgl. die Stellungnahmen im 3. Teil, Kapitel 3 und 4. Slg. 1985, 1556fif. = Transportrecht 1986, 110; Teilabdruck auch in NJW 1985, Vgl. z.B. Art. 75 EGV.

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Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder des Umstandes, daß er in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ansässig ist, in dem die Dienstleistung erbracht werden soll." 212 Der EuGH geht in der Entscheidung mit keinem Wort auf eine Anwendung der Dienstleistungsfreiheit als allgemeines Beschränkungsverbot ein, sondern reduziert seine Anwendung im Verkehrsbereich scheinbar von vornherein auf ein Diskriminierungsverbot. Zu diesem Verständnis paßt dann allerdings die Bezugnahme auf das Urteil in Sachen Webb nicht. Denn in dieser Entscheidung hat der Gerichtshof die Dienstleistungsfreiheit gerade nicht auf ein Diskriminierungsverbot beschränkt, sondern festgestellt: "Der freie Dienstleistungsverkehr als fundamentaler Grundsatz des Vertrages darf nur durch Regelungen beschränkt werden, die durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt sind und [!] die für alle im Hoheitsgebiet des Staats, in dem die Dienstleistung erbracht werden soll, tätigen Personen [...] verbindlich sind [...]. 1 , 2 1 3 Die Reduzierung auf ein Diskriminierungsverbot begründet der Gerichtshof dann etwas später mit denWorten: "In Anbetracht der Unterschiede, die zwischen den Arbeitsmarktverhältnissen der verschiedenen Mitgliedstaaten bestehen können sowie angesichts der Verschiedenheit der Beurteilungsmaßstäbe, die an diese Art von Tätigkeit angelegt werden, kann dem Mitgliedstaat, in dem die Leistung erbracht werden soll, nicht das Recht abgesprochen werden, eine Genehmigung zu verlangen, die unter denselben Voraussetzungen wie für seine eigenen Staatsangehörigen erteilt wird." Analog hierzu könnten die "Unterschiede der Verkehrsverhältnisse in den einzelnen Mitgliedstaaten" den EuGH zu der Annahme bewegt haben, daß die Dienstleistungsfreiheit im Verkehrswesen pauschal auf ein Diskriminierungsverbot zu reduzieren sei, obwohl sie im Grundsatz als allgemeines Beschränkungsverbot verstanden wird. Dogmatisch betrachtet begründen diese Unterschiede ein zwingendes Allgemeininteresse des Staates und damit die Rechtfertigung für die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit. Allerdings be-

212

EuGH, Slg. 1985,1556 ff., Nr 64. EuGH-Urteil vom 17. Dezember 1981, Rs. 279/80, Strafverfahren gegen Alfred Webb, Slg. 1981, 3305 Leitsatz 3 und Seite 3325, Nr 17. Konsequent hat der EuGH dann weiter auf solche Allgemeininteressen abgestellt und geäußert, daß es den Mitgliedstaaten freistehe, eine Genehmigungsregelung für die Arbeitnehmerüberlassung einzuführen, "um die Genehmigung versagen zu können, wenn die begründete Befirchtung besteht, daß diese Tätigkeit gedeihliche Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt beei trächtigen würde oder daß dabei die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer unzu länglich gewahrt würden." (Seite 3325, Nr. 19). 213

4. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG und Art. 59 f. E G V 2 7 9

rücksichtigt der EuGH auch in späteren Entscheidungen die Dienstleistungsfreiheit im Verkehrswesen lediglich als Diskriminierungsverbot. 214 In einem Urteil von 1994 prüfte der Gerichthof im Zusammenhang mit dem Seeverkehr, ob die gerügte Norm gegen die Dienstleistungsfreiheit des Art. 59 EGV verstoße, weil sie nach der Staatsangehörigkeit diskriminiere. 215 Nachdem dieser Aspekt verneint worden war, bezog sich der EuGH auf die Ansicht des vorlegenden Gerichts, das eine unzulässige Beschränkung des Art. 59 EGV auch durch nicht diskriminierende Regelungen angenommen hatte. Bei der anschließenden Prüfung stellte der EuGH dann aber im wesentlichen lediglich fest, daß die umstrittene Norm objektiv für alle Schiffe gelte und den italienischen Transportunternehmen keinen besonderen Vorteil verschaffe. M.a.W. war ein Verstoß gegen Art. 59 EGV deshalb nicht gegeben, weil die streitgegenständliche Vorschrift keine Diskriminierung enthielt. Auch in der Entscheidung Corsica Ferries 216 stellte der EuGH im Zusammenhang mit unterschiedlichen Tarifen für Lotsendienste im Seeverkehrssektor allein auf die Dienstleistungsfreiheit als Diskriminierungsverbot ab, formuliert dann aber wieder mißverständlich, wenn er sagt, daß sich ein Unternehmer "auf den freien Dienstleistungssektor [...] und insbesondere auf das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit berufen könne" 2 1 7 Durch die Verwendung des Wortes "insbesondere" wird deutlich, daß die Dienstleistungsfreiheit eben nicht nur ein Diskriminierungsverbot enthalten kann. Insgesamt läßt sich den wenigen Entscheidungen in diesem Bereich die Tendenz des EuGH entnehmen, die Dienstleistungsfreiheit im Verkehrswesen als reines Diskriminierungsverbot anzuwenden. II. Die Meinungen in der Literatur Sofern das Problem in der Literatur überhaupt thematisiert wird, gehen die Äußerungen zumeist nicht über die reine Feststellung hinaus, daß auf Kabotagefahrten Gebietsfremder weiterhin nationale Vorschriften anzuwenden seien.

214 In der Sache Pinaud Wieger, EuGH, Rs. C-17/90, EuZW 1992, 62 (= TranspR 1992, 14 f.) wurde dem EuGH die Frage vorgelegt, ob Art. 59 EGV für einen Güterverkehrsunternehmer mit Sitz im Ausland unmittelbar anwendbar sei, wenn dieser bereit sei, die innerstaatlichen Tarife zu erbringen. Der Gerichtshof erklärte Art. 59 EGV für zur Zeit nicht unmittelbar anwendbar, ohne dabei auf die Frage eingehen zu müssen, ob das Freiheitsrecht über ein Diskriminierungsverbot hinausgeht. 215 EuGH, Urteil vom 14. Juli 1994,1. 3487 ff, Nr. 36 ff, 49 ff. 216 EuGH, Urteil vom 17. Mai 1994, Rs. C-18/93, Corsica Ferries Italia Srl gegen Corpo dei piloti del porto di Genova, Slg. 1812 ff, Nr. 10 ff. 217 EuGH Slg. 1994,1812,1822, Nr. 30, s.a. Seite 1823 f., Nr. 37 .

280

Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

Zum Teil wird auch auf das EuGH-Urteil vom 22.5.1985 Bezug genommen. Aus dem dort formulierten Verbot einer Diskriminierung im Rahmen des Art. 75 Abs. 1 lit. b EGV folgert etwa Mückenhausen: "Erlaubt sind demnach nicht diskriminierende, aus öffentlichen Interessen gerechtfertigte Beschränkun" gen." 218 Auch Basedow konstatiert unter Bezugnahme auf das EuGH-Urteil, daß die Dienstleistungsfreiheit "zunächst keinen uneingeschränkten Anspruch auf Zulassung zum Verkehr, sondern nur einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit Inländern" gewähre. 219 Mit der Feststellung, daß eine Gleichbehandlung für ausländische Bewerber - wegen der nur selten frei verfügbaren Konzessionen allenfalls eine "formale und keine effektive Dienstleistungsfreiheit" im Sinne des Urteils van Binsbergen bringe, gelangt Basedow jedoch zu der Schlußfolgerung, daß letztlich das deutsche Konzessionssystem aufgegeben werden müsse. Eine effektive "Gleichbehandlung" der Ausländer sei bei Beibehaltung des Systems nicht zu erreichen. 220 Im Ergebnis versteht Basedow also die Dienstleistungsfreiheit im Verkehr - trotz des gebrauchten Terminus "Gleichbehandlung" - als ein allgemeines Beschränkungsverbot. Vorsichtiger äußert sich Frohnmeyer unter Bezugnahme auf Art. 75 Abs. 1 lit. b EGV: "Die Tatsache, daß für die Zulassung nicht ansässiger (gebietsfremder) Unternehmer von Bedingungen die Rede ist, deutet darauf hin, daß die Vertragspartner keine unbeschränkte Zulassung nicht ansässiger Verkehrsunternehmer, sondern nur gleichartige Regeln für deren Zulassung in allen Ms ins Auge faßten. Diese Regeln müssen aber nach dem Urt. des EuGH Rs. 13/83 - Verkehrspolitik - (Slg. 1985, 153, s.a. Art. 74 Rn. 72 ff.) zumindest sicherstellen, daß alle auf die Staatsangehörigkeit oder den Sitz abstellenden Diskriminierunggen für gebietesfremde Unternehmer aus der Gem. vermieden oder beseitigt werden

Frohnmeyer ist sich, wie die Einflechtung des Wortes "zumindest" deutlich macht, keinesweges sicher, ob der EuGH für den Bereich des Verkehrswesens tatsächlich eine allgemeinverbindliche Reduzierung der Dienstleistungsfreiheit auf ein Diskriminierungsverbot als zwingend voraussetzt. Er selbst plädiert aber für eine "Übergangszeit" bei der Einführung einer allgemein unbeschränkten Kabotage: 218

Mückenhausen in: Lenz, Art. 74, Rn. 6; vgl. auch: Brandt, TranspR 1989,247. Basedow, TransportR 1989, 405. Die Ausführungen beziehen sich zwar in erster Linie auf den Güterkraftverkehr, treffen aber ebenso auf das Taxengewerbe zu. Dogmatisch läßt sich eine unterschiedliche Behandlung von Bewerbern für die beiden Verkehrsträger jedenfalls nicht begründen. 220 Basedow, aaO, Seite 405/406. 221 Frohnmeyer, in: Grabitz/Hilf, Art. 75, Rn. 30 (Abkürzung "Gem", steht für Gemein-schaft); zustimmend: Mückenhausen, in: Lenz, Art. 75, Rn. 9. 219

4. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG und Art. 59 f. E G V 2 8 1

"Nach dem Grundgedanken des Art. 75 Abs. 3 letzter Halbsatz wird man bei der Auslegung des materiellen Inhalts der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 75 Abs. 1 b einen dynamischen Maßstab anlegen müssen. Danach wäre der anfangs möglicherweise restriktive Umfang der Bedingungen für die Zulassung nicht ansässiger Unternehmer zu innerstaatlichen Beförderungen im Zuge der Gesamtentwicklung des Binnenmarktes (einschließlich der Entwicklung der Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen) fortschreitend zu lockern, sofern nicht übergeordnete Gesichtspunkte (Kapazitätsgrenzen) entgegenstehen."222 Erdmenger wies im Zusammenhang mit der Parallelproblematik im Güterkraftverkehr darauf hin, daß eine formale Gleichbehandlung nichtansässiger Unternehmer durch die Eintragung in eine nationale Warteliste den Anforderungen der Dienstleistungsfreiheit nicht genügen würden. 223 Nach Ansicht von Rogge224 führt gerade die Reduzierung der Dienstleistungsfreiheit auf ein Diskriminierungsverbot dazu, daß "gleiche Marktchancen in den einzelnen Gemeinschaftstaaten auf Sicht nicht bestehen werden und zudem für die Unternehmer praktische Schwierigkeiten bei der notwendigen Kenntnis der nationalen Rechtsmaterie bestehen werden." Rogge versteht die Dienstleistungsfreiheit deshalb im Sinne eines Beschränkungsverbotes mit Rechtfertigungsmöglichkeit, wenn er meint, daß die Gemeinschaft in weiteren Schritten zur Vollendung des Binnenmarktes nicht umhin könne, die Märkte konkret abzugrenzen, in -denen eine Marktzugangsbeschränkung zu rechtfertigen sei. 225 III. Stellungnahme Gemäß Art. 61 EGV gelten für den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs die Bestimmungen des Titels über den Verkehr. Die Formulierung "gelten ... für" ist so allgemein gehalten, daß sie zwei Interpretationsmöglichkeiten bietet. Nach der ersten Variante gelten die Art. 59 ff. EGV grundsätzlich auch im Verkehrswesen und werden durch die Art. 74 ff. EGV lediglich ergänzt. Andererseits kann Art. 61 EGV auch dahin verstanden werden, daß die Art. 59 ff. EGV durch die Art. 74 ff. EGV vollständig ersetzt werden und in diesem Bereich überhaupt nicht zu berücksichtigen sind. Die letztgenannte Auffassung scheitert jedoch an der eindeutigen Formulierung in Art. 74 EGV. Dort heißt es:

222 223 224 225

Frohnmeyer, in: Grabitz/Hilf, Art. 75, Rn. 30 f. Erdmenger, EuR 1985,384. Rogge, in: Lenz, EG-Handbuch, Teil 11, C 5 (Seite 638). Rogge, aaO, Seite 639.

282

Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

"Auf dem in diesem Titel geregelten Sachgebiet verfolgen die Mitgliedstaaten die Ziele dieses Vertrages im Rahmen einer gemeinsamen Verkehrspolitik." Durch die Einbeziehung der Vertragsziele, also der Art. 2 und 3 EGV, wird klargestellt, daß die Grundfreiheiten auch im Verkehrswesen umgesetzt werden sollen. Die Art. 74 ff. EGV beinhalten also lediglich Hinweise auf die Art und Weise "wie" die Umsetzung erfolgen kann, ändern aber nichts an dem "Ob" und ersetzen das angestrebte Ziel auch nicht. Diese Auffassung hat auch der EuGH in seiner Entscheidung vom 4. April 1974 vertreten. Darin heißt es unter Bezugnahme auf die Art. 2 und 3 EGV: "Die Vorschriften über die gemeinsame Verkehrspolitik dienen nicht dazu, diese Grundsatzbestimmungen außer Kraft zu setzen, sondern gerade dazu, ihnen Wirksamkeit zu verleihen und sie durch gemeinsame Aktionen auszufüllen. Sofern sich diese Ziele mit Hilfe der besagten allgemeinen Vorschriften irgend erreichen lassen, sind diese Vorschriften auch anzuwenden [...]." 226 In der Konsequenz bedeutet dieses Grundverständnis über das Verhältnis der Art. 59 ff. und 74 ff. EGV zueinander, daß die Dienstleistungsfreiheit auch im Verkehr grundsätzlich als allgemeines Beschränkungsverbot anzuwenden ist. Dies hat allerdings nicht automatisch zur Folge, daß in allen Verkehrsbereichen die freie Kabotage zu gestatten ist. Auch die Vertreter einer liberalen Interpretation der Art. 59, 60 EGV machen eine Einschränkung, indem sie als Regulativ auf entgegenstehende "zwingende Allgemeininteressen" abstellen. In Art. 75 EGV findet diese Auffassung ihre besondere Ausprägung, da die Vorschrift auf die "Besonderheiten des Verkehrs" abstellt, die bei der Umsetzung der Vertragsziele zu berücksichtigen seien. Systematisch handelt es sich dabei um einen besonderen Rechtfertigungsgrund. Dies führt im Ergebnis zunächst zu der Feststellung, daß die Dienstleistungsfreiheit in Form eines allgemeinen Beschränkungsverbotes in all den Verkehrsbereichen zu verwirklichen ist, in denen "die Besonderheiten des Verkehrs" nicht entgegenstehen. Der Inhalt der "Besonderheiten" ist umstritten. 227 Die Argumente, aus denen der Gesetzgeber das Versagen des Marktes und damit die Notwendigkeit einer staatlichen Regulierung ableitete, entstammen der normativen Regulierungstheorie. 228 Dabei handelt es sich um die betriebs- oder volkswirtschaftlichen

226

EuGH-Urteil vom 4. April 1974, Rs. 167/73, Kommission/Französische Republik, Slg. 1974, 359, 370 f. 227 Vgl. Mückenhausen in: Lenz, Art. 75, Rn. 3; Oppermann, Rn. 1309 m.w.N. 228 Vgl. oben: 2. Teil, 1. Kap., 2. Abschn., Β. II. § 4 ; Basedow/Dolfen, in: Dauses, L, Rn. 24 ff.

4. Kapitel: Vereinbarkeit des § 13 Abs. 4 PBefG und Art. 59 f. E G V 2 8 3

Besonderheiten, deren Berechtigung oben bereits untersucht worden ist. 229 Im Ergebnis bestehen jedenfalls im Taxengewerbe keine wirtschaftlichen Besonderheiten, die eine zahlenmäßige Zulassungsbeschränkung rechtfertigen können.230 In noch höherem Maße trifft dies für die Beschränkung von Kabotagefahrten zu, da diese Beförderungen ohnehin nur auf die Grenzgebiete beschränkt sind und zahlenmäßig gegenüber den Beförderungen deutscher Unternehmer kaum ins Gewicht fallen. Ihre Hauptbedeutung dürfte deshalb darin liegen, leere Rückfahrten zu vermeiden, zu denen die Taxiunternehmer nach der bisherigen Rechtslage gezwungen sind. 231 In der Literatur wird vorgeschlagen, den Umstand, daß die Mitgliedstaaten eigenwillige gesetzliche Sonderlösungen für den Verkehr gewählt haben, beispielsweise die Verstaatlichung der Eisenbahn und hoheitliche Investitionen in die Verkehrswege als Besonderheit im Sinne des Art. 75 EGV zu werten. 232 Dieses Verständnis von den Besonderheiten begegnet jedoch grundsätzlichen Bedenken. Zum einen würde damit durch die Hintertür ein von den Staaten auf nationaler Ebene geschaffener status quo in Sachen "Zulassungsbeschränkungen" nachträglich gebilligt, anstatt umgekehrt deren Zulässigkeit an der Dienstleistungsfreiheit zu messen. Zum anderen wird die grundsätzliche Normenhierarchie mißachtet, da den Bestimmungen des EGV Vorrang vor natio-

229

Vgl. wie soeben, oben 1 b) und c). Allgemein hierzu Basedow/Dolfen in: Dauses, L, Rn. 30; Frohnmeyer in: Grabitz/Hilf, Art. 75, Rn. 23 mit dem Hinweis auf eine nur "bedingte Relevanz" der Besonderheiten. 231 Dazu auch die Europäischen Kommission, die der Dienstleistungsfreiheit bei der grenzüberschreitenden Erbringimg von Taxidiensten explizit Priorität in der gemeinsamen Verkehrspolitik der Jahre 1993 und 1994 einräumte, in: Kommission 93, Seite 68 und Anhang ΙΠ; Seite 68: " Bei den Taxidiensten sollten vorrangig die Märkte liberalisiert werden, in denen tatsächlich ein Gewinnpotential besteht, etwa grenzüberschreitende Taxidienste vor allem in Grenzregionen. Aufgrund nationaler und lokaler Beschränkungen sind die Unternehmer heute beispielsweise noch häufig verpflichtet, leer zu fahren, obwohl bisweilen durchaus Bedarf vorhanden wäre, z.B. bei Rückfahrten. [...] Bei einer Liberalisierung in diesem Bereich, beispielsweise durch eine generelle Freigabe der Kabotage, wäre allerdings zu berücksichtigen, daß Taxifahrer profunde Ortskenntnisse besitzen müssen. Dennoch wäre eine Prüfung der Voraussetzungen und Beschränkungen für Taxidienste angebracht, um zu beurteilen, wie Liberalisierungsmaßnahmen dazu beitragen können, daß neuartige Leistungsangebote entwickelt werden, die eine echte Alternative zur Verwendung des Pkw darstellen oder bei denen anders als bei herkömmlichen Taxidiensten nur ein Kunde aufs Mal bedient wird. Flexible Kleinbusdienste (Sammeltaxen) unter Einsatz modemer Telematik könnten den Stadt- und Überlandverkehr bereichem, unter anderem durch die Bedienung und Verknüpfung von Hochgeschwindigkeitsbahnhöfen und Flughäfen in transeuropäischen Netzen." 232 Erdmenger, in: E/B, Art. 75, Rn. 23 . 230

284

Dritter Teil: Vereinbarkeit der objektiven Zulassungsbeschränkung

nalen Regelungen einzuräumen ist. 233 Schließlich dürften sich Sonderregelungen, die mit den oben genannten (hohe Investitionen in Verkehrswege etc.) vergleichbar sind, für das Taxigewerbe kaum finden lassen. Sofern dem entgegengehalten wird, daß der Verkehr insgesamt zu betrachten sei und nicht nur bestimmte Ausschnitte wie einzelne Verkehrsarten, kann sinngemäß auf die Ausführungen des BVerfG von 1960 verwiesen werden. 234 Im Ergebnis kann somit festgestellt werden, daß die Dienstleistungsfreiheit auch im Verkehrssektor als allgemeines Beschränkungsverbot anzuwenden ist. 3. Abschnitt Zusammenfassung und Zwischenergebnis 1. Die Dienstleistungsfreiheit gilt seit dem 1.1.1993 unmittelbar in der Bundesrepublik Deutschland. 2. Die Dienstleistungsfreiheit ist spätestens mit Ablauf des 31.12.1992 auf die in Art. 84 Abs.l EGV genannten Verkehrsarten anzuwenden, und zwar als allgemeines Beschränkungsverbot mit Rechtfertigungsmöglichkeit. 3. Das Verbot einer innerdeutscher Kabotage durch Taxiunternehmern mit Sitz im EU-Ausland verstößt gegen die in diesem Sinne verstandene Dienstleistungsfreiheit. Wegen der Anwendung der Dienstleistungsfreiheit als allgemeines Beschränkungsverbot verstößt § 13 Abs. 4 PBefG als intensivste Form einer Beschränkung gegen die Art. 59, 60 EGV. 4. Eine Rechtfertigung ist nicht möglich, da für das Taxengewerbe keine Besonderheiten im Sinne des Art. 75 EGV bestehen. 5. Taxiunternehmern mit Sitz im Ausland ist damit die vorübergehende (Art. 60 Satz 3 EGV) Erbringung von Beförderungsleistungen in Deutschland ohne

233 Dazu oben, Fn. 820. Der EuGH hat bereits 1964 festgestellt, daß die Mitgliedstaaten durch die Gründung der Europäischen Gemeinschaften ihre Souveränitätsrechte beschränkt und einen Rechtskörper geschaffen haben, der für ihre Angehörigen und sie selbst verbindlich ist. Wegen des Wortlauts und des Geistes des Vertrages sei es für die Mitgliedstaaten unmöglich, nachträglich einseitige Maßnahmen gegen die von ihnen auf der Grundlage der Gegenseitigkeit angenommenen Rechtsordnung zu treffen, vgl.: EuGH, Rs. 6/64, Costa/ENEL, Slg. 1964, 1251, 1269 f.; s.a. EuGH, Rs. 106/77, Staatliche Finanzverwaltung/ Simmenthai, Slg. 1978, 629 ff. sowie Rs. 249/85, Albako/Bundesanstalt für landwirtschaft-liche Marktordnung, Slg. 1987,2345 ff. 234 BVerfGE 11,168,174.

5. Kapitel: Ergebnis

285

Berücksichtigung der Zulassungsbeschränkungen des PBefG zu gestatten. Der insoweit bestehende Anwendungsvorrang der Dienstleistungsfreiheit ist von den deutschen Genehmigungsbehörden zu beachten.

5. Kapitel

Ergebnis Die zahlenmäßige Zulassungsbeschränkung von Taxiunternehmern mit Sitz im EU-Ausland, die sich in der Bundesrepublik niederlassen wollen, verletzt die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 52 EGV. Der § 13 Abs. 4 PBefG ist auf diese Bewerber nicht anzuwenden. Das Verbot innerdeutscher Kabotagefahrten von Taxiunternehmern, die nicht in der Bundesrepublik ansässig sind, verletzt die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 59, 60 EGV. Eine zahlenmäßige Beschränkung dieser Fahrten durch Art. 13 Abs. 4 PBefG verstößt ebenfalls gegen die Art. 59, 60 EGV, weshalb die Norm von den Behörden auf Kabotagefahrten nicht anzuwenden ist.

i e r

Teil

Zusammenfassung Die objektive Zulassungsbeschränkung in § 13 Abs. 4 PBefG verstößt sowohl gegen das Grundgesetz als auch gegen das Europarecht. Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Vorschrift bereits wegen Verstoßes gegen formelle Anforderungen verfassungswidrig. Denn der Gesetzgeber hat im Hinblick auf die Notwendigkeit der objektiven Zulassungsschranke permanent gegen seine Verpflichtung zur Tatsachenermittlung und -Überprüfung verstoßen. Darüber hinaus fehlt es an einem Rechtfertigungsgrund für diesen Eingriff in das Grundrecht auf freie Berufswahl. Zum einen ist die Existenz des gesamten regionalen Taxengewerbes an sich nicht als "überragend wichtig" für die Gemeinschaft einzustufen: Nicht die Gesamtheit der Taxenunternehmer ist zu schützen, sondern die Unternehmerschaft, die tatsächlich der Ersetzung, Ergänzung oder Verdichtung des in § 8 Abs. 1 Satz 1 PBefG genannten öffentlichen Personennahverkehrs dient. Zum anderen ist die "Funktionsfähigkeit des Taxengewerbes" durch einen Wegfall der objektiven Zulassungsbeschränkung nicht gefährdet: Wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse belegen im Zusammenhang mit korrespondierenden historischen Erfahrungen und aktuellen empirischen Daten aus dem In- und Ausland, daß es auch ohne zahlenmäßige Beschränkung der Konzessionen immer genügend Taxen geben wird, um die Nachfrage der Bevölkerung nach dieser Dienstleistung zu befriedigen. Entgegen der Jahrzehnte währenden ungeprüften Auffassung des BVerfG und des BVerwG besteht kein Kausalzusammenhang zwischen der zahlenmäßig unbegrenzten Zulassung von Konzessionen und einer etwaigen Unterversorgung der Bevölkerung mit Taxendienstleistungen. Dort, wo es zu einer Unterversorgung kommen kann, insbesondere in weniger dicht besiedelten Regionen, hat § 13 Abs. 4 PBefG ohnehin nicht geholfen. Tatsächlich ist nicht auszuschließen, daß ein Wegfall der objektiven Zulassungsbeschränkung zu Defiziten bei der Qualität der Dienstleistung "Taxidienste" führen wird. Gerade in konjunkturell schlechten Zeiten ist davon auszugehen, daß das Taxengewerbe zum Auffangbecken für Arbeitslose wird, die kein nachhaltiges Interesse an dem Berufsstand besitzen und vermehrt Ordnungswidrigkeiten auftreten. Um dem entgegenzuwirken, bedarf es keiner unterschiedslos wirkenden - und bereits deshalb abzulehnenden - Konzessionsbegrenzung. Auch außerhalb dieses rigiden Ordnungsmittels gibt es genügend Möglichkeiten zur Abhilfe, die von einem temporär wirkenden Krisenmechanismus über Zwangsmitgliedschaften in regionalen Berufsverbänden bis hin zu einer spürbaren Anhebung der subjektiven

Vierter Teil: Zusammenfassung

287

Zulassungsvoraussetzungen reichen und nicht automatisch zu einem - offenbar befürchteten - untragbaren Kostenaufwand auf Behördenseite führen. Die Bejahung einer Verletzung des Grundrechts auf freie Berufswahl durch § 13 Abs. 4 PBefG ist zugleich präjudizierend für die Frage nach einer Übereinstimmung der Norm mit dem Europarecht. Nach der hier zugrundegelegten Interpretation der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit als allgemeine Beschränkungsverbote mit Rechtfertigungsvorbehalt hätte der Eingriff in diese Freiheitsrechte des EGV durch § 13 Abs. 4 PBefG einer besonderen Rechtfertigung bedurft. Diese war aus den gleichen Gründen zu verneinen, die auch im Rahmen der Prüfung von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gegen eine Rechtfertigung der objektiven Zulassungsbeschränkung sprachen.

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Sachwortregister Abrechnung, Fahrpreis 34 Aktien-Gesellschaft für öffentliches Fuhrwesen 35 Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts 250 Apothekenentscheidung des BVerfG 91, 118 Auskunftspflicht 42, 204 f. Autohersteller Automobil-Fuhrwesen Kandelhardt AG 39 f. Bedürfiiisprüfung 28 f., 51 ff. Beförderungspflicht (s.a. Kontrahierungszwang) 24 Beobachtungszeitraum 57, 84 Berufszugangs-Verordnung 70 Beschränkung, quantitativ (s.a. Gewerbefreiheit, Kontingentierung, Genehmigungspflicht) 22 ff,30, 35 ,38, 43, 51, 55, 205 Betriebspflicht 58, 87 Besonderheiten des Verkehrs 162 ff, 287 Beurteilungsspielraum 65, 74, 78, 104 f., 146 Concurrenz, freie (Bedenken) 26 Contractsbedingungen 30 Convenience and Necessity 206 DDR 60, 191 Demokratieprinzip 107,112 f. Deregulierungskommission 5 8 f., 117 Dienstleistungsfreiheit 266 ff Diskriminierungsverbot 226,239 Droschke, Begriff 28FN21 Eigenkapital 70

Eignung, persönliche 71 Einkaufskonditionen 28 Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers 111,113 EuGH Entscheidungen - Alpine 271 - Ärzte, Zweitniederlassung 233 - Arzt, Zahnarzt, Tierarzt 235 - Binsbergen, van 267 - Coenen 268 - Corsica Ferries 283 - Dassonville 277 - Dennemeyer 269 - Gebhard 237 f. - Gullung 234 - Keck 277 - Klopp 227 f. - Kommission 270 - Kraus 235 - Peralta 236 - Rat (Untätigkeit) 283 ff. - Reyners 225 - Steinhauser 232 - Thieffiy 225 f. - Vlassabpoulou 233 - Webb 268 f. - Wieger, Pienaud 255 Europarecht 218 Existenzbedrohung (s.a. Funtkionsfahigkeit) 55 f., 186 Externe Effekte 173 Fachkundenachweis 71 Fahrpreisvorgabe 25 Fehler 42, 74 Fiaker 23

304

Sachwortregister

Fiaker Gesellschaft 23 Fiaker, wilde 25 Finanzbehörde 69 f. franchise 207 Funktionsfähigkeit 55, 58, 78, 95, 98, 120 f., 124,126,128 ff., 203 Gangart 30 Gebot zur Wirklichkeitsgerechtigkeit 112 Genehmigungspflicht 49 Gewerbe, umherziehendes 28 Gewerbefreiheit, allgemeine 25 Gewerbefreiheit, Droschken 28 f., 32 Halteplatz 25, 28 f. Hauptuntersuchung 69 Informationsverschaffungspflicht des Gesetzgebers 92, 99 ff. Informationsproblem der Behörden 84 f. Inländergleichbehandlung 238 Interessenlage der Behörden 85 Kabinettsorder - vom 04.01.1740 22 - vom 19.12.1816 25 f. - vom 13.12.1820 28 Kabotage 219 Konkurrenz, beschränkte 28 f. Konkurrenz, freie 27 Kontingentierung 72 Kontrahierungszwang (s.a. Pflichten) 34, 66 Kontrolldichte 99, 115 Konzessionen 62 - handel 56, 64 -preise 40f,57, 73 FN, 204,76 ff. Kraftdroschke 38 Kraftag-Groß-Berliner-Kraftdroschken AG 43 ff. Kraftfahrtlinienverordnung vom 24.02.1919 48 Krisenmechanismus 216 Lohnfuhrwesen 22 Maastricher Vertrag 220

Marketing 43 Marktschranken 180 f. Mieths-Untemehmen 24 Mietwagen 67, 131,169 Mindestzahl, Droschken 31 f. minimum standards 207 Mitbestimmungsurteil des BVerfG 100, 102,105 Mittelstandsschutz 13 7 f. Monopol - im historischen Berlin 26 ff. - natürliches 170,197 Mortier, Alexis 26 ff. motor carrier act 205 Motordroschke (vgl. bei Kraftdroschke) Neue Bundesländer 189 Niederlassungsfreiheit 222 - Inhalt 224 normative Theorie 160,162 ff. Nummernsperre 38, 45 Nummernhandel 40 Nutzungsgewohnheiten 131 Öffentlicher Personennahverkehr 13 3 f. Open entry 207 Omnibusse 31 f. Ordnung im Taxenverkehr 136 ordre public 247,249 Pflichten 32, 65 Pflichtverstöße 37 populatio ratio 206 positive Theorie 162 predetermined ceiling 206 Prioritätsprinzip 63 Prognosen 101,104,122 Reihefahrt 22, 25 Ruinöse Konkurrenz (s.a. RuinöserWettbewerb) 79, 174 ff., 193 ff., 214 Ruinöser Wettbewerb 55, 86, 143,151, 200 Ruingrenze 77, 145 Standplatz, vorgegebener 30 Stehplatz, privater 27

Sachwortregister

Statistik 42, 44 - Pflicht zur Führung von 83, 101 Straßenbahn 32 Stundenzettel 36 sunk costs 182 Tarif 25, 30, 67 f. - pflicht 67 f. Taxameter 37 Taxendichte 81 Taxinovelle 58, 73, 93, 116 Überlandverkehrsordnung von 1931 50 Unpaarigkeit der Verkehrsströme 168 Verkehrsbedienung 123 Verkehrssicherheit 124,13 5

20 Bardarsky

305

Verlosung (Standplatz) 30 Vernichtungskonkurrenz (s.a. Ruinöse Konkurrenz, Ruinöser Wettbewerb) 96, 176 Volkszählungsurteil des BVerfG 101 Wagencommissarius 24, 31 Warschauer Droschken 26 Warteliste 63 Wartepunkte, s.a. bei Halteplatz 27 Wartezeiten auf Konzessionen 75 weise Nummern 22 Werbung 69 Wesentlichkeitstheorie 57 Wettbewerb, unbilliger 50, 52 Zitronenwettbewerb 175 f.