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German Pages [423] Year 2022
LUKAS CLADDERS, KRISTINA KRATZ-KESSEMEIER (HG.)
MUSEEN IN DER DDR AKTEURE – ORTE – POLITIK
Veröffentlichungen der Richard-Schöne-Gesellschaft für Museumsgeschichte e. V.
Lukas Cladders · Kristina Kratz-Kessemeier (Hg.)
MUSEEN IN DER DDR Akteure – Orte – Politik
BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.
Ergebnisse einer Tagung der Richard-Schöne-Gesellschaft für Museumsgeschichte e.V. in der Kunsthalle Rostock 2.–4. Juni 2019 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2022 Böhlau, Lindenstraße 14, D-50674 Köln, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande ; Brill USA Inc., Boston MA, USA ; Brill Asia Pte Ltd, Singapore ; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland ; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung : Wilhelm Schmied : In der Ausstellung, 1961, Öl auf Hartfaser, Kunstarchiv Beeskow, Foto Udo Stieglitz, © Iris Ziegler, Wilhelm-Schmied-Verein zur Förderung seines künstlerischen Erbes e.V. [www.wilhelm-schmied.de]. Wir danken dem Wilhelm-Schmied-Verein für die freundliche Unterstützung bei der Bereitstellung der Werkabbildung. Einbandgestaltung : Michael Haderer, Wien Satz : Michael Rauscher, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com
ISBN 978-3-412-52534-7
I N H A LT
Lukas Cladders · Kristina Kratz-Kessemeier
Annäherungen an eine ganz eigene Museumsgeschichte – eine Einführung . . . . . . . 9
M U S E U M U N D STA AT – K U LT U R P O L I T I S C H E R A H M E N B E D I N G U N G E N Maike Steinkamp
Museen, „Bildungsstätten ersten Ranges“. Der Wiederaufbau der Kunstmuseen in der SBZ und frühen DDR und die Rolle der modernen Kunst . . . . . . . . . . . . . . . 17 Kristina Kratz-Kessemeier
Das Museum als moderner ästhetischer Bildungsort auch in der DDR ? Optionen und Grenzen einer offeneren Museumspolitik des Ministeriums für Kultur 1963–1969 . . . 31 Wolf Karge
Sozialistische Profilierung. Entwicklungsstadien staatlicher Organisation und Einbindung der Museen in der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
I N T E R N AT I O N A L E B E Z I E H U N G E N Petra Winter
„In die Bauten gehören aber auch Kunstwerke.“ Die Schlüsselrolle der Berliner Museen bei der Rückführung von Beutekunst aus der Sowjetunion in die DDR 1955/58. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Elke Neumann
Erwerbungen aus der „Biennale der Ostseeländer“. Ein internationaler Sammlungsbestand in der Kunsthalle Rostock aus der Zeit der DDR. . . . . . . . . . 95 Kornelia Röder · Patricia Bethlen
Das Staatliche Museum Schwerin und seine internationalen Beziehungen in den 1980er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Holger Stoecker
„… schweigend umgehen“. Zum Umgang der DDR mit Forderungen nach Rückgabe von Museumsobjekten kolonialer Provenienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Inhalt I 5
M U S E O LO G I E U N D M U S E U M S G E STA LT U N G Mary-Elizabeth Andrews
History museums and socialist museology in the GDR. The role of the Museum for German History in national and international discourse. . . . . . . . . . . . . . . 149 Arne Lindemann
Anschauliche Religionskritik. Die inhaltliche und gestalterische Genese der archäologischen Ausstellung Anfänge der Religion im Museum für Deutsche Geschichte Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Melanie Scheil
Innovativ im Rahmen des Systems. Die Museologin Ilse Jahn am Museum für Naturkunde Berlin 1967–1982 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Nikolaus Bernau
Formen einer neuen Macht. Architektur und Design für Museen in der DDR . . . . . 193
S A M M L U N G S KO N Z E P T E U N D O B J E K T B E W E G U N G E N Jan Scheunemann
„Im Interesse der Allgemeinheit wird das gesamte Kunst- und Kulturgut des enteigneten Großgrundbesitzes mit sofortiger Wirkung unter besonderen Schutz […] gestellt.“ Sicherstellung, Bergung und Verwertung von Kunstwerken aus der Bodenreform. Ein Kapitel ostdeutscher Museumsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . 213 Alexander Sachse
Schlossbergung, Republikflucht und kommerzielle Koordinierung. Kritische Provenienzen aus der Zeit der SBZ und DDR.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Andreas Ludwig
Sammeln von Gegenwart in historischen Museen der DDR.. . . . . . . . . . . . . . 243
K U N ST, K U LT U R , T E C H N I K – M U S E U M ST Y P E N A L S G E S E L L S C H A F T L I C H E I N T E R P R E TAT I O N S M O D E L L E Frank Hoffmann
Von Schiller zu Schlegel ? Das späte „Erbe“-Verständnis in der DDR und die Gründung der Frühromantik-Gedenkstätten in Dresden und Jena 1981 . . . . . . . . 259 6 I Inhalt
Kathleen Rosenthal
Gegenwartskunst aus dem Land des Klassenfeindes. Erwerbungen der Gemäldegalerie Neue Meister der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden in der Bundesrepublik und West-Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Frank Usbeck
„Indianer !“ DDR-Völkerkundemuseen zwischen Bildungsauftrag und Popkultur. . . . 289 Uta Bretschneider
Agrargeschichte im „Arbeiter-und-Bauern-Staat“. Freilichtmuseen in der DDR. . . . . 303 Martin P. M. Weiss
Die „Polytechnischen Museen“ der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 Peter Danker-Carstensen
Sozialismus zur See. Gründung und Entwicklung zweier maritimer Museen in Rostock 1968–1990. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335
AU S B L I C K Jan Scheunemann
Museen in der DDR. Ausblick und Forschungsperspektiven . . . . . . . . . . . . . . 353
Archivalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Gedruckte Quellen bis 1989.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 Literatur und Publikationen ab 1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 Bildnachweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 Personenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417
Inhalt I 7
Lukas Cladders · Kristina Kratz-Kessemeier
AN N ÄH E R U N G EN A N EI N E GANZ E I G E N E MU SE UMSG E S C H I C HTE – EI N E E I N FÜ H RU NG
2019 war ein Jahr voller Anknüpfungspunkte für eine erste umfassendere Auseinandersetzung mit der Geschichte der Institution Museum in der DDR – lag doch genau zwischen den beiden Polen der DDR-Staatsgründung 1949 und des Mauerfalls 1989, die bereits zu einer historischkritischen Bestandsaufnahme animierten, ein weiteres, museumshistorisch bemerkenswertes Jubiläum : 1969 war mit der Kunsthalle Rostock der einzige moderne Kunstmuseumsneubau der DDR eröffnet worden. 2019 jährte sich diese besondere Eröffnung zum fünfzigsten Mal, kurz bevor der Neubau von 1969 geschlossen und grundlegend saniert wurde. Aber auch jenseits dieser Wegmarken erschien, während Gerd Dietrichs dreibändige Kulturgeschichte der DDR von 2018 die Museen aussparte,1 der Zeitpunkt für eine verstärkte Beschäftigung mit der Museumsgeschichte der DDR günstig. Nach frühen Annäherungen an das Thema in den 1990er Jahren gibt es mittlerweile diverse punktuelle, noch wenig untereinander vernetzte Forschungs- und Publikationsprojekte sowohl im universitären Rahmen als auch für einzelne Häuser.2 Reiches Quellenmaterial, das in Archiven und mit zahllosen Museumspublikationen der DDR bereitsteht, forderte mit zeitlichem Abstand zu weiterer historischer Analyse heraus.3 In einer Zeit, in der eine letzte Generation noch in der DDR tätiger Museumsleute in den Ruhestand geht, ließ sich zugleich Zeitzeugenschaft noch gewinnbringend einbeziehen. Für die in Berlin ansässige Richard-Schöne-Gesellschaft für Museumsgeschichte e. V. (RSG) war all das Anlass, im Jubiläumsjahr der Rostocker Kunsthalle und dreißig Jahre nach dem Mauerfall erstmals genauer nach der Rolle und Entwicklung von Museen in der SBZ und DDR – zwischen 1945/49 und 1989/90 – in einer Gesamtschau über mehr als vier Jahrzehnte hinweg zu fragen. Wie band der SED-Staat die bürgerliche Institution Museum mit ihren seit dem frühen 19. Jahrhundert entstandenen verschiedenen Museumstypen in eine neue, betont sozialistische Kulturpolitik ein ? Welche Etappen, Zäsuren, Strukturen, Akzentsetzungen gab es hier ? Welche Besonderheiten, welche Charakteristika zeichneten die reiche, auch international beachtete ostdeutsche Museumslandschaft zwischen Kriegsende und Vereinigung der beiden deutschen Staaten 1990 aus ? Welche Formen einer eigenen DDR-Museologie und -Museumsgestaltung bildeten sich dabei heraus und warum ? Was waren Hintergründe und Kontexte dafür ? Wie ist die Museumsgeschichte der DDR insgesamt zwischen Ideologie und moderner Publikumsarbeit, zwischen Mangelwirtschaft und Systemkonkurrenz einzuordnen ? Drei Tage lang haben im Juni 2019 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands, aber auch mit internationalem Hintergrund direkt am historischen Ort in der Kunsthalle Rostock auf Einladung der Richard-Schöne-Gesellschaft engagiert über diese Fragen diskutiert.4 In insgesamt zwanzig Annäherungen an eine ganz eigene Museumsgeschichte – eine Einführung
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Vorträgen konnten Historiker und Kunsthistorikerinnen, Ethnologen, Kultur- und Technikhistoriker, Museologinnen und Literaturwissenschaftler, zudem heute wie vor 1989 aktive Museumsleute dabei Einblicke in aktuelle Forschungen zu einzelnen Aspekten der DDRMuseumsgeschichte geben. Werkstattberichte und pointierte Zusammenstellungen präsentierten abgeschlossene wie laufende Vorhaben. Vielfach war die Rostocker Tagung überdies Anstoß für gänzlich neue Untersuchungen. Im Vorfeld hatte die RSG einen Call for Papers veröffentlicht, der mit über fünfzig Einsendungen auf großes Interesse gestoßen war und die Aktualität des Themas bestätigte. Die vom Tagungsteam der RSG für die Rostocker Tagung ausgewählten Beiträge sollten schließlich möglichst vielfältige Zugänge zu einer Museumsgeschichte der DDR eröffnen, verschiedenste Museumstypen und Zeitphasen, Perspektiven und Handlungsebenen beleuchten, um so eine offene, differenzierte, innovative Annäherung an das vielschichtige Thema Museen in der DDR zu gewährleisten. Und in der Tat lag dann auch eine besondere Spannung über der Rostocker Tagung : Sich am authentischen historischen Ort in der Kunsthalle von 1969 derart intensiv über die Geschichte der Museen im SED-Staat auszutauschen, war schon an sich ein spezielles Ereignis. Die Kunsthalle mit ihrer noch weitgehend originalen Museumstechnik und Raumgestaltung der ausgehenden 1960er Jahre, zwischen Vision von Moderne, Improvisation und DDR-Kunst, bot einen inspirierenden Rahmen dafür, zugleich aber auch manchen Anlass für angeregte Debatten darüber, ob ihre geplante Sanierung der museumshistorischen Bedeutung tatsächlich gerecht werden könne, ob nicht erst die Museumsgeschichte der DDR klarer aufgearbeitet werden müsse, um wirklich sensibel auch mit baulicher DDR-Museumsgeschichte umgehen, sie überhaupt wahrnehmen zu können. Aber auch auf anderer Ebene hatte die Tagung in der Kunsthalle bisweilen unerwartete Kraft. Deutlich war in Rostock spürbar, wie fern bereits, wie vergangen und gleichzeitig doch wie nah und prägend DDR-Geschichte noch immer ist – dreißig Jahre, eben doch auch erst eine Generation nach dem Mauerfall. Unterschiedliche biografische Hintergründe in Ost und West boten ganz unterschiedliche Perspektiven auf das Thema. Mitunter ging es neben der historischen Analyse ebenso um eigene biografische Aufarbeitung. Um ein Verstehen und Einordnen von DDR-Museumsstrukturen, die bis heute nachwirken, noch immer verbinden oder separieren. Die Rostocker Tagung war hier auch ein Ort der Begegnung im besten Sinne, einer Konfrontation von Erfahrungshorizonten, die es zuzulassen, zu respektieren, im Idealfall zu öffnen galt. Und genau darin liegt nun auch die besondere Bedeutung dieses Tagungsbands, der die Beiträge, die Diskussionen und Ergebnisse und eben den Begegnungscharakter der Veranstaltung in Rostock vom Juni 2019 festhalten und für ein breiteres Publikum greifbar machen möchte. Forschung und Begegnung stellen sich hier als zwei wesentliche Säulen einer Aufarbeitung von DDR-Museumsgeschichte dar, die nicht nur wissenschaftliches Desiderat, sondern zugleich grundlegend ist für eine überzeugende Kultur- und Museumspolitik in der Bundesrepublik heute, die verschiedene Erfahrungshorizonte in Ost und West ebenso bewusst einbezieht wie die Notwendigkeiten einer offenen, mitunter unbequemen Aufarbeitung. Die vorliegende Publikation möchte mit dieser Zielrichtung erste Grundlinien der historischen Annäherung an ein komplexes Thema aufzeigen, Auftakt und Aufforderung sein für weitere 10 I Lukas Cladders · Kristina Kratz-Kessemeier
Forschungen in diesem Bereich, zudem sensibilisieren für einen differenzierteren Umgang mit ostdeutschen Museen und ihrer Vergangenheit, zu Wahrnehmung und Austausch anregen – eben im Wissen um eine ganz eigene deutsche Museumsgeschichte in der ehemaligen DDR. Mit dem Anliegen, ein Bewusstsein zu schaffen für die Historizität und Zeitbedingtheit von Museen und Museumsgestaltung, fügt sich der Band ein in ein inzwischen seit dreißig Jahren von der Richard-Schöne-Gesellschaft durch Tagungen, Vorträge und Publikationen immer wieder angeregtes Bemühen um ein neues Verständnis von Museumsgeschichte, das die Institution Museum auf übergeordneter struktureller Ebene in den Blick nimmt. Nach einer ersten Publikationsfolge dazu, die, von Berlin und der Kaiserzeit ausgehend, nach Museen als Orten nationaler und kultureller Identität, von Reform und Inszenierung gefragt hat,5 hat die RSG seit 2007 mehrere weitere Tagungs- und Publikationsprojekte mit ähnlicher Perspektive realisiert, teilweise mit Berührungspunkten zur deutsch-deutschen Geschichte nach 1945.6 Der vorliegende Band knüpft in diesem Kontext speziell an die 2016 ebenfalls bei Böhlau erschienene Überblickspublikation Museen im Nationalsozialismus an, die die Ergebnisse einer internationalen Tagung der RSG 2013 im Deutschen Historischen Museum präsentiert.7 Die Museen in der DDR setzen die damals bei Böhlau begonnene Reihe Veröffentlichungen der Richard-Schöne-Gesellschaft für Museumsgeschichte e.V. fort, die besondere zeitliche Abschnitte der Museumsgeschichte in den Fokus rückt – nach der NS-Zeit nun die DDR. Wichtiger Hintergrund für das Zustandekommen des Tagungs- und Buchprojekts war dabei auch diesmal das offene Interesse der Mitglieder der Richard-Schöne-Gesellschaft. Besonders dem Tagungsteam der RSG, dem neben uns Herausgebern Regina Stein, Nikolaus Bernau und Arne Lindemann angehört haben, sei an dieser Stelle nochmals für sein Engagement gedankt, ebenso Sven Kuhrau und Jan Scheunemann für ihre Tagungsmoderationen in Rostock. Auf Aufgeschlossenheit ist das Projekt darüber hinaus von Beginn an bei der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur gestoßen, die sowohl die Rostocker Tagung als auch die Publikation jeweils maßgeblich finanziell gefördert hat. Möglich wurde die Tagung zudem durch Zuwendungen der Universität Rostock und der Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern. Noch immer sind wir beeindruckt von der Gastfreundschaft der Rostocker Kunsthalle an den drei Tagen im Juni 2019. Für all diese Unterstützung möchten wir Dank sagen ebenso wie für die Bereitschaft gleich mehrerer etablierter Verlage, die Tagungsergebnisse zu publizieren. Mit Blick auf die konkrete Arbeit am Buch gilt hier unserer spezieller Dank Kirsti Doepner vom Böhlau Verlag, zudem Nikolaus Bernau, von dem die Idee zur Tagung in Rostock stammt und der sich punktuell an der Redaktionsarbeit beteiligt hat, sowie Jan Scheunemann, der, nach inspirierender Thesenformulierung bei der Abschlussdiskussion in der Kunsthalle, zusätzlich zu seinem Beitrag einen Ausblick mit Forschungsperspektiven zum Buch beigesteuert hat. Nicht zuletzt gebührt unser größter Dank aber in erster Linie allen Vortragenden der Tagung, die sich fast ausnahmslos auch als Autorinnen und Autoren in die Publikation eingebracht haben und hier bereit waren, erneut intensiv und offen in den Austausch über ihre Beiträge zu gehen – trotz aller Erschwernisse und Verzögerungen, die die Corona-Pandemie auch für unser Buchprojekt bedeutet hat. Annäherungen an eine ganz eigene Museumsgeschichte – eine Einführung
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Aus dem engagierten Zusammenwirken aller ist ein Buch entstanden, das nun tatsächlich – auch durch Vernetzung der Texte untereinander durch Querverweise und ein gemeinsames umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis – erste grundlegende Einblicke gibt in Strukturen und Kernaspekte einer eigenen, DDR-spezifischen Museumsgeschichte. Fünf Kapitel, die mit leichten Variationen im Wesentlichen den Rostocker Tagungssektionen entsprechen, schlagen dabei große thematische Schneisen in das komplexe Feld einer ostdeutschen Museumshistoriografie zwischen 1949 und 1989 hinein : von den maßgeblichen museumspolitischen Rahmenbedingungen über internationale Museumskontakte, spezifische Formen der Museumsgestaltung und systembedingte Sammelstrategien bis hin zur Rolle und Einbindung einzelner Museumstypen. Durch Einbeziehung jeweils unterschiedlicher Phasen der DDR-Geschichte – von der SBZ und frühen DDR über die Ulbricht-Zeit bis 1971 bis hin zur Regierung Honecker und in die 1980er Jahre hinein – weisen die einzelnen Kapitel zugleich auf Wandlungen und Entwicklungen, auch auf mögliche Nischen und Freiräume hin. DDR-Museumsgeschichte stellt sich hier letztlich als zwar deutlich staatlich bestimmtes und gelenktes, gleichzeitig aber doch keineswegs starres, geradliniges Modell dar, sondern vielmehr als dynamischer Prozess eines Ringens um tragfähige Lösungen, bei denen es um ideologische Bildung und gesellschaftliche Festigung durch Kultur und Museen im Parteisinn ging – die es jedoch in Abhängigkeit von politischen Entwicklungen immer wieder neu museumsbezogen auszuhandeln galt. Gerade der Anspruch der DDR auf internationale Platzierung und Anerkennung erwies sich dabei als enorme Triebkraft. Seit den 1960er Jahren setzte der SED-Staat so im ICOM-Kontext genuin auf eine professionelle Museumsarbeit. Ansätze einer modernen Museumsgestaltung verknüpften sich hier eng mit Politik, Ideologie und Propaganda. Gleichzeitig allerdings blieb die Innovationskraft der ostdeutschen Museen eben doch dort sichtbar begrenzt und fragwürdig, wo Ideologie zu sachlichen Einseitigkeiten führte, wo politische Steuerung teilweise allzu scharf und rigide Einfluss nahm, nicht zuletzt die Mangelwirtschaft der DDR reale gestalterische Spielräume eng hielt. Immer wieder war die DDR auch im Museumsbereich zudem mit dem „westlichen“ Counterpart und musealen Gegenmodellen speziell der Bundesrepublik konfrontiert, überdies mit der Notwendigkeit jeweils opportuner Verortungen gegenüber der Sowjetunion und innerhalb des Ostblocks beschäftigt. Die DDR lotete dabei Abgrenzungen und Nähen jeweils flexibel nach politischen Interessen aus. Teilweise führte das zu umso pointierteren eigenen musealen Formen in der DDR, gerade gegen Ende ihres Bestehens prägten aber etwa auch neue Berührungspunkte mit der Bundesrepublik die ostdeutsche Museumslandschaft mit. Zwischen West und Ost, Ideologie und modernen Museumsformen, Partei und fehlenden ökonomischen Möglichkeiten entstand so eine Museumslandschaft der DDR mit eigenen Maßstäben, Regeln, Leitinstitutionen und Beteiligten und durchaus manchmal eben auch unerwarteten Öffnungen, in die die Beiträge dieses Bandes vielschichtige Einblicke geben. Die Kunsthalle Rostock, deren sich rund jährendes Eröffnungsjahr Anlass für die Tagung 2019 und damit Ausgangspunkt für diesen Band war, steht bis heute symbolisch für diese ganz eigene DDR-Museumsgeschichte zwischen Rostock, Berlin, Leipzig und Dresden, zwischen 12 I Lukas Cladders · Kristina Kratz-Kessemeier
Jena, Halle und Frankfurt/Oder – für ihre Visionen von Moderne und Aufbruch, zugleich aber auch für ihre Begrenztheit und politische Instrumentalisierung.
Anmerkungen 1 2 3 4
Dietrich 2018. Siehe dafür stellvertretend etwa Scheunemann 2009 ; Sozialistisch sammeln 2014. Siehe dazu auch das Archivalien- und Quellenverzeichnis in diesem Band. Vgl. Museen in der DDR. Internationale Tagung der Richard-Schöne-Gesellschaft, 2.–4. Juni 2019, Kunsthalle Rostock, Flyer und Programm unter : www.richard-schoene-gesellschaft.de/museen-inder-ddr/. 5 Museumsinszenierungen 1995 ; Der deutschen Kunst 1998 ; Renaissance der Kulturgeschichte 2001. 6 Vgl. etwa Ludwig Justi 2011 ; Beiträge zum modernen Museum 1945–1975 von Kristina Kratz-Kesse meier, Sven Kuhrau u. Alexis Joachimides, in : Das Museum als Wirkraum 2018, S. 7–17, 30–40 u. 51–59 ; Beiträge zum Deutschen Museumsbund 1917–2017 von Jana Baumann, Andrea Meyer, Lukas Cladders, Kristina Kratz-Kessemeier u. Anne Wanner, in : 100 Jahre Deutscher Museumsbund 2018. 7 Museen im Nationalsozialismus 2016.
Annäherungen an eine ganz eigene Museumsgeschichte – eine Einführung
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MUSEUM U N D STA AT – KU LTU R POLITISC H E RAHMEN B EDI NGU NGEN
Maike Steinkamp
MU SE E N , „ B I L D U N G S STÄT TE N E RSTE N RANG E S “ Der Wiederaufbau der Kunstmuseen in der SBZ und frühen DDR und die Rolle der modernen Kunst1
Ende 1951 gab die Staatliche Kommission für Kunstangelegenheiten, die im selben Jahr als Staatssekretariat der DDR gegründet worden war, den Konferenzband Das Museum ist eine Bildungsstätte ersten Ranges heraus. Die Publikation bündelte die Ergebnisse der ersten von der Kommission ausgerichteten Museumsleitertagung, die Anfang Dezember 1951 in Ost-Berlin stattgefunden hatte. Auf ihr waren Grundsätze der Museumarbeit in der DDR diskutiert und festgelegt worden.2 Für die Museen und insbesondere die Kunstmuseen der DDR wurde hier zum ersten Mal eine klar sozialistische Ausrichtung vorgegeben. Die Weichen für die dort formulierten Ziele waren allerdings schon in den Jahren zuvor gestellt worden. Generell maß man der Museumsarbeit in der Sowjetischen Besatzungszone, der SBZ, und in der frühen DDR eine durchaus relevante Rolle zu. Bereits am 4. September 1945, knapp vier Monate nach der bedingungslosen Kapitulation des nationalsozialistischen Regimes, hatte die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) den Befehl Nr. 51 zur Wiedereinrichtung und Tätigkeit von Kunstinstitutionen in der SBZ herausgegeben.3 Auch die Museen fielen unter diese Order. Sie sollten aktiv in den kulturellen Wiederaufbau Deutschlands eingebunden werden. Dieser Wiederaufbau war in der SBZ von Beginn an bewusst in Abkehr von nationalsozialistischer Ideologie sowie mit Ansätzen einer zentralistischen Lenkung der kulturellen Prozesse und ihrer inhaltlichen Grundlagen verbunden. Zunächst stand der Wiedergewinn kultureller Freiheit im Vordergrund. Doch spätestens ab 1947/48 wurden Ausstellungen und Museen vermehrt als Mittel der Volksbildung eingesetzt, die sich zu den gesellschaftlichen Entwicklungen im Land positionieren sollten. Der modernen und zeitgenössischen Kunst kam dabei besondere Bedeutung zu, wurde ihr doch die Kraft zugesprochen, zur aktuellen Lebenswirklichkeit Stellung zu beziehen. Hatten sich viele Museen in der SBZ nach 1945 zunächst darum bemüht, die während des Nationalsozialismus als „entartet“ deklarierten Künstler zu rehabilitieren und wieder sichtbar zu machen, wurden die Institutionen ab 1947/48 zunehmend dazu angehalten, die politisch-ideologisch opportune, internationale „revolutionäre“ Geschichte und Kunst in den Fokus zu rücken und Künstler, die der immer enger werdenden Idee von sozialistischer Kunst nicht entsprachen, zu vermeiden.4 Welchen Einfluss die Politik in der SBZ und frühen DDR auf die inhaltliche Ausrichtung der Museen nahm und welche Rolle speziell die moderne Kunst in diesem Kontext spielte, soll in diesem Aufsatz näher vorgestellt werden. Gerade der 1951 bis 1953 bestehenden Staatlichen Kommission für Kunstangelegenheiten kam dabei, noch vor Gründung des Ministeriums für Museen, „Bildungsstätten ersten Ranges“
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Abb. 1 : Karl Hofer (l.) bei der Eröffnung der 1. Kunstausstellung der Kammer der Kunstschaffenden am 25. Juli 1945, Berliner Zeitung, 28. Juli 1945
Kultur der DDR 1954, ein maßgeblicher Part für die ideologische Lenkung der ostdeutschen Museen zu – nachdem zuvor 1945 bis 1951 die SMAD und die ihr unterstehenden deutschen Kulturverwaltungen die museumspolitischen Standards gesetzt hatten.
Rehabilitierung der Moderne 1945/46 Schneller als in den westlichen Besatzungszonen war in der SBZ unmittelbar nach Kriegsende die Wiederaufnahme des Kulturbetriebes vorangetrieben worden. Die SMAD und die bereits im Juli 1945 von ihr initiierte Deutsche Zentralverwaltung für Volksbildung in Berlin – die eine eigene Abteilung für Kunst und Museen hatte – bildeten, neben den Länderbehörden, hierfür den zentralen Verwaltungsrahmen. Wie es im erwähnten Befehl Nr. 51 der SMAD vom 4. September 1945 hieß, sollten die Kulturinstitutionen von allen „nazistischen, rassistischen, militaristischen und anderen reaktionären Ideen und Tendenzen“ gesäubert und die Kunstwerke aktiv „im Kampf gegen den Faschismus und für die Umerziehung des deutschen Volkes im Sinne einer konsequenten Demokratie“ genutzt werden.5 Die SMAD nahm dabei, ebenso wie die neu gegründeten deutschen Verwaltungen, von Beginn an sowohl inhaltlich als auch personell Einfluss auf die Entwicklung der Kultur in der sowjetisch besetzten Zone.6 Wie in den Westzonen ging es auch in der SBZ vielerorts zunächst darum, den während des Nationalsozialismus als „entartet“ deklarierten Künstlern neue Präsenz zu verleihen, um so die wiedergewonnene künstlerische Freiheit zu betonen. Die vormals diffamierten Künstler wurden als Lehrende an den Kunsthochschulen eingesetzt und ihre Werke, ebenso wie die der jüngeren Künstlergeneration, in zahlreichen Ausstellungen gewürdigt. Die Initiative für die Ausstellungen ging zumeist von zentralen Kulturverwaltungen und Organisationen aus, wie dem im August 1945 von Johannes R. Becher und anderen Intellektuellen mit Zustimmung der SMAD gegründeten Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands. Erste 18 I Maike Steinkamp
Abb. 2 : Zerstörtes Treppenhaus der Nationalgalerie auf der Museumsinsel, Berlin 1945
Museen, „Bildungsstätten ersten Ranges“
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Abb. 3 : Titelblatt des Ausstellungskatalogs Karl Schmidt-Rottluff. Aquarelle aus den Jahren 1943–1946, tädtische Kunstsammlungen Chemnitz, Sommer 1946 S Abb. 4 : Artikel von Adolf Behne zur Ausstellung Wiedersehen mit Museumsgut in der Wochenzeitung Sonntag, 26. Januar 1947
vom Kulturbund organisierte Präsentationen galten Käthe Kollwitz und Ernst Barlach, die in den Ausstellungsprojekten dieser Zeit besonders häufig vertreten waren.7 Eine der frühen Gemeinschaftsschauen war die 1. Kunstausstellung der Kammer der Kunstschaffenden, bei der ab Ende Juli 1945 in Berlin Arbeiten von Vertretern der Avantgarde der 1920er Jahre wie Karl Hofer, Max Beckmann, Heinrich Ehmsen, Erich Heckel, Ernst Wilhelm Nay, Oskar Nerlinger, Max Pechstein, Karl Schmidt-Rottluff, Renée Sintenis und anderen zu sehen waren (Abb. 1).8 Oft waren die Museen Mitorganisatoren dieser Ausstellungen. Bereits 1946 hatten fast die Hälfte der in der sowjetischen Besatzungszone gelegenen Museen ihre Arbeit wieder aufgenommen, darunter allerdings vor allem kleinere Häuser.9 Dagegen blieben viele der größeren Institutionen erst einmal geschlossen, hatten die meisten von ihnen doch stark unter den Kriegseinwirkungen gelitten (Abb. 2). Neben den Schäden an den Gebäuden fehlte auch der Bestand. Ein Großteil der Werke war während des Krieges ausgelagert worden und musste nach 1945 zunächst wieder an ihre Ursprungsorte zurückgebracht werden.10 Gleichzeitig begann die SMAD im Mai 1945 damit, bedeutende Kunstwerke aus deutschen Sammlungen in die Sowjetunion zu überführen.11 Darüber hinaus hatten die Museen 1937 im Zuge der 20 I Maike Steinkamp
nationalsozialistischen Aktion „Entartete Kunst“ weite Teile ihrer Bestände moderner Kunst eingebüßt. Insbesondere diesem Verlust versuchte man nach 1945 in vielen Museen zu begegnen. Mit dem Ankauf moderner Kunst wollte man sich einerseits vom nationalsozialistischen Regime und seiner Kunstpolitik distanzieren, andererseits den Anschluss an die Kunst der Gegenwart zurückgewinnen. In Erscheinung traten dabei vor allem die Häuser, die sich bereits während der Weimarer Republik für die zeitgenössische Kunst geöffnet hatten. Eines der markantesten Beispiele dafür in der SBZ ist zweifellos das Moritzburgmuseum in Halle, wo der Städtische Beirat bereits im Juli 1945 beschloss, die moderne Kunst aus den ehemaligen Beständen des Museums zurückzuerwerben. In der Folgezeit entstand unter der Leitung von Gerhard Händler (1906–1982) eine moderne Kunstsammlung, die sich an der unter Max Sauerlandt (1880–1934) und Alois Schardt (1889–1955) etablierten modernen Abteilung der Vorkriegszeit orientierte.12 Aber auch in Berlin, Dresden, Erfurt und Chemnitz bemühte man sich, die Häuser wieder für die Kunst der Moderne zu öffnen.13 Bereits seit 1945 fanden dort Ausstellungen von Künstlern der Vorkriegszeit statt, so beispielsweise 1946 in Chemnitz, wo die Kunstsammlungen Aquarelle von Karl Schmidt-Rottluff aus den Jahren 1943 bis 1946 zeigten (Abb. 3), oder aber in Berlin, wo der 1933 als Direktor der Nationalgalerie entlassene und 1946 als Generaldirektor der Staatlichen Museen neu berufene Ludwig Justi (1876–1957) die Ausstellung Wiedersehen mit Museumsgut präsentierte. In dieser nahm auch die vormals „entartete Kunst“ einen verhältnismäßig breiten Raum ein (Abb. 4).
Kurswechsel ab 1947/48 Allerdings sollte die mit solchen Präsentationen der Moderne verbundene liberale Museumsund Ausstellungspolitik in der SBZ nicht lange Bestand haben. War man in den ersten beiden Nachkriegsjahren vor allem darauf bedacht, den Menschen Kunst und Kultur generell wieder zugänglich zu machen, sollte sich diese Haltung im Zuge des eskalierenden Ost-West-Konflikts um 1948 ändern. Immer offensiver forderte die SED-Regierung für die SBZ eine „reale, wirklichkeitsnahe und volksverbundene Kunst“ nach dem Vorbild des in der Sowjetunion praktizierten „Sozialistischen Realismus“.14 Die Kunst sollte auf eine künstlerische wie politische Leitlinie festgelegt werden und in leicht verständlicher Formensprache den Erfolgen des sozialistischen Aufbaus Ausdruck verleihen. Die zeitgenössischen Künstler, die sich nach dem Krieg einer expressiven, konstruktiven oder abstrahierenden Formensprache bedient hatten, wurden hingegen mit wachsendem Nachdruck als „formalistisch“ abgelehnt. Nicht nur das aktuelle Kunstschaffen geriet in die Kritik. Auch die in den ersten Nachkriegsjahren als Vorbild und Anknüpfungspunkt geehrten Künstler der Weimarer Zeit fielen immer häufiger unter das Verdikt des Formalismus. Als Vorbild für eine neu zu schaffende Kunst im Sozialismus kamen sie nicht länger in Frage.15 Dass diese Entwicklung auch Auswirkungen auf das Museums- und Ausstellungswesen haben sollte, war nur eine Frage der Zeit. Tatsächlich verfolgte die SED seit 1947/48 auch in Museen, „Bildungsstätten ersten Ranges“
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der Kunstvermittlung neue Ziele. Stärker als zuvor sollten Ausstellungen und Museen für die Volksbildung eingesetzt werden und aktiv zu den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen in der SBZ Position beziehen.16 Bereits 1947 wurde durch einen Beschluss der Volksbildungsministerien der Länder der SBZ eine zentrale Museumskommission zur sachlichen und organisatorischen Unterstützung der Museumsarbeit gegründet. Ihre konstituierende Sitzung fand am 29. September 1947 in Dresden statt. Zu den Aufgaben der Museumskommission gehörte es, der Deutschen Verwaltung für Volksbildung sowie den Landes- und Provinzialregierungen bei der Formulierung grundsätzlicher und spezifischer Aufgaben für die Museen, besonders im Hinblick auf die ideologische Erziehung, beratend zur Seite zu stehen.17 Vom 29. September bis 2. Oktober 1947 lud die Museumskommission zu einer Museumsleitertagung nach Schloss Pillnitz bei Dresden ein, um über Die Museen als Mittel der Volksbildung zu diskutieren.18 Absicht der Tagung war es, die Rolle der öffentlichen Sammlungen neu zu definieren, da die Museen, so ein Artikel im Neuen Deutschland vom Oktober 1947, im Volk doch vielfach noch mit dem Begriff des Gestrigen und Übriggebliebenen verbunden würden, da in der Vergangenheit nicht mit „Ernst und Ausdauer der Versuch unternommen worden sei, die Inhalte unserer Museen dem Volke als für seine Bildung und Kultur unentbehrlich nachzuweisen.“19 Verbindlich wurden die neuen inhaltlich-organisatorischen Anforderungen an die Museen von politischer Seite erstmals im Zweijahresplan vom Juni 1948 formuliert. Den dortigen Vorgaben entsprechend, sollten alle bestehenden Sammlungen in der SBZ auf ihre Inhalte überprüft werden. Zusätzlich sollten zentrale Ausschüsse und eine Zusammenarbeit mit Universitäten und Kunsthochschulen die Demokratisierung des Museumswesens befördern, Musterkabinette ebenso wie Tagungen und eine Fachzeitschrift deren fortschrittliche Ausrichtung garantieren. Festgeschrieben wurden darüber hinaus die obligatorische Einrichtung einer Gegenwartsabteilung sowie die Veranstaltung von mindestens einer Sonderausstellung pro Jahr, die sich mit den Zielen des Zweijahresplans befasste.20 In Anlehnung an die im Zweijahresplan festgelegten Ziele rief die Sächsische Verwaltung für Volksbildung noch im selben Jahr zur „Säuberung der Museen von bedeutungslosen Gegenständen“ und zur „Einrichtung von zeitnahen Abteilungen (Raum der Gegenwart)“ in allen größeren Institutionen auf.21 Trotz dieser von der SED artikulierten Forderungen gab es in dieser Zeit kaum direkte Eingriffe in die Museumsarbeit. Noch immer wurden Werke der Vorkriegsavantgarde oder von expressiv-abstrahierend arbeitenden Künstlern der Nachkriegszeit in Ausstellungen gezeigt und fanden gleichermaßen Eingang in die öffentlichen Sammlungen.22 Allerdings ist bereits zu diesem Zeitpunkt zu bemerken, dass vermehrt sozialkritisch arbeitende Künstler präsentiert wurden, die vielfach in der sowjetischen Zone lebten. Zugleich blieben Ausstellungen moderner Kunst nicht immer konfliktfrei, wie sich an zwei Beispielen am Moritzburgmuseum in Halle und im Museum der Stadt Rostock, dem heutigen Kulturhistorischen Museum Rostock, zeigen lässt. An beiden Museen riefen die Präsentationen der Vorkriegsmoderne kurz vor Gründung der DDR sowohl die SMAD als auch die deutschen Verwaltungsorgane auf den Plan.
22 I Maike Steinkamp
Abb. 5 : Moderne Abteilung des Moritzburgmuseums in Halle, 1948, Raum mit Wassily Kandinskys Improvisation (1914) und Alexej von Jawlenskys Meditationen (1934)
Museumskonflikte in Halle und Rostock 1949 In Halle forderte man wenige Monate nach der Wiedereröffnung des Museums, die Anfang Oktober 1948 stattgefunden hatte, die moderne Abteilung nach volksbildenden Gesichtspunkten auszurichten und realistische Tendenzen stärker zu berücksichtigen (Abb. 5).23 Eine Forderung, die damals an alle Museen gestellt worden war, die jedoch in Halle mit besonderem Nachdruck durchgesetzt wurde. Bereits im Januar 1949 kam dafür der Kunsthistoriker Gerhard Strauss (1908–1984), Leiter der Abteilung Bildende Kunst in der Zentralverwaltung für Volksbildung, persönlich zu einer Museumsprüfung nach Halle. Die Überprüfung einzelner Museen durch die Zentralverwaltung, die bis 21. März 1949 abgeschlossen sein sollte, war im Rahmenplan 1949/50 festgelegt worden. In der Regel erfolgte sie durch regionale Museumspfleger und -referenten – außer in den Weimarer Kunstsammlungen und in Halle.24 In Halle erkannte Strauss die Leistung des Wiederaufbaus vom rein musealen Standpunkt aus durchaus an, er bemängelte jedoch das Fehlen von gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten und Kunstwerken „realistischen Stils“. Die Neuankäufe des Direktors Gerhard Händler seien nach rein subjektiven, bürgerlichen Kriterien getätigt worden, wodurch die Moritzburg zu einem „Klassenmuseum“ geworden sei. Strauss schlug vor, Werke von sozialkritischen Künstlern wie Hans Baluschek, Käthe Kollwitz, Frans Masereel, Otto Nagel und Oskar Nerlinger einzufügen und am Eingang zu den Räumen des Expressionismus ein Hinweisschild mit der Aufschrift „bürgerliche Verfallskunst und Ansätze zur neuen Gestaltung“ anzubringen. Händler sollte ein entsprechendes Konzept ausarbeiten und der Zentralverwaltung vorlegen.25 Dem Museen, „Bildungsstätten ersten Ranges“
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Abb. 6 : Ausstellungeröffnung Moderne bildende Kunst im Museum der Stadt Rostock, April 1949
kam Händler, der sich bereits bei der Eröffnung der Moritzburg 1948 deutlich gegen die antimoderne, lenkende Museumspolitik der Zentralverwaltung für Volksbildung positioniert hatte, nicht nach, stattdessen kehrte er der DDR den Rücken. Händlers Weggang aus Halle machte den Weg frei für die von der Zentralverwaltung gewünschten Umgestaltungen nach gesellschaftsorientierten, politisch-ideologischen Aspekten.26 Schwierigkeiten lassen sich in dieser Zeit auch für das Museum der Stadt Rostock nachweisen, wo im Frühjahr 1949 – während der ersten Hochphase der Formalismusdebatte – die Ausstellung Moderne bildende Kunst eröffnete (Abb. 6).27 Dem Museum war 1947 ein Teil des Nachlasses des Kunsthändlers Bernhard A. Böhmer zur Aufbewahrung übergeben worden, der eine nicht unerhebliche Anzahl qualitätvoller Arbeiten aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts enthielt. Böhmer war während des Nationalsozialismus einer der vier offiziell vom NS-Staat beauftragten Kunsthändler gewesen, die für den Verkauf „entarteter“ Kunst ins Ausland zuständig waren.28 Nach Ende des Krieges wurden einige dieser Werke auf dem Grundstück von Böhmer in Güstrow gefunden, wo dieser im Mai 1945 Suizid begangen hatte. Ein Teil der Werke war 1949 in der Rostocker Ausstellung zu sehen, ebenso wie Leihgaben aus dem Moritzburgmuseum in Halle, aus der Berliner Nationalgalerie und dem Barlach-Nachlass in Güstrow. Welch heißes Eisen eine solche Ausstellung in Anbetracht der zeitgenössischen Auseinandersetzungen über Aufgaben und Formen der Kunst bedeutete, führen Presseartikel vor 24 I Maike Steinkamp
Augen, die die Ausstellung begleiteten und in denen immer wieder der fehlende Gegenwartsbezug der Werke thematisiert wurde.29 Nach Aussage von Kurt Reutti (1900–1967), damals zuständig für Kunstrückführungen beim Magistrat von Groß-Berlin, wurde die Rostocker Ausstellung aufgrund der Kontroversen sogar vorzeitig geschlossen,30 was sich in den historischen Akten jedoch nicht belegen lässt. Eindringlich verdeutlichen die Reaktionen auf die Rostocker Präsentation die zunehmende Ablehnung der Moderne des frühen 20. Jahrhunderts in der SBZ.
Politisch gelenkte Museen in der DDR Direkte Eingriffe in die Museumsarbeit wie in Halle oder Rostock sollten nach der Gründung der DDR im Oktober 1949 weiter zunehmen. Stärker als zuvor wurden Kunst und Museen in den Dienst des Staates und seiner politischen Ziele gestellt.31 1949/50 hieß es im Arbeitsbericht des Referats bildende Kunst zur Aufgabe der Museen im Zweijahresplan, dass diese zu „wirklichen volksbildenden Stätten“ ausgebaut werden sollten. Dies implizierte eine „Bereinigung“ der vorhandenen Sammlungsbestände und eine neue, systemkonforme Beschriftung in den Ausstellungsräumen. Die Mitarbeiter sollten im Sinne der neuen kulturpolitischen Richtlinien geschult und das Genehmigungs- und Meldewesen für Kunstausstellungen verschärft zur Anwendung gebracht werden.32 Die Häuser wurden zudem verpflichtet, sich stärker den revolutionären Perioden der internationalen Geschichte und Kunst zuzuwenden und die Propagierung von Künstlern zu unterbinden, die den eng gefassten Vorstellungen einer Kunst im Sozialismus und deren Vorläufern nicht entsprachen.33 Museumsleiter wie Wolfgang Balzer (1884–1968), Leiter der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, die sich politisch nicht vereinnahmen lassen wollten und weiter auf die Moderne setzten, wurden aus dem Amt gedrängt.34 Zur Umsetzung dieser kulturpolitischen Forderungen rief die Regierung der DDR im Juli 1951 schließlich die Staatliche Kommission für Kunstangelegenheiten ins Leben, der die Kontrolle aller kulturellen Einrichtungen – und damit auch die der Museen – oblag.35 Neben den bereits angesprochenen Vorgaben für die Museen hatte die Kunstkommission insbesondere zur Präsentation von Gegenwartskunst dezidierte Vorstellungen. So führte Kurt Schiffner, Leiter der Abteilung Kunst der Staatlichen Kommission für Kunstangelegenheiten, im Dezember 1951 in seinem Referat Grundsätze der Museumsarbeit bei der eingangs erwähnten, von der Kommission organisierten Tagung der Museumsleiter in Berlin aus : „In der Weiterführung der neuzeitlichen Sammlungen bis zur Gegenwart liegt ein wesentlicher Faktor zur Gewinnung des breitesten öffentlichen Interesses. Hier gilt es, eine klare Einstellung zu den Verfallserscheinungen in der Kultur der absterbenden bürgerlichen, kapitalistischen Gesellschaft im Gegensatz zu der Entwicklung einer realistischen lebensbejahenden Kunst zu beziehen. Eine sorgfältig getroffene Auswahl der Ausstellungsstücke soll die Grundlage zur kritischen Aneignung des kulturellen Erbes bilden. So wird es gelingen, den genannten Gegensatz zu verdeutlichen und unseren Künstlern den Weg zur Überwindung des Formalismus, dem Ausdruck des KosmopoMuseen, „Bildungsstätten ersten Ranges“
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litismus, zu weisen. Unsere Museen und Sammlungen müssen zur Quelle der Kraft für unsere bildenden Künstler in ihrem Ringen um eine starke realistische Kunst werden.“36 Wie das Zitat verdeutlicht, sollten sich die Museen der DDR – den Vorgaben der Staatlichen Kommission für Kunstangelegenheiten entsprechend – sowohl in der Auswahl als auch in der Präsentation der Objekte nach dem politischen Kurs der SED und deren (Kunst-)Geschichtsauffassung richten. Den als „formalistisch“ interpretierten Tendenzen des beginnenden 20. Jahrhunderts wurde in diesem offiziell verordneten Geschichtsbild kein positiver Platz mehr zugebilligt. „Formalistische“ Kunstrichtungen waren – wenn sie nicht ausdrücklich als „Verfallserscheinung“ der Weimarer Republik gekennzeichnet waren – in den Ausstellungsräumen nicht länger erwünscht. Selbst sozialkritische Künstler wie Käthe Kollwitz oder Ernst Barlach gerieten zunehmend in die Kritik, weil ihre Arbeiten als zu pessimistisch galten. Eine Vielzahl der ostdeutschen Museen begann daraufhin, ihre Sammlungen nach politisch-gesellschaftlichen Gesichtspunkten neu zu ordnen und entsprechend zu kommentieren. Museumsdirektoren wie Herbert Kunze (1895–1975), der 1925 bis 1937 und erneut 1945 bis 1963 das Angermuseum in Erfurt leitete, oder Friedrich Schreiber-Weigand (1879–1953), Leiter des Städtischen Kunstmuseums in Chemnitz seit 1945, wie schon zuvor 1920 bis 1933, versuchten ihren Idealen und ihrer positiv-fördernden Einstellung gegenüber der Moderne weiterhin treu zu bleiben – zumindest soweit es unter den gegebenen Umständen möglich war. Dennoch ist in nahezu allen Museen der DDR, die sich nach 1945 für die Kunst der Moderne geöffnet hatten, ab 1950 eine Änderung in der Ausrichtung der Sammlungen zu bemerken. So auch in der Moritzburg in Halle, wo im Sommer 1950 die neue Dauerausstellung des Museums unter dem demonstrativ politischen Titel Kunst als Spiegel der Gesellschaft eröffnete (Abb. 7).37 Zwar war die Vorkriegsavantgarde in Halle weiterhin in den Ausstellungsräumen zu sehen – jetzt allerdings als Negativbeispiel für den „Verfall der bürgerlichen Gesellschaft“. Ende 1951 erreichte das Museum schließlich die Anweisung von Helmut Holtzhauer (1912–1973), dem Leiter der Staatlichen Kommission für Kunstangelegenheiten, diese ganz aus der Sammlung zu entfernen – was auch geschah. Holtzhauer schrieb damals : „Wie ich erfahre, werden in Ihrem Museum bis zum heutigen Tage eine Anzahl von Werken abstrakter Maler wie Feininger, Kandinsky, Klee, usw. ausgestellt. Die Situation in Halle/S. läßt eine Exponierung dieser Werke nicht ratsam erscheinen. Sie sind mehrmals auf den Widerspruch zwischen dem Kampf der fortschrittlichen Kräfte Deutschlands um Realismus und Ihre Ausstellungspraxis hingewiesen worden. Ich weise sie hiermit an, die Werke abzunehmen und zu magazinieren.“38 Der Vorfall in Halle zeigt, wie massiv die Kommission mittlerweile in die Belange der Museen eingriff. Inspektionen, Anweisungen und Entlassungen waren zumindest um 1951, in der Hochphase der Formalismusdebatte, die Regel, ebenso üblich war die Entfernung von unerwünschten Werken aus den Sammlungen oder die Schließung einzelner Räume. Nachweisbar ist dies unter anderem für die Nationalgalerie in Ost-Berlin, wo ein Raum mit expressionistischer Grafik geschlossen wurde, oder für Weimar, wo man Anfang der 1950er Jahre das Bauhaus-Kabinett auflösen ließ.39 Nur vereinzelt waren daraufhin in den Sammlungen oder in Ausstellungen noch Werke expressionistischer oder anderer avantgardistischer Künstler der Vorkriegszeit zu sehen, und auch Ankäufe von diesen Künstlern wurden kaum mehr getätigt. 26 I Maike Steinkamp
Abb. 7 : Eingangsbereich zur neuen Dauer ausstellung Kunst als Spiegel der Gesellschaft in der Moritzburg in Halle, 1951
Erst mit dem Tod Stalins im März 1953 und dem Arbeiteraufstand am 17. Juni desselben Jahres sollte sich die kulturpolitische Lage in der DDR etwas entspannen, was auch zu einer Entdogmatisierung in den Museen führte. In späteren Jahren, ab 1954, changierte die Museumspolitik des Ministeriums für Kultur zwischen Ideologie und punktueller Offenheit gegenüber der Moderne gerade der Weimarer Republik.40 So erlangte ab den 1960er und frühen 1970er Jahren die sogenannte proletarisch-revolutionäre Kunst der Vorkriegszeit zunehmende Akzeptanz und auch das Bauhaus konnte offiziell in den Fokus rücken. Vom Grundsatz her blieb der 1951 formulierte Anspruch an die Museen und speziell an die Kunstmuseen, als „Bildungsstätten ersten Ranges“ im politisch-ideologischen Sinn zu fungieren, jedoch während des gesamten Bestehens der DDR gültig. Mit Hilfe der Museen sollte der jeweils von der SED verfolgte kulturpolitische Kurs visualisiert, und die Politik der SED durch die Konstruktion einer sozialistischen (Kunst-)Geschichte historisch fundiert und legitimiert werden.
Anmerkungen 1
Der vorliegende Beitrag basiert auf einem früheren Text der Autorin (Steinkamp 2013c), der im Kontext der Tagung „So fing man einfach an, ohne viele Worte“. Ausstellungswesen und Sammlungspolitik in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg 2012 im Museum Ludwig Köln entstanden ist. Für die Rostocker Tagung 2019 wurde der Text überarbeitet und ergänzt. 2 Vgl. Das Museum ist eine Bildungsstätte ersten Ranges 1951. 3 Vgl. Befehl Nr. 51 zur Wiedererrichtung und Tätigkeit der Kunstinstitutionen vom 4. September 1945, in : Um die Erneuerung der deutschen Kultur 1983, S. 83–85. Der Befehl bezog sich nicht allein auf die Museen, sondern ebenso auf Theater, Opern oder Sinfonieorchester. Museen, „Bildungsstätten ersten Ranges“
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4 Vgl. dazu ausführlich Steinkamp 2008. 5 SMAD-Befehl Nr. 51 zur Wiedererrichtung und Tätigkeit der Kunstinstitutionen vom 4. September 1945, in : Um die Erneuerung der deutschen Kultur 1983, S. 83. 6 Die Verantwortung für die Umsetzung der kulturpolitischen Vorgaben der SMAD wurde im Juli 1945 der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung übertragen, in deren Zuständigkeitsbereich auch die Museen fielen. Die deutschen Verwaltungsorgane waren den sowjetischen Behörden nachgeordnet, vgl. dazu u. a. Reimers 1996. 7 Vgl. Held 1981, S. 215 u. 295 ; Papenbrock/Saure 2000, Teil II. 8 Kunstausstellung Kammer der Kunstschaffenden 1945. 9 Vgl. Schade 1991, S. 202. 10 Vgl. SMAD-Befehl Nr. 177 über die Rückführung der Museumswerte und die Wiedereröffnung der Museen vom 18. Juni 1946 u. Richtlinien der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung zum SMAD-Befehl Nr. 177, in : Um ein antifaschistisch-demokratisches Deutschland 1968, S. 285 f. u. 293–297. 11 Vgl. Bericht über eine Besprechung mit Major Dymschitz an Paul Wandel, 6.6.1946, in : BArch, DR 2/1038. Als Argument dafür wurde offiziell die starke Zerstörung der deutschen Museen und die dadurch zu befürchtende unzulängliche Unterbringung und fehlende restauratorische Betreuung der Objekte angeführt. Die Kunstwerke wurden in Museen in Moskau, St. Petersburg und Kiew gebracht. Wie aus einem Bericht der Zentralverwaltung für Volksbildung hervorgeht, durften nach dem 1. Mai 1946 eigentlich keine Abtransporte aus Museen mehr vorgenommen werden. Dies wurde jedoch nicht eingehalten. Die Abtransporte erfolgten noch bis in den Spätsommer 1946 hinein. 12 Vgl. Sitzungsprotokoll des Städtischen Beirats für Kunst, Wissenschaft und Volksbildung, 21.7.1945, in : Stadtarchiv Halle/Saale, 321–1/2, Bl. 10 ; Köller 2013, S. 195–200 ; zur Geschichte der modernen Sammlung vgl. auch Bauhaus – Meister – Moderne 2019. 13 Vgl. Steinkamp 2008, S. 113–228. 14 Entschließung zur Kulturpolitik. Angenommen vom Ersten Kulturtag der SED in Berlin, 7. Mai 1948, in : Um die Erneuerung der deutschen Kultur 1983, S. 303–308, hier S. 307. 15 Vgl. dazu ausführlich Steinkamp 2008. 16 Vgl. Resolution zum Deutschen Museumstag 1947, gez. Vorsitzender des Museumstages Prof. Dr. W. Ulrich, 2.10.1947, in : BArch, DR 2/1008, Bl. 78 f. 17 Vgl. Vorlage Deutsche Verwaltung für Volksbildung Abteilung Kunst und Literatur, 1.7.1947 u. Protokoll der Konstituierung der Museumskommission, 10.12.1947, in : Hauptstaatsarchiv Dresden, 13458, VA 173, 30/17. 18 Themen waren unter anderem Das Museum als Mittel der Volkserziehung (Ministerialdirektor Gute, Leiter der Abteilung Kunst- und Literatur der Museumskommission), Volks- und wissenschaftliche Museen (Dr. Strauss, Berlin), Breitenarbeit der Museen (Direktor Schramm, Dresden), Museumswesen im Ausland (Ludwig Renn, Dresden), Museen und moderne Kunst (Prof. Balzer, Dresden), vgl. Programm der Tagung, in : SMB-ZA, II/NG 16. 19 Tr : Museum fürs Volk – Neue Wege der Volksbildung, in : Neues Deutschland, 7.10.1947, S. 3. 20 Vgl. Zweijahresplan, 3.8.1948, Bl. 10, in : SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/9.06/169, Bl. 25–38. 21 Entwurf Gerda Weinholz, Referat Museumswesen/Bildende Kunst, Ministerium für Volksbildung, Landesregierung Sachsen, 24.8.1948, zitiert nach Lindner 1998, S. 89. 22 Vgl. Steinkamp 2008, S. 199 ff. 23 Vgl. ebd., S. 209 ff.; Dornbach 2019.
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24 Vgl. Rahmenplan 1949/50 für die Museen der sowjetischen Besatzungszone, 28.8.1948, in : Hauptstaatsarchiv Dresden, 13458, VA 1, Bd. 1. 25 Vgl. Bericht Händler, 21.1.1949, Bl. 2, in : Nachlass Gerhard Händler, Mönchengladbach ; Bericht Gerhard Strauss, Aktennotiz K Nr. 198/49, 25.1.1949, in : Stadtarchiv Halle/Saale, 321–1/6, S. 1 f.; siehe auch Köller 2013, S. 201 f. 26 Zuvor war es in der Presse zu einem öffentlichen Wortgefecht zwischen Händler und Strauss gekommen, vgl. Gerhard Händler : Kunst in der Ostzone, in : Die Welt, Typoskript, o. D., in : Nachlass Gerhard Händler, Mönchengladbach ; Strauss 1949 ; Gerhard Händler : Offener Brief, in : Die Welt, Typoskript, Bl. 2 ff., in : Nachlass Gerhard Händler, Mönchengladbach. 27 Vgl. dazu ausführlich Steinkamp 2010. 28 Vgl. Ein Händler „entarteter“ Kunst 2010. 29 Vgl. Zur Ausstellung Moderne bildende Kunst im Rostocker Museum, April 1949, in : Stadtarchiv Rostock, 2.1.3. Nr. 11. Dort auch weitere Rezensionen der Ausstellung. 30 Vgl. Kurt Reutti vermutlich an Gerhard Händler, 17.12.1951, in : Berlinische Galerie, Nachlass Galerie Ferdinand Möller, GI/1. 31 Vgl. u. a. Grotewohl 1951. 32 Vgl. Zur Aufgabe der Museen im Zweijahresplan, in : Arbeitsbericht des Referats bildende Kunst für das III. Quartal 1949, zitiert nach Lindner 1998, S. 95. 33 Vgl. Kiau 1969, S. 429. 34 Vgl. Rudert 2013, S. 193 f. 35 Zur Staatlichen Kommission für Kunstangelegenheiten vgl. Buchbinder 2001. 36 Schifner 1951, S. 15. 37 Vgl. Kahns 1950. Näheres zu der Umgestaltung bei Hüneke 1996 u. Steinkamp 2008, S. 275 ff. 38 Helmut Holtzhauer an den Leiter des Museums in der Moritzburg, 8.12.1951, in : BArch, DR 1/5942, Bl. 815. 39 Vgl. Janda 1992, S. 119, Anm. 99. Leider ist der Vorfall nicht in den Akten der Kunstsammlungen Weimar dokumentiert. 40 Siehe dazu den Beitrag Kratz-Kessemeier in diesem Band.
Museen, „Bildungsstätten ersten Ranges“
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Kristina Kratz-Kessemeier
DAS MU S E UM A LS MO D ER N ER ÄSTH E TI S C H E R B I L D U N G SO RT AU C H I N D ER DDR ? Optionen und Grenzen einer offeneren Museumspolitik des Ministeriums für Kultur 1963–1969
In Skandinavien, in den USA, bis hin nach Rio und auch im Westen Deutschlands war es in den 1960er Jahren das Ideal des modernen Museums : das Museum als besuchernaher, freier ästhetischer Bildungsort. Das moderne Museum der Nachkriegszeit sollte – anders als die prunkenden, übervollen bürgerlichen Museen des 19. Jahrhunderts – vor allem eins sein : niedrigschwellig, offen und klar gestaltet, überschaubar und ästhetisch einladend für ein breites Publikum. Es ging um Bildung für alle durch individuelle Wahrnehmung, einen eigenen Blick. Das Objekt an sich stand im Mittelpunkt. Bewusst inszenierte und fokussierte Museumsräume, auch neue Vermittlungsformate sollten die ästhetische Rezeption fördern, Einsichten eröffnen, Gefühl und Formgefühl mitgeben, zum Austausch darüber anregen.1 Eine moderne, demokratische Form des Museums, die in den Ideen Alfred Lichtwarks (1852–1914) wurzelte, in der Reform- und Volksbildungsbewegung um 1900, in der Avantgarde der 1920er Jahre, im Neuen Sehen von Bauhaus und Novembergruppe ebenso wie in ästhetischen Bildungskonzepten der Weimarer Republik, die ab 1919 legendär etwa in Ludwig Justis (1876–1957) Neuer Abteilung der Nationalgalerie im Berliner Kronprinzenpalais umgesetzt worden waren, dem ersten eigenen Museum für die Moderne des 20. Jahrhunderts.2 An all das knüpfte das moderne Museum nach 1945 an. Nach Krieg und Diktatur wurde das Museum als freier ästhetischer Wahrnehmungsraum, als Ort neuer Form und demokratischer Bildung umso wichtiger. Zunächst in West wie in Ost. In Ost-Berlin versuchte Justi, seit 1946 Generaldirektor der dortigen Staatsmuseen und seit 1950 auch wieder Leiter der Nationalgalerie, die Ideen des Kronprinzenpalais durch eine „Schule des Sehens“ wiederaufleben zu lassen.3 Dann allerdings gab es einen Bruch : Während der moderne ästhetische Bildungsort Museum seit den 1950er Jahren in der Bundesrepublik florierte und, gefördert durch die UNESCO und ihre Museumsorganisation ICOM, seit 1952 immer stärker auch international auf die Agenda rückte, ab 1956 zudem mit Plädoyers für entsprechende moderne Museumsbauten,4 geriet das Konzept in der DDR bis Mitte der 1950er Jahre in den Strudel der seit 1949 eskalierenden Formalismusdebatte. Das ist bekannt und inzwischen gut erforscht.5 Wie es indes mit dem modernen Museum in der DDR danach weiterging, das ist bislang eine offene Frage. Nicht zuletzt der Ort unserer Tagung von 2019, die Rostocker Kunsthalle, weist ja markant darauf hin : In den 1960er Jahren scheint es den modernen ästhetischen BilDas Museum als moderner ästhetischer Bildungsort auch in der DDR ?
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dungsort Museum doch auch in der DDR wieder gegeben zu haben. Architektonisch reiht sich die 1964 geplante, 1969 eröffnete Rostocker Kunsthalle sichtbar ein in das moderne Museumsideal der Zeit. Nähen zu Louisiana bei Kopenhagen, 1958 eröffnet, aber auch zur Akademie der Künste in West-Berlin von 1959/60 oder zur Kunsthalle der Stadt Köln von 1967 sind unverkennbar.6 Wie kam es zu dieser erneuten Orientierung des SED-Staats am zuvor als formalistisch verpönten modernen Museumskonzept ? Was machte sie aus ? Und wie lange blieb das Ideal tragfähig für die DDR ? Der Beitrag möchte dazu erste Einordnungen geben, vor allem indem er nach einer in den 1960er Jahren veränderten Politik des Ministeriums für Kultur (MfK) fragt, der seit 1954 obersten museumspolitischen Instanz in der DDR. Gestützt auf reiches Quellenmaterial, in das auch Ministeriumsakten im Bundesarchiv einbezogen worden sind, soll damit erstmals auf eine liberalere Museumspolitik der DDR ab 1963 hingewiesen werden, die das moderne Museum mit bildungs- wie außenpolitischem Kalkül tatsächlich kurzzeitig noch einmal aktiv und prominent platzierte.
Wiederkehrende Aktualität von Kunst und Form in den späten 1950er Jahren Erste Bewegung in Richtung Kunst und Ästhetik kam in die DDR-Museumspolitik bereits Ende der 1950er Jahre. Immer deutlicher zeichnete sich damals ab, dass man sich über die Heimatmuseen, die bisher im Fokus eines historisch-politischen Museumsverständnisses im SED-Regime gestanden hatten, kaum international würde profilieren können. Gleichzeitig begann sich der dogmatische Blick auf die Moderne nach Stalin zu lösen.7 Die Rückführung von Kunstwerken aus der UdSSR ab 1955 gab den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden und Berlin zudem neue Handlungskraft.8 Als die im direkten Umfeld des Kulturministeriums herausgegebene Neue Museumskunde – mit eingefügtem Klebezettel in Farbe, der fast selbst schon wie abstrakte Kunst wirkte (Abb. 1) – 1959 erstmals zu wahrnehmungsästhetischen Farbgestaltungen in Museen aufforderte und auf westdeutsche Literatur dazu hinwies, war das ein deutlicher Aufbruch.9 Die erste Bitterfelder Konferenz stärkte den Bildungs- und Kulturort Museum 1959 weiter. Die Kunstpädagogik der DDR entdeckte daraufhin das „Kunsterlebnis“ wie die formale Geschmacksbildung.10 Kunsterziehung und Museen kamen so eng zusammen, gerade in Dresden.11 Das Kunstgewerbemuseum in Karl-Marx-Stadt zeigte nun gutes Alltagsdesign, wie das MoMA in New York kurz zuvor.12 Schon 1957 hatten die Meininger Museen oder das Völkerkundemuseum in Leipzig ästhetische Inszenierungen erprobt.13 In einer Zeit, in der sich auch die DDR-Architektur der internationalen Moderne öffnete, das DDR-Design zudem innovative Wege mit neuen Werkstoffen und orientiert an der Ulmer Hochschule für Gestaltung ging,14 rückte der moderne ästhetische Bildungsort Museum damit auch für den Osten Deutschlands wieder näher.15 Bis 1961 steckte all das unter dem seit 1958 amtierenden Kulturminister Alexander Abusch (1902–1982) jedoch weiter in einem engen ideologischen, antimodernen und antiwestlichen Korsett.16 Max Seydewitz (1892–1987), als SED-Politiker 1955 bis 1968 Generaldirektor der 32 I Kristina Kratz-Kessemeier
Abb. 1 : „Ein gedachter Museumsraum mit Tafeln, Exponaten und entsprechenden Hintergründen“, kolorierter Klebezettel zum Beitrag Farbe im Museum von Elisabeth Wegner 1959 in der Neuen Museumskunde
Dresdner Museen,17 unterstrich noch 1960, Ziel in der DDR sei es, „die unverbindliche, nach formal-ästhetischen Gesichtspunkten vorgenommene Schaustellung von Kunstwerken“, die man dem Westen vorwarf, zu überwinden zugunsten „einer systematischen, parteilichen, anschaulichen Umgestaltung zu sozialistischen Museen“.18 Und doch regte sich gerade in Dresden auch schon eine offenere Museumsidee. Spürbar wird das etwa im Gemälde Im Museum von Hans Mayer-Foreyt (1916–1981) (Abb. 2), später Mitbegründer der Leipziger Schule. Das 1961 entstandene Bild hält eine Szene in der gut besuchten Gemäldegalerie Alte Meister fest, die mit den Rückgaben aus der UdSSR, darunter die im Hintergrund zu sehende Schlummernde Venus von Giorgione,19 1956 im Semperbau wiedereröffnet worden war. Mayer-Foreyt zeigt vor allem eins : ein breites, modernes Publikum im Museum, Jung und Alt, die sich begegnen, Blicke, eine geführte Gruppe, auch indiDas Museum als moderner ästhetischer Bildungsort auch in der DDR ?
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Abb. 2 : Hans Mayer-Foreyt : Im Museum, 1961, Öl auf Leinwand, 110 x 141 cm, Museum der bildenden Künste Leipzig, Inv.-Nr. G 2769
viduelles Betrachten von Kunst – in sachlich-reduziert, mit Lichtinseln und leichter Farbigkeit gestalteten Räumen.
Kultur- und museumspolitische Liberalisierung ab 1963 Und tatsächlich gab es in der DDR nur wenig später eine neue politische Chance für diese moderne ästhetische Museumsidee : Getragen von einem stärker am Westen orientierten Kurs Chruschtschows, begann sich auch die Kulturpolitik der DDR in der ersten Hälfte der 1960er Jahre zu öffnen und innovativer zu werden. Nach dem Mauerbau war wieder mehr Flexibilität gefragt, um die junge Generation an Bord zu halten und international konkurrenzfähig zu sein. Anfang 1963 beschloss der VI. SED-Parteitag ein „Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung“, das auf mehr Eigeninitiative in den Betrieben setzte. Damit war der Weg frei für differenziertere Bildungskonzepte.20 Kunst, ästhetische Wahrnehmung und das eigene „Schauen“ bekamen neue Möglichkeiten in der DDR-Politik.21 1964 stärkte die zweite 34 I Kristina Kratz-Kessemeier
Bitterfelder Konferenz den Kontext Kultur und Bildung weiter und öffnete den Blick für die Moderne.22 Gunnar Decker spricht daher für 1963 bis 1965 vom „kurzen Sommer der DDR“, der sich in Kino, Theater oder Literatur zeigte.23 Und auch einen neuen DDR-Kulturminister gab es seit 1961, der diesen liberaleren Kurs mittrug : Hans Bentzien (1927–2015), nach dem Dogmatiker Abusch Vertreter einer jüngeren SED-Generation.24 Die veränderte SED-Politik war quasi eine Steilvorlage für eine offizielle Annäherung an den modernen ästhetischen Bildungsort Museum. Und die Bildungspolitik des Landes reagierte prompt. Um die museale Bildung zu professionalisieren, wurde die Arbeitsgruppe „Schule und Museum“ beim Volksbildungsministerium gegründet, der 25 Pädagogen und Museologen angehörten.25 Schon im Juli 1963 publizierte die Expertengruppe wegweisende „Thesen zur Einbeziehung der Museen in die Bildungs- und Erziehungsarbeit im einheitlichen sozialistischen Bildungssystem“.26 Demonstrativ stellte man sich hier nun nicht mehr nur in die Tradition der UdSSR, sondern explizit auch in die „fortschrittlicher bürgerlicher deutscher Pädagogen und Kunstwissenschaftler“ wie Lichtwark, der zur selben Zeit als Wegbereiter des modernen Museums auch im Westen wichtige Bezugsgröße war.27 Zugleich öffnete man sich aktiv der aktuellen internationalen Debatte um das moderne Museum, die man maßgeblich von UNESCO und ICOM „durch Symposien, regionale Konferenzen, Publikationen und Entwicklung von Beispielen“ getragen sah. Auch Formen und Methoden der USA, Englands und Skandinaviens verdienten „kritische Beachtung hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit“, hieß es.28 Im Hintergrund war das Thema ICOM für die DDR schon länger aktuell. Seit 1956 engagierte sich das Ministerium für Kultur für eine Aufnahme in die Museumsorganisation der UNESCO, um so die staatliche Anerkennung der DDR voranzubringen.29 Treibende Kraft war Irene Gysi (1912–2007), die 1956 bis 1977 für die kulturellen Auslandsbeziehungen im Ministerium zuständig war. Gysi traf sich dafür 1957/58 mit ICOM-Präsident Georges Henri Rivière (1897–1985) in Paris und Berlin.30 Ab 1961 folgten weitere Vorstöße des Ressorts.31 Das DDR-Außenministerium forderte 1962, es müsse alles getan werden, um „den Boden für eine erfolgreiche Behandlung eines DDR-Antrages vorzubereiten.“32 1963 schlossen sich hier die Kreise : Das außenpolitische Interesse verband sich nun mit einer Aufgeschlossenheit für die ästhetischen Bildungs- und Museumsideen von UNESCO und ICOM.33 Aus dieser doppelten Motivation heraus wurde das Ministerium Bentzien ab 1963 zu einem überzeugten Förderer des modernen Museums. Wesentlicher Akteur dafür im Ressort selbst war Eberhard Bartke (1926–1990), der 1961 bis 1969 die Abteilung Bildende Kunst, Museen und Denkmalpflege im Ministerium leitete. Der Kunstwissenschaftler Bartke, ähnlich jung wie Bentzien, war ein klarer Parteikader, seit 1947 SED-Mitglied, 1954 bis 1958 in Moskau geschult, trat für sozialistischen Realismus ein. Zugleich brachte er aber einen differenzierten Blick auf Kunst und Ästhetik mit. 1946 bis 1949 hatte er Bildhauerei an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee studiert, 1958 Über die Eigenart der ästhetischen Wahrnehmung der Wirklichkeit promoviert.34 1962 hatte er sich im Konflikt mit Ulbricht gegen eine zu platte Umsetzung des Bitterfelder Wegs in der Kunst eingesetzt.35 Ende 1964 propagierte Bartke entsprechend bei der Museumsleitertagung der DDR, die Museen könnten „das selbständige Das Museum als moderner ästhetischer Bildungsort auch in der DDR ?
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Denken, die Freude am eigenen Forschen und Erkennen, das Streben nach umfassendem und spezialisiertem Wissen fördern und das Verständnis für Schönheit wecken“.36 Ein neuer ministerieller Blick für individuellere Bildungsansätze und das ästhetische Potenzial der Museen klang hier an.
Showroom Dresden 1963–1965 Als Experimentierfeld für die neue Museumsidee nutzte das Ministerium für Kultur vor allem die exponierten Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Deren Direktor Seydewitz schwenkte 1963 zügig um auf die neue Politik,37 suchte bald, unterstützt vom Ministerium, Kontakte zum ICOM und dessen westdeutschen Akteuren wie Kurt Martin (1899–1975).38 Schon 1963 hatte das Ministerium auch den Dresdner Chefrestaurator Karl-Heinz Weber in diesem Sinne aktiviert.39 Derweil brachten sich die Dresdner Museen selbst innovativ in Position : 1962 bis 1965 wurde das Albertinum nach neuesten ICOM-Standards von den beiden jungen Dresdner Architekten Gerhard Glaser (geb. 1937) und Hermann Krüger (1935–2016) wiederaufgebaut. Mit gezielter Lichtführung und objektbezogen farbig betonten Wänden orientierte man sich dabei bewusst an wahrnehmungsästhetischen Kriterien, in einer sachlichen, flexiblen Museumsarchitektur, die der Kunst die Bühne ließ.40 Seit Herbst 1963 gab es in zwei der neuen Räume eine Abteilung für sozialistische Gegenwartskunst.41 Im Oktober 1965 wurde dann auch die Gemäldegalerie Neue Meister mit Kunst des 19./20. Jahrhunderts im modernen Albertinum wiedereröffnet.42 In einem zweiten Bauab schnitt von 1963 bis 1965 wurden die Museumsräume unter anderem für die Klassische Moderne jetzt noch mutiger inszeniert als 1962/63, so im Expressionistensaal mit Dix auf schwarzer Wand (Abb. 3).43 „Die neuen Räume“, hieß es aus Dresden, „sind nach jüngsten Erfahrungen des Museumswesens gestaltet“, sie würden „höchsten Ansprüchen gerecht“. Das Interesse der Presse auch aus Frankreich, Italien oder den USA sei enorm.44 Eine halbe Million Besucher sah 1965 die Neuinszenierungen.45 Die DDR setzte damit mitten in ihrem „kurzen Sommer“ in Dresden ein Statement für das moderne Museum, mit dem man international wie gegenüber der Bundesrepublik zu punkten suchte46 – nachdem diese sich im Herbst 1963 mit einer UNESCO-Tagung zur Öffentlichkeitsarbeit der Museen im Neubau des Museums Folkwang in Essen im internationalen Museumsdiskurs platziert hatte.47 Die museale Vermittlungsarbeit in Dresden wurde in diesem Umfeld ab 1963 weiter ausgebaut, differenziert und zunehmend ästhetisch akzentuiert.48 Als innovatives Format etablierten sich hier ab 1963 Kunstgespräche mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, in denen es jenseits enger sozialistischer Inhalte explizit um individuelle Kunstbetrachtungen ging, um formale Kriterien wie Licht, Form und Farbe, auch um Auseinandersetzung, Austausch, Emotion und Einfühlung.49 Rembrandts Saskia-Bilder oder Giorgiones Venus boten dabei für Schulklassen oder im Jugendklub der Museen ebenso Diskussionsstoff wie Arbeiten von Liebermann, Schmidt-Rottluff, Picasso oder die eigene DDR-Kunst. Nicht Faktenwissen, sondern formale Bildvergleiche oder Bildgattungen waren Anliegen, oft stand der Mensch im 36 I Kristina Kratz-Kessemeier
Abb. 3 : Expressionistensaal in der 1965 nach ICOM-Maßstäben von den Architekten Gerhard Glaser und Hermann Krüger neugestalteten Gemäldegalerie Neue Meister Dresden mit Oberlicht, flexiblen Stellwänden und Kriegstriptychon von Otto Dix von 1932 vor schwarzer Wand, publiziert 1967 in der Neuen Museumskunde in : Glaser/Krüger 1967, S. 140
Mittelpunkt.50 Lichtwark und Justis „Schule des Sehens“ lebten hier wieder auf. Bezüge zu Konzepten der 1920er Jahre waren unverkennbar.51 Angelo Walther, Mitarbeiter der Gemäldegalerie Alte Meister, betonte 1964 : „Durch die Form des Gesprächs sollte vor allem auch der Mut zu eigenen Gedanken und zur eigenen Meinungsäußerung […] und zur selbständigen Auseinandersetzung mit bildender Kunst entwickelt werden.“ Immer seien die Gemälde „ganzheitlich als Kunstwerke zu begreifen, nicht etwa nur als Bilder zu einem Geschichtsbuch.“52 Die für das moderne Museum zentrale Idee autonomer Kunst, die es mit eigenem Blick wahrzunehmen galt, schien hier 1964 auch für die DDR auf. Rückendeckung bekam Dresden dafür aus Moskau, wo man 1964 in der TretjakowGalerie ähnliche Ansätze praktizierte. „Betonung des Eigenwertes der Kunst und keine bloße Geschichtsillustration“, hieß es auch dort.53 Gestalter der neuen Dresdner Vermittlungsaktivitäten war der promovierte Germanist Christian Emmrich (1927–2008), der, ab 1960 stellvertretender Gemäldegaleriedirektor in Dresden, von Oktober 1963 bis Ende August 1965 die neue „Direktion Museumspädagogik und Kulturelle Massenarbeit“ an den Kunstsammlungen Dresden leitete.54 Wie eng Emmrich in die Berliner Politik einbezogen war, zeigte sich, als beim ersten Treffen der Arbeitsgruppe Schule und Museum im Oktober 1963 experimentelle Führungen mit Schulklassen in der Gemäldegalerie Alte Meister erprobt wurden und Emmrich DDR-weite Perspektiven daraus entwickelte.55 Das Museum als moderner ästhetischer Bildungsort auch in der DDR ?
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Abb. 4 : Jugendklub in der Abteilung Sozialistische Gegenwartskunst in der Gemäldegalerie Neue Meister Dresden, um 1964, publiziert im Jahrbuch 1963/64 Staatliche Kunstsammlungen Dresden, herausgegeben von der Generaldirektion der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, redigiert von Christian Emmrich und Hans Ebert, S. 18
Emmrich, seit 1949 SED-Mitglied und im Kulturbund aktiv, zugleich eng mit der Kultur der Weimarer Republik vertraut,56 etablierte dabei um 1964 ein erstaunlich liberales Verständnis des ästhetischen Bildungsorts Museum in der DDR. Deutlich wird das etwa in einem Text für das Jahrbuch der Dresdner Kunstsammlungen 1963/64, in dem er die Öffnung der Dresdner Museen in der Museumsreform- und Kunsterziehungsbewegung um 1900 verwurzelte.57 Speziell Lichtwark betonte er hier sowie seine und die vom englischen Kunstkritiker und -reformer John Ruskin (1819–1900) vertretene Idee der Geschmacksbildung im Museum, die ökonomisch konkurrenzfähig machen sollte – und lieferte damit ein weiteres Argument für das moderne Museum in der DDR. Als dessen Kernidee unterstrich Emmrich : Es gehe um eine „künstlerische Erziehung des Auges und der Empfindung“.58 Was Lichtwark schon 1903 bei der Manneimer Tagung Die Museen als Volksbildungsstätten unterstrichen habe, gelte weiterhin : „Anregung des künstlerischen Sinnesempfindens. Der Museumsführer muß die Betrachter das Sehen lehren.“59
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Und auch weitere Wegbereiter des publikumsnahen Museums der Moderne über Lichtwark hinaus nannte Emmrich 1963/64 als Bezugsgrößen60 : Museumsreformer wie Fritz Wichert (1878–1951), Gustav Friedrich Hartlaub (1884–1963), Gustav Pauli (1866–1938) oder Wilhelm R. Valentiner (1880–1958), den Deutschen Museumsbund, 1957 in der Bundesrepublik gerade erst reaktiviert,61 das preußische Kultusministerium der 1920er Jahre und seinen modernen Museumsgestalter Wilhelm Waetzoldt (1880–1945).62 Das Museum der Moderne war hier kurzzeitig ganz nah in der DDR. Wie sehr die von Emmrich verantwortete, genuin ästhetische Dresdner Museumspädagogik63 dennoch weiterhin ideologisch gefärbt war, hing sicher auch von individuellen Gegebenheiten ab.64 Fest steht aber : Die musealen Spielräume waren um 1964 in Dresden fraglos größer als zuvor. Statt Ideologie stand die eigene Wahrnehmung im Vordergrund. In Diskussionsrunden mit Jugendlichen konnte schließlich auch wieder die Moderne Thema sein.65 Austausch über Kunst und Kultur der Gegenwart war gefragt (Abb. 4). Das Museum solle, so Emmrich 1964, „den wissenschaftlich-künstlerischen Meinungsstreit beleben.“66 1965 öffneten sich die Museen in Dresden und Berlin einer abstrakteren Moderne bis hin zu Klee oder Picasso, ebenso die Kunsterziehung der DDR.67 Und Emmrich griff das für eine offene Museumsarbeit unmittelbar auf.
Durch die Republik bis nach Rostock 1964/65 Die Dresdner Impulse suchte das Ministerium Bentzien ab 1963 auch breiter in die DDR hineinzutragen. Mit dem jungen Kunsthistoriker Horst Zimmermann (geb. 1930) wurde dafür 1963 offenbar bewusst jemand mit Dresdner Hintergrund ins Ministerium geholt. Um 1955/56 in Berlin als Museumsführer noch von Justis „Schule des Sehens“ geprägt,68 hatte Zimmermann, seit 1957 Referent von Seydewitz in Dresden, dort 1959 bis 1962 die Gemäldegalerie Neue Meister geleitet. Zum 1. Januar 1963 wurde er nun als Sektorenleiter Museen und Denkmalpflege in Bartkes Abteilung ans Ministerium versetzt.69 Vor allem Rostock, das „Schaufenster der DDR“ im Norden,70 schon seit 1960 im Rahmen der Ostseewoche für internationale Kunstkontakte auch nach Westen inszeniert,71 entwickelte sich unter dem Einfluss Zimmermanns, der aus der Stadt stammte, ab 1964 zum zweiten maßgeblichen Ort, an dem das moderne Museumsideal der DDR, quasi als Dresdner Export, mit internationaler Zielrichtung platziert wurde. Seit 1964 gab es in Rostock im Umfeld der Ostseebiennale Pläne für einen Museumsneubau für Kunst des 19./20. Jahrhunderts und Sonderausstellungen. Am 28. Mai 1964 lag ein offizieller Ministerratsbeschluss dazu vor, der „repräsentative Räumlichkeiten“ vorsah.72 Sofort ab 30. Mai 1964 brachte Minister Bentzien selbst daraufhin das Projekt, auch wegen konkurrierender westdeutscher Pläne, zusammen mit Zimmermann als Bau aus Beton und Glas in Gang, der nur ein Jahr später fertiggestellt sein sollte.73 Gezielt band das Ministerium dabei die Dresdner Architekten Glaser und Krüger ein, die damals gerade das moderne Albertinum realisierten. Ihre ICOM-nahe Museumsgestaltung wurde zur Orientierung auch für Rostock.74 Das Museum als moderner ästhetischer Bildungsort auch in der DDR ?
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Abb. 5 : Erich Kaufmann, Carl-Heinz Pastor, Dieter Jastram und Hans Fleischhauer für den VEB Hochbauprojektierung Rostock : Bauentwurfszeichnung für die Kunsthalle Rostock vom 29. Juli 1964, Ostansicht, initiiert vom Ministerium für Kultur, BArch, DR 1/91010
Noch im Juli 1964 wurden so vom Ministerium modernste besuchernahe Architekturpläne für die Rostocker Kunsthalle auf den Weg gebracht – mit Klinker, Stahl, Glas und Naturstein außen, neutralen Wandgestaltungen für optimale Werkwirkungen innen, einem für das moderne Museum typischen freistehenden Bau mit Flachdach, verschiedenen Raumebenen, Decken- und Punktlicht, Ausstellungshalle und Innenhof für Skulpturen, zunächst für einen zentraleren Standort in der Stadtmitte am Rosengarten (Abb. 5).75 In den Begründungen des Bezirks hieß es dazu : „Das Vorhaben dient [..] der Verwirklichung der ästhetischen Bildung, wie sie als Bestandteil der umfassenden Bildung im Zuge der technisch-wissenschaftlichen Revolution beim umfassenden Aufbau des Sozialismus in der DDR notwendig ist.“76 Auch zeitgenössisch sah man es also so : Es war ein moderner ästhetischer Bildungsort, der da geplant wurde.77 Offenkundig ging das moderne Kunsthallenprojekt Teilen der DDR-Führung dann aber doch zu weit. Am 17. August 1964 zog der Ministerrat seinen Beschluss zurück.78 Das Projekt wurde zur Macht- und Richtungsfrage zwischen Bentzien und seinem Amtsvorgänger Abusch. Mit Hinweis auf die außenpolitische Relevanz des Baus setzte sich Bentzien danach umso vehementer für die Kunsthalle ein.79 Bartke, Zimmermann und Irene Gysi stellten das Projekt noch im September 1964 neu auf. Zimmermann ging als Sonderbeauftragter nach Rostock.80 Ab 1965 war er dort für die Ostseebiennale zuständig und Gründungsdirektor der Kunsthalle. Statt des Neubaus ließ das Ministerium Ende 1964 für 60.000 Mark, die es selbst bereitstellte, demonstrativ zunächst zumindest einen modernen Teilumbau des Museums der Stadt Rostock, des heutigen Kulturhistorischen Museums, durch die Dresdner Architekten Glaser und Krüger realisieren (Abb. 6).81 Bis Sommer 1965 gestalteten sie die dortigen Schauräume „funktionell, ästhetisch und technisch vollkommen neu“.82 Neben dem Albertinum war es die 40 I Kristina Kratz-Kessemeier
Abb. 6 : Planung und Umsetzung der 1965 im Auftrag des Ministeriums für Kultur von den Dresdner Architekten Gerhard Glaser und Hermann Krüger neugestalteten Ausstellungsräume im Museum der Stadt Rostock, hier Nordgalerie Erdgeschoss und erstes Obergeschoss, publiziert 1968 in der Neuen Museumskunde in : Glaser 1968a, S. 52f.
Das Museum als moderner ästhetischer Bildungsort auch in der DDR ?
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erste vom Ministerium selbst aktivierte räumliche Umsetzung des modernen Museums in der DDR, „schlicht“ und „intim“, worauf man auch im Westen setzte.83 Für Ost-Berlin und Eisenach gab es damals ähnliche Kunsthallenplanungen.84 Während sie unrealisiert blieben, entstand auf Bezirksebene bis Herbst 1965 zumindest noch ein weiteres modernes Museum, das unter Einfluss des Ministeriums als ästhetischer Bildungsort gestaltet wurde : die Galerie Junge Kunst in Frankfurt/Oder.85 Und mehr noch : Das Ministerium Bentzien beließ es 1964/65 keineswegs bei dieser selbstbewussten Platzierung des modernen ästhetischen Museums. Vielmehr stellte es die DDRMuseumspolitik auch strukturell völlig neu auf. Neben einem Nationalen Museumsrat unter dem Leipziger Kunstmuseumsleiter Johannes Jahn (1892–1976), der ab Januar 1964, unter Beteiligung von Seydewitz und Emmrich, ICOM-bezogen international agierte,86 wurde als höchstes museumspolitisches Gremium ab Mai 1964 der Rat für Museumswesen initiiert, der dem Kulturministerium direkt angegliedert war.87 Nach Vorarbeiten ab Ende 196488 wurde der Rat für Museumwesen am 26. April 1965 von Bentzien mit 48 Museumsleuten und Kulturfunktionären als Mitgliedern gegründet. Bartke übernahm den Vorsitz, Zimmermann war Gründungsmitglied.89 Ziel war eine DDR-weit modernere, professionellere, international konkurrenzfähigere Museumsarbeit im Sinne der Empfehlungen vom Juli 1963.
Option und Kahlschlag 1965 Im Sommer 1965 brachte der vom Kulturressort verantwortete Sammelband Museum und Schule den neuen museumspolitischen Anspruch der DDR noch einmal auf den Punkt.90 Der moderne ästhetische Bildungsort Museum war dabei feste Größe. So stammten von den acht Beiträgen im Band mit viel UNESCO- und ICOM-Bezug gleich zwei aus Dresden und waren der ästhetischen Bildung gewidmet. Die Kunstlehrerin Lucie Gülland hob den Eindruck des Originals hervor, das individuelle Sehen, und plädierte für noch intensivere Wahrnehmungen von Farbe und Form durch eigenes Malen im Museum.91 Und auch Emmrich, kurz zuvor mit der „Johannes-R.-Becher-Medaille“ in Silber geehrt,92 konnte hier auf höchster Ebene nochmals sein Plädoyer für das moderne Museum setzen.93 Wiederum tief museumhistorisch verortet, betonte er emotionale Bildung, Formsinn und Urteilsfähigkeit, menschliche Erkenntnisse im Museum, künstlerische Qualität und die Subjektivität von Kunst, die Auseinandersetzung mit ihr, ruhiges Betrachten, „bewusstes Sehen“.94 Noch während das Buch in der Produktion war, änderte sich die Politik in der DDR jedoch schlagartig : Mitte Dezember 1965 nahm das ZK der SED bei seinem 11. Plenum, dem „Kahlschlag-Plenum“, das Neue Ökonomische System zurück und blies erneut zum Kampf gegen die Moderne. Die ideologischen Hardliner brachten sich neu in Position, nachdem Breschnew in Moskau an die Macht gekommen war.95 Die Phase liberaler Museumspolitik in der DDR war damit zu Ende.96 Kulturminister Bentzien wurde noch im Januar 1966 entlassen, was man im Westen als Zurück zum Stalinismus wertete.97 Der stellvertretende Kulturminister Robert Lehmann (1910–1993) nordete die Museen sofort im Februar 1966 wieder auf 42 I Kristina Kratz-Kessemeier
mehr „ideologische Klarheit“ gegenüber dem „westdeutschen Imperialismus“ ein, Museumsleute sollten sozialistische „Volkserzieher“ sein, vor allem Stolz auf die Leistungen der DDR vermitteln.98 Der neue Museumsreferent des Ministeriums Gerhard Thiele, ein Historiker, stimmte ein.99 Bis heute lässt sich die Kehrtwende an Emmrichs Beitrag im Sammelband Museum und Schule ablesen. Während Emmrich als Literaturprofessor an die Universität wechselte, wurde sein Text – mit der Angabe „Redaktionsschluß : 1.7.1965“100 – bis zur Publikation im Mai 1966 offenkundig überarbeitet.101 Aus Emmrichs liberalem Duktus sticht seither eine Passage heraus, die sich scharf gegen die individualisierte Kunst des „Verfalls“ der spätbürgerlichen „sogenannten Moderne“ ohne Gesellschaftsbezug wendet. Hier werde „die psychologische Wirkung von Farbe und Form überbewertet, werden die formalen Gesetzmäßigkeiten einseitig verabsolutiert.“ Jugendliche würden bei der Auseinandersetzung mit solcher Kunst in der Nationalgalerie, in der Moritzburg in Halle oder in Rostock die Orientierung verlieren. Hier sei ideologische Klarheit gefragt.102 Die Botschaft war deutlich : Wieder hatte die Formalismusdebatte das moderne Museum in der DDR eingeholt. Emmrich wurde quasi zurückgepfiffen. Museumspolitisch nahm er danach keinen Einfluss mehr. Die kurzzeitige Liberalität in der DDR-Museumspolitik war damit 1966 jäh vorbei.103
Sozialistische Versionen des ästhetischen Bildungsorts ab 1966 Dennoch blieb das moderne Museum auch unter dem neuen Kulturminister Klaus Gysi (1912–1999), ab 1966 im Amt, zunächst weiterhin Thema. Noch war der ICOM-Beitritt nicht realisiert, hier wollte man endlich zur Bundesrepublik aufschließen.104 Zudem hielt Bartke das moderne Museum aktuell, indem er just 1966 zur verstärkten Auseinandersetzung mit der Kunst des 19./20. Jahrhunderts aus sozialistischer Sicht und zur Aneignung humanistischer und demokratischer Traditionen der Moderne anregte, auch im Interesse internationaler Profilierung.105 Ein zuvor angeschobenes Museumsprojekt in der Hauptstadt lenkte so 1966 noch einmal die Aufmerksamkeit auf den modernen Museumsstandort DDR, diesmal gar in direkter Justi-Nachfolge : Im Oktober 1966 eröffnete Gysi eine repräsentative Schau der Nationalgalerie mit Werken des 20. Jahrhunderts im Alten Museum auf der Museumsinsel. Durch einen vom Ministerium ermöglichten Wiederaufbau des Alten Museums mit innovativem musealem Innenleben, ab 1964 realisiert, ging hier, quasi verspätet, ein weiteres modernes Museum ins Rennen.106 1965 war es mit dem Anspruch verbunden, „daß die National-Galerie das führende Museum der DDR auf dem Gebiet der Gegenwartskunst wird.“107 Auch mit westdeutschen Leihgaben wurden nun ab 1966 im neuen Haus unter anderem Max Beckmann und die abstrakte Weimarer Moderne präsentiert.108 Fotos zeigen klare Räume mit Rudolf Bellings Dreiklang und Kopf in Messing,109 wie sie 1920 bei der Novembergruppe, um 1930 im Kronprinzenpalais und 1931 im MoMA in New York zu sehen gewesen waren110 und deren Traditionslinie sich jetzt in Ost-Berlin fortsetzte (Abb. 7) – während Ludwig Das Museum als moderner ästhetischer Bildungsort auch in der DDR ?
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Mies van der Rohe zur selben Zeit in West-Berlin mit der Neuen Nationalgalerie einen weiteren Symbolort des modernen ästhetischen Bildungsorts Museum realisierte.111 Minister Gysi ordnete die Schau im Alten Museum 1966 in eine wieder entschiedener sozialistische Politik ein, die fortschrittlichen humanistischen Traditionen verpflichtet sei.112 Intern war von „einer beispielhaften marxistischen Kunstausstellung“ die Rede.113 Im ICOM-Wettlauf mit der Bundesrepublik war es faktisch zugleich noch einmal ein Höhepunkt des modernen Museums in der DDR, kritisch beäugt von den beiden SED-Ideologen Abusch und Kurt Hager (1912–1998), die den kulturpolitischen Kurswechsel von Anfang 1966 maßgeblich mittrugen.114 Während progressive Museumsleute wie Hanns-Conon von der Gabelentz (1892–1977) vom Staatlichen Lindenau-Museum in Altenburg oder der junge Roland März (1939–2020) von der Nationalgalerie Emmrichs Ansätze, Lichtwark und die Novembergruppe auch danach für die DDR wachzuhalten suchten,115 bemühte sich die offizielle SED-Museumspolitik fortan um eine Art Spagat. Im Kern ging es um die Frage : Wie könnte eine sozialistische Variante des modernen, ästhetisch bildenden Museums ohne die traditionell enge Bindung an die Kunst der Moderne und ihre Vorstellung autonomer Ästhetik aussehen ? Wiederum in Dresden fand man dafür ab 1966 Lösungen. Emmrichs Nachfolger Herbert Goldhammer (geb. 1933) postulierte für Kunstbetrachtungen wieder „Inhalt-Form-Bezüge“ – und zwar genau in dieser Reihenfolge : erst Inhalt, dann Form.116 Unter Joachim Uhlitzsch (1919– 1989)117 definierte sich ein eigener DDR-Anspruch an ästhetische Bildung auch über den wachsenden Bestand sozialistischer Kunst.118 1971 brachte Goldhammer die sozialistische Museumsidee auf den Punkt, als er für Kunstbetrachtungen Parteilichkeit und gesellschaftliche Einordnung forderte, in die er statt „bloßer ästhetischer Darbietung“ Texte und Karten einbeziehen wollte.119 Für Kunstbetrachtungen gab es nun Bildbeispiele mit vorgegebener Interpretation.120 Auch bei der modernen Museumsgestaltung positionierte sich die DDR ab 1966 dezidierter sozialistisch. Westdeutsche Museumsneubauten kritisierte man jetzt ob ihrer allzu formalästhetischen Lösungen : Die Glasfassade des Lehmbruck-Museums in Duisburg von 1964 lasse zu viel Licht und Wärme herein, im Morgner-Haus in Soest von 1962 werfe das wandnahe Licht Schatten auf die Objekte.121 Demgegenüber betonte man die Funktionalität der Bauten in Dresden, Berlin und Rostock und speziell ihre innovative Museumstechnik.122 Um seinen museumstechnischen Anspruch zu untermauern, ließ Gysis Ministerium für Kultur ab 1967 die Albertinum-Architekten Glaser und Krüger „wissenschaftliche Unterlagen zu Fragen des Museumsbaues und der Museumsgestaltung in den europäischen sozialistischen Ländern“ in einer „Kerblochkartei“ zusammentragen (Abb. 8),123 eine damals in der DDR ganz moderne Art der Datenerfassung, seit 1965 auch von der Stasi genutzt. Individuelle ästhetische Wahrnehmung löste sich hier von der Idee offener Bildung und wurde zum technisch zu fassenden Prozess. Zeitgleich konstatierte man im Westen, die Museen der DDR nähmen „prinzipiell die Gegenposition zum reinen Kunstmuseum mit dem Dominieren der absoluten und ästhetischen Wertung des Gegenstandes ein.“124
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Abb. 7 : Ausstellungsraum der Nationalgalerie zur Kunst des 20. Jahrhunderts unter anderem mit Rudolf Bellings Dreiklang von 1919/24 und Kopf in Messing (Toni Freeden) von 1925 im 1966 wiedereröffneten Alten Museum in Ost-Berlin, Foto 1967
Sozialistische Referenzen für moderne Museumsarchitektur fand die DDR derweil ab 1966 in der Sowjetunion : etwa beim Projekt eines gigantischen Neubaus der Tretjakow-Galerie, 1966 aufwendig in der Neuen Museumskunde präsentiert. Erst viel später teilweise realisiert, war der leichte Stahlskelettbau seinerseits im ICOM-Kontext entwickelt worden.125 Für moderne museale Raumgestaltungen mit Licht und Farbe ließ sich man sich, über den Dresdner Architekten Glaser, zudem in Budapest inspirieren.126 Mit eigenem sozialistischem Profil blieb die DDR so auch nach 1965 mittendrin in der ICOM-nahen Debatte um das moderne Museum – von der äußeren Form her, aber längst wieder jenseits liberaler Konzepte. Glaser wirkte hier weiter fortschrittlich, etwa als er 1968 Brawnes im Westen seit 1965 als Standardwerk des zeitgemäßen internationalen Museumsbaus verbreitete Publikation Neue Museen. Planung und Einrichtung vorstellte.127 Auch Zimmermann blieb als Vorsitzender der beim Rat für Museumswesen 1966 gegründeten Fachsektion Kunstmuseen präsent.128 Engagiert beteiligte sich das Ministerium Gysi an der ICOM-Museumskampagne 1967/68.129 Und tatsächlich konnte die DDR damit schließlich den erhofften internationalen Erfolg landen : Im Juli 1968 wurde sie ICOM-Mitglied.130
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Abb. 8 : „Kerblochkarte“ aus dem im Auftrag des Ministeriums für Kultur ab 1967 von den Dresdner Architekten Gerhard Glaser und Hermann Krüger zusammengetragenen Katalog mit vorbildlichen Lösungen für Museumsbau und -gestaltung speziell aus sozialistischen Ländern, hier mit Punktlicht aus Budapest, publiziert 1967 in der Neuen Museumskunde, S. 387
Das Perspektivprogramm für die Museen der DDR von 1968 spitzte die sozialistische Idee des modernen Museums damals weiter zu : Museen sollten publikumsnahe kulturelle Zentren sein, zugleich hätten sie als „Propagandisten des Sozialismus“ zu wirken.131 Wie intern vermerkt wurde, fehlte jedoch inzwischen schlicht das Geld für mehr moderne Museen.132
Schlussakkord 1969 In diesem Kontext von Ideologie, Moderne und Mangelwirtschaft bewegte sich zuletzt auch der 1969 eröffnete Neubau der Kunsthalle Rostock. Noch einmal setzte der Bau von Hans Fleischhauer (1930–2012) und Martin Halwas (1926–2001), mit Impulsen aus Hamburg und Skandinavien und gefördert von Zimmermann, ein Zeichen für das moderne Museum in der DDR.133 Eigentlich prägte in dieser Zeit, jenseits von offeneren Zugängen zu Kunst und Kultur, jedoch längst schon wieder eine schärfere, historisch-ideologische Tendenz die DDR-Museumspolitik. Bereits im April 1968 hatte sich das bei der von Bartke im Märkischen Museum 46 I Kristina Kratz-Kessemeier
Abb. 9 : Eröffnung der vom Rat für Museumswesen der DDR im ICOM-Kontext organisierten offiziellen Ausstellung Museen in der DDR – heute im Märkischen Museum in Berlin am 24. April 1968, Rundgang der Gäste, im Vordergrund Eberhard Bartke vom Ministerium für Kultur (2. v. l.), im Hintergrund der Dresdner Generaldirektor Max Seydewitz (2. v. r.), publiziert 1969 in der Neuen Museumskunde in : Germer 1969, S. 483
in Ost-Berlin eröffneten kleinteiligen, textlastigen Schau Museen der DDR – heute angedeutet, die der Rat für Museumswesen als repräsentative Ausstellung im ICOM-Kontext vorbereitet hatte (Abb. 9).134 Und auch für die offizielle DDR-Ästhetik, die sich Ende 1969 im Alten Museum feierte, war die Kunsthalle nur noch Randthema.135 Mittlerweile wurde der Kurswechsel nicht zuletzt im Ministerium für Kultur selbst offenkundig : Im Mai 1969, just als in Rostock die Kunsthalle eröffnete, wurde Bartke von Minister Gysi als Abteilungsleiter und Vorsitzender des Rats für Museumswesen abgesetzt.136 Unter Honecker war ab 1971 der offene ästhetische Bildungsort Museum, der 1963 bis 1965 unter Ulbricht als Möglichkeit kurz auch für die DDR aufgeflackert war, bald allenfalls noch eine individuelle, aber keine offizielle politische Option mehr.137 Bis heute erinnert unterdessen die 1964 initiierte Rostocker Kunsthalle an diese besondere Etappe der DDR-Museumsgeschichte, in der sich auch der SED-Staat dem internationalen Ideal des Museums der Moderne und seiner Idee demokratischer Bildung zu öffnen begann, um schließlich doch wieder engere Wege einzuschlagen.
Das Museum als moderner ästhetischer Bildungsort auch in der DDR ?
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Anmerkungen 1 Vgl. Kratz-Kessemeier 2018a ; Brawne 1965 ; Bauten für Bildung und Forschung 1971. 2 Vgl. Joachimides 2001 ; Kratz-Kessemeier 2018a, S. 8–12 ; Kratz-Kessemeier 2018c, S. 34. 3 Vgl. Steinkamp 2013b, S. 292 ; zu Justis museumsgestalterischen Ansätzen nach 1945 siehe z. B. auch Justi an Charlotte Berend-Corinth, 5.10.1947, in : AdK, Berlin, Charlotte-Berend-Corinth-Archiv, Nr. 56. 4 Vgl. Kratz-Kessemeier 2018a, S. 12–14 ; Kratz-Kessemeier 2018b, S. 85–88. 5 Vgl. Steinkamp 2008 ; Steinkamp 2011 ; Winter 2011, S. 50–52 ; Steinkamp 2013a ; Steinkamp 2013b ; Köller 2013 ; siehe dazu auch den Beitrag Steinkamp in diesem Band ; zur Dynamik der Debatte vgl. z. B. schon Litt 1993, S. 58–61. 6 Vgl. etwa Jahnke 2009 ; Bauten für Bildung und Forschung 1971, S. 77. Zum Rostocker Neubau und seiner architektonischen Verortung siehe auch den Beitrag Bernau in diesem Band. 7 Vgl. z. B. Steinkamp 2011, S. 121 ; Mersmann 2011, S. 104. 8 Vgl. Justi 1955b ; Gemäldegalerie Dresden 1956 ; Seydewitz 1960 ; siehe dazu auch den Beitrag Winter in diesem Band. 9 Wegner 1959. 10 Vgl. Springer 1960 ; Michel 1960. 11 Vgl. Golinski 1960 ; Ehrlich 1960 ; Manthey 1960 ; Pichelkastner 1960 ; Zimmermann 1961. 12 Vgl. Fröhlich 1962 ; zur Ausstellungsreihe 1950–55 im MoMA vgl. Art in Our Time 2004, S. 96. 13 Vgl. Neue Museumskunde, Jg. 1, 1958, Tafel XXXVIII u. Jg. 2, 1959, Tafel VI ; Müller 1961 ; zur Relevanz von Völkerkundemuseen für das moderne ästhetische Museum vgl. Kratz-Kessemeier 2008, S. 410–420. 14 Vgl. Butter/Hartung 2004, S. 54–99 ; Luckner-Bien 1993, S. 66 f. 15 Frühe Umsetzungen gab es z. B. im Staatlichen Museum Schwerin oder in Karl-Marx-Stadt ab 1959/60, jeweils für Kunst des 20. Jahrhunderts, vgl. Giesecke 1961 ; Brix 1963. 16 Vgl. z. B. auch Zwischen „Modernismus“ und „Schwarz-weiß-rot“ 1960 ; Manthey 1961, S. 8–11. 17 Zu Seydewitz vgl. Rudert 2014, S. 115–119. 18 Seydewitz 1960, S. 95. 19 Vgl. Gemäldegalerie Dresden 1956, S. 52 u. 103. 20 Vgl. Decker 2015, S. 24–29, 50–52 u. 73–81 ; SED-Parteitag. Bewegung im Saal, in : Der Spiegel, Nr. 4/1963, 23.1.1963, S. 23 f. 21 Vgl. z. B. Lemme 1963, Zitate S. 25 ; Kühne 1963. 22 Vgl. dazu auch Sello 1964. 23 Decker 2015. 24 Vgl. ebd., S. 52–55 u. 64–72. 25 Vgl. Neue Museumskunde, Jg. 6, 1963, H. 3, S. 228. 26 Thesen zur Einbeziehung der Museen 1963. 27 Ebd., S. 275 f. 28 Ebd., S. 278 f. 29 Vgl. BArch, DR 1/21002 u. 7488. 30 Vgl. Heese (MfK) an I. Gysi, 15.10.1956 u. 19.5.1959 u. I. Gysi an Rehse, 28.3.1961, in : BArch, DR 1/21002. 31 Vgl. Steinitz (Akademie der Wissenschaften) an Bentzien, 16.3.1961, I. Gysi an Rehse, 28.3.1961,
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Kiermeier (Auswärtiges Amt) an I. Gysi, 26.3.1962, 23.5.1962 u. 13.8.1963 u. I. Gysi an Maetzke (MfK), 23.7.1962, in : BArch, DR 1/21002. Thun (Auswärtiges Amt) an Köhler (MfK), 18.7.1962, in : BArch, DR 1/21002. 1964/65 engagierte sich die DDR entsprechend auch in der UNESCO-Kunsterziehungsvereinigung INSEA, vgl. BArch, DR 1/21043 ; diverse Beiträge zum INSEA-Weltkongress in Prag, in : Kunsterziehung, Jg. 1966. Zu Bartke vgl. Personalbogen Bartke mit Anlagen, 25.2.1974, in : BArch, DR 3-B/8905. Vgl. Vierneisel 2010. Zitiert nach Museum und Schule 1966, S. 65. Vgl. Seydewitz 1963/64, bes. S. 11 f., 17 u. 23 f. Vgl. Seydewitz an Herzfeld, 6.2.1964, Seydewitz an Köhler, 7.2.1964, Seydewitz an Feix, 12.2.1964, Köhler an Seydewitz, 26.2.1964 u. Einladungsliste Canaletto-Konferenz 12./13.5.1964 Dresden, in : BArch, DR1/21002. Vgl. Weber : Reisebericht über die Teilnahme an der ICOM-Tagung in Leningrad und Moskau 16.–20.9.1963, 5.10.1963, in : BArch, DR1/21002. Vgl. Glaser/Krüger 1967 ; Neue Museumskunde, Jg. 9, 1966, H. 4, S. 316–318, Abb. 7–9 ; Uhlitzsch 1967, S. 291 u. 295 f. Vgl. Uhlitzsch 1964 ; Neue Museumskunde, Jg. 7, 1964, H. 1, Abb. 6. Vgl. Uhlitzsch 1967 ; Neue Musemskunde, Jg. 8, 1965, H. 3, Beilage, S. 54. Vgl. Neue Museumskunde, Jg. 10, 1967, H. 2, S. 140, Abb. 7 ; Uhlitzsch 1967, S. 295 u. 303. Uhlitzsch 1965. Vgl. Uhlitzsch 1967, S. 291. Vgl. Seydewitz 1963/64, S. 15–17, Zitat S. 17. Vgl. Die Öffentlichkeitsarbeit der Museen 1963 ; Kratz-Kessemeier 2018a, S. 13 ; zur DDR-Reaktion darauf vgl. auch Museum und Schule 1966, S. 25 f. Vgl. Emmrich 1963/64, S. 51–53 ; Seydewitz 1963/64, S. 14–16 u. 18–21. Vgl. Walther 1963/64 ; Emmrich 1964. Vgl. Walther 1963/64, S. 61–63, 66 u. 68–72 ; Emmrich 1963/64, S. 52–54 ; Emmrich 1964. Vgl. dazu Kratz-Kessemeier 2013, S. 37–43. Walther 1963/64, S. 62 u. 70. Winkler 1966, S. 17. Vgl. Emmrich 1963/64, S. 50 ; Seydewitz 1963/64, S. 21. Vgl. Emmrich 1964 ; Emmrich 1963/64, S. 50. Zu Emmrich vgl. Personalbogen Emmrich mit Anlagen, 2.4.1965, in : BArch, DR3-B/5936. Emmrich 1963/64. Ebd., S. 46. Ebd., S. 47 ; zur für das moderne Museum wichtigen Tagung 1903 vgl. Die Museen als Volksbildungs stätten 1904 ; Joachimides 2001, S. 110–113 ; Kratz-Kessemeier 2018a, S. 9 f. Emmrich 1963/64, S. 48 f. u. 56 f. Vgl. dazu Kratz-Kessemeier 2018b. Vgl. dazu grundlegend Kratz-Kessemeier 2008. Vgl. Emmrich 1963/64, S. 50 f.; Kurzprotokoll Perspektivplan-Sitzung, 30.4.1965, S. 3, in : BArch, DR 1/6409. Vgl. dazu auch Seydewitz 1963/64, S. 10 f. u. 17 f. Vgl. Emmrich 1963/64, S. 53. Das Museum als moderner ästhetischer Bildungsort auch in der DDR ?
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66 Ebd., S. 55. 67 Vgl. Mersmann 2011, S. 105 ; Neue Museumskunde, Jg. 12, 1969, H. 4, S. 454, Abb. 31 ; Tschierschke/ Kloß 1966a. 68 Zum Kontext vgl. Justi 1955b. 69 Zu Zimmermann vgl. Rudert 2014, S. 118, 122–124 u. Abb. S. 35 ; zur Rolle im Ministerium und zum Einsatz Bentziens für Zimmermann vgl. Bentzien an Wolff (Magistrat Groß-Berlin), 11.12.1963, Leiter des Sektors Museen und Denkmalpflege Tätigkeitsmerkmale, [1964], Bartke an Kollegen, 12.2.1964 u. Zimmermann : Aufgaben Nov.-Dez. 1964, in : BArch, DR 1/6421. 70 MfK : Notizen zu Rostock, [um 1965], in : BArch, DR 1/7489. 71 Vgl. Neumann 2015, S. 17 f.; siehe dazu auch den Beitrag Neumann in diesem Band. 72 MfK, Büro des Ministers : Auszug aus dem „Beschluss über die Aufgaben der staatlichen Organe bei der Vorbereitung und Durchführung der Ostseewoche 1964“ des Ministerrats vom 28.5.1964, S. 2, in : BArch, DR 1/91010 ; vgl. auch Prignitz 2009, S. 9 ; Zimmermann 2009, S. 13. 73 Vgl. Rat Bezirk Rostock an Bezirksbaudirektor Loui, 30.5.1964, Rat Stadt Rostock, Abt. Planung u. Bilanzierung : Protokoll Standortberatung „Kunstpavillon“ des Museums der Stadt Rostock am 19.6.1964, 23.6.1964 u. Bentzien an Zimmermann, 18.7.1964, in : BArch, DR 1/91010. Man sah sich dabei offenbar in Konkurrenz zur Kieler Woche, vgl. MfK an Rat Bezirk Rostock, 7.9.1964, in : BArch, DR 1/91010. 74 Vgl. Schneider (Bauabt. Kulturhistorische Bauten Dresden) an Zimmermann, 22.7.1964, Zimmermann an Schneider, 24.7.1964, Krüger, Schneider u. Glaser : Internationale Kunsthalle der Ostseeländer Rostock. Stellungnahme zur funktionellen und museumstechnischen Ausbildung des Vorhabens, 28.7.1964, Zimmermann an MfK, Abt. Ökonomie, 29.7.1964, Zimmermann an Rat Bezirk Rostock, 29.7.1964 u. Krüger an Zimmermann, 22.7.1964, in : BArch, DR 1/91010. 75 Vgl. Kaufmann (VEB Hochbauprojektierung Rostock) : Niederschrift über die 1. Beratung der Kunsthalle Rostock am 18.7.1964, 22.7.1964, Telegramm Schleußner (MfK) an Rat Bezirk Rostock, Abt. Kultur, 28.7.1964, Erläuterungsbericht Kaufmann, 29.7.1964, Lagepläne u. Bauentwurfszeichnungen VEB Hochbauprojektierung Rostock (Kaufmann, Jastram, Pastor, Fleischhauer), 29.7.1964 u. Bartke : Protokoll, 31.7.1964, in : BArch, DR 1/91010 ; Prignitz 2009, S. 9 f. 76 Rat Bezirk Rostock, Abt. Kultur : Angaben zur Aufgabenstellung „Kunsthalle Rostock“, 30.7.1964, S. 2, in : BArch, DR 1/91010. 77 Siehe dazu auch Perspektivplanentwurf Rat Bezirk Rostock, Teil Museen (2. Fassung), [Juli 1965 ?], S. 3, in : BArch, DR 1/7489, wo von ästhetischer Vermittlung, Ausstellungen und einer Malschule die Rede ist. 78 Vgl. Aktennotiz MfK, Abt. Ökonomie, 18.8.1964, in : BArch, DR 1/91010. 79 Vgl. MfK, Abt. Ökonomie an Rat Bezirk Rostock, 7.9.1964, in : BArch, DR 1/91010. 80 Vgl. Aktennotiz Zimmermann, 21.9.1964, in : BArch, DR 1/91010 ; MfK : Sonderantrag Kunsthalle, [1965], in : BArch, DR 1/7489 ; Zimmermann 2009, S. 13 f. 81 Vgl. Aktennotiz Zimmermann, 15.10.1964, MfK, Abt. Ökonomie an Rat Bezirk Rostock, 6.11.1964 u. Grundrisse, Wandabwicklungen u. Raumskizze Bauabt. Kulturhistorische Bauten Dresden mit Dresdner Stempel, 20.1.1965 [?], in : BArch, DR 1/91010 ; Glaser 1968a ; Neue Museumskunde, Jg. 9, 1966, H. 4, S. 315 ; Zimmermann 2009, S. 14. 82 Glaser 1968a, S. 46. 83 Ebd., S. 49 ; zum westlichen Ideal vgl. z. B. Sello 1962. 84 Vgl. Perspektivplan bis 1970 des Magistrats von Groß-Berlin, Abt. Bildende Kunst u. Museen, [Juni
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1965], S. 62, in : BArch, DR 1/7489 ; Scherf (Thüringer Museum Eisenach) an Kulturabt. Rat Kreis Eisenach u. Bartke, 26.2.1964, in : BArch, DR 1/6409. 85 Vgl. Maetzke 1968 ; Zimmermann an Wüsten, 31.7.1964, in : BArch, DR 1/6421 ; Rat Bezirk Frankfurt/Oder : Aufgaben – Museen bis 1970, S. 3, in : BArch, DR 1/7489. 86 Vgl. Aktennotizen Meier (MfK), 10.5.1961 u. 16.2.1962, in : BArch, DR 1/21002 ; Seydewitz an Zimmermann, 23.11.1963 u. Zimmermann an Bartke, 12.12.1963, in : BArch, DR 1/6421 ; Neue Museumskunde, Jg. 7, 1964, H. 2, S. 159 ; Bartke an Seydewitz, 3.3.1965, in : BArch, DR 1/6448 ; Lebenslauf Emmrich, 2.4.1965, in : BArch, DR3-B/5936 ; K. Gysi an Seydewitz, 26.1.1968, Seydewitz an K. Gysi, 8.4.1968 u. Bartke an K. Gysi, 29.4.1968, in : BArch, DR 1/7491–2. 87 Vgl. Bartke an Staatssekretär Wendt, 25.5.1964, Text Zimmermann betr. Museumsrat der DDR, 2.6.1964 u. Briefentwurf Bartke, 4.7.1964, in : BArch, DR 1/7479–2 ; Zimmermann an Wüsten (MfK), 31.7.1964 u. Bartke an Kollegen, 12.8.1964, in : BArch, DR 1/6421 ; Zentrale Fachstelle für Heimatmuseen an Zimmermann, 26.5.1964, in : BArch, DR 1/6448. 88 Vgl. Einladungsentwurf Zimmermann, 19.10.1964, Anwesenheitsliste zur Gründung des Museumsrates am 9.12.1964, Statut, März 1965 u. Unterlagen im Umfeld, in : BArch, DR 1/7491–2 ; Einladungen Bentzien an Mitglieder Rat für Museumswesen, ab 16.2.1965, in : BArch, DR 1/6448 ; Unterlagen zum Vorstandstreffen Rat für Museumswesen am 18.3.1965, in : BArch, DR 1/7484. 89 Vgl. Gründung des Rates für Museumswesen 1965. 90 Museum und Schule 1966. 91 Gülland 1966 ; siehe dazu auch Kühne 1964. 92 Vgl. Neue Museumskunde, Jg. 8, 1965, H. 1, Beilage, S. 18 ; Personalbogen Emmrich, 2.4.1965, S. 3, in : BArch, DR3-B/5936. 93 Emmrich 1966. 94 Ebd., S. 110. 95 Vgl. Decker 2015, S. 30–40 u. 275–330. Abusch hatte entsprechend bereits Ende Oktober 1965 die Gemäldegalerie Neue Meister Dresden eröffnet, vgl. Die Dresdener Gemäldegalerie 1967, S. X ; Seydewitz 1967, S. 483 f. 96 Vgl. auch Tschierschke/Kloß 1966b, wo die vorherige Offenheit ähnlich gezielt revidiert wurde wie bei Emmrich 1966 ; zur Kritik am Museum der Moderne siehe etwa auch Kurt Poltiniaks karikaturistisches Gemälde Die der Verdummung dienen von 1958, in : Kunsterziehung, Jg. 1966, H. 4, S. 11. 97 Vgl. Bentzien. Kurs für Kaninchen, in : Der Spiegel, Nr. 4/1966, 17.1.1966, S. 28 f.; Karikatur Die wiederentdeckte Richtung, in : Der Spiegel, Nr. 9/1966, 21.2.1966, S. 58. 98 Aus dem Schlußwort des Stellvertretenden Ministers für Kultur 1966, S. 104 f. 99 Vgl. Thiele 1966. 100 Museum und Schule 1966, S. 240. 101 In dieser Form blieb der Band über den Bruch von 1966 hinaus tragfähig für die DDR, vgl. Rezension in : Kunsterziehung, Jg. 1967, H. 11, S. 23 ; Germer 1968 ; Schule und Museum im einheitlichen sozialistischen Bildungssystem 1968, S. 24 ; Werbeseite in : Neue Museumskunde, Jg. 12, 1969, H. 3, S. 410. Auch für den Beitrag Emmrich 1963/64, der laut März 1967 erst 1966 in Druck ging, lässt sich eine ähnliche Überarbeitung vermuten. 102 Emmrich 1966, S. 115. 103 Vgl. auch Mersmann 2011, S. 105–107. 104 Vgl. Bork 1968, S. 1 ; Thiele an Jahn, 21.1.1966, Beschlussentwurf Vorstand Rat für Museumswesen, 9.11.1966 u. Entwürfe Perspektivprogramm Vorstand Rat für Museumswesen, [1967], in : BArch, DR 1/7484 ; Protokoll Tagung Rat für Museumswesen, 15.6.1967, S. 19–22, in : BArch, DR 1/7479–1 ; Das Museum als moderner ästhetischer Bildungsort auch in der DDR ?
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MfK, Hauptpositionen des Arbeitsplanes des Sektors Museen u. Denkmalpflege für 1968/69, S. 3, in : BArch, DR 1/6421. 105 Bartke an Kollegium, 2.6.1966, in : BArch, DR 1/7490 ; vgl. auch schon Entwurf Perspektivplan Museen und Denkmalpflege, [Ende 1964], in : BArch, DR 1/6409, S. 5 ; MfK, Abt. Bildende Kunst u. Museen : Vorschläge für Forschungsthemen der Kunsthistorischen Institute, 8.6.1964, in : BArch, DR 1/6421. 106 Vgl. Oschütz 1966 ; Fengler 1967 ; Das Alte Museum in Berlin 1967 ; Neue Museumskunde, Jg. 11, 1968, H. 1, S. 125 f. u. Jg. 12, 1969, H. 4, S. 456, Abb. 33 ; zur Neugestaltung siehe auch den Beitrag Bernau in diesem Band ; zur modernen Kunstbetrachtung in der Nationalgalerie noch in dieser Zeit vgl. Schmidt 1966. 107 Bartke : Protokoll Beratung Perspektivplanentwurf Staatliche Museen Berlin am 9.8.1965, 24.8.1965, in : BArch, DR 1/7489. 108 Vgl. Oschütz 1966, S. 18 f. 109 Vgl. Neue Museumskunde, Jg. 10, 1967, H. 3, S. 286, Abb. 6 ; Das Alte Museum in Berlin 1967, S. 89. 110 Vgl. Kratz-Kessemeier 2018c, S. 34–36, auch Abb. 108 u. 111 ; Kratz-Kessemeier 2008, Abb. 12 ; Elligott 2011, S. 113, Abb. 107. 111 Zur ikonischen Bedeutung des Baus vgl. Kratz-Kessemeier 2018a, S. 14 f. 112 Vgl. Fengler 1967, S. 279. 113 MfK, Sektor Museen u. Denkmalpflege : Arbeitsschwerpunkte für 1966, S. 2, in : BArch, DR 1/6421. 114 Vgl. Neue Museumskunde, Jg. 12, 1969, H. 4, S. 455, Abb. 32. 115 Vgl. von der Gabelentz 1967 ; März 1967. 116 Goldhammer 1966, S. 24. 117 Zu Uhlitzsch vgl. Rudert 2014, S. 124–128. 118 Vgl. Uhlitzsch 1967, S. 289–291, 294 f. u. 305 f.; siehe dazu auch den Beitrag Rosenthal in diesem Band. 119 Goldhammer 1971, S. 177 f. 120 Ebd., S. 179 u. 181–185. Empfohlene Gemälde waren, neben Werken von Caspar David Friedrich, Gauguin oder Dix, etwa Oberschülerin von Paul Michaelis von 1960 oder Peter im Tierpark von Harald Hakenbeck von 1961, vgl. dazu auch schon Zimmermann 1961, S. 23 f.; Neue Museumskunde, Jg. 10, 1967, H. 3, S. 305, Abb. 9. 121 Vgl. kommentierte Abbildungen in : Neue Museumskunde, Jg. 9, 1966, H. 4, S. 308 u. 314, Abb. 1 u. 5. 122 Vgl. kommentierte Abbildungen in : Neue Museumskunde, Jg. 9, 1966, H. 4, S. 315–317, Abb. 6–8 ; Glaser/Krüger 1967 ; Fengler 1967 ; Glaser 1968a. 123 Vgl. Neue Museumskunde, Jg. 10, 1967, H. 3, S. 386 f.; Krüger 1971 ; zur „Verwissenschaftlichung“ von Gestaltung in der DDR der 1960er Jahre siehe auch Luckner-Bien 1993, S. 67. 124 Riedel 1967, S. 149. 125 Vgl. Kruglow/Sukojan 1966. 126 Vgl. Sziráki 1966. 127 Glaser 1968b. 128 Vgl. Protokoll Vorstandssitzung Rat für Museumswesen am 18.5.1966, 25.6.1966, S. 3, in : BArch, DR 1/7484 ; Rat für Museumswesen, 15.11.1966, S. 1, in : BArch, DR 1/7479–1 ; Neue Museumskunde, Jg. 10, 1967, H. 1, S. 106 ; BArch, DR 1/7352. 129 Vgl. Bork 1968 ; Neue Museumskunde, Jg. 11, 1968, S. 118 f., 253 f. u. 366 ; Aktennotiz MfK, Abt. Bildende Kunst und Museen, 11.8.1967, in : BArch, DR 1/6421.
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130 Vgl. Germer 1969, S. 496 ; J. Jahn 1969, S. 372. 131 Entwurf Perspektivprogramm der Museen der DDR, März 1968, S. 4 f., in : BArch, DR 1/7491. 132 Vgl. Über die Lage im Museumswesen der DDR, [Ende 1967], S. 4 u. 7 f., in : BArch, DR 1/7490 ; Bericht zur Situation der Kunstmuseen und kunsthandwerklichen Sammlungen, [1967/68], S. 10 f. u. Text MfK, [1967/68], S. 14, in : BArch, DR 1/7491. 133 Zur Realisierung bis 1969 vgl. Prignitz 2009, S. 10 f.; Zimmermann 2009, S. 14 f.; Neumann 2015, S. 21–23 ; Böttcher 2018, S. 30–35. Zimmermann leitete die Kunsthalle bis 1984, ging dann zurück nach Dresden, vgl. Rudert 2014, S. 129. 134 Vgl. Germer 1969 ; Kiau : Arbeitsplan Rat für Museumswesen 1968, 24.1.1968, Kiau : Kurzprotokoll Vorstand Rat für Museumswesen am 19./20.2.1968, 29.2.1968, Kiau an Thiele, 4.4.1968 u. Kiau : Protokoll Vorstand Rat für Museumswesen am 23./24.4.1968, 24.5.1968, in : BArch, DR 1/7484. 135 Vgl. Architektur und bildende Kunst 1969, S. 197 ; Förster 1970. 136 Vgl. K. Gysi an Bartke, 15.5.1969, in : BArch, DR 1/6448 ; K. Gysi an Prof. Gießmann, 23.4.1969, in : BArch, DR 1/7479–1 ; Protokoll Vorstandssitzung Rat für Museumswesen, 4.6.1969, in : BArch, DR 1/7484. Bartke war danach an der Kunsthochschule Berlin und im Verband Bildender Künstler der DDR tätig, 1976 bis 1983 war er Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin. 137 Vgl. dazu z. B. Heinze 1971 ; zur erneuten Priorisierung des historischen Museums ab 1971 siehe auch den Beitrag Andrews in diesem Band.
Das Museum als moderner ästhetischer Bildungsort auch in der DDR ?
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Wolf Karge
SOZ IAL ISTI S C H E P RO FI LI E R U NG Entwicklungsstadien staatlicher Organisation und Einbindung der Museen in der DDR
Welche politischen Rahmenbedingungen und Strukturen prägten die Museen in der DDR zwischen 1945/49 und 1989 ? Wie waren ihre administrativen Voraussetzungen ? Wie weit gingen Reglementierung und Freiheit im Museumswesen ? Wie sah der staatliche Einfluss auf die Museen konkret aus, welche Etappen gab es hier, welche Leitinstanzen und offiziellen Ansprüche ? Wie entwickelte sich vor diesem Hintergrund die Museumslandschaft im SED-Staat ? Ausgehend von intensiven Recherchen in den Beständen zweier zentraler museumspolitischer Institutionen der DDR – des seit 1965 bestehenden Rats für Museumswesen und des seit 1971 tätigen Instituts für Museumswesen – möchte der folgende Essay einen ersten Überblick dazu geben und dabei auch nach einer in der DDR etablierten strukturellen Professionalisierung der Museumsarbeit fragen, die bis heute nachwirkt.1
Vorbedingungen in der SBZ 1945–1949 Am Ende des Zweiten Weltkriegs liegt die ostdeutsche Museumslandschaft brach. Museen sind zerstört, die meisten Bestände sind ausgelagert, manche zuvor schon im Zuge der NSAktion „Entartete Kunst“ von 1937 konfisziert worden. Plünderungen, „Entmilitarisierungen“ und alliierte Beutezüge sorgen für weitere Verluste in den Sammlungen.2 Zwischen Mai 1945 und Sommer 1946 erleben die Museen der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) zudem einen einschneidenden Aderlass durch die Beschlagnahmungen der „Trophäenkommission“ der Roten Armee. Umfangreiche Bestände werden damals aus den großen staatlichen Museen in Berlin und Dresden, aber auch aus Gotha, Eisenach, Leipzig, Potsdam, Weimar, Bautzen, Halle, Magdeburg oder Schwerin als Beutekunst in die Sowjetunion transportiert.3 Im Dezember 1945 erklärt der Alliierte Kontrollrat den „Kunstraub als Wiedergutmachung für eigene Verluste für rechtsgültig“.4 Dennoch deutet sich bald aber auch ein neues politisches Interesse an den Museen gerade in der SBZ an. Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) setzt früh explizit auf die Museen.5 Der erste Befehl des Militärkommandanten von Potsdam vom 25. Mai 1945 gilt den Kulturgütern.6 Am 2. Oktober 1945 fordert der SMAD-Befehl Nr. 85 „über die Erfassung und den Schutz von Museumswerten und die Wiedereröffnung der Museen“ eine antifaschistische Bildungs- und Museumsarbeit und erlaubt daher die Öffnung von „örtlichen Heimatmuseen der Provinzen, naturwissenschaftlichen und kunstwissenschaftlichen Museen, Sozialistische Profilierung
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Gedenkstätten großer deutscher Humanisten.“ Dafür sollen bis 1. November 1945 die Bestände aller Museen erfasst werden. Am 18. Juni 1946 kündigt SMAD-Befehl Nr. 177 „die Rückführung der Museumswerte und die Wiedereröffnung der Museen“ an. Er bestimmt, „örtlichen deutschen Verwaltungen auf Anforderung der Provinzen und Länder die Museumswerte aus Gruben und anderen Verwahrungsorten auszugeben.“7 Die SMAD unterstreicht damit die Relevanz der Museen und gibt zugleich Anstoß für erste deutsche Verwaltungsstrukturen innerhalb der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung in Berlin, die ihrerseits Richtlinien für eine Öffnung der Museen erlässt.8 Schon seit 1945 zeichnet sich hier eine neue Einbindung der Museen unter sozialistischen Vorzeichen ab. Offenkundig gibt es damals gegenläufige Tendenzen innerhalb der russischen Führung. Will die Trophäenkommission Kulturgut in die UdSSR „retten“, geht es den Ortskommandanten um eine Normalisierung des Alltags mit Kultur als fester Größe. Zwar sind 1947 von den in der SBZ insgesamt noch vorhandenen 381 Museen erst 154 wieder geöffnet.9 Früh werden aber auch museale Signale gesetzt : Im Sommer und Herbst 1945 finden erste Ausstel lungen statt. Noch im selben Jahr werden Museen demonstrativ wieder in Betrieb genommen, darunter der zoologische Teil des Naturkundemuseums Berlin, das zerstörte Leipziger Museum der bildenden Künste an neuem Ort, auch Museen in Schwerin oder Weimar.10 Die Staatlichen Museen Berlin zeigen 1946 im Zeughaus Meisterwerke deutscher Bildhauer und Maler. Zugleich erfahren die ostdeutschen Museen systembedingte Bestandszuwächse durch Enteignungen und die Bodenreform.11 Teilweise gehen dadurch, wie in Leipzig, wichtige Kunstsammlungen an die Museen.12 Gera übernimmt 1946 Interieurs der preußischen Schlösser als „Volkseigentum“, Ende 1948 macht es das Gesetz zur Fürstenenteignung in Thüringen rechtskräftig.13 Bedeutende Werkzugänge zuvor als „entartet“ diffamierter Kunst erhält 1947 das Museum Rostock aus dem Güstrower Nachlass des NS-Kunsthändlers Bernhard A. Böhmer (1892–1945). Während ostdeutsche Museen ihre ehemaligen Bestände zurückerhalten, gehen die aus westdeutschen Museen abgezogenen Werke gebündelt nach Rostock.14 Ab 1946 werden die Museen in der SBZ unter sowjetischem Einfluss administrativ neu aufgestellt und zentralere Museumsstrukturen geschaffen. So befiehlt die Sowjetische Militär administration Sachsens im März 1946, ein Landes-„Zentralmuseum“ in Schloss Pillnitz einzurichten. Am 25. September 1946 werden ein „Landesmuseumspfleger und die Schaffung der Direktion der Staatlichen Museen Dresden“ angeordnet.15 Die neuen Strukturen, die in Dresden mit zahlreichen Entlassungen einhergehen, zielen auch auf neue Museumsinhalte, die es in Abgrenzung vom Nationalsozialismus wie im Sinne marxistischer Lehre zu etablieren gilt. Sachsens Museumsreferent bemerkt dazu 1947, dass die „Möglichkeiten zur Anteilnahme an der demokratischen Umerziehung des deutschen Volkes in nicht befriedigender Weise gelöst werden. Die Mehrzahl der Museen hält sich an das Schema des lokalhistorischen Berichts, ohne sich die Mühe zu machen, das historische Material so darzustellen, daß es die Entstehung eines systematischen Geschichtsbildes fördert und unmittelbare Wirkung auf die ideologische Erziehung des Volkes hat.“ Kritik gibt es, weil „in der Heimatgeschichte alte aus faschistischer Zeit stammende Hinweise beibehalten worden sind“ oder sich prähistorische
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Abteilungen „in ihrem Aufbau durch die nazistische Rassentheorie und die Überbewertung der nordischen Rasse stark beeinflußt“ zeigen.16 Um die Aktivitäten der Museen klarer auszurichten, findet im Herbst 1947 eine von der Museumskommission der Volksbildungsministerien der Länder einberufene zentrale Museumsleitertagung Die Museen als Mittel der Volksbildung in Pillnitz statt, bei der sich bürgerlich-humanistische Prägung und neue sozialistische Ausrichtung mischen.17 1948/49 zeigen die Museen der SBZ wie im Westen Ausstellungen zum 100. Jahrestag der Revolution 1848, in Weimar auch zum 200. Geburtstag Goethes, allerdings sind die Präsentationen hier bereits Teil einer neuen SED-Geschichtspolitik.18 Parallel dazu wird die Museumsverwaltung weiter zentralisiert. 1948 entsteht in Sachsen-Anhalt eine Landesstelle zur Museumspflege in Halle/Saale. Dort soll die Landesgalerie in der Moritzburg eine Leiteinrichtung werden. Die Pläne stammen von der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung und sind unter Mitarbeit des Prähistorikers Heinz Arno Knorr (1909–1996) entwickelt worden, der, nach eigener aktiver NS-Vergangenheit 1947 in die SED eingetreten, seit April 1948 Museumspfleger in Sachsen-Anhalt ist.19 Es geht um eine straffere Verwaltung und neue sozialistische Zielrichtungen für die Museen.
Anfänge eines zentral organisierten DDR-Museumswesens in den 1950er Jahren Nach Gründung der DDR 1949 werden die eng an einen ideologischen Lenkungsanspruch gekoppelten zentraleren Museumsverwaltungsstrukturen ausgebaut : Thüringen folgt 1950 mit einer Landesstelle für Museumspflege. Sachsen bildet 1951 ein Landesamt.20 In Mecklenburg wirkt ein Museumspfleger. Die Uneinheitlichkeit der Verwaltungen lässt durchaus Freiräume. Durch die DDR-Verwaltungsreform von 1952 verlieren die Institutionen mit Auflösung der Länder zudem ihre Basis. Gleichwohl sind die Weichenstellungen der SBZ und frühen 1950er Jahre, möglichst flächendeckend neue museumspolitische Strukturen in fachlicher Anbindung zu etablieren, für die folgende staatliche Museumsorganisation in der DDR grundlegend. Zunehmend unterstreicht der SED-Staat ab 1951 sein Interesse an politischer Einbindung der Museen. Auf Initiative der Staatlichen Kommission für Kunstangelegenheiten in Ost-Berlin wird im Dezember 1951 eine Beratung mit Museumsleitern der DDR durchgeführt, auf der „qualitativ neue inhaltliche Forderungen“ ideologischer Art erhoben werden.21 Die Gründung des Museums für Deutsche Geschichte 1952 durch das Zentralkomitee (ZK) der SED und die Regierung der DDR steht unter propagandistischen Vorzeichen. 1953 wird das Museum mit einer Ausstellung zu Karl Marx eröffnet.22 Es erhält eine Leitfunktion für Ausstellungen zur DDR-Geschichte und setzt zugleich einen ersten museumspolitischen Schwerpunkt in der DDR : Historische Museumszugänge im Sinne einer marxistisch-leninistischen Auffassung von Geschichte sind hier zunächst die maßgeblichen.23
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Entscheidend für eine gezielte Museumspolitik im SED-Staat ist dann Anfang 1954 die Bildung des Ministeriums für Kultur der DDR, das als zentrale kulturpolitische Instanz mit einer „Programmerklärung zur Verteidigung der Einheit der deutschen Kultur“ antritt und auch die Museen einbezieht. Als in diesem Sinne vorbildlich werden hier nur die Museen Torgau, Sangerhausen, Merseburg und Schloss Falkenstein genannt.24 Ein einheitlicher politischer Anspruch an die Museen der DDR rückt so verstärkt auf die Agenda. Ab 1958 fasst dabei die Abteilung Kunst- und Heimatmuseen die verschiedenen Museumssparten im Ministerium zusammen.25 Schnell werden im Umfeld des Ministeriums neue staatliche Museumsstrukturen etabliert, die an die Ansätze bis 1952 anknüpfen, sie aber jetzt DDR-weit wirken lassen : 1954 geht aus der anhaltinischen Landesstelle zur Museumspflege in Halle/Saale die nun DDR-weit tätige Fachstelle für Heimatmuseen hervor, die als Dienststelle des Kulturministeriums weiter unter der Leitung von Knorr steht. Zeitgleich wird in Halle eine Fachschule gegründet, aus einer Initiative der Thüringischen Landesstelle für Museumspflege von 1951 resultierend, die einen zweijährigen Lehrgang für Beschäftigte von Heimatmuseen mit der Berufsbezeichnung „Museumskundler“ anbietet. 1957 wird in Halle das Berufsbild „Museologe“ kreiert, da der Begriff „Musear“ (analog zu Archivar oder Bibliothekar) nicht überzeugt. Es ist ein erster Schritt in Ausbildungsstrukturen hinein, die, schon seit um 1900 im Museumsreformkontext gefordert, jetzt in der DDR im Zuge einer staatlich gelenkten Museumspolitik mit klarem sozialistischen Bildungsauftrag erstmals Realität werden. Neue museale Systematisierungen etablieren sich im Umfeld. Die „Knorr-Karteikarte“ und das „Ordnungssystem nach Knorr“ gelten bis heute als museologische Standards.26 Während die 1950er Jahre durch den Wiederaufbau der Museen und Museumsneugründungen geprägt sind,27 findet die neue Museumspolitik bald auch in Publikationen Ausdruck, die Museologie und Ideologie verbinden. Eine erste Handreichung bietet 1953 das Hilfsbuch der Museumsarbeit von Gertrud Rudloff-Hille (1900–1983), die, zuvor Referentin im sächsischen Volksbildungsministerium, seit 1951 die Kunstsammlungen Dresden leitet.28 Noch bevor 1960 in der Bundesrepublik die für die Museumsreform seit 1905 wichtige Fachzeitschrift Museumskunde reaktiviert wird, gibt ab 1958 die Fachstelle für Heimatmuseen in der DDR – demonstrativ zwischen politischem Anspruch und professionellem Reformbezug – die Neue Museumskunde heraus. Bis 1990 dient das Fachorgan der SED-Politik als Sprachrohr, den ostdeutschen Museen zugleich aber auch als Plattform für den fachlichen Diskurs. Getragen von der Fachstelle in Halle stehen ab 1954 zunächst die Heimatmuseen, über die man die Bevölkerung breit erreichen möchte, im Fokus einer systemkonform ausgerichteten Museumspolitik der DDR. In Plauen findet 1955 eine Konferenz mit vierzig Museumsleitern statt, die die Schau 1830 bis 1945 im Vogtländischen Kreismuseum als „mit Parteilichkeit, Wissenschaftlichkeit sowie musealer Anschaulichkeit“ vorbildlich gestaltete Abteilung zur Neuzeit vorführt.29 Nachahmer findet das „leuchtende Beispiel“, das moderne Museumsformen in den Dienst der Ideologie stellte, jedoch kaum. Neugründungen von Heimatmuseen (Abb. 1) sucht der Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands derweil gezielt zu koordinieren. Knorr resümiert 1959 : „Kennzeichnend – wenn auch nicht typisch – für die Periode 58 I Wolf Karge
Abb. 1 : Heimatmuseum Dömitz im Aufbau, 1953
des Übergangs ist das Anwachsen der Zahl der kleinen Heimatmuseen und Heimatstuben. Das sind jene seltsamen Wucherungen, deren Behandlung uns noch nicht gelungen ist.“30 Bis zum Ende der DDR werden sich diese „Wucherungen“ nicht steuern lassen. Eindringlich zeigt sich hier eine Widersprüchlichkeit, für die auch Knorr selbst steht. Einerseits wird eine Qualifizierung der Museumsarbeit angestoßen, andererseits geht es um Gängelung und Kontrolle.31 In der DDR entstehen damals vermehrt Gedenkstätten : für Barlach, Hauptmann, Bürgel, Kleist oder Winckelmann, aber auch für Clara Zetkin oder Ernst Thälmann. Sie prägen die Museumslandschaft zunehmend ideologisch mit.32 So soll etwa eine 1954 in Gera eröffnete Stalin-Gedenkstätte um ein Museum ergänzt werden.33 Mit dem Wandel der Sicht auf den Diktator nach 1956 mutiert es schließlich zum „Museum der Geschichte der revolutionären Arbeiterbewegung des Bezirkes Gera“. Bereits 1952 wird das Dimitroff-Museum in Leipzig, das an den bulgarischen Kommunisten und NS-Gegner Georgi Dimitroff (1882–1949) erinnert, als größtes einer Einzelperson gewidmetes Museum der DDR gegründet. Unterdessen sucht sich die DDR im eskalierenden Ost-West-Konflikt über ihre Museen, deren Zahl weiter ansteigt, ideologisch zu platzieren. Zahlreiche Kontakte gibt es in dieser Zeit in die Bundesrepublik, gefördert durch die ostdeutsche Politik der „gesamtdeutschen Arbeit“. Bei einer Tagung im Bezirk Frankfurt/Oder heißt es dazu 1954 : „Die Museen sollen zur Wiedervereinigung Deutschlands beitragen. Aus diesem Grunde sollen die Leiter einen Briefwechsel mit Berufskollegen in Westdeutschland aufnehmen.“34 Ideologische Verortung gegenüber dem Westen verknüpft sich hier mit weiterbestehenden fachlichen Kontakten. So Sozialistische Profilierung
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bleiben etwa gerade ostdeutsche Naturkundemuseen bis zum Mauerbau im ab 1957 im Westen reaktivierten Deutschen Museumsbund und dessen Vorläuferorganisationen präsent.35 Gleichzeitig werden die politischen Erwartungen an die Museen in der DDR präzisiert : 1957 erhält die SED-Kulturpolitik bei einer Zentralen Kulturkonferenz der Partei und dann bei der Bitterfelder Konferenz von 1959 verbindlichere Formen. Für die Museen erwachsen daraus Forderungen wie die verstärkte Einrichtung von Ausstellungen zur neuesten Geschichte,36 die sich allerdings wegen fehlender Bestände und Fachleute selten realisieren lassen.37 1960 folgt eine weitere Kulturkonferenz auf Initiative des ZK der SED, des Kulturministeriums und Kulturbunds, bei der „Grundsätze sozialistischer Kulturarbeit“ vorgelegt werden, mit der Zielrichtung, „die sozialistische Kultur zur herrschenden zu machen“.38 Konkret heißt es hier : „Die Arbeit der Kunst-, kulturhistorischen, naturkundlichen und polytechnischen Museen ist zu koordinieren. Ihre Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit muß sich noch stärker auf die Kunst des sozialistischen Realismus, die Darstellung der Geschichte der neuesten Zeit und die Vermittlung der angewandten Naturwissenschaft konzentrieren.“39 Knorr schreibt 1959 erfreut : Die Heimatmuseen „haben sich zielbewußt die Voraussetzungen zu einer sozialistischen Umwandlung geschaffen durch sichtbare Hinwendung zur Gegenwart, enge Verbindung zu den Kommissionen zur Erforschung der Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung und den Kreisleitungen der SED, Bemühungen um echte ideologi sche Auseinandersetzungen, […] vor allem aber durch eine klare Orientierung auf die Politik der Arbeiterklasse.“40 Dieser idealisierten Sicht stehen indes in der Realität vielfach pensionierte Oberlehrer oder Justizbeamte als Museumsleiter gegenüber, die sich nicht vereinnahmen lassen. So bleiben sie vielfach, wie Knorr schließlich selbst konstatiert, „Inseln im Strom der neuen Zeit.“41 Während die ideologische Ausrichtung der Museen anzieht, bringen die Kunstrückführun gen aus der UdSSR die Kunstmuseen der DDR neu in Position. 1955/56 und 1958 gehen mit viel öffentlicher Aufmerksamkeit 1.240 Gemälde aus Museen in Moskau und Kiew in die DDR zurück. Davon profitieren Dresden und Berlin, aber auch Potsdam, Zerbst (erst 1959), Gotha oder Schwerin.42 Speziell Dresden wird dadurch zum zentralen Ort sozialistischer Museumspolitik : Die Regierung der DDR beschließt den Wiederaufbau der Sempergalerie und bildet eine Generaldirektion unter Leitung von Max Seydewitz (1892–1987).43 Mit ihm wird 1955 erstmals ein SED-Politiker, bis 1952 Ministerpräsident Sachsens, Chef eines großen Kunstmuseums der DDR. Die politische Einbindung nun auch der Kunstmuseen wird so immer deutlicher. Zugleich erfahren auch die Naturkundemuseen innovative Impulse für eine sozialistische Museumskultur aus den östlichen Nachbarstaaten. Eine zehnjährige Episode stellt hier beispielsweise das Magdeburger Museum Weltall-Erde-Mensch dar, das aus einem Geschenk resultiert, das die ČSSR 1954 im Kulturaustausch an die DDR macht. Vielleicht das erste Science Center ?44
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Professionalisierung und fortgesetzte Zentralisierung der Museumspolitik in den 1960er Jahren Ab 1960 verschieben sich daraufhin die Schwerpunkte in der DDR-Museumspolitik.45 Zwar betonen die Fachstelle und die Zentrale Fachkommission für Heimatmuseen in Halle 1960 weiter : „Das weitverzweigte Netz der Heimatmuseen als eine besondere Form der Bildungsund Erziehungsstätten hat an der sozialistischen Kulturrevolution wesentlichen Anteil zu nehmen.“46 Der Versuch einer ideologischen Neuaufstellung der kleinen Lokalmuseen trägt jedoch kaum Früchte. Die Fachkommission selbst spricht von Formen des „Reglementierens und der Überorganisation“. Stattdessen geht es in der DDR nach dem Mauerbau zunehmend um eine selbstbewusstere, modernere Museumspolitik, die verschiedenste Museumssparten einbezieht und d ezidiert auf fachliche Fundierung setzt. Bald werden dafür neue zentrale Verwaltungsstrukturen von Berlin aus geschaffen : Die Fachstelle für Heimatmuseen wird 1963 als Zentrale Fachstelle für Museen beim Ministerium für Kultur von Halle in die Hauptstadt verlegt.47 Am 26. April 1965 entsteht als weitere maßgebliche museumspolitische Leitinstanz in der DDR mit Fachleuten und Kulturfunktionären zudem der Rat für Museumswesen, der Sektionen für einzelne Museumstypen von den Kunst- und Geschichtsmuseen bis hin zu den Naturkunde- oder Technikmuseen bildet und ab 1966 die Neue Museumskunde herausgibt. Der Rat für Museumswesen sitzt in Berlin, ist dem Ministerium für Kultur angegliedert, sein Sekretär leitet zugleich die Zentrale Fachstelle. Die Ratsmitglieder werden aus wichtigen Museen und der staatlichen Kulturverwaltung der DDR berufen. Den Vorsitz übernimmt 1965 Eberhard Bartke (1926–1990), damals Abteilungsleiter im Kulturministerium. Zu den 48 Ratsmitgliedern bei Gründung gehören neben zahlreichen Museumsdirektoren, die hier eine sozialistische Museumspolitik aktiv mitgestalten – darunter Max Seydewitz aus Dresden und Gerhard Rudolf Meyer (1908–1977), 1958 bis 1976 Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin – unter anderem die beiden führenden DDR-Museumspädagogen Joachim Ave (1921–2003) und Kurt Patzwall (geb. 1912), weiterhin aber etwa auch Knorr.48 Der Auftrag des Fachgremiums ist ein klar politischer, direkt eingebettet in die Politik der SED.49 Eine Konzentration auf die DDR-Museumszentren Berlin und Sachsen ist unübersehbar. Und auch die staatliche Fachschule organisiert sich nach Stationen in Köthen, Weißenfels und Meißen entsprechend neu : Im März 1966 wird sie zur Fachschule für Museologen in Leipzig.50 Ab 1965 sucht der Rat für Museumswesen statt schematischer Parteivorgaben eine stärker an lokalen Gegebenheiten orientierte Professionalisierung der Museumspolitik zu etablieren. Das ist allerdings vielerorts kaum realisierbar, auch wegen weiterhin zu wenig qualifizierten Mitarbeitern in den Museen.51 Überdies erschweren disparate administrative Zuständigkeiten eine stringente Politik : Während das Ministerium für Kultur zu koordinieren versucht, unterstehen Universitäts- sowie Ur- und Frühgeschichtsmuseen dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, Fachmuseen wie das Postmuseum Berlin, das Hygiene-Museum Dresden oder die Armeemuseen Potsdam und Berlin den jeweiligen Ressorts. Intern bemängelt der
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Abb. 2 : Ur- und Frühgeschichtsabteilung im Museum Schwerin, 1969
Rat für Museumswesen 1968 fehlende Museumkompetenz der vorgesetzten Behörden jenseits politischer Anleitung. Gleichzeitig allerdings entwickelt sich die Museumslandschaft der DDR unter dem Einfluss des neuen Professionalisierungsanspruchs mit eigenen Akzenten spürbar weiter. So gibt es Umgestaltungen bei den Naturkunde- und den staatlichen Kunstmuseen in Dresden und Berlin, aber auch DDR-spezifische Impulse bei den Technik- oder Freilichtmuseen, jeweils mit engem Systembezug und modernsten Formen der Vermittlung (Abb. 2).52 Zudem rücken neue Ausstellungs- und Sammlungsorte speziell für die Gegenwartskunst der DDR auf die Agenda, gefördert vom Verband bildender Künstler. 1965 gründet sich als erstes Museum dieser Art in Frankfurt/Oder die Galerie Junge Kunst.53 In Rostock entsteht bis 1969 die Kunsthalle.54 Neubrandenburg erhält eine eigene Kunstsammlung, Gera richtet 1972 eine Kunstgalerie ein.55 Eine vom Ministerium gewünschte Kooperation der Kunstmuseen, wie bei technischen, Freilicht- oder Naturkundemuseen üblich, erweist sich allerdings als schwierig. Um auch mit außenpolitischer Perspektive einen starken Museumsanspruch des SEDStaats zu unterstreichen, organisiert der Rat für Museumswesen 1968 die Wanderausstellung Die Museen der DDR – heute. Anlass ist die Zweite Internationale Museumskampagne des ICOM.56 Die zentralen politischen Stellen der DDR haben Kultur als Mittel auf dem Weg zur völkerrechtlichen Anerkennung ausgemacht. Der Rat für Museumswesen trägt dies mit, 62 I Wolf Karge
Abb. 3 : Publikationsreihe Schule und Museum der gleichnamigen Arbeitsgruppe beim DDRVolksbildungsministerium, Titel der Ausgabe 1969 mit Bezug zum 20. Jahrestag der DDR
während sich die DDR-Museumspolitik ab 1966 zunehmend von der Bundesrepublik abgrenzt, auch wenn ein gewisser fachlicher Austausch bleibt.57 Es geht mittlerweile um eine eigenständige Museumspolitik der DDR, in der zeitgenössische museologische Mittel eine breite Wirkung für politische Vorgaben versprechen. Während der DDR so tatsächlich 1968 die ICOM-Aufnahme gelingt, ist damals das große Projekt des Rats für Museumswesen eine „Profilierung“ des DDR-Museumsnetzes. Ab 1965 werden dafür in den Bezirken Pläne und die Idee von „Bezirksmuseen“ als Leiteinrichtungen debattiert, die in eine aufeinander abgestimmte, stringente DDR-Museumsstruktur münden sollen. Einiges kann dadurch angestoßen werden, wie die erwähnten Neugründungen und Umgestaltungen. In Gänze aber erweist sich das Vorhaben als nicht umsetzbar. Das Beharrungsvermögen der Museumsleitungen gerade in den kulturellen Zentren ist zu stark. Die gewachsenen Museumsstrukturen entziehen sich einem nachhaltigen politischen Eingriff.58 Und doch kommt durch die professionellere Museumspolitik der 1960er Jahre Bewegung in die Museen der DDR, gerade auch im Sinne eines gezielten sozialistischen Bildungsauftrags : Die Museumsbesucherzahlen des Gesamtstaates steigen 1967 von 12 auf über 17 Millionen und bringen der DDR in Relation zu ihrer Bevölkerungszahl die Führung in Europa ein. Auch im Westen beeindrucken die Zahlen.59 Eine intensivierte Zusammenarbeit von Schule und Museum, die durch eine gleichnamige Arbeitsgruppe beim Volksbildungsministerium unter Ave und Patzwall seit 1963 explizit politisch gefördert und akzentuiert wird (Abb. 3) und sich in den großen Museen durch Einsetzung eigener Bildungsbeauftragter niederschlägt, trägt maßgeblich dazu bei.60 Dresden liegt 1967 mit 4,6 Millionen Besucherinnen und BeSozialistische Profilierung
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suchern weit vor den anderen Bezirken der DDR, wozu nicht nur die Kunstsammlungen, sondern auch das Hygiene- und das Verkehrsmuseum beitragen. Der Rat für Museumswesen versucht die Museumsaktivitäten weiter anzukurbeln. 1967 wird ein „Leistungsvergleich der Museen“ eingeführt.61 1970 kreieren der Rat für Museumswesen und die Gewerkschaft Kunst den Lenin-Wettbewerb, der vom Ministerium für Kultur als „Aktionsprogramm und Führungsmethode“ propagiert wird. Tatsächlich nimmt allerdings nur knapp ein Drittel der Museen der DDR teil. Auch wenn sich die ostdeutsche Museumslandschaft weiter sozialistisch konturiert, stößt die staatliche Museumspolitik hier im Konkreten weiterhin an die Grenzen einer keineswegs einheitlichen Museumsrealität, der immer häufiger auch die ökonomischen Ressourcen fehlen.
Ausdifferenzierung der sozialistischen Museumspolitik in den 1970er und 1980er Jahren Auch in den 1970er Jahren, als sich die DDR unter Honecker wieder stärker ideologisiert, bleibt der Anspruch des SED-Staats an die Museen groß. 1973 verkündet Kurt Hager (1912– 1998), gewichtige Stimme für die kulturpolitische Linie der Partei, dass „die Sphäre der Weltanschauung, der Philosophie, der geistigen Kultur und der Kultur überhaupt zur Front der härtesten Auseinandersetzung geworden ist.“62 Für die Museen bedeutet das mehr denn je : „Orientierung in der wissenschaftlichen und kulturellen Arbeit auf die führende Rolle der Ar beiterklasse.“63 Bei der Umsetzung gehen Professionalisierung und politische Einbindung weiter Hand in Hand. Ende 1970 wird das Institut für Museumswesen in Ost-Berlin als Nachfolgeeinrichtung der Fachstelle für Museen initiiert64 – als letzte Gründung der DDR in der Reihe zentraler staatlicher Leitinstitutionen für die Museen, bei der nun endgültig der wissenschaftlich-professionelle Anspruch der DDR-Museumspolitik in den Vordergrund rückt.65 Auch das Institut ist unmittelbar politisch eingebunden : Es ist dem Minister für Kultur direkt unterstellt, bis 1985 ist sein Direktor – Rolf Kiau, der zuvor die Fachstelle geleitet hat – zugleich Sekretär des Rats für Museumswesen (Abb. 4).66 Zuständig ist das Institut für die Perspektivplanung und Vorbereitung zentraler Entscheidungen, für die Entwicklung von DDR-Museumsstrukturen, die Koordination museumstheoretischer Forschungen, Anleitung und Austausch in fachlich-methodischen Fragen und statistische Erhebungen. Fast ein Jahrzehnt bevor 1979 in West-Berlin das Institut für Museumskunde entsteht, wird das Institut für Museumswesen so zu einem Informations- und Dokumentationszen trum mit hervorragenden Bibliotheks- und Sammlungsbeständen und Aushängeschild in der musealen Systemkonkurrenz. Bald prägt das Institut auch die ab 1970 im Großformat erscheinende Neue Museumskunde mit, ab 1985 gibt es die Zeitschrift heraus, wie bereits seit 1970 die offiziellen museumspolitischen Verlautbarungen Informationen für die Museen in der DDR und eine eigene museologische Publikationsreihe. Während sich parallel dazu auch die Museumspädagogik, ab 1970 mit der Arbeitsgruppe Museumspädagogik im Volksbildungs64 I Wolf Karge
Abb. 4 : Statut und Struktur des Instituts für Museumswesen, 1971
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ministerium, immer selbstbewusster aufstellt,67 spiegelt gerade das Berliner Institut für Museumswesen die Linie der SED, staatlich gelenkte Kulturpolitik mit möglichst professionellen, fachlichen Strukturen auftreten zu lassen. Der wissenschaftliche Anspruch unterstützt den politischen Bildungsauftrag dabei auch gegenüber einzelnen Museen der DDR. Der Rat für Museumswesen gibt den Museen derweil weiter betont sozialistische Inhalte vor. Nach dem SED-Parteitag organisiert er 1971 die Konferenz Die kulturschöpferische Rolle der Arbeiterklasse und die Museen. In der Praxis bringen Bemühungen speziell um mehr Werktätige im Museum durchaus Erfolge, schlagen aber ebenso oft fehl. Perspektiven einer eigenen DDR-Museumskultur eröffnen ab 1970 neue technische und naturkundliche Museen mit Bezug zur Produktion in Rostock oder Stralsund. Hier entsteht „sozialistisches Sponsoring“ zum Vorteil der Museen.68 Vermehrt wird von den Museen die Darstellung von DDR-Geschichte gefordert, wobei Jubiläen wie der 25. Jahrestag der Staatsgründung, der 30. Jahrestag der „Befreiung vom Hitlerfaschismus“ oder der 30. Jahrestag der Gründung der SED als Anlässe dienen.69 Dem 50. Jahrestag der russischen Oktoberrevolution sind schon 1967 über hundert Ausstellungen gewidmet. Bei Passivität gibt es Kritik.70 Wie in den 1950er Jahren verbinden sich hier politischer Druck und museologischer Anspruch (Abb. 5). Auch das Thema einer einheitlichen Ausrichtung des Museumsnetzes ist nicht vom Tisch.71 Anfang 1971 soll eine Anweisung des Ministeriums für Kultur zur „Klassifizierung der Museen“ einen weiteren Ansatz liefern. Symptomatisch ist eine Einschätzung der Museen für den Bezirk Frankfurt/Oder im Jahr 1974 : „Die Darstellung der sozialistischen Entwicklung ist sowohl qualitativ als auch quantitativ unbefriedigend.“72 Daher sollen auf Bezirksebene Profilierungen und von den Museen „wissenschaftlich-politische Grundkonzeptionen“ erstellt werden. 1976 beruft das Ministerium eine Konferenz mit Museumsleitern aller Sparten ein, mit Bezirkstagungen im Vorfeld. Disproportionen sollen durch eine „zentrale Arbeitsgruppe Profilierung“ gemildert werden.73 Viele Museen entziehen sich diesen Prozessen allerdings weiterhin, ohne sie offen abzulehnen. Mangelnde Beteiligung, Verzögerungen oder allzu ambitionierte Ideen unterlaufen die Umsetzbarkeit. In den 1970er Jahren scheitert damit der mit viel Aufwand verfolgte Ansatz eines von oben koordinierten homogenen Museumsnetzes zusehends, auch wenn einzelne Häuser dadurch sicher erstmals zu einem eigenen Profil kommen. Gerade bei kleineren Museen stoßen die staatlichen Ambitionen auf Widerstände. So heißt es 1976 für den Bezirk Karl-Marx-Stadt : „Natürlich müssen staatliche Lenkungsmaßnahmen behutsam sein, um die Begeisterung der Bürger, das kulturelle Erbe zu pflegen, nicht abzubremsen.“74 In den 1980er Jahren kollidiert dabei ein neues Interesse an Geschichts- und Heimatmuseen immer heftiger mit den zuvor etablierten zentralen, spartenbezogenen Museumsstrukturen in der DDR. Deutlich wird der Konflikt, als 1985 Bezirkskonferenzen für diese Museen stattfinden.75 Kritisiert wird ein Missverhältnis zwischen Spezial- und Kulturgeschichtsmuseen.76 Im Rat für Museumswesen haben die Spezialmuseen Fachsektionen. Seit Auflösung der Zentralen Fachstelle 1970 ist die große Gruppe der Heimat- und kulturhistorischen Museen hingegen nicht mehr repräsentiert. Regionaltagungen sollen dies ausgleichen. Neben zentralen Formen der Museumsorganisation rücken so erneut kleinere Museen und ihre Ein66 I Wolf Karge
Abb. 5 : Ausstellung zur 1977 am Rostocker Hafen eröffneten Gedenkstätte revolutionärer Matrosen, 1978
bindung in den Fokus. Der bisherige museumspolitische Anspruch erweist sich damit als nur noch bedingt tragfähig. Anpassungen werden notwendig, die letztlich zu einer wieder stärkeren Ausdifferenzierung des Systems beitragen. Im Hintergrund stehen ab um 1980 veränderte Schwerpunkte in der DDR-Kulturpolitik : Weil das Politbüro des ZK der SED die Schaffung eines DDR-Nationalbewusstseins Ende der 1970er Jahre als nicht realisierbar einschätzt, wird der Fokus auf die Förderung des Regionalbewusstseins gelegt. Nach langen Debatten um Erbe und Traditionen wird daraufhin zuerst das Klischee des preußischen Militarismus relativiert, was ab 1982 im Museum für Deutsche Geschichte (Abb. 6) sichtbar wird.77 Der „Nationale Rat der Deutschen Demokratischen Republik zur Pflege und Verbreitung des deutschen Kulturerbes“ und die Gesellschaft für Heimatgeschichte im Kulturbund eröffnen für die regionalen Museen neue Möglichkeiten. Alltagskultur wird zum Thema,78 ähnlich wie zur selben Zeit auch im Westen. In einem sich öffnenden Museumsdiskurs,79 in dem die DDR als Kulturstaat agiert, ergeben sich staatliche Strukturen für die Museen der DDR nun vor allem noch auf rechtlicher Ebene : 1978 legt die Verordnung über den Staatlichen Museumsfonds fest, dass die „durch die Museen bewahrten musealen Objekte und Sammlungen […] Volkseigentum sind“ und die DDR Anspruch auf verlagerte Objekte und Sammlungen erhebt.80 Per Anweisung vom 30. April 1980 schützt der Minister für Kultur die Bezeichnung „Museum“ und macht sie von Sozialistische Profilierung
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der Genehmigung durch das Institut für Museumswesen abhängig, was Rechtssicherheit für bestehende Museen gibt, Neugründungen aber erschwert. Inventarisierung, Katalogisierung und Inventuren,81 auch Leih- und Tauschverkehr werden für die Museen der DDR verbindlich geregelt.82 Das Kulturgutschutzgesetz der DDR vom 3. Juli 1980 verbietet die dauernde Ausfuhr von Objekten aus Museen.83 Die ostdeutsche Museumslandschaft changiert dabei zwischen fortbestehender Politisierung, Freiräumen und erneuten Regionalbezügen. So gibt es DDR-typische Entwicklungen wie die Traditionskabinette, die auf Beschluss des ZK der SED seit den 1970er Jahren mit offenem Schulungsauftrag zur Propagierung von Betriebsgeschichte und im Militär entstehen. Bis 1989 sind es über 1.400. Dem stehen beispielsweise wenige kirchliche Museen gegenüber, wie das seit 1956 landeskirchlich getragene Lutherhaus in Erfurt,84 das 1979 gegründete Dommuseum in Brandenburg oder das 1987 im Französischen Dom wiedereröffnete Hugenottenmuseum in Berlin. Und die Besucherzahlen in den inzwischen rund 600 Museen der DDR steigen weiter : Bis 1975 verdoppeln sie sich auf 30,3 Millionen.85 In den Bezirken gegründete Museen, aber auch ein verändertes Freizeitverhalten sorgen zusammen mit der Liberalisierung der DDR-Kulturpolitik für neue regionale Museumsschwerpunkte. Während die Besucherzahlen 1986 in Dresden und Berlin zurückgehen, erleben etwa Rostock, Schwerin, das Erzgebirge oder Thüringen Zuwächse.86 Als vielschichtiges Museumsland tritt die DDR derweil nach außen immer aktiver auf. In den 1970er und besonders den 1980er Jahren gibt es vermehrt internationale Ausstellungen der großen Wissenschafts- und Kunstmuseen, auch in westlichen Staaten.87 Bei der ICOMGeneralkonferenz 1977 in Moskau wird eine neue Dimension erreicht. Die dort erfolgte Gründung des Internationalen Komitees für Literaturmuseen ist eine DDR-Initiative.88 In der DDR selbst wird die internationale Einbindung zugleich als Ausdruck eines weltoffenen Landes publikumswirksam betont, etwa durch den Internationalen Museumstag am 18. Mai, der seit 1979 begangen wird und bei dem auch die neuen DDR-Titel „Museumsrat“ und „Obermuseumsrat“ durch den Kulturminister verliehen werden, was weitere staatliche Strukturen für die Museen der DDR schafft. Gerade auf dem wichtigen internationalen Terrain besteht enge politische Führung. Alle Auslandsaktivitäten der Museen im „nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet“ bedürfen oberster Genehmigung durch das Sekretariat des ZK der SED. 1982 betont Kulturminister Hans-Joachim Hoffmann (1929–1994), 1973 bis 1989 im Amt, das Museum als „Instrument einer aktiven marxistisch-leninistischen Innen- und Außenpolitik“.89 Auch ambitionierte Museumsbauvorhaben der letzten DDR-Jahre wie der Wiederaufbau des Dresdner Schlosses oder der Ausbau des Schillermuseums in Weimar sind in diesem Kontext internationaler Profilierung zu sehen.90 Schließlich werden so auch wieder deutschdeutsche Museumskontakte im Rahmen des Kulturabkommens von 1986 möglich91 – auch wenn es im bundesrepublikanischen Deutschen Museumsbund weiter Vorbehalte gegenüber der staatlich gelenkten Museumspolitik der DDR gibt, die mit dem Rat für Museumswesen konnotiert wird.92
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Abb. 6 : Museum für Deutsche Geschichte Ost-Berlin, Museumführer 1978
Zwischen Ideologie und internationaler Ausrichtung wächst die Museumslandschaft der DDR so weiter : 1989 gibt es 751 Museen in der DDR, mit über 10.000 Beschäftigten, darunter 130 Geschichtsmuseen mit 7,3 Millionen Besuchern, 83 Kunstmuseen mit fast 9 Millionen, 53 Theater-, Literatur- und Musikmuseen mit 1,5 Millionen, 57 Naturkundemuseen mit knapp 5 Millionen, 47 Technikmuseen mit 2,1 Millionen und 381 Regional- und Heimatmuseen mit fast 7,4 Millionen Besuchern. Die Gesamtbesucherzahl liegt bei 32,5 Millionen. Das ist in mehrfacher Hinsicht die Abschlussbilanz des Instituts für Museumswesen der DDR.93 Das 1970 gegründete Institut steht dabei bis zuletzt, nach wichtigen Etappen der Wegbereitung dorthin ab 1954 und 1965,94 wie der Rat für Museumswesen für eine kontinuierliche politische Einbindung der Museen in der DDR unter dem Einfluss des Ministeriums für Kultur, bei der ideologischer Anspruch, Lenkung und Professionalisierungstendenzen eng ineinanderfließen.
Sozialistische Profilierung
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Anmerkungen 1 Das Aktenmaterial ist mir nach 1990 durch die Stiftung Berlin-Museum zugänglich gemacht worden. Daraus entstand das Manuskript Karge 1996. Der vorliegende Beitrag knüpft an die damaligen Recherchen an. Der Bestand des Instituts für Museumswesen liegt mittlerweile im Bundesarchiv in Berlin unter der Signatur DR 141, ist dort aber noch unbearbeitet. Auf alte Signaturangaben wird daher verzichtet. Alle im Folgenden nicht näher belegten Angaben sind diesem Bestand entnommen. 2 Vgl. dazu auch Rockel 1992, S. 6 ; Karge 1992, S. 78. 3 Vgl. dazu etwa Rudert 2013, S. 187–189 ; Bußmann 2013, S. 204 ; siehe dazu auch den Beitrag Winter in diesem Band. 4 Zitiert nach Klausewitz 1992. 5 Vgl. dazu auch So fing man einfach an 2013. 6 Vgl. Potsdamer Schlösser 1984, S. 186. 7 SMAD-Befehle zitiert nach A. Zimmermann, Anlage 4 ; vgl. dazu auch Schade 1991, S. 202 f. 8 Vgl. Schade 1991, S. 202. Zur deutschen Zentralverwaltung siehe auch den Beitrag Steinkamp in diesem Band. 9 Vgl. Scheunemann 2016, S. 61 ; siehe dazu auch Einenkel 1992, S. 18. 10 Vgl. A. Zimmermann 1987, S. 18 ; Schade 1991, S. 202. 11 Siehe dazu auch die Beiträge Scheunemann und Sachse in diesem Band. 12 Vgl. Bußmann 2013, S. 204. 13 Vgl. Mues 1987, S. 287–289. 14 Vgl. Ein Händler „entarteter“ Kunst 2010. 15 Vgl. Rudert 2013, S. 189–194 ; H. Zimmermann 1987, S. 43. 16 Zitiert nach Kiau 1989, S. 207. 17 Vgl. auch Schade 1991, S. 208. 18 Vgl. Scheunemann 2016, S. 61 f. 19 Vgl. Scheunemann 2009, S. 91–99 u. 125 ; Köller 2013, S. 200–202 ; Scheunemann 2016, S. 62. 20 Vgl. Scheunemann 2016, S. 62. 21 Materialien Museumsleitertagung Staatliche Kommission Kunstangelegenheiten 1951. Zur Kommission siehe auch den Beitrag Steinkamp in diesem Band. 22 Vgl. Herbst/Wernicke 1987, S. 107. 23 Siehe dazu auch die Beiträge Andrews und Ludwig in diesem Band. 24 Programmerklärung Ministerium für Kultur 1954, S. 35. 25 Vgl. Schumacher 1965, S. 96 f. 26 Vgl. Leitfaden für die Dokumentation von Museumsobjekten 2011, S. 12, 26 u. 44 ; Knorr 1957. 27 Vgl. Karge 1995, S. 9. 28 Rudloff-Hille 1953 ; zu Rudloff-Hille vgl. Rudert 2013, S. 194. 29 BArch, DR 141. 30 Knorr 1959, S. 274. 31 Siehe dazu auch Knorr 1960 ; Scheunemann 2016, S. 62. 32 Vgl. Scheunemann 2016, S. 62. 33 Vgl. Scheunemann 2009, S. 197. 34 Archiv Halle/Frankfurt 1954, in : BArch, DR 141. 35 Vgl. Mitgliederlisten Bund der Naturwissenschaftlichen Museen 1951–1970, in : SMB-ZA, III/DMB
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16/01 u. 16/02 ; Klausewitz 1984, S. 36 ; Wanner 2018, S. 95 ; zum Museumsbund nach 1945 vgl. KratzKessemeier 2018b. Vgl. Hoffmann 1982, S. 12. Siehe dazu auch den Beitrag Ludwig in diesem Band. Zitiert nach Geschichte SED 1978, S. 399. Grundsätze über die sozialistische Umgestaltung der Heimatmuseen 1960, S. 10. Knorr 1959, S. 274. Ebd.; zur Rolle Knorrs in dieser Zeit vgl. auch Köstering 2012, S. 19–21. Vgl. Gemäldegalerie Dresden 1956 ; Handbuch Museen in der DDR 1963 ; zu den Rückgaben 1955/58 in Dresden und Berlin siehe auch den Beitrag Winter in diesem Band. Vgl. Rudert 2014, S. 115–119. Vgl. dazu Handbuch Museen in der DDR 1963, S. 149. Vgl. dazu auch Riedel 1967, S. 145 f. Grundsätze über die sozialistische Umgestaltung der Heimatmuseen 1960, S. 4. Vgl. Scheunemann 2016, S. 63. Vgl. Gründung des Rates für Museumswesen 1965 ; zur fortbestehenden Relevanz von Seydewitz und Knorr für die Museumspolitik der DDR siehe z. B. auch Zum 75. Geburtstag von Prof. Max Seydewitz 1967 ; Prof. Dr. Heinz A. Knorr 1969. Vgl. dazu auch Wanner 2018, S. 94 f. Vgl. Scheunemann 2016, S. 62. Siehe dazu auch Schumacher 1987, S. 12. Siehe dazu auch die Beiträge Scheil, Kratz-Kessemeier, Danker-Carstensen und Bretschneider in diesem Band. Vgl. Wurlitzer 1983, S. 70. Siehe dazu auch den Beitrag Neumann in diesem Band. Museen in Thüringen 1992, S. 116–118. Vgl. dazu Museen DDR 1967. Vgl. Museum und Schule 1966 ; Wanner 2018, S. 95 f.; zur ab 1966 veränderten Museumspolitik siehe auch den Beitrag Kratz-Kessemeier in diesem Band. Vgl. dazu auch schon Riedel 1967, S. 148 f. Vgl. z. B. ebd., S. 144. Vgl. dazu u. a. Museum und Schule 1966 ; Schule und Museum im einheitlichen sozialistischen Bildungssystem 1966 ; Schule und Museum im einheitlichen sozialistischen Bildungssystem 1967 ; siehe dazu auch den Beitrag Scheil in diesem Band. Vgl. Neue Museumskunde, Jg. 11, 1968, H. 2, S. 254. Neues Deutschland, 30.5.1973. Kiau/Lange 1974, S. 165. Vgl. Anordnung über die Bildung eines Instituts für Museumswesen 1971. Vgl. Wir besuchen ein Museum 1976, S. 23. Zur politisch-ideologischen Einbindung des Instituts vgl. auch Heinze 1971. Siehe dazu z. B. Wir besuchen ein Museum 1976. Siehe dazu auch die Beiträge Weiss und Danker-Carstensen in diesem Band. Vgl. Kiau/Lange 1974, S. 167. Vgl. ebd. Vgl. dazu auch Wir besuchen ein Museum 1976, S. 23. Sozialistische Profilierung
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Archiv S 1005/2, in : BArch, DR 141. Vgl. Konferenz Museumsdirektoren DDR 1976, Teil I, S. 179 f. Konferenz Museumsdirektoren DDR 1976, Teil II, S. 183. Vgl. Erfahrungsaustausch Geschichts- und Heimatmuseen DDR 1986, S. 4. Vgl. Konferenz Museumsdirektoren DDR 1976, Teil II, S. 129. Vgl. dazu Hager 1982, S. 225. Vgl. dazu etwa Mühlberg 1977, S. 78 f. Vgl. dazu auch Scheunemann 2016, S. 64. Gesetzblatt der DDR 1978, Teil I, Nr. 14, S. 165. Gesetzblatt der DDR 1980, Teil I, Nr. 10, S. 81. Gesetzblatt der DDR 1980, Teil I, Nr. 32, S. 309. Gesetzblatt der DDR 1980, Teil I, Nr. 20, S. 191. Vgl. Handbuch Museen in der DDR 1963, S. 229 f. Vgl. Scheunemann 2016, S. 64 ; Wir besuchen ein Museum 1976, S. 9, 14 u. 22. Vgl. Erfahrungsaustausch Geschichts- und Heimatmuseen DDR 1986, S. 19. Siehe dazu auch den Beitrag Röder/Bethlen in diesem Band. Zu den Literaturmuseen in der DDR siehe auch den Beitrag Hoffmann in diesem Band. Informationen für die Museen in der DDR, Jg. 14, 1982, H. 2, S. 42. Grabe 1987, S. 13. Siehe dazu auch den Beitrag Röder/Bethlen in diesem Band. Vgl. Wanner 2018, S. 95–97. Vgl. Erhebung der Besuchszahlen 1990, S. 2 u. 43–47. Vgl. dazu auch schon Riedel 1967, S. 145.
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I NTER NATIONALE B EZI EH U NGEN
Petra Winter
„I N D I E BAUTEN G EH Ö R EN A B E R AU C H KU N ST WE R K E . “ 1 Die Schlüsselrolle der Berliner Museen bei der Rückführung von Beutekunst aus der Sowjetunion in die DDR 1955/58
Die Rückführungen der Berliner Museumsbestände aus Westdeutschland nach West-Berlin und aus der Sowjetunion nach Ost-Berlin ab Mitte der 1950er Jahre markieren eine bedeutende Zäsur in der Berliner und deutschen Kulturgeschichte der Nachkriegszeit – sowie insbesondere für die Museen der DDR. Der Prozess der Rückkehr von weltberühmten Kunstwerken nach Berlin kann als eine „Spiegelgeschichte“ Ost/West verstanden werden und wird als solche in diesem Beitrag nachgezeichnet. Dabei werden neben internationalen vor allem die innerdeutschen bzw. Berliner Verbindungslinien, Abhängigkeiten und Bezüge aufgedeckt, die schon im Vorfeld der Rückführungen klar zutage traten. Verdeutlicht werden soll auch die Schlüsselrolle, die die Ost-Berliner Museen hier spielten, denn ohne den enormen politischen Druck, dem die Museen in der geteilten Stadt Berlin ausgesetzt waren, wären die Rückführungen von Objekten in die Museen der DDR aus der Sowjetunion nicht möglich gewesen.
Fehlende Werke in Berlin – kriegsbedingte Auslagerungen als Hintergrund „Kunstmuseen bestehen aus Bauten und Kunstwerken – eine Binsenwahrheit, die oft verges sen wird.“2 Diesen Satz schrieb Ludwig Justi (1876–1957), seit 1946 Generaldirektor der Staatlichen Museen in Ost-Berlin, im April 1954. Es war ein Text, der für ein Faltblatt über die Ost-Berliner Museen vorgesehen war, er wurde nicht gedruckt. Justi, der die Berliner Museen schon vor 1933 als Direktor der Nationalgalerie maßgeblich geprägt hatte, wiederholte und variierte diesen Satz in den 1950er Jahren mehrfach und er forderte ein, was den Museen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges am dringendsten fehlte : ihre Kunstwerke. Wie waren die Werke aber überhaupt nach West und Ost gelangt ? Unmittelbar nach Beginn des Krieges am 1. September 1939 wurden die Museen für das Publikum geschlossen und die Verpackung und Verlagerung der Kunstwerke begann. Zunächst nutzte man die Keller der Museumsgebäude : Vor allem das erst 1930 eröffnete Pergamonmuseum, der massivste Bau auf der Museumsinsel, schien aufgrund seiner Bauweise ausreichend Schutz für Werke aus nahezu allen Abteilungen in den Kellergewölben zu bieten. Parallel wurden Kunstwerke in einen Tresorraum im Neubau der Reichsmünze am Molkenmarkt verbracht. Dieser Tresor galt seinerzeit als der sicherste Raum in Berlin. Dort wurden beispielsweise die Friesplatten des Pergamonaltars geborgen. Als die Luftangriffe auf Berlin ab 1940/41 zunahmen, wurde schnell „In die Bauten gehören aber auch Kunstwerke.“
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offensichtlich, wie wenig Schutz die Keller der Museumsgebäude boten. Weitere bombensichere Räume waren dringend erforderlich. Die Wahl fiel auf rein militärische Bauten : die neu errichteten Flaktürme am Zoologischen Garten und im Volkspark Friedrichshain. Ende September 1941 begannen die ersten Kunsttransporte der wertvollsten Objekte der Sammlungen aus der Münze in den Flakturm am Zoologischen Garten und Anfang 1942 in den Flakleitturm im Friedrichshain. Auch die bedeutendsten Werke der Skulpturensammlung und der Gemäldegalerie wurden hier untergebracht. Der Kriegsverlauf forcierte schließlich die Entscheidung, die Museumsbestände in Depots außerhalb Berlins zu verlagern. Hierfür wurden neben Gutshäusern und Schlössern in Brandenburg und Mecklenburg vor allem stillgelegte Kali- und Salzbergwerke in Mitteldeutschland genutzt. Ab Juni 1944 gingen Kunsttransporte unter anderem nach Grasleben bei Helmstedt sowie nach Schönebeck bei Magdeburg. Angesichts des nahenden Kriegsendes erließ Adolf Hitler am 8. März 1945 den Befehl zur sofortigen Sicherung der wertvollsten Kunstschätze außerhalb Berlins und zwar in einem Gebiet, das kurz danach von den Westalliierten besetzt werden würde. Vom 11. März bis zum 7. April 1945 gingen zehn Transporte von den Flaktürmen Zoo und Friedrichshain ab, davon erreichten acht Transporte die Kaligrube Kaiseroda bei Merkers an der Werra in Thüringen, die zum größten Bergungsort der Berliner Museen wurde. Als die Transporte eingestellt werden mussten, waren noch immer umfangreiche Bestände von höchstem Wert in Berlin, darunter beispielsweise etwa fünfhundert Bilder der Gemäldegalerie im Flakturm Friedrichshain sowie der Pergamonfries und der Schatz des Priamos im Flakturm Zoo. Am Ende des Krieges waren die Bestände der Berliner Museen so auf viele verschiedene Bergungsorte inner- und außerhalb Berlins verteilt (Abb. 1). Die Bergungsdepots westlich von Berlin wurden im April 1945 von der britischen und der amerikanischen Armee besetzt und die Kunstwerke in deren Central Collecting Points nach Celle und Wiesbaden verbracht. Im Mai 1945 besetzte die Rote Armee Berlin und ihre Trophäenbrigaden transportierten einen Großteil der hier geborgenen Kunstschätze in die Sowjetunion. In Berlin verblieben vor allem Bestände, die der stalinistischen Kulturpolitik als wichtig für die Konstruktion einer „deutschen“ sozialistischen Identität erschienen – mit ihnen konnte Ludwig Justi schon kurz nach dem Krieg im wiederaufgebauten Zeughaus eine Ausstellung „deutscher“ Kunst eröffnen –, aber auch als nachrangig betrachtete Werke aus den Sammlungen etwa der Gemäldegalerie, der Skulpturensammlung, der Antikensammlung und des Ägyptischen Museums, des Völkerkundemuseums, des Museums für Vor- und Frühgeschichte und des Museums für Volkskunde oder der Islamischen Kunstabteilung. Kurz gesagt : Ein Großteil der Museumsbestände, die sich bei Kriegsende noch in Berlin befanden, gelangte in die Sowjetunion, Teile blieben vor allem in Ost-Berlin oder im Depotbau in Dahlem, die in den Bergwerken an der Elbe und in Thüringen geborgenen Objekte kamen hingegen nach Wiesbaden und Celle.3 Ende der 1940er Jahre übergaben die Westalliierten ihre Depots in die Treuhandverwaltung der 1946 neu begründeten Bundesländer Hessen und Niedersachsen, während der Aufenthaltsort der in die Sowjetunion verbrachten Objekte lange unklar blieb und offiziell in der entstehenden DDR nicht thematisiert werden durfte. 76 I Petra Winter
Abb. 1 : Auslagerungsorte der Staatlichen Museen zu Berlin und der Sammelstellen der Alliierten für Kulturgüter
Geteilte Stadt – geteilte Museen Der beginnende Kalte Krieg und die politische Krise um die Währungsreform führten derweil Ende 1948 zur Teilung der Stadt Berlin, die in der erfolglosen Blockade West-Berlins einen ersten Höhepunkt fand. Von der Spaltung der Stadt ganz unmittelbar betroffen waren auch die „Ehemals Staatlichen Museen“. Seit Kriegsende wurden sie als Institution des untergegangenen preußischen Staates vom Berliner Magistrat treuhänderisch verwaltet und „In die Bauten gehören aber auch Kunstwerke.“
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waren mit ihren Standorten und den verbliebenen Sammlungen über drei Besatzungssektoren verstreut : Die Museumsinsel, Sitz der Generalverwaltung und der meisten kunsthistorischen und archäologischen Sammlungen, befand sich im sowjetischen Sektor, ebenso das ausgebrannte Stadtschloss, in dessen Keller etwa das Kunstgewerbemuseum und die Schlösserverwaltung notdürftige Unterkünfte gefunden hatten.4 Im amerikanischen Sektor lagen das Museumsquartier an der Prinz-Albrecht-Straße (heute Niederkirchnerstraße) mit dem heutigen Martin-Gropius-Bau und dem einstigen Völkerkundemuseum sowie der Magazinbau des Museums für Völkerkunde in Dahlem. Die Gipsformerei und das Rauch-Museum lagen im britischen Sektor.5 Nach der politischen Teilung Berlins bildete sich in Dahlem eine zweite Museumsverwaltung, die sich dem West-Berliner Magistrat unterstellte. Sie war zunächst nur eine Rumpfverwaltung ohne wesentliche Bestände. Sehr schnell und offensiv erhob man aber Anspruch auf die in Wiesbaden und Celle gelagerten Kunstwerke und Kulturgüter – parallel übrigens zur Entwicklung in der einstigen Preußischen Staatsbibliothek, deren nach Westdeutschland gelangte Bestände in Marburg gelagert wurden. In großer Eile wurde deswegen der seit 1913 errichtete Museumsbau von Bruno Paul in Dahlem für Ausstellungen hergerichtet, die seit 1949 gezeigt werden konnten. Es war absehbar, dass im Klima des Kalten Krieges diese Kulturgüter kaum in den sowjetischen Einflussbereich zurückkehren würden, also allenfalls für West-Berlin eine Chance zum Wiederaufbau der Museen bestünde. Die Diskussion um deren Zukunft wurde in aller Schärfe und öffentlich zwischen dem Berliner Senat, der Bundesregierung und dem Bundestag sowie den neuen Bundesländern geführt. Im Gegensatz dazu unterlag das Thema der in die Sowjetunion überführten deutschen Kulturgüter in der Öffentlichkeit der DDR und Ost-Berlins einem strikten Tabu. Die politische, wirtschaftliche und militärische Abhängigkeit der DDR vom „großen Bruder“ UdSSR verbot jeglichen Zweifel am unrechtmäßigen Handeln des nunmehrigen Verbündeten, der zudem die deutschen Politiker auch der SED und die deutschen Museen völlig im Unklaren über das Schicksal der Objekte ließ. In den Berliner Museen waren aber immer noch genügend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig, die Augenzeugen des organisierten sowjetischen Abtransports aus den innerstädtischen Bergungsdepots, aus den Flakbunkern am Zoo und im Friedrichshain wie aus den Museen selbst gewesen waren, als dass die erlittenen Verluste an wertvollem Museumsbesitz in Vergessenheit hätten geraten können. Der Weg an die Öffentlichkeit blieb ihnen indes versperrt, so dass andere, vor allem informelle Wege gesucht wurden, um die Erinnerung an die Kunstwerke wachzuhalten und ihre Rückführung anzumahnen. Der Ost-Berliner Generaldirektor Ludwig Justi (Abb. 2) übernahm dabei, wie es seinem Amtsverständnis entsprach, eine Vorreiterrolle. Viele der von ihm angestoßenen Aktivitäten nach seinem Amtsantritt im Sommer 1946 müssen unter dieser Prämisse gesehen werden, nämlich die Kunstwerke zurück in ihre angestammten Häuser zu holen, um so die einstigen preußischen Museen wieder zu alter Größe und Blüte zu führen. Bei all seinen Bemühungen, dieses Tabu anzusprechen, diente ihm immer wieder die Berliner Konkurrenzsituation als Bezugspunkt : Ohne bedeutende Kunstwerke, so die Argumentation, könnten sich die Ost78 I Petra Winter
Abb. 2 : Ludwig Justi, Generaldirektor der OstBerliner Staatlichen Museen 1946 bis 1957, im „Museum im Schlüterbau“ (Zeughaus), 1947
Berliner Museen kaum behaupten und ihre „Schaufenster“-Funktion in der „Hauptstadt der DDR“ nicht wahrnehmen. In der ersten Hälfte der 1950er Jahre setzte Justi dabei etwa auf den aus der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung stammenden DDR-Ministerpräsidenten Otto Grotewohl, bis die Formalismusdebatte um die Art und Weise einer modernen, sozialistischen Kunst beide Seiten ab 1953/54 entzweite und Grotewohl auch politisch kaum noch eine Rolle in der jungen DDR spielte.6 Zudem blieb die Blockadehaltung der sowjetischen Behörden bis Mitte der 1950er Jahre bestehen.
Systemkonkurrenz als Motor – neue museumspolitische Optionen 1955 Im Februar 1955 wandte sich Justi mit einem erneuten Vorstoß an den damals seit gut einem Jahr amtierenden neuen Kulturminister Johannes R. Becher (1891–1958).7 Aktueller Anlass für seine sechsseitigen Ausführungen waren zwei politische Ereignisse, die die Interessen der Staatlichen Museen zu Berlin (Ost) mittelbar berührten : Am 25. Januar 1955 hatte die Sowjetunion den Kriegszustand mit Deutschland formal für beendet erklärt. Im Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets war unter anderem die Rede von der „Festigung und Entwicklung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Deutschen Demokratischen Republik, die auf Anerkennung der Grundsätze der Souveränität und der Gleichberechtigung beruhen“.8 Zwei Tage später befasste sich der Deutsche Bundestag in Bonn mit der „Zusammenführung des Kulturgutes der ehemals Staatlichen Museen Berlins“. „In die Bauten gehören aber auch Kunstwerke.“
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Der Kulturausschuss stellte einen Antrag, um beschleunigt „die museale Einheit der in Westberlin und der Bundesrepublik zur Zeit noch verstreuten Bestände der ehemals Staatlichen Museen Berlins wiederherzustellen und diese Sammlungen geschlossen in eine Stiftung mit dem Sitz in Berlin einzubringen“.9 Der Antrag wurde von den Abgeordneten einstimmig angenommen. Damit waren die Rückführung der Berliner Kunstwerke aus Wiesbaden (Abb. 3) und Celle nach West-Berlin und der Ausbau von Dahlem als einem der ins Auge gefassten neuen Museumsstandorte beschlossen. Diese Entwicklungen konnten für Ost-Berlin nicht folgenlos bleiben. Die Rückkehr der Bestände, aufgrund der Priorisierung bei der Auslagerung 1944/45 vornehmlich von Werken erster Qualität, würde die West-Berliner Museen in eine unvergleichlich komfortablere Situation bringen : Der noch im Ausbau befindliche und bis dato nahezu unbekannte Museumskomplex in Dahlem würde über Nacht zu einem Museumsstandort von Weltrang werden, der Villenvorort Dahlem fortan mit Freier Universität und Museen ein erstklassiges geistiges und kulturelles Zentrum darstellen. Welchen Trumpf man hier in der Hand hielt, hatten die WestBerliner Politiker und inzwischen auch die Bundespolitik erkannt, wie das klare Votum des Bundestages zur endgültigen Rückführung der Museumsbestände in die „Frontstadt“ WestBerlin zehn Jahre nach Kriegsende eindeutig belegte. Beide deutsche Staaten waren mittlerweile wirtschaftlich eng an die jeweils für sie relevante Großmacht – USA auf der einen, die UdSSR auf der anderen Seite – angebunden, die Einbeziehung in polare militärische Bündnisse war absehbar. Die Aufnahme der Bundesrepublik in die NATO erfolgte dann im Mai 1955, im selben Monat wurde als Antwort darauf als östliches Militärbündnis der Warschauer Vertrag unter Beteiligung der DDR unterzeichnet. So barg das unaufhaltsame Fortschreiten des Kalten Krieges paradoxerweise die Chance, eine Lösung der heiklen, in der Folge des Zweiten Weltkrieges entstandenen Fragen wie jener der in Deutschland von der Roten Armee und den westalliierten Armeen beschlagnahmten Kulturgüter herbeizuführen – wenn auch nur innerhalb der jeweiligen politischen Blöcke. Die Beschlagnahmungen der Museumsbestände durch die Siegermächte bildeten für Justi in seinem Brief an Becher vom Februar 1955 die inhaltliche Klammer. Geschickt baute er darauf seine Argumentation auf, indem er zunächst von den nach Westen verlagerten Kunstwerken berichtete, deren endgültige Rückkehr nach Berlin nun bevorstehe : „Ein weiterer bedeutsamer Schritt“, wie Justi anmerkte.10 Er breitete daraufhin die Geschichte der „seit 1940 nicht verlagerten, also 1945 noch auf der Museumsinsel befindlichen Kunstwerke“ aus. Diese umfangreichen Bestände seien von der Sowjetunion sichergestellt, aber dort nicht ausgestellt worden : „Sie liegen, soviel ich weiß, im Keller der Ermitage zu Leningrad.“11 Dann warf er das schwerwiegendste Argument in die Waagschale : „Die Rückgabe würde den Museen im demokratischen Sektor immerhin Weltrang verleihen“12 – und damit der übermächtig erscheinenden kulturpolitischen Konkurrenz aus Dahlem etwas entgegensetzen. Justi wies darauf hin, welch durchschlagende politische Wirkung eine solche Rückgabeaktion haben würde, denn „seit der Spaltung ist das Verbleiben dieser Kunstwerke in der Sowjet-Union für die Westpresse dauernd ein willkommener Stoff für die Sowjethetzer“.13 Abschließend stellte Justi dem Minister anheim, sich aus dem Dargelegten zu konkreten Maßnahmen zu entschlie80 I Petra Winter
Abb. 3 : Objekte der Skulpturensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin im Treuhanddepot Wiesbaden
ßen. Einen beachtlichen Anlass bilde jedenfalls die Erklärung der Sowjetregierung über die Beendigung des Kriegszustandes.14 In West-Berlin bzw. Westdeutschland wurden inzwischen Tatsachen geschaffen : Der wegweisende Beschluss des Bundestages vom Januar 1955 wurde am 30. März durch die Verabschiedung des Gesetzes zur Gründung einer Stiftung Preußischer Kulturbesitz im Bundeskabinett umgesetzt.15 Einen Tag später, was eigentlich nur Zufall gewesen sein kann, wurde dann für wohl alle Beteiligten in Deutschland sehr überraschend ein Beschluss des Ministerrates der UdSSR verkündet : Man beabsichtige, 750 Werke der Dresdner Gemäldegalerie an die DDR zurückzugeben. Die genauen Umstände dieses Rückgabebeschlusses vom 31. März 1955 sind bis heute nicht endgültig zu klären, wie auch Konstantin Akinscha und Grigori Koslow nach gründlichen Recherchen in russischen Archiven einräumten.16
Zwischen Dresden und Dahlem – die Berliner Museen als „Schaufenster“ demonstrativer Kunstrückgaben in Ost und West 1955/56 Die Übergabe der Dresdner Bestände an die DDR wurde 1955 als großmütiges Geschenk der Sowjetunion an den neuen Bündnispartner inszeniert und nicht als Rückgabe. Eine enorm „In die Bauten gehören aber auch Kunstwerke.“
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erfolgreiche Ausstellung in Moskau ging voraus, Ende August 1955 gab es dort einen offiziellen Festakt zur Übergabe der Werke an die DDR. Bei diesem wurden allerdings aus deutscher Sicht entscheidende Dinge nicht thematisiert, nämlich ob und wann gegebenenfalls mit weiteren Rückgaben von Beständen aus Museen und Bibliotheken in Berlin, Schwerin, Gotha etc. zu rechnen sei. Trotzdem markiert der 25. August 1955 eine historische Zäsur für die Nachkriegsgeschichte der ostdeutschen Museen : den Beginn der Rückkehr der Kunstschätze aus der Sowjetunion. In West-Berlin wurde unterdessen eine andere Entwicklung forciert : Dort bemühte man sich um eine praktikable und zügige juristische und verwaltungstechnische Regelung, die schließlich am 7. Juli 1955 in die „Vereinbarung über die vorläufige Regelung der Verwaltung des Kulturbesitzes des ehemaligen Landes Preußen“ mündete.17 Damit war der Weg für die Rückkehr der Bestände der Berliner Museen und auf längere Sicht auch der Staatsbibliothek nach West-Berlin geebnet. Diese Entwicklung musste auf der Museumsinsel wie in den zuständigen kulturpolitischen Institutionen Ost-Berlins Aufsehen erregen und fand vermutlich auch in der Sowjetunion Beachtung. Die Überwindung der aufgrund des bundesrepubli kanischen Kulturförderalismus ungemein schwierigen Verwaltungshürden feierte man in Dahlem als ersten Sieg und sah optimistisch der baldigen Rückkehr aller Kunstwerke und Kulturgüter entgegen. Doch das geflügelte Wort von den Preußen, die nicht so schnell schießen, bewahrheitete sich auch hier. Zunächst mussten nämlich genügend Räumlichkeiten zur Aufnahme der umfangreichen Bestände geschaffen werden. Etwa zur gleichen Zeit, im Juli 1955, war im Kulturministerium der DDR entschieden worden, dass die aus der Sowjetunion zurückkehrenden Dresdner Gemälde zuerst in der OstBerliner Nationalgalerie ausgestellt werden sollten, da die Sempergalerie in Dresden noch Ruine war. Neben diesem praktischen Beweggrund sprachen auch politische Gründe dafür, Ost-Berlin als ersten Ausstellungsort einer so brisanten Präsentation zu wählen. Hier hatte man in der geteilten, aber für den gegenseitigen Besuchsverkehr noch offenen Stadt jenes „Schaufenster“ zum Westen, das die erwünschte Folie für die „Ruhmestat“ der Sowjetunion gegenüber ihrem Verbündeten DDR darstellte. Die Stoßrichtung, in die die propagandistischen Bemühungen rund um die Ausstellung zielten, waren also West-Berlin bzw. die Bundesrepublik und die dortigen aktuellen Entwicklungen um die Berliner Museumsbestände. Offiziell auf den Punkt brachte das Anliegen etwa ein Brief des Malers Otto Nagel (1894– 1967), ab 1956 Präsident der Akademie der Künste der DDR, und des Dresdner Künstlers Bernhard Kretzschmar (1889–1972) „an das Sowjetvolk“, der im Juli 1955 in der sowjetischen Zeitschrift Ogonjok veröffentlicht wurde und betonte : „Wir werden die Sammlung im Berliner Museum ausstellen, und die Bewohner der Westsektoren Berlins werden sie besuchen. Dann können sie mit ihren eigenen Augen sehen, was die wahre Natur der Freundschaft des großen Sowjetvolks ist. Sie werden sehen, wie dumm und irrwitzig die im Westen umlaufenden Gerüchte sind, daß Kopien, nicht die Originale an Deutschland zurückgegeben werden.“18 Am 12. Oktober, nur drei Monate später, trafen die ersten Waggons mit Dresdner Gemälden aus der Sowjetunion am Berliner Ostbahnhof ein (Abb. 4). Am 27. November 1955 wurde 82 I Petra Winter
Abb. 4 : Ankunft der ersten Dresdner Gemälde vor der Nationalgalerie in Ost- Berlin, 12. Oktober 1955
die Ausstellung Gemälde der Dresdner Galerie – Übergeben von der Regierung der UdSSR an die Deutsche Demokratische Republik in der Nationalgalerie auf der Museumsinsel mit großem Pomp eröffnet (Abb. 5 u. 6). Über den propagandistischen Aspekt hinaus hatte Ludwig Justi eine großartige Ausstellung aus dem verfügbaren Dresdner Galeriebestand geschaffen. Anhand der zahlreichen überlieferten Raumaufnahmen sowie an kleinen Modellen und Skizzen, die Justi verwendete, lässt sich nachvollziehen, wie er die Gemälde in die Nationalgalerie regelrecht hineinkomponierte (Abb. 7). Mit der mittlerweile legendär gewordenen Schau, die so umfangreich wie kaum eine andere Ausstellung dieser Zeit im Bild dokumentiert ist, setzte sich der fast 80jährige Museumsmann nicht nur sein eigenes Denkmal, sondern er blieb auch sich selbst und seinen Überzeugungen treu. Die ideologische Umdeutung des Kunstraubes durch die Trophäenbrigaden der Roten Armee in eine dreifache Rettung der Kunstwerke durch die Rote Armee, wie sie in der offiziellen Darstellung von sowjetischer und ostdeutscher Seite unermüdlich propagiert wurde, kommentierte Justi weder zustimmend noch ablehnend, was in der aufgeheizten politischen Atmosphäre zweifellos ein kluger Schachzug war. Vom Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin erwartete man allerdings eine entsprechende öffentliche Stellungnahme zu diesem Problem, mindestens im Katalog zur Ausstellung. Doch Justi rang sich im Katalogvorwort lediglich einen Satz zu dieser Thematik ab : „Die Meisterwerke der Dresdner Galerie, in Moskau während eines Jahrzehntes betreut, gepflegt und wenn nötig restauriert – auf Grund der Erfahrungen in den dortigen Restaurierungs-Werkstätten des Staates – wurden dann musterhaft verpackt und sind unversehrt in der National-Galerie eingetroffen.“19 Dann ging er, nach einem kurzen Exkurs zur Geschichte der Dresdner Galerie, nahtlos dazu über, die einzelnen Räume mit den Kunstwerken zu beschreiben. Mit keinem Wort erwähnte Justi die Ursache dafür, dass die Gemälde ein Jahrzehnt in Moskau „In die Bauten gehören aber auch Kunstwerke.“
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Abb. 5 : Die Nationalgalerie im Fahnenschmuck anlässlich der Ausstellung der Dresdner Gemälde, 1955
„betreut“ wurden, wie sie dorthin gelangt waren und warum sie nun zurückkehrten. Ebenso lieferte die kurze Einleitung zur Geschichte der Augusteischen Sempergalerie keinen Hinweis auf das Nachkriegsschicksal der Gemälde.20 Dass zuerst die Dresdner Gemälde zurückgegeben wurden und nicht die viel umfangreicheren Berliner Museumsbestände, hatte Gründe : Die dramatische Rettung einer einzelnen Sammlung, noch dazu einer solch hochkarätigen und in der russischen Kulturgeschichte tief als verehrungswürdig etablierten wie der Dresdner Gemäldegalerie, ließ sich propagandistisch hervorragend verwerten. Aber es war ungleich schwerer zu erklären, wie und von wem eine Million Kunstwerke „gerettet“ werden oder, anders ausgedrückt, wie die Hälfte aller deutschen Museumsbestände nach dem Krieg in die UdSSR gelangen und dort immer noch zurückgehalten werden konnte. Amerikaner, Briten und Franzosen hatten die von ihnen geborgenen Kulturgüter schließlich schon lange wieder den deutschen Behörden überlassen. Die Inszenierung und die mediale Verwertung der Rückgabe der Dresdner Gemälde verfehlten ihre Wirkung auf Museumsleitungen und Politiker in West-Berlin nicht. Kurz vor der Eröffnung der Ausstellung in der Ost-Berliner Nationalgalerie wandte sich der West-Berliner Regierende Bürgermeister Otto Suhr (1894–1957) hilfesuchend an westdeutsche Politiker, die in die andauernden Verhandlungen um den ehemaligen preußischen Kulturbesitz involviert 84 I Petra Winter
Abb. 6 : Ludwig Justi und Ministerpräsident Otto Grotewohl in der Ausstellung der Gemälde der Dresdner Gemäldegalerie 1955 in der Nationalgalerie, im Hintergrund die Sixtinische Madonna von Raffael, 27. November 1955 Abb. 7 : Werke aus der Dresdner Gemälde galerie in der Nationalgalerie 1955, Justis Inszenierung im zweiten Ausstellungsgeschoss unter anderem mit der Sixtinischen Madonna
„In die Bauten gehören aber auch Kunstwerke.“
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waren. Der Sozialdemokrat Suhr schrieb an die von dem Konservativen Adenauer geleitete Bundesregierung nach Bonn : „Wie Sie wissen, wird auf der Museumsinsel im Berliner Ostsektor im November eine große Ausstellung der von den Russen zurückgegebenen 750 hervorragenden Gemälde eröffnet. Die Ausstellung findet in der National-Galerie statt, sie wird viele Monate, vielleicht sogar über ein Jahr dauern.“21 Schon in Moskau habe die Ausstellung ungeheures Aufsehen erregt, so Suhr weiter, die „Organe der DDR“ würden diese Veranstaltung selbstverständlich benutzen, „um die kulturelle Unterstützung durch Russland ganz besonders hervorzuheben. Schon jetzt werden Vergleiche mit dem Verhalten der einzelnen Länder in der Bundesrepublik gegenüber Westberlin gezogen.“22 Dies war die größte Befürchtung, die in West-Berlin gehegt wurde : Dass diese erste offizielle Rückgabe von durch die Rote Armee beschlagnahmten Kunstgütern an Deutschland bzw. die DDR – wenn es sich auch nur um einen minimalen Teil der in der Sowjetunion befindlichen Beutekunst und obwohl es sich nicht um Berliner Museumsbestände handelte – den Vergleich mit dem langwierigen westdeutschen bzw. West-Berliner Ringen um Kunstwerke aus Berliner Museen geradezu erzwingen würde. Zwar war man hier auf einem guten Weg, der formale Rahmen für die Rückführung war abgesteckt und wurde im Detail gerade verhandelt. Aber diese Vorgänge waren selbstredend wesentlich weniger öffentlichkeitswirksam als eine pompös inszenierte Ausstellung im Herzen Berlins. In einem Brief an den hessischen SPD-Kultusminister Arno Hennig (1897–1963) ging Otto Suhr sogar noch einen Schritt weiter und gab seiner Besorgnis Ausdruck, dass „der Westen Gefahr läuft, eine Schlacht auf dem Gebiet der Kulturpolitik zu verlieren, wenn hier nicht schleunigst eine Lösung gefunden wird.“23 Der Ton hatte sich verschärft, der Konkurrenzdruck im „Schaufenster“ Berlin war deutlich spürbar. Was konnten die West-Berliner Museen also der Ausstellung auf der Museumsinsel aktiv entgegensetzen ? Zunächst war es ja nicht so, dass man in Dahlem im Herbst 1955 ein leeres Museum vorfand.24 Bereits seit 1950 fanden hier Ausstellungen statt, die durchaus mit Kunstwerken ersten Ranges aus eigenen Beständen aufwarten konnten. Die Ausstellungen auf der Basis von „Leihverträgen“, in die die Treuhandländer Hessen und Niedersachsen seinerzeit eingewilligt hatten, bescherten den West-Berliner Museen schon seit Jahren einen auch überregional wahrgenommenen Rang. Aber nun sah man sich der dauerhaften Rückgabe von Kulturgut an die DDR gegenüber. Suhr versicherte, dass das Museum in Dahlem inzwischen genügend Platz biete, um weitere Bestände aufzunehmen (Abb. 8). Es wäre eine dringende politische Notwendigkeit, „wenigstens einen Teil der Bilder so schnell als möglich nach Berlin zu bringen, unbeschadet der Durchführung des Abkommens über den preußischen Kulturbesitz.“25 Die Tatsache, dass hier nur von „Bildern“ die Rede war, die man so bald wie möglich als Gegengewicht nach Dahlem bringen wollte, ist durchaus bemerkenswert. Denn in Wiesbaden und Celle befanden sich aus nahezu allen Berliner Abteilungen hochkarätige und berühmte Werke, wie zum Beispiel die Büste der Königin Nofretete und die Amarna-Sammlung des Ägyptischen Museums, auch Vasen der Antikensammlung oder bedeutende italienische und deutsche Skulpturen. Doch die durch die weltberühmten Dresdner Gemälde entstandene Konkurrenz war so erdrückend, dass man ihr offenbar nur mit „gleichem Material“ – in 86 I Petra Winter
Abb. 8 : Räume der zukünftigen Gemäldegalerie in Dahlem, 1953/54
diesem Fall eben mit Gemälden, die bereits seit der Renaissance als Leitkunst der westlichen Kunstgeschichte galten – angemessen begegnen zu können glaubte. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Museumsinsel in Ost-Berlin stellte die plötzlich erlangte mediale Aufmerksamkeit zur selben Zeit ein durchaus zweischneidiges Schwert dar. Denn es waren eben Dresdner Galeriebestände, die zurückkehrten, und keine Kunstschätze aus den Berliner Museen. Auch die anfangs gehegte Hoffnung auf zügige weitere Rückgaben wie etwa des Pergamonaltars wurde nicht erfüllt. Weder kündigte die Sowjetunion solche an, noch stellte sie sie in Aussicht. Die ungeheure quantitative Dimension der noch in der Sowjetunion befindlichen Kulturgüter aus Museen, Bibliotheken und Archiven Ostdeutschlands wurde nicht einmal erwähnt. Im Westen hingegen wurde bald ein weiterer großer Schritt in der Rückführungsfrage getan : Am 11. Januar 1956 fassten die Ministerpräsidenten der westlichen Bundesländer den wegweisenden Beschluss, „daß sämtliche laufenden Leihverträge der Treuhandländer mit Berlin (es handelte sich um acht Verträge) mit sofortiger Wirkung aufzuheben und die darin erfaßten Kunstwerke dem Lande Berlin zur treuhänderischen Verwaltung zu übertragen seien.“26 Anders ausgedrückt : Damit wurden die ersten Rückführungen von Kunstwerken nach West-Berlin rückwirkend bestätigt, alle in Dahlem ausgestellten Werke galten fortan „In die Bauten gehören aber auch Kunstwerke.“
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Abb. 9 : Rückkehr des Gemäldes Der Mann mit dem Goldhelm, Rembrandt-Umkreis (Gemäldegalerie, Kat.Nr. 811A), nach West-Berlin, Mai 1956
als Museumsbesitz des Landes Berlin. Weitere Rückführungen waren in Aussicht gestellt, die Transporte begannen bereits am 21. Januar 1956 mit Gemälden aus Wiesbaden.27 Anfang April 1956 wurde in Dahlem die erste Ausstellung der zurückgekehrten Kunstwerke feierlich eröffnet. Eine umfassende öffentliche Inszenierung wie im Ostteil Berlins brauchte es hier indes nicht, denn die zurückkehrenden Hauptwerke der Berliner Gemäldegalerie und der Skulpturensammlung, die vielen Berlinerinnen und Berlinern gut bekannt waren, sprachen für sich. Im Gegensatz zur begonnenen Rückführung in West-Berlin war der weitere Fortgang auf der Ost-Berliner Museumsinsel völlig unklar. Hinzu kam, dass der propagandistische Effekt der ersten Rückgabe von Kunstwerken durch die Sowjetunion an die DDR spätestens mit der Eröffnung der glanzvollen Ausstellung in Dahlem verpufft war, da es sich dort um eigene Berliner Museumsbestände handelte, die zudem zu den erstklassigen Beständen gehörten. Die Nationalgalerie schloss am 23. April 1956 ihre Pforten für die in- und ausländischen Besucher der Dresdner Galerie-Ausstellung. Diese konnten nun aber im Südwesten der Stadt – die Mauer stand noch nicht, die Grenze war faktisch offen – eine zweite, vergleichbar hochkarätig bestückte Ausstellung mit Gemälden der europäischen Malerei des 13. bis 18. Jahrhunderts sehen, zudem erste Bestände des Ägyptischen Museums, des Museums für Völkerkunde (heute Ethnologisches Museum), aber auch der Skulpturensammlung. Heutigen Kunstbegeisterten 88 I Petra Winter
Abb. 10 : Rückkehr der Büste der Nofretete nach West-Berlin, Aufstellung im Museum Dahlem, Juni 1956
mag sich das als einmalige, interessante Gelegenheit darstellen. Im Berlin des Kalten Krieges markierte es allerdings vor allem eins : einen Höhepunkt der kulturellen Konkurrenz zwischen zwei grundsätzlich unterschiedlichen politischen Systemen. Die beiden Museumsteile in Ostund West-Berlin konnten sich diesem Kampf nicht mehr entziehen. Und die West-Berliner Museen legten noch 1956 prominent weiter nach : Ende Mai 1956 eröffnete im Dahlemer Museum in Anwesenheit von Bundespräsident Theodor Heuss eine viel beachtete Rembrandt-Ausstellung, einen Monat später traf die Büste der Nofretete in Dahlem ein (Abb. 9 u. 10).
Antwort auf Dahlem nach Stalins Tod : Chruschtschows Rückgaben an die DDR 1958 Nicht nur auf der Ost-Berliner Museumsinsel sah man diese dramatische Aufwertung des Dahlemer Museums mit Sorge. Noch immer war über eine eventuelle Rückgabe der Berliner Museumsbestände durch die Sowjetunion an die DDR „kein amtliches Wort gesprochen worden“, wie Justi im Juni 1956 resigniert berichtete.28 Auch im Kulturministerium der DDR hatte man „In die Bauten gehören aber auch Kunstwerke.“
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den Ernst der politischen Lage in Berlin erkannt. Der Leiter der Hauptabteilung Bildende Kunst im Ministerium, Walter Heese, präsentierte in einem Brief an den stellvertretenden Minister Alexander Abusch (1902–1982) eine Idee : „Gelänge es uns, den Pergamon-Altar, der wohl als das bedeutendste Museumsgut schlechthin bezeichnet werden darf, wieder in Berlin aufzustellen, so wäre damit der gefährlichen Dahlemer Museumspolitik wohl der wirksamste Schlag widersetzt. […] Ich gebe von dieser Situation meines Arbeitsgebietes deshalb Kenntnis, um Ihre Aufmerksamkeit auf eine nicht ganz ungefährliche Entwicklung des Dahlemer Museumskomplexes hinzulenken.“29 All diese Erkenntnisse führten aber zu keinem konkreten politischen Handeln oder zeitigten irgendeinen nennenswerten schnellen Erfolg, dafür waren die SED und die DDR-Kulturpolitik viel zu abhängig von der sowjetischen Politik. Während in Dahlem planmäßig und kontinuierlich die Kunsttransporte aus Wiesbaden und Celle eintrafen, kam in die Ost-Berliner Angelegenheit erst im Januar 1957 wieder Bewegung, diesmal allerdings auf höchster politischer Ebene, bei einem Treffen von Regierungsdelegationen der UdSSR und der DDR in Moskau. Offenbar ging die Initiative von der DDR aus : Außenminister Lothar Bolz (1903–1986) überreichte seinem sowjetischen Amtskollegen Dmitri Schepilow (1905–1995), als Vertrauter von KPdSU-Chef Nikita Chruschtschow erst seit Juni 1956 Minister und wie dieser für eine Öffnung und relative Liberalisierung nach Stalin stehend, in Moskau noch vor Beginn der offiziellen Gespräche eine Liste der Verluste der Berliner und der Dresdner Museen. Tatsächlich wurde die Frage der Rückführung von Kulturgütern in den Verhandlungen erörtert und Folgendes vereinbart : „Beide Seiten [DDR und Sowjetunion] erklären ihre Bereitschaft, alle mit der gegenseitigen Rückgabe von Kulturgütern (Kunstwerken, Archivmaterialien usw.) zusammenhängenden Fragen zu prüfen, um die auf Initiative der Sowjetunion begonnene Regelung derartiger aus der Kriegszeit herrührender Fragen zum Abschluß zu bringen.“30 Es folgten zähe und langwierige Verhandlungen. Als der Bundestag am 25. Juli 1957 endgültig das „Gesetz zur Errichtung einer Stiftung Preußischer Kulturbesitz und zur Übertragung von Vermögenswerten des ehemaligen Landes Preußen auf die Stiftung“ beschloss, riss Justi angesichts der anhaltenden quälenden Ungewissheit in Ost-Berlin der Geduldsfaden. Er schrieb wiederum an Außenminister Bolz, erhielt aber nur eine diplomatisch formulierte Antwort. Es war Justi nicht mehr vergönnt, die Rückkehr der Kunstwerke auf die Museumsinsel zu erleben, er starb im Oktober 1957. Erst im Mai 1958 war es soweit : Nikita Chruschtschow, der kurz zuvor selbst Regierungschef der UdSSR geworden war, kündigte gegenüber Walter Ulbricht und Otto Grotewohl umfangreiche Rückgaben von Kunstwerken an die DDR an. Der genaue Ablauf der Rückführungen von rund 1,5 Millionen Objekten aus der Sowjetunion in die DDR, darunter endlich die Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin, ist bereits in verschiedenen Publikationen anschaulich beschrieben worden. Neue spannende Einblicke bieten hier vor allem die Augenzeugenberichte von Fachleuten aus Museen der DDR, die die praktische Übernahme der unzähligen Kunstwerke in Moskau und Leningrad miterlebt haben (Abb. 11).31 Diese Augenzeugenberichte beantworten auch die Frage, warum 1958 nicht nur Berliner Objekte, sondern auch Kunstwerke aus Museen in Gotha, Dresden, Leipzig, Potsdam und anderen 90 I Petra Winter
Abb. 11 : Die kommissarische Leiterin der Nationalgalerie Vera-Maria Ruthenberg (1920–s2009), der an der Nationalgalerie als Kustos tätige Kunsthistoriker Hans Werner Grohn (1929–2009) und Restaurator HansJoachim Gronau (1936–2018) (v. l. n. r.) beim Auspacken des Gemäldes Liebespaar vom Hausbuchmeister (Schlossmuseum Gotha) in der Ost-Berliner Nationalgalerie, 30. September 1958
Orten zurückgegeben wurden : Der Aufwand des Sortierens und Trennens wäre schlicht viel zu groß gewesen. Die in russischer Sprache verfassten und unter anderem im Zentralarchiv der Staatlichen Museen in Berlin verwahrten Rückführungslisten dokumentieren ein buntes Durcheinander von Werken aus verschiedenen Museen, geordnet größtenteils nach Material und Genre, nur selten nach dem Ort des (Herkunfts-)Museums. Als die Ausstellung mit dem propagandistischen Titel Schätze der Weltkultur, von der Sowjetunion gerettet am 2. November 1958 in der Ost-Berliner Nationalgalerie und im Nordflügel des Pergamonmuseums – dieser war bis dahin für die Präsentation von in Ost-Berlin verbliebenen Beständen der Gemäldegalerie sowie die neu aufgebaute Ostasiatische Sammlung genutzt worden – von DDR-Ministerpräsident Grotewohl eröffnet wurde (Abb. 12 u. 13), waren die West-Berliner Rückführungen gerade weitgehend abgeschlossen worden. Im April 1958 hatte das Kunstgutlager in Celle seine Pforten geschlossen, Ende September verließ der letzte Transport mit Kunstwerken aus den Berliner Staatlichen Museen die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden. „In die Bauten gehören aber auch Kunstwerke.“
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Abb. 12 : Plakat zur Ausstellung Schätze der Weltkultur, von der Sowjetunion gerettet mit Adolph Menzels Das Eisenwalzwerk aus der Berliner Nationalgalerie, 1958
Der seit 1955 durch die Konkurrenzsituation des Kalten Krieges forcierte Wettlauf um die Rückgaben von Museumsbeständen nach Berlin fand damit 1958 ein vorläufiges Ende. Für die Ost- und West-Berliner „Zwillingsmuseen“ begann eine neue Phase ihrer nunmehr tatsächlich getrennten Entwicklung. Die Rückführungen boten die Chance auf einen in dieser Form vorher nur bedingt möglichen Neubeginn. Tatsächlich konnten sich in der DDR gerade die großen Museen in Berlin und Dresden mit ihren wiedergewonnenen Kunstwerken in der Folgezeit selbstbewusst neu aufstellen32 – auch wenn damals letztlich nur ein Teil der 1945 von der Roten Armee konfiszierten Werke nach Ostdeutschland zurückkehrte.
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Abb. 13 : Eröffnung der Ausstellung Schätze der Weltkultur, von der Sowjetunion gerettet am 2. November 1958, Ausstellungsbanderole am Eingang zum Kolonnadenhof vor der Nationalgalerie
Anmerkungen 1
Ludwig Justi an Ruth Fabisch, für die Museen zuständige Staatssekretärin im Ministerium für Volksbildung, 19.2.1951, in : SMB-ZA, II A/GD 1. 2 Entwurf eines Faltblatts zur Geschichte der Museen, April 1954, in : BBAW, NL Justi 111. 3 Siehe hierzu ausführlich Winter 2008, S. 16–21. 4 Vgl. Mundt 2018, S. 497–521. 5 Zur Teilung der Museen 1948 siehe ausführlich Winter 2008, S. 93–114. 6 Vgl. Winter 2011 mit zahlreichen weiteren Quellenhinweisen. 7 Ludwig Justi an Johannes R. Becher, 14.2.1955, in : SMB-ZA, II A/GD 37. 8 Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR über die Beendigung des Kriegszustandes zwischen der Sowjetunion und Deutschland, 25.1.1955, in : DDR – UdSSR 1982, S. 81. 9 Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kulturpolitik über den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei, 2.12.1954, verhandelt in der Sitzung des Deutschen Bundestages am 27.1.1955, zitiert nach Kühnel-Kunze 1984, Anlage 37, S. 462. 10 Ludwig Justi an Johannes R. Becher, 14.2.1955, in : SMB-ZA, II A/GD 37. Vgl. den Abdruck des gesamten Briefes bei Winter 2008, Q14.02.1955, S. 228 f. 11 Ebd. 12 Ebd. 13 Ebd. 14 Ebd. „In die Bauten gehören aber auch Kunstwerke.“
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Vgl. Kühnel-Kunze 1984, S. 194. Vgl. Akinscha/Koslow 1995, S. 232–236. Vollständig abgedruckt bei Kühnel-Kunze 1984, S. 247–250. Ogonjok, 10.7.1955, zitiert nach Akinscha/Koslow 1995, S. 237 f. Justi 1955a, S. 7. Zur Ausstellung vgl. Justi 1955b. Otto Suhr an Agnes Maxsein, Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion, o.D. [Okt. 1955], Entwurf in : GStA PK, I. HA Rep. 601, B Nr. 299. 22 Ebd. 23 Otto Suhr an Arno Hennig, 5.11.1955, Abschrift in : GStA PK, I. HA Rep. 601, B Nr. 299. 24 Zu den im Oktober 1955 in Dahlem präsentierten Ausstellungen vgl. die Übersicht in : Berliner Museen, Jg. 5, 1955, H. 3/4, S. 43. 25 Otto Suhr an Arno Hennig, 5.11.1955, Abschrift in : GStA PK, I. HA Rep. 601, B Nr. 299. 26 Kühnel-Kunze 1984, S. 254. 27 Ebd. 28 Ludwig Justi an Loening, 15.6.1956, in : SMB-ZA, II A/GD 98, Hervorhebung im Original. 29 Walter Heese an Alexander Abusch, 9.8.1956, in : BArch, DR 1/7907, Bl. 203. 30 Akinscha/Koslow/Toussaint 1995, S. 44 sowie Note der DDR an die UdSSR, 31.10.1957 (darin Hinweis auf die Vereinbarung vom 7.1.1957), zitiert nach Ritter 1997, Anlage J, S. 66. 31 Vgl. z. B. Kaps 2006. 32 Siehe dazu auch den Beitrag Kratz-Kessemeier in diesem Band.
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Elke Neumann
ERWE R B U NG E N AU S D ER „ B I E N NALE DE R O STSE E L ÄN D E R “ Ein internationaler Sammlungsbestand in der Kunsthalle Rostock aus der Zeit der DDR
In den Jahren 1965 bis 1989 fanden in Rostock dreizehn „Biennalen der Ostseeländer“ statt. Über die gesamte Laufzeit nahmen 1.145 Künstlerinnen und Künstler aus neun Ländern rings um die Ostsee an der alle zwei Jahre veranstalteten internationalen Ausstellung zeitgenössischer Kunst teil. Auf den Präsentationen waren jeweils zwischen vierzig und 140 Künstler mit einer oder mehreren Arbeiten vertreten. Es war eine der größten internationalen Ausstellungsreihen in der DDR – und zugleich der Ausgangspunkt für den einzigen modernen Kunstmuseumsneubau der DDR : die Kunsthalle Rostock, die 1969 eröffnet wurde und seither Ort der Biennale war (Abb. 1).1 Im Umfeld der Rostocker Kunsthalle bewegte sich die Kulturpolitik der DDR rund zwei Jahrzehnte lang, von Mitte der 1960er bis in die 1980er Jahre, zwischen sozialistischem Realismus und internationaler Moderne. Nicht nur der Museumsbau selbst und die in ihm gezeigten Ausstellungen, sondern auch die im Kontext der Biennalen wachsende Rostocker Sammlung zeitgenössischer Kunst stehen bis heute dafür. Insbesondere der internationale Sammlungsbestand der Kunsthalle, der in der DDR-Zeit erworben wurde, soll im Folgenden in den Fokus rücken. Für eine erste Annäherung soll hier nach den historisch-politischen Hintergründen der Biennalen und der Sammlung wie nach konkreten Werken im Rostocker Bestand vor allem aus Skandinavien gefragt werden. Zudem möchte der Beitrag auf das Desiderat weiterer Forschungen in diesem Bereich aufmerksam machen, um die Perspektive auf DDR-Museumsbestände weiter zu öffnen.
Die Ostseewoche als Rahmen Die Biennale der Ostseeländer war von Beginn an unmittelbar in die offizielle Außenpolitik der DDR eingebunden. 1965 entstand sie als Teil der in Rostock bereits seit 1958 veranstalteten „Ostseewoche“. Diese warb im offiziellen Rahmen der Außenpolitik der DDR für internationale Zusammenarbeit im Ostseeraum und fand in den Jahren 1958 bis 1975 unter dem Motto „Die Ostsee muss ein Meer des Friedens sein“ statt. Vereinigt wurden dafür politische, wissenschaftliche, sportliche und kulturelle Veranstaltungen mit Teilnehmenden aus allen an die Ostsee angrenzenden Staaten : der DDR, der Bundesrepublik Deutschland, Polen, der Sowjetunion, Finnland, Schweden,2 Dänemark sowie Norwegen und Island, wobei letztere Erwerbungen aus der „Biennale der Ostseeländer“
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Abb. 1 : Ansicht der Kunsthalle Rostock über den Schwanenteich, o. J.
durch den engen skandinavischen Staatenverbund des Nordischen Rats zum Teilnehmerfeld zählten.3 Diese Staaten hatten ganz unterschiedliche politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Ideologien, Konzepte und Staatsformen. Ihre Grenzen, die teilweise zwischen politischen Blöcken verliefen, waren nicht nur territorial zu verstehen, sondern darüber hinaus im eskalierenden Ost-West-Konflikt auch sicherheits- und kulturpolitisch brisant. Besonders in den ersten Dekaden nach dem Zweiten Weltkrieg war die Außenpolitik der genannten Staaten maßgeblich vom Kalten Krieg geprägt. Dabei standen sich die seit 1949 in der NATO organisierten Staaten und die dem Warschauer Pakt seit 1955 zugehörigen Staaten an der Ostsee unmittelbar gegenüber. Als neutrale Staaten galten Schweden und Finnland, die keinem der Verteidigungsbündnisse angehörten. Allerdings war Schweden informell eng mit der NATO verbunden und stark auf die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ausgerichtet, Finnland dagegen trotz seines kapitalistischen Wirtschaftssystems durch den 1948 abgeschlossenen Freundschafts- und Beistandspakt stärker auch von den Interessen der Sowjetunion abhängig. Die Abgrenzung der politischen Systeme gegeneinander wurde in ihrer Wirkung potenziert durch die „Hallstein-Doktrin“ der Bundesrepublik, die die DDR zwischen 1955 und 1969 diplomatisch isolieren sollte. Damit fanden die Ostseewoche und die Biennale der Ostseeländer in den ersten Jahren in einem für Schweden, Norwegen, Dänemark und Finnland diplomatisch inexistenten Staat statt. Sie erkannten die DDR völkerrechtlich erst nach dem Grundlagenvertrag zwischen der DDR und der Bundesrepublik von 1973 und dem Beitritt beider deutschen Staaten zur UNO an.
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Abb. 2 : Postkarte Rostock, 1977
Seitens der DDR gab es angesichts dieser Beschränkungen in den 1950er und 1960er Jahren vielfältige Bemühungen jenseits des Völkerrechts, sich international zu etablieren. Freundschaftliche Beziehungen ins Ausland galten als Grundlage einer zukünftigen staatlichen Anerkennung.4 Anfänglich aufgenommene wirtschaftliche Kontakte ins nördliche „nichtsozia listische Ausland“ waren aber, auch aufgrund der sich verschlechternden ökonomischen Bedingungen der DDR, nur schwer aufrechtzuerhalten. Deshalb verstärkte die DDR schon ab Mitte der 1950er Jahre ihre internationalen Beziehungen auf wissenschaftlichem und kulturellem Gebiet.5 Die seit 1958 und bis 1975 in Rostock veranstaltete Ostseewoche war neben wissenschaftlichem Austausch der Universitäten, beispielsweise der Medizinischen Fakultät Jena mit der Karolinska Universitätsklinik Stockholm, eine dieser Initiativen. Ab 1965 fügte sich dann auch die Biennale der Ostseeländer in diesen Zusammenhang ein. Die Ostseewoche war betont breit und publikumsnah aufgestellt : Von der Vielzahl kultureller Veranstaltungen prägten sich bei den Besucherinnen und Besuchern neben der Biennale der Ostseeländer besonders das Schlagerfestival und die vom Rostocker Stadttheater veranstalteten Theaterfesttage wegen ihrer Größe und Internationalität ein. Auch der Buchbasar war aufgrund seiner Vielfalt und der Signierfreude der anwesenden Autoren ein Ereignis. Durch die Ostseemesse und auf Exkursionen wurden zudem Produkte der technischen wie landwirtschaftlichen Ent-
Erwerbungen aus der „Biennale der Ostseeländer“
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wicklung präsentiert. Neben der Außenwirkung darf also auch die innenpolitische Bedeutung der Ostseewoche nicht unterschätzt werden. Die Ostseewoche und mit ihr die Biennalen der Ostseeländer waren bewusst als „Reklame“ für die Errungenschaften der sozialistischen Republik gedacht. Rostock lag jenseits der kulturellen Zentren der DDR. Dennoch waren gerade hier die nötigen Voraussetzungen dafür gegeben, eine derart international akzentuierte Festwoche zu etablieren. Das Heranwachsen Rostocks zu einer Großstadt nach sozialistischen Idealen (Abb. 2) und die infrastrukturelle Entwicklung der Stadt mit dem 1960 eröffneten Überseehafen boten die passende Kulisse für die Veranstaltungen der Ostseewoche.6 Der gesamte Bezirk Rostock wurde so zur Bühne von Veranstaltungen und Teil der Ostseewoche – um letztlich für eine moderne, weltoffene DDR zu werben. Mit dem Motto „Die Ostsee muss ein Meer des Friedens sein“ stellte sich die DDR dabei demonstrativ als pazifistischer Staat dar. Diese offiziell stark betonte Friedenspolitik traf, trotz internationaler Skepsis gegenüber der Sowjetunion und damit auch der ihr politisch zuzurechnenden DDR, den Nerv der Zeit.
Die Biennale der Ostseeländer zwischen politischer Einbindung und Freiraum Aus der internationalen Kunstausstellung Bildende Kunst an der Ostsee, die, vom Verband Bildender Künstler der DDR zusammen mit Künstlern aus Dänemark, Finnland, Norwegen, Polen, Schweden, der UdSSR und der Bundesrepublik veranstaltet, bereits seit 1960 zum kulturellen Rahmenprogramm der Ostseewoche zählte, entstand dann 1965 als neues offizielles Format für die zeitgenössische bildende Kunst die Biennale der Ostseeländer.7 Die Aufwertung zur „Biennale der Ostseeländer“ folgte Vorbildern in Venedig, São Paulo oder Paris. Sie unterstrich den modernen Anspruch der DDR und sollte sich nach Beschluss des Ministerrates der DDR vom 28. Mai 1964 zu einer repräsentativen Ausstellung der realistischen Kunst der Ostseeländer entwickeln, unter der politischen und künstlerischen Verantwortung des Ministeriums für Kultur und der organisatorischen Verantwortung des Rates des Bezirkes.8 Die unmittelbare Anbindung der Biennale an das Ministerium für Kultur der DDR zeigte von Beginn an die überregionale kulturpolitische Relevanz des Projekts. Die aus dem DDR-Ministerratsbeschluss hervorgehenden Vorgaben für die Konzeption der Biennale der Ostseeländer lassen sich in drei Punkten zusammenfassen : Erstens sollte eine repräsentative internationale Jury an der Realisierung mitwirken. Zweitens legte man Wert auf die Präsentation „aller realistischer Strömungen in den Ostseeländern“. Und drittens bestand der Ministerrat auf einem angemessenen räumlichen Rahmen. Da aber in Rostock geeignete Ausstellungs- und Depoträume fehlten, führte diese dritte Vorgabe schon 1964 zu ersten Planungen für einen Kunstmuseumsneubau in der Stadt. Dieser sollte jedoch aus verschiedenen Gründen mit dem Bau der Rostocker Kunsthalle erst 1969 realisiert werden. Die Vorgabe des Ministerrats, nach der eine „internationale Jury unter der politischen und künstlerischen Verantwortung des Ministeriums für Kultur“ an der Ausführung mitar 98 I Elke Neumann
beiten sollte, wurde erfüllt. Die Jury bestand zum Großteil aus bereits an der Organisation der Ausstellungsreihe Bildende Kunst an der Ostsee beteiligten internationalen Künstlerinnen und Künstlern. Sie prägten und begleiteten den Transformationsprozess der vorherigen Ausstellungsreihe hin zur neuen Biennale der Ostseeländer. Die in der Gruppe gemeinschaftlich beibehaltene Praxis, die Auswahl der Exponate den einzelnen Mitgliedern des Komitees allein zu überlassen, war ursprünglich wohl nicht beabsichtigt. Faktisch bestimmte dieses Vorgehen dann aber auch die Gremienarbeit im Rahmen der Biennale der Ostseeländer : Die Entscheidung, welche Werke während der dreizehn Biennalen gezeigt wurden, trafen jeweils die Komiteemitglieder der beteiligten Länder.9 Die sich daraus ergebende Freiheit, künstlerische Vielfalt zeigen zu können, fand in allen Biennalen Anwendung, auch wenn das Ursprungskonzept anders formuliert war. Schon der Beschluss des Komitees der Biennale der Ostseeländer vom Juli 1964 gab entsprechend offen und flexibel unter Punkt 1 an : „Die Komitee-Mitglieder verpflichten sich, aus ihren Ländern die besten Künstler für die Teilnahme an der Biennale zu gewinnen. Die Biennale soll zu einem Sammelpunkt der interessantesten Werke vornehmlich aller realistischer Strömungen in den Ostseeländern werden.“10 Die künstlerische Ausrichtung der Rostocker Biennale ging damit von Beginn an über die politisch eigentlich gewollte engere Begrenzung auf den in der DDR staatlich protegierten sozialistischen Realismus hinaus. Zwar galt es eigentlich, laut Beschluss des Ministerrats „Vorsorge zu treffen, die Biennale zu einer Ausstellung aller realistischen Strömungen in den Ostseeländern zu gestalten.“11 Jedoch ließ sich diese kulturpolitische Maßgabe wohl auch vor dem Hintergrund, gleichzeitig außenpolitisch Toleranz zeigen zu wollen, nicht konsequent durchsetzen. So entstand ein gestalterischer Freiraum, der nur durch die Hierarchisierung der Bedeutung der Außenpolitik gegenüber der Kulturpolitik möglich wurde.
Moderne und Internationalität – zur Bandbreite der in Rostock gezeigten Kunst Trotz der auf der Biennale der Ostseeländer vorherrschenden Kunst des Realismus lässt sich also durchaus auch ein Anteil an abstrakten Werken in den Ausstellungen nachweisen, der den speziellen Charakter der Biennale als kultureller Freiraum bestätigt. Die von den Teilnehmerländern kuratierten internationalen Kollektionen brachten im Endeffekt deutlich vielfältigere Positionen aktueller Kunst nach Rostock, als es von einer einheimischen Jury zu dulden gewesen wäre (Abb. 3).12 Ein markantes Beispiel für die immer wieder auch mutigen künstlerischen Positionen auf der Biennale der Ostseeländer und die mit ihnen verknüpften kunst- und museumspolitischen Spielräume in der DDR sind die Werke des in Rostock just im Eröffnungsjahr der Kunsthalle gezeigten Künstlers Dieter Roth (1930–1998). Roth, der zwischen Island und der Bundesrepublik Deutschland pendelte, beteiligte sich in den 1960er Jahren an Happenings und Fluxusveranstaltungen. 1969 trug Roth als „Diter Rot“ sechs Grafiken zur Kollektion Erwerbungen aus der „Biennale der Ostseeländer“
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Abb. 3 : Blick in die Dänische Kollektion der 7. Biennale der Ostseeländer 1977 in der Kunsthalle Rostock
Islands auf der 3. Biennale in Rostock bei.13 Schon die Angaben der Arbeitstechniken von Roths Werken – „Siebdruck und Kakao“, „Siebdruck und Schimmel“, „Schokoladen-Grafik“, „Käse-Grafik“ und „Wurst-Grafik“ – lassen aufhorchen.14 In der Bundesrepublik nahm der in Hannover geborene Künstler 1968 nahezu zeitgleich an der documenta 4 in Kassel teil. Und auch den Kunstpreis der Stadt Iserlohn gewann Roth im Jahr 1969. Der umstrittene Aktions- und Objektkünstler war Ende der 1960er Jahre eine der spannendsten Figuren im bundesdeutschen Kunstbetrieb. Die von Roth mit der isländischen Kollektion nach Rostock gesandten grafischen Arbeiten waren zwar, im Vergleich zu anderen seiner Werke, „zahm“, dennoch überschritten sie die gängige Materialität der Rostocker Ausstellungen. Die Beteiligung Roths an der 3. Biennale der Ostseeländer in der Sektion seiner Wahlheimat Island lässt darauf schließen, dass es ihm nicht vorrangig um die politische Aussage der Ausstellung ging. So schloss er sich nicht den linksorientierten Künstlern der Bundesrepublik an. Dennoch schien die Ausstellung in der DDR einen Reiz für ihn zu haben. Im Falle Islands war der Maler, Kunstkritiker und Essayist Bragi Asgeirsson (1931–2016) zentraler Akteur des Kontakts nach Rostock. Asgeirsson hatte von 1958 bis 1960 an der Akademie in München mit einem Stipendium des DAAD studiert. In seiner Heimat Island war er aktives Mitglied und 1971 bis 1973 Vorsitzender der Vereinigung der isländischen Bildenden Künstler. Über vier Jahrzehnte lang schrieb er im Morgunblaðið, der größten isländischen 100 I Elke Neumann
Tageszeitung, über Kunst. Das Blatt steht traditionell der bis heute stärksten Partei Islands nahe, der liberal-konservativen „Sjálfstæðisflokkurinn“ (Unabhängigkeitspartei). Asgeirsson selbst charakterisierte 2015 in einem Gespräch mit der Autorin seine politische Haltung als konservativ.15 An der Biennale der Ostseeländer beteiligte sich Asgeirsson in den Jahren 1967, 1975, 1979 und 1981 auch künstlerisch. Seine Begleiter im Komitee der Biennale waren Künstler, die meist ebenfalls im jeweiligen Jahr mit eigenen Werken auf der Rostocker Biennale vertreten waren und oft nur einmalig oder für wenige Jahre als zweites isländisches Komiteemitglied fungierten. Das waren beispielsweise 1969 bis 1973 der Bildhauer und Keramiker Ragnar Kjartansson (1923–1988), ein enger Bekannter Dieter Roths, oder in den Jahren 1981 bis 1985 Örn Þorsteinsson (geb. 1948), der für seine stark abstrahierten, biomorphen Stein- und Bronzeskulpturen bekannt ist. Bereits diese wenigen Beispiele lassen die Dichte und Komplexität des personellen Netzwerks um die Biennale der Ostseeländer zwischen 1965 und 1989 erahnen und machen deutlich, welche internationalen, teilweise dezidiert modernen Kontaktlinien diesem Sammlungsteil der Kunsthalle Rostock zugrunde liegen.
Internationale Erwerbungen für die Sammlung der Rostocker Kunsthalle Die etwa dreihundert aus dem Kontext Biennale der Ostseeländer stammenden Werke, die sich aktuell in der Sammlung der Rostocker Kunsthalle befinden, sind keineswegs ausschließlich Ankäufe. Neben bewussten Erwerbungen gab es immer wieder auch Schenkungen, Übereignungen und „Dagebliebenes“, also Werke, die nach den Ausstellungen in der Sammlung als Depositum verwahrt wurden. Gemeinsam geben sie bis heute Einblick in einen in der DDR entstandenen internationalen zeitgenössischen Museumsbestand, mit dem sich 2015 erstmals eine Ausstellung der Rostocker Kunsthalle zum fünfzigsten Jubiläum der ersten Biennale der Ostseeländer intensiver beschäftigte.16 Einige Werke konnten durch die damit verbundenen Recherchen besser eingeordnet werden.17 So wurden beispielsweise die Plakate der dänischen Künstlergruppe Røde Mor in Rostock lange Zeit als Depositum verwahrt. Die Beteiligung der Gruppe an der 5. Biennale 1973, auf der insgesamt 555 Werke zu sehen waren, konnte im Zuge der Ausstellungsrecherchen durch Katalogeinträge und Bildmaterial des Bundesarchivs nachgewiesen werden.18 Die dänische Kollektion der Biennale 1973 schloss mit Arbeiten von Dea Trier Mørch (1941–2001), die Mitglied der dänischen Kommunistischen Partei war, und eben den Plakaten des Künstlerkollektivs Røde Mor (Rote Mutter), das sie mitbegründet hatte, offen politische Ausdrucksformen der Kunst ein. In ihren über zwanzig in Rostock gezeigten Illustrationen zu Marx/Engels : Manifest der Kommunistischen Partei von 1968/69 verhandelte Trier Mørch in Linolschnitten tagesaktuelle Themen wie Militarismus, Rassenhass, Demonstrationen und Umweltschutz. Die Plakate des Künstlerkollektivs Røde Mor in Offset, Linolschnitt und Serigrafie setzten sich mit dem gesellschaftlichen Zusammenleben der Menschen auseinander. Erwerbungen aus der „Biennale der Ostseeländer“
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Das 1968 vom Maler und Musiker Troels Trier (geb. 1940), von dessen späterer Frau Dea Trier Mørch und dem Maler Ole Finding (geb. 1937) initiierte Künstlerkollektiv Røde Mor war in Dänemark bis 1977 ein besonderer Teil der sozialistischen Bewegung. Die Gruppe, die aus bildenden Künstlern und einer sehr aktiven Rockband bestand, spielte, spezialisiert auf Protestsongs, mit ihren Auftritten als Røde Mor’s Rockcirkus eine wichtige Rolle in der AntiVietnamkrieg-Bewegung Dänemarks. Ein interessanter Aspekt der Plakate von Røde Mor war ihre kollektive Herstellung. Jedes Plakat ist aus Einzelbildern verschiedener Mitglieder zusammengesetzt und zeigt den Gemeinschaftsanspruch der Gruppe auch in der praktischen Ausführung.19 Aber sind internationale Werke in der Rostocker Sammlung eher Ausnahmen oder üblich ? Aus welchen Ländern stammen die Rostocker Bestände ? Antworten darauf liefert die Statistik : Nur etwa ein Drittel der dreihundert Erwerbungen, die aus der Biennale oder ihrem direkten Zusammenhang resultierten, waren Werke aus der DDR. Daneben finden sich in der Sammlung rund vierzig Arbeiten aus der Bundesrepublik, fünfzig aus Dänemark, vierzig aus Finnland, drei aus Island, dreizehn aus Norwegen, sieben aus Polen, drei aus der UdSSR und etwa dreißig aus Schweden. Der Sammlungsteil ist also ein überwiegend internationaler – und zwar mit überraschend wenigen Beständen aus Ländern des Ostblocks. Dafür sind neben der Bundesrepublik vor allem die skandinavischen Staaten reich vertreten. Die ungleiche Verteilung zu Ungunsten der „sozialistischen Bruderstaaten“ war dabei vor allem den strengen offiziellen Strukturen der Kollektionen aus der VR Polen und der UdSSR geschuldet. So kamen direkte Kontakte mit den Künstlern aus diesen Staaten nur selten zustande. Ankäufe mussten über die Ministerien im Anschluss an die Biennale erbeten werden, direkte Entscheidungen vor Ort waren nicht möglich. Der rote Platz aus dem Jahr 1975 von Nikolai Nikolajewitsch Blagowolin, der 1975 auch bei der 6. Biennale der Ostländer zu sehen war,20 wurde laut Inventarbuch beispielsweise auf der seit 1965 vom Verband Bildender Künstler der DDR alle drei Jahre in Ost-Berlin veranstalteten, ihrerseits international ausgerichteten Intergrafik angekauft. Die Inventarnummer beginnt mit 80, was auf das Ankaufsjahr 1980 schließen lässt. Besonders im ersten Rostocker Biennale-Jahr 1965, als die kulturpolitischen Zeichen auch in der DDR kurzzeitig dezidiert auf Öffnung gegenüber der westlichen Moderne standen, waren zum großen Teil Werke aus dem „nichtsozialistischen Ausland“ erworben worden. Die Bandbreite reichte von gegenständlicher Grafik der Bundesrepublik bis hin zu abstrakter finnischer Grafik. Auffällig ist, dass der in der offiziellen Konzeption erwünschte Realismus in den Werken, die damals gezeigt und später für die Sammlung der Kunsthalle angekauft wurden, keine vorherrschende Rolle spielte. Auch wenn die grafischen Arbeiten der Finnen Paavo Kerovaara (1923–1994), Eino Ahonen (geb. 1941), Väinö Heikki Rouvinen (geb. 1932) und Eila-Maria Salo (geb. 1932) Titel tragen, die auf die Natur verweisen, zeigen die Blätter einen hohen Grad an Abstraktion. Das Blatt Schwarze Linien aus dem Jahr 1959 von Lauri Ahlgrén (geb. 1929), 1965 ausgestellt auf der 1. Biennale,21 kündigt seine Formexperimente bereits im Titel an und bringt einen wichtigen Künstler der finnischen Abstraktion in die Sammlung der Kunsthalle Rostock. 102 I Elke Neumann
Während also die offizielle Berichterstattung der DDR für die Ostseebiennalen vor allem systemkonforme realistische Kunst in den Fokus rückte, Abweichungen davon kritisierte und erst spät auch abstraktere Tendenzen integrierte,22 gab es in der entstehenden Sammlung der Kunsthalle selbst früh solche Kunstwerke. Horst Zimmermann (geb. 1930), der die Kunsthalle von 1964 bis 1985 leitete und zugleich die Biennale organisierte, scheint dabei von Beginn ein entscheidender Part für einen differenzierteren Sammlungsaufbau zugekommen zu sein. Geschickt verstand es der erfahrene Kunsthistoriker und Museumsmann,23 die sich fern von Berlin bietenden Spielräume zwischen eigener aktiver Einbindung in eine eng ideologisierte Kulturpolitik und offiziell verordneter Internationalität für offenere Perspektiven des aktuellen Kunstmuseums auch in der DDR zu nutzen. Im Umfeld der Biennalen knüpfte Zimmermann dafür, unmittelbar bezogen auf die DDR-Ministerien für Kultur und Auswärtiges, aber auch für Staatssicherheit, ein engmaschiges Netz an Kontakten speziell nach Dänemark, Finnland oder Schweden.24 Früh ebnete Zimmermann so die Wege hin auch zu abstrakterer Kunst. Definiert man museale Non-Konformität in der DDR über den Ankauf von abstrakter Kunst, wie es Kathleen Schröter in ihrer Darstellung zur Gemäldesammlung Neue Meister Dresden vorschlägt,25 kann man eine solche Unangepasstheit auch für die Sammlung der Kunsthalle Rostock feststellen. Insbesondere über die erwähnte finnische Grafik findet schon Mitte der 1960er Jahre abstrahierende, gegenstandslose Kunst Eingang in die Sammlung.
Forschungsperspektiven für mehr Sichtbarkeit Gerade Bragi Asgeirsson, Røde Mor und Lauri Ahlgrén geben zugleich eine Idee von den Schwierigkeiten, die weiteren detaillierten Recherchen zu den internationalen Rostocker Sammlungsbeständen entgegenstehen. Forschungen zu skandinavischen Künstlerinnen und Künstlern der 1960er bis 1980er Jahre sind nämlich durch den Umstand erschwert, dass die nordischen Länder in diesen Jahrzehnten keine internationale Verortung ihrer Kunst anstrebten und Diskurse daher ausschließlich in den Landessprachen stattfanden. Auch neueste Publikationen, wie beispielsweise ein fünfbändiges Lexikon zu isländischer Kunst, erscheinen bis heute nicht auf Englisch.26 Der gesamte Rostocker Sammlungsbestandteil „Biennale der Ostseeländer“ bedarf dennoch zweifellos einer stärkeren Anbindung an die Diskurse Skandinaviens. Die Qualität der Werke ließe sich durch eine differenziertere Kontextualisierung deutlich unterstreichen. Erst so würden wirkliche Einordnungen zwischen internationaler Moderne und für die DDR-Politik akzeptablen Zugängen zu ihr möglich, die sich etwa über das Konzept der „Gegenkultur“ innerhalb des westlichen Systems definieren könnten. Transnationale Projekte wären hier eine wesentliche Voraussetzung dafür, auch die DDR-Museumsgeschichtsschreibung weiter voranzubringen. Noch ein weiterer Umstand macht eine Annäherung an die Rostocker Bestände wie an DDR-Museumsgeschichte insgesamt diffizil : Die begrenzte Zugänglichkeit des Bestands „Biennale der Ostseeländer“ in der Kunsthalle Rostock durch eine veraltete, kaum bebilderte Datenbank des Inventars kann als beispielhaft für viele kleinere Museumsbestände der eheErwerbungen aus der „Biennale der Ostseeländer“
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maligen DDR gesehen werden. Nicht nur in Rostock sind Sammlungsteile, die in der Zeit der DDR entstanden sind, kaum über überregional rezipierbare Medien erschlossen. Für eine Arbeit mit dem Bestand ist so ein Ausheben der Originale vor Ort nötig, ein Aufwand, der in der heutigen Ausstellungsrealität sehr hoch und für Einzelwerke in thematischen Ausstellungen kaum denkbar ist. So werden solche Bestände in der aktuellen Welt der Ausstellungen und Leihgaben zum blinden Fleck. Weitet man den Blick über Rostock hinaus auf andere Bestände früherer DDR-Museen und fragt nach dem aktiven Umgang mit ihnen, sind es eben diese Probleme, die die Forschung behindern. Interessant ist deswegen das vom Staatsministerium für Kultur und Medien in den Jahren 2017 bis 2019 geförderte Projekt Nationaler Kultureinrichtungen unter dem Titel Perspektiven ostdeutscher Sammlungen, das nun fortgesetzt werden soll. Im Zentrum der Untersuchungen standen „dringliche praxisrelevante Fragen musealer Einrichtungen, die aus der spezifischen Sammlungsgeschichte, mitbedingt durch die ehemalige politische Zweiteilung Deutschlands, resultieren“, um mittelfristig „die besondere Bedeutung ostdeutscher Museen und Sammlungen, ihre eigentümliche Relevanz für die Bewahrung und Bewusstmachung des gemeinsamen nationalen Kulturerbes“ zu betonen und herauszustellen.27 In einer aktuellen Seminarankündigung von Kerstin Schankweiler an der TU Dresden heißt es : „Vor dem Hintergrund des immer wieder aufflammenden sog. ‚Ost-West-Bilderstreites‘ ist eine breit angelegte transkulturelle Perspektive auf die Kunst in der DDR hochrelevant, um vorherrschende Vorstellungen – der Provinzialität, Selbstbezüglichkeit etc. – zu konterkarieren und die Geschichte der Kunst der DDR als eine ‚Kunstgeschichte der Kontakte‘ (Kravagna) grundlegend neu zu denken. Damit lassen sich zum einen die vielfältigen Verbindungen zur Kunst in den sogenannten ‚sozialistischen Bruderländern‘ und die Präsenz außereuropäischer Künstler*innen in der DDR aufzeigen, aber auch eine kritische Auseinandersetzung mit Primitivismen in der ostdeutschen Malerei führen (ähnlich wie es die Kunsthistorikerin Kea Wienand für die Kunst der BRD zwischen 1960 und 90 getan hat).“28 Aus meiner Sicht kann nur eine Arbeit mit den Sammlungen für Ausstellungen die nötige Energie nach und nach freisetzen, die die Erforschung der noch immer allzu wenig untersuchten DDR-Bestände zukünftig braucht. Dies gilt für Rostock wie auch für andere Orte. Denn nur mit einer Wertschöpfung in Ausstellungen können die Sammlungsbestände mit Aufmerksamkeit und Besucherzahlen für die Museen gewinnbringend sein und ihre Bedeutung heute betonen. Wenig Sichtbarkeit und fehlende Kontextualisierung indes lassen solche Bestände in zeitgenössischen Museumsdiskursen weiterhin fehlen. Gerade die internationale Offenheit der Rostocker Sammlung, die bei enger kulturpolitischer Einbindung der Biennalen wie der Kunsthalle punktuelle Freiräume für den musealen Bestandsaufbau innerhalb der DDR-Kulturpolitik zeigt, wäre hier weitere Ausstellungs- und Forschungsinitiativen wert.
Anmerkungen 1
Zur Ausstellungsreihe wie zur Geschichte der Kunsthalle vgl. 1965/2015 – Die Biennale der Ostseeländer 2015.
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2 Zum besonderen Interesse der DDR an Schweden vgl. Abraham 2007, hier speziell zur Bedeutung der Ostseewoche S. 19. 3 Zur Ostseewoche vgl. ausführlich Neumann 2015, S. 8–17. 4 Vgl. Wentker 2007. 5 Vgl. z. B. Griese 2006. 6 Vgl. dazu Rostocks Stadtgeschichte 2013. 7 Vgl. Neumann 2015, S. 17–19. 8 Präsidium des Ministerrates der DDR, o. J.: Beschluss Nr. 16/16/64 über die Aufgaben der staatlichen Organe bei der Vorbereitung und Durchführung der Ostseewoche 1964, in : BArch, DC 20-I/4–951, Bl. 115–124. 9 Vgl. dazu auch Neumann 2015, S. 20. 10 Tagung des Komitees der Biennale der Ostseeländer anläßlich der Ostseewoche 1964, Kühlungsborn, 8.7.1964, in : Stadtarchiv Rostock, 2.1.13.4. Nr. 161. 11 Präsidium des Ministerrates der DDR, o. J.: Beschluss Nr. 16/16/64 über die Aufgaben der staatlichen Organe bei der Vorbereitung und Durchführung der Ostseewoche 1964, in : BArch, DC 20-I/4–951, Bl. 115–124. 12 Vgl. dazu auch Neumann 2015, S. 20 f. 13 3. Biennale der Ostseestaaten 1969. 14 Ebd. 15 Interview der Verfasserin mit Bragi Asgeirsson über seine Beteiligung an der Biennale der Ostseeländer als Komiteemitglied, Reykjavik, 11.8.2015. 16 Zum Bestand vgl. auch Neumann 2015, S. 30 f. 17 1965/2015 – Die Biennale der Ostseeländer 2015. 18 Vgl. 5. Biennale der Ostseestaaten 1973 ; BArch, Bildarchiv, I DDR JVIa Biennale Ostseeländer 1973. 19 Harsløf/Kruse 2004. 20 Vgl. 1965/2015 – Die Biennale der Ostseeländer 2015, S. 63. 21 Vgl. ebd., S. 44. 22 Vgl. Neumann 2015, S. 27 ; siehe dazu auch die Ostseebiennale-Fotos der offiziellen DDR-Bildagentur ADN/Zentralbild im Bundesarchiv, z. B. BArch, Bildarchiv, Bild 183-H0705–001–006 (5.7.1969) ; Bild 183-H0706–001–016 (5.7.1969) ; Bild 183-P0705–109 (6.7.1975) ; Bild 183-U0707–035 (7.7.1979) ; Bild 183-Z0705–002 (5.7.1981). 23 Siehe dazu auch den Beitrag Kratz-Kessemeier in diesem Band. 24 Vgl. Neumann 2015, S. 20–24. 25 Schröter 2014. 26 Kvaran 2011. 27 Perspektiven ostdeutscher Sammlungen. Die Sammlungsgeschichte der KNK-Einrichtungen und ihre Konsequenzen für gegenwärtige und zukünftige Sammlungsstrukturen und Ausstellungsprofile, in : www.konferenz-kultur.de/projekte/Perspektivenprojekt.php (Zugriff 30.7.2020). 28 Kerstin Schankweiler : Seminarankündigung „Die globale DDR – eine transkulturelle Kunstgeschichte 1949–1990“ Sommersemester 2020, in : www.tu-dresden.de/gsw/phil/ikm/kuge/studium/ lehrveranstaltungen/sommersemester-2020/hauptseminare/die-globale-ddr-eine-transkulturellekunstgeschichte-1949–1990-schankweiler (Zugriff 30.7.2020).
Erwerbungen aus der „Biennale der Ostseeländer“
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Kornelia Röder · Patricia Bethlen
DAS STA ATLI C H E MU S E UM S C HWE R I N U N D S E I N E I NTER N ATI O N A L E N B EZ I E H U NGE N I N D E N 19 8 0 ER JA H R E N
Die Rostocker Konferenz Museen in der DDR im Juni 2019 gab den Anstoß, mit dem Aufarbeitungsprozess eines wichtigen Kapitels der Museumsgeschichte des Staatlichen Museums Schwerin in der DDR-Zeit zu beginnen : nämlich die sich im letzten Jahrzehnt des SEDStaats öffentlichkeitswirksam intensivierenden internationalen Ausstellungsaktivitäten des Museums genauer zu hinterfragen. Grundlage dafür war eine systematische Sichtung von Ausstellungsakten, Dokumenten, Katalogen, Faltblättern, Einladungen, Zeitungsartikeln und fotografischen Dokumentationen. Zudem lieferten Zeitzeugen wertvolle Erinnerungsberichte und stellten persönliche Unterlagen zur Verfügung.1 Die Ergebnisse dieser ersten Recherchen sollen hier vorgestellt werden, um eine präzisere Idee von der internationalen Verortung und Vernetzung eines der führenden Kunstmuseen der DDR wie von deren unmittelbar politischen Intentionen und Hintergründen zu geben. In einem ersten Teil soll es dabei um Ausstellungen des Schweriner Museums ab 1980 Richtung Westen zwischen Mexiko, Japan und Schweden bis zur beginnenden Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik gehen. In einem zweiten Teil wird die internationale Kooperation Richtung Osten durch Wechselausstellungen mit der UdSSR, Polen und zuletzt auch Ungarn beleuchtet, die, teils bereits zuvor etabliert, in den 1980er Jahren ihrerseits zwischen Ideologie und Öffnung changierte.
Politisch-ideologischer Kontext Das Engagement des Schweriner Museums Richtung West wie Ost in der letzten Dekade der DDR war dabei eng an die auswärtige Politik des SED-Staats gebunden, deren Radius sich in den 1980er Jahren stetig erweiterte.2 Aber auch die sich seit 1972 entwickelnden deutschdeutschen Beziehungen stellten einen entscheidenden Hintergrund mit neuen Optionen seit den frühen 1980er Jahren dar.3 Nach der völkerrechtlichen Anerkennung der DDR, 1973 per UNO-Beitritt und Grundlagenvertrag sanktioniert, ging es hier bei den Ausstellungen des Museums im westlichen wie osteuropäischen Ausland um eine Festigung des Erreichten durch Kultur und Kunst. Die Präsentation „deutscher Kunst“ im Westen sollte zur weiteren Platzierung der DDR beitragen – das Signal war klar : auch die DDR war ein deutscher Kulturstaat – und ein gutes Klima für den zunehmenden Ausbau diplomatischer, kultureller und wirtschaftlicher Kontakte schaffen. Generell galt es, mit den Ausstellungen ein positives Bild Das Staatliche Museum Schwerin und seine internationalen Beziehungen
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von der DDR als sozialistischem wie demokratischem Staat zu vermitteln. Im Osten ging es zudem um Bündniszusammenhalt innerhalb des Warschauer Pakts.
I. Beziehungen zum Westen Kornelia Röder Als Schwerin sich ab 1980 auch im westlichen Ausstellungsbetrieb zu engagieren begann, hatten zuvor bereits andere große Museen der DDR in Berlin, Dresden, Weimar oder Leipzig internationale Präsentationen realisiert.4 Diese Häuser konnten jedoch nicht mehr allen Anfragen nachkommen. Daher wurde auch Schwerin mit seiner herausragenden, aber vergleichsweise wenig bekannten Kunstsammlung niederländischer Meister des 17./18. Jahrhunderts und deutscher Malerei des 16. bis 20. Jahrhunderts in den westlichen Kunstaustausch einbezogen, der jetzt zunehmend offiziellen staatlichen Charakter bekam.5 Personell war gerade das Staatliche Museum Schwerin dafür politisch äußerst zuverlässig aufgestellt : Der Direktor des Hauses Hans Strutz (1926–2019), seit 1946 in der SED, hatte beim Zentralkomitee der SED in Ost-Berlin gearbeitet und dort 1969 an dessen Institut für Gesellschaftswissenschaften mit der Arbeit Zur kulturpolitischen Bedeutung des Verhältnisses von Freiheit und Kunst in der sozialistischen Gesellschaft der DDR promoviert, bevor er 1974 bis 1990 – eben nicht als Kunsthistoriker, sondern als Gesellschaftswissenschaftler – das Schweriner Museum leitete.6 Im Kontext seines parteinahen Blicks auf die Kunst verfügte Strutz über enge Kontakte zum Kulturministerium der DDR in Ost-Berlin – was das Museum auch bei seinen Auslandsausstellungen in betonter Nähe zur offiziellen SED-Kulturpolitik agieren ließ.7
Repräsentative Kunst als Auftakt : die Ausstellung in Mexiko-Stadt 1979/80 In diesem regierungsnahen Umfeld startete das Museum Schwerin seine Ausstellungstätigkeit im westlichen Ausland im Dezember 1979 vorsichtig, in Lateinamerika, jenseits von harter Ost-West-Konfrontation : mit der Schau Meisterwerke aus Museen der DDR – Malerei und Grafik von Dürer bis zur Gegenwart im Palast der Schönen Künste in Mexiko-Stadt. Dabei handelte sich, nachdem es bereits seit 1974 ein Kulturabkommen zwischen Mexiko und der DDR gab,8 um die in Mexiko „erste Kunstausstellung aus dem ‚demokratischen Deutschland‘, wie man die DDR umgangssprachlich mehr und mehr“9 dort bezeichne, betonte DDR-Kulturminister Hans-Joachim Hoffmann (1929–1994), von 1973 bis 1989 im Amt, später bei einer Neuauflage der Schau in Schwerin. Eingebunden in die erstmals in Mexiko stattfindenden DDR-Kulturtage,10 rief die Ausstellung große Resonanz hervor. Sie machte, so Hoffmann, „Schlagzeilen im politischen und kulturellen Leben und verursachte viele Fragen nach dem realen Sozialismus in unserer Republik, nach unserer Kulturpolitik, nach unserem Verhältnis zu den Künsten und zum kulturellen Erbe und vielem anderen mehr.“11 Klar zeichnete sich hier 108 I Kornelia Röder
der politisch-propagandistische Auftrag der Ausstellung ab, während auch die Bundesrepublik seit 1978 mit Mexiko kooperierte. Die aktive Rolle des Schweriner Museums offenbarte sich nicht zuletzt dadurch, dass Museumsdirektor Strutz als Mitglied der offiziellen Delegation an der Eröffnung in Mexiko-Stadt teilnahm. Die Ausstellung selbst erarbeitete die Kunstwissenschaftlerin Lisa Jürß (geb. 1940), damals stellvertretende Direktorin des Staatlichen Museums Schwerin. Mit 150 Kunstwerken der Malerei und Grafik aus mehreren Jahrhunderten wurde ein beeindruckender Einblick in die deutsche Kunstgeschichte geboten. Die Renaissance war mit Spitzenwerken vertreten. Neben sechzehn Grafiken von Albrecht Dürer zählte dazu Lucas Cranachs Venus und Amor als Honigdieb von 1527 als eins der beliebtesten Gemälde der Ausstellung. Meisterwerke von Georg David Matthieu und Jean-Baptiste Oudry präsentierten Barock und Rokoko. Siebzehn Gemälde deutscher Expressionisten wie Max Pechstein, Franz Marc, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff bildeten einen Höhepunkt. Durch sie ließen sich Bezüge zur mexikanischen Kunst anschaulich vermitteln, ebenso wie durch politische Kunst der Weimarer Republik. Werke von Otto Nagel, Hans Grundig, Curt Querner galten, ganz im Sinne der ideologisch argumentierenden DDR-Kunstgeschichtsschreibung, dabei als „Weiterführung deutscher kunstgeschichtlicher Traditionen“ mit gesellschaftskritischer Relevanz. Aber auch aktuelle Kunst der DDR war in Mexiko präsent : Für viele ostdeutsche Künstler waren die politischen Wandgemälde der Mexikaner Diego Rivera (1886–1957) oder David Alfaro Siqueiros (1896–1974) Vorbilder.12 Werke des sozialistischen Realismus zeigten die systemkonforme Gegenwartsästhetik der DDR. Deutlich fügte sich die Ausstellung so über museale Spitzenwerke wie sozialistische Akzente in die kulturelle Repräsentationspolitik der DDR ein. Bewusst investierte man damals in die Schau : Das Museum Schwerin zeichnete für die Realisierung verantwortlich. Daneben beteiligten sich aber auch Museen aus Leipzig, Dresden, Ost-Berlin, Halle, Karl-Marx-Stadt, Altenburg, Potsdam, Gotha, Dessau, Erfurt und Weimar13 mit bedeutenden Leihgaben. Der Ausstellungsort Mexiko selbst wurde offiziell politisch gerechtfertigt : In einer Pressekonferenz verwies Kulturminister Hoffmann auf die verbindenden langjährigen „geschichtlich-progressiven“ Traditionen beider Staaten. „Dem großen deutschen Humanisten Alexander von Humboldt sind im dortigen Lande Denkmale gesetzt. Mexiko hat in den dreißiger Jahren deutsche Antifaschisten und Kommunisten wie Anna Seghers, Ludwig Renn, Alexander Abusch, Bodo Uhse u. a. auf Grund seiner eigenen humanistischen Tradition Asyl gewährt und diesen Künstlern damit buchstäblich das Leben gerettet.“14 Mit „seiner progressiven Exiltradition und -politik“15 sei Mexiko der DDR näher als andere kapitalistische Länder, auch die Unterstützung Nicaraguas sei positiv. Mexiko fungierte hier also offenkundig für die DDR als besonders geeignete Brücke in die westliche Welt hinein. Die geografische Nähe zu den USA mag Mexiko für eine demonstrative Kunstschau der DDR zusätzlich reizvoll gemacht haben. Und tatsächlich konnte die Ausstellung als Erfolg verbucht werden : Mit täglich 2.300 bis 2.500 Besuchern, am Wochenende sogar 5.000, zog sie viel Publikum an. Mitarbeiter des Schweriner Museums betreuten die Ausstellung vor Ort. Sie hatten den Zustand der Bilder und Grafiken angesichts von Klima und Feuchtigkeit zu kontrollieren und Vertretern der mexikanischen Presse, des RundDas Staatliche Museum Schwerin und seine internationalen Beziehungen
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funks und des Fernsehens für Interviews zur Verfügung zu stehen. Aktiv betrieb das Museum Schwerin so kulturelle Werbearbeit für die DDR. Gänzlich unwidersprochen blieb die Schau in der Museumswelt der DDR allerdings nicht. Ein Brief von Christine Hoffmeister, seit 1975 stellvertretende Direktorin der Nationalgalerie in Ost-Berlin, an das Ministerium für Kultur von Anfang 1980 bringt Kritik am straff politischen Vorgehen bei der Organisation der Ausstellung zum Ausdruck. Hoffmeister konstatierte : „Es gab eine Beratung in Vorbereitung der Ausstellung, auf der befohlen wurde, sich an ihr zu beteiligen.“16 Die Leihgaben der Museen waren also offenbar keineswegs freiwillig nach Mexiko gegangen. Zudem bemängelte die Berliner Kuratorin eine fehlende gemeinsame Planung des Prestigeprojekts : „Aber gab es vielleicht auch eine Beratung, in der darüber gesprochen wurde, wer sie begleitet, wer wie in Mexiko mit ihr arbeitet ? Gab es vielleicht einen Gedankenaustausch darüber, wie man durch das, was um die Ausstellung herum passiert, das Ansehen unseres Staates stärken kann ? Wo gibt es kulturelle, kunstwissenschaftliche und künstlerische Berührungspunkte zwischen beiden Ländern, an die zu erinnern für uns und unsere Ziele lohnt ? Was ließe sich da mit Vorträgen, was mit Archivstudien machen ? Schließlich waren mehrere deutsche Künstler und deren Angehörige in Mexiko im Exil.“17 Eindringlich stellt sich die von Schwerin verantwortete Ausstellung in Mexiko-Stadt hier als politisch verordnetes Vorhaben mit wenig Spielraum für die übrigen Museen der DDR dar. Gerade in der Hauptstadt haderte man mit der neuen Führungsrolle Schwerins.
Fortsetzung der Werbung durch nationales Kunsterbe : die erste A usstellung in Japan 1981 Das Schweriner Museum unter Strutz wurde indes den staatlichen Erwartungen offenkundig gerecht. Für die erfolgreiche Durchführung der Ausstellung in Mexiko wurde das Museum in den höchsten Tönen vom Ministerium gelobt und 1981 direkt mit einer weiteren umfangreichen Kunstschau nun in Japan betraut.18 Unter dem Titel Meisterwerke deutscher Kunst. Malerei und Grafik von Dürer und Cranach bis zur Gegenwart aus der Deutschen Demokratischen Republik fand sie ähnlich wie in Mexiko im Rahmen der erstmals in Japan festlich begangenen Tage der Kultur der DDR statt. Es gab also wiederum einen vorgegebenen kulturpolitischen Kontext. Als Wanderausstellung wurde die Schweriner Schau in verschiedenen Museen Japans gezeigt. Auch an dieser Präsentation wirkten mehrere renommierte Museen der DDR mit.19 Mit fünf Stationen in Tokio, Fukuoka, Sapporo, Nagoya und Nara war sie eine logistische Herausforderung. Eigentlich verfügten die Museen in der DDR gar nicht über die notwendige Infrastruktur für solche Projekte. Trotzdem gelang die Ausstellungstournee ohne Schäden an den Exponaten und Zwischenfälle. Selbst die Kisten für den Transport mussten selbst gebaut werden.20 Mit achtzig hochkarätigen Gemälden, davon 49 aus Schwerin, und dreißig Schweriner Dürer-Grafiken gingen Restaurator und Mitarbeiter des Museums auf die Reise nach Fernost. Neben Werken von Dürer und Cranach befanden sich darunter Bilder von Caspar David 110 I Kornelia Röder
Abb. 1 : Katalog zur Schweriner Ausstellung aus fünf Jahrhunderten. Meisterwerke deutscher Kunst. Malerei und Grafik von Dürer und Cranach bis zur Gegenwart aus der Deutschen Demokratischen Republik in Japan 1981, gezeigt in Tokio, Fukuoka, Sapporo, Nagoya und Nara
Friedrich, Franz von Stuck, den Expressionisten, Otto Dix und weiteren Vertretern der Neuen Sachlichkeit, zudem erneut Werke der DDR-Gegenwartskunst. Das Grußwort des Katalogs betonte : „Wir sind überzeugt, dass die hier im Ausstellungsraum gesammelten Meisterwerke zum Verständnis der Geschichte der deutschen Malerei einen großartigen Beitrag leisten“.21 Nachdem kurz zuvor bereits die Dresdner Museen Dresdner Kunstschätze und Meissener Porzellan mit großem Zuspruch in Japan gezeigt hatten,22 sollte auch die Schweriner Ausstellung die „Pflege des Kulturerbes“ in der DDR widerspiegeln, die sich just in dieser Zeit der frühen 1980er Jahre im SED-Staat neu auszudifferenzieren begann.23 Lucas Cranachs Venus und Amor als Honigdieb diente dabei nach dem Erfolg in Mexiko inzwischen quasi als Signet der nationalen Neubesinnung der DDR : Es schmückte das Cover des Katalogs, Plakate und Eintrittskarten (Abb. 1). Die schraubenförmige Haltung der Venus veranlasste einige Besucherinnen, diese mit viel Spaß nachzustellen. Das Gemälde Christine aus dem Jahr 1974 von Volker Stelzmann (geb. 1940) hingegen beunruhigte die japanischen Gäste. Sie fragten das Ausstellungsteam aus Schwerin, ob die Frauen in der DDR tatsächlich alle so aussähen.24 Erneut mischten sich so in Japan unter der Ägide Schwerins Museumskunst, Kulturpolitik und kalkulierte Werbung für die DDR. Nicht unbedingt der sozialistische Realismus, sondern gerade die ältere Kunst erwies sich in diesem Kontext als Sympathieträger im Westen. Aber nicht nur im westlichen Ausland, wie hier im ins westliche Bündnissystem integrierten demokratischen Japan, suchte man mit der Darstellung der DDR als weltoffener Kulturstaat zu wirken, sondern auch ins eigene Land hinein. So widmete die Schweriner Volkszeitung vom 22. Mai 1981 einem Interview mit Museumsdirektor Strutz zur Schweriner Ausstellung in Tokio eine ganze Seite.25 Strutz verwies hier auf langjährige Kulturbeziehungen der DDR Das Staatliche Museum Schwerin und seine internationalen Beziehungen
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zu Japan, etwa über Kurt Masur (1927–2015) und seine Auftritte mit dem Leipziger Gewandhausorchester, über die Ausstellungen aus Dresden, über in Japan beliebte deutsche Volkslieder und Märchen, auch über Ballettauftritte der Deutschen Staatsoper Berlin. In Japan könne man, so Strutz, die wachsende Anerkennung für die DDR deutlich spüren – es ging also auch um eine Selbstvergewisserung in der DDR : der eigene Staat konnte international auf Augenhöhe mitspielen. Die Ausstellung schaffe, führte Strutz weiter aus, nicht zuletzt eine gute Atmosphäre für die bevorstehende Reise Erich Honeckers nach Japan. Tatsächlich bereitete die Ausstellung des Schweriner Museums in Japan den Boden für ein internationales Ereignis mit klarem auch ökonomischem Interesse der DDR vor : den ersten Staatsbesuch Honeckers im westlichen Ausland, eben in Japan, nur wenige Tage nach dem Interview, vom 26. bis 31. Mai 1981.26 Der von Schwerin aus maßgeblich mitkonturierte Kontext Museum, Ausstellung, Internationales fügte sich so letztlich unmittelbar in die große Politik ein : in diesem Fall in die Wegbereitung einer von Moskau unabhängigeren Außenpolitik der DDR in den 1980er Jahren.27 Und die Schweriner Präsentation in Tokio wurde in der Tat ganz im Sinne des SED-Staats zum Ereignis. Das Interesse der japanischen Medien war groß. Nach zwei Wochen wurden bereits 10.000 Besucher gezählt. Zur Ausstellung gab es einen repräsentativen Katalog, exzellente farbige Reproduktionen und Werbeartikel wie Schlüsselanhänger oder Lesezeichen. Führungen und Vorträge veranstalteten Schweriner Mitarbeiter. Und Japan ließ sich beeindrucken : Die japanische Seite äußerte nach der Schau den Wunsch, den Kunst- und Kulturaustausch fortzuführen und zu intensivieren.28 Auch in der DDR und speziell in Schwerin sollte perspektivisch japanische Kunst gezeigt werden. Für das Team des Schweriner Museums ergaben sich ebenfalls neue Horizonte : Leitende Museumsmitarbeiterinnen begleiteten die Transporte und standen für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung. Bis zu acht Wochen konnten sie in Japan bleiben und die Zeit für eigene Studien nutzen. Freies Reisen war nicht verboten. Diese Möglichkeit wurde intensiv genutzt. Der politische Auftrag der Ausstellung bedeutete hier für das Museum nicht nur systemnahe Einbindung, sondern brachte zugleich Freiheiten mit sich.
Kulturhistorische Annäherung an Europa : die Ausstellung in Stockholm 1986 Nach Mexiko und Japan beteiligte sich das Staatliche Museum Schwerin einige Jahre später an der Ausstellung Kunstschätze aus dem Norden der Deutschen Demokratischen Republik vom 9. Jahrhundert bis zur Gegenwart als zentraler Leihgeber und koordinierte die politisch hochangebundene Kunstschau, die vom 18. Juni bis 28. September 1986 unter Beteiligung von Museen und Archiven aus Stralsund, Greifswald und Rostock29 im Historischen Museum Stockholm stattfand. Auch diese Präsentation – die nun nach den ersten tastenden Vorstößen ab 1979 schon in einer neuen Phase seit 1982 von Honecker angeschobener deutsch-deutscher Kontakte und zunehmender Öffnung des Ostblocks zu sehen ist – hatte einen konkreten politischen Hintergrund. Der schwedische Ministerpräsident Olof Palme (1927–1986) hatte 1984 112 I Kornelia Röder
Abb. 2 : Katalog zur Ausstellung Kunstschätze aus dem Norden der Deutschen Demokratischen Republik vom 9. Jahrhundert bis zur Gegenwart mit Leihgaben aus Stralsund, Greifswald, Schwerin und Rostock im Historischen Museum Stockholm 18. Juni bis 28. September 1986
Stralsund und Greifswald besucht. Bereits damals war die Idee für eine Ausstellung entstanden. Nachdem der Sozialdemokrat Palme am 28. Februar 1986 ermordet worden war, plante die DDR die Schau zum Gedenken an ihn – und wie in Japan wiederum in Vorbereitung eines anstehenden Staatsbesuchs von Honecker : dieses Mal in Schweden, wenige Tage nach der Ausstellungseröffnung. Wie direkt die Ausstellung in Stockholm im Zeichen des Ausbaus der Beziehungen zwischen der DDR und Schweden stand, zeigt der Ausstellungskatalog. Im Vorwort betonte Kulturminister Hoffmann die „gute Tradition der kulturellen Beziehungen zwischen der DDR und dem Königreich Schweden“, die mit der Schau eine Fortsetzung und Bereicherung erfahre.30 Bis in frühchristliche Zeit zurückgehende Kontakte Norddeutschlands und Schwedens und historische Verbindungen wie die Städtehanse oder die „Schwedenzeit“ Pommerns von 1628 bis 1815 wurden dann auch in der Ausstellung thematisiert. Urkunden, Dokumente, Erstausgaben von Atlanten und wissenschaftlichen Schriften, ergänzt durch Stadt- und Landschaftsbilder sowie Plastiken, stellten in der Hauptstadt Schwedens sowohl verbindende Geschichte als auch deutsche Kunstentwicklungen dar. Experten wie Herbert Ewe (1921–2006), 1952 bis 1986 Leiter des Stadtarchivs Stralsund, oder Lisa Jürß vom Schweriner Museum untermauerten dies im Katalog, der in Rostock gedruckt wurde (Abb. 2). Der Hiddenseer Goldschmuck aus dem Kulturhistorischen Museum Stralsund war als Meisterwerk der Goldschmiedekunst der Wikinger Höhepunkt der Ausstellung. Mit immensen Sicherheitsvorkehrungen, sogar mit Polizeibegleitung, erfolgte der Transport mit der Fähre über Trelleborg nach Stockholm. Noch einmal trug hier eine maßgeblich vom Schweriner Museum mitrealisierte Ausstellung zur internationalen Platzierung der DDR durch Kunst und Kultur bei – jetzt im angrenzenden Norden Europas, Das Staatliche Museum Schwerin und seine internationalen Beziehungen
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wohin die DDR im Umfeld der Rostocker Kunsthalle bereits seit den 1960er Jahren Kunstbeziehungen unterhielt,31 die in den 1980er Jahren kunst- und kulturhistorisch weiter gefestigt wurden. Reisen im Umfeld der Stockholmer Schau nutzte das Schweriner Museum dabei für internationale Museumskontakte. So führte Jürß bei ihrem Aufenthalt in Schweden 1986 Gespräche mit dem Direktor des 1972 eröffneten zeitgenössischen Kunstmuseums in Västerås und mit dem Kunstzentrum in Södertälje südwestlich von Stockholm.32 Der dortige Direktor verfügte über gute Kenntnisse der DDR-Kunstszene. Er hatte bereits den Leipziger Maler Wolfgang Mattheuer (1927–2004) und den Bildhauer Wieland Förster (geb. 1930) ausgestellt. Das Nationalmuseum Stockholm signalisierte Interesse an einer Oudry-Ausstellung. Einige Projekte konnten später realisiert werden. Das Staatliche Museum Schwerin vernetzte sich so auch europäisch immer mehr, speziell im nahen Norden. Gerade das neutrale Schweden stellte sich als geeigneter Partner dafür dar.33
Beginnende deutsch-deutsche Kooperation : Worpswede in Schwerin 1987 Bald wurde das Schweriner Museum dann selbst zur Bühne für noch weitergehende Kulturbeziehungen innerhalb des Nordens, als im späten SED-Staat Museumskontakte auch mit der Bundesrepublik möglich wurden. Markantes Beispiel dafür ist die 1987 im Museum Schwerin gezeigte Schau früher Malerei der ab 1889 um Fritz Mackensen, Otto Modersohn, Fritz Overbeck, Heinrich Vogeler und Paula Modersohn-Becker im Kontext von Jugendstil und Moderne entstandenen Künstlerkolonie Worpswede bei Bremen. Mit 84.786 Besuchern bei einer Laufzeit von drei Monaten ist die Ausstellung Die alten Worpsweder Meister bis heute die erfolgreichste Exposition aller Zeiten im Staatlichen Museum Schwerin. Nachdem der Grundlagenvertrag, der 1973 in Kraft getreten war, erste Möglichkeiten für Kooperationen mit der Bundesrepublik eröffnet hatte, schuf am 6. Mai 1986 das deutsch-deutsche Kulturabkommen den offiziellen Rahmen.34 Die Schweriner Worpswede-Schau kam so 1987 im direkten Austausch zustande : Für eine von der Akademie der Künste der DDR bereitgestellte Barlach-Ausstellung wurden 73 sonst im „Kunsthaus am Wasser West 7“ im niedersächsischen Stade präsentierte Gemälde aus der Worpsweder Privatsammlung Bernhard Kaufmanns (1890–1980) erstmals in der DDR ausgestellt. Die vom 5. Juni bis 30. August 1987 im Staatlichen Museum Schwerin gezeigte Schau wurde in der DDR als gelungenes Beispiel für die „Dialogpolitik“ mit der Bundesrepublik und die „friedliche Koexistenz“ beider deutscher Staaten gesehen. Sie rief enormes Medienecho hervor. Im Fernsehen der DDR,35 aber auch in westlichen Zeitungen wurde berichtet.36 Der frisch erschienene Stader Katalog zur Kaufmann-Sammlung37 wurde in einer Extraauflage für das Schweriner Museum übernommen38 (Abb. 3) und um ein Einlegeblatt mit Grußwort des Direktors ergänzt. Zur Eröffnung reiste eine Delegation mit dem Vorsitzenden des Stader Museumsvereins Klaus Piller und mit Wolfgang Kaufmann (1922–2011), dem Sohn des Sammlers, nach Schwerin. Die erneut von Lisa Jürß gestaltete Präsentation fand viel An114 I Kornelia Röder
Abb. 3 : Katalog zur Ausstellung Die alten Worpsweder Meister der „Sammlung Bernhard Kaufmann“ aus dem Kunsthaus in Stade, gezeigt im Staatlichen Museum Schwerin 5. Juni bis 30. August 1987
erkennung beim Kooperationspartner im Westen.39 Für das Schweriner Publikum, das die Worpsweder Werke nur von Reproduktionen kannte, war die Ausstellung ein Erlebnis.40 Weiterhin war das Schweriner Museum unter Strutz hier Partner einer offiziellen DDR-Politik, die mittlerweile im Interesse einer Festigung der deutschen Zweistaatlichkeit bewusst auch auf innerdeutsche Kulturkooperationen setzte.
Internationale Platzierung Schwerins : die zweite Ausstellung in Japan 1988 Ende der 1980er Jahre bewegte sich das Museum dabei mit seinem Ausstellungsengagement gen Westen auf zunehmend etabliertem Terrain. Ein Jahr vor dem Mauerfall stellte es erneut einen Querschnitt seiner Sammlung niederländischer Malerei und Grafik des 17. Jahrhunderts in Japan aus. Für diese zweite Schweriner Ausstellungstournee durch Japan entstand ein Prachtkatalog (Abb. 4). Wiederum gingen bedeutende Gemälde etwa von Peter Paul Rubens oder Frans Hals auf Reisen, diesmal zudem Druckgrafiken. Auch diese Exposition wurde für mehrere Monate in fünf Städten Japans gezeigt. Bei der Tournee war nun die in der DDR wie darüber hinaus inzwischen als feste kulturelle Werbegröße für den SED-Staat eingeführte Schweriner Sammlung selbst Thema der Öffentlichkeitsarbeit. Es wurde holländische Kunst aus einem ostdeutschen Museum vorgestellt. Daher musste der Bezug zur DDR und zu Schwerin im Katalog und in der Ausstellung vermittelt werden. In Grußworten wurde die Schönheit Mecklenburgs beschrieben. Im Anhang gab es Texte zur Geschichte des Schweriner Kunstmuseums, über den Bezirk und die Stadt mit entsprechenden Landkarten, jeweils mit
Das Staatliche Museum Schwerin und seine internationalen Beziehungen
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Abb. 4 : Katalog zur Ausstellung Niederländische Malerei und Grafik des 17. Jahrhunderts aus dem Staatlichen Museum Schwerin in Japan 1988
japanischen Übersetzungen der Städtenamen und markanter Gebäude. Gezielt wurde Schwerin damit als Kunststandort bekannt gemacht. Mit der internationalen Ausstellungstätigkeit wuchs so auch die Reputation des Staatlichen Museums Schwerin. Kunst wurde in der DDR in Zeiten des Kalten Krieges als Brücke zu den Ländern der westlichen Welt verstanden und politisch eingesetzt. In den 1980er Jahren wirkte das Schweriner Museum in diesem Kontext immer wieder aktiv mit. Die äußerst gut besuchten Schweriner Ausstellungen in Mexiko, Japan und Stockholm sollten das Interesse an der DDR, ihrer Kunst und Kultur wecken. Der Bezug auf Kunst aus vergangenen Jahrhunderten hielt dabei zugleich, gerade im neuen Erbekonzept der DDR der 1980er Jahre, gemeinsame deutsche Kunsttraditionen lebendig. Der gemeinsame Kulturbezug stellte nach 1989 eine wichtige Voraussetzung für das Zusammenwachsen beider Teile Deutschlands dar. Unter Strutz war das internationale Kulturanliegen hier jedoch bis 1989 stets eng an eine kulturelle Repräsentationspolitik des SED-Staats gebunden, die bis zuletzt vor allem ein Ziel hatte : die DDR aus außen- wie wirtschaftspolitischen Motiven auch im Westen möglichst überzeugend zu platzieren.
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II. Wechselausstellungen des Staatlichen Museums Schwerin mit „befreundeten“ osteuropäischen Ländern Patricia Bethlen
Staatlich organisierte Zusammenarbeit mit der UdSSR, Polen, zuletzt auch mit Ungarn Während die Schweriner Bestände ab 1980 schrittweise – und dann unter dem Eindruck einer sich seit 1985 unter Michail Gorbatschow öffnenden UdSSR – immer mehr Richtung Westen wirkten, gab es parallel dazu weiterhin auch ein Ausstellungsengagement des seit 1974 von Strutz geleiteten Museums Richtung Osten, das systembedingt bereits eine längere Tradition mit festen sozialistischen Formen hatte : Im Staatlichen Museum Schwerin, dem drittgrößten Museum der DDR, fanden schon seit 1968 und 1974 Wechselausstellungen mit Partnermuseen in der Estnischen Sozialistischen Sowjetrepublik (ESSR), die damals zur UdSSR gehörte, und mit der Volksrepublik Polen statt. Zum einen kooperierte man mit dem Staatlichen Kunstmuseum im Schloss Kadriorg in der estnischen Partnerstadt Tallinn, zum anderen mit dem damaligen Bezirksmuseum im polnischen Toruń. Mitte der 1980er Jahre kam außerdem das 1951 etablierte Janus Pannonius Múzeum als zentrales staatliches Museum im ungarischen Pécs hinzu, das verschiedene Sammlungen vereinte und von dem Schwerin 1987 eine VasarelyAusstellung übernahm. Die Schweriner Ausstellungskontakte in die ESSR/UdSSR und nach Polen waren im Zuge staatlich verordneter „Freundschaft“41 straff organisiert : Die Zusammenarbeit zwischen Tallinn, Toruń und Schwerin wurde in einer sogenannten Direktbeziehung durch bilaterale Kulturabkommen mit dem jeweils anderen Land in Abstimmung mit den Museen gestaltet. Die Ausstellungen im Kunstmuseum Tallinn mussten auf Grundlage des Abkommens in den Jahren 1968 bis 1989 direkt von Moskau aus genehmigt werden. Die Vereinbarungen mit Toruń galten von Ende 1974 bis 1989. Die Partnerschaftsbeziehungen waren dabei in jedem der Länder eng politisch eingebunden. Sie wurden jeweils auf Regierungsebene in den Fünfjahres-, den Jahresplänen, offiziellen Kulturabkommen und den darin formulierten Freundschaftsbeziehungen zwischen Städten der UdSSR und der DDR sowie Polens und der DDR festgelegt.42 Diese Pläne galten als Hauptinstrumente der SED-Führung zur Steuerung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung. Für den Austausch von Ausstellungen lag die Entscheidungshoheit beim Politbüro der SED und beim Rat des Bezirks Schwerin. Die drei „befreundeten“ Länder, Städte und Institutionen sollten sich, so das offizielle Ziel, durch die Wechselausstellungen gegenseitig kulturell und wissenschaftlich bereichern, sie sollten den Erfahrungsaustausch und die „sozialistische Museumsarbeit“ stärken, deren Erkenntnisse und „Errungenschaften“ umsetzen und sich jeweils mit Hilfe hochwertiger Kunst präsentieren.43 Es ging also um eine klar politisch akzen-
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tuierte internationale museale Zusammenarbeit von UdSSR, Polen und DDR, die sich hier in Schwerin manifestierte. Insgesamt fanden in diesem sozialistischen „Freundschafts“-Kontext, in den in der Endphase der DDR auch Ungarn einbezogen wurde, im jährlichen Wechsel zwischen einem der Partnermuseen und dem Staatlichen Museum Schwerin bis 1989/90 über zwanzig solcher Ausstellungen statt, darunter Expositionen mit Radierungen Alter Meister, Grafiken des Realismus, Malerei Alter und Neuer Meister, auch mit Kunsthandwerk unterschiedlicher Epochen.44 Höhepunkte waren die Einzelausstellungen des Zeichners Paul Holz (1883–1938), von Käthe Kollwitz (1867–1945) 1971 im Tallinner Kunstmuseum mit siebzig Grafiken der Künstlerin45 und schließlich 1987 in Schwerin die des aus Ungarn stammenden französischen Op-Art-Künstlers Victor Vasarely (1906–1997).
Zwischen fachlicher Kooperation und Sozialismus – erste Öffnungen in den 1980er Jahren Die Partnerausstellungen mit Staaten des Ostblocks galten dabei als Gemeinschaftsprojekte, die den Zusammenhalt stärken sollten. Die Schweriner Volkszeitung beschrieb im Herbst 1979 Ausstellungen im sozialistischen Ausland entsprechend als Kollektivleistung. Der Kunstkritiker Georg Meyer-Rienecker betonte hier die „Verbundenheit“ und „gewachsene Nähe“ kultureller Kontakte auf freundschaftlicher Basis. Zugleich konstatierte er damals an der Schwelle zu den 1980er Jahren, die bald eben auch erste Ausstellungskontakte Schwerins in den Westen ermöglichen sollten, dass ein revolutionärer, gesellschaftspolitischer Prozess des Wandels spürbar sei.46 Mit den Wechselausstellungen solle das Bewusstsein befördert werden, einer „Völkerfamilie“47 anzugehören. Im Austausch mit dem Ministerium für Kultur der DDR unterstrich schließlich 1984 auch der Schweriner Museumsdirektor Hans Strutz die „enge freundschaftliche Beziehung“ zu Toruń und Tallinn, die durch die gemeinsamen Ausstellungen gefördert werde und „interessante kunstwissenschaftliche Vergleiche“ ermögliche.48 Das Motiv, mit Tallinn in regen Kulturaustausch zu treten, hatte Strutz bereits 1977, zwischen neuer internationaler Offenheit und fortgesetzter ideologischer Prägung, bei einer Ausstellung holländischer Stillleben des 17. Jahrhunderts aus Schwerin in Tallinn auf den Punkt gebracht : „[E]s sind also freundschaftliche Begegnungen, die einander bereichern, (die) zu vertieften Erlebnissen führen und den Blick weiter für den Freund und Partner und Geschichtsvorgänge verbunden mit ästhetischen Vergnügen besser erkennen lassen.“49 Zudem hatte Strutz erklärt : „Wir möchten, dass die ‚Kunstlandschaft‘, in der wir leben, auch unseren Freunden vertraut werde. Außerdem suchen wir gemeinsam nach neuen Formen wissenschaftlicher Zusammenarbeit.“50 Klangen hier auch liberalere Töne an, blieb der offizielle politische Rahmen für die östliche Zusammenarbeit auch in den 1980er Jahren doch weiterhin vorgegeben : Die Ausstellungen begleiteten zumeist politische Ereignisse wie Kulturtage der UdSSR und DDR oder Jubiläen. Daneben waren oft Staatsbesuche des sowjetischen Generalsekretärs, bis 1982 Leonid 118 I Patricia Bethlen
Abb. 5 : Versandauftrag des Staatlichen Museums Schwerin an das Staatliche Kunstmuseum im Schloss Kadriorg in Tallinn, damals UdSSR, vom 28. November 1973
Breschnew, ab 1985 Gorbatschow, oder des Staatsratsvorsitzenden Honecker Anlass für Ausstellungen – eine Tradition ganz unmittelbarer politischer Einbindung von Kunstausstellungen, die dann ja ebenso die Schweriner Aktivitäten Richtung Westen bis 1989 weiterhin spürbar sozialistisch prägte. Entsprechend wurde etwa die Dreistädteausstellung Gegenwartsgrafik aus Tallinn, Toruń und Schwerin 1979/80 zum 30. Jahrestag der DDR in Schwerin, in Toruń zum 35. Jahrestag der Befreiung Polens durch die Sowjetarmee und in Tallinn zur vom Westen boykottierten Moskauer Olympiade gezeigt. Vom Kulturministerium der DDR gab es dabei seit Mitte der 1970er Jahre strikte Regelungen für die Zusammenarbeit Schwerins mit Tallinn und Toruń : Bei den Ausstellungen musste es sich um einen gegenseitigen Austausch handeln. Die leihnehmende Institution zahlte sowohl die Versicherung als auch den Hin- und Rücktransport. Eventuelle Schadensfälle sollten von Experten beider Seiten geregelt werden. Mitarbeiter der Museen begleiteten den Transport, der dem Kunstgut entsprechend mit LKW, Flugzeug, Fähre oder Bahn erfolgte (Abb. 5). Der Transport wurde schon im Vorfeld an den Grenzübergängen angemeldet, so dass lange Wartezeiten entfielen. Wissenschaftliche „Fachkader“ begleiteten die Ausstellungen.51 Noch in den 1980er Jahren orientierte man sich an diesen präzisen Vorgaben. Der Transport bedeutender Kunstwerke des französischen Tiermalers Jean-Baptiste Oudry 1986 nach Toruń, anlässlich des 300. Geburtstags des Künstlers, wurde sogar von der Schweriner Volkspolizei eskortiert. Achtzehn Gemälde, zwanzig Handzeichnungen und eine Druckgrafik, die mit einer Summe von 258.540.000 Zloty versichert waren, gingen damals nach Polen. Gleichzeitig kam es, während die Ausstellungsaktivitäten Richtung Westen selbstverständlicher wurden, nun auch zu interaktiveren Formen des Austausches mit den sozialistischen Partnerländern. Schon die Dreistädteausstellung 1979/80, bei der 120 Arbeiten der GegenwartsDas Staatliche Museum Schwerin und seine internationalen Beziehungen
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grafik gezeigt wurden, war ein unmittelbares Gemeinschaftsprojekt : Vierzig Werke stammten von 24 Grafikern aus Tallinn. Daneben beteiligten sich 25 polnische Künstler aus Toruń. Aus Schwerin und dem Umland nahmen zwanzig Grafiker teil. In den Druckgrafiken von Karlheinz Effenberger (1928–2009), Reinhard Gruner (geb. 1937) oder Hartwig Hamer (geb. 1943) spiegelten sich die künstlerischen Entwicklungen der Region der letzten dreißig Jahre. Im gemeinsamen Katalogmanuskript von Strutz, vom Toruńer Museumsdirektor Zdzisław Ciara (1932–1990) und von der estnischen Kunsthistorikerin Inge Teder (1931–2015) aus dem Herbst 1979 hieß es dazu, die Grafiken zeigten jeweils „‚ihre‘ Stadt und deren Menschen in typischen Erscheinungen und Lebensäußerungen“.52 So offen der Kulturaustausch mit den „Freunden“ im Osten zunächst anmutete, so explizit war er doch weiter ideologisch eingebettet. Von Interesse war es laut Katalogtext, einen Eindruck von der Sozialismusentwicklung in den teilnehmenden Ländern gewinnen zu können.53 Bildmotive sollten, wie Strutz schon im Vorfeld gefordert hatte, nicht bloße „Städteansichten“ sein, sondern die Individualität von Land und Leuten präsentieren sowie Traditionen und kulturelle Besonderheiten vorstellen. Zugleich gelte es, gesellschaftliche Prozesse wie die Entwicklung der sozialistischen Industrie zu spiegeln.54 Ergänzt durch Druckgrafiken der frühen Nachkriegszeit, sollten „kulturpolitische“ Veränderungen aufgezeigt werden.55 Die SEDKulturpolitik hatte damals großes Interesse, insbesondere Werke des sozialistischen Realismus im osteuropäischen Ausland zu präsentieren. Mit Stolz auf die Kunst der DDR war man in Schwerin darauf bedacht, ganze Sammlungskonvolute davon zu verleihen.56
Strutz und Vasarely – alter Anspruch und neue Realitäten 1987 Die Schweriner Ausstellungsaktivitäten innerhalb des Ostblocks blieben so also letztlich auch über 1980 hinaus zunächst weiterhin demonstrativ systemnah akzentuiert. Strutz ging es hier um eine gemeinsame betont sozialistische Ausrichtung, während das beginnende Ausstellungsengagement seines Museums Richtung Westen um 1980, gerade etwa in Mexiko, ebenfalls noch genuin politisch konnotiert war. Und auch später hielt Strutz selbst, während sich sein Museum zunehmend international öffnete, weiter an einer parteinahen Linie fest. So mahnte er noch 1987 stringent vorbereitete internationale Museumsaktivitäten an, bei denen sich fachlicher und ideologischer Anspruch verbinden sollten, und postulierte für die offizielle Museumspolitik der DDR : „inhaltlich-konzeptionelle Klarheit und höchste Qualität sind unabdingbare Forderungen, wenn wir uns souverän und selbstbewußt, wie wir es als Republik ja auch sind, in der Welt vorstellen wollen. Dabei spielt allerdings der Zeitfaktor in der leitungsmäßigen und konzeptionellen Vorbereitung solcher Aufgaben eine eminent wichtige Rolle. Mit der genauen Ausarbeitung des Ausstellungsvorhabens ist die stabsmäßige Vorbereitung und Durchführung einer solchen Aufgabe mit einem leistungsfähigen Kollektiv einfach unerläßlich“.57 Fast schon aus der Defensive heraus klangen hier noch einmal DDR-typische Vorstellungen von straffen ideologischen Ausstellungsplanungen an.
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Abb. 6 : Peter Paul Rubens : Lot und seine Töchter, um 1610, Öl auf Leinwand, in der Schweriner Ausstellung Flämische Malerei des 17. Jahrhunderts im polnischen Toruń 1983
Anders als bei den großen Kunstausstellungen Richtung Westen, die in den 1980er Jahren für Schwerin in den Mittelpunkt rückten und über die sich das internationale Renommee des Hauses festigte, war die Öffentlichkeitsarbeit Richtung Osten hier in der Realität allerdings vielfach eingeschränkt. Oft war es der knappen Zeit, dem limitierten Papierkontingent oder dem fehlenden Budget geschuldet, dass nur Faltblätter oder Leporellos gedruckt werden konnten, wie beispielsweise für die Vasarely-Ausstellung.58 Die wissenschaftlichen Texte verfassten die Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker der Museen, die die Ausstellungen konzipierten. In enger Absprache mit den ausländischen Kollegen erfolgten Übersetzungen und der Druck. Plakate für die Ausstellungen gestaltete jedes Museum eigenverantwortlich. So unterschiedlich die konkreten Möglichkeiten der Ausstellungsgestaltung in Ost und West für das Museum Schwerin waren – einige Konstanten gab es für das sich nun parallel in beide Richtungen entfaltende Engagement der 1980er Jahre doch : Es war vor allem die Schweriner Sammlung holländischer und flämischer Malerei des 17. und 18. Jahrhunderts, die international am häufigsten reiste (Abb. 6), gefolgt von Cranach-Gemälden und DürerGrafiken. 1987 kommentierte Strutz die Begehrlichkeiten von außen dabei skeptisch : „In der Regel wird von der anderen Seite immer nach dem Höchsten gegriffen, bis zu einem etwaigen Ausverkauf des in der DDR vorhandenen Sammlungsbestandes.“59 Den Nutzen für den
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SED-Staat selbst ließ er indes unerwähnt : hochrangige Museumskunst in Ost wie West für kultur-, bündnis-, außen- und wirtschaftspolitische Interessen der DDR gezielt einzusetzen. Während Strutz weiter um eine sozialistische Museumspolitik rang, kamen das Schweriner Ausstellungsengagement Richtung Westen und die fortgesetzte Kooperation innerhalb des sich seinerseits öffnenden Ostblocks schließlich 1987 in der Vasarely-Schau unmittelbar zusammen : Dem französischen Maler und Grafiker ungarischer Herkunft Victor Vasarely, einem Mitbegründer der internationalen Op-Art, kurz zuvor achtzig Jahre alt geworden, widmete Schwerin damals eine Personalausstellung. Die umfangreichen Exponate stellte das im ungarischen Pécs im Geburtshaus des Künstlers seit 1976 bestehende Vasarely-Museum zur Verfügung. Die Ausstellung fand beim Publikum enormen Zuspruch. Während im Gegenzug eine Sammlung holländischer und flämischer Maler des 17. und 18. Jahrhunderts nach Ungarn reiste, war die eigentliche Sensation der Schau : Es war westliche, abstrakte, konkrete Gegenwartskunst, die über den osteuropäischen Partner Ungarn im Schweriner Museum gezeigt wurde. Noch vor 1989 begannen sich damit – gemeinsam mit dem liberalen Ungarn, das kurz danach Reisefreiheit gewährte – die ideologisierten Konzepte internationaler Kunstausstellungen endgültig zu lösen, die das Museum Schwerin unter Strutz bis weit in die 1980er Jahre hinein mit kunsthistorischer Expertise und starken Beständen des 16. bis frühen 20. Jahrhunderts prominent und stringent für den SED-Staat in Ost wie West umgesetzt hatte.
Anmerkungen 1
Für Informationen, Katalog- und Bildmaterial sei Lisa Jürß, Hela Baudis, Ingrid Möller und Vollrat Dreyer gedankt, die in den 1980er Jahren am Museum Schwerin tätig waren. 2 Zur Außenpolitik der DDR vgl. grundlegend Wentker 2007. 3 Zu den innerdeutschen Beziehungen 1972–1990 vgl. 2 × Deutschland 2013 ; Lindner 2015. 4 Zum Engagement der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden seit den 1960er und vor allem in den 1970er Jahren vgl. Mersmann 2011, S. 105 ; Rudert 2014, S. 120 ; Fleischer/Schröter 2014, S. 49, 52 u. 57 ; zur Vorreiterrolle Dresdens siehe auch den Beitrag Kratz-Kessemeier in diesem Band ; zu internationalen Aktivitäten der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten in Weimar ab 1962 vgl. z. B. Handrick 1966. 5 Zur Sammlung des Museums vgl. Staatliches Museum Schwerin 1995. 6 Zu Strutz vgl. Jürß 2006. 7 Siehe dazu auch Strutz 1984. 8 Zu den Kulturbeziehungen zwischen der DDR und Mexiko vgl. Huffschmid 2014, S. 23 f. 9 Hans-Joachim Hoffmann : Rede zur Eröffnung der zuvor in Mexiko gezeigten Ausstellung Meisterwerke aus Museen der DDR – Malerei und Grafik von Dürer bis zur Gegenwart in Schwerin, Dezember 1979, in : Archiv SSGK MV, Akte Mexiko. 10 Ebd. 11 Ebd. 12 Vgl. dazu auch Huffschmid 2014, S. 23. 13 Folgende Leihgeber waren neben Schwerin beteiligt : Museum der Bildenden Künste zu Leipzig, Staatliche Kunstsammlungen Dresden Alte Meister und Neue Meister, Nationalgalerie der Staat-
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lichen Museen zu Berlin, Staatliche Galerie Moritzburg Halle, Städtische Kunstsammlungen KarlMarx-Stadt, Staatliches Lindenau-Museum Altenburg, Staatliche Schlösser und Gärten PotsdamSanssouci, Museum der Stadt Gotha, Staatliche Galerie Dessau, Angermuseum Erfurt und die Kunstsammlungen zu Weimar. 14 Hans-Joachim Hoffmann : Rede zur Eröffnung der Ausstellung Meisterwerke aus Museen der DDR – Malerei und Grafik von Dürer bis zur Gegenwart in Schwerin, Dezember 1979, in : Archiv SSGK MV, Akte Mexiko. 15 Ebd. 16 Christine Hoffmeister an das Ministerium für Kultur, 15.1.1980, in : Archiv SSGK MV, Akte Mexiko. 17 Ebd. 18 Vgl. Hans-Joachim Hoffmann : Rede zur Eröffnung der Ausstellung Meisterwerke aus Museen der DDR – Malerei und Grafik von Dürer bis zur Gegenwart in Schwerin, Dezember 1979, in : Archiv SSGK MV, Akte Mexiko. Schon 1972 hatte es in Tokio und Kyoto eine Ausstellung Deutsche Kunst der Dürer-Zeit aus Museen der DDR gegeben. 19 Konkret handelte es sich um : Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Museum der Bildenden Künste zu Leipzig, Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin, Staatliche Galerie Moritzburg Halle, Staatliche Kunstsammlungen Karl-Marx-Stadt, Staatliche Schlösser und Gärten PotsdamSanssouci und Schlossmuseum Schloss Friedenstein der Stadt Gotha. 20 Vollrat Dreyer, damals Restaurator des Schweriner Museums, berichtete in einem Gespräch über die Entwicklung und Herstellung der Kisten. 21 Grußwort der Veranstalter, in : Ausstellung aus fünf Jahrhunderten 1981, o. S. 22 Vgl. dazu den Katalog Meissener Porzellan 1980. 23 Siehe dazu auch die Beiträge Hoffmann, Ludwig und Karge in diesem Band. 24 Zeitzeugeninterview Dr. Ingrid Möller, in Vorbereitung des Vortrags 2019. 25 Kunstwerke aus Schwerin in Tokio. Schweriner Museum betreut die bisher größte Kunstausstellung in Japan. SVZ sprach nach seiner Rückkehr aus Tokio mit Dr. Hans Strutz, Direktor des Staatlichen Museums, in : Schweriner Volkszeitung, Beilage, 22.5.1981, S. 9. 26 Vgl. dazu Kaiser und Kommunist. Großer Auftritt, große Ehren für Erich Honecker auf Staatsbesuch in Japan, in : Der Spiegel, Nr. 23/1981, 1.6.1981, S. 125–127 ; Becker 1981 ; zur maßgeblich von Wirtschaftsinteressen geleiteten Japanpolitik der DDR vgl. Akagawa 2020. 27 Zum Verhältnis DDR und UdSSR in dieser Zeit vgl. u. a. Risse im Bruderbund 2006 ; Wentker 2007, S. 367 f. 28 Kunstwerke aus Schwerin in Tokio. Schweriner Museum betreut die bisher größte Kunstausstellung in Japan. SVZ sprach nach seiner Rückkehr aus Tokio mit Dr. Hans Strutz, Direktor des Staatlichen Museums, in : Schweriner Volkszeitung, Beilage, 22.5.1981, S. 9. 29 Leihgeber waren : Kulturhistorisches Museum Stralsund, Stadtarchiv Stralsund, Universität Greifswald, Kulturhistorisches Museum Rostock, Universitätsbibliothek Rostock, Städtisches Museum Greifswald. 30 Hans-Joachim Hoffmann : Vorwort, in : Kunstschätze aus dem Norden der DDR 1986, o. S. 31 Siehe dazu auch den Beitrag Neumann in diesem Band. 32 Zeitzeugengespräch mit Lisa Jürß 2019. 33 Zu den Beziehungen zwischen der DDR und Schweden vgl. auch Abraham 2007. 34 Zum Kulturabkommen und seiner Vorbereitung durch Honecker seit 1982 vgl. Lindner 2015 ; zur auch hier frühen Rolle der Dresdner Museen siehe z. B. Barock in Dresden 1986.
Das Staatliche Museum Schwerin und seine internationalen Beziehungen
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35 Am 13.8.1987 gab es im Kulturmagazin des 2. Programms des Fernsehens der DDR einen Beitrag über die Ausstellung, vgl. Archiv SSGK MV, Akte Stade. 36 Siehe z. B. Alte Worpsweder Meister erstmals in der DDR ausgestellt, in : Bremer Nachrichten/ Weser-Kurier, 6.6.1987 ; Freyenhagen 1987a ; Freyenhagen 1987b ; Großes DDR-Interesse an Stader Sammlung, in : Stader Tageblatt, 10.8.1987. 37 Die alten Worpsweder Meister 1987a. 38 Die alten Worpsweder Meister 1987b. 39 Brief Wolfgang Kaufmann, 14.7.1987, in : Archiv SSGK MV, Akte Stade. 40 Meyer-Rienecker 1987. 41 Vgl. dazu etwa auch Zwangsverordnete Freundschaft 2003 zu den Beziehungen zwischen Polen und der DDR. 42 Vereinbarung der Freundschaftsbeziehungen zwischen dem Bezirksmuseum Toruń und dem Staatlichen Museum Schwerin bis 1985, erste Fassung, 2.4.1979, Abschr., in : Archiv SSGK MV, Akte Bezirksmuseum Toruń. 43 Konzeption zur langfristigen Entwicklung des Museumswesens der DDR 1987, S. 52. 44 Folgende Ausstellungen waren es : 1971 Käthe Kollwitz in Tallinn ; 1972 Paul Holz in Tallinn ; 1975 Estnische Grafik aus Tallinn in Schwerin ; 1976 Rembrandt-Grafik aus Schwerin in Toruń ; 1977 Malerei der Gegenwart aus Tallinn in Schwerin ; 1977 Holländische Stillleben des 17. Jahrhunderts aus Schwerin in Tallinn ; 1979 Rembrandt-Radierungen aus Schwerin in Toruń ; 1979/80 Gegenwartsgrafik aus Tallinn, Toruń und Schwerin in allen drei Städten ; 1981 Mecklenburgische Malerei aus Schwerin in Tallinn ; 1983 Flämische Malerei des 17. Jahrhunderts aus Schwerin in Toruń ; 1984 Kunsthandwerk aus Tallinn in Schwerin ; 1985 Realistische Porträts des 19. Jahrhunderts aus Tallinn, Toruń und Schwerin in allen drei Museen ; 1985 Dürer-Grafiken aus Schwerin in Toruń ; 1986 Estnische Gegenwartsplastik aus Tallinn in Schwerin ; 1986 Malerei des 18. Jahrhunderts aus Schwerin in Toruń ; 1986 Polnische Glaskunst und Bleiverglasungen der Gegenwart aus Toruń in Schwerin ; 1987 Victor Vasarely aus Pécs in Schwerin ; 1987 Holländische Kunst des 17. Jahrhunderts aus Schwerin in Pécs ; 1987 Grafik aus Tallinn in Schwerin ; 1987 Malerei des 18. Jahrhunderts aus Schwerin in Tallinn ; 1987 Mittelalterliche Kunst aus Toruń in Schwerin ; 1988 Polnische Grafik aus Toruń in Schwerin ; 1988 Malerei aus Tallinn in Schwerin ; 1989 Deutsche Handzeichnungen des 16. bis 18. Jahrhunderts aus Schwerin in Tallinn ; 1989 Grafik aus Toruń in Schwerin ; 1990 Kunst aus Tallinn in Schwerin ; 1990 Holländische Grafik des 17. Jahrhunderts aus Schwerin in Toruń. 45 Vgl. Hans Strutz, in : Archiv SSGK MV, Akte Tallinn I (1969–1979), S. 3. 46 Meyer-Rienecker 1979. 47 Vgl. Edmund Gorzaniak : Gruß zum XXV. Jahrestag der Deutschen Demokratischen Republik, 20.9.1974, in : Archiv SSGK MV, Akte Bezirksmuseum Toruń 1974. 48 Hans Strutz an das Ministerium für Kultur der DDR, Abt. Museen und Denkmalpflege, 21.11.1984, in : Archiv SSGK MV, Akte Bezirksmuseum Toruń. 49 Hans Strutz : Rede zur Ausstellungseröffnung Holländische Stillleben des 17. Jahrhunderts, 13.5.1977, in : Archiv SSGK MV, Akte Tallinn I, S. 3. 50 Ebd., S. 1. 51 Hans Strutz/Zdzisław Ciara : Plan der Zusammenarbeit zwischen dem Bezirksmuseum Toruń und dem Staatlichen Museum Schwerin 1975–1980, 14.3.1975, in : Archiv SSGK MV, Akte Bezirksmuseum Toruń. 52 Inge Teder/Hans Strutz/Zdzisław Ciara : Manuskript Ausstellungskatalog Gegenwartsgrafik aus den Partnermuseen Tallinn – Schwerin – Toruń, 28.9.1979, S. 2, in : Archiv SSGK MV, Akte Tallinn I.
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53 Ebd., S. 2. 54 Hans Strutz : Konzeption der Ausstellung Gegenwartsgrafik aus den Partnermuseen Tallinn – Schwerin – Toruń, 5.4.1978, S. 2, in : SSGK MV, Akte Tallinn I ; Hans Strutz/Zdzisław Ciara : Plan der Zusammenarbeit zwischen dem Bezirksmuseum Toruń und dem Staatlichen Museum Schwerin 1975–1980, S. 2, in : Archiv SSGK MV, Akte Bezirksmuseum Toruń. 55 Ebd. 56 Hans Strutz/Zdzisław Ciara : Plan der Zusammenarbeit zwischen dem Bezirksmuseum Toruń und dem Staatlichen Museum Schwerin 1975–1980, S. 3, in : Archiv SSGK MV, Akte Bezirksmuseum Toruń. 57 Strutz 1987, S. 158. 58 Jenö Ujvári an Hans Strutz, 19.2.1986, in : Archiv SSGK MV, Akte Wechselausstellung mit Ungarn. 59 Strutz 1987, S. 158.
Das Staatliche Museum Schwerin und seine internationalen Beziehungen
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Holger Stoecker
„… SC H WE I G E N D UM G EH E N “ Zum Umgang der DDR mit Forderungen nach Rückgabe von Museumsobjekten kolonialer Provenienz
In den 2010er Jahren drängte die Frage des Umgangs mit musealen Sammlungsobjekten aus kolonialen Kontexten mit Wucht in die deutschen, europäischen und internationalen Debatten. Öffentliche Aufmerksamkeit bekam das Thema in Deutschland, nachdem seit 2004 Forderungen nach Rückgabe der menschlichen Überreste von Opfern des Genozids in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika 1904 bis 1908 erhoben wurden und infolgedessen seit 2011 Gebeine aus Universitäts- und Museumssammlungen unter großer Beachtung an Namibia restituiert wurden. In der Kontroverse um das geplante Humboldt-Forum im neugebauten Berliner Fassadenschloss erweiterte sich die Debatte schnell auf die „koloniale Raubkunst“ in deutschen Museen. Doch kaum einer der Beteiligten hatte in der vergangenen Dekade zunächst eine Vorstellung davon, dass die Forderung nach der Rückgabe von Sammlungsobjekten aus kolonialen Erwerbungskontexten durchaus kein neues Phänomen war. Erst seit etwa 2017 hat Bénédicte Savoy auf der Grundlage akribischer Forschungen in zahlreichen Vorträgen, Pressebeiträgen und Publikationen den Blick dafür geöffnet, dass die Debatte über koloniale Objekte in europäischen Museen und ihre Restitution insbesondere an afrikanische Länder in Deutschland wie in weiteren europäischen Ländern schon einmal in den 1960er bis 1980er Jahren geführt und damals vor allem von den Direktoren der großen Museen erfolgreich unterbunden wurde.1 Die Auseinandersetzungen um den Umgang mit kolonialen Beständen in deutschen Museen und Sammlungen wurden damit um eine wichtige historische Perspektive auf die inzwischen vergessenen Kontroversen erweitert.2 Wenn es in der Rückschau um die deutschen Museen geht, dann waren und sind aller dings fast immer nur westdeutsche Museen gemeint, als ob die DDR und ihre Museen außerhalb der deutschen Geschichte gestanden hätten – ein in der gegenwärtigen deutschen Erinnerungskultur vielfach anzutreffendes Phänomen.3 Im Folgenden wird daher versucht, die Geschichte von Restitutionen und Restitutionsforderungen auf die DDR auszuweiten. Hierfür wird zunächst die historische Situation der DDR skizziert, in der sie mit Rückgabeforderungen aus dem globalen Süden konfrontiert wurde, um sodann konzeptionelle Ansätze zu umreißen sowie einige Fallbeispiele zu rekonstruieren. Am Ende steht die Frage, ob und inwiefern es einen spezifischen Umgang der DDR mit Rückgabeforderungen aus dem globalen Süden gab.
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Die DDR am Beginn der 1970er Jahre Zwei Jahrzehnte nach ihrer Gründung war die DDR am Beginn der 1970er Jahre innenpolitisch weitgehend konsolidiert. Mit der 1968 verabschiedeten Verfassung war die deutsche Zweistaatlichkeit festgeschrieben und das Ziel eines sozialistischen Staates deutscher Nation vorgegeben worden. Für dessen Legitimation brauchte es nicht zuletzt ein eigenes nationales Kulturerbe, auf das man sich positiv beziehen konnte.4 Mit der Bestimmung jenes Kulturerbes war für die DDR jedoch das Problem verbunden, dass sich seit der Teilung Deutschlands auch die deutsche Museumslandschaft auf zwei Staaten verteilte. Insbesondere im geteilten Berlin war das spürbar. So wurden die in Ost-Berlin befindlichen Museen als Verbund der Staatlichen Museen zu Berlin weitergeführt, während die in West-Berlin gelegenen Häuser als Staatliche Museen Berlin in die 1957 gegründete bundesdeutsche Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) überführt wurden. Beide Institutionen beanspruchten für sich die legitime Nachfolge der Königlichen bzw. Staatlichen Museen und Kultureinrichtungen in Berlin.5 Derweil forderte die DDR verstärkt seit den frühen 1970er Jahren von der SPK die Herausgabe jener Sammlungsbestände, die sich vor den Auslagerungen im Zweiten Weltkrieg auf dem Territorium der späteren DDR befanden.6 Das Argument der territorialen Gebundenheit von Kulturgut wird später erneut eine Rolle spielen. Auch außenpolitisch erlebte die DDR damals, Anfang der 1970er Jahre, einen enormen Aufwind. Das Ende der seit 1955 geltenden Hallstein-Doktrin und des Alleinvertretungsanspruchs der BRD öffnete 1972 den Weg zum Grundlagenvertrag zwischen der DDR und der BRD. Die gegenseitige völkerrechtliche Anerkennung ermöglichte 1973 den Beitritt beider deutscher Staaten zur UNO. Damit einhergehend trat die DDR 1972 der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur, der UNESCO, bei, der die BRD bereits seit 1951 angehörte. In der Folge kam es nach 1973 zu einer Welle weltweiter diplomatischer Anerkennung der DDR durch nahezu sämtliche Staaten.7 Globalpolitisch waren Afrika und der Nahe Osten am Ende der 1950er und am Anfang der 1960er Jahre von antikolonialen Umstürzen geprägt gewesen, die zur nationalen Unabhängigkeit der meisten kolonialen Territorien führten. Diese politischen Umwälzungen hatten nicht selten eine antiwestliche Ausrichtung, so dass sich für den Ostblock die historische Chance zu eröffnen schien, das „Sozialistische Weltsystem“ in den globalen Süden zu erweitern. Daher beteiligte sich die DDR als Juniorpartner der Sowjetunion gezielt am Nation Building von jungen Staaten in Afrika und im Nahen Osten, immer verbunden mit eigenen strategischen Zielen, das hieß vor allem die Folgen der Hallstein-Doktrin zu unterlaufen und einen Zugang zu Rohstoffen und Absatzmärkten zu erhalten.8 Zu den Instrumentarien der Hilfe zählte dabei auch die Zusammenarbeit im Bereich von Wissenschaft, Kultur und Bildung. Auf diesen Gebieten galt es für die DDR zudem, ihr Ansehen in der „Dritten Welt“ als Kulturstaat aufzubessern und ihre Absicht zu demonstrieren, auch außerhalb des Ostblocks als selbstbewusster internationaler Akteur aufzutreten. Die DDR betrat die internationale Bühne zu Beginn der 1970er Jahre mithin in einer Zeit, in der sich das Verhältnis zwischen globalem Norden und Süden nach der Dekolonisierung 128 I Holger Stoecker
der 1960er Jahre grundlegend zu wandeln begann. Im Rahmen der UNESCO fand dies nicht zuletzt Ausdruck in der 1970 verabschiedeten „Konvention über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut“, der die DDR bereits 1974 beitrat.9 Ebenso stimmte die DDR Ende 1973 mit der Mehrheit der UNO-Mitgliedsländer, aber anders als viele westliche Staaten, für die UNO-Resolution 3187 über die „Restitution of works of art to countries victims of expropriation“.10 Die UNESCO entwickelte sich danach, während der Amtszeit des Senegalesen AmadouMahtar M’Bow (geb. 1921) als Generalsekretär von 1974 bis 1987, zu einer bedeutenden, wenn nicht zur zentralen internationalen Plattform, auf der allgemeingültige Regeln für den Umgang mit Rückgabeforderungen von delokalisiertem Kulturgut ausgehandelt wurden.11 Im 1978 von der UNESCO-Generalversammlung gebildeten Intergovernmental Committee for Promoting the Return of Cultural Property to its Countries of Origin or its Restitution in case of Illicit Appropriation (ICPRCP) wurden fortan vor allem konkrete Restitutionsforderungen verhandelt, aber auch generelle Leitlinien kamen zur Sprache.12 Das Komitee wurde vor allem dann angerufen, wenn bilaterale Rückgabeverhandlungen festgefahren waren. Auch die DDR sah sich in diesem Gremium mit Rückgabeforderungen von Kulturgut konfrontiert. Angesichts dieser hier grob skizzierten globalen Entwicklung befand sich die Auslandskulturpolitik der DDR seit Mitte der 1970er Jahre in einem komplexen Dilemma : Mit der einsetzenden internationalen Anerkennung der DDR sowie ihrer Aufnahme in die UNO und deren Teilorganisationen um 1972/73 war ein lang verfolgtes Hauptziel der DDRAußenpolitik erreicht worden. Von der Normalisierung der außenpolitischen Beziehungen zu den meisten Staaten der Welt versprach man sich nicht zuletzt auch eine bessere Verhandlungsposition in den Auseinandersetzungen um Kulturobjekte und Sammlungen, die infolge des Zweiten Weltkrieges nach Westdeutschland verlagert oder ins westliche Ausland verbracht worden waren und die die DDR zurückforderte. Prominente Konfliktfelder waren hierbei etwa Sammlungsobjekte in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz oder von US-Soldaten geraubte Kunstgegenstände. Manche dieser Rückforderungen konnten tatsächlich durchgesetzt werden.13 Zugleich aber wurde die auswärtige DDR-Kulturpolitik seit Mitte der 1970er Jahre mit einem neuen, unerwarteten Phänomen konfrontiert : mit Forderungen aus der „Dritten Welt“ nach Rückgabe von Kulturgütern, die sich nun in der Zuständigkeit der DDR befanden. Jene Rückgabebegehren aus den „jungen Nationalstaaten“, die in den 1970er und 1980er Jahren die DDR erreichten, bezogen sich – soweit bislang bekannt ist – zwar nur auf eine Handvoll konkreter Einzelfälle. Dennoch lösten die Rückgabe- bzw. Entschädigungsforderungen eine anhaltende Unruhe im kultur- und außenpolitischen Apparat der DDR aus.
Beteiligte Institutionen und konzeptionelle Anstrengungen Zu den Einrichtungen und Funktionsträgern innerhalb der DDR-Administration, die mit diesen Fragen vor allem befasst waren, zählten : 1. im Ministerium für Kultur (MfK) der von „… schweigend umgehen“
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1966 bis 1984 amtierende stellvertretende Minister Siegfried Wagner (1925–2002) und die Hauptabteilung Museen und Denkmalpflege, zunächst geleitet von Werner Wolf, später von Werner Schmeichler ; 2. im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) die stellvertretenden Minister Ewald Moldt (1927–2019) bis 1978 und dann Bernhard Neugebauer (1932–2015) (Moldt und Neugebauer standen jeweils der UNESCO-Kommission der DDR vor) sowie die Hauptabteilung Rechts- und Vertragswesen, geleitet von Klaus Zschiedrich ; 3. die seit 1982 bestehende Kulturgutschutzkommission (KGSK)14 unter Vorsitz des Kunsthistorikers Werner Schmeichler, angebunden ans MfK, in der Ralf Schummer, Wissenschaftlicher Sekretär des Museums für Naturkunde Berlin, für naturkundliche Objekte zuständig war ; 4. das Amt für den Rechtsschutz des Vermögens der DDR (AfR), das 1974 aus der 1966 gegründeten Zentralstelle zum Schutze des Volkseigentums hervorging, zu dessen Aufgaben unter anderem die rechtliche Sicherung des Vermögens der DDR außerhalb ihres Territoriums gehörte15 und das, direkt dem Ministerrat der DDR unterstellt, bis 1982 von Hermann Kleyer (1911–1995), danach bis 1990 von Stephan Supranowitz (1933–1997) geleitet wurde. Darüber hinaus wurde im August 1989 eine AG Restitution beim MfK gebildet, als übergreifende Arbeitsgruppe mit Vertretern aus MfK, MfAA, AfR und KGSK. Sie stand unter der Leitung von Thomas Flierl (geb. 1957) vom MfK und war bis zum Frühjahr 1990 tätig. In diesem Kreis staatlicher Behörden, Ämter und Arbeitsgruppen entstand in den 1970er und 1980er Jahren eine Fülle von internen Konzeptionen, Grundsatzpapieren, Informationen und Argumentationsleitlinien. Sie sind teilweise kaum noch einzelnen Autoren zuzuordnen und manchmal auch nur grob zu datieren. Diese Papiere versuchten, Positionen zu formulieren, um auf konkrete Rückgabeanfragen sowie auf grundsätzliche Entwicklungen vor allem in den Gremien der UNESCO reagieren zu können, zugleich aber auch eigene Ansprüche zu wahren. Zu den ersten Leitlinien gehörten die wahrscheinlich 1975 formulierten „Grundsätze für die Haltung der DDR zu Fragen der Rückführung von Kulturgütern“.16 Wichtigster Grundsatz war hier die „territorial[e] Bindung der Kulturgüter“. Die Bindung an das Territorium eines Staates konnte demnach resultieren aus der „Zugehörigkeit der Kunstwerke zum kulturellen Erbe und zum künstlerischen Gegenwartsschaffen des Staates“ ; der „Zugehörigkeit des Kulturgutes zu bedeutenden Sammlungen, die zu historischen und künstlerischen Einheiten gewachsen sind“ ; oder aus „[langen] und enge[n] Beziehungen zu dem ständigen Aufbewahrungsort.“17 Damit war zunächst die Situation der DDR-Museen selbst mit ihren Leerstellen infolge der Auslagerungen im Zweiten Weltkrieg passgenau formuliert, woraus sich die eigene Forderung, vor allem an die BRD, ergab : „In Übereinstimmung mit diesen völkerrechtlichen Normen erhebt die DDR Anspruch auf Rückführung von Kulturgütern aus verschiedenen kapitalistischen Staaten und begründet diesen Anspruch mit der territorialen Gebundenheit der Kulturgüter an Museen und Einrichtungen der DDR.“18 Tatsächlich neu war die sich daran anschließende Argumentation mit Blick auf Rückgabeforderungen an die DDR aus der Dritten Welt : „Da sich auch in der DDR Kunstgut aus ehemals kolonial unterdrückten Ländern befindet, ist nicht auszuschließen, daß in der Zukunft unter Berufung auf die diesbezüglichen UNO-Resolutionen an die DDR Forderungen 130 I Holger Stoecker
auf Rückführung von Kunstgütern gerichtet werden. Mögliche Forderungen von ehemals unterdrückten Ländern sind im Interesse des Schutzes und der Erhaltung des Museumsgutes der DDR allseitig zu prüfen.“19 Dies sei gegebenenfalls wie folgt zu begründen : „Die Kulturgüter sind auf Grund hoher wissenschaftlicher, finanzieller und materieller Leistungen bei der Restaurierung und Erhaltung zum untrennbaren Bestandteil der Sammlungen der DDR geworden“ – eine Rhetorik, die noch heute, knapp fünfzig Jahre später, in aktuellen Restitutionsdebatten, etwa um die Rückgabe der afrikanischen Dinosaurier im Berliner Naturkundemuseum nach Tansania, zur Abwehr von Argumenten pro Restitution in Stellung gebracht wird.20 Die „Grundsätze“ von 1975 negierten schlichtweg die historische Existenz kolonialer Verhältnisse, indem behauptet wurde, die Kulturgüter seien „durch archäologische, ethnologische oder naturwissenschaftliche Unternehmen mit Billigung der zuständigen Behörden des Ursprungslandes erworben“ worden, „Gegenstand eines frei vereinbarten Austausches“ gewesen bzw. „als Geschenk empfangen oder rechtmäßig mit Billigung der zuständigen Behörden des Ursprungslandes käuflich erworben“ worden. Obendrein erklärte man sich für nicht zuständig : „Die in den diesbezüglichen UNO-Resolutionen geforderten Maßnahmen sind Bestandteil des Entkolonisierungsprozesses und betreffen somit vorwiegend Kolonialstaaten“,21 womit Frankreich, Großbritannien, Belgien oder die Niederlande gemeint waren. Wie Albert Wirz und Andreas Eckert gezeigt haben, war auch diese Abwehrstrategie bis in die jüngere Vergangenheit hinein verbreitet.22 Die Argumentationen von 1975 bekräftigten somit eigene Ansprüche gegenüber den „imperialistischen Staaten“, vor allem gegenüber der BRD, und zielten zugleich auf die Abwehr potenzieller Forderungen aus ehemaligen Kolonien. Die DDR erhob deutsch-deutsche Rückführungsforderungen und sah sich zugleich international selbst mit Restitutionsforderungen aus dem globalen Süden konfrontiert. In beide Richtungen wurde das „Prinzip der territorialen Gebundenheit“ in Stellung gebracht. Nicht erörtert wurde, ob und warum etwaige Forderungen an die DDR nicht auch berechtigt sein könnten. In einem Positionspapier des DDR-Kulturministeriums von 1982 über die „Rückführung von Kulturgut in die Ursprungsländer“23 wurde die Situation der DDR bereits differenzierter reflektiert. Dort hieß es, die Forderungen aus Entwicklungsländern „nach Rückführung von Kulturgut ihrer nationalen Identität“ sollten „prinzipiell die Unterstützung der DDR“ finden. Doch eine Reihe von Entwicklungsländern habe „aus ihren berechtigten Ansprüchen eine ‚Rückgabepflicht‘ entwickelt. […] Dadurch ist für die DDR, aber auch für einige andere sozialistische Länder, eine komplizierte Situation entstanden.“ Denn einerseits würde die „bedingungslose Anerkennung einer ,Rückführungspflicht‘“ bedeuten, „daß die DDR Schätze der Weltkultur, wie z. B. die Prozessionstrasse von Babylon und den Pergamon-Altar der Staatlichen Museen zu Berlin, aber auch wertvolle Stücke der Völkerkundemuseen der DDR, die – ausgehend von der Konvention von 1970 – rechtmäßig kulturelles Erbe der DDR sind, in die Ursprungsländer ,zurückgeben‘ müßte. […] Andererseits muß die DDR in ihrer Haltung gegenüber den Entwicklungsländern aber auch berücksichtigen, daß allein das Kriterium der Rechtmäßigkeit angesichts der bürgerlichen-imperialistischen Rechtsordnungen, insbeson„… schweigend umgehen“
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dere aus außenpolitischer Sicht, häufig ungeeignet ist, weil das auf die Sanktionierung bürgerlicher Raubpraktiken hinausläuft. So besteht […] die Gefahr, daß die Entwicklungsländer uns dann in eine Reihe mit den imperialistischen Staaten stellen“.24 Hier machte sich ein Primat der Außenpolitik bemerkbar und gleichzeitig versuchte man, das Problem terminologisch einzudämmen : Falls „konkrete außenpolitische Interessen der DDR“ es erfordern, solle „die DDR die Forderung der Entwicklungsländer unter Verwendung der Begriffe ,Überführung‘, ,Übergabe‘, ,Zusammenarbeit‘, ,Hilfe und Unterstützung‘ differenziert unterstützen.“25 Eine Option sah man auch in „der Unterstützung der Entwicklungsländer beim Aufbau ihres Museumswesens und der Ausbildung ihrer Fachkader“.26 Derartige Ideen werden bis heute vor allem dann ins Gespräch gebracht, wenn Museen mit Restitutionsforderungen aus afrikanischen Ländern konfrontiert werden : Angebote zur Kooperation, um Rückgaben zu vermeiden oder zumindest zu verzögern. Vorsicht, so hieß es weiter, sei im Hinblick auf die „Aufstellung eines Inventars des aus Entwicklungsländern stammenden Kulturgutes“ geboten, dies sei „politisch bedenklich“. Allein das Kulturgut aus Afrika und Lateinamerika würde „das gesamte Inventar der großen Völkerkundemuseen der DDR in Leipzig und Dresden [und] umfassende Bestände des Naturkundemuseums in Berlin […] betreffen. […] Die Veröffentlichung, Publizierung und Übergabe der Inventarverzeichnisse […] käme […] einem Angebot unsererseits in Richtung ‚Rückführungspflicht‘ gleich.“27 Aus diesen Bedenken heraus gab das Papier von 1982 als generelle Linie für den Umgang mit Rückgabeforderungen vor, ICOM-Vertreter der DDR sollten „bei internationalen Kongressen entsprechende Anfragen von Museumsleitern aus Entwicklungsländern schweigend umgehen“.28 Denn an einer ausgereiften politischen „Konzeption zu Fragen der Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Nutzung und Erschließung ihres kulturellen Erbes“ fehle es noch. Eine solche Konzeption hätte aus Sicht der auswärtigen DDR-Kulturpolitik mittel- und langfristige Wege und Politikansätze aufzuzeigen gehabt, die drei Zielvorgaben miteinander verknüpfen sollten : Zum einen, die Objekte außereuropäischer Provenienz als „Kulturgut der DDR“ zu schützen, das hieß hier : sie zu behalten ; zum anderen zur „Festigung der Bündnisbeziehungen zu den Entwicklungsländern“ deren Forderungen „auf Rückführung von Kulturgütern in internationalen Organisationen“ zu unterstützen, um sie als Verbündete in der weltweiten Systemauseinandersetzung zu gewinnen ; und zum Dritten die Diskussionen in den Gremien der UNO und UNESCO um das Kulturerbe zu nutzen, um die aus den Folgen des Zweiten Weltkriegs erwachsenen „Forderungen der DDR auf Rückführung von Kulturgütern (z. B. aus der BRD und den USA) auf internationaler Ebene vorzubringen.“29 Diese komplexe, oft widersprüchliche Gemengelage versetzte die auswärtige Kulturpolitik der DDR in ein grundsätzliches Dilemma, dem man bis zum Ende letztlich ratlos gegenüberstand.
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Eine Rückgabe 1955 und einige Rückgabeforderungen ab 1974 Was aber bedeutete dies für die Restitutionspolitik der DDR in der Praxis ? Im Folgenden sollen einige konkrete Fälle Paradigmen und Grenzen veranschaulichen, vorgestellt in chronologischer Reihenfolge. Vorausgeschickt sei, dass Rückgabeforderungen aus ehemals kolonisierten Ländern an Einrichtungen der DDR nicht systematisch erfasst wurden. Wohl auch daher sind bislang nur wenige solche Vorgänge aus disparaten Überlieferungen bekannt geworden. Die Fälle entstammen äußerst diversen Kontexten. Nicht immer handelte es sich im engeren Sinne um koloniale Kontexte bzw. um ehemalige deutsche Kolonien, dafür durchweg um Forderungen aus sogenannten „Entwicklungsländern“, was seinerzeit oftmals pauschal synonym gesetzt wurde mit Ländern mit einer kolonialen Vergangenheit. Tatsächlich handelte es sich – mit Ausnahme der Türkei – um Länder in ehemaligen imperialen Eroberungsräumen.
China 1955 : Fahnen und Schriften Kulturgüter aus kolonialen Erwerbungskontexten wurden nicht erst seit den 1970er Jahren restituiert. Dies zeigt eine frühe und zudem publikumswirksam inszenierte Rückgabe seitens der DDR in den 1950er Jahren (Abb. 1) : Beim Besuch einer Regierungsdelegation der DDR in der Volksrepublik China im Dezember 1955 hatte Ministerpräsident Otto Grotewohl drei Bände einer Enzyklopädie aus der Universität Leipzig und zehn Fahnen mit im Gepäck, die 1900/01 während des Boxerkrieges von deutschen Militärangehörigen erbeutet worden waren und nun zurückgegeben werden sollten. In einem Bericht der DEFA-Wochenschau Der Augenzeuge ist zu sehen, wie Grotewohl vor der Kulisse einer vollbesetzten Veranstaltungshalle in Peking eine der Fahnen an den chinesischen Premierminister Zhou Enlai (1898–1976) überreicht, begleitet vom begeisterten Applaus der Kundgebungsteilnehmer.30 In seiner Rede würdigte Grotewohl die Rückgabe als Zeichen der „unverbrüchlichen Freundschaft“ zwischen beiden Ländern, die im Kalten Krieg „Seite an Seite mit der Sowjetunion stehen“. Die historische Verantwortung der DDR als Nachfolgestaat des Deutschen Reiches für den Raub von Sammlungsgut sprach er indes nicht an.31 Inwieweit der Fahnenrückgabe eine Bitte oder Forderung der chinesischen Seite vorausging, ist unklar. Bei den von Grotewohl ebenfalls übergebenen drei handschriftlichen Bänden aus der Zeit der Ming-Dynastie gab es hingegen bereits eine längere Vorgeschichte : Abschriften der 1408 fertiggestellten Yongle-Enzyklopädie wurden 1900 während des Boxerkrieges geraubt und gelangten in Bibliotheken verschiedener Länder. Seit 1912 versuchte die chinesische National bibliothek in Peking, die zerstreuten Bände im Original oder als Kopien zurückzuholen. Ende 1931 war eine entsprechende Bitte um fotografische Kopien auch bei der Universitätsbibliothek Leipzig eingegangen,32 die drei Bände der Enzyklopädie von einem Teilnehmer der „Strafexpedition“ gegen die Boxer erworben hatte. Nach Rücksprache unter anderem mit dem Museum für Völkerkunde in Berlin bot Bibliotheksdirektor Otto Glauning (1876–1941) an, die drei Bände im Original nach Peking abzugeben, wenn die Leipziger Universitätsbibliothek „… schweigend umgehen“
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Abb. 1 : DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl übergibt 1955 in Peking dem chinesischen Minister präsidenten Zhou Enlai zehn Fahnen der Boxer-(Yihetuan-)Bewegung, Ausschnitt aus der Wochenschau Der Augenzeuge 1955/52, DEFA-Studio für Wochenschau und Dokumentarfilme, 1955
dafür Fotokopien von der gesamten Enzyklopädie erhalte.33 Dies lehnte Peking allerdings ab.34 Diese Unterhandlungen zwischen den Bibliotheksdirektoren waren zwanzig Jahre später wohl nicht mehr ausschlaggebend. Entscheidend war 1955 für die junge DDR sicher in erster Linie, mit der Rückgabe ein Zeichen für die „Klassenbrüderschaft“ mit China als gewichtigem Bündnispartner zu setzen.
Nigeria 1974 : Benin-Objekte Ab 1974 sah sich die DDR nun aufgrund verstärkter internationaler Präsenz mit Restitutionsanfragen konfrontiert, zunächst aus Afrika. Im August 1974 teilte die nigerianische Regierung der erst im Jahr zuvor eröffneten Botschaft der DDR in Lagos mit, dass sie Kenntnis erhalten habe über „eine Sammlung nigerianischer Antiquitäten, die im Wesentlichen aus Benin-Bronzen besteht“. Die von Hans Meyer erworbenen Bronzen würden „sich gegenwärtig in Obhut des Leipziger Museums für Völkerkunde befinden“. Ein niederländischer Anwalt habe die 134 I Holger Stoecker
Abb. 2 : Der Schlangenkopf gehört zu jenen Objekten, über deren Rückkauf die nigerianische Regierung 1974 mit der DDR verhandeln wollte. Schlangenkopf, Palastschmuck Königreich Benin vor 1897, wohl 17. Jahrhundert, Gelbguss, 15 x 43 x 32,5 cm, unbekannter Hersteller, erworben von William Downing Webster, Sammlung Hans Meyer, Inv.-Nr. MAf 34560, GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig
Sammlung zum Kauf angeboten, doch würde die nigerianische Regierung es vorziehen, direkt mit der Regierung der DDR zu verhandeln. Daher bat das nigerianische Außenministerium um die baldige Aufnahme von Kaufverhandlungen.35 Dem Schreiben lag eine Liste „BeninBronzen“ mit 51 Positionen bei. Historischer Hintergrund war eine „Strafexpedition“ der britischen Royal Navy 1897 gegen das bis dahin eigenständige Königreich Benin der Edo im heutigen Nigeria. Der Königspalast von Benin-Stadt wurde geplündert und gebrandschatzt. Das britische Militär erbeutete tausende Bronzen, Masken, Terrakotten, Elfenbein- und Holzschnitzereien, die gewissermaßen das „Nationalarchiv“ des Königreichs Benin bildeten. Die meisten Objekte wurden in den Folgejahren zur Refinanzierung der „Strafexpedition“ über den Kunsthandel versteigert. Diese historischen Vorgänge sind seit langem bekannt und weitgehend erforscht.36 Zu den am Verkauf beteiligten Londoner Kuriositätenhändlern zählte William Downing Webster (1868–1913). Von ihm erwarb der vermögende Leipziger Verleger und Kolonialgeograph Hans Meyer (1858–1929) 1899 etliche Benin-Objekte, von denen er einige ab 1902 dem Leipziger Völkerkundemuseum als Leihgaben zur Verfügung stellte (Abb. 2).37 Das Schreiben des nigerianischen Außenministeriums von 1974 wurde in Ost-Berlin an das Amt für den Rechtschutz weitergeleitet mit dem Auftrag, die nationale und internationale Rechtslage zu beurteilen. Dessen Gutachten38 bewertete die Sachlage auf drei Ebenen : 1. völkerrechtlich : Die in Frage stehenden „Benin-Objekte wurden von der britischen Kolonialmacht im Jahre 1897 durch kriegerische Eroberungen rechtswidrig aus den Gebieten des heutigen Nigeria entfernt und zum Teil dem britischen Museum, aber auch dem internationalen Kunsthandel übergeben. Prof. Meyer hat seinerzeit die fraglichen Stücke zum Teil unmittelbar von der britischen Regierung und zum Teil von englischen Kunsthändlern erworben.“39 „… schweigend umgehen“
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Nach bestehendem Völkerrecht gelte dafür das „Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut“ der UNESCO von 1970,40 dem Nigeria 1972 und die DDR 1974 beigetreten waren. Es könne jedoch in diesem Fall nicht angewandt werden, da es kein Rückwirkungsgebot enthalte. Einen völkerrechtlichen Anspruch habe Nigeria allenfalls gegenüber der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien. Die DDR sei zwar bereit, „an der Wiedergutmachung des Nigeria zugefügten Schadens an seinem kulturellen Erbe mitzuwirken“. Ihre Bereitschaft allerdings „hängt mit davon ab, wie sich die politischen und ökonomischen Beziehungen der DDR zu Nigeria gestalten werden, wobei die DDR darauf achten muß, daß nicht für ähnlich gelagerte Fälle ein Präjudiz geschaffen wird.“41 2. zivil- und eigentumsrechtlich : Hans Meyer überließ die Benin-Sammlung dem Leipziger Völkerkundemuseum als Leihgabe, ohne das Eigentum an der Sammlung dem Museum zu übertragen. Nach seinem Tod 1929 ging die Sammlung in das gemeinschaftliche Eigentum seiner Witwe und der drei Töchter über. Das Leihverhältnis habe so mindestens bis zum Tod der Witwe 1948 bestanden. Danach hätten die Töchter versucht, die Sammlung herauszubekommen. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch sind „die in der BRD wohnhaften drei Töchter des verstorbenen Prof. Meyer eindeutig Eigentümerinnen der fraglichen Objekte […]. Das Völkerkundemuseum in Leipzig ist rechtmäßiger Besitzer dieser Gegenstände“ aufgrund des vorangegangenen Leihverhältnisses.42 Also sah das Gutachten das Leipziger Museum auch in zivilrechtlicher Hinsicht nicht in der Pflicht. 3. staatsrechtlich (d.h. verwaltungsrechtlich) : Die Versuche der Erben seien 1952 mit dem Erlass der „Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten“43 durch die DDR-Regierung gescheitert. Auf deren Grundlage wurden die Leihgaben von Hans Meyer im Völkerkundemuseum Leipzig „in staatliche Verwaltung übernommen und damit der Verfügungsbefugnis der westdeutschen Eigentümerinnen entzogen. […] Eine Aufhebung der Verwaltung wäre erst nach entsprechender völkerrechtlicher Vereinbarung im Zusammenhang mit Vermögensverhandlungen zwischen der DDR und der BRD möglich.“44 Selbst bei einer Herausgabe der Objekte an die Eigentümerinnen bestehe im Falle einer angestrebten Weiterveräußerung (etwa an Nigeria) ein Vorkaufsrecht der DDR. Im Gutachten wurde der gewaltmäßige und rechtswidrige Erwerb der Benin-Sammlung im kolonialen Kontext von 1897 also vorbehaltlos anerkannt. Dieser historische Aspekt trat dann aber bei der weiteren Argumentation völlig in den Hintergrund. Entscheidend war vielmehr, wie sich die aktuellen Vermögensverhandlungen zwischen der DDR und der BRD insgesamt bzw. die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der DDR und Nigeria entwickeln würden. Diese politischen Prozesse in der Mitte der 1970er Jahre fielen zwar in eine Phase der deutsch-deutschen und internationalen Entspannung (Helsinki-Prozess seit 1975), sie enthielten aber durchaus einige Unwägbarkeiten. Daher wurde eine Herausgabe der Bronzen nicht prinzipiell abgelehnt. Vielmehr wurde die Benin-Sammlung in Leipzig offenbar als politisches Pfand verstanden, das man nicht vorschnell aus der Hand geben wollte. Als rechtliches Mittel dafür diente das Verwaltungsrecht der DDR, und hier wiederum im Konkreten eine ministerielle Verordnung, also ein Instrument der Exekutive, das vergleichsweise 136 I Holger Stoecker
Abb. 3 : Eröffnung der Ausstellung Schätze aus Alt-Nigeria – Erbe von 2000 Jahren im Ost-Berliner Pergamonmuseum im April 1985, v. l. n. r. der Direktor des Kulturzentrums Nigerias und Stellvertretende Minister für Erziehung, Kultur und Sport, Garba Ashiwaju, der Direktor des Nationalmuseums der Bundes republik Nigeria, Ekpo Eyo, der Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, Günter Schade, und Walter Rusch, Dozent am Bereich Ethnographie der Humboldt-Universität zu Berlin
einfach den politischen Gegebenheiten angepasst werden konnte. Bei dieser Grundhaltung blieb es bis zum Ende der DDR. Im Fall der Leipziger Benin-Sammlung kam es erst 2001 zu einem Vergleich mit der Erbengemeinschaft, in dessen Folge der Freistaat Sachsen 53 Benin-Objekte für 6,9 Millionen Euro von Meyers Erben ankaufte.45 Gegenwärtig gehören sie zu jenen Objekten, über deren Restitution in der Benin Dialog Group zwischen deutschen Museen und dem nigerianischen Legacy Restoration Trust Gespräche geführt werden.46 Mitte der 1980er Jahre rückten die Benin-Bronzen in der DDR auf die große kulturpolitische Bühne, damit verbunden kamen auch Rückgabeforderungen zur Sprache. Im April 1985 eröffneten der Direktor des nigerianischen Nationalmuseums, der Archäologe Ekpo Eyo (1931–2011), und der Generaldirektor der Staatlichen Museen, Günter Schade (geb. 1933), im Pergamonmuseum in Ost-Berlin die Ausstellung Schätze aus Alt-Nigeria – Erbe von 2000 „… schweigend umgehen“
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Jahren (Abb. 3).47 Die Schau war ein Meilenstein der auswärtigen Kulturpolitik Nigerias, sie wurde ebenso in New York, Paris, Zürich, Leningrad und Zagreb gezeigt. Im Katalog zur Ausstellung erlaubte sich Eyo die Anregung : „Vielleicht ist es an der Zeit, daß die Umstände, unter welchen die Objekte Benin weggenommen wurden, neu überdacht und gewürdigt werden. Museen, welche die Werke erworben haben, könnten ein oder zwei Stücke als Dauerleihgaben zur Verfügung stellen, die dann möglicherweise im Benin-Museum in ihren ursprünglichen historischen Zusammenhang gestellt werden könnten.“48 Ein solcher Vorstoß, der auch die Benin-Objekte in Leipzig einschließen würde, war in Ost-Berlin im Vorfeld der Ausstellung befürchtet worden. Eyos Bitte wurde zwar intern erörtert, blieb aber – der politischen Linie von 1982 entsprechend – unbeantwortet.49
Türkei 1978–1987 : Tontafeln mit Keilschriften Derweil klopfte die Türkei an die Tür der DDR-Museen. Hier ging es zunächst um etwa 7.300 Tontafeln, die 1917 – das Deutsche und das Osmanische Reich waren zu diesem Zeitpunkt Kriegsverbündete und hatten auf kulturellem Gebiet schon länger kooperiert – zur Restaurierung, Konservierung und wissenschaftlichen Bearbeitung an das Vorderasiatische Museum in Berlin gesandt worden waren. 1978 wandte sich die Türkei mit einer Rückgabeforderung an das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR. Der Fall war vergleichsweise eindeutig : Es handelte sich rechtlich um eine zeitweise Überlassung der Tonscherben zur wissenschaftlichen Bearbeitung ohne Eigentumsübertragung. Entsprechend klar war auch die Bewertung durch das Amt für den Rechtsschutz von 1983 : „Das Eigentum der Türkei an den sich seit 1917 in den Staatlichen Museen zu Berlin befindlichen Keilschrifttafeln wurde seitens der DDR nie bestritten. Die DDR hat ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Rückführung dieser Kulturgüter erklärt. Ihre Rückgabe ist seit Jahren Gegenstand bilateraler Verhandlungen, die […] aber bisher nicht zum Abschluss gebracht werden konnten.“50 Ausschlaggebend war, dass die Türkei es ablehnte, „die Kosten für die restauratorischen und konservatorischen Arbeiten, für die wissenschaftliche Bearbeitung sowie für die Verwaltungsgebühren zu bezahlen und – wie von der DDR vorgeschlagen – in die Rückführungsvereinbarung eine Klausel über die Verpflichtung zur gegenseitigen Rückführung von Kulturgütern aufzunehmen, die im Verlauf des II. Weltkrieges vom Territorium eines auf das Territorium des anderen Staates gelangten.“51 Damit war das eigentliche Hindernis benannt, denn die DDR verfolgte in den Verhandlungen mit der Türkei ein noch sehr viel weiter reichendes Anliegen. Es ging um 27 Gemälde aus dem Besitz der Staatlichen Museen zu Berlin, die sich in der ehemaligen Botschaft des Deutschen Reiches in Ankara befunden hatten und die von der Türkei nach dem Zweiten Weltkrieg an die BRD übergeben worden waren. Der Ansatz der DDR in den Verhandlungen mit der Türkei war, die zivilrechtliche Forderung der Rückgabe der Keilschrifttontafel zu erfüllen, wenn die Türkei ihrerseits bereit sein würde, der DDR auf der Ebene des Völkerrechts entgegenzukommen. Das Ziel war ganz offensichtlich, die Türkei zur völkerrechtlichen Anerkennung des Anspruchs der DDR auf die 27 Gemälde zu bewegen. Damit wäre zugleich 138 I Holger Stoecker
der Anspruch der DDR auf die Sammlungsobjekte aus den Staatlichen Museen in Ost-Berlin, die sich nun in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in West-Berlin befanden, international grundsätzlich bestätigt worden. Da die Türkei jedoch nicht darauf einging, waren die Verhandlungen lange Zeit festgefahren. Erst als Ankara den Druck erhöhte und die Angelegenheit in das „Zwischenstaatliche Komitee zur Förderung der Rückgabe von Kulturgut“ der UNESCO einbrachte, war man auf DDR-Seite 1987 bereit, 7.332 Tontafeln an das Archäologische Museum in Istanbul zurückzugeben – zwar ohne die geforderten Entschädigungen, dafür aber mit drei Zusagen der Türkei : 1. Die Türkei zieht bei der UNESCO ihre Restitutionsanträge zurück. 2. Die Türkei übernimmt den Transport. 3. Die wissenschaftliche Auswertung der Keilschrifttafeln erfolgt weiterhin durch Experten der Ost-Berliner Staatlichen Museen sowie des Archäologischen Museums Istanbul.52 Die DDR verfolgte auch in diesem Fall über den konkreten Restitutionskontext hinausgehende Anliegen, konnte hier die erhoffte internationale Anerkennung ihrer Ansprüche gegenüber den West-Berliner Museen aber nicht durchsetzen.
Tansania 1987 : Dinosaurierfossilien Im Jahr 1987 fand die Jahrestagung des Internationalen Komitees für Naturhistorische Museen, einer Unterorganisation des Internationalen Museumsbunds ICOM, in Arusha im Norden Tansanias statt. Die Tagung widmete sich insbesondere der Lage der ostafrikanischen Museen. Als Vertreter der DDR war Ralf Schummer nach Tansania gereist, Biologe und Wissenschaftssekretär am Museum für Naturkunde in Ost-Berlin, zudem Mitglied der DDR-Kulturgutschutzkommission. Nach seiner Rückkehr nach Berlin berichtete Schummer dem Ministerium für Kultur, „die afrikanischen Vertreter [forderten] von den hochentwickelten Ländern u. a., materielle und finanzielle Mittel in ausreichender Höhe zur Entwicklung der afrikanischen naturwissenschaftlichen Museen zur Verfügung zu stellen. Durch die jahrzehntelange Entnahme und Verbringung von Naturobjekten aus Afrika nach Europa und Amerika“ sei es diesen Ländern möglich gewesen, „ihre Museumssammlungen aufzubauen und entsprechende wissenschaftliche Forschungsergebnisse zu erzielen, ohne daß die afrikanischen Länder als Ursprungsländer der Naturobjekte einen Anteil bzw. Gewinn davon hatten. Jetzt wird gefordert, dieses Defizit durch entsprechende Unterstützung zu beseitigen.“53 Die Naturobjekte, die Schummer in seinem Bericht erwähnte, wurden nun von afrikanischer Seite beansprucht, um eigene Museen und Forschungen auszubauen und damit zur nationalen Identitätsbildung beizutragen. In seinen Schlussfolgerungen fokussierte sich Schummer auf den tansanischen Fall und verwies auf die Folgen kolonialen Sammelns für die dortigen Museen : „In Tansania – und sicherlich trifft dies auch für andere afrikanische Länder zu – erinnert man sich genau an die Ausplünderung während der Kolonialzeit und steht jedem neuen Verbringen von Sammlungsgut reserviert gegenüber.“54 Abschließend unterstützte Schummer eine Bitte von Fidelis Masao, dem Vizepräsidenten des ICOM-Komitees für Naturhistorische „… schweigend umgehen“
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Abb. 4 : Der Dinosauriersaal des Museums für Naturkunde Berlin mit dem aus dem heutigen Tansania stammenden Skelett des Brachiosaurus brancai (seit 2007 Giraffatitan brancai) als zentralem Ausstellungsobjekt
Museen und Direktor des Nationalmuseums in Tansania : „Dr. Masao [stellte] in sehr sachlicher Form die Frage, ob im Rahmen einer Dauerleihgabe nicht 1–2 Großknochen der Saurier aus Tansania vom Museum für Naturkunde der Humboldt-Universität zu Berlin an die Nationalmuseen Tansanias übergeben werden könnten. […] Nach meiner Einschätzung wird eine solche Übergabe in Tansania sehr positiv aufgenommen werden. Hier könnte von einem sozialistischen Land ohne besonderen Aufwand ein gutes Beispiel gegeben werden.“55 Im Naturkundemuseum, bei der Humboldt-Universität und der Kulturgutschutzkommission der DDR machte sich Schummer in der Folgezeit für eine Dauerleihgabe von großen Dinosaurierknochen stark (Abb. 4 u. 5). Er lief mit seinem Vorstoß jedoch ins Leere – und das, obgleich er mit dem Auftrag nach Tansania geschickt worden war, die „Möglichkeiten einer Unterstützung durch die DDR bei der Aus- und Weiterbildung von Museumsmitarbeitern zu prüfen“ und „die Möglichkeit zu sondieren, wie die Museen der DDR auch über den Rahmen von ICOM hinaus, bilateral und multilateral (z. B. in Ausbildungsfragen) das Museumswesen solcher afrikanischen Staaten unterstützen können“.56 Die tansanische Bitte von 1987 blieb schlicht unbeantwortet. Schummer sprach 1988 bei verschiedenen Stellen noch mehrfach die Frage der Rückführung von Dinosaurierknochen nach Tansania an. Und Werner Schmeichler, der Vorsitzende der Kulturgutschutzkommission beim Ministerrat der DDR, der auch Schummer angehörte, teilte ihm daraufhin zwar noch im Sommer 1988 mit, dass nach Ein140 I Holger Stoecker
Abb. 5 : Große Dinosaurierknochen im Museum für Naturkunde Berlin, die bei der Aufstellung des Skeletts nicht verwendet wurden. Um die Leihgabe von ein bis zwei solcher Fossilien hatte der Direktor des Tansanischen National museums Fidelis Masao 1987 gebeten.
schätzung des Ministeriums für Kultur „in einzelnen [Fällen] bilaterale Rückführungen und Leihgaben von Kulturgütern erfolgen“ könnten.57 Geschehen ist allerdings nichts. Der tansanische Museumsdirektor Fidelis Masao bekam für das Nationalmuseum in Dar es Salaam keine Dinosaurierfossilien aus Ost-Berlin.
Irak 1989 : Ziegelscherben aus Babylon Im August 1989 übermittelte die Botschaft Iraks in der DDR dem Ministerium für Kultur eine Forderung nach Rückgabe von Ziegelfragmenten. Diese stammten aus jener berühmten Ausgrabung der Deutschen Orient-Gesellschaft in Babylon 1899 bis 1917 unter Leitung von Robert Koldewey (1855–1925), aus der auch das Ischtar-Tor und die Prozessionsstraße ins Berliner Vorderasiatische Museum gelangt waren. Der Irak war bis 1917, also während der Ausgrabungszeit, Teil des Osmanischen Reiches. In den 1920er Jahren wurden aus Babylon etwa 800 Kisten mit je 250 Ziegelbruchstücken nach Berlin verschifft. Nicht alle wurden dort bei den Rekonstruktionen im Vorderasiatischen Museum verbaut, es blieb ein Rest von etwa 200 Kisten mit unbenutzten Fragmenten. Auf diese Ziegelscherben im Kellerdepot des Museums bezog sich nun die Rückgabeforderung der irakischen Antikenverwaltung. Hintergrund war, dass unter Präsident Saddam Hussein (1937–2006) in Babylon öffentliche Bauwerke rekonstruiert wurden – für touristische Zwecke, aber auch weil Saddam Hussein, der sich gewissermaßen als Nachfolger des babylonischen Königs Nebukadnezar II. verstand, in der Ruinenstadt von Babylon Neubauten errichten ließ, für deren Fassaden die Ziegelscherben bzw. Nachbildungen von ihnen verwendet werden sollten. Die irakische Seite argumentierte, die „… schweigend umgehen“
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Ziegelbruchstücke seien nicht Teil der Fundteilung gewesen, sondern nur zur Restaurierung nach Berlin geschickt worden.58 In einem daraufhin vom Altorientalisten Horst Klengel (1933–2019) und vom Prähistoriker Joachim Herrmann (1932–2010) verfassten Gutachten des Zentralinstituts für Alte Geschichte und Archäologie der Akademie der Wissenschaften der DDR und in einer Stellungnahme der Direktorin des Vorderasiatischen Museums Liane Jakob-Rost (geb. 1928) wurde hingegen festgestellt, die Ziegelscherben seien aufgrund der Fundteilung in den 1920er Jahren, als der Irak bereits unabhängig war, eindeutig rechtmäßiges Eigentum der Staatlichen Museen zu Berlin. Zugleich räumte man ein : „Wissenschaftlich stellten die Fragmente kein Forschungsobjekt dar, ein Verzicht wäre möglich.“59 Eine Abgabe könne jedoch keinesfalls ohne Gegenleistung erfolgen. Diese könnte in der Überlassung von Funden aus anderen Ausgrabungen, in vom Irak finanzierten Ausgrabungen durch DDR-Archäologen oder im Austausch von Fachleuten zu Studien- und Ausbildungszwecken bestehen. Entsprechend schlug das Ministerium für Kultur der irakischen Botschaft im November 1989 vor, Gespräche über die weitere archäologische Zusammenarbeit aufzunehmen und eine Dauerleihgabe der fraglichen Ziegelbruchstücke zu vereinbaren.60 In diesem Fall wurde seitens der DDR ein kooperativer Ansatz verfolgt, ohne dabei die eigene Rechtsposition aufzugeben. Doch auch dieser Vorschlag wurde nicht umgesetzt, denn wenige Tage zuvor war in Berlin die Mauer gefallen, und als im August 1990 mit dem Überfall des Irak auf Kuwait der Erste Golfkrieg begann, wurde das Vorhaben obsolet.
Fazit Die hier vorgestellten Fälle von Restitutionen und Restitutionsforderungen sowie die Leitlinien von 1975 und 1982 weisen – bei aller Unterschiedlichkeit der jeweiligen historisch-politischen Rahmenbedingungen – auf einige grundsätzliche Tendenzen für den Umgang der DDR mit Forderungen bzw. Anfragen aus dem globalen Süden nach Rückgabe von Museumsobjekten hin : 1. Die Akteure der Entscheidungsfindung waren Funktionäre in der politischen Bürokratie der DDR. Sie gingen vor allem von einer übergeordneten System- und Staatsräson aus, die sich maßgeblich über die außenpolitische Situation definierte, in der sich die DDR jeweils befand. Institutsleiter, Museumsdirektoren und -direktorinnen wurden als Fachleute zwar gehört, sie hatten aber keinen eigenen Entscheidungsspielraum. Dies markiert einen Unterschied zu vergleichbaren Vorgängen in der Bundesrepublik, wo Museumsdirektoren die entscheidenden Protagonisten und Debattenteilnehmer pro und contra Restitution waren.61 Experten aus den Ursprungsländern erhoben leise, doch vernehmbar zwar ihre Stimme, so Eyo 1985 oder Masao 1987, doch wurden sie „schweigend umgangen“. 2. Die Restitutionsforderungen aus dem globalen Süden innerhalb der UNESCO wie auch die konkreten Fälle, mit denen Ost-Berlin seit den 1970er Jahren konfrontiert wurde, wurden dort als segmentierte Politikfelder behandelt und unter politischen, juristischen und musealen Gesichtspunkten erörtert. Die Erörterungen führten jedoch nicht zu pluralen Kon142 I Holger Stoecker
troversen oder gar zu öffentlichen Diskussionen über den Umgang mit dem kolonialen Erbe in der DDR. 3. In den internen Erörterungen gab es keine Bezüge zu vergleichbaren Forderungen an Museen in Westdeutschland und zur dortigen Debatte um das koloniale Kulturgut. 4. Die deutsche koloniale Vergangenheit, die Erwerbungskontexte von kolonialen Kulturund Naturgütern, ihr Transfer in deutsche Museen und Institutionen sowie ihre komplexen Sammlungsgeschichten blieben für die Positionierungen der Funktionäre allenfalls von marginaler Bedeutung, die Kolonialität der in Frage stehenden Objekte wurde zwar nicht negiert, aber auch nicht als Problem der DDR gesehen. 5. Restitutionen von Kulturgut versuchte man zwar mit vielerlei Argumentationen zu umgehen, sie wurden aber auch nicht, anders als von den meisten westdeutschen Museumsdirektoren, prinzipiell ausgeschlossen. Letztlich maßgeblich waren die außenpolitischen Zielsetzungen der völkerrechtlichen Anerkennung der DDR von und der internationalen Kooperation mit möglichst vielen Staaten. Innenpolitisch standen der Erhalt und die Rückgewinnung des nationalen Kulturerbes im Vordergrund, limitierend wirkten hier jedoch nicht zuletzt die durch die deutsch-deutsche Teilung gesetzten Rahmenbedingungen. Der Umgang der DDR-Administration mit museumsbezogenen Restitutionsforderungen aus dem globalen Süden ist bis dato ein weitgehend unbeachtetes Kapitel der (ost-)deutschen Museumsgeschichte. Das Thema lag und liegt offenkundig allzu quer zu den institutionellen Logiken und Reflexen von Museen und Sammlungen im geteilten wie vereinten Deutschland. In der Rückschau scheint auch die DDR in den 1970er und 1980er Jahren ein allgemeines Schema des Ignorierens und Umgehens verfolgt zu haben. Dabei waren die politischen Strategien und Entscheidungswege, auf Kulturgutansprüche des globalen Südens zu reagieren, in der DDR andere als in Westdeutschland. Im Ergebnis aber stand man auch in der DDR aus museumspolitischen Gründen der Restitution von Sammlungsgütern aus kolonialen Kontexten ablehnend gegenüber, man erwog sie allenfalls im übergeordneten außenpolitischen Interesse. Letztlich hinterließ die DDR das Thema unerledigt. Es steht jetzt noch immer und nun umso dringender – als west- wie ostdeutsches Desiderat – erneut vor der Politik und den Museen.
Anmerkungen 1 Zuletzt Savoy 2021. 2 Vgl. Strugalla 2020. 3 Ein jüngstes Beispiel ist die am 17. Dezember 2021 eröffnete Ausstellung Benin. Geraubte Geschichte im Museum am Rothenbaum MARKK in Hamburg. Die dort aufgezeigten „Eckdaten Benin Restitutionsgeschichte“ umfassen Restitutionsforderungen und Rückführungen von Benin-Kunstwerken seit 1935, blenden die Benin-Bestände in der damaligen DDR allerdings aus. 4 Vgl. dazu grundlegend Dietrich 2018, Bd. II u. III. 5 Siehe dazu auch den Beitrag Winter in diesem Band. 6 Vgl. Wormit 1976, S. 13–17 ; Knopp 1984, S. 12–14. Die Forderung der DDR, die Nofretete und wei„… schweigend umgehen“
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tere Bestände von West- nach Ost-Berlin zurückzugeben, verhinderte bis 1986 den Abschluss eines Kulturabkommens zwischen DDR und BRD. 7 Vgl. Wentker 2007, S. 350–363 u. 442–475. 8 Vgl. dazu grundlegend Saehrendt 2017, S. 37–66. 9 Das vereinigte Deutschland ratifizierte dieses Übereinkommen erst 2007. 10 Vgl. Savoy 2021, S. 49 ; Fitschen 2004, S. 46. 11 Vgl. Meskell 2018 ; siehe dazu z. B. auch das Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut, von der UNESCO verabschiedet am 14.11.1970, Beitritt der DDR zum 16.4.1974 ; UNO-Resolution vom 29.10.1975 über die Rückgabe von Kulturgut an ausgeplünderte ehemalige Kolonialvölker (inkl. Griechenland). 12 Vgl. Taşdelen 2015, S. 233 ; Fitschen 2004, S. 47 ; Savoy 2021, S. 125. 13 Beispielsweise konnte 1982 die Rückführung von zwei Tucher-Porträts von Albrecht Dürer aus New York nach Weimar realisiert werden, vgl. BArch, DR 136/99, Bl. 59. 14 Zur Kommission vgl. Bischof 2003, S. 386–405 ; Marschall-Reiser 2006. 15 Vgl. Herbst/Ranke/Winkler 1994, S. 62. 16 Grundsätze für die Haltung der DDR zu Fragen der Rückführung von Kulturgütern, o.D. [1975], in : AfR-Archiv, 1088. 17 Ebd. 18 Ebd. 19 Ebd. 20 Vgl. dazu z. B. Vogel/Jantschek 2019. 21 Grundsätze für die Haltung der DDR zu Fragen der Rückführung von Kulturgütern, o.D. [1975], in : AfR-Archiv, 1088. 22 Eckert/Wirz 2002. 23 Zur Position des Ministeriums für Kultur in Fragen der „Rückführung von Kulturgut in die Ursprungsländer“, in : BArch, DR 136/99, Bl. 88–91. 24 Ebd., Bl. 88r-88v. 25 Ebd., Bl. 90r. 26 Ebd., Bl. 90v. 27 Ebd., Bl. 90v-91r. 28 Ebd., Bl. 89r, Hervorhebung durch den Verfasser. 29 Ebd., Bl. 89v. 30 Der Augenzeuge 1955/52, www.progress.film/record/4795 (Zugriff 15.3.2021). 31 Rede des Ministerpräsidenten Otto Grotewohl auf der Massenkundgebung in Peking, 11.12.1955, publiziert in : Die DDR und China 1995, S. 78 f.; Klein 2006, S. 180. 32 National Library of Peping an Universitätsbibliothek Leipzig, 25.11.1931, in : UB Leipzig, Altregistratur 759, Bl. 57. Ich danke Cordula Reuß von der Universitätsbibliothek Leipzig für die Übermittlung der Korrespondenz. 33 Glauning an den Direktor der National-Bibliothek Peking, 19.4.1932, in : UB Leipzig, Altregistratur 759, Bl. 65. 34 National Library of Peping an Universitätsbibliothek Leipzig, 17.5.1932, in : UB Leipzig, Altregistratur 759, Bl. 66. 35 Aide-Mémoire der Regierung Nigerias an die Botschaft der DDR in Lagos (Übersetzung aus dem Englischen), 28.8.1974, in : AfR-Archiv, 1098. Mit ähnlichen Vorstößen betreffend den Rückkauf
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oder Leihgaben von Benin-Objekten wandte sich Nigeria um 1972 an verschiedene europäische Länder, darunter die BRD, vgl. Savoy 2021, S. 30 ff. 36 Dazu u. a. Coombes 1994 ; Lundén 2016 ; Habermas 2017 ; Bodenstein 2019 ; Hicks 2020. 37 Vgl. Kunst aus Benin 2002, S. 44–48. 38 Leiter des AfR : Information zur Angelegenheit „Benin-Sammlung“ des Völkerkundemuseums in Leipzig, o.D. (1974), in : AfR-Archiv, 1098. 39 Ebd. 40 Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut, 17.11.1970, in : www.unesco.de/sites/default/files/2018–03/ 1970_Ma%C3%9Fnahmen_zum_Verbot_und_zur_Verh%C3%BCtung_der_unzul%C3%A4ssigen_ Einfuhr_Ausfuhr_%C3%9Cbereignung_von_Kulturgut_0.pdf (Zugriff 22.1.2020). 41 Leiter des AfR : Information zur Angelegenheit „Benin-Sammlung“ des Völkerkundemuseums in Leipzig, o.D. (1974), in : AfR-Archiv, AfR 1098. 42 Ebd. 43 Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli 1952, Gesetzblatt DDR, Nr. 100 ; siehe dazu auch den Beitrag Sachse in diesem Band. 44 Leiter des AfR : Information zur Angelegenheit „Benin-Sammlung“ des Völkerkundemuseums in Leipzig, o.D. (1974), in : AfR-Archiv, 1098. 45 Vgl. Mükke 2018. 46 Erklärung zum Umgang mit den in deutschen Museen und Einrichtungen befindlichen Benin-Bronzen, 30.4.2021, in : www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/benin-bronze/2456786 (Zugriff 19.7.2021). 47 Vgl. dazu Savoy 2019. 48 Eyo 1985, S. 25. 49 Vgl. Savoy 2019 ; Savoy 2021, S. 190–193. 50 Information über den Abschlussbericht der 3. Tagung des zwischenstaatlichen Komitees für die Rückgabe von Kulturgütern an ihre Ursprungsländer oder ihre Rückführung im Falle ungesetzlicher Aneignung [in Istanbul], o.D. [1983], in : AfR-Archiv, 1088. 51 Ebd. 52 Bericht über Verhandlungen zwischen Delegationen der Deutschen Demokratischen Republik und der Republik Türkei über die Übergabe von Keilschrifttafeln, o.D. [1987], in : AfR-Archiv, 1088. 53 Ralf Schummer : Bericht über einen Studienaufenthalt und die Teilnahme an der Jahrestagung des Internationalen Komitees für naturwissenschaftliche Museen (ICNHM) von ICOM (Dienstreise in die Vereinigte Republik Tansania, 1.8.–2.9.1987), in : MfN, HBSB, Tansania 1987, Bl. 52–60.; Heumann/Stoecker/Vennen 2018, S. 267–270. 54 Ebd. 55 Ebd. 56 Direktive für die Teilnahme an der Jahrestagung des Internationalen Komitees für naturhistorische Museen (ICOM) sowie an der Vorbereitung der Tagung in Arusha, Tansania, in : MfN, HBSB, Tansania 1987. 57 Ralf Schummer : Aktennotiz eines Telefongesprächs mit W. Schmeichler am 27.7.1988 betr.: Saurierknochen nach Tansania, in : MfN, HBSB, Tansania 1987, Bl. 34. 58 Vermerk über ein Gespräch des Gen[ossen] H[artmut] König, Stellv. Minister für Kultur, mit Muayad Saeed, Generaldirektor der Antiquitäten- und Erbe-Abteilung des Ministeriums für Kultur und Information und Direktor des Irak Museums Bagdad, 29.9.1989, in : AfR-Archiv, 1103 ; Saehrendt 2017, S. 128. „… schweigend umgehen“
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59 Horst Klengel/Joachim Herrmann : Wissenschaftliches Gutachten betr. die Ziegelfragmente des Ištar-Tores im Vorderasiatischen Museum, o.D. [1989], in : AfR-Archiv, 1103. 60 Vgl. Stellungnahme Liane Jakob-Rost, 4.10.1989, in : AfR-Archiv, 1103. 61 Vgl. Savoy 2021 ; Strugalla 2020.
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MUSEOLO GI E U N D MUSEUMSGESTALTU NG
Mary-Elizabeth Andrews
H ISTO RY MU S E UMS A N D S O C I ALI ST MUS E OLO GY I N TH E G DR The role of the Museum for German History in national and international discourse
In January 1972, the leadership of the Museum for German History (Museum für Deutsche Geschichte ; MfDG) in East Berlin took stock. This was a significant waypoint in the museum’s history. The self-proclaimed “central” history museum of the German Democratic Republic was celebrating its twentieth anniversary, planning the first major overhaul of its permanent exhibitions, and engaging with broader debates about museum practice and the role of history museums in a socialist society. The museum was also, unbeknownst to staff at the time, just over halfway through its 38-year existence. Formally established in January 1952, the Museum for German History had, according to its own rhetoric, developed step-by-step with the GDR and was inseparably linked with its growth and development.1 Twenty years on, East Germany’s professional museum journal, Neue Museumskunde, proclaimed the Museum for German History “the most important new museum established under the GDR.”2 Both because of, and despite these claims, the Museum for German History is an important lens through which to view East German museum practice. It is also a complicated lens for a number of reasons. Drawing upon my previous research into the history of the Berlin Zeughaus,3 this paper focuses on the role of the Museum for German History in the context of broader East German museum developments. It takes in the period from the immediate post-war era through to the museum’s participation in national and international attempts to define museology and, in particular, a specific socialist museology, during the 1970s and 1980s. Throughout its existence the Museum for German History held a privileged place at the heart of the Socialist Unity Party’s (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands ; SED) popular education program. As the GDR’s de facto national history museum, it functioned at a nexus between leading Soviet museums, a network of Eastern Bloc institutions, and the numerous history and Heimat museums of the GDR. It also straddled the broader museum sector and the Party-led historical sciences, something that had to be reconciled as attempts to define a Socialist museology emerged alongside Western discourse.4 As a key player in domestic, international socialist and, to some extent, international museum debate, the Museum for German History was, according to the editors of Neue Museumskunde, “of fundamental importance for the development of museum practice in the GDR” and a major contributor to the “formation and dissemination of a new historical image.”5
History museums and socialist museology in the GDR
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Fig. 1 : The former Zeughaus Museum’s World War section opened in 1932, photo 1934
Reconciling the Zeughaus legacy after 1945 This new vision of German history to be told within the museum was not without complications – not least due to the legacy of the former Zeughaus Museum, the former Prussian arms and armour and military historical museum, established in 1877, whose surviving collections and prestigious building (dated 1706) became the foundation upon which a radically different history museum was built. Like the Zeughaus before it, the Museum for German History was always fundamentally linked to the shifts and changes in the German national idea – both reflecting and reinforcing notions of sovereignty, nation, and identity via historical narratives upheld by artifacts. From Prussian armoury to arms and armour and army-historical museum, from Weimar-era “place of serious instruction”6 to central site for National Socialist military propaganda,7 the Zeug haus was at the very heart of Prussian and later German self-representation (Fig. 1). The Zeughaus Museum was dissolved by allied authorities in October 1945 for its complicity in Prussian and National Socialist militarism. But despite the incongruence of the Zeughaus legacy for the Soviet occupation and later East German authorities, it was simply too important a site to ignore. Ludwig Justi (1876–1957), General Director of the former 150 I Mary-Elizabeth Andrews
State Museums of Berlin 1946 to 1957, was just one of many with an eye on the Zeughaus during the occupation period. And indeed, the motley assortment of exhibitions staged in the building, beginning with a trade and industrial show titled Berlin baut auf in 1946, reflect an ever-changing dynamic between the Soviet Military Administration, local organisations and the remaining occupying powers. Throughout this period and during the reconstruction works that began in 1948, the Zeug haus governance changed a number of times as permanent plans for its use began to emerge. Initially separate, the period also saw the emergence within the SED of the idea for the creation of a central history museum. Changes relating to the Zeughaus architecture, interior design, and future content, which eventually came to include the SED’s history museum, reflect broader political shifts and the growing need to appropriate a national identity for the fledgling GDR.
Looking for a new type of ideological museum in the Cold War Conceptual planning for the new museum began in May 1950, when the Marx-Engels-LeninInstitute, later the Institute for Marxism-Leninism,8 set up a small collective to develop a conceptual plan for a museum of the revolutionary movement.9 By the time the museum was officially founded in January 1952, its scope had broadened to include national history and its task was seen as part of an urgent national struggle. This imperative, and the rhetoric of “national struggle”, should be viewed in the context of the shifting relationship between the fledgling German states, each becoming more fully integrated into its respective political, economic, and defence spheres during the period, alongside the solidification of the global East-West divide and resulting Cold War tensions. In this context, it was the task of the museum to harness the so-called progressive forces of the past in the face of what was seen as US attempts to erase German national traditions.10 The museum should speak for all of Germany, with “unity” (on socialist terms) a central component of its rhetoric. It was given less than six months to open its first permanent displays. Compounding the short timeframe was the complete lack of exhibition experience among the museum’s early staff, something that was more-than-evident in its first displays. In his speech at the museum’s foundation, GDR Prime Minister Otto Grotewohl had spoken of a break from existing museum traditions, invoking the Stalinist terminology the SED had used to describe the Party itself to declare the MfDG a “museum of a new type.”11 Just how it would differentiate itself museologically from existing museums was not made clear then, and the first displays underscored the very real need for museum staff to engage with the museum as medium, rather than just attempting to “work out” a new German history. The first sign that staff would start to consider museum methods came later that year with a small delegation visiting key Soviet museums in Moscow and St Petersburg, then Leningrad in September 1952 (Fig. 2).12 Museum director, Alfred Meusel (1896–1960), wrote in a report of the trip about the most basic level of insights such as using historical objects as the starting History museums and socialist museology in the GDR
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Fig. 2 : Museum for German History Director Alfred Meusel, and staff Eduard Ullmann, Heinz Tropitz, and Peter-Paul Weiß are greeted in Moscow September 1953
point for creating narratives, rather than just filling gaps between historical texts. This was the first of many important exchanges that saw the museum build links with several other didactic and cultural history museums, not only in the Soviet Union, but across the Eastern Bloc. For the Museum for German History this was a vital component of its development and practice. It took many forms over the years, including professional exchanges, friendship agreements, the sharing of specialist knowledge, cultural material and travelling exhibitions, exhibition co-production and museological conferences. The museum’s key relationships were within the European Soviet realm, but it also offered special assistance to museums and memorial sites as far away as Cuba and Vietnam. Though always part of the museum’s practice, cross-border museological discourse intensified at the beginning of the 1970s – around the time of the museum’s abovementioned twentieth anniversary – and culminated in 1988 with the publication of the joint Soviet/GDR professional and training manual, Museologie.13 As with key developments throughout the Zeughaus and MfDG history, the intensification of museum discourse was precipitated by external events that placed heightened pressure on the task of the museum. According to official GDR historiography the period from the VIII Party Congress in 1971, marking the advent of the Honecker-era and the so-called “unity of social and economic policy,”14 represented a major caesura – the starting point for the reali152 I Mary-Elizabeth Andrews
sation of a developed socialist society.15 The period saw a turning point in the GDR’s national concept, something that was of vital significance for history museums. It was also the year in which the long-standing state-run exhibition Fragen an die deutsche Geschichte opened in West Berlin in the Reichstag building, providing an impulse for the future German Historical Museum (Deutsches Historisches Museum ; DHM) and a signal of the increasing desire in the Federal Republic to reclaim an “abandoned” national history.16 Over the course of the 1970s and 1980s, changes to the East German national concept brought about a significant re-assessment of the historical image on which the nation rested. Again, the most significant factor in the new national image to be translated in the museum context was the shifting relationship between the two German states. Broad-level changes in policy between the Western and Soviet powers, and in the Federal Republic following the election of a social-liberal coalition under Willy Brandt in 1969, created the conditions for détente. With the Basic Treaty between the two Germanys completed in December 1972 and the subsequent “normalisation” of relations between the states came the long sought-after diplomatic recognition of the GDR, but also a renewed threat from the “class enemy” next door. Against this backdrop the previously held definition of nationhood was re-visited, as the GDR sought to shore up its position against the Federal Republic and finally abandoned the rhetoric of unity that had defined the national discourse for over two decades.17 At the same time, greater emphasis was placed on socialist internationalism, and the museum would have to reconcile both elements in its presentation of German history.
Shaping socialist history museums in the GDR What this meant for history museums in the GDR was not only changing the history they were telling – including a direct Party call to develop contemporary history displays by the twenty-fifth anniversary of the GDR in 1974 – but also an increased requirement to develop more effective means of telling it. From their immediate concern with securing collections and re-building in the post-war era, East German museums had made significant strides towards professionalization – in some instances, ahead of their western counterparts. While impossible to trace in full here, key developments included the publication of the first compendium for museum work, Hilfsbuch der Museumarbeit, in 1953,18 the creation of the Special Department for Heimat Museums (Fachstelle für Heimatmuseen) in 1954, the establishment of the professional journal Neue Museumskunde in 1958, the foundation of the Museum Council (Rat für Museumswesen) within the Ministry for Culture in 1965, and the establishment and recognition of the GDR’s ICOM National Committee in 1968.19 Throughout the 1960s, museum practitioners had also engaged in theoretical discussions about, what they called at the time “museum science” (Museumswissenschaft). A 1964 special supplement of Neue Museumskunde set out theses for the development of a museum science that would treat original objects as its source. It was concerned with the tasks of the museum and finding ways to standardise and generalise across museum types.20 Also of History museums and socialist museology in the GDR
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concern were the disciplinary boundaries of this new science, which the authors felt, because of the specificity of its methodology based on original objects, should be considered a standalone discipline. For its part, the Museum for German History provided a separate contribution, dealing specifically with history museums and the presentation of lawful historical processes and phenomena.21 This paper placed emphasis back onto the exhibition rather than the object as the main concern of the museum, and stressed the closeness of history museums to the historical sciences. “The essential difference between the historical scientific work with regard to the presentation of the history of the German people and the work of the history museum”, it stated, “consists in the choice of medium of demonstration. The history museum and the historical exhibition use predominantly original historical objects for presentation, while the historical sciences utilise predominantly the written word for this purpose.”22 This was a consistent message for the MfDG and an important distinction. By situating history museums within the historical sciences, the role of the curator as researcher and exhibition maker is understood in relation to centrally planned historical work. According to the Marxist-Leninist view, the role of the historian is not simply to interpret history, but to actively participate in the class struggle.23 As a Marxist party, the SED’s coordination and supervision of the historical sciences was fully in keeping with its stated role.24 This not only reconciled museum practitioners – publicly at least – to Party control of the museum, but was promoted as a particular strength. “The success of the museum was above all thereby possible”, wrote SED functionary Gregor Schirmer (born 1932) in 1977, “that it always allowed itself to be led by the path-setting resolutions of our Party.”25
Waypoint 1972 – from socialist to international museological discourse Though the theoretical discussion begun in 1964 did not go much further at the time, the call to improve museum effectiveness following the VIII Party Congress in 1971 prompted a new impulse to resolve socialist museum theory. Consequently, in 1971 the Special Department for Heimat Museums was transformed into the official GDR Institute for Museology (Institut für Museumswesen) and the Ministry for Culture established a working group to develop theses for the perspective development of museums. The Museum for German History used the occasion of its twentieth anniversary in 1972 to host an ambitious symposium, with speakers from across the GDR, as well as Bulgaria, Hungary, Poland, Yugoslavia, Romania, and the Soviet Union. This also became the springboard for the museum’s new publication, Beiträge und Mitteilungen, with 16 issues produced between 1972 and 1988. The conference topic, “History museums in socialist society”, was also the title of the opening speech by museum director Wolfgang Herbst (1928–1995). Long-time museum staff member and director since 1968, Herbst drew on his recent PhD dissertation26 to outline a set of imperatives for history museums. He identified building socialist consciousness, particularly among the youth, as the key task. This necessitated rethinking permanent displays 154 I Mary-Elizabeth Andrews
Fig. 3 : Conclusion of the Museum for German History’s contemporary history displays opened in 1974, in which the Party Congress of 1971 was presented as the culmination of the development of socialist society in the GDR
to better integrate original objects and demonstrate German historical development within world-historical processes, and the building of better collections of contemporary history in order to convincingly demonstrate the formation of socialism in the GDR as the pinnacle of the history of the German people (Fig. 3).27 Again, Herbst emphasised the relationship of history museums to the historical sciences, but also called for the more comprehensive development of a Marxist-Leninist museology, particularly as a counterpoint to the rise of what he called bourgeois museology. For the latter he referenced the 1971 international symposium held by the West German ICOM National Committee in Munich28 and the growing international interest in defining museology and its aims. Whether in reaction to these western developments or more closely aligned with Party directives for museum work, the growing concern with the question of museology among socialist museums did parallel developments in the West to some extent. The relationship between East and West German practitioners was fraught at best. While in the GDR literature West German developments were closely followed and thoroughly scrutinised, West Germans appeared to pay little attention to the museological discourse of their eastern counterparts. History museums and socialist museology in the GDR
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Nonetheless, the East Germans and their socialist colleagues were not just talking in a vacuum. Over the course of the 1970s and 1980s, they did gain some international traction thanks to representation within ICOM and its subcommittees since 1968.29 Wolfgang Herbst and another Museum for German History representative, Ingo Materna (born 1932), were published in the ICOM journal Museum in 197730 and Herbst went on to become vice president of the International Committee for Museums and Collections of Archaeology and History in 1980. Perhaps the greatest forum for East/West dialogue was the International Committee for Museology, whose Museum Working Papers series (known as MuWoP) in the early 1980s brought together the most prominent museum theorists from across the Soviet Bloc with respected practitioners from as far afield as Britain, North America, Brazil, Japan, Syria, Israel, and Australia. Interestingly, it was the MfDG’s specialist militaria collections, built from the former Zeughaus collections, that had provided the other means for cross-cultural professional collaboration. Staff in that area had long-standing contacts with colleagues working in similar specialist collections, both East and West. The nature of that professional engagement was quite different to the discourse that emerged in the 1970s and 1980s, however. The freedoms enjoyed by the collection experts in the militaria department were predicated on their seemingly neutral status as “connoisseurs” and the prestige their research provided, while the engagement with museological discourse was wholly political. Back at home, a new Working Group was formed to further the development of a theoretical and applied museology. It included Joachim Ave (1921–2003), Head of the Pedagogical Department of the Museum for German History. Its “Discussion Material” presented new theses regarding the subject and scope of museology from some of the GDR’s key museum theorists of various disciplines, among them Ave, biologist Ilse Jahn (1922–2010),31 Rolf Lang, Heinz Wecks (1921–1986), and historian Klaus Schreiner (1929–1991). It laid the groundwork for the development of curriculum for a university accredited training program in museology, which commenced at the Museum for German History in 1982 and complemented its existing practical course in conservation that had begun in 1976.32 Alongside the complete renewal of its permanent displays in 1981 and 1984 (Fig. 4), the museum continued to engage in museological discourse. With the rediscovery of history in West Germany and the establishment of the German Historical Museum in 1987, the Museum for German History finally officially positioned itself as the “national” history museum of the GDR. Just one year before the fall of the Wall, and as it prepared for a major exhibition celebrating 40 Jahre DDR, the museum held another large-scale international conference on museums and museology. Out of the conference came the abovementioned Museologie publication.33 This comprehensive handbook for museum students and practitioners, published in 1988 by Herbst and Konstantin G. Levykin as a joint project by GDR and USSR museologists, drew together the developed theory of the socialist history museum and the practical lessons from the museum’s final permanent exhibition overhaul, whose rich object-driven presentation was a far cry from earlier lacklustre offerings. The new displays combined political, economic, military, technical, social, cultural, industrial, and “every day” histories incorporating 156 I Mary-Elizabeth Andrews
Fig. 4 : The Museum for German History’s re-developed permanent exhibition of German history, section “1848–1871”, opened in 1981
a diverse array of objects and strategic use of large-scale graphics, pull quotes, 3D design and colour theory. Though still firmly anchored in Party ideology, the exhibitions nonetheless demonstrated a developed approach to the museum as a medium for telling history, prompting one western commentator to write : “In the West, it has been sometimes dismissed as mere propaganda, but this is a very superficial view, not least because it ignores the important fact that the Museum of German History is, professionally and irrespective of its politics, an excellent museum.”34 And, thanks to the renewed interest in Prussian history on both sides of the Wall in the 1980s, it was the former Zeughaus collections that came to the fore, both underscoring the new approach to history and fulfilling the requirement for rich, object-driven displays – that finally had evolved from Alfred Meusel’s first rudimentary observations of Soviet museums in 1952.
Notes 1 2 3 4
Herbst/Materna 1972, p. 7. 20 Jahre Museum für Deutsche Geschichte 1972, p. 4, translated from German original. Andrews 2014 ; Andrews 2015. On MfDG history see also Ebenfeld 2001 ; Penny 1995. History museums and socialist museology in the GDR
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20 Jahre Museum für Deutsche Geschichte 1972, p. 4, translated from German original. Post 1929, p. 5, translated from German original. See Weißbrich 2016. The Marx-Engels-Lenin-Institute was founded in 1947 in Berlin and commenced operations in 1949, its main areas of responsibility being research into the works of Marx and Engels and the history of the German and international labour movement, the publication of the classics of Marxism-Leninism, care for the bequests of KPD and SED functionaries, and the publication of memoirs of the leaders of the German labour movement. It was briefly re-named the Marx-Engels-Lenin-Stalin-Institut in honour of Stalin following his death in 1953, receiving its final name, Institute for Marxism-Leninism, in 1956 following the Twentieth Party Congress of the CPSU, see DDR-Handbuch 1985, pp. 655 f. Tagesordnungspunkt Nr. 7 : “Schaffung eines Museums der revolutionären Bewegung in Berlin,” Protokoll Nr. 87, Sitzung des Politbüros, 9.5.1950, in : SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2/87, fol. 3. W.S. 1952, p. 4. Museum für Deutsche Geschichte 1952, translated from German original. The provision for a delegation to visit the Soviet Union and the request to be made to the Central Committee of the Soviet Communist Party for an exchange of personnel to assist the museum was approved by the Politbüro on 18 December 1951 and the staff members appointed to the delegation were approved in February 1952, see Tagesordnungspunkt Nr. 9 : “Delegation des Museums für deutsche Geschichte in der Sowjetunion,” Protokoll Nr. 84, Sitzung des Politbüros, 18.12.1951, in : BArch-SAMPO, DY 30/IV 2/2/184, fol. 3 ; Tagesordnungspunkt Nr. 4 : “Delegation zum Studium der Museen in der Sowjetunion,” Protokoll Nr. 94, Sitzung des Politbüros, 19.2.1952, in : BArchSAMPO, DY 30/IV 2/2/194, fol. 4. Museologie 1988. Erich Honecker replaced Walter Ulbricht as First Secretary of the Central Committee of the SED at the Sixteenth Plenary Meeting of the Central Committee on 3 May 1971. Honecker’s appointment was officially announced at the VIII Party Congress (15–19 June 1971), at which he outlined a new economic programme under the concept of the “unity of economic and social policy.” Wernicke 1985, p. 17. See for instance Stölzl/Beier-de Haan 1988, p. 30 ; Fragen an die deutsche Geschichte 1993. See Jeismann 1988, p. 12. Rudloff-Hille 1953. See for example Entwurf von Thesen zur Museumswissenschaft 1964, p. 20 ; Kiau 1982, p. 87 ; Schätze sollen nicht verstauben 1964 ; on governmental museum organisation in the GDR see essay Karge in this volume. Entwurf von Thesen zur Museumswissenschaft 1964, pp. 11–15. Gülzow 1964, pp. 29–38. Ibid., pp. 32f, translated from German original. Dorpalen 1976, p. 59. On central planning and control see Iggers 1989, pp. 62–65. Schirmer 1977, p. 15, translated from German original. Herbst 1971. On Herbst und MfDG present time collecting strategies see also essay Ludwig in this volume. Museologie 1973. For background information see Wanner 2013 as well as essay Kratz-Kessemeier in this volume.
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Herbst 1977 ; Materna 1977. On Jahn see essay Scheil in this volume. See Dießner 1984, pp. 3 f.; Sander 1981, pp. 206–210. Museologie 1988. Hudson 1987, p. 139.
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Arne Lindemann
AN SC H AU L I C H E R ELI G I O N S K R ITI K Die inhaltliche und gestalterische Genese der archäologischen Ausstellung Anfänge der Religion im Museum für Deutsche Geschichte Berlin1
Das Foyer des ehemaligen Zeughauses in Berlin am zentralen Boulevard Unter den Linden ist ein denkbar schwieriger Ausstellungsraum. Die Ausstrahlung der repräsentativen Halle mit ihren zwei breiten, zum Obergeschoss führenden Treppen, den hohen Fenstern und den freistehenden, mit Marmor verkleideten Säulen macht es schwierig, das Auge und das Interesse des Besuchers auf die Objekte und ihre Geschichte zu lenken und gleichzeitig die Wirkungskraft des historischen Raums nicht zu stören. Nachdem 1953 in das stark kriegszerstörte und unter großen Anstrengungen instandgesetzte barocke Gebäude die Dauerausstellung des Museums für Deutsche Geschichte (MfDG) eingezogen war,2 bildete das Foyer regelmäßig die Kulisse für Sonderausstellungen des MfDG, unter anderem auch 1959 für die archäologische Ausstellung Anfänge der Religion. Rücksicht auf die Architektur oder historische Aura des Gebäudes wurde dabei im jungen sozialistischen Staat DDR meist wenig genommen. Für den Auftakt der Schau Anfänge der Religion wurde beispielsweise gleich links neben der Treppe zum ersten Obergeschoß eine etwa drei Meter hohe gewölbte Stellwand eingezogen, die fast vollständig die dahinter liegenden Wände mit Durchgangstür und Außenfenstern verdeckte. Auch die übrige Ausstellung, die mit insgesamt 27 großen Stellwänden gleichen Formats, in Originalgröße rekonstruierten Grabanlagen und zahlreichen großen Schauvitrinen aufwartete, passte sich nicht in die baulichen Gegebenheiten des Foyers ein, sondern überdeckte diese konsequent und gab dem Raum eine völlig neue Struktur (Abb. 1). Mit dem Zeughaus als Heimstatt des neuen Nationalmuseums der DDR hatte die SED-Führung ob dessen Vergangenheit als Symbolstätte des preußisch-deutschen Militarismus von Beginn an ihre Probleme.3 So ist es nicht verwunderlich, dass man vergleichsweise unsensibel mit der historischen Kulisse umging und der Vermittlung der Ausstellungsinhalte durch raumgreifende Installationen den Vorrang einräumte. Im Detail überliefert ist die Ausstellung von 1959 über ein vollständiges Drehbuch nebst Fotodokumentation.4 Sieht man von der plakativen Überschreibung der Raumarchitektur ab, so mutet die Ausstellung überraschend modern und stringent strukturiert an. Die eingebaute Architektur aus Sperrholzwänden teilte die Sonderschau in vier Abschnitte, die chronologisch durch die Entwicklung der Glaubensvorstellung in der sogenannten „Urgesellschaft“5 führten. Innerhalb der Abteilungen gaben die Schauwände den Einstieg in verschiedene Unterthemen. Ihre Gestaltung, die die SED-eigene Deutsche Werbe- und Anzeigengesellschaft DEWAG verantwortete,6 zeugt mit groß aufgezogenen Fotos und Grafiken, skizzenhaft einfach gehalAnschauliche Religionskritik
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Abb. 1 : Sonderausstellung Anfänge der Religion im Foyer des Museums für Deutsche Geschichte in OstBerlin, 1959
tenen Lebensbildern sowie einer klaren Typografie von einem sicheren Blick für Proportionen und Übersichtlichkeit. Vor den Schauwänden waren Pultvitrinen aufgebaut. Die darin ausgestellten Objekte nahmen durch ihre räumliche Nähe direkten inhaltlichen Bezug zur jeweiligen Themenwand auf, womit sich die bildlich und textlich entworfenen Aussagen auf den Schauwänden mit den originalen Objekten historisch belegend verbanden. Auflockernd und anschaulich wirkten die zahlreich in den Abteilungen platzierten Modelle, sechs in Originalgröße rekonstruierte Gräber, Großobjekte und die hohen verglasten Schauvitrinen. Die Ausstellung versuchte mit gestalterischen Mitteln eine bildhafte, eingängige Geschichtserzählung zu kreieren. Sie stellte das Ergebnis einer Entwicklung dar, die bereits kurz nach Kriegsende 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) einen ganz anderen Weg eingeschlagen hatte als zeitgenössische Ausstellungen zur Prähistorie im Westen Deutschlands. Im Westen fegte als Gegenreaktion auf die gestalterisch und didaktisch getragene Ideologisierung der Museen in der NS-Zeit ein wahrer Bildersturm durch die Ausstellungen. Die Kuratoren verzichteten auf kulturhistorische Erzählungen und setzten meist auf eine kunsthistorisch geprägte, wissenschaftlich-ästhetische Darstellungsweise der Museumsobjekte.7 In der SBZ und frühen DDR knüpfte man dagegen mit anderen geschichtsideologischen Prämissen an die gestalterischen und didaktischen Prinzipien der Vorkriegszeit an, wobei, wie in diesem 162 I Arne Lindemann
Beitrag gezeigt werden soll, institutionelle und personelle Kontinuitäten großen Einfluss nahmen. Auch wenn die Sonderausstellung Anfänge der Religion diesem Weg in jeder Hinsicht gerecht wurde, verhinderte schließlich doch das Eingreifen höchster politischer Stellen, dass die Ausstellung 1959 auch tatsächlich im MfDG eröffnet werden konnte.
Mit innovativer Ausstellungsgestaltung von Halle nach Berlin – Kontinuitätsstränge von der NS-Zeit in die DDR Hinsichtlich der gestalterischen und später noch zu besprechenden inhaltlichen Konzeption der Ausstellung lohnt ein Blick auf den Werdegang der an der Ausstellung beteiligten Personen. Die Schlüsselfigur ist hier der Prähistoriker Karl-Heinz Otto (1915–1989), der eine wichtige Rolle bei der ideologischen und organisatorischen Eingliederung der Ur- und Frühgeschichtsforschung in die staatlichen Strukturen der DDR spielte und sich in den 1940er und 1950er Jahren besonders auch der didaktischen und inhaltlichen Konzeption von Urgeschichtsausstellungen widmete.8 Für die Konzeption und Inhalte der Ausstellung Anfänge der Religion zeichnete 1958/59 die Abteilung Ur- und Frühgeschichte des Museums für Deutsche Geschichte verantwortlich. Karl-Heinz Otto war zu diesem Zeitpunkt Direktor der Abteilung, allerdings übte er die Funktion bereits seit 1954 nur noch ehrenamtlich aus. Die kuratorische Leitung der Ausstellung übernahm daher seine Stellvertreterin, die Prähistorikerin Gisela Buschendorf (1921–2011). Inhaltlich wurde sie dabei von ihren Fachkollegen Wolfgang Padberg (geb. 1910) und Willi Lunow (später Bailleu, 1921–1984) unterstützt. Zur Abteilung gehörten darüber hinaus der Bibliothekar und fachliche Quereinsteiger Erich Jaehner (geb. 1906) sowie der Präparator Hans-Ulrich Kelch (geb. 1936).9 Die Laufbahn des 1915 in Kassel geborenen Otto begann in den 1930er Jahren am Landesmuseum für Vorgeschichte Halle/Saale. Das 1918 in einem repräsentativen Neubau von Wilhelm Kreis (1873–1955) eröffnete Museum hatte sich in der Zwischenkriegszeit zu einer überregional bedeutenden Institution entwickelt, an der Bodendenkmalpflege, Forschung und eine aktive Ausstellungsarbeit fruchtbar zusammenspielten.10 Allerdings besaß die Ausstrahlung des Museums von Anfang an durch den Gründungsdirektor Hans Hahne (1875–1935) einen stark völkischen, rassenideologischen Einschlag, der auch nach Hahnes Tod in den Ausstellungen seine Fortsetzung fand.11 In dieser Zeit arbeitete Karl-Heinz Otto neben seinem Studium an der Martin-Luther-Universität Halle, das er Ende 1939 mit der Promotion abschloss, „fast ununterbrochen“ zunächst als wissenschaftliche Hilfskraft und später als Assistent am Landesmuseum für Vorgeschichte. Er machte sich hier, nach seinen eigenen Worten, „mit allen vorkommenden museumstechnischen Fragen vertraut“.12 Zu seinen Aufgaben gehörten sicherlich auch Arbeiten an der Dauerausstellung und an einigen der über zwanzig Sonderausstellungen, die das Museum in den 1930er Jahren zeigte.13 Nach Kriegsdienst und kurzer Kriegsgefangenschaft kehrte Otto im September 1945 nach Halle zurück. Begünstigt durch Entnazifizierungsmaßnahmen und einen Mangel an politisch „unbelastetem“ Personal stieg Otto, der nicht Mitglied der NSDAP gewesen war, am Museum Anschauliche Religionskritik
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schnell zum Kustos auf. Ein Karrieresprung, der dem erst Dreißigjährigen unter normalen administrativen und akademischen Rahmenbedingungen so sicherlich nicht möglich gewesen wäre. Am nahezu verlust- und schadensfrei durch den Krieg gekommenen Landesmuseum für Vorgeschichte Halle wurde die aktive Ausstellungsarbeit der Vorkriegszeit nun nahtlos weitergeführt.14 Ausschlaggebend hierfür wird der kultur- und geschichtspolitische Kurs der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) und der ihr untergeordneten deutschen Verwaltung gewesen sein – sah doch das im Februar 1946 von der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung veröffentlichte „Statut für staatliche und kommunale örtliche Heimatmuseen“ die „kulturelle Aufklärungsarbeit des Volkes“ als künftig vordringlichste Aufgabe der Museen an. Die „Volksbildungsstätte“ Museum solle „durch Führungen und Beratungen der Besucher“ sowie durch die „Einrichtungen von Ausstellungen“ den „antidemokratischen und humanitätsfeindlichen Charakter der faschistischen, rassischen und militaristischen Ideologie [aufdecken]“.15 Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesmuseums für Vorgeschichte, zu denen ab 1946 auch Gisela Buschendorf und ab 1951 Wolfgang Padberg gehörten, investierten entsprechend unter der Ägide von Kustos Karl-Heinz Otto große Anstrengungen zunächst in den Wiederaufbau und dann in die Weiterentwicklung der Dauerausstellung sowie in die Produktion zahlreicher Sonderausstellungen.16 Die bereits im März 1946 wiedereröffnete Dauerausstellung in Halle wurde 1948 komplett überarbeitet. Die konzeptionelle Linie folgte dabei dem Bemühen um eine bildhafte Gestaltung und den didaktischen Prämissen : vereinfachen, verzichten, weglassen. „[Die Ausstellung] ist noch wesentlich mehr aufgelockert als früher, dabei sind die Funde durch Bilder und Beschriftungen erläutert und zum Sprechen gebracht worden“, berichtete KarlHeinz Otto oder einer seiner Mitarbeiter 1949.17 Ein prägendes didaktisches Mittel der Ausstellung waren sogenannte „gestaltete Schauschränke“ (Abb. 2), in denen zu einem bestimmten Thema Objekte mit Schrifttafeln, Modellen, Rekonstruktionen und Lebensbildern „harmonisch“ kombiniert wurden. Diese Zusammenstellungen „können ihre Wirkung auf den Beschauer nicht verfehlen und werden dem Besucher einer vorgeschichtlichen Museumsabteilung einen nachhaltigen Eindruck vermitteln“, so die Überzeugung von Kustos Karl-Heinz Otto.18 Im Saal zur Jungsteinzeit waren beispielsweise entlang der Wände solche Schauschränke unter anderem zu den Themen Wirtschaft, Gesellschaft, technischer Fortschritt, Kult und zu verschiedenen Keramikformen aufgestellt.19 Mit der deutlichen Reduzierung der Objektanzahl, der um Bildhaftigkeit bemühten Kontextualisierung der Exponate durch Lebensbilder, Dioramen, Texte und Karten sowie mit der Orientierung an einer thematisch akzentuierten, zugleich klar strukturierten, aufeinander aufbauend erzählten Kulturgeschichte wurden hier museumsdidaktische und gestalterische Entwicklungen und Überzeugungen fortgeführt, die ihren Ursprung in der Museumsreformbewegung des frühen 20. Jahrhunderts hatten und deren Umsetzungen in den späten 1920er und 1930er Jahren einen Höhepunkt erfuhren.20
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Abb. 2 : „Gestalteter Schauschrank“ zur Wirtschaftsweise in der Jungsteinzeit, Dauerausstellung Landesmuseum für Vorgeschichte Halle, Abteilung Jungsteinzeit, 1946/47
In Inhalt und Form den Marxismus-Leninismus im Blick Das Streben nach einer eingängigen, für jede Besucherin und jeden Besucher lesbaren Geschichtserzählung war vor allem in der NS-Zeit mit dem Ziel verbunden worden, gezielt geschichtsideologisch konnotierte Aussagen und Bilder zu vermitteln. Auch die Museen in der SBZ und DDR standen wieder vor dieser Aufgabe, allerdings unter anderen ideologischen Vorzeichen. Zunächst noch verhalten auf marxistische bzw. historisch-materialistische Theorien verweisend, setzte die SED spätestens mit der Gründung der DDR 1949 alle Hebel in Bewegung, um ein marxistisch-leninistisches Geschichtsbild im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern. Museen spielten dabei, wie die Einrichtung des MfDG zeigt, eine wichtige Rolle. So verfolgte das Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle mit der Neuaufstellung seiner Dauerausstellung 1948 das Ziel, „die besondere Bedeutung der wirtschaftlichen Verhältnisse für die kulturellen Erscheinungen der einzelnen Zeitabschnitte klar [herauszubilden], um die Besucher außer mit der materiellen und geistigen Kultur auch mit den sozialen und soziologischen Verhältnissen der Vorzeitmenschen in der mitteldeutschen Landschaft bekannt zu machen“.21 Dafür verzichtete man in der Präsentation „weitgehend“ auf „typologische und chronologische Gesichtspunkte“ und stellte „handwerkliche, technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Gesichtspunkte in den Vordergrund“.22 Anschauliche Religionskritik
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Die Schwerpunktsetzungen zeigen eine erste Ausrichtung auf eine Geschichtserzählung, die im marxistischen Sinne auf sozialökonomische Aspekte und deren Zusammenwirken fokussierte. In der Konzeptionsphase der Ausstellung in Halle hatte es dahingehende Gespräche zwischen Otto und Vertretern der SMAD gegeben.23 In dem bereits oben erwähnten „gestalteten Schauschrank“ zur Wirtschaft in der Jungsteinzeit heißt es so zum Beispiel in einem Begleittext : „Das bald über den unmittelbaren Bedarf für die Ernährung hinaus in Herden gehaltene Vieh ist TAUSCH - und Z AHLUNGSMIT TEL . Es entsteht Ungleichheit des Besitzes und Ansammlung von Reichtum.“24 Der Text nimmt hier direkt Bezug auf die marxistische These, dass mit der Viehzucht bei manchen Stämmen ein eigenständiger Wirtschaftszweig entstand, durch den sich erstmals eine Überproduktion und damit Privatbesitz und hierarchische Strukturen in der ansonsten egalitären Urgesellschaft entwickelten. Der Themenbereich Wirtschaft wurde also mit der gesellschaftlichen Entwicklung verknüpft und deutete dadurch den dialektischen Zusammenhang beider Bereiche an. Diese vergleichsweise deutliche Anleihe beim marxistischen Geschichtsverständnis blieb in der Dauerausstellung in Halle allerdings noch die Ausnahme. Eine klarere Sprache fanden indes bereits die Sonderausstellungen des Museums. So versuchte beispielsweise die 1948 unter der Federführung von Karl-Heinz Otto und Gisela Buschendorf konzipierte Wanderausstellung Technik und Fortschritt in der Vorzeit, die Urgeschichte ganz direkt mit der Tagespolitik zu verbinden. Anlass war der von der SED ausgerufene „Zweijahrplan für 1949–1950“, der von allen Werktätigen unter anderem eine Steigerung der Arbeitsproduktivität forderte.25 Im Exposé der Sonderausstellung heißt es dazu explizit : „Das vorgeschichtliche Material bietet die Möglichkeit, das zeitnahe Problem der Leistungssteigerung durch Verbesserung der Arbeitsgeräte auch für vorgeschichtliche Epochen aufzuzeigen. Eine kleine Schau von entsprechenden Beispielen solcher Verbesserungen, die in der Vorzeit zur Produktionssteigerung führten, kann einen wertvollen Beitrag zur Weckung des Verständnisses für die heutigen Bemühungen liefern“.26 Die von Anfang an als Wanderausstellung konzipierte Schau bestand aus mehreren transportablen Aufstellern, die jeweils zwei großformatige Grafiken fassten. Vor jedem Aufsteller stand eine für den Transport auseinandernehmbare Pultvitrine, die vom Landesmuseum eigens für diesen Zweck entwickelt worden war.27 Die zweiteiligen Aufsteller führten anhand von Lebensbildern, Statistiken und Fotografien Beispiele für den Zusammenhang von fortschrittlicher Werkzeugentwicklung und Leistungssteigerung vor. Ein Aufsteller zeigte etwa einen angewinkelten Arm, dessen Faust ein Feuersteinbeil hielt. Im rechten oberen Bereich der Grafik hielt ein zweiter Arm als Fortentwicklung ein mit einem Holzstiel geschäftetes Feuersteinbeil. Durch die Grafik zog sich von links unten nach rechts oben, einem Liniendiagramm ähnlich, ein ansteigender Graph. In der Mitte der Grafik stand groß „Leistungssteigerung durch Schäftung um 100 %“.28 In den Vitrinen vor den Aufstellern wurden jeweils die inhaltlich passenden Fundobjekte gezeigt. Die Schau kam durchweg mit kurzen erläuternden Überschriften auf den Grafiken und einigen wenigen Begleittexten an den Vitrinen oder Aufstellern aus. Vor allem sollte mit Hilfe prägnanter grafischer Darstellungen und durch Gegenüberstellung aussagekräftiger Bilder 166 I Arne Lindemann
Abb. 3 : Abteilung „Geschichte der Urgesellschaft“ des Museums für Deutsche Geschichte, 1950er Jahre
und Fundobjekte die politisch-ideologische Botschaft für die Besucherinnen und Besucher augenfällig werden. Die Kombination aus großformatigen Schaugrafiken und davor platzierten inhaltlich passenden Funden hatte das Museum in Halle schon in den Sonderausstellungen der 1930er Jahre erprobt.29 Diese Präsentationsweise barg den Vorteil, inhaltliche Aussagen bildhaft und präzise über Lebensbilder oder Grafiken transportieren und zusätzlich mit originalen Fundobjekten historisch „beweisen“ zu können. Durch die Aneinanderreihung und gegenseitige Bezugnahme der Aufsteller untereinander konnte so aus den einzelnen Themen eine zusammenhängende Erzählung entstehen. Eben dieses Prinzip wandten Karl-Heinz Otto, Gisela Buschendorf und Wolfgang Padberg dann auch in der Ausstellung zur „Geschichte der Urgesellschaft“ am 1952 gegründeten Museum für Deutsche Geschichte an. Karl-Heinz Otto war Ende 1951 zum Direktor der Abteilung Ur- und Frühgeschichte am MfDG ernannt worden.30 Mit ihm ging Gisela Buschendorf von Halle nach Berlin. Wolfgang Padberg folgte 1953. Hier entwickelte das Team um Otto ein zusammenhängendes Band aus großformatigen Lebensbildern mit davorstehenden Tischvitrinen, das von der Steinzeit bis zur Völkerwanderungszeit eine fortlaufende, geschlossene Geschichtserzählung präsentierte (Abb. 3).31 Auch in der Ende der 1950er Jahre von der Abteilung konzipierten Sonderausstellung Anfänge der Religion kam diese Präsentationsform zum Einsatz (Abb. 4). Anschauliche Religionskritik
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Abb. 4 : Sonderausstellung Anfänge der Religion im Museum für Deutsche Geschichte, Schauwand zum „Mutter-Erde-Kult“ und zum „Wasser-Kult“, 1959
Diese Art der Ausstellungsinszenierung entsprach in besonderer Weise der marxistisch-leninistischen Vorstellung von Geschichte als linearem Entwicklungsprozess und wurde später in Abwandlungen immer wieder als probates Gestaltungsmittel an sozialistischen Geschichtsmuseum propagiert. So pries beispielsweise der Prähistoriker und Nestor der DDR-Museologie Heinz Arno Knorr (1909–1996) 1962 in der Neuen Museumskunde die Gestaltung archäologischer Ausstellungen in der Tschechoslowakei als vorbildlich, wo im Slezské Muzeum in Opava, dem früheren Schlesischen Landesmuseum Troppau, durch s-förmig aneinandergereihte, auf Stahlrohren stehende Schaufenstervitrinen oder im Nationalmuseum in Prag durch ein sich über mehrere Säle hinziehendes durchgehend verglastes Schauband die Möglichkeit geschaffen worden sei, „die Vielseitigkeit der [historischen] Erscheinungen in zeitlichen und räumlichen Zusammenhängen und Überschneidungen überzeugend am Material zu demonstrieren“.32 Laut Kurator der archäologischen Abteilung des Nationalmuseums in Prag war es dabei ausdrückliches Ziel des ohne Querwände auskommenden gläsernen Schaubandes, den Besucher „die fortlaufende Entwicklung ohne Unterbrechung erkennen [zu lassen]“.33 In der DDR dauerte es allerdings noch bis weit in die 1960er Jahre hinein, bis in den Ausstellungen der Urgeschichtsmuseen ähnliche Formen bzw. Varianten einer solchen ‚fließenden‘ Gestaltung tatsächlich Einzug hielten. 168 I Arne Lindemann
In der Zeit zwischen der Wiedereröffnung der Dauerausstellung des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 1946 und der Produktion der Sonderausstellung Anfänge der Religion 1958/59 waren es in der SBZ und frühen DDR unterdessen eben vor allem Karl-Heinz Otto und Teile seines Teams, die sich um die möglichst breite Vermittlung eines marxistisch-leninistischen Urgeschichtsbildes bemühten. Wichtige Knotenpunkte für dessen Popularisierung waren dabei in der Hallenser Zeit die Mitarbeit Ottos und Padbergs an der Entwicklung von Geschichtslehrbüchern für die 5. und 9. Klassen34 und die von Otto konzipierten und gehaltenen Vorlesungen für Studierende der Geschichte zur „Allgemeinen Geschichte der Urgesellschaft“ an der Universität Halle. Letztere galten als „erste geschlossene Darstellung der Ur- und Frühgeschichte auf marxistisch-leninistischer Grundlage, welche auf einer historisch-materialistischen Auswertung und Interpretation des archäologischen Quellenmaterials beruhte“.35 In seiner Zeit am MfDG erarbeitete Otto überdies den 1960 herausgegebenen ersten Band des Lehrbuchs der deutschen Geschichte mit dem Titel Deutschland in der Epoche der Urgesellschaft.36 Das vom ZK der SED initiierte, letztendlich zwölf Bände umfassende Lehrbuch gab einen Corpus verbindlicher Leittexte vor, die, gebilligt von einem politisch und wissenschaftlich autorisierten Gremium, fortan die inhaltlichen und zeitlichen Eckdaten des sozialistischen Geschichtsbilds absteckten.37 Gisela Buschendorf und Wolfgang Padberg verfassten Mitte der 1950er Jahre zudem Beiträge zur Menschwerdung und zur Urgesellschaft für das Jugendweihe-Geschenkbuch Weltall, Erde, Mensch.38 Das mit Bildern des tschechoslowakischen Zeichners und Grafikers Zdeněk Burian (1905–1981) opulent aufgemachte populärwissenschaftliche Werk erlebte bis 1974 zahlreiche Auflagen mit insgesamt über vier Millionen Exemplaren und war in fast jedem Haushalt der DDR zu finden. Die Jugendweihe, die davor auch häufig in Museen abgehaltenen Jugendstunden und dann auch das Geschenkbuch selbst waren Mittel der in den 1950er Jahren gegen die Kirchen gerichteten atheistischen Propaganda der SED.39 Der Atheismus sollte über die Vermittlung eines natur- und gesellschaftswissenschaftlich fundierten Weltbilds fernab jeder religiösen Anschauung breitenwirksam in der Jugend und der gesamten Bevölkerung verankert werden. Die Urgeschichtsschreibung lieferte vor allem mit dem Thema der Menschwerdung und des Kults wichtiges ‚Beweismaterial‘ für die politischen Anliegen der SED, weshalb zu dieser Zeit neben der Ausstellung Anfänge der Religion weitere staatlich geförderte Ausstellungsprojekte verwirklicht wurden. Zu nennen ist hier beispielsweise die am 15. Dezember 1955 im Berolina-Haus am Alexanderplatz in Ost-Berlin eröffnete erste Großausstellung Ahnen der Menschheit der Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse, später URANIA, die das Weimarer Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens zusammen mit der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar kuratiert hatte. Zum 150. Geburtstag Darwins 1959 entstand in der Dresdener Stadthalle auf 1.200 m² eine Darwin-Ausstellung, zu der das Landesmuseum für Vorgeschichte Dresden eine Abteilung zur frühesten gesellschaftlichen Entwicklung des Menschen beitrug. All diese Ausstellungen gingen aus gestalterischer Sicht neue Wege, um mit ihrer Geschichtserzählung ein breites Publikum zu erreichen. Es waren aber vor allem Karl-Heinz Otto und sein Team, die versuchten, dieses Anliegen dezidiert und mit nachhaltiger Wirkung in den Dienst der Staatsmacht zu stellen. Anschauliche Religionskritik
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Spielball der Politik – Grenzen und Perspektiven sozialistischer Ausstellungsgestaltung in der frühen DDR Auch wenn die Sonderausstellung Anfänge der Religion keine plakative Religionskritik betrieb, war die inhaltliche Ausrichtung der Ausstellung von 1959 so in ihrer Tendenz unmissverständlich : Die Ausstellung deutete die religiösen Vorstellungen der Menschen als Folge ihrer eingeschränkten Einsicht in die Gesetzmäßigkeiten der Natur und die Entwicklung von Ökonomie und Gesellschaft. Alle religiösen Handlungen wurden als Versuch gewertet, die eigenen wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Verhältnisse zu verbessern, wobei die religiösen Vorstellungen als direkt vom ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklungsstand abhängig dargestellt wurden. Bei den Jägern und Sammlern der Altsteinzeit wurden die bekannten Felszeichnungen und Jagdszenen aus französischen und spanischen Höhlen als Magie interpretiert, von der die Menschen „fälschlicherweise“ geglaubt hätten, sie würden die Natur im Sinne des Jagderfolgs unmittelbar beeinflussen. Die Frauenstatuetten dieser Zeit, wie die Venus von Dolni Vestonice oder die von Willendorf, wurden als Zeichen einer kultischen Verehrung der Frau verstanden, die sich aus deren gehobener gesellschaftlicher Stellung in der matriarchalen Urgesellschaft geschöpft habe.40 Die im weiteren Verlauf der Menschheitsgeschichte fortschreitende technische Entwicklung habe den Menschen, so die Argumentation in der Ausstellung, immer tiefere Einblicke in die Naturgesetze erlaubt, was sich auch auf die Ausübung des Kults ausgewirkt habe. Beim Übergang von der Ur- zur Klassengesellschaft habe die zunehmende Hierarchisierung der Gesellschaft schließlich dazu geführt, dass sich auch die Götterwelt zunehmend hierarchisch aufgebaut habe und sich, mit der Entstehung der Idee des Staatsoberhaupts, monotheistische Vorstellungen durchgesetzt hätten. Die Ausstellung zitierte hierzu Engels : „Der Eine Gott wäre ohne den einen König nie zustande gekommen, […] die Einheit des die vielen Naturerscheinungen kontrollierenden, die widerstreitenden Naturkräfte zusammenhaltenden Gottes ist nur das Abbild des Einen, die widerstreitenden, in ihren Interessen kollidierenden Individuen scheinbar oder wirklich zusammenhaltenden orientalischen Despoten.“ Im zur Ausstellung veröffentlichten Flyer wie auch sinngemäß in der Ausstellung selbst im Einleitungstext zum Ausstellungsabschnitt „Zur Entwicklung der Religion in der frühen Klassengesellschaft“ findet sich außerdem die offensiv ideologisch gefärbte Passage : „Die Religion dient [seit der Entstehung des Staates] der Festigung und Erhaltung der bestehenden Gesellschaftsordnung. In den Händen der herrschenden Klasse wird sie zu einem wichtigen Mittel der Massenbeeinflussung.“41 Die Ausstellung vertrat damit eine marxistisch-leninistische Sicht auf die frühe Entwicklung der Religion, mit der Quintessenz, dass religiöse Vorstellungen und Kult lediglich eine mangelnde Einsicht in die Gesetzmäßigkeiten der Natur darstellen würden, was im Umkehrschluss bedeutete, dass sich mit der vollständigen Erkenntnis der Gesetze der materiellen Welt die Religion als ein überholtes Konzept erweisen werde. Die Ost-Berliner Sonderausstellung vermittelte mit all diesen Ansätzen im Sinne der SEDPropaganda eine atheistische, antireligiöse und damit antikirchliche Sichtweise, die in dieser Reinform in einer Zeit des eskalierenden Ost-West-Konflikts allerdings bald ihrerseits an poli170 I Arne Lindemann
Abb. 5 : Sonderausstellung Anfänge der Religion im Museum für Deutsche Geschichte, Schauwand „Geisterglaube“, 1959
tische Grenzen stieß. Die eben zitierte Passage fand so schnell auch Eingang in eine kurze Meldung der im Hamburger Axel-Springer-Verlag erscheinenden Tageszeitung Die Welt.42 Am 23. März 1959 wurde hier auf eine DPA-Meldung hin unter dem Titel Gefährliche Religion berichtet, tags zuvor habe die Besichtigung der angekündigten Sonderausstellung Anfänge der Religion im MfDG vor verschlossenen Türen geendet. Als Grund habe ein Museumsmitarbeiter angegeben, die Vorbereitungen der Ausstellung hätten nicht rechtzeitig beendet werden können und der Wissenschaftliche Rat des Museums habe nicht zugestimmt, den „jetzigen Stand der Arbeit für den Besucher freizugeben“.43 Entgegen der Aussage des Museumsmitarbeiters war die Ausstellung zum Eröffnungstermin jedoch vollständig fertiggestellt (Abb. 5). Gisela Buschendorf hatte im ersten Quartal des Jahres 1958 die „Leitgedanken“ zur Ausstellung entwickelt und erstes Material zusammengetragen. Daraufhin waren bis zum Sommer 1958 die „Thesen“ ausgearbeitet worden, die wiederum die Grundlage für den Rohentwurf des Ausstellungs-Drehbuchs bildeten, dem bis Ende des Jahres zwei weitere Entwurfsfassungen gefolgt waren. Jedes Ergebnis dieser vorgegebenen konzeptionellen Arbeitsschritte wurde auf Treffen der Abteilung „vorgestellt und akzeptiert“. Parallel trug man die Exponate für die Ausstellung zusammen, die durchweg fotografisch und zeichnerisch dokumentiert wurden. Leihgeber waren unter anderem die Urgeschichtsmuseen Anschauliche Religionskritik
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in Weimar, Schwerin, Dresden, Potsdam und Halle, die Völkerkundemuseen in Leipzig und Dresden sowie die Vorderasiatische Abteilung der Staatlichen Museen zu Berlin. Der Präparator Hans-Ulrich Kelch restaurierte Ausstellungsstücke und Modelle, fertigte Abgüsse an und richtete die im Original gezeigten Fundkomplexe her. Zur Vorbereitung der Führungskräfte des MfDG fanden mit der Abteilung Führung des Museums vor der geplanten Eröffnung am 21. März 1959 sechs Konsultationen statt.44 Der letzte die Ausstellung betreffende Eintrag in den Arbeitsberichten der Abteilung Urund Frühgeschichte des MfDG stellte dann allerdings in der Tat nur noch nüchtern fest : „Der Aufbau der Sonderausstellung ‚Anfänge der Religion‘ wurde durchgeführt und termingemäß beendet. Die für den 21. März vorgesehene Eröffnung mußte aus technischen Gründen verschoben werden“.45 Die „technischen Gründe“ waren aber nur vorgeschoben. Den Stopp der Ausstellung hatte das Sekretariat des ZK der SED verordnet, ein einmaliger Vorgang, den es so bezogen auf eine Urgeschichtsausstellung im SED-Staat zuvor nicht gegeben hatte und der sich auch danach in der Geschichte der DDR nicht wiederholen sollte. Die Absage der Ausstellung erfolgte konkret auf einen Beschluss des Sekretariats des ZK der SED hin, das in „Vorbereitung auf die Aussenministerkonferenz“ dem „Klassengegner“ keine „Handhabe zur Verschärfung“ geben wollte.46 Gemeint ist hier die nach 1955 zweite der Viermächtekonferenzen, bei denen die Sowjetunion und die Westalliierten über eine mögliche Wiedervereinigung Deutschlands verhandelten. Ausgangspunkt des zweiten Treffens ab 11. Mai 1959 in Genf war die Forderung des neuen sowjetischen Regierungschefs Nikita Chruschtschow (1894–1971) vom November 1958, den Viermächtestatus Berlins aufzuheben, die alliierten Truppen aus West-Berlin abzuziehen und ganz Berlin in eine entmilitarisierte „Freie Stadt“ umzuwandeln. Die dadurch heraufbeschworene „zweite Berlin-Krise“ erzwang die Genfer Verhandlungen vom Mai bis August 1959.47 Die DDR war an einem reibungslosen Verlauf der Verhandlungen interessiert und Ulbricht verpflichtete sich gegenüber Chruschtschow, „hausgemachte“ Störfaktoren zu unterbinden.48 Die äußerst angespannte außenpolitische Situation und der dabei auf Berlin liegende Fokus scheint das Sekretariat des ZK der SED schließlich auch dazu bewogen zu haben, die antireligiösen Tendenzen der Ausstellung Anfänge der Religion, die sich in Andeutungen im Begleitheft der Ausstellung ablesen ließen, zu stoppen. So beschlossen die Mitglieder des Sekretariats49 auf ihrer Sitzung am 18. März 1959, „daß die vom Museum für Deutsche Geschichte vorbereitete Ausstellung ‚Anfänge der Religion‘ nicht eröffnet wird, da es unzweckmäßig ist, im gegenwärtigen Zeitpunkt in Berlin eine derartige Ausstellung zu veranstalten und die Ausstellung ideologische Mängel aufweist“. Außerdem forderte man die Abteilung Wissenschaft des ZK der SED auf, „einen Bericht über die Umstände der Vorbereitung“ der Ausstellung vorzulegen.50 Im daraufhin Anfang April 1959 verfassten Bericht der Abteilung Wissenschaft, dem eine Aussprache zwischen Mitarbeitern der Abteilung und der Direktion des MfDG vorausging, heißt es dann, dass die Ausstellung den Forderungen des V. Parteitags der SED vom Juli 1958 nach einer stärkeren Propagierung des dialektischen Materialismus hätte nachkommen wollen. Dabei hätten jedoch die „Genossen der Direktion […] sehr wenig Verständnis für Bedürfnisse der aktuellen politischen Lage besonders in Berlin gezeigt“ 172 I Arne Lindemann
und „völlig unterschätzt, dass diese Ausstellung im grössten Museum der Deutschen Demokratischen Republik gerade zum gegenwärtigen Zeitpunkt von der Feindpropaganda für eine ideologisch-politische Störtätigkeit ausgenutzt worden wäre“.51 Dass die Schließung der Ausstellung tatsächlich allein tagespolitisch begründet war, macht ein Beschluss des Sekretariats des ZK eineinhalb Jahre später, von Ende November 1960, deutlich. Das Urteil zur Ausstellung lautete hier nach dem Scheitern der Genfer Annäherung : „Die Ausstellung beruht auf wissenschaftlichen, sehr anschaulichen Materialien […]. Sie verletzt in keiner Weise die Gefühle religiös gebundener Bürger.“ Da man somit „für ein weiteres Zurückhalten der Ausstellung keinen Grund“ sah, konnte diese zunächst in Leipzig und dann in weiteren Orten der DDR gezeigt werden.52 So fand die Schau, die als Ergebnis langjähriger Bemühungen Ottos gelten kann, aus den didaktischen und gestalterischen Ideen der Museumsreformbewegung wie aus der NS-Zeit heraus eine Inszenierungsform für ‚sozialistische‘ Urgeschichtsausstellungen zu kreieren, doch noch Eingang in die Museumslandschaft der DDR. Die neuen Ansätze kamen hier in den Ausstellungen der Urgeschichtsmuseen der DDR allerdings dann erst in den Jahren ab 1965 nachhaltig zur Wirkung – als zunehmend Prähistorikerinnen und Prähistoriker Aufgaben und Leitungspositionen in den Museen übernahmen, die bereits an Hochschulen der DDR ausgebildet worden waren.
Anmerkungen 1 2
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Der Beitrag fußt auf Ergebnissen der am Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik der TU Berlin entstandenen Dissertation des Autors : Lindemann 2022. Mit der Gründung des MfDG Anfang 1952 verband die politische Führung der DDR das Ziel, ein nationales Geschichtsmuseum zu schaffen, in dem eine deutsche Geschichte im Sinne des Marxismus-Leninismus entwickelt und breitenwirksam popularisiert werden sollte, vgl. Pfundt 1994, S. 23–27 ; Ebenfeld 2001, S. 75–79 u. 140 ; Andrews 2014, S. 283–297 ; siehe dazu auch den Beitrag Andrews in diesem Band. Das Museum war damit nicht nur als Präsentationsort einer „sozialistischen ‚Meistererzählung‘“ gedacht, sondern auch als deren „zentrale Produktionsstätte“ (Sabrow 2001, S. 44). Vgl. Pfundt 1994, S. 1–9 ; Ebenfeld 2001, S. 61–82 ; Andrews 2014, S. 239–283. DHM, Hausarchiv, MfDG, A60, 2549. Das Konzept vom Verlauf der Geschichte in Form aufeinander aufbauender Gesellschaftsformationen stellt das zentrale Grundgerüst der marxistisch-leninistischen Geschichtsauffassung dar. Geschichte ist danach als Entwicklungsprozess der menschlichen Gesellschaft vom Niederen zum Höheren zu verstehen, wobei gesetzmäßig die Gesellschaftsformationen Urgesellschaft, Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus, Kapitalismus und Sozialismus/Kommunismus durchlaufen werden, vgl. Kleines politisches Wörterbuch 1967, S. 224 u. 461 f. Die Urgesellschaft als egalitäre Gesellschaftsform stand dabei am Anfang des Entwicklungsprozesses und stellte gleichzeitig eine naive Vorform der höchsten Gesellschaftsform, des Kommunismus, dar : den Urkommunismus. Die seit Herbst 1945 bestehende DEWAG war unmittelbar der Abteilung Agitation des ZK der SED unterstellt. In ihren über die DDR verteilten Filialen wurden Werbung, Messegestaltung, Plakate, Anschauliche Religionskritik
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die Verpackung von „Konsumgütern“ aller Art und auch Ausstellungen für Museen entworfen, vgl. Altendorfer 2004, S. 54 f. 7 Vgl. Schöbel 2016, S. 69. 8 Zu Otto vgl. Leube 2010, S. 127–136 ; Lindemann 2016, S. 150–152. 9 Vgl. Arbeitsberichte 1958/59, in : DHM, Hausarchiv, MfDG, 419. 10 Vgl. Schneider 1984, S. 89–92. 11 Zu Hahne vgl. Ziehe 2002. 12 DHM, Hausarchiv, MfDG, Personalakte Otto, Karl-Heinz (laut Archivauskunft). 13 Siehe dazu LDA-SA HA, 241a u. 241b ; vgl. auch Müller 1984, S. 188–190. 14 Vgl. Müller 1984, S. 190–192. 15 Statut für staatliche und kommunale örtliche Heimatmuseen vom 22.2.1946, abgedruckt in Kiau 1985, S. 93 ; zur Zentralverwaltung für Volksbildung siehe auch den Beitrag Steinkamp in diesem Band. 16 Vgl. Kaufmann 1984, S. 157 f. 17 Otto (oder Mildenberger) an H. Priebe, 5.4.1949, in : LDA-SA HA, 532. 18 Otto 1950, S. 6. 19 Vgl. LDA-SA HA, 340a. 20 Vgl. Roth 1990, S. 191 ff.; Joachimides 2001, S. 99–259 ; Museen im Nationalsozialismus 2016, darin speziell Bernau 2016 ; für archäologische Museen Halle 2013. 21 Arbeitsbericht des Landesmuseums Sachsen-Anhalt, 19.1.1948, in : LDA-SA HA, 376b. 22 Otto (oder Mildenberger) an H. Priebe, 5.4.1949, in : LDA-SA HA, 532. 23 Vgl. Entwurf zum Bericht über den Neuaufbau der Schausammlung im Landesmuseum vom 14.1.1948, in : LDA-SA HA, 300a. 24 LDA-SA HA, 340a u. 340d, Hervorhebung im Original. 25 Vgl. dazu Der deutsche Zweijahrplan für 1949–1950 1948, S. 23–33 ; Steiner 2016, S. 58 f. 26 Konzeption Sonderausstellung „Technik und Fortschritt in der Vorzeit“, in : LDA-SA HA, 341b. 27 Vgl. Knorr 1950. 28 Vgl. Fotos u. Konzeption der Ausstellung, in : LDA-SA HA, 341a u. 341b. 29 Vgl. LDA-SA HA, 241a u. 241b. 30 Vgl. zur Kaderplanung des Museums Lindemann 2016, S. 150–152. 31 Hierzu ausführlich Lindemann 2016. 32 Knorr 1962, S. 206 f.; vgl. dazu später auch Neustupný 1968. 33 Knorr 1962, S. 207, Anm. 1. 34 Vgl. Behrens 1984, S. 55 ; Lebenslauf Wolfgang Padberg, 13.9.1951, in : LDA-SA HA, 536b. 35 Anke 1993, S. 287. 36 Otto 1960. 37 Vgl. Sabrow 2002, S. 36. 38 Weltall, Erde, Mensch 1954. 39 Vgl. hierzu Urban/Weinzen 1984 ; Fischer 1998 ; Polianski 2006 ; Müller-Wenzel 2009, S. 63–74 ; Pekrull 2014 ; Anhalt 2016. 40 Vgl. hier und im Folgenden Drehbücher Anfänge der Religion, in : DHM, Hausarchiv, MfDG, A60, 2549. 41 Flyer zur Ausstellung Anfänge der Religion, in : SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/9.04/253. 42 Auszug aus Die Welt, 23.3.1959, S. 5, in : SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/9.04/253, Bl. 165. 43 Ebd.
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44 Vgl. Arbeitsberichte I. Quartal 1958, II. Quartal 1958, III. Quartal 1958, IV. Quartal 1958 u. I. Quartal 1959, in : DHM, Hausarchiv, MfDG, 419. 45 Arbeitsbericht I. Quartal 1959, in : DHM, Hausarchiv, MfDG, 419. 46 Vorlage an das Sekretariat des Zentralkomitees der SED, 29.11.1960, in : SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/9.04/253, Bl. 236. 47 Vgl. Malycha/Winters 2009, S. 153 f. 48 Vgl. Lemke 2001, S. 456. 49 Anwesend waren die Sekretäre Alfred Neumann, Erich Honecker, Kurt Hager, Albert Norden, Gerhard Grüneberg, Paul Verner, Erich Apel, Alfred Kurella und Otto Schön, vgl. Sekretariat des ZK, Reinschriftprotokoll Nr. 7 vom 18.3.1959, in : SAPMO-BArch, DY 30/56308. 50 Sekretariat des ZK, Reinschriftprotokoll Nr. 7 vom 18.3.1959, in : SAPMO-BArch, DY 30/56308. 51 Bericht der Abteilung Wissenschaft an das Sekretariat des ZK, 2.4.1959, in : SAPMO-BArch, DY 30/ IV 2/9.04/253, Bl. 166. 52 Vorlage an das Sekretariat des Zentralkomitees der SED, 29.11.1960, in : SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/9.04/253, Bl. 236.
Anschauliche Religionskritik
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Melanie Scheil
I N N OVATIV I M RA H M EN D ES SYSTE MS Die Museologin Ilse Jahn am Museum für Naturkunde Berlin 1967–1982
Ilse Jahn (1922–2010) war als Biologiehistorikerin und Museologin eine der prägenden Figuren der Museumsgeschichte der letzten beiden Dekaden der DDR. Fünfzehn Jahre lang, von 1967 bis 1982, arbeitete die promovierte Biologin am Museum für Naturkunde in Ost-Berlin als Leiterin des Ausstellungsbereichs und Kustodin der historischen Bild- und Schriftgutsammlung, ab 1971 war sie dort auch für die Bildungsarbeit verantwortlich. Jahn brachte sich in dieser Zeit auf oberster Ebene in die Museumspolitik der DDR ein : Ab Ende der 1960er Jahre gehörte sie der Arbeitsgruppe für Museumspädagogik beim Ministerium für Volksbildung an. Mittlerweile selbst in der SED, wurde sie 1971 Mitglied im Rat für Museumswesen der DDR und hatte hier bis 1978 den Vorsitz in der Fachsektion Biologische Museen inne. Ab 1982 wirkte sie in der Arbeitsgruppe Museologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen mit. Welche Positionen vertrat Ilse Jahn dabei konkret ? Wie setzte sie sie im Museum für Naturkunde praktisch um ? Wie prägte sie damit die Naturkundemuseen, die Museologie und die Entwicklung der Museen in der DDR mit ? Gestützt auf die Ergebnisse meiner Bachelorarbeit zu Ilse Jahn im Studiengang Museumskunde an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft,1 möchte ich im Folgenden nach einem kurzen biografischen Einstieg zum einen Jahns Prinzipien der Ausstellungsgestaltung im politischen Kontext skizzieren, die in der Forschung bislang weitgehend unbeachtet geblieben sind, zum anderen Jahns museologischen Ansatz genauer vorstellen, mit dem sie in den 1980er Jahren professionellere Perspektiven für die Naturkundemuseen der DDR entwickelt hat.
Zwischen Biologie, Museumspolitik und Museologie – biografischer Hintergrund Ilse Jahns Werdegang begann in der Kriegs- und Nachkriegszeit keineswegs geradlinig : 1922 in Chemnitz geboren, studierte Ilse Trommer 1941 Zoologie und Botanik in Jena. Ein Jahr später brach sie ihr Studium ab. Nach der Geburt ihrer Tochter arbeitete sie ab 1946/47 zunächst einige Jahre als freie Malerin und Grafikerin in Chemnitz. Nachdem sie 1952 erfahren hatte, dass ihr Mann in russischer Gefangenschaft gestorben war, nahm sie ihr Biologiestudium in Jena wieder auf.2 Als Diplomfach wählte sie die Entomologie, also die Insektenkunde. Um ihr Stipendium aufzubessern, wurde Ilse Jahn 1954 in Jena Hilfsassistentin am Ernst-HaeckelInnovativ im Rahmen des Systems
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Haus, damals „Institut für Geschichte der Zoologie“. Von Georg Uschmann (1913–1986) für die Geschichte der Biologie begeistert, begann sie dort 1958 als wissenschaftliche Assistentin zu dieser Thematik zu forschen. Mit ihrer Geschichte der Botanik in Jena von der Gründung der Universität bis zur Berufung Pringsheims (1558–1864) wurde sie 1963 promoviert. Danach war sie an der Alexander-von-Humboldt-Forschungsstelle der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin tätig.3 1967 wechselte Jahn schließlich, inzwischen bereits 45 Jahre alt, mit Unterstützung des damaligen Museumsdirektors, des Zoologen Konrad Senglaub (1926–2016), der das Haus 1962 bis 1981 leitete, an das der Humboldt-Universität angeschlossene Berliner Museum für Naturkunde. An Senglaubs Museum, das bis 1969 noch als Zoologisches Museum firmierte, wollte sie sich zur Geschichte der Biologie habilitieren. Der Plan scheiterte jedoch, als die DDR-Hochschulreform 1969 wissenschaftshistorische Lehrangebote bei den Biologen strich. Als Hauptabteilungsleiterin der Schausammlungen des Berliner Museums für Naturkunde setzte sich Jahn daraufhin neue Ziele, nun im Museumsbereich. Schon am Haeckel-Haus hatte sie erste Museumserfahrungen sammeln können und war dort, mit DDR-spezifischer Ambivalenz zwischen politisch gewollter Orientierung und deren praktischer Ignorierung, auch von den evolutionstheoretischen Ansätzen des sowjetischen Agrarwissenschaftlers Trofim Lyssenko (1898–1976) umgeben gewesen. Jahn scheint dann jedoch wie Senglaub und die „wirklich maßgebenden Biologen in der DDR“ eine kritische Position gegenüber dem hochpolitisierten Lyssenkoismus eingenommen zu haben, als das Konzept ab 1962 in der nachstalinistischen Sowjetunion nicht mehr opportun war.4 Schnell machte sie daraufhin am unter Senglaub just ab 1962 mit innovativen Schauräumen neugestalteten Naturkundemuseum der Hauptstadt mit neuen, professionelleren sozialistischen Ansätzen Karriere. Ab 1968 zusätzlich Kustodin der historischen Bild- und Schriftgutsammlungen, fungierte sie 1971 bis 1974 auch als Stellvertretende Direktorin für Bildungsarbeit am Museum.5 Seit um 1969 gehörte sie der Arbeitsgruppe Schule und Museum beim Volksbildungsministerium der DDR an, die ab 1970 Arbeitsgruppe Museumspädagogik hieß. Im Kontext der Bildungsarbeit am Museum trat Jahn 1971 in die SED ein, nachdem sie sich 1947 bereits in der Gewerkschaft Kunst und Schrifttum und im Künstlerverband der DDR in Chemnitz engagiert hatte.6 Die Parteimitgliedschaft ermöglichte ihr die Aufnahme in führende Museumkreise der DDR – 1971 wurde sie in den Rat für Museumswesen, das seit 1965 höchste staatliche Museumsgremium, berufen, wo sie, wegen dessen Zuständigkeit für Universitätsmuseen ans Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen angebunden, bis 1978 die Fachsektion Biologische Museen leitete. In diesem offiziellen, staatsnahen Zusammenhang konnte sie eigene Ideen für die Museen im SED-Staat entwickeln und umsetzen.7 Dabei stellte Jahn fest, dass es der praktischen Museumsarbeit gerade an naturwissenschaftlichen Museen in der DDR an theoretischen Grundlagen fehlte und dass das Lehrfach Museologie zu dieser Zeit jenseits der Fachschule an keiner Universität eingerichtet war. In ihrer Dissertation Die Museologie als Lehr- und Forschungsdisziplin mit spezieller Berücksichtigung ihrer Funktion in naturhistorischen Museen, die sie 1978 im Rahmen des DDR-Promotionsverfahrens B quasi als Habilitationsschrift vorlegte, plädierte sie daraufhin für eine na178 I Melanie Scheil
Abb. 1 : Ilse Jahn im Hörsaal des Museums König in Bonn anlässlich der 16. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie, 29. Juni 2007
turhistorische Museologie als eigene Wissenschaftsdisziplin.8 1980 wurde sie selbst Dozentin für Museologie an der Berliner Humboldt-Universität. Dabei ging es vor allem um die postgraduale Weiterbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern außeruniversitärer Museen.9 Damit gelang es ihr, eine erste Hochschullehrerstelle für naturhistorische Museologie in der DDR einzurichten.10 Jahn referierte auf internationalen Konferenzen und publizierte viel.11 Auch nach der Pensionierung 1982 blieb sie aktiv, unter anderem in der Arbeitsgruppe Museologie beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Zwei Drittel ihrer über 280 Schriften entstanden in dieser Zeit, jetzt wieder hauptsächlich zur Biologiegeschichte.12 Jahn war inzwischen eine etablierte Wissenschaftsgröße. Seit 1982 gehörte sie der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle an, 1984 wurde ihr der Titel „Obermuseumsrat“ verliehen. Nach dem Mauerfall wurde sie 1995 Mitglied in der New York Academy of Science, 2002 erhielt sie die Ehrendoktorwürde in Jena.13 2010 starb sie mit 88 Jahren in Berlin – als prominente Museologin der DDR und international anerkannte Wissenschaftlerin (Abb. 1).
Jahns naturkundliche Ausstellungsgestaltungen im politischen Kontext Jahns Museumstätigkeit am Naturkundemuseum Berlin unter Senglaub, mit dem sie sich intensiv austauschte und auch gemeinsam publizierte,14 war dabei von Beginn an eng politisch eingebunden. Jahn begann dort Ende der 1960er Jahre in einer Zeit, in der sich die Museumspolitik der DDR ab 1963 im Umfeld eines liberaleren SED-Kurses nach dem Mauerbau professioneller aufgestellt und mit dem Rat für Museumswesen ab 1965 im ministeriellen Kontext Innovativ im Rahmen des Systems
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auch professioneller organisiert hatte, in der die neue DDR-Kulturpolitik, die sich an ICOM und UNESCO orientierte, jedoch ab 1966 wieder in engere ideologische Bahnen gelenkt wurde.15 In eben diesem Zusammenhang von Professionalisierung und marxistisch-leninistischer Museologie bewegte sich nun auch Jahn.16 Konkreter Bezugspunkt für Jahns Museumsengagement in Berlin war hier zunächst vor allem die Arbeitsgruppe Schule und Museum, die 1963 beim Volksbildungsministerium der DDR gegründet worden und inzwischen unter Leitung der beiden promovierten Pädagogen Joachim Ave (1921–2003) und Kurt Patzwall (geb. 1912) erneut deutlich ideologisch aufgestellt war.17 Gerade Ave stand als Leiter der Museumspädagogischen Arbeits- und Forschungsstelle am Museum für Deutsche Geschichte für ein sozialistisches Museumswesen, für das das zentrale Berliner Geschichtsmuseum seit 1952 als Leiteinrichtung fungierte.18 Ilse Jahn war seit um 1969 in der Arbeitsgruppe tätig, die kurz danach in Arbeitsgruppe Museumspädagogik umbenannt wurde. In der Gruppe waren Lehrer und Museumsleute aller Disziplinen vertreten, zudem Pädagogen, die damals in der DDR teilweise bereits hauptamtlich an Museen beschäftigt waren. Die turnusmäßigen Treffen der Gruppe dienten dem interdisziplinären Erfahrungsaustausch über museale Bildungs- und Erziehungsarbeit, gemeinsam wurden Konzepte speziell für eine gezieltere Kooperation von Schule und Museum entwickelt.19 Faktisch ging es um eine Neuausrichtung der Museen nach sozialistischen Vorstellungen mit innovativen Formen der Museumsgestaltung. In den Zeitschriften Neue Museumskunde und Pädagogische Forschung wurden die Beschlüsse der Arbeitsgruppe regelmäßig als Maßgaben veröffentlicht. Ab 1966 gab die Gruppe zudem jedes Jahr die Heftreihe Schule und Museum im einheitlichen sozialistischen Bildungssystem der Deutschen Demokratischen Republik heraus. Das Naturkundemuseum der Hauptstadt und Jahn trugen diese Aktivitäten im Umfeld des Volksbildungsministeriums engagiert mit. 1971 beschäftigte sich die Arbeitsgruppe bei einem Treffen im Berliner Naturkundemuseum speziell mit der Bildungs- und Erziehungsarbeit in naturwissenschaftlichen Museen.20 Als sie 1967 für den Ausstellungsbereich am Berliner Naturkundemuseum zuständig wurde, waren für Jahn entsprechend die Richtlinien zur Gestaltung von Ausstellungen von Ave und Patzwall leitend. Hier ging es zunächst um „Prinzipien der Allgemeinen Didaktik : Gegenständlichkeit, Anschaulichkeit, Wissenschaftlichkeit und Faßlichkeit“. „Schulkinder und ihre Lehrer“ standen „als Zielgruppe im Vordergrund“. Häufig waren die Inhalte daher lehrplanbezogen. Aber auch ein breiteres Publikum sollte erreicht werden.21 Ziel war stets eine fachliche und zugleich auf die Festigung eines marxistisch-leninistischen Geschichtsbildes orientierte Wissensvermittlung.22 Im Idealfall sollte die Ausstellung „die Bereitschaft zur Handlungs- und Erkenntnisaktivität“ beim Besucher wecken, und diese für die Dauer des Museumsbesuches (oder darüber hinaus) aufrechterhalten. Hintergrund dafür war ein bewusster Prozess der sozialistischen Erwachsenenpädagogik : die „Selbsterziehung“ oder das „aktive Selbststudium“.23 Für die konkrete Ausstellungsgestaltung hieß das etwa, dass sich der Besucher Ziele und Wege selbst suchen und nur von methodischen Hinweisen begleitet werden sollte (Abb. 2). 180 I Melanie Scheil
Abb. 2 : Schema der Arbeitsgruppe Schule und Museum zum idealen Ausstellungsaufbau, publiziert 1968 in : Schule und Museum im einheitlichen sozialistischen Bildungssystem 1968, S. 90/91, erneuter Abdruck in : Wir besuchen ein Museum 1976, S. 53
Daraus leitete Jahn als Grundforderungen für ihre Ausstellungsgestaltungen ab : Zum einen müssen die Ausstellungen „wissenschaftlich korrekt und aktuell“, systematisch und „logisch aufgebaut“ sein. Wissen darf „nicht als Abgeschlossenes“ dargestellt werden. Die Museumsbesucher sollen „die Ausstellung als Informationsquellen“ nutzen. Zum anderen muss die Präsentation gegenständlich und fassbar sein. Dafür muss Wichtiges hervorgehoben werden (Abb. 3). Es geht um „Anschaulichkeit“, wobei die Vereinfachung in der Vermittlung nicht zulasten der Wissenschaftlichkeit erfolgen darf. Zugleich sind inadäquate Begriffe, Verallgemeinerungen und die „Vorwegnahme von den zu gewinnenden Erkenntnissen“ zu vermeiden. Neben der Wiederholung betonte Jahn die Selbständigkeit als Grundforderung marxistischer Pädagogik : „an der Tätigkeit für die Tätigkeit entwickeln !“24 Inhaltlich bewegte sie sich dabei auf staatlich klar vorgegebenem Terrain. So hieß es 1976 im Kontext der offiziellen DDRMuseumspädagogik : „Ziel der Arbeit an naturhistorischen Museen ist es, durch Vermittlung biologischer, geowissenschaftlicher, geographischer Kenntnisse die interessante Aneignung der dialektisch-materialistischen Weltanschauung zu unterstützen“.25 Mit einer Museumspädagogik, die Selbsttätigkeit und politisch vorgegebene Erkenntnisrichtungen verknüpfte, entwickelte Jahn die Ausstellungen am Naturkundemuseum bald im Innovativ im Rahmen des Systems
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Abb. 3 : Ensemble im 1969 neugestalteten Primatensaal im Ost-Berliner Naturkundemuseum nach dem Konzept von Ilse Jahn, bei dem Ensemblebildung, die Konzentration auf Teilthemen und „Schichten“- Darstellung an der schnell zu erfassenden Wand die Informationsvermittlung erleichtern sollten, während weitere Erläuterungen in den Vitrinen auf Bodentafeln gegeben wurden, publiziert 1971 in der Neuen Museumskunde in : Jahn 1971, S. 124
Sinne der DDR weiter.26 So stellte sie für eine Museumspräsentation zur Propagierung einer „sozialistischen Landeskultur“ Objekte aus der Natur noch anschaulicher dar. Generell galt für sie dabei : Auch wichtige Ausstellungsthemen sollten nicht rein theoretisch-propagandistisch abgehandelt werden und, wie damals noch in vielen historischen Museen der DDR üblich, allein mit grafischen oder fotografischen Mitteln in „Wandzeitungsform“ dargestellt werden. Vielmehr sollte die Idee der Gegenständlichkeit leitend sein. Fotos von Landschaften sollten den Charakter echter Dokumente tragen. Jahn kritisierte, dass der aktuelle naturhistorische Erkenntnisstand noch lange nicht zum Allgemeinwissen der Bevölkerung gehöre, liege vor allem am Fehlen allgemeinverständlicher Darstellungsformen.27 War Jahn hier von den Ansätzen einer auf methodische Fortschrittlichkeit setzenden neuen DDR-Museumspädagogik geprägt und prägte sie sie selbst weiter mit,28 fand auch Jahns Engagement im Rat für Museumswesen ab 1971 unmittelbaren Niederschlag in ihrer praktischen Museumsarbeit. Der seit 1965 bestehende Rat für Museumswesen, der ans Ministerium für Kultur der DDR und für Universitätsmuseen wie das Naturkundemuseum ans Ministerium für Fach- und Hochschulwesen angegliedert war, setzte mit Fachsektionen für einzelne Museumsgattungen auf eine professionelle, möglichst genau aufeinander abgestimmte Planung 182 I Melanie Scheil
und „Profilierung“ des DDR-Museumswesens und einzelner Häuser.29 Als Fachsektionsleiterin wirkte Jahn aktiv in diesem System der Planung der DDR-Museen mit. Für ihr eigenes Museum wie für andere Naturkundemuseen der DDR stellte Jahn klare Leitlinien auf. Prämissen waren für sie zunächst : Bei naturhistorischen Ausstellungen werden, von Originalen ausgehend, wissenschaftlich-gesellschaftliche Kenntnisse vermittelt. Für die Ausstellungsthematik ist der Museumsdirektor zuständig. Das Thema wird vom Profil des Museums und daneben auch von den gesellschaftlichen Bedürfnissen der Region und vom Charakter des Sammlungsfundus bestimmt. Nach Festlegung des Themas muss eine Auseinandersetzung sowohl mit dem fachlichen als auch mit dem ideologischen Inhalt erfolgen, um zu einer ersten Grobkonzeption zu gelangen. Früh sollten dafür die Verfügbarkeit von Objekten, notwendige präparatorische Maßnahmen oder Leihgaben geklärt werden. Anschließend sei eine pädagogisch-didaktische Aufgabe zu definieren, die die Gliederung der Grobkonzeption mitbestimme.30 Erst auf der Grundlage dieser schriftlichen Ausarbeitung, die die Ausstellung stringent politisch-ideologisch einbettete, sollte der praktische Ausstellungsaufbau erfolgen. Bevor die einzelnen Teilaufgaben von verschiedenen Museumsabteilungen durchgeführt werden könnten, sei auch hier wiederum eine gründliche konzeptionelle Vorbereitung durch den Leiter unumgänglich.31 Eine hierarchische Museumsstruktur verband sich für Jahn dabei mit einer Wertschätzung musealer Präsentationen als Gemeinschaftsprojekt. Sie plädierte daher für ein Impressum, das Namen und Funktionen aller beteiligten Mitarbeiter aufführen und an gut sichtbarer Stelle in der Ausstellung angebracht werden sollte.32 Grundsätzlich ergaben sich daraus für Jahn zwei Hauptetappen für die Ausstellungsplanung : „1. Die Ausstellungsvorbereitung, die mit dem ‚Drehbuch‘ einschließlich Skizzen abschließt […]. 2. Der Ausstellungsaufbau, der mit der Eröffnung und der Herausgabe des gedruckten Ausstellungsführers abschließt.“33 Jahns Vorgaben verdeutlichen noch einmal das Bemühen um präzise Planungsabläufe für Ausstellungen, die sich eng in ein politisch gelenktes Museumssystem der DDR einfügten.
Besucherbefragungen, „Anfassobjekte“ und die Methode der „ Programmierung“ – neue Formen der Publikums- und Vermittlungsarbeit bei Jahn Da allein die Besucherzahlen noch keinen Hinweis auf die Wirkung der musealen Bildungsangebote geben würden, bezog Jahn in ihre gezielten Ausstellungsplanungen auch Publikumsbefragungen zur Überprüfung der Effektivität ein, wie von Ave bereits 1966 vorgeschlagen.34 Dafür wurden zunächst Fragebögen nach Art und Methode pädagogischer „Arbeitsblätter“ oder Interviews gewählt, die während einer Führung Feedback gaben. Dabei war der Effekt der Ausstellung allerdings schwer von der Wirkung der Führung oder den Vorkenntnissen der Besucher zu trennen. Hinzu kam, dass die Fragebögen eine Bereitschaft zum Ausfüllen voraussetzten und meist auf wenige Besucher beschränkt blieben, zudem verlangten sie eine Innovativ im Rahmen des Systems
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Beratung der Besucher während der Tests.35 Daraufhin etablierte Jahn sogenannte Erlebnisund Erinnerungstests. Davon ausgehend, dass eine optimale Ausstellung die Exponate so anschaulich präsentieren sollte, dass relevante Merkmale nicht nur die Aufmerksamkeit wecken, sondern auch in Erinnerung bleiben, wurde hier nach der Nachhaltigkeit des Museumsbesuchs gefragt. Dafür wurden dem Besucher Testbögen mit der Bitte ausgehändigt, diese nach einigen Tagen wieder zuzusenden.36 Ganz direkt vermischten sich hier moderne Formen der Publikumsarbeit und musealen Wirkungsforschung mit der Idee eines planbaren, das Publikum auch inhaltlich erreichenden sozialistischen Museums. Wie unmittelbar sich die Ausstellungen am Berliner Naturkundemuseum unter dem Einfluss solcher Publikumsbefragungen schon um 1970 weiterentwickelten, zeigen besonders die „Anfassobjekte“, die Jahn als neues Publikumskonzept am Museum erprobte. Jahn verfolgte stets das Ziel, Formen eines direkten Bezugs zwischen Besucher und Exponat zu bieten. Das sollte wiederum möglichst freiwillig von Besucherseite aus geschehen und zugleich zu einer gelenkten Aussage und zum geforderten Bildungseffekt führen. Dabei wurde die sensitive Aufnahmebereitschaft vor allem durch optische Reize aktiviert. Die Evaluation mittels Fragebögen ergab dann jedoch, dass beim Publikum der Wunsch bestand, den Museumsbesuch mit allen Sinnen zu erleben. Besonders auch mit dem Tastsinn. Daraufhin wurden im Museum spezielle Tierobjekte zum Berühren präpariert – die „Anfassobjekte“.37 Jahn berichtet dazu rückblickend über einen ersten Versuch, ein solches Objekt in einer Ausstellung des Berliner Naturkundemuseums zu präsentieren. Das Reh stand ganze sechs Monate lang den Besucherhänden zur Verfügung. Und tatsächlich konnte Jahn vor allem bei Schulklassen einen pädagogischen Vorteil hinsichtlich der emotionalen Einstimmung auf die Bildungsinhalte beobachten. Allerdings traten bei den „Streicheleinheiten“ gleich zwei Probleme auf : Zum einen war das Reh nach dieser Zeit fast kahl, zum anderen war es doppelt schwierig, die Besucher vom Anfassen der übrigen Objekte abzuhalten.38 Da das Reh in diesem Fall erheblichen Schaden nahm, kam Jahn zu dem Schluss, dass auch der Respekt vor der bewahrenden Aufgabe des Museums zum musealen Bildungsziel gehören sollte. Daher empfahl sie später eine Beschränkung dieser Objekte auf „spezielle Kabinette und Arbeitsräume“.39 Jahn sah sich durch die Publikumsbefragungen aber nicht nur zu neuen, innovativen Formaten der Objektannäherung, sondern auch zu einer gezielteren inhaltlichen Vermittlungsarbeit angeregt. So würden sich die meisten Museumsbesucher aller Altersklassen nicht mit der bloßen Präsentation der Objekte zufrieden geben, „sondern nach einem Verständnis von Zusammenhängen suchen und nach interpretierenden Leitgedanken fragen.“40 Ganz konkret versuchte Jahn daraufhin – Ansätze der DDR-Museumspädagogik wie der DDR-Museumspolitik miteinander verbindend – schon um 1969 eine gezieltere Wissensvermittlung und Führung des Publikums zu realisieren. Laut Jahn fehlte es dem Museum an einer „Rückkopplung“ gerade für den unbegleiteten Besucher. Würde die Selbstkontrolle durch einen Museumsführer oder Lehrer gesteuert werden, käme das Museum dem Erreichen des Bildungsziels näher. Da aber nicht jedes Museum in der DDR über eine eigene „pädagogische Abteilung“ verfüge und daher „selbst führend“ aufgebaut sein müsse, wäre eine Möglichkeit zur Kontrolle der vermittelten Informationen für 184 I Melanie Scheil
Abb. 4 : Informationsvermittlung im Ost-Berliner Naturkundemuseum um 1971 nach dem Konzept „programmierter“ Abschnitte von Ilse Jahn mit Fragestellungen und lichtoptischen Antworten (rechts) zum Vergleich von Gorilla- und Menschenskelett, publiziert 1971 in der Neuen Museumskunde in : Jahn 1971, S. 124
die Besucher von Nutzen. Die Arbeitsgruppe Schule und Museum beschloss daher für die Gestaltung des „Primatensaales“ im Berliner Naturkundemuseum ab 1969 eine solche Kontrollfunktion. In einigen Teilabschnitten sollten Fragestellungen und der Aufbau des Ensembles dazu anregen, gewonnene Informationen zu kontrollieren und eventuell zu korrigieren. Dabei ging es in erster Linie um die Gewährleistung der Aufmerksamkeit und aktiven Anteilnahme der Besucher.41 Konkret wurde dafür mit einfachen lichtoptischen Mitteln im Primatensaal die Methodik von Frage und Antwort anstelle einfacher Betextung entwickelt und in Form „programmierter“ Abschnitte umgesetzt (Abb. 4). Damit wurde der neue Ausstellungsabschnitt in Berlin ab Oktober 1969 – zum 20. Jahrestag der DDR – als selbstführender Komplex gestaltet. Auswahl und Reihenfolge der Exponate und Ensembles standen dabei jeweils in Beziehung zu einem bestimmten Erkenntnisziel – eine der spezifischen Forderungen sozialistischer Museumspädagogik. Der Erkenntnisinhalt wurde in Einzelschritten aufgenommen und durch ein „Lehrprogramm“, wie Jahn es nannte, in den Einzeletappen „Regel – Beispiel – Frage“ beim Besucher abgefragt. So hatte dieser die Chance, seinen bisherigen Wissensstand zu kontrollieren und bei falschen Antworten auf Objekt und Text des vorangehenden Abschnitts rückverwiesen zu werden. Auf diese Weise wurden in Berlin etwa Kenntnisse über Körper- und Schädelbau „primitiver Säugetiere“ und Verwandtschaftsverhältnisse der Primaten vermittelt (Abb. 5). Durch genaues Erkunden von Sachverhalten und der originalen „Sachzeugen“ werde, so Jahn, der Besucher alle Fragen beantworten können. Um ein willkürliches Abtasten der Schaltknöpfe zu Innovativ im Rahmen des Systems
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Abb. 5 : Fragetafel (rechts) im Ost-Berliner Naturkundemuseum um 1971 nach dem Konzept von Ilse Jahn mit Rückverweis auf vorangegangene Darstellungen, im Sinne sozialistischer Museumspädagogik als selbstführender Komplex mit konkretem Erkenntnisziel gestaltet, publiziert 1971 in der Neuen Museumskunde in : Jahn 1971, S. 125
vermeiden, wurden durch Relais jeweils die übrigen Schaltknöpfe für etwa 15 Sekunden blockiert. Darüber hinaus konnte das Museum mit Hilfe eines Zählwerks das Verhältnis falscher zu richtigen Antworten ermitteln und so Rückschlüsse auf die Wirksamkeit der Vermittlungsarbeit ziehen.42 Jahn relativierte 1969 allerding zugleich, sie wolle mit der „Programmierung“ nicht den Eindruck erwecken, „daß sich museale Ausstellungen generell und vordergründig ‚belehrend‘ darstellen sollen.“ Vielmehr solle der neue Primatensaal im Naturkundemuseum zeigen, „daß ein Museum nur dann ein Bildungserlebnis vermitteln kann, wenn es seine Informationen […] auch emotional durch künstlerisch-ästhetische Mittel zur Wirkung bringt.“ Man müsse auch dem „Schaubedürfnis“ der Besucher gerecht werden (Abb. 6).43 Deutlich nahm Jahn hier, wohl auch vor dem Hintergrund ihrer eigenen Nähe zur Kunst, auf den modernen DDR-Museumsdiskurs der 1960er Jahre Bezug, der das „schaubare“ und das ideologische Museum zusammenbrachte.44 Ein frühes Beispiel für die Verknüpfung von sozialistischem Bildungsanspruch und ästhetischen Gestaltungselementen war im Berliner Naturkundemuseum 1966 die Neugestaltung des „Huftiersaals“. Hier wurde versucht, die Besucher möglichst direkt, ohne Absperrung und Vitrinenscheibe, mit freistehenden, genau modellierten und künstlerisch präparierten Huftieren zu konfrontieren (Abb. 7). Jahn 186 I Melanie Scheil
Abb. 6 : Wechsel von „lehrhaften“ Ensembles und emotional wirkendem „Schauensemble“ im Ost-Berliner Museum für Naturkunde um 1971 nach dem Konzept von Ilse Jahn, publiziert 1971 in der Neuen Museumskunde in : Jahn 1971, S. 125
Abb. 7 : 1966 neugestalteter Huftiersaal im Ost-Berliner Naturkundemuseum unter Nutzung alter Dermoplastiken, die für direkten Besucherkontakt ohne Absperrung und Scheiben präsentiert wurden, publiziert 1971 in der Neuen Museumskunde in : Jahn 1971, S. 119
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knüpfte an diesen wahrnehmungsbezogenen Ansatz an und baute ihn etwa durch die Anfassobjekte weiter aus, verband ihn aber eben zunehmend auch mit gelenkteren Formen sozialistischer Bildung.
Jahns Verständnis der Museologie Hatte Jahn mit ihren Initiativen ab 1967 die DDR-Naturkundemuseum bereits ebenso professionell wie politisch-ideologisch immer maßgeblicher mit konturiert, brachte sie sich schließlich auch für eine entsprechend professionalisierte Ausbildung im Sinne einer fachspezifischen Museologie ein. Im Anschluss an ihre zweite Dissertation von 1978, die ihre Ideen dazu bündelte, suchte sie ihre Forderungen einem breiteren Fachpublikum nahezubringen, indem sie sie 1979/80 in der fünfteiligen Artikelserie Die Museologie als Lehr- und Forschungsdisziplin mit spezieller Berücksichtigung ihrer Funktion in naturhistorischen Museen – Geschichte, gegenwärtiger Stand und theoretische Grundlagen in der Neuen Museumskunde erläuterte.45 Jahn konnte ihr Engagement dabei in eine längere Geschichte der Museologie einordnen, die sich mit der Bedeutungszunahme und Spezialisierung der Museen als Forschungs- und Bildungsinstitute im 19. Jahrhundert herausgebildet und um 1900 in Europa, den USA und besonders in Deutschland intensiviert hatte, wofür etwa die 1905 gegründete Zeitschrift Museumskunde stand. Zwischen den Weltkriegen war über das Office international des Musées in Paris und nationale Museumsverbände ein internationaler museologischer Austausch initiiert worden.46 Nach 1945 war es hier angesichts neuer politisch-gesellschaftlicher Konstellationen bald verstärkt auch um neue Ausbildungsformen für Museumsfachleute gegangen.47 Gerade in der DDR war in dieser Hinsicht einiges in Bewegung gekommen : Bereits 1954 war mit der Fachschule im Umfeld der neu eingerichteten Fachstelle für Heimatmuseen in Halle/Saale ein erster staatlicher Ausbildungsansatz für eine marxistisch-leninistische Museologie und dringend benötigtes mittleres Fachpersonal geschaffen worden.48 Ab 1965 waren die Anforderungen mit dem Beschluss zur Entwicklung eines „einheitlichen sozialistischen Museumswesens“ in der DDR und mit der gezielteren staatlichen Einbeziehung jetzt auch wissenschaftlicher Sammlungen dann jedoch noch einmal erheblich gestiegen.49 Eine wissenschaftlich fundiertere Arbeit in den Museen war das Ziel im SED-Staat. Jahn selbst wirkte an dieser Ausdifferenzierung des DDR-Museumswesens etwa im Umfeld des seit 1970 bestehenden Instituts für Museumswesens aktiv mit und trug hier zur Definition einer DDR-spezifischen Museologie im engen Austausch mit der Sowjetunion bei.50 Nun waren nicht mehr nur Fachschulmuseologen, sondern Museumsleute gefragt, die selbst aus der Wissenschaft kamen. Der einzelne „Autodidakt“, kritisierte Jahn in ihrer Artikelserie, erreiche selten das wissenschaftliche Niveau, das für die Museologie in Deutschland wie international bereits erarbeitet worden sei, und sei damit gesellschaftlich uneffektiv, in hohem Maße zeit-, kosten- und materialaufwendig. Daher sei schon bei Gründung des Rats für Museumswesen 1965 eine museologische Zusatzausbildung für Fachwissenschaftler geplant worden. In sozialistischen Ländern wie der UdSSR, ČSSR, Ungarn, Polen oder Jugoslawien hatte sich die Museologie derweil an 188 I Melanie Scheil
Hochschulen weiterentwickelt, wodurch wissenschaftliche Konzepte zu Inhalt, Struktur und Abgrenzung einer fachbezogenen Museologie vorlagen.51 Auch in der DDR hatte man versucht, ein theoretisches Konzept zu entwickeln,52 war aber gerade für die naturhistorischen Museen zu keinem Ergebnis gekommen. Daher habe, führte Jahn aus, das Berliner Naturkundemuseum vom wissenschaftlichen Beirat für Museen beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen der DDR den Auftrag erhalten, bis 1980 eine Lehrfachkonzeption „Museologie“ für naturhistorische Museen zu entwickeln und mit ihr eine wissenschaftstheoretische Basis für die angestrebte fachbezogene Ausbildung von Museumsleuten auf Hochschulebene zu schaffen. Sie selbst habe dafür in ihrer Dissertation einen wissenschaftlich begründeten Vorschlag für ein Lehrprogramm der Allgemeinen und der Speziellen Museologie erarbeitet, der sich auf bereits publizierte Einzelstudien, die Fachgeschichte, eigene Erfahrungen und Untersuchungen stütze.53 Tatsächlich bewegte sich Jahn gerade am Museum für Naturkunde in Berlin in einem für das Thema aufgeschlossenen Kontext : Museumsdirektor Senglaub hatte bereits 1973 die erste Erarbeitung einer Lehrfachkonzeption zur Museologie angeregt und war dabei eben vom Museumsbeirat beim Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, von der Arbeitsgruppe Museumspädagogik und vom Institut für Museumswesen offiziell unterstützt worden. Später bot Senglaub am Naturkundemuseum, das ja zur Universität gehörte, ein Biologie-Zusatzfernstudium für naturkundlich arbeitende Fachschulmuseologen an.54 Hier ging Jahn nun noch einen Schritt weiter : Unter Einbeziehung der historischen Entwicklung der naturgeschichtlichen Museen mit ihren Spezialbereichen von der Konservierung und Präparation über die Ausstellung bis zur Pädagogik war sie der Ansicht, die Museologie im Naturkundemuseum müsse auf wissenschaftstheoretischen Grundlagen beruhen und als wissenschaftliche Disziplin anerkannt werden. Sammlungs- und Konservierungsarbeiten, Ausstellungs- und Bildungsaufgaben sollten sich, ihrerseits wissenschaftstheoretisch verortet, quasi als „Hilfswissenschaften“ einfügen.55 Sie mit den jeweiligen Fachdisziplinen zu verbinden, sei, so Jahn, die Aufgabe der Museologie. Insofern verstand sie die Museologie als „Querschnittdisziplin“.56 Bei der Entwicklung einer naturhistorischen Museologie grenzte sich Jahn dabei von verschiedenen konkurrierenden theoretischen Konzepten ab, die sich vor allem an gesellschaftswissenschaftlichen Modellen orientierten, etwa der Informations- oder Kulturtheorie, Pädagogik, Archivwissenschaft oder historischen Quellenkunde, die nur für Teilbereiche des Museumswesens trugen, aber der Idee einer Museologie nicht gerecht wurden, in die die naturwissenschaftlichen Museumsdisziplinen und -objekte voll einbezogen waren. Das führte sie für die naturhistorischen Fachmuseen schließlich zu einem alternativen, eng an die eigene Fachwissenschaft angebundenen und in der Fachgeschichte verorteten Konzept. Zugleich generierte Jahn damit eben aus der wissenschaftlichen Fachanbindung heraus einen wiederum für alle wissenschaftlichen Museumsgattungen tragfähigen Ansatz : Mit der wissenschaftstheoretischen Orientierung könne die Museologie, so Jahn, als spezielles Arbeitsfeld aller historisch arbeitenden Disziplinen verstanden werden, deren Untersuchungsobjekte langzeitig aufbewahrt und über den eigenen Bedarf hinaus für künftige Erkenntnisfragen optimal verInnovativ im Rahmen des Systems
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fügbar sein sollten. Dabei ging sie davon aus, dass nicht die Institution Museum, sondern das museale Objekt und seine Nutzer das primäre Bezugsfeld der Museologie sein sollten.57 Mit ihrem neuen Verständnis einer aus der Fachwissenschaft heraus entwickelten und entsprechend an die einzelnen Disziplinen an den Hochschulen angebundenen Museologie leistete Ilse Jahn auch jenseits der DDR theoretische Grundlagenarbeit. Als Hochschuldozentin für Museologie an der Humboldt-Universität ab 1980 suchte sie ihr Konzept weiter zu platzieren. Letztlich trug sie damit – im sozialistischen Kultur- und Bildungspolitikkontext wie im Zusammenhang einer ihrerseits stark ideologisierten Biologie der DDR agierend58 – bis in die 1980er Jahre hinein, wie zuvor mit ihrer Ausstellungsarbeit, weiter entscheidend zu einer sich eng systembezogen ausdifferenzierenden Museumsentwicklung speziell im Bereich der Naturkundemuseen der DDR bei.59 Für eine professionelle sozialistische Museumsarbeit war Jahn hier vor dem Hintergrund ihrer profunden fachwissenschaftlichen Kenntnisse seit den späten 1960er Jahren eine der inspirierenden Größen.
Anmerkungen 1 2 3 4
Scheil 2018. Vgl. Hoffmann 1999, S. 51 ff.; Höxtermann 2013, S. 173. Vgl. Hoffmann 1999, S. 58 ff.; Höxtermann 2013, S. 174. Vgl. Kowalczuk 2003, S. 390 f.; Höxtermann 1997, Zitat S. 254 ; Wagenitz 2011, bes. S. 242 ; Höxtermann 2000. 5 Zur Rolle Jahns am Museum vgl. Hoffmann 1999, S. 60 f.; Landsberg 2010 ; zum Museum unter Senglaub vgl. Senglaub 2010a ; Senglaub 2010b ; Angermann 2017, S. 324. 6 Schriftliche Mitteilung Ilse Jahn, 15.4.1999, vgl. Hoffmann 1999, S. 62. 7 Vgl. Hoffmann 1999, S. 62 f. 8 Vgl. ebd., S. 61 f. 9 Vgl. Höxtermann 2013, S. 176. 10 Vgl. Hoffmann 1999, S. 62 ff. 11 Vgl. ebd., S. 61 f. 12 Vgl. Höxtermann 2013, S. 176 f. 13 Vgl. Hoffmann 1999, S. 65 ; Höxtermann 2013, S. 182 f. 14 Vgl. Jahn/Senglaub 1977 ; Angermann 2017, S. 325 f. 15 Siehe dazu auch die Beiträge Kratz-Kessemeier und Karge in diesem Band. 16 Zur marxistisch-leninistischen Museologie vgl. auch Jahn 1979–1980, Teil II (1979), S. 237–245. 17 Zur Arbeitsgruppe unter Ave und Patzwall vgl. Schule und Museum im einheitlichen sozialistischen Bildungssystem 1966, S. 2 u. 113 ; Patzwall 1968 ; Ave/Patzwall 1973, S. 5–18 ; Ave/Jahn 1982. 18 Siehe dazu auch den Beitrag Andrews in diesem Band. 19 Vgl. Ave/Patzwall 1973, S. 7 f.; Neue Museumskunde, Jg. 6, 1963, H. 3, S. 228. 20 Vgl. Ave/Patzwall 1973, S. 16 f.; zur Relevanz naturwissenschaftlicher Museen für die DDRMuseumspädagogik siehe z. B. auch schon Patzwall 1963. 21 Vgl. Jahn 1981, S. 80. 22 Vgl. dazu auch Ave 1966 ; Wir besuchen ein Museum 1976, bes. S. 23–55. 23 Jahn 1981, S. 84 f.
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Ebd., S. 85 f. Wir besuchen ein Museum 1976, S. 31. Vgl. dazu z. B. auch Jahn 1975. Vgl. Jahn/Creutz/Freydank 1977, Bd. 1, S. 68 f. Vgl. dazu auch Wir besuchen ein Museum 1976, S. 48 f. u. 110 f. Vgl. Statut des Rates für Museumswesen 1965 ; siehe dazu auch den Beitrag Karge in diesem Band. Vgl. Jahn/Creutz/Freydank 1977, Bd. 2, S. 1 ff. Vgl. ebd., S. 5 f. Vgl. ebd., S. 15. Vgl. ebd., S. 54. Vgl. Ave 1966, S. 5 ; siehe dazu später z. B. auch Jahn 1981, S. 96. Vgl. Jahn/Creutz/Freydank 1977, Bd. 2, S. 57. Vgl. ebd., S. 63. Vgl. Jahn 1971, S. 122 f.; zur Initiierung des Themas siehe auch Patzwall 1970. Jahn 1981, S. 82. Ebd., S. 83. Jahn 1971, S. 122 f. Vgl. I. Jahn 1969, hier S. 63–65. Vgl. ebd., S. 64–67, Zitate S. 67 ; Jahn 1971, S. 126. I. Jahn 1969, S. 68, Hervorhebungen im Original ; siehe dazu später auch Jahn 1981, S. 86–93. Siehe dazu auch den Beitrag Kratz-Kessemeier in diesem Band. Jahn 1979–1980. Zum Kontext vgl. grundlegend Joachimides 2001 ; Cladders 2018. Vgl. dazu auch Jahn 1978, S. 1 f. Vgl. Fackler 2014, S. 41. Siehe dazu wie zur Fachschule in Halle auch den Beitrag Karge in diesem Band. Vgl. dazu auch Kleines Wörterbuch des Museumswesens 1975, hier bes. S. XIII u. 43 f. Vgl. dazu auch Fackler 2014, S. 40. Vgl. dazu auch Jahn 1978, S. 20–26. Vgl. dazu auch ebd., S. 1–7. Vgl. Görner 2006 ; Angermann 2017, S. 324. Vgl. dazu auch Jahn 1978, S. 62. Vgl. van Mensch 1992, S. 60. Vgl. dazu auch Jahn 1978, S. 4 ff. Vgl. dazu z. B. Wir besuchen ein Museum 1976, S. 30 f.; Porges/Hoßfeld 2017. Vgl. auch Patzwall/Jahn 1983.
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Nikolaus Bernau
FOR M E N E I N E R N E U EN M AC HT Architektur und Design für Museen in der DDR
Eine unbekannte Museumsbaulandschaft Die DDR war zweifellos ein Land der Museen und Museumsneugründungen : 1949 wurden auf ihrem Gebiet etwa 300 Museen und Gedenkstätten gezählt,1 1955 gab es 451,2 1961 bereits 643 museale Institutionen.3 1990 waren es laut Institut für Museumswesen 751 Museen in der DDR.4 Der 1983 bis 1990 erschienene Tourist-Führer Museen, Galerien, Sammlungen, Gedenkstätten stellte zuletzt „fast 800 museale Einrichtungen“ vor.5 Auf der Grundlage einer systematischen Sichtung zeitgenössischer Handbücher, Fachzeitschriften und Postkarten wurde nun eigens für diese Studie eine neue Übersicht über Museen und ihre Bauten in der DDR entwickelt.6 Danach existierten zwischen 1949 und 1990 sogar mehr als 900 museale Institutionen bzw. Ausstellungsorte in der DDR. Bei den meisten für Museen genutzten Gebäuden in der DDR handelte es sich um einstige Klöster, Burgen, Schlösser, Gutshäuser, Palais und bürgerliche Stadthäuser, Bauernhöfe und Pastorate, Mühlen, Fabriken oder entwidmete Kirchen.7 Von den für die Zeit zwischen 1949 und 1990 ermittelten gut 900 Museen, Ausstellungshäusern und Personengedenkstätten machten solche in vor oder nach 1945 umgenutzten Gebäuden mit etwa 770 Positionen den weitaus größten, die 23 in nach 1945 eigens für solche Zwecke entstandenen Neubauten aller Art den kleinsten Anteil aus. Auch die 26 vor 1945 errichteten spezifischen Museums- und Ausstellungbauten hatten nur einen sehr geringen Anteil am Gesamtbestand der Museen in der DDR, zumal sie oft erst nach Jahren wieder nutzbar waren. Den Krieg vergleichsweise gut überstanden hatten nämlich nur das Lindenau-Museum in Altenburg, das Herzogliche Museum in Gotha, in Halle/Saale das Museum für Vor- und Frühgeschichte und das Museum in der Moritzburg, in Schwerin das Staatliche Kunstmuseum. Teils schwer beschädigt hingegen waren die meisten Museumsbauten in Ost-Berlin,8 Dresden,9 Leipzig.10 In Magdeburg lagen das Kulturhistorische Museum, in Chemnitz/Karl-Marx-Stadt das König-Albert-Museum, in Zwickau das dortige König-Albert-Museum, in Rostock das Stadtmuseum in Trümmern.11 Oft begannen trotz der allgemeinen Not, trotz Material- und Personalmangels die Sicherung der Ruinen und der Wiederaufbau schon im Sommer 1945. Auch das zeigt, weit über den legendären Öffnungsbefehl Nr. 85 vom 2. Oktober 1945 hinaus, wie sehr die sowjetischen Besatzungsbehörden und dann die SED Museen und Ausstellungen als Instrumente der Öffentlichkeitsbeeinflussung schätzten. Das Weimarer Herzogliche Museum und das Berliner Neue Museum blieben dennoch bis 1990 Ruinen, das Museum der bildenden Künste in Leipzig und Formen einer neuen Macht
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das Kunstgewerbemuseum in Dresden fielen sogar dem Abriss zum Opfer.12 Neu entstehende Museumsgebäude waren derweil selten in der DDR. Deutlich unterschied sich die DDR damit von der alten Bundesrepublik, in der in den späten 1950er Jahren eine intensive Museumsneubaupolitik einsetzte. Zwar wurden auch dort, wie in wohl allen europäischen Museumskulturen, überwiegend bereits bestehende Häuser aller Art weitergenutzt.13 Dennoch errichteten sich von den bis 1990 vom West-Berliner Institut für Museumskunde registrierten 2.813 westdeutschen bzw. West-Berliner musealen Institutionen rund 120 nach 1945 auch selbstständige Erweiterungs- und Neubauten.14 Hinzuzurechnen sind die etwa 330 meist kommunalen Kunst- und Ausstellungshallen, die, wie in Mannheim, Köln, Hameln oder Darmstadt, oft ebenfalls neu errichtet wurden.15 Alleine in West-Berlin entstanden für die städtischen und Staatlichen Museen zwischen 1949 und 1990 deutlich mehr Projekte als in der gesamten DDR in diesen vier Jahrzehnten.16 Zum einen baute die Stadt selbst, beginnend etwa mit der seit 1961 von Ludwig Mies van der Rohe (1886–1969) geplanten „Galerie des XX. Jahrhunderts“, der 1968 eröffneten heutigen Neuen Nationalgalerie,17 über Werner Düttmanns (1921–1983) Brücke-Museum von 1967 bis hin zum seit den späten 1980er Jahren konzipierten Deutschen Technikmuseum. Um den Anspruch auf die seit 1945 in die amerikanische und britische Zone gelangten Sammlungen und damit den Status Berlins als deutsche Hauptstadt zu bekräftigen, begann aber auch und zunächst ebenfalls im kommunalen Auftrag bereits 1948 der Ausbau von Bruno Pauls (1874–1968) Museumsgebäude in Dahlem.18 Die 1957 begründete Stiftung Preußischer Kulturbesitz nutzte überdies seit Anfang der 1960er Jahre die Gelegenheit, sich mit Wiederaufbauten in Charlottenburg wie mit Neubauten in Dahlem,19 vor allem aber am Kulturforum auch architektonisch als westliche, liberale, demokratische Alternative zu den Staatlichen Museen und zur Deutschen Staatsbibliothek in Ost-Berlin zu inszenieren.20 Alle bis 1990 in West-Berlin entstehenden Neubauten zeigten sich dabei dezidiert als Teil der westlichen Nachkriegsarchitektur, zunächst im Anschluss an den International Style, dann an dessen ausgekühlte Nachfolge in den 1960er bis 1970er Jahren, den Brutalismus, zuletzt mit dem 1986 ausgewählten Entwurf für die neue Gemäldegalerie an die Postmoderne. Demonstriert wurde darüber, dass „der Westen“ einen scharfen Schnitt mit der als Wurzel des Desasters der Nazizeit angesehenen preußischen und kaiserzeitlichen Vergangenheit Deutschlands machen wollte. Dieser antihistoristische Konsens war derart stabil, dass sogar das seit 1955 bereits teilweise wieder aufgebaute Völkerkundemuseum an der Stresemannstraße 1961 abgebrochen und der heutige Martin-Gropius-Bau erst ab 1981 und dann vor allem als Ausstellungshaus genutzt wurde. Vergleichbar mit West-Berlin waren die museumsbaupolitischen Verhältnisse in Frankfurt/Main, Hamburg, Hannover, Köln, München, Münster, im Ruhrgebiet oder in Stuttgart. Selbst Mittelstädte wie Soest oder Pforzheim leisteten sich schon in den 1960er oder spätestens in den 1980er Jahren wenigstens einen Museumsneubau. Damit waren in der alten Bundesrepublik und West-Berlin bis 1990 mindestens 5 % der für Museums-, Ausstellungs- und Sammlungszwecke genutzten Bauten nach 1949 völlig neu entstanden, in der DDR dagegen waren es nicht einmal 0,5 %. Selbst zu Zeiten ihres größten Wohlstands in den 1960er und 1970er Jahren war sie nur in sehr wenigen Ausnahmefällen bereit, für Sammlungs- und Aus194 I Nikolaus Bernau
stellungszwecke aller Art neue Gebäude zu errichten. Der Überblick zeigt nämlich, dass auch für öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken sowie Archive in der DDR kaum Neubauten entstanden, die oft kaiserzeitlichen Bestandsgebäude ausreichen mussten.21 Derweil blieb die geografische Verteilung der Museen in der DDR von Strukturen der Vorkriegszeit bestimmt. Museen konzentrierten sich weiter in Sachsen, Thüringen, im südlichen Sachsen-Anhalt sowie im Ostteil Berlins.22 Doch lohnt der genaue Blick : Der Bezirk Rostock, geprägt von seiner Küstenlage, den Häfen, aber auch einer stark durch Flüchtlinge und Vertriebene veränderten Bevölkerungszusammensetzung, diente der SED nicht nur im Wohnungsbau als Experimentierfeld.23 Auch eine neue Museums- und Ausstellungsbaupolitik sollte hier für den neuen Staat werben : Nur 19 Museen gab es im späteren Bezirk Rostock vor 1945,24 schon 1963 waren es 36.25 Da manche Institutionen geschlossen, andere neu eröffnet wurden, änderte sich diese Zahl bis 1990 nicht mehr.26 Darunter sind einige der interessantesten Experimente der Museumsbaukultur der DDR zu finden. 1950 begann die modernistische Neugestaltung des Kulturhistorischen Museums und des späteren Meereskundemuseums im Stralsunder Katharinenkloster,27 1961 wurde das Freilichtmuseum Dorf Mecklenburg als „Traditionsstätte der sozialistischen Landwirtschaft“ begründet,28 drei Jahre später startete die Planung des kühlen Kunsthallen-Kubus in Rostock, der 1969 eröffnete.29 1970 entstand das neuartige Schiffbaumuseum im Traditionsschiff „Frieden“ in Rostock,30 außerdem konnte der expressive Kunstpavillon in Heringsdorf übergeben werden. 1973/74 wurde die Stralsunder Katharinenkirche schließlich grandios mit einer poppigen High-Tech-Gerüst-Architektur zum Hauptraum des Meereskundemuseums umgestaltet, in den frühen 1980er Jahren wurde der seiner Vorsicht wegen bemerkenswerte Ausbau des Rostocker Zisterzienserinnenklosters zum neuen Kulturhistorischen Museum angestoßen. Gerade die innovativen norddeutschen Institutionen weisen selbstbewusst darauf hin : Es gab durchaus eine eigenständige Museumsgestaltungs-Kultur in der DDR. Diese Museumsarchitekturen scheinen in der DDR sogar Vorbildwirkung entfaltet zu haben ; zu untersuchen wäre, wie weit sie auch nach Mittel- und Osteuropa ausstrahlten. Insgesamt blieb das Interesse an den Museumsgestaltungen der DDR aber sicher begrenzt.31 Selbst der umfangreiche Wiederaufbau der Berliner Museumsinsel seit 1947 wurde lange weitgehend übersehen,32 kaum als eigene künstlerische und museale Leistung gewürdigt.33 Noch in der Ausstellung Architektur im 20. Jahrhundert : Deutschland des Deutschen Architekturmuseums Frankfurt/Main kam im Jahr 2000 kein einziger ostdeutscher Museums-, Ausstellungs- oder Bibliotheksbau vor.34 In die 2004 bis 2018 auf eine weltweite Tournee geschickte Präsentation Zwei deutsche Architekturen 1949–1989 wurden immerhin die Rostocker Kunsthalle und das Weimarer Schillermuseum aufgenommen, alle anderen Sammlungs- und Ausstellungsbauten jedoch waren bundesrepublikanischer Provenienz.35 Das passt zur generellen Nicht-Wahrnehmung sozialistischen Museumsbaus in der Forschung.36 Damit unterscheidet sich die Rezeption der Kulturinstitutionen „des Ostens“ übrigens deutlich von derjenigen Nordeuropas. Gerade im Kalten Krieg war hier vor allem Schweden mit seinem dank jahrzehntelanger Herrschaft der Sozialdemokraten tief verankerten, Individualismus wie soziale Verantwortung verbindenden Formen einer neuen Macht
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„Wohlfahrtsstaat“ auch museumspolitisch ein Vorbild, auf das sich West wie Ost gleichermaßen beziehen konnten.
Fünf Neubauten und ihre Schwestern – ein Überblick Lediglich vier der zwischen 1949 und 1990 in der DDR entstandenen ostdeutschen Museums bauprojekte wurden auch zeitgenössisch explizit als Museumsneubauten bezeichnet : das Heimatmuseum im thüringischen Hohenleuben-Reichenfels, 1950 eingeweiht ;37 das eher natur- als kulturhistorisch ausgerichtete Spengler-Museum in Sangerhausen, 1952 als erster in der DDR-Zeit beschlossener, geplanter und realisierter Museumneubau eröffnet ;38 der 1967 entstandene modernistische Pavillon für das „Automobilmuseum“ des Wartburg-Werks in Eisenach ;39 schließlich das 1988 eröffnete Schillermuseum in Weimar.40 Zu diesen Häusern können aufgrund ihrer tatsächlich musealen Funktion hinzugerechnet werden der Pavillon für die Dauerausstellung zum Leipziger Völkerschlachtdenkmal, in einer ersten Fassung 1963, dann 1973 neuerlich eröffnet und konstruktiv wie ästhetisch dem Automobilmuseum auffallend ähnlich,41 sowie und vor allem als faktisch fünfter Museumsneubau der DDR die Kunsthalle in Rostock : Sie war seit 1964 zwar nur als Ausstellungshalle für die Ostseebiennale geplant worden, wurde jedoch seit der Eröffnung 1969 zunehmend zum Museum zeitgenössischer Kunst mit eigener Sammlungstätigkeit. Die Rostocker Kunsthalle gehört aber zugleich zu einer Gruppe von kleineren, meist in modernistischen Formen gehaltenen, für zeitgenössische Kunst gedachten Ausstellungsbauten : Fritz Lehmann plante 1957 den Cottbusser Ausstellungsraum der Nationalen Front im formalen Anschluss an die Klassische Moderne,42 Ulrich Müther (1934–2007) 1969/70 den Kunstpavillon in Heringsdorf mit charakteristischem Zackenfaltdach.43 Klaus Brandt entwarf 1968/69 in seiner weithin rezipierten Diplomarbeit ein an westliche Konzepte angelehntes, zwischen konstruktionsbezogenem High-Tech und bunter Pop-Architektur changierendes Ausstellungszentrum für Erfurt,44 Gerhard Guder (1924–2013), Ewald Jantke und Willy Fichte gestalteten nach einem internen Wettbewerb 1977 die Cottbusser Kunstgalerie als Teil eines dicht gerasterten Pavillonsystems auf der Stadtpromenade.45 1987 eröffnete als bisher einzig bekannter „postmoderner“ Bau dieser Gruppe die Kunstgalerie Galerie M im neuen Zentrum von Berlin-Marzahn, entworfen von Michael Kny, Thomas Weber und Sabine Bondzin.46 Im weiteren Sinn ist einer dieser Ausstellungsbauten auch der von Werner Dutschke und Peter Gohlke entworfene Eingangsbau zum Pergamonmuseum.47 Er war Auftakt eines Neustrukturierungsprogramms für die Berliner Museumsinsel, das aber nicht mehr abgeschlossen werden konnte. Einige Sonderfälle musealer Ausstellungsbauten seien noch erwähnt : Bereits 1974/75 wurde bei Bad Frankenhausen der Rundbau für nur ein Kunstwerk Werner Tübkes (1929– 2004) errichtet, für sein monumentales Bauernkriegspanorama, das schließlich im September 1989 fertiggestellt wurde.48 Es blieb eine Ausnahme genauso wie die in den frühen 1950er Jahren auf zentralen Plätzen in Leipzig, Plauen, Zwickau oder Wilkau, möglicherweise auch an anderen Orten entstandenen „Stalintempel“.49 Sie sollten Propagandaschauen für die 196 I Nikolaus Bernau
Deutsch-Sowjetische Freundschaft aufnehmen. Doch nach der Entstalinisierung der DDR zu Beginn der 1960er Jahre wurden diese Bauten geschlossen und bis 1984 abgerissen. Nur der dann als Musikpavillon genutzte in Wilkau blieb erhalten und steht inzwischen unter Denkmalschutz. Auch die um 1970 im Rahmen der sozialistischen Neugestaltung der Städte entstandenen Informationszentren enthielten oft Ausstellungen zur Stadtgeschichte und Stadtplanung : 1969 wurden die Hallen rund um den Ost-Berliner Fernsehturm mit ihren expressiven Zackendächern übergeben,50 im gleichen Jahr das am Leipziger Sachsenplatz von Horst Krantz (1927–2020), Hans Großmann und Klaus Burtzick ähnlich dominant angelegte Informationszentrum51 und 1974 schließlich der kleine Schwedter „Museumspavillon“ für die Ausstellung Das sozialistische Schwedt und seine Erbauer.52 Rein physisch waren Museumsneubauten der DDR auch wenigstens drei nachgebaute historische Wohnhäuser : das im Krieg bis auf das Erdgeschoss zerstörte Geburtshaus Karl Liebknechts in Leipzig, in dem seit 1953 fünf Räume im ersten Geschoss als Gedenkstätte dienten ;53 das Geburtshaus Robert Schumanns in Zwickau, das nach schwerem Hochwasserschaden 1955 bis 1958 am originalen Ort, aber nur im Äußeren wiederentstand ;54 schließlich das Geburtshaus des KPD-Funktionärs Fritz Heckert (1884–1936) in Karl-Marx-Stadt. Dies war in der Nachkriegszeit abgerissen worden, wurde allerdings 1974 etliche hundert Meter vom einstigen Standort entfernt „originalgetreu“ wiedererrichtet.55 Im Liebknechtund im Heckert-Haus zeigten die Ausstellungen Kopien und Drucke von Dokumenten, Fotos und erläuternde Schrifttafeln. Historische Aura sollten einzelne Reliquien wie Liebknechts Schreibmaschine oder die freie Nachschöpfung der elterlichen Dachkammern Heckerts schaffen, als „Einblick in das Wohnmilieu einer Proletarierfamilie um die Jahrhundertwende.“56 Diese Stilräume entsprachen der Inszenierung des Heckert-Hauses selbst, das als scheinbarer Altbau demonstrativ vor einem Wohnhochhaus der 1960er Jahre errichtet worden war. Das auf Postkarten weit verbreitete Motiv sollte offenkundig das Fortschrittsversprechen des Sozialismus im Kontrast zur kapitalistischen Zeit betonen. Aber auch beim Nachbau des Schumann-Hauses spiegelt nur die Fassade das historische Vorbild, es unterscheidet sich damit trotz ähnlicher erinnerungspolitischer Begründung deutlich vom heftig debattierten Wiederaufbau des Goethe-Hauses in Frankfurt/Main 1949 bis 1951. Bei dem war gerade die Nachschöpfung der zerstörten frühklassizistisch-biedermeierlichen Interieurs zentrales Anliegen. In Zwickau dagegen entstand lediglich ein „Gedenkraum“ mit der originalen Arbeitszimmerausstattung Robert Schumanns und einem Flügel seiner Frau Clara Wieck, so, wie es ihn bereits seit 1914 im König-Albert-Museum gegeben hatte. Wie alle Räume im Schumann-Museum war jedoch auch dieser Gedenkraum formal zeitgenössisch gehalten, allein schmale Gesimsleisten und biedermeierlich gestaltete Vitrinen geben ihnen bis heute eine gewisse historische Anmutung. Erinnerungs-Architektur außen und Erinnerungs-Inszenierung innen wurden also gestalterisch voneinander getrennt. Damit konnte die SED, ohne das bürgerliche Zeitalter nachschöpfen zu müssen, dem seit 1945 vehement vorgetragenen Anspruch auf das Erbe der deutschen Aufklärung, Klassik und Romantik sowie auf gesamtnationale Führung Ausdruck verleihen, bis hin zur Idealisierung Schumanns zum revolutionären „Freiheitskämpfer“.57 Formen einer neuen Macht
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Insgesamt deuten die genannten Museums- und Ausstellungsneubauten also durchaus eine ästhetische Bandbreite und Dynamik des Themas Museumsarchitektur und -inszenierung auch für die DDR an. Die Museumsneugestaltungen waren dabei allerdings zugleich jeweils eng in politische und gesellschaftliche Entwicklungen eingebunden. Oft spiegelten sie fast paradigmatisch Wendepunkte der Staatsgeschichte und Staatsideologie, wie der folgende genauere Blick auf einzelne der Projekte zeigt.
Weiterführung der Museumsreform : Reichenfels und andere Auch in der DDR gab es dabei zunächst erhebliche Kontinuitäten zur Zeit vor 1945. Der Neubau des kleinen Kreisheimatmuseums Reichenfels bei Hohenleuben in Thüringen war geradezu typisch dafür. 1950 wurde es als erster spezifisch für museale Zwecke gedachter Neubau in der DDR eingeweiht. Begonnen worden war das Projekt allerdings schon 1938.58 Die Pläne der Vorkriegszeit blieben trotz des neuen Staats- und Gesellschaftssystems offenkundig gültig : Das Haus steht mit Natursteinfassaden, steilem Satteldach und Details wie Tür- und Fensterrahmungen bis heute deutlich in einer „Heimatstil“-Linie, wie sie seit etwa 1890 von konservativen Architekten und Kulturkritikern entwickelt worden war.59 Diese ästhetische Kontinuität zu den 1930er Jahren galt auch für die Gestaltung des Hauptausstellungssaals : Die Wände waren einfarbig hell gestrichen, die klar kantigen, weißen Pultvitrinen standen symmetrisch verteilt so, dass die Wandbilder des Malers Hermann Paschold (1879–1965) mit Einblicken in die regionale Natur- und Kulturlandschaft gut zur Geltung kamen. Der ausgestellte Bestand war im Vergleich zur Ausstellung von 1929 radikal reduziert, um das einzelne Objekt in den Fokus zu rücken. In kleinem Maßstab zeigten sich hier all jene Inszenierungselemente, die in den 1920er und 1930er Jahren in vielen Häusern im Deutschen Reich im Zuge der Museumsreform durchgesetzt worden waren.60 Bestätigt worden waren die in Debatten der Kaiserzeit und der Weimarer Republik wurzelnden, vom NS-Staat in der äußeren Form adaptierten ästhetisierenden Strategien durch ihren großen Erfolg bei der Pariser Weltausstellung 1937,61 aber auch durch die Eröffnung des Stockholmer Historischen Museums 1943.62 Gerade die Vorbildwirkung Stockholms vor allem für kulturhistorische Museen im Deutschland der Nachkriegszeit kann kaum überschätzt werden. Schweden war nach dem Krieg für Deutsche gut erreichbar und unterhielt selbst etwa über Kirchen und Gewerkschaften enge Beziehungen in die Besatzungszonen. Der Neubau in Reichenfels spiegelte diese Bezüge und stand für eine in der SBZ und frühen DDR bei Museumsgestaltungen verbreitete Tendenz der Orientierung an methodischen und ästhetischen Kriterien der Museumsreformbewegung der 1920er und 1930er Jahre. Selbst unbeschädigte Häuser wie das Altenburger Lindenau-Museum nahmen nun die Chance wahr, ungeliebte Dekorationen zu beseitigen, zumindest zu überstreichen. Das Ost-Berliner Märkische Museum und das Magdeburger Kulturhistorische Museum entschieden sich sogar, ihre monumentalen historistischen „Kirchenhallen“ in zwei Geschosse zu teilen. Auf diese Weise 198 I Nikolaus Bernau
gewannen sie zusätzliche Ausstellungs- und Depotfläche sowie die Möglichkeit, ihre Häuser ästhetisch zu „reinigen“. Sie teilten damit den nach 1945 auch im Westen um sich greifenden antihistoristischen Furor, der im Frankfurter Städel oder im Kölner Wallraf-Richartz-Museum zum radikalen Umbau, im Nürnberger Germanischen Nationalmuseum sogar zum Abbruch der meisten Bauten des 19. Jahrhunderts führte.63 Derweil blieben bereits vor 1945 durch die Museumsreform beeinflusste Inszenierungen ungefährdet. So wurden in den 1950er Jahren die Architektursäle, das Vorderasiatische und das Islamische Museum im Pergamonmuseum auf der Museumsinsel weitgehend in den zwischen 1930 und 1934 gestalteten Formen wiedereingerichtet. Das hatte sicher auch praktische Gründe,64 vertuscht wurde durch die reduzierte Inszenierung aber zugleich das Fehlen riesiger Sammlungsbestände, die 1945 in die Sowjetunion verbracht worden waren. Wenigstens die Architektursäle der Antikensammlung, seit 1910 als Demonstration der Weitergültigkeit antiker Normen auch in der Moderne geplant,65 konnten nun zudem als Lehrsammlung für die 1951 verkündete DDR-stalinistische Architekturdoktrin der klassizierenden „Nationalen Tradition“ dienen. Wie zentral die Anpassung an die neuen ästhetischen Modelle für die Ost-Berliner Museen war, die seit 1946 von Ludwig Justi (1876–1957) als exponiertem Museumsreformer der 1920er Jahre geleitet wurden,66 zeigt die Umgestaltung der Säle des einstigen Deutschen Museums im Nordflügel des Monumentalbaus : Hier entfernte die Museumsbauverwaltung um 1950 für die Präsentation von flämischen, holländischen und italienischen Gemälden die so charakteristische dunkle Holzdecke zugunsten der nur verputzten, weiß gestrichenen Konstruktionsdecke. Für die Zeit typische, umgekehrt-konische Leuchten, leichte Stellwände und farbige Stoffflächen kamen zum Einsatz, an denen die Gemälde in radikaler Vereinzelung gehängt wurden. Ähnlich ging die Dresdner Gemäldegalerie nach Rückkehr ihrer Sammlung aus der Sowjetunion bei der Neueinrichtung 1958 vor : Nur die Fassade wurde im Zustand der Vorkriegszeit wiederhergestellt, das Dekor der Räume im Inneren dagegen erheblich reduziert, die Wände wurden weiß gestrichen, die Werke vereinzelt präsentiert.67 Eine nähere kritische Auseinandersetzung mit den Werten, Zielen und Methoden oder gar ästhetischen Prämissen der Museumsreformer der 1920er und 1930er Jahre und ihrem ausgeprägten Selbstbewusstsein, das „wirklich Wichtige“ aus den Sammlungsbeständen herausfiltern zu können, scheint es dabei bezogen auf die reduziert-modernen Museumsgestaltungen indes weder in der alten Bundesrepublik noch in der DDR der ersten beiden Nachkriegsjahrzehnte gegeben zu haben. Dazu trug sicherlich nicht zuletzt eben die teils große personelle Kontinuität der Museumsleitungen bei. Jedenfalls in den Museen alter Kunst und Klassischer Archäologie kann zugleich eine gewisse Distanzierung vom neuen sozialistischen System vermutet werden. Die Berliner Antikensammlung etwa präsentierte ihre Sammlungen nach 1959 im Nordflügel des Pergamonmuseums genau nach modernistisch-ästhetischer Konvention stark vereinzelt und als auratische Kunstwerke, die Wände dahinter hellgrau gestrichen. Die Ausstellung gliederte sich wie vor dem Krieg rein nach kunsthistorischer Chronologie. Auch die Führungsbücher blieben bei der schon vor 1945 üblichen Darstellung kultureller Einbindung der Objekte und deuteten kein wie auch immer geartetes sozialistisches Geschichtsbild an,68 und zwar bis 1990 nicht.69 Der Anschluss an die ästhetischen Maximen der VorkriegsFormen einer neuen Macht
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Museumsreformer bot hier inhaltliche Freiräume, die etwa historische Museen oder Ausstellungsorte zeitgenössischer Kunst weniger hatten.
Nationale Tradition im Sozialismus : Spengler-Museum Sangerhausen 1952 Sicherlich war die Orientierung an der Inszenierungsästhetik der Museumsreformer aus der Vorkriegszeit auch ein Integrationsangebot an nicht-sozialistische Bevölkerungskreise der DDR, vermittelte ihnen, dass Vorkriegswerte Bestand haben konnten. In ähnliche Richtung weist der am „Tag des Bergmanns“ am 6. Juli 1952 eröffnete, erste wirklich in der DDR geplante Museumsneubau, das Spengler-Museum in Sangerhausen (Abb. 1).70 Nach bisherigem Überblick dürfte es zugleich einer der ersten Museumsneubauten, wenn nicht gar der erste eigenständige Museumsneubau überhaupt in Gesamtdeutschland nach dem Krieg gewesen sein. Die heimatgeschichtliche Ausstellung im ersten Obergeschoss des Museums war zwar, wie es der sozialistische Staat für solche Ausstellungen forderte, nach marxistisch-leninistischem Geschichtsmodell gegliedert in „Ur- und Frühgeschichte“, „Kreisgeschichte […] einschließlich Geschichte der Arbeiterbewegung“ und regionalspezifisch in „Geschichte des Bergbaus […] Sangerhäuser Kupferschiefer“.71 Das Zentrum der Inszenierung war jedoch von Beginn an die große Ausstellungshalle im Kopfbau des Museums mit einem 1930 bis 1932 ausgegrabenen Altmammut-Skelett, bis heute ein Wahrzeichen Sangerhausens. Es steht auf einer Ausstellungsinsel, die naturalistisch mit Schotter gefüllt ist. An den Wänden befanden sich in der Erstinszenierung von 1952 zudem große Wandbilder von schreitenden Mammuts, darunter kleinere Skelette und Pultvitrinen. Die ästhetische Konzentration indes galt dem Hauptobjekt. Erst 1977 wurde versucht, das Skelett mit Wandvitrinen, grafischen Darstellungen, weiteren Skeletten und Präparierungen genauer in die eiszeitliche Ökologie einzuordnen.72 Immer wieder bemühten sich ab 1932 überregionale Museen, sich des einzigen vollständigen Skeletts eines Steppenmammuts in Deutschland zu bemächtigen. Wohl auch deswegen hatte der Bau des Museums in Sangerhausen eine solche Bedeutung. Er demonstrierte regionales Selbstbewusstsein, über die äußere Architektur aber auch die Loyalität der Bergarbeiterstadt Sangerhausen zum neuen Staat. Im Unterschied zum Museum in Reichenfels ist das Spengler-Museum von 1952 in der Außengestaltung nämlich eindeutig in den neoklassizistischen Formen gehalten, die seit 1951 von der SED als „Nationale Tradition“ gefordert wurden. Sein Ausstellungssaal aber ist erneut in der abstrahierenden, nur durch Wandbilder aufgelockerten Kühle der Museumsreform der 1920er und 1930er Jahre und ihrer Nachfolge inszeniert, mit Holzflächen, glatten Vitrinen, hellen Wandfarben und eben der zentralen Stellung nur eines Objekts. Früher Museumsbau in der DDR stellt sich hier auch als Kompromiss zwischen staatlicher Vorgabe und professioneller Ambition dar.
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Abb. 1 : Der 1952 eröffnete Bau des Spengler-Museums in Sangerhausen, Aufnahme 2022
International Style für den Sozialismus : Ost-Berlin und Kunsthalle Rostock 1959–1969 Nach Stalins Tod im März 1953 kam es am 17. Juni 1953 in Ost-Berlin zum Volksaufstand. Es war der erste offene Massenwiderstand in Mittel- und Osteuropa gegen den 1945 etablierten Vormachtanspruch der sozialistischen Staatsparteien. Erst der Einsatz der sowjetischen Roten Armee rettete damals die Macht der SED für die kommenden 36 Jahre. Der Tag wurde zum Trauma für die DDR-Machthaber. Erst zu Beginn der 1960er Jahre setzten sich wenigstens für einige Zeit Reformkräfte durch. Sie sahen auch in einer – selbstverständlich strikt zu kontrollierenden – wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Liberalisierung eine Möglichkeit, die Bevölkerung von den Vorteilen des Systems zu überzeugen. Prägnanter Ausdruck dafür war unter anderem die seit einigen Jahren als „Ostmoderne“ bezeichnete Übernahme von Elementen des sich langsam verflüchtigenden International Style der 1950er Jahre in den Wohnungs- und Repräsentationsbau der DDR. Der International Style hatte sich in der ästhetischen Kontinuität der Avantgarden der 1920er und 1930er Jahre nach 1945 in den liberalen Staaten Nordamerikas, West- und Nordeuropas entwickelt. Auch aus Sicht der poststalinistischen sozialistischen Regime standen seine klaren, meist kubischen Formen für wirtschaftliche Prosperität und rationalisierende Effizienz. Deswegen konnte die im Westen mit dem Versprechen individueller Emanzipation und politischer Partizipation konnotierte Formensprache, oft durch plastische Betondekorationen bereichert, ohne Weiteres etwa für die Planung der Lenin-Gedenkstätte in Uljanowsk adaptiert werden.73 Doch klang das liberale Versprechen unzweifelhaft auch in den bauliFormen einer neuen Macht
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chen Manifestationen des International Style im Osten weiter mit an. Es waren innerhalb des „Ostblocks“ eben besonders die weniger angepassten baltischen Staaten, Polen, Ungarn oder die Tschechoslowakei, die sich für die westlich-internationale Entwicklung öffneten. So gestalteten František Cubr (1911–1976) und Josef Hrubý (1906–1988) die Gemäldegalerie in der Prager Burg schon in den späten 1950er Jahren mit abstrakt glatt verputzten Wänden und ohne Fußleiste verlegten Fußböden, mit auf Scheiben einzeln montierten Gemälden oder raffiniert inszenierten Beleuchtungskörpern.74 Sie folgten damit international vielbeachteten modernsten Inszenierungen vor allem italienischer Museen.75 Schnell revolutionierte sich in diesem Umfeld um 1960 auch das öffentliche Design der DDR. So entstand 1959 der erste Abschnitt des von Karl Heinz Ehlert, Sabine Alexander und Hartmut Gessner für die Deutsche Post geplanten radikalen Umbaus des Postmuseums an der Ost-Berliner Mauerstraße. Nichttragende Wände wurden hier entfernt, historistische Dekors ebenso, wenige, fast ganz verglaste Vitrinen eingestellt. Die Architekturzeitschrift der DDR vermerkte, dass „etwas sakral wirkender, königsblauer Trimosafußboden“ verlegt wurde, auf dem sich „sehr sachlich die weiß gespritzten Ausstellungsgestelle und Leitern aus Stahlrohr abheben“. Das Obergeschoss prägten ein „grauer Auvekateppich“, Möbel mit Limbafurnier und Oberflächen mit „anthrazitfarbenen Kunststeinriemchen“, insgesamt eine „spartanische Repräsentation“ mit „verbindlicher Note“.76 Ein kühles, hochelegantes Design, das in schroffen Kontrast gesetzt wurde zum prachtvoll-historistischen Außenbau und das in der Museumskultur der DDR in diesem entschiedenen Zugriff – neben dem ebenfalls in den 1960er Jahren neu inszenierten Albertinum – wohl nur noch eine wirkliche Parallele hatte : den demonstrativ modernen Wiederaufbau des Ost-Berliner Alten Museums. Bereits in frühen Skizzen hatte der Berliner Innenarchitekt Hans Erich Bogatzky (1927– 2009) 1952 die gestalterischen Möglichkeiten des International Style dafür deutlich gemacht.77 Halbhohe Glasvitrinen ohne sichtbare Konstruktion, schimmernde Böden im abstrakten Quadratmuster, stark gemaserte Holzstellwände mit auf hellen Flächen gehängten Gemälden und Skulpturen, die Raumformen ausgenüchtert, nur gerade noch eine flache Fußleiste an den Wänden, hinter der sich offenbar die Heizung verbarg : sämtlich Elemente, die sich auch in gleichzeitigen französischen, italienischen, amerikanischen oder bundesrepublikanischen Interieurs für Museen und andere repräsentative Gebäude finden. Bei der Einweihung des dann 1966 mit großem Staatsakt übergebenen Wiederaufbaus, der von Theodor Voissen und Bogatzky geplant worden war, zeigten sich die Fassaden, die offene Treppenhalle und die Kuppelhalle weitgehend in den Formen des 1945 ausgebrannten Baus von Karl Friedrich Schinkel. Die Ausstellungsräume auf beiden Geschossen wurden allerdings radikal neugestaltet als weite Hallen mit stark gegliederten Lichtdecken, kraftvoll durch die Fenster einfallendem Licht und locker verteilten Stellwänden. Die neue zentrale Treppenanlage, die den Bau erst auf beiden Geschossen nutzbar machte, zeigte sich filigran, leicht und elegant (Abb. 2). 1964 begannen auch die Planungen für den Neubau einer Kunsthalle in Rostock, parallel zu denen der erwähnten Ausstellungspavillons am Leipziger Völkerschlachtdenkmal, am Eisenacher Wartburg-Werk, auf der Cottbuser Promenade, im Ferienort Heringsdorf und wieder auf der Cottbuser Promenade. Durchweg sind dies klar gegliederte, meist kubische Bauten 202 I Nikolaus Bernau
Abb. 2 : Das Alte Museum in Ost-Berlin in der Neugestaltung von 1966 mit innovativer zentraler Treppenanlage
aus Stahl, Betongerüst und Glas mit vorgelagerten Terrassen und umfassten Atrien, wandhohen Fenstern, auch milchig schimmernden Oberlichtern. Sie entsprachen ästhetisch dem, was charakteristisch war für Museums- und Ausstellungsbauten des zweiten Nachkriegsjahrzehnts „im Westen“ : Pavillons wie die Stadtinformation in Bonn-Bad Godesberg, die Moderne Galerie in Saarbrücken, das Studio des Kunstkreises Hameln, das Essener Folkwang-Museum, um nur einige zu nennen, sind teilweise bis in die Details hinein ähnlich gehaltene Bauten.78 Wenigstens so einflussreich wie sie waren aber skandinavische Vorbilder, etwa das 1958 eröffnete Louisiana bei Kopenhagen, das Sara-Hildén-Museum im finnischen Tampere und vor allem das von Gunnar Fougner (1911–1995) und Einar Myklebust (1922–2017) entworfene, 1963 fertiggestellte Munch-Museum in Oslo. Dessen Direktor Johan H. Langaard (1899–1988) erhielt schon 1959 die Gelegenheit, sein Projekt noch im Planungsstadium ausführlich in der DDR-Zeitschrift Deutsche Architektur selbst vorzustellen.79 Er forderte flexible Raumaufteilungen, edle Materialien, damit die Pietät gegenüber der Kunst gewahrt werde, klare, einfache Formen. Das Publikum „muss direkt und automatisch in die Museen fließen, so dass es keinen Augenblick die Begegnung mit der Kunst scheut.“80 Deswegen „müssten“ Museen in dicht bewohnten Vierteln liegen, nahe der Hauptverkehrsstraßen, nicht aber wie oft in Amerika in Parkanlagen am Stadtrand verwiesen Formen einer neuen Macht
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Abb. 3 : Entwurf des Munch-Museums Oslo, Modell im Detail, publiziert in : Langaard 1959, S. 329
werden, wodurch lange Wege entstünden. Das in diesem Text publizierte Modell des Osloer Entwurfs (Abb. 3) ist im Großen eine Vorwegnahme der Rostocker Kunsthalle : ein Flachdachbau, zwar in einem Park, aber nahe einer Hauptstraße mit eigener Tram-Haltestelle, mit langer Fensterfassade, asymmetrisch gesetztem Eingang, Innenhof, Seitenlicht- und Oberlichtsälen. Es waren aber nicht nur kunsthistorische Museen, die gestalterisch in diesem Jahrzehnt der vorsichtigen Liberalisierung und Öffnung der DDR grundsätzlich neue Wege suchten. Neben dem Stralsunder Meereskundemuseum (Abb. 4) engagierte sich hier besonders das Ost-Berliner Naturkundemuseum. 1967 wurde sein sensationeller neuer Huftiersaal übergeben.81 Eine Inszenierung, wie es sie in der DDR bis dahin nicht gegeben hatte : Vor einem stark abstrahierenden Hintergrund mit erläuternden Grafiken standen die Tierpräparate in lockeren Gruppen, gleich einer großen Herde. Welchen Eindruck das Ensemble machte, zeigen bis heute verbreitete Postkarten. Die musealen Neuinszenierungen fügten sich dabei in einen größeren Kontext modernster DDR-Architektur ein. So ist es wohl kein Zufall, dass der Wiederaufbau des Alten Museums 1967 im gleichen Heft der Deutschen Architektur wie die Neubauten für die Ost-Berliner Stadtbibliothek in der Breiten Straße, für die Sächsische Zeitung in Dresden und das Klinikum in der Rostocker Südstadt publiziert wurde.82 Sie alle versprachen genauso wie die rationalistischen Wohnblöcke, neuen Kaufhäuser, gläsernen Café- und Barpavillons an der Ost-Berliner Karl-Marx-Allee, der früheren Stalinallee, oder der Dresdner Prager Straße, ebenso wie die 204 I Nikolaus Bernau
Abb. 4 : Vögel der Ostsee, Raum im Meereskundemuseum Stralsund in der Inszenierung von 1962
etwa gleichzeitig modernistisch neu inszenierten Lesesäle in der Staatsbibliothek Unter den Linden, um nur einige Projekte dieser Jahre zu nennen, der Bevölkerung einen Neuanfang nach den stalinistisch geprägten 1950er Jahren.
Massentourismus als Weg aus der Krise : Schillermuseum Weimar 1988 Nach der Übergabe der Rostocker Kunsthalle dauerte es fast zwanzig Jahre, bis in der DDR 1988 ein weiterer Museumsneubau eröffnet werden konnte : das Schillermuseum in Weimar. Bei dem Projekt ging es erst einmal um eine moderne Erweiterung des historischen Wohnhauses, in dem Friedrich Schiller von 1802 bis zu seinem Tod 1805 gelebt hatte und das seit dem Ankauf durch die Stadt 1847 eines der frühesten Personalmuseen Deutschlands war. 1946 nach der Beseitigung kleinerer Kriegsschäden wiedereröffnet, litt das Wohngebäude erheblich unter dem Besucherandrang. Über Jahre wurde um die Art der Erweiterung gerungen, 1981 fand deswegen der einzige öffentliche Architekturwettbewerb für einen Museumsbau in der DDRGeschichte statt.83 Man war sich einig, dass er die kleinteilige Struktur der Altstadt nicht beschädigen dürfe. Gleichzeitig mussten die Anforderungen eines Literaturmuseums und des Massentourismus bewältigt werden. Der Entwurf von Klaus Aschenbach, Jürgen Beyer und Walter Köckeritz wurde schließlich der einzige dezidiert postmoderne Museumsentwurf in der DDR. Der 1988 fertiggestellte Neubau nahm nicht nur die Proportionen der Altstadt auf, Formen einer neuen Macht
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sondern verband sie zudem mit Details und einer ironischen Haltung, die unverkennbar ihre Parallelen und ästhetischen Vorbilder in der gleichzeitigen Museumsbauwelle Westeuropas und besonders der alten Bundesrepublik hatten. Quadratisch gerasterte und über Eck geführte Fenster, außer der Reihe positionierte Rundpfeiler, asymmetrisch gerundete Treppenhäuser, offene Ausstellungsräume – solche Elemente findet man leicht auch an damaligen Museums- und Kulturbauten in Stuttgart, Bonn, West-Berlin, Köln, Chicago und anderswo. Parallel zu Weimar wurde in den 1980er Jahren zudem erneut auch in Ost-Berlin geplant, ebenfalls mit dem Argument des zunehmenden Massentourismus. Schon seit 1972 entstanden Konzepte für eine entsprechende Ergänzung des Pergamonmuseums mit Café, Shop und Garderoben sowie für einen Wiederaufbau des benachbarten Neuen Museums für die archäologischen Sammlungen.84 Doch erst 1979 beschloss die DDR-Regierung den rekonstruierenden Wiederaufbau des Neuen Museums – charakteristischerweise genau dann, als der ökonomische Rückstand der sozialistischen Staaten gegenüber den kapitalistischen immer deutlicher wurde. Ein möglicher Weg aus der eskalierenden Wirtschaftskrise schien die Entwicklung des Massentourismus. Dafür brauchte es die entsprechende Infrastruktur auch in der Kultur. Der Wiederaufbau der Dresdner Oper und des Berliner Schauspielhauses, die Inszenierung einer Berliner Altstadt im nachgebauten Nikolaiviertel waren ebenfalls Teil dieser Strategie. Als erster Schritt zu einer Umgestaltung der gesamten Museumsinsel entstand so ab 1981 ein neuer Eingangsbau zum Pergamonmuseum nach Entwürfen von Werner Dutschke und Peter Gohlke von der Kunsthochschule Weißensee.85 Zwar blieb er mit gläserner Vorhangfassade und sichtbarer, in der DDR besonders teurer Stahlkonstruktion auf den ersten Blick im Rahmen des Modernismus der Nachkriegszeit. Doch die Fassade ist darüber hinaus nach antikem Vorbild in gleiche Abschnitte geteilt, doppelte Stützen scheinen Säulen anzudeuten, es fehlt der für modernistische Projekte kanonische, antiklassizistische Mittelpfeiler, eine breite Treppe betont die Mittelachse. All dies nahm in der späten DDR der 1980er Jahre die postmoderne Debatte um die Bedeutung von Geschichte für das aktuelle Bauschaffen genauso auf wie es wenig später die Kleinstadtformen des Schillermuseums in Weimar taten. Zugleich aber waren solche Projekte auch Teil der von Erich Honecker betriebenen Integration „fortschrittlicher Traditionen der deutschen Geschichte“ in die staatliche Repräsentation, die mit der sensationellen Wiederaufstellung des Denkmals für Friedrich II. Unter den Linden 1980 ihren sichtbarsten Ausdruck gefunden hatte und bis zur Rehabilitierung wilhelminischer Reformhistoristen wie des Architekten des Pergamonmuseums Alfred Messel (1853–1909) reichte.86
Museumsarchitekturen der DDR – eine Einordnung Bis zuletzt stellt sich der Museumsbau der DDR als von immer wieder ähnlichen Themen und Tendenzen geprägt dar : Ostdeutsche Museumsgestaltungen waren zwischen 1949 und 1990 eng an jeweilige politische Entwicklungen und Vorgaben geknüpft. Flexibel passten sie sich im Interesse eines offiziellen Schritthaltens in der Kultur gerade an internationale, meist west206 I Nikolaus Bernau
Abb. 5 : Schuhmuseum im Schloss Weißenfels in erhaltener Gestaltung aus der Zeit der DDR, Aufnahme 2022
lich geprägte Maßstäbe und Modelle an, suchten die DDR so zu platzieren und zu festigen. Auch die Gestaltung von Museen war damit Teil der Legitimationsstrategien eines Regimes, dessen Macht sich maßgeblich auf die Unterstützung durch die Sowjetunion gründete, das für einen Erfolg aber wenigstens die Akzeptanz der Bevölkerung benötigte. Konkrete kulturelle Bezugspunkte waren dabei zunächst die Museumsreform der 1920er und 1930er Jahre, ab 1960 der klare Stil der internationalen Moderne, in den 1980er Jahren die Postmoderne. Ansätze aus Skandinavien, Italien oder der Tschechoslowakei nahmen ebenso Einfluss wie solche aus der Bundesrepublik. Gleichzeitig allerdings ließen die eingeschränkten wirtschaftlichen Möglichkeiten der DDR jenseits aller Ambitionen ein nachhaltiges Wirken in diesem Bereich nur bedingt zu. Das eigentliche Innovationspotenzial lag so nicht in Neubauten, sondern vor allem in den Neuinszenierungen bestehender Häuser. Trotz der Einbeziehung von Teilen der Bevölkerung sogar in die Realisierung der Bauprojekte, Sangerhausen und Rostock waren hier keine Sonderfälle,87 konnte die DDR auf diese Weise jedoch allenfalls punktuell und in weit geringerem Ausmaß als die nach 1945 baufreudige Bundesrepublik wenigstens im Rückblick wegweisende Akzente setzen. Die Außenwirkung ihrer wechselnden Museumsarchitekturen blieb begrenzt. Auch deswegen sind die gestalterischen Zeugnisse der musealen Entwicklung in Ostdeutschland bis 1989 inzwischen kaum mehr sichtbar. Nur wenige Ausnahmen etwa in Stralsund, Rostock, Sangerhausen, Reichenfels, in Weimar oder auch die Inszenierungen der späten DDR im Erzgebirgsmuseum in Annaberg-Buchholz oder im Schuhmuseum im Schloss Weißenfels (Abb. 5) geben heute noch eine Idee davon. Formen einer neuen Macht
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Anmerkungen 1 Wurlitzer 1990, S. 11. 2 Ebd. 3 Handbuch Museen in der DDR 1963, S. XI. 4 Vgl. www.smb.museum/fileadmin/website/Institute/Institut_fuer_Museumsforschung/Publikationen /Materialien/mat31.pdf (Zugriff 3.1.2021). 5 Wurlitzer 1990, S. 5. 6 Ausgewertet wurden dafür u. a. Handbuch Museen in der DDR 1963, Handbuch Museen 1971, Wurlitzer 1983, Wurlitzer 1990, zudem die DDR-Zeitschriften Deutsche Architektur/Architektur der DDR (1952–1990), Bildende Kunst (1951–1991), Neue Museumskunde (1958–1990), Bauten der Kultur/Kulturbauten (1976–1991), Wissenschaftliche Zeitschrift der Hochschule für Architektur und Bauwesen, Weimar (1953–1984 – ohne Erwähnung von Museumsbauten) sowie zwischen 1945 und 1990 erschienene Postkarten. 7 Inwieweit dabei für Museen auch Baulichkeiten genutzt wurden, deren Besitzer nach 1945 aus dem Gebiet der SBZ/DDR vertrieben wurden oder flohen, ist bisher nicht recherchiert. 8 Kriegsbeschädigt oder zerstört waren hier u. a. sämtliche Museen auf der Musemsinsel, das Postmuseum, Naturkundemuseum und Märkische Museum, vgl. Kühnel-Kunze 1984. 9 Beschädigt waren in Dresden u. a. die Gemäldegalerie, das Albertinum, der Zwinger, das Residenzschloss mit dem Grünen Gewölbe, das Kunstgewerbemuseum, das Hygiene-Museum und das Japanische Palais. 10 In Leipzig ging es u. a. um das Museum der bildenden Künste, das Grassimuseum, das Alte Rathaus mit dem Stadtmuseum und das Naturwissenschaftliche Museum. 11 Vgl. Handbuch Museen in der DDR 1963. 12 Zum Dresdner Kunstgewerbemuseum vgl. Rother 1999. 13 Eine statistische Übersicht dazu bis 1990 fehlt bisher. Für einen ersten Überblick vgl. etwa Handbuch Museen 1971 ; Stephan 1983 ; Mörmann 1983. 14 Eine Statistik dazu existiert offenbar nicht. Schubert 1986 verzeichnet bereits einen Kanon von achtzig als herausragend betrachteten Museumsneubauten. Weitere Angaben liefern Aloi 1961 ; Brawne 1965 ; Brawne 1982 ; Schubert 1986 ; Klotz/Krase 1988 ; Wettbewerbe 1990 ; Fritsch 1992 ; Wettbewerbe 1993 ; Newhouse 1998 ; Greub 2008 ; Deutsche Bauzeitung ; Bauwelt. 15 Vgl. Bauten für Bildung und Forschung 1971 ; zu Darmstadt speziell Stephan 2008. 16 Vgl. im Überblick Berlin und seine Bauten 1983, darin bes. Arndt 1983, Streckebach 1983, Güttler/ Ahmadi 1983 ; Hiller von Gaertringen/Hiller von Gaertringen 2014. 17 Vgl. dazu jüngst etwa Jäger/von Marlin 2021 ; Maibohm 2021. 18 Vgl. Kühnel-Kunze 1984. Zum Dahlemer Museumsbau als Ost-West-Thema siehe auch den Beitrag Winter in diesem Band. 19 Vgl. Metz 1966 ; Bernau 2003. 20 Vgl. dazu u. a. Bernau 2021 mit weiterführender Literatur. 21 Eine Untersuchung zur Bibliotheksarchitektur in der DDR fehlt bisher. 22 Vgl. Wurlitzer 1990, u. a. Karten im Einband. 23 Vgl. Hohn 1992. 24 Vgl. Handbuch Museen in der DDR 1963, S. 35–56. 25 Ebd. 26 Vgl. Wurlitzer 1990, u. a. auch Karten im Einband.
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Vgl. Rieck 1958 ; Streicher/Benke 2001. Wurlitzer 1990, S. 68 ; siehe dazu auch den Beitrag Bretschneider in diesem Band. Siehe dazu auch die Beiträge Kratz-Kessemeier und Neumann in diesem Band. Siehe dazu auch den Beitrag Danker-Carstensen in diesem Band. Vgl. Aloi 1962, S. XXVII mit Abb. der Dresdner Porzellangalerie im Nachkriegszustand. Vgl. Reuther 1978 ; Berlins Museen 1994 ; Hensel/Köstler 2005 ; Krüger 2013. Vgl. Schade 1986, S. 86–132 u. 138–150 ; Petras 1987, S. 177–210 ; Bernau 2006 ; Witschurke 2015, bes. S. 231–248. 34 Vgl. Architektur im 20. Jahrhundert 2000. 35 Vgl. Zwei deutsche Architekturen 2004. 36 Vgl. Aloi 1962 ; Brawne 1965 ; Brawne 1982 ; Klotz/Krase 1988 ; Schubert 1986 ; Newhouse 1998 ; Lampugnani/Sachs 1999. 37 Handbuch Museen in der DDR 1963, S. 279 gibt dazu unkorrekt 1939 als Bauzeit an, 1947/48 „als Museum eingerichtet“, 1955 und 1960 als Neueinrichtungen. 38 Vgl. Schulze 1968 ; Spengler-Museum 1982. 39 Vgl. www.kunstpavillon.info/site_010_Vita_KUNSTPavillon.html (Zugriff 10.7.2020). 40 Vgl. Schillermuseum 1988 ; Aschenbach/Beyer/Seifert 2018. 41 Vgl. Pavillon Geschichte der Völkerschlacht 1973 ; Hartmann/Hartmann 1977 ; Maseberg 1979. 42 Vgl. Deutsche Architektur, Jg. 7, 1958, S. 615. 43 Vgl. 50 Jahre Ausstellungen im Kunstpavillon Heringsdorf 2020. 44 Vgl. Deutsche Architektur, Jg. 19, 1970, S. 32. 45 Die Cottbusser Bauten wurden 2006/07 mit der Mokka-Milcheis-Bar Kosmos abgerissen. 46 Vgl. Anything Goes 2021, S. 98. Der Bau wurde 2014 als letzter des Ensembles Marzahner Promenade abgerissen. 47 Vgl. Bartke/Gohlke 1983, S. 232. 48 Vgl. Die Bauernkriegsgedenkstätte 1983 ; Stephan 2013. 49 Vgl. Krone 2014. 50 Ich danke Dipl. Ing. Rolf Haider, Berlin, für die Übersendung seiner Materialsammlung zu diesem bisher kaum beachteten Projekt. Vgl. dazu auch Müller 1999 ; Bernau 2019. 51 Vgl. Architekturführer DDR 1975, S. 23. Das Informationszentrum wurde 1999 abgerissen. 52 Vgl. Wurlitzer 1990, S. 239. Das Gebäude wird seit 1993 als Kulturzentrum KMM genutzt. 53 Vgl. Wurlitzer 1990, S. 160 f.; Stenkewitz 1971 ; Schröder/Külow 1996. Heute wird nur noch ein Raum für diesen Zweck genutzt. 54 Vgl. Wurlitzer 1990, S. 291 f.; Eismann 1958 ; Schoppe/Nauhaus 1979. 55 Wurlitzer 1990, S. 144 ; zum Wiederaufbau vgl. Maur 1975 u. Neue Museumskunde, Jg. 31, 1988, H. 1, S. 57–59. 56 Wurlitzer 1990, S. 144. 57 Vgl. Eismann 1958, S. 18 f. u. 29 f. Zum Kontext kultureller Gedenkhäuser siehe auch den Beitrag Hoffmann in diesem Band. 58 Vgl. Wurlitzer 1990, S. 136 ; www.museum-reichenfels.de/seite/462568/geschichte-des-museums. html (Zugriff 11.10.2020) ; Jahrbuch Hohenleuben-Reichenfels 1951–1959 ; Trebke 2000 ; Museum Reichenfels 1995. Zu danken ist Sigrun Voigt, Museum Reichenfels, für freundliche Informationen und Hilfe. 59 Vgl. von Beyme 1987, bes. S. 287–291 ; Lampugnani/Schneider 1992 ; Hohn 1992 ; Durth/Düwel/ Gutschow 2007. Formen einer neuen Macht
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Vgl. Bernau 2016. Vgl. Kott 2016. Vgl. Janson/Lundberg/Odelberg 1989. Vgl. Deneke/Kahsnitz 1978, darin bes. Hennig 1978. Vgl. Rohde 1977. Vgl. Bernau 2011. Siehe dazu auch den Beitrag Winter in diesem Band. Vgl. Marx/Magirius 1992. Vgl. Rohde 1960 ; Rohde 1961a ; Rohde 1961b ; Rohde 1968. Vgl. Heres/Kunze 1984 ; Kunze/Kästner 1985 ; Kunze 1986. Vgl. Spengler-Museum 1982. Handbuch Museen in der DDR 1963, S. 207 ; Spengler-Museum 1982 ; Schulze 1987, S. 201. Vgl. Schulze 1987. Vgl. Deutsche Architektur, Jg. 19, 1970, S. 206–210. Deutsche Architektur, Jg. 17, 1968, S. 434–437. Vgl. Aloi 1962. Der Verfasser besitzt eine ursprünglich der Bibliothek des Architektenverbands der ČSSR gehörende, erheblich abgegriffene Ausgabe, die andeutet, dass das im Westen weit verbreitete Buch mindestens auch in der Tschechoslowakei intensiv rezipiert wurde. Deutsche Architektur, Jg. 14, 1965, S. 105–108 ; vgl. auch Randa-Campani 2000. Vgl. Krüger 2013, S. 130. Zum Wiederaufbau des Alten Museum vgl. Witschurke 2015, S. 240–242. Eine umfassende Würdigung dieses Projekts steht aus. Dazu wie auch zu den Neugestaltungen des Albertinums und des Alten Museums im Kontext einer in den 1960er Jahren kurzzeitig veränderten Museumspolitik der DDR siehe auch den Beitrag Kratz-Kessemeier in diesem Band. Langaard 1959. Ebd., S. 331. Vgl. Oppermann 1968. Die Inszenierung wurde vor einigen Jahren unnötigerweise zerstört. Zum Huftiersaal und seinem Kontext siehe auch den Beitrag Scheil in diesem Band. Vgl. Deutsche Architektur, Jg. 16, 1967, S. 78–83, 141–149 u. 150–161. Vgl. Aschenbach/Beyer/Seifert 2018, S. 76–93. Vgl. Witschurke 2015, S. 243–248. Vgl. Bartke/Gohlke 1983, S. 232. Vgl. Hüter 1987. Vgl. Spengler-Museum 1982, S. 3.
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SAMMLU NGSKONZEPTE U N D OBJ EKTB EWEGU NGEN
Jan Scheunemann
„I M I NTE R E S S E D E R A L LG E M EI N H E IT WI R D DAS G E SA MTE KU N ST- U N D KU LTU RG UT DE S ENTE IG N E TEN G RO S S G R U N DB E S ITZ E S MIT SO FO RTIG E R WI R KU N G U NTE R B E S ON DE R E N SC H UTZ [ … ] G E STE LLT. “ Sicherstellung, Bergung und Verwertung von Kunstwerken aus der Bodenreform. Ein Kapitel ostdeutscher Museumsgeschichte1 Konrad Breitenborn zum 70. Geburtstag
Am 13. Juli 2019 berichteten die Potsdamer Neuesten Nachrichten und der Spiegel unter Berufung auf streng vertrauliche Dokumente über seit 2014 laufende Geheimverhandlungen zwischen dem Bund, den Ländern Berlin und Brandenburg und Georg Friedrich Prinz von Preußen, dem Ururenkel des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. Georg Friedrich Prinz von Preußen, so konnte man lesen, fordere vom Staat die Entschädigung für in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) enteignete Liegenschaften sowie die Rückgabe von Tausenden Kunstwerken im Wert von mehreren Millionen Euro. Die Berichterstattung war intensiv, zumal behauptet wurde, dass zwei Berliner Museen die Schließung drohe, sollte es zu einer Herausgabe der Kunstschätze kommen.2 Die Verhandlungen werden zwischen der Familie Hohenzollern und der öffentlichen Hand geführt – die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg agieren dabei auch für die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und das Deutsche Historische Museum. Die im Kern vermögensrechtliche Auseinandersetzung geht im Wesentlichen auf Ereignisse zurück, die inzwischen 75 Jahre zurückliegen. Im Zuge der 1945 in der SBZ durchgeführten Bodenreform waren nicht nur Land- und Forstflächen entschädigungslos enteignet worden, sondern auch Schlösser und Gutshäuser sowie die darin befindlichen Kunstgegenstände, die zu großen Teilen in ostdeutsche Museen gelangten. Wie viele andere einstige Adelsfamilien war auch die Familie Hohenzollern von diesen Enteignungen betroffen – hier in Person von Wilhelm Prinz von Preußen (1882–1951), seit dem Tod seines Vaters Kaiser Wilhelm II. 1941 Oberhaupt des Familienverbands. Die öffentliche, wissenschaftliche und politische Aufregung um diesen prominenten Fall entzündete sich an der juristisch relevanten Frage, ob Kronprinz Wilhelm aufgrund seines persönlichen Verhaltens dem Nationalsozialismus „erheblichen Vorschub“ geleistet hat. Nur wenn diese Frage zu verneinen ist, steht den Enteigneten und ihren Nachkommen eine EntSicherstellung, Bergung und Verwertung von Kunstwerken aus der Bodenreform
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schädigung für Immobilien und der Anspruch auf Rückgabe von mobilen Kulturgütern wie Kunstwerken, Bibliotheken oder Archivalien zu. So sieht es das am 1. Dezember 1994 in Kraft gesetzte Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz vor, das in Artikel 2 unter anderem die Rückgabe jener „beweglichen Sachen“ regelt (§ 5, Abs. 1), die auf „besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage“ – also im Zeitraum zwischen 1945 und 1949 durch Bodenreform und Sequestrierungen – enteignet wurden.3 Jenseits der Frage der Ansprüche der Hohenzollern lenkt der Fall erneut das Augenmerk auf die enge Verbindung von Bodenreform und Museum. Denn die Befürchtungen, die Museen könnten angesichts von Rückübertragungsansprüchen große Teile ihrer Sammlungen verlieren, sind nicht neu. Schon Mitte der 1990er Jahre hatten Zeitungen und Magazine mit Überschriften wie Adel verpflichtet. Ostdeutschen Museumsdirektoren flattern fast täglich Rückgabeanträge auf den Schreibtisch, Droht den Museen ein schmerzhafter Aderlaß ?, Verdorrt die ostdeutsche Museumslandschaft ? oder Die Furcht der Galerie und Museen um ihre Schätze die breite Öffentlichkeit auf die damals tausendfach bei den Landesämtern zur Regelung offener Vermögensfragen eingehenden Anträge auf Rückgabe von Kunstwerken aufmerksam gemacht.4 Die Bodenreform, das wurde schnell klar, war nicht nur Teil der politischen Geschichte. Sie hat vielmehr auch nachhaltig die Sammlungsgeschichte vieler ostdeutscher Museen geprägt. Der folgende Essay möchte die Relevanz des Themas andeuten und maßgebliche historische Hintergründe dafür skizzieren.
Sicherstellung und Bergung von Kunst- und Kulturgut aus der Bodenreform Bei der im September 1945 in der SBZ begonnenen Bodenreform wurden etwa 12.000 landund forstwirtschaftliche Betriebe entschädigungslos enteignet ; insgesamt handelte es sich um mehr als drei Millionen Hektar Ackerland und Waldflächen. Die als „demokratisch“ deklarierte Bodenreform zielte auf die „Liquidierung des Großgrundbesitzes, der großen Güter der Junker, Grafen und Fürsten“.5 So hatte es die KPD schon in ihrem programmatischen Aufruf vom 11. Juni 1945 verkündet, der eine Übergabe des „ganzen Grund und Bodens sowie des lebenden und toten Inventars […] an die durch den Krieg ruinierten und besitzlos gewordenen Bauern“ forderte.6 Die in den einzelnen Ländern und Provinzen der SBZ erlassenen Bodenreformverordnungen und -gesetze folgten diesem Ansinnen fast wortgleich. Blickt man beispielhaft auf die preußische Provinz Sachsen (das spätere Land SachsenAnhalt), so wurden hier infolge der am 3. September 1945 erlassenen Bodenreformverordnung 3.040 Landgüter enteignet.7 In über 2.200 Fällen gehörten dazu auch Schlösser und Gutshäuser. Das von den geflohenen oder vertriebenen Eigentümern zurückgelassene und faktisch mit enteignete Inventar war in hohem Maße gefährdet, denn die Gebäude wurden sogleich von sowjetischen Besatzungstruppen besetzt und insbesondere das noch vorhandene Mobiliar beschlagnahmt oder abtransportiert. Auch die Nutzung der historischen Bauten zur Einquartierung von Flüchtlingen und Vertriebenen stand auf der Tagesordnung, wobei man vor allem historische Einrichtungsgegenstände, Geschirr und Bestecke aus purer Not an die 214 I Jan Scheunemann
neuen Bewohner verteilte. Kunsthistorisch wertvolle Gegenstände fanden so als alltägliches Gebrauchsgut oder gar als Heizmaterial Verwendung. Hinzu kamen Diebstähle, Plünderungen und mutwillige Zerstörungen durch die ortsansässige Bevölkerung. Aus diesem Grund erging vom Präsidenten der Provinz Sachsen schon am 13. September 1945, also zehn Tage nach Beginn der Bodenreform, ein Erlass, der das gesamte, nun als „herrenlos“ bezeichnete Kunst- und Kulturgut „unter besonderen Schutz der Provinz“ stellte. Die Gegenstände waren zu sichern, sollten aber vorerst an ihrem bisherigen Aufbewahrungsort verbleiben, bis ein vom Präsidenten Beauftragter weitere Anordnungen treffen würde. Außerdem wurden mit dem Erlass insgesamt 43 Schlösser „in vollem Umfang mit ihrer gesamten Inneneinrichtung“ unter Schutz gestellt.8 Die Überprüfung der enteigneten Schlösser und Gutshäuser sowie die Sicherstellung und spätere Bergung des Kunst- und Kulturgutes erfolgte in der Provinz Sachsen ab Herbst 1945 auf drei Ebenen : 1. auf lokaler und regionaler Ebene durch entsprechende Beauftragte bei den Volksbildungsämtern der Städte und Kreise – zumeist waren dies Archivare, Museumsleiter, ehrenamtliche Heimatforscher oder Denkmalpfleger, in einigen Fällen auch Pfarrer ; 2. auf Landesebene durch den Provinzialkonservator Wolf Schubert (1903–1977) bzw. durch das am 1. April 1948 beim Ministerium für Volksbildung, Kunst und Wissenschaft Sachsen-Anhalts in Halle/ Saale eingerichtete Landesamt für Naturschutz und Kulturpflege ; 3. auf Ebene der Sowjetischen Besatzungszone übernahm die 1945 bis 1949 für den gesamten Bildungssektor verantwortliche Deutsche Zentralverwaltung für Volksbildung (DZVV) eine vor allem kontrollierende Funktion gemäß den von der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) erlassenen Befehlen. Dazu gehörte insbesondere der Befehl Nr. 85 vom 2. Oktober 1945, der zeitlich in Zusammenhang mit der Reorganisation des gesamten ostzonalen Bildungswesens stand.9 Mit ihm erhielt die DZVV den Auftrag, für die Wiedereröffnung der Museen zu s orgen und diese nach der Beseitigung nationalsozialistischer und militaristischer Inhalte für die Bildungsarbeit zu nutzen. Zu diesem Zweck sollten die im Krieg an Auslagerungsorte verbrachten Museumsgüter gesichert und in die Ausstellungshäuser zurückgeführt werden. Außerdem war binnen Monatsfrist „die Erfassung aller erhalten gebliebenen Museumswerte und Museumsausstattungen der zentralen, örtlichen und herrenlosen Privatmuseen durchzuführen“. Der Befehl verband also zwei Arbeitsfelder miteinander : die Rückführung von kriegsbedingt ausgelagerten Museumsbeständen und die Registrierung von Kunst- und Kulturgut, das durch die Bodenreformenteignungen in den nun verlassenen oder anderweitig genutzten Schlössern und Gutshäusern zurückgeblieben war, denn nichts anderes war mit „herrenlosen Privatmuseen“ gemeint. Diese „Schlossbergungen“10 waren eine Maßnahme, die den Bodenreformenteignungen nachfolgte. Sie wurden als notwendig erachtet, um Schlossinventar vor dem Zugriff Dritter zu schützen und so zumindest Bruchstücke der meist aus adliger Provenienz stammenden und bald als „Volkseigentum“ deklarierten kulturellen Substanz zu bewahren. Was mit den Kunst- und Kulturgütern aus den Schlössern und Gutshäusern geschehen sollte, hatte Befehl Nr. 85 vage vorgezeichnet. Er ordnete an, für die unbeaufsichtigten und evakuierten Wertgegenstände „eine zentrale (in Berlin) und örtliche (in den Verwaltungszentren der Provinzen und Länder) Aufbewahrungsstellen zu schaffen“ und von dort eine Sicherstellung, Bergung und Verwertung von Kunstwerken aus der Bodenreform
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Verteilung der Gegenstände an die zu eröffnenden Museen zu organisieren. Ein Eigentumsübergang der erfassten Stücke an die Museen war damit allerdings nicht befohlen worden. Der Provinzialkonservator der Provinz Sachsen sprach im November 1945 gegenüber dem Museumsreferenten der DZVV deshalb auch lediglich davon, dass man die aus der Bodenreform stammenden Kulturgüter „in Obhut“ genommen habe. „Der Ausdruck wurde gewählt, um endgültigen rechtlichen Regelungen nicht vorzugreifen. Da das von der Bodenreform betroffene Kulturgut gleichzeitig als herrenloses Gut anzusprechen ist, kann dessen Verbleib in der öffentlichen Hand als durchaus wahrscheinlich gelten.“11 Die Erfassung und Sicherstellung des „herrenlosen“ Kunst- und Kulturgutes lief in den Ländern und Provinzen uneinheitlich und alles andere als zügig ab. Neben dem Mangel an Personal stellten vor allem fehlende Transportmittel, knapper Kraftstoff und schlechte Verkehrswege gravierende Hindernisse dar. Trotz gesetzlicher Regelungen kam es immer wieder zu Beschlagnahmungen durch lokale Bodenkommissionen oder gar zum Verkauf von Kunstobjekten an Privatleute. Auch umtriebigen Antiquitätenhändlern bot die Durchführung der Bodenreform Raum für vermeintlich gute Geschäfte. So wandte sich die in Berlin-Charlottenburg ansässige Firma „Dr. Konrad Strauss Antiquitäten“ im September 1946 mit einer offiziellen Anfrage an die Landesbodenkommission in Halle/Saale. Wie man in Berlin gehört hatte, waren im Zuge der Bodenreform auch Kunstgegenstände aus Schlössern enteignet und von den Gemeinden den Neusiedlern überlassen worden. „Es ist anzunehmen“, schrieb Konrad Strauss, „dass das Mobiliar von den Neusiedlern benötigt wird, dagegen gewisse Kunstgegenstände wie Gemälde, Gobelins usw. weniger Interesse haben. Da solche Objekte heute einen hohen Wert darstellen, ist anzunehmen, dass die Gemeinden bestrebt sind, sich Einnahmen aus dem Erlös dieser Sachen zu verschaffen. Als langjähriger erfahrener Kunsthändler mit guten Verbindungen bin ich bereit, solche Kunstgegenstände zur erwerben und evtl. auch Schätzungen bzw. Gebote abzugeben. Ich bitte Sie daher, mir mitzuteilen, an welche Gemeinden ich mich wenden könnte. Sie werden sicher eine Anzahl kennen, bei denen aus hochadligem Schlossbesitz Kunstgegenstände angefallen sind, die jetzt zum Verkauf stehen.“12 Provinzialkonservator Wolf Schubert ließ Konrad Strauss am 11. Oktober 1946 wissen, dass die in der Bodenreform angefallenen Kunstgegenstände laut der am 13. September 1945 erlassenen Verordnung nicht veräußert werden dürften, und fügte unmissverständlich hinzu : „Wenn trotzdem örtliche Vertreter der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe oder andere Stellen oder Einzelpersonen in Unkenntnis dieser Verordnung Verkaufsangebote machen, sind die aus solchen Angeboten getätigten Verkäufe ungesetzlich und deshalb ungültig.“13 Dass es sich bei dem Ankaufsersuchen von Konrad Strauss nicht um einen Einzelfall handelte und gerade in Berliner Kunsthandlungen immer wieder Stücke aus Bodenreformkontexten auftauchten, kann man noch heute in den zahlreich überlieferten Bergungsakten nachlesen. Um den Verkauf von Kunstwerken aus der Bodenreform zu unterbinden, gab der Präsident der Provinz Sachsen am 14. Oktober 1946 einen weiteren Erlass heraus, der deutlich machte, dass das aus der Bodenreform stammende Kunst- und Kulturgut der alleinigen Verfügung des Präsidenten unterstand und eine Veräußerung verboten war. „Werden im 216 I Jan Scheunemann
Kunsthandel Kunst- und Kulturgegenstände solcher Herkunft angetroffen, so ist das Geschäft sofort und bis zur Entscheidung durch die Provinzialverwaltung zu schließen.“14 Der Erlass erinnerte insbesondere die Bürgermeister und Landräte daran, für die Sicherstellung der Bodenreformstücke und die Einhaltung des SMAD-Befehls Nr. 177 vom 18. Juni 1946 zu sorgen, mit dem eine Übergabe des Kunst- und Kulturgutes aus der Bodenreform an die „deutschen örtlichen Verwaltungsbehörden“ angeordnet worden war.15 Flankiert wurde Befehl Nr. 177 durch eine umfangreiche, von der DZVV erarbeitete und am 3. Juli 1946 herausgegebenen Richtlinie, die den Befehl detailliert auslegte und inhaltlich erweiterte. Unter Punkt 6 der Richtlinie hieß es : „In die Sicherstellung bzw. Rückführung sind auch solche Museen und Sammlungen mit einzubeziehen, die durch die Bodenreform freigeworden sind […], außerdem auch ,herrenlose Privatmuseen‘ […]. Nach Befehl 177 § 1 b sind die dazu gehörenden Gegenstände den Organen der staatlichen Verwaltung zu übergeben, die sie im Sinne der Präambel dieses Befehls Museumszwecken zuzuführen haben. Eine anderweitige Verwendung (z. B. Übergabe an Private oder Organisationen usw.) dieser aus der Bodenreform oder aus herrenlosen Privatsammlungen stammenden Kunst- und Museumsgüter widerspricht dem Befehl. Als Museen dieser Art sind auch anzusehen Inneneinrichtungen, Bibliotheken usw. aus Schlössern, Herrenhäusern, die durch die Bodenreform erfasst wurden“.16 Damit war im Sommer 1946 legislativ der Weg für die enteigneten Kunst- und Kulturgüter in die Museen festgelegt. Um welch umfangreiche Bestände es sich dabei handelte, verdeutlicht eine für das Land Sachsen-Anhalt aus dem Februar 1950 überlieferte Meldung, die eine Masse von 1.133 Tonnen Kunst- und Kulturgut und einen Gesamtwert von 15 Millionen Mark nennt.17 Aus den zentralen Bergungsakten ergibt sich die folgende Bilanz : Von September 1945 bis zum 1. Juli 1952 wurden in der Provinz Sachsen bzw. im Land Sachsen-Anhalt 817 Schlösser und Gutshäuser auf das Vorhandensein von Kunstgegenständen überprüft. Geborgen wurden insgesamt 290.582 Bücher, 1.452 Handschriften, 4.927 Karten, 24 Zentner Noten, 156 Tonnen Archivalien, 2.692 Möbelstücke und Möbelteile, 66 Plastiken, 9.536 Gegenstände des Kunsthandwerks, 7.868 Bilder, 47 Kunstmappen, 257 Textilien, 1.846 naturkundliche Objekte, 509 vorgeschichtliche Objekte, 1.392 Mineralien, 772 Rüstungen bzw. Waffen, 31 Sammlungen unterschiedlicher Art, 10.717 Münzen, 2.452 Silbergegenstände und 464 sonstige Gegenstände.18
Lagerung und Verwertung von Kunst- und Kulturgut Während man die Archivalien im Landesarchiv in Magdeburg und später in Wernigerode zusammenführte und die Bücher in den Bestand der Universitäts- und Landesbibliothek in Halle/Saale eingliederte, nutzte der Provinzialkonservator zunächst Räume im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle, um hier geborgene Gemälde unterzubringen. Das Schloss Wernigerode, in dem ab 1948 ein „Feudalmuseum“ entstand, nahm über tausend Möbelstücke aus enteignetem Schlossbesitz auf. Sicherstellung, Bergung und Verwertung von Kunstwerken aus der Bodenreform
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Abb. 1 : Die Moritzburg in Halle/Saale Mitte der 1950er Jahre, Blick auf die Ostseite des Innenhofs mit der Maria-Magdalenen-Kapelle, dem sogenannten Lazarettgebäude, dem Torturm und den für Museumszwecke ausgebauten Wehrgängen (v. l. n. r.)
Das zentrale Sammeldepot für die Provinz Sachen bzw. das Land Sachsen-Anhalt entstand unterdessen in der Moritzburg in Halle (Abb. 1). Seit Beginn des 20. Jahrhunderts beherbergte sie in ihren Räumen die Sammlung des Museums für Kunst und Kunstgewerbe. Die nicht museal genutzten Tiefkeller im Westflügel sowie die unteren Etagen des südöstlichen Rundturmes dienten während des Zweiten Weltkrieges als sogenannte Denkmalkeller zur Sicherstellung von Kunstwerken und Architekturfragmenten aus dem Halleschen Stadtgebiet. Mit hoher Wahrscheinlichkeit förderte das Vorhandensein dieser Räumlichkeiten den Entschluss der Landesregierung, hier ein zentrales Sammeldepot für die im Zuge der Bodenreform geborgenen Kunstgüter einzurichten. Auch wenn der Begriff „Sammeldepot“ oder „Zentraldepot“ im Zusammenhang mit der Moritzburg in den archivalischen Quellen nie genannt wird, gelangten ab 1946, verstärkt aber erst ab November 1948 Gemälde, Grafiken, kunsthandwerkliche Objekte, Münzen und Möbelstücke aus verschiedenen Bergungsorten in die Burg. Zu beachten ist hierbei, dass es sich bei den in der Moritzburg genutzten Bodenreformdepots und dem von der Stadt getragenen und im Oktober 1948 wiedereröffneten Museum für Kunst und Kunstgewerbe19 zunächst um zwei räumlich und organisatorisch voneinander getrennte Institutionen handelte. Erst 218 I Jan Scheunemann
Abb. 2 : Zur 1950 gegründeten, in der Moritzburg in Halle ansässigen „Landesgalerie Sachsen-Anhalt“ gehörten eine Gemäldegalerie, ein Grafisches und ein Münzkabinett, Restaurierungswerkstätten sowie sechs Burgen und Schlösser. Die Abteilung Landesmuseumspflege übernahm die fachliche Beratung von sechzig Museen in kommunaler Trägerschaft, die Abteilung Bodenreform war für die Bergung, Inventarisierung, Magazinierung und Verwertung von Kunst- und Kulturgut zuständig.
mit Gründung der „Landesgalerie Sachsen-Anhalt“ 1950 und dem dort eingerichteten Referat Bodenreform verschmolzen beide Institutionen sukzessive miteinander (Abb. 2). Erst jetzt begann die Erfassung der Bodenreformbestände in sogenannten Ortslisten, in denen jedes Objekt in alphabetischer Reihung der Herkunftsorte verzeichnet, kurz beschrieben und mit einer Bodenreform-Nummer versehen wurde. Die Lagerung dieser Objekte war jedoch keineswegs dauerhaft. Nur ein Bruchteil wurde in die neu angelegten Inventare des nach der Gliederung der DDR in Bezirke 1952 nun „Staatliche Galerie Moritzburg“ genannten Museums aufgenommen und für Ausstellungszwecke genutzt. So wurden beispielsweise von den in den Ortslisten erfassten 3.424 Gemälden (mit 68 Provenienzen) lediglich gut ein Viertel, nämlich 924, inventarisiert und davon wiederum nur wenige dauerhaft öffentlich ausgestellt. Andere Gemälde, Möbel, Plastiken und Grafiken aus der Bodenreform wurden an Theater oder Museen übereignet oder leihweise überlassen, sie wanderten in Verwaltungsbüros, Kindergärten und Schulen, mitunter gar in Gaststätten, Hotels oder Krankenhäuser. Mitte der 1950er Jahren erhielt die Museumsleitung von der Finanzabteilung der Stadt Halle die Aufforderung, „abgabefähige Depotbestände“ zu verkaufen, um so die kulturellen EinrichSicherstellung, Bergung und Verwertung von Kunstwerken aus der Bodenreform
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tungen der Stadt finanzieren zu können.20 Die Stadtverwaltung berief sich dabei auf eine im Oktober 1954 erlassene Anordnung des Finanzministeriums der DDR, die „zur Ausschöpfung aller […] vorhandenen Reserven und zur Durchsetzung des Prinzips der strengsten Sparsamkeit“ festlegte, nicht mehr benötigte oder nicht mehr genutzte „bewegliche Vermögensgegenstände“ an „Bedarfsträger“ im Bereich der staatlichen Verwaltung, der volkseigenen Wirtschaft oder an Parteien und Massenorganisationen gegen Erstattung des Zeitwertes abzugeben.21 Beachtenswert ist, dass gemäß dieser Anordnung auch der Verkauf an Privatpersonen unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen – etwa der Genehmigung des zuständigen Leiters – ausdrücklich möglich war, was man anhand erhalten gebliebener Rechnungen für die Moritzburg auch nachvollziehen kann. So erwarb beispielsweise der Direktor der Universitätskinderklinik Halle im Mai 1956 unter anderem sechzehn Gemälde zum Preis von insgesamt 1.695,- Mark der DDR.22 Bei den Kunstwerken handelte es sich vornehmlich um Arbeiten mittlerer Qualität aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert, die alle anhand der Inventarnummern eindeutig als aus der Boden reform stammend identifiziert werden können. Gewinnt man für die 1950er Jahre den Eindruck, dass museale Objekte eher zufällig und ‚nach Bedarf‘ verkauft oder auch mit Museen oder Kunsthändlern getauscht wurden, so beginnt in den 1960er Jahren eine systematische „Absetzung“ von Stücken, wobei unter dem Sammelbegriff „Absetzung“, grob gesprochen, das auf unterschiedliche Art vollzogene Ausscheiden einzelner Objekte oder ganzer Objektgruppen aus dem Sammlungsbestand des Museums zu verstehen ist. Wie die ab 1963 im Museumsarchiv zahlreich überlieferten Verkaufs-, Umsetzungs-, Übereignungs-, Übergabe-, Abgabe-, Tausch- und Vernichtungsprotokolle belegen,23 vollzog sich unter dem seit 1959 amtierenden Moritzburg-Direktor Heinz Schönemann (geb. 1934) auch ein entscheidender Wandel im Umgang mit den Kunst-und Kulturgütern aus der Bodenreform. Hatten die Verantwortlichen anfangs alles darangesetzt, die Stücke aus den enteigneten Schlössern und Gutshäusern sicherzustellen, zu bergen und detailliert zu erfassen, so erwiesen sich insbesondere die in großen Stückzahlen in der Moritzburg gelagerten Möbel und Gemälde aus adligen Ahnengalerien zunehmend als musealer Ballast. Sie beanspruchten Platz in den beengten und unzureichend klimatisierten Depoträumen, konnten aber aufgrund ihrer schieren Menge sowie ihres mitunter schlechten Erhaltungszustandes nicht in den Ausstellungen des Museums gezeigt werden. Darüber hinaus fügten sich diese Stücke weder stilistisch noch inhaltlich in das Sammlungs- und Ausstellungsprofil der Moritzburg ein, das sich vor allem über die Kunst der Klassischen Moderne sowie ab den 1960er Jahren verstärkt über DDR-Kunst definierte. Um sich für das Museum ungeeigneter Objekte zu entledigen, schreckte man auch vor einem Verkauf nicht zurück. Als Vertragspartner trat hier der im Dezember 1962 gegründete und dem Ministerium für Kultur unterstellte volkseigene Handelsbetrieb VEH „Moderne Kunst“ in Ost-Berlin auf, zu dessen Aufgaben auch der „Antiquitätenhandel mit dem Ausland“ gehörte.24 Schon im ersten Jahr seiner Existenz kam der VEH „Moderne Kunst“ in den zweifelhaften Genuss einer als „vertrauliche Dienstsache“ gekennzeichneten und von DDRKulturminister Hans Bentzien (1927–2015) unterzeichneten Anweisung, in der es hieß : „Aus dem Archivbestand der staatlichen Museen können Werke der bildenden Kunst, des Kunst220 I Jan Scheunemann
handwerks, der angewandten Kunst und der Numismatik, die von geringem kunsthistorischen Wert oder mehrfach vorhanden sind und nicht zum nationalen Kunstbesitz gerechnet werden, an den staatlichen Kunsthandel der DDR abgegeben werden.“25 Ziel dieser Maßnahme, die in den überlieferten Archivquellen gelegentlich auch als „Sonderaktion Leipzig“ auftaucht, war es offenbar, die mangelhafte Planerfüllung des VEH durch einen Export von Museumsgut auszugleichen. Im Winter 1963/64 wurden daraufhin insgesamt 34 Museen und Kunstsammlungen in der DDR angeschrieben oder durch Mitarbeiter des VEH besucht, um „entbehrliche und nicht der Zielstellung der Museen entsprechende Gegenstände“ für einen Verkauf zur Verfügung zu stellen.26 In den Jahren zwischen 1963 und 1966 wurden so allein aus der Moritzburg insgesamt 565 Objekte an den VEH auf Grundlage von Kommissionsverträgen abgegeben. Dass dadurch auch Stücke aus der Bodenreform zum Verkauf auf dem internationalen Kunstmarkt gelangten, steht außer Frage.27 Allerdings bedarf es noch weiterer Forschungen, um deren genaue Zahl zu ermitteln. In noch unsichererem Gelände bewegt man sich, wollte man eine quantitative Aussage über die in der Moritzburg vernichteten Kunstwerke treffen. Bis heute halten sich Gerüchte, wonach Gemälde aus der Bodenreform in den 1960er Jahren auf dem Innenhof verbrannt worden sein sollen. Solche Befürchtungen sind nicht unbegründet. So protokollierte der Restaurator der Moritzburg beispielsweise im August 1966 : „Die Sichtung der Bodenreformbestände an Gemälden auf dem Spitzboden wurde am 31. Mai 1966 abgeschlossen. Von den 1.065 gesichteten Gemälden wurden 898 vernichtet, da diese in keiner Weise musealen Bedingungen entsprachen und sich außerdem in äußerst schlechtem Zustand befanden.“28 Der schlechte Erhaltungszustand der Gemälde war vor allem auf die unsachgemäße Lagerung in feuchten und unbeheizten Räumen zurückzuführen. Und auch wenn es im Protokoll hieß, die Gemälde seien „vernichtet“ worden, so konnte man sich damals offenbar doch nicht zu einer tatsächlichen physischen Zerstörung entschließen. Denn als 1992 im Dachstuhl des sogenannten Talamtes in der Moritzburg und damit genau an dem Ort, an dem 1966 die Durchsicht der Gemälde stattgefunden hatte, Sanierungsarbeiten begannen, entdeckte man in den Dachschrägen und im Fußboden unter anderem 581 Gemäldeleinwände, die dort aus den Keilrahmen herausgeschnitten, zusammengerollt oder gefaltet als „Auspolsterungsmaterial“ eingelagert worden waren. Nach damaligem Verständnis handelte es sich dabei um „kulturhistorisch wertlose Bilder“ mit „Ahnendarstellungen aus Adelsfamilien oder belanglose Landschaften ohne künstlerische Bedeutung“.29 Weitere Funde in den Jahren 1999 und 2000 summierten die Zahl der „Dachbodenfunde“ schließlich auf 1.098 Stück.30 Die Gemälde, zu denen auch ein Doppelporträt der Mutter des romantischen Dichters Novalis, Auguste Bernhardine von Hardenberg (1749–1818) mit ihrem Enkel Friedrich Erasmus von Rechenberg (1801–1877), von 1805 gehörte (Abb. 3), waren teilweise nur noch als Fragmente erhalten, stark verschmutzt sowie von Schädlingen und Schimmel befallen. Die jahrzehntelange Einwirkung von Hitze, Kälte und Witterung hatten der Substanz zugesetzt. Die Malschicht war in einigen Fällen in einem Maße zerstört, die eine Wiederherstellung teilweise unmöglich machte.31 Sicherstellung, Bergung und Verwertung von Kunstwerken aus der Bodenreform
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Abb. 3 : Agatha Alberti : Auguste Bernhardine von Hardenberg mit ihrem Enkel Friedrich Erasmus von Rechenberg, 1805, Öl auf Leinwand, Gemäldevorderseite vor der Restaurierung, Forschungsstätte für Frühromantik und Novalis-Museum Schloss Oberwiederstedt
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Fazit und Ausblick Enteignet, sichergestellt und aufbewahrt, vernichtet, versteckt und verkauft – mit diesen gegenläufigen Schlagworten ließe sich der Umgang mit Kunst- und Kulturgut aus der Bodenreform zusammenfassen. Überschaut man die aus dem Bodenreformkomplex für die ostdeutsche Museumslandschaft nach 1945 und nach 1990 resultierenden Aufgaben und Probleme, muss man auch dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung konstatieren – und die Rückgabeforderungen der Hohenzollern zeigen dies deutlich –, dass dieses Kapitel noch längst nicht abschließend zu bewerten ist. Das betrifft schließlich auch die „kommerzielle Verwertung“ von musealen Bodenreformbeständen durch die Kunst und Antiquitäten GmbH (KuA), die im Februar 1973 aus dem Bereich „Kommerzielle Koordinierung“ (KoKo) des Ministeriums für Außen- und Innerdeutschen Handel heraus bekanntlich mit der Maßgabe gegründet wurde, durch den Export von Antiquitäten und Museumsbeständen Devisen in Höhe von 55 Millionen Valutamark zu erwirtschaften.32 Aufsehen erregte hier vor allem der bis zum August 1989 andauernde Export von Schlossbergungsbeständen aus den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, der im Dezember 1989 öffentlich wurde (Abb. 4).33 Im Jahr 1992 bestätigte Peter Romanus (1939–1999), von 1983 bis 1999 Direktor der Moritzburg, dass auch er in den 1980er Jahren von „KoKo-Leuten“ zum Verkauf von Kunstwerken gedrängt worden sei. Im Gegensatz zu anderen Museen „habe man sich jedoch standhaft geweigert, weshalb keine Kunstverluste aus hiesigen Sammlungen zu beklagen seien“.34 Gleichwohl stand auch in der Moritzburg ein Verkauf von „aussonderungsfähigen Gemälden“ zur „Erwirtschaftung von Devisen“ an die KuA bevor, wie ein auf den 13. Mai 1981 datiertes Dokument mit dem Titel „Gemälde zum Absetzen aus der Sammlung“ belegt, das 253 Kunstwerke auflistet – vornehmlich Stücke aus der Bodenreform. Laut Unterlagen aus dem Bundesarchiv wurden die Gemälde am 17. September 1981 von Mitarbeitern der KuA in der Moritzburg in Halle besichtigt, ausgewählt und bewertet.35 Warum der Verkauf trotz einer entsprechenden Vertragsvereinbarung schlussendlich nicht zustande kam, konnte bisher nicht geklärt werden. Ehemalige Mitarbeiter/innen der Moritzburg vermuten, dass Peter Romanus von Personen seines Vertrauens von einem Verkauf abgeraten wurde. Der Frage nach individuellen Handlungs- und Entscheidungsspielräumen ostdeutscher Museumsdirektoren unter den Bedingungen der SED-Diktatur sollte künftig nicht nur in diesem Bereich verstärkt nachgegangen werden. Auch der komplexe Zusammenhang zwischen der Enteignung von Kunst- und Kulturgut im Zuge der Bodenreform und der diesbezüglichen Funktion ostdeutscher Museen wird die Kulturwelt weiterhin beschäftigen – auch, aber keineswegs allein mit Blick auf die Hohenzollern.
Sicherstellung, Bergung und Verwertung von Kunstwerken aus der Bodenreform
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Abb. 4 : Gemälde im Lager der Kunst und Antiquitäten GmbH in Mühlenbeck, 6. Dezember 1989. Die Kunstwerke „minderen Wertes“ stammten aus Schlossbergungsbeständen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und waren für einen Verkauf gegen Devisen vorgesehen. Nach dem Stopp der Verkäufe im Herbst 1989 kehrten sie nach Dresden zurück. Im zugehörigen Text der DDR-Nachrichten- und Bildagentur ADN hieß es : „Die Gemälde sind stark beschädigt, teilweise zerstochen, haben Einschüsse und sind einzeln nicht verkäuflich.“
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Anmerkungen 1 Zitat aus Erlass des Präsidenten der Provinz Sachsen betr. Sicherung von Kunst- und Kulturgut im Zuge der Bodenreform vom 13.9.1945, in : Verordnungsblatt für die Provinz Sachsen, Nr. 1 vom 6.10.1945, S. 34. Der folgende Beitrag basiert auf Ergebnissen des Forschungsprojekts Die Moritzburg in Halle (Saale) als zentrales Sammellager für Kunst- und Kulturgut aus der Bodenreform, das die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste durchführt. 2 Metzner 2019 ; Wiegrefe 2019. 3 Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage (Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz – EALG) vom 27.9.1994, in : Bundesgesetzblatt Teil I, Nr. 65 vom 30.9.1994, S. 2624–2639, hier S. 2631. 4 Adel verpflichtet. Ostdeutschen Museumsdirektoren flattern fast täglich Rückgabeanträge auf den Schreibtisch, in : Focus, 20.2.1995, S. 120 f.; Droht den Museen ein schmerzhafter Aderlaß ?, in : Mitteldeutsche Zeitung, 8.8.1995, S. 12 ; Verdorrt die ostdeutsche Museumslandschaft ? Rückübertragung von Bodenreformgut, in : Neue Bildende Kunst 1995, Nr. 6, S. 62 f.; Die Furcht der Galerie und Museen um ihre Schätze, in : Die Welt, 10.4.1996, S. 2. 5 Aufruf des Zentralkomitees der KPD an das deutsche Volk zum Aufbau eines antifaschistisch-demokratischen Deutschlands vom 11.6.1945, in : Um ein antifaschistisch-demokratisches Deutschland 1968, S. 56–63, hier S. 62. 6 Ebd. 7 Aufstellung des Ministeriums der Finanzen Sachsen-Anhalt über die Verwertung der aus der Bodenreform anfallenden Objekte, 19.11.1949, in : Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Abt. Magdeburg, K 3, Nr. 8385. 8 Erlass des Präsidenten der Provinz Sachsen betr. Sicherung von Kunst- und Kulturgut im Zuge der Bodenreform vom 13.9.1945, in : Verordnungsblatt für die Provinz Sachsen, Nr. 1 vom 6.10.1945, S. 34. 9 Befehl Nr. 85 des Obersten Chefs der SMAD über die Erfassung und den Schutz der Museumswerte und die Wiedereröffnung und Tätigkeit der Museen vom 2.10.1945, in : Um ein antifaschistischdemokratisches Deutschland 1968, S. 165–167. Zur DZVV siehe auch den Beitrag Steinkamp in diesem Band. 10 Der Begriff „Schlossbergung“ wurde vor allem im Land Sachsen verwendet, vgl. Rudert/Lupfer 2008 ; Rudert 2012. 11 Aktennotiz Gerhard Strauss (DZVV), 30.11.1945, in : BArch, DR 2/1025, Bl. 23 f. 12 Konrad Strauss an die Landesbodenkommission beim Regierungspräsidenten Halle/Saale, 21.9.1946, in : Archiv Kunstmuseum Moritzburg Halle/Saale, Altakten Nr. 80. 13 Wolf Schubert an Konrad Strauss, 11.10.1946, in : Archiv Kunstmuseum Moritzburg Halle/Saale, Altakten Nr. 80. 14 Erlass vom 14.10.1946, betr. Bodenreform – Veräußerung von Kunst- und Kulturgut, in : Archiv Kunstmuseum Moritzburg Halle/Saale, Altakten Nr. 32. 15 Befehl Nr. 177 des Obersten Chefs der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland über die Rückführung der Museumswerte und die Wiedereröffnung der Museen vom 18.6.1946, in : Um ein antifaschistisch-demokratisches Deutschland 1968, S. 285 f. 16 Richtlinie der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung zum SMAD-Befehl Nr. 177 vom Sicherstellung, Bergung und Verwertung von Kunstwerken aus der Bodenreform
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18. Juni 1946 über die Rückführung der Museumswerte und die Wiedereröffnung der Museen vom 3. Juli 1946, in : Um ein antifaschistisch-demokratisches Deutschland 1968, S. 293–297, hier S. 295 f. 17 Gerhard Strauss (DZVV, Abt. Kunst und Literatur) an DDR-Volksbildungsminister Paul Wandel, 6.2.1950, in : BArch, DR 2/1125, Bl. 62. 18 Gesamtaufstellung über das geborgene Kunst- und Kulturgut aus der Bodenreform im ehemaligen Land Sachsen-Anhalt, o. D. [1952], in : Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Abt. Magdeburg, K 10, Nr. 7426, Bl. 4. 19 Zur Museumsgeschichte der Moritzburg nach 1945 vgl. Köller 2013. 20 Rat der Stadt Halle, Abt. Finanzen, an den Rat des Bezirkes, Abt. Kultur, 24.6.1955, betr.: Einnahmefestsetzung für die Staatliche Galerie Moritzburg in Halle, in : Stadtarchiv Halle/Saale, A 3.21, Nr. 138. 21 Anordnung über die Abgabe und den Verkauf beweglicher Vermögensgegenstände durch Organe der staatlichen Verwaltung und deren Einrichtungen, 28.10.1954, in : Zentralblatt der DDR, Nr. 145 vom 13.11.1954, S. 544 f. 22 Rechnung, 19.5.1956, in : Archiv Kunstmuseum Moritzburg Halle/Saale, Schriftwechsel Gemäldesammlung 1955/1956. 23 Vgl. Archiv Kunstmuseum Moritzburg Halle/Saale, Ordner Absetzungsprotokolle. 24 Anweisung über den volkseigenen Handelsbetrieb „Moderne Kunst“, 1.2.1963, in : Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Kultur, Nr. 3 vom 31.3.1963, S. 13. 25 Anweisung über die Abgabe von Antiquitäten der bildenden Kunst, des Kunsthandwerks und der Numismatik durch die Museen der DDR an den Staatlichen Kunsthandel, 1.10.1963, in : SKD-Archiv, Generaldirektion 02/GD 460. Ich danke Thomas Rudert, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, für den Hinweis auf diese Anweisung und Informationen zum entsprechenden Aktenbestand. 26 Ergänzungsbericht zur Revision des VEH „Moderne Kunst“ Berlin, 28.10.1966, in : BArch, DN 1/14277. 27 Vgl. Breitenborn 1999, S. 117–119. 28 Absetzungsprotokoll, 1.8.1966, in : Archiv Kunstmuseum Moritzburg Halle/Saale, Ordner Absetzungsprotokolle. 29 Heinz Schierz (Direktor Staatliche Galerie Moritzburg Halle) an Isolde Schubert (Leiterin Abt. Kultur beim Rat der Stadt Halle), 18.7.1973, in : Stadtarchiv Halle/Saale, A 3.21, Nr. 87. 30 Vgl. Himpel/Pohlmann 2013. 31 Vgl. Matauschek 2019. Das Bild gehört zu insgesamt vierzehn Gemälden, die gemäß Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz an die Familie von Hardenberg rückübertragen wurden. 2010 erwarb die Ostdeutsche Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Sparkasse Mansfeld-Südharz die Gemälde, um sie, dem Willen der Familie entsprechend, als Dauerleihgabe an das Novalis-Museum in Oberwiederstedt zu übergeben, wo sie nun dauerhaft der Öffentlichkeit zugänglich sind. Zum Novalis-Museum siehe auch den Beitrag Hoffmann in diesem Band. 32 Vgl. Bischof 2003, S. 73. 33 Vgl. Abschlussbericht der Kommission zur Untersuchung von Kunstverkäufen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden 1990, S. 17–25. 34 Wenn Steuerfahnder nach Kunstgut fragten. Wie privater Besitz in der DDR systematisch enteignet und an den Westen verkauft wurde, in : Mitteldeutsche Zeitung, 21.2.1992, S. 4. 35 Siehe dazu die die Moritzburg betreffenden Dokumente in : BArch, DL 210/1899.
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Alexander Sachse
SC H LO SS B ERG U N G , R E P U B L I K FLUC HT U N D KOM M E RZ I E LLE KO O R D I N I E RU NG Kritische Provenienzen aus der Zeit der SBZ und DDR
Zwischen 1945 und 1989 fanden in der SBZ und der DDR flächendeckend Veränderungen von Besitz- und Eigentumsverhältnissen statt – angefangen bei den massiven Eingriffen in die Eigentumsverhältnisse im Zusammenhang mit der Bodenreform 1945 bis hin zur Überführung des zurückgelassenen Vermögens der letzten „Republikflüchtigen“ 1989 in Volkseigentum. Diese staatlich organisierten Übergriffe auf die Besitzrechte der Bewohnerinnen und Bewohner der SBZ bzw. später der Bürgerinnen und Bürger der DDR hatten vorrangig zum Ziel, die wirtschaftliche Grundlage der SBZ bzw. den Staatshaushalt der DDR zu stärken und damit mittel- und unmittelbar die Herrschaft der SED zu sichern. Die Umverteilung von Eigentum betraf nicht nur Grundbesitz und Immobilien, sondern auch mobile Güter – das Interieur eines Schlosses ebenso wie die einfache Wohnungseinrichtung einer „republikflüchtigen“ Familie. Unter den unzähligen Dingen, die sich der Staat aneignete, befand sich auch immer wieder Kunst- und Kulturgut. Ein großer Teil dieser Objekte wurde zu Gunsten des Staatshaushalts „verwertet“ – also verkauft, im Inland, wie im Ausland. Ein nicht geringer Teil des Kulturguts fand jedoch auch seinen Weg in staatliche Museen und Kunstsammlungen. Der folgende Beitrag zeigt zusammenfassend die verschiedenen Wege, auf denen Kulturgut zwischen 1945 und 1990 als Folge staatlicher Eingriffe in private Vermögensverhältnisse in Museumssammlungen gelangen konnte.1 Der Beitrag basiert auf den Ergebnissen eines Forschungsprojekts des Museumsverbands Brandenburg e.V., das mit Unterstützung des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste 2017/2018 in vier brandenburgischen Museen durchgeführt wurde.2
1. Provenienz Bodenreform, (Schloss-)Bergung,3 Plünderung Ein erster Kontext für kritische Provenienzen in Museen der DDR sind die planmäßigen Enteignungen im Zuge der Bodenreform 1945/46. Gemäß Befehl Nr. 85 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) vom 2. Oktober 1945 war die Deutsche Zen tralverwaltung für Volksbildung als oberste Kulturinstanz in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) mit der „Wiederingangsetzung der Museen“ beauftragt worden.4 Kurz darauf ordnete die brandenburgische Landesregierung im Dezember 1945 an, dass Kunst- und Kulturgut, das ihr durch die Bodenreform „zugefallen“ war, sichergestellt und registriert werden sollte.5 Die vorgefundenen Objekte wurden von der Provinzialregierung beschlagnahmt und unter TreuSchlossbergung, Republikflucht und kommerzielle Koordinierung
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handschaft gestellt, allerdings zunächst ohne klare Anweisung, was danach weiter mit ihnen geschehen sollte. Der Mangel an Transportmöglichkeiten führte dazu, dass die Gegenstände zunächst oft einfach dort blieben, wo sie waren – also zum Beispiel in den von ständig wechselnden Flüchtlingen bewohnten Herrenhäusern und Schlössern – und damit Gefahr liefen, zerstört oder geplündert zu werden. In einigen Fällen wurden die Objekte an zentrale Sammelstellen verbracht und von dort aus, vielfach nach Gutdünken der lokal Zuständigen, weiter verteilt. Gab es ein wieder in Betrieb befindliches Museum in der Nähe, wurden etliche Stücke auch umgehend dorthin gebracht. Für eine bessere Koordination startete das brandenburgische Innenministerium im Mai 1948 den Versuch einer „zentralen Erfassung von nicht-landwirtschaftlichen Gebrauchsgütern und Gegenständen von künstlerischem Wert aus Schlössern, Herrenhäusern etc.“.6 Noch im Sommer 1949 war die Aktion nicht abgeschlossen. Der Arbeitsplan des Referats Museen beim Dezernat Kunst im Ministerium für Volksbildung des Landes Brandenburg forderte daher für 1949 : „Im ganzen Lande Fahndung nach verschlepptem, verlagertem und gestohlenem Kunst- und Kulturgut (Bodenreform, Enteignung usw.). In diesem Zusammenhang Durchsuchung von Schlössern, Gutshäusern und ganzen Ortschaften.“7 Neben diesen organisierten Bergungen gab es aber auch lokale, nicht organisierte, zufällige Einlieferungen : So gab 1957 die Maschinen-Traktoren-Station Hohenfinow Barockmöbel an das Eberswalder Museum ab und das Diabetiker-Heim Rheinsberg übergab dem Museum Viadrina 1962 ein Tafelklavier aus Schloss Rheinsberg. Ein Teil der Objekte dieser Provenienzkategorie (Abb. 1) wurde zudem von Privatpersonen an die Museen übergegeben und dort in aller Regel als „Geschenk“ inventarisiert. Bei den Museen schien dabei meist Klarheit über die Herkunft der Objekte zu herrschen. Oft wurden sie bei der Inventarisierung einem Herrenhaus oder Schloss in der Umgebung zugeschrieben, wie dem „Gutshaushalt v. d. Knesebeck, Karwe“8. Wie die Einlieferer an die Objekte gekommen waren, wurde nur gelegentlich festgehalten. Bisweilen finden sich Erklärungen wie 1945 „von sowjetischen Besatzungsangehörigen übergeben“9 oder „im Walde gefunden“.10 Eine scharfe Trennung zwischen den Arten des Besitzübergangs – Bodenreform, Bergung, Plünderung – ist hier nur selten möglich. Vereinzelt wurden noch Jahrzehnte nach dem Krieg Objekte von privat angekauft, die aus einer „Bergung“ stammten. In der Regel ist aber davon auszugehen, dass diese Objekte im Zusammenhang mit unrechtmäßiger Aneignung den Besitzer gewechselt haben.11
2. Provenienz „Republikflucht“ Ein zweiter maßgeblicher Hintergrund für kritische Provenienzen in ostdeutschen Museen ist die Abwanderungsbewegung aus der DDR. Das Thema „Republikflucht“12 ist inzwischen gut untersucht, wobei der Fokus auf der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung des Massenexodus liegt.13 Kaum beachtet wurde bislang hingegen die Frage nach dem Umgang mit zurückgelassenem Hausrat und teilweise darin befindlichem Kulturgut (Abb. 2). 228 I Alexander Sachse
Abb. 1 : Aus dem Jagdschloss Hoppegarten-Dahlwitz erhielt das Museum Strausberg mehrere klassizistische Möbelstücke zugewiesen, die 1962 inventarisiert wurden. Der abgebildete Frisiertisch ist heute nicht mehr in der Sammlung des Museums. Er wurde zwischen der Inventarisierung und einer Inventur 1980 durch den Rat der Stadt an eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung verkauft. (Inventarkartei Museum Strausberg)
Bis zur Gründung der DDR-Bezirke im Juli 1952 war die Behandlung des zurückgelassenen Vermögens von Geflüchteten jeweils auf Länderebene geregelt.14 Ihr mobiles und immobiles Gut wurde gesichert, erfasst und unter sogenannte „Abwesenheitspflegschaft“ gestellt. De facto kam das einer Konfiskation gleich, denn der Abwesenheitspfleger hatte die Aufgabe, „die genannten Sachen umgehend in Besitz zu nehmen und zum Taxwert zu verkaufen“.15 Mit der „Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten“ vom 17. Juli 195216 wurde dann erstmals eine zentrale Regelung für die gesamte DDR erlassen. In Paragraph 1 hieß es hier : „Das Vermögen von Personen, die das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik verlassen, ohne die polizeilichen Meldevorschriften zu beachten […], ist zu beschlagnahmen.“ Aus den Anweisungen zur Durchführung geht klar hervor, dass danach faktisch eine Überführung in Volkseigentum folgte. Dementsprechend waren die Abteilungen für „Staatliches Eigentum“ bei den Räten der Städte und Gemeinden für die Bearbeitung zuständig17 und diese Abteilungen tauchen in den Museumsinventaren dann auch teilweise als Einlieferer bei Objekten der Provenienz „Republikflucht“ auf. Schlossbergung, Republikflucht und kommerzielle Koordinierung
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Die Regelungen nach der Verordnung vom 17. Juli 1952 enthalten zunächst noch keine expliziten Aussagen über den Umgang mit aufgefundenem Kulturgut. Darüber wurde offenbar von Fall zu Fall entschieden. Anweisungen zeigen, dass die lokalen Verwaltungen streckenweise mit der großen Menge zurückgelassener Objekte überfordert waren und Richtlinien nicht eingehalten wurden. So forderte ein vertrauliches Rundschreiben des Referats Staatliches Eigentum beim Rat des Kreises Bernau an die Bürgermeister des Kreises vom 18. Dezember 1952 eine gezieltere Nutzung des Vorgefundenen : „Da bekannt geworden ist, dass ein Teil der sichergestellten Einrichtungsgegenstände wahllos an Privatpersonen verkauft worden ist, ordnen wir an, dass die sichergestellten beweglichen Vermögenswerte, die unter § 1 fallen, in erster Linie zur Ausstattung der örtlichen Kulturräume, Kinderheime, Bauernstuben, Jugendheime, Produktionsgenossenschaften usw. verwendet werden.“18 Dass unter „Kulturräumen“ auch Museen zu verstehen waren, bestätigt eine Arbeitsrichtlinie „über die Verwertung von beweglichen Vermögenswerten für die Räte der Städte und Gemeinden“ vom 23. Mai 1953, die betonte : „Gegenstände von historischem, künstlerischem oder kunstgeschichtlichem Wert sind grundsätzlich an Staatliche Museen oder andere mit der Sammlung derartiger Gegenstände beauftragte staatliche Stellen abzugeben. In Zweifelsfällen ist die Entscheidung eines staatlichen Kunstsachverständigen vor einer Weiterveräußerung einzuholen.“19 Eine wichtige Änderung der gesetzlichen Vorschriften trat schließlich am 20. August 1958 mit der „Anordnung Nr. 2 über die Behandlung des Vermögens von Personen, die die Deutsche Demokratische Republik nach dem 10. Juni 1953 verlassen haben“ in Kraft.20 Sie blieb bis zum 11. November 1989 gültig 21 und war damit bis zum Ende der DDR rechtliche Grundlage für Zuweisungen aus dem Besitz „Republikflüchtiger“ an Museumssammlungen. In den Archiven ist in diesem Zusammenhang oft von „AO-2-Akten“ oder „AO-2-Fällen“ die Rede. Die Anordnung von 1958 griff offiziell in Besitz-, aber nicht in Eigentumsverhältnisse ein, wie eine Vorlage des Rates des Bezirkes Frankfurt/Oder, Abteilung Finanzen, vom 1. Juli 1961 deutlich macht. Die Durchführung der AO-2 wurde hier als „Schwerpunktaufgabe“ des Sachgebiets Staatliches Eigentum der Räte der Kreise definiert. Dazu wurde erklärt : „Die Anordnung Nr. 2 beinhaltet die Einleitung von staatlichen Treuhandverwaltungen für das zurückgelassene Vermögen R-Flüchtiger ohne jedoch die Eigentumsverhältnisse zu verändern. […] Durch die Anordnung Nr. 2 soll erreicht werden : 1. Jede mittelbare und unmittelbare Einwirkung der R-Flüchtigen auf die zurückgelassenen Vermögenswerte. 2. Sicherstellung daß alle Erträgnisse und Erlöse aus dem zurückgelassenen Vermögen dem Staatshaushalt zugeführt werden. 3. Planmäßige Einbeziehung dieser Vermögenswerte ohne Enteignung der republikflüchtigen Personen in den sozialistischen Aufbau.“22 Detaillierte Vorschriften zur Umsetzung der AO-2 enthält die Anweisung „30/58 des Ministeriums der Finanzen der DDR“ vom September 1958.23 Danach hatte „die Erfassung des Vermögens unmittelbar nach Feststellung der Republikflucht zu erfolgen“. Zuständig dafür waren weiter die Räte der Städte und Gemeinden. Auch unter „Mitarbeit von Helfern der Nationalen Front und Gewerkschaften“ legten sie für alle zurückgelassenen Werte Vermögensverzeichnisse an. Eine Ausfertigung dieser Verzeichnisse verblieb beim Rat der Stadt bzw. 230 I Alexander Sachse
Abb. 2 : Familie C. aus Lichterfelde bei Eberswalde war bereits im September 1952 „republikflüchtig“ geworden. Die Aufteilung ihres umfangreichen „Nachlasses“ zog sich jedoch bis 1954 hin. Etlicher Hausrat und Möbel wurden der neu gegründeten LPG sowie dem Kindergarten in Lichterfelde, einige wertvolle Stücke durch die Abteilung Staatliches Eigentum an das Museum Eberswalde übergeben. (Kreisarchiv Barnim, K.I. Lichtfe. 9794)
Gemeinde, Abteilung Staatliches Eigentum, eine zweite ging an den Rat des Kreises, Abteilung Finanzen. Die Wohnungen der „Republikflüchtigen“ sollten so rasch wie möglich geräumt und dem Wohnungsmarkt zur Verfügung gestellt werden. Daher wurde für „Möbel, Hausrat und Gegenstände des persönlichen Bedarfs“ kein staatlicher Treuhänder eingesetzt, sondern diese Dinge waren nach „vorheriger Inventarisierung und ordnungsgemäßer Schätzung zu veräußern.“ Die Erlöse gingen an die Abteilung Finanzen beim Rat des Kreises. Die Anweisung 30/58 enthielt darüber hinaus erstmals auch Hinweise für den Umgang mit Kulturgut. Unter Punkt A 5 hieß es : „Wertgegenstände und Kostbarkeiten […], wertvolle Bilder, Gegenstände, die einen besonderen Kunstwert haben […] sind dem Rat des Kreises – Abteilung Finanzen – besonders zu melden. Die Verwertung dieser Gegenstände erfolgt nach den Weisungen des Rates des Kreises.“24 Im Fall einer „Republikflucht“ wurde zurückgelassenes Kulturgut also ab 1958 zunächst durch die Abteilung Finanzen mit dem Hausrat inventarisiert, jedoch anders als dieser nicht wertmäßig geschätzt und verwertet. Die kunst- oder kulturhistorisch interessanten Objekte wurden vielmehr aus den Wohnungen genommen und in einer staatlichen Institution deSchlossbergung, Republikflucht und kommerzielle Koordinierung
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poniert. So findet sich etwa für den „ungesetzlichen Verzug“ von Dr. P. aus Frankfurt/Oder vom Juli 1979 der Hinweis : „1 Gemälde ‚Sommergarten‘ wurde ebenfalls nicht bewertet und befindet sich beim Ref. VE [Volkseigentum] und Auslandsvermögen.“25 Schmuck, Edelmetalle oder Münzsammlungen waren nach der Einziehung durch die Abteilung Finanzen beim Rat der Stadt bzw. des Kreises oder Bezirks an die staatliche Tresorverwaltung zu übergeben.26 Dass solche Objekte aber auch in Museumssammlungen gelangen konnten, zeigt der Fall der Münzsammlung P. in Frankfurt/Oder.27 Gegen die Anwendung der AO-2 gab es von den Betroffenen zahlreiche Widerspruchsanträge.28 In den im Rahmen des Forschungsprojekts untersuchten Museen konnten fast 30 % der kritischen Provenienzen dem Bereich „Republikflucht“ zugeordnet werden, was den Stellenwert dieser Zugangsart für die Museen zeigt.29 Die Objekte kamen meist in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre in die Sammlungen, als die Zahl der Flüchtenden extrem hoch war. Wenn neben dem „Republikflüchtigen“ ein Einlieferer angegeben ist, ist es oft die Abteilung Finanzen oder Staatliches Eigentum beim zuständigen Rat. Die Kulturabteilungen tauchen hier nicht als Akteure auf. In den Inventaren der Museen wurde als „Art der Erwerbung“ vielfach „Republikflucht“ oder „RF“ eingetragen, was die Zuordnung dieser Objekte leichter macht als in anderen Kategorien. In allen untersuchten Museen gab es größere Objektgruppen, die jeweils aus einem Haushalt stammten.30 Teilweise gelangten also ganze Sammlungen in die Museen.
3. Provenienzen im Zusammenhang mit der Kulturgutschutzgesetzgebung Anders als beim Besitz von „Republikflüchtigen“ wurde bei der legalen Ausreise aus der SBZ bzw. DDR von Anfang an das Augenmerk auch auf eine mögliche Mitnahme von Kulturgut gelegt. In einer Rundverfügung der Abteilung Handel und Versorgung beim Minister für Wirtschaftsplanung der Provinzialregierung der Mark Brandenburg hieß es schon im Mai 1947 über das Umzugsgut : „Bilder, Literatur u.ä. werden nicht transportiert.“31 Das Gesetz zum Schutz des innerdeutschen Handels vom 21. April 1950 stellte die Ausfuhr von Kunstobjekten aus der DDR, etwa im Zusammenhang von Ausreisen oder Erbschaften, kurz darauf unter Strafe, sofern diese nicht vorab in einer Liste angemeldet worden waren.32 Anträge auf Ausfuhrgenehmigungen waren beim zuständigen Rat mit einer „Aufstellung der Gegenstände in 3-facher Ausfertigung“ einzureichen.33 Befand sich Kulturgut darunter, musste dieses durch die „zuständige Abteilung des Rates des Bezirkes“ begutachtet werden.34 Im April 1953 wurde eine erste Kunstschutzverordnung in der DDR erlassen,35 die die Ausfuhrbedingungen für Kunst- und Kulturobjekte nun detailliert regelte. Für praktisch alle Kulturgüter waren danach Ausfuhrgenehmigungen bei den Kulturabteilungen der Räte der Bezirke zu beantragen. Nach Begutachtung konnten diese die Ausfuhr erlauben oder versagen. Offenbar waren die Bezirke mit der Menge der Anfragen aber schnell überlastet, so dass eine zweite Durchführungsbestimmung festlegte, dass die Kulturabteilungen der Räte der Kreise für die Erstbegutachtung verantwortlich sein sollten (Abb. 3).36 Nur wenn sich die Gutachter 232 I Alexander Sachse
Abb. 3 : Eines von vielen Gutachten zum Kulturgutschutz, das von der Leiterin des Museums Eberswalde, Barbara Oehlandt, im Auftrag der Abteilung Kultur des Rates des Kreises angefertigt wurde. Nach einem handschriftlichen Vermerk wurden die Objekte am 4. März 1977 an die Abteilung Inneres übergeben. (Kreisarchiv Barnim, D.I. RdKE 1245)
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des Kreises unsicher waren, sollte zusätzlich ein Gutachten der Kulturabteilung des Rates des Bezirkes eingeholt werden. Im letzten Jahrzehnt der DDR wurde zudem im Kontext einer professionalisierteren staatlichen Museumspolitik37 gerade auch der Anspruch auf hochrangiges Kulturgut weiter geschärft. 1978 sah die Verordnung über den Staatlichen Museumsfonds der DDR38 in ihrer ersten Durchführungsbestimmung drei Kategorien zur Einschätzung der „wissenschaftlichen, historischen und kulturellen Bedeutung“ „beweglichen Kulturgutes“ vor : „Kategorie I : außerordentlicher wissenschaftlicher, historischer und kultureller Wert (unersetzlich und einmalig) für die Weltkultur und Nationalkultur der DDR – Kategorie II : großer Wert, besonders für nationales Kulturerbe und Gegenwartsschaffen – Kategorie III : Wert für Entwicklung in Territorien und für allgemeine Bildung“.39 Die Zuordnung in eine der drei Kategorien spielte seither eine wesentliche Rolle, wenn es darum ging, ob Kulturgut aus der DDR ausgeführt werden durfte. Mit dem Kulturgutschutzgesetz von 198040 und insbesondere der dritten Durchführungsbestimmung von 198241 wurden die Rahmenbedingungen für die Ausfuhr von Kulturgut weiter mit strengen Hierarchien fixiert. Ausfuhranträge waren an die Kulturabteilung des Rates des Kreises zu stellen, die eine Begutachtung und Bewertung organisierte. Wurde geschütztes Kulturgut identifiziert oder war die Zuordnung zu einer der Kulturgutkategorien unklar, ging der Antrag an den Bezirk weiter. Wurde dort Kulturgut der höchsten Kategorie festgestellt, war der Minister für Kultur einzubeziehen.42 Auch die Museen selbst waren nun verstärkt in die Entscheidungsprozesse involviert. Neben staatlich bestellten Gutachtern wurden in sehr vielen Fällen Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter hinzugezogen.43 Als Experten hatten sie offensichtlich nicht unerheblichen Spielraum bei der Bewertung von Kulturgut der Kategorie II (darf auf keinen Fall ausgeführt werden) und Kategorie III (darf unter Umständen ausgeführt werden) – während über die Ausfuhr von Kulturgut der Kategorie I allein die „Kommission des Ministeriums für Kultur zum Schutz des Kulturgutes“ entschied.44 Wie unterschiedlich die Bewertung von Kulturgut ausfallen konnte, zeigt ein Beispiel aus Eberswalde. 1981 hatte die Leiterin des dortigen Museums einen Nachlass zu begutachten, der in die Bundesrepublik überführt werden sollte. Als Gutachterin meldete sie dem Rat des Kreises Eberswalde, Abteilung Kultur, elf Posten, gegen die Bedenken bei der Ausfuhr bestünden.45 Der Rat des Kreises reichte die Liste an die Kulturabteilung beim Rat des Bezirkes Frankfurt/Oder weiter. Dort wurde eine Vertreterin des Bezirksmuseums Viadrina mit einem Zweitgutachten beauftragt, die zu dem Schluss kam, sämtliche Objekte würden lediglich in die Kategorie III gehören. Der Abteilung Kultur beim Rat des Kreises Eberswalde wurde daraufhin mitgeteilt, „daß […] der Rat des Bezirkes keine Bedenken gegen die Ausfuhr dieser Gegenstände an den Erben hat.“46 Eine solche nachträgliche Prüfung scheint vor allem stattgefunden zu haben, wenn es Einsprüche gegen die Verweigerung der Ausfuhr gab. Diejenigen, deren Umzugsgut oder Erbschaften begutachtet wurde, erhielten keinerlei Einblick in die Gutachten. Ihnen wurde lediglich mitgeteilt, ob die Ausfuhrgenehmigung erteilt werden konnte oder nicht.47 Fielen die Gutachten für die Antragsteller negativ aus, 234 I Alexander Sachse
wurde den Eigentümern die Wahl zwischen drei Optionen eröffnet. So ließ die Kulturabteilung des Rates des Bezirkes Frankfurt/Oder im Dezember 1986 eine Erbin aus West-Berlin wissen : „Wir empfehlen Ihnen, über die Abteilung Kultur des Rates des Bezirkes Frankfurt/ Oder einen Leihvertrag mit einem Museum in der DDR abzuschließen. Auch ist es möglich, einem Bürger der DDR das Gemälde zu übereignen, der das Kunstwerk lediglich bei der Abteilung Kultur des Rates des Kreises, wo er seinen Wohnsitz hat, registrieren lassen müßte […] Sollte eine Leihe bzw. Übereignung nicht zustande kommen, kann eine staatliche Verwaltung durch eine geeignete Einrichtung angeordnet werden.“48 Eine weitere Variante, von der die Museen profitierten, war die Aushandlung eines „Deals“ mit der Kulturverwaltung, wie zum Beispiel im Fall der Familie Dr. H. aus Strausberg. Den H.s wurde bei ihrer 1986 genehmigten Ausreise die Mitnahme von wertvollen Möbeln aus Familienbesitz zunächst verwehrt, dann aber durch ein Zweitgutachten doch noch gestattet – nachdem Dr. H. dem Museum Viadrina etliche wertvolle Zinnobjekte „gestiftet“ hatte.49 Musterhaft stellt sich im Fall der Familie Ruhbaum dar, wie die Anwendung der Kulturgutschutzgesetzgebung gezielt für die Sammlungserweiterung von Museen in der DDR genutzt wurde : Die im Herbst 1973 verstorbenen Elisabeth und Hildegard Ruhbaum hinterließen in ihrem Haus in Bad Saarow eine umfangreiche Sammlung von Antiquitäten und Kunst, darunter 36 Gemälde.50 Die Erben lebten in der Bundesrepublik und beantragten die Ausfuhr der Sammlung. Die Zollbehörde machte daraufhin die Abteilung Kultur beim Rat des Bezirkes Frankfurt/Oder auf die Bildersammlung aufmerksam. Von der Abteilung Kultur erging am 15. November 1974 der Auftrag an das Museum Viadrina und das Museum Junge Kunst in Frankfurt/Oder, den Nachlass zu begutachten, wobei schon in der Beauftragung eine Zielrichtung zu erkennen ist : „Die Begutachtung ist nach strengen Maßstäben vorzunehmen […] Die Begutachtung ist nicht an den Testamentsvollstrecker zu richten oder gar zu übergeben sondern als geschlossener Vorgang der Abteilung Kultur des Rates des Bezirkes bis zum 15.12.1974 einzureichen.“ Laut Bericht vom 19. Dezember 1974 besuchten am 27. November 1974 zwei Mitarbeiter der beiden Museen das Haus in Bad Saarow, wo sie zahlreiche Möbel und Gemälde, Glas und Porzellan vorfanden. Dazu hieß es : „Ein Teil des museumswürdigen Gutes wurde von den Gutachtern zur näheren Bestimmung […] abgeholt und lagert im Museum Viadrina. […] Bei diesen Gegenständen handelt es sich insbesondere um eine relativ komplette Sammlung von Porträts der Familienangehörigen Ruhbaum, die nur interessant und kulturhistorisch wertvoll in ihrer Geschlossenheit ist. Die Anlage 2 enthält eine Aufstellung weiterer Gegenstände von kulturhistorischem Wert, die, lt. Absprache zwischen Koll[egen] Cheret, Direktor des Kreisheimatmuseums Fürstenwalde und Herrn W., schon für das Museum Fürstenwalde vorgesehen sind. Vor unserer Besichtigung war, lt. Aussage des Koll[egen] S., bereits ein Mitarbeiter des Märkischen Museums Berlin im Haus Ruhbaum und nahm einen Porzellangegenstand mit.“51 Aus den Listen in der Anlage geht hervor, dass die Frankfurter schließlich alle 36 Gemälde der Sammlung mitnahmen. Das Museum Fürstenwalde hatte sich einen Barockschrank, einen Biedermeiersekretär und ein „Giraffenklavier“ reserviert.
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Insgesamt wurden in den untersuchten Museen mehr als 200 Objekte gefunden, die ihre Eigentümer eigentlich hatten aus der DDR ausführen wollen, deren Ausfuhr dann aber auf Grundlage der Kulturgutschutzgesetzgebung verweigert wurde.52 Die Objekte kamen überwiegend in den 1960er und 1970er Jahren in die Museen.53 Sie sind in den Sammlungsinventaren nur schwer zu identifizieren, da dort in der Regel kommentarlos die Vorbesitzer als Einlieferer angegeben sind. Bei den Objekten handelt es sich auch nach in der DDR geltender Rechtslage lediglich um Leihgaben – was den Museen auch bewusst war. So schrieb die Leiterin des Neuruppiner Museums 1960 in einem Bericht an das Bezirksmuseum Potsdam, dass sie von der Abteilung Kultur beim Rat des Kreises Neuruppin eine Münzsammlung „zur Aufbewahrung“ erhalten habe, „die Eigentum einer Frau ist, die diese Sammlung bei ihrer Übersiedlung nach Westdeutschland nicht mitnehmen durfte.“54 Noch immer befinden sich zahlreiche dieser „Leihgaben“, vielfach unhinterfragt, in den Museumssammlungen.
4. Provenienz „Einlieferung durch staatliche Institutionen“ Hinter dieser Kategorie verbirgt sich eine Vielzahl unterschiedlicher Objekteinlieferungen von staatlicher Seite. Es ist davon auszugehen, dass es sich in einigen Fällen um Objekte handelt, die eigentlich in eine der drei vorgenannten Kategorien gehören, zu denen aber genauere Herkunftsangaben fehlen. Nicht immer muss hier zwangsläufig eine „kritische“ Provenienz vorliegen, jedoch lassen etliche Einträge Fragen offen : Wenn zum Beispiel dem Museum Viadrina durch die Stadtverwaltung Objekte übergeben wurden, die zuvor „in einem Schuppen der VEB Spedition Frankfurt (Oder)“ standen oder „in einer Garage der Stadt“ gefunden wurden, ist klar, dass weiterer Recherchebedarf besteht.55 In den vier untersuchten Museen wurden über 1.000 Objekte dieser noch konkreter zu klärenden Provenienz ermittelt – was mehr als ein Drittel aller ausgemachten kritischen Befunde ist.56 Einlieferer waren zum Beispiel die Räte der Kreise, Städte oder Gemeinden, die Finanzabteilungen bei den Räten (speziell das Referat Staatliches Eigentum), Personal- und Kulturabteilungen, die Volkspolizei oder Kommunale Wohnungsverwaltungen. Vereinzelt tauchen als Einlieferer auch die SED-Kreisleitung, das Ministerium der Finanzen der DDR, das Kulturministerium der DDR, das Wasserstraßenamt, das Kreisgericht, das Kreissekretariat des Kulturbundes, das Standesamt oder das „Haus der Jungen Pioniere“ auf. Unter „Art der Erwerbung“ sind alle möglichen Formen angegeben, vom Ankauf über die Zuweisung, Übereignung, Überlassung oder Übernahme bis hin zur Schenkung oder zum Nachlass. Im Hintergrund steht jeweils eine staatliche Aneignung (Abb. 4), die es – auch im Interesse möglicher Vorbesitzer – zu prüfen gilt.
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5. Provenienzen im Zusammenhang mit dem Staatlichen Kunsthandel Die teilweise zwiespältige Rolle des seit 1955 etablierten Staatlichen Kunsthandels der DDR bei der Verwertung von Kulturgut zugunsten des Staatshaushalts zeigen die Untersuchungen von Ulf Bischof, Bernd Isphording und anderen.57 In den hier untersuchten Museen datieren alle Ankäufe aus dem Staatlichen Kunsthandel in die 1970er und 1980er Jahre.58 Angekauft wurden überwiegend Hausrat und Schmuck des 19. Jahrhunderts sowie Möbel. Ein spezielles Kapitel stellt daneben die Abgabe von Museumsobjekten an den Staatlichen Kunsthandel dar. In den analysierten Sammlungen konnte dies nur für das Museum Neuruppin nachgewiesen werden, das zwischen 1965 und 1982 insgesamt 60 Objekte an den Staatlichen Kunsthandel verkaufte. Der im Hausarchiv des Museums verwahrte Schriftverkehr zeigt, dass es sich um Kommissionsgeschäfte handelte. Etwa die Hälfte des Erlöses floss in den Staatshaushalt, das restliche Geld in den Museumsetat. Unter den veräußerten Objekten befanden sich einige, die ursprünglich aus dem Besitz von „Republikflüchtigen“ stammten.
6. Erwerbungen bei der Kunst und Antiquitäten GmbH i.L. (Mühlenbeck) Im Zuge der Liquidation der Kunst und Antiquitäten GmbH (KuA) erhielten die Museen der DDR von November 1989 bis Frühjahr/Sommer 1990 kurzfristig die Möglichkeit, im Zentrallager der KuA in Mühlenbeck einzukaufen. Finanziert wurden die Ankäufe maßgeblich durch das Ministerium für Kultur der DDR.59 Mehrere der untersuchten Museen erwarben hier in der Endphase der DDR jeweils eine sehr große Anzahl an Objekten für zusammen teilweise deutlich mehr als 100.000 Mark.60 In den Inventaren sind die Erwerbungen von der KuA eindeutig als solche gekennzeichnet. In den Hausarchiven befinden sich Durchschläge der „Übergabe/Übernahmelisten“ aus Mühlenbeck, weitere Kopien liegen im Bundesarchiv in Berlin.61 Die Listen enthalten jeweils kurze Objektbezeichnungen („Waage“, „Dose“ etc.), Einstufungen in eine der Kulturgutkategorien sowie den Buchwert.
Fazit Schlägt man den Bogen von der ersten Nachkriegszeit bis zum Ende der DDR, lässt sich also für ostdeutsche Museen eine ganze Reihe kritischer Provenienzen zwischen Bodenreform und undurchsichtigen Geschäften der Kunst und Antiquitäten GmbH ausmachen, die im Laufe der Zeit durch ein immer engmaschigeres Netz spezifischer Verordnungen und Strukturen staatlich sanktioniert und teilweise gezielt gefördert wurden. Die Museen profitierten davon und wirkten teilweise in diesem System aktiv mit. In allen untersuchten Museen wurde eine überraschend große Zahl an Objekten mit kritischen Provenienzen identifiziert. Bezogen auf die Gesamtzahl der inventarisierten Objekte der jeweiligen Museen sind zwischen 1 und 8 % Schlossbergung, Republikflucht und kommerzielle Koordinierung
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Abb. 4 : 1970 kaufte das Museum Viadrina von der dortigen Sowjetischen Kommandantur mehrere Möbelstücke, die ursprünglich wohl der Familie von Buch gehört hatten. (Inventarkartei Museum Viadrina, Frankfurt/Oder)
der Sammlungen betroffen. In jedem einzelnen Museum geht es dabei um mehrere Hundert Objekte. Die Bandbreite reicht vom Haushaltsgerät über Bücher, Silbergeschirr und Möbel bis hin zu Gemälden und Skulpturen. Ein Bewusstsein der Museen für diese kritischen Provenienzen aus der Zeit zwischen 1945 und 1990 beginnt sich indes gerade erst zu etablieren. Restitutionen wurden bisher kaum in nennenswerter Zahl durchgeführt.62 Praktisch alle Restitutionen sind auf Betreiben der früheren Eigentümer in die Wege geleitet worden. Die Museen sollten nunmehr die Initiative ergreifen und sich ihrer Verantwortung stellen.
Anmerkungen 1 Bei dem Beitrag handelt es sich um eine gekürzte und ergänzte Fassung von Sachse 2019. 2 Im Rahmen des Projekts fanden Recherchen in folgenden Museen statt : Museum Viadrina Frankfurt/Oder, Museum Neuruppin, Museum Eberswalde, Stadtmuseum Strausberg. Zum Projekt vgl. Köstering/Sachse 2019, S. 8 f. Darüber hinaus wurde in den Hausarchiven des Potsdam Museums sowie des Stadtmuseums Cottbus recherchiert. 3 Der in der Provenienzforschung gängige Begriff „Schlossbergung“ konnte in Brandenburg bisher in
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keinem Dokument nachgewiesen werden. Die Bezeichnung ist zeitgenössisch wohl in Sachsen entstanden, vgl. u. a. Rudert/Lupfer 2008. Vgl. u. a. BLHA Rep. 205A MfV 615, Bl. 5 ff.; zur Relevanz des SMAD-Befehls Nr. 85 und für weitere Einblicke in den Kontext Bodenreform und Museen siehe auch den Beitrag Scheunemann sowie zu den Strukturen der Museumspolitik in der SBZ die Beiträge Karge und Steinkamp in diesem Band. Landesregierung Brandenburg, Minister des Inneren, Runderlass III/333/45, zitiert in : BLHA Rep. 205A MfV 802, Bl. 35 f. Runderlass XIV/38/48, 15.5.1948, in : BLHA Rep. 205A MfV 802, Bl. 35. Für die Bewertung der Objekte sollten „geeignete fachkundige Personen“ herangezogen werden. BLHA Rep. 205A MfV 613, Bl. 8 ff. Hausarchiv Museum Neuruppin, gedrechselter Stuhlschlitten, 1968 als Geschenk ans Museum. Hausarchiv Museum Eberswalde, Edikt des Kurfürsten Friedrich Wilhelm, 1956 als Geschenk ans Museum. Hausarchiv Museum Viadrina, „Klappaltar“, 1975 Ankauf des Museums. Siehe z. B. Hausarchiv Museum Neuruppin zum Ankauf eines Gemäldes 1992 : Der Vater des Verkäufers hatte das Bild 1945 bei der Plünderung des Zietenschlosses in Wustrau „gerettet“. Zur Begrifflichkeit „Republikflucht“ vgl. „Republikflucht“ 2006, S. 14 f. Vgl. z. B. „Republikflucht“ 2006 ; Schurig 2016. Vgl. zusammenfassend : Bestimmungen der DDR zu Eigentumsfragen und Enteignungen 1971, S. 22 ff. Rundschreiben Landesregierung Sachsen-Anhalt Nr. 49/51, 6.4.1951, betreffend Behandlung der beweglichen Sachen von Personen, die illegal nach dem Westen abgewandert sind, zitiert nach Bestimmungen der DDR zu Eigentumsfragen und Enteignungen 1971, Anlage 262, S. 347. Gesetzblatt der DDR 1952, Nr. 100, 20.7.1952. Richtlinien für die Räte der Städte und Gemeinden zur Durchführung der §§ 1, 2 und 6 der VO zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli 1952, 1.9.1952, zitiert nach Bestimmungen der DDR zu Eigentumsfragen und Enteignungen 1971, Anlage 268, S. 355. Kreisarchiv Barnim, K.I. Marienw. 1595. BLHA, 601 RdBFfO, 197. U.a. abgedruckt in : Bestimmungen der DDR zu Eigentumsfragen und Enteignungen 1971, Anlage 280, S. 379. Vgl. Aufhebung der AO Nr. 2 durch den Minister der Finanzen der DDR, 11.11.1989, in : Kreisarchiv Barnim, K.I. RdGZep. 11161. BLHA, 601 RdBFfO, 22921, Hervorhebungen im Original. Anweisung Nr. 30/58 des Ministeriums der Finanzen zur AO Nr. 2 vom 20. August 1958, 27.9.1958, abgedruckt in : Bestimmungen der DDR zu Eigentumsfragen und Enteignungen 1971, Anlage 281, S. 379 ff. Ebd., S. 380. BLHA, 601 RdBFfO, 27760. Vgl. ebd. Bestätigung des Museumsleiters vom 30.6.1959 zum Empfang von „24 römische[n] Münzen, die im Haushalt der F[…] P[…], die republikflüchtig ist, gefunden wurden.“, in : Stadtarchiv Frankfurt/ Oder, BA II. 1.2.2.12240/952. Vgl. u. a. die Eingaben zur AO Nr. 2 vom 20. August 1958 und zur VO vom 11. Dezember 1968, in : BArch, DN 1/122515 bis 122526. Schlossbergung, Republikflucht und kommerzielle Koordinierung
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29 Museum Neuruppin : 472 Objekte, Museum Eberswalde : 183, Museum Viadrina : 146, Museum Strausberg : 54. 30 So lassen sich z. B. in Eberswalde 35 Objekte dem Apotheker H. Z. zuordnen. 31 Rundverfügung 219/47 der Provinzialregierung der Mark Brandenburg, Minister für Wirtschaftsplanung, Abt. Handel und Versorgung, betr. Umzugs-, Umsiedler- und Flüchtlingsgut, 19.5.1947, in : Kreisarchiv Ostprignitz-Ruppin, Rat des Kreises Neuruppin, Abt. Innere Angelegenheiten, 6593. 32 Gesetzblatt der DDR 1950, Nr. 43, 21.4.1950, S. 327 f. 33 Vgl. Merkblatt über den Versand von Umzugsgut nach Westdeutschland und Westberlin, o. D. [1952], in : Kreisarchiv Ostprignitz-Ruppin, Rat des Kreises Neuruppin, Abt. Innere Angelegenheiten, 6593. 34 Arbeitsanweisung des Vorsitzenden des Rates des Kreises Neuruppin an die Räte der Gemeinden des Kreises, 4.12.1952, in : Kreisarchiv Ostprignitz-Ruppin, Rat des Kreises Neuruppin, Abt. Innere Angelegenheiten, 6593. 35 VO zum Schutze des deutschen Kunstbesitzes und des Besitzes an wissenschaftlichen Dokumenten und Materialien vom 2. April 1953, in : Gesetzblatt der DDR 1953, Nr. 46, S. 522. 36 Zweite Durchführungsbestimmung zur Kunstschutzverordnung vom 1. Juni 1954, in : Gesetzblatt der DDR 1954, Nr. 55, S. 563 ; vgl. dazu auch Bischof 2003, S. 341. 37 Siehe dazu auch den Beitrag Karge in diesem Band. 38 VO über den Staatlichen Museumsfonds der DDR vom 12. April 1978, in : Gesetzblatt der DDR 1978, Teil I, Nr. 14, S. 165. 39 Erste Durchführungsbestimmung zur VO über den Staatlichen Museumsfonds der DDR – Inventarisierung, Katalogisierung, Umsetzung und Aussonderung musealer Objekte und Sammlungen vom 7. Februar 1980, zitiert nach „Bericht zur Kontrolle zum Schutz des Kulturgutes in den Museen“ des Bezirkskomitees Potsdam der Arbeiter- und Bauerninspektion, 6.3.1989, in : BArch, DC 14/2567. 40 Gesetz zum Schutz des Kulturgutes der Deutschen Demokratischen Republik vom 3. Juli 1980, in : Gesetzblatt der DDR 1980, Teil I, Nr. 20, S. 191 ff. 41 Dritte Durchführungsbestimmung zum Kulturgutschutzgesetz – Ausfuhr von Kulturgut – vom 3. Mai 1982, in : Gesetzblatt der DDR 1982, Teil I, Nr. 24, S. 432 ff. 42 Ebd., §§ 3 u. 4. 43 U.a. BLHA, 601 RdBFfO, 27333 bis 27339. 44 Verfügungen des Ministeriums für Kultur, Nr. 2/1982, S. 9 ff., abgedruckt in : Dritter Teilbericht über die Praktiken des Bereichs Kommerzielle Koordinierung 1993, Dokument 38, S. 285–287. 45 Schriftwechsel 8.12.1981 bis 26.1.1982, in : BLHA, 601 RdBFfO, 27337. 46 Rat des Bezirkes Frankfurt/Oder an Leiter der Abt. Kultur beim Rat des Kreises Eberswalde, 26.2.1982, in : BLHA, 601 RdBFfO, 27337. 47 Vgl. z. B. Rundschreiben Rat des Bezirkes Cottbus, Abt. Kultur, an die Kulturabteilungen der Räte des Kreises, 6.11.1986, in : BLHA, 801 RdBCtb, 23187. 48 Rat des Bezirkes Frankfurt/Oder, Abt. Kultur, an Chr. M., Berlin-West, 10.12.1986, in : BLHA, 601 RdBFfO, 28007. Es ging um das Gemälde Lesende Frau von Eduard Magnus (1799–1872). 49 BLHA, 601 RdBFfO, 27338. 50 Vgl. dazu BLHA, 601 RdBFfO, 27333 ; Hausarchiv Museum Viadrina, Ordner „Sammlung II“. 51 Bericht, 19.12.1974, in : BLHA, 601 RdBFfO, 27333. 52 Museum Viadrina : 177 Objekte, Museum Eberswalde : 27, Museum Neuruppin : 23, Museum Strausberg : 6. 53 Dass es in den 1980er Jahren weniger Objekte dieser Provenienz gab, könnte mit dem verstärkten
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Agieren der Kunst und Antiquitäten GmbH zusammenhängen, deren Erwerbungspolitik zunehmend in Konkurrenz zu den Interessen der Museen stand. Hausarchiv Potsdam Museum, BA 770. Hausarchiv Museum Viadrina, Truhe 18. Jahrhundert u. Gemälde Winterlandschaft. Museum Viadrina : 701 Objekte, Museum Neuruppin : 227, Museum Eberswalde : 108, Museum Strausberg : 5. Bischof 2003, v. a. S. 73 ff.; Isphording 2017, S. 3 ff.; siehe dazu auch BArch, DR 144. Museum Viadrina : 202 Objekte, Museum Neuruppin : 74 (davon 60 Verkäufe), Museum Eberswalde : 10, Museum Strausberg : 2. Vgl. u. a. BLHA, 801 RdBCtb, 24435 sowie Sachse 2022. Museum Strausberg : 154 Objekte, Museum Viadrina : 146, Museum Eberswalde : 117. BArch, DL 210/1873 u. 1874. Bis 2018 hat das Museum Viadrina 614 Objekte restituiert, das Museum Eberswalde 21, das Museum Neuruppin sechs, das Museum Strausberg ein Objekt.
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Andreas Ludwig
SAM M E L N VO N G E G E N WA RT I N H I STOR I S C H E N MU SE E N D E R D D R Das Sammeln von Gegenwart ist bis heute ein Thema für Geschichtsmuseen : Aktuelle Ereignisse sollen sich in Ausstellungen widerspiegeln, Besucherinnen und Besucher sollen über ihre eigene Lebenszeit und Lebenserfahrung Anschluss an Geschichte finden. Die neuen Dauerausstellungen der jüngst eröffneten Stadtmuseen in Stuttgart und Frankfurt/Main, aber auch die Debatten über eine Musealisierung des Amri-Attentats auf dem Berliner Weihnachtsmarkt vom Dezember 2016 oder der Corona-Pandemie von 2020 zeigen das Bedürfnis nach Nähe von Geschichtsmuseen zur Gegenwart.1 Zugleich scheint sich seit 2014 als Mittel die „Rapid Response Collection“ zu etablieren.2 Die Diskussion über das Sammeln von Gegenwart ist dabei keineswegs neu. Generell kreist sie um verschiedene grundlegende Fragestellungen : 1. Wie kann man die gegenwärtige Gesellschaft und das eigene Zeitgeschehen repräsentativ sammelnd dokumentieren, um auf diese Weise die museumstypische Erfahrung der „Sammlungslücke“ und des retrospektiven Objekterwerbs zu vermeiden ?3 2. Sollte die Alltags-, Sozial- und Kulturgeschichte der Gegenwart strukturell und systematisch oder akzidentiell gesammelt werden ? 3. Wie können Museumsausstellungen anschlussfähig an Kenntnisse und Erfahrungswelten des Publikums werden ? 4. Wie lässt sich mit der Doppeleigenschaft der Kuratorinnen und Kuratoren sowohl als Experten wie auch als Zeitgenossen umgehen ? In den historischen Museen der DDR spielten solche Fragen eine zentrale Rolle. Hier hatte, ganz im Gegensatz zur Bundesrepublik, die „Geschichte der neuesten Zeit“, also die eigene sozialistische Gegenwart, seit der Republikgründung 1949 einen enorm hohen politischen Stellenwert. Die unterschiedlichen Entwicklungen in Ost- und Westdeutschland in diesem Bereich waren Anlass für ein 2017 in Potsdam begonnenes Forschungsprojekt,4 auf dessen Ergebnissen die folgenden Überlegungen zum Gegenwartssammeln in historischen Museen der DDR beruhen. In der museologischen Debatte der 1980er Jahre galt Gegenwartssammeln sowohl in der Bundesrepublik wie in der DDR als innovatives Konzept, das in Museen und auch im ICOMKontext vielfach diskutiert wurde,5 meist verbunden mit dem Alltagsparadigma, das damals die Geschichtswissenschaft wie die Volkskunde in Ost und West gleichermaßen nachhaltig prägte.6 Alltag, so die damalige Argumentation im Westen, ermögliche einen Perspektivwechsel des Blicks auf historische Entwicklungen und damit deren kritische Neubewertung jenseits einer Geschichte der „großen Männer“ oder anonymer Strukturen.7 In der DDR etablierte sich zeitlich parallel das Konzept der „Lebensweise“ als Ergänzung einer politikgeschichtlich fokussierten Geschichtserzählung. Nach 1990 wurden die zeitgeschichtlichen Abteilungen der Museen in der DDR dennoch ausnahmslos geschlossen.8 Keine von ihnen hat sich erhalten. Sammeln von Gegenwart in historischen Museen der DDR
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Heute muss man bis ins ungarische Dunaújváros fahren, um noch eine solche Ausstellung sehen zu können. Brach hier also mit dem Ende der DDR eine Entwicklung ab, aus der die sogenannte „neue Museologie“9 Perspektiven hätte gewinnen können ? Oder legte die DDR mit ihren Ansätzen des Gegenwartssammelns letztlich doch ein allzu ideologisches Konzept vor ?
Frühe politische und gesetzliche Hintergründe für das Sammeln von Gegenwart Bereits vor Gründung der DDR wurden Fragen des Gegenwartsbezugs und der Alltagskultur in ostdeutschen Museen thematisiert. In einer Anlage zur Direktive 27/390 der Sowjetischen Militäradministration von 1946 hieß es, dass in den Museen eine „Abteilung für Kultur und Lebensweise der Bevölkerung“ einzurichten sei.10 Auf dieser Grundlage erließ die Deutsche Zentralverwaltung für Volksbildung noch im selben Jahr „Richtlinien für die Eröffnung von Museen“. In ihnen wurde um Mitteilung gebeten, „ob und bezw. in welchen Museen dem Gesichtspunkt der demokratischen Umerziehung des deutschen Volkes schon Rechnung getragen worden ist, insbesondere durch Ausstellungen über Militarismus, Enteignung der Kriegsverbrecher, Bodenreform, Unterbringung der Umsiedler usw.“11 Ein undatierter, vermutlich 1948 formulierter „Museumsplan 1949/50 für die Museen der sowjetischen Besatzungszone“ forderte bis Ende 1950 „Wechselausstellungen zu Gegenwartsproblemen“ und die „Einrichtung von Gegenwartsabteilungen“.12 Damit waren schon in der SBZ wesentliche Weichen für eine bewusste Gegenwartsorientierung der Museen der DDR als Teil politischer Aufklärungsarbeit gestellt worden. Vom Sammeln ist in diesen frühen Dokumenten allerdings noch nicht die Rede. Mit Bildung des Ministeriums für Kultur der DDR im Jahr 1954 wurden dann konkretere Rahmenbedingungen für die Museumsarbeit geschaffen. Eine „Anordnung für die Arbeit von Heimatmuseen“ von 1955 bezeichnet es als Aufgabe der Museen, neben der Geschichte der Arbeiterbewegung und der revolutionären Traditionen „auch durch sorgfältig vorbereitete Sonderausstellungen die jüngste Entwicklung in der Industrie, Landwirtschaft und Kultur des Gebietes […] [zu] zeigen (Nationales Aufbauwerk, Fünfjahrplan).“13 Erstmals taucht hier die für die weitere Entwicklung maßgebliche Doppelung von Geschichte der Arbeiterbewegung und Gegenwartsbezug auf.14 Mit den im Umfeld des Kulturministeriums von der Fachstelle für Heimatmuseen publizierten Grundsätzen über die sozialistische Umgestaltung der Heimatmuseen in der Deutschen Demokratischen Republik wurde schließlich 1960 eine bis Ende der 1980er Jahre gültige Einordnung der Geschichts- und Heimatmuseen vorgenommen. Sie sollten „Instrumente der Arbeiterklasse im Kampf um die Verwirklichung ihrer historischen Aufgabe, für den Aufbau der sozialistischen Gesellschaftsordnung“ sein. Mit Verweis auf den V. Parteitag der SED vom Sommer 1958 und die Ausstellungen zum 10. Jahrestag der DDR im Herbst 1959 wurde eine „Hinwendung zur Gegenwart“ und „Parteinahme für den Sozialismus“ in den Museen gefordert.15 Jan Scheunemann, der die Entwicklung der Heimatmuseen in der DDR detailliert 244 I Andreas Ludwig
untersucht hat, deutet dies als Tendenz der SED, die eigene Parteigeschichte mit deutscher Geschichte gleichzusetzen.16 Der Interpretationskontext ist jedoch zu erweitern : Im Jubiläumsjahr 1959 sollte, so der offizielle Anspruch, die Gesetzmäßigkeit des Geschichtsprozesses hin zum Sozialismus sichtbar werden, zugleich sollten sich Besucherinnen und Besucher selbst als Teil dieses Prozesses wahrnehmen.17 Genau hierin lag die wesentliche politische Begründung für den Gegenwartsbezug in den Museen der DDR. 1959 präsentierte das Ost-Berliner Museum für Deutsche Geschichte entsprechend in seiner Ausstellung 10 Jahre DDR eine Art Leistungsschau. Die Bezeichnungen der einzelnen Ausstellungsabschnitte – „Die Republik – das sind wir“, „Die Deutsche Demokratische Republik – ein bedeutendes Industrieland“, „Die sozialistische Entwicklung unserer Landwirtschaft“, „Volksbildung und Kultur im ersten deutschen Arbeiter- und Bauernstaat“, „Wie lebt der Werktätige in der Deutschen Demokratischen Republik ?“ – signalisierten diesen Anspruch auf Publikumseinbindung.18 Es wurden zahlreiche Objekte des sozialistischen Aufbaus und der Gegenwart der DDR gezeigt, die von Organisationen und Betrieben beschafft werden mussten.19 Ein eigener Sammlungsplan für das Museum bestand damals allerdings erst in Ansätzen, weil eine offizielle Geschichtsinterpretation noch fehle und für das Sammeln von Gegenwartsobjekten „bisher [..] noch kein rechter Weg gefunden sei.“20
Die Entwicklung von Vorstellungen, was unter Gegenwartssammeln zu verstehen sei Mit den Grundsätzen von 1960 waren die Zielvorgaben für die historischen Museen der DDR praktisch definiert. Die Vorstellungen aber, was Gegenwartssammeln genau bedeuten sollte, blieben weiterhin unklar und wurden erst in der Folgezeit schrittweise formuliert. Maßgeblich waren auch hier die Vorgaben des 1952 in Berlin gegründeten Museums für Deutsche Geschichte (MfDG), das durch den Geschichtsbeschluss der SED von 1955 zur Leitinstanz für die Geschichtsmuseen der DDR bestimmt worden war.21 Was lässt sich nun aus den Quellen des MfDG zum Thema Sammeln und Ausstellen der Gegenwart nach 1960, in der DDR nach dem Mauerbau, ablesen ? Festzustellen ist dabei zunächst eine Tendenz zur Ideologisierung im Sinne des angestrebten sozialistischen Gesellschaftssystems und seines Menschenbildes. Im Zuge der Vorbereitung des Dauerausstellungsteils für die Jahre 1945 bis 1949, der 1964 im MfDG eröffnet wurde, hat sich ein Sammlungsplan erhalten. Er charakterisiert die Arbeitsweise des Museums gut, zeigt vor allem die enge Orientierung am 1963 im offiziellen SED-Kontext veröffentlichten Grundriß der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. So hieß es 1963 : „Die Sammeltätigkeit setzt die Kenntnis des Grundrisses sowie weiterer wichtiger Beschlüsse der Partei voraus und erfordert deren selbständige schöpferische Anwendung auf die museale Darstellung des Zeitabschnittes.“22 Der Sammlungsplan selbst bildete dann auch exakt die in Kapitel XII der Publikation einleitend formulierten Themen ab.23 Die Folge war ein starkes Gewicht auf der politischen Geschichte. Dokumente und Fotografien stellten im Sammlungsplan den Sammeln von Gegenwart in historischen Museen der DDR
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Schwerpunkt dar. In der Abteilung „Volkswirtschaft der DDR“ wurden zwar auch Modelle von Werksanlagen oder Materialien zu „Hervorragende[n] Neuerer[n], Aktivisten etc.“ gesammelt, und neben Deklarationen, Schriften, Briefen und Flugblättern rundeten Kunstwerke das Sammlungskonzept ab. Insgesamt resultierte daraus jedoch eine ausgeprägte Papierlastigkeit der Präsentation (Abb. 1). In den museumsinternen Diskussionen wurde dies offensichtlich bald kritisch gesehen. Bereits vier Jahre später, 1968, entstand ein erneut kursorischer und an der politischen Entwicklung orientierter veränderter Sammlungsplan, der mehr von gegenständlichem Material ausging. Hier wurden unter anderem „Materialensembles zur Lebenslage“ angeführt, damit folgte man zusätzlich einem eher volkskundlichen Sammlungsansatz.24 Hintergrund war ein exemplarisches Projekt des MfDG zur „komplexen Sammlungsarbeit“, das vom Museum am Beispiel der Volkswerft Stralsund realisiert und, auch das ein Novum, von der Abteilung „Geschichte der neuesten Zeit“ gemeinsam mit der Sammlungsabteilung entwickelt worden war.25 1972 schließlich charakterisierte der zuständige Abteilungsleiter Kurt Wernicke (geb. 1930) in Vorbereitung der Dauerausstellung für die Zeit von 1949 bis zur Gegenwart die bisherige Sammlungspolitik zur Zeitgeschichte insgesamt als ungenügend. Er stellte stattdessen die Sammlung von „Formen des gesellschaftlichen Lebens“ in den Vordergrund. Zu sammeln seien unter anderem Objekte des „sozialistischen Wettbewerbs“, des „Neuererwesens“ und des Kampfes um die Planerfüllung. Dafür seien die Volkseigenen Betriebe sowie die Massenorganisationen die bevorzugten Ansprechpartner.26 Darüber hinaus wurden Zeitungsaufrufe veröffentlicht, die sich wie eine Desiderateliste der Museumssammlung lesen : Erbeten wurden Gebrauchsgegenstände wie „Erzeugnisse aus der Zeit des schweren Anfangs“ nach dem Zweiten Weltkrieg und Konsumgüter.27 Zeitgleich legte Wolfgang Herbst (1928–1995), seit 1952 am MfDG und seit 1968 Direktor des Hauses, grundlegende Positionen zur musealen Sammlungspolitik dar. Das Sammeln müsse sich, schrieb Herbst 1972, von „politisch-ideologischen Erfordernissen“ leiten lassen. Es gelte, neben der Geschichte der Arbeiterbewegung, „typische und repräsentative Zeugnisse aus der sozialistischen Gegenwart“ zu sichern. Als Beispiele nannte er Fahnen, Embleme, Abzeichen, Parteidokumente usw. Hinzu kämen „die im einzelnen bedeutenden, durch ihre Träger und Nutzer ausgezeichneten Sachzeugen“.28 Im Fokus der Sammlungsstrategie standen für Herbst also das „Typische und Repräsentative“, die Personalisierung sowie Belegobjekte der Staatspolitik. Der volkskundliche Sammlungsansatz hingegen fand beim Historiker Herbst keine Erwähnung. Der Erkenntnisprozess, wie Zeitgeschichte bis zur Gegenwart gesammelt und dargestellt werden könne, verweist dabei auf zwei künftig für die historischen Museen in der DDR zentrale Pole der Argumentation : Einerseits wird die Priorisierung einer in sich geschlossenen Geschichtserzählung deutlich, in der Politik und gesellschaftliche Entwicklung, getragen von Parteien und Organisationen, gleichsam planmäßig voranschreiten. Mit Blick auf die Einbeziehung von Gegenwartsobjekten kann man andererseits in diesem Rahmen von einer sammelnden Selbstvergewisserung der gesellschaftlichen Entwicklung in der DDR sprechen. 246 I Andreas Ludwig
Abb. 1 : Museum für Deutsche Geschichte Ost-Berlin, Sammlungsplan, 1968
Sammeln von Gegenwart in historischen Museen der DDR
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Die Überlegungen zur „Gegenwartsproblematik“, die durch die MfDG-Dauerausstellung Sozialistisches Vaterland DDR angestoßen worden waren, fanden 1974 mit ihr einen vorläufigen Abschluss. Die Sammlungskonzeptionen zeigten danach eine immer detailliertere, an Behörden und Institutionen orientierte Dokumentation des Zeitgeschehens auf der Grundlage einer offiziellen Chronologie und Berichterstattung. In einem Bericht von 1976 wird die mit dem Zeitverlauf zunehmende Personalisierung und Entkonkretisierung der MfDG-Ausstellung angesprochen und dies mit Auswahlproblemen bei den Gegenwartsobjekten begründet. Man müsse angesichts „der schier unüberschaubaren Masse des zeitgenössischen Materials die charakteristischen und damit repräsentativen Sachzeugen“ auswählen.29 Für Differenzierung und unterschiedliche Perspektiven blieb damit kein Raum ; sie wurden wohl auch nicht in Erwägung gezogen. In den 1980er Jahren geriet diese Position jedoch durch die in der DDR neu etablierten kultur- und gesellschaftspolitischen Konzepte von „Erbe und Tradition“ und einer „sozialistischen Lebensweise“ ins Wanken.30 Auf einer Museumsleitertagung wurde 1980 offen gefordert, endlich den reinen Belegcharakter der Museumsobjekte zu überwinden.31 Das MfDG, das bis dahin eindeutig der Pflege der politischen „Tradition“ der organisierten „Arbeiterklasse“ und der sie führenden Partei verpflichtet gewesen war, erweiterte daraufhin seine Perspektive auf die „Arbeiterklasse als produzierende, machtausübende und konsumierende Klasse“. Gesammelt werden sollten laut Wernicke „Sachzeugen aus der Produktion und der Machtausübung“ sowie alles, was „institutionalisierte Lösungen“ zeige. Im Sinne der sozialistischen Lebensweise müsse die Sammlung in die Breite gehen und flexibel gegenüber den Entwicklungen der Gegenwart sein. Als Beispiel für die Freizeitkultur wurde das Camping genannt, das in der DDR einen erheblichen Aufschwung erlebte.32 In Abkehr vom für die 1970er Jahre typischen exemplarischen Sammeln dürfe das Geschichtsmuseum „sich nicht scheuen, zunächst in beachtlicher Quantität zu sammeln, um gegebenenfalls nach gewissem zeitlichen Abstand auszusondern.“33 Im Verlauf der 1980er Jahre wurde das zuvor gültige Konzept des beleghaften Sammelns am Geschichtsmuseum also aufgeweitet, allerdings ohne dass klar war, wie Sammlungslösungen dafür konkret aussehen könnten. Die Formel, die Arbeiterklasse sei nicht nur produzierend und machtausübend, sondern auch konsumierend, wurde zugleich wieder zurückgenommen, indem „institutionalisierte Lösungen“ in den Vordergrund gerückt wurden. Letztlich schlug der stellvertretende DDR-Kulturminister Friedhelm Grabe (1931–2017) eine enzyklopädische Lösung vor : „Nichts darf uns verloren gehen, was die revolutionäre und revolutionierende Wirkung der Produktivkräfte, was die Entwicklung der Schöpferkunst der Menschen sinnlich konkret nacherlebbar macht.“ Gefordert wurde damit erstmals ein perspektivisches Sammeln von Gegenwart.34
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Abb. 2 : Statistikbogen zur Fachberichterstattung der Museen, 1978 (Ausschnitt)
Die quantitativen Auswirkungen des Gegenwartsparadigmas Welche praktischen Konsequenzen hatten die programmatischen Aussagen nun für das Gegenwartssammeln in den historischen Museen der DDR ? Erste Einblicke geben hier die statistischen Erhebungsbögen, die nach der Verordnung über den Staatlichen Museumsfonds von 1978 an den Museen erstellt werden mussten.35 In ihnen wurden unter anderem die Zusammensetzungen und Erweiterungen von Sammlungen präzise dokumentiert. Die Erhebungsbögen wiesen dabei das für die Zeit nach 1945 erworbene Museumsgut gesondert aus, was gerade das Gegenwartssammeln gut greifbar macht (Abb. 2). Eine stichprobenartige Auswertung der Bögen36 ergibt das folgende Bild : Im Leitmuseum MfDG betrug der Zuwachs an Objekten der Zeitgeschichte insgesamt 15.145, das waren 41 %, also fast die Hälfte, aller neu in die Sammlung gekommenen Objekte. Ähnlich lag der Anteil im Berliner Märkischen Museum, dem „größten Heimatmuseum der DDR“, bei 37 %, während im Stadtmuseum Dresden, 1966 als Muster eines sozialistischen Stadtmuseums gegründet, sogar 60 % der Neuerwerbungen auf die Zeit nach 1945 entfielen. Im Agrarmuseum Alt Schwerin, 1963 als sozialistisches Dorfmuseum mit Schwerpunkt auf der Kollektivierung der Landwirtschaft initiiert, stammten immerhin 41 % der Objekte von nach 1945.37 In kleineren Heimatmuseen sah es unterdessen äußerst unterschiedlich aus, Objekte aus der Zeit nach 1945 gab es dort meist nur punktuell und in geringer Zahl. Im Heimatmuseum Falkensee etwa, das
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hier als ein Beispiel von vielen genannt sei, wurden so zwischen 1983 und 1989 lediglich in einem einzigen Jahr Objekte von nach 1945 erworben. Und welche Art von Objekten wurde gesammelt ? Hier ist das Ergebnis eindeutig : Dokumente und Plakate standen mit bis zu 50 % der Neuerwerbungen gemeinsam mit Fotografien, die 20 bis 50 % der Neuerwerbungen ausmachten, einsam an der Spitze. Aber auch Grafiken sowie Münzen und Medaillen, also traditionelle museale Sammlungsgebiete, waren durchaus begehrt. Dagegen fiel die Objektgruppe „Kultur und Lebensweise“, die mit Blick auf die Debatten seit den späten 1970er Jahren von Interesse ist, nur im volkskundlich ausgerichteten Museum Alt Schwerin mit 22 % erheblich ins Gewicht. Das MfDG sammelte immerhin noch 7,6 % aus dieser Objektgruppe, die beiden Stadtmuseen Berlin und Dresden wiesen mit 0,6 und 3,6 % erheblich geringere Anteile auf. Die aus den Erhebungsbögen ablesbare Statistik bestätigt also durchaus die Bedeutung, die dem Gegenwartssammeln in der DDR von offizieller Seite beigemessen wurde. Sie zeigt jedoch keineswegs die inhaltlichen Probleme, die sich hinter dem Konzept verbargen, und auch nicht die Reserviertheit, mit der die Museen den Vorgaben teilweise begegneten. Gespräche mit Zeitzeugen deuten hier weitere Ebenen an. So verwies etwa in einem Interview ein Museumsmitarbeiter, der in der DDR die Abteilung Geschichte des Stadt- und Bezirksmuseums Potsdam leitete, darauf, man sei bei der Einrichtung der Dauerausstellung chronologisch vorgegangen und so sei die Zeitgeschichte nach hinten gerückt. Dann habe man nicht mehr ausreichend Ausstellungsfläche für sie gehabt.38 Möglicherweise trugen auch solch praktische Umstände zu den Verzögerungen bei, mit denen in der DDR tatsächlich Dauerausstellungen für die Zeit nach 1945 und besonders nach 1949 eingerichtet wurden. 1969, zum 20. Jahrestag der DDR, wurde jedenfalls bilanziert, dass bislang nur 25 % der Museen die DDR-Geschichte in ihren Häusern präsentieren würden – gegenüber 55 % „Urund Frühgeschichte“ und 70 % „Feudalismus“.39 Und noch 1989 hatten von den fünfzehn Bezirksmuseen der DDR nur fünf eine Darstellung zur Zeitgeschichte in ihren permanenten Ausstellungen zu bieten. Die Gründe dafür scheinen indes, jenseits praktischer Belange, vor allem in der Unsicherheit gelegen zu haben, wie man der Zeitgeschichte mit musealen Mitteln gerecht werden könne. Bereits 1959 hieß es dazu aus dem Bezirk Potsdam : „Die Museumsleiter waren sich über die Problematik und den Arbeitsumfang bei Ausstellungen zur Zeitgeschichte nicht genügend im Klaren.“40 In einer Analyse der Ausstellungen zum 25. Jahrestag der DDR 1974 wurde die Neue Museumskunde deutlich : „Wir machen gleichzeitig auf gewisse Tendenzen aufmerksam, in denen eine Unterschätzung der Gegenwartsproblematik zum Ausdruck kommt. Als Beitrag zum Geburtstag der Republik wurden in einigen Regionalmuseen Mittelalterausstellungen neu gestaltet, obwohl sich in den gleichen Einrichtungen Abteilungen zur neueren Geschichte und zur Geschichte der DDR in einem unwürdigen Zustand befinden. […] In den Kollektiven der Museumsmitarbeiter sollten prinzipienfeste Diskussionen um diese Auffassung geführt werden, damit die Vorbehalte gegenüber der Darstellung der Gegenwart abgebaut werden.“41 „Prinzipienfest“ bedeutete, die offizielle Prioritätensetzung auf Ausstellungsabteilungen zur Zeitgeschichte durchzusetzen. 250 I Andreas Ludwig
Und schließlich hieß es 1989, „die noch immer anzutreffende Methode, bei der Gründung der DDR mit der musealen Ausstellung zu enden und in einer Art Schluß-Apotheose die sozialistische Gegenwart in blühenden Farben gegenüberzustellen“, sei wenig geeignet, ein sozialistisches Geschichtsbewusstsein zu fördern. Bezogen auf das Sammeln von Gegenwart wurde jetzt offen konstatiert : „Da schlagen sich jene verbreiteten Sünden der Sammlungsarbeit zur Zeitgeschichte nieder, die seit Jahrzehnten Gegenstand von Klagen, Mahnungen und Hinweisen sind.“42 Die Ursachen für die allen offiziellen Forderungen zum Trotz flächendeckend doch eher schleppende Umsetzung des Sammelns und Ausstellens von Gegenwart in den Museen der DDR sind demnach vor allem in drei Punkten zu sehen : 1. in der dominierenden Vorstellung vom reinen Belegcharakter der Objekte für eine letztlich von der SED vorgegebene Geschichtsnarration der DDR, 2. in den kampagnenhaften Aktivitätsanforderungen an die Museen und 3. in den tastenden Vorstellungen davon, was geeignete zeitbezogene Sammlungsobjekte überhaupt sein könnten. Ansätze, die im Laufe der 1980er Jahre eine breitere Geschichtsbildung andeuteten und damit diversifizierte Sammlungskonzepte hätten hervorbringen können, wurden bis 1989 nicht mehr realisiert.
Nachholendes Sammeln von Gegenwart 1990 – was bleibt von den DDRInitiativen ? Mit der Friedlichen Revolution von 1989 begann ein neues Kapitel des Gegenwartssammelns in der DDR. Die politischen Ereignisse wurden umgehend als außergewöhnliche historische Situation wahrgenommen, die Museen reagierten etwa durch die Sicherung von Transparenten oder das Sammeln von Flugblättern.43 Gleichzeitig rückte ein Sammeln von DDRAlltagsobjekten auf die Agenda. Aufrufe wie die des MfDG, des Märkischen Museums und anderer ostdeutscher Museen vom Sommer 1990, „angesichts des bevorstehenden Endes der DDR“ Sachzeugen zum Alltag der Jahre 1945 bis 1990 abzugeben,44 galten einer absehbar eintretenden Geschichtlichkeit der DDR.45 Im Falle des Märkischen Museums wurde die Aktion bis 1997 weitergeführt, wie das provisorische Zugangsbuch zeigt (Abb. 3). Damit allerdings setzte bereits eine neue Phase ein, die des nachträglichen Sammelns, das neben öffentlichen und privaten Museen46 auch zahlreiche Privatleute erfasste. Angesichts der kontinuierlichen Aufforderungen der DDR-Museumspolitik bis 1989, die sozialistische Gegenwart zu sammeln, provozieren die Last-minute-Initiativen von 1990 die Frage nach den realen Ergebnissen der vorherigen Sammlungsarbeit und der Komposition des Sammlungsguts in den Geschichtsmuseen der DDR. Wurden tatsächlich nur „gesellschaftliche Objekte“ gesammelt, die die planmäßige Entwicklung der DDR-Gesellschaft dokumentierten ? Was ist aus diesen Sammlungsobjekten geworden ? Kann man sie neu befragen oder bleiben sie Relikte einer historisch gewordenen Sammlungspolitik ? Seit dem Ende der DDR sind mittlerweile dreißig Jahre vergangen und die Diskussionen um museales Sammeln auch von Gegenwart haben in unerwartetem Maße zugenommen. Vor Sammeln von Gegenwart in historischen Museen der DDR
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Abb. 3 : Eingangsliste einer Sammelaktion zum DDR-Alltag, Berlin 1990–1997
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allem angesichts der verstärkten Forderung nach einer Verankerung der Museen in der Gegenwartsgesellschaft und dem damit verbundenen Ansatz partizipativer Museumsarbeit sind in den letzten Jahren private, als exemplarisch für gesellschaftliche Entwicklungen angesehene Erinnerungs- und Gebrauchsobjekte in den Fokus gerückt.47 Im Gegensatz zu den hier dargestellten Entwicklungen im systematischen, ja systematisch staatsbezogenen Gegenwartssammeln der Museen der DDR ist das heutige Sammeln von Gegenwart, wie eingangs skizziert, anlassbezogen und zudem vor allem auf die Dokumentation von gesellschaftlicher Vielfalt gerichtet. Allerdings scheinen die meisten dieser Initiativen projektorientiert und damit zeitlich befristet zu sein – anders als die systematischen Sammlungsansätze in den DDR-Museen oder als der für die westeuropäische Debatte immer wieder wichtige, oben bereits genannte Impuls der schwedischen Samdok-Strategie.48 Der Vergleich mit heutigen Ansätzen lässt das Gegenwartssammeln in der DDR so als zwiespältiges Terrain erscheinen : Strukturell und aus einem geschichtspolitischen Interesse heraus haben die systematischen Strategien der DDR durchaus Schneisen geschlagen. Sie unterstützten dabei teilweise eine sozial- und gesellschaftsgeschichtliche Perspektive, während rein akzidentielles Sammeln eher die Darstellung einer Ereignisgeschichte fördert, was die Museen letztlich wieder auf ein traditionelleres Geschichtsverständnis zurückwirft. Gleichzeitig aber hat die inhaltliche Fixierung auf ein enges ideologisches Geschichtsmodell dem Gegenwartssammeln in der DDR von Beginn an die gesellschaftliche Offenheit und Perspektive genommen. Die Visionen des SED-Staates fanden überdies allen offiziellen Bekundungen zum Trotz letztlich bei Weitem nicht im angestrebten Umfang Eingang in die Museen der DDR. Dort, wo sie realisiert wurden, war die Affinität zwischen Museum und Propaganda zweifellos größer als die zwischen Museum, Geschichte und gesellschaftlicher Gegenwart.49 Und doch – bei aller Skepsis gegenüber der politisch gelenkten Initiative und Sammlungspraxis in der DDR : Strukturelles und strukturiertes gegenwartsbezogenes Sammeln bleibt in den historischen Museen ein Desiderat, über das es weiter zu diskutieren gilt.
Anmerkungen 1
Mit Geschichtsmuseen sind hier alle historisch argumentierenden Museen gemeint : sowohl historische Nationalmuseen als auch Stadt- und Heimatmuseen. 2 Das Londoner Victoria & Albert Museum begann bereits 2014 mit dieser Sammlungsstrategie, vgl. www.vam.ac.uk/collections/rapid-response-collecting (Zugriff 3.6.2020). Zur Musealisierung des Amri-Attentats siehe www.dw.com/de/nach-berlin-anschlag-gehoert-der-terror-lkw-ins-museum/a-36 996487 ; zum von vielen Museen angestoßenen Sammeln von „Corona-Objekten“ u. a. www.neu esruhrwort.de/2020/05/06/corona-museen-und-historiker-sammeln-dokumente/ ; www.dw.com/de/ corona-gedaechtnis-museen-wollen-die-pandemie-archivieren/a-53160157 ; www.wienmuseum.at/de/ corona-sammlungsprojekt (Zugriffe 3.6.2020). 3 In Schweden setzen dazu schon seit 1977 kulturhistorische Museen Zeichen mit dem Samdok-Projekt, das auf eine museale Gegenwartsdokumentation zielt, vgl. dazu Kierström Sjölin 2003. 4 Das am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam angesiedelte Projekt Die Musea-
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lisierung der Gegenwart. Die Verwandlung von Gegenwart in Geschichte in den Sammlungsstrategien historischer Museen (2017–2020) wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Die Forschungsfrage ist eine zugleich museologische wie historiografische : Wie entstehen „historische Quellen“ durch die Musealisierung materieller Kultur und was können Historikerinnen und Historiker aus quellenkritischer Sicht erwarten, wenn sie sie nutzen. 5 Vgl. Zeitphänomen Musealisierung 1990. 6 Vgl. dazu Europa im Zeitalter des Industrialismus 1993 ; speziell zur Debatte in der DDR vgl. Kuczynski 1980–1985 ; Kuczynski 1983 ; Mühlberg 1978 ; Jacobeit/Jacobeit 1986/87 u. 1995. 7 Vgl. Lüdtke 1989. 8 Vgl. Ludwig 1992. 9 Museologie 1989. 10 BLHA, Rep. 205A MfV 617, Bl. 23. Ich danke Susanne Köstering vom Museumsverband des Landes Brandenburg für die Einsichtnahme in die Arbeitssammlung des Verbandes zur Museumsgeschichte Brandenburgs. 11 Richtlinien Zentralverwaltung für Volksbildung, 25.6.1947, in : BLHA, Rep. 205A MfV 615, Bl. 135. Zur Zentralverwaltung für Volksbildung siehe auch den Beitrag Steinkamp in diesem Band. 12 Text, o. D., in : BLHA, Rep. 205A MfV 644, Bl. 11 f. Der Text wurde vermutlich in Verbindung mit dem Zweijahrplan 1949/50 der Deutschen Wirtschaftskommission erarbeitet. 13 Anordnung über die Arbeit in den Heimatmuseen der Deutschen Demokratischen Republik, 30.7.1955, in : Gesetzblatt der DDR 1955, Teil II, Nr. 41, S. 269–271. Grundlage dafür war der sogenannte „Geschichtsbeschluss“ der SED von 1955, der eben diese Doppelung einforderte, vgl. Beschluss des Zentralkomitees der SED über die Verbesserung der Forschung und Lehre in der Geschichtswissenschaft, in : Mohr/Hühns 1959, S. 361. 14 Mit „Arbeiterbewegung“ ist in diesem Kontext immer deren politische Organisation vor allem der KPD/SED gemeint, nicht aber die Arbeiterschaft selbst. 15 Grundsätze über die sozialistische Umgestaltung der Heimatmuseen 1960, S. 7. Zur Fachstelle für Heimatmuseen siehe auch den Beitrag Karge in diesem Band. 16 Scheunemann 2009, S. 182. 17 Vgl. Kiau 1960, S. 201. 18 Ebd., S. 196, Hervorhebungen durch den Verfasser. Die Ausstellungskonzeption wurde aus den Thesen des Politbüros der SED zum 10. Jahrestag der SED abgeleitet. 19 Vgl. 10 Jahre DDR, Vorlage für den Aufbau der zentralen Ausstellung zum 10. Jahrestag der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik, o. D., S. 8, in : DHM, Hausarchiv, MfDG, 539. 20 Protokoll über Besprechung des Sammlungsplanes der Abteilung Zeitgeschichte, 5.3.1958, S. 2, in : DHM, Hausarchiv, MfDG, 487.1. 21 Zum Museum für Deutsche Geschichte siehe auch den Beitrag Andrews in diesem Band. 22 Abt. Zeitgeschichte : Entwurf. Schwerpunkte für die Sammlungstätigkeit zur musealen Darstellung der Zeit von 1945 bis zur Gegenwart, 30.3.1963, in : DHM, Hausarchiv, MfDG, 463. 23 Grundriß 1963, S. 197 ff. 24 Entwurf Sammlungsplan 1968, o. D., in : DHM, Hausarchiv, MfDG, 475. 25 Arbeitsbericht 3. Quartal 1968, in ; DHM, Hausarchiv, MfDG, 429. Der umfangreiche Sammlungsplan des Projekts findet sich in DHM, Hausarchiv, MfDG, vorl. 4. 26 Wernicke 1972, S. 67. 27 Peter Möbius : Wer hat noch einen Wasserquirl ?, in : Neues Deutschland, 8.1.1972 ; Kurt Wernicke : Das alte Kofferradio gehört ins Museum, in : Neues Deutschland, 23.10.1974.
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28 29 30 31
32 33 34 35 36 37 38 39 40
41 42 43 44
45 46 47 48 49
Herbst 1972, S. 15 f. Bernhard/Lachmann 1976, S. 93. Zur Anwendung dieser Konzepte im MfDG vgl. Wernicke 1986, S. 15 ; Möbius 1986, S. 13. Hans Ansorg : Zu Auswahlaspekten in der Sammlungspraxis sozialhistorischer Museen in der Deutschen Demokratischen Republik. Arbeitsmaterial für die Tagung „Die Dokumentation der Gegenwart mit musealen Sammlungen – Aufgaben und Probleme in Theorie und Praxis“, S. 1, in : BArch, DR 141/RfM 0087. Wernicke 1986, S. 16. Ebd., S. 17. Grabe 1986, S. 254 u. 257. Vgl. Verordnung über den Staatlichen Museumsfonds der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. April 1978, in : Museale Sammlungen 1978, S. 12–28. Die Erhebungsbögen sind mit wenigen Lücken in BArch, DR 141 im Bestand des Instituts für Museumswesen unter dem Stichwort „Fachberichterstattung“ erhalten. Zu Alt Schwerin siehe auch den Beitrag Bretschneider in diesem Band. Interview des Verfassers mit Hartmut Knitter, ehemaliger Abteilungsleiter Geschichte am PotsdamMuseum, 2.10.2013. Thesen zur perspektivischen Entwicklung der Museen, Juli 1970, S. 8, in : BArch, DR 141/RfM 0090. Bezirksheimatmuseum Potsdam : Zusammenfassender Bericht über die anläßlich des 10. Jahrestages der DDR von den Museen des Bezirkes Potsdam durchgeführten Ausstellungen, S. 2, in : BArch, DR 141/IfM 0050. Kiau/Lange 1974, S. 166 f. Wernicke 1989, S. 181 u. 183 f. 40 Jahre DDR 1990. DDR ins Museum – Sachzeugen gesucht, in : Berliner Zeitung, 26.7.1990 ; „Karl-Marx-Orden“ und ähnliches gesucht, in : Neue Zeit, 24.8.1990 ; Grit Heidrich : Ab ins Museum, in : Neues Deutschland, 18.9.1990. Dies war auch das Motiv der parallelen Sammlungsaktivitäten des kurz zuvor in West-Berlin gegründeten Deutschen Historischen Museums, vgl. Beier 1990 ; Flacke 1993. Vgl. dazu die vergleichenden Darstellungen Göschl 2019, Gaubert 2019 und Langwagen 2016. Eine Übersicht über die privaten „DDR-Museen“ bietet u. a. der DDR-Museumsführer 2011. Vgl. Elpers/Palm 2014 ; Baveystock/Rhys 2014 ; van Mensch/Meijer-van Mensch 2011. Vgl. dazu auch Preißler 2005. Symptomatisch dafür etwa auch Wernicke 1986 ; Wernicke 1989.
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KU NST, KU LTU R, TEC H N I K – MUSEUMSTYPEN ALS GESELLSC HAFTLIC H E I NTER PR ETATIONSMODELLE
Frank Hoffmann
VO N S C H I L L E R ZU S C H L E G E L ? Das späte „Erbe“-Verständnis in der DDR und die Gründung der Frühromantik-Gedenkstätten in Dresden und Jena 1981
Die parallele, aber nicht direkt miteinander in Verbindung stehende Eröffnung von gleich zwei Gedenkstätten zur deutschen Frühromantik in Dresden und Jena dicht nacheinander im März und Oktober 1981 verdient in verschiedener Hinsicht Aufmerksamkeit. Kultur- und ideologiegeschichtlich dokumentieren die beiden neuen Häuser in öffentlichkeitswirksamer Form die museale Emanzipation von einem Dogma aus der Zeit des Hochstalinismus : Die öffentliche Präsentation der Frühromantik bedeutete eine „Absage an Lukács’ ideologisches Verdikt“, das die Romantik und „vorzugsweise die Frühromantik“ als „Ursprungsraum der Reaktion par excellence“ verdammt hatte.1 Zugleich bezeugten die Neugründungen das sich fortlaufend erweiternde Verständnis von Erbe und Tradition in der DDR und berührten damit eine der beiden tragenden geschichtspolitischen Säulen des SED-Staats.2 Museumshistorisch lassen sich die beiden neuen Häuser überdies in den Museumsboom der späten DDR integrieren, der nicht zuletzt als Ausdruck veränderter, mittlerweile wieder stärker regional verankerter kulturpolitischer Legitimationsversuche verstanden werden kann,3 der jedoch auch zu Warnungen vor Übereifer Anlass gab. So mahnte das Institut für Museumswesen der DDR 1989 zum 40. Jahrestag der DDR die „Konzentration der Kräfte und Mittel“ an4 und zitierte dafür keinen Geringeren als Erich Honecker, der bereits im Jahr zuvor den Kreissekretären eingeschärft hatte, es lasse sich „weder ökonomisch noch kulturhistorisch […] vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen“.5 Genau dies aber war in Jena und Dresden geschehen. Unter einer stärker fachbezogenen Perspektive rücken im Umfeld der Gründungen zudem Aspekte bis heute wirksamer theoretischer Debatten – etwa um räumliche Authentizität oder die (Un-)Ausstellbarkeit von Literatur – in den Blick, die von der ambitionierten, international erfolgreichen Literaturmuseologie der DDR, maßgeblich angetrieben von Wolfgang Barthel (geb. 1938) von der Kleist-Gedenk- und Forschungsstätte in Frankfurt/ Oder, in den 1980er Jahren entfaltet wurden.6 In politik- und diktaturhistorischer Nahsicht lassen sich schließlich in der konkreten Ausgestaltung der Prozesse in Dresden und Jena von der Restaurierung (in der DDR : Rekonstruktion) der Gebäude über die Erörterungen zu ihrer Nutzung bis zu den sich verzögernden Museumseröffnungen und den Positionierungen und Interventionen von Akteursgruppen Handlungsspielräume und -blockaden vor Ort nachvollziehen. Womöglich erlaubt die Doppelung von zwei parallelen Gründungen sogar Rückschlüsse auf besondere Optionen jenseits der Hauptstadt : in einer Kulturmetropole und Bezirksstadt wie Dresden, seit den 1960er Jahren maßgeblicher Museumsort der DDR Von Schiller zu Schlegel ?
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neben Berlin, und in einer kleineren Großstadt mit freilich beträchtlicher kulturhistorischer Ausstrahlungskraft wie Jena. Die unterschiedlichen Perspektiven verweisen auf Affinitäten beider Häuser, markieren aber auch Differenzen, so in der Zuordnung als Museum oder Gedenkstätte.7 Zugleich offenbart ein Blick auf die Gründungszusammenhänge in Dresden und Jena eine weitere strukturelle Gemeinsamkeit : Die konkreten Optionen erwuchsen jeweils aus der städtebaulichen und denkmalpflegerischen Praxis intensivierter innerstädtischer Altstadt-Rekonstruktionen in der DDR ab den 1970er Jahren, denen sich die musealen Fragestellungen zunächst unterordneten. Auch als sie später Eigengewicht entwickelten, blieben beide Orte jeweils unselbstständige Außenstellen bereits institutionalisierter kommunaler Museen.
Zwischen Kunst und Klassik – lokale Gründungskontexte in Dresden und Jena Die Dresdner Gründung im ehemaligen Wohnhaus des Porträt- und Historienmalers Gerhard von Kügelgen (1772–1820), der hier von 1808 bis zu seinem Tod zahlreiche Literaten und Künstler zu Gast hatte, wurzelte dabei in zwei von der Kunst ausgehenden Initiativen : Der evangelische Pfarrer Karl-Ludwig Hoch (1929–2015), ein ausgewiesener Experte für Caspar David Friedrich, hatte den Bezirksbürgermeister und den seit 1961 amtierenden Dresdner Oberbürgermeister Gerhard Schill (1925–2000) auf die Geschichte des Kügelgenhauses aufmerksam gemacht und eine Gedenkstätte vorgeschlagen. Ein ähnlicher Anstoß kam von Wissenschaftlern der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, die sich an die Bezirksleitung der SED gewandt hatten. Auf Weisung des SED-Oberbürgermeisters fand daraufhin im April 1978 beim Stadtarchitekten eine erste Beratung dazu statt, an der auch Pfarrer Hoch, die Denkmalpflege, das Stadtmuseum (offiziell : „Institut und Museum für Geschichte der Stadt Dresden“) und die Abteilung Kultur beim Rat der Stadt mitwirkten.8 Man kam überein, dass die Gedenkstätte von „nationaler und internationaler Bedeutung sein“9 und überdies in der wiedererstandenen Inneren Neustadt einen touristischen Anziehungspunkt schaffen könnte, zumal das Kügelgenhaus mit einer gastronomischen Einrichtung verbunden werden sollte. Zugleich sollte es an die Stelle von im Krieg zerstörten Erinnerungsstätten für den SchillerFreund Christian Gottfried Körner (1756–1831) und dessen Sohn, den in der DDR ob seiner Lyrik aus den Befreiungskriegen geschätzten Theodor Körner (1791–1813), sowie für den Frühromantiker Caspar David Friedrich (1774–1840) treten. In Jena hingegen war das Stadtmuseum selbst Opfer des Krieges geworden und musste sich seither mit Übergangsquartieren behelfen.10 Die Rekonstruktion des schon zum Abbruch vorgesehenen Jenaer „Romantikerhauses“ ab 1979 steigerte die musealen Möglichkeiten da noch einmal enorm. So bot das Haus im Obergeschoss Platz für die beachtliche städtische Kunstsammlung und Sonderausstellungen, was dazu führte, dass in den 1980er Jahren die Besucherzahlen um ein Vielfaches höher waren als im Museum für Stadtgeschichte oder in den Gedenkstätten für Karl Liebknecht und den kommunistischen Widerstandskämpfer Magnus Poser.11 Doch erst einmal mussten sich Stadtmuseumsleiterin Maria Schmid und Wissenschaftler der 260 I Frank Hoffmann
Friedrich-Schiller-Universität Jena um den Philosophen Erhard Lange (1929–2017), der das Romantikerhaus dem Philosophen Johann Gottlieb Fichte (1762–1814) zuwies, überhaupt für den Erhalt des Hauses einsetzen, der per Ratsbeschluss vom 2. Mai 1979 endlich bestätigt wurde. Da Fichte jedoch als Anknüpfungspunkt insofern schwierig war, als es bereits seit 1962 im sächsischen Rammenau einen zentralen Gedenkort für ihn gab, lief ein Plan zunächst auf ein „Jenaer Haus der Klassik und Romantik“ hinaus.12 Freilich waren auch die Klassiker mit Schillers Gartenwohnhaus und Goethes Inspektorhaus im Botanischen Garten in Jena, die dort als Objekte der seit 1953 bestehenden Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar (NFG) verwaltet wurden, schon präsent.13 Und so war nun der eigentliche Clou der Jenaer Gründung, unter dem lokal verankerten Namen „Romantikerhaus“ eine Frühromantiker-Gedenkstätte im einstigen Wohnhaus von Fichte zu schaffen, der zwar kein Romantiker war, aber immerhin einer ihrer akademischen Lehrer in Jena. Das Haus war also gleichsam doch Gedenkstätte, aber eben eigentlich nur ein abgeleiteter Memorialort für die Frühromantiker. Wohl um der lokalen Initiative Kraft zu geben, wurde das Haus dennoch noch im Konzept von 1980 – womöglich gegen besseres Wissen14 – weiter als „der einzige erhaltene bauliche Sachzeuge aus dem Leben und Schaffen der Gebrüder Schlegel und ihrer Frauen“ annonciert, der „von ihnen in den Jahren 1796 bis 1802 bewohnt“ worden sei und „den Mittelpunkt des Kreises der Romantiker“ gebildet habe.15 In Jena wie Dresden stellten sich die beiden neuen Museen der Frühromantik bald aus ihren jeweiligen Gründungskontexten heraus betont professionell auf, was ihnen weitere Bedeutung gab. Für die inhaltliche Ausgestaltung in Jena wurde so der Rat der NFG eingeholt und in der Person von Christina Didier eine Weimarer Expertin gewonnen, die zuvor schon an der Neugestaltung des Goethe- und Schillerhauses mitgewirkt und 1978 die innovative Herder-Ausstellung im Kirms-Krackow-Haus in Weimar verantwortet hatte, das als biedermeierlich geprägtes Wohnhaus seit 1917 Museum war und nach aufwendiger Gartenrekon struktion seit 1963 Herder präsentierte.16 In Didier gewann Jena eine literaturmuseologisch ambitionierte17 und geschichtspolitisch versierte Repräsentantin des Frühromantik-Hauses nach außen sowie ab 1981/82 auch eine neue Direktorin der Städtischen Museen. Ihre Vorgängerin in diesem Amt seit 1961, die Protagonistin der Rettung des Jenaer Romantikerhauses, die parteilose Kunsthistorikerin Maria Schmid, übernahm daraufhin die Leitung der von ihr inspirierten Gedenkstätte. In Dresden gehörte das Frühromantik-Museum derweil zum Stadtgeschichtsmuseum, das seit 1966 von Rudolf Förster (1926–2017) geleitet wurde. Förster stand für einen parteinahen, zugleich differenzierten und besucherorientierten Stadtmuseumsansatz, den er im ICOMKontext auch international vertrat.18 Für die wissenschaftliche Gestaltung des Museums im Kügelgenhaus waren unter Förster zwei versierte Experten zuständig : der Germanist und Kulturhistoriker Günter Klieme (1929–2008) und der Kunsthistoriker Hans Joachim Neidhardt (geb. 1925), seit 1959 Mitarbeiter, dann Kustos für das 19. Jahrhundert an einem der führenden Kunstmuseen der DDR : der Gemäldegalerie Neue Meister Dresden.19
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Frühromantik, Erbe und Staat – neue inhaltliche Perspektiven Beide Häuser gewannen ihren besonderen inhaltlichen Reiz dabei vor allem aus der kulturhistorischen Provokation der Frühromantik, jener Auftaktphase der Romantik nach der Französischen Revolution zwischen 1795/98 und 1804. Die Frühromantiker, namentlich Friedrich Schlegel (1772–1829) und Novalis (1772–1801), aber auch die übrigen, standen sowohl zur seit 1949 in der DDR stark betonten Erbelinie der Klassik in spannungsvollem, ambivalentem Bezug als auch zur revolutionären Tradition von 1789 und zur Freisetzung des Individuums aus damaligen ständischen Fesseln. Sie verehrten Goethe und spotteten über Schiller, liebten ihre Freiheit, wussten aber auch um die Macht der Geschichte. Dies mit verschiedenen Schwerpunkten auszustellen – Kunst, Literatur und Musik in Dresden, Dichtung und Philosophie in Jena –, verlangte im SED-Staat erbepolitisch spezifischen Begründungsaufwand, zumal wenn die Eröffnungen der Häuser 1981 zu politischen Jubiläen und Staatsaktionen der DDR passen sollten. So öffnete am 28. März 1981 im Kügelgenhaus das Museum zur Dresdner Frühromantik seine Pforten nicht zuletzt zu Ehren des wenige Tage später beginnenden X. Parteitags der SED, wie es rückblickend das Neue Deutschland interpretierte.20 Eigentlich war das im barocken Bürgerhaus von Akademiemaler Kügelgen untergebrachte Museum an der nach massiven Kriegszerstörungen 1974 bis 1979 wiederhergestellten Neustädter Hauptstraße (damals Straße der Befreiung) freilich schon als ein Präsent zum 30. Republikgeburtstag am 7. Oktober 1979 ins Auge gefasst worden, was dann aber an Bauverzögerungen gescheitert war.21 Nur ein halbes Jahr später, am 6. Oktober 1981, diesmal also in der Tat als Geschenk zum 32. Republikgeburtstag inszeniert, wurde als „Gedenkstätte der deutschen Frühromantik und Kunstsammlung“ „in Jena das sogenannte Romantikerhaus der Öffentlichkeit übergeben“.22 Die Beifügung „sogenannte“ verwies dabei auf die örtliche „Legendenbildung“, die nach Archivrecherchen mittlerweile dekonstruiert worden war : Entgegen der Volksüberlieferung hatten im Haus Unterm Markt 12a23 nämlich eben nicht die Frühromantiker selbst, also Friedrich und August Wilhelm Schlegel (1767–1845), ihre Frauen Caroline Schlegel (1763–1809) und Dorothea Veit-Schlegel (1764–1839) oder auch Novalis und Tieck, während ihrer Jenaer Zeit dauerhaft gelebt. Vielmehr waren sie dort nur regelmäßig zu Gast bei Fichte gewesen, der, 1794 nach Jena berufen, in dem Haus wohnte und teilweise dort auch seine Vorlesungen abhielt. Mit dem staatsnah inszenierten musealen Doppelereignis in Dresden und Jena im Frühjahr und Herbst 1981 war die kulturpolitisch lange Zeit ausgegrenzte Romantik, und zwar namentlich die literarische Frühromantik als deren besonders heftig verfemtes Kernstück, nun ganz offiziell in das inzwischen weite, bösartig zugespitzt : schon etwas ausgeleierte Erbenetz der DDR aufgenommen worden. Noch in den relativ sachlichen Selbstanzeigen beider Häuser ahnt man etwas von dem kleinen Beben, das beide Einrichtungen kaum zehn Jahre zuvor im SED-Regime hätten auslösen können : Wird dem Museum in Dresden doch sogleich attestiert, es widme sich mit „der Frühromantik und dem Wirken ihrer bedeutendsten Vertreter während ihrer Dresdner Zeit“ einer „progressiven bürgerlichen Geistesbewegung in 262 I Frank Hoffmann
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts“24 – was in seiner zeitlichen Präzision verräterisch großzügig formuliert ist. Schließlich ging die Frühromantik, zu deren Dresdner Kernereignissen die Begegnung Wilhelm Heinrich Wackenroders (1773–1798) und Ludwig Tiecks (1773–1853) mit der Sixtinischen Madonna in der Gemäldegalerie schon 1796 zählte,25 mit dem Tod von Novalis 1801 und mit Schlegels Fortgang nach Paris im Folgejahr doch rasch ihrem Ende entgegen. Allerdings reichte die literarisch-theatrale Romantik in Dresden mit Tieck tatsächlich bis weit ins 19. Jahrhundert hinein. Erst mit seinen Dresdner Lesungen wurde Tieck in den 1820er und 1830er Jahren zum „König der Romantik“.26 Aber ob dann noch, und zumal mit Blick auf den 1828 als hochkonservativer Katholik erneut kurz nach Dresden zurückgekehrten Friedrich Schlegel,27 das Epitheton „progressiv“ angebracht war, darf bezweifelt werden. In der Dresdner Kulturverwaltung nahm man dann auch exakt an dieser geschichtspolitischen Wertung Anstoß. In einer wohl auf Mai 1978 zu datierenden handschriftlichen Notiz zur Beschlussvorlage für den Rat der Stadt zur Einrichtung einer „Gedenkstätte ‚Dresdner Frühromantik im Kügelgenhaus‘“ wird entsprechend empfohlen : „progressiv streichen, nicht in jedem Fall so (L. Tieck u. a.)“.28 Indes war genau an diese Antithese von progressiver und reaktionärer Linie der Geschichte die Erweiterung des Erbekonzepts in der DDR maßgeblich gebunden : War Erbe bislang in „all seiner Widersprüchlichkeit“ als „Verhältnis zur gesamten deutschen Geschichte“ bestimmt worden, während als Tradition jene Erscheinungen hervorgehoben wurden, als „deren Verkörperung“ sich die DDR verstand und die sie „bewahrt und fortführt“, so wurde diese schematische Trennung eben um 1980 fallen gelassen.29 Ein immer größerer Teil der Geschichte wurde seither – wenn er nur hinreichend fortschrittlich genug war – als positiver Teil des Erbes aufgewertet und der Tradition von Klassenkampf, Arbeiterbewegung und Antifaschismus zwar nicht gleichgestellt, aber doch angenähert. In absteigender Folge zählten dazu im Endeffekt „alle revolutionären, demokratischen, progressiven und humanistischen Erscheinungen […] im Laufe der Geschichte unseres Volkes“.30 Gerade das „progressive Erbe“,31 das der reaktionären Linie des gleichen Erbes entgegengerückt wurde, galt es hier offiziell neu zu vermessen. Insofern musste der berechtigte Einwand des Dresdner Tieck-Kenners notwendig ins Leere laufen. In der Begründung zur Einrichtung der Gedenkstätte, die dem Rat Ende 1978 vorlag, blieb es so bei der im Erbekonzept verankerten Leitvokabel „progressiv“. Die Gedenkstätte solle „durch Dokumente und Sachzeugen die progressive bürgerliche Geistesbewegung in Dresden zwischen 1795 und 1835“ darstellen, die inzwischen als „wesentlicher Zeitabschnitt der deutschen Geschichte“ klassifiziert wurde.32 Die Frühromantik sei in ihrer „Einbindung […] in die allgemeinen gesellschaftlich-historischen Zusammenhänge“ zu zeigen, wobei zum einen die „dialektische Wechselwirkung klassischer und romantischer Ideen dieser Epoche“, zum anderen die „Interdependenz der einzelnen Kunstgattungen“ die Perspektiven bestimmen sollten.33 Natürlich aber konnte gerade im Kügelgenhaus als dem Wohnhaus eines mit den Klassikern verbundenen Malers – Kügelgen war vor allem für seine eindrucksvollen Porträts von Goethe, Herder, Wieland und Schiller bekannt – nicht der frühromantischen Literatur allein Rechnung getragen werden. Vielmehr wurde in Dresden ihre Bindung an die Klassik Von Schiller zu Schlegel ?
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ebenso Programm wie die Mannigfaltigkeit der Künste : Neben die Malerei mit Kügelgen, Dahl, Kersting, Runge und Friedrich sowie die Literatur trat auch die Musik mit E. T. A. Hoffmann, Carl Maria von Weber und sogar Wagner, womit weit in die 1840er Jahre ausgegriffen wurde.34 Entsprechend heißt das Kügelgenhaus heute umfassender „Museum der Dresdner Romantik“, was um 1980 aber wohl zu schlicht gewesen wäre35 – wurde doch in einer Überarbeitung der inhaltlichen Konzeption Ende 1978 die „Zielstellung“ explizit dahingehend präzisiert, dass es sich bei dem Haus in der Neustadt um einen Beitrag zur Revision historischer Fehlurteile handle. Absicht sei die „kulturgeschichtlich-biographische Dokumentation der Dresdner Frühromantik als einer bürgerlich progressiven, komplexen geistigen Bewegung zwischen etwa 1795 und 1835“. Die in der späten DDR inflationäre Charakterisierung „komplex“ unterstrich dabei zunächst die Vielschichtigkeit der Epoche, um schließlich in die Rechtfertigung zu münden : „Die infolge demagogisch-propagandistischer Verzerrung und agitatorischen Mißbrauchs der Romantik durch den Faschismus entstandene Fehleinschätzung dieser Epoche unseres kulturellen Erbes wurde im letzten Jahrzehnt korrigiert“. Konkret bezog man sich hier etwa auf die Caspar David Friedrich-Ehrung der DDR 1974 und den 1978 vorgelegten Band zur Geschichte der deutschen Literatur 1789 bis 1830.36 Damit war klar : Die Frühromantik sollte ganz bewusst in eine differenziertere Kulturpolitik der DDR einbezogen werden und als ihr Ausweis dienen, inzwischen auch mit zusätzlich legitimierender antifaschistischer Tendenz.
Rückendeckung aus Berlin und Erweiterung des literaturmusealen Felds der DDR Weitere Brisanz bekamen die Dresdner Planungen zudem noch während der Instandsetzung des Kügelgenhauses, als unverhoffte konservatorische Befunde die neue Einrichtung als Memorialort zusätzlich bereicherten : Im Juni 1978 entdeckten Restauratoren „Teile bemalter Kassettendecke[n]“37. Und als im Oktober 1978 auch noch festgestellt wurde, dass es sich bei einem der Räume um Gerhard von Kügelgens Atelier handelte,38 löste dies sofort hektische Beratungen aus.39 Denn der Raum war im ursprünglichen Konzept gar nicht für das Museum vorgesehen, sondern für die Gastronomie, und die Handelsorganisation (HO) als staatlicher Betreiber weigerte sich ihn freizugeben. Kügelgens Atelier drohte damit Pausenraum für das Personal zu werden.40 Der folgende Kampf um Nutzung und Übergabetermine gewann seine Spannung vor allem auch durch die Intervention eines prominenten Nachfahren des Malers. Bernt von Kügelgen (1914–2002), bis 1976 Chefredakteur des Sonntag und hochrangiger Kulturbund-Funktionär, wandte sich damals direkt an Kulturminister Hans-Joachim Hoffmann (1929–1994). In einer Kette von Argumenten, die von der „Pflege unseres Kulturerbes“ über den „nicht wieder gut zu machenden denkmalpflegerischen Schaden“ bis zum „internationalen Tourismus“ reichte, drang Kügelgen Anfang 1979, alarmiert durch den Dresdner Kustos Neidhardt, beim Minister auf „Weisungen […], die jene kulturpolitische Fehlentscheidung verhindern.“41 264 I Frank Hoffmann
Hoffmanns Ministerium leitete die Eingabe daraufhin an die Stadt zurück, die nur zwei Monate später Vollzug melden konnte, nachdem aus Berlin wohl auch noch einmal gemahnt worden war. Der Vorgang sei keineswegs „in Vergessenheit geraten“, so Kulturstadtrat Seltmann. Er zeigte sich von der ministeriellen Intervention unbeeindruckt und erläuterte, die Bauplanungen seien schon so weit gediehen gewesen, dass „Veränderungen bereits wesentliche Eingriffe in die Arbeit“ bedeutet hätten. „Trotzdem kann ich am heutigen Tage Ihnen mitteilen, daß es gelungen ist eine Lösung zu finden, durch die das ehemalige Kügelgenatelier mit in das Raumvolumen des Museums für Frühromantik aufgenommen werden kann“, auch wenn dies mit Erschwernissen für das Gaststättenpersonal verbunden sei. Nicht ohne Ironie resümierte er in die Hauptstadt : „Ich glaube, es passiert nicht allzu oft, daß die Gastronomie vor der Kultur weichen muß und nicht umgekehrt.“42 Tatsächlich hatte bereits die veränderte Konzeption vom Dezember 1978 das Atelier in die Planungen einbezogen. Gleichzeitig war das Dresdner Frühromantik-Museum so bereits in der Entstehungsphase auf oberster Ebene auf die Agenda des SED-Staats gerückt, was dem Projekt zusätzliches Gewicht gab. In Jena wurde unterdessen, ebenfalls mit Rekurs auf Berlin, die Zeit der Gebäuderenovierung 1979 bis 1981, über die die lokale Presse regelmäßig berichtete, offenbar auch für die weitere theoretische Fundierung genutzt, wie jedenfalls ein Vergleich der noch kargen Ausführungen im Konzept vom März 198043 mit der öffentlichen Vorstellung des Hauses 1981 nahelegt.44 Aktiv wurde der Zeitraum für die Jenaer Ausstellung nun unter der Ägide von Didier auf die Jahre 1796 bis 1801 präzisiert, in denen sich die „Produktivität dieser literarischen Gruppe“ hinreichend veranschaulicht habe. Die Gedenkstätte, hieß es 1981, dokumentiere, „wie in unserem sozialistischen Staat das bürgerlich-literarische Erbe gepflegt und bewahrt“ werde. Dem schließt sich die historisch-ideologische Volte an : Gezeigt werde in Jena nicht weniger als der „Zusammenhang […] der ersten umfassenden Krise der bürgerlichen Ideologie nach der Französischen Revolution“, und zwar „weit vor dem selbständigen politischen Auftreten des Proletariats“.45 Mit welchen Objekten diese Krise veranschaulicht wurde, erfährt man zwar nicht genau.46 Aber in der Theorie ist es einleuchtend : 1789 hat die freiheitlichen Sehnsüchte geweckt und lässt die jungen bürgerlichen Intellektuellen die Grenzen der spätaufgeklärten Fürstendespotie der deutschen Kleinstaaterei umso schmerzlicher spüren. Doch die Geschichte ist noch nicht so weit, und die Intellektuellen bleiben unschuldig, da es noch kein Proletariat als Klasse gibt, mit dem dann vierzig Jahre später ihre vormärzlichen Enkel sich zu verbünden verabsäumen. Was also 1840 reaktionär wurde, durfte 1795 noch progressiv heißen. Damit aber nicht genug. Mit einem langen Zitat des Kulturphilosophen Wolfgang Heise (1925–1987) von der Berliner Humboldt-Universität – als SED-Mitglied erst Professor für Geschichte der marxistisch-leninistischen Philosophie, dann seit 1972 für Geschichte der Ästhetik, durchaus aber auch mit Distanz zum System – wird in der Selbstpräsentation des Museums in Jena die Ambivalenz der Romantik mit ihrer „auch verhängnisvolle[n] Rolle innerhalb der deutschen Geschichte“ zusätzlich differenziert ausgelotet, der gegenüber freilich „die Sehnsucht, aus der Ohnmacht, individuellen Vereinzelung, aus der Verwirrung der Gefühle und insgesamt der Unbehaustheit einer sie erdrückenden Wirklichkeit auszubrechen“, sehr viel schwerer zu gewichten sei. Kurz : Die Frühromantiker erahnten traumhaft die VerVon Schiller zu Schlegel ?
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dinglichung und Entfremdung der frühkapitalistischen Welt und gewannen, laut Heise, „ihre dichterische Größe“ dadurch, dass in ihren Werken „eine menschliche, sich versöhnte Welt beschworen wird“, und sei es als „Illusion“, „Traum und Sehnsucht“.47 Auf diese Weise schloss sich die Jenaer Gründung inhaltlich so eng wie möglich an die ein halbes Jahrzehnt zuvor vollzogene Kehre der DDR-Literaturwissenschaft an. Kulturhistorisch ließe sich von hier aus ein weiter Bogen spannen : vom „Projektionsraum Romantik“, auf den Christa Wolf und Franz Fühmann die Reste ihrer Hoffnungen für eine bessere DDR richteten,48 auch von der von den Dichtern inspirierten Konferenz in Frankfurt an der Oder im Herbst 1977 mit Heise, Dahnke, Träger und anderen,49 über Neuerscheinungen auf dem DDR-Buchmarkt, wo Schlegel (zwei Bände 1980), Novalis (1983), auch Tieck (zwei Bände 1985) endlich in den Kanon der populären Bibliothek deutscher Klassiker (BDK)50 aufgenommen wurden, bis hin zur Schau „Deutscher Romantik“ aus DDR-Museen als Kunstrepräsentation des SED-Staates 1985 im Kunstmuseum Bern.51 Im Museumsbereich bereicherten die beiden neuen Häuser in Dresden und Jena damals das eindrucksvolle literaturmuseale Feld der DDR52 und schlossen hier unerwartet eine Lücke. In den zentralen DDR-Museumsplanungen für die 1980er Jahre waren sie eigentlich gar nicht vorgesehen gewesen. Den Fachleuten war, wie Wolfgang Barthel 1986 kritisch bilanziert, anderes wichtiger erschienen : neben dem Neubau des Schillermuseums in Weimar und der Konzentration der Gerhart Hauptmann-Pflege auf Erkner die Gründung eines zentralen Museums „der proletarisch-sozialistischen und der sozialistischen Nationalkultur“, zudem eines Theatermuseums der DDR.53 Das meiste davon blieb bis 1990 unrealisiert. Umso mehr Lob spendet Barthel den Romantikermuseen, die zur selben Zeit bereits konkret neue Wege wiesen. Die beiden Museen bezeugten – ganz im Sinne seiner Überlegungen zur musealen Kommunikation54 – „ein gewandeltes Verständnis von der kommunikativen Rolle des kunstund künstlerbezogenen Museums“. Sie zeichneten sich dabei aus durch ihre „komplexen synthetisierenden Darstellungen“, im „Ensemble mit anderen Künsten“, durch gescheiten (wegen Mangel an zeitgenössischen Überresten auch erzwungenen) „Umgang mit Originalen und Nachbildungen“, nicht zuletzt auch durch „multimediale Mittel, darunter nichtvisuelle Präsentationsformen“ (in Dresden waren von Anfang an Hörstationen für die Musik der Romantiker vorgesehen).55 So mutig der Zugriff auf die Frühromantik, so innovativ waren die Häuser also offenkundig auch in der musealen Praxis aufgestellt. Die Frühromantik-Museen in Dresden und Jena bereiteten dadurch engagiert den Boden mit für einen zweiten gewaltigen Erbekraftakt der DDR auf literarischem Feld, der ähnlichen Mut erforderte : 1985 konnte mit den „Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der deutschen Kunst und Literatur des 20. Jahrhunderts“ ein weiterer großer Tanker des Literaturerbes nach dem Weimarer Modell vom Stapel laufen – jetzt mit vielen kleinen Gedenkstätten für Becher, Brecht und Weigel, Seghers, Zweig und Otto Nagel in Berlin und rundherum, aber ohne ein Zentrum wie Goethes Haus am Frauenplan. Die sozialistische Nationalkultur blieb so schließlich wie das DDR-Theater ohne Leitmuseum. Freilich war erbepolitisch mit der Moderne ein noch heiklerer Boden zu betreten.56
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Keine Revision der Hierarchien, aber erweiterte Spielräume – ein Ausblick So bleibt ein spannungsreiches Fazit : In der kleinen Form, ab vom Zentrum, vermochte die späte DDR – auch erbepolitisch – durchaus verblüffende „progressive“ Akzente zu setzen. Nicht nur die Museen in Jena und Dresden zeigen das, sondern dann auch Gedenkstätten wie das Literaturmuseum im Geburtshaus von Karl May im sächsischen Hohenstein-Ernstthal oder das Museum „Theodor Storm“ im thüringischen Heiligenstadt, 1985 und 1988 eröffnet.57 Aber umgekehrt gilt auch, dass Schlegel Schiller in der DDR eben doch letztlich keineswegs verdrängen oder gar ersetzen konnte. Ihm, Schiller, dem Klassiker und Liebling des deutschen Bürgertums im 19. Jahrhundert, widmete der sozialistische Kulturstaat 1988 demonstrativ seinen zweiten großen Museumsneubau, fast zwanzig Jahre nach der Rostocker Kunsthalle. Der kulturelle Bezugsrahmen wurde weiter gesteckt, aber zu einer Revision der Hierarchien kam es nicht. Die in der letzten Dekade der DDR erweiterten Spielräume allerdings wurden von den Frauen und Männern in der Praxis immer mutiger und mit Phantasie genutzt, über alle Widerstände hinweg. Das belegt nach den Vorstößen in Dresden und Jena auf besondere Weise auch das dritte und letzte Frühromantik-Museum der DDR : die höchst merkwürdige Rettung des Geburtshauses von Novalis in Oberwiederstedt. Eine Gruppe von Handwerkern und Aktivisten bewahrte das Renaissanceschlösschen Mitte der 1980er Jahre vor dem schon beschlossenen Abriss. Sie wussten anfangs nicht, wer Novalis war, und wollten sich nur einen Treffpunkt für das Dorf erhalten. In einem trickreichen Bündnis mit externen Fachleuten, dem Kulturbund und auch westdeutscher Hilfe gelang es, in einem halben Jahrzehnt nicht nur die SED-Kreisleitung und den Rat des Kreises, sondern auch junge Leute für Novalis und eine ferne Zeit zu begeistern. Man baute das Schloss auf und ging bei Exkursionen den Spuren des frühromantischen Bergingenieurs nach – ein bemerkenswertes Stück Erbepflege und kultureller Selbstbemächtigung in der späten DDR,58 das so ohne die Wegbereitung in Dresden und Jena kaum möglich gewesen wäre.
Anmerkungen 1
Für eine systematische Erörterung der (nicht allein) von Georg Lukács (einflussreich : Lukács 1947) entfalteten Romantikkritik und ihrer Folgen in der DDR fehlt hier der Raum. Vgl. dazu etwa Dietrich 2018, Bd. III, S. 1813–1818, Zitat S. 1816 ; zusammenfassend zudem Scholz 2016 ; Spezialfragen diskutieren Werner 2010 und Immer 2011. 2 Die andere zentrale Konzeption war der Antifaschismus. Zum Zusammenhang beider und zum Erbe und Tradition-Modell vgl. Faulenbach 2016 ; Die SED und das kulturelle Erbe 1986 ; Erbe und Tradition in der DDR 1988. Dietrich 2018, Bd. III, S. 1741–1763 entfaltet auch den konkreten Kontext der hier verhandelten Frühromantik-Häuser : von der Neubewertung Preußens über das Lutherjahr 1983 und die Anerkennung des militärischen Widerstands gegen Hitler bis zu den großen Rekonstruktionen, etwa des Schauspielhauses in Berlin oder der Semperoper in Dresden. 3 Vgl. Hoffmann 2009.
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4 Olschewski/Müller/Hofmann 1989, S. 165. 5 Erich Honecker : Mit dem Volk und für das Volk realisieren wir die Generallinie unserer Partei zum Wohle der Menschen. Aus dem Referat […] auf der Beratung […] mit den 1. Sekretären der Kreisleitungen, in : Neues Deutschland, 13.2.1988, S. 3–11, S. 6. 6 Zu Barthels bis heute diskutierten Impulsen vgl. bes. Barthel 1984, 1985a, 1986, 1989, 1990 u. 1996 ; zu seiner Wirksamkeit vgl. Hoffmann 2018, u. a. S. 34 f.; Literarische Ausstellungen 1991, darin, teils auch kritisch, Hügel 1991, S. 10 ff. u. 23. 7 Die Zuordnung war eins der Arbeitsfelder der Literaturmuseologie der DDR, vgl. Barthel 1985b, S. 20. Hoffmann 2018, S. 30–37 bietet eine idealtypische Differenzierung, auch bezogen auf Kahl 2017, der von Weimar ausgehend ebd., S. 326 f. den Begriff „Dichterhaus“ gegen literarisches Museum oder Gedenkstätte durchzusetzen sucht. Da auch das Dresdner Museum anfänglich als Gedenkstätte bezeichnet wurde, die Jenaer Gedenkstätte zugleich Teil des Stadtmuseums war, werden im Folgenden beide Begriffe benutzt, ohne damit Deckungsgleichheit zu behaupten. 8 Vgl. Büro des Stadtarchitekten beim Rat der Stadt Dresden : Niederschrift 11.5.1978 über die Aussprache [zum Kügelgenhaus] am 12.4.1978, Beschlussvorlage für den Rat der Stadt Dresden, 11.5.1978 u. Begründung, in : Stadtarchiv Dresden, Abteilung Kultur, 4.2.14, Nr. 310. 9 Notiz Pie[per], Abteilung Kultur, zur Niederschrift u. Beschlussvorlage, in : Stadtarchiv Dresden, Abteilung Kultur, 4.2.14, Nr. 310. 10 Vgl. www.stadtmuseum-jena.de/de/stadtmuseum/hausgeschichte/710396 (Zugriff 3.8.2020) ; Stadtmuseum Jena : Politisch-wissenschaftliche Grundkonzeption für die Ratsvorlage, überarb. Fassung (Eingang beim Rat der Stadt, Abteilung Kultur, 3.3.1980), in : Stadtarchiv Jena, Rat der Stadt Jena, Abteilung Kultur, F 2657. 11 Vgl. Städtische Museen Jena : Plan der Aufgaben für das Jahr 1987, 25.1.1987, S. 3, in : Stadtarchiv Jena, Rat der Stadt Jena, Abteilung Kultur, F 2151. 12 Vgl. Kaufmann 2012. 13 Vgl. Handbuch Museen in der DDR 1963, S. 281 ; später änderte sich die Zuständigkeit offenbar, vgl. Wurlitzer 1989, S. 179 f. 14 Laut Kaufmann 2012 war die Zuordnung zu Fichte Insidern bereits bekannt. 15 Stadtmuseum Jena : Politisch-wissenschaftliche Grundkonzeption für die Ratsvorlage, überarb. Fassung (Eingang beim Rat der Stadt, Abteilung Kultur, 3.3.1980), S. 12, in : Stadtarchiv Jena, Rat der Stadt Jena, Abteilung Kultur, F 2657. 16 Barthel 1984, S. 12 f. spricht der Ausstellung „eine Reihe innovatorischer Akzente“ zu, die „die literaturmuseale Szene in der DDR belebt und eine Diskussion um Ausstellungsmöglichkeiten im Literaturmuseum in Gang gebracht“ hätten, kritisiert zwar ihre Nüchternheit und Aktualisierungsversuche, schließt aber begeistert, „dieses Modell [habe] so frisch, so unbekümmert, so rigoros herkömmliche literaturmuseale Ausstellungsvorstellungen hinterfragt“. 17 Vgl. Didiers Dissertation über Literaturmuseen im Funktionswandel (Jena 1983 ; im Auszug : Didier 1983). Hügel 1991, S. 27 rückt Didier im Rückgriff darauf in Gegensatz zu Barthels These von der Unausstellbarkeit von Literatur, die sie „widerlegt und damit das Literaturmuseum aus seiner ‚Außenseiterposition‘“ geholt habe, siehe dazu Didier 1983, S. 46 f. Doch auch Barthel 1983, S. 64 ff. differenziert die These damals seinerseits und weist auf das Lesen als Zielpunkt literaturmusealer Präsentation hin. 18 Vgl. Wanner 2013, S. 14. 19 Vgl. Museum zur Dresdner Frühromantik o. J., S. 4–7 (Vorwort Förster), S. 3 zu Klieme und Neid-
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hardt ; zur museumsgestalterischen Vorreiterrolle der Dresdner Galerie ab 1965 siehe auch den Beitrag Kratz-Kessemeier in diesem Band. Horst Richter : Eine viel besuchte Bildungsstätte, in : Neues Deutschland, 20./21.6.1981, S. 13. Vgl. Direktor des Museums der Stadt Dresden, Dr. Förster, an Oberbürgermeister Schill (über Stadtrat Seltmann), 11.12.1979, in : Stadtarchiv Dresden, Abteilung Kultur, 4.2.14, Nr. 684. Später forderte Schill, zumindest zum 7. Oktober 1980 zu eröffnen, vgl. Aktennotiz, 14.2.1980, in : ebd. Zuletzt hielt offenbar die Restaurierung der Balkenzugdecken aus dem 17. Jahrhundert auf, vgl. Stellvertretende Direktorin des Museums der Stadt Dresden, Sieglinde Nickel, an Stadtrat Seltmann, 31.10.1980, in : ebd.; zu den Decken siehe auch Klieme/Neidhardt 2016, S. 36 f. Didier 1981, S. 63. Laut Kaufmann 2012 konnte Maria Schmid statt des vorderseitigen Straßennamens Ernst-Thälmann-Ring diese Adresse durchsetzen. Weigend 1981, S. 43. Sie wird im Haus anschaulich präsentiert und war schon in der Konzeption für den dritten Raum vorgesehen, vgl. Klieme/Neidhardt 2016, S. 28–33. Klaus Günzels just 1981 in Ost und West erschienenes Tieck-Buch unter diesem Titel (Günzel 1981) gehört genau in den Kontext der hier aufzuzeigenden Romantikwelle der späten DDR. Vgl. Breuer 2017, S. 28. Notiz Pie[per], Abteilung Kultur, Rat der Stadt Dresden, o. D., zur Beschlussvorlage vom 8.5.1978 zur Sitzung des Rats am 11.5.1978, in : Stadtarchiv Dresden, Abteilung Kultur, 4.2.14, Nr. 310. Dietrich 2018, Bd. III, S. 1743 mit Bezug auf den DDR-Historiker Horst Bartel (1928–1984). Ebd., S. 1744, Zitat Bartel. Ebd., S. 1745. Beschlussvorlage Rat der Stadt Dresden, 11.10.1978, für die Sitzung des Rates am 19.10.1978, Begründung u. Konzeption, in : Stadtarchiv Dresden, Abteilung Kultur, 4.2.14, Nr. 684. Dass die Vertrautheit mit der Epoche sich erst entwickelte, zeigen hier Fehler wie „Noralis“ und „Schilling“. Ebd., Konzeption. Vgl. ebd., Konzeption zu Raum 8. Vgl. Klieme/Neidhardt 2016. Institut und Museum für Geschichte der Stadt Dresden (Förster) an Stadt Dresden (Stadtrat Seltmann), 20.12.1978, mit Anlage Inhaltliche Konzeption für die Gedenkstätte, in : Stadtarchiv Dresden, Abteilung Kultur, 4.2.14, Nr. 310. Chefkonservator Prof. Nadler (Institut für Denkmalpflege) an Rat der Stadt Dresden, Abteilung Kultur, Pieper, 28.6.1978, in : Stadtarchiv Dresden, Abteilung Kultur, 4.2.14, Nr. 310. Georg Friedrich Kerstings Gemälde Atelier des Malers Gerhard von Kügelgen (1811, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe) wurde zur Vorlage für eine nahezu vollständige Rekonstruktion des Raums im Museum, das damit seinen Memorialcharakter unterstrich, vgl. dazu Klieme/Neidhardt 2016, S. 61–63. Vgl. Institut und Museum für Geschichte der Stadt Dresden (Stellvertretende Direktorin Nickel) an Stadtrat Seltmann, 25.1.1979, in : Stadtarchiv Dresden, Abteilung Kultur, 4.2.14, Nr. 310. Vgl. Nickel an Seltmann, 2.2.1979, in : Stadtarchiv Dresden, Abteilung Kultur, 4.2.14, Nr. 310. Bernt von Kügelgen an Kulturminister Hoffmann, 21.1.1979, Kopie, in : Stadtarchiv Dresden, Abteilung Kultur, 4.2.14, Nr. 310. Rat der Stadt Dresden, Abteilung Kultur (Seltmann) an Ministerium für Kultur, Hauptabteilungsleiter Denkmalpflege und Museen (Schmeichler), 27.3.1979, in : Stadtarchiv Dresden, Abteilung Kultur, 4.2.14, Nr. 684. Von Schiller zu Schlegel ?
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43 Vgl. Stadtmuseum Jena : Politisch-wissenschaftliche Grundkonzeption für die Ratsvorlage, überarb. Fassung (Eingang beim Rat der Stadt, Abteilung Kultur, 3.3.1980), in : Stadtarchiv Jena, Rat der Stadt Jena, Abteilung Kultur, F 2657. 44 Dazu Didier 1981. 45 Ebd., S. 64. 46 Ebd. werden lediglich Exponate erwähnt, die „ihre Ansprüche an eine menschenwürdige Existenz […] erkennbar“ machen würden. 47 Zitiert nach ebd.; Bezugspunkt ist ein Artikel der Weimarer Beiträge, 1978, Heft 4, der die Ergebnisse einer literarischen Konferenz in Frankfurt/Oder vom Herbst 1977 dokumentiert. 48 Dazu u. a. Haldrich 2008 ; Wolf/Wolf 2008. 49 Dietrich 2018, Bd. III, S. 1816 f. sieht die Konferenz als „Durchbruch zur Anerkennung der Romantik“, die dortige „Rehabilitierung […] modifizierte den Begriff des literarischen Erbes“. 50 Die Leinenbändchen der BDK waren das verbreitetste Produkt der NFG. Sie wurden 1955 mit einer Schiller-Ausgabe eröffnet und schufen einen zwar DDR-spezifischen, am Ende aber weiten Kanon deutscher Literatur vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. 51 Vgl. Traum und Wahrheit 1985. 52 Eckardt 1989, S. 153 erwähnt über achtzig Einrichtungen mit Literaturbezug bei insgesamt rund 650 Museen in der DDR und zeichnet die Buntheit der literarhistorischen Landschaft zwischen Hiddensee (Hauptmann) und Reichenbach im Vogtland (Neuberin-Museum) nach. 53 Barthel 1986, S. 28 f. 54 Vgl. Barthel 1989. 55 Barthel 1986, S. 30. 56 Vgl. Erbe 1993. 57 Vgl. die Übersicht bei Hoffmann 2018, S. 444–460 ; zur musealen Rezeption Karl Mays in der DDR siehe auch den Beitrag Usbeck in diesem Band. 58 Vgl. dazu Wahrlich 2003.
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G E G E N WARTS KU N ST AU S D EM L AN D DE S KL ASS E N F E I N D ES Erwerbungen der Gemäldegalerie Neue Meister der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden in der Bundesrepublik und West-Berlin
Im Rahmen des 2009 bis 2012 laufenden Forschungsprojekts Bildatlas : Kunst in der DDR 1 konnten am Beispiel der Gemäldegalerie Neue Meister der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden erstmals exemplarisch für ein ostdeutsches Museum die Erwerbungsvorgänge, also die „Wege der Bilder“ in eine öffentliche Sammlung, zur Zeit der DDR rekonstruiert werden.2 Es wurde danach gefragt, mit welchen Mitteln und nach welchen Gesichtspunkten in dieser Zeit Gemälde erworben wurden, auch welchen Handlungsspielraum die Verantwortlichen im Museum und welchen Einfluss die kulturpolitischen Institutionen der DDR dabei jeweils hatten. Die Ergebnisse wurden umfassend in der 2014 erschienenen Publikation Sozialistisch sammeln3 dargelegt. Der Fokus lag hier auf 579 Gemälden, die zwischen 1945 und 1990 auf dem Gebiet der DDR entstanden und damals in die Sammlung eingegangen sind.4 Im Zentrum stand die Gegenwartskunst der DDR, also die Kunst des eigenen Landes, deren Entwicklung das Museum zu dokumentieren und zu vermitteln hatte. 125 weitere der nach 1945 entstandenen, von der Gemäldegalerie Neue Meister bis einschließlich 1990 erworbenen Gemälde und damit knapp ein Fünftel aller Gegenwartsgaleriezugänge zwischen 1945 und 1990 kamen jedoch nicht aus der DDR. Der Großteil davon mit 85 Werken stammte aus den sozialistischen „Bruderstaaten“, 33 Werke allein aus der Sowjetunion. Dem dort propagierten Sozialistischen Realismus wurde insbesondere in der Anfangszeit eine Vorbildfunktion für die Kunst in der DDR zugesprochen. Die Möglichkeiten, Kunstwerke im Ausland zu kaufen, waren allerdings für die Galerie selbst bei osteuropäischen Staaten beschränkt, Geschäfte mit ausländischen Devisen höchst schwierig, so dass viele dieser Arbeiten durch Tauschvorgänge in die Sammlung gelangten.5 Weitere 15 Bilder gingen aus Ländern Asiens und Südamerikas in den Bestand ein.6 Immerhin 25 Gemälde entstammten überdies westeuropäischen Ländern und den USA, die meisten davon kamen aus Westdeutschland : aus den westdeutschen Besatzungszonen (4 Gemälde) und der Bundesrepublik Deutschland (14 Gemälde). Letztere sollen im Folgenden erstmals genauer betrachtet werden, nachdem die Hintergründe dieser Erwerbungen in die oben genannte Publikation keinen Eingang gefunden haben. Es wird gezeigt, mit welchen Intentionen die Kunstwerke aus dem anderen deutschen Staat erworben wurden, ob alte Verbindungen den deutsch-deutschen Kunsttransfer möglich machten, oder ob neue politisch-ideologische Motive dafür ausschlaggebend waren.
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Im Sinne nationaler Einheitsrhetorik – frühe westdeutsche Erwerbungen aus der 2. Deutschen Kunstausstellung in Dresden 1949 Die ersten westdeutschen Gemälde wurden bereits kurz nach Gründung der zwei deutschen Staaten erworben. Zuvor waren sie auf der 2. Deutschen Kunstausstellung im Herbst 1949 in Dresden ausgestellt, die an die Allgemeine Deutsche Kunstausstellung 1946 anknüpfte und damit eine Reihe begründete, in der in Abständen von drei bis fünf Jahren insgesamt zehn große, zentrale Kunstausstellungen stattfanden. Als eine wiederkehrende „künstlerische Leistungsschau“ der DDR sollten die in Dresden gezeigten Ausstellungen zum „Mittelpunkt des staatsoffiziellen Ausstellungsbetriebes“ werden.7 Ostdeutsche Museen erwarben aus diesen Ausstellungen oftmals größere Konvolute mit staatlicher Unterstützung.8 Die ersten drei dieser Überblicksausstellungen bis 1953 präsentierten auch Arbeiten aus Westdeutschland, was sich mit den damaligen deutschlandpolitischen Absichten der ostdeutschen Machthaber erklären lässt. Bis etwa Mitte der 1950er Jahre arbeitete die SED auf eine Einheit Deutschlands unter kommunistischen Vorzeichen hin, wofür die Idee der Kulturnation stark gemacht wurde. Der Anspruch auf Einheit des Landes wurde dabei aus der gemeinsamen „deutschen Kunst und Kultur“ abgeleitet.9 So beschwor beispielsweise DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl im März 1950 trotz der nur wenige Monate zurückliegenden Gründungen der beiden deutschen Staaten in einer Rede vor der Volkskammer die Einheit der deutschen Kultur.10 Auch das 1954 gegründete Ministerium für Kultur der DDR machte sich die gesamtdeutsche Kulturpolitik zu einer Hauptaufgabe, eine erste Programmerklärung trug den programmatischen Namen „Zur Verteidigung der Einheit der deutschen Kultur“.11 Die ersten drei Deutschen Kunstausstellungen in Dresden standen deutlich für den aus Kunst und Kultur abgeleiteten Anspruch auf ein vereintes Deutschland. 1946 wurde die Allgemeine Deutsche Kunstausstellung, deren Werke zu über 30 % aus den Westzonen stammten,12 zu einem „Symbol für die kulturelle Einheit des deutschen Volkes“13 stilisiert, die Schau wurde als ein „wertvoller Schritt für die Bildung der [politischen] Einheit Deutschlands“14 gesehen. Der künstlerische Ausstellungsleiter, der Dresdner Bildhauer Herbert Volwahsen (1906–1988), schrieb : „Der Sinn des Unternehmens ist eine Propaganda für die Einheit Deutschlands“.15 Bei der 2. Deutschen Kunstausstellung, die etwa einen Monat vor Gründung der DDR im Oktober 1949 eröffnete, kamen sogar etwa 50 % der ausgestellten Bilder aus Westdeutschland.16 In der Zeitschrift bildende kunst hieß es dazu : Die Ausstellung „dokumentiert […] den Willen ganz Deutschlands, die deutsche Kunst und die deutsche Kultur als eine unzertrennbare Einheit anzusehen und weiterzubilden.“17 Auch die Dritte Deutsche Kunstausstellung 1953 zeigte noch einmal westdeutsche Arbeiten, die nun jedoch im Unterschied zu den vorangegangenen Ausstellungen vom Klassenkampf im Westen und den Reaktionen eines imperialistischen Polizeistaates zeugen sollten.18 Vor diesem Hintergrund der Zeit um 1950 lässt sich dann auch der Ankauf von Gemälden westdeutscher Künstler aus der 2. Deutschen Kunstausstellung für die Dresdner Gemäldegalerie verstehen. Für den damaligen Direktor der Kunstsammlungen Dresden, Wolfgang Balzer (1884–1968), kamen „nur sehr wenige Werke der Ausstellung […] für die Erwerbung in Be272 I Kathleen Rosenthal
Abb. 1 : Michel Wagner : Arena, 1948, Öl auf Leinwand, 78 x 90,5 cm, 1949 erworben vom Künstler aus der 2. Deutschen Kunstausstellung in Dresden, Albertinum | Galerie Neue Meister, Gal.-Nr. 2792
tracht“, weil es bei den anderen Arbeiten für ihn fraglich schien, ob sie „in fünf oder zehn Jahren einem strengen Urteil noch standhalten“ würden.19 Die sechs Ankaufsvorschläge, die er dem Sächsischen Volksbildungsministerium Ende Oktober 1949 unterbreitete, das Sondermittel für die Ankäufe aus der Ausstellung zur Verfügung gestellt hatte, bezogen sich allesamt auf Arbeiten aus der Bundesrepublik. Als Begründung verwies er auf die oben geschilderten Einheitsbestrebungen, er halte es „im Hinblick auf die deutsche Einheit […] [für] notwendig, daß mit einigen Ankäufen gleichzeitig eine Geste nach den Westzonen gemacht“ würde.20 Ob Balzer, der sich politisch nicht vereinnahmen ließ und 1951 aus seinen Ämtern gedrängt wurde,21 dieses Argument nur vorschob, um den Ankauf eher unerwünschter Gemälde zu legitimieren, muss an dieser Stelle offenbleiben. Die sechs Gemälde – eine Landschaft, zwei Stadtansichten, eine Ballett- und eine Zirkusszene sowie die Darstellung einer lesenden Frau – hatten keinen dezidiert politischen Inhalt, waren der Figuration verhaftet und mit einer mehr oder weniger stark vereinfachenden Formgebung typisch für die deutsche Gegenwartskunst aus dem Land des Klassenfeindes
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Nachkriegskunst wie etwa Michel Wagners (1893–1965) Arena von 1948 (Abb. 1).22 Die im November 1948 mit dem Artikel Über die formalistische Richtung in der Deutschen Malerei in der Täglichen Rundschau einsetzende Formalismusdebatte in der DDR hatte jedoch bereits die hier zu findenden Abstraktionstendenzen scharf verurteilt.23 Balzer räumte daher in Bezug auf eins der Werke, Das schöne Buch von Peter Herkenrath (1900–1992) aus dem Jahr 1948, ein, dass er „sich darüber klar [sei], daß das Bild den ungeübten Betrachter befremdet. Doch“, so versicherte er, seien „sich die Kenner einig in dem Urteil, daß man es hier mit einer sehr delikaten Leistung […] zu tun“ habe.24 Offenbar konnte er die Ankaufskommission im Sächsischen Volksbildungsministerium damit überzeugen, sie gab den Ankaufswünschen ohne Ausnahme statt.25 Eine „Geste“ gegenüber den Künstlerinnen und Künstlern im eigenen Land schien hingegen nicht erforderlich. Erst mit zum Teil deutlichem Zeitabstand gelangten später auch einige ostdeutsche Gemälde aus der 2. Deutschen Kunstausstellung in die Sammlung der Neuen Meister.26
„Progressive Künstler“ der Bundesrepublik als bewusste Ankaufsoption ab 1961/65 Bei den folgenden, periodisch in Dresden wiederkehrenden Deutschen Kunstausstellungen bzw. Kunstausstellungen der DDR, wie sie ab 1972 hießen, wurden im Kontext der sich verschärfenden Ost-West-Konfrontation keine westdeutschen Kunstwerke mehr gezeigt. Zudem vermischte sich Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre das Konzept der „deutschen Nationalkultur“ zunehmend mit dem Leitbild einer eigenen „sozialistischen Volkskultur“, die insbesondere durch den „Bitterfelder Weg“27 herbeigeführt werden sollte. Die Charakterisierung „deutsch“ verlor damit an Bedeutung, während die Zuschreibung „sozialistisch“ ins Blickfeld gerückt wurde. Mit dem Mauerbau 1961 wurde der „Einheit der Kultur“ schließlich endgültig eine Absage erteilt. Ihre Beschwörung verschwand nun fast gänzlich aus dem politischen Vokabular, stattdessen wurde die Unversöhnlichkeit beider deutscher Kulturen betont.28 Unmissverständlich erklärte der mächtige Kulturfunktionär Alexander Abusch (1902– 1982), damals als stellvertretender Vorsitzender des Ministerrats der DDR für Kultur und Erziehung zuständig, im Dezember 1961 : „Gehen wir davon aus, daß unser Arbeiter- und Bauern-Staat, der einzig rechtmäßige und humanistische deutsche Staat, die deutsche Republik des Friedens und des Sozialismus ist, dann darf man auch nicht mehr verschwommen und verwaschen von der ‚deutschen Kultur‘ im allgemeinen sprechen ; eine solche einheitliche deutsche Kultur kann in den beiden deutschen Staaten mit entgegengesetzter Entwicklung gegenwärtig nicht existieren. Man muß unzweideutig klarlegen, wo heute einzig und allein die humanistische deutsche Kultur, Wissenschaft und Kunst ihre Heimstätte hat.“29 Gemeint war natürlich die DDR. Trotz der vehementen Absage der offiziellen DDR-Politik an eine Existenz „echter“ Kunst und Kultur in der Bundesrepublik Deutschland wurden zwischen 1964 und 1974 vier weitere westdeutsche Gemälde in den Dresdner Galeriebestand aufgenommen. Denn in der DDR 274 I Kathleen Rosenthal
war man von Anfang an daran interessiert, Kontakte mit „progressiven Künstlern“ in der Bundesrepublik zu pflegen, um über sie politisch und künstlerisch in den Westen zu wirken und dort oppositionelle Haltungen möglichst zu stärken. Von solchen Künstlern sollten Werke in der DDR ganz bewusst ausgestellt und angekauft werden, um sie finanziell zu unterstützen, umgekehrt sollten sie in der Bundesrepublik für die Kunst des Sozialistischen Realismus aus der DDR werben. In den Akten des Ministeriums für Kultur im Bundesarchiv findet sich eine Liste von 1961 : „Künstler, die für Ausstellungen in der DDR geeignet sind“.30 Darin wird auch der Münchner Künstler Albert Heinzinger (1911–1992) genannt, Mitglied der 1954 gegründeten Gruppe Münchner Realisten.31 Zu ihm nahm der langjährige, von 1963 bis 1984 amtierende Direktor der Gemäldegalerie Neue Meister, Joachim Uhlitzsch (1919–1989), persönlich Kontakt auf, als er sich 1964 wegen Leihgaben für eine Ausstellung zur französischen Malerei des 19. Jahrhunderts im Haus der Kunst in München aufhielt. Ob er dies aus eigenem Interesse heraus tat, oder ob es ihm von politischer Seite aufgetragen worden war, geht aus den Archivalien der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden nicht hervor. Zum Teil von Heinzinger vermittelt, zum Teil über Kontakte, die durch eine Vortragseinladung des Badischen Kunstvereins in Karlsruhe entstanden, traf Uhlitzsch im Sommer des Jahres zudem weitere gegenständlich schaffende, zumeist politisch links stehende Künstler in der Bundesrepublik, die seiner Einschätzung nach unter der „Diktatur der abstrakten Kunst“ litten. Nach seiner Rückkehr bezeichnete er es in einem Artikel in der Sächsischen Zeitung Ende Juli 1964 als „eine Selbstverständlichkeit, der realistischen Kunst, die sich unter schwierigen und ihre Entwicklung hemmenden Bedingungen in der kapitalistischen Welt behaupten muß, bei uns nur jede mögliche Hilfe zu geben ; denn auch das ist eine Pflicht unseres sozialistischen Staates, Hüter und Förderer aller humanistischen Kultur zu sein.“32 Aus diesem Grund plante Uhlitzsch eine Ausstellung, zu deren Vorbereitung er ein halbes Jahr später, Anfang 1965, noch einmal nach München fuhr. Dort ließ er sich bei einem weiteren Treffen mit Heinzinger, dem Künstler Carlo Schellemann (1924–2010) sowie dem Kunsthistoriker Richard Hiepe (1930–1998) Künstlervorschläge unterbreiten. Letztere hatten in München die Künstlergruppe Tendenzen gegründet, die eine gleichnamige Zeitschrift herausgab und als Forum und Sprachrohr für westdeutsche Künstler diente, die sich als Realisten und als politisch engagiert verstanden. Ihre Tätigkeiten wurden bereits seit längerem verdeckt mit Mitteln aus der DDR finanziert.33 In einem internen Bericht über das Treffen vermerkte Uhlitzsch : „Die[se] Künstler interpretieren die Welt (ihre Welt) in überwiegendem Maße als ein rechtes Jammertal. Es handelt sich zum Teil um qualitativ sehr beachtliche Beispiele des kritischen Realismus der Gegenwart. Einige der Künstler, wie Schellemann, fühlen sich der illegalen KPD verbunden und ihre Werke versuchen auf Grund dieser politischen Orientierung über das bloße Konstatieren von Tatbeständen Auswege zu zeigen. Andere, wie Heinzinger, sind Mitglieder der SPD und führen in ihrer Kunst eine weitaus stärkere Opposition als in politischen Verhandlungen. Wenn diese Ausstellung zustande kommt, muß sie unter diesen ideologischen Vorzeichen und Bedingungen popularisiert werden. Nur dann kann sie zu einem Erfolg werden.“34 Gegenwartskunst aus dem Land des Klassenfeindes
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Die Ausstellung wurde aus unbekannten Gründen zwar nicht realisiert,35 aber die erwähnten ideologischen Vorzeichen waren wohl die gleichen, unter denen schließlich auch die vier westdeutschen Ankäufe für die Dresdner Galerie zwischen 1965 und 1974 getätigt wurden.
Albert Heinzinger, Carl Timner und Jürgen Waller – Ankäufe unter Joachim Uhlitzsch 1965 und 1972–1974 Albert Heinzinger36 hatte als einer von ganz wenigen bundesrepublikanischen Künstlerinnen und Künstlern in den 1950er Jahren das Thema Arbeiter aufgegriffen.37 1963, ein Jahr vor der Kontaktaufnahme Uhlitzschs, wurde ihm daher eine eigene Ausstellung in Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, gewidmet. Im zugehörigen Katalog heißt es über ihn : „Albert Heinzinger liebt den arbeitenden Menschen. Im Bild des Arbeiters will er dessen geschichtlichen Anspruch […] sichtbar machen […]. Damit nimmt der in München lebende Künstler eine Sonderstellung unter den westdeutschen Künstlern ein. Seine Arbeiten sind Ausdruck dafür, daß es den herrschenden imperialistischen Kräften nicht gelungen ist, alle Künstler in den Sog der sogenannten abstrakten Kunst zu ziehen“.38 Die Kunstwerke, die Uhlitzsch dann während seines Besuchs bei Heinzinger für die Gemäldegalerie aussuchte, zeigen jedoch keine Arbeiter. Stattdessen wählte er zwei mit Auschwitz (1964) und Spielhalle (1953) betitelte Ölgemälde aus, ohne dass sich hierfür eine genauere Begründung nachweisen lässt.39 Die Darstellung eines mit gelbem Stern gekennzeichneten jüdischen Jungen mit angstvoll geweiteten Augen und erhobenen Händen, dem ein Gewehrlauf in den Rücken gehalten wird, sollte möglicherweise das Bild von der DDR als antifaschistischem Staat unterstreichen sowie zur Mahnung dienen (Abb. 2).40 Die andere Arbeit veranschaulichte eine im kommunistischen Verständnis verkommene, dekadente Freizeitbeschäftigung des Westens. Im Gemälde stehen Menschen, jeder vereinzelt für sich, an einem Automaten und spielen in einer bunten Welt des Konsums um Geld (Abb. 3). Die Ankaufskommission der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden41 stimmte 1965 dem Ankauf von Auschwitz zu, die Spielhalle blieb als Leihgabe mit Vorverkaufsrecht in der Galerie und wurde schließlich 1972 angekauft. Eine Bezahlung in fremder Währung, in diesem Fall mit westdeutscher D-Mark, war jedoch nicht möglich. Stattdessen eröffnete Uhlitzsch in der DDR ein Konto für Heinzinger, auf das der Preis in ostdeutscher Mark überwiesen wurde und das ihm zur Verwendung innerhalb der DDR zur Verfügung stand. In einem Brief schlug Uhlitzsch dem Künstler 1965 vor, mit seiner „Gattin einen Urlaub hier zu verbringen, oder was dann noch einige kurze Formalitäten benötigte, Einkäufe von dem Geld hier zu machen.“42 Dem widersprach Heinzinger nicht, der das Prozedere kannte und bereits ein Konto in Ost-Berlin besaß, wenngleich seine Antwort auch leise Kritik an den ostdeutschen Verhältnissen enthielt : „Ganz gern würde ich einmal eine Ferienreise in die D.D.R. machen, wenn das nur nicht so kompliziert wäre mit Einladung und Aufenthalt, das heisst, wenn man einfach rüberfahren könnte und bleiben, wo es einem gefällt.“43 276 I Kathleen Rosenthal
Abb. 2 : Albert Heinzinger : Auschwitz, 1964, Öl auf Leinwand, 100 x 80 cm, 1965 erworben vom Künstler, Albertinum | Galerie Neue Meister, Gal.-Nr. 3625
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Abb. 3 : Albert Heinzinger : Spielhalle, 1953, Öl auf Leinwand, 101,5 x 115,5 cm, 1972 erworben vom Künstler, Albertinum | Galerie Neue Meister, Gal.-Nr. 3843
Ein weiterer Ankauf einer Arbeit eines westdeutschen Künstlers ergab sich 1972 bis 1974 über die nach dem futuristischen sowjetischen Dichter Wladimir Majakowski (1893–1930) benannte Majakowski-Galerie in West-Berlin. Sie wurde von dem West-Berliner Ableger der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft betrieben und vertrat vorrangig Kunst aus der Sowjetunion, der DDR und sozialistischer West-Berliner Künstler. Über sie erfragte Uhlitzsch 1972 den Kontakt zu Carl Timner (1933–2014)44, der dort im gleichen Jahr eine Einzelausstellung hatte. Der Fabrikantensohn Timner, der länger in Rom im künstlerischen Umfeld des kommunistischen Künstlers Renato Guttuso (1911–1987) gelebt und gearbeitet hatte, begriff seine künstlerische Arbeit immer auch als eine politische und gehörte der 1968 von ihm in West-Berlin mitbegründeten sozialistischen Künstlergruppe Rote Nelke an.45 In seinen Bildern thematisierte er den Klassenkampf und weltpolitische Ereignisse wie den Unabhängigkeitskrieg Algeriens 1954 bis 1962, den Vietnamkrieg und den Militärputsch in Chile 278 I Kathleen Rosenthal
1973. Er unternahm mehrere Reisen in die Sowjetunion und war der erste West-Berliner Maler, der 1973 dort ausstellte.46 Timners Gemälde Sie werden es schaffen ! von 1970/71 (Abb. 4), das Uhlitzsch für die Gemäldegalerie Neue Meister auswählte, vermittelt bereits im Titel den Glauben an den Sieg der Arbeiterklasse. Der Ausruf entstammt dem von Hanns Eisler (1898–1962) vertonten Kominternlied von 1929, das nach 1949 in der DDR von Stephan Hermlin (1915–1997) als Lied der Werktätigen einen neuen Text erhielt. Auf der linken Seite werden die „Folter und Flammen“ angedeutet, durch die die kommunistischen „Brüder“ gemeinsam hindurchgehen mussten, und die in dem Lied dazu aufgefordert werden, „die kampferprobte Fahne“ weiter zu tragen. „Heut bauen wir kühn unsern eigenen Staat, des tätigen Friedens, der friedlichen Tat“, heißt es dort, und schließlich : „In Rußland da siegten die Arbeiterwaffen. Sie haben’s geschafft und wir werden es schaffen. Es wächst, auch wenn es unserm Feind nicht gefällt, die neue, die Bauern und Arbeiterwelt.“47 Für diese neue Welt mag die trotz der dynamischen Bewegungen im Bild in sich ruhende Frauenfigur auf der rechten Bildhälfte stehen. Auch bei Timners Bild erwies sich die Bezahlung als äußerst schwierig. Ursprünglich war vorgesehen, einen Teil des Geldes in westlicher Währung zu bezahlen, was schließlich scheitern sollte.48 Um zumindest einen reibungslosen Transport des Gemäldes nach Dresden sicherzustellen, wurde der betreffenden Zollstelle beim Grenzübergang mitgeteilt : „Die Dresdener Gemäldegalerie Neue Meister unterstützt auf der Grundlage der sozialistischen Kulturpolitik unserer Republik progressive Künstler, die entweder in der BRD oder in der selbständigen politischen Einheit West-Berlin arbeiten. Zu ihnen gehört der Schüler des weltberühmten italienischen Malers Renato Guttuso, der Genosse […] Carl Timner. Er übergibt am 6.12.1973 an Ihrem Grenzübergang dem Depotverwalter der Gemäldegalerie Neue Meister Dresden […] ein Gemälde […]. Bitte überzeugen Sie sich davon, daß es sich bei diesem Bild um eine Arbeit handelt, die in höchstem Maße die Opposition gegenüber dem Imperialismus zum Ausdruck bringt.“49 In der Tat waren die Botschaften der Gemälde von Carl Timner oftmals eindeutig und bedurften keiner großen Entschlüsselung. In der DDR wurde er dafür geschätzt, der ostdeutsche Kunsthistoriker Hermann Raum (1924–2010), seit 1977 Direktor der Moritzburg in Halle und Vizepräsident des Verbands Bildender Künstler der DDR, bezeichnete ihn als einen der produktivsten sozialistischen Künstler in West-Berlin.50 Auch die Kunsthalle Rostock und das Museum für Deutsche Geschichte in Ost-Berlin besaßen Werke von ihm, und 1984 organisierte der Verband Bildender Künstler der DDR eine Einzelausstellung in Potsdam.51 Das vierte Gemälde eines Gegenwartskünstlers aus der Bundesrepublik, das 1972 und damit gleich im Jahr seiner Entstehung in den Bestand der Gemäldegalerie Neue Meister einging, war in seinem Inhalt wesentlich weniger greifbar. Die Begegnung I von Jürgen Waller (geb. 1939) (Abb. 5) suchte Uhlitzsch anhand farbiger Reproduktionen aus, die der Künstler anlässlich seines Besuchs der VII. Kunstausstellung der DDR 1972 in Dresden auf seine Bitten hin mitgebracht hatte. Bekannt war Waller in der DDR kurz zuvor vor allem durch sein Gemälde Reitet für das Kapital geworden, das den Unternehmer Josef Neckermann als „Symbolfigur für Ausbeutung und Unterdrückung“52 zeigte und in der Bundesrepublik einen Skandal Gegenwartskunst aus dem Land des Klassenfeindes
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Abb. 4 : Carl Timner : Sie werden es schaffen !, 1970/71, Öl auf Leinwand, 130 x 165 cm, 1974 erworben vom Künstler, Albertinum | Galerie Neue Meister, Gal.-Nr. 3893
ausgelöst hatte. Mit dieser Arbeit hatte der Künstler „in wirkungsvoller Weise die antidemokratischen Verhältnisse der Bundesrepublik“ kritisiert, wie Uhlitzsch dem Ministerium für Kultur mitteilte, um dessen Zustimmung für den Ankauf des Kunstwerkes zu erwirken. Diese benötigte er für die Einrichtung eines Verwahrkontos, auf das wie üblich das Honorar für den Künstler überwiesen wurde.53 Waller wird zu den sogenannten Kritischen Realisten West-Berlins gezählt, die sich in der politisierten Gesellschaft der 68er-Bewegung sozialkritisch und in veristischer Schärfe mit ihrer Umwelt auseinandersetzten.54 Wie Timner thematisierte auch Waller den arbeitenden Menschen und politisches Weltgeschehen etwa in Algerien und Chile, stilistisch in fast fotografischer Präzision, und auch er reiste 1972 auf Einladung des Künstlerverbandes der UdSSR in die Sowjetunion.55 Das für die Gemäldegalerie Neue Meister angekaufte Bild hingegen ist eher metaphorischer Art. Es zeigt ein sich starr und mit Abstand gegenüberstehendes Paar, der Mann in dunklem Anzug in Rückenansicht, die Frau in violettem Mantel dem Betrachter frontal zugewandt. Die beiden stehen leicht versetzt, so dass sie sich nicht anschauen, nur das Gesicht 280 I Kathleen Rosenthal
Abb. 5 : Jürgen Waller : Begegnung I, 1972, Öl auf Leinwand, 150 x 120 cm, 1972 erworben vom Künstler, Albertinum | Galerie Neue Meister, Gal.-Nr. 3844
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der Frau ist zu sehen, ihr Gesichtsausdruck uneindeutig. Uhlitzsch sah darin ein Sinnbild für die inhumanen Verhältnisse einer kapitalistischen Gesellschaft. In der Sächsischen Zeitung schrieb er 1973 über das Gemälde : „Zwei Menschen stehen einander gegenüber […]. Sie haben sich nichts zu sagen. Sie sind ohne Beziehungen zueinander. Die kapitalistische Wolfsmoral – jeder gegen jeden – reißt den Menschen vom Menschen […]. Die harten Formen und kalten Farben, die Leblosigkeit und Starre der Figuren enthüllen eine Seite der menschenfeindlichen, unheimlichen Verhältnisse spätkapitalistischer Gesellschaft. ‚Freudlose Jugend‘ nannte ein alter Genosse bei einem Besuch der Gemäldegalerie das Bild, und so auch wollte es der Maler begriffen wissen.“56
Systemkonforme Erwerbungen aus dem Westen – ein spezielles Modell der Gemäldegalerie Neue Meister ? Dies sollte der letzte Ankauf eines westdeutschen Gemäldes zur Zeit der DDR gewesen sein. Erst 1989/90 kamen weitere acht Werke aus der Bundesrepublik als Schenkungen in den Bestand der Gemäldegalerie Neue Meister. Sie stammten von Künstlern und einer Künstlerin, die in Ostdeutschland geboren waren und in einer Zeit der Öffnung ihre Verbundenheit mit dem Land ausdrückten, zwei weitere Werke wurden kurz nach der Wiedervereinigung angekauft.57 Lässt man diese späten Zugänge von 1989/90 außer Acht, kann man feststellen, dass alle zeitgenössischen Gemälde aus Westdeutschland, die während der deutschen Teilung erworben wurden, maßgeblich kulturpolitischen Gesichtspunkten folgten. Sie geben nur einen sehr kleinen, spezifischen – für die DDR opportunen – Ausschnitt aus dem westdeutschen Kunstschaffen wieder. Unklar bleibt, warum das Engagement für politisch links stehende Künstler der Bundesrepublik Mitte der 1970er abbrach und die Beispiele hierfür im Bestand der Gemäldegalerie Neue Meister auf eine geringe Anzahl beschränkt geblieben sind. Es ist zu vermuten, dass die finanziellen Mittel begrenzt waren und die Bezahlung über ein ostdeutsches Verwahrkonto zudem für die Künstler unattraktiv war. Die politisch angepasste Ankaufsgeschichte der Gemäldegalerie Neue Meister hinsichtlich der Ankäufe aus der Bundesrepublik lässt sich jedoch nicht verallgemeinern. So setzte sich etwa Werner Schmidt (1930–2010) als Direktor des Kupferstich-Kabinetts der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, das er von 1959 bis 1989 leitete, für non-konforme Kunst ein und erhielt auch Schenkungen von unliebsamen Künstlern aus dem westlichen Ausland. Aufgrund ihrer Beschaffenheit konnten Grafiken wesentlich leichter als Gemälde in den Bestand „geschmuggelt“ werden.58 Wie und was erworben wurde, hing neben den kulturpolitischen Vorgaben daher auch stark vom jeweiligen Leiter der Sammlung und von der Kunstgattung ab. Mit Joachim Uhlitzsch stand der Gemäldegalerie Neue Meister von 1963 bis 1984 lange Zeit jemand vor, der – anders als Schmidt – aus Überzeugung im Einvernehmen mit den kulturpolitischen Leitlinien handelte,59 wie auch die hier im Fokus stehenden Erwerbungen verdeutlich haben. Ein Vergleich mit westdeutschen Erwerbungen anderer Kunstmuseen der
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DDR wäre für das Verständnis der damaligen Sammlungspolitik sicherlich aufschlussreich, stellt aber bislang noch ein Forschungsdesiderat dar.
Anmerkungen 1 Zum vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojekt, an dem neben den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) auch die Technische Universität Dresden (Lehrstuhl für Soziologische Theorie, Theoriegeschichte und Kultursoziologie), das Kunstarchiv Beeskow und das Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam beteiligt waren, vgl. www.bildat las-ddr-kunst.de (Zugriff 12.2.2021). 2 Die Galerie Neue Meister, die 1959 aus der Teilung der Gemäldegalerie Alte und Neue Meister hervorging, hieß bis 2000 noch Gemäldegalerie Neue Meister (GNM). Für die Zeit 1945 bis 1959 wurden nur Erwerbungen aus dem Bereich der Neuen Meister berücksichtigt. 3 Sozialistisch sammeln 2014. Die Verfasserin dieses Aufsatzes ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Projekts noch unter ihrem Geburtsnamen Schröter Mitherausgeberin der Publikation. 4 Insgesamt wurden 1.653 Gemälde in dieser Zeit erworben, die frühesten datieren dem Sammlungsprofil entsprechend auf Ende des 18. Jahrhunderts, vgl. Fleischer 2014. 5 Vgl. für den Erwerb sowjetischer Kunstwerke Kaiser 2010. 6 Diese Bilder kamen meist zufällig in die Galerie, etwa als Gastgeschenke über das Ministerium für Kultur. 7 Zitate Kaiser 2003, S. 93 u. 97. 8 Vgl. Schröter 2014, S. 160 ff. 9 Die Bezeichnung „deutsche Kunst“ hatte ungeachtet der vorangegangenen ideologischen Aufladung durch die Nationalsozialisten auch nach 1945 Hochkonjunktur. Sie findet sich in zahlreichen Ausstellungstiteln in Ost- und Westdeutschland, vgl. die Auflistung in Papenbrock/Saure 2000, Teil II, S. 61–173 ; Held 1981, S. 304–361. Der anfänglich deutschlandweit operierende Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands propagierte zugleich eine „Neugeburt des deutschen Geistes“ aus „freiheitlichen humanistischen, wahrhaft nationalen Traditionen unseres Volkes“ (Leitsätze des Kulturbundes, abgedruckt in : DDR-Geschichte in Dokumenten 1998, S. 315). 10 Otto Grotewohl : Rede auf der 13. Tagung der Volkskammer, 22.3.1950, in : Neues Deutschland, 23.3.1950, im Auszug abgedruckt in : DDR-Geschichte in Dokumenten 1998, S. 334. 11 Programmerklärung des Ministeriums für Kultur der Deutschen Demokratischen Republik zur Verteidigung der Einheit der deutschen Kultur, 24.3.1954, in : Neues Deutschland, 25.3.1954, in Auszügen abgedruckt in : Dokumente zur Kunst-, Literatur- und Kulturpolitik der SED 1972, S. 333–337. 12 Vgl. Herbert Gute : Die Entwicklung und die Besonderheiten der drei Deutschen Kunstausstellungen in Dresden, in : SAPMO-BArch, NY 4090/531, Bl. 2–6, hier Bl. 6. 13 Mitschrift der Ansprache des Major Alexander Dymschitz, Vertreter der SMAD, anlässlich der Eröffnung der Allgemeinen Deutschen Kunstausstellung am 25. August 1946 in der Stadthalle am Nordplatz in Dresden, in : Stadtarchiv Dresden, Dez. OB, Akte Nr. 993, Bl. 210. 14 Ansprache des sächsischen Landespräsidenten Rudolf Friedrichs anlässlich der Eröffnung der Allgemeinen Deutschen Kunstausstellung am 25. August 1946 in der Stadthalle am Nordplatz in Dresden, in : Stadtarchiv Dresden, Dez. OB, Akte Nr. 993, Bl. 202 f.; Zitat auch abgedruckt in : Allgemeine Deutsche Kunstausstellung 1946, o. S.
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15 Volwahsen an seine Schwägerin, 7.9.1946, zitiert nach Winkler 1989, S. 362 ; zur ersten Allgemeinen Deutschen Kunstausstellung vgl. auch Schröter 2006. 16 Vgl. Damus 1991, S. 64 ; Saure 1995, S. 354 ; Herbert Gute : Die Entwicklung und die Besonderheiten der drei Deutschen Kunstausstellungen in Dresden, in : SAPMO-BArch, NY 4090/531, Bl. 2–6, hier Bl. 6. 17 Pomeranz-Liedtke 1949, S. 267. 18 Vgl. Damus 1991, S. 90. Die von der Autorin Anfang 2021 eingereichte Dissertation zur Rezeption von Kunst aus der DDR in der Bundesrepublik Deutschland bis zum Mauerbau analysiert u. a. die deutsch-deutsche Vorbereitung der Dritten Deutschen Kunstausstellung. 19 Wolfgang Balzer an Landesregierung Sachsen, Ministerium für Volksbildung, 24.10.1949, in : SKDArchiv, 02/VA 117, Bl. 198–201, hier Bl. 198 (gleichlautend in : Hauptstaatsarchiv Dresden, LRS/MfV Akte 2343, vgl. Lindner 1998, S. 90). 20 Ebd.; vgl. auch Wolfgang Balzer an Ministerium für Volksbildung, Minister Holtzhauer, 13.2.1950, in : SKD-Archiv, 02/VA 117, Bl. 211–212. 21 Vgl. Rudert 2014, S. 115. 22 Es handelte sich um folgende Gemälde : Carl Barth : Am Kanal, 1949 ; Michel Wagner : Arena, 1948 ; Kurt Sohns : Schneeschmelze, 1948 ; Peter Herkenrath : Das schöne Buch, 1948 ; Otto Geigenberger : Gracht in Dordrecht, 1942 ; Hans Reinhold Lichtenberger : Ballettprobe, undat.; vgl. Galerie Neue Meister Dresden 2010, Bd. 2, dort auch Schwarz-Weiß-Abbildungen. 23 Vgl. Alexander Dymschitz : Über die formalistische Richtung in der deutschen Malerei, in : Tägliche Rundschau, 19./24.11.1948, abgedruckt in : Dokumente zur Kunst-, Literatur- und Kulturpolitik der SED 1972, S. 97–103 ; zum Kontext siehe auch den Beitrag Steinkamp in diesem Band. 24 Wolfgang Balzer an Landesregierung Sachsen, Ministerium für Volksbildung, 24.10.1949, in : SKDArchiv, 02/VA 117, Bl. 198–201. 25 In der Kommission saßen Vertreter „des Ministeriums selbst, der Gewerkschaft, der Künstlerschaft und Kunstwissenschaft [und] drei Landtagsabgeordnete (SED, LDP, CDU)“ (Wolfgang Balzer an Ministerium für Volksbildung, Minister Holtzhauer, 13.2.1950, in : SKD-Archiv, 02/VA 117, Bl. 211– 212, hier Bl. 211). Da eins der Bilder auf 1942 datiert und ein zweites undatiert ist, sind nur vier der Werke als auswärtige Gegenwartskunst (unter der hier Kunst ab 1945 verstanden wird) in die eingangs genannten Zahlen eingeflossen. 26 Dabei handelte es sich um insgesamt acht Werke : Josef Hegenbarth : Zeitungsverkäufer, 1948 ; Tischgesellschaft, um 1947 (beide 1951 vom Künstler angekauft) ; Josef Hegenbarth : Hirsch, um 1945 (1996 Vermächtnis seiner Frau Johanna) ; Richard Otto Voigt : Abendlandschaft, 1948 (Zugang unbekannt) ; Hans Grundig : Den Opfern des Faschismus, um 1947 (1960 übereignet von der TU Dresden) ; Karl Kröner : Iris – Muscheln – Bacchantin, 1949 (1972 Vermächtnis des Künstlers) ; Joachim Heuer : Frauenbildnis mit rotem Schal, um 1948 (1990 Schenkung des Künstlers) ; Curt Querner : Bildnis der Eltern, 1947 (Dauerleihgabe der TU Dresden) ; vgl. Galerie Neue Meister Dresden 2010, Bd. 2 ; 2. Deutsche Kunstausstellung Dresden 1949. 27 Der „Bitterfelder Weg“ ist nach der 1. Bitterfelder Konferenz vom 24. April 1959 benannt, die die 1958 auf dem V. Parteitag der SED geforderte Überwindung der „Kluft zwischen Kunst und Volk“ anstrebte. Danach wurde insbesondere die Kunst von Laien bzw. die Zusammenarbeit von Künstlern und Arbeitern in den Betrieben gefördert. 28 Vgl. DDR-Geschichte in Dokumenten 1998, S. 303 ; vgl. dazu auch Walter Ulbricht : Rede auf dem VII. Parteitag der SED, April 1967, in : Neues Deutschland, 18.4.1967, im Auszug abgedruckt in : ebd., S. 334 f.
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29 Rede Alexander Abusch vor dem Präsidialrat des Deutschen Kulturbundes, Dezember 1961, in : Sonntag, 1961, H. 52, in Auszügen abgedruckt in : Dokumente zur Kunst-, Literatur- und Kulturpolitik der SED 1972, S. 745 f. 30 Künstler, die für Ausstellungen in der DDR geeignet sind, in : BArch, DR 1/7968, Bl. 13, dort sind konkret aufgeführt : Gerhard Bettermann, Otto Gefers, Albert Heinzinger, Karl Hubbuch, Alfred Mahlau, Dore Meyer-Vax, Carlo Schellemann, Eylert Spars und A. Paul Weber. 31 In ihrem 1958 von Heinzinger formulierten Programm erklärte die Gruppe die stark abstrahierenden Kunstströmungen der 1950er Jahre für überholt und betonte für sich den gesellschaftspolitischen Auftrag : „Kunst existiert nicht um ihrer selbst willen … Auftragslosigkeit ist ein gesellschaftlicher Notstand, keine künstlerische Tugend.“ (Programm Neuer Realismus, zitiert nach Rosinski 1980, S. 93, auch abgedruckt in : tendenzen. Zeitschrift für engagierte Kunst, 1960, H. 4, S. 18 f.). 32 Joachim Uhlitzsch : Eindrücke und Erfahrungen einer Reise nach Karlsruhe, in : Sächsische Zeitung, 24.7.1964, S. 6, in : SKD-Archiv, 02/GD 215. In Karlsruhe lernte Uhlitzsch den Vorsitzenden des dortigen Künstlerverbandes, Karl Oertel (1890–1979), kennen, der wohl die Idee einer Ausstellung in Dresden aufbrachte. Zudem nahm Uhlitzsch Kontakt mit Eylert Spars (1903–1984) auf, Vorsitzender des Berufsverbandes bildender Künstler Hamburg. Spars war Mitarbeiter der von der DDR finanziell unterstützen Zeitschrift Von Atelier zu Atelier, die auch Uhlitzsch bekannt war, vgl. Joachim Uhlitzsch an Albert Heinzinger, 26.11.1964 u. 9.7.1964, in : Erwerbungsunterlagen GNM, Ordner 1946–1965. 33 Vgl. Öhler 2000, S. 466 f. Die Anfänge der Tendenzen sowie der Zeitschrift Von Atelier zu Atelier werden in der von der Autorin 2021 eingereichten Dissertation eingehend analysiert. Schellemann organisierte 1966 in Augsburg die Ausstellung Situation 66. Europäische realistische Kunst, die die Gemäldegalerie Neue Meister mit fünf Leihgaben beschickte. 34 Joachim Uhlitzsch : Reise nach München vom 17.–23. Januar 1965, Bericht Nr. 2, Betr.: Ausstellung Münchner Künstler gemeinsam mit solchen aus Karlsruhe in Dresden, 28.1.1965, in : Erwerbungsunterlagen GNM, Ordner 1946–1965. Darin auch eine Künstlerliste : Will Elfes (München), Helmut Goettl (Karlsruhe), Michael Mathias Prechtl (Nürnberg), Ludwig Scharl (München), Carlo Schellemann (München), Emil Scheibe (München), Erhard Michel (Weißenburg), Arved D. Gorella (West-Berlin), Helmut Hoffmann (München), Walter Rose (verstorben), Hannes Rosenow (München), Ernst Oberle (München), Marianne Lüdicke (Weisham), Jürgen Wegener (Feldafing). 35 Angeblich wurde zum geplanten Zeitpunkt ein Teil der für Wechselausstellungen vorbehaltenen Räume renoviert, vgl. Joachim Uhlitzsch an Albert Heinzinger, 12.8.1965, in : Erwerbungsunterlagen GNM, Ordner 1946–1965. 36 Albert Heinzinger (1911 in Kempten/Allgäu – 1992 in Utting/Ammersee), Lehre und Arbeit als Chemigraph, 1938–1941 politische Haft im Zuchthaus Ludwigsburg und KZ Papenburg Moor, 1946–1947 Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München, seitdem freischaffend, Vorsitzender des Schutzverbandes Bildender Künstler München, Mitglied der Neuen Münchner Künstlergenossenschaft und Leiter der Gruppe Neuer Realismus, vgl. Heinzinger 1963, S. 31. Heinzinger war sowohl an der 2. Deutschen Kunstausstellung 1949 als auch an der Dritten Deutschen Kunstausstellung 1953 in Dresden beteiligt. 37 Vgl. Hiepe 1968. 38 Tschofen 1963, S. 3 f.; vgl. auch Raum 1977, S. 36 u. 113 f. 39 Das Gemälde Spielhalle befand sich wegen einer Ausstellung des Künstlers im Pavillon der Kunst bereits in Ost-Berlin und wurde von dort nach Dresden transportiert. In einer Mitteilung dazu hieß
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es, es hätten mehrere Museen Ankäufe aus der Ausstellung getätigt, vgl. Resel an Joachim Uhlitzsch, 3.9.1964, in : Erwerbungsunterlagen GNM, Ordner 1946–1965. 40 Zum antifaschistischen Gründungsmythos der DDR vgl. Gillen 2003, S. 170 ff. 41 Diese Kommission war ein im Lauf der Zeit unterschiedlich zusammengesetztes Gremium, dem meist die einzelnen Direktoren und der Generaldirektor der SKD angehörten, das über Erwerbungsvorschläge aus den Sammlungen sowie über Kauf- oder Schenkungsangebote beriet. 42 Joachim Uhlitzsch an Albert Heinzinger, 1.10.1965, in : Erwerbungsunterlagen GNM, Ordner 1946– 1965. 43 Albert Heinzinger an Joachim Uhlitzsch, 10.10.1965, in : Erwerbungsunterlagen GNM, Ordner 1946–1965. 44 Carl Timner (1933 in Berlin – 2014 in Trevi/Perugia), 1951/52 Studium an der Hochschule für bildende Künste (HfBK) in West-Berlin, 1952/1953 Studium der Kunstgeschichte, Archäologie und Philosophie in Göttingen, 1953–1956 Aufenthalt in Rom, Schüler von Corrado Cagli, 1960–1970 Betriebs- und Produktionsleiter der Essig- und Mostrichfabrik seiner Mutter, 1968 Mitbegründer der Künstlergruppe Rote Nelke und Assistent von Renato Guttuso an der Hochschule für bildende Künste Hamburg, 1971 erste Reise in die UdSSR, 1972 Ausstellung in der von Richard Hiepe geleiteten Neuen Münchner Galerie, 1973 Mitbegründer der Vereinigung demokratischer und sozialistischer Künstler, 1978–1986 Gastprofessor an der HfBK Berlin, vgl. Timner 1984, S. 13 f.; www.carltimner.de (Zugriff 15.2.2021). 45 Die rote Nelke, Symbol der Arbeiterbewegung, war namensgebend für die Künstlergruppe, die eine politische, mit der arbeitenden Bevölkerung verbundene Kunst propagierte und an das Erbe der 1928–1933 bestehenden kommunistischen Assoziation Revolutionärer Bildender Künstler Deutschland (ASSO) anknüpfen wollte, vgl. Die Rote Nelke 1973 ; Lammel 1984, S. 11 ; Öhler 2000, S. 420. 46 Vgl. Timner 1975, o. S. 47 www.ingeb.org/Lieder/bruders1.html (Zugriff 15.2.2021). 48 Vgl. Korrespondenz in : Erwerbungsunterlagen GNM, Ordner 1970–1975. 49 Joachim Uhlitzsch an die Genossen der Zolldienststelle des Grenzübergangs zu West-Berlin, Rudower Chaussee, Berlin, 6.12.1973, in : Erwerbungsunterlagen GNM, Ordner 1970–1975. Offenbar mussten jedoch noch weitere Formalitäten geklärt werden, so dass das Bild erst Anfang 1974 nach Dresden gebracht werden konnte, vgl. Manfred Bachmann an Ministerium für Kultur, Sektor Museen, Genossin Wieczorek, 15.1.1974, in : Erwerbungsunterlagen GNM, Ordner 1970–1975. 50 Vgl. Raum 1977, S. 221. 51 Vgl. Timner 1984. 52 Kober 1987, S. 10 ; vgl. Waller 2001, S. 99 ; Raum 1977, S. 218. 53 Vgl. Manfred Bachmann und Joachim Uhlitzsch an Ministerium für Kultur, Sektor Museen, Genosse Thiele, Sektorenleiter, Berlin, 12.1.1973, in : Erwerbungsunterlagen GNM, Ordner 1970–1975. 54 Jürgen Waller (geb. 1939 in Düsseldorf, lebt und arbeitet in Bremen und Vallauris), 1959 Studium an der Kunstakademie Düsseldorf, 1960–1968 in Paris, Vallauris und Vareddes, 1968 Umzug nach West-Berlin, 1972 Mitbegründer der Gruppe Aspekt u. a. mit Ulrich Baehr, Peter Sorge, Hans-Jürgen Diehl und Wolfgang Petrick, als Vorbilder fungierten George Grosz, John Heartfield und Otto Dix, 1977 Ruf an die Hochschule für Kunst und Musik in Bremen, 1989 Wahl zum Rektor, 1994 und 1999 Wiederwahl, vgl. Waller 1987, S. 84 ; Waller 2001 ; www.juergenwaller.de (Zugriff 15.2.2021). 55 Vgl. Waller 2001, S. 99. 56 Joachim Uhlitzsch : Freudlose Jugend, in : Sächsische Zeitung, 17.5.1973. 57 1989 kamen vier Werke von Hans Heinrich Palitzsch (1912–2005) als Schenkung des gebürtigen
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Dresdners in die Sammlung, 1990 eine Schenkung der Witwe des 1949 in den Westen gegangenen Werner Reifarth (1919–1977), 1990 eine Schenkung des 1986 ausgebürgerten Thomas Gatzemeier (geb. 1954) sowie je ein Bild von Bernard Schultze (1915–2005) und Ursula Schultze-Bluhm (1921– 1999), die in der ehemaligen preußischen Provinz Posen bzw. in Brandenburg geboren waren. Zudem wurden 1990 noch je eine Arbeit von Lutz Friedel (geb. 1948) und Christine Schlegel (geb. 1950) angekauft, Friedel war 1985, Schlegel 1986 nach West-Berlin übergesiedelt. Beide Ankäufe wurden erst nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober abgeschlossen. 58 Vgl. Schmidt 1995. 59 Vgl. Schröter 2014, S. 151 u. 154 ; Rudert 2014, S. 124–128.
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Frank Usbeck
„I N D IAN E R ! “ DDR-Völkerkundemuseen zwischen Bildungsauftrag und Popkultur
„Hoffe auf einen baldigen Wiederaufbau des 2. Stockes und die Indianer“, kommentierte am 14. August 1959 ein Besucher des Museums für Völkerkunde zu Leipzig im Gästebuch.1 Diese Hoffnung erfüllte sich im Mai 1960, als die Sonderausstellung Prärie-Indianer im Museum öffnete, wodurch sich die Besucherzahlen des Hauses mit etwa 33.000 gegenüber dem Vorjahr gleich mehr als verdoppelten.2 Im Jahrbuch des Museums erläuterte der Kurator der Schau, Lothar Dräger, 1962 die ungebrochene Attraktivität des Themas : „Das Interesse besonders der Jugend an den Indianern der Prärie ist heute durchaus nicht geringer als vor zwanzig, dreißig, oder fünfzig Jahren. Die Hauptursache […] muss wohl in […] Abenteuergeschichten, Wildwestromanen usw. gesucht werden. Es ist so ganz verständlich, dass dadurch auch sehr viele falsche Vorstellungen über die Prärie-Indianer bestehen.“3 Mit dieser Einschätzung wird ein Wechselspiel zwischen Völkerkundemuseen und deutscher „Indianerbegeisterung“ deutlich, das in zwei Richtungen wies : Die Museen profitierten von der Faszination, sahen sich aber zugleich in der Pflicht, Stereotype über „den Indianer“ durch Ausstellungen und Vermittlungsarbeit aufzubrechen. Tatsächlich reichte dieses Spannungsverhältnis weit zurück. In seiner hervorragenden Analyse der mehr als zweihundert Jahre alten deutschen „Wahlverwandtschaft“ mit den „Indianern“ hebt der US-amerikanische Historiker H. Glenn Penny hervor, dass die deutschen Völkerkundemuseen schon um 1900 zu den renommiertesten der Welt gehörten. Zwar seien die Nordamerika-Sammlungen hier stets die kleinsten gewesen, ihre Ausstellungen generierten aber sehr hohe Besucherzahlen. Die Kuratoren hätten sich oft mehr für Südamerika interessiert, weil sie die indigenen Gruppen dort für weniger von der westlichen Zivilisation „korrumpiert“ hielten als deren nordamerikanische Verwandte. Man erhoffte sich daher – im Rahmen evolutionären Denkens – von ihrer Erforschung bessere Erkenntnisse für die Kultur- und Sozialanthropologie. Gleichwohl hätten die Museen im 20. Jahrhundert dem Druck nachgegeben, das enorme Publikumsinteresse an den nordamerikanischen „Indianern“ – im jeweiligen politischen Kontext – für die finanziellen Bedürfnisse wie den Bildungsanspruch ihrer Institutionen zu aktivieren.4 Vor diesem Hintergrund argumentiert der vorliegende Beitrag, dass die Völkerkundemuseen der DDR – im Sinne ihres staatssozialistischen Bildungsauftrags – die intensive Dekon struktion stereotyper Vorstellungen über „Indianer“ betrieben. Dabei wandten sie moderne wissenschaftliche Theorien und Methoden an und übernahmen sogar Vorreiterrollen, etwa wenn es um die Dokumentation aktueller sozialer Probleme und Konflikte der indigenen Bevölkerung Nordamerikas ging. Dies ließ sich gut mit ideologischen Vorgaben der SED „Indianer !“
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vereinbaren, so dass die Darstellung des ethnografischen „Jetzt“ im Museum auch durch die antiimperialistische und antiamerikanische Doktrin des Kalten Krieges geprägt war. Gleichzeitig versuchten die Museen, von der „Indianerbegeisterung“ in der DDR zu profitieren und die in der Bevölkerung gelebten Sehnsüchte und Vorlieben zu bedienen und zu nutzen. Damit bewegten sie sich über ihren wissenschaftlich-ideologischen Bildungsansatz hinaus auch in einer „Indianer“-bezogenen Populär- und Nischenkultur der DDR, die von Ausstellungen über Filme und Fernsehsendungen, Belletristik, Kinderbücher und Sachliteratur bis hin zu zahlreichen Indianistik-Hobbyvereinen reichte. Der Beitrag untersucht exemplarisch nach einer kurzen historischen Kontextualisierung die Arbeit dreier für das Thema maßgeblicher Museen der DDR – des Museums für Völkerkunde zu Leipzig (MVL), des Museums für Völkerkunde zu Dresden (MVD) und des KarlMay-Museums in Radebeul (KMM). Dabei soll der Auftrag der Museen, als sozialistische Bildungsstätten zu wirken, näher betrachtet und besonders beleuchtet werden, wie sich etwa das SED-Programm des „Bitterfelder Weges“ auf das Verhältnis zwischen Museen und Hobbygruppen auswirkte und wie Museumsarbeit in die DDR-Populärkultur und die „Indianerbegeisterung“ eingebettet war.
Historische „Indianerbegeisterung“ und die Frage nach Deutungshoheit Bereits um 1800 intensivierte sich das Interesse an den indigenen Amerikanern in den deutschsprachigen Ländern, was mit damals tiefgreifenden soziokulturellen und politischen Veränderungen zusammenhing. Unter dem Eindruck der Französischen Revolution, der Napoleonischen Kriege wie der Romantik wurde eine neue, nationale Identität der „Deutschen“ konstruiert. Bei der Suche nach einem nationalen Gründungsepos bot sich der Widerstand der germanischen Stämme gegen das Römische Reich als Projektionsfläche an. Die wenigen aus der Antike überlieferten Quellen wie die Germania des Tacitus idealisierten die Germanen als einfache, ehrliche, kämpferische Naturvölker – anders ausgedrückt : als „edle Wilde“. Dies weckte Assoziationen zu aktuellen indigenen Gemeinschaften Amerikas, so dass ein imaginiertes Dreiecksverhältnis zwischen modernen Deutschen, deren tribalen Vorfahren und indigenen Amerikanern entstand. Wie Penny beschreibt, beobachteten und konstruierten Deutsche Parallelen zwischen sich selbst und den „Indianern“ konkret im Stammesdenken – mit Blick auf die deutsche Kleinstaaterei –, in Vorstellungen von Freiheit, Widerstand und Gemeinschaft sowie einer Schicksalsgemeinschaft.5 „Der Indianer“ wurde als „Seelenpartner“ der Deutschen imaginiert, eine Projektion, die „alle politischen Regime und die radikalsten Umbrüche der modernen deutschen Geschichte überdauert hat“.6 Die „Indianerbegeisterung“ stand im Laufe der Zeit folgerichtig für ganz unterschiedliche Ideen von den USA. „Amerika“ diente als Sehnsuchtsort – mal für politische Freiheiten, mal für das persönliche Freiheits- und Glücksgefühl beim Anblick der weiten Horizonte des amerikanischen Westens. Dieser Freiheitsgedanke wurde immer wieder mit dem Bild des „Indianers“ assoziiert. Gleichzeitig beschwor das Bild aber auch Gedanken an Vertragsbruch 290 I Frank Usbeck
und Unterdrückung, Vertreibung und erzwungene Assimilierung der indigenen Bevölkerung herauf. Damit ließ es sich seit dem 19. Jahrhundert auch für antiamerikanische Ressentiments verwenden – markant etwa, wenn „das Schicksal der Indianer“ mit dem Anspruch der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung auf „Leben, Freiheit und Streben nach Glück“ kontrastiert wurde. Diese ambivalente „Hassliebe“ der Deutschen zu einem „Amerika“, das gleichzeitig für Freiheit wie Unterdrückung stand, diente allen politischen Strömungen während des 20. Jahrhunderts dazu, ihre eigene nationale Verankerung zu bekräftigen.7 Mit dem Verweis auf die Geschichte des indigenen Nordamerika und die mit ihr einhergehenden ethnischen und sozialen Probleme konnten sowohl die Nationalsozialisten als auch die DDRFührung, aber auch diverse politische Gruppen der Bundesrepublik ihre jeweiligen ideologischen Blickwinkel auf die USA rechtfertigen. Die politischen Projektionen und Interpretationen wurden gleichzeitig permanent hinterfragt. Vielfach widersprachen sie sich offensichtlich, so dass „Wissenschaftler, Kuratoren, Pädagogen und Amateure aller Art scheinbar endlose Versuche [unternahmen], den Diskurs über das ‚Indianertum‘ in Deutschland zu kontrollieren, indem sie Klischees anprangerten und durch neue Versionen des ‚authentischen Indianers‘ zu ersetzen suchten“.8 Diese „endlosen Versuche“ sind seit dem späten 19. Jahrhundert eine Kerntätigkeit der Völkerkundemuseen. Bis heute prangern ihre Nordamerika-Abteilungen Stereotype an, die aus Groschenromanen, Wildwest-Shows oder Kinofilmen stammen.9 Indem sie versprechen, „die wahre Geschichte der Indianer“ zu erzählen, greifen sie die „Indianerbegeisterung“ auf und integrieren sie in ihre Bildungsprogramme. Auch die Museen der DDR reihen sich aktiv in diese lange Geschichte deutscher „Indianer“-Affinität ein – und zwar sowohl auf der Ebene politischer Indienstnahme der „Indianer“ als auch auf der des Bemühens, ein wissenschaftlich „richtiges“ Bild von ihnen zu vermitteln. Auch in der DDR ging es hier letztlich um die Konstruktion eigener kultureller Identität.
Sozialistische Bildungsstätten Die Museen in Leipzig, Dresden und Radebeul stehen dabei für eine Konzentration der DDR-Nordamerika-Sammlungen auf den Raum Sachsen.10 Zeitweilig wurde im Umfeld der Universität Leipzig offenbar sogar ein zentrales „Indianermuseum“ der DDR diskutiert.11 Im Rahmen der „Museumskonsolidierung“ der DDR, die seit den 1960er Jahren auf die staatliche Agenda rückte, wurden Themenschwerpunkte und Spezialmuseen geschaffen. Heimatund Stadtmuseen, etwa in Gera, sowie Museen für Ur- und Frühgeschichte, etwa in Weimar oder Halle, mussten deswegen ihre außereuropäischen Ethnografica nach Leipzig oder Dresden abgeben. Dadurch konnte das MVL seine Verluste in der Nordamerika-Sammlung, die es durch einen Bombenangriff am 4. Dezember 1943 erlitten hatte, in Teilen ausgleichen : Von über 4.000 Objekten waren nur etwas mehr als einhundert erhalten geblieben.12 An den hier besprochenen Museen wurde die wissenschaftlich fundierte Darstellung indigener Kulturgeschichte allerdings bereits ab Mitte der 1950er Jahre in den Fokus gerückt. Wegweisend dafür war wohl in erster Linie die Ethnologin und Amerikanistin Eva Lips „Indianer !“
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(1906–1988), die seit 1950 eine von zwei ethnologischen Ausbildungsstätten der DDR, das Leipziger Julius-Lips-Institut, leitete. Eva Lips und ihr Mann Julius (1895–1950) hatten während ihres Exils in den USA bis 1947 auch Feldforschung betrieben und brachten ihre Erfahrungen aus der ethnologischen Amerikanistik in Leipzig ein. Selbst, als die DDR-Ethnologie per Regierungsbeschluss von 1969 ihre Aufmerksamkeit auf Afrika, Asien und Lateinamerika verlegen musste, um politischen Einfluss auf die „Dritte Welt“ und deren Dekolonisierung zu gewinnen – was die Nordamerikanistik zu einem Schattendasein verdammte –, hat Lips in Lehre und Forschung weiter ihre Themen gefördert und eine ganze Generation von Amerikanisten in der DDR hervorgebracht. Diese konnten ihre Interessen als Wissenschaftler wiederum besonders an den ethnologischen Museen in Leipzig (Lothar Dräger, Rolf Krusche), Dresden (Peter Neumann, Heinz Israel) und Radebeul (Peter Neumann) relativ unbehelligt von politischen Vorgaben weiterverfolgen.13 Das Karl-May-Museum in Radebeul unterstand seit 1955 dem Dresdner Völkerkundemuseum. Noch zu Lebzeiten seines Mitgründers, des Sammlers und Schaustellers Patty Frank (mit bürgerlichem Namen Ernst Tobis, 1876–1959), wurde es 1955/56 von Peter Neumann (1928–1989) wissenschaftlich erschlossen, um den fachlichen Wert der Sammlung zu prüfen und ihre Neuaufstellung vorzubereiten. Neumann, erst Mitarbeiter, dann ab 1972 Direktor des Dresdner Museums, kommentierte dies im Ausstellungsführer von 1987 : „[D]ie Ausstellung verlor [in den 1930er Jahren] an ursprünglichem Bildungswert, da eine totale Überfüllung der Vitrinen und besonders ein verändertes, von Patty Frank beeinflusstes, mehr den romantischen Aspekt bevorzugendes Gliederungsprinzip die Zuordnung der Gegenstände zu bestimmten Indianerkulturen für den Besucher […] oft gar nicht mehr ermöglichte“.14 Dennoch betonte er, dass „der materielle, wissenschaftliche und volksbildende Wert der Bestände […] nicht hoch genug eingeschätzt werden“ könne.15 Unter Hinweis auf die seit dem Umbau der Ausstellung 1962 gestiegenen Besucherzahlen stellte er 1987 rückblickend fest : „Das Museum wurde zu einer echten völkerkundlichen Bildungsstätte“.16 Da Karl May und sein Werk bis in die frühen 1980er Jahre von der DDR-Führung abgelehnt wurden,17 blieb die betont wissenschaftliche Präsentation als ethnografische Sammlung neben der öffentlich nicht zugänglichen Bibliothek, den Karl-May-Memorabilia, seinem Arbeitszimmer und Nachlass faktisch die einzige Rechtfertigung für den Weiterbetrieb des KMM. Dies motivierte schließlich auch die Umbenennung des Museums in „Indianermuseum Radebeul“ von 1956 bis 1984.18 Neumann setzte damit, jenseits von Karl May und „Indianerromantik“, auf einen neuen, ethnologischen Blick auf die „Indianer“, der das Museum in die sozialistische Bildungspolitik integrieren konnte. Ebenso stringent wurde der neue Bildungsauftrag in Leipzig verfolgt. „Prärie-Indianer“ nahmen in der erwähnten ersten Nordamerika-Sonderschau von 1960 (Abb. 1) wie in der ersten Amerika-Dauerausstellung des MVL nach dem Krieg von 1967 eine Hauptrolle ein. Doch dekonstruierten Präsentationen und Broschüren immer wieder die Vorstellung von den Präriekulturen als den prototypischen „Indianern“ und kritisierten deren Romantisierung durch die Populärkultur. Deswegen sollte, wie am KMM, die typologische Ordnung nach Kulturarealen die Diversität des indigenen Nordamerika zeigen und durch wissenschaftliche Klarheit bestechen.19 Ein ähnlich differenzierender Ansatz zeigt sich auch in populärwissen292 I Frank Usbeck
Abb. 1 : Sonderausstellung Prärie-Indianer im Leipziger Museum für Völkerkunde, 1960
schaftlichen Publikationen der Zeit von Eva Lips, mit programmatischen Titeln wie Nicht nur in der Prärie oder Sie alle heißen Indianer.20 Dies entsprach offenbar auch zeitgenössischen Besuchererwartungen, wie Einträge in die Gästebücher des MVL belegen. „Es ist sehr schön, dass einmal die Wirklichkeit des Lebens der Indianer gezeigt wird, um die verschwommenen Bilder zu beseitigen, die aus alten Büchern bekannt sind“, schrieb ein/e Lehrer/in 1960. In einem weiteren Eintrag wurde betont : „Diese Ausstellung war für unsere Schüler sehr lehrreich. Sie unterstützte uns gut in unserer Erziehung zur Völkerverständigung“.21 Diese letzte Bemerkung bestätigt zugleich die politische Ausrichtung der Ethnologie der DDR auf „Völkerverständigung“ und Antiimperialismus, die dann eben in den Museen besonders auch für Schulen nutzbar werden sollte. Nach solchen Argumentationshilfen suchten gerade Lehrkräfte beim Besuch, was sich in ihren zahlreichen Einträgen in die Besucherbücher niederschlägt, mit denen sie die Erfüllung des sozialistischen Bildungsauftrags öffentlich – quasi in einer zivilgesellschaftlich-rituellen Handlung – bestätigten.22 Im Rahmen parteipolitischer Vorgaben und Doktrinen des Kalten Krieges setzten die Museen der DDR mit „Indianer“-Sammlungen daher bald auch auf neue, konkret politische Ausstellungsinhalte. Die Kuratoren thematisierten – teils ihren persönlichen Interessen, teils den offiziellen Forderungen nach mehr Gegenwartsbezug in den Museen folgend23 – soziale Probleme, Bürgerrechtsbewegungen und Souveränitätsforderungen „Indianer !“
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indigener Gruppen in europäischen Siedlerstaaten wie den USA und Australien. Da es den DDR-Museen des „Eisernen Vorhangs“ wegen unmöglich war, in Nordamerika systematisches Gegenwartssammeln zu betreiben, nutzte man jede Gelegenheit, etwa durch Fotos oder Gastgeschenke seltener nordamerikanischer bzw. indigener Delegationen, das Museumspublikum auf die aktuelle Situation aufmerksam zu machen, auch wenn die Präsentationen zwangsläufig wegen des Übermaßes an „Flachware“ oft den Charakter von Wandzeitungen annahmen.24
Hobbyisten als „Laienforscher“ : Museum und Bitterfelder Weg Parallel dazu arbeitete gerade das Leipziger Museum bereits seit den frühen 1960er Jahren auch mit Hobbygruppen der „Indianistik“-Szene der DDR zusammen, was sich für beide Seiten als vorteilhaft erwies. Sammlung und Bibliothek des Museums boten wertvolle Quellen für die Gruppen, die mit offiziellen Klubstrukturen und ihrem Wunsch nach Eintauchen in die Kultur der „Indianer“ zwischen Freiraum und Staatsnähe changierten. Hier konnten sie sich nicht nur über indigene Kulturgeschichte informieren, sondern insbesondere auch über (kunst)handwerkliche Methoden und Materialien. Am Museum konnte also der Blick für Details geschärft und der Grundstein für „authentische“ Handwerksarbeit gelegt werden. Die möglichst originalgetreue eigenhändige Nachbildung von Kleidung, Hausrat, Waffen und Wohnbauten spielte eine große Rolle für die Mitglieder und beeinflusste deren Ansehen innerhalb der Szene. Die Kuratoren standen für Nachfragen geduldig zur Verfügung und gewährten oft auch Zugang zu Objekten im Magazin.25 Über verzweigte informelle Dubletten-Tauschnetzwerke erhielt die Museumsbibliothek aktuelle Bücher und Fachzeitschriften aus dem westlichen Ausland, welche die Szene dann auch regelmäßig nutzte. Die Gruppe „Uhwentsya Karenhata“ (auf Deutsch : „Wo der Ahorn wächst“) aus Leipzig-Paunsdorf machte sogar das intensive Studium der Irokesen – das Spezialgebiet der Gruppe – am MVL zur Vorbedingung für die Mitgliedschaft.26 Zudem erlernten die Klubmitglieder Ausstellungstechniken am Museum, die sie später anwenden konnten. Viele Gruppen sahen es als ihre Aufgabe an, selbst Bildungsarbeit an Schulen, in Betrieben, Kulturhäusern sowie auf FDJ- und 1. Mai-Feiern zu leisten und damit gegen „Indianerklischees“ anzukämpfen. Am MVL organisierte die Tauchaer Gruppe „IG Mandan-Indianer“ 1964 die kleine Vestibülausstellung Wir und die Indianer, in der sie „gute“ „Indianerliteratur“ (Fachbücher und historische Reiseberichte) mit „schlechter“ (Groschenromane) kontrastierte und ihre eigene Handwerksarbeit präsentierte. Gleichzeitig erschien ein Artikel über die Gruppe im Museumsmagazin, verfasst von einem Gruppenmitglied, das als Ausstellungsgestalter am MVL arbeitete.27 Sowohl die Paunsdorfer als auch die Tauchaer Gruppe organisierten bis über 1989/90 hinaus Ausstellungen, die indigene Gegenwartspro bleme und die eigene Arbeit vorstellten.28 Die Kontakte zu den Indianistik-Gruppen nutzten im Gegenzug auch dem Leipziger Museum, denn so konnte es gegenüber der DDR-Führung nachweisen, dass man kulturpoliti294 I Frank Usbeck
sche Programme wie den „Bitterfelder Weg“ umsetzte. Auf der Bitterfelder Kulturkonferenz von 1959 und einigen Folgetagungen legte die SED ein Programm vor, das „Kunst und Leben“ vereinen sollte. Die Geschichtswissenschaft interpretiert dies heute als DDR-Variante einer Kulturrevolution.29 Die neue kulturpolitische Ausrichtung sollte den bürgerlichen und damit als elitär verstandenen Charakter von Kunst und Wissenschaft aufbrechen und eine Brücke zwischen Intelligenz und Arbeiterschaft schlagen. Daher waren Museen angehalten, stärker auf nicht-akademische Publikumsgruppen einzugehen, um das Image des staubigen Elfenbeinturms abzulegen. Wie unmittelbar sich dies auch im Leipziger Museum niederschlug, zeigt ein Text von Ernst Germer im Jahrbuch des MVL von 1965, der eine empirische Besucherstudie vom Winter 1962/63 diskutiert. Bereits die Fragestellungen dieser Studie deuten auf ein hohes Interesse an Volksbildung und einer breiten Popularisierung der Wissenschaft hin. Das Publikum wurde gebeten, Hinweise zu geben, wie das Museum künftig attraktiver für neue Besuchergruppen werden könne. Einige Antworten schlugen daraufhin vor, man solle Anregung und Unterstützung für Laienzirkel und deren (kunst)handwerkliche Interessen geben. Germer griff dies auf und ging noch weiter : „Für wesentlicher halten wir das Anknüpfen von Beziehungen zu Laien, die sich ernsthaft mit dem eigentlichen Gegenstand des Museums – mit der Geschichte, Lebensweise und Kultur anderer Völker – beschäftigen und darin eine sinnvolle Gestaltung ihrer Freizeit finden“.30 Dabei führte er speziell die Indianistik ins Feld. Laienund Lokalhistoriker, auch Hobbyarchäologen unterstützten die Wissenschaft bereits durch Recherchen und als „ehrenamtliche Fundpfleger“. Dies sei für ein Museum außereuropäischer Kulturen schwer umsetzbar, allerdings könnten die Indianistik-Gruppen wertvolle systematische Sammlungen von Zeitungsberichten und Fotos anlegen, wofür der Wissenschaft oft die Zeit fehle. „Erste Schritte auf diesem Weg“, so Germer, „wurden mit der Gruppe ‚Indianistik‘ […] Taucha […] unternommen“.31 Die Kooperation mit der Indianistik half dem Leipziger Völkerkundemuseum also, seinen wissenschaftlichen Bildungsanspruch mit neuen, breiteren Popularisierungskonzepten der SED-Kulturpolitik zu verknüpfen. Die Hobbygruppen waren hier wichtige Partner. Sie machten die Museumsarbeit lebendiger und trugen sie durch eigene Ausstellungen, Infostände und Wandzeitungen in die breitere Bevölkerung. Zudem hatte die Kooperation mit den „Hobbyisten“ noch einen rein praktischen Nutzen für das Museum : Durch ihre intensive „Bastelarbeit“ waren viele Klubmitglieder zu geschickten Kunsthandwerkerinnen und Kunsthandwerkern geworden. Sie führten im Laufe der Jahre dem Museum wiederholt selbst hergestellte Repliken für die Vermittlungsarbeit oder als Ersatz für konservatorisch sensible Objekte zu. So ist das in der Dauerausstellung des Leipziger Museums seit 2008 gezeigte Tipi die Nachbildung eines Originals von 1886, das von der Tauchaer Gruppe gespendet wurde (Abb. 2). Die Kuratoren konnten bei den Gruppen auch gelegentlich Expertise zur Herstellung von Objekten einholen. Wenn etwa ein Mokassin aus dem 19. Jahrhundert zu fragil war, um die Innenseiten genauer zu untersuchen, konnten die Gruppen aus ihrer Erfahrung in „Trial and Error“ berichten, wie bestimmte Nähte gesetzt worden sein mussten, um das gewünschte Ergebnis zu erlangen. Die „Laienzirkel“-Arbeit „Indianer !“
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Abb. 2 : Replik des Tipi von 1886 im GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig, gespendet von der „IG Mandan-Indianer“ Taucha
wurde in Leipzig schließlich institutionalisiert, als das Museum 1978 einen „Jugendklub Völkerkunde“ gründete. Er zog zahlreiche Schülerinnen und Schüler der Grund- und Oberstufen Leipzigs an – viele mit explizitem Interesse an „Indianern“ – und band sogar einige spätere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an das Museum.32 Allerdings scheint die Kooperation mit den Hobbygruppen in Leipzig hauptsächlich wegen der Offenheit des dortigen Museumsteams funktioniert zu haben. Nicht überall wurde die Indianistik als Bereicherung empfunden. Das Dresdner Völkerkundemuseum und die ihm unterstellten Museen in Herrnhut (ab 1975) und Radebeul (ab 1955) lehnten eine offi296 I Frank Usbeck
Abb. 3 : Peter Neumann bei der Wiedereröffnung des Karl-May-Museums in Radebeul, 1985
zielle Zusammenarbeit meist ab. Dies dürfte im Wesentlichen auf den langjährigen Dresdner Direktor Peter Neumann (Abb. 3) zurückzuführen sein, dessen betont wissenschaftlicher Museumsansatz ja bereits ab 1955/56 in Radebeul deutlich geworden war. Zeitzeuginnen und Zeitzeugen erinnern sich, Neumann habe sich wiederholt beschwert, Hobbyisten seien nicht ernst zu nehmen, weil sie keine akademische Ausbildung hätten und daher nicht autorisiert seien, öffentlich über „Indianer“ zu sprechen.33 In der Indianistik-Szene halten sich Gerüchte, Neumann habe Klubmitgliedern die Anstellung am Museum verwehrt. Indes wusste er aber zum Beispiel durchaus, dass der von ihm 1976 berufene stellvertretende Leiter des Herrnhuter Museums Stephan Augustin im Klub „Tatonka Olbernhau“ engagiert war.34 Auch die Herrnhuter Ausstellungen wurden von Indianistik-Interessierten frequentiert.35 Die vielfältigen Vermittlungsveranstaltungen des MVD, darunter etwa eine ethnologische Vortragsreihe an der Dresdner Volkshochschule, wurden ebenso wie die MVD-Forschungsbibliothek gelegentlich von lokalen Indianistik-Fans besucht. Jedoch sprachen sie gegenüber dem Museum offenbar lieber von völkerkundlichen Interessen, als die Indianistik zu erwähnen.36 Vermutlich resultierte die Distanziertheit einiger Mitarbeiter des Museums aus Erfahrungen, die sich aus schaustellerischen Aspekten der Indianistik erklärten : Manche der Klubs traten bei Volksfesten und im DDR-Fernsehen mit spektakulären Showeinlagen wie Mes„Indianer !“
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serwerfen auf, was an die Tradition US-amerikanischer und deutscher Wildwest-Shows der 1880er bis 1930er Jahre anknüpfte. Einige Klubs waren im frühen 20. Jahrhundert sogar im Kontext solcher Shows gegründet worden, Mitglieder der späteren Radebeuler Gruppe hatten für die Wildwest-Show des Dresdner Zirkus Sarrasani gearbeitet.37 Möglicherweise wurde wegen dieser Nähe zum Spektakel der Indianistik der wissenschaftliche Ernst abgesprochen und die Szene generell im Kontext von Fasching und Zirkus verortet. Umso bemerkenswerter ist es, dass die Indianistik gegen Ende der DDR schließlich doch auch am von Dresden aus verwalteten Radebeuler KMM ihre Spuren hinterlassen hat. In den frühen 1980er Jahren wurde das Museum erneut umgebaut : Die „Villa Shatterhand“, die ehemalige Wohnung Karl Mays, wurde nun als biografischer Teil der Ausstellung für Besucher geöffnet und das Haus 1985 wieder in Karl-May-Museum rückbenannt. Dies steigerte die Besucherzahlen ähnlich wie nach dem auf wissenschaftliche Genauigkeit orientierten Umbau der ethnografischen Ausstellung von 1962 erneut enorm. Die Neuausrichtung wurde entsprechend intensiv in den DDR-Medien dokumentiert. So drehte die DFF-ReportageReihe Ansichtskarte eine Sendung für das Weihnachtsprogramm 1986. Der Dresdner Direktor Neumann war hier in der „Villa Bärenfett“, dem Blockhaus, das seit den 1920er Jahren als Ausstellungsraum des Museums diente und in dem auch Patty Frank gewohnt hatte, in einem Sessel neben loderndem Kaminfeuer zu sehen. Während er Waffen und Kleidung verschiedener Stämme erklärte, schwenkte die Kamera immer wieder auf einen jungen Mann in Lendenschurz und Mokassins, der den Einsatz verschiedener Geräte demonstrierte. Es war der Kurator des Herrnhuter Museums, der hierfür seine alten, im Rahmen der Indianistik selbst hergestellten Kleidungsstücke trug.38 Es lässt sich nicht mehr klären, wie und von wem die dramaturgischen Entscheidungen für die Sendung getroffen wurden, die teils deutlich mit Motiven der „Indianerromantik“ spielte. Sie bestätigt jedoch eindringlich die Macht der Medien und der Populärkultur, deren Einflüssen in einer sich öffnenden DDR-Museumspolitik der 1980er Jahre auch der Dresdner Museumsdirektor letztlich erlag, als die Sendung seinen wissenschaftlichen Vortrag im Fernsehen subtil mit dem Spaß am Rollenspiel der Indianistik verknüpfte. Einen weiteren Bezug zur Indianistik gab es damals im letzten Ausstellungsraum der Villa Bärenfett, der bis in die 1950er Jahre hinein der Schlacht am Little Bighorn von 1876 gewidmet gewesen war und nach dem neuerlichen Umbau von 1984/85 allgemein „Freiheitskampf-Raum“ hieß. Hier wurden neben dem Kernthema, der sogenannten „Custerschlacht“ am Little Bighorn, die Indianerkriege des späten 19. Jahrhunderts sowie die militärische und soziokulturelle Unterdrückung der indigenen Bevölkerung der USA in der Zeit der Reservate diskutiert. In diesem Raum gestalteten Mitglieder der „IG Indianistik Triptis“ eine Wandvitrine zum Thema „Bürgerrechtsbewegung“ (Abb. 4). Fotos, Karten und Pressemeldungen erläuterten darin die Entwicklung der Red-Power-Bewegung und von deren Organisationen wie dem American Indian Movement seit den 1960er Jahren. Über einen Zeitraum von etwa drei bis vier Jahren wurde die Vitrine, die aus in DDR-Museen seit den 1960er Jahren etablierten klaren Ausstellungsmodulen bestand, von den Klubmitgliedern regelmäßig aktualisiert.39
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Abb. 4 : Wandvitrine „Bürgerrechtsbewegung“ im Karl-May-Museum in Radebeul, 1985
Die Triptiser Gruppe gehörte zu einer Strömung innerhalb der Indianistik der DDR, die sich in den 1970er Jahren stark politisiert hatte und aktiv direkte Solidarität mit der indigenen Bürgerrechtsbewegung förderte. Zu diesem Zweck gründeten sich viele Gruppen neu oder aus alten Gruppen heraus und es entstanden Netzwerke wie die „IG Indianer heute“ (1973) oder der zentrale „Solidaritäts-Arbeitskreis“ (1983). Bis Mitte der 1980er Jahre stieg die Zahl der Indianistik-Gruppen in der DDR auf über fünfzig um mehr als das Dreifache.40 Denkbar ist, dass die neuen Gruppen wegen ihrer politischen Aktivität und des Gegenwartsbezugs Museologen wie Neumann weniger suspekt erschienen als jene, denen man Lagerfeuerromantik und Wildwest-Spektakel unterstellte.41 Mit ihrem Verweis auf aktuelle (moderne) Freiheitskämpfe der indigenen Bevölkerung der USA, mit denen sich die DDR selbstbewusst vom kapitalistisch geprägten Westen zu distanzieren suchte, hatten die Museen ,den Finger am Puls der Zeit‘, denn diese Themen fügten sich nicht nur in kulturpolitische Vorgaben zu Museen als sozialistischen Bildungsstätten ein, sondern tauchten auch in anderen Erscheinungen der DDR-Populärkultur immer wieder auf (Abb. 4).
„Indianer !“
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Museen und „Indianer“ im Kontext der DDR-Popkultur Die Museen in Dresden, Leipzig und Radebeul wie die Indianistik der DDR sind dabei in einem intensiven Kontext kulturell-medialer Ost-West-Abgrenzung zu sehen, der ihre Entwicklung maßgeblich mit beeinflusste : „Indianer“ eroberten seit den 1960er Jahren Film und Fernsehen in der DDR. Diese Programmentscheidungen fielen oft mit Blick nach Westen. Angesichts der Expansionspolitik der USA im 19. Jahrhundert und der problematischen Situation ethnischer Minderheiten in den USA waren „Indianer“ wirksame Propagandasymbole. Kritische Berichte über indigene Gruppen in den USA waren ideal für DDR-Ideologen, weil sie damit die Probleme des politischen Gegners anprangern und am Image des reichen Landes der Freiheit kratzen konnten. Daher wundert es nicht, dass auch das DDR-Fernsehen früh indigenen Widerstand und soziale Ungleichheit thematisierte. Schon 1964, fünf Jahre bevor spektakuläre Aktionen von Red Power wie die Besetzung der Insel Alcatraz 1969 weltweite Medienaufmerksamkeit fanden, berichtete die Aktuelle Kamera über Protestaktionen um Fischereirechte an der Nordwestküste.42 Solche Meldungen in Presse und Fernsehen der DDR nahmen in den 1970er und 1980er Jahren zu. Einen signifikanten Beitrag lieferte die Rivalität zwischen Ost und West nicht zuletzt im Kino. Bereits 1962 erschien mit Der Schatz im Silbersee die erste einer langen Reihe von KarlMay-Verfilmungen in der Bundesrepublik. Da Karl May, trotz des Verbots von Neuauflagen und öffentlicher Diskreditierung im SED-Staat bis 1983, nach wie vor auch in der DDR sehr beliebt war, setzte die DEFA den überaus populären westdeutschen Karl-May-Filmen 1965 bis 1985 eine Reihe von sechzehn eigenen Indianerfilmen und Western entgegen, vorrangig mit Gojko Mitić in der Hauptrolle. In fast allen dieser Filme waren „Indianer“ die Hauptcharaktere, aus deren Perspektive die Geschichten erzählt wurden. Das Setting war maßgeblich auf eine Kritik des USamerikanischen Imperialismus ausgerichtet : Die indigenen Protagonisten gerieten in Konflikt mit dem kapitalistischen System an sich, das weiße Bösewichte stellvertretend repräsentierten.43 Um sich weiter von den Karl-May-Filmen abzugrenzen, die oftmals gängige Indianerklischees kolportierten, legte die DEFA besonderen Wert auf ethnografische Korrektheit. Daher wurden die Kuratoren des Leipziger Museums wiederholt als Berater hinzugezogen, um historischen Kontext und Requisiten für bestimmte Ethnien authentisch wiedergeben zu können. Das Herrnhuter Museum organisierte unter anderem eine ausverkaufte Aufführung des ersten Films der Reihe, Die Söhne der Großen Bärin. Der begleitende wissenschaftliche Vortrag würdigte dabei auch die Rolle der Autorin Liselotte Welskopf-Henrich (1901–1979) für die ethnohistorisch korrekte Darstellung des indigenen Nordamerika in der DDR.44 Zwar blieb der Museumseinfluss auf die konkrete Umsetzung der Filme letztlich gering – die Produktionen sollten vor allem emotional und actiongeladen und gleichzeitig ideologisch eindeutig sein. So setzte Konrad Petzold, Regisseur einiger der Filme, seine Ideen gegenüber fachlichen Bedenken der Kuratoren unter Verweis auf das Primat ideologischer Vorgaben durch.45 Das Leipziger Museum unterstützte die Filme aber dennoch zumindest bei der Herstellung originalgetreuer Requisiten wie Waffen, Alltagsgegenstände oder „Friedenspfeifen“. Ausstellungsgestalter des Museums fertigten zahlreiche Repliken ohne offiziellen Auftrag an und erhielten 300 I Frank Usbeck
bei Lieferung im Studio in Babelsberg ebenso inoffiziell beispielweise einen Satz dringend benötigter Lichttechnik für ihre Ausstellungen.46 Damit persiflierte die Notwendigkeit, die Probleme der DDR-Versorgungslage zu meistern, im Endeffekt auf ironisch-praktische Weise selbst im Bereich „Indianer“ die filmisch wie museal präsentierte ideologische Überlegenheit des Sozialismus.
Fazit Trotz neuer ideologischer Ausrichtung setzten die Völkerkundemuseen der DDR nach dem Krieg die Tradition ihrer Häuser fort, indem sie ihre verhältnismäßig kleinen NordamerikaSammlungen prominent in Ausstellungen und Vermittlung präsentierten. Sie profitierten dabei von der seit der Kaiserzeit ungebrochenen „Indianerbegeisterung“ und dem Aufleben einer neuen ostdeutschen Indianistik-Szene. Die Ausstellungen und Bildungsangebote halfen, dieses Interesse sogar noch weiter zu fördern. Mit ihrem Fokus auf Volksbildung konnten die Museen das politisch eigentlich suspekte Interesse an „Amerika“ bündeln, kulturell und historisch einordnen und damit gegenüber der Führung des Landes letztlich politisch rechtfertigen.
Anmerkungen 1 2 3 4 5 6
Gästebuch 1954–59, GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig. Vgl. Blesse 1994, S. 54. Dräger 1962, S. 189. Penny 2013, S. 11 f. Ebd., S. XI ; vgl. dazu auch Lutz 1985 ; Usbeck 2015. Penny 2013, S. XII. Soweit nicht anders gekennzeichnet, stammen alle Übersetzungen aus dem Englischen vom Autor dieses Beitrags. 7 Vgl. Usbeck 2018 ; Penny 2013, S. 157–251. 8 Penny 2006, S. 798. 9 Penny 2013, S. 11 f. 10 Vgl. Dräger 1992, S. 35. Dazu zählt auch das Völkerkundemuseum Herrnhut mit seiner großen Inuit-Sammlung, das seit 1975 dem MVD unterstand. Daneben gab es noch kleinere Sammlungen, u. a. in Halle, Gotha oder Wörlitz. 11 Der Schriftverkehr dazu von Museen und der Direktorin des Instituts für Ethnologie an der KarlMarx-Universität Leipzig, Eva Lips, wird derzeit in Radebeul erforscht. 12 Vgl. Blesse 1994, S. 49. Konkrete Aufstellungen der Kriegsverluste ergeben sich aus Listen für die Planung der Dauerausstellung von 2008, die als Word-Dokumente vorliegen. 13 Dräger 1992, S. 36. 14 Neumann 1987, S. 3. 15 Peter Neumann an Werner Kotte (Sammelstiftung Dresden), 24.11.1955, in : Archiv des Museums für Völkerkunde Dresden, Nachlass Peter Neumann (unsortiert). 16 Neumann 1987, S. 4. „Indianer !“
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17 Vgl. Heermann 1995. 18 Vgl. www.karl-may-museum.de/de/ueber-uns/museum/geschichte/ (Stand 12.7.2020). Das KMM fokussierte sich in dieser Zeit ganz auf Nordamerika. Die nicht-amerikanischen Objekte lagerten damals im Magazin des MVD. 19 Vgl. Dräger 1962 ; Dräger 1968 ; Dräger 1969. 20 Lips 1974a ; Lips 1974b. 21 Gästebuch Juni 1960 – Dez. 1962, GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig. 22 Vgl. Dellit 2012. 23 Siehe dazu auch den Beitrag Ludwig in diesem Band. 24 Vgl. Dräger 1962, S. 197 ; Dräger 1968, S. 40–46 ; Dellit 2012, S. 18. 25 Persönliches Gespräch mit Rolf Krusche, 23.11.2018 ; Telefonat mit Lothar Dräger, 2.2.2019. 26 Vgl. Rosche 1990, S. 6. 27 Vgl. Freyer 1964. 28 Vgl. IG Mandan-Indianer 2008 ; persönliches Gespräch mit Siegfried Jahn, Akteur der Leipziger Indianistik-Szene, 7.11.2018. 29 Vgl. Gillen 2012. 30 Germer 1965, S. 140. 31 Ebd., S. 140 f. 32 Persönliches Gespräch mit Birgit Scheps-Bretschneider, GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig, 7.2.2019. 33 Vgl. Turski 1994, S. 59 f. 34 In persönlichen Gesprächen mit Klubmitgliedern wurde dem Autor dieses Beitrags wiederholt, oft vom Hörensagen über Dritte, von solchen Personalentscheidungen Neumanns berichtet. Augustin hingegen bekräftigt, dass zumindest bei seiner Einstellung seine privaten Interessen keine Rolle spielten. 35 Email Stephan Augustin, 15.7.2020. 36 Telefonat mit Volkmar Göschka, früher „Chief“ der Indianistik-Gruppe Triptis, 6.7.2020. 37 Vgl. Conrad 1999, S. 464 ; persönliches Gespräch mit Siegfried Jahn, 7.11.2018. 38 Vgl. Ansichtskarte Karl-May-Museum Radebeul, 25.12.1986, in : Deutsches Rundfunkarchiv, IDNR 020081 ; Email Stephan Augustin, 15.7.2020. 39 Telefonat mit Volkmar Göschka, 6.7.2020. 40 Vgl. Turski 1994, S. 28. 41 Siehe dazu auch die Beiträge Ludwig und Karge in diesem Band. 42 Aktuelle Kamera, Marlon Brando protestiert gegen Unterdrückung von Indianern, 3.5.1964, in : Deutsches Rundfunkarchiv, IDNR 372520. 43 Vgl. Raundalen 2005 ; Torner 2013. 44 Email Stephan Augustin, 30.7.2020. Das genaue Datum der Vorführung (1976–1989) lässt sich nicht mehr verifizieren. 45 Persönliches Gespräch mit Rolf Krusche, 23.11.2018 ; Gespräch mit Lothar Dräger, 2.2.2019. Bei Aufräumarbeiten im MVL-Depot wurde 2018 auch Drägers Arbeitsexemplar des Drehbuchs für den DEFA-Film Spur des Falken von 1968 gefunden. 46 Gespräch mit Johannes Thümmler, damals Restaurator am MVL, 11.1.2019.
302 I Frank Usbeck
Uta Bretschneider
AGRARG E S C H I C HTE I M „ A R B E ITE R-U N D- BAU E R N -STA AT “ Freilichtmuseen in der DDR
Es gibt wenige Museumsgattungen, die für den selbsternannten „Arbeiter-und-Bauern-Staat“ DDR so symptomatisch und bedeutsam waren, wie Freilichtmuseen.1 Zu ihrem Themenkanon gehörten das Wohnen und Wirtschaften im Dorf, die Mechanisierung und technische Entwicklung in der Landwirtschaft, die Bodenreform nach 1945 und die Kollektivierung ab 1952, auch die Industrialisierung der Landwirtschaft in den 1970er Jahren. Die Stichpunkte verweisen bereits auf zentrale Funktionen, die den Museen zukommen sollten, oder zukamen : Herrschaftslegitimierung und -stabilisierung.2 So galt es, in erster Linie Erfolgsgeschichten von Entwicklung und Fortschritt sowie der Überlegenheit des Sozialismus in den Ausstellungen und musealen Inszenierungen zu erzählen. In jedem Bezirk der DDR sollte mindestens ein „Agrarhistorisches Museum“ dieser Art eingerichtet werden. Ausgewählte Beispiele werden im Beitrag in den Blick genommen und bezüglich ihrer Genese in der Zeit der DDR betrachtet. Dabei stehen folgende Fragen im Mittelpunkt : Welche Konzepte zwischen Denkmalschutz und sozialistischer Bildung wurden für die Freilichtmuseen im spezifischen Setting der SED-Diktatur diskutiert ? Was davon wurde tatsächlich umgesetzt ? Welche Machtmechanismen und Politiken spiegeln die Freilichtmuseen im „Arbeiter-und-Bauern-Staat“ wider ? Was geschah in den „Wende-Wirren“ mit den Einrichtungen ? Und wie geht man heute mit der Zeit der DDR im Sinne einer Selbstmusealisierung um ? Zur Beantwortung dieser Fragen wurden unter anderem sämtliche Ausgaben der ab 1958 erst von der Fachstelle für Heimatmuseen, ab 1966 vom Rat für Museumswesen3 als zentralen museumspolitischen Fachinstanzen der DDR herausgegebenen Neuen Museumskunde herangezogen.4
Rahmen : Skansen in der DDR 1891 eröffnet, gilt Skansen in der Nähe von Stockholm als erstes Freilichtmuseum der Welt. Es folgten – auch in Deutschland – weitere Gründungen vor dem Zweiten Weltkrieg, etwa Diesdorf bei Salzwedel 1911, Rudolstadt 1913/14 und Cloppenburg 1934. (Diesdorf und Rudolstadt galten später in der DDR als „bürgerliche Freilichtmuseen“, die „von konservativ-reaktionären Gesellschaftsvorstellungen geprägt“ gewesen seien.5) Die 1960er Jahre brachten eine maßgebliche Gründungswelle in Westdeutschland mit Kommern in der Eifel, Detmold und Molfsee Agrargeschichte im „Arbeiter-und-Bauern-Staat“
I 303
Abb. 1 : Museumsführer Agrarhistorisches Museum Alt Schwerin, 1972
bei Kiel wie parallel dazu auch in Ostdeutschland mit Alt Schwerin (Abb. 1) in Mecklenburg, Landwüst im Vogtland und Schönberg in Mecklenburg. Die meisten Freilichtmuseen der DDR wurden jedoch in den 1970er Jahren ins Leben gerufen. Anders als die frühen Gründungen, die auf die Initiative Einzelner zurückzuführen waren, entstanden nun Freilichtmuseen unter staatlicher „Begleitung“. Räte für Kultur, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Vertreterinnen und Vertreter der Denkmalpflege der DDR wirkten dabei zusammen. 1966 formulierte Karl Baumgarten (1910–1989), der sich, seit 1958 Leiter der Rostocker Wossidlo-Forschungsstelle der Deutschen Akademie der Wissenschaften,6 intensiv für die mecklenburgische Volkskunde engagierte : „Auch in unserer Zeit hat der Skansen-Gedanke an seiner Bedeutung keineswegs eingebüßt. Im Gegenteil, mit zunehmender Modernisierung und Technisierung des Lebens und der Arbeit in unseren Dörfern erweist sich das Freilichtmuseum mehr und mehr als einzige Möglichkeit, wertvolle Volksarchitektur denkmalpflegerisch zu betreuen.“7 Und der DDR-Museologe und -Historiker Klaus Schreiner (1929–1991), ab 304 I Uta Bretschneider
1963 Direktor des Freilichtmuseums in Alt Schwerin, konkretisierte 1970, ein solches Museum sollte „eine Forschungs- und Bildungsstätte [sein], die ausgewählte gegenständliche, bildliche, bestimmte schriftliche u. ä. originale Sachzeugen der Natur bzw. Gesellschaft auf dem Gebiet der Agrikultur systematisch sammelt, erforscht, erhält und wissenschaftlich begründet sowie künstlerisch-pädagogisch gestaltet – ausstellt und damit der sozialistischen Bildung, Erziehung, Forschung und Publikation im Bereich verschiedener Fachwissenschaften sowie der Erholung der Werktätigen im Rahmen einer sinnvollen Freizeitgestaltung nutzbar macht.“8 Offensiv rückten Baumgarten und Schreiner die Freilichtmuseen, die zuvor für Volkskultur und Heimatbewegung, zudem für eine nicht unproblematische NS-Geschichte gestanden hatten, so mit betont sozialistischer Ausrichtung von Mecklenburg aus für die gesamte DDR auf die Agenda. Und auch die Hauptsammelgebiete wurden dafür entsprechend sachlich, wissenschaftlich verortet und gegenwartsbezogen neu definiert : Umweltbedingungen, Nutzpflanzen, Nutztiere, die Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte, Landbevölkerung, gesellschaftliche Bedingungen und Produktionsverhältnisse, Wirtschaftsgebäude und ländliche Siedlungen.9
Freilichtmuseumsgründungen : Planungen und Umsetzungen im spezifischen Setting der SED-Diktatur Den Gründungen von agrarhistorischen Museen unter staatlicher Ägide in den 1970er Jahren war eine Grobinventarisation vorausgegangen. Alte Bauten im neuen Dorf, so lautete der programmatische Titel einer in den Jahren 1962 bis 1970 vom Kulturbund der DDR10 und der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin gemeinsam durchgeführten Fragebogenaktion. Ziele des Projekts waren : die Sammlung neuer Nutzungsmöglichkeiten für historische Gebäude, die Luftbildinventarisation des gesamten ländlichen Raums der DDR, die detaillierte Inventarisation einzelner Gebäude durch interessierte Laien, die Festlegung, welche Gebäude denkmalwürdig sind, sowie – ganz allgemein – die Intensivierung der Hausforschung.11 Es wurden Dorf-Fragebögen erarbeitetet, die Lage, Infrastruktur, Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner, Wirtschaftsstruktur, Bauformen und -material sowie die Dorfgeschichte erfragten,12 und Gebäude-Fragebögen, die Lage, Baubeschreibung, Nutzungsformen, Erhaltungszustand und Geschichte konkreter Bauwerke festhielten.13 Im 1962 veröffentlichten Aufruf zum Vorhaben hieß es : „Die bisherige bauliche Struktur unserer Dörfer, die die Entwicklung der bäuerlichen Produktionsweise widerspiegelt und weitgehend aus den Bedürfnissen der Einzelwirtschaft gewachsen ist, entspricht weder den Anforderungen der sozialistischen Großwirtschaft noch den Bedürfnissen eines kulturvollen Wohnens und Lebens. Im Zuge der sozialistischen Umgestaltung auf dem Lande wird sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auch das bauliche Bild unserer Dörfer tiefgreifend wandeln.“14 Die Aktion, die auch vor diesem Hintergrund Vorhandenes zu erfassen suchte, verlief indes schleppend. Die ambitionierten Ziele wurden bei weitem nicht erreicht und eigentlich fand keine systematische Auswertung des Materials statt. Jedoch sensibilisierte die Präsenz Agrargeschichte im „Arbeiter-und-Bauern-Staat“
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des Themas – verstärkt durch eine Wanderausstellung sowie mehrere Broschüren – sicher den einen oder die andere für den Denkmalschutz.15 Für die historische Bausubstanz waren zeitgenössisch drei wesentliche Nutzungen denkbar : Die Gebäude konnten demnach „neue[n] gesellschaftliche[n] Funktionen“ dienen, „privaten Wünschen dienstbar“ gemacht werden oder eben in Freilichtmuseen Aufnahme finden.16 Freilichtmuseen wiederum konnten wahlweise als Denkmalhof, als regionales oder zentrales Freilichtmuseum konzipiert sein.17 1960 diskutierte man in der Fachwelt überdies die Gründung eines zentralen Freilichtmuseums für die gesamte DDR in Ost-Berlin : „Die besondere Lage Berlins läßt es geboten erscheinen, hier nach dem Vorbild von Bukarest ein zentrales Dorfmuseum aufzubauen, das von den typischen Volksbauten aus allen Gebieten der Deutschen Demokratischen Republik ein gutes Beispiel enthält und das neben der historischen Entwicklung die neuen landwirtschaftlichen Produktionsverhältnisse aufzeigt. Dadurch wird den Bestrebungen, landschaftsgebundene Dorfmuseen oder auch Bauernhausmuseen an Ort und Stelle zu errichten, kein Abbruch getan.“18 Sechs Jahre später ging Karl Baumgarten noch davon aus, dass mindestens vier größere Freilichtmuseen für die DDR geschaffen werden sollten (dabei dachte er weiterhin in der Struktur der Länder, die 1952 durch die Bezirke ersetzt worden war) : ein Museum in Mecklenburg, eins für Brandenburg und Sachsen-Anhalt zusammen sowie jeweils eins in Thüringen und Sachsen.19 Während der Prähistoriker Werner Radig (1903–1985), trotz NS-Vergangenheit inzwischen ebenfalls an der Deutschen Akademie der Wissenschaften arriviert, zeitgleich konstatierte : „Da es höchste Zeit ist, in der DDR ein gleichmäßiges Netz solcher regionaler Freilichtmuseen über die Bezirke zu spannen, hat unsere Aussprache vom April 1965 in der Kommission für Heimatforschung der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin ergeben, daß es dringend erwünscht ist, in einem Ausschuß, der aus Hausforschern und Denkmalpflegern besteht, eine gültige Auswahl von wertvollen Altbauten in möglichst jedem Bezirk zu schaffen, die im Zuge dieser ‚Museumsbewegung‘ erhalten werden, als Dokumente der Vergangenheit und Bildungsstätten der sozialistischen Gegenwart.“20 Die Hauptstadt der DDR erhielt kein zentrales Freilichtmuseum. Im Gegenteil, die Idee eines „Netzes von Freilichtmuseen“ sollte über die Zeit des Bestehens der DDR das erklärte Ziel bleiben. Dieses Ideal spiegelt sich etwa auch im offiziellen DDR-Handbuch Wir besuchen ein Museum von 1976 wider, in dem es neben der Abbildung eines von Jugendlichen besichtigten Museumshofs (Abb. 2) heißt : „Die Entwicklung in der Landwirtschaft vom leibeigenen Bauern zum sozialistischen Genossenschaftsbauern und vom Holzpflug zum Agrarflugzeug dokumentieren zwischen Rostock und Suhl vielbesuchte Freilichtmuseen.“21 Heute aber wissen wir : Es war ein sehr grobmaschiges Netz von Freilichtmuseen, das in der DDR tatsächlich entstand. So stellte der seit 1965 im Rat für Museumswesen aktive Alt Schweriner Museumsleiter Klaus Schreiner schon 1970 fest : „In der DDR, wo sich seit 1945 durch die demokratische Bodenreform und besonders jetzt unter den sozialistischen Bedingungen in den Dörfern ein stürmischer Veränderungsprozeß vollzieht, gibt es trotz der damit logischerweise verbundenen Notwendigkeit zur forcierten Errichtung von Freilichtmuseen, um wertvolle Altgebäude und Exponate zu retten, ein ernstes Zurückbleiben auf diesem Gebiet. Während in vielen sozialistischen und kapitalistischen Staaten Europas – auch in Westdeutschland – 306 I Uta Bretschneider
Abb. 2 : Jugendliche im Freilichtmuseum, vermutlich Schwerin-Mueß, frühe 1970er Jahre, publiziert in : Wir besuchen ein Museum 1976, S. 41
Agrargeschichte im „Arbeiter-und-Bauern-Staat“
I 307
Abb. 3 : Agrarhistorisches Museum Kloster Veßra im Aufbau, 1970er Jahre
zahlreiche repräsentative Freilichtmuseen bestehen, sind in der DDR diesbezüglich nur erste Anfänge vorhanden.“22 Aus heutiger Perspektive lässt sich anfügen : Daran hat sich seit den 1970er Jahren und über das Ende der DDR hinaus nur wenig geändert. In den frühen 1970er Jahren allerdings schienen zunächst auch andere Dimensionen möglich. 1973 formulierte der an der Akademie der Wissenschaften verortete Arbeitskreis für Hausund Siedlungsforschung in der DDR gemäß den Forderungen des Zentralkomitees der SED auf seiner Jahrestagung den Bedarf von insgesamt achtzehn Freilichtmuseen und weiteren „Museumshöfen“.23 In jedem Bezirk der DDR sollte daher mindestens ein Freilichtmuseum eingerichtet oder ein bestehendes „profiliert“, also im Zuge der vom Rat für Museumswesen zentral koordinierten DDR-Museumspolitik mit einem bestimmten Schwerpunkt ausgebaut werden. Der Arbeitskreis ging von insgesamt dreihundert Museumsgebäuden aus. Neben den elf bereits im Aufbau befindlichen Freilichtmuseen und drei Museumshöfen schlugen die Akteurinnen und Akteure sieben Neugründungen vor : in Stolpe, Schielo, Wintzingerode, Windischleuba, Nitschareuth, Kriebethal und Oybin.24 Wobei Standortentscheidungen immer auch von touristischen Überlegungen getragen waren. Der Arbeitskreis plante 1973 die Einrichtung von Baubrigaden in den Bezirken, die die Translozierungen realisieren sollten. Als Zeitraum waren mindestens fünfzehn Jahre angedacht. Pünktlich zum Ende der DDR hätten demnach die achtzehn Freilichtmuseen bestehen sollen. Wissenschaft und Museumspolitik der DDR spielten hier eng zusammen. Aber zur Neugründung der sieben genannten Einrichtungen sollte es nicht mehr kommen. Dafür wurde ein Projekt noch Mitte der 1970er Jahre realisiert : 1973 schrieben Baumgarten und sein Kollege Hans-Jürgen Rach (geb. 1940) vom Institut für deutsche Volks308 I Uta Bretschneider
kunde an der Akademie der Wissenschaften der DDR über das in Kloster Veßra im Bezirk Suhl zu gründende Freilichtmuseum : „Der durch die vorhandene Klosterruine schon heute viel besuchte und durch die günstige Verkehrslage (Eisenbahnanschluß, Fernstraßenverbindung) leicht erreichbare Ort bietet sich an, da hier sowohl die bäuerlichen Verhältnisse Südthüringens als auch die des Thüringer Waldes günstig darstellbar sind.“ Weiter hieß es zu den Inhalten des Museums : „Darstellung und Interpretation der Lebensweise und Kultur der werktätigen Dorfbevölkerung dieses Raumes, unter besonderer Betonung der bäuerlichen Verhältnisse Südthüringens und der Heimarbeit und Gewerbetätigkeit im Thüringer Wald. Damit verbunden werden sollte eine ausführliche Darstellung der Entwicklung der agrarischen und gewerblichen Produktivkräfte (möglichst vom 16./17. Jahrhundert bis in die Gegenwart).“25 1975 wurde der Vorschlag in Kloster Veßra umgesetzt und das „Agrarhistorische Museum des Bezirks Suhl“ gegründet (Abb. 3). Ein Jahr später erschien die erste kleine Publikation, in der das Ziel der Einrichtung klar umrissen wurde : „Zeugnisse darstellen […] über die historische Entwicklung im Südthüringer Raum, insbesondere über die umfassenden historischen Errungenschaften einer sozialistischen Landwirtschaft unter den Bedingungen der Arbeiter-und-Bauern-Macht in der DDR. Die Erhaltung dieses romanischen Baudenkmals und seine sinnvolle gesellschaftliche Nutzung wird dazu beitragen, unseren Bürgern neue Erkenntnisse und Schönheiten über unsere sozialistische Heimat und Vergangenheit zu eröffnen.“26 1978 begann man mit der Translozierung des ersten Fachwerkhauses. Es wurde in Witzelroda bei Bad Salzungen abgebaut, in Einzelteilen nach Kloster Veßra transportiert und dann – unter Verwendung moderner Baustoffe, etwa für die Ausfachungen – wiedererrichtet. Im selben Jahr wurde die Ausstellung Von der einzelbäuerlichen Wirtschaft zur sozialistischen Großproduktion in der Landwirtschaft des Bezirkes Suhl eingeweiht. Zehn bis fünfzehn Gebäude sah die Vorlage aus dem Jahr 1973 für das Museum in Kloster Veßra vor (Abb. 4). Bis heute sind es dreizehn geworden.
Freilichtmuseen im „Arbeiter-und-Bauern-Staat“ : Machtmechanismen und Kulturpolitiken Aus kulturpolitischer Perspektive verfolgten die Freilichtmuseen zwei Hauptziele : das Bewahren und die Erziehung. Das Bewahren war in Zeiten des Umbruchs besonders relevant, denn zwei Zäsuren prägten die ländlichen Lebens- und Architekturwelten der DDR : die Bodenreform der Jahre 1945 bis 1948, die die Zerschlagung der Gutswirtschaften und die Entstehung von Neubauernstellen zur Folge hatte, und daneben die Kollektivierung der Landwirtschaft in den Jahren 1952 bis 1960. Beide Zäsuren wirkten sich rasch auch auf die dörflichen Architekturen aus. Gutsgebäude wurden abgerissen oder umgebaut, es entstanden Neubauernhäuser als Typenbauten und mit den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) wurden Wohnblöcke und Zweckarchitekturen aus Betonfertigteilen auch im ländlichen Raum errichtet. Agrargeschichte im „Arbeiter-und-Bauern-Staat“
I 309
Abb. 4 : Aufbau eines translozierten Fachwerkhauses im damaligen Agrarhistorischen Museum des Bezirks Suhl, 1980
310 I Uta Bretschneider
Immer wieder führten Akteurinnen und Akteure der Freilichtmuseen die sich zeitgenössisch vollziehenden Wandlungen in den Dörfern der DDR ins Feld. So schrieb Schreiner 1970 : „Der Modernisierung der dörflichen Wirtschaft und Wohnkultur entsprechen die alten traditionellen ländlichen Wohn- und Wirtschaftsgebäude früherer Zeiten nicht mehr. Es gilt jedoch, einige der charakteristischen, wertvollen und noch vorhandenen alten Gebäudeanlagen (nebst Ausstattung) der verschiedenen historischen Entwicklungsstufen zu erhalten, und zwar vorwiegend als bedeutende Belege der Volksarchitektur, Lebens-, Arbeitsweise, Kulturleistung und gesellschaftlichen Struktur der Landbevölkerung ; sie dienen unersetzbar der wissenschaftlichen Forschung, Bildung und Erziehung. Eben das ist das Hauptanliegen der Freilichtmuseen.“27 Im Zitat kommt zugleich das zweite Motiv zum Ausdruck : der Erziehungsgedanke, der in der DDR offen ideologisch eingebettet war. Dazu die offizielle Lesart von 1980 : „Mit ihren spezifischen Mitteln und Methoden leisten die Museen ihren Beitrag für die Entwicklung sozialistischer Persönlichkeiten. Sie nehmen verstärkt Einfluß auf die Entwicklung neuer sozialistischer Kulturbedürfnisse und fördern aktiv die Verwirklichung der kulturschöpferischen Rolle der Arbeiterklasse, die Erziehung der jungen Generation und die weitere Ausprägung der sozialistischen Lebensweise. Die Prinzipien des sozialistischen Patriotismus sowie des proletarischen und sozialistischen Internationalismus durchdringen die Arbeit der Museen.“28 Ganz klar war für Freilichtmuseen der Blickwinkel vorgegeben : „Das agrarhistorische Freilichtmuseum muß ein schönes sozialistisches Dorf sein ; der Besucher soll bei einem Rundgang durch die anschauliche Gegenüberstellung die Vorzüge des Sozialismus gegenüber der Vergangenheit erkennen.“29 Freilichtmuseen sollten also Differenzerfahrungen ermöglichen. Die eigene, modern technisierte Gegenwart war dabei wichtige Bezugs- und Vergleichsgröße auch im historischen Zusammenhang. Zugleich kommt hier eine herrschaftslegitimierende Funktion der Freilichtmuseen zum Ausdruck, wobei natürlich nur Erfolgsgeschichten erwünscht waren. Das offizielle DDR-Credo des musealen Sammelns der eigenen Gegenwart, das Identität und gesellschaftliche Selbstvergewisserung fördern sollte, ab etwa 1980 wieder stärker regional verankert,30 fand direkten Niederschlag in den ostdeutschen Freilichtmuseen. Während im Westen der Sammlungszeitraum in den 1970er Jahren, etwa in Detmold, von 1500 bis 1900 reichte, bäuerliche Tradition und vorindustrielle ländliche Kultur im Zentrum standen, war die Perspektive in der DDR eine andere : Es ging um einen eng an Enteignung und Volkseigentum gekoppelten „sozialistischen Heimatbegriff“ und zugleich darum, auf der Folie des Vergangenen den Fortschritt des eigenen Systems zu illustrieren (Abb. 5).31 Die Freilichtmuseen der DDR waren zudem in einem weiteren kulturpolitischen Kontext zu sehen : 1966 fand die erste Internationale Konferenz der Agrarmuseen in Liblice in der damaligen ČSSR statt. Unter den etwa achtzig Teilnehmenden waren Vertreterinnen und Vertreter aus der ČSSR, der Sowjetunion, den Volksrepubliken Polen und Ungarn, aus Jugoslawien, der Bundesrepublik, Schweden, Frankreich, Holland sowie aus Österreich.32 Immer wieder wurde hier als strahlendes Beispiel „Das Museum des Dorfes“ in Bukarest genannt. Aber trotz aller ideologischen Grenzziehungen blickte man damals in der DDR nicht nur ins befreundete „sozialistische Ausland“. Kommern etwa wurde Mitte der 1960er Jahre ebenfalls Agrargeschichte im „Arbeiter-und-Bauern-Staat“
I 311
Abb. 5 : Kücheneinrichtungen im Museum : Landarbeiterwohnung (um 1920), Genossenschaftsbauernwohnung im Altbau (ca. 1960–1969) und im Neubau (ab 1970), Postkarte aus dem Agrarhistorischen Museum Alt Schwerin, o. J.
wiederholt als zukunftsweisendes Beispiel angeführt.33 Allerdings machte die Rhetorik des Kalten Kriegs auch vor den Freilichtmuseen nicht halt. So betonte man 1973 : „Die Haus- und Siedlungsforscher der DDR werden jeden Erkenntnisfortschritt in den Arbeiten von Hausund Siedlungsforschern in der BRD minutiös registrieren und würdigen und sich zugleich gegen Auffassungen und Konzeptionen in der Integration der Phänomene wenden, die nicht den Erfordernissen des welthistorischen Fortschritts entsprechen.“34 Innerhalb der Freilichtmuseumslandschaft der DDR nahm unterdessen das seit 1963 bestehende Agrarhistorische Museum Alt Schwerin unter Schreiner eine zentrale Stellung ein. Es sollte als „Konsultationspunkt“ und „Leitmuseum für Agrargeschichte“ dienen.35 Das Besondere hier war, dass nicht ein Museumsareal „auf der grünen Wiese“ entstand, sondern ein bewohntes Dorf in Teilen zum Museum gemacht wurde. Wobei man Wert darauf legte, auch die damals aktuellen ländlichen Lebenswelten mit präsentieren zu können, etwa in Form von 1969/70 errichteten Wohnblocks am Dorfrand.36 In den Freilichtmuseen Hohenfelden und Blankenhain, die 1979 und 1981 eröffneten, sowie in Altranft aus den 1970er Jahren setzte man ebenfalls auf eine gezielte Einbeziehung auch der aktuellsten Gegenwart und auf In-situ-Objekte. Gemäß damaliger Darstellung aus Gründen der „Authentizität“, tatsächlich jedoch wohl vor allem wegen mangelnder technischer 312 I Uta Bretschneider
Möglichkeiten. Translozierungen hätten die technologischen und logistischen Kapazitäten der DDR-Realität vielfach gesprengt.37
Nach-Leben : Die ostdeutschen Freilichtmuseen in den „Wende-Wirren“ Zwei ostdeutsche Freilichtmuseen, Diesdorf und Rudolstadt, bestanden schon vor 1949, zwölf weitere wurden in den vierzig Jahren des Bestehens der DDR realisiert : Alt Schwerin, Alt ranft im Oderbruch, Blankenhain in Westsachsen, Hohenfelden bei Erfurt, Klockenhagen in Mecklenburg, Kloster Veßra, Landwüst im Vogtland, Lehde im Spreewald, Seiffen im Erzgebirge, Schwerin-Mueß sowie als kleinere Museen Göhren auf Rügen und Schönberg in Mecklenburg. Übersicht der Freilichtmuseen in Ostdeutschland Name
Bundesland
Gründung bzw. Eröffnung
1
AGRONEUM Alt Schwerin
Mecklenburg-Vorpommern
1963
2
Bechelsdorfer Schulzenhof als Außenstelle des Volkskundemuseums Schönberg
Mecklenburg-Vorpommern
1965/66
3
Brandenburgisches Freilichtmuseum Altranft
Brandenburg
1970er
4
Deutsches Landwirtschaftsmuseum Schloss Blankenhain
Sachsen
1981
5
Erzgebirgisches Freilichtmuseum Seiffen
Sachsen
1971
6
Freilandmuseum Lehde
Brandenburg
1957
7
Freilichtmuseum Diesdorf
Sachsen-Anhalt
1911
8
Freilichtmuseum Klockenhagen
Mecklenburg-Vorpommern
1970
9
Freilichtmuseum Schwerin-Mueß
Mecklenburg-Vorpommern
1970
10
Hennebergisches Museum Kloster Veßra
Thüringen
1975
11
Museumshof Göhren
Mecklenburg-Vorpommern
1971
12
Thüringer Freilichtmuseum Hohenfelden
Thüringen
1979
13
Vogtländisches Freilichtmuseum Eubabrunn | Landwüst
Sachsen
Landwüst 1968 ; Eubabrunn 1995
14
Volkskundemuseum „Thüringer Bauernhäuser“ Thüringen
1913/14
Nach dem Ende der DDR verloren diese Museen ihre herrschaftslegitimierende und -stabilisierende Funktion. Die immer gleichen Erfolgsgeschichten von Entwicklung und Fortschritt wichen neuen Sagbarkeiten. Doch die neuen Handlungsspielräume wollten und konnten zunächst in den „Wende-Wirren“ nicht genutzt werden. Denn die Auflösung der TrägerstrukAgrargeschichte im „Arbeiter-und-Bauern-Staat“
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turen, nämlich der Kreise bzw. seltener der Bezirke, mit der Friedlichen Revolution 1989/90 brachte viele Freilichtmuseen in existenzielle Krisen. Kolleginnen und Kollegen aus der Bundesrepublik setzten sich daraufhin maßgeblich für den Erhalt der Freilichtmuseen im Ostteil Deutschlands ein. So fand im Oktober 1990 in Detmold ein Symposium zu Perspektiven der ostdeutschen Freilichtmuseen statt, in dessen Folge 1991 die „Detmolder Resolution“ verabschiedet wurde. Darin heißt es unter anderem : „Freilichtmuseen haben die Aufgabe, einzelne Hauslandschaften oder spezielle agrarhistorische, handwerklich, technische oder industrielle Bauentwicklungen im sozioökonomischen und sozioökologischen Zusammenhang zu dokumentieren. Die vorhandenen Kultureinrichtungen haben diesen Auftrag bisher sehr ernst genommen. Es ist daher zum jetzigen Zeitpunkt dringend notwendig, zunächst einmal den vorhandenen Bestand zu sichern und zusammenzuhalten. Oft fehlen die minimalsten Unterhaltungsmittel und jedwede Sicherungsmaßnahme gegen Ausplünderung.“38 Was hier nach Nachkriegsszenario klingt, war eine weitsichtige Einschätzung, denn tausende vormalige DDR-Bürgerinnen und -Bürger verkauften ihre „historischen Schätze“ nach 1989/90 an über die Dörfer fahrende Antiquitätenhändler. Einen solchen Ausverkauf befürchtete man auch für die Freilichtmuseen. Weiter forderte die Resolution : „Um die Kontinuität der Arbeit der Freilichtmuseen zu gewährleisten, sie auf Dauer zu sichern und auf das allgemeine europäische Niveau anzuheben, sind alle verantwortlichen Politiker und administrativen Kräfte jetzt aufgerufen, sofort lebensfähige und zukunftsweisende Trägerschaften für die Museen zu veranlassen.“39 Doch es blieb ein brüchiges Terrain, wie das Beispiel Kloster Veßra zeigt : In Kloster Veßra wurde eine neue Trägerschaft für das Freilichtmuseum erst 2004 gefunden, nachdem die Anlage 1994 in die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten eingebracht worden war. Seither ist das Museum Mieter des Areals. Der Träger seit 2004 ist der Hennebergisch-Fränkische Geschichtsverein e. V. und das Museum genießt die institutionelle Förderung des Landes Thüringen. Dennoch gingen die Umbrüche nicht spurlos an Kloster Veßra vorüber : 1990 gehörten dreißig Festangestellte zum Team – wenige Jahre später sollten es zehn weniger sein. Auch die Namen der ostdeutschen Freilichtmuseen wurden in den Jahren des Umbruchs neu verhandelt. So wurde in Kloster Veßra aus dem „Agrarhistorischen Museum des Bezirks Suhl“ das „Hennebergische Museum Kloster Veßra“. Und natürlich mussten ebenso die musealen Inhalte neu befragt werden. Ausstellungen mit starkem Ideologiebezug verschwanden. Im neuen Pferdestall in Kloster Veßra wurde etwa die 1986 eröffnete Schau Die Agrarpolitik der SED im Bezirk Suhl seit 1945 im Jahr 1994 durch die bis heute gezeigte Präsentation Henneberg durch Land und Zeit ersetzt.
Selbstmusealisierung : Umgang mit der eigenen DDR-Vergangenheit Gegenwärtig zählt die Fachgruppe Freilichtmuseen im Deutschen Museumsbund etwa vierzig Mitgliedsmuseen. Darunter finden sich gerade einmal fünf ostdeutsche Freilichtmuseen. Dabei bestehen – je nach Definition – auf dem Gebiet der ehemaligen DDR vierzehn grö314 I Uta Bretschneider
Abb. 6 : Ausstellung im AGRONEUM in Alt Schwerin, Ende der 1980er Jahre und heute, Foto 2014
Agrargeschichte im „Arbeiter-und-Bauern-Staat“
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ßere und kleinere Freilichtmuseen. Und die ostdeutsche Freilichtmuseumslandschaft ist keine statische : Um das Jahr 2019 wurden die Möglichkeiten einer Neugründung in Wilsdruff bei Dresden geprüft. Im Januar 2019 erfolgte der Zusammenschluss der Museen in Landwüst und Eubabrunn, letzteres erst 1995 eröffnet, zum „Vogtländischen Freilichtmuseum Eubabrunn | Landwüst“ unter dem Dach der Vogtland Kultur GmbH. Vermutlich gibt es in allen ostdeutschen Freilichtmuseen bis heute Bereiche, die sich als „Museum ihrer selbst“ bezeichnen ließen, die noch die DDR-Vergangenheit widerspiegeln. In Kloster Veßra wurde zum Beispiel erst Mitte 2019 eine Ausstellung zur Flachsverarbeitung abgebaut, die vor 1980 entstanden war. In Alt Schwerin, wo das Freilichtmuseum seit 2012 als AGRONEUM firmiert, hat man einen besonderen Weg des Umgangs mit der DDR-Vergangenheit gewählt, der sich sicher diskutieren lässt. Im vormaligen Kulturhaus des Ortes entstand kurz vor dem Ende der DDR eine umfangreiche und damals hochaktuelle Ausstellung zur Geschichte der Landwirtschaft. Auch nach dem Umbau und vielen Veränderungen im AGRONEUM ist die Schau gänzlich unverändert zu sehen (Abb. 6). Einzig ein Schild im Eingangsbereich weist darauf hin, dass es sich um ein „Gesamtexponat“ handelt. In Kloster Veßra wurde 2020 das 45jährige Bestehen des Freilichtmuseums mit einem dezentralen Ausstellungsprojekt begangen, das unter anderem und besonders die Entstehung des Museums beleuchtete. Gezeigt wurden 45 sprechende Objekte zur Geschichte, darunter auch Gästebücher. Dafür wurden alle Bücher seit der Gründung der Einrichtung 1975 gesichtet – eine wunderbare Quellengattung. Aber das wäre ein eigenes Thema.40
Anmerkungen 1 Freilichtmuseen wurden dabei in der DDR als eine Form der „Agrarhistorischen Museen“ betrachtet. 2 Mit der herrschaftslegitimierenden Funktion von Museen in der DDR hat sich Jan Scheunemann in seiner Dissertation (Scheunemann 2009) facettenreich auseinandergesetzt, allerdings endet seine Untersuchung 1971 und somit vor der „Freilichtmuseums-Gründungswelle“ in der DDR. 3 Zur „Durchsetzung der sozialistischen Kulturpolitik auf dem ‚Bitterfelder Weg‘“ wurde 1965 der Rat für Museumswesen ins Leben gerufen, der am Ministerium für Kultur der DDR verortet war, vgl. Statut des Rates für Museumswesen 1965, S. 271. Der „Bitterfelder Weg“ sollte die Entwicklung hin zur „sozialistischen Nationalkultur“ vorzeichnen und selbige für die Kreise der sogenannten Werktätigen zugänglich machen. Ende 1965 wurde die Umsetzung allerdings bereits wieder gestoppt. 4 Herausgeber der Zeitschrift waren 1958–1963 : Fachstelle für Heimatmuseen beim Ministerium für Kultur, 1964/65 : Zentrale Fachstelle für Heimatmuseen beim Ministerium für Kultur, 1965/66 : Zentrale Fachstelle für Heimatmuseen beim Ministerium für Kultur im Auftrage des Rates für Museumswesen der Deutschen Demokratischen Republik, 1966–1985 : Rat für Museumswesen beim Ministerium für Kultur der Deutschen Demokratischen Republik ; ab 1986 : Institut für Museumswesen der Deutschen Demokratischen Republik. Bis 1963 mit dem Untertitel : Informationsorgan über die Arbeit der kulturgeschichtlichen und naturkundlichen Museen in der Deutschen Demokratischen Republik, 1964 : Organ der historischen, kulturgeschichtlichen und naturkundlichen Museen in der Deutschen Demokratischen Republik, danach : Theorie und Praxis der Museumsarbeit. 1991 wurde die Zeitschrift eingestellt.
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5 Baumgarten/Rach 1973, S. 25 f. 6 Die nach dem Nestor der mecklenburgischen und Mitbegründer der deutschen Volkskunde Richard Wossidlo (1859–1939) benannte Forschungsstelle war 1954 als Außenstelle des Instituts für Deutsche Volkskunde der Berliner Akademie der Wissenschaften gegründet worden. 7 Baumgarten 1966, S. 25. 8 Schreiner 1970, S. 21. 9 Ebd., S. 21 f. 10 Zur zentralen Lenkung der Heimatbewegung in der DDR durch den Kulturbund vgl. Schaarschmidt 2003. 11 Heimerdinger 2002, S. 304 f. 12 Fragebogen zur Erfassung historischer Siedlungen und Bauten auf dem Lande. I. Ortskarteiblatt, in : Alte Bauten im neuen Dorf 1963, S. 92–95. 13 Fragebogen zur Erfassung historischer Siedlungen und Bauten auf dem Lande. II. Haus und Hof, Einzelbauwerke, Gebäudeteile, in : ebd., S. 96–99. 14 Aufruf zur Erfassung historischer Siedlungen und Bauten auf dem Lande, in : ebd., S. 89. 15 Vgl. Heimerdinger 2002, S. 320 f. Die eingereichten Fragebögen werden heute im Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde in Dresden aufbewahrt, vgl. ebd., S. 306–309. 16 Baumgarten 1966, S. 20. 17 Vgl. ebd., S. 21 f. 18 Steinmann 1960, S. 248, Hervorhebung im Original ; zur Kritik daran siehe Noack 1960. 19 Baumgarten 1966, S. 23. 20 Radig 1966, S. 40 f.; zur „Kulturarbeit auf dem Lande“ und zu Funktionen und Indienstnahmen von Heimatmuseen siehe Scheunemann 2009, S. 273 ff.; zu Radig vgl. Strobel 2005. 21 Wir besuchen ein Museum 1976, S. 40. 22 Schreiner 1970, S. 23. 23 Vgl. Baumgarten/Rach 1982, S. 323. An anderer Stelle schlagen sie neunzehn Museen vor, Eggenstedt im Bezirk Magdeburg wurde hier zusätzlich genannt, vgl. Baumgarten/Rach 1973, S. 41. 24 Baumgarten/Rach 1982, S. 326. 25 Ebd., S. 339. 26 Beiträge zu Kloster Veßra 1976, S. 3. 27 Schreiner 1970, S. 23. 28 Die Hauptaufgaben der Museen 1978, S. 4. 29 Schreiner 1970, S. 25. 30 Siehe dazu auch die Beiträge Ludwig und Karge in diesem Band. 31 Vgl. auch Schaarschmidt 2003. 32 Vgl. Schreiner 1967, S. 197–199. 33 Dazu siehe auch Happe 2006, S. 85 ; Baumgarten 1966, S. 18–25 ; Radig 1966, S. 25–41. 34 Baumgarten/Rach 1973, S. 38b. 35 Schreiner 1978, S. 167. 36 Vgl. ebd., S. 168. 37 Für Hinweise und Anregungen zu diesem Punkt und anderen danke ich Michael Happe, Sprecher der Fachgruppe Freilichtmuseen im Deutschen Museumsbund. 38 Detmolder Resolution der Freilichtmuseen der ehemaligen DDR, in : Freilichtmuseen 2006, S. 193. 39 Ebd., S. 194. 40 Derweil ist ein kleiner Beitrag zum Thema erschienen : Bretschneider/Hoppe 2020. Agrargeschichte im „Arbeiter-und-Bauern-Staat“
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Martin P. M. Weiss
D I E „PO LY TE C H N I S C H EN MU S E E N“ DE R DDR
In Westdeutschland kursierte zu DDR-Zeiten ein Witz, dass es in Ostdeutschland keine Technikmuseen gebe, weil dort die ganze alte Technik noch in Gebrauch sei. Während man dies einerseits als Ausdruck eines einem ideologischen Narrativ folgenden westdeutschen Überlegenheitsgefühls insbesondere in den letzten beiden Jahrzehnten der DDR sehen kann, steckt in dem Witz andererseits doch auch ein Kern Wahrheit : Tatsächlich gab es im SED-Staat nur wenige Technikmuseen. Museumsleute in der DDR prangerten dies selbst an. So liest man in einem Beitrag von 1969 in der DDR-Fachzeitschrift Neue Museumskunde : „Es muß uns gelingen, die inhaltliche und strukturelle Gestaltung des Netzes der Museen mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit in Übereinstimmung zu bringen und vor allem den Bereich der technischen Museen unter Berücksichtigung traditioneller sowie gegenwärtig und künftig strukturbestimmender Zweige der Volkswirtschaft zu entwickeln.“1 Und auch zwei Dekaden später wurde in einer der letzten Ausgaben der Zeitschrift vor dem Fall der Mauer der Missstand noch immer beklagt. Von insgesamt 743 Museen in der DDR, hieß es 1989, seien nur 54 Naturkunde- und lediglich 43 Wissenschafts- oder Technikmuseen. Man kritisierte inzwischen offen, „[dass] die im Verhältnis […] wenigen naturkundlichen und technischen Museen sowohl dem Vorkommen von Sachzeugen als auch dem Informations- und Wissensbedarf der Gesellschaft nicht mehr gerecht werden.“2 Die geringe Anzahl technischer Museen im SED-Staat ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund interessant, dass Wissenschaft und Technik im Kalten Krieg eine zentrale Rolle spielten : im Hinblick auf die Entwicklung von Militärtechnik im Rahmen des Wettrüstens ebenso wie im öffentlichen Diskurs im Kontext der Systemkonkurrenz. Beide Machtblöcke, West wie Ost, investierten viel, um zu demonstrieren, dass aus den Grundfesten ihres Gesellschaftssystems heraus jeweils sie am verantwortungsvollsten zum Wohl ihrer Bürger wie der Menschheit mit aktuellsten Entwicklungen in Wissenschaft und Technik umzugehen verstanden.3 Dass es in der DDR vergleichsweise wenig Technikmuseen gab, erstaunt aber auch deswegen, weil Ostdeutschland bereits seit den 1950er Jahren über ein reges Museumswesen verfügte, das später auch international Anerkennung fand.4 Schon die Herausgabe der Zeitschrift Neue Museumskunde seit 1958 kann als Hinweis darauf gelten. Ebenso wurde in der DDR früh, ab 1954, ein erster spezifischer Ausbildungsgang für künftige Museumsleute eingerichtet.5 Auch außerhalb der DDR bekannt waren etablierte Häuser wie das HygieneMuseum in Dresden, das internationale Wanderausstellungen organisierte und sich nach 1945 bewusst von seiner Instrumentalisierung als Propagandaort für „Rassenhygiene“ in der NS-Zeit distanzierte.6 Das 1952 gegründete Museum für Deutsche Geschichte in Ost-Berlin agierte als Leitinstitution auf nationaler Ebene, während eine Vielzahl kleiner HeimatmuDie „Polytechnischen Museen“ der DDR
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seen die Museumslandschaft der DDR in den 1950er Jahren auch regional mit propagandistischem Bildungsauftrag prägte.7 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage umso drängender, warum bis zum Ende der DDR gerade technische Museen nicht stärker gefördert wurden, obwohl Museen bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts als öffentlichen Foren in staatlicher Regie eine wegweisende gesellschaftliche Rolle zugeschrieben wurde.8 Allein deshalb hätte sich das Museum im Repertoire der Medien, über die ein staatlich gewünschtes Technikbild hätte unterstrichen werden können, auch für die DDR angeboten. Und tatsächlich gab es in den 1950er Jahren eine durchaus starke Initiative für ideologisch ausgerichtete neue Technikmuseen in der DDR. Als eigener DDR-Museumstyp rückten hier die „Polytechnischen Museen“ auf die offizielle Agenda. Erste Konzepte für ein Netzwerk solcher Museen, die regionale Industriezweige einem möglichst breiten, vorwiegend jungen Publikum auf interaktive Weise unter Einbezug historischer Entwicklungen und Artefakte nahebringen sollten, wurden in der DDR bereits in den frühen 1950er Jahren entwickelt. Schon bald kam der neue Museumstyp allerdings ins Straucheln : Zwar trugen in der Folge mehrere Museen den Titel „Polytechnisch“, in den 1970er Jahren wurden jedoch fast alle von ihnen wieder umbenannt und die ursprüngliche Ausrichtung geriet deutlich in die Kritik. Das ab 1955 lancierte DDR-Konzept der Polytechnischen Museen soll in diesem Essay aus zeitgenössischen Quellen heraus9 in seinen Optionen wie in seinem Scheitern näher beleuchtet werden – auch um präzisere Erklärungsmuster für die geringe Präsenz technischer Museen in der DDR liefern zu können sowie einen Beitrag zu leisten zu einem besseren Verständnis des medialen Rahmens, innerhalb dessen im SED-Staat Debatten zu wissenschaftlichen und technischen Themen geführt wurden.
Die Konzeption polytechnischer Museen 1955–1960 Öffentlich wurde ein Plan für die Etablierung polytechnischer Museen in der DDR erstmals im Dezember 1955 vom Mitglied des Zentralkomitees der SED Gerhart Ziller (1912–1957), als ehemaliger DDR-Minister für Maschinenbau damals Sekretär für Wirtschaftspolitik im ZK, auf dem ersten Jahreskongress der Kammer der Technik (KdT) in Ost-Berlin vorgestellt. Die 1946 vom FDGB gegründete KdT war als Fachzusammenschluss von Ingenieuren, Wissenschaftlern und Technikern das ostdeutsche Pendant zum traditionsreichen, bis heute bestehenden Verein Deutscher Ingenieure (VDI) im Westen. Nach einem Plädoyer für die Einführung von Standardisierungen und Normen und nachdem Ziller immer wieder betont hatte, wie wichtig Ingenieure und die Entwicklung moderner Maschinen für die Wirtschaft der DDR seien, wandte er sich beim KdT-Kongress Ende 1955 auch der Idee polytechnischer Museen zu. Ein Zeitungsbericht unter dem auch für die neue Museumsidee aussagekräftigen Titel Weltniveau der Technik erreichen und überholen zitierte später aus Zillers Rede : „Es ist z. B. durchaus an der Zeit, polytechnische Museen zu schaffen. […] Wichtige, technisch-historische Anschauungsmaterialien stehen uns zur Verfügung. […] 320 I Martin P. M. Weiss
Ich glaube, daß die Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker begeistert mitarbeiten werden bei der Sammlung, Sichtung und Aufstellung dieses Materials. Ebenso bei der richtigen Anordnung der Erklärungen, der historischen Darstellungen, die sich in weitem Bogen von den Anfängen der Technik bis zu unseren heutigen modernen technischen Ausrüstungen erstrecken sollten.“10 An anderer Stelle erläuterte Ziller, selbst technischer Zeichner und Maschinenbauingenieur, wie die neuen polytechnischen Museen gestaltet werden sollten : „In solchen Museen kann für die Jugend, für alle Werktätigen gezeigt werden, und zwar an Hand von technischhistorischen Originaldokumenten, Funktionsmodellen und grafischen Darstellungen, unter welchen Bedingungen und wie sich die Produktivkräfte der Gesellschaft entwickelten.“ Ziel sei es, „die Schwerpunkte der gegenwärtigen und der künftigen Entwicklung [zu veranschaulichen] und damit zugleich eine große Erziehungsarbeit [zu] leisten.“ Auch über geeignete Orte war 1955 bereits nachgedacht worden : „Man sollte also z. B. die Entwicklung des Schiffbaues in Rostock zeigen, die Entwicklung des Textilmaschinenbaus in Magdeburg, die Entwicklung des Fahrzeugbaus in Zwickau usw.“11 Damit hatte Ziller die wichtigsten Charakteristika polytechnischer Museen genannt, die in den Debatten der folgenden Jahre immer wieder auftauchten : Es sollte ein dezentrales Netz dieser Museen geben ; jedes Museum sollte regionale Industriezweige thematisieren ; sie sollten historische Entwicklungen mit einbeziehen und auf diese Weise aktuelle technische Entwicklungen vermitteln ; möglichst anschauliche Exponate sollten angeboten werden ; die Museen sollten sich in erster Linie an die Jugend wenden. Der explizit auf die Jugend bezogene Bildungsauftrag erklärt dann auch die Bezeichnung der neuen Museen als „polytechnisch“. Die Ursprünge des Begriffs „Polytechnik“ liegen in der Pädagogik des 19. Jahrhunderts. Der Begriff bezeichnet in seiner allgemeinsten Form eine gezielte Verbindung von Theorie und Praxis, besonders im technischen Bereich. Technische Hochschulen werden in vielen Ländern bis heute mit ihm in Verbindung gebracht. Marx befürwortete das polytechnische Bildungsprinzip, auch Lenin und vor allem seine Frau Nadeschda Krupskaja (1869–1939) griffen es auf und schrieben dem Wort „polytechnisch“ so eine feste Bedeutung innerhalb des marxistisch-leninistischen Begriffskanons zu. Die DDR adaptierte den Begriff entsprechend für ihre Bildungspolitik.12 In den 1950er Jahren wurde das Bildungssystem der DDR nach polytechnischen Prinzipien komplett neu ausgerichtet. Dies mündete 1959 im „Gesetz über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens in der Deutschen Demokratischen Republik“ in das Credo, die Schule habe die Aufgabe, die Jugend „zu allseitig polytechnisch gebildeten Menschen zu erziehen“. Und weiter wurde betont : „Durch den polytechnischen Unterricht wird die Kluft zwischen Theorie und Praxis, Schule und Leben überwunden. Auf der Grundlage der polytechnischen Bildung wird das wissenschaftliche Niveau des gesamten Unterrichts, besonders in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern, wesentlich erhöht.“13 In diesem ambitionierten bildungspolitischen Kontext schlug Ziller nun im Dezember 1955 vor, die „Arbeitsgemeinschaft Geschichte der Technik“ der KdT solle ein Konzept für die Etablierung polytechnischer Museen ausarbeiten – und prompt wurden Einladungen für Die „Polytechnischen Museen“ der DDR
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ein erstes Treffen dazu noch im Januar 1956 versandt.14 Zillers Vorschlag kam für die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft damals allerdings auch keineswegs überraschend. Vielmehr war Ziller bereits im Vorfeld von der Gruppe aktiviert worden. Es ist heute nur noch schwer nachvollziehbar, welchen Anteil Ziller selbst dann an der Konzeption polytechnischer Museen im Vorfeld der KdT-Tagung noch hatte. Denn nur zwei Jahre später, Ende 1957, wählte Ziller den Freitod, nachdem er mit Ulbricht in wirtschaftspolitischen Fragen in Konflikt geraten war.15 In der DDR sind danach offenbar kaum noch Dokumente zu dieser „persona non grata“ aufbewahrt worden. Alle weiteren Quellen legen unterdessen nahe, dass Ziller mit seiner Rede von 1955 zwar der Idee polytechnischer Museen entscheidenden Auftrieb verlieh, andere hingegen die eigentlich treibenden Kräfte hinter dem Konzept waren. So scheint die Schlüsselfigur bei der Entwicklung sämtlicher Pläne für polytechnische Museen in der DDR der junge Dresdner Fritz Leuschner (1920-ca. 1986) gewesen zu sein. Der Diplom-Gewerbelehrer war seit 1953 wissenschaftlicher Assistent am Institut für Geschichte der Technik und Naturwissenschaften der TU Dresden.16 Dort traf er 1955, wenige Monate vor dessen Rede, ZK-Mitglied Ziller gemeinsam mit einem anderen Kollegen. Einem anonymen Tagebuch zufolge, das eine Chronologie der Entwicklung polytechnischer Museen in der DDR enthält und dessen Verfasser offenbar eng in diesen Prozess eingebunden war – wahrscheinlich war es Leuschner selbst –, wurde bei diesem Treffen in Dresden der Weg für Zillers Vorstoß bei der Tagung der KdT bereitet.17 Und mehr noch : Auch vor dem von Ziller angeregten ersten Treffen der technikhistorischen Arbeitsgemeinschaft zu polytechnischen Museen am 20. Januar 1956 war innerhalb der Arbeitsgemeinschaft bei vorbereitenden Treffen bereits im Juli 1954 und Mai 1955 über Technikmuseen und polytechnische Bildung diskutiert worden, die Saat war in Sachsen also bereits seit 1954 gesät.18 Im Zuge des ersten Treffens wurde dann eine kleinere Arbeitsgruppe gegründet, die in der Folge den Vorschlag zu polytechnischen Museen weiter konkretisierte – allerdings ohne dass diese Arbeit innerhalb der KdT selbst weitere greifbare Früchte tragen konnte. Denn bereits zwei Jahre später, 1958, gab die KdT die Verantwortung für die Etablierung polytechnischer Museen an das Ministerium für Volksbildung ab. Die Gründe dafür sind undurchsichtig – möglicherweise hatte dies auch mit Zillers politischem Sturz zu tun. Im Tagebuch wird angedeutet, dass nicht zuletzt finanzielle Erwägungen eine entscheidende Rolle spielten. So wären zur Umsetzung der entwickelten Pläne etwa fünf Millionen Mark erforderlich gewesen, in jedem Budget eine stattliche Summe.19 Aber auch äußere Einflüsse wie der erfolgreiche Start der Sputnik-Satelliten im Herbst 1957, der in Ost wie West als Ausdruck der Führung des Ostblocks im Bereich technischer Innovation und Bildung wahrgenommen wurde, könnten zur neuen ministeriellen Anbindung der polytechnischen Museen geführt haben. Was auch immer die Gründe für den Wechsel der Zuständigkeiten waren, am Ministerium für Volksbildung, das seit 1958 vom Wirtschaftswissenschaftler Alfred Lemmnitz (1905–1994) geleitet wurde, wurde die Entwicklung der Pläne nun jedenfalls zunächst intensiv fortgesetzt. Im Frühjahr 1959 wurde im Ministerium eins der ausführlichsten Konzeptpapiere zu den polytechnischen Museen vorgelegt.20 Darin wurde festgehalten, für jedes der Museen solle als 322 I Martin P. M. Weiss
„Endzustand erstrebt werden“ : „a) räumlich – 1. Gesamtausstellungsfläche 3000 bis 3500 m² – 2. Lagerraum 500 bis 1000 m² – 3. Werkstatt für Tischler-, mechanische, Elektro-Graphische, und fotografische Arbeiten – 4. Vortragssaal, der mit Film- und Dia-Vorführungsmöglichkeiten ausgerüstet und zur Durchführung von Experimenten geeignet ist. – 5. Besprechungszimmer – 6. Arbeitsraum für das Personal – 7. Garderobe und sanitäre Anlagen – 8. Verkaufsstand – b) personell – 1. Ein Leiter – 2. Eine Sekretärin mit Haushaltskenntnissen – 3. Eine technische Zeichnerin, die zugleich Fotoarbeiten übernehmen kann – 4. 3 technische Hilfskräfte“. Für die Ausstellungsgestaltung wurde aufgrund der „vielfältigen Aufgabenstellung“ als Untergliederung empfohlen : „1. Eine Abteilung, in der die geschichtliche Entwicklung der Technik von der Urgemeinschaft bis in unsere Zeit anhand der typischen Beispiele, getrennt nach Perioden, aufgezeigt wird. Sie darf höchstens 20 % der Gesamtausstellungsfläche umfassen. 2. Eine Abteilung, in der die technischen und ökonomischen Erfolge unserer Wirtschaftspläne zur Darstellung gelangen. 3. Den Schwerpunkt des Museums bildet die Abteilung, in der die Industrie in ihrem neuzeitlichen Entwicklungsstand propagiert wird. Der Aufbau des Museums sollte daher mit dieser Abteilung begonnen werden. 4. Eine Abteilung, die für Wechselausstellungen mit volkswirtschaftlich bedeutsamen technischen Themen dient.“ Außerdem wurde festgelegt, in welchen Städten welche Industriezweige thematisiert werden sollten. Aus der Liste geht hervor, dass die Gründung von dreizehn Museen in zwölf Städten angestrebt wurde.21 Aber auch wenn in Magdeburg bereits 1958 ein neu eröffneter Teil des Kulturhistorischen Museums zu einer „polytechnischen Ausstellung“ erklärt worden war, wurden aus dem am Ministerium für Volksbildung erarbeiteten detaillierten Konzept mit inzwischen markant ideologisch-propagandistischem Anspruch offenbar später doch nie konkrete Richtlinien abgeleitet. Im Tagebuch wird lakonisch vermerkt, die Leitlinien hätten das Ministerium nie verlassen.22 Trotzdem erfuhr das grundsätzliche Vorhaben, ein Netz polytechnischer Museen in der DDR einzurichten, kurz vor dem Mauerbau noch die Sanktion von allerhöchster Stelle. So wurde am 17. Mai 1960 im Zentralkomitee der SED beschlossen : „In allen Bezirken ist systematisch mit dem Aufbau polytechnischer Museen zu beginnen.“23 Tatsächlich waren zu diesem Zeitpunkt neben der Magdeburger Ausstellung bereits zwei weitere Museen, in Potsdam und in Pirna, mit dem Label „polytechnisch“ versehen worden und drei weitere Museen – in Augustusburg (Abb. 1), Dresden und Schwerin – sollten bis 1966 folgen. Das Konzept schien also um 1960 faktisch gesetzt in der DDR. Entsprechend veröffentlichte Leuschner in der Neuen Museumskunde 1959 einen Artikel mit dem bezeichnenden Titel Polytechnische Museen nun auch in der Deutschen Demokratischen Republik. Auf fünf Seiten erläuterte er hier die Prinzipien polytechnischer Museen und stellte das Projekt der Gründung eines Netzwerks vor.24 Der Artikel ist auch deshalb bemerkenswert, weil Leuschner in ihm darauf verwies, dass es in Prag, Warschau und auch Moskau bereits polytechnische Museen gebe und man sich daran orientiert habe. Das Konzept wurde damit über die DDR hinaus zu einem des Ostblocks. Auffällig ist jedoch, dass diese Orientierung an anderen Ländern des Die „Polytechnischen Museen“ der DDR
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Abb. 1 : Zweitakt-Motorrad-Museum Augustusburg mit modern inszenierter Ausstellung, 1961 als Polytechnisches Museum gegründet, publiziert 1962 in der Neuen Museumskunde
Ostblocks zwar öffentlich angeführt, in den internen Protokollen der Gruppen, die bei der KdT und dann am Ministerium Konzepte dazu erarbeiteten, aber an keiner Stelle erwähnt wurde. Offenbar sollte der internationale Bezug dem Modell weiteren Nachdruck geben.
Die polytechnische Ausstellung Magdeburg als Erprobungsort ab 1958 Am Beispiel der Gründung und Entwicklung der frühen polytechnischen Ausstellung des Kulturhistorischen Museums Magdeburg seit den späten 1950er Jahren sollen die größten Hürden, mit denen sich die Initiatoren polytechnischer Museen dann allerdings bei der Umsetzung ihres Konzepts in der DDR konfrontiert sahen, hier kurz skizziert werden. Eins der Grundprobleme war es dabei in Magdeburg wie anderswo, überhaupt geeigneten Ausstellungraum zur Verfügung gestellt zu bekommen. In Magdeburg ging es dann eben sogar soweit, dass nicht ein eigenes Museum gegründet, sondern nur eine polytechnische Ausstellung in das bestehende Kulturhistorische Museum integriert werden konnte. Unter dem Motto „Magdeburg – Stadt des Schwermaschinenbaus“, das den seit 1955 entwickelten Listen mit regionalen Schwerpunkten folgte, wurde so seit 1958 eine Reihe historischer Maschinen in dem „bis dahin als Abstellraum dienenden“ restaurierten Magdeburger Saal des Kulturhistorischen Museums ausgestellt (Abb. 2).25 Dennoch ließen die Verantwortlichen keinen Zweifel daran, dass die Ausstellung Kern eines künftig auszugliedernden eigenständigen polytechni324 I Martin P. M. Weiss
Abb. 2 : Die größte Sektion der nach polytechnischen Prinzipien konzipierten Ausstellung im Kulturhistorischen Museum Magdeburg von 1958. Erkennbar sind neben dem Eindecker von Hans Grade unter anderem die unverrückbaren Schwermaschinen, in einer weiteren Sektion kamen Funktionsmodelle zum Einsatz.
schen Museums sein sollte.26 Zum jetzigen Zeitpunkt, heißt es im Typoskript eines Vortrags, wohl zur Eröffnung der Magdeburger Schau von Leuschner selbst verfasst, sei einzusehen, dass „der vollständige Aufbau eines bezirklichen Museums nicht nur aus Mangel an Mitteln, sondern auch aus Mangel an Kadern und Räumen nicht sofort realisierbar ist“.27 Der Rat des Bezirkes müsse erst dafür gewonnen werden. In Magdeburg kam für die Etablierung eines polytechnischen Museums zudem erschwerend hinzu, dass nicht auf eine bestehende Sammlung zurückgegriffen werden konnte. Stattdessen wurden innerhalb weniger Jahre, offenbar auf Initiative des Vorsitzenden der regionalen Arbeitsgemeinschaft „Geschichte der Technik“ der KdT des Bezirks Magdeburg, mehrere Dampf- und Verbrennungsmotoren zusammengetragen, die die Entwicklung von Maschinen illustrieren sollten. Außerdem erhielt die Arbeitsgemeinschaft ein historisches Flugzeug : einen der ersten Eindecker, die von Flugpionier Hans Grade (1879–1946) 1908 in Magdeburg gebaut worden waren.28 Speziell die Integration des Flugzeugs in die Ausstellung wurde im Eröffnungsvortrag dann jedoch bereits aus polytechnischer Sicht wieder kritisiert : Weil es sich um ein Einzelstück und damit eine untypische „Rarität“ handle, zeige das Flugzeug kein grundsätzliches Die „Polytechnischen Museen“ der DDR
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Prinzip, und das sei eben nicht polytechnisch.29 Günter Lange, 1959 bis 1988 Direktor des Magdeburger Museums, schränkte zudem seinerseits ein, man habe bei der Anordnung der Objekte nicht viel Spielraum gehabt, was einen Aufbau der Ausstellung nach polytechnischen Prinzipien erschwert habe.30 Dass Direktor Lange sich selbst so zurückhaltend zum polytechnischen Ausstellungsbereich in seinem Museum äußerte, spiegelt eine generelle Skepsis gegenüber der neuen Ausrichtung wider. Offenbar gab es Kräfte, die die Integration technischer Geräte in das Kulturhistorische Museum verhindern wollten. Das lässt zumindest ein mit Bürokratische Hemmnisse können uns nicht beirren kämpferisch betitelter Artikel in der Volksstimme Magdeburg von einem Befürworter polytechnischer Museen vermuten, der monierte : „‚Technik hat nichts mit Kultur zu tun‘, das war das Schlagwort, mit dem man versuchte, uns jede Freude an der Lösung einer so wichtigen Aufgabe zu nehmen.“31 Dass Museumsleiter Lange und der mit der Materie vertraute Autor des Eröffnungsvortrags nun beide betonten, die Ausführung polytechnischer Prinzipien in der Schau sei noch nicht ideal, war wohl auch ein Integrationsversuch – besänftigte man damit doch sowohl die Kräfte, die Technik nicht im Museum sehen wollten, als auch diejenigen, denen die aktuelle Umsetzung noch nicht weit genug ging. Einig waren sich jedenfalls alle, dass noch Verbesserungsbedarf bestehe. Der Erprobungsort Magdeburg zeigte mit all dem – mit den Raumproblemen und erst noch zu organisierenden Sammlungsbeständen, mit der Kritik im Umfeld wie mit der schwierigen musealen Realisierung des ambitionierten polytechnischen Anspruchs – früh maßgebliche Grenzen für die Entwicklung des neuen Museumstyps in der DDR insgesamt auf. Tatsächlich konnte wegen Raum- und Sammlungsproblemen in der DDR nie ein polytechnisches Museum ausgegründet werden. Der noch 1959 optimistisch anvisierte „Endzustand“ mit einem Netz polytechnischer Museen in der DDR erwies sich so schon bald als Ideal, das in der Praxis kaum umsetzbar war. Und auch in Magdeburg selbst lief das Unternehmen holprig weiter : Der Ausstellungbereich wurde nach einigen Jahren für die Öffentlichkeit wieder geschlossen und erst 1977 gründlich überarbeitet (unter anderem wurde das Flugzeug abgehängt und wurden alle Beschriftungen erneuert). Bezeichnend ist dabei, dass zu diesem Zeitpunkt, in den späten 1970er Jahren, auch schon gar nicht mehr der Versuch unternommen wurde, eine ausdrücklich polytechnische Ausstellung zu entwerfen. In einem Artikel in der Neuen Museumskunde anlässlich der Neugestaltung wird 1979 zwar darauf eingegangen, dass zwei Jahrzehnte zuvor „versucht“ worden war, eine polytechnische Präsentation zu kreieren, jedoch zugleich das Fazit gezogen, dadurch sei letztlich „nur eine museal kaum aufbereitete und für einen breiten Besucherkreis wenig nutzbare Schausammlung“ entstanden.32
Schwindendes Interesse am neuen Museumstyp in den 1970er Jahren Magdeburg verweist dabei auf eine allgemeine Tendenz in der DDR unter Honecker, in der das zuvor propagierte polytechnische Museum zunehmend zur Randerscheinung wurde : In 326 I Martin P. M. Weiss
Abb. 3 : Ansichten des Polytechnischen Museums in der Orangerie des Schweriner Schlosses in einer Museumspublikation von 1985. Einen thematischen Schwerpunkt bildete die regional bedeutsame landwirtschaftliche Technik. Der Taschenrechner unten rechts führte als interaktives Exponat an die Rechentechnik heran.
Die „Polytechnischen Museen“ der DDR
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Abb. 4 : Ausstellungsraum des Motorradmuseums in Augustusburg, Foto im Gästeführer des Schlosses von 1970. Die Inszenierung ähnelt, leicht überarbeitet mit weniger detaillierter Beschriftung, weiterhin der aus dem Eröffnungsjahr 1961, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Ausstellung nicht mehr als „polytechnisch“ bezeichnet wurde.
den 1970er Jahren trug überhaupt nur noch eins der nach 1958 gegründeten Museen die Bezeichnung „polytechnisch“ offiziell im Namen, nämlich das 1961 eröffnete Polytechnische Museum in Schwerin. Bis 1989 war das Museum in der Orangerie des Schweriner Schlosses untergebracht und empfing in erster Linie Schulklassen, die dort etwas über Chemie und Landwirtschaft lernten (Abb. 3).33 Im Gegensatz dazu scheint das 1959 eingerichtete Polytechnische Museum in Potsdam, dessen Hauptattraktion eine große Modelleisenbahnlandschaft war, bereits in den ausgehenden 1960er Jahren wieder aufgegeben worden zu sein, zumindest verliert sich danach in Archiven und Veröffentlichungen seine Spur.34 Das Polytechnische Kunstseidenmuseum in Pirna, ebenfalls schon 1960 aktiv, betonte in späteren Jahren nicht mehr seinen polytechnischen Charakter und wurde 1982 geschlossen.35 Derweil wurde das 1966 gegründete Polytechnische Museum Dresden, das als letzte DDRGründung dieser Art Fritz Leuschner selbst leitete, bereits 1975 offiziell in Technisches Museum Dresden umbenannt – gerade in Anbetracht von Leuschners früherem Engagement für die polytechnische Museumsidee und seiner Position im Museum könnte es kaum ein stärkeres Indiz dafür geben, dass zumindest die Bezeichnung „polytechnisch“ in den 1970er Jahren inzwischen massiv in der DDR an Konjunktur verloren hatte.36 328 I Martin P. M. Weiss
Und auch zum Motorradmuseum im sächsischen Schloss Augustusburg (Abb. 4), das, 1961 betont modern inszeniert, bis heute existiert, wurde in einer Rückschau schon 1972 bezogen auf dessen polytechnische Aspekte kritisch bilanziert : „Das Zweitakt-Motorrad-Museum ist ein technisches Museum. In der Vorbereitungszeit spielte zwar der damals gerade verstärkt ins Gespräch gekommene Begriff des polytechnischen Museums eine vordergründige Rolle, und es bestand die Absicht, es als solches zu gestalten. Die Umsetzung dieses Gedankens erwies sich aber mehr als ein Wunsch, dem das sehr spezielle Thema, die objektiven Gegebenheiten sowie der allgemeine Mangel an theoretischen Erkenntnissen zur Problematik der Polytechnik im Museum entgegenstanden. Das zeigt sich in den vielen – und darauf sei besonders hingewiesen – auch notwendigen konkreten theoretischen Darstellungen über den Zweitaktmotor und seine besondere Eignung und Verwendung im Zweirad. Die Erläuterung und Bedeutung dieser speziellen Technik ist ein Schwerpunkt des Museums, wie schon aus dem Namen hervorgeht, und war deshalb auch vorrangig zu berücksichtigen.“37 Die hier auf den Punkt gebrachte Abwendung von der allzu anspruchsvoll-theoretischen Idee des polytechnischen Museums korrelierte damals damit, dass die Polytechnik zeitgleich auch in der Bildungspolitik der DDR zunehmend an Bedeutung verlor. In den Bildungsreformen nach 1959 wurde das polytechnische Bildungsprinzip inhaltlich immer weiter abgeschwächt, bis es schließlich fast nur noch begrifflich in der „Polytechnischen Oberschule“ oder den „Polytechnischen Unterrichtsstunden“ vorkam, die bis zum Ende der DDR fester Bestandteil jedes Stundenplans waren und in denen Schülerinnen und Schüler praktische, handwerkliche Arbeiten erlernten. Die Gründe für die Einschränkung des Gebrauchs des Polytechnikbegriffs sind undeutlich – auffällig ist jedoch, dass er, nachdem zuvor mit Lemmnitz ein älterer SED-Vertreter das Ministerium für Volksbildung geführt hatte, nach Übernahme des Amts der Bildungsministerin 1963 durch Margot Honecker (1927–2016) spürbar an Relevanz einbüßte. Auch museumspolitisch sortierte sich die DDR damals neu : Eine im Umfeld des Ministeriums für Kultur ab 1963 professioneller und in ICOM-Nähe dezidiert modern aufgestellte staatliche Museumspolitik setzte nun veränderte Akzente auch für die technischen Museen.38 Im Zuge einer „Profilierung“ des DDR-Museumswesens wurden stärker betriebs- und auf ein breites Publikum bezogene Formen technischer Museen etwa in Rostock gefunden.39 Die offizielle DDR-Museumspädagogik berücksichtigte die polytechnischen Museen daraufhin vor allem noch nominell und für die berufliche Bildung, setzte ansonsten aber für den technischwissenschaftlichen Bereich neben Rostock oder Schwerin in erster Linie auf große Häuser wie das 1960 wiedereröffnete Postmuseum Berlin und das 1952 gegründete Verkehrsmuseum in Dresden, am für die DDR wichtigen Museumsstandort Dresden zudem auf das Hygiene-Museum und das 1972 eingerichtete moderne Armeemuseum.40 Die späte Eröffnung des Polytechnischen Museums Dresden 1966 ist wohl letztlich auch in diesem starken Dresdner Museumskontext zu sehen, nachdem Dresden ja früh zentraler Ort für die polytechnische Museumsidee Leuschners gewesen war. Noch einmal konnte das Konzept, gestaltet von Leuschner, in Dresden quasi verspätete Präsenz zeigen, während es eigentlich bereits von der museumspolitischen Agenda zu rücken Die „Polytechnischen Museen“ der DDR
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Abb. 5 : Karikatur zur Zukunft des Polytechnischen Museums, publiziert 1966 im Beitrag Wer sorgt für’s „Polytechnische Museum“ ? von W. Huste in der Zeitschrift Jugend + Technik
begann. In der Neuen Museumskunde wurde 1966/67 erneut über die polytechnischen Museen diskutiert. Elfriede Rehbein (1926–2004), 1954 bis 1974 Direktorin des Verkehrsmuseums Dresden, die ebenfalls über polytechnische Prinzipien reflektierte, beteiligte sich daran ebenso wie der neben Leuschner lautstärkste Verfechter polytechnischer Museen in der DDR ErnstAlbert Krüger (1926–2004), der 1967 die Leitung des Polytechnischen Museums Schwerin übernahm.41 Am Ende gab Rehbein, seit 1965 Mitglied im Rat für Museumswesen der DDR, klar die künftige Richtung im SED-Staat vor : Nie habe sie vorgesehen, betonte sie 1967, das Verkehrsmuseum zu einem Polytechnischen zu machen.42 Kurz zuvor, 1966, hatte bereits die DDR-Jugendzeitschrift Jugend + Technik ironisch nach der Zeitgemäßheit polytechnischer Museen gefragt (Abb. 5).43
Perspektiven eines gescheiterten Konzepts – ein Fazit Rückblickend ist also zunächst sicherlich zu konstatieren, dass sich die idealistischen Ziele, die sich die Befürworter eines Netzwerks polytechnischer Museen in der DDR in den 1950er Jahren gesteckt hatten, letztlich nicht erfüllten. 1989 trug nur noch das Polytechnische Museum in Schwerin diesen Namen. Das Konzept war schon seit den späten 1960er Jahren nicht mehr passend für die DDR. Hatte der Erfolg der Sputnik-Raketen 1957 möglicherweise noch einmal Auftrieb gegeben, fiel die DDR, was Wirtschaftsleistung und Innovationskraft anging, eine Dekade später deutlich hinter andere Länder zurück. Polytechnik im großen musealen Maßstab war hier kaum noch propagandistisch nutzbar, zudem nicht mehr zu realisieren für den SED-Staat. Außerdem war die DDR mit dem Bau der Mauer zunächst stabilisiert, sodass die Notwendigkeit der Propaganda eine andere wurde. Und auch in den wenigen bestehenden 330 I Martin P. M. Weiss
Sammlungen machte sich Ernüchterung breit. Von Leuschner wird berichtet, er habe in den frühen 1980er Jahren nach einer Dienstreise nach Paris „frustriert“ davon erzählt, was dort im Museumssektor alles möglich sei. Damals kämpfte er selbst für sein Technisches Museum in Dresden um neue Räume, in denen es zumindest kein Feuchtigkeitsproblem mehr gab.44 Hier fehlten längst Grundvoraussetzungen für die Pflege von Sammlungen. Jenseits dieses Scheiterns des Projekts „Polytechnische Museen“ in der DDR, das dann eben auch verschiedene Erklärungsansätze für die geringe Zahl technischer Museen im SEDStaat bietet, ist aber zugleich zu betonen, dass die Initiative der 1950er Jahre für polytechnische Museen dennoch auch einige bleibende Effekte hatte : Auch wenn sie nach 1970 nicht mehr beide „Polytechnisch“ hießen, wurden in Dresden und Schwerin technische Sammlungen gegründet, die die DDR überdauerten. In Magdeburg wurde das Kulturhistorische Museum um einen technischen Sammlungs- und Ausstellungsbereich erweitert. Weitere Museen der DDR wie das Schifffahrtsmuseum in Rostock wurden durch die Initiative mit angeschoben – hatte Rostock doch schon 1955 auf Zillers Liste gestanden. Gerade das Beispiel Magdeburg weist darüber hinaus auf einen weiteren wichtigen Aspekt der musealen Wegbereitung hin, die von der DDR-Initiative der 1950er Jahre ausging : Die Etablierung des neuen polytechnischen Sammlungsbereichs ab 1958 wurde hier nur deshalb möglich, weil sich seine Befürworter marxistischer Rhetorik bedienen und damit der Idee im SED-Staat Nachdruck geben konnten. Aus welchen Gründen genau sich damals Widerstand gegen die Kombination von Kultur und Technik im Magdeburger Museum formierte – ob aus parteipolitischen, ideologischen, persönlichen oder praktischen Motiven – muss offen bleiben. Fest steht indes : Die Verwendung des politisch opportunen Begriffs „Polytechnik“ eröffnete in der DDR früh eine museumshistorisch wichtige Schneise für die Verbindung verschiedener Sammlungstypen, die im Westen erst viel später gängig wurde. Vor dezidiert ideologischem Hintergrund wurde so, als Ausweis eigener Fortschrittlichkeit, bereits in den 1950er Jahren ein aktuelleres, interaktives, auch interdisziplinäres Museumsverständnis im Kontext von Technik und Wissenschaft im sich formierenden SED-Staat angeregt, das dann in den 1970er und 1980er Jahren durch das US-Konzept des Science Centers international weiteren Auftrieb und neue ideologische Konturierung erfuhr. Die Polytechnischen Museen der DDR können hier als Wegbereiter und Prototyp gelten45 – auch wenn das Modell selbst in der Realität des SED-Staats bald an Grenzen geriet.
Anmerkungen 1 Kiau 1969, S. 452. 2 Die aktuelle Situation des Museumswesens 1989, S. 164. 3 Vgl. Naturwissenschaft und Technik in der DDR 1997 ; Stokes 2000 ; Kooperation trotz Konfrontation 2009 ; Zachmann 2004. 4 Vgl. Karge 1996. 5 Die Geschichte des zunächst in Halle/Saale angebotenen Studiengangs ist weiterhin ein Forschungs-
Die „Polytechnischen Museen“ der DDR
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desiderat. Akten zur Schule im Berliner Bundesarchiv legen beispielsweise nahe, dass dort 1957 eine politisch motivierte und auf Denunziationen basierende Neustrukturierung des Lehrkörpers stattfand. Mögliche Auswirkungen auf das Museumswesen der DDR sind bisher nicht näher analysiert worden. Unterlagen dazu sind etwa zu finden in : BArch, DR 1/8068 u. DR 1/8069. 6 Vgl. Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden 2003, S. 106–135 ; Sammer 2015. 7 Vgl. Scheunemann 2009 ; zum Museum für Deutsche Geschichte vgl. auch die Beiträge Andrews und Ludwig in diesem Band. 8 Vgl. z. B. Bennett 1995 ; te Heesen 2015. 9 Basierend auf Recherchen zur Masterarbeit Weiss 2009. 10 Weltniveau der Technik erreichen 1955. 11 Ebd. 12 Vgl. Tietze 2012 ; siehe dazu auch Rodden 2002 ; Rohstock 2008. 13 Gesetz über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens 1959, S. 860. 14 Ulbricht an Gebauer, 17.1.1956, in : SAPMO-BArch, DY 61/139, Bl. 45–46 ; zum ersten Treffen vgl. Protokoll über die Beratung am 20.01.1956 zur Bildung einer Kommission für den Aufbau polytechnischer Museen, in : SAPMO-BArch, DY 61/139, Bl. 75–76. 15 Zu Ziller vgl. Fricke 1955 ; Ziller konnte nicht mehr, in : Ostspiegel. Sozialdemokratischer Pressespiegel, 18.12.1957, OS/XII/50, S. 6 ; Zum Selbstmord des ZK-Sekretärs Gerhart Ziller, in : IWE-Tagesdienst, 18.12.1957 ; Auch Ziller gehörte zur opportunistischen Gruppe Schirdewan, Wollweber und andere, in : IWE-Tagesdienst, 20.2.1958 ; Schröder 2007. 16 Zu Leuschner vgl. Leuschner 1967 mit tabellarischem Lebenslauf ; zudem Weber/Engelskirchen 2000, S. 190 f. 17 Tagebuch. Aufbau polytechn[ischer] Museen in der DDR, um 1970, in : TSD Archiv, AK30– 423/2004. 18 Vgl. „Protokoll zur 2. Sitzung des vorbereitenden Komitees zur Gründung der Arbeitsgemeinschaft ‚Geschichte der Technik‘ am Freitag, den 30.07.1954“ u. Protokoll der Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft ‚Geschichte der Technik‘ am 13.05.1955 in der KdT-Bezirksleitung Leipzig, in : BArch DY 61/139, Bl. 93–96 u. 121–128. Interessanterweise ließ ein Teilnehmer (Dr. Hönig) seine erste Erwähnung eines polytechnischen Museums 1954 nachträglich aus dem Protokoll streichen : „Protokollberichtigung“, in : BArch DY 61/139, Bl. 127. Hintergrund könnten Rivalitäten zwischen der „Arbeitsgemeinschaft Geschichte der Technik“ und dem „Arbeitskreis Geschichte der Produktivkräfte“ gewesen sein, vgl. dazu Weber/Engelskirchen 2000, S. 167–198. 19 Tagebuch. Aufbau polytechn[ischer] Museen in der DDR, um 1970, in : TSD Archiv, AK30– 423/2004. 20 Empfehlung für erste Maßnahmen zur Errichtung polytechnischer Bezirksmuseen, 9.3.1959, in : BArch, DR 2/1626. 21 Rostock : Schiffsbau ; Magdeburg : Schwermaschinenbau ; Leipzig : Polygraphie ; Berlin/Potsdam : Elektrotechnik – Bautechnik ; Halle : Chemische Technik ; Gera : Feinmechanik, Optik ; Karl-MarxStadt : Textiltechnik – Werkzeugmaschinenbau ; Erfurt : Kraftfahrzeugtechnik ; Cottbus : Braunkohlenbergbau ; Dresden : 1. Wechselbeziehungen zwischen Naturwissenschaft und Technik, 2. Atomtechnik – Flugzeugbau ; Neubrandenburg : Landtechnik ; Frankfurt : Hüttenwesen. 22 Tagebuch. Aufbau polytechn[ischer] Museen in der DDR, um 1970, in : TSD Archiv, AK30–423/ 2004. 23 Dokumente der SED 1961, S. 151. Aus dem handschriftlichen Protokoll ist erkennbar, dass der polytechnische Unterricht und die Museen nicht Hauptthema der Politbürositzung kurz vor einem Be-
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such Chruschtschows in Berlin waren, vgl. „Politbüro 17.05.60“, in : SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2A/755, 1960, Bl. 10–13. Leuschner 1959. Möllerfeld 1958. Vgl. Lange 1959, S. 152. Einführung in die technische Abteilung des kulturhistorischen Museums Magdeburg, 1959, in : TSD Archiv, Ordner „Prospekte“, Bl. 9. Bauer, Möllerfeld u. Vogel : Aufruf zur Gründung eines Polytechnischen Museums in Magdeburg, 8.10.1957, in : TSD Archiv, Ordner „Prospekte“. Einführung in die technische Abteilung des kulturhistorischen Museums Magdeburg, 1959, in : TSD Archiv, Ordner „Prospekte“, Bl. 11. Lange 1959, S. 151. Möllerfeld 1958. Krüger 1979. Zum Museum Schwerin vgl. Schwerin hat sein polytechnisches Museum, in : Deutsche Lehrerzeitung, 17.11.1961 ; Ein Museum besonderer Art, in : Schweriner Volkszeitung, 29.12.1962 ; 10 Jahre Polytechnisches Museum in Schwerin, in : Neues Deutschland, 16.11.1971 ; Sehat 2006, S. 92–156. Zum Museum Potsdam vgl. Otto Pfeiffer : Polytechnische Lehrschau in Sanssouci eröffnet, in : Deutsche Lehrerzeitung, 24.7.1959 ; Puchert an Leuschner, 26.6.1967, in : Stadtarchiv Dresden, 9.2.21–33. Zum Museum Pirna vgl. Eine polytechnische Abteilung „Kunstseide“ 1960 ; Dittrich/Thomas 1962 ; Andreas/Dittrich 1966 ; Gudrun Weidler : Das Museum ist nicht verstaubt. Erstes polytechnisches Museum der DDR in Pirna, in : Wochenpost, 4.2.1961, S. 12. Zum Museum Dresden vgl. Leuschner 1967 ; Tagebuch. Aufbau polytechn[ischer] Museen in der DDR, um 1970, in : TSD Archiv, AK30–423/2004 ; Sehat 2006, S. 157–216. Seidel 1972, S. 86. Siehe dazu die Beiträge Karge und Kratz-Kessemeier in diesem Band. Siehe dazu den Beitrag Danker-Carstensen in diesem Band. Vgl. Wir besuchen ein Museum 1976, S. 28–30, 36–38, 121, 150 f. u. 221. Rehbein 1966 ; Krüger 1967 ; Rehbein 1967. Rehbein 1967, S. 171. Huste 1966. Persönliches Gespräch mit Johannes Paul, Mitarbeiter Leuschners am Technischen Museum Dresden, Juni 2008. Vgl. Weiss 2009.
Die „Polytechnischen Museen“ der DDR
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Abb. 1 : Das Gebäude des Rostocker Schifffahrtsmuseums um 1990
Peter Danker-Carstensen
SOZ IAL ISMU S ZU R S EE Gründung und Entwicklung zweier maritimer Museen in Rostock 1968–1990
Die 1960er Jahre waren in der DDR von einer politisch initiierten neuen Dynamik in der Museumsentwicklung gekennzeichnet. Unter der Ägide von SED und Regierung hatte man damit begonnen, „ein in seiner Gesamtstruktur einheitliches sozialistisches Museumswesen zu schaffen, um damit allen Zufälligkeiten künftiger musealer Entwicklung Einhalt zu gebieten, und ein in sich abgestimmtes Museumsnetz in der DDR zu entwickeln.“1 Das bedeutete eine Zentralisierung der Museumslandschaft, zudem eine verstärkte politische Einflussnahme auf die Museen. Auf Basis von zuvor in den SED-Bezirksleitungen und den Räten der Bezirke beschlossenen langfristigen „Konzeptionen zur Bewahrung, Pflege und geistigen Aneignung des kulturellen Erbes“ sollten „Bezirksprofilierungskonzeptionen“ für die wichtigeren Museen erarbeitet werden.2 Die einzelnen Häuser hatten dazu „wissenschaftlich-politische Grundkonzeptionen“ vorzulegen, an denen sich ihre zukünftige Entwicklung zu orientieren hatte.3 In dieser Phase kam es in der DDR auch zu diversen Museumsneugründungen. In der Bezirksstadt Rostock wurden so Ende der 1960er Jahre gleich drei neue Museen auf den Weg gebracht. Neben der Kunsthalle (1969) entstanden im Abstand von nur zwei Jahren zwei maritime Museen : das Schifffahrtsmuseum 1968 (Abb. 1) sowie das Schiffbaumuseum auf dem „Traditionsschiff“ 1970. Dabei waren Museumsgründungen „von oben“ wie in Rostock in der Sparte der Technik- und der verkehrsgeschichtlichen Museen in der DDR eigentlich selten.4 Wie es dennoch zu dieser starken musealen Platzierung von Schiffbau und Schifffahrt in Rostock kam, wie die beiden Museen aufgestellt waren und wie sie als bewusste Neugründungen der DDR bis 1989 funktionierten, soll hier näher betrachtet werden.
Ein Schifffahrtsmuseum wird beschlossen, geplant und 1968 eröffnet Vor dem Hintergrund der verstärkten Förderung der Bezirksstadt Rostock und ihrer maritimen Wirtschaft durch die Staats- und Parteiführung der DDR und nachdem Rostock Standort des Überseehafens der DDR geworden war, gab es bereits seit 1960, also noch bevor die Profilierung auf die Agenda rückte, Diskussionen um die Einrichtung eines Schifffahrtsmuseums in Rostock. Kontext dafür war ein wachsendes Interesse des SED-Staates an technischen Museen seit Mitte der 1950er Jahre, während der zweite Fünfjahresplan Wissenschaft und Technik zu entscheidenden Faktoren der Systemkonkurrenz erklärte. 1958 wies das Zentralkomitee der SED daraufhin den Aufbau polytechnischer Museen auf Bezirksebene und speziell in den Sozialismus zur See
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Industriezentren an.5 Ab 1965 verdichtete sich das Interesse dann im Zuge einer nun vom Rat für Museumswesen zentral von Ost-Berlin aus gesteuerten Museumspolitik.6 Noch 1965 folgten so erste Planungen und 1966 erste Beschlüsse der SED-Bezirksleitung und nachgeordneter Gremien für das Rostocker Schifffahrtsmuseum.7 In einem „Perspektivplan der musealen Einrichtungen der Stadt Rostock“ von 1965 wird dabei ganz direkt die politisch-ökonomische Begründung für ein maritimes Museum gerade in Rostock geliefert : „Der Hauptproduktionszweig im Bezirk Rostock ist die Seewirtschaft.“ Daraus ergebe sich für die Museumsarbeit als eine der „Hauptaufgaben“ : „Aufbau eines Museums für die Geschichte der Seeschiffahrt“.8 Das maritime Museumsthema war damit für Rostock früh und prominent politisch gesetzt. Der Aufbau des Museums und der zwei weiteren in Rostock geplanten sollte in zwei Phasen erfolgen : Von 1965 bis 1970 sollte das Museum der Stadt in der August-Bebel-Straße mit zwei „Hauptabteilungen unter einer Direktion“ neugestaltet werden. Ab 1970 würde dann ein „Schiffahrtsmuseum der DDR“ aus einer bis dahin aufzubauenden „Abteilung für Schifffahrtsgeschichte“ entstehen. Dafür waren konkrete Umsetzungspläne zu erarbeiten.9 Im „Perspektivplan der geistig-kulturellen Entwicklung im Bezirk Rostock“ vom Oktober 1965 wurde betont : „Schwerpunkte für die Profilierung sind : […] der Aufbau des Schiffahrtsmuseums mit der Geschichte der Arbeiterbewegung in Rostock, unter Mitarbeit der Werften, der Direktion Seeverkehr und Hafenwirtschaft und der entsprechenden Institute.“ In einem Aufgabenplan vom Februar 1965 findet sich zudem eine „Feindisposition“ zum Thema Seewirtschaft der DDR, in der bereits in dieser Phase besonders öffentlichkeitswirksame Vermittlungsformen für das neue maritime Museum angedacht waren. So sollte ab 1967 der Besuch der Ausstellung mit einer Hafenrundfahrt verbunden werden.10 Für 1970 war der „Bau eines Wasserbeckens auf dem an das Museum anschließenden Grundstück […] in Form des Überseehafens und Einrichtung einer ferngesteuerten Schiffsmodellanlage für schwimmende Modelle“ geplant, die „in ehrenamtlicher Arbeit“ durch „Museumsfreunde“ realisiert werden sollte.11 Großen Anteil an der inhaltlichen Ausrichtung des Museums hatten die Hafenwirtschafts-, Schifffahrts- und Schiffbaubetriebe in Rostock. Sie prägten die Wirtschaftsstruktur der Bezirksstadt und sahen hier die Chance, ihre Entwicklung im größeren sozialistischen Kontext positiv darstellen zu können. Orientiert an den kulturpolitischen Vorgaben der SEDBezirksleitung und des Rates der Stadt, plante man so bald tatsächlich nicht mehr nur eine neue Abteilung des Museums der Stadt Rostock, sondern ein Schifffahrtsmuseum der DDR, also ein Museum von nationaler Bedeutung. Dem hatte sich alles andere unterzuordnen. Im Januar 1967 verpflichteten sich das inzwischen begründete Kulturhistorische Museum und das Schifffahrtsmuseum gemeinsam darauf, „die Erlebnisfähigkeit und die Herausbildung des neuen sozialistischen Lebensgefühls“ zu fördern und „eine schöpferische Aktivität zu entfalten, so dass die kulturpolitischen Aufgaben in hoher Qualität erfüllt werden.“12 Die innovative, publikumsnahe Museumsgestaltung in Rostock wurde hier zur Prestigefrage für die sich nach dem Mauerbau kulturell wie wirtschaftlich selbstbewusster konturierende DDR. Die Zusammenarbeit mit der starken lokalen Seewirtschaft war eine Kernvoraussetzung dafür, dass das technisch-ökonomische Museumsthema in Rostock, anders als an anderen Orten der DDR, auch langfristig funktionierte.13 336 I Peter Danker-Carstensen
Abb. 2 : Die sogenannte historische Ausstellung im Erdgeschoss des Rostocker Schifffahrtsmuseums 1971
Schon vor der Eröffnung kollidierten allerdings die realen Gegebenheiten mit den hohen Erwartungen des SED-Staats an das neue Museum. Die Zeitvorgaben für den Aufbau der Sammlung zur Schifffahrtsgeschichte der DDR, aber etwa auch die Erarbeitung eines Museumsführers, die „Durchführung von Vorträgen zur Schiffahrtsgeschichte“ oder eine erste Sonderausstellung waren extrem eng und von vorneherein unrealistisch.14 Zudem sollten für die Ausstellungen zunächst „Objekte des kulturhistorischen Museums“ verwendet werden, da damals noch keine eigene maritim-historische Sammlung existierte.15 Das bedeutete eine Aufsplittung der Sammlungsbestände des Rostocker Museums, mit weitreichenden Folgen für die lokale Museumslandschaft. Und auch das Gebäude des Schifffahrtsmuseums entsprach den innovativen Ansprüchen nur bedingt. Am 3. Juli 1968 konnte zum 750jährigen Stadtjubiläum ein erster „Bauabschnitt“ im Mitte des 19. Jahrhunderts errichteten Museumsgebäude an der August-Bebel-Straße im Beisein von zahlreich erschienener SED-Parteiprominenz und Vertretern der maritimen Wirtschaft eröffnet werden. Damit entstand in Rostock auf altem Museumsterrain „ein neues Museum, das insbesondere die Schiffahrtsgeschichte des mecklenburgisch-vorpommerschen Küstenstreifens und die Geschichte der jungen Seewirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik museal zu erforschen und darzustellen“ hatte (Abb. 2).16 Während sich das Museum der Stadt umorganisierte und die Kunsthalle weitere Perspektiven schuf, wurde so gezielt ein neuer musealer Schwerpunkt im Norden der Republik gesetzt, der sich unmittelbar in die Sozialismus zur See
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zentral gelenkte Museumspolitik wie in die ökonomischen Priorisierungen der DDR einfügte, der aber doch von Beginn an auch mit Geburtsfehlern behaftet war.
Berliner Sammlungsobjekte im Rostocker Schifffahrtsmuseum Zunächst jedoch schien das neue Museumsprojekt trotzdem zu funktionieren. Beim Aufbau einer eigenständigen Sammlung kam dem Schifffahrtsmuseum ein besonderer Umstand der Kriegs- und Nachkriegsmuseumsgeschichte entgegen : 1961, 1963/64 und 1971 gingen zahlreiche Objekte des im Zweiten Weltkrieg zerstörten und 1946 offiziell aufgelösten Berliner Museums für Meereskunde (MfM) nach Rostock. Ein Großteil der Sammlungen des Museums war ab 1943 außerhalb Berlins ausgelagert worden. Nach Kriegsende wurden die so und in der Museumsruine geretteten Bestände in einem nur noch schwer nachvollziehbaren Verteilungsprozess an verschiedene Museen in der DDR vergeben.17 Manches davon gelangte nach Rostock und wurde dort in die ständigen Ausstellungen integriert.18 Eine 1996 vom Berliner Museum für Verkehr und Technik publizierte Liste nennt insgesamt 1.108 Objekte als ehemaligen MfM-Bestand,19 75 davon sind mit dem Standort „SMR“ (Schifffahrtsmuseum Rostock) gekennzeichnet.20 Bis heute gehören sie zum Bestand des Museums. Auch weitere Rostocker Objekte könnten aus dem MfM stammen, was aber nicht mehr genau zu rekonstruieren ist.21 Zum Aufbau der Sammlung des Schifffahrtsmuseums trugen außerdem Ankäufe von Modellbauern, aus Privatbesitz und dem Kunsthandel der DDR bei. Den zahlenmäßig größten Anteil an Neuzugängen machten jedoch Objekte aus, die von Betrieben der Seeverkehrs- und Hafenwirtschaft sowie von der Volksmarine der DDR zur Verfügung gestellt wurden, also Objekte mit quasi noch ganz frischem NVA-Bezug, die die historischen Bestände bewusst aktuell ergänzten. Das Rostocker Museum folgte auch hier staatlichen Vorgaben – war das Sammeln von Gegenwartsobjekten doch von Beginn an Anliegen der offiziellen DDR-Museumspolitik.22 Als zentrale Institution für das maritime Museumsthema war das Rostocker Museum dabei in ein vielschichtiges DDR-spezifisches Provenienz- und Erwerbungsnetz eingebunden, in dem staatliche Lenkung und individuelle Initiativen zusammenspielten.
Aus eins mach drei – die Profilierung der Rostocker Museen setzt sich fort Mit der Einrichtung eines Schifffahrtsmuseums (Abb. 3) war es in Rostock allerdings politisch keineswegs getan. Schon Anfang Februar 1969 hatte die SED-Bezirksleitung beschlossen, in Rostock zusätzlich ein maritimes Technikmuseum zu schaffen, das sich der Geschichte des Schiffbaus widmen solle.23 Mit der Entscheidung, zugleich der DDR-Werftindustrie mit dem außer Dienst gestellten 10.000 Tonnen-Frachtschiff Dresden ein Denkmal zu setzen, war bald auch die Hülle für ein solches Museum gefunden worden. Am 14. Juni 1970, nur zwei Jahre nach Eröffnung des Schifffahrtsmuseums, wurde daraufhin das auf dem „Traditionsschiff“ untergebrachte Schiffbaumuseum der Öffentlichkeit übergeben. 338 I Peter Danker-Carstensen
Abb. 3 : Titel des ersten Museumsführers des Rostocker Schifffahrtsmuseums aus dem Jahr 1969
Ein Beschluss der SED-Bezirksleitung zur „Profilierung der Museen der Stadt Rostock“ vom 10. Dezember 1970 bekräftigte diese Entwicklung, indem betont wurde, dass „zur Erhöhung der Wirksamkeit der Museen“ aus dem bisherigen Museum der Stadt Rostock künftig drei eigenständige Museen entstehen sollten : das Kulturhistorische Museum, das Schifffahrtsmuseum und das Schiffbaumuseum.24 Alle drei Museen sollten „selbständige nachgeordnete Einrichtungen des Rates der Stadt Rostock mit eigenen Stellen- und Haushaltsplänen“ sein, je einen wissenschaftlichen Beirat haben und je einem eigenen, vom Rat der Stadt zu berufenden Direktor unterstehen.25 Die politisch gewollte neue Museumsstruktur für Rostock mit gleich zwei technisch-ökonomischen Museen wurde also weiter mit Nachdruck ausgebaut. Schnell wurde jedoch klar, dass die neue Doppelstruktur auch negative Seiten hatte. Eine Zersplitterung der Kräfte und eine Doppelung von Ausstellungsthemen waren die Folge. Zwischen den beiden Rostocker maritimen Museen wurde eine Konkurrenzsituation geschaffen. Gerade das Schifffahrtsmuseum erwies sich dabei bald als allzu schwach aufgestellt. Zusammen mit verbliebenen Beständen des Kulturhistorischen Museums in einem maroden Gebäude
Sozialismus zur See
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untergebracht, musste es schon um 1971 für mehrere Jahre wegen nötiger Sanierungsarbeiten schließen. Dann allerdings konnte das Rostocker Schifffahrtsmuseum am 12. Februar 1976 mit neuer Kraft wiedereröffnen.26 Vermutlich war der Vorstoß auch eine Antwort auf westdeutsche Aktivitäten – im September 1975 war in Bremerhaven das „Deutsche Schiffahrtsmuseum“ von Bundespräsident Walter Scheel in einem modernen, von Hans Scharoun entworfenen Neubau eingeweiht worden. 1976 hieß es nun zur Wiedereröffnung des Museums in Rostock programmatisch-sachlich : „Das Schiffahrtsmuseum […] bezieht sich auf den maritimen Bereich als dem ökonomischen Schwerpunkt im Küstenbezirk. […] Es ist in seiner aktuellen Aussage ein industriezweig-orientiertes Museum“.27 Offensichtlich trat das Museum dabei zugleich mit dem Impuls an, nicht nur westdeutschen Konzepten,28 sondern auch älteren, objektbezogenen Präsentationsmodellen technischer Museen, die in der DDR der 1960er Jahre gültig geblieben und kritisiert worden waren,29 bewusst gesellschafts- und systembezogene Varianten einer DDR-spezifischen Museumsgestaltung entgegenzustellen. So begann 1976 die neue Rostocker Dauerausstellung mit einer historischen Abteilung „Geschichte der Schiffahrt“ im Erdgeschoss auf 500 m² Ausstellungsfläche, mit Darstellungen zur Hansezeit, zur Rostocker Segelschifffahrt im 19. Jahrhundert, zum Übergang von der Segel- zur Dampfschifffahrt und zum Thema „Imperialismus und Schiffahrt“. Hier wurden neben technischen Sachzeugen speziell „die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Seeleute sowie revolutionäre Aktionen gezeigt.“30 Durch den Einbau einer Galerie konnte die Ausstellungsfläche im ersten Obergeschoss auf 650 m² vergrößert werden. Hier wurde die neugestaltete Ausstellung Seeverkehrswirtschaft der DDR präsentiert.31 „Es handelt sich um eine regelrechte Lehrschau über unsere sozialistische Schiffahrt und deren Nachfolgebereiche“, stellte 1976 der damalige Museumsleiter Johannes Lachs (1929–2007)32 befriedigt fest.33 Im zweiten Obergeschoss war unter dem Titel Der Schutz der DDR zur See eine nicht minder propagandistische Schau über Aufgaben und Aktivitäten der Volksmarine eingerichtet worden, in der auf knapp 100 m² Schiffsmodelle, Dokumente, Uniformen und Waffen präsentiert wurden. Auch die Arbeitsbedingungen der Museumsmitarbeiter hätten sich „nun in guter Weise verbessert“, hieß es. Alle Diensträume seien mit Telefon- und Rundfunkanschlüssen versehen worden. 1972 bis 1975 waren rund 960.000 Mark in die Sanierung investiert worden. Weitere 320.000 Mark standen für die Fertigstellung der Ausstellungen 1976 bereit.34 Und das Museum mit dem neuen gesellschaftlich-ideologischen Blick auf die Seefahrt strahlte weit in die DDR hinein : Im Keller gab es einen kleinen Senderaum, aus dem alle vier Wochen die Sendung Stammtisch der Fahrensleute durch den Sender Rostock von Radio DDR übertragen wurde.35
Museumsrealitäten Ab Ende der 1970er Jahre konsolidierte sich das Schifffahrtsmuseum damit allmählich. Allerdings gab es weiter bauliche Probleme. So musste das Museum 1976, 1979 und 1980 im 340 I Peter Danker-Carstensen
Winter jeweils mehrere Wochen geschlossen bleiben, weil keine Kohle geliefert wurde und es keinen Hausmeister mehr gab, der für die tägliche Beschickung der Kohleheizung zuständig war. Auch weitere Bauarbeiten bis 1983 brachten keine Besserung. Instabile Innentemperaturen führten zu massiven Schäden an ausgestellten wie magazinierten Objekten. Die Magazinsituation war ohnehin prekär. Die als Magazin genutzten Räume im Keller des Museums waren viel zu feucht. Das Außenlager Biestow in einer ehemaligen Scheune war ebenso ungeeignet. 1985 im Museum angeschaffte Luftentfeuchter konnten nicht angeschlossen werden.36 Und auch in der Gaststätte Klub der Fahrensleute im Keller des Museums gab es schwerwiegende Hygienemängel.37 Zudem war die schlechte Sicherung des Museumsgebäudes wiederkehrendes Thema, das sowohl Museumdirektor Jörg Meyer (geb. 1944)38 als auch die Abteilung Kultur beim Rat der Stadt beschäftigte. Die 1982 für 150.000 Mark installierte „Technische Sicherheitsanlage“ konnte bis 1989 nicht zur Volkspolizei geschaltet werden. Als Zwischenlösung wurden 1984 die Fenster im Erdgeschoss mit Scherengittern versehen, 1985 wurde eine Generalschließanlage installiert. Ansonsten blieb das Museum außerhalb der Öffnungszeiten jedoch unbewacht. Der „Schutz des Kulturgutes“, der in vielen Gesetzen und Vorschriften der DDR festgeschrieben war, konnte so im Schifffahrtsmuseum keineswegs gewährleistet werden. Anspruch und Realität in der DDR-Museumspolitik klafften hier in den 1980er Jahren zunehmend auseinander – auch im politisch gewollten Rostocker Schifffahrtsmuseum.
Das Traditionskabinett der Handelsflotte im Museum Und doch setzte das Schifffahrtsmuseum immer wieder Akzente, gerade im ideologischen Bereich. Eine Besonderheit in der Museumslandschaft der DDR stellte das seit Mitte der 1970er Jahre im Museum beheimatete „Traditionskabinett der Handelsflotte“ dar – eine Einrichtung des Kombinats Seeverkehr und Hafenwirtschaft, die „als Arbeits- und Ausstellungsstätte für die Betriebsgeschichtsforschung“ diente. Traditionskabinette waren eine DDR-typische Institution, die nach einem Beschluss des ZK der SED seit Anfang der 1970er Jahre mit Forcierung der Betriebsgeschichtsschreibung überwiegend in Großbetrieben und militärischen Einrichtungen entstanden. Sie wurden nicht als museale Orte verstanden, sondern ausschließlich als Stätten ideologischer Erziehung.39 Dass ein Traditionskabinett wie in Rostock in einem Museum untergebracht war, war in der DDR eine absolute Ausnahme und zeugt von der Affinität des Museums zur in Rostock beheimateten Staatsreederei, dem VEB Deutsche Seereederei (DSR). Die Ausstellung des Kabinetts war von der Geschichtskommission der SED-Indus triekreisleitung im Kombinat Seeverkehr und Hafenwirtschaft konzipiert und von der Werbeabteilung der DSR gestaltet worden. Betreut wurde das Traditionskabinett von der DSR. Die Reederei zahlte dem Museum dafür eine Jahresmiete von 900 Mark. Das Traditionskabinett der DSR belegt die bis zuletzt enge Einbindung des Museums in die Bildungs- und Wirtschaftspolitik der DDR. Mit der Aufspaltung und Privatisierung der DSR ab 1990 wurde auch das Traditionskabinett aufgelöst, seine Objekte wurden zerstreut bzw. „privatisiert“. Später Sozialismus zur See
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gelangten einige wenige der Objekte wieder ins Schifffahrtsmuseum, wo sie in die ständige Ausstellung integriert wurden.
Ein zweites maritimes Museum für Rostock – das Schiffbaumuseum auf dem Traditionsschiff Mindestens ebenso propagandistisch ausgerichtet wie das Schifffahrtsmuseum war auch das zweite maritime Museum in Rostock : das Schiffbaumuseum. Auch für dieses Museum waren die Voraussetzungen allerdings zunächst schwierig. Als Ende 1969 der Auftrag erteilt wurde, auf der Warnemünder Warnowwerft bis Juni 1970 auf dem ehemaligen DSR-Frachter Dresden ein Schiffbaumuseum einzurichten, fehlten dafür jegliche wissenschaftliche Vorarbeiten. Mitte Juni 1969 war in neunzig Tagen mit der Ausarbeitung begonnen worden. Verschiedenste Vorstellungen waren unter einen Hut zu bringen. Dennoch ging der Ausbau zum Museumsschiff zügig voran : Die Laderäume, die vorher durch Schotten voneinander getrennt und über mehrere Decks quasi in Stockwerke eingeteilt waren, wurden zu großen Ausstellungsräumen verbunden. Die Gesamtkosten betrugen rund drei Millionen Mark. Auf dem Schiff waren neben Arbeitern von vier Werften auch Mitarbeiter des Schifffahrtsmuseums tätig. Wie bei anderen Projekten in der DDR spielte auch hier die kollektive „Freiwilligkeit“ eine große Rolle. Mit vielen Sonderschichten und Aufbaustunden unterstützten Mitarbeiter der Werften, der Seeverkehrswirtschaft, des Rates der Stadt, des Tiefbaukombinats sowie Jugendorganisationen des Bezirks den Umbau zum Museum.40 In der kurzen Zeit war es indes unmöglich, ein wissenschaftlich fundiertes Ausstellungskonzept und eine überzeugende Präsentation zu realisieren. „Manches musste einfach lückenhaft und oberflächlich bleiben.“41 Zeitgleich wurde der Liegeplatz des Museumsschiffes in Rostock-Schmarl vorbereitet. Mehr als 50.000 m3 Ostseesand wurden dafür ans linksseitige Warnowufer transportiert, um einen landseitigen Zugang zu schaffen. Dalben mussten gerammt, zwei Landungsstege gebaut werden. Versorgungsleitungen waren zu verlegen. Eine Zufahrtsstraße und ein Parkplatz wurden angelegt. Vor dem Schiff war eine „repräsentative“ Freifläche vorgesehen. Da es am Liegeplatz keine ausreichende Wassertiefe gab, musste nicht nur ausgebaggert werden, vom Hauptfahrwasser der Warnow aus wurde auch eine Art Stichkanal gesetzt, um das Schiff an seinen Liegeplatz bringen zu können. Das Manöver fand am 5. Juni 1970 statt. Zwei BBBSchlepper bugsierten mit Lotsenunterstützung die ehemalige Dresden an ihren neuen Liegeplatz, wo sie für immer vertäut wurde.42 Der enorme Aufwand, der für die Einrichtung des zweiten maritimen Museums in Rostock betrieben wurde, unterstreicht erneut die offizielle Relevanz des Themas für die DDR. Die feierliche Übergabe des „Traditionsschiffes Typ Frieden“ an die Stadt Rostock erfolgte schließlich am 13. Juni 1970 anlässlich der 12. Arbeiterfestspiele des Bezirks (Abb. 4). Der neue Schiffsname sollte zum einen an die noch jungen Traditionen der Seeverkehrswirtschaft der DDR, zum anderen an das Motorschiff Frieden, das erste Schiff der Frieden-Serie, erinnern und stützte die allgegenwärtige Friedenspropaganda der DDR. „Zu seiner Besitznahme hatten 342 I Peter Danker-Carstensen
Abb. 4 : Feierliche Eröffnung des Traditionsschiffs auf dem frisch aufgespülten Warnowufer in RostockSchmarl im Juni 1970. Der Fotograf überblickte die Zeremonie von der Backbord-Reling aus.
sich Tausende Rostocker Jugendliche zu einem Kampfmeeting eingefunden.“43 Die politische Einbindung war offenkundig : Im Beisein von Ehrengästen und Politprominenz – darunter Delegationen des Ministerrats und des Politbüros des ZK der SED, geleitet von Kurt Hager, der Sekretär der SED-Bezirksleitung Rostock und ZK-Mitglied Harry Tisch sowie der FDJZentralratsvorsitzende Günther Jahn – wurde die DSR-Flagge eingeholt und die Rostocker Flagge gesetzt. Vorm Schiff „konzertierten“ das Pionier-Blasorchester Rostock, Fanfarenzüge und Singegruppen. Die Rechtsträgerschaft für das Schiff übernahm die Sportstättenverwaltung der Stadt. Das Museum war damit eine dem Rat der Stadt, Abteilung Kultur, nachgeordnete „Kulturpolitische Einrichtung“.44
Das Schiff als musealer Erlebnisort mit politisch-ideologischem Auftrag Die Ausstellungen in dem von Martin Heyne (1930–2003)45 geleiteten Schiffbaumuseum waren, ähnlich wie ab 1976 im Schifffahrtsmuseum, deutlich im Kontext der gesellschaftlichen Verhältnisse systembezogen ausgerichtet und wurden in enger Kooperation mit den WerftbeSozialismus zur See
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trieben gestaltet. Sie zeigten auf über 1.500 m2 Ausstellungsfläche in erster Linie Erfolge des DDR-Schiffbaus und aktuelle Produkte der DDR-Werften. Die allgemeine Geschichte des Schiffbaus in der „historischen Abteilung“ wurde in nur wenigen Wandvitrinen abgehandelt. Gleichzeitig hatte das Publikum die Möglichkeit, ein originales Frachtschiff zu besichtigen (Abb. 5). Der Maschinenraum, die Kommandobrücke mit Kartenraum, der Kreiselkompassund Funkraum, Kammern der Besatzungsmitglieder sowie die Umschlageinrichtungen an Deck waren Teil des Rundgangs. 1979 wurde das Rostocker „Traditionsschiff“ als „Denkmal von nationaler Bedeutung“ in die Zentrale Denkmalliste der DDR aufgenommen und avancierte zum größten maritim-technischen Denkmal der DDR.46 Museum, technisches Denkmal und DDR-Propaganda verschmolzen hier unmittelbar miteinander. Das Schiffbaumuseum war dabei, der internationalen Museumsdiskussion der Zeit folgend, Teil eines größer angelegten Erlebnisortes, der Kultur, Freizeit und Erholung miteinander verknüpfte. An Bord befand sich neben dem Museum eine 800 m² große Sporthalle mit Kraftraum, genutzt vom Sportklub Empor und von benachbarten Schulen, sowie ein Internat des Armeesportklubs Vorwärts, aus dem 1976 ein vom FDJ-Reisebüro „Jugendtourist“ betriebenes Hostel, eine Art schwimmende Jugendherberge, hervorging. Das Vorschiff beherbergte die Gaststätte Klaus Störtebeker. In der ehemaligen Offiziersmesse war eine Bar von Jugendtourist eingerichtet worden.47 In der Funkkabine auf dem Brückendeck führte die Arbeitsgemeinschaft „Junge Funker“ ab 1976 eine zweijährige Ausbildung von Schülerinnen und Schülern der 7. Klassen im Amateurfunk, in Elektro- und Funktechnik durch.48 Neue, für ein breites Publikum attraktive Museumskonzepte wurden hier erprobt, die zugleich von einer technisch fortschrittlichen DDR zu überzeugen suchten. Im Landbereich vor dem Museumsschiff wurden im Laufe der Zeit zudem zahlreiche weitere maritime Großobjekte präsentiert. So ergänzte der Schwimmkran Langer Heinrich von 1905 nach langen Verhandlungen mit dem Kombinat Schiffbau und der Neptunwerft die Sammlung 1980. 1981 kamen der hölzerne 17-Meter-Fischkutter Wismar Kar 45 von 1949 und später der Dampfschlepper Saturn der Warnowwerft von 1908, das Hebeschiff 1. Mai von 1905 und 1988 das Betonschiff Capella von 1944 als schwimmende Attraktionen hinzu. Auch zwei leichte Torpedoschnellboote, bis 1977 bei der Volksmarine der NVA im Einsatz, fanden 1985 ihren Weg in die Freilichtschau. Bis 1985 wurde das Museumsschiff so mit etwa sechzig Exponaten zum maritim-historischen Freilichtmuseum erweitert, das wichtige Entwicklungsschritte der Schiffbautechnik demonstrierte.49 Mit neuen Gestaltungsformen fügte sich dabei gerade das Schiffbaumuseum auf besondere Weise in den offiziellen Auftrag der Museen in der DDR ein, Einfluss auf die politisch-ideologische Bildung zu nehmen und zur Formung „sozialistisch gebildeter Persönlichkeiten“ beizutragen. Für das Museumsschiff war hier das Anliegen zentral, „die Leistungen der Schiffbauer in den ersten Jahren des Aufbaus des Sozialismus in der DDR zu würdigen und sie besonders unserer Jugend zu erschließen“. Betont wurden die „großartigen schöpferischen Leistungen der Werktätigen in Gegenwart und Vergangenheit“, die unter „Führung der SED“ quasi aus dem Nichts heraus einen international anerkannten Industriezweig geschaffen hätten.50 Eindringlich spiegelt den propagandistischen Anspruch bereits die erste, äußerst plakative Dauer344 I Peter Danker-Carstensen
Abb. 5 : Das Traditionsschiff an seinem noch unbefestigten Liegeplatz in Rostock-Schmarl im Sommer 1970
Abb. 6 : Der Staatsratsvorsitzende der DDR Walter Ulbricht und seine Frau Lotte besuchen das Traditionsschiff während der Rostocker Ostseewoche im Sommer 1970. Museumsdirektor Martin Heyne (vorne Mitte) erläutert ein Modell der Stralsunder Volkswerft.
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ausstellung des Schiffbaumuseums von 1970 wider (Abb. 6), in der das Museumsthema mit Höhepunkten der frühen DDR-Geschichte, Darstellungen führender Parteifunktionäre und Aktivisten sowie zahlreichen politischen Parolen verwoben wurde. Wie unmittelbar politisch das Museum war, zeigte sich später auch, als die Schau bald einer ideologisch motivierten „Aktualisierung“ unterzogen wurde.51 Nach dem VIII. Parteitag der SED 1971, auf dem Erich Honecker als Parteichef bestätigt wurde, mussten politische Aussagen und Fotos, auf denen Walter Ulbricht, der entmachtete Vorgänger Honeckers, herausgestellt wurde, rasch ausgetauscht oder entfernt werden. Das Rostocker Museum propagierte hier ganz aktiv das, was jeweils politisch opportun war.
Das Schiffbaumuseum nach der politischen Wende 1989/90 Rund zwanzig Jahre lang prägte speziell das Schiffbaumuseum die Museumslandschaft der DDR nachhaltig mit. Bis 1990 besuchten über fünf Millionen Menschen das schwimmende Museum. Mit bis zu 300.000 Gästen jährlich zählte es zu den zehn meistfrequentierten Museen der DDR, national wie international war das Museum gut vernetzt. 1989/90 bedeutete dann jedoch einen Bruch für das Museum : Der DDR-Bezug der Dauerausstellung trug nicht mehr. Die Besucherzahlen gingen massiv zurück. Angesichts von Finanzproblemen wurde über den Weiterbestand diskutiert. Die Bevölkerung Rostocks setzte sich schließlich erfolgreich für den Erhalt „ihres“ Schiffes ein. Anfang 1991 wurden Schiffbaumuseum, Schifffahrtsmuseum und das seit 1975 als dessen Dependance geführte Heimatmuseum Warnemünde zum „Schiffahrtsmuseum Rostock“ mit drei Standorten und Abteilungsleitungen unter nur noch einer Direktion zusammengefasst. Das Schiffbaumuseum wurde zur Abteilung „Schiffbaugeschichte auf dem Traditionsschiff“ herabgestuft. Der maritime Museumsschwerpunkt, der in der DDR für Rostock seit 1968 gesetzt worden war, hat damit bis heute Bestand. Strukturen und Inhalte sind andere.
DDR-Museumskultur in Rostock – ein Fazit Betrachtet man die Entwicklung der beiden maritimen Museen Rostocks bis 1989, wird deutlich, dass sich die in zahllosen (Partei)Beschlüssen und Konzeptionen formulierten hohen gesellschaftspolitischen Erwartungen an die „Wirksamkeit“ der Museen besonders im Fall des Schifffahrtsmuseums letztlich nur zum Teil erfüllt haben. Allzu problematisch und unzureichend waren die baulichen Rahmenbedingungen und die technische Ausstattung des Hauses. Das Schiffbaumuseum hingegen konnte stärkere Wirkung entfalten, wobei die Gründe dafür sicherlich in der noch engeren gesellschaftlichen wie politischen Einbindung und nicht zuletzt in der Aura des originalen maritimen Erlebnisortes zu sehen sind. Beide Museen belegen, dass selbst klar politisch motivierte Museumsneugründungen, die noch dazu Züge von aus DDR-Perspektive nationalen Museen in sich trugen, keineswegs 346 I Peter Danker-Carstensen
vor den Problemen und Widersprüchen der DDR-Planwirtschaft bewahrten. Trotz immer wiederkehrender Bekenntnisse von führenden SED-Funktionären zur wichtigen Rolle der Museen bei der Herausbildung „sozialistischer Persönlichkeiten“ und bei der „Entwicklung unserer sozialistischen Nationalkultur“, erfuhren die Rostocker Museen zu keiner Zeit die personelle und ökonomische Unterstützung, die ihnen die Erfüllung dieser „Hauptaufgabe“ ermöglicht hätte. Dass es seit 1970 in Rostock gleich zwei Museen mit ähnlicher Thematik gab, ist angesichts permanent knapper Ressourcen in der DDR umso erstaunlicher. Wie genau es zu dieser musealen Doppelstruktur kam, müsste weiter erforscht werden. Möglicherweise resultierte sie aus einer Rivalität zwischen der SED-Bezirksleitung und der SED-Kreisleitung in Rostock bzw. deren führenden Funktionären. Zu bedenken ist hier auch die enge Anbindung beider Museen an Rostocker Großbetriebe und deren mächtige SED-Parteileitungen, die ihrerseits Einfluss nahmen. Das Schifffahrtsmuseum war dabei vor allem mit dem VEB Deutsche Seereederei Rostock „liiert“, das Schiffbaumuseum mit dem VVB Schiffbau bzw. dessen Kernbetrieb, dem VEB Warnowwerft in Warnemünde. Lange scheint gerade diese Verbundenheit mit „sozialistischen Sponsoren“52 die beiden maritimen Museen Rostocks maßgeblich getragen zu haben. Unter ihrem Einfluss avancierte in beiden Museen am exponierten Industriestandort in der Bezirksstadt Rostock maritime Technikgeschichte zum Beleg einer gelingenden DDR. Zugleich brachten die Nähe zum Betrieb, die Identifikation mit der Berufstätigkeit in Schiffbau und Schifffahrt sowie Möglichkeiten der dortigen Freizeitgestaltung ein neues Publikum ins Museum. Die beiden Rostocker Museen konturierten damit bis 1989 zweifellos eine eigene Museumskultur der DDR mit, die, in den 1960er Jahren angestoßen, Ideologie, Ökonomie und besuchernahe Museumsformen propagandistisch zusammenführte.
Anmerkungen 1 Heyne 1981, S. 93. 2 Siehe dazu auch den Beitrag Karge in diesem Band. Zitiert nach Piechulek 1996, S. 59. 3 4 Vgl. Karge 1996, S. 58 ; Lehmann 2018, S. 206. 5 Vgl. Lehmann 2018, S. 207–209 u. 220. Siehe dazu auch den Beitrag Weiss in diesem Band. 6 Siehe dazu auch die Beiträge Karge und Kratz-Kessemeier in diesem Band. 7 Vgl. Danker-Carstensen 2019. 8 Stadtarchiv Rostock, 2.1.13.2. Nr. 12, o. S. 9 Ebd. 10 Ebd. Auch dieser Vorschlag war bar jeder Realisierungschance, da es hierfür in dem noch gar nicht fertiggestellten Überseehafen keinerlei Ressourcen, dafür aber jede Menge Sicherheitsbeschränkungen gab. 11 Ebd. Einen Freundeskreis für das Museum oder ähnliches gab es zu dieser Zeit allerdings nicht. 12 Vereinbarungen gegenseitiger Verpflichtungen des Kulturhistorischen Museums und des Schiffahrts museums f. d. Jahr 1967/68, 10.1.1967, in : Stadtarchiv Rostock, 2.1.13.1. Nr. 37, S. 2. 13 Vgl. dazu auch Lehmann 2018, S. 216. Sozialismus zur See
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14 Vgl. Stadtarchiv Rostock, 2.1.13.1. Nr. 37, S. 2. 15 Ebd. Das Museum der Stadt besaß damals eine Abteilung zur lokalen Schifffahrtsgeschichte, die in einer Dauerausstellung präsentiert wurde und die nun zunächst als Reservoir für das neue Schifffahrtsmuseum dienen sollte. 16 Piechulek 1996, S. 61. 17 Vgl. Böndel 1996. 18 Auf den Inventarkarten der aus Berlin stammenden Objekte ist unter „Herkunft“ meist angegeben : „MDG – Museum für Deutsche Geschichte“. Auf den Objekten selbst finden sich jedoch Belege der MfM-Provenienz in Form kleiner Messingplättchen mit eingestanzten Inventarnummern und dem Kürzel MFM. Teilweise verweist ein zweites Schildchen auf den ersten Rostocker Standort „Universität Rostock, Technische Fakultät Schiffbau“. 19 Aufgetaucht 1996, S. 125–146. 20 Böndel 1996, S. 29 f. spricht davon, die Objekte seien ins Rostocker Schifffahrtsmuseum gekommen. Das ist aber bezogen auf die Verlagerungen 1961–1963 nicht korrekt, da das Museum erst 1968 gegründet wurde. 21 So ist das Datum der Übergabe vom MDG an das SMR meist nicht vermerkt, ebenso wenig die Provenienz MfM, obwohl auf mehreren Objekten die MfM-Inventarnummer noch vorhanden ist. 22 Siehe dazu auch den Beitrag Ludwig in diesem Band. 23 Zum Museum vgl. Stadtarchiv Rostock, 2.1.13.3.; Schiffbaumuseum 1974. 24 Vgl. Ratsprotokoll 29.4.1971, Beschluß zur Umprofilierung der Museen der Stadt Rostock, in : Stadtarchiv Rostock, 2.1.1. Nr. 4093. 25 Stadtarchiv Rostock, 2.1.1. Nr. 7046. 26 Vgl. Stadtarchiv Rostock, 2.1.1. Nr. 7044. 27 Manuskript „Gesichtspunkte zur Eröffnung“ (des SMR), o. D., in : Stadtarchiv Rostock, 2.1.1. Nr. 7044. 28 Neben Bremerhaven war hier etwa auch das Focke-Museum in Bremen wichtig, das seit 1964 einen modernen Neubau mit einer Abteilung zur Schifffahrtsgeschichte hatte, vgl. dazu auch Neue Museumskunde, Jg. 9, 1966, H. 4, S. 309 f. mit Abbildungen des Focke-Museums. 29 Vgl. dazu Lehmann 2018, S. 216–220. 30 Lachs 1976, S. 10 f. 31 Faltblatt Schiffahrtsmuseum Rostock 1977, in : Stadtarchiv Rostock, 3.11. Nr. 5.3./2. 32 Dr. Johannes Lachs studierte 1952–1960 Geschichtswissenschaft in Greifswald und Rostock und wirkte 1961–1967 als Direktor des Stadtarchivs Rostock. 1967–1969 war er Lektor an der Universität Bagdad. 1971–1982 leitete er das Schifffahrtsmuseum Rostock. Eine Verpflichtung als IM „Stephan Jantzen“ für das MfS BV Rostock erfolgte 1979, Entlassung und Parteistrafe drei Jahre später 1982. In der Folge und bis 1989 fungierte er als Direktor des Freilichtmuseums Klockenhagen (Kreis RibnitzDamgarten). 33 Lachs 1976, S. 11. 34 Stadtarchiv Rostock, 2.1.1. Nr. 7044. 35 Vgl. Lachs 1976, S. 10 ; Piechulek 1996, S. 62 u. 70. 36 Vgl. Stadtarchiv Rostock, 2.1.1. Nr. 7048. 37 Vgl. Stadtarchiv Rostock, 2.1.13.2. Nr. 20. 38 Jörg Meyer wurde bereits 1967 im Alter von 23 Jahren vom MfS für eine Ausbildung als Agent der DDR-Auslandsaufklärung angeworben. Nach seemännischer Ausbildung bei der Deutschen Seereederei Rostock (DSR) folgte 1968–1972 ein Studium in Rostock. Ein erster Einsatz für das MfS
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führte ihn 1973–1978 unter der Legende als Student aus Westdeutschland nach Kopenhagen, wo er im November 1978 verhaftet und zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Nach Begnadigung und Ausweisung 1981 im Rahmen eines Agentenaustausches fungierte er seit Sommer 1982 als stellvertretender Direktor und seit November 1982 als Direktor des Schifffahrtsmuseums Rostock. Später aktivierte das MfS ihn erneut als IM „Wolfgang“, 1989 schied er auf eigenen Wunsch aus dem Dienst aus. Ab 1990/91 betätigte sich Meyer als freiberuflicher Journalist und später als Heilpraktiker. Karge 1996, S. 23. Vgl. Wernsdorf 1996. Heyne 1981, S. 96. Vgl. Peters 1998, S. 246. Rostocker Greif am Mast, in : Norddeutsche Neueste Nachrichten, 15.6.1970. Das Traditionsschiff – ein einmaliges Erlebnis, in : Ostsee-Zeitung, 15.6.1970 ; Rostocker Greif am Mast, in : Norddeutsche Neueste Nachrichten, 15.6.1970 ; Rostocks Flagge stieg am Mast empor, in : Demokrat, 15.6.1970 ; Traditionsschiff wird Kulturzentrum, in : Neues Deutschland, 14.6.1970. Dr. Martin Heyne ging nach Schulbesuch und Maschinenbauerlehre in Gelsenkirchen als engagiertes KPD-Mitglied 1950 in die DDR. An der Arbeiter- und Bauernfakultät in Ost-Berlin legte er 1953 die Reifeprüfung ab. 1954 trat er in die SED ein. In Leipzig studierte er 1953–1956 Geschichte. 1957/58 war er am Institut für Gesellschaftswissenschaften der Universität Rostock tätig. 1960 begann er seine Tätigkeit am Museum der Stadt Rostock (später Kulturhistorisches Museum) als wissenschaftlicher Mitarbeiter und leitete dort die historische Abteilung. Später wurde er dort stellvertretender Direktor. 1968 wurde Heyne Projektleiter für den Aufbau des Rostocker Schifffahrtsmuseums. 1969/70 übernahm er diese Position auch für den Aufbau des Schiffbaumuseums auf dem Traditionsschiff und erhielt den Titel „Museumsrat“. Im Bezirk Rostock wirkte er als Mitglied des Bezirksmuseumsrates. 1988 wurde er in den Rat für Museumswesen der DDR berufen, wo er Vorsitzender der Sektion für technische Museen war. Außerdem war er Mitglied des ICOM, Sektion CIMOSET, sowie seit 1983 Mitglied des „DDR-Arbeitskreises für Schiffahrts- und Marinegeschichte“. Vgl. Wernsdorf 1996, S. 174 f. Vgl. Heyne 1981, S. 98–100 ; Heyne 1990. Vgl. Heyne 1981, S. 101 f. Vgl. ebd., S. 99 f.; Schiffahrtsmuseum 1991 ; Heidbrink 1996 ; Danker-Carstensen 2014. Heyne 1981, S. 94–96. Vgl. Leistungsplan 1971, S. 7 ff., in : Stadtarchiv Rostock, 2.1.1. Nr. 7049. Siehe dazu auch den Beitrag Karge in diesem Band.
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AUSB LIC K
Jan Scheunemann
MU SE E N I N D ER D D R Ausblick und Forschungsperspektiven*
In der DDR gab es 1988 mehr als 740 Museen, die jährlich 36 Millionen Besucherinnen und Besucher anzogen. Museen, Galerien und Kunstsammlungen sowie Burgen und Schlösser mit ihren kulturhistorischen Ausstellungen bildeten ein wesentliches Element der ostdeutschen Kultur- und Bildungslandschaft. Die 2018 veröffentlichte dreibändige Kulturgeschichte der DDR von Gerd Dietrich umfasst über 2.400 Seiten.1 Die Museen sind darin indes nur eine Marginalie. Dieser Befund regt zu der Frage an, warum die Museen im untergegangenen sozialistischen Staat bisher nur geringes wissenschaftliches Interesse gefunden haben, während Forschungen zu vergleichbaren kulturpolitischen Bereichen in der DDR, zu Literatur, Musik und Theater und insbesondere zur bildenden Kunst, bereits ganze Bibliotheksregale füllen. Dass den Museen – ähnlich wie Verlagen und Bibliotheken in der DDR – als außerschulischen Bildungsinstitutionen eine wichtige Funktion bei der Formung „sozialistischer Persönlichkeiten“ zugewiesen wurde, wird kaum überraschen. Wie und unter welchen Voraussetzungen diese politische Indienstnahme in verschiedenen Zeitschichten konkret umgesetzt wurde, welche normativen politischen Zielstellungen sich daraus für die museale Praxis ableiteten, welche Kräfte und Gegenkräfte hier wirkten, konnte auf der Rostocker Tagung erstmals im interdisziplinären Austausch und aus verschiedenen Perspektiven genauer beleuchtet und diskutiert werden. Um den Ertrag der Tagung fruchtbar zu machen und weitere Untersuchungen anzuregen, sollen hier, vom Abschlusspanel in Rostock ausgehend, noch einige Forschungsper spektiven aufgezeigt werden. 1. Neben einer fehlenden struktur- und institutionengeschichtlichen Gesamtdarstellung des Museumswesens der DDR und seines politischen und administrativen ‚Überbaus‘ fällt zunächst ein grundlegendes Problem auf : Bisher gibt es für die DDR kaum sozial-, wissenschafts- und kulturgeschichtliche Forschungen, die der Frage nachgehen, wer, wann und wo für Museen verantwortlich war und prägend auf deren Entwicklung einwirkte,2 sei es mit ideologischen Restriktionen oder mit inhaltlichen und gestalterischen Innovationen. Diese Forschungen sollten sich freilich nicht auf Lebensbeschreibungen von Museumsakteur/innen beschränken, sondern aufzeigen, wie sich beispielsweise die Zugehörigkeit zu bestimmten Schulen, Fachkompetenz, politische Haltungen und deren Wandel auf die inhaltliche Gestaltung von Museen und Ausstellungen auswirkten. So zeigen Untersuchungen zu einzelnen Museumsleitern gerade für die Frühzeit der DDR, dass hier zunächst eine bildungsbürgerliche Schicht dominierte und eine Affinität zum NS-Regime nicht zwangsläufig eine MuseumsAusblick und Forschungsperspektiven
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karriere nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verhinderte. Personen wie Walther Scheidig (1902–1977), von 1933 bis 1967 Leiter der Staatlichen Kunstsammlungen zu Weimar, oder Oskar Thulin (1898–1971), von 1930 bis 1969 Direktor der Lutherhalle Wittenberg, konnten ihre Museumskarrieren mit teils nur kurzen Unterbrechungen fortsetzen ; anderen wie dem bis 1945 als Kunsthändler tätigen Heinz Mansfeld (1899–1959), von 1949 bis 1959 Direktor des Mecklenburgischen Landesmuseums Schwerin, bot die „neue Zeit“ überhaupt erst die Möglichkeit für einen beruflichen Einstieg in den Museumsbereich.3 Im Gegensatz dazu stehen Museen und Sammlungskomplexe von internationaler Bedeutung, die von hochrangigen SED-Funktionären geleitet wurden. Zu denken wäre hier etwa an Max Seydewitz (1892–1987), vormals Ministerpräsident des Landes Sachsen und von 1955 bis 1968 Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden,4 oder an Helmut Holtzhauer (1912–1973), zunächst Minister für Volksbildung im Land Sachsen, dann Vorsitzender der Staatlichen Kommission für Kunstangelegenheiten und von 1954 bis 1973 Generaldirektor der Nationalen Forschungsund Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar.5 Protagonisten wie Eberhard Bartke (1926–1990), zunächst unter anderem Leiter der Abteilung Bildende Kunst und Museen im Ministerium für Kultur (MfK) der DDR und von 1976 bis 1983 Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, verweisen darauf, dass in diese biografischen Untersuchungen auch die Entscheidungsträger auf der übergeordneten fachlichen Anleitungsebene einzubeziehen sind. Die umfangreiche Aktenüberlieferung des MfK ist im Bundesarchiv Berlin unter der Signatur DR 1 abgelegt ; die Aktenbestände der Fachstelle für Heimatmuseen (gegründet 1954), des Instituts für Museumswesen der DDR (gegründet 1970), des Rates für Museumswesen der DDR (gegründet 1965) und des Nationalen Museumsrates der DDR (gegründet 1968) sind zwar noch nicht online recherchierbar, können aber unter der Signatur DR 141 ebenfalls dort benutzt werden. Mit der Fachzeitschrift Neue Museumskunde (erschienen 1958–1991) und den Informationen für die Museen in der DDR (erschienen 1970–1990) liegen zudem offizielle Periodika vor, die auch zu Personalia Auskunft geben. 2. Haben die Geschichtsmuseen der DDR, vor allem das 1952 in Ost-Berlin als geschichtspolitisches Zentralmuseum eröffnete Museum für Deutsche Geschichte, schon großes Forschungsinteresse auf sich gezogen, so fehlen bisher Studien, die sich mit der ganzen Bandbreite musealer Einrichtungen und den damit verbundenen Ausdifferenzierungsprozessen beschäftigen. Dies betrifft zum einen die systematisch-inhaltliche Differenzierung der Museumsgattungen : Kunstmuseen, Literaturmuseen, Naturkundemuseen, Technikmuseen, Personengedenkstätten, und zum anderen die regionale Differenzierung im Zuge einer DDRweiten „Profilierung“ mit der Ausbildung von Bezirks- und Kreismuseen mit bestimmten Sammlungs- und Ausstellungsschwerpunkten sowie mit an einzelne Bezirksstädte gebundenen nationalen Sammlungen. Dabei sollten die Museen in der DDR nicht isoliert betrachtet, sondern in einen größeren zeitlichen Rahmen eingebettet werden, und es sollte der teilweise weit zurückreichenden Vorgeschichte seit den fürstlichen Sammlungen des 16. Jahrhunderts und der bürgerlichen Sinnstiftung im 19. Jahrhundert Beachtung geschenkt werden.6 Gewinnbringend wird sich hier auch die Methode des Vergleichs anwenden lassen. Das gilt zu354 I Jan Scheunemann
nächst für einen Blick in den Osten, also eine vergleichende Betrachtung von Museen in der DDR, in Polen und der Tschechoslowakei, um so die strukturellen Gemeinsamkeiten und Unterschiede, die Wandlungen historischer Legitimationsmuster und die spezifischen politisch-ideologischen Ausstellungsprogramme herausarbeiten zu können, wobei die Sowjetunion stets als museumspolitisches ‚Vorbild‘ mitzudenken wäre. Beim vergleichenden Blick in den Westen sollte der deutsch-deutsche Systemkonflikt für die Darstellung einer integrativen Abgrenzungs- und Verflechtungsgeschichte fruchtbar gemacht werden, zudem sollten die Internationalisierung und Professionalisierung der Museumsfachkräfte sowie die Bedeutung von Ausstellungen für die auswärtige Kulturpolitik (siehe etwa Barock in Dresden in der Villa Hügel 1986, Von der Kunstkammer zum Museum. Plastik aus dem Schlossmuseum Gotha im Wilhelm-Lehmbruck-Museum der Stadt Duisburg 1987) bedacht werden.7 Reizvoll wäre auch die epochenübergreifende und synchrone Analyse je eines west- und eines ostdeutschen Museums über die politischen Zäsuren hinweg – vom Kaiserreich, über die Weimarer Republik, den Nationalsozialismus, bis zur Zeit der deutschen Teilung und deren Überwindung im vereinigten Deutschland der Gegenwart. 3. Hier schließt sich sogleich die Überlegung zur Darstellung des Transformationsprozesses der ostdeutschen Museumslandschaft nach dem politischen Systemwechsel von 1989/90 an. Seit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten sind inzwischen mehr als dreißig Jahre vergangen. Diese zeitliche Distanz gab vielfach Anlass dazu, den Strukturwandel im Osten der Republik kritisch zu beleuchten. Und so ergibt sich auch für den Bereich der Museen ein ganzes Bündel von Fragen : Vor welchen Herausforderungen standen die Museen in den neuen Bundesländern angesichts des politischen und wirtschaftlichen Umbruchs ? Welches Gewicht besaßen Museen für die lokale und föderale Kulturpolitik, welche Trägerschaftsmodelle wurden favorisiert ? Wie wurden der Fortbestand von Museen und die dringend notwendigen Sanierungsarbeiten finanziell gesichert, wo wurden Museen geschlossen, wann kam es zu Neugründungen ? Welchen Änderungen unterlagen die musealen Standards in der Beurteilung von Erfolg und Misserfolg im Vergleich zur Zeit vor 1989/90 ? Woran maßen Museen und die dort tätigen Kuratorinnen und Kuratoren ihre Leistungen : am politischen Wohlgefallen ihrer jeweiligen regionalen ‚Obrigkeit‘ oder an eigenen Prinzipien und Kategorien wie der Anerkennung von Kolleginnen und Kollegen, an der Ausstellungskritik in den Medien oder am Erfolg beim Publikum und an den Besucherzahlen ? Wie gestaltete sich der personelle Wechsel in den Museen ? Inwieweit bestimmten Herkunft und akademische Ausbildungsorte von Bewerbern die Besetzung von Schlüsselpositionen ? Was bedeutete der politische Umbruch für die Museumspraxis, also die Sammlungs- und Ausstellungskonzeptionen der Museen ? Die Frage, wann die „Wende an den Wänden“8 begann, mag aufgrund der kontroversen und anhaltenden Diskussionen um die „DDR-Kunst“ für die Kunstmuseen leicht zu beantworten sein, nicht aber für die naturkundlichen, historischen und kulturhistorischen Ausstellungshäuser. In der Wittenberger Lutherhalle beispielsweise war die 1983 anlässlich des 500. Geburtstags des Reformators gestaltete Ausstellung noch bis 2001 gültig. Zu fragen ist schließlich auch nach den Verlusten. Welche Sammlungs- und Ausstellungsthemen Ausblick und Forschungsperspektiven
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verschwanden aus den Museen ? Die Geschichte der Arbeiterbewegung und die des kommunistischen Widerstandes gewiss. Was aber geschah mit den diversen ‚Memorialwohnmuseen‘ für Dichter, Schriftsteller und Politiker ? Wurde deren Neugestaltung oder Schließung von ähnlich kontroversen öffentlichen Diskussionen begleitet, wie dies bei der Umgestaltung der KZ-Gedenkstätten in Buchenwald, Sachsenhausen und anderswo zu beobachten war ? 4. Wenn man Museen der DDR in den forschenden Blick nimmt, sollte nicht nur untersucht werden, wie Sammlungsobjekte ausgestellt, arrangiert und dem Publikum vermittelt wurden. Noch weit größere Aufmerksamkeit wird man daneben künftig auch auf die Sammlungsgeschichte ostdeutscher Museen richten müssen. Dazu gehört nicht nur die Frage, was wann und warum in welchen Quantitäten gesammelt wurde. Das aktuelle politische Bekenntnis, museale Sammlungen auf das Vorhandensein von unrechtmäßig erworbenen Stücken zu überprüfen und diese gemäß den geltenden gesetzlichen Regelungen an die rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben, fordert auch dazu auf, die Provenienzforschung für die Zeit der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR zu intensivieren. Die Zahl von Objekten, die im Zuge der Bodenreform, nach „Republikflucht“, polizeilichen Ermittlungsverfahren oder durch die Überweisung von staatlichen Behörden in die Sammlungen gelangten, ist selbst in kleinen stadt- und regionalgeschichtlichen Museen der Provinz mitunter unüberschaubar. Und die Provenienzforschung zur SBZ und DDR muss dabei nicht nur Museumsstücke einbeziehen, die neu in die Sammlungen kamen, sondern auch solche, die ab 1963 systematisch über den Staatlichen Kunsthandel der DDR und später über die Kunst und Antiquitäten GmbH zur Devisenbeschaffung verkauft wurden. Die Rostocker Tagung vom Sommer 2019 hat zu all diesen Aspekten bereits wichtige Impulse gegeben und eine erste Gesamtschau auf das vielschichtige Thema „Museen in der DDR“ initiiert. Die skizzierten Felder bieten Anknüpfungspunkte für verschiedene wissenschaftliche Disziplinen, nicht allein für die zuletzt genannte Provenienzforschung, sondern auch für die Kunstgeschichte, die Museumskunde und die Geschichtswissenschaft im Allgemeinen. Der vorliegende Tagungsband dokumentiert die damaligen Vorträge und vertieft die Diskussionen weiter. Erstmals wird mit ihm zudem ein Überblick über relevante Archivbestände, Quellen und Publikationen zum Thema quer über die einzelnen Beiträge hinweg geliefert. Daran gilt es nun mit intensivierten Forschungen anzuknüpfen – für einen erweiterten Blick auf die DDR-Kulturgeschichte, aber auch, um in aktuellen, die gesamtdeutsche Museumslandschaft betreffenden Kulturdebatten tragfähige Positionen finden und differenziert argumentieren zu können.
Anmerkungen * Ich danke Frank Hoffmann (Institut für Deutschlandforschung, Ruhr-Universität Bochum) für seine zahlreichen Hinweise und Anregungen zu diesem Beitrag.
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Dietrich 2018, Bd. I–III. Beispielgebend für die Zeit des Nationalsozialismus : Müller-Kelwing 2020. Vgl. Wendermann 2015 ; Fiedler/Knuth 2011 ; Laube 2003, S. 266–342. Vgl. Lupfer/Rudert 2006. Vgl. Cleve 2005. Vgl. Kahl 2015. Vgl. dazu die vergleichenden Forschungsansätze von Anne Wanner : Wanner 2013 ; Wanner 2018. Kaiser 2017.
Ausblick und Forschungsperspektiven
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ARC H IVA L I EN
Akademie der Künste (AdK), Berlin
Charlotte Berend-Corinth-Archiv, Nr. 56 : Ludwig Justi Archiv des Amtes für den Rechtsschutz des Vermögens der DDR, Berlin (AfR-Archiv)
Amt für den Rechtsschutz des Vermögens der DDR : AfR 1088 AfR 1098 AfR 1103 Archiv des Museums für Völkerkunde Dresden
Nachlass Peter Neumann Archiv Kunstmuseum Moritzburg Halle/Saale
Altakten Nr. 32 Altakten Nr. 80 Ordner Absetzungsprotokolle Schriftwechsel Gemäldesammlung 1955/1956 Archiv Staatliche Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern (Archiv SSGK MV)
Akte Bezirksmuseum Toruń Akte Bezirksmuseum Toruń 1974 Akte Mexiko Akte Stade Akte Tallinn I (1969–1979) Akte Tallinn II (1976) Akte Wechselausstellung mit Ungarn Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin, Archiv (BBAW)
Nachlass Ludwig Justi : NL Justi 111 Berlinische Galerie
Nachlass Galerie Ferdinand Möller : GI/1
Archivalien I 359
Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Potsdam (BLHA)
Rat des Bezirkes Frankfurt/Oder : 601 RdBFfO, 197 601 RdBFfO, 22921 601 RdBFfO, 27333 601 RdBFfO, 27334 601 RdBFfO, 27335 601 RdBFfO, 27336 601 RdBFfO, 27337 601 RdBFfO, 27338 601 RdBFfO, 27339 601 RdBFfO, 27760 601 RdBFfO, 28007 Rat des Bezirkes Cottbus : 801 RdBCtb, 23187 : Durchführung des Kulturgutschutzgesetzes, 1980–1986 801 RdBCtb, 24435 : Tätigkeit der AG Auflösung des VEB (K) Antikhandel Pirna (Kooperationspartner der Antiquitäten-GmbH Mühlenbeck), 1990 Ministerium für Volksbildung : Rep. 205A MfV 613 Rep. 205A MfV 615 Rep. 205A MfV 617 Rep. 205A MfV 644 Rep. 205A MfV 802 Bundesarchiv, Berlin (BArch)
Komitee der Arbeiter-und-Bauern-Inspektion : DC 14/2567 Ministerrat der DDR : DC 20-I/4–951 Betriebe des Bereiches Kommerzielle Koordinierung : DL 210/1873 DL 210/1874 DL 210/1899 Ministerium der Finanzen : DN 1/14277 DN 1/122515 360 I Archivalien
DN 1/122516 DN 1/122517 DN 1/122518 DN 1/122519 DN 1/122520 DN 1/122521 DN 1/122522 DN 1/122523 DN 1/122524 DN 1/122525 DN 1/122526 Ministerium für Kultur : DR 1/5942 DR 1/6409 : Perspektivplanung 1965–69 DR 1/6421 : MfK, „Sektor Museen, 1. Schriftwechsel innerhalb der Abt. u. des Sektors, 2. Arbeitspläne, 3. Protokolle, 4. Aktennotizen“ [1962–69] DR 1/6448 : Rat für Museumswesen 1965–69 DR 1/7352 : Mitglieder des Rates für Museumswesen um 1970 DR 1/7478 : Rat für Museumswesen Tagungen 1969-[72] DR 1/7479–1 : Rat für Museumswesen 1964–66, Bd. 1 DR 1/7479–2 : Rat für Museumswesen 1964–66, Bd. 2 DR 1/7484 : Tagungen und Sitzungen des Rates für Museumswesen 1965–1970 DR 1/7488 : UNESCO-Konventionen 1956–75 DR 1/7489 : Perspektivpläne Museen 1965–70, 1965 DR 1/7490 : Probleme in der Kultur und Kunst (Museen und VBK)/Kritiken, Analysen, Aufgaben 1965–68 DR 1/7491 : Rat für Museumswesen, Sektion Kunstmuseen 1967/68 DR 1/7907 DR 1/7968 DR 1/8068 DR 1/8069 DR 1/21002 : ICOM 1956–1964 DR 1/21043 : Arbeit der DDR innerhalb der INSEA 1961–1966 DR 1/91010 : Kunsthalle Rostock 1964–1965 Ministerium für Volksbildung : DR 2/1008 : Schriftgut, Staatliche Unterlagen, 1945–1949 DR 2/1025 DR 2/1038 : Schriftgut, Staatliche Unterlagen, 1945–1949 DR 2/1125 Archivalien I 361
DR 2/1626 Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, Berufungsakten : DR 3-B/5936 : Christian Emmrich DR 3-B/8905 : Eberhard Bartke Kommission des Ministeriums für Kultur zum Schutz des Kulturgutes (Kulturgutschutzkommission) : DR 136/99 Fachstelle für Heimatmuseen/Institut für Museumswesen der DDR/Rat für Museumswesen der DDR/Nationaler Museumsrat der DDR : DR 141 Institut für Museumswesen : DR 141/IfM 0050 : Ausstellung „10 Jahre DDR“ u. „40 Jahre Novemberrevolution“, 1958–1969, 1959 Rat für Museumswesen : DR 141/RfM 0087 : Verschiedenes, 1969–1980 DR 141/RfM 0090 : Einführung in die Museologie und Urlaubsvereinbarung, Denkmalpflegegesetz, 1972–1987 DR 141/RfM 0111 : Gedenkstätten/Diverses, 1975–1987 VEH Bildende Kunst und Antiquitäten (Staatlicher Kunsthandel der DDR) : DR 144 Bundesarchiv (BArch), Bildarchiv
Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst (ADN) – Zentralbild : Bild 183-H0705–001–006 Bild 183-H0706–001–016 Bild 183-P0705–109 Bild 183-U0707–035 Bild 183-Z0705–002 I DDR JVIa Biennale Ostseeländer 1973 Deutsches Historisches Museum, Berlin (DHM)
Bildarchiv, Inv.-Nr. BA100782 Hausarchiv, Geschichte der DDR-Ausstellung 362 I Archivalien
Museum für Deutsche Geschichte : Hausarchiv, MfDG, 419 Hausarchiv, MfDG, 429 : Abt. Geschichte der DDR, Jahrespläne und Jahresberichte der Abteilung, 1967–1971 Hausarchiv, MfDG, 463 : Direktion, Konzeptionen für den Ausstellungsabschnitt 1945 bis Gegenwart, 1963 Hausarchiv, MfDG, 475 : Abteilung Sammlung, Sammlungskonzeptionen, 1957–1967 Hausarchiv, MfDG, 487.1 : Direktion, Innerbetriebliche Informationen, Bd. 1, 1956–1962 Hausarchiv, MfDG, 539 : Direktion, Sonderausstellung : 10 Jahre DDR, 1959 Hausarchiv, MfDG, A60, 1494, Abt. Ur- und Frühgeschichte Hausarchiv, MfDG, A60, 2549 Hausarchiv, MfDG, Album, 1954 Hausarchiv, MfDG, Drehbuch, A88 139 Hausarchiv, MfDG, Personalakte Otto, Karl-Heinz Hausarchiv, MfDG, vorl. 4 : Abt. Geschichte der DDR, Sammlungskonzeptionen, politischideologische Zielstellung, Grundkonzeption der Abt. Geschichte der DDR, 1968–1986 Deutsches Rundfunkarchiv
IDNR 020081 IDNR 372520 Galerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Erwerbungsunterlagen GNM, Ordner 1946–1965 Erwerbungsunterlagen GNM, Ordner 1970–1975 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin (GStA PK)
Generaldirektion der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz : I. HA Rep. 601, B Nr. 299 GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig
Gästebuch 1954–59 Gästebuch Juni 1960 – Dez. 1962 Hauptstaatsarchiv Dresden
Staatliche Kunstsammlungen Dresden : 13458, VA 1, Bd. 1 13458, VA 173, 30/17 LRS/MfV Akte 2343
Archivalien I 363
Hausarchiv Museum Eberswalde
Objektverzeichnisse Hausarchiv Museum Neuruppin
Objektverzeichnisse Hausarchiv Museum Viadrina, Frankfurt/Oder
Objektverzeichnisse Ordner „Sammlung II“ Hausarchiv Potsdam Museum
BA 770 Kreisarchiv Barnim
D.I. RdKE 1245 K.I. Lichtfe. 9794 K.I. Marienw. 1595 K.I. RdGZep. 11161 Kreisarchiv Ostprignitz-Ruppin
Rat des Kreises Neuruppin, Abt. Innere Angelegenheiten, 6593 Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Landesmuseum für Vorgeschichte, Halle/Saale, Hausarchiv (LDA-SA HA)
241a 241b 300a 340a 340d 341a 341b 376b 532 536b Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Magdeburg
Abt. Magdeburg, K 3, Nr. 8385 Abt. Magdeburg, K 10, Nr. 7426
364 I Archivalien
Museum für Naturkunde, Historische Bild- und Schriftgutsammlungen, Berlin (MfN, HBSB)
Tansania 1987 Nachlass Gerhard Händler, Mönchengladbach Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv (SMB-ZA)
Staatliche Museen zu Berlin (Ost), Nationalgalerie : I/NG 16 Geschäftsakten der Staatlichen Museen zu Berlin (Ost), Generaldirektion : II A/GD 1 II A/GD 37 II A/GD 98 Deutscher Museumsbund : III/DMB 16/01 : Mitgliedsbeiträge Bund Naturwissenschaftlicher Museen, 1951–1970 III/DMB 16/02 : Mitgliederlisten Bund Naturwissenschaftlicher Museen, 1951–1970 Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Archiv (SKD-Archiv)
Bestand SBZ/DDR, Generaldirektion : 02/GD 215 02/GD 460 Bestand SBZ/DDR, Vorakten (Akten der Staatlichen Museen zu Dresden, vor Gründung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden 1955) : 02/VA 117 Stadtarchiv Dresden
Abteilung Kultur : 4.2.14, Nr. 310 4.2.14, Nr. 684 Technische Sammlungen der Stadt Dresden : 9.2.21–33 Dez. OB, Akte Nr. 993 Stadtarchiv Frankfurt/Oder
BA II. 1.2.2.12240/952
Archivalien I 365
Stadtarchiv Halle/Saale
321–1/2 321–1/6 A 3.21, Nr. 87 A 3.21, Nr. 138 Stadtarchiv Jena
Rat der Stadt Jena, Abteilung Kultur : F 2151 F 2657 Stadtarchiv Rostock
Stadtverordnetenversammlung und Rat der Stadt 1953–1990 : 2.1.1. Nr. 4093 : Ratsprotokolle 2.1.1. Nr. 7044 : Museen 1976 2.1.1. Nr. 7046 : Schifffahrtsmuseum ; Planung, Finanzierung und Abrechnung 1970–1979 2.1.1. Nr. 7048 : Rechenschaftsbericht 1986 2.1.1. Nr. 7049 : Schiffbaumuseum ; Planung, Finanzierung und Abrechnung 1971–1976 Kulturhistorisches Museum : 2.1.13.1. Nr. 37 Schifffahrtsmuseum : 2.1.13.2. Nr. 12 : Perspektiv- und Arbeitspläne 1960–1978 2.1.13.2. Nr. 20 Schiffbaumuseum : 2.1.13.3. Kunsthalle : 2.1.13.4. Nr. 161 : Kunsthalle, 1964–1966 : Erste Biennale der Ostseeländer vom 4.7.–8.8. 1965 Org. der Biennale, Schriftwechsel, Listen über Kunstwerke, Beschlüsse, Protokolle, Transportunterlagen. Tagung des Komitees der Biennale der Ostseeländer anläßlich der Ostseewoche 1964 Kühlungsborn, am 8. Juli 1964 Städtisches Kulturelles Wirtschaftsunternehmen 1945–1952 : 2.1.3. Nr. 11 Thematische Dokumentensammlung 1945–1989 : 3.11. Nr. 5.3./2
366 I Archivalien
Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv, Berlin (SAPMO-BArch)
Politbüro des ZK der SED (Protokolle), 1949–1989 : DY 30/IV 2/2/87 DY 30/IV 2/2/184 DY 30/IV 2/2/194 DY 30/J IV 2/2A/755 Abteilung Wissenschaften des ZK der SED, 1945–1962 : DY 30/IV 2/9.04/253 Abteilung Kultur des ZK der SED, 1945–1990 : DY 30/IV 2/9.06/169 Sekretariat des ZK der SED (Informationen), 1954–1979 : DY 30/56308 Kammer der Technik : DY 61/139 Nachlass Otto Grotewohl : NY 4090/531 Technische Sammlungen Dresden, Archiv (TSD Archiv)
AK30–423/2004 Ordner „Prospekte“ Universitätsbibliothek Leipzig (UB Leipzig)
Altregistratur 759
Archivalien I 367
G E D RU C KTE QU ELLE N B I S 1 989
Allgemeine Deutsche Kunstausstellung 1946 – Allgemeine Deutsche Kunstausstellung, Ausst. kat. Dresden, Stadthalle Nordplatz, 25.8.–31.10.1946, Dresden 1946. Aloi 1962 – Roberto Aloi : Musei. Architettura – Tecnica, Mailand 1962. Alte Bauten im neuen Dorf 1963 – Alte Bauten im neuen Dorf, hg. v. Deutschen Kulturbund, der Zentralen Kommission Natur und Heimat des Präsidialrates u. v. Zentralen Aktiv „Bauten im Dorf“, Teil 1, Berlin (Ost) 1963. Andreas/Dittrich 1966 – Joachim Andreas/Albert Dittrich : Katalog des Polytechnischen Kunstseidenmuseums in Pirna, Hohenstein-Ernstthal 1966. Anordnung über die Bildung eines Instituts für Museumswesen 1971 – Anordnung über die Bildung eines Instituts für Museumswesen vom 21. Dezember 1970, in : Neue Museumskunde, Jg. 14, 1971, H. 3, S. 170–172. Architektur und bildende Kunst 1969 – Architektur und bildende Kunst. Ausstellung zum 20. Jahrestag der DDR, Ausst.kat. Altes Museum/Nationalgalerie, Berlin (Ost) 1969. Architekturführer DDR 1975 – Architekturführer DDR, Bezirk Leipzig, hg. v. der Bauakademie der DDR, v. Bund der Architekten der DDR u. Institut für Denkmalpflege der DDR, Berlin (Ost) 1975. Arndt 1983 – Hans Joachim Arndt : Berlin als Museumsstadt, in : Berlin und seine Bauten 1983, S. 1–12. Aus dem Schlußwort des Stellvertretenden Ministers für Kultur 1966 – Aus dem Schlußwort des Stellvertretenden Ministers für Kultur der DDR, Robert Lehmann, auf der 1. Tagung des Rates für Museumswesen am 17. Februar 1966, in : Neue Museumskunde, Jg. 9, 1966, H. 2, S. 103–105. Ausstellung aus fünf Jahrhunderten 1981 – Ausstellung aus fünf Jahrhunderten. Meisterwerke deutscher Kunst. Malerei und Grafik von Dürer und Cranach bis zur Gegenwart aus der Deutschen Demokratischen Republik, Ausst.kat., Tokio 1981 [japanische Ausgabe]. Ave 1966 – Joachim Ave : Zum ersten Erfahrungsaustausch über die Einbeziehung der Museen in die Bildungs- und Erziehungsarbeit nach den Festlegungen im Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem, in : Schule und Museum im einheitlichen sozialistischen Bildungssystem 1966, S. 3–8. Ave/Jahn 1982 – Joachim Ave/Ilse Jahn : Schatzkammern aufgeschlossen. Prof. Dr. Kurt Patz wall – Nestor der sozialistischen Museumspädagogik – 70 Jahre, in : Neue Museumskunde, Jg. 25, 1982, H. 2, S. 144f. Ave/Patzwall 1973 – Joachim Ave/Kurt Patzwall : Auf dem Wege zur sozialistischen Bildung und Erziehung unserer Schuljugend in den Museen der DDR. Entwurf einer Chronik – Aus Anlaß des 10-jährigen Bestehens der Arbeitsgruppe „Museumspädagogik“ (1963 bis 1973), in : Schule und Museum im einheitlichen sozialistischen Bildungssystem der Deut-
368 I Gedruckte Quellen bis 1989
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Gemäldegalerie Dresden 1956 – Gemäldegalerie Dresden. Ausstellung der von der Regierung der UdSSR an die Deutsche Demokratische Republik übergebenen Meisterwerke, hg. v. der Generaldirektion der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Dresden 1956. Germer 1965 – Ernst Germer : Besuchertest im Museum für Völkerkunde zu Leipzig, in : Jahrbuch des Museums für Völkerkunde zu Leipzig, hg. v. Hans Damm, Bd. XXI, Berlin (Ost) 1965, S. 115–143. Germer 1968 – Ernst Germer : Rezension zu Museum und Schule 1966, in : Neue Museumskunde, Jg. 11, 1968, H. 3, S. 349f. Germer 1969 – Ernst Germer : Museen in der DDR – heute. Eine Ausstellung des Rates für Museumswesen der Deutschen Demokratischen Republik, in : Neue Museumskunde, Jg. 12, 1969, H. 4, S. 480–497. Geschichte SED 1978 – Geschichte der SED. Abriß, Berlin (Ost) 1978. Gesetz über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens 1959 – Gesetz über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens in der Deutschen Demokratischen Republik, in : Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, Teil 1, Nr. 6, Berlin (Ost), 7.12.1959, S. 859–863. Gesetzblatt der DDR 1950, 1952–1955, 1978, 1980 u. 1982. Giesecke 1961 – Jochen Giesecke : Gedanken über eine neue Abteilung im Staatlichen Museum Schwerin, in : Neue Museumskunde, Jg. 4, 1961, H. 3, S. 231–233 u. Tafel XXIX. Glaser 1968a – Gerhard Glaser : Erfahrungen beim Umbau des Kulturhistorischen Museums Rostock, in : Neue Museumskunde, Jg. 11, 1968, H. 1, S. 41–57 u. Tafel 1–4 (als Faltpläne im Anhang). Glaser 1968b – Gerhard Glaser : Rezension zu Michael Brawne : Neue Museen 1965, in : Neue Museumskunde, Jg. 11, 1968, H. 3, S. 355–357. Glaser/Krüger 1967 – Gerhard Glaser/Hermann Krüger : Ein Jahr Gemäldegalerie Neue Meister im Albertinum Dresden. Rückblick aus der Sicht des Architekten, in : Neue Museumskunde, Jg. 10, 1967, H. 2, S. 129–150. Goldhammer 1966 – Herbert Goldhammer : Neue Versuche der Kunstbetrachtung mit Schülern des 5. Schuljahres in der Gemäldegalerie Neue Meister, in : Schule und Museum im einheitlichen sozialistischen Bildungssystem 1966, S. 23–25. Goldhammer 1971 – Herbert Goldhammer : Über die systematische Entwicklung von differenzierten Formen und Methoden der Bildungs- und Erziehungsarbeit im Kunstmuseum, in : Neue Museumskunde, Jg. 14, 1971, H. 3, S. 177–185. Golinski 1960 – Gerhard Golinski : Vier Tage Dresdner Galerie. Kunsterzieherischer Höhepunkt für eine 12. Klasse, in : Kunsterziehung, Jg. 1960, H. 5, S. 5–7. Grabe 1986 – Friedhelm Grabe : Die weitere Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft und die Aufgaben der Museen bis 1990, in : Neue Museumskunde, Jg. 29, 1986, H. 4, S. 252–258. Grabe 1987 – Friedhelm Grabe, Referat des stellvertretenden Ministers für Kultur, in : Informationen für die Museen in der DDR, Jg. 19, 1987, H. 3–4, S. 1–38. Grotewohl 1951 – Otto Grotewohl : Die Eroberung der Kultur beginnt. Rede zur Berufung der 374 I Gedruckte Quellen bis 1989
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L ITE RATU R U N D PU B LI KATI ON E N AB 1 990
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Literatur und Publikationen ab 1990
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Beitrag Andrews
Fig. 1 : DHM, Bildarchiv, Inv.-Nr. BA100782, © Deutsches Historisches Museum – Fig. 2 : DHM, Hausarchiv, MfDG, Album, 1954, © Deutsches Historisches Museum – Fig. 3 : DHM, Hausarchiv, Geschichte der DDR-Ausstellung, Foto Jürgen Nagel, © Deutsches Historisches Museum – Fig. 4 : DHM, Hausarchiv, MfDG, Drehbuch, A88 139, © Deutsches Historisches Museum Beitrag Bernau
Abb. 1 : Foto Nikolaus Bernau – Abb. 2 : Petras 1987, S. 200 – Abb. 3 : Deutsche Architektur, Jg. 8, 1959, S. 329 – Abb. 4 : Foto Nikolaus Bernau – Abb. 5 : Foto Nikolaus Bernau Beitrag Bretschneider
Abb. 1 : Privatsammlung Karge – Abb. 2 : Wir besuchen ein Museum 1976, S. 41 – Abb. 3 : Bestand Hennebergisches Museum Kloster Veßra – Abb. 4 : Bestand Hennebergisches Museum Kloster Veßra – Abb. 5 : Planet-Verlag Berlin, Privatsammlung Bernau – Abb. 6 : Foto Uta Bretschneider 2014 Beitrag Danker-Carstensen
Abb. 1 : Foto Ronald Piechulek, Archiv Schifffahrtsmuseum Rostock – Abb. 2 : Foto Wolfhard Eschenburg, Archiv Schifffahrtsmuseum Rostock – Abb. 3 : Archiv Schifffahrtsmuseum Rostock – Abb. 4 : Foto Jochen Bertholdt, Archiv Schifffahrtsmuseum Rostock – Abb. 5 : Foto Nachlass Strobel, Archiv Schifffahrtsmuseum Rostock – Abb. 6 : Foto Zentralbild/Peter Koard, Archiv Schifffahrtsmuseum Rostock Beitrag Karge
Abb. 1 : Privatsammlung Karge – Abb. 2 : Privatsammlung Karge – Abb. 3 : Publikationsreihe Schule und Museum, Titel 1969 – Abb. 4 : Bestand Institut für Museumswesen, BArch, DR 141 – Abb. 5 : Privatsammlung Karge – Abb. 6 : Privatsammlung Karge Beitrag Kratz-Kessemeier
Abb. 1 : Neue Museumskunde, Jg. 2, 1959, S. 267, Abb. 3 – Abb. 2 : Museum der bildenden Künste Leipzig, Foto InGestalt Michael Ehritt, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022 – Abb. 3 : Neue Museumskunde, Jg. 10, 1967, S. 140, Abb. 7 – Abb. 4 : Jahrbuch 1963/64 Staatliche Kunstsammlungen Dresden, hg. v. der Generaldirektion der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, red. v. Christian Emmrich u. Hans Ebert, S. 18 – Abb. 5 : BArch, DR 1/91010 – Abb. 6 : Neue Museumskunde, Jg. 11, 1968, S. 52f., Abb. 8 u. 9 – Abb. 7 : Staatliche Museen zu Berlin, 414 I Bildnachweise
Zentralarchiv, ZA 2.17.2./4107 – Abb. 8 : Neue Museumskunde, Jg. 10, 1967, S. 387, Abb. 1 – Abb. 9 : Neue Museumskunde, Jg. 12, 1969, S. 483, Abb. 2 Beitrag Lindemann
Abb. 1 : DHM, Hausarchiv, MfDG, A60, 2549, © Deutsches Historisches Museum – Abb. 2 : LDA-SA HA, 340a, © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Bildarchiv – Abb. 3 : DHM, Hausarchiv, MfDG, A60, 1494, Abt. Ur- und Frühgeschichte, © Deutsches Historisches Museum – Abb. 4 : DHM, Hausarchiv, MfDG, A60, 2549, © Deutsches Historisches Museum – Abb. 5 : DHM, Hausarchiv, MfDG, A60, 2549, © Deutsches Historisches Museum Beitrag Ludwig
Abb. 1 : DHM, Hausarchiv, MfDG, 475, © Deutsches Historisches Museum – Abb. 2 : BArch, DR 141/RfM 0111 – Abb. 3 : © Stiftung Stadtmuseum Berlin, Bestand Märkisches Museum, Archiv Beitrag Neumann
Abb. 1 : Fotograf unbekannt, © Archiv der Kunsthalle Rostock – Abb. 2 : Bild und Heimat Reichenbach (Vogtl) – Abb. 3 : Fotograf unbekannt, © Archiv der Kunsthalle Rostock Beitrag Röder/Bethlen
Abb. 1–4 : Bibliothek Staatliche Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern – Abb. 5 : Archiv SSGK MV, Akte Tallinn II (1976) – Abb. 6 : Archiv SSGK MV Beitrag Rosenthal
Abb. 1 : © Joscha Fischer-Antze, © Foto Albertinum | GNM, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Elke Estel/Hans-Peter Klut – Abb. 2 : © Foto Albertinum | GNM, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Elke Estel/Hans-Peter Klut ; trotz intensiver Recherchen konnte der/ die Inhaber/in der Urheberrechte nicht ermittelt werden – Abb. 3 : © Foto Albertinum | GNM, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Elke Estel/Hans-Peter Klut ; trotz intensiver Recherchen konnte der/die Inhaber/in der Urheberrechte nicht ermittelt werden – Abb. 4 : © Clara Moriconi und Thomas Geist, © Foto Albertinum | GNM, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Elke Estel/Hans-Peter Klut – Abb. 5 : © Jürgen Waller, © Foto Albertinum | GNM, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Elke Estel/Hans-Peter Klut Beitrag Sachse
Abb. 1 : Museum Strausberg – Abb. 2 : Kreisarchiv Barnim, K.I. Lichtfe. 9794 – Abb. 3 : Kreisarchiv Barnim, D.I. RdKE 1245 – Abb. 4 : Museum Viadrina, Frankfurt/Oder Beitrag Scheil
Abb. 1 : Foto Michael Schmitt – Abb. 2 : Schule und Museum im einheitlichen sozialistischen Bildnachweise I 415
Bildungssystem 1968, S. 90/91 ; Wir besuchen ein Museum 1976, S. 53 – Abb. 3 : Neue Museumskunde, Jg. 14, 1971, S. 124 – Abb. 4 : Neue Museumskunde, Jg. 14, 1971, S. 124 – Abb. 5 : Neue Museumskunde, Jg. 14, 1971, S. 125 – Abb. 6 : Neue Museumskunde, Jg. 14, 1971, S. 125 – Abb. 7 : Neue Museumskunde, Jg. 14, 1971, S. 119 Beitrag Scheunemann
Abb. 1 : Foto Kulturstiftung Sachsen-Anhalt/Kunstmuseum Moritzburg Halle/Saale – Abb. 2 : Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Abt. Magdeburg, K 10, Nr. 7448, Bl. 161 – Abb. 3 : Forschungsstätte für Frühromantik und Novalis-Museum Schloss Oberwiederstedt, Foto Uta Matauschek, Dresden – Abb. 4 : Foto Peer Grimm, BArch Bild 183-1989-1206-034 Beitrag Steinkamp
Abb. 1 : Berliner Zeitung, 28.7.1945 – Abb. 2 : Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv – Abb. 3 : Ausst.kat. Städtische Kunstsammlungen Chemnitz 1946 – Abb. 4 : Sonntag, 26.1.1947 – Abb. 5 : Bildarchiv der Stiftung Moritzburg, Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt, Halle – Abb. 6 : Bildarchiv Kulturhistorisches Museum Rostock – Abb. 7 : Bildarchiv der Stiftung Moritzburg, Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt, Halle Beitrag Stoecker
Abb. 1 : Wochenschau „Der Augenzeuge 1955/52“, DEFA-Studio für Wochenschau und Dokumentarfilme, 1955, © DEFA-Stiftung – Abb. 2 : Inv.-Nr. MAf 34560, GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto Martin Lutze – Abb. 3 : Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, V/Fotoslg. 9677 – Abb. 4 : Museum für Naturkunde Berlin, Foto Antje Dittmann – Abb. 5 : Foto Michael Ohl Beitrag Usbeck
Abb. 1 : © Staatliche Ethnographische Sammlungen Sachsen (SES)/Staatliche Kunstsammlungen Dresden (SKD), Photo Int. 864 – Abb. 2 : © Staatliche Ethnographische Sammlungen Sachsen (SES)/Staatliche Kunstsammlungen Dresden (SKD) – Abb. 3 : © Karl-May-Museum Radebeul – Abb. 4 : © Karl-May-Museum Radebeul Beitrag Weiss
Abb. 1 : Neue Museumskunde, Jg. 5, 1962, Tafel III – Abb. 2 : Bildarchiv Kulturhistorisches Museum Magdeburg, Inv.-Nr. 275 – Abb. 3 : Privatsammlung Karge – Abb. 4 : Foto Christoph Georgi, in : Rudi Gränitz : Schloß Augustusburg, Leipzig 1970, S. 43 – Abb. 5 : W. Huste : Wer sorgt für’s „Polytechnische Museum“ ?, in : Jugend + Technik, Bd. 14, 1966, H. 7, S. 646–648 ; trotz intensiver Recherchen konnte der/die Inhaber/in der Urheberrechte nicht ermittelt werden Beitrag Winter
Abb. 1 : Petra Winter – Abb. 2 : bpk-Bildagentur, Bild-Nr. 10015387, Foto Friedrich Seidenstücker, © bpk/Friedrich Seidenstücker – Abb. 3–13 : Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv 416 I Bildnachweise
PE RS O N E N R EG I STER
Abusch, Alexander 32, 35, 40, 44, 51, 90, 109, 274 Ahlgrén, Lauri 102 f. Ahonen, Eino 102 Alberti, Agatha 222 Alexander, Sabine 202 Amri, Anis 243 Apel, Erich 175 Aschenbach, Klaus 205 Asgeirsson, Bragi 100 f., 103 Ashiwaju, Garba 137 Augustin, Stephan 297, 302 Ave, Joachim 61, 63, 156, 180, 183 Baehr, Ulrich 286 Baluschek, Hans 23 Balzer, Wolfgang 25, 28, 272–274 Barlach, Ernst 20, 24, 26, 59, 114 Bartel, Horst 269 Barth, Carl 284 Barthel, Wolfgang 259, 266, 268 Bartke, Eberhard 35, 39 f., 42 f., 46 f., 53, 61, 354 Baumgarten, Karl 304–306, 308 Becher, Johannes R. 18, 42, 79 f., 266 Beckmann, Max 20, 43 Behne, Adolf 20 Belling, Rudolf 43, 45 Bentzien, Hans 35, 39 f., 42, 50, 220 Bettermann, Gerhard 285 Beyer, Jürgen 205 Blagowolin, Nikolai Nikolajewitsch 102 Böhmer, Bernhard A. 24, 56 Bogatzky, Hans Erich 202 Bolz, Lothar 90 Bondzin, Sabine 196 Þorsteinsson, Örn 101 Brandt, Klaus 196 Brandt, Willy 153 Brawne, Michael 45
Brecht, Bertolt 266 Breschnew, Leonid 42, 118 f. Buch, Familie von 238 Bürgel, Bruno H. 59 Burian, Zdeněk 169 Burtzick, Klaus 197 Buschendorf, Gisela 163 f., 166 f., 169, 171 Cagli, Corrado 286 Cheret 235 Chruschtschow, Nikita 34, 89 f., 172, 333 Ciara, Zdzisław 120 Cranach, Lucas 109–111, 121 Cubr, František 202 Dahl, Johan Christian Clausen 264 Dahnke, Hans-Dietrich 266 Darwin, Charles 169 Didier, Christina 261, 265, 268 Diehl, Hans-Jürgen 286 Dimitroff, Georgi 59 Dix, Otto 36 f., 52, 111, 286 Dräger, Lothar 289, 292, 302 Dreyer, Vollrat 123 Dürer, Albrecht 108–111, 121, 123 f., 144 Düttmann, Werner 194 Dutschke, Werner 196, 206 Ebert, Hans 38 Effenberger, Karlheinz 120 Ehlert, Karl Heinz 202 Ehmsen, Heinrich 20 Eisler, Hanns 279 Elfes, Will 285 Emmrich, Christian 37–39, 42–44 Engels, Friedrich 101, 151, 158, 170 Ewe, Herbert 113 Eyo, Ekpo 137 f., 142 Feininger, Lyonel 26 Personenregister I 417
Fichte, Johann Gottlieb 261 f., 268 Fichte, Willy 196 Finding, Ole 102 Fleischhauer, Hans 40, 46 Flierl, Thomas 130 Förster, Rudolf 261 Förster, Wieland 114 Fougner, Gunnar 203 Frank, Patty 292, 298 Friedel, Lutz 287 Friedrich, Caspar David 52, 110 f., 260, 264 Friedrich II., König von Preußen 206 Fühmann, Franz 266 Gabelentz, Hanns-Conon von der 44 Gatzemeier, Thomas 287 Gauguin, Paul 52 Gefers, Otto 285 Geigenberger, Otto 284 Georg Friedrich, Prinz von Preußen 213 Germer, Ernst 295 Gessner, Hartmut 202 Giorgione 33, 36 Glaser, Gerhard 36 f., 39–41, 44–46 Glauning, Otto 133 Goethe, Johann Wolfgang von 57, 197, 261–263, 266 Goettl, Helmut 285 Gohlke, Peter 196, 206 Goldhammer, Herbert 44 Gorbatschow, Michail 117, 119 Gorella, Arved D. 285 Grabe, Friedhelm 248 Grade, Hans 325 Grohn, Hans Werner 91 Gronau, Hans-Joachim 91 Großmann, Hans 197 Grosz, George 286 Grotewohl, Otto 79, 85, 90 f., 133 f., 151, 272 Grüneberg, Gerhard 175 Grundig, Hans 109, 284 Gruner, Reinhard 120 Guder, Gerhard 196 Gülland, Lucie 42 Günzel, Klaus 269
418 I Personenregister
Gute, Herbert 28 Guttuso, Renato 278 f., 286 Gysi, Irene 35, 40 Gysi, Klaus 43–45, 47 Haeckel, Ernst 177 f. Händler, Gerhard 21, 23 f., 29 Hager, Kurt 44, 64, 175, 343 Hahne, Hans 163 Hakenbeck, Harald 52 Hallstein, Walter 96, 128 Hals, Frans 115 Halwas, Martin 46 Hamer, Hartwig 120 Hardenberg, Auguste Bernhardine von 221 f. Hartlaub, Gustav Friedrich 39 Hauptmann, Gerhart 59, 266, 270 Heartfield, John 286 Heckel, Erich 20, 109 Heckert, Fritz 197 Heese, Walter 90 Hegenbarth, Johanna 284 Hegenbarth, Josef 284 Heinzinger, Albert 275–278, 285 Heise, Wolfgang 265 f. Hennig, Arno 86 Herbst, Wolfgang 154–156, 246 Herder, Johann Gottfried 261, 263 Herkenrath, Peter 274, 284 Hermlin, Stephan 279 Herrmann, Joachim 142 Heuer, Joachim 284 Heuss, Theodor 89 Heyne, Martin 343, 345, 349 Hiepe, Richard 275, 286 Hildén, Sara 203 Hitler, Adolf 66, 76, 267 Hoch, Karl-Ludwig 260 Hönig 332 Hofer, Karl 18, 20 Hoffmann, E. T. A. 264 Hoffmann, Hans-Joachim 68, 108 f., 113, 264 f. Hoffmann, Helmut 285 Hoffmeister, Christine 110 Holtzhauer, Helmut 26, 354
Holz, Paul 118, 124 Honecker, Erich 12, 47, 64, 112 f., 119, 123, 152, 158, 175, 206, 259, 326, 346 Honecker, Margot 329 Hrubý, Josef 202 Hubbuch, Karl 285 Humboldt, Alexander von 109, 178 Huste, W. 330 Israel, Heinz 292 Jaehner, Erich 163 Jahn, Günther 343 Jahn, Ilse 156, 177–190 Jahn, Johannes 42 Jakob-Rost, Liane 142 Jantke, Ewald 196 Jastram, Dieter 40 Jawlensky, Alexej von 23 Jürß, Lisa 109, 113 f. Justi, Ludwig 21, 31, 37, 39, 43, 48, 75 f., 78–80, 83, 85, 89 f., 150, 199 Kandinsky, Wassily 23, 26 Kaufmann, Bernhard 114 f. Kaufmann, Erich 40 Kaufmann, Wolfgang 114 Kelch, Hans-Ulrich 163, 172 Kerovaara, Paavo 102 Kersting, Georg Friedrich 264, 269 Kiau, Rolf 64 Kjartansson, Ragnar 101 Klee, Paul 26, 39 Kleist, Heinrich von 59, 259 Klengel, Horst 142 Kleyer, Hermann 130 Klieme, Günter 261 Knorr, Heinz Arno 57–61, 71, 168 Kny, Michael 196 Köckeritz, Walter 205 Körner, Christian Gottfried 260 Körner, Theodor 260 Koldewey, Robert 141 Kollwitz, Käthe 20, 23, 26, 118, 124 Krantz, Horst 197
Kravagna, Christian 104 Kreis, Wilhelm 163 Kretzschmar, Bernhard 82 Kröner, Karl 284 Krüger, Ernst-Albert 330 Krüger, Hermann 36 f., 39–41, 44, 46 Krupskaja, Nadeschda 321 Krusche, Rolf 292 Kügelgen, Bernt von 264 Kügelgen, Gerhard von 260–265 Kunze, Herbert 26 Kurella, Alfred 175 Lachs, Johannes 340, 348 Lang, Rolf 156 Langaard, Johan H. 203 f. Lange, Erhard 261 Lange, Günter 326 Lehmann, Fritz 196 Lehmann, Robert 42 Lehmbruck, Wilhelm 44, 355 Lemmnitz, Alfred 322, 329 Lenin, Wladimir Iljitsch 57, 64, 68, 151, 154 f., 158, 165, 168–170, 173, 180, 188, 200 f., 265, 321 Leuschner, Fritz 322 f., 325, 328–331 Levykin, Konstantin G. 156 Lichtenberger, Hans Reinhold 284 Lichtwark, Alfred 31, 35, 37–39, 44 Liebermann, Max 36 Liebknecht, Karl 197, 260 Lindenau, Bernhard August von 44, 123, 193, 198 Lips, Eva 291–293, 301 Lips, Julius 292 Lüdicke, Marianne 285 Lukács, Georg 259, 267 Lunow, Willi 163 Luther, Martin 68, 267, 354 f. Lyssenko, Trofim 178 Mackensen, Fritz 114 März, Roland 44 Magnus, Eduard 240 Mahlau, Alfred 285 Personenregister I 419
Majakowski, Wladimir 278 Mansfeld, Heinz 354 Marc, Franz 109 Martin, Kurt 36 Marx, Karl 44, 56 f., 68, 101, 151, 154 f., 158, 165 f., 168–170, 173, 180 f., 188, 200, 265, 321, 331 Masao, Fidelis 139–142 Masereel, Frans 23 Masur, Kurt 112 Materna, Ingo 156 Mattheuer, Wolfgang 114 Matthieu, Georg David 109 May, Karl 267, 270, 290, 292, 297–300 Mayer-Foreyt, Hans 33 f. M’Bow, Amadou-Mahtar 129 Menzel, Adolph 92 Messel, Alfred 206 Meusel, Alfred 151 f., 157 Meyer, Gerhard Rudolf 61 Meyer, Hans 134–137 Meyer, Jörg 341, 348 f. Meyer-Rienecker, Georg 118 Meyer-Vax, Dore 285 Michaelis, Paul 52 Michel, Erhard 285 Mies van der Rohe, Ludwig 43 f., 194 Mitić, Gojko 300 Modersohn, Otto 114 Modersohn-Becker, Paula 114 Moldt, Ewald 130 Morgner, Wilhelm 44 Müther, Ulrich 196 Munch, Edvard 203 f. Myklebust, Einar 203 Nagel, Otto 23, 82, 109, 266 Napoleon 290 Nay, Ernst Wilhelm 20 Nebukadnezar II. 141 Neckermann, Josef 279 Neidhardt, Hans Joachim 261, 264 Nerlinger, Oskar 20, 23 Neuber, Friederike Caroline 270 Neugebauer, Bernhard 130
420 I Personenregister
Neumann, Alfred 175 Neumann, Peter 292, 297–299, 302 Nofretete 86, 89, 143 Norden, Albert 175 Novalis 221 f., 226, 262 f., 266 f. Oberle, Ernst 285 Oehlandt, Barbara 233 Oertel, Karl 285 Otto, Karl-Heinz 163 f., 166 f., 169, 173 Oudry, Jean-Baptiste 109, 114, 119 Overbeck, Fritz 114 Padberg, Wolfgang 163 f., 167, 169 Palitzsch, Hans Heinrich 286 Palme, Olof 112 f. Pannonius, Janus 117 Paschold, Hermann 198 Pastor, Carl-Heinz 40 Patzwall, Kurt 61, 63, 180 Paul, Bruno 78, 194 Pauli, Gustav 39 Pechstein, Max 20, 109 Petrick, Wolfgang 286 Petzold, Konrad 300 Picasso, Pablo 36, 39 Piller, Klaus 114 Poltiniak, Kurt 51 Poser, Magnus 260 Prechtl, Michael Mathias 285 Querner, Curt 109, 284 Rach, Hans-Jürgen 308 Radig, Werner 306 Raffael 85 Rauch, Christian Daniel 78 Raum, Hermann 279 Rechenberg, Friedrich Erasmus von 221 f. Rehbein, Elfriede 330 Reifarth, Werner 287 Rembrandt 36, 88 f., 124 Renn, Ludwig 28, 109 Reutti, Kurt 25 Rivera, Diego 109
Rivière, Georges Henri 35 Romanus, Peter 223 Rose, Walter 285 Rosenow, Hannes 285 Roth, Dieter 99–101 Rouvinen, Väinö Heikki 102 Rubens, Peter Paul 115, 121 Rudloff-Hille, Gertrud 58 Ruhbaum, Elisabeth 235 Ruhbaum, Hildegard 235 Runge, Philipp Otto 264 Rusch, Walter 137 Ruskin, John 38 Ruthenberg, Vera-Maria 91 Saddam Hussein 141 Salo, Eila-Maria 102 Sauerlandt, Max 21 Schade, Günter 137 Schardt, Alois 21 Scharl, Ludwig 285 Scharoun, Hans 340 Scheel, Walter 340 Scheibe, Emil 285 Scheidig, Walther 354 Schellemann, Carlo 275, 285 Schepilow, Dmitri 90 Schiffner, Kurt 25 Schill, Gerhard 260, 269 Schiller, Friedrich 68, 195 f., 205 f., 259–263, 266 f., 270 Schinkel, Karl Friedrich 202 Schirmer, Gregor 154 Schlegel, August Wilhelm 261 f. Schlegel, Caroline 262 Schlegel, Christine 287 Schlegel, Friedrich 259, 261–263, 266 f. Schmeichler, Werner 130, 140 Schmid, Maria 260 f., 269 Schmidt, Werner 282 Schmidt-Rottluff, Karl 20 f., 36, 109 Schön, Otto 175 Schönemann, Heinz 220 Schramm 28 Schreiber-Weigand, Friedrich 26
Schreiner, Klaus 156, 304–306, 311 f. Schubert, Wolf 215 f. Schultze, Bernard 287 Schultze-Bluhm, Ursula 287 Schumann, Robert 197 Schummer, Ralf 130, 139 f. Seghers, Anna 109, 266 Seltmann 265 Senglaub, Konrad 178 f., 189 Seydewitz, Max 32, 36, 39, 42, 47, 60 f., 71, 354 Sintenis, Renée 20 Siqueiros, David Alfaro 109 Sohns, Kurt 284 Sorge, Peter 286 Spars, Eylert 285 Spengler, Gustav Adolf 196, 200 f. Springer, Axel 171 Stalin, Josef 27, 32, 42, 59, 76, 89 f., 151, 158, 178, 196 f., 199, 201, 205, 259 Stelzmann, Volker 111 Storm, Theodor 267 Strauss, Gerhard 23, 28 f. Strauss, Konrad 216 Strutz, Hans 108–112, 115–118, 120–122 Stuck, Franz von 111 Suhr, Otto 84, 86 Supranowitz, Stephan 130 Tacitus 290 Teder, Inge 120 Thälmann, Ernst 59 Thiele, Gerhard 43 Thulin, Oskar 354 Tieck, Ludwig 262 f., 266, 269 Timner, Carl 276, 278–280, 286 Tisch, Harry 343 Träger, Claus 266 Trier, Troels 102 Trier Mørch, Dea 101 f. Tropitz, Heinz 152 Tübke, Werner 196 Uhlitzsch, Joachim 44, 275 f., 278–280, 282, 285 Uhse, Bodo 109 Personenregister I 421
Ulbricht, Lotte 345 Ulbricht, Walter 12, 35, 47, 90, 158, 172, 322, 345 f. Ullmann, Eduard 152 Uschmann, Georg 178 Valentiner, Wilhelm R. 39 Vasarely, Victor 117 f., 120–122, 124 Veit-Schlegel, Dorothea 262 Verner, Paul 175 Vogeler, Heinrich 114 Voigt, Richard Otto 284 Voissen, Theodor 202 Volwahsen, Herbert 272 Wackenroder, Wilhelm Heinrich 263 Waetzoldt, Wilhelm 39 Wagner, Michel 273 f., 284 Wagner, Richard 264 Wagner, Siegfried 130 Waller, Jürgen 276, 279–281, 286 Walther, Angelo 37 Weber, A. Paul 285 Weber, Carl Maria von 264 Weber, Karl-Heinz 36 Weber, Thomas 196
422 I Personenregister
Webster, William Downing 135 Wecks, Heinz 156 Wegener, Jürgen 285 Wegner, Elisabeth 33 Weigel, Helene 266 Weiß, Peter-Paul 152 Welskopf-Henrich, Liselotte 300 Wernicke, Kurt 246, 248 Wichert, Fritz 39 Wieck, Clara 197 Wieland, Christoph Martin 263 Wienand, Kea 104 Wilhelm, Prinz von Preußen 213 Wilhelm II., deutscher Kaiser 213 Winckelmann, Johann Joachim 59 Wolf, Christa 266 Wolf, Werner 130 Wossidlo, Richard 304, 317 Zetkin, Clara 59 Zhou Enlai 133 f. Ziller, Gerhart 320–322, 331 Zimmermann, Horst 39 f., 42, 45 f., 50, 53, 103 Zschiedrich, Klaus 130 Zweig, Arnold 266