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German Pages [416] Year 2017
Anett Laue
Das sozialistische Tier Auswirkungen der SED-Politik auf gesellschaftliche Mensch-Tier-Verhältnisse in der DDR (1949–1989)
2017 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Bonn.
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Umschlagabbildung: Dagmar Glaser-Lauermann: Mosaik, U-Bahnhof Tierpark, Berlin 1975. Fotografie: Jessica Hermanski, Berlin
© 2017 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Sara Zarzutzki, Düsseldorf Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-50712-1
Für das Muttertier
Inhalt Einleitung .
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1 Natur und Tiere in der marxschen Theorie 1.1 Naturverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Tierverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2 Von Nahrungskonkurrenten und Erziehungsmitteln: ‚Heimtiere‘ in der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Das „sozialistische Heimtier“ ‚Heimtier‘-Konzepte im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 ‚Heimtier‘-Haltung in den Fünfzigerund Sechzigerjahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Die ideologische Wende: ‚Heimtier‘-Haltung seit den Siebzigerjahren . 2.2 Rahmenbedingungen der ‚Heimtier‘-Haltung . . . . 2.2.1 Von Nahrungskonkurrenten . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Veterinärmedizinische Betreuung . . . . . . . . . 2.3 ‚Heimtiere‘ in der Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Disziplinierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Streuner, Freigänger und Heimatlose . . . . . . 2.3.3 „Sozialistische“ Tierheime . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3 Von biologischen Produktionsmitteln und Stufenprodukten: ‚Nutztiere‘ in der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Mensch-‚Nutztier‘-Verhältnisse in der „sozialistischen“ Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Die SED-Agrarpolitik und ihre Auswirkungen auf Mensch-‚ Nutztier‘-Verhältnisse . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Soziale Realität: Aspekte des Mensch-‚Nutztier‘-Verhältnisses . . . . . . . 3.2 Die Erfindung neuer Produktionsmittel – Tierzucht in der DDR 3.2.1 Organisation der Tierzucht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 SMR, Broiler und Broika – „Sozialistische Produktionsmittel“ . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
4 Von Hundeonkeln und Katzentanten – Organisierter Tierschutz in der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 4.1 Privater Tierschutz – Tierschutzvereine in der DDR . . . . . . . . . 257 4.2 Staatlicher Tierschutz in der DDR – Versuch einer Neuordnung 270 4.3 Gesetzlicher Natur- und Tierschutz in der DDR . . . . . . . . . . . . 287 4.3.1 Naturschutzgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 4.3.2 Tierschutzbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 4.4 Die Umweltbewegungen und der Tierschutz . . . . . . . . . . . . . . . 305 4.5 Entwicklung einer „sozialistischen“ Tierschutzgesetzgebung . . . 311 4.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 5 Schlussbetrachtung
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Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . Quellen- und Literaturverzeichnis Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung
„In der Geschichte ist viel zu wenig von Tieren die Rede.“ 1
Der viel zitierte Satz von Elias Canetti macht bereits auf eine Grundproblematik der Geschichtswissenschaften aufmerksam: eine Tiervergessenheit, die nicht nur die kultur- und sozialhistorische Rolle von nichtmenschlichen Tieren 2 in der Geschichte verkennt, sondern dadurch ebenso der Geschichtsschreibung viele Erkenntnisse versagt.3 Die Bedeutung von Tieren für die menschliche Geschichte
1 Canetti, Elias: Über Tiere, Wien 2002 [1942 – 1946], S. 13. 2 Der Begriff „Tier“ ist in der Alltagssprache der Gegenbegriff zum Menschen und umfasst alle Tierarten – von der Auster bis zum Gorilla. Der Tierbegriff ist also problematisch, da er verschiedenste Spezies und Vorstellungen unter einen einzigen Begriff („Kollektivsingular“) versammelt. Daher kommt es oft zu Uneindeutigkeiten und unzutreffenden Verallgemeinerungen. Der Mensch stellt aus biologischer Sicht auch eine Tierspezies dar. Im Folgenden sind mit dem Begriff „Tiere“ alle nichtmenschlichen Tiere bezeichnet. Zur Problematik des Tierbegriffs und zum Kollektivsingular „Tier“ vgl. Spannring, Reingard/Schachinger, Karin/Kompatscher, Gabriela/Boucabeille, Alejandro: Einleitung. Disziplinierte Tiere?, in: dies. (Hrsg.): Disziplinierte Tiere? Perspektiven der Human-Animal Studies für die wissenschaftlichen Disziplinen, Bielefeld 2015, S. 13 – 28, hier S. 18 f.; Baranzke, Heike: Sind alle Tiere gleich?, in: Ach, Johann/Stephany, Martina (Hrsg.): Die Frage nach dem Tier. Interdisziplinäre Perspektiven auf das Mensch-Tier-Verhältnis, Münster 2009, S. 17 – 33; Derrida, Jaques: Das Tier, das ich also bin, Wien 2010; Mütherich, Birgit: Die soziale Konstruktion des Anderen – zur soziologischen Frage nach dem Tier, in: Brucker, Renate/ Bujok, Melanie/dies./Seeliger, Martin/Thieme, Frank (Hrsg.): Das Mensch-Tier-Verhältnis. Eine sozialwissenschaftliche Einführung, Wiesbaden 2015, S. 49 – 77; Ullrich, Jessica/Weltzien, Friedrich/Fuhlbrügge, Heike (Hrsg.): Ich, das Tier. Tiere als Persönlichkeiten in der Kulturgeschichte, Berlin 2008; Stibbe, Arran: Language, Power and the Social Construc tion of Animals, in: Society&Animals 9:2 (2001), S. 145 – 161. Ähnliches gilt für den Begriff „tierlich“, der hier den pejorativen Term „tierisch“ ersetzt, vgl. dazu Chimaira – Arbeitskreis für Human-Animal Studies: Eine Einführung in Gesellschaftliche Mensch-Tier- Verhältnisse und Human-Animal Studies, in: ders. (Hrsg.): Human-Animal Studies. Über die gesellschaftliche Natur von Mensch-Tier-Verhältnissen, Bielefeld 2011, S. 7 – 42, hier S. 33. Zur Ausblendung der Geschlechtlichkeit von Tieren vgl. Sachse, Carola: Tiere und Geschlecht. „Weibchen“ oder „Männchen“? Geschlecht als Kategorie in der Geschichte der Beziehung von Menschen und anderen Tieren, in: Krüger, Gesine/Steinbrecher, Aline/ Wischermann, Clemens (Hrsg.): Tiere und Geschichte. Konturen einer Animate History, Stuttgart 2014, S. 79 – 104; Hildebrandt, Swetlana: Vergeschlechtlichte Tiere – Eine queer- theoretische Betrachtung der Gesellschaftlichen Mensch-Tier-Verhältnisse, in: Chimaira (Hrsg.): Human-Animal Studies, S. 215 – 245. 3 Nicht umsonst heißt das Kapitel zur Tiergeschichte „Telling the Larger Story“ im Einführungsband: Waldau, Paul: Animal Studies. An Introduction, Oxford 2013, S. 247 – 259.
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Einleitung
und Kultur – in materieller wie symbolischer Hinsicht – dürfte langsam auch in der Geschichtsforschung angekommen sein. Wie sonst hätten etwa Kriege geführt, Felder bestellt, Städte gebaut, sich Menschen ernährt und bekleidet oder mit Tiermotiven illustrierte Bücher und Bilder erschaffen werden können? – um nur einige wenige Aspekte der tiefen Verflechtung von Menschen und Tieren aufzuzeigen.4 Die Frage, w elchen Platz und w elche Funktionen Tiere in der menschlichen Geschichte einnehmen, erfordert stets eine sozial- und kulturhisto rische Verortung. Denn jede Gesellschaft produziert nicht nur ein bestimmtes Verhältnis der Menschen zueinander, sondern auch zu ihrer nichtmenschlichen Umwelt. Das Ziel, bewusst einen gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen, trifft in besonderem Maße für den zweiten deutschen Staat, die DDR, zu. Oder anders gesagt: Die SED errichtete eine sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung, wobei sie weite Bereiche der Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur umgestaltete und vormals bestandene Strukturen zerschlug. Der Staatssozialismus sollte einen „neuen Menschen“ hervorbringen, welcher sich neu zu der ihn umgebenden Welt positioniert. Waren Tiere auch Teil oder Betroffene dieser gesellschaft lichen Umgestaltung? Ohne Zweifel strebte die DDR ein „höheres Niveau“ des Mensch-Natur-Verhältnisses an, das einen Raubbau der Natur bei gleichzeitiger intensivierter Nutzung von natürlichen Ressourcen verhieß. Die „wissenschaftlich- technische Revolution“ wies den Weg zur Einsicht in die Naturgesetze, worauf die ressourcenschonende Naturnutzung basierte. Damit grenzte sich die DDR klar vom, ihrer Meinung nach, (umwelt-)zerstörerischen und profitgierigen Kapitalismus des Westens ab. Diese Vorstellung vom „Schutz durch rationelle Nutzung“ 5 wurde dann auch in der Verfassung der DDR verankert.6 Wurden Tiere, die in der DDRIdeologie gänzlich in die Kategorie „Natur“ subsumiert wurden, demzufolge auch zum reinen Gegenstand der rationellen Nutzung und des Schutzes? Zweifelsohne
4 Vgl. Brantz, Dorothee/Mauch, Christof: Einleitung. Das Tier in der Geschichte und die Geschichte der Tiere, in: dies. (Hrsg.): Tierische Geschichte. Die Beziehung von Mensch und Tier in der Kultur der Moderne, Paderborn (u. a.) 2010, S. 7 – 16, hier S. 7. 5 Weinitschke, Hugo: Naturschutz – gestern, heute, morgen, Leipzig (u. a.) 1980, S. 75. 6 Artikel 15 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. April 1968, GBl. I, S. 199: „(1) Der Boden der Deutschen Demokratischen Republik gehört zu ihren kostbarsten Naturreichtümern. Er muß geschützt und rationell genutzt werden. Land- und forstwirtschaft lich genutzter Boden darf nur mit Zustimmung der verantwortlichen staatlichen Organe seiner Zweckbestimmung entzogen werden. (2) Im Interesse des Wohlergehens der Bürger sorgen Staat und Gesellschaft für den Schutz der Natur. Die Reinhaltung der Gewässer und der Luft sowie der Schutz der Pflanzen- und Tierwelt und der landschaftlichen Schönheiten der Heimat sind durch die zuständigen Organe zu gewährleisten und sind darüber hinaus auch Sache jedes Bürgers.“ Die große Bedeutung des Verfassungsranges von Naturschutz in der DDR zeigt sich auch daran, dass der Naturschutz in der Bundesrepublik erst 1994 (und der Tierschutz sogar erst 2002) in das Grundgesetz aufgenommen wurde (Artikel 20a).
Einleitung
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wurden Tiere zur „sozialistischen Heimat“ gerechnet und damit als schützenswert eingestuft, ihnen wurde also ein bestimmter Wert beigemessen, welcher, bleibt zu fragen.7 Die Rolle als schützenswerter Teil der Natur wurde indes vornehm lich ‚Wildtieren‘8 zugeteilt, wie die Naturschutzbestimmungen zeigten. Tiere in menschlicher Obhut, also etwa die zahlreichen landwirtschaftlichen ‚Nutztiere‘, die von den BürgerInnen gehaltenen Tiere oder jene Tiere, die in zoologischen oder wissenschaftlichen Einrichtungen lebten, waren hiervon unberührt – denn ein eigenständiges Tierschutzgesetz gab es in der DDR nicht. Sie wurden vorwiegend aus dem Blickwinkel ihrer potentiellen Nutzung betrachtet: landwirtschaftliche ‚Nutztiere‘ wurden zu „Produktionsmitteln“, ‚Zoo-‘, ‚Versuchs-‘ oder ‚Heimtiere‘ zu Objekten wissenschaftlicher Forschung und Bildung. Neben den ideologisch vermittelten Tierbildern führten konkrete politische Entscheidungen zu einer Umgestaltung der Gesellschaft und damit im Umgang mit Tieren. Die Kollektivierung der Landwirtschaft und mit ihr die Umwandlung der Eigentumsverhältnisse und die Agrarindustrialisierung verursachten einen tiefen Riss in der Mensch-‚Nutztier‘-Beziehung. Die „Entbürgerlichung“ 9 der Gesellschaft bewirkte eine Unterdrückung und starke Reglementierung der vermeintlich bourgeoisen ‚Heimtier‘-Haltung“ – insbesondere in den Städten der sozialistischen Republik. Die Folgen waren das Fehlen von ‚Heimtier‘-Bedarf und einer spezialisierten Veterinärmedizin. Aus ähnlichen Gründen wurden die traditionell bürgerlichen Tierschutzvereine abgeschafft, von denen zugleich Eingriffe in die Agrarpolitik befürchtet wurden. Die vorliegende Studie fragt nach dem hier angerissenen Zusammenhang z wischen dem Gesellschaftsentwurf der SED, seiner mehr oder weniger erfolgreichen Durchsetzung und dem dadurch bedingten Wandel des gesellschaftlichen Tierbildes und des Umgangs mit Tieren. Die Arbeit verfolgt das Ziel, Mensch-Tier-Verhältnisse als Phänomene der sozialistischen Gesellschaft in eine Gesamtsicht der DDR einzubeziehen. Denn über Mensch-Tier- Verhältnisse lassen sich allgemeine weltanschauliche Positionen ableiten 10 und so gesehen Rückschlüsse über das kulturelle, gesellschaftliche und ökologische Selbstverständnis der DDR ziehen.
7 Ein eindringliches Beispiel ist das Pionierlied von 1951 „Unsere Heimat“, in dem Tiere als Heimat bezeichnet werden („die Vögel in der Luft und die Tiere der Erde / Und die Fische im Fluss sind die Heimat“), Musik von Hans Naumilkat, Text von Herbert Keller. 8 Einfache Anführungszeichen in der Bezeichnung von nichtmenschlichen Tieren werden genutzt, um die (menschliche) Konstruktion und Zuschreibung einer bestimmen ‚Funktion‘ von Tieren und damit ihrer Nutzung zu problematisieren, die ihnen nicht per se inne ist. 9 Großbölting, Thomas: Entbürgerlichte DDR? Sozialer Bruch und kultureller Wandel in der ostdeutschen Geschichte, in: Hettling, Manfred/Ulrich, Bernd (Hrsg.): Bürgertum nach 1945, Hamburg 2005, S. 407 – 432. 10 Vgl. Meyer, Heinz: Der Mensch und das Tier. Anthropologische und kultursoziologische Aspekte, München 1975, S. 81.
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Das Verhältnis z wischen Mensch und Natur wurde in der DDR -Literatur recht häufig besprochen, schließlich stellte der Sozialismus/Kommunismus ein auf die Zukunft ausgerichtetes Gesellschaftsmodell dar, das auf die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlage angewiesen war. Tiere fanden in jenen Texten demgegenüber fast nie explizit Erwähnung; sie wurden, wie gesagt, allein der Kategorie „Natur“ zugeordnet und damit unsichtbar. Dabei fällt die ‚saubere‘ Zuordnung von Tieren in die vorgegeben Kategorien bei genauer Betrachtung zusehends schwer. Ist der ‚stubenreine‘ Rassehund auf der Couch oder die Hochleistungskuh im rotierenden Melkkarussell ein reines ‚Naturwesen‘? Diese kategorische und epistemologische Trennung von Natur und Kultur erschwert bis heute die Inklusion von Tieren in die Geisteswissenschaften und in die Geschichtswissenschaften im Besonderen.11 Derartige Überlegungen lassen auch die scharfe Grenzziehung z wischen Menschen und Tieren diskussionsbedürftig erscheinen. Dabei geht es keinesfalls um die Leugnung etwaiger Unterschiede, sondern gerade um einen „differenzorientierte[n] Ansatz“, der dazu führt, „die Bedürfnisse nichtmenschlicher Tiere zu berücksichtigen.“ 12 Das Hinterfragen anthropozentrischer Grundannahmen eröffnet dann nicht nur neue Sichtweisen auf die menschliche Vergangenheit (und Gegenwart). Darüber hinaus trägt die Neupositionierung dazu bei, die Kriterien der Grenzziehung zu historisieren und prozessualisieren, wodurch sie nicht länger ‚naturgegeben‘ erscheinen. Auf diese Weise entfaltet sich das Potential der Veränderlichkeit von Mensch-Tier-Verhältnissen und Tiere werden als „autonome Koexistierende“ 13 ernst genommen.
Forschungslage Die Arbeit verortet sich in zwei Forschungsfeldern: der historischen Tierforschung und der DDR-Geschichtsschreibung. Die Tiergeschichte ist Teil der noch jungen inter- und transdisziplinären Human-Animal Studies (kurz HAS 14), die ihren Ursprung im englischsprachigen Raum haben, wo bis heute der Schwerpunkt für Fragen nach der Beziehung und Wechselseitigkeit von Menschen und Tieren liegt. Die Publikationen zum Thema „Tier“ im deutschsprachigen Raum sind inzwischen fast unüberschaubar geworden. Tagungen, Lehrveranstaltungen, Forschungszentren und -netzwerke sowie erste
11 Vgl. Brantz/Mauch: Geschichte der Tiere, S. 8 f. 12 Vgl. Spannring (u. a.): Einleitung, S. 19. 13 Bekoff, Marc: Vorwort, in: Spannring (u. a.) (Hrsg.): Disziplinierte Tiere, S. 7. 14 Zur Problematik des Begriffs „Human-Animal Studies“ aufgrund der Reproduktion des Mensch-Tier-D ualismus vgl. Spannring (u. a.): Einleitung, S. 18 f.
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Professuren nehmen stetig zu.15 Das rege (Forschungs-)Interesse an Mensch- Tier-Verhältnissen speist sich aus der Einsicht, dass Kultur und Geschichte des Menschen mit Tieren verbunden sind – gar ohne sie undenkbar wären.16 Die Perspektiverweiterung in den verschiedenen geisteswissenschaftlichen Disziplinen ließ nichtmenschliche Tiere zu Forschungsgegenständen werden („Animal Turn“ 17). Den verschiedenen Fachgebieten, die sich dem Beziehungsgeflecht von Menschen und Tieren angenommen haben, ist gemein, dass sie die gesellschaftliche und kulturelle Rolle von Tieren sowie das Mensch-T ier- Verhältnis beleuchten, ohne traditionelle Dichotomien, wozu auch der Mensch- Tier-D ualismus gehört 18, oder rein naturwissenschaftlichen Betrachtungsweisen von Tieren zu bedienen. Sie versuchen hingegen, ganz neue Standpunkte einzunehmen und den Gegensatz von Mensch und Tier etwa durch „Spielarten des Lebendigen“ 19 zu ersetzen. Die Human-Animal Studies fassen diese Disziplinen zusammen, wenngleich das Bewusstsein für ein gemeinsames Forschungsfeld und die transdisziplinäre Vernetzung bislang noch unterentwickelt ist.20 Einen 15 Einen Überblick über die Entwicklungen der HAS im deutschsprachigen Raum seit 2010 bieten Kurth, Markus/Dornenzweig, Katharina/Wirth, Sven: Handeln nichtmenschliche Tiere? Eine Einführung in die Forschung zu tierlicher Agency, in: Wirth, Sven/Laue, Anett/Kurth, Markus (u. a.) (Hrsg.): Das Handeln der Tiere. Tierliche Agency im Fokus der Human-Animal Studies, Bielefeld 2016, S. 7 – 42, hier S. 9 – 13. Weiterhin informiert die Seite www.human-animal-studies.de über aktuelle Veranstaltungen, Entwicklungen und Publikationen. 16 Zur Einführung in die HAS grundlegend und aus kritischer Perspektive: Chimaira: Einführung, S. 7 – 42; Spannring (u. a.): Einleitung, S. 13 – 28; Roscher, Mieke: Forschungsbericht. Human-Animal-Studies, in: Informationen zur modernen Stadtgeschichte (künftig: IMS) 40 (2009), S. 94 – 103. Mit sozialwissenschaftlichem Schwerpunkt vgl. Buschka, Sonja/ Gutjahr, Julia/Sebastian, Marcel: Gesellschaft und Tiere. Grundlagen und Perspektiven der Human-Animal Studies, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (künftig: APuZ) 8 – 9 (2012), S. 20 – 27. Im anglophonen Raum einführend Taylor, Nik: Humans, Animals, and Society. An Introduction to Human-Animal Studies, New York 2013; die Beiträge in Flynn, Clifton P. (Hrsg.): Social Creatures. A Human and Animal Studies Reader, New York 2008; Kenneth, Shapiro J.: Human-Animal Studies. Growing the Field, Applying the Field, Ann Arbour 2008; Waldau, Paul: Animal Studies. An, Oxford 2013; McCance, Dawne: Critical Animal Studies. An Introduction, New York 2013; DeMello, Margo: Animals and Society. An Introduction to Human-Animal Studies, New York 2012. 17 Vgl. Ritvo, Harriet: On The Animal Turn, in: Dædalus 2007 (4), S. 118 – 122. 18 Weitere Beispiele derartiger Gegensätze und Wertigkeiten sind Mann/Frau, Natur/Kultur, Vernunft/Instinkt, Gefühle/Reflex usw. 19 Wischermann, Clemens: Der Ort des Tieres in einer städtischen Gesellschaft, in: IMS 2 (2009), S. 5 – 12, hier S. 6. 20 Vgl. Kurth/Dornenzweig/Wirth: Handeln nichtmenschliche Tiere, S. 10. Seit 2015 liegt auch das erste deutschsprachige, multidisziplinäre (über 20 Fachgebiete von 90 AutorInnen) Lexikon der Mensch-Tierbeziehungen, hrsg. von Arianna Ferrari und Klaus Petrus, vor.
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Einleitung
großen Aufschwung erlebten seit den Siebzigerjahren insbesondere Arbeiten zur philosophiehistorischen und zeitgenössischen Tierethikdebatte, die bis heute die Human-Animal Studies dominieren.21 Für die Human-Animal Studies ist folglich eine parallele Entwicklung zu sozialen Bewegungen, ähnlich wie bei den Gender Studies, festzustellen.22 Weitere Pionierfelder der Human-Animal Studies waren die Literatur- und Kunstwissenschaften sowie die Kulturwissenschaften.23 Ebenso nehmen die Sozialwissenschaften zunehmend die allgegenwärtigen Beziehungen z wischen Menschen und Tieren in den Blick.24 Erste Impulse für die Erforschung (historischer) Mensch-Tier-Verhältnisse kamen aus dem englischsprachigen Raum durch die Arbeiten von Keith Thomas und Harriet Ritvo in den Achtzigerjahren.25 Für den deutschsprachigen Raum eröffnete Paul Münch Ende der Neunzigerjahre die Tiergeschichte.26 Seitdem 21 Die Anfänge bildeten Peter Singer (Animal Liberation, 1975) und Tom Regan (The Case for Animal Rights, 1983). Vgl. dazu auch Schmitz, Friederike (Hrsg.): Tierethik. Grundlagentexte, Berlin 2014 sowie die seit 2011 zweimal jährlich erscheinende Zeitschrift TIERethik. 22 Vgl. Spannring (u. a.): Einleitung, S. 16. 23 Becker, Siegfried/Bimmer, Andreas C. (Hrsg.): Mensch und Tier. Kulturwissenschaft liche Aspekte einer Sozialbeziehung, Marburg 1991; Buchner, Jutta: Kultur mit Tieren. Zur Formierung des bürgerlichen Tierverständnisses im 19. Jahrhundert, Münster (u. a.) 1996; Ullrich, Jessica/Weltzien, Friedrich/Fühlbrügge, Heike (Hrsg.): Ich, das Tier. Tiere als Persönlichkeiten in der Kulturgeschichte, Berlin 2008. Groß angelegt sind die sechs Überblicksbände von Kalof, Linda (u. a.) (Hrsg.): A Cultural History of Animals, Oxford (u. a.) 2007, die von der Antike bis zur Moderne die Kulturgeschichte von Tieren beleuchten. 24 Grundlegend Mütherich, Birgit: Die Problematik der Mensch-Tier-Beziehung in der Soziologie: Weber, Marx und die Frankfurter Schule, 2. Aufl., Münster 2004; Wiedenmann, Rainer: Tiere, Moral und Gesellschaft. Elemente und Ebenen humanimalischer Sozialität, Wiesbaden 2009. Aktuell: Brucker (u. a.): Mensch-Tier-Verhältnis; Pfau-Effinger, Birgit/ Buschka, Sonja (Hrsg.): Gesellschaft und Tiere. Soziologische Analysen zu einem ambivalenten Verhältnis, Wiesbaden 2013. 25 Vgl. Thomas, Keith: Man and the Natural World. A History of The Modern Sensibility, New York 1983; Ritvo, Harriet: The Animal Estate. The English and Other Creatures in The Victorian Age, Cambridge 1987. Weitere zentrale Werke der Anfangszeit sind beispielsweise Kete, Kathleen: The Beast in the Boudoir. Petkeeping in the Nineteenth-Century Paris, Berkely 1994, für den frankophonen Raum vgl. Delort, Robert: Der Elefant, die Biene und der heilige Wolf. Die wahre Geschichte der Tiere, München (u. a) 1987 (Original: Les Animaux ont une histoire, Paris 1984). Gemeinsam ist den Texten, dass sie sich vielmehr mit der menschlichen Wahrnehmung von Tieren als mit konkreten Tieren beschäftigen (zur Repräsentationsproblematik siehe unten). Eine weitere Wegbereiterin der Tiergeschichte, die den Repräsentationsansatz problematisiert, ist Erica Fudge, vgl. dies.: A Left-Handed Blow. Writing the History of Animals, in: Rothfels, Nigel (Hrsg.): Representing Animals, Bloomington 2002, S. 3 – 18. 26 Vgl. Münch, Paul (Hrsg.): Tiere und Menschen. Geschichte und Aktualität eines prekären Verhältnisses, Paderborn (u. a.) 1998. Eine weitere frühe Arbeit ist Meyer: Mensch und das Tier.
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hat sich auf dem Gebiet der historischen Human-Animal Studies im deutschsprachigen Raum sehr viel getan – tierhistorische Fragestellungen sind sogar bereits Gegenstand schuldidaktischer Überlegungen.27 Als besterforschtes Feld kann die Geschichte der zoologischen Gärten 28 und dasjenige der europäischen Tierschutz- und Tierrechtsbewegung gelten.29 Weiterhin wurden die Themen Tiere und Krieg 30 und Tiere und Stadt 31 eingehender bearbeitet. Zeithistorische
27 Vgl. Geschichte lernen 64 (1998): Tiere; Historische Sozialkunde 41/4 (2011): Sinnbild – Nutztier – Schauobjekt. Tiere in historischer Perspektive. Andere themenrelevante, nichtdidaktische Zeitschriftenausgaben sind Traverse 3 (2008): Tiere – eine andere Geschichte/ Animaux – une histoire différente; IMS 2 (2009): Tiere in der Stadt; WerkstattGeschichte 56 (2010): Tiere; Historische Anthropologie 19/2 (2011): Tierische (Ge)Fährten; APuZ 8 – 9 (2012): Mensch und Tier. Seit 2012 erscheint zweimal jährlich die erste deutschsprachige Fachzeitschrift für die (allgemeinen) Human-Animal Studies namens „Tierstudien“, hrsg. von Jessica Ullrich. Einen differenzierten und aktuellen Überblick über die Forschungslage in der Tiergeschichtsschreibung bieten Krüger, Gesine/Steinbrecher, Aline/Wischermann, Clemens (Hrsg.): Tiere und Geschichte. Konturen einer Animate History, Stuttgart 2014, S. 9 – 33, hier S. 16 – 19. Vgl. auch Steinbrecher, Aline: Auf Spurensuche. Die Geschichtswissenschaft und ihre Auseinandersetzung mit den Tieren, in: Westfälische Forschungen 2012 (62), S. 9 – 29, v. a. S. 10 – 19. 28 Zum Beispiel: Ash, Mitchell G. (Hrsg.): Mensch, Tier und Zoo. Der Tiergarten Schönbrunn im internationalen Vergleich vom 18. Jahrhundert bis heute, Wien (u. a.) 2008. Weitere Literaturhinweise bei Eitler, Pascal: In tierischer Gesellschaft. Ein Literaturbericht zum Mensch-Tier-Verhältnis im 19. und 20. Jahrhundert, in: Neue politische Literatur 54 (2009), S. 207 – 224, hier S. 213 f. und bei Steinbrecher: Spurensuche, S. 14. 29 Vgl. Brucker, Renate: Für eine radikale Ethik – Die Tierrechtsbewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: dies. (u. a.) (Hrsg.): Mensch-Tier-Verhältnis, S. 211 – 267; Roscher, Mieke: Ein Königreich für Tiere. Die Geschichte der britischen Tierrechtsbewegung, Marburg 2009; dies.: Tierschutz- und Tierrechtsbewegung – ein historischer Abriss, in: APuZ 8 – 9 (2012), S. 34 – 40; Jung, Martin: Die Anfänge der deutschen Tierschutzbewegung im 19. Jahrhundert. Mösingen – Tübingen – Stuttgart – Dresden – München, in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 56 (1997), S. 205 – 239; Zerbel, Miriam: Tierschutz im Kaiserreich. Ein Beitrag zur Geschichte des Vereinswesens, Frankfurt am Main (u. a.) 1993; Uekötter, Frank/Zelinger, Amir: Die feinen Unterschiede – Die Tierschutzbewegung und die Gegenwart der Geschichte, in: Grimm, Herwig/Otterstedt, Carola (Hrsg.): Das Tier an sich. Disziplinübergreifende Perspektive für neue Wege im wissenschaftsbasierten Tierschutz, Göttingen 2012, S. 119 – 134. 30 Vgl. zum Beispiel Pöppinghege, Rainer (Hrsg.): Tiere im Krieg. Von der Antike bis zur Gegenwart, Paderborn 2009; ders.: Tiere im E rsten Weltkrieg. Eine Kulturgeschichte, Berlin 2014; Wöbse, Anna-Katharina/Roscher, Wiebke: Zootiere während des Zweiten Weltkrieges: London und Berlin 1939 – 1945, in: WerkstattGeschichte 56 (2010), S. 46 – 62. 31 Vgl. etwa Brantz, Dorothee: Die „animalische Stadt“. Die Mensch-Tier-Beziehung in der Urbanisierungsforschung, in: IMS 1 (2008), S. 86 – 100; die Beiträge in der Sonderausgabe IMS 2 (2009): Tiere in der Stadt. Für den englischsprachigen Raum v. a.: Atkins, Peter (Hrsg.): Animal Cities. Beastly Urban Histories, Burlington 2012; Philo, Christopher/Wilbert, Chris
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Fragestellungen sind hingegen nicht der Schwerpunkt der Tiergeschichte.32 Hier liegen vor allem für den Nationalsozialismus erste Forschungsergebnisse vor.33 Insgesamt können Untersuchungen – insbesondere im deutschsprachigen Raum – zum Mensch-Tier-Verhältnis trotz der Perspektiverweiterung und Forschungstätigkeiten aber immer noch als Grundlagenforschung in einer anthropozentrisch orientierten Geschichtsschreibung bezeichnet werden.34 Dabei erweist sich die Tiergeschichte in zweifacher Hinsicht als fundamental: Zum einen muss historisches Grundlagenwissen produziert werden und zum anderen erweisen sich nichtmenschliche Tiere als konstitutiv für die menschliche Kultur, Geschichte und Selbsterkenntnis. Die Mensch-Tier-Geschichte nimmt also weiterhin eine Sonderstellung ein und konnte sich trotz ihrer unstrittigen Bedeutung noch nicht, im Gegensatz zur Frauen- beziehungsweise Geschlechtergeschichte oder der Umweltgeschichte, endgültig in der Geschichtswissenschaft etablieren respektive institutionalisieren.35 Die Gründe für die noch unterrepräsentierte Tiergeschichtsschreibung sind also keinesfalls fehlende Relevanz, Enthusiasmus oder (Hrsg.): Animal Spaces, Beastly Places. New Geographies of Human-Animal Relations, London (u. a.) 2000. 32 Vgl. Roscher, Mieke: Human-Animal Studies, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 25. 01. 2012 (abzurufen unter: http://docupedia.de/zg/Human-Animal_Studies, Zugriff am 15. 08. 2016). 33 Vgl. v. a. Sax, Boria: Animals in The Third Reich. Pets, Scapegoats and The Holocaust, London 2000; Möhring, Maren: „Herrentiere“ und „Untermenschen“. Zu den Transformationen des Mensch-Tier-Verhältnisses im nationalsozialistischen Deutschland, in: Historische Anthropologie 19 (2011) 2, S. 229 – 244; Wippermann, Wolfgang: Der Hund als Propaganda- und Terrorinstrument im Nationalsozialismus, in: Schäffer, Johann (Hrsg.):Veterinärmedizin im Dritten Reich, Gießen 1998, S. 193 – 206; Arluke, Arnold/Sax, Boria: The Nazi Treatment of Animals and People, in: Birke, Lynda/Hubbard, Ruth (Hrsg.): Reinventing Biology – Respect for Life and the Creation of Knowledge, Bloomington 1995, S. 228 – 260. Zum Reichstierschutzgesetz von 1933 siehe Kapitel 4.3.2. 34 Vgl. Münch: Paul: Tiere und Menschen. Ein Thema der historischen Grundlagenforschung, in: ders. (Hrsg.): Tiere und Menschen, S. 9 – 34, hier S. 14; Fudge: Left-Handed Blow, S. 11. 35 Zur Tendenzen der Institutionalisierung vgl. Roscher, Mieke: Geschichtswissenschaft. Von einer Geschichte mit Tieren zu einer Tiergeschichte, in: Spannring (u. a.) (Hrsg.): Diszi plinierte Tiere, S. 75 – 100, hier S. 94 f. Weiterhin widmete sich eine Sektion auf dem Histo rikertag 2014 den historischen Mensch-Tier-Verhältnissen, vgl. Eckardt, Sandra/Hemme, Dorothee: Tagungsbericht HT 2014: Tiere als Verlierer der Moderne? Der Wandel der Beziehung zwischen Menschen und Tieren im interdisziplinären Blick. 23. 09. 2014 – 26. 09. 2014, Göttingen, in: H-Soz-Kult 12. 12. 2014 (abzurufen unter: http://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-5744, Zugriff am 15. 08. 2016). Seit 2011 findet außerdem das „Forum Tiere und Geschichte“ statt. Das jährlich in unterschiedlichen Städten in Deutschland, Österrreich und der Schweiz stattfindene Forum diskutiert verschiedene Themenschwerpunkte. Zuletzt fand das Forum im September 2016 in Berlin am Center for Metropolitan Studies an der TU Berlin zum Thema „Tiere und Stadt“ statt.
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mangelndes Material, sondern die noch viel zu oft anzutreffende „bewusste Entscheidung […] Tiere in ihrer historischen Bedeutung zu ignorieren“ 36 – was nichts anderes als Ausdruck eines ausgeprägten Anthropozentrismus ist. DDR-Geschichtsschreibung
Die noch junge DDR-Forschung hat sich nach der historisch einmaligen Öffnung der Archive 1990 vorrangig mit Politikgeschichte beschäftigt, was einerseits der Struktur der DDR als „politisch dominiertes Gesellschaftssystem“ 37 sowie anderseits dem öffentlichen Interesse und den Erwartungen an die „Aufarbeitung“ der SED-Diktatur geschuldet war. Folgerichtig herrschte „während der ersten Welle der DDR-Forschungen nach der Archivrevolution ein positivistisches Verständnis historischer Ereignisse […], das sich vor allem an den Strukturen und Aktionen des Herrschaftsapparates orientierte.“ 38 Nach mittler weile 27 Jahren gesamtdeutscher DDR-Forschung hat sich der verengte Blick auf historische Ereignisse und Prozesse in der DDR indes kaum gewandelt: Der Schwerpunkt der Untersuchungen liegt nach wie vor auf Herrschafts- und Strukturgeschichte.39 Dessen ungeachtet geht der Trend in der DDR-Forschung hin zu kulturgeschichtlichen und alltagskulturellen Fragestellungen. Diese 36 Krüger/Steinbrecher/Wischermann: Animate History, S. 25. Erschwerend kommt hinzu, dass die Tiergeschichte (und die Tierforschung im Allgemeinen) keinen leichten Stand hat, da sie sich Vorwürfe der Infantilisierung und Gleichmacherei gefallen lassen muss oder sich bisweilen dem Vorwurf ausgesetzt sieht, aus Kontexten wie der Tierbefreiungsbewegung kommend, keine werturteilsfreie Wissenschaft zu betreiben, vgl. Roscher, Mieke: Where is the Animal in this Text? Chancen und Grenzen einer Tiergeschichtsschreibung, in: Chimaira (Hrsg.): Human-Animal Studies, S. 121 – 150, hier S. 125; dies.: Geschichtswissenschaft, S. 77 f. Ganz richtig stellen Spannring (u. a.) fest, dass es im Rahmen sozialer und kultureller Phänomene immer zu wechselseitigen Beeinflussungen z wischen Alltagsund Wissenschaftswissen kommt, und die Forschungsergebnisse der HAS folglich „immer gesellschaftspolitische Implikationen“ haben und appellieren an die besondere Verantwortung der TierforscherInnen, vgl. Spannring (u. a.): Einleitung, S. 19 ff. (Zitat S. 20). Zur Problematik der (vermeintlichen) ideologischen Befangenheit von TierforscherInnen vgl. auch Warkentin, Tracy: Must every Animal Studies Scholar be Vegan?, in: Hypatia 27/3 (2012), S. 499 – 504. 37 Bispinck, Henrik/Hoffmann, Dierk/Schwartz, Michael/Skyba, Peter/Uhl, Matthias/ Wentker, Hermann: Die Zukunft der DDR-Geschichte. Potentiale und Probleme zeithistorischer Forschung, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte (künftig: VfZ) 4 (2005), S. 547 – 570, hier S. 552. 38 Lindenberger, Thomas: Ist die DDR ausgeforscht? Phasen, Trends und ein optimistischer Ausblick, in: APuZ 24/26 (2014), S. 27 – 32. 39 Vgl. Jessen, Ralph: Alles schon erforscht? Beobachtungen zur zeithistorischen DDR-Forschung der letzten 20 Jahre, in: Deutschland Archiv (künftig: DA) 6 (2010), S. 1052 – 1064, hier S. 1057.
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Entwicklung kann als Reaktion auf die strittige These Kockas’ gedeutet werden, der zufolge die Geschichte der DDR weitgehend erforscht sei und im Übrigen zu sehr im eigenen Saft schmore.40 Die rege und breite Publikationstätigkeit und Anzahl der Tagungen sowie die (Nachwuchs-)Förderprogramme sprechen eine andere Sprache und zeugen mitnichten von einer Provinzialität oder „Verinselung“ 41 der DDR-Geschichtsforschung. Unstrittig sind auch die vielen Leerstellen in der DDR-Forschung 42, die Ausdruck des oben angedeuteten verengten Blickes sind. Eine dieser (in den Überblicken ungenannten) Forschungslücken ist der Fokus auf Mensch-Tier-Verhältnisse im Sozialismus; lediglich für den sowjetischen Raum gibt es erste Forschungsansätze.43 Die Geschichte der DDR aus der Perspektive der historischen Human-Animal Studies wurde bislang völlig vernachlässigt. Deswegen kann Lindenbergers Feststellung, dass es oberflächlich betrachtet „heute nicht mehr so leicht [sei], Themen oder Bereiche zu benennen, zu denen es noch rein gar nichts ‚gibt‘“ 44, nicht zugestimmt werden. Seiner Meinung nach müssen sich die Fragestellungen der DDR-Forschung von den Gegenwartsinteressen ableiten.45 Die Erforschung von Mensch-Tier-Verhältnissen in der DDR drängt sich so gesehen geradezu auf, denn das gegenwärtige Interesse 40 Vgl. Kocka, Jürgen: Bilanz und Perspektiven der DDR-Forschung. Hermann Weber zum 75. Geburtstag, in: DA 5 (2003), S. 764 – 769; so ähnlich ders.: Der Blick über den Tellerrand fehlt, in: Frankfurter Rundschau vom 22. 08. 2003, S. 7. Reaktion darauf Bispinck, Henrik/ Hoffmann, Dierk/Schwartz, Michael/Skyba, Peter/Uhl, Matthias/ Wentker, Hermann: DDR-Forschung in der Krise? Defizite und Zukunftschancen – Eine Entgegnung auf Jürgen Kocka, in: DA 6 (2003), S. 1021 – 1026. 41 Vgl. Lindenberger, Thomas/Sabrow, Martin: Zwischen Verinselung und Europäisierung: Die Zukunft der DDR-Geschichte, in: DA 1 (2004), S. 123 – 127, hier S. 126. 42 Einen Überblick über Forschungsdesiderata bieten Bispinck (u. a.): Zukunft, S. 552 ff.; dies.: Zukunftschancen. Weitere Überblicke zur DDR-Forschungslage bieten: Weber, Hermann: Die DDR 1945 – 1990, 5., aktual. Aufl. 2012, S. 121 – 222, Wentker, Hermann: Forschungsperspektiven und -desiderate der DDR-Geschichte, in: Hechler, Daniel/Hüttmann, Jens/ Mählert, Ulrich/Pasternack, Peer (Hrsg.): Promovieren zur deutsch-deutschen Zeitgeschichte. Handbuch, Berlin 2009, S. 25 – 39, Kleßmann, Christoph: Konturen und Entwicklungstendenzen der DDR-Forschung, in: ebenda, S. 40 – 54 und die Beiträge in Eppelmann, Rainer/ Faulenbach, Bernd/Mählert, Ulrich (Hrsg.): Bilanz und Perspektiven der DDR-Forschung, Paderborn 2003. 43 Nelson, Amy: A Hearth for a Dog. The Paradoxes of Soviet Pet Keeping, in: Siegelbaum, Lewis (Hrsg.): Borders of Socialism. The Private Sphere in the Soviet Union, New York (u. a.) 2006, S. 123 – 144; dies.: Laikas Vermächtnis. Die sowjetischen Raumschiffhunde, in: Brantz/ Mauch (Hrsg.): Tierische Geschichte, S. 103 – 122; dies.: Die abwesende Freundin. Laikas kulturelles Nachleben, in: Ullrich/Weltzien/Fuhlbrügge (Hrsg.): Ich, das Tier, S. 215 – 224 und die Beiträge in Costlow, Jane/dies. (Hrsg.): Other Animals. Beyond the Human in Russian Culture and History, Pittsburgh 2010. 44 Lindenberger: Ausblick, S. 29. 45 Vgl. ebenda.
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an „Tierfragen“ ist sowohl in der breiten Öffentlichkeit als auch in der wissenschaft lichen Landschaft riesengroß. Damit ist die Frage nach dem „sozialistischen Tier“ ein Paradebeispiel für den angeregten Ansatz, „immer wieder diejenigen Fragen und Erkenntnisinteressen neu [zu] entdecken und formulieren, die für ihre Zeit am bedeutsamsten und aufschlussreichsten sind.“ 46 Dessen ungeachtet gibt es nur wenige Arbeiten, die sich konkret mit Tieren in der DDR befassen. Die von der Autorin im Februar 2015 organisierte Tagung „Tiere unserer Heimat“ an der Technischen Universität Berlin versammelte ForscherInnen, die sich aus ganz unterschiedlichen Perspektiven Mensch-Tier-Verhältnissen in der DDR näherten.47 Im Rahmen einer Raumgeschichte beschäftigten sich Mieke Roscher und Anna-Katharina Wöbse mit der Besonderheit des Ost-Berliner Tierparks als Ort der politischen Repräsentation, als scheinbar unpolitischer Freizeitort und natürlich als Tierraum, der sich durch seine betonte Weite und Geräumigkeit bewusst vom West-Berliner Zoo abgrenzte. Weitere Forschungen der beiden Historikerinnen zum Tierpark sollen folgen. Das auf der Tagung vorgestellte Dissertationsvorhaben von David de Kleijn (Arbeitstitel: „Das Pferd im ‚Nachpferdezeitalter‘. Zur kulturellen Neusemantisierung einer Mensch-Tier-Beziehung nach 1945.“, Betreuer Friedemann Schmoll) behandelt unter anderem den Bedeutungswandel des Pferdes und des Reitsportes in der DDR. De Kleijn rekonstruiert in seiner Arbeit die Bemühungen der AkteurInnen des DDR-Reitsportes, den Sport durch die Neusemantisierung des Pferdes als landwirtschaft liches ‚Nutztier‘ und ‚Sportgerät‘ (in erster Linie in der vormilitärischen Erziehung) zu legitimieren und entemotionalisieren. Die „systemkonforme Nützlichkeit“ verlieh, so die Kernthese de Kleijns, dem Pferdesport seine Daseinsberechtigung und emanzipierte ihn von seiner vermeintlich bürgerlich-feudalen Herkunft. Ist diese Arbeit mehrheitlich in der Ideengeschichte angesiedelt, versuchte Florian Peters in seinem Forschungsansatz, die Lebenswirklichkeit der Wildkaninchen im Grenzstreifen zu rekonstruieren und die besondere Bedeutung der Kaninchen für die DDR-Gesellschaft herauszuarbeiten. Auf der Tagung berichtete er, wie die Tiere im „Todesstreifen“ seinerzeit zum ambivalenten Sinnbild der DDRGesellschaft, die von eigen-sinniger Handlungsmacht und totalem SED-Herrschaftsanspruch geprägt war, wurden.48 Die Grenzkaninchen wurden auf diese Weise zu Projektionsflächen zahlreicher künstlerischer Auseinandersetzungen 46 Ebenda, S. 30. 47 Vgl. Laue, Anett: Tagungsbericht „Tiere unserer Heimat“: Auswirkungen der SED-Ideologie auf gesellschaftliche Mensch-Tier-Verhältnisse in der DDR. 06. 02. 2015, Berlin, in: H-Soz-Kult 28. 03. 2015 (abzurufen unter http://www.hsozkult.de/conferencereport/id/ tagungsberichte-5903, Zugriff am 15. 08. 2016). Die folgenden Ausführungen sind dem Konferenzbericht entnommen. 48 Zum Konzept „Eigen-Sinn“ vgl. S. 150.
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(in Ost und West), was die Relevanz der Grenzkaninchen für die DDR-Gesellschaft belegt. Eindrückliches Beispiel dafür war das seit 1972 stattfindende „Hasenfahnenfest“ des Ost-Berliner Künstlers Manfred Butzmann. Unter der „Hasenfahne“, die die Flaggenmanie der DDR persiflierte, wurde ein alternatives Kinderfest gefeiert – jenseits der parteigesteuerten Jugendveranstaltungen. Ein weiteres Dissertationsprojekt, das auf der Tagung vorgestellt wurde, befasst sich, wie ein Kapitel der vorliegenden Arbeit, mit landwirtschaftlichen ‚Nutztieren‘ in der DDR. Veronika Settele verfolgt in ihrem Forschungsvorhaben (Arbeitstitel: „Vom Tier zum Fleisch. Eine Geschichte der industriellen Nutztierhaltung in Deutschland, 1950 – 1980“, Betreuer: Paul Nolte) die Industrialisierung der Landwirtschaft in beiden deutschen Staaten aus Perspektive der Human-Animal Studies. Das heißt, sie nimmt konkret die tierliche Lebenswelt in den Blick, die sich durch die Agrarindustrialisierung in beiden deutschen Staaten grundlegend wandelte. Die Tagungsbeiträge von Volker Petzold und Marcus Held rückten demgegenüber die menschlichen AkteurInnen in den Vordergrund: Ersterer befasste sich mit dem Tierfilmer Heinz Meynhardt (1935 – 1989), der über die Grenzen der DDR durch seine Filme über Wildschweine bekannt wurde, und letzterer lässt in einem Filmprojekt Leipziger Ornithologen zu Wort kommen. Neben diesen Forschungsvorhaben liegen wenige abgeschlossene Forschungsarbeiten vor. Die Arbeit von Marianne Stock zum Tierschutz in der DDR 49 kann bislang als einzige Studie gelten, die sich konkret mit Mensch-Tier-Verhältnissen in der DDR beschäftigt. Die Arbeit ist überwiegend eine Organisations- und Ideengeschichte des DDR-Tierschutzes und reich mit Quellen und Aussagen von ZeitzeugInnen unterfüttert. Allerdings handelt es sich bei der Arbeit um eine veterinärmedizinische/-historische Untersuchung, was mitunter durch das Fehlen von historischen Kontexten und zentraler Forschungsliteratur deutlich wird. Eine Verortung in den Human-Animal Studies beziehungsweise in die Tiergeschichte fehlt gänzlich. Weiterhin behandeln drei kurze Artikel das Thema Tierschutz in der DDR: Erstens der populärwissenschaftliche Artikel von Stefan Seidel 50, der sich vorrangig mit der Massentierhaltung und der Umweltbewegung in der DDR befasst. Zweitens der Beitrag von Heike Baranzke 51, der die Organisa tion und rechtliche Lage des Tierschutzes in der DDR darstellt sowie die 49 Stock, Marianne: Tierschutz in der DDR. Hintergründe zur Entwicklung des Tierschutzes und seiner Organisation. Exemplarische Analyse der Haltungsbedingungen der Tierarten Rind und Schwein unter Tierschutzaspekten, Diss. Freie Universität Berlin 2014. 50 Seidel, Stefan: Leiden im Verborgenen. Das Schicksal der Tiere in der DDR, in: Tierbefreiung. Das aktuelle Tierrechtsmagazin 55 (2007), S. 4 – 8. 51 Baranzke, Heike: Die Mensch-Tier-Beziehung in K irche und Umweltbewegung der DDR. Hintergründe zu einem vernachlässigten Thema, in: Zeitschrift für Evangelische Ethik 39 (1995), S. 65 – 74.
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kirchliche Umweltbewegung und ihre Positionierung zum Tierschutz untersucht. Wie Seidel bescheinigt Baranzke den Gruppen eine grobe Vernachlässigung von Tierschutzfragen aufgrund der anthropozentrischen Kirchenlehre und fehlender Tierschutzliteratur. Drittens behandelt Bodo Busch 52 in einem knappen Aufsatz den Tierschutz in der DDR-Landwirtschaft. Auch er geht auf Tierschutzverstöße, gesetzliche Regelungen und die Tabuisierung von Tierschutzfragen in der DDR ein. Insgesamt betrachtet bilden die veterinärhistorischen Arbeiten einen ersten Anlaufpunkt, wo (‚Nutz-‘)Tiere – meist als Randnotiz und fast ausschließ lich mit Tierschutzbezug – in der DDR-Geschichtsschreibung erwähnt werden.53 Ein weiteres Forschungsfeld, in dem tierliche Akteure omnipräsent sind, ist die DDR-Landwirtschaft. Aber auch in der dortigen Forschungsliteratur werden Tiere nicht als Tiere thematisiert, sondern stets im Kontext landwirtschaftlicher Arbeit/Industrie und ländlicher Kultur 54, sozusagen als „Statisten menschlicher Geschichte“ 55. Allein in den Erinnerungen von in der Landwirtschaft und Veterinärmedizin tätigen ZeitzeugInnen treten einzelne, konkrete Tiere auf.56 Noch dürftiger sieht es in der umwelthistorischen Literatur zur DDR-Geschichte aus. 52 Busch, Bodo: Tierschutz in der Tierproduktion der DDR, in: Brumme, Martin Fritz (Red.): Veterinärmedizin im Sozialismus. Ein Beruf im politischen und gesellschaftlichen Spannungsfeld. 3. Fachtagung am 28. und 29. Oktober 1994 in Berlin, Gießen 1995, S. 73 – 81. 53 Azar, Julian: Die Steuerung des Veterinärwesens in der SBZ und DDR 1945 – 65, Berlin 2001; Prange, Hartwig: Die Veterinärmedizin im gesellschaftlichen Spannungsfeld. Der Beruf vor, während und nach der Vereinigung, Gießen 2011. Weitere veterinärhistorische Literaturhinweise bei Stock: Tierschutz, S. 5 – 13. 54 Zum Beispiel hier Poutrus, Patrice G.: Die Erfindung des Goldbroilers. Über den Zusammenhang z wischen Herrschaftssicherung und Konsumentwicklung in der DDR, Köln (u. a.) 2002. Bei Uekötter wird gleich die gesamte DDR-Landwirtschaft explizit ausgegrenzt; Tiere finden indes am Rande Erwähnung, vgl. Uekötter, Frank: Die Wahrheit ist auf dem Feld. Eine Wissensgeschichte der deutschen Landwirtschaft, 3. Aufl., Göttingen 2012. 55 Roscher, Mieke/Krebber, André (und die Redaktion): Tiere und Geschichtsschreibung, in: WerkstattGeschichte 56 (2010), S. 3 – 6, hier S. 3. Ähnliches gilt für die Bereiche Jagd (Stubbe, Christian (Hrsg.): Die Jagd in der DDR, 2., überarb. u. ergän. Aufl., Melsungen 2006), Zoo (Huhn, Klaus: Heinrich Dathe und sein Denkmal Tierpark, Berlin 2010) oder Zirkus (Winkler, Dietmar: Zirkus in der DDR. Im Spagat zwischen Nische und Weltgeltung, Berlin 2009; kurze Informationen zu den Tieren der Staatszirkusse und ihrem Verbleib nach 1989 bieten: Liese, Bodo/Winkler, Dietmar: Es kamen 60 Millionen … Der Staatszirkus der DDR in Zahlen und Fotos, Norderstedt 2006). 56 Hier vor allem Köpp, Wolfgang: Von Tieren und anderen Menschen. „Seht, was aus uns geworden ist!“, 2., überarb. Aufl. Grevesmühle 2011. Die Lebenserinnerungen des DDRVeterinärs (und Jagdhundzüchters) Köpp sind zwar ein reichhaltiges Zeugnis der veterinärmedizinischen Arbeit in der DDR, das Buch ist jedoch stark von rechtspopulistischen und stereotypen Äußerungen geprägt. Weiterhin Woll, Ernst: Nicht alltägliche Rinder-, Schweineund Pferdegeschichten, Erfurt 2007; Krenz, Gerhard: Notizen zur Landwirtschaftsentwicklung in den Jahren 1945 – 1990. Erinnerungen und Bekenntnisse eines Zeitzeugen aus dem
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Trotz ähnlicher Fragestellungen und Methodenzugriffe, werden Mensch-T ier- Verhältnisse dort vollständig ausgeblendet.57 Gleiches gilt für Forschungsarbeiten zur DDR-Umweltpolitik und unabhängigen Umweltschutzbewegung, wo nicht einmal die damaligen Tierschutzgruppen Erwähnung finden.58 Im Ganzen gesehen besteht also ein erheblicher Forschungsbedarf. Jene zukünftigen Untersuchungen sind dabei, wie von Vertretern der DDR-Forschung befürchtet, keinesfalls als „Detailerkundungen“ zu verstehen, die dazu führen, „die Zusammenhänge aus dem Blick [zu] verlieren“ 59. Im Gegenteil, die Einbeziehung tierlicher Akteure weitet den Blick für eine Gesamtsicht und stellt Anschlüsse für größere Zusammenhänge bereit.60 Zum Beispiel schließen die Debatten in der DDR über das Halten von Tieren in der Wohnung, über verwilderte Katzen und Tauben sowie die strenge Reglementierung der städtischen Tierhaltung Überlegungen zur Gesundheits- und Kommunalpolitik, der Stadthygiene und der Bevormundung der DDR-Bevölkerung ein. Außerdem hält Bezirk Neubrandenburg, Schwerin 1996; Paetow, Marie: Lena oder der sozialistische Gang. Aus dem Leben einer LPG-Bäuerin, Altenmedingen 1994. 57 Zum Beispiel: Huff, Tobias: Natur und Industrie im Sozialismus. Eine Umweltgeschichte der DDR, Göttingen 2015. 58 Hierzu v. a. Huff: Umweltgeschichte; Behrens, Hermann/Hoffmann, Jens: Naturschutz in der DDR – ein Überblick, in: dies. (Hrsg.): Naturschutzgeschichte(n). Lebenswege z wischen Ostseeküste und Erzgebirge, Friedland 2013, S. 507 – 548, Brüggemeier, Franz-Josef/Engels, Jens Ivo (Hrsg.): Natur- und Umweltschutz nach 1945. Konzepte, Konflikte, Kompetenzen, Frankfurt am Main/New York 2005, Dix, Andreas/Gudermann, Rita: Naturschutz in der DDR. Idealisiert, ideologisiert, instrumentalisiert?, in: Frohn, Hans-Werner/Schmoll, Friedemann (Bearb.): Natur und Staat. Staatlicher Naturschutz in Deutschland 1906 – 2006, Bonn 2006, S. 535 – 624; Behrens, Hermann (Bearb.): Umweltschutz in der DDR, 3 Bände, München 2007; Knabe, Hubertus: Umweltkonflikte im Sozialismus. Möglichkeiten und Grenzen gesellschaftlicher Problemartikulation in sozialistischen Systemen. Eine vergleichende Analyse der Umweltdiskussion in der DDR und Ungarn, Köln 1993; Redaktion Deutschland Archiv (Hrsg.): Umweltprobleme und Umweltbewusstsein in der DDR, Köln 1985; Roesler, Jörg: Umweltprobleme und Umweltpolitik in der DDR, Erfurt 2006; Rösler, Markus/Schwab, Elisabeth/Lambrecht, Markus (Hrsg.): Naturschutz in der DDR, Bonn 1990; Schwenk, Herbert/Weisspflug, Heiner: Umweltschutz und Umweltschmutz in Berlin (Ost). Zu Auswirkungen der DDR-Umweltpolitik in Berlin, Berlin 1996; Redaktion Deutschland Archiv (Hrsg.): Umweltprobleme und Umweltbewusstsein in der DDR, Köln 1985; Roesler. Jörg: Umweltprobleme und Umweltpolitik in der DDR, Erfurt 2006; Rösler, Markus/Schwab, Elisabeth/Lambrecht, Markus (Hrsg.): Naturschutz in der DDR, Bonn 1990. 59 Jessen: Beobachtungen, S. 1064; Mählert, Ulrich/Wilke, Manfred: Die DDR-Forschung – ein Auslaufmodell? Die Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur seit 1989, in: DA 3 (2004), S. 465 – 474, hier S. 474. 60 Diese Anschlussfähigkeit an „die ‚großen‘ Fragen der Geschichtswissenschaft“ zeigen beispielhaft die Beiträge des Sammelbandes von Krüger/Steinbrecher/Wischermann (Hrsg.): Tiere und Geschichte (Zitat S. 25).
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der Blick auf die ‚Heimtier‘-Haltung auch Fragen über das durchaus ausdifferenzierte Freizeit- und Konsumverhalten, die damit oft einhergehende Orientierung an westlicher Kultur, über die Bedeutung von Netzwerken und nicht zuletzt über Auswirkungen der Mangelwirtschaft im Alltag bereit. Auch die Betrachtung von Mensch-‚Nutztier‘-Verhältnissen in der DDR-Landwirtschaft bietet zahlreiche Verbindungen zu übergreifenden Kontexten, wie zum Beispiel die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung oder die Bedeutung des Privatsektors in der DDR, vor allem in Form der „individuellen Tierhaltung“. Darüber hinaus weist der Landwirtschaftssektor viele internationale Bezüge auf, wie zum Beispiel der tiefgreifende Wandel der Agrarlandschaft und der ländlichen Agrarstrukturen durch die Industrialisierung der Landwirtschaft im 20. Jahrhundert, die Übernahme westlicher Industrien in der DDR in Form der Massentierhaltung (die ihren Ursprung in Nordamerika hatte) oder die Einführung von „Fastfood-Restaurants“ in Form der Goldbroiler- und Fischgaststätten.61 Der Bereich der Landwirtschaft hält neben Imitationsversuchen zeitgleich Beispiele für die Abgrenzungsbestrebungen des SED-Regimes zum westlichen System bereit 62 – denn der Systemwettstreit wurde nicht zuletzt über die Leistungsfähigkeit der landwirtschaftlichen ‚Nutztiere‘ ausgetragen. In den Kontroversen über das Verbot von Tierschutzvereinen in der DDR wiederum nahmen Fragen der Ethik in der DDR und des antibürgerlichen Gesellschaftsentwurfs sowie die Rolle des Natur- und Tierschutzes in beiden deutschen Staaten eine zentrale Rolle ein; die Debatten um Tierversuche umfassen immer auch Fragen über die hegemoniale Stellung der Wissenschaften in der DDR. Außerdem ist die Tierschutzdiskussion ein Beispiel für den Umgang der DDR mit ihrem nationalsozialistischen Erbe, denn im Arbeiter- und Bauernstaat war das Reichstierschutzgesetz von 1933 noch offiziell gültig. Als letztes Beispiel sei auf die zahlreichen Tierparks und zoologischen Gärten in der DDR verwiesen, die Fragen der Außenhandelsbeziehungen und
61 Vgl. zum Beispiel Poutrus: Goldbroiler; Ciesla, Burghard: Eine sich selbst versorgende Konsumgesellschaft? Industrieller Fischfang, Fischverarbeitung und Fischwarenkonsum in der DDR, in: Lindenberger, Thomas (Hrsg.): Herrschaft und Eigen-Sinn in der Diktatur. Studien zur Gesellschaftsgeschichte der DDR, Köln (u. a.) 1999, S. 205 – 233. 62 Zum Konzept der „Verflechtung in der Abgrenzung“ vgl. Bauerkämper, Arnd/Sabrow, Martin/Stöver, Bernd: Einleitung. Die doppelte Zeitgeschichte, in: dies. (Hrsg.): Doppelte Zeitgeschichte. Deutsch-deutsche Beziehungen 1945 – 1900, Bonn 1998, S. 9 – 16, hier S. 15. Vgl. auch Kleßmann, Christoph: Verflechtung und Abgrenzung. Aspekte der geteilten und zusammengehörigen Nachkriegsgeschichte, in: APuZ 29/30 (1993), S. 30 – 41; ders.: Verflechtung und Abgrenzung. Umrisse einer gemeinsamen Nachkriegsgeschichte, in: Schönhoven, Klaus/Staritz, Dietrich (Hrsg.): Sozialismus und Kommunismus im Wandel. Hermann Weber zum 65. Geburtstag, Köln 1993, S. 486 – 499.
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der politischen Repräsentation 63 aufwerfen. Darüber hinaus stellt der Blick auf die sozialistischen Tiergehege Überlegungen über deren Bedeutung für die Erholung und Bildung der DDR-Bevölkerung und vor allem über die Kompensa tionsfunktion vor dem Hintergrund der fehlenden Reisefreiheit und eingeschränkten Freizeit- und Konsumangebote bereit.64 Die vielen Beispiele veranschaulichen deutlich die Anschlussfähigkeit der Tiergeschichte an die größeren Zusammenhänge der Zeitgeschichte und die so vehement geforderten vergleichenden und internationalen Bezüge in der DDR-Forschung.65 Einzelne der angesprochenen Aspekte werden im Verlauf der Untersuchung aufgegriffen und bieten Anschluss für weitere Überlegungen und vertiefende Auseinandersetzungen.66 Die Aussage, der „Charme der Entdeckerfreude von Pionieren, die unbekanntes Terrain im eigenen Land erschließen, gehört der Vergangenheit an, unwiderruflich“ 67, muss somit revidiert werden. Sie entspringt
63 Auf reiner (medienpolitischer) Symbolebene außerhalb des Zoos werden Tiere hier betrachtet: Kuschel, Franziska: Von Ochsen und Eseln, Vögeln und Spinnen. Eine Zoologie der DDRMedienpolitik, in: Böick, Marcus/Hertel, Anja/Kuschel, Franziska (Hrsg.): Aus einem Land vor unserer Zeit. Eine Lesereise durch die DDR-Geschichte, Berlin 2012, S. 155 – 164. 64 Auf architekturkritischer Ebene aus der Perspektive der Human-Animal Studies nähert sich Hölck verschiedenen ostdeutschen Zoos: Hölck, Anne: Disziplinierte Wildheit. Zur Lesbarkeit von Tierbildern in der Zooarchitektur, in: TIERethik 9 (2014), S. 28 – 43. 65 Vgl. Lindenberger: Ausblick; Jessen: Beobachtungen; Mählert/Wilke: DDR-Forschung, S. 474. 66 Die vorliegende Arbeit spart den direkten Vergleich zur Bundesrepublik aus. Vergleichende Betrachtungen dienen in der Arbeit als Referenzrahmen, wenn es etwa um ähnliche oder gänzlich abweichende Entwicklungen geht. Nicht zuletzt war die Existenz der Bundesrepublik ein wichtiger Bedingungsfaktor der Entwicklung in der DDR, und die Systemkonkurrenz und wechselseitige Abgrenzung diente als Motor und Legitimation der sozia listischen Gesellschaft und war Leitbild beider Staaten. Dazu allgemein: Kaelble, Hartmut: Der historische Vergleich. Eine Einführung zum 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1999; Haupt, Heinz-Gerhard/Kocka, Jürgen: Historischer Vergleich: Methoden, Aufgaben, Probleme. Eine Einleitung, in: dies. (Hrsg.): Geschichte und Vergleich. Aufsätze und Ergebnisse international vergleichender Geschichtsschreibung, Frankfurt am Main 1996, S. 9 – 45. Zur Methode: Kocka, Jürgen: Asymmetrical Historical Comparision. The Case of the German Sonderweg, in: History and Theory 38 (1999), S. 40 – 50. Zur Kritik vgl. Welskopp, Thomas: Stolpersteine auf dem Königsweg. Methodenkritische Anmerkungen zum internationalen Vergleich in der Gesellschaftsgeschichte, in: Archiv für Sozialgeschichte 35 (1999), S. 339 – 367. 67 Lindenberger: Ausblick, S. 32 und so ähnlich: Jessen: Beobachtungen, S. 1064. Jesse kritisiert die These, die DDR sei ausgeforscht, scharf und bezeichnet sie gar als „wissenschaftsfeind lich“, vgl. Jesse, Eckhard: Das Ende der DDR. Essay, in: APuZ 33/34 (2015), S. 18 – 25, hier S. 18. Vgl. dazu auch der Konferenzbericht Eisenhuth, Stefanie/Hochmuth, Hanno/Jarausch, Konrad H.: Alles andere als ausgeforscht. Aktuelle Erweiterungen der DDR-Forschung, in: DA, 11. 01. 2016 (abzurufen unter: www.bpb.de/218370, Zugriff am 15. 08. 2016).
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einer rein anthropozentrischen Sichtweise, die insbesondere der DDR-Forschung bis heute eigen ist. Es gibt also noch sehr viel zu „entdecken“ – in der DDR-Geschichte und darüber hinaus.
Problem- und Fragestellung Zentrale Problemstellung der Untersuchung ist das Verhältnis z wischen der Politik gesellschaftlicher Konstruktionen und der Entwicklung gesellschaftlicher Tierbilder sowie der Strukturen von Mensch-Tier-Verhältnissen in der DDR. Das heißt, es sollen nicht nur verschiedene Mensch-Tier-Verhältnisse im Staatssozialismus historisiert werden, sondern auch die Tiere (und Menschen) selbst, sozusagen als „Produkte“ ihrer Zeit.68 Die DDR ist aus anthropologischer Perspektive ein ganz besonders interessantes Beispiel, denn hier sollte sich ein neuartiger Menschentypus, der „sozialistische Mensch“, entwickeln, gewissermaßen das „Produkt“ des Staatssozialismus. Oder mit Marx gesprochen: Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein.69 Die Entwicklung zum Sozialismus respektive Kommunismus wurde im historischen Materialismus zu einer festen Gesetzmäßigkeit erklärt. Gerade die auf diese Weise negierte Prozesshaftigkeit und historische Bedingtheit von gesellschaftlichen Menschen- und Tierbildern interessiert hier. Die erste Problemstellung beinhaltet deswegen die Frage nach den ideologischen Grundlagen, die den Konzepten von Natur, Kultur und Tieren in der Staatsideologie der DDR, dem Marxismus-Leninismus, zugrunde lagen. Da das Verständnis der drei genannten Kategorien im Staatssozialismus maßgeblich auf den Texten von Karl Marx (1818 – 1883) und Friedrich Engels (1820 – 1895) basiert, fängt bereits hier die Erkundung der anthropologischen Konstanten des Staatssozialismus an. Darauf aufbauend umfasst die zweite Fragestellung die Rezeption der marxschen Theorie in der DDR-Ideologie. Die SED-IdeologInnen erfanden die „sozialistische Persönlichkeit“ und zu fragen ist, ob der „neue Mensch“ des Sozialismus auch ein „sozialistisches“ Verhältnis zur Natur und speziell zu Tieren hatte. Und wenn ja, wie manifestierte sich d ieses Konstrukt in der historischen Lebenswirklichkeit von Menschen und Tieren? Gab es eine „sozialistische Natur“? Das „sozialistische Tier“?70 Dabei existieren in allen Gesellschaften teils relativ ausdifferenzierte 68 Vgl. Eitler, Pascal: Animal History as Body History. Four Suggestions from a Genealogical Perspective, in: Body Politics 2/4 (2015), S. 259 – 274, hier S. 272. 69 „Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaft liches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt.“ Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie, MEGA II/2, S. 100. 70 Die Frage mutet weniger befremdlich an, wenn man den Titel folgender Studie betrachtet: Siegelbaum, Lewis H. (Hrsg.): The Socialist Car. Automobility in the Eastern Bloc, Ithaca/ New York/London 2011.
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Konzepte und Funktionen von Tieren, denen jeweils gesonderte Vorstellungen von Tieren zugrunde liegen.71 Welche verschiedenen Formen der Repräsentation von Tieren gab es in der sozialistischen Gesellschaft und w elche Funktionen ließen sich den verschiedenen Tierbildern zuordnen? Trotz der propagierten Zwangsläufigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung blieb es in der DDR stets Aufgabe des Staates, den Prozess der „allseitigen Entwicklung der sozialistischen Persön lichkeit“ aktiv zu fördern. Denn in der DDR hatte sich zwar eine sozialistische Gesellschaft entwickelt, die „alten Vorstellungen“ hingegen s eien „nicht auf einmal und vor allem nicht spontan, im Selbstlauf überwunden, sondern nur durch systematische Erziehungsarbeit.“ 72 Die sozialistische Lebensweise und mit ihr das sozialistische Weltbild musste den DDR-BürgerInnen so gesehen anerzogen werden, wobei allein die SED die Hüterin der „objektiven Wahrheit“ war. Die dritte Problemstellung umfasst demnach die Frage nach der Vermittlung von Tierbildern und an vorderster Stelle nach der Erziehung zum „richtigen“ Umgang mit Tieren. Im Bestreben, eine neue Gesellschaftsform auszuformen, erstreckte sich der Herrschafts-, Kontroll- und Deutungsanspruch der SED bis in den persönlichen Lebensbereich. Egal ob im Umgang mit Hund, Huhn oder Hase – es bedurfte einer Erziehungsarbeit, die, auf festgelegten Tierbildern beruhend, zum Teil offenkundig und zum Teil verborgen ablief. Die Disziplinierung der tierhaltenden Bevölkerung im „Erziehungsstaat“ 73 nahm dabei ganz unterschiedliche Inhalte und Formen an. 71 Vgl. dazu Wiedenmann, Rainer E.: Die Tiere der Gesellschaft. Studien zur Soziologie und Semantik von Mensch-Tier-Beziehungen, Konstanz 2002, S. 37 f., der hier insbesondere auf die „Doppelmoral“ der gesellschaftlichen Tierbilder und deren Ausblendung durch bestimmte Sozialtechniken eingeht. 72 Miller, Reinhold: Vom Werden des sozialistischen Menschen. Der Kampf des Neuen gegen das Alte auf dem Gebiet der Moral, Berlin (Ost) 1960, S. 75 f. Und auch 16 Jahre s päter heißt es noch: „Die Entwicklung des sozialistischen Bewußstseins ist jedoch kein spontaner Vorgang, sondern ein gelenkter Erziehungsprozeß, der unter der Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei verläuft.“ Arnold, Alfred: Was formt die Persönlichkeit? Zur Dialektik von philosophischen und psychologischen Aspekten in der marxistisch-leninistischen Persönlichkeitsauffassung, Berlin (Ost) 1976, S. 114. 73 Dengel, Sabine: Untertan, Volksgenosse, sozialistische Persönlichkeit. Politische Erziehung im Deutschen Kaiserreich, dem NS-Staat und der DDR, Frankfurt am Main 2005, S. 82. Oder auch „Erziehungsdiktatur“, Großbölting: Entbürgerlichte DDR, S. 412. Zur (schulischen) Erziehung in der DDR vgl. auch Droit, Emmanuel: Vorwärts zum neuen Menschen? Die sozialistische Erziehung in der DDR (1949 – 1989), Köln/Weimar/Wien 2014. Speziell zur Ideologievermittlung vgl. auch Gibas, Monika: Ideologie und Ideologievermittlung, in: Ahbe, Tomas/Behrens, Heidi/Ciupke, Paul/Reichling, Norbert (Hrsg.): Lernfeld DDR-Geschichte. Ein Handbuch für die politische Jugend- und Erwachsenenbildung, Schwalbach 2009, S.137 – 149; dies.: Ideologie und Propaganda, in: Herbst, Andreas/Stephan, Gerd-Rüdiger/ Winkler, Jürgen (Hrsg.): Die SED. Geschichte – Organisation – Politik. Ein Handbuch, Berlin 1997, S. 241 – 262.
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Im Bereich der ‚Heimtier‘-Haltung musste die (vermeintlich) romantisch-bürger liche Tierliebe aberzogen und ein sachlich-rationaler Tierkontakt etabliert werden, denn ein „verniedlichender Erziehungsstil hemmt den Übergang zur Erklärung der Ursachen für das Verhalten des Tieres.“ 74 Im Bereich des Tierschutzes ging es ebenso darum, die mutmaßlich bürgerlichen Vorstellungen zu überwinden und darüber „aufzuklären“, was im Staatssozialismus unter Tierschutz überhaupt zu verstehen sei und in welchen Bereichen und welcher Form sich am Tierschutz interessierte BürgerInnen engagieren durften. Am folgenschwersten waren die (Um-)Erziehungsversuche in der Landwirtschaft, wo die Schaffung der Klasse der „Genossenschaftsbauern“ zu einem Verantwortungsverlust gegenüber den „LPGTieren“ und damit zu permanent hohen Tierverlusten führte. Hieran schließt sich nahtlos die vierte Fragestellung an: Welche Auswirkungen hatten die Handlungsimperative und Tierkonstrukte, aber vor allem auch konkreten politischen Entscheidungen und Systemstrukturen auf das Mensch-Tier-Verhältnis und auf das Leben der „realen“ Tiere? Diese Fragen ergänzen die zentrale Problemstellung nach der Politik gesellschaftlicher Konstruktionen, denn hier geht es explizit um die Analyse der konkreten Beziehungen zwischen Menschen und Tieren. Was bedeutet es, wenn Rinder, Schweine oder Hühner nur noch Produktionsmittel sind? Welche Folgen haben der Wegfall der privaten Tierschutztätigkeit und das Fehlen von Tierschutzbestimmungen? Und womit fütterte man seine Katze, wenn es kein Katzenfutter gab? Damit schließt sich der fünfte Fragenkomplex an, der nach dem Anteil von Tieren in der DDR-Gesellschaft beziehungsweise der gesellschaftlichen und politischen Relevanz von Mensch-Tier-Verhältnissen fragt. Wo und in welcher Funktion sind tierliche Akteure anzutreffen? Welche Bedeutung hatte das konkrete, individuelle Tier für den einzelnen Menschen und welche Bedeutung für den Staat? Im Rahmen der Untersuchung wird den aufgeworfen Fragen, nach der Erörte rung der ideologischen Grundlagen, exemplarisch in verschiedenen Untersuchungsfeldern nachgegangen. Betrachtet werden Bereiche, in denen Menschen und Tiere aufeinander trafen, interagierten, miteinander arbeiteten und lebten oder wo Tiere und deren Bedürfnisse zum Gegenstand politischer und wirtschaft licher Herausforderungen für das SED-Regime wurden. Zunächst stehen zwei sozial-geographische Räume von Mensch-Tier-Beziehungen, die ‚Heimtier‘-Haltung sowie die landwirtschaftliche ‚Nutztier‘-Haltung, im Fokus. Im Anschluss wird der mehrheitlich politische Raum des Tierschutzes näher betrachtet. Das Phänomen der ‚Heimtier‘-Haltung stellte die Staatspartei vor ideologische und ökonomische Herausforderungen: Einerseits wurde das Halten von Tieren zur 74 Schille, Ch./Schille, H.-J.: Unser Kind wünscht sich ein Tier, 2. Aufl., Berlin (Ost) 1985, S. 11.
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reinen Freude ohne jeglichen ökonomischen Zweck als bürgerliche Gepflogenheit abgelehnt. Die Zunahme von ‚Heimtieren‘ und insbesondere von Hunden und Katzen konnte jedoch anderseits auch von der Staatsführung nicht ignoriert werden, weswegen es einer umfassenden Neusemantisierung der ‚Heimtier‘-Haltung bedurfte. Weitaus mehr dürften die Monopolpartei dagegen die wirtschaftlichen und infrastrukturellen Herausforderungen beschäftigt haben, denn die immer zahlreicher werdenden ‚Heimtiere‘ mussten versorgt werden – sowohl mit Futter, Spielzeug, Käfigen oder Einstreu als auch in veterinärmedizinischer Hinsicht. Des Weiteren wurde durch die Formulierung von Handlungsimperativen und Rechtstexten die tierhaltende Bevölkerung und ihre Tiere zu disziplinieren versucht, um im ‚Idealfall‘ eine Reduzierung der ‚Heimtier‘-Haltung zu erwirken. Der zweite sozial-geographische Bereich ist in der ländlichen Gesellschaft verortet, wo sich das Zusammenspiel von Herrschaft und sozialer Lebenswirklichkeit sehr eindrücklich zeigt. Der Untersuchungsschwerpunkt liegt hier auf den Folgen der SED-Agrarpolitik auf die Beziehungen z wischen den in der Landwirtschaft tätigen Menschen und den „genossenschaftlichen“ wie auch den „individuellen“ ‚Nutztieren‘, zwei Mensch-‚Nutztier‘-Beziehungen, die sich fundamental unterschieden. Weiterhin richtet sich der Blick auf die Tierkörper, wo sich nicht nur die zentral gelenkte Tierzucht-Politik manifestierte, sondern auch die Systemmängel, die sich beispielsweise durch Futtermangel und fehlende Arbeitskräfte äußerten.75 Der dritte Untersuchungsraum beinhaltet Fragen des Tierschutzes in der DDR, Fragen, die in der DDR kaum gestellt wurden. Auch hier kam es zu einer Neusemantisierung sowie einer Neuorganisation der Tierschutztätigkeit und -gesetzeslage. Die privaten Tierschutzvereine wurden abgeschafft und zum Teil gegen die staatlichen „Beiräte für Tierschutz und Tierhygiene“ ersetzt, deren Tätigkeit auf die politisch-ökonomischen Interessen der Parteiführung zugeschnitten war. Gleiches galt für die Naturschutz- und Tierschutzbestimmungen. Die Analyse der vier Untersuchungsfelder, also die ideologischen Grundlagen des Natur- und Tierverständnisses in der DDR, die ‚Heimtier‘- und ‚Nutztier‘Haltung sowie der Tierschutz, verfolgt letzten Endes das Ziel, durch das Offenlegen der spezifischen Entscheidungslogiken ein umfassenderes Verständnis der DDR-Geschichte zu erlangen.
Quellengrundlage Dem Anspruch, Tiere in die Geschichtswissenschaft einzubeziehen, läuft zunächst die Tatsache zuwider, dass jene keine schriftlichen Quellen hinterlassen. Die Historiographie, die größtenteils den Text als Basis historiographischer 75 Überlegungen zur Tiergeschichte als Körpergeschichte vgl. Eitler: Animal History.
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Auseinandersetzung nutzt, erschwert also erst einmal diesen Anspruch. Allerdings haben auch andere marginalisierte Gruppen, wie Frauen, Kinder oder SklavInnen mitunter keine schriftlichen Überlieferungen hinterlassen und dennoch wurde ‚ihre‘ Geschichte geschrieben. Es gilt also, die vorhandenen Quellen „gegen den Strich“ zu lesen, neuartige ausfindig zu machen und nichtschriftliche Dokumente, wie Bilder, Skulpturen oder archäologische Überreste stärker in den Blick zu nehmen.76 Die vorliegende Arbeit greift vornehmlich auf Text- und Bildquellen zurück und versteht sich als historische Gesamtdarstellung 77 der einzelnen oben genannten Themenfelder, die mit alltags- und lokalhistorischen Studien angereichert ist. Der regionale Fokus trifft hauptsächlich auf den Themenbereich ‚Heimtier‘-Haltung zu, wo der Betrachtungsschwerpunkt auf der Hauptstadt der DDR, Ost-Berlin, liegt. Die Millionenstadt 78 hatte dementsprechend viele tierliche Bewohner, frei lebende ebenso wie in menschlicher Obhut lebende, was die Obrigkeit vor vielfältige Herausforderungen stellte. Nicht umsonst wurde in Berlin 1968 die erste „sozialistische“ Tierschutz-Organisation, der „Berliner Beirat für Tierschutz und Tierhygiene“, gegründet. Deswegen war sowohl das Landesarchiv Berlin als auch das Bundesarchiv Berlin Anlaufpunkt. Für die Untersuchung wurden schwerpunktmäßig die Aktenbestände zentraler staatlicher Institutionen und Organisationen bearbeitet, vor allem die des Ministeriums für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft (MLFN)79 sowie anderen Ministerien, der Volkskammer und des Ministerrates, der SED-Partei leitung oder des Kulturbundes. Zu den gesichteten Aktenbeständen gehörten Briefe und Briefentwürfe, Maßnahmenpläne, Beschlusstexte, Sitzungsprotokolle, Aktennotizen oder Entwürfe von Rechtsgrundlagen samt den dazu geführten Diskussionen. Des Weiteren wurde Archivalien aus der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen 76 Vgl. Roscher: Animal, S. 127 ff. Zur Quellenproblematik in der Tiergeschichte vgl. auch dies.: Geschichtswissenschaft, S. 80 ff.; Steinbrecher: Spurensuche, S. 20 ff. 77 Nicht zu verwechseln mit einer vollständigen Bestandsaufnahme. 78 Ost-Berlin hatte der letzten Volkszählung von 1981 zufolge über eine Million EinwohnerIn nen, vgl. Statistisches Jahrbuch der Deutschen Demokratischen Republik 1983, Berlin (Ost) 1983, S. 1. 79 Das Ministerium für Landwirtschaft, Erfassung und Forstwirtschaft (MLEF ) wurde 1963 aufgelöst und durch den Landwirtschaftsrat bzw. die Räte für Landwirtschaft und Nahrungsgüterproduktion (RLN) und deren Komitees ersetzt. 1973 entstand dann das Ministerium für Land, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft (MLFN), vgl. Herbst, Andreas/ Ranke, Winfried/Winkler, Jürgen: So funktionierte die DDR. Lexikon der Organisationen und Institutionen, Band 2, S. v. „Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft“, Reinbek bei Hamburg 1994, S. 676 f. In vorliegender Arbeit wird jeweils die Bezeichnung verwendet, w elche dem jeweiligen betrachteten Zeitabschnitt entspricht, vereinzelt wird die allgemeine Bezeichnung „Landwirtschaftsministerium“ verwendet.
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DDR (BStU) hinzugezogen. Die Korrespondenzen und Berichte der staatlichen
Behörden und Parteidienststellen vermitteln nicht nur einen Einblick in die Politik und das Vorgehen der Herrschaftsträger, also den Blick „von oben“. Sie geben zum Teil auch detaillierte Informationen über bestimme Institutionen, wie zum Beispiel über landwirtschaftliche Betriebe oder individuelle Handlungs- und Wahrnehmungsformen in den verschiedenen untersuchten sozial- geographischen Kontexten wieder. Denn obwohl der Großteil der Quellen die Perspektive der Herrschenden vermittelt, bricht in den Quellen immer auch die historische Lebenswirklichkeit hervor, was vor allem für die Stimmungsberichte der unterschiedlichen Behörden zutrifft. Nicht zuletzt bieten die Eingaben der BürgerInnen 80 eine wertvolle Quelle für die herrschaftsferne Sicht auf die historische Realität. Neben den Dokumenten der DDR-Staatsführung, wie Gesetzestexte, Parteitage und Verordnungen, wurden fachwissenschaftliche Abhandlungen, wie etwa Fach- und Lehrbücher, Lexika sowie Diplomarbeiten und Dissertationsschriften, als Quellen herangezogen. Wertvolle Daten bietet die zentrale Fachzeitschrift des sozialistischen Veterinärwesens „Monatshefte für Veterinärmedizin”. Sie war die wichtigste Informationsquelle für die TierärztInnen der DDR und diente zugleich der Vermittlung der Leitlinien der sozialistischen Landwirtschaft. Die Monatshefte geben auch über andere Bereiche Auskunft, wie zum Beispiel über Tierschutzfragen, aber auch über private ‚Heimtier‘-Haltung oder Tierzucht. Vereinzelt wurden überdies Film- und Fernsehaufnahmen verwendet. Des Weiteren wurden populäre Zeitschriften
80 Eingaben waren eine in der DDR besonders entwickelte Form der Beschwerde der BürgerInnen an Staat und Partei (vgl. Artikel 103 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. April 1968 in der Fassung vom 7. Oktober 1974; Gesetz über die Bearbeitung der Eingaben der Bürger – Eingabengesetz – vom 19. Juni 1975 (GBl. I, S. 461). In Ostdeutschland wurden jährlich fast eine Million Eingaben an staatliche und gesellschaftliche Institutionen und Medien geschrieben. Damit lag die DDR an der Spitze Europas was das Verfassen von Petitionen und Eingaben betraf, vgl. Mühlberg, Felix: Eingaben als Instrument informeller Konfliktbewältigung, in: Badstübner, Evemarie (Hrsg.): Befremdlich anders. Leben in der DDR, 2. Aufl., Berlin 2000, S. 233 – 270, hier S. 233. Zu Eingaben vgl. auch v. a. ders.: Bürger, Bitten und Behörden. Die Geschichte der Eingabe in der DDR, Berlin 2004; Zatlin, Jonathan R.: Ausgaben und Eingaben. Das Petitionsrecht und der Untergang der DDR, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 10 (1997), S. 902 – 917; Staadt, Jochen: Eingaben. Die institutionalisierte Meckerkultur in der DDR. Goldbrokat, Kaffee-Mix, Büttenreden, Ausreiseanträge und andere Schwierigkeiten mit den Untertanen, Berlin 1996; Lüdtke, Alf/Becker, Peter (Hrsg.): Akten – Eingaben – Schaufenster. Die DDR und ihre Texte. Erkundungen zu Herrschaft und Alltag, Berlin 1997; Merkel, Ina/Mühlberg, Felix: Einaben und Öffentlichkeit, in: Merkel, Ina (Hrsg.): „Wir sind doch nicht die Mecker-Ecke der Nation.“ Briefe an das DDR-Fernsehen, Köln 1998, S. 9 – 32.
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und Magazine, Tagungszeitungen und Periodika (Statistische Jahrbücher 81) auf Hinweise zum gestellten Thema ausgewertet. Schließlich wurde auch auf Schul- und Kinderbücher sowie Belletristik und zuweilen Bildquellen zurückgegriffen 82. Berichte von ZeitzeugInnen wurden vor allem in Form verschrift lichter Erzählungen herangezogen.83
Konzeptionelle Überlegungen und Methodik Da die Mensch-Tier-Geschichte noch sprichwörtlich in den Kinderschuhen steckt, sind die Theorien und Methoden nach wie vor in der Entwicklung und die historiographische Auseinandersetzung mit Tieren ist vor allem im deutschsprachigen Raum durch theoretische Postulate geprägt.84 Ein Problemfeld stellt noch immer die mangelnde Verknüpfung von empirischem Material und theoretischen sowie methodischen Überlegungen dar.85 Deswegen sind die folgenden Ausführungen vielmehr Überlegungen als eine feststehende Herangehensweise. Um Mensch-Tier-Verhältnisse und die Einbeziehung tierlicher Akteure für die Geschichtswissenschaft fruchtbar zu machen, muss zunächst deren Gesellschaft lichkeit anerkannt werden. Tiere als Teil der Gesellschaft zu begreifen ergibt sich erstens aus der Tatsache, dass Tiere – egal ob „real“ oder symbolisch – einen 81 Zur Frage der Zuverlässigkeit der DDR -Statistiken vgl. Lippe, Peter von der: Die gesamtwirtschaftliche Leistung der DDR-Wirtschaft in den offiziellen Darstellungen – Die amtliche Statistik der DDR als Instrument der Agitation und Propaganda der SED, in: Deutscher Bundestag (Hrsg.): Materialien der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland.“ Machtstrukturen und Entscheidungsmechanismen im SED-Staat und die Frage der Verantwortung, Band II, 3, Frankfurt am Main 1995, S. 1973 – 2193, hier S. 1979; ders.: Die amtliche Statistik der DDR: „Fälschungen“ oder „spezifische Form der Manipulation, zentral vollzogen?“, in: Historical Social Research 23 (1998), S. 339 – 343; Ciesla, Burghard: Hinter den Zahlen. Zur Wirtschaftsstatistik und Wirtschaftsberichterstattung in der DDR, in: Lüdtke/Becker (Hrsg.): Akten, S. 39 – 55; Steiner, André: Die DDR-Wirtschaftsreform der sechziger Jahre. Konflikt zwischen Effizienz- und Machtkalkül, Berlin 1999, S. 22. Die Zahlen zeigen indes zumindest reale Tendenzen und bieten Orientierung; zumal die Schleifung der Zahlen in den Statistiken eine große logistische und mathematische Herausforderung gewesen wäre. 82 Vgl. dazu Hengerer, Mark: Tiere und Bilder. Probleme und Perspektiven für die historische Forschung aus dem Blickwinkel der frühen Neuzeit, in: Krüger/Steinbrecher/Wischermann (Hrsg.): Tiere und Geschichte, S. 35 – 58. 83 Vgl. oben, Anm. 55. 84 Vgl. Steinbrecher: Spurensuche, S. 18. 85 Vgl. ebenda. Zu Überlegungen zur Theorie und Methodik in der Tiergeschichte vgl. v. a. Eitler, Pascal/Möhring, Maren: Eine Tiergeschichte der Moderne. Theoretische Perspektiven, in: Traverse 3 (2008), S. 91 – 106; Roscher: Animal; dies.: Geschichtswissenschaft; Krüger/ Steinbrecher/Wischermann: Animate History, S. 19 – 33 sowie die dortigen, nach Kategorien geordneten, Beiträge, die ebenfalls methodische (und empirische) Wege aufzeigen.
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festen Bestandteil menschlichen Handelns und Denkens darstellen und auf unterschiedlichste Art und Weise konstituierend für menschliche Gesellschaften sind.86 Dazu genügt allein ein Blick in die Nahrungsmittelindustrie (auch wenn gerade die fernab der Städte und damit fernab der Blicke angesiedelte Massentierhaltung diese fundamentale Abhängigkeit von Tieren verschleiert). Die landwirtschaftliche ‚Nutztier‘-Haltung in der DDR beispielsweise war nicht einfach nur konstituierend für die Gesellschaft, sie war systemstabilisierend, wenn nicht überlebensnotwendig: Der Export von Tieren, vor allem von Pferden und Jungrindern, sowie von Tierprodukten, hier allem voran Fleisch, erwirtschaftete wertvolle Devisen. Darüber hinaus sollte die „Tierproduktion“ eine kontinuier liche Versorgung der Bevölkerung gewährleisten und so soziale Unruhen verhindern. Denn „die Menschen bei uns“, so der Wirtschaftssekretär des ZK der SED Günter Mittag, würden „von der Fleischversorgung […] ableiten, wie gut unsere Politik ist.“ 87 Zudem sind die Wahrnehmung von Tieren und der Umgang mit ihnen von der jeweiligen Gesellschaft vorstrukturiert. Ob ein Tier etwa Lebensmittel oder Spielgefährte ist, hängt von den jeweiligen gesellschaftlichen Zuschreibungen ab. Die vorherrschende Sichtweise in der Geschichtswissenschaft – und nicht nur hier – beschäftigt sich mit eben jenen Zuschreibungen, das heißt mit der Repräsentation von Tieren. Das bedeutet, es stehen die menschlichen Wahrnehmungen und Darstellungen von Tieren in der Geschichte im Mittelpunkt. Tiere sind in diesem Zusammenhang vorerst „nur“ Diskursgegenstände beziehungsweise „Wissensfiguren“.88 Das „reale“ Tier verschwindet hingegen auf diese Weise in der Geschichtsschreibung. Die Unterscheidung zwischen „realen“ und „repräsentierten“ Tieren in der Geschichtsschreibung ist nicht unumstritten, da Tiergeschichte stets „the history of human attitudes toward animals“ 89 sei. Nicht zuletzt würden wir Tiere in der gegenwärtigen 86 Vgl. Philo, Christopher/Wilbert, Chris: Animal Spaces, Beastly Places. An Introduction, in: dies. (Hrsg.): Animal Spaces, S. 1 – 34, hier S. 2 f. Zur Gesellschaftlichkeit von Mensch- Tier-Verhältnisse vgl. auch Chimaira: Einführung, S. 17 ff. 87 Zitiert nach Hübner, Peter: Arbeit, Arbeiter und Technik in der DDR 1971 bis 1989. Zwischen Fordismus und digitaler Revolution, Bonn 2014, S. 316. Günter Mittag (1926 – 1994), gelernter Eisenbahner, ab 1962 Mitglied des ZK der SED und seit 1973 Sekretär des ZK für Wirtschaft. Ab 1966 Mitglied des Politbüros der SED und von 1976 bis 1989 erneut Wirtschaftssekretär des ZK der SED, vgl. Müller-Enbergs, Helmut/Wielgohs, Jan/Hoffmann, Dieter (Hrsg.): Wer war wer in der DDR? Ein biographisches Lexikon, Berlin 2001, S. 584 f. 88 Vgl. dazu Bühler, Benjamin/Rieger, Stefan: Vom Übertier. Ein Bestiarium des Wissens, Frankfurt am Main 2006. Wobei die Autoren explizit die Rückwirkung der Tierbilder auf die tierlichen Individuen benennen. 89 Fudge: Left-Handed Blow, S. 6. Zur Repräsentationsproblematik in der Tiergeschichtsschreibung vgl. auch Krüger/Steinbrecher/Wischermann: Animate History, S. 19 ff.; Roscher: Geschichtswissenschaft, S. 87 ff.
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Gesellschaft, so Berger, nur noch als unsere Ideen vom Tier (Repräsentation) wahrnehmen.90 Deswegen ist es umso wichtiger, die materielle Präsenz von Tieren als auch den Eindruck dieser Präsenz so gut es geht in die Betrachtungen einzubeziehen.91 Aber auch „das Materielle“ existiert genauso wenig ohne Zeichen und Diskurse wie umgekehrt Zeichen ohne einen ökonomischen, historischen und kulturellen Hintergrund ihre Wirkung nicht entfalten können. Haraway bietet dazu den Begriff des „materiell-semiotischen Knotens“ an, wonach sich die Symbolproduktion und die historisch gefasste Materialität immer wieder aufeinander beziehen.92 Materialitäten sind so gesehen die konkrete Manifesta tion des konstruierten respektive diskursiven Mensch-Tier-Verhältnisses. Vereinfacht gesagt: die Repräsentation von Tieren beeinflusst das Leben der „realen“ Tiere und umgekehrt. Dieses Zusammenwirken wird in der vorliegenden Untersuchung anhand dreier eng verwobener Kategorien von Tierdiskursen anschaulich, die sich im Verlauf der Analyse herauskristallisierten: Das ‚nützliche Tier‘, das ‚verwissenschaftlichte Tier‘ und das ‚disziplinierte Tier‘. Diese drei in der DDR vorherrschenden Tierkonzepte hatten, wie zu zeigen sein wird, vielschichtige Effekte auf das „real existierende Tier“. Nichtmenschliche Tiere als Teil der (historischen und gegenwärtigen) Gesellschaft und Kultur zu begreifen lässt die Dichotomie von Natur und Kultur insofern fragwürdig erscheinen. Denn Tiere beeinflussen nicht nur Kultur, sie sind mitunter auch hochgradig kulturell geprägt, wie zum Beispiel die Rassen von ‚Haus-‚‘ und ‚Heimtieren‘, deren Züchtung und Dressur oder etwa das an die Stadt angepasste Verhalten von ‚Wildtieren‘ belegt.93 Dessen ungeachtet sind Tiere bis heute vergleichsweise selten Teil von Kulturanalysen.94 Umwelthisto rische Ansätze dagegen, die die Wirkung von Tieren auf langfristige historische 90 Berger, John: Das Leben der Bilder oder die Kunst des Sehens, Berlin 1985, S. 12 – 35 (das Kapitel trägt die Überschrift „Warum sehen wir Tiere an?“). 91 Von Fudge als „holistischer Ansatz“ („holistic history“) bezeichnet, vgl. Fudge: Left-Handed Blow, S. 10 f.; vgl. auch Pearson, Susan/Weismantel, Mary: Gibt es das Tier? Sozialtheoretische Reflexionen, in: Brantz/Mauch (Hrsg.): Tierische Geschichte, S. 379 – 399, hier S. 388 ff. Pöppinghege spricht sich hingegen für eine Rehabilitierung des Repräsentationsansatzes aus, vgl. Pöppinghege, Rainer: Einleitung: Mensch und Tier in der Geschichte, in: Westfälische Forschungen 62 (2012), S. 1 – 8, hier S. 7. 92 Vgl. Haraway, Donna: When Species meet, Minneapolis 2008, S. 4. Für den Bereich der Gender Studies beispielhaft Butler, Judith: Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts, Frankfurt am Main 1997. 93 Vgl. Krüger, Gesine/Steinbrecher, Aline: Editorial. Tierische (Ge)Fährten, in: Historische Anthropologie 19/2 (2011), S. 169 – 171, hier S. 170. 94 Vgl. Buchner-Fuhs, Jutta: Volkskunde/Europäische Ethnologie. Zur kulturwissenschaft lichen Erforschung des Mensch-Tier-Verhältnisses und der Mensch-Tier-Beziehungen, in: Spannring (u. a.) (Hrsg.): Disziplinierte Tiere, S. 321 – 357.
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Prozesse aufzuzeigen versuchen, gibt es bereits.95 Überzeugend kritisiert Eitler jedoch, dass die umweltgeschichtliche Perspektive Tiere vornehmlich zur Natur gehörig betrachtet, was abermals die Natur-Kultur-Grenze zementiere.96 Aber erst unter der Prämisse der Gesellschaftlichkeit von Mensch-Tier-Verhältnissen lassen sich jene auch mit den in der Sozial- und Kulturgeschichte üblichen Instrumentarien untersuchen. Darum sind die Human-Animal Studies keineswegs in der Biologie angesiedelt, sondern in den Kultur- und Gesellschaftswissenschaften, wobei die Zoologie als „Steinbruch“ für die geisteswissenschaftliche Tierforschung dient.97 Als Zugang zur Interpretation von Mensch-Tier-Verhältnissen in der DDR wird das „Konzept des Sozialen“ von Pearson und Weismantel stark gemacht: ihr Ansatz verbindet räumliche, politisch-ökonomische, performative und symbo lische Analysen, die der Deutung von Mensch-Tier-Beziehungen im sozialen Leben zugrunde liegen.98 Das heißt, die sozialgeschichtliche Perspektive nimmt die Beziehungen, in denen Menschen und Tiere in ganz unterschiedlicher Art zueinander stehen, in den Blick und fragt nach den sozialen Lebenswelten und Wechselwirkungen.99 Dieser Beziehungsansatz nimmt stärker als bisher Tiere als Teil einer gemeinsamen sozialen Lebenswelt wahr und damit das Verhältnis von Menschen und Tieren als verbundene, geteilte (Beziehungs-) Geschichte.100 Dabei ist die Analyse der repräsentativen Tierpräsenz genauso von Bedeutung, denn jene Perspektive erlaubt es kulturhistorische Rückschlüsse zu ziehen.101 Die enge Verflochtenheit von menschlicher und tierlicher Lebenswelt wirft überdies auch Fragen tierlicher Historizität auf. Ob Tiere per se eine Geschichte haben, sei dahingestellt, indem sie aber über einen längeren Zeitraum eine gemeinsame soziale Lebenswelt mit den Menschen teilen, das heißt, konkret in Kontakt oder 95 Ritvo, Harriet: Animal Planet, in: Environmental History 9/2 (2004), S. 204 – 220; DeJohn Anderson, Virginia: Creatures of Empire. How Domestic Animals Transformed Early America, Oxford (u. a.) 2004 (auch ein Beispiel für den Versuch Tiere als historische Akteure zu fassen); Isenberg, Andrew C.: The Destruction of the Bison. An Environmental History, 1750 – 1920, New York 2000 sowie die Ausgabe Environment and Society 4 (2013). Überlegungen zu umwelthistorischen Ansätzen in der Tiergeschichte vgl. Wiedenmann: Tiere, Moral und Gesellschaft, S. 45 f.; Roscher, Mieke: Tiere und Politik. Die neue Politikgeschichte der Tiere zwischen zóon alogon und zóon politikon, in: Krüger/Steinbrecher/Wischermann (Hrsg.): Tiere und Geschichte, S. 171 – 197, hier S. 183 – 186. 96 Vgl. Eitler: Animal History, S. 262. 97 Vgl. Sommer, Volker: Zoologie. Von „Mensch und Tier“ zu „Menschen und andere Tiere“, in: Spannring (u. a.) (Hrsg.): Disziplinierte Tiere, S. 359 – 386, hier S. 383. 98 Vgl. Pearson/Weismantel: Gibt es das Tier, S. 379 – 399. 99 Vgl. Pöppinghege: Einleitung, S. 7. 100 Vgl. Krüger/Steinbrecher/Wischermann: Animate History, S. 20 ff. 101 Nochmal Fudge: Left-Handed Blow.
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Interaktion mit Menschen treten, hinterlassen sie dort auch ihre „Spuren“.102 Dabei drängt sich auch die Frage nach der Handlungs- oder Wirkungsmacht von Tieren in der Geschichte beziehungsweise nach ihrem Status als handlungsfähige Akteure auf, was sich vereinfacht gesagt unter dem Begriff „Agency“ zusammenfassen lässt.103 Theoretischer Anknüpfungspunkt bildet die Akteur-Netzwerk- Theorie (ANT) von Latour, der zufolge menschliche und nichtmenschliche Wesen und sogar nichtlebendige Entitäten zu netzwerkartigen Handlungszusammenhängen verschmelzen und sich gegenseitig beeinflussen. Bekanntestes Beispiel ist die Rolle der Milchsäurebakterien in der Laborarbeit von Louis Pasteur.104 Hier soll weniger die Frage nach einer wie auch immer gearteten Agency von Tieren im Mittelpunkt stehen, sondern ergründet werden, inwiefern Tiere in Beziehungsgeflechten eingebunden sind und dort als s oziale Akteure auftreten. Diese Herangehensweise stützt sich vielmehr auf das Konzept einer „Animate History“, das sich als eine „bewegte und belebte Geschichte“ versteht und konkrete Tiere einzubeziehen sucht, um damit eine „Aufmerksamkeitssymmetrie“ zu etablieren.105 Die von Pearson und Weismantel eingebrachte Bedeutung der räumlichen Verortung ist hier ebenfalls ein wichtiges Analysemittel. Zum Beispiel war die „Frontstadt“ Ost-Berlin als Hauptstadt der DDR Vorzeigeobjekt für geordnete Verhältnisse und zugleich Heimstätte vieler Tiere unterschied licher Art. Im „Schaufenster des Ostens“ sollten jedoch keine durch verwilderte Tauben und Katzen oder frei laufende Hunde eingetrübten Bilder zu sehen sein. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen „Ruhe, Sauberkeit und Ordnung“ besaß 102 Vgl. Steinbrecher: Spurensuche, S. 9 – 29 und Pearson/Weismantel: Gibt es das Tier, S. 380 ff. und S. 388 ff. 103 Vgl. dazu einführend Roscher, Mieke: Zwischen Wirkungsmacht und Handlungsmacht. Sozialgeschichtliche Perspektiven auf tierliche Agency, in: Wirth/Laue/Kurth (u. a.) (Hrsg.): Das Handeln der Tiere, S. 43 – 66. Für den englischsprachigen Raum vgl. v. a. die Beiträge in McFarland, Sarah E./Hediger, Ryan (Hrsg.): Animals and Agency. An Interdisciplinary Exploitation, Leiden/Boston 2009; Hribal, Jason: Animals, Agency, and Class: Writing the History of Animals from Below, in: Human Ecology Review 14/1 (2007), S. 101 – 112 sowie das Sonderheft von History and Theory 52 (2013). Zur Kritik am Agency-Konzept vgl. Eitler: Animal History, S. 262 ff. 104 Vgl. Latour, Bruno: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft: Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, Frankfurt am Main 2007. Aus Perspektive der Tiergeschichte vgl. dazu v. a. Eitler/Möhring: Tiergeschichte. In ähnlicher Weise betrachtet Haraway das Zusammenspiel von verschiedenen menschlichen und nichtmenschlichen Entitäten, in ihren späteren Arbeiten vor allem das z wischen Hunden und Menschen, vgl. Haraway, Donna: The Companion Species Manifesto. Dogs, People, and Significant Otherness, Chicago 2003. Zur Analyse Haraways vgl. wieder Eitler/Möhring: Tiergeschichte. 105 Vgl. dazu Krüger/Steinbrecher/Wischermann: Animate History, S. 9 – 33. Zur Theorie vgl. auch Latour, Bruno: Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie, Frankfurt am Main 1998.
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Ost-Berlin daher eine besonders strikte Stadtordnung und hohe Hundesteuer, und der bereits 1968 gegründete „Berliner Beirat für Tierschutz und Tierhygiene“ schrieb sich die Durchsetzung einer „störfreien Tierhaltung“ im urbanen Raum auf die Fahne. Menschen und Tieren wurden auf diese Weise bestimmte Räume zugewiesen oder vorenthalten, zugleich produzierte ihr Zusammenleben aber auch bestimmte Räume.106 Die Steuerungsabsichten des SED-Staates und die Alltagspraktiken der Bevölkerung in einer „durchherrschten Gesellschaft“ 107 – hier am Beispiel der städtischen Tierhaltung – lassen auch Überlegungen zur Herrschaft als s oziale Praxis virulent werden.108 Denn im Fokus stehen nicht allein die Imperative der SED-Herrschaft und ihre Durchsetzung, sondern auch Mentalitäten und Handlungspraktiken von Individuen und Gruppen sowie die wechselseitige Durchdringung von politischer Herrschaft und Alltagswelt. Erst die Zunahme von Hunden, Katzen und Wellensittichen in den Wohnstuben der DDR-BürgerInnen und deren Sorgen und Wünsche, was die materielle und medizinische Versorgung ihrer Tiere betraf, sowie die wachsende Sichtbarkeit der tierlichen Akteure in den Städten und die damit einhergehenden Probleme für das Zusammenleben auf engstem (Wohn-) Raum veranlassten die Obrigkeit zu erhöhten Anstrengungen, den in Eingaben und LeserInnenbriefen artikulierten Forderungen nachzukommen, aber eben auch die oben angedeuteten Reglementierungsmaßnahmen durchzusetzen. Diese Herangehensweise verknüpft also Politik- und Sozialgeschichte und untersucht dezidiert die Wechselwirkungen und Dynamiken zwischen Politik und Gesellschaft, ohne die beiden Bereiche strikt voneinander zu trennen.109 Als fruchtbar 106 Vgl. Steinbrecher, Aline: Tiere und Raum. Verortung von Hunden im städtischen Raum der Vormoderne, in: Krüger/Steinbrecher/Wischermann (Hrsg.): Tiere und Geschichte, S. 219 – 240, hier S. 221. Zu Tieren und (urbaner) Raum siehe oben, Anm. 31. 107 Kocka, Jürgen: Eine durchherrschte Gesellschaft, in: Kaelbe, Hartmut/Kocka, Jürgen/Zwahr, Hartmut (Hrsg.): Sozialgeschichte der DDR, Stuttgart 1994, S. 547 – 553; zu „Grenzen der Durchherrschung“, vgl. ebenda, S. 550 und S. 552. 108 Zum Konzept „Herrschaft als soziale Praxis“ vgl. Lindenberger, Thomas: Alltagsgeschichte und ihr möglicher Beitrag zu einer Gesellschaftsgeschichte der DDR, in: Bessel, Richard/ Jessen, Ralph (Hrsg): Die Grenzen der Diktatur. Staat und Gesellschaft in der DDR, Göttingen 1996, S. 298 – 325; ders.: Die Diktatur der Grenzen. Zur Einleitung, in: ders. (Hrsg.): Herrschaft und Eigen-Sinn, S. 13 – 44; ders.: SED-Herrschaft als soziale Praxis, Herrschaft und „Eigen-Sinn“: Problemstellung und Begriffe, in: Gieseke, Jens (Hrsg.): Staatssicherheit und Gesellschaft. Studien zum Herrschaftsalltag in der DDR, Göttingen 2007, S. 23 – 47; Lüdtke, Alf: Die DDR als Geschichte. Zur Geschichtsschreibung über die DDR, in: APuZ 36 (1998), S. 3 – 16; ders.: Einleitung: Herrschaft als soziale Praxis, in: ders. (Hrsg.): Herrschaft als soziale Praxis. Historische und sozial-anthropologische Studien, Göttingen 1991, S. 9 – 63. 109 Vgl. dazu auch Jessen, Ralph: Die Gesellschaft im Sozialismus. Probleme einer Sozial geschichte der DDR, in: Geschichte und Gesellschaft (künftig: GG) 21 (1995), S. 96 – 110.
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erweisen sich dabei auch praxeologische Ansätze 110, die sich auf tierliches Tun und Mensch-Tier-Interaktion konzentrieren. Zum Beispiel spielten landwirtschaft liche ‚Nutztiere‘ in der Phase der Kollektivierung der Landwirtschaft eine wesent liche Rolle im Kontext bäuerlicher Devianz. Auf der einen Seite wurden sie zum Gegenstand bäuerlichen Widerstandes, indem die an die LPG abgegeben Tiere bewusst geschädigt wurden. Auf der anderen Seite reagierten die Tiere auf die groß angelegten Umstallungen, die für sie zu (Lebens-)Umstellungen wurden: sie fremdelten in den groß angelegten LPG-Ställen, fraßen schlechter, erkrankten oder kämpften mit ihren neuen Stallgenossen um die Rangordnung. Für die vormaligen BesitzerInnen hingegen war die Abgabe der Tiere mitunter eine sehr emotionale Angelegenheit. Die bäuerlichen Reaktionen auf die Machtansprüche der SED stehen beispielhaft für das Konzept der Herrschaft als s oziale Praxis, dafür, wie sich die ländliche Bevölkerung dem Herrschaftsverhältnis gegenüber verhielt, es deutete und aneignete.111 Dazu gehörten nicht nur die Abwehrreak tionen, sondern auch der Rückzug in die „individuelle Hauswirtschaft“, die zum Hort bäuerlicher Traditionen und obendrein zum systemstabilisierenden Element wurde. Zugleich verdeutlicht das Beispiel der Kollektivierung, dass sowohl der Blick auf die sozialen Praktiken erkenntnisreich ist als auch derjenige auf die Effekte jener Praktiken.112 Unterm Strich ist ein mehrdimensionaler Forschungsansatz nötig, um eine Geschichte der Diskurse und Alltagspraktiken von Mensch- Tier-Verhältnissen in der DDR zu schreiben und um gleichzeitig aufzuschlüsseln, welche Wechselwirkungen sich z wischen Politik und Gesellschaft und zwischen Tieren und Menschen entwickelten.
Aufbau der Arbeit Die bisherigen Ausführungen werden in der Untersuchung wie folgt behandelt: Kapitel 1 widmet sich einführend den ideologischen Grundlagen des Natur- und Tierverständnisses in der DDR. Das heißt, es werden zentrale Texte von Marx und Engels nach dem darin enthaltenen Natur- und Menschenbild befragt, wobei in der philosophischen Tradition die Suche nach der Antwort, was ‚den Menschen‘ 110 Für die DDR-Geschichte vgl. Lindenberger: Alltagsgeschichte. Für die Tiergeschichte vgl. Pearson/Weismantel: Gibt es das Tier; Steinbrecher, Aline: „They do something“ – Ein praxeologischer Blick auf Hunde in der Vormoderne, in: Elias, Friederike/Franz, Albrecht/ Murmann, Henning/Weiser, Ulrich Wilhelm (Hrsg.): Praxeologie. Beiträge zur interdiszi plinären Reichweite praxistheoretischer Ansätze in den Geistes- und Sozialwissenschaften, Berlin/Boston 2014, S. 29 – 51. 111 Vgl. dazu Schöne, Jens: Frühling auf dem Lande? Die Kollektivierung der DDR-Landwirtschaft, Berlin 2005, S. 268 f. 112 Wie es Eitler für die Tiergeschichte fordert, vgl. Eitler: Animal History, S. 260.
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ausmacht, immer die Frage impliziert, was ihn von ‚dem Tier‘ unterscheidet. Dabei wird keineswegs eine vollständige Abhandlung der marxschen Philosophie angestrebt. In einem ersten Schritt wird es um das marxsche Naturkonzept gehen: Was ist Natur und wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen Natur und Mensch? In einem zweiten Schritt wird versucht, das Tierbild bei Marx und Engels zu rekonstruieren. Hierfür werden zunächst die philosophisch-anthropologischen Ausführungen im Frühwerk von Marx auf ihr Tier- und Menschenbild abgeklopft und im Anschluss die biologisch-anthropologischen Überlegungen im Spätwerk von Marx sowie im zentralen Text „Der Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen“ („Dialektik der Natur“, 1873 – 1882) von Engels beleuchtet. Am Titel jener Abhandlung wird bereits vorweggenommen, wo die Grenze zwischen Menschen und Tieren in der marxschen Theorie verlief: am Arbeitsbegriff, wie zu zeigen sein wird. Kapitel 2 untersucht das Phänomen der ‚Heimtier‘-Haltung in der DDR. An erster Stelle stehen auch hier die ideologischen Bedingungen und Diskurse, unter denen das Halten von Hunden, Katzen oder etwa Vögeln im SED-Staat stattfand. Dabei ist eine positive Wandlung der Bewertung der ‚Heimtier‘-Haltung zu beobachten, die sich entlang der Zunahme des Phänomens entwickelte. Im weiteren Verlauf werden die konkreten Rahmenbedingungen der ‚Heimtier‘Haltung betrachtet. Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Versorgung mit Futtermitteln. Aufgrund einer unzureichend ausgebauten Futtermittelindustrie für ‚Heimtiere‘ wurden für die menschliche Ernährung gedachte Nahrungsmittel verfüttert. In einer von Versorgungsengpässen geprägten Mangelwirtschaft stellte dies für die Herrschenden ein zentrales Problem dar, besonders was die Verfütterung von Fleisch an Hunde und Katzen betraf. Zur Versorgung der ‚Heimtiere‘ gehörte auch die veterinärmedizinische Betreuung, die daraufhin untersucht wird. Hier zeigt sich beispielhaft, wie sich gesellschaftlich-ideologische Diskurse manifestieren, und ihren Ausdruck in der Vernachlässigung der Kleintiermedizin finden. Im letzten Abschnitt des zweiten Kapitels wird es um die Problematik der ‚Heimtier‘-Haltung in der Stadt am Beispiel von Ost-Berlin gehen. Dazu gehört neben der oben angedeuteten Reglementierung der Tierhaltung auch die Frage, wie mit sogenannten ‚herrenlosen‘ Tieren umgegangen wurde. Das Kapitel über die ‚Heimtier‘-Haltung versucht auf diese Weise, ideengeschichtliche mit sozial historischen Fragestellungen zu verbinden. Welche Auswirkungen die SED -Agrarpolitik auf die ländlichen Mensch‚Nutztier‘-Verhältnisse hatte, zeigt das Kapitel 3. Die verschiedenen Etappen der Landwirtschaftspolitik, angefangen von der Bodenreform über die Kollektivierung bis hin zur Industrialisierung und Spezialisierung, führten zu beträchtlichen Veränderungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen für Menschen und Tiere, was nicht ohne Folgen für deren gegenseitige Beziehung blieb. Dabei kam es auch zu einer Ausdifferenzierung des Verhältnisses, das sich nun z wischen Mensch‚Nutztier‘-Verhältnis im vergesellschafteten Bereich der LPG und im privaten
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Bereich der „persönlichen Hauswirtschaft“ unterschied. Nachfolgend stehen erneut konkrete Rahmenbedingungen im Betrachtungsschwerpunkt. Auch an dieser Stelle spielt die Futterversorgung eine zentrale Rolle. Der zweite Abschnitt des Kapitels wird sich mit der Zucht landwirtschaftlicher ‚Nutztiere‘ befassen. Die Tierzucht war in der DDR zentral organisiert und allein auf die wirtschaftlichen und politischen Interessen ausgerichtet, wie vor allem am Beispiel der Rinderund Hühnerzucht gezeigt werden wird. Die verschiedenen systemimmanenten Bedingungen materialisierten sich hierbei ganz konkret im Tierkörper. Im Mittelpunkt von Kapitel 4 steht der Tierschutz in der DDR. Dieser Abschnitt ist stärker politikhistorisch geprägt und untersucht die Organisationsgeschichte des Tierschutzes, was die Entwicklung von privater und staatlicher Tierschutztätigkeit sowie die Gesetzgebungslage betrifft. Ebenso werden die Folgen des politischen Diskurses untersucht, die sich unter anderem in einer mangelnden Präsenz des Tierschutzthemas in der unabhängigen Umwelt- und Kirchenbewegung oder in einer mehrheitlich von Tierprodukten geprägten Ernährung zeigten. Das Schlusskapitel greift die gewonnenen Erkenntnisse zusammenfassend auf und vertieft sie anhand weiterer Beispiele über die vorherrschenden Tierdiskurse. Im Zentrum stehen Fragen nach der systemimmanenten Nützlichkeit von Tieren, die Verwissenschaftlichung von Tieren und Mensch-Tier-Verhältnissen im wissenschaftlich-materialistischen Weltbild des Marxismus-Leninismus sowie die vielgestaltigen Disziplinierungs- und Kontrollversuche des Tierkontaktes durch die SED-Politik. Im Anschluss daran werden kurz die Grenzen der SED-Diktatur und diejenigen der DDR-Forschung aufgezeigt, die im Verlauf der Studie sichtbar geworden sind.
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Natur und Tiere in der marxschen Theorie
1.1 Naturverständnis Die Staatsdoktrin der DDR berief sich ausschließlich auf die Ideologie des Marxismus-Leninismus, einer Gesellschaftstheorie, die aufgrund ihrer angeblichen Kenntnis der „historischen Gesetzmäßigkeiten“ den Rang einer wissenschaft lichen Weltanschauung mit absolutem Wahrheitsanspruch bekam. Zitate von Marx oder Engels fehlten in fast keinem Text – nicht einmal in ‚Heimtier‘-Ratgebern.1 Unter dem gegebenen Betrachtungsschwerpunkt sind die Schriften Wladimir Iljitsch Uljanow Lenins (1870 – 1924) weniger von Bedeutung, da sich in den Wissenschaften der DDR vornehmlich auf Marx und Engels bezogen wurde.2 Der schillernde Begriff der „Natur“ und der oben angedeutete zunehmend bröckelnde Gegensatz zwischen Natur und Kultur erfordert im Grunde vorab eine kritische Auseinandersetzung, was hier in aller Ausführlichkeit nicht geleistet werden kann, im Verlauf der Arbeit aber immer wieder aufgegriffen wird. Für die folgende Untersuchung ist die Definition, Natur im weitesten Sinne als „Gesamtheit der Gegenstände […], die wir vorfinden und die ohne menschlichen Willen und ohne menschliches Zutun von sich aus existieren, erzeugt werden oder entstehen und sich erhalten“ 3, zu erfassen, brauchbar. Im engeren Sinne wird Natur hier – wie bei Marx und Engels – materiell verstanden. Bevor die Naturauffassung bei Marx und Engels im Fokus der Betrachtung steht, soll zum besseren Verständnis kurz auf die Umweltentwicklungen und das Naturund Umweltverständnis im 19. Jahrhundert eingegangen werden. Dadurch wird deutlich, inwieweit Marx’ und Engels’ Naturkonzept dem Denken und Handeln ihres Zeitalters entsprach und w elche Entwicklungen ihren Naturbegriff beeinflussten. Der räumliche Betrachtungsschwerpunkt liegt dabei auf Großbritannien und den deutschen Staaten.
1 So zum Beispiel in: Schille, Ch./Schille, H.-J.: Unser Kind wünscht sich ein Tier, 2. Aufl., Berlin (Ost) 1985, S. 27 f., wo Marx’ Freude an den eigenen ‚Heimtieren‘ erwähnt wurde. Vgl. dazu auch unten, Anm. 163. 2 Insbesondere was die Problematik der Naturbeherrschung anbetrifft, wurde sich in der DDR in den Siebzigerjahren mehrheitlich auf Engels bezogen, vgl. DeBardeleben, Joan: The Environment and Marxism-Leninism. The Soviet and East German Experience, Boulder (u. a.) 1985, S. 87. Zur Umweltproblematik bei Lenin vgl. Zile, Zigurds L.: Lenin’s Contribu tion to Law: The Case of Protection and Preservation of the Environment, in: Eissenstat, Bernard W. (Hrsg.): Lenin and Leninism. State, Law, and Society, Lexington (u. a.) 1971, S. 83 – 100. 3 Gloy, Karen: Das Verständnis der Natur, Erster Band: Die Geschichte des wissenschaft lichen Denkens, München 1995, S. 23.
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Natur und Tiere in der marxschen Theorie
Natur- und Tierverständnis im 19. Jahrhundert Das 19. Jahrhundert war von den Auswirkungen der „Industriellen Revolution“ 4 und zaghaften Gegenbewegungen zum Schutze der Natur geprägt und markierte den allmählichen Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft. Ferner war das industrielle Zeitalter von neuartigen sowie tiefgreifenden Entwicklungen in den Naturwissenschaften beeinflusst. Die Industrialisierung bewirkte neben einem sozialen Wandel auch einen starken Wandel der Landschaften durch die zunehmende Intensivierung der Land- und Forstwirtschaft („Geometrisierung der Landschaft“ 5 ). Der technisch-industrielle Fortschritt führte allerdings nicht nur zu einem Wandel, sondern auch zu Verschmutzungen und Zerstörungen der natürlichen Umwelt.6 Die Auswirkungen der Industrialisierungsprozesse betrafen vor allem die Städte, in denen hygienische Missstände, unzulängliche Wasserwirtschaft, zunehmende Luftverschmutzung und Lärmbelästigung sowie Krankheiten vorherrschten.7 Was die zaghaften Gegenbewegungen zum Schutze der Natur anbetrifft, so nahmen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erste Bestrebungen zu, unter der Flagge des Heimatschutzes, Landschaften – auch die von Menschenhand geschaffenen – zu s chützen. Die Natursehnsucht und idealisierte Naturverbundenheit der Romantik, der aufkeimende Tourismus sowie die Lebensreformbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts waren Ursachen und Ausdruck dafür, dass der Natur zunehmend ein eigener Wert zugesprochen, und sie nicht nur als schützenswert aufgrund ihrer Wirtschaftlichkeit angesehen wurde. Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts etablierte und institutionalisierte sich der Umweltschutz schließlich. Das Ende des 19. Jahrhunderts bis Mitte des 20. Jahrhunderts markierte auch einen Wendepunkt in den gesellschaftlichen Mensch-Tier-Verhältnissen – vor allem in den europäischen Großstädten.8 Mit den Urbanisierungs- und Industrialisierungsprozessen
4 Zur Problematik des Begriffs vgl. Hahn, Hans-Werner: Die Industrielle Revolution in Deutschland, 3., durchges. und um einen Nachtr. erw. Aufl., München 2011, S. 51 – 59. 5 Uekötter, Frank: Umweltgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert, München 2007, S. 13. 6 Umweltgeschichte kann aus verschiedenen Perspektiven erzählt werden, die auf unterschied lichen Werturteilen basieren. Beispielsweise kann Umweltgeschichte als Zerstörungs- oder Interaktionsgeschichte betrachtet werden. Zum Werturteilsproblem in der Umweltgeschichte vgl. u. a. Radkau, Joachim: Natur und Macht. Eine Weltgeschichte der Umwelt, aktual. und erw. Aufl., München 2002, S. 11 – 51. 7 Uekötter: Umweltgeschichte, S. 9 f. 8 Der gesellschaftliche Wandel der europäischen Mensch-Tier-Verhältnisse ab dem Ende des 18. Jahrhunderts in sehr knapper Darstellung siehe Wischermann, Clemens: Tiere und Gesellschaft. Menschen und Tiere in sozialen Nahbeziehungen, in: Krüger/Steinbrecher/ ders. (Hrsg.): Tiere und Geschichte, S. 105 – 126, hier S. 106 f. Lesenswert dazu auch: Macho, Thomas: Der Aufstand der Haustiere, in: Haslinger, Regina (Hrsg.): Herausforderung
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und dem Fortschritt auf wissenschaftlichem Gebiet, der eine zunehmende Unabhängigkeit von tierlicher Arbeitskraft ermöglichte, verschwanden Tiere verstärkt aus dem Blickfeld der StädterInnen 9 (auch wenn Zug-, Droschken- und Reitpferde noch lange das Stadtbild europäischer Metropolen prägten und die Landwirtschaft bis weit ins 20. Jahrhundert noch der Zugkraft von Pferden und Rindern bedurfte 10). Um den steigenden Fleischkonsum der StädterInnen zu befriedigen 11, wurden im Verlauf des 19. Jahrhunderts die ersten großen zentralen Schlachthäuser in den euro päischen Hauptstädten, allen voran in Paris (1818), erbaut, wodurch die Präsenz der vormals zahlreichen ‚Schlachttiere‘ in den Gassen und Straßen der Städte kontinuier lich abnahm.12 Im einsetzenden Prozess der „Bereinigung“ und „Zivilisierung des Stadtraumes“ verschwanden auch die „ungeliebten Tiere“, wie streunende Hunde und Katzen, Ratten, Läuse oder Flöhe, aus dem menschlichen Lebensraum.13 Mit der Durchsetzung industrieller Lebens- und Organisationsformen ging eine weitere Entwicklung einher: Das zunehmende Verschwinden von ‚Nutztieren‘ aus dem städtischen Raum ermöglichte vielen Menschen erstmals den verstärkten Aufbau von emotionalen Beziehungen zu Tieren; der Blick auf Tiere war nicht mehr nur auf Tier. Von Beuys bis Kabakov, München (u. a.) 2000, S. 76 – 99; ders.: Tiere in der Stadt. Ein flüchtiges Panorama, in: Kos, Wolfgang/Öhlinger, Walter (Hrsg.): Tiere in der Großstadt, Wien 2005, S. 15 – 20. Ausführlich zum Wandel seit der Antike: Dinzelbacher, Peter (Hrsg.): Mensch und Tier in der Geschichte Europas, Stuttgart 2000 und Baratay, Eric: Le point de vue animal. Und autre version de l’histoire, Paris 2012. 9 Steinbrecher und Krüger bezeichnen den Prozess als „Ende des Tierzeitalters“, wonach Tiere aus dem Alltag der meisten Menschen im europäischen Raum verschwunden sind, vgl. Steinbrecher, Aline/Krüger, Gesine: Auf einmal sind sie da! Zur geschichtswissenschaft lichen Auseinandersetzung mit Tieren, in: Tori, Luca/Steinbrecher, Aline (Hrsg.): Animali. Tiere und Fabelwesen von der Antike bis zur Neuzeit, Milano 2012, S. 31 – 38, hier S. 33. 10 Uekötter: Umweltgeschichte, S. 8. 11 Zum Beispiel stieg der Fleischverbrauch in Berlin von 1891 bis 1895 um 214 Prozent, vgl. Buchner: Kultur mit Tieren, S. 85. 12 Es folgten große Schlachtereien in u. a. in Brüssel (1840), Wien (1851), München (1865), Zürich (1868) und Berlin (1881), vgl. Brantz, Dorothee: The Domestication of Empire. Human-Animal-Relations at the Intersection of Civilization, Evolution, and Acclimatization in the Nineteenth Century, in: Kalof, Linda/Kete, Kathleen (Hrsg.): A Cultural History of Animals in the Age of Empire, Oxford/New York 2007, S. 73 – 93, hier S. 83 ff. Der Bau der zentralen Schlachthöfe erfolgte auch aus Gründen der Hygiene und Umweltbelastung, vgl. dies.: animalische Stadt, S. 93. Später wurden schließlich auch die Schlachthäuser aus den Städten entfernt und in die Peripherie verlegt. Damit einher ging ein Prozess der zunehmenden Auflösung der engen Verbindung zwischen Arbeitsplatz und Tierwelt, vgl. Roscher: Königreich, S. 49; Thomas: Natural World, S. 95. 13 Vgl. Buchner: Kultur mit Tieren, S. 194 und dies.: Warum ein Buch zu Tieren in der Sozialen Arbeit? Eine kritische Bestandsaufnahme zur Thematisierung der Tiere in diesem Berufsfeld, in: dies./Rose, Lotte (Hrsg.): Tierische Sozialarbeit. Ein Lesebuch für die Profession zum Leben und Arbeiten mit Tieren, Wiesbaden 2012, S. 9 – 23, hier S. 18 f.
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deren Nutzung als reines Produktionsmittel gerichtet.14 Eine Art ‚Natursehnsucht‘ entstand, deren Folge ein vermehrter Einzug von „realen“ Tieren in die Städte und Wohnräume der Menschen (allen voran von ‚Heimtieren‘ und ‚Zootieren‘) sowie von „repräsentierten“ Tieren war.15 Das frühe 19. Jahrhundert war überdies der Beginn des organisierten Tierschutzes.16 Das weltweit erste Tierschutzgesetz wurde 1822 in Großbritannien verabschiedet; einer der ersten Tierschutz-Vereine war die 1824 gegründete „Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals“ (RSPCA)17. In den deutschen Ländern wurde der erste Tierschutzverein – der Vaterländische Verein zur Verhütung von Tierquälerei – 1837 von dem Pfarrer Albert Knapp in Stuttgart gegründet.18 Die Tierschutzbewegung im 19. Jahrhundert war indes nur indirekt mit einem „romantischen Blick“ auf die Natur verbunden, der sich gegen die fortschreitende Industrialisierung richtete. Vielmehr ist die Tierschutzbewegung ein Teil der Bewegungen gegen Gewalt allgemein. Auch der christliche Gedanke, Tiere als von uns abhängige Mitgeschöpfe zu schützen, floss in die Tierschutzbewegungen ein.19 Insgesamt waren die Beweggründe, sich für Tiere einzusetzen, durchaus vielschichtiger Natur.20 Ein weiterer wichtiger Punkt für das Verstehen der Umweltauffassung im 19. Jahrhundert sind, neben der Industrialisierung, die tiefgreifenden Entwicklungen in den Naturwissenschaften, die neuartige Naturkonzepte hervorbrachten. Zu den wegweisenden Entwicklungen in den Naturwissenschaften gehörten die Vorstellung einer Kontinuität von Energie (Energieerhaltungssatz), die Erkenntnis, dass alles Leben aus Zellen besteht (Zelltheorie), sowie die Evolutionstheorie von Darwin, die die Entstehung und Veränderung von Leben beschreibt.21 Natur 14 Vgl. Roscher: Königreich, S. 63. Ein sehr schönes Beispiel für die Sensibilisierung gegenüber Tieren und ihrer Leidensfähigkeit ist der 1877 veröffentlichte Roman „Black Beauty“ von Anna Sewell, der nicht nur aus Pferdesicht erzählt ist, sondern auch fragwürdige Umgangsweisen gegenüber (‚Kutsch-‘)Pferden bis hin zu Tierquälereien offen kritisierte. 15 Im 19. Jahrhundert kam es zum verstärkten Aufkommen von Tieren als Werbe- und Spielzeugfiguren (vgl. Berger: Leben, S. 29 f.) sowie von Tieren als literarischen Figuren oder als Gegenstand philosophischer, naturwissenschaftlicher und religiöser Auseinandersetzungen, vgl. Macho: Aufstand, S. 93 f. 16 Literatur zur Geschichte der Tierschutz- und Tierrechtsbewegung siehe Einleitung, Anm. 29. 17 Vgl. Roscher: Tierschutz- und Tierrechtsbewegung, S. 35. Die Verankerung von Tierrechten fand sogar noch vor der Abschaffung der Sklaverei und des weitgehenden, rechtlichen Schutzes von arbeitenden Kindern statt, vgl. Kete, Kathleen: Animals and Ideology: The Politics of Animal Protection in Europe, in: Rothfels (Hrsg.): Representing Animals, S. 19 – 34, hier S. 26. 18 Vgl. Zerbel: Tierschutz, S. 48. 19 Vgl. Kete: Animals and Ideology S. 26 f. 20 Vgl. dazu Roscher: Tierschutz- und Tierrechtsbewegung, S. 35. 21 Vgl. Parsons, Howard L.: Marx and Engels on Ecology, Westport (u. a.) 1977, S. 7. Engels selbst hebt die Bedeutung dieser drei Entdeckungen in seiner „Dialektik der Natur“ hervor,
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wurde zunehmend als ein autonomer Prozess aufgefasst. Das heißt, die Natur sei sowohl durch die ihr inhärenten Gesetzmäßigkeiten als auch durch äußere Faktoren determiniert. Jenes Naturverständnis hatte zur Folge, dass sich der Gedanke der Naturbeherrschung mittels Naturerkenntnis, den bereits der Philosoph Francis Bacon (1561 – 1626) in seinem Werk „Novum Organum“ (1620) darlegte und der sich in der Aufklärung fortsetzte, im 19. Jahrhundert weiter verbreitete. Durch diese Einsicht lösten sich die Wissenschaften vermehrt vom christlichen Weltbild und machten den Weg frei für empirisch-experimentelle Methoden.22 Damit wurde der Natur auch ihr Schrecken genommen und sie konnte zu etwas Positivem (und zum Teil Schützenswertem) in der menschlichen Vorstellungswelt avancieren. Derselbe Prozess war im Verhältnis zu Tieren anzutreffen. Ihre zunehmende Beherrschbarkeit, etwa durch die Professionalisierung und Spezialisierung der Veterinärmedizin und der Tierzucht (Kontrolle des Tierkörpers), der industriellen Nutzung und Produktion von Tieren oder die Weiterentwicklung der Waffentechnologie, ermöglichte ein neues, nicht mehr bedrohliches Bild von Tieren. Aufgrund dessen spielten die Begriffe Kontrolle und Macht stets eine Rolle in der Rhetorik und Praxis der Tierhaltung des 19. Jahrhunderts 23, insbesondere in der ‚Heimtier‘-Haltung 24, aber auch in derjenigen von ‚Zootieren‘25. Marx’ und Engels’ Denken war tief mit den oben angedeuteten Entwicklungen des 19. Jahrhunderts verwurzelt.26 Ihr Hauptaugenmerk galt allerdings dem durch die industrielle Revolution verursachten sozialen Wandel. Was das vgl. MEGA I/26, S. 284 – 287. 22 Vgl. Meyer, Heinz: 19./20. Jahrhundert, in: Dinzelbacher (Hrsg.): Mensch und Tier, S. 404 – 568, hier S. 492 f. 23 Vgl. Ritvo, Harriet: The Emergence of Modern Pet-keeping, in: Flynn (Hrsg.): Social Creatures, S. 96 – 106, hier S. 102. 24 Vgl. dazu Tuan, Yi-Fu: Dominance and Affection. The Making of Pets, New Haven 1984; Steinbrecher, Aline: Die gezähmte Natur in der Wohnstube. Zur Kulturpraktik der Hundehaltung in frühneuzeitlichen Städten, in: Ruppel, Sophie/Steinbrecher Aline (Hrsg.): „Die Natur ist überall bey uns“. Mensch und Natur in der frühen Neuzeit, Zürich 2009, S. 125 – 141. 25 Vgl. Buchner: Kultur mit Tieren, S. 147. Gleichzeitig fungierten die frühen zoologischen Gärten als Sinnbilder für die Beherrschung der Bevölkerung in den Kolonien und stützten die imperialistische Ideologe der Kolonialmächte, vgl. Berger: Leben, S. 28. Einführend zur postkolonialen Perspektive auf Mensch-Tier-Verhältnisse: Krüger, Gesine: Tiere und Imperium. Animate History Postkolonial: Rinder, Pferde und ein kannibalischer Hund, in: dies./ Steinbrecher/Wischermann (Hrsg.): Tiere und Geschichte, S. 127 – 152; Gissibl, Bernhard: Das kolonisierte Tier. Zur Ökologie der Kontaktzonen des deutschen Kolonialismus, in: WerkstattGeschichte 56 (2010), S. 7 – 28. 26 Vgl. Löther: Bemerkungen zum Verhältnis von Natur, Mensch und Gesellschaft in der Geschichte der marxistischen Philosophie, in: Behrens, Hermann (Bearb.): Umweltschutz in der DDR, Band 1, München 2007, S. 191 – 199, hier S. 192.
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Naturverständnis betrifft, so teilten Marx und Engels die materialistischen Naturkonzepte des industriellen Zeitalters.27 Darüber hinaus sind bei Marx und Engels Ansätze ökologischer Kritik an den zerstörerischen industriellen Entwicklungen zu finden, was vor dem Hintergrund der langsamen Entstehung eines Umweltbewusstseins im 19. Jahrhundert hervorzuheben ist. An dieser Stelle spaltet sich die gegenwärtige Literatur in BefürworterInnen und GegnerInnen dieser These. Es ist nicht zu leugnen, dass sich zahlreiche Passagen im Werk von Marx und Engels finden lassen, die sich explizit auf die Zerstörung der Natur durch den Industrialisierungsprozess beziehen.28 Gewiss beruhen diese Vorwürfe größtenteils auf der Kritik des kapitalistischen Systems, das Marx zufolge durch einen falschen Umgang mit natürlichen Ressourcen gekennzeichnet sei.29 Dennoch hält die gegenwärtige Literatur zum marxschen Naturverständnis ein breites Spektrum an Interpretationen bereit. Es reicht von totaler Ablehnung der Vereinbarkeit von ökologischem (im Sinne von Umweltschutz) und marxistischem Denken 30, über ausgewogene Beurteilungen 31, bis hin zur Ansicht, dass Marx und Engels die Vorreiter für eben jenes umweltbewusste Denken sind.32 27 Insbesondere Engels hat sich intensiv mit den neuen Erkenntnissen in den Naturwissenschaften beschäftigt und in der (unvollendeten) „Dialektik der Natur“ (1873 – 1882) selbst eine ausführliche Philosophie der Natur und Naturwissenschaften vorlegt. Foster rechnet Marx neben Darwin zu den „greatest materialists of the nineteenth century“, vgl. Foster, John Bellamy: Marx’s Ecology, Materialism and Nature, New York 2000, S. 1. 28 Eine übersichtliche Zusammenstellung ist bei Vaillancourt, Jean-Guy: Marxism and Ecology. More Benedictine than Franciscan, in: Benton, Ted (Hrsg.): The Greening of Marxism, New York (u. a.) 1996, S. 50 – 63 zu finden; eine ausführliche und kommentierte Sammlung von Passagen zum ökologischen Denken bei Marx und Engels hat Parsons zusammengestellt: Parsons: Marx and Engels on Ecology. 29 Vgl. Coates, Peter: Nature. Western Attitudes since Ancient Times, Berkeley (u. a.) 1998, S. 147. 30 Vgl. Caldwell, Lynton Keith: Environment. A Challenge to Modern Society, Garden City 1970; Chapel, J. E. Jr.: Marxism and Environmentalism, in: Annals of the Association of American Geographers 57/1 (1967), S. 203 – 206; Fry, Colin: Marxism versus Ecology, in: Ecologist 6/9 (1976), S. 328 – 332; Gorz, André: Abschied vom Proletariat. Jenseits des Sozia lismus, 2. Aufl., Frankfurt am Main 1981. 31 Vgl. Clow, Michael: Alienation from Nature: Marx and Environmental Politics, in: Alternatives 10/4 (1982), S. 36 – 40; Grundmann, Reiner: Marxism and Ecology, Oxford 1991; Syer, G. N.: Marx and Ecology, in: Ecologist 1/16 (1971), 19 – 21. 32 Vgl. Benton, Ted: Marxism and Natural Limits, in: ders. (Hrsg.): Greening of Marxism, S. 157 – 183; Leff, Enrique: Marxism and the Environmental Question, in: ebenda, S. 137 – 156; Vaillancourt: Marxism and Ecology, in: ebenda, S. 50 – 63; Skirbekk, Gunnar: Marxism and Ecology, in: ebenda, S. 129 – 136; Foster: Marx’s Ecology; Parsons: Marx and Engels on Ecology; Schmied-Kowarzik, Wolfdietrich: Das dialektische Verhältnis des Menschen zur Natur. Philosophiegeschichtliche Studien zur Naturproblematik bei Karl Marx, Freiburg/ München 1984.
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Das marxsche Naturkonzept Der hier diskutierte Naturbegriff umfasst die übereinstimmenden Kernaussagen Marx’ und Engels’, das Hauptaugenmerk liegt aber – entsprechend der DDR-Rezeption – auf dem marxschen Naturkonzept.33 Der Begriff der „Natur an sich“ wurde im Werk von Marx nur äußert selten aufgegriffen. Zur Beschaffenheit von Natur finden wir die Aussagen, dass Natur ein „materielles Substrat“, das „ohne das Zutun des Menschen […] vorhanden“ sei.34 Gemäß Marx’ materialistischer Sichtweise hatte Natur damit hauptsächlich einen dinglichen (materiellen) Charakter. Eine systematische Theorie von Natur lag nicht vor.35 Dies besagt hingegen nicht, dass der Natur in der marxschen Gesellschaftstheorie keine Bedeutung zugemessen wurde. Vielmehr standen die Zusammenhänge z wischen den Menschen und der sie umgebenden, natürlichen Umwelt im Fokus. Die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur waren eine durchgängig vorhandene Thematik in den Schriften von Marx und Engels.36 Dadurch erklärt sich auch die Besonderheit des marxschen Naturbegriffs, nämlich sein gesellschaftlich-geschichtlicher Kontext.37 Das bedeutet, dass Natur bei Marx erst eine Bedeutung und einen Wert erlangte, wenn sie Gegenstand menschlichen Handelns war.38 Damit handelte es sich bei Marx um eine stark anthropozentrische Konzeption von Natur 39, denn 33 Zum Naturbegriff bei Marx grundlegend: Schmidt, Alfred: Der Begriff der Natur in der Lehre von Marx, 4., überarb. u. erg. Aufl., Hamburg 1993. Zum Naturbegriff von Engels vgl. ebenda, S. 45 – 58. Weitere zentrale und epochenübergreifende Arbeiten zum marxschen Naturbegriff sind: Benton (Hrsg.): Greening of Marxism; Burkett, Paul: Marx and Nature. A Red and Green Perspective, New York 1999; Foster: Marx’s Ecology; Schmied-Kowarzik: Naturproblematik bei Karl Marx; Westholm, Hilmar: Stoffwechsel des Menschen mit der Natur. Zu einem qualitativen Naturbegriff von Schelling und von Marx, Oldenburg 1986. 34 Zitiert nach Schmidt: Natur, S. 21 und XI. Zitiert wird im Folgenden, wenn möglich, nach der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA2), Hervorhebungen (wenn nicht anders vermerkt) im Original. 35 Vgl. Schmidt: Natur, S. 9. 36 Vgl. Löther: Bemerkungen, S. 191 f. 37 Vgl. Schmidt: Natur, S. 7; Parsons: Marx and Engels on Ecology, S. 9 f. 38 Vgl. Kamenka, Eugene: Marxism and Ethics, London (u. a.) 1969, S. 33. Vgl. auch Schmidt: Natur, S. 19 – 23. Aufgrund dieser Reduzierung von Natur auf ein reines Objekt menschlicher Praxis widerspricht Mühterich der Behauptung, Natur spiele eine bedeutende Rolle in der marxschen Theorie. Eine „Natur an sich“ oder eine abstrakt aufgefasste Natur sei in der marxschen Theorie ausgeschlossen. Natur verkommt bei Marx zu einem „reinen Material“, vgl. Mütherich: Problematik, S. 123. Zum Naturkonzept als aktive Entität vgl. Holzinger, Markus: Natur als sozialer Akteur. Realismus und Konstruktivismus in der Wissenschaftsund Gesellschaftstheorie, Opladen 2004. 39 Der (philosophische) Anthropozentrismus hat eine lange Tradition und stellte kein Alleinstellungsmerkmal der marxschen Theorie beziehungsweise des Marxismus-Leninismus
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Marx sprach der Natur keinen inhärenten Wert zu: „Das bloße Naturmaterial, soweit keine menschliche Arbeit in ihm vergegenständlicht wird, soweit es daher bloße Materie ist, unabhängig von der menschlichen Arbeit existiert, hat keinen Wert, da Wert nur vergegenständlichte Arbeit ist“ 40. Der Wert der Natur orientiere sich folg lich an ihrer Nützlichkeit für den Menschen.41 Besonders scharf formuliert hieß das, „die Natur, abstrakt genommen, für sich, in der Trennung vom Menschen fixiert, ist für den Menschen nichts.“ 42 Natur hatte bei Marx also einen Doppelcharakter: Auf der einen Seite gab es die (wertlose) „Natur an sich“, also die vom Menschen unangeeignete und unabhängige Natur. Sie gehorche ihren eigenen Gesetzen und bestehe unabhängig von allem menschlichen Bewusstsein und Willen.43 Jene bezeichnete Marx mit Begriffen wie „Materie“, „Naturstoff“, „Naturding“ oder „Erde“.44 Auf der anderen Seite gäbe es die vergesellschaftlichte, vom Menschen angeeignete, Natur. Für Marx bildeten diese zwei Ausprägungen der Natur eine Einheit.45 Nur durch die menschliche Aneignung (Arbeit) ließen sich überhaupt erst Aussagen zur Natur machen.46 Mehr noch, Natur sei allein durch den Menschen existent (siehe Marx’ Zitat oben).47 Damit wurde menschliche Arbeit zu einer erkenntnistheoretischen Kategorie, da sich Natur erst durch Arbeit konstituierte.48 Weitere Bezeichnungen dar. Bereits die Stoiker waren der Auffassung, alles in der Welt wäre nur für die Menschen geschaffen, denn sie allein wurden von den Göttern bevorzugt und mit Vernunft ausgestattet. Platon und Aristoteles (letzterer der „Erfinder“ des Logozentrismus) haben bereits vor der Stoa dem anthropozentrischen Denken den Weg geebnet, vgl. Dierauer, Urs: Vegetarismus in der Antike, in: Linnemann, Manuela (Hrsg.): Vegetarismus. Zur Geschichte und Zukunft einer Lebensweise, Erlangen 2001, S. 9 – 72, hier S. 23. 40 Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, MEGA II/1, S. 276. 41 Eine andere Lesart ermöglicht folgender Aussage von Marx: „Das Geld ist der allgemeine, für sich selbst constituirte Werth aller Dinge. Es hat daher die ganze Welt, die Menschenwürde wie die Natur, ihres eigentümlichen Werthes beraubt. […] Die Anschauung, w elche unter der Herrschaft des Privateigenthums und des Geldes von der Natur gewonnen wird, ist die wirkliche Verachtung, die praktische Herabwürdigung der Natur […].“ Marx: Zur Judenfrage, MEGA I/2, S. 166 f. Zu fragen bleibt, von welchem eigentümlichen Wert der Natur Marx an dieser Stelle spricht; vielleicht ist auch hier der Gebrauchswert der Natur gemeint, der durch den Tauschwert des Geldes entwertet wird. 42 Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEGA I/2, S. 416. 43 Vgl. Schmidt: Natur, S. 66. 44 Zitiert nach ebenda, S. 21. 45 Vgl. ebenda, S. 66 f. 46 Vgl. ebenda, S. 66 und S. 74. 47 „Eine ,reine‘ Natur, d. h. eine völlig unvermittelte, existiert nicht für den Menschen, selbst in bloßer Anschauung ist sie eine vermittelte, vermittelt durch die Kategorien des Anschauens, Analysierens, die sich Menschen im Umgang mit innerer und äußerer Natur ,erarbeitet‘ haben.“ Westholm: Stoffwechsel, S. 98. 48 Vgl. Habermas, Jürgen: Erkenntnis und Interesse, Frankfurt am Main 1968, S. 39.
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für Natur bei Marx waren dementsprechend „gegenständliche Daseinsmomente der Arbeit“, „gegenständliche“ oder „sachliche Arbeitsbedingungen“, „erste Quelle aller Arbeitsmittel und -gegenstände“ 49, „Lebensmittel der Arbeit“ 50 oder „Urbedingung der Arbeit“.51 Natur war folglich bei Marx nicht nur materialistisch und gesellschaftlich, sondern auch ökonomisch bestimmt.
Das Verhältnis von Mensch und Natur Am deutlichsten und ausführlichsten äußerte sich Marx zum Menschen und seinem Verhältnis zur Natur in den frühen und noch stark von der Philosophie Ludwig Feuerbachs (1804 – 1872) beeinflussten „Ökonomisch-philosophischen Manuskripten“ aus dem Jahre 1844. Die Manuskripte wurden erst posthum veröffentlicht und sind teilweise fragmentarisch geblieben. Sie waren geprägt von Überschwang und Positivität, was das Mensch-Natur-Verhältnis anging, und zeugen von einer „abstrakten und romantisierenden Anthropologie“ des noch jungen Marx.52 Gleichwohl griff Marx in seinen späteren Schriften erneut auf sie zurück, weshalb sie hier kurz vorgestellt werden. Der wesentliche Aspekt der Mensch-Natur-Beziehung bei Marx war die bereits erwähnte Aneignung der Natur durch den Menschen und die damit verbundene Frage, inwieweit eine neue Gesellschaftsform ein neuartiges Verhältnis zur Natur voraussetze. Der Mensch wurde von Marx als ein „leibliches, Naturkräftiges, lebendiges, wirkliches, sinnliches, Gegenständliches Wesen“, als ein „Naturwesen“ bezeichnet, das, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, „einer Natur ausser sich, eines Gegenstandes ausser sich“ bedürfe 53. Die Natur sei nach Marx „der unorganische Leib des Menschen“. Das bedeutet, der „Mensch lebt von der Natur, heißt: die Natur ist sein Leib, mit dem er in beständigem Prozeß bleiben muß, um nicht zu sterben.“ 54 Durch diese Notwendigkeit hinge der Mensch mit der Natur zusammen und sei folglich „ein Theil der Natur“ 55. Die Aneignung der Natur wurde von Marx an anderer Stelle auch als ein „Arbeitsproceß“ und „Stoffwechsel z wischen Mensch und Natur“ beschrieben. Dieser einfache Arbeitsprozess der tätigen Auseinandersetzung mit der Natur zur Befriedigung der Bedürfnisse bestehe in jeder Gesellschaftsform, unabhängig vom historischen Kontext.56 Der 49 Zitiert nach Schmidt: Natur, S. 21 und S. 58. 50 Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEGA I/2, S. 365. 51 Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie, MEGA II/3.1, S. 345. 52 Schmidt: Natur, S. 130 (Zitat) und S. 143. 53 Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEGA I/2, S. 408. 54 Ebenda, I/2, S. 368 f. 55 Ebenda, I/2, S. 369. 56 „Der Arbeitsproceß, wie wir ihn in seinen einfachen und abstrakten Momenten dargestellt haben, ist zweckmäßige Thätigkeit zur Herstellung von Gebrauchswerthen, Aneignung des
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jeweilige historische Kontext definiere allerdings die Art und Weise der Aneignung. Die Naturgesetze bestünden damit einerseits unabhängig vom Menschen, s eien aber anderseits zum selben Zeitpunkt gesellschaftlich bestimmt. Die historischen Umstände legten fest, in welcher Form die Menschen den Naturgesetzen ausgesetzt und wie die Menschen im Arbeitsprozess untereinander organisiert s eien. Der bloße Arbeitsprozess wurde im historischen Kontext zu einem bestimmten, gesellschaftlichen Produktionsprozess.57 Damit kommen wir zur eingangs gestellten Frage zurück, inwiefern eine neue Gesellschaftsform ein neuartiges Verhältnis zur Natur voraussetzt (also einen neuartigen gesellschaftlichen Produktionsprozess). Zur Klärung dieser Frage muss an dieser Stelle kurz Marx’ frühes Entfremdungskonzept vorgestellt werden. Marx ging in den „Ökonomisch-philosophischen Manuskripten“ davon aus, dass der kapitalistische Produktionsprozess den Menschen von der Natur entfremdet. Diese Entfremdung drückte sich zum einen in der Entfremdung des arbeitenden Menschen zum Produkt aus, das ihm fremd und übermächtig gegenübertrat: „Der Gegenstand, den die Arbeit produciert, ihr Product, tritt ihr als ein fremdes Wesen, als eine, von dem Producenten unabhängige Macht gegenüber.“ 58 Dies bedeutete, indem die Arbeit den Naturstoff in ein Produkt (eine Ware) umforme 59 – die Arbeit also vergegenständlicht wurde –, werde die Aneignung als Entfremdung erfahren. ArbeiterInnen seien dadurch ihrer unmittelbaren Produkte beraubt.60 Zum anderen sei den ArbeiterInnen der Akt der Produktion fremd geworden. Durch die Arbeit für jemand anderen arbeite der Mensch nicht mehr frei, sondern fremdbestimmt. Auf diese Weise sei die Arbeit kein Bedürfnis mehr, sondern erst durch die Arbeit könne der Mensch nun seine Bedürfnisse befriedigen.61 Der Mensch sei in der kapitalistischen Produktionsweise also von der Natur als seinem Leib getrennt und entfremdet – und damit auch von sich selbst als Mensch, als ein Teil der Natur 62. Dieser unversöhnlichen Mensch-Natur- Beziehung im kapitalistischen Produktionsprozess stellte Marx nun sein neuar tiges Mensch-Natur-Verhältnis gegenüber, basierend auf dem „Communismus als Natürlichen für menschliche Bedürfnisse, allgemeine Bedingung des Stoffwechsels z wischen Mensch und Natur, ewige Naturbedingung des menschlichen Lebens und daher unabhängig von jeder Form d ieses Lebens, vielmehr allen seinen Gesellschaftsformen gleich gemeinsam.“ Marx: Das Kapital, Bd. 1, MEGA II/5, S. 135; vgl. auch II/5, S. 129 und II/15, S. 794 f. und 855. 57 Vgl. Marx: Das Kapital, Bd. 3, MEGA II/15, S. 855. 58 Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEGA I/2 S. 364 f. 59 „Der Mensch kann in seiner Produktion nur verfahren, wie die Natur selbst, d. h. nur die Formen der Stoffe ändern“. Marx: Das Kapital, Bd. 1, MEGA II/5, S. 23. 60 Vgl. Rohbeck, Johannes: Marx, Leipzig 2006, S. 53 f. 61 Vgl. Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEGA I/2 S. 368 f. 62 Vgl. ebenda, S. 370.
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positive Aufhebung des Privateigenthums“ 63. Diese neue Gesellschaftsform wurde von Marx als „die wahrhafte Auflösung des Widerstreites des Menschen mit der Natur“ 64 verstanden. Das hieße, dass im Kommunismus Mensch und Natur zu einer Einheit geworden s eien; der Mensch hat den ‚richtigen‘ Umgang mit der Natur gelernt und sich damit von ihr emanzipiert.65 Die neue Gesellschaftsform sei also „die vollendete Wesenseinheit des Menschen mit der Natur, die wahre Resurrektion der Natur, der durchgeführte Naturalismus des Menschen und der durchgeführte Humanismus der Natur“ 66. Hinter dieser Aussage stand demzufolge die Idee, dass der Mensch die Natur auf der einen Seite humanisierte, indem er sie für sich nützlich machte. Auf der anderen Seite wurde der Mensch naturalisiert, was bedeutet, dass er mit der Natur wieder eine Einheit bildete. Kurz, der Kommunismus sei als „vollendeter Naturalismus = Humanismus“ und „als vollendeter Humanismus = Naturalismus“ 67 aufzufassen.68 Auch Engels sprach in seiner Frühschrift „Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie“ aus dem Jahr 1844 von einer „Versöhnung der Menschheit mit der Natur und mit sich selbst“ 69, die in der neuen Gesellschaftsordnung eintrete. In ihrem Spätwerk sahen Marx und Engels diese Versöhnung von Mensch und Natur weitaus skeptischer, sie waren von der Auflösung des ewigen Kampfes des Menschen mit der Natur nicht mehr überzeugt. Der Mensch könne sich nicht aus dem „Reich der Notwendigkeit“ 70 befreien. Gleichwohl sei ein neues Verhältnis zur Natur (überlebens-)notwendig, denn die kapitalistische Produktionsweise zerstöre zunehmend die natür liche Lebensgrundlage der Menschen. Allerdings gingen Marx und Engels in ihrem Spätwerk soweit, dass die neue Gesellschaftsform allein den Menschen zugutekommen sollte und die Natur zu d iesem Zweck unterworfen werden müsse. Damit ist hier die Problematik der Naturbeherrschung angesprochen. Die Einsicht in die Gesetzmäßigkeiten der Natur war die Grundvoraussetzung der 63 Ebenda, S. 389. 64 Ebenda. 65 Vgl. ebenda, S. 393. 66 Ebenda, S. 391. 67 Ebenda, S. 389. Überlegung, was die „Humanisierung von Tieren“ in Anlehnung an Marx bedeuten könnte, vgl. Benton, Ted: Natural Relations. Ecology, Animal Rights and Social Justice, London/New York 1993, S. 25 f. 68 Noch deutlicher wurde Marx, wenn er davon sprach, dass die Industrie die humanisierte Form der Natur sei: „Die in der menschlichen Geschichte – dem Entstehungsakt der menschlichen Gesellschaft werdende Natur – ist die wirkliche Natur des Menschen, darum die Natur, wie sie durch die Industrie, wenn auch in entfremdeter Gestalt wird, die wahre anthropologische Natur ist.“ Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEGA I/2, S. 396. 69 Engels: Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie, MEGA I/3, S. 475. 70 Marx: Das Kapital Bd. 3, MEGA II/15, S. 795. Freilich bilden Natur und Gesellschaft immer noch eine Gemeinschaft, vgl. ebenda, S. 794 f.
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Naturbeherrschung. Marx und Engels waren, wie schon Francis Bacon rund 200 Jahre vor ihnen, davon überzeugt, dass Natur mittels der Erkenntnis und richtigen Anwendung der Naturgesetze beherrschbar beziehungsweise kontrollierbar sei. Die Naturbeherrschung und damit die Emanzipation des Menschen von der Natur war ein wesentliches Element des neuen Mensch-Natur-Verhältnisses in der marxschen Theorie. Zwar seien die Menschen der neuen Gesellschaftsform bei jedem Schritt daran erinnert, daß wir keineswegs die Natur beherrschen wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, […] sondern daß wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehn, und daß unsre ganze Herrschaft über sie darin besteht […] ihre Gesetzte erkennen und richtig anwenden zu können.71
Dennoch sei die Natur hierdurch einzig ein für den Menschen existierender Gegenstand; die Natur sei damit nicht länger die den Menschen unterwerfende Macht. Die Natur wird erst rein Gegenstand für den Menschen, rein Sache der Nützlichkeit; hört auf als Macht für sich anerkannt zu werden; und die theoretische Erkenntniß ihrer selbstständigen Gesetze erscheint selbst nur als List um sie den menschlichen Bedürfnissen, sei es als Gegenstand des Consums, sei es als Mittel der Production zu unterwerfen.72
Anderseits kritisierten Marx und Engels jene zerstörerische Naturunterwerfung, wie sie in der kapitalistischen Produktionsweise vorherrsche. Sie verurteilten die Ausbeutung der Natur und plädieren für Nachhaltigkeit: Vom Standpunkt einer höheren ökonomischen Gesellschaftsformation wird das Privateigenthum einzelner Individuen am Erdball ganz so abgeschmackt erscheinen, wie das Privateigenthum eines Menschen an einem andern Menschen. Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle gleichzeitigen Gesellschaften zusammengenommen, sind nicht Eigenthümer der Erde. Sie sind nur ihre Besitzer, ihre Nutznießer, und haben sie als boni patres familias den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen.73
Der Begriff der Naturbeherrschung ermöglichte indes verschiedene Auslegungen. Wird er abwertend gebraucht, so impliziert er Naturzerstörung durch blinde Fortschrittsgläubigkeit, wogegen ein positiv ausgelegter Begriff 71 Engels: Dialektik der Natur, MEGA I/26, S. 97. 72 Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, MEGA II/1, S. 322. 73 Marx: Das Kapital, Bd. 3, MEGA II/15, S. 752.
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von Naturbeherrschung eben jene Umweltzerstörungen durch die Einsicht und Kontrolle der Naturgesetzmäßigkeiten ausschließt. Marx’ und Engels’ Warnungen legen einen positiven Begriff von Naturbeherrschung nahe. Dennoch, so betont Westholm, sei der Einwand, dass Marx die Vorlage für den rücksichtslosen Umgang mit der Natur in realsozialistischen Ländern lieferte, nicht von der Hand zu weisen.74
Rezeption der marxschen Theorie zur Natur in der DDR „Auch für die Auseinandersetzung der menschlichen Gesellschaft mit der Natur sind die wissenschaftlichen Grundlagen durch den Marxismus-Leninismus gegeben.“ 75
Der marxschen Theorie vom Verhältnis der Gesellschaft zur Natur wurden in der DDR kaum neue Elemente hinzugefügt. Die Behauptung, der SED-Staat verfügte damit über kein eigenes geschlossenes (ökologisches) Modell, da die marxsche Theorie nicht operationalisiert wurde 76, stimmt in der Form allerdings auch nicht. Es gab ein Naturkonzept, das durchaus als DDR-spezifisch bezeichnet werden konnte.77 Richtig ist, dass sich die DDR-IdeologInnen fast ausschließlich auf Marx und Engels oder allenfalls noch auf sowjetische AutorInnen bezogen 74 „Die Marxsche Theorie wird nicht von ungefähr als Quelle einer bürgerlich-marxistischen industrie-konservativen Allianz interpretiert, sieht Marx sich selbst in direkter (aufsteigender) Linie als Nachfahre Bacons, der Aufklärung, der Materialisten, damit als Fortführer eines (anmaßenden) anthropozentrischen Denkens, das alles im Vermittlungsprozeß der Arbeit vermenschlichen will, alles vom menschlichen Willen beherrscht (nicht unbedingt i. S. von unterdrückt) sehen will zum Zwecke des Erreichens des Humanum, einer von Unterdrückung und Ausbeutung freien Menschheit.“ Westholm: Stoffwechsel, S. 18 (Hervorhebung A. L.). 75 Weinitschke: Naturschutz, S. 82. 76 Vgl. Busch-Lüty, Christiane: Zum Verhältnis von Gesellschaft und Umwelt im realen Sozia lismus, Berlin (West) 1987, S. 8 f. 77 Zum Naturverständnis in der DDR vgl. v. a. Löther: Bemerkungen; Pechan, Berthold: Die Bewertung der Natur im Ökonomischen System der DDR. Zum Konflikt z wischen arbeitswerttheoretischen und naturwerttheoretischen Ansätzen, Berlin (West) 1987; Moranda, Scott: The People’s Own Landscape. Nature, Tourism, and Dictatorship in East Germany, Michigan 2014; DeBardeleben: Environment; McNeill, John Robert/Unger, Corinna (Hrsg.): Environmental Histories of the Cold War, Washington 2010; Nelson, Arvid: Cold War Ecology: Forests, Farms, and People in the East German Landscape, 1945 – 1989, New Haven (u. a.) 2005; Obertreis, Julia: Von der Naturbeherrschung zum Ökozid? Aktuelle Fragen einer Umweltzeitgeschichte Ost- und Ostmitteleuropas, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 1 (2012), S. 115 – 122.
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und dass das gesellschaftliche Naturbild der DDR im Verlaufe der Zeit nur geringfügige Weiterentwicklung erfuhr. Die „Einheit und Geschlossenheit des Marxismus-Leninismus“ 78 ließ keine abweichenden Theorien zu. Eine ideologische Erweiterung stellte hingegen die explizite Aufnahme des Naturschutzes in das marxsche Denkgerüst dar. Natur- und Umweltschutz wurden ein wesentlicher Teil der sozialistischen Mensch-Natur-Beziehungen und standen (auf ideolo gischer Ebene) gleichauf mit der Nutzung der Natur. In diesem Zusammenhang stand auch der vermehrte Bezug zu Umweltproblemen und zur internationalen Zusammenarbeit in den Siebziger- und Achtzigerjahren. Ansonsten variierte – wenn überhaupt – nur die Betonung einzelner Aspekte. Kernelement des „sozialistischen“ Mensch-Natur-Verhältnisses war ein gesteigerter (Natur-)Ressourcenzugriff bei paralleler Verstärkung des Naturschutzes, wozu laut Verfassung alle BürgerInnen angehalten waren. In der Ideologie der DDR herrschte die Auffassung vor, dass dies einzig und allein in der sozialistischen Gesellschaft realisierbar sei. Möglich sei das durch die zahlreichen, systemimmanenten „ökologischen Vorzüge“ des Sozialismus. Ökologische Krisen wurden auf diese Weise als Resultat des kapitalistischen Systems gesehen, nicht als Folgen von Industrie und Bevölkerung. Ziel der Neuausrichtung der Mensch-Natur- Beziehung war die Gestaltung der Umwelt zum Wohle der Menschen, was auf eine bessere Beherrschung der Natur hinauslief. Die sogenannte Biosphäre sollte allmählich in eine Noosphäre (griech. noos: Vernunft, Verstand), eine vom Menschen bewusst gestaltete Umwelt, umgewandelt werden 79, was den „einzig gangbaren Weg zur Lösung des Konfliktes zwischen Mensch und Natur“ darstelle.80 Dementsprechend wurde die Neugestaltung des Mensch-Natur-Verhältnisses als fester Bestandteil der Strategie zum Ausbau der sozialistischen Gesellschaft gesehen und war (zumindest theoretisch) eng mit der Gesamtpolitik des SED-Regimes verbunden.81 Nicht zuletzt hatte der Naturschutz in der DDR Verfassungsrang. Weil der Sozialismus ein auf die Zukunft ausgerichtetes Gesellschaftsmodell war, der die Vorstufe zum Kommunismus darstellte, spielte das Nachhaltigkeitsprinzip eine große Rolle in der politischen Rhetorik.82 Wie bei den Vorbildern Marx und Engels lag die primäre Bedeutung der Natur für die sozialistische Gesellschaft in 78 Philosophisches Wörterbuch, Band 2, S. v. „Pluralismus“, Leipzig 1975, S. 940. 79 Vgl. Löther, Rolf: Gesellschaftliche Bedingungen der Naturbeherrschung des Menschen, in: Eichhorn, Wolfgang/Ley, Hermann/Löther, Rolf (Hrsg.): Das Menschenbild der marxistisch- leninistischen Philosophie, Berlin (Ost) 1969, S. 267 – 298, hier S. 271; vgl. auch Autorenkollektiv unter Leitung von Alfred Kosing: Sozialistische Gesellschaft und Natur, Berlin (Ost) 1989, S. 165. 80 Peters, Günther: Mensch und Tierwelt, 2., verbess. Aufl. Leipzig/Jena/Berlin 1979, S. 106. 81 Vgl. Kosing: Gesellschaft und Natur, S. 163. 82 Beispiele dazu ebenda.
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der „Aneignung der Natur“, sprich Produktion, was wiederum eine Neugestaltung der Mensch-Natur-Beziehung nötig machte. Das Verhältnis der Menschen zu ihrer natürlichen Umwelt war der SED Ideologie zufolge vom jeweiligen politisch-ökonomischen System einer Gesellschaft abhängig: Die Natur bildet immer die Existenzgrundlage der Menschheit, aber welche Haltung die Menschen der Natur gegenüber haben, welchen Umfang und welche Formen ihre Wechselwirkung mit der Natur annimmt, wie sie die Natur auffassen, das hängt vor allem von der gegeben ökonomischen Gesellschaftsform ab.83
Diese vereinfachte Sichtweise blendet bereits andere wesentliche Bezugspunkte (wie zum Beispiel sozio-kulturelle Aspekte) aus, weil jedwede Entwicklung auf die bestehenden Produktionsverhältnisse zurückgeführt wurde. Im Denkgebäude des historischen Materialismus war die Entwicklung hin zum Sozia lismus vorbestimmt und gesetzmäßig. Das heißt, auch das gesellschaftliche Mensch-Natur-Verhältnis war gesetzmäßig und unveränderlich, aber nicht aus religiösen, nationalistischen oder gar ökologischen Gründen, sondern ausschließ lich aus ökonomischen (materialistischen) Gründen. Dieser Logik entsprechend, brachte der Staatssozialismus bereits von allein alle Voraussetzungen für ein neues Mensch-Natur-Verhältnis mit und verwirklichte sie schon.84 Zu den politisch-ökonomischen Voraussetzungen, die als „ökologische Vorzüge des Sozialismus“ 85 bezeichnet wurden, gehörten zunächst die sozialistischen Produktionsverhältnisse, in denen die Produktionsmittel von Privateigentum in gesellschaftliches Eigentum umgewandelt wurden, wodurch das (umwelt-) zerstörerische Gewinnstreben einzelner Privatpersonen und -betriebe aufhören würde. Dadurch wäre wiederum ein gesamtgesellschaftliches Interesse an der Natur (ihrer Nutzung und Bewahrung) gegeben. Denn in einer Gesellschaft, in der alles (auch die natürlichen Ressourcen) Volkseigentum ist, s eien folgerichtig alle gesellschaftlichen Schichten an der Bewahrung der Natur interessiert. Diese Entwicklungen seien in der DDR durch die staatliche, „bewusste“ und „planmäßige“ Lenkung gewährleistet und würden systematisch gefördert.86 Gemäß 83 Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED (Hrsg.): Grundlagen des histo rischen Materialismus, Berlin (Ost) 1976, S. 91. 84 Damit ist bereits ein Grundproblem der DDR-Literatur zum Naturverständnis angeschnitten, denn Beschreibungen des Ist-Zustandes wurden dort mit Prognosen zum Soll-Zustand regelrecht vermischt, wodurch sich der politische Handlungsbedarf für das SED-Regime erübrigte, vgl. Busch-Lüty: Gesellschaft und Umwelt, S. 4. 85 Kosing: Gesellschaft und Natur, S. 163. 86 Vgl. ebenda, S. 163 f.
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der antifaschistischen Staatsdoktrin 87 war ein besonders wichtiger Punkt die Friedenspolitik, die wider Erwarten auch zur Wahrung der natürlichen Umwelt beitrug: Denn wer mochte daran zweifeln, dass Krieg und insbesondere Atomwaffen die größten Umweltzerstörer sind?88 Darüber hinaus könnten die „durch Abrüstung freigesetzten Mittel“ in den „Naturschutz und die Landeskultur fließen“.89 Weiterhin versuchte die SED-Staatsführung das gesellschaftliche Naturbild durch gezielte umweltpolitische Entscheidungen neu zu definieren. Zur Umweltpolitik gehörte neben der gesetzlichen Verankerung des Naturschutzes in die Verfassung auch eine moderne und umfassende Natur- und Umweltschutzgesetzgebung.90 Haupttriebfeder für die Ausformung eines „sozialistischen“ Mensch-Natur- Verhältnisses war der „wissenschaftlich-technische Fortschritt“. Im Arbeiter- und Bauernstaat herrschte ein fester Glaube an andauernden Fortschritt und eine regelrechte Technik- und Planungseuphorie. Dementsprechend hoch war der Stellenwert der Wissenschaften. Sie wurden im großen Umfang staatlich gefördert, und es bestand eine enge Bindung zwischen Theorie und Praxis. Allerdings waren die Wissenschaften dem Wahrheitsmonopol des Marxismus-L eninismus verpflichtet und unterlagen insofern einer Politisierung und Ideologisierung durch die Parteispitze, deren Erkenntnisinteresse vornehmlich wirtschaftspolitischer Art war.91 Besonders eindrückliches Beispiel für das Spannungsfeld zwischen Politik und Wissenschaft stellte die kritiklose Übernahme von 87 Zum Antifaschismus als Gründungsmythos der DDR vgl. Zimmering, Regina: Mythen in der DDR. Ein Beitrag zur Erforschung politischer Mythen, Opladen 2000, S. 37 – 168. 88 Vgl. Kosing: Gesellschaft und Natur, S. 168 – 171. 89 Löther: Naturbeherrschung, S. 291. Vgl. auch Kosing, Alfred/Heinrich, Richard: Natur – Mensch – Gesellschaft, in: Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim Zentralkomitee der SED (Hrsg.): Sozialismus in der DDR. Gesellschaftsstrategie mit dem Blick auf das Jahr 2000, Berlin (Ost) 1988, S. 190 – 211, hier S. 194. 90 Artikel 15 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. April 1968, GBl. I, S.199 und Gesetz über die planmäßige Gestaltung der sozialistischen Landeskultur in der Deutschen Demokratischen Republik (Landeskulturgesetz) vom 14. Mai 1970 (GBl. I, S. 67). Zur Naturschutzgesetzgebung und grundsätzliches zum realpolitischen Umweltschutz siehe Kapitel 4.3. 91 Zum Verhältnis von SED-Politik und Wissenschaft vgl. Malycha, Andreas: Das Verhältnis von Wissenschaft und Politik in der SBZ/DDR von 1945 bis 1961, in: APuZ 30/31 (2001), S. 14 – 21; Kocka, Jürgen: Wissenschaft und Politik in der DDR, in: ders./Mayntz, Renate (Hrsg.): Wissenschaft und Wiedervereinigung. Disziplinen im Umbruch, Berlin 1998, S. 435 – 459; Mayntz, Renate: Die Folgen der Politik für die Wissenschaft in der DDR, in: ebenda, S. 461 – 483. Auch in der Bundesrepublik der Sechzigerjahre herrschte eine ähnliche Planungseuphorie und Machbarkeitsillusionen, hier jedoch von einer öffentlichen Diskussion begleitet, die den Eindruck einer zunehmenden „Technifizierung“ und „Verwissenschaft lichung“ der Gesellschaft sowie die staatliche Forschungsplanung kritisch reflektierte, vgl.
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Methoden aus der Lyssenko-Bewegung innerhalb der Neuererbewegung dar.92 Auf den Naturschutz bezogen, sollte der „wissenschaftlich-technische Fortschritt“ einen Beitrag zur Produktionssteigerung und zum Umweltschutz leisten, indem er die Erforschung der Naturgesetzmäßigkeiten und die Entwicklung moderner, umweltschonender Technologien vorantrieb.93 Ein weiterer wesentlicher Aspekt war die Vorstellung von der „Ökologisierung der Produktion“.94 Unter diesem Prinzip wurde im weitesten Sinne die Entwicklung möglichst abfallarmer oder gar abfallfreier Produktionstechniken verstanden, die im Idealfall auf einen geschlossenen Produktionsablauf hinauslaufen sollten. Abgeleitet wurde diese Idee von Marx’ Überlegungen zur Gestaltung von geschlossenen Kreisläufen, die dementsprechend oft in diesem Zusammenhang angeführt wurden.95 Marx zufolge bestand die „Nutzbarmachung der Exkremente der Produktion“ nicht nur in der optimalen Verwertung von Abfallprodukten (wodurch sie zu Rohstoffen wurden), sondern auch in der Vermeidung beziehungsweise Verringerung von Abfall. Dabei stand weder bei Marx noch in der DDR der Gedanke des Umweltschutzes im Vordergrund, sondern der ökonomische Gedanke der Verwertbarkeit. Ein gutes Beispiel für die „Ökologisierung der Produk tion“ stellte das SERO-System 96 der DDR dar. Dieses Abfallsortierungs- und
Malycha, Andreas: Biowissenschaften im Zeichen von Fortschrittsplanung in Ost und West in den 1960er-Jahren, in: DA 6 (2010), S. 1024 – 1033, hier S. 1025 f. 92 Zur Neuererbewegung siehe Kapitel 3.1.1.1. 93 Vgl. Kosing: Gesellschaft und Natur, S. 166 f. Im Kapitalismus hingegen sei „die Produktion umweltschonender Technik inzwischen zu einem lukrativen, hohe Profite versprechenden Geschäft geworden.“ ders./Heinrich: Natur – Mensch – Gesellschaft, S. 194. 94 Vgl. dazu etwa Paucke, Horst: Ökologische Prinzipien – Vorbild für die Produktion?, in: Kaiser, H. (Bearb.): Natur- und gesellschaftswissenschaftliche Aspekte von Umweltschutz und Umweltgestaltung, Berlin (Ost) 1985, S. 3 – 19; Paucke, Horst/Bauer, Adolf: Umweltprobleme – Herausforderung der Menschheit, Berlin (Ost) 1979; Paucke, Horst/Bauer, Adolf: Zum Verhältnis von Natur- und Produktionskreisläufen, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie (künftig: DZP) 28:7 (1980), S. 905 – 914; Oehler, Ellenor: Aktuelle Fragen der Lehren von Karl Marx zur Gestaltung der Umweltbeziehungen, in: Staat und Recht 32 (1983), S. 305 – 314; Hegewald, Helmar: Moralische Triebkräfte bei der rationellen Nutzung der Naturressourcen im Sozialismus, in: DZP 30:12 (1982), S. 1457 – 1467. 95 Vgl. das Kapitel „Nutzbarmachung der Exkremente der Produktion“, in: Das Kapital, Bd. 3, MEGA II/15, S. 110 – 113. 96 Sekundär-Rohstofferfassung. Erfassungssystem für wiederverwertbare Wertstoffe, vgl. dazu Hartard, Susanne/Huhn, Michael: Strukturanalyse des SERO-Systems der DDR im Hinblick auf Effizienz und Eignung unter marktwirtschaftlichen Bedingungen, Bonn/ Berlin 1992; Calice, Jakob: Sekundärrohstoffe – eine Quelle, die nie versiegt. Konzeption und Argumentation des Abfallverwertungssystems in der DDR aus umwelthistorischer Perspektive, Diplomarbeit Universität Wien, 2005 (unveröffentlicht); Maier, Dirk: „Mehr Achtung für den Lumpenmann“ – Altstofferfassung und Materialwirtschaft in der DDR
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iederverwertungssystem ist auch noch aus heutiger Sicht vorbildlich.97 Dass W das SED-Regime in puncto Recycling ganz vorne lag, war allerdings allein der permanenten Rohstoffknappheit ‚zu verdanken‘.
1.2 Tierverständnis Der Begriff des „Tieres an sich“ wurde, ähnlich wie der Naturbegriff, selten bei Marx und Engels aufgegriffen.98 Nur im direkten Vergleich zum Menschen sind konkrete Aussagen zum angenommenen Wesen von Tieren zu finden. Aus dieser Vergleichssituation ergibt sich die logische Konsequenz, dass Tiere bei Marx und Engels zur Natur gerechnet wurden, genauer gesagt zur nichtmenschlichen Wirk lichkeit.99 Die vereinzelten Aussagen über Tiere können in zwei Kategorien eingeordnet werden: Zum einen tauchten nichtmenschliche Tiere als anzueignender „Naturstoff“ auf und zum anderen als Gegenbild des Menschen.
der 1950er und 1960er Jahre, in: Fansa, Mamoun/Wolfram, Sabine (Hrsg.): Müll – Facetten von der Steinzeit bis zum Gelben Sack, Oldenburg 2003, S. 131 – 140. 97 Winiwarter, Verena: Eine kurze Geschichte des Abfalls, in: Wissenschaft & Umwelt Interdisziplinär 5 (2002), S. 5 – 14, hier S. 11. 98 Mit Ausnahme der „Dialektik der Natur“ von Engels, innerhalb derer er sich einer Philosophie der Natur und Naturwissenschaften widmet und infolgedessen im „Anteil der Arbeit bei der Menschwerdung des Affen“, auf tierliche Individuen eingeht, dazu später mehr. 99 Marx und Engels äußern sich nicht explizit dazu, ob Tiere der Natur zugerechnet werden, jedoch lassen ihre Ausführungen zur Anthropologie und Natur keine andere Auslegung zu, vgl. auch Benton: Natural Relations, S. 25. Zur kritischen Auseinandersetzung mit dem marxschen Tierkonzept vgl. ebenda, v. a. S. 23 – 57; ders.: Humanism = Specieism? Marx on Human and Animals, in: Sanbonmatsu, John (Hrsg.): Critical Theory and Animal Liberation, Plymouth 2011, S. 99 – 120; ders.: Marxism and the Moral Status of Animals, in: Society&Animals 11:1 (2002), S. 73 – 79; Dickens, Peter: The Labor Process. How the Underdog is Kept Under, in: Society&Animals 11:1 (2002), S. 69 – 72; Elster, Jon: Making Sense of Marx, Cambridge (u. a.) 1998, v. a. S. 62 – 68; Llorente, Renzo: Reflec tions on the Prospects for a Non-Speciesist Marxism, in: Sanbonmatsu (Hrsg.): Critical Theory, S. 121 – 136; Maurizi, Marco: Marxismus und Tierbefreiung, in: Witt-Stahl, Susann (Hrsg.): Das steinerne Herz der Unendlichkeit erweichen. Beiträge zu einer kritischen Theorie für die Befreiung der Tiere, Aschaffenburg 2007, S. 97 – 108; ders.: Marxismus und die Versklavung der Natur, in: AG Theorie um Tierbefreiung (Hrsg.): Theorie um Tierbefreiung. Reader zur gleichnamigen Veranstaltungsreihe Ende 2010 in mehreren Schweizer Städten, Februar 2012, S. 22 – 43; Mütherich: Problematik, S. 95 – 138; Noske, Barbara: Die Entfremdung der Lebewesen. Die Ausbeutung im tierindustriellen Komplex und die gesellschaftliche Konstruktion von Speziesgrenzen, Wien/Mühlheim an der Ruhr 2008; Sztybel, David: Marxism and Animal Rights, in: Ethics and the Environment 2:2 (1997), S. 169 – 185.
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Der ‚Naturstoff Tier‘ Tiere wurden in der marxschen Theorie, gleich der natürlichen Umwelt, zum reinen Material gesellschaftlicher Produktion.100 Diese Auffassung zog sich durch das gesamte Werk von Marx und Engels. Das ‚Material Tier‘ wurde dabei zwei großen ökonomischen Klassen zugeordnet: Tiere als Arbeitsmittel (Werkzeug) und Tiere als Lebensmittel.101 Im folgenden ideenreichen Zitat sind diese Grundaussagen zusammengefasst: Wird der Arbeitsproceß ganz abstrakt betrachtet, so kann gesagt werden, daß ursprüng lich nur zwei Faktoren ins Spiel kommen – der Mensch und die Natur. (Arbeit und Naturstoff der Arbeit.) Seine ersten Werkzeuge sind seine Glieder […] Eins der ersten Werkzeuge, das der Mensch sich aneignet ist das Thier (Hausthier). […] Sofern, von dem Arbeitsstandpunkt aus, erklärt Franklin den Menschen richtig als ‚tool making animal‘ oder ‚engineer‘. So wären Erde und Arbeit Urfaktoren der Production; die zur Arbeit bestimmten Producte, producirtes Arbeitsmaterial, Arbeitsmittel, Lebensmittel – nur ein abgeleiteter Faktor.102
Marx stellte zu Beginn die zwei Grundvoraussetzungen („Faktoren“ oder „Urfaktoren“) für den Arbeitsprozess vor: Der Mensch („Arbeit“) und die Natur/Erde („Naturstoff der Arbeit“). Tiere waren dieser Logik zufolge auf der Seite der Natur zu suchen, da sie schlicht keine Menschen seien. (Der Idee nach zeichnete sich der Mensch hier durch seine Fähigkeit zum Arbeiten und Werkzeuggebrauch beziehungsweise -herstellung aus, was Tiere grundsätzlich nicht ausschließen müsste.103) In einem zweiten Schritt bezeichnete Marx (‚Haus-‘)Tiere als eines der ersten Werkzeuge des Menschen. Tiere seien also „Arbeitsmittel“ für den Menschen. Zugleich zog er bereits an dieser Stelle eine klare Grenze zwischen Menschen und Tieren, indem er dem Gedanken von Benjamin Franklin zustimmte, der den Menschen als ein Werkzeug herstellendes Tier begriff.104 Darüber hinaus finden wir 100 Vgl. Maurizi: Marxismus und Tierbefreiung, S. 103; Mütherich: Problematik, S. 125. 101 Zu dieser Unterscheidung bezüglich des Naturbegriffs vgl. Schmidt: Natur, S. 122. 102 Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie, MEGA II/3.2, S. 87. Vgl. auch „Wie aber die Natur das Lebensmittel der Arbeit darbietet, in dem Sinn, daß die Arbeit nicht leben kann ohne Gegenstände, an denen sie ausgeübt wird, so bietet sie andrerseits auch das Lebensmittel in dem engeren Sinn dar, nämlich d[as] Mittel der physischen Subsistenz des Arbeiters selbst.“ Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEGA I/2, S. 365 f. 103 Zur Mensch-Tier-Unterscheidung siehe folgendes Unterkapitel. 104 Die Idee, der Mensch sei ein „tool making animal“, wird Franklin lediglich zugeschrieben, vgl. Van der Pot, Johan Hendrik Jacob: Die Bewertung des technischen Fortschritts, Band 1: Die Einstellung zum technischen Fortschritt bis zur industriellen Revolution, Assen (u. a.) 1985, S. 536 f.
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im obigen Zitat noch den Begriff „Lebensmittel“, zu denen Tiere ganz offensicht lich mitgerechnet werden müssen. Schließlich wurden Tiere im Arbeitsprozess selbst nochmals je nach Art ihrer Funktionen innerhalb des Produktionsprozesses bestimmt: als Arbeitsgegenstand, Rohmaterial, Arbeits- und Produktionsmittel sowie als Produkt.105 Erstens seien Tiere (vorgefundene) Arbeitsgegenstände (eine tierliche Spezies wird im folgenden Zitat sogar explizit genannt): Alle Dinge, w elche die Arbeit nur von ihrem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Erdganzen loslöst, sind von Natur vorgefundene Arbeitsgegenstände. So der Fisch, der von seinem Lebenselement, dem Wasser, getrennt, gefangen wird, das Holz, das im Urwald gefällt, das Erz, das aus seiner Ader losgebrochen wird.106
Zweitens stellten Tiere innerhalb des Arbeitsprozesses ein Rohmaterial dar: Ist der Arbeitsgegenstand dagegen selbst schon sozusagen durch frühere Arbeit filtrirt, so nennen wir ihn Rohmaterial. Z. B. das bereits losgebrochene Erz, das nun ausgewaschen wird. Alles Rohmaterial ist Arbeitsgegenstand, aber nicht jeder Arbeitsgegenstand ist Rohmaterial. Rohmaterial ist der Arbeitsgegenstand nur, sobald er bereits eine durch Arbeit vermittelte Veränderung erfahren hat.107
Dieser Ausführung zufolge wurden domestizierte Tiere zu Rohmaterial, die durch gezielte (Zucht-)Arbeit eine Veränderung durch Menschenhand erfuhren. Drittens fungierten Tiere innerhalb des Produktionsprozesses als Arbeitsmittel (und zugleich „Machtmittel“): Das Arbeitsmittel ist ein Ding oder ein Komplex von Dingen, die der Arbeiter zwischen sich und den Arbeitsgegenstand schiebt und die ihm als Leiter seiner Tätigkeit auf diesen Gegenstand dienen. Er benutzt die mechanischen, physikalischen, chemischen Eigenschaften der Dinge, um sie als Machtmittel auf andre Dinge, seinem Zweck gemäß, wirken zu lassen. […] Neben bearbeitetem Stein, Knochen und Holz spielt im Anfang der Menschengeschichte das gezähmte, also selbst schon durch Arbeit veränderte, gezüchtete Thier die Hauptrolle als Arbeitsmittel.108 105 Vgl. Mütherich: Problematik, S. 127; Dittrich, Annett: Produkte oder Produzenten? Tiere in der neolithischen Subsistenz, in: Chimaira – Arbeitskreis für Human-Animal Studies (Hrsg.): Tiere Bilder Ökonomien. Aktuelle Forschungsfragen der Human-Animal Studies, Bielefeld 2013, S. 87 – 111, hier S. 93 f. 106 Marx: Das Kapital, Bd. 1, MEGA II/5, S. 130. 107 Ebenda. 108 Marx: Das Kapital, Bd. 1, MEGA II/5, S. 130 f. Vgl. auch: „Dasselbe Produkt mag in demselben Arbeitsprozeß als Arbeitsmittel und Rohmaterial dienen. Bei der Viehmast z. B., wo
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Marx betonte hier nochmals die bedeutende Rolle von (‚Haus-‘)Tieren, die den Menschen seit Anbeginn als Werkzeug und Arbeitsmittel dienten. Tiere wurden damit dem Bereich menschlicher Kultur zugerechnet und unterstünden folglich seiner Kontrolle.109 Überdies fungierten Tiere im Arbeitsprozess in gleicher Weise als Produktionsmittel: Betrachtet man den ganzen Prozeß vom Standpunkt seines Resultats, des Produkts, so erscheinen beide, Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstand, als Produktionsmittel […].110
Am Ende des Arbeits- beziehungsweise Produktionsprozesses stand das Produkt. Somit wurden nicht nur Erzeugnisse von und aus Tieren (etwa Eier, Milch, Fleisch oder Leder) als Produkte begriffen, sondern auch das Tier selbst, als ein durch gezielte Züchtung hergestelltes Produkt. Der Arbeitsprozeß ist also ein Prozeß, worin die Thätigkeit des Menschen durch das Arbeitsmittel eine von vorn herein bezweckte Veränderung im Arbeitsgegenstand bewirkt. Dieser Prozeß erlischt im Produkt. Sein Produkt ist ein Gebrauchswerth, ein durch Formveränderung menschlichen Bedürfnissen assimilirter Naturstoff.111
Der rein ökonomische Blick auf tierliche Individuen überrascht nicht, da er dem materialistischen Weltverständnis Marx’ und Engels’ entsprach, wo das Primat des Ökonomischen den Blick einengte. Ebenso wenig wurde auf die Bedeutung des Tötens als unausweichlichen Teil des Produktionsprozesses eingegangen.112
Das ‚Gegenbild Tier‘ Neben ihrer Erwähnung als ‚Naturstoff‘ fanden Tiere als Gegenbild des Menschen Eingang in die marxsche Theorie. Damit ist auch die Hauptfunktion der das Vieh das bearbeitete Rohmaterial, zugleich Mittel der Düngerbereitung ist.“ Marx: Das Kapital, Band I, S. MEW 23, S. 197. 109 Neue Perspektiven auf die Rolle von Tieren im Domestikationsprozess eröffnet Dittrich. Sie stellt die Passivität von Tieren innerhalb des Domestikationsprozesses infrage und betont den Einfluss des symbolischen und performativen Daseins von Tieren auf vormoderne Mensch- Tier-Gemeinschaften, vgl. Dittrich: Produkte. Vgl. dazu auch Power, Emma: Domestication and the Dog: Embodying Home, in: Area 44/3 (2012), S. 371 – 378. 110 Marx: Das Kapital, Bd. 1, MEGA II/5, S. 132. Ergänzende Fußnote im Originaltext: „Es scheint paradox z. B. den Fisch, der noch nicht gefangen ist, ein Produktionsmittel für den Fischfang zu nennen. Bisher ist aber noch nicht die Kunst erfunden, Fische in Gewässern zu fangen, in denen sie sich nicht vorfinden.“, ebenda. 111 Ebenda. 112 Vgl. Dittrich: Produkte, S. 93.
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Mensch-Tier-Grenze bei Marx und Engels genannt: die Schaffung eines konträren Gegenübers des Menschen.113 Denn Tiere stellten durch ihre Naturhaftigkeit den Gegensatz zum vergesellschaftlichten Menschen dar. Infolgedessen wurden Tiere bei Marx und Engels zur Unterstreichung der menschlichen Besonderheiten und der darauf beruhenden Sonderstellung herangezogen.114 Demzufolge stellen die anthropologischen Ausführungen Marx’ und Engels’ einen ersten Ausgangspunkt für die Betrachtung des Tierkonzepts als Gegenbild zum Menschen dar. Die Frage nach einer Anthropologie, im Sinne einer Suche nach dem „Wesen des Menschen“, bei Marx und Engels wirft indes schon im Voraus Probleme auf.115 Einerseits waren beide Denker davon überzeugt, dass Menschen durch Geschichte und Gesellschaft geformt seien (im Grunde auch bereits eine Festlegung), was zu einer Verneinung eines „ursprünglichen Wesens“ des Menschen führe.116 Anderseits hatten sie eine bestimmte Sicht auf „den Menschen“, der ein bestimmtes, festgelegtes Menschenbild zugrunde lag.117 Innerhalb der marxschen 113 Vgl. Mütherich: Problematik, S. 108. 114 Diese Tiervergleiche verdeutlichen, wie essentiell Tiere in der marxschen Lehre waren. Damit nahm der Marxismus selbstredend keine Sonderposition ein. Seit den Anfängen jedweder Auseinandersetzung des Menschen mit sich selbst wurden Tiere herangezogen: Der Mensch ist nicht ohne das Tier denkbar und umgekehrt, denn alle Aussagen über das Menschsein beinhalten zugleich Aussagen über das Tiersein, vgl. auch Agamben, Giorgio: Das Offene. Der Mensch und das Tier, Frankfurt am Main 2003. 115 Insbesondere in der Philosophie (aber auch zunehmend in anderen Geisteswissenschaften) sind essentialistische Wesensfragen problematisch, da sie schnell unter Ideologie- beziehungsweise Metaphysikverdacht stehen. Die moderne Philosophie sieht „den Menschen“ vielmehr als ein Konstrukt und als ein von Pluralitäten geprägtes Phantom, vgl. Ingensiep, Werner/Baranzke, Heike: Das Tier, Stuttgart 2008, S. 7. 116 „Aber das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum inwohnendes Abstractum. In seiner Wirklichkeit ist es das ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse.“ Marx: 1) ad Feuerbach, MEGA IV/3, S. 20 f. Besonders einschneidend formuliert diese Ansicht Marx in der vielzitierten Aussage: „Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt.“ Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie, MEGA II/2, S. 100; vgl. auch „Nicht das Bewußtsein bestimmt das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewußtsein. […] Diese Betrachtungsweise ist nicht voraussetzungslos. Sie geht von den wirklichen Voraussetzungen aus, sie verläßt sie keinen Augenblick. Ihre Voraussetzungen sind die Menschen nicht in irgendeiner phantastischen Abgeschlossenheit und Fixierung, sondern in ihrem wirklichen, empirisch anschaulichen Entwicklungsprozeß unter bestimmten Bedingungen.“ Marx/Engels: Die Deutsche Ideologie, MEW 3, S. 27. 117 Diese Überlegung ist ausschlaggebend dafür, dass in der vorliegenden Arbeit davon ausgegangen wird, dass bei Max und Engels Aussagen zu finden sind, die als anthropologisch bezeichnet werden können. Dem widerspricht Schmidt, demzufolge nur die „Ökonomisch- philosophischen Manuskripte“ als anthropologisch verstanden werden könnten, vgl. Schmidt: Natur, S. 131.
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eorie kann zwischen einer philosophisch-anthropologischen Anthropologie der Th Frühwerke und einer biologisch-anthropologischen Anthropologie der Spätwerke von Marx und Engels unterteilt werden. Die Anthropologie im Frühwerk Marx’ unterschied sich von der seines Spätwerkes und der von Engels insofern, dass die Anthropologie des Spätwerks beider Denker freier von Vorannahmen und Abstrakta; vielmehr konkreter war. Zudem erhoben die biologisch-anthropolo gischen Darstellungen – insbesondere die Ausführungen Engels’ – den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit.118 Die folgenden Ausführungen sind keine Zusammenfassung der marxschen Anthropologie, sondern konzentrierte Ausschnitte, die die Mensch-Tier-Grenzziehung im Denken von Marx und Engels aufzeigen.
Marx: Die philosophisch-anthropologische Grenze zwischen Mensch und Tier Im Folgenden soll es zunächst um die Unterscheidungskriterien gehen, die Marx in den „Ökonomisch-philosophischen Manuskripten“ zur Grenzziehung zwischen Mensch und Tier heranzieht. Zu Beginn der Auseinandersetzung mit der marxschen Anthropologie und damit zugleich mit dem marxschen Tierkonzept steht der Begriff des „Gattungswesens“.119 Der Mensch als Gattungswesen sei demzufolge: gesellschaftlich, frei, bewusst und universell tätig, dadurch historisch und fähig Abstand von seinem Produkt einzunehmen sowie sich seine eigene Welt zu erschaffen. Diese hier zur Übersicht separat aufgelisteten Merkmale waren in der marxschen Theorie eng miteinander verwoben und bedingten sich gegenseitig. Zur besseren Übersicht wird im Folgenden der komplexen Zusammenhänge zum Trotz auf die einzelnen Gattungs- und damit Abgrenzungsmerkmale eingegangen, um dadurch das ‚Gegenbild Tier‘ zu rekonstruieren. Dass der Mensch ein „gesellschaftliches Wesen“ 120 sei, war eine der zentralen Überzeugungen von Marx und Engels. Dementsprechend war diese Ansicht ein bedeutender Teil des Gesamtwerks der beiden Denker und wurde von Marx schon in den „Ökonomisch- philosophischen Manuskripten“ formuliert:
118 Maurizi betont an dieser Stelle, dass die Anthropologie von Marx und Engels keine statische oder positive ist, sondern eine mögliche; das marxsche Menschen- und Tierbild hätte weder eine moralische noch eine ontologische Bedeutung, vgl. Maurizi: Marxismus und Tierbefreiung, S. 99. Dem widerspricht Mütherich, deren Ansicht nach die Frage nach dem Tier bei Marx wertebeladen und unwiderlegbar sei, vgl. Mütherich: Problematik, S. 19. 119 Den Begriff „Gattungswesen“ hat Marx von Feuerbach übernommen, der ihn seinerseits zur Unterscheidung von Menschen und Tieren nutzt, vgl. Vint, Sherryl: Species and Species- Being. Alienated Subjectivity and the Commodification of Animals, in: Bould, Mark/Miéville, China (Hrsg.): Red Plantes. Marxism and Science-Fiction, Middletown 2009, S. 118 – 136, hier S. 134, Anm. 16. 120 Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEGA I/2, S. 393.
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Das Individuum ist das gesellschaftliche Wesen. Seine Lebensäusserung – erscheine sie auch nicht in der unmittelbaren Form einer gemeinschaftlichen, mit andern zugleich vollbrachten Lebensäusserung – ist daher eine Aüsserung [sic!] und Bestätigung des gesellschaftlichen Lebens.121
Der Mensch sei also „von Natur aus“ ein gesellschaftliches Wesen, selbst wenn er nicht mit anderen Menschen interagiere. Menschsein hieß folgerichtig gesellschaft lich sein, denn mit dem „Gattungsbewußtsein bestätigt der Mensch sein reelles Gesellschaftsleben“ 122. Das Zusammenleben von Tieren wurde hier ausgeblendet und es bleibt offen, ob Tiere nicht auch „gesellschaftliche Wesen“ sein können. Genauso zentral – und untrennbar mit der Auffassung des Menschen als gesellschaftliches Wesen verbunden – war die Vorstellung von der rein menschlichen Fähigkeit zur Produktion. Der Mensch als Gattungswesen hatte dieser Logik zufolge ein dementsprechendes Gattungsleben; ein produktives Leben. Dieses Gattungsleben drückte sich in der freien und bewussten (Lebens-)Tätigkeit aus. Zur Verdeut lichung dieser menschlichen Besonderheit zieht Marx den direkten Vergleich zum Tier heran. Das produktive Leben ist aber das Gattungsleben. Es ist das Leben erzeugende Leben. In der Art der Lebenstätigkeit liegt der ganze Charakter einer species, ihr Gattungscharakter, und die freie bewußte Thätigkeit ist der Gattungscharakter des Menschen. Das Leben selbst erscheint nur als Lebensmittel. Das Tier ist unmittelbar eins mit seiner Lebensthätigkeit. Es unterscheidet sich nicht von ihr. Es ist sie. Der Mensch macht seine Lebensthätigkeit selbst zum Gegenstand seines Wollens und seines Bewußtseins. Er hat bewußte Lebensthätigkeit. Es ist nicht eine Bestimmtheit, mit der er unmittelbar zusammenfließt. Die bewußte Lebensthätigkeit unterscheidet den Menschen unmittelbar von der thierischen Lebensthätigkeit. Eben nur dadurch ist er ein Gattungswesen. Oder er ist nur ein Bewußtes Wesen, d. h., sein eignes Leben ist ihm Gegenstand, eben weil er ein Gattungswesen ist. Nur darum ist seine Thätigkeit freie Thätigkeit.123
Der Mensch könne frei und bewusst arbeiten, weil er einen eigenen Willen und Selbstbewusstsein habe. Durch die bewusste und freie Tätigkeit sei der Mensch zugleich ein historisches Wesen, das heißt, er könne sein Handeln bewusst
121 Ebenda, S. 391. 122 Ebenda. 123 Ebenda, S. 369.
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verändern, es sei entwicklungsfähig.124 Dadurch erschufen sich Menschen ihre eigene Welt (Wirklichkeit), von der sie auch Abstand nehmen können: Eben in der Bearbeitung der gegenständlichen Welt bewährt sich der Mensch daher erst wirklich als ein Gattungswesen. Diese Production ist sein Werkthätiges Gattungsleben. Durch sie erscheint die Natur als sein Werk und seine Wirklichkeit. Der Gegenstand der Arbeit ist daher die Vergegenständlichung des Gattungslebens des Menschen; indem er sich nicht nur, wie im Bewußtsein intellektuell, sondern werkthätig, wirklich verdoppelt und sich selbst daher in einer von ihm geschaffnen Welt anschaut.125
Dadurch, dass der Mensch sich selbst und damit auch sein Leben zum Gegenstand machen könne, unterscheide er sich Marx zufolge vom Tier. Der Mensch lebe bewusst und sei bewusst tätig. Über dieses Bewusstsein von sich selbst und der eigenen Lebenstätigkeit verfügten Tiere nicht; sie könnten weder über die eigene Existenz sinnieren, noch sie bewusst verändern. Ohne diese Fähigkeit des Abstandnehmens und Reflektierens seien Tiere Marx zufolge identisch mit ihrer Lebenstätigkeit. Die Universalität des Menschen war ein weiteres wesent liches Merkmal der Gattung Mensch. Diese Universalität bestand darin, dass der Mensch sich alles zum Gegenstand (seines Schaffens und Denkens) machen könne; sich selbst eingeschlossen: Der Mensch ist ein Gattungswesen, nicht nur indem er praktisch und theoretisch die Gattung, sowohl seine eigene als die der übrigen Dinge zu seinem Gegenstand macht, sondern – und dieß ist nur ein andrer Ausdruck für dieselbe Sache – sondern auch indem er sich zu sich selbst als der gegenwärtigen, lebendigen Gattung verhält, indem er sich zu sich als einem universellen, darum freien Wesen verhält.126
Der Mensch sei durch seine Universalität also ein freies Wesen, das – im Gegensatz zu tierlichen Lebewesen – uneingeschränkt und unabhängig von biologischen Determinismen auf sich und seine Umwelt wirken könne. Diese 124 Vgl. auch „Mit dem Menschen treten wir ein in die Geschichte. Auch die Thiere haben eine Geschichte, die ihrer Abstammung und allmählichen Entwicklung bis auf ihren heuti gen Stand. Aber diese Geschichte wird für sie gemacht, und soweit sie selbst daran Theil nehmen, geschieht es ohne ihr Wissen und Wollen. Die Menschen dagegen, je mehr sie sich vom Thier im engeren Sinn entfernen, desto mehr machen sie ihre Geschichte selbst, mit Bewußtsein, desto geringer wird der Einfluß unvorhergesehener Wirkungen, unkontrollirter Kräfte auf diese Geschichte, desto genauer entspricht der geschichtliche Erfolg dem vorher festgestellten Zweck.“ Engels: Dialektik der Natur, MEGA I/26, S. 311 f. Vgl. dazu auch Benton: Marx on Humans and Animals, S. 26 ff. 125 Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEGA I/2, S. 370. 126 Ebenda, S. 368.
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zentrale Idee der Universalität war von großer Bedeutung, insofern sich von ihr weitere Fähigkeiten des Menschen ableiteten.127 Die Ausführungen haben gezeigt, dass im Zentrum der Mensch-T ier-Differenzierung im Frühwerk Marx’ im Grunde der Arbeitsbegriff stand.128 Marx stritt hingegen nicht ab, dass auch Tiere zur Produktion (Arbeit/Aneignung der Natur) fähig seien. Im direkten Vergleich von tierlicher und menschlicher Arbeit zeige sich aber, dass der Mensch anders zu produzieren weiß, da für ihn die Arbeit nicht reine Bedürfnisbefriedigung sei. Arbeit wurde so zu einer spezifisch menschlichen (und Menschen machenden) Qualität: Das praktische Erzeugen einer gegenständlichen Welt, die Bearbeitung der unorganischen Natur ist die Bewährung des Menschen als eines bewußten Gattungswesens […] Zwar producirt auch das Tier. Es baut sich ein Nest, Wohnungen, wie die Biene, Biber, Ameise etc. Allein es producirt nur, was es unmittelbar für sich oder sein Junges bedarf; es produziert einseitig, während der Mensch universell producirt; es producirt nur unter der Herrschaft des unmittelbaren physischen Bedürfnisses, während der Mensch selbst frei von physischen Bedürfniß producirt und erst wahrhaft producirt, in der Freiheit von demselben; es producirt nur sich selbst, während der Mensch die ganze Natur reproducirt; sein Product gehört unmittelbar zu seinem physischen Leib, während der Mensch frei seinem Product gegenüber tritt. Das Thier formirt nur nach dem Maaß und dem Bedürfniß der species, der es angehört, während der Mensch nach dem Maaß jeder species zu produzciren weiß und überall das inhärente Maaß dem Gegenstand anzulegen weiß; der Mensch formirt daher auch nach den Gesetzen der Schönheit.129
Das Zitat zeichnete ein unmissverständliches und klares Bild von Tieren: die unbewussten Tiere 130 seien durch ihre fehlenden Fähigkeiten und ihre ‚Beschränktheit‘ nicht zur Produktion im ‚eigentlichen‘ (menschlichen) Sinne fähig.131 Da die Fähigkeit zur Arbeit bei Marx konstitutiv für das M enschsein war, 127 Die Universalität des Menschen interpretiert Mütherich bereits als Tendenz hin zum Naturbeherrschungspostulat des späteren Marx (und Engels), vgl. Mütherich: Problematik, S. 107. 128 Vgl. dazu auch Rosen, Aiyana/Wirth, Sven: Tier_Ökonomien? Über die Rolle der Kategorie ‚Arbeit‘ in den Grenzziehungspraxen des Mensch-Tier-Dualismus, in: Chimaira (Hrsg.): Tiere Bilder Ökonomien, S. 17 – 42. Zum allgemeinen und marxschen Arbeitsbegriff vgl. etwa Voß, Günter G.: Was ist Arbeit? Zum Problem eines allgemeinen Arbeitsbegriffes, in: Böhle, Fritz/Voß, Günter G./Wachtler, Günther (Hrsg.): Handbuch Arbeitssoziologie, Wiesbaden 2010, S. 23 – 80, hier v. a. S. 31 – 45. 129 Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEGA I/2, S. 369 f. 130 Vgl. auch „Das Bewußtsein, welches der Mensch von seiner Gattung hat“, Marx: Ökonomisch- philosophische Manuskripte, MEGA I/2, S. 370. 131 Eine weitere, die Produktion betreffende, fehlende Fähigkeit der Tiere sei das Vermögen zur Kooperation: „Weil die Thiere aber nicht auszutauschen vermögen, nüzt keinem
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markierte sie zugleich die Grenze zwischen Menschen und Tieren. Tierliches Leben wurde auf die Funktionen „Essen, Trinken und Zeugen“ 132 reduziert.133 Das Tierkonzept in den „Ökonomisch-philosophischen Manuskripten“ – und im übrigen Werk von Marx und Engels – zeigte eine weitere Problematik auf: die mangelnde Differenzierung des Begriffs „Tiere“. Bis auf wenige Ausnahmen wurden mit dem Oberbegriff „Tier“ stets die unterschiedlichsten Spezies zusammengefasst.134 Damit wurde den höchst verschiedenen Arten grundsätzlich dieselben Eigenschaften zu- oder abgesprochen, was wiederum die grundsätzliche und nicht die mögliche graduelle Differenzierung zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Individuen innerhalb der marxschen Theorie bestätigte. Thierindividuum die unterschiedne Eigenschaft eines Thiers von derselben Art, aber von verschiedner Raçe. Die Thiere vermögen nicht die unterschiednen Eigenschaften ihrer species zusammenzulegen; sie vermögen nichts zum gemeinschaftlichen Vorteil und Bequemlichkeit ihrer species beizutragen. Anders der Mensch, wo die disparatesten Talente und Thätigkeitsweisen sich wechselseitig nützen, weil sie ihre verschiednen Producte zusammenwerfen können in eine gemeinschaftliche Masse, wovon jeder kaufen kann.“ Marx: Ökonomisch- philosophische Manuskripte, MEGA I/2, S.432. Diese Aussage ist eine Zusammenfassung eines umfangreichen Zitats von Adam Smith. Inwiefern Marx d iesem Urteil zustimmte, bleibt offen. Elster deutet diese Zusammenfassung als Marx’ Meinung, dass Tiere nicht zu intra-spezifischer Kooperation fähig sind. Weiterhin seien Tiere auch nicht zur inter- spezifischen Kooperation fähig, vgl. Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, MEGA II/1, S. 162 und Elster: Making Sense of Marx, S. 66 f. 132 Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEGA I/2, S. 367 (auf diese „thierischen Funktionen“ seien die ArbeiterInnen innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise reduziert, vgl. ebenda, S. 367 f.). Marx’ Beobachtung, dass „die Nationalökonomie […] den Arbeiter nur als Arbeitsthier, als ein auf die striktesten Leibesbedürfnisse reducirtes Vieh“ kenne (MEGA I/2, S. 334), wurde vom „Arbeitsprozess-Optimierer“ Frederick Winslow Taylor (1856 – 1915) positiv bewertet. Seiner Meinung nach sei ein Stahlarbeiter bestens für seine Arbeit geeignet, wenn er einem Ochsen g leiche („Now one of the very first requirements for a man who fits to handle pig iron as a regular occupation is that he shall be so stupid and so phlegmatic that he more nearly resembles in his mentally make-up the ox than any other type.“), Taylor, Frederick Winslow: The Principles of Scientific Management, New York 2006 (Original 1911), S. 28 133 An anderer Stelle sprach Marx den Tieren allerdings doch zusätzliche Funktionen zu: „Der Wilde, das Thier hat doch das Bedürfniß der Jagd, der Bewegung etc., der Geselligkeit.“ Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEGA I/2, S. 420. 134 Vgl. Mütherich: Problematik, S. 105. Mütherich stellt weiterhin fest, dass auch Menschen, als konkrete Individuen, im Haupt- und Spätwerk von Marx zunehmend hinter dem „Kollektivsingular des ,historischen Subjekts‘“ verschwinden und damit zu Marionetten der Geschichte werden, vgl. ebenda, S. 103 (Zitat) und S. 119. Vgl. dazu auch Althussers Thesen zum „Antihumanismus“ des marxschen Spätwerks, vgl. Althusser, Louis: Für Marx, Frankfurt am Main 1968, hier v. a. das Kapitel „Marxismus und Humanismus“, S. 168 – 202.
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Marx und Engels: Die biologisch-anthropologische Grenze zwischen Mensch und Tier In den späteren Schriften von Marx und Engels wurde der Arbeitsbegriff noch stärker ins Zentrum der Mensch-Tier-Unterscheidung gerückt. In „Das Kapital“ äußerte sich Marx nochmals ausführlich zum Unterschied von Menschen und Tieren bezüglich der Fähigkeit zur gesellschaftlichen Produktion: Wir unterstellen den Arbeitsprozeß in einer Form, worin er dem Menschen ausschließ lich angehört. Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vorn herein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, daß er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war. Nicht daß er nur eine Formveränderung des Natürlichen bewirkt, verwirklicht er im Natürlichen zugleich seinen Zweck, den er weiß, der die Art und Weise seines Thuns als Gesetz bestimmt und dem er seinen Willen unterordnen muß. Und diese Unterordnung ist kein vereinzelter Akt. Außer der Anstrengung der Organe, die arbeiten, ist der zweckgemäße Wille, der sich als Aufmerksamkeit äußert.135
Marx arbeitete hier mit denselben Argumenten wie in den „Ökonomisch- philosophischen Manuskripten“: Tierliche Arbeit sei instinkthaft und unbewusst. Somit können Tiere nur Dinge mit einem Gebrauchswert produzieren, nicht aber einen Tauschwert herstellen beziehungsweise kalkulieren. Daraus folgte, dass Tiere weder von ihrem Produkt entfremdet sein können, noch dass sie aktiver Teil des kapitalistischen Marktes seien.136 Neben der Hervorhebung der Arbeit als konstitutives Element des Menschseins 137 traten innerhalb der biologisch- anthropologischen Perspektive noch weitere Unterscheidungskriterien z wischen Mensch und Tier auf, die nun nicht mehr allein vom (philosophischen) Konstrukt 135 Marx: Das Kapital, Bd. 1, MEGA II/5, S. 129 f. 136 Vgl. Vint: Species, S. 123 ff. und S. 133, Anm. 14. Nachdem Vint dies konstatiert hat, versucht sie diese Ansicht zu widerlegen und betont, dass Tiere sehr wohl aktiver Teil des Marktes sind. Sie hebt – wie Haraway – hervor, dass Tiere als Partner respektive Arbeiter in der ökonomischen Welt betrachtet werden sollten, vgl. auch Haraway: When Species meet. Weiterhin können auch Tiere vielfältige Entfremdung erfahren, vgl. Noske: Entfremdung, S. 50 – 54. 137 „Man kann die Menschen durch das Bewußtsein, durch die Religion, durch was man sonst will, von den Tieren unterscheiden. Sie selbst fangen an, sich von den Tieren zu unterscheiden, sobald sie anfangen, ihre Lebensmittel zu produzieren […].“ Marx/Engels: Die Deutsche Ideologie, MEW 3, S. 21.
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des „Gattungswesens“ abgeleitet, sondern (natur-)wissenschaftlich begründet wurden.138 Dazu gehörten die Sprache und die Werkzeugnutzung beziehungsweise -herstellung: Die Sprache ist so alt wie das Bewußtsein – die Sprache ist das praktische, auch für andre Menschen existierende, also auch für mich selbst erst existierende wirkliche Bewußtsein, und die Sprache entsteht, wie das Bewußtsein, erst aus dem Bedürfnis, der Notdurft des Verkehrs mit andern Menschen. Wo ein Verhältnis existiert, da existiert es für mich, das Tier ,verhält‘ sich zu Nichts und überhaupt nicht. Für das Tier existiert sein Verhältnis zu andern nicht als Verhältnis. Das Bewußtsein ist also von vornherein schon ein gesellschaftliches Produkt und bleibt es, solange überhaupt Menschen existieren.139
Marx und Engels verbanden respektive setzten hier Sprache mit (Selbst-) Bewusstsein 140 gleich. Sprache und Bewusstsein entstanden erst durch das Verhältnis zu anderen Menschen. Es sei die Gesellschaft (soziale Verhältnisse) gewesen, die die Ausbildung von Sprache und Bewusstsein erst ermöglichte und erforderte. Tiere hingegen ständen nur in einem Verhältnis (zu sich selbst, zu anderen oder zu etwas), verhalten sich aber nicht aktiv (zu sich selbst, zu anderen oder zu etwas). Folglich konstatierten Marx und Engels, dass Tiere weder Sprache noch Bewusstsein hätten, da sie sich nicht aktiv verhalten und so kein Verhältnis im ‚eigentlichen‘ (menschlichen) Sinn aufbauen können.141 138 Auch an diesem Punkt gilt, dass alle Aussagen – trotz oder gerade wegen der vermeintlichen naturwissenschaftlichen Begründung – kritisch hinterfragt werden sollten. 139 Marx/Engels: Die Deutsche Ideologie, MEW 3, S. 30 f. 140 Elster ist der Meinung, dass hier mit Bewusstsein wohl Selbstbewusstsein gemeint ist, vgl. Elster: Making Sense of Marx, S. 63. 141 Vgl. auch „[…] der Mensch steht im Verhältnis zu Dingen der Außenwelt als Mittel zur Befriedigung seiner Bedürfnisse. Aber die Menschen beginnen keineswegs damit, ‚in d iesem theoretischen Verhältnis zu Dingen der Außenwelt zu stehen‘. Sie fangen, wie jedes Tier, damit an, zu essen, zu trinken etc., also nicht in einem Verhältnis zu ‚stehen‘, sondern sich aktiv zu verhalten, sich gewisser Dinge der Außenwelt zu bemächtigen durch die Tat, und so ihr Bedürfnis zu befriedigen. (Sie beginnen also mit der Produktion.) Durch die Wiederholung dieses Prozesses prägt sich die Eigenschaft dieser Dinge, ihre ‚Bedürfnisse zu befriedigen‘, ihrem Hirn ein, die Menschen wie Tiere lernen auch ‚theoretisch‘ die äußern Dinge, die zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse dienen, vor allen andern unterscheiden. Auf gewissem Grad der Fortentwicklung, nachdem unterdes auch ihre Bedürfnisse und die Tätigkeiten, wodurch sie befriedigt werden, sich vermehrt und weiterentwickelt haben, werden sie auch bei der ganzen Klasse diese erfahrungsmäßig von der übrigen Außenwelt unterschiednen Dinge sprachlich taufen.“ Marx: Randglossen zu Adolph Wagners „Lehrbuch der politischen Ökonomie“, MEW 19, S. 362 f. Hier spricht Marx Tieren die kognitive Fähigkeit zur theoretischen Unterscheidung zu. Weiterhin sieht Marx den Ursprung der Sprachentwicklung
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Einen weiteren wesentlichen Unterscheidungspunkt z wischen Menschen und Tieren sah Marx in der Werkzeugnutzung und -herstellung: „Der Gebrauch und die Schöpfung von Arbeitsmitteln, obgleich im Keim schon gewissen Thierarten eigen, charakterisiren den spezifisch menschlichen Arbeitsprozeß und Franklin definirt daher den Menschen als ‚a tool-making animal‘, ein Werkzeuge fabrizirendes Thier.“ 142 Mit dem Gebrauch von Werkzeugen befasste sich schließlich auch Engels in seiner Abhandlung „Der Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen“ („Dialektik der Natur“, 1873 – 1882). Hier zeigte Engels ausführlich die (im wahrsten Sinne des Wortes) Herausarbeitung des Menschen aus dem Tierreich auf. In der „Dialektik der Natur“ führte Engels mit „systematisch betriebenen naturwissenschaftlich-mathematischen Studien“ 143 das Naturverständnis früherer Werke weiter. Eine der ersten und viel zitierten Aussagen Engels’ finden wir gleich zu Anfang der Abhandlung: „Die Arbeit […] hat den Menschen selbst geschaffen“ 144. Um diese Aussage zu belegen, verfolgte Engels die (Weiter-)Entwicklung des Menschen vom Affen (wodurch er die Kontinuität zwischen Menschen und Tieren anerkannte), die ausschließlich auf der Fähigkeit zum Arbeiten basiert. Am Anfang der Menschwerdung stand bei Engels der aufrechte Gang, der es den „menschenähnlichen Affen“ ermöglichte, durch die freigewordenen Hände, „mehr anderweitige Thätigkeiten“ durchzuführen.145 Gleichwohl betonte Engels, dass auch Affen ihre Hände vielfältig einsetzen, etwa zum Nestbau oder zur einfachem Werkzeugnutzung, dennoch hätte noch keine Affenhand „je das robuste Steinmesser verfertigt“ 146. Die Hand des Menschen sei Engels zufolge „nicht nur das Organ der Arbeit, sie ist auch ihr Produkt“; mit der Ausbildung der Hand (Arbeit) konnte die „Herrschaft über die Natur“ beginnen und erweitert werden.147 Die nicht mehr in der Herausbildung sozialer Verhältnisse, sondern im Arbeitsprozess, vgl. Elster: Making Sense of Marx, 1998, S. 64. 142 Marx: Das Kapital, Bd. 1, MEGA II/5, S. 131. 143 Anonym: Einleitung zur „Dialektik der Natur“, MEGA I/26, S. 23*. 144 Engels: Dialektik der Natur, MEGA I/26, S. 88. 145 Vgl. Ebenda, S. 88 f. 146 Ebenda, S. 89. 147 Ebenda, S. 89 f. Vgl. auch: „Als nach jahrtausendelangem Ringen die Differenzirung der Hand vom Fuß, der aufrechte Gang, endlich festgestellt, da war der Mensch vom Affen geschieden, da war der Grund gelegt zur Entwicklung der artikulierten Sprache und zu der gewaltigen Ausbildung des Gehirns, die seitdem die Kluft z wischen Menschen und Affen unübersteiglich gemacht hat. Die Specialisirung der Hand – das bedeutet das Werkzeug, und das Werkzeug bedeutet die specifisch menschliche Tätigkeit, die umgestaltende Rückwirkung des Menschen auf die Natur, die Produktion. Auch Thiere im engern Sinn haben Werkzeuge, aber nur als Glieder ihres Leibes – die Ameise, die Biene, der Biber; auch Thiere produziren, aber ihre produktive Einwirkung auf die umgebende Natur ist
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Arbeit ließ die Menschen nun der Nützlichkeit halber näher zusammenrücken, heißt gesellschaftlich werden und gesellschaftlich produzieren.148 Daraus ergab sich die Gelegenheit, „sich einander etwas zu sagen“ und folglich die Notwendigkeit der Sprachentwicklung.149 Dass Sprache eine Folge der Arbeit sei, „beweist“ Engels mit dem „Vergleich mit Thieren“, denn diese besäßen keine Sprache, weil sie auch nicht arbeiten. Von Menschen gezähmte Tiere dagegen verständen sehr wohl die menschliche Sprache.150 Papageien seien gar in der Lage zu sprechen – und das Gesprochene zu verstehen.151 (Zu dieser bedeutenden Feststellung hatte Engels allerdings nichts weiter anzumerken.) Die menschlichen Sinne, Organe und damit diverse Fähigkeiten entwickelten sich nun fortwährend – mit der Arbeit – weiter. Ein weiterer Schritt zur „Menschwerdung des Affen“ sei das Herstellen und Nutzen von Werkzeugen gewesen; anfangs vornehmlich von Waffen zum Jagen. Die durch den gezielten Waffeneinsatz ermöglichte, erhöhte „Fleischkost“
dieser gegenüber gleich Null. Nur der Mensch hat es fertig gebracht, der Natur seinen Stempel aufzudrücken, indem er nicht nur Pflanzen und Thiere versetzte, sondern auch den Aspekt, das Klima seines Wohnorts, ja die Pflanzen und Thiere selbst so veränderte, daß die Folgen seiner Thätigkeit nur mit dem allgemeinen Absterben des Erdballs verschwinden können. Und das hat er fertiggebracht zunächst und wesentlich vermittelst der Hand.“ Engels: Dialektik der Natur, MEGA I/26, S. 311. Die Hervorhebung des aufrechten Gangs und der Hände (als exklusiv menschlicher Fähigkeiten) war schon bei Aristoteles zu finden, der diese Fähigkeiten allerdings von der Göttlichkeit des Menschen ableitete, vgl. (Arist. part. an. 686a 25 ff.). 148 Vgl. Engels: Dialektik der Natur, MEGA I/26, S. 90. 149 Ebenda, S. 90 f. Engels betrachtete hier die Arbeit als Ausgangspunkt der Sprachentwicklung beim Menschen. In „Die Deutsche Ideologie“ hingegen betonten er und Marx noch den starken Zusammenhang z wischen Bewusstsein und Sprachentwicklung, siehe oben, Anm. 139 und 140. 150 „Der Hund und das Pferd haben im Umgang mit Menschen ein so gutes Ohr für artikulirte Sprache erhalten, daß sie jede Sprache leicht soweit verstehn lernen, wie ihr Vorstellungskreis reicht. Sie haben sich ferner die Fähigkeit für Empfindungen wie Anhänglichkeit an Menschen, Dankbarkeit usw. erworben, die ihnen früher fremd waren; und wer viel mit solchen Thieren umgegangen ist, wird sich kaum der Überzeugung verschließen können, daß es Fälle genug gibt, wo sie jetzt die Unfähigkeit zu sprechen als einen Mangel empfinden, dem allerdings bei ihren allzusehr in bestimmter Richtung specialisirten Stimmorganen leider nicht mehr abzuhelfen ist.“ Engels: Dialektik der Natur, MEGA I/26, S. 91. 151 „[…] der Papagei, spricht am besten. Man sage nicht, er verstehe nicht, was er spricht. Allerdings wird er aus reinem Vergnügen am Sprechen und an der Gesellschaft von Menschen stundenlang seinen ganzen Wortreichtum plappernd wiederholen. Aber soweit sein Vorstellungskreis reicht, soweit kann er auch verstehen lernen, was er sagt. Man lehre einen Papagei Schimpfwörter, so daß er eine Vorstellung von ihrer Bedeutung bekommt (ein Hauptvergnügen aus heißen Ländern zurücksegelnder Matrosen); man reize ihn, und man wird bald finden, daß er seine Schimpfwörter ebenso richtig zu verwerten weiß wie eine Berliner Gemüsehökerin.“ Engels: Dialektik der Natur, MEGA I/26, S. 91.
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trug erneut dazu bei „dem werdenden Menschen Körperkraft und Selbständigkeit zu geben“.152 Mit der erhöhten Denkleistung durch die Fleischkost wurden wiederum „die Dienstbarmachung des Feuers“ und die „Zähmung von Thieren“ möglich. Letzteres erhöhte abermals den Fleischkonsum und eröffnete Engels zufolge die Möglichkeit des Milchkonsums.153 So ausgestattet verbreitete sich der Mensch schließlich „über die ganze bewohnbare Erde, er das einzige Thier, das in sich selbst die Machtvollkommenheit dazu besaß.“ 154 Mit dem „fertigen Menschen“ trat letztlich ein neues „Element – die Gesellschaft“ 155 hinzu. Im weiteren Verlauf ging Engels auf die Problematik der Naturbeherrschung ein, die wiederum eine exklusiv menschliche Fähigkeit sei – und damit ein Aspekt der Grenzziehung zwischen Menschen und Tieren: Die Thiere, wie schon angedeutet, verändern durch ihre Thätigkeit die äußere Natur ebensogut, wenn auch nicht in dem Maße wie der Mensch, und diese durch sie vollzogenen Änderungen ihrer Umgebung wirken, wie wir sahen, wieder verändernd auf ihre Urheber zurück. […] Wir sahen, wie die Ziegen die Wiederbewaldung von Griechenland verhindern […]. Aber wenn die Thiere eine dauernde Einwirkung auf ihre Umgebung ausüben, so geschieht dies unabsichtlich und ist, für diese Thiere selbst, etwas Zufälliges. Je mehr die Menschen sich aber vom Thier entfernen, desto mehr nimmt ihre Einwirkung auf die Natur den Charakter vorbedachter, planmäßiger, auf bestimmte, vorher bekannte Ziele gerichteter Handlung an. Das Thier vernichtet die Vegetation eines Landstrichs, ohne zu wissen, was es tut. Der Mensch vernichtet sie, um in den freigewordnen Boden Feldfrüchte zu säen oder Bäume und Reben zu pflanzen, von denen er weiß, daß sie ihm ein Vielfaches der Aussaat einbringen werden.156
Engels zufolge können Tiere auch einen sehr großen Einfluss auf ihre Umwelt ausüben – heißt, sie verändern, was in den übrigen Schriften von Marx und Engels nur den Menschen zugesprochen wurde.157 Gleichwohl verändern Tiere ihre Umwelt nicht willentlich. Der Mensch hingegen rufe die Veränderung der 152 Engels: Dialektik der Natur, MEGA I/26, S. 93. Engels ergänzte polemisch: „Mit Verlaub der Herren Vegetarier, der Mensch ist nicht ohne Fleischnahrung zu Stande gekommen.“ Ebenda. 153 Vgl. Engels: Dialektik der Natur, MEGA I/26, S. 93 f. 154 Ebenda, S. 94. 155 Ebenda, S. 92. 156 Ebenda, S. 95. 157 Mit der Untersuchung von tierlichen Einflüssen auf die Umwelt betreibt Engels fast schon Umweltgeschichte im heutigen Sinne. Die explizite Beschäftigung mit Interaktionen von verschiedenen Spezies ist erst wieder bei Keith Thomas zu finden, vgl. Thomas: Natural World.
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natürlichen Umwelt bewusst hervor – geplant und zielgerichtet.158 Darüber hinaus erlaube eben jene menschliche Fähigkeit die Natur (und es besteht kein Zweifel darin, dass Tiere dazugehören) zu kontrollieren und zu beherrschen, denn „das Tier benutzt die äußere Natur bloß, und bringt Änderungen in ihr einfach durch seine Anwesenheit zustande; der Mensch macht sie durch seine Änderungen seinen Zwecken dienstbar, beherrscht sie.“ 159 Bis hierin entsprach Engels’ Argumentation hinsichtlich der Mensch-Tier-Differenzierung derjenigen von Marx. In Engels „Dialektik der Natur“ sind derweil weitere, eher ungewöhnliche, Überlegungen über Tiere und ihre Fähigkeiten enthalten (neben der besonderen Sensibilität für Sprache von ‚Haus- und ‚Heimtieren‘ sowie die Sprachfähigkeit von Papageien). Seine oben angeführte Feststellung, Tiere würden nicht willentlich ihre Umwelt verändern, negiert er im Grunde durch diese Ansicht: Es versteht sich übrigens von selbst, daß es uns nicht einfällt, den Thieren die Fähigkeit planmäßiger, vorbedachter Handlungsweisen abzustreiten. Im Gegentheil. […] Bei unsern im Umgang mit Menschen höher entwickelten Hausthieren kann man tagtäglich Streiche der Schlauheit beobachten, die mit denen menschlicher Kinder ganz auf derselben Stufe stehn. […] Aber alle planmäßige Aktion aller Tiere hat es nicht fertiggebracht, der Erde den Stempel ihres Willens aufzudrücken. Dazu gehörte der Mensch.160
Engels hob an dieser Stelle ausdrücklich die kognitiven Fähigkeiten des bewussten und planmäßigen Handelns von Tieren hervor (was auch für ein gewisses Zeitempfinden von tierlichen Individuen spricht) und verglich intellektuelle Fähigkeiten von „höher entwickelten Hausthieren“ mit denen von Kleinkindern. An anderer Stelle ging Engels noch einen Schritt weiter und billigte Tieren „Mittel der wissenschaftlichen Forschung“ zu: Alle Verstandsthätigkeit: Induziren, Deduziren, also auch Abstrahiren (Dido’s [sic!] Gattungsbegriffe: Vierfüßler und Zweifüßler), Analysiren unbekannter Gegenstände (schon das Zerbrechen einer Nuß ist Anfang der Analyse), Synthesiren (bei thierischen Schlauheitsstückchen) und, als Vereinigung beider, Experimentiren (bei neuen Hindernissen und in fremden Lagen) haben wir mit dem Thier gemein. Der Art nach sind diese sämmtlichen Verfahrungsweisen – also alle Mittel der wissenschaftlichen 158 Vgl. auch: „Erst eine bewußte Organisation der gesellschaftlichen Produktion, in der planmäßig produzirt und verteilt wird, kann die Menschen ebenso in gesellschaftlicher Beziehung aus der übrigen Thierwelt herausheben, wie dies die Produktion überhaupt für die Menschen in specifischer Beziehung gethan hat.“ Engels: Dialektik der Natur, MEGA I/26, S. 312. 159 Ebenda, S. 96. 160 Ebenda, S. 95 f.
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Forschung, die die ordinäre Logik anerkennt – vollkommen gleich beim Menschen und den höheren Thieren. Nur dem Grade (der Entwicklung der jedesmaligen Methode) nach sind sie verschieden. Die Grundzüge der Methode sind gleich und führen zu gleichen Resultaten bei Mensch und Thier, solange beide bloß mit diesen elementaren Methoden arbeiten oder auskommen. – Dagegen das dialektische Denken – eben weil es die Untersuchung der Natur der Begriffe selbst zur Voraussetzung hat – ist nur dem Menschen möglich.161
Die Feststellung, dass sich die ‚höheren Tiere‘ in ihren intellektuellen Fähigkeiten nur graduell von Menschen unterscheiden, erstaunt sehr. Lediglich das dialektische Denken sei eine rein menschliche Eigenschaft. Zusammen mit den sprachlichen und bewusst planerischen Fähigkeiten von Tieren rückte Engels Menschen und Tiere näher zusammen. Dieses differenzierte Tierbild ist nicht in die marxsche Theorie eingeflossen. Weder er selbst noch spätere Vertreter der marxschen Theorie haben diese außergewöhnlichen Thesen nochmals aufgegriffen.162 Dennoch zeugten Engels’ Auffassungen für sein Interesse an Tieren, insbesondere an ‚Heimtieren‘. Von Marx ist zwar überliefert, dass seine Kinder nicht wenige Hunde, Katzen und Vögel hielten und der Vater ein inniges Verhältnis zu den Tieren hatte.163 Gleichwohl ließ er sich nicht zu solchen Äußerungen wie sein Freund hinreißen. 161 Ebenda, S. 311. 162 Vgl. Mütherich: Problematik, S. 113 f. 163 Marx schrieb 1869 in einem Brief an seine Tochter Eleanor, die in Paris weilte: „Meine liebe, kleine Quo-quo [Kosename der Tochter, A. L.], Du mußt mein langes Schweigen wirklich entschuldigen. Ich stecke gerade bis über beide Ohren in der Arbeit. Nun zuerst zu Deinen Tieren. Sambo [Katze, A. L.] und ich sind fast unzertrennlich geworden; er muß doch auf irgendeine Weise die Abwesenheit seines obersten Meisters ausgleichen. Blacky [Katze, A. L.] benimmt sich immer wie ein Gentleman, allerdings wie ein sehr langweiliger. Tommy [Katze, A. L.] hat wieder alles in ihren Kräften Stehende getan, um die Wahrheit der Malthussischen Theorie zu beweisen. Ich vermute, daß Helen [Hausgehilfin der Familie Marx, A. L.] heute noch die Nachkommenschaft dieser alten Hexe töten wird. Whiskey [Hund, A. L.], dieses großes Geschöpf, war anfangs, wie Kalypso [Vogel, A. L.] nicht zu trösten und verzweifelt über Deine Abreise. Er lehnte die schönsten Knochen ab, verließ Dein Schlafzimmer nie und wies durchaus alle Symptome der tiefen Leiden einer ‚schönen Seele‘ auf. Aber wenn Dein Name genannt wird, bekommt er Anfälle. – Dicky [Vogel, A. L.] hat sich als sehr guter Sänger entpuppt, und wir beide fördern unsere musikalischen Talente durch gemeinsame ‚Übungen‘. Manchmal jedoch, wenn ich zu pfeifen beginne, behandelt mich Dicky, wie Luther den Teufel behandelte – er kehrte mir seinen … zu. Jocko [Hund, A. L.] ist wieder erschienen, doch seine Laune ist so schlecht wie nur möglich. Nachdem er festgestellt hatte, daß Du weg bist, ließ er jeden Spleen freien Lauf und durchkreuzte alle Beschwichtigungsversuche Helens. Eine weitere Quelle des Ärgers für Jocko war, daß der Gärtner den kleinen Garten in Ordnung brachte – eine Welt, die Jocko mit Recht als seinen eignen Platz und seine Domäne betrachtete. Jocko vermißt nun seine kleinen Hügel, Höhlen, Spalten und die ganze
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Tiermetaphern Eine weitere Funktion des Tierbildes innerhalb der marxschen Theorie sei hier nur kurz angerissen. Es handelt sich dabei um die bewusste Einsetzung von Tierbildern in der politischen Metaphorik und um bestimmte Mensch-T ier- Verhältnisse zur Anprangerung bürgerlicher Ideologie. Auf der einen Seite musste tierliches Leben als Metapher für unzulängliche Gesellschaften herhalten, wenn Marx etwa vom „Mittelalter“ als die „Thiergeschichte der Menschheit, ihre Zoologie“ 164 oder vom „Feudalismus“ als das „geistige Tierreich“ 165 sprach. Auf der anderen Seite griffen Marx und Engels Tierschutz-Bewegungen an, denn sie seien Ausdruck bürgerlicher Gesinnung. So wurden im „Manifest der Kommunistischen Partei“ explizit die „Abschaffer der Tierquälerei“ genannt, die, zum „konservative[n] oder Bourgeoissozialismus“ gehörig, sich wünschen, „den sozialen Mißständen abzuhelfen, um den Bestand der bürgerlichen Gesellschaft zu sichern“ (was die Erhaltung der Ausbeutung der ArbeiterInnen bedeute).166 In einem anderen Beispiel spottete Marx über die „gemüthlichen Vereine gegen Thierquälerei.“ 167 Wie noch zu zeigen sein wird, wurde der Konnex von Bürgertum und Tierschutz in der DDR stark rezipiert. Darüber hinaus sprachen sich Marx und Engels indirekt gegen Tierschutz aus, wenn sie Charles Fouriers Ansicht „daß Fischen, Jagen etc. angeborene Menschenrechte seien“, als „genial“ bezeichnen.168 Die semantische Verbindung zwischen Tierbild und Bourgeoisie liebliche Unordnung, die ihn so entzückte.“ Brief vom 26. 04. 1869, in: Müller, Manfred: Familie Marx in Briefen, Berlin (Ost) 1966, S. 103 f. Die Erwähnung der Malthusschen Bevölkerungstheorie (knapp formuliert: das Bevölkerungswachstum führe zu ökonomischen Schäden [„Überbevölkerung“]), deren Gegner Marx war, scheint hier als Flachs gemeint zu sein. 164 Marx: Kritik des Hegelschen Staatsrechts (§§ 2613 – 13), MEW 1, S. 285. 165 Marx: Debatten über das Holzdiebstahlgesetz, MEW 1, S. 115. 166 Marx/Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, MEW 4, S. 488. 167 „Dieselbe spießbürgerliche Gemeinheit, die den Proletarier stets als wüsten, verkommenen Lumpen kennt […] entrüstet sich über Spott, dem die gemüthlichen Vereine gegen die Thierquälerei erlegen sind. ,Die schauderhaften Qualen‘, ruft Herr Daumer pag. 293, I. Bd. aus, ‚die das unglückliche Thier unter der grausamen Tyrannenhand des Menschen erduldet, sind diesen Barbaren ein ,Dreck‘, um den man sich nicht bekümmern soll!‘“ Marx/Engels: Rezension G. Fr. Daumer, MEGA I/10, S. 198. Vgl. auch Marx: Das Kapital, Bd. 1, MEGA II/5, S. 180 (der Kapitalist als „Musterbürger“ und „Mitglied des Vereins zur Abschaffung der Thierquälerei“). 168 Marx/Engels: Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik gegen Bruno Bauer und Kunsorten, MEW 2, S. 93. Anderseits soll Marx einmal Schopenhauer und sein Gebot des Mitleids für Mensch und Tier gegenüber des befreundeten Ehepaars Kugelmann verteidigt haben: „Manche seiner Zeitgenossen nähmen auch Anstoß an seiner sonderbaren Persönlichkeit, bezeichneten ihn als Menschenhasser, während er in den Grundgedanken
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hat Mütherich in eine griffige Formel „bürgerliche/konservative Gesinnung = Feind der ausgebeuteten Klasse = Menschenfeind = ,Tierfreund‘“ und in eine überzeugende, antithetische Konstruktion: „Menschenbefreiung/Revolution vs. Tierschutz/Konservatismus“ zusammengefasst.169 Vor d iesem Hintergrund wird auch verständlich, warum Rosa Luxemburg hoffte, dass nicht „Verrat am Sozialismus“ gewittert werde, wenn sie sich um das Schwinden der Singvögel durch die Industrialisierung sorge (und dies mit dem Schwinden der „Rothäute in Nordamerika“ verglich) oder über das Leid eines geprügelten Büffels klagte (den sie wiederum mit einem bestraften Kind verglich)170. Allerdings muss die von Marx und Engels (und bis heute häufig) vertretende These, dass die Tierrechts- beziehungsweise Tierschutzbewegungen 171 im 19. Jahrhundert einzig ein Anliegen der bürgerlichen Mittelschicht war, differenziert betrachtet werden. Jene Bewegungen wiesen eine auffällige Heterogenität in der Schichtzugehörigkeit der AnhängerInnen auf.172 Die Klassenzugehörigkeit bestimmte weniger das Interesse oder das Engagement für den Tierschutz. Vielmehr legte sie die Motive und die Argumentation gegen Tiermissbrauch sowie die Art und Weise des Engagements für die tierlichen Belange fest. Beispielsweise waren in den vegetarischen Bewegungen sehr viele Angehörige der Arbeiterklasse und (‚unteren‘) Mittelschicht vertreten.173 der Ethik das Gebot ausspricht, in der Wesenseinheit alles Organischen die Pflicht zu erkennen, weder Mensch noch Tier Leiden zu verursachen. Keinem lebendigen Wesen Unrecht zu tun, bezeichnete er bei der Hilfsbedürftigkeit alles Bestehenden als einfaches Gebot der Gerechtigkeit, die zum Mitleid führt, zu dem Satz ,Hilf allen, so viel du kannst.‘ Tiefer ethisch-sozial hätte keine sentimentale Regung das Gebot der Nächstenliebe verkündet.“ Kugelmann, Franziska: Kleine Züge zu dem großen Charakterbild von Karl Marx, in: Hoffmann, Leni (Hrsg.): Mohr und General. Erinnerungen an Marx und Engels, 3. Aufl., Berlin (Ost) 1970, S. 280 – 317, hier S. 283 f.; vgl. auch Harich, Wolfgang: Revision des marxistischen Nietzschebildes?, in: Sinn und Form 5 (1987), S. 1018 – 1053, hier S. 1018 f. 169 Mütherich: Problematik, S. 132 und S. 137. 170 Brief von Rosa Luxemburg an Sonja Liebknecht vom 2. Mai 1917 und von Mitte Dezember 1917; beide zitiert nach Linnemann, Manuela (Hrsg.): Brüder, Bestien, Automaten. Das Tier im abendländischen Denken, Erlangen 2000, S. 278 ff. Vgl. dazu auch Tolstoi, Leo/ Wichmann, Clara/ Reclus, Elisée/Schwantje, Magnus (u. a.): Das Schlachten beenden! Zur Kritik der Gewalt an Tieren; anarchistische, feministische, pazifistische und linkssozialistische Traditionen, Heidelberg 2010. 171 Zur notwendigen Unterscheidung der beiden Begriffe vgl. Roscher: Königreich, S. 76 – 80. 172 Die Erhebung der Klassenzugehörigkeit gestaltet sich allerdings als schwierig und empirisch unscharf. So treten verschiedene Schwierigkeiten bei der Erhebung auf, etwa die Tatsache, dass die Klassengrenzen im 19. Jahrhundert in Großbritannien nicht klar abgesteckt waren, der urbane Charakter der Tierrechtsbewegung oder etwa fehlende bzw. nicht repräsentative Statistiken zur Mitgliedschaft in Tierrechtsbewegungen, vgl. Roscher: Königreich, S. 174 – 194. 173 Vgl. ebenda, S. 214 f. und S. 177 ff.
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Das Verhältnis von Menschen und Tieren Marx und Engels äußerten sich nicht explizit zum Verhältnis z wischen menschlichen und tierlichen Individuen, es kann nur vom Mensch-Natur-Verhältnis und vom Tierkonzept abgeleitet werden. Folgerichtig waren Mensch-Tier-Beziehungen von einem rationellen Umgang mit Tieren geprägt. In der kommunistischen Gesellschaftsform sollte der Mensch von der Arbeit (insbesondere der schweren) befreit werden und sich der Natur „mit dem geringsten Kraftaufwand“ 174 bemächtigen. Dadurch seien die Menschen nicht nur von schwerer Arbeit erlöst, sondern gewännen darüber hinaus Freiräume, denn „[j]e weniger Zeit die Gesellschaft bedarf, um Weizen, Vieh etc. zu produciren, desto mehr Zeit gewinnt sie zu andrer Production, materieller oder geistiger. […] Oekonomie der Zeit, darin löst sich schließlich alle Oekonomie auf.“ 175 Um diese Entwicklung zu fördern, bedarf es einer Maschinisierung 176 und Industrialisierung – auch und gerade in der Landwirtschaft. Für (‚Nutz-‘)Tiere bedeutete dies ein Leben in industrieller Tierhaltung („Vieh produciren“), die bereits zu Marx’ und Engels’ Lebzeiten einsetzte.177 Das wiederum bedeutete aufseiten der Tiere eine Verschärfung von Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnissen. Für den arbeitenden Menschen hingegen bedeutete die Maschinisierung und Industrialisierung eine Zunahme von Freiheit, da er sich nun „vielmehr als Wächter und Regulator zum Produc tionsprocess selbst verhält.“ 178 Der Mensch lässt also zunehmend arbeiten. Um die kommunistische Zielvorstellung einer von der (Zwangs-)Arbeit befreiten Menschheit zu erreichen 179, bedürfe es zudem der Wissenschaften. Durch die 174 Marx: Das Kapital, Bd. 3, MEGA II/15, S. 795. 175 Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, MEGA II/1.1, S. 103 f. 176 Was die Maschinisierung betrifft, so befand sich Marx hier in einem Dilemma. Einerseits sei die Maschinentechnologie eine entfremdete Technologie, da sie den ArbeiterInnen feindlich gegenüberstehe (vgl. Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie (Manuskript 1861 – 1863), MEGA II/3.6, S. 2057 f.). Anderseits müsse die Maschinentechnologie Teil der neuen Gesellschaftsform sein, um die ArbeiterInnen von schwerer körperlicher und monotoner Arbeit zu befreien. Marx löste das Dilemma für sich, indem er alle negativen Aspekte der Maschinentechnologie allein auf ihre falsche Anwendung im Kapitalismus zurückführte, vgl. Grundmann, Reiner: Natur und „blinder Fleck“, in: DZP 39:9 (1991), S. 1020 – 1042, hier S.1034 f. 177 Zur Entstehung der Intensivtierhaltung siehe Kapitel 3.1.1.2. 178 Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, MEGA II/1, S. 581. 179 In der zukünftigen, kommunistischen Gesellschaft sollte Arbeit nicht mehr Mittel zum Zweck oder erzwungen sein. Sie sollte sich hingegen zur freien und selbst erwählten Arbeit („travail attractif“) wandeln, die zur „Selbstverwirklichung des Individuums“ beiträgt. Dazu müsse die Arbeit gesellschaftlich, wissenschaftlich und allgemein (keine Arbeitsteilung) sein, vgl. Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, MEGA II/1, S. 499. So ermögliche die „kommunistischen Gesellschaft, wo Jeder nicht einen ausschließlichen Kreis
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Natur und Tiere in der marxschen Theorie
„ganz moderne Wissenschaft der Technologie“ (wissenschaftliche Industrie) verwandle sich die Produktion in „bewußt planmäßige und je nach dem bezweckten Nutzeffekt systematisch besondere Anwendungen der Naturwissenschaft“ 180 und die „Agricultur z. B. wird blose Anwendung der Wissenschaft des materiellen Stoffwechsels.“ 181 Damit wurden Tiere bei Marx und Engels nicht nur zu „industriellen Produkten“, sondern auch zu „(Natur-)Wissenschaftsobjekten“. Mehr noch, die Natur selbst – und damit auch Tiere – wurden zu Industrie. Denn die Natur sei „durch die Industrie, wenn auch in entfremdeter Gestalt […] die wahre anthropologische Natur.“ 182 Der ökonomische Charakter der Mensch-Tier-Beziehung in der marxschen Theorie führte dazu, dass alle außer-ökonomischen Bereiche von Mensch-Tier- Verhältnissen weitgehend ausgeblendet wurden.183 Ferner wurde das rein nutzen orientierte Verhältnis bei Marx und Engels als ein ‚natürliches‘ oder ‚naturgegebenes‘ Verhältnis dargestellt, da es der Gattung Mensch entspricht, sich die Natur und damit im marxschen Verständnis auch Tiere bewusst anzueignen.184 Die Tatsache, dass Tiere und ihre (teils problematische) Beziehung zu Menschen nicht im Blickfeld der beiden Denker lagen, hatte verschiedene Ursachen. Selbstredend standen für Marx und Engels die durch die kapitalistische und industrielle Produktionsweise verursachten menschlichen Nöte wie Hunger und Krankheiten im Vordergrund.185 Marx kritisierte die damalige Gesellschaft als eine unmenschliche, in der der arbeitende Mensch zu einem „Arbeitsthier, als ein auf die striktesten Leibesbedürfnisse reducirtes Vieh“ 186 wurde. Den Zusammenhang von Gewalt- und Ausbeutungsverhältnissen gegen Tiere und Menschen, die ineinander greifen oder aufeinander folgen können, sah Marx nicht.187 Trotz der Tätigkeit hat, sondern sich in jedem beliebigen Zweige ausbilden kann, die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt […] heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden.“ Marx/Engels: Die Deutsche Ideologie, MEW 3, S. 33. Kurz zusammengefasst: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“ Marx: Kritik des Gothaer Programms, MEGA I/25, S. 15. 180 Marx: Das Kapital, Bd. 1, MEGA II/5, S. 398. 181 Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, MEGA II/1, S. 581. 182 Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEGA I/2, S. 396. 183 Mit Ausnahme von Engels Andeutungen über ‚Haus-‘ und ‚Heimtiere‘ innerhalb seiner „Dialektik der Natur“. 184 Vgl. Mütherich: Problematik, S. 125 f. 185 Vgl. Parsons: Marx and Engels on Ecology, S. 48. 186 Vgl. Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEGA I/2, S. 334. Zur Gleichsetzung von ArbeiterInnen mit „Arbeitstieren“ siehe auch nochmals oben Anm. 132. 187 Vgl. dazu: Nibert, David: Animal Rights/Human Rights. Entanglements of Oppression and Liberation, Lenham 2002; Spiegel, Marjorie: The Dreaded Comparision. Human and
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oder gerade wegen der fehlenden konkreten und kritischen Wahrnehmung von Mensch-Tier-Verhältnissen bei Marx und Engels sowie der Problematik der Natur- und Tierbeherrschung haben verschiedene gegenwärtige AutorInnen versucht, die marxsche Theorie auf die Beziehung von menschlichen und tierlichen Individuen anzuwenden.188 Dabei sind sich alle AutorInnen weitgehend einig, dass die marxsche Theorie – mit ihrer kritisch-aufklärerischen Haltung gegenüber bürgerlichen Herrschaftsstrukturen – durchaus Potential hätte, das vorherrschende Mensch-Tier-Verhältnis neu zu bewerten.189
1.3 Zusammenfassung Die Ausführungen zum marxschen Naturverständnis und seiner Rezeption in der DDR haben vor allem eines verdeutlicht: die stark anthropozentrische und nutzenorientierte Ausrichtung des Mensch-Natur-Verhältnisses im Sozialismus respektive Kommunismus. Der Mensch allein – als „höchstes Entwicklungsprodukt der Materie“ 190 – stand im Mittelpunkt aller Überlegungen. Das vorrangige Interesse an Natur war ökonomischer Art. Zum Inbegriff des „sozia listischen“ Mensch-Natur-Verhältnisses wurde folglich die Naturbeherrschung mittels gemeinsamer Kontrolle der Naturgesetzmäßigkeiten.191 In der DDR wurde der „wissenschaftlich-technischen Fortschritt“ damit zum Motor für den Ausbau des Staatssozialismus und die Naturbeherrschung zum Zeichen des „sozialistischen“ Modernismus.192 Der Natur als Rohstoff der Arbeit wurde sowohl bei den „Klassikern“ als auch in der DDR ein hoher Stellenwert zugemessen. Für Marx wurde das Verhältnis von Natur und Mensch zum Schlüssel Animal Slavery, New York 1997. 188 Maurizi: Marxismus und Tierbefreiung; ders.: Marxismus und die Versklavung der Natur; Noske: Entfremdung; Perlo, Katherine: Marxism and the Underdog, in: Society&Animals 10:3 (2002), S. 303 – 318; Sztybel: Marxism and Animal Rights. 189 Vgl. Mütherich: Problematik, S. 96. 190 Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Philosophie, S. v. „Mensch“, 2. Aufl., Berlin (Ost) 1986, S. 340. 191 „Freiheit besteht also in der, auf Erkenntniß der Naturnotwendigkeiten gegründeten Herrschaft über uns selbst und über die äußere Natur“ Engels: Anti-D ühring, MEGA I/27, S. 312. „Die Freiheit in diesem Gebiet [Aneignung der Natur, A. L.] kann nur darin bestehn, daß der vergesellschaftete Mensch, die associierten Producenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den ihrer menschlichen Natur würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehn.“ Marx: Das Kapital, Bd. 3, MEGA II/15, S. 795. 192 Zum „sozialistischen“ Modernismus vgl. Radkau: Natur und Macht, S. 287 – 289.
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für das Verstehen von Geschichte 193: Der Mensch sei ein Produkt der Natur. Das „Naturwesen“ Mensch verändere nun selbst die Natur auf folgenreiche Weise, um seine Bedürfnisse zu befriedigen und ändere auf diese Weise auch seine eigene Natur.194 Der Mensch entwickle sich durch seine Tätigkeit an der Natur fortwährend weiter; die sich durch menschliches Wirken beständig verändernde Natur hingegen biete den Menschen anhaltend neue Möglichkeiten der Tätigkeit: Indem aber für den socialistischen Menschen die ganze sogenannte Weltgeschichte nichts anders ist als die Erzeugung des Menschen durch die menschliche Arbeit, als das Werden der Natur für den Menschen, so hat er also den anschaulichen, unwidersteh lichen Beweis von seiner Geburt durch sich selbst, von seinem Entstehungsprozeß.195
Damit bilden bei Marx Natur- und Menschengeschichte eine dialektische Einheit; eine „Einheit in ihrer Verschiedenheit.“ 196 Dadurch, dass der Mensch selbst Teil der Natur sei, wird die Naturgeschichte auch zu einer Menschengeschichte, denn der Mensch habe stets „eine geschichtliche Natur und eine natürliche Geschichte“.197 Auf diese Weise bestehe die Möglichkeit, das Geistes- und Naturwissenschaften verbunden werden können: Die Geschichte selbst ist ein wirklicher Theil der Naturgeschichte, des Werdens der Natur zum Menschen. Die Naturwissenschaft wird später eben so wohl die Wissenschaft von dem Menschen, wie die Wissenschaft von dem Menschen die Naturwissenschaft unter sich subsumieren: es wird eine Wissenschaft sein.198
Die Verbindung der Gesellschafts- und Naturwissenschaften hätte folgerichtig die Möglichkeit eröffnet, Tiere auch außerhalb der Zoologie zu betrachten. Doch trotz jener „Dialektik“ und wechselseitiger Bedingtheit war die starke
193 Vgl. Leiss, William: The Domination of Nature, New York 1972, S. 83. 194 „Die seiner Leiblichkeit angehörigen Naturkräfte, Arme und Beine, Kopf und Hand, setzt er in Bewegung, um sich den Naturstoff in einer für sein eignes Leben brauchbaren Form zu assimiliren. Indem er durch diese Bewegung auf die Natur außer ihm wirkt und sie verändert, verändert er zugleich seine eigne Natur.“ Marx: Das Kapital, Bd. 1, MEGA II/5-T, S. 129. 195 Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEGA I/2, S. 398. 196 Schmidt: Natur, S. 39 f. 197 Marx/Engels: Die Deutsche Ideologie, MEW 3, S. 43. 198 Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, MEGA II/1, S. 396. Zur Idee der Wissenschaft (Erkenntnistheorie als Gesellschaftstheorie) bei Marx vgl. auch Habermas: Erkenntnis und Interesse, S. 59 – 87.
Zusammenfassung
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Grenzziehung zwischen Kultur/Gesellschaft und Natur in der DDR-Rezeption besonders augenfällig. Die scharfe Trennung bestand in der Aufmachung eines asymmetrischen Dualismus: Der „Zweck menschlichen Daseins“ bestehe darin, die Natur „entsprechend den Bedürfnissen der Menschen umzugestalten“. Im festen Glauben an „die marxistisch-leninistische Ethik“ meinte man, sowohl „den rigoros-utilitaristischen Technizismus als auch den Standpunkt naiver, unbekümmerter Sentimentalität“ 199 überwinden zu können. Die Staatsideologie und die Realpolitik der DDR beförderten aber genau das Gegenteil: Natur wurde zu einem reinen Nutzenobjekt erklärt, dessen Bedeutung sich allein von der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse ableitete – „Natur an sich“ hatte keinen Wert. Diesem binären Konzept nach beherrsche und eigne sich die Kultur/Gesellschaft aktiv die passive (und damit objektifizierte) Natur an. Das legitimiere die Ausbeutung natürlicher Ressourcen und nichtmenschlicher Individuen. Nach der Maßgabe des Marxismus-Leninismus war Natur durch diese ökonomische Denkweise aber in keiner Weise gefährdet. War der Naturschutz bei Marx und Engels noch mehr oder weniger Auslegungssache und nur am Rande erwähnt, so wurde er in der DDR institutionalisiert. Der Natur- und Umweltschutz wurde zum Staatsziel mit Verfassungsrang erklärt und unter der Losung „Schutz der Natur und ihre Nutzung – eine Einheit“ 200 verbreitet. Die sozialistische Gesellschaft trat in diesem einseitigen Verhältnis folgerichtig als Nutzer und Schützer der Natur auf. Die mitunter katastrophalen Umweltschäden in der DDR bezeugten indes unübersehbar das zentrale, systemimmanente Problem des SED-Regimes: den Zwiespalt zwischen politischem Anspruch und historischer Realität. Am „sozialistischen“ Naturverständnis lassen sich überdies weitere Problembereiche identifizieren: Die reale Vielfalt wurde auf deterministische Gesetze reduziert und dem unerschütterlichen Glauben an die Steuerbarkeit aller Prozesse unterworfen. Natürliche Prozesse wurden anthropologisiert und gesellschaftlich- politische Auseinandersetzung naturalisiert. Das Fehlen eines politischen und wissenschaftlichen Pluralismus in der DDR hatte langfristig auch Auswirkungen auf alle Teilbereiche der Gesellschaft und damit auf das Verhältnis von Menschen und Tieren, dem ausschließlich das marxsche Tierbild zugrunde gelegt wurde.201 Das Tierbild bei Marx und Engels war in zwei sich gegenseitig bedingende Konzepte gegliedert: Tiere wurden auf der einen Seite als ‚das Andere‘, als Gegenmodell zum 199 Gusejnov, Abdusalam Abdulkerimovič/Titarenko, Aleksandr I.: Soziale Grundlagen der Moral, Berlin (Ost) 1979, S. 131 ff. 200 Richter, Johannes/Hörig, Horst: Wissenswertes über Naturschutz und Jagd, Berlin (Ost) 1988, S.10. 201 Vgl. dazu Burckhardt, Arnulf/Eschler, Erhard: Philosophische und ökonomische Aspekte des Tierschutzes in der DDR, in: Monatshefte für Veterinärmedizin (künftig: MfV) 23 (1968), S. 761 – 764, v. a. S. 761 – 763.
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Menschen entworfen. Sie s eien reine Naturwesen, denen es an Produktionstätigkeit, Gesellschaftsformation, Bewusstsein, Sprache und Werkzeugherstellung gänz lich fehlte oder diese Kategorien s eien bei ihnen unterentwickelt (was seltener zu finden war). Auf der anderen Seite seien Tiere ‚Material‘, das dem Menschen als ‚Naturstoff‘ zum Zwecke der Aneignung zur Verfügung stehe. Infolge dieser Mängel wurden Tiere zur Natur gerechnet und standen damit zur freien Verfügung menschlichen Willens. Die Fähigkeit zur gesellschaftlichen Produktion wurde zum alleinigen Abgrenzungskriterium z wischen Menschen und Tieren. Die Grenzziehung verlief entlang „(des Niveaus) der Produktion als Akt tätiger Selbstschöpfung.“ 202 Das seit der Antike vorherrschende Abgrenzungsmerkmal der Vernunftbegabtheit trat an zweite Stelle. Das Verhältnis des Menschen zum Tier war von Aneignung und Herrschaft geprägt und ausschließlich innerhalb der Ökonomie verortet. Die marxsche Theorie hatte mit ihrem Verständnis von Tieren und Natur auf diese Weise die „anthropozentrische Kluft zwischen Menschen und Tieren bzw. zwischen Kultur und Natur vergrößert“ 203.
202 Mütherich: Problematik, S. 121. 203 Noske: Entfremdung, S. 146.
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Von Nahrungskonkurrenten und Erziehungsmitteln: ‚Heimtiere‘ in der DDR „Unsere sozialistische Gesellschaft bietet allein die Möglichkeit, Kleintierhaltung auf humanistische, dem gesellschaftlichen Fortschritt dienende Weise zu betreiben. Sie zeigt zugleich Platz und Aufgaben der Kleintierhaltung im Leben der Gesellschaft und bei der weiteren Gestaltung unseres sozialistischen Wegs.“ 1
Die ‚Heimtier‘-Haltung, wie wir sie heute kennen, ist in ihrer Qualität und Quantität einmalig in der Geschichte.2 Niemals zuvor haben sich so viele Menschen Tiere in ihrer unmittelbaren, räumlichen Nähe und mit einer derartigen emo tionalen Verbundenheit gehalten.3 Die ‚Heimtier‘-Haltung war auch in der DDR etwas Alltägliches. Staat und Partei sahen sich dabei mit pragmatischen Problemen wie der Versorgung der Tiere mit ‚Heimtier‘-Bedarf und Futter unter den Bedingungen der Mangelwirtschaft ebenso konfrontiert wie mit der politisch- ideologischen Aufgabe, eine spezifisch sozialistische ‚Heimtier‘-Kultur auszubilden, w elche den gesellschaftlichen Umgang mit ‚Heimtieren‘ in seiner ganzen Spannbreite vom Zusammenleben in der Stadt über die veterinärmedizinische Versorgung bis hin zur Tötung umfasste. An diesem Punkt ist zu fragen, welche Funktionen ‚Heimtiere‘ in einer Gesellschaft erfüllen und damit einhergehend, welche gesellschaftliche Bedeutung ihnen zukommt. Praktiken der ‚Heimtier‘Haltung sowie deren Sinngehalt sind gesellschaftliche Konstrukte – Gebilde, die in einem von Experten dominierten Diskurs immer Veränderungen unterliegen.4
1 Eschler, Erhard: Gesellschaftswissenschaftliche Aspekte der Kleintierhaltung in der Deutschen Demokratischen Republik, in: MfV 30 (1975), S. 262 – 265, hier S. 265. 2 Vgl. Thomas: Natural World, S. 119. Zur Begriffsabgrenzung zwischen „Haustier“, „domestic animals/pets“ und „companion animal“, „Familienmitgliedern“ und „companion species“ vgl. Wischermann: Tiere und Gesellschaft, S. 108 – 113. 3 Die Bedeutung von Mensch-Tier-Beziehungen im Allgemeinen und die zu ‚Heimtieren‘ im Besonderen lässt sich auch daran ablesen, dass diese Sozialbeziehung langsam Einzug in die Soziologie hält, vgl. dazu Literaturangaben in der Einleitung unter Anm. 24. 4 Der Diskursbegriff, der hier Verwendung findet, ist an die Arbeiten von Michel Foucault angelehnt, vgl. Foucault, Michel: Die Ordnung der Dinge, Frankfurt am Main 1971; ders.: Archäologie des Wissens, Frankfurt am Main 1992. Zur Diskursanalyse vgl. Landwehr, Achim: Historische Diskursanalyse, 2. Aufl., Frankfurt am Main/New York 2009. Eine erste Untersuchung zum Verständnis der ‚Heimtier‘-Haltung in einem sozialistischen Land hat die Historikerin Amy Nelson im Jahr 2006 vorgelegt, vgl. Nelson: Hearth for a Dog. Zur Motivation zur ‚Heimtier‘-Haltung vgl. etwa Zemanek, Michaela: Motivation zur
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Zum ‚Heimtier‘-Begriff Unter dem Begriff ‚Heimtiere‘ werden gemeinhin Tiere versammelt, die völlig sachzweckfrei, zur reinen Freude gehalten werden. Der Historiker Thomas stellt drei weitere Hauptmerkmale auf, die ‚Heimtiere‘ („pets“) von anderen Tieren unterscheiden: Erstens haben ‚Heimtiere‘ Zutritt zu den Wohnräumen, zweitens werden ihnen individuelle Namen gegeben (je näher die jeweiligen Tiere ihrem Besitzer sind, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, dass diese Menschennamen tragen 5) und drittens werden ‚Heimtiere‘ aufgrund ihrer engen Beziehung zum Menschen niemals gegessen.6 Der Soziologe Geiger betont weiter die Bedeutung der Beziehungsfähigkeit im Verhältnis z wischen Mensch und Tier („Du-Evidenz“), das bedeutet, dass Mensch und (‚Heim-‘)Tier sich gegenseitig als kommunikative und handlungsfähige Subjekte wahrnehmen und sich dementsprechend verhalten.7 Welche Spezies dann schließlich im Schlachthaus oder im Wohnzimmer landet, ist historisch und sozio-kulturell abhängig. Deswegen kann es sich bei einer solchen Definition stets nur um eine Momentaufnahme handeln.8 In der DDR verstand
Heimtierhaltung, Diss. Universität Wien 1981; Knoth, Esther: Die Beziehung vom Menschen zum Heimtier zwischen Anthropozentrismus und Individualisierung: Ein Gegensatz?, in: Modelmog, Ilse/Lengersdorf, Diana/Motakef, Mona (Hrsg.): Annäherung und Grenzüberschreitung. Konvergenzen Gesten Verortungen, Duisburg-Essen 2008, S. 172 – 183; Pollack, Ulrike: Die städtische Mensch-Tier-Beziehung. Ambivalenzen, Chancen, Risiken, Diss. Freie Universität Berlin 2009. 5 Zur Tiernamensforschung vgl. die Beiträge in Dammel, Antje/Nübling, Damaris/ Schmuck, Mirjam (Hrsg.): Tiernamen – Zoonyme, Band 1: Haustiere, Band 2: Nutztiere, Heidelberg 2015. 6 Thomas stellt diese Merkmale für die ‚Heimtier‘-Haltung im frühen neuzeitlichen England auf, gleichwohl sind jene auch heute noch anwendbar, vgl. Thomas: Natural World, S. 112 – 115. 7 Unter „Subjekte“ versteht Geiger Lebewesen, die über ein eigenes „Innesein“ verfügen und Erlebnisse als „die seinen hat“, also Vorgänge auf sich beziehen kann, vgl. Geiger, Theodor: Das Tier als geselliges Subjekt, in: Legewie, Hermann (Hrsg.): Arbeiten zur biologischen Grundlegung der Soziologie, Leipzig 1931, S. 283 – 307. Zur Definition von ‚Heimtieren‘ vgl. auch Wiedenmann: Tiere der Gesellschaft, S. 19 f. Der interessante und nicht zu vergessende Ansatz der „companion species“ von Haraway ist hier weniger von Bedeutung, da mit d iesem Begriff nicht nur Mensch-‚Heimtier‘-Beziehungen bezeichnet werden, sondern er stellvertretend für viele andere „interspecies relationships“ steht (insbesondere interessiert sich die Autorin für das Verhältnis von ‚Labortieren‘ und ForscherInnen), vgl. Haraway: When Species meet, v. a. S. 15 – 19. 8 So bemerkt Serpell sehr treffend, dass man durchaus „darüber streiten könnte, ob Hunde und Katzen vom ästhetischen Standpunkt aus attraktiver als Schweine sind“, denn, so Serpell weiter, „Schweine sind nicht weniger intelligent als Hunde und Katzen; sie sind gesellig und sauber, und gezähmt werden sie zu liebenswerten Hausgenossen.“ Serpell, James: Das Tier und wir. Eine Beziehungsstudie, Zürich/Stuttgart/Wien 1990, S. 27. Und gerade das Schwein
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man unter ‚Heimtieren‘ buchstäblich „diejenigen Arten und Formen […], die sich in Wohnungen ohne größere Außenanlage pflegen lassen“ 9. Etwas detaillierter wurden darunter alle Tiere gezählt, die „in den häuslichen vier Wänden oder in einer Gartenvoliere gehalten und gepflegt werden, ohne daß zur Absicherung der Futtergrundlage ein größeres Grundstück oder ein landwirtschaftlicher Kleinbetrieb erforderlich ist.“ 10 Es fällt also sofort ins Auge, dass die Begriffsbestimmung über die räumliche Verortung des Tieres ging. Die emotionale Nähe zum Tier sollte demgegenüber bewusst keine Rolle spielen – wie s päter zu zeigen sein wird. So kam es auch, dass in der DDR Tierarten wie Schwarzkäfer, Taufliegen und Wasserwanzen zu Mitbewohnern des Wohnzimmers wurden 11, von denen anzunehmen ist, dass der Großteil der Menschen aufgrund der fehlenden „Du- Evidenz“ keine emotionale Bindung zu ihnen aufbaut.12 Die herausragende Stellung von ‚Heimtieren‘ in der westlichen Gesellschaft, ihre enge Bindung an die menschliche Lebenswelt, stellt die Kategorien Natur und Kultur zunehmend infrage. ‚Heimtiere‘ bewegen sich z wischen den Bereichen und unterlaufen damit auch deren strikte Abgrenzung. Die vielfältigen „Personalisierungstendenzen“ 13 von ‚Heimtieren‘, die sich beispielsweise in Form der Ansprache von ‚Heimtieren‘, aber auch in Form von deren Ausstaffierung mit Kleidung und anderen Accessoires ausdrücken 14, zeugen nicht nur von einer Individualisierung der Tiere, sondern eben auch von einer „Kultivierung“ des vorgeblich reinen ‚Naturwesens Tier‘. ‚Heimtiere‘ lassen folglich nicht nur die Grenze von Natur und Kultur brüchig werden, sondern auch diejenige z wischen Mensch und Tier verwischt hier. Die Frage „Is a pet an animal?“ verliert vor dem Hintergrund der Vermenschlichung von ‚Heimtieren‘ ihre scheinbare Absurdität.15 kann in westlichen Kulturen unter beide Tierkonzepte fallen: In der Landwirtschaft wird es zum ‚Nutztier‘ gemacht, während Hängebauchschweine und Minischweine („Teacup Pigs“) zum geliebten Wohnungsgenossen und damit als ‚Heimtier‘ konzipiert werden. Zum landwirtschaftlichen Tierbild vgl. Sauerberg, Achim/Wierzbitza, Stefan: Das Tierbild in der Agrarökonomie. Eine Diskursanalyse zum Mensch-Tier-Verhältnis, in: Pfau-Effinger/ Buschka (Hrsg.): Gesellschaft und Tiere, S. 73 – 96. 9 Jacob, Udo/Thomas-Petersein, Gudrun: Heimtiere, Leipzig 1982, S. 4. 10 Meyer, Rolf: Vom Umgang mit Tieren. Geschichte einer Nachbarschaft, Jena 1985, S. 165. 11 Vgl. Jacob/Thomas-Petersein: Heimtiere; Autorenkollektiv: Ein Tier für Dich, 3. Aufl., Leipzig/Berlin/Jena 1985, S. 7. 12 Vgl. Knoth: Heimtier, S. 174 f. 13 Vgl. Wiedenmann: Tiere der Gesellschaft, S. 33 ff. 14 Mit dem Aufkommen der ‚Heimtier‘-Haltung entstand auch ein neuer Wirtschaftszweig, der sich allein auf das Unterbringen und die Ausstattung von Heimtieren konzentrierte, vgl. Kete: Beast in the Boudoir, S. 84 ff.; Ritvo: Animal Estate, S. 86. 15 Vgl. Fudge, Erica: Animal, London 2002, S. 27 – 34. „[T]he pet crosses over species boundaries. It is an animal – it cannot speak – but it is also an ideal human – it says what we want it to
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Das folgende Kapitel widmet sich zwei großen Fragestellungen: Der erste Abschnitt fragt nach den Auswirkungen der SED-Ideologie auf die ‚Heimtier‘Kultur in der DDR und wie sich daraus ein neues, „sozialistisches“ ‚Heimtier‘Konzept entwickelte. In einem zweiten Absatz wird nach den Normen und Mechanismen gefragt, mithilfe derer die „sozialistische Heimtierkultur“ etabliert werden sollte und mit welchen Problemen sich der Staat diesbezüglich konfrontiert sah. Ziel des vorliegenden Kapitels ist es, aufzuzeigen, wie stark die ‚Heimtier‘-Haltung von der sozialistischen Ideologie und Gesellschaftsordnung beeinflusst wurde.
2.1 Das „sozialistische Heimtier“ – ‚Heimtier‘-Konzepte im Wandel Die ‚Heimtier‘-Haltung stellt aufgrund ihrer historischen Wurzeln und kulturellen Ausformung einen besonders interessanten Forschungsgegenstand dar – vor allem im Fall der DDR . Denn die Beschäftigung mit ‚Heimtieren‘, als Phänomen bürgerlicher Kultur begriffen, stellte für die SED -Staatsführung zunächst ein ideologisches Problem dar. Die ‚Heimtier‘-Haltung als ein schichtenübergreifendes Massenphänomen war eine Folge der im vorangegangenen Kapitel angedeuteten Durchsetzung industrieller Lebens- und Organisationsformen. Durch die Ausbreitung der urbanen Kultur fungierten ‚Heimtiere‘ verstärkt als Kompensation für das Verschwinden der Natur und stellten für viele Menschen die einzige Verbindung zur Natur dar.16 Zu jener Zeit wurde das Halten von ‚Heimtieren‘ breiteren sozialen Schichten zugänglich – vor allem dem zu Wohlstand gekommenen Bürgertum.17 Jetzt waren es nicht mehr nur die politischen und geistlichen Eliten, die das Privileg besaßen, sich ‚ökonomisch nutzlose‘ Tiere in ihrer nächsten Umgebung zu halten. Gleichwohl blieben Klassenunter schiede durch Tiere und Tierhaltung bestehen.18 Speziell ‚Heimtiere‘ wurden say.“ Ebenda, S. 33. 16 Vgl. Roscher: Königreich, S. 64. 17 Vgl. dazu vor allem Ritvo: Pet-keeping. Die europäische Entwicklung der ‚Heimtier‘-Haltung war nicht einheitlich, sondern unterlag zeitlichen und regionalen Unterschieden. Beispielsweise lässt sich für den angelsächsischen Raum konstatieren, dass ‚Heimtiere‘ dort bereits im 16. und 17. Jahrhundert endgültig in den Mittelschichten-Haushalten etabliert waren – besonders in den Städten, vgl. Thomas: Natural World, S. 110. In Frankreich hingegen zogen ‚Heimtiere‘ erst im 19. Jahrhundert verstärkt in die bürgerlichen Haushalte ein, vgl. Kete: Beast in the Boudoir. 18 Zum Verhältnis von Klassenzuordnung und Tierkontakt (auch über die ‚Heimtier‘-Haltung hinaus) vgl. Buchner-Fuchs, Jutta: Tiere und Klassendistinktion. Zur Begegnung mit P ferden, Karrenhunden und Läusen, in: dies./Rose (Hrsg.): Tierische Sozialarbeit, S. 309 – 323; dies.: Von Pferden, Hühnern und Läusen, in: Behnken, Imbke (Hrsg.): Stadtgesellschaft und
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im 19. Jahrhundert zu einem Mittel des Bürgertums, sich von der ‚Unterschicht‘ abzugrenzen. Insbesondere Hunde wurden zu Statussymbolen und damit zu einem Distinktionsmittel der von der Industrialisierung profitierenden Mittelklassen. Als eine Art „mobiles Eigentum“ konnten sie den sozialen Status, Luxus oder den guten Geschmack abbilden.19 Darüber hinaus versuchte das Bürgertum unter dem Vorwand der sozialen Verantwortung die ‚Heimtier‘-Haltung der ärmeren Schichten zu reglementieren und über moralische Werte soziale Kontrolle über die Arbeiterschaft auszuüben.20 Die SED -Staatsführung definierte die sozialistische Gesellschaftsordnung als Gegenmodell zur sogenannten „bürgerlichen Gesellschaft“ und zielte auf die Homogenisierung der Gesellschaft ab.21 Für die Einheitspartei bestand das Problem der Bürgerlichkeit dabei in doppelter Hinsicht: Auf der einen Seite war das Bürgertum ein Feindbild, das sich auf die von Marx definierte bürgerliche Klassengesellschaft bezog, in der sich die Besitzenden der Produktionsmittel – die „Bourgeoisie“ – und die besitzlosen LohnarbeiterInnen konträr gegenüberstanden. Das Bürgertum war zur herrschenden Klasse geworden, das durch sein Eigentum an Produktionsmitteln und Kapital an der Ausbeutung der Menschen beteiligt sei. Auf der anderen Seite missbilligten die DDR-Ideologen die bürger liche Kultur. Bürgerliche Leitbilder der Selbstorganisation, Selbstbestimmtheit (beispielsweise in Form des Vereinswesen, Partei- und Zeitungswesens oder einer eigenverantwortlichen Arbeit) und des stark ausgeprägten Individualismus waren den SED-Oberen ein Dorn im Auge – schließlich liefen jene dem Kontroll- und Lenkungsanspruch des Regimes zuwider. Außerdem passte der elitäre
Kindheit im Prozeß der Zivilisation, Opladen 1990, S. 219 – 242; dies.: Kultur mit Tieren. Für den englischsprachigen Raum vgl. v. a. Ritvo: Animal Estate; dies.: Pet-keeping; Roscher: Königreich, hier v. a. S. 174 – 206; Taylor, Nik: Pet Keeping and Social Status, in: ders.: Humans, Animals, and Society, S. 46 – 50. Für den frankophonen Raum vgl. Kete: Beast in the Boudoir. 19 Vgl. Brantz: Domestication, S. 78. 20 Am Beispiel der städtischen Hundehaltung vgl. Steinbrecher, Aline: Fährtensuche: Hunde in der frühneuzeitlichen Stadt, in: Traverse 3 (2008), S. 45 – 59; Ritvo: Animal Estate, S. 177 – 180; dies.: Pet-keeping, S. 105 f. Am Beispiel der Tierschutz-/Tierrechtsbewegung vgl. Roscher: Königreich, S. 184; Buchner: Kultur mit Tieren, S. 194. 21 Vgl. Pollack, Detlef: Die konstitutive Widersprüchlichkeit der DDR. Oder: war die DDRGesellschaft homogen?, in: GG 24/1 (1998), S. 110 – 131; vgl. auch Meuschel, Sigrid: Machtmonopol und homogenisierte Gesellschaft. Anmerkungen zu Detlef Pollack, in: GG 26 (2000), S. 171 – 183. Zu Definitionsansätzen bürgerlicher Kultur vgl. Kocka, Jürgen: Bürgertum und Bürgerlichkeit als Problem der deutschen Geschichte vom späten 18. Jahrhundert zum frühen 20. Jahrhundert, in: ders. (Hrsg.): Bürger und Bürgerlichkeit im 19. Jahrhundert, Göttingen 1987, S. 21 – 63; Hettling, Manfred: Bürgerliche Kultur – Bürgerlichkeit als kulturelles System, in: Lundgreen, Peter (Hrsg.): Sozial- und Kulturgeschichte des Bürgertums, Göttingen 2000, S. 319 – 339.
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Anspruch des Bildungsbürgertums nicht zum egalitären Weltbild der DDR.22 Das Wort „bürgerlich“ wurde in der DDR so zu einer Art „Schimpfwort“, das immer weniger eine soziale Zugehörigkeit bezeichnete als eine politisch-ideolo gische Überzeugung beziehungsweise eine (vermutete) feindliche Einstellung der DDR gegenüber, dem selbsternannten Arbeiter- und Bauernstaat.23 Demzufolge versuchte die SED-Staatsführung das Bürgertum zu destruieren, indem sie ihm seine politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Grundlagen entzog.24 Die zahlreichen Maßnahmen, die gegen das Wirtschafts- und Bildungsbürgertum abzielten und eine s oziale und gesamtgesellschaftliche „Entdifferenzierung“ 25 forcierten, waren umfangreich und vor allem in den Fünfzigerjahren von besonderer Intensität.26 Trotz dieser „Verlustgeschichte“ vermochte es das SED-Regime weder die bestehenden tradierten Klassenschranken aufzulösen noch bürgerliche Vorstellungen und Verhaltensmuster gänzlich zu beseitigen.27 Die ‚Heimtier‘-Haltung bildete hierfür ein sehr gutes Beispiel. 22 Im Verständnis der SED-Ideologie sei die „Elitentheorie“ des Westens eine „bürgerliche Theorie, nach der die Volksmassen, die Werktätigen, zu jeder eigenständigen, schöpferischen Leistung unfähig sind, als willenlose, leicht verführbare Masse keine eigenständige geschichtsbildende Kraft darstellen, sondern zu ihrer Führung einer Elite bedürfen“. In der egalitären Gesellschaft des Sozialismus hingegen würde „durch den gesamten Entwicklungsprozeß bewiesen, daß die Volksmassen die Schöpfer der Geschichte sind.“ Kleines politisches Wörterbuch, S. v. „Elitentheorie“, Berlin (Ost) 1973, S. 190 f.; vgl. weiterführend dazu die Beiträge in Hübner, Peter (Hrsg.): Eliten im Sozialismus. Beiträge zur Sozialgeschichte der DDR, Köln (u. a.) 1999. 23 Vgl. Kleßmann, Christoph: Relikte des Bildungsbürgertums in der DDR, in: Kaelbe/Kocka/ Zwahr (Hrsg.): Sozialgeschichte, S. 254 – 270, hier S. 255. 24 Vgl. Großbölting: Entbürgerlichte DDR, S. 415. 25 Vgl. Meuschel, Sigrid: Legitimation und Parteiherrschaft. Zum Paradox von Stabilität und Revolution in der DDR. 1945 – 1989, Frankfurt am Main 1992, S. 10. 26 Vgl. dazu Bauerkämper, Arnd: Die Sozialgeschichte der DDR, München 2005, S. 35 f. Zu Formen und Strategien der Entbürgerlichung vgl. auch: Siegrist, Hannes: Wie bürgerlich war die Bundesrepublik, wie entbürgerlicht die DDR? Verbürgerlicher und Antibürgerlichkeit in historischer Perspektive, in: Hockerts, Hans Günter (Hrsg.): Koordinaten deutscher Geschichte in der Epoche des Ost-West-Konflikts, München 2004, S. 207 – 243, hier v. a. 235 – 238. 27 Vgl. Großbölting: Entbürgerlichte DDR. Insbesondere in den Fünfzigerjahren war die Prägkraft bürgerlicher Lebensformen ausgesprochen hoch. Die Staatsführung orientierte sich bei der Konzeption sozialistischer Leitbilder mangels eigener gesellschaftlicher Modelle an bürgerlichen Werten und Verhaltensnormen und zog bürgerliche Traditionen zur eigenen Legitimation heran, vgl. Ernst, Anna-Sabine: Erbe und Hypothek. (Alltags-)kulturelle Leitbilder in der SBZ/DDR 1945 – 1961, in: Stiftung Mitteldeutscher Kulturrat (Hrsg.): Kultur und Kulturträger in der DDR. Analysen, Berlin 1993, S. 9 – 72; Wolle, Stefan: Der große Plan. Alltag und Herrschaft in der DDR (1949 – 1961), Berlin 2013, S. 175 ff. Im Widerspruch zum offiziellen Ziel der gesellschaftlichen Klassenlosigkeit beförderte die DDR durch ihre Kaderpolitik überdies die Klassendistinktionen, vgl. die Beiträge in Vester, Michael (Hrsg.):
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2.1.1 ‚Heimtier‘-Haltung in den Fünfziger- und Sechzigerjahren Der traditionelle Zusammenhang von Bürgertum und ‚Heimtier‘-Haltung bot den SED-AnhängerInnen der ersten Stunde eine ideale Angriffsfläche, was sich besonders deutlich in der Auseinandersetzung in den Fünfzigerjahren um die Tierschutzvereine zeigte.28 ‚Heimtier‘-BesitzerInnen wurden als rückständige und misanthropische „Hundeonkels und Katzentanten“ 29 bezeichnet, denen man vorwarf, ihre Fürsorge gelte mehr den Tieren als den Menschen. Ein Ding der Unmöglichkeit in der ihrem Selbstverständnis nach „humanistischen“ DDR, deren Ideologie zufolge allein der Mensch im Mittelpunkt aller fürsorglichen Bestrebungen stand. Das Bedürfnis, eine enge emotionale Bindung zu einer individuellen Tierpersönlichkeit aufzubauen, blieb der SED-Entourage stets befremdlich. Außerdem sah es die DDR-Regierung vermutlich lieber, wenn die Bevölkerung sich mit den großen Ideen des Marxismus-L eninismus, wie den übergeordneten Idealen der Klassenlosigkeit und dem Kollektivismus beschäftigte, statt sich individuellem Vergnügen und persönlichen Beziehungen (schon gar nicht zu Tieren) hinzugeben.30 Denn das wurde als Rückzug aus der gesellschaft lichen Verantwortung und als Individualismus/Egoismus gedeutet. Das Halten von ‚Heimtieren‘ im Bürgertum spiegelte zudem eine größere Betonung der individuellen Autonomie wider.31 Zum anderen sah die SED-Gefolgschaft in der bürgerlichen Tierhaltung eine ‚sentimentale Gefühlsduselei‘, denn Emotionalität wurde mit Irrationalität und Unaufgeklärtheit gleichgesetzt. Als Natur- und TierfreundIn konnte man schnell unter den Verdacht der „versponnen-kleinbürger lichen […] Naturschwärmerei“ 32 fallen. Die ideologischen Vorbehalte gegenüber der ‚Heimtier‘-Haltung wurden durch die Not der Nachkriegsjahre, insbesondere was die Ernährungs- und Wohnungslage betraf, weiter geschürt.33 Besonders Soziale Milieus in Ostdeutschland. Gesellschaftliche Strukturen z wischen Zerfall und Neubildung, Köln 1994. 28 Zur Rhetorik gegen TierschützerInnen siehe Kapitel 4.1. 29 Berliner Tierparkdirektor Heinrich Dathe auf der 14. Sitzung des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft mit dem Ausschuss für Gesundheitswesen in der Volkskammer der DDR, am 21. 05. 1962, BArch DA 1/2984, Bl. 39. 30 Diese Vermutung stellt Sax für die Ideologie des Nationalsozialismus auf. Die NS-Regierung wollte die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf abstrakte Ideale wie Rasse und Nation lenken, statt auf zwischenmenschliche Beziehungen. Weiterhin war auch im Nationalsozialismus das Halten von ‚Heimtieren‘ als bürgerliche Sentimentalität verhöhnt, vgl. Sax: Animals, S. 121 f. 31 Vgl. Ebenda, S. 82. 32 Peters: Mensch und Tierwelt, S. 120. 33 Vgl. dazu Schwarzer, Oskar: Sozialistische Planwirtschaft in der SBZ/DDR. Ergebnisse eines ordnungspolitischen Experiments (1945 – 1989), Stuttgart 1999, S. 170 – 175.
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Hunde und Katzen wurden vom Staat als Nahrungskonkurrenten und potentielle Krankheitsüberträger gebrandmarkt. Die Lebensmittelversorgung, vor allem bei Fleisch und anderen Tierprodukten, blieb in der DDR bis 1963 von starken Krisen geprägt.34 Kostbare Lebensmittel, insbesondere Fleisch, an „unnütze“, „nicht arbeitende“ und vor allem „nicht essbare“ Tiere zu verschwenden, wurde als unerhörter Luxus bewertet und fand dementsprechend oft kein Verständnis. Eine Gesundheitsgefahr stellten vor allem die, durch die Kriegswirren zahlreich gewordenen, streunenden Tiere in den städtischen Ballungsräumen dar. In Ost-Berlin fing der „Amtliche Hundefang“ des Tierheims über zehn Jahre nach Kriegsende, 1958, noch immer 1.712 streunende Hunde und Katzen ein (und tötete sie zumeist).35 Aus den genannten Gründen standen in der Auseinandersetzung der jungen DDR mit ‚Heimtieren‘ – sofern sie überhaupt stattfand – vor allem zwei Punkte im Vordergrund: Die Frage nach dem Nutzen jener Tiere und Fragen zu Hygiene und Gesundheitsschutz im Umgang mit Tieren. Die Zeitschrift „Deine Gesundheit“ 36 beispielsweise behandelte schon Ende der Fünfzigerjahre die ‚Heimtier‘-Haltung und widmete diesem Themenkomplex regelmäßig Artikel (besonders in den Achtzigerjahren, der Hochzeit der ‚Heimtier‘-Haltung). Die Zeitschrift betrieb in Zusammenarbeit mit anderen Medien 34 Hauptgründe dafür waren vor allem die Auswirkungen der Kollektivierung der Landwirtschaft (1952 – 1960), die Aufhebung der Lebensmittelrationierung (1958) sowie die allgemeine Misswirtschaft und Verteilungsprobleme. Nach dem Mauerbau wurde die Lebensmittelversorgung durch „Hamsterkäufe“ weiter belastet. Zur Krise der Lebensmittelversorgung vgl. Poutrus: Goldbroiler, S. 48 – 59; Wolle: Plan, S. 374 – 385. Zur Ratio nierung von Nahrungs- und Konsumgütern vgl. auch Roesler, Jörg: Privater Konsum in Ostdeutschland 1950 – 1960, in: Schildt, Axel/Sywottek, Arnold (Hrsg.): Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre, Bonn 1993, S. 290 – 303, hier S. 291 f. Zur allgemeinen Wirtschaftskrise Anfang der Sechzigerjahre vgl. Steiner, André: Vom Überholen eingeholt. Zur Wirtschaftskrise 1960/61 in der DDR, in: Ciesla, Burghard/Lemke, Michael/Lindenberger, Thomas (Hrsg.): Sterben für Berlin? Die Berliner Krisen 1948 – 1958, Berlin 2000, S. 245 – 262. 35 Vgl. Bericht über die Arbeit des öffentlichen Veterinärwesens im Magistratsbereich von Groß-Berlin im Jahre 1958, LAB C Rep. 112, Nr. 232, unpag. Den Anstieg der Tollwutgefahr vor Augen („Die augenblickliche Tollwutsituation im Berliner Bereich ist als Katastrophe anzusehen.“), beantragte der Leiter der Veterinärinspektion 1960 zusätzliche Mitarbei terInnen für den Tierfang (bis dahin waren es nur drei für ganz Ost-Berlin gewesen), vgl. Antrag des Leiters der Veterinärinspektion Dr. Koster auf Erweiterung des amtlichen Hundefangs bei der Abt. Finanzen des Magistrats von Groß-Berlin – Stellenplankommission – vom 11. 04. 1960, LAB C Rep. 105, Nr. 95, unpag. Seinem Antrag wurde aufgrund der Dringlichkeit stattgegeben, so dass der „Amtliche Hundefang“ schließlich insgesamt über fünf Arbeitskräfte verfügte, vgl. Struktur und Stellenplan des Amtlichen Hundefangs und Tierheims, Berlin, den 20. 01. 1962, LAB C Rep. 105, Nr. 95, unpag. 36 Die Zeitschrift erschien von 1955 bis 1993, herausgegeben vom Deutschen Hygiene Museum und ab 1972 vom Nationalen Komitee für Gesundheitserziehung der DDR.
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systematisch die Etablierung von Verhaltensnormen im Umgang mit Tieren. Im Jahr 1959 konnten sich die Leser etwa an einem Bilderpreisrätsel zu Fragen der ‚Heimtier‘-Haltung beteiligen (zu gewinnen waren 50, 25 und zehn DM).37 Acht Fotos zeigten die „häufigsten Vergehen gegen die Hygiene“ und „wie man es richtig machen soll“. Zu sehen waren etwa eine Katze im Bett, ein Hund im Arm einer schlafenden Frau, ein Hund im Arm eines essenden Kindes oder ein Dackel in der Hundehütte sowie ein Terrier in der Zinkwanne. Was war falsch, was war richtig? Die Auflösung folgte in der übernächsten Ausgabe: Die Katze „Morchen“ hatte „nichts im Ehebett zu suchen“, der Hund „Putzi gehört beim Mittagsschlaf nicht an Frauchens Seite“ und auch nicht an den Tisch, denn man wisse doch, „wie leicht das Butterbrot mit allem Möglichen beschmutzt werden kann“. Richtig hingegen lag man beim Dackel, denn „Conny [hat] seine eigene Hütte und seinen eigenen Freßnapf“, und beim badenden Terrier, „weil Putzi seine eigene Badewanne hat und immer schön gebadet wird.“ 38 Die ‚Heimtier‘Haltung war folglich nur unter der Bedingung geduldet, wenn „Hygiene eine Grundvoraussetzung für den Umgang mit Haustieren ist.“ 39 Einen Text, der nicht die Gesundheitsrisiken der ‚Heimtier‘-Haltung betonte, gab es praktisch nicht, auch wenn ab den Siebzigerjahren zunehmend positive Aspekte der ‚Heimtier‘Haltung genannt wurden. In der seit den Siebzigerjahren erschienenen ‚Heimtier‘-Literatur zeigte sich der Hygienediskurs durch einen strengen Kanon, der neben Themen wie „Haltung“, „Fütterung“, „Pflege“ und „Fortpflanzung“ der Beschreibung von Krankheiten (tierliche und auf den Menschen übertragbare) einen besonders großen Raum einräumte. Dazu ein Beispiel aus dem Kinderbuch „Mein Tier und ich“ 40, das, trotz des aussichtsreichen Titels, keinerlei
37 „Haustiere in der Wohnung?“ Preisrätsel, in: Deine Gesundheit 1 (1959), S. 31. Bis 1964 trug die Währung in der DDR die Abkürzung DM (Deutsche Mark der Deutschen Notenbank). Im Anschluss führte man neue Banknoten und die Währungsbezeichnung MDN (Mark der Deutschen Notenbank) ein, die 1967 schließlich von der Mark der DDR (M) abgelöst wurde, vgl. Rainer Gries: Die Mark der DDR. Eine Kommunikationsgeschichte der sozia listischen deutschen Währung, Erfurt 2003, S. 45 und S. 51. 38 Auflösung des Bilderpreisrätsels, in: Deine Gesundheit 3 (1959), S. 31. 39 „Tiere im Heim“, in: Deine Gesundheit 7 (1978), S. 215 – 216, hier S. 216. 40 Kuntze, Armin: Mein Tier und ich, 2. Aufl., Berlin (Ost) 1983. Zum Thema Kinder und Tiere sowie Tiere in Kinderbüchern im Besonderen vgl. etwa Kete, Kathleen: Verniedlichte Natur. Kinder und Haustiere in historischen Quellen, in: Brantz/Mauch (Hrsg.): Tierische Geschichte, S. 123 – 137; Paul, Elizabeth/Serpell, James: Childhood and Petkeeping and Human Attitudes in Young Adulthood, in: Flynn (Hrsg.): Social Creatures, S. 149 – 160; Eitler, P ascal: „Weil sie fühlen, was wir fühlen“. Menschen, Tiere und die Genealogie der Emotionen im 19. Jahrhundert, in: Historische Anthropologie 19/2 (2011), S. 211 – 228; ders.: Tiere und Gefühle. Eine genealogische Perspektive auf das 19. und 20. Jahrhundert, in: Krüger/Steinbrecher/Wischermann (Hrsg.): Tiere und Geschichte, S. 59 – 77.
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gemeinsame Interaktion von Kindern und Tieren zeigte (wie im Übrigen der Großteil derartiger Bücher). Aus heutiger Sicht erscheint es recht befremdlich, wenn in Büchern für jüngere Kinder Krankheiten wie die Vorhautkatarrh und Tuberkulose beim Hund, die Phenolvergiftung der Katze, Mäusepocken oder Psittakose des Wellensichtichs behandelt (und teilweise bebildert) werden. Die Beschreibung der Krankheiten der einzeln vorgestellten Tiere nahm in den Kapiteln bis zu Zweidrittel des Raumes ein. Als „das Tier für Kinder“ schlechthin wurde das Meerschweinchen angepriesen, unter anderem deshalb, weil von ihm (abgesehen „von einer selten vorkommenden Hautpilzinfektion“) keine Zoonosen ausgingen.41 Die Verhaltensnormative im Umgang mit Tieren waren ein Teil der ambitionierten Gesundheitspolitik der DDR, in deren Vordergrund die Prophylaxe, die „vorbeugende Gesundheitsfürsorge“, stand. Der SED-Staat auferlegte den BürgerInnen eine Art „Gesundheitspflicht“ und übernahm im selben Atemzug die Kompetenzen für alle Gesundheitsfragen.42 Hygiene wurde zum Aushängeschild für den „sozialistischen“ Fortschritt, bedeutete aber zugleich Belehrung und Bevormundung der Bevölkerung.43 Die Hervorhebung von Gesundheitsrisiken im Umgang mit ‚Heimtieren‘ („[g]efährliches Spielzeug“ 44) sollte überdies einen rationellen Umgang mit Tieren befördern. Wenn gefordert wurde, dass „[j]ede Intimhaltung und übertriebene Zärtlichkeit mit Tieren […] zu unterlassen“ 45 sei, dann nicht nur aus hygienischen Gründen, sondern auch, um das Tier nicht zu ‚vermenschlichen‘. Denn „[t]rotz aller Aufklärung führt die Vermenschlichung auch heute noch zu großen Unklarheiten und falschen Einstellungen dem Tier gegenüber.“ 46 Mit der Aufstellung von Verhaltensnormen beim Tierkontakt setzte die DDR die Tradition der sozialen Kontrolle fort: Versuchten im 18. und 19. Jahrhundert die ‚höheren‘ Klassen den ‚niedrigeren‘ sozia len Schichten das Halten von ‚Heimtieren‘ zu verbieten, so sollte der Wunsch nach dem „unnützen“ ‚Heimtieren‘ in der DDR am besten allen BürgerInnen aberzogen werden – was den politischen ProtagonistInnen gründlich misslang.
41 Kuntze: Mein Tier, S. 138 (Hervorhebung A. L.). Ein anderes Buch wies gleich im Titel auf Krankheiten hin: Schöne, Richard/Arnold, Peter: Der Wellensittich. Heimtier und Patient, 3., überarb. Aufl., Jena 1983, S. 14 f. 42 Vgl. Schleiermacher, Sabine: Prävention und Prophylaxe: Eine gesundheitspolitische Leitidee im Kontext verschiedener politischer Systeme, in: Labisch, Alfons/Paul, Norbert (Hrsg.): Historizität. Erfahrung und Handeln – Geschichte und Medizin, Wiesbaden 2004, S. 171 – 177, hier S. 174 f. 43 Vgl. Kreuder-Sonnen, Katharina/Renner, Andreas: Einleitung: Gesellschaft, Kultur, Hygiene in Osteuropa, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 61/4 (2013), S. 481 – 488, hier S. 484. 44 „Gefährliches Spielzeug“, in: Deine Gesundheit 7 (1972), S. 208 – 210. 45 „Tiere im Heim“, in: Deine Gesundheit 7 (1978), S. 215 – 216, hier S. 216. 46 Bürger, Manfred: Das Tier in unserer Umwelt, Berlin (Ost) 1985, S. 262.
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Die andere Ebene des ‚Heimtier‘-Diskurses in den Anfangsjahren der DDR war die der Nutzenfrage. In der „Arbeitsgesellschaft“ 47 der DDR herrschte eine ideologische Überhöhung von Erwerbstätigkeit und „Werktätigen“, was sich auch auf Tierkonzepte auswirkte. So stellen die Historikerinnen Nelson und Costlow fest, dass der „Nützlichkeitsethos“ innerhalb der jungen sozialistischen Länder Werte – für Mensch und Tier – hervorbrachte, die sich an dem individuellen Beitrag am Aufbau des Sozialismus orientierten.48 Beim Hund kam das Konzept des arbeitenden Heimtieres „als Diener beim Aufbau des Sozialismus“ besonders stark zur Geltung. So konnten ‚Jagd-‘, ‚Wach-‘ oder ‚Hütehunde‘ im Arbeiterund Bauernstaat akzeptiert werden, während ‚Luxus-‘ und ‚Schoßhunde‘ sowie ‚Streuner‘ weiterhin diffamiert wurden. So ging es in der DDR-Hundezucht nicht um simple ‚Gebrauchshunde‘.49 In der ersten Ausgabe der kynologischen Fachzeitschrift der DDR „Der Hund“ war zu lesen: Die in Leipzig tagende Versammlung der bevollmächtigten Vertreter der Spezial- Zuchtgemeinschaften in der VdgB (BHG)50 für Diensthunderassen hat die für die Schaffung eines kynologischen Fachblattes geleisteten Vorarbeiten gebilligt und begrüßt 47 Kohli, Martin: Die DDR als Arbeitsgesellschaft? Arbeit, Lebenslauf und soziale Differenzierung, in: Kaelbe/Kocka/Zwahr (Hrsg.): Sozialgeschichte, S. 31 – 61; Hübner: Arbeit, S. 350 – 359. Die Heroisierung der Arbeitswelt manifestierte sich auch in Literatur und Kunst. Mehr noch, die DDR-Verfassung schrieb sogar die Pflicht zur Arbeit (und Recht auf Arbeit) vor; Arbeitsverweigerung konnte mit bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug bestraft werden, vgl. Artikel 24 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. April 1968: „Gesellschaftliche nützliche Tätigkeit ist eine ehrenvolle Pflicht für jeden arbeitsfähigen Bürger. Das Recht auf Arbeit und die Pflicht zur Arbeit bilden eine Einheit.“ und StGB § 249 (1 und 5) Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Zum „Recht auf Arbeit“ und der diesbezüglichen Konsequenzen vgl. Bouvier, Beatrix: Die DDR – ein Sozialstaat? Sozial politik in der Ära Honecker, Bonn 2002, S. 115 ff. und 130 – 138; Hübner: Arbeit, S. 377 – 427. 48 Vgl. Costlow, Jane/Nelson, Amy: Introduction: Integrating the Animal in: dies. (Hrsg.): Other Animals, S. 1 – 16, hier S. 11. 49 Vgl. dazu Wippermann, Wolfgang/Berentzen, Detlef: Die Deutschen und ihre Hunde. Ein Sonderweg der Mentaltitätsgeschichte?, München 1999, S. 94 ff. 50 Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) und Bäuerliche Handelsgenossenschaft (BHG). Die Massenorganisation VdgB wurde im Zuge der Bodenreform 1945 zur Unterstützung der bäuerlichen Selbsthilfe und Interessenvertretung aufgebaut, vgl. Kuntsche, Siegfried: Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe, in: Stephan, Gerd-Rüdiger/Herbst, Andreas/Krauss, Christine/Küchenmeister, Daniel/Nakath, Detlef (Hrsg.): Die Parteien und Organisationen der DDR. Ein Handbuch, Berlin 2002, S. 560 – 592. Bis 1953 waren die Hundesportler in der VdgB organisiert. Von 1953 bis 1955 wurden sie an den Verein der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (VKSK) angegliedert und ab bis 1961 bei der Gesellschaft für Sport und Technik (GST). Erst 1961 wurde die selbständigen Sektion Dienst- und Gebrauchshunde gegründet. Zur GST vgl. Heider, Paul: Gesellschaft für Sport und Technik, in: Stephan (u. a.) (Hrsg.): Parteien und Organisationen der DDR, S. 678 – 700.
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den damit gesicherten Erfolg der Gewährleistung einer fortschrittlichen Entwicklung in Zucht und Leistung im Interesse des Aufbaus der DDR.51
Die Hundezucht wurde auf diese Weise ideologisch aufgeladen und instrumentalisiert, denn die Beiträge zum Aufbau der DDR waren vielfältig: Der Hund half bei der Planerfüllung mit: „geradezu entscheidend für die Arbeit des Schäfers aber ist die Mitwirkung eines Hütehundes, ohne den er seine schwere Aufgabe niemals meistern kann. So spielt also der Hütehund bei der Erfüllung des Fünfjahresplans eine klar umrissene und wichtige Rolle.“ 52 HundesportlerInnen unterstützen den Frieden: „Wir müssen aber begreifen, daß Liebe und all die anderen schönen Eigenschaften nicht ausreichen; denn unser Sport kann nur im Frieden blühen und gedeihen. […] Jeder Hundesportler, der seinen Hund wirklich liebt, muß ein aktiver Wahlhelfer und damit Kämpfer für den Frieden sein.“ 53 Und nicht zu vergessen waren sie Grenzschützer: „Sie schützen die Grenzen unserer Republik“ 54, hieß es vor 1961 und nach dem Mauerbau war zu lesen: Als der Kampfauftrag des Zentralrats der FDJ an alle Jungen erging, durch ihren Beitritt zu den bewaffneten Organen die Verteidigungskraft der Republik zu stärken, erklärten sich spontan viele Hundesportler bereit, ihren Ehrendienst sofort aufzunehmen. So bat der Kamerad Horst Lehmann […], da er Hundesportler ist, bei der Deutschen Grenzpolizei als Hundeführer seinen Dienst tun zu dürfen. […] Aus allen spricht klar und deutlich: Unsere Hundesportler wissen, daß es jetzt darauf ankommt, die Deutsche Demokratische Republik mit allen Kräften zu stärken und zu schützen.55
Um den hundlichen Dienst am Aufbau des Sozialismus noch zu unterstreichen, wurde dem „sozialistischen Hund“ der ‚menschenfeindliche‘ Hund des ‚kapitalistischen Gegners‘ gegenübergestellt: In Westdeutschland trieben die Hunde züchterInnen nämlich ihr Unwesen und dabei kämen „Bluthunde“ heraus, „die um Frieden und Einheit demonstrierende Menschen zerreißen, Minenhunde, die in den aggressiven Söldnerarmeen ‚dienen‘ und gegebenenfalls mit Fallschirmen abgeworfen, Pestgenerals Ridgways 56 infizierte Insekten ‚an den Mann bringen‘ sollen“.57 Und während
51 Der Hund 1/1 (1952), S. 2. 52 Der Hund 1/4 (1952), S. 113. 53 Der Hund 6/6 (1957), S. 3. 54 Der Hund 5/4 (1956), S. 18 f. 55 Der Hund 10/10 (1961), S. 3. 56 Matthew B. Ridgway (1895 – 1993), General bei der U. S. Army. 57 Vorwort, in: Der Hund 1/7 (1952).
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der Diensthund der Volkspolizei der DDR zum Schutze und zur Sicherheit der Bürger und der sozialistischen Errungenschaften eingesetzt wird, wird er im volksfeindlichen, imperialistischen Bonner Staat von der Polizei zur Jagd auf Menschen mißbraucht, die in Demonstrationen ihren Protest gegen die Notstandsgesetze, gegen Aufrüstung und Revanchismus der Neofaschisten, gegen Schließung von Betrieben und Zechen, zum Zwecke des Profits der Konzerne und gegen das geplante Bauernsterben zum Ausdruck bringen.58
Aber auch abseits des Klassenkampfes war das Nützlichkeitsethos vernehmbar. In einem der ersten in der DDR publizierten Hundebücher über Dackel (1957) hieß es: Nicht zu viel Spielen wollen wir mit dem jungen Dachshund – wir wollen ihn nicht als Spielzeug haben, sondern zu unserem Hundekameraden heranziehen. […] Denn unabhängig davon, ob auf dem Lande oder in der Stadt: Teckelzucht ist Gebrauchshundezucht und der Teckel nicht nur ein Spielzeug.59
Der einseitige Trend zur „jagdlichen Leistungszucht“ und die Verdrängung „reiner Schönheitszucht“ führte unter DackelzüchterInnen durchaus zu Unmut und Austritten aus den Zuchtgemeinschaften.60 Doch es half nichts, die Prämisse war, dass „die Teckelzucht kein ‚Hobby‘ sei, sondern eine stets anzuerkennende Arbeit im Rahmen des ‚Nationalen Aufbauwerkes‘61 der DDR.“ 62 58 „Hunde im Einsatz – für und gegen die Interessen der Völker“, in: Der Hund 17/10 (1968), S. 10 – 12, hier S. 10. Zum Thema Hunde als Instrumente totalitärer Staatsgewalt vgl. auch Skabelund, Aaron: Rassismus züchten. Schäferhunde im Dienst der Gewaltherrschaft, in: Brantz/Mauch (Hrsg.): Tierische Geschichte, S. 58 – 78; Wippermann: Hund. 59 Roth-Sierts, Ursula: Der Dackel, Wittenberg Lutherstadt 1957, S. 92 f. Fast zwei Jahrzehnte später konnte man über den Dackel oder Dachshund noch lesen: „Passionierte Züchter der DDR sorgen dafür, daß seine guten jagdlichen Eigenschaften nicht verkümmern.“ Teichmann, Peter: Das große Hundebuch, Leipzig 1974, S. 165. 60 Vgl. Schubert, Friedolt: 45 Jahre Teckelgeschichte in der DDR, Leutenberg 1999, S. 8 und S. 27 f. Der Autor (Dackelzüchter in der DDR) berichtet weiter, dass die Angliederung der JagdhundezüchterInnen an die GST 1955 und 1961 an die örtlichen Jagdgesellschaften seinerzeit für viel Verdruss gesorgt hätte. Auch die ständige Erhöhungen der Zuchtanforderungen und Prüfanordnungen vergraulte viele ZüchterInnen, vgl. ebenda, S. 27 ff.; 33 ff. und S. 56. 61 Staatlich initiierte „Bürgerinitiative“ der „Macht-mit-Bewegung“, vgl. Herbst, Andreas/ Ranke, Winfried/Winkler, Jürgen: So funktionierte die DDR. Lexikon der Organisationen und Institutionen, Band 2, S. v. „Sozialistischer Wettbewerb“, Reinbek bei Hamburg 1994, S. 923 – 930, hier S. 928. 62 So die Verlautbarungen auf den offiziellen Zuchtveranstaltungen und Ausstellungen der Dackelfreunde, vgl. Schubert: Teckelgeschichte, S. 31. Ein weiteres, eindringliches Beispiel für den Dienst des Hundes für den Sozialismus kommt aus dem sowjetischen Raum: die
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Die Betonung des gesellschaftlichen Nutzens von Hunden blieb, wie der Fokus auf Hygienefragen, über die Anfangszeit der DDR hinaus bestehen. Bei Hunden machte sich das Nutzendenken etwa durch die Popularität von Hunderassen bemerkbar, die ursprünglich als ‚Dienst-‘ und ‚Gebrauchshunde‘ gezüchtet wurden.63 In der Beliebtheitsskala ganz weit oben stand der „Deutsche Schäferhund“.64 Die Beliebtheit von ‚Gebrauchshunden‘ zeigte sich ebenso auf den Hundeausstellungen: Auf der „Siegerausstellung der Republik“ in Leipzig, die ab 1952 jähr lich stattfand und auf der 2.000 bis 3.000 Hunde bewundert werden konnten, stellten Deutsche Schäferhunde, Boxer, Riesenschnauzer sowie Rottweiler und Dobermänner (‚Jagdhunde‘ wurden auf einer gesonderten Ausstellung prämiert) regelmäßig den größten Anteil der ausgestellten Hunde.65 Auch den Leistungsprüfungen kam eine große Bedeutung zu, selbst wenn die Hunde nur als reine „Haus- und Familienhunde“ gehalten wurden.66 Die hundliche Nützlichkeit wurde, über deren Status als bloßes ‚Heimtier‘ hinaus, weiterhin betont: Auch wir Menschen können uns ein Leben ohne Hunde nicht mehr vorstellen. Viele denken da zunächst an den treuen Gefährten, der zur Freude des Besitzers und aus Tierliebe gehalten wird. Der Hund ist jedoch auf vielen Gebieten zu einem unentbehr lichen Helfer des Menschen geworden. Denken wir z. B. an die unschätzbare Hilfe der Blindenführerhunde, an die vielen wichtigen Aufgaben der Diensthunde der bewaffneten Organe, erinnern wir uns an die tapferen Polarforscher, deren Expeditionserfolge oft zahlreichen ‚Versuchshunde‘. So etwa diejenigen, die die Sowjetunion in den Fünfzigerjahren in den Kosmos schickte, unter ihnen die berühmte Hündin Laika, vgl. dazu Nelson: Laikas Vermächtnis; dies. Laikas kulturelles Nachleben; vgl. auch die Graphic Novel „Laika“ von Nick Abadzis (New York/London 2007). Auch die vielen namenlosen Hunde im Labor des gefeierten sowjetischen Physiologen Iwan Petrowitsch Pawlow (1849 – 1936) standen im Dienst des weiteren Aufbaus und vermeintlichen Siegeszuges des Sozialismus. 63 In der Sowjetunion bevorzugte man sehr große Hunderassen, wie Deutsche Doggen oder Bernhardiner, auch aufgrund ihrer Bedeutung als Prestigeobjekte, vgl. Nelson: Hearth for a Dog, S. 134 f. 64 Die „Spezialzuchtgemeinschaft Deutsche Schäferhunde“ (SZG) hatte in der DDR die meisten Mitglieder zu verzeichnen und auch in der Sektion Dienst- und Gebrauchshunde waren Schäferhunde am stärksten vertreten, vgl. Teichmann: Hundebuch, S. 69. 65 Vgl. Teichmann: Hundebuch, S. 114. Ein ehemaliger DDR-Dackelzüchter bezeichnete die Ausstellung als „Schaufenster für formschöne und typische, leistungsstarke Hunde der DDR“, Schubert: Teckelgeschichte, S. 47. 66 Vgl. Teichmann: Hundebuch, S. 115. Die Besitzerin eines Cockerspaniels („Lesko“) erzählt rückblickend, dass der Züchter seinerzeit (1971) die Abrichtung des Hundes als Bedingung für die Übernahme aufstellte – obwohl die Familie den Hund als „Familienhund“ halten wollte, vgl. Interview vom 02. 04. 2014 mit der Leiterin der AG Katzenschutz und 2. Vorsitzenden des Tierschutzvereins Berlin Renate Wesselhöfft (*1938), Dipl.-Chemikerin aus Ost-Berlin, bereits zu DDR-Zeiten in Privatinitiative für den Tierschutz aktiv.
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vom Vorhandensein und vom Gesundheitszustand der Schlittenhunde abhängig waren, und vergessen wir auch nicht den berühmten Bernhardiner ‚Barry‘. Durch den Einsatz von Hüte-, Schutz-, Wach- und Jagdgebrauchshunden wird die Arbeit des Menschen wesentlich erleichtert. Mit Hilfe von Versuchshunden erhielten die Wissenschaftler viele wichtige Forschungsergebnisse und Erkenntnisse für die Heilung des Menschen.67
Folgerichtig stellt Nelson in einer ähnlichen Beobachtung für die Sowjetunion fest, dass die betonte theoretische oder historische Nützlichkeit von Hunden ihren Status als ‚Heimtiere‘ verstärke. ‚Heimtier-Hunde‘ sollten das Gegenstück der zahlreichen, für den Sozialismus ‚arbeitenden‘ Hunde sein.68 Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass in der DDR Hunde „‚moderne Berufe‘“ ausübten wie etwa der „Gasspürhund“.69 „Fehlt nur noch die Uniform“, ätzte „Der Spiegel“ Anfang der Neunzigerjahre über den (Ost-)Deutschen Schäferhund 70, dem im Folgenden ein kurzer Exkurs gewidmet ist.
Exkurs: Der (Ost-)Deutsche Schäferhund An der Schäferhund-Zucht in der DDR lässt sich beispielhaft der Einfluss politischer Vorgaben auf den Tierkörper ablesen.71 Die DDR-Hundezucht rühmte 67 Nitschke, Wilfriede/Schicht, Maartje: Was jeder Hundehalter wissen sollte, Berlin (Ost) 1978, S. 1. 68 Vgl. Nelson: Hearth for a Dog, S. 136. 69 Bürger: Tier in unserer Umwelt, S. 231. 70 Spiegel TV „Der Schäferhund Ost und West. 40 Jahre Rasse-Trennungen“, Sendung vom 25. 09. 1994. Einen ähnlicher Versuch, vermeintlich bürgerliche Phänomene in der jungen sozialistischen Gesellschaft zu legitimieren, wurde beim Pferdesport unternommen: Um eine breite Akzeptanz des Sportes zu erzielen, wurde die Kombination von landwirtschaft lichem und sportlichem Nutzen des Reitsports betont. Außerdem sollte der Pferdesport junge Menschen vor der Abwanderung in die Städte abhalten. Nicht zuletzt dienten Pferde der vormilitärischen Erziehung und als Freizeitsport zur Reproduktion der Arbeitskraft, vgl. De Kleijn, David: Zur kulturellen Semantisierung des Pferdes in der DDR, unveröffent lichtes Paper für die Tagung „Tiere unserer Heimat“: Auswirkungen der SED-Ideologie auf gesellschaftliche Mensch-Tier-Verhältnisse in der DDR, 06. 02. 2015 am Center for Metropolitan Studies, Technische Universität Berlin. Vgl. ebenso (auch wenn sehr skizzenhaft) Winiarska, Dorota: Bürgerlicher Sport in der DDR und Polen 1945 – 1989, Hamburg 2005, S. 164 – 173. 71 Einen entsprechenden Bezugsrahmen hierfür bietet Michel Foucaults Begriff der „Biopolitik“, vgl. Michel Foucault: Der Wille zum Wissen (Sexualität und Wahrheit, Band 1), Frankfurt am Main 1995 (Original 1977), v. a. S. 158 – 179. Vgl. dazu auch Lemke, Thomas: Biopolitik zur Einführung, Hamburg 2007. Zur Zucht landwirtschaftlicher ‚Nutztiere‘ siehe Kapitel 3.2. Eine kurze (Diskurs-)Geschichte über den Deutschen Schäferhund bieten Wippermann/ Berentzen: Hunde, v. a. S. 60 – 73.
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sich damit, dass für „die Bewertung eines Rassehundes […] nicht mehr allein ausschlaggebend [ist], daß er in seinem Äußeren dem angestrebten Standard mög lichst nahekommt, sondern daß er auch in seinem Wesen und seiner Befähigung zu bestimmten Leistungen den Anforderungen entspricht“ 72. Besonders augenfällig war die Zucht zur „Leistungsbefähigung“ beim Deutschen Schäferhund. In der Bundesrepublik bevorzugte man das Schönheitsideal eines stark abfallenden Rückens, der das Tier ‚eleganter‘, aber anfälliger für Gelenk- und Knochenkrankheiten machte und damit weniger leistungsfähig. Die DDR-Zucht hingegen brachte, ungeachtet des gängigen Schönheitsideals, kleinere, kompaktere und kräftigere Hunde hervor.73 Durch gezielte Selektion war der DDR-Schäferhund fast frei von der Hüftgelenkskrankheit HD, die unter anderem durch den abfallenden Rücken begünstigt wurde.74 Das Zuchtresultat des Ostens waren leistungsstarke, robuste ‚Arbeitshunde‘, wie sie von den „bewaffneten Organen“ gewünscht wurden. Ein Schäferhund-Züchter aus der DDR berichtete, dass die staatlich beauftragten Hunde-Einkäufer zum Teil keine „Schäferhundleute“ gewesen seien, sondern teils „aus anderen Rassen waren“ oder gar „dem Hundesport recht fremde Leute, die nur politischen Einfluss genommen haben.“ 75 Die HundezüchterInnen der DDR wurden zu Hundebeschaffern der „bewaffneten Organe“.76 Neben den 72 Vgl. Teichmann: Hundebuch, S. 115. 73 Vgl. dazu auch Wippermann/Berentzen: Hunde, S. 120 f. Eine westdeutsche Hundeexpertin bestätigte für die Bundesrepublik, dass dort zu sehr auf Äußerlichkeiten hin gezüchtet wurde, vgl. August, Helen Ann: Welcher Hundetyp paßt zu mir? München 1985, S. 74. Dessen ungeachtet einigten sich Ost- und WestzüchterInnen nach der Wiedervereinigung auf den West-Standard für alle Schäferhunde, vgl. Wippermann/Berentzen: Hunde, S. 121. Zur Entwicklung unterschiedlicher Typen der gleichen Hunderassen vgl. auch der Artikel: Menge, Marlies: „Hunde aus der DDR sind wie unsignierte Picassos“, in: Die Zeit vom 27. 04. 1973 (abzurufen unter http://www.zeit.de/1973/18/hunde-aus-der-ddr-sind-wie-unsignierte- picassos, Zugriff am 15. 08. 2016). 74 Hüftgelenksdysplasie ist eine Fehlentwicklung der Hüftgelenke. Bei Jagdhunden gab es ab 1970 eine verpflichtende HD-Röntgenuntersuchung in der DDR, vgl. Schubert: Teckelgeschichte, S. 46. 1968 begann „die zentrale Aktion zur röntgenologischen Diagnostik der HD in der DDR“, vgl. Der Hund 21/2 (1972), S. 6 – 8, hier S. 6. 75 Interview mit einem Schäferhund-Züchter aus der DDR, Spiegel TV „Der Schäferhund Ost und West. 40 Jahre Rasse-Trennungen“, Sendung vom 25. 09. 1994. 76 Besonders viel „Nachschub“ brauchte man bei den ‚Grenzhunden‘, die aufgrund der widrigen Lebensumstände in den Laufanlagen nicht sehr alt wurden. Die „Trassenhunde“ waren jedoch meist der Zucht abträgliche „Mängelexemplare“, vgl. dazu ausführlich Scherer, Marie-Luise: Die Hundegrenze, Berlin 2013; dies.: Die Hundegrenze, in: Der Spiegel 6 (1994), S. 94 – 115. Vgl. dazu auch die Zeitzeugen-Berichte in: Schultke, Dietmar: „Keiner kommt durch“. Die Geschichte der innerdeutschen Grenze. 1945 – 1990, Berlin 1999; ders.: Dietmar: Die Grenze, die uns teilte. Zeitzeugenberichte zur innerdeutschen Grenze, Berlin 2005. Zum Verbleib der Hunde nach der Wiedervereinigung siehe „‚Bestien‘ finden Familienanschluß“, in: Neues Deutschland (künftig: ND) vom 14. 02. 1990, S. 8; Zengerling, Lutz: Struktur und
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strengen züchterischen und politischen Vorgaben und einseitigen Anforderungen litten die ZüchterInnen, dem Schäferhund-Züchter zufolge, vor allem unter der züchterischen Isolation. Man habe buchstäblich „im eigenen Saft geschmort“. Erst Mitte der Achtzigerjahre war – mit Sondergenehmigung – ein Austausch mit ZüchterInnen aus der ČSSR, Polen oder Ungarn möglich. Die Hunde dort seien jedoch auch „bloß der dritte, zweite Aufguss [gewesen] und auch nicht die Hunde, die uns direkt geholfen hätten.“ Im Gegenzug dazu gestaltete sich der Export von DDR-Hunden unproblematisch, da der Verkauf der Rassetiere dringend gebrauchte Devisen einbrachte.77 Paradoxerweise aber scheinen gerade die ‚unnützen‘ Tiere den Menschen sprichwörtlich ans Herz gewachsen zu sein 78 – auch im Arbeiter- und Bauernstaat. Die Menschen in der DDR hielten sich vermehrt Hunde (und andere Tiere) zum reinen „Freizeitvergnügen“. Die Zahl der ‚Heimtiere‘ unterschiedlichster Spezies nahm seit den Siebzigerjahren rasant zu. Die SED-Diktatur musste den individuellen Interessen und Vorlieben ihrer Untertanen nun Rechnung tragen.
2.1.2 Die ideologische Wende: ‚Heimtier‘-Haltung seit den Siebzigerjahren Seit den Siebzigerjahren wurde in der DDR eine „explosionsartige Entwicklung der Zucht und Haltung von kleinen Haustieren“ 79 registriert. Die DDR Staatsführung musste einsehen, dass sie das schichtübergreifende Bedürfnis der Bevölkerung nicht länger ignorieren konnte – nicht zuletzt weil das vermehrte Organisation des Veterinärwesens in Ostberlin (1970 – 1990), Diss. Tierärztliche Hochschule Hannover 2007, S. 101 f. 77 Ein Wachtel-Welpe aus Mecklenberg ging 1980 für 600 Westmark über den Ladentisch des staatlichen Tierexport- und Importunternehmen VEH Zoologica in Berlin – der DDRZüchter hingegen bekam nur 300 Ostmark, vgl. Köpp: Von Tieren, S. 353 f. 78 „It was not these necessary animals, but the unnecessary ones, hounds and lapdogs in parti cular, which received the real affection and the highest status.“ Thomas: Natural World, S. 102. 79 Schmidt, Vera: Gesunderhaltung der kleinen Haus- und Heimtiere als eine wachsende Aufgabe im Rahmen der ständigen Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen, in: MfV 35 (1980), S. 298 – 300, hier S. 299. Der rasante Anstieg der ‚Heimtier‘-Bestände seit Ende des Zweiten Weltkrieges war zunächst ein allgemein verbreitetes Phänomen in den westlichen Industriegesellschaften, das in der DDR aufgrund der ideologischen Ressen timents jedoch zeitversetzt und quantitativ geringer ausfiel. Auch in der Bundesrepublik nahm die Zahl der Heimtiere ab Mitte der Siebzigerjahre zu, jedoch weniger sprunghaft, vgl. Bischoff, Joachim/Maldaner, Karlheinz (Hrsg.): Kulturindustrie und Ideologie. Teil 2: Ideologie und Aneignung, Tourismus, Kleingärten und Camping, Glücksspiel, Heimtiere, Kirche, Kultur, Druckmedien, Hamburg 1982, S. 152.
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Halten von Tieren Fragen der Infrastruktur, der tiermedizinischen Betreuung, der Futterversorgung sowie der Rechtsprechung aufwarf. Wieso wurden ‚Heimtiere‘ in zunehmendem Maße fester Bestandteil vieler DDR-Haushalte? Einstimmig wurde in der DDR-Literatur der SED-Parteitag von 1971 zum Ausgangspunkt für diese Entwicklungen erklärt: Durch die Verwirklichung des sozialpolitischen Programms – ausgehend vom VIII. Parteitag der SED – werden im zunehmenden Maße, bedingt durch die gewonnene Freizeit und Vergünstigungen anderer Art, auch kleine Haus- und Heimtiere gehalten, die zu einer sinnvollen Freizeitgestaltung beitragen.80
Damit wurde das Phänomen der steigenden ‚Heimtier‘-Haltung von Staatsseite nicht nur erklärt, sondern vor allem politisch legitimiert. Der erste Parteitag nach dem Machtwechsel in der Staatsführung von Walter Ulbricht 81 zu Erich Honecker 82 hatte sich die Verbesserung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus der Bevölkerung („Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“) zur Hauptaufgabe 80 Westpfahl, U.: Die Betreuung der kleinen Haus- und Heimtiere durch die Tierärzte der staatlichen tierärztlichen Gemeinschaftspraxen, in: MfV 34 (1979), S. 768 – 769, hier S. 768. 81 Walter Ulbricht (1893 – 1973), gelernter Tischler, seit 1912 Mitglied der SPD und 1919 Mitbegründer der KPD in Leipzig; seit 1933 wegen Haftbefehl in der Emigration mit hochrangigen politischen Funktionen, u. a. in Paris und Moskau; 1945 Rückkehr nach Deutschland als Leiter der Initiativgruppe des ZK der KPD für Berlin („Gruppe Ulbricht“); ab 1946 Mitglied des Parteivorstands und ab 1949 Mitglied des Politbüros des ZK der SED; von 1950 bis 1953 Generalsekretär und von 1953 bis 1971 Erster Sekretär des ZK der SED und damit Staatsoberhaut der DDR mit vielen weiteren hochrangigen Funktionen in Partei und Staat, vgl. Müller-Enbergs/Wielgohs/Hoffmann (Hrsg.): Wer war wer in der DDR, S. 868 f. 82 Erich Honecker (1912 – 1994) geboren im Saargebiet; abgebrochene Dachdeckerlehre; seit 1926 im KJVD und dort verschiedene politische Funktionen inne; Besuch der Lenin- Schule in Moskau, seit 1930 in der KPD und weiteren kommunistischen Vereinigungen; politische Arbeit im Ruhrgebiet und Saarland, anschließende Flucht nach Paris; ab 1935 illegale Tätigkeit in Berlin und im selben Jahr von der Gestapo verhaftet und bis 1945 in (Arbeits-)Haft; 1945 – 1946 Jugendsekretär des ZK der KPD; 1946 Mitbegründer und bis 1955 erster Vorsitzender der FDJ; seit 1946 Mitglied des Parteivorstands und ab 1949 des ZK der SED; seit 1958 Mitglied des Politbüros und Sekretär des ZK der SED; maßgeb lich am Sturz von Ulbricht beteiligt und 1971 dessen Nachfolger als Erster Sekretär des ZK der SED und ab 1976 Generalsekretär der SED und Vorsitzender des Staatsrates; ab 1971 Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates; am 18. 10. 1989 Rücktritt von allen Ämtern; Einleitung von Ermittlungsverfahren durch die DDR-Generalstaatsanwaltshaft und Ausschluss aus der SED, vgl. Müller-Enbergs/Wielgohs/Hoffmann: Wer war wer in der DDR, S. 373 f. Ausführlich zur Person Honeckers Völklein, Ulrich: Honecker. Eine Biographie, Berlin 2003. Zum Machtwechsel vgl. Kaiser, Monika: Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker. Funktionsmechanismen der SED-Diktatur in Konfliktsituationen 1962 – 1972, Berlin 1998.
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gemacht.83 In der Tat setzten unter Honecker viele (sozial-)politische Prozesse ein, die unter anderem auch das Halten von ‚Heimtieren‘ maßgeblich erleichterten. Dazu zählten die massive Förderung des Wohnungsbaus und damit die Verbesserung der Wohnverhältnisse für einen großen Teil der DDR-Bevölkerung 84, die Erhöhung der Freizeit durch die Verlängerung des gesetzlichen Mindesturlaubes von zwölf auf 18 Tage (1974) sowie die Lohn- und Rentenerhöhungen (1971/1976).85 Weiterhin fand ein gesamtgesellschaftlicher Wertewandel statt, der sich unter anderem in einer liberaleren Politik äußerte: Der Staat berücksichtigte zunehmend die steigenden Konsumbedürfnisse und legte eine tolerantere Haltung gegenüber dem verstärkten Rückzug der BürgerInnen in den privaten Raum an den Tag (was jedoch mit einer erhöhten Repressionsbereitschaft und dem Ausbau des MfS einherging 86). In d iesem Zusammenhang fand auch eine Neubewertung des „Freizeitbegriffs“ statt. Die SED-Gefolgschaft tat sich zunächst schwer mit dem Phänomen der „freien Zeit“, denn in der sozialistischen beziehungsweise kommunistischen Gesellschaft sollten die Grenzen zwischen „Tätigkeiten innerhalb und außerhalb des gesellschaftlich organisierten Arbeitsprozesses“ 87 immer 83 Vgl. Bericht des ZK an den VIII. Parteitag der SED, Berlin (Ost) 1971, S. 34 – 38. Diese Wirtschafts- und Sozialpolitik, die auch Unruhen und Streiks verhindern sollte, war indes nur durch eine sehr hohe Schuldenanhäufung möglich, vgl. Steiner, André: Von Plan zu Plan. Eine Wirtschaftsgeschichte der DDR, Bonn 2007, S. 166 f. 84 Vgl. dazu Buck, Hannsjörg F.: Mit hohem Anspruch gescheitert. Die Wohnungspolitik der DDR, Münster 2004. Zum Verhältnis von wohnlicher Lebensverbesserung und ‚Heimtier‘Haltung hieß es in einem zeitgenössischen Ratgeber: „In den vergangen Jahren, vor allem seit dem VIII. Parteitag der SED, haben sich die Wohnungsverhältnisse für viele Familien in unserem Land verbessert. Das führte zu veränderten Lebensgewohnheiten, zur Ausprägung von neuen Hobbys und Neigungen, und mancher konnte sich lang gehegte Wünsche erfüllen: konnte sich einen Hund, ein Aquarium oder ein Terrarium anschaffen.“ Grabs, Jürgen: Tiere halten verpflichtet, Berlin (Ost) 1989, S. 8. 85 Und noch unter Ulbricht wurde die Fünf-Tage-Woche eingeführt (1967), vgl. Fischer, Alexander (Hrsg.): Die Deutsche Demokratische Republik. Daten, Fakten, Analysen, Neuausgabe, Köln 2004, S. 130 f. und S. 203 f. Zur Lohn- und Rentenpolitik vgl. auch Hübner: Arbeit, S. 277 – 300. 86 Zum regressiven Kurs der SED gehörten darüber hinaus die Verschärfung der Sicherheitsbestimmungen, die Militarisierung der Gesellschaft, die Machtkonzentration innerhalb der SED sowie weitere Beschränkung der Blockparteien, vgl. Wolle, Stefan: Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR (1971 – 1989), Berlin 2009, S. 44 f.; Hoffmann, Dierk: Von Ulbricht zu Honecker. Die Geschichte der DDR 1949 – 1989, Berlin 2013, S. 118 ff. 87 Vgl. Stein, Ruth: Über die individuelle Freizeit als Forschungsgegenstand, in: Bujewa, L. P./ Hahn, T. (Hrsg.): Über die sozialistische Persönlichkeit. Soziologische und sozialpsycholo gische Aspekte der Persönlichkeitsentwicklung im Sozialismus, Berlin (Ost) 1978, S. 284 – 294, hier S. 288. Getreu der marxschen Theorie sollte Arbeit nicht mehr reine Lebensnotwendigkeit sein, sondern ein Lebensbedürfnis; der Unterschied z wischen Arbeit und Freizeit sollte aufgehoben werden. Im Gegensatz zum Kapitalismus, wo Freizeit die „schädliche[n]
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mehr verwischen. Über die ideologische Ebene hinaus war die Verbindung von Arbeit und Freizeit auch ein Mittel der Kontrollausübung: Die starke Bindung der „Werktätigen“ an „ihren“ Betrieb, die durch die Arbeit in Kollektiven und Brigaden sowie durch gemeinsame Unternehmungen und Veranstaltungen gefestigt wurde, stellte zugleich eine Ausweitung des Machtbereiches der Obrigkeit dar. Insgesamt betrachtet blieb Freizeit als Bereich, der allein dem persönlichen Belieben überlassen war, der SED stets suspekt.88 Dessen ungeachtet wurden Freizeitbetätigungen – wie die Beschäftigung mit ‚Klein‘- und ‚Heimtieren‘ – nun als „kulturelle Bedürfnisse“ deklariert, denen der Staat zunehmend Anerkennung einräumte: „Das gewachsene Lebensniveau der Bevölkerung findet seinen Ausdruck auch in höherer kultureller Betätigung, unter anderem der Klein- und Heimtierhaltung.“ 89 Von jetzt an war die Klein- und ‚Heimtier‘-Haltung keine rückwärtsgewandte Liebhaberei von älteren Damen und Herren oder Privileg der Bourgeoisie mehr. Die „kontinuierlich zunehmende Haltung von Tieren wird als eine Erscheinung des gesellschaftlichen Fortschritts in der DDR gewertet“ 90. Pikant an jenen Äußerungen war indes, dass die vermehrte Haltung von Tieren im Rahmen der „individuellen Hauswirtschaft“ eher auf einen Rückstand hinwies: Die Mangelwirtschaft der DDR machte die private Kleintierhaltung, etwa von Bienen, Kaninchen oder Hühnern, absolut notwendig, weil die staatliche und genossenschaftliche Produktion unfähig war, die erforderlichen Mengen an Tierprodukten aufzubringen.91 Die Anzahl der in der DDR gehaltenen ‚Heimtiere‘ wurde, im Gegensatz zu derjenigen der ‚Nutztiere‘ aufgrund ihrer (scheinbaren) gesellschaftlich- ökonomischen Bedeutungslosigkeit nicht in die Statistischen Jahrbücher aufgenommen. Offizielle Zahlen gab es also nicht, sondern nur Schätzungen. Diese besagten, dass um 1980 in der DDR von jedem 20. Bürger ein Hund, von jedem 17. eine Katze, von jedem 15. ein Ziervogel gehalten wird. Über die Haltung der übrigen Heimtiere wie Meerschweinchen, Goldhamster, Reptilien sind z. Z. quantitative Aussagen nicht möglich.
Auswirkungen der kapitalistischen Arbeitsteilung“ mit ihrer „Gleichförmigkeit und Dequalifizerung“ kompensieren sollte, war man in der DDR der Ansicht, dass Freizeit Teil der Persönlichkeitsentwicklung war und kein Ausgleich zur Arbeit, vgl. Autorenkollektiv (Hrsg.): Arbeit. Gemeinschaft. Persönlichkeit, Berlin (Ost) 1964, S. 111. 88 Vgl. Irmscher, Gerlinde: Freizeitleben. Muße, Feierabend, Freizeit, in: Badstübner (Hrsg.): Befremdlich anders, S. 350 – 373, hier S. 354 ff. 89 Kreis, Kerstin: Bedeutung und Entwicklungstendenzen der Heimtierhaltung in der DDR, Diplomarbeit Karl-Marx-Universität Leipzig 1977, S. 41. 90 Schmidt: Gesunderhaltung, S. 298. 91 Zur „individuelle Hauswirtschaft“ siehe Kapitel 3.1.2.
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Vermutlich entfällt jedoch insgesamt auf jeden 4. Bürger ein im Heim (mit Ausnahme von Zierfischen) gehaltenes Tier.92
Anders ausgedrückt wurden in 40 Prozent der DDR-Haushalte Kleintiere gehalten 93; rechnet man die vielen Fische hinzu, lebten in der DDR also etwa 20 Millionen ‚Heimtiere‘. Zum Vergleich: in der Bundesrepublik lebten 1980 circa 65,5 Millionen ‚Heimtiere‘94, wobei natürlich die höhere Einwohnerzahl Westdeutschlands berücksichtigt werden muss (circa 61 Millionen Einwohner gegenüber 16 Millionen in der DDR). Abzulesen war die zunehmende Beliebtheit der ‚Heimtier‘-Haltung aber auch am Anstieg zoologischer Fachhandlungen in den Großstädten.95 Weiterhin kamen vermehrt verschiedenste Tierbücher und erstmals ‚Heimtier‘-Ratgeber in die Buchläden und fanden dort ein begeistertes Publikum.96 Im Zuge der Liberalisierung der Kulturpolitik wurde ebenso dem Bedürfnis der Bevölkerung nach Unterhaltungssendungen verstärkt entgegengekommen: Im Vergleich zur Bundes republik, wo ab den Fünfzigerjahren Tierfilme die Zuschauenden erfreuten 97, traten 92 Schmidt: Gesunderhaltung, S. 300. Weitere, ähnliche Zahlenangaben in: „Kurz und knapp“, in: Neue Zeit vom 14. 08. 1986, S. 6; „Lebensgemeinschaft“, in: Deine Gesundheit 6 (1988), S. 4 – 8, hier S. 6. 93 Vgl. Wegner, E.: Entwicklung, Tendenzen und Probleme der Kleintierhaltung der Mitglieder des Verbandes für Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter und die Zusammenarbeit mit dem Veterinärwesen, in: MfV 41 (1986), S. 613 – 615, hier S. 614 94 Vgl. Bischoff/Maldaner: Ideologie und Aneignung, S. 151. 95 So erhöhte sich die Zahl der Zoohandlungen in Ost-Berlin von 34 (1970) auf 49 Läden (1978), vgl. Wunderlich, Hans: Zur veterinärmedizinischen Versorgung. Verantwortung, Aufgaben und Arbeitsweise des Veterinärwesens in Berlin, Hauptstadt der DDR, Diss. Humboldt- Universität zu Berlin 1981, S. 225. Hans Wunderlich war der Bezirkstierarzt von Ost-Berlin. 96 Im Januar und Juli 1983 gehörte ein ‚Heimtier‘-Buch ( Jacob/Thomas-Petersein: Heimtiere) zu den am meisten gekauften Büchern in den Bezirken Cottbus, Erfurt, Frankfurt (Oder), Halle, Leipzig, Rostock und Schwerin, vgl. „Am meisten gekauft“, in: ND vom 05. 01. 1983, S. 14 und vom 06. 08. 1983, S. 14. Zur belletristischen Tierliteratur der DDR vgl. Szymkowiak, Helga (Bearb.): Tiergeschichten. Empfehlende Bibliographie, Neubrandenburg 1988. Das verstärkte Interesse an „Natur und Tieren“ war auch auf das zunehmende Interesse an Umweltschutzthemen und der progressiven Umweltpolitik Anfang der Siebzigerjahre zurückzuführen, siehe dazu Kapitel 4.3. 97 Insbesondere die Filme von Bernhard Grzimek („Ein Platz für Tiere“, 1956 – 1987), Heinz Sielmann („Expedition ins Tierreich“, 1965 – 1991) und Horst Stern („Sterns Stunden“, 1970 – 1979) sind hier zu nennen, vgl. dazu Engels, Jens Ivo: Von der Sorge um die Tiere zur Sorge um die Umwelt. Tiersendungen als Umweltpolitik in Westdeutschland z wischen 1950 und 1980, in: Archiv für Sozialgeschichte 43 (2003), S. 297 – 323; ders.: Tierdokumentarfilm und Naturschutz in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ein Kommentar, in: Möhring, Maren/Perinelli, Massimo/Stieglitz, Olaf (Hrsg.): Tiere im Film. Eine Menschheitsgeschichte der Moderne, Köln (u. a.) 2009, S. 127 – 139; Eitler, Pascal: Stern(s)stunden der Sachlichkeit. Tierfilm und Tierschutz nach „1968“, in: ebenda, S. 115 – 126.
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in der DDR produzierte Tiersendungen erst sehr spät und in keinem großem Umfang in Erscheinung.98 Auf die Haltung von kleinen ‚Haus‘- und ‚Heimtieren‘ war die Ratgebersendung „Du und Dein Haustier“ (1981 – 1990) spezialisiert.
Erziehung, Erholung und Bildung: Das „sozialistische Heimtier“ Der Einsicht, dass auch DDR -BürgerInnen gern einen Hund auf dem Sofa, eine Katze auf dem Fensterbrett oder einen Vogel im Käfig hatten, folgte die ideologische Wende in der Bewertung der ‚Heimtier‘-Haltung. Die anfäng lichen Ressentiments gegenüber dem bürgerlich verschrienen Phänomen wurden gegen den Versuch eingetauscht, das Halten von ‚Heimtieren‘ an die marxistisch- leninistische Ideologie anzupassen, wie es bereits beim Hundesport umgesetzt wurde. Das heißt, es musste ein systemimmanenter Nutzen der ‚Heimtier‘-Haltung für die sozialistische Gesellschaft nachgewiesen werden, der keinesfalls an emotionale Konzepte anknüpften durfte. An erster Stelle einer „sinnvollen“, weil nützlichen ‚Heimtier‘-Haltung sah die SED-Entourage den Beitrag zur Persön lichkeitsentwicklung. Die Herausbildung eines „neuen Menschen“ war eine der Hauptaufgaben in der „Erziehungsdiktatur“ 99. Die „sozialistische Persönlichkeit“ zeichnete sich besonders durch ihre allseitige Bildung, ihr politisches Bewusstsein mit sozialistischer Weltanschauung und einer sittlichen Lebensweise im Sinne der „sozialistische Moral“ aus. Der „neue Mensch“ war darüber hinaus arbeitsam, aktiv am gesellschaftlichen Leben beteiligt sowie gesund und sportlich.100 98 Der Großteil der Tierfilme wurde in den Achtzigerjahren produziert. Dazu zählten v. a. „Professor Tembrocks Rendezvous mit Tieren“ (1987 – 1991) vom führenden und über die Landesgrenzen hinaus berühmten Verhaltensforscher Günter Tembrock (1918 – 2011) oder die Sendung „Erzähl von Deinen Tieren“ (1977 – 1989), wo Menschen von ihrem (Arbeits-)Alltag mit Tieren berichteten. Weiterhin waren Tierpark-F ilme sehr beliebt wie bspw. „Tierparks der DDR “ (1989 – 1990), „Zoobummel International“ (1976 – 1990) oder die vielen Filme allein zum Ost-Berliner Tierpark (siehe dazu unten, Anm. 254). Weiterführende Literatur zum Thema Tiere und Film vgl. etwa: Bousé, Derek: Wildlife Films, Philadelphia 2000; Baker, Steve: Picturing the Beast. Animals, Identity, and Representation, Urbana 2001; Burt, Jonathan: Animals in Film, London 2002; Lippit, Akira Mizuta: Electric Animal. Toward a Rhetoric of Wildlife, Minneapolis (u. a.) 2000; Möhring/Perinelli/Stieglitz: Tiere im Film; Nessel, Sabine/Pauleit, Winfried/Rüffert, Christine/Schmid, Karl-Heinz/Tews, Alfred (Hrsg.): Der Film und das Tier. Klassifizierungen, Cinephilien, Philosophien, Berlin 2012. Zu Tiere und Medien einführend: Zahlmann, Stefan: Tiere und Medien, in: Krüger/Steinbrecher/Wischermann (Hrsg.): Tiere und Geschichte, S. 153 – 170. 99 Großbölting: Entbürgerlichte DDR, S. 412. 100 Die Literatur aus der DDR zur „Sozialistischen Persönlichkeit“ ist schier unermesslich, siehe dazu vor allem das Programm der sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Berlin (Ost) 1963; Arnold: Persönlichkeit; Autorenkollektiv (Hrsg.): Sozialismus und Persönlichkeit,
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Auf dem VIII. Parteitag (1971) wurde d ieses Ziel nochmals hervorgehoben und postuliert, dass eines „der edelsten Ziele und eine der größten Errungenschaften der sozialistischen Gesellschaft“ die „allseitig entwickelte Persönlichkeit“ 101 sei. Ein Anteil an der Entwicklung zur „sozialistischen Persönlichkeit“ wurde im Zuge des Wertewandels der Beschäftigung mit ‚Heimtieren‘ zugeschrieben: Hier lerne der Mensch Verantwortungsübernahme, das Einhalten von Pflichten und das Erlernen von Disziplin, Ausdauer und Konsequenz: Der Umgang mit Kleintieren nötigt gleichzeitig zur Selbsterziehung, zu bestimmter Disziplin. Er hat also insbesondere auch für Kinder und Jugendliche Bedeutung. Das betrifft sowohl die notwendige Fütterung und Futterbereitstellung, die die Einhaltung eines bestimmten Zeitaufwandes erfordern, oder im spezifischen Fall die sich auf Dressuraufgaben, aus der Erhaltung einer bestimmten ‚Leitposition‘ z. B. dem Hunde gegenüber ergebenen Konsequenzen.102
Die ‚pädagogische Funktion‘ der Tierhaltung erstreckte sich auch auf „Erziehung zu Umwelt- und Naturschutz, in Übereinstimmung mit den Gesetzen und Verordnungen über Landeskultur und Umweltschutz.“ 103 Der tier liche Beitrag an der „sozialistischen Menschwerdung“ umfasste außerdem den moralischen Bereich, denn „Kleintierhaltung führt zu allgemein-weltanschau lichen und speziell ethisch-moralischen Überlegungen und Schlußfolgerungen.“ 104 Tiere als Erziehungsmittel zu sehen, war jedoch keine Erfindung der DDR. Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Erziehung von Tieren nicht nur die Tiere selbst betrifft, sondern auch auf den Menschen gerichtet ist.105 Da die ‚Heimtier‘-Haltung im Arbeiter- und Bauernstaat einem starken Berlin (Ost) 1980; Bujewa/Hahn (Hrsg.): Über die sozialistische Persönlichkeit; Eichhorn, Wolfgang: Von der Entwicklung des sozialistischen Menschen, Berlin (Ost) 1964; Neuner, Gerhard: Sozialistische Persönlichkeit. Ihr Werden, ihre Erziehung, Berlin (Ost) 1976. Gesetzlich verankert war die Erziehung zur „sozialistischen Persönlichkeit“ im „Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem“ vom 25. Februar 1965 und im „Gesetz über die Teilnahme der Jugend der Deutschen Demokratischen Republik an der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft und über ihre Förderung in der Deutschen Demokratischen Republik – Jugendgesetz der DDR“ vom 28. Januar 1974. 101 Vgl. Bericht des ZK an den VIII. Parteitag der SED, Berlin (Ost) 1971, S. 70. Die „sozia listische Persönlichkeit“ sei „eine besondere charakteristische geistige und moralische Ausprägung des menschlichen Individuums“, vgl. ebenda. 102 Eschler: Kleintierhaltung, S. 264. 103 Ebenda, S. 265. 104 Ebenda. 105 Denn, um auf ein Tier erzieherisch einwirken zu können, sei eine gewisse Selbstkontrolle und Zivilisieren der eigenen Affekte, Handlungskontrolle nötig, vgl. dazu Buchner-Fuchs,
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Rechtfertigungsdruck unterlag, wurden ihr, neben ihrem Beitrag zur Persön lichkeitsentwicklung, weitere Aspekte zugeschrieben, die sie zur „sinnvollen Freizeitgestaltung“ machte. Der Themenkomplex der Freizeitgestaltung hing in der DDR eng mit dem der Persönlichkeitsentwicklung zusammen. Denn die große gesellschaftliche Bedeutung der Freizeit besteht im Sozialismus darin, daß sie für die Erhöhung der Bildung, für die weitere kulturelle und körperliche Entwicklung, für die gesellschaftliche Tätigkeit, für die Entwicklung der Fähigkeiten und Fertigkeiten, Begabungen, Talente im Bereich der Wissenschaft, der Technik, Literatur und Kunst ausgenutzt wird.106
Freizeit war also nur „sinnvoll“, wenn sie Teil der Charakterbildung und hierdurch gesellschaftlich relevant war. Die individuelle Freizeit sollte der „persön lichen wie auch den Interessen der Gesellschaft“ entsprechen.107 Ein Hundesportler berichtete stolz im Einklang mit den ideologischen Vorgaben: „Unser Hunde sport bietet alle Voraussetzungen sich körperlich fit zu halten und die Freude an unseren Vierbeinern wirkt sich positiv auf die Arbeitsleistung aus.“ 108 Die Beschäftigung mit ‚Heimtieren‘ versprach also die „Gewinnung und Erhaltung von Lebensfreude, aktive[r] Erholung und Entspannung für die Erhaltung bzw. Wiederherstellung körperlicher und geistiger Kräfte“ 109, wovon sich der SED Staat viele motivierte und gestärkte Arbeitskräfte erhoffte. Dies stellte eine völlige Umkehrung der vormaligen Bewertung der ‚Heimtier‘-Haltung dar: Galten ‚Heimtiere‘ zunächst als ‚verhätschelte Luxusgegenstände‘, mutierten sie nun zu ‚Erholungsobjekten‘. Das Kämmen der Perserkatze ward nicht länger Ausdruck dekadenter bürgerlicher Lebensführung, sondern wurde als Bedürfnis nach Naturkontakt und Erholung in einer zunehmenden technisierten und urbanisierten Welt gewertet:
Jutta: Tiererziehung als Menschenerziehung?, in: dies./Rose (Hrsg.): Tierische Sozialarbeit, S. 48 – 69, hier S. 48. Neben dem großen Komplex der neolithischen Domestikation bildet die ‚Heimtier‘-Haltung ein sehr gutes Beispiel für das vielschichtige Zusammenspiel von Tieren und Menschen und der Frage: Wer erzieht hier wen? Zu Vorstellungen vom Konzept „Erziehung“, die hier nicht behandelt werden vgl. Oelkers, Jürgen: Einführung in die Theorie der Erziehung, Weinheim (u. a.) 2001. 106 Autorenkollektiv (Hrsg.): Arbeit. Gemeinschaft. Persönlichkeit, Berlin (Ost) 1964, S. 121 f. 107 Ebenda, S. 113 (Hervorhebung im Original). 108 „Ein Gespräch nach dem VIII. Parteitag“, in: Der Hund 20/10 (1971), S. 3 – 4, hier S. 3. 109 Schmidt: Gesunderhaltung, S. 299. Vgl. auch Friedmann, K./Joppich, F./Krebs, W./Lehmann, J./Nawoi, H./Schirwitz, G.: Unsere Kleintiere. Ein Leitfaden für den Kleintierhalter, 2. Aufl., Berlin (Ost) 1975, S. 5.
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Die Urbanisierung und der im Interesse der Produktionssteigerung notwendige Wandel der Haltungsformen der Tiere zu industriemäßigen Methoden führen jedoch zur Verringerung der Mensch-Tier-Kontakte. Die Haltung von Heimtieren bietet dagegen eine direkte Form, dieses Bedürfnis zu befriedigen.110
Aber das „Bedürfnis nach einem engen Kontakt zur Natur“ dürfe sich nicht allein „auf die Tierwelt oder gar auf einzelne Tiere“ beziehen. Es sei „die ganze Natur mit ihren Tieren und Pflanzen, mit ihrer Landschaft, mit Wasser, Luft und Wolken, mit Sonnenschein, Wind und Regen, die wir brauchen, um gesund zu bleiben, um uns zu erholen und neue Spannkraft zu gewinnen.“ 111 Neben der Erholung sollte der Tierkontakt auch die Bildung fördern. Die Wissenschaftsaffinität der DDR verlieh allen Dingen eine gesellschaftliche Bedeutung, insofern sie der Verbreitung des wissenschaftlich-materialistischen Weltbilds dienlich waren. Das Wohnzimmer wurde auf diese Weise zum Forschungslabor, Hund und Katze zu ‚Wissenschaftsobjekten‘. Denn erstens könne der Umgang mit Tieren zum Verständnis der Naturgesetze beitragen („Denn durch den unmittelbaren Kontakt mit den Tieren erfahren Kinder an konkreten Beispielen, daß die Naturgesetze objektiven Charakter haben, daß die Natur erkennbar und veränderbar ist.“ 112). Zweitens könne das ‚Heimtier‘ das Interesse für Wissenschaften wecken („Durch intensive Beobachtung unseres Tiers bekommen wir täglich Anregungen, Zusammenhänge aufzuspüren und uns mit tierpsychologischen Problemen auseinanderzusetzen.“ 113). Drittens diene der Tierkontakt ganz allgemein dem Wissenszuwachs („Auch für den Erwachsenen bleibt der zu erwartende Wissensgewinn ein Motiv für die Haltung von Heim- und Hobbytieren. Die Erweiterung des Wissens macht sie in ganz besonderen Maße zur sinnvollen Freizeitgestaltung.“ 114). Die Tierzucht wurde zum „naturwissenschaftlichen Experiment“ erklärt, die „hochwertige Lebewesen“ hervorbringen sollte: Wenn die Hundezucht auch anfänglich aus Liebhaberei und Freizeitbeschäftigung begonnen wird, führt sie doch durch die gesammelten Erkenntnisse jeden
110 „Heimtiere“, in: Deine Gesundheit 6 (1978), S. 183 – 184, hier S. 183. Die DDR-Gesellschaftswissenschaften konstatierten Anfang der Achtzigerjahre allgemein eine zunehmende „Natursehnsucht“ in der Bevölkerung, vgl. Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED (Hrsg.): Entwicklungstendenzen kultureller Bedürfnisse der Werktätigen in der DDR, Berlin (Ost) 1982, S. 116; Kosing: Gesellschaft und Natur, S. 172 f. und S. 55. 111 Peters: Mensch und Tierwelt, S. 17 ff. 112 Schille/Schille: Unser Kind, S. 25. 113 Bürger, Manfred: Tierwelt – von uns erlebt, 6., überarb. Aufl., Berlin (Ost) 1988, S. 192. 114 Meyer: Umgang, S. 169.
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interessierten, tierliebenden Mensch zwangsläufig zum naturwissenschaftlichen Experiment mit der schöpferischen Absicht in Leistung und ästhetischer Wirkung hochwertige Lebewesen zu formen, die uns als Stück Natur umgeben und unsere Freizeit nützlich teilen.115
Die Verwissenschaftlichung der Mensch-‚Heimtier‘-Beziehung führte zeitgleich zur Entemotionalisierung.116 Kinder sollten zu einem rationalen Umgang mit Tieren erzogen werden. So sei ein „verniedlichender Erziehungsstil“ abzulehnen, denn er „hemmt den Übergang zur Erklärung der Ursachen für das Verhalten des Tieres.“ 117 Ein emotionaler Umgang mit Tieren, wozu das Projizieren menschlicher Eigenschaften auf Tiere gezählt wurde, sei „eine unzulässige Vermenschlichung“ 118. In der ‚Heimtier‘-Literatur herrschte eine emotionsfreie und belehrende Darstellungsweise vor. Beispielsweise wurden im Vorwort eines Ratgebers für Kinder ausschließlich die negativen Seiten der Haustierhaltung geschildert: das „Bellen und Jaulen“ von Hunden, das Krallenwetzen an Polstermöbeln von Katzen, „[l]ästige Gerüche“ von Hamstern und Meerschweinchen oder die „laute Stimme“ von Vögeln, „die man nicht wie ein Radio abstellen kann“. Ferner listete das Kinderbuch „Richtwerte für die Anschaffung eines Haustieres“ (Rasse, Alter, Preis, Mindestalter des Besitzers) sowie Jahressteuersätze für Hunde auf – Themen, die Kinder von heute wie von damals in erster Linie wohl weniger von einem Tierbuch erwarteten.119 Die ‚Heimtier‘-Ratgeber wurden folglich zu einem Instrumentarium zur Durchsetzung von Richtlinien im Umgang mit Tieren, die sich nicht am ‚Tierwohl‘ orientierten, sondern den Sinnzuweisungen der SED unterlagen. Gerade weil ‚Heimtiere‘ durch ihre enge Bindung zum Menschen besonders stark einer Subjektivierung unterliegen, wurde in der DDR eine Objektifizierung von Tieren im Allgemeinen und von ‚Heimtieren‘ im Besonderen angestrebt. So erstaunt es wenig, wenn im Umgang 115 „Gedanken zu zuchtlenkenden Maßnahmen und Aufzuchtbedingungen“, in: Der Hund 20/12 (1971), S. 22. 116 Zur Gefühlsgeschichte des Mensch-Tier-Verhältnisses vgl. v. a. die Arbeiten von Pascal Eitler, vgl. ders.: Tiere und Gefühle. Eine genealogische Perspektive auf das 19. und 20. Jahrhundert, in: Krüger/Steinbrecher/Wischermann (Hrsg.): Tiere und Geschichte, S. 59 – 77; ders.: Weil sie fühlen; ders.: Der „Ursprung“ der Gefühle: Reizbare Menschen und reizbare Tiere, in: Frevert, Ute (u. a.) (Hrsg.): Gefühlswissen. Eine lexikalische Spurensuche in der Moderne, Frankfurt am Main 2011, S. 93 – 119; ders.: Übertragungsgefahr. Zur Emotionalisierung und Verwissenschaftlichung des Mensch-Tier-Verhältnisses im Deutschen Kaiserreich, in: Jensen, Uffa/Morat, Daniel (Hrsg.): Rationalisierungen des Gefühls. Zum Verhältnis von Wissenschaft und Emotionen. 1880 – 1930, München 2008, S. 171 – 187; Buchner-Fuhs: Das Tier als Freund. 117 Schille/Schille: Unser Kind, S. 11. 118 Ebenda. 119 Kuntze: Mein Tier, S. 5 f. und S. 173 f.
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mit Hunden von „Sozialhygiene“ 120 gesprochen wurde oder Tiere mit „industriellen Konsumgegenständen“ verglichen wurden. Von „mangelhaften Tieren“ oder von „neuen und gebrauchten Tieren“ war die Rede, von Garantiebestimmungen, Transportrisiken, Kaufverträgen und Reklamationen.121 An anderer Stelle ist von der „Fütterung und Wartung“ 122 von ‚Heimtieren‘ zu lesen. Auch die beliebte Ratgebersendung „Du und Dein Haustier“ behandelte lieber die ökonomischen als die emotionalen Seiten der Mensch-Tier-Beziehung. Beim Thema „Kaninchen“ etwa wies die Moderatorin Gudrun Thiele, neben der ein Korb mit einem Kaninchen darin stand, lächelnd auf den doppelten Nutzen dieser Tiere hin: die Fleisch- und Pelzgewinnung. Daraufhin wurde das Studio zum Laufsteg, auf dem unterschied lichste Pelzkreationen gezeigt wurden, worauf hin die Moderatorin mit Genug tuung feststellt, dass all dies aus Kaninchenpelz gefertigt wurde. Auch Zahlen zum Kaninchenfleischaufkommen (in Tonnen) fehlten in der Sendung nicht.123 Dem „sozialistischen Heimtier“ wurden aber noch viele weitere, „nützliche“ Vorzüge zugewiesen. Die Beschäftigung mit Tieren fördere nämlich auch das kollektive Bewusstsein. In der DDR herrschte eine Überhöhung der Gemeinschaft, die nicht, wie im Nationalsozialismus, rassisch oder national bestimmt, sondern an die sozialistische Ideologie gebunden war.124 Der Kollektivismus wurde als die Vereinigung von gesellschaftlichen und persönlichen Interessen verstanden.125 Die Unterordnung des Einzelnen unter das Kollektiv war gleichbedeutend mit der Unterordnung unter die staatliche Autorität.126 Und was hatte das Leitbild der gesellschaftlichen Gleichheit zum Beispiel mit dem Wellensittich zu tun? Ganz einfach, die beliebte Wellensittich-Zucht fördere das menschliche Miteinander: „Da die Züchter sich zu Sparten und Vereinen zusammenschließen, ist der Wellen sittich Ausgangspunkt zur Bildung vieler Kollektive. Damit hat er Anteil an der Verbesserung der zwischenmenschlichen Beziehung.“ 127 Mit diesen und ähnlichen
120 Demzufolge beanspruche „ein Hund mit seiner starken sozialen Bindung an den Herrn ein relativ hohes Maß an ‚Sozialhygiene‘, daß bedeutet ein hohes Maß täglicher Beschäftigung, die oft im Zeitfonds einer Familie nicht vorhanden ist.“ Kreis: Heimtierhaltung, S. 44. 121 Vgl. Grabs: Tiere halten, S. 21 – 38. Vgl. auch Pawelke, Bodo: Rechtsgrundlagen der Hunde haltung, Berlin (Ost) 1989, S. 21 f. und S. 78 – 89. 122 Seupel, Ingrid: Unsere Stadtordnung und die Tierhaltung, Berlin (Ost) 1980, S. 5. 123 „Du und Dein Haustier“, Sendung vom 06. 11. 1981. 124 Vgl. Dengel: Politische Erziehung, S. 93. 125 Vgl. Eichhorn, Wolfgang/Kaderschafka, Gisela: Zur Dialektik von Persönlichkeit und Gemeinschaft im Sozialismus, in: Eichhorn/Ley/Löther (Hrsg.): Menschenbild, S. 5 – 38. hier S. 29 f. Zum Kollektiv-Begriff vgl. v. a. Niethammer, Lutz: Kollektive Identität. Heim liche Quellen einer unheimlichen Konjunktur, Reinbeck 2000. 126 Vgl. Dengel: Politische Erziehung, S. 93. 127 Schöne/Arnold: Wellensittich, S. 14 f. Vgl. auch Eschler: Kleintierhaltung, S. 264.
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Argumenten 128 konnte die ostdeutsche ‚Heimtier‘-Haltung von (vermeintlichen) „egoistischen“ und „individualistischen“ Tendenzen befreit werden.129 Erholung, Entspannung und Bildung wurden zu gebetsmühlenartig wiederholten Schlagworten in der Neubewertung der ‚Heimtier‘-Haltung als Teil der sozialistischen Gesellschaft. Auch im Bereich der ‚Heimtier‘-Haltung fand in der DDR damit eine „Entprivatisierung der Freizeit“ 130 statt. Neben dem vielfältigen immateriellen Nutzen hatten die ‚Heimtiere‘ aber auch einen konkret materiellen Nutzen: Die Tierhaltung sei nämlich ebenso „eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung“, weil sie „auch der Allgemeinheit zugute kommend, materiell zu Buche schlagen kann, wobei an die Züchter gedacht ist, die nebenberuflich Zierfische und Vögel für den Export bereitstellen.“ 131 In Ost- Berlin war seit 1969 das staatliche Tierexport- und Importunternehmen VEH Zoologica Berlin ansässig. Das „Handelsprogramm“ an „Zoologica-Erzeugnissen“ umfasste ‚Haus-‘ und ‚Heimtiere‘ aller Art, wozu Hunde, Katzen, Vögel, Fische, Schafe oder ‚Pelztiere‘, aber auch ‚Zoo-‘ und ‚Versuchstiere‘ gehörten.132 ‚Ziervögel‘ waren der Exportschlager der DDR : 1971 exportierte die DDR insgesamt 94.000 Wellensittiche.133 1988 erwirtschaftete der VEH Zoologica mit dem Export 9,3 Millionen Valutamark.134 Mit der Konstruktion und der Hervorhebung des 128 Vgl. zum Beispiel auch die Aussage „Gelegentlich macht ein Haustier auch ‚Unsinn‘ […]. Überwiegt aber in unserem Empfinden ein Verständnis für den ‚anderen‘ werden s olche Ereignisse immer wieder zum Anlaß, die Verärgerung, die konkrete Situation tolerierend abbauen zu lernen, weil das Tier uns häufiger Freude als Ärger bereitet. Leben mit dem Tier kann also unsere Fähigkeit trainieren, im Alltag entstehende Konflikte zu harmonisieren.“ Deine Gesundheit 6 (1988), S. 2. 129 „Interessanterweise waren die Beschäftigung mit der Natur, die Auseinandersetzung mit der natürlichen Umwelt früher meist an extremes Einzelgängertum gebunden. […] Wer sich heute in seiner Freizeit näher mit der Natur beschäftigt, wird sehr bald merken, daß er in irgendeiner Form Kontakte zu Gleichdenkenden, zu Gruppen mit gemeinsamen Interessen benötigt. Die Qualitäten eines Menschen – sei es in der Arbeit oder in der Freizeit – bilden sich ja gerade durch seine Beziehungen zu andere Menschen.“ Bürger: Tierwelt, S. 265. 130 Bauerkämper: Sozialgeschichte, S. 18. 131 „Lebensgemeinschaft“, in: Deine Gesundheit 6 (1988), S. 4 – 8, hier S. 6. 132 Vgl. VE Kombinat Aufbereitung tierische Rohstoffe und Pelztierproduktion, Vorschläge und Maßnahmen zur Erhöhung des Exportes über den VEH Zoologica vom 03. 09. 1985, BArch DC 14/2243, unpag. 133 Vgl. Schöne/Arnold: Wellensittich, S. 15. Mit den verschiedenen TierzüchterInnen bestanden Exportvereinbarungen. Geliefert wurde sowohl ins sozialistische als auch ins „nichtsozia listische Wirtschaftsgebiet“ (SW bzw. NSW) und sogar bis nach Australien, vgl. Bürger: Tierwelt, S. 192. 134 Damit übererfüllte der VEH sogar den Plan von 8.808 Millionen Valutamark (Export insgesamt ins NSW und SW), vgl. Schreiben des VEH Zoologica an das Ministerium für Finanzen (MdF), Staatliche Finanzrevision, Monatliche Berichterstattung zur Auflage 9 Erfüllung NSW-SW Export per 31. 12. 1988 vom 09. 01. 1989, BArch DN 1/6034, unpag.
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gesamtgesellschaftlichen Nutzens der ‚Heimtier‘-Haltung wollte sich die DDR auch von derjenigen des Westens abgrenzen. Dort bringe die Profitgier der HändlerInnen nicht nur immer absurdere Erfindungen hervor (Wintermäntel für Hunde, Katzensofas und Tiergaststätten), sondern auch die „totale Vermenschlichung dieser Tiere“ 135.
2.2 Rahmenbedingungen der ‚Heimtier‘-Haltung „Organisiert geht alles besser“ 136 Die ‚Heimtier‘-ZüchterInnen waren vorrangig im Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (VKSK) organisiert. Dieser Verband wurde 1959 als sogenannte Massenorganisation 137 gegründet und hatte Ende der Achtzigerjahre nahezu 1,5 Millionen Mitglieder.138 Die 208.500 tierhaltenden Mitglieder waren in 6.869 „Fachsparten“ (um dem als bürgerlich verpönten Begriff der Zuchtvereine nicht bedienen zu müssen) mit über 250.000 Zuchten eingeteilt.139 So gab es die Fachsparte der „Rassegeflügelzüchter“, der „Rassekaninchenzüchter“, der „Edelpelztierzüchter“, der „Rassehunde-“ und „-katzenzüchter“, „Ziegen-“ und 135 Kreis: Heimtierhaltung, S. 46; vgl. dazu auch S. 40. Diese Beobachtung entbehrt nicht einer gewissen Wahrheit, zumal sich das Phänomen bis in die heutige Zeit in Qualität und Quantität intensiviert hat. Laut einer Studie der Universität Göttingen geben die Deutschen jährlich über neun Milliarden Euro für Ihre ‚Heimtiere‘ aus, davon allein schon 3,75 Milliarden für Futter und 2,1 Milliarden für die Gesundheit der Tiere, vgl. Ohr, Renate: Zur wirtschaftlichen Bedeutung der Heimtierhaltung in Deutschland, Universität Göttingen, November 2014, S. 79 f. (abzurufen unter: www.uni-goettingen.de/de/heimtierstudie…heimtierhaltung/425385. html, Zugriff am 15. 08. 2016). Neueste Entwicklungen auf dem Heimtiersektor sind zum Beispiel „Dog TV“ (seit 2012 in den USA und seit 2012 in Deutschland auf Sendung) oder tiermedizinische Neuerungen wie Organtransplantationen, Herzschrittmacher, künstliche Gelenke oder Krebs-Therapien, vgl. „Nur das Beste ist gut genug“, in: Berliner Zeitung (künftig: BLZ) vom 24. 11. 2014, S. 28. 136 Grabs: Tiere halten, S. 93. 137 Die Massenorganisationen hatten verschiedene Funktionen inne: 1) Kontrollfunktion (Kontrolle und Lenkung der Bevölkerung); 2) Transmissionsfunktion (Bevölkerung für die Ziele der SED mobilisieren und aktivieren); 3) Interessenvertretung; 4) Identifikationsfunktion (Bevölkerung zur Konformität erziehen); 5) Kaderbildung, vgl. Mählert, Ulrich: Kleine Geschichte der DDR, 4. überarb. Aufl., München 2004, S. 40. 138 Vgl. Herbst, Andreas/Küchenmeister, Daniel/Winkler, Jürgen: Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter, in: Stephan (u. a.) (Hrsg.): Parteien und Organisationen der DDR, S. 831 – 834, hier S. 831. Zum Kleingartenwesen in der DDR vgl. vor allem Dietrich, Isolde: Hammer, Zirkel, Gartenzaun. Die Politik der SED gegenüber Kleingärtnern, Berlin 2003. 139 Vgl. Wegner: Kleintierhaltung, S. 613.
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„Milchschafzüchter“ oder die der „Ziergeflügel-“ und „Exotenzüchter“. Die Fachsparte der Hunde- und KatzenzüchterInnen hatte im Jahr 1982 18.683 Mitglieder, womit sich die Mitgliederzahl seit 1970 (7.635 Mitglieder) mehr als verdoppelt hatte.140 Die LiebhaberInnen von Guppys, Geckos und Grasfröschen waren im Kulturbund zusammengeschlossen („Aquarien- und Terrarienfreunde“).141 Für einzelne Tierrassen gab es in der DDR „Spezialzuchtgemeinschaften“ (SZG ). Die SZG sollten ganz allgemein das Zuchtniveau der jeweiligen Rassen erhöhen und die DDR-Standards der jeweiligen Rasse erarbeiten und sichern.142 In der Hundezucht gab es beispielsweise 14 SZG, darunter die „SZG Wind- und Rennhunde“, „SZG Deutscher Pudel“, „SZG Schnauzer und Pinscher“, „SZG Französische Bulldogge“ oder „SZG Dalmatiner“.143 Mit der straffen Organisation sollte die private Tierzucht und -haltung der BürgerInnen staatlich kontrolliert und vor allem gelenkt werden. Einerseits waren damit ökonomische Interessen verbunden.144 Anderseits ermöglichten die Massenorganisationen politische Einflussmaßnahme auf die Mitglieder. Den Herrschenden war es dabei egal, ob der Ausgangspunkt zur Bildung von Kollektiven nun die Liebe zum Wellensittich 140 Vgl. Statistisches Jahrbuch der Deutschen Demokratischen Republik 1983, Berlin (Ost) 1983, S. 398. 141 Zentraler Fachausschuss Aquarien- und Terrarienkunde im Kulturbund der DDR. Der Kulturbund wurde am 03. 07. 1945 in Berlin als „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ gegründet. 1958 erfolgte die Umbenennung in „Deutscher Kulturbund“ und 1972 wurde er in „Kulturbund der DDR“ umbenannt, vgl. Dietrich, Gerd: Kulturbund, in: Stephan (u. a.) (Hrsg.): Parteien und Organisationen der DDR, S. 530 – 559. 142 Weitere Aufgaben der SZG, vgl. SZG-Richtlinien beschlossen vom Zentralvorstand des VKSK am 1. März 1975, in: SAPMO BArch DY 14/83. 143 Vgl. Teichmann: Hundebuch, S. 114. Insgesamt wurden im VKSK Mitte der Achtzigerjahre 68 Hunderassen gezüchtet. Im VKSK waren aber nur diejenigen ZüchterInnen organisiert, deren Hunde nicht als ‚Dienst-‘, ‚Gebrauchs-‘ oder ‚Jagdhunde‘ eingestuft waren. Zur besseren Kontrolle der Zucht wurde die ‚Dienst-‘ und ‚Gebrauchshunde‘-Zucht von insgesamt 14 Hunderassen in der seit 1961 selbständigen „Sektion Dienst- und Gebrauchshunde“ zusammengefasst, vgl. Wegner: Kleintierhaltung, S. 614. Vor 1961 war die Sektion bei der GST organisiert. Die ZüchterInnen von ‚Jagdhunden‘ unterstanden hingegen den Jagdgesellschaften, vgl. Grabs: Tiere halten, S. 82. Dort wurden Mitte der Achtzigerjahre 25 Rassen gezüchtet, vgl. Wegner: Kleintierhaltung, S. 614. Die HundezüchterInnen veranstalteten neben Leistungsprüfungen auch Ausstellungen und sogar Hunderennen: Bereits 1951 fanden in Ost-Berlin regelmäßig Windhunderennen statt, vgl. Der Hund 1/1 (1952), S. 30 – 32. Seit 1988 wurden sogar Schlittenhunderennen angeboten, vgl. Rennauschreibungen für das I. und II. Schlittenhunderennen der DDR des VKSK in Oberhof Januar 1988 und März 1989, SAPMO BArch DY 14/82, unpag. Siehe auch Der Hund 3/3 (1988). 144 Neben dem Export von Rassetieren war das offizielle Grundanliegen des VKSK (außer der Erholungsmöglichkeit), die Produktion von pflanzlichen und tierlichen Produkten zu fördern und brachliegende Reserven zu erschließen, vgl. Herbst (u. a.): Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter, S. 832.
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oder zur Briefmarke war. Ein passionierter Hundesportler räsonierte darüber, dass der organisierte Hundesport „eine sinnvolle Verbindung von sportlicher Betätigung und politisch-ideologischer Arbeit“ sei, weil der Sport die „kollektive Erziehung unserer Mitglieder zu Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, sauberer Lebensführung, Beharrlichkeit und kameradschaftlicher Hilfe und zur Unversöhnlichkeit gegenüber Mängeln“ 145 fördere. Aber auch die vielen HundehalterInnen, die (noch) nicht organisiert waren, sollten systematisch beeinflusst werden, denn auch „[d] iesen gegenüber fühlt sich der VKSK […] verpflichtet. Mit gezielter Aufklärung soll dazu beigetragen werden, Tiere zweckmäßig zu halten und artgerecht und gesellschaftlich vertretbar zu füttern.“ 146
Tierkauf und ‚Heimtier‘-Bedarf Wer sich in der DDR ein ‚Heimtier‘ anschaffen wollte, hatte dazu verschiedene Möglichkeiten. Zunächst konnte man Tiere direkt von den im VKSK organisierten ZüchterInnen kaufen oder aus dem Tierheim beziehen, gegebenenfalls auch bei den Bäuerlichen Handelsgenossenschaften (BHG).147 Weiterhin war es möglich, Tiere von Privatpersonen zu erwerben, das heißt über Kleinanzeigen oder über Bekannte. Da auch bestimmte Tiere oder Rassen zuweilen Mangelware darstellten, waren auch beim Tierkauf informelle Beziehungsnetze von großer Bedeutung.148 Daneben gab es in einigen Städten und Gemeinden zoologische Handlungen, die Tiere verschiedener Spezies zum Verkauf anboten.149 Die Kaufpreise variierten, Festpreise gab es nur in den Zoohandlungen. In Berliner Tierhandlungen war ein Wellensittich ab zwölf Mark zu haben, ein Zwergkaninchen kostete 30 Mark, Hamster gingen für vier Mark über den Ladentisch. Der Kauf einer Anakonda belief sich auf stolze 3.000 Mark, wohingegen Fische (ab 60 Pfennig) und Mäuse (ab 1,50 Mark) günstig zu erstehen waren.150 Anders 145 „Ein Gespräch nach dem VIII. Parteitag“, in: Der Hund 20/10 (1971), S. 3 – 4, hier S. 4. 146 Wegner: Kleintierhaltung, S. 614. 147 Vgl. ebenda, S. 22. 148 Die informellen Netzwerke stabilisierten schlussendlich das politische System der DDR, indem sie Steuerungsmängel des Regimes kompensierten, vgl. Bauerkämper: Sozialgeschichte, S. 5. Vgl. dazu ausführlich die empirische Studie (Lebensverlaufsanalyse) von Diewald, Martin: „Kollektiv“, „Vitamin B“ oder „Nische“? Persönliche Netzwerke in der DDR, in: Huinink, Johannes (u. a.) (Hrsg.): Kollektiv und Eigensinn. Lebensverläufe in der DDR und danach, Berlin 1995, S. 223 – 260. Kohli weist wie Diewald auf die Modernisierungsleistung von Netzwerken hin, vgl. Kohli: Arbeitsgesellschaft, S. 38. Zu Netzwerken im Sozialismus und Netzwerkforschung vgl. auch der Tagungsbericht: Heinz, Michael: Netzwerke im Sozia lismus. Workshop in Potsdam, in: DA 6 (2006), S. 1097 – 1099. 149 Vgl. Wunderlich: Veterinärwesen, S. 224 f. 150 Vgl. „Webervögel, Fische und Teddyhamster“, in: BLZ vom 01. 12. 1979, S. 15.
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verhielt es sich bei den Rassehunden und -katzen, wo ganz marktwirtschaftlich Angebot und Nachfrage die Preise regelten. Um überhöhte Preise zu verhindern, gab der VKSK Preislisten heraus, an denen sich ZüchterInnen und KäuferInnen orientieren konnten und sollten. Der empfohlene Höchstpreis für einen Hunde welpen lag bei 700 Mark und für eine zehn bis zwölf Wochen alte Rassekatze bei 425 Mark.151 Bei einem monatlichen Nettoverdienst von 850 Mark (Durchschnitt 1985152) betrug der Wert eines sehr gefragten Rassehundes also fast einen gesamten Monatsverdienst. In gewissem Sinne waren Rassetiere also auch in der DDR ein Luxusgegenstand. Auf dem Gebiet der ‚Heimtier‘-Industrie hatte die DDR einiges nachzuholen. Es mangelte an Käfigen, Futternäpfen, Spielzeugen oder Vogelsand. Entweder weil bestimmte Produkte in der DDR schlicht nicht existierten (wie Katzenstreu) oder weil sie hauptsächlich für den Export produziert wurden (wie zum Beispiel Vogelkäfige, Mehlwürmer, Wasserflöhe oder Holzhäuschen).153 Vogelsand etwa wurde ausschließlich vom VEB Aquaria in Dresden hergestellt, der aber gerade einmal 18 Prozent des Gesamtbedarfs produzierte.154 Die Wohnungskatze musste sich in Ermangelung an Katzentoiletten mit „Foto- oder andere[n] Plastschalen“ 155 begnügen, in denen sie kein Katzenstreu, sondern Sand, Sägespäne oder Zellstoff vorfand.156 Flohhalsbänder gab es auch nicht; von Flöhen geplagte Hunde und Katzen wurden – bedenklicher Weise – mit den giftigen Insektenabwehr-Streifen „Mutox“ ausgestattet.157 Kauknochen („Hundekau“) wurden erst in den Achtzigerjahren im VEB Trommelfellfabrik Altenburg entwickelt, fanden aber nie den Weg in die Zoohandlung 158 (sie waren außerdem primär für den Export gedacht 159). Auch die Versorgung mit Tiernahrung ließ 151 Vgl. Grabs: Tiere halten, S. 33 f. 152 Vgl. Fischer: Daten, S. 204. 153 Vgl. Information über Kontrollergebnisse zur Sicherung und Überbietung des NSW-Exportes bei Zoologica-Erzeugnissen, insbesondere Zierfische vom 31. 01. 1986, BArch DC 14/2243, unpag. Vgl. auch Inspektion der ABI im VE Kombinat Aufbereitung tierische Rohstoffe und Pelztierproduktion vom 10. 08. 1985, BArch DC 14/2243, unpag. 154 Vgl. Information über die Versorgung der Bevölkerung mit Futtermitteln und anderen Materialien für kleine Haustiere, Januar 1981, BArch DC 20/20850, Bl. 13 – 14, hier Bl. 14. 155 Vgl. Schille/Schille: Unser Kind, S. 62. 156 Seupel: Stadtordnung, S. 23. 157 „Wie gehen wir mit Tieren um?“, in: Deine Gesundheit 6 (1988), S. 14 – 15, 18, 26, hier S. 26. 158 „Ist Bello der Weisheit letzter Schluß?“, in: Der Hund 38/3 (1990), S. 10 – 11, hier S. 11. 159 Vgl. VE Kombinat Aufbereitung tierische Rohstoffe und Pelztierproduktion, Vorschläge und Maßnahmen zur Erhöhung des Exportes über den VEH Zoologica vom 03. 09. 1985, BArch DC 14/2243, unpag. Interessant dabei ist, dass die DDR mit dem Export von ‚Heimtier‘-Bedarf das hohe ökonomische Potential desselben erkannte (gleiches gilt auch für den Export von ‚Heimtieren‘).
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zu wünschen übrig. Beispielsweise wurde der Gesamtbedarf an Getreidefutter für Vögel, Hamster oder Meerschweinchen in Ost-Berlin auch nur zu 18 Prozent gedeckt.160 Fertigfutter für Hunde und Katzen gab es seit 1970, war aber nur sehr selten im Handel erhältlich. Insofern waren die BürgerInnen auch beim ‚Heimtier‘-Bedarf entweder auf die „Marke Eigenbau“ oder informelle Netzwerke angewiesen. Gründe für den Versorgungsmangel mit derartigen Gütern waren die wirtschaftlich schlechte Lage im Allgemeinen sowie die „außerordentliche Zersplitterung der Herstellung und des Vertriebs derartiger Erzeugnisse“ im Besonderen.161 Hinzu kam, dass sich kein Ministerium hauptverantwortlich sah.162 All dies waren Folgen der jahrzehntelangen Verleugnung und Unterschätzung der ‚Heimtier‘-Kultur sowie der fehlenden privatwirtschaftlichen Versorgung mit ‚Heimtier‘-Bedarf. Die SED-IdeologInnen echauffierten sich zwar über die „Profitgier“ des Westens und amüsierten sich darüber, wie „die eher belächelten Menschen, die ihre Tiere allzu sehr verzärteln und in kapitalistischen Ländern zur Blüte einer ganzen Industrie beigetragen haben, die immer neue Produkte zur Beglückung von Heimtieren und deren Besitzern propagiert.“ 163 Zuletzt musste sich das SED-Regime aber eingestehen, dass es auch im sozialistischen Teil Deutschlands viele dieser vermeintlich „belächelten Menschen“ gab, die eine vernünftige Versorgung ihrer Tiere forderten. Sie machten ihren Frust in zahlreichen Eingaben an den Staat Luft. Die Schreiben an die Partei- und Staatsführung belegten die politische Brisanz von Konsumwünschen in der DDR: In einer Analyse von 1981 wurde dann auch festgestellt: „In einer Reihe von Eingaben wird darauf hingewiesen, daß sich die Versorgung der Bevölkerung mit Futtermitteln und anderen Materialien für kleine Haustiere – insbesondere für Vögel, Katzen, Hamster, Zierfische u. a. – ständig verschlechtert.“ 164 Völlig unüblich in derartigen Staatsdokumenten folgt ein fast schon einfühlsamer Satz: „Diese Sorgen bewegen hunderttausende von Familien, in denen s olche Tiere vor allem von Kindern, Rentnern und alleinstehenden Bürgern liebevoll gepflegt werden.“ 165 Die SED-Staatsführung nahm die Klagen aus der Bevölkerung durchaus ernst, denn ein mangelndes Warenangebot barg stets das Risiko sozialer Unruhen.166 Ein 160 Vgl. Information über die Versorgung der Bevölkerung mit Futtermitteln und anderen Materialien für kleine Haustiere, Januar 1981, BArch DC 20/20850, Bl. 13 – 14, hier Bl. 13. 161 Vgl. ebenda, Bl. 14. 162 Vgl. ebenda. 163 „Lebensgemeinschaft“, in: Deine Gesundheit 6 (1988), S. 4 – 8, hier S. 7. 164 Information über die Versorgung der Bevölkerung mit Futtermitteln und anderen Materialien für kleine Haustiere, Januar 1981, BArch DC 20/20850, Bl. 13 – 14, hier Bl. 13. 165 Ebenda. 166 Ciesla hebt besonders die Erfahrungen des 17. Juni 1953 hervor, die die Herrschenden zu einer ‚fürsorglichen‘ Konsumpolitik, insbesondere im Lebensmittelbereich, antrieben, vgl.
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weiteres Problem stellte die Versorgung mit Nahrungsmitteln dar: Aus Ermangelung an Tierfutter oder auch nach bestem Wissen und Gewissen verfütterten viele TierfreundInnen für Menschen gedachte Lebensmittel – in Zeiten der Warenknappheit ein Unding für die Staatsführung.
2.2.1 Von Nahrungskonkurrenten Die unzureichende Futterversorgung war ein permanentes Problem in der wirtschaftlich angeschlagenen DDR der Siebziger- und Achtzigerjahre.167 Die Verfütterung von Lebensmitteln machte ‚Heimtiere‘ in den Augen der Staatsoberen zu „Ernährungskonkurrenten“ des Menschen. Das traf besonders für die Fleisch verzehrenden Hunde und Katzen zu: „Da die Ernährung von Hund und Katze stark emotional betont immer noch in der Hauptsache mit konventionellen Feuchtfutterzusammenstellungen auf der Basis von Edelfleisch durchgeführt wird, ist die Frage nach der Nahrungskonkurrenz zu bejahen.“ 168 Da keine genauen Zahlen über die Anzahl der gehaltenen ‚Heimtiere‘ verfügbar waren, gab es auch keine Statistiken zum Futterverbrauch. Der Bedarf und das Aufkommen an Hunde futter wurden lediglich auf Grundlage von Bedarfsermittlungen des Großhandels – Waren des täglichen Bedarfs –, der VdgB und der „bewaffneten Organe“ mit den Produktionsbetrieben abgestimmt.169 Das heißt, der Bedarf an Hunde- und Katzenfutter aus der Bevölkerung wurde gar nicht mitbedacht.170 Eine Rechnung für das gesamte DDR-Gebiet sprach von einem Jahresverbrauch von rund 15.000 Tonnen an „Edelfleisch“ für die Hunde- und Katzenernährung. Das entspräche „zwar ‚nur‘ einem Anteil von etwa 3 Prozent des Einzelhandelsumsatzes, ist aber gesamtwirtschaftlich gesehen belastend“ 171. Eine andere Kalkulation für den Ost- Berliner Raum ging von jährlich 2.260 Tonnen benötigten Fleisches allein für die Hundehaltung aus.172 Die hohe Zahl der ‚Dienst-‘ und ‚Gebrauchshunde‘ der
Ciesla: Konsumgesellschaft, S. 205 und 212. 167 Zum Futtermittelmangel in der Landwirtschaft siehe Kapitel 3.1.2. 168 Grünbaum, Ernst-Günther: Die sachgerechte Ernährung von Hunden und Katzen unter besonderer Berücksichtigung der Nutzung tierischer Rohstoffe, in: MfV 36 (1981), S. 944 – 949, hier S. 944. 169 Vgl. Information über Probleme der Bereitstellung von Hundefutter vom 21. 07. 1978, BArch DC/19665, Bl. 44 – 49, hier Bl. 44. 170 Auch der Fleischverbrauch in der ‚Pelztier‘-Zucht oder in den Zoos und Zirkussen ist nicht mitgerechnet. 171 Grünbaum: Ernährung, S. 945. 172 Vgl. Information über Probleme der Bereitstellung von Hundefutter vom 26. 07. 1978, BArch DC/16498, Bl. 44 – 51, hier Bl. 47.
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„bewaffneten Organe“ (insgesamt 9.400 Tiere, davon 7.500 ‚Grenzhunde‘173), der ‚Versuchshunde‘ dieser Einrichtungen sowie jener der Forschungseinrichtungen und Universitäten und nicht zuletzt der Hunde der Jagdgesellschaften und Forstwirtschaftsbetriebe verschärften die Futtermittelversorgung, so dass fiebrig an einer „Standardisierung der Fütterung“ 174 gearbeitet wurde. Als Lösung für das Problem der „Nahrungskonkurrenz“ wurde das Verwenden von industriell hergestellten Fertigfuttermitteln betrachtet: „Die Fertigfuttermittel für Hund und Katze sind ein nicht zu unterschätzender Faktor zur Senkung eines zweckentfremdeten Edelfleischverbrauchs und damit zum ökonomisch sinnvollen Einsatz der Rohstoffe tierischer Herkunft in unserer Volkswirtschaft.“ 175 Die ‚Dienst-‘ und ‚Gebrauchshunde‘ der verschiedenen staatlichen Einrichtungen wurden schon nahezu ausschließlich mit Fertigfuttermitteln sowie Schlachtabfällen gefüttert.176 Nun mussten noch die „individuellen“ Hunde- und KatzenbesitzerInnen von den Vorteilen des industriell hergestellten Fertigfutters überzeugt werden. Erste Versuche der Herstellung von Hunde-Trockenfutter („Fleischfutterkuchen“) wurden Ende der Fünfzigerjahre unternommen.177 Begründet wurde die Notwendigkeit der Entwicklung vor allem mit der einfachen Futterzubereitung (keine Geruchsbelästigung der Nachbarn durch den Wegfall des Fleischkochens) und die einfachere Besorgung (keine langen Fahrten zu Fleisch-Verteilungsstellen).178 Von einer Nahrungskonkurrenz war seinerzeit noch nicht die Rede. 1977 kam schließ lich das pelletierte Trocken-Fertigfutter „Bello“ auf den Markt, das im VEB Kombinat Getreidewirtschaft Berlin (VEB Spezialfutterwerk Berlin) und im VEB Südthüringer Fleischkombinat Suhl hergestellt wurde.179 Weiterhin gab es die Pellets „Sonder“ und „Extra“, die ebenfalls im besagten Berliner Kombinat hergestellt wurden. Letztgenannte Pellets waren auf Basis von Getreidenachmehlen 173 Vgl. Zengerling: Veterinärwesen, S. 101 f. 174 Madry, M.: Eine Methode zur Fütterung der Hunde mit pelletiertem Standardfutter, in: MfV 26 (1971), S. 816 – 817, hier S. 816. 175 Vgl. Grünbaum: Ernährung, S. 948. 176 Vgl. Information über Probleme der Bereitstellung von Hundefutter vom 26. 07. 1978, BArch DC/16498, Bl. 44 – 51, hier Bl. 47. 177 Vgl. „Benötigen wir für unsere Hunde einen Fleischfutterkuchen?“, in: Der Hund 6/5 (1957), S. 4 – 5. Davon zu unterscheiden waren die bereits seit 1863 von der Firma Spratt hergestellten „Hundekuchen“ („Spratt’s Hundekuchen“) aus Berlin-Rummelsburg, die jedoch nach heutigen Maßstäben keine vollwertige Hundenahrung darstellten, vgl. Meyers Großes Konversations-Lexikon Bd. 9, S. v. „Hundekuchen“, 6., neubearb. Aufl., Leipzig/Wien 1908, S. 652. 178 Vgl. „Benötigen wir für unsere Hunde einen Fleischfutterkuchen?“, in: Der Hund 6/5 (1957), S. 4 – 5, hier S. 4. 179 Vgl. Information über Probleme der Bereitstellung von Hundefutter vom 26. 07. 1978, BArch DC/16498, Bl. 44 – 51, hier Bl. 45 f.
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und, wie der Name andeutet, als Beifutter gedacht und nicht im Einzelhandel erhältlich.180 Weiterhin gab es das vollwertige, pulverförmige Trockenfutter „Nico“, das vom VEB Fleischkombinat Schwerin hergestellt wurde.181 Beliebter bei Hund und HalterIn war indes das fleischähnlichere „Nassfutter“. 1970 war erstmals die „vollwertige Hundenahrung Laika“ vom VEB Futtermischwerk Wünschendorf/ Elster erhältlich.182 Die Glaskonserve mit dem Namen der berühmten Weltraumhündin wurde 1972 von der verbesserten Version „Goldy“ abgelöst.183 Dabei war das „Konservenfeuchtfutter“ für Hunde und Katzen gedacht.184 Alleiniger Hersteller war das VEB Futtermischwerk Camburg-Schindlitz (Bezirk Gera).185 „Goldy“ und „Bello“ waren jedoch nicht die ersehnte Lösung der mutmaßlichen „Nahrungskonkurrenz“, denn es gab wesentliche Probleme mit dem Fertigfutter „made in GDR“. Erstens war das Hunde- und Katzenfutter, wie so viele Dinge des DDR-Alltags, Mangelware. Obwohl offiziell behauptet wurde, dass die „Pellets […] so reichlich hergestellt [werden], daß alle Hunde in unserem Lande täglich davon satt würden“ 186, war das Trockenfutter oft nicht überall zu bekommen. Gleiches war bei „Goldy“ der Fall, wo der hohe Bedarf trotz jährlich steigender Produktion nicht gedeckt wurde: Nur Zweidrittel (in Berlin nur die Hälfte) der Nachfragen konnten überhaupt befriedigt werden.187 Somit wurde sogar Hundefutter in der DDR zur „Bückware“ und selbst große Zoohandlungen wie das Berliner Zoogeschäft „Badstübner“ hatten „Goldy“ nur zwei Tage im Monat im Angebot.188 Kein Wunder, dass viele DDR-BürgerInnen gar nicht wussten, dass 180 Vgl. Grünbaum: Ernährung, S. 945. 181 Vgl. Information über Probleme der Bereitstellung von Hundefutter vom 26. 07. 1978, BArch DC/16498, Bl. 44 – 51, hier Bl. 45. 182 „Hundefutter aus der Konserve“, in: Der Hund 22/10 (1973), S. 21 – 23, hier S. 21. Vgl. auch: Werbeanzeigen, in: Der Hund 20 (1971). 183 Der Name „Goldy“ ging auf den Namen des Pudels zurück, der auf der „Goldy“-Reklame zu sehen war, „Hundefutter aus der Konserve“, in: Der Hund 22/10 (1973), S. 21 – 23, hier S. 21. Vgl. auch: Werbeanzeigen, in: Der Hund 20 (1971). 184 Grünbaum: Ernährung, S. 946. 185 Vgl. Information über Probleme der Bereitstellung von Hundefutter vom 26. 07. 1978, BArch DC/16498, Bl. 44 – 51, hier Bl. 45. 186 „Wie gehen wir mit Tieren um?“, in: Deine Gesundheit 6 (1988), S. 14 – 15, 18, 26, hier S. 18. Das lag in den Augen der herstellenden Betriebe natürlich nicht an der zu niedrigen Produk tion, sondern „an der Bestellung oder Verteilung“ des Futters, vgl. ebenda. Damit wurde die Verantwortung auf die nächste Instanz des Handels abgewälzt. 187 1978 betrug die Produktion 1.000 Tonnen, bei einem Bedarf von 1.300 Tonnen, vgl. Informa tion über Probleme der Bereitstellung von Hundefutter vom 26. 07. 1978, BArch DC/16498, Bl. 44 – 51, hier Bl. 46. 188 Vgl. „Wie gehen wir mit Tieren um?“, in: Deine Gesundheit 6 (1988), S. 14 – 15, 18, 26, hier S. 26. Ein Hundebesitzer beschwerte sich „Der Handel meint, 1900 Tonnen würden bedarfsgerecht sein – ich kanns nicht glauben, denke ich daran, daß ich in meiner Kaufhalle
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es Hunde- und Katzenfutter gab, und ihre Tiere weiterhin mit Babynahrung und Selbstgekochtem versorgten.189 Sehr zum Ärgernis der Obrigkeit wurde auch im Großteil der ‚Heimtier‘-Literatur meist die „konventionelle“ Fütterung mit menschlichen Nahrungsmitteln und Fleisch empfohlen. Schließlich war die Fütterung mit dem Fertigfutter vergleichsweise teuer. Ein Glas „Goldy“ à 700 Gramm kostete 2,35 Mark und das Glas à 350 Gramm 1,30 Mark.190 Auch deswegen bevorzugten viele TierhalterInnen, insbesondere von großen Hunden, die vergleichsweise günstigere Fütterung mit Lebensmitteln oder Trockenfutter – aber nicht unbedingt mit Frischfleisch.191 Weiterhin war das kleine Sortiment für viele HundebesitzerInnen unattraktiv. Das Fertigfutter gab es lediglich in einer „Geschmacksrichtung“ und in begrenzten Portionsgrößen. „Goldy“ stand nur als 700-Gramm- und 350-Gramm-Glas zur Verfügung. Für viele HalterInnen waren diese Portionen schlicht zu groß. Manche schafften sich Abhilfe, indem sie den Inhalt in kleinere Portionen aufteilten und einfroren.192 Auch das weniger beliebte Trockenfutter „Bello“ gab es nur in acht oder 50-Kilogramm-Säcken.193 Des Weiteren gab es weder spezielles Futter für Katzen noch für verschiedene Altersstufen, geschweige denn Kauknochen oder Naschartikel. Mit dem eingeschränkten Sortiment kam daher für viele Hunde- und Katzenbesitzer die emo tionale Seite des Fütterns zu kurz: „Vielen Hundebesitzern ist es zu eintönig, immer Pellets zu geben, die es auch nur in einer Geschmacksrichtung gibt. […] maximal einmal pro Monat Goldy ergattern kann – und das im ‚privilegierten‘ Berlin!“, in: Der Hund 38/3 (1990), S. 11. 189 Vgl. Interview mit Renate Wesselhöfft vom 02. 04. 2014. 190 Vgl. „Neue hochwertige Tiernahrung für Hunde“, in: Der Hund 24/4 (1972), S. 7 – 8. Der hohe Preis von „Goldy“ erscheint umso unverständlicher, da das Konservenfutter sogar staatlich mit 40 Pfennig pro Glas subventioniert wurde, vgl. „Ist Bello der Weisheit letzter Schluß?“, in: Der Hund 38/3 (1990), S. 10 – 11, hier S. 11. Dass die Preise für Hundefutter in der DDR sehr hoch waren, zeigt auch ein Blick nach Westdeutschland, wo der Kilopreis von „Chappie“, „Pedigree“ & Co. zwischen 2,10 und 3,00 DM lag, vgl. Institut für Marktforschung Leipzig „Internationale Tendenzen der Haustierernährung“ 1983 (nur für den Dienstgebrauch), in: BArch DL 102/1722, unpag. (S. 3). 191 Ein Kilogramm Schweinefleisch kostete acht Mark, ein Kilogramm Rindfleisch (zum Kochen) 5,80 Mark (1980), vgl. Pötzsch, Klaus: Von 5 Pfennig für ein Brötchen bis 7000 Mark für ein Fernsehgerät – die Preise in der Planwirtschaft, in: Hölder, Egon (Hrsg.): Im Trabi durch die Zeit – 40 Jahre Leben in der DDR, Stuttgart 1992, S. 111 – 120, hier S. 112. 192 Vgl. Der Hund 38/3 (1990), S. 10. 193 Zu allem Überfluss war das Futter lediglich sechs Monate haltbar und nur in den Verkaufsstellen der VdgB zu beziehen. Ganz offensichtlich hatten die Verantwortlichen nur an die Versorgung der zahlreichen ‚Dienst-‘ und ‚Gebrauchshunde‘, nicht aber an die Bedürfnisse von „individuellen“ HundehalterInnen gedacht, vgl. Information zu den Ergebnissen einer Nachkontrolle über Probleme der Bereitstellung von Hunde- und Katzenfutter (Dezember 1978), BArch DC 20/19672, Bl. 1 – 6, hier Bl. 5.
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Fakt ist […], daß aus diesen Gründen täglich hochwertige Lebensmittel an Hunde verfüttert werden.“ 194 Das Marktforschungsinstitut Leipzig schlug seinerzeit (vergebens) eine Erweiterung des Hunde- und Katzenfutterangebot um jeweils fünf Erzeugnisse vor.195 Nicht zuletzt bestand eine nicht zu unterschätzende Skepsis gegenüber den DDR-Produkten: Viele BesitzerInnen sahen in der Glaskonserve nur die Verwertung von Abfällen und Minderwertigem.196 Das Misstrauen war zum Teil durchaus angebracht. So wurde beispielsweise der Fleischanteil im Trockenfutter „Bello“ sukzessiv durch einen erhöhten Getreideanteil ersetzt und das ohne wissenschaftliche Begleitung oder Fütterungsversuche.197 Nicht unerheblich waren auch die Auswirkungen der Unterversorgung für die Tiere selbst, so dass „Fragen nach der richtigen Fütterung und der Verhütung von Ernährungsfehlern […] immer mehr im Vordergrund der täglichen Kleintierbehandlungen [standen].“ 198 Die VeterinärInnen stellten fest, dass die meisten Hunde und Katzen „mehr nach emotionalen als nach rationalen Gesichtspunkten ernährt“ 199 wurden. Die Folge der Fütterung mit Küchenabfällen und Speiseresten waren das vermehrte Auftreten von Zahnerkrankungen, Mangelerscheinungen, Übergewicht oder auch Vergiftungen und unmittelbar durch Nahrungsmittel ausgelöste und übertragene Krankheiten. Dementsprechend häufig waren Artikel zu ernährungsbedingten Krankheiten in den Monatsheften für Veterinärmedizin zu finden.200 Auch deswegen müsse „Vorurteilen gegen das Verfüttern von Fertigfuttermitteln bei den Tierhaltern und -züchtern […] durch populärwissenschaftliche Aufklärung begegnet werden.“ 201
194 „Wie gehen wir mit Tieren um?“, in: Deine Gesundheit 6 (1988), S. 14 – 15, 18, 26, hier S. 18. 195 Vgl. Institut für Marktforschung Leipzig „Internationale Tendenzen der Haustierernährung“ 1983 (nur für den Dienstgebrauch), in: BArch DL 102/1722, unpag. (S. 6). 196 Vgl. „Hundefutter aus der Konserve“, in: Der Hund 22/10 (1973), S. 21 – 23, hier S. 21. „Goldy“ wurde aus „Schlachtabfällen und -nebenprodukten (z. B. Blut, gebrühte Lunge, Trachten, Ohrenausschnitte etc.) sowie aus minderwertigen Nährmitteln, Gemüseabfällen, einem Mineralstoffgemisch, Fleischbrühe und Pökelsalz“ hergestellt. Fleisch kam nur zum Einsatz, sofern es sich um Fleischteile handelte, „die zur Versorgung der Bevölkerung nicht geeignet sind“, wodurch die Nahrungskonkurrenz entschärft wurde, Information über Probleme der Bereitstellung von Hundefutter vom 21. 07. 1978, BArch DC/19665, Bl. 44 – 49, hier Bl. 45. Die Inhaltsstoffe heutiger Hundenahrung unterscheiden sich nur unwesentlich von den damaligen. 197 Vgl. „Ist Bello der Weisheit letzter Schluß?“, in: Der Hund 38/3 (1990), S. 10 – 11, hier S. 11. 198 Grünbaum, Ernst-Günther: Allgemeine Grundlagen der Katzenernährung, in: MfV 32 (1977), S. 488 – 493, hier S. 493. 199 Grünbaum, Ernst-Günther: Fütterung und Diätik bei der Aufzucht von Hunden, in: MfV 29 (1974), S. 69 – 76, hier S. 70. 200 Vgl. hier v. a. die zahlreichen Artikel von Ernst-Günther Grünbaum, Leiter der Kleintierklinik Potsdam. 201 Grünbaum: Ernährung, S. 948.
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Die ‚Aufklärung‘ der TierhalterInnen war indes nur ein Stichpunkt in den nun folgenden Maßnahmenplänen. Um den Verbrauch von „Edelfleisch“ zu Fütterungszwecken einzudämmen und stattdessen die Fütterung von Fertigfutter zu erhöhen, wurde dem Ministerrat 1978 ein Bericht vorgelegt, der eine Reihe von Vorschlägen enthielt.202 Neben der Propagierung von Fertigfuttermitteln durch Presse, Fachzeitschriften und andere Massenmedien sowie durch die TierärztInnen und den VKSK sollte vor allem die „Goldy“-Produktion dem Bedarf angepasst und die Qualität und Attraktivität der Glaskonserve erhöht werden. Die Produktionserhöhung durfte allerdings nicht die „wachsende Bereitstellung dieser Rohstoffe für die menschliche Ernährung, die Fütterung von Edelpelz tieren sowie für den Export in die BRD“ beeinträchtigen. Die Maßnahmenpläne scheiterten jedoch an den Folgen einer permanenten Mangelwirtschaft, vor allem was die Verpackung betraf.203 Das verstärkte den Unmut der Bevölkerung: „Aufgrund von Hinweisen zur Verschlechterung der Versorgung mit Futtermitteln und anderen Materialien für kleine Haustiere (insbesondere für Vögel, Katzen, Hamster, Zierfische) wurde veranlaßt, diese vielen Tausende von Bürgern bewegenden Fragen grundsätzlich zu überprüfen und Lösungswege zu erarbeiten.“ 204 Resultat der staatlichen Bemühungen war ein weiterer Maßnahmenplan.205 Wer Vogelsand oder einen Hamsterkäfig kaufen wollte, hatte also weiterhin das Nachsehen. Der Plan war im Großen und Ganzen eine Weiterführung der zuvor angestrebten Maßnahmen: die Erhöhung der Quantität und Qualität der Fertigfuttermittel sowie eine Ausweitung des Sortiments. Zur Sicherung des Absatzes sah der Maßnahmenplan ein „verbindliches Vertriebssystem“ vor. Das Fertigfutter sollte im Großhandel im Bereich „Waren für den täglichen Bedarf“ aufgenommen werden und sei „in allen geeigneten Verkaufseinrichtungen des Handels ständig anzubieten.“ Um die Kauflust anzuregen, sei „eine wirksame Werbung für diese Produkte zu gewährleisten“ und eine gezielte „Propagierung des Einsatzes der Fertigfuttermittel“ zu erfolgen. Nicht zuletzt musste aber erst einmal eine einheitliche Rezeptur, Warenbezeichnung und Verpackung erarbeitet
202 Vgl. Information über Probleme der Bereitstellung von Hundefutter vom 21. 07. 1978, BArch DC/19665, Bl. 44 – 49, hier Bl. 48 – 51. Alle folgenden Zitate sind diesem Dokument entnommen. 203 Vgl. Information zu den Ergebnissen einer Nachkontrolle über Probleme der Bereitstellung von Hunde- und Katzenfutter (Dezember 1978), BArch DC 20/19672, Bl. 1 – 6. 204 Sekretariat des Ministerrates: Informationen über die Eingabenarbeit im 2. Halbjahr 1980, BArch DC 20/20850, Bl. 79 – 85, hier Bl. 81. 205 Beschluß des Ministerrats über den Maßnahmenplan zur Erhöhung der industriellen Fertigfutterproduktion für Hunde und Katzen und eines ansprechenden Angebotes in allen geeigneten Verkaufsstellen des Handels vom 6. November 1981, BArch DC 20-I/4/4862, Bl. 1 – 8. Folgende Zitate sind diesem Dokument entnommen.
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werden.206 Aufgrund der desolaten wirtschaftlichen Lage der DDR sowie der Priorität der Lebensmittelversorgung der Bevölkerung und der Erfüllung der Exportauflagen wurde die Initiative nicht realisiert.207 Stattdessen versuchte die SED-Staatsführung die Wünsche nach ‚Heimtier‘-Bedarf gar nicht erst zu wecken und zensierte einfach die Berichterstattung. Nach eigenem Bekunden musste die Moderatorin der Sendung „Du und Dein Haustier“, Gudrun Thiele, genauestens auf ihre Wortwahl achten, wenn es um die Fütterung von Hund und Katze ging. Sie umging das Dilemma, den Zuschauenden nicht den Gang zum Fleischer oder den Kauf des nicht überall erhältlichen Fertigfutters empfehlen zu müssen, mit einem Kniff: Sie riet den Zuschauenden bei Fragen der Fütterung einfach die ZüchterInnen zu konsultieren. Weitere Probleme, so die Moderatorin, waren der stete Mangel an ‚Heimtier‘-Bedarf. So musste vor jeder Sendung recherchiert werden, was gerade im Angebot war und was dementsprechend in der Sendung empfohlen werden konnte. Beispielsweise erntete die Moderatorin viele böse Briefe von Zuschauenden, weil es nach einem Bericht über Wellensittiche in vielen Städten weder Futter noch Sand zu kaufen gab.208 In einem anderen Beispiel wurde in der beliebten und auflagenstarken Wochenzeitung „Neue Berliner Illustrierte“ (NBI) in einem Beitrag über Katzenfütterung das Füttern von Fleisch und Fisch sowie der (seinerzeit bereits knappen) Nahrungsergänzung „Calcipot“ empfohlen.209 Der Chefredakteur wurde daraufhin gemaßregelt und zur Veröffentlichung eines Beitrages „zu den Vorzügen gesunder Katzenfütterung bei Verwendung industriell gefertigter Futtersorten“ 210 veranlasst.
206 Selbst in der Schreibweise war man sich nicht immer einig, so ist zum Teil auch die Schreibweise „Goldi“ zu finden. 207 Anfang der Achtzigerjahre stand das SED-Regime fast vor dem Staatsbankrott. Der finanzielle Ruin konnte nur durch Milliardenkredite der Bundesrepublik hinausgezögert werden, vgl. Steiner: Von Plan zu Plan, S. 198 f. 208 Vgl. Interview mit Gudrun Thiele in der Sendung „Igel – Das Tierschutzmagazin“, SWR, Sendung vom 02. 03. 1990. Dieselbe Problematik betraf auch andere Medien, die sich im weitesten Sinne mit dem Thema „Konsum“ beschäftigten, wie die Werbesendung „Tausend Tele Tips“ (1960 – 1976), die schließlich aufgrund der mangelnden Warenangebotes eingestellt wurde. Auch die Zeitschrift „Guter Rat“ (1945 – 1990) thematisierte das Politikum Konsum und half den LeserInnen mit Improvisationstipps (und war selbst Mangelware). Vgl. dazu Müller, Torben: Vom Westen lernen, heißt improvisieren lernen. Guter Rat – eine sozia listische Verbraucherzeitschrift, in: Barck, Simone/Langermann, Martina/Lokatis, Siegfried (Hrsg.): Zwischen „Mosaik“ und „Einheit“. Zeitschriften in der DDR, Berlin 1999, S. 69 – 76; Tippach-Schneider, Simone: Tausend Tele-Tips. Das Werbefernsehen in der DDR 1959 bis 1976, Berlin 2004. 209 Vgl. „Katzen mit Herzbeschwerden“, in NBI Nr. 44 (1978), S. 31. 210 Vorgang in: Information zu den Ergebnissen einer Nachkontrolle über Probleme der Bereitstellung von Hunde- und Katzenfutter (Dezember 1978), BArch DC 20/19672, Bl. 1 – 6.
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2.2.2 Veterinärmedizinische Betreuung Das Veterinärwesen wurde in der DDR zentral vom Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft geleitet und durch Kollektivierung weitgehend gleichgeschaltet. Die Verstaatlichung der Tierarztpraxen begann 1955 mit der Einrichtung der ersten Staatlichen Tierarztpraxis (STP) – mehr oder weniger auf freiwilliger Basis.211 Ab 1967 begann die Kollektivierung der Praxen durch die Bildung von Staatlichen Tierärztlichen Gemeinschaftspraxen (STGP ).212 Die STGP stellten ab den Siebzigerjahren die Hauptform der veterinärmedizinischen Betreuung dar.213 Die Veterinärmedizin nahm in der DDR eine sehr wichtige Position ein. Das Veterinärwesen war für die gesamte Tierhaltung und den Tierschutz zuständig.214 Die sozialistische Tiermedizin hatte jedoch weniger für die Tiergesundheit zu sorgen, sondern vielmehr für die damit verbundene Sicherung der Volksgesundheit und die Förderung der Volkswirtschaft: Die wichtigste Aufgabe und Verantwortung der staatlichen tierärztlichen Gemeinschaftspraxen (STGP) besteht darin, durch die Gesunderhaltung und Steigerung der Leistungsfähigkeit der Tierbestände zur weiteren Erhöhung der Tierproduktion und ihrer Effektivität sowie zur gesunden Ernährung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln, zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Versorgung der Industrie mit Rohstoffen beizutragen.215
Ihre bedeutendste Rolle hatten die TierärztInnen folglich als „Produktivkräfte auf dem Lande“ 216, was sich auch daran zeigte, dass das Veterinärwesen von Beginn an dem Landwirtschaftsministerium unterstand.217 VeterinärInnen wurden 211 Vgl. Azar: Veterinärwesen, S. 88 – 114. 212 Vgl. Ebenda, S. 243 – 247. 213 Private Tierarztpraxen blieben bis zum Ende der DDR vereinzelt bestehen, waren aber eine Randerscheinung, vgl. Azar: Veterinärwesen, S. 245; Prange: Spannungsfeld, S. 90. 214 Zum Verhältnis von DDR-Veterinärwesen (Veterinärgesetz im Besonderen) und Tierschutz siehe Kapitel 4.2.3. 215 Westpfahl: Betreuung, S. 768. Vgl. auch Prange, Hartwig: Tiergroßanlagen aus ostdeutscher Sicht – gesundheitliche Betreuung, Tierschutz und Umweltproblematik, in: Trautwein, Hermann (Hrsg.): Bundesverband der Beamteten Tierärzte. Arbeitstagung 2. und 3. Mai 1991, Berlin, S. 159 – 218, hier S. 167. 216 Humboldt-Universität, Veterinärmedizinische Fakultät (Hrsg.): 175 Jahre veterinärmedizinische Fakultät. 1790 – 1965, Berlin (Ost) 1965, S. 114. 217 Die Zuordnung des Veterinärwesens zur Landwirtschaft war in der DDR und der Bundesrepublik zum Teil heftig umstritten. In der Bundesrepublik wurde das Veterinärwesen nach 1961 schließlich aufgespalten und Teile des Veterinärwesens dem Bundesministerium für Gesundheit zugeordnet, vgl. Azar: Veterinärwesen, S. 26 – 32.
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im Staatssozialismus auf diese Weise zu Staatsangestellten. Sie waren es, die die Richtlinien der SED in Sachen Tierhaltung umsetzten: Belehren, Erziehen, Kontrollieren und Strafen wurden zu Leitmotiven der veterinärmedizinischen Arbeit.218 Die einseitige Orientierung auf ökonomische Aspekte hatte zahlreiche negative Folgeerscheinungen: Sie ließ die Veterinärmedizin nicht nur zu einer „administrativ in die Agrarwissenschaft und die Sicherung der ‚tierischen Produk tion‘ eingeordneten Teildisziplin“ 219 werden, sondern führte darüber hinaus zur Vernachlässigung von Tier- und Verbraucherschutzfragen und zu einer geringen Förderung der Pferde- und Kleintiermedizin.220 Einzige Ausnahme bildete hier die veterinärmedizinische Betreuung der ‚Diensthunde‘ der „bewaffneten Organe“ der DDR.221 Letztere stellte im Rückblick ein „besonderes Kapitel ostdeutscher Kleintiermedizin“ dar: Diese aufwendigen diagnostischen und prophylaktischen Programme bildeten ein interessantes Beispiel für ein landesweit organisiertes vorbeugendes Wirken beim Hund, der allerdings mehr als Nutz- denn als Heimtier betrachtet wurde. Die geringe Reflexion der hier gemachten Erfahrungen hat wesentlich politische Gründe; denn die erstklassige medizinische Betreuung auf der einen und der unwürdige Einsatz zahlreicher Tiere zur Absicherung der Grenzanlagen auf der anderen Seite kontrastieren in einer Weise, die einer ethischen Bewertung bedarf. Das gilt umso mehr, als für diese tierärztliche Tätigkeit nicht nur belanglose, sondern auch durchaus problematische Orden verliehen wurden, zum Beispiel die ‚Medaille für den Schutz der Arbeiter- und Bauernmacht‘ oder die ‚Ehrenplakette der Schutzpolizei und des MdI‘.222
218 Vgl. Gesetz über das Veterinärwesen vom 20. Juni 1962. Die durch das Veterinärgesetz ermöglichte Strafverhängung durch TierärztInnen war ein Novum, vgl. § 30 a „Die Durchführung des Ordnungsstrafverfahrens obliegt den Leitern der zuständigen veterinärmedizinischen Fachorgane.“ 219 Siebert, Stefan: Die Geschichte der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig als Fachrichtung Veterinärmedizin der Sektion Tierproduktion und Veterinärmedizin der Karl-Marx-Universität Leipzig von 1968 bis 1990, Diss. Universität Leipzig 2002, S. 44. Die Abhängigkeit der Veterinärmedizin von den agrarpolitischen Vorgaben zeigte sich auch in der Forschung, wo hauptsächlich „auftragsgebundene Forschung“ für die „industriemäßige Tierproduktion“ betrieben wurde, vgl. ebenda, S. 45 f. 220 Vgl. Azar: Veterinärwesen, S. 383; Prange: Spannungsfeld, S. 25. 221 Vgl. Wunderlich: Veterinärwesen, S. 219 – 223. 222 Prange, Hartwig: Das gesellschaftliche Umfeld tierärztlicher Tätigkeit in der DDR. Eine kritische Nachbetrachtung, in: Mieth, Karl/Prange, Hartwig (Hrsg.): Bezirkstierkliniken und Universitätstierkliniken landwirtschaftlicher Fakultäten in der DDR, Berlin 1997, S. 255 – 263, hier S. 259. Auch die Kleintiermedizin an der Universität Leipzig bezog einen Großteil ihrer „Legitimation“ aus der Betreuung der Diensthundestaffel der Volkspolizei in Pretzsch (Elbe), vgl. Siebert: Geschichte, S. 228.
Rahmenbedingungen der ‚Heimtier‘-Haltung
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Die übrige Kleintierhaltung befand sich überwiegend in der Verantwortung der privaten TierhalterInnen und weniger in der Zuständigkeit der TierärztInnen.223 Vor dem Hintergrund des „sozialistischen ‚Heimtier‘-Booms“ sollte dies noch zu einer großen Herausforderung werden.224 Denn mit der zunehmenden Anzahl an ‚Heimtieren‘ wuchs auch der bisher wenig beachtete Aufgabenbereich der tierärztlichen Kleintiermedizin.225 Die starke Zunahme der ‚Heimtier‘-Haltung führte zunächst zu einer Überforderung der Praxen und Polikliniken, insbesondere in den größeren Städten. Im „privilegierten“ Ost-Berlin gab es Anfang der Achtzigerjahre neun „Polikliniken für kleinere Haus- und Heimtiere“ 226, die die rasant ansteigenden Patientenzahlen bewältigen mussten: Wurden 1975 rund 67.000 Tiere in den Berliner Praxen vorstellig, waren es 1979 schon 110.193. Allein z wischen den Jahren 1980 und 1981 verdoppelte sich die Zahl der tierlichen Patienten von nahezu 124.000 auf 230.000, wovon die meisten Hunde (80 Prozent) und Katzen waren.227 Zur Verbesserung der veterinärmedizinischen Betreuung in Ost-Berlin wurden 1972 daher bereits der 24-Stunden-Bereitschaftsdienst, aber auch finanzielle Anreize für die Gesunderhaltung der Tiere ins Gespräch gebracht.228 Weitere Maßnahmen 223 Vgl. Prange: Spannungsfeld, S. 87. Auch ein anderer DDR-Veterinär bilanzierte rückblickend, dass die Hygiene in der ‚Heimtier‘-Haltung „[v]öllig vernachlässigt“ wurde und bemerkt dazu: „Bei einer kritischen Wertung d ieses Arbeitsfeldes ist festzustellen, daß wissenschaft lich fundierte Antworten fehlen, und viele Kommunen dem Interessenwiderspruch z wischen Tierhaltern und Bürgern, die diese Tierhaltung ablehnen, hilflos gegenüberstehen.“ Mehlhorn, Günther: Tierhygiene – Ein Erfordernis moderner Tierhaltung und Sicherung der öffent lichen Gesundheit, in: Tierzucht 45 (1991), S. 482 – 484, hier S. 483. 224 Die Aufarbeitung der Geschichte der veterinärmedizinischen Betreuung von ‚Heimtieren‘ wird auch in der gegenwärtigen Forschung vernachlässigt. In den acht Bänden der Forschungsgruppe „Veterinärwesen und Tiermedizin im Sozialismus“ (hrsg. von Hartwig Prange, 1994 ff.) gibt es nur vereinzelte Hinweise zur ‚Heimtier‘-Medizin. 225 Zum Beispiel stieg die Zahl der Behandlung von „Kleinvögeln“ an der Veterinärmedizinischen Fakultät an der Universität Leipzig zwischen 1957 und 1967 um 400 Prozent, vgl. Schwarz, Eva-Rose/Sommer, Ilse/Pohl, Ingrid: Zur Behandlung häufiger Erkrankungen von Stubenund Volierenvögeln, insbesondere der Wellensittiche, in: MfV 24 (1969), S. 497 – 503, hier S. 497. 226 Polikliniken (die jeweils auf bestimmte Verfahren und Patienten spezialisiert waren) gab es in den Stadtbezirken: Friedrichshain (zwei Stück), Lichtenberg, Weißensee, Prenzlauer Berg, Treptow und Köpenick, Pankow und Buchholz, vgl. Wunderlich: Veterinärwesen, S. 325. Die sieben Polikliniken, das Tierheim sowie die „Zentrale Apotheke und materiell-technische Versorgung“ bildeten zusammen die „Klinik für Klein- und Heimtiere Berlin“, vgl. ebenda. Zur besagten Klinik siehe auch Zengerling: Veterinärwesen, S. 82 – 93. 227 Vgl. Unterlagen zum Bauvorhaben einer Poliklinik für Klein- und Heimtiere in Berlin- Marzahn (undatiert, um 1981), BArch DK 1/21584, unpag. 228 Vgl. Modell zu Verbesserung der Leistung der Staatlichen Tierarztpraxen für kleine Haustiere gegenüber der Bevölkerung der Hauptstadt vom 15. 11. 1972, LAB C Rep. 122 – 02, Nr. 247, pag.
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wurden in zahlreichen Konzeptionen aufgestellt.229 Die Folgen des Mangels an Kleintierpraxen waren vielgestaltig: Die Tiere mussten zum Teil in den Wohnungen der TierärztInnen oder TierhalterInnen behandelt werden, wo es an geeigneten Behandlungsräumen fehlte und Beschwerden der Nachbarschaft über Schmutz und Lärm im Treppenhaus provozierte.230 Es gab lange Anfahrtswege und Wartezeiten (bis zu vier Stunden 231); viele Tierkliniken und -praxen klagten über den Mangel an Impfstoffen und Medikamenten und über die veraltete technische Ausstattung.232 Aufgrund des akuten Mangels wurden Impfungen in Berlin nur noch in Pankow außerhalb der Sprechstunden durchgeführt, vornehmlich für ‚Diensthunde‘ sowie Tiere, die für Ausstellungen und das Ausland bestimmt waren.233 Die unzureichende veterinärmedizinische Versorgung von ‚Heimtieren‘ war indes nicht nur ein Problem der Städte, wo der Ausbau verstärkt gefordert wurde.234 Auch auf dem Land, in den Dörfern und Kleinstädten, hielten sich die Menschen zunehmend mehr Tiere in der Wohnung. Die Land-TierärztInnen waren jedoch überwiegend für die Tierbestände der Betriebe und der LPG zuständig und hatten somit keine Praxisräume (und sahen sich außerdem häufig nicht in der Verantwortung). Die ‚Heimtier‘-Besitzer wurden daher in die oft weit entfernten Tierkliniken geschickt.235 Die Einrichtung von Kleintierpraxen im 229 Vgl. Wunderlich: Veterinärwesen, S. 234 – 236; Konzeption zur Weiterentwicklung der der veterinärmedizinischen Versorgung des Kleintierbestandes der Hauptstadt durch die staat lichen Tierarztpraxen für kleine Haustiere vom 25. 09. 1974, LAB C Rep. 112 – 02, Nr. 259, unpag.; Konzeption Entwicklung des Veterinärwesens im Perspektivraum 1976 – 1980 vom 26. 03. 1976, LAB C Rep. 112, Nr. 301, unpag.; Konzeption zur weiteren Entwicklung der veterinärmedizinischen Versorgung in Berlin im Zeitraum 1986 – 1990 vom 10. 10. 1985, LAB C Rep. 100 – 05, Nr. 1997/2, unpag. 230 Vgl. Westpfahl: Betreuung, S. 769. Vgl. dazu exemplarisch die Eingaben in LAB C Rep. 101 Nr. 1877, unpag., und in LAB C Rep. 101 Nr. 1939, unpag. 231 Vgl. Konzeption Entwicklung des Veterinärwesens im Perspektivraum 1976 – 1980 vom 26. 03. 1976, LAB C Rep. 112, Nr. 301, unpag. 232 Vgl. Grünbaum: Kleintierbetreuung, S. 88. Sogar die Unterbringungsmöglichkeiten in der Kleintierklinik an der Universität Leipzig war derart prekär, dass die VeterinärInnen selbst die „Frischoperierten“ lieber nach Hause schickten, weil dort bessere Bedingungen herrschten, vgl. Siebert: Geschichte, S. 229. Ende der Achtzigerjahre wurden Computer eingeführt und passende Programmsysteme („WALDI“) konzipiert, die den Ablauf in den Praxen, K liniken und Polikliniken der Kleintierbetreuung rationalisieren sollten, vgl. Popp, R./Popp, A./Schmidt, Vera: Einsatz eines Bürocomputers in der Kleintierpraxis, in: MfV 43 (1988), S. 652 – 655. 233 Vgl. Zengerling: Veterinärwesen, S. 89 f. 234 Vgl. Schwedler, Helmut: Erfüllung der Aufgaben des Veterinärwesens in Durchführung der Beschlüsse des X. Parteitages der SED sowie Initiativen in Vorbereitung des XI. Parteitages, in: MfV 41 (1986), S. 254 – 258, hier S. 257; Westpfahl: Betreuung, S. 768. 235 Vgl. Köpp: Von Tieren, S. 308 f.
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gesamten DDR-Gebiet erfolgte trotz der Kapazitäts- und Qualitätsprobleme nur sehr verzögert und nicht bedarfsgerecht.236 Die Staatsführung verkannte noch immer die gesellschaftliche Bedeutung dieser Mensch-Tier-Beziehung und setzte weiterhin volkswirtschaftliche Prioritäten in der Veterinärmedizin. Das Primat der Ökonomie zeigte sich auch im Beschluss von 1970, entgegen des Trends, die Klinik für kleine Haustiere an der Humboldt-Universität zu schließen, um dort den Fachbereich Fleisch- und Fischtechnologie der Sektion Nahrungsgüterwirtschaft und Lebensmitteltechnologie anzusiedeln.237 Mitunter gab es auch staatlichen Widerstand gegen den Ausbau der Kleintiermedizin. So klagte der Leiter der Kleintierklinik in Potsdam über die nicht näher bestimmten „erheblichen Bedenken der Bezirksparteileitung“ gegenüber dem Aufbau der Klinik 1970. Ein zuvor zugesichertes Gebäude wurde einfach vorenthalten, erst nach der Verabschiedung der „Anordnung über die Bildung, Aufgaben und Arbeitsweise der Beiräte für Tierschutz und Tierhygiene“ sei die Stadt Potsdam zur Mitarbeit bereit gewesen und stellte Räumlichkeiten für die Tierklinik nebst Tierheim bereit.238 Der Klinikleiter berichtete weiter, dass die VeterinärInnen noch immer dem Vorwurf ausgesetzt waren „eine ‚elitäre bürgerliche Kleintiermedizin zu betreiben‘, ‚immer noch die Stehkragentierärzte‘ zu sein, ‚die eine überzogene Kleintiermedizin betreiben‘ und sich beispielsweise mit der Osteosynthese [Operation von Knochenbrüchen mithilfe von Schrauben, Nägeln oder Drähten, A. L.] für eine elitäre Therapiemethode“ einsetzen würden, für die „überhaupt kein Bedarf bestünde.“ 239 Die Vernachlässigung und Diskreditierung der Kleintiermedizin machte sich überdies in den sehr schlechten Publikationsmög lichkeiten und den fehlenden Forschungsaufträgen – denn diese waren ja auf die
236 Vgl. Franz, Wolfgang: Bericht zur Tierklinik Halle der Martin-Luther-Universität Halle- Wittenberg (MLU), in: Mieth/Prange (Hrsg.): Bezirkstierkliniken, S. 123 – 135, hier S. 126. Das Praxisvolumen hatte kaum mehr als 15 Prozent des Gesamtumsatzes erreicht, vgl. Prange: Spannungsfeld, S. 75. 237 Vgl. Auflösung der Klinik für kleine Haustiere an der Humboldt-Universität, LAB C Rep. 112 – 02, Nr. 246. In Leipzig scheiterte der Versuch, die Kleintiermedizin im Zuge der dritten Hochschulreform (1968) aus der Universität auszugliedern, vgl. Siebert: Geschichte, S. 223 – 239. Allerdings stand die eigenständige Prüfung im Fach „Kleintierkrankheiten“ wiederholt in der Diskussion: So änderte die Hochschule in den Siebzigerjahren ohne Vorankündigung die Prüfungsformulare, so dass das Prüfungsfach „Kleintierkrankheiten“ nicht mehr existierte, vgl. ebenda, S. 63. 238 1978 wurde die Tierheim-Tierklinik-Kombination Potsdam gegründet, das Tierheim wurde 1983 fertiggestellt, vgl. Grünbaum, Ernst-Günther: Tierärztliche Kleintierbetreuung im Bezirk Potsdam, in: Mieth/Prange (Hrsg.): Bezirkstierkliniken, S. 87 – 89, hier S. 87. Zur Anordnung zur Bildung von Beiräten für Tierschutz und Tierhygiene siehe Kapitel 4.2. 239 Zeitzeugenbericht in: Siebert: Geschichte, S. 226. Der Veterinär Grünbaum verlässt 1985 die DDR, vgl. ebenda, S. 237.
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landwirtschaftliche Praxis orientiert – bemerkbar.240 Ein weiteres Problem stellte die daraus resultierende unzureichende Spezialisierung der TierärztInnen auf die tierlichen Patienten dar: Beschäftigten sich die VeterinärmedizinerInnen zuvor vornehmlich mit ‚Nutztieren‘, mussten sie nun die Versorgung von „neuerdings im Haus oder in der Wohnung von Bürgern gehaltenen Spezies, insbesondere Vögel und Meerschweinchen“ 241 garantieren. Aber erst 1977 wurde eine „postgraduale Ausbildung von Fachtierärzten für kleinere Haus-, Heim- und Pelztiere“ an der Karl-Marx-Universität Leipzig eingeführt.242 Die an der Konzeption beteiligte Professorin Schmidt berichtete, dass die Etablierung der Ausbildung allein durch die Einbeziehung von ‚Pelztieren‘ möglich gewesen sei: Denn Pelze waren eine wichtige Devisenquelle und ‚Pelztiere‘ damit ökonomisch ‚wertvoll‘.243
2.3 ‚Heimtiere‘ in der Stadt Trotz der offiziellen Akzeptanz der individuellen Tierhaltung der BürgerInnen als Teil der sozialistischen Lebenswirklichkeit sah sich die SED-Staatsführung handfesten Problemen ausgesetzt: Neben den Versorgungsengpässen mit ‚Heimtier‘Bedarf und Futter sowie der unzureichenden veterinärmedizinischen Versorgung war die Sorge um die Aufrechterhaltung von „Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit“ im öffentlichen (Stadt-)Raum vordringlich. Denn die ‚Heimtier‘-Haltung war auch in der DDR vorrangig ein urbanes Phänomen und je nach Tierart, fanden (und finden) Mensch-‚Heimtier‘-Beziehungen mehr oder weniger in der Öffentlichkeit 240 Vgl. ebenda, S. 226 f. 241 Schmidt: Gesunderhaltung, S. 299. 242 Vgl. ebenda. Die Ausbildung zum allgemeinen „Diplom-Veterinär“ war an den Universitäten in Ost-Berlin und Leipzig möglich („Sektion Tierproduktion und Veterinärwesen“), vgl. dazu Prange: Spannungsfeld, S. 357 – 377. Die Weiterbildung zum Fachtierarzt ermöglichte die „Anordnung über die Durchführung von postgradualen Studien zur Weiterbildung zum Fachtierarzt an den Universitäten und Hochschulen der Deutschen Demokratischen Republik vom 20. Mai 1970“ (GBl. II, S. 409). Dort hieß es, „die Weiterbildungen werden auf Grund der gesellschaftlicher Erfordernisse […] durchgeführt“. Jene Erfordernisse waren ausschließlich ökonomischer Art, denn es wurden nur die Fachgebiete „Rinderproduktion“, „Schweineproduktion“, „Geflügelproduktion“ sowie „Hygiene in der Nahrungsgüterwirtschaft“ eingeführt. Die Weiterbildung zum „Fachtierarzt für kleine Haus- und Pelztiere“ wurde erst 1977 eingeführt und damit als „gesellschaftliche Erfordernis“ eingestuft, vgl. „Anordnung über das Verzeichnis der in postgradualen Studien mit Fachabschluß erwerbbaren Ergänzungen zur Berufsbezeichnung vom 1. April 1976“ (GBl. 1976, Sonderdruck Nr. 869, S. 14). 243 Die Durchsetzung der Weiterbildung ist bemerkenswert, weil die Kleintiermedizin, wie erwähnt, ursprünglich aus der Leipziger Universität ausgegliedert werden sollte, vgl. Siebert: Geschichte, S. 67 f.
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statt.244 Um bestehende oder vermeintliche Probleme zu bewältigen, war das SEDRegime weniger geneigt infrastrukturelle Defizite zu beheben. Vielmehr wollte die Staatsführung die ‚Heimtier‘-Haltung in ihrem Sinne regulieren und Verhaltensnormen für die „richtige“ Tierhaltung durchsetzen. Die TierhalterInnen müssten „Verpflichtungen“ auf sich nehmen, um zu gewährleisten, „daß durch […] [den] Pflegling Belästigungen, Beschädigungen oder gar Erkrankungen von Menschen oder anderen Tieren weitestgehend ausgeschlossen“ 245 sind. Die Frage der Öffentlichkeit von Mensch-‚Heimtier‘-Beziehungen trifft im besonderen Maße für Mensch-Hund-Begegnungen zu, weil die Hundehaltung fast immer „semi-öffentlich“ ist.246 Der Hund war folglich ein häufig anzutreffender Akteur im öffentlichen Raum und damit seit jeher ein potentieller Auslöser von Ängsten, Befürchtungen und Konflikten verschiedenster Art. Von allen ‚Heimtieren‘ sei „es der Hund, der wohl am häufigsten Anlaß zu Eingaben und Beschwerden gibt“, konstatierte eine DDR-Tierärztin.247 Das Hauptaugenmerk wird im Folgenden deshalb auf den (Ost-Berliner) ‚Stadthund‘ gelegt.
2.3.1 Disziplinierung Den BerlinerInnen (in Ost wie West) wurde (und wird) eine sprichwörtliche „Berliner Tierliebe“ nachgesagt. Ost-Berlin war die größte Stadt der DDR und zählte nach der letzten Volkszählung 1981 über eine Millionen Einwohner.248 Der Ost-Berliner Bezirkstierarzt Hans Wunderlich ging von circa 200.000 ‚Heimtieren‘ aus, die in Ost-Berlin um 1978 herum gehalten wurden. Darunter waren „schätzungsweise 50.000 Hunde, 60.000 Katzen, 70.000 ‚Ziervögel‘, Goldhamster, Meerschweinchen und Schildkröten sowie 20.000 Exoten samt Amphibien und ‚Terrarientiere‘.“ Dem Bezirkstierarzt zufolge hätte sich damit „die Zahl seit 1970 244 Auf Hunde in der frühneuzeitlichen Stadt hat sich die Schweizer Historikerin Aline Steinbrecher spezialisiert und dazu zahlreiche Beiträge veröffentlicht, zuletzt Steinbrecher: Tiere und Raum; dies.: They do something; dies.: Hunde und Menschen. Ein Grenzen auslotender Blick auf ihr Zusammenleben (1700 – 1850), in: Historische Anthropologie 19/2 (2011), S. 192 – 210. 245 Tiere in der Stadt, in: Deine Gesundheit 12 (1980), S. 367 – 370, hier S. 370. 246 Vgl. Bimmer, Andreas C.: Kein Platz für Tiere. Über die allmähliche Verdrängung aus der Öffentlichkeit. Ein Essay, in: Becker/ders. (Hrsg.): Mensch und Tier, S. 195 – 203, hier S. 199; Steinbrecher: Die gezähmte Natur, S. 127 f. Zum Begriff der Öffentlichkeit vgl. die Beiträge in Hochadel, Peter Uwe (Hrsg.): Öffentlichkeit. Geschichte eines kritischen Begriffs, Stuttgart 2000; Dewey, John: Die Öffentlichkeit und ihre Probleme, Bodenheim 1996. 247 Seupel: Stadtordnung, S. 6. 248 Vgl. Statistisches Jahrbuch der Deutschen Demokratischen Republik 1983, Berlin (Ost) 1983, S. 1.
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etwa verdoppelt“, und er ergänzt, dass „[b]ei der Einschätzung der weiteren Entwicklung der Haltung von Heimtieren […] davon ausgegangen werden [muss], daß auch unter den Bedingungen des Lebens in der Großstadt das Bedürfnis zur Haltung von Tieren zunimmt.“ 249 Weiterhin gab es in Ost-Berlin 1978 49 Zoohandlungen 250 und auch der VEH Zoologica verfügte über einen Einzelhandel für die BürgerInnen. Außerdem hatte Ost-Berlin 24 Hundepflegesalons.251 Ein weiteres Indiz für die Ost-Berliner Tierliebe: In Berlin-Weißensee (Blankenburg) wurde 1982 das weltweit erste „Hundemuseum“ eröffnet.252 Die Tierliebe der GroßstädterInnen zeigte sich auch an der Beliebtheit des Berliner Tierparks und seines Direktors Heinrich Dathe (1910 – 1991).253 Zahlreiche Filme, Fernsehund Rundfunksendungen sowie Bücher über den Tierpark zeugten davon.254 Die 249 Vgl. Wunderlich: Veterinärwesen, S. 215 f. Zur Anzahl der ‚Heimtiere‘ in Berlin vgl. auch Anlage 9 zur Konzeption zur weiteren Entwicklung der veterinärmedizinischen Versorgung in Berlin im Zeitraum 1986 – 1990 vom 10. 10. 1985, LAB C Rep. 100 – 05, Nr. 1997/2, unpag. In West-Berlin bevölkerten 1978 circa 93.000 Hunde die Stadt, vgl. Bischoff/Maldaner: Ideologie und Aneignung, S. 158. 250 Vgl. Wunderlich: Veterinärwesen, S. 225. Besonders beliebt bei BerlinerInnen war die 1910 gegründete Zoohandlung „Badstübner“ in Pankow. Manche erinnern sich vielleicht auch noch an die markante Leuchtreklame des „Fachgeschäftes für Aquaristik und Zoobedarf“ am Frankfurter Tor mit dem Schriftzug „Zierfische“ nebst blubbernden Fischen. 251 Vgl. Wunderlich: Veterinärwesen, S. 225. 252 Das DDR-Fernsehen berichtete seinerzeit davon und betonte bei einem Rundgang durch das Museum, ganz der offiziellen Staatsdoktrin zufolge, dass es hier – neben viel „Nippes“ – auch wissenschaftliche Exponate und historische Bücher gäbe. Die Museumsleiterin und Chow-Chow-Liebhaberin, Margarete Laske, zeigte zudem nicht ohne Stolz ihre Strickjacken aus Chow-Chow-Wolle, vgl. „Erzähl von Deinen Tieren“, Sendung vom 12. 02. 1983. Die Leiterin musste das Museum 2001 aus Altersgründen schließen. Vgl. dazu auch Stollowsky, Christoph: Hundeleben in Berlin, Berlin 1997, S. 50 f. 253 Der 1955 eröffnete Ost-Berliner Tierpark war ein bedeutendes Prestigeobjekt der DDR. Besonderes „Highlight“ (auch architektonisch gesehen) war das „Alfred-Brehm-Haus“, das seinerzeit das größte Raubtierhaus der Welt darstellte und mit einer riesigen Tropenhalle aufwartete. Das Haus steht seit 1995 unter Denkmalschutz, entspricht mit seinen kleinen, gekachelten „Schaukästen“, in denen die Raubkatzen gehalten werden, nicht mehr der „zeitgemäßen“ Zoogestaltung. Der Entwurf des Alfred-Brehm-Hauses (und des Dickhäuter Hauses) stammt vom Architekturkollektiv um Heinz Graffunder im Zusammenarbeit mit dem Tierparkdirektor Heinrich Dathe, vgl. Hölck: Wildheit, S. 35 ff. Graffunder (1926 – 1994) war auch Chefarchitekt des Palastes der Republik, was die repräsentative und architektonische Bedeutung der Tierpark-Gebäude unterstreicht, vgl. dazu auch Graffunder, Heinz: Tierpark in Berlin-Friedrichsfelde, in: Deutsche Architektur 8 (1964), S. 481 – 491. 254 „Zu Besuch bei Prof. Dr. Dathe“ (1959 – 1973) und die Nachfolgesendung „Tierpark-Teletreff“ (1973 – 1990). Sehr beliebt war auch die wöchentliche Radiosendung „Im Tierpark belauscht“ (1957 – 1991). Ferner gab es noch zahlreiche einzelne Filme zum renommierten Berliner Tierpark („Tierparkfilm“ [1967]; „Willkommen im Tierpark“ [1970]; „Tag der Tiere“ [1970]; „Tierparkbummel – Einmal anders“ [1985]).
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BerlinerInnen unterstützten im Rahmen des „Nationalen Aufbauwerkes“ mit großem Eifer den 1955 eröffneten Berliner Tierpark; sie nahmen regen Anteil am „Staatsbesuch“ der Chinesischen Pandabärin Chi Chi im Jahr 1958 und waren an Namensgebungen von Tierkindern beteiligt.255 Die vielen Tiere im Tierpark waren ein Prestigeobjekt; die vielen Hunde in der Hauptstadt der DDR bereiteten der Obrigkeit hingegen zunehmend Unbehagen. Das betraf vor allem den Schutz der Bevölkerung vor den Tieren und deren Krankheiten, die „tierhygienische“ Unterbringung der Tiere und deren gesundheitliche Betreuung. Die Maßnahmen zur Etablierung einer „störfreien“ Hundehaltung beziehungsweise zur Durchsetzung von Verhaltensnormativen waren vielfältig. Auf der rechtlichen Ebene gab es zwei zentrale Formen des staatlichen Zugriffs auf die Hundehaltung: die Hundesteuer sowie die Stadtordnung von Berlin.256
Die Berliner Hundesteuer Die Hundesteuer, eine Erfindung des Kaiserreiches und auch in der Bundesrepublik angewandt, wurde in der DDR durch die „Verordnung über die Erhebung der Hundesteuer“ aus dem Jahr 1957 geregelt.257 Ihr Hauptanliegen war die Reduzierung der Hundehaltung, denn für die Erhebung der Steuer s eien „in einem erheblichen Maße volkswirtschaftliche und hygienische Gründe 255 Vgl. Wolle, Stefan: Aufbruch nach Utopia. Alltag und Herrschaft in der DDR 1961 – 1971, Bonn 2011, S. 42. 256 Zu Rechtsfragen der DDR-Hundehaltung, vgl. v. a. Rehse, Hellmuth: Rechtsfragen der Hundehaltung, Berlin (Ost) 1969; Pawelke: Rechtsgrundlagen. Auch: Grabs, Tiere halten; Seupel: Stadtordnung sowie zahlreiche Artikel in der Fachzeitschrift „Der Hund“. Zur Rechtslage der ‚Heimtierhaltung‘ und deren veterinärmedizinischen Versorgung vgl. etwa Burckhardt, Arnulf: Das Zivilgesetzbuch der DDR (ZGB) – eine wichtige Rechtsgrundlage für die Tätigkeit der Organe, Einrichtungen und Fachkräfte des Veterinärwesens, in: MfV 31 (1976), S. 269 – 273; Burckhardt, Arnulf/Schmidt, Vera: Rechtsgrundlagen der veterinärmedizinischen Betreuung von Klein- und Heimtieren der Bürger, in: MfV 33 (1978), S. 761 – 765; Vaast, J.: Zur Verantwortlichkeit des Tierarztes und des Tierhalters bei der Behandlung von Kleintieren, in: MfV 33 (1978), S. 765 – 768; Witter, Friederike/Stahnke-Jungheim, H.-J./ Witter, W.: Zivilrechtliche Aspekte bei der Haltung von kleinen Haus- und Heimtieren, in: MfV 38 (1983), S. 194 – 197. 257 Verordnung über die Erhebung der Hundesteuer vom 18. Juli 1957 (GBl. I, Nr. 49, S. 385). Die Hundesteuer wurde im europäischen Raum in vielen Ländern schon abgeschafft oder es gab sie nie (zum Beispiel in Belgien, Dänemark, England, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Norwegen, Polen, Schweden, Spanien, Ungarn), weil sie gegen den Gleichheitssatz und das Willkürverbot verstößt, da auch Katzen oder Pferde ähnliche negative externe Effekte haben können, und weil sie als „Luxussteuer“ verkennt, dass Hunde Sozialpartner sind und dass sich die Hundehaltung positiv auf die Gesellschaft durch eine bessere Gesundheit der Menschen auswirke, vgl. Ohr: Heimtierhaltung, S. 48 ff.
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maßgebend.“ 258 Die Hundesteuer war eine Gemeindesteuer, deren Bestimmungen für alle Städte und Gemeinden verbindlich waren. Dazu gehörten die Festlegungen, wer von der Steuer befreit ist oder wem eine Ermäßigung zusteht und wie hoch die Rahmensteuersätze sind. Gemäß der Prämisse, dass Hundehaltung gesellschaftlich dienlich sein sollte, beschränken sich die Steuerbefreiungen und -ermäßigungen hauptsächlich auf ‚Gebrauchshunde‘.259 Zur Kontrolle der Zahlung wurden Steuermarken ausgegeben, die der Hund gut sichtbar am Halsband zu tragen hatte. Die Rahmensteuersätze bewegten sich je nach Gemeindegröße z wischen 18 und 120 Mark jährlich für den ersten Hund. Die Hauptstadt der DDR, Berlin, erhob die höchsten Steuerbeträge in der DDR.260 Für den ersten Hund waren jährlich 120 DM fällig. Für den zweiten Hund schon 240 DM, für den dritten 360 DM und für einen vierten Hund und jeden weiteren im Haushalt zahlte man stattliche 480 DM. Ein Berliner Hundezüchter beschwerte sich 1971 über die, seiner Meinung nach, viel zu hohe Besteuerung. Er fragte sich, warum die Berliner Hundesteuerverordnung aus den Fünfzigerjahren nicht erneuert wurde, denn sie „enthält aber wohl auch sehr viel, was für unsere heutige Zeit nicht mehr zutreffen sollte“, und ob „man die Hundezucht aus dem Berliner Raum verbannen“
258 Kunz, Walter: Die Hundesteuer, Berlin (Ost) 1958, S. 15. Weiter heißt es: „Durch die Hunde haltung werden der Volkswirtschaft große Mengen z. T. wertvoller Nahrungsgüter entzogen. Darüber hinaus bringt die Hundehaltung zwangsläufig eine ständige Seuchengefahr mit sich, deren Verhütung den staatlichen Organen erhebliche Kosten verursacht. Hinzu kommen noch die laufenden Aufwendungen, die durch die Beseitigung der Verschmutzung der öffentlichen Straßen und Plätze verursacht werden.“ Ebenda. Aus genannten Gründen wurde sogar über eine Katzensteuer nachgedacht (vor allem im Interesse der Tollwutbekämpfung), vgl. Schreiben des Stellvertreters des Ministers vom Ministerium für Landwirtschaft, Abt. für tierische Produktion und Veterinärwesen Lothar Hussel, an die Abt. Veterinär-Inspek tion und Tierhygiene vom 01. 01. 1957, BArch DK 1/4441, Bl. 58. 259 Von der Steuer befreit waren folglich Hunde der staatlichen Organe und Einrichtungen (der Volkspolizei, der Justizorgane, des Zolldienstes, der staatlichen Sicherheitsorgane sowie die Hunde der Volksarmee und der staatlichen Forstwirtschaftsbetriebe), des Deutschen Roten Kreuzes und der GST, ‚Begleithunde‘ für Menschen mit Behinderung, ‚Herdengebrauchshunde‘, dressierte Hunde von ArtistInnen und SchaustellerInnen, ‚Versuchshunde‘ sowie in Tierheimen untergebrachte Hunde. Eine Steuerermäßigung (die Hälfte des Satzes) galt zum einem für ‚Wachhunde‘ in landwirtschaftlichen Betrieben, Binnenschiffen und in bewohnten Gebäuden, die 200 Meter von Ansiedlungen entfernt liegen. Zum anderen erhielten ‚Gebrauchshunde‘ von Abschnittsbevollmächtigten (ABV) der Volkspolizei, von Mitgliedern der GST und des Deutschen Roten Kreuzes, die regelmäßig an ( Sport-)Übungen teilnahmen, ‚Jagdhunde‘ sowie ‚Ziehhunde‘ und unter bestimmen Voraussetzungen auch professionelle HundezüchterInnen eine Ermäßigung. 260 In Berlin galt bis zum Ende der DDR die „Hundesteuerordnung für Groß-Berlin vom 22. Januar 1958 (VOBl. I, Nr. 8, S. 74).
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wolle.261 Aufgrund der hohen Steuersätze war es nicht verwunderlich, dass von der zuständigen Berliner Steuerbehörde davon ausgegangen wurde, dass „von 14 Hundehaltern nur 8 ihren Hund ordnungsgemäß gemeldet haben.“ 262 Im Jahr 1978 zahlten 23.143 BerlinerInnen die Hundesteuer und circa 2.700 Hunde waren von der Steuer befreit.263 So manchen verleiteten die unbeliebten Hundesteuern auch zur Denunziation: Während der Spaziergänge mit meinem Hund habe ich in über fünf Jahren oberfläch licher Bekanntschaften mit anderen Hundehaltern die Erfahrung machen müssen, daß mindestens 20 bis über 30 % keine Hundesteuern zahlen. In meinem kleinen Umkreis von mindestens 50 Personen macht das im Jahr 1.200,00 Mark aus.
Und dann nennt der Auskunftswillige Namen und Anschrift eines säumigen Zahlers, „der [der] Meinung ist, daß er als Rentner keine Steuern zu zahlen braucht.“ 264 Neben den Einnahmen erlaubte die Hundesteuer auch einen administrativen Zugriff auf die HundehalterInnen und forcierte auf der anderen Seite eine Restriktion der Hundehaltung, insbesondere der Mehr-Hundehaltung, die sehr hoch besteuert wurde. Die Reglementierungen betrafen hierbei HalterInnen und Hunde. Erstere mussten für ihre Tiere zahlen. Letztere mussten eine Steuer marke tragen, die sie nicht nur als den Besitz ihrer HalterInnen identifizierte, sondern auch als zahlendes Mitglied der Gesellschaft.265 261 Abschrift eines für die Zeitschrift „Der Hund“ eingereichten Artikel eines Berliner Hunde züchters an das Ministerium der Finanzen vom 02. 12. 1971, BArch DN 1/17523, unpag. 262 Vgl. Wunderlich: Veterinärwesen, S. 215. 263 Vgl. ebenda. Hunde säumiger SchuldnerInnen wurden von Arbeitskräften des Ost-Berliner Tierheims abgeholt und im Tierheim verwahrt. Erfolgte die Zahlung der ausstehenden Hundesteuer nicht innerhalb der Frist von acht Tagen, wurde der Hund durch das Tierheim verkauft. Der Verkaufserlös wurde nach Abzug der Kosten für die Einziehung und Unterbringung zur Tilgung der Steuerrückstände eingesetzt, Schindler, Walter/Fritzsche, Ingrid: Tierheime und Tierpensionen mit ihren gesellschaftlichen Aufgaben, in: MfV 43 (1988), S. 104 – 108, hier S. 108. 264 Eingabe eines Berliner Bürgers an den Berliner Oberbürgermeister vom 17. 10. 1981, LAB C Rep. 101, Nr. 1869, unpag. 265 Vgl. Steinbrecher, Aline: Eine Stadt voller Hunde – Ein anderer Blick auf das frühneuzeitliche Zürich, in: IMS 2 (2009): Tiere in der Stadt, S. 26 – 40, hier S. 39. Die These, dass domestizierte Tiere als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft angesehen werden müssen, vertreten Kymlicka und Donaldson. Ihnen zufolge tragen Tiere zur Gesellschaft bei, indem sie Arbeiten verrichten, Gesellschaft leisten oder Produkte liefern. Derartige Leistungen müssten jedoch unter gerechten Bedingungen geschehen, weswegen Tiere als „Staatsbürger“ anerkannt werden sollten, vgl. Donaldson, Sue/Kymlicka, Will: Zoopolis. Eine politische Theorie der Tierrechte, Berlin 2013; vgl. dies.: Bill und Lou in der Zoopolis. Über Tiere als Mitbürger, in: Mittelweg 36, Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung (künftig: Mittelweg 36) 5 (2014),
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Die Berliner Stadtordnung Eine weitere Reglementierungsmaßnahme der städtischen Tierhaltung war die Berliner Stadtordnung. Im Jahr 1979 gab sich die Hauptstadt der DDR nach zehn Jahren eine neue Stadtordnung.266 Eine Überarbeitung wurde notwendig, da sich die Stadt und das politische Umfeld seit der Herausgabe der ersten Stadtordnung maßgeblich geändert hatten – Tiere und Hunde im Besonderen hatten daran einen nicht geringen Anteil. Gegenüber der alten Stadtordnung unterschied sich die neue nämlich vor allem durch Hinzunahme von Bestimmungen zur Hunde haltung, die in der Fassung von 1969 gänzlich fehlten. Mithilfe des Rechtstextes sollten Richtlinien etabliert werden, die zum Ziel hatten, dass die „Ordnung, Sauberkeit und Hygiene und die Regeln des sozialistischen Zusammenlebens der Bürger nicht durch seine Tiere gestört und die hygienischen Erfordernisse der Tierhaltung eingehalten werden“ (§ 38). Grundlage für die „Normierung“ der Hundehaltung war tatsächlich der staatliche Standard „TGL 30125/06 Umgang mit landwirtschaftlichen Zucht- und Nutztieren – Hunde“ 267. Zum „Schutz der Gesundheit aller Bürger, besonders der Kinder“ wurden in der Stadtordnung zunächst die Aktionsräume der Hunde eingeschränkt. Erstes Mittel war der Leinenzwang „in verkehrsreichen Straßen“ und öffentlichen Verkehrsmitteln (hier kam ein Maulkorbzwang hinzu 268). Aus bestimmten Stadträumen wurden Hunde ganz ausgeschlossen: in Bädern, an Badestellen, auf Kinderspielplätzen und auf S. 5 – 26. Zur Diskussion der Staatsbürgerschaft und des politischen Mitsprachrechts für Tiere vgl. Ladwig, Bernd: Tierrechte ohne Staatsbürgerschaft, in: Mittelweg 36, 5 (2014), S. 27 – 44; Niesen, Peter: Naturrecht oder Mitgliedschaft. Vorüberlegungen zur politischen Theorie des Mensch/ Nutztier-Verhältnisses, in: Mittelweg 36, 5 (2014), S. 45 – 58, Ahlhaus, Svenja: Tiere im Parla ment? Für ein neues Verständnis politischer Repräsentation, in: Mittelweg 36, 5 (2014), S. 59 – 73. 266 Stadtordnung von Berlin, Hauptstadt der DDR, zur Gewährleistung von Ordnung, Sauberkeit und Hygiene vom 29. Juni 1979 (§ 38 regelte die städtische Tierhaltung) und Stadtordnung zur Gewährleistung von Ordnung, Sauberkeit und Hygiene in der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik vom 17. November 1969 (dort regelten die §§ 77, 78 und 79 die Tierhaltung). 267 TGL waren die „Technische Normen, Gütervorschriften und Lieferbedingungen“. Die TGL waren das Gegenstück zu den westdeutschen DIN-Normen, hatten im Gegensatz zu letzteren aber einen verbindlichen Charakter. Der Standard TGL 30125/06 zur Hundehaltung gehörte zum Bereich „Gesundheits- und Arbeitsschutz“. 1983 wurde die Norm überarbeitet, inhaltliche Aussagen blieben aber gleich (bis auf die Pflicht „Zwansgmittel“, wie Leine, Beißkorb, Würgehalsband, Fangstange, zu besitzen), vgl. Zentralvorstand des Verbandes der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (Hrsg.): Kleingartenwesen, Kleintierzucht, Kleintierhaltung, Berlin (Ost) 1987, S. 182 – 183. 268 Zur Kultur- und Diskursgeschichte des Leinen- und Maulkorbzwangs im viktorianischen England vgl. Howell, Philip: Between the Muzzle and the Leash: Dogwalking and the Modern City, in: Atkins (Hrsg.): Animal Cities, S. 221 – 241.
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Liegewiesen war die Mitnahme von Hunden nunmehr untersagt. Hier kreuzten sich unterschiedliche Raumansprüche von Obrigkeit und HundehalterInnen. Eine weitere Einschränkung der Tierhaltung (insbesondere der Mehrhundehaltung) war die Genehmigungspflicht von Hundezuchten (und anderen gewerblichen Tierhaltungen).269 Genehmigungspflichtig war überdies die Haltung von „nicht zur heimischen Fauna zählende[n] Tiere[n]“, was eine Berliner Besonderheit darstellte. So musste sich etwa der Stadtrat von Eisenach damit abfinden, dass in seiner Stadt Riesenschlangen Einzug hielten und er nichts dagegen machen konnte.270 Nicht zuletzt enthielt die Stadtordnung den Hinweis, dass die Fütterung wild lebender Tauben unzulässig sei. Dieser Hinweis wurde ebenfalls erst 1979 aufgenommen. Hier war wieder die sprichwörtliche Berliner Tierliebe der Auslöser, denn „nach Beobachtungen in Berlin [werden] täglich im Stadtgebiet viele Zentner (!) Erbsen, Reis, andere Getreideprodukte und Brot von der Bevölkerung an die Tiere verfüttert“.271 Zu erwähnen sei abschließend, dass TierhalterInnen in der alten Stadtordnung noch zur Einhaltung der „Bestimmungen über den Tierschutz“ verpflichtet wurden. Zehn Jahre s päter bedurfte diese Bestimmung keiner Erwähnung mehr, die sich weiterentwickelnde „sozialistische Persönlichkeit“ quälte 269 Die Stadtordnung regelte auch die Haltung anderer Tierarten, wie jene von individuell gehaltenen „größeren landwirtschaftlichen Zucht-und Nutztieren“. Diese durften nur „in Wohngebieten mit offener Bebauung sowie in Siedlungen und Kleingartenanlagen“ und nur mit ausdrücklicher Genehmigung gehalten werden. Über die Tierhaltung von Mitgliedern des VKSK entschied der Verband – Belästigungen der Nachbarn mussten selbstredend immer vermieden werden. In Wohnhäusern und Grundstücken, auf denen sich „Einrichtungen der Lebensmittelproduktion, des Lebensmittelhandels und der Gemeinschaftsverpflegung“ befanden, war die Tierhaltung grundsätzlich nicht gestattet. 270 Der Stadtrat von Eisenach fragte beim Kulturbund der DDR nach, ob die Haltung von Riesenschlangen genehmigungs- oder anzeigepflichtig sei. Denn in Eisenach würden bereits „einige Bürger dieses Hobby betreiben“ und „[d]emgegenüber gibt es Bürger, die sich bedroht fühlen, wenn in der Nachbarschaft Riesenschlangen gehalten werden“ Schreiben des Stadtrates Eisenach an den Kulturbund der DDR, Betr.: Haltung von Riesenschlangen, vom 17. 12. 1987, BArch DY 27/11281, unpag.; vgl. auch Antwortschreiben des Kulturbundes der DDR an den Rat der Stadt Eisenach, Betr.: Haltung von Riesenschlangen, vom 07. 01. 1988, BArch DY 27/11281, unpag. 271 Vgl. Grahneis, Hans/Horn, Karlwilhelm (Hrsg.): Taschenbuch der Hygiene, 3., überarb. Aufl., Berlin (Ost) 1979, S. 723 (Hervorhebung im Original). Bis 1967 wurden verwilderte Tauben in Berlin mit Blausäure vergiftet (zwischen 1963 und 1965 fanden auf diese Weise jährlich 8.000 bis 10.000 Tauben einen qualvollen Tod). Dabei wurde die sogenannte „HCNMethode“ angewandt: Brot wurde großzügig mit dem Gift getränkt und an die Tauben verfüttert. Da die Tauben jedoch sehr lernfähig waren, erkannten sie die „Bekämpfungstruppen“ und schickten „Vorkoster“ zur Futterstelle. Schon „[d]ie erste sich verkrampfende und umfallende Taube veranlaßte alle anderen zur Flucht.“ Dadurch wurde der „Bekämpfungserfolg“ maßgeblich gemindert und man musste wieder auf harmlose Mittel wie das Fütterungsverbot zurückgreifen, vgl. ebenda, S. 724.
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wohl keine Tiere mehr. Die Berliner Stadtordnung zielte insgesamt betrachtet noch im größeren Umfange als die Hundesteuer auf die Disziplinierung von Hund und HalterIn ab. Sie umfasste sowohl konkrete Handlungsvorgaben als auch Zutrittsverbote. Konkrete Sanktionen enthielt weder die neue noch die alte Stadtordnung – getreu der sozialistischen Devise: Gebote statt Verbote und Strafen.272 Dessen ungeachtet war es möglich, „je nach der Situation und nach dem Grad der Mißachtung“ Maßnahmen anzuwenden, die „von der erzieherischen Aussprache bis hin zur Anwendung der in den Rechtsvorschriften vorgesehen Ordnungsstrafbestimmungen“ 273 reichten. Kam es zu Verstößen gegen die postulierten Verhaltensnormen wurde dann aber ein Zweiklassen-Urteil angewendet: Bei Klagen sollte die „gesellschaftliche Bedeutung der Hundehaltung, der Verwendungszweck, […] vom Gericht nicht außer acht gelassen werden. Es ist ein Unterschied, ob jemand nur zum Gelderwerb züchtet oder ob er die Tiere für die bewaffneten Organe aufzieht und ausbildet.“ 274 Die s oziale Kontrolle der ‚Heimtier‘-Haltung im Allgemeinen und der Hundehaltung im Besonderen endete aber keineswegs vor der Haustür. Das nachbarschaftliche Zusammenleben durfte nicht durch „Belästigungen“ wie tierliche Gerüche, Geräusche oder die unsachgemäße Entsorgung der Futteroder Einstreureste gestört werden.275 Dass Nachbarkeitsstreitigkeiten ein vordringliches Problem waren, belegte die steigende Zahl der Eingaben: im Jahr 1977 wurden 126 Eingaben vom Berliner Beirat für Tierschutz und Tierhygiene bearbeitet, 1978 waren es bereits 189 und ein Jahr später wurde schon über 200 Hinweisen nachgegangen, wovon sich die Mehrzahl auf „Vernachlässigung von Hunden durch ihre Besitzer und der damit verbundenen Belästigung der Nachbarn“ 276 bezog. Um derartige Problemen auszuschließen, wurde den HundebesitzerInnen die Zwingerhaltung empfohlen. Denn der Hund sei „in einem Schutz vor Nässe, Kälte, und auch Hitze bietenden Zwinger gesünder 272 „Unser sozialistisches Recht ist jedoch nicht wie das bürgerliche Recht vorwiegend auf den Konfliktfall orientiert, sondern es besitzt in erster Linie eine organisierende Funktion und dient als Hebel zur Ausprägung neuer sozialistischer Verhältnisse.“ Burckhardt/Schmidt: Rechtsgrundlagen, S. 762. Das Sicherheitsverständnis in der DDR war demzufolge stark auf Prävention und Erziehung ausgerichtet. 273 § 38 Stadtordnung von Berlin, Hauptstadt der DDR, zur Gewährleistung von Ordnung, Sauberkeit und Hygiene vom 29. Juni 1979. 274 Pawelke: Rechtsgrundlagen, S. 13 f. (Hervorhebung im Original). Im Übrigen konnte man in der DDR auch eine Hunde-Haftpflichtversicherung abschließen, vgl. ebenda, S. 28 – 35. 275 Vgl. Seupel: Stadtordnung, S. 4 ff. 276 Wunderlich: Veterinärwesen, S. 230. Fritzenwanker bestätigt, dass der Großteil der Probleme von der Hundehaltung ausginge, vgl. Fritzenwanker, Klaus: Tierschutz und Tierhygiene in einer Großstadt – Erfahrungen aus der Arbeit des Beirates für Tierschutz und Tierhygiene der Hauptstadt der DDR Berlin, in: MfV 37 (1982), S. 181 – 185, hier S. 184.
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untergebracht.“ 277 Gerade in Berlin, wo in den Achtzigerjahren die Plattenbau- Siedlungen an den Stadträndern wie Pilze aus dem Boden schossen und zum Teil beengte Wohnverhältnisse herrschten, war die Umsetzung dieser Empfehlung mehr als fraglich.278 Weiterhin wurde den HundefreundInnen ans Herz gelegt, sich dem organisierten Hundesport oder der -zucht anzuschließen, „[u]m sich mit allen Verhaltensweisen und Bedürfnissen eines Hundes vertraut zu machen“ 279. In einem Beispiel reichten einem Hochhaus-Bewohner die Hinweise der Stadtordnung nicht aus. Er forderte, „die Stadtordnung hinsichtlich Hundehaltung im Hochhaus zu konkretisieren.“ 280 Denn aus dieser gehe „nicht eindeutig hervor wie sich Hundebesitzer mit ihrem Hund im Fahrstuhl zu verhalten haben“ und ob „ein Fahrstuhl als öffentliches Verkehrsmittel“ zähle. Wenn dem so sei, müsse dort nämlich auch Leinen- und Maulkorbzwang herrschen. Der Vorschlag des Beschwerdeführers, ob „man nicht laut hygienischen Gründen generell festlegen [könne], daß Hundebesitzer die Treppenaufgänge zu benutzen haben?“ zeugt nicht gerade von im Sozialismus gepflegtem Gemeinschaftssinn, zumal das besagte Hochhaus 21 Stockwerke besaß. Neben den fiskalischen und rechtlichen Reglementierungsmaßnahmen diente die ‚Aufklärung‘ der Bevölkerung der Vermittlung von Verhaltensnormen: „Das schließt in sich ein, das Ziel der Aufklärung der Bürger in unserer Stadt [Berlin, A. L.] nicht auf Hinweise zur sachgemäßen Haltung zu beschränken, sondern sie auf eine Einschränkung der Tierhaltung zu orientieren.“ 281 Das bedeutet, das Einwirken der TierärztInnen auf gesellschaftliche Diskurse zielte erneut nicht auf das ‚Tierwohl‘ ab, sondern auf den „Abbau unzumutbarer Belastungen der Stadt durch Tiere.“ 282 Durch öffentliche Sprechstunden 277 Vgl. Seupel: Stadtordnung, S. 10. 278 Zur Plattenbauweise vgl. Hannemann, Christine: Die Platte. Industrialisierter Wohnungsbau in der DDR, Braunschweig/Wiesbaden 1996; Petrauschke, Bernd: Von der Enttrümmerung zur Plattenbauweise – 40 Jahre gebaut, in: Hölder: Trabi, S. 239 – 250; Manzel, Karl-Heinz: Von der Wohnlaube zum Wohnblock – Ziel der „registrierten Antragstellung“, in: ebenda, S. 251 – 264. 279 Vgl. Seupel: Stadtordnung, S. 8. 280 Eingabe eines Berliner Bürgers an den Magistrat von Berlin vom 07. 02. 1983, LAB C Rep. 101 Nr. 1939, unpag. (Hervorhebung im Original, alle folgenden Zitate sind d iesem Dokument entnommen). 281 Wunderlich: Veterinärwesen, S. 237. Auch im ‚Heimtier‘-Ratgeber „Unser Kind wünscht sich ein Tier“ wird die Frage: „Warum sollten Kinder nicht mehrere Tier haben?“ folgendermaßen beantwortet: „Jedes Tier erfordert größeren Aufwand. Ein Tier ist erzieherisch genauso wirksam wie mehrere.“ Schille/Schille: Unser Kind, S. 21. 282 Konzeption zur weiteren Entwicklung der veterinärmedizinischen Versorgung in Berlin im Zeitraum 1986 – 1990 vom 10. 10. 1985, LAB C Rep. 100 – 05, Nr. 1997/2, unpag.
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und regelmäßige Pressearbeit sollten die Verhaltensrichtlinien in die breite Öffentlichkeit getragen werden.283 Das wichtigste Instrument dafür war der 1968 gegründete Berliner Beirat für Tierschutz und Tierhygiene, der noch ausführ lich unter Punkt 4.2 vorgestellt wird. Dieses Gremium war unter Ausschluss der Bevölkerung einzig für die „individuelle Tierhaltung“ der BürgerInnen zuständig und versuchte mithilfe von Broschüren, Vorträgen und ähnlichen Informationsveranstaltungen Handlungsanweisungen durchzusetzen (die dann unter dem Label „Tierschutz“ verkauft wurden).284 Neben der Disziplinierung der tierhaltenden Bevölkerung und Normierung des Tierkontaktes gehörte auch die Beseitigung von ‚herrenlosen‘ Tieren aus dem Stadtbild zur Gewährleistung der öffentlichen Ruhe.
2.3.2 Streuner, Freigänger und Heimatlose Als ‚Störenfriede‘ gegen die allseits beschworene „Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit“ galten frei lebende Hunde und Katzen. Die Probleme, die seinerzeit im Zusammenhang mit den Tieren gesehen wurden, unterschieden sich nicht maßgeblich von den heutigen. Sie reichten von Belästigungen bis hin zu Gefahren für die Gesundheit von Menschen und anderen Tieren. Heute spielt aber auch das tierliche Leid eine sehr große Rolle, was in der DDR – jedenfalls aus Perspektive der Herrschenden – nicht der Fall war. Hier stand der Mensch im Mittelpunkt: Sein Schutz vor Krankheiten, sein Schutz vor Bissen, sein Schutz von Hab und Gut, seine Nachtruhe, sein Recht auf Belästigungsfreiheit und so weiter. Summa summarum: „Daß gerade von den streunenden Tieren besondere Gefahren für Menschen und Sachen ausgehen, braucht nicht besonders unterstrichen werden.“ 285 Die Tiere waren besonders in den großen Städten wie Berlin von Beginn an ein Thema. In den nachfolgenden Jahren stieg die Zahl der Tiere proportional zur zunehmenden ‚Heimtier‘-Haltung. 1978 wurden allein in Ost-Berlin 1.330 Hunde und 1.945 Katzen eingefangen.286 Zehn Jahre später waren es schon 2.032 Hunde, die im Ost-Berliner Tierheim als Findlinge 283 Vgl. Wunderlich: Veterinärwesen, S. 237. Die zahlreichen Beiträge, allen voran in der BLZ, zeugten davon, dass die TierärztInnen ihrer „gesellschaftliche[n] Rolle als Erzieher“ gerecht wurden (so der NDPD-Abgeordnete Siegfried Dallmann (1915 – 1994) über VeterinärmedizinerInnen auf der gemeinsame Sitzung des Ausschusses für Land- u. Forstwirtschaft und des Rechtsausschusses der Volkskammer, 13. Juni 1962, Protokolle der Volkskammer der DDR, BArch DA 1/2984, Bl. 95). 284 Zur Öffentlichkeitsarbeit des Beirates vgl. Fritzenwanker: Großstadt, S. 183 f. 285 Vgl. Witter/Stahnke-Jungheim/Witter: Zivilrechtliche Aspekte, S. 195. 286 Vgl. Wunderlich: Veterinärwesen, S. 227.
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aufgenommen wurden.287 Über die Gründe der streunenden Hunde und Katzen schwieg man sich seinerzeit meist aus. Einzig das Aussetzen von Tieren wurde als Ursache benannt, dessen Motive aber meist im Dunkeln gelassen wurden. Denn das wäre ein potentielles Eingeständnis staatlichen Versagens gewesen: Das Aussetzen von Tieren war nicht zuletzt den mangelnden Plätzen in den Tierheimen und -pensionen und der Vernachlässigung von Tierschutzfragen in der Öffentlichkeit geschuldet: Man hat Tiere gehabt, aber man hat wenig über den Hintergrund gewusst, den man heute weiß und den man auch weitergeben will, also die Kastration von Katzen, die Haltung von Freigängerkatzen und Wohnungskatzen und ach, es sind so viele Punkte, wo ich heute sage, um Gottes willen, was hat man eigentlich nur gemacht.288
Nicht zuletzt hätte man sich bei der Beantwortung der Frage, warum in der DDR Hunde und Katzen ausgesetzt werden, eingestehen müssen, dass die „sozialistische Moral“ („Das Aussetzen von Tieren widerspricht allen ethischen Grundsätzen und ist auch strafbar.“ 289) noch nicht bei allen „sozialistischen Persönlichkeiten“ voll entwickelt schien. Also analysierte man lieber die Gründe in anderen Ländern, vor allem in kapitalistischen wie der Bundesrepublik, weil „das Aussetzen von eigenen Haustieren bei uns in der DDR nur sehr selten vorkommt, im Gegensatz zur BRD, wo das an der Tagesordnung ist.“ 290 Im Westen würden die BürgerInnen „angesichts der ständig steigenden Wohnungsmieten, der fortgesetzt steigenden Preise für Lebensmittel und für sonstige Gegenstände des täglichen Bedarfs, auch nicht zuletzt angesichts der dort gesetzlich zulässigen Willkür der Hauseigentümer“ sehr häufig versuchen, sich ihrer „Tiere durch Aussetzen zu entledigen“.291 Statt sich also mit den Ursachen des Aussetzens von Hunden und Katzen im eigenen Land zu befassen, nutzte man das Thema lieber für einen Rundumschlag gegen das kapitalistische Westdeutschland und die Betonung „sozialistischer Errungenschaften“, wie diejenigen der niedrigen Lebenserhaltungskosten. Dabei waren 287 Vgl. Schindler/Fritzsche: Tierheime und Tierpensionen, S. 106. Im Jahr 1995 wurden in der, nun nicht mehr geteilten Stadt, nach wie vor 3.026 Hunde und 6.322 Katzen vom Berliner Tierheim (das jetzt wieder vom Berliner Tierschutzverein privat betrieben wird) in Lankwitz (seit 2001 in Falkenberg) aufgenommen. 2012 waren es noch 1.577 Hunde und 3.923 Katzen, vgl. Schriftliche Auskunft des Berliner Tierheims vom 31. 03. 2014. 288 Vgl. Interview mit Renate Wesselhöfft vom 02. 04. 2014. 289 „Soll man streunende Katzen füttern?“, in: BLZ vom 24. 10. 1985, S. 11. Laut § 2 des in der DDR noch formal gültigen Tierschutzgesetzes von 1933 war das Aussetzen von „eigenen Haustieren“ verboten; diese Rechtsgrundlage wurde in dem Zeitungsartikel aus guten Gründen jedoch nicht angeführt. 290 „Aussetzen von Haustieren ist strafbar“, in: Der Hund 20/3 (1971), S. 10 – 12, hier S. 10. 291 Ebenda.
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(auch) im Arbeiter- und Bauernstaat mitunter s oziale Missstände für das Aussetzten von Hunden und Katzen verantwortlich. Denn die Versorgung der Tiere war teuer, insbesondere für die in der DDR sozial stark benachteiligte Gruppe der RentnerInnen.292 (Die durchschnittliche Altersrente betrug 1980 nur 342,51 Mark.293) Eine Rentnerin aus Birkenwerder (Kreis Oranienburg) bekam 1973 vom Bürgermeister höchstpersönlich Besuch, der sich mit ihren „persönlichen Verhältnissen näher vertraut“ machen wollte. Die Rentnerin und Hundehalterin hatte nämlich aus finanzieller Not einen Antrag auf Hundesteuerbefreiung gestellt.294 Die Lage der Frau muss derart widrig gewesen sein, dass der Bürgermeister nicht nur der Steuerbefreiung zustimmte, sondern obendrein das Finanzministerium bat, die Hundesteuer dahingehend zu ergänzen, „dass eine bessere Berücksichtigung der sozialen Lage, insbesondere von Rentnern, möglich ist.“ 295 Nicht umsonst wurde sich zudem beschwert, dass „Goldy“ viel zu teuer wäre. Auch die veterinärmedizinischen Behandlungen verursachten vergleichsweise hohe Kosten. Für Kleintiere kostete die Behandlung 1971 im Mittel 9,45 Mark, im Jahr 1980 waren es 10,08 Mark und 1987 bereits 12,38 Mark.296 Die Rechnung betrug also fast die Hälfte einer Miete für eine kleine Altbau-Wohnung (30 und 40 Mark 297). Die hohen Kosten waren ein wesentlicher Grund, warum in es der DDR allgemein weniger ‚Heimtiere‘, vor allem Hunde, als in westlichen Ländern gab.298 Das Fehlen von Tierschutzvereinen, die sich heute um frei lebende Tiere kümmern, erschwerte die Lage der frei lebenden Hunde und Katzen. Es gab keine Institution, die sich um die Tiere kümmerte, jedenfalls nicht im Sinne des Tierschutzes: Den Freigängern sollte nicht geholfen werden, sie sollten ‚bekämpft‘
292 Vgl. dazu Hoffmann, Dierk: Am Rande der sozialistischen Arbeitsgesellschaft. Rentner in der DDR 1945 – 1990, Erfurt 2010; Helwig, Gisela: Ins Abseits geraten. Rentnerinnen und Rentner in der DDR, in: DA 2 (2006), S. 236 – 243. Zur sozialen Ungleichheit in der DDR vgl. Bauerkämper: Sozialgeschichte, S. 60 – 95; Mertens, Lothar (Hrsg.): Soziale Ungleichheit in der DDR. Zu einem tabuisierten Strukturmerkmal der SED-Diktatur, Berlin 2002. 293 Vgl. Winkler, Gunnar (Hrsg.): Sozialreport 1990. Daten und Fakten zur sozialen Lage in der DDR, Berlin (Ost) 1990, S. 222. 294 Vgl. Schreiben des Bürgermeisters von Birkenwerder an die Antragstellerin, Betr.: Ihr Antrag auf Steuerbefreiung, vom 22. 11. 1973, BArch DN 1/17523, unpag. 295 Schreiben des Bürgermeisters von Birkenwerder an das MdF, Referat Eingaben, Betr.: Antrag auf Hundesteuerbefreiung, vom 22. 11. 1973, BArch DN 1/17523, unpag. Die Anfrage blieb freilich ohne Erfolg, denn für „die Berücksichtigung von sozialen Gesichtspunkten oder Gewährung von Billigkeitsmaßnahmen ist […] bei der Hundesteuer kein Raum.“ Kunz: Hundesteuer, S. 15. 296 Vgl. Mieth, Karl/Prange, Hartwig: Entwicklung der Tierklinik Jena – Ein Beitrag zu einer bemerkenswerten Geschichte, in: dies. (Hrsg.): Bezirkstierkliniken, S. 137 – 147, hier S. 142. 297 Vgl. Wolle: Diktatur, S. 185. 298 Vgl. Interview mit Renate Wesselhöfft vom 02. 04. 2014.
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werden. Überaus schwer hatten es frei lebende Katzen in der DDR.299 Einerseits gingen von ihnen angeblich besonders viele Probleme aus. So würden jene „eine Gefahr“ darstellen, da sie potentielle Krankheitsüberträger s eien (insbesondere der Tollwut), Menschen und andere Tiere verletzen oder gar töten könnten und nicht zuletzt eine Gefahr für den Straßenverkehr seien.300 Aufgrund der ihnen zugeschriebenen Jagdlust standen sie – als mögliche Vogelfänger – auch im Visier vieler NaturschützerInnen.301 Auch das „Betteln der Tiere“ und das aus „übertriebener Tierliebe verbotene aber dennoch praktizierte Anfüttern“ sei ein „Ärgernis in der Öffentlichkeit“.302 Anderseits war die Zahl der Katzen dermaßen hoch, dass das allein schon Grund war, ihnen nachzustellen.303 Hinzu kam, dass die Tiere diffamiert wurden: „Katzen – von Rassekatzen selbstverständ lich abgesehen – sind in einer Überzahl vorhanden und schon deshalb, im Gegensatz zum Hund, als Einzelexemplar materiell wertlos.“ 304 Ihnen konnte schlicht kein gesellschaftlicher Nutzen nachgewiesen werden: weder für die ‚Schädlingsbekämpfung‘, die jetzt chemisch stattfand, noch konnte man sie abrichten oder für den „Staatsdienst“ verwerten, und darüber hinaus waren sie auch noch Fleischfresser, die kostbare Fleischressourcen verbrauchten. Die Geringschätzung von Katzen fand ihren Ausdruck auch in der Tatsache, dass es (im Gegensatz zum Hund) keine Fachzeitschrift gab und weitaus weniger Katzenbücher. Fanden Katzen keine Verwendung als ‚Heim-‘ oder ‚Versuchstier‘, blieb ihnen nur der frühzeitige Tod, denn frei laufende Katzen wurden „grundsätzlich euthanisiert“. Denn die frei lebenden Katzen seien „verwilderte Hauskatzen“, die „erhebliche Belästigungen darstellen und seuchenhygienisch als suspekt zu betrachten“ s eien.305 Zudem war man überzeugt, „diese Tiere 299 Zu Katzen und Tierschutz vgl. auch Stock: Tierschutz, S. 137 f.; Hunde und Tierschutz vgl. ebenda, S. 136 f. 300 Vgl. Seupel: Stadtordnung, S. 20 f. 301 Während der Zeit vom 15. März bis 31. Juli war es „Grundstücksbesitzern oder Nutzberechtigen gestattet, fremde Katzen auf ihrem Grundstück zu fangen“ und, sofern sich kein Besitzer fand, „können die gefangenen Katzen schmerzlos getötet werden.“. Vgl. § 14 Erste Durchführungsverordnung (DV) zum Landeskulturgesetz – Schutz und Pflege der Pflanzen- und Tierwelt und der landwirtschaftlichen Schönheiten (Naturschutzverordnung) vom 14. Mai 1970 (GBl. II, S. 331). 302 Vgl. Schindler/Fritzsche: Tierheime und Tierpensionen, S. 107. 303 In Dresden wurde ihre Zahl auf 5.000 Tiere geschätzt (1989), vgl. Stübner, W.: Der Einfluß der Mitglieder der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Veterinärmedizin der Deutschen Demokratischen Republik auf den kommunal- und sozialhygienischen Problemkreis Tier – Mensch – Großstadt, in: MfV 44 (1989), S. 684 – 685, hier S. 684. 304 „Das Aussetzen von Haustieren ist strafbar“, in: Der Hund 20/4 (1971), S. 10 – 11, hier S. 10. 305 Vgl. Wunderlichans: Veterinärwesen, S. 228. Dieses abwertende Katzenbild bestätigt auch die Berliner Katzenschützerin Renate Wesselhöfft: „Da gab es eben nur die Leute und die
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gewöhnen sich nicht mehr an eine Wohngemeinschaft mit Menschen“ 306. Versuche, wie sie heute unternommen werden, die eingefangenen Katzen wieder an den Menschen zu gewöhnen, fanden nicht statt. Ebenso wenig wurde die Kastration der Wildgänger sowie eine gezielte medizinische Überwachung durch die Betreuung an Futterstellen in Betracht gezogen. Stattdessen versuchte man die Katzen systematisch einzufangen, um sie anschließend zu töten.307 In Ost- Berlin führte das Tierheim gezielte Fangaktionen durch, um die Katzen aus dem Stadtbild zu entfernen. Zu diesem Zweck wurden Fallen (Fangkästen mit Fischabfällen) aufgestellt. Eine chemische Bekämpfung – wie sie bei Füchsen, Ratten und Tauben durchgeführt wurde, kam zwar infrage, sei aber nicht zu bewerkstelligen gewesen.308 Zwischen 1984 und 1986 wurden auf diese Weise im Durchschnitt jährlich 3.574 Katzen eingefangen (das entsprach 54,2 Prozent der Gesamtaufnahmen).309 Im Jahr 1985 fanden im Ost-Berliner Tierheim 3.971 Katzen den Tod durch die Giftspritze.310 Weitere Maßnahmen für eine „erfolgreiche Reduzierung“ sei eine „breite Aufklärungsarbeit der Bevölkerung mit Merkblättern, Vorträgen u. a.“, das Verbot des Aussetzens und des Fütterns von Katzen sowie ein „verstärkter, aber nicht popularisierter ökonomischer Anreiz“, womit vermutlich die Erhöhung der „Fangprämien“ gemeint war (siehe unten). Auch die Erweiterung der kostenlosen Kastration und Tötung sollte die Katzenpopulation eindämmen.311 Die Maßnahmen gegen die Katzen waren oft von Unverständnis seitens der BürgerInnen begleitet. Viele BewohnerInnen fütterten die verwilderten Katzen oder gingen gar zum offenen Widerstand gegen den Katzenfang über, indem sie etwa die Fallen mutwillig zerstörten.312 Eine Broschüre, die über die Berliner Fangaktion aufklären und damit das Anschauung Katzen sind Ungeziefer, und die muss man um die Ecke bringen.“ Interview vom 02. 04. 2014. 306 Vgl. Schindler/Fritzsche: Tierheime und Tierpensionen, S. 107. 307 Die Häufigkeit und Intensität, mit der das Fangen und Töten der Katzen durchgeführt wurde, sei einer Zeitzeugin zufolge Grund dafür, warum die Zahl der frei lebenden Katzen in Berlin heute höher sei als zu DDR-Zeiten, vgl. Interview mit Renate Wesselhöfft vom 02. 04. 2014. 308 „Der Einsatz von chemischen Substanzen zur Reduzierung der verwilderten Katzenpopula tionen ist aus mehreren Gründen nicht möglich.“ Schindler/Fritzsche: Tierheime und Tierpensionen, S. 107. Welche Gründe das waren erfahren, wir leider nicht. 309 Vgl. Schindler/Fritzsche: Tierheime und Tierpensionen, S. 107. 310 Vgl. Zengerling: Veterinärwesen, S. 99. 311 Vgl. Schindler/Fritzsche: Tierheime und Tierpensionen, S. 107. 312 Vgl. Wunderlich: Veterinärwesen, S. 228; Schindler/Fritzsche: Tierheime und Tierpensionen, S. 107; Richter, W./Grünbaum Ernst-Günther: Schlußfolgerungen und Erfahrungen bei der Entwicklung von Tierhygiene und Tierschutz in einer Bezirksstadt, in: MfV 33 (1978), S. 768 – 771, hier S. 770.
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Verständnis vergrößern sollte, konnte wegen Papiermangels nicht gedruckt werden.313 Auf der anderen Seite gab es selbstredend auch BürgerInnen, die sich von den frei lebenden Katzen belästigt fühlten. Beispielsweise wurde sich über „Katzenplagen“ beschwert 314 oder gezielt mit Rattengift gegen Katzen vorgegangen.315 Streunende Hunde, die vom Tierheim gefangen wurden, wurden wie die Katzen getötet, sofern sie nicht an ihre BesitzerInnen zurückgingen oder gewinnbringend verkauft wurden. In Ost-Berlin wurden 1979 von 1.446 eingefangenen Hunden 979 Individuen getötet.316 1988 wurden von 2.032 Hunden noch 509 Tiere getötet – angeblich immer aus „Altersgründen oder wegen Erkrankung“ und „nie aus Platzgründen oder ökonomischen Gründen.“ 317 Schwer zu glauben im Falle des an seine Kapazitäten stoßende Tierheims, schließlich verfügte die Einrichtung lediglich über 78 Hunde- und 36 Katzenplätze.318 Außerhalb der städtischen Ballungszentren musste man Hunde und Katzen nicht umständlich einfangen. Hier konnte man sie – rechtlich abgesichert durch das Jagdgesetz – abschießen. Die erlegten Tiere beziehungsweise deren Felle wurden für eine „Fangprämie“ bei den staatlichen Forstwirtschaftsbetrieben abgegeben, die die Pelze devisenbringend ins westliche Ausland exportierten.319 Obwohl, einem DDR-Veterinär zufolge, „heimatlose Katzen meist kein besonders gutes Fell“ 320 hätten, wurden schon im ersten Halbjahr 1978 76.610 Katzen beim VVB tierische Rohstoffe abgeliefert – Tendenz steigend.321 Auch die Felle der Tierheim-T iere und derjenigen aus Tierarztpraxen und Tierkliniken, wurden zu Geld gemacht, 313 Vgl. Interview mit Walter Schindler in der Sendung „Igel – Das Tierschutzmagazin“, SWR, Sendung vom 02. 03. 1990. 314 Vgl. Eingabe eines Berliner Bürgers an den Magistrat von Berlin, Oberbürgermeister vom 04. 09. 1989, Betr.: Eingabe zur Bekämpfung verwilderter Katzen, LAB C Rep. 101, Nr. 2429, unpag. (Antwort: Abteilung Veterinärwesen, Berliner Bezirkstierarzt Hans Wunderlich, Information zur Eingabe von oben genanntem Berliner Bürger, Eingaben-Nr. 05239/89 vom 09. 10. 1989, LAB C Rep. 101, Nr. 2429, unpag.) 315 Vgl. Stock: Tierschutz, S. 137. Zur Frage der „Katzenplage“ aus zeitgenössischer Sicht vgl. auch Müller-Girard, Claudia/Wallschläger, Dieter: Nur eine gewöhnliche Hauskatze, in: Guter Rat für Haustierfreunde, Sonderheft 1987, S. 8 – 9 und S. 46. 316 Vgl. Wunderlich: Veterinärwesen, S. 227. 317 Die Zahl der getöteten Hunde entspricht den 25 Prozent, die im Text angegeben ist, vgl. Schindler/Fritzsche: Tierheime und Tierpensionen, S. 106. 318 Vgl. Zengerling: Veterinärwesen, S. 104. 319 Zur Pelzwirtschaft siehe auch die Bestimmungen des Jagdgesetztes unter Kapitel 4.3.1. 320 „Lebensgemeinschaft“, in: Deine Gesundheit 6 (1988), S. 4 – 8, hier S. 7. 321 Vgl. Schreiben des VVB tierische Rohstoffe Leipzig an das Magistrat von Berlin, Abteilung Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft vom 26. 09. 1978, LAB C Rep. 112, Nr. 343, unpag. Der Jahresplan 1977 des Berliner Forstwirtschaftsbetriebes sah den Fang von 2.000 Katzen für die Pelzgewinnung vor, vgl. Forstwirtschaftsbetrieb Berlin, Protokoll der Beratung vom 27. 09. 1977 zur Gewinnung von Katzenbälgen, LAB C Rep. 112, Nr. 343, unpag.
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denn es bestand eine „Ablieferungspflicht“ der toten Tierkörper an die Tierkörperbeseitigungsanstalten.322 Im Übrigen konnte man in der DDR jederzeit auch die eigene Katze oder den eigenen Hund problemlos zur (wenn auch nicht gebührenfreien) Einschläferung in eine Praxis oder ins Tierheim geben. Die TierhalterInnen waren weitgehend allein für ihre Tiere verantwortlich. Ein damaliger Tierarzt berichtet im Rückblick, dass „[d]ie Tötung von Hunden und Katzen nicht hinreichend reguliert [war], so dass sie im Belieben des Halters stand. So gab es regelrechte ‚Tötungstage‘, die den Abfuhrterminen des technisch wie hygienisch miserablen Fuhrparks der Tierkörperbeseitigungsanstalten angepasst waren.“ 323 Im Jahr 1979 wurden 248 Hunde und 350 Katzen von ihren BesitzerInnen im Tierheim von Ost-Berlin zur Tötung abgegeben.324 Auf dem Land übernahm das Töten zuweilen der Förster. Dort wurden Hunde und Katzen besonders leichtfertig getötet 325, vor allem wenn es darum ging, die ‚Nutztier‘-Bestände in den landwirtschaftlichen Betrieben nicht zu gefährden. Während der sogenannten „Sanierungen“ der Tierbestände wurden die positiv auf die entsprechende Krankheit getesteten Hunde und Katzen getötet, obwohl sie hätten medikamentös behandelt werden können.326 Auch „ausgemusterte“ ‚Diensthunde‘ wurden getötet.327 Die Massentötung von Hunden und Katzen wäre in der Bundesrepublik in dieser Form nicht so einfach möglich gewesen, da das 1972 verabschiedete Tierschutzgesetz das Leben der Tiere unter Schutz stellte, sofern es für die Tötung des Tieres keinen „vernünftigen Grund“ gab.328 322 § 5 Anordnung über die Tierkörperbeseitigung und -verwertung vom 12. November 1965 (GBl. II, S. 859). 1976 „produzierten“ die 53 Tierkörperverwertungsanstalten 29.124 Stück Haarraubwild- und Katzenfelle. Insgesamt verdiente die DDR jährlich drei Milliarden Mark mit den anfallenden 20 Millionen Häuten und Fellen, vgl. Hussel, Lothar/Kiehn, Hans- Joachim (Hrsg.): Tierkörperbeseitigung und -verwertung, Jena 1980, S. 17 und S. 264. 323 Vgl. Prange: Spannungsfeld, S. 87 f. 324 Vgl. Wunderlich: Veterinärwesens, S. 227. 325 Zwei ZeitzeugInnen bescheinigen der Landbevölkerung einen rohen Umgang mit Hunden und vor allem Katzen, vgl. Stock: Tierschutz, S. 138. 326 Vgl. Köpp: Von Tieren, S. 290 ff. Der DDR-Tierarzt Köpp schildert wie schwer es ihm fiel die vielen Hunde des Mecklenburgischen Dorfes zu töten, darunter auch den eigenen Jagdhund. Zu Beginn tötete er die Hunde mit einer Überdosis Schlafmittel im Beisein der BesitzerInnen. Deren Angst, Zorn und Empörung übertrug sich jedoch auf die Tiere, was die Tötungsaktionen zusätzlich erschwerte. Der sich als „Tierfreund“ bezeichnende Veterinär ersann dann eine neue Methode, nämlich die Tiere an einem Pfahl gekettet zu erschießen. 327 Vgl. Wunderlich: Veterinärwesen, S. 221. 328 § 1 Tierschutzgesetz der Bundesrepublik vom 27. 07. 1972: „Dieses Gesetz dient dem Schutz des Lebens und Wohlbefindens des Tieres. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ (Hervorhebung A. L.) Vgl. auch Stock: Tierschutz, S. 140.
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Im sozialistischen Teil Deutschlands, wo das formal gültige Tierschutzgesetz von 1933 nicht mehr angewendet wurde, war es demgegenüber gang und gäbe Hunde und Katzen auf unbürokratische Weise zu töten. Sei es, weil man in den Urlaub fahren wollte, weil das Tier zu arbeitsaufwendig war, weil es unerwünschten Nachwuchs gab, eine Allergie bestand oder einfach weil es zu alt war und damit mehr Arbeit als Freude bereitete.329 Paradoxerweise sind zwei zentrale Institutionen, die im gängigen Verständnis dem ‚Tierwohl‘ und dem Tierschutz dienen, in der DDR zu Anlaufstellen für das Töten von Tieren geworden: die Tierarztpraxis und das Tierheim.
2.3.3 „Sozialistische“ Tierheime Durch das Verbot von Tierschutzvereinen, die vormals für das Betreiben von „Tierhorten“ zuständig waren, und die fehlende Einsicht für die Notwendigkeit derartiger Einrichtungen mangelte es in der DDR an Tierheimen. Die steigende Zahl von streunenden Hunden und Katzen verschärfte die Situation zusätzlich. Im Bezirk Magdeburg beispielsweise gab es nur sechs Tierheime und in den Bezirken Rostock, Suhl und Schwerin existierte kein einziges Tierheim.330 1990 war auf dem gesamten Gebiet der DDR nur etwa ein Zehntel der heutigen Tierheimplätze verfügbar.331 Das Tierheim in Ost-Berlin befand sich in den S-Bahn-Bögen und Kellerräumen in der Schicklerstraße 4 (an der Jannowitzbrücke), wo von 1892 bis 1901 schon der 1841 gegründete Berliner Tierschutzverein samt Tierheim seinen Sitz hatte.332 Tierheime wurden in der DDR zu „Dienstleistungsbetrieben“ erklärt, die „vielseitigen gesellschaft lichen Verpflichtungen“ nachkamen.333 An erster Stelle stand die Aufnahme von sogenannten Fundtieren und Tieren zur Pension oder Quarantäne. Zur Pension wurden im Ost-Berliner Tierheim 1978 495 Hunde, 248 Katzen sowie 144 andere ‚Heimtiere‘ und Vögel abgegeben 334, deren Verweildauer im Schnitt zwei bis 329 Vgl. „Töten von Tieren“, in: Deine Gesundheit 6 (1988), S. 14 – 15, 18, 26. 330 Vgl. „Wie gehen wir mit Tieren um?“, in: Deine Gesundheit 6 (1988), S. 14 – 15, 18, 26, hier S. 14. Zu Tierheimen in der DDR vgl. Stock: Tierschutz, S. 132 ff. (eine Auflistung aller Tierheime in der DDR ist der Autorin zufolge trotz intensiver Recherche nicht gelungen) und Zengerling: Veterinärwesen, S. 96 – 107 (Ost-Berliner Tierheim). 331 Vgl. Prange, Hartwig: Das Veterinärwesen der DDR – Gedanken und Zeugnisse zu einer bewegten und schicksalhaften Zeit, in: Azar: Veterinärwesen, S. 421 – 443, hier S. 433. 332 Vgl. Tierschutzverein für Berlin und Umgebung Corp. e. V. (Hrsg.): 100 Jahre Tierheim Lankwitz, Berlin 2001, S. 5. Vgl. auch LAB C Rep. 105, Nr. 4373, unpag. 333 Schindler/Fritzsche: Tierheime und Tierpensionen, S. 104. 334 Vgl. Wunderlich: Veterinärwesen, S. 228. Zur Quarantäne nahm das Berliner Tierheim im Schnitt 100 Tiere jährlich auf, wozu auch die sichergestellten Tiere des Grenzveterinärdienstes
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vier Wochen betrug.335 Der Anteil der Pensionstiere an den Gesamtaufnahmen des Berliner Tierheimes lag bei 16,3 Prozent, davon war der Großteil Hunde (9,5 Prozent). Diejenigen BerlinerInnen, die einen Platz für ihr Tier bekommen hatten, durften sich glücklich schätzen, denn die Anfragen überstiegen das Zehnfache der Aufnahmekapazität des Tierheimes.336 Einem Eingeständnis der Hilflosigkeit glich die Empfehlung an die Berliner Hunde- und KatzenhalterInnen, ihre Tiere mehrere Monate vor der geplanten Abgabe anzumelden, „da nur wenige Plätze zur Verfügung stehen“ 337 – wofür es seitens der BürgerInnen viel Kritik gab.338 Aufgrund des Mangels an Tierheimen gab es neben den staatlichen Tierheimen noch privat betriebene Tierpensionen. Im Bezirk Frankfurt/Oder etwa konnten die BürgerInnen ihre Tiere in sechs Tierpensionen unterbringen und im Bezirk Karl-Marx-Stadt standen vier dieser Tierunterkünfte zur Verfügung.339 Die Tierheime beteiligten sich weiterhin am Einfangen von Tieren und an der Abholung gepfändeter, verletzter, verendeter oder in Notsituationen geratener Tiere („Tierrettungsdienst“). In Ost-Berlin wurden jährlich etwa 300 Tierrettungen durchgeführt, wobei es sich meistens um „verletzte Tiere im Straßenverkehr, tagelang in der Wohnung allein gelassene Tiere, [oder] auf Bäumen befindliche Katzen“ 340 handelte. Des Weiteren waren die Tierheime verlängerte Kontroll- und Einflussorgane, die die Einhaltung rechtlicher Grundlagen überwachten und aktiv Öffentlichkeitsarbeit zu Fragen der Tierhaltung betreiben sollten. Im Ost-Berliner Tierheim fanden in den Achtzigerjahren täglich etwa 100 bis 120 „öffentliche Sprechstunden“ statt.341 Den gesellschaftlichen Stellenwert der Tierheime fasste der Ost-Berliner Tierheimleiter so zusammen: Ein Tierheim hat durch seine vielfältigen Aufgaben eine nicht zu unterschätzende regulierende Funktion im Wirkungsfeld einer Stadt wahrzunehmen. Neben Aufgaben zur Gewährleistung des Umweltschutzes sind letztlich auch Maßnahmen zur gehörten, vgl. Schindler/Fritzsche: Tierheime und Tierpensionen, S. 106. 335 Vgl. Wunderlich: Veterinärwesen, S. 228. Im Gesamtdurchschnitt betrug sie 15,3 Tage, vgl. Schindler/Fritzsche: Tierheime und Tierpensionen, S. 105. 336 Vgl. Wunderlich: Veterinärwesen, S. 228. Schindler/Fritzsche sagen, dass in Berlin nur etwa 40 Prozent der Pensionsaufnahme gedeckt werden konnten, vgl. Schindler/Fritzsche: Tierheime und Tierpensionen, S. 105. 337 Nitschke/Schicht: Hundehalter, S. 12; Schicht, Maartje: Unsere Katzen, Berlin (Ost) 1978, S. 8. 338 Vgl. Konzeption Entwicklung des Veterinärwesens im Perspektivraum 1976 – 1980 vom 26. 03. 1976, LAB C Rep. 112, Nr. 301, unpag. 339 „Wie gehen wir mit Tieren um?“, in: Deine Gesundheit 6 (1988), S. 14 – 15, 18, 26, hier S. 14. 340 Schindler/Fritzsche: Tierheime und Tierpensionen, S. 108. 341 Ebenda, S. 105 und S. 108.
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Durchsetzung der Stadtordnung auf dem Gebiet der Tierhaltung, Ordnung, Sauberkeit, Sicherheit und des Gesundheitsschutzes für Mensch und Tier zu verwirklichen.342
Allein die Phrase von „Ordnung, Sauberkeit, Sicherheit“ und die Direktive vom Gesundheitsschutz verlieh einer Institution in der DDR gesellschaftliche Bedeutung. Trotz der propagierten gesamtgesellschaftlichen Relevanz litten sowohl die Arbeitskräfte der Tierheime als auch die Tiere unter der unzureichenden Ausstattung und der schlechten Bausubstanz.343 Das Tierheim in Ost-Berlin hatte deswegen auch einen sehr schlechten Ruf – als TierschützerIn hielt man sich besser von ihm fern und suchte dort keine Hilfe.344
2.4 Zusammenfassung Die ‚Heimtier‘-Haltung in der DDR ist zunächst ein interessantes Beispiel für die vielfältigen Einflüsse der SED-Ideologie auf gesellschaftliche Phänomene und Entwicklungen in einem politisch durchherrschten Gesellschaftsgebilde und ein Beleg für den totalitären SED-Anspruch, „die gesamte gesellschaftliche Entwicklung in allen ihren Aspekten zu planen und zu steuern“ 345. Im Rahmen der „Entbürgerlichung“ der Gesellschaft durfte es keine soziokulturellen Distinktionen durch Tiere und Tierkontakt mehr geben. Die ‚Heimtier‘-Haltung konnte in die anthropozentrische Ideologie des Marxismus-L eninismus integriert 342 Ebenda, S. 108. 343 Zu den unzulänglichen baulichen Gegebenheiten des Tierheims vgl. Zengerling: Veterinärwesen, S. 105 ff. Ein vom Berliner Beirat für Tierschutz und Tierhygiene 1970 geplanten Ergänzungsbau in Berlin-Pankow wurde nie gebaut, vgl. Protokoll über die Jahrestagung des Beirates für Tierschutz und Tierhygiene am 07. 12. 1971, LAB C Rep. 112 – 02, Nr. 237, Bl. 19 – 24, hier Bl. 23. Probleme bereiteten auch die fehlenden Erfahrungen und Vorgaben für den Tierheimbau, vgl. Richter/Grünbaum: Schlußfolgerungen, S. 770 f. 344 Die Zeitzeugin Wesselhöft berichtet: „Es hatte einen sehr schlechten Ruf, von der schlechten Behandlung angefangen, auch von den sehr schlechten Möglichkeiten der Unterbringung dieser Tiere, alles ganz eng und zusammengepfercht, also es muss furchtbar gewesen sein. Und alle, die es eigentlich kannten, waren froh, als es d ieses Tierheim nicht mehr gab. […] Die haben sicher, da wir ja nun vom Hören und Sagen bekannt waren, hin und wieder Anrufe gekriegt, hier ist das und das Tier, und dann vielleicht aufgenommen, das weiß ich aber nicht so genau, manche hatten ja direkt auch mit dem Tierheim Kontakt, aber das hab’ ich wirklich vermieden, weil ich mir schon vorstellen konnte, was da los ist.“ Interview mit Renate Wesselhöfft vom 02. 04. 2014. Selbst der ehemalige Leiter des Tierheims Schindler bezeichnete die Unterbringung im Nachhinein als nicht tierschutzgerecht, vgl. Zengerling: Veterinärwesen, S. 107. 345 Meuschel, Sigrid: Überlegungen zu einer Herrschafts- und Gesellschaftsgeschichte der DDR, in: GG 19 (1993), S. 5 – 14, hier S. 5.
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werden, weil „Haltung, Zucht und sportliche Betätigung mit T ieren […] ein Teil der bewußten Nutzbarmachung der Natur“ 346 wurden. Nachdem die SED die Bedeutung der ‚Heimtier‘-Haltung für die Bevölkerung jahrzehntelang verkannte, avancierte sie binnen kurzer Zeit zu einer gesellschaftlich bedeutsamen, „kulturell wertvollen“ Beschäftigung. Aus ‚Heimtieren‘, vormals bürger liche „Luxusgegenstände“, wurden im Arbeiter- und Bauernstaat ‚Nutztiere‘ mit gesamtgesellschaftlichem Nutzeffekt. Damit fügt sich das sozialistische ‚Heimtier‘-Bild durchgehend in das Konzept des ‚nützlichen Tieres‘ ein, wonach im öffentlichen Diskurs eine permanente Akzentuierung eines gesellschaftlichen und politischen Nutzens von Tieren stattfand. Es herrschte ein regelrechter Zwang, ständig neue, politisch relevante und funktionale Begründungen für das Halten von Tieren im Allgemeinen und von ‚Heimtieren‘ im Besonderen zu finden. Das lässt sich sehr gut am Wandel der offiziellen Zuschreibungen gegenüber der ‚Heimtier‘-Haltung ablesen: Wurden in den Fünfziger- und Sechzigerjahren mehrheitlich „negative“ Gründe für das Halten von Heimtieren aufgezählt (wie zum Beispiel Einsamkeit, Kinderlosigkeit oder Modebewusstsein)347, standen ab den Siebzigerjahren zunehmend gesamtgesellschaftliche Vorzüge im Vordergrund (etwa der Beitrag zur Persönlichkeitsbildung, der Erholungs- und Bildungseffekt oder der wirtschaftliche Nutzen durch Zuchtexporte). Besonders offensichtlich manifestierte sich d ieses „Nützlichkeitsethos“ im gesellschaftlichen Bild vom Hund und im Körper des Hundes, wie das Beispiel des (Ost-)Deutschen Schäferhundes veranschaulichte. Insofern wiederholte sich in der DDR eine historische Diskursverschiebung im Kleinen: Mussten die wenigen ‚Heimtier‘-HalterInnen bis ins 18. Jahrhundert hinein häufig Hohn für ihre ‚Tierliebe‘ einstecken, wendete sich das Blatt im weiteren Verlauf des Jahrhunderts mit der kontinuierlichen Zunahme der ‚Heimtiere‘ in den bürger lichen Haushalten Europas. Nun war man überzeugt, der Umgang mit Hund und Katze mache den Menschen „menschlicher“, das heißt, er unterstreiche seine Eigenschaften ‚als Mensch‘, wie etwa die der Fürsorge oder des Mitgefühls.348 Der gesellschaftlich aufgewertete Tierkontakt trage nun zur „Veredlung des Menschen“ 349 bei – eine Sichtweise, die in der DDR erst ab den Siebzigerjahren präsent 346 Richter/Grünbaum: Schlußfolgerungen, S. 768. 347 Vgl. dazu etwa: „Gehört der Pudel ins Bett?“, in: Deine Gesundheit 9 (1965), S. 274 – 276, hier S. 274. Bezeichnend ist auch der Schlusssatz des Artikels: „Wenn diese Anregungen [Hygienehinweise, A. L.] genutzt werden und der einzelne Tierhalter über die Liebe zu seinen Tieren nicht vergißt, daß dem Menschen neben ihm höhere Achtung gebührt, dann kann man die harmlose Freude an dem lieben Begleiter ohne Bedenken genießen.“ Ebenda, S. 276. 348 Vgl. Ritvo: Pet-keeping, S. 97 ff.; Fudge: Animal, S. 32 („humanizing qualities of pets“). 349 Buchner-Fuhs: Das Tier als Freund, S. 279.
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war. Mit der Neubewertung des ‚Heimtieres‘ und damit der ‚Heimtier‘-Haltung ging überdies eine Reglementierung und Etablierung bestimmter Verhaltensund Hygienenormen einher: „Sie muß so betrieben werden, daß sie die Mitmenschen nicht gefährdet oder belästigt und ökonomisch von der Gesellschaft toleriert werden kann, wobei insbesondere die Haltung von Hunden und Katzen bestimmte Voraussetzungen erfordert.“ 350 Die ‚Heimtier‘-Haltung in der DDR unterlag folglich einer vielschichtigen Disziplinierung, die eine Normierung und Kontrolle des Tierkontaktes forderte und Fragen von Hygiene und des „bürgerschaftlichen Zusammenlebens“ in den Vordergrund rückte. Die Disziplinierung umfasste ebenso die „Zivilisierung“ des Stadtraumes – vor allem im Sinne einer „Bereinigung“ durch das Entfernen verwilderter Hauskatzen und -tauben oder streunender Hunde.351 Schließlich beinhaltete das Konzept eine emotionale Disziplinierung gegenüber dem persönlichen ‚Heimtier‘. Nur so sei der sachliche Blick und damit der Bildungseffekt der ‚Heimtier‘-Haltung gewährleistet – eine Überzeugung, die sich aus einer Verwissenschaftlichung von Tieren und Mensch-T ier-Verhältnissen speiste. Das ging so weit, dass Eltern in der DDR empfohlen wurde, ihrem Kind, „um sein Tier richtig zu verstehen“, doch „Beobachtungsaufgaben zu stellen und die Ergebnisse gemeinsam auszuwerten.“ Denn durch „den unmittelbaren Kontakt mit den Tieren erfahren Kinder an konkreten Beispielen, daß die Naturgesetze objektiven Charakter haben, daß die Natur erkennbar und veränderbar ist.“ 352 Die Steuerungsinstrumente zur Etablierung eines sozialistischen ‚Heimtier‘-Bildes, das die Konzepte des ‚nützlichen‘‚ des ‚disziplinierten‘ und des ‚verwissenschaftlichten Tieres‘ vereint, waren vielfältig: angefangen von sogenannten Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen über Stadtordnungen und Steuern bis hinzu Aufklärungskampagnen und genormten ‚Heimtier‘-Ratgebern. Das „real existierende Heimtier“ indessen blieb aus Sicht des Staates allzu oft ein potentieller Störenfried, Nahrungskonkurrent, Risiko- und Kostenfaktor und eine nicht gern gesehene Möglichkeit für den privaten Rückzug.
350 „Tiere im Heim“, in: Deine Gesundheit 2 (1984), S. 59 – 60, hier S. 60. Das folgende Zitat verknüpft geschickt die Diskursstränge über das notwendige Vorhandensein einer tierlichen Nützlich- und Sauberkeit: „Allen [HundebesitzerInnen, A. L.] haben wir die Frage gestellt, ob ihnen bewußt ist, daß Tiere auch Krankheitsüberträger sein können. Klar darüber waren sich in der Regel nur Besitzer von Gebrauchshunden.“ In: „Gehört der Pudel ins Bett?“, in: Deine Gesundheit 9 (1965), S. 274 – 276, hier S. 274. 351 Vgl. dazu für das 19. Jahrhundert Buchner: Kultur mit Tieren, S. 194; dies.: Buch zu Tieren, S. 18 f. 352 Weiter heißt es: „Beim Umgang mit Tieren festigen, wiederholen und systematisieren älterer Schüler biologische Kenntnisse und Erkenntnisse. Jüngere Schüler erwerben erste Einsichten und Erfahrungen.“ Schille/Schille: Unser Kind, S. 25.
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An der ‚Heimtier‘-Haltung ließen sich zugleich die Grenzen der SED-Diktatur ablesen und sie dient als Beleg für die gesellschaftliche Eigendynamik.353 Der Wandel der Sinnzuweisung und die Regulierungsbestrebungen sowie der infrastrukturelle Ausbau zeigten, dass das SED-Regime eher auf Entwicklungen reagierte, als sie vorzugeben, und damit am „kürzeren Hebel“ saß. Erstmals mussten sich die politischen ProtagonistInnen konkret mit der ‚Heimtier‘-Haltung als einem nicht mehr wegzudenkenden Phänomen und – das erscheint besonders wichtig – nicht mehr zu übersehenden Bedürfnis der DDR-Bevölkerung auseinandersetzen und überlieferte Verhaltensweisen akzeptieren. Beleg für diese Entwicklung war nicht nur die Aufwertung der ‚Heimtier‘-Haltung und die zunehmende Thematisierung von ‚Heimtieren‘. Es folgte seit den Siebzigerjahren der Ausbau der Infrastruktur (Zoohandlungen, ‚Heimtier‘-Bedarf, Tierarztpraxen und die Genehmigung privat betriebener Tierpensionen). Die Tatsache, dass trotz der staatlichen Restriktions- und Kontrollversuche Millionen von ‚Heimtieren‘ die DDR-Wohnzimmer bevölkerten, spricht für ein gewisses eigen-sinniges Verhalten, auch wenn das populäre Konzept „Eigen-Sinn“ 354 das Phänomen der ‚Heimtier‘-Haltung in der DDR nicht hinreichend erklärt. Der Begriff des Eigen-Sinns meint hierbei den deutenden und sinnproduzierenden Aspekt individuellen und kollektiven Handelns in sozialen Beziehungen.355 Eine eigen-sinnige Handlung ist dabei nicht mit Widerstand oder Opposition gleichzusetzen. Vielmehr erlaubt der facettenreiche Begriff gar herrschaftskonformes Verhalten mit einzubeziehen, wenn es um die Frage geht, welchen anderen oder zusätzlichen Sinn individuelle Handlungsweisen beinhalten als den der offiziellen Ideologie.356 Die ‚Heimtier‘-HalterInnen, vor allem die Familien mit Kindern und RentnerInnen, waren es nun, die mit ihrem eigen-sinnigen Verhalten (wenn auch unbewusst) den SED-Staat herausforderten. Abseits der traditionellen sozialen Gruppen (wie K irche, Umweltbewegung oder die „Intelligenz“) kamen die „Einflüsse von unten“ auch von TierfreundInnen. Tiere spielten in der „Nischengesellschaft“ 357 der DDR eine Hauptrolle im Leben vieler DDR-BürgerInnen und bereicherten damit das, oftmals als monoton und stark reglementiert empfundene, Leben. Durch die Reisebeschränkungen, die begrenzten Freizeit- und Konsummöglichkeiten oder die widrigen Wohn- und 353 Vgl. Pollack: DDR-Gesellschaft. 354 Vgl. Lindenberger: Diktatur der Grenzen; vgl. auch Jessen: Gesellschaft im Staatssozialismus. 355 Vgl. Lüdtke, Alf: Eigen-Sinn. Fabrikalltag, Arbeitserfahrung und Politik vom Kaiserreich bis in den Faschismus, Hamburg 1993, und ders: Eigensinn, in: Berliner Geschichtswerkstatt (Hrsg.): Alltagskultur, Subjektivität und Geschichte. Zur Theorie und Praxis von Alltagsgeschichte, Münster 1994, S. 139 – 153. 356 Vgl. Lindenberger: Diktatur der Grenzen, S. 23 – 26. 357 Vgl. Gaus, Günter: Wo Deutschland liegt. Eine Ortsbestimmung, Hamburg 1983, S. 156 – 233.
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Arbeitsverhältnisse kam der ‚Heimtier‘-Haltung eine gewisse Ventil-Funk tion zu. Die Beschäftigung mit Tieren, und hier vor allem mit den scheinbar „unnützen“ ‚Heimtieren‘, von denen nichts weiter als Gesellschaft erwartet wurde, konnte zu einem individuellen Freiraum werden – gleichwohl die SED sich redlich bemühte, auch in diese Nische vorzudringen, ihr die herrschende Ideologie überzustülpen und sie damit kontrollierbar zu machen. Die Aufwertung hatte für die Obrigkeit durchaus auch Vorteile: Sie erweckte den Eindruck von Volksnähe und zahlte sich im Falle der Kleintierzucht auch wirtschaftlich aus. Dabei wurde jedoch weniger das Bedürfnis der Menschen nach unmittelbarer (räumlicher und emotionaler) Nähe zu Tieren wahrgenommen. Vielmehr wurde das Halten von Tieren immer nur an der Staats- und Gesellschaftsentwicklung gemessen: Eine Folge des gebrochenen Verhältnisses zur vormals verworfenen, weil bürgerlichen ‚Heimtier‘-Kultur.
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Von biologischen Produktionsmitteln und Stufenprodukten: ‚Nutztiere‘ in der DDR
Die Geschichte der DDR-Landwirtschaft ist eine der umfassenden Umgestaltung vormals bestehender landwirtschaftlicher und gesellschaftlicher Strukturen. Die von der SED durchgesetzte Agrarpolitik der Zwangsmodernisierung hatte konkrete Auswirkungen auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der in der Landwirtschaft tätigen Menschen, auf die Lebenswirklichkeit der ‚Nutztiere‘ und auf die Beziehung der beiden Akteure. Die Beschäftigung mit Mensch-‚Nutztier‘Beziehungen ist nicht nur von Interesse, weil sie ein wichtiger Teil der ländlichen Kultur und Identität sind und den Lebensalltag vieler Menschen maßgebend prägten. Der landwirtschaftlichen ‚Nutztier‘-Haltung kam überdies eine herausragende Bedeutung für den gesellschaftlichen Neuaufbau durch die Versorgung der DDR -Bevölkerung mit Lebensmitteln zu. Damit spielte die Landwirtschaft eine zentrale Rolle für die Herrschaftssicherung der SED und für die Positionierung im deutsch-deutschen Systemkonflikt.1 Seiner systemstabilisierenden Bedeutung entsprechend wurde der Agrarsektor bei der Vergabe dann auch von Investitionen bevorzugt.2 Ergebnis war eine Aufwertung der Landwirtschaft in der DDR 3, die
1 Vgl. Schöne: Frühling, S. 302. Zur Rolle der Landwirtschaft im Systemwettstreit vgl. auch Schulz, Dieter: „Kapitalistische Länder überflügeln“. Die Bauern in der SED-Politik des ökonomischen Wettbewerbs mit der Bundesrepublik von 1956 bis 1961, Berlin 1994; Schultze, Sven: „Land in Sicht“? Agrarexpositionen in der deutschen Systemauseinandersetzung: Die „Grüne Woche“ und die DDR-Landwirtschaftsausstellung in Leipzig-Markkleeberg 1948 – 1962, Berlin 2015. 2 Vgl. Breitschuh, Gerhard/Egerer, Karl/Jäger, Georg/Köhler, Eberhard/Lämerhirt, Karl (u. a.): Thüringer Landwirtschaft zwischen 2. Weltkrieg und Wiedervereinigung, Jena 1999, S. 64; ausführlich zu den landwirtschaftlichen Investitionen in der Tier- und Pflanzenproduktion, vgl. ebenda, S. 64 – 73. Verglichen mit der Gesamtwirtschaft der DDR war die Landwirtschaft der stabilste Wirtschaftszweig. Jahn führt dies vor allem auf die Dominanz der LPG zurück, wo die Verbindung des Einzelnen zum (genossenschaftlichen) Eigentum höhere wirtschaft liche Wirksamkeit entfaltete, vgl. Jahn, Wolfgang: Die Agrarpreisreform von 1984 und ihre Wirkung, in: Buchsteiner, Ilona/Kuntsche, Siegfried (Hrsg.): Agrargenossenschaften in Vergangenheit und Gegenwart. 50 Jahre nach der Bildung von landwirtschaftlichen Produk tionsgenossenschaften in der DDR, Rostock 2004, S. 163 – 171, hier S. 171; auch: Buchsteiner, Ilona: Bodenreform und Agrarwirtschaft. Forschungsstudie, Rostock 1996, in: Landtag Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.): Zur Arbeit der Enquete-Kommission „Leben in der DDR, Leben nach 1989 – Aufarbeitung und Versöhnung“, Bd. 5, Schwerin 1997, S. 9 – 61, hier S. 57. 3 Was eigentlich untypisch für moderne Industriegesellschaften ist, vgl. dazu Münkel, Daniela: Einleitung. „Der lange Abschied vom Agrarland“, in: dies. (Hrsg.): Der lange Abschied vom Agrarland. Agrarpolitik, Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft zwischen Weimar und Bonn, Göttingen 2000, S. 9 – 20; Kluge, Ulrich: Agrarwirtschaft und ländliche
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sich unter anderem in den zahlreichen agrarökonomischen und agrarsoziolo gischen Schriften widerspiegelte (die, wie der Großteil der heutigen Literatur, Mensch-Tier-Beziehung nicht thematisierte).4 Das vorliegende Kapitel zeichnet zunächst die Etappen der SED-Agrarpolitik nach und arbeitet deren spezifische Auswirkungen auf die Mensch-‚Nutztier‘-Beziehungen heraus. Daran anschließend wird detailliert auf die menschliche und tierliche Lebenswirklichkeit in der „sozialistischen“ Landwirtschaft mit dem Schwerpunkt auf den Siebziger- und Achtzigerjahren eingegangen. Der zweite Abschnitt des Kapitels befasst sich mit der Zucht landwirtschaftlicher ‚Nutztiere‘. Denn die weitreichende Umwälzung der Landwirtschaft verlangte eine zentral gelenkte Tierzucht, die eine Adaption des Tierkörpers an die neuen Produktionsverhältnisse verfolgte.
Gesellschaft im 20. Jahrhundert, München 2005, S. 2 ff.; Langenhan, Dagmar: Auf dem Weg zur genossenschaftlichen Demokratie? Mitglieder und Beschäftigte der LPG im betrieblichen Alltag der 70/80er Jahre, in: Hürtgen, Renate/Reichel, Thomas (Hrsg.): Der Schein der Stabilität. DDR-Betriebsalltag in der Ära Honecker, Berlin 2001, S. 263 – 274, hier S. 264. Zur Abwertung des bäuerlichen Berufsstandes hin zum landwirtschaft lichen Industriearbeiter, vgl. Münkel, Daniela: Das Bild vom Bauern im Nationalsozia lismus und der DDR – zwischen Herrschaftslegitimation und Identitätsstiftung, in: dies./ Uekötter, Frank (Hrsg.): Das Bild des Bauern. Selbst- und Fremdwahrnehmungen vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert, Göttingen 2012, S. 131 – 145, v. a. S. 136 – 145; Mooser, Josef: Das Verschwinden der Bauern. Überlegungen zur Sozialgeschichte der „Entagrarisierung“ und Modernisierung der Landwirtschaft im 20. Jahrhundert, in: Münkel (Hrsg.): Abschied, S. 23 – 35. 4 Eine Auswahl zur Agrarökonomie: Autorenkollektiv: Landwirtschaft der DDR. Theorie und Praxis, Berlin (Ost) 1989; Autorenkollektiv unter der Leitung von Kurt Groschoff und Richard Heinrich: Industriemäßige Produktionsmethoden in der sozialistischen Landwirtschaft der DDR. Entwicklungen der gesellschaftlichen Organisationen der Produktion und Arbeitsteilung, Berlin (Ost) 1976; Rempel, Eberhard (Hrsg.): Ökonomie der Landwirtschaft der DDR, Berlin (Ost)1989; zur Agrarsoziologie: Autorenkollektiv unter der Leitung von G. Winkler und K. Fleischer: Die Arbeits- und Lebensbedingungen in der sozialistischen Landwirtschaft der DDR, 2., überarb. Aufl. Berlin (Ost) 1986; Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED (Hrsg.): Dialektik von Ökonomischem und Sozialem auf dem Lande – Bilanz und Perspektiven agrarsoziologischer Forschung in der DDR, Berlin (Ost) 1987; Autorenkollektiv unter der Leitung von Kurt Krambach: Genossenschaftsbauern, gestern, heute, morgen. Die Klasse der Genossenschaftsbauern im Prozeß der Gestaltung der industriemäßig produzierenden Landwirtschaft in der DDR, Berlin (Ost) 1977; dies.: Wie lebt man auf dem Dorf ? Soziologische Aspekte der Entwicklung des Dorfes, Berlin (Ost) 1985. Der Bereich der Landwirtschaft war darüber hinaus auch oft anzutreffendes Thema in der Belletristik sowie in Funk und Fernsehen, zum Beispiel bei Erwin Strittmatter: „Ole Bienkopp“ (1963); Helmut Sakowski: „Daniel Druskat“ (1976); im zweiteiligen DEFA-Film „Schlösser und Katen (Reg.: Kurt Maetzig, 1956/57) oder in Dokumentarfilmen wie „Leute vom Lande“ (Reg.: Karlheinz Mund, 1971); „Heuwetter“ (Reg.: Gitta Nickel/Wolfgang Schwarze, 1972) oder „Staub und Tränen“ (Reg.: Jörg Teuscher, 1978).
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3.1 Mensch-‚Nutztier‘-Verhältnisse in der „sozialistischen“ Landwirtschaft 3.1.1 Die SED-Agrarpolitik und ihre Auswirkungen auf Mensch-‚ Nutztier‘-Verhältnisse Die tiefgreifende Umwälzung der Landwirtschaft verlief grob in fünf Phasen: Der ersten Phase, die die Bodenreform und den „Kampf gegen die Großbauern“ umfasste (1945 – 1952), folgte die zweite Phase der Kollektivierung der Landwirtschaft (1952 – 1960), woran sich die dritte Phase der Industrialisierung anschloss (ab 1963). In den Siebzigerjahren erfolgten in einer vierten Phase die Spezialisierung und Konzentration der Landwirtschaft, die in den Achtzigerjahren eine fünfte Phase der leichten agrarpolitischen Kurskorrekturen nach sich zog.5 Hauptaugenmerk des vorliegenden Kapitels liegt auf der Kollektivierung und der Industrialisierung beziehungsweise Spezialisierung der DDR-Landwirtschaft. 3.1.1.1 Die Kollektivierung der Landwirtschaft
War die erste Phase der Bodenreform (Enteignung der GroßgrundbesitzerInnen)6 mit der bäuerlichen Mentalität noch mehr oder weniger vereinbar, so stellte der „Kampf gegen die Großbauern“ und erst recht die Kollektivierung der Landwirtschaft einen tiefen Einschnitt in das bäuerliche Selbstverständnis, als eigenständige
5 Vgl. Schöne, Jens: Die Landwirtschaft in der DDR. 1945 – 1990, Erfurt 2005, S. 7. 6 Die „erste“ Bodenreform (1945 – 1948) umfasste den Kampf gegen die GroßgrundbesitzerInnen (Betriebe mit einer Wirtschaftsfläche von über 100 Hektar) unter der Parole „Junkerland in Bauernhand“. GroßgrundbesitzerInnen, vermeintliche NationalsozialistInnen und KriegsverbrecherInnen wurden enteignet und das so gewonnene Land an „Neubauern“ verteilt. Die Bodenreform war der Versuch, die ländliche Sozialstruktur umfassend und dauerhaft zu verändern. Zugleich stellte sie den ersten Schritt zur Kollektivierung dar, da die vielen kleinen Wirtschaften allein kaum überlebensfähig waren. In der zweiten Phase (1948 – 1952) wurde gegen die „Großbauern“ (Betriebe über 20 Hektar Wirtschaftsfläche) vorgegangen, was allein aufgrund der Hofgröße im Grunde ein Kampf gegen die „Altbauern“ war. Weiterhin wurden die traditionellen Genossenschaften aufgelöst (die Raiffeisen-Genossenschaft wurden durch die VdgB ersetzt) und die Zuchtverbände verdrängt. Die Bodenreform von 1948 war folglich ein Kampf gegen alle Formen, die dem Herrschafts- und Gestaltungsanspruch der Staatsführung zuwider liefen. Zur Bodenreform vgl. etwa Schöne, Jens: Das sozialistische Dorf. Bodenreform und Kollektivierung in der Sowjetzone und DDR, Leipzig 2008, S. 44 – 83; die Beiträge in Kluge, Ullrich (Hrsg.): Zwischen Bodenreform und Kollektivierung. Vor- und Frühgeschichte der „sozialistischen Landwirtschaft“ in der SBZ/DDR vom Kriegsende bis in die fünfziger Jahre, Stuttgart 2001; Bauerkämper, Arnd: „Junkerland in Bauernhand“? Durchführung, Auswirkungen und Stellenwert der Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone, Stuttgart 1996.
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und unabhängige UnternehmerInnen, dar.7 Der Bruch geschah abrupter und intensiver als alle bisherigen Veränderung in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ)/DDR, der die LandwirtInnen nun zwang, für das Gemeinwohl und nicht mehr für die sprichwörtlich eigene Tasche zu wirtschaften.8 Die Bodenreformen, aber vor allem die Kollektivierung der Landwirtschaft, waren die tiefgreifendsten politischen Eingriffe in die ländliche Gesellschaft der DDR.9 Die Kollektivierung, die im Zuge des „Aufbaus des Sozialismus“ 1952 offiziell begann und bis 1960 in unterschiedlicher Intensität andauern sollte, sah das genossenschaftliche Arbeiten in „Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften“ (LPG)10 vor, was zugleich die Angleichung der Produktions- und Lebensverhältnisse von Stadt und Land einleiten sollte. Auch ökonomische Gründe sprachen aus Sicht der SED-Führung für die kollektive Bewirtschaftung, wie die Steigerung der Produktion durch die Verbesserung der Lage vieler kleiner LandwirtInnen durch Zusammenschlüsse oder die Integration der Landwirtschaft in die Planwirtschaft.11 Es herrschte
7 Vgl. Bauerkämper, Arnd: Ländliche Gesellschaft in der kommunistischen Diktatur. Zwangsmodernisierung und Tradition in Brandenburg 1945 – 1963, Köln/Weimar/Wien 2002, S. 409. 8 Vgl. Nehrig, Christel: Das Leben auf dem Lande, die Genossenschaften (LPG), in: Badstübner (Hrsg.): Befremdlich anders, S. 195 – 218, hier S. 214 f. 9 Vgl. Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 49. 10 In der DDR wurden drei verschiedene „Typen“ von LPG unterschieden, die sich vor allem durch den Grad der „Vergesellschaftung“ ihrer Produktionsmittel (Boden, Technik, Tiere) unterschieden: Der LPG Typ I war sozusagen die „niedrigste Stufe“, denn hier wurden allein die Felder gemeinsam bestellt. Die Tiere, Maschinen und Geräte blieben persönlicher Besitz der „Genossenschaftsbauern“. Beim Typ II waren sowohl der Boden als auch die Maschinen und Gerätschaften zu dessen Bearbeitung (wozu auch die ‚Zugtiere‘ gehörten) in der Hand der Produktionsgenossenschaft. Beim dritten LPG -Typ sind schließlich alle Produktionsmittel (einschließlich der ‚Zucht-‘ und ‚Nutztiere‘) in genossenschaftlichen Besitz übergegangen, vgl. Beschluß über die Musterstatuten der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften vom 9. April 1959, Anlage 1 bis 3: Musterstatuten für landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften Typ I, II und III , IX . GB l. II , S. 333. Die vom Staat forcierte, vollständige Beseitigung des LPG Typ I und II (letztere hat in der Praxis kaum Bedeutung) wurde nie erreicht. Die LPG Typ I und II bewirtschafteten 1974 aber nur noch vier Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Zur Beseitigung der LPG Typ I vgl. Heinz, Michael: Von Mähdreschern und Musterdörfern. Industrialisierung der DDR -Landwirtschaft und die Wandlung des ländlichen Lebens am Beispiel der Nordbezirke, Berlin 2011, S. 97 – 116. In der Sowjetunion wurden nur bis zur Zwangskollektivierung (ab 1929) verschiedene Kolchos-Typen unterschieden, vgl. Kaul, Dietrich: Die Kolchoze in der Sowjetunion im Vergleich zu den landwirtschaft lichen Produktionsgenossenschaften in der DDR , Diss. Universität Köln, 1969, S. 66 – 70; Merl, Stephan: Bauern unter Stalin. Die Formierung des sowjetischen Kolchossystems 1930 – 1941, Berlin 1990, S. 257. 11 Vgl. Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 164 f.
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zudem die Vorstellung einer „Modernisierung“ 12 durch die großbetriebliche Kollektivwirtschaft. Nach dem „Sozialistischen Frühling auf dem Lande “, dem formalen Abschluss der Kollektivierung am 25. April 1960, gab es 20.000 LPG, die an die Stelle der über 850.000 Privatbetriebe traten.13 Die Kollektivierung führte zu einem Umbruch der Besitz- und Produktionsverhältnisse sowie einem Wandel der ländlichen Sozialstrukturen. Die Umgestaltung implizierte auch eine grundlegende Veränderung der Beziehung zwischen Menschen und Tieren. Der neuen „Klasse“ der „Genossenschaftsbauern“ standen nun die „LPG-Tiere“ und die „individuellen Tiere“ (sprich „Privattiere“) gegenüber. Mit dieser Differenzierung ging ein erster Wandel des landwirtschaftlichen Mensch-‚Nutztier‘-Verhältnisses einher.
Tiere als Gegenstand bäuerlichen Widerstandes gegen die Zwangsvereinigung Sofern die LandwirtInnen nicht freiwillig den LPG beitraten, wurden sie auf politischer und wirtschaftlicher Ebene dazu gezwungen: Es kam zu Gerichtsprozessen wegen angeblicher Kriegsschuld, Unterschlagung oder anderer „Feindtätigkeiten“ oder man erhöhte die Ablieferungspflichten und entzog den Privatwirtschaften jegliche Unterstützung bei der Verteilung von Maschinen, Krediten, Saatgut und Ähnlichem.14 Die Verzweiflung, Ratlosigkeit und der Zorn über den Verlust der Handlungsautonomie und des Eigentums, aber auch über die sich zuspitzenden ökonomischen Rahmenbedingungen, manifestierte sich nicht selten im Umgang mit Tieren: Der Volkspolizei zufolge gehörten die „Schädigungen des Viehbestandes“ zu den kriminellen Schwerpunkten in der Landwirtschaft 15, denn die
12 Zur Modernisierungstheorie vgl. Pollack, Detlef: Wie modern war die DDR?, in: Hockerts (Hrsg.): Koordinaten, S. 175 – 205. 13 Vgl. Schöne: Landwirtschaft, S. 60. 14 Zum Verhältnis von Zwang und Freiwilligkeit beim LPG-Eintritt in den verschiedenen Phasen der Kollektivierung vgl. Schöne, Jens: Freiwilligkeit und Zwang bei der Kollektivierung der Landwirtschaft, in: Buchsteiner/Kuntsche (Hrsg.): Agrargenossenschaften, S. 59 – 71. Zur schematischen Ablieferungspolitik und der diesbezüglichen bäuerlichen Reaktion, vgl. auch Kuntsche, Siegfried: Das Bauerndorf in der Nachkriegszeit. Lebenslagen und Alltag, in: Badstübner (Hrsg.): Befremdlich anders, S. 64 – 116, hier S. 75 – 80. Zur Kollektivierung allgemein vgl. v. a. Schöne: Frühling und Bauerkämper: Zwangsmodernisierung. 15 Vgl. Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei (HVDVP), Stand der Schutzmaßnahmen in der Landwirtschaft vom 24. 10. 1960, BArch DO 1/27100, Bl. 30 – 45, hier Bl. 30 und Bl. 40; Hauptabteilung Schutzpolizei, Einschätzung der Lage in der Landwirtschaft vom 21. 10. 1960, BArch DO 1/27100, Bl. 46 – 62, hier Bl. 46; HVDVP, Abteilung K, Bericht über die Verbrechensbekämpfung in der Landwirtschaft, vom 18. 06. 1960, BArch DO 1/27793, Bl. 45 – 68, hier Bl. 56; HVDVP, Betr.: Klassengegnerische Tätigkeit in der Viehwirtschaft, vom 26. 07. 1960, BArch DO 1/27793, Bl. 94 – 98; Teilbericht der Mitarbeiter de HVDVP über
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landwirtschaftliche ‚Nutztier‘-Haltung sei „eines der wichtigsten Angriffsobjekte des Gegners“ 16. Besonders nach der Vollkollektivierung 1960 kam es zur massenhaften Verendung von ‚Nutztieren‘, was zum großen Teil Ursache und Ausdruck bäuerlicher Abwehrreaktionen war, vor allem seitens der „Altbauern“.17 Die Akten sind voll von Berichten der DDR-Volkspolizei und von zahlreichen konkreten Beispielen über derartige „Verbrechen gegen die tierische Produktion“.18 Deswegen – und aufgrund der ökonomisch-politischen Brisanz der Tierverluste – ist es umso erstaunlicher, dass diese Form des bäuerlichen Widerstandes in der Forschung, wenn überhaupt, bisher nur als Randbemerkungen auftaucht.19 Denn von Seiten der SED-Staatsführung waren die hohen Tierverluste ein außerordentlich großes Problem: Erstens gefährdeten sie ernsthaft die Versorgung der Bevölkerung und Industrie mit tierlichen Produkten. Die Versorgungsengpässe wiederum schürten die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Staatsführung und dem
den Brigadeeinsatz im Bezirk Neubrandenburg zum Komplex „Viehsterblichkeit“ vom 1.11. bis 24.11.60, vom 01. 12. 1960, BArch DO 1/27793, Bl. 131 – 155, hier Bl. 137. 16 HVDVP, Lektion, Die Erscheinungsformen der Verbrechen in der Landwirtschaft und ihre Ursachen (1961), BArch DO 1/27794, Bl. 50 – 83, hier Bl. 64. 17 Zur konzeptionellen Überlegungen von Formen abweichenden Verhaltens von LandbewohnerInnen vgl. Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 409 – 413 und exemplarisch für den Raum Brandenburg ebenda, S. 414 – 491. Zur unterschiedlichen Intensität des abweichenden Verhaltens im Verlauf des Kollektivierungsprozesses vgl. Schöne: Frühling, S. 277 – 283. 18 Vgl. zum Beispiel die Berichte der Volkspolizei in BArch DO 1/27792 bis DO 1/27795; BArch DO 1/27024; BArch DO 1/27025; BArch DO 1/28145; BArch DO 1/27730; BArch DO 1/27784. Auch das MfS ermittelte dahingehend. Zur Rolle des MfS während der Kollektivierung vgl. Münkel, Daniela: Staatssicherheit im „sozialistischen Frühling“ 1960. Der Abschluss der Kollektivierung der Landwirtschaft im Spiegel der MfS-Berichte an die SED-Führung, in: DA 3 (2010), S. 470 – 478; Schöne, Jens: Frühling; Teske, Regina: Staatssicherheit auf dem Dorfe. Zur Überwachung der ländlichen Gesellschaft vor der Vollkollektivierung 1952 bis 1958, Berlin 2006. 19 Abweichendes Verhalten, das sich im Umgang mit Tieren ausdrückte, wird in den zahlreichen Untersuchungen kaum erwähnt oder nicht explizit als Devianz bezeichnet. Vgl. zum Beispiel Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 451. Erwähnung finden die Tierschädigungen konkret als Form des bäuerlichen Widerstandes bei Osmond, Jonathan: Kontinuität und Konflikt in der Landwirtschaft der SBZ/DDR zur Zeit der Bodenreform und der Vergenossenschaft lichung 1945 – 1961, in: Bessel/Jessen (Hrsg.): Grenzen der Diktatur, S. 137 – 169, hier S. 159 f.; Münkel: Staatssicherheit, S. 476; Schöne: Frühling, S. 231 und S. 286; Werkentin, Falco: Politische Strafjustiz in der Ära Ulbricht, Berlin 1995, 78 und S. 105 f.; ders.: Kollektivierung der Landwirtschaft, Widerstand gegen, in: Veen, Hans-Joachim (Hrsg.): Lexikon Opposition und Widerstand in der SED-Diktatur, München 2000, S. 217 f., hier S. 218; ders.: „Unser Land habt ihr – aber uns habt ihr noch lange nicht.“ Widerstand im ländlichen Milieu der SBZ/DDR, in: Henke, Klaus-Dietmar/Steinbach, Peter/Tuchel, Johannes (Hrsg.): Widerstand und Opposition in der DDR, Köln 1999, S. 137 – 148, hier S. 145. Auch die vorliegende Arbeit kann sich nicht ausführlich diesem Untersuchungsfeld widmen.
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sozialistischem System im Besonderen, die sich beispielhaft am 17. Juni 1953 entlud.20 Zweitens ließen die verheerenden Tierverluste das Misstrauen der Landbevölkerung gegenüber der Kollektivierung wachsen: Waren sie nicht Beweis für das Scheitern des ‚sozialistischen Experiments‘? Damit ist sogleich eine Schwierigkeit bei der Betrachtung bäuerlicher Devianz angeschnitten: Im Untersuchungsfeld des abweichenden Verhaltens ländlicher Bevölkerung ist es schwer zu unterscheiden, was als Widerstand oder bewusste Zurückhaltung interpretiert werden kann oder was Folge von allgemeiner Not, Krankheit und Witterung war, die trotz aller Bemühungen eintrat.21 Selbst die berichtende Volkspolizei hatte zuweilen Schwierigkeiten, zu trennen, was ihrer Meinung nach „Ausdruck des Klassenkampfes“ oder „nur“ Schlamperei und Unwissenheit war.22 Dieses Problem sollte stets im Hinterkopf behalten werden, wenn in den Akten von „Verbrechen“ und „Terrorakten“ in der Landwirtschaft die Rede war. Die Formen von Übergriffen auf Tiere nahmen verschiedene Formen an. Direkte Eingriffe in die tierliche Integrität waren schwere Misshandlungen und Tierquälereien. Sie können als Ausdruck von Frustration über die Zwangsvereinigung und bewusste Schädigung des „LPG-Eigentums“ interpretiert werden. Besonders häufig wurde das (mehrmalige) Brechen der Schwänze von Kühen sowie das Beibringen von Stich- und Schnittwunden konstatiert.23 In einem Volkspolizei-Bericht, der 20 Siehe oben, Kapitel 2.2.1 Anm. 166. Aufgrund der herausragenden ökonomischen und politischen Bedeutung der Betriebe bestand in der DDR eine enge Verzahnung von staat licher Überwachung und Produktion („Einheit von Produktion und Sicherheit“), vgl. dazu Lindenberger, Thomas: Öffentliche Sicherheit, Ordnung und normale Abläufe. Überlegungen zum zeitweiligen Gelingen kommunistischer Herrschaft in der DDR, in: Zimmermann, Volker/Pullmann, Michal: (Hrsg.): Ordnung und Sicherheit, Devianz und Kriminalität im Staatssozialismus. Tschechoslowakei und DDR 1948/49 – 1989, München 2014, S. 15 – 38, hier v. a. S. 28 – 33 und speziell zur Landwirtschaft S. 31 ff.; vgl. auch: ders.: Der ABV als Landwirt. Zur Mitwirkung der Deutschen Volkspolizei bei der Kollektivierung der Landwirtschaft, in: ders. (Hrsg.): Herrschaft und Eigen-Sinn, S. 167 – 203. 21 Vgl. Werkentin: Unser Land, S. 147; vgl. dazu ders.: Politische Strafjustiz, S. 73 – 110. 22 Denn das war das Hauptproblem: Die „Verbrechen“ s eien nämlich „in der Hauptsache das Ergebnis einer ständigen und systematischen ideologischen Diversion des Gegners, wobei er geschickt bestimmte Unzulänglichkeiten und Überspitzungen sowie mangelnde Wachsamkeit und Schlamperei ausnutzt.“ HVDVP, Abteilung K, Bericht über die Verbrechensbekämpfung in der Landwirtschaft, vom 18. 06. 1960, BArch DO 1/27793, Bl. 45 – 68, hier Bl. 47. Vgl. auch HVDVP, Hauptabteilung K, Bericht, Betr.: Vergiften und Verenden von Großvieh in der Landwirtschaft, vom 30. 12. 1959, BArch DO 1/27792, Bl. 31 – 36, Bl. 33; HVDVP, Protokoll über die Cheftagung am 28. September 1960, vom 10. 10. 1960, BArch DO 1/27025, Bl. 136 – 165, hier Bl. 137. 23 Vgl. Information zur Lage bei der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft in Auswertung des Maßnahmenplans zum VIII. Plenum des ZK der SED für die Zeit vom 19. Juni bis zum 11. Juli 1960, vom 16. 07. 1960, BArch DO 1/27792, Bl. 70 – 85, hier Bl. 74; HVDVP, Betr.: Klassengegnerische Tätigkeit in der Viehwirtschaft, vom 26. 07. 1960, BArch DO
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die Lage in der Landwirtschaft zur Vorbereitung auf den VIII. Bauernkongress einschätze, wird dies drastisch geschildert: Schlagen mit Knüppeln, Melkschemeln, Forkenstielen, Eisenstangen u. a. Gegenständen ist üblich. Dabei werden Tiere blind geschlagen und Augen ausgestochen, mit Füßen in die Milchdrüsen oder in den Leib getreten, Hunde unbegründet auf Tiere gehetzt, Beinbrüche, innere Verletzungen, Verkalbungen, Notschlachtungen und Verendungen sind unausbleiblich. […] Neben der ungenügenden Hilfeleistungen […] wird auch durch rohe Gewaltanwendung bei der Geburt den Tieren geschadet.24
Eine ‚Methode‘, sich vor der Enteignung zu s chützen oder die LPG absichtlich zu benachteiligen, war das Schlachten der eigenen Tiere beziehungsweise der Tiere der LPG – von der Volkspolizei als „verbrecherische Verringerung der Tierbestände“ 25 bezeichnet. Sofern die Schlachtungen offiziell durchgeführt wurden, rechtfertigten die TierbesitzerInnen sie damit, dass beispielsweise Kühe zu alt, krank oder unfruchtbar seien oder nicht mehr genügend Milch gäben. Manchmal waren die Begründungen auf der zur Schlachtung benötigten „Zucht- und Nutzuntauglichkeitsbescheinigung“ auch einfach unleserlich oder gleich ganz gefälscht.26 Dementsprechend hoch dürfte die Dunkelziffer der geschlachteten 1/27793, Bl. 94 – 98, hier Bl. 95; HVDVP, Protokoll über die Cheftagung am 28. September 1960, vom 10. 10. 1960, BArch DO 1/27025, Bl. 136 – 165, hier Bl. 137; Information zur Lage bei der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft in Auswertung des Maßnahmenplans zum VIII. Plenum des ZK der SED für die Zeit vom 19. Juni bis zum 11. Juli 1960, vom 16. 07. 1960, BArch DO 1/27792, Bl. 70 – 85, hier Bl. 70; HVDVP, Lektion, Die Erscheinungsformen der Verbrechen in der Landwirtschaft und ihre Ursachen (1961), BArch DO 1/27794, Bl. 50 – 83, hier Bl. 70. 24 HVDVP, Betr.: Beitrag für den VIII. Bauernkongreß, vom 2701. 1962, BArch DO 1/27795, Bl. 9 – 32, hier Bl. 23 und Bl. 26. Das Hetzen von Hunden auf Tiere kam besonders oft in der Schafhaltung vor, wo die Hunde in den Schafställen die Tiere entweder anfielen oder die Schafe in der Panik erdrückt wurden bzw. an den Folgen der Angst starben, vgl. HVDVP, Betr.: Klassengegnerische Tätigkeit in der Viehwirtschaft, vom 26. 07. 1960, BArch DO 1/27793, Bl. 94 – 98, hier Bl. 96; HVDVP, Abteilung K, Sonderinformationsblatt, Betr.: Verbrechen in der Landwirtschaft vom 02. 09. 1960, BArch DO 1/27793, Bl. 99 – 109, hier Bl. 103 f.; HVDVP, Lektion, Die Erscheinungsformen der Verbrechen in der Landwirtschaft und ihre Ursachen (1961), BArch DO 1/27794, Bl. 50 – 83, hier Bl. 70 25 Entwicklung der Kriminalität und Erscheinungsformen des Klassenkampfes in der Landwirtschaft, undatiert (1959), BArch DO 1/27792, Bl. 64 – 76, hier Bl. 71. 26 Vgl. HVDVP, Hauptabteilung K, Betr.: Unberechtigtes Abschlachten der Viehbestände, vom 08. 12. 1959, BArch DO 1/27792, Bl. 27 – 30, hier Bl. 28 f. Zur vorsätzlichen Schlachtung vgl. auch Entwicklung der Kriminalität und Erscheinungsformen des Klassenkampfes in der Landwirtschaft, undatiert (1959), BArch DO 1/27792, Bl. 64 – 76, hier Bl. 71 f.; HVDVP, Abteilung K, Bericht über die Verbrechensbekämpfung in der Landwirtschaft, vom 18. 06. 1960, BArch DO 1/27793, Bl. 45 – 68, hier Bl. 56 ff.; Maßnahmenplan in Auswertung der Beratung
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Kühe, Kälber und Schweine, die zum Teil auch trächtig waren 27, gewesen sein. Als Komplizen für derartige Unternehmen erwiesen sich zudem die Aufkaufbetriebe 28, die die Prämien durch die Planüberfüllung im Blick hatten.29 Allein zwischen den Monaten September und November 1959 wurden auf diese Weise insgesamt 70.767 Rinder geschlachtet (die inoffiziellen nicht eingerechnet)30 – eine drastische Entwicklung entgegen dem Staatsziel der kontinuierlichen Erhöhung der ‚Nutztier‘-Bestände. Besonders hoch war die Zahl der Kälber: Schon im ersten Halbjahr 1959 zählten die Tierkörperbeseitigungsanstalten 59.876 angelieferte Kälber.31 Die von ihren Müttern getrennten Jungtiere erforderten einen sehr hohen Pflegeaufwand, der häufig nicht geleistet werden konnte oder wollte, was dazu führte, dass „blutige und eitrige Milch von euterkranken Kühen an die Kälber verfüttert wird, mit kaltem Wasser bzw. aus unsauberen Gefäßen getränkt wird und die Kälber unmittelbar nach der Geburt nicht trockengerieben und in kalten Ställen und Scheunen untergebracht werden.“ 32 Außerdem konnte durch das ungenügende Tränken oder das Schlachten der Kälber die ‚freigewordene‘ Milch als „freie Spitzen“ verkauft werden.33 Ein weiteres, subtileres Mittel der Tierquälerei und -tötung war das Vergiften sowie das Verfüttern von gefährlichen Fremdkörpern. Klar einzuordnen als vorsätzliches Handeln war das Füttern mit Glasscherben, Nägeln und anderen Fremdkörpern.34 Weniger klar als bäuerlicher der Chefs der Bezirksbehörden Deutsche Volkspolizei am 30. und 31. 7. 1959 über die Fragen der Landwirtschaft, BArch DO 1/27792, Bl. 9 – 14, hier Bl. 13. 27 Vgl. HVDVP, Lektion, Die Erscheinungsformen der Verbrechen in der Landwirtschaft und ihre Ursachen (1961), BArch DO 1/27794, Bl. 50 – 83, hier Bl. 73. 28 Volkseigene Erfassungs- und Aufkaufbetrieb für landwirtschaftliche Erzeugnisse (VEAB). 29 Vgl. Maßnahmenplan in Auswertung der Beratung der Chefs der Bezirksbehörden Deutsche Volkspolizei am 30. und 31. 7. 1959 über die Fragen der Landwirtschaft, BArch DO 1/27792, Bl. 9 – 14, hier Bl. 13. Bei der vorsätzlichen Tötung spielte indes auch die unzureichende Futtermittelversorgung eine Rolle. 30 Vgl. HVDVP, Hauptabteilung K, Betr.: Unberechtigtes Abschlachten der Viehbestände, vom 08. 12. 1959, BArch DO 1/27792, Bl. 27 – 30, hier Bl. 28. 31 HVDVP, Hauptabteilung K, Bericht, Betr.: Vergiften und Verenden von Großvieh in der Landwirtschaft, vom 30. 12. 1959, BArch DO 1/27792, Bl. 31 – 36, hier Bl. 32. 32 HVDVP, Betr.: Beitrag für den VIII. Bauernkongreß, vom 27. 01. 1962, BArch DO 1/27795, Bl. 9 – 32, Bl. 27. 33 In dreisten Fällen wurde die von den Molkereien für die Kälberaufzucht zurückgelieferte Milch nicht verfüttert, sondern in die ermolkene Milch gegeben und erneut abgeliefert, vgl. HVDVP, Betr.: Beitrag für den VIII. Bauernkongreß, vom 27. 01. 1962, BArch DO 1/27795, Bl. 9 – 32, Bl. 27. 34 Vgl. Osmond: Kontinuität, S. 159; HVDVP, Protokoll über die Cheftagung am 28. September 1960, vom 10. 10. 1960, BArch DO 1/27025, Bl. 136 – 165, hier Bl. 137; Schreiben des Generalinspekteurs der Volkspolizei an Walter Ulbricht, Betr. Terror in den landwirtschaftlichen Gebieten, vom 05. 01. 1954, BArch DO 1/27024, Bl. 76 – 81, Bl. 78.
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Widerstand zu deuten war das Vergiften mit Dünge- und Pflanzenschutzmitteln oder Schädlingsbekämpfungsmitteln. Wie die Polizei selbst feststellte, war es oft Fahrlässigkeit und mangelnde Qualifikation der Arbeitskräfte, die dazu führten, dass sich die Tiere vergifteten: Beispielsweise lagerten die Futtermittel direkt neben den Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmittel, waren unbeschriftet oder wurden falsch dosiert oder die Tiere wurden auf Weiden getrieben, die zuvor gedüngt oder mit Pflanzenschutzmitteln behandelt wurden.35 Jene Achtlosigkeit, so die ErmittlerInnen, „gibt den feindlichen oder anderen Elementen leicht die Mög lichkeit, ihre verbrecherischen Handlungen beim Vergiften von Großvieh unter dem Deckmantel der Fahrlässigkeit zu begehen.“ 36 Eine andere Form des Widerstandes gegen die Kollektivierung war die vorsätzliche Verbreitung von Tierseuchen. So soll in einem Fall von 1953 ein „Viehbrigadier“ bewusst an Schweinepest erkrankte Schweine einer LPG zugeführt haben, wodurch 200 Schweine starben.37 Wie im Fall der Vergiftungen war es jedoch schwer zu unterscheiden, was auf Vorsatz zurückzuführen war und was auf die willkürliche Zusammenlegung der privaten Tierbestände in die LPG. Denn durch die zwangsweise und seuchenhygienisch kaum abgesicherte Konzentration der Tierbestände zu Großherden der LPG waren Seuchenausbrüche fast unvermeidlich.38 Besonders häufig waren 35 Untersuchungen zur Vergiftung von ‚Nutztier‘-Beständen zum Beispiel hier: HVDVP, Hauptabteilung K, Bericht, Betr.: Vergiften und Verenden von Großvieh in der Landwirtschaft, vom 30. 12. 1959, BArch DO 1/27792, Bl. 31 – 36; Zentrale Kommission für staatliche Kontrolle – Gruppe Landwirtschaft – Beispiele über Erscheinungen des Klassenkampfes auf dem Dorfe vom 27. November 1952, BArch DK 1/5893, Bl. 74 – 82, hier Bl. 75 und Bl. 77; HVDVP, Abteilung K, Betr.: Verbrechen zum Nachteil der tierischen Produktion durch Viehvergiftungen, vom 02. 08. 1960, BArch DO 1/27793, Bl. 86 – 88; HVDVP, Abteilung K, Sonderinformationsblatt, Betr.: Verbrechen in der Landwirtschaft vom 02. 09. 1960, BArch DO 1/27793, Bl. 99 – 109, hier Bl. 99 f. 36 Vgl. HVDVP, Hauptabteilung K, Bericht, Betr.: Vergiften und Verenden von Großvieh in der Landwirtschaft, vom 30. 12. 1959, BArch DO 1/27792, Bl. 31 – 36, hier Bl. 33. Anderseits konstatierte die Volkspolizei: „Überprüft man bei Untersuchungen die individuelle Tierhaltung der Viehpfleger, so stellt man fest, daß sie bei ihren eigenen Tieren sehr sorgfältig solche Hinweise [zur richtigen Fütterung, A. L.] beachten.“ HVDVP, Lektion, Die Erscheinungsformen der Verbrechen in der Landwirtschaft und ihre Ursachen (1961), BArch DO 1/27794, Bl. 50 – 83, hier Bl. 73. 37 Vgl. Deutsche Volkspolizei, Bericht über die Lage auf dem Lande, vom 20. 12. 1953, BArch DO 1/27024, Bl. 83 – 101, hier Bl. 98. Zur vorsätzlichen Seuchenverbreitung siehe auch HVDVP, Abteilung Propaganda/Agitation, Die Verschärfung des Klassenkampfes in der Deutschen Demokratischen Republik, vom 24. 03. 1954, BArch DO 1/27024, Bl. 117 – 141, hier Bl. 134; HVDVP, Protokoll über die Cheftagung am 28. September 1960, vom 10. 10. 1960, BArch DO 1/27025, Bl. 136 – 165, hier Bl. 137; HVDVP, Abteilung K, Bericht über die Verbrechensbekämpfung in der Landwirtschaft, vom 18. 06. 1960, BArch DO 1/27793, Bl. 45 – 68, hier Bl. 56. 38 Die ehemaligen Tierärzte Köpp und Prange sprechen von regelrechten Massenschlachtungen, insbesondere von Rindern und Schweinen, infolge der Zusammenführungen,
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allgemeine Vernachlässigungen der „LPG-Tiere“, was sich in ungenügendem oder falschem Füttern, schlechter Pflege oder nicht richtigem Ausmelken zeigte.39 Die Volkspolizei konstatierte ferner ein Umsichgreifen von mutwilliger Zerstörung der Weidezäune, wodurch die Tiere auf anderen Wiesen gelangten, wo sie sich entweder an kranken Tiere ansteckten, mit Pestiziden und Dünger vergifteten oder auf Straßen und Bahngleisen überfahren wurden.40 Von Hunger und Durst getrieben, zerstörten die Tiere zuweilen auch selbst die Absperrungen.41 Weiterhin fanden viele ‚Nutztiere‘ durch die zunehmenden Brände in der Landwirtschaft den Tod. Im Jahr 1959, als das SED-Regime die Vollkollektivierung massiv vorantrieb, stiegen die Brände im Vergleich zum Vorjahr um 550 Prozent 42, wovon der Großteil der Brände vorsätzlich gelegt wurde, um gezielt LPG-Gebäude zu zerstören.43 Indirekt hatten auch die durch die Zwangskollektivierung verursachten Fluchtbewegungen Folgen: Ein Tierarzt aus Röblingen (Bezirk Halle) erinnert sich an die Fünfzigerjahre: „Die Flucht erfolgte meist plötzlich über Nacht, ohne daß jemand etwas wußte, denn Mitwisser wurden auch bestraft. Man fand am nächsten Morgen nur die verlassene Wohnung und das vor Hunger brüllende Vieh in den Ställen vor.“ 44 Die Flüchtlingszahlen nahmen in den folgenden Jahren beständig zu und entwickelten sich abhängig von den Phasen der (Zwangs-)
vgl. Köpp: Von Tieren, S. 47 und S. 50; Prange, Hartwig: Bauernschicksale. Die Landwirtschaft im Osten Deutschlands seit dem Zweiten Weltkrieg, Dößel 2006, S. 55 und S. 207. Weiterhin kam es zur starken Verbreitung der Brucellose und Tuberkulose, mit die DDR-Landwirtschaft zeitlebens zu kämpfen hatte, vgl. Prange: Tiergroßanlagen, S. 160. 39 Vgl. vor allem die Auflistungen in HVDVP, Betr.: Beitrag für den VIII. Bauernkongreß, vom 27. 01. 1962, BArch DO 1/27795, Bl. 9 – 32, hier Bl. 19 – 28; siehe auch HVDVP, Abteilung K, Bericht über die Verbrechensbekämpfung in der Landwirtschaft, vom 18. 06. 1960, BArch DO 1/27793, Bl. 45 – 68, hier Bl. 56; HVDVP, Lektion, Die Erscheinungsformen der Verbrechen in der Landwirtschaft und ihre Ursachen (1961), BArch DO 1/27794, Bl. 50 – 83, hier Bl. 70. 40 HVDVP, Abteilung K, Sonderinformationsblatt, Betr.: Verbrechen in der Landwirtschaft vom 02. 09. 1960, BArch DO 1/27793, Bl. 99 – 109, Bl. 105. Dazu auch: HVDVP, Lek tion, Die Erscheinungsformen der Verbrechen in der Landwirtschaft und ihre Ursachen (1961), BArch DO 1/27794, Bl. 50 – 83, hier Bl. 73; HVDVP, Protokoll über die Cheftagung am 28. September 1960, vom 10. 10. 1960, BArch DO 1/27025, Bl. 136 – 165, hier Bl. 143. 41 HVDVP, Betr.: Beitrag für den VIII. Bauernkongreß, vom 27. 01. 1962, BArch DO 1/27795, Bl. 9 – 32, hier Bl. 27. 42 Vgl. Entwicklung der Kriminalität und Erscheinungsformen des Klassenkampfes in der Landwirtschaft, undatiert (1959), BArch DO 1/27792, Bl. 64 – 76, hier Bl. 65. Das Dokument enthält zahlreiche konkrete Beispiele der Brandstiftung. 43 Zur Brandstiftung in der Landwirtschaft vgl. Osmond: Kontinuität, S. 160; Heinz: Industrialisierung, S. 70 und 222. 44 Zitiert nach Prange: Bauernschicksale, S. 233.
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Kollektivierung. 1960, das Jahr des „sozialistischen Frühlings auf dem Land“, stieg die Zahl der Flüchtlinge aus dem Agrarsektor auf 14.695 Personen.45 In Folge der geschilderten Übergriffe und Vernachlässigungen sowie aufgrund der vielen anderen Negativ-Auswirkungen der Kollektivierung starben im Jahr 1960 über 1,25 Millionen Schweine, mehr als 212.900 Rinder und über 115.500 Schafe.46 Das heißt, in der gesamten DDR verendeten im Jahr des „sozialistischen Frühlings“ durchschnittlich jeden Tag 3.400 Schweine, davon zum größten Teil Ferkel, und täglich 583 Rinder, wovon über die Hälfte Kälber waren.47 Laut Berechnung des MfS hätte allein mit dem Fleisch der Schweine die gesamte DDR -Bevölkerung 40 Tage lang versorgt werden können.48 Die drastischen Zahlen dürften indes noch weitaus höher gewesen sein, da nicht alle getöteten und verendeten Tiere gemeldet wurden; es wurden nur diejenigen Tiere gezählt, die in den Tierkörperbeseitigungsanlagen landeten. Oft wurden die toten Tiere einfach verscharrt, verfüttert oder versteckt.49 Bei einer polizeilichen Untersuchung in einer Thüringer LPG beispielsweise wurden „unter Stroh und Dung versteckt 48 Schafe und Lämmer verendet – teils mumifiziert – aufgefunden.“ 50 Die hohen Tierverluste während und vor allem nach der (Voll-)Kollektivierung waren sicherlich zu einem nicht geringem Teil auf den bäuerlichen Widerstand und die „Arbeite-langsam-Ideologie“ oder, mit den Worten der Herrschenden formuliert, „auf die geschickte Arbeit des Klassengegners zurückzuführen“ 51. Die 45 Vgl. Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 192 (mit weiteren Zahlenangabe zur Flucht und Verdrängung). 46 Vgl. HVDVP, Bericht über den Stand der Verbrechensbekämpfung auf dem Lande und sich daraus ergebende Schlußfolgerungen für die Verbesserung der Arbeit der Volkspolizei vom 06. 06. 1961, BArch DO 1/27793, Bl. 170 – 176, hier Bl. 171. 47 Ähnliche Zahlen vgl. Schöne: Frühling, S. 231. 48 Vgl. Münkel, Daniela: Der Abschluss der Kollektivierung der Landwirtschaft im Spiegel der MfS-Berichte an die SED-Führung, in: Beleites, Michael/Graefe zu Baringdorf, Friedrich Wilhelm/Grünbaum, Robert (Hrsg.): Klassenkampf gegen die Bauern. Die Zwangskollektivierung der ostdeutschen Landwirtschaft und ihre Folgen bis heute, Berlin 2010, S. 67 – 85, hier S. 79. 49 Vgl. HVDVP, Protokoll über die Cheftagung am 28. September 1960, vom 10. 10. 1960, BArch DO 1/27025, Bl. 136 – 165, hier Bl. 137. Zum Teil kamen die Kadaververwertungsanstalten mit der Aufnahme toter Tiere kaum hinterher, so dass sie verscharrt werden mussten, vgl. Werkentin: Kollektivierung, S. 218; ders.: Unser Land, S. 145. 50 HVDVP, Hauptabteilung K, Information Betr.: Verendung von Schafen im 1. Halbjahr 1961, vom 04. 08. 1961, BArch DO 1/27794, Bl. 44 – 49, Bl. 45. Dazu auch HVDVP, Betr.: Klassengegnerische Tätigkeit in der Viehwirtschaft, vom 26. 07. 1960, BArch DO 1/27793, Bl. 94 – 98, Bl. 96. 51 Schreiben der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei Potsdam an die HVDVP Berlin, Betr. Aufstellung der Tierverluste, vom 12. 03. 1955, BArch DO 1/27024, Bl. 144 – 148, hier Bl. 144.
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Staatsführung hatte auch schnell die vermeintlichen DelinquentenInnen gefunden: „Schuldige bei Viehverendungen“ s eien „insbesondere Melker, Schweinepfleger und Schäfer“, weil „es sich hierbei um faschistische oder arbeitsscheue Elemente“ handle und aus „feindlicher Einstellung und Haß gegen die LPG wird das ihnen anvertraute Vieh mißhandelt, ungenügend gepflegt, gefüttert oder anderweitig gröblichst vernachlässigt.“ 52 Die Hauptursachen für den Einbruch der landwirtschaftlichen Produktion waren jedoch weniger „klassengegnerische Tätigkeiten“, sondern die schlechten Bedingungen, die ohne das Zutun der LandwirtInnen vorhanden waren, und überwiegend durch agrarpolitische Fehlentscheidungen, die zentrale Planwirtschaft und Isolation verursacht wurden. In der landwirtschaftlichen ‚Nutztier‘-Haltung führte das zu unzureichender Futtermittelversorgung und Unterbringung sowie einem schlechten Gesundheitszustand der Tiere. Indem die SED-Oberen Phänomene wie Havarien, baulichen Zerfall, Tierschädigungen, „Republikflucht“ und allgemeine Misswirtschaft auf „Feindtätigkeiten“ zurückführten, konnten sie Kritik an der eigenen (Agrar-) Politik abwehren.53 MelkerInnen, TierpflegerInnen sowie „Rückkehrer und Erstzuziehende“ (aus Westdeutschland) wurden auf diese Weise als „Klassenfeinde“ und „Wandervögel“ stigmatisiert.54 Es bestand also ein wesentlicher Unterschied 52 HVDVP, Hauptabteilung K, Bericht, Betr.: Vergiften und Verenden von Großvieh in der Landwirtschaft, vom 30. 12. 1959, BArch DO 1/27792, Bl. 31 – 36, hier Bl. 32. Zur Schuldzuweisung an die MelkerInnen, TierpflegerInnen sowie an „Rückkehrer und Erstzuziehende“ (aus Westdeutschland) und deren Diffamierung („Wandervögel“), vgl. auch HVDVP, Stand der Schutzmaßnahmen in der Landwirtschaft vom 24. 10. 1960, BArch DO 1/27100, Bl. 30 – 45, hier Bl. 35; HVDVP, Protokoll über die Cheftagung am 28. September 1960, vom 10. 10. 1960, BArch DO 1/27025, Bl. 136 – 165, hier Bl. 143; HVDVP, Abteilung K, Bericht über die Verbrechensbekämpfung in der Landwirtschaft, vom 18. 06. 1960, BArch DO 1/27793, Bl. 45 – 68, hier Bl. 57 f.; HVDVP, Betr.: Klassengegnerische Tätigkeit in der Viehwirtschaft, vom 26. 07. 1960, BArch DO 1/27793, Bl. 94 – 98; HVDVP, Abteilung K, Sonderinforma tionsblatt, Betr.: Verbrechen in der Landwirtschaft vom 02. 09. 1960, BArch DO 1/27793, Bl. 99 – 109, hier Bl. 102, HVDVP, Lektion, Die Erscheinungsformen der Verbrechen in der Landwirtschaft und ihre Ursachen (1961), BArch DO 1/27794, Bl. 50 – 83, hier Bl. 65. 53 Vgl. auch Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 411 und S. 456; Schöne: Frühling, S. 245. Die Beispiele bäuerlicher Devianz stehen damit auch exemplarisch dafür, wie spezifische sozialistische Verhältnisse (hier die Kollektivierung) erst eine spezifische Devianz bzw. Kriminalität hervorbrachten, vgl. dazu etwa die Beiträge in Zimmermann/Pullmann: (Hrsg.): Ordnung und Sicherheit. Zur Politisierung abweichenden Verhaltens vgl. weiter Wolle, Stefan: Flucht als Widerstand?, in: Henke/Steinbach/Tuchel (Hrsg.): Widerstand, S. 309 – 326. 54 Deswegen auch die Aufforderung an die Volkspolizei: „Nicht nachlassen mit der Aufmerksamkeit gegenüber den Melkern in LPG und VEG!“ HVDVP, Abteilung K, Sonderinforma tionsblatt, Betr.: Verbrechen in der Landwirtschaft vom 02. 09. 1960, BArch DO 1/27793, Bl. 99 – 109, hier Bl. 102 (Hervorhebung im Original). Zur Schuldzuweisung an jenen Personenkreis und deren Diffamierung siehe oben, Anm. 52. Zur Situation der MelkerInnen in der DDR vgl. auch Willisch, Andreas: Im Schatten des Aufschwungs. Von Landarbeitern,
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darin, ob das abweichende Verhalten von den bäuerlichen AkteurInnen intendiert war oder ob es erst als abweichend von den Herrschenden definiert wurde. Die Sicht der Staatsführung auf die hohen Tierverluste stand somit exemplarisch für die Abwehrtaktik der SED sowie die Diffamierung von Teilen der Bevölkerung, die „noch nicht vom Sieg des Sozialismus auf dem Lande voll überzeugt“ 55 seien.
Das „kollektivierte Tier“ Durch die Überführung der Produktionsmittel in die LPG waren landwirtschaft liche ‚Nutztiere‘ nicht länger Privateigentum. Das führte zunächst zum Wegfall von persönlichen Beziehungen zu Tieren und damit zum Verlust der tierlichen Individualität: Zum Beispiel trugen die „LPG-Tiere“ keine Namen mehr.56 Mit der Anonymisierung nahm zumeist auch das Verantwortungsgefühl der „Genossenschaftsbauern“ gegenüber den „LPG-Tieren“ ab.57 So berichtet ein damaliger LPG-Vorsitzender: In Michelsdorf hatten wir damals noch Viehwirtschaft, und wenn eine Sau geferkelt hat, saßen die Frauen über Nacht im Schweinestall und haben aufgepaßt … sie empfanden das als ihrs und fühlten sich verantwortlich. Um dieses Verantwortungsgefühl für die Genossenschaft muß man immer wieder von neuem ringen.58
Genossenschaften und ihren Mitgliedern. Ergebnisse einer Gemeindestudie, Berlin 2005, S. 78 f. Exemplarische Vorstellung einer Melkerfamilie vgl. ebenda, S. 79 – 85. 55 Teilbericht der Mitarbeiter der HVDVP über den Brigadeeinsatz im Bezirk Neubrandenburg zum Komplex „Viehsterblichkeit“ vom 1.11. bis 24.11.60, vom 01. 12. 1960, BArch DO 1/27793, Bl. 131 – 155, hier Bl. 134. Siehe dazu auch die ähnlichen Praktiken der Verunglimpfung vermeintlicher „Klassengegner“ am Beispiel von ‚Heimtier‘-BesitzerInnen im vorangegangen Kapitel sowie von TierschützerInnen im folgenden Kapitel. 56 Vgl. zum Beispiel Woll: Nicht alltäglich, S. 20. Ein Bauer aus Kaulitz (Bezirk Magdeburg) berichtet im Rückblick, dass die privaten Kühe selbstverständlich einen Namen besaßen, und „die Kühe hörten auf ihren Namen“, zitiert nach Prange: Bauernschicksale, S. 225. Zur Namensgebung von ‚Nutztieren‘ vgl. auch Thomas: Natural World, S. 96; Meyer: 19./20. Jahrhundert, S. 411 f.; Bausinger, Hermann: Tierzucht und Namengebung. Zu den Eigennamen des Zuchtviehs, in: Festschrift für Paul Zinsli, Bern 1971, S. 170 – 184; die Beiträge in Dammel, Antje/Nübling, Damaris/ Schmuck, Mirjam (Hrsg.): Tiernamen – Zoonyme, Band 2: Nutztiere, Heidelberg 2015. 57 Zur Gleichgültigkeit gegenüber LPG-Eigentum vgl. Kuntsche, Siegfried: Die Umgestaltung der Eigentumsverhältnisse und der Produktionsstruktur in der Landwirtschaft, in: Keller, Dietmar/Modrow, Hans/Wolf, Herbert (Hrsg.): Ansichten zur Geschichte der DDR, Bd. 1, Berlin/Bonn 1993, S. 191 – 210, hier S. 208; Nehrig: Leben, S. 200; Poutrus: Goldbroiler, S. 37 f. 58 Bericht eines LPG-Vorsitzenden, vgl. Eckart, Gabriele: So sehe ick die Sache. Protokolle aus der DDR. Leben im Havelländischen Obstanbaugebiet, Köln 1984, S. 218.
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Der Prozess der zunehmenden Distanzierung bei abnehmendem Verantwortungsgefühl gegenüber den „LPG-Tieren“ verstärkte sich durch die Zusammenlegung der Tierbestände in die anonymen „Groß-LPG“, welche aus zusammengelegten Höfen in verschiedenen Standorten bestanden.59 In den Genossenschaften mit hohen Tierbeständen trat das individuelle Einzeltier in seiner Bedeutung hinter die Herde zurück, der vertrauliche und leibliche Kontakt zu den Tieren ging in den riesigen Großbeständen verloren. Dadurch wurden Krankheiten von einzelnen Individuen schneller übersehen und auch eine gezielte („leistungsgerechte“) Fütterung war nicht mehr möglich.60 Für die Tiere stellte die Umstallung von privat betreutem Einzelstall in die vergenossenschaftlichten Großställe eine erheb liche Zäsur dar. So kam es zu Rangkämpfen mit schweren Verletzungen unter den willkürlich zusammengesetzten Rinderherden, die man durch das Enthornen der Tiere abzumildern versuchte.61 Das Leben in der Großherde, die fehlende persönliche Betreuung, unterschiedliche Haltungsformen und die Futterumstellung verursachten Stress bei den Tieren, dem sie mitunter auch erlagen.62 Eine persönliche Anekdote um die Kuh „Minka“ gibt die LPG-Bäuerin Marie Paetow (nennt sich selbst Lena) in ihren Biographie wieder: Die Schwiegereltern weinten, als das Vieh abtransportiert wurde. […] Der Kuh Minka fiel es genauso schwer wie Lena, sich an diese neue Situation zu gewöhnen. Wenn Lena zur Arbeit fuhr, hörte sie sie schon auf halbem Wege brüllen. Wenn sie ihr zurief, konnte das Tier sich gar nicht mehr beruhigen, soviel Heimweh hatte es nach seinem alten Stall. Lena nahm öfters ein Stück Brot mit, worüber sie sich sichtlich freute. Oft legte sie ihr die Arme um den Hals und flüsterte ihr ins Ohr, daß sie sich nun genauso mit ihrem Schicksal abfinden müsse wie sie selbst. […] Als auch auf diesen Winter end lich der Frühling folgte und sie die Tiere auf die guten Weiden neben den Stall treiben konnten, war wenigstens die schwere Arbeit des Fütterns und Ausmistens vorbei. Eins der Tiere stand immer abseits der großen Herde, den Blick stets nur in eine Richtung gewandt, ob sie nicht irgendwo bald Lena erblicken konnte: Minka. […] Just an Lenas letztem Arbeitstag bei den Kühen fuhr auch der Schlachtviehhänger dort vor, um ausgerechnet die Kuh Minka zur Schlachtung abzuholen – Minka, die immer Heimweh hatte und sich nie in der neuen Gemeinschaft hatte einordnen können. Lena tröstete das Tier noch, als es zu seinen Leidensgefährten auf den Hänger verladen wurde, daß es von dem neuen Viehpfleger keine Schläge mehr bekommen könne.63 59 Vgl. Prange: Bauernschicksale, S. 223. 60 Vgl. Köpp: Von Tieren, S. 203; Stock: Tierschutz, S. 186 f. 61 Vgl. Woll: Nicht alltäglich, S. 14 f. 62 Vgl. Köpp: Von Tieren, S. 229 f. und Woll: Nicht alltäglich, S. 7, 9 f. und v. a. S. 13 – 19. 63 Paetow: Gang, S. 121 f. und S. 124. Vgl. auch ebenda, S. 127. Zahlreiche „Lebensgeschichten“ von individuellen Tierpersönlichkeiten hat auch Ernst Woll in seinen Erinnerungen
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Auch die Durchführung der Kollektivierung sowie die Haltungsbedingungen in den LPG hatten Einfluss auf das tierliche Leben. Wie oben angedeutet, kam es durch die Zusammenlegung der unterschiedlichen Tierbestände häufig zu Seuchenausbrüchen. Hinzu kam der allgemein schlechte Gesundheitszustand der Tiere, der durch Futtermangel, die unzureichende Unterbringung für die rapide angestiegenen Tierzahlen und hygienische Unzulänglichkeiten in den LPG-Ställen verstärkt wurde.64 Das traf besonders auf die ökonomisch schwachen LPG zu, die sich zumeist aus Wirtschaften ehemaliger „Neubauern“ zusammensetzten.65 Im Vordergrund der Probleme jener LPG standen die geringe Qualifikation und Leistungsbereitschaft derjenigen „Genossenschaftsbauern“, die zuvor keine eigene Wirtschaft hatten oder als LandarbeiterInnen niemals eigene Verantwortung trugen.66 Viele „Neubauern“ hatten wenig oder keine Erfahrung mit der Tierhaltung oder mit der Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes. So soll es den Fall eines Jenaer Bäckermeisters gegeben haben, der einen Schweinestall übernommen hat und bei der ersten Geburt einer seiner Säue die ersten acht Ferkel getötet habe, da sie ihm so klein vorkamen. Erst nach dem achten Tier wurde er stutzig, so dass von zehn Neugeborenen nur zwei überlebten. Die „Kadaververwertungsgesellschaft“ sei ständiger Kunde zusammengetragen (Woll: Nicht alltäglich). 64 Die Unterbringung, Versorgung und Fütterung der Tiere war so schlecht, dass die Tierverluste schlagartig stiegen, sobald die Tiere nach dem Weidegang wieder im Stall untergebracht waren – auch weil die Ställe meist nicht wintergerecht gestaltet waren, vgl. ZK der SED, Abt. Landwirtschaft, Bericht über Tierverluste und Maßnahmen ihrer Einschränkung, SAPMO BArch DY 30 /IV 2/7/460, Bl. 252 – 261, hier Bl. 254. 65 Vgl. Prange: Bauernschicksale, S. 231; Schier, Barbara: Alltagsleben im „sozialistischen Dorf“. Merxleben und seine LPG im Spannungsfeld der SED-Agrarpolitik 1945 – 1990, Münster 2001, S. 109. In Merxleben wurde 1952 die erste LPG der DDR (LPG „Walter Ulbricht“) gegründet (und sie war die erste LPG, die nach der Wiedervereinigung aufgelöst wurde). Im Schnitt besaß jeder „Neubauer“ 0,6 Pferde, 2,5 Rinder (davon 1,1 Milchkühe), 0,7 Schafe, 3,1 Schweine und 8,7 Geflügel, vgl. Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 262. Detailliert zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der „Neubauern“ vgl. ebenda, S. 261 – 288 und ders.: Die Neubauern in der SBZ/DDR 1945 – 1952. Bodenreform und politisch induzierter Wandel der ländlichen Gesellschaft, in: Bessel/Jessen (Hrsg.): Grenzen der Diktatur, S. 108 – 136. 66 Vgl. Prange: Bauernschicksale, S. 239 f. (Einschätzung von im Jahr 2003 befragten 50 TierärztInnen aus Sachsen-Anhalt zur Situation der „Genossenschaftsbauern“); Woll: Nicht alltäglich, S. 26. Ähnlich erging es den vielen unerfahrenen Menschen, die im Zuge der Kampagne „Industriearbeiter aufs Land“ in die Dörfer kamen, zur Aktion vgl. Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 380 und S. 385 f.; Schier: Merxleben, S. 138 f., Prange: Bauernschicksale, S. 41 f.; Langenhan, Dagmar: „Halte Dich fern von den Kommunisten, die wollen nicht arbeiten!“ Kollektivierung der Landwirtschaft und bäuerlicher Eigen-Sinn am Beispiel Niederlausitzer Dörfer (1952 bis Mitte der sechziger Jahre), in: Lindenberger (Hrsg.): Herrschaft und Eigen-Sinn, S. 119 – 165, S. 144 ff.
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beim Bäcker gewesen, der den Betrieb schließlich aufgab.67 Allein 1952 taten es ihm 20 Prozent der „Neubauern“ gleich.68 Wie eng hingegen die Verbundenheit der alteingesessenen LandwirtInnen zu ihren vormals eigenen Tieren war, und wie sehr der Verlust der Tiere schmerzte, zeigen die zahlreichen Schilderungen emotionaler Reaktionen auf die Abgabe der Tiere in die LPG.69 Der Abschied war dabei besonders bewegend, wenn es sich um Pferde handelte: Sah man in den Augen der Meisten schon bei der Ablieferung ihrer Kühe Tränen, so wurde der Schmerz über den Verlust besonders deutlich, wenn sie ihre Pferde, die sie nun nicht mehr halten konnten, zur Verladung auf den Bauernhof brachten, wo sie nach Belgien, Frankreich, Italien oder Holland transportiert werden sollten, oder sie direkt zur Schlachtung brachten.70
Auch Schier betont in ihrer Studie zum ländlichen Leben in Merxleben (Bezirk Erfurt) die besondere Bedeutung der Pferde. Sie berichtet, wie 1968 anlässlich der Umwandlung der LPG I „Neuer Weg“ in die LPG III „die Bauern […] mit Tränen in den Augen mit ansehen müssen, wie ihre Pferde sich wehrten gegen die fremde Hand. Schließlich mußten sie mithelfen, sie vom Hof zu schaffen.“ 71 Ein Bauer soll seinen LPG-Beitritt von der Bedingung abhängig gemacht haben, dass seine Pferde „Cäsar“ und „Felix“ eine „gebührende Verwendung in der Genossenschaft“ 72 bekämen. Denn Pferde waren vor allem bäuerliche Statussymbole. Sie stellten wertvolles „Kapital“ dar und unterstrichen als „Repräsentationsobjekte“ das Sozialprestige der LandwirtInnen. An der Anzahl der Pferde war der Reichtum und damit der 67 Vgl. Bericht eines Ökonomen aus der LPG „Zuchtzentrum“ Linden/Gleichamberg (Bezirk Suhl), in: Breitschuh (u. a.) (Hrsg.): Landwirtschaft, S. 154. 68 Vgl. Pollack, Peter: Die Landwirtschaft in der DDR und nach der Wende, in: Deutscher Bundestag (Hrsg.): Materialien der Enquete-Kommission „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit“. Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik, Bd. III/2, Frankfurt am Main 1999, S. 1429 – 1499, hier S. 1433 f.; Buchsteiner: Bodenreform, S. 23. Insgesamt verließen von den rund 210.000 „Neubauern“ bis Ende 1949 31.290 „Siedler“ wieder ihre Höfe, 1950/51 weitere 30.000. Wesentlicher Grund für die Rückgabe des Betriebs war, neben unzureichender Ausstattung der Höfe, die mangelhafte Qualifikation der „Neubauern“, vgl. Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 282 und S. 285. 69 Zum Beispiel bei Lauterbach, Willi: Meine Erfahrungen in der genossenschaftlichen Landwirtschaft, in: Buchsteiner/Kuntsche (Hrsg.): Agrargenossenschaften, S. 109 – 113, hier S. 112; Paetow: Lena, S. 121, Woll: Nicht alltäglich, S. 14. 70 Köpp: Von Tieren, S. 48. 71 Vgl. Schier: Merxleben, S. 161. Zur Bedeutung von Pferden vgl. auch ebenda, S. 144. 72 Zitiert nach Woll: Nicht alltäglich, S. 52.
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s oziale Einfluss ablesbar.73 Pferde waren in vielfacher Hinsicht Zeichen wirtschaft licher Stärke, denn die leistungsstärkeren Pferde sicherten den BesitzerInnen ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit. Außerdem waren sie in der Haltung und Fütterung anspruchsvoll, was wiederum auf eine gute ökonomische Lage der BesitzerInnen schließen ließ. Nicht umsonst kritisierte der Minister für Wirtschaftsplanung der Landesregierung Brandenburg, Heinrich Rau, 1945, dass die Verwendung von Pferden in Kleinbetrieben unwirtschaftlich und untragbar sei.74 Im Streit um das Anspannen von Pferden anstelle von Kühen und Ochsen betonte Rau 1945 weiter: Immer und immer wieder muß – und das sei auch in diesem Zusammenhang gesagt – auf die Notwendigkeit verstärkter Verwendung von Kühen als Zugtiere verwiesen werden. Der falsche Stolz, daß nur der Pferdebesitzer ein richtiger Bauer ist, hat schon längst keine Berechtigung mehr und ist heute weniger als je am Platze. Der richtige Bauer, der gute Bauer zeigt sich durch seine Erfolge.75
Aus Mangel an Pferden und Traktoren herrschte ein großes Zugkraftproblem in der Nachkriegszeit, unter der besonders die Wirtschaften der „Neubauern“ litten und die deren ökonomische Entwicklung am nachhaltigsten behinderte. Auch der von der SMAD angeordnete Viehausgleich 76 konnte das Problem nicht lösen, so
73 Vgl. Kipping, Manfred: Die Bauern in Oberwiera. Landwirtschaft im Sächsisch-Thürin gischen. 1945 bis 1990, 2., korr. Aufl., Beucha 2000, S. 23 und S. 36 („Die ungeschriebene Klasseneinteilung erfolgte vor und nach dem ersten Weltkrieg vielmehr anhand der Pferde, die ein Bauer hatte.“ Ebenda); Willisch: Schatten, S. 76. Zur Mensch-Pferd-Beziehung vgl. auch die beiden neueren Werke Meyer, Heinz: Der Mensch und das Pferd. Zur Geschichte und Gegenwart einer Mensch-Tier-Beziehung, Hamburg 2014 und Raulff, Ulrich: Das letzte Jahrhundert der Pferde. Die Geschichte einer Trennung, München 2015. 74 „Im Kleinbetrieb ist Pferdehaltung unter normalen Verhältnissen in diesen Betrieben unwirtschaftlich. Verursacht doch die Pferdehaltung erheblich mehr Kosten als die Haltung zweier Kühe, die außer Arbeit noch Milch liefern.“ Rau, Heinrich: Aus eigener Kraft. Wirtschaftsplan 1946 für die Landwirtschaft der Mark Brandenburg, Potsdam ohne Jahr (1945), S. 20 (Zitat) und S. 31. Heinrich Rau (1899 – 1961) war bis 1948 Minister für Wirtschaftsplanung von Brandenburg und anschließend Vorsitzender der Deutschen Wirtschaftskommission, Mitglied der Volkskammer und des Politbüros des ZK der SED, von 1950 bis 1952 Vorsitzender der Staatlichen Plankommission, weitere hohe Ämter folgten, vgl. Müller-Enbergs/Wielgohs/Hoffmann (Hrsg.): Wer war wer in der DDR, S. 682 f. 75 Rau: Kraft, S. 20. 76 Die Sowjetische Militäradministration (SMAD) versuchte dem Viehmangel per Anordnung durch innerzonalen Viehausgleich entgegenzuwirken. Dabei wurden Tiere aus Ländern, die weniger von Kriegseinwirkungen betroffen waren (Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) nach Brandenburg und Mecklenburg gebracht – zum Teil gegen den Willen der BesitzerInnen und mithilfe repressiver Maßnahmen, vgl. Buchsteiner: Bodenreform, S. 21. Die Tiere, mitunter als „Shukow-Kühe“ bezeichnet, waren jedoch oft abgemagert, schwach
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dass die SED den Einsatz von Ochsen und vor allem den von Kühen propagierte. Letztere s eien ‚doppelt nützlich‘, denn sie ‚lieferten‘ nicht nur Arbeit, sondern auch Milch. Der Einsatz von Kühen wurde jedoch oft abgelehnt, da die zuvor im Stall lebenden Tiere erst an die Feldarbeit gewöhnt werden mussten, langsamer als Pferde arbeiteten und weniger weite Strecken zurücklegten sowie keine schwere Zugarbeiten verrichten konnten. Außerdem ließ die Milchleistung durch die Feldarbeit erheblich nach.77 Hauptgrund dafür, das Anspannen von Kühen abzulehnen, sei allerdings die Tatsache gewesen, dass nur Pferde den spezifischen gesellschaftlichen Status widerspiegeln konnten.78 Eindrückliches Beispiel für jene Symbolkraft für die großbäuerliche Sozialstellung sind auch überlieferte Vorfälle, in denen Bauern während der Aufstände um den 17. Juni 1953 hoch zu Ross in Gaststätten ritten und ihren Unmut kundtaten.79 In einem anderen Beispiel hielt sich ein ehemaliger „Großbauer“, der nach der Vollkollektivierung in einer Brauerei arbeitete, noch zwei Pferde zur Repräsentation seiner Herkunft 80, obwohl das private Halten von Großpferderassen (Hengsten) in der DDR seit 1955 verboten wurde.81 Durch den hohen Stellenwert für das (groß-)bäuerliche Selbstverständnis bestand zumeist auch eine enge emotionale Bindung der Menschen an ihre Pferde. So berichtet Schier, dass sich die von ihr befragten Bäuerinnen und Bauern noch Jahrzehnte später an die Namen ihrer damaligen Pferde erinnerten und davon und/oder krank. Zudem gaben die BesitzerInnen oft nicht ihre ‚wertvollsten Tiere‘ ab, wie Pferde oder Milchkühe, vgl. Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 263. 77 Vgl. Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 264 f. Der Mangel an Pferden wurde noch dadurch verstärkt, dass viele Tiere von den Besatzungsbehörden zum Transport von Repara tionsgütern (vor allem Holz) abgezogen wurden, vgl. ebenda, S. 264. Nach der Bodenreform besaßen 57 Prozent aller Betriebe mit einer Größe von fünf bis zehn Hektar Pferde, aber fast jede zweite Wirtschaft nutzte Kühe als ‚Zugtiere‘. Von den Kleinbauern (zwei bis fünf Hektar) waren fast alle auf das Anspannen von Kühen bzw. das Leihen von Zugkräften angewiesen, vgl. Kuntsche: Bauerndorf, S. 73. 78 Vgl. Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 265. Zum Teil wurden von bäuerlicher Seite bewusst „falsche Theorien und Gerüchte verbreitet“, denen zufolge man „Traktoren abschaffen und Pferde anschaffen“ solle, weil „Traktoren für die Landwirtschaft zu schwer“ s eien, HVDVP, Protokoll über die Cheftagung am 28. September 1960, vom 10. 10. 1960, BArch DO 1/27025, Bl. 136 – 165, hier Bl. 138. 79 Vgl. Mitter, Armin: „Am 17. 6. 1953 haben die Arbeiter gestreikt, jetzt aber streiken wir Bauern.“ Die Bauern und der Sozialismus, in: Kowalczuk/Mitter/Wolle (Hrsg.): Tag X, S. 75 – 128, hier S. 103. 80 Das vermutet Willisch, vgl. ders.: Schatten, S. 76. 81 Vgl. Baumgarten, Martin: Thüringer Pferdezucht in Vergangenheit und Gegenwart, Stadtroda 1998, S. 49. Auch in einem anderen Fall behielt ein Bauer in einem thüringischen Dorf seine Pferde während der gesamten DDR-Zeit (mit Unterstützung der LPG-Vorsitzenden) und holte noch bis in die Neunzigerjahre hinein mit Pferdegespannen auf traditionellen Leiterwagen sein Getreide ein, vgl. Schier: Merxleben S. 201. Siehe auch unten, Anm. 219.
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berichteten, wie sie den einstmals eigenen Tieren allmorgendlich „Leckerbissen“ in den LPG-Stall brachten.82 Weiterhin herrschte ein gewisses Misstrauen gegenüber der LPG, was die Fütterung und Pflege der Pferde anging.83
Die „Neuererbewegung“ In die Zeit der Kollektivierung fiel auch die (kritiklose) Übernahme zum Teil fragwürdiger, sogenannter „Neuerermethoden“ aus der Sowjetunion.84 In der frühen DDR gab es seinerzeit eine regelrechte „Verordnung“ des wissenschaft lich-technischen Fortschritts in allen Bereichen, so auch in der Landwirtschaft.85 Besonders prominent und umstritten waren hierbei die Irrlehren des sowjetischen Pflanzenzüchters Trofim D. Lyssenko (1898 – 1976), der, gemäß der marxschen Maxime, nach der das Sein das Bewusstsein bestimme, die Vererbung von erworbenen Eigenschaften bei Pflanzen lehrte. Zu den aus der Sowjetunion importierten „Innovationen“ gehörten unter anderem die künstliche Jarowisa tion 86; das Kreuzdrill- und Engdrillverfahren, das Quadratnestpflanzen 87 bei Kartoffeln als Alternative zur Dammkultur, die Hetereospermie 88, die Futterverpilzung, Getreidevorkeimung (und Rücktrocknung) zur Verbesserung der Stärkeverdauung bei Monogastriden und vieles mehr.89 Trotz kritischer Hinweise aus der DDR-Wissenschaft wurden diese Methoden von den, meist fachfremden oder -inkompetenten, SED-FunktionärInnen durchgesetzt, sehr zum Unmut der Bauernschaft.90 In der DDR entschieden somit nicht Kriterien 82 Vgl. Schier: Merxleben, S. 200 f. 83 Vgl. ebenda, S. 201. Auch Breitschuh (u. a.) berichten von Streit und Misstrauen, wenn individuelle und genossenschaftliche Tiere unter einem (LPG-)Dach standen, vgl. Breitschuh (u. a.): Landwirtschaft, S. 33. 84 Vgl. dazu Hartmann, Anneli/Eggeling, Wolfram: „Das zweitrangige Deutschland“ – Folgen des sowjetischen Technik- und Wissenschaftsmonopols für die SBZ und frühe DDR, in: Emmerich, Wolfgang/Wege, Carl (Hrsg.): Der Technikdiskurs in der Hitler-Stalin-Ära, Stuttgart/Weimar 1995, S. 189 – 202. 85 Vgl. dazu Hartmann/Eggeling: Folgen, S. 191 – 195; Krenz: Notizen, S. 58 ff.; Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 147 – 152. 86 „Jarowisation“ war ein Vorkeimverfahren durch Kälteschock von Samenkeimlingen. 87 Sah eine kumulierende Aussaat in Form eines Nestes anstelle der konventionellen Drillreihen vor, vgl. Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 150. 88 Die Befruchtung eines Muttertieres mit Sperma mehrerer Vatertiere in der gleichen Brunst. 89 Vgl. Krenz: Notizen, S. 59. 90 Hartmann und Eggeling nehmen an, dass sehr viele LandwirtInnen gerade aufgrund der aufgezwungenen und als wirtschaftlich unsinnig empfundenen Methoden aus der DDR geflohen sind, vgl. Hartmann/Eggeling: Folgen, S. 195. Die Übernahme war auch dahingehend von besonderer Brisanz, da sich in der Sowjetunion das Scheitern Lyssenkos bereits Anfang der Fünfzigerjahre abzeichnete. Im Gegensatz zur allen anderen sozialistischen
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der praktischen Anwendbarkeit, sondern die ideologischen Vorgaben. Wer die oktroyierten Maßnahmen bezweifelte, stellte damit nicht nur die „sozialistische“ Wissenschaft, sondern zugleich das gesamte sozialistische System infrage.91 Deswegen waren in der Landwirtschaft viele „Neuerermethoden“ von Anfang an zum Scheitern verurteilt – wie das „Rinderoffenstall-Programm“ 92. Der Maßgabe folgend, die Bundesrepublik „einzuholen und zu überholen“, beschloss die SED in den Fünfzigerjahren, die aus der Sowjetunion kommende Methode zur Rinderhaltung zu übernehmen, um die erhöhten Tierbestände bei geringem Arbeitsaufwand kostengünstig unterzubringen. Bei dieser materialsparenden Bauart war eine Breitseite des Stalles offen, gefüttert wurden die Tiere draußen auf einem überdachten Fressplatz.93 Eine mehrjährige Versuchsanordnung am Institut für Tierzuchtforschung Dummerstorf ergab, dass die Tiere im Offenstall im Gegensatz zu denen im Warmstall nur einen höheren Futterbedarf für die Wärmeregulierung durch die niedrigen Umgebungstemperaturen hatten.94 Staaten erlangte der „Lyssenkoismus“ in der DDR keine durchschlagende Geltung (in der Volksrepublik China war er hingegen bis 1972 verbindlich), vgl. Fäßler, Peter E.: Freiheit der Wissenschaft versus Primat der Ideologie – die Irrlehren Trofim D. Lyssenkos und ihre Rezeption in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) bzw. DDR, in: Kluge/Halder/ Schlenker (Hrsg.): Bodenreform und Kollektivierung, S. 177 – 194, hier S. 179, 185 und S. 193. 91 Vgl. Hartmann/Eggeling: Folgen, S. 193 f. AnhängerInnen der „bürgerlichen“ Genetik bzw. Evolutionsbiologie, und damit „Gegner“ der von Lyssenko vertretenen „Agrobiologie“, wurden in der Sowjetunion unerbittlich verfolgt; auch in der SBZ/DDR gab es Repressionen gegenüber „anders denkenden“ WissenschaftlerInnen, vgl. Fäßler, Peter E.: „Proletarische Biologie“ und „bürgerliche Genetiker“. Die Auseinandersetzung um die Irrlehren Trofim D. Lyssenkos in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) bzw. DDR, in: Horch und Guck 41 (2003), S. 21 – 26, hier S. 21 und 23 ff. Zum Widerstand von DDR-WissenschaftlerInnen gegen den Lyssenkoismus vgl. ebenda, S. 22 f.; ders.: Freiheit, S. 189 – 192. 92 Zur Offenstallhaltung vgl. auch Stock: Tierschutz, S. 147 – 161. 93 Ein anschauliches Beispiel für den Rinderoffenstall bietet die Bastelvorlage für Kinder (samt Papp-Rindern) aus der „ABC Zeitung“ von 1961, abgebildet in Horch und Guck 41 (2003), S. 27 und S. 96. Zum Offenstallprogramm vgl. auch zum Beispiel: Hutschenreuther, Günter: Rund um den Offenstall, Berlin (Ost) 1962; Mothes, Eckhard: Prinzipien unseres Offenstallbaues, Leipzig/Jena/Berlin (Ost) 1961; Hussel, Lothar/Walter, Schindler: Komplettierung von Offenställen, Berlin (Ost) 1962; Wiesner, E.: Der Rinderoffenstall, in: MfV 15 (1960), S. 161 – 169. 94 Auch eine der besten Leistungsherden der DDR soll (unter fachkundiger Betreuung) bis 1989 in einem Offenstall in der Nähe von Bernburg gestanden haben, vgl. Piatkowski, Bernhard: Vieles kam anders oder die aufschraubbare Kuh. Eine Biografie im 20. Jahrhundert, Rostock 2001, S. 125 f. Piatkowski war langjähriger und dem DDR-Regime gegenüber distanzierter Tierernährungsforscher am Institut für Tierzuchtforschung Dummerstorf. Die „aufschraubbare Kuh“ war eine (internationale) Methode zur Erforschung der Verdauungsvorgänge, bei der die Kuh eine dauerhafte und luftdicht verschließbare Öffnung auf den Bauch zur Pansensaftentnahme bekam.
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In der Praxis hingegen, ohne optimale Bedingungen, wie sie in der zeitgenös sischen Literatur auch immer wieder gefordert wurden, waren die Offenställe allerdings ein Desaster.95 Das Gefrieren des Futters und der Tränken im Winter war vorprogrammiert. Entgegen der Zielstellung, nämlich die Widerstandskraft und Gesundheit der Rinder (und damit die Leistungsfähigkeit) zu erhöhen 96, führte die Offenstallhaltung im Winter regelmäßig zu Leistungsabfällen der Tiere. Die Rinder vermieden es, sich auf die feuchten und verschmutzten Liegeflächen zu legen, taten sie es dennoch, konnte die Gefahr bestehen, auf dem Boden festzufrieren.97 Im schlimmsten Fall erfroren gar die Kühe und ihre Kälber.98 Klauenerkrankungen nahmen durch das Stehen im Morast zu.99 Die tierärztliche Betreuung und Kennzeichnung gestaltete sich jedoch schwierig, da die Tiere erst umständlich gefangen und fixiert werden mussten.100 Für die dort tätigen Menschen war die Arbeit in den Offenställen (nicht nur im kalten Winter) eine Strapaze, denn die eilig aufgebauten Ställe 101 ließen zuweilen keine mechanisierte Fütterung und Entmistung zu.102 Erschwerend kam der 95 Vor allem auch weil das kostengünstige Offenstallprogramm den vielen wirtschaftsschwachen LPG aufoktroyiert wurde, wo die materiellen und personellen Voraussetzungen sowieso sehr ungünstig waren. Hinzu kamen die allgemeinen Mängel der Planwirtschaft, vgl. Schulz: Bauern in der SED-Politik, S. 41 f. 96 Vgl. dazu zum Beispiel das Kapitel „Einflüsse der naturnahen Haltung auf das Tier“, in: Hutschenreuther: Offenstall, S. 118 – 124. 97 Vgl. Stock: Tierschutz, S. 153. Auch hier witterte die Staatsgewalt den „Klassenfeind“: „Eine besonders gefährliche Methode des Gegners wurden in mehreren Verfahren festgestellt, wo durch Öffnen der Wasserhähne und Selbstränken Rinderoffenställe überflutet wurden und die Tiere bei Frost liegend im Eis einfroren. Beim Erheben blieben ganze Fellpartien im Eis haften, sodaß die Tiere notgeschlachtet werden mußten.“ HVDVP, Lektion, Die Erscheinungsformen der Verbrechen in der Landwirtschaft und ihre Ursachen (1961), BArch DO 1/27794, Bl. 50 – 83, hier Bl. 71. 98 Manchmal betrugen die Kälberverluste bis zu 50 Prozent, vgl. Breitschuh (u. a.): Landwirtschaft, S. 30, vgl. auch S. 68. Ein konkretes Beispiel für das Scheitern des Offenstallprogramms liefert Krenz: Notizen, S. 60 – 62; vgl. auch S. 58 ff. Zur Einschätzung des Offenstallprogramms in Berlin (1961) vgl. MfS BV Bln. AKG 5290, BStU Bl. 14 – 20. Ein früher Kritiker der Offenställe war der Forscher Wilhelm Nußhag (von ihm als „Schuppenställe“ diffamiert), vgl. ders.: Die Tierhaltung, hygienisch gesehen, Teil 1, in: MfV 6 (1951), S. 449 – 454; ders.: Die Hygiene der Tierunterkünfte, Schluß, in: MfV 7 (1952), S. 450 – 456. 99 Vgl. Stock: Tierschutz, S. 155. 100 Vgl. ebenda, S. 154; Woll: Nicht alltäglich, S. 19 f. Woll erzählt hier auch den Lebensweg einer Kuhpersönlichkeit („Kuh 13“) im Offenstall, vgl. ebenda, S. 20 – 24. 101 Im Jahr 1957 wurden die ersten 1.000 Offenställe errichtet, im Jahr 1958 wurden schon 3.367 Ställe fertiggestellt, vgl. Schulz: Bauern in der SED-Politik, S. 27 und S. 41. 102 Vgl. Breitschuh (u. a.): Landwirtschaft, S. 30, vgl. auch S. 68; Prange, Hartwig/Azar, Julian (Hrsg.): Repressionen von Tierärzten im politischen System der DDR, Halle (Saale) 2004, S. 155 f.; Stock: Tierschutz, S. 152 f.
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aus der Sowjetunion eingeführte Maisanbau hinzu, der die Futterversorgung der ausgeweiteten Rinderbestände sichern sollte. Das Problem dabei war, dass zum einen nur wenige Böden in der DDR für den Maisanbau geeignet waren, weswegen der Ertrag gering blieb.103 Zum anderen fehlte es für den Mais oft an funktionierender Bestell- und Erntetechnik, so dass er schlecht verarbeitet von den Rindern nur ungern gefressen wurde. Standen die Tiere dann noch im Offenstall, sei, einem damaligen Milchbauern zufolge, „die Katastrophe perfekt“ gewesen, und derselbige dichtet mit reichlich Ironie: „Füttere Mais im Offenstall, dann fließt die Milch wie ein Wasserfall.“ 104 Erst 1961 hatten die SED-Oberen die Einsicht, dass das Offenstallprogramm zu massiven Einbrüchen in der Fleisch- und Milchproduktion geführt hatte und deswegen aufgegeben werden sollte.105 Die „Neuerermethoden“, insbesondere die blindgläubige Übernahme der sowjetischen Modelle „Maisanbau“ und „Rinderoffenstall“, ohne Rücksicht auf regionale Produktionsbedingungen, trugen nicht nur zum Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion und zu sehr hohen Tierverlusten bei.106 Darüber hinaus schworen sie den Verlust des (bitter nötigen) Vertrauens der „Genossenschaftsbauern“ in die Staatsführung herauf. Die „Neuerermethoden“ waren einerseits Ausdruck für den unbeirrten Glauben an die Beherrschbarkeit der Natur mittels der „wissenschaftlich-technischen Revolution“.107 Anderseits 103 Vgl. Poutrus: Goldbroiler, S. 31 f. und S. 41. Zum Maisanbau in der damaligen Bundesrepublik vgl. Uekötter, Frank: Mutmaßungen über Mais. Anmerkungen zu Westfalens erfolgreichstem Neophyten, in: Westfälische Forschungen 57 (2007), S. 151 – 171. 104 Krenz: Notizen, S. 55 (Schilderung des Bruders des Autoren, Gustav Krenz, Landwirt.) Der Bruder des Autors gibt auch die widersinnige Argumentation einer seiner damaligen Lehrer an der Fachschule für Landwirtschaft Prenzlau für den Offenstall wieder: Jener behauptete nämlich, in den sogenannten „Warmställen würden die Kühe ‚die Butter durch die Rippen schwitzen‘, daher wäre von vornherein im Offenstall ein höherer Fettgehalt zu erwarten.“ Ebenda, S. 85. Weitere (literarische) Episoden zum Widerstand gegen den Offenstall sind auch in Strittmatters „Ole Bienkopp“ (1963) zu finden (vgl. Strittmatter, Erwin: Ole Bienkopp, Berlin/Weimar, 10. Aufl. 1973, S. 227, 260 ff., S. 393, 401 f. und S. 404). 105 Vgl. Poutrus: Goldbroiler, S. 39. Krenz hingegen benennt das Jahr 1963 als offizielles Ende des „Stallexperiments“, vgl. Krenz: Notizen, S. 59. Stock verneint ein offizielle Bekanntgabe der Beendigung des Programms, vgl. Stock: Tierschutz, S. 161. 106 Vgl. Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 152. 107 Die Klassenkampf-Doktrin richtete sich laut Bauerkämper nicht nur gegen politische GegnerInnen, sondern auch gegen die Natur selbst, vgl. Bauerkämper, Arnd: Das Ende des Agrarmodernismus. Die Folgen der Politik landwirtschaftlicher Industrialisierung für die natürliche Umwelt im deutsch-deutschen Vergleich, in: Dix, Andreas/Langthaler, Ernst (Hrsg.): Grüne Revolution. Agrarsysteme und Umwelt im 19. und 20. Jahrhundert, Innsbruck 2006, S. 151 – 172, hier S. 153. Zur Tradition des utopiegeleiteten Handelns vgl. Langewiesche, Dieter: Fortschritt als sozialistische Hoffnung, in: Schönhoven/Staritz (Hrsg.): Sozialismus und Kommunismus, S. 39 – 55.
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waren sie ein weiteres Beispiel für die Dominanz der Ideologiehörigkeit vor dem Sachverstand und der wirtschaftlichen Effizienz – im Fall des Offenstallprogramms mit unmittelbaren Folgen für die Tiere. Die Betrachtung der Kollektivierung aus der Perspektive von Mensch-T ier- Verhältnissen zeigte, wie tief die zentral initiierte Agrarpolitik der SED in die ländliche Gesellschaft eingriff und dabei letztlich „eine (selbst-)zerstörerische Radikalität entfaltete.“ 108 Denn der Verlust des eigenen Bodens und der Tiere durch die Kollektivierung hatte schwere wirtschaftliche Negativfolgen: 1961 musste der stellvertretende Vorsitzende des Ministerrats Willi Stoph eingestehen, dass die Versorgung mit Tierprodukten, insbesondere Fleisch, Milch und Butter, in der DDR nicht mehr gesichert sei.109 Die Kollektivierung und der Wandel der Mensch-‚Nutztier‘-Verhältnisse hatte folglich in letzter Konsequenz negative Folgen für die gesamte DDR-Bevölkerung 110; ein weiterer Hinweis, dass bei der Zwangskollektivierung „das Herrschaftsprinzip vor dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit“ 111 rangierte. Ende der Sechzigerjahre konsolidierten sich die LPG und damit die landwirtschaftliche Produktion schließ lich, und viele „Genossenschaftsbauern“ identifizierten sich nun allmählich mit „ihrer“ LPG.112 Nach wie vor stand der Großteil der Tiere jedoch noch immer in privaten Ställen.113 Der Aufbau von industriellen Großbetrieben und insbesondere die darauf folgende extreme Spezialisierung (Trennung der Tier- und Pflanzenproduktion) führten zu einem erneuten Bruch in der länd lichen Produktions- und Lebensweise. Abermals wandelte sich die Beziehung zwischen Menschen und Tieren.
108 Vgl. Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 187. 109 Vgl. ebenda, S. 193. Willi Stoph (1914 – 1999) war seit 1950 Mitglied des Politbüros des ZK der SED, von 1952 bis 1955 Minister des Inneren, von 1954 bis 1960 Minister für Nationale Verteidigung und seit 1954 bis 1989 abwechselnd Vorsitzender des Ministerrats und des Staatsrates (bis 1976), vgl. Müller-Enbergs/Wielgohs/Hoffmann (Hrsg.): Wer war wer in der DDR, S. 829 f. 110 Vgl. Schöne: Frühling, S. 292. Zur Bedeutung tierlicher Leistung für Ökonomie und Gesellschaft vgl. auch Lang, Heinrich: Tiere und Wirtschaft. Nichtmenschliche Lebewesen im ökonomischen Transfer im Europa der frühen Neuzeit, in: Krüger/Steinbrecher/Wischermann (Hrsg.): Tiere und Geschichte, S. 241 – 266. 111 Vgl. Kluge: Agrarwirtschaft, S. 37. 112 Vgl. Nehrig: Leben, S. 215 f.; Schöne: Landwirtschaft, S. 50. 113 Vgl. Breitschuh (u. a.): Landwirtschaft, S. 28.
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3.1.1.2 Industrialisierung der Landwirtschaft
Die Agrarmodernisierung wurde in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert vorangetrieben und manifestierte sich nach dem Zweiten Weltkrieg in der Form, wie wir sie heute kennen: Eine umfangreich mechanisierte und chemisierte Landwirtschaft, die, geprägt von weitläufigen Monokulturen und Tierfabriken, in Großproduktion wirtschaftet und an vor- und nachgelagerte Betriebe (Lebensmittelindustrie, Verarbeitung, Industrie, Handel, Landmaschinenproduktion, sprich „vertikale Kooperation“) gekoppelt ist. Die auch als „Grüne Revolution“ bezeichnete Entwicklung stellte schlussendlich den Versuch dar, die landwirtschaft liche Produktion nach industriellem Muster durchzusetzen und von naturgegebenen Bedingungen weitgehend unabhängig zu werden.114 In der DDR wurde der allmähliche „Übergang zu industriemäßigen Produktionsmethoden“ in der Landwirtschaft auf dem VI. Parteitag der SED 1963115 proklamiert, zeitgleich mit der Einführung des „Neuen Ökonomischen Systems der Leitung und Planung“ (NÖSPL), das den Betrieben vor allem mehr Handlungsspielräume einräumen sollte.116 Die Ausführungen auf dem Parteitag zur „industriemäßigen Produktion“ blieben jedoch diffus und die Versuche der Umsetzung zaghaft, weswegen erst ab den Siebzigerjahren die Industrialisierung spürbar vorangetrieben wurde.117 Die Staatspartei wollte mit der Rationalisierung der Landwirtschaft die Produktion und deren Effektivität erhöhen, um die durch die Kollektivierung entstandene Versorgungskrise zu überwinden und auf Dauer von Importen unabhängig werden. Die Agrarmodernisierung war damit also weniger eine ideologische, utopiegeleitete Verwirklichung marxscher Vorstellung, als vielmehr eine „pragmatische Reaktion auf die selbst verursachte Krisenlage“ 118. Zum langfristigen Ziel der Agrarindustrialisierung in der DDR zählte auch die Angleichung der Lebensbedingungen 114 Zum Begriff der „Grünen Revolution“ vgl. Dix, Andreas: Einleitung: Grüne Revolution. Agrarsysteme und Umwelt im 19. und 20. Jahrhundert, in: ders./Langthaler (Hrsg.): Grüne Revolution, S. 7 – 16. Zur Agrarindustrialisierung vgl. auch Kluge: Agrarwirtschaft, S. 14 – 23 und S. 30. Zum rasanten und tiefgreifenden Wandel des Zugriffs auf die Umwelt vgl. auch die Beiträge in Pfister, Christian (Hrsg.): Das 1950er Syndrom. Der Weg in die Konsumgesellschaft, Bern/Stuttgart/Wien 1995; Sieglerschmidt, Jörn (Hrsg.): Der Aufbruch ins Schlaraffenland. Stellen die Fünfziger Jahre eine Epochenschwelle im Mensch-Umwelt- Verhältnis dar?, Mannheim 1995. 115 Auf dem VI. Parteitag gab sich die SED auch erstmals seit ihrer ‚Gründung‘, also den Zusammenschluss von KPD und SPD 1946, ein Parteiprogramm, vgl. Weber: DDR, S. 63 f. 116 Vgl. dazu Steiner: DDR-Wirtschaftsreform. Speziell zur Förderung der Landwirtschaft durch das NÖSPL vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 46 – 54. 117 Vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 18. 118 Poutrus, Patrice G.: Die Goldbroiler-Story – eine spezielle aber keine besondere Geschichte, in: Horch und Guck 41 (2003), S. 35 – 38, hier S. 36.
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von Stadt und Land, was auf eine Homogenisierung der Gesellschaft zulaufen sollte.119 Gerahmt und vorangetrieben wurde die „sozialistische Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion“ durch den „wissenschaftlich-technischen Fortschritt“, worunter eine hohe Qualifizierung der Arbeitskräfte sowie die „ständige Anwendung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse“ 120 fiel. Mit der Intensivierung der Landwirtschaft trat die DDR in einen Systemwettstreit mit der Bundesrepublik ein 121, wo die Entwicklung hin zur industriellen Großproduktion seit den Sechzigerjahren anzutreffen war.122 Aber erst die mit der Kollektivierung sowie mit der Trennung der Tier- und Pflanzenproduktion entstandenen riesigen landwirtschaftlichen Flächen 123 und die gigantischen Stallanlagen ließen deut liche Unterschiede zur Bundesrepublik hervortreten.
Die „industriemäßige Tierproduktion“ Obwohl 1975 noch über 90 Prozent der Rinder und Schweine in „traditionellen Ställen“ untergebracht waren 124, reklamierte die DDR die „industriemäßige Tierproduktion“ als sozialistische Errungenschaft und angestrebtes Ideal. Anfang der Siebzigerjahre träumte man im Osten Deutschlands von „Tieren
119 Zu jener Angleichung gehörte die Einführung fester Arbeitszeiten samt Acht-Stunden- Tag, der Leistungs- und Überstundenlohn, die Trennung von Arbeit und Wohnort sowie allgemeine Arbeitserleichterungen durch Automatisierung/Mechanisierung und die Einrichtung von Sanitäranlagen und Sozialräumen (Pausenräume, Kinderbetreuung, Umkleiden, Betriebskantinen), vgl. Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 353. 120 Mothes, Eckhard: Tiere am Fließband, Leipzig/Jena/Berlin 1976, S. 122. 121 Vgl. Bauerkämper: Agrarmodernismus, S. 152. Ebenfalls dazu: „[…] auch auf dem Gebiet der Landwirtschaft gilt, den Beweis der Überlegenheit des Sozialismus über den Kapitalismus deutlich sichtbar zu machen. Und das nicht nur auf sozialökonomischem, sozialem und kulturellem Gebiet, sondern auch in der Leistungsfähigkeit der Produktion.“ Groschoff/ Heinrich: Industriemäßige Produktionsmethoden, S. 26. Zum postulierten Unterschied zwischen sozialistischer und kapitalistischer Agrarindustrialisierung vgl. ebenda, S. 53 f. 122 Vgl. Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 194. f.; Heinz: Industrialisierung, S. 22. 123 Die Zusammenlegung beinhaltete auch die Flurbereinigung, dass heißt die Beseitigung von „Störelementen“ (natürliche Hindernisse wie Büsche, Gehölz, Teiche, Steinhaufen, Hügel, Tümpel, Feldwege), was zu schweren Erosionsschäden führte. Ideologisch gesehen war der Kahlschlag in der DDR zugleich die Entfernung von Grenzen („feudalistischen Überbleibseln“ und Privateigentum), vgl. Dix/Gudermann: Naturschutz in der DDR, S. 564. Außerdem sollte in der DDR auch die Forstwirtschaft industrialisiert werden, vgl. Nelson: Cold War Ecology, S. 124 – 170; zum sowjetischen Vorbild vgl. Brain, Stephen: Song of the Forest. Russian Foresty and Stalinist Environmentalism, 1905 – 1953, Pittsburgh 2011. 124 Vgl. Schwedler, Helmut: Die Aufgaben des Veterinärwesens bei der weiteren Verwirklichung der Beschlüsse des VIII. Parteitages der SED, in: MfV 30 (1975), S. 122 – 132, hier S. 126.
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am Fließband“ 125, „Biofabriken“ 126 und „Großstädten für Tiere“ 127 – von Fabrikanlagen, in denen Tiere und deren Produkte wie Industriewaren hergestellt und bearbeitet werden: Kühe werden in einem Kasten – Container genannt – stehen. Von einem Steuerpult aus werden diese Kästen auf Schienen zweimal am Tage erst zum Melk-, dann zum Futterplatz gefahren. […] Dabei kommen die Kuhkästen auch an einem Einwurfschacht vorbei, in den durch Öffnen einer Klappe der Kot entleert wird. […] Ähnlich verhält es sich mit der Schweinemast. Man hält die Tiere in Containern in großen wohltemperierten Hallen. Ein Lichtprogramm schreibt ihnen vor, wann sie schlafen sollen. […] Sind die Schweine schlachtreif, fährt man sie im Container zum Schlachthof.128
Moderne Techniken, wie die rotierende Kuh im Melkkarussell 129, nahmen sich hierbei fast schon bescheiden aus. Die „Container-Haltung“ war aber ebenso wenig 125 Mothes: Fließband. 126 Ebenda, S. 127; ders.: Schlaraffenland für Tiere. Tierhaltung gestern, heute und morgen, Berlin (Ost) 1972, S. 136. 127 Ebenda, S. 113. Vgl. auch die eindrückliche Beschreibung des „Fleischkombinats der Zukunft“ in: Wassiljew, Michail Wassiljewitsch: Der Mensch und die Tiere, Moskau/Leipzig/Jena/ Berlin 1975, S. 70 – 77. 128 Mothes: Schlaraffenland, S. 136 ff. Vom Glauben an den wissenschaftlich-technischen Fortschritt waren auch die Vorschläge für Anlagen für Broilerkaninchen von Architektur- Studierenden der Hochschule Weimar geprägt. Dort kamen Elektrofahrzeuge und Container- Ställe zum Einsatz. Von außen betrachtet waren die Entwurf-Anlagen kaum von Bürogebäuden zu unterscheiden und dem „Palast der Republik“ in Ost-Berlin nicht unähnlich, vgl. Hutschenreuther, Günter: Broiler-Kaninchen-Anlagen, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar 16 (1969), S. 123 – 133. 129 Das erste Melkkarussell („Rotolaktor“) wurde 1930 von der Firma „De Laval“ auf der Walker-Gordon-Farm in Plainsboro (New Jersey, USA) erstellt, vgl. Parau, D.: Studien zur Kulturgeschichte des Milchentzuges, Kempten/Allgäu 1975, S. 75. In der DDR wurden in den Achtzigerjahren 78 Prozent der Kühe mit Kannen- und Rohrmelkanlagen, je etwa elf Prozent der Kühe in Fischgrätenmelkständen bzw. Melkkarussells gemolken, vgl. Jost, R.: Ausgewählte Aspekte bei der Anpassung der Milchindustrie der DDR an die Bedingungen der Marktwirtschaft, in: Deutsche Milchwirtschaft 19 (1990), S. 638 – 643, hier S. 638; vgl. auch Bartmann, Reinhold/Ripcke, Dieter: Mechanisierte Milchgewinnung, 5., überarb. Aufl., Berlin (Ost) 1976. Die Arbeit am Melkkarussell ging jedoch mit hohen physischen und psychischen Belastungen für die MelkerInnen einher (Monotonie, Lärm, Feuchtigkeit, Arbeit im Stehen, Desinfektionsmittel, hohe Konzentrationsfähigkeit u. a.). Weiterhin war der Einsatz dieser Melktechnik in der DDR mit hohem Arbeitszeiteinsatz und hohem Zeitaufwand für das Nachmelken verbunden, und es bestand ein hoher technischer Verschleiß, vgl. Hohmann, Karl/Kurjo, Andreas/Merkel, Konrad/Schmitt, Heribert/Schneider, Herbert: DDR: industriemäßig betriebene tierische Agrarproduktion, Münster-Hiltrup 1980, S. 89 ff.
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Utopie 130 wie andere fragwürdige Haltungsformen, die bereits praktiziert wurden: Zum Beispiel die Zwei-Etagen-Käfighaltung von jungen Schweinen (Läufern) seit Anfang der Siebzigerjahre.131 Eine andere Form der extremen Intensivhaltung (neben der bis heute eingesetzten „Legebatterie“ und Bodenmast von tausenden von Hühnern) war das Pilotprojekt „Sauenhochhaus“ in Görzig (Bezirk Halle). Dort wurden auf einer Fläche von 3.000 Hektar auf drei Etagen circa 500 Sauen und deren Nachwuchs gehalten.132 Die DDR folgte mit dem Aufbau der „industriemäßigen Tierproduktion“ dem Trend westlicher Industriestaaten, vor allem den USA und der Bundesrepublik 133, deren Betriebe Vorbildfunktion für die DDR hatten.134 Die heutige Form der Massentierhaltung wurde seit den Sechzigerjahren zunächst in den USA eingeführt und gelangte über Großbritannien auf den europäischen Kontinent, wo 130 In der Tat gab es zur Rinder- und Schweinehaltung auf rotierenden Paletten bereits wissenschaftliche Versuche in der DDR, vgl. Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. 130 f.; Mothes: Schlaraffenland, S. 137. In der Bundesrepublik wurden seinerzeit das sogenannte „Unicar-System“ und „Palettensystem“, die auf dem Prinzip der mechanisierten Standortverlagerung basierten, getestet. In der UdSSR gab es Versuche mit rotierenden Rundställen (ähnlich einem Melkkarussell), vgl. Artmann, Rudolf/Rosegger, Sylvester/Schlünsen, Dieter: Neue Haltungsverfahren für Milchvieh, in: Grundlagen der Landtechnik 4 (1974), S. 105 – 111. 131 Vgl. Autorenkollektiv: Schweineproduktion. Lehrbuch für die sozialistische Berufsbildung, 4., stark überarb. Aufl., Berlin (Ost) 1981, S. 308 f.; Mothes: Fließband, S. 80; Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. 123 f.; Stock: Tierschutz, S. 250 f. und S. 255 ff. Die Absatzferkel vertrugen diese Käfighaltung jedoch nicht gut, wie der ehemalige Leiter der ZGE Schweinemast in Dolgen (Kreis Neustrelitz), berichtete, vgl. Krenz: Notizen, S. 180. Der ehemalige DDR-Veterinär Prange bezeichnet diese Haltungsform sogar als Tierquälerei – ohne jedoch Massentierhaltung a priori als Quälerei zu verurteilen, obwohl die Tiergesundheit dort ähnlich geschädigt wird, vgl. Prange: Spannungsfeld, S. 87. Vgl. auch Triebler, Georg: Industrielle Tierproduktion – Massentierhaltung – Haßleben, in: ARCHE NOVA 5, abgedruckt in: Jordan, Carlo/Kloth, Hans Michael (Hrsg.): Arche Nova. Opposition in der DDR. Das „Grün-ökologische Netzwerk Arche“ 1988 – 90. Mit Texten der ARCHE NOVA, Berlin 1995, S. 442 – 448, hier S. 448. 132 Vgl. Maaß, Mareike: Untersuchungen zur Arbeit des Schweinegesundheitsdienstes in der DDR – ein historischer Rückblick, Diss. Freie Universität Berlin 1999, S. 165. Für die Entenmast waren ähnliche Haltungsformen im Hochhaus vorgesehen, vgl. Mothes: Schlaraffenland, S. 107 – 114. 133 Vgl. Windhorst, Hans-W ilhelm: Agrarindustrie in den USA und der Bundesrepublik Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert, in: Pierenkemper, Toni (Hrsg.): Landwirtschaft und industrielle Entwicklung. Zur ökonomischen Bedeutung von Bauernbefreiung, Agrarreform und Agrarrevolution, Stuttgart 1989, S. 237 – 249, hier S. 240 ff. 134 Vgl. Poutrus: Goldbroiler, S. 219 und Kluge, Ulrich: Vierzig Jahre Agrarpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, Berlin (West)/Hamburg 1989, S. 384 ff. Auch in die Biowissenschaften, die u. a. die Steigerung der landwirtschaftlichen Erträge befördern sollten, orientierte sich die DDR-Forschung an den Entwicklungen in den USA, vgl. Malycha: Biowissenschaften, S. 1030.
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die Intensivhaltung, vor allem seit den Siebzigerjahren, die Produktion bestimmte. Erste Versuche mit der Intensivhaltung in der Bundesrepublik wurden 1953 in der Hühnerhaltung mit den sogenannten „Legebatterien“ gemacht.135 Die Massentierhaltung war indes keine Erfindung des 20. Jahrhunderts – ähnlich fragwürdige Tierhaltungen gab es schon im frühen neuzeitlichen England („battery farming“)136; in Deutschland fallen die Anfänge der bodenunabhängigen Massentierhaltung bereits in die Zeit des Kaiserreichs.137 In der DDR wurde 1968 mit dem Aufbau von „industriemäßigen Beispielanlagen“ begonnen, zunächst in der Eier- und Geflügelfleischproduktion.138 Diese Pilotanlagen dienten der Erprobung der neuen Haltungsmethoden und waren damit sozusagen „Forschungslabor[e]“ 139, in denen tausende Tiere zu Versuchsobjekten wurden – wie es schon beim Offenstallprogramm der Fall gewesen war. Der hastige Ausbau der „industriemäßigen Tierproduktion“ ermöglichte keine umfangreichen, vorherigen Erprobungen, weswegen neue Technologien stets in den neu errichteten Anlagen getestet wurden.140 Der Übergang zur industriellen Massentierhaltung war jedoch auch in anderen Ländern schwierig und zum Teil mit beträchtlichen Tierverlusten verbunden; in der Phase der industriellen 135 Vgl. Meyer: 19./20. Jahrhundert, S. 414. Vgl. dazu auch Windhorst, Hans-W ilhelm: Die sozialgeographische Analyse raum-zeitlicher Diffusionsprozesse auf der Basis der Adoptorkategorien von Innovationen – Die Ausbreitung der Käfighaltung von Hühnern in Südoldenburg, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie (künftig: ZAA) 27 (1979), S. 244 – 266. Eindrückliche Beschreibungen der frühen Massentierhaltung in den USA vgl. Jungk, Robert: Die Zukunft hat schon begonnen. Amerikas Allmacht und Ohnmacht, Stuttgart/Hamburg 1953; Harrison, Ruth: Tiermaschinen. Die neuen landwirtschaftlichen Fabrikbetriebe, München 1965 und für die mechanisierte Tötung und Fleischverarbeitung vgl. Giedion, Sigfried: Die Herrschaft der Mechanisierung. Ein Beitrag zur anonymen Geschichte, Frankfurt am Main 1982 (Original: Mechanization takes Command, Oxford 1948), hier v. a. das Kapitel „Mechanisierung und Tod: Fleisch“, S. 238 – 277. 136 Vgl. Thomas: Natural World, S. 93 f. 137 Vgl. Uekötter: Wahrheit, S. 106. Zur gegenwärtigen Massentierhaltung vgl. grundlegend Noske: Entfremdung. 138 Vgl. Zelfel, Siegfried: Entwicklung der Organisationsformen in der Tierzucht der DDR, in: Wolf, Johannes/Schönmuth, Georg/Zelfel, Siegfried/Pfeiffer, Helmuth (Hrsg.): Tierzucht in der DDR und in den neuen Bundesländern. Organisation Tierzucht, Ausbildung und Tierzuchtforschung, Rinderzucht, Schweinezucht, Sonderheft I, Bonn 2007, S. 23 – 70, hier S. 34. Die ersten Betriebe, das „Broiler-Legehennen-Kombinat“ in Königs Wusterhausen (Bezirk Potsdam) sowie das „Broiler-Kombinat“ in Möckern (Bezirk Magdeburg), wurden ab 1965 aufgebaut, vgl. Poutrus: Goldbroiler, S. 91, zur Planung und Ausführung detailliert ebenda, S. 91 – 116. 139 Vgl. Schwedler, Helmut: Der Übergang zur industriemäßigen Tierproduktion und die Aufgaben der veterinärmedizinischen Forschung, in: MfV 27 (1972), S. 370 – 373, hier S. 372. 140 Vgl. Stock: Tierschutz, S. 294; Woll: Nicht alltäglich, S. 17.
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Nutzung wurde (und wird) das Tiersterben in bestimmten Größenordnungen im Rahmen der Kosten-Nutzen-Rechnung dann allgemein akzeptiert.141 In der DDR kamen durch die Unzulänglichkeiten der zentralen Planwirtschaft indes noch Schwierigkeiten wie mangelnde Bau- und Materialkapazitäten oder Sparmaßnahmen und Ähnliches hinzu, die den Ausbau der „industriemäßigen Tierproduktion“ zusätzlich erschwerten. Jene Anlagen der Massentierhaltung waren standardisierte, auf eine Tierart und meist eine „Produktionsstufe“ spezialisierte Zucht- und Mastanlagen, wo mehrere Tausend Tiere entweder in Käfigen (wie in der ‚Legehennen‘- und Läuferhaltung), auf Beton-Spalten-Böden (wie in der Rinder- und Schweinehaltung), ein Leben lang angebunden oder unbeweglich in einem Kasten stehend (wie in der Sauenhaltung) oder in großen Gruppen im Laufstall (wie in der ‚Milchkuh‘-Haltung) oder zu tausenden unter einem Dach (wie in der Geflügel-Bodenmast) mit künstlicher Klima- und Lichtregulierung (meist in absoluter Dunkelheit) untergebracht waren.142 Unter „Stufenproduktion“ wurde in der „industriemäßigen Tierproduktion“ die Aufsplittung von Zucht, Aufzucht und Mast und daraus hervorgehenden „Stufenprodukte“ verstanden. In der „Rinderproduktion“ waren das zum Beispiel die „Stufenprodukte“ Kalb, Jungrind/Färse, Mastrind/Milchkuh und das „Endprodukt“ Schlachtkuh.143 Ausnahme bildeten die „Kombinate Industrielle Mast“ (KIM).144 Die KIM waren auf eine Tierart spezialisierte Betriebe, die landlos betrieben wurden und Eigentum des Staates waren. Die volkseigenen Betriebe (VEB) KIM waren abgerundete Betriebe, das heißt, die KIM vereinigten in einem geschlossenem „Produktionszyklus“ alle „Produktionsstufen“.145 Weitere wesent liche Merkmale der „industriemäßigen Tierproduktion“ waren neben der meist ganzjährigen Einstallung einer möglichst großen Anzahl von gleichaltrigen und
141 Vgl. Meyer: 19./20. Jahrhundert, S. 414 f. und S. 421. 142 Detailliert zur Haltung von Rindern und Schweinen in der „industriemäßigen Tierproduk tion“ der DDR unter tierschutzrelevanter Fragestellung vgl. Stock: Tierschutz. 143 Vgl. Groschoff/Heinrich: Industriemäßige Produktionsmethoden, S. 99 und S. 299 ff. 144 Oder auch „Köstlich Immer Marktfrisch“, Werbespruch für die Produkte der Kombinate Industrielle Mast (KIM), in: Landwirtschaftsausstellung der DDR (Hrsg.): Goldbroiler und Ei, 2., überarb. Aufl., Markkleeberg 1970, Umschlagtext ohne Seitenangabe. 145 In Königs Wusterhausen beispielsweise umfasste das KIM in der Eierproduktion die Junghennenaufzucht, die Legehennenhaltung, die Eiersortierung und den Versand und in der Broilerproduktion die Vermehrung (Bruteiererzeugung und Kunstbrut), die Kükenaufzucht sowie die Mast. Weiterhin war ein Schlachthof, ein Kühlhaus und eine Versandabteilung angeschlossen, vgl. Groschoff/Heinrich: Industriemäßige Produktionsmethoden, S. 286. 1989 gab es insgesamt 38 KIM in der DDR, vgl. „Das KIM ist aufgeteilt“, in: Top Agrar Spezial Nr. 24 vom 23. 12. 1991, S. 4 – 7, hier S. 4. Zur Abwicklung der KIM durch die Treuhandanstalt vgl. ebenda.
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-geschlechtlichen Tieren auf engstem Raum 146 die Mechanisierung und Automatisierung der Arbeit, die Chemisierung (Anreicherung des Tierfutters mit Harnstoff, Antibiotika, Vitaminen und Mineralstoffen sowie Anwendung von Medikamenten und Impfstoffen 147), die arbeitsteilige Zerlegung und Spezialisierung der Produktionsabläufe sowie neue Fütterungsmethoden.148 Auch die Normierung und Standardisierung der Tiere und der tierlichen Produkte gehörte zu den Merkmalen der Massentierhaltung.149 Das heißt, die „industriemäßige Tierproduktion“ erforderte eine hochspezialisierte Tierzucht, die das züchterische Ziel der Adaption der Tiere an die neuen Haltungsformen bei Wahrung beziehungsweise Steigerung ihrer maximalen Leistung verfolgte.150 1990 wurden in der DDR 140 sogenannte Milchviehanlagen (MVA) mit 1.000 bis 4.000 Kuhplätzen, davon 112 MVA mit mehr als 2.000 Plätzen, elf Schweinezucht- und -mastanlagen, wo je 165.000 bis 185.000 Tiere gehalten wurden, sowie fünf Rindermastanlagen mit 18.000 bis 20.000 Stallplätzen gezählt. Außerdem gab es Anlagen für die industriemäßige Jungrinderaufzucht mit 6.000 bis 12.000 Plätzen und für die industriemäßige Schafzucht- und -haltung mit 3.000 bis 6.000 Stallplätzen. In der Eierproduktion wurden 32 Betriebe mit einer Jahresproduktion von 200 bis 295 Millionen Stück Hühnereiern gezählt.151 Das KIM in Königs Wusterhausen etwa versorgte ganz Ost-Berlin mit Eiern und Hühnern.152 Eine 146 Die ganzjährige Stallhaltung wurde in der Rinderhaltung zum Teil wieder zurückgenommen, da die Weidehaltung zusätzliches Futter einsparte sowie die Gülleentsorgung entschärfte (und sich günstig auf die Gesundheit der Tiere auswirkte), vgl. Weiland, G.: Stand und Perspektive der Weidehaltung in der Rinderproduktion aus technologischer Sicht, in: MfV 36 (1981), S. 41 – 45; Heinz, S.: Ökonomische Aspekte der Weidehaltung, in: MfV 36 (1981), S. 161 – 164. Die forcierte Ausweitung der Weidehaltung führte allerdings zum Teil zur Überweidung der Flächen (pflanzenlose Flächen entstehen), vgl. Kurjo, Andreas: Landwirtschaft und Umwelt in der DDR. Ökologische, rechtliche und institutionelle Aspekte der sozialistischen Agrarpolitik, in: Redaktion Deutschland Archiv (Hrsg.): Umweltprobleme und Umweltbewusstsein in der DDR, Köln 1985, S. 39 – 78, hier S. 58. 147 Zu Futtermittelzusätzen siehe Kapitel 3.1.2. 148 Vgl. Groschoff/Heinrich: Industriemäßige Produktionsmethoden, S. 19 f. Zu allgemeinen Merkmalen der „maschinellen Großproduktion“ (Synonym für die „industriemäßige Produk tion“) vgl. ebenda, S. 57 – 60. Besonderheiten der Landwirtschaft und Merkmale der Agrarindustrialisierung ebenda, S. 61 – 65. 149 Vgl. Inhetveen, Heide: Zwischen Empathie und Ratio. Mensch und Tier in der modernen Landwirtschaft, in: Schneider, Manuel (Hrsg.): Den Tieren gerecht werden. Zur Ethik und Kultur der Mensch-Tier-Beziehung, Kassel/Witzenhausen 2001, S. 13 – 32, hier S. 18. 150 Vgl. dazu den anschließenden Abschnitt zur DDR-Tierzucht. 151 Vgl. Pollack: Landwirtschaft, S. 1448. 152 Bis 1974 wurden dort 676.000 Plätze für ‚Legehennen‘ und 600.000 Plätze für die Mast eingerichtet, vgl. Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 403.
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der größten „Schweinefabriken“ der Welt stand in der DDR: das Schweinezuchtund Mastkombinat (SZMK) in Eberswalde, wo bis zu 200.000 Schweine gehalten wurden.153 Traurige „Berühmtheit“ erlangte jedoch das SZMK Neustadt an der Orla (185.000 Schweine), das aufgrund der massiven Umweltzerstörungen zum Gegenstand von Protestbewegungen Ende der Achtzigerjahre wurde.154 Die dortige planmäßige Jahresproduktion betrug 25.000 Tonnen Schweinefleisch.155 Zu den größten Rindermastanlagen der DDR gehörte die Bullenmastanlage Ferdinandshof (Kreis Ueckermünde), wo 40.000 Tiere eingestallt waren.156 Die „2.000er MVA“ in Dedelow (Kreis Prenzlau) war mit 2.000 Kühen eine der größten „Milchfabriken“ Europas (und ist es mit 2.600 Tieren bis heute).157 Der Bezirk Neubrandenburg nahm mit beiden letztgenannten Großanlagen und der „Industriellen Rindermastanlage“ (IRIMA) Hohen Wangelin (22.000 Rinder, aber auch 12.000 Schweine) beim Aufbau der industriellen Massentierhaltung eine Schlüsselrolle ein.158 Eine große Forellenmastanlage (zwei Millionen Fische) stand in der Nähe von Berlin (Kreis Fürstenwalde).159 Die gigantischen Tier fabriken – und hier insbesondere die KIM – hatten eine nicht hoch genug einzuschätzende politisch-ökonomische und damit systemstabilisierende Bedeutung für das SED-Regime: Erstens produzierten sie vornehmlich für den Export und zweitens sicherte die Massentierhaltung die kontinuierliche Versorgung der Bevölkerung. Wobei die Tierfabriken, bis auf diejenigen der Geflügelproduktion, 153 Vgl. Prange: Tiergroßanlagen, S. 202. Vgl. auch Kiupel, Kathrin: Ein Beitrag zur Geschichte der industriemäßigen Tierproduktion in der ehemaligen DDR. Der Schweinezucht- und Mastbetrieb Eberswalde unter besonderer Berücksichtigung der tierärztlichen Betreuung, Diss. Freie Universität Berlin 1996. 154 Vgl. dazu Schönfelder, Jan: Mit Gott gegen Gülle. Die Umweltgruppe Knau/Dittersdorf 1986 bis 1991. Eine regionale Protestbewegung in der DDR, Rudolstadt/Jena 2000. 155 Vgl. Breitschuh (u. a.): Landwirtschaft, S. 71. 1985 wurde das Produktionsziel von 25.000 Tonnen Fleisch erstmals überschritten, vgl. Prange: Tiergroßanlagen, S. 192. Dort ist auch eine Beschreibung und Skizze der Anlage zu finden, vgl. ebenda, S. 193 und S. 207. 156 Vgl. Prange: Bauernschicksale, S. 74. 157 Vgl. Krenz: Notizen, S. 102. In den Achtzigerjahren wurde die Anlage auf 3.750 Plätze erweitert, vgl. Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. 39. 158 Die Dörfer Ferdinandsdorf und Dedelow wurden Ende der Sechzigerjahre zudem zu „sozia listischen Musterdörfern“ mit städtischen Antlitz umgebaut, vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 161 und S. 447 – 458 und S. 158; Krenz: Notizen, S. 107 f. (Ferdinandshof ) und S. 131 ff. (Hohen Wangelin). Bis heute stehen die größten Zucht- und Mastanlagen Deutschlands im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, vgl. Müller, Arndt: Mecklenburg-Vorpommern. Wo die Mega-Ställe stehen, in: Heinrich-Böll-Stiftung/Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (Hrsg.): Fleischatlas 2016 – Deutschland regional. Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel, S. 18 – 19, hier S. 18. 159 Vgl. IG Löcknitztal: Das Forellen-Haßleben, in: ARCHE NOVA 5, gekürzt abgedruckt in: Jordan/Michael (Hrsg.): Arche Nova, S. 451 – 455.
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unwirtschaftlich produzierten: Die hohen personellen, materiellen und finanziellen Kosten sowie konstant hohe Tierverluste konnten auch die extrem hohen Tierkonzentrationen kaum ausgleichen.160 Die „industriemäßige Tierproduktion“ war darüber hinaus ein prägnantes Beispiel für die „Tonnenideologie“ der DDR. Das heißt, allein die Quantität bestimmte die (Land-)Wirtschaft.161 Die sogenannte „Kuhschwanzpolitik“, der zufolge die Anzahl der Tiere ständig erhöht wurde (ohne Rücksicht auf Futterbereitstellung, Stallplätze, Standortbedingungen, geschweige denn unter Bezugnahme auf das ‚Tierwohl‘), wurde vom akuten Devisenmangel in den von Versorgungskrisen geprägten Achtzigerjahren noch weiter angeheizt.162 Die von vielen Seiten geäußerte Kritik an der Größe der Stallanlagen fand bei der SED zunächst wenig Gehör.163 Die Anzahl der Tiere, nicht die Leistung des Einzeltieres, hatte höchste Priorität. Die steigende Produktivität der DDR-Tierproduktion war – außer in der ‚Milchkuh‘-Haltung – allein auf die Erhöhung der Tierbestände zurückzuführen. Deswegen war die SED auch nicht gewillt, die Tierbestände zu reduzieren, was sich positiv auf die Futterversorgung und damit die individuelle tierliche Leistung ausgewirkt hätte.164 Damit ist einer der wesentlichen Aspekte der veränderten Mensch-‚Nutztier‘Beziehung angesprochen (der nicht allein auf die DDR zutraf ): Das Einzeltier tritt in seiner Bedeutung zurück – es wird zur standardisierten, industriell 160 Der Schweinezucht- und Mastbetrieb Eberswalde beispielsweise wurde schätzungsweise jährlich mit 30 Millionen Mark subventioniert, vgl. Kiupel: Schweinezucht- und Mastbetrieb Eberswalde, S. 124. 161 Vgl. Radkau, Joachim: Revoltierten die Produktivkräfte gegen den real existierenden Sozia lismus?, Technikhistorische Anmerkungen zum Zerfall der DDR, in: 1999. Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts 4 (1990), S. 13 – 42, hier S. 29; Breitschuh (u. a.): Landwirtschaft, S. 73. 162 Von 1950 bis 1989 sind die Großtierbestände um insgesamt 140 Prozent gestiegen (Rinder um 158 Prozent, Kühe um 124 Prozent, Schweine um 210 Prozent, Schafe um 240 Prozent und ‚Legehennen‘ um 122 Prozent), vgl. Pollack: Landwirtschaft, S. 1442 f. Vgl. auch Schulzke, Dietrich: Landwirtschaft im Umbruch – ein Erlebnis- und Erfahrungsbericht, in: Prange: Bauernschicksale, S. 435 – 447, hier S. 444; George, Klaus: Der Weg in die LPG-Leitung und der Alltag eines Produktionsleiters, in: Prange: Bauernschicksale, S. 447 – 458, hier S. 448. 163 Vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 164 f. Zur Disziplinierung der KritikerInnen vgl. Langenhan, Dagmar: „Wir waren ideologisch nicht ausgerichtet auf die industriemäßige Produktion.“ Machtbildung und forcierter Strukturwandel in der Landwirtschaft der DDR der 1970er Jahre, in: ZAA 2 (2003), S. 47 – 55, hier S. 51 ff. 164 Vgl. auch Krenz: Notizen, S. 175 und S. 179; Schier: Merxleben, S. 218 f. Auch aus Fachkreisen gab es zunächst Zuspruch: „Das Argument ‚Lieber weniger Tiere, aber besser füttern‘ ist eine falsche und unwissenschaftliche Orientierung und wird von der Praxis der sozialistischen Landwirtschaftsbetriebe widerlegt.“ Strümpf, Karl-Heinz: Die Aufgaben der Tierärzte bei der Erhöhung der Fleischproduktion und der Viehbestände, in: MfV 17 (1962), S. 874 – 877, hier S. 875.
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hergestellten Massenware. Der bereits induzierte Prozess der Distanzierung vom Tier in den Groß-LPG verstärkte sich in der industriellen Intensivhaltung. Der individuelle Kontakt z wischen den „Werktätigen in der Landwirtschaft“ und dem tierlichen Individuum ging in den gigantischen Stallanlagen weiter verloren 165 und hatte vielfache Folgen: Die Mensch-‚Nutztier‘-Beziehung war zunehmend von Entsubjektivierung und Entpersonalisierung geprägt. Durch die Arbeitsteilung wurde nur noch eine bestimmte Tätigkeit am Tier verrichtet, was nicht nur die alltäglichen Begegnungen zeitlich stark verkürzte, sondern auch den Körperkontakt auf ein Minimum reduzierte. Dies wiederum führte nicht selten zu einem Wissensverlust über das tierliche Verhalten und die tierlichen Bedürfnisse. Im Krankheitsfall entschieden nun VeterinärmedizinerInnen, nicht mehr das eigene Erfahrungswissen. Wissenschaft und Technik ersetzten das Auge für das Einzeltier und schoben sich zwischen Mensch und Tier.166 Die vor der Agrarmodernisierung zeitlich aufwendige Beziehung zum Lebendigen war nicht mehr gegeben, die in spezialisierten Arbeitsabläufen organisierte Massenabfertigung führte zu Empathieverlusten.167 Die Tiere lebten nun nicht mehr ihr ganzes (kurzes) Leben in einem Betrieb. Durch den Übergang zur „Stufenproduktion“ fand keine „Begleitung“ des Tieres mehr statt, „existenzielle Grenzereignisse“ wie Geburt, Krankheit und Tod wurden nicht mehr miterlebt.168 Durch das „Produk tionsprinzip“ ging der Bezug zum Tier verloren – das Tier als Ganzes geriet aus dem Blick und wurde auf ein „Stufenprodukt“ reduziert. In der industriellen Tierproduktion rückte in zunehmenden Maße das „industrielle Produkt“ (Fleisch, Milch, Eier, aber auch „Stufenprodukte“ wie Küken, Läufer oder Kälber) in den Vordergrund.169 Sowohl die produktionsbedingte Zersplitterung als auch die territoriale Aufteilung eines Betriebes auf verschiedene Standorte hatten in der DDR darüber hinaus häufige Tiertransporte und -umsetzungen zur Folge, was für die Tiere Transportstress und ein erhöhtes Gesundheitsrisiko bedeutete.170 165 Für die Betreuung in einer Schweinemastanlage mit 12.480 Tieren waren 32 Arbeitskräfte vorgesehen. Aufgrund von organisatorischen und technischen Mängeln wurden aber teilweise bis zu 49 Arbeitskräfte eingesetzt; bei Arbeitskräftemangel waren nur 26 Personen beschäftigt, vgl. Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. 125 f. In einem industriemäßigen Schweinestall in Merxleben waren lediglich 26 Personen für 26.000 Läufer zuständig, vgl. Schier: Merxleben, S. 207. 166 Vgl. Inhetveen: Empathie und Ratio, S. 26 ff.; Schmidt, Götz/Jasper, Ulrich: Agrarwende oder die Zukunft unserer Ernährung, München 2001, S. 30, 35 – 38. 167 Vgl. Inhetveen: Empathie und Ratio, S. 17. 168 Vgl. ebenda, S. 26. 169 Vgl. Idel, Anita: Vom Produkt-Design zur Designer-Kuh. Die landwirtschaftliche (Aus-) Nutzung der Tiere, in: Schneider (Hrsg.): Tieren gerecht werden, S. 33 – 54, hier S. 39 ff. 170 Vgl. Stock: Tierschutz, S. 30 und S. 281. Zu Tiertransporten und Tierschutz vgl. ebenda, S. 78 ff. (Rechtstextanalyse) und S. 281 – 289 (mit Fallbeispiel). Schweinen wurden für den
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Die monotonen Arbeiten im „Umgang mit namenlosen Trägern von Massenmerkmalen“ trug ebenso wie „die Hygienisierung […] zur neuen Sterilität im Mensch-Tier-Verhältnis bei.“ 171 Unter dem Begriff Hygienisierung wurden (und werden) die hohen Schutzmaßnahmen und strengen Hygienebestimmungen, die die Massentierhaltung erforderte, zusammengefasst. In den DDR-Großanlagen bestand durch die hohe Tierkonzentration stets ein großes Seuchenrisiko, zudem besaßen die Tiere kein breites Abwehrspektrum mehr. Der permanente und überhöhte Einsatz von Arzneimitteln in der DDR sollte überdies Mängel in der Haltung, Technologie und Fütterung sowie Planrückstände ausgleichen, was wiederum die Resistenz der Erreger stark erhöhte.172 Zu den Schutzmaßnahmen der Stallhygiene gehörten das „Alles-rein-Alles-raus-Prinzip“ 173, das „Schwarz- Weiß-Prinzip“ 174 sowie ein hoher Einsatz von Arzneimitteln und Impfstoffen.175 Fremde Arbeitskräfte und BesucherInnen durften die wie Gefängnisse streng gesicherten Anlagen nur mit höchster Genehmigung betreten.176 Zutritt zu den Transport ins Schlachthaus kreislaufstabilisierende Mittel verabreicht, vgl. Interview mit einem Zootechniker der VEB Schweinezucht und -mast Haßleben (Bezirk Neubrandenburg, Kreis Templin), in: Haßleben – Ein Gespräch, in: ARCHE NOVA 5, abgedruckt in: Jordan/ Michael (Hrsg.): Arche Nova, S. 440 f., hier S. 441. Außerdem wurde mit Psychopharmaka experimentiert, vgl. Völker, H./Hölzel, W./Grätsch, U.: Indikation von Psychopharmaka bei Tiertransporten, in: MfV–29 (1974), S. 177 – 181. 171 Vgl. Inhetveen: Empathie und Ratio, S. 27. 172 Vgl. Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. 166. Vgl. dazu auch: Worsek, M./Fiebig, Hildegard: Bakteriologische Resistenzprüfung – ein Bestandteil der veterinärmedizinschen Produk tionskontrolle, in: MfV 33 (1978), S. 552 – 556. Das hohe Seuchenrisiko lag auch daran, dass die DDR mehr und mehr zum Transitland wurde und von Ländern (Ost und West) umgeben war, die weniger streng im Seuchenfall vorgingen als die DDR, vgl. Köpp: Von Tieren, S. 302 f. 173 Alle Tiere eines Stalls werden auf einmal ein- bzw. ausgestallt, vor der Neubelegung erfolgt eine komplette Desinfektion des Stalles, vgl. Mothes: Fließband, S. 15. 174 Der „Schwarzteil“ umfasste die Bereiche, wo das Personal sich umkleidete und duschte, der „Weißteil“ war der hygienisch reine Bereich, der nur mit Gummistiefeln und nach vorherigem Betreten einer Desinfektionsmatte zugänglich war. Fahrzeuge mussten durch Desinfek tionswannen fahren, vgl. Mothes: Fließband, S. 13 f. Zum S.-W.-System vgl. auch Prange, Hartwig/Bergfeld, Jost (Hrsg.): Veterinärmedizin und industriemäßige Schweineproduk tion, Jena 1975, S. 165 – 168. 175 Vgl. Kurjo: Landwirtschaft, S. 67 ff. und schon 1962: Röhrer, H.: Der Schutz vor Virusinfek tionen bei der Massentierhaltung, in: MfV 17 (1962), S. 65 – 73. Für die Bundesrepublik vgl. auch Uekötter: Wahrheit, S. 343 – 346. 176 Vgl. dazu Karge, E./Burckhardt, A.: Errichtung von Tierproduktions-Sperr-und-Schutzzonen durch das örtliche Staatsorgan am Beispiel eines Jungrinderaufzuchtgebietes, in: MfV 33 (1978), S. 361 – 363. Die strikten Hygieneschutzmaßnahmen wurden zum Teil auch für den Wegzug der Dorfjugend verantwortlich gemacht: „Wir sollen die Kinder begeistern und interessieren, aber sie dürfen gar nicht in die Ställe!“ Protokoll der erweiterten KOR-Sitzung
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industriemäßigen Ställen verschafften sich hingegen zunehmend Ratten, Mäuse und Fliegen.177 Die Prävention wurde in der DDR somit zum Grundprinzip der „Tierproduktion“ und des Veterinärwesens: Man wendete sich von der Kurativpraxis und Einzeltierbetreuung ab und der Prophylaxe und Herdenbetreuung zu 178, wobei die tierärztlichen Eingriffe einen „Massen- und Routinecharakter“ 179 annahmen.180 Trotz der intensiven veterinärmedizinischen Betreuung und des hohen Arzneimitteleinsatzes blieben die Tierverluste in den Großanlagen konstant hoch.181 Für die sensiblen und störanfälligen Stallanlagen interessierte sich aufgrund der hohen Seuchengefahr auch die Wirtschaftsabteilung des MfS. Besonders in den Achtzigerjahren, als die DDR zunehmend von Deviseneinnahmen abhängig war, waren Seuchenausbrüche von politischer Bedeutung, da jeder Seuchenausbruch einen sofortigen Exportstopp zur Folge hatte.182 [Kooperationsrat, A. L.] vom 26. 11. 1981, SAPMO BArch DY 30/299, unpag. (zitiert nach Heinz: Industrialisierung, S. 342). 177 Vgl. Kurjo: Landwirtschaft, S. 68. Vgl. auch: Tannert, W.: Über die Notwendigkeit und Möglichkeit der völligen Beseitigung von Mäusebefall in den Anlagen industriemäßiger Geflügelproduktion, in: MfV 31 (1976), S. 108 – 114; Breev, K. A.: Gegenwärtige Tendenzen in der Entwicklung der Methodologie der Parasitenbekämpfung unter Berücksichtigung des Umweltschutzes, in: MfV 32 (1977), S. 882 – 885; Fahr, Gerda/Ribbeck, Regine/Hiepe, T.: Zur Fliegenbekämpfung in industriemäßig produzierenden Schweineanlagen, in: MfV 32 (1977), S. 908 – 911; Haupt, W./Köhler, Rita: Mehrjährige Erfahrungen und Ergebnisse bei der Parasitenbekämpfung in einer industriemäßig produzierenden Schweinezuchtanlage, in: MfV 32 (1977), S. 532 – 534. Auch ein Beitrag in der Samisdat-Zeitung ARCHE NOVA 5 thematisiert das nicht zu unterschätzende Problem, vgl. Jordan/Michael: Arche Nova, S. 436 (Artikel nicht abgedruckt). 178 Vgl. Stock: Tierschutz, S. 54; Azar: Veterinärwesen, S. 373. „Die Heilung erkrankter Einzeltiere […] wollen wir deshalb nicht in den Vordergrund stellen, aber auch nicht aus unserem tierärztlichen Aufgabengebiet streichen, da die Erhaltung des Produktionsmittels Tier unter ökonomisch vertretbarem Einsatz eine gleichfalls nicht zu unterschätzende volkswirtschaft liche Bedeutung hat.“ Heinicke, Wilfried: Aufgaben und Perspektive für das Veterinärwesen der Deutschen Demokratischen Republik, in: MfV 22 (1967), S. 242 – 250, hier S. 243. 179 Gruner, Johannes: Maßnahmen zur Versorgung mit Instrumenten und technischem Gerät, in: Mieth/Prange (Hrsg.): Bezirkstierkliniken, S. 101 – 102, hier S. 101. Vgl. auch Azar: Veterinärwesen, S. 26 („sich wiederholende, mechanische Tätigkeiten“). 180 Für diese Arbeiten wurden vornehmlich VeterinärtechnikerInnen und -ingenieurInnen eingesetzt. Deren Ausbildung wurde Ende der Sechziger aufgrund des Tierärztemangels (viele flüchteten nach Westdeutschland) und des erhöhten Bedarfs durch den Ausbau der „industriemäßigen Tierproduktion“ eingeführt, vgl. Stock: Tierschutz, S. 48. Siehe dazu auch Mieth, Karl/Azar, Julian/Prange, Hartwig (Hrsg.): Der Veterinäringenieur und weitere Berufe im Umfeld der Tiermedizin in der DDR, Halle (Saale) 2001. 181 Vgl. Prange: Tiergroßanlagen, S. 194. Zur Manipulation der in der DDR veröffentlichten Daten über die Tierverluste vgl. ders.: Spannungsfeld, S. 27 f. 182 Deswegen gab es in der DDR weitgefächerte Tiergesundheitsdienste. Diese waren für die Überwachung und vorbeugende Gesundheitsmaßnahmen der jeweiligen Tierbestände
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Dementsprechend viele VeterinärmedizinerInnen wurden zur Überwachung als „Inoffizielle Mitarbeiter“ (IM) angeworben.183 Das MfS dokumentierte dabei auch das gestörte Verhältnis zwischen Menschen und ‚Nutztieren‘, das sich in der DDR zum Teil in Misshandlungen und Quälereien der Tiere entlud 184, die meist nur strafrechtlich verfolgt wurden, sofern sie eine volkswirtschaftliche Relevanz hatten.185 Die Themen Tier- und Umweltschutz in der industriellen Landwirtschaft sind bis heute aktuell. Die starken Veränderungen der Landschaft und erste Tendenzen von Umweltschäden waren zunächst keine Besonderheit der DDRLandwirtschaft, sondern allgemeine, bis heute wirkende, Entwicklungen in Westeuropa. Theoretisch auferlegte das „Landeskulturgesetz“ der DDR-Landwirtschaft strikte Auflagen zum Natur- und Umweltschutz.186 Die gigantischen Agrarflächen und Tierfabriken sowie das Nicht-Einhalten können oder wollen von Rechtsbestimmungen führten dagegen zu spürbaren Unterschieden zu Westdeutschland. Die Umweltfolgen der industriellen Landwirtschaft und insbesondere die der Massentierhaltung wurden in DDR-Fachkreisen durchaus angesprochen und seit den späten Achtzigerjahren zunehmend berücksichtigt. Die industriemäßige zuständig. Tiergesundheitsdienste im Allgemeinen sind keine spezifische Entwicklung der DDR; sie gehen auf Institutionalisierungsprozesse Ende/Anfang des 19./20. Jahrhunderts zurück, vgl. Maaß: Schweinegesundheitsdienst, S. 39 ff. Im Bereich der landwirtschaftlichen ‚Nutztier‘-Haltung gab es „Tiergesundheitsdienste“ für Rinder, Schweine, Schafe, Pferde, Geflügel, ‚Pelztiere‘, Fische und Bienen. Außerdem gab es den „Klauen- und Gliedmaßengesundheitsdienst“. 183 Vgl. Prange, Hartwig: Tierseuchen und Tierverluste im Blick des Staatssicherheitsdienstes der DDR, in: Schäffer, Johannes (Red.): Domestication of Animals, Interaction between Veterinary and Medicia Science, Report of the 30th Congress of the WAHVM and the 6th Conference of the Historical Division of the DVG in Munich 9 – 12. Sept. 1998, Gießen 1999, S. 198 – 216, hier S. 201 f. Zur Überwachung der Tierproduktion durch das MfS bzw. zum Verhältnis von Veterinärwesen und MfS vgl. ders.: Spannungsfeld, S. 32 – 41; ders.: Bauernschicksale, S. 245 – 306; Baer, Alexandra.: Der Einsatz von Inoffiziellen Mitarbeitern des Staatssicherheitsdienstes der DDR in der Veterinärmedizin, Diss. Tierärztliche Hochschule Hannover 2003. Auch Stock führt in ihrer Studie zahlreiche Akten des BStU an, vgl. Stock: Tierschutz. Allgemein zur Tätigkeit der Staatsicherheit in der Produktion vgl. Hürtgen, Renate: „Stasi in der Produktion“. Umfang, Ausmaß und Wirkung geheimpolizeilicher Kontrolle im DDR-Betreib, in: Gieseke (Hrsg.): Staatssicherheit, S. 295 – 317. Grundsätzliche Überlegungen zur staatlichen Sicherung der Produk tion („Einheit von Produktion und Sicherheit“) allgemein vgl. nochmal: L indenberger: Öffentliche Sicherheit. 184 Vgl. Schönfelder: Mit Gott, S. 21 f.; ders.: Industrielle Tierproduktion bei Neustadt an der Orla (1978 – 1991), Erfurt 2006, S. 2 f. Vgl. eigene Recherchen beim BStU (siehe unten) und Stock S. 296. 185 Vgl. Busch: Tierschutz, S. 78. 186 Dazu zum Beispiel Groschoff/Heinrich: Industriemäßige Produktionsmethoden, S. 36 – 39.
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Ausrichtung der Landwirtschaft wurde jedoch nie infrage gestellt.187 Die Überwindung der Umweltprobleme sei allein eine Frage von Technologie, Einhaltung der Rechtsnormen sowie der „Ordnung und Disziplin und Sicherheit“. Der Tierschutz dagegen fand kaum Erwähnung in der (agrarwissenschaftlichen) DDRLiteratur. Erstens hätte eine dahingehende Kritik zugleich die SED -Agrarpolitik infrage gestellt und zweitens wurden Probleme der Tiergesundheit – wie Umweltrisiken – zu technologisch lösbaren Problemen erklärt.188 Denn die „industriemäßige Tierproduktion erfülle auch den Tierschutzgedanken in einem bisher nicht gekannten Sinne“ 189 und [w]er einmal gesehen hat, wie behaglich sich die Schweine oder auch andere industriemäßig gehaltene Tiere in den modernen Aufstallungsformen fühlen, der erkennt leicht, wie groß der Fortschritt gegenüber den früheren Haltungsformen ist. Am deut lichsten wird das dadurch, daß die Tiere heute wesentlich höhere Leistungen bringen als vordem.190
Dieser Überzeugung zufolge sei Tierschutz an hohen Leistungen „ablesbar“.191 Die tatsächlich höheren Leistungen der Tiere in den industriemäßigen Anlagen 187 Zu den dringlichsten Problemen gehörten in der DDR die Gülleentsorgung, die Gewässerund Bodenbelastung (vor allem von Gülle, Silo-Sickersaft sowie Pflanzenschutz- und Düngemitteln), die Bodenverdichtung und -erosion, Waldschäden durch Schadgase und der hohe Wasserverbrauch, vgl. dazu zum Beispiel Aa, Rudolph von der: Zur Umweltbeeinflussung durch industriemäßige Tierproduktion, in: MfV 29 (1974), S. 740 – 743, Mehlhorn, G./Kurzweg, W./Bange, V./Schmidt, Vera: Umweltschutz und Tierhygiene, in: MfV 42 (1987), S. 627 – 632; Schwedler, Helmut: Zu den nächsten Aufgaben der Tierärzte im Umweltschutz, in: MfV 43 (1988), S. 440 – 441. Beispielhaft für die Umweltfolgen der DDR-Massentierhaltung vgl. Prange: Tiergroßanlagen, S. 195 – 206. Zum Vergleich von Umweltschäden durch die Agrarmodernisierung in der Bundesrepublik und DDR vgl. Bauerkämper: Agrarmodernismus, S. 159 – 164. Zu Umweltproblemen in der Bundesrepublik vgl. exemplarisch Uekötter: Wahrheit, S. 393 – 401. 188 „Die Entwicklung der industriemäßigen Tierproduktion in der sozialistischen Landwirtschaft macht den Tierschutz im traditionellen Sinne durch optimale hygienische Bedingungen der Tierhaltung, die ständige Erhöhung des Bildungsgrades der Werktätigen der Landwirtschaft, die Anwendung leistungsstimulierender Technologien usw. gegenstandslos.“ Lötsch, Dieter/ Schulze, Dietrich (Hrsg.): Grundriß der Staatsveterinärkunde, Jena 1975, S. 238 f. 189 Mothes: Fließband, S. 49. Prange macht für das Fehlen einer Tierschutzgesetzgebung und diesbezügliche Anforderungen an die Tierhaltung auch das Tierbild, demzufolge ‚Nutztiere‘ nur „Produktionsmittel“ seien, verantwortlich, vgl. Prange: Spannungsfeld, S. 25. 190 Mothes: Fließband, S. 75. Auch: „Weil ein Huhn nur dann fleißig Eier legt, wenn es gesund ist und sich wohl fühlt, geben uns somit die KIM-Hühner kund, saß ihnen die industriemäßigen Haltungsbedingungen vollauf zusagen.“ Ebenda, S. 89. 191 Vgl. auch „Es kommt besonders darauf an, die früheren Auffassungen über das gesunde Tier zu revidieren. Man kann nur dann ein Tier als gesund bezeichnen, wenn es seiner
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der DDR gegenüber jenen in den älteren Ställen waren jedoch ein Trugschluss: Sie basierten vor allem auf der Bevorzugung der industriemäßigen Großanlagen, was die Investitionen betraf. Das heißt, hier kamen einerseits besonders leistungsfähige Tiere sowie hochwertiges und ausreichendes (Konzentrat-)Futter zum Einsatz. Anderseits wurde hier (notwendiger Weise) besonderer Wert auf die veterinärmedizinische Betreuung gelegt und die Qualifikation der Arbeitskräfte war vergleichsweise hoch.192 Die herkömmlichen Ställe hingegen – wo noch immer der Großteil der Tiere stand – wurden vernachlässigt und verfielen zusehends, was tierschutzrelevante Folgen hatte. Tatsache aber ist: Die industrielle Massentierhaltung bedeutet (bis heute) Qual und Stress für die Tiere und Abstumpfung (oder sogar Verrohung) der dort tätigen Menschen.193 (Ganz abgesehen von den weltweiten Umweltschäden und einer fragwürdiger Agrarpolitik, wie Agrarsubventionen und -exporte in den globalen Süden.) Hinzu kamen in der DDR die systembedingten organisatorischen respektive materiellen Mängel und die absolute Priorität der Ökonomie 194, die die Tiergesundheit zusätzlich schädigten. Die „industriemäßige Tierproduktion“ stellte also nur zum Teil eine Verbesserung der Arbeits- und Lebensverhältnisse der TierpflegerInnen dar und ist bis heute ein ständiger Verstoß gegen den Tierschutz (und gegen das Arzneimittelgesetz).195 genetischen Veranlagung gemäß produziert.“ Kovács, F.: Hygienische Grundlagen der Entwicklung moderner Haltungstechnologien für die industriemäßige Tierproduktion, in: MfV 28 (1973), S. 764 – 767, hier S. 767. Diese falschen Überzeugungen waren (und sind) auch in der Bundesrepublik anzutreffen und Uekötter fragt sich zurecht „Wieso kam es überhaupt zu den Massenstallanlagen, wenn ihre Folgeprobleme sich doch schon so früh in aller Deut lichkeit abzeichnen?“ Uekötter: Wahrheit, S. 346. 192 Vgl. Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. VII. 193 Zur Verrohung in der „industriemäßigen Tierproduktion“ der DDR vgl. Grove, Brigitte: Tierschutz!, in: Kirchliches Forschungsheim Wittenberg (künftig: KFW) (Hrsg.): Grünheft. 22 Beiträge zur ökologischen Situation aus kirchlichen Umweltgruppen der DDR, Wittenberg 1990, S. 52 – 59, hier S. 58. Exemplarische Schilderung der Lebensbedingungen von Kühen in der „MVA Leeren“ (Kreis Schwerin, knapp 2.000 Tiere) vgl. Weist, Sigrid: Haßleben für Kühe. Tierärztliches Ethos und Milchproduktionsanlagen, in: ARCHE NOVA 5, abgedruckt in: Jordan/Michael (Hrsg.): Arche Nova, S. 449 – 451. Zur heutigen Intensivtierhaltung vgl. auch Jürgens, Karin: Die Mensch-Nutztier-Beziehung in der heutigen Landwirtschaft – ein agrarsoziologisches Forschungsfeld, in: Otterstedt, Carola/Rosenberger, Michael (Hrsg.): Gefährten – Konkurrenten – Verwandte: Die Mensch-Tier-Beziehung im wissenschaft lichen Diskurs, Göttingen 2009, S. 215 – 235; Idel: Designer-Kuh, S. 33 – 54. 194 „Die Grenzen dieser Umweltgestaltung [hinsichtlich der tierlichen Bedürfnisse, A. L.] werden von der Ökonomie und den gesellschaftlichen Entwicklungsbedingungen bestimmt.“ Kovács: Hygienische Grundlagen, S. 565. 195 Vgl. Meyer: 19./20. Jahrhundert, S. 423 f. Die tierartübergreifenden physischen und psychischen Schäden der Massentierhaltung leugnete auch die DDR-Veterinärmedizin nicht, wie die unzählbaren Artikel in den Monatsheften belegen. Zu Verhaltensstörungen vgl. zum
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Spezialisierung und Konzentration der Landwirtschaft Auf dem VIII. Parteitag der SED 1971 verkündete der neue Erste Sekretär des ZK der SED, Erich Honecker, den Durchbruch zur spezialisierten Großproduk tion in der Landwirtschaft und die Bildung von Kooperationen. Spezialisierte Großbetriebe übernahmen von jetzt an einzelne Produktionsstufen und bildeten mit anderen Betrieben Kooperationsgemeinschaften. Überbetriebliche Aufgaben übernahmen nun sogenannte „Zwischenbetriebliche Einrichtungen“ (ZBE) und „Zwischengenossenschaftliche Einrichtungen“ (ZGE ). Die Düngung und der Pflanzenschutz wurden von „Agrochemischen Zentren“ (ACZ) übernommen.196 Höhepunkt der von Gigantomanie und überspannter Spezialisierung geprägten SED -Agrarpolitik war die Trennung der sogenannten Tierproduktion von der Pflanzenproduktion. In der Hoffnung auf mehr ökonomische Effizienz und Erhöhung der Produktion wurde diese extreme Spezialisierung auf dem IX. Parteitag der SED 1976 als Ziel formuliert.197 Die Auflösung der traditionell zusammengehörenden Feld- und Viehwirtschaft hatte weitreichende Folgen. Zunächst wurde den LPG für Tierproduktion (LPG (T)) mit der Aufsplittung der wichtigste Faktor genommen, der über die Tierleistung bestimmte: das Futter. Die tierhaltenden Betriebe verloren ihre Autonomie über die Futtermittelproduktion und wurden in
Beispiel: Prange, Hartwig: Untersuchungen zum Kannibalismus bei Mastschweinen, in: MfV 25 (1970), S. 583 – 589; Rott, M.: Verhaltensstörungen in der Geflügelintensivhaltung – Ursache und Bedeutung der Hysterie, in: MfV 33 (1978), S. 455 – 458; Dietz, O./Ludwig, P.: Untersuchungen zur chirurgischen Behandlung der Milchsauger, in: MfV 34 (1979), S. 417 – 420; Porzig, Eberhard: Ursachen und Auswirkungen von Verhaltensstörungen auf die Leistungsausschöpfung bei Rindern, in: MfV 35 (1980), S. 44 – 47. Zu Erkrankungen vgl. etwa Dietz, O./Gängel, H./Koch, K.: Die Erhaltung der Gliedmaßen- und Klauengesundheit unter modernen Produktionsbedingungen, in: MfV 26 (1971), S. 241 – 246; Dietz, O./Koch, K.: Zur Klauengesundheit bei einstreuloser Haltung, in: MfV 27 (1972), S. 269 – 273; Fuchs, G.: Aspekte zum Begriff der Großanlagentauglichkeit – Klauengesundheit –, in: MfV 31 (1976), S. 930 – 935; Röhl, J./Bergmann, V.: Zehen- und Ballenveränderungen der Broilerelterntiere bei Käfighaltung, in: MfV 33 (1978), S. 675 – 677; Günther, R./Kohlert, Renate/ Grupe, Dorothee/Wiebelitz, K: Akutes Kreislaufversagen bei Broilern, in: MfV 43 (1988), S. 683 – 685. Zur Gesetzeslage des Tierschutzes in der Landwirtschaft siehe das Kapitel zum Tierschutz. Zur Rolle der VeterinärInnen im Tierschutz siehe das Kapitel zur ‚Heimtier‘Haltung. Zum Tierschutz in der DDR-Rinder- und Schweinehaltung vgl. Stock: Tierschutz. 196 Mit dem Kooperationskonzept wendete man sich nun vom Konzept der „Groß-LPG“, die alle Produktionsstufen vereinte („abgerundeter“ Betrieb) ab, vgl. Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 198 f. und S. 399 ff.; Langenhan: Machtbildung, S. 50. 197 Auch hier gab es wieder internationale Vorbilder, aus den USA und Westeuropa, wo sich auf eine Tierart spezialisierte, landlose Betriebe Tiere hielten, ohne auch nur ein Kilogramm Futter selbst produzieren zu können, vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 76 ff. 1977 wurden die neuen Musterstatuten speziell für die LPG (P) und LPG (T) verabschiedet.
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doppelter Hinsicht von den Pflanzenproduktionsbetrieben (LPG (P)) abhängig: von Futterlieferungen und der Gülleabnahme. Als „Stiefkinder der ‚sozialistischen Landwirtschaft‘“ 198 wurden die LPG (T) gegenüber den LPG (P) von staatlicher Seite benachteiligt, was mitunter zu Spannungen und Streitigkeiten z wischen den Betrieben führte.199 Gründe dafür waren Vertragsabschlüsse zu Ungunsten der Tierproduktion 200, das Nichteinhalten von Verträgen und Terminen oder die Qualität und Quantität des angelieferten Futters. Es brachen Verteilungskämpfe und Streitigkeiten um die allseits knappen Arbeitskräfte und Produktionsmittel aus.201 Die staatliche Bevorzugung und Förderung der Pflanzenproduktion 202 führte auch dazu, dass bereitwillig arbeitsintensive beziehungsweise gewinnarme Produktionszweige aufgegeben wurden 203 und die LPG (P) lieber gut absetzbare Marktfrüchte als die wenig Einnahmen versprechenden Futterpflanzen anbauten.204 Außerdem stiegen durch die Trennung die Kosten für Transport und Verwaltung. Diese und viele weitere negative Auswirkungen der spezialisierten Großproduk tion zeigten erneut, dass politische Kampagnen vor Sachorientierung gingen. Auch das Mensch-T ier-Verhältnis in der spezialisierten „industriemäßigen Tierproduktion“ erfuhr weitere Veränderungen. Der vermehrte Einsatz von Technik und wissenschaftlichen Methoden erforderte eine höhere Qualifizierung der
198 Krenz: Notizen, S. 165. Kipping erinnert sich, dass die „LPG Tierproduktion als letztes Glied in der Kette (manchmal auch als ‚letzter Dreck‘ in der Landwirtschaft bezeichnet)“ worden sind. Kipping: Bauern, S. 195. 199 Streitigkeiten und Abgrenzungen der Beschäftigten von Tier- und Pflanzenproduk tionsbetrieben hatten Auswirkungen bis in das Gemeinde- und sogar Familienleben hinein; es soll gar zu Ehescheidungen gekommen sein, vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 206 f. und S. 218; Breitschuh (u. a.): Landwirtschaft, S. 40; Krenz: Notizen, S. 117 und S. 139. 200 In der DDR gab es keinen freien Futtermittelmarkt. Für die Futterproduktion gab es keine staatlichen Planvorgaben. Außerdem gab es keine staatlich festgelegten Preisvorgaben für Futter, so dass die Preise z wischen den pflanzen- und tierproduzierenden Betrieben ausgehandelt wurden – meist zu Ungunsten der LPG (T), vgl. George: Weg, S. 448; Breitschuh (u. a.): Landwirtschaft, S. 76 f. und S. 166; Krenz: Notizen, S. 117 ff. und S. 173 f. Die LPG (T) Bad Langensalza/Merxleben beispielsweise kooperierte mit vier LPG (P), was vier unterschiedliche Preisniveaus bedeutete, vgl. Schier: Merxleben, S. 165. 201 Vgl. Krenz: Notizen, S. 117 und 139. 202 Vgl. Groschoff/Heinrich: Industriemäßige Produktionsmethoden, S. 169. Erschwerend hinzu kamen die niedrigen Erlöse für tierliche Produkte, weswegen 1980 die Hälfte der LPG (T) unrentabel arbeiten, was sich erst 1984 mit der Agrarpreisreform änderte, vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 218 f. Vgl. auch zum Beispiel MfS BV Pdm. Vorl. A. 177/87, BStU, Bl. 166; MfS BV Pdm. Abt. XVIII 1075, BStU, Bl. 12. 203 Vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 130. 204 Vgl. Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. XII. Deswegen wurde die Futterproduktion 1979 zur Staatsplanposition erhoben, um die Pflanzenproduktionsbetriebe zum Futteranbau zu zwingen, vgl. ebenda, S. 191.
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Arbeitskräfte.205 TechnikerInnen und eine neue Generation von LandwirtInnen („Agraringenieure“) und spezialisierte TierbetreuerInnen („Facharbeiter für Tierproduktion“/„Zootechniker“, „Veterinäringenieure“ und „-techniker“, „Futtertechniker“, „Besamungstechniker“ und so weiter), die den neuen Methoden gegenüber aufgeschlossener waren und zum Teil nicht mehr auf dem Land aufgewachsen waren und ihre Ausbildung in Hochschulen statt im bäuer lichen Betrieb erfuhren, traten vermehrt in die Produktion ein.206 Mit der Spezialisierung und Technisierung drohte endgültig der Verlust bäuerlichen, universellen Wissens. Kenntnisse der komplexen Zusammenhänge wurden durch auf Teilarbeiten spezialisierte Fachkenntnisse verdrängt.207 Nun kümmerten sich einzelne Brigaden um spezielle Arbeitsabläufe, die eine Brigade fütterte die Tiere, die nächste melkte die Tiere und eine andere Brigade brachte sie zum Schlachthof. Wieder verstärkte sich die Distanz zum Tier: Es fand keine umfangreiche Beschäftigung mehr mit den Tieren statt. Das rational- wissenschaftliche Bild vom ‚Nutztier‘ wurde weiter befördert. Der weiterhin forcierte Anstieg der Tierbestände verstärkte die Distanzierung zu den Tieren, die in den seuchenanfälligen Großanlagen eigentlich eine besonders intensive Betreuung hätten erfahren müssen. Um die riesigen Anlagen mit der erforder lichen Tierzahl bestücken zu können, kamen viele Tiere unterschiedlicher Herkunft und verschiedenen Gesundheitszustands zusammen, was wiederum 205 Mitte der Achtzigerjahre hatten 87,9 Prozent der in den LPG (T) Beschäftigten eine abgeschlossene Ausbildung, 73,6 Prozent einen Abschluss als FacharbeiterInnen und 1,7 Prozent der LPG-Mitglieder hatten einen Hochschulabschluss, vgl. Winkler: Arbeits- und Lebensbedingungen, S. 53. Vgl. dazu auch Groschoff/Heinrich: Industriemäßige Produk tionsmethoden, S. 105 – 109 und S. 114 – 120. 206 Bedauerlicherweise klammert Hübner die ArbeiterInnen in den LPG aus seiner groß angelegten Studie aufgrund seiner selbst eingestandenen „thematischen Inkompetenz“ und der Randständigkeit der LandarbeiterInnen gänzlich aus, vgl. Hübner: Arbeit, S. 32 f. Gleiches gilt für den ersten Band der Studie, vgl. Kleßmann, Christoph: Arbeiter im „Arbeiterstaat“ DDR. Deutsche Traditionen, sowjetisches Modell, westdeutsches Magnetfeld, Bonn 2007, S. 18. 207 Vgl. Langenhan: Machtbildung, S. 51. Dieser Kritik wurde mit dem Argument „dieser ‚Universalismus‘ entsprach den Arbeitsbedingungen einer wenig entwickelten Landwirtschaft“ entgegengetreten. Da jene Arbeit „nur eine Vielzahl nacheinander zu verrichtender körperlicher Tätigkeit zum Inhalt hat, so ist sie ihrem Wesen nach nicht allseitig, sondern einseitig, dann besitzt sie keinen universellen, sondern beschränkten Charakter.“ Groschoff/Heinrich: Industriemäßige Produktionsmethoden, S. 115. In der Bundesrepublik gab es seinerzeit ähnliche Tendenzen der Spezialisierung („Betriebsvereinfachung“), vgl. Uekötter: Wahrheit, hier v. a. S. 126 ff. und S. 370 – 380 („Der stille Abschied vom Ganzen Landwirt“). Zu mangelnden landwirtschaftlichen Kenntnissen und Erfahrungen von FunktionärInnen und EntscheidungsträgerInnen in der DDR vgl. Stock: Tierschutz, S. 309.
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die Infektionsgefahren erhöhte.208 Bis zum Ende der DDR litt die Landwirtschaft unter den üblichen Problemen sämtlicher anderer Sektoren der zentralen Verwaltungswirtschaft: mangelnde Investitionen, geringe Produktivität sowie große Umweltbelastungen bei der Produktion. Die Leistungen mussten mit überalterten und verschlissenen Ausrüstungen erbracht werden, viele Anlagen waren baufällig.209 Die extreme Spezialisierung und Vergrößerung der landwirtschaftlichen Strukturen spitzten die Situation weiter zu.
Leichte Kurskorrekturen in der Agrarpolitik Der Einsicht der SED-Staatsführung in die negative wirtschaftliche Entwicklung folgten in den Achtzigerjahren leichte agrarpolitische Kurskorrekturen.210 Strenge politische Vorgaben wurden nun zugunsten von ökonomischen Notwendigkeiten, wenn nicht aufgegeben, so zumindest marginalisiert. Es setzte sozusagen eine „Versachlichung im Umgang mit den Landwirtschaftsbetrieben“ 211 ein. Auf dem X. Parteitag der SED 1981 wurden erste, vorsichtige Veränderungen angesprochen: eine bessere räumliche Organisation der Betriebe, die Verkleinerung der gigantischen Ackerflächen und riesigen Tierbestände 212 208 Vgl. Aa, Rudolph von der: Derzeitiger Stand und Prognose der Rinderhaltung in Großanlagen, in: MfV 23 (1968), S. 841 – 848, hier S. 845. 209 Weitere Erklärungsmuster vgl. Weber, Adolf: Ursachen und Folgen abnehmender Effizienz in der DDR-Landwirtschaft, in: Kuhrt, Eberhrad (u. a.) (Hrsg.): Die Endzeit der DDR-Wirtschaft – Analysen zur Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik, Opladen 1999, S. 225 – 269; Watzek, Hans: Wie stand es um die Landwirtschaft der DDR?, in: Elm, Ludwig/Keller, Dietmar/Mocek, Reinhard (Hrsg.): Ansichten zur Geschichte der DDR, Bd. 7, Berlin/Bonn 1997, S. 337 – 373. 210 Der Tod des Landwirtschaftssekretärs des ZK der SED, Gerhard Grüneberg, der an der extremen Spezialisierung und Konzentration trotz Kritik festhielt, bildete 1981 den Startschuss für die Änderungen in der Agrarpolitik, vgl. Breitschuh (u. a.): Landwirtschaft, S. 64; Heinz: Industrialisierung, S. 231. Der gelernte Maurer Gerhard Grüneberg (1921 – 1981) war seit 1960 Sekretär für Landwirtschaft des ZK der SED und seit 1966 Mitglied des Politbüros des ZK der SED. Nachfolger Grünebergs wurde Werner Felfe (1928 – 1988), vormals 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Halle und seit 1973 Mitglied des Politbüros des ZK der SED, vgl. Müller-Enbergs/Wielgohs/Hoffmann (Hrsg.): Wer war wer in der DDR, S. 204 (Felfe) und S. 286 (Grüneberg). Nach dem Tod Grünebergs folgten weitere personelle Veränderungen in der Führung der Landwirtschaftspolitik, vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 231 f. Zu agrarpolitschen Kurskorrekturen in der Sowjetunion vgl. Miller, Chris: Gorbachev’s Agriculture Agenda: Decollectivization and the Politics of Perestroika, in: Kritika. Explora tions in Russian and Eurasian History 17 (2016), S. 95 – 118. 211 Vgl. Buchsteiner: Bodenreform, S. 55. 212 1989 verfügten die LPG (T) durchschnittlich über 1.800 „Großvieheinheiten“ (das entsprach 1.800 Rindern oder 15.000 Schweinen). Die durchschnittliche Nutzfläche einer LGP (P) betrug Ende der 1970er Jahre 4.755 Hektar, es gab aber auch Betriebe mit über 10.000
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sowie eine bessere Abstimmung zwischen Tier- und Pflanzenproduktion. Statt des kostenintensiven Baus neuer Großställe wurde die Rekonstruktion älterer Ställe angeordnet.213 Als Eingeständnis agrarpolitischen Versagens darf die auf dem XI. Parteitag der SED 1986 von Erich Honecker geforderte Überwindung der Trennung von Pflanzen- und Tierproduktion gewertet werden.214 Trotz der eingeleiteten Korrekturen führte die wirtschaftlich angespannte Lage in den Achtzigerjahren zu fragwürdigen Sparmaßnahmen in der landwirtschaft lichen Tierhaltung. Da eine Erhöhung der Tierbestände kaum mehr mög lich war, wurden die vorhandenen ‚tierliche Ressourcen‘ weiter ausgepresst. In sogenannten „Nachnutzungseinheiten“, meist ältere LPG-Ställe („Rest-LPG“), wurden Rinder und Schweine untergebracht, die durch Fertilitätsstörungen oder chronische Erkrankungen bereits aus dem „normalen Produktionsprozess“ herausgenommen worden waren. Um die tierliche Produktion zu maximieren, wies die Partei an, solche Tiere wieder in die Produktionskette zu integrieren.215 Laut eines Spiegel-Berichts waren 40 Prozent der DDR-Rinder an Leukose („Rinderleukämie“) erkrankt, wurden jedoch nicht getötet, sondern weiter in der Milch- und Fleischproduktion eingesetzt – ohne Bedenken für die menschliche Gesundheit.216 Zur Intensivierung der Schweineproduktion wurden ‚Mastsauen‘ zur Zucht herangezogen („Mastsauenrekrutierung“) – trotz der schlechten Erfahrungen, die man damit bereits seit den Sechzigerjahren gemacht hatte.217 Ein weiteres Beispiel für die zwanghaften Einsparungen glich einer Zeitreise zurück ins 19. Jahrhundert: 1981 machte der Haupttierarzt im Kreis Waren den Hektar, vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 150. Selbst der Landwirtschaftssekretär des ZK, Werner Felfe, gab 1982 zu, dass es bezüglich der Größe der Ackerflächen zu Gigantismus gekommen wäre und kritisierte diese Entwicklung, vgl. ebenda, S. 239. Zur innerstaatlichen Auseinandersetzung über die optimale Größe der Pflanzenproduktionsbetriebe vgl. ebenda, S. 132 ff. und S. 141 f. Die großen Schläge benötigten auch dementsprechend viele Bienenvölker für die Bestäubung der Pflanzen. Im Obstanbaugebiet Werder (Bezirk Potsdam) war die industriemäßige Bienenhaltung mit 10.000 Bienenvölkern vorgesehen, um die riesigen Monokulturen zu versorgen. Diese Größenordnung würde aber zu Problemen der Futterversorgung nach der Obsternte führen, weswegen die Betriebsgröße auf 3.000 Bienenvölker (mit 82 Bienenwagen) reduziert wurde. Der Einsatz von Hubschraubern für die Bestäubung blieb ohne Erfolg, Bericht eines Imkers, vgl. Eckart: So sehe ick die Sache, S. 159 f. und S. 167. 213 Vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 257 f. 214 Vgl. Buchsteiner: Bodenreform, S. 55. Die Trennung von Tier- und Pflanzenproduktion blieb aber bis zum Ende der DDR bestehen, vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 269 f.; Schöne: Landwirtschaft, S. 60 215 Vgl. Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. 46 und S. 168; Stock: Tierschutz, S. 35 f.; Woll: Nicht alltäglich, S. 24. 216 Vgl. Schmidt-Klingenberg, Michael: „‚Die Figur ist undurchsichtig‘“, in: Der Spiegel 4 (1991), S. 95 – 99, hier S. 98. 217 Vgl. Köpp, Von Tieren, 2011, S. 81 f., 124 f., 320 und S. 378; Stock: Tierschutz, 2014, S. 269 f.
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hiesigen TierärztInnen den Vorschlag, doch wieder mit Pferdekutschen von Einsatz zu Einsatzort zu fahren – um Benzin zu sparen.218 Selbst der Leipziger Großbetrieb GISAG Halbfertigteile setzte aus Treibstoffmangel Pferdefuhrwerke für den innerbetrieblichen Transport ein und das „in Zeiten der Hochtechnologie“, so der damalige Stallmeister.219 Auch der Einsatz von Zugpferden wurde wieder en vogue: Derartige Anwendungen wurden von den SED-Funk tionärInnen nun als „gute Traditionen und langbewährte Methoden“ 220 propagiert. Im Rahmen der agrarpolitischen Kurskorrekturen förderte die SED sogar das ‚bäuerliche Bewusstsein‘ wieder stärker: Die LPG-Mitglieder sollten nicht länger IndustriearbeiterInnen auf dem Land sein, sondern „Genossenschaftsbauern“, die Verantwortung für ihren Betrieb übernehmen.221 Grund dafür war der von der Monopolpartei festgestellte Mentalitätswandel, der sich in einer sinkenden Arbeitsmoral und Eigeninitiative zeigte und in einer zunehmenden Landflucht mündete. Folgerichtig wurde einerseits versucht, dem Verantwortungsverlust durch Prämienzahlung („Prinzip der materiellen Interessiertheit“) entgegenzuwirken. Anderseits wurde angestrebt, die LandwirtInnen wieder stärker an ihre Genossenschaft, ihr Dorf und an alte Traditionen zu binden (plötzlich war von „progressiven bäuerlichen Traditionen“ wie „sparsamer, sorgsamer Umgang mit dem Eigentum und kluges Rechnen“ 222 die Rede) und ihnen ein stärkeres 218 Vgl. Köpp: Von Tieren, S. 199. 219 Bericht des damaligen Stallmeisters des (privat betriebenen) stadtwirtschaftlichen Dienstleistungsbetriebs Klaus Felgentroff Leipzig, der Großbetriebe wie GISAG (Kombinat Gießereianlagenbau und Gusserzeugnisse) im Raum Leipzig mit 100 Pferden unterstützte (Achtzigerjahre), zitiert nach Breitschuh (u. a.): Landwirtschaft, S. 173. Im Jahr 1970 wurden noch fünf Prozent der landwirtschaftlichen Transporte mit Pferden durchgeführt, vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 304 f. In Thüringen wurden Pferde 1976 endgültig aus dem landwirtschaftlichen Produktionsprozess ausgegliedert, vgl. Baumgarten: Thüringer Pferdezucht, S. 75. Auch bei Krenz kommen Landwirte zu Wort, die bestätigen, dass Pferdegespanne noch sehr lange zum Bild auf den Dörfern gehörten, vgl. Krenz: Notizen, S. 48 und S. 89. Vgl. auch Woll: Nicht alltäglich, S. 51 – 56. 220 Vgl. Material zur Beratung mit Sekretären der Kreisleitung der SED und stellvertretenden Vorsitzenden der Räte der Kreise vom 30. 12. 1981, LAG, BPA Rostock, BL, IV/D2.7/426, Bl. 122 (zitiert nach Heinz: Industrialisierung, S. 304). 221 „Aber hieße und heißt der damit [mit der Industrialisierung, A. L.] verbundene Wandel im Inhalt der Arbeit, die Entwicklung der agraren Produktivkräfte, die notwendige Vervollkommnung der Produktionsverhältnisse auf dem Lande, daß der typische Wesenszug agrarischer Produktion verschwindet, der Bauer zum Industriearbeiter auf dem Lande wird oder gar, daß das genossenschaftliche Eigentum von niedrigerer gesellschaftlicher Entwicklungsstufe und seine Zeit deshalb begrenzt sei? Nein!“ Thiede, Ulrich: Es blieb und bleibt der Bauer ein Bauer, in: Einheit 6 (1989), S. 519 – 525, hier S. 524; vgl. auch Burkhardt, Siegfried: Unser sozialistisches Dorf, in: Einheit 4 (1987), S. 320 – 323. 222 Thiede: Bauer, S. 525.
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itspracherecht zu verschaffen.223 Zugleich verhalf das Festhalten an bäuerlichem M Wissen und Traditionen dem landwirtschaftlichen System zu einer gewissen Stabilität.224 Obwohl die durchgängige Industrialisierung der Landwirtschaft zum Teil hinterfragt wurde, blieb das Leitbild der wissenschaftlich-technischen Fortschritts bestehen 225 – allein um nicht gänzlich an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Hier zeigte sich das „Janusgesicht von Zwangsmodernisierung und Traditionalität“ 226 der DDR: Die SED übernahm traditionelle Werte, wenn sie politisch instrumentalisiert werden konnten. Die Kurskorrekturen verdeutlichen die Widersprüchlichkeit innerhalb der SED-Agrarpolitik und sind auch ein Hinweis für die auf d iesem Gebiet bestandene Unsicherheit der SED und das Fehlen eines agrarpolitischen Gesamtkonzepts.227 Die genannten Probleme hemmten insgesamt den weiteren Ausbau der „industriemäßigen Tierproduk tion“ und führten schlussendlich dazu, dass nur ein Bruchteil der Tiere in derartigen Anlagen untergebracht war: Bis zum Beginn der Achtzigerjahre wurden noch 80 Prozent der Schweine und Rinder in herkömmlichen Ställen mit niedrigem Mechanisierungsgrad gehalten, deren Tierkonzentration unter den Verhältnissen der damaligen Bundesrepublik jedoch schon als Großbestände bezeichnen werden konnten.228 Fast die Hälfte des Geflügels in der DDR wurde privat – das heißt in „Kleinstproduktion“ – gehalten.229 Dessen 223 Zu diesem Zweck wurde 1982, nach zehnjähriger Pause, der Bauernkongresses wieder eingeführt und die VdgB und DBD (Demokratische Bauernpartei Deutschlands) politisch gestärkt, vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 270 ff., S. 466 f. und S. 478 f.; Krenz: Notizen, S.168; Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 486. 224 Vgl. Schöne: Landwirtschaft, S. 7. 225 Vgl. Schmidt, Gerald: Über die umfassende Intensivierung der landwirtschaftlichen Produk tion, in: Einheit 1 (1987), S. 82 – 85; Ambros, Gerhard: Über die umfassende Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion, in: Einheit 2 (1986), S. 145 – 147. 226 Vgl. Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 205 und S. 510 f. Bauerkämper betont an dieser Stelle die Wechselwirkung von „Moderne“ und „Tradition“, die wie bei „Herrschaft“ und „Gesellschaft“ nicht als Polaritäten aufzufassen s eien. Vgl. dazu auch ders.: Traditionalität in der Moderne. Agrarwirtschaft und ländliche Gesellschaft in Mecklenburg nach 1945, in: ZAA 2 (2003), S. 9 – 33. 227 Vgl. Buchsteiner: Bodenreform, S. 53; Langenhan: Machtbildung, S. 49. Poutrus spricht gar von einer auf „Willkür“ beruhenden Entwicklung in der DDR-Landwirtschaft, Poutrus: Goldbroiler-Story, S. 36. Da sich die Agrarindustrialisierung in der DDR an internationalen (westlichen) Entwicklungen orientierte, kann von „Willkür“ allerdings kaum die Rede sein. Vielmehr waren die systemimmanenten Mängel für die verfehlte Agrarmodernisierung verantwortlich. 228 Vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 162 f.; Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. 6 f. und S. 33. Detaillierte Zahlen vgl. ebenda, Kapitel 3 und 4. 229 Vgl. Kleeman, M./Friztsch, M.: Aufgaben des Veterinärwesens bei der Sicherung gesunder Rassegeflügelbestände der Mitglieder des Verbandes der Kleingärtner, Siedler und
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ungeachtet gehörten die Geflügelhaltung sowie die Jungrinderaufzucht zu den am stärksten industrialisierten Sektoren, während die Haltung von ‚Mastrindern‘ am wenigsten industrialisiert war.230 In der Schweineproduktion wurden „nur“ 24 Prozent der ‚Zuchtsauen‘ und 26 Prozent der ‚Mastschweine‘ unter weitgehend modernisierten Bedingungen gehalten.231 Weiterhin gab es hohe Mechanisierungslücken in der Tierproduktion: 40 Prozent der ArbeiterInnen in der Tierproduktion verrichteten überwiegend Handarbeit, nur zwölf Prozent der Beschäftigten profitierten von der Vollmechanisierung beziehungsweise Teil- oder Vollautomatisierung: 1981 wurden noch fast die Hälfte der Rinder und Schweine per Hand gefüttert und ihre Ställe manuell entmistet. In der Milchproduktion wurden noch 26 Prozent der Kühe per Hand gefüttert und 16 Prozent in Handarbeit entmistet.232 1988 arbeiteten immer noch über die Hälfte der Arbeitskräfte in Ställen mit niedrigem Mechanisierungsgrad.233 In der DDR-Tierproduktion herrschte also – trotz des beständig beschworenen „wissenschaftlich-technischen Fortschritts“ das „FKK-Prinzip“ (Forke, Karre und Kiepe) vor 234 – und selbst an diesen Arbeitsmitteln fehlte es mitunter.235 Oder wie ein Informant des MfS die Lage in den vielen, kleineren Ställen einschätzte: „Die Arbeitsbedingungen dort sind noch wie im Mittelalter.“ 236 Kleintierzüchter (VKSK), in: MfV 41 (1986), S. 281 – 284, hier S. 281. 230 Vgl. Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. 58, S. 109 und S. 113. 231 Vgl. Schremmer, Heinz/Franz, Werner: Struktur, Organisation und Leistung in der Schweineproduktion der DDR, in: Schweinezucht und Schweinemast 38 (1990), S. 240 – 242, hier S. 241. 232 Vgl. Winkler: Arbeits- und Lebensbedingungen, S. 85 und S. 87. 233 Vgl. Panzig, Christel: Frauen auf die Traktoren oder in den Kälberstall? Chancen und Defizite beruflicher Entwicklung von Frauen in den LPG, in: Buchsteiner/Kuntsche (Hrsg.): Agrargenossenschaften, S. 123 – 133, hier S. 130. Einzig das Melken stellte einen Erfolg dar, das seit Mitte der Siebzigerjahre vollständig automatisch erfolgte. Rund 82 Prozent der Kühe wurden mit Stallmelkanlagen gemolken und 18 Prozent mit Melkständen, vgl. Winkler: Arbeits- und Lebensbedingungen, S. 84. 234 Das berichtet eine Tierbetreuerin auf dem XII. Bauernkongress, vgl. Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft (Hrsg.): XII. Bauernkongreß am 13. und 14. Mai 1982 in Berlin, überarbeitetes Protokoll, Berlin (Ost) 1982, S. 179. Vgl. auch Nehrig: Leben, S. 212. Auch Hohmann (u. a.) stellen fest, dass „selbst in den kleinen bäuerlichen Familienbetrieben der Bundesrepublik […] derart primitive Produk tionsbedingungen […] schon lange der Vergangenheit“ angehören, Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. 151. 235 Vgl. Paetow: Lena, S. 173. 236 GMS „Förster“ Lagebericht LPG (T) Blumenthal einschließlich Einschätzung der tierärztlichen Situation vom 26. 09. 1988, MfS BV Pdm. KD PW 92, BStU, Bl. 188. GMS (Gesellschaftlicher Mitarbeiter für Sicherheit) war eine besondere Form der inoffiziellen Zusammenarbeit, die Stasi verkehrte mit ihnen mehr oder weniger offen; seit 1980 waren
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3.1.2 Soziale Realität: Aspekte des Mensch-‚Nutztier‘-Verhältnisses „Unser Beruf ist schön, wir üben ihn mit Leidenschaft aus, empfinden Freude und Genugtuung, wenn der Boden gut bearbeitet und bestellt ist, die Saat gedeiht und eine reiche Ernte heranreift. Wir sind stolz, wenn in unseren Ställen gesunde Tiere stehen, die mit Futter gut versorgt, mit Liebe gepflegt werden und Höchstleistungen erbringen.“ 237
Die großen agrarpolitischen Einschnitte, aber auch die zentrale Verwaltungswirtschaft, die sich immer wieder als Mangelwirtschaft herausstellte, waren prägend für das Mensch-‚Nutztier‘-Verhältnis in der DDR – in „industriemäßigen“ Anlagen, aber vor allem in den herkömmlichen, älteren Ställen. Die drei schwerwiegendsten Faktoren, die das Miteinander von Menschen und Tieren in der Landwirtschaft beeinflussten, waren die zum Teil desaströsen Bauzustände, die unzureichende Futtermittelversorgung sowie die Arbeitskräftesituation. Die Wechselwirkung zwischen den unvertretbaren, systembedingten Rahmenbedingungen und dem Verlust des Verantwortungsgefühls gegenüber der LPG beeinflusste maßgebend die menschliche und tierliche Lebenswirklichkeit. Zahlreiche ZeitzeugInnen-Berichte und insbesondere Dokumentationen des MfS schilderten die angedeuteten angespannten Zustände.238 Aber: Viele in der Landwirtschaft tätige Menschen haben sie registrierpflichtig, vgl. BStU, Abteilung Bildung und Forschung: Abkürzungsverzeichnis, 9. erg. u. korr. Aufl., Berlin 2009, S. 37. 237 Burkhardt: Unser sozialistisches Dorf, S. 320. Im deutlichen Gegensatz dazu benennt ein bereits 1980 erschienener Artikel (Nau, H.: Zu einigen Problemen der weiteren Erhöhung von Erzeugung und Leistung in der Tierproduktion aus ökonomischer Sicht, in: MfV 35 (1980), S. 161 – 164) ganz offen sämtliche Grundprobleme der Viehwirtschaft: zu viele Tiere stehen noch in herkömmlichen Ställen mit niedrigem Tierbestand, Baumängel, unzureichende Mechanisierung; ungenügende zwischenbetriebliche Kooperationen sowie eine unzulängliche Futterquantität und -qualität. 238 Die herangezogenen MfS-Dokumentationen aus den Siebziger- und Achtzigerjahren aus dem Bezirk Potsdam stehen hier beispielhaft für ähnliche Berichte aus anderen Bezirken. Eine Auswahl: MfS BV Pdm. Vorl. A. 12/81, BStU, Bl. 66 – 67, 113 – 114, 124 – 125, 144 – 149, 169 – 170, 236 – 239; MfS BV Pdm. Vorl. A. 177/87, BStU, Bl. 166, 284 – 285; MfS BV Pdm. AKG Nr. 1002, BStU, Bl. 92 – 99; MfS BV Pdm. AKG Nr. 2236, BStU, Bl. 27 – 38; MfS BV Pdm. Abt. XVIII 1075, BStU, Bl. 23 – 27, 46 – 50; MfS BV Pdm. Abt. XVIII 1076, BStU, Bl. 69 – 70; MfS BV Pdm. Abt. XVII 1341, Bd. 2, BStU, Bl. 90 – 91, 181 – 191; MfS BV Pdm. Abt. XVIII 1132, BStU, Bl. 7 – 10, 32 – 33, 54 – 58; MfS BV Pdm. KD PW 92 , BStU, Bl. 58 – 59, 74 – 75, 88, 188; MfS BV Pdm. Abt. XVIII 1070, Bl. 6 – 14; MfS BV Pdm. Abt. XVIII 1456, BStU, Bl. 1 – 2; MfS BV Pdm. Abt. XVIII 1132, BStU, Bl. 11 – 13, 16 – 17, 18 – 20; MfS BV Pdm. Abt. XVIII 1347, Bd. I, BStU, Bl. 60 – 97; MfS BV Pdm. Vorl. A. 168/89, BStU, Bl. 111 – 112, 211, 215 – 216; MfS BV Pdm. KD GS 45, Bd. II, BStU, Bl. 39 – 40, 88 – 89. Beispiele für Fotodokumentation:
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unter den schwierigen Bedingungen das ihnen Mögliche getan, die Lebensleistung jener Menschen wird daher nicht mit der gescheiteren (Agrar-)Politik der SED gleichgesetzt.
Eine Gefahr für Mensch und Tier – Baumängel Der Großteil der landwirtschaftlichen ‚Nutztiere‘ war auch in den Siebziger- und Achtzigerjahren noch immer in älteren oder sogenannten „Primitivställen“ untergebracht, wo Mensch und Tier vor allem unter dem verheerenden Bauzustand der Stallanlagen litten, der „eine Gefahr für das Leben von Mensch und Tier“ 239 darstellte. Die Bevorzugung der kostenintensiven „industriemäßigen Tierproduk tion“ führte zum Ausbleiben dringend benötigter Instandsetzungs- und Ratio nalisierungsmaßnahmen in den älteren Ställen, sie zerfielen zusehends und Arbeitskräfte wanderten ab. Zu den baulichen und anlagetechnischen Hauptmängeln gehörten einsturzgefährdete (oder bereits eingestürzte) Stalldächer, fehlendes Fensterglas, unzureichende Be- und Entlüftung oder verstopfte Jaucheabflüsse, so dass die Tiere in ihren Exkrementen lagen.240 Hinzu kamen offenliegende Stromanlagen und ungenügender Brandschutz.241 Die Rekonstruktion der verschlissenen Anlagen blieb aufgrund von Mangel an Material und Kapazitäten oder deren Zweckentfremdung aus. Zum Teil verweigerten die Räte der Kreise jahrelang die Unterstützung.242 Stellenweise waren „Sanierungsarbeiten nicht mehr vertretbar“.243 MfS BV Pdm. Stev. Op. 4, unpag.; MfS BV Pdm. 1 Stv Op. 3 und MfS BV Pdm. AKG Nr. 2236, BStU, Bl. 38 – 84. Zur Überwachung der Tierproduktion durch das MfS bzw. zum Verhältnis von Veterinärwesen und MfS vgl. Literaturangaben unter Anm. 183. 239 Wesentliche Ergebnisse der vom 03.04. bis 04. 04. 1986 durchgeführten Überprüfungen in ausgewählten landwirtschaftlichen Betrieben des Kreises Zossen, MfS BV Pdm. AKG Nr. 2236, BStU, Bl. 27 – 38, hier Bl. 28. Laut des Berichts waren 70 Prozent der Ställe im Kreis Zossen sanierungsbedürftig oder nicht weiter betriebsfähig, vgl. ebenda, Bl. 38. 240 Zum Beispiel MfS BV Pdm. AKG Nr. 1002, BStU, Bl. 92 – 95. 241 Neben baulichen Brandschutzmängeln bestanden zusätzliche Gefahren durch das Fehlen von Blitzableitern, das Abstellen von Fahrzeugen in Ställen oder das Rauchen im Stall, vgl. etwa MfS BV Pdm. KD PW 92 , BStU, Bl. 74 – 75. Tierverluste durch Stromschläge waren keine Seltenheit, vgl. zum Beispiel MfS BV Pdm. Abt. XVIII 999, BStU, Bl. 74 – 75, 77; MfS HA XVIII 21809, BStU, Bl. 36 – 37; MfS BV Pdm. AKG Nr. 1002, BStU, Bl. 92 – 95, hier S. 95. 242 In einem Beispiel bemühte sich eine LPG (T) zum damaligen Zeitpunkt seit neun Jahren erfolglos um Unterstützung bei erforderlichen Rekonstruktionsmaßnahmen, vgl. MfS BV Pdm. AKG Nr. 2236, BStU, Bl. 27 – 38, hier Bl. 33. Vgl. auch MfS BV Pdm. Abt. XVIII 1132, BStU, Bl. 16 – 17. 243 Wesentliche Ergebnisse der vom 03.04. bis 04. 04. 1986 durchgeführten Überprüfungen in ausgewählten landwirtschaftlichen Betrieben des Kreises Zossen, MfS BV Pdm. AKG Nr. 2236, BStU, Bl. 27 – 38, hier Bl. 32.
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Der Großteil der Ställe wurde jedoch weiterbetrieben, weil die Tiere nirgendwo anders hätten untergebracht werden können und die Planerfüllung oberste Priorität hatte.244 Die Tiere drängten sich aufgrund der häufigen Überbelegung (durch die ständige Erhöhung der Tierbestände und Nichtabnahme der ‚Schlachttiere‘245) in den abgewirtschafteten Stallanlagen.246 Erschwerend hinzu kamen überalterte und kaputte Maschinen 247 und eine schlechte, ländliche Infrastruktur.248
Die Futtermittelversorgung „Eiweißreiche Getreidesorten, Sojabohnen, Fischmehle sind auf dem Weltmarkt vorherrschende Eiweißträger für die Mischfuttermittelindustrie. Es gibt für die Viehwirtschaftsverhältnisse in der DDR jedoch genügend ökonomische und sonstige Gründe auch den letzten Tropfen Schlachttierblut als Rohware für den TKV-Bereich zu erfassen.“ 249
Ein sehr großes Problem in der industriemäßigen wie konventionellen ‚Nutztier‘Haltung war die unzureichende Futterversorgung.250 Die Agrarindustrialisierung mit ihren hohen Beständen an Hochleistungstieren erforderte neue Fütterungsmethoden wie den Einsatz von industriell be- und verarbeiteter Futtermittel und die Anlage großer Futterreserven mittels Futterkonservierung (Silage und technische 244 Zum Beispiel MfS BV Pdm. AKG Nr. 2236, BStU, Bl. 27 – 38, hier Bl. 36. 245 Vgl. etwa MfS BV Pdm. Vorl. A. 12/81, BStU, Bl. 124 – 125, 144. 246 Zum Bauzustand und Tierschutz vgl. auch Stock: Tierschutz, S. 298 f. 247 Vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 277 – 280 und speziell zu Problemen der Technikzuführung S. 288 – 301. Eine Analyse für den Kreis Röbel (Bezirk Neubrandenburg) ergab, dass das Durchschnittsalter der Mähdrescher 16 Jahre, das der LKW 18 Jahre und das von Kränen und Hänger sogar über 20 Jahre betrug. Alle anderen im Einsatz befindlichen Maschinen waren mindestens schon zehn Jahre alt. Diese Zahlen sind mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den ganzen Bezirk übertragbar, vgl. Krenz: Notizen, S. 178; vgl. auch Nause, Günter: Von der Enteignung der Bauern zu spezialisierten Großbetrieben – die Landwirtschaft geplant zur industriemäßigen Produktion, in: Hölder (Hrsg.): Trabi, S. 185 – 198, hier S. 194. 248 Vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 276 f.; Hohmann, Karl: Zur Entwicklung wichtiger Inputs im Agrarsektor der DDR, Berlin (West) 1981, S. 28. 249 Hussel, Lothar/Kiehn, Hans-Joachim (Hrsg.): Tierkörperbeseitigung und -verwertung, Jena 1980, S. 36 (TKV: Tierkörperverwertung). 250 Die Versorgungsschwierigkeiten wurden schon Ende der Fünfzigerjahre humoristisch unter der Rubrik „Flora und Jolanthe“ (eine Kuh und ein Schwein berichten aus ihrem Alltag), im Neuen Deutschland regelmäßig und mit an die Verantwortung appellierenden Charakter thematisiert, vgl. Wolle: Plan, S. 378 ff. Zur Futterversorgung v. a. speziell von Rindern siehe Stock: Tierschutz, S. 173 – 185.
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Trocknung)251. Die hohe Konzentration an Nähstoffen im industriellen Mischfutter war notwendig, um die hochgesteckten Gewichtszunahmen (bei Schweinen täglich fast ein Kilogramm) und Jahresleistungen im Milchgeben oder Eierlegen zu erreichen beziehungsweise zu erhöhen.252 Ziel der SED-Agrarpolitik war es, die Selbstversorgung mit Tierprodukten sicherzustellen und dabei weitgehend auf Futtermittel- und Getreideimporte zu verzichten, denn das Futter machte den größten Anteil an den Gesamtkosten in der Tierproduktion aus und war zugleich einer der wesentlichen Faktoren, der über die Tierleistung bestimmte.253 Der Futtermittelverbrauch war durch die großen Tierbestände jedoch derart hoch, dass der Bedarf durch Eigenproduktion nicht gedeckt war. Deswegen wurde der Futterbedarf zu einem Fünftel durch Importe gedeckt.254 Für die klamme DDR war das eine kostspielige Angelegenheit: In den Siebzigerjahren verursachten Getreideund Futtermittelimporte 60 Prozent der Westschulden.255 Aufgrund dessen war die Staatsführung stets bemüht, die Futterimporte zu reduzieren, um wertvolle Devisen einzusparen.256 Die Folgen der Importrestriktionen zeigten sich alsbald: Für die Tiere gab es noch weniger Futter, so dass etwa das Ablieferungsgewicht von Schweinen der LPG Oberwiera (Kreis Glauchau, Bezirk Karl-Marx-Stadt) innerhalb von sechs Monaten von 127 auf 94 Kilogramm sank und der Bestand auf die Hälfte der Tiere zusammenschrumpfte (1982).257 Für die Bevölkerung wurde das Fleischangebot eingeschränkt und durch die Fleischexporte in den 251 Vgl. dazu Groschoff/Heinrich: Industriemäßige Produktionsmethoden, S. 27 – 40. 252 Vgl. ebenda, S. 170 f. Tatsächlich erreichte aufgrund des Futtermangels keine der industriemäßigen Schweinemastanlagen das geplante Ziel von 640 Gramm, vgl. Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. 126 und S. 244 f. (Groschoff spricht sogar von 800 Gramm Tagesgewichtszunahme). 253 Vgl. Groschoff/Heinrich: Industriemäßige Produktionsmethoden, S. 170. 254 Vgl. Lambrecht, Horst: Zur Entwicklung des Agrarhandels der DDR, in: Agrarwirtschaft und Agrarwissenschaft der DDR an der Schwelle der 90er-Jahre. Forschungsstelle für gesamtdeutsche wirtschaftliche Fragen 5 (1989), S. 39 – 49, hier S. 48. Auch die Bundesrepublik war auf Importe in dieser Höhe angewiesen, jedoch wurde die Situation in der DDR durch einen hohen Futterverbrauch und relativ niedrige Erträge in der Pflanzenproduktion verschärft, vgl. ebenda. 255 Vgl. Schwarzer: Planwirtschaft, S. 154. Bezugsgebiet für Futtergetreide und Eiweißkonzentrate waren ausschließlich westliche Märkte, weil die sozialistischen Länder schlicht keine entsprechenden Überschüsse erwirtschafteten. Größter Getreidelieferant waren die USA und Kanada (60 Prozent), bei Futtermitteln (Eiweißkonzentraten) war mit 77 Prozent die Bundesrepublik der Hauptlieferant für die DDR (1979 – 1986), vgl. Lambrecht: Agrarhandel, S. 39 und S. 43. 256 Folgende Zahlen verdeutlichen den Rigorismus der Importbeschränkung: 1976 importiere die DDR noch 4,8 Millionen Tonnen Getreide, 1987 waren es nur noch 1,5 Millionen Tonnen, vgl. Lambrecht: Agrarhandel, S. 48. 257 Vgl. Kipping: Bauern, S. 208.
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Westen zusätzlich geschmälert.258 Der Preis für die Deviseneinsparung war also unverhältnismäßig hoch. Die Importreduzierungen und die staatlich vorgegebenen, sich ständig erhöhenden Viehbestände waren hingegen nur eine von vielen Ursachen für den permanenten Futtermangel. Ein wesentlicher Auslöser für die unzureichende Futterversorgung war aber die Trennung der Tier- und Pflanzenproduktion.259 Die Lücken in der Futterversorgung führten zu zweifelhaften und zum Teil bemerkenswerten ‚Lösungen‘. Eine Maßnahme war die Einführung eines neuen Futtermittelbewertungssystems. 1971 erschien die erste Auflage des „DDR Futter bewertungssystems“, das Planungs- und Futterbedarfsnormative formulierte und dafür die „Energetischen Futtereinheiten“ (EF ) einführte.260 Das neue Bewertungssystem ermöglichte die Senkung des Bedarfs an (teurem) Konzentratfutter auf dem Papier, indem es die Energiekonzentration von (günstigem) Grobfutter (wie zum Beispiel Stroh) erhöhte und die des Konzentratfutters herabsetzte. Auf diese Weise wurde auch die Futterbewertung in das System der Mangelwirtschaft eingeordnet.261 Eine weitere Maßnahme, um der Futterproblematik Herr zu werden, war der vermehrte Einsatz von „Futterreservestoffen“, das heißt von fragwürdigen Ersatzstoffen, sowie die Aufwertung von nährstoffarmen Futtermitteln.262 Zu letzteren gehörte Stroh, das mittels Harnstoffaufschluss mit Eiweiß angereichert 258 80 Prozent des im SZMK Neustadt/Orla produzierten Fleischs (25.000 Tonnen jährlich) wurde in den Westen exportiert, vgl. dazu Schönfelder: Mit Gott, S. 20. 259 Siehe oben; zur Zusammenarbeit der Betriebe der Tier- und Pflanzenproduktion bei der Futterbereitstellung vgl. ausführlich Heinz: Industrialisierung, S. 210 – 221. 260 Autorenkollektiv: Das DDR-Futterbewertungssystem: Kennzahlen des Futterwertes und Futterbedarfs für Fütterung und Futterplanung mit einer Anleitung zu ihrem Gebrauch, Berlin (Ost) 1971. Ein Jahr s päter wurde die „Rostocker Energetischen Futtereinheit“ (EF) eingeführt. 261 Vgl. Krenz: Notizen, S. 118; Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. 192 ff. 262 Zur Intervention der Staatsführung in wissenschaftliche Einrichtungen im Allgemeinen und in die Futtermittelproduktion im Besonderen, oft entgegen wissenschaftlicher Befunde, vgl. auch Piatkowski: Kuh; vgl. auch Rübensam, Erich: Vom Landarbeiter zum Akademiepräsidenten. Erinnerungen an Erlebnisse in acht Jahrzehnten, Berlin 2005, S. 94 ff. Erich Rübensam (1922 – 2016) war von 1951 bis 1967 Direktor des Instituts für Acker- und Pflanzenbau in Müncheberg, von 1954 bis 1959 stellvertretender Landwirtschaftsminister der DDR und von 1968 bis 1987 Präsident der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR (AdL), vgl. Müller-Enbergs/Wielgohs/Hoffmann (Hrsg.): Wer war wer in der DDR, S. 718 f. Die 1951 gegründete AdL war die zentrale agrarwissenschaftliche Forschungseinrichtung der DDR, erster Präsident war Hans Stubbe (1902 – 1989). Die in Berlin ansässige AdL hatte u. a. den wissenschaftlichen Vorlauf für die Industrialisierung der Landwirtschaft zu erarbeiten, vgl. Herbst/Ranke/Winkler: So funktionierte die DDR, Band 1, S. 28 – 32.
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und pelletiert wurde.263 Harnstoff diente als Eiweißlieferant und sollte den Mangel an Kraftfutter ausgleichen. Der Einsatz ging auf sowjetische Empfehlungen zurück, jedoch führten ausstehende Forschungen und Nichtbeachtung von wissenschaftlichen Ergebnissen bei Rindern vielfach zu Vergiftungen mit Todesfolge.264 Im Vergleich zu westlichen Staaten war der Einsatz von Harnstoff in der DDR -Tierproduktion sehr hoch (1978 wurde bereits zehn Prozent des Eiweißbedarfs mit Harnstoff gedeckt).265 Auf der Suche nach Futterersatzmitteln hatte die DDR fast keinen Bereich ausgelassen, aus dem eventuell noch etwas „Fressbares“ herauszuholen wäre – und abermals wurde am lebendigen Tier experimentiert. So wurden seit 1971 in der Rinderhaltung Exkremente aus der Geflügel- und Schweinehaltung (beginnend mit der Verfütterung von Geflügeltiefstreu [Stroh, Federn, Kot, Futterreste, A. L.] und s päter Hühnergülle und Feststoffe der Schweinegülle) verfüttert. In Westdeutschland war dies untersagt. Die Verfütterung von Fäkalien erforderte eine intensive veterinärmedizinische Betreuung aufgrund der hohen Gefahr von Krankheitsübertragungen und konnte sich negativ auf Fruchtbarkeit und Fortpflanzungsleistung auswirken.266 Eine weitere Besonderheit der DDR -Tierernährung war der hohe Einsatz von Küchenabfällen, vorrangig für die Schweinemast. 1982 wurden 1.260 Tonnen Küchenabfälle für die Tierproduk tion gesammelt.267 Wie bei der Verfütterung von Exkrementen bestanden bei den Abfällen hohe Gesundheitsrisiken. Nicht ohne Grund w urden 70 Prozent aller Schweineerkrankungen direkt oder indirekt durch Mängel in Haltung
263 Vgl. Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. 197 – 209. Der Aufbau von Strohpelletieranlagen erwies sich jedoch aufgrund sehr hoher Produktions- und Energiekosten als Fehlinvestition. Hinzu kam der niedrige Futterwert der Pellets, vgl. Hohmann: Agrarsektor, S. 45 f. Vgl. dazu auch Groschoff/Heinrich: Industriemäßige Produktionsmethoden, S. 87 f. und Stock: Tierschutz, S. 178 f. 264 Vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 211; Piatkowski: Kuh, S. 165; Rübensam: Erinnerungen, S. 94. Zu Tier-Vergiftungen durch falsche Fütterung und Chemie-Rückstände vgl. auch Stock: Tierschutz, S. 181 ff., zum Harnstoff-Einsatz vgl. ebenda, S. 183 f. 265 Vgl. Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. 209; Krenz: Notizen, S. 158. 266 Vgl. Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. 212 ff. und S. 218. Bei Fütterungsversuchen mit Ziegen stieg die Sterblichkeit, vgl. ebenda, S. 218 f. Mitunter landeten auch menschliche Fäkalien im Futtertrog, sofern diese in die Güllebehälter geleitet wurden, vgl. ebenda, S. 221. Zur Verfütterung von Exkrementen vgl. auch Hennig, A./Poppe, S.: Abprodukte tierischer Herkunft als Futtermittel, Berlin (Ost) 1975; Flachowsky, G./Löhnert, H.-J./Jeroch, H./ Hennig, A.: Untersuchungen zum Futterwert verschiedener Tierexkremente, in: MfV 31 (1976), S. 948 – 955. 267 Vgl. Fenske, G./Pioch, Gudrun: Veterinärhygienische Anforderungen an den Einsatz von Küchenabfällen, in: MfV 38 (1983), S. 781 – 784, hier S. 781. Die BürgerInnen wurden durch Prämien und Urkunden zum Sammeln von Abfällen motiviert, vgl. Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. 257.
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und Fütterung verursacht.268 Als Futterreservestoffe kamen weiterhin Abfälle der Nahrungsmittelindustrie, angefangen von Kartoffelschälabfällen, Schlempe und Treber, über Obstpressrückstände, Molke bis hin zu Brütereiabfällen und zu Resten aus der fleisch- und fischverarbeitenden Industrie wie Eiweißmischsilage, Blut, Grieben, Leimwasser, Panseninhalt und Fischabfälle zum Einsatz.269 Auch Futtermittel auf Erdölbasis und Quecksilberverbindungen kamen in Betracht.270 Die DDR hatte damit aus der Not (Mangelwirtschaft) eine Art Tugend (abfallfreie Produktion) gemacht: eine abproduktreiche Futterwirtschaft mit einer abproduktarmen Gesamtverwertung.271 Ein geschlossener Kreislauf, wie ihn schon Marx mit seiner Idee von der „Ökologisierung der Produktion“ erdachte, aber sicherlich nicht in jener Form vorsah.272 Ein positives Beispiel aus der landwirtschaftlichen Tierhaltung war demgegenüber der vermehrte Einsatz von in der Viskosefaser-, Textil- und Papierindustrie anfallenden Lauge für den Strohaufschluss, die sonst ungeklärt in die Gewässer geleitet wurde.273 Eine harmlosere Methode, dem Futtermitteldefizit entgegenzuwirken, stellte dahingegen die mittelalterlich anmutende Waldmast von Rindern und Schweinen dar, die seit den Siebzigerjahren von der SED vorangetrieben wurde.274 Auch das (zu) frühe Austreiben der Rinder auf die noch kargen Weiden war ein Versuch, die kritische Frühjahrszeit zu überbrücken.275 Zur unzureichenden Futterversorgung und zunehmenden Fütterung mit Ersatzstoffen kamen die falsche Fütterung sowie die Fütterung von minderwertigem Futter hinzu. Das Futter war durch unsachgemäße Lagerung oder kaputte
268 Maaß: Schweinegesundheitsdienst, S. 164. 269 Vgl. Anlage Futterreserven zur Verordnung über die umfassende Gewinnung und effektive Verwertung von Futterreserven – Verordnung über Futterreserven – vom 16. Februar 1984 (GBl. I, S. 109). 270 Vgl. Bentz, H./Kauruff, W./Milke, R./Richter, H.: Zur Frage der Verträglichkeit der Erdöldestillat-Futterhefe „Fermosin“ in der Broilermast, in: MfV 35 (1980), S.181 – 184. Zur verbotenen Verfütterung von mit Quecksilberverbindungen gebeizten Saatgetreide vgl. Wensierski, Peter: Von oben nach unten wächst gar nichts. Umweltzerstörung und Protest in der DDR, Frankfurt am Main 1986, S. 119 ff.; Kühnert, M./Fuchs, V./Dölle, E.: Zur umwelttoxikologischen Belastung des Menschen durch Organo-Q uecksilberverbindungen, insbesondere über die von Tieren stammenden Lebensmittel, in: MfV 38 (1983), S. 5 – 11. 271 Vgl. Kurjo: Landwirtschaft, S. 70. 272 Siehe dazu oben, Kapitel 1.1.2. 273 Vgl. Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. 206. 274 Vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 214; Köpp: Von Tieren, S. 199; Hohmann (u. a.): Agrarproduk tion, S. 72 ff. Auch Schulklassen wurden zum Sammeln von Kastanien und Eicheln angehalten und auch das Nachlesen von Kartoffel- und Rübenfeldern gehörte zu derartigen Initiativen, vgl. ebenda, S. 260. 275 Vgl. Köpp: Von Tieren, S. 410 („Märzfrühweide“).
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Futteraufbereitungsanlagen nicht selten von schlechter Qualität. Es wurde mitunter verdrecktes, verdorbenes oder gefrorenes Futter an die Tiere verfüttert.276 Auch daran hatte die Trennung der Tier- und Pflanzenproduktion eine Mitschuld, denn durch den mehrfachen Umschlag und die zu langen Zwischenlagerungen von Silage kam es zu erheblichen Qualitätsverlusten, weil die Futterbrigade der LPG (P) nur zentrale Futterplatten (oft auch auf Vorrat) belieferte. Teilweise war das Stroh von schlechter Qualität, da die LPG (P) auch in der Erntezeit freie Wochenenden zuließ und gutes Erntewetter für die Strohbergung nicht konsequent nutzte.277 Die Folgen von Mangel und schlechter Qualität des Futters waren absehbar. Die Tiere wurden infolge der Futterproblematik anfälliger für Krankheiten, die Tierverluste waren dementsprechend hoch und die Leistungsfähigkeit niedrig.278 Besonders eindringlich schilderte das ein ehemaliger Veterinär: Ihm zufolge wurden in der DDR Kühe zu „Abfallverwertern“ und „Müllschluckern der Industrie“, deren Futter zu einem Großteil aus Treber, Trester, Schlempe und Atomstaub [Getreidestaub, A. L.] bestand – Abfälle, die mittlerweile zu heiß begehrten Futterersatzstoffen avanciert und die es zumeist auch nur noch auf Zuteilung gab.279 Die Folgen einer derartigen Fütterung waren Übersäuerung des Blutes, Verdauungsstörungen, Lahmheiten, Euterentzündungen und Fruchtbarkeitsstörungen.280 Sogar von Alkoholabhängigkeit der Kühe berichtet der Tierarzt: Bald warteten die Kühe auf ihre Alkoholgabe so, wie sie schon von der übermäßigen Schlempefütterung süchtig waren, brüllten, wenn sich ein Trecker dem Stall näherte und zerrten an den Ketten. Alkoholkranke Kühe bildeten eine Suchtgemeinschaft mit ihren 276 Vgl. zum Beispiel MfS BV Pdm. Vorl. A. 12/81, BStU, Bl. 145; MfS BV Pdm. AKG Nr. 1002, BStU, Bl. 96 – 99, hier Bl. 98; MfS BV Pdm. Abt. XVIII 1132, BStU, Bl. 33; MfS BV Pdm. Abt. XVIII 1076, BStU, Bl. 69 – 70. Vgl. auch Busch: Tierschutz, S. 78. Vgl. auch die Episode in Lohfink, Ingeborg: Vorpommern. Begegnungen mit einem Land am Meer, Rostock 1991, S. 159 ff. („[D]as Futter für die Tiere: Schneeklumpen, Erdklumpen, Steine, Plastiktütenfetzen und etwas Silage, die übel roch.“) Ein weiteres, von der Zeitzeugin ausführlich und detailliert wiedergegebenes, Beispiel für die allgemeinen katastrophalen Zustände war die LPG „Thurbruch“ auf der Insel Usedom (Kreis Wolgast) kurz nach der Wiedervereinigung, vgl. ebenda, S. 161 – 171. In der Neuen Deutschen Bauernzeitung (künftig: DBZ) konnte man darüber aber auch lachen: In einer Karikatur stand eine Kuh vorm Eisverkäufer, der die Kuh fragt „Silage?“ Die Kuh verneinte und bestellte stattdessen ein Eis, woraufhin der Eisverkäufer entgegnete: „Ist in unserer LPG dasselbe!“, in: DBZ 5 (1970), S. 2. Vgl. auch Stock: Tierschutz, S. 177 f. 277 Vgl. George: Weg, S. 451 f. 278 Vgl. Krenz: Notizen, S. 174; Heinz: Industrialisierung, S. 212 ff.; Hohmann: Agrarsektor, S. 8. Weitere Fallbeispiele zur Fütterung mit Reservestoffen und tierschutzrelevanten Folgen vgl. Stock: Tierschutz, S. 188 f. 279 Vgl. Köpp: Von Tieren, S. 369. 280 Vgl. ebenda, S. 249 ff. Auch scharfkantiges Schilf wurde regional mit entsprechender gesundheitsschädigender Wirkung verfüttert, vgl. Stock: Tierschutz, S. 180.
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Melkern. War das ein Wunder? Nein! Wir erhielten vom Feldbau nur 50 % des benötigten Grundfutters und mußten uns bei den Kühen mit Ersatzfutterstoffen begnügen.281
Auch die zunehmende Verfütterung von billig und in großen Massen zu produzierendem Gärfutter (Silage) stelle ein Problem dar: Stellen wir uns doch einmal vor, wir würden fast nur von säuerlichem, klitschigem Brot, Essig-Gurken und Sauerkraut leben müssen! Wie lange würde unser Organismus dabei wohl mitmachen, ohne zunehmend schwere Schäden zu erleiden? Aber von unseren Nutztieren verlangen wir das und wundern uns noch, daß ihre Lebensdauer und Leistungsfähigkeit immer geringer werden!282
In einem Beispiel aus der Lämmermast (Siebzigerjahre), bekamen die Jungtiere ausschließlich Pellets gefüttert, was zu enormen Tierverlusten (bis zu zehn Prozent und mehr) führte. Wiederkäuer benötigen Raufutter (also Grünfutter, Rüben, Heu oder Stroh), was der LPG aber nicht zur Verfügung stand.283 Auch hungernde Tiere waren in der „sozialistischen Landwirtschaft“ anzutreffen. So berichtet ein GMS aus seiner LPG: „Alle Färsen befinden sich in einen [sic!] derart schlechten Futter zustand – sie sind total abgemagert und können sich kaum auf die [sic!] Beine halten.“ 284 In einem anderen Beispiel aus dem Jahr 1969 wurde der permanente Futtermangel noch durch einen langen und strengen Winter verstärkt. Trotz der zahlreichen Hinweise des damaligen Vorsitzenden der betroffenen LPG Munschwitz an die Bezirksleitung in Gera gab es keine Unterstützung: „man hatte dafür nur taube Ohren!“ Das Futter für die Schafe der LPG ging in jenem Winter aus, so dass viele Tiere, trotz Waldweide als letztes Hilfsmittel, verhungerten. Der Vorsitzende legte daraufhin seinen Vorsitz nieder; die Futterlieferung kam erst drei Monate später.285 Viele Tiere wurden auch ‚notgeschlachtet‘, weil sie entweder schon so entkräftet waren oder einfach kein Futter mehr da war.286 281 Köpp: Von Tieren, S. 328. 282 Ebenda, S. 387 f. 283 Vgl. Bericht eines DDR-Schäfers aus Dreitzsch bei Neustadt/Orla (Bezirk Gera), in: Breitschuh (u. a.): Landwirtschaft, S. 124. Zur Verdrängung des Heus, vgl. auch Piatkowski: Kuh, S. 148 ff.; Mothes: Fließband, S. 34. 284 Information von GMS „Förster“ zur Lage in der LPG (T) Blumenthal vom 23. 03. 1981, MfS BV Pdm. Vorl. A. 177/87, BStU, Bl. 284 – 285, hier Bl. 284. Vgl. auch Lohfink: Vorpommern, S. 159 f. („Hungerschreie“); Schier: Merxleben, S. 218. Der Spiegel verglich die DDR-Rinder polemisch mit Kühen „aus der Sahel-Zone“, vgl. Schnibben, Cordt: „Die Nächte von Paries“, in: Der Spiegel 30 (1990), S. 68 – 73, hier S. 69. 285 Bericht des ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden der LPG Munschwitz, zitiert nach Breitschuh (u. a.): Landwirtschaft, S. 172. 286 Vgl. Köpp: Von Tieren, S. 187; Stock: Tierschutz, S. 175.
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Die Risiken der beschriebenen Fütterungspraktiken sowie des massiven Medikamenteneinsatzes für die menschliche Gesundheit wurden in Fachkreisen zwar erwähnt, aber dem gängigen Argumentationsmuster entsprechend als überwindbar betrachtet.287 Zusätzlich waren die Tierprodukte durch die starken Industrieemissionen belastet, die sich auf und in den Futterpflanzen und im Boden ablagerten.288 Verbraucherschutzfragen spielten im SED-Staat jedoch kaum eine Rolle.289 Problematisch wurde es für die SED-Oberen erst, als die Bundesrepublik verstärkt die aus der DDR importierten Tiere und Tierprodukte auf Rückstände untersuchte.290
Arbeitskräftesituation Die geschilderten Probleme in der Viehwirtschaft wirkten sich selbstredend auch auf die Motivation und Arbeitsweise der Arbeitskräfte aus, was zu einem permanenten Arbeitskräftemangel führte.291 Besonders in den älteren Ställen herrschte aufgrund 287 Zum Beispiel hier: Hapke, H.-J.: Zur Problematik der Ansammlung von Fremdstoffen in der Nahrungskette bis zur Frauenmilch, in: MfV 43 (1988), S. 783 – 786; Scheibner, G.: Vorkommen und Abbau von Antibiotika im Fleisch, in: MfV 24 (1969), S. 739 – 742; Draheim, R.: Nachweis von Antibiotikarückständen im Rahmen der bakteriellen Fleischuntersuchung, in: MfV 26 (1971), S. 511 – 514; Strey, A./Baldauf, S./Laue, W./Trolldenier, H.: Effektiver Einsatz von Tierarzneimitteln unter besonderer Berücksichtigung der Rückstandsfreiheit tierischer Lebensmittel, in: MfV 41 (1986), S. 840 – 844; Laue, W./Scheibner, G.: Rückstände chemischer und biologischer Substanzen in Lebensmitteln tierischer Herkunft – Bedeutung und Rechtsnormen zur Verhütung, in: MfV 32 (1977), S. 926 – 930; Grahneis, H./Achtzehn, M. K.: Gesunde Tiere – hochwertige Lebensmittel – gesunde Menschen, in: MfV 28 (1973) S. 1 – 7. 288 Vgl. Kühnert, M.: Industrielle Emissionen, eine potentielle Gefahr für die Haltung und Leistungssteigerung landwirtschaftlicher Nutztiere, in: MfV 23 (1968), S. 526 – 528; Liebenow, H.: Die Bedeutung der Immissionen für Pflanzen- und Tierbestände, in: MfV 26 (1971), S. 106 – 111. Vgl. dazu auch Stock: Tierschutz, S. 179. Zu Tier-Vergiftungen durch falsche Fütterung und Chemie-Rückstände vgl. ebenda, S. 181 – 184. 289 Vgl. Azar: Veterinärwesen, S. 383; Poutrus: Goldbroiler, S. 189; ders.: Industrielle Produk tion auf dem Lande? Das Beispiel KIM, in: Hürtgen/Reichel (Hrsg.): Schein der Stabilität, S. 275 – 293, S. 281 f.; Schönfelder: Industrielle Tierproduktion, S. 3. Beschrieben ist auch ein Vorfall, in dem Rinder mit „Faulschlamm“ gefüttert wurden und das Fleisch in den Handel kam, bevor die Gesundheitsgefahr des Fleischverzehrs bestätigt wurde, vgl. Stock: Tierschutz, S. 226. 290 Vgl. Information über Aktivitäten von Behörden, Einrichtungen und Firmen der BRD und Westberlins zur Maßregelung und Destabilisierung des Exportes von Lebendvieh, Fleisch und anderen tierischen Produkten aus der DDR (undatiert, um 1984), MfS HA XVIII, Nr. 23166, BStU, Bl. 49 – 55. 291 Heinz: Industrialisierung, S. 349. In der DDR-Landwirtschaft gab es zwar einen hohen Arbeitskräftebesatz, aber eine niedrige Arbeitsproduktivität, weil zu wenig Arbeitskräfte in der Primärproduktion, sondern in anderen Bereichen (vor allem im Verwaltung- und Leitungsbereich) arbeiteten. Gründe dafür waren vor allem die vielen bürokratischen Aufgaben,
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der unzureichenden Mechanisierung eine hohe Arbeitsbelastung 292, aber zugleich ein hoher Bedarf an Arbeitskräften. Schätzungen gingen 1980 von einem Defizit von 40.000 Arbeitskräften in den Tierproduktionseinrichtungen aus 293, das durch die ständige Erhöhung der Tierbestände und den Wegzug der Landjugend verschärft wurde.294 Die schlechte Entlohnung für die schwere Arbeit (besonders in den „LPG mit niedrigem Produktionsniveau (NPN-Betriebe) – im Volksmund als „LPG mit dem langen Namen“ bezeichnet 295) ließ viele woanders eine Arbeit suchen.296 Das Fehlen ausreichender Arbeitskräfte war ein weiterer Einflussfaktor auf das Mensch-‚Nutztier‘-Verhältnis und damit auf das tierliche Individuum. Der Beschäftigungsmangel wirkte sich negativ auf die Betreuung der Tiere aus.297 Zum Beispiel strangulierten sich Kälber selbst, weil zu wenig Personal zur ständigen Kontrolle vorhanden war 298, die die Planwirtschaft erforderte, der große Verwaltungsapparat, der durch die extreme Spezialisierung entstand, sowie die Mangelwirtschaft, die eine hohe Hilfs- und Nebenproduk tion verlangte, vgl. Breitschuh, (u. a.): Landwirtschaft, S. 55 ff. Der hohe Arbeitskräftebesatz widersprach damit den Zielen der industrialisierten Landwirtschaft, die durch Technisierung eigentlich einen niedrigeren Einsatz von Arbeitskräften vorsah. Der Arbeitskräftebesatz in den industriemäßigen Betrieben überstieg deutlich denjenigen der überwiegend kleinund mittelbäuerlichen Familienbetriebe in Westdeutschland, vgl. Hohmann: Agrarsektor, S. 11; Merkel, Konrad: Neuere Entwicklungen in Produktion und Organisation der DDRLandwirtschaft im Vergleich zur Bundesrepublik, in: Immler, Hans/Merkel, Konrad (Hrsg.): DDR-Landwirtschaft in der Diskussion, Köln 1972, S. 27 – 34, hier S. 33 f. 292 Mitte der Achtzigerjahre arbeiteten nur zwölf Prozent der Beschäftigten in den Großanlagen der „industriemäßigen Tierproduktion“, 27 Prozent arbeiteten in Altbauten, 20 Prozent in rekonstruktionswürdigen Altbauten und 40 Prozent der Beschäftigten in rekonstruierten Anlagen, vgl. Winkler: Arbeits- und Lebensbedingungen, S. 86. Zu den schwierigen Arbeitsbedingungen in den herkömmlichen Ställen vgl. zum Beispiel Paetow: Lena, S. 106 und S. 121 f. Zu den widrigen Arbeitsbedingungen in der „industriemäßigen Tierproduktion“ vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 344 – 354. Vgl. auch Interview mit einem Zootechniker der VEB Schweinezucht und -mast Haßleben, in: Haßleben – Ein Gespräch, in: ARCHE NOVA 5, abgedruckt in: Jordan/Michael (Hrsg.): Arche Nova, S. 440 f. 293 Vgl. Kretschmer, G.: Beitrag der Aus- und Weiterbildung für die Lösung der volkswirtschaft lichen Aufgaben der Tierproduktion im Jahr 1980, in: Tierzucht 34 (1980), S. 56 – 59, hier S. 56. 294 Die Ursachen für die Abwanderungen waren vielfältig und reichten von mangelnder Identifika tion mit der LPG, wirtschaftlichen Problemen der LPG über schlechte Verdienste und harte Arbeit, Wohnungsknappheit bis hin zur Langeweile des Dorflebens, vgl. Humm, Antonia Maria: Auf dem Weg zum sozialistischen Dorf ? Zum Wandel der dörflichen Lebenswelt in der DDR 1952 – 1969 mit vergleichenden Aspekten zur Bundesrepublik Deutschland, Göttingen 1999, S. 164 f.; Schier: Merxleben, S. 216 f.; Willisch: Schatten, S. 30 f. Zu Ursachen der Landflucht der Jugend und zur deren Anwerbung, vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 339 – 344. 295 Vgl. Krenz: Notizen, S. 113; Heinz: Industrialisierung, S. 185 – 203. 296 Vgl. Poutrus: Goldbroiler, S. 70 ff.; Krenz: Notizen, S. 113. 297 Vgl. Winkler: Arbeits- und Lebensbedingungen, S. 98 f.; Heinz: Industrialisierung, S. 334 und S. 341 f. 298 Vgl. MfS BV Pdm. AKG Nr. 1002, BStU, Bl. 97 – 99, hier Bl. 98.
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und die Klauenpflege wurde in vielen Betrieben vernachlässigt.299 Aus Mangel an MelkerInnen musste eine Person mehrere Melkmaschinen bedienen, weswegen kaum noch Zeit zum ordentlichen Anrüsten des Euters blieb, und es kam in der Folge zu erheblichen Blindmelkzeiten, das heißt, es wurde noch gesaugt, obwohl keine Milch mehr floß – sondern im schlimmsten Fall Blut.300 Erschwerend hinzu kamen die hohe Fluktuation der Arbeitskräfte 301, der hohe Krankenstand („KIM-Husten“ 302) sowie die ständig wechselnden Bezugspersonen, was den Aufbau von Beziehungen und die Übernahme von Verantwortung gegenüber den Tieren beeinträchtigte. Zur Absicherung der Arbeit wurden außerdem nicht selten zwangsweise versetzte, aus der Haft entlassene oder „kriminell gefährdete“ Personen eingestellt.303 Den angeworbenen und zugeteilten Arbeitskräften (oft aus der Stadt) fehlte es mitunter am Verständnis im Umgang mit Tieren, was besonders bei der Jungtierbetreuung (und hier insbesondere die Kälberaufzucht) schwerwiegende Folgen hatte.304 Aber auch in den in Schichten arbeitenden Milchbetrieben und hier oftmals in sensiblen Bereichen wie dem Melken wurden viele Menschen zwangsbeschäftigt 305. Die unzulänglichen Rahmenbedingungen förderten die Resignation, das Gefühl, allein gelassen zu werden, die Zweifel und die Unzufriedenheit an der Arbeit, aber auch Wut und Gleichgültigkeit oder gar die Gewöhnung an jene Zustände.306 Darunter 299 Vgl. Busch: Tierschutz, S. 78. 300 Vgl. Köpp: Von Tieren, S. 343 f. 301 Vgl. Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 381 – 389. 302 Interview mit einem Zootechniker der VEB Schweinezucht Haßleben, S. 440; weitere gesundheitliche Belastungen werden ebenda aufgezählt. 303 Vgl. Köpp: Von Tieren, S. 196 und S. 294; Heinz: Industrialisierung, S. 194 und S. 387 f.; Willisch: Schatten, S. 77. 304 Der DDR-Durchschnitt der Kälberverluste war aufgrund der unzureichenden Haltungsbedingungen und des mangelnden Engagements der KälberpflegerInnen hoch und betrug bis zu 15 Prozent (1978). In den Aufzuchtställen erkrankten rund 80 Prozent aller Kälber mindestens eimal an Durchfall, vgl. Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. 49, S. 232 und S. 320. Was den Ferkelverlust betraf, so starben im Durchschnitt 11,8 Prozent der lebendgeborenen Ferkel (1978), vgl. ebenda, S. 70. Zur unzureichenden Jungtierbetreuung vgl. auch die Beispiele in: Breitschuh (u. a.) (Hrsg.): Landwirtschaft, S. 178 und Schier: Merxleben, S. 217 – 219. Zur DDR-Kälberaufzucht unter tierschutzrelevanter Betrachtung siehe auch Stock: Tierschutz, S. 196 – 215. 305 Augsten, Frank: Die Organisation der Rinderzucht im Bezirk Erfurt von 1945 bis 1989, Aachen 1997, S. 168. Zu den unzulänglichen Zuständen in der Milchwirtschaft vgl. Kohlhoff, Andrea: Jogurt hinter Gittern, in: Lebensmittel-Zeitung 19 (1990), S. J 14–J 17. 306 Zur niedrigen Arbeitsmotivation in der Landwirtschaft vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 378 – 389. Dazu auch zum Beispiel MfS BV Pdm. AKG Nr. 2236, BStU, Bl. 27 – 38, hier Bl. 36 – 37; MfS BV Pdm. KD PW 92, BStU, Bl. 188. Zur niedrigen Arbeitsmoral und „Bumme lantentum“ in der DDR allgemein Kohli: Arbeitsgesellschaft, S. 38 und S. 50; Port, Andrew: Die rätselhafte Stabilität der DDR. Arbeit und Alltag im sozialistischen Deutschland, Bonn 2010, S. 234 – 247.
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litt die Arbeitsmotivation: man blieb der Arbeit fern 307, griff während der Arbeit zur Flasche 308, stahl LPG-Eigentum 309 oder misshandelte die anvertrauten Tiere.310 Protestiert wurde hingegen selten.311 Nicht zuletzt blieb für viele Beschäftigte das genossenschaftliche Arbeiten zeitlebens ein Motivationshemmnis 312, weil es vor allem an Leistungsanreizen fehlte.313 Der „sozialistische Wettbewerb“ konnte da nur bedingt Abhilfe schaffen. Erneut rückte das tierliche Individuum in den Hintergrund, denn Prämien – nicht das Interesse am Tier – waren ausschlaggebend für eine gute Tierpflege.314 Nach der Trennung der Tier- und Pflanzenproduktion verließ so manches LPG-Mitglied gänzlich das Zugehörigkeits- und Pflichtgefühl gegenüber seinem Betrieb.315
„Weil’s ganz großen Spaß macht“ 316 – Die „individuelle Tierhaltung“ Im direkten Gegensatz zur staatlichen und genossenschaftlichen Tierproduktion stand die „individuelle Tierproduktion“. Das heißt die private ‚Nutztier‘-Haltung 307 Vgl. Kipping: Bauern, S. 212 f. 308 Vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 383 – 389; Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 345. 309 Neben Diebstählen äußerte sich das geringe Verantwortungsgefühl in der Verletzung der beruflichen Pflichten, Falschmeldungen zur Erlangung ungerechtfertigter Vorteile, Vernachlässigung von Prinzipien der Kaderarbeit im Bereich Tierpflege und Stallverantwortlichen, nicht ausreichende Verschlusssicherheit von Ställen, Lagern, Speichern sowie ungenügender Kontrolle der Futterbestände, vgl. Berichterstattung über Straftaten in der Volkswirtschaft im Jahr 1980 gemäß Informationsanordnung 081/73, MfS BV Pdm. Abt. XVIII 1347, Bd. I, BStU, Bl. 60 – 97, hier Bl. 74 – 76. 310 Beispiele dafür waren etwa das Brechen von Schwänzen, Prügeln, Forkenstiche, ungenügendes Tränken oder mangelhafte Sauberkeit, vgl. Busch: Tierschutz, S. 78; Köpp: Von Tieren, S. 284; Stock: Tierschutz, S. 299; Grove: Tierschutz, S. 57. 311 Trotz der desolaten Arbeitsbedingungen sind nicht viele Streikfälle überliefert, vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 354 f. Baranzke erwähnt zunehmende Streiks Ende der Achtzigerjahre, vor allem wegen der Fliegen- und Kakerlakenplagen, vgl. Baranzke: Mensch-Tier-Beziehung, 1995, S. 67 (siehe oben, Anm. 177). Werkentin und Schöne führen auch nur wenige Streikfälle an, behaupten aber, dass sich sich Streiks Anfang der Sechzigerjahre häuften, vgl. Werkentin: Unser Land, S. 145 f.; Schöne: Frühling, S. 234; auch: Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 442 ff. 312 Vgl. Schöne: Frühling 227 ff. 313 In Neuholland (Kreis Oranienburg, Bezirk Potsdam) ging diesbezüglich das Sprichwort herum: „Ob du faul bist oder fleißig, die LPG zahlt sechs Mark dreißig.“, vgl. Nehrig: Leben, S. 202. 314 Vgl. Schier: Merxleben, S. 217 f. Zur Prämienzahlungen für in der Landwirtschaft arbeitende VeterinärInnen und Manipulation der Statistiken vgl. Stock: Tierschutz, S. 55 – 63. 315 Vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 380 f. 316 „Vier Fragen an Kleintierzüchter“, Antwort einer Milchschafzüchterin auf die erste Frage „Warum züchten Sie Kleintiere?“, in: DBZ 17 (1977), S. 10.
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von LPG-Mitgliedern, Mitgliedern des VKSK und nicht-organisierten BürgerIn nen in Form der „persönlichen Hauswirtschaft“ (damit umging die SED den verfemten Begriff des „Privateigentums“).317 Das Phänomen der privaten Landwirtschaft war von einiger Brisanz: Ein Staat, der eine vergesellschaftete Landwirtschaft vertrat, sich als hochmodern verstand und der das traditionelle dörfliche Leben zugunsten einer Angleichung von Stadt und Land abschaffen wollte, war wirtschaftlich abhängig von einzelbäuerlicher Kleinproduktion. Um den Widerstand gegen die Kollektivierung abzuschwächen, wurde den zukünftigen LPGMitgliedern eine kleine landwirtschaftliche Fläche samt einer begrenzten Zahl an ‚Nutztieren‘ zugestanden. Die „persönliche Hauswirtschaft“ hatte laut LPGMusterstatut den „Zweck, durch individuelle Arbeit zusätzlich die persönlichen Bedürfnisse der Mitglieder und ihrer Familien zu befriedigen.“ 318 Jedes LPG-Mitglied durfte mit seiner Familie bis zu einem halben Hektar Land privat bewirtschaften. Die „Genossenschaftsbauern“ des LPG Typs III, konnten außerdem zwei Kühe mit Kälbern, zwei Mutterschweine mit Nachwuchs und fünf Schafe mit gleicher Anzahl Nachwuchs sowie eine unbegrenzte Zahl an Ziegen, Geflügel, Kaninchen und anderes „Kleinvieh“ (aber nur bis zum Alter von elf Monaten) halten. Für die private Honigproduktion durften bis zu zehn Bienenstöcke aufgestellt werden.319 Der SED-Staat profitierte in hohem Maßen von der Individualwirtschaft, mehr noch, er war abhängig von ihr: 1982 wurden 27,5 Prozent des Gemüses und 49,4 Prozent des Obstaufkommens privat erzeugt. Fast die Hälfte der Hühnereier (48,3 Prozent) kam aus der individuellen Produktion. Kaninchen und Honig wurden fast zu 100 Prozent von KleinerzeugerInnen bereitgestellt. 317 Die DDR gehörte Ende der Achtzigerjahre mit 2,6 Millionen Wochenendgrundstücken zu den Regionen mit der höchsten Kleingartendichte weltweit. 1986 verkündete Erich Honecker auf dem XI. Parteitag der SED, bis 1990 noch weitere 150.000 Kleingärten neu schaffen zu wollen, davon allein 20.000 in Ost-Berlin, vgl. Dietrich, Isolde: ’Ne Laube, ’n Zaun und ’n Beet. Kleingärten und Kleingärtner in der DDR, in: Badstübner (Hrsg.): Befremdlich anders, S. 374 – 414, hier S. 374 und S. 412 (Anm. 6). 318 Vgl. Beschluß über die Musterstatuten der LPG vom 9. April 1959, Anlage 1 bis 3: Musterstatuten für landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften Typ I, II und III, IX. GBl. II, S. 333. Die VEG arbeiteten hingegen auf Grundlage des Arbeitsgesetzbuches, vgl. Winkler: Arbeits- und Lebensbedingungen, S. 99. 319 Vgl. Beschluß über die Musterstatuten von 1959. Der LPG Typ I und II ermöglichte weiterhin die einzelbäuerliche Viehwirtschaft, weswegen sich die Erlaubnis der „persönlichen Tierhaltung“ dort erübrigte. Die Behauptung verschiedener AutorInnen, in Sowjetrussland hätten die „Kolchosbauern“ nicht über persönliches Eigentum verfügt, ist schlichtweg falsch (so zu lesen bei Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 166, 209, 220 und S. 449; Schöne: Landwirtschaft, S. 65; Schier: Merxleben, S. 70 und S. 239). Die „persönliche Hauswirtschaft“ der Kolchos-Mitglieder wurde sogar bis 1939 staatlich gefördert und, nach vergeblichen Versuchen sie abzuschaffen, nach 1956 schließlich dauerhaft garantiert, vgl. Merl: Bauern, S. 257 – 288; auch Kaul: Kolchoze, S. 116 – 130.
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Auch das Aufkommen an Rindern und Schweinen war nennenswert: 17,2 Prozent des Schweinefleisches und 10,3 Prozent des Rindfleisches kamen aus privater Hand.320 Der Anteil an der landwirtschaftlichen Bruttoproduktion betrug insgesamt rund zehn Prozent.321 Die Privatwirtschaft trug also maßgeblich zur langfristigen Systemfestigung bei. Aufgrund dieser ökonomischen Abhängigkeit und der sich zunehmend verschlechternden Versorgungslage mit Lebensmitteln kam es seit Ende der Siebzigerjahre zu einer gezielten staatlichen Förderung der Individualwirtschaft sowie einer ideologischen Aufwertung. Denn ursprünglich lief die private Kleinproduktion den ideologischen und politischen Vorgaben der SED zuwider, ja konterkarierte sie. Erst die Kurskorrektur infolge der Versorgungsengpässe ließ die Individualwirtschaft auch offiziell zum festen Bestandteil der „sozialistischen Landwirtschaft“ werden.322 Die „persönliche Hauswirtschaft“ wurde vom SED-Regime also mitnichten als reine Freizeitbeschäftigung heruntergespielt.323 Die Staatsführung förderte die Kleinproduktion durch die Bereitstellung von Futter aus dem Staatsfond, günstige Preisgestaltungen und Ankaufbedingungen sowie durch Steuervergünstigungen und Kreditgewährung. Mit der Trennung der Pflanzen- und Tierproduktion und der Verabschiedung der Musterstatuten speziell für die LPG (P) und (T) im Jahr 1977 wurde die zahlenmäßige Beschränkung der Tierhaltung ganz aufgehoben (über Art und Umfang der privaten Flächennutzung und Tierhaltung entschied nun die jeweilige LPG). Zweck der „individuellen Hauswirtschaft“ waren nicht mehr nur die persönliche Bedürfnisbefriedigung, sondern auch „weitere Reserven für die Versorgung der 320 Die Anteile der privaten Produktion an der Gesamterzeugung von Wolle betrugen 30,3 Prozent; von Edelpelzfellen 35 Prozent und von Kleintierfellen 100 Prozent, vgl. Maßnahmen zur weiteren Förderung der individuellen Produktion in den Hauswirtschaften der Genossenschaftsbauern und Arbeiter sowie der Mitglieder des VKSK und der sonstigen Kleinerzeuger, Politbüro des ZK der SED vom 30. 08. 1983, SAPMO BArch DY 30/J IV 2/2/2017, Bl. 16 ff. (zitiert nach Dietrich: Hammer, S. 285 f.). Die Prozentzahlen entsprachen umgerechnet 184.462 Tonnen Schweinefleisch, 69.748 Tonnen Rindfleisch (und „sonstiges Schlachtvieh“), 3.813 Tonnen Geflügel und 13.651 Tonnen Kaninchenfleisch (alle Angaben in „Lebendmasse“) sowie 1,9 Millionen Eiern, die 1982 privat produziert wurden, vgl. Statistisches Taschenbuch der Deutschen Demokratischen Republik 1989, Berlin (Ost) 1989, S. 83. Das tatsächliche Aufkommen könnte weitaus höher gelegen haben, da der Eigenverzehr und die Direktkäufe vermutlich nicht erfasst wurden, vgl. Schier: Merxleben, S. 226. 321 Autorenkollektiv: Theorie und Praxis, S. 44. 322 Vgl. Autorenkollektiv: Theorie und Praxis, S. 40. Im Jahr 1967 war man noch überzeugt: „Nach und nach werden die persönlichen Hauswirtschaften ökonomisch überflüssig werden.“ Hanke, Helmut: Kultur und Lebensweise im sozialistischen Dorf. Über kulturelle Prozesse bei der Gestaltung des entwickelten Systems des Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin (Ost) 1967, S. 111. 323 Wie es Schier behauptet (auch für den Bereich des VKSK), vgl. dies.: Merxleben, S. 223 und S. 226.
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Bevölkerung zu erschließen.“ 324 War die Privatwirtschaft anfangs ein Zugeständnis an die „Genossenschaftsbauern“ und Mittel der Existenzsicherung in den Wirren der Zwangskollektivierung, gewann sie schnell an ökonomischer Bedeutung. Angesichts der sich zuspitzenden Probleme in den letzten beiden Jahrzehnten der DDR und der damit verbundenen drohenden Futter- und Lebensmittelknappheit sowie aufgrund der 1984 bevorstehenden Agrarpreisreform 325 wurde die individuelle Produktion weiter massiv gefördert.326 Ein subtiles Mittel, um die Privatwirtschaft zu „stimulieren“, war die Ratgebersendung „Du und Dein Haustier“. Der damaligen Moderatorin Gudrun Thiele zufolge war die Serie dazu gedacht, die BürgerInnen zur Kleintierhaltung und -zucht zu motivieren, um den Eigenbedarf an Lebensmitteln zu sichern und Überschüsse in den Handel zu bringen. Die unpolitisch erscheinende Tiersendung war also Teil der Agrarpolitik der DDR – nicht der Unterhaltungsindustrie.327 Von der Individualwirtschaft profitierten ebenso die Produzierenden, denn die staatlichen Aufkaufpreise
324 Beschluß über die Musterstatuten und Musterbetriebsordnungen der LPG Pflanzenproduk tion und LPG Tierproduktion vom 28. Juli 1977, Anlage 1 und 2: Musterstatut der LPG Pflanzenproduktion und LPG Tierproduktion, GBl. Sonderdruck Nr. 937, S. 2. Weiterhin war nun auch LPG-ArbeiterInnen (nicht nur den „Genossenschaftsbauern“) erlaubt eine „individuelle Viehwirtschaft“ zu unterhalten. Die Aufhebung der Zahlenbegrenzung wurde auch im LPG-Gesetz von 1982 beibehalten, vgl. Gesetz über die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften – LPG-Gesetz – vom 2. Juli 1982. Dort wurde ausdrücklich die Unterstützung der Individualwirtschaft durch die LPG vorgeschrieben („Die LPG unterstützt die Bewirtschaftung des zur persönlichen Nutzung zur Verfügung gestellten Bodens und fördert die persönliche Tierhaltung.“, § 34). 325 Durch die Agrarpreisreform erhielten die landwirtschaftlich Produzierenden höhere Vergütungen für ihre Erzeugnisse, mussten im Gegenzug jedoch mehr für den Erwerb von Produktionsmitteln zahlen. Dadurch sollten Leistungsanreize geschaffen, die Qualität der Erzeugnisse verbessert sowie Sparsamkeit stimuliert und damit der Staatshaushalt entlastet werden. Die Einzelhandelspreise blieben von der Reform allerdings unberührt, so dass sich die Nahrungsmittelsubventionen verstärkten, vgl. dazu Jahn: Agrarpreisreform. 326 Vgl. dazu Maßnahmenplan zur weiteren Förderung der individuellen Produktion in den Hauswirtschaften der Genossenschaftsbauern und Arbeiter sowie der Mitglieder des VKSK und der sonstigen individuellen Kleinerzeuger, Politbüro des ZK der SED vom 30. 08. 1983, SAPMO BArch DY 30/J IV 2/2/2017, Bl. 16 – 30. Detailliert zur preis- und steuerrechtlichen Förderung der Privatproduzierenden vgl. Hohmann, Karl: Entwicklung und Bedeutung der privaten Agrarproduktion in der DDR, Berlin (West) 1984, S. 14 ff. Weiteres Mittel der Förderung war das Tierzuchtgesetz von 1980, das erstmals auch die Privattiere von VKSK-Mitgliedern und BürgerInnen erfasste, vgl. § 2 Gesetz über die Leitung, Planung und Organisation der Tierzucht – Tierzuchtgesetz vom 17. Dezember 1980 (GBl. I, S. 360). Das DDR-Tierzuchtgesetz wird weiter unten besprochen. 327 Vgl. Interview mit Gudrun Thiele in der Sendung „Igel – Das Tierschutzmagazin“, SWR, Sendung vom 02. 03. 1990. Dementsprechend stark war der Fokus der Sendung auf Kleintiere wie Schafe, Ziegen, Kaninchen oder Geflügelarten.
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für die Waren lagen über denen im Laden.328 Der durchschnittliche Zuverdienst für LPG-Beschäftigte betrug etwa 5.400 Mark jährlich (1988), was manchmal den Lohn in der LPG überstieg.329 Für einen Bullen gab es zum Beispiel 5.000 Mark und für ein Schwein 1.200 Mark. Für RentnerInnen war die „individuelle Produktion“ besonders attraktiv.330 Eine nicht zu unterschätzende Bedeutung hatte die Privatwirtschaft als Möglichkeit der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit.331 Insbesondere für die enteigneten „Genossenschaftsbauern“ war die Aussicht auf ein privates Unternehmen reizvoll: Die privatwirtschaftlich erfolgreiche Arbeit erfüllte die LPG-Beschäftigten mit Stolz 332, wurde zum „Symbol der früheren Selbständigkeit“ 333 und ein Freiraum, in dem sich Kreativität und Eigeninitiative entwickelten und auszahlten.334 Ende der Achtzigerjahre betrieben zwei Drittel der 629.000 LPG-Mitglieder nebenher eine „persönliche Hauswirtschaft“.335 Auf diese Weise lebte eine Art Kleinbauerntum samt „einzelbäuerlicher Mentalität“ fort, wo bäuerliches Wissen und Traditionen konserviert und die Heterogenität ländlicher Gesellschaften aufrechterhalten wurden.336 Nicht zuletzt bereicherte die 328 Dieser Umstand trieb wirtschaftsschädigende Blüten: Die zuvor in der Ankaufstelle verkauften Waren wurden postwendend im Laden mit einem satten Gewinn zurückgekauft. Oder man kaufte gleich die Waren im Laden und verkaufte sie anderswo wieder (die Ankaufstellen waren verpflichtet die Waren anzunehmen), vgl. Heinz, Michael: Die Geschichte der individuellen Kuh. Private landwirtschaftliche Produktion in der DDR, in: Muhle, Susanne/ Richter, Hedwig/Schütterle, Juliane (Hrsg.): Die DDR im Blick. Ein zeithistorisches Lesebuch, Berlin 2008, S.69 – 76, hier S. 75 f.; Breitschuh (u. a.) (Hrsg.): Landwirtschaft, S. 55; Schier: Merxleben, S. 233. 329 Vgl. Breitschuh (u. a.): Landwirtschaft, S. 54. 330 Vgl. Heinz: Kuh, S. 75 f. Der hohe Nebenverdienst erlaubte vielen Privatproduzierenden ein konsumreiches Leben, mit Urlaubsreisen, modernen Autos und Haushaltsgeräten, vgl. Prange: Bauernschicksale, S. 133, S. 193 und S. 208; Schier: Merxleben, S. 234 ff. und S. 286. 331 Vgl. Heinz: Kuh, S. 75. 332 Vgl. Schier: Merxleben, S. 223 ff. und S. 227. 333 Humm: Weg, S. 164. 334 Vgl. Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 345; Schier: Merxleben, S. 286 und S. 293. 335 Vgl. Autorenkollektiv: Theorie und Praxis, S. 40; Statistisches Taschenbuch der DDR 1989, S. 35. Ende der Achtzigerjahre gab es 3.855 LPG in der DDR, davon 1.159 Pflanzen- und 2.696 Tierproduktionsbetriebe, vgl. ebenda, S. 70. Überdies gab es (zahlenmäßig nicht erfasste) getarnte oder geduldete bäuerlicher Kleinbetriebe, die als Haupterwerb betrieben wurden, vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 407 – 413; Prange: Bauernschicksale, S. 234 f. 336 Vgl. Schöne: Landwirtschaft, S. 66 f. Neben der Individualwirtschaft trugen auch das unterschiedliche Qualifikationsniveau der Beschäftigten im Zuge der landwirtschaftlichen Industrialisierung und Spezialisierung, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sowie die Differenzen in Mentalität und Lebensstil von früheren LandwirtInnen und denjenigen von Angestellten in den spezialisierten LPG zur sozialen Heterogenität auf dem Land und zum Fortbestehen von Unterschieden zwischen Stadt und Land bei, vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 427 und S. 468; Schier: Merxleben, S. 282 ff. und S. 292; Bauerkämper:
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Eigenproduktion das zum Teil sehr eingeschränkte Warenangebot in den Läden und stellte eine Art „inoffizielle Währung“ innerhalb der informellen Netzwerke dar, die durch die Individualwirtschaft weiter ausgebaut und intensiviert wurden.337 Was die Mensch-Tier-Beziehung betraf, so herrschten ein höheres Verantwortungsgefühl und Engagement sowie eine enge Bindung an das tierliche „Privateigentum“ vor. Die „Liebe zum Tier“ wurde folglich mehrfach als Grund für die private Tierhaltung genannt.338 Die „Privat-Tiere“ wurden anders wahrgenommen: Die individuell gehaltenen Tiere waren ohnehin etwas Besonderes. Sie waren ‚empfind licher‘, weniger streßabgestumpft, wurden zumeist ganz persönlich und mit viel Liebe versorgt, aus der Hand gefüttert, gestreichelt, man sprach mit ihnen, sie gehörten fast zur Familie. […] Diese Einzeltiere sind auch scheinbar häufiger krank. In Wirklichkeit werden sie besser umsorgt, gründlicher beobachtet und rascher dem Tierarzt vorgestellt.339
Im Gegensatz dazu konstatierte das MfS, „daß das Verhältnis der ‚Genossenschaftsbauern‘ zum Tier und zum Boden im gesellschaftlichen, nicht im individuellen Bereich, ernsthaft ge- bzw. zerstört ist“.340 Eine Menge Zwangsmodernisierung, S. 486 – 489 und S. 508 – 513; Langenhan: Weg, S. 263 – 274. Zum Aberglauben der Landbevölkerung vgl. Köpp: Von Tieren, S. 315. Auch Anekdoten über „Hexerei“ sind überliefert, vgl. Eckart: So sehe ick die Sache, S. 175 f. Vgl. auch Krüger, H.: Allgemeine Charakterisierung und Standortbestimmung des Aberglaubens und seine Relikte in unserer Zeit, in: MfV 38 (1983), S. 955 – 958; ders.: Medizinischer Aberglauben, Kurpfuschertum und Tierheilkunde, in: MfV 39 (1984), S. 632 – 636, ders.: Über Geheimmittel und das Geheimmittelwesen in der Tierheilkunde, in: MfV 39 (1984) S. 753 – 756. 337 Vgl. George: Weg, S. 454. Dazu ein Beispiel in Form einer sehr langen Beziehungskette: Für die zwölf Pferde eines „Genossenschaftsbauern“ aus dem Kreis Saalfeld/Rudolstadt (Bezirk Gera), der seine Tiere dem Deutschen Turn- und Sportbund (DTSB) zur Verfügung stellte, reichte das vom DSTB bereitgestellte Futterkontingent nicht aus. Er war also gezwungen Futter „schwarz“ dazu zukaufen. Um das Geld für den Schwarzkauf zu verdienen, hielt er 20 „individuelle Schweine“. Als Futter für die Schweine bekam er (überschüssige) Molke einer Molkerei, dessen Direktor er mit Würsten und Sülze seiner Schweine versorgte. Mit dem Geld aus der Schweinemast kaufte er dann Pferdefutter von befreundeten Landwirten, zum Beispiel einen Hänger voll Pellets von einem LPG-Vorsitzenden, der das Geld wiederum für den Schwarzbau einer Tankstelle einsetzte, vgl. Bericht eines Mitarbeiters der LPG Munschwitz, zitiert nach Breitschuh (u. a.): Landwirtschaft, S. 173 ff. Zu Netzwerkstrukturen und -beziehungen im Dorf vgl. ebenda, S. 278 ff. und Heinz: Industrialisierung, S. 306 – 313. 338 Vgl. die Antworten der KleintierhalterInnen in „Vier Fragen an Kleintierzüchter“, Antwort einer Milchschafzüchterin auf die erste Frage „Warum züchten Sie Kleintiere?“, in: DBZ 17 (1977), S. 10; Winkler: Arbeits- und Lebensbedingungen, S. 151. 339 Köpp: Von Tieren, S. 229 f. 340 Operative Erkenntnisse und Erfahrungen bei der Sicherung der Landwirtschaft vom 29. 11. 1982, BStU, Ast. Neubrandenburg, AKG, Nr. 633, Bl. 3 (zitiert nach Heinz: Industrialisierung, S. 381). Siehe dazu auch oben, Anm. 36.
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„Genossenschaftsbauern“ investierten viel Zeit und Arbeit in die „individuelle Tierhaltung“, demgegenüber litt dann oft die Arbeitsmotivation in den LPG.341 Die achtsamere Behandlung sorgte dafür, dass die „individuellen Tiere“ weit bessere Leistungen erbrachten als jene in der genossenschaftlichen Viehhaltung.342 Die „individuelle Tierhaltung“ durfte jedoch nicht mit „idyllischen“ Bauernhöfen oder Kleingärten verwechselt werden. Im Kreis Demmin (Bezirk Neubrandenburg) gab es eine private ‚Pelztier‘-Farm mit 2.000 Tieren, die kein Einzelfall gewesen sein soll.343 Auch die private Schweinehaltung war ZeitzeugInnen- Aussagen zufolge tierquälerisch, denn die Tiere wurden meist einzeln und in dunklen Verschlägen gehalten.344 Da die Kleinproduktion einen erheblichen Dazuverdienst darstellte, wurden vor allem ‚Nutztier‘-Arten gehalten, deren Produkte einen hohen Gewinn erwarten ließen und deren Haltung wenig Aufwand bedeutete. Demzufolge war die Haltung von Hühnern, Schweinen und Schafen besonders beliebt, während die Zahl an privat gehaltenen ‚Milchkühen‘ kontinuierlich abnahm.345 Weiterhin ganz oben standen Kaninchen und Bienen, wie das Aufkommen an Kaninchenfleisch und Honig aus privater Hand bezeugte.346 Die „individuelle Tierhaltung“ war damit noch stärker von der Ambivalenz des Tierkonzepts ‚Nutztier‘ (das Tier als Lebewesen und zugleich Ware) geprägt, wohingegen sich in der industriellen Produktion widersprüchliche Tierkonzepte tendenziell auflösen (das Tier als reine Ware).347
341 Vgl. Schier: Merxleben, S. 227 ff.; Poutrus: Goldbroiler, S. 40 f.; Langenhan: Kollektivierung, S. 159 f.; Humm: Weg, S. 163; Heinz: Industrialisierung, S. 397 f.; Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 344. 342 Vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 111. 343 Bei einem Preis von 100 bis 150 Mark je ‚Pelztier‘ ein lukratives Geschäft, auch für den nach Devisen schielenden Staat, denn die Pelze wurden vielfach ins westliche Ausland verkauft, vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 411 f. 344 Vgl. Stock: Tierschutz, S. 248 und S. 258. 345 Vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 390 f. Ein Hühnerbestand von 200 Tieren war keine Selten heit, vgl. Schier: Merxleben, S. 231. 346 Die private Kaninchenzucht war auch von staatlicher Seite besonders gern gesehen, da sie viele Rohstoffe lieferte, „ohne dabei den Futtermittelmarkt zu belasten (Abfallverwertung).“ Friedmann (u. a.): Kleintierhaltung, S. 72. 347 Durch die Zerlegung des Arbeitsprozesses in viele Abschnitte wird die Verantwortung auf viele Handelnde verteilt, so dass sich der Einzelne der Verantwortung entzieht („Adiaphorisierung“), wodurch unterschiedliche, teils relativ ausdifferenzierte Tierkonzepte nicht als befremdend, widersprüchlich oder gar als „doppelmoralisch“ wahrgenommen werden, vgl. Wiedenmann: Tiere der Gesellschaft, S. 37 f. Zur Ambivalenzstruktur auch ders.: Die Fremdheit der Tiere. Zum Wandel der Ambivalenz von Mensch-Tier-Beziehungen, in: Münch (Hrsg.): Tiere und Menschen, S. 351 – 381. Für die ‚Nutztier‘-Haltung vgl. Inhetveen: Empathie und Ratio, S. 17 f.; Jürgens, Karin: Emotionale Bindung, ethischer Wertbezug
Mensch-‚Nutztier‘-Verhältnisse
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Das „individuelle Tier“ wurde damit (ungewollt) ein doppeldeutiger Begriff: Das Tier als individuelles Eigentum und individuelle Persönlichkeit. Allerdings bereitete die „individuelle Tierhaltung“ dem SED -Regime auch Schwierigkeiten: Neben der Vernachlässigung der LPG -Arbeit führte die Futterversorgung der privaten Tiere mitunter zu unerwünschten Erscheinungen. Wem selbst angebaute Futtermittel und die staatlichen Zuschüsse nicht reichten, musste sich das Futter auf anderen Wegen besorgen. Gern gesehen war das Bewirtschaften und Abmähen von Straßengräben und anderen Brachflächen („Rest- und Splitterflächen“) oder Vereinbarungen mit Gaststätten zur Verwertung der Essensreste.348 Nicht hinnehmbar war demgegenüber der Diebstahl von Futter (oder auch von Tieren und Werkzeugen) aus der LPG . Ein Bericht des MfS aus dem Jahr 1980 über die in der Volkswirtschaft begangenen Straftaten konstatiert, dass ein Großteil der Straftaten durch die „individuelle Viehhaltung“ 349 beeinflusst sei. Eine andere Methode der Futterbeschaffung war das Verfüttern von – durch die staatlichen Subventionen günstig zu erstehenden – Lebensmitteln.350 So gingen beispielsweise in einem mecklenburgischen Dorf mit nur 69 Einwohnern 1980 wöchentlich 730 bis 1.200 Schwarzbrote, 210 Mischbrote und täglich etwa 20 Kisten Buttermilch über die Theke, was einen Brotverbrauch von 60 Broten pro Haushalt in der Woche bedeutet hätte.351 Ganz klar kamen diese Lebensmittel nicht auf den Küchentisch, sondern in die Tröge der „individuellen Tiere“. Eine günstige Futterversorgung, wenn man bedenkt, oder objektiver Nutzen? Die Mensch-Nutztier-Beziehung im Spiegel landwirtschaftlicher (Alltags-)Praxis, in: ZAA 2 (2008), S. 41 – 56. 348 Vgl. Heinz: Kuh, S. 72. Zur Futterversorgung siehe auch ders.: Industrialisierung, S. 391 – 393. 349 Berichterstattung über Straftaten in der Volkswirtschaft im Jahr 1980 gemäß Informa tionsanordnung 081/73, MfS BV Pdm. Abt. XVIII 1347, Bd. I, BStU, Bl. 60 – 97, hier Bl. 74; auch: Lage in der LPG (T) Schmerzke, Kreis Brandenburg (Ende der Achtzigerjahre, mit Fotodokumentation), MfS BV Pdm. 1 Stv Op. 3, BStU. Selbst ABV fielen hier und da wegen „Unregelmäßigkeiten bei der Futtermittelbeschaffung“ auf, vgl. Lindenberger: ABV als Landwirt, S. 203. Anfang der Achtzigerjahre rief die VdgB zu einer Kampagne mit dem Motto „Kampf den Futterdiebstählen“ auf, vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 393. 350 Zu den negativen Folgen der Agrarsubventionen vgl. ausführlich Steiner, André: Zwischen Konsumversprechen und Innovationszwang. Zum wirtschaftlichen Niedergang der DDR, in: Jarausch, Konrad H./Sabrow, Martin (Hrsg.): Weg in den Untergang. Der innere Zerfall der DDR, Göttingen 1999, S. 153 – 192. Da die Preise für Futtermittel durch die Agrarreform von 1984 – bei unveränderten Lebensmittelpreisen – stark anstiegen, war die zunehmende Verfütterung von Nahrungsgütern vorprogrammiert, so dass die SED das Problem der Lebensmittelverfütterung selbstverschuldet vertiefte, vgl. Jahn: Agrarpreisreform, S. 166. Subventionen für Nahrungsmittel stiegen von 12,1 Milliarden Mark 1983 auf 25,1 Milliarden Mark 1984, vgl. ebenda, S. 160. 351 Vgl. Heinz: Kuh, S. 69. So ähnlich: Krenz: Notizen, S. 168; Kipping: Bauern, S. 88; Wolle: Diktatur, S. 192.
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dass der Kilopreis von Brot konstant bei rund 60 Pfennig lag.352 Knapp wurde das Brot mancherorts in der Zeit vor Ostern, wenn die billigen Backwaren an die vielen Osterküken verfüttert wurden.353 Das Ministerium für Handel und Versorgung stellte 1983 fest, dass in den Bezirken Rostock und Halle im Jahr zuvor bis zu 90 Prozent der im Einzelhandel gekauften Haferflocken und Graupen Futterzwecken dienten.354 Die Staatsführung befand sich damit in einem Dilemma: Einerseits wollte man die individuelle Produktion steigern, denn die Volkswirtschaft war mehr denn je vom Privatsektor abhängig. Anderseits sollte der Kauf von Nahrungsmitteln zu Futterzwecken eingedämmt werden. Gegenmaßnahmen, etwa die Erhöhung der niedrigen Preise für Grundnahrungsmittel oder strafrechtliche Konsequenzen, wurden, um des Friedens willen, nicht ergriffen.355 Stattdessen wurde jede weitere Diskussion über das Für und Wider der Individualwirtschaft unterbunden.356
352 Vgl. Pötzsch: 5 Pfennig, S. 112 und S. 114. Die stabilen Lebensmittelpreise waren Teil von Honeckers Sozialpolitik, der häufig (stolz) betonte, dass der Kilopreis von Brot seit 20 Jahren bei 52 Pfennigen liege, vgl. Nelson: Cold War Ecology, S. 158. 353 Vgl. Köpp: Von Tieren, S. 200. 354 Vgl. Information über die Verfütterung von Nahrungsgütern bei der Durchführung der Agrarpreisreform, Ministerium für Handel und Versorgung, März 1983, SAPMO BArch DY 30/1524, Bl. 277 ff. (zitiert nach Dietrich: Hammer, S. 288 f.). 355 In der Sowjetunion hingegen wurde schon 1956 eine Verordnung gegen die Verfütterung von Lebensmittel erlassen, vgl. Verordnung vom 27. August 1956 über Maßnahmen zum Kampf gegen den Verbrauch von Getreide und anderen Lebensmitteln aus dem staatlichen Handelsnetz zur Viehfütterung. 356 Vgl. Dietrich: Hammer, S. 288 f. Auch der notorische Arbeitskräftemangel ließ so manche LPG Zugeständnisse in Sachen privater Landwirtschaft machen, um Arbeitskräfte in die Genossenschaft zu locken und einen Ausgleich zum schlechten Lohn zu bieten, vgl. Heinz: Kuh, S. 75. Es gab jedoch auch LPG-Vorstände, die die ausufernden Privatwirtschaften einzudämmen suchten, vgl. ders.: Industrialisierung, S. 394 f.; Schier: Merxleben, S. 228 ff. und S. 237 f.
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3.2 Die Erfindung neuer Produktionsmittel – Tierzucht in der DDR „Neue ökonomische Verhältnisse ermöglichen nicht nur, sondern erfordern meist auch den Einsatz neuer Produktionsmittel. Der Züchtung kommt in diesem Zusammenhang die Aufgabe zu, diese Produktionsmittel zu produzieren, bzw., wenn sie noch nicht vorhanden sind, zu konstruieren.“ 357
Hat sich der erste Teil der Studie mit der Entwicklung der DDR-Landwirtschaft und dem sich wandelnden Mensch-‚Nutztier‘-Beziehungen beschäftigt, befasst sich der zweite Teil zunächst mit den Rahmenbedingungen der DDR-Tierzucht. Im Anschluss werden konkret einzelne Arten und Rassen von landwirtschaft lichen ‚Nutztieren‘ in den Blick genommen und es wird nach den Auswirkungen „sozialistischer“ Produktionsverhältnisse auf den tierlichen Körper gefragt. Denn im Tierkörper manifestieren sich politische und ökonomische (Macht-)Verhältnisse sowie Konsum- und Verbraucherwünsche. Im Bereich der Tierzucht steht also die Frage nach der Produktion von bestimmten Tierkörpern, die bestimmte Funktionen erfüllen sollen, im Vordergrund.358 Als Teil der Landwirtschaft war die ‚Nutztier‘-Zucht herrschaftskonsolidierendes Element. Sie war nicht nur für die Versorgung der DDR-Bevölkerung mit Tierprodukten von Bedeutung. Der Export von lebenden Tieren, Fleisch und Fleischwaren war einer der Schwerpunkte des DDR-Agrarhandels mit dem Westen: Er machte etwa 40 Prozent der Exporte aus (1979 bis 1986).359 Das erklärte Ziel der DDR-Tierzucht, nämlich „Lebewesen so zu verändern, daß sie uns mehr Nahrung und Rohstoffe liefern als bisher“ 360, wurde überdies zum Teil der Systemkonkurrenz. Auf der seit 1950 jährlich stattfindenden Landwirtschaftsausstellung der DDR „agra“ in Leipzig-Markkleeberg diente die Tierzucht der Repräsentation und Demonstration der Leistungsfähigkeit der „sozialistischen“ Landwirtschaft.361 Der Wettstreit der Systeme wurde folglich auch in den Körpern der Tiere und über deren Leistung ausgetragen. 357 Schönmuth, Georg: Zur Züchtung eines milchreichen Zweinutzungsrindes mit hohem Milchfett- und Eiweißgehalt und bestem Euter, in: Archiv Tierzucht 6 (1963), S. 79 – 92, hier S. 82. 358 Zu biopolitischen Ansätzen vgl. oben, Kapitel 2.1.1, Anm. 71. 359 70 Prozent der Tier- und Fleischexporte gingen in die Bundesrepublik, knapp zehn Prozent nach Belgien und Luxemburg sowie acht Prozent nach Frankreich und fünf Prozent nach Italien, vgl. Lambrecht: Agrarhandel, S. 44. 360 Borkowski, Manfred: Menschen, Pflanzen, Tiere, S. v. „Züchtung“, 4. Aufl., Berlin (Ost)1980, S. 77. 361 Vgl. dazu Schultze: Grüne Woche.
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3.2.1 Organisation der Tierzucht Anhand der Organisation der Tierzucht wird deutlich, wie groß die Beeinflussung durch die politisch-ökonomischen Vorgaben auch in d iesem Bereich war und wie eng die Tierzucht in ihrer Entwicklung und Organisation an die SED -Agrarpolitik gebunden war. Die Ausgangslage der Tierzucht nach dem Zweiten Weltkrieg war von schwerwiegenden Problemen gekennzeichnet. Auf dem Gebiet der SBZ und späteren DDR waren sehr große Tierverluste zu verzeichnen: Der Bestand an Rindern ging gegenüber dem Stand von 1938 um 66 Prozent zurück; der Schweinebestand sank auf 30 Prozent und die Anzahl der Schafe schwand um 17 Prozent.362 Ähnlich sah es beim Geflügelbestand aus, der nach 1945 auf bis zu 25 Prozent gesunken war.363 Neben unmittelbaren Kriegseinwirkungen war auch das Wegtreiben zum Teil ganzer Herden Richtung Osten („Beutevieh“) Ursache für den radikalen Tierverlust.364 Erschwerend kamen Tierseuchen und die schlechte Versorgungs- und Unterbringungslage der verbliebenen Tiere hinzu. Außer den Kriegsfolgen verschärfte die Agrarpolitik der SED die Situation. Die meist groß- und mittelbäuerlich geprägten Zuchtverbände waren besonders vom Klassenkampf betroffen, denn „deren Sinn und Tätigkeit [würden] der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft zuwiderlaufen“ 365. Die Zerschlagung der jüngst gegründeten Verbände 366 hatte den Verlust von ‚Zuchttier‘-Beständen und die Aufgabe der Zuchttätigkeit einzelner ZüchterInnen und zuweilen ganzer „Züchterdörfer“ zur Folge.367 362 Vgl. Zelfel, Siegfried: Das Erbe des Zweiten Weltkrieges, in: Wolf (u. a.) (Hrsg.): Tierzucht in der DDR, S. 11 – 22, hier S. 11. 363 Vgl. Pingel, Heinz: Entwicklung der Geflügelproduktion in der DDR, in: Schwark, Hans- Joachim/Strittmatter, Knut/Pingel, Heinz (Hrsg.): Tierzucht in der DDR und in den neuen Bundesländern. Pferdezucht, Schaf- und Ziegenzucht, Geflügelzucht, Sonderheft II, Bonn 2008, S. 399 – 407, hier S. 399. 364 Krenz: Notizen, S. 17. 365 Bericht HVDVP, Volkspolizeikreisamt (VPKA) Seehausen (Bezirk Magdeburg) über die Tätigkeit einer Brigade, zur Sicherung und Förderung der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft in der Zeit vom 30.9. bis 24. 10. 1959 vom 26. 10. 1959, BArch DO 1/27746, Bl. 161 – 180, hier Bl. 165. Zur Bekämpfung des ländlichen Vereinswesens vgl. auch HVDVP, Abteilung K, Bericht über die Verbrechensbekämpfung in der Landwirtschaft, vom 18. 06. 1960, BArch DO 1/27793, Bl. 45 – 68, hier Bl. 64 ff. 366 1945 erlaubte die SMAD den alten Zuchtverbänden die Wiederaufnahme ihrer Arbeit, vgl. SMAD-Befehl Nr. 196 vom 20. 11. 1945 – Zusammenschluß der Tierzüchter zu Interessengemeinschaften in Form von Zuchtverbänden bzw. Zuchtgemeinschaften. 367 Vgl. Brade, Wilfried: Die Milchrinderzüchtung in der ehemaligen DDR – eine retrospektive Bewertung, in: ZAA 89/2 (2011), S. 267 – 285, hier S. 282 f. Brade nennt hier die RinderzüchterInnen im Speziellen und bemängelt zu Recht die unzureichende Forschungslage über dieses Kapitel der Tierzucht in der DDR.
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Pferdezuchtgemeinschaften im Speziellen wurden mit dem ideologischen Vorwand „liquidiert“, dort sei „eine Konzentration von negativ eingestellten Elementen (Großbauern, ehemalige Mitglieder des SA -Reitersturms, aktive Anhänger von Religionsgemeinschaften usw.) vorhanden“ 368. Auch die in vielen Dörfern veranstalteten Viehversteigerungen wurden verboten, weil sie Ausdruck überholter einzelbäuerlicher Traditionen seien.369 Mit der systematischen Vertreibung und Verfolgung der ZüchterInnen ging ein großer Verlust tierzüchterischen Wissens einher.370 Die Tierbestände wurden durch Experimente wie das „Offenstall-Programm“ und die Kollektivierung der Landwirtschaft weiter dezimiert. Die angedeuteten Umstände führten in der frühen DDR zu erheb lichen Einschränkungen in der Tierzucht. Die DDR -Staatsführung strebte schon früh die Zentralisation und Vereinheit lichung der gesamten Tierzucht an. Nach der Zwangsauflösung der Zuchtverbände wurde die Verstaatlichung der Tierzucht weiter vorangetrieben. Die ZüchterInnen wurden zunächst in der VdgB und 1952 unter der „Zentralstelle für Tierzucht“ beim Ministerium für Landwirtschaft, Erfassung und Forstwirtschaft (MLEF ) in Ost-Berlin zusammengefasst. Mit der Auflösung der Länder 1952 wurden in den neu gegründeten 14 Bezirken Tierzuchtinspektionen gebildet.371 Auf Grundlage des Tierzuchtgesetzes von 1962 wurde die Tierzucht der DDR zentralisiert und in Form der neugegründeten Vereinigung Volkseigener Betriebe Tierzucht (VVB Tierzucht) zusammengefasst.372 Ausnahmslos alle züchterischen Einrichtungen wurden unter die Leitung der VVB Tierzucht gestellt.373 Ab 1970 erarbeitete die VVB Tierzucht die Zuchtprogramme entsprechend der Fünfjahresplanung.374 Damit war die Tierzucht der DDR , gleich der Verwaltungswirtschaft, zentral geplant und Zuchtziele und -vorschriften 368 HVDVP, Stand der Schutzmaßnahmen in der Landwirtschaft vom 24. 10. 1960, BArch DO 1/27100, Bl. 30 – 45, hier Bl. 36. 369 Vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 52. 370 Das stellte insbesondere für die Leistungsmast ein Problem dar. Die fehlende Expertise versuchten die agrarpolitischen AkteurInnen durch Konzentration und Erhöhung der Tierbestände und Technisierung der Haltungsbedingungen sowie einem verstärkten Arbeitskräfteeinsatz zu kompensieren, vgl. Poutrus: Goldbroiler, S. 190. 371 Vgl. Zelfel: Organisationsformen, S. 26 ff. Zur Auflösung der Länder vgl. Weber: DDR, S. 39 f. 372 Gesetz über die Organisierung und Leitung der Tierzucht – Tierzuchtgesetz vom 20. Juni 1962 (GBl. I, S. 60). 373 Dazu gehörten die VEG-Tierzucht, die Bezirkszuchtinspektionen, die Besamungs- und Deckstationen, Forschungseinrichtungen, Hengstdepots und Gestüte, die Bienenzucht, Betriebsschulen für Tierzucht sowie Prüfungsanstalten, vgl. Zelfel: Organisationsformen, S. 30 f. 374 Vgl. ebenda, S. 35.
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wurden staatlich vorgegeben. An die Stelle von individuellem, praxisorientiertem und auf das einzelne Tier bezogenem Zuchtwissen traten zentralisierte und universal auf große Tierbestände anwendbare Zuchtmethoden. Der Eigenständigkeit der Tierzucht-Einrichtungen sowie dem angeblichen „Lokalpatriotismus der Kreise und Bezirke auf dem Gebiet der Tierzucht“ 375 war damit ein Ende gesetzt. Ihrem Führungsanspruch entsprechend hatte sich die Zentrale der VVB Tierzucht herrschaftlich im ehemaligen Sommersitz von König Friedrich Wilhelm III . von Preußen und seiner Gattin, Königin Luise, im Schloß Paretz eingerichtet (Bezirk Potsdam).376 Die Einführung „industriemäßiger Produktionsmethoden“ erforderte eine Neuorganisation der DDR-Tierzucht, denn die Massentierhaltung bedurfte einer erheblichen Ausweitung der Aufzucht. 1965 wurde die „Zentrale Aufbaugruppe“ (ZAG) gebildet, ein Aufbaustab, bestehend aus AgrarexpertInnen und OrganisatorInnen, die mit dem Aufbau von „Beispielanlagen für die industriemäßige Tierproduktion“ (zunächst in der Geflügelwirtschaft) betraut wurde.377 Für den weiteren Ausbau der industriellen Tierproduktion und deren einheitliche und zentrale Planung wurde die ZAG mit der VVB Tierzucht 1969 zur VVB Tierzucht und industrielle Tierproduktion (VVB ITP) fusioniert. Schon zwei Jahre später wurde der Zusammenschluss wieder aufgelöst: Der Aufgabenbereich der VVB ITP war derart komplex, dass 1971 die VVB industrielle Tierproduktion geschaffen wurde. Sie war nur noch für die „industriemäßige Produktion“ von Milch, Eiern, Geflügel-, Schaf-, Schweine- und Rindfleisch zuständig (1983 wurde sie in VE Kombinat Industrielle Tierproduktion umbenannt 378). Die wieder eingerichtete VVB Tierzucht (seit 1988 VE Kombinat Tierzucht) konzentrierte sich 375 Aussage des Abgeordneten Bruno Kiesler auf der gemeinsame Sitzung des Ausschusses für Land- u. Forstwirtschaft und des Rechtsausschusses der Volkskammer zur Beratung der Entwürfe des Tierzuchtgesetzes und Veterinärgesetzes am 13. Juni 1962, BArch DA 1/2984, Bl. 119. Bruno Kiesler (1925 – 2011) war von 1959 bis 1981 Leiter der Abteilung Landwirtschaft des ZK, 1967 wurde er Kandidat, und von 1971 bis 1986 Mitglied des ZK. Er war maßgeb lich an der Einführung der Industrialisierung und Spezialisierung der Landwirtschaft beteiligt, vgl. Müller-Enbergs/Wielgohs/Hoffmann (Hrsg.): Wer war wer in der DDR, S. 423 f. Kiesler war 1962 außerdem gegen die Erarbeitung eines neues Tierschutzgesetztes, welches dasjenige von 1933 ersetzen sollte, vgl. die Diskussionen in der gemeinsamen Sitzung des Ausschusses für Land- u. Forstwirtschaft und des Rechtsausschusses der Volkskammer zur Beratung der Entwürfe des Tierzuchtgesetzes und Veterinärgesetzes am 13. Juni 1962, BArch DA 1/2984 und Kapitel 4.3.2. 376 Vgl. Schönmuth, Georg: Geleitwort, in: Wolf (u. a.) (Hrsg.): Tierzucht in der DDR, S. 7 – 10, hier S. 9. 377 Zur Entstehung und Arbeit der ZAG in sehr detaillierter und umfangreicher Darstellung vgl. Poutrus: Goldbroiler, S. 911 – 80. 378 Vgl. Bonitz, Winfried: Vereinigung Volkseigener Betriebe Industrielle Tierproduktion (VVB ITP), in: Wolf (u. a.) (Hrsg.): Tierzucht in der DDR, S. 38 – 42, hier S. 39.
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hingegen wieder auf die Rinder-, Schweine- und Schafzucht. Zur wissenschaft lichen Begleitung der Tierzucht beschloss die VVB Tierzucht 1976 die Gründung von Wissenschaftlich-Technischen Zentren (WTZ) für die Tierarten Rind, Schwein und Schaf.379 Für die Umsetzung der von der VVB Tierzucht und s päter vom VE Kombinat Tierzucht erarbeiteten Zuchtaufgaben waren in den Bezirken die 14 VEB Tierzucht zuständig.
Das Tierzuchtgesetz Das Tierzuchtgesetz von 1962 regelte die Zucht von landwirtschaftlichen ‚Zucht‘und ‚Nutztieren‘. Ausgangspunkt für die gesetzliche Neuregelung 380 waren der seinerzeit forcierte Aufbau großer Tierbestände im Rahmen der Einführung „industriemäßiger Produktionsmethoden“ sowie das Bestreben, die Tierzucht zu zentralisieren. Ziel der tierzüchterischen Arbeit sollte laut Gesetz die „planmäßige Steigerung der tierischen Produktion“ zur „politischen und wirtschaft lichen Stärkung der Deutschen Demokratischen Republik“ 381 sein. Grundlage dafür war das zentrale „Programm über die Aufgaben der Tierzuchtforschung zur weiteren Entwicklung der Viehwirtschaft“ (1962)382. Dort wurde die enge Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis in der Tierzucht festgelegt. Die systematische wissenschaftliche Begleitung der Zuchtarbeit stellte eine Besonderheit der DDR -Tierzucht dar. Dementsprechend war die „Hauptaufgabe der Tierzuchtforschung“ die „Schaffung von wissenschaftlichen Grundlagen zur weiteren Vermehrung der Tierbestände, zur Steigerung ihrer Produktivität und zur Festigung und Entwicklung der sozialistischen Landwirtschaftsbetriebe“ 383. Zu diesem Zweck legte das Tierzuchtgesetz unter anderem die Aufgaben und Organisation der Tierzucht, die Rechte und Pflichten der TierzüchterInnen, Prüfungsformalitäten, Fragen der Ausbildung sowie Formalien der künstlichen Besamung fest. Zahlreiche Durchführungsbestimmungen ergänzten das Tierzuchtgesetz. 1980 wurde ein neues Tierzuchtgesetz verabschiedet.384 Gründe für die Novellierung waren nicht nur die Einführung neuer (biotechnischer) 379 Vgl. Zerfel: Organisationsformen, S. 35. 380 Bis dahin waren noch das Gesetz vom 17. März 1936 zur Förderung der Tierzucht (RGBl. I, S. 175) und die dazugehörigen Bestimmungen gültig. 381 Vgl. Präambel, Gesetz über die Organisierung und Leitung der Tierzucht – Tierzuchtgesetz vom 20. Juni 1962 (GBl. I, S. 60). 382 Programm über die Aufgaben der Tierzuchtforschung zur weiteren Entwicklung der Viehwirtschaft vom 30. März 1962 (GBl. II, 1962, S. 229). 383 Ebenda. 384 Gesetz über die Leitung, Planung und Organisation der Tierzucht – Tierzuchtgesetz vom 17. Dezember 1980 (GBl. I, S. 360).
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Zuchtverfahren, elektronischer Datenverarbeitung sowie die Haltungs- und vor allem Fütterungsbedingungen, die sich seit 1962 stark weiterentwickelt hatten. Auch die veränderte Organisationsstruktur der Tierzucht durch den Ausbau der „industriemäßigen Tierproduktion“ brachte Veränderungen in der praktischen Zuchtarbeit mit sich.385 Die gesetzliche Neufassung war ebenso (ungewollt) Ausdruck für die prekäre wirtschaftliche Lage der DDR . Denn das Tierzuchtgesetz von 1980 und die damit verbundenen Richtlinien galten von nun an auch für die Mitglieder des VKSK und alle BürgerInnen, die landwirtschaftliche ‚Zucht-‘ und ‚Nutztiere‘ hielten (§ 2). Das heißt, auch die „individuelle Produk tion“ wurde unter staatliche Kontrolle gestellt und sollte in noch größerem Maße leistungsfähige Tiere hervorbringen. Außerdem wurde der Geltungsbereich erweitert: er umfasste nun nicht mehr nur landwirtschaftliche ‚Zucht-‘ und ‚Nutztiere‘ (laut Gesetz Rinder, Schweine, Schafe, Pferde, Geflügel, Ziegen, Kaninchen, Edelpelztiere und Bienen), sondern auch „anerkannte Zuchttiere“, sozusagen die ‚Spitzentiere‘ der Tierzucht (§ 2). Letztere waren vornehmlich für den Export gedacht, dessen Steigerung eine große ökonomische Bedeutung für die DDR hatte: 1984 erwirtschaftete sie mit den drei „Hauptpositionen“ (Färsen, weibliche Schafe sowie Sport- und Reitpferde) 8,1 Millionen Valutamark. Das entsprach dem Export von 10.000 Färsen, 9.000 Schafen und 400 Pferden.386
Biotechnische Verfahren in der Tierzucht Die künstliche Besamung war ein Teil des ambitionierten Zuchtprogramms der DDR. Die Bedeutung der künstlichen Besamung lag (und liegt) vor allem in der Verhinderung von Krankheitsübertragungen („Zuchthygiene“) und der Unabhängigkeit von den Vatertieren. Dadurch, dass das Sperma der Tiere verdünnt wurde, kommt es außerdem zu einer maximalen Ausnutzung und zu einer Erhöhung der Nachkommen. Ein weiterer ‚Vorteil‘ lag in der Beschleunigung des Zuchtfortschritts, das heißt, das genetische Leistungspotential wurde schneller in der Gesamtpopula tion wirksam. Außerdem kamen nur die ‚wertvollsten‘ Tiere zum Einsatz, und man brauchte zunehmend weniger Vatertiere.387 Beispielsweise wurde ein Bulle 385 Vgl. Langner, Christoph: Die Geschichte der Tierzucht in Vorpommern unter besonderer Berücksichtigung der Rinder- und Schweinezucht von ihren Anfängen bis 1990, Diss. Freie Universität Berlin 2008, S. 130. 386 Vgl. Die weitere Entwicklung des Exportes von Zucht- und Nutztieren und die Erwirtschaftung von Devisen durch Service- und immaterielle Leistungen (Vorlage für die Dienstbesprechung beim Generaldirektor am 31. Oktober 1983), MfS BV Pdm. Abt. XVIII 1278, Bd. 2, BStU, Bl. 72 – 41, hier Bl. 73. 387 Vgl. Busch, Walter/Löhle, Klaus/Peter, Winfried (Hrsg.): Künstliche Besamung bei Nutztieren, Jena 1982, S. 17 – 20.
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seinerzeit auf ‚natürliche Weise‘ nur Vater von jährlich 100 bis 200 Kälbern. Bei der künstlichen Besamung konnte ein einzelner Bulle bis zu 15.000 Nachkommen erzeugen.388 Der nordamerikanische Holstein-Friesian-Bulle „Papst Ideal“ besamte sogar 50.000 Kühe – in Ost und Westdeutschland.389 Die seit 1963 in der DDRRinderzucht praktizierte Tiefkühlkonservierung erlaubte es zudem, das Sperma lange zu lagern, was vor allem für die Zuchtwertprüfung von Bedeutung war. Denn bis zur Auswertung konnte das Sperma mehrere Jahre aufbewahrt werden und kam erst zum Einsatz, wenn positive Ergebnisse vorlagen.390 Bereits 1947 wurde die erste Besamungsstation 391 für Rinder in der SBZ eingerichtet, denn nach dem Zweiten Weltkrieg war die maximale Nutzung der dezimierten ‚Zuchtbullen‘ von großer Bedeutung. Drei Jahre s päter gab es in der DDR schon 56 Besamungssta tionen.392 Die Entwicklung ging weiter rasch voran, so dass 1970 schon eine Besamungsdichte von 95 Prozent bestand und ab 1975 fast ausnahmslos alle Rinder der DDR künstlich befruchtet wurden.393 In der DDR-Schweinezucht gewann die künstliche Besamung hingegen erst in den Sechzigerjahren an Bedeutung. Die breitflächige Einführung der Technik fand erst 1970 im Rahmen des Hybridzüchtungsprogramm statt 394, gewann dann aber sehr schnell an Gewicht: 1980 wurden bereits 80 Prozent der Sauen künstlich befruchtet. Diese Besamungsdichte wurde seinerzeit in keinem Land Westeuropas erreicht (Zum Vergleich: die Bundesrepublik hatte 1994 eine Besamungsdichte bei Schweinen von nur 35 Prozent).395 In der Schweinefleischproduktion wurden noch weitere biotechnische Maßnahmen 388 Vgl. Schmidt, Hans-Gerhard (federführend): Industriemäßige Rinderproduktion, 2., unveränd. Aufl., Berlin (Ost) 1978, S. 126. 389 Vgl. Schmidt/Jasper: Agrarwende, S. 209, Anm. 10; Zelfel, Siegfried: Rinderzucht, in: Wolf (u. a.) (Hrsg.): Tierzucht in der DDR, S. 191 – 338, hier S. 238. 390 Schwark, Hans-Joachim (federführend): Rinderzucht, 3., überarb. Aufl., Berlin (Ost) 1989, S. 132 und S. 342. 391 Bei den Tierarten Rind und Schaf wurden die Vatertiere ausschließlich in Besamungsstationen gehalten, Schweine nur in seltenen Fällen. Sie wurden zum Großteil, wie beim Geflügel, in den Betrieben gehalten, wo auch die Muttertiere standen, vgl. Autorenkollektiv: Industriemäßige Tierproduktion, Berlin (Ost) 1978, S. 140. 392 Vgl. Schwark: Rinderzucht, S. 342. 393 Vgl. Zelfel: Rinderzucht, S. 286 f. 394 Die DDR setzte in der Schweine- und Geflügelzucht ausschließlich auf die Hybridzucht. Hybride waren das Ergebnis von Kreuzungen verschiedener Rassen, die in ihren Leistungen die Elterntiere übertrafen („Heterosiseffekt“). Die durch die Kreuzungszucht entstandenen Tiere wurden jedoch nicht zur Weiterzucht verwendet, sondern nur für den Gebrauch („Gebrauchszucht“) erzeugt. Grund dafür war die Tatsache, dass die Nachkommen der Hybride nicht mehr die gewünschten Eigenschaften aufweisen. Dazu s päter mehr, wenn es um die Zucht einzelner Tierarten geht. 395 Vgl. Pfeiffer, Helmuth: Schweinezucht, in: Wolf (u. a.) (Hrsg.): Tierzucht in der DDR, S. 339 – 433, hier S. 369 f.
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angewendet, wie zum Beispiel die künstliche Brunstsynchronisation.396 Auch in der industriemäßigen Geflügelproduktion und bei Schafen wurde die künstliche Besamung ab den Sechzigerjahren beziehungsweise Siebzigerjahren mehrheitlich angewendet.397 Ein weiteres biotechnisches Verfahren, das Anfang der Achtzigerjahre in der DDR zum Einsatz kam, war der Embryonentransfer bei Rindern. Damit wollte man der begrenzten Reproduktionsfähigkeit der Muttertiere begegnen, denn eine Kuh bringt im Laufe ihres (Produktions-)Lebens „nur“ drei bis fünf Kälber zur Welt, besitzt aber mehr als 70.000 entwicklungsfähige Eizellen.398 Auch eine frühzeitige Geschlechterbestimmung wurde durch den Embryonentransfer mög lich. Das Verfahren sah hierbei die Entnahme von Embryonen einer ‚wertvollen Zuchtkuh‘ vor, die einer Mutterkuh ‚geringeren Zuchtwertes‘ zur Austragung eingepflanzt wurden. 1981 wurde in der DDR das erste auf diese Weise gezeugte Kalb geboren. Vier Jahre später wurde das Verfahren für „praxisreif“ erklärt – wurde aber aufgrund des hohen Aufwandes nicht massentauglich.399 Berühmtheit erlangte in d iesem Zusammenhang die DDR-Kuh „Lorelei“, die durch das biotechnische Verfahren „Mutter“ von 65 Kälbern wurde.400
396 Jene war von sehr großer Bedeutung, denn möglichst alle Tiere sollten zum selben Zeitpunkt ihre Kinder zur Welt bringen, um das „Alles-rein-Alles-raus-Prinzip“ einhalten zu können, vgl. Pfeiffer: Schweinezucht, S. 411 – 416. 397 Vgl. Busch (u. a.): Künstliche Besamung, S. 429 und S. 495. 398 Rinder können im Schnitt 30 Jahre alt werden und demzufolge mehr Kälber bekommen. In der DDR wurden die Kühe aber nach circa drei bis vier Jahren getötet („Leistungsmerzung“) bzw. starben aufgrund von Mängeln in der Fütterung, Haltung und Betreuung („Zwangsmerzung“), vgl. Fritzsche, J.: Maßnahmen zur Erhöhung der Nutzungsdauer der Kühe, in: Tierzucht 34 (1980), S. 209 – 210; Unterberg, Ch./Röschke, Ch./Wolf, J.: Nutzungsdauer und Abgangsursachen bei Milchkühen in der DDR-Analyse und Schlußfolgerungen, in: MfV 37 (1982), S. 41 – 44. Scharf formuliert diesen Prozess ein „Fleisch- und Milchfabrikant“ aus Los Angeles Anfang der Sechzigerjahre: „‚Wir betrachten unsere Kühe in erster Linie als Maschinen‘, erklärte der erfolgreiche Farmer. ‚Wir stecken Rohmaterial in Form von Nahrung in die ‚Maschine‘ und bekommen dafür Milch und Butterfett heraus. Bei unseren scharfen Produktionstempo sind die Kühe nach zweieinhalb Jahren gewöhnlich ‚ausgebrannt‘.‘“, vgl. Jungk: Zukunft, S. 130. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Auch heutige Hochleistungskühe haben nur eine sogenannte „Nutzungsdauer“ von etwa drei bis fünf Jahren; von der Milchproduktion völlig ausgemergelt werden sie quasi als Jugendliche getötet. Vgl. dazu ausführlich Busse, Tanja: Die Wegwerfkuh. Wie unsere Landwirtschaft Tiere verheizt, Bauern ruiniert, Ressourcen verschwendet und was wir dagegen tun können, München 2015. 399 Vgl. Zelfel: Rinderzucht, S. 293 ff. 400 Vgl. Schwark: Rinderzucht, S. 138.
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3.2.2 SMR, Broiler und Broika – „Sozialistische Produktionsmittel“ „Aufgabe ist es, Tiere für die industriemäßigen Anlagen zu züchten.“ 401
Die neuen Haltungs- und Fütterungsverfahren der „industriemäßigen Tierproduk tion“ erforderten daran angepasste und standarisierte Tiere. Demzufolge wurden ‚Nutztiere‘ – gleich Industriewaren – in das System der Technischen Normen, Gütervorschriften und Lieferbedingungen (TGL )402 eingegliedert. Die Adap tion des Tierkörpers an die hochtechnisierte und industrialisierte Umgebung wurde in der DDR unter dem Begriff der „Großanlagentauglichkeit“ geführt. Laut TGL 27325 wurde jene wie folgt definiert: „Genetisches Potential, Konstitu tion, Kondition und Gesundheitsstatus des Tieres, die im Zusammenwirken unter den Bedingungen einer Anlage industriemäßiger Tierproduktion die geforderte Lebensleistung entsprechend den vorgegeben Parametern erwarten lassen.“ 403 Die Anlagentauglichkeit wurde nach Organsystemen (wie zum Beispiel die Bewegungsorgane) eingeteilt und die Körperteile wurden entsprechend gesetzlich normiert. Besonderes Augenmerk lag aufgrund der bewegungsarmen, einstreulosen Aufstallung und Käfighaltung auf der Anpassung der sehr stark belasteten Gliedmaßen und Klauen der Tiere.404 Die züchterische Manipulation für die Massentierhaltung erfolgte dabei allein nach ökonomischen Prinzipien und ohne Rücksicht auf arttypische Dispositionen der Tiere. Pathologische Entwicklungen („Konstitutionsschwächen“) wurden, sofern der Profit noch stimmte, in Kauf genommen. Dies stellte eine systemübergreifende Entwicklung in der Zuchtpraxis agrarindustrialisierter Länder dar und war kein Sonderfall der DDR -Tierzucht.405 Die DDR -Tierzucht stand aber beispielhaft für den Glauben an die unbegrenzte menschliche Gestaltungskraft.406 Die züchterische 401 Zelfel, Siegfried: Ergebnisse bei der Verwirklichung des Zuchtprogramms in der Rinder produktion, in: Tierzucht 28 (1974), S. 292 295, hier S. 293. 402 Zur Begriffsklärung siehe oben, Kapitel 2.3.1, Anm. 267. 403 Zitiert nach Fuchs: Klauengesundheit, S. 930. Vgl. dazu auch Stock: Tierschutz, S. 233. 404 Vgl. Fuchs: Klauengesundheit, S. 930. 405 Vgl. Meyer: 19./20. Jahrhundert, S. 420 ff. 406 Der Kulturwissenschaftler Thomas Macho merkt dazu kritisch an: „Züchten heisst allemal, dass jemand zu wissen glaubt, wie die Entwicklung weitergehen soll und worauf sie hinauslaufen soll. Das ist eine enorme Anmassung, und meist stellt sich bei konkreten Versuchen, zumal im Bereich der Tierzucht, auch rasch heraus, dass man bestimmte Faktoren nicht einkalkuliert hat.“ Humanismus für Roboter (Interview mit Thomas Macho), in: Schweizer Monat 2 (2014), S. 41 – 46, hier S. 42 f. Zur Geschichte der Tierzucht im deutschsprachigen Raum vgl. v. a. Comberg, Gustav: Die deutsche Tierzucht im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1984. Vgl. auch die Beiträge in Schrepfer, Susan R./Scranton, Philip (Hrsg.): Industrializing
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Anpassung des Tierkörpers an die Intensivtierhaltung umfasste die Anatomie und Physiologie, aber auch das Verhalten der Tiere. Weiterhin kamen (bis heute) chirurgische Eingriffe zum Einsatz, das heißt Amputationen von Schwänzen, Hörnern, Ohren oder das Kürzen von Schnäbeln und Zähnen, um Schäden durch Verhaltensstörungen, die aus den Haltungsbedingungen resultierten, zu verhindern. In der DDR -Schweineproduktion wurden den Ferkeln beispielsweise die Schwänze kupiert und die Zähne abgekniffen.407 Das Enthornen der Kälber wurde in der DDR (insbesondere im Interesse der Lederindustrie) schon früh gefordert 408, jedoch aufgrund des Mangels an erforderlichen Geräten und Arbeitskräften nicht zum Standard.409 Ein großes, das heißt den „Produk tionsprozess störendes“ Problem, war das sich gegenseitige Besaugen der Kühe und Bullen („Milch-“ und „Harnsauger“), wogegen man seinerzeit Maßnahmen wie das Entfernen der Zungenspitze oder das Einziehen von Ringen in Nasen und Lippen durchführte.410 Die DDR unternahm seit Anfang der Sechzigerjahre groß angelegte Umzüchtungen, vor allem in der Rinder- und Schweinezucht. Durch die zentral geplante und geleitete Tierzucht entstanden binnen weniger Jahre DDR -spezifische ‚Nutztier‘-Rassen, welche den industrialisierten Haltungsbedingungen weitgehend gerecht werden sollten. Mit dem Schwerpunkt auf der Rinder- und Hühnerzucht werden im Folgenden die Entwicklungen der DDR -Tierzucht nachgezeichnet und es wird aufgezeigt, inwiefern die spezifischen, politisch-ökonomischen Bedingungen in der DDR die züchterische Zielstellung beeinflussten.
Organisms. Introducing Evolutionary History, New York/London 2004; Clutton-Brock, Juliet: Animals as Domesticates. A World View through History, East Lansing Michigan 2012. Zur Kritik am Natur-Kultur-D ualismus am Beispiel der Tierzucht vgl. Becker, S iegfried: Die Gestaltung der Kreatur. Tierzucht als Kulturleistung? in: Brednich, Rolf Wilhelm/ Schneider, Annette/Werner, Ute (Hrsg.): Natur – Kultur. Volkskundliche Perspektiven auf Mensch und Umwelt, Münster (u. a.) 2001, S. 205 – 212. 407 Vgl. Autorenkollektiv: Schweineproduktion, S. 81 f. Zur Schwanzamputation vgl. auch Prange: Kannibalismus; bei Rindern: Lenk, T.: Zum Wundinfektionsgeschehen in Bullenmastanlagen mit Laufstallhaltung unter Berücksichtigung prophylaktischer Schwanzamputation, in: MfV 36 (1981), S. 699 – 702. 408 Vgl. Müller, M./Liebermann, H.: Das Enthornen der Rinder, in: MfV 15 (1960), S. 24 – 27. 409 Vgl. Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. 115. 410 Vgl. dazu Dietz/Ludwig: Milchsauger; Deja, O./Partzsch, Chr./Vedder, H.: Erste Erfahrungen beim Einsatz der „Frohndorfer Methode“ gegen das Saugen der Rinder im Bezirk Erfurt, in: MfV 37 (1982), S. 132 – 134. Vgl. auch Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. 113.
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Das SMR der DDR – Die sozialistische Einheitskuh? Ende der Achtzigerjahre lebten 5,7 Millionen Rinder in Ostdeutschland, davon rund zwei Millionen ‚Milchkühe‘, der Großteil der Tiere gehörte der in den Sechzigerjahren neugezüchteten Rasse „Schwarzbuntes Milchrind“ ( SMR ) an.411 Bereits vor dem Ersten Weltkrieg war das schwarzbunte Rind (schwarzbunte Niederungsrind) die vorherrschende Kuhrasse im Osten Deutschlands. Der hohe Leistungsgrad sowie die Anpassungsfähigkeit dieser Tiere machten die Schwarzbunte schließlich auch in der DDR zur vorherrschenden Rasse. 1957 betrug ihr Anteil bereits 78 Prozent am Gesamtbestand der Rinder in der DDR (in der Bundesrepublik waren es 1959 nur 50,9 Prozent).412 Hinzu kam, dass die Zucht anderer Rassen durch die deutsche Trennung zum Erliegen kam, denn es fehlte die Zufuhr von Zuchtbullen.413 Die Schwarzbunte verdrängte damit sukzessiv alle anderen Rassen in der DDR . Um bessere Milchmengenleistungen zu erzielen, begann ab den Sechzigerjahren in beiden deutschen Staaten die züchterische Weiterentwicklung der schwarzbunten Rinder. In der Bundesrepublik fand eine „Holsteinisierung“ der Schwarzbunten durch das Einkreuzen von nordamerikanischen Holstein-Friesian statt. Die westdeutsche Schwarzbunte wurde dadurch zunehmend durch die Holstein-Kühe verdrängt („Verdrängungszüchtung“).414 In Ostdeutschland war dieser Zuchtweg nicht möglich, denn das Angebot an Kraftfutter, das diese Hochleistungsrinder in rauen Mengen brauchten, hätte die DDR nicht aufbringen können. Sie war auf Eigenproduktion angewiesen, denn Futterimporte in größerem Umfang waren finanziell schlicht unmöglich.415 Weiterhin legte man in der DDR seinerzeit besonders großes Augenmerk auf die Produktion von Milchfett 416 – zur (Eigen-) Versorgung der Bevölkerung, vor allem aber für den Export von Butter.417 Letzteres war ein nicht zu unterschätzender Aspekt bei der Neuausrichtung der 411 Vgl. Hansen, R.: Milchwirtschaft und Milchwissenschaft in der DDR, in: Deutsche Milchwirtschaft 17 (1990), S. 566 – 570, hier S. 566. 412 Vgl. Brade: Milchrinderzüchtung, S. 267 und S. 269. 413 Vgl. Zelfel: Rinderzucht, S. 209. 414 Brade: Milchrinderzüchtung, S. 270 ff. 415 Vgl. Schönmuth, Georg: SMR der Zukunft – Kuh für suboptimale Bedingungen, in: Der Tierzüchter 9 (1992), S. 20 – 23, hier S. 20. 416 Vgl. Schönmuth: SMR der Zukunft, S. 20. 417 Von sechs DDR-Buttersorten hatte nur eine 82 Prozent Fettgehalt, und jene waren im Wesentlichen für den Export gedacht. Eine „Butter“ mit 70 Prozent Fettanteil bestand gar zu 14 Prozent aus Pflanzenfett. Grund für die systematische Absenkung des Fettgehalts waren keinesfalls gesundheitliche Gründe, wie man aus heutiger Sicht meinen könnte (und wie dies seinerzeit auch teilweise behauptet wurde, vgl. Mothes: Fließband, S. 49 f.). Der Fettanteil wurde allein deshalb gesenkt, damit genügend Fett (Butter) für den Export zur
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Schwarzbunte-Zucht. Da mit den vorhandenen Tieren aufgrund des Futter mangels keine Leistungssteigerung zu erwarten war, startete man im sozia listischen Teil Deutschlands deshalb den Versuch, eine gänzlich neue Rasse zu züchten, die jenen speziellen Anforderungen entsprach: Mit wenig Kraftfutter viel Milch- und Butterfett zu produzieren.418 Auf dem 8. Plenum des ZK der SED 1961 wurde schließlich die Durchführung eines Kreuzungsversuches mit importierten Jersey-Rindern beschlossen und der DDR -weite „Großversuch“ gestartet.419 An der Entwicklung der neuen Rasse war maßgeblich der Tierzuchtforscher Georg Schönmuth beteiligt, der in seinem Artikel von 1963 „Zur Züchtung eines milchreichen Zweinutzungsrindes mit hohem Milchfett- und Eiweißgehalt und bestem Euter“ 420 bereits im Titel die Zuchtziele des späteren SMR vorwegnahm. Schönmuth schlug zur Schaffung der neuen Rasse eine, damals noch recht ungewöhnliche, Dreirassenkreuzung vor. Zu diesem Zweck wurden in einem ersten Schritt Schwarzbunte Niederungsrinder (ostfriesisch- holländischer Abstammung) mit Jerseybullen aus Dänemark verpaart. Die Jersey-Rinder sollten zur Erhöhung des Fett- und Eiweißgehaltes der Milch sowie einer verbesserten Euterqualität beitragen.421 Die Nachkommen dieser Kreuzung wurden in einem zweiten Schritt mit kanadischen Holstein-Friesian- Rindern gekreuzt, um auch die Quantität, heißt Milchmenge, zu erhöhen. Zugleich waren diese Tiere ‚gut bemuskelt‘, was dem Ziel der Zweinutzung (Milch und Fleisch) zugutekommen sollte.422 Weitere Zuchtziele waren ein knapper Rahmen sowie hohe Fruchtbar- und Langlebigkeit.423 Das „Endprodukt“ SMR sollte schließlich 50 Prozent Friesian-, 25 Prozent Schwarzbunt- und 25 Prozent Jerseygenanteile aufweisen 424, mit dem dann ab 1975 die Devisenerwirtschaftung bereitstand, vgl. Jost: Milchindustrie der DDR, S. 640. Vgl. auch Hansen: Milchwirtschaft. 418 Vgl. Schönmuth: SMR der Zukunft, S. 23. 419 Vgl. Pötke, D.: 20 Jahre Schwarzbunte Milchrindzüchtung, in: Tierzucht 44 (1990), S. 311 – 312, hier S. 311. Für die zentrale Koordinierung der Rinderzucht war das „Institut für Tierzuchtforschung Dummerstorf“ verantwortlich. 420 Schönmuth: Züchtung eines milchreichen Zweinutzungsrindes mit hohem Milchfett- und Eiweißgehalt und bestem Euter, in: Archiv Tierzucht 6 (1963), S. 79 – 92. 421 Vgl. Schönmuth: Zweinutzungsrind, S. 86. 422 Vgl. ebenda. Die Zweinutzung der Tiere wurde mit Futter-, Stallplatz- und Arbeitskosteneinsparungen begründet, vgl. VVB Tierzucht Paretz/Karl-Marx-Universität Leipzig: Erhöhung der Wachstumsleistung, der Mastleistung und des Schlachtertrages bei Rindern der Rasse „SMR der DDR“, Ort unbekannt 1987, S. 7; Schwark: Rinderzucht, S. 51 und S. 76 f. Eine auch dem Laien verständliche Schautafel zum Zuchtplan enthält: Brade: Milchrinder züchtung, S. 273. 423 Vgl. Schönmuth: SMR der Zukunft, S. 23. Zur Lebenszeit von Rindern vgl. Anm. 398. 424 Vgl. Schmidt: Industriemäßige Rinderproduktion, S. 118.
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Reinzucht betrieben wurde.425 Nach zehn Jahren intensiver Umzüchtung nach dem Plänen Schönmuths war 1970 die erste SMR -Generation etabliert.426 Im Zuchtprogramm von 1975 wurde schließlich die Umzüchtung zum SMR für die gesamte Rinderpopulation der DDR festgelegt und zwei Jahre später war bereits der gesamte Rinderbestand in den Umzüchtungsprozess eingebunden.427 Der Abschluss der Umzucht sollte 1990 erreicht werden.428 Die Zucht anderer Rinderrassen wurde in der DDR damit offiziell eingestellt.429 Schon zuvor war die Zucht anderer Rassen, wie bereits erwähnt, ohnehin kaum mehr möglich. Die SMR wurden an die Haltung in Laufställen mit großem Tierbestand und rutschigem und hartem Betonspaltboden sowie an automatisierte Fütterungs- und Melktechnik angepasst. Den Tieren wurden hierfür eine verbesserte Melkbarkeit und Euterform („Maschineneuter“ 430) sowie eine gute Gliedmaßenbeschaffenheit angezüchtet.431 Außerdem waren die Tiere, im Vergleich zu den ‚großrahmigen‘ westdeutschen Schwarzbunten, eher schmal und gedrungen. Dadurch ‚verbrauchten‘ die Kühe weniger Platz und Futter.432 Weiterhin wurde das Verhalten der Tiere an die Haltung in Großbetrieben züchterisch manipuliert. In den standardisierten Milchfabriken „2.000er MVA“ herrschte aufgrund der hohen Tierkonzentration oft Stress, weswegen man den Tieren ein ruhiges Temperament anzüchtete, wodurch die SMR relativ belastungsstark waren („großbetriebsresistent“ 433). Was die Leistungsanforderung betraf, war die erste Generation der SMR ein großer ‚Erfolg‘: Das SMR übertraf den alten Typen des Schwarzbunten Rindes um 125 Prozent in der Milchleistung, 115 Prozent in der Milcheiweißleistung, 100 Prozent in der
425 Vgl. Freyer, G./König, S./Fischer, S./Bergfeld, U./Cassell, B. G.: Crossbreeding in Dairy Cattle from a German Perspective of the Past and Today, in: Journal of Dairy Science 91 (2008) S. 3725 – 3743, hier S. 3727. 426 Vgl. Brade: Milchrinderzüchtung, S. 267 und S. 269. 427 Vgl. Mügge, Bernhard/ Lutz, Wolf-Eberhard/Südbeck, Hans/Zelfel, Siegfried: Deutsche Holsteins. Die Geschichte einer Zucht, Stuttgart (Hohenheim) 1999, S. 145. 428 Vgl. Zelfel: Rinderzucht, S. 235. 429 Vgl. Brade: Milchrinderzüchtung, S. 272. Diejenigen Rassen, die für das Kreuzungsprogramm nötig waren, wurden in kleinen Populationen in sogenannten „Genreserve- und Vorlaufzuchtbetrieben“ gehalten und gezüchtet, vgl. Schwark: Rinderzucht, S. 46 – 50. 430 Aa: Prognose, S. 843. 431 Vgl. Zelfel: Ergebnisse, S. 151; Brade: Milchrinderzüchtung, S. 273. 432 Die ostdeutschen Ställe waren für die aus dem Westen kommenden Rassen viel zu klein und mussten nach der Wiedervereinigung für jene vergrößert werden, vgl. Brade: Milchrinderzüchtung, S. 278; vgl. auch Schmidt-Klingenberg: Figur, S. 95, der behauptet, dass die „großen Dicken aus dem Westen“ aufgrund der ungewohnten Haltungsbedingungen „einen richtigen Schock erlitten“ hätten. 433 Löffelbein, H.: Die Aufgaben der VVB Tierzucht zur Verbesserung des Leistungsniveaus der Tierbestände, in: Tierzucht 18 (1964), S. 114 – 118, hier S. 116.
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Mastleistung, 95 Prozent in der Schlachtleistung und 100 Prozent in der Wachstumsleistung.434 Im Schnitt gab ein SMR um die 6.800 Kilogramm Milch im Jahr (bei 4,5 Prozent Fettgehalt).435 Insgesamt war die DDR -Rinderzucht ab den Siebzigerjahren nicht mehr auf das Hervorbringen einzelner ‚Spitzentiere‘ orientiert, sondern auf das Leistungsvermögen der gesamten Herde, denn in der Haltung in Großbetrieben war es schlicht nicht mehr möglich, sich um einzelne Individuen zu kümmern.436 Aber schon in den Achtzigerjahren stagnierte der Leistungszuwachs, ja fiel sogar ab, was zum Großteil systembedingt war: Nachteilig für die Tierzucht im Allgemeinen und für die Rinderzucht im Besonderen war die starke Politisierung der Tierzucht, die mit einer Isolation einherging. Die ZüchterInnen litten unter systematischer Einschränkung der Meinungsfreiheit in der Zuchtprogrammgestaltung und mangelnden Austausch mit westdeutschen ZüchterInnen.437 Das größte Problem stellte der permanente Devisenmangel dar. Dieser erschwerte einerseits die Importe von Konzentrat- und Kraftfuttermitteln sowie von Sperma und ‚Zuchttieren‘. Deswegen kamen nicht immer die ‚Spitzentiere‘, sondern wenig vorselektierte und nicht nachkommengeprüfte Vatertiere zum Einsatz.438 Anderseits kam es in den wirtschaftsschwachen Achtzigerjahren zum Zwecke der Devisenerwirtschaftung zu einem regelrechten „Ausverkauf“ von kostbaren ‚Zuchttieren‘, die, oft zu Schleuderpreisen, in den Export gingen.439 Nicht selten wurden wertvolle Tiere deswegen vor der Ankaufskommission des VEB Tierzucht versteckt.440 Grund für die geringen Zuchterfolge waren aber auch züchterische Fehlentscheidungen – die ebenso auf den steten Devisenmangel 434 Vgl. Panicke, Lothar/Fiedler, Hermann/Freyer, Gertraude/Biemann, Jürgen: Indexselektion in der Milchrindzüchtung, in: Archiv Tierzucht 25 (1982), S. 109 – 120, hier S. 109. 435 Vgl. Brade: Milchrinderzüchtung, S. 272; Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. 314. Gewünscht waren 7.000 bis 7.500 Kilogramm Milch, vgl. Schwark: Rinderzucht, S. 43. 436 Vgl. Augsten: Rinderzucht, S. 183. In der DBZ wurden 1977 zwei Rinderzüchter „aus zwei Generationen“ (44 und 18 Jahre alt) befragt. Auf die Frage „Kann man bei industriemäßiger Rinderzucht noch Lieblingstiere haben?“ antwortet der ältere Rinderzüchter: „Nein. Alle werden grundsätzlich gleichbehandelt. Machen wir Extravaganzen, fehlt der Vergleich. Schließlich kommt es auf Leistung und den Zuchtfortschritt der ganzen Herde an. Jede bekommt nur soviel Futter zugelegt, wie sie in Milch umsetzt.“ Und der Jüngere antwortet: „Ich melke die Jungkühe an. Wenn einige gut stehen und mächtig viel Milch geben, sind die meine Lieblinge. Außer besonders gutem Putzen und einem freundschaftlichen Klaps kann man ihnen aber nichts angedeihen lassen.“ „5 Fragen an zwei Züchter aus zwei Genera tionen“, in: DBZ 14 (1977), S. 9. 437 Vgl. Brade: Milchrinderzüchtung, S. 283. 438 Vgl. ebenda, S. 272. 439 Vgl. Augsten: Rinderzucht, S. 185 ff. 440 Vgl. ebenda, S. 187. Eine Rinderzüchterin deutete ähnliche Methoden an, damit „unsere besten Tiere für die eigene Zucht im Land blieben und nicht in den Export gingen. Mir war unsere Arbeit einfach zu schade, um sie für Dumpingpreise an den Westen zu verschleudern,
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zurückzuführen waren. So wurde die Rinderzucht stark auf die Farbe der Tiere hin ausgerichtet (schwarz-weiß gefleckt). Die Farbvererbung war zunächst nicht von Bedeutung, da man auf Milch- und Fleischleistung hin züchtete. Durch das Einkreuzen der Jersey-Rinder traten jedoch zunehmend einfarbig schwarze Rinder auf. Das war für die Produktionsleistung völlig unbedeutend – nicht aber für den Verkaufspreis der Tiere. Für viele ausländische KäuferInnen war die schwarz-weiße gefleckte Kuh nämlich mit einer hohen Milchleistung verknüpft und galt als Qualitätsmerkmal. Schwarze Kühe wollte niemand kaufen. Ab 1984 wurde infolgedessen wieder verstärkt auf gewünschte Farbgebung statt auf Leistung geachtet.441 Weitere Ursachen für die geringen Zuchtfortschritte waren die starren Richtlinien, die etwa genetisch wertvolle ‚Zuchttiere‘, die außerhalb des offiziellen Zuchtprogramms standen, völlig außer Acht ließen.442 Die intensive Selektion auf Fleischleistung in den staatlichen Bullenaufzuchtstationen wurde rückblickend ebenfalls als züchterische Fehlentscheidung gewertet.443 In den Achtzigerjahren, unter dem Eindruck der schlechten Versorgungslage und dem Ziel der Erhöhung der Fleischexporte, richtete man die Rinderzucht wieder verstärkt auf das „Wachstums- und Fleischansatzvermögen“ aus.444 Eine Aufstockung der Rinderbestände war aufgrund des Futtermangels nur begrenzt mög lich.445 Die neue Zuchtausrichtung war jedoch nicht von Erfolg gekrönt: Die SMR blieben schlechte Futterverwerter, die weniger zunahmen und stattdessen stärker verfetteten.446 Deswegen stellte man Ende der Achtzigerjahre die Mastund Schlachtleistungsprüfungen beim SMR wieder ein, um sich wieder mehr auf die Milchleistung zu konzentrieren und den Anschluss an internationale Maßstäbe in der Milchleistung nicht zu verlieren.447 Stattdessen setzte man im SEDnur damit die DDR harte Währung bekam.“ Zitiert nach Breitschuh (u. a.): Landwirtschaft, S. 143. 441 Vgl. Zelfel: Rinderzucht, S. 241 f. 442 Vgl. Brade: Milchrinderzüchtung, S. 276, S. 279 und S. 283. Einige ZüchterInnen kreuzten dessen ungeachtet ab Mitte der Achtzigerjahre bereits Holstein-Rinder ein, vgl. ebenda, S. 276. Andere Ausweichstrategien gegenüber staatlichen Zugriffen und Produktionslenkungen waren das Verstecken von ‚Zuchttieren‘, siehe oben, Anm. 440. Überlegungen zur Systemstabilisierung durch abweichendes Verhalten vgl. auch Zimmermann/Pullmann: Ordnung und Sicherheit, S. 6. 443 Vgl. Brade: Milchrinderzüchtung, S. 276. 444 Vgl. VVB Tierzucht/Karl-Marx-Universität: Erhöhung, S. 33. 445 Weiterhin war die Rindermast die am wenigsten industrialisierte Tierhaltung: 1978 standen noch 53 Prozent der Mastrinder in Ställen, die vor 1950 erbaut wurden. Das meiste Rindfleisch kam folglich aus der Milchproduktion, also von ‚ausgedienten‘ Kühen, vgl. Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. 58 f. 446 Vgl. ebenda, S. 324. 447 Vgl. Augsten: Rinderzucht, S. 174.
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Staat auf die Zucht von sogenannten „Masthybriden“, die durch das Einkreuzen von ‚Fleischrassen‘ erzeugt wurden.448 Von ‚Vorteil‘ erwies sich demgegenüber die wissenschaftliche Begleitung der Zucht. Die TierzüchterInnen konnten auf große und einheitlich gehaltene Tierpopulationen zurückgreifen und die wissenschaft lichen Erkenntnisse zügig in die Praxis umsetzen.449 Die einheitliche Leitung der Tierzucht mitsamt der zentralen Vorgabe aller Richtlinien schloss Wettbewerb weitgehend aus, weswegen schwierige Übergangsphasen überwunden und eine einheitliche Richtung gewährleistet werden konnte.450 Der Initiator des Umzüchtungsprozesses Schönmuth sprach im Nachhinein von einer „optimalen Zuchtorganisation“.451 Auf die Frage hin, warum die tierlichen Leistungen ungeachtet dessen nicht höher waren, lautet seine Antwort schlicht: „‚Weil das Gen die Kalorie nicht ersetzen kann‘.“ 452 Damit blendet der Tierzüchter die oben angedeuteten politisch-ökonomischen Verhältnisse weitgehend aus. Ein Vergleich zwischen schwarzbunten Ost- und Westkühen ist schwierig, wenn man die unterschiedlichen Haltungs- und Fütterungsbedingungen in beiden deutschen Staaten berücksichtigt – zumal beim SMR eine große Diskrepanz zwischen dem genetischen Leistungspotential und den tatsächlichen Leistungen in der Landwirtschaft bestand. Aber auch Rassenvergleiche unter einheitlichen Umweltbedingungen zeigten, dass die SMR rückblickend weniger leistungsstark als die schwarzbunten Milchkühe des Westens waren. Laut einer Studie von 1995 waren die Westkühe den Ostkühen ( Jahrgang 1985) um 482 Kilogramm Milch, 17,1 Kilogramm Milchfett und 10,8 Kilogramm Milcheiweiß überlegen.453 Punkten konnte das SMR hingegen in seiner Anpassungsfähigkeit, seinen guten Klauen,
448 Vgl. Schönmuth: SMR der Zukunft, S. 21. Vgl. dazu auch Weiher, O./Neumann, W.: Zusammenfassende Betrachtung der Leistungsprüfung von 14 Rinderrassen zur Erzeugung von Masthybriden, in: Tierzucht 34 (1980), S. 538 – 542. 449 Vgl. Langner: Tierzucht, S. 130 f. 450 Vgl. Kräußlich, Horst: Die Zukunft der Fleckviehzucht. Gedanken über züchterische Strate gien, in: Fleckviehwelt 92 (2002), S. 4 – 9, hier S. 8. 451 Vgl. Schönmuth: Geleitwort, S. 9. 452 Ebenda. 453 Vgl. Reinhardt, Friedrich: Aus zwei mach’ eins. Erstmals bundesweit gemeinsame Zuchtwertschätzung bei Schwarz- und Rotbunt, in: Der Tierzüchter 6 (1995), S. 25 – 26, hier S. 26. Ein ähnliches Bild zeigt sich im direkten Vergleich von SMR und Holstein-Friesian in der Milchleistung: vgl. Meyer, Hans/Trilk, Jürgen/Schönmuth, Georg: Milchleistungsvermögen von Kühen der Rassen Schwarzbuntes Milchrind (SMR ), Schwarzbuntes Rind (SR ) und Holstein Friesian (HF ), in: Archiv für Tierzucht 34 (1991), S. 83 – 92 und in der Fleischleistung: vgl. Meyer, Hans/Trilk, Jürgen/Schönmuth, Georg: Wachstumsleistung und Exterieurbewertung von Kühen der Rassen Schwarzbuntes Milchrind (SMR ), Schwarzbuntes Rind (SR ) und Holstein Friesian (HF ), in: Archiv für Tierzucht 34 (1991), S. 187 – 195.
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im Geburtenverlauf sowie in Sachen Fruchtbarkeit.454 Unter den Bedingungen des suboptimalen Managements und der schlechten Futterlage in der DDR stellte das SMR insgesamt eine ‚gute‘ Rasse für die Milchproduktion dar.455 Davon zeugten nicht zuletzt die hohen Exportzahlen: 1989 exportierte die DDR 13.412 SMR , bevorzugt nach Marokko, Spanien, Griechenland, Bulgarien und in die UdSSR 456, wobei es sich bei den Exporten (besonders in den Westen) um weit über dem Durchschnitt liegende Tiere handelte.457 Mit dem Ende der DDR verschwand auch die sozialistische Schwarzbunte. Durch die verbesserten Haltungs- und Fütterungsbedingungen nach der Wiedervereinigung waren die „SMR-typischen Eigenschaften wie Durchhaltevermögen, Zähigkeit und relative Anspruchslosigkeit“ 458 nicht mehr von Interesse. Außerdem war die Selektion beim SMR auf Milchqualität weniger gefragt, der kapitalistische Milchmarkt setzte auf Milchquantität.459 Infolgedessen begann auch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR nach 1989 die „Holsteinisierung“ – die ‚Milchkuh‘-Rasse, die heute den Weltmarkt dominiert.460
Der „Goldbroiler“ „Broiler sind Hühnchen, die, mit Paprika und Salz gewürzt, beim Braten eine goldbraune Haut bekommen und ausgezeichnet schmecken.“ 461
Das Wort „Goldbroiler“ verbinden viele Menschen bis heute unmittelbar mit der DDR. Dahinter verbarg sich die Neuzüchtung eines sogenannten ‚Brathuhnes‘. Die „Erfindung“ des Broilers war nicht einfach eine simple Weiterentwicklung in der Tierzucht und kein scheinbar unbedeutender Teilaspekt des DDR-Alltags: Die Neuausrichtung der DDR-Hühnerzucht war der Auftakt der „industriemäßigen
454 Vgl. Schönmuth: SMR der Zukunft, S. 21 f. 455 Vgl. Freyer (u. a.): Crossbreeding, S. 3729. 456 Vgl. Zelfel, Siegfried: Die Effektivität der Rinderproduktion stieß an harte Grenzen. Zur Struktur der Rinderproduktion in der DDR, in: Tierzucht 44 (1990), S. 392 – 393, hier S. 393. 457 Vgl. Augsten: Rinderzucht, S. 186. 458 Vgl. ebenda, S. 217. 459 Vgl. Meyer/Trilk/Schönmuth: Milchleistungsvermögen, S. 90. 460 Vgl. Wetter, Kathy Jo: Tiergenetik: Eine Handvoll Arten für die ganze Welt, in: Heinrich- Böll-Stiftung/Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland/Le Monde diplomatique (Hrsg.): Fleischatlas 2014. Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel, S. 22 – 23, hier S. 22. 461 So der erste Satz zum Kapitel mit dem Titel „Goldbroiler“, in: Mothes: Schlaraffenland, S. 98.
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Tierproduktion“, der Beginn einer gewissen „Gaststättenkultur“ sowie der einer gezielten Lenkung des Konsumverhaltens.462 Die Kollektivierung der Landwirtschaft stürzte die DDR in schwere Versorgungskrisen, insbesondere mit Tierprodukten. Die 1960 vom ZK der SED beschlossenen Maßnahmen zur Erhöhung des Geflügelaufkommens sollten zumindest die Lücke in der Fleischversorgung schließen.463 Die Produktion von Hühnerfleisch wurde zu diesem Zweck von einem Nebenzweig der Eierproduk tion (‚ausgedientenLegehennen‘ und Mast der bei der Eierproduktion ‚anfallenden‘ Hähnchen) zu einem selbständigen und produktiven Wirtschaftszweig aufgebaut. Für den Ausbau der DDR -Geflügelzucht sprach, neben der hohen Produktivität (schnelle Reproduktion der Tiere) und der geringen Investitionskosten, vor allem die hohe ‚Futtereffektivität‘ der Tiere. Brauchte man zur ‚Produktion‘ von einem Kilogramm Schweinefleisch drei bis dreieinhalb Kilogramm Futter, waren es beim Broiler nur zwei bis zweieinhalb Kilogramm.464 Weiterhin war die Mastzeit der Broiler sehr kurz, so dass das Fleisch in vergleichsweise k urzen Abständen in den Umlauf gebracht werden konnte. Auch der angebliche gesundheitliche Vorteil durch den Konsum von Broilerfleisch wurde in die Argumentation einbe zogen.465 Die unappetitlichen und zum Teil gesundheitsgefährdenden Futter zugaben wie Blut-, Feder-, Fisch- und Knochenmehl oder die Beigabe von Antibiotika und Hormonen zur Wachstumsförderung wurden zumindest in der Öffentlichkeit verschwiegen. Der Geflügelbestand in der DDR betrug 1984 51,3 Millionen Tiere, darunter 25,5 Millionen ‚Legehennen‘.466 Die wichtigste Geflügelart der DDR war zweifelsohne das Huhn. Die Anzahl der Tiere der unterschiedlichen Geflügelarten 462 Vgl. dazu die detailreiche Studie von Poutrus: Goldbroiler. 463 Vgl. Poutrus, Patrice G.: Kurzer Abriß der Geschichte des Goldbroilers, in: Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (Hrsg.): Wunderwirtschaft. DDR-Konsumkultur in den 60er Jahren, Köln 1996, S. 138 – 143, hier S. 141. 464 Vgl. Poutrus: Goldbroiler, S. 84. 465 Vgl. Landwirtschaftsausstellung: Goldbroiler, S. 2. Das Heftchen der selbsternannten „Agrarpropaganda“ pries zwar eine fettarme Ernährung an, die Rezepte im Heft hatten es aber in sich: Ein Rezeptvorschlag für das Frühstück schlug mit 68 Gramm Fett zu Buche („Brasilianische Rühreier“), mittags gab es „Paprikabroiler auf ungarische Art“ (231,5 Gramm Fett) und zu Abend wurden „Broiler-Salat-Pasteten“ vorgeschlagen, die einen Fettgehalt von 135 Gramm pro Gericht enthielten. Dessen ungeachtet sind die am häufigsten gewählten Worte in dem Werbeheftchen „gesund“, „fettarm“ und vor allem das Wort „wissenschaft lich“ – und zwar in allen erdenklichen Kombinationen. Den Konnex zwischen verändertem Fleischangebot und propagierter Notwendigkeit, sich gesundheitsbewusster zu ernähren, gab es auch in der Bundesrepublik, vgl. Wildt, Michael: Am Beginn der „Konsumgesellschaft“. Mangelerfahrung, Lebenserhaltung, Wohlstandshoffnungen in Westdeutschland in den fünfziger Jahren, Hamburg 1994, S. 240 ff. 466 Vgl. Statistisches Taschenbuch der DDR 1989, S. 78.
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kann bezeichnenderweise nur anhand der Zahlen des Schlachtgeflügelaufkommens in Kilotonnen wiedergegeben werden: Der Broiler hatten 1984 einen Anteil von 68 Prozent des staatlichen Geflügelaufkommens und ‚Suppenhühner‘ (ehemalige ‚Legehennen‘) 13 Prozent, was einem Gesamtbestand von 138,2 Kilotonnen an Hühnern entsprach.467 Weitere wichtige „Wirtschaftsgeflügel“ waren Puten (6,6 Prozent, 11,3 Kilotonnen), Enten (7,1 Prozent, 12,2 Kilotonnen), Gänse (3,4 Prozent, 5,8 Kilotonnen) sowie Cairina (sogenannte Moschusente, 1,9 Prozent, 3,2 Kilotonnen). Der Bestand an Fasanen, Perlhühnern, Wachteln und Tauben zur Mast war hingegen verschwindend gering.468 Im VKSK wurden, neben „Wirtschaftsgeflügel“, hauptsächlich „Rassegeflügel“ gehalten, deren Zucht allein der Freizeitbeschäftigung diente und von staatlicher Seite als nützliche Genreserve betrachtet wurde.469 Die Rassenvielfalt war nicht klein: So gab es 1986 74 Hühner-, 54 Zwerghuhn-, eine Puten-, zehn Gänse-, 16 Enten- sowie 239 Taubenrassen, die auf den zahlreich stattfindenden Ausstellungen bewundert werden konnten.470 Der Name „Broiler“ leitete sich vom englischen Ausdruck „to broil“ (deutsch: braten, grillen) ab, wodurch sich schon in der Namensgebung das nordamerikanische Vorbild dieser Spezialzüchtung zeigte.471 Der SED-Staat orientierte sich bei Zucht und Haltungstechnologie an westeuropäischen und nordamerikanischen Entwicklungen – trotz der Beteuerung, beim Broiler handle es sich um eine sowjetische Zuchtmethode.472 Aber wer wollte das zu Zeiten des Kalten Krieges schon zugeben?473 Von besonderer Bedeutung in der Geflügelzucht der DDR waren aufgrund des steten Futtermangels Fragen der „Geflügelökonomie“. Das heißt, die zielbestimmende Frage war, w elche Geflügelart und Rasse die höchsten ‚Erträge‘ bei niedrigstem Futtereinsatz erzielten, denn die Futterkosten machten einen sehr großen Teil der Gesamtkosten in der Broilermast aus.474 Zu 467 Vgl. Grasenack, Horst (federführend): Geflügelproduktion. Lehrbuch für die sozialistische Berufsausbildung, 2., völlig überarb. Aufl., Berlin (Ost) 1988, S. 19 f. 468 Vgl. Ebenda. 469 Vgl. Kleemann/Fritsch: Aufgaben, S. 281. 470 Vgl. Grasenack: Geflügelproduktion, S. 107. 471 In der zeitgenössischen Fachliteratur hieß es, der Ausdruck sei eine „international gebräuch liche Bezeichnung“ für „die Kennzeichnung des Gebrauchtwertes eines speziellen Jungmastgeflügels (männliche und weibliche Tiere), der durch bestimmte züchterische Maßnahmen sowie entsprechende Voraussetzungen in der Haltung und Fütterung erzielt wird, und nicht um eine bestimmte Rasse.“ Autorenkollektiv: Produktion von Eiern und Broilern, 2., überarb. Aufl., Berlin (Ost) 1969, S. 94. 472 Vgl. „Broiler kontra blauer Ritter“, in NBI 20 (1965), S. 20 f.; Grasenack: Geflügelproduk tion, S. 13. 473 Vgl. Poutrus: Kurzer Abriß, S. 141; ders.: Goldbroiler, S. 85. 474 Vgl. Autorenkollektiv: Produktion von Eiern und Broilern, S. 111.
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diesem Zweck führten die Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der
DDR 475 und deren Institute ab 1958 umfangreiche Forschungsarbeiten im Bereich
der intensiven Geflügelmast durch. Unter dieser Prämisse entschied man sich in der Hühnerzucht zur verstärkten Hybridzucht für die Fleischproduktion.476 Das heißt, für die Erzeugung von Broilern wurden verschiedene ‚Fleischrassen‘ miteinander gekreuzt. Zu den Ausgangsrassen gehörten die nordamerikanischen Rassen „White Rocks“ und „Cornish“. Die „White Rocks“, auch „Weiße Plymouth Rocks“ genannt, kamen aufgrund ihrer guten Legeleistung (100 Küken jährlich pro Henne) bei ausreichender Mastfähigkeit für die Broilerzucht in Betracht. Die weißen „Cornish“ hingegen waren aufgrund ihres schnellen Wachstums und sehr guten „Fleischbildungsvermögens“, speziell an Beinen und Brust, von züchterischem Interesse. Die Hähne konnten ein Gewicht von bis zu fünf Kilogramm erreichen.477 Beide Ausgangsrassen zeichneten sich darüber hinaus durch ein „ruhiges Temperament“ aus, was sie für die Intensivhaltung im Großbetrieb mit Herden von mehreren tausend Tieren ‚prädestinierte‘.478 In der Broilerzucht ging man also weg von der Rassezüchtung hin zu einer Eigenschaftszüchtung.479 Die DDR selbst betrieb jedoch keine eigene Zuchtarbeit in der Broilerproduk tion. Die Tiere für die Broilerzucht (Großelterntiere) wurden aus Ungarn und Bulgarien importiert.480 Die Ziele der Broilerproduktion waren einerseits auf die industriemäßigen Haltungsbedingungen ausgerichtet. Anderseits wurde der Tierkörper den Wünschen der VerbraucherInnen angepasst. Die Tiere beiderlei Geschlechts sollten in einer k urzen und intensiven Mastzeit von nur 49 Tagen ein Gewicht von 1,55 bis 1,65 Kilogramm erreichen und in dieser k urzen Lebenszeit nur knapp zwei Kilogramm Futter (je Kilogramm Körpermasse) verbrauchen 481 (die Küken vergrößerten sich in dieser k urzen Zeit um das dreißig- bis vierzigfache ihrer Ausgangsgröße 482). Neben einer guten Bemuskelung und Fleischqualität war auch das Gefieder von Interesse. Die Broiler durften nur helles Untergefieder haben, damit die „Federrückstände beim Rupfen nicht als schwarze Punkte das 475 Zur AdL siehe oben Anm. 262. 476 Vgl. Poutrus: Goldbroiler, S. 81 und S. 83. 477 Vgl. Grasenack: Geflügelproduktion, S. 109 f. 478 Vgl. Autorenkollektiv: Wirtschaftsgeflügel. Zucht, Haltung und Fütterung, Berlin (Ost) 1967, S. 90 ff. 479 Vgl. Poutrus: Goldbroiler, S. 81. 480 Vgl. Grasenack: Geflügelproduktion, S. 21. Die Tiere wurden mit dem Kürzel „Tetra“ bezeichnet; bis 1980 wurde die DDR mit „Tetra B“, danach mit „Tetra 726“ und ab 1986 schließlich mit „Tetra 82“ beliefert, vgl. Pingel, Heinz/Müller, Jochen: Masthuhnzucht, in: Schwark (u. a.) (Hrsg.): Tierzucht in der DDR, S. 453 – 461, hier S. 458. 481 Vgl. Grasenack: Geflügelproduktion, S. 76. 482 Vgl. Autorenkollektiv: Produktion von Eiern und Broilern, S. 111.
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Aussehen des Schlachtkörpers herabmindern.“ 483 Ein 1964 durchgeführter Verkauftest in Ost-Berlin zeigte, dass die KundInnen zuerst die Schlachtkörper von weißgefiederten Hühnern kauften. Eine schnelle und gleichmäßige Befiederung sollte das maschinelle Federrupfen ‚erleichtern‘ und den Tierkörper bei jenem Vorgang schützen.484 Die Einführung der KIM 1967 markierte den Beginn der industriemäßigen Geflügelproduktion. Durch die KIM -Betriebe wurde die Intensivierung der Geflügelzucht durch Großproduktion vorangetrieben, nachdem die Experimente der Geflügelintensivhaltung in Bergwerken und die Entenmast in der Binnenfischerei (siehe unten) gescheitert waren. Beim Aufbau der KIM im Bereich der Geflügel- und Eierproduktion kooperierte die DDR eng mit Jugoslawien, wo das Agrokombinat „EMONA“ bereits erfolgreich industriemäßig Geflügel ‚produzierte‘. Die Jugoslawen halfen nicht nur beim Aufbau der Großstallanlagen, sondern vermittelten zugleich den Kontakt für die nötigen Importe aus dem „nichtsozia listischen Ausland“ (Einfuhr von niederländischen, westdeutschen und britischen Technologien).485 Die KIM waren die Hauptproduzenten der „Goldbroiler“ und sollten vor allem die in der Nähe liegenden Großstädte versorgen. Kurioserweise hatte aber die „individuelle Geflügelhaltung“ neben den hochindustrialisierten KIM-Betrieben weiterhin Bestand. Noch in den Achtzigerjahren wurden 40 Prozent des gesamten Geflügelbestandes in der DDR privat gehalten.486 Insbesondere die Haltung von Hühnern war zahlenmäßig derjenigen von ‚Legehennen‘ in den industriellen Käfiganlagen durchaus vergleichbar 487: Rund die Hälfte der Hennen befanden sich in den persönlichen Hauswirtschaften,488 ihr Anteil an der Gesamterzeugung von Eiern betrug ganze 48,3 Prozent.489 Dessen ungeachtet waren die agrarpolitischen AkteurInnen überzeugt: „Der Weg zu einer ausreichenden Versorgung mit Produkten der Geflügelwirtschaft führt jedoch nicht mehr über den traditionellen, mehr oder weniger idyllischen Hühnerhof, sondern – wie überall in 483 Vgl. ebenda, S. 98. 484 Vgl. ebenda. 485 Vgl. Poutrus, Patrice G.: „…mit Politik kann ich keine Hühner aufziehn.“ Das Kombinat Industrielle Mast und die Lebenserinnerungen der Frau Knut, in: Lindenberger (Hrsg.): Herrschaft und Eigen-Sinn, S. 235 – 265, hier S. 244 f. 486 Vgl. Kleemann/Fritsch: Aufgaben, S. 281. 487 Vgl. Schobries, H./Schulze, L./Meyer, Anke: Der Gesundheitsstatus individuell gehaltener Hühner, in: MfV 44 (1989), S. 506 – 507, hier S. 506. 488 Vgl. Kurjo, Andreas: Organisation und Bedeutung der Geflügelhaltung in der Landwirtschaft der DDR, Berlin (West) 1989, S. 4 und 18 f. 489 Vgl. Maßnahmen zur weiteren Förderung der individuellen Produktion in den Hauswirtschaften der Genossenschaftsbauern und Arbeiter sowie der Mitglieder des VKSK und der sonstigen Kleinerzeuger, Politbüro des ZK der SED vom 30. 08. 1983, SAPMO BArch DY 30/J IV 2/2/2017, Bl. 16 ff. (zitiert nach Dietrich: Hammer, S. 285 f.).
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der Wirtschaft – über industriemäßige Großproduktion.“ 490 Ein entscheidender ‚Vorteil‘ der KIM war, neben der hohen Tierkonzentration und der mechanisierten Produktionstechnik, die witterungs- und saisonunabhängige ‚Produktion‘. Wurden Küken vormals nur im Frühjahr aufgezogen, konnte nun zu allen Jahreszeiten das Angebot an Broilerfleisch und Frischeiern konstant gehalten werden.491 Die KIM -Betriebe waren zusätzlich an Forschungseinrichtungen gekoppelt: 1969 wurde das „Wissenschaftlich-ökonomische Zentrum“ im Musterbetrieb KIM Königs Wusterhausen gegründet, was den hohen Stellenwert der Forschung in der Tierzucht und Produktion und Bedeutung des internationalen Wissensaustausches verdeutlichte.492 Die Bodenintensivhaltung auf Einstreu war die verbreitetste Haltungsform in der Broilermast der DDR . Das heißt, die Tiere lebten in fensterlosen, vollklimatisierten Großraumställen unter künstlichem Licht, das beruhigend wirkte, aber die Futteraufnahme nicht hemmte. Fütterung und Tränkung waren voll automatisiert. Im Schnitt teilten sich in den KIM -Anlagen 15 bis 24 Tiere einen Quadratmeter Fläche. Im Standardstall (zwölf mal 88 Meter) waren also rund 20.000 Tiere untergebracht.493 Im KIM Königs Wusterhausen waren 1974 676.000 Plätze für ‚Legehennen‘ und 600.000 für die Mast eingerichtet.494 In der Eierproduktion herrschte die Mehr-Etagen-K äfighaltung vor.495 Im Gegensatz zur Broilerzucht führte die DDR ab 1971 in der ‚Legehennen‘-Zucht für die industriemäßige Produktion eigene Zuchtarbeiten durch und koordinierte die Organisation der Zucht zwischen den Ländern des RGW .496 Zuchtziel war, wie beim Broiler, bei geringstem Futteraufwand
490 Landwirtschaftsausstellung: Goldbroiler, Umschlagtext ohne Seitenangabe. 491 Vgl. ebenda. 492 Vgl. Poutrus: Goldbroiler, S. 157. Die Forschungsorganisation auf dem Gebiet der Geflügelwirtschaft wurde durch die „Forschungskooperationsgemeinschaft Produktion und Verarbeitung von Eiern, Geflügel- und Kaninchenfleisch“ durchgeführt. Sie war in fünf Arbeitsgruppen unterteilt (Technologie, Zucht und Reproduktion, Fütterung, Tiergesundheit, Ökonomie), und die Forschung war stark an der Volkswirtschaft orien tiert. Das heiß, man war auf einen zügigen Übergang von der Grundlagenforschung zur angewandten Forschung bedacht. Beteiligte Forschungsstätten der Geflügelwirtschaft waren das Forschungsinstitut für Geflügelwirtschaft Merbitz (Züchtungsforschung bei Broilern), die Karl-Marx-Universität Leipzig (künstliche Besamung und Fütterung), das Ingenieurbüro für Geflügelwirtschaft (Technologie, Mechanisierung, Ökonomie) sowie die Humboldt-Universität zu Berlin (Grundlagenforschung), vgl. Poutrus: Goldbroiler, S. 178 f. 493 Vgl. Grasenack: Geflügelproduktion, S. 243 – 247. 494 Vgl. Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 403. 495 Vgl. Grasenack: Geflügelproduktion, S. 225 – 230. 496 Vgl. ebenda, S. 77.
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höchste Leistung zu erzielen, was in der Eierproduktion eine hohe Legeleistung, hohe Eiermasse, feste Eierschalenstabilität 497 und ‚Vitalität‘ bedeutete.498 1964 legte ein DDR -Huhn im Durchschnitt jährlich 139 Eier, 1987 waren es schon 233 Eier im Jahr. In der Bundesrepublik waren es 255 Eier, wobei sich der Abstand relativiert, wenn man sich vor Augen hält, dass in der DDR fast die Hälfte der Hühner in der („unproduktiveren“) Kleinhaltung privat gehalten wurden.499 Die Eier der Millionen von ‚Legehennen‘ wurden in ähn lichen Werbekampagnen wie der „Goldbroiler“ angepriesen. Das „KIM -Ei“ wurde wie der Broiler als gesundes und günstiges Lebensmittel beworben.500 „Nimm ein Ei mehr“ hieß dementsprechend der Werbespruch, der Anfang der Sechzigerjahre die VerbraucherInnen zum erhöhten Konsum von Eiern ermuntern sollte.501 Schließlich, so die Hoffnung, sollte das hohe Angebot an Eiern den Fleischmangel kompensieren (und kaschieren) und die Kaufkraft weg von Mangelware hin zu ausreichend vorhandenen Lebensmitteln lenken.502 Um den privaten Lebensmittelkonsum insgesamt zu reduzieren, wurde die Kantinenkultur verstärkt ausgebaut. Dazu gehörten neben den Betriebskantinen auch die Goldbroilergaststätten und die Restaurant-Kette „Gastmahl 497 Die Stabilität der Eierschale war von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung, denn noch in den Siebzigerjahren gingen sieben bis zwölf Prozent der Eier in den Betrieben zu Bruch. Zu Messung der elastischen Verformung der Schale wurde in der DDR, am Institut für Geflügelwirtschaft Merbitz, das „Eideformationsgerät DMG 4“ entwickelt, vgl. Pingel, Heinz/Müller, Jochen: Legehuhnzucht, in: Schwark (u. a.) (Hrsg.): Tierzucht in der DDR, S. 415 – 452, hier S. 438 f. 498 Vgl. ebenda, S. 431. 499 Vgl. Kurjo: Geflügelhaltung, S. 39 f. 500 Vgl. Landwirtschaftsausstellung: Goldbroiler. 501 „Kein Ei des Kolumbus/Wer wird lange fragen,/wer wird rästeln,/ob ihm das Ei nützt?/ Zum Backen und Braten,/Kochen und Garnieren,/ein Hühnerei ist/nahrhaft-gesund/ ist vitaminreich./Wenn es heißt:/spare Zeit und Geld,/ist ein frisches Ei/das richtige,/ jeder kann sagen:/Nimm ein Ei mehr!“ Werbeanzeige, in: Neue Zeit, vom 17. 05. 1961, S. 7. Ähnlich beworben wurde der Konsum von Fisch. Gängige Werbesprüche waren etwa „Frischen Fisch auf jeden Tisch“ oder „Zweimal in der Woche Fisch bereichert jeden Mittagstisch“. Zur Fischwirtschaft vgl. Ciesla: Konsumgesellschaft, S. 205 – 233; Wolle: Plan, S. 381 ff. 502 Außerdem war die staatliche Konsumlenkung Teil der Gesundheitspropaganda, denn Eier, Geflügelfleisch und Margarine wurden allesamt als gesundheitsfördernd angepriesen, vgl. Merkel, Ina: Alternative Rationalities, Strange Dreams, Absurd Utopias: On Socialist Advertising and Market Research, in: Pence, Katherine/Betts, Paul (Hrsg.): Socialist Modern. East German Everyday Culture and Politics, Ann Arbor 2008, S. 323 – 344, hier S. 335. Zum Konsum von Margarine und Butter vgl. Roesler, Jörg: Butter, Margarine und Wirtschaftspolitik. Zu den Bemühungen um die planmäßige Lenkung des Butter- und Margarineverbrauchs in der DDR z wischen 1950 und 1965, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 29 (1988), S. 33 – 48.
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des Meeres“, um die Bevölkerung speziell zum Konsum des vergleichsweise günstig zu ‚produzierenden‘ Geflügel- und Fischfleisches zu animieren.503 Die KIM -Betriebe nahmen eine Vorbildrolle („Schrittmacher für moderne Produktionstechnologien“ 504) für die weitere Entwicklung in der Tierproduktion ein.505 Diese Art der Tierhaltung orientierte sich, wie gesagt, an westlichen Entwicklungen, weshalb die Umsetzung des Modells „Geflügelintensivhaltung“ in der Planwirtschaft zunächst Schwierigkeiten bereitete.506 Trotz der vielfältigen bürokratischen und aus der Mangelwirtschaft resultierenden Hindernisse wurden 1968 im KIM Königs Wusterhausen bereits 3.570 Tonnen der Tiere ‚produziert‘.507 Das Geflügelaufkommen in der DDR erhöhte sich insgesamt z wischen 1960 und 1969 um 180 Prozent.508 Ab den Siebzigerjahren war der SED -Staat bereits unabhängig von Importen von Geflügelprodukten und konnte darüber hinaus im geringen Umfang gelegentlich als Exporteur auftreten.509 Die Eierproduktion war eine der wenigen gut funktionierenden Wirtschaftszweige im Arbeiter- und Bauernstaat. Die Zeiten, in denen die DDR Eier aus China importierte, waren mit der industriellen Eierproduktion endgültig vorbei.510 Nach der Wiedervereinigung wurde die ostdeutsche Geflügelzucht, bis auf die Gänse- und Entenzucht, eingestellt. Die Eier- und Fleischproduktion hingegen keinesfalls: Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR verdoppelte sich die Broilerproduktion (von 8,8 503 Als Vorbild dienten der DDR die „Wienerwald“-Restaurants, das „Goldhähnchen“ und das „Brathendl“ aus Westdeutschland und Österreich sowie das Konzept nordamerikanischen Fast-Food-Restaurants. Vgl. dazu ausführlich Poutrus: Goldbroiler; ders.: Kurzer Abriß, S. 138 – 143. Siehe auch Bauerkämper, Arnd: Amerikanisierung und Sowjetisierung in der Landwirtschaft. Zum Einfluß der Hegemonialmächte auf die deutsche Agrarpolitik von 1945 bis zu den frühen sechziger Jahren, in: Jarausch, Konrad H./Siegrist, Hannes (Hrsg.): Amerikanisierung und Sowjetisierung in Deutschland 1945 – 1970, Frankfurt am Main/New York 1997, S. 195 – 215, hier S. 212. Zu den DDR-Fischrestaurants vgl. Ciesla: Konsumgesellschaft, S. 227 – 230. Auch mit anderen Produkten eiferte die DDR westlichen Trends nach: In den Achtzigerjahren wurde in Ost-Berlin die „Ketwurst“ (der ostdeutsche „Hot Dog“) und die „Grilletta“ („Hamburger“) ‚erfunden‘. 504 Vgl. Grasenack: Geflügelproduktion, S. 17. 505 Vgl. Poutrus: Goldbroiler, S. 166. Aufgrund der Vorbildfunktion klagten manche Betriebe über eine „Flut“ von Delegationsbesuchen, die die BetriebsleiterInnen zum Teil von ihrer eigentlichen Arbeit abhielten, vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 160. 506 Vgl. dazu ausführlich Poutrus: Goldbroiler. 507 Vgl. ebenda, S. 149. 508 Das führte dazu, dass die Schlachtbetriebe mit der Verarbeitung oft nicht hinterher kamen und nicht genügend Lager- und Kühlkapazitäten sowie Verpackungsmittel vorhanden waren. Der Import von Eierverpackungen allein kostete die DDR 1970 rund 1,5 Millionen Valutamark, vgl. Poutrus: Goldbroiler, S. 159 ff. 509 Vgl. Kurjo: Geflügelhaltung, S. 3 und 38 f. 510 Vgl. Dietrich: ’Ne Laube, S. 402.
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Millionen Tiere im Jahr 1992 auf 16,7 Millionen 2005)511 – bei gleichbleibenden fragwürdigen Haltungsmethoden.
Von Broikas, Schafbroilern, Hybridschweinen und Unzähmbaren Beflügelt vom Erfolg des Broilers versuchte man die Zuchtmethoden der intensiven Geflügelhaltung auch auf andere Tiere zu übertragen. So entstand unter anderem das „Broika“, das „Broilerkaninchen“. Im Zuge des Aufbaus „industriemäßiger Tierproduktion“ Mitte der Sechzigerjahre wurde eine Versuchsanlage für die Produktion von Broilerkaninchen in Storkow (Bezirk Frankfurt Oder) errichtet (VEB Broika Storkow).512 Das Interesse an der „industriemäßigen Produktion“ der Nager bestand im Bestreben, vermeintlich gesundes und fettarmes „Weißfleisch“ zu produzieren, sowie in der hohen Reproduktionsfähigkeit und guten Futterverwertung der Tiere. Aus dem „‚Notstandstier‘“ sollte nun ein „‚Wohlstandstier‘“ werden.513 Das große Problem des ambitionierten Plans war, dass die Tiere aufgrund ihrer physiologischen Eigenschaften nur sehr schwer unter industriellen Bedingungen gehalten werden konnten. Die ‚Mastkaninchen‘ stellten hohe Ansprüche an das Stallklima sowie an Futter und Fütterungstechnik. Weiterhin vertrugen sie die Haltung in den einstreulosen Käfig-Batterien nicht: 1969 starben im VEB Broika bis zu 80 Prozent der Tiere, ein Jahr später verendeten immer noch die Hälfte der Kaninchen. Trotz der extremen Tierverluste wurde das Experiment „Broika“ in Storkow erst Mitte der Siebzigerjahre endgültig eingestellt.514 Dessen ungeachtet wurde 1980 immer noch behauptet, dass der „industriemäßigen Kaninchenfleischproduktion die Zukunft gehören 511 Vgl. Pingel, Heinz: Geflügelzucht in den neuen Bundesländern, in: Schwark (u. a.) (Hrsg.): Tierzucht in der DDR, S. 486 – 491, hier S. 487. 512 Vgl. Poutrus: Goldbroiler, S. 112. 513 Brandsch, H.: Die Broiler-Kaninchen-Mast – ein industriemäßiger Produktionszweig, in: MfV 23 (1968), S. 139 – 142, hier S. 139. Die DDR orientierte sich, wie beim Broiler, an westlichen Entwicklungen, denn ähnliche Vorhaben gab es vor allem in den USA und Großbritannien. Aber auch sozialistische Länder versuchten sich an der „industriemäßigen Kaninchenproduktion“, hier vor allem Ungarn, wo seit 1962 Kaninchenmast in größeren Anlagen (bis zu 100.000 Tiere) betrieben wurde, vgl. Gauß, Horst: Untersuchung über die Mastfähigkeit von Broilerkaninchen und Merkmale ihres Schlachtwertes nach Aufnahme der Züchtung von Rammler- und Häsinnenlinien in einem Broilerkaninchenbetrieb der DDR in Hinsicht auf die Realisierung eines Zuchtprogrammes, Diss. Universität Rostock 1976, S. 4 – 8. 514 Vgl. Poutrus: Goldbroiler, S. 182 ff. In kleineren Maßstäben wurde aber weiter geforscht und gezüchtet, vgl. hierzu etwa Gauß: Broilerkaninchen. Vgl. auch die Lobpreisungen der fabrikähnlichen Produktion von „Broikafleisch“ in Mothes: Schlaraffenland, S. 120 f. Weiterhin hatten Kaninchen in der DDR eine große Bedeutung als Felllieferanten sowie als ‚Versuchs-‘ und ‚Modelltiere‘, vgl. Bernhardt, W.: Die zunehmende Bedeutung der
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wird.“ 515 Das stellte eine gehörige Leistung in Sachen Realitätsverweigerung dar, denn nahezu 100 Prozent der Kaninchen kamen seinerzeit aus der „individuellen Kleinproduktion“.516 Das zeitgleich stattfindende Experiment der „industriemäßigen Fasanenmast“ führte ebenfalls nicht zum ersehnten Erfolg. Auch diese Tiere ließen sich nicht „industriemäßig“ halten, da sie „kaum züchterisch bearbeitet“ waren und „den Wildformen ähnliche Mast- und Reproduktionsleistungen“ aufwiesen.517 Um dies schlussendlich herauszufinden, wurde 1968 die Versuchsanlage für Fasanenzucht in Spreenhagen (Bezirk Frankfurt) aufgebaut, die 100.000 Mastplätze vorsah.518 In diesem Probebetrieb überlebten bis 1970 nur 70 Prozent der Vögel die Einstallung. Allein auf dem Transport in die Ställe verendeten von den insgesamt 6.000 gelieferten Tieren etwa 2.300 Fasane und 200 waren aufgrund des Transports so „geschädigt“, dass sie anschließend getötet werden mussten. Trotz der katastrophalen Ergebnisse wurde das „Fasanenexperiment“ erst zu Beginn des Jahres 1970 eingestellt.519 Das Ziel der ständigen Erhöhung des Fleischaufkommens ließ Mitte der Sechzigerjahre auch das Schaf ins Visier geraten. Geplant war eine „Schafbroilerproduktion“ 520, um auch diese Tiere in die industriemäßige Fleischproduktion (vorrangig für den Export 521) einzubinden. Bis dahin spielten Schafe nur in der Erzeugung von Wolle 522 und als devisenbringende Zucht- Exporte eine Rolle.523 Der Schafhaltung kam in der DDR insgesamt betrachtet jedoch keine herausragende Bedeutung zu. Sie hatte nur einen Anteil von drei bis vier Prozent an der Tierproduktion, was lediglich einem Prozent des Kaninchenhaltung in der Deutschen Demokratischen Republik, in: MfV 35 (1980), S. 165 – 168, hier S. 167 f. 515 Bernhardt: Kaninchenhaltung, S. 166. 516 Vgl. Maßnahmen zur weiteren Förderung der individuellen Produktion in den Hauswirtschaften der Genossenschaftsbauern und Arbeiter sowie der Mitglieder des VKSK und der sonstigen Kleinerzeuger, Politbüro des ZK der SED vom 30. 08. 1983, SAPMO BArch DY 30/J IV 2/2/2017, Bl. 16 ff. (zitiert nach Dietrich: Hammer, S. 285 f.). 517 Vgl. Grasenack: Geflügelproduktion, S. 113. 518 Vgl. Poutrus: Goldbroiler, S. 114. 519 Vgl. ebenda, S. 183 f. 520 Vgl. Mothes: Fließband, S. 109. 521 Von 1981 bis 1987 exportierte die DDR im Schnitt jährlich 8.900 Tonnen Schaffleisch, das waren etwa 25 Prozent des Aufkommens der DDR, vgl. Lambrecht: Agrarhandel, S. 46. 522 Vgl. dazu Niemann, Mario: „Träger unserer Wollerzeugung“ – Das Schaf im Rahmen der „Erzeugungsschlacht“, in: Buchsteiner, Martin/Viereck, Gunther (Hrsg.): Thünen-Jahrbuch 2 (2007), S. 59 – 84. 523 Vgl. Strittmatter, Knut (u. a.): Schaf- und Ziegenzucht, in: Schwark (u. a.) (Hrsg.): Tierzucht in der DDR, S. 236 – 397, hier S. 237.
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Bruttoprodukts an der gesamten Landwirtschaft der DDR entsprach.524 Einen Anteil an der Bedeutungslosigkeit der Schafwirtschaft hatte sicherlich die tradi tionelle Schafhaltung mit Weidegang und ‚Hütehund‘, die nicht mehr in das Bild eines fortschrittlichen Industriestaates passte, das die DDR von sich selbst hatte. Die verbreitetste und wichtigste Schafrasse der DDR war das „Merinofleischschaf“. Aufgrund der volkswirtschaftlichen Zielstellung der Unabhängigkeit von Woll-Importen und damit der Steigerung der Wollproduktion wurde das Merinofleischschaf in der DDR , entgegen seiner Bezeichnung, ab 1954 zur wollbetonten Kombinationsrasse umgezüchtet.525 Zum Gesamtaufkommen von Wolle leisteten zum wiederholten Male die privaten TierhalterInnen einen großen Beitrag: 1982 betrug der Anteil an individuell produzierter Wolle 30,3 Prozent.526 Die Fleischproduktion betreffend setzte man beim Schafbroiler, wie beim Geflügelbroiler, auf die Mast von Jungtieren. Das heißt, die Fleischproduk tion sollte vorrangig durch die Lamm- und Jungschafmast erfolgen, vor allem durch den Einsatz von Masthybriden. Im Lehr- und Versuchsgut (LVG )527 Klockow (Bezirk Neubrandenburg) beispielsweise wurden 10.000 Schafe für die „industriemäßige Lämmerproduktion“ gehalten.528 1988 gab es in der DDR 29 derartige, industriemäßige Anlagen für die Schaffleischproduktion. Jene Betriebe ‚produzierten‘ 71 Prozent des Lammfleisches.529 Die Schafmast war aufgrund niedriger Wollerträge, hoher Lammverluste, saisonabhängiger Geburten und 524 Vgl. ebenda, S. 238 f. 525 Vgl. ebenda, S. 267. Im VKSK wurden weitere Schafrassen gezüchtet, die zum Teil wirtschaft liche Bedeutung hatten (zum Beispiel die Karakul-Zucht zur Pelzgewinnung, die ausschließ lich in privater Hand lag), oder Rassen, die nur der „Genreserve“ oder tiergärtnerischen Ausstellungszwecken dienten. Der VKSK war für die Organisation der Zucht und für den Handel mit den ‚Zuchttieren‘ zuständig, vgl. ebenda, S. 295 – 305. 526 Vgl. Maßnahmen zur weiteren Förderung der individuellen Produktion in den Hauswirtschaften der Genossenschaftsbauern und Arbeiter sowie der Mitglieder des VKSK und der sonstigen Kleinerzeuger, Politbüro des ZK der SED vom 30. 08. 1983, SAPMO BArch DY 30/J IV 2/2/2017, Bl. 16 ff. (zitiert nach Dietrich: Hammer, S. 285 f.). 527 Die Lehr- und Versuchsgüter fungierten als Untersuchungs-, Experimentier-, Prüf- und Demonstrationsbasis für die Akademie der Landwirtschaftswissenschaften. Die Betriebe setzen die Forschungsergebnisse praxisnah um und arbeiteten leistungsorientiert nach Fünfjahresplänen, vgl. Krielke, Ulrich: Lehr- und Versuchsgüter, in: Schmidt, Klaus (Hrsg.): Landwirtschaft in der DDR. VEG, LPG und Kooperationen – wie sie wurden, was sie waren, was aus ihnen geworden ist, Clenze 2009, S. 52 – 57. 528 Vgl. Krielke: Lehr- und Versuchsgüter, S. 55 f. Ein damaliger Abteilungsleiter der KAP Kleptow, die die Schafe mitversorgte, erzählt rückblickend, dass „die Klockower Schafe nicht wie Schafe, sondern eher wie Mastrinder behandelt wurden.“ Das heißt, sie wurden nicht mehr über die Felder getrieben, sondern standen auf „Intensivgrasflächen“, wo sie ein Elektrozaun „hütete“, zitiert nach Krenz: Notizen, S. 150 f. 529 Vgl. Strittmatter: Schaf- und Ziegenzucht, S. 251 – 255.
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unzureichender Nutzung landwirtschaftlicher Flächen bei gleichzeitig hoher Subventionierung aber nicht wirtschaftlich.530 Die erhoffte Beispielwirkung der Broiler für die Produktion von Broikas, Schafbroilern und Fasanen blieb also aus. Auch die „industriemäßige Produk tion“ von Enten, Gänsen und Puten erlangte nie die Ausmaße der Hühnermast, geschweige denn eine derartig hohe Anzahl an Tieren. Die Tiere waren weitaus „anspruchsvoller“ in ihrer Haltung, allein schon, weil man im Gegensatz zur Broilermast zwischen „Aufzucht- und Mastphase“ unterscheiden musste. Das erforderte zum Teil differenzierte Umweltgestaltung und Fütterung.531 Außerdem wurde zum großen Teil immer noch saisonabhängig produziert.532 Das „Wassergeflügel“ Ente und Gans konnte darüber hinaus nur schwer ohne Bademöglichkeiten gehalten werden. Das hatte vor allem in der Entenzucht eine zunehmende Gewässerbelastung zur Folge und musste dementsprechend eingeschränkt werden.533 Auch die kombinierte Haltung von Enten und Karpfen verlief aus diesem Grund nicht wie gewünscht. Die Freiwassermast auf natür lichen Gewässern sah vor, dass der Entenkot als Dünger für die Wasserpflanzen fungierte, die wiederum die Futtergrundlage der Karpfen bildeten 534 – was auf geringe Investitionskosten bei doppelter ‚Ausbeute‘ hinauslaufen sollte. Das Beispiel „Kombinat für Binnenfischerei und Entenmast Wriezen“ (Bezirk Frankfurt) machte 1963 die verheerenden Folgen bei einer Überbelegung des Sees mit Enten deutlich: Der See kippte um, die Fische erstickten und die Enten starben schließlich an Infektionskrankheiten.535 Sehr erfolgreich im Sinne der SED-Staatsführung, das heißt dem Anspruch auf Sicherung der Eigenversorgung und Realisierung der Exportauflagen entsprechend, verlief hingegen die „industriemäßige Schweineproduktion“. Der Selbstversorgungsgrad bei Schweinefleisch lag in der DDR in den Achtzigerjahren bei 125 Prozent 536, der Exportanteil betrug zehn bis 20 Prozent der Gesamtproduktion.537 Die Schweinefleischproduktion hatte folgerichtig in der DDR eine größere Bedeutung
530 Vgl. ebenda. 531 Vgl. Grasenack: Geflügelproduktion. 532 Vgl. Mothes: Fließband, S. 104. 533 Vgl. Grasenack: Geflügelproduktion, S. 19. Das angeblich größte Entenkombinat der Welt stand in Seddin (Bezirk Potsdam) und hatte eine jährliche „Produktion“ von 1,2 bis 1,3 Millionen Enten, vgl. Mothes: Fließband, S. 104. 534 Vgl. ebenda, S. 106 f. 535 Vgl. Poutrus: Goldbroiler, S. 82. 536 Vgl. Pfeiffer: Schweinezucht, S. 418. 537 Vgl. Schremmer/Franz: Schweineproduktion, S. 241. Die DDR deckte rund 25 Prozent des Schweinfleischverbrauchs West-Berlins, vgl. Lambrecht: Agrarhandel, S. 46.
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als in der Bundesrepublik.538 Jedoch war (und ist) Schweinefleisch sowohl des Ostdeutschen als auch des Westdeutschen liebste Mahlzeit.539 Betrug der jährliche Schweinfleischverbrauch in der DDR pro Kopf 1970 schon 38,7 Kilogramm, so lag er zehn Jahre s päter bei 57,8 Kilogramm und 1988 bereits bei 64,2 Kilogramm (das waren 60 Prozent am Gesamtfleischverzehr).540 Dementsprechend stieg auch der Bestand an Schweinen im SED-Staat kontinuierlich von 9,6 Millionen (1970) auf 12,4 Millionen Tiere (1988) an.541 In den Sechzigerjahren begann man in der DDR mit der Umzüchtung der Schweine in sogenannte „Fleischschweine“. Die KonsumentInnen bevorzugten nun mageres Fleisch und weniger Speck, so dass den Tieren infolgedessen ein höherer Fleischanteil angezüchtet wurde.542 Man begann aus den in der DDR vorherrschenden Rassen „Deutsches veredeltes Landschwein“ und „Deutsches Edelschwein“ in der ersten Zuchtetappe (1961 bis 1970) „moderne Fleischschweine“ („Deutsche Landrasse“ und „Deutsches Edelschwein“) zu züchten, die im Gegensatz zu den alten Typen länger, höher und dabei feingliedriger und besser bemuskelt waren. Die Züchtung der alten Schweinerassen „Deutsches Sattelschwein“ und „Deutsches Cornwell“ wurden 1968 beziehungsweise 1966 eingestellt, jene Tiere hatten einen zu hohen Fettansatz.543 Der Fleischanteil der umgezüchteten „Fleischschweine“ hingegen wurde wesentlich erhöht, jedoch litten darunter die ‚Vitalität‘ der Tiere (Herz-Kreislaufprobleme, Stressempfindlichkeit) sowie die Fleischqualität.544 Der züchterisch verlängerte Rücken führte zu Gliedmaßenerkrankungen und auf dem Boden hängende, sich entzündende Bäuche und Euter.545 Aus diesem Grund wurde im Zuchtprogramm von 1971 bis 1975 die Hybridschweinezucht festgelegt, womit den „Konstitutionsschwächen“ entgegengewirkt werden sollte.546 Außerdem züchtete man in der DDR zusätzlich neue Schweinerassen. Das war zum einem die leistungskombinierte Rasse „Leicoma“ (ehemals „K 250“) und zum anderen
538 Vgl. Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. 66. 539 Vgl. Schön, Irmgard: Wandlungen in den Verzehrgewohnheiten bei Fleisch von 1945 bis zur Gegenwart, in: Protzner, Wolfgang (Hrsg.): Vom Hungerwinter zum kulinarischen Schlaraffenland. Aspekte einer Kulturgeschichte des Essens in der Bundesrepublik, Wiesbaden 1987, S. 93 – 122, hier S. 107. 540 Vgl. Statistisches Taschenbuch der DDR 1989, S. 115. 541 Vgl. ebenda, S. 78. 542 Vgl. Pfeiffer: Schweinezucht, S. 340. 543 Vgl. Autorenkollektiv: Schweineproduktion, S. 119, S. 121; Pfeiffer: Schweinezucht, S. 339, S. 347. 544 Vgl. Pfeiffer: Schweinezucht, S. 361 – 363. 545 Vgl. Köpp: Von Tieren, S. 163. 546 Vgl. Pfeiffer: Schweinezucht, S. 340.
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die fleischansatzbetonte „Schwerfurter Fleischrasse“ (früher „F 150“).547 Doch trotz des ambitionierten Schweinezuchtprogramms konnten in der DDR aufgrund der unzureichenden Futterversorgung (qualitativ und quantitativ) und der zum Teil sehr schlechten Haltungsbedingungen nur 70 Prozent des Leistungspotentials der Tiere ‚ausgeschöpft‘ werden.548 Mehr noch, die Mangelwirtschaft machte die Tiere krank: 70 Prozent aller Schweineerkrankungen wurden direkt oder indirekt durch Mängel in der Haltung und Fütterung verursacht.549 Das entsprach einem ‚volkswirtschaftlichen Schaden‘ von 400 Millionen Mark jährlich für den Arbeiter- und Bauernstaat.550
3.3 Zusammenfassung Die landwirtschaftliche ‚Nutztier‘-Haltung unterliegt heute wie damals per se einem starken Nützlichkeitsdiskurs, der in diesem Bereich besonders eng mit Tendenzen der Verwissenschaftlichung und Disziplinierung, das heißt Kontrolle des Tier(-körpers) verflochten ist. Deswegen standen im vorliegenden Kapitel zunächst weniger gesellschaftliche Tierbilder als vielmehr die weitreichenden Auswirkungen der Agrar- und Gesellschaftspolitik der SED auf die ländliche Gesellschaft und damit auf die Mensch-‚Nutztier‘-Beziehungen im Vordergrund. Jene waren ein wesentlicher Bestandteil der ländlichen Gesellschaft – nicht nur aus ökonomischer Sicht. Die vielen persönlichen Schilderungen von ZeitzeugInnen über ihre Erlebnisse mit landwirtschaftlichen ‚Nutztieren‘ zeigen, wie stark die Tiere mit dem Lebens- und Arbeitsalltag der Menschen verbunden waren. Deswegen ist es umso verwunderlicher, dass der Wandel des Mensch-‚Nutztier‘-Verhältnisses durch die Entwicklung der industriellen Tierhaltung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bisher kaum 547 Die Rassen verdankten ihren Namen den Bezirken, in denen die Zuchtbetriebe lagen: Bei ersterer Rasse Leipzig, Cottbus und Magedeburg und zweiter Schwerin und Erfurt, vgl. Pfeiffer: Schweinezucht, S. 381 – 383. 548 Vgl. ebenda, S. 339. 549 Vgl. Maaß: Schweinegesundheitsdienst, S. 164 – 172. Die Spaltenböden (Erkrankung der Gliedmaßen) sowie die durch die Umzüchtung zum Fleischschwein verringerte Anpassungs- und Leistungsfähigkeit des Blutkreislaufes und des Wärmeregulationsvermögens waren Hauptprobleme der „Tiergesundheit“; zu zeitgenössischen Beschreibungen weiterer gesundheitlicher Auswirkungen der seinerzeit forcierten „industriemäßigen Schweineproduktion“ vgl. Prange/Bergfeld: Veterinärmedizin und industriemäßige Schweineproduktion. Zur Schweinehaltung unter Tierschutzaspekten vgl. ausführlich Stock: Tierschutz. 550 Ohne konkrete Jahresangabe, vermutlich Anfang der Achtzigerjahre, vgl. Autorenkollektiv: Schweineproduktion, S. 53.
Zusammenfassung
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historisiert wurde.551 Die politischen Eingriffe in die Lebenswelt von Mensch und Tier führten in der DDR zu einem permanenten Veränderungsdruck für die Betroffenen. Die Kollektivierung der Landwirtschaft stellte tradierte Sinn- und Bedeutungszuschreibungen infrage und richtete sich gegen die ihnen zugrunde liegenden bäuerlichen Werte. Durch den Wegfall der Eigenständigkeit stellte die Zwangsvereinigung einen tiefen Einschnitt in die menschliche Erfahrungswelt dar. ‚Nutztiere‘ wurden während der Kollektivierung zu Instrumenten und Gegenstand bäuerlichen Widerstandes. Mit der nunmehr vorhandenen Unterscheidung zwischen „individuellen Tieren“ und „LPG -Tieren“ fand eine erste Abgrenzung statt. Für die tierliche Lebenswirklichkeit ist anzunehmen, dass die Agrarindustrialisierung die größere Zäsur darstellte. Die Einführung der „industriemäßigen Tierproduktion“ war von einer fortschreitenden Verding lichung der ‚Nutztiere‘ geprägt. Denn durch den Aufbau großer Tierbestände ging der individuelle Kontakt zu den Tieren verloren und die Distanzierung zum Tier verstärkte sich. Die Entwicklung hin zu einem rationellen Mensch‚Nutztier‘-Verhältnis ist in allen Gesellschaften mit industrieller Landwirtschaft anzutreffen und war kein Sonderfall der DDR . Der SED -Staat folgte in seiner Entwicklung internationalen Trends, wie demjenigen in der Bundesrepublik, wo sich der Strukturwandel unter der Devise „Wachsen oder Weichen“ vollzog.552 Der Glaube an andauernden Fortschritt, eine gewisse Technikeuphorie und Wissenschaftsgläubigkeit prägten die Agrarmodernisierung in Ost und West.553 Mehr als im Westen hatte die Agrarindustrialisierung in der DDR aber einen Zwangscharakter, ökonomische Triebkräfte wirkten hier weniger stark.554 Insbesondere die Kollektivierung stellte eine radikale Modernisierung „von 551 Jüngste Forschungsprojekte zu diesem Thema sind von Settele, Veronika: Vom Tier zum Fleisch. Eine Geschichte der industriellen Nutztierhaltung in Deutschland, 1950 – 1980 (Arbeitstitel), Friedrich-Meinecke-Institut an der Freien Universität Berlin, Betreuer: Paul Nolte; Rosen, Aiyana: Mensch-Tier-Verhältnisse in der Milchkuhhaltung in Deutschland. Eine genealogische Analyse (Arbeitstitel), Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin, Betreuer: Bernd Ladwig. 552 Vgl. Bauerkämper, Arnd: Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft in der Bundesrepublik in den 50er Jahren, in: Schildt/Sywottek (Hrsg.): Modernisierung, S. 188 – 200; Kluge: Agrarpolitik, S. 377 f. und S. 381 – 388; ders.: Agrarwirtschaft, S. 39 – 45. 553 Vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 22; Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 194 f. Uekötter behauptet hingegen, in der Bundesrepublik wurde aus Angst vor Kritik keine positive Zukunftsvision einer durchmechanisierten Landwirtschaft propagiert, weswegen man seiner zeit den schleichenden Prozess bevorzugte, vgl. Uekötter: Wahrheit, S. 354 f. 554 Vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 22. Außerdem blieben Familienbetriebe in Westdeutschland weiterhin das agrarpolitisches Leitbild, vgl. Bauerkämper, Arnd: Kollektivierung in der DDR und agrarischer Strukturwandel in der Bundesrepublik – zwei Modernisierungspfade, in: Buchsteiner/Kuntsche (Hrsg.): Agrargenossenschaften, S. 45 – 58, hier S. 53 f. und S. 56 f. Vgl. auch Inhetveen, Heide/Schmitt, Mathilde: Vom Mythos des kontinuierlichen Abbaus
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oben“ dar.555 Programme wie das Offenstallprogramm, die Verstaatlichung der Tierzucht oder die Trennung der Tier- und Pflanzenproduktion, waren allein von der SED – oft wider des Sachverstandes, entgegen ökonomischer Notwendigkeiten und ohne Rücksicht auf regionale und betriebliche Besonderheiten – durchgesetzte Machtpolitik.556 Das starre Festhalten am Plan führte zu Fehlentscheidungen, die dann ideologisch gerechtfertigt wurden.557 Grenzen setzten diesen Entwicklungen oft nur die Unwirtschaftlichkeit der riesigen Betriebe, die widrige wirtschaftliche Lage der DDR und die Beharrungskraft tradierter (ländlicher) Strukturen.558 Dazu zählten auch Ausweichstrategien der bäuerlichen Bevölkerung, die sich in den hier beschriebenen, unterschied lichen eigen-sinnigen Verhaltensmustern manifestierten. Auch die Reduzierung der Rassenvielfalt in der ‚Nutztier‘-Haltung, eine systemübergreifende Folge von Rationalisierungsprozessen in der industriellen Landwirtschaft 559, war in der DDR zunächst Resultat von machtpolitischen Entscheidungen: Tradi tionelle Zuchtverbände wurden im Zuge der Kollektivierung aufgelöst und die gesamte Tierzucht zentralisiert und vereinheitlicht. Die „züchtungspolitische“ Abgrenzung beziehungsweise Isolation trieb diese Entwicklung weiter voran. Das Ergebnis der sozialistischen Zuchtpolitik war die „Einheitskuh“ SMR und genetisch einheitliche Tiere aus der Hybridzucht, für deren Erzeugung nur eine Handvoll Ausgangsrassen benötigt wurden. Oder anders ausgedrückt: Die Tierzucht bekam die Aufgabe, „homogene[s] Tiermaterial“ 560 für die „industriemäßige Tierproduktion“ zu konstruieren, deren Körper, Verhalten und Leistungsvermögen an den mechanisierten und automatisierten Produktionsablauf angepasst wurden. Der Tierkörper auferlegte aber auch Grenzen: Kaninchen, Fasane oder Enten ließen sich kaum an die industriemäßige Haltung anpassen; die Rinder im Offenstall erfroren, tierliche Leistungen wurden aufgrund der systembedingten Mängel in Haltung und Fütterung nicht voll ‚ausgeschöpft‘. Besonderes Augenmerk legte die DDR -Tierzucht daher stets auf die Anpassung
bäuerlicher Familienbetriebe, in: Agrarbündnis (Hrsg.): Der Kritische Agrarbericht, Kassel/ Rheda-Wiedenbrück 2001, S. 250 – 256. 555 Vgl. Bauerkämper: Kollektivierung, S. 57. Langenhan bezeichnet die Trennung der Tierund Pflanzenproduktion als nachhaltigste Veränderung für die ländliche Gesellschaft, vgl. Langenhan: Machtbildung, S. 51. 556 Vgl. ebenda, S. 52. 557 Vgl. Schöne: Landwirtschaft, S. 6 und S. 11. Ein damaliger Tierarzt fasste zusammen: „Es ging immer dann aufwärts, wenn fachliche Kompetenz über die Ideologie siegte.“ Zitiert nach Prange: Bauernschicksale, S. 242. 558 Vgl. dazu auch Jessen: Gesellschaft im Sozialismus, v. a. S. 101 f. 559 Vgl. Wetter: Tiergenetik, S. 22. 560 Aa: Prognose, S. 843.
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an die ungünstigen Bedingungen, allen voran die unzureichende Futterversorgung. Überhaupt waren alle (zentral) vorgegebenen züchterischen Maßnahmen den ökonomischen Anforderungen (Versorgung der Bevölkerung, Verzicht auf Futtermittelimporte und steigender Export) untergeordnet. Die tiefe Prägung, die die züchterische Adaption auf die Tiere hatte, war nicht nur an ihren Körpern ablesbar. Eine Zeitzeugin beschrieb das Verhalten von jungen Kühen, aufgezogen unter industriellen Bedingungen, die in „herkömmlichen Ställe“ umgestallt wurden: Aus der industriemäßig produzierenden Anlage bekam die LPG öfter kalbende Färsen angeboten, die dort nicht verkäuflich waren, obwohl sie, wegen oft nur unbedeutender Mängel, verbilligt angeboten wurden, wären die Tiere besser gleich zur Notschlachtung gekommen. Diese Tiere waren gut im Futter, aber nicht gewohnt, sich auch nur ein Hälmchen Gras selbst zu rupfen; sie brüllten auf der besten Weide mit vollem Grasbestand. Wenn das Kalb heraus war, waren sie abgemagert und spindeldürr und kamen oft nur noch für die Notschlachtung in Frage. […]. Andere erhängten sich fast am Melkstand, weil sie keine Kette um den Hals gewohnt waren.561
Umgekehrt hatten junge Färsen, die aus einem Aufzuchtsstall mit Anbindehaltung kamen, mit dem Laufstall und vor allem den Liegeboxen in den industriemäßigen Ställen Probleme. Sie gewöhnten sich erst nach langer Zeit an die Boxen und lagen stattdessen im verschmutzen Laufgang, wo das Euter stark verdreckte 562 und eine erhöhte Gefahr für Euter- und Gliedmaßenerkrankungen bestand.563 561 Paetow: Lena, S. 150 f. Zur Kritik der angeblichen Fortschrittlichkeit des Laufstalls gegenüber der „traditionellen“ Anbindehaltung vgl. Schmidt/Jasper: Agrarwende, S. 29 f. und S. 32. 562 Überhaupt verdreckten die Tiere in den industriellen Großanlagen massiv, denn kein Einstreu verteilte die Gülle und kein Mensch konnte die vielen, eng aneinander stehenden Tiere regelmäßig putzten, vgl. Schilderungen eines Facharbeiters in einem (für DDR-Verhältnisse relativ kleinen) Kuhstall mit 672 Tieren und zehn Arbeitskräften, in: KFW (Hrsg.): Dokumentation Tierschutz, 1988, vorhanden in: RHG/KFH 29, unpag. (S. 6); Grove: Tierschutz, S. 54. 563 Vgl. Hohmann (u. a.): Agrarproduktion, S. 53. Tiere, die in einem „herkömmlichen Stall“ aufgezogen wurden, hatten insgesamt mehr Gesundheitsprobleme in industriemäßigen Ställen, als diejenigen, die schon unter derartigen Haltungsbedingungen aufgewachsen waren. Dazu zum Beispiel Kovács: Hygienische Grundlagen (betont auch die Bedeutung der ‚Gelehrsamkeit‘ der Tiere, vgl. S. 766); Berger, G.: Gliedmaßen- und Klauengesundheit von Rindern unterschiedlicher Herkunft in industriemäßig produzierenden Milchviehanlagen, in: MfV 32 (1977), S. 683 – 684; Berger, G.: Häufigkeitsverteilung von Gliedmaßenerkrankungen in den industriemäßig produzierenden Schweinezuchtanlagen unter Berücksichtigung des genetischen Ausgangsmaterials und der Haltungsbedingungen, in: MfV 30 (1975), S. 494 – 496; Kleiber, Hans: Ergebnisse zur einstreulosen Rinderhaltung, in: MfV 27 (1971), S. 265 – 269.
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Selbstredend war auch die westdeutsche Landwirtschaft Planungen und einem gewissen Dirigismus unterworfen. 564 In der DDR erzwangen die MachthaberInnen in mehreren Schüben jedoch eine noch viel umfassendere Transformation der Landwirtschaft, als es in der Bundesrepublik der Fall war 565, was im Verlust an Vertrauen und Einsatzbereitschaft der ländlichen Bevölkerung mündete. Systembedingte Mängel der zentralen Verwaltungswirtschaft belasteten die landwirtschaftliche Produktivität zusätzlich und verstärkten die angespannte wirtschaftliche Lage der DDR . Die Versorgungskrisen erklären auch das Nebeneinander von kleinbäuerlicher Privatwirtschaft und staatlicher beziehungsweise genossenschaftlicher Großproduktion. Überhaupt stellte die ideologische Einbettung der Agrarpolitik, die den Strukturwandel in scharfer Abgrenzung zu Westdeutschland zur Gesetzmäßigkeit erklärte, eine DDR -spezifische Besonderheit dar.566 Demzufolge gab es einen relativ offenen Umgang mit der Massentierhaltung: Die Tierfabriken sollten keinesfalls versteckt werden 567 und in Kinder- und Schulbüchern waren Bilder aus der industriellen Schweinemast oder den ‚Legehennen‘-Batterien eine Selbstverständlichkeit.568 Gemeinsam war beiden deutschen Staaten indes die Agrarmodernisierung als Teil des Systemwettstreits aufzufassen 569, der letztlich ähnlichen Leitbildern 564 Anfang der Fünfzigerjahre traten Marktordnungs- und Handelsklassengesetze in Kraft, die die Produktionsbedingungen, die Ein- und Ausfuhr, den Absatz sowie Preise für bestimmte Nahrungsgüter regelten. Subventionierungen und das landwirtschaftliche Beratungs- und Forschungswesen waren weitere Instrumente der staatlichen Agrarpolitik. Die Europäische Integration verstärkte die politische Steuerung in der frühen Bundesrepublik schließlich weiter, vgl. Bauerkämper: Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft, S. 195 ff. Vgl. dazu auch Strube, Sebastian: Euer Dorf soll schöner werden. Ländlicher Wandel, staatliche Planung und Demokratisierung in der Bundesrepublik Deutschland, Göttingen 2013. 565 Vgl. Bauerkämper: Agrarmodernismus, S. 164; ders.: Amerikanisierung, S. 214. 566 „Der Übergang zu industriemäßiger Produktion in der sozialistischen Landwirtschaft ist ein objektiv begründeter, gesetzmäßiger Prozeß.“ Groschoff/Heinrich: Industriemäßige Produk tionsmethoden, S. 41 – 56 (Zitat S. 43). Aus der Abschottung vom Westen aus ideologischen Vorbehalten ergab sich auch die Zielstellung einer autarken Landwirtschaft (vgl. ebenda, S. 16), wobei der eigentliche Grund der anhaltende Devisenmangel war. Zum Anspruch auf Eigenversorgung bei gleichzeitiger Exportorientierung vgl. auch Ciesla: Konsumgesellschaft, S. 205 – 233. 567 Denn sie sollten für alle sichtbar die Leistungsfähigkeit des Sozialismus demonstrieren, vgl. Krenz: Notizen, S. 99. 568 Vgl. zum Beispiel die Abbildungen in Mothes: Fließband, S. 127; ders.: Schlaraffenland, S. 136. Abbildungen in Schulbüchern zum Beispiel in: Heimatkunde. Lehrbuch für die Klasse 3, 5. Aufl., Berlin (Ost) 1988, S. 112, 114 und S. 120. Auch die DEFA-Dokumentationsreihe „DDR – Das sind wir“ (1967) zeigt in Teil VIII Tierversuchsanordnungen und Bilder aus der Massentierhaltung. 569 Im innerdeutschen Vergleich (der aufgrund der unterschiedlichen Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme problematisch bleibt) war die DDR-Landwirtschaft weniger leistungsstark,
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verpflichtet war: Sowohl die DDR als auch die Bundesrepublik unterlagen derselben – wenn auch unterschiedlich interpretierten und auf unterschied lichem Wege realisierten – Ideologie des Wachstums (und der Modernisierungsillusionen 570), die sich in beiden Staaten etwa im hohen Konsum von Tierprodukten (insbesondere von Fleisch, das als Ausdruck eines wachsenden Wohlstands gewertet wurde) widerspiegelte.571 Dass in Ost-Deutschland ähn liche Konsumvorstellungen wie im Westen vorherrschten, zeigte sich nicht zuletzt nach dem Fall der Mauer, wenn etwa West-Joghurt hinter Stahlgittern vor Diebstahl geschützt werden musste.572 Gründe für den vergleichsweise höheren Verbrauch tierlicher Produkte in der DDR waren die staatliche Konsumlenkung, das niedrige Preisniveau sowie das eingeschränkte Angebot im restlichen Nahrungsmittelbereich. Viele DDR -BürgerInnen konzentrierten sich aufgrund des Mangels an Industriegütern auf den Konsum von Lebensmitteln.573 Nicht zuletzt diente die Massenproduktion der „Ruhigstellung“ der Bevölkerung und Verhinderung sozialer Unruhen, denn die „Unkontinuität im in nahezu allen Bereichen übertraf letztgenannte die „sozialistische“ Landwirtschaft um 20 bis 25 Prozent, vgl. Prange: Bauernschicksale, S. 79. 570 Vgl. Kluge: Agrarwirtschaft, S. 45. 571 Der Trinkmilchverbrauch pro Kopf lag in der DDR 1989 bei 113,9 Litern im Jahr (116,2 Kilogramm), in der Bundesrepublik waren es 91,7 Kilogramm. Beim Fleischverzehr lagen beide Länder fast gleichauf (Ost: 99,3 Kilogramm, West: 100,2 Kilogramm), wobei in der DDR mehr Schweinefleisch verzehrt wurde (Ost: 63,8 Kilogramm, West: 58,9 Kilogramm). Weitaus höher war der Verzehr von Eiern in der DDR (Ost: 301 Stück, West: 253 Stück). Beim jährlichen Butterverbrauch stand die DDR sogar an der Weltspitze (Ost: 14,6 Kilogramm, West: 7,4 Kilogramm), vgl. Statistisches Jahrbuch der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Berlin (Ost) 1990, S. 323; Statistisches Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland 1989, Wiesbaden 1990, S. 498. Zum Fleischverzehr in der DDR vgl. auch Lambrecht, Horst/Merkel, Konrad: DDR-Agrarpolitik, Münster 1980, S. 10 – 14; zum Verbrauch von anderen Erzeugnissen tierlicher Herkunft vgl. ebenda, S. 14 – 21. 572 Vgl. Kohlhoff: Jogurt hinter Gittern, J 17. Auch die DDR-Umweltbewegung richtete sich bereits gegen den ihrer Meinung nach in der DDR vorherrschenden konsumorientierten Lebensstil, vgl. Schmidt, Gesine: Veränderungen des Lebensstils und der Gesellschaft. Einblicke in die Umweltbewegung der DDR und ein Interview mit Michael Beleites, in: Zeitschrift des Forschungsverbandes SED-Staat 25 (2009), S. 145 – 158, hier S. 147. Zur Orientierung am westlichen Konsumverhalten und der Übernutzung der Konsumangebote nach 1989 vgl. auch Veenis, Milena: Consumption in East Germany. The Seduction and Betrayel of Things, in: Journal of Material Culture 4 (1999), S. 79 – 112. 573 Vgl. Münnich, Margot/König, Erhard: Von der Not der Nachkriegsjahre zu gesicherten Einkommen – die Entwicklung des Lebensstandards, in: Hölder (Hrsg.): Trabi, S. 97 – 110, hier S. 102 ff. Im Jahr 1980 gab ein Haushalt im Schnitt monatlich rund 330 Mark allein für Lebensmittel aus (trotz der niedrigen Preise), was etwa 45 Prozent des Gesamtetats entsprach, vgl. ebenda, S. 102. Vgl. auch Grahneis/Achtzehn: Gesunde Tiere, S. 2; Hübner: Arbeit, S. 322.
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Angebot von Nahrungsmitteln hemmt die sozialistische Bewußtseinbildung und untergräbt das Vertrauen der Bevölkerung in ihren Staat.“ 574 Zu fragen bleibt, ob der hohe Konsum auch ein Ausdruck dafür war, wie wenig anthropozentrische Haltungen im Allgemeinen und die „industriemäßige Tierproduktion“ im Besonderen infrage gestellt wurden. Durch das Fehlen (bzw. Geheimhalten) von Informationen, von kritischer Literatur, öffentlichen Diskussionen und vor allem alternativer Denkmodelle zum Marxismus-L eninismus konnte sich kaum eine kritische Reflexion des Mensch-T ier-Verhältnisses entwickeln. Infolgedessen spielten Tierschutzfragen selbst in den kirchlichen Umweltbewegungen nur eine marginale Rolle.575 Die Folgen der SED -Agrarpolitik sind bis heute vor allem in den unterschiedlichen Größen der landwirtschaftlichen Betriebe in Ost- und Westdeutschland sichtbar. Durch die großen Strukturen besitzt die ostdeutsche Landwirtschaft heute eine hohe Produktivität und erwirtschaftet bessere Ergebnisse als diejenige in Westdeutschland.576 Damit haben Fragen der massiven (regionalen und globalen) Ausbeutung von Menschen, Umweltressourcen und Tieren sowie Fragen der negativen Folgen für die menschliche und tierliche Gesundheit weiterhin nicht an Bedeutung und Aktualität verloren.
574 Institut für Marktforschung: Die künftige Entwicklung der Verbrauchererwartungen an das Sortiment, die Bearbeitung, die Qualität und die Verpackung der Nahrungsmittel (1968), SAPMO BArch DL 102/189, Bl. 4, zitiert nach Kaminsky, Annette: Wohlstand, Schönheit, Glück. Kleine Konsumgeschichte der DDR, München 2001, S. 103. Zur „Neutralisierung“ von „unpolitischen“ Menschen durch wachsenden Wohlstand und Gewährung von Freiräumen vgl. Weber: DDR, S. 41 575 Vgl. dazu das folgende Kapitel. 576 Vgl. Busse, Tanja: Melken und gemolken werden. Die ostdeutsche Landwirtschaft nach der Wende, Berlin 2001, S. 9 f. und S. 18. Vgl. dazu auch Heinrich-Böll-Stiftung/Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (Hrsg.): Fleischatlas 2016 – Deutschland regional. Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel. Zur Transformation der DDR-Landwirtschaft vgl. auch Barlösius, Eva/Neu, Claudia: Scheitern als Vorbedingung zum Erfolg – der Wandel der ostdeutschen Landwirtschaft nach 1989. Eine Bilanz der Transforma tionsforschung über den Agrarsektor, in: ZAA 2 (2003), S. 56 – 77.
4 Von Hundeonkeln und Katzentanten – Organisierter Tierschutz in der DDR „[E]inen Staat, der so viel für den Tierschutz tut, hat es noch niemals in Deutschland gegeben. Darüber sind wir uns alle einig.“ 1
Im heutigen Verständnis besteht Tierschutz darin, Tiere vor Schmerzen, Leiden und Schäden zu s chützen oder diese zu verringern. Die Tierschutzgesetzgebung sowie entsprechende Verordnungen und Erlasse bilden dabei die Voraussetzung für die genannten Ziele und Aufgaben des Tierschutzes, der jedes einzelne Tier s chützen soll.2 Neben dem staatlich initiierten Tierschutz befassen sich weiterhin private Vereine und Organisationen mit dem Schutz von Tieren. In der DDR gab es indes weder ein eigenständiges Tierschutzgesetz noch private Tierschutzorganisationen – Tierschutz spielte in der breiten Öffentlichkeit kaum eine Rolle – gegenteilige Behauptungen, wie der eingangs zitierte Redebeitrag, sind Zeugnisse einer Verblendung der gesellschaftspolitischen Situation. Das Kapitel fragt nach dem Verständnis von Tierschutz im Staatssozialismus und wie der Tierschutz sowohl praktisch als auch gesetzlich umgesetzt wurde. Welchen Einfluss hatten dabei die SED-Ideologie, die politischen Entwicklungen wie auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen? Die vorliegende Untersuchung ist in zwei große Themenfelder geteilt: der organisierte Tierschutz in der DDR und der gesetzliche Tierschutz in der DDR.
4.1 Privater Tierschutz – Tierschutzvereine in der DDR „Der Tierschutz soll nicht in Vereinsmeierei ausarten, nicht Vorrecht einer bestimmten Bevölkerungsschicht sein, nicht unter dem Deckmantel des Humanismus soziale Mißstände verbergen und nicht Ziele vefolgen, die der Gesellschaft abträglich sind.“ 3
1 Vorsitzender des Rechtsausschusses und NDPD -Abgeordnete Siegfried Dallmann (1915 – 1994) auf der 15. Sitzung des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft mit dem Ausschuss für Gesundheitswesen und dem Rechtsausschuss in der Volkskammer der DDR vom 13.Juni1962, Protokollauszug, BArch DA 1/2984, Bl. 83. 2 Vgl. Sambraus, Hans Hinrich: Grundbegriffe im Tierschutz, in: ders./Steiger, Andreas (Hrsg.): Das Buch vom Tierschutz, Stuttgart 1997, S. 30 – 39, hier S. 30. 3 Stellungnahme der Abteilung Tierhygiene beim Ministerium für Landwirtschaft, Erfassung und Forstwirtschaft (MLEF) zum Schreiben vom Zoodirektor Halle an der Saale Petzsch
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Das Vereinswesen war in der DDR aus ideologischen und politischen Gründen nicht erwünscht. Die autonome Selbstorganisation und -bestimmung innerhalb der Vereine waren mit der Staatsdoktrin unvereinbar, denn sie liefen dem alleinigen Herrschafts- und Gestaltungsanspruch der SED zuwider. Vereine waren in den Augen der Staatsmacht Ausdruck von Individualismus und oppositioneller Gesinnung 4 und galten, aufgrund ihrer bürgerlichen Wurzeln, als „Sammelbecken reaktionärer Kräfte“ 5. Dementsprechend versuchte die Staatsführung, alle Vereine – und damit auch die Tierschutzvereine – aufzulösen beziehungsweise in die Massenorganisationen einzubinden und dadurch unter ihren Kontroll- und Einflussbereich zu bringen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Vereine auf dem Gebiet der SBZ aufgelöst und mussten sich anschließend neu registrieren lassen. Angesichts unterschiedlicher Auslegung der Alliierten Kontrollratsbestimmungen 6 kam es dazu, dass in manchen Ländern der SBZ Tierschutzvereine offiziell zugelassen wurden und in anderen nicht. So gab es lizenzierte Tierschutzvereine in Berlin, Magdeburg und Halle, die legal bestanden, während andere für illegal erklärt wurden.7 Der ungeklärte rechtliche Status der Tierschutzvereine erschwerte zugleich die Neubildung von Tierschutzverbänden.8 Insofern befanden sich Tierschutzvereine in der jungen DDR in
über Fragen der Organisation des Tierschutzes vom 15. 02. 1957, BArch DK 1/4441, Bl. 46. 4 Vgl. Agricola, Sigurd: Vereinswesen in Deutschland. Eine Expertise im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Stuttgart (u. a.) 1997, S. 45. Vgl. dazu auch Sobiana, Michael: Vereinsleben. Regeln und Formen bürgerlicher Assoziationen im 19. Jahrhundert, in: Hein, Dieter/Schulz, Andreas (Hrsg.): Bürgerkultur im 19. Jahrhundert. Bildung, Kunst und Lebenswelt, München 1996, S. 170 – 190. 5 Lohfink, Ingeborg: Mein Pommernbuch, Rostock 1991, S. 32; vgl. auch Behrens, Hermann/ Benkert, Ulrike/Hopfmann, Jürgen/Maechler, Jürgen: Wurzeln der Umweltbewegung. Die Gesellschaft für Natur und Umwelt (GNU) im Kulturbund der DDR, Marburg 1993, S. 31 ff. 6 Es bestanden verschiedene Auslegungsmöglichkeiten der Bestimmungen. So gab es beispielsweise die Diskussion, ob der Befehl Nr. 2 vom 10. 06. 1945 nun alle Organisationen (außer antifaschistische Parteien und Freie Gewerkschaft) verbietet oder nicht, vgl. Bericht über die Rechtslage der Vereine und sonstigen Organisationen (undatiert, 1946), LAB C Rep. 120, Nr. 1968, unpag. 7 Vgl. Schreiben der Abt. Veterinärwesen beim MLEF an das ZK der SED, Abt. Landwirtschaft, Betr.: Fragen über die zukünftige Gestaltung der Tierschutztätigkeit in der Deutschen Demokratischen Republik, Mai 1957, BArch DK 1/4441, Bl. 31 – 34, hier Bl. 31. Für die Zulassung von Vereinen war die Volkspolizei, Abteilung Erlaubniswesen, zuständig, worauf die Veterinärinspektion in ihren Antworten auf die Eingaben stets verwies, vgl. beispielsweise Antwort der Veterinärinspektion vom 09. 02. 1960 auf die Eingabe einer Bürgerin aus Löbau (Sachsen), BArch DK 1/4443, Bl. 3. 8 Vgl. Entwurf der Vorlage für die Kollegiumssitzung des MLEF am 23. 08. 1957 vom 06. 08. 1957, BArch DK 1/4441, Bl. 2 – 4, hier Bl. 3. Diese Vorgehensweise wog umso schwerer, da es laut Artikel 12 der Verfassung von 1949 erlaubt war, Vereine ohne Genehmigungspflicht frei bilden zu dürfen. Die BürgerInnen konnten sich darüber hinaus in ihren Forderungen nach
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einem „Schwebezustand“ 9. Der frühe Versuch, die Tierschutzvereine 1949 in den Kulturbund zu integrieren, scheiterte und war der Anfang eine langen Suche nach einer Lösung der Neuorganisation des Tierschutzes, wie noch zu zeigen sein wird. Laut Schätzungen des Ministeriums des Inneren (MdI) gab es 1960 insgesamt noch 28 Tierschutzvereine mit 8.079 Mitgliedern auf dem Gebiet der DDR .10 Es wurde geschätzt, dass allein die Tierschutzvereine in den Bezirken Magdeburg und Halle circa 7.200 Mitglieder hatten (1957).11 Die Vorsitzende des Tierschutzvereins von Raguhn sprach 1958 gar von 12.000 Tierschutz- Mitgliedern in den Bezirken Magdeburg und Halle und gab für die gesamte DDR die „stattliche Zahl von 50.000 Tierschützern“ 12 an. Der Tierschutzverein „Magdeburg und Umgebung e. V.“ beispielsweise soll Anfang der Sechzigerjahre Jahre 3.798 Mitglieder gezählt haben, in elf Städten vertreten gewesen sein und fünf Tierheime unterhalten haben.13 Das MfS dagegen zählte 1962 34 offiziell registrierte und „in operativer Hinsicht“ von Bedeutung seiende Tierschutzvereine und ging vier Jahre s päter noch von 13 Tierschutzvereinen mit insgesamt 5.674 Mitgliedern aus.14 Die genannten Zahlen unterstreichen das Tierschutzorganisationen auf den Artikel 3 („Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. […]“) und Artikel 9 („Alle Bürger haben das Recht, innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze ihre Meinung frei und öffentlich zu äußern und sich zu diesem Zweck friedlich und unbewaffnet zu versammeln.“) beziehen. Auch die 5. Verordnung des noch gültigen Reichstierschutzgesetzes von 1933 erlaubte die Bildung von Tierschutzvereinen, vgl. 5. Verordnung zur Ausführung des Tierschutzgesetzes (Tierschutzvereine) vom 11. August 1938 (RGBl. I, S. 1004). 9 Schreiben des Leiters der Hauptabteilung Tierische Produktion und Veterinärwesen beim MLEF Lothar Hussel an den Abteilungsleiter Landwirtschaft beim ZK der SED Franz Mellentin vom 09. 08. 1957, BArch DK 1/9725, Bl. 1 – 7, hier Bl. 4. 10 Vgl. Begründung der operativen Arbeit von Vereinigungen auf dem Gebiet des Tiersportes, Tierschutzes, Esperantogruppen, HVDVP, undatiert (1960), BArch DO 1/27982, Bl. 98 – 100, hier Bl. 98. 11 Vgl. Entwurf der Vorlage für die Kollegiumssitzung des MLEF am 23. 08. 1957 vom 06. 08. 1957, BArch DK 1/4441, Bl. 2 – 4, hier Bl. 2. 12 Schreiben der Vorsitzenden des Tierschutzvereins Raguhn an das MLEF, Abt. Tiergesundheit vom 16. 07. 1958, BArch DK 1/4443, Bl. 99. Im Jahr 1965 konstatiert die Volkspolizei, dass es nur noch in den Bezirken Berlin (eingetragener Verein) und Magdeburg (nicht eingetragener Verein) sowie „Reste“ des ehemaligen Tierschutzvereins in Halle gäbe, vgl. Berichterstattung über die Unterhaltung mit Hiller vom MdI, Erlaubniswesen vom Abteilungsleiter Natur und Heimat im Kulturbund Bänninger an den 1. Bundessekretär des Kulturbundes Karl- Heinz Schulmeister vom 03. 12. 1965, SAPMO BArch DY 27/10883, unpag. 13 Vgl. Statistische Aufstellung aus dem Schreiben des Bezirkssekretariats Magdeburg des Deutschen Kulturbundes an das Bundessekretariat des Deutschen Kulturbundes (Bergmann) vom 04. 07. 1963, SAPMO BArch DY 27/10883, unpag. 14 Vgl. Stock: Tierschutz, S. 110 f. Die genaue Anzahl der Tierschutzvereinigungen in der DDR konnte die Autorin trotz intensiver Recherchen nicht ermitteln, vgl. ebenda S 139.
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rege Interesse der Bevölkerung für den Tierschutz in der frühen DDR , was sich auch in den zahlreichen Eingaben und Beschwerden widerspiegelte, wie später noch zu zeigen sein wird. Die SED-Staatsführung der noch jungen DDR hingegen missbilligte die Tierschutzvereine. Der Titel des vorliegenden Abschnittes macht bereits die Sicht des Staates auf Tierschutzvereine bildhaft: Die Mitglieder von Tierschutzvereinen und AnhängerInnen von Tierschutzgedanken waren in den Augen des Staates „Katzentanten und Hundeonkels“ 15. Mit dieser abschätzigen Bezeichnung wurde versucht, diese Menschen und ihr Engagement abzuwerten, da sie sich angeblich nur für Hunde und Katzen einsetzen würden – Tiere, deren Haltung darüber hinaus ob ihrer mangelnden Nützlichkeit von staatlicher Seite zumindest in den ersten Jahren abgelehnt wurde. Ferner verbarg sich hinter d iesem Ausdruck die Vorstellung von Menschen, die alt, rückwärtsgewandt, eigenbrötlerisch, unangemessen tierlieb und vor allem Anhänger bürgerlicher Ideale seien. Die Tierschutzvereine boten der SED-Propaganda folglich eine perfekte Oberfläche, um sich am gängigen Feindbild abzuarbeiten. Die BefürworterInnen von Tierschutzvereinen hingen nämlich Vereinigungen an, die dazu dienten, „die idealistische Weltanschauung zu propagieren, über die sozialen Gegensätze hinwegzutäuschen“ und die dazu beitrugen, „bürgerliche Moralauffassungen zu verbreiten.“ 16 Sie identifizierten sich damit mit einer Ideologie, „welche der Erhaltung der Herrschaft der Monopole und der Ausbeutung der Menschen durch den Menschen dient“.17 Der Vorwurf lautete also Menschenfeindlichkeit 18 und damit einher gingen Anspielungen auf eine nationalsozialistische Gesinnung unter TierschützerInnen. Ihnen wurde 15 Berliner Tierparkdirektor Heinrich Dathe auf der 14. Sitzung des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft mit dem Ausschuss für Gesundheitswesen in der Volkskammer der DDR, am 21. 05. 1962, BArch DA 1/2984, Bl. 39. Der Rostocker Zoodirektor äußert sich ähnlich: „Tatsache [ist], daß der Tierschutz bei uns heute noch vielfach von den berühmten Hundeund Katzentanten vertreten wird und dadurch einen Inhalt zeigt, mit dem wir nicht einverstanden sein können.“ Schreiben des Direktors des Zoologischen Garten Rostock Seifert an den Bundessekretariat des Kulturbundes Bergmann, betr. Tierschutzfragen, vom 14. 09. 1963, SAPMO BArch DY 27/10883, unpag. In einem anderen Beispiel werden Tierschützerinnen als „alte ‚Katzenliebhaberinnen‘“ bezeichnet, deren einzige Sorge darin bestünde, dass ihre „Katze z. B. vom Kater des Nachbarn verführt worden ist.“ Schreiben der Bezirksleitung der Abt. Natur und Heimat beim Deutschen Kulturbund von Schwerin an den Bundessekretär der Kulturbundes vom 24. 07. 1963, SAPMO BArch DY 27/10883, unpag. Vgl. auch unten Anm. 38. 16 Argumentation, Betr.: Tierschutzvereine, vom 20. 05. 1959, BArch DO 1/27893, Bl. 36 – 37, hier Bl. 37. 17 Ebenda. 18 Der überzogene Vorwurf der Menschenfeindlichkeit ist bis heute aktuell. So behauptet der „Wissenschaftsautor“ Thilo Spahl: „Der moderne Tierfreund, der sein Haustier nicht nur krault, sondern ihm und dem Rest der Fauna zu ihren Rechten verhelfen will, ist ein Menschenfeind.“ Spahl, Thilo: Das Bein in meiner Küche. Essay, in: APuZ 8 – 9 (2012), S. 9 – 13,
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unterstellt, dass sie sich zwar für tierliches Leben einsetzten, aber im Gegenzug menschliches Leben verachteten. Über die „widerrechtlich existierende ‚Sektion Tierschutz im Deutschen Kulturbund‘“ in Jena wurde berichtet, dass während einer Beratung „Lichtbilder aus China gezeigt [wurden], wobei asiatische Symbole, z. B. Hakenkreuze, seitenverkehrt im Sinne des Faschismus gezeigt wurden. Ob das bewußt geschehen ist, kann niemand feststellen. Es drückt nur die Mentalität aus.“ 19 Tierschutzgedanken wurden von staatlicher Seite nicht nur als kulturkritische Misanthropie interpretiert. „Tierliebe“ wurde zugleich als Ausdruck von Unsachlichkeit und Unwissenschaftlichkeit wahrgenommen. Die TierschützerInnen wurden etwa beschuldigt, sich in Sachen Tierschutz zu stark von ihren Gefühlen leiten zu lassen. Im bereits zitierten Bericht über die Jenaer Sektion Tierschutz hieß es weiter: „Die Mentalität dieser Menschen, die zum größten Teil Rentner sind, wird noch dadurch charakterisiert, daß an diesem Abend heftige Tränen vergossen wurden, weil in plastischer Schilderung der Tod von Stubenfliegen am Fliegenfänger erörtert wurde.“ 20 In einem anderen Beispiel wurde einem Eingabeführer bei seiner Berichterstattung über Tierquälereien während einer Aussprache mit den verantwortlichen VolksvertreterInnen vorgeworfen, dass „[b]ei seinen Schilderungen von Einzelbeispielen“ der Eindruck entstand, „daß er eine stark gefühlsbetonte Betrachtungsweise zum Maßstab seiner Beurteilung machte.“ 21 Der Vorwurf, der von den Tierschutzvereinen betriebene Tierschutz sei hier S. 12. Vgl. dazu auch Heubach, Andrea: „Hitler war Vegetarier.“ Über die Zuschreibung menschenfeindlicher Tierliebe, in: Chimaira (Hrsg.): Tiere Bilder Ökonomien, S. 213 – 239. 19 Schreiben des 1. Bundessekretärs des Kulturbundes Alex Ständel an den Vizepräsidenten des Kulturbundes Karl-Heinz Schulmeister, Betrf.: die widerrechtlich existierende „Sek tion Tierschutz im Deutschen Kulturbund“ vom 25. 07. 1966, SAPMO BArch DY 27/8304, unpag. Vor diesem Hintergrund ist auch der Vorwurf zu verstehen, den der Bundesvorstand des Kulturbundes Karl Kneschke (1898 – 1959) 1952 gegenüber „Tierliebhabern“ macht, dass sich jene während zweier Weltkriege nicht für die „stumme Kreatur“ und schon gar nicht für „die sprechende“ eingesetzt hätten, vgl. Schreiben von Karl Kneschke an einen Leser der „Deutschen Wochenpost“ vom 14. 01. 1952, SAPMO BArch DY 27/183, Bl. 101. Noch 1978 konnte man im SED-Organ ND über den Anwalt Hermann Stolting II im „Majdanek- Prozess“ lesen: „Tierfreund ist er auch – selbstverständlich – und Präsident aller Tierschutzvereine der BRD“, in: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch …“, in: ND vom 30. 05. 1978, S. 6. 20 Schreiben des 1. Bundessekretärs des Kulturbundes Alex Ständel an den Vizepräsidenten des Kulturbundes Karl-Heinz Schulmeister, Betrf.: die widerrechtlich existierende „Sek tion Tierschutz im Deutschen Kulturbund“ vom 25. 07. 1966, SAPMO BArch DY 27/8304, unpag. 21 ZK der SED, Abt. Landwirtschaft, Abschlussinformation vom 04. 05. 1987 zur Eingabe eines Bürgers aus dem Kreis Strausberg, SAMPO BArch DY 30/1929, Bl. 240 – 241, hier Bl. 240. Zur Politisierung der Tierliebe und der Emotionalisierung des Tierschutzes vgl. Eitler: Weil sie fühlen.
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unwissenschaftlich, wog in einem Staat, der sich inmitten der „wissenschaftlich- technischen Revolution“ wähnte, besonders schwer. Die Mitglieder der Tierschutzvereine sollten dementsprechend „vom bloßen ästhetisierenden Betrachten des Tieres und von der Sorge um das Tier zu einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Tier geführt werden.“ 22 Um einiges schwerer als ideologische Beweggründe im künstlich forcierten Klassenkampf gegen die Tierschutzvereine dürften indes andere Überlegungen gewogen haben: Die Kollektivierung der Landwirtschaft wurde ab 1957 wieder verstärkt vorangetrieben, und die SED-Führung versuchte, sich jeglicher KritikerInnen zu entledigen.23 Potentielle WidersacherInnen der Zwangsvereinigung kamen in ihren Augen auch aus den Tierschutzvereinen. Der Leiter der Abteilung Landwirtschaft beim ZK der SED Mellentin vermutete deshalb, dass „einige Vertreter des Tierschutzgedankens […] die Landwirtschaft lichen Produktionsgenossenschaften als abschreckendes Beispiel, als Propaganda darstellen wollen.“ 24 Man sei zwar nicht grundsätzlich gegen eine Regelung des Tierschutzes […], daß wir es aber ablehnen müssen, ohne eine klare politische Konzeption der Bildung eines Vereines zuzustimmen, in dem sich evtl. kleinbürgerliche und unserem Staat nicht immer positiv gegenüberstehende Menschen sammeln können.
In der Folge wurden TierschützerInnen zu GegnerInnen der neuen Gesellschaftsordnung erklärt, denn der Genosse war der festen Überzeugung, dass in den Tierschutzvereinen „alles andere, nur nicht die marxistische Ideologie vorherrscht.“ Ihm zufolge müssen sich „Humanismus und Ethik in allererster Linie auf den Frieden und auf das Glück der werktätigen Menschen beziehen“, weshalb sich alles andere unterzuordnen habe. Tiere seien auf der gesetzlichen Ebene zu s chützen. Um den mutmaßlichen KritikerInnen der Kollektivierung zugleich den Wind aus den Segeln zu nehmen, betonte der SED-Funktionär, dass in „kapitalistischen Betrieben“ beziehungsweise in den „kleinbürgerlichen Betrieben“ „das Vieh mißhandelt […] und unter denkbar schlechtesten Bedingungen
22 Schreiben des Vorsitzenden der Bezirkskommission Natur- und Heimatfreunde Gera Heinicke an das Bundessekretariat des Kulturbundes Bergmann vom 10. 08. 1963, SAPMO BArch DY 27/10883, unpag. 23 Beispielhaft dafür steht etwa das Vorgehen gegen Kurt Vieweg (1911 – 1976), der sich für eine allmähliche Vergesellschaftung der Landwirtschaft und ein langfristiges Bestehen von genossenschaftlichen und privaten Betrieben aussprach, vgl. dazu Schöne: Frühling, S. 178 ff. 24 Schreiben des Abteilungsleiters Landwirtschaft beim ZK der SED Franz Mellentin an den Abteilungsleiter Veterinärwesen beim MLEF Lothar Hussel vom 22. 06. 1957, BArch DK 1/1416, Bl. 166 – 168, hier Bl. 167. Mellentin bezieht sich hier v. a. auf die Tierschutztagung in Halle am 13. 01. 1957. Alle folgenden Zitate sind diesem Dokument entnommen.
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dahin vegetier[en]“ würde. Ein „wirklicher Tierschutz [sei] nur in sozialistischen Betrieben möglich […], weil erst hier das Tier aufhört, nur einfache Kapitalanlage zu sein.“ Außerdem s eien in den „sozialistischen Großbetrieben, alle Mög lichkeiten vorhanden […], um das landwirtschaftliche Nutzvieh in modernen, hellen, sauberen und luftigen Ställen gesund zu halten.“ Es käme „darauf an, daß man die Nutztiere aus den ehemals unmöglichen Stallverhältnissen in kleinbäuer lichen Betrieben erlöst und sie in moderne Ställe bringt.“ Um gefürchtete Beeinträchtigungen der Volkswirtschaft durch den Tierschutz abzuwenden, wurde in einem anderem vom ZK der SED angeforderten Bericht der Volkspolizei der Ton weiter verschärft 25: Tierschutzvereine hätten einen rein „bürgerlichen Charakter“ und seien ein „Sammelbecken reaktionärer und negativer Elemente“, was sich in den „Erscheinungen von Feindtätigkeit“ zeige. Weiterhin würden die Tierschutzvereine soweit gehen, sich in „staatliche Angelegenheiten einzumischen“, indem sie etwa „neue Tierschutzgesetzentwürfe“ ausarbeiten und diskutieren würden. Damit entsprächen sie „nicht der sozialistischen Entwicklung“, sondern dem westlichen Tierschutzverständnis, das in einem anderen Dokument wie folgt definiert wurde: In der kapitalistischen Welt entwickelte sich ein dem wissenschaftlichen Bild zuwiderlaufendes Bestreben die Tiere zu vermenschlichen. Das zu einer sogenannten „Tierliebe“ führte, die ihren Niederschlag in „Tierschutzvereinen“ fand. Diese Tierschützer lebten ihre Sonderinteressen, ohne sich von der gesellschaftlich bedingten Ausbeutung der werktätigen Menschen durch andere Menschen auch nur berühren zu lassen. […] Dadurch wurde der Gedanke des „Tierschutzes“ in Bahnen gelenkt, die nicht vertretbar sind, weil sie zum Teil unwissenschaftlich sind und die Stellung des Tieres zum Menschen ausschließlich idealistisch sehen.26
Im Sozialismus hingegen seien die Aufgaben des Tierschutzes „der Volkswirtschaft materielle Werte [zu] erhalten […]“ sowie den „Schutz der freilebenden, heimischen Tiere“ 27 zu sichern. Die Aufgaben würden „mit dem ständig fortschreitenden sozialistischen Aufbau immer mehr gewährleistet“ und sind keinesfalls „von dem Bestehen oder der Bildung von Tierschutzvereinen abhängig.“ Die „Fragen des Tierschutzes“ würden in der DDR auf verschiedenen Wegen 25 Begründung der operativen Arbeit von Vereinigungen auf dem Gebiet des Tiersportes, Tierschutzes, Esperantogruppen, HVDVP, undatiert (1960), BArch DO 1/27982, Bl. 98 – 100, hier Bl. 98. Folgende Zitate sind diesem Dokument entnommen. 26 Entwurf Memorandum, betr. Tierschutzfragen (undatiert, Ende Fünfziger-/Anfang Sechziger jahre, BArch DK 1/10662, Bl. 93 – 95, hier Bl. 93. 27 Argumentation, Betr.: Tierschutzvereine, vom 20. 05. 1959, BArch DO 1/27893, Bl. 36 – 37, hier Bl. 36. Folgende Zitate sind diesem Dokument entnommen.
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gelöst. Zuoberst stand die Überzeugung, dass durch die „Beteiligung der Werktätigen“ sowie der staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen der Tierschutz bestens gewährleistet sei. Als Beispiel wurde auf den Kulturbund verwiesen. Eine andere, grundlegende Überzeugung war die Beteiligung der Wissenschaft. Durch „wissenschaftlich begründete Methoden der Haltung und Pflege der Tiere“ würden die „Forderungen des Tierschutzes verwirklicht“. Zudem seien die wichtigsten Fragen des Tierschutzes gesetzlich geregelt (beispielsweise durch das Naturschutzgesetz, das Tierschutzgesetz oder das Viehseuchengesetz). In der Argumentation wurde auch auf die Argumente der Tierschutzvereine eingegangen. Jene würden behaupten, dass die Liebe zum Tier ‚das Gute im Menschen‘ wecke. Dem wurde gegenübergestellt, dass das ‚Gute im Menschen‘ im Sozialismus durch die Erziehung zum sozialistischen Bewusstsein bereits gefördert wird, denn „[i]n der DDR ist nicht mehr das Verhältnis der Konkurrenz, sondern der Zusammenarbeit und gegenseitigen kameradschaftlichen Hilfe typisch.“ Das Fazit lautete demnach: „Der Tierschutz in der DDR wird also mit den wirtschaftlichen und kulturellem Aufgaben verbunden, wissenschaft lich begründet durchgeführt und stellt keine Ressortaufgabe eines besonderen Vereins dar“ und dementsprechend „sind Maßnahmen zur planmäßigen Beendigung der Tätigkeit noch bestehender Vereine durchzuführen.“ Jene „Maßnahmen“ bestanden darin, den Tierschutzvereinen die Arbeit so schwer wie möglich zu machen, so dass eine Vereinstätigkeit nur eingeschränkt oder gar nicht möglich war. So wurde den Tierschutzvereinen keinerlei staatliche Unterstützung gewährt und keine Druckgenehmigungen erteilt.28 Die Volkspolizei wurde außerdem dazu angehalten, die Vorstöße seitens der Abteilung Veterinärwesen im Landwirtschaftsministerium zur Neuorganisation des Tierschutzes zurückzuweisen 29 und in keinem Fall die Bildung von neuen Tierschutzvereinen zuzulassen.30 Weiterhin wurden Veröffentlichungen von Presseartikeln, die sich für einen Tierschutz aussprachen, unterdrückt.31 Ein Tierschützer aus Gotha berichtete, dass er mit Schwierigkeiten konfrontiert wurde, „die das Arbeiten 28 Vgl. Schreiben des Ministerium des Innern (VP) an das MLEF vom 20. 08. 1958, BArch DK 1/4443, Bl. 15 und 18; vgl. auch Berichterstattung über die Unterhaltung mit Hiller vom MdI, Erlaubniswesen vom Abteilungsleiter Natur und Heimat im Kulturbund Bänninger an den 1. Bundessekretär des Kulturbundes Karl-Heinz Schulmeister vom 03. 12. 1965, SAPMO BArch DY 27/10883, unpag. 29 Vgl. HVDVP an MLF, Abt. tierische Produktion, Anlage: Argumentation, vom 18. 08. 1959, BArch DO 1/27893, Bl. 38. 30 Vgl. Aktenvermerk von 02. 12. 1963 vom Bundessekretär des Kulturbundes Bergmann über das Gespräch mit MdI, Erlaubniswesen Hiller am 21. 11. 1963, SAPMO BArch DY 27/10883, unpag. 31 Vgl. Eingabe eines Bürgers aus Greifswald an Walter Ulbricht vom 10. 06. 1959, BArch DA 1/2984, Bl. 273 – 278, hier Bl. 274; Eingabe einer Bürgerin aus Rostock an den
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manchmal fast unerträglich machten“ und dass ihm einmal ein „abgehackter Hundekopf“ vor die Haustür gelegt wurde.32 Die Volkspolizei bilanzierte 1960, dass durch die „Einflußnahme der DVP und im Ergebnis der operativen Arbeit in den letzten zwei Jahren 10 Vereine aufgelöst“ 33 wurden. Die Sicht auf den Tierschutz weiter Teile der Bevölkerung bezeugen die zahlreichen Eingaben, die nicht nur von Vereinsmitgliedern kamen.34 Eine große Anzahl der Eingaben forderte die Organisation des Tierschutzes und die Bildung von Tierschutzvereinen. Weiterhin wurden teils unfassbare Verstöße gegen den Tierschutz geschildert. Auch die Änderung des „alten Nazi-Gesetzes“ 35 wurde verlangt. Daneben nahmen Stellungnahmen zu den Vorwürfen von staatlicher Seite einen großen Raum in den Eingaben und Beschwerden ein. Augenscheinlich ist, dass die meisten BürgerInnen insbesondere auf den volkswirtschaftlichen Schaden durch Tierquälereien eingehen, um ihren Forderungen mehr Nachdruck zu verleihen: „Unschätzbare Volkskammerpräsidenten Johannes Dieckmann, vom 12. 11. 1960, BA rch DA 1/2984, Bl. 222 – 228, hier Bl. 224. 32 Brief des Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Tierschutz beim Kulturbund in Gotha (1951 aufgelöst) an den Bundesvorstand des Kulturbundes Karl Kneschke vom 20. 03. 1952, SAPMO BArch DY 27/183, Bl. 177 – 178, hier Bl. 178. 33 Vgl. Begründung der operativen Arbeit von Vereinigungen auf dem Gebiet des Tiersportes, Tierschutzes, Esperantogruppen, HVDVP, undatiert (1960), BArch DO 1/27982, Bl. 98 – 100, hier Bl. 98. Wie genau diese operative Arbeit aussah, ist nicht ersichtlich. Für die politische Verfolgung der Tierschutzvereine war sicherlich auch deren beträchtliches Vermögen „in Form von Tierheimen, Häusern, Grundstücken u. a.“ (ebenda Bl. 98) relevant. 34 Die Eingaben aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren befinden sich in: BArch DA 1/2984; BArch DK 1/10662; BArch DK 1/4441; DK 1/4442 und DK 1/4443. Die Adressierung der Eingaben spiegelt auch die Bedeutung wider, die die AbsenderInnen dem Tierschutz beimaßen. So wurde sich nicht nur an das MLF gewendet, sondern auch an den Volkskammerpräsidenten Johannes Dieckmann (1893 – 1969), die Justizministerin Hilde Benjamin (1902 – 1989) und an das Staatsoberhaupt Walter Ulbricht (1893 – 1973). 35 Schreiben einer Bürgerin aus Leipzig an das MLF , Veterinärinspektion, vom 26. 08. 1958, BA rch DK 1/4443, Bl. 80. Vgl. auch weitere Eingaben in BA rch DK 1/4441 – 4443; BA rch DK 1/2984. Auch ein Funktionär aus dem Justizministerium konstatierte, dass in seiner Einrichtung „eine Fülle von Eingaben und Beschwerden der Bevölkerung vorlagen, in denen immer wieder eine Neufassung des Tierschutzgesetzes verlangt wurde.“ Kaulfersch auf der 15. Sitzung des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft mit dem Ausschuss für Gesundheitswesen und dem Rechtsausschuss vom 13. Juni 1962, BA rch DA 1/2984, Bl. 80. Ebenso beschwerte sich der Berliner Tierparkdirektor über die anhaltende Eingabenflut und klagt, dass „die veralteten und auf unsere Situation nicht mehr zugeschnittenen ehemaligen Gesetze endgültig einer modernen und unserer Gesellschaftsordnung angepaßten Methodik zugeführt werden müssen. […] Das ist wirklich an der Zeit. Wir werden beinahe jede Woche mit Briefen bombardiert, die in diese Richtung gehen.“ Dathe auf der 14. Sitzung des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft mit dem Ausschuss für Gesundheitswesen in der Volkskammer am 21. 05. 1962, Protokollauszug, BA rch DA 1/2984, Bl. 39.
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Werte an Nahrungsmitteln und tierischen Erzeugnissen sind in den vergangenen sechs Jahren verloren gegangen, weil der Tierschutz seine praktische Arbeit nicht durchführen könnte […].“ 36 Der „im Sinne der volkswirtschaftlichen Nützlichkeit“ 37 betriebene Tierschutz beinhalte demzufolge keineswegs nur den Schutz von Katzen und Hunden.38 Weitere gesamtgesellschaftliche Leistungen der Tierschutzvereine seien die Übernahme von aufklärerischen und erzieherischen Aufgaben in Sachen Tierschutz – insbesondere der Jugend 39 – und die Entlastung der staatlichen Einrichtungen durch das Betreiben von Tierheimen und die Überprüfung von Tierschutzverstößen.40 Auf diese Weise wehrten sich die TierschützerInnen zugleich gegen den Vorwurf, sich unbefugt überall einzumischen oder gar staatsfeindliche Ansichten zu haben, indem sie betonten, unentbehrlicher Teil des Aufbaus des Sozialismus zu sein.41 Entsprechend stark protestierten die Tierschutz-BefürworterInnen gegen die Anschuldigung der ‚Vermenschlichung‘ von Tieren. Die Maxime lautete folglich: „Auf keinen Fall das Tier vermenschlichen, sich aber im Verhalten zu allen Tieren menschlich zeigen. Ein Tierschutzfreund ist kein schlechter Mensch, er würde auch in erster Linie einem hilfsbedürftigen Menschen seinen Beistand leisten.“ 42 Eine 36 Schreiben des Landestierschutzes Sachsen gemeinsam mit der Deutschen Tierschutzkommission an den Innenminister Karl Steinhoff und an den Präsidenten der Volkskammer Johannes Dieckmann vom 30. 04. 1951, BArch DO 1/29893, Bl. 14 – 15, hier Bl. 15. 37 Eingabe eines Bürgers aus Rostock an den Volkskammerpräsidenten vom 20. 02. 1959, BArch DA 1/2984, Bl. 279 – 283, hier Bl. 281. 38 „Bitte machen Sie sich von dem Gedanken der bürgerlichen Tierschutzvereine frei, die sich in erster Linie nur für Hunde und Katzen einsetzen. Wir fortschrittlichen Tierschutzler [sic!] haben ein sehr weites Betätigungsfeld“ Eingabe eines Bürgers aus Greifswald an Walter Ulbricht vom 12. 11. 1960, BArch DA 1/2984, Bl. 223 – 228, hier Bl. 226. „Darum ist es unverständlich, warum das Gespensterwort ‚Katzentante‘ als äußerst primitives Argument von vielen Stellen zur Ablehnung des sachlichen Tierschutzes noch angewandt wird.“ Eingabe eines Bürgers aus Rostock an den Volkskammerpräsidenten vom 20. 02. 1959, BArch DA 1/2984, Bl. 279 – 283, hier 281. 39 Vgl. ebenda, Bl. 280. 40 Vgl. Eingabe eines Bürgers aus Greifswald an Walter Ulbricht vom 12. 11. 1960, BArch DA 1/2984, Bl. 223 – 228, hier Bl. 226 f. 41 „Wir Tierschützer sind keine Hemmsteine beim demokratischen Aufbau, sondern im Gegenteil gerade positive Mitstreiter für unsere neue sozialistische Gesellschaftsordnung.“ Eingabe eines Bürgers aus Rostock an den Volkskammerpräsidenten vom 15. 03. 1958, BArch DA 1/2984, B. 284 – 297, hier Bl. 295. Darüber hinaus würde jeder Tierquäler dem Ansehen der Republik schaden, vgl. Eingabe eines Bürgers aus Ost-Berlin vom 12. 10. 1958, BArch DK 1/4443, Bl. 71 – 72, hier Bl. 72. Demgegenüber würde „[e]in gutorganisierter [sic!] Tierschutz“ vielmehr „das Ansehen der Deutschen Demokratischen Republik stärken.“ Eingabe eines Bürgers aus Greifswald an Walter Ulbricht vom 12. 11. 1960, BArch DA 1/2984, Bl. 223 – 228, hier Bl. 228. 42 Eingabe eines Bürgers aus Rostock an den Volkskammerpräsidenten vom 15. 03. 1958, BArch DA 1/2984, Bl. 284 – 297, hier Bl. 289. So ähnlich in: BArch DA 1/2984, Bl. 273 – 278, hier
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Bürgerin betonte linientreu, dass alle „bedeutenden Menschen“ auch „Tierfreunde“ waren, darunter auch „unsere unvergessene Rosa Luxemburg“. Ihrer Meinung nach seien „Tierfreunde“ stets „Menschenfreunde und Friedenskämpfer!“ 43 Dem Vorwurf der „Gefühlsduselei“ 44 entgegentretend, wurde in vielen Eingaben hervorgehoben, dass ein Tierschutz aufgebaut werden soll, der auf „sachlicher, wissenschaftlichen Grundlage“ 45 beruhe. Die wichtige Arbeit der TierschützerInnen könne aber nur in einem gesicherten und organisierten Arbeitsfeld – in Form von Tierschutzorganisa tionen – gewährleistet werden, denn „[u]norganisierter Tierschutz ist kein Tierschutz“.46 Insgesamt versuchten die BürgerInnen aufzuzeigen, dass die Arbeit der Tierschutzvereine eine „gesellschaftlich nützliche[…] Tätigkeit“ darstelle, fernab von bürger lichen Idealen, und dass eine Tierschutzorganisation „eine nicht zu unterschätzende kulturelle Aufgabe in einem humanistischen Staat zu erfüllen hat.“ 47 Die Eingaben wurden von der verantwortlichen Abteilung Veterinärwesen im Landwirtschaftsministerium beantwortet, größtenteils mit standardisierten Antworten.48 Tierschutzverstößen wurde weitgehend nachgegangen. Bl. 274; BArch DA 1/2984, Bl. 223 – 228, hier Bl. 228. 43 Eingabe eines Bürgers aus Greifswald an Walter Ulbricht vom 12. 11. 1960, BArch DA 1/2984, Bl. 223 – 228, hier Bl. 228. 44 Eingabe eines Bürgers aus Rostock an den Volkskammerpräsidenten vom 15. 03. 1958, BArch DA 1/2984, B. 284 – 297, hier Bl. 289. 45 Vgl. Eingabe eines Bürgers aus Rostock an den Volkskammerpräsidenten vom 15. 03. 1958, BArch DA 1/2984, B. 284 – 297, hier Bl. 295. Bildhaft unterstreicht eine organisierte Tierschützerin, dass ihr Ziel selbstredend „sachlicher Tierschutz“ statt „Schoßhündchenschutz“ sei, Schreiben von der Vorsitzenden der „Gesellschaft zum Schutze der Tiere“ in Erfurt Hildegard Lange an den Bundesvorstand des Kulturbundes Karl Kneschke vom 16. 01. 1952, SAPMO BArch DY 27/183, Bl. 121 – 122, hier Bl. 121. 46 Eingabe eines Bürgers aus Rostock an den Volkskammerpräsidenten vom 20. 02. 1959, BArch DA 1/2984, Bl. 279 – 283, hier Bl. 279. 47 Eingabe eines Bürgers aus Rostock an den Volkskammerpräsidenten vom 20. 02. 1959, BArch DA 1/2984, Bl. 279 – 283, hier Bl. 280 f. Zur Anpassung der Argumentation der TierschützerIn nen an die Staatsideologie vgl. auch Stock: Tierschutz, S. 139. 48 Bis 1959 lautet die standardisierte Antwort: Man stimme den Ansichten der Schreibenden zu, mit der Wahrnehmung der Interessen des Tierschutzes eine Organisation zu beauftragen. Die Lösung der Frage ziehe sich allerdings länger hin als beabsichtigt, aber das MLF wäre gerade dabei, gesetzliche Regelungen vorzubereiten, vgl. zum Beispiel Schreiben vom MLEF, Abt. Veterinärwesen an einen Bürger aus Potsdam vom 31. 01. 1956, DK 1/4441 Bl. 144. Nach 1959, als alle Staatsorgane angehalten waren Tierschutzvereine abzulehnen, lautete die Standard- Antwort (in Anlehnung an die Argumentation), dass Tierschutzarbeit keine Tierschutzvereine bräuchte, sondern der Tierschutz durch Aufklärung der Bevölkerung verwirklicht werde. Ferner verhindere die neue Gesellschaftsordnung mit ihren humanistischen Idealen Tierquälereien. Nur mithilfe aller Werktätigen könne der Tierschutz gewährleistet werden, vgl. zum Beispiel Schreiben von Veterinärinspektion an eine Bürgerin aus Löbau/Sachsen vom 05. 03. 1959, DK 1/4443, Bl. 35 – 36.
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Die vielen Eingaben aus der Bevölkerung hatten wiederum zur Folge, dass sich weitere AkteurInnen an der Tierschutz-Diskussion der Fünfziger- und Sechzigerjahren beteiligten.49 Neben der SED-Parteispitze schalteten sich etwa die Volkskammer 50, die Räte der Bezirke 51 sowie die Presse 52 mit ein. Besonders engagiert war außerdem die Ost-C DU . So fragte die Blockpartei regelmäßig, wie der Tierschutz in der DDR zukünftig geregelt werden soll und unterbreitete selbst Vorschläge.53 Offiziell war die Hauptabteilung Tierische Produktion und 49 Zu den Stellungnahmen zur Neuorganisation des Tierschutzes aufgelistet nach Absendern, vgl. Stock: Tierschutz, S. 93 – 104. 50 Bereits im Jahr 1953 klagte man seitens des Präsidiums der Volkskammer wegen der zahlreichen „Petitionen von Tierschutzorganisationen aus allen Teilen der Deutschen Demokratischen Republik“, Volkskammer Kanzlei des Präsidenten, persönlicher Referent des Präsi denten Hanemann an HVDVP vom 12. 02. 1953, BArch DO 1/27893, Bl. 18. In Ermangelung an Ergebnissen in der Organisation des Tierschutzes und den anhaltenden Anfragen und Beschwerden fragte der Referent des Volkskammerpräsidenten sieben Jahre später erneut ungeduldig nach dem Stand der Dinge und forderte, „jetzt im Auftrag des Präsidenten der Volkskammer uns mitzuteilen, welche Umstände der endgültigen Konstituierung einer Organisationen des Tierschutzes entgegenstehen und welche Hilfe hier bei evtl. durch uns geleistet werden kann.“ Schreiben Hanemann an das Ministerium des Inneren (Abt. Erlaubniswesen) vom 30. 04. 1958, BArch DA 1/2984, Bl. 301. Auch der Volkskammerpräsident selbst klagte, dass „keine einzige Woche [vergeht], ohne daß nicht Briefe aus der Bevölkerung an uns, an die oberste Volksvertretung gelangen, in denen gefordert wird: Regelet [sic!] diese Fragen!“ Dieckmann auf der 14. Sitzung des Ausschusses für Land- u. Forstwirtschaft mit dem Ausschuss für Gesundheitswesen in der Volkskammer am 21. 05. 1962, Protokollauszug, BArch DA 1/2984, Bl. 38 und Bl. 45. 51 Zum Beispiel die Anfrage des Rates des Bezirks Rostock – Veterinärwesen – an das MLEF – Veterinärinspektion – vom 28. 01. 1958, BArch DK 1/4443, Bl. 144. 52 Im Jahr 1955 wandte sich die „Wochenpost“ aufgrund der vielen LeserInnen-Briefen an die Abt. Veterinärwesen mit der Frage, „ob die Absicht besteht, eine Tierschutzorganisation zu gründen“, und der Ankündigung einer Tierschutz-Diskussion in der Zeitung, Schreiben der Redaktion der Wochenpost an MLEF, Abt. Veterinärwesen vom 21. 11. 1955, BArch DK 1/4441, Bl. 113. Die zuständige Abteilung riet der Wochenpost darauf ab, „über den Aufbau einer Tierschutz-Neuorganisation in der Presse zu diskutieren“, da die Verhandlungen noch liefen, Schreiben von Reinhardt (Abt. Leiter Tierhygiene) an Zeitschrift „Wochenpost“ vom 01. 02. 1956, BArch DK 1/4441, Bl. 112. Vgl. auch Vorgang zum Artikel in der „Deutschen Woche“ (1952) in SAPMO BArch DY 27/183. 53 Vgl. Anfrage der CDU vom 17. 06. 1955 an das MLEF, wie Tierschutz in der DDR zukünftig geregelt werden soll, BArch DK 1/4442, Bl. 11. Das Landwirtschaftsministerium antwortete auf diese Anfrage damit, „daß politische Momente dagegen sprechen, eine zentrale Organisa tion in der DDR zu schaffen“, Tierschutz Protokoll der Abt.-Ltr.-Besprechung v. 26.10., Pkt. 6, vom 01. 11. 1956, Antwort auf die Anfrage der CDU vom 11. 07. 1955 an das MLEF, BArch DK 1/4441, Bl. 103 – 106, hier Bl. 105. Die Ost-CDU spielte im Zusammenhang mit dem Tierschutz eine herausragende Rolle. Sie äußerte sich mehrmals in den Sechzigerjahren zur Regelung des Tierschutzes und legte verschiedene Entwürfe vor. Auch Ende der Achtzigerjahre war die Blockpartei und ihr Vorsitzender Gerald Götting (1923 – 2015) rege an
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Veterinärwesen beim Ministerium für Landwirtschaft, Erfassung und Forstwirtschaft für den Tierschutz zuständig.54 Deren Leiter Lothar Hussel (1919 – 1987) setzte sich nach seiner Abordnung an die Universität Leipzig (1958) besonders stark für die Bildung einer Tierschutzorganisation ein.55 Gründe für sein Engagement waren nicht nur die zahlreichen Eingaben sowie die missliche Lage der Tierschutzvereine.56 Der Leiter sympathisierte gleichermaßen mit dem organisierten Tierschutz.57 Hussel rechtfertigte in mehreren Stellungnahmen gegenüber dem ZK der SED, Abteilung Landwirtschaft, ausführlich die Notwendigkeit der Bildung von Tierschutzorganisationen und machte dafür im Wesentlichen vier Hauptargumente stark: Erstens diene der Tierschutz der Volkswirtschaft und zweitens käme der organisierte Tierschutz der Volksgesundheit zugute. Denn durch systematisch betriebene Aufklärung, Belehrung und das Betreiben von Tierheimen würden Tierseuchen und auf Menschen übertragbare Krankheiten verhindert. Drittens sei ein organisierter Tierschutz bedeutend besser unter politische und ideolo gische Kontrolle zu bringen. Viertens und letztens wäre Tierschutz ein Anliegen der Diskussion um den Tierschutz in der DDR beteiligt, vgl. dazu die Vorgänge in: BArch DK 1/4441, BArch DK 1/4442, BArch DP 1/20256; BArch DK 1/10662; SAPMO BArch DY 27/2877; SAPMO BArch DY 27/10883, SAPMO DY 30/1693; BArch DK 1/28484 und unten Anm. 333. Auch in der parteinahen Tageszeitung „Neue Zeit“ wurden Tierschutz- Themen größerer Aufmerksamkeit zuteil. 54 An die Stelle dieser Abteilung trat 1958 die Hauptabteilung Tierische Produktion und Veterinärinspektion. Nach längeren Umstrukturierungen wurde 1962 schließlich die Abteilung Veterinärwesen beim Landwirtschaftsministerium gebildet, vgl. Prange: Spannungsfeld, S. 79 f. 55 Gegen das mehrheitliche Votum der hiesigen ProfessorInnen wurde Hussel nach Leipzig beordert, um dort das Institut für Staatsveterinärkunde und Veterinärhygiene aufzubauen, vgl. Prange: Spannungsfeld, S. 79. Auch in seiner dortigen Funktion arbeitete er für die Sache des Tierschutzes und verfasste ein Gutachten, wo er sich ausdrücklich für einen organisierten Tierschutz aussprach, vgl. Gutachten über die Tätigkeit des Tierschutzes in der Deutschen Demokratischen Republik von Prof. Dr. Hussel (Karl-Marx Universität Leipzig Institut für Staatsveterinärkunde und Veterinärhygiene) an MLEF, Veterinärinspektion, vom 04. 05. 1961, BArch DK 1/10662, Bl. 74 – 81. 56 Die in der DDR herrschende Rechtsunsicherheit betraf auch die Tierschutzvereine. Aus der Sicht Hussels stellte das eine unhaltbare, rechtliche Schieflage dar, denn „[es] ist ein Unding, in Mitteldeutschland ‚ja‘ zum Tierschutz zu sagen und in Mecklenburg ‚nein‘.“ Schreiben des Leiters der Hauptabteilung Tierische Produktion und Veterinärwesen beim MLEF Lothar Hussel an den Abteilungsleiter Landwirtschaft beim ZK der SED Franz Mellentin vom 09. 08. 1957, BArch DK 1/9725, Bl. 1 – 37, hier Bl. 5 f. 57 Der Vorsitzende der Bezirkskommission Heimat und Natur Leipzig Beer berichtete über Hussel im Jahr 1963, als dieser nicht mehr im Landwirtschaftsministerium tätig war, dass er eine Leipziger Tierschutzgruppe unterstützen würde, Schreiben des Vorsitzenden der Bezirkskommission Heimat und Natur Leipzig Beer an das Bundessekretariat des Kulturbundes, Abt. Natur und Heimat betr. Tierschutzfragen vom 15. 09. 1963, SAPMO BArch DY 27/10883, unpag.
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aller Bevölkerungsschichten.58 So gesehen bestanden aus Sicht des staatlichen Veterinärwesens weder „Gründe noch Möglichkeiten, den Bürgern die Bildung von Tierschutzvereinen zu verwehren“.59 Außerdem äußerte er die Befürchtung (oder Drohung?), dass die Verzögerungen „unsere[m] politischen Gegner“ die Möglichkeit gäbe, „eine zersetzende Kritik zu üben.“ 60 Mahnend wendete er sich an das ZK der SED: „Je eher der Tierschutz organisiert wird, umso früher kommt seine Kraft dem volkswirtschaftlichen Sinne entsprechend zur Auswirkung, umso früher auch kann eine systematische Beeinflussung der Ideologie der Tierschützler [sic!] im marxistischen Sinne vorgenommen werden.“ 61 Die Neuorganisation des Tierschutzes wurde von der SED-Spitze, trotz der anhaltenden Forderungen, jedoch weiterhin nicht als Notwendigkeit wahrgenommen, man gab sich bis Ende der Sechzigerjahre mit dem Status Quo zufrieden.62
4.2 Staatlicher Tierschutz in der DDR – Versuch einer Neuordnung Erst 1968, mit der Bildung des Berliner Beirates für Tierschutz und Tierhygiene, wurde eine erste, staatliche Tierschutzinstitution gegründet. Trotz der ablehnenden Haltung der Staatsführung wurden seitens des staatlichen Veterinärwesens schon vor 1968 zahlreiche Konzepte für die Neuregelung des Tierschutzes erarbeitet.63 Die treibende Kraft hinter den Bemühungen waren die vielen Klagen aus der Bevölkerung. Erwähnenswert ist zudem, dass in den Fünfzigerjahren noch VertreterInnen des (privat organisierten) Tierschutzes bei der Lösung der Tierschutzfragen einbezogen wurden, was s päter nicht mehr der Fall sein sollte. 58 Vgl. Schreiben des Leiters der Hauptabteilung Tierische Produktion und Veterinärwesen beim MLEF Lothar Hussel an den Abteilungsleiter Landwirtschaft beim ZK der SED Franz Mellentin vom 09. 08. 1957, BArch DK 1/9725, Bl. 1 – 7. Weitere Korrespondenzen vom 18. 07. 1957, BArch DK 1/9725, Bl. 33 – 38 und vom 20. 11. 1956, BArch DK 1/9724, Bl. 18 – 20. 59 Vorlage für die Kollegiumssitzung des MLEF am 25. 08. 1957, BArch DK 1/398, Bl. 138 – 142, hier Bl. 139. 60 Ebenda, Bl. 142. 61 Schreiben des Leiters der Hauptabteilung Tierische Produktion und Veterinärwesen beim MLEF Lothar Hussel an den Abteilungsleiter Landwirtschaft beim ZK der SED Franz Mellentin vom 09. 08. 1957, BArch DK 1/9725, Bl. 1 – 7, hier Bl. 3. 62 Der Leiter der Hauptabteilung Tierische Produktion und Veterinärwesen im Landwirtschaftsministerium Hussel kommentierte die Untätigkeit der Staatsführung in Sachen Tierschutz mit den Worten „aha auf die lange Bank schieben“, handschriftliche Notiz auf dem Schreiben des Abteilungsleiters Landwirtschaft beim ZK der SED Franz Mellentin an Lothar Hussel vom 22. 06. 1957, BArch DK 1/9725, Bl. 40 – 42, hier Bl. 42. 63 Zur Organisation des Tierschutzes in der DDR bis 1968 vgl. auch Stock: Tierschutz, S. 93 – 98.
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Angliederung an eine Massenorganisation Entsprechend dem in der DDR vorherrschenden „Konzept der Einheitsorganisa tion“ 64, das ein pluralistisches Vereins- und Verbandswesen verhinderte, wurde der Tierschutz 1949 zunächst an die Massenorganisation „Deutscher Kulturbund“ angeschlossen.65 Durch die „Verordnung über die Förderung des Tierschutzes“ sollte die Angliederung an den Kulturbund langfristig gesichert und die Tierschutztätigkeit konkretisiert werden.66 Der vom Ministerium des Inneren vorgelegte Entwurf sah die Bildung einer „Sektion ‚Tierschutz‘“ innerhalb des Kulturbundes vor, die die unabhängigen Tierschutzvereine ersetzen sollte. Auf der 37. Sitzung der Provisorischen Regierung der DDR im August 1950 wurde die Verordnung jedoch ohne Angabe von Gründen zurückgestellt.67 Im Jahr 1952 wurden die Tierschutzvereine schließlich aus dem Kulturbund wieder herausgelöst und alle nicht lizenzierten Tierschutzvereine Anfang 1953 gänzlich aufgelöst.68 Allerdings beendete dies weder die Diskussionen um die Angliederung an den Kulturbund noch die Aktivitäten der noch bestehenden Tierschutzvereine. Zehn Jahre s päter startete der Kulturbund nochmals eine Umfrage betreffs Tierschutzfragen an die Bezirkssekretariate, Abteilung „Natur- und Heimatfreunde“ 69. Die Umfrage bestätigte das Selbstverständnis der Abteilung im Kulturbund, demzufolge der Natur- und Tierschutz nicht gemeinsam zu 64 Mählert, Ulrich: Die Massenorganisationen im politischen System, in: Stephan (u. a.) (Hrsg.): Parteien und Organisationen der DDR, S. 103 – 115, hier S. 105. 65 § 6 der Verordnung zur Überführung von Volkskunstgruppen und volksbildenden Vereinen in die bestehenden demokratischen Massenorganisationen vom 12. Januar 1949 (ZVOBl. I, S. 67): „Dem Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands werden von den lokalen Gruppen und Vereinen angeschlossen: […] 3. Heimat- und Naturschutzgruppen“. Vgl. auch Zentrale Kommission Natur- und Heimatfreunde im Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands (Hrsg.): … und der Zukunft zugewandt. Die Arbeit der Zentralen Kommission Natur- und Heimatfreunde von 1950 bis 1956, Berlin (Ost) 1956, S. 11. 66 Vgl. Schreiben des MdI an HVDVP, Abt. Erlaubniswesen vom 01. 06. 1950, BArch DO 1/29893, Bl. 9 – 11, Entwurf Verordnung über die Förderung des Tierschutzes vom Ministerium des Inneren, HA Staatliche Verwaltung vom 30. 05. 1950, BArch DO1/27983 Bl. 10. 67 Vgl. Protokoll der 37. Sitzung der Provisorischen Regierung der DDR vom 17. 08. 1950, BArch DC 20 I-3/27, Bl. 1 – 8, hier Bl. 3 u. Bl. 6. 68 Vgl. Vorlage an das Sekretariat beim ZK der SED, Betrifft: Bildung einer Organisation „Deutscher Tierschutz“, SAPMO BArch DY 30//J IV 2/3A/436, Bl. 226. 69 Die Fragen, mit der Bitte um Stellungnahme, lauteten: „In welchem Ausmaß tritt die Frage nach dem Tierschutz im Bezirk hervor?, Wie vollzieht sich das organisatorische Wirken von evtl. bestehenden ‚Vereinigungen‘ oder Institutionen?, Wie stark ist die Beteiligung aus Kreisen der Bevölkerung an dieser Tätigkeit?, Wie ist das Verhältnis der ‚Tierschützer‘ zum Deutschen Kulturbund?, Welche Form des gesellschaftlichen Mitwirkens scheint Ihnen in unserer Republik geboten?“, Schreiben des Bundessekretariats des Deutschen Kulturbundes
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denken s eien, denn z wischen ihnen bestehe eine „klare Trennung“ 70. Den „Naturund Heimatfreunden“ war nur etwas am Schutz von ‚Wildtieren‘ gelegen, den Schutz von „Haus- und Luxustiere[n]“ 71 sahen sie nicht als Teil des Aufgabengebietes des Kulturbundes.72 Der Tierschutz sei alleinige Aufgabe der Abteilung Veterinärwesen beim Ministerium für Landwirtschaft, Erfassung und Forstwirtschaft.73 Das Präsidium des Kulturbundes lehnte folglich den Tierschutz 1964 endgültig als Aufgabengebiet ab.74 Die Eigen-Sinnigkeit der TierschützerInnen zeigte sich indes darin, dass es in manchen Städten trotzdem Tierschutzgruppen im Kulturbund gab.75 Parallel zu den Bestrebungen, den Tierschutz fest in den Kulturbund einzugliedern, gab es seit 1949 auch Überlegungen, den an alle Bezirkssekretariate, Abt. Natur und Heimat vom 16. 07. 1963, SAPMO BArch DY 27/10883, unpag. Die Stellungnahmen befinden sich ebenda. 70 Schreiben des Bezirkssekretariats Halle (Saale), Abt. Natur und Heimat (Dr. Weinitschke) an das Bundessekretariat des Kulturbundes vom 19. 08. 1963, SAPMO BArch DY 27/10883, unpag. 71 Schreiben des Bundessekretariats des Kulturbundes an den Ministerrat der DDR – Landwirtschaftsrat, Veterinärmedizinische Abt. vom 17. 12. 1964, SAPMO BArch DY 27/10883, unpag. 72 Vgl. die Leitsätze der Natur- und Heimatfreunde, in: Zentrale Kommission Natur- und Heimatfreunde: Zukunft, S. 17 – 21. Zum Heimatverständnis in der DDR vgl. Schaarschmidt, Thomas: Heimat in der Diktatur. Zur Relevanz regionaler Identifikation im Nationalsozia lismus und in der frühen DDR, in: Seifert, Manfred (Hrsg.): Zwischen Emotion und Kalkül. „Heimat“ als Argument im Prozess der Moderne, Leipzig 2010, S. 127 – 141; Palmowski, Jan: Inventing a Socialist Nation. Heimat and the Politics of Everyday Life in the GDR 1945 – 1990, Cambridge 2009. 73 Antwortschreiben des Bundesvorstandes des Kulturbundes Karl Kneschke an eine Tierschützerin vom 04. 02. 1952, SAPMO BArch DY 27/183, Bl. 123. Vgl. auch eine über zehn Jahre ältere Korrespondenz: Schreiben des 1. Bundessekretärs des Kulturbundes Alex Ständel an eine Bürgerin aus Erfurt vom 30. 01. 1968, SAPMO BArch DY 27/10883, unpag. 74 Vgl. Schreiben des Bundessekretariats des Deutschen Kulturbundes an die Bezirkssekretariate, Abt. Natur und Heimat vom 14. 01. 1965, SAPMO BArch DY 27/10883, unpag. 75 In Jena und Gera bestanden beispielsweise Tierschutzgruppen innerhalb des Kulturbundes, wobei erstere aus dem Kulturbund herausgelöst wurde und letztere unangetastet blieb, da jene sich nicht mehr „mit den Problemen des Tierschutzes nach alten bürgerlichen Tradi tionen befaßt.“ Schreiben des 1. Bezirkssekretärs des Deutschen Kulturbundes von Gera an den 1. Bundessekretär des Kulturbundes Alex Ständel vom 26. 05. 1967, SAPMO BArch DY 27/10883, unpag.; vgl. auch SAPMO BArch DY 27/8304, unpag. Die Arbeitsgemeinschaft „Tierschutz“ in Jena wurde auch vom MfS überwacht, vgl. MfS BV Gera AOG 1713/67. Zum Verhältnis von Kulturbund und Tierschutz vgl. auch Stock: Tierschutz, S. 105 ff. Zur Sicht des MfS auf Tierschutztätigkeiten vgl. ebenda, v. a. S. 101 f., auch S. 110 und S. 112 f. Ein weiteres Beispiel gibt es aus den Achtzigerjahren: In einer Eingabenanalyse der Inspektion des Landwirtschaftsministers wird die Eingabeführerin aus Glauchau als „Vorsitzende der Fachgruppe Tierschutz im Kulturbund der DDR“ bezeichnet, was darauf hinweist, dass es noch eine Tierschutz-Gruppe gab, Information zur Gewährleistung des Geheimnisschutzes bei der Erarbeitung der Tierschutzverordnung vom 11. 01. 1989, BArch DK 1/28484, unpag.
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Tierschutz an die VdgB anzugliedern.76 Allerdings lehnte die VdgB die Aufnahme des Tierschutzes bereits zu Beginn des Jahres 1950 mit der Begründung ab, dass sich die Sparte vorwiegend aus StädterInnen zusammensetzen würde.77 Folgerichtig wurden auch in den Reihen der VdgB unter dem Begriff Tierschutz erneut nur der Schutz von ‚Heimtieren‘ verstanden, deren Haltung vor allem ein urbanes Phänomen sei. Nachdem die Anbindung sowohl an den Kulturbund als auch an die VdgB gescheitert war, wurde seit 1955 versucht, den Tierschutz in die Kreisverbände der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (KSK)78 zu integrieren, was auch dem Wunsch eines Teils der TierschützerInnen entsprach. Denn eine Angliederung an die KSK oder den Kulturbund hätte zumindest verhindert, dass sie ihre Tätigkeit ganz einstellen müssen.79 Auch für den Leiter des Veterinärwesens Hussel stellte die Angliederung an die KSK „keine ideale, aber immerhin eine annehmbare Lösung“ 80 dar. Die Verhandlungen darüber zogen sich über Jahre hin 81, mit dem Ergebnis, dass es den Kreisverbänden des KSK selbst überlassen war, ob sie Tierschutz-Spaten zuließen oder nicht.82 Viele Kreisverbände waren jedoch gegen eine E ingliederung, da sie hohen Kosten durch die 76 Vgl. Schreiben des MdI an das MLEF vom 17. 11. 1949, BArch DO 1/27893, Bl. 3; Schreiben des MdI an die Landesregierung Sachsen-Anhalt, MdI, Landesbehörde d. Volkspolizei vom 17. 11. 1949, BArch DO 1/27893, Bl. 4; Schreiben des MdI an die VdgB vom 17. 11. 1949, BArch DO 1/27893, Bl. 5 und Landesregierung Sachsen-Anhalt – MdI – Landesbehörde der Volkspolizei an die Deutsche Verwaltung des Inneren vom 17.8.49, BArch DO 1/27893, Bl. 2. 77 Tierschutz Protokoll der Abt.-Ltr.-Besprechung v. 26.10., Pkt. 6, vom 01. 11. 1956, BArch DK 1/4441, Bl. 103 – 106, hier Bl. 104; Schreiben der VdgB an das MLEF vom 24. 01. 1950, BArch DK 1/4442, Bl. 277. 78 Der zentrale VKSK wurde erst am 29. November 1959 als Massenorganisation gegründet, vgl. Herbst (u. a.): Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter. 79 Vgl. die Diskussionen in den Fünfziger- und Sechzigerjahren, in: BArch DK 1/4441 und DK 1/4443 sowie in SAPMO BArch DY 27/183 und DY 27/10883. Ein anderer Teil der TierschützerInnen lehnte die Angliederung an die KSK ab, da hier der Tierschutz am meisten vernachlässigt würde und der zweckgebundene Verein sich an den Mitgliedsbeiträgen bereichere, vgl. Vortragsschreiben für die Delegierten-Tagung der Bezirkstierärzte von Lothar Hussel vom 22. 01. 1957, BArch DK 1/4441, Bl. 67 – 69, hier Bl. 68. 80 Vortragsschreiben für die Delegierten-Tagung der Bezirkstierärzte von Lothar Hussel am 22. 01. 1957, BArch DK 1/4441, Bl. 67 – 69, hier Bl. 69. 81 Vgl. die Vorgänge in BArch DK 1/4441. Ein Musterstatut für die Sparte Tierschutz wurde 1957 vorgelegt, vgl. Entwurf vom MLEF eines Musterstatutes KSK, Sparte Tierschutz (undatiert, 1957), BArch DK 1/4441, Bl. 37. Die Rechtsabteilung des MLEF stellte indes im März 1956 schon fest, dass die Organisation des Tierschutzes beim KSK wegen „der unterschiedlichen Zielsetzung nicht in Frage“ käme, Nachtrag vom 23. 03. 1956 im Aktenvermerk vom 16. 03. 1956, BArch DK 1/4441, Bl. 114 – 115, hier Bl. 115. 82 Vgl. Stellungnahme der Abt. Tierhygiene beim MLEF (Lothar Hussel) zum Schreiben von Prof. Petzsch, (Zoodirektor Halle) über Fragen der Organisation des Tierschutzes in den
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gerichtlichen Verfahren gehen Tierquälereien befürchteten.83 Erschwert wurde die Angliederung sicherlich auch dadurch, dass die KleingärtnerInnen sich seinerzeit selbst noch im Tauziehen um die „richtige“ Organisation befanden.84 Gleichwohl bildeten sich im KSK vereinzelt „Tierschutzsparten“, wie es auch beim Kulturbund der Fall war.85 Wahrscheinlich wurden aber sämtliche Tierschutzsparten nach der Gründung des VKSK als Massenorganisation im Jahr 1959 endgültig aufgelöst.86
Bildung „selbständiger“ Tierschutzorganisationen Neben den Versuchen, den Tierschutz in das System der Massenorganisationen zu integrieren, gab es in den Fünfzigerjahren auch die Idee, „selbständige“ Tierschutzverbände zu gründen: Im März 1952 schlug die Abteilung Veterinärwesen im Landwirtschaftsministerium vor, mit der „Verordnung zur Organisation des Tierschutzes“ „Gesellschaften zum Schutze der Tiere“ in jedem Land (später Bezirk) zu gründen.87 Als übergeordnete Körperschaft war die „Zentrale Tierschutzkommission der DDR “ beim Ministerium für Landwirtschaft vorgesehen.88 Zweck der Gesellschaften sollte sein, Verbänden der KSK vom 15. 02. 1957, BArch DK 1/4441, Bl. 46. Vgl. auch Artikel aus der Wochenpost Nr. 21 vom 25. 05. 1957, BArch DK 1/4441, Bl. 26. 83 Vgl. Vortragsschreiben für die Delegierten-Tagung der Bezirkstierärzte von Lothar Hussel vom 22. 01. 1957, BArch DK 1/4441Bl. 67 – 69, hier Bl. 69. 84 Der Kleingärtnerei wurde ähnlich wie dem Tierschutz ihre (vermeintlich rein) bürgerliche Tradition zum Verhängnis, vgl. dazu ausführlich Dietrich: Hammer. 85 Vgl. Korrespondenzen des Leiters der Sparte Tierschutz Greifwald im KSK mit dem MdI und dem MLEF (Oktober/November 1958), BArch DK 1/4443, Bl. 67 – 72. Neben Greifswald bestand auch in Görlitz und Löbau 1959 eine „Sparte Tierschutz“ beim KSK (BArch, DK 1/4443, Bl. 27 und 5 – 7). 86 Laut einer Auflistung der bestehenden Sparten von 1966 vom MfS existierte keine Sparte „Tierschutz“ im VKSK, vgl. Stock: Tierschutz, S. 109. Zum Verhältnis von Tierschutz und KSK (von der Autorin fälschlicherweise zuweilen VKSK bezeichnet) vgl. ebenda, S. 96 f. und 107 ff. 87 Vgl. Hausmitteilung von der Abteilung Veterinärwesen an den Landwirtschaftsminister Paul Scholz vom 21. 03. 1952, BArch DK 1/4442, Bl. 243 – 244, hier Bl. 244; Mustersatzung Deutsche Tierschutz-Gesellschaft e. V. (undatiert, 1952), BArch DK 1/4442, Bl. 126 – 134; Entwurf Verordnung zur Organisation des Tierschutzes (undatiert, 1952), BArch DK 1/4442, Bl. 135 – 137. Die geplanten Tierschutz-Gesellschaften sind nicht zu verwechseln mit der 1951 gegründeten und dem MLEF unterstehenden Erfurter „Gesellschaft zum Schutze der Tiere“, vgl. dazu Schreiben von Hildegard Lange (Vorsitzende der „Gesellschaft zum Schutze der Tiere“ in Erfurt) an den Bundesvorstand des Kulturbundes Karl Kneschke vom 16. 01. 1952, SAPMO BArch DY 27/183, Bl. 121 – 122. Zur Erfurter Tierschutzgesellschaft vgl. auch Stock: Tierschutz, S. 111. 88 § 2 der Verordnung zur Organisation des Tierschutzes (undatiert, 1952), BArch DK 1/4442, Bl. 135 – 137, hier Bl. 135. Bereits am 20. 09. 1949 wurde eine „Deutsche Tierschutzkommission“
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den Tierschutzgedanken nach den geltenden Vorschriften zu fördern und zu verbreiten, durch Aufklärung, Belehrung und gutes Beispiel Verständnis für das Wesen und den Schutz der Tiere zu erwecken, insbesondere die Verhütung von Tierquälereien und Tiermißhandlungen zu erstreben und in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden und Dienststellen die strafrechtliche Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen die tierschutzgesetzlichen Bestimmungen zu veranlassen.89
Weiter hieß es, die Gesellschaft solle ihr „besonderes Augenmerk“ auf die „Einhaltung der Tierschutzvorschriften gegenüber den Haus- und Nutztieren [richten], um den Schäden und Nachteilen, die für die Volkswirtschaft durch Mißstände bei der Haltung und Behandlung solcher Tiere entstehen, vorbeugen zu helfen [sic!].“ Interessant hierbei war, dass die Gesellschaft auch für den „Schutz der in Freiheit lebenden Tiere“ zuständig war. Der Entwurf sah also eine umfassende Tierschutztätigkeit mit Schwerpunkt auf der ‚Nutztier‘-Haltung vor. Das Konzept wurde im April 1953 vom ZK der SED abgelehnt, da „keine Veranlassung für die Gründung einer Tierschutzorganisation besteht.“ 90 Vor dem Hintergrund des „Neuen Kurses“, den die Parteiführung am 9. Juni 1953 beschloss 91, entschied das MdI, die Tierschutzproblematik jedoch noch einmal aufzugreifen.92 Nun erwog man die Bildung einer Gesamttierschutzorganisa tion, die den Namen „Deutscher Tierschutz“ tragen sollte.93 Zur Begründung
in der SBZ gegründet, vgl. Niederschrift der Versammlung vom 20. 09. 1949, DWK, Veterinärwesen, BArch DK 1/4442, Bl. 283 – 285, auch: BArch DO 1/27893, Bl. 8, Bl. 12 und Bl. 14. Zu den Teilnehmenden der Versammlung und zur Tierschutzkommission gehörten VertreterInnen der (wieder gegründeten) Tierschutzvereine Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie Angehörige der Veterinärverwaltung der DWK. Die Deutsche Tierschutzkommission bestand noch 1952, vgl. BArch DK 1/4441, Bl. 226 (Schreiben des Rates des Bezirks Halle an das MLEF vom 21. 11. 1952). Aus den Akten geht nicht hervor, wie lange diese Kommission insgesamt bestand. 89 Mustersatzung Deutsche Tierschutz-Gesellschaft e. V. (undatiert, 1952), BArch DK 1/4442, Bl. 126 – 134, hier Bl. 126. Die folgenden Zitate sind der Mustersatzung entnommen. 90 24. 04. 1953, Tierschutz Protokoll der Abt.-Ltr.-Besprechung v. 26.10., Pkt. 6, vom 01. 11. 1956, BArch DK 1/4441, Bl. 103 – 106, hier Bl. 104. 91 Der von der Sowjetführung verordnete Kurswechsel sah die Rücknahme einiger Maßnahmen des „Aufbaus des Sozialismus“ (1952), wie zum Beispiel die der Zwangskollektivierung, vor, vgl. Staritz, Dietrich: Geschichte der DDR. Erweiterte Neuausgabe, Frankfurt am Main 1996, S. 115 f. 92 Vgl. 24. 04. 1953, Tierschutz Protokoll der Abt.-Ltr.-Besprechung v. 26.10., Pkt. 6, vom 01. 11. 1956, BArch DK 1/4441, Bl. 103 – 106, hier Bl. 104 f. 93 Vgl. Besprechung über die Schaffung einer Organisation „Deutscher Tierschutz“ vom 20. 08. 1953, BArch DK 1/4442, Bl. 176 – 177. Teilnehmende der Besprechung waren neben der Hauptabteilung Veterinärwesen VertreterInnen des MLEF, des MdI, der Volkspolizei
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der Verordnung 94 hieß es, dass die „nach 1945 entstandenen Tierschutzvereine“ in ihrer „unorganisierten Form keine Hilfe für den Staatsapparat“ s eien, weswegen die Gründung einer einheitlichen Tierschutzorganisation nötig sei.95 Der „Gedanke des Tierschutzes“ erfreue sich außerdem „in breiten Schichten unserer Bevölkerung grosser [sic!] Beliebtheit“.96 Der „Deutsche Tierschutz“ mit Sitz in Dresden 97, hätte „als alleinige Organisation in der DDR die Aufgabe, Hilfseinrichtungen zum Schutze der Tiere zu betreuen, das staatliche Veterinärwesen bei der Durchführung von Seuchenbekämpfungsmassnahmen [sic!] zu unterstützen und Tiere vor Tierquälereien zu schützen.“ 98 Der Seuchenschutz erscheint als Schwerpunkt der Tierschutztätigkeit: Einerseits trug er in der landwirtschaftlichen ‚Nutztier‘-Haltung zur Verbesserung der Nahrungsmittelversorgung der Nachkriegszeit bei. Anderseits sollte die Tollwut-Bekämpfung gefördert werden, was insbesondere durch das Einfangen von Tieren sowie das Betreiben von Tierheimen gewährleistet wurde.99 und des Tierschutzes sowie Dr. Ketz, Mitarbeiter bei der Akademie für Landwirtschaftswissenschaften, Sektion Veterinärmedizin. 94 Entwurf der Verordnung und Statut der Organisation „Deutscher Tierschutz“ vom 29. 09. 1953, BArch DK 1/4442, Bl. 99 – 113; Arbeitsprotokoll Nr. 23/54 der Sitzung des ZK der SED am 27. Oktober 1954, SAPMO BArch DY 30/J IV 2/3A/436, Bl. 226 f. 95 Begründung zum Entwurf Verordnung und Statut der Organisation „Deutscher Tierschutz“ vom 29. 09. 1953, BArch DK 1/4442, Bl. 113. 96 Vorlage an das Sekretariat beim ZK der SED, Betr.: Bildung einer Organisation „Deutscher Tierschutz“, SAPMO BArch DY 30//J IV 2/3A/436, Bl. 226. 97 Dresden spielte aufgrund seines starken Bürgertums von jeher eine Sonderrolle im Tierschutz (vgl. Jung: Anfänge) – auch zu DDR-Zeiten. 1965 wurde das Dresdner „Tierschutz-Aktiv“ gegründet, das dem Rat der Stadt Dresden, Abt. Allgemeine Landwirtschaft u nterstellt war. Eine ehrenamtliche Tierschutzbeauftragte und BürgerInnen überwachten die Einhaltung der Tierschutzbestimmungen und betrieben Aufklärung, vgl. Berichte über das „Dresdner Beispiel“ in SAPMO BArch DY 27/10883, unpag., und DY 27/8304, unpag. Weiterhin gab es seinerzeit die „Tierschutzorganisation der Stadt Dresden“ (40 Ehrenamtliche) und seit 1975 auch eine „Tierschutzbeauftragte der Stadt Dresden“ (Annelies Krauss). Die Tierschutzorganisation erfuhr finanzielle und exekutive Unterstützung durch die Stadt und wurde zum Vorbild für TierschützerInnen in anderen Städten, vgl. Stock: Tierschutz, S. 86. und v. a. S. 120 ff.; zur kirchlichen Tierschutzgruppe „Tier“ in Dresden vgl. ebenda, S. 129 ff. 98 §§ 1 und 2 des Entwurfs der Verordnung über die Bildung einer Organisation „Deutscher Tierschutz“, (undatiert, 1954), SAPMO BArch DY 30/J IV 2/3A/436, Bl. 227. 99 Diese Ansicht verstärkt sich durch die Begründung der Verordnung, die zunächst nur dem MLEF vorlag. Dort hieß es, dass der „Deutsche Tierschutz“ „den Auftrag, durch Schaffung und Unterhaltung von Tierheimen vagabundierende und entlaufende Hunde und Katzen als Quelle einer Seuchenverbreitung einzufangen und notfalls zu töten“, erhalten soll, Begründung der Verordnung über die Bildung einer Organisation „Deutscher Tierschutz“ vom 29. 09. 1953, BArch DK 1/4442, Bl. 113. Ein weiteres Argument für diese Interpretation ist die Aussage
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Diese A ufgaben wurden bisher von den „alten“ Tierschutzvereinen übernommen. Jene sollten durch die Verordnung rechtsgültig aufgelöst werden, sofern sie sich nicht dem „Deutschen Tierschutz“ anschließen (was nichts anderes als eine Gleichschaltung der Vereine bedeutet hätte).100 Trotz der damit verbundenen Kontrolle und Einflussnahme auf die TierschützerInnen wurde die Verordnung zur Bildung der Organisation „Deutscher Tierschutz“ vom ZK der SED ohne Begründung abgelehnt.101 Eine unabhängige Organisation mit einer zentralisierten Form der Selbstverwaltung war nicht erwünscht.102 Außerdem dürfte die geplante Organisationsstruktur des Tierschutzes zu sehr derjenigen aus dem Nationalsozialismus geglichen haben.103 Nachdem das Konzept, den Tierschutz in Form von Gesellschaften oder Vereinen mit einem starken Zentralverband zu organisieren, gescheitert war, legte die Abteilung Veterinärwesen drei Jahre später, 1956, einen erneuten Entwurf vor: Diesmal wurde der Vorschlag gemacht, den Tierschutz eine Verwaltungsebene tiefer, innerhalb von „Kreisverbänden für Tierschutz“ (KVfTS), zu organisieren.104 Zweck der Kreisverbände war die „Vermeidung von erheblicher Schäden bei Tieren durch unsachgemäße Haltung, Unterbringung und Beförderung sowie [die] Verhütung unnötiger Quälereien oder roher Mißhandlungen“ durch vorbeugende Maßnahmen, Aufklärung der Bevölkerung sowie das Betreiben oder Beaufsichtigen seitens der Volkskammer, dass „die Tierschutzarbeit gerade jetzt bei der Bekämpfung von Tollwut sich erfolgreich einschalten kann.“ Schreiben der Volkskammer, Kanzlei des Präsidenten an die HVDVP, Abt. Erlaubniswesen, Betr. Zulassung von Tierschutzorganisa tionen in der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. 02. 1953, BArch DO 1/27893, Bl. 18. Vgl. auch BArch DK 1/4441, Bl. 72. 100 Vgl. § 6 Entwurf der Verordnung über die Bildung einer Organisation „Deutscher Tierschutz“ (undatiert, 1954), BArch DY 30/J IV 2/3A/436, Bl. 227. Dieser Paragraph ähnelte stark der 5. Verordnung zur Ausführung des Tierschutzgesetzes (Tierschutzvereine) vom 11. August 1938 (RGBl. I, S. 1004), der zufolge alle Tierschutzvereine dem „Reichstierschutzbund“ angehören mussten. 101 Arbeitsprotokoll Nr. 23/54 der Sitzung des ZK der SED am 27. Oktober 1954, SAPMO BArch DY 30/J IV 2/3A/436, Bl. 6. 102 Auch Jahre später hieß es noch, dass „vor allem nicht die Tierschutzvereine früherer Prägung, also eine zentral geleitete Organisation, ohne Kontakt mit den Werktätigen und ohne Einflußnahme auf die Belange der neuen Gesellschaftsordnung“, gebildet werden dürften, Entwurf der Vorlage für die Kollegiumssitzung des MLEF am 23. 08. 1957 vom 06. 08. 1957, BArch DK 1/4441, Bl. 2 – 4, hier Bl. 3. 103 Siehe oben, Anm. 100. Auch Burckhardt kritisiert die 5. Verordnung des Tierschutzgesetzes, vgl. Burckhardt, Arnulf: Juristische Probleme des Tierschutzes, in: MfV 23 (1968), S. 764 – 769, hier S. 766. Zur Organisation „Deutscher Tierschutz“ vgl. auch Stock: Tierschutz, S. 94 f. 104 Vgl. Schreiben des Leiters der Hauptabteilung Tierische Produktion und Veterinärwesen beim MLEF Lothar Hussel an den Abteilungsleiter Landwirtschaft beim ZK der SED Franz Mellentin vom 20. 11. 1956, BArch DK 1/9724, Bl. 18 – 20, hier Bl. 20.
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von „Hilfseinrichtungen des Tierschutzes (z. B. Tierheime, Tierasyle)“.105 In der Begründung hieß es, dass sich der organisierte Tierschutz diesbezüglich „als vorteilhaft“ erwies, jedoch „die Zielsetzung der bereits wieder bestehenden Vereine bzw. der Interessengruppen uneinheitlich und zum Teil sehr unterschiedlich ist und aus breiten Kreisen der Bevölkerung der Wunsch nach einer einheit lichen Tierschutzorganisation laut wurde.“ 106 Nichtsdestotrotz wurde auch dieser Entwurf aus machtpolitischen Erwägungen abgelehnt.107 Der Alternativvorschlag, den Tierschutz bei den Räten der Kreise anzusiedeln, scheiterte indes am Widerstand der BezirkstierärztInnen, die d iesem Konzept zufolge für die Organisation des Tierschutzes verantwortlich wären und sich damit überfordert fühlten.108 Nach dem Weggang Hussels 1958 unternahm die Abteilung Veterinärwesen einen weiteren Vorstoß in Sachen Tierschutzorganisation: Nun wurde vorgeschlagen, den praktischen Tierschutz ähnlich der Naturschutztätigkeit, wie sie im Naturschutzgesetz von 1954 festgelegt wurde 109, zu konzipieren. Der Entwurf sah folglich die Einrichtung von „Tierschutzverwaltungen“ bei den Räten der Bezirke und Kreise (Abteilung Veterinärwesen) sowie beim Landwirtschaftsministerium vor, die die Einhaltung der Tierschutzbestimmungen überwachen sollten. Daneben hätten interessierte Personen als ehrenamtliche 105 3. Entwurf Anordnung über die Organisation des Tierschutzes in der Deutschen Demokratischen Republik vom 08. 03. 1956, BArch DK 1/4441, Bl. 117 – 118. 106 Begründung für die Gründung von Kreisverbänden für Tierschutz vom 16. 2. 1956, BArch DK 4441, Bl. 134. 107 Vgl. Aktenvermerk vom 16. 03. 1956 im Tierschutz Protokoll der Abt.-Ltr.-Besprechung v. 26.10., Pkt. 6, vom 01. 11. 1956, BArch DK 1/4441, Bl. 103 – 106, hier Bl. 106. Vgl. auch der Aktenvermerk vom 16. 03. 1956, wo notiert ist, dass eine „starke Vertretung [der TierschützerInnen, A. L.] in der Zentralebene nicht erwünscht“ sei und dass die Vertreter des MdI – HVDVP, Abt. Erlaubniswesen – mitteilen, dass die Anordnung über die Organisation des Tierschutzes“ (KVfTS) nicht die Unterzeichnung des MdI finden würde, BArch DK 1/4441, Bl. 114 – 115, hier Bl. 114. 108 Vgl. Stand des Tierschutzes (25. 01. 1957), BArch DK 1/441, Bl. 62 – 64, hier Bl. 64. Am 22. 01. 1957 fand die Bezirkstierärzte-Dienstversammlung statt, auf der die Organisation des Tierschutzes bei den Räten der Kreise mit der Begründung abgelehnt wurde, dass die TierärztInnen durch die Abgabe von Tierschutz-Gutachten schon ausgelastet wären. Auch auf der Kollegiumssitzung vom 23. 08. 1957 zur Neuorganisation des Tierschutzes (vgl. BArch DK 1/398, Bl. 138 – 142) sprachen sich die VeterinärInnen gegen jegliche Verantwortung für die Organisation des Tierschutzes aus. Sie befürworteten lediglich den Tierschutz, BArch DK 1/4443, Bl. 154 – 155, hier Bl. 154. 109 Im Naturschutzgesetz aus dem Jahre 1954 wurde unter § 11 bestimmt, dass der praktische Naturschutz durch Naturschutzverwaltungen in den Kreis- und Bezirksräten sowie durch die Zentrale Naturschutzverwaltung beim Ministerium für Land- und Forstwirtschaft ausgeübt wird. Zur Unterstützung der Naturschutzverwaltungen wurden Naturschutzbeauftragte eingesetzt (§ 12), vgl. Gesetz zur Erhaltung und Pflege der heimatlichen Natur (Naturschutzgesetz) vom 4. August 1954 (GBl. I, S. 695).
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Tierschutzbeauftragte tätig werden können (von BürgerInnen-Beteiligung war nicht die Rede).110 Aber auch dieser Vorschlag wurde kurzerhand abgewiesen, denn es würden zu viele Unklarheiten bestehen, die erst gelöst werden müssten.111 1959 wurde das Kapitel der Neuorganisation des Tierschutzes endgültig geschlossen, denn die „Erfahrungen und die Einschätzungen des gegenwärtigen Zustandes im Tierschutz haben in der Volkspolizei zu der Auffassung geführt, daß es nicht notwendig ist, Tierschutzvereine zu bilden oder bestehende Vereine zu fördern.“ 112 Dessen ungeachtet versuchten die bestehenden Tierschutzvereine ihrer Arbeit weiter nachzugehen oder sie sogar auszudehnen.113 Die Gründe für die ablehnende Haltung der Parteiführung gegenüber dem organisierten Tierschutz waren nicht nur ideologischer Natur. Zu einem g roßen Teil dürften sie außerhalb des Tierschutzwesens gelegen haben. Anfang der Fünfzigerjahre setzte die SED verstärkt auf politischen Druck und Terror, um vermeintliche und tatsächliche „Feinde“ zu bekämpfen.114 In einer derart angespannten Lage stellten Tierschutzvereinigungen aus Sicht der Parteispitze einen zusätzlichen Sicherheitsfaktor dar. Nicht zuletzt hätten sich die TierschützerInnen mit tierschutzrelevanten Einwänden gegen die Kollektivierung der Landwirtschaft oder das Offenstallprogramm stark machen können und damit die SED-Agrarpolitik infrage gestellt. Das traditionelle Misstrauen gegenüber den „Tierfreunden“ verstärkte sich auf diese Weise, woran auch die Bemühungen um eine ideologisch opportune Auslegung des Tierschutzes nichts auszurichten vermochte. Erst zehn Jahre später, 1968, wurde die Neuorganisation des Tierschutzes mit der Bildung des Berliner Beirates für Tierschutz und Tierhygiene wieder aufgegriffen.
110 Vgl. Schreiben der Veterinärinspektion an das MLEF, Abt. Landeskultur und Naturschutz, Zentrale Naturschutzverwaltung vom 03. 01. 1958, BArch DK 1/4443, Bl. 142 (mit der Bitte um einen Erfahrungsbericht über die Naturschutzverwaltung); Schreiben mit Erfahrungsbericht der Zentralen Naturschutzverwaltung beim MLEF an die HVDVP, Abt. Erlaubniswesen [Empfänger nicht das MLEF!, A. L.] vom 20. 01. 1958, BArch DK 1/4443, Bl. 141. 111 Vgl. Schreiben des MdI, HVDVP, Abt. Erlaubniswesen an das MLEF, Veterinärinspektion, vom 16. 02. 1958, BArch DK 1/4443, Bl. 91. Probleme, die das MdI sah, waren die Frage, wie „die Leitung des Tierschutzes und die Zusammenarbeit mit den Beauftragten und Helfern erfolgen soll“; wie gewährleistet werden soll, „daß es kein Bedürfniß [sic!] für Vereinsbildung und dementsprechende Bestrebungen“ gibt, und die Frage, was mit den „bestehenden Vereinigungen erfolgen soll.“ 112 MdI, HVDVP, Abt. Erlaubniswesen an MLEF, Abt. tierische Produktion, Betr.: Tierschutzvereine, vom 18. 08. 1959, BArch DO 1/27893, Bl. 38. 113 Vgl. Schreiben an HVDVP an das ZK der SED, Betr.: Ausübung des Tierschutzes in der DDR, vom 02. 01. 1962, Bl. 39 – 40, hier Bl. 39. 114 Vgl. Staritz: DDR, S. 75 – 82; 103 ff.
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Die Beiräte für Tierschutz und Tierhygiene Am 10. November 1968 fand er statt, der „historische Moment“, denn an jenem Tag wurde der Berliner Beirat für Tierschutz und Tierhygiene gegründet.115 Die Gründung des Beirats fußte nach eigener Aussage auf Grundlage des Artikels 15 der neuen Verfassung von 1968, der Natur- und Tierschutz zur Aufgabe von Staat und Gesellschaft erklärte.116 Mit der Gründung des Beirates endete zugleich die Tätigkeit des privaten „Tierschutzvereins für Berlin und Umgebung“, da jener durch die Bildung des Beirates in den Augen der Staatsmacht nun nicht mehr notwendig war.117 Neben der „Wahrnehmung verfassungsrechtlicher Grundlagen“ wurde die Bildung des Beirates mit „der breitesten Forderung der Bürger zur Mitgestaltung des Tierschutzes in der Hauptstadt der DDR“ begründet. Ziel der
115 Der Berliner Tierparkdirektor Heinrich Dathe bezeichnete die Bildung des Beirates „als ein historisches Moment“ und betonte, „daß der Tierschutz bisher auf Vereinsebene beschränkt, nunmehr, unter staatlicher Leitung, in eine sinnvolle, feste und klare Hand genommen wird und als Modellfall gewertet werden kann.“ Protokoll: Bildung des Beirates für Tierschutz und Tierhygiene in der Hauptstadt der DDR – Berlin vom 21. 11. 1968, LAB C Rep. 112 – 02, Nr. 237, Bl. 6 – 7, hier Bl. 7. Die konstituierende Sitzung fand am 18. 11. 1968 statt, vgl. ebenda Bl. 6. Die Konstituierung lief (gewollt?) weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit ab. Die Neue Zeit erwähnt die Gründung in ganzen fünf Zeilen (vgl. Neue Zeit vom 28. 11. 1968, S. 8); das ND stellt den Beirat erst zwei Jahre nach der Konstituierung kurz vor (vgl. „Tiere unter ärztlicher Kontrolle“, in: ND vom 30. 09. 1970, S. 8). Zum Berliner Beirat vgl. auch Stock: Tierschutz, S. 117 f. 116 Präambel des Statutes des Beirates für Tierschutz und Tierhygiene der Hauptstadt der DDR – Berlin vom Juli 1969, LAB C Rep. 112 – 02, Nr. 237, Bl. 3 – 5, hier Bl. 3 Die Verfas sung vom 6. April 1968 (GBl. I, S. 199) war die erste „richtige“ sozialistische Verfassung, die den veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen gerecht werden sollte. Die alte Verfassung von 1949 stand noch stark in der Tradition der Weimarer Reichsverfassung von 1919, vgl. Otto, Wilfried: Verfassungsdebatte und Verfassung der DDR 1968. Ein Kernstück für relative Identifikationsmöglichkeiten und endgültigen Abbruch, in: Timmermann, Heiner (Hrsg.): Die DDR zwischen Mauerbau und Mauerfall, Münster (u. a.) 2003, S. 151 – 177. Zur DDR-Verfassungsgeschichte vgl. auch Mampel, Siegfried: Die sozialistische Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik, Kommentar, Goldbach 1996; Bonanini, Giandomenico: Neues zur sozialistischen Verfassung von 1968. Entstehungsgeschichte und das Problem der Grundrechte, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung (2005), S. 189 – 215; Friedrich, Thomas: Aspekte der Verfassungsentwicklung und der individuellen (Grund-)Rechte in der DDR, in: Kaeble/Kocka/Zwahr (Hrsg.): Sozial geschichte, S. 483 – 497. 117 Vgl. Schreiben der Volkspolizei Berlin an den Tierschutzverein Berlin und Umgebung vom 15. 11. 1968, C Rep. 112 – 02, Nr. 237, Bl. 2. Wann genau der Berliner Tierschutzverein aufgelöst wurde ist aus den Akten nicht ersichtlich. Laut eines Artikels der ND wurde der Verein erst 1972 „auf staatlichen Druck hin aufgelöst“, vgl. „Tierfreunde erneut vereint“, in: ND vom 25. 04. 1990, S. 12.
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Bildung war die „Erhöhung der Wirksamkeit des Tierschutzes“.118 Laut Statut hatte der Beirat zu diesem Zweck die Aufgabe, „alle Probleme des Tierschutzes und der Tierhygiene in der Hauptstadt auf breitester Grundlage zu erfassen, zu bearbeiten und verbindliche Vorschläge zu ihrer Lösung vorzulegen.“ 119 Konkret sollte sich der Beirat mit der „auf Leistung und Gesundheit ausgerichteten modernen Tierpflege und -haltung“ und dem „Schutz der Bevölkerung vor Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragbar sind“, beschäftigen. Hiermit einher ging die „Aufklärung und Erziehung der Bevölkerung zum Tierschutz und zur Tierhygiene, Pflege des Tierschutzgedankens in den Schulen, Pionierorganisa tionen, Jugendclubs usw.“. Mit dieser Aufgabe wurde die „Arbeitsgruppe ‚Öffent lichkeitsarbeit‘“ beauftragt, die sich vornehmlich auf die Herausgabe von Merkblättern und Broschüren über Zoonosen, Hunde-, Katzen- und Wellensittichhaltung, aber auch zum Umgang mit Luftdruckgewehren konzentrierte.120 Neben der aufklärerischen und erzieherischen Tätigkeit sollte der Beirat bei der Bearbeitung von Anzeigen und Hinweisen aus der Bevölkerung mitwirken.121 Die „operative“ Bearbeitung der Hinweise wurde dem Ost-Berliner Tierheim übertragen 122. Der Beirat selbst verfügte demzufolge über keinerlei exekutive Funktionen. Er war lediglich dazu berechtigt, „Empfehlungen, Anregungen und Vorschläge an staat liche Organe, Institutionen und gesellschaftliche Organisationen sowie Bürger zu geben und deren Einhaltung zu kontrollieren.“ 123 Andere Aufgaben des Beirates waren die Erteilung von Genehmigungen für Zoohandlungen, Hundesalons 118 Verfügung [Über die Bildung des Beirates für Tierschutz und Tierhygiene, A. L.] des Vorsitzenden des Rates für landwirtschaftliche Produktion und Nahrungsgüterwirtschaft Berlin vom 03. 10. 1968, LAB C Rep. 112 – 02, Nr. 237, Bl. 1. 119 § 1 des Statutes des Beirates für Tierschutz und Tierhygiene der Hauptstadt der DDR – Berlin vom Juli 1969, LAB C Rep. 112 – 02, Nr. 237, Bl. 3 – 5, hier Bl. 3. Die folgenden Zitate sind dem Statut entnommen. 120 Vgl. Protokoll über die Jahrestagung des Beirates für Tierschutz und Tierhygiene am 07. 12. 1971, LAB C Rep. 112 – 02, Nr. 237, Bl. 19 – 24, hier Bl. 21; Protokoll der Jahres- Abschlusstagung des BTT am 29. 12. 1972, LAB C Rep. 112 – 02, Nr. 237, Bl. 25 – 28, hier Bl. 27. Protokoll der Jahrestagung 1973 des BTT am 07. 02. 1974, LAB C Rep. 112 – 02, Nr. 237, Bl. 29 – 33, hier Bl. 30 und 32. Zur Öffentlichkeitsarbeit des Berliner Beirates vgl. auch Fritzenwanker: Großstadt, S. 183 f. Zur Öffentlichkeitsarbeit des Potsdamer Beirates vgl. Richter/Grünbaum: Schlußfolgerungen, S. 770. 121 Vgl. § 1 des Statutes des Beirates für Tierschutz und Tierhygiene der Hauptstadt der DDR – Berlin vom Juli 1969, LAB C Rep. 112 – 02, Nr. 237, Bl. 3 – 5, hier Bl. 3. Eine Auflistung der inhaltlichen Schwerpunkte der Eingaben zeigt, dass sich hauptsächlich über „Belästigungen“ durch Tiere beschwert wurde, vgl. Fritzenwanker: Großstadt, S. 184. 122 Protokoll der Jahrestagung 1973 des BTT am 07. 02. 1974, LAB C Rep. 112 – 02, Nr. 237, Bl. 29 – 33, hier Bl. 30. Detailliert zu den Aufgaben des Tierheims siehe Kapitel 2.3.3. 123 § 1 des Statutes des Beirates für Tierschutz und Tierhygiene der Hauptstadt der DDR – Berlin vom Juli 1969, LAB C Rep. 112 – 02, Nr. 237, Bl. 3 – 5, hier Bl. 4.
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und Veranstaltungen mit Tieren.124 Zum Aufgabengebiet des Beirates gehörte laut Statut auch die „Beratung der wissenschaftlichen Institute bei der Versuchstierhaltung und Durchführung von Tierversuchen“. Zu diesem Zweck wurde die Arbeitsgruppe „Versuchstiere“ beziehungsweise „Versuchstierkunde“ gegründet. Die AG setzte sich jedoch nicht für die Verbesserung des Tierschutzes ein, sondern befasste sich mit der Versorgung von Instituten mit ‚Versuchstieren‘, der Intensivierung von Tierversuchen und der Berufsqualifizierung.125 Der Beirat übernahm mit der „Pflege des Tierschutzgedankens“ sowie der Aufklärung und Kontrolle in Sachen Tierschutz zwar traditionelle Aufgaben der „alten“ Tierschutzvereine. Dennoch bestanden offensichtlich wesentliche Unterschiede in Form und Inhalt zwischen den Tierschutzvereinen „alter Prägung“ und der neuen, „sozialistischen“ Tierschutzorganisation. Erstens war beim Berliner Beirat war keine Beteiligung der BürgerInnen vorgesehen. Es stand weniger die Mitwirkung der Bevölkerung, sondern vielmehr deren Erziehung im Vordergrund. Zwar bildete die „Forderung der Bürger zur Mitgestaltung des Tierschutzes“ ein Gründungsmoment des Beirates und seinem Selbstverständnis nach war er ein „ehrenamtliches Gremium von sachkundigen Bürgern“ 126. Das Gremium bestand indes nur aus Fachpersonen und FunktionärInnen.127 Die anfangs angedachte Bildung von „Fördergemeinschaften“ zur Einbeziehung „aktiver Bürger“ 128 wurde s päter explizit abgelehnt, da „die ideelle Seite, die Pflege des Tierschutzgedankens, in hervorragender Weise vom Tierpark Berlin und dem Bezirksverband des KSK, gelöst wird“.129 Die Tierschutztätigkeit war damit nicht nur staatlich geleitet, sondern wurde vom Staat in ihrer Gesamtheit übernommen.130 Damit ging dem Tierschutz die öffentliche 124 Vgl. Wunderlich: Veterinärwesen, S. 229 f. 125 Vgl. Protokoll über die Jahrestagung des Beirates für Tierschutz und Tierhygiene am 07. 12. 1971, LAB C Rep. 112 – 02, Nr. 237, Bl. 19 – 24, hier Bl. 20; Protokoll der Jahrestagung 1973 des BTT am 07. 02. 1974, LAB C Rep. 112 – 02, Nr. 237, Bl. 29 – 33, hier Bl. 30. 126 Präambel des Statutes des Beirates für Tierschutz und Tierhygiene der Hauptstadt der DDR – Berlin vom Juli 1969, LAB C Rep. 112 – 02, Nr. 237, Bl. 3 – 5, hier Bl. 3. 127 1982 bestand der Beirat aus 13 Mitgliedern: der Verantwortliche für Naturschutz in B erlin; je ein Mitarbeiter der Volkspolizei und der Generalstaatsanwaltschaft; der Leiter des Bereiches Unterricht bei der Abt. Volksbildung des Magistrats von Berlin; der Berliner Tierparkdirektor; der Vorsitzende der Bezirkszuchtkommission für Rassehunde und Rassekatzen im VKSK; der Vorsitzende der Sektion Dienst- und Gebrauchshundewesen; ein Kreis- und ein Hygienearzt, der Leiter der Zentralen Versuchstierhaltung der Charité, der Tierheim-Leiter sowie der Sekretär des Beirates, vgl. Fritzenwanker: Großstadt, S. 182. 128 Protokoll: Bildung des Beirates für Tierschutz und Tierhygiene in der Hauptstadt der DDR – Berlin vom 21. 11. 1968, LAB C Rep. 112 – 02, Nr. 237, Bl. 6 – 7, hier Bl. 7. 129 Protokoll der 4. Arbeitsberatung des Beirates für Tierschutz und Tierhygiene am 02. 12. 1969, LAB C Rep. 112 – 02, Nr. 237, Bl. 8 – 10, hier Bl. 9. 130 Oder anders formuliert: „Gesetzliche Bestimmungen über Tierschutz und Tierhygiene werden ausschließlich vom Staat erlassen. Das verlangt, daß auch die Leitung und die Kontrolle des
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ontrolle verloren. Zweitens unterschied sich der Berliner Beirat von den ehemaK ligen Tierschutzvereinen darin, dass die Tierschutztätigkeit auf ein enges Feld eingegrenzt wurde und der Fokus auf der „Tierhygiene“ lag. Offiziell wurde von einer „gleichrangige[n] Behandlung von Tierschutz und Tierhygiene“ gesprochen, die damit begründet wurde, dass dies „eine Erfordernis der Praxis“ sei: „Unhygienische Stallungen und unhygienische Tierhaltung überhaupt können den Tatbestand der Tiermißhandlung oder auch der Tierquälerei erfüllen.“ 131 Augenscheinlich wurde mit der Einhaltung der hygienischen Bestimmungen weniger die Verhinderung von Tierleid oder Förderung ‚artgerechter‘ Tierhaltung verfolgt. Unter Tierschutz und Tierhygiene wurde allein der „richtige“, heißt „saubere und sichere“ Umgang mit Tieren verstanden, der eine Übertragung von Krankheiten und die Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit verhindern sollte.132 Tierschutz wurde folglich Teil der planmäßigen, staatlich organisierten Prophylaxe, die das Grundprinzip der Human- und Veterinärmedizin war.133 Die Tiergesundheit war nicht mehr länger Privatangelegenheit des Tierhalters, sondern staatliche Aufgabe. Mit dem Beirat hatte die Monopolpartei eine für sie zweckmäßige Form und inhaltliche Festlegung von Tierschutz gefunden. Das Tierschutz-Verständnis ist in diesem Fall besonders stark anthropozentrisch geprägt, da Tierschutz hier vor allem als Schutz der Menschen vor Tieren im urbanen Raum und als Vermittlung von Verhaltensnormen verstanden wurde. Fünf Jahre nach der Gründung des Beirates in der Hauptstadt der DDR wurde die „Anordnung über die Bildung, Aufgaben und Arbeitsweise der Beiräte für Tierschutz und Tierhygiene“ 134 verabschiedet, die 1973 die republikweite Bildung von Tierschutz-Beiräten ermöglichte. Die Verabschiedung der Anordnung stand im unmittelbaren Zusammenhang damaliger nationaler und internationaler Entwicklungen: 1970 verabschiedete die DDR das Landeskulturgesetz, das die Gestaltung der „sozialistischen Landeskultur“ regelte (siehe unten). Die Beiräte verstanden sich ihrerseits als „Bestandteil der gesamtgesellschaftlichen Maßnahmen zur Erhaltung, Pflege und Entwicklung der sozialistischen Landeskultur“.135 Auch die Zunahme von Eingaben aus der Bevölkerung in Sachen Tierschutz Tierschutzes in seinen Händen verbleiben muß.“ So der damalige Beiratsvorsitzende, zitiert nach Wunderlich: Veterinärwesen, S. 229. 131 Grabs: Tiere halten, S. 116 f. 132 So beteiligte sich der Beirat auch an der „Lösung der leidigen Katzenfrage und der Taubenplage“, Fritzenwanker: Großstadt, S. 183. 133 Vgl. Azar: Veterinärwesen, S. 378 f. 134 Anordnung vom 4. Juli 1973 über die Bildung, Aufgaben und Arbeitsweise der Beiräte für Tierschutz und Tierhygiene (GBl. I, Nr. 36, S. 382). Vgl. dazu auch Stock: Tierschutz, S. 114 – 117. 135 Fritzenwanker: Großstadt, S. 185.
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sowie die Ausweitung der ‚Heimtier‘-Haltung dürften zur Verabschiedung der Anordnung beigetragen haben.136 Die Anordnung fiel überdies in die Zeit, als die DDR-Staatsführung vermehrt Anstrengungen unternahm, international anerkannt zu werden und ihre Eigenständigkeit zu beweisen – beispielsweise durch ihre progressive Umweltpolitik. Aber auch in Sachen Tierschutz wollte die DDR ihre Fortschrittlichkeit zeigen und orientierte sich dabei wie so oft an der Bundesrepublik: Jene verabschiedete 1972 nicht nur ein neues Tierschutzgesetz, das das Reichstierschutzgesetz von 1933 ablöste.137 Darüber hinaus wurde im selben Jahr der „Beirat für Tierschutz“ durch den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einberufen.138 Die Anordnung zur Bildung von Tierschutz-Beiräten unterschied sich in wesentlichen Punkten von dem Statut des Berliner Beirates, gleichwohl das Berliner Statut Modell stand.139 Ein grundlegender Unterschied bestand darin, dass die Beiräte ausschließlich für die „individuelle“ Tierhaltung zuständig waren, also mit der „Einhaltung des Tierschutzes und der Tierhygiene in der Tierhaltung der Bürger.“ 140 Die Tierversuchskunde – ein Arbeitsfeld des Berliner Beirates – war damit tabu. Ausdrücklich wurde hervorgehoben, dass die Beiräte nicht für die Einhaltung des Tierschutzes innerhalb staatlicher beziehungsweise genossenschaftlicher Einrichtungen zuständig sind.141 Auf diese Weise wurde 136 Vgl. Busch: Tierschutz, S. 76. 137 Tierschutzgesetz vom 24. Juli 1972, BGBl. I, S. 1277. Die Erarbeitung eines neuen Tierschutzgesetzes wurde von der SED-Parteispitze allerdings erst Ende der Achtzigerjahre beschlossen, siehe unten. Zur Reform des westdeutschen Tierschutzgesetzes von 1972 (Hintergründe, Konzepte, Positionen und AkteurInnen) vgl. Gall, Philipp von: Tierschutz als Agrarpolitik. Wie das deutsche Tierschutzgesetz der industriellen Tierhaltung den Weg bereitete, Bielefeld 2016, hier v. a. S. 29 – 109. 138 Vgl. Knierim, Ute: Die Tierschutzgesetzgebung in Deutschland, in: Sambraus/Steiger (Hrsg.): Buch vom Tierschutz, S. 832 – 844, hier S. 832. 139 Vgl. Fritzenwanker: Großstadt, S. 182. 140 § 2 der Anordnung vom 4. Juli 1973 über die Bildung, Aufgaben und Arbeitsweise der Beiräte für Tierschutz und Tierhygiene. 141 Laut § 2 der Anordnung vom 4. Juli 1973 über die Bildung, Aufgaben und Arbeitsweise der Beiräte für Tierschutz und Tierhygiene waren alle Einrichtungen gemäß der Tierseuchenverordnung für die Beiräte tabu. Dem § 1 der Tierseuchenverordnung vom 11. August 1971 (GBl. II, S. 557) zufolge waren dies: „LPG, GPG, Produktionsgenossenschaften werktätiger Fischer, Produktionsgenossenschaften werktätiger Pelztierzüchter, Produktionsgenossenschaften werktätiger Zierfischzüchter, VEG, kooperative[…] Einrichtungen und andere[…] zwischenbetriebliche Einrichtungen, Betriebe und Einrichtungen der industriemäßigen Tierproduktion, volkseigene Gestüte und Rennbetriebe, Betriebe der Be- und Verarbeitung tierischer Produkte und Rohstoffe, der Kühl- und Lagerwirtschaft, des Transportwesens, des Handels und sonstigen Betrieben und Einrichtungen sowie der Organisationen und der Bürger […].“ Weiterhin gehörte die Tierhaltung in den Bereichen des MdI, des Ministerium
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die Tierschutztätigkeit auf ein eingegrenztes Tätigkeitsfeld beschränkt und aus zahlreichen anderen Bereichen ferngehalten, „um dort den Produktionsablauf nicht zu stören“ 142, wie es ein ehemaliges Beiratsmitglied formulierte. Die Beiräte sollten sich auf die „Durchsetzung hygienischer Verhältnisse in der Tierhaltung der Bürger“ 143 in städtischen Ballungszentren konzentrieren. Sie dienten zunächst der „Popularisierung einer ordnungsgemäßen Tierhaltung, -fütterung, -pflege und -hygiene“ 144. Ferner sollten sie „bei der Durchsetzung seuchenprophylaktischer Maßnahmen“ mitwirken. Hierzu gehörte die „Aufklärung der Bevölkerung“ über Tierkrankheiten, Parasitosen sowie über auf Menschen übertragbare Erkrankungen. Ein wesentlicher Unterschied zum Berliner Beirat war die Möglichkeit der BürgerInnen-Beteiligung. Die Leitung mussten allerdings immer TierärztInnen übernehmen.145 Wie der Berliner Beirat besaßen die Tierschutz-Beiräte keinerlei exekutive Befugnisse. Die leitenden VeterinärInnen konnten bei Tierschutz-Verstößen lediglich die zuständigen Fach- und Staatsorgane informieren und erforderliche Maßnahmen anweisen 146, was eine schnelle und kurzfristige Reaktion unmöglich machte.147 Zudem hing die Intensität der Tierschutzaktivität des jeweiligen Beirates sehr vom persönlichen Interesse der Leitung ab.148 Allein die ehrenamtlichen BürgerInnen („Tierschutzbeauftragte“) für Nationale Verteidigung und des MfS nicht zum Zuständigkeitsbereich der Beiräte. Die Anordnung über die Beiräte wurde auf Grundlage des § 17 der Tierseuchenverordnung verabschiedet, vgl. Händel, Ursula M.: Tierschutz – in der DDR noch ein Fremdwort, in: Der Praktische Tierarzt 71 (1990), S. 48 – 50, hier S. 49. 142 Lohfink: Vorpommern, S. 149. In einem Beispiel aus dem Jahr 1986 setzte sich Lohfink über die Vorschriften hinweg und engagierte sich mit Erfolg für die bessere Futterversorgung von Jungrindern in einer LPG im Kreis Greifswald. Dies hatte scharfe Maßregelungen zur Folge, denn: „Ich hatte nämlich einen Fuß in eine LPG gesetzt, was mir als Tierschützerin verboten war.“ Der Hinweis, dass der (Hunger-)Tod „von 206 zukünftigen Milchkühen […] der Gesellschaft einen Verlust von mindestens einer Million Mark bedeutet“ hätte, hatte ihren Sitz im Beirat gerettet, ebenda, S. 159 ff. 143 Richter/Grünbaum: Schlußfolgerungen, S. 768. 144 § 2 der Anordnung vom 4. Juli 1973 über die Bildung, Aufgaben und Arbeitsweise der Beiräte für Tierschutz und Tierhygiene. Folgende Zitate im Text sind dem Dokument entnommen. 145 Die Beiräte setzten sich weiterhin aus MitarbeiterInnen der örtlichen Räte, des Gesundheits- und Veterinärwesens und des VKSK zusammen. Weitere Mitglieder konnten VertreterInnen des Jagdwesens, des Naturschutzes, der Zoologie und Pädagogik sein, vgl. § 3 der Anordnung vom 4. Juli 1973 über die Bildung, Aufgaben und Arbeitsweise der Beiräte für Tierschutz und Tierhygiene. Ein Mitglieder-Ausweises ist bei Stock: Tierschutz, S. 117 abgebildet. 146 § 4 der Anordnung vom 4. Juli 1973 über die Bildung, Aufgaben und Arbeitsweise der Beiräte für Tierschutz und Tierhygiene. 147 Vgl. Richter/Grünbaum: Schlußfolgerungen, S. 769. 148 Vgl. Stock: Tierschutz, S. 119 und S. 139 f.
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waren aktiv im Tierschutz engagiert.149 Trotz der Tatsache, dass das Hauptaugenmerk der Beiräte auf prophylaktischen Maßnahmen und Aufklärung lag, stellte die Anordnung in einem Punkt eine grundlegende Erneuerung dar: Die Bildung von Beiräten ermöglichte erstmals (theoretisch) den Schutz von ‚Heimtieren‘, wohingegen die Tierschutzbestimmungen in den einzelnen Rahmengesetzen stets den Schutz von ‚Nutz‘- und ‚Zuchttieren‘ regelten, wie im weiteren Verlauf gezeigt wird. Nichtsdestotrotz blieben die Beiräte für Tierschutz und Tierhygiene ein Instrument des SED-Staates, die als staatliches Ersatzangebot für die verbotenen Tierschutzvereine fungierten und mit deren Hilfe er ökonomische und gesundheitspolitische Interessen bis in den privaten Lebensbereich ausdehnte.150 Außerdem blieb die Bedeutung der Beiräte für den Tierschutz marginal, weil sie schlicht nicht bekannt waren, wie selbst im Tierschutz engagierte BürgerInnen bestätigen.151 Weiterhin blieben die Beiräte freiwillig, bedurften überdies einer Genehmigung 152 und waren in ihrer Organisa tionsform uneinheitlich.153 Die seinerzeit noch bestehenden Tierschutzvereine wurden in der Regel in die Beiräte integriert.154 Mit der Anordnung zur Bildung der Beiräte konnte das SED-Regime das seit Jahrzehnten ungelöste Problem der Neuorganisation des Tierschutzes abschließend lösen und den Tierschutz auf diese Weise sowohl unter staatliche Leitung stellen als auch ideologisch einbetten und für ihre Zwecke instrumentalisieren. Die Zweckbestimmung der 149 So wie beispielsweise Ingeborg Lohfink, die ihre Tierschutz-Arbeit zu DDR-Zeiten in der Presse dokumentierte und ihre Erinnerungen niederschrieb: Lohfink: Vorpommern; dies.: Pommernbuch (mit einer Auflistung ihrer Presseartikel, S. 183 – 189). Zu den „Ehrenamt lichen“ vgl. auch Stock: Tierschutz, S. 116. 150 Das bestätigt auch Händel: Fremdwort, S. 49. 151 Vgl. Interview mit der Tierschützerin Renate Wesselhöfft vom 02. 04. 2014 und weitere ZeitzeugInnen laut Stock: Tierschutz, S. 116 und S. 118. 152 § 1 der Anordnung vom 4. Juli 1973 über die Bildung, Aufgaben und Arbeitsweise der Beiräte für Tierschutz und Tierhygiene. 153 Die unterschiedliche Arbeitsweise und Organisation der Beiräte gewährleistete weder ein einheitliches Vorgehen noch eine normative Beurteilung von Verstößen gegen den Tierschutz, vgl. Richter/Grünbaum: Schlußfolgerungen, S. 771. 154 Vgl. Burckhardt, Arnulf: Zur Übernahme der Tierschutzgesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland für das Gebiet der ehemaligen DDR, in: Der Praktische Tierarzt 71 (1990), S. 12 – 15, hier S. 14; Interview mit Schindler (ehemaliger Kreistierarzt von Strausberg und ab 1986 Leiter des Berliner Beirates für Tierschutz und Tierhygiene), in: „Tier als Mitgeschöpfe. Tierschutzgesetz“, in: Deine Gesundheit 6 (1991), S. 26 – 29, hier S. 27. In der Anordnung selbst gibt es keinen Paragraphen, der die Auflösung oder Integration der „alten“ Tierschutzvereine anordnete. Es kann aber vermutet werden, dass die verantwortlichen Staatsorgane ähnlich verfahren sind wie in Berlin, wo der ansässige Tierschutzverein aufgelöst wurde (vgl. Schreiben der Volkspolizei Berlin an den Tierschutzvereins Berlin und Umgebung vom 15. 11. 1968, C Rep. 112 – 02, Nr. 237, Bl. 2).
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Beiräte zeigte, dass sich das Tierschutz-Verständnis in der DDR seit den Fünfzigerjahren kaum gewandelt hatte. Nach wie vor war Tierschutz anthropozentrisch motiviert und wurde als Schutz und Förderung der Volkswirtschaft und -gesundheit betrachtet. Diese Auslegung des Tierschutzes findet sich auch in der tierschutzrelevanten Gesetzgebung der DDR wieder.
4.3 Gesetzlicher Natur- und Tierschutz in der DDR In den Rechtsnormen eines Staates spiegeln sich seine Wert- und Moralvorstellung wider. Dabei handelt es sich bei Rechtstexten nicht um ein Abbild der historischen Realität, denn sie sind rein normative Quellen.155 Diese Problematik betraf insbesondere die rechtliche Situation in der DDR, in der sich in unverkennbarer Weise das systemimmanente Problem des SED-Staates ausdrückte, dessen Kern im Zwiespalt zwischen politischem Anspruch und gesellschaftlicher Lebenswirklichkeit lag. Das gesamte Rechtssystem – Rechtstheorie, Rechtspolitik und Rechtsprechung – unterlag dem Führungsanspruch der SED.156 Durch die enge Bindung des Rechts an Staat und Staatsideologie können anhand von Rechtstexten Vorstellungen darüber rekonstruiert werden, inwiefern tierliches Leben schützenswert war. Schon das Vorhanden- beziehungsweise Nichtvorhandensein von bestimmten Sachbezügen gibt Aufschluss über deren Wertigkeit. So gab es in der DDR eine umfangreiche Naturschutzgesetzgebung, jedoch keine geschlossene Tierschutzgesetzgebung (das noch gültige Reichstierschutzgesetz stellte kein sozialistisches Recht dar). Die Zweckbestimmung des gesetzlichen Tierschutzes muss im Falle der DDR demzufolge immer den jeweiligen Einzelbestimmungen entnommen werden. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass im Gegensatz zum Naturschutz beim Tierschutz meist der Schutz von Einzeltieren und nicht die ganze Population einer Art im Vordergrund steht (Artenschutz).157 Weiterhin wird davon ausgegangen, dass der Mensch Naturschutz um seiner selbst willen betreibt (Erhaltung der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage), während beim Tierschutz das (Einzel-)Tier im Fokus 155 Zur Rechtswissenschaft aus Perspektive der HAS vgl. Michel, Margot/Stucki, Saskia: Rechtswissenschaft. Vom Recht über Tiere zu den Legal Animal Studies, in: Spannring (u. a.) (Hrsg.): Disziplinierte Tiere, S. 229 – 255. 156 Vgl. Dilcher, Gerhard: Politische Ideologie und Rechtstheorie, Rechtspolitik und Rechtswissenschaft, in: ders. (Hrsg.): Rechtserfahrung DDR. Sozialistische Modernisierung oder Entrechtlichung der Gesellschaft?, Berlin 1997, S. 15 – 32. Zum Rechtsverständnis in der DDR vgl. Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Philosophie, S. v. „Recht“, S. 444 f. 157 Vgl. Sambraus: Grundbegriffe, S. 30.
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steht.158 Im Verständnis der DDR-Ideologen wurde diese Trennung stets sehr stark hervorgehoben, insbesondere wenn es darum ging, den Tierschutz aus der Naturschutzgesetzgebung auszuschließen.159
4.3.1 Naturschutzgesetzgebung „Andere Dimensionen in der Landnutzung verlangen auch andere Formen des Naturschutzes.“ 160
Entgegen der landläufigen Wahrnehmung war die DDR im Naturschutz verhältnismäßig stark engagiert – wenngleich sie den traditionellen Begriff des Naturschutzes neu interpretierte, ideologisch vereinnahmte und in gezielte Bahnen lenkte. Außerdem durfte der Naturschutz nie wirtschaftlichen Interessen im Weg stehen, weswegen die vielen, progressiven Rechtstexte keineswegs immer umgesetzt wurden. Früher als die Bundesrepublik erließ die DDR-Staatsführung ein Naturschutzgesetz (1954)161, betrieb dahingehende Forschung und Politikberatung 162 und verfügte über mehrere Tausend ehrenamtliche Naturschutzbeauftragte.163 158 Vgl. ebenda. 159 Als Beispiel sei hier der Direktor des Rostocker Zoos zitiert, der konstatiert, dass das „Verhältnis zu den freilebenden Tieren […] durch das Naturschutzgesetz und durch das Jagdgesetz geregelt“ wird, wohingegen das „Verhältnis zu den Tieren, die wir als Haustiere gezüchtet haben und halten oder die wir als gefangene Wildtiere in unsern Gewahrsam bringen“, von der Tierschutzgesetzgebung geregelt wird. Schreiben des Direktors des Zoos Rostock, Prof. Dr. Seifert an das Bundessekretariat des Deutschen Kulturbundes, betr. Tierschutzfragen, vom 14. 09. 1963, SAPMO BArch DY 27/10883, unpag. Vgl. dazu auch die Debatten um die Eingliederung des Tierschutzes in den Kulturbund. 160 Weinitschke: Naturschutz, S. 101. 161 Gesetz zur Erhaltung und Pflege der heimatlichen Natur (Naturschutzgesetz) vom 4. August 1954 (GBl. I, S. 695). Zur Erhöhung und Verbesserung der Ernteerträge wurde ein Jahr zuvor schon das Gesetz zum Schutz der Kultur- und Nutzpflanzen vom 25. November 1953 (GBl. I, S. 1179) verabschiedet. In der Bundesrepublik wurde erst über 20 Jahre später eine erste Naturschutzgesetzgebung (Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz) vom 20. Dezember 1976 (BGBl. I, S. 3573) vorgelegt. 162 1953 wurde das Institut für Landschaftsforschung und Naturschutz gegründet. Dort wurde 1956 auch ein „Arbeitskreis zum Schutze der vom Aussterben bedrohten Arten“ aufgebaut, vgl. dazu der ehemalige Direktor Weinitschke, Hugo: Das Institut für Landwirtschaftsforschung und Naturschutz (ILN), in: Auster, Regine/Behrens, Hermann (Hrsg.): Naturschutz in den Neuen Bundesländern – ein Rückblick, 2. Aufl., Berlin 2001, S. 307 – 324. Zur wirtschaftlichen Bedeutung des Umweltschutzes vgl. auch Ötken, Rita: Die Bedeutung des Umweltschutzes für die Wirtschaft der DDR, Berlin (West) 1986. 163 Die ehrenamtlichen Naturschutzbeauftragten wurden von freiwilligen Naturschutzhel ferInnen aus der Bevölkerung unterstützt. Ende der Achtzigerjahre gab es rund 12.000
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Die DDR schuf sich dabei ihr eigenes Konzept von „Naturschutz“. Zunächst ersetzte sie den Begriff Naturschutz durch denjenigen der „Landeskultur“.164 Dementsprechend hieß das erste, umfassende Naturschutzgesetz der DDR auch „Landeskulturgesetz“ 165. Im Gegensatz zum Naturschutz-Begriff, der menschliche Eingriffe weitestgehend ausschließt, ermöglichte der neue Begriff die „immer stärkere Inanspruchnahme der Naturschätze und Naturreichtümer.“ 166 Dieser Ansicht lag die Überzeugung zugrunde, dass „auch die Natur und die Landschaft nichts Unveränderliches sind, daß sie durch die Wirtschaft des Menschen Wandlungen erfährt [sic!].“ 167 Demzufolge könne „unsere Aufgabe nicht allein im Schutz der Natur bestehen, was lediglich die Erhaltung der bestehenden natürlichen Umwelt des Menschen bedeuten würde, sondern es geht um die gesellschaftlich determinierte bewußte Gestaltung einer menschenfreundlichen Umwelt.“ 168 Das Landeskulturgesetz stellte somit eine Anpassung an die durch die Intensivierung der Industrie und Landwirtschaft veränderten Verhältnisse dar. Die Formel „Schutz der Natur und ihre Nutzung – eine Einheit“ 169 wurde Naturschutzbeauftragte und -helferInnen in der DDR, vgl. Bürger, Manfred: Geschützte heimische Tiere, Leipzig/Jena/Berlin 1988, S. 10 f. Den NaturschutzhelferInnen war es gestattet, die „Personalien von Naturfrevlern“ aufzunehmen, vgl. Freude, Matthias: Pflanzen, Tiere und Naturschutz, Berlin (Ost) 1982, S. 77. Vgl. auch §§ 5 und 6 der Ersten DV zum Landeskulturgesetz – Schutz und Pflege der Pflanzen- und Tierwelt und der landwirtschaftlichen Schönheiten (Naturschutzverordnung) vom 14. Mai 1970 (GBl. II, S. 331). Zum Naturschutz in der frühen DDR vgl. auch Behrens, Hermann: Die ersten Jahre – Naturschutz und Landschaftspflege in der SBZ/DDR von 1945 bis Anfang der 60erJahre, in: Auster/Behrens (Hrsg.): Naturschutz, S. 15 – 86; Knoth, Nikola: „Blümeli pflücken und Störche zählen …?“ – Der „andere“ deutsche Naturschutz: Wurzeln, Ideen und Träger des frühen DDR-Naturschutzes, in: Frese, Matthias/ Prinz, Michael (Hrsg.): Politische Zäsuren und gesellschaftlicher Wandel im 20. Jahrhundert, Paderborn 1996, S. 439 – 463. Zur schulischen Vermittlung des Naturschutzes vgl. Schneider, Annette: „Schützt die Natur …“. Die Themen Natur- und Umweltschutz in der Schulbildung der DDR, in: Brednich/dies./Werner (Hrsg.): Natur – Kultur, S. 365 – 374. 164 Vgl. Weinitschke: Naturschutz, S. 72 f. 165 Gesetz über die planmäßige Gestaltung der sozialistischen Landeskultur in der Deutschen Demokratischen Republik (Landeskulturgesetz) vom 14. Mai 1970 (GBl. I, S. 67). Zielsetzung des Gesetzes war die „Erhaltung, Verbesserung und effektive[…] Nutzung der natürlichen Lebens- und Produktionsgrundlagen der Gesellschaft“ und einen Beitrag „zur Verschönerung der sozialistischen Heimat“ zu leisten (§ 1). 166 Weinitschke: Naturschutz, S. 73. Auch Löther betont, dass Naturschutz „nicht deshalb, weil organisches Leben an sich einen Wert darstellt“ betrieben wird, sondern der „Mensch ist vielmehr moralisch verantwortlich, weil die Beziehungen des Menschen zur Natur sich auf ihn selbst auswirken“, Löther: Naturbeherrschung, S. 284. 167 Weinitschke: Naturschutz, S. 73. Vgl. dazu auch Löther: Naturbeherrschung, S. 277 f. 168 Hörz, Herbert: Mensch contra Materie? Standpunkte des dialektischen Materialismus zur Bedeutung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse für den Menschen, Berlin (Ost) 1976, S. 56. 169 Richter/Hörig: Naturschutz und Jagd, S. 10.
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so zum L eitgedanken des DDR-Naturschutzes und fand im Landeskulturgesetz seinen Ausdruck insofern, als dass die „rationelle Nutzung“ der Umwelt dem Schutz vorangestellt wurde (formal und faktisch).170 Mit dem Landeskulturgesetz besaß die DDR zu jenem Zeitpunkt als zweites europäisches Land nach Schweden ein umfassendes Umweltgesetz.171 Seit den Siebzigerjahren bemühte sich der SED-Staat mithilfe seiner Umweltpolitik 172 vor allem um internationale Anerkennung 173 – weniger um Natur- und Umweltschutz. Das Landeskulturgesetz war ein Rahmengesetz und regelte dementsprechend keine spezifischen Einzelheiten. Konkrete Aussagen zum Schutz von Tieren wurden erstmalig in die „Naturschutzverordnung“ 174 aufgenommen. Die Schutzbedürftigkeit jener Tiere ergab sich „aus ihrem Nutzen für die Volkswirtschaft, ihrer Seltenheit und ihrem Wert für die Forschung und Lehre“ oder wenn „deren Art vom Aussterben bedroht ist“.175 Einigen Unmut erregten die 170 So heißt zum Beispiel der Abschnitt III des Landeskulturgesetzes „Nutzung und Schutz des Bodens“, Abschnitt IV „Nutzung und Schutz der Wälder“ und Abschnitt V „Nutzung und Schutz der Gewässer“. Weiterhin bestätigte § 3 den Vorrang für „gesamtgesellschaft liche Interessen“, sprich ökonomische Belange. 171 Vgl. Dix/Gudermann: Naturschutz in der DDR, S. 570. Zum Landeskulturgesetz vgl. auch Huff: Umweltgeschichte, S. 171 – 177. 172 Dazu gehörte neben dem Landeskulturgesetz etwa die Einrichtung des Ministeriums für Umweltschutz und Wasserwirtschaft (1972) und des Staatlichen Amtes für Atomsicherheit und Strahlenschutz (1973); die Mitgliedschaft in der Welt-Naturschutzunion IUCN (1965), in der HELCOM zum Schutze der Ostsee (1974) oder die Beteiligung am Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) (1975) und weitere internationale Vereinbarungen. Insgesamt schloss die DDR 87 internationale Verträge, Vereinbarungen und Abkommen im Bereich Naturschutz und Wasserwirtschaft ab, vgl. Schwenk, Herbert: „Wir werden es erleben …“ Gesellschaftswissenschaftliche Umweltliteratur in der DDR 1970 bis 1990. Versuch einer kritischen Bilanz, Berlin 1993, S. 97. Literaturangaben zur DDR-Umweltpolitik siehe oben, Einleitung, Anm. 58. 173 Vgl. dazu Dix/Gudermann: Naturschutz in der DDR, S. 578 – 590. Außerdem wurde die Umweltpolitik im Bereich der Wirtschaftspolitik und als Teil der Herrschaftslegitimation benutzt, Huff: Umweltgeschichte, S. 250 f. 174 Erste DV zum Landeskulturgesetz – Schutz und Pflege der Pflanzen- und Tierwelt und der landwirtschaftlichen Schönheiten (Naturschutzverordnung) vom 14. Mai 1970 (GBl. II, S. 331). Die einzelnen Tierarten wurden in der Anordnung zum Schutz von wild wachsenden Pflanzen und nichtjagdbaren wild lebenden Tieren vom 6. Juli 1970 (GBl. II, S. 479) aufgelistet. Zur Naturschutzverordnung vgl. auch Stock: Tierschutz, S. 83. 175 § 14 Erste DV zum Landeskulturgesetz – Schutz und Pflege der Pflanzen- und Tierwelt und der landwirtschaftlichen Schönheiten (Naturschutzverordnung) vom 14. Mai 1970. Der Paragraph enthält auch die Schutzmaßnahmen vor direkten und indirekten Eingriffen des Menschen. Der letzte Absatz räumte eine großzügige Ausnahmeregelung ein: für Schutzmaßnahmen konnten, „[s]ofern es aus volkswirtschaftlichen, wissenschaftlichen oder anderen Gründen erforderlich ist“, Ausnahmegenehmigungen zugelassen werden. Der dafür verantwortliche Vorsitzende des Rates für landwirtschaftliche Produktion und
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ogelschutzbestimmungen, die das Einfangen und Töten von Katzen während V der Brutzeit erlaubten.176 Im Jahr 1984 wurde eine neue Artenschutzbestimmung erlassen, die weit über 130 Tierarten unter Schutz stellte.177 Insgesamt betrachtet stellten die Schutzbestimmungen durchaus fortschrittliche Regelungen dar, die sich am internationalen Standard orientierten. Damit verfügte die DDR theoretisch über einen sehr guten gesetzlichen Artenschutz.178 Allerdings handelte es sich, wie erwähnt, um reine Normative, die nicht mit der historischen Wirk lichkeit identisch waren. Weiterhin besaßen die Naturschutzbestimmungen einen überaus starken anthropozentrischen Charakter, denn der Schutz der „Vielfalt und der Schönheit der Natur“ und die Mehrung des „Reichtums der Natur“ unterlagen grundsätzlich volkswirtschaftlichen Interessen. Tiere (und Pflanzen) wurden nicht um ihrer selbst willen geschützt, sondern aufgrund ihrer potentiellen volkswirtschaftlichen Nützlichkeit. Die Ausrottung von Tieren stellte lediglich eine Beraubung möglicher Ressourcen dar.179 Das Credo lautete: „Naturschutz für den Menschen, um des Menschen willen!“ 180
Nahrungsgüterwirtschaft „kann die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen den Räten der Bezirke übertragen“, was eine zusätzliche Ausweitung der Ausnahmefälle erwirkte. 176 Vgl. dazu die Eingaben aus den Fünfzigerjahren in BArch DK 1/4441 – 4443 (seinerzeit galten die Vogelschutzbestimmungen nach § 4 Erste DB zum Gesetz zur Erhaltung und Pflege der heimatlichen Natur – Naturschutzgesetz – vom 15. Februar 1955 (GBl. I, S. 165)) und die Eingaben Ende der Achtzigerjahre in BArch DK 1/28455. 177 Erste DB zur Naturschutzverordnung – Schutz von Pflanzen- und Tierarten – (Artenschutzbestimmung) vom 1. Oktober 1984 (GBl. I, S.381). Die Artenschutzbestimmung unterschied sich vom Vorgänger vor allem durch die Einführung von „Schutzkategorien“ und der erheb lichen Erweiterung vom Aussterben bedrohter Arten. Pflanzen- und Tierarten wurden entsprechend ihrer „unterschiedlichen Schutzbedürftigkeit“ den jeweiligen Schutzkategorien zugeordnet, die sich an den Gefährdungsstufen der IUCN orientierten, deren Mitglied die DDR seit 1965 war, vgl. oben Anm. 172. 178 Die DDR verfügte obendrein über zahlreiche Natur- und Landschaftsschutzgebiete, Flächen natur- und Naturdenkmale. Die geschützten Landstriche galten deswegen nicht umsonst als das „Tafelsilber der deutschen Einheit“, vgl. dazu Jeschke, Lebrecht/Knapp, Hans Dieter/ Succow, Michael/Wegener, Uwe: 20 Jahre Nationalparks in Ostdeutschland – ein Erfolgsmodell, in: Nationalpark 149 (2010), S. 10 – 16. Außerdem stellten die durch die Einrichtung der riesigen Agrarflächen für den Einsatz von Großmaschinen entstanden Rest- und Splitterflächen, die mit den Maschinen nicht rationell nutzbar waren und dadurch zumeist brach lagen, wertvolle Rückzugsorte dar, vgl. Hohmann, Karl: Die Industrialisierung der Landwirtschaft und ihre Auswirkungen auf die Umwelt in der DDR, in: Haendcke-Hoppe, Maria/Merkel, Konrad (Hrsg.): Umweltschutz in beiden Teilen Deutschlands, Berlin (West) 1986, S. 41 – 67, hier S. 46 f. 179 Vgl. Weinitschke: Naturschutz, S. 87. „Ein Beispiel dafür ist die Seekuh, die erfolgreich hätte domestiziert und als Fleischlieferant genutzt werden können.“ Ebenda. 180 Peters: Mensch und Tierwelt, S. 20.
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Die Jagd gehört dem Volke – Das Jagdgesetz von 1984 Im selben Jahr der Verabschiedung der Artenschutzbestimmung wurde ergänzend das neue Jagdgesetz 181 verabschiedet, denn Naturschutz und Jagd bildeten im Verständnis der DDR eine Einheit.182 Die Jagd stellt den Sozialismus vor ein Problem: als ehemaliges Privileg der ‚oberen‘ Klassen und Ausdruck von asymme trischen Machtverhältnissen und feudaler Dekadenz passte es im Grunde nicht in das sozialistische Weltbild. An eine Abschaffung war allerdings weder aus ökonomischer, ökologischer noch aus politischer Sicht zu denken. Die Lösung lag zum wiederholten Male in der Anpassung nonkonformer Ideologien und Praktiken an den Sozialismus. Das „sozialistische Jagdwesen“ diente nun volkswirtschaft lichen Aufgaben, wie der Versorgung der Bevölkerung mit Wildfleisch und der Industrie mit Rohstoffen, der Minderung von Wildschäden und der Erhaltung eines gesunden Wildtierbestandes. Folgerichtig wurde ‚das Wild‘ kurzerhand in Volkseigentum umgewandelt. Weiterhin trennte das Gesetz erstmals das Recht der Jagdausübung vom Besitz und Boden und übertrug es ebenfalls auf das Volk. Die Bewirtschaftung der Jagdgebiete wurde zur Staatsaufgabe erklärt.183 Die Staatsjagden mit internationaler Politikprominenz spiegelten indessen weiterhin die alten Traditionen der privilegierten aristokratischen Jagd wider und dienten der politischen Repräsentation.184 Den Tierschutz betreffend war neben Schonzeiten vor allem der § 28 des Jagdgesetzes relevant, der das Aufstellen von Schlingen, das Schießen mit Schrot und den Einsatz von chemischen Mitteln und künstlichen Lichtquellen verbat. Weiterhin durfte nicht an Fütterungsplätzen geschossen werden und auch das Jagen in der Nacht (Drück- und Treibjagd) war verboten. Diesen Schutzmaßnahmen stand jedoch die Regelung gegenüber, die ohne Genehmigung 181 Gesetz über das Jagdwesen der Deutschen Demokratischen Republik ( Jagdgesetz) vom 15. Juni 1984 (GBl. I, S. 21). Die Dritte DB zum Jagdgesetz – Jagdbare Tiere sowie Jagd- und Schonzeiten – vom 15. Juni 1984 (GBl. I, S. 229) regelte das Jagen von ‚jagdbaren‘ Tieren. Zum Jagdgesetz vgl. auch Stock: Tierschutz, S. 82. 182 Vgl. Stubbe, Christian: Jagd- und Naturschutz, in: ders. (Hrsg.): Jagd in der DDR, S. 273 – 282, hier S. 273. Vgl. dazu auch Richter/Hörig: Naturschutz und Jagd, S. 75 ff. Zu gegenläufigen Naturkonzepten von NaturschützerInnen und JägerInnen vgl. Schriewer, Klaus: Gegenläufige Naturkonzepte. Über die Naturbegriffe in Jagd und Naturschutz, in: Brednich/Schneider/ Werner (Hrsg.): Natur – Kultur, S. 333 – 346. 183 Vgl. Präambel, §§ 2 und 3 des Jagdgesetzes vom 15. Juni 1984. 184 Wie wichtig die Staatsjagden für die SED-Funktionäre waren, zeigte das Beispiel, wo der Leiter der VEG (P) Hohen Wangelin (Bezirk Neubrandenburg) über extreme Wildschäden klagte, eine Dezimierung des ‚Wildes‘ aber nicht infrage kam, weil es für die Jagd verfügbar sein sollte. Fruchtfolgen mussten mit den Staatsjagdbehörden abgestimmt und über landwirtschaftliche Arbeitsgänge vor der Jagd informiert werden (im Beispiel kam es zu einer „Gülleaffaire“), vgl. Krenz: Notizen, S. 135 f.
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und jederzeit erlaubte, auf eingezäunten Grundstücken bestimmte Tierarten zu fangen und zu töten.185 Damit war die Fangjagd, also das Jagen mit Fallen (ohne Waffen)186 allen BürgerInnen erlaubt, die über ein dementsprechendes Grundstück verfügten. So konnte für den „Hobbyjäger“ der Schrebergarten zum persönlichen „Fangparadies“ 187 werden. Die Fangjagd war ein lukratives Geschäft und wurde dementsprechend gefördert: Die FängerInnen, die das erlegte Tier beim staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb abgeben mussten, erhielten eine festgelegte Fangprämie und der Staat konnte die Pelze („Rauchwerk“) devisenbringend ins westliche Ausland verkaufen.188 Die Ausweitung der Jagdbefugnis durch die Fangjagd bedeutete nicht nur, dass mehr Tiere getötet werden konnten. Sie hatte zugleich den massiven Einsatz von Fallen zu Folge, die für Tiere besonders qualvoll sind.189 Des Weiteren erlaubte das sozialistische Jagdrecht ganzjährig streunende Hunde und Katzen zu jagen und belohnte das Vorgehen mit vier Mark für einen abgelieferten Hund und sechs Mark für eine Katze. Für einen Winterfuchs gab es beispielsweise 50 Mark.190 Insbesondere diese Beispiele zeigen das v olkswirtschaftliche Interesse 185 Dazu gehörten Wildkaninchen, Marder, Minke, Große Wiesel, Iltisse, Füchse, Marderhunde, Waschbären, Krähen, Elstern, Eichelhäher und jagdbare Möwen. Die getöteten Tiere mussten beim staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb abgegeben werden (§ 26 des Jagdgesetzes vom 15. Juni 1984). 186 Das Jagen mit der Waffe war in der DDR nur JägerInnen erlaubt. Der Großteil der JägerInnen besaß allerdings keine eigene Waffe, denn diese waren Staatseigentum. Sie mussten die Waffen bei den örtlichen Polizeidienststellen für jede einzelne Jagd entleihen. Diese Maßnahme ging auf das immense Sicherheitsbedürfnis des Staates zurück, vgl. Prüger, Bernd: Jagdwaffen und Munition, in: Stubbe (Hrsg.): Jagd in der DDR, S. 185 – 192, hier S. 185. 187 Vgl. Fischer, Jörg: Fangjagd in der ehemaligen DDR, in: Der Anblick 12 (2009), S. 48 – 51, hier S. 49. 188 Vgl. Anordnung über die Gewinnung von Rauchwerk von Haarraubwild und Katzen vom 30. September 1976 (GBl. I, S. 477), ergänzt durch die Anordnung Nr. 2 über die Gewinnung von Rauchwerk von Haarraubwild und Katzen vom 24. Februar 1986 (GBl. I, S. 90). Auch der „Lebendfang“ war möglich, weil nicht gesetzlich geregelt. Beim „Hasenlebendfang“ wurden Feldhasen mithilfe von Netzen lebend gefangen und nach Frankreich und in die Bundesrepublik exportiert, vgl. Köpp: Von Tieren, S. 132 f. 189 Gesetzlich zur Verwendung erlaubt waren Kastenfallen, Röhrenfallen, Quetsch- und Prügel fallen, Hundefänge, Habichtskörbe und -fänge sowie Tellereisen von einer Bügelgröße (Radius) bis 15 cm (vgl. Anweisung über die Verwendung von Fallen und Fängen durch Mitglieder der Jagdgesellschaften in den Jagdgebieten der DDR vom 23. Mai 1966). Die Fallen töteten die Tiere meist nicht, sondern verletzten sie schwer und zertrümmerten ihre Gliedmaßen. Es sind Eingaben aus der Bevölkerung vorhanden, die das Aufstellen von Tellereisen kritisieren, vgl. BArch DK 1/4443. 190 Vgl. § 25 des Jagdgesetzes; § 2 Dritte DB zum Jagdgesetz – Jagdbare Tiere sowie Jagdund Schonzeiten – vom 15. Juni 1984 (GBl. I, S. 229); §§ 1, 5, 11 Anordnung Nr. 1 über die Gewinnung von Rauchwerk von Haarraubwild und Katzen vom 30. September 1976 (GBl. I, S. 477). Zu den Fangprämien vgl. Anlage 1 zur Anordnung über die Gewinnung von
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hinter der Neufassung des Jagdgesetzes, das in ökonomisch angespannten Zeiten verabschiedet wurde.191 Das Erwirtschaften von Devisen durch den Fleisch- und Pelzhandel sowie die Versorgung der eigenen Bevölkerung mit Tierprodukten hatten oberste Priorität.192
4.3.2 Tierschutzbestimmungen „Nutzung der Tiere und Tierschutz bilden eine Einheit“ 193
Die DDR verfügte nicht über eine geschlossene Tierschutzgesetzgebung, wie es beispielsweise ab 1972 in der Bundesrepublik der Fall war. In der DDR herrschte vielmehr eine „Zersplitterung der rechtlichen Regelung“ 194: Auf der einen Seite Rauchwerk von Haarraubwild und Katzen vom 30. September 1976 (GBl. I, S. 477); die Prämie für Füchse wurde in der 2. Anordnung von 1986 sogar noch einmal verdoppelt. 191 Das traf auch für andere Gesetzte zu: Beispielsweise wurde geplant, eine neue DV zum Landes kulturgesetz zu erarbeiten und das Veterinärgesetz neu zu fassen. Auch eine „Verordnung über Tierschutz und Tierhygiene“ war geplant (diese wird unter Punkt 4.5 behandelt), vgl. dazu MdJ, Planung der Gesetzgebung 1986 – 1990, BArch DP 1/9091, unpag.; Ministerratsbeschluss zum Gesetzgebungsplan für den Zeitraum bis 1990 vom 10. 09. 1987, BArch DC 20/I/3/2523, Bl. 71 – 87. 192 Das wird vor allem im Vergleich zum vorangegangen Jagdgesetz (Gesetz zur Regelung des Jagdwesens vom 25. November 1953 (GBl Nr. 125, S. 1175)) deutlich, das (nicht nur hinsichtlich der Tierschutzbestimmungen) wesentlich strenger und weitaus detaillierter war. Weiterhin ging den Anordnungen zur Pelzgewinnung ein Ministerratsbeschluss voraus, wonach die Rechtstexte ein höheres Aufkommen und eine bessere Qualität der Pelze „stimulieren“ sollten, vgl. Beschluß der Maßnahmen zur Erhöhung des Aufkommens an Fellen von Haarraubwild und Katzen sowie Kaninchen und Hasen vom 30. September 1976, BArch DC 20/I/4/3642, Bl. 119 – 123. Auch die Anzahl der „jagdbaren“ Tiere hatte sich im Vergleich merklich erhöht und Schonzeiten fielen teilweise weg, vgl. §§ 2 und 3 der Dritten DB zum Jagdgesetz – Jagdbare Tiere sowie Jagd- und Schonzeiten – vom 15. Juni 1984 (GBl. I, S. 229) im Vergleich zu § 11 Erste DB zum Gesetz zur Regelung des Jagdwesens vom 4. März 1954 (GBl. I, S. 431) und § 10 Zweite DB zum Gesetz zur Regelung des Jagdwesens vom 21. Mai 1954 (GBl. I, S. 526). 193 Analyse und vergleichende Wertung der Tierschutzgesetzgebung verschiedener europäischer Länder im Hinblick auf die Neufassung der Tierschutzregelung in der DDR, Karl-Marx- Universität Leipzig, Sektion Tierproduktion und Veterinärwesen, Staatsveterinärkunde (Arnulf Buckhardt) vom 29. 05. 1989, BArch DP 1/20256, unpag. (S. 12). Das Dokument wird im weiteren Verlauf der Untersuchung mit Kurztitel zitiert. 194 Bemerkung zur rechtlichen Regelung des Tierschutzes in der DDR (Anlage 2 zum [Entwurf-] Schreiben des Vorsitzenden des Ministerrates an den CDU-Vorsitzenden Gerald Götting) vom 06. 09. 1988, BArch DP 1/20256, unpag. Dieser Zustand wurde auch in Fachkreisen kritisch gesehen („Gefahr der unübersichtlichen Zersplitterung“), Burckhardt: Juristische Probleme, S. 767.
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hatte das Reichstierschutzgesetz von 1933195 noch Gültigkeit. Auf der anderen Seite gab es einzelne Paragraphen in verschiedenen Gesetzestexten, die sich mit Tierschutzfragen auseinandersetzten.196 Das Tierschutzgesetz von 1933 wurde nur minimal geändert: Erstens fiel das Verbot des Schächtens weg 197 und zweitens wurde das Strafmaß bei Tierquälerei von bis zu zwei Jahren Gefängnis auf bis zu sechs Monaten Haft herabgesetzt.198 Der SED-Staat besaß mit dem Reichstierschutzgesetz im Prinzip ein hoch detailliertes, strenges und komplexes Tierschutzgesetz 199, das aber nicht zur Anwendung kam und vom Landwirtschaftsministerium als „gegenstandslos“ 200 eingeschätzt wurde. Genau genommen hieß das, dass die DDR damit gar kein Tierschutzgesetz besaß. Um die (formalrechtliche) 195 Tierschutzgesetz vom 24. November 1933 (RGBl I, S. 987). Weiterhin hatten noch das Gesetz über das Schlachten von Tieren vom 21. April 1933 (und dazugehörige Verordnungen) und die Verordnung über das Schlachten und Aufbewahren von lebenden Fischen und anderen kaltblütigen Tieren vom 14. Januar 1936 (in der Fassung vom 13. November 1936) Gültigkeit, vgl. Burckhardt: Juristische Probleme, S. 767. Zum Reichstierschutzgesetz vgl. Dirschl, Stefan: Tier- und Naturschutz im Nationalsozialismus. Gesetzgebung, Ideologie und Praxis, Göttingen 2012; Jütte, Daniel: Tierschutz und Nationalsozialismus, Die Entstehung und die Auswirkungen des nationalsozialistischen Reichstierschutzgesetzes von 1933, IDB Münster. Ber. Inst. Didaktik Biologie Suppl. 2 (2002), S. 167 – 184; Klueting, Edeltraud: Die gesetzlichen Regelungen der nationalsozialistischen Reichsregierung für den Tierschutz, den Naturschutz und den Umweltschutz, in: Joachim Radkau, Frank Uekötter (Hrsg.): Naturschutz und Nationalsozialismus, Frankfurt/New York 2003, S. 77 – 105; Heintz, Daniel: Tierschutz im Dritten Reich. Im neuen Reich darf es keine Tierquälereien mehr geben, Mühlheim 2008. 196 Zur gesetzlichen Regelung des Tierschutzes in der DDR vgl. auch Stock: Tierschutz, S. 69 – 92. Die Autorin weitet den Tierschutzbegriff jedoch sehr aus und listet auch Rechtsordnungen auf, die nicht dem „traditionellen“ Tierschutzverständnis entsprechen. Vgl. dazu auch Burckhardt: Juristische Probleme, S. 766 f. 197 Das Schächtverbot wurde aufgrund seiner antisemitischen Motivation 1946 von den Besatzungsmächten abgeschafft, vgl. Möhring: Herrentiere, S. 232 f. Dazu ausführlich: Jentzsch, Rupert: Das rituelle Schlachten von Haustieren in Deutschland ab 1933. Recht und Rechtsprechung, Diss. Tierärztliche Hochschule Hannover 1998. 198 Die Hauptabteilung Gesetzgebung beim MdI rechtfertigte die Herabsetzung damit, dass der Strafrahmen von bis zu zwei Jahren Gefängnisstrafe „zweifellos überhöht“ gewesen sei, Antwortschreiben des MdI, HA Gesetzgebung vom 04. 11. 1958 an einen Bürger aus Greifswald, der Vorschläge zur Tierschutzgesetzgebung machte, BArch DK 1/4443, Bl. 65 – 66, hier Bl. 65. Vgl. dazu auch Stellungnahme der Abt. Tierhygiene beim MLEF zur Anfrage der Akademie für Landwirtschaftswissenschaften (nach Konsultation des MdJ) die Tierschutzgesetzgebung betr., vom 15. 12. 1956, BArch DK 1/4441, Bl. 77. 199 Vgl. dazu Sax: Animals, S. 110 – 123; Möhring: Herrentiere, S. 230 und S. 232 – 239; Lorz, Albert: Die Entwicklung des deutschen Tierschutzrechts, in: Händel, Ursula M. (Hrsg.): Tierschutz. Testfall unserer Menschlichkeit, Frankfurt am Main, 1984, S. 129 – 143, hier S. 136. 200 Bemerkung zur rechtlichen Regelung des Tierschutzes in der DDR (Anlage 2 zum [Entwurf-] Schreiben des Vorsitzenden des Ministerrates an den CDU-Vorsitzenden Gerald Götting) vom 06. 09. 1988, BArch DP 1/20256, unpag. Vgl. auch Einschätzung in Analyse
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Gültigkeit eines nationalsozialistischen Gesetzes dennoch zu rechtfertigen, wurde versucht, das Gesetz aus seinem historischen Kontext zu lösen 201 und seine Fortschrittlichkeit zu betonen.202 Nicht zuletzt sei das Reichstierschutzgesetz aufgrund seiner „hohen Verallgemeinerung“ mit den „Prinzipien der demokratischen Umgestaltung und der Verfassung der DDR zu vereinbaren“ 203. Doch trotz dieser Rechtfertigungen wurde das Reichstierschutzgesetz nicht angewendet. Ohne ein eigenständiges Tierschutzgesetz hatte die SED-Diktatur daher auch keine Zweckbestimmung des Tierschutzes. Definiert wurde der Tierschutz im Staatssozia lismus deswegen wie folgt: Tierschutz ist ein sich aus den jeweils herrschenden moralischen Anschauungen und dem Stand der zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb der Gesellschaft (deren Entwicklung wiederum in den politisch-ökonomischen Grundlagen der jeweiligen Gesellschaftsordnung begründet ist) sowie aus dem Entwicklungsstand der Produktivkräfte und den Produktionsverhältnissen ergebendes Bestreben der Gesellschaft, Tiere im Rahmen der gesellschaftlichen Notwendigkeit und Möglichkeiten entsprechend ihren biolo gischen Möglichkeiten sachkundig zu behandeln und sie vor unsachgemäßer Behandlung zu bewahren. Dieses Bestreben wird gesetzlich fixiert und in der Praxis verwirklicht.204
Ein rein aus gesellschaftlich-ökonomischer Perspektive definierter Tierschutz findet sich dann auch in den Tierschutzbestimmungen wieder. und vergleichende Wertung der Tierschutzgesetzgebung 1989, BArch DP 1/20256, unpag. („Zunehmend wurde aber auf die direkte Bezugnahme auf das o. g. Gesetz verzichtet.“ S. 3). 201 Das Gesetz sei „lange vor dem Machtantritt des Faschismus fertig erarbeitet“, ebenda. 202 „Das deutsche Tierschutzgesetz, wiewohl 1933 erlassen, ist vorbildlich in der Welt und keines wegs vom faschistischen Geist getragen.“ Leiter der Hauptabteilung Tierische Produktion und Veterinärwesen beim MLEF Lothar Hussel an den Leiter der Landwirtschaftsabteilung beim ZK der SED Franz Mellentin vom 18. 07. 1957, BArch DK 1/9725, Bl. 33 – 37, hier Bl. 34. 203 Analyse und vergleichende Wertung der Tierschutzgesetzgebung 1989, BArch DP 1/20256, unpag. (S. 3). Burckhardt rechtfertigte die Übernahme außerdem damit, dass die in den Gesetzen „enthaltenen progressiven Elemente“ erst auf „dem Boden der demokratischen und sozialistischen Verhältnisse […] vollständig ausgeschöpft und optimal wirksam werden“. Weiterhin „blieben [die Gesetzte, A. L.] durch ihren neuen Inhalt – die demokratischen und sozialistischen Verhältnisse – nicht einfach die alten, bürgerlichen.“ Burckhardt, Arnulf: Rechtsgrundlagen veterinärmedizinischer Tätigkeit, Jena 1983, S. 16. Vgl. auch ders.: Juristische Probleme, S. 765. Sogar nach dem Zusammenbruch der DDR wurde die Beibehaltung des Reichstierschutzgesetzes gerechtfertigt. Laut Schindler wurde das Gesetz nach 1945 ob seines „fortschrittlichen Inhalts“ nicht außer Kraft gesetzt, Interview mit Schindler, in: „Tier als Mitgeschöpfe. Tierschutzgesetz“, in: Deine Gesundheit 6 (1991), S. 26 – 29, hier S. 27. 204 Burckhardt: Juristische Probleme, S. 764. Das Tierschutzverständnis hat sich, wie zu zeigen sein wird, im Laufe der Jahre nicht wesentlich verändert.
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Das Gesetz über das Veterinärwesen Das „eigentliche“ Tierschutzgesetz der DDR stellte das Veterinärgesetz von 1962 dar, das einzelne Paragraphen zum Tierschutz beinhaltete.205 Die Aufnahme der allgemein gehaltenen „Tierschutz-Paragraphen“ war Ergebnis einer Debatte, deren Wortführer der bekannte Direktor des Berliner Tierparks Heinrich Dathe (1910 – 1991) war. Er merkte seinerzeit an, dass der Entwurf des Veterinärgesetzes das Reichstierschutzgesetz außer Kraft setzen würde.206 Der Direktor betonte die Notwendigkeit des Tierschutzes, was nicht nur aus den „zahllosen Briefen von Bürgern“ hervorginge, sondern auch aus der Tatsache, dass in „jedem Kulturstaat“ ein „organisierter Tierschutz“ bestehe. Er bemängelte, dass „das Tier“ im Gesetzentwurf „immer noch eine ,Sache‘“ sei, was „nicht der fortschrittlichen, humanistischen Grundlage unseres Staatsgefüges“ entspreche, „[u]nsere Einstellung zum Tier, einem Lebewesen, auf dessen Existenz unser Dasein in vielfacher Hinsicht angewiesen ist“, müsse eine „andere als im Kapitalismus sein.“ Die daran anschließende Diskussion des Gesetzesentwurfs in den Volkskammerausschüssen ist als Protokoll überliefert.207 In der Debatte wurden von beiden Seiten gebetsmühlenartig dieselben Argumente entsprechend für oder gegen den (organisierten wie gesetzlichen) Tierschutz vorgetragen. Dathe durchschaute die GegnerInnen dabei ganz klar, die den Tierschutz aus politisch-ökonomischen Gründen abwehrten: Er hatte „den Eindruck, als solle hier ein Zwei-Fronten-Krieg stattfinden: hie Nutztierhalter – hie Tierschützer.“ Der Direktor erkannte den eigentlichen Kern des Problems, der den Widerwillen der EntscheidungsträgerInnen hervorbrachte: „denn wenn ich es recht herausgehört habe, bestehen gewisse Bedenken, daß ein Fremder in die LPG-Angelegenheiten hineinredet.“ 208 Die Vorbehalte der SED gegenüber einem neuen Tierschutzgesetz (wie es Dathe mittlerweile forderte) 205 Gesetz über das Veterinärwesen vom 20. Juni 1962 (GBl. I, S. 55). 206 Vgl. Schreiben Heinrich Dathes an den Landwirtschaftsminister Hans Reichelt vom 09. 10. 1961, BArch DA 1/2984, Bl. 215 – 216; alle folgenden Zitate sind diesem Schreiben entnommen. Der Brief ging auch an den Chefredakteur von „Natur und Heimat“ Reimar Gilsenbach, den Volkskammerpräsidenten Johannes Dieckmann, den Leiter der Abt. Veterinärwesen des Magistrats von Groß-Berlin Koster, das Ministerium für Kultur Brandt, das ZK der SED Wagner, den stellvertretenden Vorsitzenden des Staatsrates Gerald Götting (vgl. DP 1/20256) sowie an Walter Ulbricht, was die Tragweite der eröffneten Diskussion verdeutlichte. 207 14. und 15. Sitzung des Ausschusses Land- und Forstwirtschaft am 21. Mai 1962 mit dem Ausschuss für Gesundheitswesen und am 13. Juni 1962 mit dem Ausschuss für Gesundheitswesen und dem Rechtsausschuss, BArch DA 1/2984. 208 Heinrich Dathe auf der 14. Sitzung des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft mit dem Ausschuss für Gesundheitswesen in der Volkskammer am 21. 05. 1962, Protokollauszug, BArch DA 1/2984, Bl. 46. Vgl. auch Dathe auf der 15. Sitzung des Ausschusses für Land- und
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waren aus machtpolitischer Sicht nicht unbegründet. Die Vollkollektivierung lag noch nicht lange zurück, die LPG konsolidierten sich nur allmählich und die Lebensmittelversorgung blieb angespannt. Zudem plante die SED-Staatsführung die Einleitung der Agrarindustrialisierung. Offen angesprochen wurde dies freilich nicht. Man argumentierte stattdessen: „Wenn wir schon fast 30 Jahre ein Tierschutzgesetz haben und heute feststellen müssen, daß Tiere gequält, beschädigt und vernachlässigt werden, so muß man anders an die Dinge herangehen.“ 209 Die Debatte wurde mit dem Vorsatz geschlossen eine Durchführungsbestimmung für die jeweiligen „Tierschutz-Paragraphen“ des Veterinärgesetzes zum Tierschutz zu formulieren und zu präzisieren.210 Da die Durchführungsbestimmung nie verabschiedet wurde – geschweige denn ein neues Tierschutzgesetz –, behielt das Reichstierschutzgesetz doch bis zum Ende der DDR seine Gültigkeit und Dathe lobpreiste zehn Jahre später die „industriemäßige Tierproduktion“.211 Was nun die „Tierschutz-Paragraphen“ im Veterinärgesetz betraf, so waren das die §§ 2, 14 und 30. Im § 2 des Veterinärgesetzes hieß es, dass der Tierschutz unter das Aufgabenfeld der veterinärmedizinischen Betreuung und Beratung fällt.212 Der § 14 schrieb vor, dass die TierhalterInnen dazu verpflichtet sind, ihre
Forstwirtschaft mit dem Ausschuss für Gesundheitswesen und dem Rechtsausschuss vom 13. Juni 1962, Protokollauszug, BArch DA 1/2984, Bl. 75. 209 Dietrich Schulz (Leiter der Abt. Veterinärwesen beim MLEF) auf der 15. Sitzung des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft mit dem Ausschuss für Gesundheitswesen und dem Rechtsausschuss vom 13. Juni 1962, Protokollauszug, BArch DA 1/2984, Bl. 85. 210 Vorschlag für die Übernahme der Fragen des Tierschutzes ausgehend von den §§ 2 und 14 des Gesetzes über das Veterinärwesen in Durchführungsbestimmungen vom 01. 06. 1962, BArch DA 1/2984, Bl. 148; 1. Entwurf Durchführungsbestimmung zu Abschnitt V und VI des Gesetzes vom 20. 06. 1962 über das Veterinärwesen – Pflichten und Rechte der Tierhalter und vorbeugender Gesundheitsschutz (undatiert, 1962), BArch DK 1/10662 Bl. 36 – 47. In derselben Akte befindet sich auch ein Entwurf für ein Tierschutzgesetz (Bl. 23 – 33). Es ist wahrscheinlich, dass dieser Gesetzesentwurf in der Abt. Veterinärwesen des MLEF verblieb, da in den Akten keine weiteren Stellungnahmen dazu zu finden sind. Burckhardt schlägt 1968 nochmals eine Durchführungsverordnung zum Tierschutz vor und die Aufnahme von Tierschutz-Aufgaben durch die bestehenden „Tierhygiene-Aktivs“, vgl. Burckhardt: Juristische Probleme, S. 768. 211 Vgl. Dathe, Heinrich: KIM-Tiere kennen keinen Kummer. Antworten auf Fragen besorgter Tierfreunde, in: Urania 48 (1972), S. 62 f. 212 § 2: „Die veterinärmedizinische Betreuung der Tierbestände umfaßt die Gesundheitsüberwachung und Heilbehandlung der Tiere, die Verhütung und Bekämpfung von Tierseuchen, die zuchthygienische Überwachung und die Mitarbeit in der Organisation der künstlichen Besamung der Haustiere sowie die Beratung der Betriebe der sozialistischen Landwirtschaft und der anderer Tierhalter in Fragen der Tierhaltung, der Tiergesundheit, der Tierzucht und des Tierschutzes.“ Dessen ungeachtet existierte der Tierschutz nicht als Disziplin bzw. Vorlesungs- und Prüfungsfach in der veterinärmedizinischen Ausbildung, vgl. Stock: Tierschutz,
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Tiere vor vorsätzlichen oder fahrlässigen Schädigungen aller Art zu s chützen.213 Der § 30 beinhaltete Strafmaßnahmen. Im Falle einer Zuwiderhandlung war mit einer Ordnungsstrafe von bis zu 500 DM zu rechnen.214 Das Anpassungsgesetz von 1968 setzte das Strafmaß jedoch herab, so dass Zuwiderhandlung nur noch mit Verweis, Ordnungsstrafe oder einer Höchstgeldstrafe von 300 Mark bestraft wurden.215 Ein weiterer Paragraph befasste sich mit der Errichtung von „Tierunterkünften“ und anderen „Typenprojekten“.216 Alle Haltungsverfahren bedurften demnach vor ihrer Planung und Inbetriebnahme einer Prüfung und Zustimmung seitens des Veterinärwesens. Die einheitlichen und genormten Stalltypen (je nach Tierart und „Produktionsstufe“) ließen jedoch keinerlei individuelle Anpassung an den jeweiligen Standort zu und machten den Paragraphen hinfällig. Außerdem wurden die Stallplätze in den zentral vorgegebenen „Typenställen“ stetig erhöht, was aufgrund der zunehmenden Tierkonzentration nicht im Sinne des Tierschutzes sein konnte.217 Die Tierschutzbestimmungen des Veterinärgesetzes waren aufgrund ihrer geringen Aussagekraft und großen Verallgemeinerung bedeutungslos. Der SED ging es außerdem nie um ein Veterinärgesetz im engeren Sinne. Das Veterinärgesetz war von Anfang an als Mittel zur Produktionssicherung und -steigerung konzipiert.218 Tierschutz im Rahmen des Veterinärwesens hieß Schutz der Tierbestände und -gesundheit zur Verhinderung von „Produktionsausfällen“. Traditionelle Aufgaben der Veterinärmedizin, wie zum Beispiel der Tier- und Verbraucherschutz, fanden im Veterinärgesetz keine explizite Erwähnung.219 Die Tiergesundheit wurde damit nicht nur zu einem reinen volkswirtschaftlichen Interessenpunkt, sondern war S. 63. Zu den diesbezüglichen sich widersprechenden Erinnerungen von Veterinären vgl. ebenda, S. 65 f. 213 § 14: „Die sozialistischen Landwirtschaftsbetriebe und alle Tierhalter bzw. die von ihnen mit der Betreuung beauftragten Personen haben die Grundsätze über die Haltung, Fütterung und Pflege der Tiere zu beachten. Sie sind verpflichtet, die Tiere vor vorsätzlichen oder fahrlässigen Schädigungen aller Art zu schützen.“ 214 § 30 (1): „Mit einer Ortungsstrafe bis zu 500 DM kann bestraft werden, wer vorsätzlich oder fahrlässig […] b) die Verpflichtungen des § 14, die Tiere vor vorsätzlicher oder fahrlässiger Schädigung aller Art zu schützen, nicht einhält […].“ 215 Vgl. Art. 32 Anlage zum Gesetz zur Anpassung von Strafbestimmungen und Ordnungsstrafbestimmungen – Anpassungsgesetz vom 11. Juni 1968 (GBl. I, S. 242). 216 § 19 des Veterinärgesetztes. 217 Die Mindestgrößen für neue Tierproduktionsanlagen waren 1974: 1.930 Plätze für Milchviehanlagen; 3.200 Plätze für Kälberaufzuchtanlage; 4.480 für Jungrindaufzuchtanlagen; 5.600 Stallplätze für Sauenanlagen; 25.000 Plätze für Schweinemastanlage, 16.000 Plätze in der Rindermast, 100.000 Plätze in Legehennenbatterien und 240.000 Stallplätze in der Broilerhaltung, vgl. Groschoff/Heinrich: Industriemäßige Produktionsmethoden, S. 203. 218 Vgl. Azar: Veterinärwesen, S. 181. 219 Vgl. ebenda, S. 368.
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auch nicht länger persönliche Angelegenheit der TierhalterInnen, sondern die des Staates.220 Die vielen Bestimmungen zur Veterinärhygiene und Prophylaxe trugen den Anforderungen in der „industriemäßigen Tierproduktion“ Rechnung, deren Ausbau man seinerzeit vorantrieb.221 Deswegen standen allein landwirtschaftliche ‚Nutztiere‘ und deren Schutz als „Produktionsmittel“ im Fokus des Gesetzes. Von Tierschutzfragen abgesehen, ist die Bedeutung des Veterinärgesetzes hingehen sehr hoch einzuschätzen. Mit seiner Hilfe sollte die, durch die Kollektivierung verursachte, Versorgungskrise überwunden, die Massentierhaltung abgesichert und letzten Endes die Überlegenheit der sozia listischen Landwirtschaft bewiesen werden.222
Tiermisshandlung und -quälerei Mit dem Tatbestand der Tiermisshandlung 223 befasste sich der § 9 „Gefährdung der Tierbestände, Misshandlungen von Tieren“ der „Verordnung zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten“ aus dem Jahr 1984.224 Das vorsätzliche Misshandeln von Tieren konnte mit einer Verwarnung oder mit einem Ordnungsgeld von zehn bis 20 Mark belegt werden. Das stellte eine erhebliche Herabsetzung des Strafmaßes dar, denn in der ursprünglichen Fassung der Verordnung aus dem Jahr 1968 war noch ein Verweis oder eine Ordnungsstrafe von zehn bis 300 Mark vorgesehen.225 Das Misshandeln von Tieren war im Verständnis der Herrschenden also lediglich eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer symbolisch anmutenden Ordnungsstrafe geahndet wurde. Außerdem musste die Vorsätzlichkeit der Misshandlung erst einmal nachgewiesen werden.226 Der Paragraph sah überdies Ordnungsstrafen für den Fall der „Gefährdung der Tierbestände“ vor. Hier betrug das 220 Vgl. ebenda, S. 181. 221 Vgl. ebenda, S. 186. 222 Vgl. ebenda, S. 182. 223 Darunter wurde „eine einmalige kurz andauernde menschliche Entgleisung“, „die das Tier zu überwinden in der Lage ist“ verstanden. Das Misshandeln von Tieren umfasste „das normale Maß übersteigende oder unnötige Schmerzzufügung, z. B. Einschlagen auf Tiere, Futterentzug, Benutzung zu schweren Arbeiten.“ Grabs: Tiere halten, S. 114. 224 Verordnung zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten vom 22. März 1984 (GBl. I, S. 173), vgl. dazu auch Burckhardt, Arnulf: Das Gesetz zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten – OWG – vom 12. Januar 1968, in: MfV 24 (1969), S. 204 – 209. 225 Vgl. § 9 Verordnung zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten vom 16. Mai 1968 (GBl. II, S. 359). 226 Ein weiteres Problem war, dass die Ordnungswidrigkeiten mit sehr unterschiedlicher Konse quenz verfolgt und geahndet wurden, vgl. Burckhardt, Arnulf/Lange, Monika: Zur Anwendung des Ordnungsstrafrechts durch die Fachkräfte des Veterinärwesens, in: MfV 40 (1985), S. 361 – 363, hier S. 363.
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Höchststrafmaß 500 Mark. Das erheblich höhere Ordnungsgeld erscheint nicht verwunderlich, da es sich bei dieser Art von Tierschutz im Grunde um „Volkswirtschaftsschutz“ handelte. Der Straftatbestand der Tierquälerei 227 wurde in der DDR mit dem § 250 des Strafgesetzbuches (StGB) bestraft.228 Dieser sah bei vorsätzlicher Tierquälerei oder roher Misshandlung von Tieren einen öffentlichem Tadel, eine Geldstrafe oder eine Verurteilung auf Bewährung vor. Auch hier hatte die Staatsmacht eine schrittweise Strafminderung durchgesetzt.229 Außerdem bestand wieder die Hürde, die Vorsätzlichkeit nachweisen zu müssen. Der Zweckbestimmung des Paragraphen zufolge diene die Strafbestimmung „dem Schutz der Tiere vor Angriffen, die das ethische Empfinden des Menschen verletzten.“ 230 Das bedeutet, Tierschutz wurde in der DDR zum Wohle der Menschen betrieben, nicht im Interesse der Tiere. Diese Art von Tierschutz bestrafte die Verletzung menschlicher Empfindungen und nicht das Quälen von Tieren. Deswegen handelte es sich beim Tierschutz in der DDR um einen strikt anthropozentrischen Tierschutz, der auch als ästhetischer Tierschutz bezeichnet wird.231 Damit fällt das Tierschutz-Verständnis in der DDR auf das des 19. Jahrhunderts zurück.232 Neben dem § 250 StGB befasste sich noch 227 Eine „lang andauernde schädigende Einwirkung oder so grobes Mißhandeln, daß das Tier daran siecht oder nach längerem Siechtum eingeht.“ Grabs: Tiere halten, S. 116. Im Kommentar zum Strafgesetzbuch hieß es dazu, dass der Straftatbestand der Tierquälerei immer nur vorsätzlich begangen werden kann. Weiterhin stellen „Tierexperimente“, bei denen die allgemeinen Anforderungen an den Umgang mit Tieren beachtet werden, keine strafbare Handlung dar. Auch die „Vernichtung“ von Tieren, die für Menschen oder andere Tiere schädlich sind, seien keine Rechtsverletzung, vgl. Ministerium des Inneren/Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften in der DDR (Hrsg.): Strafrecht der Deutschen Demokratischen Republik. Kommentar zum Strafgesetzbuch, 5., korr. Aufl., Berlin (Ost) 1987, S. 525 f. Vgl. auch Burckhardt: Rechtsgrundlagen, S. 108. 228 § 250 StGB vom 12. Januar 1968 (GBl. I, S. 44): „Wer vorsätzlich ein Tier roh mißhandelt oder quält, wird von einem gesellschaftlichen Organ der Rechtspflege zur Verantwortung gezogen oder mit öffentlichem Tadel, Geldstrafe oder mit Verurteilung auf Bewährung bestraft.“ 229 Zunächst wurde die Strafhöhe des Reichstierschutzgesetzes (§ 9, Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren bei Tierquälerei) auf das Strafmaß des § 145 b des Reichsstrafgesetzbuches (Gefängnisstrafe von bis zu sechs Monaten) herabgesetzt (bis zur Verabschiedung des neuen Strafgesetzbuches von 1968 hatte in der DDR noch das alte Reichsstrafgesetzbuch von 1871 Gültigkeit). Im neuen Strafgesetzbuch von 1968 wurde die Höhe der Strafe bei Tierquälerei schließlich auf eine Verurteilung auf Bewährung heruntergestuft. Auch die Strafmaßnahmen im Naturschutz wurden systematisch herabgesetzt, vgl. dazu Oehler, Ellenor: Zur Entwicklung des Umweltrechts, in: Behrens (Bearb.): Umweltschutz, Band 1, S. 99 – 128, hier S. 115 ff. 230 Kommentar zum Strafgesetzbuch, S. 525. 231 Lorz: Entwicklung, S. 129. Vgl. auch Baranzke: Mensch-Tier-Beziehung, S. 71. 232 Im Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. 05. 1871 (RGBl. I, S. 127) wurde das Quälen von Tieren auch nur dann bestraft, wenn es „öffentlich oder in Aergerniß erregender Weise“ geschieht, zitiert nach Lorz: Entwicklung, S. 129.
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der § 168 „Schädigung des Tierbestandes“ 233 im weitesten Sinne mit Tierschutzfragen. Erneut wurde vielmehr die Schädigung der Volkswirtschaft bestraft und nicht die von Tieren. Aus dieser ökonomischen Wertigkeit heraus erklärt sich das hohe Strafmaß von bis zu 2 Jahren Haft.234 1988 gab es 67 Anzeigen wegen § 250 StGB, die, wie die Jahre zuvor, fast ausschließlich im Landwirtschaftsbereich angesiedelt waren und somit auf ökonomische Interessen zurückgingen und eng mit dem § 168 StGB zusammenhingen.235
Tierversuche Im Bereich des Tierschutzes machen Bestimmungen zu Tierversuchen für gewöhn lich einen bedeutenden Teil aus.236 Allgemeine Anforderungen im Umgang mit Tieren wie auch Erfordernisse speziell an den Umgang mit ‚Labor-‘ oder ‚Versuchstieren‘ wurden im Reichstierschutzgesetz geregelt (§§ 5 bis 8). Da das Gesetz in der DDR trotz fortdauernder Gültigkeit keinen Einsatz fand, gab es praktisch keine gesetzliche Regelung von Tierversuchen im SED-Staat.237 Im Arzneimittelgesetz 233 § 168 StGB Schädigung des Tierbestandes (1): „Wer unter vorsätzlicher Verletzung seiner beruflichen Pflichten als Verantwortlicher für die Haltung, Fütterung und Pflege von Zuchtund Nutztieren fahrlässig Verluste oder Produktionsausfall in wirtschaftlich bedeutendem Umfange verursacht, wird von einem gesellschaftlichen Organ der Rechtspflege zur Verantwortung gezogen oder mit öffentlichem Tadel, Geldstrafe, Verurteilung auf Bewährung oder mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft, soweit nicht, insbesondere bei geringer Schuld, die materielle Verantwortlichkeit zur Erziehung des Täters ausreicht. Ebenso wird zur Verantwortung gezogen, wer trotz staatlicher oder gesellschaftlicher erzieherischer Einwirkung unter fortwährender vorsätzlicher Verletzung seiner beruflichen Pflichten als Verantwortlicher für die Haltung, Fütterung und Pflege von Zucht- und Nutztieren wiederholt fahrlässig Verluste oder Produktionsausfall verursacht.“ 234 Vgl. dazu auch mit einem Beispiel versehen: Burckhardt, Arnulf: Zur Anwendung des § 168 (Schädigung des Tierbestandes) und des § 167 des Strafgesetzbuches (StGB), in: MfV 28 (1973), S. 672 – 674. (§ 167 StGB betraf die Wirtschaftsschädigung). 235 Vgl. Handschriftliche Notiz von Fomterra [nicht identifizierter Funktionär der Generalstaatsanwaltschaft, A. L.] auf dem Schreiben vom Landwirtschaftsminister Bruno Lietz an den Generalstaatsanwalt der DDR Günter Wendland vom 15. 09.1989, BArch DP 3/1239, unpag. 236 Zur Geschichte der Tierversuche vgl. Guerrini, Anita: Experimenting with Humans and Animals. From Galen to Animal Rights, Baltimore 2003 (die Darstellung beschränkt sich jedoch auf den westeuropäischen und nordamerikanischen Raum). Vgl. auch Ash, Mitchell G.: Tiere und Wissenschaft. Versachlichung und Vermenschlichung im Widerstreit, in: Krüger/Steinbrecher/Wischermann (Hrsg.): Tiere und Geschichte, S. 267 – 291. 237 Vgl. auch Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Hrsg.): Tierschutzbericht 1991. Bericht über den Stand der Entwicklung des Tierschutzes, Bonn 1991, S. 12. Vgl. dazu auch Lhys: Der Tierversuch in der Veterinärmedizin, in: Hussel, Lothar (Hrsg.): Tierarzt und Recht, Jena 1965, S. 301 – 306.
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aus dem Jahr 1986 und seinen Nachfolgeregelungen waren zwar tierschutzrelevante Bestimmungen enthalten, sie schützten aber nicht das einzelne Leben und Wohlbefinden der Tiere. Gesetzlich vorgeschrieben war lediglich, dass die Prüfung von Arzneimitteln zur Anwendung in der Veterinärmedizin (nicht in der Humanmedizin) an Tieren genehmigungspflichtig sei.238 Einer Empfehlung gleich kamen Bestimmungen, wonach pharmakologisch-toxikologische Prüfungen von Medikamenten am Tier wenn möglich durch geeignete Alternativen zu ersetzen s eien.239 Die Regelungen in der „Anordnung über die Haltung und veterinärmedizinische Überwachung von Tieren zur Gewinnung, Herstellung oder Prüfung von Arzneimitteln“ 240 können im Grunde auch nicht als Tierschutzbestimmungen im eigentlichen Sinne gewertet werden. Die Anordnung gab lediglich vor, dass ‚Versuchstiere‘ gesund sein müssen und dies regelmäßig kontrolliert und dokumentiert werden müsse.241 Ein weiteres Problem stellte die Begrenztheit der Rechtstexte dar, denn sie betrafen nur den Bereich der Arzneimittelindustrie, wodurch alle anderen Bereiche, in denen ‚Versuchstiere‘ zum Einsatz kommen, ausgeschlossen wurden. Außerdem wurden die Bestimmungen erst sehr spät verabschiedet (1986 beziehungsweise 1989). Aufgrund dieser unzuläng lichen Gesetzgebung, der fehlenden Kontrollen sowie des geringeren finanziellen und behördlichen Aufwands verlagerten viele westdeutsche WissenschaftlerInnen und Unternehmen ihre Tierexperimente in die DDR.242 Dessen ungeachtet erarbeitete die Arbeitsgruppe „Ethik in der Medizinischen Forschung“ 1985 die „Empfehlung zur Wahrung ethischer Grundsätze bei Tierversuchen“.243 Dort wurden allgemeine und unverbindliche Grundsätze über Tierversuche aufgestellt. Da auf Tierversuche nicht verzichtet werden könne (wenn möglich sollten Alternativen 238 § 7 des Arzneimittelgesetzes vom 27. November 1986 (GBl. I, S. 473) und § 5 der Vierten DB zum Arzneimittelgesetz – Prüfung, Zulassung, Kennzeichnung und Anwendung von Arzneimitteln in der Veterinärmedizin – vom 1. Dezember 1986 (GBl. I, 1986, S. 491). 239 § 3 der Ersten DB zum Arzneimittelgesetz – Prüfung, Zulassung, Kennzeichnung und Anwendung von Arzneimitteln in der Humanmedizin – vom 1. Dezember 1986 und § 3 der Vierten DB zum Arzneimittelgesetz vom 1. Dezember 1986 (GBl. I, 1986, S. 491). 240 Anordnung über die Haltung und veterinärmedizinische Überwachung von Tieren zur Gewinnung, Herstellung oder Prüfung von Arzneimitteln vom 17. Februar 1989 (GBl. I S. 114). 241 §§ 1, 2 und 7 der Anordnung über die Haltung und veterinärmedizinische Überwachung von Tieren zur Gewinnung, Herstellung oder Prüfung von Arzneimitteln vom 17. Februar 1989 (GBl. I, S. 114). Zur gesetzlichen Regelung von Tierversuchen vgl. auch Stock: Tierschutz, S. 80 f. 242 Vgl. Händel: Fremdwort, S. 49; „Igel – Das Tierschutzmagazin“, SWR, Sendung vom 02. 03. 1990. Angedeutet auch in Analyse und vergleichende Wertung der Tierschutzgesetzgebung1989, BArch DP 1/20256, unpag. (S. 8, ohne Nennung der DDR). 243 Veröffentlicht in: Zeitschrift für Klinische Medizin 40 (1985), S. 1627.
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gefunden werden), müssten zumindest zwei Prinzipien eingehalten werden: Das der „Wissenschaftlichkeit“ und das der „Ehrfurcht vor dem Leben“.244 Der Lehrsatz Albert Schweitzers (1875 – 1965) war der einzige tierethische Ansatz, auf den sich innerhalb des marxistisch-leninistischen Denkschemas bezogen werden konnte.245 Hervorzuheben war die Forderung, wonach „die Beeinträchtigung des Wohlbefindens der Tiere und insbesondere die Schmerzempfindung“ […] auf das Geringstmögliche begrenzt werden“ sollte. Die Empfehlung enthielt damit zwar Aspekte, die den Tierschutz erhöht hätten. Da sie allerdings sehr allgemein gehalten waren und wesentliche Punkte ausgeblendet wurden (etwa Fragen zur Wiederholung, Dauer und Schwere von Eingriffen sowie Fragen der Betäubung) und sie darüber hinaus keinerlei Verbindlichkeit besaßen, sind sie für den praktischen Tierschutz im Grunde bedeutungslos. Tierversuche wurden in der DDR außerdem zu keiner Zeit infrage gestellt, denn sie stellten keinen Verstoß gegen den Tierschutz dar und ihre Beibehaltung war essentiell für den „wissenschaft lich-technischen Fortschritt“.246 Aus d iesem Grund war es kein Tabu oder anstößig, Tiere in Versuchsanordnungen zu zeigen – als Zeichen der Normalität und Notwendigkeit für die sozialistische Fortentwicklung. Die DDR -Zeitschrift „Deine Gesundheit“ beispielsweise druckte in einer Ausgabe aus dem Jahr 1959 das Foto eines Hundes mit zwei Köpfen ab. Im dazugehörigen Text wurde die erfolgreiche Hundekopf-Transplantation in der Sowjetunion gefeiert.247 Auch nach den euphorischen Fünfzigerjahren, als die Hündin Laika in den Weltraum geschossen wurde und ihre Artgenossen an bedenklichen Experimenten teilnahmen, blieb es beim offenen Umgang mit dem Thema Tierversuche und dessen Bebilderung in der DDR .248 Selbst in Kinderbüchern war die Darstellung von ‚Versuchstieren‘ nicht unüblich und so illustriert ein Affe mit langen schwarzen 244 Weiter heißt es, dass beide Maxime „die Einhaltung ethischer Prinzipien bei der Durchführung von Tierversuchen“ gebieten, wozu etwa die „der Zumutbarkeit, Gewissenhaftigkeit und der Sorgfalt“ gehörten. 245 Erwähnung des Grundsatzes zum Beispiel in: Analyse und vergleichende Wertung der Tierschutzgesetzgebung 1989, BArch DP 1/20256, unpag. (S. 12); Schreiben von Gerald Götting an den Vorsitzenden des Landwirtschaftsrates der DDR Georg Ewald vom 26. 05. 1965, BArch DK 1/10662, Bl. 2 – 10, hier Bl. 10; Burckhardt/Eschler: Tierschutz, S. 761 sowie häufige Bezugnahme auf Schweitzer in Eingaben aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren, in: BArch DA 1/2984; BArch DK 1/10662; BArch DK 1/4441 – 4443 ; DK 1/4442 und DK 1/4443. Bezüge zu Schweitzer finden sich auch in: KFW (Hrsg.): Dokumentation Tierschutz. 246 „Tierexperimente“, bei denen die allgemeinen Anforderungen an den Umgang mit Tieren beachtet werden, wurden nicht als strafbare Handlung gewertet, vgl. Burckhardt: Rechtsgrundlagen, S. 108; Kommentar zum Strafgesetzbuch, S. 525. 247 „Blick in die Zukunft“, in: Deine Gesundheit 5 (1959), S. 7 – 9. 248 Zum Beispiel auch „Das Tier-Experiment“, in: Deine Gesundheit 2 (1974), S. 36 – 41; „Tierexperimente zum Wohle des Menschen“, in: DBZ 50 (1981), S. 16 f.
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Elektroden auf dem Kopf (die eher Dreadlocks ähnelten) den Eintrag „Zoologie“ in einem Kinderlexikon.249 Spätestens seit Mitte der Sechzigerjahre wurde in den Artikeln auch begrenzt auf Bedenken gegenüber Tierexperimenten eingegangen (was nicht mit einer öffentlichen Diskussion zu verwechseln ist). Die zaghaften Vorbehalte wurden jedoch erwartungsgemäß als haltlos hingestellt und zuweilen wurde erneut der Vorwurf der Menschenfeindlichkeit laut.250
4.4 Die Umweltbewegungen und der Tierschutz Die unabhängige Umwelt- und Friedensbewegung in der DDR setzte sich seit Ende der Siebzigerjahre unter anderem mit Umweltproblemen auseinander und ging ab Mitte der Achtzigerjahre verstärkt in öffentlichen Protest über.251 Von 249 Vgl. Borkowski: Menschen, Pflanzen, Tiere, S. 73. Der freimütige Umgang mit heute als problematisch empfundenen Tierhaltungen betraf auch die unverblümte Bebilderung der Massentierhaltung, siehe oben, Kapitel 3.3, Anm. 569. 250 „Es mag Menschen geben, deren Tierliebe ihnen Experimente mit Tieren unvorstellbar und unannehmbar macht. Ist diese übersteigerte Tierliebe nicht im Grunde falsch? Der Physiologe Professor Ludimar Hermann rief bürgerlichen Tierschutzvereinen schon 1877 den schockierenden, weil ins Schwarze treffenden Satz zu: ‚Für die geretteten Hundeleben werdet ihr mit Menschenleben bezahlen, für die den Fröschen und Kaninchen ersparten Schmerzen werdet ihr mit menschlichem Leid bezahlen.‘ Auch der große Physiologe Iwan Petrowitsch Pawlow mußte sich im damaligen Rußland mit Leuten auseinandersetzen, die als ‚Tierschützer‘ ihren Humanismus glaubhaft machen wollten, die aber nicht protestierten, wenn von ihnen ausgebeutete Menschen Hunger litten und in Elendsbehausungen verkamen.“ „Tierversuch“, in: Deine Gesundheit 6 (1980), S. 183 – 184, hier S. 184. 251 Beleites unterscheidet vier Phasen der kirchlichen Umweltbewegung: 1) ab 1979 global ethische Debatten, 2) ab 1984 ökologisch-motivierte Proteste mit regionalem Bezug, 3) ab 1986/87 politisch motivierter Aufbruch und 4) 1989/90 Abnabelung von der Kirche, vgl. Beleites, Michael: „Eine Riesen-Schweinerei“. Die sozialistische Landwirtschaft aus Sicht der kirchlichen Umweltbewegung der DDR, in: Horch und Guck 12 (2003), S. 28 – 34, hier S. 30. Zur Umweltbewegung in der DDR vgl. v. a. Beleites, Michael: Die unabhängige Umweltbewegung in der DDR, in: Behrens (Bearb.): Umweltschutz, Band 3, S. 179 – 224; Behrens, Hermann: Die Umweltbewegung in der DDR. Begriffsbestimmung und Versuch einer umwelthistorischen Einordnung, in: Förster, Horst/Herzberg, Julia/Zückert, Martin (Hrsg.): Umweltgeschichte(n). Ostmitteleuropa von der Industrialisierung bis zum Postsozialismus, München 2013, S. 317 – 341; Nölting, Benjamin: Strategien und Handlungsspielräume lokaler Umweltgruppen in Brandenburg und Ostberlin 1980 – 2000, Frankfurt am Main 2002; Neubert, Ehrhart: Geschichte der Opposition in der DDR 1949 – 1989, 2., durchges., erw. u. korr. Aufl., Bonn 2000, v. a. S. 445 – 455, S. 586 – 592 und S. 744 – 752; Huff: Umweltgeschichte, S. 313 – 383. Zur Opposition in der DDR vgl. v. a. Neubert: Opposition; Choi, Sung-Wan: Von der Dissidenz zur Opposition. Die politisch alternativen Gruppen in der DDR von 1978 bis 1989, Köln 1999; Moritz, Torsten: Gruppen der DDR-Opposition in Ost-Berlin – gestern und heute. Eine Analyse der Entwicklung ausgewählter Ost-Berliner
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staatlicher Seite wurde auf diese Entwicklungen auf verschiedene Weise reagiert: Einerseits wurde mit der Gründung der Gesellschaft für Natur und Umwelt (GNU) im Kulturbund 1980 versucht, ein staatliches Ersatzangebot zu schaffen und Interessen an Umweltfragen zu kanalisieren.252 Weiterhin wurden Umweltinforma tionen 1982 zur Verschlusssache erklärt 253 und Diskussionen über den Umweltschutz weitgehend tabuisiert.254 Anderseits reagierte der SED-Staat mit massiven politischen Repressionen bis hin zu Verhaftungen von Oppositionellen.255 Die Umweltund Friedensgruppen fanden sich aus diesem Grund unter dem schützenden Dach der Kirchen zusammen.256 Das Thema Tierschutz spielte in den ökologischen Protesten eine untergeordnete Rolle. Gründe dafür dürften die systematische Ausblendung von Tierschutzfragen in der Öffentlichkeit, das Fehlen von Literatur 257 Oppositionsgruppen vor und nach 1989, Berlin 2000; Detlef Pollack, Politischer Protest. Politisch alternative Gruppen in der DDR, Opladen 2000; Rüddenklau, Wolfgang: Störenfried. DDR-Opposition 1986 – 1989, Berlin 1992. 252 Vgl. dazu Behrens: Wurzeln; Huff: Umweltgeschichte, S. 388 – 397. 253 Vgl. Ministerratsbeschluss vom 16. November 1982 über die „Anordnung zur Gewinnung oder Bearbeitung und zum Schutz von Informationen über den Zustand der natürlichen Umwelt in der DDR“ (VVS B2 – 1037/82). Verschärfung der Anordnung 27. Februar 1984 (VVS B2-B 161/84); Aufhebung der Anordnung Ende Oktober 1989 (VVS B2-B161 – 30/89). Vgl. dazu auch: Gundermann, Baldur: Das Geheimnis als Machtfaktor. Zum Umgang mit Umwelt-Informationen in der DDR, in: Berlinische Monatsschrift 3 (1994) 10, S. 25 – 31; Dix/Gudermann: Naturschutz, S. 535 – 624, hier S. 594; Beleites, Michael: Konspirative Abschirmung der Umweltschäden durch die SED-Führung und das Ministerium für Staatssicherheit und die Versuche zur Herstellung einer kritischen Öffentlichkeit, in: Deutscher Bundestag (Hrsg.): Materialien der Enquete-Kommission „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit“. Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik, Bd. III/2, Frankfurt am Main 1999, S. 1585 – 1622; Huff: Umweltgeschichte, S. 241 ff. 254 Vgl. Beleites: Umweltbewegung, S. 179 ff. 255 Beispielhaft sei hier auf den Überfall des MfS auf die Berliner Umweltbibliothek im November 1987 verwiesen, vgl. dazu etwa Beleites: Umweltbewegung, S. 212; Neubert: Opposition, S. 694 – 696; Choi: Dissidenz, S. 100; Huff: Umweltgeschichte, S. 359 ff. 256 Unter dem Dach des KFW beispielsweise hatten sich 1983 bereits 30 Umweltgruppen organisiert, vgl. Neubert: Opposition, S. 454. Zur Rolle der Kirche vgl. auch Gensichen, Hans-Peter: Das Umweltengagement der evangelischen Kirchen in der DDR, in: Behrens, Hermann/Paucke, Horst: Umweltgeschichte. Wissenschaft und Praxis, Marburg 1994, S. 65 – 83. Gensichen war der Leiter des KFW. 257 Vgl. Händel: Fremdwort, S. 48 und S. 49. Eine Ausnahme dürfte das Buch von Rolf Meyer (Umgang mit Tieren, wie Kapitel 2, Anm. 10) gewesen sein. Das Buch war frei von jeg licher SED-Propaganda und erzählt sehr differenziert von der Geschichte und Gegenwart von Mensch-Tier-Verhältnissen (es behandelt nicht explizit die Situation in der DDR). Mit Sätzen wie „[v]ielleicht wäre es gut und nützlich, wenn jeder Mensch einmal in seiner Schulzeit wenigstens für eine Stunde in einem Schlachthof Zeuge der Schlachtvorgänge sein würde“ (S. 102), musste das Buch manchen DDR-BürgerInnen wie eine Offenbarung vorgekommen sein. Aufgrund seiner zum Teil sehr kritischen Aussagen wurde d ieses Buch
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und alternativen Denkmodellen gewesen sein, was zusammen genommen eine kritische Auseinandersetzung mit Mensch-Tier-Verhältnissen erschwerte. Eine Sensibilisierung für Belange des Tierschutzes fand nicht statt.258 Die Arbeitskräfte in den Tierfabriken hatten Schweigepflicht 259, wodurch viele BürgerInnen erst durch Westmedien auf die Missstände in der Massentierhaltung aufmerksam wurden.260 Besonders der vom Westfernsehen dokumentierte Fall in der LGP Wittstock im April 1990, wo Schweine vor laufender Kamera erschlagen wurden, erregte seinerzeit die Gemüter.261 Genauso spät wurde bekannt, dass der Großteil des unter umstrittenen ökologischen und tierschutzrelevanten Bedingungen produzierten Fleisches in den Westen exportiert wurde.262 Eine andere Ursache für die Randständigkeit des Tierschutz-Themas in der Umweltbewegung war die anthropozentrische Kirchenlehre, die – wie der Marxismus-Leninismus – den Menschen unverrückbar in den Mittelpunkt setzte.263 Eine der wenigen Initiativen, die sich innerhalb der kirchlichen Umweltbewegung in der DDR für tierethische Fragestellungen engagierte, war die 1987 gegründete „Gruppe Tier“ des ökolo gischen Arbeitskreises der Dresdner Kirchenbezirke, die vor allem durch Informa tions- und Flugblätter auf Tierschutzbelange aufmerksam machte und eine „Ethik der Mitgeschöpflichkeit“ forderte.264 Das bedeutende und breit vernetzte in vielen Eingaben zu Tierschutzfragen zitiert, siehe die Eingaben in BArch DK 1/28485, unpag., und die Eingabenanalyse (Inspektion des Ministers, Information, Stand der Erarbeitung der Tierschutzverordnung) vom 22. 02. 1989, BArch DK 1/28484, unpag. 258 Vgl. Baranzke: Mensch-Tier-Beziehung, S. 71; Busch: Tierschutz, S. 79. 259 Vgl. Interview mit einem Zootechniker der VEB Schweinezucht und -mast Haßleben, in: Haßleben – Ein Gespräch, in: ARCHE NOVA 5, abgedruckt in: Jordan/Michael (Hrsg.): Arche Nova, S. 440 f., hier S. 440. 260 Vgl. Händel: Fremdwort, S. 48; Stock: Tierschutz, S. 130. (Dessen ungeachtet wurde seinerzeit schon von „Kuh-KZ“ (Lohfink: Vorpommern, S. 163; Köpp: Von Tieren, S. 223), „Schweine- KZ“ (ARCHE NOVA 5) und „Hühner-KZ“ gesprochen (ARCHE NOVA 5; Poutrus: Lebenserinnerungen, S. 252 ff.). 261 Der wirtschaftlich angeschlagene Betrieb konnte die Tiere in den überfüllten Ställen schlicht nicht mehr versorgen und wollte mit der filmischen Dokumentation auf die widrigen Umstände aufmerksam machen. Siehe dazu die Eingaben und Reaktionen in: BArch DK 1/28485, unpag., und BArch DK 1/28455, unpag. Vgl. auch Burckhardt: Übernahme, S. 12 f. 262 Vgl. Jordan/Michael: Arche Nova, S. 434. 263 Vgl. dazu Baranzke: Mensch-Tier-Beziehung, v. a. S. 71 f. Das allgemeine Desinteresse an tierethischen Fragestellungen setzte sich in den Forschungen zu den DDR-Umweltbewegungen im Übrigen fort, wo der Tierschutz weiterhin ein Desiderat darstellt. Zur Kirche und Tierschutz in der DDR vgl. auch Stock S. 125 – 132. 264 Vgl. zum Beispiel der Artikel des Mitgliedes Grove: Tierschutz (von 22 im vom KFW hrsg. Grünheft versammelten Beiträgen ist dies der einzige zum Thema Tierschutz). Zur Dresdner „Gruppe Tier“ vgl. Stock: Tierschutz, S. 121 und v. a. S. 129 ff.; Baranzke: Mensch- Tier-Beziehung S. 69. Weitere Ausnahmen im Rahmen der evangelischen Kirche in der
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Informations- und Dokumentationszentrum Kirchliches Forschungsheim Wittenberg (KFW)265 bestätigte die geringe Präsenz tierethischer Überlegungen in der Umweltbewegung. Der Artikel Sabine Krügers „Natürlich liebe ich die Tiere…“, erschienen 1988 in den vom KFW herausgegeben „Briefen“, war der erste Impuls, sich mit der Thematik näher zu befassen und „die wenigen, die sich innerhalb der evangelischen Kirche mit diesen Fragen befassen, miteinander in Berührung [zu] bringen“. Ergebnis war die 15-seitige „Dokumentation zum Tierschutz“.266 Krüger, Mitglied der Dresdner „Gruppe Tier“, prangerte in ihrem Beitrag die Intensivtierhaltung und Tierversuche in der DDR an und schlug Alternativen vor.267 Weiterhin versammelte die Dokumentation eine Auswahl von LeserInnenbriefen als Reaktionen und Ergänzungen zu Kürgers Artikel. Thematische Schwerpunkte der Zuschriften waren die Massentierhaltung, Tierversuche und die nicht ‚artgerechte‘ Haltung von ‚Heimtieren‘. Eine weitere Samisdat-Zeitschrift 268, die dem Tierschutz einen etwas größerem Platz einräumte, war die fünfte Ausgabe der „ARCHE NOVA“, des „Grün-ökologischen Netzwerkes Arche“.269 Die Ausgabe schilderte vor allem die Umstände in der „industriemäßigen Tierproduktion“ und ging dabei auf die schlechten Arbeitsbedingungen, die widrigen Lebensbedingungen verschiedener Tiere (Schweine, Kühe, Hühner, Fische) sowie auf die Umweltschäden ein. Weiterhin enthielt das Heft Thesen für Alternativen zur Intensivtierhaltung. Überdies wurden unter dem Titel „Tier und Gesellschaft“ das Los der Grenzhunde DDR, die sich für Tierschutz engagierten vgl. Baranzke: Mensch-Tier-Beziehung, S. 69 f. Dresden spielte nicht nur im Tierschutz eine Vorreiterrolle (vgl. oben, Anm. 97), die Stadt hatte zusammen mit Leipzig auch den höchsten Organisationsgrad in der kirchlichen Umweltbewegung, vgl. Neubert: Opposition, S. 590. 265 Zum KFW vgl. Gensichen, Hans-Peter: Die Beiträge des Wittenberger Forschungsheimes für die kritische Umweltbewegung der DDR, in: Behrens (Bearb.): Umweltschutz, Band 3, S. 149 – 178; Neubert: Opposition, S. 449 ff. und S. 587 f.; Huff: Umweltgeschichte, S. 322 – 336. 266 KFW (Hrsg.): Dokumentation Tierschutz, 1988, vorhanden in: RHG/KFH 29, unpag. Zitat: Begleitwort, ebenda (S. 1). Die Dokumentation enthielt auch den Text Sabine Krügers „Natürlich liebe ich die Tiere…“, der in KFW (Hrsg.): Briefe zur Orientierung im Konflikt Mensch – Erde, Nr. 17 (1988) erschien. Vgl. dazu auch Baranzke: Mensch-Tier-Beziehung, S. 68. 267 Zum Phänomen der Bio-Landwirtschaft in der DDR vgl. Beleites: Riesen-Schweinerei, S. 31 f.; Kurjo: Landwirtschaft, S. 72 f. 268 Samisdat waren informelle Texte, Zeitschriften und Flugblätter, die über nichtoffizielle Kanäle verbreitet wurden. Zusammenstellungen von Samisdat-Zeitschriften und -Zeitungen aus der DDR (von 1969 bis 1990) bei Neubert: Opposition, S. 756 – 766. Zu DDR-Samisdat allgemein vgl. ebenda, S. 417 f. und S. 632 – 635. 269 Die Ausgabe erschien im Januar 1990, die Beiträge entstanden aber bereits im Sommer 1989, ARCHE NOVA 5 (gekürzt) abgedruckt in: Jordan/Michael (Hrsg.): Arche Nova, S. 435 – 492. Zum Grün-ökologischen Netzwerk Arche vgl. die Beiträge in Jordan/Michael: Arche Nova; Neubert: Opposition, S. 748 – 752; Huff: Umweltgeschichte, S. 370 – 376.
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sowie das der Affen im Ost-Berliner Tierpark problematisiert. Gemeinsam ist den Texten, dass tierethische Reflexionen meist nur unter dem Aspekt der Massentierhaltung erfolgen.270 Die dortigen Argumente unterscheiden sich – bezeichnenderweise – kaum von heutigen Einwänden gegenüber der Intensivtierhaltung. Der Großteil der innerhalb der Umweltbewegung artikulierten Kritik an der „industriemäßigen Tierproduktion“ zielte jedoch auf die daraus resultierenden Umweltprobleme ab, wie zum Beispiel die Grundwasserverschmutzung durch die Gülleentsorgung. Ein prägnantes Beispiel dafür ist der Protest gegen die massiven Umweltfolgen, die vom Schweinezucht- und Mastkombinat Neustadt an der Orla (185.000 Schweine) ausgingen.271 Selbst die wenigen Hinweise zur Reduzierung des Fleischkonsums oder gar vegetarische Ansinnen standen häufig unter dem Aspekt des Umweltschutzes, des globalen Hungerproblems oder der persönlichen Gesundheit, worin sich das Wirken der anthropozentrischen Staats- und Kirchenideologie auf eindrückliche Weise widerspiegelte.272 In der breiten Bevölkerung war die vegetarische Ernährung weitgehend unbekannt 273 und aufgrund des begrenzten Warenangebots außerdem schwierig umzusetzen. Weil frisches Obst und Gemüse oft Mangelware waren, wurden viel Fleisch, Wurst sowie andere Produkte tierlicher Herkunft, wie Butter und Eier, gegessen.274 Eingeschränkte anderweitige Konsummöglichkeiten, die staatliche Konsumlenkung sowie der Mangel an Literatur zu fleischarmer Kost taten ihr Übriges. Die Folgen waren gravierend: 42 Prozent der weiblichen und 28 Prozent der männlichen DDR-Bevölkerung waren 270 Weitere Samisdat-Zeitungen, die Ende der Achtzigerjahre die Massentierhaltung in einzelnen Ausgaben thematisierten, waren arche-info (in: RHG/PS 010/10); Streiflichter (in: RHG/PS 103/12); Die Leidplanke (in: RHG/PS 066/01 und 066/02); Umweltblätter (in: RHG/PS 107/27); Koppenstedter Kirchenblätter (in: RHG/PS 063/01), Plattform Konziliare Nachrichten (in: RHG/PS 087/20); Unsere Zukunft hat schon begonnen (in: RHG/ Uh 004/01). 271 Vgl. dazu ausführlich Schönfelder: Mit Gott. 272 Vgl. Baranzke: Mensch-Tier-Beziehung S. 71. Vgl. dazu beispielhaft Weidner, Sibylle: Bericht einer besorgten und betroffenen M utter, in: KFW (Hrsg.): Grünheft, S. 27 f.; Weidner, Reinhard: Eine Riesen-Schweinerei. Das SZMK Neustadt/Orla und seine Auswirkungen auf Natur und Mensch, in: ebenda, S. 23 – 27; IG Löcknitztal: Das Forellen-Haßleben, in: ARCHE NOVA 5, gekürzt abgedruckt in: Jordan/Michael (Hrsg.): Arche Nova, S. 451 – 455. Das Thema Landwirtschaft spielte in den Umweltbewegungen insgesamt betrachtet aber auch nur eine geringe Rolle. Beleites sieht den Hauptgrund dafür darin, dass die UmweltaktivistInnen meist aus der Stadt kamen und wenig oder kaum Bezug zum Land und der dortigen Umweltgefährdung hatten, vgl. Beleites: Riesen-Schweinerei, S. 28. 273 In einem Beispiel hatte ein DDR-Bürger erst 1987 zum ersten Mal von Vegetarismus (im „West-Fernsehen“) gehört, vgl. Stock: Tierschutz, S. 122 – 125 (Fallbeispiel). Zum Vegetarismus allgemein vgl. die Beiträge in Linnemann: Vegetarismus; Spencer, Colin: The Heretic’s Feast. A History of Vegetarism, London (u. a.) 1995. 274 Siehe dazu oben, Kapitel 3.3, Anm. 572.
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Anfang der Siebzigerjahre übergewichtig. Drei Prozent der DDR-BürgerInnen litten an Diabetes.275 Auf die Gesundheitsrisiken des hohen Fleisch- und Fettkonsums wurde schon früh aufmerksam gemacht.276 Anfang der Siebzigerjahre gab es die Idee, gesunde Nahrungsmittel mit dem Siegel „ON“ („Optimale Nahrung“) zu versehen, um die Bevölkerung auf besonders gesunde Nahrungsmittel hinzuweisen.277 Gleichwohl hing die Antwort auf die Frage, was gesunde Ernährung sei oder nicht, in der DDR allzu oft vom Lebensmittelangebot ab. So wurde in den Sechzigerjahren – in Zeiten der Butterknappheit – auf die gesundheitlichen Vorteile der (unbeliebten) Margarine hingewiesen. Walter Ulbricht persönlich freute sich seinerzeit: „Es ist nur gut, daß ich nicht so viel Butter esse, weil ich nicht nur die Adenauer-Regierung, sondern auch manche andere Regierung in Westdeutschland überleben möchte.“ 278 Bei Rinder- und Schweinefleischmangel wurde hingegen auf die hohen Fettwerte und die Vorzüglichkeit von Geflügelfleisch, Fisch und Eiern hingewiesen und ein „Abbau des Mehrverbrauchs an Fleisch“ 279 angestrebt. Überdies konnten vegetarische Ansinnen auch nicht im staatlichen Interesse liegen, denn der hohe Absatz von Nahrungsmitteln tierlicher Herkunft wurde als Ausdruck des wachsenden Wohlstands gewertet. Des Weiteren kompensierten die Tierprodukte den Mangel an anderen Nahrungsmitteln. Außerdem eignete sich der Fleischverzicht als Angriff auf bestehende Verhältnisse: Im Rahmen der 275 Vgl. Grahneis/Achtzehn: Gesunde Tiere, S. 3; ders./Horn: Taschenbuch Hygiene, S. 339 f. 276 Vgl. zum Beispiel: „120 Gramm pro Tag“, in: Deine Gesundheit 4 (1964), S. 112 – 113; „Viel Fleisch – wenig Fett“, in: Deine Gesundheit 3 (1972), S. 80 – 81; „Der Mensch ist, was er ißt?“, in: Für Dich 23 (1987) S. 26 – 29. Vgl. auch „Vegetarier. Verrückt oder Weise?“, in: Deine Gesundheit 4 (1988), S. 4 – 9, wo auf die positiven Auswirkungen der vegetarischen Ernährung auf die Gesundheit hingewiesen wird. 277 Vgl. „Milch und Brot und mehr gesunde Sachen“, in: ND vom 21. 07. 1973, S. 12. Die Entwicklung „optimaler Nahrungsmittel“ war wesentlicher Teil der Präventionspolitik der DDR, vgl. Niehoff, Jens-Uwe/Schrader, Ralf-Raigo: Gesundheitsleitbilder. Absichten und Realitäten in der Deutschen Demokratischen Republik, in: Elkeles, Thomas/Rosenbrock, Rolf/Ewert Günter, Ewert/Abolz, Heinz-Harald (Hrsg.): Prävention und Prophylaxe. Theorie und Praxis eines gesundheitspolitischen Grundmotivs in zwei deutschen Staaten 1949 – 1990, Berlin 1991, S. 51 – 74, hier S. 68. Die Probleme der Überernährung wurden zwar anerkannt, die dahinterstehenden sozialen Problemstrukturen wurden jedoch nicht analysiert, vgl. ebenda, S. 63 und S. 70. Insbesondere bei Ernährungsfragen konnte der SED-Staat auf diese Weise auf individuelles Fehlverhalten der BürgerInnen verweisen und sich somit aus der Verantwortung stehlen. Zur Erziehung der Bevölkerung zur gesunden Ernährungsweise bzw. Werbung für (angeblich) gesunde Nahrungsmittel vgl. auch: Kaminsky: Wohlstand, S. 98 – 103. 278 Ulbricht auf dem VI. Parteitag der SED 1963, zitiert nach Roesler: Butter, S. 33 f. Zur Bewerbung der Margarine vgl. ebenda v. a. S. 42 f. Zur Senkung des Butter- und Milchverbrauchs vgl. auch Poutrus: Goldbroiler, S. 46 f. 279 Information der Bezirksinstrukteure über Fragen der Versorgung der Bevölkerung vom 24. 09. 1982, BArch DC 20/10727, unpag.
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Umweltbewegung geäußerte Kritik am Konsumverhalten war zugleich eine Infrage stellung der Entwicklung der Industriegesellschaften sowie der daraus resultierenden Umweltschäden und damit schlussendlich Zivilisationskritik.280 Ein Abbau der „Fleischproduktion“ hätte den SED-Staat auch aufgrund der hohen Exportauflagen destabilisiert. Von einer „vegetarischen Bewegung“ infolge der Umweltbewegung konnte also keine Rede sein. Auf die vereinzelten Hinweise zur Reduzierung des Fleischkonsums in den Eingaben aus der Bevölkerung 281 wurde standar disiert geantwortet, dass „Auffassungen zur Reduzierung des Fleischverbrauches […] im Widerspruch zur Meinung der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung“ 282 stünden. In der DDR bekannte Persönlichkeiten, die (zeitlebens) eine vegetarische Lebensweise führten, waren Erna (1912 – 2001) und Kurt Kretschmann (1914 – 2007). Das Ehepaar betrieb die Bildungs- und Begegnungsstätte „Haus der Naturpflege“ im Brandenburgischen Bad Freienwalde. Ihr Vegetarismus hatte seine Wurzeln in der Lebensreformbewegung und zielte folglich auf eine gesunde Lebensführung und nicht auf tierethische Belange ab. Das Paar engagierte sich dementsprechend ausschließlich im Naturschutz.283
4.5 Entwicklung einer „sozialistischen“ Tierschutzgesetzgebung „Wir können doch nicht bis in den Kommunismus hinein mit einem Tierschutzgesetz von 1933 arbeiten.“ 284
Unter dem Eindruck sich zuspitzender ökologischer Probleme und dem verstärkten Auftreten der Umweltbewegungen bekam das Thema Tierschutz für die 280 Vgl. Schmidt: Veränderungen, S. 148. 281 Vgl. Eingaben in: BArch DK 1/28455, unpag. 282 Anlage 2: Muster eines Schreibens zu den Eingaben, Information zur Gewährleistung des Geheimnisschutzes bei der Erarbeitung der Tierschutzverordnung (vom 11. 01. 1989), BArch DK 1/28484, unpag. Weiter hieß es ebenda: „Sie dürften jedoch beim aufmerksamen Studium unserer Medien bemerkt haben, daß seit einigen Jahren systematisch auf eine gesunde Ernährung unter Reduzierung von tierischem Fett und tierischem Eiweiß orientiert wird.“ 283 Vgl. dazu Kirchhof, Astrid Mignon: „Der freie Mensch fordert keine Freiheiten, er lebt einfach.“ Die Nestoren des DDR-Naturschutzes und die Herausbildung einer reformbewegten Gegenwelt, in: GG 41 (2015), S. 71 – 106. Zum Reform-Vegetarismus vgl. Baumgartner, Judith: Vegetarismus, in: Kerbs, Diethart/Reulecke, Jürgen (Hrsg.): Handbuch der deutschen Reformbewegungen 1880 – 1933, Wuppertal 1998, S. 127 – 139. 284 Bruno Kiesler (Leiter Abt. Landwirtschaft beim ZK der SED) auf der 15. Sitzung des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft mit dem Ausschuss für Gesundheitswesen und dem Rechtsausschuss vom 13. Juni 1962, Protokollauszug, BArch DA 1/2984, Bl. 82 (Beratung des Veterinärgesetzes). Zur Person Kieslers siehe oben, Kapitel 3.2.1, Anm. 375.
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SED-Parteiführung in den späten Achtzigerjahren eine gewisse Relevanz. Die sich verschärfende politische und wirtschaftliche Krise zwang die Regierung, auch auf dem Gebiet des Tierschutzes neue Wege zu beschreiten und eine gesetzliche Neuregelung anzupacken. Maßgebend für die erhöhte Aufmerksamkeit dürfte neben den nationalen Protestbewegungen gleichfalls der Einfluss der westdeutschen Umweltbewegungen gewesen sein (die als „Umwelthysterie“ 285 diffamiert wurden). Das neuartige Interesse an Tierschutzfragen seitens der Parteispitze dürfte aber auch der Tatsache geschuldet gewesen sein, dass andere (westliche) Länder unlängst eigene Tierschutzgesetze ausarbeiteten und im „antifaschistischen“ Arbeiter- und Bauernstaat noch immer ein Tierschutzgesetz aus Zeiten des Nationalsozialismus gültig war.286 Ferner war das Exportland DDR zunehmend dazu gezwungen, sich an internationale Standards zu halten – auch in Sachen Tierschutz.287 Außerdem novellierte die Bundesrepublik ihr Tierschutzgesetz 1986. Nicht zuletzt setzten die seinerzeit vermehrt auftretenden Proteste der ArbeiterInnen der „industriemäßigen Tierproduktion“ über die unzumutbaren Arbeitsverhältnisse und die Tierschutzverstöße die Monopolpartei unter Zugzwang.288
Die Verordnung über Tierschutz und Tierhygiene Auf der 40. Sitzung des Ministerrates am 10. September 1987 wurde die Verabschiedung einer Verordnung über Tierschutz und Tierhygiene für das Jahr 1988 beschlossen.289 In der Begründung zur geplanten Verordnung wurden erneut die 285 Weinitschke: Naturschutz, S. 81. Viele DDR-Umweltgruppen hatten Kontakte zu UmweltschützerInnen in ganz Europa und seit Ende der Achtzigerjahre war die Einreise für WesteuropäerInnen nach Ost-Berlin einfacher geworden, vgl. Neubert: Opposition, S. 718. Zur Diffamierung der westdeutschen Umweltdebatte vgl. auch Huff: Umweltgeschichte, S. 19; zur Abgrenzung von westdeutscher und „sozialistischer“ Umweltdebatte vgl. ebenda, S. 200 – 208. Gängige Vorwürfe gegenüber dem „kapitalistischen Naturschutz“ waren: Panikmache, Fatalismus und allgemeiner Pessimismus, außerdem Antihumanismus und Neomalthusismus sowie Gefühlsduselei und Ressentiments gegenüber Technik und Naturwissenschaften, vgl. Löther: Naturbeherrschung, S. 269. 286 Zu den Ländern, die nach 1945 als erste ein eigenes Tierschutzgesetz bzw. eine -verordnung besaßen, gehörten Dänemark (1950); die Niederlande (1961); Luxemburg (1965); die Bundesrepublik (1972) und die Schweiz (1978), vgl. Sambraus, Hans Hinrich: Geschichte des Tierschutzes, in: ders./Steiger (Hrsg.): Buch vom Tierschutz, S. 1 – 17, hier S. 15. 287 Vgl. Analyse und vergleichende Wertung der Tierschutzgesetzgebung 1989, BArch DP 1/20256, unpag. (S. 10); Stock, S. 87. 288 Vgl. Baranzke: Mensch-Tier-Beziehung, S. 67; Grove: Tierschutz, S. 55. 289 Ministerratsbeschluss zum Gesetzgebungsplan für den Zeitraum bis 1990 vom 10. September 1987, BArch DC 20/I/3/2523, Bl. 71 – 87, hier Bl. 74. Der Ministerratsbeschluss sah weiterhin die Änderung der Verordnung zum Schutze der Tierbestände vor Tierseuchen, Parasitosen und anderen Gefahren – Tierseuchen-Verordnung (1987), eine Neufassung der E rsten DV
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beiden Leitmotive des „sozialistischen“ Tierschutzes angeführt: „Die Einhaltung des Tierschutzes trägt dazu bei, die Leistung landwirtschaftlicher Zucht- und Nutztiere sowie anderer Tiere zu steigern und Störungen der öffentlichen Ordnung zu vermeiden.“ 290 Die Sicherung der öffentlichen Ordnung umfasste nun aber auch – und das ist das Neue an dieser Verordnung – „die Wechselwirkung zwischen Tier und Umwelt“ 291, was eine Reaktion auf die schweren ökologischen Folgen der Massentierhaltung darstellte, die in den Achtzigerjahren immer offensichtlicher und von der Bevölkerung zunehmend kritisiert wurden. Weiter hieß es, dass die Tierschutzverordnung notwendig sei, da das Fehlen einer geschlossenen Tierschutzgesetzgebung „zu unterschiedlichen Verfahrensweisen bei der Vorbeugung und Beurteilung von Tierschutzvergehen“ geführt habe. Die letzte Fassung der Tierschutzverordnung war vom Mai 1989.292 Um eine öffentliche Diskussion der Entwürfe zu verhindern 293, wurde die Verordnung als „Vertrauliche Verschlusssache“ eingestuft.294 Dessen ungeachtet, sickerten Informationen zur geplanten Tierschutzverordnung durch, was zur Folge hatte, dass in zahlreichen Eingaben eine öffentliche Diskussion (und inhaltliche Vorschläge) der Verordnung gefordert
zum Landeskulturgesetz – Schutz und Pflege der Pflanzen- und Tierwelt und der landschaft lichen Schönheiten (Naturschutz-Verordnung) sowie die Neufassung des Gesetzes über das Veterinärwesen (1989) vor, Ministerratsbeschluss zum Gesetzgebungsplan für den Zeitraum bis 1990 vom 10. September 1987, BArch DC 20/I/3/2523, Bl. 73 f. 290 Begründung zur Verordnung über den Tierschutz (April 1989), BArch DK 1/28484, unpag. 291 Ebenda. 292 Entwurf Verordnung über Tierschutz und Tierhygiene – Tierschutzverordnung – enthalten in BArch DP 1/20256, unpag. (undatiert, Mai 1989); die folgenden Zitate aus der Tierschutzverordnung sind diesem Entwurf entnommen. An der Erarbeitung der Entwürfe haben in mehreren Durchläufen allein 30 staatliche Organe, wissenschaftliche Einrichtungen und Betriebe mitgearbeitet. Die überarbeiteten Verordnungsentwürfe wurden anschließend circa 35 staatlichen Organen, Betrieben und Einrichtungen zur Stellungnahme vorgelegt. Die abermals geänderten Entwürfe wurden schließlich an weitere 39 Ministerien, Staatssekretäre, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und wissenschaftliche Einrichtungen zur Begutachtung übersandt, vgl. Information der Inspektion des Ministers zur Gewährleistung des Geheimnisschutzes bei der Erarbeitung der Tierschutzverordnung vom 11. 01. 1989, BArch DK 1/28484, unpag. 293 Eine öffentliche Diskussion war in den Augen der SED-Oberen nicht erforderlich, „da in die Ausarbeitung der Tierschutzverordnung ein breiter Kreis von Spezialisten und Vertreter verschiedener Bevölkerungsgruppen einbezogen waren.“ Schreiben des Abteilungsleiters Landwirtschaft beim ZK der SED Helmut Semmelmann an den Staatssekretär des MLFN vom 22. 03. 1989, BArch DK 1/28484, unpag. Die Volksaussprache über grundlegende Gesetze war eigentlich ein Verfassungsgrundsatz, vgl. Artikel 65 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. April 1968 294 Information der Inspektion des Ministers zur Gewährleistung des Geheimnisschutzes bei der Erarbeitung der Tierschutzverordnung vom 11. 01. 1989, BArch DK 1/28484, unpag.
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wurden.295 Die Tierschutz-Verordnung galt erstmals für alle Bereiche der Tierhaltung und damit für alle Tiere. Neu war zudem, dass die Grundsätze des Tierschutzes Eingang in die Lehrpläne der Schulen finden sollten.296 Die Verordnung sah überdies die verbindliche Bildung einer „Zentralen Tierschutzkommission“ im Landwirtschaftsministerium sowie die Gründung von „Bezirkstierschutzkommissionen“ vor (§ 4). Damit wäre der Tierschutz rechtsgültig institutionalisiert worden. Das (gewerbliche und für Wissenschaftszwecke) Halten und Züchten von Tieren war nun genehmigungspflichtig und der Tiertransport und -verkehr sei „tierschutzgerecht zu gestalten“ (§ 7). Das Töten von und Eingriffe an Tieren sollten schmerzlos durchzuführen sein und das Schlachten nur unter Betäubung stattfinden (§§ 8 und 9). Bemerkenswert war der vorgeschriebene Ausschluss der Öffentlichkeit und von Personen unter 14 Jahren beim Schlachten. Damit diente jener Paragraph weniger dem Schutz des Tieres, als dem der menschlichen Empfindungen („ästhetischer Tierschutz“). Die Verordnung regelte außerdem die Tierversuche (§ 10). Neben dem Hinweis auf den § 250 des StGB waren bei Tiermisshandlung und -quälerei Ordnungsstrafen von bis zu 1.000 Mark angedacht (§ 12).
Das erste Tierschutzgesetz der DDR Im Laufe des Jahres 1988 wuchs der politische Druck auf das SED-Regime stetig weiter – auch auf dem Gebiet des Tierschutzes. Durch die Zunahme des öffent lichen Protestes trafen auch bei den verantwortlichen Staatsorganen nun vermehrt Eingaben zum Thema Tierschutz ein.297 Auch der Leiter des Landwirtschaftsreferates der Vertretung der Bundesrepublik in der DDR, Dr. Bammel, erkundigte sich nach dem Tierschutz in der DDR und führte Gespräche mit VertreterInnen von Tierschutzgruppen aus der DDR.298 Der Tierschutz bekam, wenn auch nur 295 Vgl. Information Stand der Erarbeitung der Tierschutzverordnung (TSVO) vom 22. 02. 1989, BArch DK 1/28484, unpag.; Vermerk über die Eingaben zur Tierschutzverordnung vom 28. 4. 1989, BArch DK 1/28484, unpag.; Information zur Gewährleistung des Geheimnisschutzes bei der Erarbeitung der Tierschutzverordnung (vom 11. 01. 1989), BArch DK 1/28484, unpag. Eingaben zu finden in: BArch DK 1/28455. Die Eingaben wurden mit einer standarisierten Antwort, die alle Bedenken ausräumt, beantwortet, vgl. Anlage 2: Muster eines Schreibens zu den Eingaben, Information zur Gewährleistung des Geheimnisschutzes bei der Erarbeitung der Tierschutzverordnung (vom 11. 01. 1989), BArch DK 1/28484, unpag. 296 Wie es beim Naturschutz bereits der Fall war, vgl. Schneider: Schützt die Natur. 297 Vgl. Analyse der in der HA Veterinärwesen bearbeiten Eingaben im Zeitraum vom 26.01. bis 07. 05. 1989 vom 09. 05. 1989, BArch DK 1/28484, unpag. Eingaben in: BArch DK 1/28455; BArch DK 1/28484 – 28486; SAPMO BArch DY 30/1929. Vgl. auch Stübner: Problemkreis Tier – Mensch – Großstadt, hier S. 684. 298 Information über Aktivitäten des Leiters des Landwirtschaftsreferates der Vertretung der BRD in der DDR, Dr. Bammel, Insp.-MLFN vom 05. 10. 1988, MfS HA XVIII, Nr. 17501,
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am Rande, eine zunehmend (außen- und innen-)politische Bedeutung. Unter diesem Eindruck entschied die Parteiführung – gegen den Willen des Landwirtschafts- und Justizministeriums –, die Tierschutzverordnung in ein Gesetz umarbeiten zu lassen.299 Unter weiter steigendem politischen und wirtschaftlichen Druck veranlasste die SED-Spitze im August 1989, das Tierschutzgesetz sogar noch im selben Jahr zu erlassen 300, und stimmte dem erarbeiteten Tierschutzgesetz im Oktober 1989 zu.301 In Vorbereitung des Tierschutzgesetzes forderte das ZK der SED eine Analyse an, die „die politischen moralisch-ethischen Tendenzen und die ökonomischen Aspekte“ des Tierschutzes in der DDR herausarbeiten sollte, auf deren Grundlage dann das neue Tierschutzgesetz erarbeitet werden sollte.302 Die Auftragsarbeit 303 stellte die „Grundsätze der Regelungen zum Tierschutz in der DDR“ auf und ist BStU, Bl. 26; Aktivitäten kirchlicher Gruppen auf dem Gebiet des Tierschutzes, Quelle HA II Info-Nr. 2410/89 vom 25. 05. 1989, MfS HA XVIII, Nr. 17501, BStU, Bl. 40. 299 Schreiben des Abteilungsleiters Landwirtschaft beim ZK der SED Helmut Semmelmann an den Landwirtschaftsminister Bruno Lietz vom 09. 05. 1989, BArch DK 1/28484, unpag. Das MLFN bekräftigte: „nach Prüfung des Für und Wider bin ich nach wie vor der Meinung, die Rechtsvorschrift nach wie vor als Verordnung zu erlassen. Hinsichtlich der Wirkung einer solchen komplexen Regelung betreten wir Neuland und nicht auszuschließende Präzi sierungen, auch aus der Sicht der Vermeidung von Diskriminierungen im Handel mit dem NSW, sind bei einem Gesetz nicht kurzfristig möglich.“ Schreiben des Landwirtschaftsministers Bruno Lietz an den Abteilungsleiter Landwirtschaft beim ZK der SED Helmut Semmelmann vom 16. 06. 1989, BArch DK 1/28484, unpag. Vgl. auch das Schreiben des Landwirtschaftsministers Bruno Lietz an den Landwirtschaftssekretär des ZK der SED Werner Krolikowski vom 25. 04. 1989, BArch DK 1/28484, unpag. Das MdJ verwies auf die Zuständigkeit des Veterinärwesens und damit auf das Veterinärgesetz, vgl. Vermerk über eine Beratung am 19. 07. 1988 zum Entwurf der Verordnung über Tierschutz, Hauptabteilung IV des MdJ vom 20. 07. 1988, BArch DP 1/20256, unpag. 300 Schreiben vom Landwirtschaftssekretär des ZK der SED Werner Krolikowski an den Landwirtschaftsministers Bruno Lietz vom 07. 08. 1989, BArch DK 1/28484, unpag. 301 Schreiben vom Landwirtschaftssekretär des ZK der SED Werner Krolikowski an den Landwirtschaftsminister Bruno Lietz vom 09. 10. 1989, BArch DK 1/28483, unpag. Am 02. 11. 1989 beschließt der Ministerrat in seiner 113. Sitzung die öffentliche Diskussion des Tierschutzgesetzes sowie die Beratung in den Ausschüssen der Volkskammer, BArch D 20-I/3/2862a, unpag. 302 Schreiben des Abteilungsleiters Landwirtschaft beim ZK der SED Helmut Semmelmann an den Landwirtschaftsminister Bruno Lietz vom 09. 05. 1989, BArch DK 1/28484, unpag. 303 Analyse und vergleichende Wertung der Tierschutzgesetzgebung 1989, BArch DP 1/20256, unpag. In dem Papier wurden Tierschutzgesetzgebungen verschiedener Länder (DDR, UdSSR, ČSSR, Ungarischen Volksrepublik, Bundesrepublik und Schweiz) untersucht und verglichen. Die Begründung des Tierschutzgesetzes basierte wesentlich auf dieser Analyse, vgl. Begründung des Tierschutzgesetzes, Beschlussvorlage für den Ministerrat zum Entwurf des Tierschutzgesetzes und zur E rsten Durchführungsverordnung zum Tierschutzgesetz vom 25. 10. 1989, MfS HA XVIII, Nr. 21335, BStU, Bl. 79 – 80.
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hinsichtlich der Frage, w elche Motive dem „sozialistischen“ Tierschutz zugrunde lagen, überaus aufschlussreich. Die ethisch-moralischen Grundlagen des Tierschutzes im Staatssozialismus fußten dem Papier zufolge auf drei Grundprinzipien: Erstens betrachte der Tierschutz „das Tier entsprechend seinem Platz in der stammesgeschichtlichen Entwicklung und berücksichtigt die Lebensbedürfnisse und sinnespsychologischen Eigenschaften, die der Entwicklungsstufe einer Tierart und den rassetypischen Besonderheiten entsprechen.“ 304 Eine zweite Grundlage des DDR-Tierschutzes war die Auffassung, dass Tiere als Teil der Natur der „marxistischen Auffassung“ unterliegen, der zufolge Natur auf „Grundlage der Kenntnis ihrer Gesetzmäßigkeiten“ beherrscht und bewahrt werden muss. Im Umgang mit Tieren (oder vielmehr ihrer Nutzung) trägt der Mensch Verantwortung dafür, „Tiere vor schädigenden Auswirkungen menschlichen Handelns zu schützen und dort, wo Beeinträchtigungen unvermeidbar sind, so gering als mög lich zu halten.“ Im Fokus des Tierschutzes lägen insbesondere die „landwirtschaft liche[n] Nutztiere“, da diese „Voraussetzung für die physische Existenz des Menschen sind.“ Diese Ansicht mündete in der Formel: „Nutzung der Tiere und Tierschutz bilden eine Einheit“. Der dritte Grundsatz des Tierschutzes sei die „sozialistische“ Moral. Folglich setze ein „vernünftiges, sachkundiges Verhalten der Gesellschaft zu den Tieren […] achtungsvolle, kameradschaftliche Beziehung der Mitglieder der Gesellschaft zueinander voraus“. Weiterhin sei der Tierschutz im Sozialismus ein „gesamtgesellschaftliches Anliegen.“ Mit den postulierten ethisch-moralischen Tierschutz-Grundlagen versuchte man sich vom westlichen Tierschutz-Verständnis abzugrenzen, wo das Tierschutzgesetz mutmaßlich „die Verantwortung des Menschen für das Tier als ‚Mitgeschöpf‘ in den Mittelpunkt und damit bewußt dem Mensch-Tier-Verhältnis einen idealistisch-religiösen Leitgedanken gibt.“ 305 Tiere als „Mitgeschöpfe“ zu bezeichnen, entsprach nicht dem Grundsatz, Tiere der Evolutionsgeschichte zufolge als Lebewesen niedrigerer Entwicklungsstufe unterhalb des Menschen zu betrachten, was sich auch in der Gesetzgebung widerspiegeln müsse.306 Die formulierten inhaltlichen Schwerpunkte 304 Analyse und vergleichende Wertung der Tierschutzgesetzgebung 1989, BArch DP 1/20256, unpag. (S. 11). Alle folgenden Zitate sind d iesem Dokument entnommen. Dieselben Auffassungen wurden schon 21 Jahre früher dargelegt, vgl. Burckhardt/Eschler: Tierschutz. 305 Das Wort „Mitgeschöpf“ taucht im § 1 des Tierschutzgesetzes der Bundesrepublik vom 24. Juli 1972 auf: „Zweck dieses Gesetztes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen.“ In der Analyse wurde den Tierschutzgesetzgebungen Westdeutschlands und der Schweiz aber auch attestiert „auf hohem fachlichen Niveau“ zu stehen und die „ethischen-moralischen Grundlagen haben durch wissenschaftliche Arbeiten eine besondere Entwicklung erfahren […]“ (S. 7). 306 Die religiöse Konnotation des Begriffs dürfte auch auf Ablehnung gestoßen sein, wenngleich die „humanistischen Vorstellungen“ der DDR „aus christlicher Verantwortung entwickelt worden sind“ (S. 12).
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des DDR-Tierschutzgesetzes 307 entsprächen der Analyse zufolge natürlich dem „internationalem Stand“. In Abgrenzung zum westlichen Tierschutzrecht sollte dasjenige der DDR überdies „Pflichten der Tierhalter gegenüber der Gesellschaft im Interesse des Zusammenlebens der Bürger“ umfassen, womit die so oft geforderte Sicherung der „öffentlichen Ordnung“ gemeint war. Außerdem unterläge der Tierschutz in der DDR im Gegensatz zur westlichen Tierschutztätigkeit „der einheitlichen staatlichen Leitung und Überwachung“. Die Beziehung z wischen „Tierschutz und Ökonomie“ bestünde in der „Einheit von Tiernutzung und Tierschutz“. Denn es bestehe ein „Zusammenhang von Tierschutz, Tierleistung und Qualität der von Tieren stammenden Erzeugnisse und Rohstoffe.“ Insbesondere der letzte Punkt macht deutlich, dass das Tierschutzverständnis der späten DDR mit demjenigen aus den Anfangsjahren korrespondiert. Immerhin sollten diese Prämissen nun auch in einem Gesetz ihren Ausdruck finden. Das geplante Tierschutzgesetz der DDR 308 bestand aus 26 Paragraphen und wurde durch Durchführungsbestimmungen präzisiert.309 In der Präambel hieß es: „Tiere sind wesentlicher Bestandteil der Umwelt des Menschen. Der Tierschutz ist auf ihre Gesunderhaltung und auf die Sicherung ihrer grundlegenden Lebensbedingungen sowie auf das verantwortungsvolle Verhalten gegenüber Tieren gerichtet.“ Die Formulierung legt nahe, dass sich das Tierschutzverständnis der DDR (zumindest auf dem Papier) dahin gehend erweitert hatte, dass der Tierschutz nun erstmals um der Tiere Willen betrieben wurde – ganz unabhängig von ihrer Nützlichkeit für den Menschen. Weiter hieß es, das „Gesetz regelt die Aufgaben, Rechte und Pflichte beim Umgang mit Tieren“, die nun für „alle Eigentümer und Nutzer von Tieren“ galten (§§ 1 und 2). Damit wäre die Zersplitterung des Tierschutzrechts in der DDR nicht nur formal, sondern auch inhaltlich aufgelöst worden. Denn das Gesetz fasste die bestehenden Tierschutzbestimmungen in einem geschlossenen Rechtstext zusammen und galt somit für alle TierhalterInnen und stellte alle Tiere unter Schutz. Der § 3 stellte die „Grundregeln tierschutzgerechten Verhaltens“ auf: 307 Das Gesetz umfasste den „tierschutzgerechten Umgang mit Tieren, Anforderungen an Tierhaltung und -transport, Schlachten und Töten von Tieren, Eingriffe an Tieren, Tierversuche, Leitung und Organisation des Tierschutzes und Straf- und Ordnungsstrafbestimmungen“. 308 Die letzte Fassung des Gesetzes war vom Oktober 1989, BArch DK 1/28483, unpag. Alle folgenden Zitate sind, wenn nicht anders gekennzeichnet, dieser Fassung entnommen. Diese Ausgabe des Gesetzes wurde von der Parteispitze abgesegnet, vgl. Schreiben vom Landwirtschaftssekretär des ZK der SED Werner Krolikowski an den Landwirtschaftsminister Bruno Lietz vom 09. 10. 1989, BArch DK 1/28483, unpag. 309 In den Akten lag die DV zum Tierschutzgesetz (undatiert, Herbst 1989), BArch DK 1/28483, unpag. sowie die Erste DB zum Gesetz über Tierversuche vor (BArch DP 3/1239, unpag.). Eine Zweite DB über das Schlachten von Tieren war geplant, vgl. dazu die Dokumente in BArch DP 1/20256.
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Tiere sind durch verantwortungsbewußtes Verhalten ihnen und ihren Lebensbedingungen gegenüber zu s chützen. Ohne gerechtfertigten Grund dürfen Tieren weder Schmerzen noch Schäden zugefügt oder Tiere so behandelt werden, daß dadurch krankhafte Störungen auftreten.
Hier wurde ein grundsätzliches Verbot zum Schutz von Tieren aufgestellt, wobei der Schutz nur die körperliche Integrität betraf, nicht aber das tierliche Leben an sich.310 Aufschlussreich ist der Ausdruck der „krankhaften Störungen“ 311. Dieser Begriff ersetzte das Wort „Leiden“ (wie es im Tierschutzgesetz der Bundesrepublik zu finden ist), denn derartige Begriffe seien nicht „frei von Subjektivismus und ungerechtfertigten Emotionen“ 312. Der Terminus der „krankhaften Störung“ sollte eine (vermeintliche) „wissenschaftliche Objektivität“ gewährleisten. Aus diesem Grund wurde im Gesetz auch auf Begriffe wie „Wohlbefinden“, „artgemäß“ oder „verhaltensgerecht“ verzichtet, da die selbst für „Sachverständige schwer objektivierbar“ 313 s eien. Außerdem betont der Ausdruck „Leiden“ das Umfassende des Schmerzes und beinhaltet auch psychisches Leiden.314 Der Schutz der Tiere konnte laut Tierschutzgesetz ausgesetzt werden, wenn dafür ein „gerechtfertigter Grund“ bestand. Auch hier grenzte sich das DDR-Recht sprachlich vom westdeutschen Tierschutzgesetz ab, wo ein „vernünftiger Grund“ vorliegen müsse.315 Insgesamt iesem Punkt stellt das DDR-Tierschutzgesetz 18 weitreichende Verbote auf. In d 310 Wie es im Tierschutzgesetz der Bundesrepublik der Fall war, vgl. § 1 Tierschutzgesetz der Bundesrepublik vom 27. 07. 1972: „Dieses Gesetz dient dem Schutz des Lebens und Wohlbefindens des Tieres. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ (Hervorhebung A. L.) 311 Der Terminus wurde in der Begriffsbestimmung zum Gesetz als „vom gesunden Zustand eines Tieres abweichende Veränderungen seiner Körperfunktionen und/oder erhebliche Abweichungen seines normalen Verhaltens“ definiert. 312 Analyse und vergleichende Wertung der Tierschutzgesetzgebung 1989, BArch DP 1/20256, unpag. (S. 13). 313 Ebenda. In den vorangegangenen Entwürfen wurden diese Termini noch genutzt, was in vielen Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf bemängelt wurde. Zum Beispiel kritisierte der Kulturbund, dass der Ausdruck „art- und verhaltensgerecht“ „unwissenschaftlich“ sei und besser durch die Formulierung „entsprechend dem derzeitigen Wissensstand für eine Tierart adäquate Formen der Unterbringung, Fütterung und Pflege“ ersetzt werden sollte, Anmerkungen zum Entwurf, Schreiben vom Bundessekretär des Kulturbundes der DDR, Dr. Manfred Fiedler, an die Leitung des Veterinärwesens, Dr. Schwedler, vom 20.09. 1988, SAMPO BArch DY 27/9693, unpag. 314 Vgl. Sambraus: Grundbegriffe, S. 32; vgl. auch Lorz: Entwicklung, S. 133 f. 315 Wann dieser Grund vorliegt, darin besteht allerdings von jeher die „Kardinalfrage“ des Tierschutzes, vgl. Lorz: Entwicklung, S. 133. Zur Begriffsverortung des „vernünftigen Grundes“ vgl. Hirt, Almut/Maisack, Christoph/Moritz, Johanna: Tierschutzgesetz. Kommentar, München 2003, S. 56 – 70.
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war das ostdeutsche Tierschutzgesetz mit demjenigen von 1933 vergleichbar und war überdies strenger als das westdeutsche Tierschutzgesetz. Beispielsweise sah das Tierschutzgesetz der DDR auch ein Verbot von Tierkämpfen, des Einsatzes von Dopingmitteln, der Qualzucht, des Einsatzes von Würgehalsbändern oder des Verwendens von lebenden Wirbeltieren als „Futtertiere“ vor. Die Bestimmungen zur Haltung von Tieren (§§ 4 bis 6) sicherten „eine der Tierart und Rasse angemessene Form der Haltung, Fütterung und Pflege, Betreuung und Unterbringung“. Die „Haltung und Nutzung hat so zu erfolgen, daß sie nicht zu Schmerzen, Schäden oder krankhaften Störungen führt.“ Tierunterkünfte und Arbeitsmittel mussten eine „gesunde und leistungsfördernde Haltung der Tiere gewährleisten“ und „keine Schmerzen, Schäden oder krankhafte Störungen“ verursachen. Erneut ist offensichtlich, dass Begriffe wie „artgemäß“ oder „art- und verhaltensgerecht“ vermieden wurden. Als Reaktion auf die Umweltfolgen der Intensivtierhaltung wurde weiterhin angeordnet, dass die Tierhaltung nicht zu „Schäden gegenüber Mensch, Tier und natürlicher Umwelt“ führen dürfe. Zur Bewahrung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wurde festgelegt, dass Tiere „nach den Regeln des Zusammenlebens der Bürger“ gehalten werden müssen und für bestimmte Tiere der BürgerInnen eine Anmelde- und Genehmigungspflicht besteht.316 Damit sicherte sich der Staat die Kontrolle und „Einflußnahme auf den Umfang und die Sicherheit von Tierhaltungen“ 317 vor allem in Großstädten. Zur Frage der Tiertransporte wurde unter § 7 des Tierschutzgesetzes lediglich bestimmt, dass Fütterung und Tränkung zu gewährleisten sind. Die Verhinderung von Schmerzen und Schäden bei Transporten wurde nicht von vornherein ausgeschlossen. In der Durchführungsverordnung (§§ 7 bis 8) hieß es dazu weiter, dass beim Transport starke Erschütterungen ausgeschlossen und eine Betreuung der Tiere sowie ungehinderte Luftzufuhr gewährleistet sein müssen. Weiterhin musste es möglich sein, dass die Tiere in den Transportmitteln „zwanglos liegen und stehen können“. Das galt auch für den Fall, dass die Tiere angebunden waren (Rinder durften dabei nicht an Nasenringen oder ihren Hörnern festgebunden werden). Fische durften nur unter Bedingungen transportiert werden, „die ihren Lebensbedingungen entsprechen“. Das Ver- und Entladen der Tiere musste „schonend“ erfolgen (beispielsweise waren Elektrotreibstäbe nur in Ausnahmefällen und auch nur bei Rindern zugelassen). Während des Transports musste 316 Die Anlagen zur DV zum Tierschutzgesetz listen die einzelnen Tierarten auf. Die BürgerInnen konnten sich in Sachen Tierhaltung kostenlos bei den Tierärzten beraten lassen (§ 1). Die Ost-Berliner Stadtordnung (1979) enthielt bereits Bestimmungen zur genehmigungspflichtigen Haltung bestimmter Tiere, siehe dazu Kapitel 2.3.1. 317 Begründung des Tierschutzgesetzes, Beschlussvorlage für den Ministerrat zum Entwurf des Tierschutzgesetzes und zur Ersten Durchführungsverordnung zum Tierschutzgesetz vom 25. 10. 1989, MfS HA XVIII, Nr. 21335, BStU, Bl. 79 – 80, hier Bl. 79.
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gewährleistet sein, dass die Tiere in „artgerechten Zeitabständen“ mit Wasser und Futter versorgt werden (hier nutzte man den Terminus „artgerecht“). Der Transport selbst musste zügig vonstattengehen und längere Wartezeiten sollten vermieden werden – Zeitbegrenzungen oder festgelegte Pausenzeiten enthielten die Paragraphen nicht. Ein bedeutender Abschnitt des Tierschutzgesetzes stellte § 8 über die Eingriffe an Tieren dar. Eingriffe an Tieren durften „zum Zweck der Krankheitsvorbeugung, der Heilbehandlung, der wirtschaftlichen Haltung und zur Steuerung ihrer Vermehrung durchgeführt werden.“ Schmerzhafte Eingriffe an Säugetieren, Vögeln, Reptilien und Amphibien mussten unter Betäubung stattfinden und von Fachpersonen durchgeführt werden. Ohne Betäubung waren nur (vermeintlich) wenig schmerzhafte Eingriffe erlaubt.318 Die Bestimmung galt ausdrücklich nicht für Tierversuche. § 9 über das Töten und Schlachten von Tieren legte fest, dass Wirbeltiere nur unter Betäubung, oder wenn dies nicht möglich ist, auf andere schmerzlose Art erlaubt ist (zum Beispiel durch Enthauptung). Die Durchführung der Tötung oblag dabei stets einer sachkundigen Person. Das Töten bei der Jagd (und beim Angeln) musste „weidgerecht“ erfolgen. Ausnahmen von der Betäubungspflicht galten für Fische beim Fischfang, für Tiere, die in „Verbindung mit der Schädlingsbekämpfung“ stehen, sowie für andere „in Rechtsvorschriften ausdrücklich“ vorgesehenen Fällen (wurden nicht genannt). Das Schächten wurde ebenfalls von der Betäubungspflicht ausgenommen. Obwohl für das Töten und Schlachten von Tieren eine eigene Durchführungsbestimmung vorgesehen war, enthielt die (allgemeine) Durchführungsverordnung zum Tierschutzgesetz diesbezügliche Regelungen (§§ 11 bis 14). Dort wurde unter anderem festgehalten, dass „der Anblick des Schlachtens“ der Öffentlichkeit nicht zugäng lich sein dürfe und die Anwesenheit von Kindern unter 14 Jahren verboten war. Personen, die wiederholt Tieren beim Töten Schmerzen zugefügt haben, konnten von ihrer Tätigkeit entbunden werden. Die drei folgenden §§ 10 bis 13 befassten sich mit der Problematik der Tierversuche. Zunächst durften Tierexperimente nur durchgeführt werden, wenn keine alternative Methode bereitstand. Der Schutz für die ‚Versuchstiere‘ sollte durch verschiedene Maßnahmen verstärkt werden. Vorerst waren Tierversuche nur für bestimmte Zwecke und nur mit Genehmigung erlaubt (§§ 10 und 11). Weiterhin sollte stets versucht werden, „entsprechend den zu lösenden Aufgaben Tiere mit der niedrigst geeigneten Entwicklungsstufe einzusetzen“ (§ 10). Grundsätzlich verboten waren „Tierversuche, die mit erheb lichen, langandauernden oder sich wiederholenden Schmerzen verbunden sind oder zu schweren krankhaften Störungen bei Tieren führen“ (§ 11). Ferner sollte
318 Dazu gehörten laut DV (§ 10) die vollständige oder teilweise Amputation verschiedener Körperteile (Hoden, Hörner, Ohren, Schnäbel, Schwänze oder Flügel). In diesem Punkt ähnelten sich das Tierschutzgesetz der DDR und das der Bundesrepublik stark.
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der Tierschutz durch das Betäubungsgebot verstärkt werden, was heißt, dass „Eingriffe an Wirbeltieren“ bis auf wenige Ausnahmen nur „unter Betäubung vorzunehmen“ sind (§ 12). Im Groben orientierte sich das DDR-Tierschutzgesetz hier an dem der Bundesrepublik, wobei letztgenanntes wesentlich detaillierter ist. Für den Abschnitt Tierversuche war eine Durchführungsbestimmung geplant, die allerdings ausschließlich administrative Vorgehensweisen regelte.319 Die Leitung und Organisation des Tierschutzes nahmen einen großen Raum im geplanten Tierschutzgesetz ein (§§ 14 bis 22), schließlich war der Tierschutz in der DDR staatlich organisiert. Für Tierschutzfragen blieben das Ministerium für Landwirtschaft sowie die TierärztInnen zuständig (§§ 14 und 18). Neu war die verbindliche Bildung eines Zentralen Beirates für Tierschutz im Landwirtschaftsministerium sowie die Bildung von Beiräten in den Bezirken (§ 16). Dadurch wäre die Bildung von Tierschutz-Beiräten (auch der Begriff „Tierhygiene“ fiel weg) keine „Kann-Anordnung“ mehr. Das geplante Tierschutzgesetz bildete damit den Rahmen für den organisierten Tierschutz in der DDR, der Privatinitiativen weiterhin ausschloss. Die Aufgaben des Zentralen Beirates und der Bezirks- Beiräte für Tierschutz blieben indes auf beratende und aufklärerische Bereiche beschränkt.320 „Grundkenntnisse des Tierschutzes“ sollten schon in den polytechnischen Oberschulen vermittelt werden (§ 15). Erwähnenswert ist weiterhin der § 20, der den Umgang mit ‚herrenlosen‘ Tieren regelte. In d iesem Fall behielten sich die Stadträte vor, jene Tiere einzufangen und gegebenenfalls zu töten. Dies durfte laut Durchführungsverordnung (§ 20) nur mit zugelassenen Methoden oder Mitteln erfolgen (es erfolgt keine explizite Nennung der Mittel oder Verbote, wie zum Beispiel die Verwendung von bestimmten Fallen). Das „Einfangen und Dezimieren verwilderter Haustiere“ war eine Maßnahme, die dem Seuchenschutz (insbesondere vor der Tollwut) dienen sollte.321 Der Paragraph war, zusammen mit der Genehmigungspflicht für bestimmte Tiere der BürgerInnen, folglich dem Schutz der Sicherheit und Ordnung im öffentlichen (urbanen) Raum verpflichtet – eine bereits erwähnte Besonderheit des DDR-Tierschutzrechts. Im Gegensatz zur Tierschutz-Verordnung enthielt das Tierschutzgesetz auch Straf- und Ordnungsbestimmungen. Der § 23 bestrafte die vorsätzliche rohe Misshandlung und 319 Vgl. Entwurf Erste Durchführungsbestimmung zum Gesetz über den Tierschutz – Tierversuche“ (undatiert, August 1989), BArch DP 3/1239, unpag. 320 §§ 15 bis 17 der DV zum Tierschutzgesetz. 321 Die DDR hatte vergleichsweise große Probleme mit der Tollwut. Zur Bekämpfung der Tollwut wurde 1971 die „Zentralstelle für Tollwutepizootiologie und Wildhygiene“ (ZTW) gegründet. Zur Tollwutbekämpfung gehörte neben der Fuchsjagd und der Fuchsbaubegasung auch der (staatlich prämierte) Fang und Abschuss von streunenden Hunden und Katzen, vgl. Fink, Hans-Georg/Gasparin, Julius: Wildhygiene, in: Stubbe (Hrsg.): Jagd in der DDR, S. 160 – 184.
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Tierquälerei nun mit einer Höchststrafe von bis zu einem Jahr Gefängnis. Dies stellte eine erhebliche Erhöhung des Strafmaßes dar, denn der § 250 des StGB bestrafte Tierquälerei maximal mit einer Bewährungsstrafe. Begründet wurde die Strafmaßerhöhung damit, dass hierdurch „die veränderte Bewertung solcher Handlungen“ 322 berücksichtigt wurde. Die mit dem § 23 verbundene Außerkraftsetzung des § 250 StGB führte zu erbitterten Auseinandersetzungen zwischen der Generalstaatsanwaltschaft und dem Landwirtschaftsministerium.323 Weitere Vergehen an Tieren wurden laut § 24 als Ordnungswidrigkeiten eingestuft und konnten gemäß ihrer Schwere mit einer Ordnungsstrafe von zehn bis 1.000 Mark bestraft werden. Dies stellte gegenüber dem § 9 der Ordnungswidrigkeitenverordnung, der nur 20 bis 500 Mark vorsah, ebenfalls eine entscheidende Strafmaßerhöhung dar. Das Tierschutzgesetz und seine Nachfolgeregelungen waren eine Zäsur innerhalb der Tierschutzproblematik, nachdem der erste Versuch, ein Tierschutzgesetz zu erarbeiten, 1962 gescheitert war.324 Das Tierschutzgesetz von 1989 wäre zum damaligen Zeitpunkt das erste seiner Art in einem sozialistischen Land gewesen. Inhaltlich betrachtet war das Gesetz durchaus richtungsweisend. Erstmals fand ein umfassender Tierschutzbegriff Anwendung, der den Schutz aller Tiere (auch) um ihrer selbst willen beinhaltete. Die Verantwortlichen konnten von den jahrzehntelangen Erfahrungen aus anderen (kapitalistischen) Ländern profitieren und orientierten sich dabei sehr stark am Tierschutzgesetz der Bundesrepublik (das ostdeutsche Tierschutzgesetz enthielt wortgleiche Formulierungen). Die inhalt lichen Schwerpunkte des Gesetzes, namentlich der hohe Gesundheitsschutz 322 Begründung des Tierschutzgesetzes, Beschlussvorlage für den Ministerrat zum Entwurf des Tierschutzgesetzes und zur Ersten Durchführungsverordnung zum Tierschutzgesetz vom 25. 10. 1989, MfS HA XVIII, Nr. 21335, BStU, Bl. 79 – 80, hier Bl. 80. In der Bundesrepublik wurde Tierquälerei hingegen mit bis zu drei Jahren Freiheitsentzug bestraft, vgl. § 17 Tierschutzgesetz der Bundesrepublik vom 24. Juli 1972. 323 Der Generalstaatsanwalt verweigerte die Zustimmung zum Gesetz, da dies in seinen Augen „der seit Jahren verfolgten Konzeption, im Interesse der Übersichtlichkeit des Strafrechts und der Rechtssicherheit strafrechtliche Normen auf das StGB zu konzentrieren“ widerspräche, Schreiben des Generalstaatsanwalts der DDR, Günter Wendland, an den Landwirtschaftsminister Bruno Lietz vom 28. 08. 1989, BArch DP 3/1239, unpag. Diesem Standpunkt stellte das MLFN sowie das MdI die Zielsetzung gegenüber, „durch eine komplexe Reglung aller den Tierschutz betreffenden Fragen in der DDR auch auf diese Weise den humanistischen Charakter und die ethisch-moralischen Wertvorstellungen der sozialistischen Gesellschaft zum Ausdruck zu bringen“ und „im Umfang der zu regelnden Beziehungen nicht hinter vergleichbaren Gesetzen anderer Staaten zurückzustehen“, Schreiben Bruno Lietz an Günter Wendland vom 15. 09. 1989, BArch DP 3/1239, unpag. Weiteres zum Vorgang in: BArch DK 1/28484, unpag. 324 Zur Bewertung der DDR-Tierschutzgesetzgebung vgl. auch Stock: Tierschutz, S. 90 ff., zur Gesamtbewertung des „sozialistischen“ Tierschutzes vgl. ebenda, S. 300 – 317 (sie basiert hauptsächlich auf der Analyse und vergleichende Wertung der Tierschutzgesetzgebung 1989, BArch DP 1/20256, unpag.).
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der Tiere (auch Seuchenschutz) sowie die Berücksichtigung von Problemen der Tierhaltung für die Umwelt und den öffentlichen Raum, waren Besonderheiten des „sozialistischen“ Tierschutzgesetzes und auf die spezifische Situation der DDR zurückzuführen. Zugleich unterstreichen sie den anthropozentrischen Charakter des Tierschutz-Konzepts der DDR. Letztlich war das geplante Tierschutzgesetz nur ein weiteres machtpolitisches Instrument der SED, denn der Vorstoß war eine Reaktion auf die politische, wirtschaftliche und ökologische Krisensituation der Achtzigerjahre. Mit dem Gesetzestext sollte laut Parteiführung allein „das politische Ansehen der DDR gestärkt und die Erfordernisse der sozialistischen Intensivierung der Landwirtschaft gesichert werden“ 325. Es sollte „Ausdruck des humanistischen Charakters und der ethisch-moralischen Wertvorstellung der sozialistischen Gesellschaft der DDR“ sein und der internationalen Öffentlichkeit den „hohe[n] Stand des Gesundheitsschutzes und der Tierhygiene“ 326 zeigen. Die Anpassung an internationale (Tierschutz-)Standards war für das SED-Regime existenziell, denn sie war vom Export von Tieren und deren Produkten abhängig. Weiterhin war das Tierschutzgesetz zur Ruhigstellung oppositioneller Gruppen gedacht und sollte den in den Eingaben formulierten Erwartungen der BürgerInnen entsprechen. Der Schutz des tierlichen Lebens war also – wenn überhaupt – bestenfalls drittrangig. Insofern handelte es sich um ein rein „optisches Gesetz“ 327, wie die Generalstaatsanwaltschaft der DDR bekannte. Mit dem Fall der Mauer endete das Vorhaben jäh. Trotz der anhaltenden Eingabenflut wurde das Gesetz nicht mehr verabschiedet.328 Zwar gab es im Mai 1990 unter der Regierung Lothar de Maizières noch einen Versuch, den Tierschutz in der Verfassung zu verankern 329, und die Gründung von Tierschutzvereinen wurde in Aussicht gestellt.330 Doch schlussendlich sah die Vereinigung beider deutscher Staaten eine Übernahme des Tierschutzgesetzes der Bundesrepublik vor.331 325 Schreiben des Abteilungsleiters Landwirtschaft beim ZK der SED Helmut Semmelmann an den Landwirtschaftsminister Bruno Lietz vom 09. 05. 1989, BArch DK 1/28484, unpag. 326 Analyse und vergleichende Wertung der Tierschutzgesetzgebung 1989, BArch DP 1/20256, unpag. (S. 16). 327 „[W]ir machen ein optisches Gesetz!“, Handschriftliche Notiz von Fomterra [nicht identifizierter Funktionär der Generalstaatsanwaltschaft, A. L.] auf dem Schreiben des Landwirtschaftsministers Bruno Lietz vom 17. 08. 1989, BArch DP 3/1239, unpag. 328 Sogar der hessische Tierschutzbeauftragte Ilja Weiss appellierte seinerzeit an die Verabschiedung des Gesetztes, um zu verhindern, „daß Tiere und Tierfreunde in der DDR während der Übergangszeit völlig rechtlos bleiben“, Anonym: DDR braucht Tierschutzrecht, in: Der Praktische Tierarzt 71(1990), S. 89. 329 Vgl. BArch DC 20/6773, unpag. 330 Vgl. Abteilung Veterinärwesen, Information zur Eingabe […] zur Bildung eines Tierschutzvereins, Bezirkstierarzt Wunderlich, vom 18. 12. 1989, LAB C Rep. 101, Nr. 2429, unpag. 331 Vgl. dazu Burckhardt: Übernahme.
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4.6 Zusammenfassung Die Grundproblematik im Umgang mit dem Thema Tierschutz in der DDR bestand nicht nur im herrschenden Primat der Ökonomie, das in einem „ökonomischen Tierschutz“ mündete, wonach die „grundlegende Aufgabe des Tierschutzes […] im Schutz gesellschaftlichen Eigentums“ 332 bestehe. Tierethische Fragestellungen deuteten immer auch auf Mängel im sozialistischen System hin: Tierquälereien widersprachen der Fortschrittsideologie und dem Glauben an die moralische Überlegenheit der „sozialistischen Persönlichkeit“. Deswegen wurden an die Stelle der Bewältigung von Tierschutzaufgaben moralische Imperative gesetzt. Zugleich muss die Abwehr von Tierschutzbelangen im Zusammenhang mit der SED -Agrarpolitik gesehen werden: Die Parteispitze wollte Kritik der TierschützerInnen gegenüber der Kollektivierung, der ausufernden Gigantomanie der Landwirtschaft und den damit verbundenen Umweltfolgen verhindern. Obwohl der Tierschutz in der DDR kaum eine Rolle gespielt hatte, beschäftigten sich Teile des SED -Regimes von Anbeginn ihres Bestehens mit dieser Problematik – auch aufgrund von Interventionen aus der Bevölkerung. Jahrzehnte lang wurde eine Form des „sozialistischen“ Tierschutzes gesucht, die nicht mehr an die bürgerliche Herkunft erinnern sollte und zugleich auf die (ökonomischen) Interessen des Staates zugeschnitten war. Im selben Atemzug wurden Fragen des Tierschutzes von der Parteispitze systematisch unterdrückt. Mit dem Verbot der Tierschutzvereine und der Möglichkeit, Beiräte für Tierschutz und Tierhygiene zu bilden, wurde der organisierte Tierschutz verstaatlicht und strafte der Behauptung Lügen, der Tierschutz in der DDR sei Pflicht aller BürgerInnen. Der Einordnungszwang der Tierschutzfrage in die Gesamtpolitik machte den Tierschutz damit von deren Rahmenbedingungen abhängig. Das heißt, die gesamtpolitischen Zwänge wurden mit den Motiven des Tierschutzes harmonisiert, statt zugrunde liegende Problemfelder politisch zu thematisieren. Einziger (ethischer) Bezugspunkt für den Tierschutz war die Lehre Albert Schweitzers („Ehrfurcht vor dem Leben“). Eine umfassende und systematische Aneignung seiner Philosophie war allerdings nicht möglich, da Schweitzer trotz seiner friedenspolitischen und imperialismuskritischen Äußerungen als Vertreter einer „bürgerlichen“ Philosophie gesehen wurde.333 Das 332 Lötsch/Schulze: Staatsveterinärkunde, S. 238. 333 Vgl. Baranzke: Mensch-Tier-Beziehung, S. 70. Ausnahme war Gerald Götting, Vorsitzender der Ost-CDU, der zu DDR-Zeiten mehrere Bücher über Schweitzer geschrieben und herausgegeben hatte und seit 1963 Mitglied des Albert-Schweitzer-Komitees war. Zum Tierschutz vgl. Fascher, Erich: Der Tierfreund, in: Götting, Gerald (Hrsg.): Albert Schweitzer. Beiträge zu Leben und Werk, Berlin (Ost) 1966, S. 41 – 51. Zur Bezugnahme auf Schweitzer vgl. auch Stock: Tierschutz, S. 302 und S. 308. Siehe auch oben, Anm. 245.
Zusammenfassung
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jahrzehntelange Zurückdrängen von Tierschutzfragen, die Verleugnung der Tierschutzsituation im eigenen Land sowie die systematische Beschränkung der Tierschutztätigkeit waren folgenschwer: Es herrschte ein ethisches Vakuum, der praktische Tierschutz kam fast vollständig zum Erliegen und die einzelnen Tierschutzbestimmungen waren kaum bekannt, weder den (für den Tierschutz zuständigen) VeterinärInnen, geschweige denn der breiten Bevölkerung.334 Nicht einmal am Tierschutz interessierte Privatpersonen wussten, dass es ein formal gültiges Tierschutzgesetz von 1933 gab, wie aus den zahlreichen Nachfragen in den Eingaben hervorgeht.335 Das führte dazu, dass in der Bevölkerung „der Eindruck entstand, daß es in der DDR kein Tierschutzrecht und keinen Tierschutz gibt“ und dass „[v]iele den Tierschutz in der DDR betreffende Fragen […] deshalb nicht offensiv gestellt und unter aktiver Mitwirkung der Bürger geklärt“ wurden.336 Besonders deutlich wurde das am Ende der DDR , als der Arbeiterund Bauernstaat von Protesten und Massendemonstrationen überzogen wurde. Sowohl die gesellschaftspolitische Situation als auch die (systemübergreifende) theologische Tradition ließen tierethische Überlegungen weit in den Hintergrund der Umweltbewegungen treten. In der DDR durften Natur- und Tierschutz nie (realpolitisch) ökonomischen Zielstellungen im Wege stehen. In diesem „Spannungsfeld von Ökonomie und Ökologie“ 337 tritt uns ein Tierbild entgegen, das Tiere (sowohl ‚Wild-‘ als auch ‚Nutztiere‘) nur aufgrund ihrer Funktion als das „Produktionsmittel ‚Tier‘ und die Ware ‚Tier ‘“ 338 schützenswert machte. Zum wiederholten Male zeigt sich hier auf eindrückliche Weise das Konzept des ‚nützlichen Tieres‘, wobei der Nütz lichkeitsdiskurs hier explizit über den Schutz der tierlichen Integrität entschied. In der frühen DDR griffen selbst die TierschützerInnen die Argumentation vom ökonomischen Tierschutz auf, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Die fortwährende Betonung des tierlichen Nutzens führte dazu, dass der gesetz liche Tierschutz in Form des Veterinärgesetzes auf die Abwehr von „Produk tionsausfällen“ reduziert wurde. Im Falle des Schutzes von heimischen ‚Wildtieren‘ kamen weitere „nützliche“ Aspekte hinzu: Der Arten- und Naturschutz förderte eine positive politische Außenwirkung und diente der Heimatschutz-Ideologie. In städtischen Ballungszentren wurde der (‚Heim-‘)Tierschutz hingegen als Bevormundung und Disziplinierung der tierhaltenden Bevölkerung zur Bewahrung der
334 Vgl. Prange: Spannungsfeld, S. 87; Busch: Tierschutz, S. 75; Burckhardt: Übernahme, S. 14. 335 Vgl. Eingaben aus BArch, DA 1/2984; DK 1/28455; DK 1/28486 und DK 1/4441 – 4443. 336 Analyse und vergleichende Wertung der Tierschutzgesetzgebung 1989, BArch DP 1/20256, unpag. (S. 15). 337 Dix/Gudermann: Naturschutz in der DDR, S. 611. 338 Burckhardt/Eschler: Tierschutz, S. 763.
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Von Hundeonkeln und Katzentanten
öffentlichen „Sauberkeit, Ordnung und Ruhe“ genutzt.339 Der Tierschutz wurde von den Herrschenden schließlich auch zum Gegenstand der Systemkonkurrenz stilisiert. Dem Tierschutz im Westen wurden „Züge der Massenmanipulierung“ attestiert und außerdem würde er als „humanistisches Aushängeschild“ und zur „Diskreditierung von Gruppeninteressen bzw. Parteien und Personen“ 340 missbraucht. Dem vermeintlich idealistischen Tierschutz im Westen setzte man im Osten einen wissenschaftlichen und damit „objektiven“ Tierschutz entgegen. Die Verwissenschaftlichung von Tieren und Mensch-Tier-Verhältnissen in der DDR zeigte sich beispielsweise in der ideellen und sprachlichen Ablehnung der Begriffe „Mitgefühl“ und „Leiden“ für tierliche „Mitgeschöpfe“. Was zählte, waren allein „sachliche Gründe“ für das Vermeiden von „krankhaften Störungen“ bei Tieren. Auch die TierschützerInnen und TierhalterInnen wurden dazu angehalten, Tiere nicht zu vermenschlichen und stets aus sachlicher Perspektive auf das ‚verwissenschaftlichte Tier‘ zu blicken.
339 „Somit ist zu schlußfolgern, daß der sozialistische Tierschutz den Schwerpunkt seiner Aufgaben in einer Kontrolle und Verbesserung der Tier- und Haltungshygiene in den Tierhaltungen der Bürger sehen muß“, Richter/Grünbaum: Schlußfolgerungen, S. 769. 340 Analyse und vergleichende Wertung der Tierschutzgesetzgebung 1989, BArch DP 1/20256, unpag. (S. 7).
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Schlussbetrachtung
Sozialistische Tierbilder Ausgehend davon, dass die verschiedenartigen Beziehungen z wischen Menschen und Tieren historisch gewachsen und soziokulturell geprägt sind, wurden im Rahmen der Studie die Auswirkungen der SED-Ideologie und -Politik auf das Verhältnis zwischen Menschen und Tieren, gesellschaftliche Tierbilder sowie die Lebenswirklichkeit von Tieren und das Zusammenspiel beider Pole untersucht. Das Wissen über „Tiere an sich“ wie auch über Mensch-Tier-Beziehungen war in der DDR dabei von zum Teil bewusst gelenkten Diskursen geprägt, die der Konsolidierung eines wissenschaftlich-materialistischen Weltbildes dienten. Drei diskursive, miteinander verwobene Hauptströmungen, die zum zeitgenös sischen Bedeutungswandel des Tieres und seiner Aufladung mit bestimmten Zuschreibungen beitrugen, kristallisierten sich heraus und werden im Folgenden rekapituliert und mit weiteren Beispielen unterfüttert.
Das ‚nützliche Tier‘ Tiere aller Art wurden im Staatssozialismus als natürliche Ressource für die menschliche Ökonomie und Gesellschaft gesehen und ausschließlich auf ihre Verwertbarkeit hin gedacht: „Unsere Beziehung zu den Tieren ist in erster Linie bestimmt von unseren Lebensinteressen, von ihrer Brauchbarkeit für Nahrung, Kleidung oder Hilfe bei der Arbeit.“ 1 Besonders eindrücklich ist dieser Nütz lichkeitsdiskurs in Kinderbüchern vorzufinden, die eine herausragende Bedeutung in der Erziehung und der Verbreitung der sozialistischen Ideologie besaßen. In einem Lexikon war unter dem Stichwort „Tiere“ zu lesen: Wir Menschen n utzen die Tierwelt auf vielfältige Weise. Tiere dienen als Nahrung. Sie liefern Rohstoffe für Kleidung, für Arzneimittel, für Schmuckgegenstände und vieles mehr. Noch brauchen wir Tiere wie Pferde, Esel, Elefanten und Rinder als Last- oder Zugtiere. Andere, zum Beispiel Goldfische, Schwäne und Kanarienvögel erfreuen uns durch ihr Verhalten, durch ihre Formenmannigfaltigkeit und Farbschönheit.2
1 Peters: Mensch und Tierwelt, S. 9 f. 2 Borkowski: Menschen, Pflanzen, Tiere, S. 63. Vgl. dazu auch die Abbildung in Schulbüchern zur Heimatkunde: Lehrbuch für die Klasse 3, S. 112, 114 und S. 120. Zur Heimatkunde vgl. Krössin, Dominique: Sozialistisch bilden und erziehen. Heimatkunde und Vaterland, in: Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR e. V. (Hrsg.): Fortschritt, Norm und Eigensinn. Erkundungen im Alltag der DDR, Berlin 1999, S. 233 – 241.
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Schlussbetrachtung
Der kurze Absatz verdeutlicht, dass der nutzenorientierte Blick auf Tiere über wirtschaftliche Interessen hinaus ging – schließlich hat der Mensch viele weitere Bedürfnisse. Je größer der (ökonomische) Nutzen eines Tieres war, umso wichtiger war es für die Gesellschaft.3 Deswegen wurde die ‚Heimtier‘-Haltung jahrzehntelang unterdrückt, ignoriert und vernachlässigt, während die Zucht und Haltung von landwirtschaftlichen ‚Nutztieren‘ zur Staatsaufgabe erhoben wurde. Die ideologische Grundlage, der zufolge nichtmenschliche Tiere vorrangig als „Nutz- und Gebrauchsobjekte“ zu betrachten seien, war das marxsche Natur- und Tierkonzept. Die von Marx skizzierte „Humanisierung der Natur“ umfasste logischerweise auch die „Humanisierung von Tieren“. Die angeführten Beispiele haben gezeigt, dass unter jener „Humanisierung“ nichts anderes verstanden wurde, als Tiere noch besser für den Menschen nutzbar zu machen: Sei es durch die Züchtung noch ‚produktiverer‘ ‚Nutztiere‘ oder durch die verstärkte Disziplinierung von ‚Heimtieren‘.4 Ferner tauchten Natur und Tiere stets nur als passive Objekte menschlicher Aneignung auf. Die Auswirkungen des Nützlichkeitsdiskurses waren die Reduzierung von Tieren auf den Status von Waren und damit zu reinem Material des Produktionsprozesses – eine Entwicklung, die die SED-IdeologInnen eigentlich dem Kapitalismus vorwarfen.5 Aber gerade in der DDR wurde die Verdinglichung 6 und Ausbeutung von Tieren vorangetrieben und zwar nicht nur in ideologischer, sondern vor allem in materieller Hinsicht: Die Bestände der ‚Nutztiere‘ nahmen unter dem Eindruck des ständig steigenden Bedarfs an tierlichen Produkten für die Versorgung der Bevölkerung und der Realisierung der Exportauflagen zu. Dafür wurden in
3 So heißt es im Buch „Der Mensch und die Tiere“: „Je mehr das Tier dem Menschen dient und je wichtiger sein Dienst ist, um so größeren Raum wird es in diesem Buch finden.“ Wassiljew: Mensch, S. 18. In dem Buch wurden Tiere in der jeweiligen Kapitelüberschrift erst gar nicht mit ihrer gängigen Artbezeichnung aufgeführt, sondern durch ökonomische Metaphern beschrieben. In dem Kapitel „Das wertvollste Tier“ etwa ging es um die vielfältige ‚Verwertbarkeit‘ von Rindern. Schafe wurden als „Lebende Wollfabriken“ und Hühner als „Glückliche Käfiginsassen“ bezeichnet. Ausnahmslos alle Tiere – und dazu gehörten, von der Schlange über den Delphin, von Insekten und Muscheln, bis hin zu Mikroorganismen, so einige – wurden einzig und allein auf ihren Nutzen für den Menschen hin vorgestellt. So oder so ähnlich war das in jeglicher Literatur mit Tierbezug aus der DDR nachzulesen. Andere Beispiele für ökonomische Metaphern für Tiere waren etwa „Millionen im Federkleid“ für Hühner oder die „Pfennigsucher im Käfig“ für Schafe (in Käfighaltung), in: Mothes: Fließband. So ähnlich bei Bürger: Tier in unserer Umwelt, S. 175 – 249. 4 Dazu nochmal: Benton: Natural Relations, S. 25 f. 5 Zum Beispiel hieß es zum Thema Verkauf von geschützten ‚Wildtieren‘ an Privatleute: „In kapitalistischen Ländern, wo das Tier ebenfalls nur eine profitbringende lebende Ware ist, geschieht das bis heute.“ Bürger: Tierwelt, S. 252. 6 Vgl. dazu Petrus, Klaus: Die Verdinglichung der Tiere, in: Chimaira (Hrsg.): Tiere Bilder Ökonomien, S. 43 – 62.
Schlussbetrachtung
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der DDR täglich 32.000 Schweine geschlachtet.7 Damit war das „sozialistische“ Mensch-T ier-Verhältnis im Grunde ein auf die Spitze getriebenes „kapitalistisches“ Mensch-T ier-Verhältnis.8 Zum Thema der (sprachlichen) Ökonomisierung von Tieren sei noch auf die Behauptung hingewiesen, die Bezeichnungen „rauhfutterverzehrende Großvieheinheit“ für Rinder sei sozialistischer Herkunft und „ein hervorragendes Beispiel für sprachliche Entgleisungen der DDR-Bürokratie“ 9. Diese Behauptung darf getrost dem Reich der Legenden zugeordnet werden. Die „Großvieheinheit“ (GV)10 war und ist eine in der Landwirtschaft gängige Formel, mit deren Hilfe Tiere verschiedener Arten und Altersklassen zusammengerechnet werden (also nicht nur Rinder), und damit keine eigentümliche Sprachkreation der DDR.11 Lediglich die Zusätze „rauh-“ oder „grobfutterverzehrend“ (RGV) und „futterbedarfsbezogen“ oder „futterorientiert“ (fGV) waren ostdeutscher Herkunft und dienten der futterwirtschaftlichen Analyse (zum Beispiel für die Jahresfutterplanung). Die Erweiterung der Formel stand nicht nur im Zusammenhang mit der zentralen Planwirtschaft der DDR, sondern war auch auf die Trennung der Pflanzen- und Tierproduktion sowie den permanenten Futtermangel zurückzuführen. Dessen
7 Vgl. Pfeiffer: Schweinzucht, in: Wolf (u. a.) (Hrsg.): Tierzucht in der DDR, S. 343. Heute sind es in Gesamtdeutschland täglich knapp 160.000 Schweine. Die Zahl entspricht 58.350.000 jährlich geschlachteten Schweinen (2012), angegeben in: Sebastian, Marcel: Deutsches Dumping-Schlachten, in: Heinrich-Böll-Stiftung/Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland/Le Monde diplomatique (Hrsg.): Fleischatlas 2014. Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel, S. 20 – 21, hier S. 21. 8 Zur Kapitalismuskritik in Bezug auf Mensch-Tier-Verhältnisse vgl. v. a. nochmal Maurizi: Marxismus und Tierbefreiung; ders.: Marxismus und die Versklavung der Natur; Noske: Entfremdung. 9 Wolf, Birgit: Sprache in der DDR. Ein Wörterbuch, s. v. „raufutterverzehrende Großvieheinheit“, Berlin/New York 2000, S. 189 f. Zur Sprache in der DDR vgl. Lüdtke, Alf: Sprache und Herrschaft in der DDR. Einleitende Überlegungen, in: ders./Becker (Hrsg.): Akten, S. 11 – 26; Oschlies, Wolf: Würgende und wirkende Wörter – Deutschsprechen in der DDR, Berlin (West) 1989; Schlosser, Horst-Dieter: Die deutsche Sprache in der DDR zwischen Stalinismus und Demokratie. Historische, politische und kommunikative Bedingungen, Köln 1990; Röhl, Ernst: Vom Broiler zum Spoiler. Sprachblüten aus vier Jahrzehnten DDR, Berlin 1995; das Wörterbuch von Ulrich Weißgerber: Giftige Worte der SED-Diktatur. Sprache als Instrument von Machtausübung und Ausgrenzung in der SBZ und der DDR, Berlin 2010 und die Ausgabe der Gerbergasse 18. Thüringer Vierteljahresschrift für Zeitgeschichte und Politik, 20 (2015) zum Thema „Sprache in der Diktatur“. 10 Eine Großvieheinheit entspricht 500 Kilogramm Lebendmasse. Eine Kuh bildet somit eine Großvieheinheit, ein Schwein 0,12 Großvieheinheiten, vgl. Wiesner, Ekkehard/Ribbeck, Regine (Hrsg.): Wörterbuch der Veterinärmedizin, Band 1, S. v. „Großvieheinheit“, 3., neu bearb. Aufl., Jena/Stuttgart 1991, S. 582 f. 11 Auch in der Bundesrepublik der Sechzigerjahre manifestierte sich mit der Intensivtierhaltung ein „semantischer Entfremdungsprozess“, vgl. Uekötter: Wahrheit, S. 342 f.
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ungeachtet spricht aus solchen Bezeichnungen natürlich die Vorstellung von (‚Nutz-‘)Tieren als ökonomische Einheiten.12 Der extreme Anthropozentrismus in der DDR wurde umso problematischer, da er zur Gesetzmäßigkeit erhoben wurde: „Das Verhältnis von Mensch und Tier war stets natürlich, und die Entwicklung verlief gesetzmäßig.“ 13 Auf diese Weise wurden die vielfältigen Beziehungen von Menschen und Tieren im Staatssozia lismus zu einer unveränderlichen, unhinterfragbaren, weil ‚naturgegebenen‘ Ordnung. Bestehende Machtverhältnisse wurden auf diese Weise legitimiert und verschleiert. Eine Problematisierung von Mensch-Tier-Verhältnissen oder eine kritische Wahrnehmung (außer wenn es um bedrohte ‚Wildtiere‘ ging) gab es in der DDR nicht. Die Folge war das Fehlen tierethischer Überlegungen (und eines Tierschutzgesetzes) sowie eines öffentlichen Diskussionsraumes. Dies wiederum hatte folgenschwere Auswirkungen auf die tierliche Lebenswirklichkeit, wenn beispielsweise Füchse und Marder von Tellereisen zerquetscht, Hunde und Katzen von ihren BesitzerInnen unbürokratisch getötet oder Tierversuche ohne Genehmigung und Kontrolle durchgeführt wurden. Im Kontext der Verknüpfung von Ökonomie, Tiernutzung und Naturbeherrschung wird auch die herausragende Stellung der Tierzucht in der DDR klar, die als Ausdruck der Steuerbarkeit aller Prozesse gewertet wurde. Mehr noch, die Zähmung und Züchtung von Tieren […] ist also ein wesentlicher Ausdruck des Beginns der Menschwerdung. […] Tierzähmung und -haltung ist als im Sinne der marxistisch- leninistischen Philosophie ein Stück echten Menschseins, Ausdruck menschlicher Persönlichkeit, ein Stück Freiheit 14.
In diesem Zusammenhang muss auch die anfängliche Euphorie für die Lehren Lyssenkos gesehen werden. Im Glauben an diese – sich später als haltlos erweisende – Wissenschaft kam nicht nur der Wille zur unbegrenzten Naturbeherrschung zum Ausdruck, sondern auch ein „Erziehungs- und Veränderungspathos“, der schlussend lich die Überlegenheit des Sozialismus zeigen sollte.15 Die D DR-Zuchterfolge 12 Zur sprachlichen Anthropozentrik vgl. auch Heuberger, Reinhard: Linguistik. Das Tier in der Sprache, in: Spannring (u. a.) (Hrsg.): Disziplinierte Tiere, S. 123 – 135. 13 Brentjes, Burchard: Die Erfindung des Haustieres, 3., verbess. Aufl., Leipzig/Jena/Berlin 1986, S. 113. 14 Eschler: Kleintierhaltung, S. 264. Von Selbstüberschätzung zeugt auch folgendes Zitat: „Aller Wahrscheinlichkeit nach wird der Mensch der langsamen Entwicklung der Natur vorauseilen. Bevor sich die Natur entschließen wird, ihre nächste Erfindung preiszugeben, wird der Mensch bereits alle ihre möglichen Anwendungen patentiert haben.“ Wassiljew: Mensch, S. 15. 15 Vgl. Hartmann/Eggeling: Folgen, S. 192.
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eflügelten mitunter die Phantasie. So wurde von „wolletragenden[n], milchb gebende[n], eierlegende[n] und reitfähige[n] Fleischschweinen“, „rechteckige[n] Broiler[n]“ und „grätenlose[n] Riesenheringen“ 16 geträumt. Das sei keinesfalls abwegig, so der Autor, immerhin sei bereits die Züchtung von Nerzen in „echten Modefarben“ gelungen und „[k]onsumgerechte Fleischschweine und genormte Broiler gehören längst zur industriellen Fleischproduktion unserer Tage.“ 17 Die planwirtschaftliche Tierzucht diente überdies als Aushängeschild der Wirtschaftsund Wissenschaftsleistung der DDR, wodurch landwirtschaftliche ‚Nutztiere‘ und ihre Leistungen zu einem Teil des Systemwettbewerbs wurden. Dabei waren die Tierkörper der „sozialistischen Rassen“ nicht nur von den ökonomischen Ansprüchen geprägt, sondern auch von den systembedingten Bedingungen und Unzuläng lichkeiten, was etwa die züchterische Isolation oder Futtermittelversorgung betraf. Der fokussierte Blick auf die Verwertbarkeit von Tieren äußerte sich allerdings auch noch auf eine andere, viel subtilere Art: Wir sind verpflichtet, das pulsierende, reiche Leben der Erde unserer Nachwelt zu erhalten. Wir müssen auch jene ungezählten Arten von Tieren, Vögeln und Insekten sorgsam bewahren, die uns völlig unnötig erscheinen. Niemand weiß heute, welche unerwarteten Eigenschaften bestimmte Insekten, Tiere und Vögel haben können.18
Der Schutz von ‚Wildtieren‘ bestand nur deswegen, weil sie eine (potentielle) wirtschaftliche Ressource darstellten; es ging also nicht darum Tiere vor, sondern für den Menschen zu schützen. Damit ist hier die Grundproblematik des sozialistischen Moralverständnisses angedeutet, wonach Moral immer ein „innergesellschaftliches Phänomen“ 19 sei und grundsätzlich nur die Beziehungen der Menschen untereinander betreffe. Moralische Verpflichtungen gegenüber Tieren (und Natur) mussten damit begründet respektive legitimiert werden, dass jene die Lebensgrundlage aller Menschen und zukünftiger Generationen darstelle.20 Damit bildete der Natur- und Artenschutz ein Paradebeispiel für das sozialistische Moralkonzept, demzufolge Moral ein „ideologischer Reflex auf die ökonomischen Verhältnisse einer Gesellschaft“ 21 sei. Natur- und Artenschutz 16 Wessel, Harald: Lebewesen nach Maß?, in: Zentraler Ausschuß für Jugendweihe in der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.): Der Sozialismus – Deine Welt, Berlin (Ost) 1975, S. 96 – 103, hier S. 96. 17 Ebenda. 18 Wassiljew: Mensch, S. 289. 19 Löther: Naturbeherrschung, S. 284. 20 Vgl. ebenda; Kosing: Sozialismus und Umwelt, S. 61 f. 21 Erdmann, Hans/Golub, Arno/Scheler, Wolfgang: Ökonomie und Moral im Sozialismus. Zur Dialektik von materiellen Verhältnissen und Moral beim Aufbau der sozialistischen
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Schlussbetrachtung
durften allerdings nie ökonomischen Interessen im Wege stehen und dienten in vielen Fällen mehr der politischen Außenwirkungen.
Das ‚verwissenschaftlichte Tier‘ Die Funktion der Wissenschaften im Staatssozialismus war es, „den Menschen durch die Erkenntnis der Gesetzmäßigkeiten der objektiven Realität das entscheidende Mittel zu geben, ihre natürlichen und gesellschaftlichen Existenzbedingungen zu beherrschen“ 22. Das wissenschaftliche Weltbild des Marxismus-Leninismus, demzufolge es „objektives Wissen“ über eine „objektive Wirklichkeit“ gäbe, verhalf den Wissenschaften zu einer hegemonialen Stellung in der sozialistischen Gesellschaft. „Wissenschaftlichkeit“ wurde zum Zauberwort und diente der Legitimation politischer Entscheidungen und als Richtwert für die Zielbestimmungen.23 Sie wurde zum alleinigen Schlüssel zum Verständnis – und damit auch für die technizistische Illusion der unbegrenzten Beherrschung – von Natur (und Gesellschaft). Die (Natur-) Wissenschaften dienten also stets als „Produktivkraft“ 24, weswegen in der DDRWissenschaft das Leitbild der engen Verzahnung von Wissenschaft und Praxis bestand. Im Falle der Tiere bedeutete das, dass die wissenschaftliche Erforschung von Tieren deren besserer Nutzung dienlich war, denn worin sonst bestand die Tierbeherrschung, wenn nicht (gleich der Naturbeherrschung) in ihrer „rationellen Nutzung“? Augenfällig ist der epistemologische Zusammenhang von „Tier“, „Wissen“ und „Aneignung“ unter dem Stichwort „Zoologie“ im bereits zitierten Lexikon: Die Forschungsergebnisse der Zoologen wenden wir in den verschiedensten Bereichen unseres Lebens an. Sie sind beispielsweise die Grundlage für die Züchtung gesunder,
Gesellschaft, Berlin (Ost) 1975, S. 27. Eine weitere (problematische) Besonderheit der sozialistischen Moral und Ethik war ihr (vermeintlich) „wissenschaftlicher Charakter“. Die sozialistische Ethik erlange ihre Wissenschaftlichkeit und Objektivität durch die Tatsache, dass sie sich „aus den objektiven Bedingungen des materiellen gesellschaftlichen Lebens“ ableite. Ihre „moralischen Forderungen“ stimmten infolgedessen mit der „historischen Notwendigkeit“ überein, vgl. Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Philosophie, S. v. „Ethik“, S. 166 f. Diese Auffassung hatte weitreichende Konsequenzen: Die sozialistische Ethik und mit ihr die Moral, als konkrete Ausformung der Ethik, wurde auf diese Weise eine unveränderliche Einrichtung. Ihre Ableitung aus „historischen Notwendigkeiten“ ließ sie als naturgegeben erscheinen und verlieh ihr einen normativen Charakter. Dieses Moralverständnis enthob den Einzelnen aus seiner Verantwortung. 22 Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Philosophie, S. v. „Wissenschaft“, S. 571. 23 Vgl. Staritz: DDR, S. 219. 24 Vgl. Ulbricht, Walter: Das Programm des Sozialismus und die geschichtliche Aufgabe der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Programm der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Berlin (Ost), 1963, S. 344 – 348.
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leistungsfähiger Nutztiere, für die Gesunderhaltung unserer Viehbestände, für die Bekämpfung von Tierkrankheiten und tierischen Parasiten, sie sind Grundlage des Naturschutzes und der Fischereiwirtschaft. Sie unterstützen die Herstellung von Nahrungsmitteln und die Verarbeitung tierischer Rohstoffe.25
Die immer weiter voranschreitende wissenschaftliche Durchdringung und Beherrschung der Natur sollte die erhöhte Kontrolle und Nutzung natür licher Rohstoffe (und damit der Tiere) vorantreiben. Außerdem stellten Tiere Wissensvermittler dar. Ihre Erforschung und die Forschung an ihnen sollten wichtige Erkenntnisse zu Tage fördern, beispielsweise im Bereich der Medizin 26 oder im seinerzeit neuartigen Bereich der „Bionik“, deren Ziel „in der Schaffung biologischer Maschinen und Systeme nach dem Vorbild der lebenden Natur“ 27 lag. Eine Folge des wissenschaftlich-materialistischen Weltbildes war die starke Verwissenschaftlichung von Tieren und von Mensch-T ier- Verhältnissen.28 Da Tiere, als reine ‚Natur-‘ und ‚Instinktwesen‘, allein der Kategorie Natur zugeordnet wurden, wurden sie auch einzig aus naturwissenschaft licher Perspektive betrachtet.29 Neben den vorherrschenden (fachspezifischen) 25 Borkowski: Menschen, Pflanzen, Tiere, S. 74. Vgl. dazu auch den Eintrag zur Zweckbestimmung der Tierpsychologie: „Die moderne Tierpsychologie, besonders in Gestalt der Verhaltensforschung (Ethologie), gewinnt zunehmend an praktischer Bedeutung durch die Nutzung ihrer Erkenntnisse für die landwirtschaftliche Tierhaltung, die Bewirtschaftung wildlebender Tierbestände ( Jagd, Fischerei) und den Naturschutz (Schutz von Tierarten).“ Philosophisches Wörterbuch, Band 2, S. v. „Tierpsychologie“, Leipzig 1975, S. 1224 – 1226, hier S. 1224. 26 Vgl. „Tiere lassen Wissen reifen“ in: Du und Deine Gesundheit 11 (1964), S. 323 – 325. 27 Bräunig/Kötzen: Blickpunkt Bionik, in: MfV 24 (1969), S. 763; vgl. auch Bürger: Tier in unserer Umwelt, S. 138 – 248; Dmitrijew, Juri: Mensch und Tier, Moskau 1988, S. 332 – 374. 28 Tendenzen der Verwissenschaftlichung waren auch in der Bundesrepublik greifbar, wo die Verhaltensforschung unter Konrad Lorenz und Irenäus Eibl-Eibesfeldt seit den Fünfzigerund Sechzigerjahren besonders hervortrat, vgl. Eitler: Stern(s)stunden, S. 120. 29 Ausnahmen bildeten Abhandlungen über kulturhistorische Aspekte, etwa der Domestika tion (zum Beispiel bei Brentjes: Erfindung) oder Ausführungen über kunsthistorische und astronomische Tiersymboliken, vgl. Brentjes, Burchard: Tierstil in Eurasien, Leipzig 1982; Drößler, Rudolf: Als die Sterne Götter waren, Leipzig 1981. Im Gegensatz dazu war das Verhältnis von Gesellschaft und Natur durchaus Thema der Gesellschaftswissenschaften. Der Gesellschaftswissenschaftler und Philosoph Alfred Kosing etwa beschäftigte sich in vielen Publikationen mit dem Verhältnis von Gesellschaft und Natur; vgl. dazu auch die zahlreichen Aufsätze von DDR-AutorInnen zum Thema „Natur und Sozialismus“ in der DZP: Bauer, Adolf: Probleme der Naturaneignung, DZP 30:11 (1982), S. 1323 – 1333; Bauer, Adolf/Paucke, Horst: Einheit und Kampf z wischen Natur und Gesellschaft, in: DZP 27:5 (1979), S. 593 – 602; Hegewald, Helmar: Moralische Triebkräfte bei der rationellen Nutzung der Naturressourcen im Sozialismus, in: DZP 30:12 (1982), S. 1457 – 1467; Paucke, Horst: Marx, Engels und die Ökologie, in: DZP 33:3 (1985), S. 207 – 217; Paucke, Horst/Bauer, Adolf: Zu einigen Prinzipien der Naturnutzung im Sozialismus, in: DZP 26:8 (1978), S. 1027 – 1037;
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Schlussbetrachtung
naturwissenschaft lichen Texten waren aber auch Literatur und Fernsehsendungen, die nicht im rein fachwissenschaftlichen Kontext standen, stark wissenschaftlich ausgerichtet. Populärwissenschaftlichen Beiträge mit Tierbezug waren einerseits von einer sachlichen und sehr rationellen Darstellungsweise geprägt. Anderseits fehlten in fast keinem Buch Tafeln, Tabellen und Abbildungen, die es mit jedem Lehrbuch für Biologie hätten aufnehmen können.30 Ein bedeutender Grund für die starke Grenzziehung z wischen Tierforschung und Gesellschaftswissenschaften lag auch in der „Übertragungsgefahr“, die von SED-Getreuen befürchtet wurde, was beispielsweise in der ablehnenden Haltung gegenüber der Verhaltensforschung sichtbar wurde. Die Herrschenden beäugten diesen Forschungszweig misstrauisch, da sie stets die „Gefahr des Biologismus“ sahen, wenn eine „Analogisierung von Erscheinungen und deren Genese bei Tier und Mensch“ 31 unkritisch vorgenommen wurde. Diese Naturalisierung, die angeblich besonders von westlichen WissenschaftlerInnen betrieben wurde, war für die SED-AnhängerInnen unwissenschaftlich und vor allem zu biologistisch. Sie sahen durch die Verhaltenslehre ihre Überzeugung in Gefahr, wonach der Mensch vielmehr durch die gesellschaftlichen Verhältnisse als durch biologische Anlagen geprägt sei („gesellschaftlich bedingte Wandlung der Biologie des Menschen“ 32).33 Außerdem stellte die „bürgerliche“ Wissenschaft des Westens mit der Idee eines angeborenen Verhaltens die Unbegrenztheit menschlichen Handels infrage. Aus diesen Gründen wurden nicht nur westdeutsche Verhaltensforscher, wie K onrad Lorenz (1903 – 1989) oder Irenäus Eibl-Eibesfeldt (*1929), bisweilen stark kritisiert.34 Auch der führende und international anerkannte Verhaltensforscher der DDR, Günter Tembrock Stoof, Siegfried: Fragen des Verhältnisses von sozialistischer Gesellschaft und Natur, in: DZP 27:5 (1979), S. 587 – 592 oder auch Kaiser, H. (Bearb.): Natur- und gesellschaftswissenschaft liche Aspekte von Umweltschutz und Umweltgestaltung, Berlin (Ost) 1985. 30 Auch beliebte Fernsehsendungen, wie der bereits erwähnte „Tierpark-Teletreff“ oder „Rendez vous mit Tieren“, wurden von einschlägigen NaturwissenschaftlerInnen geleitet und hielten die rein wissenschaftliche Perspektive auf Tiere stets ein. Der Berliner Tierparkdirektor Heinrich Dathe, der den „Tierpark-Teletreff“ moderierte, war Zoologe; mit Günter Tembrock wurde die Sendung „Rendezvous mit Tieren“ von dem führenden Verhaltensforscher der DDR moderiert. 31 Vgl. Straaß: Wissenschaftliches Menschenbild und Probleme der Biologie des Menschen, in: Eichhorn/Ley/Löther (Hrsg.): Menschenbild, S. 239 – 266, hier S. 250; vgl. auch Philo sophisches Wörterbuch, Band 2, S. v. „Tierpsychologie“, S. 1226. 32 Straaß: Wissenschaftliches Menschenbild, S. 252. 33 Vgl. auch Eitler, der die „Übertragungsgefahr“ im Diskurs zum Vivisektionstreit des 19. und 20. Jahrhunderts ausmacht, als das Verhältnis von Emotion und Wissenschaft neu verhandelt wurde, vgl. Eitler: Übertragungsgefahr. 34 Vgl. etwa Mohrig, Werner: Böse wie Tiere? Biologisches und Nichtbiologisches zum Thema Aggressivität, 2., erg. Aufl., Leipzig/Jena/Berlin 1987, v. a. S. 7 – 10.
Schlussbetrachtung
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(1918 – 2011), wurde aus ideologischen Gründen in seiner Arbeit jahrzehntelang eingeschränkt.35 Durch die Deutungsmacht der Naturwissenschaften über das gesellschaftliche Tierbild wurden die Diskurse über Tiere dergestalt eingeschränkt, dass jedwede Auseinandersetzung mit Tieren nur auf dem naturwissenschaftlichen Feld geführt wurde, was eine interdisziplinäre und gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung mit Mensch-Tier-Verhältnissen verhinderte (von einer kritischen Auseinandersetzung ganz zu schweigen).36 Die rein naturwissenschaftliche Betrachtung von Tieren hatte ferner zur Folge, dass Tiere zu einem großen Teil auf ihr zu beobachtendes Verhalten reduziert wurden und nur auf biologische und physiolo gische Aspekte hin betrachtet wurden. Der Blick auf tierliche Individuen war folglich stark von Reiz-Reaktions-Schemata geprägt und betonte den Instinktbegriff (angeborenes Verhalten). Wissenschaftliches und vor allem ideologisches Fundament dafür lieferte der gefeierte sowjetische Physiologe Iwan Petrowitsch Pawlow (1849 – 1936) mit seinen speichelnden ‚Versuchshunden‘. Pawlow kritisierte seinerzeit die Versuche seiner KollegInnen, Tieren kognitive Fähigkeiten nachzuweisen.37 Fragen nach tierlicher Kreativität und Lernfähigkeit oder grundlegende Überlegungen darüber, was eigentlich „natürliches Verhalten“ sei und inwiefern tierliches Verhalten/Handeln durch das komplexe Zusammenspiel von Individuum und Umwelt (gerade im Zusammenleben mit dem Menschen) geprägt ist, wurden in den DDR-Wissenschaften nicht gestellt. Aussagen über Tiere wurden zu unhinterfragbaren „Wahrheiten“, die auf „objektiven Gesetzmäßigkeiten“ beruhten. Damit wurden nicht nur Mensch-Tier-Verhältnisse für gesetzmäßig und damit ‚naturgegeben‘ und unveränderbar erklärt. Auch Vorstellungen über das ‚Wesen‘ von Tieren, über ihre Fähigkeiten und eben auch über ihre Rolle in der menschlichen Gesellschaft waren unveränderliche und unhinterfragbare Gesetzmäßigkeiten. Mit dieser Entwicklung lag die DDR in der Tradition der seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland zunehmenden Verwissenschaft lichung von Mensch-Tier-Verhältnissen. Anders als in der DDR ging dieser Prozess 35 Vgl. „‚Ich habe diese außerordentliche Scheu mich aufzudrängen.‘ Ein Gespräch mit dem Verhaltensforscher Günter Tembrock“, in: Der Tagesspiegel, Beilage der Humboldt-Universität zu Berlin, vom 10. 04. 2004 (abzurufen unter: https://www.hu-berlin.de/de/ueberblick/ menschen/prominente/tembrock, Zugriff am 15. 08. 2016). 36 Beispielsweise wurde die gesamte, ab der Antike einsetzende, Auseinandersetzung mit Tieren (und damit alle Ideen über alternative Denk- und Lebensformen im Umgang mit Tieren) als Geschichte der (biologischen) „Tierpsychologie“ verkauft und damit als abgeschlossen betrachtet, vgl. Tembrock, Günter: Grundlagen der Tierpsychologie, Reinbeck bei Hamburg 1974, S. 9 – 35. 37 Vgl. Wiedenmann: Tiere, Moral und Gesellschaft, S. 168 (Anm. 121). Tierliche Denkprozesse waren für die DDR-WissenschaftlerInnen nur eine „Vorstufe des Denkens“, vgl. dazu Fischel, Werner: Können Tiere denken?, 2. Aufl., Leipzig/Jena/Berlin 1974.
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Schlussbetrachtung
indes mit einer verstärkten (positiven) Emotionalisierung einher.38 Im SED-Staat hingegen resultierte aus der „Durchwissenschaftlichung“ 39 der Gesellschaft eine strikte Ablehnung einer Emotionalisierung und Idealisierung von Tieren und Mensch-Tier-Beziehungen. Das „sozialistische“ Mensch-Tier-Verhältnis kreiste somit nicht mehr um die „Pole: Emotionen und Wissenschaft“ 40, sondern war auf einer Seite sesshaft geworden. Emotionen gegenüber Tieren, die immer auch Ausdruck kultureller Werte 41 und Praktiken 42 sind, waren im Arbeiter- und Bauernstaat unerwünscht und als unwissenschaftliches, sentimentales Gebaren abgetan.43 Ein überaus bedeutendes Beispiel der Verwissenschaftlichung von Tieren und Mensch-Tier-Beziehungen bildeten die Zoologischen Gärten der DDR.44 Der SED-Staat erklärte die tiergärtnerischen Einrichtungen per (Bildungs-)Gesetz zu „kulturellen Einrichtungen“, die den Auftrag haben, „den Bildungsprozeß auf allen Stufen zu unterstützen und allen Bürgern die Gelegenheit zu geben, ihre Bildung zu erweitern und zu vertiefen“ 45. Die Tiergärten leisteten auf diese Weise einen Beitrag, „das wissenschaftliche Weltbild zu festigen.“ 46 Als „wissenschaftlich geleitete Kulturstätte[n]“ 47 unterstanden die zoologischen Einrichtungen dem Ministerium für Kultur. Hierfür und darüber hinaus hatte jeder Zoo einen eigenen Forschungsplan, der mit dem Ministerium abgestimmt war.48 Die b ildungspolitische und ideologische 38 Zumeist als „Tierliebe“ bezeichnet, die Zuneigung und Mitgefühl für tierliche Lebewesen umfasste, vgl. Eitler: Weil sie fühlen; ders.: Tiere und Gefühle. 39 Szöllösi-Janze, Margit: Wissensgesellschaft – Ein neues Konzept zur Erschließung der deutsch-deutschen Zeitgeschichte, in: Hockerts (Hrsg.): Koordinaten, S. 277 – 305, hier S. 281. 40 Eitler: Übertragungsgefahr, S. 186. 41 Vgl. Buchner-Fuhs: Das Tier als Freund, S. 281. 42 Vgl. Eitler: Tiere und Gefühle, S. 62 f. 43 Viele der angesprochenen Probleme, die im Kern die problematische Grenzziehung zwischen dem ‚Kulturwesen Mensch‘ und dem ‚Naturwesen Tier‘ betreffen, sind heute noch aktuell. Vor allem die historische Anthropologie sowie die Human-Animal Studies versuchen stetig, Grenzen zu hinterfragen und sowohl menschliche als auch tierliche Lebewesen zu deontologisieren und deessentialisieren. Denn auch ‚die Biologie‘ ist eine zeit- und kulturabhängige Interpretation, vgl. dazu Sommer: Zoologie, in: Spannring (u. a.) (Hrsg.): Diszi plinierte Tiere, S. 359 – 386. 44 Und alle weiteren ähnlichen Formen der Tierhaltung wie Tierparks, Wildgehege, Heimtiergärten etc. Mehr als 17 Millionen Besucher sollen die neun zoologischen Gärten und Tierparks und die etwa 125 „Heimattiergärten“ der DDR im Jahre 1982 gehabt haben, vgl. Berger, Gotthart/Bürger, Manfred/ Elze, Karl (u. a.): Zootierhaltung. Grundlagen, Band 1, Berlin (Ost) 1987, S. 24. 45 § 67 Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem vom 25. Februar 1965 (GBl. I, S. 83). 46 Bürger: Tierwelt, S. 133 f. 47 Ebenda, S. 133. 48 Vgl. Ebenda, S. 137.
Schlussbetrachtung
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Bedeutung der Zoos spiegelte sich anschaulich in den vielen Fernsehsendungen über Zoos und Tierparks der DDR wider. Der Fernsehbildschirm ermöglichte den DDRBürgerInnen gar Besichtigungen Zoologischer Gärten anderer Länder – auch und vor allem nichtsozialistischer Länder.49 Aber auch andere Tiersendungen ließen es sich nicht nehmen, Tiergärten und Zoos der DDR oder deren Teilbereiche vorzustellen (etwa in „Erzähl von Deinen Tieren“ (1977 – 1989)); nicht zuletzt boten die zoologischen Einrichtungen günstig zu beschaffendes Filmmaterial von ‚wilden‘ Tieren ohne aufwändige und kostspielige Auslanddrehs. Die Beliebtheit der tiergärtnerischen Einrichtungen bei Obrigkeit und Bevölkerung war nicht allein auf ihren „Bildungsauftrag“, ihren Prestigestatus oder ihre Funktion als „Naherholungszentren“ 50 zurückzuführen. Darüber hinaus bot der SED-Staat seinen BürgerInnen mit den Zoos die Möglichkeit, Tiere ‚fremder Länder‘ zu bestaunen, was vor dem Hintergrund der fehlenden Reisefreiheit und des eingeschränkten Angebots an Freizeitgütern und -dienstleistungen nicht hoch genug einzuschätzen ist. So lautete dann auch die (ungewollt) bittere Wahrheit: „Wo gibt es sonst Möglichkeiten, Wildtieren fremder Länder zu begegnen?“ 51 Der unerschütterliche Glaube an die unbegrenzten Möglichkeiten des „wissenschaftlich-technischen Fortschritts“ nahm indes noch ganz andere Formen an: Erstaunlicherweise gab es in der DDR stellenweise auch Überlegungen, wonach die kommunistische Gesellschaft als eine „tierfreie“ Gesellschaft gedacht wurde. In Machbarkeitsillusionen schwelgend erwarteten manche die Überwindung der Abhängigkeit von (‚Nutz-‘)Tieren, von ihren Produkten und von ihrer Arbeitskraft. In vielen Punkten stimmte dies bereits mit den historischen Entwicklungen überein. Im Zuge der Industrialisierung wurden zunehmend weniger Pferde, Esel oder Ochsen als ‚Zug-‘ oder ‚Lasttiere‘ eingesetzt; ihre Arbeitskraft übernahmen Maschinen. Auch die Entwicklung von synthetischen Textilien stellte theoretisch eine zunehmende Unabhängigkeit von tierlichen Produkten dar. In der DDR setzte diese Entwicklung in den Sechzigerjahren ein, so dass das „Schaf aus der Retorte“ nun „Wolpryla“ hieß.52 Auch Seide war von gestern, nun kam das pflegeleichte und knitterfreie „Präsent 20“ zum Einsatz.53 Und 1975 prognostizierte man: „1980 wird der Reichtum an Plasten das Defizit des Leders ablösen, und deshalb werden wir z. B. die Schweinshaut, ein wertvolles Nahrungsmittel, auf dem Schweinskörper belassen.“ 54 Außerdem 49 Vgl. „Zoobummel International“, 1976 – 1990. 50 Bürger: Tierwelt, S. 135. 51 Ebenda, S. 133. 52 Kaminsky: Wohlstand, S. 96. 53 Den Namen verdankt der Synthetikstoff seinem Markteintritt: zum 20. Jahrestag der DDR wurde der Stoff der Bevölkerung „geschenkt“. 54 Wassiljew: Mensch, S. 75.
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Schlussbetrachtung
wurde die „Herstellung künstlicher Milch und künst lichen Fleisches“ vorausgesehen, was „das Ende der Rinderfarmen bedeuten“ würde. Schließlich, so das Zukunftsbild, „wird man die Kopfzahl der Haustiere einschränken, und s päter verschwinden sie ganz.“ 55 Ähnlich wurde das in dem Roman „Ole Bienkopp“ (1963) des DDR -Schriftstellers Erwin Strittmatter gesehen. Als eine der Protagonistinnen des Romans verkündet, aufs Land ziehen zu wollen, weil sie „mit Tieren umgehn“, genauer gesagt „mit Hühnern arbeiten“ will, entgegnet ihr die Mutter: „Romantik, alles Romantik! In fünf Jahren stellt man Eiweiß künst lich her. Hühner sind Museumstiere.“ 56 Auch in osteuropäischen und sowjetischen Science-Fiction-Romanen wird die Unabhängigkeit von Tierprodukten thematisiert. In Stanisław Lems bekanntem Roman „Der futurologische Kongress“ (1971) gibt es im Jahr 2039 nur noch künstliche Milch.57 Im Roman der Brüder Strugazki „Die gierigen Dinge des Jahrhunderts“ (1965) gibt es in naher Zukunft „Synthesatoren“, die zum Beispiel „Beefsteaks aus Luft, Spargel aus Lehm [oder] Trüffel aus Sägespänen“ herstellen, was den Lobredner der „Synthesatoren“ zum Ausruf verleitet: „Schade, daß Malthus tot ist! Die ganze Welt würde ihn jetzt auslachen!“ 58 Diese Vorstellung vom Triumph des Menschen über einen Teil der Natur war freilich eher die Ausnahme, zumal die historische Realität auf das andere Extrem hinauslief: Die zunehmende „Inanspruchnahme“ von Tieren und ihren Produkten kam de facto einer zunehmenden Abhängigkeit gleich. Unabhängigkeit versprach allein die Industrialisierung der Tierhaltung, wodurch der Mensch durch den Einsatz von Wissenschaft und Technik von schwerer körperlicher Arbeit befreit und „das Nutztier immer mehr der Mechanik untergeordnet“ 59 wurde.
55 Ebenda, S. 32. Die Herstellung künstlichen Fleisches durch die Züchtung von Muskelsträngen aus Muskelstammzellen von Rindern gelang Maastrichter WissenschaftlerInnen im August 2013, vgl. „Erster Burger aus Kunstfleisch“, in: BLZ vom 06. 08. 2013, S. 12. 56 Strittmatter: Ole Bienkopp, S. 277. 57 So berichtet der in die Zukunft versetzte Hauptprotagonist des Romans: „Ich begreife die Notwendigkeit des Fortschritts; ich würdige die Vermilcher, die auf das Weidegras gesprüht werden, so daß es sich von selbst in Käse verwandelt. Die Vernunft muß dieses Ausschalten der Kühe gutheißen, und doch wird dadurch offenbar, daß ohne ihrer aller geruhsames, in sich gekehrt wiederkäuendes Beisein die Wiesen beklemmend leer sind.“ Lem, Stanisław: Der futurologische Kongress, Frankfurt am Main 1974, S. 92 (Original Krakau 1971). 58 Strugazki, Arkadi und Boris: Die gierigen Dinge des Jahrhunderts, Berlin (Ost) 1981, S. 76 (Original Moskau 1965). 59 Brentjes: Erfindung, S. 124. Auch Krüger/Steinbrecher/Wischermann gehen keinesfalls von einer „Emanzipation“ oder „Entfernung“ der Menschheit von der Tierwelt aus und verweisen allein auf die 22 Millionen Tiere in deutschen Haushalten, vgl. Krüger /Steinbrecher/ Wischermann: Animate History, S. 14.
Schlussbetrachtung
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Das ‚disziplinierte Tier‘ Die Untersuchung hat weiterhin die Bedeutung der „störfreien“ Tierhaltung für die sozialistische Gesellschaft herausgearbeitet, besonders im Bereich der ‚Heimtier‘-Haltung. Die Erziehung zu „Sauberkeit und Ordnung“ gehörte zu den Grundsätzen der sozialistischen Ethik und Moral, denen zufolge die „sozia listische Persönlichkeit“ „sauber und anständig leben“ 60 sollte. Im übertragenen Sinne bedeuteten die beiden Begrifflichkeiten staatliche Kontrolle und Überwachung der gesellschaftlichen Strukturen. Der Ordnungsbegriff stand zum einen im Zusammenhang mit dem Sicherheitsbegriff.61 Sicherheit und Ordnung versprach der SED-Staat den DDR-BürgerInnen insbesondere im sozia len Bereich 62 und wurde von letzteren auch eingefordert. Den Eindruck von Sicherheit und dass die Welt „in Ordnung“ sei, vermittelten ferner die zahlreichen medialen Bilder von „glücklichen Menschen“ und die vielen Reden der SED-Oberen.63 Auch das MfS bediente sich d ieses begrifflichen Kontextes.64 Zum anderen stand 60 Programm der sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Berlin (Ost) 1963, S. 123. 61 Vgl. dazu ausführlich Lindenberger: Öffentliche Sicherheit. 62 Die Leitmuster „Ordnung, Sauberkeit und Disziplin“ verknüpften sich Lüdtke zufolge mit der Alltagsorientierung der DDR-Bevölkerung, waren also nicht allein Herrschaftspolitik, sondern wurden in den sozialen Praktiken (re-)produziert, vgl. Lüdtke: DDR als Geschichte, S. 15. 63 Zur sozialen Ungleichheit und Armut in der DDR vgl. Mertens, Lothar, „Was die P artei wusste, aber nicht sagte …“. Empirische Befunde sozialer Ungleichheit in der DDR-Gesellschaft, in: ders. (Hrsg.): Soziale Ungleichheit in der DDR. Zu einem tabuisierten Strukturmerkmal der SED-Diktatur, Berlin 2002, S. 119 – 157; Bouvier: Sozialpolitik; Lorke, Christoph: Armut im geteilten Deutschland. Die Wahrnehmung sozialer Grundlagen in der Bundesrepublik und der DDR, Frankfurt am Main/New York 2015. 64 Vgl. Wolle: Diktatur, S. 126. Die Begriffe Ordnung und Sauberkeit gehörten neben Ruhe, Geborgenheit, Normalität und Frieden zu einem System, dem gegenüber „die Welt der Unordnung, der Unruhe, des Schmutzes, der Anomalität, des Chaos, kurz gesagt die kapitalistische Gesellschaft“ stand, ebenda. Die Berufung auf traditionelle bzw. bürgerliche Werte sollte das Regime für breite Schichten durch emotionale Ansprache attraktiv machen und damit das System stützen, vgl. Weber: DDR, S. 99, auch: Zimmermann/Pullmann: Ordnung und Sicherheit, S. 3. Nicht zuletzt dürfte der Wunsch nach Sauberkeit und Ordnung Ausdruck überkommener preußischer Traditionen gewesen sein, wo ein gewisser Ordnungssinn zu den „Preußische Tugenden“ gehörte. Der Chefideologe persönlich, Kurt Hager, forderte 1983 „Verhaltens- und Persönlichkeitseigenschaften“ wie „gegenseitige Achtung, Höf lichkeit, Taktgefühl, Bescheidenheit, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Selbstbeherrschung, Disziplin und Ordnungssinn“, die mit den sogenannten preußischen Tugenden identisch sind, näher zu erforschen und gesellschaftlich umzusetzen, vgl. ders.: Gesetzmäßigkeiten unserer Epoche – Triebkräfte und Werte des Sozialismus, in: ND 16. 12. 1983, S. 3 – 5, hier S. 5. Drei Jahre zuvor appellierte er daran, die „progressive[n] Traditionen“ Preußens zu erschließen, Hager, Kurt: Die Gesellschaftswissenschaften vor neuen Aufgaben. Konferenz
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Schlussbetrachtung
der Ordnungsbegriff für eine „geordnete Welt“, in der es verbindliche Anleitungen für die „sozialistische Lebensweise“ 65 gab, Massenorganisationen und Arbeitskollektive das private wie berufliche Leben bestimmten, Verordnungen und Rechtsvorschriften das gesellschaftliche Miteinander reglementierten und Lebensläufe der staatlichen Planung und Kontrolle unterworfen waren.66 Der Sauberkeitsbegriff bezog sich einerseits ebenso im übertragenen Sinne auf eine „anständige“ und „moralische“ Lebensweise.67 Anderseits beinhaltete der Begriff gesundheitliche Aspekte. Die Gesundheitserziehung nahm in der DDR einen sehr großen Raum ein, da die Gesundheitsvorsorge und -versorgung die notwendige Arbeitskräftebilanz verbessern sollte. Die „sozialistische Lebensweise“ wurde auf diese Weise zur „gesunden Lebensweise“ erklärt 68, deren Ziel es war, „die heute mögliche Lebenserwartung voll und in gesellschaftlicher Aktivität ausschöpfen zu können.“ 69 Denn Gesundheit wurde stets mit Arbeitskraft verbunden, weshalb Gesundheitsleitbilder in hohem Maße körperlichen Vorstellungen verhaftet waren 70 – bei Mensch und Tier.71 Deswegen fand die planmäßige, staatlich organisierte Prophylaxe als Grundprinzip der Humanmedizin ihre Entsprechung der Gesellschaftswissenschaftler der DDR am 18. Dezember 1980 in Berlin, Berlin (Ost) 1981, S. 41. Zum Preußenbild in der DDR vgl. auch Zimmering: Mythen, S. 301 – 357. 65 Die „sozialistische Lebensweise“, war u. a. durch eine schöpferische Teilnahme am politischen und geistig-kulturellen Leben, Streben nach vielseitiger Bildung und höherer Kultur in der Arbeit, im Alltag und in der Freizeit, Patriotismus, „proletarischer Internationalismus“, Gemeinschaftssinn, Solidarität u. v. m. charakterisiert, vgl. Kulturpolitisches Wörterbuch, S. v. „Lebensweise“, 2. Aufl., Berlin (Ost) 1978, S. 446 ff. 66 Vgl. Kohli: Arbeitsgesellschaft; Pollack, Detlef: Das Ende einer Organisationsgesellschaft, in: Zeitschrift für Soziologie 19 (1990), S. 292 – 307. Dazu auch Port: Stabilität. 67 Traurige Berühmtheit erhielt im kulturpolitischen Zusammenhang Honeckers Ausspruch auf dem 11. Plenum des ZK der SED 1965 (das sogenannte „Kahlschlagplenum“): „Unsere DDR ist ein sauberer Staat. In ihr gibt es unverrückbare Maßstäbe der Ethik und Moral, für Anstand und gute Sitte.“ Er kritisierte seinerzeit unter anderem „Enthemmung“ und „Unmoral“ in Literatur, Film und Musik der DDR, wo „Brutalitäten“ geschildert und „das menschliche Handeln auf sexuelle Triebhaftigkeit reduziert“ werden würde, vgl. Bericht des Politbüros an die 11. Tagung des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. 15.–18. Dezember 1965, Berlin (Ost) 1966, S. 56 f. und S. 61 (Hervorhebung im Original); vgl. dazu auch Hoffmann: Von Ulbricht, S. 99 – 103. 68 Vgl. Sozialistische Lebensweise und Gesundheitserziehung. Material des 1. bilateralen Kollo quiums der Institute für Gesundheitserziehung der ČSSR – DDR am 21. und 22. 5. 1979 in Prag, Dresden 1980; vgl. auch Winter, Kurt: Das Gesundheitswesen in der Deutschen Demokratischen Republik. Bilanz nach 30 Jahren, 2., überarb. Aufl., Berlin (Ost) 1980. 69 Winter, Kurt: Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Lebensfreude, in: Zentraler Ausschuß für Jugendweihe: Der Sozialismus, S. 284 – 288, hier S. 288. 70 Vgl. Niehoff/Schrader: Gesundheitsleitbilder, S. 53; Schleiermacher: Prävention und Prophylaxe, S. 175. 71 Vgl. dazu Autorenkollektiv (Hrsg.): Gesunde Tiere – hohe Leistung, Markkleeberg 1977.
Schlussbetrachtung
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in der Tiermedizin der DDR.72 Ein geregeltes Leben erforderte demzufolge auch eine geregelte Tierhaltung. Die Vorstellungen über die Art und Weise der Haltung von Tieren waren von diesen beiden Leitmotiven wesentlich beeinflusst, was auf eine Normierung des Tierkontaktes hinauslief. Markante Beispiele für die staatliche Kontrollwut waren die kommentierte Rechtstextsammlung „Tiere halten verpflichtet“, „Rechtsfragen der Hundehaltung“, „Rechtsgrundlagen der Hundehaltung“, „Unsere Stadtordnung und die Tierhaltung“, die rund 240 Seiten starke Rechtstextsammlung zum Kleingartenwesen und zur Kleintierzucht oder die vom FDGB publizierte Sammlung „Sicherheit im Umgang mit Tieren“ im Bereich der ‚Nutztier‘-Haltung.73 Fragen zur praktischen Tierhaltung, aber auch darüber hinaus gehende Fragen, wie „Wie gehen wir mit Tieren um?“ und „Wie gestaltet sich die „Verantwortung der Gesellschaft für diese Fragen?“, wurden ausschließlich mit dem Verweis auf die bestehenden Rechtsvorschriften beantwortet.74 Mit der Tierhaltung seien stets „notwendige Kenntnisse in den verschiedenen Rechtsfragen verbunden“ und die TierbesitzerInnen s eien demnach „verpflichtet“, die mit der Tierhaltung „verbundenen Rechtsnormen“ zu kennen.75 Insbesondere die Hundehaltung unterlag dabei starken Regulatoren, um das (vor allem städtische) Zusammenleben möglichst „belästigungsfrei“ zu gestalten. In der landwirtschaftlichen ‚Nutztier‘-Haltung war mit der „störfreien“ Tierhaltung die Vorstellung von ungestörten Produktionsabläufen verbunden.76 Dem tierlichen Gesundheitsschutz kam in diesem Bereich infolgedessen eine besonders wichtige Stellung zu. Dort wurden unter „Tierhygiene“ nicht nur die „hygienische“ Haltung der Tiere etwa auf Spaltenböden, Gummimatten oder Käfigen verstanden.77 Darüber hinaus umfasste die „Tierhygiene“ alle veterinärhygenischen Maßnahmen (etwa Reinigung und Desinfektion, Impfungen, Schädlingsbekämpfung, Tierkörperbeseitigung und so weiter) sowie verschiedene technische Fragen der Fütterung, des Melkens oder etwa des Stallklimas. In den großen industriemäßig betriebenen Anlagen war „planmäßige 72 Vgl. Azar: Veterinärwesen, S. 378 f. 73 Grabs: Tiere halten; Rehse: Rechtsfragen der Hundehaltung; Pawelke: Rechtsgrundlagen; Seupel: Stadtordnung; Zentralvorstand des Verbandes der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (Hrsg.): Kleingartenwesen, Kleintierzucht, Kleintierhaltung, Berlin (Ost) 1987; Bundesvorstand des FDGB, Abteilung Arbeitsschutz (Hrsg.): Sicherheit im Umgang mit Tieren. Rechtsvorschriften, Berlin (Ost) 1980. 74 „Wie gehen wir mit Tieren um?“, in: Deine Gesundheit 6 (1988), S. 13 – 15, S. 18 und S. 26. 75 Grabs: Tiere halten, S. 7 f. 76 Vgl. dazu beispielsweise Böhme, K. M./Hartwig, R.: Sicherheit und Ordnung in der Tierproduktion – wichtige Grundlagen für hohe Produktionsergebnisse, in: MfV 34 (1979), S. 698 – 700. 77 Vgl. Lehrbuch für die sozialistische Berufsbildung. Zootechniker/Mechanisator. Technische Anlagen und Ausrüstungen für die Tierproduktion, 2. Aufl., Berlin (Ost) 1978.
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Schlussbetrachtung
Hygiene“ von besonders großer Bedeutung, da die in großen Beständen gehaltenen Tiere sehr anfällig für Krankheiten waren.78 Die Tierseuchenprävention war in einem Staat wie der DDR, der von Mangelwirtschaft gebeutelt und vom Export abhängig war, von immenser Relevanz. Hohes Renommee hatte das bis heute bestehende Friedrich-L oeffler-Institut für Tierseuchenforschung auf der Insel Riems.79 ‚Wild lebende‘ Tiere, eine potentielle Gefahr für Menschen und die landwirtschaftlichen Tierbestände, wurden von der „Zentralstelle für Tollwutepizootiologie und Wildhygiene“ (ZTW) erfasst.80 Die starke Regulation der Tierhaltung wird zum eindrücklichen Beispiel für die Auswirkungen politischer Maßnahmen auf die Lebensmöglichkeiten von Tieren. Mensch-T ier-Beziehungen und die tierliche Lebenswirklichkeit waren überdies maßgeblich von weiteren systembedingten Voraussetzungen geprägt. Bemerkenswert ist, wie stark ökonomische Zwänge die verschiedenen Mensch- Tier-Beziehungen in der DDR beeinflussten.81 Die Versorgungskrisen wurden zum Leitmotiv im Umgang mit Tieren: In der ‚Heimtier‘-Haltung fehlte es an ‚Heimtier‘-Bedarf und Fertigfutter. Hunde und Katzen wurden zu „Nahrungskonkurrenten“ erklärt, und der Staat versuchte systematisch, die Hunde- und Katzenhaltung zu reglementieren und vor allem zu reduzieren. Im Bereich der Landwirtschaft waren die Tiere durch den permanenten Futtermangel unterversorgt oder bekamen fragwürdige Industrieabfälle in den Trog. Ebenfalls im Kontext wirtschaftlicher Restriktionen stand die Gigantomanie in der Landwirtschaft (ganz abgesehen von ihrer ideologischen Bedeutung). Die industrielle Großproduktion sollte Versorgungsengpässe überwinden und Devisen ins Land bringen. Die großen Tierfabriken – allen voran die KIM – produzierten vornehmlich für den westlichen Markt. Eine entscheidende Zäsur im Mensch-‚Nutztier‘-Verhältnis war neben der Agrarindustrialisierung vor allem die vorangegangene Kollektivierung. Sie führte zu einer ersten Entfremdung zwischen den TierhalterInnen und den „LPG-Tieren“, die, nun nicht mehr persönliches Eigentum, unter dem schwindenden Verantwortungsbewusstsein litten. Die sich zuspitzende Wirtschaftskrise, die unzureichenden ökonomischen 78 Vgl. Kurjo: Landwirtschaft, S. 67 f. 79 Die Virusforschungsanstalt wurde im Jahre 1910 gegründet, vgl. dazu Hinz-Wessels, Annette/ Thiel, Jens (Hrsg.): Friedrich-Loeffler-Institut 1910 – 2010. 100 Jahre Forschung für die Tiergesundheit, Berlin 2010. 80 Vgl. dazu Fink/Gasparin: Wildhygiene, S. 160 – 184. 81 Wie auch andere Lebensbereiche, das Kultur- und Sozialsystem, die Umweltpolitik u. v. m. wesentlich vom Wirtschaftskurs geprägt waren. Roesler schlägt deswegen vor, die DDRGeschichte vor allem vor der Folie wirtschaftlicher Aspekte zu betrachten und hat eine dementsprechend gewichtete Geschichte der DDR vorgelegt, vgl. Roesler, Jörg: Geschichte der DDR, Köln 2012, S. 9 f.
Schlussbetrachtung
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Bedingungen in vielen LPG sowie die Komplikationen, die durch das willkür liche Zusammenlegen der Tierbestände entstanden, beeinflussten die tier liche Lebenswirklichkeit zuträglich. Auch im Bereich des Tierschutzes waren ökonomische Zwänge bestimmend. Tierschutzrelevante Fragen wurden aus wirtschaftlichen Bedenken unterdrückt, um den Produktionsablauf nicht zu stören. Das Primat der Ökonomie auf staatlicher Seite sowie die starke Konsum orientierung innerhalb der Bevölkerung dürften auch Ursache für die allgemeine Gleichgültigkeit gegenüber tierethischen Fragestellungen gewesen sein.82 Nicht zuletzt bot der Marxismus-L eninismus keinerlei Anknüpfungspunkte für derartige Überlegungen; die aufoktroyierte Tabuisierung von Tierschutzfragen in der Öffentlichkeit tat ihr Übriges.
Von Grenzen Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass sich DDR-Geschichte weder einseitig mit totalitären Theorien noch mit der alleinigen Betonung der Grenzen der Diktatur beschreiben lässt.83 Auf der einen Seite wurde der absolute Herrschafts- und Deutungsanspruch der SED über alle Bereiche des gesellschaft lichen und privaten Lebens deutlich. Die ‚Heimtier‘-Haltung und der Tierschutz unterlagen einer Neusemantisierung: ‚Heimtiere‘ wurden im öffentlichen Diskurs zu ‚pädagogischen Hilfsmitteln‘ und ‚Erholungsobjekten‘, worin sich das versachlichte Gebrauchsmotiv widerspiegelte. Der staatliche Tierschutz wurde kanalisiert und instrumentalisiert: Im Bereich der ‚Heimtier‘-Haltung zur Etablierung einer „störfreien“ Tierhaltung, im Bereich der landwirtschaft lichen ‚Nutztier‘-Haltung zum Schutze der tierlichen Leistungsfähigkeit im Produktionsprozess. Auf der anderen Seite wurde der Kontrollanspruch der Monopolpartei unterlaufen. Dass ‚Heimtiere‘ und der Tierschutz überhaupt zu gesellschaftlichen und politischen (Rand-)Themen wurden, war zu einem gewissen Grad auf die Bedürfnisse und Wünsche der Bevölkerung zurückzuführen. Die Bereiche zeigen beispielhaft, wie die BürgerInnen die „antibürger liche“ Konstruktion der Gesellschaft ausbremsten, umdeuteten und die eigene Lebenswelt von äußeren Zwängen abzuschirmen versuchten oder wie sie probierten, jene mitzugestalten, wovon unter anderem die rege Eingabetätigkeit zeugte. Der ‚von oben‘ induzierte Bedeutungswandel der vormals bürgerlichen ‚Heimtier‘-Haltung und Tierschutztätigkeit sowie die Schaffung von staat lichen Ersatzangeboten kann als Reaktion auf zivilgesellschaftliche Effekte, 82 Zum ökologischen Desinteresse in der DDR als Strukturmerkmal vgl. Huff: Umweltgeschichte, S. 413 f. 83 Vgl. dazu Moranda, Scott: Towards a more Holistic History? Historians and East German Everyday Life, in: Social History 35/3 (2010), S. 330 – 338.
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Schlussbetrachtung
aber auch auf bestehende Probleme gewertet werden.84 Genauso verhielt es sich im Bereich der Landwirtschaft, wo bäuerliche Traditionen und Werte in der „individuellen Hauswirtschaft“ konserviert wurden. Dieses Spannungsfeld zwischen politischem Veränderungsdruck und bäuerlicher Beständigkeit führte zur verzögerten Umsetzung der agrarpolitischen Vorgaben 85 und war ein Beispiel für die Beharrungskraft tradierter Strukturen in der DDR, deren Staatsführung den totalen Kontroll- und Führungsanspruch deklarierte.86 Alle hier untersuchten Bereiche von Mensch-Tier-Verhältnissen sind Beispiele dafür, dass gesellschaftliche Kontinuität über politische Umbrüche hinweg auch in der DDR wirksam blieb. Die Studie zeigte am Beispiel von gesellschaftlichen Mensch-T ier-Verhältnissen die komplexen Wechselwirkungen und Aushandlungsprozesse zwischen Staat/Parteiherrschaft und Gesellschaft/Bevölkerung, die letztlich zur Stabilität des SED-Staates beitrugen.87 Damit stellte die Untersuchung auch einen Versuch dar, Strukturgeschichte und Erfahrungsgeschichte durch die kulturhistorischen Ansätze der Tiergeschichte miteinander zu verschränken. Die vorliegende Studie hatte dabei einen stärkeren Schwerpunkt auf ideen- und politikgeschichtlichen Problemstellungen. Das ergab sich einerseits aus der „diktaturbedingte[n] Dominanz des Politischen in der DDR“ 88 und anderseits aus der Fragestellung nach einem „sozialistischen“ Konzept von Tieren und Mensch-T ier-Verhältnissen, welches sich aus der SED-Ideologie speiste.89 Nichtsdestotrotz wurde versucht, Tiere jenseits ihrer repräsentativen Funk tion und Verortung zu beschreiben und alltagshistorische Perspektiven einzunehmen. Dabei konzentrierte sich die Untersuchung weniger auf einzelne 84 Ähnliche Beispiele dafür sind die Rehabilitierung Martin Luthers oder etwa Arnold Schönbergs und die Wiederentdeckung Preußens. 85 Dazu beigetragen hat sicherlich auch der Fakt, dass der Einfluss der SED auf dem Land wesentlich geringer war als in den Städten, was sich auch im niedrigerem SED-Mitgliederanteil und der starken Stellung der LPG („ländlicher Hegemon“) niederschlug, vgl. Heinz: Industrialisierung, S. 423 und S. 429; Bauerkämper: Zwangsmodernisierung, S. 43. Zum Spannungsverhältnis zwischen forcieren Milieuwandel und dem Fortbestehen traditioneller Sozialstrukturen vgl. auch die Gemeindestudie des anonymisierten, Mecklenburger Dorfes „Tranlin“ bei Willisch: Schatten. 86 Vgl. dazu auch Jessen: Gesellschaft im Sozialismus, v. a. S. 101 f. 87 Vgl. dazu v. a. die Alltagsstudien von Port: Stabilität, der das Zusammenspiel von Politik und Bevölkerung am Beispiel des Kreises Saalfeld beschreibt (allgemeine Erklärungsansätze zur „rätselhaften Stabilität“ vgl. ebenda, S. 17 – 27) und Fulbrook, Mary: Ein ganz normales Leben. Alltag und Gesellschaft in der DDR, 2., durchges. und mit einem neuen Vorw. vers. Aufl., Darmstadt 2011. Immer noch aktuell: Meuschel: Legitimation. 88 Vgl. Bispinck (u. a.): Zukunft, S. 56 f. 89 Dies traf besonders für das Tierschutz-Kapitel zu, wo das „reale“ Tier hinter einer Vereins-, Rechts- und Sozialgeschichte verschwand. Zur diesbezüglichen Kritik an der Geschichtsschreibung der Tierschutzbewegung vgl. Roscher: Politikgeschichte, S. 181 f.
Schlussbetrachtung
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Mensch-Tier-Begegnungen, als vielmehr auf den gesamten Komplex des sozialen Nahraums, was dem Grundlagenforschungscharakter der vorliegenden Studie geschuldet war. Die Beschäftigung mit individuellen Tieren und Mensch-T ier- Beziehungen fand nur am Rande statt und der Anspruch, Tieren als historischen Akteuren gerecht zu werden, wurde nicht im vollen Umfang eingelöst. Die Studie lotete außerdem die Grenzen der Geschichtswissenschaft und der DDR-Forschung im Besonderen neu aus. Die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Mensch-T ier-Verhältnissen hilft, den vorherrschenden Anthropozentrismus in den Geschichtswissenschaften zu überwinden, da, wie Sachse treffend formuliert, allem Anschein nach „die Artengrenze für Mitglieder der historischen Zunft besonders schwer zu überschreiten“ 90 ist. Wie eingangs hervorgehoben, versagt sich die Geschichtsschreibung dadurch wertvolle Erkenntiszugänge und -gewinne. Bei der Neuorientierung muss aber immer das „dynamische und interaktive Verhältnis z wischen Mensch und Tier sowie der (aktive) Einfluss der Tiere auf d ieses Verhältnis”91 im Forschungsmittelpunkt stehen, nicht das Tier allein. Nur so ergeben sich viele neuartige Einsichten und Perspektiven für die Geschichtsforschung und speziell für die, mitunter als „ausgeforscht“ bezeichnete, DDR-Geschichtsschreibung. Auch die Grenze des scheinbaren Gegensatzes von Natur und Kultur muss für eine fruchtbare Forschung verschoben werden. Dieser starre Dualismus kann im Wissenschaftsbereich auf semiotischer, räumlicher sowie methodisch-disziplinärer Ebene aufgebrochen werden. Überhaupt ist in der Tiergeschichtsschreibung ein (grenzüberschreitender) Theorien- und Methodenpluralismus angebracht. Dabei sollte (DDR-)Geschichte aus Sicht der historischen Tierforschung nicht als Leidensgeschichte geschildert, sondern stets als eine Gesamtgeschichte erzählt werden, die Anschlussfähigkeit bietet. Die zu Beginn genannten Beispiele für das Anschlusspotential der DDR-Tiergeschichte an zeithistorische Zusammenhänge haben bereits Impulse für neue Forschungsfelder und Themen gesetzt. Zusammengefasst würde im Idealfall „die Geschichtswissenschaft in neuer Weise durch den Blick auf das Tier belebt.“ 92 Die Untersuchung von gesellschaftlichen Tierbildern und Mensch-Tier- Verhältnissen in der DDR darf indes nicht den Blick dafür verstellen, dass ausnahmslos alle (system-, ort- und kulturübergreifenden) Mensch-Tier-Verhältnisse vorgegebenen Werten und Vorstellungen unterliegen – heute wie damals. Insbesondere im Bereich der landwirtschaftlichen ‚Nutztier‘-Haltung in der DDR 90 Sachse: Tiere und Geschlecht, S. 92. 91 Roscher/Krebber: Tiere und Geschichtsschreibung, S. 3. 92 Krüger/Steinbrecher/Wischermann: Animate History, S. 10. Die unzähligen tierlichen Leerstellen in der DDR-Forschung weisen überdies einen Weg, die DDR-Geschichtsschreibung aus der (von DDR-ForscherInnen selbst beklagten) wissenschaftlichen Sackgasse zu führen.
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Schlussbetrachtung
haben wir es mit Tierdiskursen und Entwicklungen der Moderne zu tun. Das
SED-Regime zelebrierte diese Entwicklungen gleichwohl als sozialistische Errun-
genschaften und bettete durchweg alle gesellschaftlichen Phänomene in die marxistisch-leninistische Ideologie ein und kleidete sie in „sozialistisches Vokabular“. Sonderentwicklung der DDR-Geschichte waren indes die Kollektivierung, die gigantischen Ausmaße der Landwirtschaft, die Unterdrückung und Verstaat lichung des Tierschutzes sowie die Vernachlässigung der ‚Heimtier‘-Kultur. Die hohe moralische und ideologische Bedeutung des Arbeitens sowie eine permanent krisenhafte Ökonomie führten zur Grundvoraussetzung aller „sozialistischen“ Mensch-Tier-Verhältnisse: die systemkonforme Nützlichkeit. Tiergeschichte kann folglich auch einen Beitrag dafür leisten, den Einfluss von (Macht-)Diskursen und -praktiken auf das individuelle und kollektive Verständnis von gesellschaft lichen Phänomenen offenzulegen. Nicht zuletzt impliziert die Historizität von Mensch-Tier-Verhältnissen auch ihre Veränderlichkeit. Vor dem Hintergrund der von Derrida konstatierten Entwicklungen, wonach „[a]lle Welt weiß, welche unerträglichen Schreckensgemälde eine realistische Malerei von der industriellen, mechanischen, chemischen, hormonellen, gentechnischen Gewalt anfertigen könnte, die das Tier seit zwei Jahrhunderten durch den Menschen erdulden muss“ 93, ist eine Reflektion und Diskussion über den historischen, aktuellen und zukünftigen Umgang mit Tieren unabdingbar.
93 Derrida führt hiermit alle Facetten jenes Zeitalters an: die Industrialisierung der Schlachtung, die Etablierung der professionellen Tierzucht, den Ausbau der Tierversuche, die Entwicklung von chemischen Bekämpfungsmitteln usw., vgl. ders.: Das Tier, welch ein Wort!, in: Deutsches Hygiene-Museum (Hrsg.): Mensch und Tier – eine paradoxe Beziehung. Begleitbuch zur Ausstellung Mensch und Tier, 22. November 2002 bis 10. August 2003, Ostfildern-Ruit 2002, S. 190 – 209, hier S. 197.
Abkürzungsverzeichnis Abt. Abteilung ABV Abschnittsbevollmächtigter ACZ Agrochemische Zentren AdL Akademie der Landwirtschaftswissenschaften AG Arbeitsgemeinschaft, Arbeitsgruppe AKG Auswertungs- und Kontrollgruppe ANT Akteur-Netzwerk-Theorie APuZ Aus Politik und Zeitgeschichte Aufl. Auflage BArch Bundesarchiv Bd. Band Bearb., bearb. Bearbeiter, bearbeitet Betr., betr. Betreff, betreffend BGBl. Bundesgesetzblatt BHG Bäuerliche Handelsgesellschaft BIV Bezirksinstitut für Veterinärwesen BL Bezirksleitung Bl. Blatt Bln. Berlin BLZ Berliner Zeitung BMELF Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten BStGB Bundesstrafgesetzbuch BStU Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR BTA Bezirkstierarzt BV Bezirksverwaltung des MfS CDU Christlich Demokratische Union CITES Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora ČSSR Tschechoslowakische Sozialistische Republik DA Deutschland Archiv DAL Deutsche Akademie der Landwirtschaftswissenschaften DB Durchführungsbestimmung DV Durchführungsverordnung DBD Demokratische Bauernpartei Deutschlands DBZ Neue Deutsche Bauernzeitung DDR Deutsche Demokratische Republik DM Deutsche Mark (der DDR)
348 DTSB DVP DWK DZP EDV EF
Abkürzungsverzeichnis
Deutscher Turn- und Sportbund Deutsche Volkspolizei Deutsche Wirtschaftskommission Deutsche Zeitschrift für Philosophie Elektronische Datenverarbeitung Energetische Futtereinheit erg. ergänzt erw. erweitert FDGB Freier Deutscher Gewerkschaftsbund FDJ Freie Deutsche Jugend fGV futterorientierte, bedarfsbezogene Großvieheinheit FHW Kirchliches Forschungsheim Wittenberg GBl. Gesetzblatt der DDR gez. gezeichnet GG Geschichte und Gesellschaft GMS Gesellschaftlicher Mitarbeiter für Sicherheit GNU Gesellschaft für Natur und Umwelt im Kulturbund GST Gesellschaft für Sport und Technik GV Großvieheinheit HA Hauptabteilung HD Hüftgelenksdysplasie HELCOM Baltic Marine Environment Protection Commission Hrsg., hrsg. Herausgeber, herausgegeben HVPVP Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei IM Inoffizieller Mitarbeiter IMS Informationen zur modernen Stadtgeschichte IRIMA Industrielle Rindermastanlage ITP Industrielle Tierproduktion IUCN International Union for Conservation of Nature KAP Kooperative Abteilung Pflanzenbau KD Kreisdienststelle des MfS KFW Kirchliches Forschungsheim Wittenberg KIM Kombinate industrielle Mast KL Kreisleitung KPD Kommunistische Partei Deutschlands KPdSU Kommunistische Partei der Sowjetunion KZ Konzentrationslager LAB Landesarchiv Berlin LPG Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft LVG Lehr- und Versuchsgut MAS Maschinen-Ausleih-Station MdF Ministerium der Finanzen MdI Ministerium des Inneren
Abkürzungsverzeichnis
MdJ
349
Ministerium der Justiz Marx-Engels-Gesamtausgabe Marx-Engels-Werke MfS Ministerium für Staatssicherheit MfV Monatshefte für Veterinärmedizin MLEF Ministerium für Landwirtschaft, Erfassung und Forstwirtschaft MLF Ministerium für Land- und Forstwirtschaft MLFN Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft MTS Maschinen-Traktor-Station MVA Milchviehanlage NBI Neue Berliner Illustrierte ND Neues Deutschland NDPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands NÖSPL Neues Ökonomisches System der Leitung und Planung Nr. Nummer NSW Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet ON Optimale Nahrung OWG Gesetz zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten OWVO Verordnung zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten pag. paginiert Pdm. Potsdam RGBl. Reichsgesetzblatt RGV rau-, grobfutterverzehrende Großvieheinheit RGW Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe RHG Robert-Havemann-Gesellschaft RLN Räte für Landwirtschaft und Nahrungsgüterproduktion RMA Rindermastanlage RSPCA Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals SAPMO BArch Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv SBZ Sowjetische Besatzungszone SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SERO Sekundär-Rohstofferfassung SMAD Sowjetische Militäradministration SMR Schwarzbuntes Milchrind StGB Strafgesetzbuch STGP Staatliche Tierärztliche Gemeinschaftspraxis STP Staatliche Tierarztpraxis SW Sozialistisches Wirtschaftsgebiet SZG Spezialzuchtgemeinschaft SZMK Schweinezucht- und Mastkombinat TGL Technische Normen, Gütervorschriften und Lieferbedingungen TKV Tierkörperverwertung MEGA MEW
350
Abkürzungsverzeichnis
u. a. und andere überarb. überarbeitet UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken unpag. unpaginiert v. a. vor allem VdgB Vereinigung gegenseitiger Bauernhilfe VEAB Volkseigener Erfassungs- und Aufkaufbetrieb VEB Volkseigner Betrieb VEG Volkseigene Güter VEH Volkseigener Handel VfZ Vierteljahresheft für Zeitgeschichte vgl. vergleiche VKSK Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter Vorl. Vorlage VP Volkspolizei VVB Vereinigung Volkseigener Betriebe VVS Vertrauliche Verschlusssache WTZ Wissenschaftlich-Technisches Zentrum ZAA Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie ZAG Zentrale Aufbaugruppe ZBE Zwischenbetriebliche Einrichtungen ZGE Zwischengenossenschaftliche Einrichtungen ZK Zentralkomitee ZTW Zentralstelle für Tollwutepizootiologie und Wildhygiene
Quellen- und Literaturverzeichnis Unveröffentlichte Quellen
Bundesarchiv Berlin (BArch)
BArch DA (Volkskammer der DDR) BArch DC (Ministerrat der DDR) BArch DK (Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft) BArch DO (Ministerium des Inneren) BArch DP (Ministerium der Justiz) BArch DN (Ministerium der Finanzen) BArch DL (Ministerium für Handel und Versorgung)
Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO BArch) SAPMO BArch DY 30 (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) SAPMO BArch DY 27 (Deutscher Kulturbund) SAPMO BArch DY 14 (Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter)
Landesarchiv Berlin (LAB)
B Rep. 002 (Der Regierende Bürgermeister von Berlin – Senatskanzlei) B Rep. 020 (Der Polizeipräsident in Berlin) C Rep. 112 – 02 (Magistrat von Berlin, Rat für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft) C Rep. 105 (Magistrat von Berlin – Abteilung Finanzen) C Rep. 303 – 09 (Polizeipräsident in Berlin – Abteilung Polizeischule Oberschöneweide) C Rep. 101 (Der Oberbürgermeister von Berlin)
Behörde der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU)
MfS HA XVIII (Ministerium für Sicherheit, Hauptabteilung XVIII) MfS BV Bln. (Ministerium für Sicherheit, Bezirksverwaltung Berlin) MfS BV Pdm. (Ministerium für Sicherheit, Bezirksverwaltung Potsdam) MfS BV Gera (Ministerium für Sicherheit, Bezirksverwaltung Gera)
Robert-Havemann-Gesellschaft: Archiv der DDR-Opposition (RHG)
RHG/KFH (Kirchliches Forschungsheim) RHG/PS (DDR-Samisdat)
352
Quellen- und Literaturverzeichnis
Fernsehfilme und Hörfunkbeiträge
DDR – Das sind wir (Icestorm Entertainment)
Du und Dein Haustier (Deutsches Rundfunkarchiv (DRA)) Erzähl von Deinen Tieren (DRA) Igel – Das Tierschutzmagazin (Archiv Südwestrundfunk) Im Tierpark belauscht (DRA) Professor Tembrocks Rendezvous mit Tieren (DRA) Spiegel TV „Der Schäferhund Ost und West. 40 Jahre Rasse-Trennungen“, Sendung vom 25. 09. 1994 (abzurufen unter: www.spiegel.tv/filme/schaeferhund-ost-west/, Zugriff am 15. 08. 2016) Tierpark-Teletreff (DRA) Tierparks der DDR (DRA) Zoobummel International (DRA) Zu Besuch bei Prof. Dr. Dathe (DRA)
Befragung von ZeitzeugInnen
Renate Wesselhöfft, Berlin (Gespräch am 02. 04. 2014) Schriftliche Auskunft des Berliner Tierheims (vom 31. 03. 2014)
Printmedien
Berliner Zeitung Deine Gesundheit Der Hund Der Spiegel Der Tagesspiegel Die Zeit Für Dich Neue Berliner Illustrierte (NBI) Neue Deutsche Bauernzeitung (DBZ) Neue Zeit Neues Deutschland Süddeutsche Zeitung Urania
Periodika und Nachschlagewerke
Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Abteilung Bildung und Forschung: Abkürzungsverzeichnis, 9., erg. u. korr. Aufl., Berlin 2009. Gesetzblatt der Bundesrepublik Deutschland. Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik.
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Register
A
Aberglaube 217 Adenauer, Konrad 310 Agency 35 Agra 221 Agrarindustrialisierung 11, 20, 23, 42 – 46, 77 f., 155, 176 – 199, 202, 204, 210, 216, 224 f., 229, 251 f., 254, 289, 298, 311, 337 f., 342, 346 Akteur-Netzwerk-Theorie 35 Alkohol 207 f., 212 Amerika, siehe USA Amputationen 230, 320 Anthropozentrismus 12, 16 f., 21, 25, 47 f., 53, 79, 89, 138, 147, 256, 283, 287, 291, 301, 307, 309, 323, 330, 345 Antibiotika 183, 209, 238 Arbeit(-sbegriff ) 38, 47 – 53, 58 – 82, 93, 97 f., 101 f., 106, 346 Artenschutz 287, 290 ff., 325, 331 Arzneimitteleinsatz 183, 187 f., 191, 205, 209, 303 Arzneimittelgesetz 191, 302 f. Aufstand vom 17. Juni 1953 115, 159, 171 B
Bacon, Francis 45, 52 f. Bäuerliche Handelsgesellschaft (BHG) 93, 113 Beirat für Tierschutz und Tierhygiene 28 f., 36, 127, 136, 138, 147, 270, 279 – 287, 321, 324 Belgien 131, 169, 221 Berlin, siehe Ost- und West-Berlin Biene 66, 68, 70, 102, 189, 196, 213, 218, 223, 226 Biopolitik 97, 221 Bodenreform 38, 93, 155 f., 171 Broika, siehe Kaninchen Broiler, siehe Huhn Brüssel 43
Bulgarien 237, 240 Bundesrepublik Deutschland 10, 20, 23 f., 56, 94 f., 98, 99, 103, 119, 122 f., 131, 134, 139, 144, 165, 173, 175, 178, 180 f., 187 ff., 190 f., 194, 198 f., 203, 205, 209 f., 221, 227, 231, 233 f., 236, 238, 241, 243 f., 249, 251, 254 ff., 284, 288, 293 f., 303, 310, 312, 314 ff., 318 f., 320 ff., 329, 333 f. Bürgertum 11, 19, 23, 27 f., 53, 75 f., 79, 86 – 89, 97, 102, 104, 106, 111, 127, 136, 147 f., 151, 173, 258, 260, 262 f., 266 f., 272, 274, 276, 296, 305, 324, 334, 339, 343 C
CITES 290 ČSSR 315, 99 D
Dänemark 131, 232, 312, Dathe, Heinrich 89, 130, 260, 265, 280, 297 f., 334 DBD 198 Dedelow 184 Derrida, Jacques 9, 346 Deutsche Akademie der Landwirtschaftswissenschaften 204, 240, 247, 295 Diebstahl 212, 219, 255 Dieckmann, Johannes 265 f., 268, 297 Domestikation 61, 106, 333 Dresden 114, 141, 276, 308 Dummerstorf 173, 232 E
Eberswalde 184 f., Ei 61, 181 ff., 186, 190, 203, 213 f., 224, 238, 241 – 244, 255, 309 f., 331 Eibl-Eibesfeldt, Irenäus 333 f.
410 Eingaben 30, 36, 115, 126, 129, 133, 136 f., 143, 258, 260, 265, 267 ff., 281, 283, 293, 304, 307, 311, 313 f., 323, 325, 343 Embryonentransfer 228 Engels, Friedrich 25, 37 f., 41 – 82 Ente 180, 239, 244, 248, 252 Entfremdung 50 f., 68, 77 f., 329, 342 Erfurt 250, 274, 169, 267, 272, 274 Ernährung 10, 38 f., 89, 123, 231, 238, 243, 255, 309 ff. Erziehung 19, 26 f., 97, 104 f., 108, 110, 113, 124, 136 ff., 149, 264, 266, 281 f., 302, 310, 325 ff., 330, 339, 340 Ethik 14, 23, 75 f., 81, 105, 124, 139, 262, 301, 303 f., 307 ff., 311, 315 f., 322 – 325, 330, 332, ff., 339 f., 343 Ethologie 333 f. Europa 15, 30, 42 f., 86, 131, 148, 180, 184, 189, 192, 227, 239, 254, 290, 302, 312 Exkremente, Verfütterung von 205, 248 Export 32, 99, 110, 112, 114, 121 f., 143, 148, 184, 188, 191, 203 f., 209, 221, 226, 231, 234 f., 237, 244, 246, 248, 253 f., 293, 307, 311 f., 323, 328, 342 F
Fasan 239, 246, 248, 252 Ferdinandshof 184 Fernsehen 20, 24, 30, 103 f., 109, 122, 130, 215, 334, 154, 307, 309, 334, 337, 340 Feuerbach, Ludwig 49, 63 Fisch 11, 23, 60 f., 75, 103, 110, 113, 115, 121 f., 127, 130, 184, 189, 241, 243 f., 248, 284, 295, 308, 310, 319, 320, 327, 333 Fleisch 20, 32, 38, 43, 61, 71 f., 90, 109, 116 – 122, 127, 141, 164, 175 f., 179, 181, 184, 186, 196, 203 f., 209, 214, 218, 221, 227, 232, 235 f., 240, 242 f., 244 – 250, 255, 291 f. 294, 307, 309 ff., 331, 338 Forstwirtschaft 178 Foucault, Michel 83, 97 Frankreich 86, 131, 169, 221, 293
Register
Freizeit 19, 23 f., 97, 99, 100 ff., 106 ff., 110, 150, 214, 239, 337, 340 Friedrich-Loeffler-Institut 342 Fuchs 142, 293 f., 321, 330 Futter (‚Nutztiere‘:) 38 f., 161 ff., 165, 167 f., 172 – 175, 183, 185, 187, 191 – 194, 200, 202 – 209, 212, 214 f., 217 – 220, 226, 228 f., 231-, 232 – 242, 245, 248, 250, 252 f., 285, 319 f., 329, 331, 341; (‚Heimtiere‘:) 27 f., 38, 115 – 122, 135, 141 f., 342 G
Gans 239, 244, 248 Geflügel 111 f., 128, 168, 181 f., 184, 189, 198 f., 205, 213 ff., 222, 224, 226 ff., 237 – 246, 248, 310 Gera 118, 208, 217, 272 Gesellschaft für Natur und Umwelt im Kulturbund (GNU) 306 Gesellschaft für Sport und Technik (GST) 93 Gesundheitspolitik 22, 90 ff., 123, 134, 147, 209, 243, 269, 283, 285 ff., 310, 340 f. Giedion, Sigfried 181 Gigantomanie 178, 186, 189, 192, 195 f., 324, 342, 346 Goldy 118 – 121, 140 Götting, Gerald 294 f., 297, 304, 324 Graffunder, Heinz 130 Griechenland 72, 131, 237 Großbritannien 12, 14, 41, 44, 76, 84, 131, 134, 180 f., 245 Großvieheinheit 195, 329 Grüneberg, Gerhard 195 Grzimek, Bernhard 103 Gülle 183, 190, 193, 201, 205, 253, 292, 309 H
Hager, Kurt 339 Halle 103, 127, 163, 180, 195, 220, 257 ff., 268, 272 f., 275 Hase 20, 26, 293 f.
411
Register
Haßleben 180, 184, 187, 191, 210 f., 307, 309 Heimat 11, 19, 42, 254, 271 f., 297, 325, 327, 336 ‚Heimtier‘ 11, 23, 27 ff., 33, 38, 41, 44 f., 73 f., 78, 83 – 151, 273, 284, 286, 308, 328, 339, 342 f., 346 HELCOM 290 Heu 208 Hohen Wangelin 184, 292 Honecker, Erich 100 f., 192, 196, 213, 220, 340 Hormoneinsatz 228, 238, 346 Huhn 23, 26 f., 39, 102, 180 – 183, 190, 205, 213, 218, 230, 237 – 245, 247 f., 307 f., 328, 331, 338 Human-Animal Studies 12 – 15, 17 f., 20, 24, 34, 287, 336 Humanismus 51, 67, 83, 89, 257, 262, 267, 297, 305, 312, 316, 322 f., 326, 328 Hund 12, 26, 28, 35, 36, 38, 43, 71, 74, 84, 87, 89 – 99, 102, 104 – 122, 124 f., 126, 129 – 141, 143 – 146, 148 f., 160, 247, 260, 265 ff., 276, 281, 293, 304 f., 308, 330, 335, 341 f. Hundefutter 116 – 122 Hundesteuer 36, 131 – 133 Hussel, Lothar 132, 259, 262, 269 – 274, 277 f., 296 I
Import 99, 110, 177, 203 f., 209, 231 ff., 240 f., 244, 247, 253 Individuelle Hauswirtschaft 23, 28, 37, 102, 138, 157, 162, 212 – 220, 226, 241, 246 f., 251, 284, 344 Industrialisierung der Landwirtschaft, siehe Agrarindustrialisierung Industriemäßige Tierproduktion, siehe Massentierhaltung Insekt 66, 68, 70, 102, 114, 189, 196, 328, 331, 85, 94, 114, 188, 212 f., 218, 226, 261 Italien 131, 169, 221
J
Jagd 21, 67, 95, 112, 117, 142 f., 281, 292 ff., 330, 320, 333 Jena 140, 168, 261, 272 Jugoslawien 241 K
Kalb 161, 164, 174,182, 186, 210 f., 213, 227, 228, 230, 253, 299 Kaninchen 19 f., 102, 109, 111, 113, 179, 213 ff., 218, 226, 242, 245 f., 248, 252, 293 f., 305, Kapitalismus 10, 46, 50 ff., 54, 57, 67 f., 77 f., 87, 94, 101 f., 115, 139, 178, 237, 262 f., 297, 312, 322, 328 f., 339 Katze 22, 27 f., 35 f., 38, 74, 43, 84, 89 – 92, 96, 102, 104, 106 ff., 110 ff., 114 – 122, 125, 129 f., 132, 138 – 149, 260, 266, 276, 281, 283, 291, 293, 321, 330, 342 Kiesler, Bruno 224, 311 Kind 20, 29, 31, 44, 73 f., 76, 91 f., 105, 107 f., 115, 134, 137, 148 ff., 173, 178, 187, 254, 304 f., 320, 327 Kirche 20 f., 39, 150, 223, 316, 256, 276, 305 – 311 Kolchos 156, 213 Kollektivierung (Landwirtschaft:) 11, 37 f., 90, 155 – 172, 176 ff., 213, 215, 223, 238, 251 f., 262, 275, 279, 298, 300, 324, 342 f., 346; (Veterinärwesen:) 123 Kombinat Industrielle Mast (KIM) 182 f., 184, 190, 211, 241 – 244 Kommunismus 12, 25, 51, 54, 77, 79, 101, 311, 337 Königs Wusterhausen 181 ff., 242, 244 Konsum 23 f., 43, 72, 90, 101, 109, 115, 122, 150, 216, 221, 238, 243 f., 255 f., 309 ff., 343 Kretschmann, Erna und Kurt 311 Kuh, siehe Rind Kulturbund 29, 112, 135, 259, 261, 264, 271 – 274, 306, 318 Künstliche Besamung 225 – 228
412 L
Laika 96, 118, 304 Landeskulturgesetz 56, 105, 141, 189, 283, 289 f., 294, 313 f. Landwirtschaft 11, 19, 20 f., 23, 27 – 30, 32, 37 ff., 43, 77, 85, 90, 97, 123, 128, 144, ff., 153 – 256, 262 f., 276, 279, 289, 292, 298 ff., 302, 308 f., 323, 324, 329, 342, 344, 346 Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) 27, 37 f., 126, 153, 156 f., 159 f., 162 – 169, 171 f., 174, 176, 186, 192 – 197, 200 f., 203, 207 f., 210, 212 – 220, 251, 253, 284 f., 297 f., 342 ff. Latour, Bruno 35 Leder 61, 230, 337 Leipzig-Markkleeberg 221 Lem, Stanislaw 338 Lenin, Wladimir Iljitsch Uljanow 41 Lietz, Bruno 302, 315, 317, 322 f. Lorenz, Konrad 333 f. Luxemburg 221, 312 Luxemburg, Rosa 76, 267 Luxus 87, 90, 93, 106, 114, 131, 148, 272 Lyssenkos, Trofim D. 57, 172 f., 330 M
Magdeburg 145, 166, 181, 222, 258 f. Maizière, Lothar de 323 Malthus, Thomas Robert 74 f., 312, 338 Marx, Karl 25, 37 ff., 41 – 82, 87, 101,172, 177, 206, 262, 270, 316, 328 f. Marxismus-Leninismus 25, 39, 41, 47, 53 f., 56, 81, 89, 104, 147 f., 256, 304, 307, 330, 332, 343, 346 Massentierhaltung 20, 23, 32, 45, 77 f., 107, 124, 178 – 202, 210, 218, 224 ff., 228 ff., 233, 237 f., 240 ff., 245 – 250 – 256, 284, 298, 300, 305, 307 ff., 312 f., 329, 331, 341 f., 346 Maus 92, 113, 188 Meerschwein 92, 102, 108, 115, 128 f. Menschenfeindlichkeit 76, 94, 168, 260, 305 Mensch-Natur-Verhältnis 10, 49 – 53, 54 ff., 77, 79 ff.
Register
Milch 61, 72, 160 f., 170 f., 175 f., 179, 182 ff., 186, 196, 203, 211, 224, 228, 230 – 237, 255, 310, 331, 338 Ministerium für Staatssicherheit 29, 101, 158 f., 164, 188 f., 199 ff., 217, 219, 259, 272, 274, 285, 306, 339 Mittag, Günter 32 Moral 26, 63, 87, 104 f., 139, 197, 211, 218, 260, 287, 289, 296, 315 f., 322, 323, 324, 331 f., 339, 340, 346 München 43 N
Nationalsozialismus 16, 89, 109, 260, 277 Naturbeherrschung 41, 45, 51 – 54, 66, 72 f., 79, 81, 175, 316, 330, 332 f. Naturschutz 10 f., 22, 28, 54, 56 f., 81, 105, 141, 264, 278, 287 – 294, 311 f., 314, 333 Netzwerke 23, 113, 115, 217, Neubauer 155, 168 ff., Neuer Mensch 10, 25, 104 Neuererbewegung 57, 172 – 176 Neustadt an der Orla 184, 204, 309 Niederlande 241, 312, 169, 232 Nischengesellschaft 150 NÖSPL 177 ‚Nutztier‘ 11, 19 f., 23, 27 f., 32, 37 ff., 43, 60 f., 67, 77 f., 85, 102, 128, 134 f., 144, 148, 153 – 256, 262 f., 275 f., 297, 299 f., 302, 313, 316, 325, 328 f., 331, 333, 338, 341 ff., 345 O
Offenstallprogramm 173 – 176, 181, 223, 252, 279 Ökologische Vorzüge des Sozialismus 54 ff. Ökologisierung der Produktion 57, 206 Ost-Berlin 19 f., 29, 35 f., 38, 90, 96, 103 f., 110, 112, 115 f., 125, 128 – 147, 179, 183, 213, 223, 241, 244, 266, 281, 309, 312, 319
413
Register P
Paris 43, 74, 100 Parteitag der SED 30, 100 f., 105, 177, 192, 195 f., 213, 310 Pawlow, Iwan Petrowitsch 96, 305, 335 Pelz 109 ff., 116, 121, 128, 143 f., 189, 214, 218, 226, 245, 247, 284, 293 f., 331 Pferd 19, 32, 43 f., 71, 97, 124, 131, 168 – 172, 189, 197, 217, 222 f., 226, 337 Piatkowski, Bernhard 173 Polen 99, 131 Preußen 224, 339 f., 344 Pute 239, 248 R
Ratte 43, 142 f., 188 Rau, Heinrich 170 Reichstierschutzgesetz 23, 139, 224, 259, 265, 277, 284, 287, 295 – 298, 301 f., 311 f., 319, 325 Ridgway, Matthew B. 94 Rind 12, 67, 159, 27, 32, 39, 43, 160 ff., 162, 164, 166 – 176, 178 f., 180, 182 – 185, 189, 191 f., 195 f., 198 f., 202, 205 – 209, 213 f., 218, 222, 225 ff., 231 – 237, 252 f., 285, 299, 307 f., 310, 319, 327 ff., 337 f. Rostock 103, 145, 204, 220, 260, 264, 266 ff., 288 Rübensam, Erich 204
Schwein 20, 27, 84 f., 161 f., 164, 166, 168, 178 ff., 182 – 190, 195 f., 198 f., 202 f., 205 f., 211, 213 f., 216 f., 218, 222, 224 ff., 230, 248 ff., 254, 299, 307 ff., 329 f., 331, 337 f. Schweitzer, Albert 304, 324 Schweiz 16, 312, 315 f. Sekundär-Rohstofferfassung 57 f. SERO, siehe Sekundär-Rohstofferfassung Seuche 132, 141, 162, 168, 187 f., 194, 222, 264, 269, 276, 284 f., 298, 312, 321, 323, 342 Sielmann, Heinz 103 Schwarzbuntes Milchrind (SMR) 231 – 237, 252 Sowjetunion 18, 53, 95 ff., 156, 170, 172 – 175, 178, 180, 195, 205, 213, 220, 237, 239, 275, 304, 315, 335, 338 Sozialistische Lebensweise 26, 104, 340 Sozialistische Persönlichkeit 25 f., 104 ff., 135, 139, 324, 339 Spanien 131, 237 Sprache 69 ff., 73 f., 82, 85, 318, 326, 329 f. Spreenhagen 246 Stern, Horst 103 Stoph, Willi 176 Storkow 245 ‚Streuner‘ 29, 35, 38, 43, 90, 93, 138 – 147, 149, 293, 321 Strittmatter, Erwin 338, 154, 175 Stroh 204 ff., 207 f.
S
Sakowski, Helmut 154 Schächten 295, 320 ‚Schädling‘ 141 – 145, 149, 162, 212, 301, 320, 341, 188 Schaf 110, 160, 164, 168, 185, 189, 208, 213, 215, 218, 222, 226, 228, 246 ff., 328 Schindler, Walter 143, 147, 286, 296 Schlachtung 43, 84, 160 ff., 167, 169, 174, 179, 181 f., 187, 194, 202, 208, 234 f., 244, 253, 295, 306, 314, 317, 320, 329, 346 Schlange 113, 135, 328 Schönmuth, Georg 232 f., 236 Schweden 131, 290
T
Tauben 22, 35, 135, 142, 149, 239, 283 Taylor, Frederick Winslow 67 Tembrock, Günter 104, 334 f. TGL 134, 229 Tierfilm, siehe Fernsehen Tierheim 90, 113, 125, 127, 132 f., 138 f., 142 – 147, 259, 265 f., 269, 276, 278, 281 f. Tierliebe 27, 43, 83, 85, 89, 96, 104, 108, 129, 130, 135, 141, 148 f., 169, 171, 260 f., 263, 267, 305, 336 Tiermedizin, siehe Veterinärmedizin Tierpark, siehe Zoologischer Garten
414 Tierpsychologie 107, 316, 333, 335 Tierquälerei 21, 44, 75, 159 – 163, 180, 189, 212, 218, 261, 265, 267, 274 – 277, 283, 295, 300 ff., 312, 314, 321 f., 324 Tierschutz 10 f., 15, 20 – 23, 27 – 30, 36, 39, 44, 75 f., 87, 96, 123, 127, 135 f., 138 – 141, 145, 147, 190 f., 256 – 326, 343 f., 346 Tierschutzbeauftragte 276, 279, 285, 323 Tierschutzgesetz 11, 23, 44, 139, 144 f., 190, 224, 257, 259, 263 ff., 275, 277, 284, 287 f., 294 – 298, 301 f., 311 – 325, 330 Tierschutzverein 11, 15, 22 f., 28, 44, 75 f., 87, 89, 96, 139 f., 145, 257 – 280, 282 f., 286, 305, 323 f. Tierschutzverordnung 312 – 315 Tiertötung 61, 74, 83, 141 – 145, 160 – 164, 168, 174, 181, 196, 208, 228, 276, 291, 293, 295, 314, 317, 320 f., 329 f., 346 Tiertransport 109, 167, 169, 171, 186 f., 246, 314, 317, 319 f. Tierversuche 23, 96, 205, 254, 282, 284, 301 – 305, 308, 314, 317, 320 f., 330, 335, 346 Tierzucht 28, 30, 33, 39, 45, 60 f., 78, 93 – 99, 107, 109 f., 111 – 114, 132, 135, 148, 151, 154, 173, 183, 215, 221 – 256, 298, 319, 328, 330 f., 332 f., 346 Tollwut 90, 132, 141, 276 f., 321, 342 Tonnenideologie 185 U
UdSSR, siehe Sowjetunion Ulbricht, Walter 100 f., 161, 264 – 267, 297, 310, 332 Umweltbewegung 20 f., 150, 255 f., 305 – 312, 325 Umweltgeschichte 16, 21 f., 33 f., 42, 72 Umweltpolitik 22, 56, 103, 284, 288 – 291, 342 Umweltprobleme 42 f., 54, 178, 183, 190 f., 195, 209, 305 f., 308 f., 311 Ungarn 99, 131, 240, 245 Urbanisierung 42 – 44, 106 f. USA 23, 76, 11, 192, 179 ff., 203, 227 f., 239 f., 244 f. Utopie 56, 175, 177 ff., 180, 251, 255, 337 f.
Register
V
Vegetarismus 72, 76, 309 ff. Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) 93, 116, 119, 155, 198, 219, 223, 273 Veterinärmedizin 11, 20 f., 28, 30, 38, 45, 100 f., 120, 123 – 128, 131, 140, 186, 188 f., 191 f., 194, 205, 264, 268 ff., 272, 274, 283, 285, 297 – 300, 303, 325 Vieweg, Kurt 262 VKSK 93, 111 ff., 114, 121, 213, 226, 239, 247, 273 f., 282, 285 W
Wellensittich 36, 92, 109 f., 112 f., 122, 281 West-Berlin 19, 130, 248 Widerstand 32, 37, 94 f., 101, 115, 142, 157 – 166, 150, 173, 175, 212 f., 184, 251, 255, 305 f., 309, 312, 314, 324 f. Wien 43 ‚Wildtier‘ 11, 33, 272, 288, 292 ff., 325, 328, 321, 330 f., 337, 342 Wissenschaftlich-Technische Revolution 10, 56 f., 79, 172, 175, 178 f., 198 f., 251, 262, 304, 324, 337 Wolle 214, 246 f., 331 Z
Ziege 72, 111, 205, 213, 215, 226 Zirkus 21 Zoohandlung 99, 103, 110, 113 f., 118, 130, 150, 281 Zoologischer Garten 11, 15, 19, 21, 23 f., 44 f., 104, 110, 130 f., 260, 265, 282, 288, 297, 309, 334, 336 f. Zwinger 136
Danksagung
Ich danke der Konrad-Adenauer-Stiftung für das Promotionsstipendium und allen, die mich auf dem Weg hin zu diesem Buch begleitet haben, insbesondere Dorothee Brantz sowie Jens Schöne.
ZEITHISTORISCHE STUDIEN HERAUSGEGEBEN VOM ZENTRUM FÜR ZEITHISTORISCHE FORSCHUNG POTSDAM
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