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German Pages 164 [166] Year 2017
Kunst im Kampf
für das „Sozialistische Weltsystem“ Auswärtige Kulturpolitik der DDR in Afrika und Nahost
Christian Saehrendt Geschichte Franz Steiner Verlag
Christian Saehrendt Kunst im Kampf für das „Sozialistische Weltsystem“
Christian Saehrendt
Kunst im Kampf für das „Sozialistische Weltsystem“ Auswärtige Kulturpolitik der DDR in Afrika und Nahost
Franz Steiner Verlag
Umschlagabbildung: Karl Marx’ afrikanischer Zwilling: Steinbüste und Gipsmodell von Jo Jastrams Marxdenkmal in Addis Abeba. Foto: Galerie Weise, Chemnitz
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2017 Druck: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-11722-7 (Print) ISBN 978-3-515-11723-4 (E-Book)
Inhaltsverzeichnis
Kapitel I Kunst im diplomatischen Einsatz – im Kalten Krieg und heute . . . . . . . . . . . . . 7 Soft Power – Hochkonjunktur eines strategischen Konzeptes . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Künstler als Agenten des Wandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Die Neuen Despotien entdecken das kulturelle Nation Branding . . . . . . . . . . . . 13 Show-Bühne der kunstsinnigen Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Nation Building mit Hilfe der Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
Kapitel II Nation Branding für eine umstrittene Nation: Die Auswärtige Kulturpolitik der DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Organisationen und Konzepte in der Auswärtigen Kulturpolitik der DDR . . . . . . 41 Das Afroasiatische Solidaritätskomitee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Die DDR als Partnerin im Nation Building . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Die marxistische Ideologie als Bindemittel zwischen Volksrepubliken und Entwicklungsländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Die Integration von Entwicklungsländern ins Sozialistische Weltsystem mit Hilfe von Kunst, Kultur und Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel III Schauplatz Afrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Die Kulturbeziehungen der DDR zu Ghana, Senegal, Guinea und Mali . . . . . . . . 67 Aufbauhilfe für Tansania und Somalia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Das Bündnis mit der Demokratischen Volksrepublik Äthiopien . . . . . . . . . . . . . 85 Schwarzafrika wird rot: Der Kampf um die Erbmasse des portugiesischen Kolonialreiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Solidarität mit dem „Frontstaat“ Angola . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Eine afrikanische DDR? Die Allianz mit der Volksrepublik Mosambik . . . . . . . . . 97 Exkurs nach Afroamerika – Taktisches „Ethno-Marketing“ der DDR in den USA 109
Kapitel IV Schauplatz Nahost . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Die „brüderliche Freundschaft“ der DDR mit Syrien, dem Irak und den Palästinensern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Die Kulturbeziehungen zwischen der DDR und der Syrischen Arabischen Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 „Die Revolution erzielte große Errungenschaften im Bereich der Schönen Künste“ – die irakische Baath-Diktatur als „Kulturstaat“ . . . . 124 Die DDR und das Nation Building in Palästina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
Kapitel V Schlussfolgerungen und offene Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Welche propagandistische Wirkung hat Kunst? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Kann Kunst eine längerfristige gesellschaftspolitische Wirkung erzielen? . . . . 145 Welches politische System ist in der Praxis des internationalen Kulturaustausches am erfolgreichsten? Demokratie oder Diktatur? . . . . . . . . . 148 Ist ein Kulturaustausch zwischen unterschiedlichen politischen Systemen überhaupt möglich oder wünschenswert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
Kapitel I. Kunst im diplomatischen Einsatz – im Kalten Krieg und heute
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s ist heute eine weit verbreitete Strategie, die bildende Kunst im Rahmen internationaler Diplomatie einzusetzen. Kulturaustausch spielt eine wichtige Rolle in jenen „Soft Power“-Konzepten, die Nationalstaaten, Großmächte und Schwellenländer in den letzten Jahren zur Verbesserung ihres Images entwickelt haben. Kunstausstellungen und Museumskooperationen dienen heute als Instrumente internationaler Diplomatie und Verständigungspolitik, aber zugleich auch als zeitgemäße Weiterentwicklung klassischer „Propaganda“ der beteiligten Länder. Es handelt sich um eine Marketingtechnik im Rahmen des „Nation Branding“, die sowohl von Demokratien als auch von autoritären Systemen genutzt wird. Zudem hat sich die Überzeugung verbreitet, dass die bildende Kunst bei der inneren Formierung einer Nation, beim „Nation Building“, eine konstruktive Rolle spielen könnte. Inspiriert von dieser Überzeugung, gab es in den letzten Jahren Versuche westlicher Nationen und internationaler Organisationen, durch Kunstprojekte den Aufbau der Zivilgesellschaft in gescheiterten Staaten und Krisenregionen voranzubringen. In diesem Sinne könnten auch die Gastspiele der Weltkunstausstellung documenta in Afghanistan (2012) und in Griechenland (2017) interpretiert werden. Heute gibt es neben Afghanistan oder Griechenland eine ganze Reihe von Nationen, die unter Staatszerfall und Bürgerkrieg leiden und die als internationale Krisenherde gelten: Somalia, Äthiopien, Eritrea, Libyen, Sudan, Mali, Syrien, Irak, Palästina, Jemen. Viele dieser Nationen erlangten die Unabhängigkeit erst nach dem Zweiten Weltkrieg, einige mussten beim Nation Building quasi bei Null anfangen. Für den realsozialistischen Staatenblock ergab sich damals eine historische Chance, sich zu einem globalen System zu erweitern und eine strategische Überlegenheit zu erreichen.
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Kunst im diplomatischen Einsatz – im Kalten Krieg und heute
Auf verschiedenen Ebenen agierte die DDR in Afrika und Nahost als Juniorpartner der UdSSR und bemühte sich, durch umfangreiche Hilfe den Staatsaufbau, die Wirtschafts- und Infrastrukturprojekte in den neuen Nationen voranzutreiben. Nicht nur durch Hilfe und Zusammenarbeit in den Bereichen von Technik, Wirtschaft und Verwaltung sollte langfristiger Einfluss auf die neuen Eliten jener Staaten gesichert werden, sondern auch durch Wissenschafts-, Kultur- und Ideologieexport. Auch Kunst, Bildung und marxistische Schulung gehörten zum außenpolitischen Instrumentarium der DDR. Wie heute die westliche Gegenwartskunst, so intervenierte damals die sozialistisch geprägte Kunst zugunsten des Nation Building in unterentwickelten Weltregionen. Mit der Verbreitung eines weltweit gültigen sozialistischen Kunstbegriffs sollte dem kapitalistischen Kunstmarkt im Globalen Süden die Stirn geboten und zugleich der ideologische Einfluss auf die dort neu entstehende Kunstszene gesichert werden. Ausstellungsaustausch, Stipendienprogramme und Hilfe beim Aufbau neuer Kunstakademien dienten als Instrumente einer Politik, die die Festigung und fortschreitende Integration eines „Sozialistischen Weltsystems“ zum Ziel hatte. Im Fokus der folgenden Untersuchung stehen die kulturpolitischen Beziehungen der DDR zu ausgewählten Staaten in Westafrika (Mali, Guinea); Ostafrika (Tansania, Äthiopien) und Südafrika (Angola, Mosambik) sowie zu Syrien, Irak und der palästinensischen Befreiungsbewegung. Auf welche Weise leisteten Kunst und Kultur aus der DDR einen Beitrag zum Nation Building in Afrika und in Nahost? Und wie erfolgreich war dieses Engagement? Soft Power – Hochkonjunktur eines strategischen Konzeptes
Die bildende Kunst diente bereits im Kalten Krieg – und in den vorangegangenen Jahrhunderten – als Instrument von Diplomatie und Propaganda. Der weltweite Aufschwung des Kunstmarktes seit der Jahrtausendwende fällt mit der Hochkonjunktur einer politischen Strategie einher, die als sanfte Machtausübung, als „Soft Power“, bekannt geworden ist, und die als systematische Nutzung der kulturellen Ausstrahlungskraft eines Landes beschrieben werden kann.1 Positive Assoziationen mit einem Land können vor dem Hintergrund eines verstärkten globalen Waren- und Dienstleistungsverkehrs entscheidende Wettbewerbsvorteile erbringen, und insofern kann sich Ein Begriff, der auf den US-Politologen Joseph S. Nye zurückgeht: Joseph S. Nye, Bound to Lead: The Changing Nature of American Power, New York 1990. Zum Themenkreis Soft Power und Nation Branding sind in den letzten Jahren zahlreiche Publikationen erschienen. Beispielhaft seien hier erwähnt: Nadia Kaneva (Hg.), Branding post communist nations. Marketizing national identities in the new Europe, New York 2012; „Nation branding in a globalized world. An international conference on the economic, political, and cultural dimensions of nation branding; Institute for Cultural Diplomacy Berlin, Berlin, 2010; Anna B. Schwan, Macht, Markt, Mediatisierung. Strategische Außenkommunikation von Staaten und ihre Komponenten Public Diplomacy und Nation Branding, Hamburg 2010; Jonathan McClory, The new persuaders. An international ranking of soft power, London 2010; Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (Hg.), „… denn Kreativität ist unerschöpflich = Das Potenzial der Kultur- und Kreativwirtschaft in der internationalen Zusammenarbeit. Bonn 2013; Raphaela Henze (Hg.), Exporting culture. Which role for Europe in a global world? Wiesbaden 2014; Christopher Hill u. a., The art of attraction. Soft power and the UK’s role in the world, London 2014. 1
Soft Power – Hochkonjunktur eines strategischen Konzeptes
Soft Power auch in wachsender wirtschaftlicher Macht niederschlagen. Bestimmte Rankings versuchen sich an der Aufgabe, das Soft-Power-Potenzial einzelner Länder zu vergleichen.2 Der Politikberater Simon Anholt beispielsweise entwickelte dafür den „Nation Brands Index“ in Zusammenarbeit mit der Marktforschungsfirma GfK Roper Public Affairs & Media. Jährlich werden etwa 20.000 Personen in zwanzig Ländern über ihre Wahrnehmung von fünfzig ausgewählten Nationen befragt. Zu den abgefragten Themen gehören Tourismus, Investitionsklima, Ruf des Erziehungswesens, Kultur, Wirtschaftsleistung, Regierungsmodus und Attraktivität für Einwanderer. In die Rangfolge eingearbeitet werden Daten wie die Zahl der Touristen, die Zahl der Sprecher der Landessprache weltweit oder internationale Sporterfolge. In den letzten Jahren machte eine geschlossene Gruppe die Spitzenplätze unter sich aus: Deutschland, die USA und Grossbritannien an der Tabellenspitze, danach Frankreich, Kanada, Japan, Italien, Australien, die Schweiz und Schweden. Die sogenannten BRICS belegten die Plätze im Bereich zwanzig bis dreissig.3 Erwartungsgemäss liegen in diesen Rankings die westlichen Industriestaaten stets vorn – ein hoher Entwicklungsstand, ein überwiegend positives Image und traditionelle Exportstärke bedingen hier einander. Aufgrund ihrer politischen und kulturellen Dominanz seit Ende des Zweiten Weltkriegs verfügen die USA noch immer über das größte Soft-Power-Potential: Weltweit bekannt und epochenprägend sind amerikanische Filme, U-Musik, Stars aller Branchen. Amerikanische Lebensgewohnheiten, der hedonistisch-verschwenderische American Way of Life wirken seit Mitte des 20. Jahrhunderts weltweit als Vorbild – selbst als Feindbild bleibt dieser Lebensentwurf bei seinen Gegnern mächtig. Viele Menschen, vor allem im Globalen Süden, fühlen sich in einer Hassliebe mit den USA verbunden. Auch der Antiamerikanismus war in den letzten Jahrzehnten durch umstrittene militärische Interventionen im Irak, Afghanistan und Libyen, durch Einsatz überlegener Hard Power, wieder stärker geworden. Hingegen lässt sich die Beliebtheit Deutschlands auch maßgeblich auf die Tatsache zurückführen, dass es keinen realen Machtfaktor darstellt und keine Hard Power ausspielt – es hat weder erkennbare strategischen Ambitionen noch die dazu notwendigen militärischen Mittel. Als Verbündeter der USA beschränkte es sich seit der Wiedervereinigung auf das Verwalten seiner weltweiten ökonomischen Beziehungen. Soft Power und militärische Hard Power stehen in einem komplexen wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Soft Power scheint die modernere, smartere und menschenfreundlichere Variante der Machtpolitik zu sein – im Gegensatz zu herkömmlicher militärischer Machtdemonstration, Kriegsdrohung oder Krieg. Gleichzeitig, so hoffen vor allem kleine, militärisch schwache Staaten, könnte Soft Power ihrer Sicherheit dienen. So sind etwa die großen Anstrengungen Katars auf dem Gebiet von Kunst und Sport als Versuch zu verstehen, die internationale Bekanntheit des Landes zu steigern und Sympathien zu gewinnen, was im Falle einer militärischen Bedrohung zu mehr Solidarität führen könnte. Katar hatte hier das abschreckende Beispiels Kuwaits vor Augen, das im Etwa Softpower30 (Portland), Country Brand Index (Future Brand), Nation Brands Index (Brand Finance), Best Countries (US-News & World Report) oder Country Ratings Poll (BBC World Services). 3 http://www.gfk.com/en-in/insights/press-release/usa-regains-position-as-top-nation-brand-fromgermany-1/ (1.3.2016) Vgl. a.: Simon Anholt, Competitive identity. The new brand management for nations, cities and regions, Basingstoke 2007. 2
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Ersten Golfkrieg vom Irak besetzt wurde. Gleiches gilt für Taiwan, das auf ähnlichem Wege seine Unabhängigkeit von der Volksrepublik China zu sichern versucht. Aus historischer Perspektive betrachtet gilt jedoch die Prämisse: Keine Soft Power ohne Hard Power – zumindest in der Frühphase. Die Geschichte Spaniens, Portugals, Frankreichs, Grossbritanniens und der USA zeigt: die internationale Ausstrahlungskraft einer Kultur, einer Sprache basiert stets auf einer imperialen Phase. Noch Jahrhunderte danach profitiert Soft Power von einstiger militärischer Expansion und weltweiter Dominanz. Manche Idealisten, die im Bereich des internationalen Kulturaustausches tätig sind, neigen dazu, diesen Zusammenhang zu vergessen und erfolgreiche Soft-Power-Konzepte als Selbstläufer zu betrachten. Als pragmatischer Kompromiss wäre wohl das Konzept einer „Smart Power“ anzusehen, die Kulturpolitik, Public Diplomacy und den begrenzten Einsatz von militärischer Abschreckung und Gewaltanwendung kombiniert. Soft Power, Public Diplomacy und Nation Branding sind die zeitgemäßen Formen von ideologischer Propaganda, wie wir sie aus dem 20. Jahrhundert kennen. Ursprünglich als Umschreibung von kommerzieller Werbung benutzt, bekam der Begriff „Propaganda“ im Zeitalter der Extreme einen zunehmend politischen und stark negativen Beiklang, wurde schließlich zum Synonym für systematisches Lügen und für Manipulationen der Öffentlichkeit im Dienste totalitärer Mächte. Die Monopolisierung der Medienlandschaft durch Nationalsozialismus und Realsozialismus, das Wirken übermächtiger „Propagandaapparate“ machte den Begriff zum Unwort. Deshalb benutzt keine Macht mehr heute diesen Begriff, deshalb gibt es keine Propagandaministerien mehr. Was die klassische Propaganda mit den zeitgenössischen PR-Konzepten verbindet, ist allerdings die Art der Informationspolitik: Die sorgfältige und gezielte Auswahl von Informationen und Bildern für eine zuvor ebenso sorgfältig ermittelte Zielgruppe oder Teilöffentlichkeit. Mithin gilt es, diese Zielgruppe in bestimmten Anschauungen zu bestärken oder gar für sie eine spezifische, neue Realität zu konstruieren. Im Zeitalter des Internets und seiner Sozialen Medien, die allein schon aus strukturellen Gründen hermetisch geschlossene Echokammern bestimmter Gruppen, Foren und Weltanschauungsgemeinschaften hervorbringen, ist dieser Ansatz vielversprechender denn je geworden. Um ihre Soft Power zu verstärken, starten Länder Werbekampagnen. Sie tun dies oftmals im Zusammenwirken mit PR-Agenturen, großen Firmen und staatlichen Unternehmen und haben bestimmte Zielgruppen in bestimmten Zielländern im Visier. In der Regel sind dies urbane Milieus, Akademiker und Unternehmer anderer Nationen, also Angehörige der Eliten im jeweiligen Zielgebiet. Wichtig für den internationalen kulturellen und ökonomischen Einfluss ist auch die Attraktivität eines Landes für ausländische Studenten – diese verstärken das akademische Potential des Gastlandes oder bauen Brücken, wenn sie in ihre Heimat zurückkehren. In den letzten Jahren gehörten die USA, Grossbritannien und Deutschland zu den beliebtesten Zielländern von Studenten. Das in den letzten Jahren aufgekommene Konzept des Nation Branding ist als Versuch zu definieren, einem Staat durch den Einsatz vielfältiger Kommunikationstechniken aus dem Marketing ein Image zu verschaffen, das mit einer renommierten Handelsmarke vergleichbar ist. Damit soll die Bekanntheit und das Vertrauen in
Soft Power – Hochkonjunktur eines strategischen Konzeptes
ein Land im Ausland vergrößert werden, um so Tourismus, Exporte und ausländische Investitionen zu fördern, sowie in internationalen Beziehungen positiver wahrgenommen zu werden. Nation Branding formt und aktualisiert bereits bestehende Urteile und Bilder über eine Nation, knüpft an bekannte Merkmale und Wahrzeichen eines Landes an: Berühmte Bauwerke, Landschaften, geschichtliche Ereignisse und Institutionen. Als Schule machendes Beispiel dieser Art gilt die von Tony Blair in den 1990er Jahren verantwortete „Cool Britannia“-Kampagne, die Großbritannien als Drehscheibe für Musik, Film, Mode, Medien, Kunst und Design zu präsentieren versuchte. Die damals erfundene Generation der „Young British Artists“ um Damien Hirst, Tracey Emin, Sarah Lucas u. a. ist bis heute eine Weltmarke auf dem Kunstmarkt. Seine kulturelle Ausstrahlungskraft hat sich Großbritannien im letzten Vierteljahrhundert erhalten können – trotz Brexit und Wirtschaftskrise.
Abb. 1. Britischer Humor als Markenzeichen. Ein Werk von Sarah Lucas – nunmehr staatstragende Künstlerin – im britischen Pavillon der Biennale von Venedig 2015.
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Kunst im diplomatischen Einsatz – im Kalten Krieg und heute
Künstler als Agenten des Wandels
Weltweit ist in den beiden letzten Jahrzehnten das Interesse an Kunst gewachsen. Der Kunstmarkt blüht, zahlreiche Museen wurden und werden gebaut. Das nicht nur finanzielle, sondern fast schon spirituelle Interesse an Kunst wird inzwischen schon als Merkmal einer transnationalen weltbürgerlichen Klasse interpretiert. Der deutsche Kurator Roger Buergel etwa beschrieb die mittlerweile überall auf der Welt stattfindenden Kunstbiennalen als „Treffpunkte einer sich entwickelnden globalen Bourgeoisie.“4 Damit einher ging die weltweite Ausbreitung einer westlich definierten Kunst. Wenn man in aller Kürze versucht, das Phänomen einer westlich konfigurierten Kunst zu definieren, dürfen folgende Merkmale nicht fehlen: Die Wertschätzung der Arbeit (u. a. als Erbe des Protestantismus und Calvinismus), die Verehrung des kreativen Individuums, die Wertschätzung von Innovation und Experiment und schließlich die Existenz einer Kunstgeschichtsschreibung, auf die sich Kunst und Künstler beziehen können. Dabei fällt eine Parallele auf: „So wie der Westen den Kapitalismus exportiert hat,“ schreibt der renommierte Schweizer Kunstwissenschaftler Beat Wyss, „hat er auch das Kunstsystem exportiert. Beide entstammen dem selben Kulturraum, der selben Familie.“5 Dieser Zusammenhang wirft einige Fragen auf. Können westliche Länder mithilfe der Kunst ihren wirtschaftlichen Einfluss verstärken?6 Kann die Beschäftigung mit Kunst in autoritär regierten Gesellschaften neue gedankliche Experimente, Perspektivenwechsel und eine vielfältige Meinungsbildung ermöglichen? Ob es auf diese Weise sogar möglich ist, dass die Kunst die Demokratie Schritt für Schritt voranbringt? Kann vielleicht sogar die Beschäftigung mit Kunst vom Bürgerkrieg traumatisierte Menschen heilen, zur Versöhnung verfeindeter Bevölkerungsgruppen beitragen, wie es beispielsweise in Ruanda versucht wird?7 Viele Beteiligte des internationalen Kulturaustausches sind davon überzeugt, so ist es beispielsweise in Publikationen des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa), einer traditionsreichen Mittlerorganisation in der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik, zu lesen. Dort heisst es, die Beschäftigung mit Kunst stärke die Kritikfähigkeit, die Toleranz für fremde Positionen und damit den Individualismus an sich.8 Offenbar stehen diese Überlegungen hinter der Auswärtigen Kulturpolitik mancher westlicher Staaten und hinter dem Engagement von Nichtregierungsorganisationen einschließlich privater Stiftungen, die Ausstellungen, Kulturaustausch und Künstlerausbildung in Schwellenländern und Krisengebieten unterstützen und finanzieren. Und nebenbei – dieses Ziel wird oft kleingedruckt – sollen mit diesem Engagement auf indirekte Weise die lokalen Eliten jener Länder günstig gestimmt werden. Ganz pro domo erklärte der UBS Arts Forum Wolfsberg, Ermatingen (CH) 28./29.3.2011. Beat Wyss, Interview in Schweizer Monat 10/2012, S. 92. Der damalige Bundesaußenminister Klaus Kinkel sprach 1996 von „gemeinsamen Interessen von auswärtiger Kulturpolitik und Exportwirtschaft.“ Hier gelte es, Synergieeffekte zu nutzen. Internationale Politik Nr. 3/1996, S. 96–99. 7 http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/vielfaeltige-kunstszene-in-ruandas-hauptstadt-kigali13729008.html (2.8.2015). 8 Daniel Gad, „Die Rolle von Künstlern und Kulturschaffenden in Krisen- und Konfliktregionen“, In: ifa (Hg.); Agents of Change. Die Rolle von Künstlern und Kulturschaffenden in Krisen- und Konfliktregionen, Stuttgart 2011, S. 13. 4 5 6
Die Neuen Despotien entdecken das kulturelle Nation Branding
Generalsekretär des ifa: „Besonders in Konflikt- und Postkonflikt-Regionen schafft Kunst Freiräume für Austausch und Orte, an denen die Vergangenheit aufgearbeitet werden kann, so zum Beispiel die Diktaturen in einzelnen Ländern Südamerikas. Deutsche Künstler setzen sich in ihren Werken kritisch mit der eigenen Geschichte auseinander, weshalb sich deutsche Kunst in diesem Zusammenhang besonders eignet, als Plattform für diesen Austausch zu dienen.“9 Künstler seien als „Agenten des Wandels“ zu verstehen, eines Wandels hin zu Demokratie und Pluralismus. Es stellt sich aber auch die Frage, ob Künstler zwingend Agenten einer Demokratisierung sein müssen, oder ob sie auch in anderem Auftrag tätig werden können – etwa im Dienst einer totalitären Ideologie oder einer nationalistischen Diktatur. Sowohl im 20. Jahrhundert, im Kalten Krieg als auch in der Gegenwart gab und gibt es Beispiele dafür, dass Kunst und Künstler in Propagandamaschinerien eingebettet waren und zur Verherrlichung vom Diktaturen beitrugen. Auch die internationale Kulturpolitik der UdSSR, DDR oder der Volksrepublik China schloss Kunst und Künstler in ihre Propagandafront ein, während postmoderne Diktaturen in jüngster Vergangenheit das kulturelle Nation Branding für sich entdeckten. Die Neuen Despotien entdecken das kulturelle Nation Branding
Soft-Power-Strategien werden nicht nur von westlichen Demokratien verfolgt, sondern zunehmend auch von Schwellenländern und außereuropäischen Mächten. Gerade autoritäre Staatsformen wie Monarchien, Einparteiensysteme oder offene Diktaturen nutzen dies als zeitgemäße Form der Propaganda. China, Russland, die Türkei und die Golfmonarchien bieten hier die auffälligsten Beispiele. Sie versuchen sich als touristische Destinationen zu etablieren, bauen Flughäfen, Schnellzugstrecken, Hotels und Museen, oftmals in atemberaubender architektonischer Form; sie präsentieren ihre Künstler aufwendig bei internationalen Messen und Ausstellungen; sie bemühen sich, als Standorte für Sportereignisse, internationale Konferenzen, Kunstbiennalen und Kunstmessen zu dienen. Schon seit Mitte der 1990er Jahre war zu beobachten, dass die Welle der Demokratisierungen, über die man sich nach dem Ende des Kalten Krieges freuen konnte, abgeebbt war. Laut dem Bertelsmann Transformation Index 2016 befanden sich unter den 129 untersuchten Entwicklungs- und Transformationsländern fünfzehn „gemäßigte“ und 48 „harte Autokratien“ gegenüber lediglich neunzehn „sich konsolidierenden Demokratien“ (in Afrika waren es vier: Sambia, Namibia, Botswana und Togo; im Nahen Osten keine), den Rest bildeten „defekte“ und „stark defekte“ Demokratien.10 Heute ist die Rede von einem „New Containment.“ In Umkehrung der antikommunistischen Containment-Strategie der Amerikaner im Kalten Krieg dämRonald Grätz, im Vorwort der ifa-Publikation: Auswärtige Kunstvermittlung wirksamer gestalten. Beispiele innovativer Kunstprojekte in und mit Südamerika, Stuttgart 2013. 10 Bertelsmann Transformation Index – eine international vergleichende Studie zum Entwicklungsstand und zur Governance von politischen und wirtschaftlichen Veränderungsprozessen in 129 Entwicklungsund Transformationsländern. https://www.bti-project.org/de/index/status-index/ (29.12.2016). 9
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men heute andere Mächte die Ausbreitung der Demokratie ein.11 Sie weben ein Netz eigener Beziehungen und gründen Organisationen unter Ausschluss der westlichen Demokratien, wie etwa die wirtschafts- und sicherheitspolitische Shanghai Cooperation Organization (die heute rund ein Drittel der Weltbevölkerung vereinigt) oder die Eurasian Economic Union. Speziell die Volksrepublik China sichert ihre Wirtschaftsbeziehungen bevorzugt durch die flankierende Gründung politischer Organisationen wie dem China-Arab-States Cooperation Forum oder dem Forum for China-Africa Cooperation. Begleitet wird dies von einer breiten Medienoffensive. Die heute in Asien und im Globalen Süden populären autoritären Herrschaftsmodelle legitimieren sich nicht mehr durch säkulare Ideologien wie den Panarabismus, Panafrikanismus oder Sozialismus, sondern durch einen fundamentalistischen oder konservativen islamischen Bezug, sie agieren als nationalistische Regimes oder verbinden Islamismus mit Nationalismus, wie das aktuelle Beispiel der Türkei zeigt. Dabei ist das Modell der nationalistischen Präsidialdiktatur in Asien besonders populär geworden, während sich die Scheichtümer am Persischen Golf als spendable Versorgerstaaten gegenüber ihren Einwohnern legitimieren: Sie besteuern nicht, erlauben aber auch keine wesentliche politische Mitsprache (während der westliche Steuerbürger mit seinen Zahlungen quasi das Recht erwirbt, mitzubestimmen, wie diese Steuern ausgegeben werden).12 In beiden Fällen, in der ökonomisch expansiven Präsidialdiktatur wie auch in den zirkulären Rohstoff-Volkswirtschaften muss eine technologische Modernisierung keineswegs zu Demokratie und Pluralismus führen, sondern kann die Autokratisierung sogar noch festigen.13 Dieser Zusammenhang sollte auch beim Blick auf die weltweite Ausbreitung des westlichen Kunstsystems beachtet werden. Zwar werden in Asien und im Globalen Süden vielerorts Sammlungen angekauft, Museen erbaut und Biennalen abgehalten, doch bleibt dieser importierte Kunstbetrieb oftmals ein oberflächliches Renommierprojekt, ein Fremdkörper, ohne organisch gewachsene Verbindung mit den Traditionen der Zielländer.14 Es handelt sich eher um eine Art oktroyierte Kolonie- oder Filialbildung, ohne echte diskursive Freiheit, ohne breite Öffentlichkeit. WestChristopher Walker, „The New Containment. Undermining democracy“, in: Heinrich Böll Stiftung (Hg.), Reader zur Tagung „Vom Umgang mit autoritären Systemen“, Berlin Juni 2015, S. 60 ff. 12 Wenngleich dieses Modell in Saudi-Arabien an seine Grenzen kommt. Dort, wo weder Grundsteuer noch Einkommenssteuer bekannt sind und zwei Drittel aller Bürger für den Staat arbeiten, sorgte der sinkende Ölpreis und die hohen Staatsausgaben 2016 für ein hohes Haushaltsdefizit, so dass Prinz Mohammed Bin-Salman die Einführung einer Mehrwertsteuer anordnete. Die Zeit 2.2.2017. 13 Josef Braml, Wolfgang Merkel, Eberhard Sandschneider (Hg), Außenpolitik mit Autokratien, Berlin 2014 (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik: Jahrbuch Internationale Politik 30), S. 47 f. 14 Auch in Afghanistan war die Förderung der einheimischen Kunstszene durch den Westen, u. a. während der documenta in den Jahren 2010 bis 2012, Bestandteil des Nation Building, des Aufbaues einer Zivilgesellschaft. Die Präsenz moderner Kunst in Afghanistan war allerdings immer ein westliches Projekt gewesen – von der ersten Erfahrungen afghanischer Künstler mit dem europäischen Malereistilen in den 1920er Jahren bis zur Gründung der afghanischen Nationalgalerie im Jahr 1983, deren Erstausstattung die in Kabul residierenden westlichen Botschafter übernahmen. Jene 200 Werke stellten den Grundstock des Sammlung des Negarkhaneh (=Haus des Betrachtens), die bis 1991 auf 820 Werke anwuchs. Die Taliban vernichteten etwa 300 Arbeiten, darunter all diejenigen, die Lebewesen darstellten, und schlossen das Museum. Angestellte retteten eine kleine Zahl der Werke, versteckten oder übermalten sie mit Wasserfarbe und Landschaftsmotiven. http://www.bpb.de/internationales/asien/afghanistan-das-zweite-gesicht/150914/ zeitgenoessische-afghanische-kunst?p=all (5.12.2013). 11
Die Neuen Despotien entdecken das kulturelle Nation Branding
liche Touristen und das internationale Kunstpublikum zirkulieren in geschlossenen Kreisläufen zwischen den neuen Kunstmetropolen der Schwellenländer und den alten Kunstmetropolen des Westens. Historisch betrachtet, ist diese Erscheinung keineswegs neu. So haben beispielsweise asiatische Nationalisten bereits in den vergangenen Jahrhunderten beim Nation Building eine Modernisierung „à la carte“ betrieben, sie haben nur dann Institutionen und Ideen aus dem Pool westlichen Gedankengutes übernommen, wenn dies ihrem Machterwerb oder ihrem Machterhalt diente und mit bestimmten Traditionen kompatibel war, wie der britische Historiker Niall Ferguson festhielt: „Kein asiatisches Land – nicht einmal das Japan der Meiji-Ära – hat sich in eine Kopie des europäischen Nationalstaates verwandelt.“15 Bis heute hat sich an dieser selektiven Aneignungsmethode nichts geändert. Der australische Politologe John Keane spricht vom derzeit erfolgreichen Typus der „Neuen Despotie“, der sich vor allem in Zentralasien durchgesetzt hat, dem Epizentrum ökonomischer Dynamik im beginnenden 21. Jahrhundert und dem Schauplatz des historischen geopolitischen „Great Game.“16 Die Grundlage der Neuen Despotie ist ein Tauschgeschäft, das sie ihren Bürgern anbietet: Stabilität und Wohlstand gegen den Verzicht auf politische Mitsprache. Wer dennoch aufbegehrt, wird durch ein feinabgestuftes Repressionssystem mundtot gemacht. Korruption, Nepotismus und autoritäre Herrschaft gehen Hand in Hand, sie bedingen einander. Öffentliche Hinrichtungen und Massenmorde, früher Begleiterscheinung jeder Diktatur, sind selten geworden. Die neuen Diktatoren, die „Soft Dictators“, beschrieb die New York Times treffend, regierten im Vergleich zu Stalin und Hitler mit Samthandschuhen.17 Der falsche Glanz der Diktatur wird durch intensive Soft-Power-Kampagnen erzeugt. So entstehen durch die Propagandaapparate und Informationsmonopole der Autokratien Hochglanzbilder der Diktaturen, während der Medienpluralismus im Westen jeden Missstand ausführlich behandelt und skandalisiert. Autokratien verstecken ihre Probleme, während Demokratien sie transparent halten und dadurch ihre Schwächen überbewerten.18 Man könne, so der amerikanische Politologe Christopher Walker, von einem „neuen Informationskrieg“ sprechen, der hauptsächlich darauf ziele, den Westen zu denunzieren, seine Fehler und Schwächen systematisch hervorzuheben, und damit jegliche westliche Kritik an den Diktaturen unglaubwürdig erscheinen zu lassen – ein Prinzip, wie es einst auch die DDR im Kalten Krieg mit der Sendung Der Schwarze Kanal praktizierte.19 Hierbei nutzen die Feinde des Westens ein grundsätzliches Dilemma aus: Die universellen westlichen Werte wie Freiheit oder Gleichheit waren und sind keine „absoluten Werte“, wie die deutsche Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig betont. Sie waren zu keiner Zeit und an keinem Ort ausnahmslos zu verwirklichen, erzeugten Niall Ferguson, Krieg der Welt. Was ging schief im 20. Jahrhundert, Berlin 2006, S. 51. John Keane, „The New Despotisms. Imagining the End of Democracy“, in: Heinrich Böll Stiftung (Hg.), Reader zur Tagung „Vom Umgang mit autoritären Systemen“, Berlin Juni 2015, S. 28 ff. 17 „In 1982, 27 percent of nondemocracies engaged in mass killings. By 2012, only 6 percent did.“ http:// www.nytimes.com/2015/05/25/opinion/the-new-dictators-rule-by-velvet-fist.html?_r=0 (24.5.2015). 18 Eberhard Sandschneider, Der erfolgreiche Abstieg Europas. Heute Macht abgeben, um morgen zu gewinnen, München 2011, S. 128. 19 Christopher Walker, „The New Containment. Undermining Democracy“, in: Heinrich Böll Stiftung (Hg.), Reader zur Tagung „Vom Umgang mit autoritären Systemen“, Berlin Juni 2015, S. 60 ff. 15 16
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aber eine entsprechende Anspruchshaltung. So war und ist immer eine Ungerechtigkeit, eine Diskriminierung oder ein Skandal zu entdecken, und dies nährt das schlechte Gewissen des Westens, was geradezu in chronischen Selbsthass führte.20 Die Neuen Despotien kosten dies nach Kräften aus. Tatsächlich zielen sie mit ihren Soft-Power-Kampagnen nicht auf eine grundsätzliche Alternative zum demokratisch-kapitalistischen Westen, sie drängen nicht auf die Verbreitung einer universalen Gegen-Ideologie, sondern auf die Mobilisierung nationalistischer Emotionen im Inland und in der Diaspora, wie die Beispiele Chinas, Russlands oder der Türkei zeigen. Nicht weltweit gültige Werte und Visionen werden aufgerufen, sondern Rechtfertigungen für einen spezifisch nationalen Weg, verbunden mit dem Versuch, konkurrierende Mächte und Gesellschaftssysteme zu desavouieren. Russland oder China stehen nicht mehr, wie zu Zeiten des Kalten Krieges, für einen alternativen Gesellschaftsentwurf (wenngleich die sozialistischen Diktatoren Stalin und Mao noch immer weithin verehrt werden). Das antiwestliche und antidemokratische Gebaren russischer, asiatischer oder arabischer Eliten ist im Kern nichts als eine nationalistisch-religiöse Show, die dem Machterhalt dient, während sie ihre eigenen Kinder längst auf westliche Internate und Universitäten schicken, im Westen ihr Geld anlegen oder damit dort jene Freuden des Konsums und Hedonismus geniessen, die sie in ihrem Heimatland als „dekadent“ verteufeln – eine bigotte Haltung, die politisch völlig destruktiv und verantwortungslos ist. In diesem Zusammenhang stellen die Versuche der Neuen Despotien, wichtige westliche Unternehmen zu erwerben und Bündnispartner in den ökonomischen und politischen Eliten zu gewinnen, eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar. Dazu zählen höchst unterschiedliche Phänomene wie die finanzielle Beteiligung von Golfstaaten an westlichen Think Tanks und Universitäten, die Kooperation Katars und Abu Dhabis mit großen westlichen Museen, die Einrichtung von Konfuzius-Instituten durch die VR China an westlichen Hochschulen, die Unterstützung Russlands für europäische Rechtspopulisten oder die Übernahme portugiesischer Medien durch Angola. Die Strategie, prominente westliche „Testimonials“ für die eigenen politischen Zwecke zu gewinnen, gehört ebenfalls dazu. Vor allem Russland hat bislang die Methode angewendet, abgehalfterte Politiker und Schauspieler als Propagandisten zu rekrutieren, beispielsweise Gerhard Schröder, Gérard Depardieu, Steven Seagal oder zuletzt den deutschen „TV-Bösewicht“ Claude-Christoph Rudolph.21
Barbara Zehnpfennig, „Der Kampf gegen die Ungläubigen – der Westen im Visier des Djihad“, Tagung „Der Hass auf den Westen – Kommunismus, Nationalsozialismus, Islamismus“ Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen 22.11.2016. 21 http://www.stern.de/lifestyle/leute/claude-oliver-rudolph-bei-rt-deutsch---ich-bin-ein-soeldner6843156.html (15.5.2016). 20
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Neben China haben vor allem Russland22 und Katar, in geringerem Umfang die Türkei23, Aserbaidschan24, Angola25 und Venezuela26 ihre Soft-Power-Programme ausgebaut und sich auf den Feldern der Sport-, Medienpolitik und im Kulturtourismus zu profilieren versucht, wobei einige dieser Staaten dazu ihre immensen Einnahmen aus dem Ölgeschäft nutzten. Auffällig ist auch, dass die meisten dieser Staaten eine sozialistische Vergangenheit hatten oder von Eliten beherrscht werden, die der sozialistischen Nomenklatura entstammen. Bereits seit einigen Jahren hat die Volksrepublik China die Bedeutung von Soft Power für eine zeitgemäße Großmachtpolitik erkannt und unternimmt erhebliche Anstrengungen auf diesem Gebiet. Diese Entscheidung basierte auf der Erkenntnis, dass China in vielen Teilen der Welt als bedrohlicher Gigant angesehen wird – hier gilt es zu beschwichtigen und das Image des Landes zu verbessern, um die Handelsbeziehungen und Rohstoffpolitik des Landes nicht zu gefährden.27 So verfährt die Volksrepublik vor allem in den zahlreichen afrikanischen Ländern, in denen sie Bodenschätze fördert und landwirtschaftliche Flächen pachtet. Bereits zu Zeiten des Kalten Krieges hatte sich die Volksrepublik als nützlicher Partner junger afrikanischer Nationen profiliert, wobei Peking in direkter Konkurrenz zum sowjetisch dominierten Ostblock stand. Bereits damals stand die Sicherung von Bodenschätzen und die Pacht landwirtschaftlicher Flächen im Fokus der chinesischen Entwicklungshilfe. Diese Position hat China, als asiatische Macht des Neokolonialismus auf afrikanischen Boden unverdächtig, nach dem Ende des Kalten Krieges zielstrebig ausbauen können. Inzwischen hat die Volksrepublik über 100 Milliarden Dollar in Afrika investiert, oftmals im Tausch gegen Bergbaurechte. Das Handelsvolumen mit Afrika hat sich seit Anfang der 1990er Jahre mehr als verhundertfacht. Problematisch ist dabei das berüchtigte „Land Grabbing“, wie es beispielsweise derzeit in Äthiopien praktiziert wird: Kleinbauern verlieren ihr Land im Gegenzug für geringe staatliche Entschädigungszahlungen, Andis Kudors, „Russian world. Russia’s soft power approach to compatriots policy“, in: Russian Analytical Digest, 16. Juni 2010, S. 2–5. Vgl. a. Robert W. Orttung, „Russia’s use of PR as a foreign policy tool“, ebenda S. 7–10 und Ottilie Bälz und Kurt-Jürgen Maaß „Soft Power und Hard Power – die Auswärtige Kulturpolitik der Russischen Förderation“, in: Kurt-Jürgen Maaß (Hg.), Kultur und Außenpolitik. Handbuch für Wissenschaft und Praxis, Baden-Baden 2015, S. 397–406. 23 In den letzten Jahren nutzte die Türkei zunehmend die türkische Sprache und Kultur – im Zusammenhang mit einem sunnitisch-islamistisch geprägten politischen Diskurs und einer neoosmanischen Nostalgiewelle – um eine hegemoniale Rolle im Nahen Osten und in Mittelasien spielen zu können, und um türkische Minderheiten in Europa als machtpolitische Hebel einsetzen zu können. U. a. zu diesem Zweck sind eine Reihe von Yunus-Emre-Kulturzentren auf dem Balkan, in Westeuropa und in Mittelasien eröffnet worden. Ayhan Kaya und Ayse Tecmen, „The Role of Yunus Emre Cultural Centres in Turkish Cultural diplomacy“, in: Martina Topic u. Sinisa Rodin (Hg.), Cultural Diplomacy and Cultural Imperialism, Frankfurt 2012, S. 95 ff. 24 Mit den Einnahmen aus dem Ölgeschäft finanzierte Aserbaidschan in Baku den Bau eines Museums für Gegenwartskunst, eines Teppichmuseums und eines Kulturzentrums, letzteres von der Stararchitektin Zaha Hadid entworfen. Statuen von Dichtern schmücken die Front des Literaturmuseums und die Uferpromenade. 25 http://www.deutschlandfunk.de/schnappchenjagd-im-ehemaligen-mutterland-angola-nimmt.media. c6ce89184926c8308af59e63d796ed58.pdf (15.9.2015). 26 Das Venezuela der Chavez-Ära bemühte sich durch internationale Fernsehprogramme und humanitäre Hilfsaktionen in Lateinamerika Einfluss zu gewinnen. Craig Hayden, The Rhetoric of Soft Power. Public Diplomacy in Global Contexts, Plymouth 2012, S. 131–168. 27 Hongyi Lai (Hg.), China’s soft power and international relations, London 2012. 22
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während afrikanische Regierungen die Ländereien an chinesische, aber auch indische und saudi-arabische Agrarkonzerne weiterverpachten. Diese Unternehmen kaufen und pachten riesige Flächen, um die komplette Ernte nach Asien zu verfrachten. Bereits fünf Prozent der fruchtbarsten Böden Afrikas sind auf die Weise von fremdem Mächten okkupiert worden.28 Hinter dem sanften Kolonialismus, den die Volksrepublik in Asien und Afrika betreibt, verbergen sich äußerst „Ungleiche Verträge“, mit denen diesmal China andere Regierungen übervorteilt. Auch aus diesen Grund will Peking seine Wirtschaftsbeziehungen durch Kulturaustausch und Bildungsförderung in einem schmeichelhafteren Licht erscheinen lassen. Mittlerweile wird an 27 afrikanischen Konfuzius-Instituten chinesische Sprache, Kultur und Geschichte gelehrt (weltweit gibt es rund 400 Institute). Tausende von Afrikanern bereiteten sich hier auf eine Position in einem Afro-chinesischen Unternehmen oder auf einen Studienaufenthalt in China vor.29 Die chinesische Soft-Power-Kampagne in Afrika hat mittlerweile auch die USA alarmiert und dazu veranlasst, ihre Soft-Power-Programme für den Kontinent wieder zu verstärken.30 Staatspräsident Hu Jintao hatte 2011 davon gesprochen, China müsse eine Soft Power entwickeln, die seinem politischen Gewicht entspreche, und Außenminister Yang Jiechi bezeichnete dies als eine ebenso dringende wie langfristig anzugehende Aufgabe.31 Analog zum deutschen Modell der Auswärtigen Kulturpolitik beginnt auch die chinesische Führung Kultur als „Dritte Säule“ der Diplomatie zu begreifen (nach Staatspolitik und Wirtschaftskooperation).32 In den letzten Jahren wurde eine massive Kampagne mit dem Ziel durchgeführt, chinesische Kunst im Ausland bekannter zu machen.33 Dieser Kulturkampagne war die Gründung einer hauptstädtischen Kunstbiennale im Jahr 2003 vorausgegangen – in Shanghai existiert bereits seit 1996 eine renommierte Kunstbiennale. Damit versuchte sich Peking in den Reigen der Biennalenmetropolen einzufügen. Im Katalog der Peking-Biennale 2012 wurde vollmundig formuliert: „Look up in the sky and look down to the earth we have to see that Chinese people are creating the unprecedented and absolutely new history (…) it has got great achievement in practically pushing forward the development and florishing of the culture.“34 Kultur wird hier wie eine technoloInterview mit Prinz Asfa-Wossen Asserate, FAZ 5.11.2016. Markus Haefliger, „Chinas Soft Power in Afrika. Peking will die erstarkenden Wirtschaftsbeziehungen auf dem Kontinent durch Kulturaustausch ergänzen“, in: NZZ 4.1.2013. Vgl. a. Falk Hartig, Confucius Institutes and the rise of China. How the People’s Republic of China uses its cultural institutions abroad to communicate with the world, Brisbane, 2013. 30 Oluwaseum Tella, „A declining or stable Image? An Assessment of the U. S. Soft Power in Africa“, in: South Africa Journal of international Affairs Vol. 23 Nr. 2/2016, S. 151–166, hier S. 163. 31 Rede Hu Jintao beim 90. Jahrestag der Gründung der chinesischen kommunistischen Partei am 1. 7Juli 2011, Artikel Jiechis in der China Mail vom 2.9.2013, zitiert nach David Shambaugh, China goes global. The Partial Power, Oxford 2013, S. 207. 32 Zhang Junhua, „The Limits to China’s Cultural Diplomacy“, in: Helmut K. Anheier u. a. (Hg.), Bridging the Trust Divide. Cultural Diplomacy and Fostering Understanding Between China and the West, Berlin 2012, S. 55–58, hier. S. 55. 33 Einschätzung von Ding Ning, Vizedirektor der School of Arts der Universität Peking im Gespräch mit dem Autor, Taipeh 31.5.2013. 34 Shao Dazhen, Professor of China Academy of Fine Arts, in: China Artists Association (Hg.), The Album of the fifth international Art Biennale, Peking 2012, S. 166. 28 29
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gisch-patriotische Errungenschaft behandelt. Auch in Europa setzte die Volksrepublik in den vergangenen Jahren verstärkt auf die Präsentation von Kunst.35 Direkt im Anschluss an die Weltkunstausstellung documenta zeigten chinesische Künstler im Rahmen eines großen deutsch-chinesischen Kulturfestivals 2012 in Kassel die Schau „Alles unter dem Himmel gehört allen.“ Einige Jahre später folgte die Ausstellung „China Acht“ von 120 chinesischen Künstlern in acht Städten Nordrhein-Westfalens. Und mit bislang noch nie betriebenem Aufwand präsentierte sich China 2013 und 2015 bei der Biennale von Venedig. Die Volksrepublik beeindruckte 2013 nicht nur im eigenen Pavillon mit großen Videoinstallationen und technischen Verblüffungseffekten, die staatliche Kulturvermittlungsagentur „China Arts and Entertainment Group“ organisierte darüber hinaus vier umfangreiche Satellitenausstellungen.36 Auch Taiwan – in Pekinger Diktion eine abtrünnige Provinz – liess es sich nicht nehmen, mit einem Ausstellungsprojekt auf sich aufmerksam zu machen. Weithin sichtbar und in bester Lage direkt neben dem Dogenpalast las man am Palazzo delle Prigioni ein großes Banner mit dem Slogan: „This is not a Taiwan Pavilion“ – eine Anspielung darauf, dass Taiwan aus Angst vor chinesischen Sanktionen nur von sehr wenigen Staaten offiziell anerkannt wird (im Jahr 2017 waren es noch zwanzig). Taiwan macht seit Jahren vor, welchen diplomatischen Wert der internationale Kulturaustausch haben kann – das Land, das auf Pekinger Druck nicht einmal Mitglied der UNO sein darf, unterhält Ersatzhalber auf den Feldern von Kunst und Wissenschaft umfangreiche internationale Beziehungen, und betreibt auf diese Weise Nation Branding.37 Unter der Ägide von Xi Jinping, seit 2013 zugleich Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas und Staatspräsident der Volksrepublik China, hat der Kontrollanspruch der Parteiorgane wieder zugenommen. Der ideologische Hardliner Xi Jinping verfügt mittlerweile über eine Machtfülle wie vor ihm nur Mao und Deng.38 Die Partei- und Staatsführung beansprucht ungeachtet der wirtschaftlichen Liberalisierung weiterhin eine Erziehungsdiktatur über das chinesische Volk aufrechtzuerhalten. Sie definiert die Diskurse und die Grenzen öffentlicher Diskussionen. Was heute in einer Universität oder Parteischule diskutiert werden darf, ist nicht unbedingt ein Thema für die Massenmedien; und was im Rahmen einer Kunstausstellung stattfinden darf – Kritik, Performance, Protest – ist in anderen Zusammenhängen, artikuliert durch andere Berufsgruppen, illegal. Zudem hat der Staatsapparat gelernt, von einer plumpen Propaganda zu einer geschickteren Umwertung von Begriffen überzugehen, um sie in seinem Sinne einzusetzen. So heisst das Propagandaministerium im Chinesischen immer noch Propagandaministerium, in englischer Übersetzung jedoch moderner und Interview mit dem chinesischen Botschafter Shi Mingde in Deutschland, in: Diplomatisches Magazin, März 2016, S. 15–17. 36 „Mind Beating“, „Passage to History. Twenty years of La Biennale di Venezia and Chinese contemporary Art“, „Voice of the Unseen. Chinese Independent Art 1979/today“, alle im Arsenale Nord; sowie „The Grand Canal“ im Museo Diocesano. 37 Vortrag An-Yi Pan (Cornell University), „Exhibiting Culture as a Soft Power Strategy – the Role of Taipei Cultural Center, NY“, Konferenz „Contemporary Art of Taiwan & East Asia“, University of Edinburgh, 11./12.6.2014. 38 Willy Wo-Lap Lam, Chinese Politics in the Era of Xi Jinping, New York 2015. 35
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smarter „Publicity Department.“39 Noch in den 1980er Jahren waren westliche Politiker wie Margaret Thatcher überzeugt, China könne niemals eine Supermacht werden, weil es keine universalen Werte anzubieten habe. Bis heute ist dies das zentrale Problem der chinesischen Soft-Power-Kampagnen. Obwohl formal noch ein sozialistischer Staat, beabsichtigt China keinen Revolutionsexport, sondern versucht sich als Modell für staatskapitalistische und autoritär regierte Schwellenländer zu profilieren. Der chinesische Politologe Zhang Junhua beklagt, China stünde als Erfolgsmodell heute vor allem für monetäre Stärke, es herrsche im Lande geradezu eine Fetischisierung des Geldes vor, die konfuzianischen Werten zuwiderlaufe. Das Geldorientierte Denken der politischen Elite führe zum Irrglauben, man müsse nur genug in eine Imagekampagne investieren, dann werde sich Chinas Soft Power von selbst verstärken.40 Der von Peking gern propagierte „chinesische Weg“ ist derzeit nur hohle Erfolgsanbeterei, weil er keine ideologische oder spirituelle Inhalte und keine Werte vermittelt. Eine Umfrage des amerikanischen Pew Research Center in 40 Ländern ergab im Jahr 2013, dass die Beliebtheit der Volksrepublik in wichtigen westlichen Industrieländern wie Japan, USA, Deutschland und Italien stark nachgelassen hat. Allerdings hatte sie in denjenigen Ländern Afrikas und Lateinamerikas, wo China erheblich investierte, deutlich zugenommen, ein Zeichen, dass die bereits erwähnte Kultur- und Bildungskampagne in Afrika, kombiniert mit ökonomischer Macht, eine gewisse Wirkung zeigte.41 Ein Einsatz überwältigender Mittel scheint also doch zu Erfolgen zu führen. Attraktiv wirkt auf die Entwicklungsländer vor allem der schnelle ökonomische Erfolg Chinas mit seinen hohen Wachstumsraten – doch darüberhinaus fällt es der Volksrepublik schwer, universal gültige Werte oder einen anziehenden spezifischen chinesischen Lebensstil zu definieren und zu vermitteln. Große Anstrengungen, seine Soft Power zu stärken, unternimmt seit einigen Jahren auch Russland. Wenngleich Russland kein sozialistischer Staat mehr ist, wirken auch hier, wie in China, die Arbeits- und Denkweisen des sozialistischen Propagandaapparates aus Zeiten des Kalten Krieges weiter. Die wichtigsten Zielgebiete russischer PR-Kampagnen stellen die abgespaltenen ehemaligen Bestandteile der Sowjetunion dar, aber auch die russischsprachige Diaspora und die Öffentlichkeit in bedeutenden westlichen Ländern. Als traumatisch wurde in der russischen Bevölkerung der Zerfallsprozess der Sowjetunion und die anschließende chaotische Jelzin-Ära erlebt, in dem sich die kulturelle Ausstrahlungskraft Russlands als zu schwach erwies, um die zentrifugalen Tendenzen umzukehren. Hinzu kam der Bedeutungsverlust der russischen Sprache – die Zahl ihrer Sprecher in den Nachbarstaaten Russlands war innerhalb weniger Jahre erheblich gesunken. Die neue, seit dem Jahr 2000 konzipierte Auswärtige Kulturpolitik Russlands soll ein Wiederzusammenwachsen der abgetrennten Gebiete mit Hilfe von Sprachförderung, Fernsehen und anderen Medien vorbereiten. 2007 wurde die StifAngela Köckritz, „Den Affen töten. Vom Umgang mit dem chinesischen Staatsapparat“, Reader zur Tagung „Vom Umgang mit autoritären Systemen“, hgg. Heinrich Böll Stiftung Berlin Juni 2015, S. 69 ff. 40 Zhang Junhua, „The Limits to China’s Cultural Diplomacy“, in: Helmut K. Anheier u. a. (Hg.), Bridging the Trust Divide. Cultural Diplomacy and Fostering Understanding Between China and the West, Berlin 2012, S. 55–58, hier. S. 58. 41 http://www.pewglobal.org/2013/07/18/americas-global-image-remains-more-positive-than-chinas/ 39
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tung „Russkij Mir“ (=russische Welt) durch das Außenministerium und Bildungsministerium gegründet. Sie betreibt mittlerweile 95 Kultur- und Sprachlernzentren in 23 Ländern, oftmals in Kooperation mit Universitäten und Bibliotheken – ein Konzept, das dem chinesischen Netz der Konfuziusinstitute ähnelt. Russland gilt mittlerweile als Präsidialdiktatur mit einer eklektischen Staatsideologie, die sich aus den Quellen einer Zarenreich- und Sowjetnostalgie, eines Neoimperialismus, der orthodoxen Kirche und geopolitischer Konzeptionen speist. Seit der Jahrtausendwende unterstützt und initiiert der Kreml systematisch nationalistische und antiwestliche Positionen in der russischen Gegenwartskultur. Dabei kommt eine moderne Polittechnologie zum Einsatz, die auf das Inland wie auf das Ausland zielt. Im Inland geht es um die Schaffung eines politischen Klimas, das den Bürgern autoritäre Problemlösungen nahelegt und jegliche Alternativen als „unverantwortlich“ und „fremdartig“ denunziert. Politische Misserfolge werden stets einer gesichtslosen Bürokratie angelastet, Erfolge dem „charismatischen“ Herrscher Wladimir Putin, dessen Selbstinszenierung einerseits an das traditionelle Bild des „guten Zaren“ anknüpft, andererseits an die mächtigen Parteiführer der sowjetischen Ära. Von Stalin war das Bonmot überliefert worden, im Sozialismus müssten Schriftsteller und Künstler als „Ingenieure der menschlichen Seele“ dienen. Kunst und vor allem Literatur sollten im Rahmen dieses mechanistischen Kulturkonzeptes dazu beitragen, eine neue Wirklichkeit, einen „Neuen Menschen“ zu schaffen. Auch das Putin-Regime verfügt über eine Reihe von Künstlern und Medienexperten, die bereit sind, als Seelen-Ingenieure Karriere zu machen. Zentrale Figur in diesem Corps ist Wladimir Surkow, langjähriger Vize-Direktor der Präsidialverwaltung und späterer persönlicher Berater Putins, eine schillernde Persönlichkeit, die aber stets aus der zweiten Reihe heraus agierte. Er gilt Erfinder der Kremltreuen Nashi-Jugendorganisation und als Chefideologe der „souveränen Demokratie“ – die sich als eine Art Theokratie beschreiben lässt, welche mit bewusstseinssteuernden Mitteln herbei geführt wird. Surkow (geb. 1964) begann zwei Ausbildungen: Ein Studium der Metallurgie und eines der Dramaturgie, er verbindet die wissenschaftlich-technologische Haltung des Ingenieurs also mit dem künstlerischen Gestaltungswillen, und entspricht somit fast in idealer Weise der Stalinschen Definition des Künstler-Ingenieurs. Surkow, der auf eine wirklichkeitsformenden Kraft der Kunst überzeugt ist, steht mit einer Vielzahl von Kultur- und Medienprojekten in Verbindung und dilettierte auch selbst als Autor und Dichter.42 Putin kann zudem auf eine Reihe ihm ergebener Künstler zählen, etwa auf den Regisseur Nikita Michalkow, den Stardirigenten Waleri Gergiew, den Bildhauer Surab Zereteli (geb. 1934) oder den Maler Nikas Safronow (geb. 1956). Safronow, eklektischer Historien- und Hofmaler des Kreml, arbeitet in verschiedenen Stilrichtungen und kostümiert Putin und andere Prominente als historische Persönlichkeiten. Ilja Glasunow (geb. 1930) und Alexander Schilow (geb. 1943) gehören der älteren Künstlergeneration an, befassen sich mit patriotischen und biblischen Motiven. Neben der Förderung einer altbacken-patriotischen Kunst findet aber auch eine technologische Modernisierung des Staates statt, der Ulrich Schmid, Technologien der Seele. Vom Verfertigen der Wahrheit in der russischen Gegenwartskultur, Berlin 2015, S. 99. 42
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die Werte und politischen Elemente der westlichen Demokratie nominell übernimmt, tatsächlich aber nicht realisiert: Es gibt zwar Wahlen, doch diese werden manipuliert, es gibt eine Medienlandschaft, doch in dieser sind alle wichtigen Positionen (manchmal selbst die der Blogger und Leserbriefschreiber) von Regierungsnahen Kräften besetzt. Zahlreiche Menschen werden von der russischen Regierung für das „Astroturfing“ angeworben.43 Im englischen Sprachraum werden mit diesem Begriff, der auf den Namen einer bekannten Kunstrasenfirma zurückgeht, staatliche oder kommerzielle PR-Aktionen bezeichnet, die den Eindruck erwecken sollen, dass es sich hier um eine basisdemokratische Graswurzel-Bewegung handelt. Der echte Absender – meist ein Konzern oder eine Regierung – verbirgt sich hinter einer vermeintlichen Vielzahl von Privatpersonen. Manchmal besetzen staatliche Akteure auch Themen und Organisationen der Oppositionen, um sie zu vereinnahmen oder zu diskreditieren. Unter der Regie von Putins Medienstrategen Surkow unterstützt der Staat auf der einen Seite zivilgesellschaftliche NGOs, zugleich aber auch nationalistische Gruppierungen, die die NGOs als „Agenten des Westens“ diffamierten. Die Rolle von Künstlern als „Agenten des Wandels“ wird auch seitens der russischen Staatssicherheit ernstgenommen – allerdings aus einer negativen Perspektive. Sie gelten nicht als Hoffnungsträger für die Entwicklung der Zivilgesellschaft, sondern als Bedrohung der autoritären Ordnung. Der Kreml wendet dagegen die aus der Sowjetzeit altbekannten Maßnahmen der Verwirrung und Zersetzung an.44 Einerseits werden Kunstfestivals mit provokativen Künstlern zugelassen, andererseits religiöse Hardliner ermutigt, gegen Kunst als „unchristliche“ und „westlich-dekadente“ Erscheinung vorzugehen. Im internationalen Kulturaustausch setzt der Kreml seit einigen Jahren wieder auf die bewährte Praxis des Realsozialismus, weder individuelle, private Kulturkontakte noch das Engagement von NGOs zu dulden. Stattdessen soll der zwischenstaatliche Kulturaustausch nur über politisch kontrollierbare offizielle Organisationen erfolgen.45 Im Ausland wird seit dem Jahr 2000 das abstrakte Identifikationsangebot zum Eintritt in eine mystifizierte „Russische Welt“ propagiert, die durch gemeinsame Sprache, Kultur und Religiosität gebildet werde. Doch wen außer der russischsprachigen Diaspora soll dieses Programm ansprechen? Wie die Volksrepublik China hat auch das postsozialistische Russland keine universalen Werte anzubieten. Laut einem „Kommandeur“ einer Kremltreuen „Trollarmee“, Igor Osadatschy, gibt es bestimmte Drehanleitungen für antiwestliche Internetvideos, in denen stereotype Elemente benutzt werden sollen: Begleitet von harter Musik werden stets die gleichen „schmutzige Bilder“ präsentiert: „Obdachlose, traurige Menschen, Dicke, Prostituierte, Drogenabhängige, unglückliches Büroplankton“. Diese Protagonisten werden mit Szenen des Luxuslebens der Oberschicht konfrontiert – eine Alltagswelt, die eigentlich in Russland genauso wie im Westen zu finden ist, wenn nicht gar in dieser Härte eher für Russland steht. Zitiert nach Boris Reitschuster, Putins verdeckter Krieg. Wie Moskau den Westen destabilisiert, Berlin 2016, S. 193. 44 Der Künstler Pjotr Pawlenski, der mit radikalen Körperperformances und Aktionen die Staatsmacht provozierte – u. a. zündete er 2015 die Tür der Lubjanka (der russischen Geheimdienstzentrale) an, um auf politische Unterdrückung hinzuweisen, sprach im Januar 2017 von klassischen Zersetzungsmaßnahmen gegen ihn und seine Frau, die die Familie zur Flucht aus Russland zwang. Eine Schauspielerin aus der alternativen Kulturszene, offenbar eine Agentin, hatte die Nähe des Paares gesucht und es dann überraschend der sexuellen Belästigung und aggressiver Handlungen bezichtigt. http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/ kunst/aktionskuenstler-beantragt-asyl-pawlenski-nach-paris-geflohen-14668972.html (16.1.2017). 45 Ottilie Bälz und Kurt-Jürgen Maaß „Soft Power und Hard Power – die Auswärtige Kulturpolitik der Russischen Förderation“, in: Kurt-Jürgen Maaß (Hg.), Kultur und Außenpolitik. Handbuch für Wissenschaft und Praxis, Baden-Baden 2015, S. 397–406, hier S. 400. 43
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Abb. 2. Bedrohliche Signale: Die gigantische Fliegermaske gehörte zu Irina Nakhovas Gestaltung des russischen Pavillons bei der Biennale von Venedig 2015.
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Die zeitgenössische Kunst boomt nicht nur im Westen, in Moskau oder Peking: Auch in vielen Schwellenländern des Globalen Südens, in krisengeschüttelten und in schwierigen Transformationsprozessen befindlichen Gesellschaften hat sich in den letzten Jahren eine beachtliche Kunstszene entwickelt mit Galerien, Museen, Biennalen und einer wachsenden Zahl von Künstlern und Künstlerinnen, die meist den aufstrebenden Mittelschichten entstammen. Diese Entwicklung ist selbst in Präsidialdiktaturen, Theokratien und Monarchien wie der Türkei, der Islamischen Republik Iran oder dem Königreich Saudi-Arabien zu beobachten. Es gibt in diesen Ländern Hunderte von Galerien und Tausende von Kunststudenten.46 Solange die Kunst unpolitisch bleibt und in vorauseilender Selbstzensur bestimmte Themen meidet, können Galerien und Vernissagen der kunstinteressierten Mittel- und Oberschicht als „Oasen des Zwanglosen“ dienen.47 Dennoch greifen manche Künstler und Künstlerinnen in ihren Arbeiten mutig gesellschaftliche und politische Probleme ihrer Heimatländer auf und testen die Grenzen von Selbstkontrolle und Zensurorganen – nicht ohne sich erheblichen Gefahren auszusetzen. Kunst ist aber nicht nur ein Anliegen einer individualistischen Künstlerszene, sondern vielerorts auch ein Prestigeprojekt der nationalen Eliten, der herrschenden Clans und Diktatoren geworden: Reiche Sammler und Regierungen aus aufstrebenden Schwellenländern befeuerten in den letzten Jahren einen beispiellosen Museums-, Messen- und Biennalen-Boom in Asien, im Nahen Osten und in Lateinamerika. „Das neue Kapital und die ambitionierten Regierungen von Schwellenländern lieben sowohl den Optimismus der Gegenwartskunst als auch ihr erfolgreiches Branding“, so Michael Schindhelm, Kulturforscher und zeitweiliger Kulturdirektor in Dubai.48 Prestigeträchtige Museumsbauten kurbeln den Tourismus an und veredeln die schnell wachsenden Metropolen, sie stehen symbolisch für sozialen Aufstieg, akkumulierten Reichtum und erfolgreiche Modernisierung. Die Scheichtümer am Persischen Golf suchen ihr finanzielles Kapital nunmehr in symbolisches umzuwandeln, wollen sich als internationale Zentren des Tourismus, der Kunst- und Wissensproduktion positionieren.49 Katar dient hier neben dem Emirat Abu Dhabi, das mit seinem ambitionierten Großprojekt der Museumsinsel Saadiyat Schlagzeilen machte, als Vorreiter. Seit Mitte der 1990er Jahre versucht sich das kleine Land mit dem weltweit höchsten Pro-Kopf-Einkommen als internationaler Mittler zu profilieren, als Gastgeber für diplomatische Treffen, Konferenzen, internationale Sportereignisse und kulturelle Events. Die Gründung des Fernsehsenders Al-Jazeera flankierte dieses Vorhaben.50 Katar hat sich in den letzten Jahren auch als bedeutender Kunstimporteur profiliert. Im Frühjahr 2015 wurde Gauguins Gemälde Nafea faaipoipo – Wann heiratest Du? laut New York Times für 300 Mio. US-Dollar an einen unbekannten Sammler verkauft, hinter 4.000 Kunststudenten sind allein in Teheran eingeschrieben. Arsalan Mohammed, „Es kann nur noch vorwärts gehen“, in: Monopol 12/2016, S. 82–90, hier S. 85. 47 Johanna di Blasi, „Oasen des Zwanglosen. In Teheran boomt die Galerieszene“, in: Die Zeit Nr. 41, 29.9.2016. 48 DU Nr. 823, Februar 2012, S. 15. 49 Miriam Cooke, Tribal modern. Branding new nations in the Arab Gulf, Berkeley 2014. 50 Gidon Windecker und Peter Sendrowicz, „Katar zwischen Marketing und Realpolitik“, in: KAS-Auslandsinformationen 1/2014, S. 86–106. Vgl. a.: Emile Nakhleh, „Propaganda and power in the Middle East“, in: Current history 12/2013, S. 356–363. 46
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dem man die Herrscherfamilie von Katar vermutet. Der Emir hatte 2011 bereits Paul Cézannes Gemälde Kartenspieler für 250 Mio. $ erworben und für weitere Trophäen Höchstpreise gezahlt, für Cézannes Landschaftsgemälde La montagne Sainte-Victoire vue du bosquet du Chateau Noir soll er 2013 rund einhundert Mio. $ bezahlt haben, für Mark Rothkos White Center (Yellow, Pink and Lavender on Rose) 2007 bei einer Sotheby’s-Auktion 72,8 Mio. $, wie die New York Times aus diversen Quellen zusammengetragen hat. Katar befindet sich in einem Wettstreit mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, was den Ankauf und die Präsentation von Weltkunst betrifft.51 Parallel versucht sich Katar auch im Kulturdiskurs zu positionieren, etwa als Gastgeber der Konferenz „Art for tomorrow. Culture as a catalyst for growth“, die seit 2015 jährlich in Zusammenarbeit mit der New York Times und Sotheby’s in Doha stattfindet. 2017 stand diese Konferenz unter der Leitfrage: „How can art play a critical role in the public and business domain?“52 Welche Zielgruppen die neuen Museumsbauten, Konferenzen und Ausstellungen ansprechen, ist noch unklar. Bei den einheimischen Bürgern scheint das Interesse an Kunst erst langsam zu erwachen. Die Gastarbeiter aus asiatischen und arabischen Ländern haben weder die Bildung noch die Freizeit, Museen zu besuchen. Bleiben vorerst westliche Touristen und Expats als Publikum, wenngleich der Anteil Einheimischer in den künstlerischen und kunsthistorischen Studiengängen allmählich steigt, wie Radha Dalal, Dozentin an der Virginia Commonwealth University in Doha, berichtet.53 Zum Nation Branding gehört auch die demonstrative Offenheit für den intellektuellen Diskurs und internationalen Dialog. Katar führt diesen Dialog auf eine etwas einseitige Weise, wie das Beispiel des belgischen Malers Luc Tuymans (geb. 1958) zeigt, der als gesellschaftskritischer und geschichtsbewusster Künstler bekannt ist. In der Ausstellung, die im Winter 2015/16 in der QM Gallery im neuen Museumsviertel Dohas, dem Katara Cultural Village, zu sehen war54, setzte sich Tuymans kritisch mit dem belgischen Kolonialismus, dem Nationalsozialismus und den Jesuiten auseinander. Eine ebenso kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte des arabischen Sklavenhandels oder dem Islamismus unterließ er bei seinem Gastspiel tunlichst. Kritik als Einbahnstrasse: Hier der strahlende junge Kulturstaat Arabiens, dort das historisch belastete, schuldige Alte Europa. Darauf angesprochen, wiegelte er ab: Seine Ausstellung sei nur ein „Angebot zur Begegnung.“55 Die katarische Scheikha Al-Majassa bint Hamad bin Khalifa Al-Thani gilt als mächtigste Frau der Kunstwelt. In einem ihrer seltenen Interviews, das sie 2016 der Zeit gab, argumentierte sie im typischen Propagandastil der Neuen Despotien. Sie wies jegliche Kritik am Regime ihres Bruders zurück, bzw. relativierte sie mit dem Verweis auf Missstände in den westlichen Ländern. Zugleich kündigte sie an, den Museums- und Ausstellungsbereich weiter auszubauen, etwa, indem sie 2018 eine eigene „documenta“ veranstaltet und den Kulturaustausch u. a. mit Deutschland intensiviert. Die Zensurmassnahmen in ihren http://www.nytimes.com/2015/02/06/arts/design/gauguin-painting-is-said-to-fetch-nearly-300million.html?_r=0 (5.2.2015). 52 New York Times 24.11.2016. 53 Gespräch Radha Dalals mit dem Autor, Berlin 18.1.2016. 54 http://www.qm.org.qa/en/blog/luc-tuymans-vip-opening-pictures (2.11.2015). 55 Interview NZZ am Sonntag, 1.11.2015. 51
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Land verteidigte sie: „Es gibt keine Restriktionen, die Künstler sind frei. Aber wenn wir sie einladen und sie wollen etwas zeigen, das in unserer Kultur als heikel empfunden wird, dann sagen wir nein. Das kann man als Zensur verstehen, doch wir nennen es nicht Zensur, wir sprechen von Editieren.“56 Show-Bühne der kunstsinnigen Nationen
Wie weit sich das Nation Branding mit den Mitteln der Kunst weltweit verbreitet hat, hat die Biennale von Venedig gezeigt. Bereits im 18. Jahrhundert hatte sich Venedig von der Machtzentrale eines Handelsimperiums in einen reinen Repräsentationsort verwandelt. Aus der Hard Power einer traditionellen Seemacht wurde die Soft Power einer Kulturmetropole. In verschwenderischen Festen, in den reichen Kunstsammlungen, in den Palazzi am Canal Grande und in den Landvillen der Terra Ferma materialisierte sich der Reichtum, der in den vergangenen Jahrhunderten im Handel und in Seekriegen erwirtschaftet worden war. Venedig wurde zum Reiseziel von Adligen auf Grand Tour, Karnevalisten und Künstlern. Heute ist die Lagunenstadt ein Hotspot des Kultur- und Massentourismus mit bis zu dreissig Millionen Jahresbesuchern und der im Wechsel abgehaltenen Kunst- und Architekturbiennale. Das Prinzip einer Weltmeisterschaft der Kunst, bei der die Nationen im Kampf um einen Pokal gegeneinander antreten, bildete den Ursprung der Biennale von Venedig – ein Prinzip, das regelmäßig für klinisch tot oder wenigstens für überholt erklärt wird. Ungeachtet all der kritischen Kunstwerke zur Geschichte des Nationalismus und den Problemen einer nationalstaatlichen Repräsentation durch Kunst nutzen immer mehr Nationen den Auftritt ihrer Künstler und Kuratoren in Venedig als Gelegenheit zur Selbstdarstellung. Einen eigenen Pavillon oder Palazzo in Venedig zu bespielen, oder wenigstens temporär zu mieten, gilt als Prestigeträchtig, gilt als Zeichen einer modernen, wohlhabenden und dynamischen Gesellschaft. Schaut man auf die Wechselwirkungen von Kultur- und Wirtschaftspolitik, kam auch der Gewinn der Nationenwertung, des „Goldenen Löwen“, durch Angola im Jahr 2013 nicht mehr so überraschend: Zählte der frühere Verbündete des Ostblocks doch wegen seines Ölreichtums einige Jahre lang zu den dynamischsten Volkswirtschaften Afrikas. Das Land wird seit 1979 von José Eduardo dos Santos regiert. Der in der Sowjetunion ausgebildete Erdölingenieur ist zugleich auch Oberkommandierender der Streitkräfte und Vorsitzender der herrschenden Partei Movimento Popular de Libertação de Angola. Angola setzt Kunst und Medienpräsenz als Elemente einer neuen Soft-Power-Strategie ein und machte 2013 mit dem Versuch Schlagzeilen, zentrale Unternehmen der portugiesischen Medienlandschaft zu übernehmen. Das Machtverhältnis zwischen der ehemaligen Kolonie und dem portugiesischen Mutterland schien zu kippen.57 2015 eiferte das ebenfalls von einer linken Regierung (der ehemaligen Befreiungsfront Frente de Libertação de Moçambique) geführte Agrarland Die Zeit 4.8.2016. http://blog.europaundwir.eu/feindliche-uebernahme-wie-angolanische-investoren-diepressefreiheit-in-portugal-bedrohen-2/ (8.10.2013). 56 57
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Mosambik Angola nach und präsentiert sich erstmals auf der Biennale – wenngleich mit weit geringeren Ressourcen im Hintergrund. In der Schau „Koexistenz und Moderne“ wurde ein Überblick über die Kunst- und Volkskunstproduktion des Landes gewährt. Auffällig war, dass sich 2015 eine ganze Reihe von Staaten beteiligte, die sich im Kriegszustand befanden und dies auch zum Thema der Kunst machten, etwa die Ukraine. Andere, von Konflikten betroffene oder zum Teil international nicht anerkannte Staaten wählten das Thema der Grenzziehung für ihre künstlerische Selbstdarstellung, so etwa Georgien, Mazedonien, Serbien und Kosovo. Für Serbien widmete sich Ivan Grubanov (geb. 1976) in seiner Installation United Dead Nations untergegangenen Staaten wie Jugoslawien, der Sowjetunion oder der DDR, aber auch vergessenen und kurzlebigen Konstruktionen wie Großkolumbien oder der Vereinigen Arabischen Republik, eine zwischen 1958 und 1961 von Ägypten und Syrien gebildete Union. So kamen auch diese Staaten posthum noch zu einem Biennale-Auftritt: Ihre schmutzigen Flaggen lagen auf dem farbbeschmierten Boden, und an den Wänden des serbischen Pavillons prangten ihre Namen und Lebensdaten. Die verantwortlichen Politiker und Kulturinstitutionen aus Krisenstaaten sehen offenbar in der Biennaleteilnahme die Gelegenheit, international Präsenz zu zeigen. Der ukrainische Unternehmer und Kunstsammler Wiktor Pintschuk finanzierte über eine Stiftung den ukrainischen Pavillon, der unter dem Motto „Hope“ auf der Uferpromenade vor den Giardini für Aufsehen sorgte. Auf die Frage, ob eine aufwendige Kunstpräsentation nicht unpassend und verschwenderisch sei, schließlich befinde sich das Land im Krieg, antwortete Pintschuk dem Spiegel: „Weil ich glaube, dass es das Ansehen der Ukraine verändert, wenn in Venedig junge, kritische, freie Künstler aus unserem Land gezeigt werden. Und ich glaube auch, dass die Teilnahme der Ukraine dabei hilft, die ausländische Unterstützung zu bekommen, die sie für ihr Überleben benötigt. Dieses Werben für die Ukraine ist Teil einer langfristigen Strategie, die ich seit mehr als zehn Jahren verfolge, um dieses Land zu verändern. Wir wollen teilhaben an dieser Welt.“58 Selbst die paralysierte Arabische Republik Syrien und der Irak traten 2015 offiziell in Venedig auf, beide mit gemischten Gruppenausstellungen einheimischer und internationaler Künstler, beide geleitet von europäischen Kuratoren. Syrien stellte sich mit dem Ausstellungstitel „Die Ursprünge der Zivilisation“ als Hüter des kulturellen Erbes dar – just zu dem Zeitpunkt, als die antike Stätte Palmyra an die Bilderstürmer des Islamischen Staates verloren ging.59 Auch der in drei Teilgebiete zerfallene Irak war wie 2013 wieder in Venedig vertreten, die irakische Ruya Foundation organisierte die Schau mit fünf Künstlern aus Bagdad und Kurdistan, die von dem belgischen Kurator Philip Interview im Spiegel 19/2015, S. 132 f. Für den Biennalebeitrag 2017 war als Künstler Boris Mikhailov vorgesehen. Veranstalter: Das amerikanische Museum Dallas Contemporary, Kuratoren: Peter Doroshenko, Lilia Kudelia. http://u-in-u.com/de/biennale-venedig/2017/pavillons/ (4.2.2017). 59 Die Schau, die vier syrische und sieben ausländische Künstler umfasste, wurde von dem italienischen Verleger Christian Maretti organisiert und von Duccio Trombadori kuratiert. Beteiligt waren Künstler aus Syrien (Narine Ali, Ehsan Alar, Fouad Dahdouh, and Nassouh Zaghlouleh), Italien (Aldo Damioli, Mauro Reggio, und Andrea Zucchi), China (Liu Shuishi), Spanien (Felipe Cardeña), Albanien (Helidon Xhixha), und der Ukraine (Svitlana Grebenyuk). 58
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Abb. 3. Ivan Grubanovs Installation „United Dead Nations“ im serbischen Pavillon der Biennale von Venedig 2015.
van Cauteren ausgewählt worden waren – drei von ihnen lebten zu jener Zeit noch im Irak. Flüchtlingselend und Kriegsgreuel wurden in ihren Arbeiten ausdrücklich thematisiert. Van Cauteren hatte den Job möglicherweise auch deshalb erhalten, weil er das Phänomen auseinander strebender Landesteile aus eigener Erfahrung kannte. Ruya traute ihm zu, alle Teile des Iraks auf der Biennale künstlerisch zu repräsentieren. Zum Zeitpunkt seiner Ernennung war noch nicht klar, dass der kunstfeindliche IS nahezu die gesamte Westhälfte des Landes unter Kontrolle bekommen würde. Aus diesen sunnitischen Gebieten war dann auch kein Künstler für die Biennale zu gewinnen. Durch die Fotos von Akam Shex Hadi (geb. 1985) wurden zumindest Flüchtlinge aus dem IS-Einflussbereich repräsentiert und ins internationale Gedächtnis gerufen. Haider Jabbar (geb. 1986) malte schockierende Aquarelle Enthaupteter, schon als Kind habe er abgeschlagene Köpfe in Müllsäcken auf der Strasse gesehen, erzählte er in Interviews. Zudem wurden Zeichnungen von Flüchtlingen in der Ausstellung präsentiert.60
Auch bei der Biennale 2017 organisierte die Ruya Foundation for Contemporary Culture in Iraq den Beitrag des Irak. Kuratoren: Tamara Chalabi und Paolo Colombo. Künstler: Sherko Abbas, Ali Arkady, Luay Fadhil, Nadine Hattom, Sadik Kwaish Alfraji, Sakar Sleman, Jawad Salim, Shaker Hassan Al Said, Francis Alÿs. http://u-in-u.com/de/nafas/articles/2016/iraq-venice-2017/ (30.12.2016). 60
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Einen bemerkenswerten Auftritt leistete sich die Islamische Republik Iran, schiitische Schutzmacht der schwer bedrängten Regierungen in Damaskus und Bagdad. Unter dem Titel „The great game“ versammelte man 49 Künstler aus dem Iran und seinen Nachbarstaaten. Dabei handelt es sich um eine große Bandbreite von Themen und Techniken, von international und regional bekannten Künstlern. Mit Huma Mulji (geb. 1970), Lida Abdul (geb. 1973), Bani Abidi (geb. 1971) und Mohsen Taasha Wahidi (geb. 1991) waren auch mehrere afghanische und pakistanische documenta-Teilnehmer dabei. Marco Meneguzzo und Mazdak Faiznia kuratierten die Schau, die Faiznia Family Foundation fungierte als Mittlerorganisation. Sie war 2014 in Kermanshah gegründet worden, um für die iranische Kunst, die in den letzten Jahren auf dem Kunstmarkt des Mittleren Ostens an Gewicht gewonnen hatte, auch den Zugang zu den westlichen Kunstmärkten erschließen. Das heruntergekommene, 2.000 qm große Ausstellungsgebäude in der Nähe des jüdischen Ghettos verbreitete den Charme studentischer Alternativkultur, der in einem gewissen Gegensatz zu den pompösen Stellungnahmen der offiziellen Vertreter des Landes stand, etwa des Ministers für „Kultur und religiöse Führung“ – man könnte auch übersetzen: „Überwachung“, denn das „Ershad“ kontrolliert und zensiert bei Bedarf alle künstlerischen Aussagen. Minister Ali Jannati zeigte sich im Vorwort des Ausstellungskatalogs überzeugt: „Kulturdiplomatie ist heute das Herzstück internationaler Beziehungen.“ Die Biennale biete die große Gelegenheit, iranische Kunst in der Welt bekannt zumachen, weil bei dieser Ausstellung Industriestaaten und Entwicklungsländer in den Dialog treten könnten und die Kunst überhaupt die „kraftvollste und lebhafteste Kommunikationsform“ darstelle. Es sei zu traurig, dass der Iran in der Vergangenheit so selten bei der Biennale vertreten gewesen sei, viele gute Gelegenheiten habe man verpasst. Einerseits preist man die Kultur hier als Feld des Austausches und der Diplomatie, anderseits beharrt man auf offensiver Selbstdarstellung. Denn die Passivität in künstlerischen Belangen führe dazu, dass man dem Einfluss anderer Kulturen ausgeliefert sei, mahnt die Kulturabteilung des Ershad. Opfer fremder Einflüsse zu sein, wie im 19. Jahrhundert während des historischen „Great Game“ der Großmächte in Mittelasien – das ist das große Trauma Persiens. Lieber präsentiert sich der Iran heute als „starke Mitte“, als aktiver Spieler, der die Region kulturell und politisch stabilisiert und entwickelt. So sucht der Ausstellungstitel dazu beizutragen, den Begriff des „Great Game“ aus iranischer Sicht neu und positiv zu definieren. Der selbstbewusste kulturelle Führungsanspruch der Islamischen Republik kam in der Einbeziehung von Künstlern aus Indien, Pakistan, Afghanistan, Irak, den zentralasiatischen Staaten und der kurdischen Region in die Schau des iranischen Pavillons zum Ausdruck. Vor dem Hintergrund dieses bemerkenswerten geopolitischen Anspruchs, der von den anhaltenden kriegerischen Auseinandersetzungen in der Region und von der auf religiös-kulturpolitischer Ebene ausgetragenen Rivalität zwischen Iran und Saudi-Arabien flankiert wird, war die Ausstellung ein Höhepunkt der Biennale. Schließlich ermöglichte sie auch ein Wiedersehen mit Huma Muljis Arabian Delight. Ein Werk, das bei der Art Dubai 2008 der Zensur zum Opfer fiel, weil angeblich ein islamisches Gebot, Tiere „anständig“ zu behandeln, damit verletzt worden sei. Mulhji hatte ein lebensgroßes ausgestopftes Kamel in einem Koffer zusammengefaltet. Tatsächlich ging es
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ihr nicht um einen makabren Scherz, sondern um eine Anspielung auf das Ausgreifen des wahabitischen Islam nach Südasien und um den mit dieser Arabisierung ihrer Heimat verbundenen Identitätsverlust. Der Export des sunnitisch-radikalen Islams nach Europa und Asien, den die reichen Golfmonarchien, vor allem Saudi-Arabien, mit großen Summen finanzieren, trägt viel zu den gegenwärtigen Konflikten und Kriegen bei. Nicht zuletzt manifestierte sich in diesem scheinbar tragikomischem Werk die Spaltung der muslimischen Welt.
Abb. 4. Kamel im Koffer: Huma Muljis skandalumwitterte Plastik „Arabian Delight“ auf der Biennale von Venedig 2015.
Im Herbst 2016 machte ein in der Berliner Nationalgalerie geplantes Gastspiel des Teheraner Museums für zeitgenössische Kunst (TMoCA) Schlagzeilen. Kernstück der Ausstellung war der historische Bestand an westlichen Kunstwerken, die während der Regierungszeit des letzten Schahs angekauft worden waren. Die Kulturpolitik der Herrscherfamilie lässt sich als eine von oben verordnete Modernisierung beschreiben, die sich aber allenfalls auf eine Minderheit, auf das städtische Bürgertum, stützen konnte.61 Auch die bildende Kunst spielte dabei eine Rolle, hier war vor allem die Gattin des Schahs stark engagiert. Sie forderte, bis zu vier Prozent der jährlichen Öleinnahmen sollten für Kunst ausgegeben werden – die Parallele zur heutigen Ankaufspolitik der katarischen Scheikha Khalifa al-Thani liegt auf der Hand. Farah Pahlavi liess 61
Bianca Devos, „Iran`s cultural policy under the Pahlavis 1925–79“, in: Orient II/2014, S. 26 ff.
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das TMoCA mit 150 Meisterwerken ausstatten, von Monet über Picasso bis Roy Lichtenstein. Bei Warhol gab sie Porträts in Auftrag – für seine Zusammenarbeit mit dem persischen Königshaus wurde Warhol in der Endphase des Schah-Regimes auch im Westen scharf kritisiert. Insgesamt sollen damals 100 Mio. Dollar ausgegeben worden sein – für eine Sammlung, die heute als Milliardenschwer eingeschätzt wird. Das Museum wurde 1977 eröffnet, zwei Jahre später kam Khomeini an die Macht, die Kunstwerke wanderten als „unislamische“ Machwerke ins Kellerdepot. „Unverfängliche“, meist abstrakte Werke wie z. B. von Rothko, wurden inzwischen wieder gezeigt.62 Seit Jahren gibt es innerhalb der iranischen Theokratie Auseinandersetzungen zwischen Hardlinern und gemäßigten Kräften, die auf mehr Dialog und Kooperation mit dem Westen setzen. Ershad-Minister Jannati, der Kulturdiplomatie als „Herzstück internationaler Beziehungen“ schätzt, gehörte mit Präsident Rohani zum gemäßigten Flügel des Regimes und verfolgte den Plan, die ehemalige Schah-Sammlung als diplomatische Geste im Westen zu zeigen. Nachdem die Wunschorte MoMa und Tate Modern aus außenpolitischen Gründen nicht infrage kamen, sprang Berlin als dritte Wahl ein, Rom sollte als nächste Station folgen.63 Im Herbst 2015 reiste Außenminister Frank Walter Steinmeier mit einer Delegation der Stiftung Preußischer Kulturbesitz nach Teheran, Pressefotos zeigten ihn voller Ergriffenheit im Teheraner Museum vor einem Gemälde von Jackson Pollock. Jannati wurde aber im Herbst 2016 abgelöst, und die Ausstellung, die erst im Kontext des internationalen, rüstungsbegrenzenden Atomabkommens mit dem Iran ermöglicht worden war, fiel in den Zuständigkeitsbereich seiner Nachfolgers Reza Salehi Amiri, der weder als Freund des Westens noch als ein Befürworter des Kulturaustauschs gilt. Dessen hinhaltende Taktik zwang die deutsche Seite schließlich zur Absage der Ausstellung.64 Es war vielleicht auch besser so, denn diese Art von Kulturaustausch wäre eigentlich absurd gewesen: Der Westen reimportiert seine eigenen Produkte, er spiegelt und feiert sich darin selbst. Zudem bleibt fraglich, ob diese Art von Kulturbeziehungen einen positiven politischen Effekt haben kann, wenn der Direktor des TMoCA, Majid Mollanoroozi, einerseits im Blick auf die Berliner Ausstellung von Kunst als „Brücke und Symbol des Friedens“ spricht, andererseits aber eine antisemitische Ausstellung von Holocaust-Karikaturen unterstützt, die im Teheraner Haus der Künstler gezeigt wird.65 Und die Vernissage in Berlin wäre ohnehin eine beklemmende Veranstaltung geworden, weil Teheran die Kontrolle über die Gästeliste beanspruchte: Farah Pahlavi wäre unerwünscht gewesen, ebenso der jüdische Dirigent Daniel Barenboim, der eigentlich das Eröffnungskonzert dirigieren sollte.66 Die iranischen Hardliner haben die Islamische Republik selbst um eine Chance gebracht, denn in der Regel kommen autoritären Regimes Auftritte in westlichen Museen oder bei internationalen Biennalen wie in Venedig durchaus gelegen. Hier können sie demonstrieren, dass sie am globalen Spiel des modernen Kunstbetriebs Interview mit Farah Pahlavi in: Interview (dt.) 2/2014, S. 105 ff. Süddeutsche Zeitung 13.8.2016. http://www.zeit.de/kultur/kunst/2016–12/farah-diba-kunstsammlung-iran-teheran-berlinausstellung-absage (27.12.2016). 65 Süddeutsche Zeitung 13.8.2016. 66 Monopol 12/2016, S. 59. 62
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teilnehmen. Moderne Kunst steht emblematisch für „Kritikfähigkeit“ und „geistige Freiheit“. In dem Maße, in dem man sie pro forma einkauft und präsentiert, lassen sich tatsächliche demokratische Defizite leichter verbergen. Der chinesische Autor Yue Zhang wirft die These auf, dass es der chinesischen Regierung gelungen sei, die Kunstproduktion einerseits zu professionalisieren und zum weltweiten Markenzeichen Chinas zu machen (im Sinne eines Nation Branding) andererseits aber auch zu entpolitisieren. Jede gesellschaftliche und politische Wirkung der Kunst auf die chinesische Gesellschaft werde abgeblockt, die Herrschafts- und Kontrollmethoden seien feiner und unmerklicher geworden. Die Kunst bleibe damit, anders als viele Bereiche der Wirtschaft, unter der Kontrolle des Staates.67 Die zur Schau gestellte Kunstsinnigkeit und importierte Diskursfreudigkeit der Neuen Despotien und alten Monarchien kontrastiert mit den gesellschaftlichen Missständen im Inneren – etwa dem de-facto-Fortbestand der Sklaverei. Nach Angaben der internationalen Anti-Sklaverei-Initiative Walk Free Foundation leben derzeit 30.000 Menschen in Katar in Sklaverei oder Sklavereiähnlichen Verhältnissen. In den reichen Nachbarstaaten gibt es ebenfalls erhebliche Sklavenpopulationen, etwa in den Vereinigte Arabische Emirate (37.000) und in Saudi-Arabien (92.000).68 Laut Amnesty international sind die offiziellen Maßnahmen Katars gegen die Ausbeutung von Arbeitsmigranten auf Großbaustellen und beim Hauspersonal „erbärmlich“69, während auf internationalen Konferenzen in Doha über die „kritische Rolle der Kunst im öffentlichen Diskurs“ philosophiert wird. „Hinter der glitzernden Fassade kommt die dunkle Seite der Vereinigten Arabischen Emirate zum Vorschein. Die VAE haben eine repressive Regierung, die Andersdenkende schon wegen eines kritischen Tweets ins Gefängnis werfen lässt“, sagt Hassiba Hadj Sahraoui, Programmdirektorin für Nordafrika und den Nahen Osten bei Amnesty International.70 Mittlerweile ist das Thema wenigstens auch zum Gegenstand der Kunst geworden: Die Biennale in Venedig des Jahres 2015 organisierte Vorträge der Initiative „Gulf Labor Artist Coalition“ über die Arbeitsbedingungen auf den Museumsbaustellen der Golfstaaten71, und auf der Art Basel des gleichen Jahres setzte sich der französisch-armenische Künstler Melik Ohanian (geb. 1969) filmisch mit den Lebensbedingungen von Arbeitsmigranten am Persischen Golf auseinander. Obwohl dies nur Nadelstiche gegen die Machtstrukturen in den Monarchien sind, reagieren diese empfindlich. So wurde den Künstlern Walid Raad (geb. 1967, Libanon), Ashok Sukumaran (geb. 1974, Indien) und Andrew Ross (geb. 1989, USA) im Frühjahr 2015 die Einreise nach Dubai verweigert. Offensichtlich hing dies mit dem früheren Engagement der drei für die Gulf Labor Artist Coalition zusammen. Yue Zhang, Governing Art districts. State control and cultural production in contemporary China, in: The China Quartely Vol. 219, 2014, S. 827. 68 http://www.globalslaveryindex.org (2016). Spitzenreiter in der Tabelle von Populationen, die in modernen Formen von Sklaverei leben müssen, ist Indien mit rund 18 Mio. Weitere Zahlen u. a. für China (3,4 Mio.), Pakistan (2,1 Mio.), Russland (1 Mio.), Iran (495.000), Türkei (480.000) (abgerufen 4.1.2017). 69 https://www.amnesty.de/2014/11/12/katar-massnahmen-gegen-ausbeutung-von-arbeitsmigrantensind-erbaermlich?destination=node%2F2956 (18.11.2014). 70 https://www.amnesty.de/2014/11/18/vereinigte-arabische-emirate-hinter-der-fassade 71 http://gulflabor.org (23.6.2015). 67
Nation Building mit Hilfe der Kunst
Nation Building mit Hilfe der Kunst
Nation Branding gelingt am besten auf der Basis eines erfolgreichen Nation Building. Die Entwicklung und Konsolidierung von Nationen (englisch: „nation building“) ist ein soziopolitischer Prozess, der aus einer Territorialbevölkerung sukzessive eine Gemeinschaft entstehen lässt, welche durch Sprache, Kultur und ein kollektives Geschichtsbewusstsein zusammengehalten wird. In diesem historischen Prozess geht es nicht nur um die Einführung einer Amtssprache und um eine übergeordnete politische Führung, sondern auch um den flächendeckenden Aufbau soziokultureller und politischer Institutionen, von Bildungseinrichtungen und eines Gerichtswesens. Erfolgreiche Staaten haben es leicht, für sich Werbung zu machen und sich als „Marke“, als soliden Wirtschaftsstandort oder vitale Kulturnation darzustellen. In einzelnen Fällen kann das Nation Branding aber auch dem Nation Building vorausgehen. Manchmal musste (oder muss) eine Befreiungsbewegung oder Solidaritätsorganisation das Werben für eine Nation übernehmen, deren Staat noch nicht errichtet wurde, weil das Territorium umstritten oder von fremden Mächten besetzt ist. Die Biennale von Venedig bietet den Unabhängigkeitsansprüchen von umstrittenen Regionen und separatistischen Bewegungen eine Bühne: 2015 traten u. a. Kosovo, Schottland und Taiwan in Venedig auf, 2017 waren u. a. Katalonien und Hongkong vertreten. Bei der Biennale oder anderen internationalen Kulturereignissen kann durch ein geschicktes kulturelles Nation Branding der Prozess des Nation Building beschleunigt werden. Als historische Beispiele für Nation Branding ohne Nation können Polen im 19. Jahrhundert oder Irland im 20. Jahrhundert dienen, in der Gegenwart wären Palästina und Kurdistan zu erwähnen. Zweifellos haben die Kunst bzw. die Kunstgeschichtsschreibung, haben der Bau von Nationalmuseen und die Gründung von Kunstakademien, die Ausschreibung von nationalen Kunstpreisen und Landesausstellungen zur Genese von Nationalstaaten im 19. und 20. Jahrhundert beigetragen. In Europa wurde dies in „verspäteten Nationen“ wie Deutschland oder Italien besonders deutlich72, aber auch in den sozialistischen Staatsgründungen nach dem Zweiten Weltkrieg wie in Jugoslawien oder in der DDR, wo ebenfalls ein hoher Bedarf an staatlicher Legitimation bestand. Der Bau von Museen und Denkmälern als Bildungseinrichtungen trug zur Förderung einer nationalen Identität, aber auch zur Stützung der jeweiligen Herrschaftsform, der regierenden Dynastien, Bewegungen und Parteien, bei. Die Erfindung nationaler Kunststile, die rückwirkende Fiktion einer gemeinsamen Kulturgeschichte, sollte die Einigung vormals heterogener Gebiete zu Nationalstaaten vorantreiben. Nation Building bezog sich in der Zeitgeschichte vor allem auf die Einheitsbestrebungen und Identitätsfragen jener neuen Nationalstaaten, die nach dem Zusammenbruch der europäischen Kolonialreiche in Asien und Afrika selbständig wurden, und auf deren Territorien verschiedene ethnische Gruppen siedelten. Dieser Prozess der Nationenbildung ist in zahlreichen Ländern noch nicht abgeschlossen, besonders in traditionellen Stammesgebieten, die
Ein Begriff des Philosophen und Soziologen Hellmuth Plessner: Die verspätete Nation. Über die politische Verführbarkeit bürgerlichen Geistes, Stuttgart 1959 (ursprünglich 1935). 72
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durch die Grenzziehungen geteilt wurden und deren Angehörige nun zu unterdrückten Minderheiten in den neuen Nationalstaaten wurden. Nation Building bezieht sich, wie erwähnt, nicht nur auf die Erringung der äußeren Unabhängigkeit, sondern auf den inneren Staatsaufbau, auf die Verwandlung einer Territorialbevölkerung in ein kohärentes und funktionierendes Gemeinwesen. Die Entwicklung eines regionalen Kunstmarktes bzw. einer vitalen regionalen Kunstszene kann dazu einen substanziellen Beitrag leisten. Dafür gibt es nicht nur Beispiele in der Geschichte, sondern auch in der Gegenwart. Religion, Stammestraditionen und enormes Kapital aus den Öleinnahmen – die Golfstaaten arbeiten seit einiger Zeit daran, auf der Basis dieser Ingredienzien eine stabile nationale Identität zu schaffen, eine Synthese zwischen Traditionen und Moderne. Seit einiger Zeit versucht die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) angesichts weiter steigender Zahlen ausländischer Gastarbeiter durch Kampagnen ein stärkeres Nationalbewusstsein der eingeborenen Emiratis zu erzeugen.73 Die Kunst scheint dabei eine unterstützende Rolle zu spielen. Die VAE hatten 2013 als erster Golfstaat ein langfristiges Abkommen mit der Biennale von Venedig geschlossen, das die Präsenz eines eigenen Pavillons für mindestens zwanzig Jahre garantierte. Sheikha Hoor bint Sultan Al-Quasimi, Tochter des Emirs von Sharjah, besuchte als Londoner Kunststudentin im Jahr 2002 die documenta in Kassel. Sie war so begeistert, dass sich sich eine ähnliche Veranstaltung in ihrer Heimat wünschte. Daraus wurde ab 2003 die Sharjah-Biennale, die sie nach ihrer Rückkehr nach Sharjah leitet.74 Die Sharjah Art Foundation und die Biennale haben das Emirat als Kunststandort weltweit bekannt gemacht. Im benachbarten Dubai fördert Scheich Mohammed Al Bin Raschid Al Maktoum mit Hilfe der Dubai Arts Authority die Kunst u. a. mit der Auslobung von Kunstpreisen und plant die Anlage eines großen Kunstdistrikts in seiner Residenzstadt. Die Zahl der Galerien wächst, während sich die Messe Art Dubai im Weltkunstkalender bereits etabliert hat. Katar, das die Unabhängigkeit erst im Jahr 1971 erlangte, versucht sich mit seiner Kulturbehörde Qatar Museums Authority an einer Symbiose von Okzident und Orient, etwa in Gestalt des Mathaf-Museums für zeitgenössische arabische Kunst. Dessen Programm versucht dazu beizutragen, das Selbstbewusstsein und die kulturelle Dominanz der Araber in Katar zu festigen, vor dem Hintergrund, dass die Einheimischen nur ein Fünftel der Bevölkerung bilden. Die 2011 von der damaligen Leiterin der Mathaf-Forschungsabteilung, Nada Shabout, konzipierte Ausstellung „Notiere, ich bin Araber“ präsentierte den Nahen Osten nicht nur als Resonanzraum von Trends des internationalen Kunstgeschehens, sondern als Impulsgeber. Auf die Festigung des Nationalbewusstseins zielt auch der Aufbau einer neuen, prestigeträchtigen Nationalbibliothek, die 2015 von dem Stararchitekten Rem Kohlhaas im Kontext einer neuen „Education City“ in Doha errichtet wurde. Inmitten von Ablegern europäischer und amerikanischer Universitäten entstand ein spektakulärer Bau, der – für Einheimische, Touristen Christian Koch, „VAE: Wirtschaftliche Vorreiter“, in: Josef Braml, Wolfgang Merkel, Eberhard Sandschneider (Hg), Außenpolitik mit Autokratien, Berlin 2014 (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik: Jahrbuch Internationale Politik 30), S. 145–152 hier: S. 146. 74 Gerhard Hauptmann u. a., „Kunst und Publikum – ein heikles Verhältnis“, in: Ronald Grätz (Hg.), Zwischenräume. Was können die Künste in Konfliktsituationen leisten? Göttingen, 2012, S. 85–91. 73
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und Expats gleichermaßen offen – die Lesekultur unter den Arabern fördern und zur Festigung einer Nation beitragen soll, die zwar eine reiche mündliche Erzähltradition, aber nur verhältnismäßig wenige schriftliche Überlieferungen besitzt.75 Der enorme Ausbau der Infrastruktur für die bildende Kunst, ermöglicht den Herrschern der Golfstaaten, merkt Walid Raad von der Gulf Labor Artist Coalition kritisch an, „ihre erbliche Herrschaft auf diese Weise zu sanktionieren.“76 Tatsächlich sind diese Staaten trotz ihres Reichtums permanent in Frage gestellt. Die Revolution in Teheran gab 1979 ein gefährliches Muster vor, wie sich schiitische Religionsführer mit den Unterschichten verbündeten, um eine Dynastie zu stürzen. Auch der Islamische Staat, dessen Ideologie auf dem wahabitischen Islam fusst, forderte die Gesellschaften der Golfmonarchien in den letzten Jahren heraus. Der sagenhafte Reichtum der Herrscherfamilien kontrastiert mit einer großen Zahl von Gastarbeitern und einer schnell wachsenden Schicht einheimischer Arbeitsloser, die gleichwohl hohe Statusansprüche erheben. Während in Katar der staatliche Rahmen stabil ist, fehlt er im Falle Palästinas. Seit Jahren unterstützen zahlreiche ausländische Mäzene, NGOs und Stiftungen die lokale Kunstszene in den Palästinensergebieten, vor allem in Ramallah und Ostjerusalem. Vier Schulen mit etwa 500 Kunststudenten und ein Dutzend nichtkommerzieller Ausstellungsorte gibt es im Westjordanland77, während in Gaza, das von der islamistischen Hamas beherrscht wird, bis auf ein privat betriebenes archäologisches Museum kaum Institutionen für Kunst und Kulturgeschichte zu finden sind. „Wir haben in Gaza 200 bis 400 Künstler unterschiedlichen Niveaus“, schätzt Sharif Serhan (geb. 1976), Leiter der Künstlergruppe Shababek Arts Association in Gaza-Stadt, die sich auch mit politischen Aktionen gegen Israel an die Öffentlichkeit wendet.78 Die seit 2012 abgehaltene Qalandija-Biennale nutzt das bereits vorhandene Netz palästinensischer Kunstinstitutionen. Die Ausgabe der Kuratorin Rula Khoury aus dem Jahr 2014 zeigte Arbeiten von mehr als 100 Künstlern und Künstlerinnen in einem Dutzend Ausstellungen von Ramallah bis Jerusalem, Bir Zeit, Haifa und Gaza. Es war eine Graswurzelbiennale, kein Prestigeprojekt, sondern eine Bündelung der Kräfte von dreizehn palästinensischen Kulturstiftungen, Galerien, Kunstvereinen und Museen Thematisch stand eine Re-Inszenierung der Ersten Intifada im Mittelpunkt – eine Kritik an der Entpolitisierung und Konsumorientierung der Bevölkerung von Ramallah, wo man, so einige palästinensische Kritiker, in relativer Sicherheit und Wohlstand wie in einer Blase lebe und vom Elend in anderen Gebieten Palästinas wenig mitbekomme. Der friedliche Alltag in Ramallah fördert auch das Interesses an Kunst und Kultur. Durch eine forcierte Repolitisierung richtet sich die Kuratorin letztlich selbst gegen das pazifierende Erfolgsmodell Kunst.79 2016 wurde ein palästinensisches Nationalmuseum in Bir Zeit in der Nähe
Der Bund 10.2.2015. Walid Raad, „An Dingen kratzen, die ich leugnen könnte. Eine Geschichte der Kunst in der arabischen Welt“, Informationen zum documenta (13)-Projekt, Kassel 2012. 77 ArtAsiaPacific Almanach 2011 Vol VI, S. 169 f. 78 Zitiert nach Rhein-Neckar-Zeitung. http://www.rnz.de/wissen/gesellschaft_artikel,-Kreativ-gegen-Israelund-die-Hamas-Kuenstler-in-Gaza-_arid,170171.html (17.2.2016). 79 http://www.art-magazin.de/kunst/77038/qalandiya_international_palaestina (7.11.2014). 75 76
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von Ramallah eröffnet, allerdings ohne Exponate und ohne eigene Sammlung.80 An der Universität von Bir Zeit gibt es bereits eine museale Sammlung, in der zeitgenössische Kunst gezeigt wird.81 Die Erwartungen an Kunst im Kontext von Soft-Power-Strategien, Nation Branding und Nation Building sind anspruchsvoll und vielfältig. Kunst spielt eine signifikante Rolle als Bestandteil von nationalen Repräsentationsstrategien und Kulturaustauschprogrammen, also als Instrument von internationaler Diplomatie und Verständigungspolitik. Kunstwerke und Künstler dienen heute einer zeitgemäßen Form der Propaganda, als Marketinginstrument für Nationen und Metropolen. Zudem wird von Kunst erwartet, in instabilen oder neuen Staaten den Prozess der inneren Formierung der Nation zu beschleunigen. Darüber hinaus wird von westlichen Mittlerorganisationen angenommen, Kunst- und Kulturaustausch könne ein Instrument der Krisenprävention sein, die Kunstszene könne selbst in diktatorisch bzw. absolutistisch regierten Ländern ein Mikromodell zivilgesellschaftlichen Zusammenlebens bieten und somit einen demokratisierenden Effekt erzielen. Bereits im Kalten Krieg wurde der Kunst sowohl im westlichen als auch im östlichen Lager politische Wirksamkeit zugeschrieben. Auch beide deutsche Staaten benutzten Kunst und Kulturaustauschprogramme als Mittel zur Selbstdarstellung und diplomatischen Kontaktpflege. Inwieweit die DDR Kunst als Instrument für Entwicklungshilfe und für ein spezifisch sozialistisches Nation Building im Weltsüden einsetzte, und wie erfolgreich sie dabei war, soll in den folgenden Kapiteln erörtert werden.
http://www.nytimes.com/2016/05/17/world/middleeast/palestinian-museum-birzeit-west-bank.html (16.5.2016). 81 Ausstellung über die Geschichte der Kunstsammlung der Bir Zeit Universität im Frühjahr 2016: http:// www.universes-in-universe.org/deu/nafas/articles/2016/birzeit_university_museum (Juni 2016). 80
Kapitel II. Nation Branding für eine umstrittene Nation: Die Auswärtige Kulturpolitik der DDR
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ie DDR war von ihrer Gründung bis zu ihrem Ende ein Satellit der UdSSR geblieben, ihre Außen- und Kulturpolitik folgte im Wesentlichen Entscheidungen, die zuvor in Moskau getroffen worden waren. Der dort herrschende Kulturbegriff ging von einer zwingenden Parteilichkeit der Künstler aus. Eine Autonomie der Künste und individuelle gestalterische Freiheiten waren undenkbar. Kultur hatte politischen und sozialen Zwecken zu dienen, die Künstler sollten aktiv und vorbildlich am Aufbau des Sozialismus mitwirken. Das künstlerische Dogma nannte sich „Sozialistischer Realismus“. Das Irreführende des Begriffs bestand darin, dass mit ihm nicht etwa ein realistisches Bild der gegenwärtigen Gesellschaft gemeint war, sondern eine im naturalistischen Stil des 19. Jahrhunderts in Szene gesetzte paradiesische Zukunftswelt. Der ideologisch-technologische Futurismus bediente sich paradoxerweise künstlerischer Mittel aus der bürgerlich-feudalen Vergangenheit. Die ausführenden Künstler waren quasi zum Optimismus verpflichtet, hatten die Zukunft des Sozialismus buchstäblich in rosigsten Farben auszumalen. In den ersten Jahren nach der Staatsgründung dominierte dieser „sozialistisch-realistische Biedermeier“, mit seiner „proletarischen Salonmalerei“ das Kunstgeschehen der DDR1, was auch zu Unzufriedenheit unter Berliner Kunststudenten führte.2 Ab den 1970er Jahren lockerte sich zwar das Dogma des Sozialistischen Realismus, und eine größere Bandbreite künstlerischer Martin Damus, Malerei in der DDR. Funktionen der bildenden Kunst im realen Sozialismus, Reinbek 1991, S. 195. 2 Westliche Quellen berichteten von kontroversen Diskussionen an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Weissensee, bei der die Ablehnung des führenden Malers Max Lingner deutlich wurde und die Selbstprovinzialisierung der Kunst in der DDR beklagt wurde. Berliner Kurier 9.11.1955, vgl. a. Informationsbüro West Nr. 11/28, 8.11.1956. 1
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Ausdrucksformen war erlaubt; indes blieben die Künstler dem Sozialismus verpflichtet. Künstler und Kunsthistoriker aus der DDR sahen sich aber noch lange mit SED-Funktionären konfrontiert, die in den frühen 1950er Jahren politisch geprägt worden waren und die, mittlerweile in Amt und Würden gelangt, noch immer dem engen Kulturbegriff aus jener Zeit nachhingen. Die Borniertheit der Parteifunktionäre sei ein selbsterzeugtes Problem der DDR-Kulturpolitik mit überaus lästiger Langzeitwirkung, klagten ostdeutsche Kunsthistoriker.3 Ab Mitte der 1960er wurde Kultur systematischer für die Außenpolitik mobilisiert, sie wurde Werkzeug der DDR-Anerkennungspolitik, die sich an den Westen und an blockfreie Staaten richtete: „Künstler wurden zu Diplomaten der DDR und durchbrachen wiederholt ihre internationale Isolierung.“4 Der im Osten propagierte Kulturbegriff schloss verschiedene Bereiche sozialistischer Lebensweise ein: Gesundheits- und Bildungswesen, technische und soziale Fragen. Kultur gehörte zum Bildungskanon der „allseitig entwickelten sozialistischen Persönlichkeit.“5 „Kunst vermag wesentlich zur sozialistischen Erziehung und Persönlichkeitsbildung beizutragen“, hiess es in der DDR-Fachpublizistik: „Bemühungen, im betrieblich-geistig-kulturellen Leben und in der gewerkschaftlichen Kultur das volkstümliche Schaffen der Werktätigen zu entfalten, sind kein Selbstzweck.“ Mithilfe ausgewählter Kunst und Literatur sei es möglich, „das Weltbild des sozialistischen Menschen zu festigen.“6 Das Prinzip, das künstlerische Schaffen der Laien und Schüler, der Hobby- und Volkskünstler als Teil einer sozialistischen Erziehung zu begreifen (und entsprechend zu fördern), wurde auch anderen Nationen empfohlen. Während die Ansicht, dass Kunst bei der Erziehung der „Sozialistischen Persönlichkeit“ nützlich sein könnte, durchaus verbreitet war, fanden Überlegungen, inwieweit Kunst zur kulturellen Integration eines Sozialistischen Weltsystems beitragen könnte, weniger Resonanz. So wurde 1978 auf der „Konferenz der Multilateralen Kommission sozialistischer Länder für Probleme der Kulturtheorie, Literaturund Kunstwissenschaften“ in Moskau die Frage aufgeworfen, warum die kulturellen Beziehungen hinter der fortschreitenden ökonomischen Integration des Sozialismus zurückblieben. Man müsse viel stärker erforschen, „wie sich auf dem Gebiet der Kultur die Dialektik von Nationalem und Internationalem entfaltet.“7 Die Herausbildung einer einheitlichen globalen sozialistischen Kultur wurde durch regelmäßigen Kulturaustausch zwischen den sozialistischen Ländern, durch Kunstbiennalen und Festivals wie Von manchen SED-Funktionären seien Stimmen zu hören wie: „Was hängt denn da wieder für entartete Kunst?“, klagten ostdeutsche Kunsthistoriker auf einer Tagung in den 1970er Jahren. Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) MfS HA XX Nr. 12849 Bl. 349 f. 4 Ulrich Pfeil, „Zentralisierung und Instrumentalisierung der auswärtigen Kulturpolitik der DDR. Ein anderer Aspekt der Frankreichpolitik der DDR 1949–1973“, in: Heiner Timmermann (Hg.), Die DDR – Analysen eines aufgegebenen Staates, Berlin 2001, S. 621–642, hier: S. 629 f. 5 Das Jugendgesetz der DDR, verabschiedet am 28.1.1974 von der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik. Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik 1974, Teil I, S. 45. 6 Erhard John, Arbeiter und Kunst: Zur künstlerisch-ästhetischen Erziehung der Werktätigen im Sozialismus, Berlin 1973, S. 75 und 131. 7 Hans Koch, „Die Entwicklung der sozialistischen Kultur und die Probleme der Erziehung des Neuen Menschen“, in: Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED (Hg.), Tagungsband der Konferenz der Multilateralen Kommission sozialistischer Länder für Probleme der Kulturtheorie, Literaturund Kunstwissenschaften“ am 28.11.1978 in Moskau, Berlin 1979, S. 114–133, hier S. 130. 3
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den „Weltspielen der Jugend und Studenten“ oder dem „Festival des politischen Liedes“ gefördert, an denen regelmäßig auch Vertreter des Globalen Südens teilnahmen. Die Kulturpolitik der DDR war insgesamt als Ergebnis eines hierarchischen und bürokratischen Anweisungs- und Zuteilungsverfahrens zu verstehen, bei der die Kontrolle durch eine parallele Parteistruktur dem Kulturbetrieb kaum eine Nischenbildung erlaubte. Es galt die Prämisse, dass wahre Kultur nur in der sozialistischen Gesellschaftsordnung möglich sei. Entsprechend wurde abwertend von einer westlichen Pseudokultur gesprochen, deren Vielfalt und Vitalität als letzte Scheinblüte eines todgeweihten imperialistischen Systems zu interpretieren sei, und die bereits von „Kulturverfall, Kulturpessimismus, Neonazismus und Militarismus“ überschattet werde.8 Gegenüber dem Westen betrieb man also in der Hochphase des Kalten Krieges eine antagonistische Kulturpolitik, setzte auf Konfrontation und Wettbewerb. Während in den Kulturbeziehungen zu östlichen Ländern und zu befreundeten Volksrepubliken im Globalen Süden jährlich vertragsgemäße „Maßnahmepläne“ umgesetzt wurden, galten im Westen kulturpolitische „Operativpläne“, die den aktuellen politischen Bedingungen unterlagen.9 Dies lag daran, dass die meisten westlichen Länder die DDR in den ersten zwanzig Jahren ihrer Existenz nicht als Staat anerkannten. Sie nahmen Rücksicht auf ihren Bündnispartner Bundesrepublik, der 1955 die Aufnahme der DDR in die UNESCO verhindern und andere Staaten mithilfe der Hallsteindoktrin davon abhielt, diplomatische Beziehungen zur DDR aufzunehmen. Die Doktrin wurde von 1955 bis 1969 angewendet und besagte, dass die diplomatische Anerkennung der DDR durch dritte Staaten automatisch als „unfreundlicher Akt“ gegenüber der Bundesrepublik betrachtet werde und wirtschaftliche oder diplomatische Sanktionen gegen diese Drittstaaten nach sich ziehen werde. Entsprechend reserviert verhielten sich blockfreie Staaten und gerade unabhängig gewordene Entwicklungsländer, die auf Hilfe von der Bundesrepublik hofften oder bereits angewiesen waren. So versuchte die DDR auf Nebengleisen zu internationaler Aufwertung zu kommen. Bis 1965 war sie in über hundert nichtstaatliche internationale Organisationen aufgenommen worden, darunter auch in die prestigeträchtige Olympische Bewegung.10 Auch im Bereich der Kunst wurden ähnliche Schritte unternommen, 1966 konnte beispielsweise die Aufnahme in den internationalen Kunstkritikerverband AICA erreicht werden. In den 1950er und 1960er Jahren war die Westpolitik der DDR auf befreundete kommunistische Organisationen, Parteien und sympathisierende Einzelpersonen angewiesen. Teilweise wurden unverlangt Broschüren und Druckerzeugnisse an strategisch ausgewählte Zielpersonen, die man für geeignete Multiplikatoren hielt, versendet. Im Archiv der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) befindet sich beispielsweise eine Auflistung westlicher Professoren, Künstler oder Gewerkschaftler mit Vermerken zu ihrer politischen Gesinnung und ihrem gesellschaftlichen Einfluss. Diesen wurde dann das HGB-DruckerBeschluss des Staatsrates über den Charakter sozialistischer Kulturpolitik, 22.1.1969. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde (BArch) DR 1 Nr. 8798. 9 9. Sitzung der Kommission für kulturelle Beziehungen zum Ausland, MfAA 19.2.1960. BArch DY IV 2/9.06/73. 10 Uta Balbier u. a. (Hg.), Umworbener Klassenfeind. Das Verhältnis der DDR zu den USA, Berlin 2006, S. 12. 8
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zeugnis Zum neuen Jahr 1952 zugeschickt.11 Doch auch in umgekehrter Richtung wurde der Postweg für Propaganda benutzt. So beklagte sich der HGB-Rektor Albert Kapr bei einem Braunschweiger DDR-Sympathisanten, er erhalte „laufend von fingierten Adressen aus Westdeutschland sehr hässliche politische Schriften“ und habe volles Verständnis für eine strenge Postkontrolle seitens der DDR.12 Schweizer Diplomaten tauschten sich 1960 über die Tatsache aus, dass „auch die scheinbar unpolitischsten Veranstaltungen zur Unterstützung der vom kommunistischen Regime in Ostdeutschland verfolgten Ziele und zu seinen außenpolitischen Aspirationen ausgeschlachtet“ würden: „Namentlich Besuche ausländischer Wissenschaftler werden mit Vorliebe propagandistisch zur Aufwertung des internationalen Ansehens der DDR missbraucht.“13 1964 wurde der Plan gefaßt, die „kulturellen Potenzen“ der DDR noch stärker und systematischer für die Außenpolitik einzusetzen, erklärte Ziele waren: Darstellung der „überlegenen“ künstlerischen Leistungen der DDR, Pflege des kulturellen Erbes, Unterstützung junger Nationalstaaten beim Aufbau einer eigenen Nationalkultur.14 Die außenpolitische Wende ergab sich, als die Alliierten Siegermächte am 3. September 1971 ein Abkommen über den Status von Westberlin unterzeichneten und sich die Bundesrepublik entschloss, ihren deutschlandpolitischen Alleinvertretungsanspruch im Rahmen eines „Vertrages über die Grundlagen der Beziehung zur DDR“ aufzugeben. Im folgenden Jahr wurden beide deutsche Staaten in die UNO aufgenommen und nahmen an der KSZE-Konferenz in Helsinki teil. Die DDR wurde 1973 als 133., die BRD als 134. Staat in die UNO aufgenommen. Die DDR wurde zuerst aufgenommen, weil sie den Aufnahmeantrag schneller eingereicht hatte – ein symbolischer Erfolg.15 Es gelang der DDR bald, ihre internationalen Wissenschafts- und Kulturbeziehungen auf die offizielle zwischenstaatliche Ebene zu heben und auszubauen. Funktionäre der SED würdigten den „großen Anteil der Kultur an der Offensive des Sozialismus in den kapitalistischen Ländern.“ Allein im Herbst 1974 seien 8.000 Künstler aus der DDR in 72 Staaten bei der „Propagierung des Sozialismus“ engagiert gewesen, und, so wurde betont: „ausnahmslos alle sind zurückgekommen.“16 Die DDR hatte 1974 zur Feier des 25. Jahrestages ihrer Gründung etwa 180 Auslandsausstellungen durchgeführt. Im gleichen Jahr war sie Gastgeberin eines Kongresses, zu dem über 100 Mitglieder des internationalen Kunstkritikerverbandes AICA nach Dresden anreisten. 1982 fand auf der Wartburg eine Tagung des Internationalen Komitees für Kunstgeschichte (CIHA) statt – für das Archiv der HGB Leipzig. Schriftwechsel Rektorat mit Westdeutschland 1952–1972. Brief an den Grafiker Rolf Lemming 4.1.1968. Archiv HGB. Schriftwechsel Rektorat mit Westdeutschland 1952–1972. 13 Schreiben von Schweizer Diplomaten in Berlin an das Schweizer Generalkonsulat in Stuttgart 7.12.1960. Schweizer Bundesarchiv E 2200.56–03 Aktenzeichen K31. 14 Vorlage des MfK über die Ausnutzung der kulturellen Potenzen der DDR in der Auslandsinformation für das Politbüro (24 S.) 21.8.1964. BArch DR 1 Nr. 8651. 15 Mathias Stein, Der Konflikt um die Alleinvertretung und Anerkennung in der UNO. Die deutsch-deutschen Beziehungen zu den Vereinten Nationen von 1949 bis 1973, Göttingen 2011, S. 165. 16 Ursula Ragnitz (Kulturabteilung beim ZK der SED), „Die Aufgaben zur weiteren Entwicklung der internationalen Beziehungen des VBK und zur internationalen Repräsentation der Kunst der DDR“, Tagung des Zentralvorstandes des VBK 3.4.1975, S. 34. Stiftung Archiv der Akademie der Künste Berlin (SAdK), VBK Zentralvorstand Nr. 5744. 11 12
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internationale Ansehen der DDR-Kunstgeschichtsschreibung ein guter Erfolg.17 Einige Spezialabkommen wurden mit westlichen Staaten geschlossen, so z. B. 1975 über einen Wissenschaftleraustausch mit den USA, wenngleich sich die Verhandlungen mit einigen westlichen Staaten über Kulturabkommen lange hinzogen.18 Organisationen und Konzepte in der Auswärtigen Kulturpolitik der DDR
Die Auswärtige Kulturpolitik der DDR wurde zentralistisch geplant und von verschiedenen Institutionen synchron umgesetzt. Maßgebend dafür waren die politischen Entscheidungen im Zentralkomitee (ZK) der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), d. h. in den jeweiligen ZK-Abteilungen für Kultur, Internationale Verbindungen, Agitation, Propaganda und Auslandsinformation, die in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Kultur (MfK) und der Abteilung für kulturelle Auslandsbeziehungen des Außenministeriums agierten. In den Führungsgremien der SED und im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) wurde die außenpolitische Linie vorgegeben, während das MfK und andere Institutionen den Kulturaustausch praktisch umsetzten. Wie im Herrschaftssystem der DDR insgesamt, lag auch hier eine Doppelung der Machtstruktur vor. Alle ausführenden Organe des Staates, wie die Ministerien, wurden im Parteiapparat gespiegelt und von den entsprechenden Abteilungen und Funktionären kontrolliert. Laut DDR-Verfassung waren die Mitglieder des ZK den Ministern übergeordnet, die ZK-Sekretäre und Abteilungsleiter waren gegenüber den staatlichen Ministern weisungsbefugt. Von 1958 bis Mitte der 1970er Jahre bildete die Kommission für kulturelle Beziehungen zum Ausland, die beim MfAA angesiedelt war, das Gremium, bei dem die Fäden der Auswärtigen Kulturpolitik zusammenliefen. Hier wurden Pläne für Kulturbeziehungen zu einzelnen Ländern erarbeitet, finanziert und kontrolliert. Durch die Zusammensetzung der Kommission sollte eine Vernetzung der Körperschaften, die an internationalen Kulturbeziehungen beteiligt waren und die Kontrolle durch die Partei gewährleistet werden.19 Ab Mitte der 1970er verlor die Kommission als zentrale Instanz an Bedeutung, weil die kulturellen Auslandsbeziehungen nun über spezialisiertere Organisationen abgewickelt wurden. Einige Organisationen dienten in der Zeit vor der internationalen Anerkennung der DDR als diplomatische Türöffner, so etwa die Liga für die Vereinten Nationen, die die Beitrittsbereitschaft der DDR zur UNO demonstrieren sollte. Die Gesellschaft für kulturelle Verbindungen mit dem Ausland war 1952 mit dem Ziel gegründet worden, die kulturelle AußendarGespräch des Autors mit Peter H. Feist, Berlin 18.12.2007. Der Kunstwissenschaftler Feist war zwischen 1968 und 1981 Direktor der Kunsthistorischen Institutes der Humboldt-Universität. Später leitete er das Institut für Ästhetik und Kunstwissenschaften der Akademie der Wissenschaften. 18 Horst Sindermann, Vorsitzender des Ministerrates, Vorlage zur Aufnahme von Verhandlungen über Kulturabkommen mit Frankreich, Großbritannien, USA, Belgien, Italien, Schweden, Dänemark u. a. 16.2.1976. BStU MfS ZAGG Nr. 1430, Bl. 4. 19 „Ordnung über die Vorbereitung, Durchführung und den Abschluß von Kulturabkommen, Kulturarbeitsplänen und Maßnahmeplänen für die Entwicklung kultureller Beziehungen mit dem Ausland. Beschluss des Ministerrates 122/5/63 vom 7.2.1963.“ Politisches Archiv im Auswärtigen Amt Berlin (PA AA) MfAA MR-A/11 Bd. 2. 17
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stellung der DDR im sozialistischen Ausland zu sichern. Sie wurde zur Dachorganisation einer Reihe von binationalen Freundschaftsgesellschaften. Diese Funktion übernahm ab 1961 die Liga für Völkerfreundschaft. Obwohl die Liga in enger Abstimmung mit der ZK-Abteilung für Kultur und dem Außenministerium agierte, konnte sie im Ausland als nichtstaatliche Organisation auftreten und durch den Abschluss von Verträgen mit Partnerorganisationen dazu beitragen, die Hallsteindoktrin zu unterlaufen. Die Gründung und Unterstützung von Sympathisantenvereinigungen im Ausland, für die gelegentlich überparteiliche Persönlichkeiten des kulturellen Lebens gewonnen werden konnten, verlief recht erfolgreich, so dass bis zu den 1980er Jahren DDR-Freundschaftsgesellschaften in 48 Staaten etabliert werden konnten, u. a. in wichtigen blockfreien Ländern wie Indien oder in wohlhabenden neutralen Staaten wie Schweden und der Schweiz, die als Drehscheiben der internationalen Diplomatie galten.20 Für den Austausch im Bereich der bildenden Kunst waren der Berufsverband bildender Künstler der DDR (VBK) die Künstleragentur der DDR und das Zentrum für Kunstausstellungen (ZfK) zuständig. Der VBK war 1950 als Zwangsinnung für alle bildenden Künstler eingerichtet worden. Die Leitung wurde im Abstand von vier Jahren unter Einflussnahme der Parteiorgane bestimmt. Willi Sitte (1921–2013) prägte als führender Künstler und Kulturfunktionär in den 1970er und 1980er Jahren den Verband. 1970 wurde er Vizepräsident, von 1974 bis 1988 amtierte er als Präsident, 1976 bekam er einen Sitz in der Volkskammer, dem Scheinparlament der DDR, und 1986 wurde er ins ZK der SED berufen. Zudem war er mit seiner Kunst in Ausstellungen und Medien stark präsent. Er darf ohne Zweifel als Staatskünstler der DDR bezeichnet werden, dessen Stil gleichwohl zu Lebzeiten kontrovers beurteilt wurde.21 Die Vorgaben der SED-Kulturpolitik wurden unter den VBK-Mitgliedern zwar relativ offen diskutiert, doch blieb der Verband insgesamt loyal. Für die Mitgliedschaft war ein mehrjähriger Kandidatenstatus obligatorisch. Nur die Vollmitgliedschaft führte zur Berechtigung, als freiberuflicher Künstler in der DDR tätig zu sein. Rebellische Geister und Künstler, die in westlich-modernistischer Manier arbeiteten, wurden auf diese Weise ins Abseits manövriert. Sie konnten allenfalls privat arbeiten und mussten sich Tarnberufe zulegen, um der Strafverfolgung als sogenannte Asoziale zu entgehen.22 Der VBK betrieb auch eine eigene Außenpolitik: Er unterhielt vertraglich fixierte Beziehungen zu den Künstlerverbänden anderer Staaten, hauptsächlich der Ostblockstaaten und befreundeter Drittweltstaaten, aber auch zu linksorientierten Künstlerverbänden westlicher Länder. Diese Verträge beinhalteten den Austausch von Ausstellungen und Delegierten, geDie „Gesellschaft DDR-Schweiz“ beispielsweise bot betreute Reisen für Studenten (Hochschulferienkurse), Journalisten und interessierte Bürger an, organisierte Vorträge, Konzerte und Ausstellungen von ostdeutschen Funktionären, Musikern und Künstlern in der Schweiz. Schweizer Sozialarchiv Zürich Ar 201.250.1/2. 21 So lautete eine volkstümliche Redensart: „Lieber vom Laster gezeichnet als von Sitte gemalt.“ Nach Andreas Hüneke, „Am Schaltpult. Versuch über Willi Sitte“, in: Günther Feist, Eckhardt Gillen, Beatrice Vierneisel (Hg.), Kunstdokumentation SBZ/DDR 1945–1990. Aufsätze. Berichte. Materialien, Köln 1996. S. 558–563, hier: S. 561. 22 Deutscher Bundestag, Referat Öffentlichkeitsarbeit (Hg.), 35. Sitzung der Enquetekommission ‚Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur, Öffentliche Anhörung zu Kunst und Kultur in der DDR, Bärbel Boley, „Zensur in der Malerei“ 4.5.1993, S. 65 ff. 20
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meinsame Plenairs und Kontakte der Redaktionen von Kunstzeitschriften. 1985 gab es vertragliche Beziehungen zu Künstlerverbänden aus fünfzehn Staaten sowie zur Palestine Liberation Organization (PLO) und Sozialistischen Einheitspartei Westberlins. 67 Auslandsausstellungen organisierte der VBK allein in jenem Jahr.23 Der VBK wählte in Absprache mit Institutionen des Gastlandes unter seinen Mitgliedern Künstler aus, die die DDR bei Auslandsausstellungen vertreten durften. Alle wichtigen Entscheidungen mussten dabei von SED-Funktionären genehmigt werden. Im Vorfeld der Auslandsausstellungen legten Vertreter der Partei, des MfK und des VBK die Künstlerlisten fest. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) suchte regelmäßig den Kontakt zum VBK, um den politisch-kämpferischen Charakter der Organisation sicherzustellen. Dabei wurde gewarnt, es gäbe die „Absicht äußerer und innerer feindlicher Kräfte, die bildenden Künstler zu missbrauchen, um politische Untergrundarbeit zu organisieren.“ Wichtig sei daher die verstärkte ideologische Arbeit im Verband, die strikte Auswahl zuverlässiger Reisekader und ein Mentorenprogramm für „schwankende und vom Feind beeinflusste Künstler.“24 Für die Gastspiele ostdeutscher Künstler im Ausland wurde 1960 die Künstleragentur der DDR gegründet, zunächst vor allem für E-Musik und für die großen Orchester. Viele Schauspieler, Maler, Schriftsteller, Artisten, Musiker, Schlagersänger wünschten auch im Westen aufzutreten, und der DDR-Führung war es recht, wenn damit einerseits das Image als Kulturstaat aufgebessert, andererseits Devisen erwirtschaftet werden konnte. Mehrere hundert Künstler erhielten Dauervisa, und ihr Reiseverkehr in den Westen nahm in den 1980er-Jahren deutlich zu. Die DDR eröffnete zudem eine Reihe von Kultur- und Informationszentren (KIZ), unter anderem in Paris, Stockholm und einigen arabischen und afrikanischen Städten. Hier fanden Sprachkurse, Seminare, wissenschaftliche und politische Vorträge, Konzerte und Kunstausstellungen statt. Die chronische Devisenknappheit begrenzte allerdings die Wirkung dieser Zentren. Um den Austausch von Kunstausstellungen professioneller bewerkstelligen zu können, wurde 1973 das Zentrum für Kunstausstellungen gegründet, das als Auftragnehmer des Ministeriums für Kultur Ausstellungen von DDRKünstlern im Ausland durchführte oder ausländische Ausstellungen empfing.25 Hier arbeiteten ab 1974 sechs Kunsthistoriker in einer relativ freien, unpolitischen Atmosphäre, wie sich der ehemalige Mitarbeiter Hans Joachim Schirmbeck erinnerte.26 Zum Aufgabengebiet gehörten die Übersendung von DDR-Beiträgen für große internationale Ausstellungen sowie die Organisation von repräsentativen Überblicksschauen und von leicht transportablen Genre-, Plakat- und Reproduktionsausstellungen. Die Bereiche Malerei, Graphik, Fotographie, Bühnenbild, Denkmalpflege und Industriedesign waren dabei vertreten. In den 1980er Jahren hatte das ZfK etwa 90 Mitarbeiter, die jährlich über 10.000 Kunstwerke der Öffentlichkeit zugänglich machten und zudem die Kunstausstellung der DDR in Dresden organisatorisch betreuten.27 Unter den jährlich SAdK VBK ZV Nr. 41/2. Vermerk des MfS über ein Treffen mit Sitte, 27.3.1984. BStU MfS XX Nr. 12852, Bl. 27. In den Ausstellungsdirektiven des Ministeriums wurde stets nach der „kulturpolitischen Zielstellung“ und der anschließenden kulturpolitischen Auswertung der Ausstellung gefragt. BArch DR 1 Nr. 8177. 26 Schirmbeck im Gespräch mit dem Autor, Berlin, 12. November 2005. 27 Presseerklärung vom 22.9.1988: 15 Jahre ZfK. BArch DR 123 Nr. 321. 23
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etwa 130 Auslandsausstellungen des ZfK waren 50 reine Kunstausstellungen.28 Zwar besaß das ZfK einen gewissen inhaltlichen Spielraum, Vertretern des ZK, des MfK und des MfAA blieb allerdings die Abnahme der reisefertigen Ausstellungen vorbehalten. Das Afroasiatische Solidaritätskomitee der DDR (AASK)29
Das Komitee war eine gesellschaftliche Organisation, die Entwicklungshilfe leistete, zugleich aber auch der Unterstützung der DDR-Außenpolitik und der Politisierung der DDR-Bevölkerung diente. Es wurde am 22. Juli 1960 als Solidaritätskomitee für Afrika gegründet. Im Juli jenes „afrikanischen Jahres“, in dem zahlreiche Nationen ihre Unabhängigkeit erlangten, wurden namhafte Persönlichkeiten und Afrikaexperten der DDR eingeladen, an der Gründungsversammlung teilzunehmen, u. a. auch der renommierte Chemiker Robert Havemann, der unlängst eine ausgedehnte Afrika-Reise unternommen hatte.30 Im gleichen Jahr war anlässlich der Leipziger Frühjahrsmesse eigens für afrikanische Gäste eine politische Zusammenkunft abgehalten worden unter der Losung „Für Einheit und Freiheit der afrikanischen Völker.“ Acht Redner wurden dazu eingeladen, die DDR als Partnerin der jungen afrikanischen Nationen ins Spiel zu bringen.31 1964 erweiterte das Komitee seinen Wirkungsbereich auf Asien (Schwerpunkt Vietnam) und 1973 auf Lateinamerika (Schwerpunkt Chile). Das Solidaritätskomitee wurde vom ZK der SED, Abteilung Internationale Verbindungen, gesteuert und diente auch als Kommunikationskanal zu diversen Befreiungsbewegungen. Neben der diskreten Abwicklung von Militärhilfe für diese Bewegungen stand der Bau von Berufsausbildungsstätten, Krankenhäusern und Infrastrukturprojekten in linksorientierten und blockfreien Ländern im Vordergrund. Größtes Projekt war das Krankenhaus Carlos Marx in Managua, wo zeitweilig 95 Helfer im Einsatz waren, darunter 22 Ärzte und 24 Krankenschwestern.32 Militante Befreiungsbewegungen und politische Gefangene wurden durch Kampagnen unterstützt. Tausende Angehörige von Befreiungsbewegungen und Bürgern junger Nationalstaaten erhielten eine Ausbildung oder ein Studienstipendium in der DDR. Kämpfer wurden mithilfe des MfS für den Partisanenkrieg ausgebildet, Verwundete in DDR-Krankenhäusern versorgt. Die Kosten dafür trug zu großen Teilen das Solidaritätskomitee, welches sich aus Spenden der DDR-Bevölkerung finanzierte, vor allem durch kollektive Spendenaktionen in Betrieben und Gewerkschaften. Im Zeitraum 1975 bis 1989 erhielten Befreiungsbewegungen in erheblichem Umfang Geldmittel, Materiallieferungen und Solidaritätsleistungen: Der African National Congress bekam rund 50 Mio. DDR-Mark, die Southwest African People’s Organization knapp 110 Mio., Angola 238 Mio. und Mosambik 277 Mio. Allein im Jahr 1988 brachte das SolidaritätskomiWolfgang Polak, „Bilanz und Ausblick“, in: ZfK (Hg.), 15 Jahre ZfK, Berlin 1988, S. 4. Rechtsnachfolger ist der Solidaritätsdienst International e. V. (SODI) mit Sitz in Berlin. BArch DZ 8. Einladung des Initiativ-Ausschusses an Robert Havemann, Berlin 16.7.1960. Robert-Havemann-Archiv Berlin RH 014, Bd. 43–46. 31 Einladung des MfAA an Robert Havemann, Berlin 27.2.1960. Havemann-Archiv RH 014, Bd. 43–46. 32 BArch DZ 8 Nr. 299. Vgl. a.: Hermann Schaller, „Das Hospital Carlos Marx“, in: Erika Harzer u. a. (Hg.), Aufbruch nach Nikaragua. Deutsch-deutsche Solidarität im Systemwettstreit, Berlin 2008, S. 36–50. 28 29 30
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tee Spenden in Höhe von 11,7 Mio. DDR-Mark auf. Bereits seit 1967 lieferte die DDR militärische Ausrüstung an Befreiungsbewegungen in Afrika, vor allem ältere Waffen aus Depot- und Wehrmachtsbeständen.33 Die internationale Solidarität mit linken und nationalistischen Parteien, Persönlichkeiten und Befreiungsbewegungen sollte auch die Bevölkerung der DDR politisieren und die Integration der sozialistischen Gesellschaft voranbringen. Dazu wurden Konferenzen, Vorträge, Ausstellungen und Spendenaktionen initiiert. Die Solidaritätsbewegung sollte innerhalb der DDR als vorbildhaft dargestellt werden, wurde aber auch selbst zum Gegenstand der Auswärtigen Kulturpolitik der DDR. Zu diesem Zweck wurden Ausstellungen konzipiert, die in der DDR, in ihren ausländischen Kulturzentren oder bei anderen Gelegenheiten im Ausland gezeigt wurden. Beispielsweise bereitete das AASK 1972 eine Ausstellung über die Solidarität der DDR mit den afroasiatischen Völkern für das Kulturzentrum der DDR in Damaskus vor. Derartige Aktivitäten sollten Rückkoppelungs- und Verstärkereffekte für die Solidaritätsbewegung innerhalb des östlichen Lagers und befreundeter Staaten hervorrufen, und die SED sah die Möglichkeit, im Rahmen dieser internationalen Solidaritätsbewegung das Image der DDR zu verbessern.34 Auch Wanderausstellungen wie „Grafik 1917–77“ sollten dazu beitragen. Die Schau, die zum 60. Jahrestag der Oktoberrevolution 60 Fotoreproduktionen politischer Kunst zeigte, tourte 1977 in Angola, Mali, Tansania, Guinea-Bissau und in weiteren Ländern Lateinamerikas und Europas.35 Die beide in Berlin veranstalteten Ausstellungen „Kampf gegen Rassismus, Apartheid und Kolonialismus“ (Frühjahr 1974) und „Kampf gegen Rassismus und Apartheid im Süden Afrikas“ (Frühjahr 1978) zeigten Karikaturen, Plakate, Grafiken, Plastiken und zielten auf das Publikum in der DDR, während jene 80 Arbeiten von DDR-Künstlern (und Hobby-Künstlern), die unter dem Motto „Gegen den Rassismus in Südafrika“ im Sommer 1978 im Genfer UNO-Palast und anschließend in der Großen Eingangshalle im UNO-Gebäude in New York ausgestellt waren, die internationale Öffentlichkeit für die DDR einnehmen sollten. Durch eine „Schule der Solidarität“, die afrikanischen Journalisten in der DDR offen stand, sollte eine wirkungsvolle internationale Medienarbeit ermöglicht und die Bindungen an die DDR verstärkt werden.36 Eine Gallionsfigur der ostdeutschen Solidaritätsbewegung war der amerikanische Sänger und Schauspieler Dean Read (1938–1986) gewesen, der sich 1972 in der DDR niederliess und dort eine zweite Karriere als „Johnny Cash des Kommunismus“ startete. Dean reiste zu linken Festivals in der ganzen Welt, sang für die PLO oder für die Sandinisten Nikaraguas und schrieb sogar ein Drehbuch für einen Film, der die Belagerung des palästinensischen Flüchtlingslager Tell Zaatar während des libanesischen Bürgerkriegs zum Gegenstand haben sollte.37 Norman Adler, DDR in Äthiopien und späte Lügen, Berlin 2013, S. 11. BArch DZ 8 Nr. 180. BArch DR 123 Nr. 472. 36 Ulrich van der Heyden, GDR-International Development Policy Involvement. Doctrine and Strategies between Illusions and Reality 1960–90. The example South Africa, Münster 2014, S. 194. 37 Die Belagerung und Stürmung des Lagers durch christliche Milizen im Jahr 1976 wurde als „Massaker von Tell Zataar“ bekannt. Anne Martin, Grenzgänger des Rock. Dean Read, Udo Lindenberg und die DDR-Kulturpolitik, Erfurt 2015, S. 41. 33 34 35
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Abb. 5. Der Hunger als Thema der Kunst: Mankeu Valente Mahumane „O Mãe tenho Fame“ Tuschzeichnung 1975. Aus dem Besitz der Liga für Völkerfreundschaft. Heute Grassi Museum für Völkerkunde Leipzig.
Das Afroasiatische Solidaritätskomitee der DDR (AASK)
Die Solidaritätsbewegung war nur zum Teil ein von oben in Gang gesetztes politisches Phänomen. Auch unabhängig von der weltpolitischen Orientierung der SED und ihren jeweiligen Kampagnen existierte in der DDR-Bevölkerung ein Gefühl für internationale Solidarität. Unabhängig von der SED formierten sich in den 1980er Jahren entwicklungspolitische Initiativen, oftmals in kirchlichen Kreisen. So entstand 1986 in Halle und Jena auf Initiative von Thomas Grund, Andreas Ilse und Harry Zöller die Gruppe „Künstler für Andere“, um mithilfe einer Veranstaltungsreihe Spenden für Solidaritätsprojekte sammeln zu können. Wichtig war ihnen, die Spendensammlung nicht über das offizielle Solidaritätskomitee laufen zu lassen, sondern selbst Projekte auszuwählen, denen Geld und Sachspenden direkt zugute kommen sollten.38 Künstler für Andere war in der oppositionellen Szene der Stadt Jena gut vernetzt und unterhielt Kontakte zur Berliner Aktionsgruppe „Künstler in Aktion – gegen den Hunger in Afrika.“39 Die Projekte in Entwicklungsländern, die sie unterstützten, entstammten einer Liste des kirchlichen Arbeitskreises „Information-Koordination-Tagungen zu Problemen der Zweidrittelwelt“ in Berlin. Dazu gehörte die Unterstützung eines Gesundheits- und Erziehungszentrums der SWAPO in Cuanza Sul (Angola) oder die Aufführung des Theaterstücks Aloen des südafrikanischen Schriftstellers Athol Fugard in Simbabwe. Künstler für Andere nutzte die Infrastruktur der Evangelischen Kirche in Jena.40 Im SWAPO-Lager Cuanza Sul ergab sich die eigenartige Situation, dass sich dort sowohl westliche als auch sozialistische Entwicklungshilfeprojekte in direkter Konkurrenz einfanden, und dass dort sowohl das offizielle Solidaritätskomitee als auch unabhängige Initiativen aus Ostdeutschland engagiert waren. Ein herausragendes Ereignis war das ostdeutsche Engagement für Angela Davis, der „Heldin des anderen Amerikas“. Die afroamerikanische Bürgerrechtsaktivistin war 1970 der Mittäterschaft bei einer Geiselnahme bezichtigt worden und wurde im Zuge einer internationalen Solidaritätskampagne zur Symbolfigur linker und zugleich schwarzer Radikalität. Auch im ganzen Ostblock kam es zu Sympathiebekundungen, „weil ihre Haut schwarz und ihr Herz rot ist“, wie es ein Funktionär der Nationalen Front der DDR formulierte.41 Nach ihrem Freispruch reiste Davis mehrmals in die DDR, u. a. um sich für die starke Solidaritätskampagne zu bedanken. Am 11. September 1972 begrüßten sie statt der erwarteten 2.000 über 50.000 überwiegend junge DDR-Bürger am Flughafen Schönefeld, ein Zeichen dafür, dass „deren Begeisterung für Davis über den Rahmen der verordneten Solidarität hinauszugehen schien.“42 Nicht nur Kundgebungen und die Postkarten-Aktion „Eine Million Rote Rosen für Angela“, hatten dazu geführt, dass die Kampagne in der DDR-Bevölkerung außergewöhnlich gut ankam; dazu Künstler für andere sammelte beispielsweise 1984 Geld für die „Initiativgruppe Hoffnung Nicaragua“ und 1986 für das SWAPO-Flüchtlingslager Cuanza Sul. Havemann-Archiv RG/T 02, Bl. 2. 39 Die Gruppe engagierte sich in den Jahren 1986 bis 1988 u. a. für das SWAPO-Flüchtlingslager Cuanza Sul, den „Nationalen Christenrat in Mosambik“ und für Schulen in Nicaragua. Havemann-Archiv RG/B 21, Bl. 16 und 36. 40 Katharina Kämpen (Thüringer Archiv für Zeitgeschichte Matthias Domaschk, Jena) per Email an den Autor, 19.5.2016. 41 Erich Correns, Solidaritätsbotschaft an Angela Davis 26.1.1972 BArch SAPMO DY 6 Nr. 3017. 42 Sophie Lorenz, „Heldin des anderen Amerikas. Die DDR-Solidaritätsbewegung für Angela Davis 1970– 1973“, in: Zeithistorische Forschungen 10 Nr. 1/2013, S. 38–60, hier S. 55. 38
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beigetragen hatten auch Kunst- oder Liederwettbewerbe, bei denen selbstkomponierte Lieder und selbstgefertigte Bildnisse die individuelle Identifikation mit Davis ermöglichten. Davis war vielleicht weniger ein Propagandainstrument, das der DDR im Ausland nutzte, sondern vielmehr ein integratives und vor allem vitalisierendes Element für die DDR-Solidaritätsbewegung selbst: „Aufgrund ihrer weltweiten Bekanntheit und ihres modischen Erscheinungsbildes, das die neue Lockerheit und den revolutionären Zeitgeist der protestierenden Jugend im Westen widerspiegelte, durfte Davis für die DDR-Jugend eine weitaus reizvollere Identifikationsfigur dargestellt haben als die grauen SED-Parteifunktionäre.“43
Abb. 6. Ein Mitglied des Plastikzirkels
Abb. 7. Erich Honecker beim FDJ-Freundschafts-
der Filmfabrik Wolfen bei der Arbeit
meeting mit Angela Davis (rechts)
an einer Plastik von Davis, Januar 1972.
am 11. September 1972 in Berlin.
Die internationale Solidarität verdeckte aber auch die Probleme, die die Präsenz von Tausenden von afrikanischen und asiatischen Schülern, Studenten und Vertragsarbeitern in der DDR erzeugte. Es bauten sich Spannungen im Verhältnis mit der einheimischen Bevölkerung auf, die sich gelegentlich in wüsten Massenschlägereien entluden. Fälle von Diebstahl und Vergewaltigung durch Ausländer, deren Hamsterkäufe und angebliche Besserversorgung vergifteten die Atmosphäre an manchen Orten. Alltagsrassismus und aggressive Frustration der ausländischen Männer über schlechte Arbeitsbedingungen und Isolation führten bisweilen zu Auseinandersetzungen in Jugendzentren, Diskotheken und auf öffentlichen Plätzen, bei denen es Verletzte und Tote auf beiden Seiten gab. Gruppen von Ausländern zeigten sich herausfordernd in den Innenstädten, nicht selten kam es auch zu Provokationen von rechtsorientierten Jugendlichen. Manche Schlägereien eskalierten und zogen sich tagelang hin. So im Falle des mosambikanischen Lehrlings Carlos Conceicao, der am 19. September 1987 in Staßfurt (Sachsen-Anhalt) in einen Fluss gestürzt wurde und ertrank, während zuschauende deutsche Jugendliche keine Hilfe leisteten. Nachweislich verbreiteten sich rechtsext43
Ebenda S. 59.
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reme und rassistische Einstellungen in der DDR-Jugend im Laufe der 1980er Jahre, ein Rechtsruck war trotz der offiziellen Antifa-Ideologie unverkennbar.44 Die DDR als Partnerin im Nation Building
Ungeachtet der bürokratischen Schwergängigkeit und kulturellen Biederkeit ihres Parteiapparates, und ungeachtet des überaltert und steif wirkenden Erscheinungsbildes ihrer Funktionärs-Führungsriege verstand sich die DDR als dynamische und junge Nation. Die SED konnte aber keine charismatischen, jungen und international ausstrahlenden Führer wie Fidel Castro, Gamal Abdel Nasser oder Patrice Lumumba ins Feld führen. Fast scheint es, dass sich die führenden SED-Funktionäre leihweise mit „Ausweichhelden“ umgaben, mit Sportlern, Künstlern oder eben Anführern ausländischer Befreiungsbewegungen, um von deren Ruhm und Attraktivität zu profitieren. Das langjährige Staatsoberhaupt der DDR, der wenig charismatische Generalsekretär des ZK und Staatsratsvorsitzende Erich Honecker, setzte u. a. auf den Raumfahrer Siegfried Jähn oder auf die Eiskunstläuferin Katharina Witt.45 Die SED-Führung zelebrierte die politische Freundschaft mit jungen Kämpfern und Funktionären von Befreiungsbewegungen, die in die DDR eingeladen oder vor Ort unterstützt wurden. Vielleicht war damit auch die Hoffnung auf einen Charisma-Transfer verbunden: Die bürokratisch früh erstarrte DDR imaginierte sich als junge Nation, die Moskauhörige SED als deutsche Befreiungsbewegung, in einer Front mit den jungen Nationalstaaten Afrikas und Asiens, brüderlich vereint im Kampf gegen die alten Kolonialmächte und den Rassismus des Westens. In gewisser Weise waren Angela Davis, Fidel Castro, Ho Chi Minh oder Samora Machel auch die Ausweichhelden des Politbüros. Antikoloniale und nationalistische Revolten erschütterten nach dem Zweiten Weltkrieg Afrika und den Nahen Osten: „Freie Offiziere“ putschten 1952 in Ägypten, 1954 stürzte die Militärdiktatur in Syrien, 1956 entbrannte der Aufstand in Algerien, im gleichen Jahr wurde der Sudan unabhängig. 1958 fand ein Umsturz im Irak statt, 1962 folgte eine antimonarchistische Revolte im Jemen, 1963 ergriff die Baath-Partei in Damaskus und in Bagdad die Macht. Antiwestliche Umwälzungen folgten im Südjemen, im Sudan, in Libyen. In Afrika wurden zahlreiche Staaten zwischen 1956 und 1963 unabhängig. Viele neue Regimes kündigten westliche Militärstützpunkte und nationalisierten Großgrundbesitz, Bergbau oder Ölförderung. Für den Ostblock ergab sich eine historische Chance, das Sozialistische Weltsystem nach Süden zu erweitern, vielleicht sogar eine strategische Überlegenheit zu erreichen. Auf verschiedenen Ebenen agierte die DDR in Afrika und Nahost als Juniorpartner der UdSSR und bemühte sich, durch umfangreiche Hilfe den Staatsaufbau, die Wirtschaft und Infrastruktur in den neuen Nationen voranzubringen. Im Zuge dieser Hilfe zum Nation Building spielten strateHarry Waibel, „Rassismus in der DDR“, in: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat Nr. 39 (2016), S. 111–130, hier S. 123. 45 Thomas Kunze u. a. „Arbeiterpräsident Wilhelm Pieck, Sozialismus-Baumeister Walter Ulbricht, Freizeit-Jäger Erich Honecker – Personenkult in der DDR“, in: Thomas Kunze u. a. (Hg.), Oh Du, geliebter Führer. Personenkult im 20. und 21. Jahrhundert, Berlin 2013, S. 135–149, hier: S. 144. 44
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gische Überlegungen eine wichtige Rolle. Die DDR konnte auf diese Weise die Hallsteindoktrin aushebeln und versuchen, nachhaltigen und langfristigen Einfluss auf die Wirtschaftspolitik der neuen Nationalstaaten zu nehmen, etwa, um sich Rohstoffe und Absatzmärkte zu sichern. Nicht nur durch Hilfe und Zusammenarbeit in den Bereichen von Technik, Wirtschaft und Verwaltung sollte Einfluss auf die Eliten der neuen Staaten gesichert werden, sondern auch durch Wissenschafts-, Kultur- und Ideologieexport. Kunst, Bildung und marxistische Schulung gehörten ebenfalls zum außenpolitischen Instrumentarium. Sogenannte Regierungsberater, die die DDR nach Ägypten, Syrien, dem Jemen oder Mosambik entsandte, hatten im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit auch den Auftrag, bei ihren Partnern marxistisches Gedankengut zu verbreitet. Ihre Wirksamkeit scheint jedoch oftmals überschätzt worden zu sein.46 In einigen Fällen wurden sie über die wahren Pläne und Probleme der Partnerregimes systematisch in Unkenntnis gehalten. So verstand es beispielsweise das äthiopische Militärregime, der Provisorische Militärverwaltungsrat (äthiopisch „Derg“), der DDR und anderen sozialistischen Bruderländern Einblicke in die eigene Planung zu verwehren. Es war primär an seiner Machtsicherung und weniger am Ideologieimport interessiert. Der Derg konnte seine Unabhängigkeit wahren und trotzdem weiterhin materielle Unterstützung des Ostblocks requirieren.47 In anderen Fällen mussten die Regierungsberater das Land nach politischen Richtungswechseln verlassen, so unter der Ägide von Anwar As-Sadat Ägypten und in der Ära Hafez Al-Assad Syrien. Es scheint, als ob sie weniger hinsichtlich der Ausbreitung marxistischen Denkens als zum Aufbau eines funktionierenden Staatswesens gefragt waren, wobei letztere Aufgabe aus Sicht der Partnerregimes weit dringlicher erschien.48 Ob die Hilfe der DDR zum Nation Building in Afrika und Nahost erfolgreich und nachhaltig war – diese Frage scheint die Geschichte bereits beantwortet zu haben. Nicht wenige Staaten, zu denen die DDR intensive sicherheitspolitische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen pflegte und deren Aufbau sie unterstützte, sind mittlerweile zerfallen und in Bürgerkriegen versunken: Syrien, Irak, Libyen, Jemen, Somalia, Sudan, Äthiopien oder Mali. Andere ehemalige Partnerstaaten stagnierten oder erstarrten unter autoritären und kleptokratischen Regimes wie Guinea oder Simbabwe. Doch waren weder der Untergang der DDR noch der Zusammenbruch ihrer arabisch-afrikanischen Partnerländer vorhersehbar. Im Gegenteil, die Zusammenarbeit erschien vor dem Hintergrund eines aufstrebenden Panarabismus und einer jungen, linksnationalistischen Elite in Nahost ebenso vielversprechend wie in Afrika, wo vielerorts panafrikanische Charismatiker an die Macht kamen und Wege zu einem „Afrikanischen Sozialismus“ gesucht wurden.
Gespräch des Autors mit Ulrich van der Heyden, Berlin 22.6.2016. Adler, DDR in Äthiopien S. 24. 48 Massimiliano Trentin, „The Regierungsberater in Damascus. The Expertise of the German Democratic Republic in Syrian State-building: 1965–1972“, in: Phoenix in Domo Foscari. Phoenix in Domo Foscari. The Online Journal of Oriental Studies, Nr. 2, S. 493–608 (online abgerufen 11.2.2010). 46 47
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Abb. 8. Margot Honecker mit „Ausweichheld“ Samora Machel. Am Treffen mit dem Präsidenten der VR Mosambik, der im März 1983 zu einem Arbeitsbesuch in die DDR gereist war, nahm auch die Leitung der Staßfurter „Schule der Freundschaft“ teil.
Der Realsozialismus erschien den neuen Eliten und jungen, machthungrigen Offizieren in den unabhängig geworden Nationen als attraktives Modell. Die Herrschaft einer Junta, abgestützt auf den Staatsapparat und eine Massenpartei, schien ihnen am besten dafür geeignet, eine effektive Verwaltung aufzubauen und ökonomische Großprojekte durchzusetzen. Auf diese Weise kamen zahlreiche linksnationalistische Militärregimes an die Macht. Die Sowjetunion setzte bei einer Zusammenarbeit stets auf die offizielle Armee eines Entwicklungslandes und weniger auf einzelne Milizen oder Parteien, selbst wenn diese sich als dezidiert marxistisch gaben. Allein der Armee wurde zugetraut, auch die wirtschaftliche Entwicklung in Richtung Sozialismus voran-
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zubringen – eine Politik, die auf Thesen des sowjetischen Dritte-Welt-Forschers G. I. Mirskij aufbaute.49 Rüstungshilfe und der Verkauf von wartungsintensiven Großwaffen ermöglichten eine intensive und dauerhafte Zusammenarbeit, vor allem schufen sie Abhängigkeiten. Schulungen von Offizieren in der DDR oder UdSSR, gemeinsame Manöver und die Präsenz von Militärberatern im Land festigten die Bindung und ideologische Einflussnahme. Die DDR bildete zahlreiche Militärs aus befreundeten afrikanischen und asiatischen Staaten aus, die stärksten Kontingente kamen aus der Volksrepublik Kongo (424), Vietnam (390), Syrien (355), Nikaragua (329), Libyen (283) und Mosambik (281).50 Das Modell einer Entwicklungsdiktatur wurde in den dekolonialisierten Ländern rasch populär. Mit ihrer Hilfe planten die neuen Eliten aus den multiethnischen Kolonialterritorien moderne Nationalstaaten zu formen. Zentralisierung, Modernisierung und Homogenisierung sollten quasi im Gleichklang durchgesetzt werden, wobei einerseits innere Widerstände überwunden wie andererseits äußere Feinde (darunter die alten Kolonialmächte) abgehalten werden mussten. Verwaltungsaufbau, Ausbau des Bildungssystems, Gründung von Massenmedien und Ausbildung von administrativen Kadern waren dringliche Aufgaben, bei denen die DDR zu assistieren bereit war. Die DDR leistete umfangreiche Hilfe beim Nation Building, indem sie Fach- und Führungskräfte der neuen Nationen in verwaltungstechnischen und kommunalpolitischen Lehrgängen ausbildete. Tagungen, wechselseitige Besuche von Kommunalpolitikern, Städtepartnerschaften, Kulturaustauschprogramme und Seminare am Weimarer Institut für Verwaltungspolitik festigten die Beziehungen der DDR zu den teilnehmenden Ländern und gehörten zur Strategie, durch Ausbildungshilfe in Afrika und Nahost einen sukzessiven Elitentausch herbeizuführen, der der DDR mehr Einfluss ermöglichen würde.51 In einigen Ländern Afrikas und des Nahen Ostens wurden zunächst, auch dank der Unterstützung durch die DDR und andere Ostblockstaaten, beim Aufbau der Verwaltung, des Gesundheits- und Bildungswesen, der Industrie und der Infrastruktur signifikante Fortschritte erzielt. Doch das starke Bevölkerungswachstum konterkarierte bereits in den 1970er und 1980er Jahren die errungenen Erfolge. Zudem stürzten Guerillabewegungen Länder wie Angola oder Mosambik in langanhaltende und verheerende Bürgerkriege. Viele Regierungen verfielen angesichts starker innerer und äußerer Widerstände zu repressiven Diktaturen, die nach und nach an Legitimation verloren. Ineffizienz, Planungsfehler und Korruption nahmen zu, nunmehr gedeckelt durch eine ubiquitäre Staatsideologie, einen ausufernden Führerkult und umfassende Geheimdienstpräsenz. In dieser Phase kam der DDR das zweifelhafte Verdienst zu, durch sicherheitspolitische Zusammenarbeit jene Diktaturen stabilisiert zu haben, die eine echte gesellschaftliche Weiterentwicklung Jahrzehntelang behinderten, bis sie im neuen Jahrtausend in Revolten und Bürgerkriegen untergingen. Dennoch würde es der historischen Erkenntnis nicht nutzen, wenn man die Kooperation der DDR mit den neuen afrikanischen und arabischen Staaten nur „vom Ende her“, nur im G. I. Mirskij, Dritte Welt: Gesellschaft, Macht, Armee, Moskau 1976. Klaus Storkmann, „30.000 DDR-Militärexperten im Afrikaeinsatz? Legenden und Wirklichkeit der DDR-Militärhilfe für die Dritte Welt“, in: Gerbergasse 18, 1/2015, S. 20–25, hier S. 24. 51 Wolfgang Schmidt-Streckenbach, „Zur Fortbildung von Fach- und Führungskräften aus Entwicklungsländern“, in: Deutsche Studien 24, 1986 Nr. 93, S. 26–46. 49 50
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Wissen um das spätere Scheitern betrachtet. Tatsächlich handelte es sich in den 1960er Jahren um eine historisch offene Situation, in der eine positive Zukunft möglich schien und in der sich viele Beteiligte mit großer Hoffnung und großem Enthusiasmus engagierten. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft kam auch in der Unterstützung der DDR für Befreiungsbewegungen zum Ausdruck, die sich damals noch in schwieriger Lage befanden. Manche der damaligen Bündnispartner der DDR besaßen noch keinen eigenen Staat, allenfalls die Kontrolle über Flüchtlingslager im Exil oder einen Protostaat in Bürgerkriegsgebieten. Hier unterstützte die DDR in der Hoffnung, einen künftigen Bündnispartner für den Fall zu gewinnen, in dem aus der Befreiungsbewegung eine Staatspartei würde. Als Beispiel für diese langfristige Strategie ist die South-West Africa People’s Organisation zu nennen. Die DDR galt als Hauptlieferant von Militärhilfe für diese Bewegung.52 Tatsächlich errang die SWAPO nach langem Kampf in Namibia die Macht, doch die DDR konnte von dieser Verbindung nicht mehr profitieren. Ironie der Geschichte: Während das Ende der DDR mit dem Mauerfall am 9. November 1989 eingeläutet wurde, fanden vom 7. bis 11. November die ersten freien Wahlen in der Geschichte Namibias statt. Wahlsieger wurde die SWAPO, die bis heute an der Macht ist. Auch der südafrikanische African National Congress (ANC), die Zimbabwe African Peoples Union (ZAPU) und die Zimbabwe African National Union (ZANU) wurden von der DDR unterstützt, diese Bewegungen erhielten quasi-diplomatische Vertretungen in Ostberlin. Ein wichtiges Instrument, zukünftige Eliten an die DDR zu binden, bestand in der Ausbildungskooperation. Im mecklenburgischen Teterow richtete die DDR ein Trainingslager ein, in dem mehr als tausend ANC-Kämpfer militärisch und politisch geschult wurden. Rund 2.000 Namibier kamen zu Ausbildungszwecken in der DDR, zudem wurden dort 400 namibische Flüchtlingskinder in einem Internat unterrichtet. Die Ausbildungskooperation wurde auch nach der Machtergreifung von Befreiungsbewegungen intensiviert. Die Frente de Libertação de Moçambique (FRELIMO) war von der DDR seit Beginn der 1960er Jahre unterstützt worden, 1975 kam sie an die Macht. 1982 wurde in Staßfurt in Zusammenarbeit mit der FRELIMO ein pädagogisches Projekt gestartet: 900 mosambikanische Kinder im Alter von 12 Jahren sollten in einem Internat zu „sozialistischen Persönlichkeiten“ erzogen werden, um später in ihrer Heimat den Aufbau des Sozialismus voranzutreiben. Bis 1988 bestand diese Einrichtung namens „Schule der Freundschaft.“ Kader aus den Sicherheitsapparaten Nikaraguas, Mosambiks oder der ZAPU wurden von Spezialisten des MfS geschult; insgesamt haben wohl knapp 2.000 Untergrundkämpfer und Angehörige von Parteiund Staatssicherheitsapparaten aus fünfzehn Nationen eine Ausbildung in der DDR erhalten.53 Enge Kontakte unterhielt die „Hauptverwaltung A“ des MfS u. a. zur Palestine Hans-Georg Schleicher, „Die Haltung der DDR zu Befreiungsbewegungen am Beispiel der SWAPO“, in: Siegfried Bock, Ingrid Muth, Hermann Schwiesau (Hrsg.), DDR-Außenpolitik im Rückspiegel, Berlin 2006 (Band 2) S. 116–135, hier: S. 125. 53 Akten zur MfS-Abteilung X (Internationale Verbindungen) finden sich beim BStU, etwa Nr. 45. Statistiken und Analysen über die Zusammenarbeit mit dem nicaraguanischen Sicherheitsdienst; Nr. 1129: Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsdienst der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) sowie mit den Sicherheitsdiensten von Mosambik, Tansania, Angola, Äthiopien, Nicaragua und vom Jemen 1986– 52
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Liberation Organization (PLO)54, zum Movimento Popular de Libertação de Angola (MPLA)55, zur FRELIMO56, zeitweilige Verbindungen gab es u. a. zur Frente Popular para la Liberación de Saguía el Hamra y Río de Oro (POLISARIO).57 „Wir übten Solidarität beim Aufbau einer sozial gerechten Gesellschaft in national befreiten Staaten. Und perspektivisch ging es natürlich um die weltweite Zurückdrängung und letztlich Überwindung der Ausbeutergesellschaft, des Imperialismus,“ erinnerte sich der Veteran Oberst a. D. Bernd Fischer.58 Die Unterstützung von Befreiungsbewegungen war mit außenpolitischen Risiken behaftet und musste so diskret wie möglich erfolgen. Als 1985 die Kontakte der DDR zur sahaurischen Befreiungsbewegungen POLISARIO bekannt wurden, brach Marokko die diplomatischen Beziehungen ab. Bei der Wahl potentieller Bündnispartner musste die DDR strategische Überlegungen walten lassen und sich auf den permanenten Wandel der Machtkoalitionen in Afrika und Asien einstellen, wie das Beispiel Eritreas zeigt, das damals noch zu Äthiopien gehörte. Eine linke Befreiungsbewegung nahm dort in den 1960er Jahren den Kampf auf und suchte Unterstützung im sozialistischen Lager. Während China und Kuba die Bewegung auch militärisch unterstützten und in Syrien und im Jemen Verbindungsbüros eingerichtet wurden, hielten sich die Sowjetunion und die DDR zurück, weil sie Äthiopien als wichtigste Regionalmacht nicht brüskieren wollten. Das Konsulat der DDR in Kairo berichtete im Herbst 1967 über den Besuch zweier Vertreter der Eritrean Liberation Front (ELF), die Kontakt zu SED-Funktionären wünschten, welche sich gerade in Ägypten aufhielten. Der Vizekonsul bedauerte, „auf die Dauer wird es schwierig sein, in Kontakt mit der Bewegung zu bleiben, sie aber mit Sympathieerklärungen für den antiimperialistischen Kampf zu vertrösten und so ihr Vertrauen zu enttäuschen.“59 Letztlich erwies sich diese Entscheidung aber als richtig, weil sich wenige Jahre später ganz Äthiopien dem sozialistischen Lager zuwandte, und der separatistischen Krieg noch Jahrzehnte weitergehen sollte. Es gab zwar Bemühungen der DDR, vor allem in Person von Werner Lambertz, SED-Politbüromitglied und Afrika-Koordinator der DDR, für eine Aussöhnung Äthiopiens mit der 1989; Nr. 236: Kontakte zu den Sicherheitsdiensten afrikanischer Staaten (Simbabwe, Benin und Guinea-Bissau) 1969, 1981–1983); Nr. 111: Zusammenarbeit mit den Sicherheitsdiensten der Mongolei, Ägyptens und Kongos 1969–1986; Nr. 104: Zusammenarbeit mit dem irakischen und dem syrischen Sicherheitsdienst 1969–1985; Nr. 234: Zusammenarbeit mit dem jemenitischen Sicherheitsdienst 1969– 1989; Nr. 333: Zusammenarbeit mit dem kapverdischen Sicherheitsdienst 1978–1979, 1984–1985; Nr. 239: Zusammenarbeit mit dem kongolesischen Sicherheitsdienst 1987–1989. 54 BStU MfS X Nr. 110. Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsdienst der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO). (Lehrgänge für PLO-Sicherheitskräfte in der DDR. 1975–1988). 55 BStU MfS X Nr. 332. Zusammenarbeit mit dem angolanischen Sicherheitsdienst. (Berichte der HV A zu Angola und zum angolanischen Sicherheitsdienst, medizinische Behandlung von Mitarbeitern des angolanischen Sicherheitsdienstes in der DDR, Vereinbarung über die Zusammenarbeit. (1978) 1980–1988). 56 BStU MfS X Nr. 89–90. Zusammenarbeit mit dem mosambikanischen Sicherheitsdienst. (Vertragliche Vereinbarungen über die gegenseitige Unterstützung, Berichte über den Besuch von Delegationen. 1978– 1989). 57 Oberst a. D. Bernd Fischer, Als Diplomat mit zwei Berufen. Die DDR-Aufklärung in der Dritten Welt, Berlin 2009, S. 66. 58 Ebenda S. 112. 59 BArch DZ 8 Nr. 171.
Die Rolle der marxistischen Ideologie als Bindemittel
Abb. 9. Festveranstaltung in Ludwigsfelde am 22. September 1985 anlässlich des 21. Jahrestages des Beginns des bewaffneten Kampfes der FRELIMO mit Festredner Ulrich Makosch, Journalist und Präsident der Freundschaftsgesellschaft DDR-VR Mosambik.
eritreischen Unabhängigkeitsbewegung, doch sie blieben erfolglos.60 Die ELF konnte sich überdies im Konflikt mit der konkurrierenden, ebenfalls marxistisch inspirierten Eritreischen Volksbefreiungsfront nicht durchsetzen. Heute, nach dem Erringen der Unabhängigkeit, gehört sie zur Opposition im Land. Die Rolle der marxistischen Ideologie als Bindemittel zwischen den Volksrepubliken und den Entwicklungsländern
„Wie einst europäische Missionare führen nach Afrika reisende SED-Politiker in ihrem Gepäck Devotionalien mit. Büsten, Bilder und Wandteppiche zum Ruhme der Götter des Marxismus sollen die Völker Afrikas in ihrem neuen Glauben bestärken.“61 Dieser Kommentar westlicher Beobachter aus dem Jahr 1980 hatte einen wahren Kern, stellte aber auch eine Übertreibung dar. Obwohl gelegentlich derartige Kunstobjekte von der
Adler, DDR in Äthiopien S. 19. Henning von Löwis of Menar, „Die DDR als Schrittmacher im weltrevolutionären Prozess“, in: Deutschlandarchiv 1/1980, S. 40–49, hier S. 41. 60 61
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DDR verschenkt wurden, etwa an die Führungen Sambias oder Äthiopiens62, gab es keine Massenverbreitung oder Massenanbetung von Marx- oder Lenin-Fetischen auf afrikanischem Boden. Statt eines gemeinsamen marxistischen Bildkultus stand eher das geschriebene und gesprochene Wort im Mittelpunkt. Das postkoloniale Afrika diente zeitweilig als Laboratorium für revolutionäre Ideen und verschiedene Spielarten des Sozialismus. Deutlich wurde dies beispielsweise in der Republik Kongo. 1960 unabhängig geworden, erlebte das Land zunächst eine kurze Phase unter einer Frankreichfreundlichen Regierung. 1963 wurde der gemäßigte Sozialist Alphonse Massemba-Débat Präsident. Im Februar 1964 entschloss er sich als erster Führer des frankophonen Afrika, die VR China anzuerkennen, was Peking umgehend mit Entwicklungshilfe belohnte. Anfang 1965 empfing Massemba-Débat Ernesto Che Guevara, der Brazzaville als Basis für seine revolutionären Aktionen im benachbarten Kongo-Léopoldville nutzen durfte. Bald darauf trafen mehrere Hundert bewaffnete Kubaner ein, die rasch zu einem Machtfaktor im Lande wurden, und u. a. den Präsidenten gegen einen Putschversuch verteidigten. Einige Jahre später fiel er dennoch einem Putsch zum Opfer, diesmal waren es prosowjetische Offiziere, die am 31. Dezember 1969 eine „Volksrepublik Kongo“ ausriefen, den ersten realsozialistischen Staat Afrikas, geführt von der marxistisch-leninistischen „Kongolesischen Arbeitspartei.“ Dieser Staat bestand bis 1991, und unterhielt trotz der Bindung an die Sowjetunion und an die VR China weiterhin enge Beziehungen zu Frankreich. Der Leipziger Veterinärmediziner Lothar Hussel befand sich 1965 in Brazzaville und berichtete über eine große Parade zum Unabhängigkeitstag. 10.000 Soldaten sah er vorüberziehen, gefolgt von Jugend-, Frauen- und Gewerkschaftsorganisationen. Übergroße Tafeln wurden getragen mit Abbildern von Massemba-Débat, Lenin, Fidel Castro, de Gaulle und Mao. Die verlesenen Grußadressen von de Gaulle und Mao waren Höhepunkte der Feier, sie erhielten am meisten Beifall.63 In fast allen linksorientierten und blockfreien Ländern Afrikas stießen die DDR und die UdSSR auf chinesische Konkurrenz, die ebenfalls Wirtschaft- und Militärhilfe anbot, um politischen Einfluss und Zugriff auf Bodenschätze zu gewinnen. Nicht nur einen Wettlauf der Entwicklungshilfe mit westlichen Ländern hatte der Sozialismus sowjetischer Prägung zu bestehen, sondern auch mit China. Welche Variante des Sozialismus war vielversprechender und zukunftsweisender? Welches Modell sollten afrikanische Staaten nachahmen? Der Maoismus erschient vielen linksorientierten Afrikanern moderner, konsequenter und passender auf die Probleme des Weltsüdens zugeschnitten. Umso wichtiger war es für das sowjetische Lager, Afrikaner von seiner Macht und Leistungsstärke zu überzeugen. In einem Bericht über den Besuch des Präsidenten der Freundschaftsgesellschaft Kongo-DDR, Dominique Samba Nkoumi, im Jahr 1965 hieß es: „Die Leipziger Messe hat die Freunde von der ökonomischen Stärke der DDR überzeugt. Zu dieser Zeit war Walter Ulbricht in der VAR. Sie hatten also GelegenBeim Besuch Sambias platzierte Honecker im Februar 1979 u. a. eine Karl-Marx-Büste in der Gedenkstätte Chilenje House 394, wo Staatspräsident Kaunda konspirativ die Unabhängigkeit des Landes vorbereitet hatte. Henning von Löwis of Menar, „Machtpolitik südlich des Sambesi. Sambia und Mosambik als Adressaten der DDR-Außenpolitik“, in: Deutschlandarchiv 11/1980, S. 1161–1171, hier S. 1163 f. Auf das Marx-Denkmal in Addis Abeba wird in diesem Buch noch ausführlicher eingegangen. 63 BArch DY 13 Nr. 1721. 62
Die Rolle der marxistischen Ideologie als Bindemittel
heit, insbesondere während der großen Pressekonferenz in Leipzig, die Wirkung des Besuchs unseres Staatsratsvorsitzenden zu beobachten. Nkoumi lobte Nassers Einladung als echte afrikanische Handlungsweise.“64 Das Ereignis war als günstiger medialer Rückkoppelungseffekt des Besuchs von Walter Ulbricht in Ägypten zu verstehen: Im Spiegel der Wertschätzung Nassers und des großen Medienechos konnte die DDR ihre afrikanischen Besucher beeindrucken.
Abb. 10. Walter Ulbricht im Atelier der Berliner Bildhauerin Ruthild Hahne. Mit seinen Besuch in Ägypten präsentierte er sich als Staatsmann und Weltpolitiker. Die DDR zeigte, dass sie auch außerhalb des Ostblocks als internationaler Akteur aufzutreten gewillt war.
Die Sowjetunion, Kuba und die DDR agierten gemeinschaftlich und arbeitsteilig, um möglichst viele afrikanische Länder auf ihre Seite zu ziehen. Kuba stellte im Entstehungsprozess des Sozialistischen Weltsystems einen wichtigen und eigenwilligen Akteur dar. Erich Mielke würdigte die kubanischen Truppeneinsätze in Angola als „Zeichen des internationalen Kampfes gegen den gemeinsamen Feind.“ Im Gegenzug erhielten er und weitere MfS-Offiziere im Auftrag des kubanischen Innenministeriums hohe Auszeichnungen.65 Kuba bildete mit seiner Interventionsarmee, die in verschieBericht Leo P. Rudels (Deutsch-Afrikanische Gesellschaft) vom 22.3.1965. BArch DY 13 Nr. 1721. Auszeichnung Mielkes aus Anlass des 25. Jahrestages der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der DDR und Kuba. BStU MfS-HA X (Internationale Verbindungen) Tb/3. 64 65
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dene Stellvertreterkonflikte eingriff, den afrikanischen Festlandsdegen des Ostblocks, nicht ohne die Sowjetunion mit revolutionärem Aktivismus zeitweilig zu irritieren und zu überfordern.66 Insgesamt sollen zwischen 300.000 und 450.000 Kubaner zwischen 1963 und 1991 in Afrika gedient haben, rund 2.000 fielen.67 In der SED war die Vorstellung verbreitet, die DDR müsse im Zuge des weltrevolutionären Prozesses, in der globalen Auseinandersetzung mit dem „imperialistischen Klassengegner“, die fortschrittlichen Kräfte in ihrem bewaffneten Kampf unterstützen.68 Dieses Ziel wurde 1974 sogar in der neuen Verfassung der DDR verankert.69 Die Befreiungsbewegung in Afrika sei, so die herrschende Lehrmeinungen in den Afrika- und Asienwissenschaften der DDR, „objektiv antiimperialistische Kraft und Bündnispartner des sozialistischen Weltsystems und der internationalen Arbeiterklasse im weltrevolutionären Prozess.“70 Dabei war den DDR-Marxisten durchaus bewusst, „dass das Wesen der nationalen Befreiungsbewegungen nicht sozialistisch war, weil das Proletariat darin nur eine Triebkraft, nicht aber Hegemon“ war.71 Zeithistoriker sind über das Motiv eines Revolutionsexportes uneinig. Der Afrika-Historiker Ulrich van der Heyden etwa ist der Ansicht, dass Ostberlin zu keiner Zeit einen Revolutionsexport beabsichtigte, sondern lediglich defensiv auf westliche machtpolitische Vorstöße im Globalen Süden reagierte.72 Der DDR Revolutionsexport zu unterstellen, ginge an den Tatsachen und Intentionen vorbei, und würde der damals herrschenden Ideologie widersprechen, argumentiert der Autor Norman Adler. In der marxistischen Wissenschaft der DDR seien Länder wie Äthiopien ohnehin nicht als sozialistische Staaten betrachtet worden, wenngleich als „nichtkapitalistische“ Ordnungen mit einem spezifischen Revolutionstyp, der weder „volks“noch „nationaldemokratisch“ zu nennen sei.73 Dennoch hielten die Sowjetunion und die DDR an Zweckbündnissen mit antiwestlich eingestellten Eliten blockfreier Staaten oder mit Befreiungsbewegungen fest, die ideologisch eher der „nationalen Bourgeoisie“ oder dem nationalistischen Spektrum zuzuordnen waren – in der Hoffnung, diese Staaten durch stetige Einflussnahme in Richtung Volksdemokratie lenken zu können. Vor diesem Hintergrund trug die DDR mehrgleisig zum Nation Building in Afrika und Asien bei. Dazu leistete das Afroasiatische Solidaritätskomitee einen signifikanten Beitrag. Zudem sollte es auch in der DDR-Bevölkerung das Bewusstsein für eine globale antiimperialistische Solidaritätsbewegung stärken.74 In diesem Sinne fanden regelmäßig Piero Gleijeses, „Moscow’s Proxy? Cuba and Africa 1975–1988“, in: Journal of Cold War Studies 8.4.2006. S. 98–146. 67 Klaus Storkmann, Geheime Solidarität. Militärbeziehungen und -hilfen der DDR in die „Dritte Welt“, Berlin 2012, S. 591. 68 Hans-Georg Schleicher, „Die Interessenlage der Afrikapolitik der DDR“, in: Siegfried Bock, Ingrid Muth, Hermann Schwiesau (Hrsg.), DDR-Außenpolitik im Rückspiegel, Münster 2004 (Band 1) S. 253– 266, hier: S. 258. 69 Verfassung der DDR vom 7.10.1974, Artikel 6, Absatz 3. 70 Hans Kramer, Afrika im antiimperialistischen Kampf, Berlin 1978 (Hg. vom Zentralrat der Afrika/ Asienwissenschaften der DDR), S. 9. 71 Ebenda S. 203. 72 Gespräch des Autors mit Ulrich van der Heyden, Berlin 22.6.2016. 73 Adler, DDR in Äthiopien S. 18 und 13. 74 BArch DZ 8 Nr. 180. 66
Die Rolle der marxistischen Ideologie als Bindemittel
„Solidaritätswochen“ für bestimmte Bewegungen und Länder in der DDR statt, die von Publikationen, Spendensammlungen und Einladungen an Vertreter von Befreiungsbewegungen geprägt wurden, so etwa im Oktober 1972 die „Woche der Solidarität mit den um ihre Befreiung kämpfenden Völkern in Mosambik, Angola und Guinea“. In den Redebeiträgen wurde die DDR als „treuer Freund und zuverlässiger Verbündeter der um ihre Freiheit und nationale Unabhängigkeit kämpfenden Völker“ dargestellt. Als Glaubenssatz stand im Raum: „Das Sozialistische Weltsystem, das internationale Proletariat und die nationalen Befreiungsbewegungen fließen zu einem machtvollen Strom zusammen und bestimmen die Hauptrichtung der historischen Entwicklung.“75 Die Überzeugung, mit dem Sozialismus sowjetischer Prägung quasi Naturgesetzartig auf der Siegerseite des historischen Prozesses zu stehen, kam auch Lenins berühmter Losung zum Ausdruck: „Die Lehre von Karl Marx ist allmächtig, weil sie wahr ist. Sie ist in sich geschlossen und harmonisch, sie gibt den Menschen eine einheitliche Weltanschauung, die sich mit keinerlei Aberglauben, keinerlei Reaktion, keinerlei Verteidigung bürgerlicher Knechtung vereinbaren läßt.“76 Propaganda-Tafeln mit dem Slogan „Die Lehre von Karl Marx ist allmächtig, weil sie wahr ist,“ prägten das Stadtbild in der DDR, sie wurden an Industrie- und Landwirtschaftsbetrieben, Ämtern und auf Plätzen aufgestellt – und wirkten vor dem Hintergrund von verfallenen Fassaden und rostigen Fuhrparks oftmals unfreiwillig grotesk. Den jungen Nationalstaaten musste suggeriert werden, dass ihnen die Zukunft gehörte, wenn sie frühzeitig auf die Seite des Sozialismus wechselten, der sich langfristig ohnehin durchsetzen würde. Eine marxistische Geschichtspolitik sowjetischer Lesart konnte sich auch die Tatsache zunutze machen, dass die neuen Nationalstaaten nicht nur neue Flaggen, Hymnen und Hoheitszeichen benötigten, sondern auch eine historisch-ideologische Legitimation. Traditionen mussten erfunden, Museen gegründet werden, die die Geschichte des Landes und des Befreiungskampfes zum Gegenstand hatten. Vielerorts musste eine Nationalgeschichte erfunden werden, und die sozialistische Machtübernahme konnte als deren Krönung und Vollendung legitimiert werden. Dazu konnte die DDR Know How im Bereich des Museums- und Gedenkstättenwesens beisteuern. 1968 besuchte beispielsweise der Direktor des Museums für die Geschichte und Revolution des Kongo die DDR. Er besichtigte eine Reihe von Geschichts- und Technikmuseen, und interessierte sich vor allem für Museumstechnik, Ausstellungsdidaktik in Geschichtsmuseen, Restaurierung und Magazinieren.77 Doch wie intensiv marxistisches Denken bei den afrikanischen und arabischen Partnern tatsächlich rezipiert wurde, blieb unklar. Im Gegenteil, es drängte sich der Eindruck von taktischen Bekenntnissen auf, so der frühere DDR-Diplomat Hans-Georg Schleicher im Blick auf Ostafrika: „Wie wir später erkennen mussten, war das Rote-Fahne-Schwenken sowohl in Somalia wie in Äthiopien reiner Pragmatismus, nicht ideologische Erkenntnis oder Überzeugung.“78 Die VR Kongo hielt immerhin dem Ostblock bis zuletzt die Treue, wenngleich der Marxismus innenpolitisch BArch DZ 8 Nr. 204. Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus, 1913, MEW Band 19, Dietz-Verlag, Berlin 1977, S. 3. 77 Bericht der Deutsch-Afrikanische Gesellschaft vom 15.3.1968 über den Besuch des Direktors des Museums für die Geschichte und Revolution des Kongo, Massamba, in der DDR. BArch DY 13 Nr. 1721. 78 Hans-Georg Schleicher, „Die Interessenlage der Afrikapolitik der DDR“, in: Siegfried Bock, Ingrid 75 76
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erodierte, wie ein Bericht des MfS aus dem Herbst 1988 festhielt: Die Volksrepublik habe zwar die Erlaubnis zur erneuten Stationierung kubanischer Truppen erteilt, die von dort aus in den angolanischen Bürgerkrieg eingreifen sollten, doch wüchsen Korruption und soziale Ungleichheit im Lande, während „nationalistisch-pragmatische Kräfte Boden gewinnen.“79 Die Sicherung der Revolution: das war für viele neue Regierungen in Afrika und Asien die vordringlichste Aufgabe. Die Anlehnung an die Sowjetunion oder an China versprach schnelle Hilfe beim Kampf gegen „konterrevolutionäre Bewegungen“ und großzügige Waffenlieferungen, die gegen äußere Feinde nützlich sein konnten. Die Sicherheitspartnerschaft mit dem Ministerium für Staatssicherheit, die Ausbildung der Repressionsapparate und Verwaltungskräfte durch die DDR und andere sozialistische Länder konnte linksnationalistische Regimes stabilisieren und zugleich dem Realsozialismus Geländegewinne im globalen Kalten Krieg ermöglichen. Machtpolitische Erwägungen standen auf beiden Seiten dieser Partnerschaft im Vordergrund, doch das Vokabular und die Ideologie des Marxismus dienten als weltanschauliche Bindemittel, als sprachlicher Code, um das pure Streben nach Macht zu legitimieren. Es galt, eine ideelle Gemeinsamkeit zu finden, die über reines Taktieren hinausging. So gehörten beispielsweise zum Schulungsprogramm einer Gruppe sambischer Sicherheitskräfte, die im Herbst in der DDR weilte, auch Referate zur „Bedeutung des Klassenkampfes für die Rolle der Sicherheitsorgane“. Ebenso waren Besuche von Gedenkstätten, historischen Gebäuden und Kulturveranstaltungen Teil des Curriculums.80 Korruption, Misswirtschaft, fehlgeplante Großprojekte und anhaltende ethnische Spannungen verstetigten in vielen jungen Nationen den Konflikt der Regierung mit der „Konterrevolution“ (oder was immer dafür ausgegeben wurde), so dass sich neue Diktaturen auf der Basis von Einparteiensystemen etablierten. Das MfS trug mit seiner Sicherheitspartnerschaft zu dieser Entwicklung bei. Die Integration von Entwicklungsländern ins Sozialistische Weltsystem mit Hilfe von Kunst, Kultur und Bildung
Die Anbindung der jungen Nationalstaaten an den Ostblock erfolgte nicht nur durch den Einsatz von Militärberatern und technischen Spezialisten, sondern, wie erwähnt, auch durch die Ausbildung der neuen Eliten jener Länder in der DDR. Kunst und Kultur spielten dabei eine flankierende Rolle. Von der Vorstellung einer eigenen, spezifischen „Sozialistischen Nationalkultur“ ausgehend, versuchte die DDR den jungen Nationen beim Aufbau ihrer Nationalkultur zu helfen und dabei einen sozialistischen Kunstbegriff zu vermitteln. Dabei wirkte noch immer die Maxime aus der Stalinära nach, dass Kultur in der Form national sein dürfe (also auch regionale künstlerische Traditionen aufnehmen könne), im Inhalt (bei der Wahl der Themen und in der gesellschaftlichen Muth, Hermann Schwiesau (Hrsg.), DDR-Außenpolitik im Rückspiegel, Münster 2004, Bd.1, S. 253–266, hier: S. 261. 79 Bericht zu Entwicklungsprozessen in der VR Kongo vom 19.10.1988. BStU MfS X Nr. 239, Bl. 30 f. 80 Schulung für Sicherheitskräfte Sambias 1982. BStU MfS X Nr. 240, Bl. 32 ff.
Die Integration von Entwicklungsländern ins Sozialistische Weltsystem
Aussage) aber sozialistisch sein müsse. Deutlich wurde das Bestreben, einen spezifisch sozialistischen Kulturbegriff zu exportieren, in einem Dokument des MfK aus dem Jahr 1965 zur „Konzeption der kulturellen Beziehungen zum Ausland“, das Schwerpunktregionen in Asien und Afrika definierte. Dort sollten den „kunstfeindlichen Einflüssen westlicher Länder“ und dem „schädlichen Einfluss des Modernismus“ entgegengetreten werden. Man glaubte, die Erfolge der DDR-Kulturpolitik, „insbesondere die mit der Verwirklichung des Bitterfelder Weges erzielten Ergebnisse“, hätten auch im Ausland Vorbildcharakter. Die Strategie, durch eine forcierte Laienkunstbewegung die Unterschiede zwischen professioneller Künstlerschaft und Hobbykunst einzuebnen und damit Kunst und Alltagsleben miteinander zu vereinen, rief allerdings selbst in der DDR rasch Widerstände und Misserfolge hervor und wurde de facto nach kurzer Zeit wieder aufgegeben. Doch schien eine derartige Volkskunstbewegung für Länder, in denen eine akademisch-professionelle Künstlerschaft noch gar nicht existierte, durchaus attraktiv zu sein. Warum sollten diese Länder den Umweg über einen bürgerlichen Akademismus und einen kommerziellen Kunstbetrieb machen und nicht eine sozialistische Volkskunst auf der Basis einheimischer Traditionen bevorzugen? Zudem hoffte das MfK, mit der Unterstützung der jungen Nationalstaaten bei der Entwicklung einer eigenen Nationalkultur sei auch eine „Stärkung der internationalen Autorität unserer Republik“ verbunden.81 Dazu mussten Gelegenheiten wie im Sudan genutzt werden. Mit dem Putsch des linksnationalistischen Offiziers Dschafar Muhammad An-Numairi schlug sich der Sudan 1969 offen auf die Seite des Ostblocks. Die Lage bleibe „trotz der verhältnismässigen Leichtigkeit des Umsturzes“ aber angespannt, mahnte das MfS, die Gefahr eines antikommunistischen Gegenputsches sei nicht gebannt.82 Das bundesdeutsche Goethe-Institut wurde umgehend geschlossen und dessen Mitarbeitern nahegelegt, das Land innerhalb von 48 Stunden zu verlassen.83 An-Numairi proklamierte 1971 den Aufbau eines „sudanesischen Sozialismus“ mit Hilfe einer neuen Staatspartei, der Sudanese Sozialist Union. Er hielt sich an der Macht und sollte bis 1985 Präsident bleiben, wobei er in den letzten Amtsjahren einen islamistischen Kurs einschlug. Bereits 1967 war ein Kulturabkommens der DDR mit dem Sudan abgeschlossen worden, um dort, wie das MfK festhielt, den „schädlichen kulturellen Einfluss aus den imperialistischen Staaten systematisch zurückzudrängen.“84 Allerdings standen der auswärtigen Kulturarbeit der DDR in Entwicklungsländern wie dem Sudan oftmals nur bescheidene Mittel zur Verfügung: So wurde 1969 zur Feier des sudanesischen Unabhängigkeitstages eine einwöchige Ausstellung zum Thema „sozialistische Kultur“ (Malerei, Filme, Schriften, Tonträger aus verschiedenen sozialistischen Ländern) in der Buchhandlung Tagaddom in Khartum organisiert, quasi eine Ostblock-Leistungsschau im Miniaturformat.85 Ein Jahr später eröffnete die DDR in der sudanesischen Hauptstadt ein eigenes KulLandesarchiv Berlin (LAB) C Rep. 121 Nr. 83. Bericht über die Lage im Sudan, 25.6.1969. BStU MfS X Nr. 237, Bl. 36 f. KIZ Kartoum an die Deutsch-Arabische Gesellschaft Berlin 25.4.1970. BArch DY 13 Nr. 2082. 84 Protokoll des Treffen des sudanesischen Ministers für Erziehung und Kultur Yahia El-Fadli mit Mitarbeitern des MfK am 5.10.1967 anlässlich des Abschlusses eines Kulturabkommens. BArch DR 1 Nr. 18829. 85 BArch DR 1 Nr. 18829. 81
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tur- und Informationszentrum mit der DDR-Propagandaausstellung „25 Jahre freies Land.“ Nicht nur die Mittel der DDR waren beschränkt, es mangelte im Sudan wie in anderen Ländern auch an Ausstellungsräumen, an adäquaten Ansprechpartnern für die DDR-Künstler, und generell auch an Publikum. Ausstellungsbesuche zählten dort eben nicht gerade zu den traditionellen Freizeitaktivitäten. So stellte das MfAA 1970 im Zusammenhang mit den Diskussionen um einen „Kulturarbeitsplan DDR-Volksrepublik Südjemen“ fest: „Da die südjemenitische Seite kaum über Erfahrungen in der kulturellen Arbeit verfügt, ist sie in der gegenwärtigen Phase stärker an der Delegierung von Personen in die DDR als am Empfang von DDR-Delegierten interessiert.“86 Kulturaustausch war in diesem Fall zunächst nur als Einbahnstrasse denkbar. Der dünn besiedelte Südjemen stellte eines der ärmsten Länder der Welt dar, im Westen als „radikalste Republik Arabiens“ und als „bevorzugtes Asylland europäischer Terroristen“ verschrien.87 Im Südjemen war ein Staatsaufbau erst noch in den Anfängen, in gewisser Weise war das Land ein unbeschriebenes Blatt, dem die DDR mit umfangreicher Hilfe zum Nation Building einen sozialistischen Stempel aufzudrücken versuchte.88 Kunst war im Jemen kaum bekannt, doch in anderen Regionen des Nahen Ostens und Afrikas gab es durchaus eindrucksvolle künstlerische Traditionen und eine vitale Volkskunst. Die Kunsthochschulen der DDR sollten zum weltweiten Export des sozialistischen Kunstbegriffs beitragen und „der imperialistischen Manipulation und Expansion mit kulturellen Mitteln“ entgegentreten.89 Wenige Jahre zuvor waren sie selbst noch Ziele von Interventionen und Inspektionen der sowjetischen Vormacht gewesen. Mehrfach hatten sowjetische Delegationen die neugegründete „Kunsthochschule des Nordens“ in Berlin-Weissensee besucht, um Studenten und Professoren auf die Linie des Sozialistischen Realismus einzuschwören und „formalistische“ Abweichungen zu monieren. Stattdessen predigten sie die Annahme des nationalen, „humanistischen“ deutschen MfAA Abt. Arabische Staaten an das MfK 4.3.1970. BArch DR 1 Nr. 18878. Aus westlicher Perspektive verwunderte das kostspielige Engagement der DDR im Jemen, der wirtschaftlich dem Ostblock nichts zu bieten habe. Die „geostrategische Schlüsselstellung“ Jemens als Türöffner für die afrikanischen Interventionen der SU wurde als Erklärung herangezogen: das kostspielige Übersee-Engagement Ostberlins sei „als Pionierarbeit im Dienste einer kommunistischer Globalstrategie“ zu verstehen. Henning von Löwis of Menar, „Die DDR als Schrittmacher im weltrevolutionären Prozess“, in: Deutschlandarchiv 1/1980, S. 40–49, hier S. 46 f. 88 Miriam Müller, „Sultans Paläste in Volkes Hand. Das Engagement der DDR in Südjemen als sozialistisches State- und Nation Building“, in: Zeitschrift Forschungsverbund SED-Staat Nr. 37 (2015), S. 121–136. S. 121 f.: Der einzige marxistische arabische Staat bot der DDR-Außenpolitik ideale und einzigartige Bedingungen. In keinem Staat des globalen Südens war die DDR so lange und so intensiv am Nation Building beteiligt. Im Jemen konnte sie, ohne von der SU gegängelt zu werden, als selbstständiger außenpolitischer Akteur auftreten und traf dabei auf nur schwach ausgeprägte staatliche Strukturen. Der Südjemen schien im Sinne eines sozialistischen Nation Building formbar zu sein, und wurde von einem Regime beherrscht, das vorbehaltlos der DDR auf den Ebenen des Staatsaufbaus, der Medien- und Bildungspolitik, der Staatssicherheit und Militärpolitik, der Wirtschaft, der Justiz und des Verfassungsrechts nachzueifern bereit war. (S. 135) Die Verfassung der DDR diente der Volksdemokratischen Republik Jemen als Vorbild. Die Zusammenarbeit, die in den 1980er Jahren an Intensität verlor, konnte den Zusammenbruch beider Kooperationspartner nicht verhindern, Im Jahr 1990 verloren sowohl Ostdeutschland wie auch der Südjemen ihre Eigenständigkeit. 89 Referat: „Kulturelle Beziehungen des Sozialismus zu den Entwicklungsländern“ (Beitrag DDR) auf der Kultusministerkonferenz der sozialistischen Länder in Budapest, 26.10.1970. BArch DR 1 Nr. 8959 Bl. 130. 86 87
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Kulturerbes und „klare, lebenswirkliche“ Sujets und Bildbotschaften. Trotz späterer Lockerungen ist nicht zu verkennen, „dass die antimoderne Orientierung des sowjetischen Kunstbegriffs, sein ästhetischer Akademismus, sein mechanischer Abbildbegriff, sein Erziehungsgebot, nicht ohne nachhaltige Wirkung auf die DDR-Kunstentwicklung geblieben sind.“90 Genau diese kulturpolitischen und ästhetischen Vorgaben vermittelte die DDR als Juniorpartner der UdSSR ihrerseits an die Kunststudenten der afrikanischen und arabischen Partnerländer weiter. An der Leipziger HGB waren beispielsweise im Jahr 1969 von 135 Studenten dreissig Ausländer, die meisten aus Ostblockstaaten, einige wenige aus afrikanischen oder arabischen Ländern. Für Angehörige aus Ländern, die die DDR nicht anerkannten, war ein Studium in Leipzig nicht möglich.91 Zum Teil waren auch linksradikale Oppositionelle unter den Auslandsstudenten, wie etwa der palästinensische Maler Ibrahim Hazimeh, der sich im Jahr 1963 um einen längeren Aufenthalt in der DDR bemühte und schließlich Meisterschüler bei Bernhard Heisig wurde.92 Die Auslandsstudenten seien fachlich und ideologisch „organisch integriert“, resümierte das Prorektorat der Kunsthochschule Weissensee im Frühjahr 1975, „allgemein wird das stärkere Temperament der Auslandsstudenten begrüßt.“93 An der Kunsthochschule Weissensee studierten 1974/75 neunzehn, und 1976/77 zweiundzwanzig Ausländer, davon die meisten aus sozialistischen Bruderländern, und jeweils einer aus dem Irak, Namibia und Syrien.94 Zudem wurden internationale Gäste zu organisierten Studentenferien in die DDR eingeladen.95 Zur Festigung der kulturellen Beziehungen gingen auch Studenten aus der DDR in die sozialistischen Bruderstaaten – von Auslandssemestern, die ostdeutsche Kunststudenten in Afrika oder im Nahen Osten verbrachten, ist hingegen nichts bekannt. Die Effektivität von Reisen und Gastaufenthalten müsse gesteigert werden, mahnte das MfK kritisch an: „Die Studenten müssen ein besseres Allgemeinwissen besitzen als bisher, sie müssen viel mehr über das Gastland und seine Künstler wissen.“ Auch die Qualität der Reiseberichte lasse zu wünschen übrig. So lasse die angestrebte „echte gegenseitige Bereicherung“ durch direkten Erfahrungs- und Lehrmethodenaustausch noch auf sich warten.96
Hiltrud Ebert, „Von der Kunstschule des Nordens zur sozialistischen Hochschule. Das erste Jahrzehnt der Kunsthochschule Berlin-Weissensee“, in: Günther Feist, Eckhardt Gillen, Beatrice Vierneisel (Hg.), Kunstdokumentation SBZ/DDR 1945–1990. Aufsätze. Berichte. Materialien, Köln 1996, S. 160–185, hier: S. 181. 91 Brief des Rektors Albert Kapr an einen österreichischen Kollegen, der Studenten aus Wien an die HBG vermitteln wollte 26.6.1969. Archiv HGB Leipzig. Schriftwechsel Rektorat international 1960–70. 92 Brief Ibrahim Hazimehs an das Staatssekretariat für Hochschulwesen 29.7.1963. Archiv HGB. Schriftwechsel Rektorat international 1960–70. 93 Aufstellung von Daten zum Ausländerstudium des Prorektorats der KH Weissensee, 21.4.1975. LAB C Rep. 711 Nr. 36, Auslandsarbeit Kunsthochschule Weissensee C 4, B. 161 f. 94 LAB C Rep. 711 Nr. 23b. 95 Zu den „internationalen Studentenferien Rostock“ im August 1983 wurde u. a. der jordanische Student Khalid Hejazi nominiert. LAB C Rep. 711 Nr. 33, Kunsthochschule Weissensee Auslandsarbeit C 3. 96 Beratung im MfK 11.5.1972. LAB C Rep. 711 Nr. 36, Auslandsarbeit Kunsthochschule Weissensee C 4. 90
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Abb. 11. Gerhard Stengel, „Afrikanischer Student“ (1953).
Der Aufbau von Kunstakademien in den neuen Nationalstaaten folgte meistens den Mustern der alten Kolonialmächte, zumal die ersten afrikanischen und arabischen Professoren noch in den 1930er und 1940er Jahren in Paris, Rom oder London studiert hatten und entsprechend eurozentrisch geprägt waren. Die Regierungen legten aber Wert darauf, schnell eine neue Künstlergeneration auszubilden, die die nun unabhängigen Länder im Inneren und auf internationaler Bühne repräsentieren konnte. Nun sollte auch die von den Kolonialmächten und assimilierten Eliten vormals gering geschätzte Volks- und Stammeskunst zu Ehren kommen. Die Regierenden erwarteten
Die Integration von Entwicklungsländern ins Sozialistische Weltsystem
eine neue Staatskunst, die zugleich Modernität, kulturelle Tradition und Eigenständigkeit ausstrahlte. Aufträge für neue Wandbilder, Skulpturen und Mosaike u. a. wurden jetzt vergeben. Sozialistisch orientierte Regime schickten ihre Kunststudenten in die Akademien der DDR, der Sowjetunion oder nach China. Sie kehrten von dort zurück mit der Bildsprache des Sozialistischen Realismus im Gepäck, die sie häufig mit Inhalten aus der eigenen Landesgeschichte füllten oder mit Volkskunsttraditionen verbanden. Im Frühjahr 1961 erging aus dem MfK die Aufforderung an die ostdeutschen Kunsthochschulen, bei Diplomarbeiten und Übungen höherer Semester Themen des afrikanischen Befreiungskampfes stärker zu berücksichtigen. Offenbar sollte ein Fundus an leicht verständlichen Bildern für Auslandsausstellungen und als Anschauungsmaterial für Gaststudenten geschaffen werden. Das Ministerium mahnte an, dabei die unterschiedlichen Rezeptionsbedingungen von Kunst zu beachten: „Die afrikanischen Bedingungen sind natürlich von den europäischen grundverschieden. Es erscheint uns notwendig, auf grafische Arbeiten mit klarer, einfacher Linienführung Wert zu legen. Es wird weiter angebracht sein, bestimmte Themen in Zyklen zu gestalten,“ in ähnlicher Form müsse etwa der gesellschaftliche Aufbau und die Geschichte der DDR afrikanischen Kunstbetrachtern vermittelt werden. Das MfK empfahl dabei die sogenannten Rosta-Fenster aus der Frühzeit der Sowjetunion als Vorbild: Propagandaplakate, die in den Schaufenstern leerstehender Läden platziert worden waren.97 Studierende waren angehalten, das Thema Internationalismus künstlerisch zu bearbeiten. So gibt es in der Sammlung der Dresdner HfbK ein ganze Reihe von Porträts afrikanischer und asiatischer Studenten. Neben Mitstudenten wurden auch Gäste internationaler Treffen als Modelle willkommen. Gerhard Stengel (1915–2001) nutzte die Weltfestspiele 1953 in Berlin, um sein Bild Afrikanischer Student zu malen. Hingegen ist das Gemälde von Hannelore Piotraschke Afrikanische Ärztin bei der Untersuchung (1967) vor allem deshalb bemerkenswert, weil hier eine dunkelhäutige Ärztin hellhäutige Kinder untersucht – eine Umkehrung der klassischen Entwicklungshelfer-Szene. Allerdings basierte das Bild nicht auf einer realen Begebenheit, sondern hatte programmatischen und „metaphorischen“ Charakter, erklärte die Künstlerin, die „leidenschaftliches Interesse am Schicksal der afrikanischen und indigenen Völker hatte, aber weder persönlich afrikanische Studenten oder Tätige erlebte.“98 Neben thematischen Vorgaben wurde an den Kunsthochschulen auch das Afroasiatische Solidaritätskomitee der DDR mit Spendensammlungen und künstlerischen Wettbewerben aktiv, so wurde beispielsweise 1972 an der Dresdner HfbK ein Wettbewerb für eine Ansteckplakette und ein Plakat für die DDR-Solidaritätsbewegung ausgelobt.99 Spendensammlungen für Befreiungsbewegungen, etwa in Algerien, Palästina oder Kambodscha, Materialspenden für Partner-Kunsthochschulen wie beispielsweise in Phnom Penh waren an der Dresdner HfbK wie auch an anderen Kunsthochschulen der DDR üblich.100 Studenten waren aufgeforSchreiben des MfK an den Rektor der Kunsthochschule Weissensee vom 24.5.1961. LAB C Rep. 711 Nr. 33, Kunsthochschule Weissensee Auslandsarbeit C 1, Blatt 78 ff. 98 Hannelore Piotraschke per Email 24.4.2016 an den Autor. 99 Brief des AASK an das Rektorat der HfbK 20.3.1972. Archiv HfbK Dresden 03/0029. 100 Angehörige der Hochschule spendeten 1961 588,40 M für den algerischen Befreiungskampf laut Bescheinigung der Gewerkschaft Kunst Dresden-Neustadt an die HfbK 18.12.1961, Archiv HfbK 03/1259. 97
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dert, eigene Arbeiten für Solidaritätsauktionen zur Verfügung zu stellen, Professoren sollten erhaltende Preisgelder und Ankaufserlöse spenden. Hinzu kam die Aufforderung zur Teilnahme an politischen Kundgebungen, wie beispielsweise an einer Protestversammlung gegen den chinesischen Angriff auf Vietnam im Frühjahr 1979, oder die Unterzeichnung von Protestresolutionen gegen die israelische Politik.101
Abb. 12. Hannelore Piotraschke „Afrikanische Ärztin bei der Untersuchung“ (1967).
1979 spendete Rektor Gerhard Bondzien 1.000 Mark für Kambodscha und Vietnam, von den Erstsemestern kamen 100 Mark zusammen. Archiv HfbK Dresden 03/1259, 1982 wurden 500 Mark für das „kämpfende Volk von Palästina“ gesammelt. Archiv HfbK 03/0270. 101
Kapitel III. Schauplatz Afrika
Die Kulturbeziehungen der DDR zu Ghana, Senegal, Guinea und Mali
Einen ersten Schwerpunkt suchte und fand die Auswärtige Kulturpolitik der DDR in Westafrika. Aus dieser Region hatten sich die Kolonialmächte innerhalb weniger Jahre zurückgezogen, so dass fast auf einen Schlag eine Reihe unabhängiger Staaten entstand: Ghana 1957, Guinea 1958, Nigeria, Mali, Mauretanien, Senegal, Elfenbeinküste Niger, Obervolta, Kamerun, Togo, Dahomey alle 1960, Sierra Leone 1961. Noch heute künden imposante, futuristisch anmutende Denkmäler und Gebäude wie der Unabhängigkeitsbogen oder das Nationalmuseum in Ghana von der Aufbruchsstimmung und Fortschrittsgläubigkeit einer Afrikanischen Moderne. Inwieweit diese neuen afrikanischen Staaten Kunstprodukte mit geringer Überlebensperspektive waren, ob sie künstlicher als die europäischen Nationengründungen waren, ist bis heute ein kontroverser Gegenstand der Wissenschaft.1 Generell waren Nationalstaaten oftmals durch vormalige Minderheiten auf den Weg gebracht worden, die nach und nach andere Ethnien integrieren konnten. Die afrikanischen Nationen wurden bis auf wenige Ausnahmen durch Kolonialadministrationen vorgeformt, während ihre alten Herrschaftsstrukturen weitgehend zerstört oder marginalisiert worden waren. Die ethnisch oftmals heterogene Bevölkerung der Kolonialgebiete entwickelte durch die koloniale Infrastruktur, Bildungsinstitutionen und Verkehrssprache ein nationalstaatliches Zusammengehörigkeitsgefühl. Auf dieser Basis bauten Befreiungsbewegungen auf. Die Verwaltungsapparate wurden nach der Erlangung der Unabhängigkeit afrikanisiert, als neue Integrationsfaktoren Z. B. thematisiert am 27.10.2016 bei einer Konferenz an der Universität Birmingham (UK): „Artificial nations: disappeared states, post-colonial borders and methodological nationalism“, wo neben Beispielen aus Osteuropa und Afrika Syrien und Kurdistan im Fokus standen. Zur afrikanischen Problematik siehe: Frederick Cooper, ‚Possibility and Constraint: African Independence in Historical Perspective‘, Journal of African History, 49 (2008), S. 167–96. 1
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Kapitel III. Schauplatz Afrika
wirkten die Armee, das Schulsystem und die Medien. Auch Kunst und Kultur dienten der Legitimation der neuen Nation: ein Nationalstil in der Kunst, eine nationale Geschichte mussten erfunden werden. Geschichtsmuseen und Denkmäler für Helden der Unabhängigkeitskriege waren zu errichten, und historische Vorbilder wurden rückwirkend in eine erfundene nationale Ahnenreihe eingepflegt. Die neuen Staaten mussten sich auf mehreren Ebenen zugleich von den politischen und wirtschaftlichen Bindungen zu den alten Kolonialmächten lösen und boten den sozialistischen Mächten damit eine historische Gelegenheit, an Einfluss zu gewinnen.
Abb. 13. In vielen neuen afrikanischen Staaten ließen Hunger und Unsicherheit einen Großteil der Bevölkerung sorgenvoll in die Zukunft blicken: Bildmotiv des mosambikanischen Malers Mankeu Valente Mahumane (Öl auf Hartfaser 1984).
Die Kulturbeziehungen der DDR zu Ghana, Senegal, Guinea und Mali
Die DDR bemühte sich mit Hilfe von binationalen Freundschaftsgesellschaften in Westafrika Präsenz zu zeigen, und einen Kulturaustausch mit einzelnen Ländern in Gang zu bringen. Zeitweilige Erfolge waren hier vor allem in den Beziehungen zu Ghana, Mali und Guinea zu verzeichnen. Ghana hatte 1957 den Reigen der Unabhängigkeitserklärungen in der Region eröffnet. In den späten 1940er Jahren hatte die Nationalbewegung um Kwame Nkrumah und seine Convention People’s Party (CPP) Fahrt aufgenommen. Mit Boykottmaßnahmen und Streiks sollte die Unabhängigkeit von Großbritannien erzwungen werden. Nkrumah wurde 1948 nach Unruhen, den sogenannten Accra-Riots, von den britischen Machthabern an der Goldküste inhaftiert. Die nächsten Wahlen 1951 gewann jedoch die CPP. Nkrumah wurde in die Regierung aufgenommen und amtierte bald als Premierminister. Die DDR bemühte sich um gute Beziehungen zum unabhängigen Ghana. In diesem Sinne war Nkrumah bei seinem Besuch am 1. August 1961 die Ehrendoktorwürde der Berliner Humboldt-Universität verliehen worden. An der Martin-Luther-Universität in Halle sollte Nkrumah zum Ehrensenator ernannt werden (was allerdings nicht zustande kam). Im Gegenzug reiste der Rektor der Humboldt-Universität, Kurt Schröder, im November 1961 zur Eröffnung der Universität nach Accra. 1963 unternahm eine Delegation des DDR-Außenministeriums unter Leitung von Otto Winzer eine Reise nach Westafrika. In Ghana besuchte sie den 95jährigen afroamerikanischen Soziologen William Edward Burghardt Du Bois, einen weltbekannten Vertreter der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den USA, der auf eine lange Karriere als Soziologe, Philosoph und Journalist zurückblicken konnte.2 Der junge Geschichtsstudent Du Bois hatte 1892 bis 1894 in Berlin und Heidelberg studiert und galt als Bewunderer Bismarcks: „Er formte aus einer Masse sich zankender Völker eine Nation. […] Dies ließ mich ahnen, was die amerikanischen Schwarzen tun müssen: mit Kraft und Entschlossenheit unter fähiger Führung voran marschieren.“3 U. a. inspiriert von der deutschen Klassik, der Völkerpsychologie Herders und den Ideen Nietzsches setzte sich Du Bois mit der fremdbestimmten Identität der Schwarzen auseinander und betonte den Wert einer originär schwarzen Kultur, vor allem auf dem Feld der Musik. In der McCarthy-Ära wandte sich Du Bois dem sozialistischen Lager zu, die Bilder des mit Handschellen gefesselten 83jährigen Gelehrten gingen 1951 um die Welt. 1961 wurde er Mitglied der CPUSA und siedelte nach Ghana um, wo sein Freund Nkrumah erster Staatspräsident geworden war. Bereits 1958 hatte die Berliner Humboldt-Universität De Bois die Ehrendoktorwürde verliehen. In der Laudatio wurde er als Brückenbauer zwischen dem afroamerikanischen und dem antikolonialen Befreiungskampf gewürdigt: „Während des ersten Weltkrieges erkannte Professor William Du Bois immer klarer, daß der Freiheitskampf der Neger in USA nur ein Teil des großen Weltkampfes der unterdrückten und geknechteten Volksmassen war. Gemäß seiner wissenschaftlichen wie politischen Zielsetzung begann er an der Vereinigung der Befreiungsbewegung der Neger in USA mit den Befreiungsbestrebungen der Afrikaner zu arbeiten. (…) Viele Führer des nationalen Befreiungskampfes in Afrika wurden durch das Wirken von Professor Du Bois zum politischen Handeln und zur propagandistischen Tätigkeit angeregt. 2 3
„Aktivität der Zone in Afrika“, in: SBZ-Archiv Nr. 10/1963, S. 145. Zitiert in: http://www.zeit.de/2014/37/rassismus-ferguson-afroamerikaner/seite-2 (29.11.2016).
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Mit Stolz kann unser heutiger Ehrendoktorand darauf hinweisen, daß sein Lebenswerk so eng mit den entscheidenden gesellschaftlichen Umwälzungen in der Mitte unseres Jahrhunderts verbunden ist.“4 1965 errichtete der Bildhauer Gerhard Geyer (1907–1989) im Auftrag der Universität Halle-Wittenberg eine Bronzestatue zum Gedenken an Anton Wilhelm Amo (1703–1753). Der aus Ghana stammende ehemalige Sklave war der erste afrikanische Student in Deutschland gewesen.5 1729 verfasste er die lateinische Abhandlung De iure Maurorum in Europa („Über die Rechtsstellung der Mohren in Europa“). Er wurde in Wittenberg promoviert und lehrte einige Zeit an den Philosophischen Fakultäten der Universitäten Halle und Wittenberg als Privatdozent. Später verlor sich seine Spur, nachdem er die Universitäten verlassen musste, da seine Gönner verstorben waren. Die Errichtung des Denkmals stand im Zusammenhang mit den Bemühungen der DDR, sich den jungen afrikanischen Staaten als Bündnispartner zu präsentieren (und Nkrumah als Ehrensenator der Hallenser Universität zu gewinnen). Trotz dieser kulturpolitischen Freundschaftsgesten kam es nicht zu einem dauerhaften Bündnis Ghanas mit der DDR. Der Weg Ghanas in die Unabhängigkeit hatte sich schon früh abgezeichnet, wobei die Verbindungen mit Großbritannien nie gekappt wurden. Vielmehr trat Ghana als erstes afrikanisches Land südlich der Sahara dem Commonwealth of Nations bei. Dennoch wurde der populäre panafrikanische Politiker Nkrumah 1966 während einer Reise in die Volksrepublik China durch einen prowestlichen Putsch kaltgestellt. Die Einflussmöglichkeiten der DDR wurden also schon nach wenigen Jahren minimiert. Das Amo-Denkmal in Halle blieb als historisches Zeugnis dieses Annäherungsversuches stehen. Da von Amo kein Porträt überliefert war, musste Geyer eine Figur erfinden und begnügte sich mit der stereotypen Darstellung eines afrikanischen Mannes mit freiem Oberkörper, dem später noch eine weibliche Figur an die Seite gestellt wurde. Diese Darstellung eines Akademikers wirkt heute etwas befremdlich. Es stellt sich die Frage, warum Amo nicht in üblicher europäischer Kleidung und Perücke, wie andere Gelehrte auch, gezeigt wurde. Eine bedeutsame Rolle im Dekolonialisierungsprozess spielte Senegal. Das Land pflegte nach seiner Unabhängigkeitserklärung weiterhin enge Beziehungen zu Frankreich und unterhielt zunächst ein Mehrparteiensystem. Wenngleich als zentralisierte Präsidialrepublik, war hier einer der wenigen demokratischen Staaten auf dem afrikanischen Kontinent entstanden. Die Besonderheit Senegals bestand darin, dass Kulturinstitutionen im Prozess des Nation Building eine herausgehobene Rolle zugebilligt wurde, da mit Präsident Leopold Senghor (1906–2001) ein dezidierter Homme de Culture an die Macht gekommen war.6 Dieser Künstler-Politiker verfolgte eine internatioAnsprache des Dekans der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität, Berlin, Professor Dr. rer. pol. (hab.) Mohrmann, anläßlich der Ehrenpromotion von Professor Dr. Dr. Du Bois, New York am 3.11.1958. http://www.aacvr-germany.org/GenSys/DVD/publishing/XML-Files/XML/S_ 10002_LS.xml (29.11.2016) 5 Schätzungsweise 500 Afrikaner haben sich zwischen 1650 und 1850 zu Bildungszwecken in Europa aufgehalten. Adam Jones, Afrika bis 1850, Neue Fischer Weltgeschichte Bd. 19, Frankfurt 2016, S. 330. 6 Langfristig betrachtet kam es aber zu keiner flächendeckenden Versorgung mit Kulturinstitutionen, zwischen Hauptstadt und Provinz klaffte in dieser Hinsicht ein tiefer Graben. Tracy D. Snipe, Arts and Politics in Senegal 1960–96, Trenton 1998, S. 56. 4
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Abb. 14. Gerhard Geyer, Denkmal für Anton Wilhelm Amo in Halle (1965).
nal ausstrahlende, panafrikanische Kulturpolitik, in deren Rahmen der Staat Festivals, Studios und Museen zu finanzieren hatte. Im April 1966 fanden auf Senghors Initiative hin die panafrikanische Weltfestspiele Festival Mondial des Arts Nègres statt, ein Kulturereignis olympischen Ausmaßes mit 2.500 Künstlern (darunter Weltstars wie Duke Ellington) und zehntausenden Besuchern. Zu diesem Anlass war an der Uferprome-
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nade Dakars das Museé Dynamique für Wechselausstellungen errichtet worden. Mit einer Schau nigerianischer Plastik präsentierte sich der Bereich der bildenden Kunst auf dem Festival.7 Um kulturpolitische Kontakte in der Region zu knüpfen, war auch eine DDR-Delegation angereist, musste aber feststellen, dass das Festival weitgehend westlich dominiert und antimarxistisch ausgerichtet war, deshalb habe sie wenig ausrichten können.8 Tatsächlich war das nächste panafrikanische Festival, das 1969 in Algier stattfand, bereits wesentlich politischer und antiwestlich-kämpferischer konzipiert. Senghor hingegen, der die neue afrikanische Identität in Anbindung an eine westliche Moderne entwickeln wollte, erhielt 1968 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und blieb während seiner 20jährigen Amtszeit den westlichen Mächten, vor allem Frankreich, verbunden. Die von Senghor maßgeblich auf den Weg gebrachte literarisch-politische Strömung der Négritude postulierte die kulturelle Selbstbehauptung und historisch begründbare Eigenständigkeit der Afrikaner, reflektierte dabei aber auch den europäischen Diskurs über Afrika. Senghor hing der Idee nach, es gäbe eine zeitlose und universale edle Wildheit Afrikas, die im prinzipiellen Gegensatz zur europäischen Rationalität stehe. Sein kultureller Panafrikanismus schloss die Afroamerikaner ein, in deren Lebensart er eine psychische „afrikanische Essenz“ wahrzunehmen glaubte.9 Entgegen den eurozentrischen Vorurteilen einer Kulturlosigkeit Schwarzafrikas oder den Klischees eines primitiven Exotismus postulierte die Negritude die Existenz einer komplexen, historisch gewachsenen und gleichberechtigten schwarzen Kultur. Dieser Ansatz war nur bedingt mit der sozialistischen Ideologie Moskauer Prägung vereinbar, und Senghor wurde von linker Seite (auch von der Studentenbewegung in Westdeutschland) vorgeworfen, er agiere zu versöhnlich gegenüber den alten Mächten und den Profiteuren des Kolonialismus. Für die Entwicklung neuer, spezifisch afrikanischer Kunststile gab Senegals Kulturpolitik wichtige Impulse, wie der Präsident selbst resümierte: Seit 1960 gäbe es im Lande „eine neue bildende Kunst, die jedoch die Züge der schwarzafrikanischen Ästhetik beibehielt, einer Ästhetik des Fühlens, der gegenstandsbezogenen, harmonischen, von Rhythmus erfüllten Bilder.“ Die staatliche Förderung der bildenden Kunst durch Stipendien und Ausstellungsmöglichkeiten sei notwendig gewesen, denn im Senegal war „einerseits die Bildhauerei verschwunden, andererseits die Malerei noch nicht entwickelt.“10 Die von Senghor angeschobene Gründung eines Nationalmuseums, eines Forschungsinstituts zur afrikanischen Plastik und einer nationalen Kunstakademie unter Beteiligung anerkannter Künstler wie Papa Ibra Tall (geb. 1935) und Iba N´Diaye (1928–2008) beflügelte einen neuen senegalesischen Stil, der als „Ecole de Dakar“ populär wurde: dekorative, großflächige Motive mit figürlichen und abstrakten Elementen. Dieser Stil ließ sich gut für repräsentative Zwecke, etwa in der Auswärtigen KulSnipe, Senegal, S. 48. Bericht der Deutsch-Afrikanischen Freundschaftsgesellschaft vom 20.6.1966 über die Teilnahme einer DDR-Delegation am Festival Mondial des Arts Nègres. BArch DY 13 Nr. 1721. 9 Elizabeth Harney, In Senghor`s Shadow. Art, Politics and the Avantegarde in Senegal 1960–95, Durham 2004, S. 40. 10 Leopold S. Senghor in der Einleitung zum Ausstellungskatalog „Bildende Kunst der Gegenwart in Senegal“, Museum für Völkerkunde Frankfurt 1989, S. 15 f. 7 8
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turpolitik Senegals oder bei Bauprojekten nutzen, erstarrte aber bald zu einem Dogma und behinderte andere künstlerische Entwicklungen.11 Nach dem Erreichen der Unabhängigkeit machte sich ein Dilemma in der Künstlerausbildung der neuen Nationalstaaten bemerkbar: Einerseits suchte man sich geradezu zwanghaft von der Kolonialkultur und den europäischen Künsten abzugrenzen und an ältere Traditionen anzuknüpfen, andererseits lähmte dieses neue afrikanische Authentizitätsgebot die Kreativität. Statt sich den Spielarten der Hybridkulturen zu widmen und die koloniale Vergangenheit künstlerisch zu reflektieren, erging man sich in Nostalgie und zelebrierte eine angeblich echte, tiefe afrikanische Emotionalität.12 Verkompliziert wurde diese Identitätssuche durch den Umstand, dass es jene, in diesem Kontext idealisierten, „ursprünglichen“ und zeitlosen afrikanischen Völker und Reiche in dieser Form nicht gegeben hatte. Die Bezugnahme der neuen Nationalstaaten auf historische afrikanische Staatswesen wirkte folglich oftmals konstruiert und historisch fragwürdig. Die forcierte Authentizitätspolitik der Regierungen in den unabhängig gewordenen Staaten kam auch in der Afrikanisierung von Personennamen, geographischen Bezeichnungen, oder im Entwurf neuer Staatsnamen, Wappen und Trachten zum Ausdruck. Diktatoren wie Mobutu Sese Seko, der den Staatsnamen „Zaire“ erfand und sich als „Leopardenmann“ titulieren ließ, nutzten dies, um die Öffentlichkeit zu täuschen und sich als Anwälte „echt afrikanischer Interessen“ zu gerieren, während sie de facto zu Profiteuren einer ungerechten Weltwirtschaftsordnung wurden. Das war im Fall Mobutus umso pikanter, weil er persönlich in die Absetzung und spätere Ermordung Patrick Lumumbas verstrickt war, welcher als erster Premierminister des unabhängigen Kongo einen dezidiert antiimperialistischen Kurs eingeschlagen und sich um Unterstützung der UdSSR bemüht hatte. Die künstlerischen Traditionsstränge waren in vielen Ländern Afrikas durch die Kolonialherrschaft unterbrochen worden. Traditionelle Kunstwerke waren als „wertlose“ Volkskunst oder heidnische Götzenbilder von den Kolonialverwaltungen, von christlichen Missionaren oder muslimischen Machthabern abgelehnt oder zerstört worden. Andere Artefakte wurden geraubt und verschwanden in private oder staatliche ethnologische Sammlungen. Das vorkoloniale Afrika hatte vielerorts bedeutende architektonische und plastische Kunstobjekte hervorgebracht, etwa die Baukunst des historischen Groß-Simbabwe oder die Bronzeplastik von Benin. Als Auftraggeber traten Clanchefs, Könige und Priester in Erscheinung. Sie erwarteten Kunstobjekte, die für rituelle Zwecke nutzbar waren und von einer klar definierten Ikonographie geprägt waren. Dazu bedurfte es der Erhaltung und Perfektionierung eines bestimmten Stils. Eine individuelle Handschrift und eine präzise Datierung sind bei den einzelnen Objekten kaum feststellbar, vielmehr sind sie Produkte einer lokalen oder regionalen kollektiven Schöpfung.13 Die Essenz dieser Kunst wurde beschrieben als ganzheitlicher „Cosmic View“: Die Künstler fungierten – analog zu den Priestern – als Mitglieder eines ethisch-religiösen Ordnungsprinzips, sie visualisierten ein Weltbild, in dem Mensch, 11 12 13
Jutta Ströter-Bender, Zeitgenössische Kunst aus der Dritten Welt, Köln 1991, S. 140. Ströter-Bender, Kunst aus der Dritten Welt, S. 142. Jones, Afrika bis 1850, S. 119.
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Abb. 15. Der kongolesische Historienmaler Tshibumba Kanda-Matulu (1947– vermisst 1981) stellte Anfang der 1970er Jahre Lumumbas Verhaftung in dem Gemälde „Calvaire d’ Afrique“ dar.
Natur, Geister und Gottheiten harmonisch vereint sind. Kunst und Künstler polarisierten und provozierten nicht, sondern agierten affirmativ, als ordnungsstabilisierende Kräfte.14 Ihre Werke entsprachen den Erwartungen der Auftraggeber und Rezipienten. Im Zuge der europäischen Missionierung wurde der Cosmic View negativ sanktioniert.15 Das Fehlen einer persönlichen künstlerischen Signatur und einer schriftlich fixierten Kunstgeschichte führte dazu, dass afrikanische Kunst aus europäischer Perspektive lediglich als kulturhistorisch und ethnologisch relevant wahrgenommen wurde. Der Kunststatus wurde ihr nicht zugebilligt. Durch Kolonialwirtschaft und Modernisierung veränderte sich die Sozialstruktur, die lokalen Patrone fielen als Auftraggeber aus, herkömmliche Feste und Rituale, die künstlerische Ausstattung benötigten, wurden nicht mehr gefeiert: „Für die Künstler und die Kunsthandwerker bedeutete die Kolonisierung oft das Ende ihrer schöpferischen Tätigkeit. Sie hatten ihre fest umrissene Position in den lokalen Gemeinwesen gehabt, die sich nun auflösten. Holzschnitzer wurden Schreiner und Schmiede wurden Autoschlosser.“16 Neue künstlerische Ansätze wurden in Missionsschulen verfolgt, in der Afrikaner mit christlichen Bildmotiven und europäischer Landschaftsmalerei in Kontakt kamen. Hier entstanden aber nicht nur reine Nachbildungen europäischer Werke, sondern es zeigten sich bereits in der Kolonialzeit Ansätze einer neuen Hybridkunst. Die hier und da (vor allem im frankophonen Afrika) Wenngleich auch politische Ereignisse und Herrscherfiguren in das Portfolio der Bildmotive Eingang fanden, wie Exponate der Ausstellung „Deutscher Kolonialismus“ im Deutschen Historischen Museum in Berlin im Winter 2016/17 zeigten. So wurden auch Soldaten und Beamte der Kolonialmächte in der Holzplastik dargestellt. Der Übergang zum satirischen Spott und damit zur politischen Kritik mag dabei fließend gewesen sein. 15 Katrin Menke, Kunst und Kultur im gesellschaftlichen Wandel eines Entwicklungslandes. Dargestellt am Beispiel Nigerias, München 1991, S. 17 f. 16 Ströter-Bender, Kunst aus der Dritten Welt S. 17. 14
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gegründeten kolonialen Kunstschulen dienten europäischen Siedlern zum Zeitvertreib, aber auch dem Ziel, einer assimilierten afrikanischen Oberschicht den europäischen Kunstbegriff zu vermitteln und damit die Bindung ans Mutterland zu verstärken. Daneben gab es in den Kolonien die sogenannte Workshop-Kunst: Laien-Kunstzirkel, in denen sich Einheimische auf Initiative gebildeter Europäer im privaten Rahmen mit künstlerischen Techniken befassen konnten. Nach Erlangen der Unabhängigkeit wurden die bestehenden Kunstschulen meist nur personell verändert, die alten Strukturen bestanden weiter. Immerhin gab es in der Übergangsphase einige neue Ansätze wie die vom französischen Hobbykünstler Pierre Lods 1951 in Brazzaville gegründete und bis heute bestehende Kunst- und Malschule Poto-Poto. Später berief Senghor Lods an die Ecole National des Beaux Arts nach Dakar. Auch Lods folgte der Idealvorstellung einer afrikanischen Authentizität und bevorzugte eine offene Unterrichtsform. In mehreren afrikanischen Kunstschulen standen nach Erreichen der Unabhängigkeit sowohl afrikanische als auch europäische Kunst auf dem Lehrplan. Nun wurde den Studenten der objektive Vergleich beider Traditionen und eine eigenständigen Rezeption der europäischen Moderne ermöglicht, die Kunstschulen dienten als „visuelle Kontaktzonen.“17 Die Anforderungen an eine neue Repräsentationskunst ließen allerdings in den folgenden Jahren in zahlreichen afrikanischen Ländern den Spielraum für das künstlerische Experiment und für gedankliche Freiheit wieder schrumpfen.18 Neben der Suche nach einer spezifisch afrikanischen Moderne war die Traditionspflege für die neuen afrikanischen Staaten von großer Bedeutung. In abgelegenen Gebieten hatte die alte Kunst noch überlebt, auf unzugänglichen „Inseln der Tradition“, wie eine ethnologische Publikation aus der DDR im Jahre 1963 feststellte: „Die Regierungen der betreffenden Staaten bemühen sich durch Förder- und Schutzmaßnahmen wie Schaffung von Kunstzentren, staatliche Aufträge und Anregung des Kunsthandels künstlerische Traditionen zu pflegen. So ist es in einigen Fällen auch gelungen, schwache Reste der traditionellen Kunst wieder zu einer gewissen Blüte zu bringen.“ Die Gründung von Völkerkundeund Volkskunstmuseen sei zur Stärkung des Nationalbewusstseins wichtig.19 1969 organisierte die DDR eine internationale Konferenz „Freundschaft Afrika-DDR“ in Sierra Leone mit 122 Teilnehmern aus 19 Staaten, darunter einige Minister, Gewerkschafter und Journalisten. Zu diesem Zeitpunkt bestanden zwölf Freundschaftsgesellschaften mit der DDR: in Nigeria, Senegal, Sierra Leone, Kongo-Brazzaville, Kongo-Kinshasa, Sambia, Somalia, Sudan, Dahomey (Benin), Togo, Madagaskar und auf Mauritius. Die Konferenz fand unter einigen Schwierigkeiten statt, offenbar wurden die Teilnehmer bei der Anreise nach Freetown durch diverse prowestliche Regierungen behindert.20 Die Kulturkontakte zwischen der DDR und den westafrikanischen Staaten konnten unter diesen Bedingungen nur sporadisch bleiben, wenngleich es immer wieder Initiativen dazu gab. 1961 feierte der ghanaische Maler und Mitgründer der staatlichen Kunstschule in Achimota, Kofi Antubam (1922–1964), in Ostberlin ein Gastspiel. Bärbel Küster, „Visuelle Kontaktzonen in der bildenden Kunst: Europa-Afrika“, in: Marie-Helene Gutberlet u. a. (Hg.), Die Kunst der Migration, Bielefeld 2011, S. 201–209. 18 Ströter-Bender, Kunst aus der Dritten Welt, S. 20. 19 Museum für Völkerkunde Leipzig, Kunst aus Afrika, Leipzig 1963, S. 31 f. 20 „Freundschaft Afrika-DDR“ fand vom 15. bis 17.7.1969 in Freetown statt. BArch DR 1 Nr. 18847. 17
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Einige Jahre später bot Amon Kotei (1915–2011), führender Staatskünstler Ghanas – er hatte auch das neue Staatswappen entworfen – Ostberlin die Ausstellung der Künstlergruppe „Akwapim Six“ an. Die Akwapim Six standen für den Aufschwung der Kunstszene im unabhängigen Ghana.21 Ihre Wanderausstellung, die 1969 durch mehrere sozialistische Länder touren sollte, konnte wegen Transportproblemen aber nicht überall gezeigt werden. Es handelte sich um 142 Exponate, Plastiken, Keramik, Schmuck und Textilarbeiten. Eine davon trug den vielsagenden Titel: Ein Mensch kann nicht über eine Nation gebieten.22 1972 besuchte der bekannte Künstler Kobina Bucknor (1924–1975) anlässlich der Arbeiterfestspiele die DDR. Er war Wissenschaftler und Maler, sowie Mitglied des ehrenamtlichen Kunstrates, der die ghanaische Regierung beriet. Bucknor zeigte sich interessiert am politischen System und am Kulturleben der DDR, und vertrat in Gesprächen die Meinung, dass in Ghana eine „Diktatur der Mehrheit“ errichtet werden müsse, um eine kontinuierliche Entwicklung des Landes zu gewährleisten23 – eine Ansicht, die die Gastgeber auch zu ihren Gunsten interpretieren konnten. Im Gegensatz zu Ghana und Senegal, die an Beziehungen zu den ehemaligen Kolonialmächten festhielten, lehnten sich Mali und Guinea zunächst an die Sowjetunion an. Mit Erreichen der Unabhängigkeit verwandelte sich Mali in einen Einparteienstaat unter Führung von Präsident Modibo Keïta. Mit Hilfe des Rassemblement Démocratique Africain verfolgte er eine sozialistisch orientierte Politik, die auf Zentralisierung, Kontrolle und Mobilisierung der Massen setzte. Ausbleibende wirtschaftliche Erfolge führten 1968 zu einem Militärputsch. Dessen Anführer Moussa Traoré konnte sich bis 1991 als Staatspräsident an der Macht halten. Pro forma setzte er die zentralistisch-sozialistische Politik Keïtas fort, begann jedoch ab der Mitte der 1970er Jahre, den Anschluss an die westlichen Industriestaaten zu suchen. Die Einflussmöglichkeiten der UdSSR und der DDR begannen wieder zu schwinden. Wie Ghana spielte auch Guinea im Prozess der Dekolonialisierung eine Pionierrolle. Bereits im Herbst 1958 hatte es sich auf der Basis einer Volksabstimmung als erste französische Kolonie in Afrika für unabhängig erklärt. Ahmed Sékou Touré wurde Staatspräsident und zur Gallionsfigur eines linken Panafrikanismus. Im Gegensatz zu anderen ehemaligen französischen Kolonien kam es in Guinea zum Bruch mit Frankreich, was Touré dazu brachte, sich ganz dem Ostblock zuzuwenden und seine Herrschaft mithilfe der Einheitspartei Parti Démocratique de Guinée zu sichern. Touré trat für einen panafrikanischen Sozialismus ein und gewährte den Befreiungsbewegungen, vor allem in den portugiesischen Kolonien, beträchtliche Unterstützung – in erster Linie der PAIGC (Partido Africano da Independência da Guiné e Cabo Verde) im benachbarten Guinea-Bissau. Aus diesem Grund starteten portugiesische Truppen im November 1970 einen Umsturzversuch, der jedoch scheiterte. Trotz seiner fast drei Jahrzehnte währenden diktatorischen Herrschaft als „Syli“ (=großer Elefant) erreichte Touré wenig für sein Land. Guinea verzeichnete in dieser Zeit mindestens zwei Millionen Flüchtlinge. Trotz üppiger Ernten Robert W. July, An African Voice: The Role of the Humanities in African Independence, Durham, North Carolina, Duke University Press, 1987, S. 52 ff. 22 Kotei war im Mai 1969, als die Wanderausstellung in Ungarn Station machte, in der DDR-Botschaft in Budapest vorstellig geworden. BArch DR 1 Nr. 18845. 23 BArch DR 1 Nr. 18848 Bd. 1. 21
Die Kulturbeziehungen der DDR zu Ghana, Senegal, Guinea und Mali
und zahlreicher Bodenschätze herrschten Mangelwirtschaft und politische Repression. Gegen Ende seiner Amtszeit sah sich auch Touré gezwungen, durch eine Zuwendung zum Westen wieder Wirtschaftshilfen für sein Land zu erlangen. Ende der 1960er Jahre verstärkte die DDR ihre Aktivitäten in der Region. Dazu gehörten Kunstausstellungen und der Empfang von Delegationen aus Mali und Guinea, denen Know How für den Aufbau kultureller Institutionen vermittelt werden sollte. Dieser Wissenstransfer verlief allerdings nicht immer nach Plan. Über eine Delegation des malischen Informationsministeriums berichtete ein Betreuer 1967, dies sei „die uninteressierteste und undisziplinierteste Delegation, die ich je begleitet habe.“ Die Delegationsmitglieder brüskierten ihre Berliner Gastgeber, indem sie wiederholt verspätet bei Terminen und festlichen Mahlzeiten erschienen, ständig auf Geschenke aus waren und überhaupt kein Interesse an Gesprächen mit Bürgern oder Parteifunktionären der DDR zeigten. Über den Delegationsleiter Diawara berichteten die Gastgeber: „Trotz seiner fast europäischen Erziehung war sein Wissen auf historischem oder kulturellem Gebiet erschreckend gering. Seine Umgangsformen waren gut, er war stets höflich, jedoch oft überheblich. Er nannte sich Marxist.“ Und schließlich musste der konsternierte ostdeutsche Gästebetreuer noch feststellen: „Er sagte mir, dass er keine Frauenbekanntschaften wünsche, weil er krank sei und ließ durchblicken, dass es sich um eine Geschlechtskrankheit handele. Trotzdem kam es zu Prostituiertenbesuchen in seinem Hotelzimmer.“24 Erfreulicher (und sachorientierter) verlief der Besuch des Direktors des Nationalen Institutes der Künste Malis, Omar Sissoko, der ein Sorbonne-Absolvent und Mitglied der Sozialistischen Afrikanischen Partei war. Anlässlich der Internationalen Buchkunstausstellung 1968 weilte er als Gast des MfK in der DDR. Den Besuch der Hochschule für industrielle Formgestaltung Burg Giebichenstein empfand Sissoko als Höhepunkt der Reise, vor allem im Blick auf den geplanten Aufbau des staatlichen Kunstinstitutes in Bamako, das dringend Lehrkräfte in den Bereichen Architektur, Bildhauerei, Grafik, Glaskunst benötigte. Er informierte sich in Halle über die Struktur der Schule und über die Zusammenarbeit mit Industriebetrieben und schlug den Austausch von Lehrkräften und Studenten vor. Neben dem Ausbau des Kulturinstitutes in der Hauptstadt trug man sich in Mali mit Gedanken, durch regionale Kulturzentren auch die Provinz zu erschließen.25 Der ostdeutsche Künstler Wolfram Schubert (geb. 1926) hatte zwischen 1965 und 1968 Reisen nach Mali, Guinea, Marokko und Algerien unternommen. In seinem Oeuvre finden sich zahlreiche afrikanische Motive. Er wurde durch seine Aktivitäten eine Art Künstler-Botschafter für die DDR. Während zweier Studienaufenthalte schuf Schubert in Mali und Guinea eine Reihe von Werken, aus denen die Ausstellung „Erlebtes Afrika“ hervorging, die in diesen beiden Ländern gezeigt wurde, und anschließend nach Sansibar und Tansania gebracht werden sollte. Schubert sollte dort weitere Werke schaffen und einen bereits bestehenden Malzirkel anleiten.26 Im Interview mit dem afAbschlussbericht der Deutsch-Afrikanischen Freundschaftsgesellschaft über den Aufenthalt der Delegation des Informationsministeriums Mali in der DDR (4.3.–16.3.1967). BArch DY 13 Nr. 1721. 25 Abschlussbericht des MfK, Büro für internationale Gäste vom 2.7.1971. BArch DR 1 Nr. 18848 Bd. 2. 26 BArch DR 1 Nr. 18848 Bd. 1. 24
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rikanischen Magazin Horoya erklärte der Künstler 1968: „Die einzige Schwierigkeit, die ich hatte, war die Weigerung der Menschen, sich malen zu lassen.“ Nur einige Sportler in Bamako seien dazu bereit gewesen.27 Die Erfahrung, dass sich Afrikaner bisweilen ungern von Weißen zeichnen oder fotografieren ließen, hatte der Fotograf Heinz Krüger bereits einige Jahre zuvor gemacht. 1960 befand er sich im Auftrag einer ostdeutschen Zeitschrift im Lande, um eine Reportage über das aufstrebende unabhängige Guinea zu machen. Krüger hatte einen Mann fotografiert, der unter einem malerischen Baum schlief, woraufhin ein Menschenauflauf entstand. Die empörte Menge warf Krüger vor, dass auf diese Weise das Bild des „armen“ und „faulen“ Afrikaners in europäischen Medien fixiert werde. Erst ein Polizeieinsatz klärte die Situation, wobei die Ordnungshüter ihren Landsleuten versicherten, die DDR-Journalisten gehörten einer verbündeten antiimperialistischen Nation an.28 Wolfram Schubert erinnerte sich auch an die Schwierigkeiten, beim anvisierten Kulturaustausch einen adäquaten Partner in Afrika vorzufinden: „Eine Künstlerschaft in unserem Sinne habe ich nicht kennengelernt. Es gab Sänger und Tanzgruppen, in Mali auch eine Laientheatergruppe, die zu ertragen gewöhnungsbedürftig war. Sie hockte auf der Bühne und es wurde nur palavert. In Guinea wurde mir gesagt, es gäbe eine Kunstakademie. Neugierig wollte ich sie kennenlernen. In einem mehrstündigen Gespräch mit der sehr aufgeschlossenen, linksorientierten Direktorin erfuhr sich, dass es eine Lehrerbildungsanstalt mit einer Sektion Kunsterziehung sei. Eine israelische Keramikerin und zwei Franzosen, die ihren Unterricht mit dem Kopieren von Reproduktionen bestritten, lernte ich als Dozenten kennen. Ein elektrischer Brennofen stand seit Jahren verpackt im Freien, da es keinen Strom dafür gab. Ich verstand zu gut, dass man unter diesen Bedingungen keine wahre Künstlerschaft bzw. keine nationale Kunstentwicklung befördern konnte. Kurz gesagt, ich begründete meine Auffassung, dass man keine afrikanische Kunst entwickelt, indem man Cézanne kopiert, sondern sich auf afrikanische Traditionen besinnt und mit neuen Inhalten, neuem Geist beseelt. Daraufhin sei die Direktorin beim Präsidenten Touré vorstellig geworden und hätte ihn gebeten, Lehrer aus der DDR anzufordern.“29 Das Berliner Ministerium für Kultur fragte bei der Dresdner HfbK an, ob sie zwei bis drei Lehrkräfte in den Bereichen Malerei, Plastik und Grafik für den Aufbau der Kunstschule Conakry freistellen könne, französische Sprachkenntnisse und guter Gesundheitszustand seien erforderlich. Die HfbK empfahl den Maler Gerhard Stengel als Dozenten, er sei „ein würdiger Vertreter unserer Republik“, allerdings kam ein Engagement nicht zustande.30 Weitere Kandidaten fanden sich nicht – und Schubert selbst wurde eigenartigerweise gar nicht gefragt. Seine Ausstellung im Institut Polytechnique Conakry im Januar 1968 wurde zwar kaum von der politischen Prominenz besucht, doch bezeichnete der Staatssekretär für Information, Tibou Tounkara, in seiner Eröffnungsrede Schubert in schmeichelhafter Weise als völkerverbindenden Künstler: „Er malt nicht nur für die DDR, sondern für uns.“ Tounkara hob als gemeinsame Aufgabe Ebenda. Heinz Krüger und Joachim Mann, Blende auf für Guinea, Leipzig 1961, S. 19. 29 Wolfram Schubert per Brief an den Autor 24.2.2016. 30 Stengel (1915–2001) wurde 1969 erst zum Professor an der HfbK berufen, das mag seine Absage an Guinea erklären. Das Rektorat der HfbK an das MfK 19.7.1965. Archiv HfbK 03/0075. 27 28
Die Kulturbeziehungen der DDR zu Ghana, Senegal, Guinea und Mali
die „Formung des Menschen für den Sozialismus“ hervor. Die neue Zeit, die afrikanische Moderne, spiegelte sich u. a. auch in Schuberts Aquarell Hochhäuser in Conakry. Dieses und andere Werke wurden durch das MfK angekauft und anschließend guineischen Persönlichkeiten als Geschenke überreicht. Insgesamt war Ostberlin mit der Resonanz von ca. 1.000 Besuchern nicht zufrieden, weil keinerlei Werbung für die Ausstellung gemacht worden sei. Als Erfolg verbucht werden konnte allerdings die persönliche Audienz Schuberts bei Staatspräsident Touré. Sein Geschenk, das Gemälde Femme debout, wurde zur Tagung des I. Kongresses der malischen Frauen im Volkspalast an die Rednertribüne gehängt.31 Schubert hatte zudem einen Lithografie-Zyklus mit dem Titel Der lachende Mann geschaffen, der sich auf den gleichnamigen Dokumentarfilm der DDR-Regisseure Walter Heynowski und Gerhard Scheumann bezog. Durch einen Trick hatten sie es geschafft, mit dem deutschstämmigen Siegfried Müller einen westlichen Afrika-Söldner vor die Kamera zu bekommen. Sie hatten Müller im Glauben gelassen, dass es sich bei ihnen um ein westdeutsches Filmteam handelte und ihm 10.000 D-Mark Honorar gezahlt. Mit Suggestivfragen entlockten sie dem im Laufe des Interviews immer stärker alkoholisierten Müller Aussagen wie „ich interessiere mich für den revolutionären Krieg, konnte diese Interessen aber im Rahmen der Bundeswehr nicht realisieren“ und „Wir kämpfen in Afrika für Europa, für die Idee des Westens.“32 Es handelte sich hier um einen journalistischen Coup, mit dem die DDR den Westen und speziell die Bundesrepublik als „neokolonialistisch“ brandmarkte und sich zugleich afrikanischen Regimes und Befreiungsbewegungen als Kampfgenossin empfahl. Nachdem der Film 1966 in der DDR erstmalig ausgestrahlt wurde, konnte man ihn in 37 Länder exportieren. Schuberts gleichnamiger Lithografie-Zyklus sollte die Resonanz des Films verstärken und gezielt an guineischen Persönlichkeiten verschenkt werden, um an den „gemeinsamen antiimperialistischen Kampf “ zu appellieren.33 Im Februar 1968 wurde Schuberts Ausstellung „Erlebtes Afrika“ im Institut National des Arts in Bamako gezeigt. Mehrere Botschafter von Ostblockländern und der UNESCO-Vertreter waren bei der Vernissage anwesend, insgesamt wurden immerhin 2.000 Besucher gezählt. Schubert nutzte auch diese Reise zu Studienzwecken, besuchte Lehreinrichtungen des Instituts und führte Gespräche mit Malern des Landes. Malereiprofessor Kanté zeigte sich sehr interessiert, die Ausbildung in Bamako zu verbessern, es fehle an Gemälden zu Demonstrationszwecken und an künstlerischen Materialien wie Leinwand und Ölfarben.34 Das MfK dankte Schubert noch einmal ausdrücklich für seinen diplomatischen Einsatz in Mali und Guinea: „Mit ihrem Können und Ihrem Fleiß haben Sie dazu beigetragen, das Prestige der DDR in diesen beiden Staaten weiter zu stärken.“35 Der Künstler-Botschafter Schubert muss bei seinen Afrikareisen den Eindruck gewonBArch DR 1 Nr. 18848 Bd. 1. Walter Heynowski und Gerhard Scheumann, Der Lachende Mann 1965/66, Deutsches Rundfunkarchiv Potsdam. Ausschnitte wurden gezeigt in der Ausstellung „Deutscher Kolonialismus, Deutsches Historisches Museum Berlin 14.10.2016–14.5.2017. 33 Bericht über die Ausstellung der Handelsvertretung der DDR in Conakry vom 17.2.1968. BArch DR 1 Nr. 18848 Bd. 1. 34 Bericht der Handelsmission der DDR in Bamako vom 14.2.1968. Ebenda. 35 Staatssekretär Horst Brasch (MfK) im Brief an Schubert, 16.2.1968. Ebenda. 31 32
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nen haben, dass ein Kunstmarkt und ein akademischer Kunstbetrieb, wie man ihn aus Europa kennt, in diesen Ländern höchstens in Ansätzen vorhanden war, und dass ein Ausstellungspublikum erst noch gefunden oder herangezogen werden musste. Die Handelsmission der DDR berichtete 1972 über das erwachende nationale Kulturbewusstsein in Mali und anderen afrikanische Staaten, und speziell über das wachsende Interesse in Mali an deutscher Kultur, das offenbar auch von einer DDR-Ausstellung über Dürer im gleichen Jahr angeregt worden war. Leider sei man darauf angewiesen, in der Landesüblichen Verkehrssprache Französisch zu kommunizieren und habe kein passendes Material, um über Kunst und Kultur der DDR zu informieren.36 Beim Besuch einer guineischen Delegation 1972 in Berlin bot das MfK an, einen Künstler aus Guinea einzuladen, der die Unterstützungsmaßnahmen der DDR für den Aufbau einer Kunsthochschule in Guinea koordinieren könnte.37 Für seine persönliche künstlerische Entwicklung waren die Reisen nach Afrika sehr wichtig gewesen, erinnerte sich Wolfram Schubert, doch blieb es eine punktuelle Aktion: „Kulturpolitisch gesehen war mein Aufenthalt und Wirken dort ein einmaliger Erfolg ohne nachhaltige Wirkung. Soweit ich weiß, hat es keine weiteren Folgen von Künstleraufenthalten in Guinea und Mali unsererseits gegeben. Auch andere, beispielsweise von Günther Brendel in Algerien, waren einmalig und ohne gegenseitigen Austausch in der Folge.“38 Die für die DDR ungünstige innenpolitische Entwicklung in Mali und Guinea vereitelte einen Ausbau der Kulturbeziehungen. Verlässliche und stabile Partner konnte das sozialistische Weltsystem in Westafrika nicht finden. Mehr Erfolg winkte in Ostafrika. Aufbauhilfe für Tansania und Somalia
Wie in Westafrika vollzog sich die Dekolonialisierung in Ostafrika in den beiden Jahrzehnten nach 1945. Die Unabhängigkeit erreichten der Sudan 1956, Somalia 1960, Tanganjika 1961, Uganda 1962, Kenia und Sansibar 1963. Äthiopien hatte seine Souveränität bereits 1941 wiedergewonnen, wurde aber in schwere territoriale Konflikte mit der autonomen Region Eritrea und mit Somalia verwickelt. Das zunächst unabhängige Sansibar fusionierte bald mit Tanganjika. Sowohl im Sudan als auch in Somalia, Eritrea, Sansibar, Tanganjika gab es marxistische Bewegungen und prosowjetische Kräfte, allein war es in dieser instabilen Region unmöglich, durch die Parteinahme für einzelne Akteure nicht zugleich andere zu verprellen. Das erste Ziel des DDR-Engagements in Ostafrika bildete die Inselgruppe Sansibar-Pemba (die 1890 kurzzeitig unter deutschen Einfluss geraten war und anschließend britisches Protektorat wurde). Am 12. Januar 1964 wurde in dem gerade unabhängig gewordenen Inselstaat nach einem Putsch eine „Sozialistische Volksrepublik“ ausgerufen, die DDR erkannte sie umgehend an und entsandte einen Botschafter. Umgekehrt war die Volksrepublik der erste afrikanische Staat, der die DDR anerkannte. Dieser Brückenkopf der DDR-Diplomatie ging jedoch nach kurzer 36 37 38
BArch DR 1 Nr. 18848 Bd. 2. Aktennotiz des MfK vom 28.9.1972. BArch DR 1 Nr. 18848 Bd. 1. Wolfram Schubert per Brief an den Autor 24.2.2016.
Aufbauhilfe für Tansania und Somalia
Zeit wieder verloren, weil sich das benachbarte Tanganjika auch aufgrund außenpolitischen Druckes die Volksrepublik einverleibte, und sich der neue Gesamtstaat Tansania bei aller sozialistischen Rhetorik auch dem Westen (und der VR China) zuneigte.39 Dennoch blieb die DDR mit einem Konsulat auf Sansibar vertreten, das kulturpolitisch sehr aktiv war. 1967 organisierte es eine Käthe-Kollwitz-Ausstellung und bemühte sich um weitere Ausstellungen; allerdings im Wissen, dass ein sansibarisches Kunstpublikum erst im Entstehen sei: „Die Menschen lieben hier vor allem Farbenfreudigkeit,“ betonte Vizekonsul Horst Kohl und bat das MfK um die Übersendung von entsprechenden Aquarellen, Plakaten oder Gemäldereproduktionen, hingegen sei „das Genre Grafik für sie neu und ungewohnt.“ Demnächst werde in Sansibar ein Verband bildender Künstler gegründet. Da sei es ratsam, wenn seitens der DDR Künstlermaterial als Geschenk überreicht werden könne, denn es mangele an allen denkbaren Utensilien, „die eine solide künstlerische Arbeit erfordern.“40 Über den Verlauf der einwöchigen Kollwitz-Ausstellung in einem kleinen Saal des Peoples Club berichtete Kohl: „Es war von vornherein klar, dass eine solche Bilderausstellung hier nicht für ein breites Publikum ansprechend ist, umso mehr, berücksichtigt man den allgemeinen Bildungsstand der Bevölkerung und den noch relativ gering entwickelten Stand der Malerei.“ Durch Spruchbänder, Zeitungsannoncen, Radiobeiträge und Handzettel, die in höheren Schulen verteilt wurden, gelang es immerhin, etwa 600 Besucher anzulocken, so dass Kohl von einem kulturpolitischen Erfolg sprechen konnte. In Swahili übersetzte Hintergrundinformationen zu Kollwitz’ Leben und Werk liefen während der Öffnungszeiten auf Tonband. Zur Vernissage waren 80 Künstler, Intellektuelle und Politiker eingeladen worden, von denen etwa die Hälfte erschienen, vor allem Künstler und Vertreterinnen von Frauenorganisationen.41 Die Beziehung zur DDR schlug sich auch in der Architektur Sansibars nieder. Einheimische Jugendorganisationen errichteten gemeinsam mit einer Freundschaftsbrigade der Freien Deutschen Jugend in der Ortschaft Bambi Wohngebäude. Die DEFA dokumentierte dieses Projekt 1968 mit dem Film BAMBI – Bauplatz der Jugend. Ganze Straßenzeilen spendierte die DDR der Inselhauptstadt. So entstanden im Stadtteil Kikwajuni zwölf dreistöckige Wohnblocks und im Stadtteil Michenzani kilometerlange Straßenfronten mit Plattenbauten. Baustoffe, Maschinen und Facharbeiter kamen per Schiff aus der DDR, vor Ort wurden die Fertigteile montiert. Die Blöcke sind noch heute als Wohnungen beliebt, wenngleich die Erstausstattung mit Kochherd und funktionierenden Wasserleitungen längst nicht mehr vorhanden ist.42 Zugleich bemühte sich die DDR um gute Beziehungen zu Tansania und bot Aufbauhilfe für das heterogene Land an.43 Im Februar 1967 fand ein Gespräch des tansanischen Kultusministers C. Y. Mgonja im Generalkonsulat der DDR in Daressalam Helmut Matthes, „Zur Entwicklung außenpolitischer Beziehungen zwischen der DDR und Tansania bis Mitte der 1970er Jahre“, in: Ulrich van der Heyden u. a. (Hg.), Kalter Krieg in Ostafrika. Die Beziehungen der DDR zu Sansibar und Tansania, Berlin 2009, S. 55–97, hier: S. 58. 40 Vizekonsul Kohl im Schreiben an das MfK 27.4.1967. BArch DR 1 Nr. 18839. 41 Vizekonsul Kohl an das MfK am 20.7.1967. BArch DR 1 Nr. 18839. 42 http://www.dw.com/de/ddr-plattenbauten-auf-sansibar/a-4762753 (2.11.2009). 43 Diese fand auch im sicherheitspolitischen Bereich statt. BStU MfS X Nr. 238 (Vereinbarungen und Protokolle, materiell-technische Unterstützung des tansanischen Sicherheitsdienstes, 1967–1988). 39
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statt. Der Minister betonte den großen Anteil seines Ressorts an der revolutionären Stimmung im Lande, dabei spiele sozialistisches Gedankengut eine wichtige Rolle. Nur wenige Tage zuvor war von der Regierungspartei Tanganyika African National Union in der Stadt Arusha ein Programm beschlossen worden, das als „Arusha-Deklaration“ in die Geschichte einging und die Ujamaa-Ideologie propagierte (Ujamaa=Gemeinschaft), einen „Afrikanischen Sozialismus“, der Stammestraditionen und den Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft mit sozialistischem Gedankengut kombinierte. Die Ujamaa-Initiative des Staatspräsidenten Julius Nyerere stützte sich dabei auf vier wesentliche Elemente: Volk, Grund und Boden, gerechte Politik und gute Regierung.44 Mgonja wünschte sich die Unterstützung der DDR bei der geplanten Einrichtung von Provinzmuseen und beim Ausbau des Nationalmuseums. Nicht nur Museen sollten bei den Einwohnern Tansanias das Bewusstsein stärken, nun zu einer einheitlichen Nation zu gehören, auch Musik, Radioprogramme und landeskundliche Filme waren als Instrumente des Nation Building erwünscht. Hier hoffte der Minister auf technische und künstlerische Unterstützung aus Ostberlin. Zudem wünschte er sich einen DDR-Berater im Bereich der Massenkulturarbeit. Mongja verwies auch darauf, dass sich auch die Volksrepublik China in Tansania engagiere, und dass kürzlich ein westdeutscher Musikexperte ins Land kommen wollte, allerdings unter der Bedingung, völlig unabhängig arbeiten zu können. Dies wurde von der tansanischen Regierung abgelehnt. Die DDR-Diplomaten versicherten, dass ihre Fachleute „selbstverständlich nur gemeinsam mit den verantwortlichen Mitarbeitern des Ministeriums und ausgehend von der hiesigen kulturpolitischen Zielstellung arbeiten“ würden. Als neuen Kulturbeauftragten der Regierung stellte Mongja den Maler Sam Ntiro vor, der bereits als East African High Commissioner to the Court of Saint James in London diplomatisch aktiv gewesen war und nun auch als Präsident des Verbandes tansanischer Künstler amtierte. Bezeichnenderweise bestand dieser Verband zu jenem Zeitpunkt fast ausschließlich aus Engländern und anderen im Land lebenden Ausländern, eine einheimische Kunstszene gab es noch nicht.45 Der Maler und Diplomat Ntiro (1923–1993) gehört noch heute zu den bekanntesten Künstlern des Landes. Bis 1973 fungierte er als Commissioner of Culture for the Government of the United Republic of Tanzania. Ein Gespräch im Berliner Staatssekretariat für das Hochschulwesen mit dem Ehepaar Shore (er war Leiter des theaterwissenschaftlichen Instituts der Universität von Daressalam46, sie Schriftstellerin) im Juni 1967 vermittelte ein realistisches Bild der bäuerlich geprägten Gesellschaft Tansanias, in der städtische Kunst und Kultur bislang nur eine Nebenrolle spielten. Ebenso unbedeutend war laut Shore die Zahl der „wissenschaftlich“ überzeugten Sozialisten, obwohl sich das Land offiziell dem Aufbau des Sozialismus verschrieben habe. Im Kulturbereich fehlten Experten und Funktionäre, und es sei notwendig, ein integratives Julius Nyerere, Die Arusha-Deklaration. Zehn Jahre danach, Köln 1977. Bericht für das MfAA vom 1.3.1967. BArch DR 1 Nr. 18828. 46 Shore lehrte nach 1982 in den USA. In Tansania hatte er ein Standardwerk verfasst: Herbert L. Shore, Theatre in a changing world, Daressalam 1969. Shore war mit dem ersten Präsidenten der FRELIMO befreundet gewesen, bis dieser 1969 durch eine Briefbombe getötet wurde: Herbert Shore, „Remembering Eduardo: Reflections on the Life and Legacy of Eduardo Mondlane“, in: Africa Today Bd. 39, Nr. 1/2, S. 35– 52. 44 45
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„Zentrum für Nationalkultur“ aufzubauen und die bildende Kunst zu fördern, schließlich war von Präsident Julius K. Nyerere die Losung ausgegeben worden: „Die Kunst ist eine der Säulen unserer Kultur.“47 Bei der kulturellen Aufbauarbeit müsse allerdings, so das Ehepaar Shore, „eine Spaltung von Volkskunst und akademischer Kultur verhindert werden.“48 Als gelungenes Gemeinschaftsprojekt der DDR, Tansanias und der mosambikanischen Befreiungsbewegung FRELIMO konnte die umfangreiche Makonde-Kunstausstellung gelten, die, von Ntiro begleitet, im August 1969 im Ausstellungszentrum Friedrichstrasse in Berlin eröffnet wurde. Die Makonde, eine in Tansania und Mosambik siedelnde Ethnie, die sich schon zu Beginn des Befreiungskrieges gegen die Portugiesen gestellt hatte, zeichnete sich durch eine lange Tradition der Holzschnitzkunst aus.49 Im Abschlussbericht des MfK über den Besuch von Ntiro hieß es, er habe sich überzeugt gezeigt, dass sein Land ausländische Aufbauhilfe benötige, diese aber nur willkommen sei, wenn sie ohne politische Bedingungen gewährt werde. Zum Missvergnügen seiner Gastgeber erwähnte er als positives Beispiel China, das sich u. a. im Eisenbahnbau in Tansania engagierte und ihn mehrfach eingeladen hatte. Ebenso befremdlich muss sein Kommentar beim Besuch der Galerie Neue Meister in Dresden gewirkt haben, wo er befand, einige Gemälde dort seien „nicht museumswürdig.“50 Zu umfangreicher kultureller Aufbauhilfe in Tansania seitens der DDR kam es nicht mehr, wenngleich noch vereinzelt Ausstellungen stattfanden.51 Das MfAA berichtete im August 1970 über die Verschlechterung der Beziehungen Tansanias zu den sozialistischen Ländern, „reaktionäre bzw. prochinesische Kräfte“ dominierten dort nun die Massenmedien.52 Die Ujamaa-Ideologie räumte der DDR offenbar keine privilegierte Position beim Aufbau Tansanias ein. Der Westen und die Volksrepublik China waren hier gleichermaßen angesprochen. Überdies wurde die Politik eines Afrikanischen Sozialismus ab Mitte der 1980er ohnehin kaum noch weiterverfolgt, sondern in den ideologischen Ruhestand versetzt: Zur Erinnerung an die berühmte Erklärung wurden 1977 das Arusha-Denkmal und das Arusha-Declaration-Museum errichtet. Als kleines Provinzmuseum zeigt es bis heute Ausstellungen zur tansanischen Geschichte. War schon nach zehn Jahren das Haltbarkeitsdatum des afrikanischen Sozialismus abgelaufen? Die Meinungen, inwieweit sozialistische Elemente im politischen System Tansanias weitergewirkt haben, sind heute geteilt. „Die Nachwirkungen von Ujamaa und Nyerere“, schreibt Katrin Bromber, Wissenschaftlerin am Zentrum Moderner Orient in Berlin, „lassen sich bis heute nachverfolgen und gewinnen gerade wieder an Aufwind.“53 Auch in Somalia hatte die DDR versucht, den Sozialismus auf afrikanischem Boden voranzubringen. 1969 ergab sich eine günstige Gelegenheit. Ein „Oberster Revolutionsrat“ unter Mohammed Siad Barre propagierte nach einem Militärputsch den Zitiert nach: Max Mohl, Meisterwerke der Makonde, Heidelberg 1977, S. 1. Staatssekretariat für das Hochschulwesen, Abt. Ausland II Aktenvermerk über Gespräch mit dem Ehepaar Shore am 16. Juni 1967 in Berlin. BArch DR 1 Nr. 18828. 49 BArch DR 1 Nr. 18828. 50 BArch DR 1 Nr. 18839. 51 „Kunst aus Tansania“, Galerie am Weidendamm: Makonde-Holzschnitzerei, Keramik, Textilarbeiten. (7.7.–31.7.1988). BArch DR 123 Nr. 337. 52 MfAA Abt. Auslandsinformation am 13.8.1970. BArch DR 1 Nr. 18828. 53 Katrin Bromber per Email an den Autor 22.12.2016. 47 48
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Aufbau des „wissenschaftlichen Sozialismus“, um Clanherrschaft, Analphabetismus und Unterentwicklung zu überwinden. Im April 1970 bereiste DDR-Außenminister Otto Winzer zwei Wochen lang das Land. Ein Bericht des MfAA aus dem gleichen Jahr über die Zustände in Somalia, das aus ehemaligen italienischen und britischen Kolonien zusammengefügt worden war, verdeutlicht die schwierigen Bedingungen einer kulturellen und ideologischen Zusammenarbeit mit diesem neuen Partner. Die Orientierung der führenden Kräfte des Landes auf die UdSSR böte zwar „günstige Bedingungen für die auslandsinformatorische Arbeit,“ und die DDR könne jetzt in Somalia „aktive Solidarität mit den um ihre Freiheit kämpfenden Völkern“ demonstrieren. Allerdings stellte sich die Frage, wie eine Bevölkerung, die laut Informationen des MfAA zu 90 Prozent aus Nomaden und aus Analphabeten bestand, von der DDR-Propaganda überhaupt erreicht werden konnte.54 Kulturinstitutionen, Medienunternehmen und Kommunalverwaltung mussten in Somalia quasi aus dem Boden gestampft werden. Der ambitionierte Revolutionsrat führte das lateinische Alphabet für das Somali ein. Bis zum antisozialistischen Kurswechsel Ende der 1970er Jahre wurden Verbindungen zur DDR gepflegt, die Somalia beim Nation Building unterstützte. Regelmäßig fanden Seminare für somalische Kommunalpolitiker in der DDR statt. Im Sommer 1974 waren Vertreter des Gemeindetages der DDR ans Horn von Afrika gereist und trafen mit dem Revolutionären Stadtrat von Mogadischu zusammen. In einem Bericht über die Perspektiven der DDR-Auslandsarbeit in Somalia wurde festgehalten: „Können die europäischen sozialistischen Staaten nur geringe Erfolge beim wirtschaftlichen Aufbau vorweisen, so wird damit aber die breite Ebene der Vermittlung sozialistischer Erfahrungen in Frage gestellt. Es wächst dann der Druck auf den Revolutionsrat, westliche oder chinesische Hilfe in Anspruch zu nehmen.“55 Insofern gab es einen regelrechten Wettlauf in der Entwicklungshilfe für afrikanische Staaten, bei dem die DDR und die Sowjetunion ihre Effektivität und Vorbildfunktion unter Beweis stellen mussten. In Somalia verlor der sowjetisch geprägte Staatenblock diesen Wettbewerb, das Land wandte sich bereits nach wenigen Jahren wieder dem Westen zu, wobei eine wesentliche Ursache im Grenzkrieg mit Äthiopien zu suchen war.
Bericht des MfAA, Abt. Auslandsinformation vom 13.8.1970. BArch DR 1 Nr. 18834. Bericht der Liga für Völkerfreundschaft über „Die Situation und die Perspektiven der Auslandsinformation in der Demokratischen Republik Somalia“ vom 16.6.1971. BArch DY 13 Nr. 2999. 54 55
Das Bündnis mit der Demokratischen Volksrepublik Äthiopien
Das Bündnis mit der Demokratischen Volksrepublik Äthiopien
Äthiopien stellte den stärksten Machtfaktor in Ostafrika dar und war lange Zeit mit den USA verbündet gewesen, bis der Kaiser Haile Selassie 1974 infolge von Misswirtschaft und Hungerkrise gestürzt wurde. Nach dem Sturz des Kaisers bemächtigte sich das Militär der Revolution, ein Militärverwaltungsrat („Derg“) übernahm unter Führung von Major Mengistu Haile Mariam die Macht. Ab 1975 begann mit sowjetischer Hilfe der Umbau des Landes zur Volksrepublik. Eine SED-Delegation notierte beim Besuch in Addis Abeba euphorisch den Eindruck, „hier könne ein zweites Kuba entstehen.“56 Der Derg ließ zehntausende von Oppositionellen inhaftieren und hinrichten. Zugleich führte die Junta Krieg gegen Separatisten in Eritrea und Tigray (die ebenfalls als linksorientiert galten). Im 1976 ausbrechenden Grenzkrieg mit Somalia stellte Kuba Kampftruppen, während die DDR die äthiopische Armee mit Waffen- und Nahrungsmittellieferungen unterstützte. 1979 wurden umfangreiche Verträge zwischen der DDR und Äthiopien geschlossen, darunter auch ein Kulturabkommen. Im Mittelpunkt der sozialistischen Umgestaltung Äthiopiens stand aber die Verstaatlichung der wenigen Industriebetriebe und der Landwirtschaft. Die Kollektivierung der Landwirtschaft konnte die massiven wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Probleme des Landes nicht lösen, sondern verschärfte sie mit dem Ergebnis, dass 1984 nicht wirksam gegen eine erneute Hungersnot vorgegangen werden konnte. Daraufhin fand eine internationale Hilfsaktion statt, an der sowohl die Sowjetunion als auch westliche Länder beteiligt waren. Bundeswehr, Interflug und NVA arbeiteten bei diesem außergewöhnlichen Ereignis über die Systemgrenzen hinweg zusammen. Die Regierung in Addis Abeba versuchte bei dieser Gelegenheit, die in Äthiopien tätigen internationalen Hilfsorganisationen zur Unterstützung ihrer Verstaatlichungs- und Umsiedlungspolitik zu zwingen, was weitere Opfer erforderte. 1987 wurde die Verfassung der „Demokratischen Volksrepublik Äthiopien“ (DVR) eingeführt, die sich an der sowjetischen Verfassung orientierte. Von der Unterstützung Äthiopiens erhoffte sich Ostberlin den leichteren Zugang zu Rohstoffen und Genussmitteln wie z. B. Kaffee. Zahlreiche wirtschaftliche Gemeinschaftsunternehmen wurden initiiert, die allerdings bald stagnierten oder scheiterten. Die DDR lieferte aber noch bis 1989 Landmaschinen und Waffen, sandte insgesamt etwa 2.000 Experten nach Äthiopien und bildete eine Anzahl äthiopischer Kader an der Leipziger Universität aus. 57 Zudem kooperierte das MfS mit den Sicherheitsorganen des Derg.58 Wolfgang Bayerlacher, „Die außenpolitischen Interessen und die Beziehungen der DDR zu Äthiopien“, in: Siegfried Bock, Ingrid Muth, Hermann Schwiesau (Hrsg.), DDR-Außenpolitik im Rückspiegel, Berlin 2006 (Band 2), S. 98–115, hier: S. 99. 57 Paul Kaiser, „Kunsttransfer und Ideologieexport. Das erste Marxdenkmal auf afrikanischem Boden von Jo Jastram 1979–1984“, in: Kerstin Volker-Saad und Anna Greve (Hg.), Äthiopien und Deutschland. Sehnsucht nach der Ferne, München 2006, S. 225–229. 58 BStU MfS X Nr. 91–92: Materiell-technische Unterstützung, Ausbildung von äthiopischen Sicherheitsmitarbeitern, Aufbau der Sicherheitsinfrastruktur, Berichte über die Lage in Äthiopien und über gegenseitige Besuche von Delegationen, Verträge und Vereinbarungen zwischen beiden Diensten, 1977– 1989. Vgl. a. BStU MfS X Nr. 389 und 334: Zusammenarbeit mit dem äthiopischen Sicherheitsdienst bei der Errichtung einer Ausbildungsbasis für das Ministerium für Staats- und Öffentliche Sicherheit Äthiopiens, Vereinbarung und Protokoll über die Zusammenarbeit der Innenministerien der DDR und Äthiopiens 56
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Kapitel III. Schauplatz Afrika
Abb. 16. Äthiopische Holzschnittkunst: „Spiele“ von Tulu Guyat.
Äthiopien konnte auf eine lange Tradition der volkstümlichen und religiösen Malerei verweisen und zeichnete sich durch die erste eigenständige Gründung einer nationalen Kunsthochschule auf afrikanischem Boden aus. Unterstützt von der ältesten Kaisertochter und initiiert von dem am Chicago Art Institut ausgebildeten Künstler Alefelege Selem (1929–2016) wurde die Schule der schönen Künste 1958 in einem Neubau in Addis Abeba eröffnet. Zur ersten Generation von Dozenten zählten deutsche und österreichische Künstler.59 Mit der Machtübernahme der Kommunisten wurde auch die Künstlerschaft in den Dienst genommen. Zunächst blieben die Touristen im Lande aus und somit entfiel eine wichtige Verdienstquelle für die Maler. Einige bekannte Künstler verließen das Land, wie Gebre Krestos Desta (1932–81), der 1978 nach Westdeutschland ging.60 Der renommierte Künstler Afewerk Tekle (1932–2012), ehemals Maler im Dunstkreis des Kaisers, blieb hingegen im Lande.61 Die verbliebenen Künstler erhielten Aufträge für Plakate und Wandgemälde, die die Bevölkerung für das neue Regime einnehmen sollten. Gefragt waren Motive von Militärparaden oder Dar1987–1988, Unterstützung beim Aufbau des Instituts für Strategische Studien des äthiopischen Innenministeriums, Solidaritätslieferungen, 1987–1989. 59 Peter Roenpage, „Die Fine Arts School in Addis Abeba“, in: Kerstin Volker-Saad und Anna Greve (Hg.), Äthiopien und Deutschland. Sehnsucht nach der Ferne, München 2006, S. 259–262. 60 Peri Klemm, „Contemporary expressive culture in Ethiopia“, in: African Arts 1/2009, S. 6–13, hier: S. 9. 61 Von ihm stammte die Glasmalerei: Der Kampf und das Streben des afrikanischen Volkes in der 1959 erbauten Africa Hall in Addis Abeba. Ströter-Bender, Kunst aus der Dritten Welt, S. 76. 1980 wurde er mit Ausstellungen im Moskauer Puschkin-Museum und im Russischen Staatsmuseum in Leningrad geehrt und als „Held des Friedens und der Freundschaft“ ausgezeichnet.
Das Bündnis mit der Demokratischen Volksrepublik Äthiopien
stellungen von politischen Aktionen wie der Zemecha-Kampagne. Diese im Oktober 1974 ins Leben gerufene Bewegung erinnerte z. T. an die chinesische Kulturrevolution. Fachkräfte, Schüler und Studenten wurden mit dem Auftrag mobilisiert, die Bildung der Landbevölkerung und die Produktionsprozesse in der Landwirtschaft zu verbessern, die Alphabetisierung voranzutreiben, die volkstümliche Kultur zu dokumentieren und Patriotismus und Moral in allen Landesteilen zu stärken. Es handelte sich um eine militante egalitäre Kampagne, die das Nation Building im Vielvölkerstaat voranbringen und dabei zugleich für das neue Regime werben sollte. Maler wie Berhanu Yemenu (geb. 1930) illustrierten diese Kampagne oder schufen Bilder vom Besuch ausländischer Delegationen befreundeter Staaten.62 Auch der Lehrplan an der Kunsthochschule Addis Abeba wurde umgestellt, Monumentalplastik und -malerei wurden Hauptlehrfächer. Der Bildhauer Behailu Bezabih (geb. 1965) berichtete rückblickend über seine Studienzeit in den späten 1970er Jahren: „Wir hatten keinen Kontakt zum westlichen Kunstausbildungssystem, wir wurden strikt vom östlichen geprägt. Deshalb gingen viele Studenten in sozialistische Länder. Die Ideologie ermutigte nicht dazu, etwas Persönliches in der Kunst auszudrücken, und neuere Kunstgattungen wie Video oder Installationen lernten wir gar nicht kennen.“63 Somit waren gute Voraussetzungen für die weitere kulturpolitische Einflussnahme der Ostblockländer gegeben. Im Rahmen eines Kulturabkommens der DDR mit Äthiopien sollte der Kulturaustausch zwischen beiden Ländern angeregt und die Integration Äthiopiens in das Sozialistische Weltsystem vorangetrieben werden. Die Ausstellung „Junge Kunst aus Äthiopien“ versammelte im Sommer 1978 Gemälde und Grafiken von drei Absolventen der Schule für schöne Künste Addis Abeba im Ausstellungszentrum am Berliner Fernsehturm. Ejigayehu Tesfaye war die erste äthiopische Bildhauerin mit Hochschulabschluss, sie stellte u. a. Reliefbilder aus Samenkörnern aus. Martha Kassala steuerte Gemälde und Holzschnitte bei, weitere Gemälde kamen von Demmelash Adal, der auch als Bühnenbildner und Schauspieler tätig war.64 Im gleichen Jahr wurde die Grafik- und Fotoausstellung „Antiimperialistische Solidarität in der Fotografie der DDR“ in der Stadthalle in Addis Abeba durch den äthiopischen Kultusminister Haile Wolde-Michael eröffnet, im Vorfeld der Feierlichkeiten zum vierten Jahrestag der äthiopischen Revolution. Sie zeigte Aufnahmen u. a. vom Befreiungskampf der FRELIMO und der Behandlung verwundeter Kämpfer in der DDR.65 1980 sah das Berliner Publikum eine Drei-Länder-Ausstellung im Ausstellungszentrum am Fernsehturm: Kunst aus Angola, Mosambik und Äthiopien. Im Herbst 1983 wurde die Ausstellung „Sozialistisches Äthiopien. Malerei und Grafik der Schule für Schöne Künste Addis Abeba“ in der KH Weissensee und anschließend Die Sammlung des französischen Forschers Jacques Mercier umfasst einige politische Gemälde: Quanna Sambata, Besuch des Präsidenten vom Nordjemen in Addis Abeba (1978, Inv. Nr. Q66); Djambare, Marx, Engels, Lenin (1975, Inv. Nr. D16); Berhanu Yememu, Zemecha (Inv. Nr. B101), ders., Empfang des russischen Außenministers In Addis Abeba (1979, Inv. Nr. B121). Ifa (Hg.), Äthiopien in der volkstümlichen Malerei, Stuttgart 1993. 63 Polly Savage (Hg.), Making Art in Africa 1960–2010, Farnham 2014, S. 67. 64 „Junge Kunst aus Äthiopien“ 20.7.–11.8.1978, Ausstellungszentrum am Fernsehturm. BArch DR 123 Nr. 98. 65 BArch DR 123 Nr. 98. 62
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Abb. 17. Hipster-Alarm in Ostberlin: Die äthiopischen Künstler Ejigayehu Tesfaye (im weissen Kleid), Martha Kassala und Demmelash Adal besuchen 1978 die DDR.
in der Kunsthalle Rostock gezeigt. Es handelte sich um 70 Arbeiten von Absolventen der äthiopischen Kunsthochschule: Ölgemälde, Holzschnitte, Siebdrucke mit Themen aus dem Alltag und der sozialistischen Revolution Äthiopiens. Im folgenden Jahr war eine Gegenausstellung von Berliner Kunststudenten in Addis Abeba geplant, da beide
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Kunstschulen miteinander kooperierten.66 „Traditionelle Kunst aus Äthiopien“ zeigte die Galerie am Weidendamm im Frühjahr 1986. Gegenstand dieser Ausstellung war die reiche Kunsttradition des Landes; präsentiert wurden Werke aus dem 16. bis zum 20. Jahrhundert. Die anlässlich des elften Jahrestages der äthiopischen Revolution aus mehreren Museen des Landes zusammengestellte Wanderausstellung sollte die Bindung an den Ostblock auf der kulturellen Ebene festigen. Die Schau wurde auch in Dresden, Warschau, Minsk und Moskau gezeigt.67 Im Folgejahr fand im Staatlichen Museum für Völkerkunde Dresden die Ausstellung „Zwischen Tukul und Felsenkirche. Volkskultur in Äthiopien“ statt.68 Die Organisation von Kunstausstellungen in Afrika war der DDR wegen der schwierigen klimatischen Bedingungen und der Transportprobleme nur in eingeschränkten Umfang möglich, oftmals konnten anstelle von Originalen oder wertvollen Artefakten lediglich Reproduktionen, Fotos und Druckgrafiken auf Wanderausstellungen geschickt werden. Malereiausstellungen spielten also nur eine untergeordnete Rolle im Kulturaustausch. Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit versprachen hingegen robuste Kunstwerke aus Stein. Und so überlebte Joachim Jastrams Marx-Denkmal, das 1984 als Geschenk der DDR in Addis Abeba aufgestellt worden war, sowohl die DDR als auch die Gesellschaftsexperimente des Afrikanischen Sozialismus – wenngleich es nach dem Ende des marxistischen Regimes 1991 mit Farbbeuteln und Steinen beworfen wurde, deren Spuren noch heute sichtbar sind.69 Der Fall ist insofern bemerkenswert, weil die DDR zugleich Importland für monumentale Marx- und Lenin-Denkmäler gewesen war. Riesige Plastiken wie die das Karl-Marx-Monument in Chemnitz (damals Karl-Marx-Stadt) sowie das Ernst-Thälmann-Denkmal und das Lenin-Denkmal in Ostberlin wurden von sowjetischen Bildhauern geschaffen. Sie waren Geschenke und Machtsymbole zugleich, suggerierten sie doch die unumstössliche Vormachtstellung der UdSSR im östlichen Lager. Sowohl zur Grundsteinlegung des afrikanischen Marx-Denkmals im November 1979, bei der ein Freundschaftsvertrag beider Staaten (mit Laufzeit bis 1999) unterzeichnet wurde, als auch zur Denkmalsenthüllung im Jahr 1984 war Erich Honecker nach Äthiopien gereist. Bei der Grundsteinlegung betonte der Staatsratsvorsitzende die historische Bedeutung des Vorgangs: „Die revolutionäre Entwicklung Äthiopiens dokumentiert die geschichtliche Größe des Ausbruchs der Völker Afrikas aus dem Dunkel der Ausbeutung, Unterdrückung und Unwissenheit zu den lichten Höhen des gesellschaftlichen Fortschritts.“70 Der Rostocker Bildhauer Jastram (1928–2011) war gemeinsam mit dem Architekten Peter Baumbach vom MfK beauftragt worden, ein Monument als Geschenk Honeckers an die äthiopische Staatsführung zu entwerfen. Jastram konzipierte zunächst eine tempelartige Denkmalsanlage mit einer integrierten Bibliothek und Außenreliefs mit Bildern aus der äthiopischen Geschichte, was aus Kostengründen abgelehnt wurde. „Sozialistisches Äthiopien. Malerei und Grafik der Schule für Schöne Künste Addis Abeba“, KH Weissensee 1.12.–21.12.1983. BArch DR 123 Nr. 215. 67 „Traditionelle Kunst aus Äthiopien“, Galerie am Weidendamm 23.1.–7.2.1986. BArch DR 123 Nr. 384. 68 Vom 23.4.bis zum 15.11.1987. Petra Martin, Kustodin Staatliche Ethnographische Sammlungen Sachsen, per Email an den Autor 17.11.2016. 69 Meskerem Assegued, Public Monuments of Addis Ababa, Addis Ababa 2014, S. 36. 70 Zitiert nach Neues Deutschland 12.9.1983. 66
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Auch die günstigere Variante eines kleinen Karl-Marx-Parks mit Denkmal war noch zu teuer. Schließlich kam eine konventionelle Büste heraus: ein knapp fünf Meter hoher Steinblock aus rotem Meißner Granit, der ein Schildartiges Relief mit Marx’ Gesichtszügen trug.71 Da vor Ort keine Hilfsmittel und Ressourcen vorhanden waren, musste das Denkmal in der DDR in Einzelteilen vorproduziert werden, die klein genug waren, um durch die Ladeluke von Transportflugzeugen zu passen. Vor Ort wurden die Stücke wie ein Steckpuzzle zusammengesetzt und mit Hilfe der ebenfalls herbeigeschafften Hebetechnik aufgeschichtet – das Denkmal entstand quasi in der gleichen Arbeitsweise wie die DDR-Plattenbauten auf Sansibar. Während die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Staaten bereits stagnierte, feierte Honecker das Marx-Monument bei der Einweihung als „heilige Stätte, die das Wachsen und Gedeihen des Sozialistischen Weltsystems“ versinnbildliche.72 Tausende von äthiopischen Parteimitgliedern und Militärangehörigen bejubelten den Staatsratsvorsitzenden in einstudierter Choreographie. Staatschefs aus angrenzenden Ländern und Vertreter kommunistischer Parteien waren angereist, um das steinerne Symbol der sozialistischen Expansion auf afrikanischem Boden einzuweihen, darunter der Vorsitzende der kommunistischen Partei der USA, der Sekretär des ZK der KPdSU und hohe Funktionäre der westdeutschen Deutschen Kommunistischen Partei.73 Die Sowjetunion hatte Äthiopien bereits zum fünften Jahrestag der Revolution eine Lenin-Büste geschenkt, und wenig später das erste Lenin-Denkmal auf afrikanischem Boden spendiert (es wurde 1991 beim Regimewechsel gestürzt). Zeitgleich mit dem Lenin-Denkmal und dem Marx-Denkmal wurde im September 1984 ein Monument zu Ehren der äthiopischen und kubanischen Soldaten enthüllt, die im Krieg gegen Somalia gefallen waren, das Tiglachin-(=Kampf)-Denkmal. Letzteres war ein mehrteiliges Denkmalsensemble, das von Tadesse Maechea, einem Bildhauer der Kunsthochschule von Addis Abeba, entworfen worden war und an dem u. a. nordkoreanische Bildhauer mitgewirkt hatten. Das Zentrum bildete eine 50 m hohe Säule mit Sowjetstern, an deren Schaft eine Figurengruppe aus drei Soldaten platziert worden war. Mauern mit Bronzereliefs und den Abbildungen von 164 gefallenen kubanischen Soldaten komplettierten die Anlage, die bis heute erhalten ist.74 Die von realsozialistischen Ländern gesponserten Denkmalsbauten waren im Zusammenhang mit der seit 1979 vorbereiteten und 1984 erfolgten Gründung der Äthiopischen Arbeiterpartei erfolgt und sollten das ökonomische und strategische Bündnis Äthiopiens mit dem sowjetischen Machtblock auch auf der symbolischen Ebene verstärken. Bis zuletzt hielten sich die DDR und die DVR die Treue. Als die äthiopischen Regierungstruppen Anfang 1988 trotz massiver Unterstützung vor dem Zusammenbruch standen, lieferte die DDR umstandslos zehntausende von Maschinenpistolen und ließ Hunderte von Panzern einschiffen. Diese Lieferungen erreichten Äthiopien zum Teil erst in der zweiten Jahreshälfte 1989, als die DDR schon von Auflösungserscheinungen betroffen war. Dieser letzte militärische Eine 35 cm hohe Bronze der Denkmals befand sich im Bestand der Galerie Weise Chemnitz und wurde 2016 für 8.500 Euro an eine Privatsammlung verkauft. Information von Bernd Weise, Chemnitz, 17.1.2016. 72 Neues Deutschland 14.11.1979. 73 Neues Deutschland 12.9.1984. 74 Meskerem Assegued, Public Monuments of Addis Ababa, Addis Ababa 2014, S. 40. 71
Schwarzafrika wird rot: Der Kampf um die Erbmasse des portugiesischen Kolonialreiches
Kraftakt der DDR verschaffte Mengistus Regime aber nur eine kurze Atempause, 1991 brach es ebenfalls zusammen.75 Während das Lenin-Denkmal zerstört wurde, wird an der Kunsthochschule Addis Abeba das künstlerische Erbe der Derg-Ära als historisches Material aufbewahrt, so z. B. Plakatkunst aus den 1980er Jahren und große Ölgemälde, die äthiopische Absolventen der sowjetischen Kunsthochschulen geschaffen hatten.76
Abb. 18. Das Karl-Marx-Denkmal im Universitätsviertel von Addis Abeba (1984).
Schwarzafrika wird rot: Der Kampf um die Erbmasse des portugiesischen Kolonialreiches
Gut 400 Jahre lang war Portugal in Afrika präsent gewesen. Ohne die Mithilfe von Afroportugiesen wäre der Kolonialbesitz nicht über einen derart langen Zeitraum zu halten gewesen. In den Kolonien geborene weisse und schwarze Portugiesen, Brasilianer und gebildete Afrikaner sicherten jahrhundertelang den Fortbestand der afrikanischen Klaus Storkmann, „30.000 DDR-Militärexperten im Afrikaeinsatz? Legenden und Wirklichkeit der DDR-Militärhilfe für die Dritte Welt“, in: Gerbergasse 18, 1/2015, S. 20–25, hier S. 23. 76 Auch die Wissenschaft befasst sich heute mit der äthiopischen Kunst der Derg-Jahre, z. B. die amerikanisch-äthiopische Kunstwissenschaftlerin Elizabeth Woldegeorgis. Izabela Orlowska (2016/17 Humboldt-Stipendiatin am Zentrum Moderner Orient Berlin) arbeitet über „Die symbolische Imaginierung von Fortschritt unter Haile Selassie, dem Derg und der gegenwärtigen Regierung Äthiopiens.“ 75
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Kolonien.77 Das portugiesische Kolonialreich war das erste tatsächliche „Weltsystem“ und zugleich das am längsten bestehende europäische Kolonialreich. Seine einzelnen Elemente waren nicht nur durch die Zentrale Lissabon miteinander verbunden, sondern hatten auch untereinander Beziehungen, tauschten Ströme von Menschen, Waren und Wissen aus, selbst die künstlerischen Formen waren in diesem System auf Wanderschaft, wie der Buchtitel A viagem das formas belegte.78 Das im 20. Jahrhundert aufkommende vereinheitlichende Konzept des Assimilação uniformizadora betrachtete die afrikanischen Kolonien nun aber als integrale Bestandteile der Nation Portugal. Zur akuten Krise in Angola führte die Masseneinwanderung weißer Portugiesen nach dem zweiten Weltkrieg, die ökonomische Verdrängungsprozesse und Benachteiligungen der indigenen Einwohner nach sich zog, während sich zugleich die Ideen des afrikanischen Befreiungskampfes aus den angrenzenden, nunmehr unabhängigen Ländern in die portugiesischen Kolonien ausbreiteten, aufgenommen und angeheizt von linksorientierten Assimilados, die in Portugal studiert und sich dort organisiert hatten. Bereits 1961 nahmen sie den bewaffneten Befreiungskampf in einzelnen, abgelegenen Gebieten in den portugiesischen Kolonien auf. Nach dem Abgang des langjährigen Diktators Antonio de Oliveira Salazar verschärfte sein Nachfolger Marcelo José das Neves Alves Caetano die repressive antikommunistische Politik im Inneren und den Kolonialkrieg in Afrika, der zeitweilig die Hälfte des Staatsbudgets verschlang. Die DDR hatte die Befreiungsbewegungen in Guinea-Bissau, auf den Kapverdischen Inseln, in Angola und Mosambik von Beginn an unterstützt. Der kapverdische Politiker Amílcar Lopes Cabral gründete 1956 den Partido Africano da Independência da Guiné e Cabo Verde (PAIGC). Unterstützt von Kwame Nkrumah und Sekou Touré konnte er in Ghana Ausbildungslager für Unabhängigkeitskämpfer aufbauen und eine Repräsentanz in Guinea eröffnen. 1963 begann der bewaffnete Aufstand auf dem Festland in Guinea-Bissau, der bis 1973 zum Abzug der Portugiesen führte. Die Guerillatruppen trugen dabei z. T. Helme und Strichtarn-Uniformen aus NVA-Beständen.79 Während des Befreiungskrieges war Cabral quasi oberster Befehlshaber im Lande, warb aber zugleich auf internationaler Ebene für den antikolonialen Kampf. Im Oktober 1972 besuchte er die DDR. Der PAIGC gewann 1975 auch die ersten Wahlen auf den Kapverdischen Inseln und errichtete eine marxistische Diktatur. Doch bald darauf spaltete sich die Partei, die Vereinigung der Kapverden mit Guinea-Bissau misslang und der charismatische Anführer Cabral wurde in Conakry ermordet. Am 25. April 1974 kam es in Portugal zu einem linksgerichteten Militärputsch, der breite Unterstützung der Bevölkerung erhielt und als „Nelkenrevolution“ in die Geschichte einging. Eine wesentliche Ursache war die wachsende Kriegsmüdigkeit in der auf drei Kriegsschauplätzen überforderten portugiesischen Armee. Rund 100.000 Fahnenflüchtige und Kriegsdienstverweigerer gab es zu diesem Zeitpunkt bereits, viele von ihnen waren ins Exil gegangen. Zu den Hauptforderungen der Nelkenrevolution gehörten das sofortige Ende des KoloJones, Afrika bis 1850, S. 333. Pedro Dias, A viagem das formas: estudos sobre as relações artísticas de Portugal com Europa a Africa, o Oriente as Américas, Lissabon 1995. 79 Peter Abbott, Modern African wars, Band 2, Angola and Mozambique 1961–74, London 1988, S. 44. 77
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Solidarität mit dem „Frontstaat“ Angola
nialkrieges und eine Generalamnestie für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer. Die neue Führung in Lissabon schloß umgehend Waffenstillstandsverträge mit den afrikanischen Unabhängigkeitsbewegungen und sicherte ein baldiges Ende der Kolonialherrschaft zu. Guinea-Bissau wurde die Unabhängigkeit noch im selben Jahr gewährt. Angola und Mosambik, São Tomé und Príncipe sowie Kap Verde folgten 1975.
Abb. 19. Amílcar Lopes Cabral als Briefmarkenmotiv der DDR (1978).
Solidarität mit dem „Frontstaat“ Angola
In Angola agierten mehrere Guerillabewegungen, zeitweise unterstützten die USA und die VR China die Frente Nacional de Libertação de Angola (FNLA), später auch die União Nacional para a Independência Total de Angola (UNITA), während die Sowjetunion, Kuba und die DDR seit 1963 den Movimento Popular de Libertação de Angola (MPLA) förderten. Es gab Versuche des MPLA, noch während des Kolonialkriegs in den befreiten Gebieten einen Staat aufzubauen – mit ziviler Verwaltung, Schulen und Produktionsgenossenschaften. Die Guerilla nannte ihre Lager im Osten des Landes „Hanoi II“ und „Ho-Chi-Min-Camp“, um die Solidarität mit dem Vietkong und den internationalistischen Charakter der Antikolonialbewegung zu betonen. Lange Zeit, eigentlich bis zum Ende des Krieges 1974, traten die Befreiungsbewegungen auf der Stelle, während die Portugiesen mit ihren Truppen und ihrer Geheimpolizei die wichtigsten Städte und Gebiete unter Kontrolle hielten.80 Der Arzt und Dichter António Agostinho Neto (1922–1979) war Gründungsmitglied und Vorsitzender des MPLA, später wurde er der erste Präsident Angolas. Neto war zugleich der Vorsitzende der angolanischen Schriftstellervereinigung União de Escritores Angolanos, auch er könnte in die Kategorie der „Künstler-Politiker“ oder Artekraten, wie beispielsweise Senghor, eingestuft werden. Im Mai 1974 besuchte Neto die DDR. Im gleichen Jahr handelten MPLA, FNLA und die UNITA separate Waffenstillstandsabkommen mit der neuen portugiesischen Regierung aus. Unmittelbar danach brachen Kämpfe um die Kontrolle der Hauptstadt aus. Zum Zeitpunkt der Unabhängigkeitserklärung am 11. November 1975 befand sich das Land schon im offenen Bürgerkrieg. Im Dezember 1975 wurden eine erste Gruppe von 50 Verwundeten der MPLA-Milizen in DDR-Krankenhäusern behandelt.81 Das portugiesische Militär, die Kolonialverwaltung und Hunderttausende weisser Angolaner verließen fluchtartig das Land, womit 400 Jahre europäischer Prä80 81
Ebenda S. 10. Aktennotiz von Beratung im Ministerium für das Gesundheitswesen 22.12.1975. BArch DZ 8 Nr. 162.
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senz endeten. Den MPLA-Milizen gelang es, Luanda einzunehmen, wobei kubanische Truppen entscheidende Hilfestellung leisteten. Wie bei jeder Revolution üblich, fand auch hier ein Denkmalsturz statt: Die Skulptur der Heiligen Maria von der Quelle, der Patronin von São Paulo da Assunção de Loanda, wurde als Symbol des Kolonialismus zunächst verhüllt und später demontiert.82 Der MPLA konnte zwar die Regierung bilden, sah sich jedoch mit dem Widerstand der UNITA konfrontiert, die vom Westen und von Südafrika unterstützt wurde. Die DDR stellte sich sofort auf die Seite des umstrittenen MPLA-Regimes. Da sich die Öllieferungen aus der Sowjetunion permanent verteuerten, war die DDR daran interessiert, sich andere Rohstoff- und Energiequellen zu erschließen. Angola konnte in dieser Hinsicht ein wichtiger Handelspartner werden. Eine Delegation der DDR wohnte 1977 dem ersten MPLA-Parteitag bei. Das Außenhandelsvolumen beider Staaten stieg noch im gleichen Jahr sprunghaft an. Ein dichtes Netz von Beziehungen parteipolitischer und staatlicher Organisationen beider Länder wurde geknüpft, viele Delegationen besuchten wechselseitig Berlin und Luanda.83 Angola lehnte sich unter Führung von Netos Nachfolger José Eduardo dos Santos ab 1979 immer stärker an den Ostblock an und blieb auch dauerhaft anlehnungsbedürftig.84 Das MfS berichtete im Herbst 1987 über die anhaltend ernste Lage im Land, wo sich vor allem im Südosten UNITA-Rebellen und südafrikanische Truppen festgesetzt hatten: „Das ZK des MPLA schätzt die Lage realistisch ein. Es hält trotz des inneren und äußeren Drucks an ihrer proklamierten sozialistisch orientierten Entwicklung fest. Dem MPLA ist bewußt, dass es ohne Präsenz der kubanischen Truppen und ohne die allseitige Unterstützung der UdSSR und anderer sozialistischen Länder ihre Machtposition nicht behaupten kann.“85 Die Verwüstungen durch den Bürgerkrieg waren enorm. Um 1990 befanden sich Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion in anhaltendem Niedergang. Die Zerstörung des Straßennetzes und des Fahrzeugbestandes waren zu diesem Zeitpunkt weit vorangeschritten und sorgten für extrem hohe Transportkosten.86 Allein der Erdölexport, die massive Wirtschaftshilfe von UdSSR und DDR sowie die kubanischen Interventionstruppen sicherten das Überleben der angolanischen Regierung während des Bürgerkriegs. Die Installierung eines prosowjetischen Regimes in Luanda und der Bürgerkrieg in Angola waren eng mit der politischen Lage Südafrikas und Namibias verknüpft. Angola, Mosambik, ab 1980 auch Simbabwe, galten im Ostblock als linksorientierte „Frontstaaten,“ deren Kampf gegen das Apartheidsregime in Südafrika solidarisch unterstützt werden müsse. Diese Front schloß auch die Widerstandsbewegungen des ANC und der SWAPO ein, deren Delegationen regelmäßig in der DDR empfangen wurden. Die South-West Africa People’s Organisation war 1960 im tansanischen Exil gegründet worden. Die UNO akzeptierte sie als „einzige und authentische Vertretung der namibischen Jochen Moll, Bilder aus Angola, Leipzig 1979, S. 9 und 103. Johannes Kuppe, „Teure Freunde. Zum Staatsbesuch von Angolas Staatspräsident in der DDR“, in: Deutschlandarchiv 11/1981, S. 1130–1133, hier S. 1130 f. 84 Allein 1976 wurden Waffen- und Geldhilfen im Wert von 107 Mio. DM geleistet. Nach Hermann Wentker, Außenpolitik in engen Grenzen. Die DDR im internationalen System. München 2007, S. 462 f. 85 Bericht über die Lage in Angola, 17.12.1987. BStU MfS X Nr. 332, Bl. 35 ff. 86 Statistisches Bundesamt (Hg.), Länderbericht Angola, Stuttgart 1991, S. 48 f. 82 83
Solidarität mit dem „Frontstaat“ Angola
Bevölkerung.“ So konnte Anführer Sam Nujoma den Slogan prägen: „SWAPO ist die Nation und die Nation ist SWAPO.“87 Es fällt auf, dass die internationale Solidaritätsbewegung für Namibia – verglichen mit anderen Befreiungsbewegungen – außerordentlich stark war (mehr Sympathien der linken Weltöffentlichkeit konnte höchstens noch die PLO gewinnen). Sucht man nach den Gründen, muss die Tatsache eine entscheidende Rolle gespielt haben, dass Namibia weltweit als letzte große Kolonie galt, der die Unabhängigkeit vorenthalten wurde; und dass als „Kolonialmacht“ die Regionalmacht Südafrika agierte, wo ein ethnisches Segregationsmodell herrschte, das berüchtigte System der Apartheid.88 Schon vor der Machtübernahme, im Vorfeld der Staatenbildung, sollten namibische Flüchtlinge und Anhänger der SWAPO zur Kulturarbeit befähigt werden, damit sie im Falle der Machtergreifung rasch Kulturinstitutionen aufbauen könnten. 1978 hatte Angola namibischen Flüchtlingen gestattet, sich in der Provinz Cuanza Sul niederzulassen. Ziel eines Solidaritätsprojekt des Schriftstellerverbandes der DDR sollte sein, „talentierte Lagereinwohner und SWAPO-Kader für eine künstlerische Tätigkeit oder kulturpolitische Arbeit zu befähigen, sowohl für die Gegenwart, als auch für die Zukunft, wenn Namibia seine Unabhängigkeit erreicht hat.“89 Das Lager in Cuanza Sul war rasch auf eine Größe von 45.000 Einwohner angewachsen, und wurde zu einem internationalen Hilfsprojekt ausgebaut (Namibia Health and Education Center Cuanza Sul), in dem sich auch west- und nordeuropäische Organisationen engagierten. „Entsprechend ist der Versuch der politischen Einflussnahme“, kommentierte die DDR-Solidaritätsbewegung diese Konkurrenz der Hilfsorganisationen. Auch deshalb sei ein von Ostberlin finanziertes Hilfsprojekt sinnvoll. Schulen, Kindergärten und medizinische Einrichtungen bestanden schon. Der Schriftstellerverband der DDR entwickelte nun das Projekt einer interdisziplinären Kulturwerkstatt und Freizeiteinrichtung für Jugendliche, die von Lehrern und regelmässig anreisenden Schriftstellern aus der DDR betreut werden sollte.90 Zudem erhielten 1.200 SWAPO-Kader eine Berufsausbildung oder einen Studienplatz in der DDR, 300 verletzte Kämpfer wurden in Krankenhäusern behandelt.91 Im Herbst 1979 setzte die DDR eine Vereinbarung mit der SWAPO um, nach der namibische Flüchtlingskinder ihre Schulzeit in der DDR absolvieren könnten. Überwacht von linientreuen namibischen Betreuern nahmen 419 Kinder an dieser Ausbildung in zwei Internaten bei Güstrow und Magdeburg teil. Auf diese Weise sollten sie sich darauf vorbereiten, nach der Machtergreifung der SWAPO die neue Elite des Landes zu werden.92 Zurück nach Angola: Die Zusammenarbeit der DDR mit der Volksrepublik fand auch auf der kulturellen Ebene statt. Mehrfach wurde Kunst aus Angola in der DDR Godwin Kornes, „Der Kampf geht weiter. Das 20jährige Unabhängigkeitsjubiläum in Namibia“, in: Carola Lentz (Hg.), Staatsinszenierungen, Erinnerungsmarathon und Volksfest. Afrika feiert 50 Jahre Unabhängigkeit, Frankfurt 2011, S. 211–229, hier S. 213. 88 Gespräch des Autors mit Ulrich van der Heyden, Berlin 22.6.2016. 89 Brief Achim Reichardts (Solidaritätskomitee) an den Präsidenten des DDR-Schriftstellerverbandes, Hermann Kant 15.2.1985. BArch DZ 8 Nr. 296. 90 Schriftstellerverband der DDR an das Solidaritätskomitee 24.6.1985. BArch DZ 8 Nr. 296. 91 BArch DZ 8 Nr. 299. 92 Constance Kenna (Hg.), Die DDR-Kinder von Namibia: Heimkehrer in ein fremdes Land, Göttingen 1999. 87
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präsentiert. Während Erich Honecker auf Staatsbesuch in Luanda weilte93, gewährte die Ausstellung „Angola – traditionelle Kunst – Kunst der Gegenwart“ im Frühjahr 1979 im Völkerkundemuseum Dresden einen Überblick über die Kunstgeschichte des Landes.94 Das Museum bot Kunst aus Afrika und Asien regelmäßig eine Plattform.95 Die Plastiken, Metallarbeiten und die Malerei zeugten laut der DDR-Presse von den „vielgestaltigen Bemühungen, das nationale Kulturerbe Angolas sorgsam zu wahren und eine revolutionäre Kultur zu entwickeln.“96 Eine kulturhistorische Ausstellung mit 750 Artefakten aus allen Epochen, von der Antike bis in die Gegenwart, von Werkzeugen und Haushaltsgegenständen bis hin zur Kunst („von der Kamelglocke bis zum Agitationsposter“) aus Angola, Mosambik und Äthiopien fand im Herbst 1980 im Ausstellungszentrum Fernsehturm statt.97 1981 wurde anlässlich des Staatsbesuchs von Präsident Dos Santos in der DDR ein Arbeitsplan über die kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit unterzeichnet.98 Die Analogie von Jugend und Aufbau, ob in der DDR oder in Afrika, sollte offenbar auch in der Wahl des Ausstellungsortes von zwanzig jungen angolanischen Künstlern zum Ausdruck kommen: Deren Ausstellung fand im November 1984 in einer Galerie im Neubaugebiet Jena-Lobeda West statt, das erst vor wenigen Jahren fertiggestellt worden war und in dem viele junge Familien wohnten. 70 Gemälde, Grafiken und Keramiken waren hier zu sehen. Alltag, Arbeit und Befreiungskampf traten als inhaltliche Themen hervor, etwa in der Grafik von Alvaro Cardoso (geb. 1961), Die Frau und der bewaffnete Kampf. Bildnerische Traditionen der ethnischen Gruppen Angolas mischten sich hier mit europäischen Einflüssen. Die Grafik wurde von einer Gruppe junger Künstler im Alter zwischen 23 und 30 Jahren vertreten. Die Malerei hatte sich bisher vor allem auf der Basis autodidaktischer Bemühungen entwickelt. „Der Realismus und die Figurativität sind vorherrschend, obwohl die akademische Richtlinie in einigen Fällen fehlt“, erklärte Cardoso, Generalsekretär des Nationalen Verbandes Bildender Künstler Angolas, das bescheidene technische Niveau der Malerei.99
Neues Deutschland 19.2.1979. Ausstellung „Angola – traditionelle Kunst – Kunst der Gegenwart“ im Völkerkundemuseum Dresden 24.2.–25.3.1979, anschließend in Budapest. BArch DR 123 Nr. 118. 95 „In der Regel liefen die Kooperationen zu blockfreien Staaten vermittelt über das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, dem das Museum für Völkerkunde im Japanischen Palais als Forschungseinrichtung damals unterstand, das Ministerium für Kultur oder das Zentrum für Kunstausstellungen der DDR. Auch die Bezirks- und Stadtleitung der SED war gelegentlich involviert. Ausnahmen sind Gastausstellungen aus Museen der „sozialistischen Bruderstaaten“, mit denen direkt kooperiert werden konnte. Erst ab 1977 gab es überhaupt die Möglichkeit, in diesem schwer vom Krieg gezeichneten Gebäude Ausstellungen zu zeigen.“ Petra Martin, Kustodin Staatliche Ethnographische Sammlungen Sachsen, per Email an den Autor 17.11.2016. 96 Neue Zeit 24.2.1979. 97 Ausstellungszentrum Fernsehturm 1.10.–26.10.1980. BArch DR 123 Nr. 143. 98 Johannes Kuppe, „Teure Freunde. Zum Staatsbesuch von Angolas Staatspräsident in der DDR“, in: Deutschlandarchiv 11/1981, S. 1130–1133, hier S. 1132. 99 BArch DR 123 Nr. 234. Cardoso ist bis heute in Angola als Künstler aktiv. 93 94
Eine afrikanische DDR? Die Allianz mit der Volksrepublik Mosambik
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Der mosambikanische Bauernsohn Samora Machel gehörte zu den ersten Mitgliedern der Frente da Libertação de Moçambique, die als marxistisch-leninistisch inspirierte Befreiungsfront 1962 gegründet worden war und zunächst von Tansania aus gegen das portugiesische Kolonialregime kämpfte. Nachdem ihr erster Präsident, der Soziologe Eduardo Mondlane, 1969 durch eine Briefbombe des portugiesischen Geheimdienstes in Daressalam getötet wurden war, schwang sich Machel zu seinem Nachfolger auf. Die DDR hatte die Befreiungsbewegung sofort nach ihrer Gründung unterstützt, sie stellte Lehrkräfte, Schulmaterial, Uniformen und Medikamente für die in tansanischen Flüchtlingslagern lebenden Anhänger der Frente und deren Kinder zur Verfügung.100 Mondlane war 1964 in die DDR eingeladen worden, und Machel war mehrfach in der DDR zu Gast, so beispielsweise im Juni 1971, als er mit einer Delegation am VIII. Parteitag der SED teilnehmen konnte. Machel sprach mit dem Solidaritätskomitee über die zum Studium in die DDR delegierten mosambikanischen Studenten und legte dar, „dass ein Studium in der DDR als Kampfauftrag aufzufassen ist und die Leitung dementsprechend prinzipiell gegen Heirat und Gründung von Familien mit DDR-Bürgerinnen auftritt.“ Machel betonte, dieser Standpunkt sei von „keinerlei Rassenfragen beeinflusst.“ Delegierte, die bereits einen Antrag auf Heirat in der DDR gestellt hätten, müssten nach Mosambik zurückkehren, ebenso Arbeiterinnen, die in der DDR schwanger geworden waren.101 Machel bot auch an, jeweils in den Sommerferien zwei bis drei DDR-Studenten in Mosambik die Gelegenheit zu geben, „unmittelbar am Kampf teilzunehmen.“ Zudem bat er um Unterstützung beim Aufbau eines Volksbildungswesens in den „Befreiten Gebieten“.102 Zunächst galt das bergige Siedlungsgebiet der Makonde im mosambikanisch-tansanischen Grenzland als Hochburg der Befreiungsbewegung. Nach und nach konnte die FRELIMO trotz militärischer Unterlegenheit in dem riesigen Land weitere sogenannte „Befreite Zonen“ errichten. Der Aufbau eines Protostaates in jenen Zonen gliederte sich in Provinzen, Kreise, Ortschaften und Zirkel, wobei letztere mit etwa je 100 Familien und einem Sekretariat die Basis bildeten. Mehrere Zirkel wurden als Ortschaft zusammengefasst und deren Räte kümmerten sich die Organisation von Gütertransporten, genossenschaftliche Landwirtschaftsprojekte, Schulen, Krankenstationen und die Rekrutierung neuer Kämpfer.103 In den 1970er Jahren standen fast 70.000 portugiesische Soldaten im Land um es gegen eine Guerilla von etwa 10.000 Mann zu sichern. Die Armee musste sich nicht zuletzt aus Kostengründen auf den Süden mit der Hauptstadt Lourenço Marques zurückziehen. Immer mehr Soldaten verweigerten den Einsatz und blieben in den Kasernen, während die Frente das Machtvakuum ausfüllte und sich in den Provinzen ausbreitete. Am 8. September 1974 wurde ein Waffenstillstandsvertrag unterzeichnet und darin die UnabhänHenning von Löwis of Menar, „Machtpolitik südlich des Sambesi. Sambia und Mosambik als Adressaten der DDR-Außenpolitik“, in: Deutschlandarchiv 11/1980, S. 1161–1171, hier S. 1165. 101 Ulrich von der Heyden (u. a.) (Hg.), Mosambikanische Vertragsarbeiter in der DDR-Wirtschaft, Berlin 2014, S. 238. 102 Aktennotiz AASK vom 8.7.1971. BArch DZ 8 Nr. 163. 103 Von der Heyden, Mosambikanische Vertragsarbeiter, S. 22. 100
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gigkeit des Landes für 1975 festgelegt. Der Exodus Hunderttausender Portugiesen setzte ein. Machel trat das Amt des Staatspräsidenten im nunmehr unabhängig gewordenen Mosambik an. Lourenço Marques, benannt nach dem portugiesischen Seefahrer, der das Land im 16. Jahrhundert erkundete, bekam einen afrikanischen Namen: Zunächst den des historischen Stammesführers Cam Phumo; bald darauf wurde die Stadt nach dem Fluß Maputo benannt.
Abb. 20. Mankeu Valente Mahumane „O Povo em 1974“ (Öl auf Hartfaser 1976). Das Bild bezieht die Situation im Jahr 1974, kurz vor der Unabhängigkeit des Landes. Inmitten einer Masse von Frauen, Männern und Kindern befinden sich zwei bewaffnete Kolonialpolizisten in Uniform und mit Gewehr. Teilnahmslos schauen sie von ihrer erhöhten Position auf die Menge, in der sich auch vom Hunger gezeichnete Mütter und Kindern befinden.
Das Land wurde zur Volksrepublik Mosambik erklärt (VRM), zu einem sozialistischen Einparteienstaat mit engen Beziehungen zur Sowjetunion, der DDR und China, was umgehend eine antikommunistische, vom Westen unterstützte Widerstandsbewegung namens Resistência Nacional Moçambicana (RENAMO) herausforderte. Am 24. Februar 1979 besuchte Erich Honecker die Volksrepublik und unterzeichnete einen Vertrag über Freundschaft und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Im Folgejahr starteten ost-
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deutsche Fachkräfte in der Provinz Niassa eines der größten landwirtschaftlichen Entwicklungshilfeprojekte in Afrika. Vorgesehen war die Errichtung von mehreren Großfarmen mit bis zu 120.000 Hektar Anbaufläche für Agrarprodukte, die größtenteils in die DDR geliefert werden sollten – als nachträgliche Abzahlung der umfangreichen Kredite, Fahrzeug- und Maschinenlieferungen, die die DDR bereits Mosambik gewährt hatte. Die DDR war daran interessiert, sich alternative Rohstoff- und Energiequellen zu erschließen. Die vermehrte Einfuhr von Genussmitteln wie Kaffee, Kakao und Südfrüchten sollte die Stimmung der Konsumenten heben, Kohle- und Erdöllieferungen sollten die Energieversorgung verbessern. Die wirtschaftliche Integration afrikanischer und asiatischer Staaten in das Gefüge des sozialistischen Wirtschaftsverbundes RGW konnte in dieser Hinsicht von großem Nutzen sein, wenngleich erhebliche Vorleistungen und Investitionen zu tätigen waren. Während in Angola die Ölförderung von Interesse war, ging es in Mosambik um Schürfrechte für den Bergbau, weil im Abbaugebiet Moatize die größten Steinkohlevorkommen Afrikas vermutet wurden. Der Kohlebergbau in jenem Gebiet erfolgte seit 1977 weitgehend unter der Regie der DDR, die Fördermenge sollte zu gleichen Teilen zwischen beiden Ländern aufgeteilt werden. Die Fachkräfte aus der DDR richteten einen medizinischen Stützpunkt und einen Rettungsdienst für Bergarbeiter ein, und die einheimischen Manager und Vorarbeiter erhielten mehrere Dutzend Fertighäuser aus der DDR. Hinzu kamen Grossküche, Schule und Kindergarten. 1980 folgten ein Kultur- und Sozialzentrum sowie ein Kino. So entstand in Moatize eine sozialistische Musterstadt auf afrikanischem Boden, wobei die DDRFachkräfte getrennt von den Einheimischen untergebracht worden waren.104 Im Jahr 1982 gestaltete der ostdeutsche Entwicklungshelfer Harald Heinke zusammen mit dem mosambikanischen Künstler Mankeu Valente Mahumane ein großes Wandgemälde am Kulturzentrum Moatize, das schwarze und weiße Bergleute bei der gemeinsamen Arbeit zeigte.105 Zusätzlich bildete die DDR in der Lausitz mosambikanische Bergleute aus, die anschließend wieder in ihrer Heimat eingesetzt werden sollten. Die DDR hatte sich zwar nominell Kohlenimporte von rund 250.000 t jährlich gesichert, musste aber bei der Verkokung feststellen, dass die Qualität für eine Brikettproduktion nicht ausreichte. Dies war für Mosambik besonders verhängnisvoll, weil die mindere Qualität der Kohle und die unsichere Perspektive des Bergbaus in Moatize die internationale Kreditwürdigkeit der VRM noch weiter reduzierten. Die Ausbildungskooperation mit Mosambik in den Bereichen Bergbau und Industrie war stets auch von kulturellen Veranstaltungen begleitet worden. So fand im Frühling 1986 im VE Braunkohlenkombinat Senftenberg ein großer Festakt anlässlich des mosambikanischen Nationalfeiertages und der Diplomverleihung an mosambikanische Fachkräfte statt. Die ersten 42 Meister aus dem afrikanischen Land, die in der DDR ausgebildet worden waren, erhielten ihre Diplome, eingerahmt von Kulturveranstaltungen, Sportfesten und Exkursionen.106 http://www.nzz.ch/article8CI86-1.418081 (23.8.2002). Harald Heinke, „Mankeu Valente Mahumane – über den künstlerischen Lebensweg des mosambikanischen Malers“, in: Indaba. Das SADOCC-Magazin für das südliche Afrika Nr. 66/2010, S. 20–25, hier S. 22. 106 Festakt anlässlich des mosambikanischen Nationalfeiertages und der Diplomverleihung an mosambikanische Fachkräfte im VE Braunkohlekombinat Senftenberg vom 15.5.1986. BArch DY 13 Nr. 3068. 104 105
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Abb. 21. Ebenholz-Plastik eines FRELIMO-Soldaten (Mosambik 1974). Ehemals Sammlung des Museums für deutsche Geschichte. Heute im Deutschen Historischen Museum Berlin.
Zeitweise waren bis zu 1.000 Entwicklungshelfer und Spezialisten aus der DDR in Mosambik im Einsatz. Eine Zäsur stellte der Guerrilla-Terroranschlag von Unanga dar, dem am 6. Dezember 1984 u. a. acht DDR-Bürger zum Opfer fielen, nachdem sie von der einheimischen Sicherheitseskorte im Stich gelassen worden waren. Das Verhalten der Eskorte ließ Vermutungen aufkommen, die mosambikanische Regierung habe den Anschlag wissentlich geschehen lassen oder gar selbst lanciert, um ihrer Forderung an
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die DDR nach schweren Waffensystemen mehr Nachdruck zu verleihen. Bis heute ist der Vorfall nicht aufgeklärt, er leitete damals den Abzug der DDR-Entwicklungshelfer ein. Der Bürgerkrieg mit der u. a. von Südafrika unterstützten RENAMO ruinierte die Volksrepublik, so dass sich Machel mit Südafrika zu arrangieren versuchte und 1985 Ronald Reagan im Weissen Haus besuchte. Machel starb im Folgejahr beim Absturz seiner Präsidentenmaschine über Südafrika, dessen Gründe nie vollständig aufgeklärt werden konnten. „Mosambik am Abgrund“ titelte Der Spiegel 1986. Das Land sei völlig verarmt und desorganisiert: „Hunderte von DDR-Lastwagen rosten im Hafen von Maputo vor sich hin: Es fehlten die Vergaser für die brüderliche Hilfsgabe aus Ostdeutschland. Die Tiefseehäfen an der Küste des Indischen Ozeans wurden von immer weniger Schiffen angelaufen, die Eisenbahngleise nach Beira von den Rebellen immer wieder unterbrochen.“107 Tatsächlich war Ende der 1980er Jahre ein großer Teil der Bevölkerung unter- und fehlernährt. Die staatssozialistischen Konzepte zur Umgestaltung der Landwirtschaft und der Ausbau des dörflichen Genossenschaftswesens galten bereits seit Mitte der 1980er Jahre als gescheitert, und man begann, das Land der Großfarmen wieder unter Kleinbauern aufzuteilen.108 Der von DDR-Regierungsberatern mitentwickelte Plano Perspectivo Indicativo wurde von der Frente nicht weiterverfolgt, Großprojekte nicht mehr realisiert, woraufhin die DDR schrittweise ihr Engagement zurückschraubte. Der Bürgerkrieg vereitelte jeden substanziellen ökonomischen Fortschritt auf dem Lande. Erfolgreicher war hingegen die sicherheitspolitische Partnerschaft des MfS mit der Volksrepublik. Sie wurde durch Schulungen und wechselseitige Delegationsbesuche gefestigt. So weilte im Frühjahr 1988 der Chef der mosambikanischen Staatssicherheit in der DDR. Auf dem Programm stand übrigens auch Kunst: Der Besuch des Grünen Gewölbes und der X. Kunstausstellung der DDR in Dresden.109 Wenn man sich die Frage stellt, welche substanziellen Erfolge die Hilfe der DDR für Mosambik gebracht hat, kommt man zum Schluss: die DDR hatte maßgeblich dazu beigetragen, dass die FRELIMO im Bürgerkrieg an der Macht blieb, wobei das Regime jederzeit kollabieren konnte. „Die Lage in der Volksrepublik Mosambik“, so ein Bericht des MfS im Dezember 1987, „ist durch gravierende sicherheitspolitische und ökonomische Probleme sowie durch die Führungsschwäche der FRELIMO und der Staatsorgane gekennzeichnet.“ In ihrer verzweifelten Lage und angesichts von mehr als vier Millionen Bürgern, die akut vom Hunger bedroht würden, könnte sich die mosambikanische Regierung dem Westen öffnen und für das östliche Lager verloren gehen, argwöhnte Ostberlin.110 In den späten 1980er Jahren stand in Maputo stets eine Interflug-Maschine bereit, um DDR-Bürger im Falle eines Regimewechsels evakuieren zu können111, im Hafen ankerten drei sowjetische Schiffe, bereit, im Falle des Einmarsches der RENAMO
Der Spiegel 44/1986. Statistisches Bundesamt, Länderbericht Mosambik, Stuttgart 1989, S. 25 und S. 40. 109 BStU MfS X Nr. 1129, Bl. 27. 110 Geheime Vorlage zur Durchführung politisch-operativer und materieller Unterstützungsmassnahmen des MfS gegenüber dem Sicherheitsorgan der VRM für das Jahr 1988, Berlin 16.12.1987, Anlage 1, Bl. 158. BStU MfS X Nr. 89. 111 Gespräch des Autors mit Ulrich van der Heyden, Berlin 22.6.2016. 107 108
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Entwicklungshelfer und Funktionäre aus den Ostblockstaaten an Bord zu nehmen.112 Am Ende hatte sich das entwicklungspolitische Engagement für die DDR weder in Angola noch in Mosambik ökonomisch ausgezahlt. In den Bürgerkriegen, die ab 1975 beide Länder verwüsteten, unterstützten ostdeutsche Techniker und Sicherheitsberater die Regimes in Luanda und Maputo durchaus mit Erfolg gegen westlich alimentierte Guerillabewegungen, während Kuba Kampftruppen zur Unterstützung der Regierungsarmeen stellte. Doch war ein planvolles Nation Building, ein geordneter Aufbau von Wirtschaft und Gesellschaft aufgrund permanenter Sabotage und unter Kriegsbedingungen kaum möglich.
Abb. 22. Wolfgang Eckardt, „Verwundeter FRELIMO-Kämpfer“ Bronze (1983).
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Gespräch des Autors mit Giselher Blesse 14.2.2017.
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Auch Kunst und Kultur spielten in den Beziehungen zwischen der DDR und der VRM eine bedeutende Rolle. Im mosambikanischen Ministerium für Erziehung und Kultur waren zeitweilig DDR-Berater tätig, die den Auftrag hatten, an einem neuen Bildungssystem für den „sozialistischen Menschen“ mitzuwirken. Um diesen Prozess zu beschleunigen, hatte Machel bei einem seiner Besuche in der DDR vereinbart, tausend Schüler in das Internat „Schule der Freundschaft“ nach Staßfurt zu schicken. Dort wurden sie u. a. im Fach „Kulturelle Tätigkeit“ unterrichtet, wo ihnen eine neue mosambikanische Nationalkultur, jenseits der traditionellen Ethnien und Sprachen, vermittelt wurde.113 Zum wichtigsten künstlerische Erbe der mosambikanischen Ethnien zählte die Holzschnitzkunst der Makonde. Bei ihnen waren z. T. noch traditionelle, auffällige Körpermodifikationen wie Ziernarben und spitz gefeilte Zähne üblich. Die ehemalige DDR-Vertragsarbeiterin Amina Candida Selemane erinnert sich, dass derartig dekorierte Kandidaten beim obligatorischen Gastarbeiter-Gesundheitscheck der DDR-Ärzte abgewiesen wurden.114 Vermutlich waren hier weniger medizinische Gründe ausschlaggebend, sondern das Bedürfnis, den Ostdeutschen diesen fremdartigen Anblick zu ersparen, einen „Kulturschock“ zu vermeiden. Von diesen interkulturellen Irritationen abgesehen wurde die Makonde-Holzplastik zur künstlerischen Visitenkarte der Volksrepublik Mosambik. Die Phase der intensiven Zusammenarbeit zwischen der DDR und der VRM währte nur wenige Jahre, von 1975 bis 1985, doch auch auf der kulturpolitischen Ebene gab es in dieser Zeit zahlreiche Aktivitäten beider Länder, beispielsweise zur Feier der Staatsgründung der DDR. Zu diesem Anlass organisierte die Freundschaftsgesellschaft DDR-Mosambik im Herbst 1979 die Ausstellungen „Dreissig Jahre DDR“ und „Die Frau im Sozialismus“ in Maputo. Auf dem Lande kam ein „Ton-Kino-Wagen für die ideologische Massenarbeit“ zum Einsatz: Ein mobiler Filmvorführwagen tourte durch die Kleinstädte und Dörfer, dabei wurden Unterhaltungs- und Propagandafilme gezeigt, u. a. über den Besuch Honeckers in der VRM.115 36 Künstler aus Mosambik präsentierten im Frühjahr 1982 ihre Werke im Berliner Ausstellungszentrum am Fernsehturm. Es handelte sich um Gemälde, Plastiken, Grafiken und Textilarbeiten, die größtenteils in den Jahren seit der Erlangung der Unabhängigkeit entstanden waren. Die Ausstellung wurde auch in Moskau und Sofia gezeigt.116 Die zwei prominentesten der beteiligten Künstler, Malangatana Valente Ngwenya (1936–2011) und Alberto Chissano (1935–1994), sprachen in einer Pressekonferenz in Berlin über die Rolle der Kunst in der neuen sozialistischen Gesellschaftsordnung Mosambiks. Malangatana hatte am Núcleo de Arte da Colónia de Moçambique studiert, einer seit 1936 bestehenden Künstlervereinigung in Lourenço Marques, die auch Kurse in den Bereichen Kunst und Design anbot. Er versuchte sich an einer scheinbar naiven Kunst, die aber doch kritisch-politische Deutungen möglich machte. Seine erste Ausstellung fand 1959 im Núcleo de Arte statt, und mit dem bekannten modernistischen ArchitekUta Rüchel, „Von Maputo nach Staßfurt: Bildungspolitische Entwicklungshilfe der DDR“, in: Deutschland-Archiv 2/2002, S. 258–266, hier S. 263. 114 Von der Heyden, Mosambikanische Vertragsarbeiter, S. 237. 115 Berichte der Freundschaftsgesellschaft DDR-VRM vom 12.7.und 29.11.1979 über die Feierlichkeiten anlässlich der Staatsgründung der DDR. BArch DY 13 Nr. 2624. 116 BArch DR 123 Nr. 177. 113
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ten Pancho Guedes fand er einen prominenten Förderer. Bereits 1961 wurde er auch international bekannt, u. a. mit Ausstellungen in London.117 Im gleichen Jahr lernte er durch Vermittlung von Guedes den FRELIMO-Gründer Mondlane kennen, dies wurde sein politisches Erweckungserlebnis. 1964 war er aufgrund einer Ausstellung von der portugiesischen Geheimpolizei verhaftet und achtzehn Monate lang eingesperrt worden. Im Gefängnis traf er auf weitere Künstler, Schriftsteller und Dichter, die unter dem Verdacht standen, Mitglieder der Frente zu sein. Eine Verbindung zur Befreiungsbewegung konnte Malangatana jedoch nicht nachgewiesen werden, weswegen er wieder auf freien Fuß kam.118 Auf andere Künstler wirkte die Inhaftierung von Malangatana einschüchternd. Fortan mussten Ausstellungen unpolitisch sein, sonst wurden sie von den Kolonialbehörden nicht genehmigt. Malangatana beschloss jedoch, den antikolonialen Kampf künstlerisch zu begleiten. Jahrelang hielt er sich in Westeuropa auf. Nach der Unabhängigkeit wurde er zum führenden Künstler und „Künstlerbotschafter“ der VRM, der in einer Villa in Maputo residierte. Zahlreiche Reisen in andere afrikanische Staaten, internationale Ausstellungen und weitere Aufenthalte in Europa folgten. 1980 übernahm er zudem eine politische Funktion im mosambikanischen Kultusministerium, welches ihn 1986 mit einer großen Retrospektive in Maputo ehrte. An der Vernissage nahm Staatspräsident Machel persönlich teil.119 1988 konnte Malangatana mit seiner Kunst ein Publikum von 700 Millionen Fernsehzuschauern erreichen: Er hatte damals das Bühnenbild für Nelson Mandelas Geburtstagskonzert im Londoner Wembley Stadion gestaltet, das weltweit übertragen wurde. Auch in der DDR erreichte er mit seiner Mitgliedschaft in der Akademie der Künste höchste Anerkennung. Andere mosambikanische Künstler hatten sich ebenfalls sich der militanten Befreiungsbewegung angeschlossen. Die Keramikerin Reinata Sadhimba Passema (geb. 1945) hatte am Guerillakrieg als Munitionsträgerin teilgenommen und war auch in Kampfhandlungen verwickelt gewesen.120 Der Holzbildhauer Pais Ernesto Skikani (1934–2010) erinnerte sich in seinen späten Lebensjahren: „Das Kolonialregime unterstützte Künstler nicht, weil es wusste, dass diese dann 24 Stunden am Tag daran arbeiten würden, sich ihrer Identität bewußt zu werden und damit verstehen würden, dass ihnen das Land gehörte.“ Skikani studierte nach der Machtergreifung der FRELIMO Design in Moskau.121 Seit 1977 gab es in Maputo eine staatliche Kunstschule (ENAV), die Fachrichtungen Malerei, Tanz und Musik anbot und an der 250 Jugendliche aus allen Landesteilen ein dreijähriges Studium absolvierten.122 Die Einweihung des Museu Nacional de Arte liess hingegen noch bis 1989 auf sich warten. Der Bildhauer und Keramiker Diaz Machate (geb. 1958) studierte zwischen 1983 und 1989 an der Dresdner Kunsthochschule und wurde später Kunstlehrer in Maputo. 1977 hatte er Kurse für Visuelle Kunst an der Gewerbeschule in Julio Navarro (Hg.), Malangatana Valente Ngwenya, Daressalam 2003, S. 14. Nachruf der südafrikanischen Künstlerin Judy Seidman auf Malangatana: http://www.judyseidman. com/text%20malangatana.html (14.3.2011). 119 Savage, Making Art in Africa, S. 248. Vgl. auch die Dissertation von Marion Dinter über Valente und die Malerei und Grafik Mosambiks, Leipzig 1986. 120 Ebenda, S. 257. 121 Savage, Making Art in Africa, S. 254. 122 Berichtete Malangatana bei seinem Besuch 1982 in der DDR. Zitiert in: Neues Deutschland 12.1.1982. 117 118
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Maputo belegt, doch das portugiesische Lehrpersonal verliess in jenen Jahren das Land. Machate arbeitete als Bauzeichner in der Provinz Zambezia. Dort wurde er mit seinen Skulpturen, die er in der Freizeit herstellte, bei einem Besuch der Kultusministerin und First Lady, Graca Machel123, entdeckt und zum Kunststudium in die DDR delegiert. Malangatana warnte ihn, er werde in der DDR „leiden“, weil die akademische Ausbildung dort sehr konservativ sei, doch er werde auch davon profitieren. „Es war hart, das Regime der Dresdner Akademie“, erinnert sich Machate, denn hier standen Sprachunterricht, Kunstgeschichte und Anatomiestudien, die gemeinsam mit Medizinstudenten betrieben wurden, auf dem Lehrplan.124 Afrika war ein Hauptschauplatz des Kampfes für ein Sozialistisches Weltsystem. Auch linksorientierte Lateinamerikaner waren in Afrika stets engagiert gewesen, von Che Guevaras Expedition im Kongo bis hin zu den kubanischen Truppeneinsätzen in Angola, Kongo, Guinea-Bissau, Mosambik und Äthiopien. Mosambik nahm eine Anzahl chilenischer Exilanten auf, die vor dem Diktator Pinochet fliehen mussten. Exilchilenen wie Moira Toha brachten die lateinamerikanische Tradition des Muralismo nunmehr unter dem Motto „As Paredes na Revoluçao“ bzw. „Os Muros falaram“ auf afrikanischen Boden.125 Gemeinsam mit Malangatana und anderen mosambikanischen Künstlern fertigten sie repräsentative politische Wandgemälde in Maputo an und gaben der Hauptstadt damit einen neuen revolutionären Anstrich.126 Auch linksorientierte Entwicklungshelfer aus westlichen Ländern beteiligten sich an dieser internationalen Straßenmalereibewegung. Zum Prestigeprojekt wurde die 1977 fertiggestellte Praça dos Heróis Moçambicanos in Maputo. Am Rande des Kreisverkehrs rund um den Heldenplatz befindet sich seit 1980 das 95 Meter lange Wandgemälde Em Honra dos nossos Heriós, entworfen vom Maler und Schriftsteller João Craveirinha (geb. 1947) und ausgeführt von Hunderten von Helfern. Es zeigt Motive des mosambikanischen Befreiungskampfes. Die sozialistische Achse aus europäischen, afrikanischen und lateinamerikanischen Akteuren auf afrikanischem Boden wurde somit auch auf künstlerischer Ebene manifest. Im Oktober 1982 folgte in der Botschaft Nikaraguas in Maputo auf Einladung des Botschafters David McField ein Workshop „revolutionärer Künstler“, die Teilnehmer kamen aus der DDR, Mosambik, Chile und Kuba.127 Die Holzschnitzkunst der Makonde war das kulturelle Aushängeschild der Volksrepublik Mosambik. Schon zu Zeiten des Befreiungskrieges hatte die FRELIMO in der Grenzregion zu Tansania Holzschnitzerkollektive unterstützt und zu neuen Motiven angeregt. Nicht nur satirische Figuren, die auf die portugiesische Kolonialherrschaft Bezug nahmen, wurden populär, sondern auch sogenannte Ujamaa-Skulpturen, figurenreiche und detaillierte Plastiken, die eine Familie oder Dorfgemeinschaft und deren Graca, Samora Machels zweite Frau, heiratete 1998 Nelson Mandela. Sie ist die einzige Frau der Welt, die in zwei Ländern First Lady war. Sie hatte 1972 an der Universität Lissabon einen Abschluss in Philologie in deutscher Sprache gemacht. Dort lernte sie auch Gesinnungsgenossen aus anderen Portugiesischsprachigen Ländern und Bewegungen kennen, die nach Unabhängigkeit strebten. Sie kehrte als Lehrerin 1973 nach Mosambik zurück, lernte Samora kennen und stieg schnell in der Hierarchie der FRELIMO auf. 124 Savage, Making Art in Africa, S. 287 f. 125 Albie Sachs, Images of a Revolution. Mural Art in Mosambique, Harare 1983. 126 Mosambik! Ausstellungskatalog Kulturhuset Stockholm 1987, S. 60. 127 bildende kunst 3/1983, S. 148. 123
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Ahnen darstellen und zugleich die Ujamaa-Ideologie Nyereres aufnehmen.128 Das Leipziger Museum für Völkerkunde (MVL) hatte bereits aus historischen Gründen einen umfangreichen Bestand von Makondeplastik vorzuweisen und wurde damit zu einem wichtigen Partner im Kulturaustausch mit Mosambik. Der Leipziger Ethnologe Giselher Blesse erhielt 1985 ein mehrmonatiges Stipendium der Eduardo-Mondlane-Universität und hatte die Gelegenheit, die Kulturinstitutionen der Volksrepublik kennenzulernen. Dabei bot sich ihm ein Bild mit Licht und Schatten. Beeindruckt war er vom Versuch der Regierung, durch eine flächendeckende Erhebung Daten und Informationen über die Volkskultur in allen Landesteilen zu gewinnen, während ihn die touristisch-kommerzielle Produktion von Holzschnitzer-Kooperativen, die aus unsicheren Landesteilen nach Maputo umgesiedelt worden waren, enttäuschte. Offenbar versuchte die Regierung, auf diese Weise Devisen zu generieren. Die Museen des Landes befanden sich 1985 noch in der Aufbauphase. Regelmäßig reisten mosambikanische Fachleute und Künstler in die DDR. Seitens der DDR wurden Anleitungen zum Aufbau von Ausstellungen ins Portugiesische übersetzt und den Mosambikanern zur Verfügung gestellt.129 Es gab in der DDR eine ganze Reihe von Makonde-Ausstellungen, wobei das MVL eine wichtige Rolle spielte, so bei der Sonderausstellung „Mosambik – Kunst und Kunsthandwerk einer jungen Volksrepublik“ im Jahr 1977, wobei eine dem Museum leihweise überlassene, später übereignete Sammlung mosambikanischer zeitgenössischer Kunst durch das Solidaritätskomitee der DDR Berlin den Anlass bot. 1984 präsentierte das MVL die Sonderausstellung „Moderne Makonde-Plastik – Kunst aus Ostafrika“ in Mölkau bei Leipzig.130 Im November 1985 wurde in Berlin eine Kunstgewerbeausstellung aus Mosambik eröffnet. Dazu fand einige Tage später eine Gesprächsrunde statt, an der bedeutende Kulturexperten Mosambiks teilnahmen. Neben dem Direktor des Staatlichen Kunsthandels, Jose Bragança, war u. a. der bekannte Holzschnitzer Matias Ntundu zu Gast.131 Vom Meister der Makonde-Holzschnitzkunst ist das Bonmot überliefert, dass die Touristen die von Geistern beseelten Shetani-Werke (Shetani=Teufel) gerne kauften, weil sie glaubten, sie könnten damit die Schöpferkraft des Bildhauers mit erwerben.132 Und schließlich durfte das MVL die große Retrospektivausstellung Malangatanas 1986 als erste Station nach Maputo zeigen.133 Nachruf der südafrikanischen Künstlerin Judy Seidman auf Malangatana: http://www.judyseidman. com/text%20malangatana.html (14.3.2011). 129 Gespräch des Autors mit Giselher Blesse 14.2.2017. Vgl. a.: Giselher Blesse, „Makonde-Schnitzereien zwischen Kunst und Handwerk. Zu einigen Problemen der Vermarktung kunsthandwerklicher Produkte in der Volksrepublik Mocambique“, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig. Gesellschaftswissenschaftliche Reihe 35 (1986) 5, S. 434–438; Ders.,„Museen in Maputo/VR Mocambique“, in: Neue Museumskunde 3/90, S. 199–206. 130 Dort fand auch ein Galerie-Gespräch mit dem mosambikanischen Künstler Mankeu statt. Siehe Mitteilungen aus dem Völkerkundemuseum Leipzig H. 50/1985, S. 73–75. 131 Der Kunstwissenschaftler (und spätere Meeresarchäologe und Mitglied des Mozambican National Cultural Heritage Council) Ricardo Texeira Duarte nahm ebenfalls an dem Gespräch teil. BArch DY 13 Nr. 3068. 132 Harry G. West and Stacy Sharpes, „Dealing with the devil: meaning and the marketplace in Makonde sculpture“, in: African Arts Bd. 35, Nr. 3 (Herbst 2002), S. 32–39. 133 „Die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zur Volksrepublik Mocambique“, in: Mitteilungen aus dem Museum für Völkerkunde Leipzig H. 51, 1986, S. 56–58. 128
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Abb. 23. Malangatana Valente Ngwenya „Brotamos por todos es lados por mais que nos destruam“ Federzeichnung 1974. Die Zeichnung lehnt sich kompositorisch an die Lebensbaumplastiken der Makonde an, in denen Köpfe, Gliedmaßen, menschliche, tierische und dämonische Figuren miteinander kombiniert werden. Sie wirkt wie eine gezeichnete Ujamaa-Skulptur, bei der vegetabile und flammenartige Formen dominieren, die zusammen eine Aufwärtsbewegung vollziehen. Die Inschrift „FRELIMO“ und ein die ganze Höhe des Bildformates einnehmendes Gewehr verweisen auf den Befreiungskampf.
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Der Kulturaustausch mit afrikanischen und arabischen Ländern war zwar eine staatliche Angelegenheit, doch kam es hierbei auch maßgeblich auf das persönliche Engagement Einzelner an, die im Rahmen ihrer Auslandsreisen Freundschaften schlossen und sich für die künstlerische Zusammenarbeit einsetzten. Der ostdeutsche Entwicklungshelfer und Hobbymaler Harald Heinke hielt sich zwischen 1979 und 1985 in Mosambik auf. Er hatte zahlreiche Eindrücke vom afrikanischen Alltag in seinen Bildern wiedergegeben und sich mit dem Maler Mankeu Valente Mahumane (geb. 1934) angefreundet. Mankeu hatte seine autodidaktische Künstlerlaufbahn 1960 eingeschlagen und mit Malangatana und Jacob Estévao Macambaco (1933–2008) ein Trio gebildet.134 Im Gegensatz zum weltläufigen Malangatana blieb Mankeu jedoch buchstäblich bodenständig, indem er weiterhin in einem Slumquartier wohnte. Auch Wolfgang Eckardt (1919–1999) gehörte zu den engagierten Einzelnen, die den Künstlerdialog beider Länder in Gang brachten. Der Rostocker Bildhauer berichtete im Herbst 1986 bei einer Sitzung der Freundschaftsgesellschaft DDR-VRM von der Planung einer Ausstellung in Mosambik. Zudem hatte er vor, dort einen mehrwöchigen Workshop zu organisieren, um den Künstlerverband zu unterstützen. Eckardt plante zu jener Zeit ein Porträt des kürzlich verstorbenen Staatschefs Machel, das er aus der Silhouette des Landes heraus gestalten wollte.135 Der bekannte Bildhauer und Schöpfer der Gedenkstätte revolutionärer Matrosen am Rostocker Stadthafen sammelte Spenden, um mosambikanischen Holzschnitzern Werkzeuge zu kaufen. Er füllte eine schwere Kiste mit Holzschnitzwerkzeug, das nach Maputo verschifft, dort in kleinere Einheiten umgepackt und im Lande verteilt wurde.136 Auf eigene Kosten und mit Unterstützung des Fischkombinates Rostock und des VBK reiste er dreimal nach Mosambik, um Kontakte zu Künstlern wie Mankeu zu pflegen, von dem er auch einige Bilder erwarb. 1982 besuchte Eckardt ein Makondedorf in der Nähe von Pemba: „Da saß er nun auf ebener Erde im Kreis der Gastgeber. Sie erklärten ihm ihre Technik des Schnitzens und er zeigte ihnen, wie man das bei uns macht,“ hiess es in einem ostdeutschen Pressebericht. Damals war Eckart mit einem Jeep 1.500 km ins Landesinnere gefahren. 1987 stellte er in Maputo aus, u. a. Plastiken, zu denen ihn seine beiden vorangegangenen Reisen inspiriert hatten, einschließlich eines Porträts von Machel. 4.000 Besucher sahen diese Ausstellung, erinnerte sich Eckardt: „Nach der Eröffnung stellte ich immer wieder fest, dass die Besucher die Plastiken in die Hand nahmen – ein für uns ungewohntes Bild.“137 Seine Frau Ilsedore beschrieb die Treffen mit mosambikanischen Künstlerkollegen und Atelierbesuche als herzlich, doch ergaben sich daraus keine konkreten gemeinsamen Projekte. Es gab weder eine Kooperation mit der Kunsthochschule Maputo, noch Workshops oder Vorträge Eckardts dort.138 Mosambikanische Künstler besuchten Eckardt in Rostock, so auch ManHarald Heinke, „Mankeu Valente Mahumane – über den künstlerischen Lebensweg des mosambikanischen Malers“, in: Indaba. Das SADOCC-Magazin für das südliche Afrika Nr. 66/2010, S. 20–25. Vgl. a. Harald Heinke: Khanimambo Moçambique – Ein Zeitzeuge erzählt, Berlin 2011. 135 Protokoll der Beratung der Freundschaftsgesellschaft DDR-VRM vom 28.11.1986. BArch DY 13 Nr. 3068. 136 Horst-Dieter Seffner, „Garnelen und Maipapa vor Südafrika“, in: Matthias Voß (Hg.), Wir haben Spuren hinterlassen. Die DDR in Mosambik, Münster 2005, S. 314–318, hier: S. 317. 137 Wolfgang Eckardt, „Schnitzeisen nach Maputo“, in: Der Sonntag 28.8.1988. 138 Gespräch des Autors mit Ilsedore Eckardt, 8.4.2016. 134
Exkurs nach Afroamerika – Taktisches „Ethno-Marketing“ der DDR in den USA
keu, der 1984 auf Einladung der Liga für Völkerfreundschaft in der DDR kam.139 Der Maler und Keramiker Noel Langa (geb. 1938) und sein Bruder Naftal (1932–2014), ein Bildhauer, stellten im Frühjahr 1988 in der Rostocker Kunsthalle aus.140
Abb. 24. Wolfgang Eckardt, Büste „Samora Machel“ Gipsmodell 1986. Die Bronzebüste, die Eckardt von Machel angefertigt hatte (den er allerdings nie persönlich getroffen hatte), wurde 1987 dem mosambikanischen Kultusministerium überreicht.
Exkurs nach Afroamerika – Taktisches „Ethno-Marketing“ der DDR in den USA
Im Fahrwasser der Unabhängigkeitsbestrebungen in Afrika und Asien entwickelten auch marginalisierte ethnische Gruppen in den USA ein größeres Selbstbewusstsein, das in Forderungen nach territorialer Autonomie oder gar in separatistischen Plänen gipfelte. Im Rahmen ihrer antikolonialen und antiimperialistischen Ideologie verfiel die DDR darauf, Bündnispartner unter ihnen zu suchen,141 etwa unter den amerikanischen Ureinwohnern. So berichtete John Fire Lame Deer, Häuptling und Wicasa Wakan (=Heiliger Mann) der Mnikowoju-Lakota-Indianer (sein Vater und Großvater waren ebenfalls Häuptlinge gewesen): „Ich war 1982 zum ersten Mal in Europa, und zwar in Ostdeutschland. Zuhause hatten sie uns erzählt, wie schlecht der Kommunismus war. Die Leute dort wären arm und gemein, es wäre hässlich dort, und die Sonne würde nicht scheinen. Aber als wir da waren, schien die Sonne, und die Leute haben gelacht. Es war wie überall sonst auf der Welt. Da habe ich gemerkt, man erzählt uns Unsinn. Die Menschen in der DDR waren sehr offen für uns.“142 Die IndianerbegeisteHarald Heinke, „Mankeu Valente Mahumane – über den künstlerischen Lebensweg des mosambikanischen Malers“, in: Indaba. Das SADOCC-Magazin für das südliche Afrika Nr. 66/2010, S. 20–25, hier S. 23. 140 Auch suchten die Eckardts den Kontakt zu mosambikanischen Auszubildenden im Fischkombinat Rostock, jenem volkseigenen Betrieb, dem die gesamte Hochseefischerei der DDR oblag, und der auch in Maputo tätig war, wo Garnelen gefangen und verarbeitet wurden. Gespräch des Autors mit Ilsedore Eckardt, 8.4.2016. 141 Länderkonzeption des MfAA für die USA 13.2.1970. BArch DY 30/IV A 2/20/611. 142 http://www.fr-online.de/panorama/indianer--die-erde-wird-sich-reinigen-,1472782,27671908.html 139
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Kapitel III. Schauplatz Afrika
rung in der DDR war nicht nur antiimperialistisch motiviert, sondern auch von älteren Quellen, beispielsweise von der ethnologischen Forschung und sicherlich von den Romanen Karl Mays inspiriert gewesen. Es gab aktive „Freizeitindianer“-Vereine, die sich bemühten, Folklore, Kleidung und Musik nordamerikanischer Indianer zu imitieren und dabei z. T. eine beeindruckende Fachkenntnis an Tag legten (in etwa vergleichbar mit der heutigen Reenactmentbewegung, die Schlachten des 19. Jahrhunderts oder des Zweiten Weltkriegs nachspielt).143 Lame Deers Vater hielt im Herbst 1983 bei einer derartigen Vereinigung, dem „Volkskunstkollektiv Mandanindianer Taucha“ einen Vortrag.144 Bereits einige Jahre zuvor, im Oktober 1977, war der Schauspieler und Aktivist des American-Indian-Movement, Russel Means, mit einer Delegation in der DDR gewesen. Er wurde wie ein Staatsgast empfangen. Später distanzierte er sich allerdings vom Marxismus.145 Vor allem die Afroamerikaner erschienen der DDR als potentielle strategische Partner, weil sich die USA und ihr westlich-kapitalistisches Erfolgsmodell mit dem Hinweis auf den dort grassierenden Rassismus diskreditieren liessen. In den 1950er und 1960er Jahren lud die SED immer wieder afroamerikanische Aktivisten und Bürgerrechtler ein, beispielsweise (wie bereits erwähnt) den Soziologen Du Bois oder Paul LeRoy Robeson.146 Robeson, der in den USA quasi geächtet war, besuchte 1960 die DDR und erhielt die Ehrendoktorwürde der Berliner Humboldt-Universität. In einem Bericht des MfAA über seinen Aufenthalt hiess es, Robeson habe eine weitere Zusammenarbeit angeregt und dabei seine Kontakte zu amerikanischen Medien betont: Er könne aufgrund seiner Prominenz eine Brücke zwischen der DDR und der afroamerikanischen Bevölkerung schlagen, immerhin eine Zielgruppe von achtzehn Millionen US-Bürgern. Durch die demonstrative Ehrung Robesons werde, so das MfAA, „deutlich gemacht, welche Rolle die DDR im Kampf für Frieden und Verständigung spielt. Damit wird den Negern die Stellung unseres Staates zur Rassenfrage erklärt.“ So könnten weitere afroamerikanische Künstler und Journalisten dazu angeregt werden, die DDR zu besuchen.147 Der in Westberlin lebende amerikanische Kapellmeister George Byrd bewarb sich im Januar 1960 um eine Leitungsposition in einem DDR-Orchester, als Vorbereitung für seinen Plan, ein Orchester in einem der jungen afrikanischen Nationalstaaten zu gründen. Er hatte hier zunächst Ghana oder Guinea im Blick: „Ich würde es als freundschaftliche Hilfe unserem Volk gegenüber ansehen, wenn die Deutsche Demokratische Republik mir diese reale Chance ermöglichen würde (…) der normale Weg der umfassenden Tätigkeit eines Dirigenten ist bis jetzt einem Angehörigen unserer Rasse nicht ermöglicht (1.7.2014). 143 Dieses Vereinsleben in der Mischzone von Wissenschaft und Rollenspiel spiegelte sich auch in der Fachpublizistik der DDR: Wampum. Informationsheft des Jugendclubs für Indianistik „Pedro Bissonette“ beim Tierpark Cottbus; Amedian. news from native America; Berichte aus dem indianischen Amerika, hgg. vom Deutsch-Indianischen Kreis, DIK/GAIG; Ametas. Mitteilungen und Berichte für völkerkundlich Interessierte / IG Indianistik Sebnitz. 144 http://www.mandan-taucha.de/geschichte.htm (6.3.2016). 145 Sybille Klemm, Eine Amerikanerin in Ostberlin: Edith Andersen, Bielefeld 2015, S. 137. 146 Bericht über den Aufenthalt von Robeson in der DDR im Oktober 1960. PA AA MfAA A 16822. 147 Bericht des MfAA (Abt. kulturelle Beziehungen) über den Aufenthalt von Paul Robeson in der DDR (4.–10.10.1960) 19.10.1960, S. 3 Punkt 8. BArch DR 1 Nr. 19183.
Exkurs nach Afroamerika – Taktisches „Ethno-Marketing“ der DDR in den USA
worden“, schrieb er dem MfK. Parallel bemühte sich der 34jährige Byrd um die ghanaische Staatsbürgerschaft und warb unter afroamerikanischen Musikern für sein Projekt.148 Schließlich ging sein Plan auch ohne ein längerfristiges DDR-Engagement auf: Im Auftrag der UNESCO und auf Einladung der äthiopischen Regierung gründete er Mitte der 1960er Jahre das „Ethiopian Symphony Orchestra,“ das erste Symphonie-Orchester Schwarzafrikas. Zudem wurde in Addis Abeba ein Musikkonservatorium eröffnet, an dem Byrd einige Jahre lang unterrichtete. Ebenfalls auf die afroamerikanische Öffentlichkeit zielte die (nicht realisierte) Überlegung, Martin Luther King zum 450. Jahrestag der Reformation in die DDR einzuladen.149 Am 13. September 1964 war der Geistliche spontan und ohne Pass am Checkpoint Charlie aufgetaucht, um in Ostberlin zu predigen. Die SED liess ihn gewähren, doch sein Auftritt war propagandistisch kaum auszuschlachten.150 1965 besuchte Louis Armstrong im Rahmen einer Europatournee Leipzig, was als kulturpolitischer Erfolg der DDR gefeiert wurde. Tausende von Jazzfans bejubelten den Weltstar am 23. März 1965 in den Messehallen.151 1971 war Ralph D. Abernathy zu Gast in der DDR, Nachfolger des ermordeten King als Vorsitzender der Southern Christian Leadership Conference, einer der großen afroamerikanischen Bürgerrechtsorganisationen. Einige Jahre später wurde der Chicagoer Maler Charles Wilbert White (1918–1979), einer der ersten professionellen afroamerikanischen Künstler, in die DDR eingeladen. Sein bekanntestes Werk war das Wandgemälde The Contribution of the Negro to American Democracy in der Universität von Hampton. Whites realistischer Stil und seine Technik der Wandmalerei kamen der DDR-Kunstdoktrin in gewisser Weise entgegen, wo man ihn 1974 als „künstlerischen Sprecher der amerikanischen Neger und Arbeiterklasse“ feierte.152 Die Mehrheit der schwarzen Community sowie ihrer Bürgerrechtsgruppierungen konnte jedoch nichts mit der DDR oder mit ihren amerikanischen Partnern von der Communist Party USA anfangen. Viele jüngere und radikalere Aktivisten tendierten zu den Black Panthern oder anderen nationalistischen, religiösen oder gar antisemitischen Gruppierungen. Um so wichtiger war Angela Davis für die DDR-Propaganda, sie stellte das Bindeglied zwischen sozialistischer Ideologie und antirassistischem Befreiungskampf in den USA dar und sah den Ostblock als Bündnispartner an. Doch nur einige wenige linksorientierte Aktivisten folgten ihrer Linie und engagierten sich im 1975 gegründeten US-Commitee for Friendship with the GDR.153 Es gelang der DDR nicht wie erhofft, die Afroamerikaner als Brief Byrds an das MfK 21.1.1960. BArch DR 1 Nr. 19183. Stellvertretend für die DDR-Geschichtspolitik hinsichtlich des Erbes der Reformation sei hier erwähnt: Steinmetz, M. u. G. Brendler (Hrsg.), Weltwirkung d. Reformation. Internationales Symposium anläßlich d. 450-Jahr-Feier d. Reformation in Wittenberg v. 24. bis 26. Oktober 1967. Referate u. Diskussionen. 2 Bde., Berlin 1969. 150 http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/ddr-ueberraschungsbesuch-martin-luhter-kingsueberforderte-die-behoerden-13153264-p2.html (17.12.2015). 151 Stephan Schulz, What a wonderful world. Als Louis Armstrong durch den Osten tourte, Berlin 2010. Vgl. a. Hermann Falk, Zu Gast in der Welt. Die Welt zu Gast. Die Künstleragentur der DDR, Berlin 2015, S. 103. 152 Klaus Weidner im Katalog der Ausstellung „Fortschrittliche Künstler aus den USA“ – Malerei, Grafik, Plastik, Ausstellungszentrum im Fernsehturm Berlin (2.3.–27.3.1974). 153 Axel Bachmann, „Die Beziehungen der DDR zu den Angelsächsischen Ländern“, in: Hans-Joachim 148 149
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Kapitel III. Schauplatz Afrika
antiimperialistische Hebel einzusetzen, um die USA zu diskreditieren und den amerikanischen Einfluss im Globalen Süden auf diese Weise einzuschränken.
Veen u. a. (Hg.), Die Westpolitik der DDR. Die Beziehungen der DDR zu ausgewählten westlichen Industriestaaten in der 1970er und 1980er Jahren, Melle 1989, S. 69–129, S. 79 f.
Kapitel IV. Schauplatz Nahost
Die „brüderliche Freundschaft“ der DDR mit Syrien, mit dem Irak und den Palästinensern
Mit dem überraschenden Staatsbesuch Walter Ulbrichts in Ägypten stand die DDR im Februar 1965 im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit. Sie meldete damit den Anspruch an, als eigenständiger Akteur ins globale Geschehen eingreifen zu wollen. Die Begegnung Ulbrichts mit Gamal Abdel Nasser mag ein propagandistischer Erfolg für die Weltpolitik der DDR gewesen sein, doch Ägypten selbst erwies sich nicht als dauerhafter Partner und orientierte sich bereits unter Nassers Nachfolger Anwar As-Sadat nach Westen. 1977 mussten die in Alexandria und Kairo eingerichteten Kulturzentren der DDR nach wenigen Jahren schon wieder schließen, und die DDR-Führung begab sich auf die Suche nach neuen Partnern in der Region. Im Folgejahr erstellte das MfAA eine Liste mit fünfzehn außereuropäischen Staaten, die es als „sozialistisch orientiert“ einstufte und zu denen intensivere Beziehungen aufgebaut werden sollten. Als Kriterien galten eine zumindest teilweise verstaatlichte Wirtschaft, ein genossenschaftlicher Wirtschaftssektor und eine führende Kaderpartei. Im Nahen Osten hatte sich die DDR bereits seit Mitte der 1950er Jahre auf Syrien und den Irak konzentriert, diese Beziehungen sollten nun verstärkt werden, ebenso die Verbindungen zu den palästinensischen Befreiungsbewegungen PLO und PLFP. Das in weiten Teilen des Nahen Ostens unter jungen Militärs, Studenten und städtischen Eliten populäre panarabische und linksnationalistische Gedankengut bot der DDR ideologische Anknüpfungspunkte. Ägypten, Syrien und der Irak hatten mehrere Versuche gemacht, zu einer Republik zu fusionieren. Von 1958 bis 1961 bestand eine Vereinigte Arabische Republik (VAR) als Zusammenschluss von Ägypten und Syrien. 1963 scheiterte ein weiterer Versuch, unter dem Banner der VAR Ägypten, Syrien und den Irak zu vereinen. 1963 und 1979
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Kapitel IV. Schauplatz Nahost
misslangen Integrationsprojekte von Syrien und dem Irak, wo verfeindete Flügel der „Arabischen Sozialistischen Partei der Wiedererweckung (=Baath)“ herrschten. Die ursprünglich supranationale Baath-Partei rekurrierte auf die Idee einer ungeteilten arabischen Nation. Es gab Ableger in einigen nordafrikanischen und arabischen Ländern, de facto war ihre Politik aber auf den Raum Großsyriens ausgerichtet. Die in der Baath-Ideologie propagierte Idee eines „Arabischen Sozialismus“ beruhte auf der Vorstellung einer sozialistischen, zugleich aber weltpolitisch neutralen geeinten arabischen Nation. Damit sollten zunächst die in den einzelnen arabischen Staaten herrschenden modernistischen Regimes innenpolitisch legitimiert werden, bis Schritt für Schritt ein Machtblock zusammengewachsen wäre, der dem Westen und Israel Paroli hätte bieten können. Die Regimes in Damaskus und Bagdad waren eigentlich wenig am marxistischen Ideologieimport interessiert, vielmehr stand die Etablierung pragmatischer Entwicklungsdiktaturen im Vordergrund, deren Sozialismus-Begriff auf eine planmäßige Lenkung der Wirtschaft durch den Staat zielte, auf die Realisierung von Großprojekten und die Nationalisierung von Schlüsselindustrien und Bodenschätzen. Der säkulare Panarabismus der Baath-Parteien und anderer linksnationalistischer Bewegungen diente im Nahen Osten weithin als Hoffnungsträger. Doch weder die Vision einer Vereinigten Arabischen Republik noch der Sieg gegen den gemeinsamen Gegner Israel liessen sich verwirklichen, die arabische Staatenwelt blieb fragmentiert und zerstritten. Die Regimes in Syrien und dem Irak, aber auch in Ägypten, Sudan, Libyen, Tunesien, die sich als Mixturen von Klassen-, Clan- und dynastischer Militärherrschaft charakterisieren liessen, erwiesen sich allerdings als stabil und langlebig – weil es Ihnen gelang, ein System der Patronage und des Klientelismus aufzubauen und lukrative Schlüsselindustrien mit Hilfe der Armee unter Kontrolle zu halten. Diese militärisch-industrielle Komplexe bilden z. T. bis heute das Rückgrat der Wirtschaft in den genannten Staaten. Die Begriffe des Sozialismus, der Revolution und des Panarabismus wurden in den 1980er Jahren nur noch wie leere Hülsen benutzt, der pure Machterhalt und die Abschottung der Mächtigen stand im Zentrum der Innenpolitik. Die ideologische Durchdringung und das gesellschaftliche Sendungsbewusstsein der säkularen Diktaturen war nebensächlich.1 Die Stabilisierung der Regimes, die sich anfangs pro forma sozialistisch und als Bündnispartner des Ostens gaben, gelang auch dank der Unterstützung durch die DDR. Beim Ausbau des Gesundheits- und Bildungswesens, der Wirtschaftsbeziehungen und der Infrastruktur wurden zweifellos substanzielle Fortschritte gemacht. Das rasche Auflösung Syriens und des Iraks in den Bürgerkriegen zu Beginn des 21. Jahrhunderts läßt aber rückblickend daran zweifeln, ob das Nation Building der Baath-Regimes und ihrer Partner aus dem sozialistischen Lager wirklich in die Tiefe gegangen war. Eher überwiegt heute der Eindruck, dass in beiden Fällen ein starker Sicherheits- und Geheimdienstapparat vollauf damit beschäftigt gewesen war, ein heterogenes Territorium mit Gewalt zusammenzuhalten. „Richtiger wäre zu sagen“, so der Politikwissenschaftler Volker Perthes, „dass die politischen Eliten in beiden Ländern Korruption und konfessionelle Zugehörigkeiten bewusst als Herrschaftsmittel nutzten und damit die modernen Institutionen dieser Staaten unterhöhlt 1
Albert Hourani, Die Geschichte der arabischen Völker, Frankfurt 1992, S. 537 ff.
Die „brüderliche Freundschaft“ der DDR mit Syrien, mit dem Irak und den Palästinensern
haben.“2 Demnach hätten die Baath-Parteien de facto das Nation Building in Syrien und dem Irak sabotiert, weil die nationalen Minderheiten und verschiedenen Religionsgemeinschaften nicht zu einem funktionierenden Gemeinwesen, zu einem Staatsvolk geformt wurden. Allerdings muss hier in Rechnung gestellt werden, dass Syrien und Irak nur wenige Jahrzehnte für das Nation Building Zeit hatten, und das jene Jahre zum Großteil Kriegs- und Krisenjahre waren, die eine ungestörte Entwicklung vereitelten. Zeitlich und materiell derart eingeschränkt, konnte das DDR-Engagement für Syrien und den Irak wohl kaum eine nachhaltige Wirkung haben. Das 1946 in die Unabhängigkeit entlassene Syrien befand sich von Beginn an in einer Lage, die Zweifel an seiner Perspektive als lebensfähiger Staat aufkommen liess. Die historische Einheit, die Großsyrien unter osmanischer Herrschaft dargestellt hatte, war nach 1918 schrittweise zerstört worden. Syrien verlor Jordanien, den Libanon, Palästina, die Küstenprovinz Alexandrette, das ölreiche Mossulgebiet, bis nur ein noch Reststaat übrig blieb, dessen Führung 1958 die Rettung im Anschluß an Ägypten erblickte. In der neuen Vereinigten Arabischen Republik (VAR) sah sich Syrien allerdings bald zu einer Provinz herabgewürdigt, so dass die Verbindung nach nur drei Jahren wieder gelöst wurde. In der 1963 in Damaskus an die Macht gekommenen Baath-Partei war der Panarabismus dennoch weiterhin vital, vor allem in einer linken Färbung. Unter Salah Dschadid wurde in diesem Sinne der Guerillakampf der Palästinenser unterstützt. Israelische Vergeltungs- und Präventivmassnahmen führten aber zum Verlust eines weiteren Landesteils, der strategisch wichtigen Golanhöhen. Vor diesem Hintergrund stellte der neue Machthaber Hafez Al-Assad ab 1970 den irredentistischen Panarabismus hinter die Sicherung des Kernlandes zurück. Nach der Entscheidung für eine kleinsyrische Lösung suchte Assad dringend Verbündete, um einen stabilen Staat aufzubauen. Diese Paten sollten möglichst keine direkten Nachbarn, also nicht an einer Machtübernahme in Damaskus interessiert sein.3 Die Sowjetunion und die DDR boten sich hier als ideale Partner an. Bereits 1956 hatte die DDR in Syrien ein Generalkonsulat eröffnet, und nachdem sich Ostberlin im Sechs-Tage-Krieg auf die arabische Seite gestellt hatte, erkannten neben Syrien auch der Irak, Ägypten, Jemen und Sudan die DDR diplomatisch an. In den folgenden Jahren intensivierten sich die Beziehungen der DDR zu Syrien auf politischer, wirtschaftlicher, militärischer und kultureller Ebene – mit Billigung und Unterstützung der UdSSR.4 Es handelte es sich um eine Art informelle Arbeitsteilung: Die Kreml-Führung schickte die DDR als Stellvertreter vor, um sich selbst nicht dem Vorwurf des Neo-Kolonialismus auszusetzen: „Der kleinen DDR, so deutsch sie ist, mag kein Afrikaner, Asiate oder Araber imperialistische Neigungen unterstellen; zugleich aber profitiert sie vom Ruf deutscher Tüchtigkeit, der zumindest Volker Perthes, Das Ende des Nahen Ostens, wie wir ihn kennen, Berlin 2015, S. 13. Der amerikanische Historiker Hugh Roberts, in: Lettre international Herbst 2015, S. 21 ff. Am 8.11.1955 wurden offizielle Handelsbeziehungen zu Syrien aufgenommen. Im Frühjahr 1956 reiste eine DDR-Regierungsdelegation nach Syrien, Libanon, Ägypten und den den Sudan. Außenminister Otto Winzer besuchte Syrien, Ägypten, Libanon und den Irak im Mai 1967. Martin Stäheli, Die syrische Außenpolitik unter Hafez al-Assad, Stuttgart 2001, S. 234. Eine ostdeutsche Reportage aus dem Jahr 1962 berichtete u. a. von Infrastrukturprojekte, die mit östlicher Hilfe große Fortschritte machten. Hans Fischer, Begegnung mit Syrien, Leipzig 1962. 2 3 4
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Kapitel IV. Schauplatz Nahost
in der Entwicklungswelt noch ungebrochen ist“, kommentierte Der Spiegel unter der Schlagzeile: „DDR: Kalaschnikows für die Dritte Welt.“5 In vielem sei die DDR Vorbild für Syrien gewesen, betonte der Finanzwissenschaftler Mazhar Chobat, ein ehemaliger Stipendiat, was die Organisation des staatlichen Sektors, die Gründung von Genossenschaften, die Fünf-Jahres-Pläne und die Versorgung der Bevölkerung mit subventionierten Nahrungsmitteln betraf.6 Im Programm der syrischen Baath-Partei vom Juni 1965 waren ausdrücklich die Ziele „Sozialistische Umgestaltung,“ „Agrokulturelle Revolution“ und „Aufbau von Kulturzentren, Büchereien und Theatern“ vermerkt: „Die Syrisch-Arabische Republik (SAR) betont die Beziehungen zu den sozialistischen Ländern und sucht an deren Erfahrungen teilzuhaben, besonders, was den Aufbau des Sozialismus betrifft.“7 Eine Landreform und der Ausbau von Infrastruktur, Staudämmen und Bewässerungsprojekten sollten Landwirtschaft und Industrie voranbringen. Statt das sozialistische Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell direkt zu übernehmen, suchte Assad zunächst durch die Zulassung weiterer Parteien und die Annäherung an die sunnitischen Geschäftsleute Land und Herrschaft zu stabilisieren. Dabei musste er auf die konservativ-religiöse Mentalität unter der sunnitischen Mehrheitsbevölkerung Rücksicht nehmen. Dennoch kam es bereits Ende der 1970er Jahre zu terroristischen Anschlägen von Islamisten. Zugleich rutschte Syrien infolge der überdehnten Staatsausgaben in eine Schuldenkrise. Das Bemühen um mehr außenpolitische Unabhängigkeit blieb den DDR-Diplomaten nicht verborgen. Die syrische Führung versuchte ab Mitte der 1970er Jahre eine Position zu finden, die auf Äquidistanz zu beiden Weltmächten beruhte, ohne die militärische Unterstützung der Sowjetunion zu verlieren. Im Sommer 1976 berichtete der DDR-Kulturattaché dem MfAA, es gäbe „Anzeichen für eine langsame Ablösung Syriens vom sozialistischen Lager,“ zugleich seien die Kulturbeziehungen der SAR zu den imperialistischen Ländern intensiviert worden. Angesichts dessen komme den Verhandlungen über einen neuen Kulturarbeitsplan „eine erhöhte politische Bedeutung“ zu.8 Der Freundschaftsvertrag, den die SAR 1980 mit der UdSSR schloß, war weniger ideologisch motiviert, sondern resultierte aus innenpolitischer Schwäche: Im Blick auf die konservativ-sunnitische Mehrheit und die militante islamistische Opposition im Lande diente er als Versicherungspolice Assads (die allerdings erst sein Sohn Bashar fünfunddreissig Jahre später gegenüber Russland, dem Nachfolgestaat der Sowjetunion, in Anspruch nehmen musste). Trotz der forcierten Modernisierung und der Säkularisierungskampagnen hatten der politische Konfessionalismus und die ethnische Segmentierung der syrischen Gesellschaft während Assads Herrschaft weiter zugenommen.9 Pro forma bekannte sich die syrische Elite zwar noch Der Spiegel 36/1976, 30.8.1976. Mit einigen Kollegen gründete der ehemalige syrischen Stipendiat Antonius Ackl 2004 die „Vereinigung syrischer Absolventen deutscher Hochschulen“, die enge Beziehungen zu verschiedenen deutschen Universitäten pflegt. Ackls Angaben zufolge haben insgesamt 4.000 Syrer in Ost- und Westdeutschland studiert. http://www.dw.com/de/deutsch-deutsche-spuren-in-syrien/a-4710555 (26.10.2009). 7 Program of the March 8th Revolution approved in June 1965 by the regional Congress of Arab Baath Socialist Party, S. 62, 77, 141 f., 28. 8 Kulturattaché Hoffmann aus Damaskus an die Kulturabteilung des MfAA 17.6.1976. BArch DR 1 Nr. 18783 Kulturbeziehungen Syrien Bd. 1. 9 Volker Perthes, Staat und Gesellschaft in Syrien 1970–89, Hamburg 1990, S. 226. 5 6
Die „brüderliche Freundschaft“ der DDR mit Syrien, mit dem Irak und den Palästinensern
zu sozialistischen Idealen, tatsächlich wurde bereits in den frühen 1980er Jahren eine wirtschaftspolitische Fehlentwicklung deutlich, die in Richtung Nepotismus wies: „Der Reichtum konzentrierte sich in den Händen weniger hochrangiger Staatsbeamter und Geschäftsleute, die oft durch direkte familiäre Bande über Verbindungen zum inneren Machtzirkel verfügten.“10 Es kam zur „Selbstblockade des syrischen Entwicklungsweges“ – Wirtschaft und politische Teilhabe hielten mit dem Bevölkerungswachstum nicht mit, ein religiös-konservatives Semiproletariat breitete sich in den Städten aus.11 Unter diesen Umständen überrascht es fast, dass sich die Assad-Dynastie noch so lange halten konnte. Die DDR hatte auch Kontakte zu den syrischen Kurden, doch diese wurden von der Rücksichtnahme auf Assad limitiert. In den 1970er Jahren war der Generalsekretär der „Kurdisch-Demokratischen Linken Partei“, Salah Badr Al-Din, in der DDR zu Gast und berichtete über die missliche Lage der kurdischen Minderheit in Nordsyrien. Zehn Prozent der Kurden, etwa 180.000 Personen, besäßen keine syrische Staatsbürgerschaft und seien staatenlos. Ihre Siedlungsgebiete würden ausgebeutet und vernachlässigt. Die Systemgrenze zwischen Ostblock und Nato verlief mitten durch das kurdische Gebiet, es lag im Interesse Damaskus’, hier ein Niemandsland zu schaffen, das leicht kontrolliert werden konnte. Offenbar wurde durch die scheinbar fortschrittliche sozialistische Agrarpolitik mit Genossenschaftsbetrieben in Nordsyrien auch nebenbei das vormals geschlossene Siedlungsgebiet der Kurden zerstört.12 Al-Din beklagte, die DDR verschließe sich den Kontaktanfragen linker syrischer Kurden aus Angst, die Beziehungen zu Damaskus zu belasten. Dabei ergäben sich gerade durch die Beziehungen zu linken Kurden (die planten, eine grenzübergreifende kommunistische Partei zu gründen) interessante Perspektiven für die sozialistischen Länder im Nahen Osten. Al-Din wünschte sich, die DDR möge offiziell eine Delegation der Kurdisch-Demokratischen Linken Partei einladen.13 Heute bilden die syrischen Kurden die einzig verbliebene linke Kraft in der Region. Seit 2015 haben sie erstmals ein größeres geschlossenes Gebiet unter ihrer Kontrolle, doch ob dieser Protostaat im Norden Syriens Befand haben wird, ist offen. Ein geordneter Prozess des Nation Building war dort unter den Kriegsbedingungen bislang nicht möglich. Nicht nur durch technologische und ökonomische Unterstützung versuchten Sowjetunion und DDR langfristigen Einfluss auf die arabischen Eliten auszuüben, sondern auch durch Kultur- und Ideologieexport. Kunst, Bildung und marxistische Schulung gehörten hier zum gebräuchlichen Instrumentarium. Die DDR hatte Studienprogramme aufgelegt, sie hatte jedem syrischen Stipendiaten ansehnliche 300 DDR-Mark im Monat gezahlt, damit diese neben dem Studium auch das kulturelle Leben Berlins genießen und durch das Land reisen konnten. Die Stipendiaten verpflichteten sich, nach Abschluss ihres Studiums im syrischen Staatsdienst zu arbeiten, einige erhielten nach ihrer Rückkehr dort gute Positionen. Auf diese Weise wurde die Partnerschaft beiUdo Steinbach, Die arabische Welt im 20. Jahrhundert, Stuttgart 2015, S. 101. Volker Perthes, Staat und Gesellschaft in Syrien 1970–89, Hamburg 1990, S. 302. 12 Hannelore Küchler, Kurdistan – ein Land in Geiselhaft, Berlin 2011, S. 582 f. 13 Besuch des Generalsekretärs der Kurdisch-Demokratischen Linken Partei Syriens, Salah Badr al-Din, in der DDR am 14.5.1976, BArch DZ 8 Nr. 180. 10 11
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der Staatsapparate verstärkt, wenn auch nicht in dem Maße wie von Ostberlin erhofft. So erlebte der Leipziger Germanistik-Absolvent Houssein Karahamo nach sechs Jahren in der DDR bei seiner Rückkehr eine unangenehme Überraschung. Nicht nur, dass der Deutschunterricht an syrischen Oberschulen, für den er ja eigens in der DDR ausgebildet worden war, mittlerweile gestrichen worden war, vielmehr schlug ihm, wie auch anderen DDR-Rückkehrern, offene Ablehnung entgegen: „Wir wollten nicht glauben, was uns andere Landsleute, die vor uns aus der DDR zurückgekehrt waren, erzählt hatten: dass die Absolventen der DDR-Universitäten und aus anderen sozialistischen Ländern überall in Syrien von den etablierten Schichten der Beamten und Mitarbeiter von Institutionen abgelehnt und schikaniert wurden.“14 Offenbar war es eine Mischung aus Nationalismus und religiösem Konservatismus, die Karahamo und seine Kommilitonen als „gottlose Kommunisten“ und Agenten einer fremden Macht dastehen liess. In der DDR waren diese „Probleme der personellen Zusammensetzung des Staatsapparates und der Heranbildung neuer Kader“ durchaus bekannt: „Ein nicht unerheblicher Teil der leitenden Beamten studierte in kapitalistischen Ländern. Im Verwaltungsapparat sind unterschiedliche politische Auffassungen und Ideologien vertreten, die vom wissenschaftlichen Sozialismus bis zu ultralinken bzw. extrem rechten Anschauungen reichen,“ hiess es in einer Ostberliner Publikation aus dem Jahr 1975.15 Unterhalb der offiziellen Ideologie gab es, so die Berliner Islamwissenschaftlerin Ulrike Freitag, „auch andere Stränge, wie etwa familiäre und konfessionelle (und andere personalisierte) Netzwerke, die im Irak und auch in Syrien eine Rekonfessionalisierung der Gesellschaft langfristig befördert haben.“16 Die „brüderliche Freundschaft“ der DDR und Syriens auf der Basis einer säkularen Ideologie ging also kaum in die Tiefe. Dennoch zeigte sich der frühere DDR-Stipendiat Karahamo im Rückblick überzeugt: „Mit dem Untergang der DDR hat Syrien einen Verbündeten verloren, aber mit der deutschen Wiedervereinigung haben die Syrer die Überzeugung gewonnen, dass ihr Traum von der Einheit der arabischen Nation in Freiheit und sozialer Gerechtigkeit eines Tages Wirklichkeit werden wird, wenn nur die Geschichte dafür den passenden Moment bietet.“17 Diese Worte stammten aus dem Jahr 2010, vor Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs. Der Traum von der arabischen Einheit ist heute ferner denn je. Nicht einmal die Einheit Syriens ist in absehbarer Zeit denkbar.
Houssein Karahamo, „Die Ossis in der arabischen Welt. Syrische Absolventen der DDR-Hochschulen“, in: Thomas Kunze und Thomas Vogel (Hg.), Ostalgie international. Erinnerungen an die DDR von Nicaragua bis Vietnam, Berlin 2010, S. 96–101, hier: S. 98. 15 Siegfried Petzold, Staatsmacht und Demokratie in der SAR, Berlin 1975, S. 90 f. 16 Ulrike Freitag per Email an den Autor, 4.4.2016. 17 Houssein Karahamo, „Die Ossis in der arabischen Welt. Syrische Absolventen der DDR-Hochschulen“, in: Thomas Kunze und Thomas Vogel (Hg.), Ostalgie international. Erinnerungen an die DDR von Nicaragua bis Vietnam, Berlin 2010, S. 96–101, hier: S. 101. 14
Die Kulturbeziehungen zwischen der DDR und der Syrischen Arabischen Republik
Die Kulturbeziehungen zwischen der DDR und der Syrischen Arabischen Republik
Zurück in jene Zeiten, in denen Syrien als aufstrebender Staat, als „junge Nation“ galt, die die Zukunft noch vor sich hatte. Ein Kunstbetrieb war damals nur in Ansätzen vorhanden. Erst Ende der 1960er Jahre entstand die „Progressive Gewerkschaft für Schöne Künste“ als staatlich vorgeschriebene Berufsorganisation. 1960 war die Fakultät der Schönen Künste in Damaskus gegründet worden, sie wurde Teil der Universität. Gegenwartskunst war zunächst einzig im Nationalmuseum in Damaskus zu sehen, später kamen kleinere Ausstellungsräume hinzu, die von der Künstlergewerkschaft betrieben wurden. Zudem gab es in Aleppo, Homs, Hama, Latakia und Suweida Kulturzentren, die als „Bildungszentren für Werktätige“ von der syrischen Regierung gefördert wurden. Das Kulturleben und Bildungswesen war noch von der französischen Mandatszeit geprägt gewesen, und die meisten als Lehrer und Künstler tätigen Maler und Professoren hatten, wie der Maler, Bildhauer und Kunstkritiker Afif Bahnassi (geb. 1928), in Paris oder Rom studiert. Syrien war bereits seit Ende der 1950er Jahre zum Schwerpunktland der DDR-Kulturpolitik geworden, dies betraf sowohl die Bildungspolitik als auch die Bildende Kunst: Wechselseitige Künstlerreisen und Ausstellungen wurden organisiert, Beratung und Hilfe bei Aufbau von Kulturzentren und Kunstschulen gewährt. Die syrischen Künstler sollten in Geiste des Sozialistischen Realismus geprägt und zu einer dezidiert politischen Kunst inspiriert werden. Die DDR-Kunstzeitschrift bildende Kunst lobte die arabischen Kollegen 1978 für ihre in diesem Sinne gemachten Fortschritte: „Mit Engagement beteiligen sich syrische Künstler am Aufbau und an der Verteidigung Syriens gegen die zionistische und imperialistische Aggression.“18 Der künstlerische Austausch begann 1957, als sich der Potsdamer Künstler und Dozent der Fachhochschule für angewandte Kunst, Kurt Hermann Kühn (1928–1989), für längere Zeit nach Syrien begab.19 Laut MfK war vorgesehen, das Konzept des „künstlerischen Volksschaffens“ durch Vorträge in verschiedenen Kulturzentren bekannt zu machen, und zu einem neu eingerichteten Institut für angewandte Kunst in Damaskus institutionelle Kontakte aufzubauen.20 1963 fand eine Wanderausstellung von Grafiken Rudolf Berganders (1909–1970, damals Rektor der Dresdner Kunsthochschule), in Damaskus, Aleppo, Homs, Hama und Latakia statt, insgesamt 4.000 Besucher zählte die Schau.21 Im gleichen Jahr war eine Ausstellung „Kunsthandwerk aus der VAR“ in Berlin, Stralsund, Dresden und Hoyerswerda zu sehen, laut VBK von 40.000 Besuchern besichtigt.22 Im November 1964 wurde eine Ausstellung von Graphik und Kleinplastik aus der DDR im Arabischen Kulturzentrum in Damaskus gezeigt. Der syrische Kultusminister, der als Eröffnungsredner zugesagt hatte, blieb jedoch überraschend fern. Dafür sendete das syrische Fernsehen einen Beitrag. In einer Woche kamen 2.000 Besucher, darunter viele Jugendliche und Mitglieder von Laienkunstzirkeln, was die VerAfif Bahnassi, „Neue Kunst in Syrien“, in: bildende kunst 4/1978, S. 198 Er stellte in Damaskus und Aleppo aus und war mit künstlerischer und kulturpolitischer Arbeit beschäftigt. http://wilhelmshorst-online.de/kuhn-kurt-hermann/ (11.1.2017). 20 Planung des MfK der kulturellen Beziehungen mit dem Ausland 1965/66. LAB C Rep. 121 Nr. 83. 21 SAdK VBK ZV Nr. 443/1. 22 Ebenda. 18 19
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anstalter als Erfolg verbuchten. Anschließend wurde die Schau in weiteren Städten gezeigt.23 In Homs eröffnete der Bürgermeister im Zeichen „der Freundschaft zwischen unseren Völkern, die beide den Weg zum Sozialismus gehen,“ die Schau. Die Repräsentanten der Homser Verwaltung, Kulturorganisationen und Polizei nahmen an der Vernissage teil. Auch beim Ehrenbankett zur Ausstellungseröffnung in Hama erschien diese eigenartige Honoratioren-Mischung von Bürgermeister, Polizeipräsident, Protokollchef, Leiter der politischen Polizei und Leitern der Kulturzentren.24 Der Maler, Grafiker und Buchillustrator Werner Schinko (1929–2016) hielt sich 1964 für mehrere Wochen in Aleppo und Damaskus auf. Er stellte Kontakte zu Kollegen, Dozenten und Studenten der dortigen Kunstschulen her, dozierte über die Techniken der Graphik, die damals in Syrien noch nicht sehr verbreitet waren. Er gab Interviews für die Regierungszeitung und das Fernsehen. „Durch sein Talent und bescheidenes Auftreten fand er bei den syrischen Künstlern und Studenten einen guten Anklang. Sein Auftreten, das sich durch eine prinzipielle Parteinahme für die DDR auszeichnete, war eine gute Werbung für die DDR und ihre Kunst,“ lobten die DDR-Diplomaten.25 Schinko berichtete über Mängel bei der Ausbildung von syrischen Kunststudenten, aber auch über kritische Fragen syrischer Künstler zum Status der abstrakten Kunst in der DDR, die bei einem Gespräch in Aleppo gestellt wurden. Schinko führte dies darauf zurück, dass das Kunstinstitut in Aleppo „reichlich mit Kunstbänden aus Westdeutschland“ ausgestattet sei.26 Der Aufbau von künstlerischen Ausbildungsstätten und Kulturzentren im Geiste einer Volkskunst- und Laienbewegung wurde auch den syrischen Partnern empfohlen, die Informationsreisen in die DDR absolvierten. In einem Vermerk des MfK über ein Treffen mit Leitern von syrischen Kulturhäusern 1966 in Berlin hiess es, auf Wunsch der Gäste sei vor allem über die Arbeit der Kulturklubs und Kulturhäuser sowie über „den staatlichen Aufbau von der Kreisebene bis zum zentralen Staatsapparat“ referiert worden. Die Syrer waren im Bereich Volksbildung und Volkskunst am Erfahrungsaustausch interessiert, verwiesen allerdings auf das weitverbreitete Analphabetentum als Hauptproblem ihrer Arbeit.27 Anlässlich des Erstfluges Damaskus-Berlin der Interflug war am 30. Januar 1966 eine offizielle Delegation aus Syrien in der DDR eingetroffen, zu der auch der Kultusminister und seine Mitarbeiter zählten. Nicht nur stiess die Aufbauhilfe der DDR auf Hindernisse in Syrien, gelegentlich mangelte es auch an kompetenten Entwicklungshelfern. So sollte für drei Jahre ein Gastdozent an die Fakultät für schöne Künste der Universität Damaskus vermittelt werden, um den Aufbau der Kunstakademie voranzubringen. Die syrische Regierung bot ein Monatsgehalt von 1.350 Mark, doch fand sich an der Dresdner HfbK kein geeigneter Mitarbeiter, da englische oder französische Sprachkenntnisse unabdingbar waren. So musste Rektor Bondzien bei der Anfrage des MfK passen.28 Bericht vom DDR-Konsulat Damaskus an das MfK 5.1.1965. BArch DR 1 Nr. 18781 Bd. 1. Anba Homs 24.1.1965 und Al-Fida Hama. Der syrische Pressespiegel der Schau wurde dokumentiert im MfK. BArch DR 1 Nr. 18781 Bd. 2. 25 Bericht vom DDR-Konsulat Damaskus an das MfK 5.1.1965. BArch DR 1 Nr. 18781 Bd. 1. 26 Werner Schinko, „Bericht über meine Reise nach Syrien“ 3.1.1965. BArch DR 1 Nr. 18781 Bd. 2. 27 BArch DR 1 Nr. 18781 Bd. 1. 28 Anfrage des MfK an die HfbK Dresden 3.6.1966, Absage der HfbK 28.6.1966. Archiv HfbK 03/0073. 23 24
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Mit der Eröffnung des Kultur- und Informationszentrum der DDR (KIZ) in Damaskus wurde die kulturelle Präsenz der DDR institutionalisiert. Zur Eröffnung des Hause reiste Mitte November 1966 eine Regierungsdelegation der DDR (der Vize-Ministerpräsident sowie Vertreter des MfAA, MfK und Herder-Instituts) nach Syrien, um dort Gespräche u. a. mit dem Leiter des staatlichen Kulturzentrums in Aleppo, mit Medienvertretern, Gewerkschaftern, Universitätsangehörigen zu führen; u. a. mit dem Schuldirektor Abdel H. Halaoui, der vier Jahre lang Dozent am Orientalischen Seminar der Universität Halle gewesen war. Geplant waren auch eine Audienz beim syrischen Staatsoberhaupt Nureddin Mustafa Al-Atassi, der Besuch diverser Kulturzentren, historischer Sehenswürdigkeiten sowie Vorträge der DDR-Vertreter. Im Bericht der DDR-Diplomaten über die Eröffnung des KIZ war von einer gut besuchten Veranstaltung und einem stattlichen Medienecho die Rede, der syrische Minister für Information und Kultur hatte die Eröffnungsrede gehalten.29 Eine der ersten Aktivitäten des Zentrums war die Ausstellung von Arbeiten Werner Schinkos, die bei seinem ersten Aufenthalt im Lande entstanden waren.30 Eine erste Bilanz zur Jahresmitte 1968 führte bereits 132 Veranstaltungen mit 33.000 Besuchern auf, wobei das Zentrum mit syrischen Kulturzentren kooperierte und die meisten Veranstaltungen außerhalb des KIZ stattgefunden hatten. Ausstellungen im KIZ würden von durchschnittlich 600 Besuchern gesehen. Weiterhin wurde auch berichtet, dass sich immer weniger offizielle Repräsentanten Syriens im Publikum einfänden, und einige Veranstaltungen und Ausstellungseröffnungen mussten mangels Publikum sogar entfallen. „Es gibt gegenwärtig Anzeichen dafür,“ hiess es im Halbjahresbericht, „dass reaktionäre syrische Kreise versuchen, die Aktivitäten der hiesigen DDR-Institutionen zu behindern.“ Zudem sei das Zentrum kleinlichen Regulierungen ausgesetzt. Damit würden sich „Verordnungen, die ursprünglich zur Kontrolle der Arbeit von Kulturzentren mit Syrien nicht befreundeter Staaten dienten, jetzt gegen seine Freunde richten.“31 Weitere Ausstellungen des KIZ hatten den parteiischen Kunstbegriff zum Gegenstand, so im März 1969 die „Kämpfende Grafik“, oder die Laienkunstbewegung in der DDR, so z. B. „Arbeit der Klubs und Kulturhäuser in der DDR.“ Die „Kämpfende Grafik“ sollte von einem Experten begleitet werden, regte das DDR-Generalkonsulat Damaskus an, dieser solle einerseits in der Lage sein, die sozialistische Kulturpolitik, speziell das Konzept der Volkskunst zu erklären, sich aber auch „in den westlichen Kunstströmungen auskennen, da bei Vorträgen und Diskussionen durchaus diese Probleme mit berührt werden.“32 Im gleichen Jahr wurde Horst Oeser, stellvertretender Direktor des Zentralhauses für Kulturarbeit Leipzig, in die Syrische Arabische Republik beordert. Im Rahmen des Kulturarbeitsplans beider Länder sollte Oeser im KIZ in Damaskus Vorträge halten, um syrischen Kulturfunktionären, besonders den Leitern von Kulturhäusern, „Erfahrungen auf dem Gebiet des künstlerischen Volksschaffens zu vermitteln. Dabei ist besonders die ZirkelBericht über die Eröffnung vom 21.11.1966. BArch DY 13 Nr. 2091. BArch DR 1 Nr. 18781 Bd. 2. 31 Bericht über die Veranstaltungstätigkeit des Zentrums im ersten Halbjahr 1968 vom 26.6.1968 BArch DY 13 Nr. 2091. 32 DDR-Generalkonsulat Damaskus am 31.3.1969 an das MfK. BArch DR 1 Nr. 18879 Bd 1. 29 30
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arbeit in den Kulturhäusern zu erläutern,“ so die Direktive aus dem Frühjahr 1969.33 Im Oktober 1970 besuchte der Kulturpolitiker und Vizepräsident der Akademie der Künste, Alfred Kurella, Damaskus und hielt im KIZ einen Vortrag im Rahmen der Reihe „Sie fragen – wir antworten.“34 Weitere DDR-Ausstellungen folgten im Laufe der 1970er Jahre.35 Im Dezember 1976 fand eine Studienreise des Weissenseer Malereiprofessors Günther Brendel (geb. 1930) und des Meisterschülers an der Akademie der Künste der DDR, Max Görner (geb. 1939), auf Einladung der Gewerkschaft Bildender Künstler der SAR statt. Auf dem dicht gedrängten Programm standen zahlreiche Atelierbesuche, u. a. bei dem renommierten Maler Fateh Al-Moudarris (1922–1999), bei Elias Zayat (geb. 1935) und dem jungen Homser Künstler Abdullah Murad (geb. 1944). Hinzu kamen Besuche von Museen (u. a. das Kriegsmuseum) und von antiken Stätten, Termine in der Fakultät für bildende Kunst der Universität Damaskus, bei hohen Baath-Funktionären und beim Kultusminister, aber auch eine Fahrt nach Kuneitra in die „befreiten arabischen Gebiete“ auf dem Golan. Betreut wurden sie von den ehemaligen Weissenseer Kunststudenten George Maher und Teisir Habas. „Die Atelierbesuche der Gegenwartskünstler“, so die beiden Reisenden in ihrem Abschlussbericht, „fielen nach unserem Ermessen etwas zu umfangreich aus. Wir möchten für die nächsten Studiengruppen empfehlen, mehr Zeit für die eigene künstlerisch-schöpferische Arbeit zu berücksichtigen.“ Auch über den in Damaskus geplanten Aufbau einer eigenständigen Kunstakademie nach dem Muster der Kunsthochschule Weissensee wurde mit den ostdeutschen Besuchern gesprochen.36 Im gleichen Jahr stellte George Maher Malerei, Grafik, Bühnenbilder im Alten Schloß Dresden aus.37 Künstler wie er dienten als Brückenbauer in den Kulturbeziehungen beider Länder. Geboren 1945 in Homs, besuchte er dort die Abendschule für Malerei und Grafik, studierte 1968–74 Szenografie für Film, Fernsehen und Bühne an der KH Weissensee, wurde Mitglied des VBK und arbeitete seit seiner Rückkehr nach Syrien 1974 als Ausstattungsleiter bei der Direktion für Theater und Musik in Damaskus. Trafen Künstler aus der DDR in Syrien ein, konnte Maher für sie übersetzen und als Guide fungieren. Ein weiterer Brückenbauer war Ali Al-Sarmini (geb. 1943). Er hatte in den 1970er Jahren an der Kunsthochschule Berlin-Weissensee Wandmalerei studiert und als Meisterschüler abgeschlossen. Später amtierte er zehn Jahre lang als Rektor der Ecole Direktive des MfK, Abt. Internationale Verbindungen, vom 10.4.1969 für die Reise Horst Oeser. BArch DR 1 Nr. 18879 Bd 1. 34 BArch DY 13 Nr. 2091. 35 Am 16.5.1971 wurde die Schau „500-Jahre-Dürer eröffnet (nur 21 Gäste), die anschließend in Beirut gezeigt wurde. 1973 und 1974 waren Grafiken aus der DDR in Damaskus zu sehen, 1973 waren es dreissig Arbeiten zum Thema „Internationale Solidarität/ Deutsch-Arabische Freundschaft“, u. a. mit Werken von Fritz Cremer (zum Thema: Vietnam) und Lea Grundig (mit dem Zyklus: „Jordanische Flüchtlingskinder“). Ende Januar 1974 folgte eine Ausstellung der Rostocker Künstler Jo Jastram, Rudolf Austen und Armin Münch (Malerei, Grafik, Plastik, 69 Arbeiten), die vom syrischen Kulturminister im Nationalmuseum Damaskus eröffnet wurde. Im Rahmen der Ausstellung fand auch ein Künstlergespräch Austens mit syrischen Kollegen statt. SAdK VBK ZV Nr. 514. 36 Brendel und Max Görner reisten vom 8.12. bis 25.12.1976 nach Syrien. Brendel war bereits 1967 im Lande zu Gast gewesen. 1985 führte er dort eine Einzelausstellung durch. BArch DR 1 Nr. 18783 Bd. 1. 37 Ausstellung George Maher – Malerei, Grafik, Bühnenbilder , 14.4.bis 2.5.1976 im Alten Schloß Dresden. Gezählt wurden 1.500 Besucher. BArch DR 1 Nr. 18783 Bd. 1. 33
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des Beaux Arts in Damaskus. Auch er engagierte sich als Künstler in der Politik. Um 1972 fertigte er ein eigenartiges Werk an, das wie eine Trophäe wirkt. Es handelte sich um eines von drei bemalten Trümmerteilen eines israelischen F-4 Phantom-Flugzeugs, das offenbar über syrischem Territorium abgestürzt war. Auf die Blechstücke der Heckflosse malte Al-Sarmini je ein stilisiertes Bild der zerstörten Stadt Kuneitra. Je eines der Werke schenkte er als Friedensgeste Assad, das zweite dem US-Außenminister Henry Kissinger, das dritte dem sowjetischen Staatschef Leonid Breschnjew.38 Die Ausstellung „Malerei, Grafik und Plastik aus der DDR“ wurde am 12. Dezember 1977 in der Volksgalerie in Damaskus durch die syrische Kultusministerin Nadjah Al-Attar eröffnet. Neben syrischen Künstlern, Freunden der Galerie und Mitgliedern des diplomatischen Corps war eine VBK-Delegation (u. a. der Maler Wolfram Schubert und die Kunstwissenschaftlerin Ingrid Beyer) angereist, um in Gesprächen und bei einem Symposium die Beziehungen der Künstlerverbände beider Länder zu pflegen.39 Im Folgejahr fand eine Studienreise des Künstlers und Nationalpreisträgers Roland Paris und Edith Gredig auf Einladung der GewerkAbb. 25. Ali Al-Sarminis Trophäen-Kunstwerk schaft Bildender Künstler der SAR statt.40 aus dem Jahr 1972. Paris (geb. 1933) absolvierte viele Studienreisen nach Syrien und Kuba, er befasste sich häufig mit der Thematik der Befreiungsbewegungen und des Internationalismus, etwa im Werk Gefangener Söldner in Angola (Gouache, 1976). Für den Palast der Republik schuf er das Monumentalbild Solidarität (1976). Insgesamt nahm das Volumen des gegenseitigen Ausstellungsaustausches in den 1980er Jahren deutlich ab. Immerhin kam es noch zu drei Ausstellungen syrischer Kunst in Ostberlin. In der Schau „Kunst aus Syrien“ zeigte die Berliner Galerie am Weidendamm im Frühjahr 1983 über 100 Arbeiten von 52 Künstlern der mittleren Generation, wieder eröffnete die syrische Kultusministerin Al-Attar die Ausstellung. Für die Ausstellung „Malerei aus der Syrischen Arabischen Republik“ im Sommer 1985 im Ausstellungszentrum Fernsehturm hatte die syrische Künstlergewerkschaft 80 Arbeiten von 29 Künstlern zusammengestellt. Thematische Schwerpunkte bildeten landestypische Folkoremotive, Landschaftsmalerei, aber auch Gegenwartsprobleme. Im September 1988 stellte der „Fotoclub Syrien“ im Palast der Republik aus. 130 Fotos von dreissig Fotografen lieferten ein aktuelles Porträt des Landes. 1981 war dieser Klub mit dem Ziel gegründet worden, den öffentlichen Er2007 wurde das wiederaufgefundene dritte Werk, das ursprünglich Breschnjew geschenkt worden war, in Moskau präsentiert. Der russische Sender Kultura berichtete darüber. Al Sarmini reiste zu diesen Anlass eigens an. https://www.youtube.com/watch?v=00ZaiD5f3Xk (2.7.2010, abgerufen 13.1.2017). 39 BArch DR 1 Nr. 18783 Bd. 1. 40 Ebenda. 38
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fahrungsaustausch und die Weiterbildung im relativ neuen Medium der Fotografie voranzubringen. 1988 gehörten dem Klub mittlerweile 80 Fotografen aus unterschiedlichsten Berufen an. Auf diese Weise verbreitete sich die Fotografie im syrischen Alltag.41 Eine letzten Höhepunkt erreichten die offiziellen Kulturbeziehungen mit dem Porträtauftrag Hafez Al-Assads an den Maler und VBK-Vizepräsidenten Walter Womacka (1925–2010). Der langjährige Rektor der Weissenseer Kunsthochschule hatte zahlreiche Studienreisen in den Nahen Osten unternommen, so in den Irak (1975 und 1982), nach Syrien (1975, 1980, 1981, 1988), nach Ägypten (1958, 1969, 1986), nach Kuwait (1986 und 1987) und in den Libanon (1980). In diesen Ländern fanden Einzelausstellungen von ihm statt.42 In seiner Autobiografie gab Womacka ausführlich über die Begegnungen mit Assad Auskunft. Während mehrerer Reisen besuchte er auch Palmyra und das Kampfgebiet auf dem Golan mit der Stadt Kuneitra, die 1975 von den Israelis zerstört wurde, bevor sie sich wieder zurückzogen. Die Ruinen sollten auf Assads Geheiss als Mahnmal stehenbleiben, und der Ort wurde zum Ziel eines offiziellen Polittourismus bestimmt. Womacka malte ein Bild Kuneitra und sollte es Assad im Namen des ZK der SED als Geschenk überreichen. Er schwärmte, das ursprünglich auf dreissig Minuten angesetzte Gespräch habe zwei volle Stunden gedauert. „Die Chemie stimmte. Assad war neugierig und sichtlich informiert. Er stellte dezidierte Fragen zur Landwirtschaft und Innenpolitik der DDR, interessierte sich aber auch für Privates. Der Genosse Botschafter war sichtlich glücklich: Einer derart langen Audienz beim syrischen Präsidenten hatte er noch nie beigewohnt“, erinnerte sich Womacka.43 Dem Gespräch folgte ein offizieller Porträtauftrag Assads, den der Maler in der Sommerresidenz des Präsidenten in Latakia ausführte. „Das Modellsitzen schien ihm Spass zu machen“, staunte Womacka, dem Assad innerhalb von zwei Wochen 70 Stunden Modell gesessen haben soll: „Der Protokollchef meinte am Ende schmunzelnd, der Präsident habe für mich mehr Zeit gehabt als für sämtliche Staatsgäste eines Jahres.“44 „Die Revolution erzielte große Errungenschaften im Bereich der Schönen Künste“ – die irakische Baath-Diktatur als Kulturstaat
Bereits 1958, noch im Jahr der Machtergreifung nationalistischer Offiziere und des Mordes am pro-britischen König Faisal II., nahmen die DDR und der Irak Beziehungen auf. Zunächst wurden Handelsvertretungen in Berlin und Bagdad eingerichtet und gegenseitige Freundschaftsgesellschaften gegründet.45 Ein Kulturzentrum der Deutsch-Arabischen Gesellschaft nahm bald darauf seinen Betrieb in Bagdad auf. 1963 kam die BArch DR 123 Nr. 257 und Nr. 331. Schriftenreihe des Freundeskreises Walter Womacka e. V., Nr. 1, Berlin 2007. Walter Womacka, Farbe bekennen. Erinnerungen. Berlin 2004, S. 240. Ebenda, S. 244. Womacka führte das Porträt in zwei Versionen aus. Das Gemälde Erinnerungen an Kuneitra zeigte verbogene rote Stahlträger, die fast schon einer abstrakten Plastik ähnelten, in einer wüstenhaften Ruinenlandschaft (1981, Öl). 45 Im Frühjahr 1959 reisten eine Regierungsdelegation der DDR und eine Abordnung der Volkskammer in den Irak. Im Mai 1967 besuchte Außenminister Otto Winzer Bagdad. Im November 1974 besuchte Horst Sindermann (Ministerrat der DDR) den Irak. 41 42 43 44
Die irakische Baath-Diktatur als Kulturstaat
Baath-Partei erstmals an die Macht. Beim Ausbruch des arabisch-israelischen Krieges wurde 1967 die westdeutsche Botschaft in Bagdad von einem Mob in Brand gesteckt, weil die Bundesrepublik Israel unterstützte. Die diplomatischen Beziehungen zwischen Westdeutschland und dem Irak wurden abgebrochen – eine Chance für die DDR, die bald darauf volle diplomatische Beziehungen zum Irak aufnehmen konnte, wo die Baath-Partei 1968 erneut die Herrschaft übernommen hatte. Als erster arabischer Staat hatte der Irak die DDR diplomatisch anerkannt und lehnte sich nun an die UdSSR an. Die Baath-Partei titulierte ihre Machtergreifung 1974 rückblickend als „sozialistische Revolution“: „Die Arabisch Sozialistische Baath-Partei betrachtet den Sozialismus als unerlässliche Notwendigkeit für die Verwirklichung der Einheit, Befreiung und modernen Blüte der arabischen Nation“. Sie strebe die „Umwandlung aller Gesellschaftsschichten des Iraks“ an und begreife den Irak als Teil des Sozialistischen Weltsystems: „Unsere arabische Revolution, die ein Teil der Weltrevolution ist, muss deshalb mit der Sowjetunion und den sozialistischen Ländern zusammenarbeiten, den stärksten Kräften der Weltrevolution.“46 Die Baath-Partei bildete zeitweilig aus taktischen Gründen mit ihrer Rivalin, der Kommunistischen Partei des Irak, eine gemeinsame „Progressive patriotische Front.“ Dieses Umarmungsmanöver und die sozialistische Rhetorik hatten nicht nur das Ziel, die Verbündeten in Moskau und Berlin zu beruhigen, sondern auch, die kommunistische Opposition zu desavouieren. Auch die nun in Angriff genommenen Verstaatlichungen dienten nicht einer sozialistischen Umgestaltung, sondern vor allem dem Machterhalt des Regimes.47 Bald hatten die Kommunisten ihre Rolle als Steigbügelhalter Saddam Husseins ausgespielt. Der Baath-Sozialismus war nur noch Fassade und Floskel, tatsächlich wurden sozialistische Reformen stillschweigend rückgängig gemacht und Kommunisten erneut verfolgt. Ab 1979 war die KP wieder illegal.48 Die „sozialistische Perspektive“ des Iraks, hiess es nun in Verlautbarungen der Baath-Partei, „muss der Besonderheit der arabischen Realität Rechnung tragen und muss zugleich eine kulturellen Perspektive der arabischen Nation sein,“49 worin eine ideologische Abkehr von Moskau erkennbar wurde. Saddam Hussein, der bereits seit Jahren eine Schlüsselposition im Machtapparat innehatte hatte, regierte ab 1979 als Diktator. Seine Herrschaftsweise stellte die DDR vor erhebliche Schwierigkeiten. Dennoch hielten die DDR und Sowjetunion am Irak als strategischen Partner fest. Machtpolitik wog schwerer als der vielbeschworene „Proletarische Internationalismus.“ Die Aussicht auf Öllieferungen (die 1976 mit 1,5 Mio. t den Zenit erreichten) liess die DDR zu den Kommunistenverfolgungen schweigen, obwohl es seit 1970 mehrfach (und erfolglos) Hilferufe irakischer Kommunisten gegeben hatte; Appelle an die Ostblock-Bruderparteien, wenigstens publizistisch auf die Re-
Arabische Sozialistische Baath Partei, Der politische Bericht, verabschiedet vom 8. regionalen Kongress, Bagdad 1974 (Dt. Übersetzung durch das irakische Informationsministerium), S. 99 und 178. 47 Kasim Talaa, „Vom Club der Solidarität zur KP. Eine Geschichte der irakischen Linken“, in: Mary Kreutzer u. a. (Hg), Irak. Von der Republik der Angst zur bürgerlichen Demokratie? Freiburg 2004, S. 74– 105, hier: S. 101. 48 Udo Steinbach, Die arabische Welt im 20. Jahrhundert, Stuttgart 2015, S. 173 ff. 49 Kultusministerium des Irak (Hg.), Revolution und Entwicklung im Irak, Bagdad 1980, S. 24. 46
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pression gegen die Genossen hinzuweisen.50 In einem Bericht des MfAA über die Verhandlungen zum Kulturarbeitsplan DDR-Irak in Bagdad wurde 1977 kritisch vermerkt, dass der Irak eine komplette Namensliste aller in der DDR studierender Landsleute verlangte – Oppositionelle oder Kurden sollten auf diese Weise überwacht werden. „Wir sind der Auffassung, dass die irakische Auffassung gegen die innere Ordnung und Gesetzlichkeit der DDR verstösst“, hiess es dazu seitens Ostberlins.51 Dass diese Entscheidung richtig war, zeigten bald darauf Übergriffe und Morde, verübt von irakischen Geheimdienstlern an linken irakischen Studenten in Berlin und Sofia.52 Selbst das MfS scheute die Zusammenarbeit mit den irakischen Sicherheitsdiensten, die mehrfach um eine Partnerschaft ersucht hatten. Eine Zusammenarbeit erscheine „nicht zweckmässig“, hiess es im Frühjahr 1986 in einem internen Papier des MfS, weil auf diese Weise nicht nur der Iran verprellt werde, sondern Folgen für linke Iraker zu befürchten seien: „Die irakischen Abwehr- und Aufklärungsorgane werden jede Form der Zusammenarbeit unbedingt auch gegen progressive irakische Kräfte zu nutzen versuchen.“53 Trotz erheblicher politischer Differenzen und einer gewissen Unberechenbarkeit des Regimes in Bagdad hatte sich ab Mitte der 1960er Jahre ein beachtlicher Kulturaustausch zwischen beiden Staaten entwickelt, der seinen Höhepunkt um 1978, kurz vor Beginn von Saddams Alleinherrschaft, erreichte. Die irakische Kunstszene war Anfang der 1940er Jahre mit der Rückkehr einiger Künstler entstanden, die zuvor in Paris, Rom oder Kairo studiert und gearbeitet hatten. Während des Krieges hielten sich einige polnische Künstler als Angehörige britischer Truppen im Irak auf und machten den Impressionismus und andere moderne Strömungen im Lande bekannt, u. a. durch eine Ausstellung eigener Arbeiten in Bagdad. 1941 führte die dort gegründete Gesellschaft für Schöne Künste ihre erste Malereiausstellung durch. Weitere irakische Künstler studierten nach dem Krieg in London und lernten dort Strömungen der abstrakten und surrealistischen Kunst kennen. Die Kunstszene Bagdads wies mit ihren verschiedenen Künstlergruppen, Lehrinstituten und Galerien eine für den Nahen Osten ungewöhnliche Vielfalt auf. Die Stadt war nach Beirut als regionale Hochburg des arabischen Kunstschaffens zu bezeichnen. Um 1965 gab es neben der bereits 1956 gegründeten Gesellschaft irakischer Künstler, die jährliche Ausstellungen organisierte, eine Künstlergewerkschaft und drei weitere Künstlervereinigungen in Bagdad: Eine Gruppe von Modernisten, die Societé Primitive und eine Gruppe, die vom Impressionismus beeinflusst war. Wenig später traten eine Gruppe namens „Ruwwad“ (Pioniere) und eine „Gruppe des modernen Realismus“ hervor. Am Institut für Schöne Künste wurden in vierjährigen Studiengängen vor allem Kunstlehrer ausgebildet, während an der 1960 gegründeten und der Universität von Bagdad angegliederten Akademie Kurt Seliger, „Solidarität und Staatsräson. Am Beispiel der Beziehungen DDR-Irak“, in: Deutschlandarchiv 11/1979, S. 1185–1192, hier S. 1185 f. 51 Bericht des MfAA über die Verhandlungen zum Kulturarbeitsplan DDR-Irak für die Jahre 1977/78 20.4.bis 26.4.1977 BArch DR 1 Nr. 18803 Bd. 2. 52 Joseph Sassoon, „East German Ministry of State Security and Iraq 1968–89“, in: Journal of Cold War Studies Vol. 16, Nr. 1 (2014), S. 2–24, hier S. 11. 53 Stellungnahme zum irakischen Ersuchen um Zusammenarbeit mit dem MfS, HVA/Abt. II, Berlin 28.2.1986. BStU MfS X Nr. 104, Bl. 48. 50
Die irakische Baath-Diktatur als Kulturstaat
Abb. 26. Kunstfreund Saddam betrachtet sich wohlwollend im Spiegel der Malerei, Bagdad 1980er Jahre.
der Schönen Künste etwa 200 Maler, Keramiker und Bildhauer studierten. Eine 1965 in Wien, Budapest, London und Ostberlin gezeigte Wanderausstellung mit ca. 80 Gemälden und fünfzehn Plastiken sollte die Vielfalt und Leistungsfähigkeit der jungen irakischen Kunstszene demonstrieren und zeigen, dass sich der Irak auch auf dem Gebiet der Kunst als eigenständige Nation profilieren konnte.54 1966 präsentierte sich eine Kollektion „Neue Grafik aus dem Irak“ in Ostberlin. Nun wurde auch die DDR im Irak kulturpolitisch aktiver, etwa mit einer Ausstellung von Reproduktionen Alter Meister (Kunstdrucke), die von einzelnen Kunstinteressierten, vor allem aber von Schulklassen besucht wurde.55 Das Konsulat in Bagdad berichtete vom Wunsch einiger Besucher, in Zukunft weitere Ausstellungen aus der DDR zu sehen.56 Mit der Eröffnung eines Kultur- und Informationszentrums (KIZ) am 6. Februar 1968 in Bagdad bekam Kultur aus der DDR eine festen Repräsentationsort, an dem Ausstellungen und Vorträge stattfanden, wie beispielsweise von Kultusminister Klaus Gysi über die Kulturpolitik der DDR, an dem zwischen 80 und 100 Zuhörer teilnahmen. Gysi hielt sich im Januar 1970 zu einem sechstägigen offiziellen Besuch im Irak auf, nachdem er Ägypten und Syrien besucht hatte.57 Es folgten im KIZ u. a. die Kunstausstellungen Salah Al-Kadhis (300 Besucher), sowie die Propagandaausstellungen „Die DDR – ein souveräner Staat“ und „20 Jahre jung“ die jeweils 3.000 bzw. 4.000 (in Bagdad) und 1.200 (in Mossul) BesuBArch DR 1 Nr. 18799. Eröffnung am 1.12.1965 im Museum für Moderne Kunst durch den irakischen Kultusminister Mohammed Nasser. 56 Das Konsulat in Bagdad an das MfK 13.12.1965. BArch DR 1 Nr. 18799. 57 Bagdad Observer 20.1.1970. 54 55
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cher anzogen.58 Nicht immer verlief der Kulturaustausch allerdings in der gewünschten würdevollen Form. Für Salim Al-Zubaidi, Direktor für kulturelle und technische Zusammenarbeit im irakischen Kultusministerium, war während der Berliner Festtage 1970 ein offizielles Kulturprogramm zusammengestellt worden. Doch der Direktor erwies sich als schwieriger Staatsgast, der Arbeitsgespräche und festliche Dinners platzen liess oder mit stundenlanger Verspätung erschien. Nach einigen Tagen besuchte er weder wie geplant Kulturveranstaltungen, noch war er in seinem Hotel zu finden. „Er hielt sich in der irakischen Botschaft auf, wo er offensichtlich auch mit Mädchen versorgt wurde,“ notierte das gastgebende MfK indigniert.59 Konstruktiver verlief hingegen im November 1973 der Besuch des Dekans des Instituts für Schöne Künste, Aziz Shallal. Das Institut, gegründet 1939, bildete Lehrer in den Fächer Musik, Theater und bildende Kunst aus. Shallal interessierte sich vor allem für die Organisationsstruktur ostdeutscher Kunsthochschulen, führte Gespräche mit Vertretern des MfK und des VBK und besuchte sowohl die KH Weissensee als auch die Dresdner Kunsthochschule. Im Abschlussbericht wurde er als „zuverlässiger Partner“ der DDR-Kulturarbeit in Bagdad gewürdigt.60 Seit Mitte der 1970er wurde auch die irakische Kultur immer stärker in den Dienst der Baath-Diktatur genommen, der Wortlaut der Baath-Proklamation über die „Aufgaben der sozialistischen Umformung“ aus dem Jahr 1974 dürfte Ostblockfunktionären vertraut gewesen sein: „In den nächsten Jahren müssen wir viele Künstler, Gelehrte, Schriftsteller und Journalisten in die Reihen der Revolution aufnehmen und ihnen ermöglichen, ihre Kreativität unter Führung der Partei in den Dienst der Revolution zu stellen.“61 Zudem beanspruchte Bagdad das Erbe der antiken Kulturen im Zweistromland zu verwalten; Saddam Hussein identifizierte und inszenierte sich ab Mitte der 1980er Jahre als Nachfolger Nebukadnezars II. Über den Ruinen des antiken Babylon liess er sich einen Palast erbauen. Seine Überbauungen und verfälschende Rekonstruktionen machen den Wissenschaftlern bis heute zu schaffen. Sie müssen kostspielig und behutsam wieder abgetragen werden. Als Quelle dafür dienen Bilder der Ausgrabungsstätten aus der Zeit, bevor Saddam Hussein Babylon für seine propagandistische Zwecke entdeckte.62 Auch auf der Ebene der Hauptstädte unterhielten die DDR und der Irak Kulturbeziehungen. Unter Leitung des Berliner Oberbürgermeisters Erhard Krack reiste eine Magistratsdelegation im Herbst 1975 nach Bagdad, um dort die Ausstellung „Berlin, die Hauptstadt der DDR, grüßt Bagdad“ zu eröffnen, eine kulturelle und soziale Leistungsschau, die Berlin als vorbildliche sozialistische Metropole präsentierte und inhaltlich mit dem MfAA und der DDR-Botschaft abgestimmt war.63 Kulturstadtrat Horst OsBArch DY 13 Nr. 2079. MfK an die DDR-Botschaft in Bagdad am 14.10.1970. BArch DR 1 Nr. 18801. Bericht der Deutsch-Arabischen Gesellschaft über den Aufenthalt von Aziz Shallal in der DDR 7.– 20.11.1973. DY 13 Nr. 2997. 61 Arabische Sozialistische Baath Partei, Der politische Bericht, verabschiedet vom 8. regionalen Kongress, Bagdad 1974, S. 231. 62 http://orf.at/stories/2044816/2044815/ (22.6.2011). 63 Arbeitsvereinbarung zwischen dem Oberbürgermeister von Berlin und dem Gouverneur von Bagdad vom 6.11.1975, nach der Kulturdelegationen ausgetauscht werden sollten und ein Erfahrungsaustausch in kommunalpolitischen Fragen angestrebt wurde. LAB C Rep. 121 Nr. 441 Magistrat Kulturabteilung 22/23. 58 59 60
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wald hob bei seiner Eröffnungsrede die breitenwirksame Volkskunstbewegung in der DDR hervor und zählte auf, es gäbe in Berlin 220 Zirkel der bildenden Kunst mit 3.200 Mitgliedern, 300 Chöre mit 4.000 Mitgliedern, 60 Tanzgruppen, 4000 Künstler und „20.000 Werktätige in Kultureinrichtungen.“ Die DDR präsentierte sich hier als vorbildlicher Kulturstaat: „Unsere Partei und unser Staat gehen davon aus, dass die Künste genau so gebraucht werden wie die Wissenschaft.“64 In den folgenden Jahren kam es zu einer dichten Folge von wechselseitigen Ausstellungen. Der VBK und die Gewerkschaft der Künstler der Republik Irak hatten 1977 Beziehungen aufgenommen und wechselseitigen Erfahrungsaustausch, Besuche von Delegationen, Hospitanten und Arbeitsstipendiaten sowie Ausstellungen vereinbart.65 Zu Beginn des Jahres 1977 zeigte man in Bagdad „Plastik und Graphik aus der DDR“ (u. a. mit Werken der Bildhauer Heinrich Apel (geb. 1935), Theo Balden (1904–1995) und der Maler Dieter Goltzsche (geb. 1934) und Bernhard Heisig (1925–2011)).66 Eröffnet vom irakischen Informationsminister, stellte sich am Eröffnungstag ein starker Besucherstrom ein, meldete die DDR-Nachrichtenagentur adn.67 In Berlin präsentierte man kurz darauf realistische Malerei und Grafik des Bagdader Akademieprofessors und -gründers Khalid Al-Jadir (1924–1990), der als „Botschafter der Kunst Asiens in der DDR“ betitelt wurde. Er hatte bereits 1959 in der DDR ausgestellt und Mitte der 1960er Jahre dort achtzehn Monate verbracht. Mehrere Jahre lehrte er als Professor für Geschichte in Saudi-Arabien. Er verfasste zahlreiche Bücher und Artikel über islamische Kunst. Zu sehen waren Landschaften, Alltagsszenen, Porträts, einschließlich der Bilder, die während seines Aufenthaltes in der DDR entstanden waren.68 Im Sommer 1978 besuchten Bahija Ismael, Leiterin der Abteilung Keilschriften, und Ilham Hashem, Mitarbeiterin des Irakischen Museums für Antike Kunst Berlin, Dresden und die Gedenkstätte Buchenwald.69 Im Abschlussbericht des MfK hiess es, „sie betonten immer wieder, wie sehr sie der Aufbau der DDR, die sozialistische Kulturpolitik und die Lebensweise der Menschen beeindruckten und erkannten die wichtige Rolle der DDR bei der Unterstützung des Kampfes um Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes an.“70 Kurz darauf wurde in Halle anlässlich des zehnten Jahrestages der Baath-Machtergreifung die Ausstellung „5.000 Jahre Kunst im Irak“ eröffnet, die Arbeiten von der Antike bis zur Gegenwartskunst versammelte.71 Es folgte die Ausstellung „Malerei und Grafik der DDR“ anlässlich der Kulturtage der DDR im Nationalmuseum für moderne Kunst in Bagdad. In der Ausstellungsdirektive des ZfK hatte es dazu geheissen: „Es muss beachtet werden, dass sich die revolutionäre Eröffnungsrede Oswalds, Bagdad 4.11.1975. LAB C Rep. 121 Nr. 441 Magistrat Kulturabteilung 22/23. „Vereinbarung über die Zusammenarbeit vom VBK und der Gewerkschaft der Künstler der Republik Irak 1986–88“ vom 18.3.1986. SAdK VBK ZV Nr. 458. 66 BArch DR 123 Nr. 466. 67 BArch DR 1 Nr. 18803 Bd. 2. 68 Neue Berliner Galerie im Alten Museum, April 1977 (Katalog). 69 BArch DR 1 Nr. 18803 Bd. 1 70 Kulturdelegationsreise 9.6. bis 1.7.1978. Abschlussbericht des ZfK über den Besuch von Bahija Ismael vom 17.10.1978. BArch DR 1 Nr. 18803 Bd 2. 71 Ausstellung in der Galerie Roter Turm „5000 Jahre Kunst im Irak“ anlässlich des 10. Jahrestages der „Irakischen Revolution“ im September 1978. Ausgrabungsobjekte und Arbeiten von der Antike bis zur Gegenwartskunst (Malerei, Fotografie) BArch DR 1 Nr. 18803 Bd 2. 64 65
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Thematik in der Ausstellung widerspiegelt (keine Formspielereien!) Das Fehlen dieser Thematik war bei der letzten Ausstellung vom Partner kritisiert worden.“72 38 Gemälde (u. a. von Gerhard Bondzien (1930–2014) und Wolfgang Mattheuer (1927–2004)) sowie 62 Grafiken wurden präsentiert, zum ersten Mal waren originale Werke von ostdeutschen Künstlern in Bagdad zu sehen. Weitere Delegationsbesuche73 und Ausstellungen folgten bis zum Ausbruch des ersten Golfkriegs.74 Die Kulturpartnerschaft mit der DDR war Teil des Plans der Baath-Partei, den Irak auf allen Ebenen zur modernen arabischen Vormacht zu machen und internationales Prestige zu akkumulieren. In den 1970er Jahre profilierte sich der Irak als Gastgeber des Al-Wasiti-Festivals für bildende Kunst und Literatur (erstmalig 1972), als Konferenzort der Organisation arabischer Künstler (1973), als Gastgeber der Arabischen Biennale (erstmalig 1974) sowie einer großen arabischen Graphikausstellung (1978) und einer internationalen Plakatausstellung (1979). In einer deutschsprachigen Hochglanzpublikation des Jahres 1980 feierte das Kultusministerium des Iraks die Fortschritte auf den Gebieten von Wirtschaft, Technologie und Kultur: „Die Revolution erzielte große Errungenschaften im Bereich der Schönen Künste.“ Irakische Graphik und Kunsthandwerk hätten „international einen achtbaren Rang eingenommen.“75 Im Laufe des Golfkriegs und während der zunehmend unberechenbaren Diktatur Saddams dünnte sich der Kulturaustausch aus. Der Krieg erstickte das Kulturleben des Landes, weil zehntausende von Akademikern in den Kampf geschickt wurden. „Das Kulturpublikum zerstreute sich“, wie der Schriftsteller Fares Harram rückblickend feststellte: „Die Auflösung der Mittelklasse als Trägerin kultureller und politischer Werte und als Vertreterin literarischen und künstlerischen Geschmacks war ein Vorgeschmack auf eine Zeit des kulturellen Komas der irakischen Gesellschaft,“ wie wir sie heute kennen.76 Der Staat trat in der Kriegszeit als Hauptakteur und Auftraggeber in den Künsten auf. Gefragt waren nun Propagandakunst und Kriegerdenkmäler wie das des Unbekannten Soldaten (1982) von Khalid Al-Rahhal (1926–1987), dem Märtyrerdenkmal (1983) von Ismail Fattah (1938–2004) und dem Triumphbogen (1989) von Al-Rahhal begonnen und Mohamed Ghani Hikmat (1929–2011) vollendet. Das Nationalmuseum für moderne Kunst wurde in „Saddam-Kulturzentrum“ umbenannt. Vereinzelt kam es in den 1980er Jahren noch zu Ausstellungen irakischer Künstler in der DDR, wie etwa von Daoud Salman (geb. 1948), der an der KH Weissensee bei Arno Mohr studiert
Ausstellungsdirektive ZfK 4.7.1978. BArch DR 123 Nr. 466. Im April 1978 besuchte eine Delegation um den Gouverneur von Bagdad Berlin. LAB C Rep. 121 Nr. 441 Magistrat Kulturabteilung 22/23. 74 Im Juli 1979 fand eine Grafikausstellung aus dem Irak in der Berliner Stadtbibliothek statt. SAdK VBK ZV Nr. 296. Im Staatlichen Museum für Völkerkunde Dresden fand eine Ausstellung von Kunsthandwerk aus dem Irak statt (10.10.– 10.12.1980). Petra Martin, Kustodin Staatliche Ethnographische Sammlungen Sachsen, per Email an den Autor 17.11.2016. 75 Kultusministerium des Irak (Hg.), Revolution und Entwicklung im Irak, Bagdad 1980, S. 133. 76 Fares Harram, „Kultur im Koma“, Beitrag zur UNESCO-Konferenz „Politische Geographie in Nadschaf “, Paris 2012, abgedruckt in: mict (Hg.), .iq. Der Irak: Porträt eines unbekannten Landes, Berlin 2013, S. 74–75, hier S. 74. 72 73
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hatte und seit Jahren in der DDR lebte.77 In einem Ausstellungskatalog aus dem Jahr 1981 wird sein Stil als Ergebnis eines „Ineinandergreifens expressiver Malerei Berliner Schule mit dem Suchen nach nationalem Ausdruck und persönlicher Formensprache“ gekennzeichnet.78 Den Schlusspunkt der Kulturbeziehungen zwischen dem Irak und der DDR setzte die Teilnahme von DDR-Künstlern an den „Babylon-Festspielen“ im November 1988 in Bagdad. Das Festival stand im neunten Jahr des Ersten Golfkriegs unter dem Motto „Für Frieden und Humanität“.79 Die Werke der ostdeutschen Maler waren „im Saddam-Kulturzentrum unmittelbar am Haupteingang auffallend gut platziert,“ schrieb der DDR-Botschafter zufrieden nach Ostberlin, zumal viel Konkurrenz vor Ort war – Künstler aus insgesamt 50 Ländern.80 Im Irak hatten sich die Sowjetunion und die DDR entschieden, stillschweigend ihre kommunistische Bruderpartei fallenzulassen, um den Einfluß auf das nationalistische Regime Saddams zu wahren.81 Solidarität übten sie nur im Rahmen des Legalen aus, etwa 1974, als die irakische Kommunistische Partei, die zwischenzeitlich wieder zugelassen worden war, ihren 40. Geburtstag feierte. Zu ihren Ehren fand u. a., zeitgleich zur Ersten Biennale arabischer Kunst, im März 1974 eine Kunstausstellung statt, an der sich auch Künstler aus dem Ostblock beteiligten.82 Seit Ende der 1960er Jahre waren Kommunisten, Schiiten und Kurden im Irak immer wieder massiv verfolgt worden.83 Im Frühjahr 1980 berichtete die DDR-Botschaft in Bagdad über die fatalen Auswirkungen der Baathisierung in allen gesellschaftlichen Bereichen. Es sei eine „zunehmende Abkehr vom wissenschaftlichen Sozialismus“ festzustellen, sogar eine Zunahme des Antikommunismus im Lande. Die Baath-Partei betone nun überall die Eigenständigkeit der Regionalmacht Irak und verfolge einen „Kurs des gleichen Abstands zu beiden Supermächten.“84 Irakische Kommunisten hatten schon einige Jahre zuvor davon berichtet, dass sich im Lande ein Staatskapitalismus etabliere, von dem eine neue Oligarchie, nicht aber die Masse der Bevölkerung, profitiere. Im Jahr 1973 habe sich die Zahl der Millionäre von sechs auf 150 erhöht.85 Trotz schwindender Möglichkeiten, ideologisch und politisch Einfluss zu nehmen, hielt die DDR an den Beziehungen zur Saddam-Diktatur fest. Um die Beziehungen zum Regime nicht zu gefährden, setzte sich die DDR Bereits im Herbst 1975 waren Gemälde, Grafiken und Keramiken Salmans im Ausstellungszentrum Fernsehturm ausgestellt. Der Botschafter des Iraks war bei der Eröffnung anwesend. BArch DR 123 Nr. 466. 78 Gemälde und Lithografien Daoud Salmans in der Galerie am Weidendamm, Mai 1981. BArch DR 123 Nr. 466. Vgl. a. die Ausstellung von Malerei, Grafik, Plastik aus dem Irak in der Berliner Stadtbibliothek im August 1983, veranstaltet vom VBK. Verband Bildender Künstler der DDR Berliner Sektion Karikatur und Pressezeichnung (Hg.), Republik Irak ; Malerei, Grafik, Plastik, Berlin 1983. 79 SAdK VBK ZV Nr. 491. 80 Brief des DDR-Botschafters an das MfK vom 30.10.1988. SAdK VBK ZV Nr. 458. 81 Wolfgang Bator, „Die DDR im arabischen Raum“, Siegfried Bock, Ingrid Muth, Hermann Schwiesau (Hrsg.), DDR-Außenpolitik im Rückspiegel, Münster 2004 (Band 1) S. 267–281, hier: S.273 f. 82 bildende Kunst 1/1975, S. 48. 83 Uriel Dann, The communist movement in Iraq since 1963, Tel Aviv 1971. 84 Am 23.2.1980 berichtete die DDR-Botschaft in Bagdad der Liga für Völkerfreundschaft BArch DY 13 Nr. 2994. 85 Kurt Seliger, „Solidarität und Staatsräson. Am Beispiel der Beziehungen DDR-Irak“, in: Deutschlandarchiv 11/1979, S. 1185–1192, hier S. 1189. 77
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Abb. 27. Daoud Salmans Ölgemälde „Das Volk ist ungebrochen“ aus dem Jahr 1975 bot laut DDR-Fachpublizistik ein Beispiel des „Ineinandergreifens expressiver Malerei Berliner Schule mit dem Suchen nach nationalem Ausdruck und persönlicher Formensprache.“
weder aktiv für die Kommunisten, noch für die ebenfalls verfolgten Kurden ein, gleichwohl gab es für Angehörige beider Gruppen Möglichkeiten, zum Studium oder politischen Asyl in die DDR zu gehen. Die DDR lieferte während des Ersten Golfkriegs Waffen an die irakische Armee und unterstützte den Aufbau von Polizeikräften. Auch die
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anhaltenden Massaker an den schiitischen und kurdischen Volksgruppen hielten sie nicht davon ab: „Die Zusammenarbeit der DDR mit der irakischen Regierung wurde in den 1980er Jahren immer widersprüchlicher. Es gab kein politisches Konzept und keine ideologische Begründung mehr für ihre Außenpolitik im Nahen Osten,“ resümierten Ursula Überschär und Salah Rashid in ihrem Essay „Kein Anlass zur Ostalgie. Die irakischen Kurden und die DDR.“86 Am Mangel regelmässiger Kontakte hatte es sicher nicht gelegen. Mehrfach gab es Besuche von Delegationen und Funktionären der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) beim Solidaritätskomitee in der DDR, etwa von Dschalal Talabani, Gründer und späterer Vorsitzender der PUK (und von 2005 bis 2014 Staatspräsident des Irak). Talabani berichtete von den guten Beziehungen der irakischen Kurden zu den Ostblockländern zwischen 1959 und 1970, eine Zeit, in der auch kurdische Folkoregruppen im KIZ der DDR in Bagdad auftraten. Nach dem gescheiterten Aufstand von 1974/75 hätten sich die Türen jener Länder für die Kurden leider geschlossen, weil die Ostblockländer ihre Beziehungen zu Bagdad nicht aufs Spiel setzen wollten. Thema des Gesprächs war auch die „Genozid“-Politik Bagdads gegenüber den irakischen Kurden und deren Lage im Golfkrieg, von dem sie indirekt profitierten, weil sie im Windschatten des Krieges ihre regionale Autonomie ausbauen könnten und die irakische Armee an der Front gebunden sei.87 Einige Jahre zuvor hatte Masud Barzani mit einer Delegation der Demokratischen Partei Kurdistans (DPK) die DDR besucht. Durch Gespräche mit Assad habe sich auch Lage der syrischen Kurden etwas verbessert, berichtete er seinen Gastgebern.88 Sein Vater Molla Mustafa Barzani war Gründer der DPK und ihr Vorsitzender bis zu seinem Tod 1979. Danach übernahm Masud Barzani den Vorsitz (zuletzt wurde dieser 2010 als Parteichef bestätigt. 2005 wurde Barzani im kurdischen Parlament zum Präsidenten der Autonomen Region Kurdistan gewählt und amtierte bis 2015). Die Machtpolitik der realsozialistischen Staaten produzierte reihenweise „verhinderte Verbündete“. Indem man auf die nationalistischen Diktatoren in den Hauptstädten setzte, verprellte man die linke Opposition wie die Kommunisten in Irak und Syrien oder progressive Separatisten wie die Befreiungsbewegungen in Kurdistan oder Eritrea. Gegen Kommunistenverfolgungen protestierte der Ostblock nur dann, wenn mit ihnen ein außenpolitischer Orientierungswechsel verbunden war, etwa im Sudan 1971. Diese berechenbare Reaktion der Sowjetunion und der DDR wurde von arabischen und afrikanischen Führern systematisch ausgenutzt. Diktatoren wie Muhammar Al-Ghaddafi verknüpften die außenpolitische und waffentechnische Bindung an den Ostblock mit der Gelegenheit zu innenpolitischen Säuberungen.89
Ursula Überschär und Salah Rashid, „Kein Anlass zur Ostalgie. Die irakischen Kurden und die DDR“ S. 102–104. in: Thomas Kunze und Thomas Vogel (Hg.), Ostalgie international. Erinnerungen an die DDR von Nicaragua bis Vietnam, Berlin 2010, S. 102–104, hier: S. 103. 87 Vermerk Solidaritätskomitee 12.1.1988 über den Besuch von Dschalal Talabani, BArch DZ 8 Nr. 617. 88 Vermerk Solidaritätskomitee 11.1.1985 über Besuch von Masud Barzani. BArch DZ 8 Nr. 617 . 89 Le Monde 27.8.1971. Kurt Seliger, „Solidarität und Staatsräson. Am Beispiel der Beziehungen DDRIrak“, in: Deutschlandarchiv 11/1979, S. 1185–1192, hier S. 1191. 86
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Neben Südafrika diente Israel als Hauptfeind der internationalistischen DDR-Propaganda. Beide Länder wurden als „rassistische“ und „super-imperialistische“ Kräfte geradezu dämonisiert, als hyperaggressive Agenten kapitalistischer Interessen und neokolonialer Mächte gebrandmarkt. Sowohl für die PLO als auch für den ANC bzw. die SWAPO traten breite und aktive internationale Solidaritätsbewegungen ein, die in diesem Umfang beispiellos waren. In beiden Fällen versuchte sich die DDR als strategische Partnerin der Solidaritätsbewegungen zu profilieren. Wie FRELIMO, MPLA und SWAPO waren auch die linke PFLP und die weit bedeutsamere PLO von der DDR sowohl in ihrem militärischen Kampf wie auch im Prozess des Nation Building unterstützt worden. Im Sommer 1975 fand beispielsweise ein Lehrgang für elf Mitglieder des PLO-Personenschutzes in der DDR statt. Auf dem Programm standen auch marxistische Schulungen, Kulturveranstaltungen und Museumsbesuche. Im MfS stellte man sich allerdings die Frage, wen man da eigentlich zu welchem Zweck ausbildete: „Es gab Delegationsmitglieder, die über sich bis zuletzt keinerlei Aufschlüsse gaben“, hiess es im Bericht des MfS. Kurze Zeit später war die PLO bereits in der Lage, ihrerseits Lehrgänge für militante Mitglieder anderer Befreiungsbewegungen anzubieten.90 Die Grenze zum Terrorismussponsoring war in dieser Grauzone leicht zu überschreiten. „Als die DDR noch existierte, nannte man das Büro der PLO in Berlin Botschaft. Es bestanden sehr gute Kontakte zwischen Jassir Arafat und Honecker“, erinnerte sich der palästinensische Politiker Abdalla Frangi: „Als Arafat 1983 in Tripolis im Nordlibanon belagert wurde, war Honecker der Einzige, der ihm Lebensmittel und Waffen schickte.“91 Die freundschaftlichen Beziehungen von DDR und PLO, die vielbeschworene internationale Solidarität, waren auch als Affront gegen Bonn gedacht, das sich hinter Israel gestellt hatte. Arafat gehörte noch zu den letzten internationalen Politikern, die am 6. Oktober 1989 zum 40. Geburtstag der DDR als Staatsgäste in Ostberlin weilten. Genutzt hat das „antiimperialistische Bündnis“ letztlich weder der DDR noch der PLO: Während die Ostdeutschen ihren Staat bald darauf verloren, warten die Palästinenser noch heute auf ihren. 1973 hatte der VBK Beziehungen zur PLO-nahen Union of Palestine Artists aufgenommen. Im Gespräch mit Ismail Shammout wurde der Plan gefasst, eine Gruppenausstellung palästinensischer Künstler in der DDR zu veranstalten und regelmäßige Kontakte beider Künstlerverbände zu pflegen. Shammout (1930–2006), der seine künstlerische Laufbahn als palästinensischer Flüchtling in Kairo begonnen hatte, war nicht nur Leiter der PLO-Kulturabteilung und Träger des Kunstpreises der Palästinensischen Revolution, sondern in Personalunion auch Generalsekretär der Vereinigungen arabischer und palästinensischer Künstler.92 Er machte den Vorschlag, dass DDR-Künstler mehrere Flüchtlingslager in Syrien und im Libanon besuchen könnten, und mit den dort entstandenen Werken wären anschließend Ausstellungen in den Camps möglich. Lehrgang 16.6. bis 20.7.1975. BStU MfS X Nr. 110, Bl. 2–10. Abdallah Frangi im Interview mit Thomas Kunze, in: Thomas Kunze und Thomas Vogel (Hg.), Ostalgie international. Erinnerungen an die DDR von Nicaragua bis Vietnam, Berlin 2010, S. 91–95, hier: S. 91. 92 Shammout kehrte noch einmal nach Deutschland zurück, in den 1990er Jahren lebte er mit seiner Frau einige Zeit dort, bevor er 1997 in seine Heimat übersiedelte. 90 91
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Abb. 28. Hineinversetzen in die Lage der Palästinenser: Günther Rechn „Selbst mit Tuch“ 1980.
Die Mittel für die Reise wolle die PLO aufbringen, die Einreise solle im Frühjahr 1974 über den Irak anlässlich der dort stattfindenden Arabischen Biennale erfolgen. Im Gegenzug könnten palästinensische Künstler als Stipendiaten die DDR besuchen und dort ausstellen. Die VBK sagte zu.93 Der VBK hatte auch mehrere arabische Gastkandidaten oder Gastmitglieder, wie den irakischen Maler Sami Hakki (geb. 1935) oder den Palästinenser Ibrahim Hazimah (geb. 1933), die beide einige Jahre in der DDR lebten und später in den Nahen Osten zurückkehrten. Hazimah hatte als palästinensischer Flüchtling in Syrien seine Künstlerlaufbahn begonnen, und später an der HGB bei Bernhard Heisig (1925–2011) studiert. Mahmoud Dabdoub, 1958 in Baalbek geboren, war zwischen 1976 und 1981 im palästinensischen Kulturbüro in Beirut tätig gewesen. Anschließend studierte er an der HGB bei dem Fotografen Helfried Strauß (geb. 1943) und blieb nach dem Abschluss in Deutschland. An der Dresdner Kunsthochschule studierten Ende 93
SAdK VBK ZV Nr. 443/2 und 443/4.
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der 1960er neben Sami Hakki mit Dan Atar und dem aus Haifa stammenden Abed Abdi (geb. 1942) auch zwei Palästinenser, die als politisch zuverlässig gelobt wurden: „Die drei Araber haben sich als politisch aktive, der Sache des Kommunismus ergebene Menschen erwiesen“, urteilte die Kommission für das Ausländerstudium.94 „Zur tätigen Solidarität mit dem Kampf der PLO“ trage die bildende Kunst ihren Teil bei, hiess es in einer DDR-Publikation: „Die Rolle der bildenden Kunst im antiimperialistischen Kampf der arabischen Völker nimmt seit vielen Jahren an Bedeutung zu.“95 Tatsächlich waren in den 1960er und 1970er Jahren im Zuge des Prozess des Nation Building in einigen arabischen Ländern nationale Künstlerverbände gegründet worden, einerseits mit dem Ziel, den Erfahrungsaustausch unter Künstlern zu stärken, andererseits um eine neue nationale Formensprache zu finden. Der syrische Künstler Burhan Karkutli (1932–2003)96, der sich stark der palästinensischen Befreiungsbewegung verbunden fühlte, sprach von einem „neuen arabischen Stil, der frei ist vom Erbe des Kolonialismus,“ und der sich auf eine wiederbelebte Volksmalerei stützen solle. „Leider,“ so Karkutli, „hat manch westlicher Kunstkritiker diesen Versuch als Folklore und naive Malerei verstanden.“97 Auch die Idee einer arabischen Kunstbiennale, die 1972 während des Bagdader Al-Wasiti-Festivals aufgekommen war, hatte die Stärkung der Eigenständigkeit der arabischen Kunst zum Ziel, konnte sich aber nicht langfristig etablieren. Während die Biennale 1974 noch 600 Werken in Bagdad präsentieren konnte, war sie 1976 nur noch unter grossen Schwierigkeiten in Rabat zu realisieren gewesen und fand letztmalig 1980 in der libyschen Hauptstadt Tripolis statt. Mit der Gründung der Union of Arab Artists beim „First Arab Festival of National Plastik Arts“ in Damaskus 1971 sollte der Austausch unter den Künstlern der Region verstärkt und institutionalisiert werden.98 Künstlertreffen und Biennalen dienten den Palästinensern als Bühne, um panarabische Unterstützung einzuwerben. Andererseits boten Kulturveranstaltungen den arabischen Ländern die Gelegenheit, auf der symbolischen Ebene Solidarität mit den Palästinensern zu demonstrieren, ohne tatsächlich substanzielle Hilfe leisten zu müssen. Die PLO wusste geschickt an die Solidarität linker Künstler zu appellieren und setzte Wanderausstellungen ein, um mit Hilfe der bildenden Kunst international Sympathien für ihre Ziele zu gewinnen. 1976 machte eine Wanderausstellung über das Massaker von Tall-Zaatar – dort waren libanesische Sicherheitskräfte gegen ein palästinensisches Flüchtlingslager vorgegangen – neben Paris und Rom auch in Ostberlin Station. Auch während der Biennale von Venedig machten Aktivisten im September 1976 auf der Piazza Ferretto in Mestre durch künstlerische Arbeitsplan der Kommission für das Ausländerstudium an der HfbK Dresden 17.11.1967. Archiv HfbK 03/228. 95 Katalog zur Ausstellung „Engagement Palästina“, Berlin 1981, S. 6 ff. 96 Karkutli stammte aus der syrischen Oberschicht und überwarf sich bereits in jungen Jahren mit der Regierung in Damaskus. Das Studium bei Arno Mohr (1910–2001) und Walter Womacka von 1962 bis 1964 an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Weissensee prägte seinen figurativen Stil. In der SAR politisch verfolgt, liess er sich in Westdeutschland nieder, engagierte sich für die palästinensische Befreiungsbewegung und seine „revolutionäre Kunst“ verschaffte ihm einen gewissen Bekanntheitsgrad. https://web.archive.org/web/20070929124012/http://www.berlin.de/ba-neukoelln/presse/archiv/200 50114.1125.23251.html (14.1.2005). 97 Burhan Karkutli, Grafik der Revolution, Frankfurt 1981. 98 Begleitheft zur Ausstellung „Zeit der Unruhe“, Haus der Kulturen der Welt, Berlin 2016. S. 9. 94
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Massnahmen darauf aufmerksam. Bald darauf wurde eine „Internationale Kunstausstellung für Palästina“ konzipiert. An der Eröffnung am 21. März 1978 in der Beirut Arab University durch Arafat nahm auch der DDR-Botschafter im Libanon, Achim Reichardt, teil. Im Publikum befanden sich bewaffnete Kämpfer und viele Funktionäre der PLO sowie Angehörige der Kunstszene Beiruts. Die ausgestellten 200 Werke waren Geschenke aus dreissig Ländern und sollten als Sammlungskern für ein „Nationalmuseum im Exil“ dienen. In Form einer Wanderausstellung sollte es durch die Welt reisen, um schließlich einmal nach Palästina heimgeführt werden zu können. Während der Belagerung Beiruts im Jahr 1982 zerstörten israelische Streitkräfte das Depot der Sammlung, seitdem sind die meisten Kunstwerke verschollen. 2015 wurde in Barcelona und Berlin die Dokumentationsausstellung „Zeit der Unruhe“ gezeigt, die sich an einer Rekonstruktion jener beispiellosen Solidaritätsausstellung versuchte. Sie beleuchtete ein dichtes Netzwerk linksorientierter Künstler und Projekte, zu der Kollektive in Paris, Rom oder Tokio gehörten und die mit Künstlerverbänden in Damaskus, Bagdad und Casablanca in Kontakt waren. Hier verbanden sich hier die Themenkreise der Befreiungskämpfe in Asien, Afrika und Lateinamerika. Die Internationale Kunstausstellung für Palästina gehörte ebenso in diesen Kontext wie das „International Resistance Museum for Salvador Allende in Exile“, die Initiativen „Artists of the World Against Apartheid“ und „Arte para el Pueblo de Nicaragua“, der „Salon de la Jeune Peinture“, die „Internationalen Brigaden antifaschistischer Maler“ oder die japanische „Afro-Asian Latin American Artists Association.“99 Kunst und Kultur verstanden die Palästinenser bewußt als konstituierende Elemente des Nation Building. Die 1965 gegründete PLO-Abteilung für Kunst und Kultur hatte die Aufgabe, Plakate, Filme, Kunstwerke, Theater- und Tanzaufführungen und Publikationen zu produzieren und zu verbreiten. Kultur war gefragt als Bindemittel für das zu stärkende Nationalbewusstsein der in viele Länder verstreuten Exilpalästinenser, Kunstsammlungen sollten den Grundstock für Museen und andere staatliche Institutionen eines zu gründenden Staates Palästina bilden. Zugleich sollte aber die Weltöffentlichkeit auf der Ebene der Kultur von der Legitimität des Kampfes überzeugt werden. Es sollte der Eindruck erweckt werden, dass hier ein Kulturvolk um seine Existenz kämpft, und keine dubiose Guerrilla-Truppe um die Machtergreifung. Wanderausstellungen mit Trachten und kunsthandwerklichen Produkten gingen in Europa auf Tour. 1978 fand im Islamischen Museum in Berlin eine Ausstellung palästinensischer Volkskunst statt, bei deren Eröffnung auch Arafat anwesend war. In DDR-Publikationen wurde in typischer „antizionistischer“ Diktion hervorgehoben, mit dem Befreiungskampf sei auch eine Renaissance der palästinensischen Volkskunst verbunden, und diese sei nicht nur Ausdruck der Identität des Volkes, „sondern auch eine Form des Widerstands gegen den Jahrzehnte andauernden Vernichtungsfeldzug des Zionismus.“100 Die Schau sei „mehr als eine blosse Kunstausstellung: Sie war für jeden Besucher eine Demonstration der Lebenskraft des palästinensischen Volkes.“101 Im Herbst 1979 ehrte die Berliner Na99 Pressematerial der Ausstellung „Zeit der Unruhe“, Haus der Kulturen der Welt, Berlin 2016. 100 Palästinensische Volkskunst. Eine Ausstellung der PLO, des MfK und des Solidaritätskomitees
der DDR, Pergamonmuseum Berlin 5.6.–20.8.1978 (Katalog). 101 Erik Hühns, „Ausstellung des palästinensischen Künstlerehepaares Ismail Shammout und Tamam al Akhal“, in: Forschungen und Berichte der Staatlichen Museen zu Berlin, Bd. 23, 1983, S. 162 f.
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tionalgalerie das palästinensische Künstlerpaar Ismail Shammout und Tamam al Akhal mit einer großen Schau. Der Stil von Arbeiten wie etwa Das Massaker von Kahan Yunis (Tamam al Akhal) lässt sich als farblich expressiv mit folkloristischem Einschlag beschreiben. Dennoch war er mit dem Sozialistischen Realismus kompatibel. Die Ausstellung in der Nationalgalerie sollte vor allem ein politisches Signal senden: „Sie dokumentiert die internationalistische Haltung der DDR und deren Verbundenheit mit dem Kampf der palästinensischen Patrioten.“102 Weitere wechselseitige Ausstellungen in Berlin und Beirut folgten,103 doch die Einladung von DDR-Künstlern in den Libanon, die anlässlich des Gründungskongresses des palästinensischen Künstlerverbandes 1979 ausgesprochen worden war, stellte den eigentlichen Höhepunkt der Kulturbeziehungen zwischen der DDR und der PLO dar. In der Zeit des libanesischen Bürgerkrieges beherrschte die PLO weite Teile des Landes, um von dort aus den Kampf gegen Israel weiterzuführen. Viele Palästinenser lebten (und leben bis heute) in libanesischen sollte der Eindruck erweckt werden, dass hier ein Kulturvolk um seine Existenz kämpft, und keine dubiose Guerrilla-Truppe um die Machtergreifung. Wanderausstellungen mit Trachten und kunsthandwerklichen Produkten gingen in Europa auf Tour. 1978 fand im Islamischen Museum in Berlin eine Ausstellung palästinensischer Volkskunst statt, bei deren Eröffnung auch Arafat anwesend war. In DDR-Publikationen wurde in typischer „antizionistischer“ Diktion hervorgehoben, mit dem Befreiungskampf sei auch eine Renaissance der palästinensischen Volkskunst verbunden, und diese sei nicht nur Ausdruck der Identität des Volkes, „sondern auch eine Form des Widerstands gegen den Jahrzehnte andauernden Vernichtungsfeldzug des Zionismus.“ Die Schau sei „mehr als eine blosse Kunstausstellung: Sie war für jeden Besucher eine Demonstration der Lebenskraft des palästinensischen Volkes.“ Im Herbst 1979 ehrte die Berliner NatiAbb. 29. Damals noch ohne Hidschab: Christian Heinzes „Palästinensische Mädchen“ (Mischtechnik auf Leinwand, 1980).
onalgalerie das palästinensische Künstlerpaar Ismail Shammout und Tamam al Akhal mit einer großen Schau. Der Stil von Arbeiten wie etwa Das Massaker von Kahan Yunis (Tamam al Akhal) lässt sich als farblich expressiv mit folkloristischem Einschlag beschreiben. Dennoch war er mit dem Sozialistischen Realismus kompatibel. Die Ausstellung in der Nationalgalerie sollte vor allem ein politisches Signal senden: „Sie dokumentiert die internationalistische Haltung der DDR und deren Verbundenheit mit dem Kampf der palästinensischen Patrioten.“ Weitere wechselseitige Ausstellungen in Berlin und Beirut folgten, doch die Einladung von DDR-Künstlern in den Libanon, die anlässlich des Gründungskongresses des palästinensischen Künstlerverbandes 1979 ausgesprochen worden war, stellte den eigentlichen Höhepunkt der Kulturbeziehungen zwischen der DDR und der PLO dar. In der Zeit des libanesischen Bürgerkrieges Erwin Kohn (Hg.), Zwei palästinensische Künstler. Ismail Shammout und Taman al Akhal. Gemälde und Aquarelle, Nationalgalerie Berlin, 15.11.1979 bis 27.1.1980. 103 Ein weiteres Mal traten die beiden 1983 auf. Erik Hühns, „Ausstellung des palästinensischen Künstlerehepaares Ismail Shammout und Tamam al Akhal“, in: Forschungen und Berichte der Staatlichen Museen zu Berlin, Bd. 23, 1983, S. 162 f. 102
Die DDR und das Nation Building in Palästina
Abb. 30. Christian Heinze „Nach einem Terrorangriff“ Mischtechnik auf Leinwand, 1980. Ehemals in der Sammlung des Bezirksmuseum Potsdam 1980.
beherrschte die PLO weite Teile des Landes, um von dort aus den Kampf gegen Israel weiterzuführen. Viele Palästinenser lebten (und leben bis heute) in libanesischen Flüchtlingslagern. Beirut war in verschiedene Viertel gespalten, wo christliche, schiitische und sunnitische Milizen das Sagen hatten und sich Gefechte lieferten. Die ostdeutschen Künstler Edmund Bechtle (geb. 1947), Falko Behrendt (geb. 1951), Uwe Bullmann (1945–2016), Christian Heinze (geb. 1941) und Günther Rechn (geb. 1944) besuchten während ihrer Reise Ortschaften im Süden des Libanons, die umkämpfte Bekaa-Ebene,
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Kapitel IV. Schauplatz Nahost
das von palästinensischen Milizen eroberte Damour sowie einige Flüchtlingslager. Dabei kam es auch zu einer Begegnung mit PLO-Führer Arafat.104 In der Galerie der Generalunion Palästinensischer Künstler im von der PLO beherrschten Westteil Beiruts wurde im November 1981 die Ausstellung unter dem Titel „Palästina kämpft – Malerei und Grafik von fünf Künstlern aus der DDR“ eröffnet. Hier präsentierten die fünf ostdeutschen Künstler die Ergebnisse ihrer Reise. Es dominierten Landschaftsbilder, Szenen aus dem Leben in den Flüchtlingslagern und Porträts von Kindern, Frauen und Fedajin. Günter Rechn, von dem auch ein Selbstporträt mit Palästinensertuch überliefert ist,105 erinnert sich: „Für uns fünf war diese ganze Geschichte, gleichviel wie es zu dieser Auswahl kam, eben auch ein Blick über den Zaun, in eine uns fremde Welt. Und wie wir die Augen offen gehalten haben! War auch nicht ungefährlich. Gelernt haben wir nachhaltig dabei, die Dinge sehr differenziert zu sehen.“106 Trotz der angespannten politischen Situation im Libanon begleiteten die Künstler mit ihrem Kurator, dem Berliner Kunstwissenschaftler Siegfried Wege, den Transport der Ausstellung und nahmen mit dem DDR-Botschafter an der Eröffnung teil. Eine Sondermaschine der Interflug hatte Künstler, Diplomaten und Botschaftsmitarbeiter nach Beirut gebracht. Die Ausstellung in belebter Stadtlage fand trotz der unsicheren Situation Interesse beim Publikum. PLO-Militärverbände zogen vorbei, es gab gelegentliche Schusswechsel und Bombenangriffe israelischer Flugzeuge. Die DDR-Künstler und Siegfried Wege waren aber offizielle Gäste der PLO und wurden nach Kräften abgeschirmt. Die Künstlerdelegation besuchte Dörfer, ein Krankenhaus und militärische Stellungen der Fatah. Es gab zudem Treffen mit arabischen Künstlerkollegen in ihren Ateliers. Ein Höhepunkt war der Besuch der Kunstsammlung, die sich im Besitz der palästinensischen Befreiungsorganisation befand. Fast zeitgleich wurde im Herbst unter dem Titel „Engagement Palästina“ eine Ausstellung der fünf reisenden Künstler in Cottbus und später in Berlin gezeigt.107 Weitere Ausstellungen palästinensischer Künstler in der DDR sollten folgen, wie auch von ostdeutschen Künstlern im Kulturzentrum der PLO in Beirut.108 Doch viele Werke, die für eine im Herbst 1982 in der Kunstgalerie Gera geplante Ausstellung „Die Kunst der PLO“ vorgesehen waren, wurden bei israelischen Luftangriffen auf das PLO-Kulturzentrum in Beirut zerstört oder zerstreut, zusammen mit der Kollektion und allen Dokumenten der „Internationalen Kunstausstellung für Palästina“, was am 29. April 1982 eine „Solidaritätserklärung des VBK mit dem palästinensischen Künstlerverband und mit dem palästinensischen Volk“ nach sich zog.109 Dafür konnte die Ausstellung Michel Najjars, „Moderne und historische Kalligraphie“, ungestört in Berlin stattfinden. Der PLO-Botschafter würdigte die Ausstellung als Teil des Referat Günter Rechn, 7. Tagung des Zentralvorstands des VBK 6.11.1980, S. 87 ff. SdAK VBK ZV Nr. 5764/1. 105 Selbst mit Tuch, Öl auf Holz, 1980. Von Rechn stammten auch weitere politische Motive wie Feddayin – 13 Jahre (1979, Öl) oder Requiem für Beirut (1982, Öl). 106 Günther Rechn per Email an den Autor 2.9.2015. 107 Ausstellung „Engagement Palästina“ in Cottbus, (Kunstsammlung 19.9.–1.11.1981) und Berlin, Galerie am Weidendamm 11.3.–2.4.1982. BArch DR 123 Nr. 183. 108 Die Ausstellung „60 Jahre politische Grafik“ (40 Fotoreproduktionen) hatte bereits im Oktober 1979 stattgefunden. Im Herbst 1981 folgte eine Einzelausstellung Walter Womackas in Beirut. 109 bildende Kunst 12/1982, Einband. 104
Die DDR und das Nation Building in Palästina
Kampfes für die Erhaltung einer palästinensischen nationalen Kultur.110 Es folgten 1986 Ausstellungen von Omar Shammout und Mohammed Bushnaq (geb. 1934) vom Künstlerverband der PLO in Berlin. Im Katalog erklärte der Verband: „Zahlreiche Künstler in aller Welt schufen Werke zum Thema Palästina. Das Problem des palästinensischen Volkes wurde mit zum Gradmesser kämpferischer engagierter Kunst gegen Imperialismus und Rassendiskriminierung.“111 Als Paradebeispiel dafür sei die ägyptische Malerin Inji Aflatoun (1924–1989) erwähnt. Ursprünglich aus der ägyptischen Oberschicht stammend, wandte sie sich in jungen Jahren der kommunistischen Ideologie zu. Die jahrelange Inhaftierung in der Nasser-Ära hielt sie nicht davon ab, weiterhin linkes und feministisches Gedankengut zu verbreiten. Die Solidarität mit Palästina zählte zu den wichtigsten Themen ihrer Kunst. International bekannt, stellte sie 1970 auch in Berlin und Dresden aus.112 „Sie malt das Leben der Fellachen, setzt sich mit ihrer Kunst für die Gleichberechtigung der Frau ein, zeigte in der DDR aber auch Bilder wie Palästina, Terror der Besatzer und Vertriebene aus dem Sinai, erläuterte der Katalog.113 Tatsächlich hatte die PLO die Kunst geschickt und intensiv für ihre politischen Ziele eingesetzt – wohl kaum eine andere nationale Befreiungsbewegung war in diesem Bereich erfolgreicher und konnte mit Hilfe der Kultur eine internationale Solidaritätsbewegung motivieren.114 Dass die Palästinenser ihrem Ziel, in einem eigenen, unabhängigen Staat leben zu können, bis heute nicht näher gekommen sind – lag sicher nicht am mangelnden Engagement der Künstler.
Abb. 31. Die ägyptische Künstlerin Inji Aflatoun in jungen Jahren.
Michel Najjar. Moderne und historische Kalligraphie. Ausstellung der PLO organisiert vom MfK und dem Solidaritätskomitee der DDR, Galerie am Weidendamm 3. bis 26. Juni 1983. BArch DR 123 Nr. 218. 111 Omar Shammout (in Kuweit als Kunstlehrer tätig) und Mohammed Bushnaq (Künstlerverband der PLO) im Ausstellungszentrum am Fernsehturm 4.7.–5.8.1986. BArch DR 123 Nr. 388. 112 http://weekly.ahram.org.eg/News/10102/23/I-confess-I-have-lived.aspx (8.1.2015). 113 Inji Efflatoun in der Neuen Berliner Galerie 7.9. bis 11.10.1970 und im Dresdner Kulturpalast 9.4. bis 19.4.1970. BArch DR 1 Nr. 18879 Bd 1. 114 u. a. mit dem Ergebnis, dass die Palästinensergebiete bis heute weltweit pro Kopf am meisten internationale Entwicklungshilfe erhalten. http://www.botschaftisrael.de/2016/01/27/wo-landen-die-hilfsgelderfuer-palaestinenser/ (7.2.2017). 110
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Kapitel V. Schlussfolgerungen und offene Fragen
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rotz begrenzter Ressourcen unternahm die DDR erhebliche Anstrengungen, mit afrikanischen und arabischen Ländern in kulturelle Beziehungen zu treten. Dazu war oftmals nur ein Zeitfenster von zehn oder fünfzehn Jahren gegeben. Es gab einen regen Austausch von Delegationen von Kulturfunktionären, eine Vielzahl von Künstlerreisen, eine große Zahl von wechselseitigen Kunstausstellungen und eine Reihe von afrikanischen und arabischen Absolventen von DDR-Kunsthochschulen, die als Brückenbauer zu ihren Heimatländern dienten. Am engsten waren die Kulturbeziehungen der DDR mit Syrien, dem Irak und der PLO gewesen, mit erheblichem Abstand folgten Äthiopien, Angola und Mosambik. Sporadischer waren die Kontakte zu Tansania, Somalia, Ghana, Mali, Guinea und weiteren Ländern. In der Regel fand der Kulturaustausch zwischen staatlichen, politischen oder kommunalen Organisationen statt. Eine nachhaltige Kooperation der Kunsthochschulen (Austausch von Studenten und Dozenten, Angleichung der Lehrpläne) hat es überraschenderweise nicht gegeben. Insgesamt hatte die Kulturpolitik in den Beziehungen des Realsozialismus zu den jungen Nationen in Afrika und Asien keinen Vorrang – Wirtschafts- und Sicherheitspolitik standen im Vordergrund. Nur in wenigen Fällen, etwa im Senegal mit Leopold Senghor oder in Angola mit António Agostinho Neto, waren „Künstler-Politiker“ an die Macht gekommen, die andere Prioritäten setzten und Ideen verfolgten (die gleichwohl von widrigen Umständen relativiert wurden). Um die historische Bedeutung, die Motive und Erfolge der Auswärtigen Kulturpolitik der DDR in Afrika und Nahost einordnen zu können, soll sie abschließend im Kontext einiger grundsätzlicher Fragen behandelt werden: Erstens: Welche direkte propagandistische Wirkung hat Kunst? Lässt sich mit Hilfe von Kunstwerken, von Ausstellungen und Kulturaustauschprogrammen eine Ideologie wirkungsvoll verbreiten? Zweitens: Kann Kunst, kann die Beschäftigung mit Kunst, abgesehen von einem unmittelbaren propagandistischen Effekt, auch eine
Welche propagandistische Wirkung hat Kunst?
längerfristige gesellschaftliche Wirkung erzielen, im Sinne einer Förderung der Zivilgesellschaft, oder im Sinne eines sozialistischen Nation Building? Drittens: Welche politischen Systeme sind mit ihrer Auswärtigen Kulturpolitik am erfolgreichsten? Pluralistische Demokratien oder autoritäre Systeme? Viertens: Ist ein Kulturaustausch zwischen unterschiedlichen politischen Systemen überhaupt möglich oder wünschenswert? Welche propagandistische Wirkung hat Kunst?
Lässt sich mit Hilfe von Kunstwerken, von Ausstellungen und Kulturaustauschprogrammen eine bestimmte Ideologie verbreiten, sei es der Sozialismus oder die Soziale Marktwirtschaft? In einer Debatte zwischen dem SED-Chefideologen Kurt Hager und dem Kultusminister Hans-Joachim Hoffmann im Jahr 1983 zeigte sich Letzterer überzeugt, dass die Auslandsausstellungen von DDR-Kunst „erheblich dazu beigetragen haben, unsere übergeordneten außenpolitischen Ziele zu erfüllen.“1 Doch wie wirkten diese Ausstellungen tatsächlich auf ein Publikum außerhalb der DDR, konnten sie dessen politische Einstellung verändern? Der Kulturwissenschaftler Peter Pachnicke bemängelte 1986 den geringen Informationsrücklauf – man wisse zu wenig darüber, wie die Ausstellungen ostdeutscher Künstler wirklich im Ausland ankämen.2 Tatsächlich war dieses Unwissen bereits vor einem Jahrzehnt als Problem erkannt worden, mit der Forderung, sowohl Wirksamkeitsforschung als auch wissenschaftliche Zielanalyse in denjenigen Ländern zu betreiben, in die DDR-Kunstausstellungen entsendet wurden. Offensichtlich war aber hier nicht viel unternommen worden, ganz zu schweigen von einer „Spezialisierung wissenschaftlicher Kader für bestimmte Länder,“ die 1975 zur „Sicherung umfassender kunstpropagandistischer Tätigkeit“ gefordert worden war.3 Eine Strategie, mit eigenen Schwächen offen und offensiv umzugehen, wie sie der Kunstwissenschaftler Klaus Weidner im gleichen Jahr auf einer Zentralvorstandstagung des VBK ins Gespräch brachte, wurde nicht erprobt. Weidner hatte angeregt, die Kunst der DDR solle im Ausland ruhig auch die Probleme des Landes widerspiegeln: „Wenn wir es offen angehen, könnten wir sogar den Effekt erzielen, daß man uns dort um diese Probleme beneidet.“4 Der langjährige Kunstkritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (und Kenner ostdeutscher Kunst), Eduard Beaucamp, schrieb über Bernhard Heisigs, Wolfgang Mattheuers (1927–2004) und Werner Tübkes (1929–2004) Schlüsselwerke: „So stammen zentrale Leistungen in der DDR-Kunst von Anti-Utopisten, Realisten von Haus aus, die nach Krieg und Holocaust nicht vor der horrenden Wirklichkeit auswichen. Ihr Thema ist gerade die verfehlte und verdorbene Geschichte.“5 Das Paradox, dass die im Ausland bekanntesten Künstler der DDR in ihren WerKultusminister Hans-Joachim Hoffmann im Brief an Kurt Hager 1.9.1983. BArch DY 30 Nr. 30444. Tagung des ZV des VBK am 29.5.1986. SAdK VBK ZV 1181. 3 Memorandum „Probleme und Vorschläge der internationalen Repräsentation der bildenden Kunst der DDR in Auslandsausstellungen“ vom 3.4.1975. SAdK VBK ZV 1181. 4 Tagung des ZV des VBK 3.4.1975, S. 100. Stiftung Archiv der Akademie der Künste Berlin, VBK ZV Nr. 5744. 5 Eduard Beaucamp, „Die Macht der Erinnerung“, in: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte Bd. 34, 1 2
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Kapitel V. Schlussfolgerungen und offene Fragen
ken eigentlich eine pessimistische Geschichtsperspektive zum Ausdruck brachten, wirft die Frage auf, welchen Propagandawert die Auslandsgastspiele ostdeutscher Künstler aus sozialistischer Perspektive überhaupt hatten. Mit den Visionen eines naturgesetzartig zum Sieg schreitenden Sozialismus, mit dem Mantra einer allmächtigen Lehre von Karl Marx hatten die düsteren Bildwelten von Heisig und Kollegen wenig zu tun. Die Auswärtige Kulturpolitik des „Großen Bruders“ der DDR, der „sowjetischen Freunde“, stand vor ähnlichen ideologischen Problemen. Im Blick auf die internationale Wirkung sowjetischer Kunstausstellungen kam die Kunstwissenschaftlerin Elena Korowin zu einer grundsätzlich negativen Bewertung: „Selten gelingt eine spürbare Annäherung oder das Generieren gegenseitigen Verständnisses mithilfe von Kunstausstellungen.“6 Die Bindung von Kunst und Diplomatie bzw. Propaganda sei unproduktiv gewesen und habe vor allem der Kunst geschadet. „Die Künstlerviten und die Kunst wurden je nach politischer Intention modifiziert. Im diplomatischen Dienst verloren die Werke ihre Souveränität und Autonomie, sie wurden nicht gerade unter zuträglichen Vorzeichen betrachtet. Ihren diplomatischen Aufgaben konnten sie jedoch nur in den wenigsten Fällen gerecht werden.“7 Eine direkte politische Wirkung von Kunst ist schwer zu belegen – sowohl im Bezug auf die staats- und parteinahe Kunst totalitärer Systeme, als auch im Bezug auf die staatsferne pluralistische Kunst aus demokratischen Ländern. Der Propagandawert der bildenden Kunst bleibt unbestimmbar, auch im Blick auf Diktaturen und Autokratien, die Kunst bewußt einsetzen, um bestimmte politische Wirkungen zu erzeugen. Dies trifft sowohl auf die DDR und die Sowjetunion wie auf das heutige Russland oder China zu. So stellt sich am Ende die Frage, ob eine lückenlose Indienstnahme der Kunst durch die Politik überhaupt möglich ist – oder ob sich eine gewisse Eigenwilligkeit, Unberechenbarkeit und Eigengesetzlichkeit der Kunst selbst unter totalitären Bedingungen immer wieder Bahn zu brechen vermag. Diese These würde Kunst und Künstlern durchaus schmeicheln und würde sie pauschal entlasten. Allerdings kann die Behauptung, dass Kunst keinerlei politische Wirkung habe, auch als Ausrede für Opportunismus dienen, wie das Beispiel Luc Tuymans zeigt. Als er 2015 während seiner Ausstellung in Katar gefragt wurde, ob er damit nicht als kulturelles Aushängeschild für einen umstrittenen Staat diene, erklärte der belgische Künstler: „Kunst lässt sich nicht einfach strategisch einsetzen, dazu ist sie viel zu offen.“8 So einfach ist es nun aber doch nicht. Kunstwerke wirken vielleicht in den seltensten Fällen aufrüttelnd, überwältigend und unmittelbar politisierend. Aber im Kontext weiterer Faktoren wie Ausstellungsort, Ausstellungszeitpunkt, Würdigung durch Medien oder durch politische Repräsentanten entfaltet Kunst durchaus eine politische Wirkung. So kann sich Kunst im Rahmen von Soft-Power-Kampagnen bestimmter Mächte und Länder vor allem dann positiv auf das Image auswirken, wenn sie mit anderen positiven Identitätsmerkmalen assoziiert wird, etwa mit Popkultur, Wohlstand und hedonistischem Lebensstil. 2006, S. 293–308, hier: S. 294. 6 Elena Korowin, Der Russenboom. Sowjetische Ausstellungen als Mittel der Diplomatie in der BRD, Köln 2015, S. 28. 7 Ebenda, S. 274. 8 Interview NZZ am Sonntag, 1.11.2015.
Kann Kunst eine längerfristige gesellschaftspolitische Wirkung erzielen?
Kann Kunst eine längerfristige gesellschaftspolitische Wirkung erzielen?
Kann die Beschäftigung mit Kunst, über einen unmittelbaren propagandistischen Effekt hinaus auch eine längerfristige Wirkung erzielen, im Sinne einer Förderung der Zivilgesellschaft, oder im Sinne eines sozialistischen Nation Building? Obwohl empirisches Material zur politischen Wirksamkeit von Kunstausstellungen oder zu künstlerischen Dialogprojekten, etwa zwischen verfeindeten Volksgruppen, kaum zur Verfügung steht, ist in der westlichen Öffentlichkeit und in den Kulturinstitutionen die Ansicht verbreitet, dass künstlerische Ausdrucksformen dazu beitragen können, „Herrschafts- und Gewaltmechanismen zu entlarven, ausgeschlossenen Narrativen Gehör zu verschaffen sowie alternative Wahrnehmungsformen und Denkmuster anzuregen.“ Sie könnten auch helfen, „Gewalterfahrungen zu verarbeiten.“9 Ästhetische Bildung schaffe „Ich-Stärke und Eigensinn“, heisst es in einer Publikation des ifa, die Beschäftigung mit Kunst stärke die Kritikfähigkeit des Individuums.10 Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nahm in seinen beiden Amtsperioden als Außenminister (2005 bis 2009 und 2013 bis 2017) die Kulturpolitik als „Dritte Säule der Diplomatie“ besonders ernst: „Wir wollen weg von der Repräsentation von Nationalstaaten und hin zum gemeinsamen Erarbeiten von Kultur und Bildung. Wir laden die anderen Länder ein, gemeinsam Projekte zu entwickeln. Dabei ist in erster Linie nicht das ästhetische Ergebnis wichtig, und nicht immer entsteht daraus irgendetwas. Wichtig ist das gegenseitige Ermöglichen. Unsere Kulturpolitik in Afrika ist dafür ein gutes Beispiel.“11 Hier zählt also nicht die Qualität der Kunst, sondern der Arbeitsprozess. Die deutsche Seite agiert dabei eher als Katalysator, Vermittler und Sponsor. Die Beschäftigung mit Kunst, die Diskussion über Kunst dient in dieser Perspektive als Einübung pluralistischen Denkens und Handels, als eine Art Vorschule für Demokraten. Handelt es sich hierbei um ein „Phantasma des Westens“?12 Kunstkenner aus dem Globalen Süden haben eine weit kritischere und desillusioniertere Sicht auf das gesellschaftliche Veränderungspotential einer westlich konfigurierten Kunst, wie die folgenden Stimmen zeigen. So ist etwa die argentinische Kunstkritikerin Victoria Verlichak überzeugt, dass Kunst in Bürgerkriegssituationen wenig ausrichten kann. In kriegszerstörten Ländern müssten zunächst die Infrastruktur und die Institutionen wiederaufgebaut werden, erst dann habe die Kunst wieder eine Grundlage: „Mit viel Glück kann Kunst die Folgeprobleme Martina Fischer, „Eine neue Herausforderung – Kultur in der Konflikttransformation und Friedenskonsolidierung“, in: Kurt-Jürgen Maaß (Hg.), Kultur und Außenpolitik. Handbuch für Wissenschaft und Praxis, Baden-Baden 2015. S. 169–89, hier S. 182. 10 Daniel Gad, „Die Rolle von Künstlern und Kulturschaffenden in Krisen- und Konfliktregionen“, In: Ifa (Hg.); Agents of Change. Die Rolle von Künstlern und Kulturschaffenden in Krisen- und Konfliktregionen, Stuttgart 2011, S. 13. 11 Steinmeier zählte auf das von der Siemens Stiftung und dem Goethe-Institut zusammen mit afrikanischen Partnern initiierte Onlineportal Music in Africa, die afrikanische Filmbranchen-Plattform Mokolo und das Onlinemagazine für zeitgenössische Kunst, Contemporary And. Die Zeit 2.2.2017. 12 Laut der türkischen Kuratorin Beral Madra, ist die Annahme, dass die bildende Kunst Einfluss auf die politische Meinungsbildung hat, ein „Phantasma des Westens.“ Paradoxerweise sei es gerade das öffentliche Desinteresse an Kunst, das der türkischen Kunst in der Erdogan-Ära Freiheiten und kritische Positionen erlaube – allerdings beschränkt auf die Nische der privaten Kunstszene. Interview Art 10/2016, S. 127. 9
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Kapitel V. Schlussfolgerungen und offene Fragen
und gesellschaftlichen Auswirkungen von Krieg sichtbar machen.“ Auf die Frage, ob Kunst eine neue Diskussionskultur und damit eine neue politische Kultur etablierten kann, reagierte sie skeptisch, da Kunst generell eine Minderheitenangelegenheit sei, und dies erst recht in armen Ländern und Schwellenländern mit großen sozialen Unterschieden. Zwar könnten Künstler eine größere Öffentlichkeit erreichen, sofern die Massenmedien mitspielten. Letztlich sei die Kunstszene aber zu narzisstisch, um stringent einer politischen Mission zu folgen.13 Subodh Gupta, einer der bekanntesten, auch im Westen hochgehandelten Künstler Indiens, betrachtet Kunst und Politik als vollkommen getrennte Sphären. Er glaube nicht, dass Kunst einen nennenswerten Einfluss auf Demokratisierungsprozesse habe. Man könne dies am Beispiel Chinas sehen, wo ein florierender Kunstmarkt nichts an den autoritären Strukturen des politischen Systems ändere. Auch in Indien sei dies nicht viel anders. Kunst könne allenfalls „die Atmosphäre verbessern.“14 Varsha Nair, eine indischstämmige Künstlerin und Autorin aus Thailand, äußerte sich im Blick auf das Gastspiel der documenta im Jahr 2012 in Kabul skeptisch, inwieweit die westliche Kunstszene die kulturpolitischen Verhältnisse in Asien beeinflussen kann: „Der wichtigste Punkt ist, dass es in diesen Ländern kein Umfeld für die Kunst gibt, in dem frei diskutiert werden kann. Eine kritische Debatte findet in der Gesellschaft nicht statt, also fehlt sie dann auch in der Kunstszene. Die hierarchischen Strukturen der Gesellschaft wirken dann in der Kunstszene fort.“ Allerdings ist sie überzeugt, dass in der jüngeren Künstlergeneration einiges davon kritisch hinterfragt werde.15 Das von Nair angesprochene Gastspiel der documenta in Kabul war als ein Versuch des Westens zu verstehen, durch die Förderung der Kunstszene zum Nation Building in Afghanistan beizutragen, zum kulturellen Wiederaufbau, nachdem die Taliban zwischen 1996 und 2001 viele Skulpturen und Baudenkmäler zerstört, Filmaufführungen und Performances untersagt hatten. Im Konzept der dreizehnten documenta wurde eine Parallele zwischen dem historischen Beispiel der ersten documenta im zerstörten Nachkriegsdeutschland und dem aktuellen Nation Building in Afghanistan konstruiert. Das Auswärtige Amt und die Mittlerorganisationen der Auswärtigen Kulturpolitik konnten für die Ausstellung gewonnen werden, wie ein Sprecher des Auswärtigen Amtes erläuterte: „Im Rahmen einer Projektförderung unterstützte das Auswärtige Amt 2011 und 2012 die documenta mit insgesamt 410.000 Euro. Finanziert wurden künstlerische Projekte in Kabul und Bamyan sowie Ausstellungen afghanischer Künstler in Afghanistan und Kassel. Hiermit sollte der afghanischen Bevölkerung die Möglichkeit gegeben werden, Kunst und künstlerische Betätigung als Mittel zur Konflikt- und Vergangenheitsbewältigung zu entdecken, sowie ein Beitrag zur kulturellen Selbstfindung geleistet werden. Darüber hinaus sollte die afghanische Kulturszene in ihrer Zusammengehörigkeit gestärkt und mit der internationalen vernetzt werden.“16 100.000 Euro Unterstützung sowie logistische Hilfe für die documenta-Ausstellung in Kabul wurden 13 14 15 16
Victoria Verlichak per Email an den Autor 22.8.2012. Subodh Gupta im Gespräch mit dem Autor, Thun 15.2.2013. Varsha Nair per Email an den Autor 14.9.2012. Konrad Lax, Pressereferat Auswärtiges Amt per Email an den Autor 6.11.2013.
Kann Kunst eine längerfristige gesellschaftspolitische Wirkung erzielen?
vom Goethe-Institut beigesteuert.17 Das Goethe-Institut war vom Auswärtigen Amt beauftragt worden, die Ausstellung mit Stabilitätspaktmitteln umzusetzen. Das Institut übernahm in Kooperation mit dem Aga Khan Trust for Culture, der Universität Kabul u. a. Institutionen die Betreuung der angereisten Gäste und die Auswahl der Künstler. Die Ein- und Ausfuhr der Kunstwerke erfolgte durch die Bundeswehr.18 In Kassel war während der documenta der Ausstellungsstandort des ehemaligen Elisabeth-Krankenhauses ausschließlich afghanischen Künstlern vorbehalten, während in Kabul afghanische und internationale Künstler den Königinnenpalast und die Gärten des Bagh-e-Babur bespielten. Die Kabuler Bevölkerung, die die Gärten als Naherholungsgebiet nutzt, ergriff die Gelegenheit, sich dort auch mit der Kunst zu befassen. Fasst man die kontroverse Diskussion über den Effekt des documenta-Gastspiels in Afghanistan zusammen, lassen sich folgende Punkte herausarbeiten: Es es ist durchaus gelungen, in Kabul ein lokales Publikum zu erreichen. Auch sind in Einzelfällen afghanische Künstler und Künstlerinnen inspiriert, gefördert und gestärkt worden. Doch über eine langfristige Wirkung der documenta kann nur spekuliert werden (wenige Jahre nach der documenta gibt es dazu wenig ermutigende Signale aus Kabul). Und ein gleichberechtigter kultureller Dialog zwischen der afghanischen Kunstszene und der documenta-Maschinerie blieb reines Wunschdenken. Das Konzept einer Doppelausstellung Kassel-Kabul brachte der documenta brennend aktuelle politische Relevanz, einen erheblichen Zugewinn an öffentlicher Aufmerksamkeit und somit viel symbolisches Kapital ein. Hier wurde die These aufgeworfen, eine westlich geprägte Kunst könne Werkzeug des Nation Building werden, in einer archaischen, kriegsgeplagten Region. Diesem Schema folgte auch die nächste documenta 2017, indem auch sie eine internationale politische Mission postulierte. Nach Kabul wurde Athen zur Kriseninterventionsregion für Kunst und Künstler erklärt. Das Auswärtige Amt und das Goethe-Institut unterstützten das documenta-Programm in der griechischen Hauptstadt. Ohne Zweifel stand auch hier die Kunst in diplomatische Diensten. So kann die documenta als kulturelle Beschwichtigungsgeste aus Berlin interpretiert werden, als versöhnliche Ausgleichsmassnahme im Rahmen der Eurokrise, als Fördermassnahme für die darbende Kunstszene in der krisengeschüttelten Kulturnation Griechenland. Ob Kabul oder Athen heute, Maputo oder Bamako gestern: Um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen, führt kein Weg an einer selbsttragenden Institutionalisierung der Kunstszene vorbei. Akademien, Schulen und Museen müssen im Lande etabliert werden und zu eigenständiger Arbeit ermächtigt werden. Sowohl die aktuellen Beispiele westlicher Kulturintervention in Afghanistan und Griechenland, als auch das historische Beispiel der unterstützenden Kulturbeziehungen der DDR zu afrikanischen und arabischen Ländern zeigen, dass ein Zeitraum von wenigen Jahren nicht ausreicht, um stabile Aufbauerfolge zu erzielen. In diesem Sinne lässt sich auch kein spezifisches Versagen des Realsozialismus konstatieren. Letztlich blieben der Auswärtigen Kulturpolitik der DDR in den afrikanischen Partnerländern oft nur wenige Jahre, um zum Telefonat mit Leonard Emmerling, Goethe-Institut München am 5.11.2013. Sandra Wassong, Kulturangelegenheiten der deutschen Botschaft Kabul, per Email an den Autor 26.2.2014. 17 18
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Kapitel V. Schlussfolgerungen und offene Fragen
Nation Building beizutragen. Vergleichsweise lange war dazu in Mosambik und Angola Gelegenheit gewesen (von 1976 bis 1989), doch jegliche Aufbauarbeit wurde in beiden Ländern durch den Bürgerkrieg konterkariert. In Syrien und im Irak währte die Zusammenarbeit noch länger, doch beiden Staaten wandten sich nach wenigen Jahren de facto von der DDR ab und verfolgten eine nationalistische Agenda, während der PLO die Staatenbildung bis heute verwehrt blieb. Welches politische System ist in der Praxis des internationalen Kulturaustausches am erfolgreichsten? Demokratie oder Diktatur?
Die Auswärtige Kulturpolitik der DDR resultierte aus einem hierarchischen und bürokratischen Anweisungs- und Zuteilungsverfahren, bei dem die Kontrolle durch eine parallele Parteistruktur der Kunst keine Autonomie erlaubte. Parallelen zwischen der DDR und der heutigen, pro forma noch immer kommunistischen Volksrepublik China liegen nahe. Westliche Beobachter und chinesische Kritiker sind der Ansicht, dass die Volksrepublik trotz der Milliarden Dollar, die sie für Imagepflege und Auswärtige Kulturpolitik ausgegeben hat, nach wie vor wenig Soft Power akkumuliert habe. Denn diese könne man von Staatsseite aus nicht einfach kaufen oder planwirtschaftlich konstruieren, sondern sie wachse polyzentrisch aus der Gesellschaft heraus.19 China bleibe vorerst ein „hinkender Riese“ – das wirtschaftliche Bein ist stark, das kulturelle schwach.20 Ein entscheidendes Manko der Volksrepublik besteht offensichtlich darin, dass sie bei ihrer internationalen Kulturarbeit keinerlei politischen Kontrollverlust erlaubt – ein Problem, das damals auch das kulturpolitische Potential der DDR minimierte. In erfolgreichen Soft-Power-Kampagnen sind es verschiedene Institutionen, Unternehmen, aber auch Privatinitiativen und engagierte Persönlichkeiten, die die Botschaft der Kampagne weiterverbreiten; und dies kann durchaus mit unterschiedlicher Akzentuierung und in widersprüchlicher Weise erfolgen – manchmal näher an der Kakophonie als am einstimmigen Chorgesang. Man muss all diesen Stimmen vertrauen können, muss die Akteure gewähren lassen können.21 Wie die DDR damals und China heute, zeigt auch die gegenwärtige russische Politik, dass die politische Elite keinerlei Vertrauen in das Engagement von Individuen setzt und kein Verständnis von demokratischer Öffentlichkeit hat. Sie sieht in ihrer eigenen Bevölkerung keinen politischen Akteur, sondern eine passive Menschenmenge, die durch Medien und Politiktechnologie manipuliert werden kann. Zivilgesellschaftliche Protestbewegungen sind in dieser Sichtweise nicht als eigenständige Phänomene, sondern nur als Ergebnisse staatlicher Kampagnen, geheimdienstlicher Aktivitäten oder ausländischer Interventionen denkbar, etwa durch den „breit gestreuten Einsatz von Desinformationen, von politischen, ökonomischen, humanitären und anderen nichtmilitärischen Maßnahmen, die in Verbindung mit dem David Shambaugh, China goes global. The Partial Power, Oxford 2013, S. 209. Xue Liang, China’s dilemma in its soft power. How to build its national image? Aalborg, 2012, S. 74. Craig Hayden, The Rhetoric of Soft Power. Public Diplomacy in Global Contexts, Plymouth 2012, S. 258. 19
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Demokratie oder Diktatur?
Protestpotenzial der Bevölkerung zum Einsatz kommen,“ so der russische Generalstabschef Walerie Gerassimow 2013 in einer Rede zur „veränderten Kriegsführung im 21. Jahrhundert.“22 Die Neuen Despotien simulieren künstlerische Freiheit und Medienvielfalt – sie imitieren den Westen auf diesen Feldern, und betonen zugleich, im Gegensatz zum „korrupten“ und „dekadenten“ Westen wirtschaftliche und politische Probleme effektiver lösen zu können. Diesen Überlegenheitsanspruch demonstrieren sie mit spektakulären Repräsentationsbauten, großen Infrastrukturprojekten und Museumsgründungen, durch internationalen Kulturaustausch sowie durch die „reibungslose“ Organisation internationaler Sportwettbewerbe oder Konferenzen. Die Künste und die Medien müssen allerdings flächendeckend kontrolliert werden, damit sie dem Machterhalt der Despoten dienen können. Gleichschaltung ist eine mühsame Aufgabe. Bisweilen kommt es zu Störungen und Missklängen in den internationalen Kulturbeziehungen, wenn die Disziplinierungsmaßnahmen gegen Kunst und Künstler nicht diskret genug durchgeführt werden können. Die SED-Führung befand sich damals in einem Dilemma: Je erfolgreicher die Außenpolitik der DDR wurde, je dichter das Netz internationaler Kulturbeziehungen, desto größer wurde die innenpolitische Gefahr der westlichen Einflussnahme. Es entstand eine paradoxe Situation: Kulturpolitische Erfolge im nichtsozialistischen Ausland sollten das internationale Prestige der DDR mehren. In dem Augenblick, wo sie sich einstellten und das internationale Interesse an der DDR geweckt wurde, gefährdeten diese Erfolge die Legitimität der SED-Herrschaft im Inneren. China und Russland scheinen dieses „Problem“ heute besser unter Kontrolle zu haben als damals die DDR. Sie verfügen aber auch über weit mehr Ressourcen, vor allem über einen weit größeren Zensur- und Desinformationsapparat. Wird die demokratische Welt im Propagandawettstreit mit den Despotien bestehen? Der damalige Bundesaußenminister Steinmeier schrieb 2014: „Autoritäre Systeme sind nur scheinbar stark.“ Sie könnten zwar oft flexibler und schneller auf nationale und internationale Krisen reagieren, „über einen längeren Zeitraum hinweg erweisen sich diese schnellen Entscheidungen aber als brüchig, weil sie nicht mit den Betroffenen austariert wurden und mögliche Alternativen unberücksichtigt wurden. Sie sind fragil, weil sie Interessen großer Teile der Bevölkerung ignorieren.“ Ohne die Korrektive einer freien Presse und einer aktiven Zivilgesellschaft blieben die politischen Strukturen dieser Systeme starr und anfällig für innenpolitische Krisen.23 Steinmeiers Annahme zum Trotz sind die meisten Despotien in den letzten Jahren stabil geblieben. Ob ihre Soft-Power-Kampagnen aber langfristig Wirkung erzielen, müssen sie noch unter Beweis stellen. Ihr Nation Branding bleibt Stückwerk, wenn es nicht von einer Politik begleitet wird, die die kommunizierte Botschaft auch glaubwürdig und ernsthaft umsetzt. Wenn dies nicht erfolgt, bleibt die Kommunikationsstrategie auf einer rein Zitiert nach: Stefan Meister und Jana Puglierin, „Europas Schwäche ist Putins Stärke“, in: DGAP Jahresbericht 2015/16, S. 22–25, hier: S. 23. 23 Frank W. Steinmeier, Vorwort zu Josef Braml, Wolfgang Merkel, Eberhard Sandschneider (Hg), Außenpolitik mit Autokratien, Berlin 2014 (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik: Jahrbuch Internationale Politik 30), S. 3. 22
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Kapitel V. Schlussfolgerungen und offene Fragen
symbolischen Ebene und damit im Bereich herkömmlicher Propaganda, die durchaus auch kontraproduktive Wirkungen im Ausland hervorrufen kann. War eigentlich damals, im Kalten Krieg, die westdeutsche Auswärtige Kulturpolitik bzw. Public Diplomacy der ostdeutschen überlegen gewesen? Andreas Görgen, im Jahr 2015 Leiter der Abteilung Kultur und Kommunikation im Auswärtigen Amt, erklärte, von einer Instrumentalisierung der Kultur für die Politik könne in der Bundesrepublik keine Rede sein: „Nicht die Politik bestimmt, welche Kultur Deutschland im Ausland präsentiert, sondern Kunst und Wissenschaft bestimmen dies selbst – mit Hilfe der dafür gegründeten Mittlerorganisationen.“24 Hat diese historisch gewachsene (und bewährte) Konstruktion den Erfolg des Westens gegenüber der ideologischen geprägten Auswärtigen Kulturpolitik des Realsozialismus ermöglicht? Hat die Bundesrepublik auf diese Weise mehr Soft Power akkumulieren können als die DDR? Manche Beteiligte von der Gegenseite, wie etwa Hermann Falk, ehemals Leiter der ostdeutschen Künstleragentur, nehmen den Standpunkt ein, dass gerade die erfolgreiche Kulturarbeit ein Pluspunkt des Ostens im Systemwettstreit gewesen sei: „Es wurde allen Schichten der Bevölkerung der Zugang zu Kultur und Kunst ermöglicht. Künstler wurden großzügig und zielstrebig gefördert. Die kulturelle Infrastruktur wurde ständig verbessert. Die darauf aufbauenden kulturellen Auslandsbeziehungen der DDR konnten deshalb auch im internationalen Vergleich sehr erfolgreich sein. Dies wurde erreicht mit geringeren Mitteln als sie manch anderen Staaten zur Verfügung standen, jedoch mit stärkerem Engagement und konzeptionellem Handeln.“25 Dennoch: In historischer Perspektive und im Vergleich mit der Arbeitsweise realsozialistischer Staaten liegt eher die These nahe, dass der Westen gerade durch seine unpolitische Kulturrepräsentation eine erheblich positivere politische Wirkung erzielen konnte. Demnach hätte ein vielgliedriges, teilweise sogar auf Binnenkonkurrenz angelegtes und mit Reibungsverlusten belastetes Institutionenensemble im Vergleich zu den zentralisierten Kulturapparaten der DDR oder der Sowjetunion signifikante Erfolge verbuchen können. Diese Erfolge sind allerdings, bei Licht betrachtet, weniger auf die pure Qualität der präsentierten Kunst oder auf die stringente Arbeit der Mittlerorganisationen zurückzuführen, sondern vor allem auf die allgemeine Attraktivität der westlichen Kultur in Afrika, Asien und selbst in Osteuropa. Ob Coca-Cola, Blue Jeans, Rockmusik oder abstrakte Kunst – all dies verhiess Genuss und Wohlstand, all dies war willkommen und populär. Das westliche Freiheitsversprechen wurde vor allem mit der Vielfalt der Konsummöglichkeiten assoziiert, als freie Wahl der Lebensstile und Konsumentenprofile. Ein noch so hohes Niveau in der Malerei, Literatur und Musik konnte das Handicap von mangelndem Wohlstand nicht ausgleichen, die Kunst allein konnte den Systemwettstreit nicht entscheiden, kam gegen das Wohlstandsgefälle nicht an. Dies kennzeichnet auch die heutige Situation, in der die westlichen Demokratien mit den Neuen Despotien konkurrieren und die Frage im Raum steht, welches Modell für den Weltsüden zum zukunftsweisenDiskussion „ Mehr als nur China und Indien – das asiatische Jahrhundert?“ Im Rahmen der Reihe „Aussenpolitik live – Diplomaten im Dialog“. Auswärtiges Amt, Berlin 29. August 2015. 25 Hermann Falk, Durch Kulturaustausch zur Völkerverständigung, Heft 54 (Januar 2016) der Blauen Reihe – Schriften zur internationalen Politik, herausgegeben vom Verband für Internationale Politik und Völkerrecht e. V. Berlin 2016. 24
Kulturaustausch zwischen unterschiedlichen Systemen
den Vorbild wird. Blicken wir beispielsweise nach Afrika, von Bundeskanzlerin Angela Merkel ausdrücklich als „Zukunftskontinent“ betitelt26: Trotz des weltweit verbreiteten Antiamerikanismus hat die Soft Power der USA in Afrika weiterhin eine starke positive Wirkung. Die Gründe liegen dabei in der dortigen Verbreitung der englischen Sprache, aber auch in der Attraktivität der amerikanischen Popmusik, der Fernsehserien und Filme. Entscheidend ist aber die Verbindung von Unterhaltung, Individualisierung und Konsummöglichkeiten, die der American Way of Life verspricht. Freiheit in Kombination mit Hedonismus und Wohlstand – diese Verheißung stellt jede Ideologie in den Schatten.27 Der Erfolg chinesischer, russischer oder katarischer Soft-Power-Kampagnen wird also in Zukunft entscheidend davon abhängen, ob die autoritären Systeme mehr Wohlstand und Konsummöglichkeiten bieten können als die Demokratien, und ob sie – ein Faktor, der in Zeiten des allgegenwärtigen Terrorismus immer wichtiger wird – für ausreichende Sicherheit sorgen können. Wenn ihnen das gelingt, können sich autoritäre Systeme auf diese Weise zu globalen Vorbildern entwickeln – für weitere Schwellenländer, und vielleicht eines Tages sogar auch für einen in Krise und Chaos versinkenden Westen. Ist ein Kulturaustausch zwischen unterschiedlichen politischen Systemen überhaupt möglich oder wünschenswert?
Das Handbuch Zivilverteidigung, das 1969 an alle Schweizer Haushalte ausgegeben wurde, warnte ausdrücklich vor der Kulturdiplomatie einer potentiell feindlichen autoritären Macht. Obwohl es sich hier um ein Dokument des Kalten Krieges handelt, hat es doch eine aktuelle Relevanz. Unter der Rubrik „Der Feind will uns einschläfern“ paraphrasieren die Autoren den Plan einer fiktiven Macht, die allzu naive Schweiz auf dem Wege der Kulturpolitik zu unterminieren: „Sympathiepropaganda ist eine der wichtigsten Waffen in unserem Kampf. Wir werden sie mit Kultur überschwemmen, mit Konzerten, Liedern, Kunst- und Reisebüchern. Wir werden Kunstausstellungen und Sportfestivals organisieren (…) Natürlich werden wir dafür sorgen, dass nicht unser Volk durch ihre Zeitungen, Bücher, Filme, Radio- und Fernsehsendungen infiziert wird. Sie aber werden darauf hineinfallen. Denn sie sind dumm und dekadent. Wir werden ihnen sagen, dass wir uns für ihre Kultur interessieren; sie werden stolz sein und unsere Ideen um so harmloser aufnehmen (…) Sie werden Sympathien für uns gewinnen, ob sie wollen oder nicht, und sie werden nicht darauf achten, dass wir über ihrer morschen und zum Verschrotten reifen Welt die Schlinge langsam, aber sicher zuziehen.“28 So stellten sich die eidgenössischen Zivilverteidigungs-Autoren die Strategie einer totalitären Macht vor, mit Hilfe der Kunst die offene, gutgläubige Schweizer Gesellschaft zu infiltrieren. In zweierlei Hinsicht ist diese Haltung interessant. Zum einen erscheint https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2016/10/2016-10-13-merkel-afrikareise.html. Oluwaseum Tella, „A declining or stable Image? An Assessment of the U. S. Soft Power in Africa“, in: South Africa Journal of international Affairs Vol. 23 Nr. 2/2016, S. 151–166, hier S. 161. 28 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartment (Hg.), Zivilverteidigung, Bern 1969, S. 236. 26 27
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Kapitel V. Schlussfolgerungen und offene Fragen
Kulturaustausch in dieser Perspektive als potenzielle „Infektionsquelle“ für die eigene Bevölkerung, als Trojanisches Pferd, als Bedrohung für die althergebrachte Ordnung der Schweiz. Spiegelbildlich herrschte die gleiche Angst in Ostberlin. Den Kalten Kriegern in beiden Lagern galt Kulturaustausch als risikobehaftetes, unübersichtliches Gelände. Zum anderen ist der hier skizzierte „falsche“ Kulturaustausch, der nur scheinbar reziprok ist, tatsächlich aber einer Einbahnstrasse ähnelt, bis heute relevant. Waren es im 20. Jahrhundert u. a. die Sowjetunion oder die DDR, die unter Kulturaustausch mit dem Westen und Süden eher sozialistischen Kulturexport bei gleichzeitiger Abschottung der eigenen Bevölkerung verstanden, sind es heute die Neuen Despotien wie Russland, China, Iran oder die Türkei, die sich als zwar offiziell als Kulturnationen darstellen, zugleich aber autoritäre, nationalistische oder religiöse Politikmodelle propagieren. Sie exportieren gerne auf offiziellen Kanälen eigene Kunst und eigene Werte, behindern oder unterbinden aber den kulturellen Austausch auf privater und nichtstaatlicher Ebene, um der „Infektion“ ihrer Gesellschaften mit westlichen Werten vorzubeugen. Echter, gegenseitiger Kulturaustausch beruht aber auf dem Zugang aller Bürger zu den Gastspielen im jeweiligen Land und auf der Möglichkeit individueller Kontakte zwischen den Bürgern, Wissenschaftlern, Künstlern und Studenten der beteiligten Staaten. Demgegenüber musste die DDR damals (und etwa Russland heute) an einem institutionell kanalisierten und politisch kontrollierten Kulturaustausch festhalten, aus Angst, die eigene Bevölkerung könne von westlichen Ideen politisiert werden und individuelle Kontakte zum Westen knüpfen. Beide Auffassungen waren und sind eigentlich nicht kompatibel. Die DDR zog einen Kulturaustausch auf staatlicher und institutioneller Ebene vor, bei der alle Akteure von Parteigremien und Staatsorganen ausgewählt und kontrolliert wurden. Dieser institutionelle Kulturaustausch funktionierte am besten mit ähnlich strukturierten Staaten des Ostblocks, aber auch mit afrikanischen und arabischen Staaten, in denen abseits staatlicher Institutionen kein nennenswerter privater Kunstmarkt und keine individuelle Künstlerschaft existierten. Dieses Muster in den Kulturbeziehungen war (abgesehen von den realsozialistischen Bruderländern), am besten in Syrien und im Irak anzuwenden, wo der Ausbau staatlicher Kulturinstitutionen am weitesten vorangeschritten war, während in sozialistisch orientierten afrikanischen Ländern wie Mosambik auch die Institutionen erst noch aufgebaut werden mussten. Hier basierte der Kulturaustausch dann paradoxerweise doch wieder auf individuellen Kontakten, auf dem Engagement einzelner Künstler, die mit Unterstützung des Staates Ausstellungen organisierten, persönliche Kontakte pflegten und quasi als „Künstlerbotschafter“ für die DDR unterwegs waren, wie etwa Wolfram Schubert in Guinea oder Wolfgang Eckardt in Mosambik. Bleibt am Ende die Frage, ob selbst in Fällen eines misslungenen, weil nicht reziproken Kulturaustausches ein kultureller Dialog zwischen verschiedenen politischen Systemen sinnvoll sein könnte, weil er Teil der diplomatischen Kommunikation ist. „Kann ein Regime durch kulturellen Austausch grundlegend verändert werden? Oder funktioniert es genau andersherum: Wird die Kulturpolitik von antidemokratischen Staaten nicht viel eher als Feigenblatt missbraucht, um ihren eigenen (kulturellen) Einfluss weiter zu festigen?“ fragte die Jüdische Allgemeine kritisch anlässlich der im
Kulturaustausch zwischen unterschiedlichen Systemen
Herbst 2016 geplanten und schließlich abgesagten Ausstellung iranischer Kunst in der Berliner Nationalgalerie. Die Ausstellung galt als Lieblingsprojekt Steinmeiers. Bei der Unterzeichnung der Verträge im Oktober 2015 in Teheran hatte er die Schau gewürdigt als „ein Signal der Öffnung und als Einladung zum Dialog mit der iranischen Gesellschaft.“29 Kurz darauf, im Februar 2016, eröffnete Steinmeier in Begleitung einer Wirtschaftsdelegation gemeinsam mit König Salman bin Abdulazis das Janadriyah-Festival in Riad, wo Deutschland als Ehrengastland unter dem Motto „Germany – Land of ideas: Innovation has Tradition“ auftrat. Kritiker mahnten an, das sei vor dem Hintergrund innenpolitischer Repressionen und außenpolitischer Interventionen Saudi-Arabiens unpassend, während Vertreter des Goethe-Instituts den deutschen Beitrag zur 30. Jubiläumsausgabe des Festivals (hauptsächlich Jugend-Workshops für Tanz, Straßentheater, Artistik, Sport und Graffiti) als Politik der kleinen Schritte rechtfertigten, in einem Land, wo es sonst kein offenes und öffentliches Kulturleben im westlichen Sinne (Theater, Museen oder Kinos) gäbe.30 Im Stillen und Halbprivaten entfaltet sich die Kunstszene Saudi-Arabiens. Es gibt eine wachsende Anzahl lokaler Galerien und ein wachsendes Sammlerpublikum. Langsam vollzieht sich der Aufstieg saudischer Künstler, die überwiegend noch Autodidakten sind. Konflikte der saudischen Herrscherfamilie und des reaktionären Klerus mit einer jungen Generation, die mehr Einfluss, mehr Transparenz, mehr Anerkennung verlangt, werden auch auf dem Feld der Kultur sichtbar. Die Verurteilung des Künstlers, Kurators und Dichters Ashraf Fayadh (geb. 1980) zu einer achtjährigen Haftstrafe wegen angeblicher Blasphemie und das Verfahren gegen den Blogger Raif Muhammad Badawi sind auch vor dem Hintergrund dieses Konfliktes zu verstehen.31 Auf dem Janadriyah-Festival wurden hingegen überwiegend die Errungenschaften der saudischen Monarchie gewürdigt, der Krieg im benachbarten Jemen, den Saudi-Arabien durch eine Intervention angeheizt hatte, wurde mit einer Ausstellung aus Regierungssicht geschildert. Kritische Töne, etwa zur Behandlung von Gastarbeitern, waren auf diesem Festival nicht zu hören.32 Hätte Steinmeier seinen Besuch absagen sollen? Sollte generell ein Kulturboykott gegen Diktaturen und autoritäre System verhängt werden? Gegen Sanktionen im Bereich des Kulturaustausches spricht sich der Politikwissenschaftler Eberhard Sandschneider in seinem Fahrplan für einen „erfolgreichen Abstieg Europas“ aus. Moralische Belehrungen seien kontraproduktiv: „Die Erwartung, dass sich die Aufsteigerstaaten letztlich westlichen Vorstellungen anpassen und in die bestehende Wertordnung integrieren lassen, ist verfehlt.“33 Boykottdrohungen in den Kulturbeziehungen träfen ganz überwiegend die Falschen: „Wo es keine Liebe gibt, ist die Drohung mit dem Liebesentzug der falsche Weg. Kein Diktator der Welt lässt sich von http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/27116 (1.12.2016). FAZ 14.1.2016. http://www.spiegel.de/politik/ausland/saudi-arabien-hebt-todesurteil-gegen-dichter-ashraf-fayadhauf-a-1075352.html (3.2.2016). 32 http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/journal/aussenminister-steinmeier-eroeffnet-dasjanadriyah-festival-in-saudi-arabien-kein-ort-fuer-die-kritische-kultur/-/id=659282/did=16910196/ nid=659282/1kyz9v3/index.html (5.2.2016). 33 Eberhard Sandschneider, Der erfolgreiche Abstieg Europas. Heute Macht abgeben, um morgen zu gewinnen, München 2011, S. 109. 29 30 31
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Kapitel V. Schlussfolgerungen und offene Fragen
der Drohung, Kulturbeziehungen und Wertedialoge abzubrechen, aus der Ruhe bringen. Diese Beziehungsebene zu pflegen, ist in unserem Interesse und im Interesse der Menschen vor Ort, die häufig nur auf diese Weise Alternativen zu ihrer eigenen Realität erfahren können. Durchhalten und noch mehr tun, sollte die Forderung an Auswärtige Kultur- und Wertepolitik also lauten.“34 Kulturdiplomatie muss nach dieser Auffassung ungeachtet gravierender Differenzen zwischen Demokratien und autoritären Systemen fortgeführt werden – als ein alternativer Kommunikationskanal. Ein Patentrezept für derartige Fälle gibt es wohl nicht. Kunst war im 20. Jahrhundert, im Zeitalter der Extreme, stets politisch ambivalent, und sie wird es auch im 21. Jahrhundert bleiben: Sie läuft einerseits stets Gefahr, von Ideologien gezähmt, eingehegt und benutzt zu werden. Andererseits besitzt sie das Potential zur politischen Subversion – sie trägt das von Autokratien so gefürchtete „Virus der Freiheit“ immer in sich.
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Ebenda, S. 88.
Quellen und Literaturverzeichnis
Quellen
Ausgewertet wurden Akten des Ministeriums für Kultur, der Kulturkommission beim Politbüro des ZK der SED, der Westkommission beim Politbüro des ZK der SED (BArch DR 1), des Zentrums für Kunstausstellungen der DDR (BArch DR 123) der Liga für Völkerfreundschaft (BArch DY 13), des Solidaritätskomitees der DDR (BArch DZ 8) – alle im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde. Akten zur Hauptabteilung X Internationale Verbindungen des MfS wurden beim BStU in Berlin eingesehen. Zu den weiteren Hauptquellen gehören Schriften und Briefwechsel des Zentralvorstands des VBK (Archiv der Stiftung Akademie der Künste). In geringerem Umfang wurden herangezogen: Akten zum Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR und der diplomatischen Vertretungen der DDR (im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes), Briefwechsel und Akten aus den Archiven der HGB Leipzig, der HfbK Dresden und der KH Weissensee (letzteres befindet sich heute im Landesarchiv Berlin) sowie Briefwechsel und Unterlagen aus dem Robert-Havemann-Archiv in Berlin. Hinzu kamen persönlichen Gespräche und Korrespondenzen, u. a. mit: Giselher Blesse, Katrin Bromber, Ilsedore Eckardt, Peter H. Feist (†), Urike Freitag, Bernd Hauke, Ulrich van der Heyden, Petra Martin, Hannelore Piotraschke, Günther Rechn, Hans-Georg Schleicher, Hans Joachim Schirmbeck, Wolfram Schubert, Bernd Weise, Gabriele Wittrin.
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Quellen und Literaturverzeichnis
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1. Plastik von Sarah Lucas im Britischen Pavillon bei der Biennale von Venedig 2015. Ausstellungsansicht, Foto: Christian Saehrendt 2. Installation mit Fliegermasken-Objekt von Irina Nakhova, russischer Pavillon bei der Biennale von Venedig 2015. Ausstellungsansicht, Foto: C. Saehrendt 3. Ivan Grubanov, „United Dead Nations“. Serbischer Pavillon bei der Biennale von Venedig 2015. Ausstellungsansicht, Foto: C. Saehrendt 4. Huma Mulji, „Arabian Delight“. Iranischer Pavillon bei der Biennale von Venedig 2015. Ausstellungsansicht, Foto: C. Saehrendt 5. Mankeu Valente Mahumane, „O Mãe tenho Fame“ Tuschzeichnung 1975. Grassi Museum für Völkerkunde Leipzig Inventarnr. MAf 35338. Foto: Erhard Schwerin 6. Ein Mitglied des „Plastikzirkels der Filmfabrik Wolfen“ bei der Arbeit an einer Plastik von Davis, Januar 1972. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst Zentralbild, Foto: Helmut Schaar 7. Erich Honecker beim FDJ-„Freundschaftsmeeting“ mit Angela Davis (rechts im Bild), 11. September 1972. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst Zentralbild, Foto: Klaus Franke 8. Samora Machel und Margot Honecker 1983. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst Zentralbild. Foto: Hubert Link 9. Solidaritätsveranstaltung für Mosambik in der DDR Festveranstaltung in Ludwigsfelde am 22. September 1985. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, Foto: Heinz Schmidt, Ludwigsfelde 10. Walter Ulbricht im Atelier Ruthild Hahne 1963. Bundesarchiv Berlin. © Ruthild Hahne. 11. Gemälde „Afrikanischer Student“ von Gerhard Stengel (Weltfestspiele 1953). HfbK Dresden. © Gerhard Stengel 12. Gemälde „Afrikanische Ärztin bei der Untersuchung“ von Hannelore Piotraschke (1967). HfbK Dresden. © Hannelore Piotraschke 13. Mankeu Valente Mahumane O. T. Öl auf Hartfaser 1984. Aus dem Besitz von Wolfgang Eckardt. Heute Grassi Museum für Völkerkunde Leipzig Inventarnr. MAf 34280. Foto: Erhard Schwerin 14. Gerhard Geyer, Denkmal für Anton Wilhelm Amo in Halle (1965). Foto: Martin Beitz, Halle 15. Tshibumba Kanda-Matulu, „Calvaire d’ Afrique“. © Tshibumba Kanda-Matulu
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Abbildungsnachweis
16. Äthiopische Holzschnittkunst: „Spiele“ von Tulu Guya. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, Foto: Zentrum für Kunstausstellungen. © Tulu Guya 17. Die äthiopischen Künstler Ejigayehu Tesfaye, Martha Kassala und Demmelash Adal in der DDR. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, Foto: Milan Nelken, Berlin 18. Karl-Marx-Denkmal von Joachim Jastram (Addis Abeba 1984). Archiv Galerie Bernd Weise, Chemnitz 19. Amílcar Lopes Cabral als Briefmarkenmotiv der DDR (1978) 20. Mankeu Valente Mahumane „O Povo em 1974“, Öl auf Hartfaser 1976. Grassi Museum für Völkerkunde Leipzig Inventarnr. MAf 35331. Foto: Erhard Schwerin 21. Plastik eines FRELIMO-Soldaten (Mosambik 1974). Ehemals Sammlung des Museums für deutsche Geschichte, heute Sammlung Deutsches Historisches Museum Berlin 22. Plastik „Verwundeter FRELIMO-Kämpfer“ von Wolfgang Eckardt (1983). Kulturhistorisches Museum Rostock, Foto: Egon Fischer, Stäbelow 23. Malangatana Valente Ngwenya, „Brotamos por todos es lados por mais que nos destruam“. Federzeichnung 1974. Grassi Museum für Völkerkunde Leipzig Inventarnr. MAf 35332. Foto: Erhard Schwerin 24. Plastik „Samora Machel“ von Wolfgang Eckardt. Kulturhistorisches Museum Rostock, Foto: Jürgen Sindermann, Rostock 25. Objekt von Ali Al-Sarmini aus dem Jahr 1972. Foto: Paul Baluew, Moskau 26. Saddam Hussein beim Besuch einer Kunstausstellung, Bagdad 1980er Jahre. Pressefoto 27. Daoud Salmans Ölgemälde „Das Volk ist ungebrochen“ 1975. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, Foto: W. Sommerfeld, Berlin 28. Günther Rechn, „Selbst mit Tuch“ 1980. © Günther Rechn 29. Christian Heinze, „Palästinensische Mädchen“ Mischtechnik auf Leinwand, 1980. © Christian Heinze 30. Christian Heinze, „Nach einem Terrorangriff “ Mischtechnik auf Leinwand, 1980. Ehemals in der Sammlung des Bezirksmuseum Potsdam. © Christian Heinze 31. Inji Aflatoun in jungen Jahren. Mathaf Encyclopedia of Modern Art and the Arab World, Doha
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ISBN 978-3-515-11722-7
akademien sollten bei der inneren Formierung der jungen Nationen des Globalen Südens eine wichtige Rolle spielen. Im Zentrum der Studie stehen die kulturpolitischen Beziehungen der DDR zu Syrien, dem Irak, Palästina, Äthiopien, Angola und Mosambik. Auf welche Weise leistete Kunst aus der DDR einen Beitrag zum sozialistischen Nation Building in diesen Ländern? Gab es einen nennenswerten Transfer von Künstlern, Wissenschaftlern und Artefakten? Und wie erfolgreich war diese Kooperation tatsächlich?
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