Mittler, Macher, Protestierer: Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung 9783868598056, 9783868594423

The classical representative-democratic system that guarantees everyone the opportunity to participate has been coming u

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German Pages [129] Year 2016

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Table of contents :
Inhalt
Verzeichnis der Abbildungen
Verzeichnis der Textboxen
Vorwort
Abstract
Einführung: Worum es uns geht
Annäherungen: Intermediäre Akteursvielfalt im Wandel von Stadt und Demokratie
Intermediäre Akteure in der Governance- Arena: Herausforderung und Chance für die lokale Demokratie
Resümee: Erste Konturen und offene Enden
Bibliografie
Zu den Autoren
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Mittler, Macher, Protestierer: Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung
 9783868598056, 9783868594423

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Mittler, Macher, Protestierer

MITTLER, MACHER, PROTESTIERER Sebastian Beck, Olaf Schnur

Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

© 2016 by Jovis Verlag GmbH Das Copyright für den Text liegt beim vhw und bei den Autoren. Alle Rechte vorbehalten. Herausgeber: vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V. Vorstand: Prof. Dr. Jürgen Aring Fritschestraße 27/28, 10585 Berlin Telefon: 030 39 04 73-0, Fax: 030 39 04 73-190 www.vhw.de [email protected] Autoren: Sebastian Beck, Olaf Schnur unter Mitarbeit von Jürgen Aring Beratende Experten-Kommission (2015): Jens S. Dangschat, Heiko Geiling, Bettina Kiehn, Ute Kumpf, Dirk Lange, Stephan Reiß-Schmidt, Gary Schaal, Gunnar Folke Schuppert, Inga Wellmann Interne Beratung im vhw durch: vhw-Verbandsrat, vhw-Kuratorium, vhw-Bereichsleitung Forschung (Bernd Hallenberg) Gestaltung und Satz: DCM Druck Center Meckenheim GmbH Druck und Bindung: Graspo CZ a.s., Zlín Titelbild: Christoph J Kellner // studio animanova Animation / Illustration / Graphic Recording Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Jovis Verlag GmbH Kurfürstenstraße 15/16 10785 Berlin www.jovis.de ISBN 978-3-86859-442-3

Inhalt

Inhalt Verzeichnis der Abbildungen............................ 9 Verzeichnis der Textboxen................................ 10 Vorwort............................................................... 11 Abstract.............................................................. 15 Einführung: Worum es uns geht....................... 19 Die Welt der Intermediären – zwischen Parlament, Facebook und Hinterzimmer....... 20 Intermediäre Akteure: Katalysatoren im System.......... 22 Definition: Was verstehen wir unter Intermediären?... 23 Unser Erkenntnisinteresse: Vielfalt kennenlernen, Mechanismen verstehen, Wirkungen einschätzen........ 25 Die Form: Warum gerade ein Debattenbuch?............... 29 Zum Aufbau des Debattenbuchs.................................... 32

Annäherungen: Intermediäre Akteursvielfalt im Wandel von Stadt und Demokratie............. 34 Der intermediäre Kosmos: Hintergründe....................... 34 Flexibilisierungen: Wirtschaft, Gesellschaft und Stadt im 21. Jahrhundert............................................................. 34 Individualisierungen: Von der Moderne zur Postmoderne.... 36 Vernetzungen und Aushandlungen: Neue urbane Regelungs- und Steuerungslogiken................ 38

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Navigationshilfe: Eine erste Typologie der Intermediären......................... 41 Die Klassischen Intermediären: Etablierte Vermittler unter Druck......................................... 42 Die Neo-Intermediären: Urbane Macher und Koproduzenten................................... 45 Die Para-Intermediären: Urbane Player ohne Bürgerbasis..... 52 Exkurs: Intermediäre Varianten...................................... 55 Hybrid- und Meta-Intermediäre?......................................... 55 Medien als Intermediäre?.................................................... 56 Intermediäre Praxis von Parlamenten und Räten?................ 57 Intermediäre Kultur?........................................................... 58 Zwischenfazit................................................................... 59 6

Synopse: Intermediäre Typen im Vergleich........................... 59 Intermediäre Typen und ihre Netzwerkpositionen................ 61

Intermediäre Akteure in der GovernanceArena: Herausforderung und Chance für die lokale Demokratie................................. 64 Aushandeln und Kommunizieren: Intermediäre als Ressourcenträger und Verhandlungspartner................. 65 Ökonomisches Kapital: Von Stiftungskapital bis zu intermediärem Crowdfunding............................................. 67 Kulturelles Kapital: Intermediäres Know‑how und Kommunikation................... 68 Soziales Kapital: Intermediäre Vernetzung und die Wirkung der Community .................................................................. 74 Inklusion als Herausforderung............................................. 77

Inhalt

Regeln entwickeln: Ein gemeinsamer Verhaltenskodex für eine Kooperation mit Intermediären?.......................................................... 79 „Gelsenkirchener Flachglasurteil“ & Co.: Bereits existierende Verfahren der Interesseneinbindung................. 79 Ein Ansatz für neue Verfahrensregeln? Das Compliance‑Prinzip...................................................... 82 Wer soll ins Boot – und nach welchen Regeln wird gerudert?............................................................................ 83 Zwischenfazit: Warum ist die Kooperation zwischen Kommunen und Intermediären gewinnbringend?............... 89 Repräsentieren und legitimieren: Wer darf wen mit welcher Berechtigung vertreten?............................ 92 Koproduktion und Repräsentation: Feine Unterschiede....... 93 Intermediäre als Vertrauenspartner? Spielarten von Legitimation, Repräsentation und Artikulation..................... 98 Zwischen Repräsentativität und Repräsentanz: Das Machtgefüge von Intermediären und Politik........................ 101 Repräsentations- und Inklusionscheck: Schritte zur Synergie?......................................................... 104 Zwischenfazit: Vom Konflikt zur Steuerungsfrage................ 106 Gemeinwohl gewährleisten: Gemeinsam mit denen dazwischen?................................................... 107 Gemeinwohlkonkretisierung: Ein Prozess............................ 107 Gemeinwohllogiken: Selbstverpflichtung versus Aushandlung.............................. 109 Zwischenfazit: Der Weg ist das Ziel..................................... 113

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Resümee: Erste Konturen und offene Enden... 115 Wie weit sind wir gekommen? Eine kurze Zusammenfassung........................................ 115 Offene Enden................................................................... 118 Brauchen wir mehr empirisches und theoretisches Wissen?. 118 Brauchen wir mehr diskursive Praxis und Praxiswissen?....... 120

Bibliografie......................................................... 123 Zu den Autoren.................................................. 128

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Verzeichnis der Abbildungen

Verzeichnis der Abbildungen Abbildung 1:

Intermediäre in den Arenen der klassischen lokalen Demokratie und der Local/Urban Governance............................................... 21

Abbildung 2:

Intermediäre im Kräftedreieck von Kommunal­politik/-verwaltung, lokaler Wirtschaft und Bürgerschaft...................... 23

Abbildung 3:

Der intermediäre Kosmos........................... 25

Abbildung 4:

Intermediäre – eine Debatte, viele Perspektiven.............................................. 31

Abbildung 5:

Beispiele für Klassische Intermediäre.......... 43

Abbildung 6:

Beispiele für Neo-Intermediäre................... 46

Abbildung 7:

Beispiele für Para-Intermediäre................... 54

Abbildung 8:

Synopse der intermediären Typen............... 60

Abbildung 9:

Intermediäre Typen als Vermittlerinnen und Vermittler zwischen Kommune und Zivilgesellschaft.......................................... 62

Abbildung 10: Intermediäre Typen als Koproduzenten von Stadt in einem hierarchiearmen Akteursnetzwerk....................................... 63

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Verzeichnis der Textboxen Textbox 1:

Dimensionen zur Bewertung intermediärer Akteure......................................................... 27

Textbox 2:

Bezug der Intermediären-Debatte zu anderen Diskursen...................................................... 29

Textbox 3:

Urbane Regime.............................................. 39

Textbox 4:

Von „Digital Natives“, „Millennials“ und der „Generation Y“................................ 47

Textbox 5:

Neue Kommunikationstechnologien – neue Möglichkeiten....................................... 49

Textbox 6:

Beispiel Hamburger Elbinseln – kulturelles Kapital als Ressource in Koproduktionsprozessen................................ 71

10 Textbox 7:

Beispiel Hamburger Elbinseln – selektiver Inner Circle.................................................... 76

Textbox 8:

Gruppenübergreifende Netzwerke................. 77

Textbox 9:

Potenziale des Protests – der Mehrwert des „demokratischen Moments“......................... 90

Textbox 10: Von der formellen Pflicht zur informellen Lust auf Beteiligung – ein Verschiebebahnhof....... 97 Textbox 11: Representative Claim versus Impact Claim...... 100 Textbox 12: Alternative Gemeinwohllogiken..................... 108

Vorwort

Vorwort Als vhw-Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung verstehen wir uns auch als Denkfabrik für urbane Prozesse, lokale Demokratie und kommunale Alltagspraxis. Wir möchten dazu mit diesem Text eine neue Debatte anstoßen: Im Kern unserer Aufmerksamkeit steht mit den „Intermediären“ ein wichtiger Baustein demokratischer Politikgestaltung. Warum „Intermediäre“? Aus unserer Forschungspraxis wissen wir, dass Intermediarität heute eine ganz neue Aktualität aufweist: Sowohl in unserer Arbeit an deliberativen Dialogprojekten im Rahmen unseres Städtenetzwerks zur Stärkung der lokalen Demokratie als auch in Gesprächen mit kooperierenden kommunalen Akteuren sind wir immer wieder auf diejenigen gestoßen, die zwischen Poli­ tik/Verwaltung, Wirtschaft und den Bürgerinnen und Bürgern vermitteln und/oder als Netzwerkakteure in flachen Hierarchien wirken. Das überrascht nicht, denn viele Stadtentwicklungsprojekte werden in lokalen Governance-Prozessen erörtert und ausgehandelt, bevor die Ergebnisse an repräsentativ-demokratisch legitimierte Entscheidungsprozesse zurückgebunden werden. Wer bei „Intermediären“ spontan an „Mittler“, „Macher“ und „Protestierer“ denkt, weiß bereits in etwa, auf wen wir schauen. Doch was wissen wir jenseits solcher plakativer Begriffe über die Intermediären und was interessiert uns an ihrer (möglichen) Rolle in der lokalen Demokratie? Als vhw hatten wir zunächst den Blick auf sie gerichtet, weil wir in ihnen potenzielle Brückenbauer zu schwer erreichbaren Teilen der Stadtgesellschaft sahen und hofften, sie für inklusive demokratische Ziele in deliberativen Beteiligungsprozessen gewinnen zu können. Je länger wir uns mit ihnen und ihrem gesellschaftlichen und politischen Kontext beschäftigten, desto deutlicher wurde

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

uns die Verkürzung einer solchen instrumentellen Perspektive. Mit der Ausweitung unseres Blicks über die intensivierte Beteiligung in repräsentativ-demokratischen Prozessen (insbesondere deliberative Dialoge) hinaus auf die scheinbaren Parallelwelten lokaler politischer Aushandlung, das heißt auf Local Governance, veränderte sich auch die Perspektive auf die Intermediären. Wir erkannten, dass wir nicht nur das demokratische Potenzial der Intermediären sondern auch die Demokratisierung von Local Governance in den Fokus nehmen sollten. Unser Anspruch geht dahin, dass die neuen Aushandlungsformen als integrierter legitimierter Teil eines inklusiveren repräsentativ-demokratischen Systems gesehen werden können. Dieses Verständnis hat in diesem Buch unsere Sichtweise auf die Intermediären, ihre Rolle und ihre Systemeinbettung bestimmt.

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Für die Ausarbeitung unserer Überlegungen haben wir den Weg eines Debattenbuchs gewählt. Ein Debattenbuch ist kurz, prägnant und leicht zugänglich. Wir wollten mit diesem Debattenbuch in erster Linie einen pointierten, praxistauglichen Text zur Diskussion stellen. Deshalb haben wir – anders als in wissenschaftlichen Texten üblich – auf umfangreiche Literaturverweise und Fußnoten verzichtet und auch nicht jeden Diskussionsstrang aufgegriffen. Ein gelungenes Debattenbuch steckt das Begriffsfeld für die Debatte ab und diskutiert wichtige Fragen aus dem Alltag der Beteiligten. Es schlägt sozusagen die Brücke zwischen Theorie und Praxis. Das Debattenbuch ist in zwei großen Arbeitsphasen entstanden. Im Jahr 2015 haben wir eine Kommission aus Verwaltungsfachleuten, Personen, die in Initiativen arbeiten und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eingeladen, die mit uns in vielen Sitzungen und Textentwürfen um den Kern der Debatte gerungen hat. Die vielfältigen, fachkundigen Perspektiven sind in einen Entwurf für

Vorwort

das Debattenbuch eingeflossen, den wir zu unserem Verbands­ tag im November 2015 vorlegen konnten. Den Kommissionsmit­ gliedern – Prof. Dr. Jens Dangschat, Prof. Dr. Heiko Geiling, Bettina Kiehn, Ute Kumpf, Prof. Dr. Dirk Lange, Stephan Reiß-Schmidt, Prof. Dr. Gary Schaal, Prof. Dr. Gunnar Folke Schuppert und Inga Wellmann – danke ich ganz herzlich für ihr Engagement! In einer zweiten Phase haben wir dann den Entwurf des Debattenbuchs zur Diskussion gestellt: im vhw-Kuratorium, im vhw-Verbandsrat, auf dem vhw-Verbandstag, in vielen Einzelgesprächen und natürlich auch in Diskussionen, allen voran mit Sebastian Beck, Olaf Schnur und Bernd Hallenberg. Das Ergebnis ist die nun vorliegende Version des Debattenbuchs, die der Jovis Verlag freundlicherweise in sein Programm aufgenommen hat. Es versteht sich von selbst, dass ein Debattenbuch wie dieses nicht immer die Auffassungen aller beteiligten Expertinnen und Experten repräsentieren kann – das war auch nicht das Ziel. Für die aus den Diskussionen gewonnenen, verworfenen oder veränderten Argumente und Schwerpunktsetzungen stehen allein die Autoren und der vhw in der Verantwortung. Wir möchten Sie hiermit herzlich einladen! Unser Debattenbuch lässt Raum für Interpretation, Weiterentwicklung, Ergänzung und Widerspruch. Wir freuen uns deshalb, wenn Sie mit uns den Dia­ log suchen. Wir freuen uns noch mehr, wenn Sie auch in Ihren Netzwerken unsere Impulse aufgreifen und die Fäden weiterspinnen. Angesichts der aktuellen städtischen Herausforderungen wäre eine breite, vielfältige Debatte das Beste, was uns passieren kann! Berlin, im Oktober 2016 Prof. Dr. Jürgen Aring, Vorstand des vhw

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Abstract

Abstract 1. Das Debattenbuch „Mittler, Macher, Protestierer – Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung“ reiht sich als ein Baustein in die breit angelegte Arbeit des vhw zur Stärkung der lokalen Demokratie und der sozialen Kohäsion in den Städten und Gemeinden ein und macht diese anschlussfähig an die Diskussion um Urban Governance. Um das in der Stadtentwicklung seit langem gebräuchliche Konzept der „Intermediären“ für die heutige Zeit fruchtbar zu machen, wird es in diesem Debattenbuch aufgebohrt, weiterentwickelt und für die aktuellen Anforderungen in der Stadtentwicklung aufbereitet. Verschiedene inter- und transdisziplinäre Blickwinkel aus Theorie und Praxis bieten Reibungsflächen, provozieren Differenzen, laden aber auch zum gegenseitigen Verstehen und Lernen ein. 2. Was verstehen wir unter „Intermediären“? Unter intermediären Akteuren – oder auch kurz „Intermediären“ – verstehen wir Vermittler zwischen Politik/Verwaltung, Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürgern und/oder aktive Koproduzenten von Stadt in variierenden Akteursnetzwerken. In ihrer Rolle als Vertreterinnen und Vertreter vielfältiger formeller oder informeller Organisationen interagieren sie zwischen poli­ tischen, verwaltungstechnischen, ökonomischen und sozialen Sphären und deren Handlungslogiken. Sie bewegen sich also in „intermediären“ Positionen und nutzen diese für ihre Zwecke. Je nach Hintergrund vertreten sie zum Beispiel ein langfristiges Gemeinwohlinteresse, kurz- und mittelfristige Belange engagierter Gruppen von Bürgerinnen und Bürgern oder auch Verwertungsziele privatwirtschaftlicher Akteure in der Stadt­entwicklung. Intermediäre Akteure können in der Regel auf spezifische Ressourcen zurückgreifen, die sie als

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Netzwerkpartner auszeichnen und die für eine gelingende Koproduktion von Stadt relevant sind.

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3. Worum genau geht es uns? Wir gehen mit diesem Debattenbuch der Grundfrage nach, wie die Interessen der Bürgerinnen und Bürger bei Stadtentwicklungsthemen heute wieder stärker Eingang in demokratische Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse finden könnten. Anders als üblich wird hier nicht die klassische repräsentative Demokratie auf „Systemfehler“ untersucht, sondern die Akteursgruppe der Intermediären in den Mittelpunkt gerückt. Wir halten ihre Rolle als Akteure im Bereich demokratischer Teilhabe und urbaner Regulation für zentral. Im Debattenbuch werden – wohl wissend, dass es auf allen Seiten auch Befürchtungen im Hinblick auf die Kooperation zwischen Kommunen, anderen Akteuren und „Mittlern, Machern und Protestierern“ gibt – bewusst die Potenziale von Intermediarität herausgestellt. 4. Um Intermediäre als dynamisch wachsende Akteursgruppe besser einordnen zu können, müssen wir die neuen Rahmenbedingungen der Stadtentwicklung im Auge behalten: Neben dem Regieren in der klassischen Demokratie („Government“) gibt es immer mehr „postmoderne“ Regelungsund Steuerungsformen, die jenseits und im Austausch mit dieser Sphäre entstehen und ihre Wirkung entfalten („Governance“). In dieser Governance-Arena tummeln sich vielfältige Akteure, unter anderem aus dem intermediären Bereich, die mit dem klassischen System der repräsentativen Demokratie unterschiedlich stark verflochten sind. 5. Als Navigationshilfe für den „intermediären Kosmos“ wurde für das Debattenbuch eine erste Typologie entwickelt. Wir

Abstract

unter­scheiden zwischen Klassischen Intermediären (zum Beispiel Parteien, Gewerkschaften), Neo-Inter­mediären (zum Beispiel sozialen Bewegungen, Social-Media-basierte Initiativen) und Para-Intermediären (zum Beispiel kommerziellen Urban Labs oder Think Tanks). Sie alle arbeiten mit jeweils unterschiedlichen Motiven, Handlungslogiken und Ressourcen in den hori­zontalen Netzwerken der ­Governance-Arena, aber zum Teil auch in vertikal-hierarchischen Beziehungen zur klassischen repräsentativen Demokratie. Es finden sich auch neuartige Intermediäre, die eigenständige Referenzrahmen setzen und sich unter anderem mit Hilfe von Social Media flexibel organisieren können. 6. Unseres Erachtens lohnt sich das Verhandeln und Aushandeln mit intermediären Akteuren als Trägern von Ressourcen (nämlich ökonomischem, kulturellem und sozialem Kapital) im Sinne einer qualitätsvollen lokalen Demokratie. Es bleibt jedoch eine offene Frage, wie zwischen Government und Governance Kooperationen verschiedenster, auch ­neuer intermediärer Akteure so gut gelingen können, dass die damit verbundenen Herausforderungen einen Mehrwert für alle beinhalten könnten. Klar ist, dass ein Erfolg von den jeweiligen Governance-Konstellationen und Ressourcenverteilungen, aber auch von Haltungen und vom Umgang miteinander abhängen wird. Dafür sind klare Verfahrens­ regeln sinnvoll, die von den Beteiligten eingehalten werden (Compliance), wie auch ein gemeinsamer Verhaltenskodex (code of conduct). Erste Ansätze dazu werden im Debattenbuch skizziert. 7. Bei Interessendivergenzen kann die Zusammenarbeit zwischen kommunalen Akteuren und Intermediären schnell problematisch werden: Die eben noch als Mittler und Macher

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Auftretenden erscheinen dann plötzlich als Protestierer. In solchen Konfliktsituationen werden oft die Konzepte der Repräsentation und des Gemeinwohls herangezogen und als Kampfbegriffe missbraucht. Im Debattenbuch wird deshalb zwischen der Repräsentanz gewählter Politikerinnen und Politiker und der interessenbezogenen, zielgruppenspezifischen Repräsentativität von intermediären Sprecherinnen und Sprechern unterschieden, was unterschiedliche Handlungslogiken der Akteure erklärt. Es wird betont, dass ein Verständnis von Gemeinwohl als diskursiver Prozess zielführend ist und der Einfluss Intermediärer auch hier von Vorteil sein kann.

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8. Vorläufiges Fazit: Der potenzielle Beitrag Intermediärer zu einer inklusiven Stadtgesellschaft ist – je nach Governance-Konstellation und Typus – unterschiedlich zu bewerten. Festzuhalten bleibt, dass sich durch bestimmte Akteure und Kooperationen bemerkenswerte Potenziale für mehr Teilhabe ergeben können. Voraussetzung dafür ist es jedoch, dass neue Aushandlungsformen zwischen den verschiedenen Akteuren und Intermediären nicht auf Dauer „im Hinterzimmer“ ablaufen, sondern als integrierter, legitimierter Teil eines inklusiveren repräsentativ-demokratischen Systems gedacht werden können. Es muss also auch um die weitergehende Frage einer „Demokratisierung von Governance“ gehen. 9. Das Debattenbuch stellt eine Momentaufnahme des derzeitigen Diskussionsstands dar. Ziel ist es, den öffentlichen Diskurs auf das Thema zu lenken und eine Debatte zu den Intermediären und damit verbundenen neuen Governance-Formen anzustoßen. In weiteren Schritten sollen Anregungen aufgegriffen, Dialoge gesucht und die Wissensbasis ausgebaut werden.

Einführung: Worum es uns geht

Einführung: Worum es uns geht Sie begegnet uns auf Schritt und Tritt in vielen Artikeln und Berichten, die „Krise der Parteiendemokratie“, die „ermattete Demokratie“ oder die „Volksherrschaft ohne Volk“. Diskussionen über geringe Wahlbeteiligungen, Parteien- und Politikerverdrossenheit begleiten seit vielen Jahren die politische Berichterstattung. Unser klassisches, repräsentativ-demokratisches System, das allen Bürgerinnen und Bürgern Beteiligungschancen garantiert, ist unter Druck geraten – manche Experten diagnostizieren ihm sogar eine schleichende Erosion. Seine soziale Reichweite bleibt zunehmend auf die Mittelschicht beschränkt, während Verbesserungsbemühungen inner­halb des Systems an enge Grenzen stoßen. In diesem Debattenbuch möchten wir uns deshalb einer simplen Frage widmen, die sich angesichts veränderter Rahmenbedingungen als äußerst vielschichtig erweist: Wie können wir dafür sorgen, dass die Interessen der Bürgerinnen und Bürger bei Stadt­ entwicklungsthemen heute wieder stärker Eingang in demokratische Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse finden? Wir sind davon überzeugt, dass wir nur dann weiterführende Antworten finden werden, wenn wir versuchen, über das vermeintlich krisenhafte System hinauszudenken – um es am Ende zu stärken. Ein Potenzial, so meinen wir, könnte in einer Akteursgruppe liegen, die zwischen allen Ebenen wirkt – also vermittelt, gestaltet, kommuniziert: den Intermediären.

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Die Welt der Intermediären – zwischen Parlament, Facebook und Hinterzimmer

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Um die (intermediäre) Akteurslandschaft zu verstehen, ist es wichtig, die elementaren sozialen und ökonomischen Veränderungen mitzudenken, mit denen wir aktuell leben und die auf die politische Sphäre einwirken. Eine zentrale Erkenntnis ist: Stadtentwicklung wird immer mehr auch außerhalb des klassischen demokratischen Systems gemacht, also nicht nur in den Parlamenten, sondern an Runden Tischen, in Hinterzimmern, in Facebook-Gruppen, Denksalons oder beim Business Lunch. In einer unübersichtlichen Gemengelage mit oft geringen Wahlbeteiligungen, formellen und informellen Partizipationsverfahren, diversifizierten Interessenlagen einer pluralisierten Gesellschaft und ökonomischem Wettbewerb entstehen Interaktionen, Netzwerke und offene oder verdeckte Kommunikationsräume. Prozesse und Regeln werden kreativ genutzt, Legitimitäten neu interpretiert. Es bilden sich „Parallelwelten“ zu unserem institutionalisierten politischen Entscheidungssystem heraus, die von Expertinnen und Experten gerne mit dem „Zauberwort Governance“ (Gunnar Folke Schuppert) umschrieben werden – je nach Kontext auch als Local oder Urban Governance. Auch wenn vielfach der gesamte Regelungsbereich (also auch der staatliche) als Teil von Governance in einem erweiterten Sinn bezeichnet wird, sprechen wir hier der analytischen Unterscheidbarkeit wegen von einer eigenen Governance-Arena (vgl. Abbildung 1).

Einführung: Worum es uns geht

Klassische lokale Demokratie – vertikale Logik – Kommunale Institutionen der Exekutive und Judikative des 1. Sektors

„Parlamentarische“ Debatte und Entscheidung durch kommunale Räte „Vorparlamentarische“ Diskussion und Vermittlung u. a. durch Intermediäre (z. B. Parteien) Elemente direktdemokratischer Prozesse u. a. durch Intermediäre

Vielfältige Abhängigkeiten, Interaktionen und Überschneidungen

Abbildung 1: Intermediäre in den Arenen der klassischen lokalen Demokratie und der Local/Urban Governance Local/Urban Governance – horizontale Logik – Organisationen und Netzwerke des 2. und 3. Sektors

Außerparlamentarische Aushandlung Koproduktion von Stadt („Machen“), vielfältige Organisation von „Capacity“ (Bündelung von Ressourcen, Schaffung von Handlungsspielräumen) u. a. durch Intermediäre, Privatwirtschaft

Quelle: eigene Darstellung, vhw 2016

Diese „Parallelwelt“ mag einerseits ziemlich autonom sein, andererseits ist sie aber doch eng mit der klassischen Demokratie verflochten, das heißt sie funktioniert ohne deren exekutive und legitimierende Instanzen nicht. Inzwischen ist es vielfach auch umgekehrt, denn die finanzschwachen Institutionen des klassischen Systems benötigen privates Kapital und den Rückenwind der Zivilgesellschaft. Es gibt es also noch, das lehrbuchhafte Regieren in der klassischen Demokratie (Government, Erster Sektor). Jedoch existieren auch neue Regelungs- und Steuerungsformen, die jenseits und im Austausch mit dieser Sphäre entstehen und ihre Wirkung entfalten (siehe Abbildung 1).

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Und die Governance-Arena wächst. In ihr tummeln sich vielfältige Akteure aus dem Zweiten Sektor, der Privatwirtschaft, und aus dem Dritten Sektor, der Zivilgesellschaft. Manche sind fest mit dem politischen System verbunden, manche bewegen sich zwischen den formalen und informellen Sphären, andere wiederum gänzlich außerhalb des direkten Einflussbereichs der klassischen demokratischen Institutionen.

Intermediäre Akteure: Katalysatoren im System

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Während viele der Protagonisten im politischen Feld Einzelakteure sind (wie zum Beispiel Unternehmen), stehen andere als mehr oder weniger organisierte Netzwerke zwischen den Bürgerinnen und Bürgern, der Wirtschaft und der Politik – also in einem intermediären Bereich (siehe Abbildung 2). Mitteln, Machen und – laut oder leise – Protestieren gehen bei ihnen oft Hand in Hand. Diese Intermediären halten wir für besonders wichtig, weil sie häufig Bürgerinteressen vertreten und vermitteln – vertikal in die klassische lokale Demokratie oder horizontal als Koproduzenten in Governance-Netzwerken. Auch wenn intermediäre Akteure nicht selten anecken, Missverständnisse und Konflikte produzieren, stellen sie doch Katalysatoren in einem komplexen stadtpolitischen Entscheidungssystem dar, indem sie Kapazitäten bündeln und damit Projekte oder das Erreichen von Stadtentwicklungszielen erst ermöglichen. Was man aus der einen Perspektive als Bedrohung für die klassische Demokratie empfinden kann, wird aus einem anderen Blickwinkel zu einer Chance. Deshalb ist es relevant, genau diesen weiten Bereich der Intermediarität auszuloten: Es geht uns konkret um

Einführung: Worum es uns geht

die Frage, inwieweit die neue intermediäre Akteursvielfalt dazu beitragen könnte, demokratische Qualitäten in der Stadtentwicklung zu stärken. Abbildung 2: Intermediäre im Kräftedreieck von Kommunal­ politik/-verwaltung, lokaler Wirtschaft und Bürgerschaft Genehmigung, Kontrolle Public Private Partnership

Bürger/ Bewohner/ Nachbarn

ter Co -Nach rpo f rat rager eC itiz Bezie h ens hip ung

hl Wa ip che zensh atis ti okr n, Ci dem patio tizi

Par

Intermediäre Akteure

bie

Mitteln, Machen, Protestieren …

Lokale Wirtschaft

An

Kommunalpolitik/ Verwaltung

Quelle: eigene Darstellung, vhw 2016

Definition: Was verstehen wir unter Intermediären? Zu Beginn möchten wir uns darüber verständigen, wer genau die Intermediären sind. Ein klassischer Intermediär wäre zum Beispiel eine Partei, die – via Ortsverein nah am Volk – Bürgerinteressen über Delegierte aus dem vorparlamentarischen Raum „nach oben“ transportiert (und umgekehrt). Ein Intermediär neuer Art wäre etwa ein netzwerkartiges Mieterbündnis, das versucht, sich außerparlamentarisch – zum Beispiel mit Hilfe von sozialen Medi-

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

en – zu organisieren und Strategien zu entwickeln, um sein Interesse durchzusetzen. Doch jenseits dieser beiden Beispiele ist die Vielfalt der Intermediären enorm. Deshalb schlagen wir folgende allgemeine Arbeitsdefinition zur Akteursgruppe der Intermediären im kommunalpolitischen Kontext vor:

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Intermediäre Akteure – oder auch kurz Intermediäre – sind Vermittler zwischen Politik/Verwaltung, Wirtschaft und ­Bürgerinnen und Bürgern und/oder aktive Koproduzenten von Stadt in variierenden Akteursnetzwerken. In ihrer Rolle als Vertreterinnen und Vertreter vielfältiger formeller oder informeller Organisationen interagieren sie zwischen politischen, verwaltungstechnischen, ökonomischen und sozialen Sphären und deren Handlungslogiken. Sie bewegen sich also in intermediären Positionen und nutzen diese für ihre Zwecke. Je nach Hintergrund vertreten sie zum Beispiel ein langfristiges Gemeinwohlinteresse, kurz- und mittelfristige Belange engagierter Gruppen von Bürgerinnen und Bürgern oder auch Verwertungsziele privatwirtschaftlicher Akteure in der Stadtentwicklung. Intermediäre Akteure können in der Regel auf spezifische Ressourcen zurückgreifen, die sie als Netzwerkpartner auszeichnen und die für eine ­gelingende Koproduktion von Stadt relevant sind. Wenn es mittelfristig gelänge, die Sphären der klassischen Demokratie und der Local Governance über intermediäre Akteure systematischer miteinander zu verknüpfen, könnte dies neue Kanäle öffnen, über die Bürgerinteressen wieder stärker in die politischen Entscheidungen Eingang finden. Somit könnten viele intermediäre Akteure einen wertvollen Beitrag zu einer „inklusiveren“ Stadt­ entwicklung leisten. Intermediäre Akteure besser verstehen zu lernen, ist deshalb ein enorm wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer fairen, kommunikativen Demokratie.

Einführung: Worum es uns geht

Proteste Skepsis

Partner

Neue Akteure

Kommunale Ebene

Zielgruppen-Reichweite

Formell

Bruchstückartiger Forschungsstand

Politik

Inner-Circle Deutungshoheiten

Intermediäre Akteure

Kommunikation Konflikte

Traditionelle Intermediäre Faire kommunikative Demokratie

Intermediäres Feld

Dialogische-Qualität

Governance

Para-Intermediäre

Gemeinwohl

Abbildung 3: Der intermediäre Kosmos

Transformationsprozess

Multiple Demokratie Initiierende

Bürger

Verwaltung

Lebenswelten

Konkurrenz

Berechenbarkeit

Blockaden

Einbindungsstrukturen

Verunsicherung Urbanismus-Diskurs Planungsprozesse

Vermittlung

Koproduktion Netzwerke

Akteurs-Aquarium

Kommunikationslandschaft

Code-of-Conduct

Informell

Verlässlichkeit Machtbeziehungen

Bürgerinnen

Stadtentwicklungsprozesse

Repräsentation

Medien Vernetzung Aktiv-Gestaltende Zivilgesellschaft

Parallel-Demokratie Intermediärer Konsens

Legitimität

Innovation Compliance Vielfalt der Stadtgesellschaft Urbane Regime Neo-Intermediäre Aushandlungsprozesse Lernprozesse Partikularinteressen

Quelle: eigene Darstellung, vhw 2016

Unser Erkenntnisinteresse: Vielfalt kennenlernen, Mechanismen verstehen, Wirkungen einschätzen Mit dem Debattenbuch verfolgen wir ein dreifaches Erkenntnis­ interesse: •

Erstens wollen wir intermediäre Akteure besser verstehen und kennenlernen. Wer also sind die Akteure, die sich in die Diskurse ein- und dazwischenschalten? Welche neuen Typen und Varianten entstehen? Was ist aus den klassischen Vermittlerinnen und Vermittlern geworden? Wie hat sich die Kommunikation zwischen den Akteuren verändert?

• Zweitens interessiert uns die Praxis der flexiblen Aushandlung im Wechselspiel von Governance- und klassisch-parla-

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

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mentarischen Sphären. Wir möchten herausfinden, inwieweit Bürgerinteressen in verschiedene Entscheidungsbereiche diffundieren. Es geht um die Wirkungsmöglichkeiten von Intermediären im Hinblick auf die lokale Demokratie: Welche Rolle spielen also die Intermediären in einer Demokratie, die in ihrem Grundansatz repräsentativ angelegt ist und gleichzeitig einer Governance-Arena mit anderen Handlungslogiken gegenübersteht? Haben unterschiedliche Typen von intermediären Akteuren unterschiedliches Gewicht? Inwieweit verschieben sich tradierte Relationen zwischen den Akteuren? Welche neuen Handlungsspielräume oder -restriktionen ergeben sich aus den neuen Konstellationen für die Beteiligten? Inwieweit können Intermediäre helfen, die Reichweite und dialogische Qualität lokaler Demokratie zu stärken? An welchen Stellen bringen Intermediäre Risiken für die Entwicklung der lokalen Demokratie mit sich? • Drittens möchten wir auch eruieren, ob und inwieweit Intermediäre den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Können Intermediäre angesichts der neuen Möglichkeiten der Kommunikation und der Selbstorganisation soziale Innovationen bewirken? Um intermediäre Akteure im Hinblick auf die lokale Demokratie einordnen zu können, sind verschiedene Bewertungsdimensionen denkbar. Einige dieser Dimensionen werden wir in diesem Debattenbuch bereits diskutieren, andere wiederum bedürfen zunächst weiterer Forschung (Textbox 1).

Einführung: Worum es uns geht

Textbox 1: Dimensionen zur Bewertung intermediärer Akteure (1) Beitrag zur Inklusion: Inwieweit lassen sich die vielfältigen sozialen Gruppen vor Ort über Intermediäre einbinden? Inwieweit finden Bürgerinnen und Bürger, die sich ansonsten wenig beteiligen, über Intermediäre einen Zugang zur lokalen Politik? (2) Qualität der Repräsentation und Legitimation: Inwieweit werden die intermediären Akteure selbst als verlässliche und legitime Partner anerkannt, denen seitens Politik, Verwaltung oder Zivilgesellschaft auch Vertrauen entgegengebracht wird? (3) Beitrag zur Qualität von Dialogen: Gibt es auf Seiten der Intermediären Innovationspotenziale, lokales Know-how und konzeptionelle Ressourcen, um Beteiligungsprozesse zu initiieren und/oder zu verbessern? (4) Output von Aushandlungsprozessen: Entstehen durch die Mitwirkung von Intermediären konkrete Produkte oder steigt deren Qualität (zum Beispiel Bürgergutachten)? (5) Beitrag zur Verbesserung der politischen Entscheidungsund Dialogkultur: Inwieweit lassen sich andere Akteure (zum Beispiel von der kommunalpolitischen Ebene) auf intermediären Input ein? Werden ausgehandelte Ergebnisse eher als üblich in die Institutionen der klassischen Demokratie eingebracht und umgesetzt? (6) Beitrag zur Gemeinwohlorientierung: Wird durch intermediäre Akteure eher als sonst ein co-kreativer Prozess ermöglicht, bei dem Entwicklungsperspektiven diskutiert und mit Blick auf das Gemeinwohl geprüft werden?

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

(7) Beitrag zum Capacity Building: Welche Ressourcen bringen intermediäre Akteure in Stadtentwicklungsprozesse ein? Wie gut tragen sie zu deren Bündelung und Organisation bei? Welche neuen Handlungsspielräume können sie erschließen?

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Unsere These: Eine höhere Akzeptanz und verstärkte Einbindung von intermediären Akteuren in Stadtentwicklungsprozesse dürften mehr Chancen als Risiken für die Kommunalpolitik und die demokratische Stadtentwicklung mit sich bringen. Intermediäre und Kommunen können als Partner auftreten und als ein Korrektiv am Runden Tisch der oft auch durch privatwirtschaftliche Akteure geprägten Urban Governance fungieren. Auch oder gerade in Fällen, in denen intermediäre Protestierer drohen, Prozesse zu blockieren, ergeben sich Chancen auf eine demokratische Aushandlung und einen alternativen, nachhaltigeren Entwicklungsprozess. Zweifellos bedarf es hierfür jedoch eines gestärkten Vertrauens in „horizontale“ Dialoge abseits des klassischen demokratischen Systems und entsprechender Aushandlungsformen. Inwieweit die Ängste, dadurch die Sphäre der klassischen Demokratie Stück für Stück zu destabilisieren, begründet sind, kann durch Forschung und reflektierende Praxis beantwortet werden. Man könnte auch erwarten, dass eine verstärkte Einbindung intermediärer Akteure deren Selbstwirksamkeit stärkt, die soziale Kohäsion und damit das lokale partizipative Klima verbessert. Daraus wiederum können eine verstärkte Beteiligung, ein steigendes Interesse an Kommunalpolitik und am Ende auch eine höhere Wahlbeteiligung resultieren.

Einführung: Worum es uns geht

Die Form: Warum gerade ein Debattenbuch? Neuartige intermediäre Akteurskonstellationen und Diskussionsprozesse gehören inzwischen zum kommunalen Alltag. Gleichzeitig spüren wir, dass angesichts der dynamisch wachsenden Akteursvielfalt Verunsicherungen auftreten. In der kommunalen Praxis kommen vermehrt Fragen auf, wie man mit dem beschleunigten Wandel der Akteurslandschaft und den „neuen“ Intermediären umgehen kann, und ob die neuen, damit verbundenen Herausforderungen auch einen Mehrwert für die lokale Demokratie beinhalten könnten. Weil es im künftigen Umgang mit derartigen Akteurskonstellationen kein „richtig“ oder „falsch“ gibt, sondern allenfalls bestmögliche Annäherungen an einen wünschenswerten (also auch normativen) Zustand, halten wir es für wichtig – neben der Verbreiterung der Wissensbasis durch Forschung – eine fachöffentliche Debatte über Intermediäre anzuregen. Diese Debatte, die auf ältere Vorläufer zurückgeht, benötigt ein Update für unsere Städte im 21. Jahrhundert (vgl. Textbox 2). Textbox 2: Bezug der Intermediären-Debatte zu anderen Diskursen Die Debatte zur Intermediarität ist keineswegs neu. Schon É­ mile Durkheim diskutierte Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Konzept der „organischen Solidarität“ Formen der Intermediarität, wenn Menschen nicht mehr nur als Subjekte, sondern über formalisierte Zwischeninstanzen in die arbeitsteilige Gesellschaft der Moderne eingebunden wurden. Später, in den 1950er Jahren, wurden im Rahmen der Verbändeforschung (intermediäre) Organisationen untersucht, die strukturell zwischen Staat, Markt und Zivilgesellschaft liegen und vermittelnd wirken. Ende der 1980er und zu Beginn der 1990er Jahre erlebte die Intermediaritätsforschung einen Boom, als unter anderem die

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Politikwissenschaften begannen, stärker die Akteure und deren Governance-Netzwerke unter die Lupe zu nehmen (unter anderem Clarence Stone). Zentrale Protagonisten dieser spätmodernen Forschung um Intermediäre kamen auch aus den Bereichen der Planungstheorie (Klaus Selle, Adalbert Evers) und der Gemeinwesenarbeit (Joseph Huber, Wolfgang Hinte). Viele Untersuchungen zur Intermediarität drehten sich damals um die Akteurslandschaften im wiederentdeckten Sozialraum, der später zur zentralen Steuerungsebene etwa als Quartiersansatz im Programm „Soziale Stadt“ avancierte (communicative turn, spatial turn, Leipzig Charta). Diese Debatten, die ihre Wurzeln überwiegend in der Zeit vor dem Internet und erst recht vor dem mobilen Internet hatten, sollen hier im Hinblick auf neue und neue alte Formen der Intermediarität erweitert werden.

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Weitere aktuelle Diskurse sind in hohem Maß anschlussfähig. So skizzieren zum Beispiel • das Welfare-Mix-Konzept (Adalbert Evers, Thomas Olk), wie Wohlfahrtsverbände und informelle Initiativen mitoder nebeneinander wirken können, • die Genossenschaftsdebatte, dass eine bottom-up-organisierte Intermediarität möglicherweise eine neue Zukunft haben könnte (zum Beispiel Baugenossenschaften, vgl. Klaus Novy), • die sharing-economy-Debatte, inwieweit zwischen Markt und Zivilgesellschaft mit Hilfe neuer Technologien eine Zwischenwelt geschaffen werden kann, oder • die Debatte zur „vielfältigen Demokratie“ (Roland Roth): dass es ein Nebeneinander verschiedener Demokratieelemente (direktdemokratische und deliberative) um den institutionellen und strategischen Kern der repräsentativen Demokratie geben könnte, in dem auch Intermediäre eine zentrale Rolle spielen. Wir wollen damit verschiedenste Perspektiven auf die Thematik gewinnen, denn der Blick auf intermediäre Akteure dürfte je nach

Einführung: Worum es uns geht

professioneller Heimat variieren: Stadtplanung, Kommunalpolitik, Wirtschaft, Forschung, aber gerade auch die Bürgerinnen und Bürger und die Intermediären selbst werden im Hinblick auf die Situation mit ganz unterschiedlichen Erzählungen und Motiven aufwarten (vgl. Abbildung 4). Abbildung 4: Intermediäre – eine Debatte, viele Perspektiven Bürgerinnen und Bürger über Intermediäre:

Kommunalpolitik/-verwaltung über Intermediäre:

„Wir brauchen die Intermediären als alternative Informations- und Artikulationsebene – unabhängig davon, ob sie ‚etabliert‘ sind oder ‚neu‘. Wichtig ist es, dass die intermediären Akteure vertrauenswürdig sind und wir uns mit ihnen identifizieren können.“

„Intermediäre begegnen uns ständig, wenn wir Themen der Stadtentwicklung diskutieren. Oft fragen wir uns aber, wie verlässlich sie sind. Manchmal haben wir auch das Gefühl, wir reden aneinander vorbei. Da gibt es oft ganz verschiedene Handlungs­logiken.“

Stadtplanung über Intermediäre:

Wirtschaft über Intermediäre:

„Für uns ist der Kontakt zu einem ‚Inner Circle‘ von Intermediären Routine. Neue Intermediäre zu erkennen und einzubinden, ist für uns oft eine große Herausforderung – vor allem, wenn sie ganz anders agieren, als wir es gewohnt sind.“

„Wir haben ein ganz eigenes, vitales Interesse an Intermediären. Mit Lobbyarbeit ist es heute nicht mehr getan, wir müssen uns auf der lokalen Ebene gezielt vernetzen und strategisch wirken. Die lokale Intermediären-Landschaft kann das Investitionsklima in einer Stadt maßgeblich beeinflussen.“

Intermediäre über Intermediäre:

Forschung über Intermediäre:

„Wir sehen, dass wir über ganz unterschiedliche Ressourcen verfügen und mehr oder weniger in Prozesse eingebunden sind. Aus unserer Perspektive gibt es hier auch eine Konkurrenz der Intermediären untereinander - um Ziele, Deutungsmacht und Repräsenta­ tionsansprüche.“

„Egal mit welcher fachlichen Brille wir auch darauf schauen: Wir wissen erstaunlich wenig über die heutige lokalpolitische Akteurslandschaft. Klar ist: Es gibt neue Aushandlungsarenen und Governance-Formen, an denen auch Intermediäre maßgeblich beteiligt sind – und im Übrigen auch immer mehr Wissenschaftsakteure.“

Quelle: fiktive Zitate, abgeleitet und verdichtet aus Expertengesprächen, vhw

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Wir sind davon überzeugt, dass sich die Intermediären-Debatte mit der Zeit ausdifferenzieren wird und dieses Buch nur ein Anfang sein kann. Die unüberblickbare Vielfalt an Konstellationen, die wir vor Ort vorfinden, wird sich durch eine intensivierte Forschung immer besser abbilden und sortieren lassen.

Zum Aufbau des Debattenbuchs

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Nach dieser Einführung möchten wir in Kapitel 2 in medias res gehen und den intermediären Kosmos durchleuchten. Dazu widmen wir uns zunächst den veränderten Rahmenbedingungen – also der Hintergrundfolie dessen, was wir tagtäglich zwischen unter­ schiedlichen Akteuren erleben. Wir betrachten die zunehmende Flexibilisierung von Wirtschaft, Gesellschaft und Stadt, gehen näher auf den sozialen Wandel ein und skizzieren neue urbane Regelungs- und Steuerungslogiken. Auf dieser Basis werden wir die neue Akteursvielfalt charakterisieren und als Navigationshilfe für die Debatte eine Typologie von Intermediären vorschlagen und beschreiben. In Kapitel 3 diskutieren wir dann, wie Intermediäre das Handeln im kommunalen Alltag und lokaldemokratische Prozesse beeinflussen. Dazu beschäftigen wir uns zunächst mit Intermediären in ihrer Rolle als Verhandlungspartner, der sie – je nach Typus – mit Hilfe verschiedener Ressourcen Gewicht verleihen: Manche Intermediäre verfügen weniger über ökonomisches Kapital als über kulturelles (insbesondere über kommunikative Fähigkeiten) und soziales Kapital, also über Ressourcen aus ihren variationsreichen Netzwerken. Wir überlegen auch, wie mögliche Verfahrensregeln für ein effektives Verhandeln zwischen Kommunen und Intermediären aussehen könnten. Die Fragen, wer von den Akteuren wen mit welcher Legitimation repräsentieren und wie daraus Gemein-

Einführung: Worum es uns geht

wohl entstehen kann, sind oft Teil der Auseinandersetzungen in der Governance-Arena. Diesen wichtigen Fragen widmen wir uns deshalb in den beiden nachfolgenden Abschnitten. In Kapitel „Resümee“, Seite 115, eröffnen wir die Debatte, indem wir unseren Erkenntnisgewinn kurz zusammenfassen und einige für uns offen gebliebene Fragen und offene Enden der Debatte benennen.

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Annäherungen: Intermediäre Akteursvielfalt im Wandel von Stadt und Demokratie Der intermediäre Kosmos: Hintergründe Die heutige Akteurslandschaft zwischen Staat, Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürgern ist durch eine schier unüberschaubare Pluralität und Dynamik gekennzeichnet: Sie gleicht einem „intermediären Kosmos“. Diese neue Vielfalt geht auf komplexe soziale, demografische und ökonomische Restrukturierungen der Städte zurück und ist eng mit lokaldemokratischen Veränderungen verbunden. Um die Handlungslogiken der Akteure besser verstehen zu lernen, ist es lohnend, sich die heutigen Rahmenbedingungen zu vergegenwärtigen. 34

Flexibilisierungen: Wirtschaft, Gesellschaft und Stadt im 21. Jahrhundert Stadtgesellschaft und Stadtentwicklung befinden sich im Umbruch. Unter dem Einfluss der Globalisierung erleben wir einen tief greifenden politisch-ökonomischen Umbruch, den man als Wandel vom Fordismus – benannt nach Henry Ford, der die Fließbandfertigung Anfang des 20. Jahrhunderts in die Massenproduktion von Automobilen eingeführt hatte – zum Postfordismus oder auch mit einer Flexibilisierung der Produktionsprozesse umschreiben kann. Wie man den Wandel auch benennt und politisch-ökonomisch einordnet: Die Auswirkungen dieser Veränderungen sind bis in die Kommunen zu spüren. Auch die Erscheinungsformen und Handlungslogiken heutiger intermediärer Akteure lassen sich daraus ableiten. Typische Entwicklungslinien sind:

Annäherungen: Intermediäre Akteursvielfalt im Wandel von Stadt und Demokratie



Marktorientierung, Deregulierung und Flexibilisierung der Politik: So folgten auf den nationalen Keynesianismus aus der Zeit Henry Fords und des „Wirtschaftswunders“ der Nachkriegsmoderne („big labor, big business, big government“) eine stärkere Marktorientierung, Deregulierung und Flexibilisierung sowie kleinteiligere Steuerungsformen, die sich dann vor allem lokal entfalteten – wie etwa im New Public Management oder durch kleinräumige, projektorientierte Stadtentwicklungspolitik auf Zeit wie im Programm „Soziale Stadt“.

• Neue flexible Produktionsformen und Konsumstile: Aus der standardisierten (fordistischen) Massenfertigung (und dem dazugehörigen Massenkonsum) entstanden neue flexible Produktionsformen und Konsumstile (von „billig“ bis „luxuriös“), deren Output wir am zielgruppenorientierten Wohnungsbau oder an den sich verändernden Innenstädten ablesen können. • Dezentrale und informelle Planung: Auf Planungen zur Daseinsvorsorge (zum Beispiel durch Masterpläne oder große Leitbilder) folgten dezentrale und informellere Planungsvarianten, die häufig auch in ungewöhnlichen, netzwerkartigen Kooperationsbeziehungen durchgeführt werden (zum Beispiel Public Private Partnerships, kommunikationsorientierte, inkrementalistische Planung, solitäre Großprojekte). • Neuer Finanz- und Immobiliensektor: Das Finanzwesen hat sich grundlegend verändert: Aus zumeist nationalen und regionalen Finanzinstitutionen sowie einem teilweise staatlichen Wohnungswesen entwickelte sich ein neuer, abgekoppelter Finanz- und Immobiliensektor, dessen Akteure global operieren und lokal handeln – oft in strategischen, nutzenorientierten Allianzen mit anderen, auch lokalen Stakeholdern, aber nicht mit einem ausgeprägten Gemeinwohlinteresse

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

(zum Beispiel durch schnelle Immobilien-Investments und dadurch ausgelöste Gentrifizierungsprozesse). • Wissensgesellschaft: Nicht zuletzt wurde aus der Industrieeine Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft, in der plötzlich auch viele „normale Bürger“ als Experten und Koproduzenten auftreten oder sich entsprechend organisieren können, zum Beispiel als Intermediäre, als Baugemeinschaften, als Genossenschaften.

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Diese Prozesse wurden durch einen technologischen Wandel begleitet, der zu drastisch sinkenden Transaktionskosten, ungeahnten Kommunikationsmöglichkeiten und einer enormen Beschleunigung führte. Die Welt rückt also näher zusammen, der schnelle Wandel wird zur Normalität. Alles scheint mit allem zusammenzuhängen, lokal und global wird zu „glokal“. Nicht zuletzt sind es die neuen Formen und Maßstäbe der internationalen Migration (zum Beispiel die zunehmende Zahl an Flüchtlingen), bei denen sich das Phänomen der Glokalität deutlich zeigt.

Individualisierungen: Von der Moderne zur Postmoderne Meint man den sozialen Wandel, der mit den gerade skizzierten politischen und ökonomischen Veränderungen eng verbunden ist, spricht man eher von einem Übergang von der Moderne zur Postmoderne. Die postmodernen Gesellschaften erfahren eine zunehmende Polarisierung, Fragmentierung und Individualisierung: Infolge der veränderten politisch-ökonomischen Rahmenbedingungen nehmen Armut und Wohlstand gleichzeitig zu und schlagen sich in polarisierten Konsumstilen, sozialräumlichen Entmischungen und Konkurrenzen nieder. Die wachsende internati-

Annäherungen: Intermediäre Akteursvielfalt im Wandel von Stadt und Demokratie

onale Zuwanderung – mitunter ein Reflex auf die Auswirkungen der neuen globalen Ökonomie mit ihrer umfassenden „internationalen Arbeitsteilung“ – stellt die Städte vor große Herausforderungen. Auch der demografische Wandel in unseren „durchkapitalisierten“ und reichen westlichen Gesellschaften hinterlässt deutlich seine Spuren: Die Opportunitätskosten für Kinder werden als hoch empfunden und die Gesellschaften werden strukturell älter und schrumpfen. Es sind vor allem die neu gewonnenen Freiheiten, welche die Menschen in der Postmoderne charakterisieren: Die subjektive Emanzipation und die Individualisierung nehmen zu. So prägen immer mehr Menschen mit immer neuen Lebensstilen die städtischen Milieus. Gleichzeitig entstehen auch neuartige Vernetzungen und Tendenzen neuer Gemeinschaftlichkeit, zum Beispiel in bestimmten Quartieren mit speziellen Wohnmilieus. Vieles wird neu gedacht, erprobt, manches vermag sich zu etablieren: „anything goes“. Auf der lokalpolitischen Ebene kann sich dies in vielseitigem Engagement ausdrücken, etwa in der Übernahme von Verantwortung für Nachbarschaften, Quartiere und Städte. Natürlich gibt es diese Freiheiten und die Multioptionalität nicht umsonst: Die ökonomische Flexibilisierung erfordert einen „flexi­ blen Menschen“ (Richard Sennett) als Pendant, der – vermeintlich frei – überall einsetzbar sein soll. Die räumliche und zeitliche „Entankerung“ des Individuums (Anthony Giddens, Benno W ­ erlen) kann zu einer Zunahme von Orientierungs- und Heimatlosigkeit und zu einem Identitätsverlust führen. Im politischen Prozess schlägt sich dies sowohl in Ängsten vor Veränderung, Überforderung und sozialem Abstieg nieder als auch in einem Desinteresse infolge von Marginalisierung und „Abgehängtsein“. Dies mündet teilweise auch in einer Infragestellung von politischen Eliten und demokratischen Prozessen.

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Stadt- und Quartiersentwicklung sind vor diesem Hintergrund also deutlich komplexer geworden. Stadt(teil)entwicklung wird facettenreicher, die Zahl der Stakeholder hat sich erhöht und mit ihnen die Zahl unterschiedlicher Handlungslogiken. Sie alle haben unterschiedliche Interessen an den Themen der Stadt(teil)entwicklung, äußern diese auf sehr unterschiedliche Weise und lassen sich unterschiedlich aktiv in Beteiligungsprozesse einbinden.

Vernetzungen und Aushandlungen: Neue urbane Regelungs- und Steuerungslogiken

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Städtische Akteure reagieren auf diese Umbrüche und die neuen komplexeren Konstellationen: Sie begreifen die resultierenden Agenden immer mehr als Querschnittsaufgabe – ob nun aus freien Stücken oder „notgedrungen“. Wenn Kommunen bei zunehmender Konkurrenz und immer knapper werdenden Mitteln ihre Steuerungsaufgabe noch wahrnehmen möchten, dann funktioniert dies nicht mehr „nur“ mit Politik und Verwaltung, sondern gemeinsam mit Partnern, also zum Beispiel Unternehmen, anderen Verwaltungen, zivilgesellschaftlichen oder intermediären Akteuren. Ein neues, auf Netzwerken, intermediären Akteuren, temporären Projektbezügen und Informalität beruhendes Steuerungs- und Regelungssystem (Urban Governance) entsteht also – in Anbetracht der Kontextbedingungen – beinahe zwangsläufig. Die seit den 1990er Jahren mehr und mehr etablierte Integrierte Stadtentwicklung ist zum Beispiel ein Synonym dafür, dass sich einzelnen Handlungsfeldern wie „Bildung“, „Arbeitsmarkt“, „Wohnen“, „Nachhaltigkeit und Resilienz“ oder „Integration“, „Migration“ und „Flüchtlinge“ nur mit einem Kontextbezug begegnen lässt. Städte sind auf ressortübergreifendes Monitoring und Handeln, überregionale Strategien, Abstimmungen mit übergeord­

Annäherungen: Intermediäre Akteursvielfalt im Wandel von Stadt und Demokratie

neten politischen Ebenen sowie mit vielfältigen Akteuren der Governance-Arena angewiesen. Aus dem klassisch-modernen Regieren wird nun ein Steuern in komplexen horizontalen Netzwerken. Eine solche Netzwerkarbeit erfordert eine größere Offenheit, bessere Kommunikation und mehr Kontextwissen. Darüber hinaus spielt Vertrauensbildung eine immer größere Rolle. Dies kann theo­ retisch bis zur Etablierung eines stabilen urbanen Regimes führen, das sich zwischen den Sphären der klassischen lokalen Demokratie und Urban Governance aufspannt (siehe Textbox 3). Textbox 3: Urbane Regime Für ein tiefer gehendes Verständnis von städtischen Governance-Prozessen ist das vom US-amerikanischen Politologen Clarence Stone in den 1980er Jahren entwickelte Konzept der urbanen Regime hilfreich. Unter einem urbanen Regime versteht er ein relativ stabiles Netzwerk unterschiedlichster Akteure in einer Stadt, die ihr gemeinsames Sozialkapital nutzen, um individuelle Ziele in der Stadtentwicklung zu erreichen. Wenn die Interessenlagen gut zusammenpassen und „die Chemie stimmt“, können auf dieser Basis Projekte verwirklicht werden, die in klassischer Form nicht machbar wären. Es geht also mehr um eine Ermächtigung („power to“) als um die generelle Machtausübung („power over“). So könnte zum Beispiel aus einem urbanen Regime eine lukrative Immobilieninvestition, vereint mit moderner sozialer Infrastruktur und begleitenden partizipativen Verfahren inklusive rascher Planungsabläufe entstehen. Für sich alleine würden die Partner dieser Gruppe jeweils ihr Ziel nicht oder nicht in der von ihnen angestrebten Qualität erreichen. In der Praxis entstehen stabile Regime wohl nur dann, wenn sie intern eine ausgeglichene Machtbalance besitzen. „Trittbrettfahrer“ oder „Quotenpartner“ konterkarieren das nötige

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Vertrauen innerhalb der Gruppe. Dennoch kann zum Beispiel auch eine Grassroots-Initiative ohne Finanzkapital aufgrund ihrer Netzwerkkontakte in einem Regime die gleiche Macht entfalten wie ein kapitalstarker Investor oder die Kommune. Hier wird dann – ganz im Sinne Bourdieus – ökonomisches durch soziales Kapital substituiert. In der jüngeren Zeit dürften zwar solche Regime dominiert haben, die auf der Macht des ökonomischen Kapitals beruhten und deren Gemeinwohlorientierung sicherlich nicht immer klar erkennbar war. Intermediäre könnten aber gerade hier in Zukunft eine gegebenenfalls ausgleichende oder korrigierende Rolle einnehmen, indem sie auf das Machtungleichgewicht zwischen der Politik (eher schwindender Einfluss) und der Ökonomie (wachsender Einfluss) einwirken.

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Von diesen neuen Vernetzungen zwischen den Akteuren sind auch lokaldemokratische Prozesse betroffen. Wir beobachten einen Wandel vom staatszentrierten Modell hin zu einer verstärkten Einbindung der Bürgergesellschaft sowie einer zunehmenden Aktivität von Intermediären. Dieses neue, vielfältige Miteinander von Kommune und Zivilgesellschaft steht für eine neue Verantwortungsteilung zwischen Stadt, Wirtschaft, Bürgerinnen und Bürgern und damit für eine neue Koproduktion von Stadt. Es ist eine zentrale Herausforderung, die klassischen demokratisch verfassten ­Government-Strukturen weiterhin als zentrale Entscheidungsachse zu sichern, aber auch zu reinterpretieren, um die Potenziale der neu entstehenden Vernetzungen produktiv zu nutzen. Wir wissen, dass sich bestimmte soziale Gruppen zusehends aus Beteiligungsprozessen verabschieden, während an anderer Stelle die Bereitschaft zunimmt und bürgerschaftliche Teilhabe teilweise sogar explizit eingefordert wird. Es stellt sich die Frage, inwieweit Inter­ mediäre dazu beitragen können, die sich öffnende partizipatorische Schere wieder zu schließen. Intermediäre, die sich – ausgestattet mit umfangreichen Kontakten, medialem Einfluss und versiert im

Annäherungen: Intermediäre Akteursvielfalt im Wandel von Stadt und Demokratie

Bespielen der neuen Informations- und Kommunikationskanäle – wirksam politisch engagieren, dürften jedenfalls eine zunehmend attraktive Anlaufstelle auch für beteiligungsferne Gruppen sein.

Navigationshilfe: Eine erste Typologie der Intermediären Wie lässt sich die neue Vielfalt der Akteurslandschaft im Hinblick auf die Intermediären im Kontext der heutigen Stadtentwicklung näher beschreiben? Um diesen intermediären Kosmos etwas zu klassifizieren und zu ordnen, wollen wir im Folgenden eine erste Typisierung von intermediären Akteuren vornehmen, welche die Vielfalt zwangsläufig reduziert, dafür aber kommunizierbar macht. Als eine erste Annäherung unterscheiden wir drei Typen von Intermediären: •

Die Klassischen Intermediären als etablierte Vermittlerinnen und Vermittler, die zwischen Bedeutungsverlust und Transformationsdruck stehen,



die Neo-Intermediären als urbane Vermittlerinnen und Vermittler und Koproduzentinnen und -produzenten von Stadt und



die Para-Intermediären als urbane Player ohne Bürgerbasis.

Manche Akteure werden sich den drei Typen eindeutig zuordnen lassen (zum Beispiel Parteien), andere wiederum nicht (etwa unterschiedliche Stiftungen), zum Teil treffen wir auch auf schwer zuzuordnende Misch­formen (beispielsweise Quartiersmanagementbüros, vgl. zu intermediären Varianten auch Kapitel „Exkurs: Intermediäre Varianten“, Seite 55).

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Die Klassischen Intermediären: Etablierte Vermittler unter Druck Die Klassischen Intermediären sind in erster Linie diejenigen, welche die fordistischen Anfangsjahre der Bundesrepublik geprägt haben. In der korporatistisch ausgerichteten Nachkriegsmoderne waren sie phasenweise konstituierend für eine konzertierte Aktion von „big government“, „big business“ und „big labor“, in der die großen wirtschaftspolitischen Akteure ihre Interessen zum Wohle aller Beteiligten längerfristig abstimmten.

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Im ursprünglichen Verständnis handelt es sich bei diesen Intermediären um oft recht große Organisationen, die vertikal zwischen Bürgern und Politik/Verwaltung agieren und dabei Informationen, Entscheidungsalternativen, Orientierungen und Interessen artikulieren und vermitteln, wie zum Beispiel Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, karitative Einrichtungen, Stiftungen und Verbände wie etwa Wohlfahrtsverbände (vgl. Abbildung 5). Sie sind also bereits gesellschaftlich institutionalisiert, in ihrer Genese teils bottom-up entstanden, teils auch top-down initiiert und haben – sofern sie nicht Unternehmen vertreten – das Interesse der Bürger oder bestimmter Milieus bzw. das Gemeinwohl im Blick. Intermediäre sind in dieser Logik also ein institutioneller Teil des politischen Aushandlungssystems gesellschaftlicher Interessen, in dem zivilgesellschaftliche Anliegen und staatliches Handeln synchronisiert wird. Dabei gibt es etablierte Zuständigkeiten, Grenzen, Regeln und Rollen. Sie bilden auch auf der kommunalen Ebene formelle strategische Einheiten, über die spezifische Akteure eingebunden, Informationen ausgetauscht und Interessen artikuliert werden. Klassische Intermediäre verfügen oft über einen hohen Betrag an symbolischem Kapital (also zum Beispiel Prestige, Reputation), bisweilen

Annäherungen: Intermediäre Akteursvielfalt im Wandel von Stadt und Demokratie

auch über erhebliche materielle Ressourcen, eine eher hierarchische innere Struktur, basieren oft auf Mitgliedschaften und auf einer modernen Form der one-to-many-Kommunikation (zum Beispiel Verbandsorgan). Sie wirken vornehmlich als Übersetzer und Makler zwischen Politik und Zivilgesellschaft, sowohl auf der Makroebene (Bund, Länder, Regionen) wie auch auf der in unserer Argumentation im Vordergrund stehenden Mikroebene (Stadt, Quartier). Gleichzeitig legitimieren sie auf diese Weise politisches Handeln – denn wenn die Intermediären die Bürgerinteressen artikulieren, dann können diese auch im politischen Handeln in der Stadt, im Bezirk oder im Quartier abgewogen und berücksichtigt werden. Abbildung 5: Beispiele für Klassische Intermediäre Partei (Ortsverband)

Gewerkschaft (Ortsverband)

Kirche, Kirchengemeinde

Wohlfahrtsverband, karitative Einrichtung

Bürgerverein, Heimatverein, Schützenverein

Mieterverein

Quelle: eigene Darstellung, vhw 2016

Die Klassischen Intermediären sind an der Organisation eines Rückkopplungsprozesses zwischen Bürgerinnen bzw. Bürgern und Politik beteiligt, der auch in der Periode zwischen den Wahlen seine Wirkung entfaltet – auch im Hinblick auf das Gemeinwohl: So können Kommunalpolitiker und Verwaltungsexperten auf Bürgerinteressen reagieren und diese adäquat repräsentieren.

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Transformationsdruck Klassischer Intermediärer Wir wissen, dass bestimmte stadtgesellschaftliche Gruppen bzw. Individuen besonders schwierig zu erreichen und/oder zu inkludieren sind. Dabei handelt es sich gleichermaßen um Gewinner und Verlierer der postfordistisch organisierten Gesellschaft. Das sind zum Beispiel Menschen mit Migrationshintergrund oder in prekären Verhältnissen. Dazu gehören aber auch städtische Pionier- und Leitmilieus, die Innovationstreiber der Stadtgesellschaft, die Richard Florida als – urban verankerte – „kreative Klasse“ bezeichnet hat.

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Beobachtungen zeigen, dass sich viele dieser Gruppen bei klassischen intermediären Organisationen mit ihren eher starken Bindungen nicht zuhause und sich von deren Organen (also Verbandsblättern und ähnlichem) nicht angesprochen fühlen. Es ist heute nicht mehr selbstverständlich, sich in einem Ortsverband einer bestimmten Partei, dem Pfarrgemeinderat, der Mittelstandsvereinigung oder dem Heimatverein zu engagieren oder sich gar von diesen eine Orientierung zu erhoffen. Derzeit stehen die Klassischen Intermediären unter einem Transformationsdruck. Nicht selten sehen sich zum Beispiel politische Parteien und etablierte Gewerkschaften einem erheblichen Nachfrage- und Mitgliederschwund gegenüber. Viele Klassische Intermediäre versuchen bereits auf diesen Umbruch zu reagieren, indem sie aktuelle gesellschaftliche Impulse aufnehmen und sich neu aufstellen. So finden wir heute eine stark ausdifferenzierte Landschaft Klassischer Intermediärer vor, die von gänzlich neu strukturierten, gar nicht mehr so „klassischen“ Institutionen bis zu solchen, die in alten Mustern verharren, reicht. Oft liegen die Innovationen irgendwo in der Mitte, das heißt:

Annäherungen: Intermediäre Akteursvielfalt im Wandel von Stadt und Demokratie

• Viele Parteien bedienen sich zum Beispiel zwar inzwischen professionell neuer Kommunikationskanäle mit modernen Instrumenten, bleiben aber in vielen Bereichen bei ihrer etablierten Struktur (zum Beispiel Mitgliedschaften, Ortsvereine). • Einige Gewerkschaften organisieren sich mehr und mehr nach Zielgruppen und unternehmerischen Logiken, während sie ihre angestammten Gewerkschaftsaufgaben weiterhin wahrnehmen (etwa Tarifstreiks). • Manche Klassische Intermediäre werden durch Neo-Intermediäre transformiert (beispielsweise Nachbarschaftsportale, die alteingesessenen Bürgervereinen Konkurrenz machen und diese mittelfristig ersetzen können). Es geht also darum, dass sich die ehemals stark auf Vermittlung ausgelegten Klassischen Intermediären zu neuen Playern in der städtischen Governance-Landschaft wandeln und ihre Vermittlungslogiken an ein zunehmend horizontal organisiertes System anpassen müssen. Das dafür nötige Change-Management fordert die Klassischen Intermediären heraus und die Transformation braucht oft mehr Zeit als manches Leitungsgremium denkt. In bestimmten Konstellationen wird sie außerdem an Grenzen stoßen. Gelingt die Neuerfindung Klassischer Intermediärer nicht oder nicht schnell genug, werden sie zwangsläufig an Einfluss verlieren.

Die Neo-Intermediären: Urbane Macher und Koproduzenten Während auf der einen Seite also so etwas wie ein Vermittlungsvakuum entsteht, bringt ein neues Mitwirkungsverständnis wie die Koproduktion von Stadt auf der anderen Seite ganz neue,

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

postmoderne Typen von urbanen Machern hervor. Die Prototypen der heutigen Neo-Intermediären traten mit der Krise des Fordismus in den 1970er Jahren auf den Plan – zunächst im Kontext der 68er-Bewegung: als außerparlamentarische Opposition, als Hausbesetzerszenen, die sich gegen den Kahlschlag in den Innenstädten engagierten oder als neue soziale Bewegungen (wie zum Beispiel die Umweltbewegung). Sie begannen erstmals, auf dem Feld neben dem klassisch-demokratischen Gebäude, bestehend aus „Fundament“ (Basis), „Säulen“ (Vermittler) und „Dach“ (Politik), flache und flexible Strukturen zu entwickeln. Was damals mit einzelnen Akteursgruppen begann, hat sich über die 1980er und 1990er Jahre bis heute multipliziert, ausdifferenziert und in komplexen Netzwerken verwoben.

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Wenn wir heute die Gruppe der Neo-Intermediären suchen, finden wir unter anderem Social-Media-basierte Gruppen, stadtpolitische Blogs, Mietshaussyndikate oder postmoderne soziale Bewegungen vor (zum Beispiel „Recht auf Stadt“, vgl. Abbildung 6). Sie sind meistens Kinder der Postwachstumsgesellschaft oder Gegenbewegungen gegen die flexibilisierte Ökonomie des Postfordismus und deren städtische Auswirkungen. Abbildung 6: Beispiele für Neo-Intermediäre Soziale Bewegung (Recht auf Stadt, Park City, Transition Town)

Urban-GardeningInitiative

Anwohnerinitiative „für“ oder „gegen“..., Kiezinitiative

hyperlokale urbane Blogosphäre (z. B. Gentrification Blog, futurberlin.de)

Non-profitNachbarschaftsportal

CollaborativeConsumption-Projekt, Sharing Economy

Quelle: eigene Darstellung, vhw 2016

Annäherungen: Intermediäre Akteursvielfalt im Wandel von Stadt und Demokratie

Mit den heutigen Neo-Intermediären wächst eine Akteursgruppe aus der „Generation Y“ heran, deren Stärke sich gerade in ihrer Kompetenz auszeichnet, neue Teilgruppen und Milieus der Stadtgesellschaft zu erreichen, ihre Sprache und Denkweise zu beherrschen und ihre Kommunikationswege zu kennen (vgl. Textbox 4). Viele Neo-Intermediäre (zum Beispiel Urban-Gardening-Initiativen) sind zunächst weniger am Bürger als am „Mitbürger“ und mehr an ihrer „Community“ als an der Gesellschaft und dem Gemeinwohl interessiert. Das ist logisch, wenn man annimmt, dass sie oft aus einem lebensweltlichen Kontext und Motiv heraus aktiv werden. Textbox 4: Von „Digital Natives“, „Millennials“ und der „Generation Y“ Bezeichnungen wie „Digital Natives“, „Millennials“ und „Generation Y“ charakterisieren die Generation der etwa von 1980 bis 1998 Geborenen, die als erste wie selbstverständlich mit den technologischen Errungenschaften der digital vernetzten Welt aufgewachsen ist. Die klischeehaften Begriffe und die Konzepte sind umstritten: Auch die jüngeren Generationen sind natürlich heterogen und repräsentieren vielfältige Milieus. Und was einen oder eine kurz vor oder nach dem „Stichtag“ Geborenen oder Geborene unterscheiden mag, kann vermutlich niemand schlüssig begründen. Dennoch werden in empirischen Studien typische Haltungen und Verhaltensmuster herausgestellt, die vielleicht auf diese Alterskohorten mehr zutreffen als auf die früheren: So sind viele „Digital Natives“ daran gewöhnt, permanent zu kommunizieren, physisch und digital, über räumliche und zeitliche Grenzen hinweg. Klar ist auch, dass jüngere Generationen typische Kinder der Postmoderne sind: Flexibilität, Globalität, Selbstverwirklichung, individuelle Freiheit und das Streben nach Balance und Glück stehen bei vielen von ihnen hoch im Kurs. Es verwundert deshalb nicht, dass Digital Natives vielfach als mutig,

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

explorativ und aufgeschlossen gegenüber Neuem beschrieben werden und sich Alternativen gerne offenhalten – schließlich wird das Neue ziemlich sicher dazu beitragen, sich als Individuum weiterzuentwickeln, ganz nüchtern und pragmatisch. Feste, sichere Strukturen (zum Beispiel am Arbeitsplatz) nehmen die „Ypsiloner“ bisweilen sogar als Barrieren wahr und lehnen sie ab.

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Diese selbstbewusste, reflexive Individualität hat weitreichende Konsequenzen: Sie ist eine wesentliche Voraussetzung für das wirksame Arbeiten in Netzwerken, die Netzwerke selbst sind buchstäblich soziale Auffangnetze gegen die Einsamkeit und ein mögliches Scheitern, aber auch responsive Ermöglichungsstrukturen für neue Explorationen. Häufig sind es gerade intermediäre Strukturen, die für die neuen, jungen Milieus attraktiv sind. In dynamischen Netzwerken, die „dazwischen“ liegen, ist die Wahrscheinlichkeit, nennenswerte Ressourcen vorzufinden, am höchsten. Damit lassen sich auch die Gestaltungsoptionen, die Selbstwirksamkeit und die Zufriedenheit maximieren – typisch für die Generation Y. Anders als Klassische Intermediäre haben sie in der Regel keine Mitglieder, sondern Follower, die sich unter anderem über Social Media schnell und anlassbezogen als funktionierende Community organisieren können (siehe Textbox 5). Ihr Strukturmodell ist das zivilgesellschaftliche Netzwerk mit viel Sozialkapital, welches auf ein Ziel hinarbeitet, also etwa einen Stadtgarten zu initiieren, eine Freifläche zu erhalten, stadtpolitische Ideen bottom-up zu verbreiten oder eine Immobilie zwischenzunutzen (Koproduktion). Auch Vermittlung kann dafür hilfreich sein (vor allem horizontal), jedoch ist das Vermitteln nicht das Hauptanliegen dieser Akteure, denen es um ein Produkt geht. Sie sind „Prosumer“, die bisweilen auch als Mediatoren und Advokaten benachteiligter Gruppen etc. auftreten und in der Lage sind, für ihre Anliegen unterschiedlichste (zum Beispiel soziale, kulturelle, materielle) Ressourcen zu mobilisieren.

Annäherungen: Intermediäre Akteursvielfalt im Wandel von Stadt und Demokratie

Durch ihre Output-Orientierung sind sie nur mittelbar empfänglich für die Avancen des formalen politischen Systems. Zweifellos werden Neo-Intermediäre aber auch politisch aktiv, wenn sie in ihrer Zielerreichung auf Widerstände stoßen (etwa im Rahmen der Bauleitplanung oder als Protestbewegung gegen Gentrification). Einige der neo-intermediären Netzwerke ähneln Schwärmen: Sie organisieren sich – oft mit Hilfe neuer Medien und neuer Technologien (vgl. Textbox 5) – informell, sind flexibel, an den Rändern brüchig und nicht trennscharf abzugrenzen. Sie verfügen aber doch über einen relativ stabilen Kern, der sie oft – und für manchen überraschend – zu schlagkräftigen und doch schwer fassbaren kollektiven Akteuren macht. Trotz ihrer offenen Organisationsform gelingt es ihnen auf der Basis ihrer Schwarmeigenschaften oft, auf externe Reize sehr schnell zu reagieren – eine postmoderne Parallelwelt für behäbige, hierarchisch strukturierte Organisationen der vergangenen Moderne. Textbox 5: Neue Kommunikationstechnologien – neue Möglichkeiten Ein großer Treiber dieser Entwicklung ist der Fortschritt der medialen Kommunikationstechnologie im Postfordismus, von dem vor allem die Neo-Intermediären profitieren. Sie wenden wie selbstverständlich Instrumente an, an die sich viele Akteure der Moderne immer noch gewöhnen müssen. Wo sich bei der One-to-Many-Kommunikation in den großen Medien Print, Radio und TV relativ hohe Zugangsbarrieren zeigen und auch nur eine begrenzte Menge an vermittelbarer Informationsmenge zur Verfügung steht, zeigen die neuen Sozialen Medien ganz andere Möglichkeiten. Mit Technologien der Many-to-ManyKommunikation können sie rasch Informationen streuen, sich niedrigschwellig artikulieren und leicht eigenständige, selbst­ organisierte Netzwerke gründen.

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Die Einstiegsbarrieren sind extrem niedrigschwellig. Ganze Mediensysteme stehen frei zugänglich und gratis zur Verfügung. Open-Source-Anwendungen und -Inhalte eröffnen neue Möglichkeiten der Selbstermächtigung, der Artikulation, vor allem auch der Finanzierung und der Vernetzung, die für die Initiierung, Beeinflussung und Gestaltung von Stadtentwicklungsprozessen genutzt werden können. Im weitesten Sinne geht es um das gemeinsame Kreieren, Bearbeiten und Verteilen von Inhalten, aber auch um die Demokratisierung von Wissen und Informationen. Einige Stichworte dieses neuen kommunikativen Instrumentenkoffers:

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• Social Media: Sammelbegriff für verschiedene Arten „dialogischer“ Many-to-Many-Kommunikation, die dem Web 2.0 zuzurechnen sind. Gemeinhin werden fünf Typen unterschieden (Kaplan und Haenlein): Collaborative Projects (Wikipedia), Blogs bzw. Mikroblogs (netzpolitik.org, Twitter), Content Communities (YouTube, Flickr), soziale und berufliche Netzwerke (Facebook, LinkedIn), soziale Spiele (World of Warcraft) und virtuelle Welten (Second Life). • Urban Blogging: Text- und Link-Sammlungen zu städtischen Themen (www.urbanophil.net, www.popucity.net oder gentrificationblog.wordpress.com) •

Civic Hacking: Entwicklung von Plattformen oder Apps, die Online- und Offline-Lösungen für Herausforderungen anbieten, die sich in Nachbarschaften, Kommunen und Städten abzeichnen (www.codefor.de, www.pumpipumpe.ch, www.hackyourcity.de)

• Participatory Sensing: kollektives freiwilliges Sammeln von Daten über Smartphones, vor allem über darin integrierte Sensoren. Die Nutzerinnen und Nutzer werden dabei selbst zu aktiven Mitgestaltern von Erfassungs- und Bewertungs-

Annäherungen: Intermediäre Akteursvielfalt im Wandel von Stadt und Demokratie

prozessen. Dieses Vorgehen ist Grundlage für eine neue Lern- und Wissenschaftsform („Citizens Science“), die aktuell in einem Grün- und Weißbuch der EU diskutiert wird. • Crowdfunding: Ansatz zur internetbasierten Organisation von Finanzierungen. Die Grundidee dabei ist, dass größere Beträge zusammenkommen können, indem viele Einzelne nur kleinere Beträge beisteuern. Andere Neo-Intermediäre benötigen jedoch auch ein strukturelles „Enabling“ (Befähigung) seitens des (Lokal-)Staats, wie etwa durch die Bereitstellung von Nutzungs- oder Gestaltungsrechten für städtische Räume, von Fördermitteln oder von technischen oder personellen Ressourcen zur Organisation ihrer Aktivitäten. Für die Entscheidungseliten in Politik und Verwaltung haben Neo-Intermediäre einen besonderen Mehrwert, denn als „soziale Seismografen“ benennen sie Konflikte, Herausforderungen und Entwicklungschancen und bieten selbst und proaktiv Lösungsund Handlungsansätze an. Oft gehen sie von ihrem unmittelbaren Hotspot, der lebensweltlichen Mikroebene aus (zum Beispiel Nachbarschaft, Quartier), wirken aber nicht selten auch bis in die systemweltliche Meso- und Makroebene hinein (Stadt, Land, Bund oder sogar darüber hinaus). In Governance- oder Regimekonstellationen können sie mit ihrem Sozialkapital punkten und ein Gegengewicht zu finanzstarken Akteuren und deren Interessen bilden. Auch verfahrene städtische Entwicklungsprozesse können in geeigneten Konstellationen unter dem Einfluss von Neo-Intermediären aufgebrochen und wieder in Gang gesetzt werden.

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Die Para-Intermediären: Urbane Player ohne Bürgerbasis Als dritten Typ von Intermediären betrachten wir abschließend eine Gruppe von Akteuren, denen die Bürgerbasis in aller Regel fehlt, die aber trotzdem mächtige Mitspieler in der Governance-Arena sind. Sie wirken zeitgleich im und neben dem klassisch-demokratischen und gemeinwohlorientierten System (griechisch: „para“). In der Nachkriegsmoderne zählten große Lobbyverbände – zeitweise als Teil der konzertierten Aktion – zu der Gruppe von Akteuren, die wir hier para-intermediär nennen möchten. Anders als die zahlreichen Einzelunternehmen, die in der politischen Sphäre offen agieren, erklären sie sich zu Anwälten gebündelter oder auch einzelner, meist unternehmerischer Interessen und suchen dafür stellvertretend nach Gestaltungsräumen in der politischen Arena. 52

Während die para-intermediäre Akteurslandschaft im Fordismus noch übersichtlich war, hat sie sich in der Zwischenzeit stark ausdifferenziert. Einerseits gibt es noch die klassischen Para-Intermediären wie zum Beispiel Wirtschaftsverbände, die sich inzwischen – ähnlich wie Klassische Intermediäre – partiell erneuern und weiterhin offen Lobbyarbeit betreiben. Andererseits entstehen aber auch neue Para-Intermediäre, die sich nicht mehr nur im klassisch-demokratischen Modell verorten lassen, sondern sich zunehmend mit der neuen horizontalen Netzwerkebene im Kontext der Urban-Governance-Sphäre verknüpfen. Der neue intermediäre Weg funktioniert in dieser Hinsicht besser als herkömmlicher Lobbyismus oder klassische Verhandlungsstrategien von Investoren. In den Kommunen verfolgen viele Para-Intermediäre eigene, spezifische Interessen. Sie arbeiten oft strategisch, indem sie ein investitionsfreundliches Klima in den Kommunen unterstützen (zum Beispiel durch Projekte der Corporate Urban Responsibility, durch

Annäherungen: Intermediäre Akteursvielfalt im Wandel von Stadt und Demokratie

Stiftungen) oder subtil in die wissenschaftliche Sphäre (zum Beispiel durch Stipendien oder Urban Labs) und in die Politikberatungsebene (zum Beispiel durch Auftragsgutachten oder eigene Think Tanks) hineinwirken. Oft sind sie Teil von Netzwerken, sitzen mit am Runden Tisch und profitieren von den dort verfügbaren Informationen. Hinter ihnen können Gruppen von Unternehmen stehen oder auch einzelne, global agierende Großkonzerne, die in der Lage sind, sich den klassischen demokratischen Rahmenbedingungen von Nationalstaaten zu entziehen. Dabei bringen sie ein hohes Maß an Ressourcen ein, insbesondere in Bezug auf Know-how und ökonomisches Kapital, was sie zu einflussreichen Partnern in Governance-Konstellationen und urbanen Regimen macht. Manchmal sind die eigentlichen Absichten der Para-Intermediären schwer zu erkennen – sie treten quasi mit einer Tarnkappe auf, was ihnen taktische Vorteile einbringt. Sie kommunizieren ihr Handeln oft als gemeinwohlorientiert. Was sie antreibt, ist jedoch ganz unterschiedlich. Ihr genuiner Wirkungskreis ist die Ökonomie, die auch ihre eher strategische, an Markt und Rendite orientierte Handlungslogik bestimmt. Sie vermitteln und vernetzen gezielt („Some-to-Some“) in verschiedene Richtungen: von Business zu Politik und Verwaltung, von Business zu Business (B2B) oder von Business zu Consumer (B2C). „Bürger“ oder „Mitbürger“ gehören weniger zu ihren Zielgruppen. Gerade bei unternehmerischen Akteuren sind es oft die Kunden oder Shareholder, die an erster Stelle stehen. Wer Ressourcen bereitstellt, erwartet auch einen entsprechenden Benefit: als Image, als Steuervorteil oder auch als Besetzung eines neuen Markts. Zu den Para-Intermediären zählen im städtischen Bereich etwa lokale Immobilienverbände, organisierte lokale Einzelhändler oder Entwicklungsgesellschaften, die zum Beispiel über Public Private Partner­ships aufgestellt sind. Manchmal handelt es sich dabei um

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

QuaNGOs (Quasi Non-Governmental Organisations, die privat verfasst in staatlichem Auftrag agieren), die seit den 1990er Jahren im Kontext neuer postfordistischer Formen von Urban Governance stark zugenommen und an Einfluss gewonnen haben. Wir treffen auf Netzwerke, die in transnationalen Konzernen verankert sind, wie zum Beispiel im Handlungsfeld „Smart City“, in dem Akteure aus der Telekommunikations- oder Automobilindustrie Zukunftsfragen der Stadtentwicklung an der Schnittstelle zwischen Technologie und Gesellschaft bearbeiten (vgl. Abbildung 7). Abbildung 7: Beispiele für Para-Intermediäre Wohnungswirtschaftlicher Verband, Immobilienverband

Baugruppe

Stiftung zur Förderung von Privatinteressen

Think Tank von Unternehmen

abhängiges Forschungsinstitut

kommerzielles Urban Lab

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Quelle: eigene Darstellung, vhw 2016

Die Einordnung von Stiftungen als Para-Intermediäre fällt schwer. Man kann die schier unüberschaubare Stiftungslandschaft (laut Bundesverband Deutscher Stiftungen gibt es in Deutschland mehr als 21.000 rechtskräftige Stiftungen) danach differenzieren, ob es einer Stiftung tatsächlich darum geht, sich bei der Durchsetzung von Bürgerinteressen zu engagieren. Es gibt Stiftungen, die sich per Satzung am Gemeinwohl orientieren und als Förderer der Bürgergesellschaft auftreten. Wohlgemerkt üben auch sie ihren Einfluss aus, ohne sich auf eine Bürgerbasis berufen zu können oder Kontrollmechanismen zu unterliegen. Andererseits trifft man jedoch auch auf Stiftungen, die ganz klar private Interessen bedie-

Annäherungen: Intermediäre Akteursvielfalt im Wandel von Stadt und Demokratie

nen – und dies manchmal nicht offen kommunizieren. Im Sinne der Typologie wären beide als para-intermediär einzustufen.

Exkurs: Intermediäre Varianten Jede Typologie ist eine Vereinfachung der Realität und wirft Fragen auf – so auch unsere hier skizzierte einfache Typologie der Intermediären.

Hybrid- und Meta-Intermediäre? An einigen Beispielen sollen Zuordnungsprobleme der Typologie bzw. andere Varianten von intermediären Akteuren angerissen werden. So wird durch eine regelrechte „Intermediären-Industrie“ eine Vielzahl von intermediären Akteuren produziert und in die Governance-Arena geschleust (wie zum Beispiel soziale Träger). Die Frage ihrer Zuordnung in den Bereich der Klassischen oder der Para-Intermediären kann nur von Fall zu Fall entschieden werden. Weitere Intermediäre werden top-down als Hybridakteure installiert, wie zum Beispiel Quartiersmanagementbüros (QM). In einem Bottom-up-Prozess sollen sie anschließend zwei Dinge erledigen: Zum einen als „Vernetzer“ bestehende Netzwerke miteinander verknüpfen und neue Netzwerke initiieren, zum anderen zwischen Politik und Verwaltung (deren verlängerten Arm sie vor Ort darstellen) sowie Zivilgesellschaft (die Bürger im Quartier) vermitteln. Dabei sind sie – wie ein Klassischer Intermediär – bürokratischen Regularien und der Ausrichtung am Gemeinwohl unterworfen. Oft werden diese Intermediären auch nicht von jungen Aktivisten, sondern von etablierten Planungsbüros betrieben – ebenfalls eine eher modernistische Arbeitsgrundlage, die alten Prinzipien

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

folgt. Neo-intermediär sind sie jedoch auch, weil sie antreten, um zur Koproduktion von Stadt anzuregen, inklusiv und bürgernah zu wirken. Als para-intermediär könnte man das Quartiersmanagement dann bezeichnen, wenn man davon ausgeht, dass es sich vielleicht um eine QuaNGO (siehe oben) mit dem Ziel einer langfristigen Aufwertung von Quartieren handeln könnte. Damit wiederum kollidieren verschiedene Interessen: diejenigen der Marginalisierten mit denjenigen der von einer Aufwertung Profitierenden. Entlang welcher Linie sich hier das Gemeinwohl konkretisieren könnte, ist offen. Durch das QM-Ziel, Vernetzungen zu fördern und zu koordinieren, bewegen sich QM-Büros als „Enabler“ an der Metaebene und könnten auch als Meta-Intermediäre bezeichnet werden – also als professionelle Vernetzer, zu denen auch andere Organisationen gezählt werden könnten (zum Beispiel auch einige Stiftungen). 56

Medien als Intermediäre? Im klassischen Verständnis finden sich bei den Intermediären meist auch die Medien (vorrangig Print, Radio, TV), die ihrerseits über kommunale Debatten oder Entscheidungen informieren und ihre unabhängige – oft auch seitens der Kommune als unliebsam oder zu kritisch empfundene – Kontrolle politischen Handelns ausüben. Zu den klassischen Medienformaten tritt heute auch der Bereich der digitalen Kommunikation, insbesondere die user-generated communication auf Internetseiten, Blogs oder Social Media, die via Smartphone auch mobil verfügbar sind. Dadurch geraten die klassischen Medien in eine ähnliche Situation wie die vorher skizzierten Klassischen Intermediären: Die Auflagen und Einschaltquoten sinken, die oft sekundenaktuellen, internetbasierten Medien gewinnen an Einfluss. Das neue Wettbewerbs-

Annäherungen: Intermediäre Akteursvielfalt im Wandel von Stadt und Demokratie

gefüge bringt einen starken Transformationsdruck mit sich: Ein dynamisches Gefüge entsteht, bei dem sich die Kommunikationskanäle ausdifferenzieren, aus Bloggerinnen und Bloggern manchmal TV-Stars, aus Printmedien Webseiten und klassische Formate auch ganz eingestellt werden. Inwieweit die Medien tatsächlich Intermediäre sind, bleibt dabei definitorisch umstritten. Die Medien können durchaus als „vierte Gewalt“ neben den Klassischen, den Neo- und den Para-Intermediären interpretiert werden (siehe Abbildung S.  62). Manche Autorinnen und Autoren postulieren jedoch eine ­zunehmende „Mediatisierung“ und halten die Medien mittlerweile für ein ­eigenständiges, omnipräsentes Referenzsystem, das für die Kommunikation aller Intermediären untereinander, gegenüber der Politik und gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern eine strukturelle Relevanz besitzt: Medien verfügen über einen hohen Bekanntheitsgrad und dienen als mächtige Vermittlungsebene, sodass das Handeln der Intermediären (wie auch der Politik, der Wirtschaft sowie der Bürgerinnen und Bürger) zunehmend auf die Verwertungslogiken des Mediensystems ausgerichtet ist. Darüber hinaus haben viele Medien durch den Transformationsdruck eine Ökonomisierung durchlaufen, durch die sie stärker von klassischen unternehmerischen Interessen geleitet werden. Aus diesen Gründen haben wir im Rahmen unseres Debattenbuchs die Medien als intermediäre Akteure im engeren Sinne ausgeklammert – auch wenn sie ohne Zweifel wichtige Akteure in der Governance-Arena darstellen.

Intermediäre Praxis von Parlamenten und Räten? Eine weitere Überlegung ist, wo sich im intermediären Kosmos die Parlamente und Räte verorten lassen: Sie stehen – ähnlich wie

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

die Intermediären – für gesellschaftliche Rückkopplungsprozesse. Sie repräsentieren die wahlberechtigte Bevölkerung. Sie stellen die Mehrheiten für die Entscheidungseliten in Politik und Verwaltung. Neben der Regierungsmehrheit agiert die Opposition, was eine stete Auseinandersetzung mit dem Handeln der Entscheidungseliten in Politik und Verwaltung garantiert. Parlamente und Räte stehen für eine indirekte Vermittlung zwischen Staat und Zivilgesellschaft. Die Aushandlungsprozesse zwischen ihnen und der intermediären Ebene sind dynamisch miteinander verbunden: Die Akteure kennen sich, man redet miteinander. Das verweist auf die unscharfen Ränder intermediärer Praxis, belässt die Parlamente und Räte aber als eigenständiges System neben der intermediären Ebene.

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Intermediäre Kultur? Letztlich geht es darum, inwieweit Intermediarität aus einer Akteursperspektive heraus oder eher als eine Kultur, Rolle oder Funktion betrachtet wird. Dieses Debattenbuch konzentriert sich nicht ohne Grund auf konkrete intermediäre Akteure, denn uns geht es um Akteurskonstellationen in den Kommunen vor Ort – die Typologie bezieht sich deshalb auch auf Positionen in einem sozialen netzwerkartigen Gefüge, die sich nur in personam beschreiben lassen. Zweifellos ist es aber auch wichtig für unser Verständnis von Intermediarität, dass sie oft mehr ist als eine Strukturform oder eine zugeschriebene Funktion, die eine Person als Repräsentantin oder Repräsentant einer Gruppe, eines Netzwerks oder einer Organisation ausübt. Intermediarität kann zum Beispiel auch in staatlichen Organisationen oder Unternehmen zu einem besonderen Handlungsprinzip werden. Auch können nicht nur intermediäre

Annäherungen: Intermediäre Akteursvielfalt im Wandel von Stadt und Demokratie

Organisationen intermediär handeln, sondern es ist möglich, dass sich intermediäre Funktionen oder eine intermediäre Kultur in verschiedenen Kontexten wiederfinden (wenn etwa Lehrkräfte über ihre Schule hinaus ins Quartier hinein denken und wirken). Außerdem muss ein intermediärer Akteur nicht zwingend immerzu intermediär und auch nicht immer im selben Setting agieren – wie der Bürgerrechtsaktivist, der später zum Stadtrat wird, oder der Gewerkschaftsreferent, der in seiner Freizeit für ein urbanes Kollektiv bloggt. Intermediarität ist also auch eine austauschbare Rolle oder ein Setting, in das man zeitweise hineinschlüpfen kann.

Zwischenfazit Synopse: Intermediäre Typen im Vergleich Die drei skizzierten Idealtypen beinhalten keine Wertung – keiner ist grundsätzlich „besser“ als der andere oder gar moralisch überlegen. Viele intermediäre Akteure können – unabhängig vom Typus – in bestimmten Kontexten (zum Beispiel bei der Inklusion marginalisierter Gruppen oder in Governance-Konstellationen) einen Beitrag leisten, um Kommunikationsschranken zu überwinden oder gemeinwohlorientierte Netzwerke zu organisieren. Ihre Unterschiedlichkeit speist sich unter anderem aus deren Entstehungskontext und daraus resultierenden Pfadabhängigkeiten, Ressourcenausstattungen und Handlungslogiken. Abbildung  8 stellt noch einmal die Unterschiede der drei intermediären Typen im Überblick heraus.

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Abbildung 8: Synopse der intermediären Typen

Prägender Kontext Perspektive auf

Klassische

Neo-

Para-

Intermediäre

Intermediäre

Intermediäre

(Nachkriegs-)Mo­

Postmoderne, Netz-

Postmoderne, flexi-

derne, Fordismus

werkgesellschaft

bilisierte Ökonomie

Bürger

Mitbürger

Kunde

Zivilgesellschaft Hauptzielgruppe

Mitglieder

Follower

Shareholder

Innerer Zusammen-

stark, milieu­

flexibel, anlass­

locker, projekt­

halt

orientiert

bezogen

bezogen-temporär

Wirkungskreis

eher Gesellschaft

eher Community

eher Wirtschaft

Dominanter Vermitt- eher vertikal:

eher horizontal:

eher horizontal:

lungstyp

Koproduktion

zwischen Business

zwischen Bürger und Politik/Verwal-

und Politik/Verwal-

tung

60

tung, B2B, B2C

Rolle als Mittler

stark

mittel

schwach

Dominante Hand-

politisch

zivilgesellschaftlich

ökonomisch,

Interne Organisati-

eher hierarchisch,

eher vernetzt,

eher vernetzt, unter-

onsstruktur

bürokratisch

flexibel

nehmerisch

Steuerungsprinzip

„Direktive“, formell

„Schwarm“, Netz-

„Taktik“, monetär,

werk, informell

marktförmig

Many-to-Many

Some-to-Some

lungslogik

renditeorientiert

Kommunikation

One-to-Many

Zentrale Ressource

symbolisches Kapital soziales Kapital,

in einem Gover­

ökonomisches

kulturelles Kapital

Kapital

groß

teils/teils

eher gering

Organisationsgröße

eher groß

eher klein

unterschiedlich

Raumbezug

oft ausgehend von

oft ausgehend von

oft ausgehend von

Makroebene (Bund,

Mikroebene (Nach-

Mesoebene (Regi-

nance-Kontext Rolle des Gemeinwohls

Land), häufig hinein- barschaft, Quartier),

on), ausgreifend in

reichend bis in die

z. T. hineinreichend

Makro- (Bund, Land)

Mikroebene (Kom-

bis in die Meso-/

und Mikroebene

mune, Quartier)

Makroebene (Stadt,

(Nachbarschaft,

Land, Bund)

Quartier)

Quelle: eigene Darstellung, vhw 2016

Annäherungen: Intermediäre Akteursvielfalt im Wandel von Stadt und Demokratie

Intermediäre Typen und ihre Netzwerkpositionen Die beiden folgenden Grafiken fassen die Rollen der Intermediären in unterschiedlichen Netzwerkkontexten modellhaft zusammen. Abbildung 9 verdeutlicht die vertikale, formelle Einordnung der drei intermediären Typen, durch die sie – mit ganz unterschiedlichen Motiven und Zielen – in einer Vermittlungsposition zwischen Kommune und Bürgerinnen und Bürgern sind. Inwieweit die Vermittlung gelingt, in welche Richtung vermittelt wird und was der Gegenstand der Vermittlung ist, bleibt offen. Gleichzeitig wird sichtbar, dass es zwischen den intermediären Typen Graubereiche und Überschneidungen gibt. Abbildung 10 zeigt die Position der gleichen Akteure in einer ab­ strakten Darstellung eines horizontalen Netzwerks mit dem Ziel der Koproduktion von Stadt. Dieses informelle Netzwerk ist hierarchiearm. Dennoch bringen die Netzwerkteilnehmer unterschiedliche Ressourcen mit, die ihnen mehr oder weniger Macht verleihen. Politische Akteure verfügen über ein hohes Maß an symbolischem Kapital, die Verwaltung über Fachwissen, also Humankapital. Para-­ Intermediäre bringen oft ein großes Volumen an „ökonomischem Kapital“ mit in das Netzwerk, was ihnen oft eine gute Position in einer Governance-Arena sichert – gleiches gilt für unternehmerische Akteure. Klassische Intermediäre verfügen oft über ein jahrelang systematisch entwickeltes Humankapital, während Neo-Intermediäre oft viel Sozialkapital anhäufen, aber wenige materielle Ressourcen einbringen können. Einzelne Vertreter der Zivilgesellschaft, also zum Beispiel einzelne Bürgerinnen und Bürger, haben – anders als Intermediäre – die schwierigste Ausgangssituation in einem derartigen Akteursnetz: Gegen die Ausstattung mit verschiedenen Kapitalarten der organisierten Stakeholder haben sie in der Regel kaum Chancen. Manchmal können Kapitalarten, die fehlen, durch ande-

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

re substituiert werden. Verschieben sich die Kapitalien, ändert sich auch die Position im Gesamtgefüge. In der Realität verschmelzen beide Netzwerkdimensionen in­ einander: Es entsteht ein dreidimensionales intermediäres „Akteurs­ aquarium“, in dem die Anzahl und die Vielfalt der Akteure größer ist und deren Positionen permanent dynamisch changieren. Abbildung 9: Intermediäre Typen als Vermittlerinnen und Vermittler zwischen Kommune und Zivilgesellschaft

Kommunale Akteure (Politik und Verwaltung)

Klassische Intermediäre

ParaIntermediäre

Etablierte Vermittler unter Transformationsdruck

Urbane Player ohne Bürgerbasis

NeoIntermediäre Urbane Vermittler und Koproduzenten von Stadt

Vermittlung

Bürgerinnen und Bürger

Quelle: eigene Darstellung, vhw 2016

Unternehmen

Vermittlung

Klassische Medien/Soziale Medien

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Annäherungen: Intermediäre Akteursvielfalt im Wandel von Stadt und Demokratie

Abbildung 10: Intermediäre Typen als Koproduzenten von Stadt in einem hierarchiearmen Akteursnetzwerk

K

P

K P

U K

PI

KI

NI U

P P

NI

Legende: P = Politische Akteure K = Kommunale Akteure (Verwaltung) U = Unternehmerische Akteure KI = Klassische Intermediäre NI = Neo-Intermediäre PI = Para-Intermediäre

Quelle: eigene Darstellung, vhw 2016

K

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Intermediäre Akteure in der GovernanceArena: Herausforderung und Chance für die lokale Demokratie Nachdem wir im vorangegangenen Abschnitt das Feld der intermediären Akteure abgesteckt und strukturiert haben, werfen wir nun einen Blick in die Governance-Arena, in der diese Akteure – neben anderen – auftauchen und mitmischen. Bildlich gesprochen könnte man sagen: Wir setzen uns mit an den Runden Tisch oder ins Hinterzimmer und interpretieren, was dort geschieht. Dabei haben wir nicht den Anspruch, jeden möglichen Aspekt auszuleuchten, aber doch einige Fragen auf der Agenda, die sich im Hinblick auf Aushandeln im Netzwerk, Repräsentation und Gemeinwohl stellen: 64

• Aushandeln im Netzwerk (Seite 65 und Seite 79): Die Ressourcenebene spielt eine ganz entscheidende Rolle, wenn verschiedenartige Akteure an einem Tisch sitzen und verhandeln. Es stellt sich die Frage, wie Akteure in der machtvollen Governance-Arena ihre Ressourcen ausspielen und ob tatsächlich alle die gleichen Chancen haben sich einzubringen. Dabei kann man drei Ebenen unterscheiden: die Ebene des ökonomischen, des kulturellen und des sozialen Kapitals. Dahinter verbergen sich u. a. materielle Ressourcen, aber auch die überaus wichtigen kommunikativen Kompetenzen und der Netzwerknutzen. •

Repräsentieren (Seite 92): Wenn Vertreterinnen und Vertreter von Gruppen diskutieren, bleibt zunächst offen, mit welcher Berechtigung sie das tun. Wir stellen hier also ganz zentrale Fragen: Wer repräsentiert wen warum und mit welcher Berechtigung? Inwieweit betrachten soziale Gruppen interme-

Intermediäre Akteure in der Governance-Arena

diäre Akteure als legitime Repräsentanten ihrer Interessen? Sehen die Akteure des intermediären Kosmos wie auch die Kommunen selbst die intermediären Akteure als legitime Repräsentanten stadtgesellschaftlicher Interessen? Bestehen hier Legitimations- oder Repräsentationskonflikte? • Gemeinwohlorientierung (Seite 107): Am Ende sind auch die Ziele und normativen Ausrichtungen der Entscheidungen diskussionswürdig, die in der Governance-Arena getroffen werden. Wie kommen wir in solchen Konstellationen also zu einer gemeinsamen Gemeinwohlorientierung? Innovativ an unserer Debatte – im Vergleich zu vielen bisherigen Governance-Betrachtungen – ist die Idee, Interessen der Bürger­ innen und Bürger mit Hilfe der Intermediären mit an den Tisch bringen zu können, das heißt, wir verknüpfen den klassischen Demokratiediskurs mit dem Governance-Diskurs. Unser Anspruch sollte es sein, dass die neuen Aushandlungsformen nicht auf Dauer im Hinterzimmer ablaufen, sondern als integrierter, legitimierter Teil eines inklusiveren repräsentativ-demokratischen Systems gedacht werden können. Faktisch besteht die Herausforderung in einer „Demokratisierung von Governance“.

Aushandeln und Kommunizieren: Intermediäre als Ressourcenträger und Verhandlungspartner Ob es nun eine Anwohnerinitiative gegen die geplante Shoppingmall, die Abordnung eines lokalen Mieterbündnisses oder eine IHK-Delegation ist, die im Konferenzraum des Rathauses sitzt: Die Zusammenarbeit mit intermediären Akteuren stellt die Kommunen in der konkreten, alltäglichen Praxis der Stadtentwicklung im-

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

mer wieder vor Herausforderungen. Wie können sie mit diesen Akteuren produktiv und verlässlich zusammenarbeiten? Die Frage stellt sich gleichzeitig aus anderer Perspektive auf Seiten der intermediären Akteure: Sie verfolgen konkrete Anliegen in der Koproduktion von Stadt, bei denen sie an bestimmten Punkten autark vorankommen, an anderen Punkten allerdings auf Kooperationen in der Governance-Arena angewiesen sind: Kooperationen mit der Zivilgesellschaft wie auch Kooperationen mit wirtschaftlichen Akteuren und allem voran Kooperationen mit kommunalen Akteuren. Wie lassen sich diese Kooperationen produktiv organisieren? Wie kann Koproduktion gelingen? Wie können gegenseitige Blockaden vermieden werden?

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Wir wissen: Diese Zusammenarbeit ist eine Herausforderung für alle Beteiligten. Wenn Aushandlungsprozesse zwischen Kommune und Zivilgesellschaft stattfinden, in denen auch intermediäre Akteure einen aktiven Part spielen, dann erfordert dieser Aushandlungsprozess eine eigenständige, kontinuierliche, mitunter mühsame Konstruktionsarbeit, denn: • Intermediäre Akteure sind zunehmend in der Lage, selbstermächtigte Prozesse zu initiieren, die in Teilen auch unabhängig von einer Einbindung in städtische Organisationsstrukturen möglich sind. Das Spektrum reicht vom Nachbarschaftsnetzwerk bis zu Initiativen gegen die Stadtpolitik oder Protesten gegen städtebauliche Investoren. • Außerdem bringen sich nicht alle Akteure des intermediären Kosmos proaktiv in diese Aushandlungs- und Koproduk­ tionsprozesse ein. Jeder Prozess hat initiierende Akteure, die top-down wie auch bottom-up sortiert sein können. Diese Prozessnetzwerke sind an sich eine eigenständige Konstruk-

Intermediäre Akteure in der Governance-Arena

tionsaufgabe und mit der Herausforderung konfrontiert, das Panorama der Akteursinteressen und -ressourcen abzubilden. Die Wirkung der einzelnen intermediären Akteure in den Netzwerkstrukturen wird vor allem durch deren Ressourcen bestimmt. Um eine Zusammenarbeit innerhalb der Akteurslandschaft und der darin aufgehenden neuen intermediären Vielfalt in Zukunft effektiv zu gestalten, ist es deshalb wichtig, sich der Ressourcen zu vergegenwärtigen, die die Akteure typischerweise mitbringen. Dies soll im Folgenden mit einem besonderen Fokus auf Intermediäre geschehen. Wir unterscheiden dabei die Ressourcen des ökonomischen, kulturellen und sozialen Kapitals (Pierre Bourdieu), deren Eigenschaft es unter anderem ist, substituierbar zu sein – das heißt, dass zum Beispiel ein Mangel an Geld oder Know-how durch eine gute Einbindung in Netzwerke wettgemacht werden kann. Diese Kapitalumwandlungen sind in Governance-Konstellationen an der Tagesordnung, weshalb das Konzept für unser Thema besonders aufschlussreich ist.

Ökonomisches Kapital: Von Stiftungskapital bis zu intermediärem Crowdfunding Die Akteure bringen unterschiedliche materielle Ressourcen in den Verhandlungsprozess ein (Kapital, Güter, Räume etc.). Während kommunale Akteure in der Regel wenig finanzielle Spielräume haben und häufig allenfalls Fördermittel akquirieren können, haben privatwirtschaftliche Akteure oft deutlich größere Gestaltungsmöglichkeiten. Auch Klassische Intermediäre verfügen meist über umfangreiches ökonomisches Kapital (zum Beispiel Gewerkschaften, Stiftungen, Parteien), das sich aus ihrer institutionellen Struktur ergibt (Mit-

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

gliedsbeiträge, Stiftungskapital oder ähnliches). Sie können nicht nur auf Finanzmittel zugreifen, sondern meist auch auf Räumlichkeiten und einen festen Mitarbeiterstamm. Ähnlich ist es bei vielen Para-Intermediären, die insbesondere bei einem unternehmerischen Hintergrund oft noch auf deutlich höhere Investitionsmittel flexibel zugreifen können als Klassische Intermediäre.

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Neo-Intermediäre haben meist nur wenig eigenes ökonomisches Kapital vorzuweisen und müssen dieses häufig durch andere Kapitalarten ersetzen. Viele Neo-Intermediäre sind entsprechend kreativ in der Kapitalakquise, indem sie ihre finanziellen Möglichkeiten zum Beispiel mit neuen Instrumenten wie Crowdfunding, Fundraising etc. erweitern. Über das freiwillige Engagement ihrer Follower können manche Neo-Intermediäre die ihnen nicht zur Verfügung stehenden zahlenden Mitglieder der Klassischen Intermediären ersetzen. Solange sie nicht als Mäzene auftreten, sind einzelne Bürger mangels ausreichender Ressourcen in der Regel keine attraktiven Player in Governance-Netzwerken. Über gewählte politische Akteure sowie durch Intermediäre können sie sich jedoch dort vertreten lassen – als Teil einer Gruppe, deren Ressourcen wiederum nennenswert genug sind, um sie als Partner interessant zu machen.

Kulturelles Kapital: Intermediäres Know‑how und Kommunikation Intermediäre Kommunikation ist kein Selbstzweck und deutlich vielfältiger als das Bild einer einfachen Vermittlung zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Politik und Verwaltung. Die Kommunikation der intermediären Akteure ist viel mehr handlungsorientiert und darauf ausgerichtet, selbst Stadt im Sinne einer Koproduktion

Intermediäre Akteure in der Governance-Arena

zu gestalten. Intermediäre Akteure besitzen die Kompetenz, aus der Vielfalt der Stadtgesellschaft heraus Interessen zu artikulieren, sich mit anderen Akteuren zu vernetzen, sich auf ein gemeinsames Ziel zu verständigen und zu handeln. Dabei geht es meist um konkrete Produkte wie urbane Verkehrsentwicklungskonzepte, lokale Initiativen für Bildungsangebote, die Verantwortungsübernahme für öffentliche Plätze, die gemeinschaftliche Organisation von Events oder die partizipative Begleitung von Stadtentwicklungsprojekten. Nicht alle Akteure in einer Governance-Konstellation verfügen über vergleichbare Fähigkeiten und Kenntnisse. Es stellt sich deshalb die Frage, welche fachlichen und taktischen Mittel Intermediäre in eine (horizontale) Netzwerkarbeit mit einbringen können.

Intermediäre: Experten und Strategen in eigener Sache Allein die Organisationsstruktur eines intermediären Akteurs (Institution, Initiative, Netzwerk etc.) kann als bereits eigenständige strategische Ressource im Sinne kulturellen Kapitals aufgefasst werden, weil sie Konsequenzen für die Handlungsfähigkeit und -logik impliziert. Auch die Verfügbarkeit von personellen Ressourcen (unter anderem mit Blick auf ehrenamtliche Strukturen) ist gerade bei Intermediären wichtig. Hervorzuheben ist bei intermediären Akteuren allerdings ihre inhaltliche Kompetenz. Es geht bei der Einbindung intermediärer Akteure nicht um eine vordergründige Interessenanhörung oder die Steigerung der Akzeptanz stadtentwicklungspolitischen Handelns, sondern vielmehr um eine Koproduktion von Stadt – die entlang eines radikal-liberalen Ansatzes (Alexis de Tocqueville) tatsächlich auch ohne kommunale Akteure denkbar wäre.

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Intermediäre Akteure sind sehr oft auch fachlich kompetente Akteure, bei denen es nicht darum geht, sie in einem ersten Schritt erst einmal artikulationsfähig zu machen, um Augenhöhe mit stadtentwicklungspolitischen Experten herzustellen. Intermediäre Akteure sind vielmehr selbst Experten in eigener Sache, denen es letztlich auch nicht darum geht, ergebnisoffen konsultiert zu werden. Ihnen geht es um den eigenen Gestaltungsanspruch und um ein Grundverständnis von gleichwertigen Aushandlungspartnerschaften zwischen ihnen, der Kommune und Bürgerinnen und Bürgern. Das wiederum bringt auch Rollenkonflikte mit sich, denn intermediäre Akteure können dabei ebenso Verfahrensgestaltende wie auch Verfahrensbetroffene darstellen – gegebenenfalls sogar in Personalunion.

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Oft unterschätzt ist die Ressource des taktischen Wissens intermediärer Akteure. Dieses taktische Wissen ist ein Mix aus dem Wissen über die Netzwerkstrukturen der Governance-Arena und fachlichem Know-how. In dieser Form des kulturellen Kapitals kann sich ebenso viel strategische Macht akkumulieren wie etwa durch den gezielten Einsatz finanzieller Ressourcen. Die Lernprozesse innerhalb von Netzwerken sind deutlich besser geeignet, derartiges taktisches Wissen zu transportieren, als die Mechanismen ökonomischer Märkte oder hierarchischer staatlicher Steuerung. Und die tatsächliche Arbeit in den Netzwerken des intermediären Kosmos, das faktische Vermitteln, Machen und Protestieren der intermediären Akteure, ihre Artikulations- und Netzwerkarbeit erzeugt dieses taktische Wissen in der Funktionsweise eines learning by doing (vgl. Textbox 6).

Intermediäre Akteure in der Governance-Arena

Textbox 6: Beispiel Hamburger Elbinseln – kulturelles Kapital als Ressource in Koproduktionsprozessen Intermediäre Akteure begegnen uns als aktive Koproduzentinnen und -produzenten von Stadt. Am vhw-Beispielprojekt der Hamburger Elbinseln waren es – neben vielen erfahrenen und neu gewonnen Bürgerinnen und Bürgern – in weiten Teilen die Intermediären, die in den insgesamt zwölf Themengruppen aktiv an dem Bürgergutachten zu den stadtentwicklungspolitischen Entwicklungsperspektiven der Hamburger Elbinseln mitarbeiteten. In Hamburg begegnete uns in den unterschiedlichen thematischen Arbeitsgruppen ein beeindruckendes – oftmals über viele Jahre aufgebautes und zudem in der Regel lokal vernetztes – Know-how. Die Bürgerinnen und Bürger konnten damit die Qualität und das Niveau des Stadtentwicklungsdiskurses sichtbar verbessern. Das entstandene Bürgergutachten ist nicht nur quantitativ stark, sondern auch qualitativ gut. Es ließ sich direkt in politische Prozesse auf Landes- und Bezirksebene ein­ arbeiten und gilt bis heute als maßgebliche Orientierung für die weitere Entwicklung vor Ort.

Kommunikationswelten der Intermediären: Diskurs und Verständigung Als weiteres wichtiges kulturelles Kapital der Intermediären (aber auch der anderen Akteure) können die kommunikativen Kompetenzen gelten. Der aus dem Lateinischen stammende Begriff „Kommunikation“ heißt ursprünglich „durch Mitteilung gemeinschaftlich machen“. Diese Doppelbedeutung von „Teilen“ als „anderen etwas zur Verfügung stellen“, aber auch als etwas, das man sich gemeinschaftlich „zu eigen macht“ (vgl. den englischen Begriff „sharing“), spielt auch eine besondere Rolle, wenn unterschiedliche Akteure und Intermediäre in einen Dialog kommen.

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Willy Brandt hat in seiner Regierungserklärung von 1969 formuliert: „Wir wollen mehr Demokratie wagen!“ Das bedeutete auch für die Stadtentwicklung: mehr Dialog, mehr Mitbestimmung, mehr Teilen. In der Folge hat man auch die demokratischen Prozesse und Verfahren weiterentwickelt. Auf der Diskursebene zeigt sich aber in der Praxis, dass politische Dialoge nicht allen Bürger­ innen und Bürgern gleichermaßen zugänglich sind. Es stellt sich also die Frage, wie und ob deliberative Dialogprozesse, also der faire Austausch von Argumenten, gemeinsam mit Intermediären funktionieren und wie gut – etwa aus einer Inklusionsperspektive – das jeweilige Ergebnis ausfällt.

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Neben der Diskursebene kann man noch die Ebene des Verstehens unterscheiden: Akteure aus verschiedenen sozialen Sphären und institutionellen Systemen sprechen – im übertragenen Sinne – verschiedene Sprachen. Es geht um die vertikale Kommunika­tion „zwischen den Welten“ oder mit anderen Worten: zwischen den kommunikativen Systemen von Kommunen, intermediärem Kosmos und Lebenswelt, also auch um die Übersetzung zwischen professioneller und Alltagssprache. Neben der Sprache sind Kenntnisse formalisierter Strukturen und Normen, spezifische Artikulationsformen bis hin zu angemessener Kleidung und adäquatem Verhalten vonnöten, damit die Kommunikation gelingen kann. Diese Voraussetzungen zu erfüllen ist für einige Gruppen schwierig – aber können hier vielleicht intermediäre Akteure helfen? Diese und weitere Fragen sind in diesem Zusammenhang interessant: • Wie gut können intermediäre Akteure die Interessen von stadtgesellschaftlichen Gruppen/Milieus artikulieren? •

Wie vermitteln Intermediäre zwischen der Governance-Arena, der klassischen demokratischen Sphäre und ihren Mitgliedern oder Followern?

Intermediäre Akteure in der Governance-Arena



Wie funktioniert Kommunikation, wenn verschiedene Milieus mit unterschiedlichen Sprechgewohnheiten und einem dif­ ferierenden Habitus aufeinandertreffen?



Wie gut sind die Rückkopplungsprozesse zwischen intermediären Akteuren und den durch sie artikulierten oder repräsentierten stadtgesellschaftlichen Gruppen/Milieus?

Intermediäre können – das zeigen die bisherigen Erfahrungen – offenbar sehr effektiv kommunizieren, kulturell vermitteln und aktivieren. Das bedeutet, dass gerade an den Rändern des intermediären Netzwerks andere, im stadtentwicklungspolitischen Alltag ungewohnte Zielgruppen erreicht und Kommunikationsformen angewendet werden können. Kreative, traditionelle Migranten, alltägliche moderne Lebenswelten haben ihre eigenen Ansprechpersonen, Netzwerke, Initiativen, Institutionen und Vereine. 73 Inwieweit und in welchen Konstellationen Intermediäre tatsächlich über die Kompetenz verfügen, habituelle Schranken zu überwinden, inwieweit sie die Sprache der Alltagswelt und ihrer unterschiedlichen Milieus wie auch die dialogische Sprache des politischen Systems zu verkoppeln wissen – also als echte „Brücken­akteure“ auftreten – ist unklar. Hier ist mehr empirische Forschung notwendig. Man kann sich jedoch annähern, indem man die drei Typen von Intermediären heranzieht: Im Verständnis vieler Klassischer Intermediärer gehörte und gehört die Übersetzungsleistung zwischen Politik und Zivilgesellschaft zu ihrem ureigenen Anspruch. Auch Para-Intermediäre, die mit Vermittlungsprozessen zwischen den sozialen Sphären und Akteursgruppen eigene, lukrative Ziele verfolgen, verfügen über ein starkes Motiv und können viel Kreativität entfalten. Für die Neo-Intermediären ist dies schwer zu beur-

Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

teilen. Wir vermuten jedoch, dass sie ganz besondere Stärken im Bereich der horizontalen Kommunikation (zum Beispiel zwischen den Milieus, also über Gruppen hinweg) besitzen. Auch die Frage, inwieweit Intermediäre dabei eher eine exkludierende oder inkludierende Rolle spielen, kann mit dem heutigen Wissen nicht beantwortet werden. Ihre konkrete Rolle dürfte jedoch stark vom intermediären Typus, von den Zielen und der Struktur der Mitglieder oder Follower abhängen. Wichtig wäre es, von innovativen Intermediären zu lernen, die einen konsequenten inklusiven Beteiligungsanspruch verfolgen, indem sie auch benachteiligte und beteiligungsferne Gruppen repräsentieren.

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Soziales Kapital: Intermediäre Vernetzung und die Wirkung der Community Wer in der Governance-Arena mit wem kooperiert, ist kein Zufall. Neben ökonomischen und kulturellen sind hier auch soziale Ressourcen wichtig. Vieles ist abhängig von der eigenen Position und vom Vertrauen zwischen bestimmten Personen im Netzwerk – man könnte auch sagen: vom verfügbaren Sozialkapital. Es stellen sich also aus einer Netzwerklogik heraus einige Fragen, • Wie sind die Akteure im intermediären Kosmos miteinander vernetzt? • Welche Teilnetzwerke oder Akteurscliquen bestehen und wo übernehmen mit Blick auf solche Strukturen gegebenenfalls intermediäre Akteure vermittelnde Funktionen (sogenannte Broker)?

Intermediäre Akteure in der Governance-Arena

• Wo bestehen unverbundene Knotenpunkte bzw. Vernetzungslücken (Ronald Burts „structural holes“) zwischen den Kommunen, Einzelakteuren, Intermediären und sozialen Milieus? • Wer profitiert wie stark vom entstehenden Sozialkapital und wie wird dieses strategisch genutzt? Welchen Beitrag leistet es zu einer inklusiven Stadtentwicklung? Eine Empirie zum Sozialkapital in der Welt der Intermediären steht bislang noch weitgehend aus. Wir vermuten jedoch, dass intermediäre Vernetzungsprozesse – abhängig vom intermediären Typus – nicht nur vertikal, sondern auch horizontal verlaufen: quer durch den intermediären Zwischenraum und potenziell auch quer zu den einzelnen Interessen(gruppen) und Milieus der Stadtgesellschaft. Wie wir mehrfach betont haben, leisten viele Intermediäre nicht nur instrumentelle Übersetzungs- oder Aktivierungsarbeit (diese könnte man durch professionelle Mediatoren ersetzen). Zu einer mehr oder weniger zielgruppengerechten, inklusiven Kommunikation kommt noch eine komplexe Netzwerkarbeit hinzu: Man muss wissen, wie man das lokale soziale Kapital aktiviert. Intermediäre entfalten dann eine nachhaltige Wirkung, wenn sie authentisch für ernsthafte Interessen und glaubhafte Positionen stehen und diese auf vielfältigen Wegen durch ihre Netzwerke verbreiten. Die intermediären Akteure sind in der Lage, uns die Tür in eine neue Welt zu öffnen, in der wir auf weitverzweigte Netzwerke treffen, die untereinander konkurrieren, von Schlüsselakteuren bewacht werden oder durch Lücken im System voneinander getrennt sind und gegebenenfalls nur darauf warten, überbrückt zu werden. Vertikale und horizontale Synapsen reichen bis in die systemische Organisation der Kommune, der (lokalen) Wirtschaft

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und in die alltäglichen Lebenswelten der Stadt, also hinein bis ins Quartier und die Nachbarschaften. Betrachtet man die Stadtgesellschaft differenziert nach bestimmten Merkmalen oder Interessengruppen (Milieu, Alter, Ethnie etc.), könnte man für die jeweiligen Dimensionen einen doppelten Reichweitencheck intermediärer Netzwerke vornehmen (vgl. Textbox 7): • Inklusivitätscheck: Inwieweit werden verschiedene soziale Gruppen mit Blick auf die Aushandlungsprozesse zwischen Kommune und Zivilgesellschaft durch intermediäre Akteure in ihrem Netzwerk repräsentiert?

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• Netzwerkcheck: Wie gut sind die intermediären Akteure, die bestimmte Interessen vertreten, in das Aushandlungssystem stadtentwicklungspolitischer Prozesse eingebunden? Textbox 7: Beispiel Hamburger Elbinseln – selektiver Inner Circle Die Stadtgesellschaft lässt sich in ihrer soziokulturellen Ausdifferenzierung entlang von sozialen Milieus beschreiben. Dies konnten wir exemplarisch im Rahmen eines vhw-Projekts am Beispiel der intermediären Netzwerklandschaft auf den Elbinseln in Hamburg Mitte beobachten. Es stellte sich die Frage, wie gut die einzelnen sozialen Milieus über intermediäre Akteure im intermediären Raum vertreten waren. Tatsächlich zeigte sich in Hamburg ein Inner Circle relevanter intermediärer Netzwerkakteure entlang des dortigen zivilgesellschaftlichen Initiativennetzwerks. Diese Akteure waren gut untereinander und mit der Stadt vernetzt. Tatsächlich handelte es sich dabei aber vor allem um Personen und Interessen aus der Mitte der Gesellschaft. Die stadtgesellschaftlichen Mil­ieu-

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ränder in Richtung traditioneller Migranten, moderner prekärer Milieus und kreativer Pioniermilieus fanden sich wiederum meistens an den Rändern dieses Netzwerks. Die Repräsentation dieser vielfältigen Milieus war also prinzipiell angelegt, in ihrer Vernetzungsstruktur allerdings ausbaufähig.

Inklusion als Herausforderung Meist ist es nicht so einfach, die Breite stadtgesellschaftlicher Interessen abzudecken, auch nicht unter Rekurs auf die Intermediären. „Inklusion“ im Sinne einer Repräsentation stadtgesellschaftlicher Gruppen bleibt eine stete Herausforderung. Allerdings: Durch intermediäre Akteure besteht die prinzipielle Chance, Inklusion besser zu organisieren, weil sie vertikal zwischen Kommune und Bürgerinnen und Bürgern sowie horizontal zwischen unterschiedlichen Intermediären und stadtgesellschaftlichen Interessengruppen Verknüpfungen herstellen können. Die interessante, offene Frage wäre also: Inwieweit brechen sie soziale Schranken auf und fördern das gemeinsame, „soziale Kreise“ übergreifende Engagement in der Stadt (siehe Textbox 8)? Textbox 8: Gruppenübergreifende Netzwerke Zwei Konzepte aus der Soziologie sind für das Verständnis hilfreich: die von Georg Simmel bereits Ende des 19. Jahrhunderts eingeführten „Kreuzungen sozialer Kreise“ und die auf Norbert Elias zurückführende „Figurationssoziologie“ aus den 1970er Jahren. Wir können dann von kommunikativen Figurationen sprechen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie raumübergreifende, dynamische soziale Netzwerke aufspannen und institutionelle Arrangements entwickeln. Zentral dabei ist die Interdependenz der Akteure: In gewisser Weise braucht jeder

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Netzwerkakteur auch die anderen Akteure, um seine Funktion erfüllen zu können. Eine weitere konzeptionelle Metapher ist die der Vielfalt sozialer Kreise, die laut Simmel in ihrer Überschneidung, Interaktion und im Wettbewerb um Deutungsmacht die Stadtgesellschaft konstituieren.

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Ein besonderes Potenzial bieten unseres Erachtens unverbundene Knotenpunkte („structural holes“) in den horizontalen und vertikalen Netzwerken. An diesen „blinden Flecken“ finden sich Akteure, die aktiviert oder eingebunden werden könnten: auf Seiten der Kommune, der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft wie auch auf Seiten der intermediären Akteure selbst. Derartige „schlafende Intermediäre“ sind Akteure, die bisher keinen intermediären Funktionen nachgehen und jenseits dieser Abläufe nichts weiter als einen Verein, eine Institution oder ein lokales Netzwerk darstellen. Oft sind sie Gruppen, die einfach „nur machen“, „nur“ Künstlerinitiative sind, „nur“ Moscheeverein, „nur“ Kita-Träger, „nur“ Baugruppe, „nur“ Urban Gardener, „nur“ Mieterinitiative mit Rechtsberatung oder „nur“ Sportverein. Mit Hilfe einer Überbrückung könnten sie aus ihrer Parkposition heraustreten und einen Mehrwert darin sehen, eine aktivere intermediäre Rolle als Koproduzenten ihres eigenen städtischen Umfelds einzunehmen. Interessant wäre also eine Debatte über die Perspektiven einer Systemintegration von Intermediären in stadtentwicklungspolitische Prozesse. Damit könnten Synergien erschlossen und die Ressourcen von Intermediären und Stadtgesellschaft für die Stadtentwicklung nutzbar gemacht werden. Die Chancen einer aktiven Einbindung von Intermediären dürften das Risiko ihrer Nichteinbindung deutlich übersteigen, weil die Vielfalt intermediärer Akteure wirksam zur aktiven Vernetzung in der heterogenen Stadtgesellschaft eingesetzt werden könnte.

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Regeln entwickeln: Ein gemeinsamer Verhaltenskodex für eine Kooperation mit Intermediären? Im Umgang mit Intermediären steht im kommunalen Alltag oft das „freie Improvisieren“ im Vordergrund: Nicht selten prallen in den Sitzungssälen der Rathäuser Welten aufeinander, wenn politische Aktivisten, gewiefte Lobbyisten, engagierte Nachbarschaftsinitiativen, gestresste Amtsleiter und taktierende Kommunalpolitiker an einem Tisch sitzen. Es ist häufig unklar, an welchen Verfahren man sich orientieren kann und an welchen Schnittstellen sich Kommunen und Intermediäre gut begegnen können. Die Auswahl von intermediären Kooperationspartnern ist in der Regel von Zufall oder persönlichen Kontaktnetzwerken geprägt. Es fehlt also ein strukturierter Blick auf mögliche Leitplanken der Zusammenarbeit. Könnten also für den Umgang zwischen den Systemen (klassische Demokratie versus Governance-Arena) Grundregeln entwickelt werden, die von allen akzeptiert werden? Im Folgenden steht insbesondere die kommunale Perspektive des Umgangs mit Intermediären im Mittelpunkt.

„Gelsenkirchener Flachglasurteil“ & Co.: Bereits existierende Verfahren der Interesseneinbindung Natürlich können wir in der Stadtplanung bereits auf formalisierte Verfahrensabläufe zurückgreifen, die eine demokratische Rahmung garantieren. Für Top-down-Prozesse seitens Politik und Verwaltung setzt das Baugesetzbuch (BauGB) Standards, die sich an Einzelpersonen und an Gruppen oder Organisationen (zum Beispiel Intermediäre, Träger öffentlicher Belange) gleichermaßen richten: In Paragraf 1 BauGB ist festgeschrieben, dass die öffentli-

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chen und privaten Belange prinzipiell gegeneinander abzuwägen sind. Das ist beispielhaft im sogenannten Gelsenkirchener Flachglas­ urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 1974 dargelegt. Aus diesem Urteil geht hervor: Wer eine gerechte Abwägung treffen möchte, muss explorativ tätig werden. In der Stadtplanung und in der Politik Tätige haben die Pflicht, die Gemengelage der zu berücksichtigenden Interessen zu ermitteln und zu gewichten. Ziel ist es, eine Art Quersumme zu ziehen, die die einzelnen Belange ausbalanciert. Dabei können allerdings Fehler unterlaufen, wie zum Beispiel Ermittlungs- und Abwägungsdefizite, Abwägungsfehleinschätzungen oder auch Abwägungsdisproportionalitäten (Link: www.jurion.de/Urteile/BVerwG/1974-07-05/IV-C-5072).

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Auch mit Blick auf Stadtentwicklungsprozesse, die nicht topdown angesetzt sind, finden sich in vielen Gemeindeordnungen geregelte Verfahrensabläufe. Zum Beispiel in der Verpflichtung, einmal jährlich eine Bürgerversammlung durchzuführen – in größeren Gemeinden auch auf untergeordneten Maßstabsebenen wie etwa dem Stadtbezirk. In solchen Bürgerversammlungen sind beispielsweise alle anwesenden Personen berechtigt, einen Antrag zu stellen – wenn dieser Antrag eine Mehrheit findet, hat sich der Stadtrat auch damit auseinanderzusetzen. Dies ist also eine Möglichkeit für intermediäre Akteure, ihre formulierten Belange in die Arena der repräsentativen Demokratie einzubringen (Link: www. muenchen.de/rathaus/Stadtpolitik/Buergerversammlungen.html). Im Raum der Möglichkeiten zur Einbeziehung nicht kommunal initiierter Prozesse steht auch das Instrument des Bürgergutachtens. In Anlehnung an das Modell der Dienelschen Planungszelle gibt es hier sehr geregelte Verfahrensabläufe, bis hin zu der Frage, wie mit den Ergebnissen solcher Bürgergutachten umzugehen ist.

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Dieses Instrument ist auch seitens der Gesellschaft für Bürgergutachten dokumentiert (Link: www.buergergutachten.com). In der Folge von Stuttgart 21 und dem damit verbundenen kommunalpolitischen Schockerlebnis bürgergesellschaftlichen Protests gibt es neuerdings auch ein breites Bündel teilweise formalisierter Satzungen zur Bürgerbeteiligung, mit denen dezidiert auch Intermediäre angesprochen werden. Einige Kommunen haben auch alternativ qua Stadtratsbeschluss eine selbstverpflichtende Leitlinie formuliert. Auf den Seiten des „Netzwerks Bürgerbeteiligung“ finden sich weitgehend dokumentierte Informationen zu den in deutschen Städten bestehenden Leitlinien und Satzungen zur Bürgerbeteiligung (Link: http://www.netzwerk-buergerbeteiligung. de/kommunale-beteiligungspolitik-gestalten/kommunale-leitlinien-buergerbeteiligung/sammlung-kommunale-leitlinien/). Zentrales Element dieser Leitlinien ist meist die Einrichtung einer öffentlich – online – einsehbaren Vorhabenliste, die über städtische Projekte informiert. Die Idee ist, Bürgerbeteiligung als kontinuierlichen Prozess zu gestalten (von daher auch nie „zu spät“ oder „zu kurz“). In der Regel bestehen Möglichkeiten, diese Liste zu kommentieren. Oftmals wird seitens der Kommune auch eine zentrale Anlaufstelle für Bürgerbeteiligung eingerichtet. Wie kann ein Anliegen den Status eines Bürgerbeteiligungsvorgangs erlangen und damit auch in eine solche Vorhabenliste aufgenommen werden? Dies geschieht über direktdemokratische Elemente wie Bürgerversammlungen oder Bürgeranträge oder über gewählte oder berufene Beteiligungsgremien. Im Ergebnis bleiben die Durchführung und die Finanzmittel für ein Beteiligungsverfahren beim Gemeinderat – nicht zuletzt, um seitens der Politik und Verwaltung Verbindlichkeit sicherzustellen, dass Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern gehört und ernst genommen werden.

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Ein Ansatz für neue Verfahrensregeln? Das Compliance‑Prinzip Die Einbindung von intermediären Akteuren in Bürgerbeteiligungsprozesse ist prinzipiell nichts Neues. Generell führen formale Regeln aber auch zu formalen Verfahren. Weil Intermediäre oft informell strukturiert sind und auch außerhalb des klassischdemo­kratischen Systems agieren, ist es schwierig, sie in formale Verwaltungsabläufe zu integrieren. Als aktuelles Beispiel können Refugees-Welcome-Initiativen herangezogen werden, die – wie etwa bei der selbstinitiierten Lebensmittelausgabe – mitunter an den starren Regularien der Kommunen verzweifeln.

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Wie aber können Regeln aussehen, die anders sind? Wie lassen sich Regeln gestalten, die die Schwelle des Formalen überwinden und die Kluft zwischen dem demokratischen System und der ­Governance-Arena überbrücken? Dazu bietet sich das flexiblere Prinzip der Compliance an, also einer Art Selbstverpflichtung oder Regeltreue, die von den beteiligten Akteuren verabredet wird. Diese schreibt gewisse qualitative Standards des Aushandlungsprozesses fest, denen sich alle Beteiligten verpflichtet fühlen: also die Kommune, die intermediären Akteure und die Zivilgesellschaft, das heißt auch die einzelnen Bürgerinnen und Bürger. Compliance setzt dabei ein gemeinsames Verständnis einer Demokratie voraus, die auf fairen Aushandlungsprozessen basiert. Durch eine solche gemeinsam geschaffene Verhaltensgrund­lage entsteht – nach dem Stecker-Steckdosen-Prinzip – eine neue Kommunikationsschnittstelle mit Eigenleben: Wenn die komplementären Enden verbunden werden, wird ein Energiefluss ermöglicht. Wenn die neuen Schnittstellen differenziert beschaffen sind,

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können unterschiedlichste Akteure verlinkt und eigenständige Dialog- und Gestaltungsprozesse ermöglicht werden. Für die Kommunen – als Protagonistinnen der formellen, gesetzlichen Strukturen – gilt dann im Ergebnis ein „Comply and Explain“. • „Comply“ bedeutet, sich an die gemeinsam aufgestellte Compliance zu halten, sich also am vereinbarten (informellen) Regelwerk zu orientieren. Dazu gehört es auch, das Resultat eines Aushandlungsprozesses zu akzeptieren und in die formalen Verfahren zu überführen. • Daneben sollte auch eine Erläuterung der Entscheidung selbstverständlicher Teil der Compliance sein: „Explain“ heißt in einer begründeten Erklärung darzulegen, warum aus politischen oder verwaltungsrechtlichen Gründen ein Ergebnis umgesetzt wird oder davon abgewichen werden muss – ein aufwendiges Vorgehen, das aber sogar bei formellen Verfahren (zum Beispiel bei der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange) nicht unüblich ist. Allein aus dieser Differenzierung entsteht wiederum eine neue kommunikative Schnittstelle, an der weitere Dialogprozesse ermöglicht werden.

Wer soll ins Boot – und nach welchen Regeln wird gerudert? Die Herausforderung besteht darin, eine derartige Compliance mit Intermediären an die bestehenden Verfahrensprinzipien der Stadt­ entwicklung und Stadtplanung anzubinden. Diese Anbindung soll-

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te jedoch bereits mit Hilfe der oben skizzierten Grundfiguren stadtplanerischer Praxis möglich werden: Die Erkundung und Abwägung der Interessen gehören aufseiten der Kommunen formal ohnehin bereits dazu. Gleiches gilt für die Anbindung der Politik: Den Gemeinde- und Stadträtinnen bzw. den Gemeinde- und Stadträten ist in der parlamentarischen Demokratie der Moment der politischen Abwägung vorbehalten. Der intermediäre Kosmos ist allerdings nicht top-down, sondern multidirektional strukturiert. Die gegenseitige Verständigung über eine entsprechende Compliance ist daher ein Projekt, das nicht nur die Kommune angeht und auch in die Governance-Arena getragen werden muss.

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Doch welche (intermediären) Akteure sollen mit ins Boot und nach welchen Regeln soll in welche Richtung gerudert werden? Die ­Intermediären entscheiden natürlich zuallererst selbst, ob ihnen eine Mitwirkung an bestimmten Prozessen etwas nützen würde. In einer Governance-Konstellation entscheiden darüber hinaus oft die verfügbaren Ressourcen (ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital) wer in der Steuerungsrunde, im urbanen Regime oder im Bündnis willkommen ist und wer nicht. Die öffentliche Hand kann mit ihren politischen Mitteln und mit inhaltlicher Überzeugungsarbeit jedoch darauf hinwirken, dass bestimmte Intermediäre integriert werden. Das Zusammenspiel von Kommunen und den eingangs beschriebenen Typen der Klassischen, Neo- und Para-Intermediären trifft allerdings auf unterschiedliches Erfahrungswissen: • Klassische Intermediäre und Kommunen sind in diesen Prozessen in der Regel berechenbare Verhandlungspartner mit bekannten Eigeninteressen.

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• Ungeübt ist oft das Zusammenspiel von Kommunen mit den Neo- und manchen Para-Intermediären. Insbesondere die an Kooperation interessierten Intermediären, deren Ziel es ist, aktiv mitzugestalten, bringen dabei ein eigenständiges kommunikatives, fachliches und netzwerkspezifisches Innovationspotenzial mit. Sie benötigen aber einen ermöglichenden Handlungskontext, der zunächst ausgehandelt werden muss (einen gemeinsamen Gestaltungsrahmen, organisatorische Erleichterungen, finanzielle Mittel). Die Neo-Intermediären besitzen einen gewissen janusköpfigen Charakter, der mit der Frage der Vertrauenswürdigkeit und der Zuverlässigkeit verknüpft ist. Während in der einen Waagschale Potenziale der Innovation, Kommunikation und Vernetzung liegen, beinhaltet die andere Seite mögliche Partikularinteressen, Konflikte, Proteste und Blockaden. Aus Sicht der Kommunen ist diese Furcht vor dem Problem manchmal auch ein Druckmittel oder eine versteckte Ausstiegsdrohung, denn die Neo-Intermediären können sich nicht immer mit veritablen finanziellen oder politischen Machtmitteln unverzichtbar machen. Die Para-Intermediären treten dagegen als starke und auch materiell in der Regel unabhängige Partner auf. Seitens der Stadt sind sie deshalb oft gern gesehene und willkommene Akteure, weil sie manchmal Vorhaben ermöglichen, welche vielleicht notwendig oder wünschenswert sind, die Kommunen jedoch finanziell überfordern. Allerdings: Auch die Para-Intermediären werden durch ihre Einbindung zu Verhandlungspartnern und können dann ihrer­ seits stets mit einem Ausstiegsszenario drohen. Deswegen können die Para-Intermediären oft indirekt eine sehr gute Verhandlungsposition für ihre eigenen Interessen durchsetzen.

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Um in der Zusammenarbeit von Kommunen und Intermediären pragmatisch zu einer gemeinsam akzeptierten Regeltreue zu finden, schlagen wir einige Prüffragen vor, die auf dem Weg zu einem Verhaltenskodex (code of conduct) hilfreich sein könnten: • Inklusivität: Inwieweit können Intermediäre das Moment der Inklusion stärken, also das Erreichen möglichst aller stadtgesellschaftlicher Gruppen? Je inklusiver ein Beteiligungsprozess durch die Einbeziehung eines intermediären Akteurs werden kann, desto besser. Der abnehmende Grenznutzen beim wiederholten Fokus auf ein und dieselbe Zielgruppe wäre zu berücksichtigen.

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• Repräsentativität und Legitimität: Inwiefern kann die Einbeziehung von intermediären Akteuren die Legitimität von Aushandlungsprozessen stärken? Natürlich sollten möglichst viele stadtgesellschaftliche Gruppen eingebunden werden. Dabei spielt auch die Frage der politischen Relevanz eine wichtige Rolle: Jeder Diskurs, jeder Prozess beinhaltet auch diskursiv begründet relevante Akteure, die sich weniger durch ihre breite Repräsentanz oder Artikulationsfähigkeit in Bezug auf stadtgesellschaftliche Interessen(-gruppen) und Milieus als vielmehr durch ihren ergebnisorientierten Mehrwert für eine Koproduktion von Stadt auszeichnen. • Kooperative Gemeinwohlorientierung: Im Sinne einer kooperativen Gemeinwohlkonkretisierung ist sicherlich ein möglichst großer Input von Interessen und Perspektiven (und intermediären Akteuren) sinnvoll. Allerdings sollten sich all diese Akteure dem Anliegen verpflichtet sehen, gemeinsam an einer gemeinwohlorientierten Ausrichtung des konkreten stadtentwicklungspolitischen Prozesses zu arbeiten.

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• Verfassungsgemäße Gemeinwohlorientierung: Das bedeutet rein formal ein positives Bekenntnis zu den ersten 20 Artikeln des Grundgesetzes, also der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie ein Bekenntnis zur Pluralität. Keine Gruppe darf einer anderen Gruppe die Legitimität ihrer Existenz absprechen. Die Frage danach, welche intermediären Akteure (nicht) an Aushandlungsprozessen beteiligt werden (sollten), ist selbst Bestandteil des Aushandlungsprozesses. Jeder Akteur muss sich in dieser Hinsicht über den Prozess hinweg stets selbst legitimieren. •

Inhaltliche Qualität von Dialogen (Content): Was hat ein Aushandlungsprozess konkret zum Thema beizutragen? Wo sind die Spielräume? Welche Informationen sind relevant? Wie können diese Informationen allen (potenziell) Beteiligten zur Verfügung gestellt werden? Wie kann sich jede interessierte Person und jeder interessierte Akteur möglichst gleich gut artikulieren und einbinden? Wie kann der Aushandlungsprozess selbst möglichst transparent und kontinuierlich abgebildet werden? Wie lässt es sich organisieren, dass im Dialog Meinungsänderungen und Kompromisse stattfinden können? Wie können alle Beteiligten ein Gefühl von Prozess- und Beteiligungswirksamkeit erlangen?

• Output von Aushandlungsprozessen und politische Entscheidungs- und Dialogkultur: Wie kann sichergestellt werden, dass bei Aushandlungsprozessen überhaupt etwas herauskommt? Welche Form von Ergebnis ist angedacht (ein Gestaltungsprozess, ein Votum, ein Event, ein Netzwerk etc.)? Und wie kann gewährleistet werden, dass Politik und Verwaltung auf diesen Output reagieren und/oder sich gegebenenfalls (organisatorisch, strukturell, finanziell) daran beteiligen?

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Diese Prüffragen müssten bereits im Vorfeld beantwortet werden, also vor Beginn eines Aushandlungsprozesses. Das kann bedeuten, dass die Kommunalverwaltung selbst einen Rahmen absteckt. Das kann aber auch bedeuten, dass ein solcher Rahmen seitens oder unter Einbezug intermediärer Akteure und/oder einzelner Bürgerinnen und Bürger aus der Zivilgesellschaft formuliert wird. Wichtig bleibt: Jeder Aushandlungsprozess benötigt ein politisches Mandat, einen Handlungsspielraum, eine Outputorientierung und eine verlässliche Rückmeldung seitens der Kommune an die Zivilgesellschaft.

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Auch wenn solche Aushandlungsprozesse bereits oft (informeller) Bestandteil aktueller Stadtentwicklungspraxis sind: Die Schnittstellen dieser Prozesse zwischen Politik, Verwaltung, intermediären Akteuren und Zivilgesellschaft müssen benannt werden. Dazu ist die skizzierte Prozesssteuerung notwendig, die sich letztlich an der Frage orientiert: Wie können wir über die Einbeziehung intermediärer Akteure den Dialog zwischen Kommune und Zivilgesellschaft und die parlamentarische Demokratie stärken? Derartige diskursive Verfahren stellen gerade für manch neu gewählte Politikerin bzw. gewählten Politiker eine ungewohnte Herausforderung dar. Weil sie mit ihrer Wahl ein Mandat erhalten haben, entsteht für einige der Eindruck, als wenn dieses entwertet würde: zum Beispiel durch routinierte Verwaltungen, die komplexe Vorgänge mit ihrem langjährigen Erfahrungswissen begleiten und gestalten, aber auch von Intermediären, die – vermeintlich ohne Repräsentationsanspruch – in kommunalpolitische Hoheitsbereiche eindringen. Dieses neue Zusammenwirken im Spiel unterschiedlicher Repräsentationslogiken muss von vielen beteiligten Akteuren oft erst erlernt werden.

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Zwischenfazit: Warum ist die Kooperation zwischen Kommunen und Intermediären gewinnbringend? Warum lohnt sich die Mühe, dass Kommunen und intermediäre Akteure gemeinsam aktiv an stadtentwicklungspolitischen Aushandlungsprozessen arbeiten? Die Vorteile liegen auf der Hand: • Intermediäre können die Vielfalt der zu berücksichtigenden Interessen besser bedienen bzw. vice versa als Interessen­ artikulierende die Vielfalt der zu berücksichtigenden Interessen erweitern. •

Intermediäre können die Mediation von Konflikten unterstützen bzw. vice versa eventuell bestehenden Interessenkonflikten in aktiven Aushandlungsprozessen entgegentreten (vgl. Textbox 9).



Intermediäre können zusätzliche Ressourcen erschließen bzw. vice versa unterstützende Ressourcen gewinnen.



Intermediäre können dabei helfen, die Annahmen über lokale Bedarfs- und Interessenlagen zu überprüfen bzw. vice versa die Agenda lokaler Bedarfs- und Interessenlagen proaktiv mitgestalten.



Intermediäre können helfen, schwer anzusprechende Gruppen zu aktivieren bzw. vice versa eine koproduktionsorientierte Artikulation oder Repräsentation zu berücksichtigender Interessen zu erzielen.

Als Vermittelnde unterstützen – oder ermöglichen – intermediäre Akteure erst die Kommunikation in der vielfältigen Interessenland-

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schaft der Stadtgesellschaft. Ihre Reichweite geht dabei deutlich über das hinaus, was allein auf Seiten von Kommunalpolitik und kommunaler Verwaltung leistbar wäre. Das ist potenziell ein doppelter Gewinn: zum einen für die Interessen auslotende Arbeit der Kommunen, zum anderen aber auch für die von intermediären Akteuren artikulierten oder repräsentierten sozialen Interessen.

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Als Koproduzentinnen und -produzenten von Stadt können intermediäre Akteure den oftmals limitierten kommunalen Handlungsspielraum deutlich erweitern: Mit lokalem und fachlichem Know-how, mit ehrenamtlichem und freiwilligem Engagement, teils mit eigenen Ressourcen, mit Konzeptideen für lokale Projekte, mit Netzwerkkontakten zur Erschließung weiterer Ressourcen. Das funktioniert auch umgekehrt: Eine kooperative Zusammenarbeit mit der Kommune ermöglicht intermediären Akteuren zusätzliche Handlungsspielräume. In beiden Fällen gilt allerdings: Solche Kooperationen benötigen Spielregeln, um Win-Win-Situationen zu ermöglichen und (wenn auch lediglich taktisch intendierte) Blockadesituationen zu vermeiden oder positiv zu wenden. Textbox 9: Potenziale des Protests – der Mehrwert des „demokratischen Moments“ Jacques Rancière gilt als einer der Hauptvertreter postpolitischer Ansätze und als Kritiker der (postmodernen) politischen Verhältnisse. Echte „demokratische Momente“, wie er sie nennt, würden immer seltener. Sie entständen laut Rancière immer dann, wenn sich Bruchstellen im System bildeten. Dann „erschienen“ zunächst politische Bewegungen. Diese wiederum rekrutierten sich aus exkludierten Personen und Gruppen („Anteilslosen“), die sich gängigen Handlungslogiken nicht mehr verpflichtet fühlten und sich ihrer Außenseiterrolle bewusst würden. Die Anteilslosen stellten schließlich zu bestimmten Gelegenheiten oder an bestimmten Orten die bestehende Ordnung infrage

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und provozierten Konflikte – laut Rancière eine Aufforderung zur (ernsthaften) Kommunikation, also ein „demokratisches Moment“. Er sieht jedoch diese Abfolge durch die derzeit herrschende „postdemokratische“ Ordnung und die Depolitisierung unserer Gesellschaften gefährdet. Sein Argument: Die Depolitisierung entstehe erst durch die Simulation einer scheinbar allumfassenden Konsensualität, mit deren Hilfe gleichzeitig alles als sichtbar („transparent“) und vieles als „alternativlos“ dargestellt werde. Rancière weiter: Wo scheinbar alles sichtbar ist, könne nichts „Widerständiges“ mehr „erscheinen“. Wo scheinbar alle repräsentiert seien, könnten Randständige („Anteilslose“) nicht mehr selbstdifferent wirksam werden. Und: Wo scheinbar alle Probleme „konsensual“ gelöst werden (sollen), werde der nicht auflösbare Kerndissens verdeckt. Der Konflikt selbst werde darüber hinaus durch Experten „objektiviert“, analysiert, moderiert und damit seiner Grundlage beraubt. Diese theoretische, eher dystopische Analyse Rancières bietet in ihrer Konsequenz wenig Auswege aus dem Dilemma. Pragmatisch könnte man aber mit Blick auf manche intermediäre Akteure folgern: Wird man sich „demokratischer Momente“ bewusst, die einem Protest innewohnen, ändert sich vielleicht schon die Haltung und der Umgang mit schwierigen, aber möglicherweise eben auch potenzialreichen Prozessen und Konfliktsituationen. Aus kommunaler wie auch aus intermediärer Perspektive sind weder blindes Vertrauen noch systematisches Misstrauen angebracht. Vielmehr ist es hilfreich, dass sich die Akteure des intermediären Kosmos gegenseitig einordnen und ihre kommunikativen Beziehungs- und Handlungslogiken kennenlernen können, um eine gemeinsame Koproduktion von Stadt zu ermöglichen.

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Repräsentieren und legitimieren: Wer darf wen mit welcher Berechtigung vertreten? Dass intermediäre Akteure an Aushandlungsprozessen in Kommune und Zivilgesellschaft beteiligt sind, gehört zum heutigen Alltag. Im Sinne einer Win-Win-Situation sind sie oft gern gesehene Partner bei der Koproduktion von Stadt. Was aber geschieht in Konfliktsituationen, wenn sich intermediäre und kommunale Interessen gegenläufig artikulieren, wenn Intermediäre nicht nett und nützlich sind, sondern stören, mühsam errungene Beschlüsse infrage stellen, penetrant nachhaken? Dann wird leicht die Frage nach ihrer demokratischen Legitimation gestellt, und die scheint auf tönernen Füßen zu stehen. Denn fest steht immer: Niemand hat sie gewählt. 92

Aber ist die Frage nach der demokratischen Legitimation von Intermediären eigentlich die Frage, die uns bei der Koproduktion von Stadt beschäftigt? Demokratische Legitimation findet auf der Ebene von Repräsentationsbeziehungen statt. Stadtentwicklungsprozesse dagegen stellen die Handlungsebene urbaner Koproduktionen in der Governance-Arena dar. Repräsentation und Koproduktion sind unterschiedliche Dimensionen und stehen in einem ambivalenten Verhältnis. Repräsentanten sind auf der Ebene urbaner Koproduktionen meist nicht direkt wirksam, sondern vielmehr Entscheider von Entwicklungsprozessen. Andersherum sind die Akteure urbaner Koproduktionen oft nicht direkt repräsentativ, sondern vielmehr Partner von Aushandlungs- und Gestaltungsprozessen. Wir haben es hier mit Vermittlungs- und Umsetzungsprozessen zwischen zwei verschiedenen Handlungslogiken zu tun, oder auch: mit unterschiedlichen kommunikativen Systemen und Netzwerkbeziehungen.

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Wer also darf in urbanen Koproduktionsprozessen eigentlich wen mit welcher Berechtigung vertreten? In welchem Verhältnis stehen Koproduktion und Repräsentation?

Koproduktion und Repräsentation: Feine Unterschiede In der Governance-Arena finden die Vernetzungsprozesse derjenigen Akteure statt, welche die Koproduktion von Stadt gestalten. Das geschieht mit einer Rückkopplung zum repräsentativen System, allerdings nicht auf der Entscheidungs-, sondern auf der Gestaltungsebene. Wer in der Governance-Arena wie gestalten kann, das ist von den jeweils zur Verfügung stehenden Ressourcen abhängig, die von den unterschiedlichen Koproduktionsakteuren eingebracht werden können. Inwiefern diese Gestaltungsprozesse damit auch eine Frage urbaner Regime sind, haben wir hier bereits erörtert: Wir haben es mit Prozessen von Urban Governance zu tun, in denen Koproduktionen von Stadt in einem Aushandlungsprozess von kommunalen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren gestaltet werden – wobei intermediäre Akteure vermittelnde, vernetzende, koproduzierende und damit ermöglichende Funktionen übernehmen. Faktisch stehen Koproduktion und Repräsentation in einem reziproken Verhältnis. Die Gestaltungsprozesse urbaner Koproduktionen sind konstitutiv für die Entscheidungsprozesse und vice versa. Was entschieden wird, muss auch umgesetzt werden können, ebenso wie nur umgesetzt werden kann, was auch demokratisch legitimiert ist. Auch wenn Koproduktion und Repräsentation unterschiedliche Handlungslogiken beschreiben, bestehen Unschärfen und Inter-

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aktionen zwischen diesen Handlungsebenen. Indem sich intermediäre Akteure an urbanen Koproduktionen beteiligen, stellt sich eben auch die Frage ihrer Legitimation an diesen Gestaltungsprozessen. Intermediäre Akteure artikulieren und repräsentieren zivilgesellschaftliche Interessen und tangieren auf diese Weise ebenso wie demokratisch gewählte Repräsentanten das Feld der Repräsentationen. Wenn wir über Repräsentation sprechen, meinen wir oft Dinge, die sich in wesentlichen Nuancen unterscheiden: Repräsentation ist nicht gleich Repräsentation, denn Repräsentanz ist von Repräsentativität zu unterscheiden: •

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Repräsentanten sind die gewählten Politikerinnen und Politiker, die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Durch ihre Wahl entsteht eine Legitimität qua Verfahren. Sie erlangen ein freies Mandat. Sie erhalten einen weitgehenden Vertrauens­ vorschuss (ähnlich wie etwa eine Hausärztin bzw. ein Hausarzt oder eine Rechtsanwältin bzw. ein Rechtsanwalt); als unabhängige Mandatsträger werden ihnen große Handlungsfreiheiten zugebilligt – ja, man erwartet von ihnen sogar, dass sie zwischen den Wahlen Lösungen für komplexe Probleme im Sinne ihrer Wähler entwickeln. Wie in diesem Debattenbuch bereits mehrfach angedeutet, gerät die Rolle der klassischen Repräsentanten und Mandatsträger zunehmend unter Druck. Durch die wachsende Komplexität der Stadtentwicklung und politischer Entscheidungen kommt es immer häufiger zu Aushandlungsprozessen, deren Ergebnisse sich weit von dem entfernt haben, was bei der Wahl ursprünglich vorstellbar war. Wenn dann noch die Rückkoppelung des politischen Ertrags an die Bürgerinnen und Bürger misslingt oder übergangen wird, wird aus dem Vertrauensvorschuss schnell ein Vertrauensverlust. Das freie Mandat gerät unter Legitimationsdruck, wenn es in Aus-

Intermediäre Akteure in der Governance-Arena

handlungsprozessen in eine scheinbare Konkurrenz zu nicht gewählten Repräsentanten tritt. De facto schwindet so die Legitimation qua Verfahren. Repräsentanten, die gewählten Politikerinnen und Politiker, erfahren durch die Wahl auch eine Legitimation durch die Macht der großen Zahl. Sie repräsentieren große, heterogene Gruppen von Personen. Und als Personen dürfen die Repräsentanten auch einem anderen Milieu angehören als ihre Wählerinnen und Wähler. Die – wie vorher beschrieben – angegriffene Legitimation qua Verfahren führt allerdings dazu, dass immer wieder nachhaltige Zweifel an der Integrität der politischen Eliten zu verzeichnen und sinkende Wahlbeteiligungen zu beobachten sind. Inwieweit die Lokalpolitik über ihre Wählerschaft hinaus die Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner repräsentiert, wird zu einer offenen Frage. In Stadtquartieren mit hohen Migrationsanteilen liegt zum Beispiel der Anteil der Wahlberechtigten teils unter 50 Prozent. Abzüglich der dortigen Nichtwählerinnen und Nichtwähler stehen die Wählenden dann teils lediglich nur noch für ein knappes Viertel aller Bewohnerinnen und Bewohner. So gebildete Machtvakua entfalten schnell eine Sogwirkung auf intermediäre Gruppen mit differierenden Repräsentationslogiken. •

Repräsentativ sind Sprecherinnen und Sprecher sozialer Bewegungen nicht aufgrund eines verliehenen formellen Mandats, sondern weil sie eine (vermeintlich repräsentative) Position in einer bestimmten Gruppe (den Followern) einnehmen. Sie artikulieren zivilgesellschaftliche Interessen. Sie, die mit der Verve des Citoyen Mitbestimmung einfordern, reklamieren für sich eine interessengebundene Legitimität. Inwieweit diese Interessen für zielgruppenspezifische Interessen stehen, bleibt dabei ungeklärt, da es sich hier um informelle Repräsentationsbeziehungen bzw. um informelle Interessenarti-

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

kulationen handelt. Ähnlich wie die Akteure der gewählten politischen Gremien inszenieren sie sich als Vertreter des Gemeinwohls, artikulieren Interessenlagen und organisieren stadtgesellschaftliche Ressourcen. Sie haben den mehr oder weniger unausgesprochenen Auftrag durch ihre Klientel, deren Interessen in die Debatte zu tragen (zum Beispiel beim Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 oder beim Berliner Mieten­volksentscheid). Man könnte von einem „imperativen Mandat“ sprechen. Gleichzeitig erscheinen auch intermediäre Akteure in der Arena, die lediglich behaupten, für relevante Interessen einzutreten – ohne mit Bestimmtheit für eine bestimmte Zielgruppe zu stehen, ohne ein bestimmtes „abhängiges Mandat“ erhalten zu haben. Im Extremfall kann dies auch rechtspopulistische Züge annehmen, wenn eine Gruppe behauptet, den „wahren Volkswillen“ zu vertreten. 96

Die vermeintliche zielgruppenspezifische Repräsentativität der intermediären Akteure ist letztlich keine konstante Größe. Die Zahl der zumeist relativ homogenen und zahlenmäßig überschaubaren Gruppe von Mitgliedern, Anhängern oder Followern oszilliert mit dem Erfolg oder Misserfolg der Organisation. Mehr noch: Die genaue Mitgliederzahl ist oftmals überhaupt nicht bekannt. Auch wer aktives oder passives Mitglied oder Follower ist, ist – bei allen Intermediären-Typen – meist offen. Oft bleibt die systematische Unterscheidung verschiedener Repräsentationslogiken zu wenig reflektiert. Die Repräsentanz der Politik und die interessenbezogene Repräsentativität der Intermediären bleiben dann unverbunden zueinander stehen. Im Ergebnis kann das zu Polarisierungen führen, die sich in extremen Formulierungen ausdrücken. Auf Seiten der Intermediären: „Politikerinnen und Politiker sind korrupt und unglaubwürdig“ bis hin zu extre-

Intermediäre Akteure in der Governance-Arena

men Verzerrungen wie: „Wir sind das Volk“. Auf Seiten der Politik: „Ich bin gewählt und spreche hier für die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger“, „Sie sind ja Berufsdemonstranten!“, „Sie können nur für Einzelinteressen sprechen – das entbehrt jeglicher demokratischer Grundlage!“ etc. Weitere Überzeichnungen der jeweils anderen Seite ließen sich beliebig ergänzen (vgl. Textbox 10). Textbox 10: Von der formellen Pflicht zur informellen Lust auf Beteiligung – ein Verschiebebahnhof Obwohl die Wahlbeteiligungen häufig rückläufig sind, haben wir es nicht mit einer gesellschaftlichen Entpolitisierung der Nichtwählenden zu tun. Die Mehrheit der Nichtwählerinnen und Nichtwähler ist überhaupt nicht unpolitisch und verfolgt die Politik weiterhin mit großem Interesse. Die Freiwilligensurveys der letzten Jahre zeigen, dass sich sogar immer mehr Menschen beteiligen wollen, wenn es um die zukünftige Entwicklung von Nachbarschaften, Städten und Gemeinden geht. Es verschieben sich nur die Gewichte: Sie suchen andere Formen, andere Tonalitäten, andere Kanäle, andere Kommunikations- und Teilhabekulturen, kurz: (informellere) Alternativen zum aktuellen Angebot möglicher (formeller) Beteiligungsformen. Die Lust am zivilgesellschaftlichen Engagement wie auch an der lokalen Koproduktion von Stadt kristallisiert sich als ein Mega-Trend des 21. Jahrhunderts heraus. Und trotz aller Politikerschelte neigen die Menschen auch nicht dazu, das etablierte System infrage zu stellen: Die Zustimmung zu den Prinzipien der repräsentativen Demokratie liegt in Umfragen relativ konstant bei Werten deutlich über der 80-Prozent-Marke.

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Intermediäre als Vertrauenspartner? Spielarten von Legitimation, Repräsentation und Artikulation Eine Berliner Initiative wie „Mediaspree versenken“ beruft sich also auf eine ganz andere demokratische Basis als die Stadtentwicklungssenatorin bzw. der Stadtentwicklungssenator am anderen Ende des Tisches. Es erscheint deshalb als überaus sinnvoll, sich mit den alternativen Handlungs- und Repräsentationslogiken von Intermediären zu beschäftigen. Sie können sich im Ringen um Legitimation, Macht und Einfluss auf folgende Ressourcen stützen: •

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auf ihre Mitglieder, Anhänger oder Follower (Mitgliedschaftslogik);

• auf Erfolge, die sie im Rahmen ihres Handelns in Aushandlungs- und Gestaltungsprozessen zwischen Kommune und Zivilgesellschaft vorweisen können; die Frage dabei lautet, inwieweit sie Entscheidungs- und Gestaltungsprozesse im Sinne ihrer Mitglieder, Anhänger oder Follower beeinflussen konnten (Einflusslogik), und • auf das ihnen im intermediären Kosmos entgegengebrachte Vertrauen als verlässliche und relevante Verhandlungspartner (Vertrauenslogik); dieses Vertrauen ist eine Währung innerhalb des intermediären Kosmos, die auch jenseits tatsächlicher Repräsentationsbeziehungen existiert, und sich auf die Handlungslogik urbaner Koproduktionen bezieht. Es geht hierbei lediglich um die Frage, ob ein Akteur in der Sache wohlbegründet als Vertreter relevanter Interessen und gleichzeitig als verlässlicher und wirksamer Partner bei der Koproduktion von Stadt handeln kann.

Intermediäre Akteure in der Governance-Arena

Auf diese Weise können die intermediären Akteure auf der Handlungsebene urbaner Koproduktionen solange bestimmte Interessen – informell – artikulieren und repräsentieren, wie sie eine glaubhafte Legitimität für ihr Handeln beanspruchen können. Zum einen geht es hier nun um informelle Repräsentation. Dieser Logik zufolge können intermediäre Akteure ebenso gut für sich beanspruchen, Repräsentanten einer bestimmten stadtgesellschaftlichen Fraktion zu sein wie gewählte Politikerinnen und Politiker. Die Autorität dieser Repräsentation basiert dann nicht auf Abstimmungen, sondern allein auf dem Anspruch, an der Spitze einer bestimmten, auf statistischer (oder gefühlt-statistischer) Repräsentativität beruhenden Gruppe zu sein. Es handelt sich also um eine Repräsentativität, die solange gilt, bis sie widerlegt ist – also vonseiten der Öffentlichkeit oder vonseiten der quasirepräsentierten Gruppe in Zweifel gezogen oder abgesprochen wird. Gleichzeitig haben wir es bei der Handlungslogik der intermediären Akteure auf der Ebene von Koproduktionen mit dem Phänomen der informellen Interessenartikulation zu tun. Inwiefern die von intermediären Akteuren artikulierten Interessen tatsächlich zielgruppenspezifische Interessen darstellen, kann nämlich durchaus diffus bleiben. „Habe ich Follower, und wenn ja, wie viele?“ ist eine Frage, die sich viel zu sehr auf die Ebene von Repräsentationen bezieht. Die Frage „Bin ich gestalterisch (in Koproduktionen) wirksam und schätzen mich die anderen Akteure in der Governance-Arena als verlässlichen Verhandlungspartner ein?“ trifft viel mehr die tatsächliche Praxis intermediären Handelns (siehe Textbox 11).

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Textbox 11: Representative Claim versus Impact Claim Der australische Politikwissenschaftler Michael Saward spricht im Zusammenhang mit neuen Formen der Repräsentation unter anderem von einem „Representative Claim“, bei dem sich die Autorität von Repräsentation über einen Prozess des „Claim-Making“ operationalisiert, der solange funktioniert, wie gegenüber der Öffentlichkeit und der ins Feld geführten repräsentierten Gruppe glaubhaft demonstriert werden kann, Repräsentant einer Gruppe zu sein.

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Mit Blick auf die informelle Interessenartikulation von Inter­ mediären haben wir es dagegen eher mit einem „Impact Claim“ zu tun, bei dem sich die Autorität einer Artikulation über einen Prozess des „Claim-Making“ operationalisiert, der solange funktioniert, wie gegenüber den Akteuren des intermediären Kosmos glaubhaft demonstriert werden kann, ein wirksamer und vertrauenswürdiger Verhandlungspartner bei der Koproduktion von Stadt zu sein. Aus soziologischer Perspektive ist dieser „Impact Claim“ symbolisches Kapital – im Gegensatz zur Repräsentanz durch ein gewähltes Amt oder Mandat, bei dem es sich um kulturelles oder politisches Kapital handelt. Weil Intermediäre strukturell nur über eine wechselhafte und unscharfe Form von Legitimation, Repräsentation und Artikulation verfügen, leiden die Beziehungen zu kommunalen Akteuren: Diese verlangen aus ihrer Repräsentanzlogik heraus Konstanz und Verlässlichkeit. Überbrücken ließe sich dieses Dilemma mit einer entsprechenden Offenheit, zum Beispiel in Verhandlungen – gegenüber der Stadt und der Politik, aber durchaus auch horizontal gegenüber anderen Akteuren auf der intermediären Ebene und gegenüber stadtgesellschaftlichen Gruppen und Milieus, mit denen man kooperieren möchte. Wenn die Haltung glaubwürdig,

Intermediäre Akteure in der Governance-Arena

transparent und im Rahmen des Möglichen verbindlich ist, wird eine auf Vertrauen basierende Zusammenarbeit machbar. Gleichzeitig ist dafür aber auch eine wertschätzende Haltung kommunaler Akteure wichtig: Um ihrem Gegenüber eine Kommunikation auf Augenhöhe zu ermöglichen, müsste ihnen der Schwenk von einer vertikalen Hierarchie zu einer horizontalen Netzwerklogik gelingen. Tatsächlich sehen wir, dass die Grenzen zwischen Repräsentation und Koproduktion ebenso wie die Unterscheidung zwischen Repräsentation und Artikulation unscharf verlaufen. Mehr noch, die so benannten Pole stehen in gegenseitigen Wechselbeziehungen zueinander, sie interagieren und bedingen sich gegenseitig. Die Handlungspraxis von gewählten Repräsentanten und intermediären Akteuren ist miteinander verwoben und nur schwer vonein­ ander zu trennen, wenn wir das thematisieren, worum es uns in diesem Debattenbuch geht: die Interessen der Bürger bei der Koproduktion von Stadt.

Zwischen Repräsentativität und Repräsentanz: Das Machtgefüge von Intermediären und Politik Wenn immer mehr intermediäre Akteure auftreten – seien es Recht-auf-Stadt-Initiativen, Bürgerstiftungen oder Nachbarschaftsnetzwerke – entwickeln sich also nicht nur ungewohnte Aushandlungs- und Kommunikationsformen, sondern auch Wettbewerbe um stadtgesellschaftliche Repräsentation und Interessenartikulation. Die Akteure des intermediären Kosmos konkurrieren um soziale Milieus, aber mehr noch setzen sie die gewählten Mandatsträgerinnen und Mandatsträger unter Druck: Das etablierte urbane Machtgefüge verschiebt sich.

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Die drei von uns skizzierten intermediären Typen – die (erneuerten) Klassischen Intermediären, die (neuartigen) Para- und die (gänzlich neuen) Neo-Intermediären – tragen auf unterschiedliche Art und Weise zu einer neuen Machtbalance bei:

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• Der Transformationsdruck setzt besonders den Klassischen intermediären Akteuren zu. Sie haben oft lange und weitreichende Erfahrungen auch im Umgang mit politischen Strukturen. Ihre eigene Repräsentations- und Artikulationslogik ähnelt oft jener der Mandatsträger, wenn sie über große Mitgliederzahlen und demokratisch gewählte Führungseliten verfügen. Auch sie versuchen, in das Machtvakuum vorzustoßen, das durch die vermeintliche Legitimationskrise der Politik entsteht. Im Wettbewerb mit anderen Intermediären um neue Zielgruppen steigt jedoch die Notwendigkeit, sich auf innovative Aushandlungs- und Kommunikationsformen einzulassen. Gleichzeitig sind sie zum Teil so eng mit Mandatsträgern und dem politischen System verwoben, dass sie selbst vom schwindenden politischen Kapital betroffen sind. • Von dieser schwierigen Übergangssituation der alten Intermediären profitieren die Neo-Intermediären: Sie sind auf die neuen, veränderten Kommunikations- und Partizipationszugänge der postmodernen Stadtmilieus am besten eingestellt, weil sie genau aus diesen Milieus stammen. Die statistische Repräsentativität der Neo-Intermediären verleiht vielen von ihnen eine – zumindest temporär und medial wirksame – Schlagkraft, der gewählte politische Akteure oft nur wenig Überzeugendes entgegenzusetzen haben. Der Verweis auf die eigene, vermeintlich „bessere“ Legitimität seitens der Mandatsträger reicht nicht aus. So entsteht schnell die Notwendigkeit, sich auf die neuen, nicht gewählten „Repräsentanten“ samt ihrer möglicherweise eigenwilligen Denkmuster,

Intermediäre Akteure in der Governance-Arena

Handlungslogiken und Anspruchshaltungen einzulassen. Die Neo-Intermediären treten für die Interessen einer Klientel ein, die meist profunde eigene Ressourcen mit sich bringt, insbesondere in Bezug auf Know-how und Engagement. Sie stehen nicht immer, aber sehr oft für die Interessen der modernen stadtgesellschaftlichen Milieus. • Die Para-Intermediären existieren auch ohne bürgerliche Basis, weil sie ihre Ressourcen aus anderen Kontexten gewinnen. Sie verfügen über die größten Ressourcen unter den Intermediären: Ihre Mitglieder bringen oft viel Know-how (kulturelles Kapital), exzellente, nutzbringende Beziehungen (soziales Kapital) und nicht zuletzt Geld oder Anlagevermögen (ökonomisches Kapital) mit. Wo sie sich selbst glaubhaft als gemeinwohlorientiert inszenieren können, müssen sie sich die Frage gefallen lassen, für welche Interessen sie überhaupt legitim eintreten können. In manchen Fällen mögen die Einzel­ interessen der Para-Intermediären sich vielleicht mit Gemein­ wohlinteressen decken, in vielen Fällen treten hier jedoch Widersprüche auf. Ältere Para-Intermediäre sehen sich mit ähnlichen Restrukturierungsproblemen wie die Klassischen Intermediären konfrontiert. Die neu entstandenen, wendigen Para-Intermediären sind jedoch – ähnlich wie die Neo-Intermediären – häufig in der Lage, die postmoderne Klaviatur gelingender Kommunikation zu bespielen. Sie sind damit eine Konkurrenz für gewählte Politikerinnen und Politiker: Organisierte Akteursgruppen, die mit subtiler Beharrlichkeit Eigen­ interessen protegieren, über große Ressourcen und einen langen Atem verfügen und alle Kommunikationskanäle bedienen können, sind – trotz ihrer mangelnden Legitimität – im politischen Alltag nicht wegzudefinieren. Gleichzeitig geraten durch sie auch die Neo-Intermediären unter Druck, die meist über weniger Ressourcen verfügen.

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Die Verschiebung des Machtgefüges wird gerade im kleinräumigen, lebensweltlichen Kontext sichtbar: So ist es bislang weitgehend unerforscht, wie die verschiedenen intermediären Akteure besonders schwierig zu erreichende soziale Gruppen ansprechen (und daraus einen Repräsentationsanspruch ableiten). So viel dürfte jedoch klar sein: In Migrantenorganisationen oder in Netz­ werken der Kreativmilieus – um nur zwei Beispiele herauszugreifen – finden wir Repräsentationslogiken weit abseits legitimierter politischer Steuerung und vielfältige Partizipationsformen, die sich der klassischen Intermediärslogik entziehen.

Repräsentations- und Inklusionscheck: Schritte zur Synergie? 104

In der Alltagspraxis wird sich die Konkurrenz der Repräsentationslogiken nicht auflösen lassen. In gewisser Weise haben sowohl Repräsentanz als auch Repräsentativität ihre Berechtigung. Es reicht aber wohl nicht aus, wenn die Akteure auf ihr vermeintliches Recht pochen. Vielmehr müssen wir einen Modus Vivendi finden, mit dem wir ein Zusammenspiel oder mehr noch: einen Energiefluss zwischen den antagonistischen Polen herstellen können. Aus Sicht des kommunalen Handelns bedeutet das, dass wir in einem unsicheren und noch weitgehend unbekannten Feld Prozesse anstoßen, steuern und moderieren müssen. Das fordert allen Beteiligten eine offene Haltung gegenüber Entwicklungen mit unklarem Ausgang sowie eine eigene Lernbereitschaft ab. Ein erster Zugang zu diesem Feld könnte in zwei prinzipiellen Schritten ablaufen:

Intermediäre Akteure in der Governance-Arena

1. Repräsentationscheck: Verwaltungen, die solche Prozesse steuern, müssten zunächst Verfahren entwickeln, durch die intermediäre Akteure hinsichtlich ihrer Repräsentationslogik geprüft werden können. Die vorhandene Intermediärenlandschaft müsste in einer lokalen Feldanalyse gesichtet werden. Am Ende sollte eine Klärung herbeigeführt werden können, wer für welche sozialen Gruppen wirklich steht. 2. Inklusionscheck: Darauf aufbauend könnte eine Inklusionsstrategie entwickelt werden, die sich die vielfältige Akteurs­ landschaft gezielt zunutze macht: Welche sozialen Gruppen müssen zusätzlich noch dazukommen, um die Repräsentation im Prozess inklusiver zu gestalten? Welche Intermediäre, die dazu einen guten Beitrag leisten könnten, müssten gezielt angesprochen werden? Wo sind eventuell „schlafende“ Intermediäre, die noch gewonnen werden können? Das alles dreht sich im Kern um die Frage, wie sich den „Stummen“ eine Stimme geben lässt – mit einer Kombination von Repräsentationslogiken, durch eine Kooperation von Kommune und intermediären Akteuren. Dabei sollten wir weniger in vertikalen Hierarchien als in der horizontalen Netzwerklogik denken und handeln. Wir haben an anderer Stelle bereits einen möglichen code of conduct skizziert, der sich als Blaupause einer Zusammenarbeit mit Intermediären mit dem Ziel sozialer Inklusion begreifen lässt. Der skizzierte Transformationsdruck stärkt die Position der Intermediären insgesamt, schwächt aber einzelne intermediäre Akteure ebenso wie die Kommunen. Wenn wir also in einem Dauerkonflikt verharren, schwächen wir das Gesamtsystem – und damit dürfte tatsächlich niemandem gedient sein.

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Zwischenfazit: Vom Konflikt zur Steuerungsfrage Wenn Intermediäre in Gestalt von Bürgerinitiativen, Vereinen oder Social-Media-Stadtteilaktivisten mit der kommunalpolitischen Ebene ringen, prallen also unterschiedliche Repräsentationslogiken aufeinander.

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Wie sich diese Logiken integrieren lassen, ist bisher noch eine offene Frage. So viel ist jedoch klar: Es muss mehr entstehen als eine bloße Kombination verschiedener Denkweisen, die dann weiterhin nebeneinander stehen. Die Steuerungsaufgabe, die sich hier stellt, zielt vielmehr darauf, die Arena für einen umfassenden Diskurs zu organisieren, der sowohl die gewählten Politikerinnen und Politiker als auch die intermediären Akteure zusammenbringt. In diesem Diskurs sollten nicht Stellungnahmen, sondern die Dialoge der Akteure untereinander die zentrale Rolle spielen. Dafür werden wir dialogische, netzwerkorientierte Aushandlungsprozesse benötigen, einen gelebten code of conduct. Ansätze einer solchen Demokratisierung von Governance lassen sich ohne Weiteres heranführen. Ein Beispiel ist etwa die Media­ tion im Rahmen des Stuttgart-21-Prozesses. Hier kamen die inter­ mediären und formellen Stakeholder in ihrer ganzen Vielfalt zu Wort und konnten so in einen Aushandlungsprozess mit der zuständigen Politik und Verwaltung integriert werden (unabhängig von der Frage, wie solche Prozesse letztendlich inhaltlich gestaltet werden: Ein Volksentscheid zu Stuttgart 21 scheiterte bekanntlich am Quorum, worauf letztendlich die Politik entschied und der Bahnhof nun gebaut wird). Interessant ist das Beispiel, weil hier ein Format geschaffen werden konnte, an dem eine Vielfalt auch intermediärer Akteure teilhaben konnte und eine Rückanbindung an das repräsentative System gewährleistet war.

Intermediäre Akteure in der Governance-Arena

Gemeinwohl gewährleisten: Gemeinsam mit denen dazwischen? Dass in Stadtentwicklungsprozessen unterschiedliche Interessen artikuliert werden, ist normal und zeigt sich zum Beispiel bei Projektentwicklungen, in der Bebauungsplanung oder beim Aufstellen von Sanierungssatzungen. In diesen Prozessen orientieren wir uns am Gemeinwohl – einem gesellschaftlichen Konstrukt, das quasi permanent von uns allen evaluiert wird: Dies geschieht am unmittelbarsten in lebensweltlichen Umfeldern (zum Beispiel auf der Quartiers­ebene). In konkreten Situationen – beim Erweiterungsbau einer Schule, bei der Einrichtung einer Parkraumbewirtschaftung oder bei der Förderung eines Kulturvereins – wird das Gemeinwohl gesucht, überprüft und justiert. Doch wenn einzelne Akteure für sich in Anspruch nehmen, im Namen des Gemeinwohls unliebsame Konkurrentinnen und Konkurrenten als „gemeinwohlgefährdend“ auszugrenzen, kommen Fragen auf: Wird das der Sache gerecht? Setzt sich nur die bzw. der Stärkere durch? Geht es um die Summe von Einzelinteressen? Um Kompromisse? Um Mehrheitsmeinungen?

Gemeinwohlkonkretisierung: Ein Prozess Weil sich Akteure oft auf das Argument Gemeinwohl berufen, müssen wir das Gemeinwohl genauer definieren. Das Gemeinwohl ist kein Substrat, das man messen und vergleichen kann, sondern etwas, das erst während der Aushandlungsprozesse an Kontur und Qualität gewinnt. Mit anderen Worten: Die Konkretisierung dessen, was das Gemeinwohl sein könnte, ist ein diskursiver Prozess. Faktisch kennen wir gesamtgesellschaftliche Diskurse, die zu generalisierten Vorstellungen von Gemeinwohl führen. Ob

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

sich diese Makro-Vorstellungen aus den Bottom-up-Erfahrungen vor Ort generieren oder im Sinne einer Top-down-Festlegung entstehen, sei einmal dahingestellt. In der konkreten Aushandlung vor Ort treffen wir jedenfalls immer auf Situationen, in denen das Gemeinwohl projektbezogen ausgelotet werden muss. Dieses projektbezogene Gemeinwohl lässt sich als ein Produkt begreifen, das solche Akteure herstellen, die sich auf eine Veränderung ihrer Einzelinteressen einlassen. Es geht also um das, was Jürgen Habermas in seiner Diskurstheorie als „Einsicht“ bezeichnet, also die situative Relativierung und Änderung der eigenen Position. So hat bei der Findung des Gemeinwohls zunächst auch der Eigennutz seine Legitimation und seinen Platz (vgl. Textbox 12). Textbox 12: Alternative Gemeinwohllogiken 108

Das ist jedoch nur eine Spielart in der Konkurrenz um Gemeinwohldeutungen: Alternative Gemeinwohllogiken versuchen den Gemeinwohlbeitrag von Akteuren zu messen. Dabei müssen sie zwar bei der Entwicklung entsprechender Indikatoren a priori Gemeinwohldefinitionen treffen, gleichwohl lässt sich einräumen, dass diese Indikatoren Bestandteil eines Auseinandersetzungsprozesses und damit prinzipiell veränderbar sind. Prominent sind hier zum Beispiel der Public-Value-Ansatz oder die Idee einer Gemeinwohlökonomie. Tatsächlich erscheint es uns mit Blick auf den Zusammenhang von Intermediären und Stadt­entwicklung von zentraler Bedeutung, die Deutungshoheit um das Gemeinwohl selbst zum Thema zu machen. Politische – staatliche, kommunale – Akteure sind in ihren Entscheidungen prinzipiell immer dem Gemeinwohl verpflichtet, allein aus staatsrechtlicher, juristischer Perspektive heraus. Das leitet auch das Bundesverfassungsgericht aus Artikel 1, Absatz 3 des Grundgesetzes so ab, in dem staatliches Handeln an die Grundrechte

Intermediäre Akteure in der Governance-Arena

gebunden wird. Das Gemeinwohl selbst bleibt dabei allerdings ein unbestimmter Rechtsbegriff, der sich weitestgehend entlang der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bestimmen lässt, also an den im Grundgesetz angeführten Gemeinwohlwerten wie Menschenwürde, Freiheit, Rechtssicherheit, Frieden und Wohlstand und damit an den Grundrechten, dem Rechtsstaats-, Sozialstaats- und Demokratieprinzip. Das Gemeinwohl ist von Einzel-, Individual- und Gruppeninteressen abzugrenzen, steht für das Gesamtinteresse einer Gesellschaft und ist a priori kaum zu bestimmen. Offen bleibt dabei die Frage, wie gleichberechtigt die einzelnen Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter an diesem Aushandlungsprozess teilnehmen können, also die Machtfrage.

Gemeinwohllogiken: Selbstverpflichtung versus Aushandlung Warum aber begreifen manche Akteure den Aushandlungsprozess selbst als „relationale“ Gemeinwohlkonkretisierung, während sich andere als Gralshüter einer fixen Gemeinwohlidee sehen? Die Spanne von Aussagen wie: „Ich entscheide demokratisch legitimiert im Namen des Gemeinwohls“ bis hin zu „demokratische Legitimation ist diskursiv geworden“ ist nicht nur weit, sondern nahezu widersprüchlich. Wenn wir über die Gemeinwohlorientierung als Legitimationsgrundlage für Aushandlungsprozesse zwischen Kommune und Zivilgesellschaft nachdenken, wird also klar, dass wir es mit mindestens zwei Gemeinwohllogiken zu tun haben: Erstens mit der Logik von Akteuren, die ihr eigenes Handeln selbst dem Gemeinwohl

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

verpflichtet sehen. Zweitens mit Akteuren, die ihr Handeln selbst als Gemeinwohlkonkretisierung begreifen.

Selbstverpflichtung: Die Gemeinwohllogik gewählter Mandatsträger

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Formelle Mandatsträgerinnen und Mandatsträger handeln nach der Logik des Mehrheitsentscheids und des Kompromisses. Die Abwägung der Vielfalt möglicher Interessen verstehen sie als ihre eigenständige Aufgabe. Die Qualität, in der sie diese Abwägung treffen, schlägt sich vor allem in symbolischem Kapital nieder: in Ansehen, Reputation, Bekanntheit und politischer Autorität. Je besser diese Abwägung beurteilt wird – von Intermediären, Parlament, Medien und Wählerklientel – desto mehr politischer Profit lässt sich erzielen. Wichtig ist dabei, selbst als Macher in Erscheinung zu treten und die Konkretisierung des Gemeinwohls selbst in die Hand zu nehmen. Dann kann man Aussagen treffen wie: „Das Gemeinwohl ist bei meiner Entscheidung wichtiger gewesen als Lobbyinteressen“. Ziel einer solchen Gemeinwohllogik ist es, das Aufkommen der Gemeinwohlfrage in persönliches symbolisches Kapital zu transformieren. Dabei ist es notwendig, in einem Auseinandersetzungsprozess mit einer Vielfalt von Akteuren politische Macht zu verwenden und zu gewinnen.

Aushandlung: Die Gemeinwohllogik der Intermediären Im Kontext der Koproduktion von Stadt, in die sich die Intermediären über die Artikulation von Interessen in der klassischen demokratischen Sphäre und die Organisation von Allianzen in der

Intermediäre Akteure in der Governance-Arena

Governance-Arena einbringen, herrscht eine eigene Gemeinwohllogik. Hier ist es notwendig, jenseits von vorhandenen Machtressourcen in einen möglichst gleichberechtigten Dialogprozess einzusteigen. Im Idealbild von Jürgen Habermas handelt es sich hierbei um einen herrschaftsfreien Diskurs, in dem über den „zwanglosen Zwang“ des besseren Arguments um Lösungen und Konkretisierungen gerungen wird. Eine solche deliberative Logik bedeutet: (1) Alle – bzw. möglichst viele – stadtgesellschaftliche Interessen einzubeziehen, auch die leisen Stimmen; (2) einen fairen, transparenten Diskursprozess zu gestalten, bei dem allen alle Informationen zur Verfügung gestellt werden; (3) den Diskursprozess selbst so barrierefrei wie möglich zu organisieren, also allen Bürgerinnen und Bürgern gleichwertige Teilhabechancen einzuräumen; (4) den Beitrag der Akteure im Diskurs wirkmächtig werden zu lassen. Mit anderen Worten: Es gilt von vornherein, einen politisch unterstützten Gestaltungs- und Handlungsraum zu gewährleisten. Ein solcher deliberativer Diskurs bedeutet, Verständnis für die Vielfalt der Interessen zu erzeugen und die Bereitschaft mitzubringen, eigene Interessen zu verändern oder zu revidieren. Eine solche deliberative Gemeinwohlkonkretisierung wird zu einer Gemeinschaftsleistung. Es gibt im Ergebnis keinen alleinigen Gemeinwohlkonkretisierer, keinen alleinigen Gewinner. Das ist der substanzielle Unterschied zur Gemeinwohllogik der Selbstverpflichtung im Rahmen der Repräsentanz.

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

Die drei Intermediärentypen agieren in der Deutungskonkurrenz um das Gemeinwohl naturgemäß unterschiedlich. Während sich einige Klassische Intermediäre oft noch an einem absoluten Gemeinwohl und am etablierten politischen System orientieren, fühlen sich manche Neo-Intermediäre von Beginn an viel stärker der Deliberation verpflichtet. Für sie ist dies die einzige Chance, um – auch ohne die Legitimierung durch formale Repräsentanz – über die Inhalte des Gemeinwohls mitreden zu können. Darüber hinaus inszenieren sich auch die Para-Intermediären vordergründig gern selbst als gemeinwohlorientierte Dialogakteure. Sie dürften sich davon allem voran eine flexiblere Verhandlungsposition und größere Handlungsspielräume zur Erreichung eigener Ziele versprechen.

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Hybride Gemeinwohllogik: Ein Lernprozess Die hier beschriebenen Logiken stehen in einem dialektischen Verhältnis. Tatsächlich ist die Politik zusehends darauf angewiesen, sich im Zuge von Governance-Prozessen auf diskursorientierte Gemeinwohlkonkretisierungen einzulassen. Gleichzeitig sind Gemeinwohldiskurse darauf angewiesen, seitens der Politik Gestaltungs- und Handlungsräume zugewiesen zu bekommen. Eine intermediäre, gleichsam „hybride“ Gemeinwohllogik würde die parlamentarischen und politischen Mehrheits- und Kompromissentscheide an deliberative Dialoge rückkoppeln. Dabei besteht die Chance, von den Artikulations-, Vermittlungs- und Übersetzungsprozessen der Intermediären zu lernen; so könnten sich dann auch die Entscheidungseliten in Politik und Verwaltung an Dialogprozessen beteiligen. Gleichzeitig bedeutet dies, dass sich die Intermediären bewusst auf ihre Unterstützungsressourcen für

Intermediäre Akteure in der Governance-Arena

möglichst inklusive Dialogprozesse besinnen und die Haltung vertrauenswürdiger, seitens Kommune und Zivilgesellschaft kalkulierbarer Verhandlungspartner einnehmen. In den Kapiteln „Aushandeln und Kommunizieren“, Seite 65 und „Regeln entwickeln“, Seite 79 haben wir mit der Idee einer fairen kommunikativen Demokratie und der Skizze eines code of conduct bereits Leitplanken einer solchen intermediären Gemeinwohllogik benannt.

Zwischenfazit: Der Weg ist das Ziel Die Aushandlung von Interessen zwischen Kommune und Zivilgesellschaft ist ein Prozess, der zum Ziel hat, möglichst alle relevanten Bedürfnisse zu artikulieren, ein Verständnis für die Vielfalt der vorhandenen Interessen zu erzeugen und Perspektiven gemein­ samer Lösungs- und Gestaltungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Dabei dient das Gemeinwohl manchmal als Referenz, manchmal aber auch als bloßes Argument. Wir meinen, dass die konti­ nuierliche Konkretisierung des Gemeinwohls als ein fester Bestandteil der Aushandlungsprozesse auch mit intermediären Akteuren verstanden werden sollte: Viele Intermediäre könnten als Türöffner zu bislang stummen sozialen Gruppen avancieren und damit den Gemeinwohldiskurs breiter (inklusiver) aufstellen. Im Ergebnis sollte ein deliberativer Diskurs genug Verständnis und Einsicht erzeugen, um eine interessenübergreifende Perspektive zu erschließen. Es liegt auf der Hand, dass all dies eine kommunikative Erweiterung, aber kein Ersatz für die bereits bestehenden Entscheidungsprozesse in Politik und Verwaltung sein kann. Denn es ist nicht

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Intermediäre Akteure in der Stadtentwicklung

garantiert, dass die angestrebten Diskurse auch immer funktionieren: Es kann auch darauf hinauslaufen, dass eine Entscheidung getroffen werden muss, die keine allgemeine Unterstützung findet. Wir sollten jedoch im Sinne einer umfassenden Gemeinwohl­ orientierung versuchen, möglichst viele Interessen und Akteure in Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Mit dem Ansatz einer diskursiven Gemeinwohlbestimmung beschreiben wir deshalb auch kein ehernes Gesetz, sondern eine Haltung, bei der der Weg das Ziel ist.

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Resümee: Erste Konturen und offene Enden

Resümee: Erste Konturen und offene Enden Ein Debattenbuch, so wie wir es verstehen, kann nicht mit einem „Fazit“ enden. Das beste Fazit wäre für uns eine aufkeimende Debatte! Deshalb wollen wir hier kurz inhaltlich zusammenfassen wie weit wir mit unseren Vorüberlegungen gekommen sind. Wir sind uns bewusst, dass wir viele Aspekte rund um die Intermediären ausgeklammert, einiges nicht vollständig durchdekliniert und manches vielleicht auch übersehen haben. Einige dieser offenen Enden wollen wir hier bereits benennen – als einen ersten Aufschlag für weitere Diskussionen und auch als Forschungsideen für die Zukunft.

Wie weit sind wir gekommen? Eine kurze Zusammenfassung Dieses Debattenbuch ist kein Solitär. Es reiht sich vielmehr als ein weiterer Baustein in die breit angelegte vhw-Arbeit ein. Seit mehreren Jahren konzentrieren wir uns auf die Stärkung der lokalen Demokratie und der sozialen Kohäsion – und das nicht ohne Grund: Wir beobachten die fortschreitende Entfremdung eines erheblichen Teils der Stadtgesellschaften von demokratischen Prozessen, von Politik und Parteien. Abwendung und Exklusion lauten die Stichworte für eine Entwicklung, die sich in Umfrageergebnissen ebenso zeigt wie etwa in der stetigen Vergrößerung der sozial-räumlichen Schere bei der Wahlbeteiligung. Mit der ­Akteursgruppe der Intermediären rücken wir „die dazwischen“ in den Mittelpunkt und fragen uns: Wo liegen die Chancen (und Risiken), diese intermediären Akteure stärker in den politischen Prozess einzubinden? Wie könnte das gelingen? Und können wir damit die lokale Demokratie stärken?

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In der Einführung haben wir deshalb versucht, das Konzept der Intermediarität zeitgemäß zu umschreiben. Wir kommen zu einem erweiterten Begriffsverständnis. Zwar, so wissen wir, sind die Intermediären längst und lange da, aber wir befinden uns mitten in einer Transformation der Akteurslandschaft, in der auch neue oder erneuerte Akteure zwischen klassisch-repräsentativer Sphäre und einer Governance-Arena auftauchen.

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Die darin begründete Dynamik mag auch – je nach Perspektive – Ängste auslösen. Wir sehen darin jedoch vor allem eine Chance, neue Strukturen und Prozesse zu etablieren, die zu mehr Inklusion und damit zu einer besseren Demokratie führen. Die blühende Perspektivenvielfalt unterschiedlicher Stadtakteure auf die Intermediären ist ein wesentlicher Ansatzpunkt für unsere Debatte: Die verschiedenen Blickwinkel bieten Reibungsflächen, provozieren Differenzen, laden aber auch zum gegenseitigen Verstehen und Lernen ein. Um im intermediären Kosmos im Wandel von Stadt und Demokratie den Überblick zu behalten, haben wir im zweiten Kapitel „Annäherungen“ eine Typologie vorgeschlagen: Wir unterscheiden zwischen Klassischen Intermediären (zum Beispiel Parteien, Gewerkschaften), Neo-Intermediären (zum Beispiel soziale Bewegungen, Anwohnerinitiativen) und Para-Intermediären (zum Beispiel Think Tank von Unternehmen), die mit jeweils unterschiedlichen Motiven, Handlungslogiken und Ressourcen arbeiten. Sie sind sowohl in vertikal-hierarchische Beziehungen als auch in horizontale Netzwerke eingebunden und leisten darin einen mehr oder weniger großen Beitrag zu einer inklusiven Stadtgesellschaft. Im dritten Kapitel „Intermediäre Akteure in der GovernanceArena“ haben wir die Intermediären aus der Perspektive des kommunalen Alltags betrachtet: Es ging uns um wesentliche Dreh- und

Resümee: Erste Konturen und offene Enden

Angel- (und manchmal Streit-)Punkte, nämlich das Verhandeln, das Repräsentieren und die Gewährleistung des Gemeinwohls. Wir sind der Auffassung, dass sich das Verhandeln und Aushandeln mit den intermediären Akteuren im Sinne einer fairen, kommunikativen lokalen Demokratie lohnt. Sie setzen dort wertvolle Ressourcen ein (ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital) und kommunizieren vermittelnd (zwischen Staat und Zivilgesellschaft), relational auf der Beziehungsebene (als Partner) und auf der Handlungsebene in Netzwerken (als Koproduzentinnen und -produzenten von Stadt). Um das Aushandeln besser zu organisieren, benötigen wir aber klare Verfahrensregeln, die von den Beteiligten eingehalten werden (Compliance), und einen gemeinsamen Verhaltenskodex (code of conduct). Erste Ansätze dazu haben wir skizziert. Wir glauben, dass sich Missverständnisse in Verhandlungen oft durch zwei Konzepte ergeben: durch das Konzept der Repräsentation und das des Gemeinwohls. Weil beide Ansätze zum Teil als „Totschlagargumente“ oder „Kampfbegriffe“ missbraucht werden, haben wir uns im weiteren Verlauf des Kapitels um eine differenziertere Betrachtung und Versachlichung bemüht. Wir unterscheiden zwischen der Repräsentanz gewählter Politikerinnen und Politiker und der interessenbezogenen, zielgruppenspezifischen Repräsentativität von intermediären Sprecherinnen und Sprechern und leiten daraus Schlussfolgerungen ab. Außerdem kommen wir zu der Auffassung, dass ein Verständnis von Gemeinwohl als diskursiver Prozess zielführend ist und die Einbindung Intermediärer auch hier von Vorteil sein kann.

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Offene Enden Brauchen wir mehr empirisches und theoretisches Wissen? Wir hoffen, dass wir mit unseren bisherigen Ideen das Feld bereits vorstrukturieren konnten. Jedoch haben wir während der Arbeit an diesem Debattenbuch immer deutlicher erkannt, wie viele Schnittstellen, Anknüpfungspunkte und blinde Flecken das Thema offenbart. Wir sind also auf weitere Diskussionen, Begriffsklärungen, konzeptionelle Überlegungen und empirische Forschung angewiesen, wenn wir uns im Kosmos der Intermediären zurechtfinden wollen. Ein fernes, aber erstrebenswertes Ziel wäre eine zeitgemäße Theorie der Intermediären. Dafür könnten die folgenden weiterführenden Fragen vielleicht Mosaiksteine darstellen: 118

• Inwieweit ist zum Beispiel die von uns vorgeschlagene Intermediärentypologie praktikabel und realitätsnah? Wir denken bereits über eine weitere Ausdifferenzierung der Typologie nach. Ein Praktikabilitätscheck und/oder eine Erweiterung der Typologie werden nicht ohne eine empirische Exploration und Prüfung zu leisten sein. • Und welche Rolle spielen andere Akteure „im System“? In den unübersichtlichen Netzwerken zwischen Kommune und Zivilgesellschaft tummeln sich viele weitere Akteure, zum Beispiel wirtschafts- oder parteinahe Organisationen, Unternehmen mit oder ohne einen sozialen Anspruch (Corporate Social Responsibility), Stiftungen und die Medien. Welche Rolle spielen sie in horizontal-koproduzierenden und in vertikal-vermittelnden Positionen?

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• Wie sind darüber hinaus die immer wieder angesprochenen Akteursnetzwerke beschaffen? Erwähnt wurde bereits die unterschiedliche Ausstattung der Akteure mit teilweise substituierbaren Kapitalarten (je nach theoretischer Lesart, zum Beispiel ökonomisches, kulturelles, soziales Kapital), die über ihre Macht und ihren Einfluss im Netzwerk mitentscheidet. Unseres Erachtens wäre es wichtig, hier noch genauer hinzuschauen und auch die einzelnen Netzwerkpositionen näher zu durchleuchten: Welche (gegebenenfalls konkurrierenden) Netzwerke gibt es? Wer sind die „Gatekeeper“ zwischen verschiedenen Netzen? Wo liegen Vernetzungslücken („structural holes“), an denen potenziell Brücken zwischen unverbundenen Netzwerken entstehen könnten? Wir sehen hier einen großen Forschungsbedarf und versprechen uns einen großen Erkenntnisgewinn. • Wie genau funktioniert Kommunikation, wenn es darum geht, verschiedene Milieus oder Handlungslogiken zu überbrücken? Wie kann man „Verwaltungs-DNA“ und „intermediäre DNA“ verbinden? Wie genau funktionieren die „Übersetzungsleistungen“ – vertikal und horizontal – und wie kann man diese verbessern? Auch die vhw-Milieuforschung könnte hier eingesetzt werden, ergänzt um gezielte empirische Forschung. •

Und nicht zuletzt: Welche Rolle spielt die räumliche Maßstabs­ ebene im intermediären Kosmos? Klar ist, dass sich die intermediären Vernetzungen in der Stadtentwicklung auf verschiedenen räumlichen Ebenen manifestieren. Unseres Erachtens wäre es vor allem wichtig, die Relevanz der lebensweltlichen Ebene des Quartiers zu überprüfen. In den Quartieren verortet sich buchstäblich die Zivilgesellschaft: Hier ist die Ebene der direkten Betroffenheit, nachbarschaftlicher Hilfe und Konflik-

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te innerhalb und zwischen den Milieus, von der Veränderung und Konstanz – hier entstehen Engagement, Initiativen und intermediäre Bottom-up-Akteure. Wie dieser Nährboden der Bürgergesellschaft wirkt, scheint uns – zumindest in den heutigen postmodernen Varianten – immer noch weitgehend unklar zu sein. Weitere Bedarfe dürfen und sollen während der Debatte sichtbar werden.

Brauchen wir mehr diskursive Praxis und Praxiswissen?

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Wir sind der Auffassung, dass wir die Funktion der Intermediären aus der Sicht der kommunalen Akteure noch genauer unter die Lupe nehmen sollten. Wir sollten die praktischen, finanziellen und auch ethischen Grenzen der Rolle von Intermediären testen, diskutieren, weiterentwickeln und hinterfragen. Dazu könnten wir die Idee einer fairen kommunikativen Demokratie zwischen Kommune, Intermediären und Zivilgesellschaft als Leitbild mit einem code of conduct als Leitplanke bzw. Leitfaden verknüpfen. Es gibt zwar bereits Leitfäden für die Bürgerkommune (zum Beispiel mit Angaben zur Bürgerbeteiligung), wir bringen jedoch neue, wichtige Akteure – die Intermediären – ins Spiel. Um zu einem echten Leitfaden zu kommen, müssen wir die hier im Debattenbuch angedeuteten, möglichen Ansätze zu einem code of conduct konkretisieren und die Ziele präzisieren. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass wir uns aus der Praxis heraus mit der Ausgestaltung unserer zukünftigen Demokratie befassen müssten.

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Wichtig wäre es auch, die Compliance-Prinzipien für die konkrete Praxis weiterzudenken und präziser zu formulieren. Wir müssen auf der Governance-Ebene Schnittstellen identifizieren, herausfinden, wie wir mit Intermediären an bestehende Verfahren andocken können, wie die Zuständigkeiten verteilt sein sollen und welche neuen Reglements gegebenenfalls benötigt werden. Einen weiteren Praxisbedarf sehen wir im Umgang mit Online-Kommunikation, Social Media oder digitalen Netzwerken: Die neuen Technologien bieten zwar Potenziale zu einer barrierefreien Kommunikation, die möglichst viele Menschen inkludiert – ein erstrebenswertes Ziel! Wir müssen jedoch die Mechanismen dieser neuen Kommunikationsmöglichkeiten besser verstehen. Wir müssen erkennen, inwieweit sich die digitalen Ströme materialisieren: Was ist und bleibt virtuell, was wird real, welche Rolle spielen Kopräsenz und Körperlichkeit? Was theoretisch klingt, hat ganz praktische Konsequenzen: Wo und wie sollen wir zum Beispiel Schnittstellen entwickeln, mit denen wir Online-Verfahren mit realen Verfahren verknüpfen (zum Beispiel eParticipation, eGovernance, Online-Dialoge)? Wie gehen wir damit um, dass in solchen Verfahren oft ein erheblicher sozialer Bias entsteht? Kann uns wirklich ein Open Access, eine völlige Barrierefreiheit gelingen – und wie? Wie bilden sich Mehrheiten und Meinungen zum Beispiel in Social Media? Wie lässt sich aus einer Art „Schwarmintelligenz“ oder „Herdentrieb“ Repräsentativität ableiten? Es steht fest, dass in den divergierenden Akteurswelten neue Lernbedarfe entstehen, nicht nur bei Verwaltung und Politik, sondern auch bei alten und neuen Verhandlungspartnern. Es wäre wünschenswert, diesen Lernprozess gezielt anzugehen. In welchem Format dies geschehen könnte, ist offen. Es bieten sich Formate wie zum Beispiel Urban Living Labs an (manchmal auch urbane Real­ labore genannt), die zunehmend im lokalen Kontext von Quartier,

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Stadt und Region Anwendung finden. Die Idee von Living Labs ist es, Menschen aus Kommune, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft offline (und meist auch online) zusammenzubringen, um in einem gemeinsamen, möglichst alltagsnahen Prozess an innovativen Lösungen für alltägliche Herausforderungen zu arbeiten. Living Labs sind eine gute Möglichkeit für Politik und Verwaltung, um im Rahmen von Alltagsszenarien neue, innovative oder auch konfliktlösende Impulse zu entwickeln.

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Als eine weitere Blackbox in der Debatte sehen wir das Selbstverständnis von Intermediären. Wir argumentieren zwar gerne mit einem wachsenden Engagementpotenzial in der Gesellschaft und zunehmend proaktiven Intermediären, die zu einer Emanzipation der Bürgergesellschaft beitragen können. Wer kann aber eigentlich sagen, dass sich die Intermediären selbst als eine solche Avantgarde begreifen und diese Rolle auch annehmen? So viel ist sicher: Manche Intermediäre „machen einfach nur“ und sind sich ihrer Rolle gar nicht bewusst. Andere wiederum kennen die ihnen zugedachte Rolle, aber grenzen sich bewusst von ihr ab. Es wäre deshalb wichtig, mit intermediären Akteuren unterschiedlicher Typen selbst einen Reflexionsprozess zu beginnen, der die Rolle thematisiert, die wir ihnen von außen zuschreiben. Wir sollten offen diskutieren: Wollen sich Intermediäre überhaupt einbinden lassen oder ist dies nach ihrem Selbstverständnis eine – vielleicht sogar existenzbedrohende – Instrumentalisierung? Wir möchten also nicht nur über die Intermediären diskutieren, sondern auch mit ihnen.

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Zu den Autoren

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Sebastian Beck ist Diplom-Sozialwissenschaftler und hat an der Universität Hannover und an der Hochschule für Musik und Theater Hannover Sozial- und Medienwissenschaften studiert. Seit 2007 ­arbeitet er als wissenschaftlicher Referent für den vhw-Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V. in Berlin an der Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt in der Auseinandersetzung mit lokalen Governance-Konstellationen von Stadtentwicklungsakteuren. Im Vordergrund steht dabei die Frage nach Partizipations- und Gestaltungspotenzialen auf Seiten der Zivilgesellschaft (Capacity-Building). Er beschäftigt sich mit den wissenschaftlichen Diskursen zu den Themen „Local Governance“, „Partizipation“, „Diversity“, „soziale Milieus“ und „kommunale Bildungslandschaften“. Zudem betreut er bundesweit Kommunen bei der Entwicklung und Durchführung lokaler Partizipations- und Koproduktionsansätze zwischen Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Politik. Olaf Schnur ist Geograph und Stadtforscher im vhw-Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V. in Berlin. Er arbeitete u. a. als Projektleiter im Forschungsbüro empirica beratend für Kommunen sowie die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, vertrat nach Promotion und Habilitation Professuren für Humanund Stadtgeographie in Berlin, Potsdam und Tübingen und war Gastwissenschaftler am Institut Sozialplanung und Stadtentwicklung der Hochschule für Soziale Arbeit in Basel (Schweiz). Er ist Sprecher des interdisziplinären Arbeitskreises Quartiersforschung der Deutschen Gesellschaft für Geographie (DGfG) und Herausgeber einschlägiger wissenschaftlicher Buchreihen. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Quartier und Nachbarschaft, urbane Vielfalt und Kohäsion, soziale Stadtentwicklung und Urban Governance.