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German Pages 252 Year 2019
Cindy Sturm Klimapolitik in der Stadtentwicklung
Urban Studies
Cindy Sturm (Dipl.-Geogr.), geb. 1978, promovierte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Gesellschaft-Umwelt-Beziehungen, Stadtgeographie sowie Klimapolitik.
Cindy Sturm
Klimapolitik in der Stadtentwicklung Zwischen diskursiven Leitvorstellungen und politischer Handlungspraxis
Die vorliegende Buchpublikation entspricht der Dissertation, die im Rahmen des Drittmittelprojektes »Energiewende und Klimawandel in der Stadtentwicklung – zwischen diskursiven Leitvorstellungen und Handlungspraxis« entstanden ist. Das Projekt wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2019 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4681-8 PDF-ISBN 978-3-8394-4681-2 https://doi.org/10.14361/9783839446812 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]
Inhalt
Danksagung | 9 Abbildungen und Tabellen | 11
Abbildungen | 11 Tabellen | 12 1
Klimawandel als Herausforderung der Stadtentwicklung | 13
2
Aufbau der Arbeit | 19
3
Forschungsperspektiven zur Untersuchung der Bedeutung von Klimapolitiken | 23
3.1 Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf Klimapolitik | 24 3.2 Klimapolitiken als mobile policies | 30 3.3 Diskurstheoretische Überlegungen – Heterogenität und Kontingenz von Bedeutungen | 33 3.3.1 Klimapolitiken als Ergebnis diskursiver Konstruktion | 33 3.3.2 Wandel von Diskursen | 36 3.4 Die Führung der Gesellschaft zu einem klimasensiblen Handeln – eine gouvernementalitätstheoretische Perspektive | 39 3.4.1 Politische Rationalitäten und Problematisierungen | 39 3.4.2 Regierungstechnologien: Zwischen Fremd- und Selbstführung | 42 3.4.3 Die Hervorbringung ›verantwortlicher‹ Subjekte | 46 3.4.4 Widerständige Praktiken – wir wollen nicht so regiert werden | 49 3.5 Synopse – Diskurs und Gouvernementalität meet Urban Policy Mobility | 53 4
Methodische Umsetzung einer diskurs- und gouvernementalitätstheoretischen Perspektive | 57
4.1 Makroperspektive: Korpuslinguistik als quantitative Methode der Diskursanalyse | 60
4.2 Mikroperspektive: Aussagenanalyse als qualitative Methode der Diskursanalyse | 63 4.3 Erhebung der quantitativen und qualitativen Daten | 65 4.3.1 Erstellen der Textkorpora | 65 4.3.2 Durchführung der Interviews | 69 4.4 Quantitative und qualitative Verfahren der Diskursanalyse | 70 4.4.1 Korpuslinguistische Verfahren der Diskursanalyse | 70 4.4.2 Kodierung von Themen und Subjektpositionen | 74 4.4.3 Aussagenanalyseverfahren zur Untersuchung diskursiver Vielfältigkeit | 75 4.5 Die eigene Positionalität im Forschungsprozess | 77 5
Fallstudien: Die Städte Münster und Dresden | 79
6
Klimapolitiken in Stadtentwicklungsprozessen | 85
6.1 Kontextualisierung aktueller Klimadebatten | 86 6.1.1 Klimawandel als politisches ›Problem‹ – diskursive Verschiebungen internationaler Debatten | 87 6.1.2 Umweltpolitik in der BRD und Münster sowie der DDR und Dresden | 90 6.1.3 Vom Umwelt- zum Klimaschutz – Wandel diskursiver Rahmungen um Klima in bundespolitischen Stadtentwicklungsdiskursen | 95 6.2 Problematisierungen und Sichtbarkeiten: Priorisierungen in den stadtentwicklungspolitischen Diskursen Dresdens und Münsters | 110 6.2.1 Lokaler Umweltschutz statt globaler Klimawandel – »eigentlich ist eher das Thema Umweltschutz ehrlicher« | 111 6.2.2 Die Etablierung des Klimaschutzes als ›Tradition‹ und politisches Handlungsfeld | 126 6.2.3 Der ›Eco-Lifestyle‹ von Münster und Dresden als ›Stadt in der Landschaft‹ | 135 6.2.4 Die Rolle von Ereignissen im Wandel klimapolitischer Diskurse | 139 6.3 Wahrnehmungen von Handlungsspielräumen im städtischen Klimaschutz | 144 6.3.1 Verantwortlichkeiten in der Klimapolitik – »Der Ruf geht jetzt also an die Städte« | 145 6.3.2 Kommunalpolitik – zwischen Wunsch und Wirklichkeit | 149
6.3.3
Verwaltung – zwischen Abhängigkeit und machtvollen Handlungsmöglichkeiten | 157 6.3.4 Die Bedeutung der Zivilgesellschaft – Individualisierung von Verantwortung? | 165 6.4 Regierung des Klimawandels | 174 6.4.1 Technologien der Agency | 175 6.4.2 Technologien der Performanz | 192 6.5 Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse | 202 7 Fazit und Ausblick | 207 7.1 Klimawandel im Spannungsfeld von Bundes- und Stadtpolitik | 210 7.2 Städtische Klimapolitiken im Kontext neoliberaler Praktiken | 215 7.3 Forschungsimpulse | 218 Literatur | 221
Danksagung
Auf dem Weg der Entstehung dieser Arbeit haben mich viele Menschen begleitet. Sie haben mich inspiriert, ermutigt und vor allem enorm bereichert. Ohne sie hätte ich diese Arbeit niemals schreiben können, ihnen allen gilt mein herzlichster Dank. Ganz besonders danke ich Annika Mattissek für ihr Vertrauen, ihre Betreuung und ihre große Unterstützung. Ihrem Engagement verdanke ich es, dass ich im Rahmen des DFG-Projekts »Energie- und Klimapolitiken in der Stadtentwicklung« unter hervorragenden Arbeitsbedingungen promovieren konnte. Zudem bedanke ich mich bei der Deutschen Forschergemeinschaft für die finanzielle Förderung dieses Projekts. Mein herzlicher Dank geht an Michael Pregernig für seine engagierte Betreuung und die inspirierenden Gespräche der vergangenen Jahre. Darüber hinaus bedanke ich mich bei Tim Freytag für die Begutachtung der Arbeit. Mein Dank gilt allen Interviewpartner*innen, die sich extra die Zeit genommen haben, mir Einblicke zu geben in das große Feld von Stadt- und Klimapolitik. Insbesondere bedanke ich mich bei Heike Krüger, die mir den Zugang zum Münsteraner Archiv so unkompliziert und fröhlich gestaltete. Ein großes Dankeschön geht zudem an Jan Glatter, der mir die Freude am wissenschaftlichen Arbeiten gegeben und mich stets mit Rat und Tat unterstützt hat. Ein herzlicher Dank geht an meine Freiburger Arbeitsgruppe. Es ist keinesfalls selbstverständlich in einem Team zu arbeiten, in dem Türen und Ohren immer offen sind. Die vielen Gespräche waren immer eine Bereicherung und stets eine Freude. Thilo Wiertz danke ich ganz besonders, nicht nur für seine große Hilfe in der Korpuslinguistik und das umfangreiche Korrekturlesen. Darüber hinaus war es eine große Inspiration und Bereicherung, Teil des Spiel-Spaß-Wissenschaft-Kollegs zu sein, das oft geholfen hat, den Weg klarer zu sehen, als er manchmal schien. Tobias Schopper, Vivien Riener, Clara
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Kramer und Carola Fricke gilt mein herzlichster Dank für das aufmerksame Lesen der einzelnen Kapitel und die enorm hilfreichen Kommentare. Ganz besonders herzlich bedanke ich mich bei Elisabeth Militz und Christoph Creutziger für all die Zeit, um Gedanken und Ideen zu besprechen, die enorme Unterstützung und den immer vorhandenen Optimismus. Mein herzlichster Dank gilt Andrea Funker, Eva Sturm und Patrizia di Benedetto für ihren Zuspruch, die vielen wunderbaren Gespräche und dafür, dass sie immer da sind. Meiner Familie danke ich sehr für all ihre Unterstützung, für ihre Geduld und ihr Verständnis in den vergangenen Jahren. Mit ganzem Herzen verbunden bin ich Nicole Sturm. Ihr danke ich für all ihre Kraft, ihr Feingefühl und ihre unermessliche Unterstützung – an jedem einzelnen Tag.
Abbildungen und Tabellen
ABBILDUNGEN Abb. 1: Überblick der methodischen Verfahrensweise | 60 Abb. 2: Anzahl der bundespolitischen Dokumente im Untersuchungszeitraum pro Jahr | 66 Abb. 3: Stimmenanteile der Kommunalwahlen in Dresden zwischen 1999 und 2014 | 80 Abb. 4: Stimmenanteile der Kommunalwahlen in Münster zwischen 1999 und 2014 | 80 Abb. 5: Anteil der Erwerbstätigen in Münster und Dresden im Jahr 2015 | 81 Abb. 6: Frequenzanalyse von Umweltbegriffen in bundespolitischen Stadtentwicklungsdokumenten im zeitlichen Verlauf | 99 Abb. 7: Frequenzanalyse von Begriffen zu Umwelt, Energie und Stadtumbau in bundespolitischen Stadtentwicklungsdokumenten im zeitlichen Verlauf | 101 Abb. 8: Frequenzanalyse von Lemmata zu Klimaschutz, Klimaanpassung und Klimawandel in bundespolitischen Stadtentwicklungsdokumenten im zeitlichen Verlauf | 104 Abb. 9: Ausgewählte Kookkurrenzen von Klimabegriffen in bundespolitischen Stadtentwicklungsdokumenten 2013 | 105 Abb. 10: Frequenzanalyse von Begriffen zu Wetterereignissen in bundespolitischen Stadtentwicklungsdokumenten im zeitlichen Verlauf | 107 Abb. 11: Frequenzanalyse zu Lemmata von Risiko in bundespolitischen Stadtentwicklungsdokumenten im zeitlichen Verlauf | 108 Abb. 12: Frequenzanalyse von Lemmata zu vulnerabel, verwundbar, resilient in bundespolitischen Stadtentwicklungsdokumenten im zeitlichen Verlauf | 109 Abb. 13: Bevölkerungsentwicklung in Münster, 1990–2015 | 113 Abb. 14: Bevölkerungsentwicklung in Dresden, 1990–2015 | 113
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Abb. 15: Wohnungsrückbau in Dresden im zeitlichen Verlauf | 114 Abb. 16: Frequenzanalyse von Lemmata zu Klima und Umwelt in den Stadtratsbeschlussvorlagen Dresdens im zeitlichen Verlauf | 120 Abb. 17: Frequenzanalyse von Lemmata zu Umwelt und Klima sowie Schlüsselbegriffe der Keyword-Analyse des Dresdner Stadtentwicklungsdiskurses im zeitlichen Verlauf | 121 Abb. 18: Frequenzanalyse von Lemmata zu Klima und Umwelt in Stadtratsbeschlussvorlagen Münsters im zeitlichen Verlauf | 130 Abb. 19: Frequenzanalyse von Lemmata zu Umwelt und Klima sowie Schlüsselbegriffe der Keyword-Analyse des Münsteraner Stadtentwicklungsdiskurses im zeitlichen Verlauf | 132 Abb. 20: Frequenzanalyse von Lemmata zu Klima und Energie sowie Schlüsselbegriffe der Keyword-Analyse des Münsteraner Stadtentwicklungsdiskurses im zeitlichen Verlauf | 133 Abb. 21: Kampagne des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie: »Deitschland machtʼs effizient« | 178 Abb. 22: Karte der EEA-Kommunen in Nordrhein-Westfalen und Sachsen | 196 Abb. 23: Frequenzanalyse von Lemmata zu Wettbewerb und Modellprojekt in den Stadtratsdebatten von Münster und Dresden im zeitlichen Verlauf | 200
TABELLEN Tab. 1: Anzahl der kommunalpolitischen Dokumente von Dresden und Münster im Untersuchungszeitraum pro Jahr | 68 Tab. 2: Altersstruktur der Bevölkerung von Dresden und Münster | 79 Tab. 3: Anteil erneuerbarer Energien am Strom- und Wärmesektor in Dresden und Münster | 82 Tab. 4: Kookkurrenz-Analyse der bundespolitischen Stadtentwicklungsdokumente (1997–2015) der Lemmata von Herausforderung | 97 Tab. 5: Keyword-Analyse der Stadtratsdokumente Dresdens im Vergleich zu Münster, ausgewählte Begriffe (1997–2015) | 115 Tab. 6: Ausgewählte Begriffe der Keyword-Analyse der Stadtratsdokumente Dresdens im Vergleich zu Münster | 129 Tab. 7: Ausgewählte Begriffe der Keyword-Analyse der Stadtratsdokumente Dresdens im Vergleich zu Münster | 199 Tab. 8: Formen und Herkunft gouvernementaler Regierungstechnologien in der Klimapolitik | 205
1
Klimawandel als Herausforderung der Stadtentwicklung »Far from being a little known concern amongst a minority of municipalities, the city now looms large on the international climate change agenda.« Bulkeley und Betsill 2013, 137
Im Dezember 2015 wurde das Pariser Klimaabkommen als Folgevertrag des Kyoto-Protokolls verabschiedet – 195 Staaten bekennen sich damit zu dem Ziel, »die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen« (BMUB 2016, 6), möglichst sogar auf höchstens 1,5 Grad1. Die internationale Staatengemeinschaft betont, dass Städten als konkrete Umsetzungsebene der formulierten Ziele und Normen eine zentrale Verantwortung bei der Bewältigung des Klimawandels zukomme. Zum einen, weil sie in besonders hohem Maße zum Primärenergieverbrauch sowie zu den globalen Emissionen beitragen (UNEP und UN-HABITAT 2005). Zum anderen, weil viele der prognostizierten Auswirkungen wie Überhitzung und Überschwemmungen besonders in den Städten deutlich werden. Globale Zielvorgaben für Klimaschutz und Klimaanpassung fordern auch die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen, um eine nachhaltige »Transformation unserer Welt« (Bundesregierung 2016, 158) zu ermöglichen. Tatsächlich beteiligen sich mittlerweile tausende Städte weltweit an Klimabündnissen wie dem ICLEI (Verbund der Local Governments for Sustainability), der 1.500 Mitglieder zählt oder der »Global
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Das Kyoto-Protokoll ist bis 2020 gültig. Das Pariser Abkommen tritt somit erst 2020 in Kraft, aber nur dann, wenn 55 Mitglieder der Klimarahmenkonvention, die für 55 % der globalen bilanzierten Treibhausgasgasemissionen verantwortlich sind, es ratifiziert haben (Zschiesche 2016).
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Covenant of Mayors for Climate and Energy«, dem weltweit etwa 7.400 Städte angehören2. Deutschland ist als Unterzeichnerstaat der internationalen Klimaabkommen, aber auch als Mitglied der EU verpflichtet, die gefassten Klimaziele in konkrete nationale Programme umzusetzen. Zudem schreibt sich Deutschland selbst »als führende Industrienation und wirtschaftlich stärkster Mitgliedsstaat der EU« (BMUB 2016, 7) eine besondere Verantwortung gegenüber dem Klimaschutz zu. Für die Stadtentwicklungspolitik und Stadtplanung stellt sich daher die Frage, wie die globalen und bundespolitischen Klimaziele erreicht werden können. 2016 beauftragte das Umweltbundesamt eine Studie, in der die bisherigen Aktivitäten deutscher Großstädte zur Anpassung an den Klimawandel evaluiert wurden. Daraus geht folgendes Ergebnis hervor: »Jede zweite der 76 deutschen Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern hat bereits eine eigene Strategie veröffentlicht, wie sie mit den Folgen des Klimawandels umzugehen plant. Viele weitere Städte erarbeiten aktuell entsprechende Strategien oder führen andere Anpassungsaktivitäten durch. […] Fasst man Anpassungsaktivitäten und -strategien zusammen, ergibt diese Recherche, dass sich mindestens 90 Prozent der deutschen Großstädte inzwischen aktiv mit den Folgen des Klimawandels auseinandersetzen« (UBA 2018).
Während noch in den 1980er Jahren die Berücksichtigung ökologischer Aspekte in der Stadtentwicklung hart umkämpft war, scheint die Herausforderung Klimawandel in Deutschland mittlerweile in fast allen Stadtentwicklungspolitiken präsent zu sein. Auch die Internetseiten vieler Städte enthalten zahlreiche Hinweise zum Klimawandel und den Aktivitäten im Klimaschutz und der Klimaanpassung. Dennoch lässt die Studie offen, ob das Bekenntnis dazu auch mit konkreten, effektiven Maßnahmen einhergeht. Um die Implementierung klimapolitischer Ziele in der Stadtentwicklung voranzutreiben, hat die deutsche Bundesregierung in den vergangenen Jahren zahlreiche Konzepte geschaffen wie die Klimaanpassungsstrategie (2008) oder den Klimaschutzplan 2050 (2016), aber auch eine Reihe von Handlungsleitfäden, Best Practices und Modellprojekten. Ziel dieser Instrumente ist es, das Verhalten der Gesellschaft und insbesondere das städtischer Akteur*innen in Bezug auf klimarelevante Aspekte in praktisch allen politischen Handlungsfeldern zu steuern. Allerdings suggerieren diese Handlungsempfehlungen und Best Practices, dass normative Vorstellungen um Klimawandel einfach übertragen werden kön-
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Siehe unter Klimaretter.info: http://www.klimaretter.info/politik/nachricht/23331-7400-staedte-versprechen-klimaschutz [3.6.2018].
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nen und von städtischen Akteur*innen auch umgesetzt werden wollen. Der Blick in die Empirie zeigt jedoch, dass dies oftmals nicht zutrifft (Luks 2008, 106). So arbeitet Carr anhand ihrer Analyse der Verbreitung des Konzeptes der Nachhaltigkeit heraus: »Many examples […] reveal that attempts to operationalize and practice convincing models of integrative sustainable development at urban and regional levels often run into various caveats and limitations« (Carr 2014, 1827; vgl. auch Jordan 2008; Healey 2013, 1513). Bulkeley spricht im Anschluss an ihre Arbeiten von der »local stickiness of best practices« (2006). Auch im Kontext der Klimapolitik besteht oftmals – trotz einer vordergründigen Zustimmung zur generellen Notwendigkeit von Klimaschutz bzw. Klimaanpassung – eine deutliche Diskrepanz zwischen den politisch formulierten Klimazielen einerseits und deren Umsetzungen in konkrete Entscheidungs- und Handlungspraktiken der Stadtentwicklung andererseits. Aus einer politisch-geographischen Perspektive schließt sich hier die Frage an, warum das von Wissenschaft und Politikberatung produzierte Wissen in den Städten auf so unterschiedliche Art und Weisen umgesetzt wird. Mit dieser Perspektive steht insbesondere das Spannungsfeld von Gesellschaft, Raum und Macht im Fokus. Gemeint ist damit vor allem die Macht politischer Diskurse um Klimawandel und Klimapolitik und deren Effekte für unterschiedliche städtische Kontexte. Anknüpfend an die These, dass Strategien und Handlungsleitfäden nicht eins-zu-eins in Städte übertragen werden, ergibt sich für die vorliegende Arbeit folgende Leitfrage: Wie lässt sich erklären, dass klimapolitische Ziele und Maßnahmen trotz vordergründiger Zustimmung in städtischen Kontexten so unterschiedlich umgesetzt werden? Damit nimmt die Arbeit das Verhältnis von Bundes- und Stadtpolitik in den Blick. Zum einen geht es darum, welche Vorstellungen um Klimaziele und -strategien in den bundespolitischen Dokumenten wirkmächtig werden. Zum anderen fragt die Arbeit, wie diese in kommunalen Kontexten aufgegriffen bzw. auch verändert oder abgelehnt werden. Als Fallstädte wurden die Städte Münster und Dresden ausgewählt. Beide weisen einerseits als Großstädte mit einem starken Dienstleistungs- und Verwaltungssektor und einer wachsenden Bevölkerung strukturelle Gemeinsamkeiten auf. Hinsichtlich des Umgangs mit klimastrategischen Politiken zeigen sich jedoch deutliche Unterschiede. Um diesen Unterschieden nachzugehen, vergleicht die Arbeit die beiden Städte miteinander. Der Vergleich erfolgt jedoch nicht anhand von vorab definierten Indikatoren wie z.B. dem CO2-Emissionsausstoß, sondern im Sinne der hier zugrundeliegenden post-
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strukturalistischen Perspektive mit Blick auf die jeweiligen Problematisierungen innerhalb der Stadtpolitik, die unterschiedlichen Wahrnehmungen von Handlungsspielräumen sowie die daran anknüpfenden Praktiken des Regierens. Die oben formulierte Leitfrage der Arbeit wird dafür anhand einer diskursund gouvernementalitätstheoretischen Herangehensweise in zwei aufeinander aufbauenden und eng miteinander verbundenen Analyseteilen untersucht. Konkret beantwortet die Arbeit somit zwei Fragen: a)
b)
Welche Diskurse um Klimapolitik in der Stadtentwicklung haben sich in den bundespolitischen und kommunalpolitischen Kontexten von Münster und Dresden seit 1997 konstituiert? Welche Formen der Steuerung haben sich etabliert, um die formulierten klimapolitischen Ziele in Praktiken der Stadtentwicklungspolitik und Planung zu übersetzen?
Anhand von quantitativen und qualitativen Methoden der Diskursanalyse werden dafür zum einen Dokumente der Bundesregierung zur Stadtentwicklung untersucht und zum anderen kommunale Stadtratsbeschlussvorlagen und Interviews mit städtischen Akteur*innen der Politik sowie der Stadt- und Umweltverwaltungen ausgewertet. Bislang wurden Fragen der Umsetzung klimapolitischer Ziele auf kommunaler Ebene in erster Linie aus der Perspektive von Governance-Analysen thematisiert. Im Mittelpunkt dieser Arbeiten steht insbesondere die Frage danach, wie Steuerungsprozesse verbessert und optimiert werden können und welche Akteur*innen daran beteiligt sein sollten (vgl. Benz 2004). Studien zur Erforschung klimapolitischer Governance liefern somit wertvolle Erkenntnisse für die Debatte zum Umgang mit Klimapolitiken. Allerdings gehen sie ebenfalls davon aus, dass politische Entscheidungsträger*innen das globale Phänomen des Klimawandels tatsächlich als kommunalpolitisches Problem und Aufgabe identifizieren und als solches adressieren. Die damit einhergehenden Konflikte und diskursiven Aushandlungsprozesse um Vorstellungen darüber, welche städtischen Entwicklungen als prioritär gelten und welche nicht und welche Bedeutung dabei dem Klimawandel beigemessen wird, werden jedoch kaum betrachtet. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, genau diese Aushandlungsprozesse und die damit verbundenen Konflikte in der kommunalen Klimapolitik in den Blick zu nehmen. Mit einem diskurs- und gouvernementalitätstheoretischen Ansatz, der durch Konzepte der Urban Policy Mobility-Perspektive ergänzt wird, werden Städte als Kontexte verstanden, die im Zusammenspiel historischer Entwicklungspfade, Institutionen und Praktiken hervorgebracht werden. Dabei wird da-
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von ausgegangen, dass Klimawandel nicht allein ein ›Problem‹ der praktischpolitischen Umsetzung in Städten ist, sondern der Diskurs- und Wissensproduktion, durch die Normen, Bedeutungen und Handlungsstrategien verhandelt werden. Mit Hilfe der Diskurstheorie adressiert die Arbeit somit die Frage, wie Wissen und Wahrheiten über Klimapolitik hergestellt werden. Die genealogische Perspektive richtet den Fokus zudem darauf, wie sich diese Wissensordnungen räumlich zwischen den bundes- und kommunalpolitischen Kontexten, aber auch zwischen Dresden und Münster unterscheiden und wie sie sich im Laufe der Zeit verändern. Daran anknüpfend untersucht die Gouvernementalitätsanalyse, wie die produzierten Wissensordnungen in den Kommunen in konkrete Entscheidungs- und Handlungspraktiken der Stadtentwicklung übersetzt werden. Hier ist zum einen von Interesse, durch welche Techniken die Bundesregierung die Bevölkerung zu einem klimawandelbewussten Handeln anleitet. Daran anknüpfend wird gefragt, wie sich insbesondere die städtischen Entscheidungsträger*innen gegenüber den unterschiedlichen Formen der Steuerung verorten und wie dies zwischen den beiden Untersuchungsstädten variiert. Somit adressiert diese Arbeit nicht nur die Frage, ob Städte die bundespolitischen Klimaziele z.B. in Form kommunaler Klimaschutzkonzepte berücksichtigen; vielmehr stehen die Aushandlungsprozesse um Bedeutung und Relevanz des Klimawandels, aber auch um Praktiken des Regierens innerhalb städtischer Politik im Mittelpunkt. Damit leistet die Arbeit drei grundlegende Beiträge: Empirisch nimmt sie das Spannungsfeld von Bundes- und Stadtpolitik in den Blick und arbeitet heraus, dass Klimapolitiken in den jeweiligen städtischen Kontexten auf unterschiedliche Denkweisen und Problematisierungen treffen, woraus vielfältige, teilweise auch ablehnende Praktiken kommunaler Klimapolitik resultieren. Konzeptionell bietet die Arbeit eine bislang wenig angewandte Herangehensweise, um Diskrepanzen zwischen formulierten politischen Zielen und den konkreten Umsetzungen in Praktiken der Stadtentwicklung und Planung mithilfe der Diskurs- und Gouvernementalitätstheorie sowie Konzepten der Urban Policy Mobility-Forschung zu analysieren. Dieser theoretische Rahmen ermöglicht es, die komplexen Beziehungen zwischen vielfältigen Denkweisen, Vorstellungen von Klimazielen und -strategien sowie Praktiken des Regierens in den Blick zu nehmen. Methodisch leistet die Arbeit einen Beitrag zur Stadtforschung, indem sie eine Kombination aus quantitativen und qualitativen Verfahren der Diskursanalyse operationalisiert. Dadurch ist es einerseits möglich, übergeordnete sprachliche Muster innerhalb von stadtentwicklungspolitischen Dokumenten über einen gro-
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ßen Zeitraum hinweg – hier von 1997 bis 2015 – herauszuarbeiten und zu zeigen, wie sich gesellschaftliche Sichtweisen über Klima verändern und wie sich dies in den einzelnen Kontexten unterscheidet. Anderseits kann mit Hilfe von leitfaden-gesteuerten Expert*inneninterviews anhand einzelner Aussagen die Heterogenität und Konflikthaftigkeit der Debatten um Klimawandel und Klimapolitik in den Blick genommen und die Umkämpftheit von Sichtweisen in den kommunalpolitischen Kontexten gezeigt werden.
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Aufbau der Arbeit
Die Arbeit besteht aus drei zentralen Teilen. Der erste Teil entwickelt den theoretischen Rahmen der Untersuchung (Kap. 3). Um in den Mittelpunkt zu rücken, dass Politiken nicht nur auf einer Maßstabsebene hervorgebracht werden, sondern Ideen und Strategien in unterschiedlichen Kontexten entstehen, greift die Arbeit auf Konzepte der Urban Policy Mobility-Debatte zurück. Diese konzeptionelle Rahmung ermöglicht, Politiken als mobil und veränderlich zu betrachten und zu betonen, dass diese in den jeweiligen Kontexten unterschiedliche Rollen spielen. Die Heterogenität und Vielschichtigkeit der Kontexte adressieren Ansätze der Diskurs- und Gouvernementalitätstheorie im Anschluss an Foucault. Die dazu vorgestellten Begriffe der Rationalität, Problematisierung und Regierungstechnologie liefern das konzeptionelle ›Instrumentarium‹ um herauszuarbeiten, wie Bedeutungen und Wissen um Klimawandel hergestellt werden und mittels welcher Techniken und Strategien Gesellschaft angeleitet wird, diese in konkrete Handlungspraktiken der Stadtentwicklung umzusetzen. Die Analyse stadtentwicklungspolitischer Diskurse erfolgt mit Blick auf bundes- und kommunalpolitische Debatten der beiden Fallstädte Münster und Dresden. Im zweiten Teil der Arbeit (Kap. 4 und 5) wird dafür der theoretische Rahmen methodisch operationalisiert. Anhand von drei Textkorpora, die aus Dokumenten des ehemaligen Ministeriums für Stadtentwicklung (BMVBS) bestehen sowie aus Beschlussvorlagen der beiden Stadträte, werden anhand von quantitativen korpuslinguistischen Verfahren übergeordnete sprachliche Muster herausgearbeitet. Dabei geht es insbesondere darum, über welche Begrifflichkeiten und sprachlichen Verknüpfungen das Themenfeld Klima innerhalb der Stadtentwicklungsdiskurse hergestellt wird, wie sich dies zwischen den untersuchten Kontexten unterscheidet und wie sich das Sprechen über Klima bzw. Klimawandel im Laufe der Zeit verändert. Darüber hinaus werden transkribierte Interviewtexte qualitativ diskursanalytisch ausgewertet. Mithilfe der Aussagenanalyse ist es ermöglich auf der Ebene einzelner Äußerungen herauszuarbeiten, wie Vorstellungen zum Klimawandel
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begründet oder auch abgelehnt werden und wie sich städtische Akteur*innen innerhalb der Diskurskonstellationen positionieren. Auf diese Weise kann die Heterogenität, Vielfältigkeit und Umkämpftheit von Sichtweisen innerhalb des Gesagten herausgearbeitet und gezeigt werden, dass Klimapolitiken in den jeweiligen Kontexten sehr unterschiedliche Rollen spielen. Der dritte Teil (Kap. 6) zeigt anhand der empirischen Ergebnisse, wie im Zusammenwirken historischer Entwicklungspfade, unterschiedlicher Maßstabsebenen und heterogener gesellschaftlicher Machtverhältnisse Klimapolitiken entstehen. Da bestehende Normen und Werte immer an bereits Gesagtes anknüpfen, werden die bundes- und kommunalpolitischen Diskurse um Klimawandel und Stadtentwicklung zunächst in den Kontext internationaler Debatten sowie historischer Entwicklungspfade der Klimapolitiken der BRD und der DDR eingebettet. Im Sinne der theoretischen Rahmung der Arbeit wird dann die Unterschiedlichkeit städtischer Kontexte bezüglich der Umsetzung klimapolitischer Zielsetzungen anhand von drei zentralen Aspekten herausgearbeitet: • Im ersten Schritt werden die Problematisierungen und Sichtbarkeiten innerhalb der Stadtentwicklungsdebatten in den Vordergrund gerückt. Zum einen geht es um die Frage, welche ›Probleme‹ in den Fallstädten Dresden und Münster allgemein innerhalb der jeweiligen Stadtentwicklungspolitiken als prioritär erachtet werden. Zum anderen geht es darum, welcher Stellenwert Klimafragen dabei zugesprochen wird. • Im zweiten Schritt untersucht die Arbeit, welche Verantwortungszuschreibungen und Rollen in den Debatten um Klimawandel hervorgebracht werden. Wie werden einerseits städtische Akteur*innen und Bürger*innen innerhalb der bundespolitischen Dokumente adressiert und wie positionieren sich insbesondere Entscheidungsträger*innen Dresdens und Münsters gegenüber diesen Zuschreibungen? Welche Handlungsspielräume nehmen sie innerhalb von Stadtpolitik und Verwaltung wahr, um diesen Zuschreibungen gerecht zu werden bzw. auf welche Art und Weise werden diese zurückgewiesen, verändert oder auch abgelehnt? • Daran anknüpfend geht es im dritten Schritt darum zu verstehen, mittels welcher Techniken und Strategien die Bundesregierung städtische Akteur*innen und Bürger*innen anleitet, im Sinne der jeweiligen Problematisierungen und Verantwortungszuschreibungen zu agieren und die vorherrschenden Ziele der bundesdeutschen Klimapolitik in konkrete Praktiken der Stadtentwicklung umzusetzen. Daran anknüpfend wird mit Blick auf die beiden Kommunen gezeigt, wie sich die städtischen Akteur*innen gegenüber diesen Regierungs-
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technologien verorten und welche Strategien sich in den städtischen Kontexten als ›erfolgversprechend‹ und ›relevant‹ durchsetzen. Die Analysen zeigen, dass sich die wirkmächtigen Denklogiken der beiden Städte zwar im Hinblick auf die ökonomische Ausrichtung der Stadtentwicklung ähneln. Doch wird deutlich, dass vor dem Hintergrund der jeweiligen Entwicklungspfade und gesellschaftlichen Machtverhältnisse unterschiedliche Wissensordnungen wirkmächtig werden, die zu vielfältigen Entscheidungs- und Handlungspraktiken in der Stadtentwicklungspolitik und in der Planung führen.
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Forschungsperspektiven zur Untersuchung der Bedeutung von Klimapolitiken
Dass Klimaveränderungen ein gesellschaftliches ›Problem‹ darstellen, ist mittlerweile eine von vielen geteilte Sichtweise und auch in der Stadtentwicklung scheint es heute kaum noch möglich, nicht über Klimaschutz oder Klimaanpassung zu sprechen. Im Folgenden geht es darum, wie die Diskrepanzen zwischen diskursiv formulierten Leitvorstellungen und konkreten Handlungspraktiken der Stadtentwicklung konzeptionell gefasst werden können. Zunächst werden bisherige sozialwissenschaftliche Forschungen zum Klimawandel im Überblick vorgestellt (Kap. 3.1). Damit wird deutlich, dass es zwar zahlreiche Arbeiten gibt, die sich mit der Frage beschäftigen, wie Städte mit Klimawandel umgehen, welche Initiativen initiiert werden und welche Faktoren die Umsetzung der gesetzten Ziele erschweren oder unterstützen. Doch besteht nach wie vor ein Forschungsdefizit im Hinblick auf die damit einhergehenden Konflikte innerhalb städtischer Aushandlungsprozesse. Die vorliegende Arbeit argumentiert, dass eine diskurs- und gouvernementalitätstheoretische Perspektive in Verbindung mit Konzepten der Urban Policy Mobility-Forschung geeignet ist, um eine differenzierte Analyse unterschiedlicher Umgangsweisen mit Politiken durchzuführen und insbesondere die Vielfältigkeit und die Umkämpftheit klimapolitischer Normen und Werte herauszuarbeiten. Im ersten Schritt werden dafür die Grundlagen der Urban Policy MobilityForschung dargestellt. Die hier zugrundeliegende Konzeption von Politiken als mobil und veränderlich leistet einen hilfreichen Beitrag, um diese nicht als statische, lokal verortete Modelle zu begreifen, sondern als von Ort zu Ort ›wandernde‹ und dynamische Einheiten. Ihre Veränderlichkeit erklärt sich aus der Vielfältigkeit städtischer Kontexte, auf die sie treffen und in denen sie als Teil gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse auch wieder infrage gestellt und transformiert werden (Kap. 3.2).
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Die Vielfältigkeit städtischer Kontexte wird hier als Resultat des Zusammenspiels historischer Entwicklungspfade, Institutionen, Praktiken und gesellschaftlicher Machtverhältnisse verstanden, sodass in den jeweiligen Städten unterschiedliche Vorstellungen von Stadtentwicklung und Klimapolitik wirkmächtig werden. Im zweiten Schritt werden dafür Begriffe und Konzepte der Diskurstheorie im Anschluss an Foucault eingeführt (Kap. 3.3). Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Transformation von Sichtweisen und damit auf der Frage, wie sich Diskurse wandeln. Die Gouvernementalitätstheorie bietet einen Ansatz, der die Wechselwirkungen zwischen den jeweiligen Wissensordnungen und daran anknüpfenden Regierungstechniken in den Blick nimmt. Im Mittelpunkt stehen hier die Konzepte der Rationalität, der Problematisierung und der Regierung. Dabei geht es zum einen um das Zusammenwirken von Fremd- und Selbsttechnologien, mit denen unterschiedliche Rollen in der Klimapolitik hervorgebracht werden. Zum anderen geht es im Sinne des Konzepts des »contre conduite« darum, wie sich Entscheidungsträger*innen zu den jeweiligen Sichtweisen um Klimaziele und -strategien positionieren und sie diese gegebenenfalls auch ablehnen und zurückweisen (Kap. 3.4). Mit dem Fokus auf Prozesse der Wissens- und Bedeutungskonstitution um Klima und Stadt und deren Verknüpfungen mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen zeigt die Arbeit, dass städtische Kontexte keine homogenen, sondern komplexe, heterogene Orte sind, an denen politische Ziele nicht einfach umgesetzt, sondern immer wieder neu verhandelt und verändert werden.
3.1 SOZIALWISSENSCHAFTLICHE PERSPEKTIVEN AUF KLIMAPOLITIK Seit Klimawandel als sozio-politisches Problem adressiert wird, beschäftigen sich auch Sozialwissenschaftler*innen damit. Dabei dominieren zunächst zwei Perspektiven: Zum einen richten politikwissenschaftlich geprägte Arbeiten den Blick auf internationale Klimapolitiken. Dabei liegt das Interesse insbesondere auf zwischenstaatlichen Interaktionen sowie internationalen Institutionen, die sich mit Klimawandel beschäftigen (vgl. bspw. Sprinz und Luterbacher 2001; Aldy und Stavins 2007). Zum anderen richten verhaltenstheoretisch informierte Arbeiten den Blick auf individuelle Verhaltensweisen und fragen stärker danach, wie das Bewusstsein und daran anknüpfend die subjektive Motivation so beeinflusst werden könnten, dass Individuen ihr Handeln im Sinne des Klimaschutzes ändern (vgl. u.a. Gardner und Stern 1996; Blake 1999; Grothmann und Patt
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2005). Nach dem Erscheinen des Stern-Reports (2006) sowie des 4. IPCCBerichts (2007) nimmt die Debatte um Klimawandel an Fahrt auf und auch innerhalb der wissenschaftlichen Diskussionen entwickelt sich eine deutlich größere Bandbreite an Arbeiten, die vielfältige theoretische Ansätze präsentieren, so z.B. die Critical Geopolitics, die Actor-Network Theory (ANT), die Science and Technology Studies sowie die Diskurs- und Gouvernementalitätstheorie. Was diese Arbeiten verbindet, ist eine kritischere und machtsensiblere Perspektive auf die grundlegende Frage: »how to make political sense of climate change« (Stripple und Bulkeley 2014, 8; Death 2014). Diskurstheoretisch informierte Forschungen beschäftigen sich in erster Linie damit, wie gesellschaftliche Vorstellungen um den Klimawandel entstehen und sich verändern (z.B. Cass 2007 am Beispiel der USA und Großbritannien, Hattori 2007 für Japan; Voss 2010; Daschkeit und Dombrowsky 2010; Weingart; Engels und Pansegrau 2008). Mit Blick auf die internationalen Institutionen verweist Methmann auf die Diskrepanzen zwischen diskursiven Bedeutungszuschreibungen um Klimawandel einerseits und konkreten Aktivitäten andererseits. Er untersucht Diskurse internationaler Organisationen wie der WTO oder der Weltbank und zeigt dabei, dass diese in den vergangenen Jahren zwar immer häufiger auf die international vereinbarten Klimaziele verweisen, allerdings ihre konkreten Aktivitäten diesen Zielen nicht anpassen (Methmann 2010, 346). In diesem Prozess, den Methmann als »climate mainstreaming« (ebd. 2010) bezeichnet, entwickelt sich ›Klimaschutz‹ stattdessen zu einem leeren Signifikanten, zu einer Begriffshülse, die es den Organisationen ermöglicht, Klimaziele in die bestehende hegemoniale kapitalistische Wirtschaftsordnung zu integrieren, ohne diese tatsächlich infrage zu stellen bzw. ändern zu müssen (ebd. 2010, 348). Schmidt und Weber (2016) untersuchen am Beispiel einer peruanischen Dorfgemeinschaft, wie der globale Klimawandeldiskurs unter den spezifischen soziokulturellen Bedingungen des Globalen Südens Eingang in die gesellschaftlichen Debatten findet. Welche Rolle Medien für die Wahrnehmung des Klimawandels in unterschiedlichen Kontexten spielen können, steht im Mittelpunkt der Arbeit von Christmann u.a. (2012). Am Beispiel deutscher Küstenstädte arbeiten sie zum einen heraus, dass mediale Berichterstattungen die Bewertungen von Klimawandelrisiken beeinflussen und zum anderen, dass sich sowohl die medialen Diskurse um Klima als auch die klimapolitischen Handlungspraktiken zwischen den Städten unterscheiden (vgl. auch Kruse und Ratter 2010). Während es in Arbeiten zu Klimadiskursen vor allem um die Unterschiedlichkeit von Bedeutungsmustern geht, adressieren Diskursanalysen um die Energiewende deutlich stärker die Konflikthaftigkeit von Aushandlungsprozessen. Dabei geht es in ers-
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ter Linie um konkrete Umsetzungsprojekte wie z.B. die Errichtung von Windenergieanlagen (z.B. Leibenath und Otto 2013) oder die Planung von neuen Energietrassen (Zimmer, Kloke und Gaedke 2012; vgl. auch Becker und Naumann 2018; Weber und Kühne 2018). Wenngleich sich Foucault selbst nie besonders für Umwelt interessierte (Darier 1999, 6; Rutherford 2007, 294), beginnen sich Ende der 1990er Jahre im Anschluss an sein Konzept der Gouvernementalität Arbeiten damit zu beschäftigen, welchen Mehrwert solch eine Perspektive, die die Komplexität von Wissensproduktion und Regierungstechnologien in den Mittelpunkt rückt, für die Analyse von Mensch-Umwelt-Beziehungen haben kann (Darrier 1996; 1999). Diese Arbeiten tragen dazu bei, bestehende und kaum mehr hinterfragte Denkweisen und Praktiken im Umgang mit Umwelt als gesellschaftlich hergestellt zu begreifen, denn, so Rutherford: »[t]he ways in which the environment is constructed as in crisis, how knowledge about it is formed, and who then is authorized to save it become important for understanding the ways that the truth about the environment is made, and how that truth is governed« (Rutherford 2007, 295).
Es geht damit also nicht nur um die Herstellung von bestimmten Sichtweisen und Vorstellungen von Umwelt, sondern auch darum, welche Problemlösungsstrategien daran anknüpfen. Mit Blick auf die internationalen Institutionen zeigen diese Arbeiten u.a., wie bestimmte Vorstellungen über die Erde diskursiv hergestellt und wie deren Ressourcen zunehmend zu einem politischen Feld werden, welches es zu managen gilt (Emel 2002). Die damit einhergehende Verschiebung der Gouvernementalität, in der Natur zunehmend in neoliberale Praktiken eingebettet und durch internationale Regulationssysteme ›gemanaged‹ wird, beschreibt Luke als neuen Typ der Gouvernementalität, den er »›green‹ governmentality« (Luke 1997) nennt. Andere Arbeiten sprechen auch von »environmentality« wie z.B. Agrawal, der mit Blick auf die Untersuchung von Umweltpolitiken die Verschiebung von Macht-Wissen-Verhältnissen, Institutionen und Prozessen der Subjektivierung in den Mittelpunkt rückt (2005, 5). Am Beispiel einer Region in Nordindien arbeitet er heraus, wie sich die Regierung des Feldes ›Umwelt‹ im Laufe der vergangenen 150 Jahre verändert und wie sich dabei die Beziehung zwischen den Regierungstechnologien und der Herstellung von Subjekten als »environmental subjects« verschiebt (ebd. 2005, 4). Im Laufe der Zeit rücken auch Themen um den Klimawandel in den Vordergrund. Vor dem Hintergrund, dass es international keine zentrale Entscheidungsautorität gibt, wird gefragt, wie Klimawandel als politisches Handlungsfeld re-
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giert werden könne (z.B. Stripple und Bulkeley 2014, 3; Pettenger 2007). Diesen Gedanken folgend entstehen insbesondere in jüngster Vergangenheit Analysen, die sich nicht nur mit der Wissens- und Bedeutungsproduktion um Klima auseinandersetzen, sondern aus einer gouvernementalitätstheoretischen Perspektive dafür plädieren, den Fokus stärker auf die zugrundeliegenden Rationalitäten und daran anknüpfende Steuerungsformen zu richten (u.a. Okereke, Bulkeley und Schroeder 2009, 59). So arbeiten Rutland und Aylett (2008) am Beispiel von Portland in den USA heraus, wie der Klimawandel zu einer politischen Priorität geworden ist und richten dann den Fokus auf die Praktiken des Regierens, die die Bewohner*innen nun zu einem Handeln anleiten, was an die ›neuen‹ Zielvorstellungen anknüpft. Lövbrand und Stripple zeigen, wie Statistiken, Grafiken und Karten machtvolle Praxisregime herstellen, in denen spezifische Wissensordnungen und Bedeutungen um den Klimawandel hervorgebracht werden (2014, 111). Ähnlich beschreibt Edwards die Klimamodellierung als »vast machine« (2010), die durch Datensammlungen und Modellkonstruktionen ein weit verbreitetes Verständnis des globalen Kohlenstoffzyklus hervorgebracht hat. Oels wiederum verdeutlicht anhand der Klimarahmenkonventionen und des Kyoto-Protokolls, dass die Art und Weise, wie Realität gedacht wird, auch unterschiedliche politische Lösungsoptionen hervorbringt (Oels 2010; Methmann 2013). Denn Klimawandel kann einerseits z.B. als Problem gefasst werden, welches eines globalen Umweltmanagements bedarf, wobei die politische Intervention der Regierung als unbedingt notwendig erachtet wird. Klimawandel kann aber auch im Sinne einer neoliberalen Rationalität gerade als Problem von Staatsversagen artikuliert werden, dem »nur durch die Schaffung neuer Märkte beizukommen ist« (Oels 2010, 183). Rutherford betont deshalb, dass hegemonial gewordene Sichtweisen stets eingebettet sind in gesellschaftliche Machtverhältnisse, sodass Diskurse nicht nur Wissensordnungen um Klima hervorbringen, sondern auch daran anknüpfend Problembearbeitungsmechanismen, die Umwelt bzw. Klima auf eine ganz bestimmte Weise regulieren, managen und regieren. Die Arbeiten zeigen, dass je nachdem, welche Denklogiken zugrunde liegen, bestimmte Entscheidungs- und Handlungspraktiken wahrscheinlicher werden und andere nicht. In den vergangenen Jahren entstehen zudem Forschungsarbeiten, die danach fragen, wie städtische Akteur*innen mit dem Klimawandel umgehen. Diese Arbeiten setzen sich insbesondere mit Fallbeispielen unterschiedlicher Länder auseinander und analysieren und bewerten die städtischen Initiativen im Klimaschutz (z.B. Lambright u.a. 1996; Collier 1997; Bulkeley und Kern 2006; Kern
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und Alber 20093). Im deutschsprachigen Raum entstehen dazu Arbeiten, die sich in erster Linie damit beschäftigen, wie Klimawandel konkret in Prozesse von Politik und Planung implementiert werden kann. Aus dieser Perspektive geht es in städtischen Kontexten vor allem darum, wie Maßnahmen des Klimaschutzes oder der Klimaanpassung organisiert und gesteuert werden könnten und welche Akteur*innen im Umgang mit dem Klimawandel integriert werden sollten (vgl. z.B. Frommer 2009; Bauriedl, Baasch und Winkler 2008). Dabei entwickelt sich die Idee von Governance zu einem dominierenden Ansatz der sozialwissenschaftlichen Klimaforschung, mit dem der Blick vor allem auf informelle Steuerungsformen gelenkt wird und die Integration unterschiedlicher Akteur*innen im Mittelpunkt steht. So hat auch die Bundesregierung Forschungsprogramme wie KLIMZUG oder city 2020+ initiiert, mit denen Strategien und Konzepte zur Organisation von Energiewende und Klimawandel entwickelt werden sollten. Diese Programme bewirkten zudem, dass ab 2005 auch die Raumplanung zunehmend Interesse an Fragen des Klimawandels zeigt (Gravert u.a. 2013, 23; Birkmann, Vollmer und Schanze 2013). Die Prämisse, den Umgang mit Klimawandel in erster Linie als Frage der Steuerung zu adressieren, spiegelt sich auch in Forderungen einer »Klimarisiko-Governance« (Greiving und Fleischhauer 2008) wider. Kooperation und Diskurs werden dabei als zentrale »Instrumente der Normgenerierung» (ebd. 2008, 65) verstanden, das heißt die Frage der ›richtigen‹ Organisation bezieht sich hier auf die Steuerung der Kommunikation zwischen den beteiligten Akteur*innen. In diesem Sinne entstehen in den vergangenen Jahren vor allem anwendungsorientierte Arbeiten (u.a. Klemme und Selle 2010), zu denen sowohl das mittlerweile umfangreiche Repertoire an Handlungsempfehlungen und Leitlinien, die vielfältigen Strategien und Dokumentationen von Praxisbeispielen zur Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen als auch die Berichte der zahlreichen Förderprogramme der Bundesregierung gehören (u.a. BMVBS und BBR 2000; BMVBS und BBSR 2009; Difu 2011; Walter und Rose 2011; Birkmann, Vollmer und Schanze 2012). Ansätze der Diskurs- und Gouvernementalitätstheorie, die einer essentialistischen und normierenden Form der Wissensproduktion im Umgang mit dem Klimawandel in Städten entgegenstehen, spielen dabei bislang nur eine geringe Rolle (vgl. dafür z.B. Bauriedl 2009; 2018). Dabei zeigen vor allem Arbeiten zur Kritischen Stadtgeographie, dass Städte insbesondere aus einer gouvernementalitätstheoretischen Perspektive interessante Forschungsfelder darstellen. Als Orte »komplexe[r] Wechselspiel[e] von Zwang und Freiheit« (Marquardt 2014, 22) lassen Städte erkennen, wie das Verhalten der Menschen und damit auch das
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Für einen detaillierten Überblick dazu vgl. Bulkeley 2010.
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Funktionieren des städtischen Systems durch die Herstellung von Möglichkeitsräumen regiert werden. Marquardt verweist hier auf das Beispiel des Radfahrens – es gibt keine städtische Verordnung, die Bürger*innen dazu anweisen, sondern es werden Fahrradwege gebaut, um dadurch das Feld der Möglichkeiten der Fortbewegung in eine bestimmte Richtung zu lenken. Bauriedl verweist mit Blick auf die Wechselwirkungen von Stadtentwicklung und Klimapolitik auf mindestens drei relevante Dimensionen, die aus einer kritischen Perspektive in den Mittelpunkt rücken: die Folgen des Klimawandels auf städtische Lebensverhältnisse und andersherum die Auswirkungen städtischer Lebensstile und Konsummuster auf den Klimawandel, aber auch die Folgen von Klimawandelanpassungsstrategien in Städten für andere Regionen (Bauriedl 2018, 263). Zugleich heben die Arbeiten der Kritischen Stadtforschung hervor, dass Städte eben »nicht einfach nur ein weiterer Ort der Umsetzung von Regierungsprogrammen [sind], sondern historisch wie aktuell ein umkämpftes Feld der Machtausübung« (ebd. 2014, 22). Sie betonen, dass Politiken in Städten nicht einfach implementiert, sondern stattdessen in zahlreichen Konflikten und widerständigen Praktiken transformiert oder abgelehnt werden (vgl. auch Michel 2005; Mattissek 2008; Schipper 2013; Dzudzek 2016). Trotz der Vielfalt der bisherigen Perspektiven der sozialwissenschaftlichen Forschungen zum Klimawandel erhalten dennoch einige wichtige Aspekte weniger Aufmerksamkeit: a) Die zahlreichen Handlungsleitfäden und Best Practices, die im Sinne einer ›good Governance‹ den Umgang mit den Klimazielen ›verbessern‹ sollen, suggerieren zum einen, dass klimapolitische Strategien und Ziele in jeden Kontext einfach übertragen werden können und zum anderen, dass diese von politischen Entscheidungsträger*innen auch übertragen werden wollen. Die zugrundeliegenden Normen und Werte klimapolitischer Ziele gelten als gegeben und werden nicht mehr infrage gestellt. Daher gehen diese Arbeiten auch davon aus, dass städtische Akteur*innen in unterschiedlichen Kontexten diese Normen teilen und ihren Handlungen zugrunde legen. Doch zeigen empirische Befunde, dass trotz eines vordergründigen Konsenses zur Notwendigkeit von Klimaschutz und Klimaanpassung oft eine erhebliche Diskrepanz zwischen den formulierten Zielen einerseits und der Problemwahrnehmung und Handlungspraxis andererseits besteht (Luks u.a. 2007, 106). Kritische Arbeiten, die untersuchen, warum das von Wissenschaft und Politikberatung produzierte Wissen in einzelnen Städten so unterschiedlich umgesetzt wird, fehlen bislang. b) Zwar setzen sich bisherige Analysen mit konflikthaften Aushandlungsprozessen um Energieinfrastrukturprojekte auseinander. Konflikte innerhalb der Stadtentwicklungspolitik spielen dagegen bislang kaum eine Rolle. Dabei kön-
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nen gerade städtische Kontexte als Orte verstanden werden, in denen Sichtweisen um politische Handlungsfelder umkämpft sind. Mit Blick auf den Umgang mit Klimapolitiken wurden konflikthafte Aushandlungsprozesse in Städten bisher nicht untersucht. c) Aus einer Governance-Perspektive werden die bestehenden Steuerungsformen als selbstverständlich gegeben angenommen. Dabei gelten anknüpfend an die jeweiligen Problematisierungen innerhalb der Stadtentwicklung auch unterschiedliche Formen der Steuerung als ›richtig‹, als ›angemessen‹ bzw. als ›erfolgversprechend‹. Da das Thema Klimawandel in den bundes- und stadtpolitischen Kontexten differenziert verhandelt wird, ist es zum einen interessant, mittels welcher Strategien die Bundesregierung insbesondere städtische Entscheidungsträger*innen im Sinne der Klimaziele anleitet. Zum anderen stellt sich die Frage, wie sich städtische Akteur*innen zu diesen Regierungstechniken positionieren und ›ihre‹ Bürger*innen im Sinne kommunalpolitischer Prioritäten führen. Um der Frage nachzugehen, wie internationale und bundespolitische Klimaziele und -strategien in den jeweiligen städtischen Kontexten wirkmächtig werden, folgt die Arbeit somit dem Aufruf von Stripple und Bulkeley: »it is doubtful whether it is meaningful to speak of ›climate governance‹ in general but rather we should contextualize and examine particular articulations, rationalities and programmes« (Stripple and Bulkeley 2014, 10). Dazu wird im Folgenden der theoretische Rahmen der Arbeit entwickelt.
3.2 KLIMAPOLITIKEN ALS MOBILE POLICIES Die Bundesregierung versucht mit zahlreichen ›guten Beispielen‹ und Handlungsleitfäden insbesondere städtische Akteur*innen zu einem Handeln anzuleiten, welches den Klimawandel in Prozessen der Stadtentwicklung stärker berücksichtigt. Diese Best Practices suggerieren oftmals, dass politische Ziele und Strategien durch die Bundespolitik von ›oben‹ formuliert und durch die Kommunalpolitik ›unten‹ umgesetzt werden. Dass dies in der Praxis jedoch so nicht funktioniert und kommunalpolitische Entscheidungsprozesse deutlich komplexer sind, zeigt ein Blick in die Empirie. Begriffe wie ›Bund‹, ›regional‹, ›lokal‹ oder ›global‹ lassen glauben, dass diese Strukturen natürlich gegeben seien. Doch aus einer grundlegend konstruktivistischen und antiessentialistischen Perspektive existieren politische und planerische Steuerungsebenen nicht per se, sondern sie sind als diskursive Rahmungen und Strategien zu verstehen, mit denen Hand-
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lungsebenen hergestellt werden, um das politische Feld Klima zu bearbeiten4. Auf diese Weise wird Klimawandel zu einem ›kommunalen‹ oder zu einem ›globalen‹ Problem ›gemacht‹, welches dann als »nur auf dieser Ebene politisch verhandelbar« (Füller und Michel 2008, 161) erscheint. Auch die Adressierung von Städten als zentrale Umsetzungsebene für Klimaziele und die Zuschreibungen von Verantwortlichkeiten gegenüber politischen Entscheidungsträger*innen sind nicht als logische Strategien der Bundesregierung zu begreifen, sondern als Ergebnis politischer Aushandlungsprozesse und Ausdruck gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Für die Analyse des Zusammenhangs von bundespolitischen und kommunalpolitischen Kontexten bietet die Perspektive der Urban Policy Mobility hilfreiche konzeptionelle Ansätze. Denn während häufig der Eindruck entsteht, Politiken würden lediglich innerhalb einer ›Maßstabsebene‹ hervorgebracht werden, betont diese Sichtweise, dass politische Entscheidungs- und Handlungspraktiken keineswegs ausschließlich das Ergebnis ›lokaler‹ Diskurse sind. Städte sind vielmehr als Teil komplexer Kommunikationsprozesse zu verstehen, »tied up in wider circuits of knowledge – regional, national, and global networks of teaching and learning, emulation, and transfer« (McCann 2008, 6; Temenos und McCann 2013). Demzufolge begreift die vorliegende Arbeit Städte nicht als gegeben, sondern vielmehr als ein »Produkt unterschiedlicher Prozesse, Machtmechanismen, Infrastrukturen und Alltagspraktiken« (Dzudzek 2016, 57). Städtische Politiken entstehen im Zusammenspiel sowohl lokaler Prozesse als auch globaler Dynamiken und sind damit immer auch mit einem »anderswo« (McCann 2008, 6; Temenos und McCann 2010) verknüpft. Auch mit Blick auf das Politikfeld Klimawandel können bestehende Politiken nur im Zusammenhang verstanden werden – sowohl mit den internationalen Klimakonferenzen, dem Erscheinen wissenschaftlicher Berichte wie den IPCC-Reports als auch mit den gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen in den jeweiligen Städten (vgl. Kap. 6). Politiken gelten also als ›mobil‹ bzw., um mit den Worten McCanns zu sprechen, als »socially produced and circulated forms of knowledge addressing how to design and govern cities that develop in, are conditioned by, travel through, connect, and shape various spatial scales, networks, policy communities, and institutional contexts« (McCann 2011, 6 f.). Demnach entstehen und verharren Politiken nicht nur an einem Ort, sondern ›reisen‹ vielmehr umher. Auch die zahlreichen klimapolitischen Best Practices und Leitfäden sind explizit darauf angelegt, dass die dort kommunizierten Modelle und Strategien der Bun-
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Nähere Ausführungen zur Kritik an der Scale-Debatte u.a. Marston 2000; Sheppard und McMaster 2003.
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desregierung verbreitet und vervielfältigt werden. In Abgrenzung zu früheren, eher politikwissenschaftlich orientierten Arbeiten zum Politiktransfer (Dolowitz und Marsh 1996; Stone 2004), betonen allerdings Policy Mobility-Arbeiten, dass Politiken nicht als Ganzes eins-zu-eins übertragen werden, sondern vielmehr dazu neigen, »to change as they are translated and re-embedded within and between different institutional, economic and political contexts« (Peck und Theodore 2001, 427). Politische Modelle und Strategien verändern sich also ›auf ihrem Weg‹ (Cochrane und Ward 2012; McCann 2011; Peck und Theodore 2001). Auf Konferenzen, in Workshops und an Runden Tischen werden sie (wieder) thematisiert und diskutiert, in Form von Berichten, Präsentationen, Modellprojekten, Rankings und Karten weitergeben – an Politiker*innen, Wissenschaftler*innen, aber auch gesellschaftlich Engagierte oder Journalist*innen. Damit geht es nicht nur um die Frage, ob die klimapolitischen Ziele und Strategien der Bundesregierung transferiert werden oder nicht, sondern vor allem auch darum, wie diese in unterschiedlichen kommunalpolitischen Kontexten ankommen und aufgegriffen werden (Robinson 2015, 831). Deshalb heben Arbeiten der Policy Mobility-Forschung die zentrale Rolle der jeweiligen Kontextbedingungen hervor. Peck und Theodore verweisen auf die »messy realities of policymaking at the ›ground‹ level« (2010, 170), wobei der Begriff »messy« erkennen lässt, dass in der Implementierung von Politiken in städtische Kontexte auch unerwartete Veränderungen auftreten können. Diese Veränderungen sind jedoch keineswegs willkürlich, sondern an die jeweiligen Rahmenbedingungen des Implementierungskontextes gebunden. »Things happen along the way«, so McCann, »but the possibilities are not limitless. They are structured by the local conditions and institutional contexts in which the various transfer agents are embedded« (McCann 2011, 31; Robinson 2011). Mit anderen Worten: Policies sind eingebettet in die jeweiligen institutionellen Kontexte wie kommunal unterschiedliche Regelwerke, Einrichtungen wie den Dresdner Klimaschutzstab sowie die jeweiligen Rahmenbedingungen vor Ort wie z.B. aktuelle stadtentwicklungspolitische Herausforderungen des demographischen Wandels oder des Zuzugs Geflüchteter. Das heißt, Politiken der Bundesregierung treffen auf komplexe und vielfältige städtische Kontexte, in denen klimapolitische Modelle und Strategien vor dem Hintergrund der jeweiligen Denklogiken und Bedeutungen ganz unterschiedlich bewertet werden. Arbeiten der Policy Mobility-Forschung gehen in erster Linie davon aus, dass städtische Entscheidungsträger*innen aktiv nach Strategien und Wegen fragen, mit denen andere Akteur*innen scheinbar ähnliche Probleme bearbeitet haben. Damit verbunden sei die Hoffnung, dass diese Strategien ähnlich erfolgreich sein werden wie in anderen Kontexten. Allerdings gibt es auch äußere
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›Zwänge‹ (McCann 2011, 9), die städtische Akteur*innen dazu bringen, neue politische Ziele zu implementieren. Mit Blick auf die Klimapolitik sind es z.B. die zahlreichen Vorgaben der EU und Programme der Bundesregierung, mit denen politische Strategien auf den Weg gebracht und deren Umsetzung bzw. Implementierung in konkrete Handlungspraktiken der Stadtpolitik explizit eingefordert werden. So forcieren z.B. gesetzliche Vorgaben die stärkere Berücksichtigung von erneuerbaren Energien im Städtebau. Ein weiteres Beispiel wird mit Blick auf die Ausrichtung finanzieller Förderungen der Bundesregierung sichtbar, mittels derer im Laufe der vergangenen Jahre z.B. die Erstellung von kommunalen Energie- und Klimaschutzkonzepten in zahlreichen Kommunen durchgesetzt wurde. Vor diesem Hintergrund muss das Mobilwerden ebenso wie das Ankommen klimapolitischer Inhalte immer in der Verschränkung von freiwilligen und erzwungenen Formen betrachtet werden (vgl. auch Mattissek und Sturm 2017). Wenngleich die Perspektive der Urban Policy Mobility-Forschung fruchtbare Ansätze bietet, mit denen die Mobilität von Politiken sowie die Relationalität und Vielfältigkeit städtischer Kontexte betont werden können, ist es dennoch nicht das Anliegen der vorliegenden Arbeit, den Pfaden klimapolitischer Konzepte (z.B. Schäfer 2014; 2017) zu folgen. Stattdessen richtet sich der Fokus am Beispiel von Münster und Dresden auf die politischen Aushandlungsprozesse in den städtischen Kontexten, in denen Klimapolitiken verhandelt werden.
3.3 DISKURSTHEORETISCHE ÜBERLEGUNGEN – HETEROGENITÄT UND KONTINGENZ VON BEDEUTUNGEN Da vor allem Städte in den Klimadebatten als Umsetzungsebene adressiert werden, rücken auch Diskurse um Stadtentwicklung und Planung stärker in den Vordergrund. Die Diskurstheorie ermöglicht hier, gerade die in den alltäglichen Praktiken kaum mehr hinterfragten Normen und Vorstellungen städtischer Entwicklungen wieder in den Mittelpunkt zu rücken und diese in ihrer Gewordenheit und damit auch in ihrer Veränderlichkeit zu betrachten. 3.3.1 Klimapolitiken als Ergebnis diskursiver Konstruktion Die Vorstellung, dass Sprache nicht als Spiegelbild von Wirklichkeit verstanden werden kann, sondern Wirklichkeiten vielmehr in Sprache hergestellt werden, geht u.a. zurück auf Ferdinand de Saussure, der als zentraler Vertreter und Be-
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gründer des Strukturalismus beschrieben wird (de Saussure 1931 [1916]). Er charakterisiert Sprache als ein System von Zeichen, die aus Signifikanten bzw. dem Bezeichnenden und dem Signifikat als dem Bezeichneten bestehen. Die Verknüpfung von Bezeichnendem und Bezeichnetem ist arbiträr, also willkürlich. Im Zusammenhang mit der damit entstandenen Tradition des Strukturalismus sind es in Frankreich Theoretiker wie Michel Foucault, die in den 1970er Jahren mit ihren Arbeiten den Boden für die sogenannte »französische Schule der Diskursanalyse« (Angermüller 2010, 73) bereiten. Foucault interessiert sich vor allem dafür, wie es möglich wird, dass ganz bestimmte Aussagen zu einer bestimmten Zeit hervortreten und andere nicht. Er erklärt dies, indem er Diskurse als gesellschaftliche Praxis begreift. In dieser Praxis werden diskursive Formationsregeln hervorgebracht, die »sich aus dem Zusammenhang verstreuter Aussagen, deren Ähnlichkeiten, Differenzen und Verschiebungen« (Bublitz 2003, 6) ergeben. Das heißt, es sind Foucault zufolge diskursive Formationen, die Wissensordnungen und damit einhergehende Praktiken hervorbringen und strukturieren. Indem er zeigt, wie Bedeutungen im Diskurs entstehen, betont er zugleich, dass es keine Bedeutungen außerhalb des Diskursiven geben kann und es damit gerade nicht darum geht, eine scheinbar objektiv gegebene Realität zu ›entdecken‹: »We must not resolve discourse into a play of pre-existing significations; we must not imagine that the world turns towards us a legible face which we would have only to decipher; the world is not the accomplice of our knowledge; there is no prediscursive providence which disposes the world in our favour« (Foucault 1981, 67).
Bezeichnet discourse in der französischen Alltagssprache ganz allgemein einen Begriff, »der jedes halbwegs geordnete, überwiegend monologische Daherreden« (Seitter 1996, 105; Bublitz 2003; Keller u.a. 2001) meint, meint der Begriff ›Diskurs‹ in dieser Arbeit im Sinne der hier beschriebenen französischen Tradition der Diskurstheorie »überindividuelle Muster des Denkens, Sprechens, Sichselbst-Begreifens und Handelns« ebenso wie »die Prozesse, in denen bestimmte Vorstellungen und Handlungslogiken hergestellt und immer wieder verändert werden« (Mattissek, Pfaffenbach und Reuber 2013, 247; vgl. auch Angermüller 2010, 73). Dabei stehen insbesondere die Beziehungen zwischen der Konstitution von Wissen und den damit einhergehenden Machtverhältnissen im Kern des Interesses. ›Macht‹ bezieht sich dabei allerdings nicht auf eine repressive Macht ›von oben‹, die auf Menschen einwirkt. Foucault versteht Macht vielmehr als allen sozialen Beziehungen inhärent und ist damit sowohl produktiv als auch repressiv (Glasze und Mattissek 2009a, 12).
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Aus dieser Perspektive verfolgt auch die vorliegende Analyse stadtentwicklungspolitischer Diskurse das Ziel, herauszuarbeiten, welche Diskursstränge um Klimapolitik deutungsmächtig werden und wie sich diese in verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten unterscheiden. Gerade dieses Etablieren von Sichtweisen stellt etwas Machtvolles dar, weil sich diese aus ihrer »Unscheinbarkeit herausheben und sich gegen andere Erscheinungen durchsetzen« (Seitter 1996, 117). So wird gezeigt, dass die Diskurse zu Klimapolitik in Münster und Dresden deutlich variieren. Während in Münster dem Klimaschutz in der kommunalen Stadtentwicklungspolitik eine hohe Priorität beigemessen wird, spielt dieser in Dresden bislang eine untergeordnete Rolle. Hierin deutet sich bereits an, dass Diskurse bestimmen, »was in einer bestimmten Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt möglich, normal und richtig ist« (Dzudzek 2013, 21). Auf diese Weise wirken sie normierend und normalisierend. Die Diskursforschung versteht sich deshalb selbst als dezidiert macht-kritische Perspektive, da sie die »quasinatürliche Ordnung der Dinge« (Bublitz 2003, 10) hinterfragt. Da vor allem die Städte in den Klimadebatten als Umsetzungsebene adressiert werden, rücken auch Diskurse um eine ›energieeffiziente‹ oder ›klimagerechte‹ Stadtplanung in den Vordergrund. In der alltäglichen Planungspraxis selbst werden die zugrundeliegenden normativen Setzungen in der Regel meist nicht mehr infrage gestellt, weshalb Hillier konstatiert: »Spatial planning […] is driven by a set of values which underpin its normative aims: what planning should be attempting to achieve. […] The task for planning practitioners would then be to provide the technical means (such as land use zoning, development management) to achieve these aims. It has traditionally not been regarded as the task of planning practitioners to debate the aims themselves« (Hillier 2010, 14).
Planung erscheint somit oft als technischer bzw. technokratischer Prozess. Allerdings haben sich im Zuge des »communicative turn« (Healey 1992) bzw. des »argumentative turn« (Fischer und Forester 1993) in den 1990er Jahren planungstheoretische Ansätze durchgesetzt, die genau dies kritisieren. So plädiert z.B. Huxley dafür, aus einer Foucaultschen Perspektive Planung nicht als etwas Statisches zu begreifen, sondern »as an intersection of historically unsecured and continuously unstable sets of practices and regulations [that] open up possibilities for ›thinking otherwise‹ about spatial government« (2010, 143). Aus dieser Sichtweise wird also auch Planung als ein kontingentes und veränderliches Konstrukt verstanden, in dem die damit verbundenen Problematisierungen, die Gegenstände der Planung und Rollenbilder innerhalb des Planungssystems als gesellschaftlich hervorgebracht zu verstehen sind (vgl. auch Günzel 2016). Dis-
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kurstheoretische Arbeiten rücken insbesondere die Veränderlichkeit der zugrundeliegenden Normen in den Vordergrund und unterstreichen, dass Realität immer auf unterschiedliche Art und Weise gedacht werden kann: »This emphasis on contingency and indeterminancy enables the possibility of seeing how things might have been different, and how fragile and unstable are the apparently commonplace structures of the present« (Huxley 2010, 144; Foucault 1996). Auch diese Arbeit versteht planerische Leitbilder und Strategien als Ergebnis konflikthafter Aushandlungsprozesse, in denen sich bestimmte Sichtweisen auf gesellschaftliche Phänomene durchsetzen, während andere eher an den Rand des Sagbaren gedrängt werden (Huxley 2006, 772; Mattissek und Prossek 2014). Indem sie den Blick auf die Umkämpftheit und die Heterogenität von Sichtweisen und Verantwortungszuschreibungen innerhalb von Politik und Planung richtet, wird aber auch sichtbar, dass Planungsziele in der Praxis durchaus an mehreren Stellen hinterfragt werden: Zum einen in politischen Auseinandersetzungen um die Relevanz, Bedeutung und Priorität bundespolitischer Klimaziele wie z.B. in den Stadtratsdebatten und Stellungnahmen durch die Verwaltung, zum anderen in den unterschiedlichen Interpretationen bestehender Handlungsspielräume durch Planer*innen und städtische Entscheidungsträger*innen in konkreten Planungsentscheidungen. So orientieren sich Akteur*innen an gesetzlichen Minimalanforderungen der Klimapolitik. Sie gehen teilweise aber deutlich darüber hinaus und machen die Zielvorstellungen des Klimaschutzes zur Grundlage ihres stadtplanerischen Handelns. Dementsprechend kann diese differenzierte Bewertung und Positionierung städtischer Entscheidungsträger*innen als einer der Gründe für den unterschiedlichen Umgang mit bundespolitischen Klimazielen verstanden werden. 3.3.2 Wandel von Diskursen Foucault beschäftigt sich nicht nur damit, welche Wissensordnungen zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehen, sondern auch damit, wie Sichtweisen in den Raum des Sagbaren eintreten und gegebenenfalls wieder verschwinden, wie sich also diskursive Strukturen verschieben und transformiert werden. Bereits Derrida betont, dass die Zuschreibung von Zeichen mit Bedeutung nicht fix ist, sondern sich im Zuge permanenter Wiederholung (Iteration) verschieben kann (Derrida 1974 [1967], 2001 [1971]). Eine zentrale Bedeutung schreibt Foucault Ereignissen zu, die in den Diskurs eintreten und für das Diskontinuierliche stehen, was zu einem wichtigen Motor von Veränderung und Wandel werden kann (Wrana u.a. 2014, 134). Was bedeutet das für Diskurse um ›Klima‹: Foucault unterscheidet hinsichtlich der Dynamik zwischen langfristigen und kurzfristigen Er-
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eignissen. Am Beispiel städtebaulicher Leitbilder wird deutlich, wie sich Normen und Werte der Stadtentwicklung langfristig verschoben haben. Erschien in den 1960er Jahren das Leitbild einer ›autogerechten Stadt‹ als Antwort auf den wachsenden Wohlstand und die Idee einer absoluten Mobilität durch das eigene Auto als vollkommen logisch, ist heute die Dominanz des Straßenbaus gegenüber einem ressourcen- und umweltschonenden Städtebau kaum mehr haltbar. In der zunehmend wachsenden Kritik am ungebremsten urbanen Wachstum haben sich in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen darüber, was denn als ›richtige‹ und ›wünschenswerte‹ Stadtentwicklung gelten solle, im Laufe der vergangenen Jahrzehnte deutlich umweltsensiblere Sichtweisen durchgesetzt und den Stadtentwicklungsdiskurs geprägt. Vor dem Hintergrund einer komplexen Realität treten aber auch immer wieder Ereignisse auf, die plötzlich und unerwartet in Diskurse um Umwelt, um Klima ›hineinbrechen‹. Sie sind so neu und andersartig, dass sie nicht mit den zur Verfügung stehenden Logiken und Strategien bearbeitbar scheinen. Laclau und Mouffe bezeichnen dies als »Dislokation« (2001, 142). Gemeint sind damit Situationen, die die bestehende diskursive Ordnung destabilisieren und damit neue diskursive Verknüpfungen und Deutungen provozieren. Solche Dislokationen können dabei ganz ›materiell‹ sein, im Sinne von physisch wahrnehmbaren Ereignissen wie Umweltkatastrophen oder technischen Unfällen. So hat z.B. das unvorhergesehene Reaktorunglück in Fukushima zu einem Bruch und einer deutlichen diskursiven Verschiebung im Energiediskurs geführt. Hat die Bundesregierung davor noch die Laufzeit der Atomreaktoren verlängert, wurde nach dieser Katastrophe der Ausstieg aus der Atomenergie erklärt. Solche Dislokationen sind eine Herausforderung für die bestehende diskursive Ordnung. Das heißt, Diskurse bewegen sich immer »›irgendwo‹ zwischen geregelter Ordnung und ungeregelter Ereignishaftigkeit« (Bublitz 2003, 49), sodass die »Ordnung der Dinge« keineswegs etwas Universelles oder Quasi-natürliches darstellt, sondern stets »Ergebnis von historischen Ereignissen, Verschiebungen und Transformationen [ist, die] durch das Zusammentreffen zufälliger Ereignisse im Laufe einer ungewissen Geschichte« (ebd. 2003, 45 f.) entstehen. Mit solch einer Perspektive des Genealogischen nimmt Foucault die »historische Gewordenheit des Diskurses« (Dzudzek 2013, 15) genauso in den Blick wie die Heterogenität und Brüchigkeit von Sichtweisen. Doch betonen poststrukturalistische Arbeiten, dass sich Heterogenität nicht nur in zeitlichen Veränderungen widerspiegelt, sondern auch in einer Gleichzeitigkeit mehrdeutiger, sich überlagernder Sinn- und Wissensordnungen (u.a. Laclau 2005; Žižek 1990; Hasse und Malecek 2000, 104; Glasze und Mattissek 2011).
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Diese Überlagerungen entstehen aufgrund der prinzipiellen Offenheit diskursiver Strukturen, die »als konstitutiver Bestandteil aller diskursiven Ordnungen und Identitätsbildungsprozesse« (Mattissek 2007, 39, Herv. i. Orig.) verstanden werden kann. Damit gemeint ist, dass Diskurse in ihrem Sinn niemals eindeutig, sondern immer mehrdeutig sind und Aussagen und Begriffe immer auch an andere Sinnebenen diskursiver Formationen anschließen können. Diese »Vielfalt von Sinndynamiken« (Angermüller 2010, 72), die Angermüller als »widerspenstigen Sinn« bezeichnet, gilt es zu kontrollieren und »zu einem glatten, transparenten, ›richtigen‹ Sinn zurecht[zu]hobeln« (ebd. 2010, 90). Dies gelingt z.B. durch den Versuch, neue diskursive Äußerungen zu produzieren. Das heißt, die Bedeutung der bestehenden Elemente löst sich natürlich nicht vollkommen auf, jedoch werden unterschiedliche, teilweise auch widersprüchliche Elemente neu miteinander verknüpft. Auf diese Weise können neue Formen der Problematisierung entstehen, die sich auch in veränderten Regierungsweisen widerspiegeln können (Huxley 2010, 149). Durch Problematisierungen wird also versucht, das Neue in die bestehende diskursive Ordnung zu integrieren, »indem sie diese[s] unter einer bestimmten Fragestellung synthetisieren, interpretieren und neu ausrichten« (Klöppel 2010, 259). Dementsprechend »liegt in der Überdeterminiertheit von Bedeutungen konzeptionell gesehen eine wesentliche Ursache für Veränderungen diskursiver Bedeutungen und Strukturierungen über die Zeit« (Mattissek 2007, 39). Damit wird auch deutlich, dass Wissensordnungen nicht nur im Sprechen und Schreiben entstehen, sondern sowohl Sprachliches als auch NichtSprachliches Teile des Diskurses sind. So betont Foucault, der Diskurs darf »nicht nur für die Gesamtheit der Dinge gehalten werden […], die man sagt, und auch nicht für die Art und Weise, wie man sie sagt. Der Diskurs ist genauso in dem, was man nicht sagt, oder was sich in Gesten, Haltungen, Seinsweisen, Verhaltensschemata und Gestaltungen von Räumen ausprägt. Der Diskurs ist die Gesamtheit erzwungener und erzwingender Bedeutungen, die die gesellschaftlichen Verhältnisse durchziehen« (Foucault 2003, 164). Die vorliegende Untersuchung von Klimapolitiken verneint nicht die Bedeutung von Materialität, gleichwohl stehen hier die politischen Aushandlungsprozesse um Stadtentwicklung und Klima im Mittelpunkt und damit vor allem die Frage, wie materiellen Objekten wie bspw. energietechnische Infrastrukturen oder Umweltereignisse diskursiv mit Bedeutung und Relevanz versehen werden.
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3.4 DIE FÜHRUNG DER GESELLSCHAFT ZU EINEM KLIMASENSIBLEN HANDELN – EINE GOUVERNEMENTALITÄTSTHEORETISCHE PERSPEKTIVE Geht es aus einer diskurstheoretischen Perspektive darum, wie Bedeutung und Relevanz um Klimawandel hervorgebracht werden, lässt sich mit der Gouvernementalitätstheorie erklären, wie städtische Entscheidungsträger*innen und Bürger*innen angeleitet werden, um im Sinne der bundespolitischen Klimaziele zu handeln. Durch die Verbindung von Diskurs- und Gouvernementalitätstheorie ist es möglich, insbesondere die wechselseitige Konstitution von Wissensordnungen und Regierungstechniken in den Mittelpunkt zu rücken. Dabei wird der Blick auf vier zentrale Aspekte gerichtet: Wie werden politische Handlungsfelder in den jeweiligen Stadtentwicklungsdiskursen hervorgebracht und welche Denkweisen liegen diesen zugrunde (Kap. 3.4.1)? Wie werden diese in Praktiken der Stadtentwicklung umgesetzt (Kap. 3.4.2)? Wie entstehen dabei ›verantwortliche‹ Subjekte (Kap. 3.4.3)? Mit welchen Praktiken werden die bestehenden Normen und Sichtweisen herausgefordert, um auf diese Weise gerade nicht regiert zu werden (Kap. 3.4.4)? 3.4.1 Politische Rationalitäten und Problematisierungen Der Begriff des Regierens bildet den Kern des Konzepts der Gouvernementalität, das Foucault in seinen Vorlesungen am Collège de France (1978/1979) entwickelt hat. Dem französischen Adjektiv »gouvernemental« entlehnt, kann dieser als »die Regierung betreffend« (Lemke 2008, 13) übersetzt werden. Foucault bezeichnet damit »unterschiedliche Handlungsformen und Praxisfelder, die in vielfältiger Weise auf die Lenkung und Leitung von Individuen und Kollektiven zielen« (2005, 116). Doch Foucault interessiert sich nicht nur für Regierung als Machttechnologie, sondern ebenso für die politischen Rationalitäten, an die die jeweiligen Formen des Regierens anknüpfen. Der Begriff ›Rationalität‹ bezieht sich dabei weniger auf die Vernunft als auf die »historischen Praktiken, in deren Kontext Wahrnehmungs- und Beurteilungsstrategien generiert werden« (Lemke 1997, 146). Rational meint hier also »die Übereinstimmung von Regeln, Verfahren, Denkformen etc. mit einer Gesamtheit von Bedingungen, unter denen es zu einem gegebenen Zeitpunkt möglich ist, bestimmte Probleme zu behandeln« (ebd. 1997, 146). Mit anderen Worten: Rationalität bedeutet, Realität auf eine bestimmte Art und Weise zu denken. Dies zeigt sich z.B. in den jeweiligen Annahmen über Normen und Werte, Zielsetzungen und Wirkungsweisen, in der
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Verwendung konkreter Begriffe, Strategien und Konzepte wie ›Nachhaltigkeit‹ oder ›klimawandelgerechter Stadtentwicklung‹ oder auch in Argumentationsund Begründungsmustern, in denen ›Klimawandel‹ als gesellschaftliches ›Risiko‹, bezeichnet wird. Rationalitäten sind also Weisen des Denkens, die immer an bisherige Logiken und Handlungspraktiken anknüpfen und zugleich auch künftige Praktiken konstituieren. »Der relationale Charakter politischer Rationalitäten bedeutet jedoch gerade nicht, dass es sich dabei um ein neutrales oder beliebiges Wissen handelt, das die zu regierende Realität lediglich ›repräsentiert‹. Dieses Wissen stellt vielmehr bereits eine intellektuelle Bearbeitung der Realität dar, an der dann politische Technologien ansetzen können. Darunter sind Apparate, Verfahren, Institutionen, Rechtsformen etc. zu verstehen, die es erlauben sollen, die Objekte und Subjekte einer politischen Rationalität ›entsprechend‹ zu regieren […]. Das politische Wissen ist also selbst ein Element der Regierung und steht dieser nicht gegenüber« (Bröckling, Krasmann und Lemke 2000, 20 f.; Oksala 2013, 326).
Politische Rationalitäten entstehen also nicht aus den Motiven und Intentionen des Einzelnen, sondern sind Ergebnis gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Das heißt, erst vor dem Hintergrund einer bestimmten Rationalität ist zu verstehen, welche gesellschaftlichen Probleme diskursiv hervorgebracht und damit auch bearbeitbar werden. Foucault konstatiert dazu: »Diese Ausarbeitung einer Gegebenheit zu einer Frage und diese Umwandlung einer Gesamtheit an Hemmnissen und Schwierigkeiten in Probleme, worauf die verschiedenartigen Lösungen eine Antwort beizubringen versuchen, konstituieren den Punkt einer Problematisierung und die spezifische Arbeit des Denkens« (Foucault 2005b [1984], 733). So steht bspw. der Begriff ›Klima‹ allgemein für die Gesamtheit meteorologischer Vorgänge, die auf grundlegende physikalische Prozesse der Erde verweisen. Klima ist also nicht per se ein politisches Handlungsfeld, sondern erst im Laufe der vergangenen Jahrzehnte wurden in den Debatten um Umwelt physikalische Phänomene wie der Anstieg der globalen Jahresdurchschnittstemperatur oder der Treibhausgase als gesellschaftliches ›Problem‹ deklariert, weil diese zu Beeinträchtigungen der Lebenswelt führen (Dean 2010, 41). Das heißt, erst in Verbindung mit gesellschaftlich hervorgebrachten Normen und Werten, die bspw. saubere Luft oder auch die politische Unabhängigkeit von anderen Staaten als erstrebenswert erachten, kann die Problematisierung von Entwicklungen, die dem nicht entsprechen, verstanden werden. Regieren ist somit eine Form der Problematisierung (Lemke 2000, 32), an die spezifische Lösungs- bzw. Bearbeitungsstrategien anknüpfen und wodurch bestimmte Praktiken wahrscheinlicher werden als andere.
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Das Konzept der Problematisierung zielt somit »auf die Analyse der Beziehungen zwischen Denk- und Handlungsformen« (Lemke 1997, 341) und bildet auf diese Weise eine wichtige Schnittstelle zwischen Diskurs- und Gouvernementalitätstheorie. Aus der diskurstheoretischen Perspektive geht es vor allem um die Art und Weise, wie Wirklichkeit gedacht wird – wie werden ›Probleme‹ konstituiert und Wirklichkeit damit vorstellbar und handhabbar gemacht. Die Idee von ›mentalité‹, die ebenfalls im Begriff des Wortes ›Gouvernementalität‹ enthalten ist, verweist dabei auf die Vorstellung, dass das Hervorbringen von Wissensordnungen etwas Kollektives ist, also in gesellschaftlichen Interaktionen bzw. einer gemeinsamen Sprache geschieht. »It emphasizes the way in which the thinking involved in practices of government is explicit and embedded in language and other technical instruments but is also relatively taken for granted, i. e. it is not usually open to questioning by its practitioners. […] It is to say that the way we think about exercising authority draws upon the expertise, vocabulary, theories, ideas, philosophies and other forms of knowledge that are given and available to us« (Dean 2010, 25).
Indem sich Wissensordnungen z.B. in Form gemeinsamer Planungspraktiken verstetigen, erscheinen sie als selbstverständliche Realität, die kaum noch hinterfragt wird. Der permanente Städtewettbewerb gilt bspw. heute als selbstverständliche Antwort auf die Herausforderungen einer neoliberalen Gesellschaft. Und auch, dass die Erwärmung des Klimas ein ›Problem‹ sei, wird in Deutschland kaum mehr infrage gestellt. In diesem Sinne kann Regieren als verfestigte oder sedimentierte Machtbeziehung verstanden werden, die untrennbar mit Wissensund Wahrheitsordnungen verknüpft ist. Gleichwohl sind Sichtweisen kontingent und können sich wieder verändern, denn gerade im Prozess des Problematisierens werden auch bestehende Lösungsstrategien infrage gestellt, weshalb Dean konstatiert: »[p]roblematizations might thus equally concern how we conduct government and how we govern conduct« (Dean 2010, 38). Die Gouvernementalitätstheorie richtet daran anknüpfend den Blick auf die Verbindung von Rationalitätsformen und Praktiken des Regierens und fragt, wie Problematisierungen in Regierungsprogramme übersetzt werden und welche Lösungsstrategien an die jeweiligen Rationalitäten und Wissensordnungen anknüpfen. Untersucht wird hier, »über welche administrativen Prozeduren, diskursiven Operationen, Sprecherpositionen und institutionellen Legitimationen Wahrheiten produziert werden, die ihrerseits Plausibilitäten erzeugen« (Bröckling und Krasmann 2010, 26). Denn damit Denkweisen auch in konkreten Weisen des Regierens wirksam werden, müssen sie praktisch bzw. technisch werden (Bröckling
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und Krasmann 2010, 25). Miller und Rose betonen an dieser Stelle die »typischerweise ›programmatische‹ Form« (Miller und Rose 1994, 54) der Gouvernementalität, mit der Rationalitäten nicht von Technologien zu trennen sind. »Wenn politische Überlegungen die Wirklichkeit in den Bereich des Denkens bringen, suchen diese ›Technologien des Regierens‹ das Denken in den Bereich der Wirklichkeit zu übersetzen und ›in der Welt der Personen und Dinge‹ Räume und Vorrichtungen zum Handeln in Bezug auf jene Einheiten einzurichten, von denen sie träumen und sinnen« (ebd. 1994, 66).
Doch sind Technologien keine »leeren Formen«, »in die sich politische Rationalitäten einschreiben« (Lemke 2008, 62). Sie sind nicht nur Mittel zum Zweck, sondern strukturieren selbst »das Feld möglicher Handlungen« (Dean 1996, 47). Sie haben eine »eigene Materialität, sodass sie für unterschiedliche Ziele eingesetzt werden und verschiedene Bedeutungen annehmen können – abhängig von ihrer Artikulation innerhalb spezifischer Rationalitäten« (Lemke 2008, 62). Vor diesem Hintergrund werden Programme auch nicht einfach umgesetzt, sondern zwischen ursprünglichen Intentionen und Ansprüchen und tatsächlichen Effekten bestehen häufig Differenzen (Bröckling und Krasmann 2010, 25), stehen diesen doch unterschiedliche Rationalitäten, ablehnende bzw. auch widerständige Kräfte demgegenüber. Rose und Miller betonen deshalb: »Governing is not the ›realization‹ of a programmer’s dream. […] The ›real‹ always insists in the form of resistance to programming; and the programmer’s world is one of constant experiment, invention, failure, critique and adjustment« (2008, 39). 3.4.2 Regierungstechnologien: Zwischen Fremd- und Selbstführung Wie bereits gezeigt, sind Wissensordnungen stets Teil gesellschaftlicher Machtverhältnisse, deren Analyse im Zentrum der späteren Arbeiten Foucaults steht. Er unterscheidet dabei drei Ebenen – strategische Beziehungen, Herrschaftszustände und Regierungstechnologien: Unter strategischen Beziehungen versteht Foucault »strategische Spiele«, »mit denen die Individuen das Verhalten der anderen zu lenken und zu bestimmen versuchen« (Foucault 1985, 25). Aus dieser Perspektive kann Macht als ein »ubiquitäres Merkmal menschlicher Interaktion« verstanden werden, das heißt, es gibt »keine Form interpersonaler Kommunikation, die nicht zugleich eine Machtbeziehung wäre« (Lemke 2001, 118). Von diesen die Gesellschaft durchdringenden und allgegenwärtigen »strategischen Spielen der Macht« unterscheidet Foucault Herrschaftszustände. Im Gegensatz
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zu den strategischen Beziehungen, »die prinzipiell veränderbar und umkehrbar sind«, gelten Herrschaftszustände als stabilisierte, institutionalisierte Machtverhältnisse und sind Foucault zufolge das, »was wir üblicherweise Macht nennen« (Foucault 1985, 26). Während er sich in seinen früheren Arbeiten Macht aus dieser zweiten Perspektive nähert und sie in erster Linie als Herrschaft und Unterdrückung begreift, erweitert er diese Perspektive später und argumentiert dann: »Im Grunde ist Macht weniger von der Art der Konfrontation zweier Gegner oder der Verpflichtung des einen gegenüber dem anderen […]. Die der Macht eigene Verhältnisweise wäre somit weder auf Seiten der Gewalt und des Kampfes, noch auf Seiten des Vertrags und der Willensbande […] zu suchen, vielmehr auf Seiten dieser einzigartigen, weder kriegerischen noch juridischen Weise des Handelns: des Gouvernment« (Foucault 1987, 255).
Wie bereits im vorherigen Kapitel angedeutet, erweitert Foucault seine Sichtweise um den Begriff des Regierens, der im Zentrum seiner späteren Machtanalysen steht und gewissermaßen zum »Leitfaden« (Foucault 1994, 719) seiner Arbeit wird. Während es heute alltagssprachlich gängig erscheint, Regierung als Staatsregierung zu denken, wird der Begriff bis zum 18. Jahrhundert am wenigsten in einem politisch-institutionellen Sinn verstanden. Vielmehr gibt es vielfältige Bedeutungen des Regierens, wie etwa einen Gegenstand fortzubewegen, den monatlichen Verdienst zu sichern oder andere moralisch zu führen. Die Gemeinsamkeit all dieser Bedeutungen liegt dabei in der »Führung von Menschen« (Foucault 1987, 255). Dieses Verständnis greift Foucault auf und rückt damit die Analyse unterschiedlicher Mechanismen des Führens in den Vordergrund (2005a, 115). Er knüpft damit auch an zwei zentrale Kritikpunkte seiner bisherigen Konzeption an: Zum einen wird ihm vorgeworfen, er untersuche zwar individuelle Körper und die Art und Weise ihrer Disziplinierung, die umfassenden Prozesse ihrer Subjektwerdung betrachte er jedoch nicht. Zum anderen richtet sich die Kritik darauf, dass er den Blick zwar nicht mehr nur auf die Rolle des Staates richte, sondern auch auf lokale Praktiken und Institutionen. Jedoch fasse er den Staat selbst nicht als Effekt gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse (Lemke 2001, 108). Mit dem Begriff des Regierens lenkt Foucault den Blick nun nicht mehr nur auf Herrschaftstechnologien, sondern auch auf Techniken des Selbst. Erstere zielen vor allem »auf die Bestimmung des Verhaltens von Individuen zu ihrer Unterwerfung unter Herrschaftszwecke« (Bröckling, Krasmann und Lemke 2000, 28) ab. In der Klimapolitik sind dies z.B. Gesetze wie das Erneuerbare EnergieGesetz, die in erster Linie von außen einwirken und Individuen geringere Hand-
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lungsspielräume geben. Technologien des Selbst entstehen hingegen dadurch, dass Individuen diskursiv konstituierte Notwendigkeiten (z.B. bestimmte stadtentwicklungspolitische Ziele) verinnerlichen und diese auch ohne ›Zwangseinwirkung‹ zu Leitlinien des eigenen Handelns machen (Foucault 1993). Sie ermöglichen dem Individuum, »mit eigenen Mitteln bestimmte Operationen mit ihren Körpern, mit ihren eigenen Seelen, mit ihrer eigenen Lebensführung zu vollziehen, und zwar so, dass sie sich selber transformieren« (Foucault 1984, 35 f.). Foucault betont damit, dass das Führen anderer nicht nur über explizite oder implizite Verbote erfolgt, sondern auch und gerade durch die Macht, Subjekte zu einem bestimmten Handeln zu bewegen (Bröckling, Krasmann und Lemke 2000, 29): »To become a subject always means actualizing certain subject-positions and dispensing with others; it means being addressed in a certain way as a subject, understanding oneself as a subject; and working on oneself in alignment with this self-understanding« (Bröckling 2011, 14).
Auch mit Blick auf die Klimapolitik zeigt sich in den finanziellen Anreizen, Handlungsleitfäden oder klimapolitischen Kampagnen eine große Bandbreite von Regierungstechnologien, die nicht über Verbote funktionieren, sondern in erster Linie darauf abzielen, dass städtische Akteur*innen und Bürger*innen klimapolitische Normen und Werte verinnerlichen und sich in diesem Sinne selbst führen. Dabei sind die Prozesse der Subjektivierung eng mit Herrschaftstechnologien verzahnt, nicht aber durch diese determiniert. Für Foucault ist deshalb insbesondere das jeweilige Verhältnis zwischen Herrschaftstechnologien und Subjektivierungsprozessen interessant, in dem die jeweils spezifische Form des Regierens sichtbar wird: »Man muss die Wechselwirkungen zwischen diesen beiden Technikformen – Herrschaftstechniken und Selbsttechniken – untersuchen. Man muss die Punkte analysieren, an denen die Herrschaftstechniken über Individuen sich der Prozesse bedienen, in denen das Individuum auf sich selbst einwirkt. Und umgekehrt muss man jene Punkte betrachten, in denen die Selbsttechnologien in Zwangs- oder Herrschaftsstrukturen integriert werden. Der Kontaktpunkt, an dem die Form der Lenkung der Individuen durch andere mit der Weise ihrer Selbstführung verknüpft ist, kann nach meiner Auffassung Regierung genannt werden. In der weiten Bedeutung des Wortes ist Regierung nicht eine Weise, Menschen zu zwingen, das zu tun, was der Regierende will; vielmehr ist sie immer ein bewegliches Gleichgewicht mit Ergänzungen und Konflikten zwischen Techniken, die Zwang sicher-
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stellen und Prozessen, durch die das Selbst durch sich selbst konstruiert oder modifiziert wird« (Foucault 1993, 203 f.; Übersetzung von Lemke 2008, 37).
Das heißt, Fremd- und Selbsttechnologien sind eng miteinander verwoben und erst im Verhältnis beider Formen zeigt sich die spezifische Form der Regierung. Auf diese Weise bildet der Begriff der Regierung gewissermaßen eine »Scharnierfunktion« (Lemke 1997, 32) zwischen den strategischen Spielen einerseits und der Herrschaft andererseits. Denn Regierungstechnologien sind nicht so spontan und unreguliert wie die strategischen Beziehungen, zugleich aber nicht so festgeschrieben und fixiert wie Herrschaftszustände. Zudem gilt Herrschaft nicht mehr als alleinige Quelle der Macht, sondern ist vielmehr selbst »Effekt von Regierungspraktiken« (Lemke 2001, 118 f.). Damit differenziert Foucault, im Gegensatz zu seinen früheren Arbeiten, zwischen den beiden Begriffen Macht und Herrschaft, die er bis dato fast synonym verwendet und den Eindruck entstehen lässt, dass »Herrschaft unausweichlich und Widerstand unmöglich sei« (ebd. 2001, 117). Macht kann demnach zwar durchaus auch Repression und Kontrolle über andere bedeuten, ist aber darüber hinaus viel mehr als nur Zwang und kann stattdessen ganz unterschiedliche Formen annehmen. Darüber hinaus wird Macht nicht als etwas verstanden, was von einem einzigen Punkt, einer Person ausgeht, sondern vielmehr als etwas, das zirkuliert (Rutherford 2007, 295 f.). Grundsätzlich meint Regieren also sowohl das Führen anderer als auch das Führen im Sinne des »Sich-Verhaltens« (Bröckling, Krasmann und Lemke 2000, 28). Das Machtvolle besteht hier darin, bestimmte Verhaltensweisen wahrscheinlicher werden zu lassen als andere. Gouvernementalitätsanalysen begreifen dabei Technologien nicht etwa als Spiegelbild gesellschaftlicher Verhältnisse und umgekehrt determinieren Technologien auch nicht gesellschaftliches Handeln. Sie bezeichnen vielmehr, so Bröckling und Krasmann, »einen Komplex von Verfahren, Instrumenten, Programmen, Kalkulationen, Maßnahmen und Apparaten, der es ermöglicht, Handlungsformen, Präferenzstrukturen und Entscheidungsprämissen von Akteuren im Hinblick auf bestimmte Ziele zu formen und zu steuern« (2010, 27; Miller und Rose 2008, 61 f.). Foucaults These ist es, dass Individuen in modernen Gesellschaften zunehmend durch Formen der Selbststeuerung regiert werden. Das bedeutet allerdings nicht das Ende souveräner Macht, sondern lediglich eine »Verschiebung von formellen zu informellen Formen der Regierung« (Bröckling, Krasmann und Lemke 2000, 26) innerhalb des Zusammenspiels unterschiedlicher Steuerungsformen der Souveränität, der Disziplin und der Gouvernementalität (Rutherford 2007, 293). In diesem Sinne sind auch Freiheit und Techniken des Konsenses wie Städtekooperationen und
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freiwillige Vereinbarungen zwischen städtischen und privaten Akteur*innen nicht als das Ende von Herrschaft, sondern vielmehr als »Modifikation« (Bröckling, Krasmann und Lemke 2000, 28) von Herrschaft zu verstehen. Mit Blick auf die vorliegende Arbeit lässt sich damit fragen, wie kommunale und private Akteur*innen im Sinne der bundespolitischen Klimaziele regiert werden, an welchen Stellen stadtentwicklungspolitischer Entscheidungen sie Handlungsspielräume in der Umsetzung von Klimapolitik wahrnehmen und wie sich städtische Akteur*innen gegenüber den jeweiligen Regierungstechnologien positionieren. Dabei wird deutlich, dass die Verinnerlichung klimapolitischer Normen auch dadurch erreicht werden soll, dass Klimapolitiken mobilisiert, in möglichst viele Kontexte verbreitet und nachgemacht werden sollen. 3.4.3 Die Hervorbringung ›verantwortlicher‹ Subjekte In den Diskursen um die Frage, wer für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen als ›verantwortlich‹ erachtet wird, sieht die Bundesregierung vor allem städtische Akteur*innen und Bürger*innen in einer zentralen Rolle. Diese Zuschreibung von Verantwortlichkeit steht selbst für eine machtvolle Intervention, durch die das Handlungsfeld Klima regiert wird. Dabei stellt sich grundlegend die Frage, wie Subjekte zu ›verantwortungsvollen‹ Akteur*innen ›gemacht‹ werden oder um mit den Worten Deans zu sprechen: »how different locales are constituted as authoritative and powerful, how different agents are assembled with specific powers, and how different domains are constituted as governable and administrable« (Dean 1999, 29 zit. in Rutherford 2007, 294). Im Unterschied zu handlungs- und akteurszentrierten Ansätzen werden mit einem poststrukturalistischen Verständnis Wahrnehmungen und Vorstellungen nicht als Resultat autonom und intentional handelnder Planer*innen und Politiker*innen verstanden, das heißt, die Vorstellung von Subjekten und Akteur*innen als vordiskursiv gegeben, wird abgelehnt. Das bedeutet nicht, dass den Aussagen von Akteur*innen die Relevanz abgesprochen wird. Doch geht es grundsätzlich um die Frage, wie Subjektpositionen – z.B. des verantwortlichen Stadtplaners – im Zusammenspiel von Wissensordnungen und Regierungstechnologien hervorgebracht werden. Im Anschluss an das Sprachmodell von de Saussure erklärt Hall: »Um sprechen zu können, um überhaupt etwas Neues sagen zu können, müssen wir uns zuallererst in den bestehenden Sprachbeziehungen plazieren. Es gibt keine Äußerung, die so neuartig und so kreativ wäre, daß sie nicht schon die Spuren dessen zeigt, wie diese Sprache bereits gesprochen worden ist, bevor wir unseren Mund auftaten. Somit sind wir
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stets in der Sprache. Etwas Neues zu sagen, bedeutet zuallererst, erneut die Spuren der Vergangenheit zu bestätigen, die in den von uns benutzen Wörtern eingeschrieben sind« (Hall 1999, 86).
Hall unterstreicht hier, dass es kein inneres Wesen gibt, welches aus sich selbst heraus Vorstellungen über die Welt entwickelt, sondern es spiegeln sich im Gesagten immer bereits gesellschaftliche Normen und Werte wider: »The self no longer uses language to express itself, rather language speaks through the person. The individual self becomes a medium for the culture and its language« (Kvale 1992, 36). Der Diskurs spricht quasi durch das Subjekt, sodass auch das Subjekt als Effekt diskursiver Aushandlungen und gesellschaftlicher Machtverhältnisse verstanden werden kann. Besonders prägend für Foucault waren die Arbeiten Louis Althussers. Im Kern dessen marxistisch beeinflussten Subjektkonzepts stehen für Althusser die Begriffe der ›Interpellation‹ und der ›Überdeterminierung‹. Mit Interpellation bezeichnet er »den Akt der Anrufung des Subjekts durch ideologische Staatsapparate« (Glasze und Mattissek 2009, 28). Im Gegensetz zur dominierenden Vorstellung eines autonomen Subjekts geht Althusser davon aus, dass Individuen durch Institutionen wie die Familie, das Bildungssystem oder die Medien »angerufen« und damit »in bestimmte Subjektpositionen platziert« (ebd. 2009, 28 f.) werden. Der Begriff Überdeterminierung knüpft an den bereits erläuterten Gedanken sich überlagernder Sinn- und Wissensordnungen an. Althusser (1977 [1970]) betont damit, dass Subjekte durch unterschiedliche, teils widersprüchliche Einflüsse geprägt werden, was zu Konflikten und Fragmentierungen innerhalb des Subjekts führen kann. So kann bspw. die Rolle eines für ökologische Ziele eintretenden Stadtrats mit seiner beruflichen Positionierung in einem Bauunternehmen kollidieren. Während er sich möglicherweise in ersterer gegenüber seinen Wähler*innen durch die Priorisierung klimapolitischer Aktivitäten positionieren möchte, folgt das Bauunternehmen hauptsächlich ökonomischen Rationalitäten. Insbesondere Laclau und Mouffe entwickeln diese Gedanken weiter und begegnen damit zugleich der Kritik an Foucaults Konzeption, wonach das Subjekt als vollkommen durch die Struktur determiniert wahrgenommen werden könnte, wenn er auch selbst nie davon ausgegangen ist (Dahlmanns 2008, 200). Laclau und Mouffe betonen, dass Diskurse und damit auch Prozesse der Subjektivierung niemals abgeschlossen sind und genau diese »Unmöglichkeit einer abschließenden Sinnfixierung« ermöglicht es »Subjekten, eine aktive Rolle einzunehmen, da durch diesen ›Mangel des Diskurses‹ (Stäheli 1999) Freiräume entstehen« (Dahlmanns 2008, 200). In diesen Freiräumen bestehen noch keine Handlungsrouti-
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nen und etablierte Problemlösungsstrategien, sodass sich hier neue Subjektpositionen herausbilden können. Foucault spricht Subjekten dabei nicht ihre Körperlichkeit oder Materialität ab. Sie existieren als selbst denkende und fühlende Individuen. Doch gehen sie dem Diskurs eben nicht voraus, sondern sind Ergebnis des Zusammentreffens unterschiedlicher, teils widersprüchlicher Subjektpositionen, die in diskursiven Praktiken immer wieder aufs Neue (re-)produziert und transformiert werden. Anknüpfend an das Konzept der Gouvernementalität bezeichnet Bröckling den Prozess des Subjektwerdens als einen »paradoxe[n] Vorgang« (2016, 19), bei dem sowohl Formen der Fremd- als auch der Selbststeuerung unauflösbar wechselseitig auf das Subjekt einwirken. Das heißt, Subjekte werden sowohl von ›außen‹ gesteuert als auch durch sich selbst. Auf diese Weise wirkt Macht zum einen auf Subjekte ein, das heißt, Macht ist dem Subjekt vorgängig. So haben sich bspw. bestimmte Vorstellungen von Stadtentwicklung etabliert, die sich in konkreten planerischen Institutionen, Gesetzen oder Leitfäden widerspiegeln und mit denen das Subjekt konfrontiert wird. Doch gleichzeitig muss zunächst das Subjekt vorhanden sein, auf welches die Macht einwirkt. Das Subjekt ist somit gleichzeitig diskursiver Effekt und Voraussetzung für die Wirkung machtvoller Diskurse. An dieser Stelle unterstreicht Bröckling das Moment der Freiheit, denn nur dadurch, dass das Subjekt frei ist, kann Macht überhaupt wirksam werden. Freiheit ist hier gemeint im Sinne von Handlungsoptionen. Gäbe es diese nicht, bräuchte es auch keine Intervention der Macht mehr, da das Subjekt dann bereits vollständig determiniert wäre (Bröckling 2016, 20). Macht wirkt hier Foucault zufolge auf ganz unterschiedliche Weisen auf Subjekte ein: »sie stachelt an, gibt ein, lenkt ab, erleichtert oder erschwert, erweitert oder begrenzt, macht mehr oder weniger wahrscheinlich; im Grenzfall nötigt oder verhindert sie vollständig, aber stets handelt es sich um eine Weise des Einwirkens auf ein oder mehrere handelnde Subjekte, und dies, soweit sie handeln oder zum Handeln fähig sind« (Foucault 1987, 254).
Zusammenfassend kann das Machtverständnis Foucaults anhand von drei Aspekten charakterisiert werden: Macht ist Foucault zufolge dezentral, das heißt, »it is exercised from and through countless sites, practices, agents, discourses and institutions« (Foucault 1990, 94). Macht wird also nicht von einer Person in den Händen gehalten, sondern wirkt vielmehr durch eine Vielzahl von Praktiken. Zum zweiten ist Macht Foucault zufolge zwar intentional, also mit bestimmten Zielen verbunden. Macht ist jedoch nicht subjektiv. Gemeint ist, dass die Ziele nicht das Ergebnis persönlicher Entscheidungen und Wünsche einer konkreten
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Person sind. Die Wirkung von Macht vollzieht sich vielmehr durch den Prozess der Subjektivierung, indem bestimmte Rollenbilder aufgerufen und legitimiert und andere gleichzeitig ausgeschlossen werden. Zu einem Subjekt ›gemacht‹ zu werden, heißt also, »in einer bestimmten Weise als Subjekt angesprochen zu werden, sich selbst als ein Subjekt zu begreifen und im Sinne dieses SelbstVerständnisses an sich zu arbeiten« (Bröckling und Krasmann 2010, 29). Drittens konstatiert Foucault, wo Macht ist, ist auch Widerstand, doch ist dieser Widerstand nicht außerhalb der Macht, sondern geht immer darin ein (Rutherford 2007, 296) oder um mit Bröckling zu sprechen: »Widerstand ist nicht einfach nur die Gegenkraft der Macht, er ist ebenso dasjenige, das der Macht ihre Richtung und Gestalt gibt« (Bröckling 2016, 40). In diesem Sinne ist das Subjekt also nicht einfach nur Effekt oder »gefügiges Opfer« (ebd. 2016, 20) der Machteinwirkung. Vielmehr wird das Subjekt durch unterschiedliche Formen der Anrufung mit verschiedenen Erwartungen konfrontiert, die es jedoch auch wieder zurückweisen, verändern oder ablehnen kann. Denn das Subjekt wird eben nicht nur von anderen angerufen, sondern ruft sich auch selbst auf eine bestimmte Art und Weise an. Dabei müssen sich Subjekte auch in ablehnenden Praktiken immer auf gesellschaftliches Wissen und soziale Codes beziehen, damit diese überhaupt als widerständige Intervention verstanden werden können (Bröckling und Krasmann 2010, 30). Vor diesem Hintergrund betont Bröckling, dass Regierungsprogramme, mit denen die Realität auf eine bestimmte Art und Weise bearbeitet werden soll, »niemals bruchlos in individuelles Verhalten« (2016, 40) übersetzt werden können. Programme skizzieren zwar ein gewisses Möglichkeitsfeld, welches bestimmte Verhaltensweisen wahrscheinlicher machen soll als andere, doch »sich ihrer Regeln anzueignen, heißt immer auch, sie zu modifizieren. Der Eigensinn menschlichen Handelns insistiert in Gestalt von Gegenbewegungen, Trägheitsmomenten und Neutralisierungstechniken« (ebd. 2016, 40). Während Governance-Forschungen darauf abzielen, die Umsetzung einer Idealnorm zu verbessern und zu optimieren, geht es aus der Perspektive der Gouvernementalität darum herauszuarbeiten, welche Wirkungen Programme entfalten, welche Denklogiken wirkmächtig werden, aber auch, welche konfligierenden Kräfte diese bremsen. 3.4.4 Widerständige Praktiken – wir wollen nicht so regiert werden In der Auseinandersetzung mit Klimapolitik wird schnell deutlich, dass Ziele ebenso wie daran anknüpfende Strategien der Problemlösung umkämpft und von
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Konflikten und Widerständen geprägt sind. Doch was bedeutet ›Widerstand‹ in diesem Zusammenhang für Foucault und die Analyse klimapolitischer Diskurse? Foucaults Arbeit wurde oftmals dafür kritisiert, Kämpfen und Veränderungen zu wenig Beachtung zu schenken (Death 2010, 237). Seine Idee von Widerstand wurde als »›drastically under-theorized‹, ›maddeningly indistinct‹ and ›politically ›troubling‹« (Kulynych 1997, 328; Pickett 1996, 466) charakterisiert. Dabei bildet sie ein ganz zentrales Element seiner Konzeption von Diskurs und Macht (z.B. Füller und Marquardt 2010; Rose, O’Malley und Valverde 2006) und ist »wholly immanent and necessary to the formation and development of governmentality« (Rosol 2014, 74). So betont Foucault: »We must conceive of discourse as a series of discontinuous segments whose tactical function is neither uniform nor stable . . . discourse can be both an instrument and effect of power, but also a hindrance, a stumbling block, a point of resistance and a starting point for an opposing strategy. Discourse transmits and produces power; it reinforces it, but also undermines and exposes it, renders it fragile and makes it possible to thwart it« (Foucault 1978, 101 in Mills 2003, 262).
Mit anderen Worten: Diskurse bringen gesellschaftliche Machtverhältnisse hervor. Sie sind zum einen als Praktiken zu verstehen, mit denen Sichtweisen stabilisiert und verstetigt werden. Doch können sich zum anderen in Diskursen ebenso Widerstände formieren, die den hegemonialen Ordnungen entgegentreten. Dementsprechend ist Macht immer als Spannungsverhältnis zwischen unterschiedlichen, auch gegensätzlich wirkenden Kräften zu verstehen. Ist für Foucault das Regieren »die richtige Ordnung der Dinge« (2014, 145), beschreibt er die Praxis, in der diese Ordnung irritiert und verändert wird, als eine Form von Kritik, die sich, wie Lemke formuliert, stattdessen den bestehenden »Führungsverhältnissen und ›herrschenden Wahrheiten‹ zu entziehen sucht« (Lemke 1997, 343): »Als Gegenstück zu den Regierungskünsten, gleichzeitig als ihre Partnerin und ihre Widersacherin, als Weise ihnen zu misstrauen, sie abzulehnen, sie zu begrenzen und sie auf ihr Maß zurückzuführen, sie zu transformieren, ihnen zu entwischen oder sie immerhin zu verschieben zu suchen, als Posten zu ihrer Hinhaltung und doch auch als Linie der Entfaltung der Regierungskünste ist damals in Europa eine Kulturform entstanden, eine moralische und politische Haltung, eine Denkungsart, welche ich nenne: die Kunst, nicht dermaßen regiert zu werden bzw. die Kunst, nicht auf diese Weise und um diesen Preis regiert zu werden. Als erste Definition der Kritik schlage ich also die allgemeine Charakterisie-
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rung vor: die Kunst, nicht dermaßen regiert zu werden« (Foucault 1992 in Lemke 1997, 343).
In diesem Sinne begreift Foucault den Begriff der Kritik als eine spezifische Denkweise, die sich den dominierenden Bedeutungen und Wissensordnungen entgegensetzt. Widerstand bezieht sich daran anknüpfend stärker auf die Praktiken, also die Regierungstechnologien, mit denen Verhalten eben im Sinne dieser alternativen und kritischen Denkweisen angeleitet werden soll. Widerstand, verstanden als »resistance to power as conducting« (Foucault 1978, 195; Rosol 2014, 75), kann damit wie folgt definiert werden: »Der Begriff des Widerstands […] bezieht sich zum einen auf das, was den Anstrengungen des Regierens gegenübersteht oder gegenübertritt – passiv als Trägheit, als Beharrungsvermögen oder Nichterreichbarkeit, aktiv als Gegenkraft, Unterbrechung oder Neutralisierung. Und er bezieht sich zum anderen auf die Spannung zwischen oppositionellen Regierungsordnungen einerseits und einer Subversion des Regierens andererseits: zwischen Strategie und Taktiken, die konträre Regime des Regierens herausbilden, und Praktiken, in denen sich der Wille artikuliert, nicht beziehungsweise ›nicht so und nicht dafür und nicht von denen da‹ regiert zu werden« (Bröckling 2017, 393).
In den Praktiken des Widerstands artikuliert sich also Kritik an der Art und Weise einer bestimmten Form des Regiert-Werdens, wodurch bestehende Machtbeziehungen infrage gestellt und verschoben werden können. Beiden Begriffen immanent ist, dass sie nicht einfach den bestehenden Programmen und Steuerungsformen gegenüberstehen, sondern vielmehr deren Bestandteil sind. Widerstände gibt es nicht nur zwischen den Programmen, sondern sie gehen immer schon darin ein. Das zeigt sich auch am Beispiel von Sachsen: Während die Bundesregierung den Ausbau erneuerbarer Energien fordert, erklärte die sächsische Staatsregierung in der vergangenen Legislaturperiode: »Wir wollen den Ausbau begrenzen« (CDU Sachsen 2014, 15). Diese kritischen Sichtweisen der CDU Sachsen in Bezug auf die bundespolitischen Klimaziele sind auch in das sächsische Klimakonzept eingegangen, mit dem die Ausbauziele für erneuerbare Energien nicht erweitert, sondern reduziert und begrenzt wurden. So betonen Bröckling, Krasmann und Lemke: »Die Gouvernementalitätsanalyse beschränkt sich also nicht auf die Feststellung, ob ein Programm ›umgesetzt‹ oder ›verfälscht‹ wurde, ob es erfolgreich ›verwirklicht‹ wurde oder ›gescheitert‹ ist. Brüche gibt es nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb von Ratio-
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nalitäten und Technologien, und zwar als Bedingung ihres Funktionierens – nicht als Signum ihres Scheiterns« (2000, 23).
Foucault interessiert sich insbesondere für »diffusere« (2014, 290), subtilere Praktiken, mit denen sich Individuen weniger gegen einen einzelnen politischen Herrscher bzw. das politische System richten, sondern den Willen nach einem »Anders-geführt-werden« (ebd. 2014, 288) ausdrücken. Er prägt dafür in enger Anlehnung an sein Konzept der Gouvernementalität den Begriff des »contreconduite« (ebd. 2014, 282). Wenngleich Foucault diesen Begriff kaum im Detail entwickelt hat, bietet dieser dennoch interessante Spielräume, die den Fokus auch in der Untersuchung klimapolitischer Strategien auf unterschiedliche Dimensionen von ›Gegen-Verhalten‹ richten. Zum einen können damit Praktiken städtischer Akteur*innen in den Blick genommen werden, mit denen sie hegemonial gewordene Ziele und damit einhergehende, von ›außen‹ kommende, Regierungslogiken infrage stellen und neu aushandeln. Zum anderen geht es um Praktiken, die die Art und Weise des ›Regiert-Werdens‹ ablehnen, also die Techniken, die das Handlungsfeld der Klimapolitik regieren und städtische Akteur*innen leiten. Solche Praktiken zeigen sich bspw. darin, dass Problemlösungsstrategien wie ökonomische Anreize zum Klimaschutz ignoriert und nicht angewandt werden oder darin, dass der Umfang an regulierenden Instrumenten in der Klimapolitik als ›Regelungswut‹ abgelehnt wird. Damit markiert Widerstand einerseits eine Grenze des Regierens, andererseits wohnt dem ein ebenso konstruktives und kreatives Moment inne, da durch das Blockieren und Verhindern von Lösungsstrategien neue, andere Wege eröffnet werden (Bröckling 2017, 394). So kann zwar möglicherweise das fehlende ›Ankommen‹ von Politiken im Sinne der ursprünglich intendierten Ziele als gescheitert bewertet werden, doch können daraus Entwicklungen hervorgehen, die vor dem Hintergrund der jeweiligen kommunalpolitischen Denkweisen als ›Erfolg‹ erscheinen (vgl. auch Death 2010). Regierungsanstrengungen stehen immer wieder dem Zufälligen und Unvorhergesehenem gegenüber. »Regieren heißt folglich nicht«, so Bröckling, »eine Blaupause zu entwerfen und sie dann umzusetzen, sondern verlangt ein beständiges Experimentieren, Erfinden, Korrigieren, Kritisieren und Anpassen« (2017, 395).
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3.5 SYNOPSE – DISKURS UND GOUVERNEMENTALITÄT MEET URBAN POLICY MOBILITY Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit ist die Beobachtung, dass Klimaziele und -strategien der Bundesregierung in den kommunalen Stadtentwicklungspolitiken eine sehr unterschiedliche Rolle spielen. Um der Frage nachzugehen, wie dies erklärt werden kann, plädiert die Arbeit für eine diskurs- und gouvernementalitätstheoretische Perspektive, die durch zentrale Konzepte der Urban Policy Mobility-Forschung ergänzt wird. Die Perspektive der Urban Policy Mobility-Forschung lenkt den Blick zunächst auf zwei grundlegende Aspekte: Erstens wird betont, dass Politiken mobil sind. Das bedeutet, die Entstehung kommunaler Klimapolitiken wird nicht nur durch die Bundespolitik, sondern durch unterschiedliche Einflüsse geprägt. Zweitens wird mit den Arbeiten der Policy Mobility-Forschung die Relevanz der jeweiligen Kontexte hervorgehoben, auf die Politiken treffen und in denen diese infrage gestellt und transformiert werden können. Zugleich wird hervorgehoben, dass Politiken nicht etwa als gesamtes Politikfeld ›wandern‹, sondern politische Entscheidungsträger*innen oder Mitarbeiter*innen der Verwaltung vielmehr selektiv auf einzelne Ideen, Modelle oder Strategien zugreifen. Politiken ›reisen‹ demnach, um mit Peck und Theodore zu sprechen, »in bits and pieces – as selective discourses, inchoate ideas, and synthesized models – and they therefore ›arrive‹ not as replicas but as policies already-in-transformation« (2010, 170). Politiken werden also nicht einfach von einem Ort zum anderen transferiert, sondern als Bestandteil gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse verändern sie sich »entlang ihres Weges« (McCann 2011, 31). Durch die Verknüpfung mit Diskursund Gouvernementalitätstheorien ist es möglich, diese Aushandlungsprozesse um Klima- und Stadtpolitiken in den Blick zu nehmen. Die Diskurstheorie lenkt den Blick darauf, welche Bedeutungen um Klima innerhalb der bundes- und kommunalpolitischen Kontexte wirkmächtig werden und wie sich diese über die Zeit verändern. Damit Politiken von städtischen Akteur*innen als ›relevante‹ Problemlösungsstrategien erachtet werden und eine tatsächliche Möglichkeit der Veränderung besteht (Peck 2011, 791 f.), ist es wichtig, dass diese an die vorherrschenden Denk- und Handlungsweisen der städtischen Kontexte anknüpfen. Zum einen müssen bisherige Vorstellungen über Stadtentwicklungs- und Klimaschutzstrategien in ihrer Sinnhaftigkeit angezweifelt werden. Zum anderen müssen ›neue‹ Politiken diskursiv als ›erfolgversprechende‹ Lösungsstrategien kommunaler Probleme gerahmt werden, was Cook als »travelling tales of success« (Cook 2008, 773) bezeichnet. In diesem Sinne geht es in der vorliegenden Arbeit darum, wie klimapolitische Strategien
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der Bundesregierung in die bestehenden Rationalitäten und Diskurse der Städte intervenieren und diese verändern. Darüber hinaus wird untersucht, wie die Klimastrategien selbst innerhalb der kommunalen Stadtentwicklungsdiskurse verändert und transformiert und damit auf eine andere Art und Weise wirksam werden, als ursprünglich von der Bundesregierung intendiert. Die Gouvernementalitätstheorie fragt insbesondere nach den Formen des Regierens, also welche Problemlösungsstrategien werden als ›sinnvoll‹ erachtet, um die als städtische Herausforderungen artikulierten Phänomene zu bearbeiten. Dabei wird deutlich, dass Regierungstechniken untrennbar mit Wissens- und Wahrheitsordnungen verknüpft sind und als verfestigte oder sedimentierte Machtbeziehungen verstanden werden können. Es geht somit nicht nur um die Frage, mit welchen Regierungstechnologien Verhalten gesteuert wird, sondern vor allem auch darum, welchen Denkweisen bzw. Rationalitäten sie folgen und welche Wissensordnungen diesen zugrunde liegen. Dies verweist auf einen zentralen Schnittpunkt von Diskurs- und Gouvernementalitätstheorie, an dem es darum geht, »wie die Dinge und das Denken über die Dinge sich in Praktiken wechselseitig konstituieren bzw. präziser: wie sie sich in beide Richtungen ineinander übersetzen« (Bröckling und Krasmann 2010, 24). Denn Diskurse sind nicht einfach aus Praktiken ableitbar und ebenso schreiben sich Diskurse nicht in Praktiken ein. Vielmehr entstehen beide erst im Prozess der Übersetzung und Wechselwirkung. Das Konzept des Regierens bildet damit eine analytische Klammer für das Verhältnis von Macht, Wahrheit und Subjektivität. Durch die Ergänzung der Urban Policy Mobility-Perspektive werden auch die Mobilisierung und die Verbreitung von Politiken als Techniken verstanden, mit denen das politische Handlungsfeld des Klimawandels regiert wird, um die damit einhergehenden Sichtweisen zu verfestigen und zu etablieren. Im Zusammenspiel von Wissensordnungen und Regierungstechniken wird zudem der Blick darauf gelenkt, welche Subjektpositionen innerhalb der Klimadiskurse entstehen. In diesem Sinne kann auch die Zuschreibung von Verantwortlichkeiten in der Klima- und Stadtpolitik als machtvolle Regierungsstrategie verstanden werden, um Klimawandel zu regieren. ›Context matters‹: Was diese drei Perspektiven durch ihr Zusammenwirken stark machen, ist die Bedeutsamkeit und die Relevanz des Kontextes, denn, so Rose, »all knowledge is produced in specific circumstances and those circumstances shape it in some way« (Rose 1997, 305). Politische Ziele, Modelle oder Strategien treffen auf Praktiken, Institutionen und Denkweisen, die eingebettet sind in kontextspezifische historische Entwicklungspfade und als Ausdruck der jeweiligen gesellschaftlichen Machtverhältnisse verstanden werden können. In-
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nerhalb dieser jeweiligen Spannungsverhältnisse positionieren sich die städtischen Entscheidungsträger*innen zwischen den Diskurskonstellationen und gegenüber den Regierungstechnologien, woraus jeweils kontextspezifische Entscheidungs- und Handlungspraktiken resultieren. Der Arbeit liegt eine dezidiert machtkritische Perspektive zugrunde, die klimapolitische Normen und Werte ebenso wie Techniken des Regierens in ihrer Gewordenheit, in ihrer Veränderlichkeit und Konflikthaftigkeit in den Blick nimmt. Damit trägt die Arbeit dazu bei, die Komplexität von Stadt- und Klimapolitik zu verdeutlichen und ein vertieftes Verständnis dafür zu erlangen, dass (klima-)politische Ziele in den jeweiligen Kontexten unterschiedlich umgesetzt werden.
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Methodische Umsetzung einer diskursund gouvernementalitätstheoretischen Perspektive
In den vergangenen Jahren ist eine Reihe von Arbeiten entstanden, die fruchtbare Ansätze und Erkenntnisse bieten, um diskurs- und gouvernementalitätstheoretisch betrachtete Fragestellungen zu operationalisieren und empirisch umzusetzen. Neben dezidiert geographischen Arbeiten (für einen Überblick vgl. Glasze und Mattissek 2009; Keller u.a. 2003; Dzudzek 2016) sei hier auf das interdisziplinäre Projekt »Diskursforschung« (Nonhoff u.a. 2014) verwiesen, welches anhand von 20 Beiträgen sowohl die disziplinäre Breite der Diskursforschung als auch die Vielfalt methodischer Herangehensweisen aufzeigt. Dabei werden mindestens drei zentrale Aspekte deutlich, die auch für diese Arbeit grundlegend sind: Erstens gibt es nicht die eine Methode der Diskursanalyse, sondern vielmehr eine große Bandbreite von Methoden, die es ermöglichen, die Herstellung von Sinn als diskursive Praxis zu erforschen. Es gibt »keine perfekte Analysevorrichtung, […] keine fixen Schemata« (Nonhoff und Herschinger 2014, 19), die schablonenartig angewandt werden könnten. Vielmehr gilt es, die »Widerspenstigkeit des je zu verstehenden Gegenstandes« (ebd. 2014, 19) in den Griff zu bekommen, indem je nach Forschungsinteresse das methodische Vorgehen angepasst wird. In diesem Sinne steht auch die hier vorgestellte methodische Herangehensweise der Kombination aus quantitativen und qualitativen Verfahren für einen möglichen Weg, sich der Frage nach der Unterschiedlichkeit kommunaler Klimapolitiken zu nähern. Zweitens ist nicht nur der Forschungsinhalt, sondern auch die Verfasstheit von Diskursen ein relevanter Gegenstand der Diskursforschung. Gemeint sind damit die unterschiedlichen, parallel verlaufenden, komplexen Aushandlungsprozesse und Diskursräume, die deutlich machen, »dass es ›den‹ Diskurs ›dort draußen‹ nicht einfach gibt, sondern dass seine spezifische Konstituierung als Gegenstand stets vom Erkenntnisinteresse und vom Blickwinkel der Diskursana-
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lytikerin oder des Diskursanalytikers abhängen wird« (ebd. 2014, 20). So untersucht diese Arbeit auch nicht den Stadtentwicklungsdiskurs, sondern vielmehr ›Orte‹, an denen sich Bedeutungen um Stadtentwicklung sedimentiert und manifestiert haben. Mit Orten sind sowohl die städtischen Kontexte Münsters und Dresdens gemeint, in denen unterschiedliche historische Entwicklungspfade und gesellschaftliche Machtverhältnisse wirkmächtig werden als auch unterschiedliche Materialien wie Berichte und Leitfäden des (damaligen) Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), Beschlussvorlagen der Stadtratssitzungen Münsters und Dresdens sowie Interviewtranskripte. Durch die Auswahl dieser Textquellen und Interviewpartner*innen wurden die Ausschnitte des Stadtentwicklungsdiskurses abgegrenzt. Zugrunde liegt hier die Annahme, dass sich in diesen Quellen diskursiv hergestellte Sichtweisen materialisieren und diese damit Hinweise auf gesellschaftliche Wissensordnungen, Normen und Wertvorstellungen geben. Die untersuchten Dokumente sind dabei zum einen Teil der Diskurse und können so als Ergebnis gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse verstanden werden. Zum anderen beeinflussen sie jedoch durch die Präsentation spezifischer Normen und Werte selbst immer wieder Diskurse um Stadtentwicklung und Klimawandel. Drittens eint die bisherigen Forschungsarbeiten die zentrale Grundannahme, dass die Diskursforschung den Blick auf die Vielschichtigkeit, die Brüchigkeit und die Heterogenität von Diskursen richtet (Nonhoff und Herschinger 2014, 20). Vor dem Hintergrund des Arguments, dass Politiken nicht einfach von einem Kontext in einen anderen transferiert werden, ermöglicht es deshalb gerade die diskursanalytische Herangehensweise, Sichtweisen auf den Klimawandel innerhalb der Stadtentwicklungspolitiken in den Blick zu nehmen. Dabei zeigt sich deren Heterogenität darin, dass in den jeweiligen räumlichen Kontexten unterschiedliche Bedeutungen und Wissensordnungen dominieren. Darüber hinaus zeigt sie sich in den zeitlichen Verschiebungen von Sinn. Anknüpfend an die Prämisse, dass Bedeutungen lediglich als temporäre Fixierung zu begreifen sind, bietet die Diskursanalyse zudem einen Ansatz, um auch die Gewordenheit von Sichtweisen und deren Veränderlichkeit in den Blick zu nehmen. Während methodische Fragen im Kontext der Diskurstheorie stark diskutiert werden, wird der Gouvernementalitätsforschung eine »stärker intuitive und exemplarische Herangehensweise« (Mattissek, Pfaffenbach und Reuber 2013, 269) attestiert. Eine Reihe von Arbeiten zeigt jedoch, dass sowohl quantitative als auch qualitative diskursanalytische Methoden auf sehr fruchtbare Art und Weise beide theoretischen Ansätze integrieren und zusammenführen können (vgl. z.B. die Beiträge von Angermüller und Van Dyk 2010; Mattissek 2008). Die vorliegende Arbeit greift ein Forschungsdesiderat der Debatten um den Um-
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gang mit Klimawandel auf und untersucht ebenfalls aus einer diskurs- und gouvernementalitätstheoretischen Perspektive, wie städtische Klimapolitiken entstehen bzw. wie klimapolitische Zielsetzungen in Praktiken der Stadtentwicklung implementiert werden. Dabei geht es nicht darum, eine scheinbar vorhandene Wahrheit oder einen einheitlichen Sinn zu entdecken, sondern »die Regeln des Erscheinens und Verschwindens von (Sinn-)Ereignissen, zu dem auch das Auftauchen des Menschen und seiner Subjektivierung gehört« (Bublitz 2003, 50), herauszuarbeiten. Im Folgenden werden zunächst die zugrundeliegenden methodischen Herangehensweisen der Arbeit vorgestellt, bei der Makro- und Mikroperspektiven miteinander verbunden werden. Während erstere einen Zugang bietet, mithilfe quantitativer Verfahren der Korpuslinguistik bzw. der Lexikometrie textübergreifende sprachliche Muster herauszuarbeiten (Kap. 4.1), wird aus einer Mikroperspektive insbesondere die Heterogenität und Vielstimmigkeit einzelner Aussagen untersucht (Kap. 4.2). Die Zusammensetzung des Datenmaterials ist Gegenstand von Kapitel 4.3. Im Anschluss daran wird der ›Werkzeugkasten‹ der Auswertungsverfahren erläutert, mit denen die unterschiedlichen Ausschnitte des Stadtentwicklungsdiskurses analysiert wurden (Kap. 4.4). Der Prozess der Datenanalyse, den die folgende Abbildung (Abb. 1) im Überblick zeigt, besteht im Wesentlichen aus drei Teilen: • Im ersten Schritt wird gezeigt, wie bundespolitische Stadtentwicklungsdoku-
mente sowie Stadtratsbeschlussvorlagen mithilfe von korpuslinguistischen Verfahren untersucht wurden. Damit kann insbesondere der Frage nachgegangen werden, mit welchen Begrifflichkeiten das Themenfeld Klima im Kontext von Stadtentwicklung hergestellt wird und wie sich dies über die Zeit verändert. • Im zweiten Schritt wird erklärt, wie die städtischen Berichte zur Stadtentwicklung sowie die Interviewtranskripte durch computergestützte Verfahren des Programms MaxQDA (Qualitative Data Analysis) kodiert wurden, um einen Überblick über artikulierte Themenfelder, Problematisierungen und Positionierungen zu erhalten. • Im Anschluss daran wird im dritten Schritt mit den Verfahren der Aussagenanalyse der Blick auf die Ebene einzelner Aussagen gelenkt. Im Mittelpunkt steht hier die Vielfältigkeit von Positionen und die Frage, auf welche Art und Weise die als legitim geltenden Sichtweisen jeweils hervorgebracht werden und welche Konflikte und Widerstände damit einhergehen.
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Wenngleich ich versuche, mit diesen Darstellungen die Vorgehensweise der Arbeit transparent und nachvollziehbar zu gestalten, ist die Arbeit dennoch durch meine subjektiven Erfahrungen und Erlebnisse geprägt. Aus diesem Grund möchte ich im Kapitel 4.5 zudem meinen persönlichen Hintergrund und meine eigene Positionalität als Forscherin offenlegen. Abbildung 1: Überblick der methodischen Verfahrensweise Klima und Stadt als Gegenstand politischer Diskursanalysen 1) Korpuslinguistische Verfahren Ziel: übergeordnete sprachliche Muster Material: Dokumente des BMVBS (Bund) Stadtratsbeschlussvorlagen (Münster und Dresden) 2) Qualitatives Kodieren mit MaxQDA Ziel: Überblick artikulierter Themen, Problematisierungen, Positionen Material: städtische Berichte (Münster und Dresden) Interviews (Münster und Dresden)
Makroperspektive
Mikroperspektive
3) Aussagenanalyse Ziel: Heterogenität der Stimmen, Konflikte, Widerstände Material: städtische Berichte (Münster und Dresden) Interviews (Münster und Dresden) Quelle: eigene Darstellung
4.1 MAKROPERSPEKTIVE: KORPUSLINGUISTIK ALS QUANTITATIVE METHODE DER DISKURSANALYSE Die Korpuslinguistik ist ursprünglich eine Methode der Linguistik, in der Theorien über die Sprache mithilfe von statistischen Analysen geprüft werden. Der Begriff ›Korpuslinguistik‹ bezeichnet ein Kompositum aus ›Korpus‹ und ›Linguistik‹. ›Korpus‹ meint »eine Sammlung schriftlicher oder gesprochener Äußerungen« (Lemnitzer und Zinsmeister 2006, 7), die digitalisiert und maschinen-
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lesbar vorliegen. Die Verfahren knüpfen an die Idee des »Zettelkastens« an, der Texte quasi aufbricht und nach unterschiedlichen Indizes sortierbar macht. Ein Korpus besteht demnach aus Texten bzw. Textdaten sowie idealerweise aus Metadaten, die die Texte beschreiben und z.B. Auskunft geben über Autor*innen, Textquellen oder Entstehungsdatum.5 Der Begriff ›Linguistik‹ bezieht sich auf die Äußerungen, also auf (natürliche) Sprache als »ein konkretes sprachliches Ereignis« (ebd. 2006, 8 f.). Ein Bereich der Korpuslinguistik ist die Lexikometrie6, die auf folgender Annahme basiert: »Wenn gesellschaftliche Wirklichkeit durch einen bestimmten Sprachgebrauch konstruiert wird, dann lassen sich die unterschiedlichen, aber auch die übereinstimmenden sprachlichen Konstruktionen einzelner SprecherInnen oder Zeiträume bei Einbeziehung einer repräsentativen Menge ihrer Sprachhandlungen statistisch messen und abbilden« (Scholz und Mattissek 2014, 86).
Damit knüpfen diese Verfahren konzeptionell an das sprachwissenschaftliche Modell de Saussures (1931) sowie an die diskurstheoretischen Überlegungen Foucaults (z.B. Foucault 1973) und deren poststrukturalistische Weiterentwicklungen an (Dzudzek u.a. 2009, 233 f.). Zwei Prämissen sind grundlegend: Zum einen basieren die Verfahren auf der Idee, den Analyseprozess von der Subjektivität des Forschenden zu befreien, in dem der Fokus »hin zum Kontext der im
5
Weitere Metadaten, die hier nicht zur Anwendung gekommen sind, wären Lemmaund Part-of-Speech (POS)-Annotationen. Beim Prozess der Lemmatisierung wird jeder Wortform (z.B. ›lief‹ oder ›gelaufen‹) ihre Wortgrundform oder Lemma (hier: ›laufen‹) zugeordnet. Durch das POS-Tagging werden den Wörtern die jeweiligen Wortarten (z.B. Verb, Adjektiv) zugewiesen (Schopper und Wiertz 2017, 4).
6
Die Begriffe Korpuslinguistik und Lexikometrie werden in der Literatur unterschiedlich verwenden. Einige Arbeiten weisen auf wissenschaftskulturelle Unterschiede in der Verwendung von Korpuslinguistik und Lexikometrie hin. Während in der französischen Tradition eher von Lexikometrie gesprochen wird, ist der Begriff im angelsächsischen und deutschen Raum weniger bekannt, dort wird stattdessen der Begriff der Korpuslinguistik verwendet (Dzduzek u.a. 2009, 233). Wenngleich aus dieser Perspektive von einer synonymen Verwendung ausgegangen werden könnte, verweisen andere Arbeiten explizit auf Unterschiede zwischen Korpuslinguistik und Lexikometrie (z.B. Scholz und Mattissek 2014, 90). Ein möglicher Unterschied könnte darin gesehen werden, dass der Begriff Lexikometrie konzeptionell stärker an die diskursanalytische Perspektive der französischen Diskursschule anschließt als die allgemeinere Korpuslinguistik. Im Folgenden verwende ich die Begriffe synonym.
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Text enthaltenen Wortformen verlagert« (Scholz und Mattissek 2014, 89) wird. Zum anderen liegt den Verfahren die Annahme zugrunde, »dass unbewusste Prozesse bei der Produktion des Diskurses ablaufen, die nur durch eine Methode zutage gefördert werden können, die einen Text destrukturiert« (Maingueneau 1994, 190). Die Lexikometrie ist somit eine Methode, die von der textlichen Ebene abstrahiert und stattdessen die Form von Wörtern, deren quantitative Verteilung im Korpus sowie deren lexikalische Beziehungen in den Mittelpunkt stellt. Ziel solch eines dekontextualisierenden Verfahrens ist es, »frei vom ›hermeneutischen Reflex‹, der die Lektüre von Texten und Textpassagen bestimmt, kreativ Ideen zu möglichen diskursiven Zusammenhängen einzelner Korpusteile zu entwickeln, die bei einer subjektiven Lektüre möglicherweise verdeckt blieben« (Scholz und Mattissek 2014, 87). Bubenhofer begreift die zu untersuchenden Dokumente als »das sprachlich fassbare Produkt von sozialem Handeln« (Bubenhofer 2009, 4). Damit kann die Analyse der Verwendungsweise von Sprache auch als Analyse gesellschaftlichen Handelns betrachtet werden. Rückschlüsse auf die Gesellschaft werden als möglich erachtet, weil nicht nur der Sprachgebrauch einzelner Texte untersucht wird, sondern der von hunderten oder gar tausenden. Dadurch ist es möglich, innerhalb der Korpora Strukturen sichtbar zu machen, die statistisch auffällig sind und die aufgrund der Korpusgröße durch qualitative Analysen allein nicht erkannt werden würden. Die zu einem bestimmten Zeitpunkt entstehende typische Sprechweise bezeichnet Bubenhofer als sprachliches Muster bzw. als »diskursive Praxis« (ebd. 2009, 32) einer Gesellschaft. Er charakterisiert diese Muster als »Phänomen der Textoberfläche […], als Phänomen rekurrenten, für bestimmte Kontexte typischen Sprachgebrauchs« (ebd. 2009, 17), welches sich in bestimmten Regelmäßigkeiten, Häufungen und spezifischen Verknüpfungen lexikalischer Elemente zeigt und mit Hilfe lexikometrischer Verfahren herausgearbeitet werden kann. Dabei betont Bubenhofer, dass sprachliche Muster stets konstruiert sind und »[j]eder Zeichenkomplex […] in einer bestimmten Situation die Funktion eines Musters übernehmen« (ebd. 2009, 23) kann. Solche Muster werden im alltäglichen Sprachgebrauch kaum bemerkt, aber auf der analytischen Ebene kann solch ein »typische[r], oder eben: musterhafte[r] Sprachgebrauch sichtbar« (ebd. 2009, 24) gemacht werden. Gerade aus einer poststrukturalistischen Perspektive erscheinen damit lexikometrische Verfahren geeignet, um übergeordnete gesellschaftliche Wissensordnungen und Bedeutungsmuster um Stadtentwicklung und Klimawandel herauszuarbeiten, die sich durch die Aussage Vieler an unterschiedlichen Stellen herausgebildet haben sowie deren Wandel. Sinn und Wissen werden dabei nicht als Ergebnis intentionalen Handelns Einzelner verstanden, sondern als diskursi-
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ver Effekt »der regelmäßig hergestellten Beziehungen zwischen sprachlichen Elementen« (Mattissek, Pfaffenbach und Reuber 2013, 272). Seit einiger Zeit werden auch im Bereich der humangeographischen Diskursforschung lexikometrische Verfahren angewandt (u.a. Mattissek 2008; Dzudzek 2013; Griesinger und Probst 2017; Mattissek und Schopper 2018) und auch die aktuellen Diskussionen um Big Data und Digitale Geographien lassen neue Anwendungsfelder lexikometrischer bzw. korpuslinguistischer Analysen erkennen (Glasze 2016; Creutziger 2018; Wiertz 2018).
4.2 MIKROPERSPEKTIVE: AUSSAGENANALYSE ALS QUALITATIVE METHODE DER DISKURSANALYSE Nachdem in den 1970er Jahren der Fokus sehr stark auf korpusanalytische Verfahren der Textanalyse gerichtet wurde, setzte sich Ende der 1970er Jahre in der kritischen Auseinandersetzung mit diesen Analyseformen in den französischen Sprachwissenschaften die pragmatische Wende durch (Angermüller 2007, 110). Die strikte Trennung zwischen Text und Kontext wurde wieder infrage gestellt. Die Perspektive verschob sich und es wurde zunehmend dafür plädiert, nicht nur die formalen Strukturen der vom Kontext abstrahierten Texte zu untersuchen, sondern vielmehr den Gebrauch der Sprache im Diskurs, also innerhalb ihrer spezifischen Äußerungskontexte. Als »Atom« und »Grundeinheit des Diskurses« (Foucault 1994a, 117) definiert Foucault die Aussage, die in Äußerungen (énonciations) hervorgebracht wird. Im Sinne der französischen Tradition der Diskurspragmatik bezeichnet eine Äußerung »ein nicht direkt beobachtbares, das heißt nur über die formale Organisation seines textualen Produkts zu erschließendes Ereignis, eine diskursive Praxis, einen Akt des Sprachgebrauchs« (Angermüller 2010, 80). Damit gemeint ist, dass Sprechende in Äußerungen ihre formalen Spuren hinterlassen (Maingueneau 1993), denen mithilfe der Aussagenanalyse nachgegangen werden kann. Im Gegensatz zur Inhaltsanalyse steht dabei allerdings nicht die Interpretation der Aussagen im Mittelpunkt, sondern vielmehr die Frage, wie diese miteinander organisiert werden, damit eine spezifische diskursive Ordnung entsteht; wie also werden die Lesenden der Aussage mit dem jeweiligen Kontext in Verbindung gebracht, um einen spezifischen Sinn des Gesagten entstehen zu lassen. »Die enunziative Analyse zielt weder auf die Dechiffrierung eines zu Grunde liegenden Regelapparats noch auf die interpretative Rekonstruktion von Sinn. Sie beansprucht, die Aussagen des Diskurses in ihrer ›Positivität‹ zu betrachten, als ›gesagte Dinge‹, hinter de-
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ren opaker Oberfläche kein Sinn darauf wartet, verstanden zu werden« (Angermüller 2007, 115).
Die in den Aussagen ›sichtbaren‹ Sprechenden werden jedoch nicht als Individuen bezeichnet, sondern als »Sprechinstanzen« (ebd. 2014, 127), die durch die Äußerungen mobilisiert werden. Die Unterscheidung der Sprecher in den Aussagen basiert auf dem Polyphonieansatz Oswald Ducrots (1984). Die Sprechinstanz, die die Aussage hervorbringt, wird als Lokutor bezeichnet. In dieser Arbeit ist der Lokutor der bzw. die Interviewte oder die Herausgebenden eines städtischen Berichts. Der Lokutor verweist durch lexikalische Marker auf andere Stimmen, die Ducrot als Enunziatoren (énonciateurs) (1984, 193) bezeichnet. Zu diesen Stimmen positioniert sich der Lokutor, indem er sich deren Aussagen zu eigen macht oder sie abweist. Die Diskursteilnehmer*innen setzen diese Instanzen im Sprechen und Schreiben auf eine bestimmte Art und Weise zueinander in Beziehungen. Die Komplexität dieser Stimmen wird dabei auf einige zentrale Subjektpositionen reduziert, die sich im Laufe der Zeit verfestigen können. Angermüller bezeichnet daher den Diskurs als permanente »Positionierungspraxis […] in der mit in sich verschachtelten Sprechern operiert wird, und zwar mit expliziten und impliziten, indexikalischen und benannten, mit sprechenden und besprochenen Sprechern« (Angermüller 2014, 129). Das Wissen über die Subjektpositionen entsteht dabei als interpretative Leistung der Leser*innen. Das heißt, die »im Text verstreuten formalen Marker und Spuren« (Angermüller 2010, 86) mobilisieren ein bestimmtes Hintergrundwissen, mit dem die Subjektpositionen verknüpft werden (ebd. 2010, 85 f.). Diskurse sind deshalb auch »als das Produkt der Verbindung von Texten und Kontexten« (ebd. 2010, 80) zu begreifen. Indem den lexikalischen Markern gefolgt wird, ist es möglich, den zahlreichen heterogenen Stimmen nachzuspüren, die im Gesagten stets mitschwingen und durch den Lokutor orchestriert und in Beziehung zueinander gesetzt werden. Mit Blick auf die hier zugrundeliegende Forschungsfrage nach der Unterschiedlichkeit im Umgang mit Klimawandel und den Bewertungen der jeweiligen Klimapolitiken ist deshalb insbesondere die Aussagenanalyse geeignet, um die heterogenen Sichtweisen in den Blick nehmen zu können ebenso wie die damit einhergehenden Konflikte und Widerstände. Vor diesem Hintergrund knüpft die Aussagenanalyse direkt an eine poststrukturalistische Denkweise an, der zufolge es nicht nur eine Bedeutung gibt. Denn Sinn ist kontingent und wird im »Zusammenspiel sprachlicher (materialer) Formen und dem jeweiligen interpretativen Kontext immer wieder aufs Neue hervorgebracht« (Mattissek 2009, 280). Dementsprechend werden auch Ziele in
Methodische Umsetzung | 65
der Stadtentwicklung zu unterschiedlichen Zeiten in den jeweiligen Kontexten unterschiedlich bewertet.
4.3 ERHEBUNG DER QUANTITATIVEN UND QUALITATIVEN DATEN 4.3.1 Erstellen der Textkorpora Um den Zusammenhängen zwischen Bundes- und Stadtpolitik nachzugehen, wurden drei Textkorpora erstellt, die den Untersuchungszeitraum von 1997 bis 2015 umfassen. Das Jahr 1997 wurde gewählt, da in diesem Jahr 167 Staaten das Kyoto-Protokoll unterzeichneten, was als Zäsur der Klimapolitik verstanden werden kann. Bundespolitische Diskurse: Das Korpus des bundespolitischen Stadtentwicklungsdiskurses besteht aus Publikationen des (damaligen) Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS7), des dazugehörigen Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung (BBR) sowie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR8). Diese Institutionen veröffentlichen zum einen Berichte zur Stadtentwicklung (z.B. Nationalberichte, Berichte des BBSR oder der Bundesregierung), Dokumentationen (z.B. zu stadtentwicklungspolitischen Kongressen, Tagungen und Wettbewerben), Handlungsstrategiepapiere und -konzepte sowie Handlungsleitfäden der Stadtentwicklung. Zum anderen stehen konkrete Schriftenreihen zur Stadtentwicklung zur Verfügung9.
7
Das BMVBS wurde nach dem Regierungswechsel 2013 umstrukturiert. Dabei wurden die Aufgaben sowohl auf das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) als auch auf das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) verteilt. Die Schriftenreihen wurden beibehalten.
8
Das BBR ist 1998 aus der Fusion der zwei bis dahin selbständigen nachgeordneten Behörden des Bundesbauministeriums hervorgegangen – der Bundesbaudirektion und der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung (BfLR). Das BBSR wurde 2009 gegründet und entstand aus der Zusammenfassung des Wissenschaftlichen Bereichs des BBR unter Integration des Instituts für die Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken e.V.
9
Konkret handelt es sich um folgende Publikationsreihen: BBR und BBSR-Berichte Kompakt; BMVBS-Online-Publikationen; Werkstatt: Praxis sowie Sonderveröffentlichungen. Verfügbar unter: http://www.bbsr.bund.de/cln_032/nn_21686/BBSR/DE/ Veroeffentlichungen/BMVBS/bmvbs.html [10.07.2017].
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Ausgewählt wurden die Dokumente, die sich auf Stadtentwicklung in Deutschland beziehen, nicht aber auf internationale Beispiele. Eine thematische Einschränkung auf Artikel, die explizit Klimawandel in der Stadtentwicklung berücksichtigen, gab es nicht. So war es möglich herauszuarbeiten, welche Rolle Umwelt, Klima bzw. Klimawandel innerhalb der bundespolitischen Stadtentwicklungsdiskurse spielen. Das BMVBS steht für eine zentrale Institution der nationalen Stadtentwicklungspolitik und präsentiert damit ein Feld des Sagbaren in Bezug auf die Bedeutung des Klimawandels in der Stadtentwicklung. Die in den Veröffentlichungen getroffenen Aussagen reproduzieren die diskursive Ordnung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Sie können damit als Repräsentationssystem von Normen und Werten bundespolitischer Stadtentwicklungsdiskurse verstanden werden, in denen gesellschaftliche Sichtweisen um Stadtentwicklung und deren Veränderungen sichtbar werden. Insgesamt wurden 215 Texte (4.983.263 Wörter) untersucht10. Diese Texte wurden nach ihrem inhaltlichen Schwerpunkt differenziert in Dokumente, die im Titel bzw. im Inhaltsverzeichnis explizit den Bezug zu Themen um Umwelt und Klima herstellen und Dokumente, die allgemein städtebauliche Themen adressieren. Die folgende Abbildung (Abb. 2) zeigt, dass der Umfang an Publikationen sowohl insgesamt als auch mit Blick auf das Thema Klima und Stadt ab 2009 deutlich zunimmt. Abbildung 2: Anzahl der bundespolitischen Dokumente im Untersuchungszeitraum pro Jahr 35
Anzahl der Dokumente
30 25 18
20 15
14
16
18
21
25
20
10 5 0
12 12 6 7 6 6 3 5 2 4 1 3 2 2 1 1 1 1 1 0 0 0 0 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2 3
Dokumente mit "Klima"-Bezug
Dokumente ohne "Klima"-Bezug
Quelle: eigene Darstellung
10 Englischsprachige Textteile wie z.B. abstracts, das Impressum sowie Abbildungs- und Tabellenverzeichnisse wurden aus den Texten entfernt.
Methodische Umsetzung | 67
Im Mittelpunkt der quantitativen Analysen steht die Frage, welche Diskurse um Klimawandel sich innerhalb der bundespolitischen Dokumente seit 1997 etabliert haben. Dabei geht es insbesondere darum, mit welchen gesellschaftspolitischen Themen und Ereignissen Klima bzw. Klimawandel verknüpft und welche Handlungsweisen als notwendig und wünschenswert formuliert werden. Kommunalpolitische Diskurse: Der Stadtrat steht als kommunale Volksvertretung für eine zentrale Institution der Stadt und ist eine wichtige politische Aushandlungsarena. Die dort eingebrachten Vorlagen und Anträge reproduzieren ebenfalls gesellschaftliche Sichtweisen und deren Veränderungen. Deshalb wurde in den beiden Städten Münster und Dresden jeweils ein Textkorpus erstellt, welches aus politischen Beschlussvorlagen und Anträgen besteht, die in den Stadtrat eingebracht und dort verhandelt wurden. Die älteren Stadtratsbeschlussvorlagen des Zeitraums 1997 bis 2004 bzw. 2009 wurden zunächst in den Archiven von Münster und Dresden erhoben und digitalisiert; alle weiteren Vorlagen waren online über die jeweiligen Ratsinformationssysteme11 verfügbar. Während die Fraktionen der Parteien Anträge an den Stadtrat stellen, erstellt die Verwaltung Beschlussvorlagen – entweder auf eigene Initiative oder auf Anweisung durch den Stadtrat. Der Aufbau der Beschlussvorlagen unterscheidet sich in Münster und Dresden insofern, als dass es in Dresden Wortprotokolle der Stadtratsdiskussionen gibt und in Münster nicht. Um eine Vergleichbarkeit und Einheitlichkeit der Dokumente herzustellen, wurde jeweils die Zusammenfassung des zu beschließenden Gegenstandes sowie die dazugehörige Begründung erfasst – Wortprotokolle nicht. In Münster sind 1.197 Texte (1.093.933 Wörter) in das Korpus eingegangen, in Dresden 656 (713.036 Wörter). Ausgewählt wurden die Dokumente, die sich unmittelbar auf Fragen der Stadtentwicklung und Umwelt- bzw. Klimapolitik beziehen. Nicht berücksichtigt wurden dagegen Vorlagen, die sich mit Fragen der Verwaltung oder der Finanzen befasst haben (Tab. 1).
11 Für
Dresden
unter:
http://ratsinfo.dresden.de/infobi.php;
für
Münster
https://www.stadt-muenster.de/sessionnet/sessionnetbi/infobi.php [29.5.2018].
unter:
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Tabelle 1: Anzahl der kommunalpolitischen Dokumente von Dresden und Münster im Untersuchungszeitraum pro Jahr Münster
Dresden
1997
56
48
1998
65
56
1999
72
48
2000
65
21
2001
112
47
2002
75
27
2003
92
40
2004
74
31
2005
64
27
2006
75
46
2007
52
23
2008
50
39
2009
55
35
2010
47
31
2011
67
25
2012
53
30
2013
45
29
2014
30
25
2015
48
28
Gesamt
1197
656
Quelle: eigene Darstellung
Die Analysen der kommunalpolitischen Dokumente zeigen, inwieweit die formulierten bundespolitischen Prioritäten zur Klimapolitik in den Untersuchungsstädten aufgegriffen und transformiert werden. Konkret wird zum einen gefragt, welche gesellschaftlichen Entwicklungen in der Stadtentwicklungspolitik jeweils als relevant und legitim gelten und welche Rolle Klimawandel dabei zugewiesen wird. Zum anderen geht es auch hier darum, wie sich die Prioritäten in den städtischen Kontexten über die Zeit verändern. An dieser Stelle soll auf die Besonderheit von Beschlussvorlagen als Datenmaterial hingewiesen werden. Während z.B. in Zeitungsartikeln regelmäßig Themen aufgegriffen und diskutiert werden, sind diese in Stadtratsdiskussionen häufig nicht mehr präsent, nachdem politische Beschlüsse dazu gefasst wurden. Die Kontrolle der Umsetzung von Beschlüssen wird erst in größeren zeitlichen Abständen eingefordert. Dementsprechend sind auch die Ergebnisse der Analy-
Methodische Umsetzung | 69
sen zu interpretierten. Das heißt, eine geringe Frequenz von Begriffen ist nicht per se mit einer fehlenden Bedeutung des Themas innerhalb der politischen Diskurse gleichzusetzen. Um dies zu kontextualisieren, wurden weitere Materialien herangezogen und Interviews mit politischen Akteur*innen und Mitarbeiter*innen der Verwaltung durchgeführt. Insgesamt handelt es sich bei allen drei Textkorpora um geschlossene Korpora: Die Anzahl der eingegangenen Textteile wurde klar abgegrenzt und im Laufe der Untersuchung nicht mehr verändert. Zudem wurden die einzelnen Texte mit Metadaten versehen, die jeweils auf das Jahr und die Herkunft des Textes verweisen. 4.3.2 Durchführung der Interviews Stadtpolitik ist verbunden mit zahlreichen konflikthaften Aushandlungsprozessen. Um die Konflikte und Widerstände herausarbeiten zu können, die mit dem politischen Handlungsfeld Klima verbunden sind, wurden insgesamt 20 Interviews durchgeführt: mit politischen Vertreter*innen des Rates der Städte Münster und Dresden, mit Mitarbeiter*innen der Stadt- bzw. der Umweltverwaltungen sowie mit gesellschaftlichen Akteur*innen. Dafür wurde jeweils ein Stadtrat bzw. eine Stadträtin pro Parteifraktion (SPD, CDU, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen sowie FDP) ausgewählt, der bzw. die idealerweise umweltpolitische*r Sprecher*in sein sollte. Sichtweisen der Stadträt*innen spiegeln gesellschaftliche Sichtweisen um Stadtentwicklung und Klimapolitik wider und geben Hinweise auf unterschiedliche Rollen und Positionierungen der jeweiligen Parteien. Die befragten Mitarbeiter*innen der Verwaltungen sind die Leiterinnen der Institutionen, die innerhalb der Stadt dafür zuständig sind, Maßnahmen des Klimaschutzes zu generieren und umzusetzen. Das ist in Dresden der Klimaschutzstab bzw. in Münster die Koordinierungsstelle für Energie und Klima (Klenko12). Während es darüber hinaus in Dresden möglich war, auch Gespräche mit Mitarbeiter*innen aus dem Stadtplanungsamt bzw. dem Leiter des Umweltamtes zu führen, war dies in Münster nicht möglich. Alle dortigen Anfragen an Verwaltungsmitarbeiter*innen zum Thema Klima wurden stets an die Leiterin der Klenko verwiesen.13 Die Gespräche wurden als leitfadengestützte Interviews durchgeführt: Den Interviewpartner*innen wurden durch Fragen Impulse gegeben und das Ge-
12 Die Ergebnisse des Interviews sind in die Arbeit eingeflossen, eine wörtliche Widergabe der Aussagen wurde nicht abgelehnt. 13 Die Namen der Gesprächspartner*innen werden im Text anonymisiert.
70 | Klimapolitik in der Stadtentwicklung
spräch auf diese Weise gelenkt. Gleichzeitig wurde bewusst ein möglichst großer Freiraum für Gedanken und Themen der Befragten gelassen (vgl. u.a. Lamnek 2010; Mayring 2002; Helfferich 2014). Die Gespräche dauerten zwischen ein und zwei Stunden. Der Leitfaden wurde entlang der theoretischen Prämissen entwickelt. Das heißt, anknüpfend an die Diskurs- und Gouvernementalitätstheorie sowie die Betrachtungsweise der Urban Policy Mobility richteten sich die Fragen auf Problematisierungen und Rollenzuschreibungen innerhalb der Stadtentwicklung sowie auf die Bedeutung bestehender Regierungstechnologien. Dabei ging es auch um alternative Ziele und Handlungsrationalitäten städtischer Entscheidungsträger*innen und Praktiken, mit denen die vorherrschenden Sichtweisen um Klimawandel infrage gestellt bzw. abgelehnt werden. Darüber hinaus wurden Berichte der Städte Münster und Dresden ausgewertet. Auch die dort formulierten Ziele können als gesellschaftlich etablierte Sichtweisen der jeweiligen Stadtentwicklung verstanden werden, die eine normative Grundlage der täglichen planerischen und politischen Entscheidungs- und Handlungspraktiken liefern. Dazu gehören für Dresden das »Integrierte Stadtentwicklungskonzept« (Landeshauptstadt Dresden 2002; 2016b), der zweite (ebd. 2004) sowie der dritte Klimabericht (ebd. 2007) und das »Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept« (2013). Die städtischen Berichte in Münster umfassen das »Integrierte Stadtentwicklungs- und Stadtmarketingkonzept« (Stadt Münster 2004), den »Nachhaltigkeitsbericht« (ebd. 2003), das »Klimaschutzkonzept 2020« (ebd. 2009) sowie den »Masterplan 100 % Klimaschutz« (ebd. 2017). Zudem wurden Materialien berücksichtigt wie politische Positionspapiere und Wahlprogramme der Parteien, Broschüren über die Städte, Websites und Dokumentationen relevanter städtischer Veranstaltungen. Diese Materialien dienten dazu, die Erkenntnisse zu festigen bzw. gegebenenfalls weitere Aspekte zu berücksichtigen.
4.4 QUANTITATIVE UND QUALITATIVE VERFAHREN DER DISKURSANALYSE 4.4.1 Korpuslinguistische Verfahren der Diskursanalyse Grundsätzlich lassen sich in der Korpuslinguistik zwei Herangehensweisen unterscheiden: corpus-based und corpus-driven. Corpus-based bedeutet, dass die Analysekategorien bereits vor der Untersuchung feststehen und in erster Linie Hypothesen mithilfe des Korpus geprüft werden. Dagegen werden die Kategorien bei einem corpus-driven Ansatz »strikt aus den empirischen Beobachtun-
Methodische Umsetzung | 71
gen« (Bubenhofer 2009, 17) hergeleitet. Damit – und das ist der große Mehrwert dieser induktiven Vorgehensweise – »geraten häufig Evidenzen in den Fokus, die entweder quer zu den vorher existierenden Erwartungen stehen und die Grundlage für neue Hypothesen sind oder im besten Fall sogar solche Evidenzen, die die Bildung neuer interpretativer linguistischer Analysekategorien nahelegen« (Scharloth, Eugster und Bubenhofer 2013, 348). In der empirischen Arbeit ist meist eine Verknüpfung beider Ansätze zu finden. Ein völlig freies Herangehen ist unwahrscheinlich, da aufgrund der Auseinandersetzung mit dem Forschungsgebiet Hypothesen und Annahmen bereits vorhanden sind. Gleichwohl wird der Blick geöffnet für weitere sprachliche Muster, die nicht erwartet werden. Auf diese Weise sind auch Brüche in den Diskursen auffindbar, die sich z.B. in neuen lexikalischen Verknüpfungen widerspiegeln. Die drei erstellten Textkorpora wurden mithilfe von Computerprogrammen, denen unterschiedliche mathematisch-statistische Methoden zugrunde liegen, ausgewertet. Zunächst wurde das Programm Lexiko 3 verwendet. Ein Programm, welches bereits in bisherigen geographischen Arbeiten angewandt wurde, jedoch in seinen Möglichkeiten, große Textmengen zu verarbeiten, begrenzt ist. Aufgrund neuerer Erkenntnisse ist es zu einem späteren Zeitpunkt der Arbeit möglich geworden, die Open Source-Software Corpus Workbench (Evert and Hardie 2011) als Online-Plattform auf dem Server der Universität Freiburg14 nutzen zu können (Wiertz 2018).15 Dabei wurden insbesondere drei Verfahren angewandt – die Frequenzanalyse, die Keyword-Analyse und die Kookkurrenzanalyse – die im Folgenden vorgestellt werden: Die Frequenzanalyse ist eine Methode der deskriptiven Statistik. Sie ermöglicht es, Aussagen über die absolute und relative Häufigkeiten von Wörtern, aber auch von Wortgruppen zu erhalten.16 Diese Häufigkeiten können dann bspw. im zeitlichen Verlauf ausgewertet werden. Damit können u.a. Erkenntnisse darüber gewonnen werden, welche Begriffe innerhalb der kommunalen Debatten verwendet werden und wie sich deren Häufigkeiten über die Zeit verändern. Mit Wortgruppen ist gemeint, dass z.B. alle Wörter mit dem Wortstamm *klima* zu einer Wortgruppe zusammengefasst werden. Die Grundform eines Wortes wird auch als Lemma bezeichnet (z.B. ist ›Risiko‹ die Wortgrundform für ›Risiken‹).
14 Siehe unter: https://diskurs.geographie.uni-freiburg.de/ [1.6.2018]. 15 Für detaillierte Angaben dazu, wie digitale Textkorpora aus analogen Dokumenten entstehen, vgl. u.a. Wiertz 2018, 54. 16 Möglich ist ebenso die Analyse von Mehrworteinheiten, die auch als N-Gramme bezeichnet werden. Gemeint sind damit Verbindungen von Wörtern wie z.B. *erneuerbare Energien*.
72 | Klimapolitik in der Stadtentwicklung
Zu den Frequenzanalysen zählen auch die Keyword-Analysen. Dabei werden Frequenzlisten zweier Subkorpora – bspw. unterschiedlicher Jahre oder Textgenres – miteinander verglichen. Die Analysen zeigen, welche lexikalischen Elemente für die jeweiligen Teile des Korpus typisch bzw. nicht typisch sind. Sie basieren auf Berechnungen, die ermitteln, welche Wörter statistisch über- bzw. unterrepräsentiert sind.17 Die Ergebnisse geben z.B. Auskunft darüber, durch welche Begriffe der Stadtentwicklungsdiskurs der Bundesregierung im Jahr 2000 im Vergleich zum Jahr 2007 charakterisiert werden kann oder welche Begriffe in den Stadtratsdebatten Münsters typisch sind im Vergleich zu Dresden. Durch diese vom Korpus ausgehende Verfahrensweise ist es möglich, unabhängig vom thematischen Fokus, sprachliche Muster sichtbar zu machen. Diese können Hinweise darauf geben, welche Themen innerhalb der Stadtentwicklung auftreten und welche nicht und wie sich dies im Laufe der Zeit verändert. Um weitere sprachliche Muster zu analysieren, bieten Kookkurrenzanalysen18 ein hilfreiches Werkzeug, um Wortumgebungen zu untersuchen. Diese arbeiten heraus, welche Wörter bzw. Wortverbindungen überdurchschnittlich häufig in der Umgebung eines Schlüsselwortes auftreten. Das ist insofern interessant, als dass sich die Art und Weise des Gebrauchs von Wörtern vor allem in der sich wiederholenden Struktur der sprachlichen Einheiten zeigt (Lemnitzer und Zinsmeister 2006, 147 f.). Die Umgebung des Wortes kann als Satz, als Abschnitt oder als eine bestimmte Anzahl von Wörtern definiert werden, die vor bzw. nach dem Schlüsselwort zu berücksichtigen sind. Die Gesamtheit dieser Umgebungseinheiten bildet das Subkorpus, das mit dem Gesamtkorpus verglichen wird. Der Mehrwert von Kookkurrenzanalysen liegt vor allem in der Kontextualisierung von Wörtern, denn die Bedeutung eines Wortes erschließt sich nicht durch seine isolierte Betrachtung, sondern muss zu anderen Textelementen in Beziehung gesetzt werden. Damit können Untersuchungen typischer Verknüpfungen auf semantische Felder verweisen, die innerhalb des Stadtentwicklungs-
17 Für detailliertere Ausführungen dazu siehe Dzudzek, Mattissek und Schirmel 2009, 243. 18 Zur näheren Debatte um die terminologischen Schwierigkeiten der Differenzierung zwischen »Kollokation« und »Kookkurrenz« vgl. Bubenhofer 2009, 111 ff. Bubenhofer löst das Problem für seine Arbeit wie folgt: »Unter ›Kollokationen‹ verstehe ich statistisch auffällige Kookkurrenzen. Das Plus von Kollokationen gegenüber Kookkurrenzen liegt also nur im statistischen Maß der überzufälligen Kombination. Kookkurrenzen beschreiben demnach in einem Syntagma aufeinandertreffende Wörter, von denen nicht weiter bekannt ist, ob ihre Verbindung statistisch signifikant oder überhaupt besonders frequent ist« (ebd. 2009, 122).
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diskurses allgemein und in Verbindung mit Klimawandel im Besonderen relevant sind. Den Programmen Lexiko 3 und Corpus Workbench liegen unterschiedliche Verfahren der Signifikanztests zugrunde. Die Analysen in Lexiko 3 erfolgen mithilfe des ced-Wertes (characteristic element diagnostic) (vgl. Lebhart u.a. 1998, 135). Dieser Wert ist ein Maß für die Unwahrscheinlichkeit einer auftretenden Beobachtung. Das heißt, »je größer er ausfällt, desto unwahrscheinlicher ist es, dass die beobachtete Häufung von Wörtern rein zufällig ist« (Mattissek 2008, 127). Für die Analysen der Corpus Workbench können unterschiedliche Signifikanzmaße ausgewählt werden. In dieser Arbeit wurde der log-likelihoodIndex verwendet, ein Maß, »mit dem die Abweichung der zufälligen Verteilung […] von der beobachteten Verteilung ausgedrückt wird« (Institut für Deutsche Sprache 2004). Mit anderen Worten: Mit Blick auf die absolute Anzahl der Wörter im Gesamtkorpus wird die erwartete Häufigkeit für das Subkorpus berechnet. Diese wird mit der beobachteten Häufigkeit im Teilkorpus ins Verhältnis gesetzt. Daraus wird berechnet, ob das Wort über- oder unterrepräsentiert ist. Dem loglikelihood-Wert liegt die Chi-Quadrat-Funktion zugrunde. Er gibt an, ob die beobachteten Begriffe innerhalb des Subkorpus zufällig zusammen auftreten oder nicht19. Der Wert sagt jedoch nichts über die Exklusivität, also über die Stärke des Zusammenhangs aus. Je größer der Wert, desto unwahrscheinlicher ist eine rein zufällige Verteilung der Wörter. Wenngleich mit diesen Verfahren die quantitative Analyse der Textoberfläche im Vordergrund steht, ermöglicht es die Nutzung der Corpus Workbench auch auf die untersuchten Textstellen zuzugreifen. So können die quantitativen Verfahren direkt mit qualitativen Verfahren verbunden und die lexikalischen Verknüpfungen wieder kontextualisiert werden. Während die Kookkurrenzanalyse zunächst semantische Verbindungen offenlegt, liefert der direkte Zugriff auf die relevanten Textstellen im Korpus Hinweise auf die Art der Verbindung dazu. Diese Hinweise können wiederum Ausgangspunkt sein für weitere quantitative Analysen. Trotz dieser Verknüpfungen zum Kontext zeigen sich die Grenzen korpuslinguistischer Verfahren, wenn es um die Analyse von Bedeutungen geht. Die Erkenntnisse, dass bestimmte lexikalische Elemente signifikant häufig zusam-
19 Für die Berechnung der Grenzen des log-likelihood-Wertes, anhand derer Wörter als signifikant oder nicht signifikant interpretiert werden können, stehen Tabellen der Chi-Quadrat-Verteilung zur Verfügung, z.B.: http://www.crashkurs-statistik.de/ tabelle-chi-quadrat-verteilung/ [23.5.2018]. Nähere Erläuterungen außerdem z.B. bei Bubenhofer: https://www.bubenhofer.com/korpuslinguistik/kurs/ [23.5.2018].
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men auftreten, ermöglichen darüber hinaus keine Aussagen über deren qualitative Verknüpfung, über die dahinterliegenden Denklogiken, Debatten und Ereignisse und die damit einhergehenden Bedeutungen. Dabei hebt die diskurstheoretische Perspektive gerade die Vieldeutigkeit von Sinn hervor. Um also komplexe sprachliche Zusammenhänge zu untersuchen, die sich bspw. in Ironie, Sarkasmus oder doppelten Verneinungen zeigen und um die Umkämpftheit politischer Sichtweisen offenzulegen, bedarf es ergänzend dazu qualitativer Verfahren, die im Folgenden vorgestellt werden (vgl. dazu auch Linnemann 2014). 4.4.2 Kodierung von Themen und Subjektpositionen Die kommunalen Berichte und Interviewtranskripte sind in ihrem Umfang zu gering, als dass diese quantitativ analysiert werden könnten. Um explorativ Sinnzusammenhänge zu erschließen und damit der Frage nachzugehen, welche Themen dort als relevant erachtet werden, wurden die Texte zunächst mithilfe des Programm MaxQDA kodiert. Das Verfahren ist keine explizite diskursanalytische Methode, sondern kann als »Praxis der Sinnrekonstruktion« verstanden werden, das heißt, es trägt dazu bei, »Wissen über einen größeren Diskurszusammenhang zu erweitern« (Angermüller 2014, 123). Die thematischen Codes wurden zum einen aus der Forschungsfrage abgeleitet. Sie verweisen auf die jeweiligen Problematisierungen, Forderungen, Problemlösungsstrategien und Subjektpositionen. Diese Codes können als zentrale Dimensionen verstanden werden, die zum anderen durch ein induktives, also vom Material ausgehendes Kodieren erweitert und differenziert wurden. Die codierten Textstellen und Aussagen der Interviewten wurden im Anschluss daran miteinander verglichen. Dadurch wurden Erkenntnisse über Themen und Konflikte um Stadtentwicklung und Klimawandel in den jeweiligen Kontexten von Bundes- und Kommunalpolitik gewonnen. Die für die Fragestellung relevanten Textstellen wurden im Anschluss daran aussagenanalytisch untersucht. Wie im folgenden Kapitel deutlich werden wird, zeigen sich die formalen Spuren und Hinweise auf die vielfältigen Stimmen durch unterschiedliche Äußerungspartikel wie z.B. Deiktika. Dabei bietet es sich an, auch Zeigewörter wie z.B. ›aber‹, ›deswegen‹ oder ›weil‹ zu kodieren, um das Erkennen entsprechender Textstellen zu erleichtern – vor allem visuell.
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4.4.3 Aussagenanalyseverfahren zur Untersuchung diskursiver Vielfältigkeit Nachdem mit den lexikometrischen Verfahren übergeordnete sprachliche Muster in den bundes- und kommunalpolitischen Stadtentwicklungsdiskursen deutlich gemacht und mithilfe des Kodierens der transkribierten Interviewtexte und städtischen Berichte zentrale Themen und Subjektpositionen herausgearbeitet werden können, nimmt die Aussagenanalyse nun die Ebene einzelner Aussagen in den Blick. Sie interessiert sich für Ausdrucksformen, die die einzelne Aussage mit ihrem Kontext in Verbindung setzen. Damit lenkt sie den Blick des Forschenden auf die Vielstimmigkeit und Umkämpftheit von Sichtweisen und ermöglicht es, die Aussage mit größeren diskursiven Zusammenhängen zu verbinden (Mattissek 2009, 282 ff.). Dabei stehen insbesondere drei Dimensionen von sprachlichen Ausdrücken im Mittelpunkt des Interesses, die auch in dieser Arbeit angewandt wurden (vgl. Mattissek 2007, 130 ff.; Angermüller 2007, 139 ff.): 1) Deiktika: Deiktika sind Zeigewörter, die auf zeitliche, räumliche sowie personale Kontexte verweisen. Zeitliche Deiktika wie z.B. ›damals‹, ›heute‹, ›nie‹ usw. ermöglichen es, das Gesagte zeitlich zu strukturieren und liefern dadurch wichtige Hinweise auf mögliche Veränderungen gesellschaftlicher Sichtweisen und Machtverhältnisse. Darüber hinaus gibt es Äußerungsformen wie ›dort‹ und ›hier‹, aber auch Eigennamen, die auf räumliche Kontexte verweisen. So wird im Vergleich der beiden Städte immer wieder zwischen einem ›hier‹ und ›dort‹ unterschieden und jeweils mit Charakterisierungen und Erklärungen verknüpft. Diese Verbindungen geben zudem Hinweise auf die jeweiligen räumlichen Identitäten innerhalb städtischer Diskurse. Pronomen wie z.B. ›sie‹, ›man‹ oder ›ihr‹ verweisen darüber hinaus auf andere Positionen und Sprecher. 2) Polyphonie: Während Deiktika die Aussage mit konkreten Kontexten einer bestimmten Zeit und eines Raumes verknüpfen und damit die Mehrdeutigkeit in der Verbindung von Text und Kontext herstellen (Mattissek 2009, 286), verweisen polyphone Marker auf die Heterogenität der Stimmen innerhalb der Aussagen und setzen den Lokutor selbst in Bezug zum Gesagten. Polyphone Marker sind Verbindungswörter wie ›auch‹, ›jedoch‹, ›aber‹, ›vielleicht‹ usw. Sie ermöglichen es, die unterschiedlich zutage tretenden Stimmen in ein »argumentatives Verhältnis zueinander« (Angermüller 2007, 128) zu setzen. Zudem gibt es zahlreiche verneinende Marker wie ›nein‹, ›niemals‹ oder ›kein‹. Im Sinne der Theorie der Verneinung repräsentieren diese Marker eine Sichtweise, die vom Lokutor zurückgewiesen wird. Um etwas zu verneinen, muss dennoch auch der positive Inhalt, also die abgelehnte Perspektive, gesagt werden (ebd. 2007,
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148). So steht z.B. die Aussage, ›es gibt keinen anthropogenen Klimawandel‹, zum einen für eine Sichtweise, wonach es einen durch den Menschen verursachten Klimawandel gibt. Zum anderen weist der Lokutor durch die Verwendung des Wortes ›keinen‹ diese Perspektive zurück und lehnt sie ab. Aber auch eine indirekte Rede oder der Gebrauch von Ironie weisen auf die Polyphonie der Aussagen hin (ebd. 2007, 148). Da hier oft die Gefahr besteht, eine ironische Sprechweise zu übersehen, kommen an dieser Stelle auch andere Merkmale wie eine sprachliche Hervorhebung durch eine bestimmte Intonation des Gesagten oder nicht-sprachliche Merkmale wie das Augenrollen hinzu, die entsprechend in den Interviewtranskripten vermerkt werden müssen. 3) Vorkonstrukte: Darüber hinaus verweist das Konzept des Vorkonstruktes darauf, dass Gesagtes immer an bereits Gesagtes anknüpft und damit nicht im leeren Raum existiert. Vorkonstrukte, die auch als »das ›Vorkonstruierte‹« bezeichnet werden können, knüpfen an andere Aussagen an und stehen für »unverhandelbares ›Vorwissen‹« (Angermüller 2007, 110). Dieses Vorwissen wird durch die Aussage mobilisiert und setzt zugleich konkrete Normen und Werte als gegeben voraus, die den Hintergrund der Aussage bilden und kaum mehr hinterfragt werden (Mattissek 2008, 137). Vorkonstrukte können z.B. durch Nominalisierungen erkannt werden, denn auf diese Weise gibt es keinen Enunziator, keine Stimme mehr, der die Verantwortung dafür zugeschrieben werden kann. Mit Blick auf die untersuchten Dokumente des bundespolitischen Stadtentwicklungsdiskurses kann grundsätzlich die Annahme des anthropogenen Klimawandels als Risiko für die Gesellschaft als vorkonstruiertes und nicht mehr hinterfragtes Wissen verstanden werden. Das heißt, dass es den Klimawandel gibt, wird innerhalb des bundespolitischen Stadtentwicklungsdiskurses nicht mehr infrage gestellt. Unsicherheit herrscht dagegen bei der Frage, wie damit umgegangen werden soll. Mit Blick auf die hier vorgestellten quantitativen und qualitativen Verfahren soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass alle Analyseschritte subjektiv und interpretativ sind. Zwar heben einige Arbeiten positiv hervor, dass die Korpuslinguistik den Schritt der Interpretation nach hinten verlegt und die Untersuchungen durch die statistischen Verfahren objektiviert werden. Auch für die Aussagenanalyse wird konstatiert, dass deren Ziel gerade nicht die Interpretation der Aussage ist. Doch schon die Zusammenstellung der Korpora und die Auswahl der Interviewpartner*innen sind interpretative Schritte, mit denen festgelegt wird, welche Ergebnisse erhalten werden können. Darüber hinaus sind die Prozesse der Kategorisierung, der Reduzierung und Gewichtung der Daten ebenso subjektive Verfahren, mit denen Forschende immer wieder darüber entscheiden, auf welche Aspekte der Blick gelenkt wird (Scharloth, Eugster und Buben-
Methodische Umsetzung | 77
hofer 2013). So sind auch die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit, in denen Wirklichkeit einerseits dekonstruiert wird gleichzeitig selbst wieder Teil ihrer Konstruktion (Mattissek, Pfaffenbach und Reuber 2013, 278).
4.5 DIE EIGENE POSITIONALITÄT IM FORSCHUNGSPROZESS Vor allem die Feministische Geographie hat wesentlich dazu beigetragen, die Bedeutung der Reflexion, wie Wissen und Sichtweisen entstehen, in den Vordergrund zu rücken, denn Wissen und vor allem auch geographisches Wissen ist immer situiert (Rose 1997). Die Forderung nach solch einer Kontextualisierung unterstreicht, dass Wissen niemals neutral oder gar universell gültig, sondern immer in einen spezifischen Kontext eingebettet ist und aus diesem heraus entsteht. Forschende sind dazu aufgefordert, ihre eigenen vielfältigen Positionierungen im Rahmen des Forschungsprozesses zu reflektieren und innerhalb des Forschungsprojektes transparent zu machen. England bezeichnet diesen selbstkritischen Prozess auch als eine Art der »Selbstentdeckung« (England 1994, 82), wobei ein »multiples Selbst« sichtbar wird – in Aspekten wie Nationalität, Alter, Geschlecht oder sozio-ökonomischem Status. Denn Forschende sind niemals »all-seeing and all-knowing researcher« (Rose 1997, 305). So möchte ich an dieser Stelle auch meine Position im Diskurs als Forschende offenlegen, denn in Anlehnung an meine theoretischen Ausführungen sind auch meine Positionen Bestandteil und Effekt gesellschaftlicher Diskurse, in denen ich mich verorte. Dementsprechend habe auch ich eine bestimmte Perspektive in der Arbeit eingenommen, aus der die Arbeit erst entstanden ist: Ich lebe seit meiner Geburt mit einer Unterbrechung von vier Jahren in Dresden. Nach dem Studium begann ich mich als wissenschaftliche Mitarbeiterin der TU Dresden thematisch zunehmend mit der kommunalen Stadt- und Klimapolitik in Dresden zu beschäftigen. Gemeinsam mit einem Kollegen führte ich u.a. ein Seminar zur Energiegeographie durch. Außerhalb des universitären Kontextes besuchte ich verschiedene Veranstaltungen zum Klimawandel und der Energiewende. Dabei begegneten mir in den zahlreichen Gesprächen Menschen, die sich in Dresden in Initiativen, aber auch in der Verwaltung und der Politik für Klimaschutzmaßnahmen engagierten, aber in der Umsetzung klimapolitischer Maßnahmen immer wieder an Grenzen gestoßen sind. Sie betrachteten die Dresdner Klimapolitik kritisch und schienen häufig frustriert, weil die klimapolitischen Debatten ›so zäh‹ waren und ›nichts voran ging‹. Ich bezeichne mich selbst als ökologisch interessierten Menschen und erachte eine engagierte Klimapolitik als
78 | Klimapolitik in der Stadtentwicklung
sehr wichtig. So konnte ich einerseits die kritischen Anmerkungen zur Dresdner Klimapolitik nachvollziehen. Andererseits entwickelte sich aus diesen Gesprächen und ersten Beobachtungen der Wunsch, nicht an dem Punkt der normativen Bewertung klimapolitischer Strategien stehenzubleiben, sondern stattdessen den zugrundeliegenden Denk- und Sichtweisen nachzugehen, die zu den jeweils konkreten politischen Entscheidungen und Handlungen führten. Mit dem Ziel, unterschiedliche Umgangsweisen mit Klimapolitiken wissenschaftlich zu analysieren, wählte ich neben Dresden eine zweite Stadt als Fallbeispiel aus. Ich entschied mich für Münster, eine Stadt, die vordergründig in der Klimapolitik sehr aktiv und engagiert ist. Im Laufe des Forschungsprozesses half mir mein Dresdner ›Lokalwissen‹ einerseits, die Verweise in den Aussagen der Interviews zu verknüpfen und zu interpretieren. In Münster hatte ich dieses Hintergrundwissen dagegen nicht. Andererseits ist es jedoch gerade die persönliche Beziehung zu Dresden, die es mir teilweise erschwerte, mit der gebotenen wissenschaftlichen Distanz dem Forschungsfeld zu begegnen, insbesondere deswegen, weil ich in den vergangenen Jahren mit den oft stark konservativ geprägten Politiken Dresdens persönlich unzufrieden war. Zahlreiche Gespräche im Kolleg*innenkreis oder auf Konferenzen ermöglichten mir jedoch kontinuierlich meine Rolle, meine Einstellungen, Bewertungen und Emotionen im Forschungsprozess zu reflektieren und dadurch meinem Material immer wieder offen und mit unterschiedlichen Blickwinkeln zu begegnen. Im Laufe des Forschungsprozesses ist es mir nicht nur empirisch-analytisch, sondern auch persönlich gelungen, ein Verständnis für die Komplexität und Vielfältigkeit unterschiedlicher Sichtweisen in der Klimapolitik zu entwickeln, die zu vielfältigen Prozessen und Entscheidungen führen. Dennoch sind meine persönlichen Erfahrungen eng mit dem Forschungsprozess, der Entwicklung der Forschungsfragen, des Forschungsdesigns, der Materialerhebung und der Auswertung der Daten verwoben – das heißt, die hier formulierten Erkenntnisse entsprechen meiner Perspektive und erheben somit nicht den Anspruch der Allgemeingültigkeit. Sie zeigen stattdessen einen bestimmten Blick auf Argumente, Bedeutungen und Sichtweisen in dem gewählten Ausschnitt der bundes- und kommunalpolitischen Stadtentwicklungsdiskurse und leisten einen Beitrag, die Komplexität der Wirklichkeit und damit auch die Vielschichtigkeit und Umkämpftheit städtischer Politiken zu begreifen. Gleichwohl folge ich mit dieser Arbeit dem Anspruch auf Plausibilität – die hier vorgestellten methodischen Verfahren verfolgen das Ziel, meine Vorgehensweise transparent und nachvollziehbar zu gestalten. Mit dem Verweis auf meine eigene Positionalität offenbare ich, dass auch mein Wissen stets in einen machtvollen Kontext eingebettet ist.
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Fallstudien: Die Städte Münster und Dresden
Für die Untersuchung städtischer Klimapolitiken wurden die Städte Münster und Dresden ausgewählt. Dresden ist die Landeshauptstadt des Bundeslandes Sachsen und zählte Ende 2015 548.800 Einwohner*innen (Hauptwohnsitz in Dresden; Landeshauptstadt Dresden 2018b). Die kreisfreie Stadt Münster gehört zum Bundesland Nordrhein-Westfalen und zählte zu dieser Zeit 310.039 Einwohner*innen (Hauptwohnsitz in Münster; Stadt Münster 2016). Die geographische Lage ist insofern relevant, als dass sie bereits auf unterschiedliche historische Entwicklungspfade verweist, in die die Städte eingebettet sind. Beide Orte gehören zu den 20 größten Städten Deutschlands (Statistisches Bundesamt 2018). Differenziert nach Altersgruppen wird deutlich, dass in Münster der Anteil an Menschen unter 27 bzw. unter 30 Jahren zwar etwas höher und der Anteil älterer Menschen etwas geringer ist, insgesamt sind aber die jeweiligen Altersstrukturen ähnlich (Tab. 2). Tabelle 2: Altersstruktur der Bevölkerung von Dresden und Münster Altersstruktur
Dresden
Münster
0–26 Jahre (Dresden) / 0-29 Jahre (Münster)
28 %
37 %
27–64 Jahre (Dresden / 30-64 Jahre (Münster)
51 %
45 %
>64 Jahre
21 %
18 %
Quelle: Landeshauptstadt Dresden 2015; Stadt Münster 2017c
Beide Städte verzeichnen zudem einen hohen Anteil an CDU-Wähler*innen. Das heißt, der Anteil an Menschen, die insbesondere konservativen Werten zustimmen, ist sowohl in Münster als auch in Dresden hoch, hat jedoch im Vergleich der Kommunalwahlwahlen 1999 und 2014 deutlich abgenommen. Wäh-
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rend in Dresden der Anteil der Stimmen für Die Linke mit etwa 20 % deutlich höher als in Münster ist, wo die Partei eine stark untergeordnete Rolle spielt, sind in Münster die Stimmenanteile für die Sozialdemokraten fast doppelt so hoch. Zudem gingen in Münster mehr Stimmen an das Bündnis 90/Die Grünen als in Dresden (vgl. Abb. 3 und Abb. 4). Abbildung 3: Stimmenanteile der Kommunalwahlen in Dresden zwischen 1999 und 2014 Dresden 45,0
Stimmenanteil (in %)
40,0 35,0 30,0 25,0 20,0 15,0 10,0 5,0 0,0 CDU
SPD
Die Linke 1999
2004
2009
Bündnis 90/Die Grünen
FDP
2014
Quelle: Landeshauptstadt Dresden 2015
Abbildung 4: Stimmenanteile der Kommunalwahlen in Münster zwischen 1999 und 2014 Münster 60,0
Stimmenanteil (in %)
50,0 40,0 30,0 20,0 10,0 0,0 CDU
SPD
Die Linke 1999
Quelle: Stadt Münster 2018c
2004
2009
Bündnis 90/Die Grünen 2014
FDP
Fallstudien | 81
Auch der Blick auf die Struktur der Erwerbstätigen nach Sektoren verweist auf Gemeinsamkeiten beider Städte (Abb. 5). Sowohl Münster als auch Dresden werden als Verwaltungs-, Universitäts- und Tourismusstädte beschrieben. Dementsprechend hoch ist auch der Anteil der Beschäftigten im Dienstleistungsbereich, in dem jeweils über 80 % der Erwerbstätigen beschäftigt sind. Darüber hinaus sind auch die Arbeitslosenquoten beider Städte ähnlich hoch – in Dresden waren 2016 5,6 % (Landeshauptstadt Dresden 2018c) der Menschen im erwerbsfähigen Alter ohne Arbeit, in Münster waren es 5,7 % (Stadt Münster 2017d). Abbildung 5: Anteil der Erwerbstätigen in Münster und Dresden im Jahr 2015 100,0 89,2
Anteil der Erw erbstätigen (in %)
90,0
82,9
80,0 70,0 60,0 50,0
Münster
40,0
Dresden
30,0 20,0 10,0
10,2 0,6
12,1
0,2
0,0 Land- und Forstwirtschaft, Fischerei
Produzierendes Gewerbe
Dienstleistung
Quelle: Stadt Münster 2017d; Landeshauptstadt Dresden 2018d
Deutliche Unterschiede zeigen sich dagegen mit Blick auf den Anteil von Wohneigentum. Münster weist mit 32,4 % eine hohe Rate an selbstgenutztem Wohneigentum auf (Stadt Münster 2017, 29), in Dresden wohnen dagegen nur etwa 16 % der Haushalte im eigenen Haus oder in der eigenen Wohnung (Landeshauptstadt Dresden 2016c, 14). 16 % der zur Miete Wohnenden haben eine Wohnung bei einem der Großvermieter (WOBA/Gagfah/Vonovia) und 27 % bei einer Wohnungsgenossenschaft (ebd. 2016d, 14)20. Das ist insofern relevant, als dass Wohneigentümer*innen insgesamt mehr Handlungsspielräume bei der Wahl der Art der Energie- und Wärmeversorgung zugesprochen wird, z.B. bei der Entscheidung für eine zusätzliche Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. Aufgrund der unterschiedlichen Einwohnerzahlen überrascht es wenig, dass der Energieverbrauch mit 11.350 GWh (Landeshauptstadt Dresden 2013, 77) in Dresden fast doppelt so hoch ist wie in Münster mit 6.843 GWh (Stadt Münster
20 Diese Daten stehen für Münster nicht zur Verfügung.
82 | Klimapolitik in der Stadtentwicklung
2009, 27). Der Anteil erneuerbarer Energien liegt allerdings in beiden Städten deutlich unter dem Bundesdurchschnitt (Tab. 3): Tabelle 3: Anteil erneuerbarer Energien am Strom- und Wärmesektor in Dresden und Münster Bundesdurchschnitt (2011)
Dresden (2010)
Münster (2011)
Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch
23,5 %
3,0 %
5,5 %
Anteil erneuerbarer Energien am Wärmesektor
12,6 %
1,1 %
2,0 %
Quelle: UBA 2018a; Landeshauptstadt Dresden 2013a, 5 und Landeshauptstadt Dresden 2013, 78; Stadt Münster 2013, 17 f.
Ein wichtiger Aspekt, auf den hier hingewiesen werden soll, ist das Fernwärmenetz. Fernwärme meint die Wärmelieferung zum Heizen und zur Warmwassernutzung in Gebäuden. Aufgrund der Zentralität der Netze können ganze Städte bzw. Stadtteile per Fernwärme versorgt werden. Insbesondere durch die Ölkrisen in den 1970er Jahren wuchs das Interesse an einer Fernwärmeversorgung. Vor allem in der DDR wurde in dieser Zeit aufgrund des Mangels an Gas und Erdöl begonnen, Fernwärmenetze in den Städten zu errichten, mit denen die aus der Abwärme von Kern- und Kohlekraftwerken erzeugte Heizungswärme an die Haushalte verteilt wird. Heute verfügen sowohl Münster als auch Dresden über ein Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk (GuD-Kraftwerk), in denen über KraftWärme-Kopplung (KWK) Fernwärme erzeugt wird. Mit Blick auf den Klimawandel und die Energiewende erfahren Fernwärmenetze einen erneuten Bedeutungsaufschwung, da auch erneuerbare Energien eingespeist werden können. Da Fernwärmenetze auch als Speicher dienen, können sie zugleich den fluktuierenden Charakter erneuerbarer Energien ausgleichen. Die unterschiedlichen historischen Entwicklungspfade spiegeln sich hier z.B. darin wider, dass in vielen ostdeutschen Städten Fernwärmenetze stark ausgebaut sind, in westdeutschen Städten dies jedoch oft nicht der Fall ist. So werden auch in Dresden 31 % der Haushalte mittels Fernwärme versorgt, in Münster dagegen nur 21 %. Die Ausführungen zeigen, dass sich Münster und Dresden in einigen strukturellen Aspekten ähneln. Mit Blick auf klimapolitische Entscheidungen werden jedoch Differenzen sichtbar. So gab es in der Wahlperiode von 2009 bis 2014 thematisch ähnliche Stadtratsvorlagen bzw. -anträge, die jedoch unterschiedlich entschieden wurden, was ich an drei Beispielen skizzieren möchte: 1) Ein Frak-
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tionsantrag, welcher in Münster von den Linken und in Dresden vom Bündnis 90/Die Grünen eingebracht wurde, adressierte die Frage, ob die städtische Energieversorgung zukünftig atomstromfrei sein soll. Die Linken in Münster forderten »Kein Atomstrom in Münster!« (A-R/0022/2011), woran sich die Beschlussvorlage »Atomstromfreies Münster bis 2020 – Ausbaustrategie für klimaschonende Energieerzeugung« (V/0683/2011 II) anschloss. In Dresden appellierten die Grünen: »Unserer Verantwortung gerecht werden – sofortiger Verzicht der Stadtwerke DREWAG auf Atomstrom« (A0361/11). Während in Münster der Antrag bzw. die Vorlage einstimmig beschlossen wurde, wurde der Antrag in Dresden abgelehnt. 2) In beiden Städten gab es zudem eine Beschlussvorlage, mit der über die Errichtung von Windenergieanlagen auf städtischem Gebiet diskutiert wurde. In Münster wurde die Vorlage sowie der Antrag der Grünen »Alle potentiellen Standorte für Windenergieanlagen in die Flächennutzungsplanung aufnehmen!« (A-R/0047/2013 III; V/0150/2012 III) einstimmig angenommen. In Dresden dagegen wurde den Anträgen von FDP und CDU zugestimmt und damit beschlossen: »Der Stadtrat lehnt die Errichtung von Windkraftanlagen im gesamten Dresdner Stadtgebiet ab« (V0837/10). 3) Das dritte Beispiel bezieht sich auf die Frage, ob die Städte am internationalen Zertifizierungsverfahren des European Energy Awards teilnehmen sollten. In Münster gab es zwei Vorlagen dazu, mit denen die »Fortführung der Teilnahme am European Energy Award« (V/0633/2011) gefordert und das »European Energy Award 2012 – Energiepolitisches Arbeitsprogramm« (V/0363/2012) beschlossen wurde. In Dresden dagegen wurde, nachdem ein erster Antrag bereits gescheitert war, der zweite Antrag der SPD »Auf dem Weg zur ›europäischen Energiesparstadt‹ – Dresdens Teilnahme am European Energy Award sichern« wieder zurückgezogen. Beide Städte weisen also strukturelle Gemeinsamkeiten auf, Relevanz und Priorität von klimarelevanten Fragen innerhalb der Stadtentwicklung werden jedoch unterschiedlich bewertet. Diese Unterschiedlichkeiten sind Gegenstand der vorliegenden Arbeit, deren Ergebnisse im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen stehen.
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Klimapolitiken in Stadtentwicklungsprozessen
Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren ein umfangreiches Paket von Verordnungen, Konzepten und Handlungsleitfäden geschaffen, um insbesondere städtische Akteur*innen der Politik und Verwaltung sowie die Bürger*innen in ihrem Verhalten anzuleiten. Die Analysen der vorliegenden Arbeit zeigen anhand der Untersuchung bundes- und kommunalpolitischer Diskurse der Stadtentwicklung, wie im Zusammenspiel historischer Entwicklungspfade, unterschiedlicher Rationalitäten und Praktiken vielschichtige, heterogene städtische Kontexte entstehen. Klimapolitiken intervenieren in diese Kontexte in Form neuer Modelle und Lösungsstrategien. Sie können dazu führen, bestehende kommunalpolitische Sichtweisen infrage zu stellen und zu verändern. Sie können aber auch in teilweise widerständigen und ablehnenden Praktiken transformiert und verändert werden. Um zu verdeutlichen, dass politische Entscheidungen und Sichtweisen immer auch an Gesagtes anderer Orte und Zeiten anknüpfen, wird das Themenfeld Klimawandel zunächst kontextualisiert und in die internationalen Debatten und historischen Entwicklungen der BRD und Münster bzw. der DDR und Dresden eingebettet (Kap. 6.1). Dabei wird sichtbar, dass Klimawandel zunächst allgemein als Teil der Umwelt thematisiert wurde. Erst im Laufe der Zeit entwickelte sich das Phänomen des Klimawandels vor dem Hintergrund sich verändernder Problematisierungen zu einer eigenständigen politischen Handlungsarena. Deutlich wird auch, dass die bundespolitischen Klimaziele in Dresden und Münster an sehr unterschiedliche Entwicklungspfade anknüpfen. Aus einer diskurs- und gouvernementalitätstheoretischen Perspektive wird der Blick insbesondere auf das Zusammenspiel der Konstitution von Wissen und gesellschaftlichen Machtverhältnissen gelenkt. Die Analysen zeigen, welche Bedeutungen um Klimawandel innerhalb der bundes- und kommunalpolitischen Kontexte wirkmächtig werden und wie sich diese über die Zeit verändern. Vor diesem Hintergrund stehen folgende Fragen im Mittelpunkt:
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1. Was wird in den jeweiligen städtischen Kontexten als Problem der Stadtent-
wicklung formuliert, welches es zu bearbeiten gilt und welcher Stellenwert kommt dabei Klimafragen zu? Welchen Denklogiken folgen die jeweiligen Argumentationen, mit denen klimapolitische Handlungspraktiken gerechtfertigt bzw. abgelehnt werden (Kap. 6.2)? 2. Wie werden innerhalb der bundespolitischen Debatten städtische Entscheidungsträger*innen als verantwortliche Akteur*innen im Klimaschutz adressiert? Und wie positionieren sich städtische Akteur*innen innerhalb der gegebenen Handlungsspielräume sowie gegenüber den formulierten Klimazielen (Kap. 6.3)? 3. Auf welche Art und Weise werden die Probleme bearbeitet bzw. wie werden die Verantwortlichkeiten umgesetzt? Welche Strategien bzw. Technologien erachtet einerseits die Bundesregierung als ›sinnvoll‹, um städtische Entscheidungsträger*innen, aber auch Bürger*innen im Sinne ihrer verfassten Klimaziele anzuleiten und zu regieren? Wie positionieren sich andererseits die städtischen Akteur*innen gegenüber diesen Regierungstechnologien; welche Techniken setzen sich in den kommunalpolitischen Kontexten durch, um die städtischen Gesellschaften zu führen (Kap. 6.4)?
6.1 KONTEXTUALISIERUNG AKTUELLER KLIMADEBATTEN Der globale Klimawandel gilt als eine der zentralen Herausforderungen für unsere Gesellschaften. Seit dem Beginn der internationalen Klimakonferenzen 1979 haben sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte Normen und Werte um Klima etabliert, die sich auch in den hier untersuchten stadtentwicklungspolitischen Diskursen widerspiegeln. Dabei bilden vor allem internationale Gremien wie das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPPC) oder die jährlich stattfindenden UN-Klimakonferenzen21 wichtige Knotenpunkte gesellschaftlicher Aus-
21 Die UN-Klimakonferenzen – Conferences of the Parties (COP) – finden seit 1995 jährlich statt. Sie sind die Vertragsstaatenkonferenzen der UN-Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC), das heißt, alle Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention nehmen teil. Ziel ist es u.a. die jeweils umgesetzten Maßnahmen der Staaten zu begutachten. Die Klimarahmenkonvention wurde 1992 auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (United Nations Conference on Environment and Development, UNCED) in Rio de Janeiro von 154 Staaten unterschrieben; mittlerweile haben 196
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handlungsprozesse und tragen entscheidend dazu bei, Wissensordnungen um den Klimawandel zu stabilisieren und als politisches Handlungsfeld zu etablieren. Da Dresden zur ehemaligen DDR und Münster zur BRD gehört, ist es darüber hinaus ebenso wichtig, einen Blick darauf zu richten, wie sich die jeweiligen Staatsregierungen gegenüber den internationalen Klimastrategien positioniert haben. Dabei wird deutlich, dass zwar beide Staaten internationale Beschlüsse wie z.B. das Genfer Luftreinhalteabkommen22 1983 unterzeichneten. Dennoch fanden die internationalen Debatten um Umwelt und später um Klima auf sehr unterschiedliche Art und Weise Eingang in die Diskurse der beiden Staaten, woraus ebenso unterschiedliche Politiken heute resultieren. Umso wichtiger ist es, auch heutige Entscheidungs- und Handlungspraktiken der städtischen Akteur*innen in Münster und Dresden vor dem Hintergrund der jeweiligen Entwicklungspfade zu betrachten, da sich diese nach wie vor in den Erklärungen um Bedeutung und Relevanz klimapolitischer Inhalte widerspiegeln und wirkmächtig sind. 6.1.1 Klimawandel als politisches ›Problem‹ – diskursive Verschiebungen internationaler Debatten Der Blick auf die Entwicklungen internationaler Debatten zeigt, wie vor dem Hintergrund sich verändernder technischer Möglichkeiten die Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Umwelt stärker in den Mittelpunkt rückten und sich die diskursiven Bedeutungszuschreibungen um das Klima deutlich verschoben haben. Eine wichtige Rolle spielte dafür die Zeit der Industrialisierung. Mit der Erfindung des Verbrennungsmotors erfuhr die Nutzung von Kohle und Erdöl im 19. Jahrhundert einen enormen Bedeutungsaufschwung. Doch neben der Euphorie über das wirtschaftliche Potenzial häuften sich auch schwerwiegende Umweltkatastrophen: Bohrunfälle wie 1950 in Greenpoint vor der Küste New Yorks, seit den 1960er Jahren immer wieder defekte Pipelines wie im Nigerdelta oder im Amazonastiefland von Ecuador und Tankerunglücke wie 1967 vor der Küste Englands, die in den 1950er und 1960er Jahren Diskussionen befeuerten, in denen zunehmend die Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Umwelt im Mittelpunkt standen. Dementsprechend mehrten sich auch Publikationen wie
Länder den Vertrag ratifiziert. 1997 wurde das Kyoto-Protokoll als Zusatzprotokoll der Klimarahmenkonvention verabschiedet. Seit 2005 nehmen auch die Unterzeichner-Staaten des Kyoto-Protokolls an den COP teil. Da das UNFCCC-Sekretariat seinen Sitz in Bonn hat, findet die jährliche Konferenz ebenfalls dort statt. 22 Convention on Long-range Transboundary Air Pollution, LRTAP.
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das 1962 erschienene Buch »Silent Spring« von Rachel Carson, die u.a. auch die Folgen unkontrollierter Pestizideinsätze thematisierten und erheblich zur weltweiten ökologischen Sensibilisierung beigetragen haben. Auf die politische Agenda internationaler Debatten gelangten Umweltfragen jedoch erst in den 1970er Jahren. 1972 eröffnete die erste »UNO-Weltkonferenz über die Umwelt des Menschen« die Bühne internationaler Umweltpolitik, auf der gleichzeitig auch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) ins Leben gerufen wurde. Einige Jahre später fand 1979 die erste Weltklimakonferenz in Genf statt, auf der erstmals beobachtete Klimaanomalien diskutiert wurden und die These in den Vordergrund rückte, »dass die weitreichende Ausweitung menschlicher Aktivitäten für das je lokale, aber auch für das globale Klima Auswirkungen haben könnte« (Passoth 2010, 54). Wenngleich diese Konferenz einen wichtigen Anstoß gab, den Ursachen von Klimaanomalien und der Rolle des Menschen stärker auf den Grund zu gehen, wurde rückblickend erklärt: »Die Gefahren waren zu abstrakt, zu unklar und lagen zu weit in der Zukunft« (Umweltbundesamt 2014, 100), sodass die Konferenz kaum Folgen hatte. Gleichwohl gründeten die teilnehmenden Staaten die Sachverständigenkommission für Umwelt und Entwicklung, die einen Perspektivbericht für eine globale tragfähige und umweltschonende Entwicklung erstellen sollte. 1987 veröffentlichte diese Kommission den nach der Vorsitzenden benannten Brundtland-Report. Dieser Bericht weist eindringlich auf zahlreiche Umweltveränderungen hin wie z.B. die zunehmende Ausdehnung von Wüsten auf einst fruchtbares Land, die massive Zerstörung von Wald oder der zunehmend saure Regen, die als unmittelbare Bedrohung der Erde und der Menschen verstanden werden. Und auch den Klimawandel und seine Folgen bezeichnet der Report als eine der wichtigsten Bedrohungen der Erde: »[T]he serious probability of climate change generated by the ›greenhouse effect‹ of gases emitted to the atmosphere, the most important of which is carbon dioxide (CO2) produced from the combustion of fossil fuels. This ›greenhouse effect‹ may by early next century have increased average global temperatures enough to shift agricultural production areas, raise sea levels to flood coastal cities, and disrupt national economies« (BrundtlandReport 1987, o. S.).
Der Brundtland-Bericht geht somit davon aus, dass die Zunahme von Treibhausgasen auf die Energieproduktion durch fossile Brennstoffe zurückgeführt werden kann und weitreichende Folgen haben wird wie die Überflutung von Küstenregionen durch den Meeresspiegelanstieg oder das Verschieben von landwirtschaftlichen Produktionsgebieten. Gleichwohl blieb die Kommission in ihrer Aussage
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über das tatsächliche Eintreffen solcher Folgen noch sehr vage. Als zentrale Lösungsstrategie im Umgang mit diesen drastischen Umweltveränderungen, die als »neue Realität« (ebd. 1987, o. S.) beschrieben wurden, der man sich stellen müsse, präsentierte die Brundtland-Kommission das Konzept der »nachhaltigen Entwicklung«. Wenngleich es bereits Teil früherer Debatten war, erlangte das Konzept der Nachhaltigkeit mit diesem Bericht seinen internationalen Durchbruch. 1998 wurde es auch im deutschen Planungsrecht integriert und im Baugesetzbuch das Ziel einer »nachhaltige[n] städtebauliche[n] Entwicklung« hinzugefügt (BauGB 2011, § 1). Doch das Besondere am Brundtland-Bericht ist, dass er als Ausdruck einer grundlegenden Verschiebung in den politischen Debatten um Klima verstanden werden kann. Stand bis dahin die Strategie der Suffizienz stärker im Vordergrund, begann sich nun die Strategie der Effizienz durchzusetzen (Hälterlein 2015, 146 f.). Noch bis in die 1980er Jahre hinein wiesen die gesellschaftlichen Debatten eine deutlich wachstumskritische Dimension auf, in denen bspw. auch der Verzicht von umweltschädlichen Waren und Dienstleistungen diskutiert wurde. Diese Überlegungen um Konsumverzicht und Ökologie gingen »bis zu den Lebensreformbewegungen des 19. Jahrhunderts« (ebd. 2015, 147) zurück und spielten auch in den Alternativbewegungen der 1970er und 1980er Jahre eine zentrale Rolle. Im Mittelpunkt stand insbesondere die Frage der Genügsamkeit, wieviel ein Mensch braucht und was ›genug‹ ist. Mit dem BrundtlandReport wurde nun ein Problemlösungsmechanismus vorgeschlagen, der einen marktorientierten Ansatz zur Lösung ökologischer Probleme propagierte und die Entwicklung innovativer Technologien z.B. im Verkehr oder im Gebäudebereich in den Vordergrund rückte. Damit wurde Wachstum nicht mehr infrage gestellt, sondern stattdessen ökologisch gerahmt: »In this perspective, ecological degradation is decoupled from economic growth; capitalism and industrialization can be made more environmentally friendly« (Bäckstrand und Lövbrand 2006, 53). Das heißt, im Mittelpunkt steht nicht das Ziel, weniger Ressourcen und Energie zu verbrauchen, indem bspw. weniger Auto gefahren wird, sondern es geht darum, Rohstoffe effizienter zu nutzen, ohne dabei das ökonomische Wachstum und den Wohlstand der Gesellschaft als zentrale Prämisse infrage zu stellen. In den folgenden Jahren nahm die Anzahl an wissenschaftlichen Arbeiten, die sich mit Klimaveränderungen auseinandersetzten, deutlich zu (u.a. Waterstone 1985; Laurmann 1986; Sonka und Lamb 1987; MacDonald 1987; Mathews 1987). Um diese zu bündeln, gründeten das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) 1988 das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Als zwischenstaatliches Gremium galt es fortan als einzige autorisierte wissenschaftliche Stimme mit der
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Aufgabe, politische Entscheidungsträger*innen über Klimaforschungen zu informieren. Satellitenaufnahmen, Computermodelle, Statistiken und Prognosen wurden dabei zu zentralen Technologien, die in den regelmäßig erscheinenden Berichten des IPCC wesentlich zur Wissensproduktion um Klimaentwicklungen und zur Legitimation politischer Entscheidungen beigetragen haben. Ähnlich den Argumentationen des Brundtland-Reports wurde Klimawandel als globales Managementproblem konzipiert, dem in erster Linie durch naturwissenschaftliche Expertise und technologische Innovation beizukommen sei (Lutes 1998). 1992 wurde die Klimarahmenkonvention (UNFCCC) auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro verabschiedet. Die Vertragsstaaten treffen sich seitdem regelmäßig auf den daraus hervorgegangenen UN-Klimakonferenzen. Indem in den Abschlusserklärungen der Konferenzen immer wieder ein gemeinsamer Minimalkonsens wiederholt und aufs Neue bestätigt wurde, verfestigten sich unter den teilnehmenden Staaten gemeinsame Vorstellungen und Sichtweisen in Bezug auf die Frage, was den Klimawandel verursacht habe oder wie ihm begegnet werden könne. Klimawandel als globales Problem etablierte sich auf diese Weise zu einer gemeinsamen Problemwahrnehmung. Bäckstrand und Lövbrand kritisieren dabei den zunehmenden »green twist«, der sich in der Idee manifestiert, Natur verwalten und managen zu können (2006, 54). Denn im Kern der international propagierten Politik steht »die ›rationale‹ und ›optimale‹ Nutzung natürlicher Ressourcen und eine damit einhergehende regionale Planung, die auf der besten verfügbaren wissenschaftlichen Expertise beruht« (Shackley und Wynne 1996, 293). Ein kritischer Diskurs jedoch, der den Klimawandel »als Produkt übermäßigen Konsums in westlichen Industriestaaten darstellte und die ökologische Tragfähigkeit eines kapitalistischen Wirtschaftssystems hinterfragte« (Oels 2010, 179), wird dagegen an den Rand des Sagbaren gedrängt. 6.1.2 Umweltpolitik in der BRD und Münster sowie der DDR und Dresden Auch in der deutschen Politik spielen Umweltfragen seit langem eine Rolle, doch haben sich im Laufe der Jahre die Art und Weise der Problematisierungen ebenso verändert wie die daran anknüpfenden Handlungsstrategien. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde in der Weimarer Republik die Bewahrung von »lokale[n], repräsentative[n] Naturräume[n]« (Hünemörder 2004, 35) als politisches Ziel formuliert. Damals allerdings in erster Linie aus ästhetischen Gründen, das heißt, es ging vor allem um Räume »von besonderer Schönheit« (ebd. 2004, 35). Im Laufe der 1970er und 1980er Jahre rückten unter dem Ein-
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druck zunehmender Boden- und Luftverschmutzungen die daraus resultierenden Belastungen für Umwelt und Mensch in den Mittelpunkt. In dieser Zeit bezogen sich die Debatten in erster Linie auf Fragen des Umweltschutzes. Erst in den 1990er Jahren entwickelte sich das Klima – auch vor dem Hintergrund der Verabschiedung der Klimarahmenkonvention und des Kyoto-Protokolls – zu einem eigenständigen Handlungsfeld innerhalb der Umweltpolitik. Zunächst erlebte die BRD nach Jahren des Wiederaufbaus infolge des Zweiten Weltkriegs in den 1950er Jahren ein enormes Wirtschaftswachstum. Die steigende Kaufkraft und der technische Fortschritt sorgten dafür, dass Straßen und Gebäude in großem Umfang gebaut wurden; die Zahl privater PKWs und der Konsum stiegen enorm an. Das hatte allerdings zur Folge, dass »der Energieverbrauch, der Flächenbedarf, das Abfallvolumen und die Schadstoffbelastung von Luft, Wasser und Boden […] einen signifikanten Anstieg« erfuhren (Umweltbundesamt 2014, 10). Dennoch begann sich erst in den 1970er Jahren ein neues Bewusstsein für ökologische Fragen durchzusetzen, was sich auch in einer zunehmenden politischen und gesellschaftlichen Aufmerksamkeit widerspiegelte. Es war der FDPPolitiker und damalige Innenminister Hans-Dietrich Genscher, der den Begriff ›Umweltpolitik‹ in dieser Zeit als Übersetzung des amerikanischen Begriffs ›environmental policy‹ in die deutsche Politik einführte (Menke-Glückert 1997, 157). Genscher initiierte »ein anspruchsvolles Umweltprogramm mit detailliertem Gesetzgebungsfahrplan und konkreten Zielvorgaben« (Jänicke 2009, o. S.) und forderte, eine Umweltbehörde zu schaffen, wie sie bereits in den USA, aber auch in Schweden schon bestand. Tatsächlich wurde 1973 die Bundesstelle für Umweltangelegenheiten gegründet und 1974 in das heute noch bestehende Umweltbundesamt umgewandelt. Rückblickend wurden deshalb die 1970er Jahre auch als Zeit der »ökologische[n] Revolution« (UBA 2014, 10) bewertet, in der Umweltschutz in der BRD als politisches Thema ›entdeckt‹ wurde und sich als Handlungsfeld etablierte. Im Gegensatz zu heute galt Umweltschutz in dieser Zeit als ein Thema, »das einte und das alle positiv fanden. Der Umweltschutz war die ideale große Aufgabe, die die innenpolitischen Fronten zu überbrücken vermochte« (ebd. 2014, 16). Auch in der DDR nahmen in den 1960er Jahren durch die zunehmende Industrialisierung nach dem Zweiten Weltkrieg die Umweltprobleme rasch zu. Nachdem deutlich wurde, dass »weite Teile der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft und eine Reihe von Industriezweigen durch die zunehmende Belastung der Umwelt mit Schadstoffen beträchtliche Schäden erlitten« (Seidenstecher 1973, 2) hatten, reagierten die politischen Entscheidungsträger. 1968 forderte das Staatliche Vertragsgericht der DDR, dass »der Luftreinhaltung größere
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Aufmerksamkeit geschenkt werden« (Huff 2014, 533) müsse. Noch in diesem Jahr wurde der Umweltschutz in die DDR-Verfassung integriert (Art. 15 DDRV, Abs. 2 zit. in Kloepfer und Reinert 1990, 4). Damit war die DDR nach Schweden »einer der ersten Staaten in Europa, die ein umfassendes und von seiner Intention her durchaus fortschrittliches Umweltschutzgesetz« geschaffen hatten, was auch von den westlichen Staaten positiv zur Kenntnis genommen wurde (Huff 2014, 538; Kloepfer und Reinert 1990, 5). Neben zahlreichen Regelungen zum Umweltschutz entstanden sogar erste ökonomische Anreizmechanismen. Über die »Bepreisung der Umweltmedien« wurde versucht, »Wirtschaftssubjekte für die von ihnen verursachten externen Kosten« (Huff 2014, 539) zu sensibilisieren. Das heißt, an jedem Industrieanlagenstandort wurde ein Emissionsgrenzwert festgelegt, bei dessen »Übertretung als Sanktion ein Staub- und Abgasgeld zu zahlen war« (ebd. 2014, 538). Während die Umweltpolitik der DDR zunächst sehr engagiert erschien, stand der politische Regierungswechsel von Walter Ulbricht zu Erich Honecker 1971 für einen Bruch, mit dem die Umweltpolitik fortan als bedeutungslos beschrieben wird (ebd. 2014, 554). Umweltrelevante Themen erfuhren in den folgenden Jahren nur wenig politische Unterstützung und wurden stark ideologisch aufgeladen. So argumentierten die politischen Entscheidungsträger mit Blick auf die internationalen Debatten, dass »Umweltprobleme ›durch ideologische Manipulation mittels der Massenmedien zum ›Umwelt-Schock‹ aufgebläht, daß eine ›wohldosierte Hysterie‹ gezüchtet worden sei« (Seidenstecher 1973, 12). Die eigentlichen Ursachen für Umweltprobleme lagen der DDR-Regierung zufolge »in der kapitalistischen Produktionsweise selbst« (ebd. 1973, 12). In diesem Sinne wurden auch die eigenen Probleme zum einen als »verheerende[n] Hinterlassenschaften des deutschen Imperialismus« (Bittighöfer, Edeling und Kulow 1972, 74) bewertet und zum anderen als Ausdruck »eines noch nicht ausreichend entwickelten ›sozialistischen Bewußtseins‹« und damit als »Kinderkrankheit« des sozialistischen Systems (Seidenstecher 1973, 16) verharmlost. Die politische Verantwortung für die bestehenden Umweltprobleme wurde den kapitalistischen Staaten zugewiesen und Umweltschutz wurde zum Gegenstand einer politischen »Kampf«-Rhetorik zur Behauptung der Überlegenheit des Sozialismus gegenüber dem Kapitalismus: »Umweltschutz heißt heute vor allem: Kampf gegen die Monopolbourgeoisie und die von ihr betriebene rücksichtslose Ausplünderung der Naturreichtümer […] Kampf für die grundlegende Umgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse in den kapitalistischen Ländern, für den Übergang zur sozialistischen Gesellschaftsordnung, in deren Mittelpunkt das Wohl der schaffenden Menschen steht und damit auch der Schutz und die stete Ver-
Klimapolitiken | 93
besserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen, ihrer natürlichen und gebauten Umwelt« (Bittighöfer, Edeling und Kulow 1972, 64 f.).
Ende der 1970er Jahre hatten die hohen Schwefeldioxidkonzentrationen aus den Kraftwerken der DDR sowie der ČSSR zu einem großen Waldsterben im Erzgebirge geführt. Die zunehmende Unzufriedenheit und die Zweifel der Bevölkerung an der Problemlösungskompetenz der Regierung bewirkten, dass diese zumindest die Entschwefelungsmaßnahmen ausbauten. Größere Umweltschutzinvestitionen waren jedoch aufgrund der steigenden staatlichen Verschuldung nicht möglich. Auch in der BRD wurde Umweltpolitik nicht immer stetig ausgebaut. So verschwand während der Ölkrise 1973 das Thema Umweltschutz fast vollkommen von der politischen Agenda (Bundesregierung 1996, 225 f.). Erst die Debatten um das Waldsterben in den 1980er Jahren brachten einen erneuten Aufschwung. Die Bundesregierung präsentierte sich nun auch auf der internationalen Bühne wieder als treibender Akteur (Huff 2014, 550) und fasste 1987 den Grundsatzbeschluss, die CO2-Emissionen bis 2005 um 25 % zu reduzieren (Deutscher Bundestag 1991, 3 f.). Zeitgleich begann die Regierung in der DDR, die massiven Umweltprobleme bewusst zu verbergen. Sie verabschiedete ein Gesetz »zur Sicherung des Schutzes von Daten über die Umweltbedingungen in der DDR« (Huff 2014, 549) und ordnete damit jeden Landkreis einer Geheimhaltungsstufe eins bis drei zu. So wurde z.B. der Bezirk Karl-Marx-Stadt, der große Teile des Erzgebirges umfasste und besonders stark von Waldschäden betroffenen war, der Stufe drei zugeordnet. Als höchster Grad der Geheimhaltung durften dort auch ökologische Einzelmesswerte nicht ohne Genehmigung erhoben werden. Damit, so Huff, wurden jegliche »Versuche eines von staatlichen Institutionen unabhängigen Umweltmonitorings unterdrückt und kriminalisiert« (2014, 550). In der BRD etablierten sich jenseits der staatlichen Aktivitäten in den 1970er und 1980er Jahren die Neuen Sozialen Bewegungen. Dazu gehörten auch die Anti-Atomkraft- und die Öko-Bewegungen, aus denen u.a. der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) hervorging. Es wurde eine Vielzahl von Themen adressiert, zu denen die Abfallentsorgung oder die Chemiepolitik der BRD ebenso gehörten wie die Tiermast oder die Tropenholzvernichtung. Im Mittelpunkt der Kritik stand dabei jeweils die industrielle Wirtschaftsweise, die nicht nur als Bedrohung für den Menschen, sondern auch für die Natur wahrgenommen wurde. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Umweltbewusstseins rückten auch in der Stadtentwicklung der BRD ökologische Aspekte deutlich in den Vorder-
94 | Klimapolitik in der Stadtentwicklung
grund. Die Kritik an der bislang dominierenden autogerechten Stadtplanung, die den Straßenbau priorisierte, wurde deutlich stärker und ging einher mit Forderungen nach einer grüneren Stadt mit mehr Platz für soziale Begegnungen. Damit wurde in der Planung im Gegensatz zur bisherigen Entwicklung der Fokus stärker darauf gerichtet, zuerst bestehende anstatt neue Quartiere zu entwickeln, um die Flächenversiegelung zu verringern. Auch der Begrünung von Quartieren wurde deutlich mehr Bedeutung beigemessen. In der DDR entwickelten sich vor allem als Reaktion auf die zunehmende Tabuisierung der Umwelt zahlreiche Umweltinitiativen. Wichtige Orte, an denen sich Protest gegen die Umweltpolitik der DDR formierte, waren z.B. das Kirchliche Forschungsheim in Wittenberg, die Umweltbibliothek im Umfeld der Zionsgemeinde in Berlin und der Ökologische Arbeitskreis der Dresdner Kirchenbezirke (Deutsche Bundesstiftung Umwelt 2013). Die Kirche wurde damit zum nahezu einzigen Raum, in dem eine unabhängige Ökologiebewegung entstehen konnte. 1988 schlüsselte das Ministerium für Staatssicherheit »49 Öko- sowie 23 Friedens- und Umweltgruppen« (Fricke 1999, 29) auf. Um sich besser gemeinsam zu koordinieren, bildeten sie 1988 das Netzwerk Arche, woraus 1990 die Grüne Liga entstand23. Die Proteste richteten sich bspw. gegen das Waldsterben, den Uran- und Kohleabbau, aber auch gegen den Autobahnbau. Da die DDRRegierung Umweltverschmutzungen in erster Linie als Problem des Kapitalismus auffasste und diese tabuisierte, galt die Kritik an Umweltproblemen gleichzeitig als feindliche Kritik am Sozialismus. Aufgrund der fehlenden politischen Umweltmaßnahmen waren Ende der 1980er Jahre 45 % der Waldbestände der DDR beschädigt und die Hälfte des Flusswassers befand sich in so schlechtem Zustand, dass es für die Trinkwasseraufbereitung nicht mehr verwendet werden konnte (Hunger 1992, 25). Die Stadt Dresden verfügte nicht einmal über eine Kläranlage, sodass die Abwässer ungefiltert in die Elbe flossen. Vor dem Hintergrund der Bilder von »biologisch toten Flüssen, großflächig absterbenden Wäldern, Tagebau-Restlöchern und unwirtlichen Industrielandschaften« be-
23 Nach der Wende formierten sich aus der Umweltbewegung zwei Stränge: 1989 entstand die Grüne Partei der DDR, 1990 der ostdeutsche Umweltverband Grüne Liga. Die Grüne Partei der DDR vereinigte sich 1990 mit den westdeutschen Grünen, allerdings ohne den sächsischen Landesverband der Grünen. Dieser gründete zunächst gemeinsam mit den verschiedenen Gruppierungen aus der Ökologie-, Friedens-, Frauen- und Bürgerrechtsbewegung 1991 das Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen. Da beide Parteien in der Öffentlichkeit als Einheit wahrgenommen wurden, erfolgte 1993 doch die Fusionierung zu einer gemeinsamen Partei Bündnis 90/Die Grünen. Für weiterführende Informationen zur Parteigeschichte der Grünen vgl. Lempp 2006.
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zeichnet Huff die DDR in ökologischer Hinsicht gar als »failed state« (Huff 2014, 523), als Staat, dessen Umweltpolitik als gescheitert galt. Dementsprechend spielte auch in der Stadtentwicklung Umweltschutz kaum eine Rolle. Zwar wurde bei der Planung von Städten theoretisch darauf hingewiesen, dass Wohnungen und Quartiere mit ausreichend Licht und Luft versorgt werden sollten, um ›gesunde‹ Lebensverhältnisse herzustellen (Bolz 1951). Doch darüber hinaus wurden Umweltprobleme, so Hunger, nahezu vollständig aus der Politik verdrängt – stattdessen waren »im Umfeld von Honecker […] ›Ökologie‹ und ›Umweltschutz‹ regelrechte ›Nicht-Wörter‹« (Hunger 1992, 25) geworden. Der Blick auf die Entwicklungen der Umweltpolitik der DDR und der BRD zeigt, dass die internationalen Debatten auf sehr unterschiedliche Art und Weise Eingang in die jeweiligen nationalstaatlichen Diskurse um Umwelt und Klima gefunden haben und damit zu sehr unterschiedlichen Umweltpolitiken führten. Während sich in der BRD bereits eine aktive Umweltpolitik etabliert hat, die durch ein breites gesellschaftliches Engagement geprägt wurde, existierte Umweltpolitik in der DDR faktisch nur auf dem Papier. Mit der politischen Wende trat die DDR der BRD bei (Art. 23 GG, 1949). 1992 wurde die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen verabschiedet und Klima rückte in den 1990er Jahren in den Stadtentwicklungsdiskursen der Bundesregierung thematisch stärker in den Vordergrund des politischen Interesses. Die damit verbundenen Herausforderungen – sowohl im Umweltschutz als auch im Klimaschutz – sind nun Herausforderungen der gemeinsamen Bundesregierung Deutschlands. 6.1.3 Vom Umwelt- zum Klimaschutz – Wandel diskursiver Rahmungen um Klima in bundespolitischen Stadtentwicklungsdiskursen Während in den beiden vorangegangenen Kapiteln zunächst die größeren Linien der historischen Entwicklungspfade nachgezeichnet wurden, in die aktuelle politische Entscheidungs- und Handlungspraktiken einzubetten sind, wird der Blick im folgenden Abschnitt auf die bundespolitischen Stadtentwicklungsdiskurse gerichtet. Anhand der Analysen der Dokumente des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung im Zeitraum von 1997 bis 2015 (Kap. 4.3.1) wird deutlich, wie sich das Themenfeld Klima aus dem breiteren Kontext der Umweltdiskurse emanzipiert und sich als eigenständiges politisches Handlungsfeld etabliert. In einem ersten Überblick geht es im Folgenden zunächst darum, was in den bundespolitischen Dokumenten als ›Herausforderung‹ der Stadtentwicklung bewertet wird. Daran anknüpfend wird der Fokus darauf gerichtet, wie
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die Themenfelder ›Umwelt‹ bzw. ›Klima‹ diskursiv hergestellt und mit welchen anderen Themenfeldern diese semantisch verknüpft werden. Um Hinweise auf die Relevanz von Umwelt- und Klimaaspekten innerhalb der bundespolitischen Stadtentwicklungsdiskurse zu erhalten, wurde zunächst eine Kookkurrenzanalyse der Lemmata von ›Herausforderung‹ durchgeführt, das heißt, alle Wortformen mit dem Wortstamm *herausforder* wurden zu einer Wortgruppe zusammengefasst. Die Analysen basieren auf dem statistischen Maß log-likelihood. Es gibt die Wahrscheinlichkeit an, ob es Zufall ist, dass die Begriffe in der Umgebung von ›Herausforderung‹ auftreten oder nicht. Die Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % wurde von allen hier zu sehenden Begriffen als Schwellenwert überschritten, sodass die Ergebnisse als signifikant bewertet werden können. Die Ergebnisse (Tab. 4) wurden semantisch vier Themen zugeordnet, die innerhalb der Stadtentwicklungsdokumente der Bundesregierung eine zentrale Rolle spielen: der demographische Wandel, der Stadtumbau, (immobilien-)wirtschaftliche Entwicklungen und der Klimawandel.
Klimapolitiken | 97
Tabelle 4: Kookkurrenz-Analyse der bundespolitischen Stadtentwicklungsdokumente (1997–2015) der Lemmata von Herausforderung24 Begriffe Stadtumbau Reurbanisierung
Gesamtanzahl im Textkorpus
Anzahl der Begriffe in der Umgebung von *herausford*
log-likelihood
5480
93
122,12
59
6
27,42
Stadtumbauprozess
192
5
10,03
Mobilität
638
9
9,34
demografischen
889
79
339,86
Wandel
537
59
279,08
Schrumpfung
284
10
25,34
71
6
25,19
Klimaschutz
855
26
59,13
Klimawandel
1172
27
48,58
Energiewende
170
8
24,54
Klimaanpassung
608
9
9,97
wirtschaftlichen
960
20
32,68
Immobilienwirtschaftlichen
146
8
26,84
Strukturwandel
357
10
21,31
wohnungswirtschaftliche
184
6
14,38
Schrumpfungsprozess
Quelle: eigene Darstellung
Am häufigsten treten in der Wortumgebung von *herausford* Begriffe um den Stadtumbau und den demographischen Wandel auf. Das erscheint wenig überraschend, denn nach dem Beitritt der DDR zur BRD 1990 kam es aufgrund der veränderten politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen in Ostdeutschland zu umfangreichen Bevölkerungsveränderungen. Diese Veränderungen zeig-
24 Der betrachtete Umgebungsbereich beträgt ±5, das heißt, es wurden jeweils fünf Wörter vor und fünf Wörter hinter dem Begriff mit dem Wortstamm *herausford* für die Kookkurrenzanalyse berücksichtigt. Die Irrtumswahrscheinlichkeit beträgt 5 % (p=0,05).
98 | Klimapolitik in der Stadtentwicklung
ten sich insbesondere in starken Abwanderungen aus den ostdeutschen Gebieten in die westdeutschen sowie in einem massiven Rückgang der Geburtenraten, was zu einer deutlichen Alterung der Bevölkerung beigetragen hatte. Diese Prozesse, die als demographischer Wandel bezeichnet werden, führten in den 1990er Jahren zu enormen Wohnungsleerständen in Städten der ehemaligen DDR. 2002 wurde deshalb das Bund-Länder-Programm »Stadtumbau Ost« ins Leben gerufen, um die Kommunen in der Bewältigung dieser Veränderungen zu unterstützen. Damit wurden Maßnahmen des Stadtumbaus sowie der Wohnumfeldaufwertung durch finanzielle Mittel von Bund und Ländern bezuschusst. Kookkurrenzanalysen zeigen darüber hinaus, dass die Themenfelder des demographischen Wandels, des Stadtumbaus und des Klimas nicht nur mit dem Begriff ›Herausforderung‹ verknüpft sind, sondern auch untereinander statistisch signifikante semantische Verbindungen aufweisen. Diese Verbindungen zeigen sich auch in initiierten Forschungsprojekten wie StadtKlimaExWost (BMVBS 2013, 3) oder in Modellprojekten, die sich mit der »Erprobung integrierter Handlungskonzepte speziell zum klimawandelgerechten Stadtumbau« (BMVBS 2010, 41) beschäftigen. Allerdings sind diese Verknüpfungen nicht über den gesamten Betrachtungszeitraum konstant. Vielmehr wurde erst ab etwa 2007 in den stadtentwicklungspolitischen Debatten die Forderung lauter, der Klimawandel müsse stärker »mit anderen Prozessen des gesellschaftlichen Wandels wie beispielsweise dem demographischen Wandel« verknüpft werden (BMVBS 2007, 41). Im nächsten Schritt der Analyse wurden Frequenzlisten erstellt, die alle Wörter der untersuchten bundespolitischen Dokumente eines Jahres enthalten. Dabei wurden die Begriffe identifiziert, die auf das Themenfeld Umwelt verweisen. Die folgende Grafik (Abb. 6) zeigt, wie diese Begriffe innerhalb des Textkorpus über den Untersuchungszeitraum verteilt sind. Die Wörter eines Jahres mit den in der Grafik zu sehenden Wortstämmen – z.B. *umwelt* oder *klima* – wurden ebenfalls zu einer Wortgruppe zusammengefasst. Diese Wortgruppen wurden dann in Relation gesetzt zur Gesamtanzahl aller Wörter in diesem Jahr. Erkennbar ist damit die relative Häufigkeit aller Umweltbegriffe pro Jahr im Vergleich zur Gesamtanzahl der Wörter im Korpus (4.983.263 Wörter) sowie die relative Häufigkeit der einzelnen Themen Naturschutz und Ökologie, Emissionen und Schadstoffe sowie Umwelt und Klima.
Klimapolitiken | 99
Abbildung 6: Frequenzanalyse von Umweltbegriffen in bundespolitischen Stadtentwicklungsdokumenten im zeitlichen Verlauf25 1,8 1,6
relative Häufigkeit (in %)
1,4 1,2 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 *klima*
*umwelt*
*emission*/*schadstoff*
*naturschutz*/*oekolog*
Quelle: eigene Darstellung
Anhand dieser Ergebnisse werden drei Phasen des Stadtentwicklungsdiskurses identifiziert – eine erste Phase von 1998 bis 2002, eine zweite Phase von 2003 bis 2006 und eine dritte Phase ab 2007. Diese Phasen zeigen zum einen, dass die Begriffe nicht zu jeder Zeit die gleiche Rolle spielen, sondern im Sprechen über Umwelt zu unterschiedlichen Zeiten verschiedene Begriffe dominieren. Sie zeigen zum anderen, wie sich die Art und Weise, wie das Themenfeld Umwelt diskursiv hergestellt wird, verändert. Die damit verbundenen diskursiven Verschiebungen werden im Folgenden näher erläutert26: 1. Phase: Klima als Teil von Umweltpolitik Die erste Phase umfasst den Zeitraum von 1998 bis 2002. Die vorherige Grafik (Abb. 6) lässt erkennen, dass in dieser Zeit in erster Linie Begriffe mit dem Wortstamm *umwelt* dominierten sowie Wörter um Naturschutz und Ökologie sowie Luftschadstoffe und Emissionen. Wie bereits in Kapitel 6.1.2 gezeigt, rückte das Thema Luftverschmutzung bereits in den 1980er Jahren in den Vordergrund. Die Debatten in den Stadtentwicklungsdokumenten zeigen, dass die
25 Der Untersuchungszeitraum der Arbeit umfasst die Jahre 1997–2015. Allerdings liegen 1997 keine bundespolitischen Dokumente zur Stadtentwicklung vor, die in die Untersuchung eingeflossen sind, sodass hier der Betrachtungszeitraum erst 1998 beginnt. 26 Ein Teil der korpuslinguistischen Ergebnisse wurde bereits im Sammelband »Bausteine der Energiewende« vorgestellt, vgl. Sturm und Mattissek 2018.
100 | Klimapolitik in der Stadtentwicklung
Probleme nicht gelöst werden konnten (BMVBS und BBR 2001). Schadstoffe wurden insofern als problematisch erachtet, als dass sie sowohl die Umwelt als auch die Lebensqualität der Menschen immer mehr belasteten (BMVBS und BBR 2001; BMVBS 2001a). Dementsprechend häuften sich in diesen Jahren auch normative Begriffe wie ›umweltschonend‹, ›ökologisch‹, ›nachhaltig‹ oder ›schadstoffmindernd‹, die zugleich implizit Forderungen an Akteur*innen ausdrückten, wie diese die Stadtentwicklung zukünftig gestalten sollten. Die bestehenden Umweltbedingungen in Deutschland wurden demnach als defizitär anerkannt. Das heißt, ob die bestehenden Emissionen schädlich sind oder nicht, steht nicht mehr zur Diskussion. Und auch, dass die Umwelt ein schützenswertes Gut ist, kann als dominierende Sichtweise verstanden werden. Im Mittelpunkt der Debatten steht stattdessen die Frage, wie diese Probleme – hier konkret im Kontext der Stadtentwicklung – bewältigt werden können. Zu einer wichtigen Strategie entwickelte sich in dieser Zeit die Forderung, Flächen zu sparen (BMVBS 2001). Basierend auf Untersuchungen des Wuppertal-Instituts, denen zufolge der Ressourcenverbrauch in Deutschland auf ein Viertel des Umfangs in den 1990er Jahren gesenkt werden solle, setzte sich in dieser Zeit das 30 Hektar-Ziel durch (BBSR 2015). Das bedeutet, im Bereich der Siedlungs- und Verkehrsflächenentwicklung gilt seitdem die Prämisse, in Deutschland nicht mehr als 30 Hektar Fläche pro Tag neu in Anspruch zu nehmen. Tatsächlich wird das Ziel bis heute nicht erreicht. Darüber hinaus wurden, ähnlich wie in den internationalen Debatten, auch in den bundespolitischen Stadtentwicklungsdokumenten vor allem energietechnische Lösungen propagiert und zu zentralen Instrumenten eines »schadstoffmindernden Städtebau[s]« (BMVBS und BBR 2001) erhoben. So wurden in den 1990er Jahren insbesondere die Themenfelder ›Energie‹, ›Gebäude‹ und ›Umwelt‹ thematisch gemeinsam diskutiert. Konkret sollen die technischen Infrastrukturen so gestaltet werden, dass der Energieverbrauch minimiert wird, die Energienutzung effizienter erfolgt und sich der Anteil an erneuerbaren Energieträgern erhöht (ebd. 2001). Im Mittelpunkt stand dabei vor allem die technische Optimierung im Wohnungsbau, z.B. durch eine Außenwanddämmung oder durch die Vermeidung von Wärmebrücken im Gebäude. Damit wurde vor allem der Wohnungswirtschaft »eine Schlüsselrolle« (BBR 1998, 46) für die Reduzierung von Schadstoffemissionen attestiert. So überrascht es nicht, dass bereits um die Jahrtausendwende eine deutliche Häufung von Energiebegriffen sichtbar wird, wie die nachfolgende Abbildung (Abb. 7) zeigt.
Klimapolitiken | 101
2. Phase: Stadtumbau und Marginalisierung von Umweltthemen Die zweite Phase des untersuchten Diskursausschnittes umfasst den Zeitraum zwischen 2003 und 2006. In diesen Jahren spielten Umweltbegriffe, aber auch Energiebegriffe eine vollkommen marginale Rolle. Die Grafik zeigt (Abb. 6), dass stattdessen das Thema Stadtumbau deutlich hervortritt. Abbildung 7: Frequenzanalyse von Begriffen zu Umwelt, Energie und Stadtumbau in bundespolitischen Stadtentwicklungsdokumenten im zeitlichen Verlauf 3,0
relative Häufigkeit (in %)
2,5
2,0
1,5
1,0
0,5
0,0 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 *energie*
*klima*
*umwelt*
*emission*/*schadstoff*
*naturschutz*/*oekolog*
*stadtumbau*
Quelle: eigene Darstellung
Zehn Jahre nach der politischen Wende zeigte sich durch den Strukturwandel und den massiven Bevölkerungsrückgang ein großer Funktionsverlust in vielen Städten der ehemaligen DDR. Im Jahr 2000 gründete die Bundesregierung deshalb die Kommission »Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Bundesländern«, die die Situation erfassen und Handlungsstrategien erarbeiten sollten. Dem Bericht der Kommission zufolge standen in dieser Zeit eine Million Wohnungen – etwa 15 % des Wohnungsbestandes – in Ostdeutschland leer. Zudem waren etwa 420.000 Wohnungen nicht mehr bewohnbar, da während der DDR-Zeit vor allem die Altbauten stark vernachlässigt wurden (BMVBS 2000). Dementsprechend bestand in den 1990er Jahren in Ostdeutschland eine deutliche Wohnungsnot. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen empfahl die Kommission: »Bis 2010 sollten alle leerstehenden und störenden Gebäude abgerissen sein, um die Städte soweit zu stabilisieren. […] Etwas mehr als 350.000 Wohnungen wären demnach bis 2010 abzureißen« (ebd. 2000, 71). Die städtebaulichen Konsequenzen der demographischen Veränderungen nach der Wende wurden also in dieser Zeit, unterstützt durch den Bericht, deut-
102 | Klimapolitik in der Stadtentwicklung
lich problematisiert und der Stadtumbau setzte sich als zentrale Lösungsstrategie durch. Das 2002 gegründete Bund-Länder-Programm »Stadtumbau Ost« folgte somit den Empfehlungen einer »städtebaulich geordnete[n] Entwicklung der schrumpfenden Stadtteile« und die Kommunen wurden aufgefordert, »sich der neuen Aufgabe des ›Managements des Stadtumbaus‹« (ebd. 2000, 71) zu widmen. So wurden in den folgenden Jahren tausende Wohnungen ab- bzw. rückgebaut. Obwohl in den 1990er Jahren bereits gefordert wurde, umweltrelevante Belange und Städtebau zusammen zu denken, spielten Umweltaspekte in dieser Phase kaum eine Rolle. Erst ab 2007 änderte sich dies wieder. 3. Phase: Etablierung des ›Klimas‹ als eigenständiges politisches Handlungsfeld Ab 2007 zeigt sich eine dritte Phase, die sich nicht nur in den Veränderungen der bundespolitischen Dokumente widerspiegelt: Obwohl international spätestens mit dem Kyoto-Protokoll 1997 intensive Debatten zum Klimawandel geführt wurden, kam es erst um das Jahr 2007 zu einem deutlich gesteigerten medialen und gesellschaftlichen Interesse. Nicht zuletzt durch Al Gores Film »An Inconvenient Truth« (2006), den Stern-Report (2006) und den 4. IPCC-Bericht (2007) nahm die Debatte um Klimawandel an Fahrt auf. Titelbilder von einem Eisbären, der weit vom Ufer entfernt einsam auf einer scheinbar schmelzenden Scholle sitzt oder Überschriften wie »Klimawandel bedroht die Weltwirtschaft« (Spiegel online 10/2006), sorgten in dieser Zeit zudem dafür, dass das Thema auch emotional deutlich aufgeladen wurde. Darüber hinaus legten 2007 sowohl die Europäische Kommission als auch die Bundesregierung Energie- und Klimastrategiepakete vor, mit denen ambitionierte Ziele beschlossen wurden. Im Kern formulierte die Bundesregierung u.a. das Ziel, die Schadstoffemissionen in Deutschland »bis 2020 um 40 % unter das Niveau von 1990« (Bundesregierung 2007a, 2) zu reduzieren. Dafür solle der Anteil »Erneuerbarer Energien im Strombereich […] auf 25-30 % im Jahr 2020« (Bundesregierung 2007, 2) erhöht werden und ab »dem Jahr 2020 soll die Wärmeversorgung von Neubauten möglichst weitgehend unabhängig von fossilen Energieträgern sein« (Bundesregierung 2007b, 35). Vor diesem Hintergrund entwickelte sich eine neue Dynamik in den politischen und gesellschaftlichen Debatten, die sich auch in den stadtentwicklungspolitischen Dokumenten in einer deutlichen Veränderung der diskursiven Rahmung von Umwelt wiederfindet. Dabei fallen drei Aspekte besonders auf: 1) ›Klima‹ statt ›Umwelt‹: War Klima bislang Teil des Themenfeldes Umwelt, trat es nun in dieser Zeit als eigenständiges politisches Handlungsfeld hervor. Wie die Abbildung oben (Abb. 7) gezeigt hat, bildeten nicht mehr ›Emissio-
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nen‹, ›Umwelt‹ und ›Ökologie‹ die zentralen Begrifflichkeiten, sondern es wurde explizit das ›Klima‹ adressiert. In den vergangenen Jahren wurde ab und an auf ›Klimaveränderungen‹ verwiesen, doch erst 2007 erscheint der Begriff ›Klimawandel‹ innerhalb der stadtentwicklungspolitischen Dokumente. Beide Begriffe werden zwar oftmals synonym verwendet. Auch gab es bislang keine wissenschaftlichen Auseinandersetzungen, die die unterschiedlichen Verwendungen dieser beiden Begriffe aufarbeiten. Gleichwohl kann der Begriff ›Klimawandel‹ als ein neues politisches Konzept bzw. Erklärungsmuster verstanden werden. Die Bundesregierung hatte zwar auch schon vor 2007, gerade im Zusammenhang mit dem Beitritt 1994 zur Klimarahmenkonvention, die internationalen Diskussionen um den globalen Klimawandel aufgegriffen. Innerhalb der Stadtentwicklungsdebatten blieb jedoch bislang der Fokus auf das ›Lokale‹ gerichtet. Damit ging es bis 2007 in erster Linie um die Konsequenzen der Schadstoffemissionen für das lokale Klima und die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort. Auch mit dem Begriff des Klimawandels steht die Frage im Mittelpunkt, wie Städte Maßnahmen lokal umsetzen können. Doch wird nun in den Argumentationsstrategien das Spannungsfeld zwischen lokal und global genutzt, um die Notwendigkeit des Handelns zu begründen. Klimawandel wird nun auch zu einer politischen Frage der globalen und nationalen Versorgungssicherheit mit Rohstoffen. Dementsprechend formuliert die Bundesregierung in ihrem Energie- und Klimakonzept: »Die Herausforderungen des weltweiten Klimawandels sind auf das Engste mit der Frage verknüpft, wie unter den Bedingungen einer weltweit steigenden Energienachfrage in Zukunft die Versorgungssicherheit zu wirtschaftlichen Preisen gewährleistet und so insgesamt eine nachhaltige Energieversorgung verwirklicht werden kann. Eine ambitionierte Strategie zur Steigerung der Energieeffizienz und der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien sind die richtige Antwort, um die Emission der Treibhausgase zu reduzieren« (Bundesregierung 2007, 4).
Während also Begriffe um Umwelt und Schadstoffe an die Debatten um Luftverschmutzungen der 1980er Jahre anknüpfen, betont der Begriff Klimawandel deutlich stärker globale Fragen. Die effizientere Nutzung von Energie und der Ausbau von erneuerbaren Energien soll zwar auch für eine Reduktion von Treibhausgasen sorgen. Darüber hinaus ist damit aber auch das Ziel verbunden, in der Rohstoffversorgung eine größere politische Unabhängigkeit von anderen Staaten herzustellen und zugleich das nationale Wirtschaftswachstum zu sichern. Die Handlungsmaßnahmen der Bundesregierung in der »nationalen Klimaschutzpolitik« werden zudem mit der »Verantwortung« für die Bewältigung des
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»weltweiten Klimawandels« (ebd. 2007, 5) begründet, die sich aus den globalen und lokalen Auswirkungen des Klimawandels ergibt. Doch verändert sich im weiteren zeitlichen Verlauf auch die Art und Weise, wie das Feld Klima selbst problematisiert wird. Ging es zunächst allgemein um Klimawandel, differenziert sich die Diskussion im weiteren Verlauf ab etwa 2010 aus: Thematisiert werden die Auseinandersetzung um Fragen des Klimaschutzes einerseits und Fragen der Klimaanpassung andererseits (Abb. 8). Das ist insofern interessant, als dass die Bundesregierung bereits 2008 die »Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel« veröffentlichte, das Thema in den Diskussionen um Stadtentwicklung jedoch erst zwei Jahre später stärker aufgegriffen wurde. Abbildung 8: Frequenzanalyse von Lemmata zu Klimaschutz, Klimaanpassung und Klimawandel in bundespolitischen Stadtentwicklungsdokumenten im zeitlichen Verlauf 0,3
relative Häufigkeit (in %)
0,3
0,2
0,2
0,1
0,1
0,0 1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
*klimaschutz*
2005
2006
2007
*klimaanpassung*
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
*klimawandel*
Quelle: eigene Darstellung
Während es im Klimaschutz in erster Linie darum geht, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und die globale Erwärmung auf unter 2 Grad Celsius gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung zu begrenzen, wird in den Diskussionen um Klimaanpassung stattdessen davon ausgegangen, dass der Klimawandel nicht mehr aufgehalten werden kann und sich Städte an potenzielle Veränderungen anpassen müssen. Dementsprechend knüpfen daran unterschiedliche Strategien an, um die jeweiligen Ziele zu erreichen. Im Klimaschutz werden vor allem technische Problemlösungen präferiert wie bspw. der Ausbau der Elektromobilität oder smarter Technologien im Haushaltsbereich. Maßnahmen
Klimapolitiken | 105
der Klimaanpassung zeigen sich stattdessen u.a. in der stärkeren Begrünung städtischer Strukturen. Diese Veränderung der Strategien zeigt sich auch in den Kookkurrenzanalysen von Klimabegriffen. Im Jahr 2007 sind Begriffe wie ›Raumentwicklungsstrategien‹, ›Anpassungsstrategien‹, ›Szenarien‹, ›Klimaprojektion‹, ›Information‹ oder ›Diskussion‹ signifikant und damit typisch für die Wortumgebung von *klima*. In dieser Zeit geht es insbesondere darum, Wissen über Szenarien und Prognosen zu produzieren und Strategien im Umgang mit dem Klimawandel zu entwickeln27. Dieselbe Analyse zeigt 2013 eine deutliche Ausdifferenzierung und Veränderung der semantischen Verknüpfungen (Abb. 9): Abbildung 9: Ausgewählte Kookkurrenzen von Klimabegriffen in bundespolitischen Stadtentwicklungsdokumenten 2013
Anpassung Dachbegrünung
Begrünung
Starkregen
Nachverdichtung Baummanagement Revitalisierung
Bäume
Vulnerabilität
Hitze
Unsicherheiten
*klima*
Konflikte Zielkonflikte
Extremereignisse
Hochwasser
Trockenheit
Grünflächen
Freiflächen Immobilien
Mobilität
wohnungswirtschaftlich
Stadtumbau Quelle: eigene Darstellung28
27 Die Ergebnisse basieren auf einer Kookkurrenzanalyse des Subkorpus von 2007, Spannweite ±5. Irrtumswahrscheinlichkeit 5 %. 28 Die Größe der Begriffe entspricht der absoluten Häufigkeit der Begriffe im Korpus. Das zugrundeliegende statistische Maß ist der log-likelihood-Wert (Irrtumswahrscheinlichkeit 5 %).
106 | Klimapolitik in der Stadtentwicklung
Die farblichen Markierungen stehen für die verschiedenen Themen. Zum einen werden im Subkorpus 2013 konkrete Handlungsfelder klimapolitischer Maßnahmen sichtbar. Dazu gehört der Stadtumbau, wobei insbesondere beim Neubau von Gebäuden klimarelevante Aspekte berücksichtigt werden sollen. Aber auch die Mobilität und die Gestaltung von Frei- und Grünflächen rücken als Handlungsfelder klimapolitischer Maßnahmen in den Vordergrund. Gleichzeitig treten Verweise auf Konflikte in der Wortumgebung von *klima* hervor, die auf Herausforderungen und Widerstände bei der Umsetzung von Maßnahmen deuten. Die Fokusverschiebung auf die Klimaanpassung zeigt sich hier in Begriffen wie ›Revitalisierung‹, ›Baummanagement‹ und ›(Dach-) Begrünung‹. Auch die Wörter ›Hitze‹, ›Starkregen‹ oder ›Hochwasser‹ treten signifikant häufig auf. Gerade die Zunahme von Wetterereignissen gilt als Begründung dafür, den Schwerpunkt nicht nur auf Klimaschutz, sondern stärker auf die Klimaanpassung zu richten. 2) Dramatisierung: Darüber hinaus wird eine neue Dringlichkeit im Handeln stark gemacht, die sich vor allem in einer sprachlichen Dramatisierung im Reden über Klima widerspiegelt. Das heißt, Adjektive wie ›dringlich‹, ›akut‹ oder ›notwendig‹ haben seit 2007 deutlich zugenommen und werden z.B. mit Forderungen nach einem »intensiven Dialog« verknüpft, der als »dringend erforderlich« (BMVBS 2007, 7) deklariert wird. Der Klimaschutz wird nun zu einer wichtigen politischen Aufgabe erhoben. Legitimiert wird dies mit Verweis auf die internationalen Berichte: So gab der 4. IPCC-Bericht (2007) erstmals bekannt, dass die menschlichen Aktivitäten »sehr wahrscheinlich« die Ursache für den größten Teil der Emissionsanstiege seien (ebd. 2007, 6). Und der SternReport (2006) konzipierte den Klimawandel als ökonomisches Problem und betonte in großer Dringlichkeit, dass ein Nicht-Handeln deutlich teurer wäre, als das Handeln selbst: »Die Kosten für die Stabilisierung des Klimas sind erheblich, aber tragbar; Verzögerungen wären gefährlich und viel teurer« (Naturwissenschaften Schweiz 2008, vii). In diesem Sinne werden gerade diese beiden Berichte bzw. die ihnen zugrundeliegenden wissenschaftlichen Studien in den Stadtentwicklungsdebatten zu zentralen diskursiven Ankern, um ein zukünftig intensiveres klimapolitisches Engagement zu rechtfertigen und auszubauen. Denn Klimaschutz, so wird es auch im Energie- und Klimaprogramm der Bundesregierung 2007 gerechtfertigt, gilt nicht in erster Linie dem Schutz der Umwelt, sondern »dem Standort Deutschland« (Bundesregierung 2007, 1). Wurden bislang Städte vor allem als ›Verursacher‹ von Schadstoffen angesprochen, werden sie nun in den stadtentwicklungspolitischen Dokumenten in erster Linie als ›Betroffene‹ dargestellt. Diese Betroffenheit wird mit Verweis auf die zunehmenden »extremen« Wetterereignisse begründet (BMVBS 2007,
Klimapolitiken | 107
7). Globale Unwetterkatastrophen wie die extremen Regenfälle in Pakistan 2010, aber auch lokale Wetterereignisse wie das Hochwasser 2013 in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen werden nun als Beleg dafür angeführt, dass Klimawandel nicht nur ein abstraktes Phänomen, sondern tatsächlich wahrnehmbar und erlebbar ist. So zeigt auch die folgende Abbildung (Abb. 10), dass ab 2007 die relative Häufigkeit von Begriffen um Hitzebelastungen, Hochwasser und Extremereignisse am Gesamtanteil der Wörter pro Jahr in den stadtentwicklungspolitischen Dokumenten deutlich zunimmt, während diese vorher kaum eine Rolle spielten29. Abbildung 10: Frequenzanalyse von Begriffen zu Wetterereignissen in bundespolitischen Stadtentwicklungsdokumenten im zeitlichen Verlauf 0,2 0,2
relative Häufigkeit (in %)
0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,0 0,0 0,0 1998
1999
2000
2001
2002
2003 *hitze*
2004
2005
2006
*extremereignis*
2007
2008
*hochwasser*
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
*sturm*
Quelle: eigene Darstellung
Deutlich wird aber auch, dass andere Extremwetterereignisse wie bspw. die sogenannte ›Jahrhundertflut‹ von 2002 zwar physisch stattfanden, aber noch nicht in die Diskurse um Stadtentwicklung eingebettet wurden. Sie wurden also zu dieser Zeit noch nicht für die bundespolitischen Debatten um Stadtentwicklung bedeutsam. Das ändert sich erst ab 2007, indem Wetterereignisse nun »als Gefahren erkannt, als Risiken kommuniziert« (Egner und Pott 2010, 10) werden. Diese diskursive Verschiebung von Schadstoffen als Belastung hin zu Klimafol-
29 Auch hier wurden Begriffen eines Jahres mit dem jeweiligen Wortstamm, z.B. *hitze*, zu einer Wortgruppe zusammengefasst und in Relation gesetzt zur Gesamtanzahl der Begriffe in diesem Jahr.
108 | Klimapolitik in der Stadtentwicklung
gen als Risiko zeigt sich in den Stadtentwicklungsdokumenten auch in einer deutlichen Zunahme des Begriffs ›Risiko‹ selbst (Abb. 11): Abbildung 11: Frequenzanalyse zu Lemmata von Risiko in bundespolitischen Stadtentwicklungsdokumenten im zeitlichen Verlauf 300
relative Häufigkeit (pro. Mio.)
250
200
150
100
50
0 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015
Quelle: eigene Darstellung
Untersucht wurde hier ein Teilkorpus, in dem nur die Dokumente berücksichtigt wurden, die sich in ihrem Titel bzw. in ihrem Inhaltsverzeichnis explizit auf Klima oder Umwelt beziehen. Die Grafik zeigt die relative Häufigkeit der Wörter innerhalb der untersuchten Dokumente pro Jahr. Der Wert bezieht sich jedoch nicht auf 100 % bezieht, sondern aufgrund des Umfangs des Korpus auf eine Million Wörter. Auf diese Weise können die Häufigkeiten der RisikoBegriffe der einzelnen Jahre, trotz unterschiedlicher Umfänge der Korpora, miteinander verglichen werden. Die Grafik zeigt eine deutliche Zunahme der Häufigkeiten ab 2007. Die daran anschließende Kookkurrenzanalyse von Lemmata zu ›Risiko‹ bestätigt zudem, dass diese semantisch in erster Linie mit Begriffen wie ›Klimafolgen‹ und ›Klimawandel‹ verknüpft werden ebenso wie mit Begriffen konkreter Wetterereignisse wie ›Überflutung‹, ›Starkregen‹ und ›Hochwasser‹. Aber auch Wörter wie ›Gesundheit‹ und ›Wirtschaft‹ gehören zu den signifikanten Verknüpfungen von Risiko-Begriffen. Sie weisen auf konkrete Bereiche hin, die als besonders risikoempfindlich bzw. vulnerabel erachtet werden. Durch die Verwendung des Begriffs ›Risiko‹ wird zudem suggeriert, dass der Klimawandel prinzipiell beeinflussbar sei und die Gesellschaft selbst es in der Hand habe, jene Ereignisse zu vermeiden, sie müsse nur die ›richtigen‹ Entscheidungen treffen. Denn der Begriff Risiko wird Luhmann zufolge dann verwendet, wenn »etwaige Schäden als Folge der eigenen Entscheidung gesehen
Klimapolitiken | 109
und auf diese Entscheidung zugerechnet werden« (Luhmann 2009, 140). Das heißt, Risiken unterliegen demnach dem Einfluss eigener Entscheidungen. Der Begriff ›Gefahr‹ dagegen würde dieser Argumentation zufolge auf Ereignisse verweisen, die von den eigenen Entscheidungen unabhängig sind. 3) Verletzbarkeit städtischer Strukturen: Klimawandelfolgen werden jedoch nicht nur als Risiko für den Menschen diskutiert, sondern auch als Risiko für die städtischen Strukturen. Das heißt, Städte werden nicht mehr nur als gebaute Umwelt betrachtet, sondern deren »[k]limawandelbezogene Vulnerabilität« (BMVBS 2013, 46), also deren Verwundbarkeit gegenüber den Risiken der Klimafolgen wird in den Vordergrund gerückt. Der relative Anteil solcher Begriffe im Vergleich zu den jeweiligen Jahreskorpora ist zwar sehr gering, gleichwohl veranschaulicht die folgende Grafik, dass diese erst ab 2007 überhaupt verwendet werden, um über städtische Strukturen zu sprechen (Abb. 12). Abbildung 12: Frequenzanalyse von Lemmata zu vulnerabel, verwundbar, resilient in bundespolitischen Stadtentwicklungsdokumenten im zeitlichen Verlauf 0,016
relative Häufigkeit (in %)
0,014 0,012 0,010 0,008 0,006 0,004 0,002 0,000 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 *vulnerab*
*verwundbar*
*resilien*
Quelle: eigene Darstellung
Im Mittelpunkt stehen dabei sowohl Infrastrukturen als auch konkrete Räume bzw. Quartiere, die als besonders empfindlich gegenüber Klimafolgen bewertet werden (BMVBS 2013, 55). Auf diese Weise werden Städte diskursiv zu verletzlichen Orten deklariert. Es werden ›Bedrohungsszenarien‹ entwickelt, um die Notwendigkeit des Handelns zu unterstreichen und zu rechtfertigen, dass der Klimawandel nun »weit oben auf der politischen Agenda« (BMVBS 2007, 7) stehen darf.
110 | Klimapolitik in der Stadtentwicklung
Risiken können hier als eine spezifische diskursive Rahmung verstanden werden, denn Risiken existieren nicht einfach bzw. steigen nicht einfach an. Das heißt, »erst durch den kommunikativen Umgang mit ihnen bzw. den erwarteten Ereignissen, wird Schäden oder Veränderungen gesellschaftliche Bedeutung« beigemessen (Egner und Pott 2010, 10). Bröckling, Krasmann und Lemke bezeichnen diese Entwicklungen gar als »Risikorealismus«, der zeigt, »dass Risiken weniger gefunden als ›erfunden‹ werden. Ihr ›Realitätsindex‹ […] ist vielmehr das Resultat einer sozialen Problematisierung. Risiken folgen also nicht unmittelbar einer industriell-gesellschaftlichen Realität, sondern sie repräsentieren eine Form des Denkens der Realität – mit dem Ziel, sie ›regierbar‹ zu machen« (Bröckling, Krasmann und Lemke 2000, 22). Diese Art der diskursiven Rahmung hat in der Bundespolitik zur Folge, dass diese dem Klimawandel politisch deutlich mehr Aufmerksamkeit widmet und auch mehr finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellt. So initiierte das Bundesumweltministerium bspw. 2008 die Nationale Klimaschutzinitiative (NKI). Bis 2017 stellte diese den Kommunen, privaten Trägern und Unternehmen ein Fördervolumen von rund 790 Millionen Euro zur Verfügung. Zudem verabschiedete die Bundesregierung 2008 einen zweiten Teil ihres Energie- und Klimaschutzpaketes, mit dem z.B. der Ausbau der Stromnetze verfolgt werden soll. Außerdem rief sie 2008 ein Investitionspakt zur energetischen Sanierung der sozialen Infrastruktur der Kommunen ins Leben und 2014 entstand das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020. Der Blick auf die internationalen sowie die bundespolitischen Debatten hat gezeigt, dass ›Umwelt‹ und ›Klima‹ im Laufe der vergangenen Jahre diskursiv zu politischen Handlungsfeldern ›gemacht‹ wurden. Infolge der Verschiebungen diskursiver Zuschreibungen von Luftschadstoffen als Belastung hin zu Klimawandelfolgen als Risiko wurden neue Praktiken in der Stadtentwicklungspolitik hervorgebracht, mit denen u.a. auch neue Standards beim Bauen und beim Einspeisen von Energien durchgesetzt wurden.
6.2 PROBLEMATISIERUNGEN UND SICHTBARKEITEN: PRIORISIERUNGEN IN DEN STADTENTWICKLUNGSPOLITISCHEN DISKURSEN DRESDENS UND MÜNSTERS In den theoretischen Ausführungen dieser Arbeit (Kap. 3.3) wurde erläutert, dass Diskurse ihre Gegenstände nicht einfach abbilden (Foucault 1982, 74). Vielmehr werden auch Vorstellungen davon, was als ›gute‹ Stadtentwicklung gelten solle, im Sprechen und Denken hervorgebracht. Die sich dabei etablierenden Bedeu-
Klimapolitiken | 111
tungsmuster und Wissensordnungen materialisieren sich in den alltäglichen Praktiken der Planung, in den kommunalen Institutionen und verfestigen sich auf diese Weise zu einer selbstverständlich erscheinenden Realität. Um der Unterschiedlichkeit im Umgang mit Klimapolitiken am Beispiel von Dresden und Münster nachzugehen, stellen sich deshalb zunächst zwei Fragen – nämlich erstens, ob und auf welche Weise das Phänomen Klimawandel überhaupt als Problem wahrgenommen und als solches artikuliert wird; zweitens, welche anderen Prozesse im Rahmen der Stadtentwicklung problematisiert werden und welche Relevanz dem Klimawandel im Verhältnis dazu beigemessen wird. Um gesellschaftliche Phänomene zu bearbeiten, zu regieren, müssen diese zunächst als ›Problem‹ identifiziert werden, denn, um mit den Worten Andersons zu sprechen, »[p]ublic problems are not just ›out there‹ waiting to be dealt with. Policymaking is not simply problem-solving. It is also a matter of setting up and defining the problem in the first place« (Anderson 1978, 20). Diese Perspektive lässt deutliche Unterschiede zwischen Dresden und Münster erkennen, die im Folgenden im Mittelpunkt stehen. Kapitel 6.2.1 veranschaulicht zunächst für die Stadt Dresden die Herausforderungen der gesellschaftlichen Umbrüche in den 1990er Jahren und analysiert, wie sich Diskurse um Klima im Laufe der Zeit verschieben. Kapitel 6.2.2 zeigt, dass im Gegensatz dazu die städtische Politik in Münster an die umwelt- und klimapolitischen Diskurse der 1980er Jahre anknüpft und sich das Bild der ›Vorreiterrolle‹ Münsters im Klimaschutz etabliert. Kapitel 6.2.3 nimmt mit Blick auf beide Städte die Wechselwirkungen von Stadtimages und Klimapolitik in den Blick, denn Erzählungen über die Stadt spielen sowohl in Münster als auch in Dresden eine wichtige Rolle. Daran anknüpfend richtet sich im vierten Schritt der Fokus auf konkrete Ereignisse, die zu Verschiebungen in den gesellschaftlichen Praktiken der beiden Städte geführt haben und veränderte Sichtweisen um Klima widerspiegeln (Kap. 6.2.4). 6.2.1 Lokaler Umweltschutz statt globaler Klimawandel – »eigentlich ist eher das Thema Umweltschutz ehrlicher« 30 Als zentrales Thema der 1990er Jahre wird in Dresden die Bewältigung der Transformationsprozesse angesehen, die aus dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland resultierten. Vor dem Hintergrund dessen, dass alle Kommunen der ehemaligen DDR die Gesetze und Verwaltungsvorschriften der BRD implementieren und dementsprechend sämtliche Handlungsbereiche neu organi-
30 Die Linke Dresden, 16.12.16.
112 | Klimapolitik in der Stadtentwicklung
sieren und gestalten mussten, standen in Dresden zunächst andere stadtentwicklungspolitische Herausforderungen im Vordergrund als in Münster. In den Interviews mit den Stadträt*innen und Verwaltungsmitarbeiter*innen werden mit Blick auf die vergangenen 20 Jahre vor allem drei Themen als problematisch artikuliert – die Anpassung städtischer Infrastrukturen an den demographischen Wandel, die ökonomische In-Wert-Setzung von Quartieren und Brachflächen sowie die Bewältigung von Umweltproblemen. Dem globalen Klimawandel wurde in den politischen Debatten zunächst kaum Bedeutung beigemessen. Doch weisen Spannungsverhältnisse zwischen Politik und Verwaltung, aber auch zwischen politischen Akteur*innen darauf hin, dass es unterschiedliche Sichtweisen auf Relevanz und Bedeutung des Klimawandels gibt. Bewältigung städtebaulicher Transformationsprozesse Wie bereits angesprochen, kam es nach der Wende in den 1990er und 2000er Jahren in zahlreichen ostdeutschen Städten zu einem massiven Bevölkerungsrückgang und so wird rückblickend auch in Dresden die Bevölkerungsentwicklung als zentrales Handlungsfeld der Stadtentwicklungspolitik beschrieben. Wie die folgenden Abbildungen (Abb. 13 und Abb. 14) zeigen, stieg die Bevölkerungszahl der Stadt Münster von etwa 260.000 Einwohner*innen im Jahr 1990 auf etwa 310.00 im Jahr 2015 an, während die Einwohnerzahl in Dresden zwischen 1990 und 1998 zunächst um etwa 8 % von 510.000 auf 470.000 Einwohner*innen zurückging. Erst ab etwa dem Jahr 2000 verzeichnete Dresden wieder Zuzüge und einen Anstieg in den Geburtenzahlen.
Klimapolitiken | 113
Abbildung 13: Bevölkerungsentwicklung in Münster, 1990–2015
Abbildung 14: Bevölkerungsentwicklung in Dresden, 1990–2015
Münster 320.000 310.000
Dresden 560000 540000
absolute Häufigkeit
300.000 290.000
520000
280.000
500000
270.000
480000
260.000
460000
250.000 240.000 230.000
440000 420000
Quelle: Landesdatenbank NRW; Amtliche Statistik Dresden
Diese Veränderungen wirkten sich auf zahlreiche Felder der Stadtentwicklung aus – allen voran auf die Wohnungsmarktentwicklung. 1990 wies der Dresdner Wohnungsmarkt aufgrund der beschriebenen Entwicklungen eine Leerstandsquote von 5,7 % auf. 14.000 Wohnungen standen trotz eines enormen Wohnungsmangels leer (Killisch, Glatter und Wandzik 2004, 18). Grund dafür war der schlechte Bauzustand zahlreicher Gebäude aufgrund der massiven Vernachlässigung des Altbaubestands während der DDR-Zeit. Nur 1 % der AltbauWohnungen wurden 1992 als gut erhalten bewertet, 32 % der Wohnungen hatten geringe und 58 % schwerwiegende Schäden. 9 % galten aufgrund ihrer schlechten Bausubstanz offiziell als nicht mehr nutzbar (ebd. 2004, 6). Dementsprechend wurde auch in Dresden der Stadtumbau zu einem der wichtigsten Handlungsfelder der Stadtentwicklung. Mithilfe des Bund-Länder-Programms »Stadtumbau Ost« wurden bis 2016 etwa 11.700 Wohnungen abgerissen (Abb. 15) (Landeshauptstadt Dresden 2014, 21).
114 | Klimapolitik in der Stadtentwicklung
Abbildung 15: Wohnungsrückbau in Dresden im zeitlichen Verlauf 1600
Laufzeit Förderprogramm Stadtumbau Ost
Anzahl rückgebauter Wohnungen
1400 1200 1000 800 600 400 200 0
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Quelle: Landeshauptstadt Dresden 2016d
Nach der Wende war das Stadtbild Dresdens also durch zahlreiche stark baufällige Gebäudebestände geprägt, aber auch durch viele Brachflächen. So beschreibt eine ehemalige Stadträtin der Linken die Situation in Dresden folgendermaßen: »Du hast im Grunde genommen ‘ne konservierte Stadt bis zum Ende der DDR gehabt. Das bedeutet, du hattest unglaublich viel im innerstädtischen Bereich mehr oder weniger Brachflächen oder ungenütztes Gelände. Und innerhalb der ‘90er Jahre gab ‘s unglaublich viele Planungsprozesse und Ideen, wie man diesen innerstädtischen Kern besser fassen könnte. Und dieses Innenstadt-Planungsthema hat dann im Grunde genommen die ‘00er Jahre, was die bauliche Realisierung des Innerstädtischen betrifft, immens beschäftigt. Also: Hochziehen von Quartieren, Schlagwort Neumarkt, Schlagwort Ausbau Prager Straße« (Die Linke Dresden, 16.12.16).
Mit Begriffen wie »unglaublich viel« oder »immens« charakterisiert die Sprecherin die städtebaulichen Herausforderungen zwischen dem Ende der DDR und den 2000er Jahren als komplex und umfangreich. In Münster wurde der Entwicklung von Quartieren und dem Neubau von Wohnungen ebenfalls eine zentrale Rolle beigemessen. Das Besondere in Dresden – sowie anderen ostdeutschen Städten – war jedoch, dass die Flächen bis zur Wende 1989 keinen Bodenmarktpreisen unterlagen. Stadtinnenlagen wurden nicht ökonomisch gewertet, »weil sie als sogenanntes Aufbaugebiet in ›das Volkseigentum überführt‹ und somit nicht gehandelt wurden« (Vogel 1990, 10). Brachliegende, ungenutzte Flächen galten somit nach der Wende in Dresden nicht nur aus einer ästhetischen Perspektive als ›runtergekommen‹ und ›nicht schön‹, sondern im Kontext der
Klimapolitiken | 115
neuen kapitalistischen Wertschöpfungslogik wurde problematisiert, dass diese Flächen einer Nutzung zuzuführen und damit schnellst möglichst in Wert zu setzen seien. Um herauszuarbeiten, welche Themen in der Stadtpolitik als relevant und prioritär erachtet werden, wurden die Textkorpora der Stadtratsbeschlüsse von Münster und Dresden korpusanalytisch untersucht. Wie im Methodenkapitel erläutert, wurde hier mithilfe von Keyword-Analysen gefragt, wie sich die Begriffe bzw. die Sprache der Stadtratsdebatten zwischen den beiden Städten unterscheiden (vgl. Kap. 4.4.1). Die folgende Tabelle (Tab. 5) zeigt ausgewählte Wörter der Ergebnisse, wobei die dunkelgraue Unterlegung die Begriffe markiert, die typisch für den jeweiligen Stadtentwicklungsdiskurs sind und die hellgraue die, die nicht typisch sind. Konkret ist zu sehen, dass in den Dresdner Dokumenten vor allem die Wörter ›Brachflächen‹, ›Freiflächen‹, ›Sanierungs- und ›Fördergebiete‹ hervortreten. In Münster wird stattdessen allgemeiner von ›Grundstücksflächen‹ gesprochen. Tabelle 5: Keyword-Analyse der Stadtratsdokumente Dresdens im Vergleich zu Münster, ausgewählte Begriffe (1997–2015) 31
Begriffe
Subkorpus ›Dresden‹
Subkorpus ›Münster‹
loglikelihood
Frequenz (absolut)
Frequenz (pro Mio.)
Frequenz (absolut)
Frequenz (pro Mio.)
183
256,65
9
8,23
276,74
66
92,56
3
2,74
101,08
Sanierungsgebiet Brachflächen Freifläche
91
127,62
16
14,63
95,02
Aufwertung
168
235,61
79
72,22
82,13
Fördergebiet
49
68,72
3
2,74
71,20
Missstände
59
82,74
12
10,97
57,26
Denkmalschutz
67
93,96
19
17,37
52,85
Grundstücksflächen
28
39,27
283
258,70
147,93
Quelle: eigene Darstellung
Die Spalte der absoluten Frequenz zeigt hier die Anzahl des jeweiligen Wortes innerhalb des Subkorpus; die Spalte Frequenz pro Million steht für die relative
31 Irrtumswahrscheinlichkeit 5 %.
116 | Klimapolitik in der Stadtentwicklung
Häufigkeit. Die Ergebnisse lassen erkennen, dass die Nullhypothese, wonach eine Gleichverteilung der Wörter in den jeweiligen Korpora vorliegen würde, abgelehnt werden kann. Mit anderen Worten: Die Begriffe kommen nicht zufällig vor, sondern sie sind signifikant und damit typisch für den Stadtentwicklungsdiskurs Dresdens bzw. Münsters. Auch in den Interviews wurde deutlich, dass in den Stadtratsdiskussionen Dresdens die Aufnahme von Stadtgebieten in die unterschiedlichen Förderprogramme wie bspw. das Programm »Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen« oder »Städtebaulicher Denkmalschutz«32 insbesondere in den 1990er und 2000er Jahren eine zentrale Rolle spielte. Diese Programme sind Bund-Länderprogramme der Städtebauförderung, mit denen die Städte bei der Durchführung von Maßnahmen in den ausgewählten Quartieren durch Fördermittel vom Bund und Land bezuschusst werden. Da es in diesen Programmen vor allem um die Beseitigung von Missständen geht, die sich u.a. in Brachflächen, im Funktionsverlust von Quartieren oder sozialen Brennpunkten zeigen, ist es wenig überraschend, dass auch Begriffe um ›Missstände‹ und ›Aufwertung‹ charakteristisch für die Dresdner Debatten sind. Im Kontext dieser Entwicklungen werden aber auch Konflikte um die Ausrichtung der Stadtentwicklungspolitik in Dresden deutlich, was das folgende Zitat exemplarisch zeigt: »Erschwerend kommt noch hinzu, dass wir in den '90er und '00er Jahren diesen roten Teppich, also ›Kommet ihr Investoren, wir sind dankbar, wenn ihr etwas für uns tut. Und wir verkaufen euch gerne die Fläche auch für nichts, Hauptsache, ihr macht dort was Schönes drauf‹. Und dieses Selbstverständnis, was in anderen Städten, vor allem in Westdeutschland, nie da war, wo immer die öffentliche Hand bestimmte Fläche verkauft hat oder Bebauungspläne mit Forderungen unterlegt hat, das gab 's bis dato nie. Das ist relativ neu« (Die Linke Dresden, 16.12.16).
Um Quartiere zu erneuern bzw. neu zu erschaffen, wurden in den 1990er und 2000er Jahren Investoren akquiriert, die mit ihren Projekten die Stadt wieder ›schön‹ machen sollten. Der bildhafte Verweis im Zitat, der ›rote Teppich‹ sei für die Unternehmen ausgerollt worden und die darin enthaltene Ironie zeigen hier, dass die zentrale Rolle der Investoren auch kritisiert wurde. Begründet wird die Kritik damit, dass dadurch anderen Ziele wie bspw. dem Klimaschutz nur eine untergeordnete Bedeutung beigemessen wurde. Zugleich deutet sich hier die
32 Während das Denkmalschutzprogramm erst 1991 zur Unterstützung der ostdeutschen Städte initiiert wurde, gibt es das Programm für Sanierungsmaßnahmen bereits seit 1971.
Klimapolitiken | 117
Frage nach der Rolle von Verwaltungsmitarbeiter*innen und politischen Akteur*innen im Stadtentwicklungsprozess an. So lassen die räumlichen Verweise im Zitat eine Differenzierung erkennen zwischen dem »wir« in Dresden und den »anderen Städten, vor allem in Westdeutschland« (ebd. 16.12.16). Während die Sprecherin davon ausgeht, dass es in anderen Städten schon früher ›normal‹ gewesen sei, dass städtische Akteur*innen Forderungen gegenüber den Investoren artikulierten, werden solche Praktiken in Dresden erst jetzt verstärkt wahrgenommen, worauf die zeitlichen Äußerungen ›bis dato‹ oder ›neu‹ verweisen. Solche Veränderungen in der Rolle von Verwaltungsmitarbeiter*innen werden auch im folgenden Zitat artikuliert, in dem mit Blick auf den Umgang mit Klimazielen der Stadt konstatiert wird, dass der »regulatorische Anspruch […] der Verwaltung […] stärker geworden ist, stärker regulierend, stärker fordernd. Und das ist nicht von heute auf morgen gekommen, aber kontinuierlich werden die professioneller, kontinuierlich reizt die Verwaltung gerade schon mehr ihren Handlungsspielraum auch aus« (ebd. 16.12.16). Die insgesamt starke Betonung der Herausforderungen der 1990er und 2000er Jahre wird auch deswegen herangezogen, um zu erklären, dass die Anpassung der städtischen Strukturen und Prozesse an die neuen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten immer noch anhält. So heißt es: »in dieser Phase sind wir noch. Also es ist nicht so, dass Dresden jetzt schon umfassend den Plan hätte, aber wir sind eben schon seit einigen Jahren auf dem Weg das anzupassen« (SPD Dresden, 18.10.16). Die Transformationsprozesse sind demzufolge nach wie vor für aktuelle politische Entscheidungspraktiken wirkmächtig und prägend. Der Wandel von Umwelt- und Klimadiskursen Innerhalb dieser Problematisierungen nehmen jedoch auch Umweltprobleme, denen die städtischen Akteur*innen in Dresden gegenüberstanden, einen wichtigen Stellenwert ein. Um zunächst die bislang durch die DDR-Regierung unter Verschluss gehaltenen Umweltdaten offenzulegen, wurde 1989 die Arbeitsgruppe »Natur und Umwelt« gegründet. Zu den dringenden Problemen wurden »die Luftverschmutzung, die Trinkwasserversorgung, die Abwasserbehandlung, die Abfallwirtschaft und der Natur- und Landschaftsschutz« (Richter und Sobeslavsky 1999, 160) gezählt, sodass das Thema »gesunde Umwelt« (ebd. 1990) sowohl in der Politik als auch in der Gesellschaft in dieser Zeit zu den zentralen Handlungsfeldern gehörte, die es zu bewältigen galt: »[...] weil's offensichtlich war, dass da was schiefläuft und dass unsere Lebensgrundlage bedroht ist. Und ich glaub', das ist die eigentliche historische Ursache dafür, dass man
118 | Klimapolitik in der Stadtentwicklung
sich auch in den '90ern und noch bis in die 2000er rein sehr stark auf den Umweltschutz konzentriert hat – konzentrieren musste. Und dementsprechend aber noch nicht so weit war, um dann den nächsten Schritt zu gehen und über den größeren Maßstab und Klimaschutz und Energiepolitik nachzudenken« (SPD Dresden, 18.10.16).
Dieses Zitat des bis 2015 agierenden umweltpolitischen Sprechers der SPD unterstreicht die Wahrnehmung des damaligen Umweltzustandes als Bedrohung der Lebensgrundlage. Interessant ist an dieser Stelle aber vor allem, auf welche Weise er hier zwischen Umweltschutz und Klimaschutz differenziert und Klimaschutz als den »nächsten« Schritt und »größeren Maßstab« (ebd. 18.10.16) bezeichnet. Denn darin spiegelt sich wider, wie auch in den bundespolitischen Dokumenten, dass Begriffe um Umwelt und Klima in den vergangenen Jahren diskursiv ausdifferenziert und mit unterschiedlichen Vorstellungen besetzt wurden. Der seit den 1980er Jahren etablierte Begriff ›Umwelt‹ bezeichnet »das gesamte Gefüge der äußeren Lebensbedingungen, die auf ein Individuum oder eine Lebensgemeinschaft einwirken« (Hünemörder 2004, 22). Klima gilt dabei als Teil der Umwelt, sodass Umweltschutz gleichzeitig auch den Schutz des Klimas beinhaltet. Der Begriff ›Klima‹, der sich in den 2000er Jahren zu einem eigenständigen politischen Handlungsfeld entwickelte, verweist jedoch nicht mehr nur auf die äußeren Lebensbedingungen wie das lokale Klima. Vielmehr wird dieser Begriff nun mit der Verantwortung für die globalen Klimaveränderungen in Verbindung gebracht, aber auch mit den globalen Bezügen von Energieversorgung und Rohstoffsicherheit. Für den Sprecher im vorangegangenen Zitat sind es jedoch genau die aus der DDR-Politik resultierenden Umweltprobleme ›vor Ort‹, die dazu führten, dass die städtischen Akteur*innen in Dresden den Blick (noch) nicht auf das Globale richten konnten. Dass über den globalen Klimaschutz nachgedacht werden müsse, wird dennoch als gegeben vorausgesetzt. Die Notwendigkeit von Klimaschutz kann hier als ein Vorkonstrukt, also als Wissen verstanden werden, welches nicht mehr hinterfragt wird (unterstrichen, vgl. dazu Kap. 4.4.3). Gleichzeitig schließen hier andere Zuschreibungen an, mit denen die Dresdner Politik unabhängig vom umweltpolitischen Themenfeld als sehr stark bei sich seiend beschrieben und auch kritisiert wird: »Naja, wenn ich Klimaschutz machen will, dann muss ich mich ziemlich deutlich verändern. Und dann muss ich mich anpassen und neue Konzepte entwickeln. Und das muss ich im Umweltschutz, so wie er hier verstanden wird, eben gerade nicht« (Umweltzentrum Dresden, 18.10.16).
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Klimaschutz wird in diesem Sinne vor allem mit Veränderungen bzw. mit veränderten Umweltbedingungen assoziiert. Somit geht es nicht mehr nur darum, die bestehende Umgebung bzw. Umwelt in einem ›guten‹ Zustand zu erhalten, sodass das Wasser sauber und die Luft rein ist. Es geht vielmehr darum, den veränderten Klimaverhältnissen, die sich bspw. in einer Zunahme von Hitzetagen oder Hochwasserereignissen zeigen können, zu begegnen und die Stadtentwicklung mit entsprechenden Konzepten daran anzupassen. Kritisiert werden damit in erster Linie das Beharrungsvermögen städtischer Politik und das Festhalten an bestehenden Handlungspraktiken »hier« (ebd. 18.10.16) in Dresden. Vor dem Hintergrund der umfangreichen Transformationsprozesse, die nach der Wende die Stadtentwicklungspolitik bewegten, wurde also dem lokalen Umweltschutz zunächst eine zentrale Bedeutung als politischem Handlungsfeld beigemessen, der Klimawandel spielte dabei in den politischen Entscheidungen kaum eine Rolle. Zwar verabschiedete der Stadtrat zwei Klimaschutzberichte (Landeshauptstadt Dresden 2004; 2007) und einige Jahre später das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEuKK) (ebd. 2013), eine tatsächliche Umsetzung der dort empfohlenen Maßnahmen wurde aber von den politisch führenden Parteien kaum unterstützt. Im Zuge der zahlreich durchgeführten umweltpolitischen Maßnahmen der 1990er Jahre, galten die bestehenden Umweltprobleme bald als gelöst, sodass selbst die Relevanz umweltpolitischer Fragen im Laufe der Zeit zurückging. So betont die CDU z.B. in ihrem Wahlprogramm: »Die Umweltsituation in Dresden ist gut« (CDU Dresden 2014, 5) und sieht dementsprechend keinen weiteren Handlungsbedarf. Eine Sichtweise, die die kommunale Politik Dresdens in den vergangenen zehn Jahren dominierte. Um herauszuarbeiten, wie sich die Häufigkeit von Umwelt- im Vergleich zu Klimabegriffen seit 1997 verändert hat, wurden Frequenzanalysen der Stadtratsdebatten durchgeführt. Die folgende Abbildung zeigt, dass insbesondere die Anzahl der Begriffe um Klima gering ist (Abb. 16).
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Abbildung 16: Frequenzanalyse von Lemmata zu Klima und Umwelt in den Stadtratsbeschlussvorlagen Dresdens im zeitlichen Verlauf Dresden 1,2
relative Häufigkeit (in %)
1,0
0,8
0,6
0,4
0,2
0,0 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 *umwelt*
*klima*
Quelle: eigene Darstellung
Die kleine Spitze des Klima-Graphen im Jahr 1998 entstand dadurch, dass in diesem Jahr das erste Klimakonzept im Stadtrat verabschiedet wurde. Ab 2009 nimmt die Anzahl der Klimabegriffe im Vergleich zu allen Wörtern des Jahres etwas deutlicher zu. In dieser Zeit wurde im Stadtrat u.a. der dritte Bericht zum Klimaschutz diskutiert und auch das städtebauliche Leitbild »Stadt Dresden im ökologischen Netz« war Teil von Stadtratsdebatten. Dazu heißt es: »Unter dem Leitbild ›Die Stadt Dresden im ökologischen Netz‹ sollen die Siedlungsräume mit urbaner Dichte entwickelt werden, eingebettet in ein Netz von multifunktionalen Freiräumen, die der Erholung und Gesundheit der Dresdner Bürgerinnen und Bürger, der Grundwasserneubildung, dem Stadtklima, dem Arten- und Biotopschutz, der Stadtgestaltung und bereichsweise der Hochwasservorsorge dienen« (Landeshauptstadt Dresden 2009). Klima wird hier mit Blick auf das Stadtklima vor Ort adressiert. Der globale Klimawandel ist dagegen nachrangig und rückt erst 2013 mit der Erstellung des IEuKK stärker in den Vordergrund. Auffällig ist jedoch, dass in Dresden spätestens ab 2006 Umweltbegriffe stark zunehmen. Sie spielen in dieser Zeit insbesondere in den zahlreichen Verfahren um Bebauungsgebiete zunehmend eine Rolle. Die folgende Abbildung (Abb. 17) verknüpft die Häufigkeiten der Umweltund Klimabegriffe im Korpus (Graphen) mit den Ergebnissen der KeywordAnalyse (Textfelder). Sichtbar sind die Keywords, die sich auf die Themenfelder Umwelt allgemein (orange hervorgehoben) und Klima im Speziellen (grün hervorgehoben) beziehen und jeweils für die einzelnen Jahre im Vergleich zu den
Klimapolitiken | 121
anderen Jahren signifikant sind. Dabei wird deutlich, dass u.a. die Elbe als Naturraum eine wichtige Rolle spielt sowie Begriffe um Hochwasser. Vor allem das Thema Hochwasservorsorge rückt nach den Flutereignissen von 2002, 2006 und 2013 deutlich in den Vordergrund. Abbildung 17: Frequenzanalyse von Lemmata zu Umwelt und Klima sowie Schlüsselbegriffe der Keyword-Analyse des Dresdner Stadtentwicklungsdiskurses im zeitlichen Verlauf Dresden 1,2
Klimawandel
Klima
relative Häufigkeit (in %)
1,0
CO2, Klima, Emissionen 0,8
Hochwasservorsorge
Hochwasser HQ100
Weißeritz
0,6
Elbwiesen
Hochwasservorsorge, -schutz
Elbe/Überflutung
0,4
0,2
Klimaschutz, Anpassung erneuerbar
Nachhaltigkeit
Naturhaushaltwirtschaft, Flutrinne, Grünring
Bäume, Umweltsituation, Umweltschutz
0,0 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 *umwelt*
*klima*
Quelle: eigene Darstellung
Interessanterweise zeigt sich jenseits des geringen politischen Interesses unter den Befragten in Dresden allgemein eine skeptische Wahrnehmung gegenüber dem Begriff ›Klimaschutz‹. Während in Münster Begrifflichkeiten um Klimawandel mit großer Selbstverständlichkeit verwendet und scheinbar kaum mehr infrage gestellt werden, wird Klimaschutz in Dresden charakterisiert als »schwer greifbar« (Klimaschutzstab Dresden, 13.1.17), »zu global« (Die Linke Dresden, 1.12.16) und als »was Aufgesetztes« (Umweltamt Dresden, 1.12.16) ohne »unmittelbaren Bezug zum aktuellen Leben der Bürger« (ebd. 1.12.16). Vielmehr erscheint »eigentlich eher das Thema Umweltschutz ehrlicher […], indem ich mich auf dieser Kleinfläche Stadt bestimmten Projekten widme und damit meine Umwelt gestalte« (Die Linke Dresden, 1.12.16). Diese Wahrnehmung verweist in der Tat auf eine grundlegende Problematik der Klimapolitik. Während Waldschäden oder verschmutzte Gewässer sichtbar sind, ist der Klimawandel nicht unmittelbar erlebbar. Zudem sind Maßnahmen wie die Renaturierung eines Baches oder das Pflanzen von Bäumen direkt wahrnehmbar. Der Effekt von CO2Einsparungen, die daraus resultieren, dass die Bürger*innen z.B. öfter mit dem
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Rad anstatt mit dem Auto fahren, dagegen nicht. Umwelt wird hier also als Gegenpart von Klima darstellt – Umwelt wird in den direkten Bezug zur Lebenswelt der Menschen gestellt und gilt damit auch im städtischen Kontext als steuerbar, Klimawandel dagegen nicht. Auch in Münster wird dies thematisiert, doch wird dort auf die »lange Tradition« im städtischen Klimaschutz verwiesen, wodurch »erfolgreiche, sichtbare Projekte ›zum Anfassen‹« (Stadt Münster 2017, 141) entstehen konnten, die, so wird zumindest erhofft, Themen um den Klimaschutz greifbarer gemacht haben. Doch zeigen sich in den Dresdner Debatten konträre Sichtweisen und Praktiken, die die oft langwierigen, aber öffentlich kaum wahrnehmbaren Aushandlungsprozesse um Klimawandel erkennen lassen: Während einerseits erklärt wird, dass »das Thema Klimawandel und damit auch 'ne gewisse KlimaSensibilität und Energieeinsparen und so weiter […] Anfang oder Ende der '90er Jahre gar nicht auf dem Schirm« (Die Linke Dresden, 16.12.16) der Dresdner Stadtentwicklungspolitik erschien, zeigen sich gleichzeitig dieser Wahrnehmung entgegengesetzte politische Entscheidungen und Praktiken. So trat die Stadt Dresden bereits 1994 dem »Klima-Bündnis der europäischen Städte« bei und befürwortete damit offiziell das Ziel, Schadstoffe als klimawirksame Treibhausgase zu reduzieren. Darüber hinaus verabschiedete der Stadtrat 1998 das vom Umweltamt erstellte erste Kommunale Rahmenprogramm zur CO2Reduktion, womit explizit der Ausbau erneuerbarer Energien als klimapolitische Strategie gefordert wurde ebenso wie Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit, mit denen die Bevölkerung im Sinne der Klimaschutzziele aktiviert werden sollten (Landeshauptstadt Dresden 1998, 2). Was damit sichtbar wird, ist ein konflikthaftes Spannungsfeld um die Bedeutung und Relevanz von Klima insbesondere zwischen politischen Akteur*innen einerseits und Akteur*innen der Umweltverwaltung andererseits. Denn sowohl der Beitritt zum Klima-Bündnis, als auch das erste Klimaprogramm und die Klimaberichte 2004 und 2008 entstanden durch die Initiative des Umweltamtes, das sich bereits früh im Umweltschutz und im Klimaschutz engagierte. Dieses Engagement kann zumindest in Teilen als Fortsetzung der umweltpolitischen Aktivitäten zivilgesellschaftlicher Gruppen der DDR betrachtet werden, denn einige der heute noch im Umweltamt Tätigen beteiligten sich auch in der DDR an Initiativen wie z.B. dem Ökokreis und engagierten sich für den Umweltschutz (Umweltamt Dresden, 1.12.16).
Klimapolitiken | 123
Konträre Sichtweisen um die Bedeutung des Klimawandels gibt es jedoch nicht nur zwischen Umweltpolitik und Umweltverwaltung, sondern auch zwischen den politischen Akteur*innen, wie das folgende Zitat zeigt33: »Es ist 'ne Frage der Prioritätensetzung und damit auch der Durchsetzbarkeit und Mehrheitsbildung. Das bedeutet also, bevor Rot-Rot-Grün rankam, […] sind eben ganz viele Gestaltungsaufgaben, die man nicht als lebensnotwendig oder als politische Priorität eins bis zehn erachtet hat, einfach immer wieder hinuntergefallen. Im Ranking der Ziele waren diese Themen eher grüne Themen und damit nie wirklich in dieser damaligen Mehrheitskoalition wichtig« (Die Linke Dresden, 16.12.16).
Erkennbar wird hier eine zentrale Konfliktlinie zwischen zwei Sprechergruppen – zum einen wird auf die Parteien SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen verwiesen, die seit 2015 gemeinsam über die Mehrheit der Stimmen im Stadtrat verfügen. Zum anderen gibt es die »damalige Mehrheitskoalition« aus CDU und FDP, die auch als »Lobby für den Straßenbau« (ebd. 16.12.16) charakterisiert wird. Die Marginalisierung ›grüner‹ Themen wird der CDU- und FDPRegierung zugeschrieben, die bis 2014 die Mehrheit im Stadtrat bildeten. Der unterstrichene, nicht notwendige Relativsatz lässt hier erkennen, dass die Zuschreibung, ›grüne‹ Themen hätten für CDU und FDP keine politische Priorität, in der Dresdner Politik als etwas Feststehendes und Normales betrachtet wird. Gleichwohl muss berücksichtigt werden, dass es sowohl zwischen 1994 und 1999 als auch zwischen 2004 und 2009 eine politische ›rot-rot-grüne‹ Mehrheit bzw. eine Mehrheit aus den Linken, der SPD und den Freien Bürgern gab34. Dennoch rückten auch in diesen Zeiten ›grüne‹ Themen nicht in den Vordergrund der Stadtpolitik. Das zeigt, dass sich politische Priorisierungen von Themen und damit auch konkrete Entscheidungs- und Handlungspraktiken nicht einfach mit wechselnden Mehrheiten verschieben. Ein Grund dafür ist, dass sich politische Entscheidungen in Institutionen, Verwaltungsstrukturen und alltäglichen Praktiken verfestigen, die gegenüber anderen Denklogiken ein gewisses Beharrungsvermögen aufweisen. So verschieben sich auch Vorstellungen von Relevanz und Bedeutungen des Klimawandels nur langsam und bringen erst über ei-
33 Die Markierungen in diesem und den nachfolgenden Zitaten entsprechen dem folgenden Schema: zeitliche Verweise – dunkelgraue Unterlegung; personale und räumliche Verweise – hellgraue Unterlegungen; polyphone Marker – fett hervorgehoben; Vorkonstrukte – unterstrichen. 34 Zu den Stimmenverteilungen im Dresdner Stadtrat siehe Kap. 4.
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nen längeren Zeitraum hinweg veränderte gesellschaftliche Kräfteverhältnisse hervor. Dass es zwischen den politischen Parteien konflikthafte Aushandlungsprozesse um die Relevanz des Klimawandels sowie um klimapolitische Strategien gibt, zeigt auch das Beispiel der Diskussion um Windenergie im Rahmen der Erstellung des Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzeptes (Landeshauptstadt Dresden 2013). Zunächst sei darauf verwiesen, dass die Windenergienutzung in Sachsen durch die Festlegung von Vorrang- und Eignungsgebieten in den Regionalplänen geregelt wird35. Dresden gehört als kreisfreie Stadt gemeinsam mit den Landkreisen Meißen und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge zum regionalen Planungsverband Oberes Elbtal/Osterzgebirge. Im Zuge der Diskussionen um die Fortschreibung des Regionalplans wurde beschlossen, dass Dresden in seinem Stadtgebiet keine Windenergieanlagen errichten müsse. Dieser Beschluss wurde auch in den Stadtratsdebatten Dresdens aufgegriffen. Dort forderten FDP und CDU, dass auch im Energie- und Klimaschutzkonzept der Stadt festgeschrieben werden solle, im gesamten Gebiet Dresdens keine Windenergieanlagen zu errichten36. Die entsprechenden Anträge wurden von der Mehrheit im Stadtrat angenommen, allerdings sehr knapp37. Doch wurde die Errichtung von Windenergieanlagen im Stadtgebiet eben nicht nur von CDU und FDP abgelehnt, sondern auch von politischen Akteur*innen anderer Parteien. So äußerte sich z.B. auch Die Linke kritisch gegenüber der Vorstellung, Windenergieanlagen im Stadtgebiet zu errichten, wie die ehemalige Stadträtin erklärt: »Die Linke war auf alle Fälle kritisch […], sodass man dort eben gesagt hat: ›Wir haben so große weite Flächen in Sachsen, wir werden nicht mit Windenergie hier unser Stadtbild, unsere Stadt verschandeln und uns die ganzen Probleme, die wir dann noch haben, ran ziehen. Wir werden keine Energieautarkie jemals hinbekommen, wir werden immer einkaufen müssen von außen. Aber das Windrad, das kommt nicht auf unsere Fluren‹« (Die
35 Das Bundesland Sachsen hat einen Flächenanteil von 0,18 % (3.372 ha) der Landesfläche für die Nutzung von Windenergie ausgeschrieben. Im Vergleich dazu u.a.: Berlin-Brandenburg 2 %, Hessen 2 %, Rheinland-Pfalz 2 %, Niedersachsen 1,4 %, Thüringen 1 % und Sachsen-Anhalt 1,5 % (Freistaat Sachsen 2013, 115). 36 Ergänzungsanträge
unter:
http://ratsinfo.dresden.de/vo0050.php?__kvonr=6568
[24.5.2018]. 37 Siehe Niederschrift der 56. Sitzung des Stadtrates (SR/056/2013), Abstimmung des Ergänzungsantrags der FDP: 33 Ja-Stimmen, 30 Nein-Stimmen und 0 Enthaltungen; Abstimmung des Ergänzungsantrags der CDU: 33 Ja-Stimmen, 29 Nein-Stimmen und 1 Enthaltung.
Klimapolitiken | 125
Linke Dresden, 16.12.16). Während hier die Erzeugung erneuerbarer Energien durch Wind innerhalb der Stadt pauschal abgelehnt wurde mit dem Argument, eine städtische Energieautarkie sei sowieso nicht zu erreichen, verweisen andere Sprecher dagegen darauf hin, dass es auch um die Frage ginge, wem welche Verantwortlichkeit zugeschrieben wird bzw. wie sich politische Akteur*innen selbst in ihren Rollen positionieren. So erklärt z.B. der damalige umweltpolitische Sprecher der SPD: »Es führt jetzt eben zu der misslichen Situation, dass […] die Landkreise den Ausbau der [erneuerbaren] Energien alleine schultern müssen und eben mit den ganzen, auch politischen, Schwierigkeiten und Bürgerinitiativen und so weiter alleine kämpfen müssen, während die Stadt Dresden eben durch diesen politischen Beschluss fein raus ist und sich dem nicht stellen muss. Und das finde ich einfach auch nicht fair den Landkreisen gegenüber. Und ich bin nach wie vor überzeugt, dass es selbst in Dresden Flächen gibt, wo's möglich ist. Also wir haben so ein großes Stadtgebiet und so viele Grünanteile, auch wirklich weitläufige […] Flächen, wo ich mir vorstellen kann, dass man zumindest nicht die größten, aber moderate Anlagen durchaus bauen kann. Geht im Augenblick nicht. Aber das war so ‘n Punkt, der hat mich schon sehr stark bewegt damals« (SPD Dresden, 18.10.16).
Das Zitat verweist auf die Konsequenzen der damaligen Entscheidungen – nämlich, dass die anderen Landkreise die Herausforderungen des Ausbaus erneuerbarer Energien »alleine« bewältigen müssen. Die Rolle politischer Akteur*innen wird zum einen darin gesehen, klimapolitische Ziele umzusetzen. Zum anderen wird hier die Verantwortung auch dahingehend beschrieben, mit anderen Landkreisen zu kooperieren und damit gemeinsam politische Aufgaben und Ziele, die sowohl von der Landes- als auch der Bundespolitik gesetzt wurden, zu bewältigen. In beiden Aussagen wird nicht mehr infrage gestellt, dass die Errichtung von Windenergie unmittelbar mit Konflikten und Bürgerinitiativen verbunden ist. Diese Annahme trägt dazu bei, dass die Errichtung von Windenergieanlagen als klimapolitische Strategien von vielen abgelehnt wird. Insgesamt ist in den Analysen deutlich geworden, dass dem Umweltschutz zunächst in den 1990er Jahren sehr viel Priorität beigemessen wurde. Umweltschutzmaßnahmen zeigten sich damals insbesondere in der Schaffung neuer technischer Anlagen wie dem Wärmekraftwerk bzw. in der Sanierung bestehender technischer Systeme wie der Kläranlage. Obwohl also Dresden – insbesondere durch das Engagement der Umweltverwaltung – bereits 1998 dem KlimaBündnis beitrat und mit der Erstellung der Klimaschutzberichte immer wieder das Thema Klimawandel in den Vordergrund rückte, spielte es politisch zunächst kaum eine Rolle. In den vergangenen 15 Jahren dominierte stattdessen in der
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Dresdner Stadtentwicklungspolitik eine kritische Bewertung der bundespolitischen Klimaziele und die Überzeugung, »wir müssen jetzt gar nicht so viel machen« (FDP Dresden, 3.2.17), überwog. Aktuell beginnt sich jedoch diese Sichtweise zu verschieben. Die Relevanz von Klimaschutz und Klimaanpassung rückt stärker in den Vordergrund. So artikulieren politische Akteur*innen der Stadt den Wunsch, die politische sowie die gesellschaftliche Mehrheit überzeugen zu wollen, dass wir, im Sinne der Stadt Dresden, im Klimaschutz und der Klimaanpassung aktiver sein sollten. Problematisiert wird dabei nicht nur der Klimawandel, an den sich die Stadt anpassen müsse, sondern insbesondere die bisherige Dresdner Stadtpolitik, in der dem Klimawandel zu wenig Bedeutung beigemessen wurde. Kritisiert wird, dass es nur eine »Minderheit [sei], die jetzt schon überzeugt ist, dass man was machen muss. Es ist ‘ne Minderheit und Ziel müsste aber sein, dass wir eben die Mehrheit dahin bekommen, dass sie erkennen, dass wir was tun können und müssen« (SPD Dresden, 18.10.16). Nach dem Wechsel der Mehrheiten im Stadtrat 2015 von CDU und FDP zu SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen wird die aktuelle Situation »nach wie vor« als sehr konflikthaft und als »Kampf« (Umweltbürgermeisterin Bündnis 90/Die Grünen, Dresden, 1.8.17) beschrieben. So erklärt die Umweltbürgermeisterin der Stadt: »Die Frage ist wirklich der Gestaltungswille bei allen, die zu entscheiden haben, bei den Stadträten, beim OB [Oberbürgermeister], bei uns – der Gestaltungswille und die Priorität – und nach wie vor wird Klimaschutz in Sachsen und in Dresden als freiwillige Aufgabe betrachtet« (ebd. 1.8.17). Gleichwohl zeigt das, dass – im Gegensatz zu den 1990er und 2000er Jahren – überhaupt politische Diskussionen um den Klimawandel stattfinden und um Ziele und Strategien gerungen wird. 6.2.2 Die Etablierung des Klimaschutzes als ›Tradition‹ und politisches Handlungsfeld Während Dresden in den 1990er Jahren vor einem demokratischen Neuanfang stand, mit dem auch die Umweltpolitik in ihren Zielen und Strategien neu gestaltet wurde, konnte die Stadtpolitik Münsters an ein starkes umweltpolitisches Engagement anknüpfen, welches sich bereits mit den Neuen Sozialen Bewegungen in den 1980er Jahren etablierte. So zeigt sich mit Blick auf Münster einerseits, dass sich Klima als politisches Handlungsfeld etabliert hat und andererseits, dass es dennoch in seiner Bedeutung und Relevanz durch konkurrierende stadtentwicklungspolitische Problematisierungen herausgefordert wird. Eine zentrale Rolle für die Entwicklung der Klimapolitik in Münster wird dem Reaktorunglück von Tschernobyl 1986 zugeschrieben. Infolge der damit
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verbundenen Erfahrungen gründeten Bürger*innen in Münster in den 1990er Jahren erste Energiewendegruppen. Sie werden als entscheidender Beitrag dafür bewertet, den Boden für eine breite gesellschaftliche Unterstützung kommunaler Klimapolitik bereitet zu haben. Das ist vor allem deshalb interessant, weil politische Akteur*innen auch heute noch die Bürger*innen in Bezug auf Umweltfragen als besonders interessiert und engagiert charakterisieren. Das heißt, gesellschaftliches Engagement bzw. das Bild einer engagierten Gesellschaft hat sich demnach seit den 1980er Jahren als Bestandteil städtischer Politik in Münster etabliert. In den 1990er Jahren waren es vor allem die gesellschaftlichen Initiativen und Verbände, die den Anstieg von CO2-Emissionen problematisierten. Mit zahlreichen Anträgen an den Stadtrat haben sie von der städtischen Politik eine stärkere Hinwendung zu Klimafragen eingefordert und politischen Druck aufgebaut. So entwickelte sich im Zusammenspiel mit dem Reaktorunglück in Tschernobyl und dem starken gesellschaftlichen Engagement, aber auch mit dem zunehmenden internationalen und bundespolitischen Interesse an Klimafragen der ›Klimawandel‹ in Münster zu einem Handlungsfeld, das sowohl gesellschaftlich als auch politisch als relevant erachtet wurde: »Es war grundsätzlich die frühe Intention da, wie formuliert man, wie fasst man Umweltpolitik überhaupt an? Man hat im Grundsatz den großen Willen und die Bedarfe erkannt, dass man sich auch um die Belange nicht nur des Wirtschaftswachstums, der allgemeinen Wohlfahrt hingibt, sondern dass man auch Nachhaltigkeit und ökologischen Fortschritt mit einbindet, das miteinander verknüpft. Das war in Münster schon früh, ja, nicht nur Erkenntnis, sondern auch Wille. Und dann hat man mit den großen Klimakonferenzen […] sich dann auch auf den Weg begeben, mal zu suchen, wie man […] Bevölkerung, Verwaltung, Politik miteinander in Vereinbarung bringt, wie man die Dinge auch praktisch angeht, welche Ziele setzt man sich« (CDU Münster, 3.11.18)).
Der Stadtrat der CDU hebt hier hervor, dass die politischen Akteur*innen schon »früh«, nämlich zu Beginn der 1990er Jahre, die Forderungen der Wähler*innen, ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit zu verknüpfen, als neue politische »Bedarfe« erkannt hätten. Dass die gesellschaftlichen Entwicklungen auf der Grundprämisse des Wirtschaftswachstums basieren, wird hier außer Frage gestellt. Dieses ›vorkonstruierte‹ Wissen verdeutlicht das zugrundeliegende ökonomisch orientierte Werteverständnis, in das auch die Klimapolitik integriert wird. Insbesondere die politischen Akteur*innen der damaligen Mehrheit aus SPD und Grünen haben das Thema Klimawandel in dieser Zeit aufgegriffen und aktiv genutzt, auch um sich zu positionieren.
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Ähnlich wie in Aussagen zur Dresdner Politik wird in den Interviews in Münster zunächst eine Differenzierung zwischen ›rot-grün‹ und ›schwarz-gelb‹ deutlich. Doch führte auch die CDU das Thema Klimaschutz nach dem Regierungswechsel im Jahr 2000 weiter. Nachdem Münster 1997 die erste klimapolitische Auszeichnung als »Bundeshauptstadt im Klimaschutz« erhalten hatte, kritisierte die CDU Münster sogar SPD und Bündnis 90/Die Grünen dafür, dass die städtische Klimapolitik zu stark auf Kommunikation ausgerichtet sei. In einer Pressemitteilung hieß es dazu: »Auffallend sei, daß etliche der zitierten 81 Gründe für Münster als ›Bundessieger im Klimaschutz‹ lediglich kommunikativen Charakter hätten« (CDU Münster 1997). Die damalige rot-grüne Mehrheit im Stadtrat wurde deshalb gewarnt, »Klimaschutz weiterhin nach dem Motto zu betreiben, ›Hauptsache wir reden darüber‹ und sich auf den Lorbeeren auszuruhen. […] Wir müssen als Stadt auch sichtbar in Dinge investieren, die man sehen und anfassen kann, damit die Bürgerinnen und Bürger erkennen, daß es uns wirklich ernst ist mit dem Klimaschutz« (ebd. 1997). Vor dem Hintergrund des großen gesellschaftlichen Interesses am Klimawandel etablierte sich dieser in Münster somit zu einem politischen Handlungsfeld, dem parteiübergreifend Priorität beigemessen wurde. Die politische Priorisierung des Klimawandels schlug sich 1995 u.a. in der Gründung des wissenschaftlichen Klimabeirats nieder, dem die Aufgabe zugesprochen wurde, Handlungsschwerpunkte und konkrete Maßnahmen des Klimaschutzes zu entwickeln. Aus den Empfehlungen des Beirats ging das erste Handlungskonzept hervor (Stadt Münster 2003, 18), mit dem das »Problem ›Klimaschutz durch CO2-Minderung‹« (Münster BV 1659/95) deutlich in den Mittelpunkt der Stadtentwicklungspolitik gerückt wurde. Mit der Umsetzung dieses Handlungskonzeptes beauftragte der Stadtrat die Koordinierungsstelle für Klima und Energie (Klenko), die ebenfalls 1995 im Umweltamt gegründet wurde. Sie erhielt zudem die Aufgabe, zukünftig für das gesamte Stadtgebiet Klimaschutzmaßnahmen zu planen, zu koordinieren und zu initiieren. Diese Entwicklungen sind insofern interessant, als dass sich in den bundespolitischen Dokumenten zur Stadtentwicklung erst ab 2007 eine deutliche Verschiebung der diskursiven Rahmung von Umwelt zu Klima erkennen lässt (Kap. 6.1.3). In Münster zeigte sich diese dagegen schon Ende der 1990er Jahre. Ähnlich wie in den internationalen Debatten gilt es auch in den Münsteraner Diskussionen, die Ökonomie mit der Ökologie in Einklang zu bringen, sodass das Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahren kaum als potenzielle Ursache zunehmender Umweltprobleme infrage gestellt wurde. Im Vergleich dazu wurde aus Sicht von Dresdner Mitarbeitern des Umweltamtes genau dies vor allem nach der Wende kritisiert:
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»Während die Grünen um diese Zeit im Westen sich mit diesem Kapitalismus zutiefst angefreundet hatten und fanden, ›das ist es‹ […] und immer alles so verpackt haben wollten – klar will man Auto fahren, aber es soll ein sauberes Auto sein – wir wollten eigentlich nie Auto fahren« (Umweltamt Dresden, 1.12.16).
Es wird hier zwischen den damaligen Grünen »im Westen« und dem »wir« als den Grünen im Osten differenziert. Viele der Mitarbeiter*innen des Umweltamtes in Dresden waren an den Umweltprotestinitiativen der DDR beteiligt und sind im Sinne einer kapitalismuskritischen Logik sozialisiert worden. Ein bloßer ›grüner Anstrich‹ von Handlungspraktiken, wie er für Westdeutschland angenommen wurde, lehnten die Grünen in Dresden tendenziell damals ab. Doch impliziert die Äußerung »eigentlich« (ebd. 1.12.16), dass sich dies verändert hat und die kapitalismuskritischen Stimmen leiser geworden sind. Der Blick auf die Stadtratsdebatten zeigt dennoch, dass ökonomische Begriffe wie ›Kosten‹, ›Optimieren‹ oder ›Einsparungen‹ typisch für die Debatten in Münster sind (Tab. 6, dunkelgrau unterlegt). Sie spiegeln die neoliberale Logik wider, die sich in den 1980er Jahren in vielen westdeutschen Städten, so auch in Münster, durchzusetzen begann. Dieser Denkweise zufolge geht es insbesondere darum, die zur Verfügung stehenden knappen Ressourcen wie Geld, Arbeitskraft oder auch Rohstoffe zu optimieren und sie zwischen den konkurrierenden Zielen optimal zu verteilen. Tabelle 6: Ausgewählte Begriffe der Keyword-Analyse der Stadtratsdokumente Dresdens im Vergleich zu Münster38 Subkorpus ›Dresden‹
Begriffe
Subkorpus ›Münster‹
loglikelihood
Frequenz (absolut)
Frequenz (pro Mio.)
Frequenz (absolut)
Frequenz (pro Mio.)
237
332,38
705,26
1550,37
705,26
30
42,07
517,51
649,03
517,51
4
5,61
124,71
140,78
124,71
Optimierung
21
29,45
96,21
177,34
96,21
Einsparungen
6
8,41
68,09
94,16
68,09
Kosten Folgekosten Investitionsprogramm
Quelle: eigene Darstellung
38 Irrtumswahrscheinlichkeit 5 % (p=0,05).
130 | Klimapolitik in der Stadtentwicklung
Allerdings wurde auch in Dresden im vorangegangenen Kapitel (vgl. Kap. 6.2.1) deutlich, dass die Interessen von Investoren eine zentrale Rolle einnehmen. Das heißt, Stadtentwicklungspolitik wird grundsätzlich in beiden Städten durch ökonomische Denkweisen beeinflusst. Die unterschiedlichen Verteilungen der Begriffe zeigen dennoch, dass ökonomische Begrifflichkeiten innerhalb der Stadtratsdebatten Münsters etablierter sind als in Dresden. Trotz oder auch aufgrund der Etablierung des Klimawandels als politischem Handlungsfeld in Münster, aus dem bereits erste Maßnahmen wie die Festsetzung des Niedrigenergiehaus-Standards39 hervorgingen, zeigt die folgende Abbildung (Abb. 18), dass Klima begrifflich in den folgenden Jahren so gut wie nicht in den Stadtratsdebatten Münsters erschien. Eine deutliche Zunahme von Klimabegriffen erfolgte erst wieder ab 2008. Zu dieser Zeit wurde das Klimaschutzkonzept im Stadtrat diskutiert und 2009 veröffentlicht. Abbildung 18: Frequenzanalyse von Lemmata zu Klima und Umwelt in Stadtratsbeschlussvorlagen Münsters im zeitlichen Verlauf 1,4
relative Häufigkeit (in %)
1,2 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 *klima*
*umwelt*
*emission*/*schadstoff*
*naturschutz*/*oekol*
Quelle: eigene Darstellung
39 Der Rat der Stadt Münster hat 1996 beschlossen, städtische Baugrundstücke nur noch mit der Auflage zu verkaufen, dass zukünftig darauf errichtete Gebäude dem Niedrigenergiehaus-Standard entsprechen müssen. Dieser Standard wurde in den folgenden Jahren erweitert und soll perspektivisch den Passivhausstandard (auch im privaten Neubau) erreichen (Stadt Münster 2017, 15). Als Niedrigenergiehäuser gelten Gebäude, die den gesetzlich erlaubten Primärenergiebedarf (das heißt, die benötigte Wärmeenergie plus Verluste bei Energiegewinnung und -transport, EnEV) um 25 % unterschreiten.
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Ähnlich wie in den bundespolitischen Dokumenten verweisen auch die Frequenzanalysen der Münsteraner Stadtratsdokumente auf eine diskursive Veränderung hin. Sie lassen erkennen, dass im Reden über Umwelt um die Jahrtausendwende insbesondere Begriffe um ›Naturschutz‹, ›Ökologie‹ und ›Emissionen‹ verwendet wurden. Spätestens ab 2002 traten diese dann aber kaum noch auf. Umweltbegriffe stattdessen bleiben trotz der Ausdifferenzierung zwischen Klima und Umwelt weiterhin prominent sichtbar, wenn auch in einem sehr geringen Umfang im Vergleich zum Gesamtkorpus eines Jahres. Eine Erklärung für das Auftreten der Begriffe zeigt sich in den Diskussionen um die Konkurrenz von Umwelt- und Klimaschutzzielen: Zum Stadtgebiet Münsters gehört mit den Rieselfeldern ein bedeutendes Vogelschutzgebiet. In den Diskussionen um neue Standorte für Windenergieanlagen standen auch diese Gebiete zur Debatte. Wenn auch der Münsteraner Stadtrat in den vergangenen Jahren die Errichtung von Windenergieanlagen auf städtischem Gebiet im Sinne der klimapolitischen Zielsetzungen einstimmig befürwortete, führen die Debatten um die konkreten Standorte dennoch zu starken Konflikten und zwar sowohl zwischen den politischen Fraktionen als auch zwischen Politik und Umweltverbänden. Ähnlich wie in den Windenergiedebatten in Dresden stehen sich auch hier im Kern unterschiedliche umweltpolitische Zielstellungen gegenüber. So setzt sich die Partei der Grünen für den Bau einer Windenergieanlage in der Nähe der Münsteraner Rieselfelder ein, die Umweltverbände wollen dagegen diese Gebiete als Vogelschutzgebiet schützen. Während Konflikte um Flächennutzungen sich häufig um ökonomische Aspekte, wie Kosten und Gewinne drehen, stehen sich in diesen Debatten in erster Linie ›grüne‹ Argumente gegenüber. Solche Konflikte werden in der Literatur als ›green on green‹-Konflikte bezeichnet. Warren u.a. bezeichnen sie als »Vorgeschmack« künftiger Debatten, denn »society has gone green (at least in its rhetoric)” (2005, 854). Das heißt, dass Umwelt- bzw. Klimaaspekte berücksichtigt werden, steht kaum noch zur Debatte, dagegen jedoch die Frage »what kind of greenness do we want?« (ebd. 2005, 854). Im Mittelpunkt stehen also Diskussionen, in denen es auch in Münster darum geht, welche ökologischen Ziele zu präferieren seien und welche nicht. Die folgende Grafik (Abb. 19) verknüpft nun mit Blick auf Münster die Häufigkeitsverteilung der Klima- und Umweltbegriffe (Graphen) innerhalb des Stadtentwicklungsdiskurses mit den Keywords der einzelnen Jahre (Textfelder), die sich auf die Themen Umwelt bzw. Klima beziehen:
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Abbildung 19: Frequenzanalyse von Lemmata zu Umwelt und Klima sowie Schlüsselbegriffe der Keyword-Analyse des Münsteraner Stadtentwicklungsdiskurses im zeitlichen Verlauf Münster 1,2
(Klima)schutz, CO2, -missionen
Klimaschutz
relative Häufigkeit (in %)
Klimaschutz Klimaschutz, CO2
1,0 Naturschutz
0,8 0,6 0,4
(bau)-ökologisch
Schadstoffbelastung, Feinstaub
ökologisch
Umweltauswirkungen
Umweltverträglichkeit
nachhaltig
0,2 0,0 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 *umwelt*
*klima*
Quelle: eigene Darstellung
Typische Begriffe sind hier zum einen ›Klimaschutz‹ und ›CO2‹, die bereits Ende der 1990er Jahre sichtbar werden sowie ab 2007. Wörter um ›Naturschutz‹ und ›ökologisch‹ sind für die Jahrtausendwende typisch; das Reden um ›Umweltauswirkungen‹ oder die ›Umweltverträglichkeit‹ zeigt sich dagegen immer. Mithilfe von Kookkurrenz-Analysen wurde zudem untersucht, mit welchen Wörtern Klimabegriffe typischerweise verknüpft sind. Dabei ist die zentrale Rolle des Themenfeldes Energie sichtbar geworden. Die nachfolgende Grafik verknüpft deshalb nun die Häufigkeiten von Energie- und Klimabegriffen mit den Keywords, um Zuschreibungen im Themenfeld Energie im Laufe der Zeit zu verdeutlichen.
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Abbildung 20: Frequenzanalyse von Lemmata zu Klima und Energie sowie Schlüsselbegriffe der Keyword-Analyse des Münsteraner Stadtentwicklungsdiskurses im zeitlichen Verlauf Münster 1,2
Klimaschutz, Emissionen, CO2
relative Häufigkeit (in %)
1,0 0,8 0,6 0,4
Klimaschutz, CO2
energiegerechte BLP, PV erneuerbare Energien, -einsparung
Klimaschutz
Klimaschutz
erneuerbare Energien
Windenergie Energie, Straßenbeleuchtung
Energieeinsparmaßnahmen
0,2
Biogas Windenergie
Windenergie
0,0 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 *klima*
*energie*
Quelle: eigene Darstellung
Wie die Grafik (Abb. 20) zeigt, wurden bereits Ende der 1990er Jahre Themen um erneuerbare Energien diskutiert und sie sind im gesamten Betrachtungszeitraum präsent. Tatsächlich wurden damals bereits die ersten Windenergieanlagen auf dem Stadtgebiet von Münster errichtet. Darüber hinaus taucht der Begriff der ›energiegerechten Bauleitplanung (BLP)‹ auf, womit z.B. Aspekte der Sonneneinstrahlung beim Bau von Gebäuden berücksichtigt werden sollen. Insgesamt wird deutlich, dass energietechnische Strategien in den Münsteraner Debatten um Klimawandel eine wichtige Rolle spielen. Die befragten städtischen Akteur*innen betonen, dass Klimaschutz bzw. Klimaanpassung in Münster einen hohen Stellenwert haben und in der kommunalen Ratspolitik präsent seien. Mit Blick auf die tatsächliche Umsetzung wird aber auch erklärt, dass Klimaschutz »vielleicht nicht in allen Bereichen, so wie's eigentlich sein sollte, vielleicht auch nicht so umfangreich« (SPD Münster, 10.11.2016) diskutiert werden und damit nicht überall zur Handlungsgrundlage politischen oder planerischen Handelns geworden seien. Das heißt, die bestehenden Klimaziele gelten zwar prinzipiell als anerkannt, sie sind dennoch aber auch Gegenstand konflikthafter Aushandlungen um die Ziele der Münsteraner Stadtentwicklung. So wird auf unterschiedliche Sichtweisen verwiesen, die die Selbstverständlichkeit bestehender Klimaziele und -strategien zurückweisen. Aus solch einer Perspektive wird bspw. die Notwenigkeit umfangreicher Bau-
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maßnahmen für Geflüchtete mit den bestehenden Klimastandards als nicht vereinbar bewertet. Obwohl also die Relevanz des Klimaschutzes bzw. der Klimaanpassung in Münster grundsätzlich als gesetzt gilt, gibt es unterschiedliche konflikthafte Momente, die, so wird beschrieben, immer wieder hervortreten, insbesondere in Momenten unvorhergesehener Ereignisse. Ereignisse, die in jüngster Vergangenheit bestehende Diskurse irritierten und beeinflussten, zeigten sich z.B. in der plötzlichen Zunahme von Migrationsbewegungen, durch die sich in Münster die Zahl von 426 zugezogenen Geflüchteten im Jahr 2012 auf 2.962 Geflüchtete im Jahr 2015 fast versiebenfacht hat (Stadt Münster 2017a, 13). Demzufolge gibt es konkurrierende Themen, zwischen denen sich städtische Akteur*innen positionieren müssen. Dazu gehört neben der Migration v.a. auch der Wohnungsbau und die Bereitstellung sozialer Infrastruktur. Das Thema Wohnen nimmt im Münsteraner Stadtentwicklungsdiskurs insgesamt einen wichtigen Stellenwert ein, wenn es um die Verteilung der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel geht. So weist das Handlungskonzept Wohnen der Stadt darauf hin: »Eine zunehmende Wohnungsknappheit und ein hoher Nachfragedruck, insbesondere in den innerstädtischen Stadtteilen, führen in manchen Quartieren zu Verdrängungstendenzen und insgesamt zu steigenden Mieten und Bodenpreisen, die nicht mehr von allen Haushalten getragen werden können« (Stadt Münster 2014, 3). Aus diesem Grund wurde in den vergangenen Jahren der Frage danach, wie preiswerter Wohnraum zur Verfügung gestellt werden könne, eine besonders hohe Priorität zugeschrieben. Kritische Stimmen weisen allerdings darauf hin, dass diese Entwicklungen teilweise instrumentalisiert werden, um zu argumentieren, dass es die hohen Klimaschutzstandards seien, die die Bereitstellung bezahlbarer Wohnungen verhindere. Das heißt, einerseits wird Klimapolitik als fester Bestandteil der Stadtentwicklungspolitik bewertet. Das Bild des Klimaschutzes als »Tradition« (Stadt Münster 2009, 3; vgl. Kap. 6.2.3) schreibt diesem eine scheinbare Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit zu, die kaum mehr hinterfragt und diskutiert zu werden scheint. Andererseits konkurrieren klimapolitische Zielvorstellungen mit anderen Zielen der Stadtentwicklungspolitik. Dass Klimawandel ein wichtiges Feld kommunaler Politik ist, steht somit zwar für eine dominierende Sichtweise in Münster, gleichzeitig wird in den Debatten deutlich, dass diese Sichtweise nicht ›natürlich‹ ist und Prioritäten und Bedeutungen von Klimazielen auch wieder infrage gestellt werden.
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6.2.3 Der ›Eco-Lifestyle‹ von Münster und Dresden als ›Stadt in der Landschaft‹ Ein wichtiger Teil des gesellschaftlichen Diskurses sind Erzählungen über die Städte, die sich in den kommunalen Stadtentwicklungskonzepten ebenso zeigen wie in den Broschüren und Websites der Städte. Sie sind deshalb relevant, weil sie eine bestimmte Vorstellung, ein bestimmtes Bild der Stadt darstellen, das aufgrund seiner beständigen Wiederholung so vertraut und bekannt erscheint, dass es in seiner Gewordenheit kaum mehr hinterfragt wird. Die dort beständig reproduzierten räumlichen Repräsentationen Münsters und Dresdens schreiben sich zugleich in das Selbstverständnis der dort lebenden Menschen ein, sodass sie zu »Grundelementen kollektiver und subjektiver Selbstvergewisserung« (Dzudzek, Reuber und Strüver 2011, 4) werden. Die Analysen der Stadtentwicklungsdiskurse beider Städte zeigen, dass solche Erzählungen auch mit Blick auf den Umgang mit Klimapolitiken eine wichtige Rolle spielen, was im Folgenden zunächst mit Blick auf Münster und im Anschluss daran mit Blick auf Dresden verdeutlicht wird. Die ›Klimahauptstadt‹ Münster Wie die vorangegangenen Abbildungen gezeigt haben, nimmt die Häufigkeit von Klimabegriffen in Münster ab 2008 deutlich zu (Abb. 19 und Abb. 20). Doch ist dafür nicht nur die Diskussion um das Klimaschutzkonzept der Stadt verantwortlich. Auch die neue Dynamik innerhalb der internationalen und bundespolitischen Debatten spielt hierfür eine wichtige Rolle. Das bedeutet, dass Klimawandel in Münster zwar bereits als etabliertes Handlungsfeld der Stadtentwicklung charakterisiert wird, doch erfährt es in dieser Zeit einen weiteren deutlichen Aufschwung, insbesondere die Strategie, Münster durch seine Klimapolitik gegenüber anderen Städten zu positionieren. In dieser Zeit nehmen die Referenzen auf das klimapolitische Engagement Münsters in den Erzählungen über die Stadt deutlich zu, die sich in den folgenden Jahren als wichtiger Bestandteil der Imagekonstruktion Münsters verfestigen. Konkret bedeutet das, dass die Stadt einerseits als Wirtschaftsstandort und Kulturstadt präsentiert wird. Andererseits spielen in den Zuschreibungen Münsters nun vor allem die Charakterisierungen als grüne Fahrradstadt, als »mehrfach ausgezeichnete Klimahauptstadt« (Stadt Münster 2017b) eine zentrale Rolle. Auch das Klimaschutzkonzept 2020 wird mit den Sätzen eingeleitet: »Münster ist eine der aktivsten Klimaschutzstädte Deutschlands. Auszeichnungen wie der ›European Energy Award® Gold 2005‹ und die Rezertifizierung 2009 sowie als ›Bundes-
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hauptstadt im Klimaschutz‹ 1997 und 2006 belegen dies deutlich« (Stadt Münster 2009, 3).
Das Zitat verweist exemplarisch auf die Kernerzählung, mit der die »Vorreiterstellung« der Stadt im Klimaschutz ebenso betont wird wie die »lange Tradition« des Klimaschutzes in Münster (ebd. 2009, 3). Gerade am Beispiel des Fahrradfahrens wird sichtbar, wie sich dabei Bedeutungen verschieben – hier von einem praktischen Verkehrsmittel des Alltags hin zu einem zentralen Markenzeichen der Stadt. Denn entstanden ist die Priorisierung des Radfahrens nicht als dezidierte Maßnahme des Klimaschutzes, sondern nach dem Zweiten Weltkrieg. Während die politischen Entscheidungsträger*innen nach der Zerstörung der Stadt ein neues, modernes Münster aufbauen wollten, setzten sich die Kaufleute der Stadt dafür ein, dass das ›alte‹ Münster wieder so aufgebaut wird, wie es vor dem Krieg war. Die Kaufleute waren zu diesem Zeitpunkt diejenigen, die über die finanziellen Mittel verfügten, sodass tatsächlich der alte Stadtkern wiederhergestellt wurde und damit auch die engen Straßen. Die einzige Möglichkeit, den Stadtkern zu erreichen, gab es zu Fuß oder per Fahrrad. Da also die Autos nicht durch die engen Gassen passten, blieb der Radverkehrsanteil auch in den Wirtschaftswunderjahren und nach dem Einsetzen der Massenmotorisierung verhältnismäßig hoch. Um dem im Laufe der Zeit steigenden Anteil an Fahrrädern gerecht zu werden, entwickelten die städtischen Akteur*innen neue Ideen wie z.B. Fahrradschleusen oder extra Fahrradabbiegerspuren. Schon ab den 1980er Jahren galt das Radverkehrsnetz Münsters als zukunftsweisender Imagefaktor. Doch erst mit dem Aufkommen des Leitbildes der klimagerechten Stadtentwicklung gab es die politische Entscheidung, das Thema dezidiert in den Vordergrund zu rücken und für das Stadtimage aktiv zu nutzen. So wird Münster heute als »Fahrradhauptstadt« präsentiert, in der Klimaschutz »Tradition« (Stadt Münster 2009) sei und es wird betont: »Alle fahren Rad: gestern, heute, morgen« (Stadt Münster 2009a). In der Fahrradbroschüre der Stadt wird hervorgehoben, dass sogar in japanischen Lifestyle-Magazinen über »die Fahrradhauptstadt Münster« und seinen »Eco-Lifestyle« (ebd. 2009a, 48) berichtet wird. Was an dieser Stelle als zu bearbeitendes ›Problem‹ der Stadtentwicklung in den Vordergrund gerückt wird, ist jedoch nicht in erster Linie der Anstieg der CO2-Emissionen, sondern die Positionierung Münsters im globalen Städtewettbewerb. Dresden als ›grüne‹ Stadt Auch in Dresden wird in den Darstellungen über die Stadt auf Umweltaspekte verwiesen, doch sind die Referenzierungen andere als in Münster. Wie im vorhe-
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rigen Kapitel gezeigt, messen städtische Akteur*innen in Dresden bislang dem Umweltschutz eine größere Bedeutung bei als dem Klimaschutz. Dementsprechend werden auch in den Narrativen städtischer Konzepte Dresdens insbesondere die Potenziale der lokalen Grün- und Freiflächen der Stadt hervorgehoben. Vor allem die Elbwiesen werden häufig in den Mittelpunkt gerückt und deren Beitrag für die »hohe Qualität der weichen Standortfaktoren« betont, die »in wesentlichem Maße [zum] Ruf und [zur] Bekanntheit der Stadt« beitragen (Landeshauptstadt Dresden 2002, 61). Die Besonderheit im Vergleich zu anderen Städten ist hier also nicht ein aktiver Klimaschutz, sondern Dresden wird sehr stark aus einer ästhetischen Perspektive präsentiert, als »Teil der Elblandschaft, als Stadt in der Landschaft« (Landeshauptstadt Dresden 2017a). Demzufolge gilt es, die »natürlichen Lebensgrundlagen und [das] Landschaftsbild« der Stadt zu erhalten und zu verbessern und die »Bevölkerung vor schädlichen Umwelteinwirkungen« zu schützen (Landeshauptstadt Dresden, 2017b). Jenseits dessen dominiert in Dresden das Bild als barocke »Kunst- und Kulturstadt«, deren »unverwechselbare Eigenarten« bewahrt werden sollen (Landeshauptstadt Dresden 2002, 7) sowie das Bild als einer der »führenden Wirtschaftsstandorte in Deutschland«, einer »Exzellenzstadt« und einem technologischen »Spitzenstandort« (Landeshauptstadt Dresden 2008; 2011; 2017b). Im Kern der Stadtentwicklungspolitik stehen daran anknüpfend insbesondere die Ziele, die »Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft« zu erhalten und die »wirtschaftliche[n] Leistungsfähigkeit« (ebd. 2013, 19) der Stadt zu steigern. Zwar wird in den städtischen Klimaberichten darauf hingewiesen, dass Klimaschutzmaßnahmen auch wirtschaftliche Potenziale bieten. Dennoch führen städtische Akteur*innen gerade das Selbstverständnis Dresdens als Wirtschaftsstadt an, um zu begründen, dass Klimapolitik nur eine untergeordnete Rolle spielen könne: »[…] in Münster, das ist was ganz Spezielles. In Dresden und vielen andern Städten ist es wesentlich dynamischer, das sind mehr Wirtschaftsstädte, die vom Geld getrieben werden. […] Und da läuft die politische Auseinandersetzung viel viel härter, viel viel härter. Und man gibt sich nicht mal die Mühe, dass Mäntelchen so richtig um alles rumzuhängen, das ist mein Eindruck, sondern da ist es ein Feld, das man mitbedienen muss, das ist klar. Da gibt 's auch politische Kräfte, die fordern das ein, aber sagen wir, der ›Drive‹, der dahintersteht, ist deutlich geringer« (Umweltamt Dresden, 1.12.16.).
Mit dieser Aussage differenziert der Befragte zwischen Münster und Dresden. Der Name ›Münster‹ bezieht sich hier jedoch nicht nur auf die Stadt, sondern steht synonym für eine – zumindest vordergründig – aktive städtische Klimapolitik. Indem er Münster als etwas »Spezielles« charakterisiert, wird suggeriert, ak-
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tiver städtischer Klimaschutz allgemein sei eine Ausnahme. Dieses Bild der Ausnahme wird verstärkt, indem Dresden mit »vielen anderen« Städten gleichgesetzt wird, bei denen ebenfalls angenommen wird, dass die Schwierigkeiten überwiegen, Klimaschutz in konkrete Maßnahmen der Stadtentwicklung umzusetzen. Der Verweis auf das »Mäntelchen« lässt zudem die Skepsis daran erkennen, dass ein ›grünes‹ Stadtimage tatsächlich zu einem größeren CO2-Rückgang führt, als in anderen Städten ohne solch ein vordergründiges Image. Gleichwohl wird insgesamt deutlich, dass beide Städte – Dresden und Münster – grundsätzlich nach der gleichen ökonomischen Logik funktionieren und sich über Alleinstellungsmerkmale gegenüber anderen Städten abgrenzen. So positioniert sich Münster über sein Alleinstellungsmerkmal des Klimaschutzes als Tradition und als ›Bundeshauptstadt im Klimaschutz‹ und verfolgt eine dementsprechend aktive Imagepolitik. Die Prioritäten der städtischen Politik in Dresden liegen dagegen auf der Entwicklung Dresdens als Kunst- und Kulturstadt sowie als Wirtschafts- und Technologiestandort, wobei der Schutz der Umwelt und die Bewahrung des Landschaftsbildes (Landeshauptstadt Dresden 2017c) als weiche Standortfaktoren unterstützt werden. Daraus erklärt sich auch, warum insbesondere der Fokus der Umweltpolitik in Dresdner Stadtentwicklungskonzepten der Stadt verankert ist und der – nicht unmittelbar an wirtschaftliche Interessen oder das Stadtimage gebundene – Klimaschutz erst ab 2016 dort zum Thema wird (Landeshauptstadt Dresden 2016b, 29). Solche Narrative städtischer Konzepte und Imagekampagnen können als Fixpunkte stadtentwicklungspolitischer Diskurse verstanden werden. In ihnen manifestieren sich die dominierenden Erzählungen und Deutungsmuster der Stadt, sodass sie dazu beitragen, Leitvorstellungen der städtischen Entwicklung wie z.B. als international bekannter Wirtschaftsstandort oder als Vorreiter im Klimaschutz zu verfestigen. Während Dresden allgemein als ›grüne‹ Stadt gilt, hat sich das klimapolitische Engagement Münsters als zentraler Bestandteil des Erzählmusters über die Stadt etabliert. Vor diesem Hintergrund erscheinen auch die internationalen und bundespolitischen Klimazielstellungen insbesondere an die städtischen Strategien Münsters anschlussfähig und werden dort als legitime und relevante Forderungen erachtet, während diesen in Dresden deutlich skeptischer begegnet wird.
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6.2.4 Die Rolle von Ereignissen im Wandel klimapolitischer Diskurse Foucault hat sich in seiner Arbeit sehr stark mit dem Wandel und der Transformation von Diskursen beschäftigt. Er differenziert zwischen plötzlichen, überraschenden Veränderungen, die spontan eintreten und Ereignissen, die als Ausdruck sich langfristig veränderter gesellschaftlicher Machtverhältnisse verstanden werden können (Kap. 3.3.2). Die bisherigen Ausführungen zeigen bereits die Veränderlichkeit von Sichtweisen auf das Themenfeld Klimawandel. Im Folgenden stehen drei konkrete Ereignisse im Vordergrund, die in den beiden Kontexten in den vergangenen Jahren eine wichtige Rolle gespielt und dazu beigetragen haben, Denklogiken und Sichtweisen um Klimawandel zu verfestigen, aber auch zu verändern: 1) Wetterereignisse, 2) kommunale Regierungswechsel und 3) das Erscheinen internationaler Dokumente. 1) Wettereignisse: In beiden Städten zeigen sich plötzliche Ereignisse in erster Linie in Form von Wetterereignissen. In Dresden wird vor allem auf die Hochwasser der Jahre 2002, 2006 und 2013 verwiesen, wobei das Hochwasser 2002 als besonders prägend wahrgenommen wird. Während dieses Ereignisses stieg nicht nur der Flusspegel der Elbe von etwa 1,50 Meter auf 9,40 Meter an, sondern es kam durch die massiven Regenereignisse auch zu Überflutungen durch den Fluss Weißeritz, der sich sein ursprüngliches Flussbett mitten in der Dresdner Innenstadt zurückeroberte. Mit Blick auf die Konsequenzen des Hochwassers für die Debatte um Klimawandel erklärt diese Interviewpartnerin »Als Siedlungsbereiche komplett unter Wasser standen oder eben die Weißeritz oder die Lockwitz über die Ufer getreten sind, dann merkte man plötzlich: ›Da tut sich was‹. […] Da kam natürlich auch die Frage des Klimawandels und der ›hochwassergerechten Stadt‹ auf. Damit verbunden war natürlich das Schlagwort ›Klimawandel – Und was passiert denn mit uns, mit unserer Stadt?‹. Thema Überhitzung, Thema Niederschläge – waren ganz wichtige und auch für den Diskussionsprozess zum Thema Energie- und Klimaeffizienz ganz wichtig« (Die Linke Dresden, 16.12.16).
Das Zitat beschreibt die Flut als zentrales Moment, durch das sich die Bewertung der Relevanz klimapolitischer Maßnahmen verändert hat. Das Ereignis wird als »riesen Ruck« (SPA Dresden, 19.10.16) beschrieben, der hier gleichgesetzt werden kann mit einem diskursiven Bruch. Denn war bislang Klimaschutz politisch ein untergeordnetes Thema, wirkt das Hochwasser als Verstörung der bestehenden Sichtweisen, die es nun ermöglicht, Debatten um den Klimawandel, seinen
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Konsequenzen für die Stadt Dresden und möglichen Maßnahmen in den Vordergrund zu rücken. So beschreibt der Leiter des Umweltamtes: »Ein Jahr lang haben sie mir alles geglaubt. In diesem Jahr habe ich denen klargemacht, dass wir uns mit Klimaanpassung befassen müssen. Und dann haben sie wirklich 2004 einen Beschluss gefasst, Klimaschutz vorzuschreiben und gleichzeitig Klimaanpassung zu machen. Also unter dem Eindruck, nicht bloß des Hochwassers, sondern auch der Dürre 2003. Danach kam ja gleich dieser sogenannte Jahrtausendsommer mit den vielen Hitzetoten in Mitteleuropa. Und das haben sie begriffen, also da muss man was tun, also immer aus der Betroffenheit heraus, und da ist viel passiert und damit haben wir Geld frei gekriegt« (Umweltamt Dresden, 1.12.16).
Durch die zeitlichen Äußerungsformen wird das Zeitfenster hervorgehoben, welches sich durch die Ereignisse des Hochwassers, aber auch der Hitze eröffnet hat und in dem nun konkrete Entscheidungs- und Handlungspraktiken möglich wurden. Sie spiegeln sich auch in politischen Beschlüssen zum Klimaschutz und der Klimaanpassung wider sowie in konkreten Maßnahmen des vorbeugenden Hochwasserschutzes. Spielt Umwelt bzw. Klima bis zu dem Ereignis 2002 politisch eine untergeordnete Rolle, positionieren sich die politischen Entscheidungsträger*innen insbesondere aufgrund der Erfahrungen des Hochwassers nun neu gegenüber den Themen Klimaschutz und Klimaanpassung. Als Erklärung dafür gilt hier der Zusammenhang von persönlicher Betroffenheit und Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen. In Münster können analog dazu die starken Regenfälle am 28. Juli 2014 als solch ein einschneidendes Wetterereignis verstanden werden. An diesem Tag fielen innerhalb von wenigen Stunden 40 Millionen Kubikmeter Regen auf die Stadt. Da Münster an keinem großen Fließgewässer liegt, war eine Überschwemmung für viele vorher kaum vorstellbar. Deshalb wird davon ausgegangen, dass zahlreiche Bürger*innen in ihrem Gefühl der Sicherheit getroffen und für die Verletzbarkeit der Stadt sensibilisiert wurden. Im Nachhinein wird dieses Ereignis, ähnlich wie in Dresden, als Ereignis bewertet, welches »solche Fragen, gerade um den Klimaschutz, neu beflügel[t]« (CDU Münster, 3.11.16) hat. Kurz vor dem Ereignis wurde das Klimaanpassungskonzept der Stadt vorbereitet. Diese Erfahrungen unterstützten die Legitimität der dort enthaltenen Strategien, sodass das Konzept einstimmig vom Stadtrat beschlossen wurde. Das Regenereignis wird nach wie vor in den gesellschaftlichen und politischen Diskursen als wirkmächtig empfunden. Zugleich werden solche Ereignisse auch aktiv von städtischen Akteur*innen als Referenzpunkte aufgegriffen und genutzt, um Maßnahmen der Klimapolitik zu rechtfertigen und zu legitimieren.
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2) Kommunale Regierungswechsel: In den Interviews mit Dresdner Stadträt*innen und Verwaltungsmitarbeiter*innen fallen zahlreiche Wörter auf, die auf zeitliche Verschiebungen hindeuten und als Zeichen des Wandels interpretiert werden können. So sprechen die Akteur*innen z.B. für »die letzten 10 Jahre« von der untergeordneten Rolle des Klimawandels (Klimaschutzstab Dresden, 13.1.17), sie betonen, »lange Zeit war das so« (SPA Dresden, 19.10.16), aber dass es »jetzt schrittweise« Veränderungen gäbe (ebd. 19.10.16). Als Ausdruck dieser Veränderungen wird der politische Führungswechsel im Stadtrat 2015 angeführt, in dem die Mehrheiten von CDU und FDP auf SPD, Die Linke und Bündnis90/Die Grünen übergingen. Dieses Ereignis symbolisiert eine diskursive Verschiebung und verdeutlicht, dass Klima an politischer Bedeutsamkeit gewonnen hat. Während bislang die Sichtweise dominierte, die klimatische bzw. die ökologische Situation in Dresden sei gut und es gäbe deshalb auch keinen Handlungsbedarf, sind die kritisierenden Stimmen im Laufe der Zeit deutlich in den Vordergrund gerückt. Der Regierungswechsel spiegelt auch mit Blick auf die Bedeutung des Klimawandels die veränderten gesellschaftlichen Machtverhältnisse wider. Sichtweisen, die dem Klimawandel deutlich mehr Bedeutung zusprechen, beginnen sich zu institutionalisieren. Dies zeigt sich auch darin, dass das Amt der Umweltbürgermeisterin und des Baubürgermeisters von Mitgliedern der Partei der Grünen übernommen wurden, die sich explizit für eine stärkere Implementierung von Klimaschutzmaßnahmen in die Stadtpolitik einsetzen. So heißt es z.B.: »Die neue Umweltbürgermeisterin versucht das jetzt auch gerade wieder stärker zu bedienen. Also das ist ja ‘ne Grüne. Insofern kann man sich da auch mit guter Hoffnung gute Impulse erwarten« (Die Linke Dresden 16.12.16). Zum anderen wurde mit dem Regierungswechsel die Neugründung des Klimaschutzstabs möglich. In einer Pressemitteilung der Stadt Dresden wurde dazu Folgendes bekanntgegeben: »Um den Herausforderungen zu begegnen setzt Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen nicht nur darauf, dass Klimaschutz in den Fokus der gesamten Stadtverwaltung rückt. Mit der Einrichtung eines Klimaschutzstabes in ihrem Büro macht Jähnigen das Thema zum Schwerpunkt im Geschäftsbereich Umwelt und Kommunalwirtschaft« (Landeshauptstadt Dresden 2016).
Während vor 2015 insbesondere über Umweltfragen gesprochen wurde, wird in den städtischen Debatten nun begonnen, Klimawandel als eigenes politisches Handlungsfeld zu artikulieren. Zwar wurde bereits 2007 in Dresden ein Klimaschutzbüro gegründet, um Klimapolitik stärker zu institutionalisieren. Doch
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während zunächst das Büro direkt der damaligen Oberbürgermeisterin unterstellt wurde, um auch Entscheidungs- und Durchsetzungsmacht zu sichern, wurde es einige Zeit später als Sachgebiet im Umweltamt eingegliedert, ohne dies offiziell näher zu begründen. Diese Umstrukturierung ging mit einem starken Bedeutungsverlust einher – sowohl des Klimaschutzbüros als auch des Handlungsfeldes Klimawandel. Denn andere Verwaltungsbereiche konnten nur noch darum gebeten, nicht aber angewiesen werden, Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen. Erst mit dem politischen Wechsel der Stadtregierung 2015 wurde die Erneuerung des Klimaschutzbüros als Klimaschutzstab möglich, der nun direkt der Umweltbürgermeisterin unterstellt ist, die das Thema Klima in den Vordergrund ihrer politischen Agenda rücken möchte. Primäres Ziel des Klimaschutzstabes sei es, Klimaschutz stärker in der Verwaltung zu verankern und zu einem Verwaltungsthema zu machen. Eine vom Klimaschutzstab initiierte Steuergruppe soll zudem dafür sorgen, dass die Verantwortung für die Implementierung des Klimaschutzes in konkrete Handlungspraktiken der Stadtverwaltung zukünftig von allen Bürgermeister*innen der einzelnen Verwaltungsbereiche getragen wird. 3) Veröffentlichung internationaler Dokumente: Kommunalpolitische Entscheidungs- und Handlungspraktiken sind eingebettet in komplexe Kommunikationszusammenhänge, die über die städtischen oder nationalen Grenzen hinausgehen. Das zeigt sich z.B. darin, dass die Veröffentlichungen des Stern-Reports 2006 und des 4. IPCC-Berichts 2007 auch ganz konkrete Auswirkungen auf die klimapolitischen Diskurse in Münster hatten. In dieser Zeit entstanden nicht nur die beiden Berichte, sondern auch ein Energie- und Klimapaket der Europäischen Kommission (2007), mit dem die Mitgliedstaaten der EU aufgefordert wurden, Aktionspläne zu entwickeln, um die EU-Klimaziele in konkrete Maßnahmen umzusetzen. Wie bereits angesprochen, entstand vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen in dieser Zeit insgesamt eine neue Dynamik, die sich sowohl in einem deutlich gesteigerten medialen und gesellschaftlichen als auch politischen Interesse am Klimawandel widerspiegelte. Während 1997 die erste Auszeichnung Münsters als »Bundeshauptstadt im Klimaschutz« kaum wahrgenommen wurde, erfuhr die zweite Auszeichnung 2006 ein enormes politisches Interesse. Weil die Bundesregierung dem kommunalen Klimaschutz nun zunehmend mehr Bedeutung beimisst als bisher, erfahren auch die städtischen Akteur*innen in Münster sowohl gesellschaftlich als auch von seiten der Bundesregierung große Aufmerksamkeit. Doch ist an dieser Stelle nicht nur interessant, dass sich, wie oben beschrieben, in diesem Kontext die städtische Klimapolitik zu einem wichtigen Imagefaktor etabliert, sondern auch die Auswirkungen darauf, wie die
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Bundesregierung die städtischen Akteur*innen Münsters adressiert. So geht es nicht mehr nur darum, Münster für sein kommunales Engagement zu ›loben‹. Vielmehr wird die klimapolitische Strategie Münsters nun auch von bundespolitischen Institutionen explizit genutzt, um für ihre eigene Politik Vorzeigebeispiele zu generieren, als ›Beweis‹ und ›Vorbild‹ einer erfolgreichen Bundesklimapolitik. Städte wie Münster werden damit auch zum Bestandteil der bundespolitischen Imagepolitik und als Best Practice-Beispiel Teil der Regierungstechnologien, mit denen andere Städte in und außerhalb Deutschlands angeleitet werden sollen, ebenso zu handeln. So wurde Münster z.B. bereits 2010 vom Bundesministerium für Umweltschutz angesprochen, an der Exzellenzinitiative »Masterplan 100 % Klimaschutz« teilzunehmen, ein Programm, mit dem modellhaft gezeigt werden soll, wie Städte zukünftig Klimaneutralität erreichen könnten. Während die städtischen Akteur*innen die Teilnahme zunächst vor dem Hintergrund ablehnten, dass 2009 erst das kommunale Klimaschutzkonzept und 2010 das dazugehörige Handlungskonzept verabschiedet wurde, nimmt die Stadt aktuell nach erneuter Aufforderung nun an der zweiten Runde des Förderprogramms teil. Die städtischen Akteur*innen Münsters nutzen also zwar das Potenzial des Themas Klimaschutz für ihre eigene Image- und Standortpolitik, doch sind eben Entscheidungen über Programmteilnahmen auch durch die Ansprachen der Bundesregierung beeinflusst. Zusammenfassend haben die Ausführungen gezeigt, dass Umwelt oder Klima nicht per se als Handlungsfelder existieren. In Dresden werden für die Zeit nach der politischen Wende insbesondere die Bewältigung des Stadtumbaus sowie die ökonomische Inwertsetzung von Flächen als zentrale Probleme der Stadtentwicklung wahrgenommen. Die Umweltpolitik nahm zwar zunächst einen großen Stellenwert ein. Im Kontext der Stadtentwicklung spielten ökologische Aspekte dennoch nur eine marginale Rolle. Während das Engagement der Umweltverwaltung sowohl in Bezug auf Umwelt- als auch Klimaschutz groß war, spielte die Bedeutung und Relevanz des Klimawandels politisch in den vergangenen 20 Jahren nur eine untergeordnete Rolle und rückt erst in jüngerer Vergangenheit stärker in den Vordergrund stadtentwicklungspolitischer Debatten. In Münster wurde das Thema Klimaschutz in den 1980er und 1990er Jahren insbesondere aus der Gesellschaft heraus in den Vordergrund der Aufmerksamkeit gerückt und von politischen Akteur*innen aufgegriffen. Ein wichtiger Grund dafür war auch die politische Positionierung und Abgrenzung gegenüber anderen kommunalen Parteien, doch etablierte sich die Klimapolitik als parteiübergreifendes Handlungsfeld. Im Zusammenspiel des zunehmenden internationalen und bundespolitischen Interesses um das Jahr 2007 entwickelte sich Kli-
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maschutz in den folgenden Jahren zu einer zentralen Säule der Münsteraner Imagepolitik. In beiden Städten werden in den Interviews Hinweise auf heterogene und konflikthafte Sichtweisen erkennbar. Während diese in Münster vor dem Bild der »Tradition« des Klimaschutzes und der »Vorreiterrolle« (Stadt Münster 2009) Münsters stärker marginalisiert werden, stehen in Dresden dagegen die kritischen Auseinandersetzungen um die Relevanz des kommunalen Klimaschutzes und seiner Strategien stärker im Vordergrund.
6.3 WAHRNEHMUNGEN VON HANDLUNGSSPIELRÄUMEN IM STÄDTISCHEN KLIMASCHUTZ Dass es einen anthropogen verursachen Klimawandel gibt, gilt heute wissenschaftlich als weithin anerkannt, ebenso wie die Annahme, dass die Folgen des Klimawandels ernsthafte Auswirkungen auf unsere Gesellschaften und das globale Umweltsystem haben. Im Laufe der vergangenen 30 Jahre wurden umfangreiche Erkenntnisse und Informationen über den Klimawandel und seine Folgen generiert, doch zeigt gerade das Beispiel des Klimawandels, dass Menschen sich nicht per se als ›verantwortlich‹ dafür wahrnehmen, Wissen in konkretes Handeln umzusetzen. Obwohl die Frage »[w]ho should bear the burdens of global climate change« (Caney 2005, 747) eine zentrale Frage des Klimadiskurses darstellt, spielt die Auseinandersetzung mit Verantwortlichkeit innerhalb der Klimaund Nachhaltigkeitsforschung im deutschsprachigen Raum bislang nur eine untergeordnete Rolle (vgl. Henkel, Lüdtke und Buschmann 2018). Stattdessen wird Verantwortung, wie Buschmann und Sulmowski formulieren, »überwiegend als ein unstrittiges moralphilosophisches Konzept« mitgeführt (2018, 282). Aus einer gouvernementalitätstheoretischen Perspektive wird diese jedoch gerade nicht als Tugend oder als Einsicht in die Notwendigkeit des Handelns verstanden. Vielmehr kann die gesellschaftliche Konstruktion einer bestimmten Vorstellung von Verantwortung und damit auch die Anrufung von Subjekten als ›verantwortliche‹ Akteur*innen als machtvolle Technologie verstanden werden, die in die Gesellschaft interveniert und Subjekte auf eine bestimmte Art und Weise anleitet. Buschmann und Sulmowski plädieren deshalb dafür, dies als Praxis zu begreifen, in der ›verantwortliche‹ Subjekte erst hervorgebracht werden. Verantwortung ist damit also kein normatives, allgemeingültiges Konzept, welches einen Zustand beschreibt, sondern kann als Prozess des »doing Verantwortung« (ebd. 2018, 282) verstanden werden, in dem Akteur*innen bzw. Akteursgruppen
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zu Träger*innen von Verantwortung subjektiviert werden bzw. in dem sie sich selbst als solche positionieren. So wie Foucault die Vorstellung einer natürlich gegebenen Wahrheit ablehnt, weist er auch die Idee einer wesenshaften, autonomen Persönlichkeit zurück. Vielmehr werden bestimmte Subjektpositionen, z.B. die eines im Klimaschutz verantwortlich agierenden Stadtplaners, in und durch vielfältige Praktiken hervorgebracht, angeeignet bzw. auch wieder transformiert (Lemke 1997, 116) (vgl. Kap. 3.4.3). Subjekte bzw. Subjektpositionen sind damit nichts Konstantes, sondern historisch spezifische Formen, die aus dem Zusammenspiel von Wissensordnungen, Machtpraktiken und Selbsttechniken hervorgehen (ebd. 1997, 263). In diesem Sinne sind auch die Aussagen und Wahrnehmungen der hier interviewten Stadträt*innen und Mitarbeiter*innen des Stadtplanungsamtes und des Umweltamtes nicht als individuelle Erkenntnisse, sondern vielmehr als Ausdruck von verinnerlichten Rollen, die gesellschaftlich hervorgebracht werden und von Subjektpositionierungen zu verstehen. Dabei sind insbesondere die Verfahren der Aussagenanalyse geeignet, um die Heterogenität dieser Aussagen herauszuarbeiten und offenzulegen. Der folgende Abschnitt illustriert zunächst, wie städtische Akteur*innen innerhalb der bundespolitischen Dokumente adressiert werden (Kap. 6.3.1). Daran anschließend wird der Frage nachgegangen, wie diese Akteur*innen ihre Handlungsräume innerhalb des politischen und des Verwaltungssystems wahrnehmen und welche Rolle und Verantwortlichkeit sie sich selbst innerhalb des Handlungsfeldes Klimaschutz zuschreiben (Kap. 6.3.2 und Kap. 6.3.3). Darüber hinaus ist sowohl in den bundes- und kommunalpolitischen Dokumenten als auch in den Interviews deutlich geworden, dass auch die Bürger*innen häufig innerhalb der Debatten aufgefordert werden, selbst Verantwortung für Klimaschutz bzw. für Klimaanpassung zu übernehmen. Dementsprechend zeigt Kapitel 6.3.4, auf welche Weise städtische Akteur*innen Gesellschaft adressieren und welche Rollen sie den Bürger*innen zuschreiben. 6.3.1 Verantwortlichkeiten in der Klimapolitik – »Der Ruf geht jetzt also an die Städte«40 Bereits auf der Umweltkonferenz 1972 wurden Städte als wichtige Knotenpunkte charakterisiert, »an denen die komplexen Beziehungen zwischen ökonomischer Organisation, ökologischen Konsequenzen und sozialer Organisation optimal gesteuert werden könnten« (Nagorny-Koring 2018, 24; vgl. auch Hodson
40 BMVBS 2009a, 13.
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und Marvin 2014). Auch der Brundtland-Bericht (1987) weist den Städten eine zentrale Rolle bei der Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung zu. Einige Jahre später verabschiedeten 1992 die Teilnehmerstaaten der UNKlimakonferenz das Dokument »Agenda 21«, welches insbesondere die Initiativen der Städte zur Unterstützung einer nachhaltigen Politik in den Vordergrund rückt und die Kommunen aller Unterzeichnerländer auffordert, konkrete Handlungsprogramme in Form einer Lokalen Agenda 21 zu initiieren. Damit entwickelte sich das Motto »global denken – lokal handeln« auch innerhalb der Umweltpolitik zu einem Leitmotiv. Auch die Bundesregierung begann Ende der 1990er Jahre in der Klimapolitik den Blick stärker auf die Kommunen zu richten. 1997 veröffentlichte sie einen 600 Seiten umfassenden Leitfaden zum »Klimaschutz in Kommunen« (Fischer und Kallen 1997), mit dem die Bundesregierung explizit die städtischen Akteur*innen aufruft, sich im Klimaschutz zu engagieren. In diesem Zusammenhang spiegeln sich in den untersuchten bundespolitischen Stadtentwicklungsdokumenten Diskussionen wider, in denen das Selbstverständnis des Staates hinterfragt wird. Verweise auf die komplexen gesellschaftlichen Entwicklungen wie den demographischen Wandel, den Umbau ostdeutscher Städte oder die Unsicherheit im Umgang mit dem Klimawandel stehen im Zentrum eines zentralen Argumentationsmusters, mit dem erklärt wird, diese Aufgaben könnten nicht mehr durch den Staat allein, sondern nur durch ein gesamtgesellschaftliches Handeln bewältigt werden (BMVBS 2005, 8). Daran knüpft die Forderung nach einer Neuorientierung in der Ausrichtung der Rollen und Verantwortlichkeiten an, wobei sich der Staat von einem zunächst stärker bestimmenden und verordnenden Staat hin zu einem in erster Linie aktivierenden und kooperativen Staat entwickeln solle: »Hierzu gehört ein entsprechendes Aufgabenverständnis der öffentlichen Hand. Der aktivierende Staat justiert die Rolle des Staates gegenüber Bürgerinnen und Bürgern und Wirtschaft neu. Dies bedeutet, dass den aktivierenden Staat zwei Steuerungsebenen ausmachen: Steuerung durch hoheitliches Handeln und Steuerung durch Kooperation. Die Notwendigkeit, die Handlungsspielräume durch neue Formen der Kooperation zwischen Bürgerinnen und Bürgern, Investoren und moderner Verwaltung zu erweitern, ist unbestritten« (BMVBS 2005, 8).
Was sich darin widerspiegelt, ist eine zunehmend neoliberale Denkweise, mit der rahmengebende Regularien zwar nicht ihre Bedeutung verlieren, die jedoch ›neue‹ Akteur*innen ins Spiel bringt – Unternehmen, Bürger*innen, Verwaltungsmitarbeiter*innen werden nun explizit als verantwortliche Akteur*innen
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angesprochen, sodass die Verantwortung insgesamt stärker in Richtung Gesellschaft verlagert wird. Das heißt, die Bundesregierung nimmt sich auch in der Steuerung des Klimawandels zurück. Den bundespolitischen Akteur*innen wird in erster Linie die Rolle zugeschrieben, »Plattformen für einen lebendigen Austausch« zu schaffen, aktuelle Trends zu thematisieren und »beispielhafte Handlungs- und Lösungsansätze« aufzugreifen (BMVBS 2009, 90). Die Verantwortung für die ›erfolgreiche‹ Umsetzung der Strategien in die konkreten Handlungspraktiken der Stadtentwicklung wird stattdessen den städtischen Akteur*innen zugesprochen. Damit wird aus bundespolitischer Sicht konstatiert: »Der Ruf geht jetzt also an die Städte« (BMVBS 2009a, 13). Die Ansprache städtischer Entscheidungsträger*innen als ›verantwortlich‹ kann als zentrale politische Strategie interpretiert werden, mit der Subjekte zu konkreten Handlungsakteur*innen ›gemacht‹ werden und die dementsprechend auch gegenüber der Bundesregierung bzw. der Bevölkerung Rechenschaft ablegen sollen. Dabei wird insbesondere ein physisches bzw. ein wirkungskausales Begründungsmuster sichtbar, mit dem die städtische Gesellschaft in Bezug zum Klima und dessen Wandel gesetzt wird: Zum einen werden Städte als Verursacher dargestellt, also als die Orte, an denen »der weitaus größte Teil der Luftverschmutzung (Staub, Ruß, SO2, NOx u.a.) sowie der Ausstoß klimarelevanter Treibhausgase (CO2 u.a.) […] durch den Energieverbrauch« (BMVBS 2001, 19) verursacht wird. In diesem Zusammenhang entwickelt sich auch die Idee des »ökologischen Fußabdrucks« (Wackernagel und Rees 1997) zu einer einflussreichen Metapher, mit der gefragt wird, wieviel Fläche eine Stadt bereitstellen muss, um die benötigten Ressourcen für alle Bedarfe zu produzieren und auch um ihre Abfälle aufzunehmen. Mit der Begründung, dass Städte einen hohen Verbrauch von Ressourcen haben und daraus große ökologische Auswirkungen resultieren, wird den städtischen Akteur*innen die Verantwortung zugewiesen, den jeweiligen ›Fußabdruck‹ der Stadt zu reduzieren (Braun 2005, 637). Interessant ist an dieser Stelle, dass, ähnlich wie Oels auch mit Blick auf die internationalen Klimadebatten anmerkt, ein kritischer Diskurs zum Klimawandel, der den »Klimawandel als Produkt übermäßigen Konsums in westlichen Industriestaaten darstellte« (2010, 179), auch in den bundespolitischen Debatten vollkommen marginalisiert ist. Stattdessen wird die Entwicklung einer ›klimafreundlichen‹ Stadt zur Aufgabe der Planung gemacht (BBSR 2001, Vorwort), das heißt, auch ökologische Herausforderungen wie die Schadstoffminderung werden zu einem Problem des ›richtigen‹ Planungsmanagements. Dabei wird davon ausgegangen, dass Klimaschutz funktioniert, wenn nur die Strukturen der Städte und die technischen Infrastrukturen optimiert werden würden, denn dann könne Energie effizient genutzt und der CO2-Ausstoß reduziert werden. Auf diese Weise wird ins-
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besondere kommunalpolitischen Akteur*innen und Planer*innen die Verantwortung zugewiesen, klimaschonende Strategien in ihr Handeln zu integrieren. Zum anderen werden städtische Akteur*innen als Betroffene angerufen, denn die klimatischen Veränderungen wirken sich auch auf die Städte aus. Wetterereignisse wie z.B. Starkregen und Überschwemmungen können städtische Infrastrukturen zerstören, Versorgungsströme unterbrechen; außergewöhnliche Hitze kann das Leben der Bevölkerung bedrohen. So starben 2015 in Chicago etwa 700 Menschen, vor allem diejenigen, die in sozial benachteiligten Stadtteilen lebten und als besonders gefährdet gegenüber solchen Ereignissen charakterisiert werden (Tagesspiegel 2015). Auch in Österreich wird alarmiert: »Städten droht Anstieg von Hitzetoten« (Kommunal 2017) durch klimatische Veränderungen. Damit zeigt sich ein weiteres Begründungsmuster, mit dem städtischen Akteur*innen die scheinbar moralische Verantwortung übertragen wird, Klimaschutz zu betreiben: die Verantwortung, ›ihre‹ Bürger*innen zu schützen, die in ihrer Lebenswelt durch die Folgen des Klimawandels bedroht zu sein scheinen. Gleichzeitig fällt auf, dass vor allem die ökonomischen Kosten des Klimaschutzes hervorgehoben werden (Lutes 1998, 163; Paterson 1996, 179). Gerade vor dem Hintergrund einer dominierenden neoliberalen Rationalität steht also nicht nur aus einer moralischen Verpflichtung der Schutz der Bevölkerung im Mittelpunkt, sondern es geht auch darum, mögliche Kosten zu vermeiden, die durch Klimawandelfolgen entstehen könnten. Der dominierenden ökonomischen Logik folgend überrascht es wenig, dass in den bundespolitischen Dokumenten Klimaschutzmaßnahmen auch ökonomisch bewertet werden. Städte, die aufgrund der vorhandenen zahlreichen Unternehmen und gesellschaftlichen Initiativen als »Orte der Innovation und wirtschaftlichen Stärke« (BMVBS 2009b, 55) gelten, werden zum einen aufgefordert, das ökonomische Potenzial zu nutzen und die Entwicklung ›grüner‹, schadstoffärmerer Produkte voranzutreiben. Gleichzeitig wird deutlich, dass es in erster Linie darum geht, Phänomene wie den Klimawandel in das bestehende Wirtschaftssystem zu integrieren und nicht etwa dieses infrage zu stellen. Klimawandel wird damit als ökonomisches Geschäftsfeld diskutiert, mit dem es auch darum geht, Klimafreundlichkeit und ›Grün sein‹ als Trend ökonomisch in Wert zu setzen. Vor dem Hintergrund der Dominanz neoliberaler Rationalitäten, die mittlerweile alle Bereiche der Gesellschaft durchdringen, haben sich in den vergangenen Jahren kritische Ansätze entwickelt wie der Neoliberal Nature-Ansatz. Diese Arbeiten setzen sich mit Prozessen auseinander, in denen Natur wie bspw. Böden, Wasser oder Wälder privatisiert und zu Waren gemacht werden, deren Wert auf den Finanzmärkten gehandelt wird (vgl. u.a. Heynen 2007; Castree 2008;
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Bakker 2010). Doch nicht nur Rohstoffe werden kommodifiziert, sondern auch bspw. die »Reparatur von Umweltverschmutzungen« (Zeller 2010, 109). Das bedeutet, Umwelt- und Klimaschutz selbst wird zu einer Ware, die Einkünfte generiert, sodass Umweltschutz damit der Logik des kapitalistischen Produktionssystems folgt und diese nicht in Frage stellt (ebd. 2010, 117 f.). Die Bundesregierung weist jedoch einigen ökonomischen Akteursgruppen auch ganz explizit eine grundlegende Verantwortung bei der Umsetzung von Klimazielen zu. Einen besonderen Stellenwert nehmen dabei die Wohnungs(bau)unternehmen ein – als Vorbild und als Berater. Konkret wird erwartet, dass diese »verstärkt für die Belange der Gesamtstadt« (BMVBS 2005, 8) Verantwortung übernehmen, indem auch sie Bürger*innen zu einem klima- und energiebewussten Handeln anleiten. Das heißt, von Wohnungsunternehmen, insbesondere auch Wohnungsgenossenschaften wird erwartet, dass diese gerade nicht nur im Sinne eigener ökonomischer Interessen agieren, sondern stattdessen eine Vorbildrolle in der Gesellschaft übernehmen. So wird z.B. der Einsatz von erneuerbaren Energien in den Gebäuden ebenso wie die Information und Beratung der Bewohner*innen über Energieeinsparmöglichkeiten als Handlungspotenzial bewertet, mit dem Wohnungsunternehmen vorbildhaft im Sinne der bundespolitischen Ziele handeln sollten (BMVBS 2013, 9). Insgesamt zeigen sich damit zwei zentrale Muster, mit denen die Verantwortlichkeit städtischer Akteur*innen begründet wird: moralisch, weil Städte Schadstoffe verursachen und die Bevölkerung vor den Folgen des Klimawandels geschützt werden müsse und ökonomisch, weil Städte das Innovationspotenzial aufweisen, Klimawandel als Geschäftsfeld nutzen zu können, um z.B. neue ›klimafreundliche‹ Produkte zu entwickeln. Doch während in den bundespolitischen Dokumenten schon klar zu sein scheint, welche Akteur*innengruppen Verantwortungsträger*innen im Klimaschutz sind, wird in den kommunalpolitischen Kontexten sichtbar, dass diese Zuschreibungen hinterfragt und teilweise auch zurückgewiesen werden. 6.3.2 Kommunalpolitik – zwischen Wunsch und Wirklichkeit Wenngleich insbesondere den Städten in der Klimapolitik viel Aufmerksamkeit beigemessen wird, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die jeweiligen Akteur*innen als verantwortlich wahrnehmen, Klimaschutz voranzutreiben. Rollenbilder schreiben sich in Subjekte ein, können zum Bestandteil der täglichen Arbeit werden, in denen sie kaum noch hinterfragt werden. Sie können aber auch infrage gestellt und abgelehnt werden. So resultieren die unterschiedlichen Handlungspraktiken im Klimaschutz auch daraus, dass sich politische Ak-
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teur*innen zwischen den jeweiligen Rollenzuweisungen verschieden positionieren. Sowohl in Münster als auch in Dresden verorten sich die kommunalpolitischen Entscheidungsträger*innen im Wesentlichen zwischen den folgenden drei Positionen, die das Spannungsfeld zwischen Zustimmung und Ablehnung von Verantwortungszuschreibungen widerspiegeln: 1) ›verantwortliche‹ Politiker*innen, 2) ›verhindertes‹ politisches Engagement und 3) Zurückweisung kommunalpolitischer Verantwortung im Klimaschutz. 1) ›Verantwortliche‹ Politiker*innen: Vor dem Hintergrund dessen, dass die Bundesregierung seit über 20 Jahren klimapolitisch aktiv ist, wird auch in Münster und Dresden grundsätzlich zugestimmt, dass kommunalpolitische Akteur*innen Verantwortung im Klimaschutz übernehmen sollten. In den Begründungen für diese Zuschreibung von Verantwortlichkeit zeigen sich unterschiedliche Erklärungsmuster: Zum einen wird Klimaschutz als globales Problem adressiert. Ähnlich wie in den internationalen Debatten wird Klimaschutz deshalb als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden, das heißt, auch kommunalpolitische Akteur*innen sollten als Teil der Verantwortungsgemeinschaft aktiv werden. So heißt es z.B. im Klimaschutzkonzept der Stadt Dresden: »Die Zukunft fordert von allen einen grundlegend anderen, verantwortungsvolleren Umgang mit den verfügbaren Ressourcen an Energie als Konsequenz aus der immer dringender werdenden Notwendigkeit zur globalen Klimastabilisierung« (Landeshauptstadt Dresden 2013, 294).
Indem das Energie- und Klimaschutzkonzept Dresdens Klimawandel als Folge eines weltweit zunehmenden Ressourcenverbrauchs darstellt, wird zugleich ein zentrales politisches Handlungsfeld aufgezeigt – die Reduktion fossiler Energieträger bzw. deren effizientere Nutzung. Mit dem Verweis auf die Dringlichkeit des Klimaschutzes wird betont, dass politische Akteur*innen nicht nur für ›ihre‹ konkreten Städte verantwortlich seien, sondern auch für ›die Welt‹ und damit das globale Klima insgesamt. Auch das Marketingkonzept von Münster verbindet Klima mit Fragen des Ressourcenverbrauchs sowie der globalen Konsequenzen des Klimawandels. Es betont, Münster sei eine Stadt mit »hohem Verantwortungsbewusstsein [für] lokale und globale Zusammenhänge« (Stadt Münster 2004, 2). Aus dieser Perspektive gibt es keine Instanz, vor der sich städtische Akteur*innen in ihrem Handeln verantworten müssten. Eine Schwierigkeit, die generell in der internationalen Klimapolitik besteht, da es keine Institution gibt, die ›Fehlverhalten‹ der Akteur*innen im Sinne nicht umgesetzter Klimaschutzmaßnahmen, ahndet.
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Jenseits moralischer Verantwortungszuschreibungen für das globale Klima werden zum anderen Argumentationen angebracht, die sich explizit auf den eigenen städtischen Kontext beziehen und Klimaschutz als Instrument der Stadtentwicklung begreifen. So beschreiben z.B. städtische Akteur*innen Münster als eine Stadt, die sich »für die Zukunft […] auch weiterhin in die Liste der aktiven Klimaschutzkommunen ein[reiht] und […] für die Zukunftsgestaltung der Stadt die notwendige Verantwortung« (Münster BV/0853/2007) übernehme. Eine wichtige Rolle kommt hier insbesondere den bereits erwähnten Hochwasser- und Wetterereignissen zu, wodurch die Diskussionen um die Frage, wie eine Stadt lebenswert und resilient, also robust gegenüber potenziellen Klimawandelfolgen gestaltet werden kann, deutlich an Fahrt gewonnen haben. Während Verweise auf globale Auswirkungen oftmals als abstrakt gelten (vgl. Kap. 6.2.1), sind es gerade diese unmittelbaren Betroffenheiten, die beide Städte bereits erfahren haben und von politischen Akteur*innen als Legitimationsstrategien genutzt werden, um insbesondere Klimaanpassungsmaßnahmen zu begründen und durchzusetzen. So heißt es in Dresden: »Ganze Stadtteile haben von dieser besonderen Wahrnehmung nach dem entsprechenden Schaden, der 2002 eingetreten ist, profitiert. Und zwar durch entsprechende vorbeugende Hochwasserschutzmaßnahmen, durch Klimaanpassungsmaßnahmen, durch 'ne Kombinierung von Potentialen, die in der Verwaltung vorhanden waren, im Sinne der Verbindung zwischen
Klimaschutz,
Hochwasserschutz,
Stadtteilentwicklung«
(SPA
Dresden,
19.10.16).
Das Jahr 2002 steht hier für die sogenannte ›Jahrhundertflut‹ in Dresden (DNN 2017), die zu großen Schäden, aber auch zu einer veränderten Bewertung der Relevanz von Klimaschutzmaßnahmen geführt hat. Das Zitat verweist darauf, dass klimapolitische Maßnahmen nicht nur den Schutz der Bevölkerung vor den Folgen des Klimawandels bezwecken, sondern auch zur Entwicklung und Gestaltung der Stadtteile genutzt werden. Klimaschutz wird auf diese Weise zu einem strategischen Instrument der Stadtplanung. Aus dieser Perspektive begreifen sich politische Entscheidungsträger*innen in erster Linie verantwortlich gegenüber der Stadtbevölkerung, die gleichzeitig auch die Wählerschaft darstellt, die ihrer Zufriedenheit oder Unzufriedenheit spätestens mit der nächsten Stadtratswahl Ausdruck verleihen kann. Verantwortlichkeit zeigt sich deshalb hier auch gegenüber der jeweiligen Partei, deren Ziel es ist, wieder gewählt zu werden bzw. die jeweilige Machtposition zu erhalten oder auch wiederzuerlangen.
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Ein weiteres Muster, mit dem sich politische Akteur*innen als verantwortlich begreifen, verweist auf die strukturellen Hierarchien im politischen System. So wird erklärt: »Wenn wir nicht da anfangen, selbst wenn's in der Menge vielleicht dann gar nicht die Ziele sind, die wir erreichen wollten, aber wenn die Kommunen das sein lassen, die ganzen Programme von der Bundesregierung und der gleichen, das ist ja die Frage, ob die dann unten ankommen« (SPD Münster, 10.11.16).
Die Bundesregierung agiert als rahmengebende Instanz, das heißt, sie vermittelt Ziel- und Wertvorstellungen. So sieht z.B. das Raumordnungsgesetz vor: Die »Leitvorstellung bei der Erfüllung der Aufgabe nach Absatz 1 ist eine nachhaltige Raumentwicklung, die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt« (ROG 2008, §1(2)). Insbesondere von den kommunalen Akteur*innen wird gefordert, diese in der Stadtentwicklung entsprechend zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund sehen städtische Akteur*innen entsprechend ihrer formalen Funktion ihre Rolle auch darin, die politischen Vorgaben der Bundesregierung in konkrete Maßnahmen der Stadtentwicklung umzusetzen. Obwohl sich die politischen Akteur*innen selbst grundsätzlich als verantwortliche Subjekte beschreiben, zeigen die Auswertungen der Materialien in Münster und Dresden, dass dies nicht unmittelbar in Handlungspraktiken mündet. Stattdessen werden unterschiedliche Konflikte sowohl zwischen unterschiedlichen Akteur*innen als auch innerhalb der Subjekte selbst sichtbar. Diese Konflikte sind nicht immer vordergründig wahrnehmbar, sondern schreiben sich auch subtil in die täglichen Handlungspraktiken der Akteur*innen ein. Damit zeigt sich ein Spannungsfeld, in dem politische Akteur*innen einerseits der Relevanz des Klimaschutzes bzw. der Klimaanpassung zustimmen, andererseits jedoch ihre tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten als beschränkt wahrnehmen und Verantwortungszuschreibungen im Klimaschutz ablehnen. 2) ›Verhindertes‹ politisches Engagement: Ein wichtiges Begründungsmuster, mit dem die politischen Handlungsmöglichkeiten als begrenzt wahrgenommen werden, zeigt sich in einer ökonomischen Argumentation. Aus dieser Perspektive kritisieren politische Akteur*innen, dass zwar internationale und bundespolitische Ziele vereinbart werden, doch mit der konkreten Finanzierung der Umsetzung daraus resultierender Maßnahmen fühlen sich die Akteur*innen teilweise allein gelassen, denn »wir haben häufig Bundes- oder Landesgesetzgebungen, deren Finanzierung bei den Kommunen hängen bleibt« (CDU Münster,
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3.11.16). Diese Konflikte spiegeln sich auch bei der Umsetzung konkreter städtebaulicher Projekte wider, wie das Beispiel aus Dresden verdeutlicht: »Aber ja, wir wissen alle, dass sich das Klima ändert, wir wissen alle, dass die fossilen Ressourcen endlich sind. Und wir sind heute im Grunde genommen gezwungen, Weichen zu stellen für morgen. […] Aber beispielsweise beim Begründen der kommunalen Woba [Wohnungsbaugesellschaftl] hatten wir jetzt die Diskussion in einem Forum von mir, wo einer fragte […] ob wir denn an energie-autarkes Wohnen gedacht hätten. Dass wir sozusagen zwar höhere Baukosten haben, aber dann eben keine Stromkosten oder keine Energiekosten mehr haben, weil die Immobilie so wunderbar abgedichtet ist. Muss ich ganz klar sagen: Nein, kann ich mir nicht leisten. […] Also denke ich auch kurzfristig, aber aus ebenfalls ökonomischem Kalkül, weil ich es mir einfach aktuell nicht leisten kann« (Die Linke Dresden, 16.12.16).
Das Zitat verdeutlicht häufig zu beobachtende Konfliktsituationen: Mit dem Pronomen »wir« verweist die Sprecherin zunächst auf eine Position, mit der grundsätzlich anerkannt wird, dass sich das Klima ändert, dass Ressourcen endlich sind und dementsprechend der Notwendigkeit des Klimaschutzes allgemein zuzustimmen sei. Am Beispiel des Projektes der Neugründung der kommunalen Wohnungsgenossenschaft in Dresden zeigt die Sprecherin jedoch exemplarisch, dass in den jeweiligen Bereichen oftmals die notwendigen finanziellen Handlungspotenziale nicht zur Verfügung stehen, um Klimaziele über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus in konkrete Maßnahmen umzusetzen. So wird der neue kommunale Wohnungsbau ausschließlich aus Krediten und Fördermitteln finanziert, etwa 30 % der Baukosten werden durch das sächsische Förderprogramm zum Sozialen Wohnungsbau (Richtlinie gebundener Mietwohnraum41) übernommen. Die Stadt Dresden stellt Grundstücke zur Verfügung, weitere finanzielle Mittel gibt es jedoch nicht. Die Errichtung von PhotovoltaikAnlagen auf den zukünftigen Dächern der kommunalen Wohnungsgebäude, dessen finanzieller Zugewinn überhaupt solche Maßnahmen ermöglichen würde und wodurch die Stadt eine Vorbildrolle gegenüber den Bürger*innen ausüben könnte, gestattet das zuständige Finanzamt aus juristischen Gründen nicht. Begründet
41 Mit dieser Richtlinie gewährt der Freistaat Sachsen »Zuwendungen zur Schaffung von zweckgebundenem Mietwohnraum im Sinne des § 1 Absatz 1 Halbsatz 1 des Wohnraumförderungsgesetzes in Gemeinden mit entsprechendem Bedarf«. Verfügbar unter: https://beck-online.beck.de/?vpath=bibdata%2Fges%2FSaRLgMW%2Fcont%2FSa RLgMW%2EAmtabschnitt1%2Ehtm [19.4.2018].
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wird dies damit, dass das Ziel der kommunalen GmbH und Co KG es sei, preiswerte Wohnungen anzubieten und nicht gewerbliche Einnahmen zu erzielen. Vor diesem Hintergrund stimmt die Sprecherin mit dem Pronomen »ich« einerseits der Position zu, dass kommunale Klimaschutzmaßnahmen notwendig seien. Andererseits distanziert sie sich davon, weil die Rahmenbedingungen in dem konkreten politischen Zuständigkeitsbereich die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen über die gesetzlichen Mindestvorgaben hinaus verhindern. Interessant ist dabei, dass die Sprecherin aus der Ich-Perspektive argumentiert: »ich [kann es] mir nicht leisten« und so »denke ich auch kurzfristig« (Die Linke, 16.12.16.). Damit weist sie hier die Verantwortung nicht etwa allgemein der Stadtpolitik zu, sondern schreibt sich die Verantwortlichkeit des kurzfristigen Handelns selbst zu. Gleichzeitig erscheint jedoch der Verweis auf das »ökonomische Kalkül« als Rechtfertigung dafür, keine weiteren Energieeinsparmaßnahmen zu berücksichtigen. Entscheidungen darüber, ob Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt werden oder nicht, werden damit gar nicht als Bestandteil eigener Handlungsmöglichkeiten bewertet. Vielmehr wird allgemein auf eine übergeordnete Logik des Ökonomischen verwiesen, der sich politische Entscheidungsträger*innen nicht entziehen könnten. In diesem Sinne wird die Verantwortlichkeit für solche Entscheidungen also wieder zurückgewiesen. Offen bleibt hier, inwiefern die politischen Akteur*innen mit der Wahl einer anderen Rechtsform für die kommunale Wohnungsgenossenschaft solche Maßnahmen hätten ermöglichen können. Was dieses Beispiel dennoch auch erkennen lässt, ist zum einen der oft entstehende innere Konflikt zwischen eigenen normativen Ansprüchen, Ressourcen zu schonen, indem z.B. langfristig Energiekosten für die Mieter*innen reduziert werden und den tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten, die kurzfristiges Denken notwendig erscheinen lassen. Zum anderen wird deutlich, dass die Umsetzung klimapolitischer Ziele nicht nur davon abhängt, ob kommunale Akteur*innen klimapolitischen Strategien zustimmen und bereit sind, diese in ihr Handeln zu integrieren, sondern auch davon, welche Sichtweisen auf Bedeutung und Priorität des Klimawandels innerhalb der Landespolitik dominieren und wie diese in Regierungstechnologien wie z.B. finanziellen Förderinstrumenten wirkmächtig werden. Gleichzeitig zeigt dies exemplarisch die Vielfältigkeit von Rationalitäten innerhalb städtischer Systeme. Während das politische Ziel ist, preiswerten Wohnraum mit geringen Energiekosten durch eine klimaschonende Bauweise zu errichten, folgt z.B. das involvierte Finanzamt der Logik des Rechts, mit der sichergestellt werden soll, dass alle Verwaltungsvorschriften und Richtlinien von den Akteur*innen eingehalten werden. Eine Verknüpfung dieser unterschiedlichen Rationalitäten ist nicht immer möglich. Aufgrund der Starrheit und des Be-
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harrungsvermögens institutioneller Strukturen dauert es, bis sich Verschiebungen in den Denkweisen in den institutionellen Praktiken etablieren und manifestieren. 3) Zurückweisung kommunalpolitischer Verantwortung im Klimaschutz: Einige der Akteur*innen bewegen sich zwar ebenfalls innerhalb der dominierenden Sprechweise um Klimawandel und stimmen dementsprechend zu, dass Klimaschutz sinnvoll sei. Dennoch weisen sie die Rolle des im Klimaschutz verantwortlichen kommunalpolitischen Akteurs zurück. So erklärt bspw. ein Stadtrat der CDU Dresden: »[…] aber wir dürfen uns keinen Illusionen hingeben, auch wir als Deutschland, dass wir das globale Klima so riesig verändern können. Also das muss man auch immer wieder betonen. Wir sollen das tun, was wir können. Wir sollten 's aber auch nicht übertreiben, um den Bürger an gewissen Stellen zu gängeln, wo 's letzten Endes nix bringt – oder wenig bringt« (CDU Dresden, 19.10.16).
Mit dieser Aussage wird auf die räumlichen Beziehungen zwischen Dresden als konkretem Ort, Deutschland und der Welt, als dem abstrakten Globalen verwiesen. Während das Klima das Große und das Globale ist, erscheint das Handeln städtischer Akteur*innen dagegen unbedeutend hinsichtlich der Auswirkungen auf das Klimasystem. Mit dem Argument, dass selbst das Engagement Deutschlands kaum Auswirkungen auf das globale Klima habe, wird dem kommunalen Engagement die Sinnhaftigkeit abgesprochen. Indem der Interviewpartner hier von »wir« spricht, schließt er alle politischen Akteur*innen ein. Die polyphonen Partikel verdeutlichen, wie sich der Sprecher von bestehenden klimapolitischen Zielsetzungen und Strategien distanziert, die er stattdessen als illusionär charakterisiert und als ›Gängelei‹ wahrnimmt. Die Verantwortung kommunalpolitischer Akteur*innen wird hier gerade nicht im Sinne der bundespolitischen Sichtweisen darin gesehen, dass die Bevölkerung vor den Folgen des Klimawandels zu schützen sei, sondern diese vielmehr vor einem scheinbaren Zuviel an staatlicher Regulation bewahrt werden müsse. Die Verantwortung im Klimaschutz wird stattdessen auf andere, nicht näher benannte Akteur*innen übertragen. Ähnlich argumentierend fordert auch die FDP Dresden, die bis 2015 Teil der kommunalen Regierungskoalition war, in ihrem Wahlprogramm 2014, Dresden solle aus dem Klima-Bündnis der europäischen Städte austreten, »solange diese Ziele nicht global durchgesetzt und eingehalten werden« (FDP Dresden 2014, 44). Da es keine internationale Instanz gibt, die diese Ziele durchsetzen könnte, kommt die Ablehnung klimapolitischer Aktivitäten einer Pauschalabsage an den
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Klimaschutz gleich. Zudem wird konstatiert: »[D]ie damit für die Bürger entstehenden hohen Kosten für den Umweltschutz lehnen wir ab« (ebd. 2014, 44). Solche Diskussionen verweisen exemplarisch auf die konflikthaften Aushandlungsprozesse um Fragen der staatlichen Ordnung und auf die Frage, wieviel staatliche Vorgaben als angemessen erachtet werden. Gerade die FDP Dresden vertritt hier eine stark liberale Position und sieht ihre Rolle insbesondere darin, die Bürger*innen vor scheinbar unnützen Maßnahmen und Kosten zu schützen. Insgesamt können diese Aussagen als kommunikative Strategien interpretiert werden, mit denen sich politische Akteur*innen den Verantwortungszuschreibungen der Bundesregierung entziehen und die bundespolitischen Klimastrategien ablehnen. Auch in Münster wird dieses Argumentationsmuster der mangelnden Wirksamkeit kommunalen Handelns aktiviert, um die Sinnhaftigkeit der dortigen Klimaschutzmaßnahmen infrage zu stellen. Obwohl also einerseits das Bild der »Tradition« (Stadt Münster 2009, 3) des Klimaschutzes in der Imagepolitik Münsters eine zentrale Rolle spielt, gibt es ebenso Kritiker*innen, wie ein Stadtrat der CDU erklärt, die die Sinnhaftigkeit bisheriger klimapolitischer Maßnahmen infrage stellen und argumentieren: »›Was ändert sich am Weltklima, wenn wir jetzt auch noch mal noch ‘ne Schippe drauflegen? Fällt ja im Prinzip nicht auf‹« (CDU Münster, 3.11.16). Eine »Schippe drauflegen« bezieht sich auf die Ausweitung des klimapolitischen Engagements, das sich z.B. im aktuellen »Masterplan 100 % Klimaschutz« widerspiegelt (Stadt Münster 2017, 9). Auch hier wird das Feld zwischen dem ›wir‹ in Münster und der ›Welt‹ aufgemacht, um zu verdeutlichen, dass der Effekt kommunaler Klimaschutzmaßnahmen in Bezug auf die Auswirkungen auf das globale Klima nicht bemerkt werden würde. Auch dies gleicht einer Pauschalablehnung klimapolitischer Maßnahmen. Insgesamt überwiegt bislang in Dresden eine zurückhaltende Bewertung der kommunalpolitischen Handlungspotenziale. Verantwortlichkeiten werden stärker beim Bund bzw. der internationalen Staatengemeinschaft gesehen. In Münster ist das Thema Klimaschutz dagegen so etabliert, dass kritische Stimmen, die entsprechende Handlungspraktiken infrage stellen, marginalisiert sind. Gleichwohl stellt sich hier die Frage, inwiefern eine ablehnende Haltung zum Klimaschutz mittlerweile grundsätzlich außerhalb des Sagbaren steht, sodass Akteur*innen immer zustimmen, dass Klimaschutzmaßnahmen wichtig seien, das Gesagte dann aber über die hier gezeigten Argumentationsweisen wieder relativieren.
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6.3.3 Verwaltung – zwischen Abhängigkeit und machtvollen Handlungsmöglichkeiten Das Grundgesetz spricht den Kommunen das Recht auf Selbstverwaltung zu (Grundgesetz 1995, Art. 28 Abs. 2/3). Dementsprechend kommt neben politischen Akteur*innen auch der öffentlichen Verwaltung eine wichtige Rolle zu, um die öffentlichen Angelegenheiten einer Stadt, so auch Klimaschutz, zu bearbeiten. In den bundespolitischen Stadtentwicklungsdebatten wird Verwaltungsakteur*innen vor dem Hintergrund der sich durchsetzenden neoliberalen Logik seit den 1990er Jahren nicht nur die Rolle zugewiesen, politische Vorgaben umzusetzen, vielmehr sollen sie aktiv agieren (BBSR 2001, 39) und auch im Klimaschutz neue Strategien im Umgang entwickeln. Verwaltungsmitarbeiter*innen werden demnach ebenfalls als zentrale, verantwortliche Akteur*innen adressiert, wie das folgende Zitat exemplarisch für Münster zeigt: »Der stadtgesellschaftliche Transformationsprozess im Sinne klima- und ressourcenschonender Entscheidungen lässt sich aktiv gestalten und beschleunigen, aber im komplexen Gesamtprozess nicht in Gänze steuern. Die kommunale Verwaltung kann Menschen und Organisationen durch gezielte fachliche und kommunikative Impulse aktivieren, Räume zur Zusammenarbeit schaffen, den Prozess begleiten, Akteure vernetzen und gute Rahmenbedingungen für klimafreundliche Angebote und Dienstleistungen schaffen. Hierzu gehört es, gemeinsame Visionen für ein Zusammenleben in der Stadt zu entwickeln, Pioniere des Wandels zu unterstützen und die Wünsche und Anforderungen der Bürger zu erfragen« (Stadt Münster 2017, 142).
Mit dieser Aussage wird auf konkrete Aufgaben verwiesen, die der kommunalen Verwaltung zugeschrieben werden, womit verdeutlicht werden soll, dass eine Vielzahl an möglichen Handlungsfeldern für Verwaltungsmitarbeiter*innen bestehe. In Münster werden vor allem kommunikative Instrumente in den Vordergrund gerückt, um Bürger*innen zu aktivieren und zu vernetzen. Zugleich wird der kommunalen Verwaltung die Rolle attestiert, »eine wichtige Vorbildfunktion für [die] energetische Transformation hin zur Klimaneutralität« (ebd. 2017, 15) einzunehmen. Interessant ist, dass der hier zitierte »Masterplan 100 % Klimaschutz« zwar durch ein externes Planungsbüro erstellt wurde, jedoch die Verwaltung, konkret die Koordinierungsstelle für Energie und Klima mitgewirkt bzw. die Erarbeitung geleitet hat. Abschließend wurde das Konzept vom Stadtrat bestätigt. Die Anrufung der Verwaltung als Vorbild kann ebenfalls als machtvolle diskursive Strategie verstanden werden, mit der der Verwaltung einerseits von ›außen‹ Verantwortung zugeschrieben wird z.B. durch den Stadtrat. Andererseits
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beschreiben sich die beteiligten Verwaltungsmitarbeiter*innen damit selbst als aktivierende, vernetzende Akteur*innen und verstetigen diese Sichtweise ihrer Rolle innerhalb der städtischen Klimakonzepte. Auch im Dresdner Energie- und Klimaschutzkonzept wird eine große Bandbreite möglicher Handlungsfelder aufgezeigt, in denen der Verwaltung Handlungspotenziale zugeschrieben werden. So heißt es: »Neben deklaratorischen Erklärungen und der Einflussnahme über die kommunalen Spitzenverbände auf die Bundes- und Landesgesetzgebung hat die Stadtverwaltung Dresden eine Reihe von Möglichkeiten, selbst aktiv Maßnahmen durchzuführen oder mittelbar Maßnahmen zu veranlassen, um Klimaschutz und Energieeffizienz zu fördern« (Landeshauptstadt Dresden 2013, 33). Dieses Zitat weist ebenfalls auf unmittelbar beeinflussbare Handlungsfelder vor Ort hin wie z.B. bei der Nutzung städtischer Flächen und Gebäude oder bei der Konzessionsvergabe für Energieversorgungsunternehmen. Zugleich wird auch auf politische Einflussmöglichkeiten verwiesen, denn kreisfreie Städte wie Dresden und Münster haben die Möglichkeit, sich im kommunalen Spitzenverband des Deutschen Städtetags zusammenzuschließen. Dieser Verband vertritt die Interessen der kommunalen Verwaltungen gegenüber der Bundesregierung, dem Bundestag und dem Bundesrat, aber auch gegenüber der Europäischen Union und anderen Organisationen. Auf diese Weise werden Verwaltungsmitarbeiter*innen ebenfalls Handlungsräume eröffnet, in denen sie politisch aktiv sein können und sein sollen. In beiden Städten können die Aussagen auch als Forderungen gegenüber Verwaltungsakteur*innen interpretiert werden, klimapolitische Normen und Werte zu verinnerlichen und diese zur Grundlage ihrer täglichen Handlungspraktiken werden zu lassen. Doch wie nehmen Mitarbeiter*innen selbst ihre Handlungsmöglichkeiten wahr? Welche Rolle schreiben sie sich selbst in Bezug auf den Klimaschutz zu? Die Analysen der Stadtentwicklungsdiskurse zeigen, dass auch Verantwortungszuschreibungen Teil kommunaler Aushandlungsprozesse sind. Sie werden von Mitarbeiter*innen angenommen, sie werden teilweise aber auch zurückgewiesen oder abgelehnt. Dabei zeigen sich in beiden Städten zwei zentrale Spannungsverhältnisse: Zum einen beschreiben sich Verwaltungsmitarbeiter*innen 1) als abhängig – von den ihnen zugestandenen Handlungsfreiheiten innerhalb ihres konkreten Arbeitsbereiches, von den strukturellen Bedingungen innerhalb des Verwaltungssystems sowie von den ihnen zur Verfügung stehenden Instrumenten. Zum anderen zeigt sich aber auch, dass Verwaltungsmitarbeiter*innen keineswegs nur passiv verwalten, sondern ebenfalls 2) machtvolle städtische Akteur*innen darstellen. Sie nutzen ihre Handlungsmöglichkeiten, um Klimaziele – auch gegen politischen Widerstand – durchzusetzen; sie nutzen diese aber auch dazu, politische Beschlüsse zu blockieren. Diese Spannungsver-
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hältnisse werden im Folgenden durch Aussagen städtischer Akteur*innen aus Münster und aus Dresden verdeutlicht: 1) Abhängigkeiten in der Verwaltung: Städtische Akteur*innen weisen oftmals darauf hin, dass Klimaschutz juristisch betrachtet, grundsätzlich in Deutschland nur eine freiwillige Aufgabe und keine Pflicht der Kommunalpolitik sei. So wird erklärt: »Klimaschutz ist ja nach wie vor 'ne freiwillige Aufgabe. Es gibt ganz wenig Gesetzmäßigkeiten dazu und wir können froh sein, dass die Landeshauptstadt Dresden überhaupt sich dieser freiwilligen Aufgabe widmet und dafür finanzielle und personelle Ressourcen bereitstellt« (Klimaschutzstab Dresden, 13.1.2017).
Das Zitat weist darauf hin, dass es zwar bundespolitische Klimakonzepte und strategien gibt, diese jedoch für die Stadtentwicklungspolitik nicht verbindlich sind. Zwar wurde 2011 ein ganzes Gesetzespaket verabschiedet, mit dem die Energiewende in Deutschland beschlossen und der Klimaschutz als Handlungsfeld aufgewertet werden sollten. Und auch die Europäische Kommission hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Verordnungen verabschiedet, mit denen die politischen Entscheidungsträger*innen der Mitgliedsstaaten ›gezwungen‹ werden, die entsprechenden klimapolitischen Ziele in die jeweiligen Politiken zu implementieren. So wurde z.B. 2012 die europäische Energieeffizienz-Richtlinie (Richtlinie 2012/27/EU) verfasst, mit der alle EU-Mitgliedstaaten verpflichtet werden, im Zeitraum 2014 bis 2020 jährlich durchschnittlich 1,5 % Energie einzusparen und regelmäßige Energieaudits in großen Unternehmen durchzuführen (BMWi 2018). Doch während vor allem energietechnische Prozesse reguliert werden, um u.a. die bautechnischen Anforderungen an den Energiebedarf von Gebäuden festzusetzen (EnEV) oder den Vorrang von erneuerbaren Energien bei der Einspeisung von Strom zu regeln (EEG), bleibt das regulatorische Instrumentarium zur Umsetzung des Klimaschutzes in der Stadtentwicklung, welches durch das Baugesetzbuch bereitgestellt wird, begrenzt. Dabei wird gerade dieses von vielen städtischen Entscheidungsträger*innen als elementares Instrument der Stadtentwicklung bewertet und erklärt: »Gerade das Baugesetzbuch ist da für uns ganz wichtig. Wir können ja in unseren Stellungnahmen nicht schreiben, wir machen Klimaschutz, weil wir's gut finden, weil's so sein soll, sondern wir müssen uns ja dann auch ganz klar auf Gesetzmäßigkeiten beziehen […]. Also das ist so das Thema dieser freiwilligen Aufgabe: Wie verleihen wir dieser Aufgabe Gewicht? Mit dem Bezug auf Gesetze« (Klimaschutzstab Dresden, 13.1.17). Um also nicht lediglich emotional oder moralisch, sondern juristisch fundiert argumentieren zu können, gilt insbesondere das Baugesetzbuch in der Stadtentwick-
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lung als zentrales Instrument, mit dem politische Entscheidungen wie die Priorisierung von erneuerbaren Energien in den Bebauungsplänen neuer Quartiere legitimiert und mit dem daran anknüpfende städtebauliche Ziele auch gegen Widerstände durchgesetzt werden können. So hat z.B. Münster einen »Kommunalen Wärmedämmstandard« vereinbart. Dieser kann jedoch nur in Grundstücksverträgen zur Anwendung kommen. Ein Teil der Flächen in Münster ist in städtischer Hand, sodass beim Verkauf dieser Flächen Investoren verpflichtet werden, beim Neubau von Gebäuden auf diesen Grundstücken einen höheren Wärmedämmstandard als bundespolitisch gefordert, einzuhalten. In die Bauleitplanung können solche kommunalen Ziele jedoch nicht aufgenommen werden, weil dafür die rechtliche Grundlage im Baugesetzbuch fehlt und ein derartiges kommunales Engagement im Klimaschutz nicht unterstützt wird. Weil Klimaschutz nur eine freiwillige Aufgabe ist, so die Begründung einiger Akteur*innen, werden Klimaziele von manchen nur als »›on-Top‹Leistungen, die man sich vielleicht als Stadt gönnen möchte« (SPD Münster, 10.11.16) bewertet. Gerade Verwaltungsmitarbeiter*innen sehen ihre Handlungsmöglichkeiten also dadurch eingeschränkt, dass sie nicht über die rechtlichen Mittel verfügen, die bundespolitischen Ziele tatsächlich in konkrete Handlungspraktiken der Stadtentwicklung umzusetzen. Klimaschutz bleibt damit etwas, was sich Akteur*innen »gönnen« (ebd. 10.11.16) oder auch nicht, es ist jedoch keine normative Richtlinie, an der Stadtentwicklungspolitik ausgerichtet werden muss. Zudem hat der Status der Freiwilligkeit des Klimaschutzes auch haushaltspolitische Konsequenzen für die Städte. Verfügt eine Kommune nicht mehr über einen ausgeglichenen Finanzhaushalt, wird eine sogenannte Haushaltssperre verhängt. In diesem Fall, so erklärt ein Münsteraner Stadtrat, ist nicht mehr die Kommunal-, sondern die Bezirksregierung zuständig. Diese hat das Recht, freiwillige Maßnahmen, so auch klimapolitische Maßnahmen, die über den gesetzlichen Mindeststandards liegen, zu streichen. Das heißt, kommunale Gelder, mit denen z.B. in Münster energiegerechte Altbausanierungen gefördert werden, könnten dann gestrichen werden. Auch an dieser Stelle wird sichtbar, dass die Umsetzung von Klimapolitik in ein Netz komplexer Bedingungen eingebettet ist, indem nicht nur die Bewertungen der kommunalen Akteur*innen eine Rolle spielen. Vielmehr spiegeln sich Sichtweisen um Priorität und Relevanz des Klimas auch in der Ausgestaltung von Landes- und bundespolitischen Regularien und gesetzlichen Möglichkeiten wider, die ebenfalls dazu beitragen, dass bestimmte Handlungsweisen wahrscheinlicher werden als andere. Neben den Rahmenbedingungen, die im politischen System Verwaltungsmitarbeiter*innen zur Verfügung stehen bzw. eben fehlen, sind es zudem auch die konkreten institutionellen Strukturen, die den Effekt des Handelns beschrän-
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ken können. So werden gerade Fachangestellte der Verwaltung in den Interviews oft als verantwortliche Akteur*innen beschrieben, die engagiert sind, um Maßnahmen des Klimaschutzes und der Klimaanpassung in ihren täglichen Handlungspraktiken der Planung und Verwaltung zu integrieren. Dennoch bewerten politische Akteur*innen die Effekte dieses Engagements aufgrund struktureller Bedingungen in der Verwaltung als beschränkt: »Ich weiß ja […], dass wir 'ne unglaublich fitte, fachlich fitte Verwaltung haben und dass auch ganz, ganz viele brennen. Aber das ist wie so ‘n Kokon, wenn hier weiter unten bestimmte Aufgaben angesiedelt sind, desto weniger haben die die Chance in so ein strategisches Konzeptionsdenken zu fließen. […] es kann auch keine Früchte für die Gesamtverwaltung, schon gar nicht für die Politik [tragen], die daraus wieder politische Initiativen, […] Themen, […] politische Kampagnen und damit Medienöffentlichkeit und ein Umdenken in der Stadtgesellschaft erzeugen. Das ist so die Krux dessen« (Die Linke Dresden, 16.12.16).
Das Zitat lässt die strukturellen Spannungsverhältnisse innerhalb der Verwaltung erkennen. Begriffe wie »weiter unten« verweisen auf die innere Hierarchisierung der Strukturen. Je nach Hierarchieebene auf der Akteur*innen der Verwaltung tätig sind, wird das Engagement als mehr oder weniger relevant und wirksam für andere Verwaltungsinstitutionen, für die Politik oder die Gesellschaft wahrgenommen. Die Sprecherin des Zitats greift hier auf die Metapher des »Kokon[s]« (ebd. 16.12.16) zurück und beschreibt damit Verwaltung indirekt als eine abgegrenzte Einheit, die von außen nur schwer gestört werden kann, deren Wirksamkeit jedoch oftmals auch nicht nach außen dringt. Insgesamt ist insbesondere in den Interviews aufgefallen, dass sich Verwaltungsmitarbeiter*innen – im Gegensatz zu politischen Akteur*innen – kaum in der Rolle sehen, sich öffentlich kritisch gegenüber den jeweiligen kommunalen klimapolitischen Entwicklungen zu positionieren. Zwar üben auch Verwaltungsmitarbeiter*innen Kritik an Entwicklungen, die bspw. den gesetzten kommunalen Klimazielen entgegenstehen, doch erscheint es ihnen oft nicht möglich, Konflikte bzw. Diskrepanzen zwischen den gesetzten Zielen und den tatsächlichen Umsetzungen öffentlich anzusprechen. Diese Auffälligkeiten können u. a. auf die grundsätzlich unterschiedlichen Anrufungen der jeweiligen Rollen zurückgeführt werden. So wird von Politiker*innen erwartet, sich von anderen Positionen deutlich abzugrenzen, um Alleinstellungsmerkmale ihres Handelns zu erzeugen. Verwaltungsmitarbeiter*innen haben dagegen die Rolle, die Anweisungen des ‚Dienstherren‘ – sei es die Kommune oder das Land – zu befolgen
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und umzusetzen. Eine kritische Hinterfragung dessen ist dabei meist nicht erwünscht. 2) Machtvolle Handlungsspielräume in der Verwaltung: Verwaltungsakteur*innen argumentieren, dass sie sich zwar als verantwortlich begreifen, aber durch institutionelle und systemische Rahmenbedingungen teilweise daran gehindert werden würden, Klimaziele mittels konkreter Maßnahmen umzusetzen. Gleichzeitig zeigen die Analysen aber auch, dass Verwaltung ebenso machtvolle Handlungsspielräume bietet, die Akteur*innen nutzen, um Ziele auch gegen politischen Willen durchzusetzen. So haben die Ausführungen zur Dresdner Stadtentwicklungspolitik gezeigt, dass Klima in den vergangenen Jahren zwar politisch für ein marginalisiertes Thema steht, es gleichzeitig aber auch Akteur*innen gab bzw. gibt, die dies kritisieren. Diese Akteur*innen sind bspw. Mitarbeiter*innen der Umweltverwaltung. Sie plädieren für eine stärkere Priorisierung von Klimafragen und eine konsequentere Umsetzung der bestehenden Klimaziele in Dresden. In diesem Sinne haben sie Strategien entwickelt, die als selbstbestimmte Ermächtigung und Aufbegehren gegen die politische Marginalisierung von Klimafragen interpretiert werden können. Auf diese Weise konnten trotz des geringen politischen Willens innerhalb ihres Aufgabenfeldes Klimaziele in konkrete Maßnahmen wie z.B. die großflächige Entsiegelung von Flächen oder die Einführung des Öko-Kontos42 umgesetzt werden. Solch eine Strategie zeigt sich auch darin, Aufmerksamkeit gerade nicht zu erzeugen, sondern zu vermeiden. Dazu erklärt der Umweltamtsleiter: »Das hat dazu geführt, dass ich viele Sachen nie groß an die Glocke gehängt habe. […] Du musst nicht immer das Problem raushängen. […] Und dann [habe ich] mündlich informiert über die Erfolge. Aber ich habe keine Broschüren gemacht, so wie andere Städte sich so verkaufen, das habe ich nie gemacht. Das mag ein Fehler sein in der Außendarstellung, aber in der Arbeit waren wir unheimlich erfolgreich« (Umweltamt Dresden, 1.12.16).
Einerseits nimmt der Sprecher hier die Ich-Perspektive ein und schreibt damit sich die Verantwortlichkeit für diese Art der Handlungsstrategie zu. Andererseits kann das bewusste Nicht-Kommunizieren als Handlungsmuster der Umweltver-
42 Das Öko-Konto ist ein Instrument, welches in den 1990er Jahren entstand. Damit werden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für bauliche Eingriffe in die Umwelt dokumentiert und in einen Flächenpool eingetragen. 1998 wurde auch im Baugesetzbuch die rechtliche Grundlage für das Öko-Konto geschaffen (BauGB § 200 a, Ersatzmaßnahmen).
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waltung interpretiert werden, da der Sprecher als Leiter nicht nur sich selbst, sondern auch die Mitarbeiter*innen in diesem Sinne angeleitet hat. Mit dieser Strategie ging es darum, die Entstehung politischen Widerstands zu vermeiden und zu verhindern, dass die finanziellen Ressourcen und damit auch die Handlungsmöglichkeiten noch stärker reduziert werden würden. So verzichteten die Akteur*innen des Umweltamtes auf die Präsentation und Kommunikation der Maßnahmen gegenüber der Bevölkerung, um trotz des politischen Desinteresses an Klimafragen die Umsetzung klimapolitischer Werte und Normen in konkrete Handlungen zu sichern. Interessant ist an dieser Stelle, dass viele der Mitarbeiter*innen des Umweltamtes Dresden in den Umweltbewegungen der DDR sozialisiert wurden, sodass umwelt- bzw. klimapolitische Werte einen stark verankerten Bestandteil ihres Selbstverständnisses bilden. Dieses Selbstverständnis kann im Foucaultschen Sinne als Selbsttechnologie verstanden werden, das heißt, es lenkt das Handeln der Akteur*innen von innen heraus – auch gegen äußere Widerstände. Das folgende Zitat spiegelt dies ebenfalls wider: »Also ich bin immer mehr dafür, still die Arbeit zu machen. Ich sage, wir machen Dienst an der Gemeinschaft. […] Das ist wirklich 'ne Sache, die ich für andere mache, ich mach' das für die Stadt. […] Das ist einfach so, es muss selbstverständlich sein, dass man das tut« (Umweltamt Dresden, 1.12.16). Ein zweites Beispiel verdeutlicht die machtvolle Rolle von Verwaltungsakteur*innen genau entgegengesetzt. So wurde in den Interviews darauf hingewiesen, dass einzelne Dezernenten der Verwaltung die Politik in erster Linie als Institution verstehen, die die Rahmenbedingungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens schafft, aber die »Verwaltung macht das Tagesgeschäft« (SPD Münster, 18.10.16). Solch einer Sichtweise zufolge sollten nicht die politischen Akteur*innen, sondern die Dezernenten der Verwaltung über die Inhalte der Arbeit der Stadtverwaltung entscheiden. Die Aufgabe, die politischen Stadtratsbeschlüsse in den einzelnen Abteilungen der Verwaltung umzusetzen, wird dagegen zurückgewiesen. Auf solche Konflikte um Entscheidungs- und Durchsetzungsmacht wird in beiden Städten verwiesen. Sie haben in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, die Umsetzung politischer Beschlüsse zur Klimapolitik in Prozesse der Stadtentwicklung zu blockieren. An dieser Stelle zeigt sich auch, wie das machtvolle Handeln Einzelner dazu führen kann, die Handlungsspielräume anderer Verwaltungsmitarbeiter*innen zu beschränken. Diese komplexen Verknüpfungen lassen erkennen, dass sich Denkweisen nicht nur zwischen Städten unterscheiden können, sondern als ein Konglomerat unterschiedlicher Rationalitäten auch innerhalb einzelner Institutionen wie der Verwaltung aufeinandertreffen. Dabei geht es oftmals nicht in erster Linie um die Relevanz des Klimaschutzes, sondern um das Durchsetzen individueller Interessen und Machtbefug-
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nisse. So begreifen sich Mitarbeiter*innen zwar einerseits als verantwortliche Akteur*innen im städtischen Klimaschutz, allerdings nehmen sie sich auch hier als abhängig davon wahr, welche Freiheiten und Möglichkeiten ihnen innerhalb der konkreten Strukturen ihres Arbeitsbereiches zur Verfügung gestellt werden, um Klimaschutzmaßnahmen in ihre Handlungsbereiche zu integrieren. Derartige Konflikte um Einflussbereiche zeigen sich nicht nur innerhalb eines Amtsbereichs, sondern auch zwischen Verwaltungseinheiten. Solche Konflikte werden teilweise als »Lagerkämpfe« beschrieben, also »als Kampf der verschiedenen Verwaltungsinstitutionen gegeneinander« (SPA Dresden, 19.10.16). Die ›Kampf-Rhetorik‹ lässt vermuten, dass es auch dabei nicht nur darum geht, ob Klimaschutzmaßnahmen relevant sind oder nicht. Vielmehr verweist dies auf ein Spannungsfeld, in dem auch persönliche Befindlichkeiten zwischen Mitarbeiter*innen eine wichtige Rolle spielen. Doch können nicht nur leitende Mitarbeiter*innen machtvoll agieren, sondern auch Mitarbeiter*innen selbst. Einer der befragten Stadträte erklärt dazu: »Wir [Stadträte] können Ratsanträge schreiben. Nur kommen die auf ‘ne Ablage und die Verwaltung kann's da einfach verlaufen lassen […] Die haben ja schlicht 'nen Informationsvorsprung. […] oft sind natürlich Politiker auch einfach Generalisten, die sich eingearbeitet haben und da ist natürlich jemand, der's studiert hat und das kennt am längeren Hebel und kann einen auch einfach vor die Wand laufen lassen. […] Weil, ohne Verwaltung können wir nichts umsetzen« (SPD Münster, 10.11.16).
In dieser Aussage wird das Spannungsverhältnis zwischen Politik und Verwaltung hervorgehoben. Die Verwaltungsmitarbeiter*innen werden dabei mit der Position der Expert*innen gleichgesetzt, denen innerhalb der Stadtentwicklungspolitik eine zentrale Rolle zugeschrieben wird, um politische Ziele praktisch wirksam werden zu lassen. Gerade deshalb können auch alltägliche, vermeintlich subtile Handlungen wie die Ablage und Nichtbearbeitung eines Beschlusses oder eines Antrages enorme Auswirkungen auf die Umsetzung von politischen Vereinbarungen zur Folge haben. Es sind Strategien, mit denen sich Verwaltungsmitarbeiter*innen gegen politische Forderungen und Sichtweisen richten. Dementsprechend verkörpern sie machtvolle Akteur*innen, die »am längeren Hebel« sitzen und Stadträte »vor die Wand laufen lassen« (ebd. 10.11.16) können. Blockierende und bremsende Strategien zeigen sich auch in anderen subtilen Praktiken von Verwaltungsmitarbeiter*innen, mit denen Klimaziele bewusst ignoriert werden und stattdessen an bisherigen Praktiken festgehalten wird. Gerade dieses »Festhalten an bisherigen Planungsstrategien« (Landeshauptstadt Dresden 2007, 36) wird in Dresden als »größte[s] Hemmnis für einen nachhaltigen Re-
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duktionspfad« kritisiert. Gemeint ist damit, dass in Dresden einerseits die Schadstoffbelastungen durch konkrete Maßnahmen deutlich reduziert werden konnten und klimapolitische Normen durch Konzepte wie das Energie- und Klimaschutzkonzept verfestigt wurden. Andererseits werden aber gerade Planer*innen als zurückhaltend und bremsend wahrgenommen, wenn es z.B. darum geht, erneuerbare Energien im Rahmen städtebaulicher Projekte einzusetzen. Klimaschutz gilt aus deren Perspektive, so wird angenommen, als etwas, dass Städtebau und sinnvolle städtebauliche Lösungen verhindere (SPA Dresden, 19.10.16). Auch in Münster werden Auseinandersetzungen darüber beschrieben, ob Klimaschutz in der Planung berücksichtigt werden könne oder nicht. In diesen als »ideologischen Kampf« (Umweltbürgermeister Münster, 8.11.16) bezeichneten Konflikten stehen sich insbesondere Planer*innen und Architekt*innen mit sehr unterschiedlichen Sichtweisen um räumliche Gestaltungen gegenüber: »Da gibt's welche, die stehen auf dem Standpunkt – ›Überhaupt diese ganze Energieeinsparung ist alles dummes Zeug und […] das verhindert Architektur‹. Und auf der anderen Seite gibt's genügend Leute, die aus der Fachlichkeit kommen, Architekten, Ingenieure, die sagen: ›Ist alles gar nicht so‹« (Umweltbürgermeister Münster, 8.11.16). Während also einige bereit sind, in der Erstellung von Bebauungsplänen z.B. die Ausrichtung der Gebäudedächer zu berücksichtigen, um möglichst viel Sonnenenergie passiv nutzen zu können oder ergänzend dazu die Errichtung von Photovoltaik-Anlagen vorzumerken, lehnen andere solche Vorgehensweisen als unsinnig und die Architektur störend ab. Insgesamt wird deutlich, dass mit dem in den bundespolitischen Dokumenten etablierten ›Ruf an die Städte‹ den kommunalen Akteur*innen pauschal Verantwortungs- und Handlungsfähigkeit unterstellt wird. In der konkreten Praxis unterschiedlicher politischer Arenen und Verwaltungseinheiten bestehen diese jedoch nicht immer in dem Maße. Nicht nur Sichtweisen um Klima oder die ›richtige‹ Stadtentwicklung bringen gesellschaftliche Machtverhältnisse hervor. Vielmehr manifestieren sich Vorstellungen von Verwaltungsorganisation auch in einer spezifischen institutionellen Machtarchitektur, mit der ebenfalls Handlungsmöglichkeiten geschaffen, aber auch verhindert werden können. 6.3.4 Die Bedeutung der Zivilgesellschaft – Individualisierung von Verantwortung? Im Kontext der Klimapolitik sind mittlerweile zahlreiche Ratgeberbroschüren, Handlungsleitfäden zu ›klimagerechtem‹ Verhalten sowie Konzepte und Modellprojekte entstanden, in denen auch die individuelle Verantwortung eine zentrale Rolle spielt. Damit wird insgesamt ein Trend zur Individualisierung von
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Verantwortung sichtbar (vgl. u.a. Maniates 2001; Grunwald 2010; Shove 2010). Auch in den bundespolitischen Dokumenten werden die Bürger*innen als »mitverantwortliche und mitgestaltende Koproduzenten öffentlich zu gewährleistender Aufgaben« (BBSR 2001, 39) adressiert. Weil gerade Haushalte in den Städten als »Hauptverursacher der CO2-Emissionen« (BBR 1999, 31) gelten, wird das Engagement der Bevölkerung als unbedingt notwendig erachtet, um die gesellschaftlichen Herausforderungen bewältigen zu können (BMVBS 2013a, 41; BMVBS 2012, 31). Ähnlich wie die Städte werden auch die Bürger*innen in den untersuchten Dokumenten als Verursacher angesprochen und zu ›Schuldigen‹ erklärt, um ihnen damit ebenfalls die moralische Verantwortung zuzusprechen, einen Beitrag zum Klimaschutz leisten zu müssen. In diesem Sinne fordert die Bundesregierung städtische Entscheidungsträger*innen auf, nicht nur gesetzliche Vorgaben umzusetzen, sondern darüber hinaus aktiv ›ihre‹ Zivilgesellschaft zu entsprechend ›richtigem‹, also klimasensiblem, Handeln anzuleiten (BMVBS 2010a, 8). Der Blick auf Münster und Dresden zeigt jedoch, dass Städte damit sehr unterschiedlich umgehen. Während die Verantwortung staatlicher Regierungen im Klimaschutz plausibel erscheint, ist die Frage, inwieweit auch Individuen als verantwortliche Akteur*innen angesprochen werden sollten, nach wie vor Gegenstand konträrer klimaethischer Diskussionen (z.B. Braun und Baatz 2016, 877). So wird einerseits argumentiert, Individuen sollten sich »durch politisches Engagement für eine angemessene Regulierung« (z.B. Johnson 2011; Cripps 2013; Maniates 2001, 34) der Treibhausgase einsetzen. Auch werden individuelle Leistungen zur Reduktionen von Treibhausgasen »als kommunikatives Signal gegenüber Mitbürgern und Regierungen« (Neuteleers 2010) erachtet. Gleichwohl wird der Trend zur Individualisierung von Verantwortung deutlich kritisiert. So konstatiert z.B. Maniates: »When responsibility for environmental problems is individualized, there is little room to […] ›think institutionally‹. Instead, the serious work of confronting the threatening socio-environmental process […] falls to individuals, acting alone, usually as consumers« (Maniates 2001, 33). Mit anderen Worten: Indem Verantwortung individualisiert wird, werden Umweltveränderungen wie der Klimawandel als Resultat umweltschädlicher Konsumentscheidungen bewertet. Indem für den Kauf von ›grünen‹ bzw. ›umweltfreundlichen‹ Produkten plädiert wird, werden als Klimaschutzmaßnahmen deklarierte Strategien jedoch lediglich in die bestehende ökonomische Wachstumslogik integriert. Institutionelle Lösungen, mit denen bestehende Wirtschaftsweisen infrage gestellt werden, spielen dabei kaum eine Rolle. Auch in den beiden Städten Dresden und Münster wird in den städtischen Dokumenten und Interviews auf die Bürger*innen verwiesen. So heißt es z.B. in
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Dresden: »Energieeinsparung und Klimaschutz funktionieren nur, wenn jeder Einzelne Verantwortung übernimmt« (Landeshauptstadt Dresden 2013, 272). Formulierungen wie »nur, wenn« vermitteln den Eindruck, der Erfolg klimapolitischer Maßnahmen hänge vom persönlichen Engagement des Individuums ab. Diese individuelle Ansprache zeigt sich auch im Klimaschutzkonzept der Stadt Münster, wo erklärt wird: »Die Stadt Münster kann mit den unter ›Stadt als Motor‹ benannten Maßnahmen viele zusätzliche Impulse für den Klimaschutz geben und damit viele einzelne Bürgerinnen und Bürger sowie Firmen erreichen. Aber sie kann nicht alle zugleich und immer im richtigen Moment erreichen. Ein deutlich stärkeres Eigenengagement muss von der anderen Seite dabei sein […]. Alle Münsteraner müssen mitmachen« (Stadt Münster 2009, 9).
Auch hier wird der Erfolg klimapolitischer Strategien an das Eigenengagement der Bürger*innen gebunden. Interessant ist an dieser Stelle die Aussage: »Alle Münsteraner müssen mitmachen« (ebd. 2009, 9), eine Aufforderung, der keine politische Konsequenz folgt. Denn würde diese Aussage tatsächlich ernst genommen werden, würden städtische Entscheidungsträger*innen kommunalpolitische Vorgaben beschließen, durch die dann tatsächlich »alle« mitmachen müssten. Solch einen Versuch hatte die SPD vor einigen Jahren im Verkehrsbereich unternommen, dem Gedanken folgend, »man könnte ja sagen, Promenadenring oder so autofrei, aber das glaub ich nicht, dass das kommt, traut sich keiner. Wir haben mal '99 unter anderem die Kommunalwahl verloren, weil wir für 'ne Erhöhung der Parkticketpreise waren« (SPD Münster, 10.11.2016). Auch hier zeigen sich die komplexen Verknüpfungen unterschiedlicher Denkweisen. Denn gerade politische Akteur*innen folgen der Logik des Wiederwahlmechanismus, das heißt, sie entfernen sich von dem, was die Bürger*innen fordern, nicht allzu weit, um bei der nächsten Kommunalwahl wiedergewählt zu werden. Aus politischer Sicht wird demnach der Widerwahl eine größere Priorität beigemessen, als der Umsetzung klimapolitischer Maßnahmen. Diese würde zwar den Prämissen städtischer Zielsetzungen im Klimaschutz entsprechen, aber auch Widerstände in der Gesellschaft hervorrufen. In beiden Städten werden Bürger*innen grundsätzlich als aktive und verantwortliche Akteur*innen angesprochen. Allerdings nehmen städtische Akteur*innen die Bürger*innen in Bezug auf ihr Interesse und Engagement für Klimaschutz in Münster und Dresden sehr unterschiedlich wahr. Während sie in Dresden die Bevölkerung allgemein mit Blick auf kommunalen Klimaschutz als passiv beschreiben, steht in Münster stattdessen das Bild der engagierten Bevölkerung im Vordergrund. Auch in der kommunalen Stadtentwicklungspolitik
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werden den Bürger*innen sehr unterschiedliche Rollen zugesprochen, was im Folgenden zunächst mit Blick auf Dresden und im Anschluss daran mit Blick auf Münster verdeutlicht wird. Dresdner Bürger*innen wird allgemein ein großes Interesse an Stadtentwicklungsprozessen attestiert, weniger jedoch in Bezug auf Klimathemen. Neben einzelnen Initiativen, die sich für eine postfossile, nachhaltige Gesellschaft einsetzen, »meldet sich der Bürger nur, wenn er persönlich irgendwie betroffen ist« (CDU Dresden, 19.10.16), so die Wahrnehmung. Indem wie im folgenden Zitat vom »Habitus« der Stadt gesprochen wird, als einer spezifischen Art des Sozialverhaltens Dresdner Bürger*innen, werden Selbstbezüglichkeit und Behäbigkeit der Dresdner*innen zu scheinbar natürlichen Charaktereigenschaften deklariert – im Vergleich zu anderen großen Städten seien die Dresdner*innen eben so: »Aber natürlich ist es auch so, dass Dresden schon als Stadt sehr stark bei sich ist und viel selbstbezüglicher als zum Beispiel Leipzig oder andere große Städte in Deutschland. Und dass das vielleicht auch 'ne Ursache dafür ist, dass man ein bisschen langsamer ist bei der Hinwendung zu den globaleren Themen als es andernorts der Fall ist. […] Das ist der Habitus der Stadt. Und der setzt sich halt fort. Also selbst Menschen, die von woanders herkommen und ihren Lebensmittelpunkt dann hier in Dresden bauen, selbst die übernehmen eben teilweise diese Selbstbezüglichkeit. Es hat ja irgendwie auch was, was Nettes, sag ich mal« (SPD Dresden, 18.10.16).
Gerade der Vergleich mit Leipzig wird in Erzählungen über Dresden oft herangezogen. Dabei steht Leipzig als ehemalige Handelsstadt synonym für eine innovative und aufgeschlossene Gesellschaft, während Dresden als alte Residenzstadt stärker mit dem Bild einer konservativen, nach innen gewandten Gesellschaft verbunden wird. Weitere Beschreibungen der Interviewpartner*innen, dass »der Dresdner […] ja nicht rausguckt, [denn] nach der Altstadt hört ja Dresden auf« (Umweltzentrum Dresden, 18.10.18) knüpfen ebenfalls an eine bekannte Charakterisierung Dresdens als ›Tal der Ahnungslosen‹ an, mit der häufig die Stadtgesellschaft beschrieben wird. Das Bild der Ahnungslosigkeit wurzelt in der DDR-Zeit, denn während im gesamten DDR-Gebiet westdeutsches Fernsehen empfangen werden konnte, war dies v. a. in Greifswald und Dresden so gut wie unmöglich, da diese außerhalb der Senderstandorte der BRD lagen. Weil die Bevölkerung dementsprechend nur staatlich zensierte Medien empfangen konnte, galten diese Orte als besonders schlecht informiert und unwissend. Gleichwohl zeigen andere Verweise, dass Dresdner*innen nicht immer pauschal so dargestellt werden. So sprechen andere Akteur*innen ebenso von zahlreichen Interessierten in der Bevölkerung, »die ganz konkret was machen
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wollen, die Flächen pflegen wollen für die Stadt, Baumscheiben pflegen wollen, Stadt gestalten […] jetzt explodieren die Gemeinschaftsgärten, weil wir jetzt als Verwaltung sagen, ja, wir wollen, wir bieten euch Flächen an. Lasst uns was miteinander machen, wir senken die Hürden, die Leute vernetzen sich, die Leute machen was« (Umweltbürgermeisterin Dresden, 1.8.18). Das Zitat zeigt, dass Bürger*innen durchaus interessiert sind an Angeboten zur Stadtgestaltung, die »jetzt« (ebd. 1.8.18) geschaffen werden. Statt eines von vorn herein angenommenen Desinteresses wird hier vielmehr auf Hürden verwiesen, die durch die Verwaltung hervorgerufen worden sind und die bislang möglicherweise gesellschaftliches Engagement blockiert haben. In den Gesprächen fallen zudem zahlreiche Verweise auf die DDR-Zeit auf, an die Diskussionen um das bestehende Staatsverständnis geknüpft werden. So wird argumentiert: »Das Staatsverständnis, das hier in Sachsen und in Dresden gepflegt wurde nach der Wende, ist sehr stark von einem demokratischen, aber doch obrigkeitsorientierten Staat geprägt […] Aber die Frage ist, […] was für ein Staatsverständnis brauchen wir, um den Transformationsprozess abzusichern« (Umweltbürgermeisterin Dresden, 1.8.17.)
Gemeint ist damit, dass Bürger*innen bis zur Wende zunächst nur wenig Möglichkeit hatten, sich aktiv in die Gestaltung der Städte einzubringen. Bürgerliches Engagement fand in der DDR hauptsächlich im Verborgenen statt. Das daraus entstandene »obrigkeitsorientierte« Rollenverständnis im Sinne von »lasst die Legitimierten das entscheiden, man muss doch da nicht so viel mitreden« (Umweltbürgermeisterin Dresden, 1.8.17.) bzw. »›das soll die Verwaltung machen‹« (Umweltamt Dresden, 1.12.16), wird immer noch als wirkmächtig wahrgenommen und gleichzeitig kritisiert. In diesem Zusammenhang wird aber vor allem von politischen Akteur*innen gefordert, Bürger*innen zu ermächtigen, sich selbst stärker Themen wie Klimawandel oder Klimaanpassung anzunehmen. Das heißt, Klimaziele sollen nicht nur zu einem politischen, sondern auch zu einem gesellschaftlichen Thema gemacht werden. Die Kritik richtet sich also nicht nur an die Bürger*innen, die in Bezug auf den Klimawandel als wenig interessiert beschrieben werden, sondern insbesondere an die städtischen Akteur*innen, die bislang der Ansprache und Beteiligung der Bevölkerung zu wenig Bedeutung beigemessen hätten. Insgesamt wird ein Wandel im Staatsverständnis gefordert von einem durchregierenden Staat, wie die DDR es war, hin zu einem kooperierenden Staat. Während sich in den vergangenen Jahren in der Gesellschaft eine neoliberale Logik durchsetzte, zeigen sich in den Diskussionen in Dresden jedoch Stimmen, die auch einen kooperierenden Staat gerade nicht als neoliberales
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Modell umsetzen wollen. So argumentiert die Umweltbürgermeisterin, der kooperierende Staat solle nicht verstanden werden: »[…] im Sinne eines neoliberalen Modells, wir lassen alle machen, was sie wollen, sondern im Sinne, es gibt Regeln natürlich […] es gibt eben auch Regeln für den Markt, für die Wirtschaft, für die Menschen dort, wo es um Ressourcenschutz geht. Also ein Staat, der bereit ist, Dinge zu regulieren, die reguliert werden müssen, der aber eben gleichzeitig auch auf individuelles, kooperatives Handeln, auf Freiräume, auf Kreativität setzt und versucht, gute Ansätze zu verstetigen, in dem, was er selber als Staat tut« (Umweltbürgermeisterin Dresden, 1.8.17).
Die Bürger*innen werden hier als aktive, fähige und auch verantwortungsvolle Individuen angesprochen, ohne dabei den Staat aus der Verantwortung entlassen zu wollen. Der Staat, gemeint sind damit sowohl die politischen Akteur*innen als auch die Verwaltung, werden als Vorbilder der Gesellschaft angesprochen, nicht aber die Bürger*innen. Für diese sollen stattdessen Möglichkeitsräume geschaffen werden, um sich stärker in die Gesellschaft einzubringen. Bürger*innen werden dabei als kreative und ideenreiche Individuen charakterisiert, sodass deren Vorstellungen und Aktivitäten auch als Potenzial für die Stadtentwicklung bewertet werden. Allerdings sind auch hier in den Debatten widersprüchliche Aussagen sichtbar. So kritisieren einige Sprecher*innen das bislang als unzureichend wahrgenommene bürgerschaftliche Engagement, während andere die tatsächlichen Möglichkeiten des Handelns der Bürger*innen wieder infrage stellen. Aus dieser Sicht wird Klimaschutz stattdessen in erster Linie als ein technisches Phänomen betrachtet, in der die Energieinfrastrukturen der Stadt im Zentrum stehen. Diese Sichtweise spiegelt die Dominanz technikorientierter Lösungsstrategien im Klimaschutz wider, die auch in den bundespolitischen Dokumenten stark gemacht werden. Das heißt, es gibt unterschiedliche Vorstellungen darüber, welche Rolle Bürger*innen einnehmen sollten: Während einerseits die Bürger*innen als kreative Akteur*innen adressiert werden, die eigene Ideen im Umgang mit dem Klimawandel einbringen, wird andererseits das Bild von den aktiv agierenden Bürger*innen negiert und ihnen lediglich eine passive, eine konsumierende Rolle zugewiesen. Anders zeigen sich die Darstellungen in Münster. Dort wird der Stadtbevölkerung ein »erheblich über dem Durchschnitt liegende[s] Interesse und Engagement […] für Klimaschutz, für Umweltschutz, für Energiepolitik, überhaupt für kommunale Politik« (Umweltbürgermeister Münster, 8.11.16) attestiert. Städtische Akteur*innen betonen, die Bürger*innen würden auch sich selbst als aktiv Handelnde begreifen. Sie seien eine »aktive Stadtgesellschaft«, die sich »von
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sich aus nach vorne bewegt, ohne dass es eines direkten Anstoßes von Seiten der Stadt und der Stadtverwaltung bedürfe« (Umweltbürgermeister Münster, 8.11.16). In diesem Sinne argumentiert hier der Umweltbürgermeister der Stadt: »Aus meiner Sicht ist das sowieso das normale Verhältnis, wenn solche Bewegungen sich durchsetzen. Das kommt aus der Stadtgesellschaft und wird von der Verwaltung aufgenommen« (ebd. 8.11.16). Der Ausspruch des »nach vorne« Bewegens steht für neue, kreative Ideen, die demnach weniger aus der Stadtverwaltung oder der Politik, sondern aus der Gesellschaft selbst herauskommen sollen. Solche Darstellungen der aktiven Bevölkerung knüpfen an die Erzählung von Münster als ›Klimahauptstadt‹ an. Denn auch das Bild der vorbildlichen und aktiven Bevölkerung kann als Teil der Imagekonstruktion Münsters verstanden werden. So wurde z.B. 2007 in Münster mit der Imagekampagne geworben: »Münsteraner tun es 374.528 mal täglich … und zwar in aller Öffentlichkeit! Rad fahren!« (ADFC Münster 2018). Auch damit werden die Bürger*innen als besonders umweltfreundlich und verantwortungsvoll präsentiert. Allerdings zeigt sich hinter diesem Bild der besonders umweltsensiblen Bevölkerung, dass die Menschen in Münster nicht altruistischer oder umweltfreundlicher sind als in anderen Städten. Stattdessen werden in den Interviews auch Aussagen formuliert, die dies relativieren. So werden Münsteraner auch teilweise als konservativ und wenig innovationsfreudig beschrieben. Das Engagement der Bevölkerung im Klimaschutz wird in den vergangenen Jahren eher als rückläufig wahrgenommen und es erscheint städtischen Akteur*innen schwerer, Bürger*innen zu erreichen. Zwar gibt es nach wie vor zivilgesellschaftliches Engagement in Münster, was sich in den verschiedenen Institutionen wie dem Umweltforum oder der Klimaschutzinitiative Münster widerspiegelt. Doch lässt der Umfang an städtischer Öffentlichkeitsarbeit auch erkennen (vgl. Kap. 6.4), dass Bürger*innen sich nicht per se im Klimaschutz als aktive Subjekte begreifen, sondern erst durch die entsprechende Ansprache dazu gemacht werden. Dementsprechend wird in kommunikativen Strategien der Stadtentwicklungspolitik immer wieder das Bild der gemeinsamen Verantwortung Aller aktiviert. Auch der Oberbürgermeister der Stadt betonte in einer Rede nach den starken Regenereignissen 2014: »Die Bürgerschaft Münsters hat sich gerade jetzt als gelebte Verantwortungsgemeinschaft bewiesen, […] unsere Stadt hat in den schweren Stunden und Tagen nach dem Unwetter bewiesen, dass sie mehr ist, als eine große Stadtgesellschaft, dass sie eine Stadtfamilie ist. Sie hat großen, Identität stiftenden Zusammenhalt gezeigt und damit bewiesen, dass sie zukunftsfähig ist« (Haushaltsrede des Oberbürgermeisters Münster, 10.9.2014).
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Die Gesellschaft symbolisiert hier eine Gemeinschaft, die mehr sei als die Summe ihrer Bürger*innen. Sie wird gleichgesetzt mit einer »Verantwortungsgemeinschaft«, einer »Stadtfamilie«, in der die gemeinsame »Identität« und der »Zusammenhalt« (ebd. 10.9.2014) besonders groß seien. Das Gemeinsame spiegelt sich auch in einer immer wiederkehrenden Ansprache »aller Münsteraner« (z.B. Stadt Münster 2009, 9) wider, ein zentrales diskursives Muster, um ebenfalls ein kollektives Verantwortungsgefühl zu erzeugen. Darüber hinaus zeigt sich aber auch, dass die Bürger*innen zwar interessiert und engagiert sind, dieses Engagement jedoch nicht immer im Sinne der klimapolitischen Ziele von Politik und Verwaltung steht, sondern vielmehr eigenen Interessen und Logiken folgt. Das wird zum einen in Konflikten um den Bau von Windenergieanlagen sichtbar. Während von städtischer Seite aus die Errichtung von Windenergieanlagen auch im Stadtgebiet Münsters als Strategie erachtet wird, um den Anteil erneuerbarer Energien zu erhöhen, wird dies von den Bürger*innen teilweise abgelehnt mit der Begründung, die »Schönheit« der »münsterländische[n] Parklandschaft« (Böckling 2015) müsse erhalten werden. Das heißt, eine zentrale Logik, die hier für Bürger*innen im Vordergrund steht, ist der Erhalt der Ästhetik der bestehenden Umwelt. Widerstände von Bürger*innen werden auch im Verkehrsbereich sichtbar. Um die Probleme von Staus und steigenden Emissionswerten zu bewältigen, diskutiert der Stadtrat zum anderen Maßnahmen, die den innerstädtischen Verkehrsraum neu ordnen und diesen durch die Revitalisierung einer alten Bahntrasse entlasten sollen. Beide Strategien gehen mit großen gesellschaftlichen Diskussionen einher, in denen zwischen Umweltzielen und persönlichen Bedürfnissen abgewogen wird. So erklärt ein Stadtrat aus Münster: »Citymaut wurde ja andiskutiert, das hatte ein Dozent von der Hochschule vorgeschlagen, ein Professor sogar. Riesenaufschrei. Das gleiche: Tempo 30 im Innenstadtbereich. Wo man real wahrscheinlich, also das wäre 'ne Beschleunigung! Aber das löst bei den Leuten solche Widerstände aus« (SPD Münster, 10.11.16).
Das Beispiel zeigt, wie umkämpft stadtentwicklungspolitische bzw. klimapolitische Strategien sind. Während einerseits das Bild der Fahrradhauptstadt Münster stark gemacht und hervorgehoben wird – »Alle fahren Rad« (Stadt Münster 2009a) – lehnen die Bürger*innen dennoch potenzielle Einschränkungen im Autoverkehr ab. In diesem Sinne werden die Bürger*innen zwar als verantwortliche und aktive Akteur*innen adressiert, die aktiv Klimaschutzziele umsetzen sollen. Doch zeigt sich hier, dass diese auch in dem Sinne aktiv sind, als dass sie selbst machtvolle Akteur*innen verkörpern, die aktiv über politische Ziele entscheiden.
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Wenn also Klimaschutz auch als etwas Traditionelles dargestellt wird, was man in Münster ›so macht‹, so wird doch in konkreten Situationen, in denen es z.B. um neue Stadtentwicklungsprojekte geht, diese Sichtweise auch wieder infrage gestellt. Wenngleich Klimaschutz in Münster kaum noch Gegenstand politischer Auseinandersetzungen zu sein scheint, spiegeln sich in solchen widerständigen Praktiken auch politische Momente wider, in denen Priorität und Relevanz städtischer Ziele wieder infrage gestellt und diskutiert werden. Die Ausführungen unterstreichen, dass sich die Heterogenität der jeweiligen Kontexte nicht nur in unterschiedlichen Bedeutungszuschreibungen zum Klima zeigt, sondern auch hinsichtlich der jeweils vorherrschenden Rollen- und Verantwortungszuschreibungen zu Politik, Verwaltung und Bürgerschaft. In Dresden dominiert die Sichtweise, dass die Zivilgesellschaft von ihrer Verwaltung und ihren Politiker*innen erwarte, das Richtige zu tun, also bspw. dafür zu sorgen, dass die Wirtschaft wächst und dass die Umwelt sauber ist. Zwar fordern die städtischen Akteur*innen zukünftig ein stärkeres Interesse für Umwelt- und Klimafragen von Seiten der Bevölkerung ein, gleichzeitig bewerten sie jedoch die Handlungsspielräume der Bürger*innen als gering. In Münster dagegen werden Bürger*innen deutlich stärker in die Verantwortung genommen. Das heißt, von den Bürger*innen wird erwartet, kreative Ideen einzubringen und ökologisch insofern Engagement zu zeigen, als dass sie die Ziele des Klimaschutzes im eigenen alltäglichen Leben auch berücksichtigen wie z.B. beim Radfahren. Insgesamt ist deutlich geworden, dass in der Anrufung der Städte als verantwortliche Akteursgruppe eine konkrete Handlungsebene hergestellt wird, um das Feld des Klimawandels zu regieren. Im Zuge des sich durchsetzenden neoliberalen Staatsverständnisses zeigt sich eine Verschiebung im Rollenverständnis des Staates und der Gesellschaft. Der Staat zieht sich dabei nicht einfach aus der Gesellschaft zurück, sondern die Verantwortung wird stattdessen zunehmend in die Gesellschaft hinein verschoben, sodass nun ›neue‹ Akteur*innen adressiert werden. Die Beispiele haben jedoch auch gezeigt, dass in den konkreten städtischen Kontexten von Münster und Dresden diese Zuschreibungen nicht einfach übernommen werden, sondern Teil gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse bleiben. Das heißt, städtische Akteur*innen positionieren sich unterschiedlich gegenüber Rollenangeboten; sie verinnerlichen diese, lehnen diese ab oder interpretieren diese neu. Während der Ruf an die Städte geht und die Verantwortung für den Erfolg klimapolitischer Maßnahmen auf Individuen wie die Mitarbeiter*innen der Verwaltung oder die Bürger*innen verschoben wird, werden andere Schadstoffemittenten wie die Industrie kaum adressiert. Vielmehr werden diese sogar durch den Staat subventioniert, wie die Steuerermäßigungen für das produzierende Gewer-
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be, die Begünstigungen der energieintensiven Industrie oder auch die Zuschüsse und Erleichterungen in der Kohleproduktion zeigen (UBA 2016).
6.4 REGIERUNG DES KLIMAWANDELS Sowohl die beschriebenen Problematisierungen als auch die Verantwortungszuschreibungen können als machtvolle strategische Interventionen in das politische Feld des Klimawandels verstanden werden, mit denen zum einen gesellschaftliche Phänomene als ›Problem‹ sichtbar gemacht und zum anderen Handlungsebenen hergestellt werden, um diese zu bearbeiten. Während es aus der diskurstheoretischen Perspektive vor allem darum geht, wie Wirklichkeit gedacht wird, fragt die Gouvernementalitätstheorie daran anknüpfend, welche Lösungsstrategien und Regierungstechnologien an die jeweiligen Rationalitäten und Wissensordnungen anknüpfen, um diese in konkrete Handlungspraktiken – z.B. der Stadtentwicklungspolitik und -planung – zu übersetzen. Foucault spricht dabei von der »Kunst des Regierens« (Bröckling 2017, 178) (vgl. Kap. 3.4). Dabei schreiben Regierungskünste bzw. gouvernementale Technologien gerade nicht vor, was das Individuum tun soll und was nicht. Es geht vielmehr darum, »Reizumwelten« (ebd. 2017, 180) zu schaffen, die dazu beitragen, dass sich Menschen auf eine bestimmte Art und Weise verhalten und dadurch angehalten werden, sich selbst als aktive und eigenverantwortliche Subjekte zu führen. Dementsprechend unterstreicht Foucault, »aus Sicht dessen, was man unter Regierung zu verstehen hat, ist das Gesetz bestimmt nicht das Hauptinstrument« (2000, 54). In der Klimapolitik werden insbesondere technische Aspekte der Energieversorgung oder des Gebäudebaus gesetzlich vorgeschrieben und reguliert. Allerdings sind auch Gesetze nicht nur als Zwänge zu verstehen, durch die bestimmte Handlungsweisen verhindert werden. Vielmehr ermöglichen diese auch bestimmte Praktiken. So hat bspw. die Entwicklung strengerer energetischer Standards beim Wohnungsbau die Entstehung neuer Bauformen wie die Passiv- oder Nullenergiehausbauweise unterstützt. Das Erneuerbare Energie-Gesetz (EEG) hat die Ausweitung der Energieerzeugung durch regenerative Energien ermöglicht. Da das EEG auch ökonomische Steuermechanismen enthält, wird es zudem auch als »Anreiz zur Energieeinsparung und Emissionsminderung« (BBSR 2001, 19) verstanden, um »die Marktbedingungen für erneuerbare Energien und für hocheffiziente Energietechnologien wie z.B. der Kraft-Wärme-Kopplung und der Brennwerttechnik« (ebd. 2001, 19) zu verbessern. Dennoch zeigt sich gerade im Umgang mit den Unsicherheiten und potenziellen Risiken des Klimawandels, dass die Verantwortung dafür stärker in die Ge-
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sellschaft hinein verlagert wird – sowohl auf kollektive Subjekte wie Vereine, Initiativen oder die Familien als auch auf einzelne Individuen – und Risiken damit »zu einem Problem der Selbstsorge transformieren« (Lemke 2008, 55). Diese Verschiebung der Grenzen zwischen Staat und Gesellschaft, die charakteristisch für neoliberale Gesellschaften ist und die Lemke als soziopolitische Transformationen bezeichnet (ebd. 2008, 54 f.), symbolisiert dabei nicht etwa einen Rückzug des Staates, »im Gegenteil«, so Lemke, »übernimmt der Staat innerhalb des Neoliberalismus über seine traditionellen Funktionen hinaus neue Aufgaben« (Lemke 2008, 55 f., vgl. auch Bröckling, Krasmann und Lemke 2000, 26). Das heißt, der Staat steuert die Verhaltensweisen seiner Bürger*innen eben nicht in erster Linie durch Gesetze und Verordnungen, sondern durch indirekte Formen der Führung von Individuen, die darauf abzielen, diese so anzuleiten, dass sie sich auch in Bezug auf den Klimawandel ›bewusst‹ und ›verantwortlich‹ verhalten. Im Folgenden geht es nicht darum, einen vollständigen Überblick über alle bestehenden Technologien zur Regierung des Klimawandels zu geben, sondern herauszuarbeiten, welche Logiken gouvernementaler Problemlösungsstrategien in den städtischen Klimapolitiken dominieren. Dabei stehen mit einem vergleichenden Blick auf Münster und Dresden insbesondere drei Fragen im Mittelpunkt: Erstens, welche Strategien bzw. Techniken erachtet die Bundesregierung als ›sinnvoll‹, um städtische Entscheidungsträger*innen, aber auch Bürger*innen im Sinne ihrer verfassten Klimaziele anzuleiten und zu regieren? Zweitens, wie positionieren sich die städtischen Akteur*innen Münsters und Dresdens gegenüber diesen Regierungstechnologien und drittens, welche Techniken setzen sich in den kommunalpolitischen Kontexten durch, um die städtischen Gesellschaften zu führen? Die herausgearbeiteten Regierungstechniken werden im Anschluss an Mitchell Dean unterschieden in Technologien der Agency, die insbesondere darauf abzielen, Handlungsfähigkeit herzustellen und Technologien der Performanz, mit denen klimapolitische Handlungspraktiken vergleichbar und kalkulierbar gemacht werden sollen. 6.4.1 Technologien der Agency Technologien der Agency sind Strategien, mit denen es darum geht, die Kapazitäten und Möglichkeiten des Handelns zu steigern, sodass es wahrscheinlicher wird, dass Individuen und Institutionen sich an der Umsetzung klimapolitischer Ziele und Strategien beteiligen und politischen Entscheidungen zustimmen (Dean 2010, 196). Dean unterscheidet zwei Typen von Technologien der Agency: Zum einen sind dies Verträge. Gemeint sind hier ganz unterschiedliche Arten
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von Verträgen so z.B. Verträge zwischen der Verwaltung und Institutionen, an die Aufgaben, wie die Erstellung von Klimakonzepten, ausgelagert werden. Es sind Vereinbarungen mit Unternehmen, Ausgleichsmaßnahmen für Umwelteingriffe durchzuführen. In Münster wird das Instrument der städtebaulichen Verträge aus dem Baugesetzbuch (BauGB 2011, § 11) genutzt, um beim Verkauf kommunaler Grundstücke Vereinbarungen zwischen der Stadt und Investoren zu treffen, mit denen sich die Investoren verpflichten, den »Münsteraner Wärmedämmstandard« einzuhalten. Damit müssen beim Neubau von Gebäuden auf kommunalen Grundstücken strengere Kriterien bei der Wärmedämmung berücksichtigt werden, als bundespolitisch eigentlich gefordert. In Dresden wird diese Form der Steuerung insbesondere durch die Lokale Agenda genutzt, um z.B. Vereinbarungen mit Schulfördervereinen zu treffen. Konkret wurden 2001 auf sechs Dresdner Schulen Photovoltaikanlagen errichtet. Mittels dieser Vereinbarung verpflichten sich die Schulen, einen Teil der dadurch erzielten Einnahmen an den Verein der Lokalen Agenda zurückzuzahlen, das bedeutet, Schulleiter*innen und Schulförderverein verpflichten sich selbst, »stets für einen optimalen Betrieb der Anlage [zu] sorgen« (Lokale Agenda 21 Dresden 2018) und die Messergebnisse öffentlich zu präsentieren. Das Eingehen solcher Vereinbarungen kann als Teil eines Subjektivierungsprozesses verstanden werden, mit dem sich sowohl städtische als auch gesellschaftliche Akteur*innen als verantwortliche und aktive Subjekte begreifen, die einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Zum anderen gehören zu den Technologien der Agency Instrumente, die Cruikshank als »technologies of citizienship« bezeichnet (1993). Gemeint sind hiermit Strategien der Selbstermächtigung, die es Individuen ermöglichen sollen, sich selber zu begreifen als »active and free citizens, as informed and responsible consumers, as members of self-managing communities and organizations, as actors in democratizing social movements, and as agents capable of taking control of our own risks« (Dean 2010, 196). Im Folgenden werden mit Blick auf Klimapolitik drei Strategien in den Vordergrund gerückt, um Agency herzustellen: 1) Beratungen und Kampagnen, 2) finanzielle Förderungen und 3) Veranstaltungen. Dabei wird sichtbar, dass die dahinterstehende Logik des gesellschaftlichen Empowerments in beiden Städten eine Rolle spielt, doch stellt sie insbesondere in Münster einen zentralen Bestandteil der städtischen Klimapolitik dar. Empowerment durch Information – Beratungen und Kampagnen Die Bundesregierung sowie die Städte Münster und Dresden haben im Bereich der Stadtentwicklungspolitik in den vergangenen Jahren zahlreiche Dokumente
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veröffentlicht – Berichte, Stadtentwicklungs- und Marketingkonzepte, Handlungsleitfäden. All diese Dokumente informieren und beraten sowohl städtische Akteur*innen als auch Bürger*innen darüber, was innerhalb der deutschen Stadtentwicklungspolitik als ›problematisch‹ gilt und wie diese Themen zu bearbeiten seien. Durch die Präsentation bestimmter Inhalte als ›relevante‹ Themen erfolgt eine subtile, aber machtvolle Steuerung der Aufmerksamkeit in der Gesellschaft, denn auf diese Weise werden bestimmte Themen priorisiert, während andere ausgeblendet bzw. tabuisiert werden. Ähnlich funktionieren Informationsstellen wie die 2007 gegründete Sächsische Energieagentur43 mit Sitz in Dresden oder die 1990 geschaffene Energieagentur NRW44 mit Sitz in Münster. Beide Institutionen haben die Aufgabe, Bürger*innen, Unternehmen sowie städtische Institutionen dahingehend zu informieren, zu beraten und zu schulen, wie alltägliche Praktiken z.B. in der Wohnung, im Unternehmen oder in der Stadtentwicklung möglichst energieeffizient gestaltet werden können. Ähnliche Beratungen zur Verbesserung der Energieeffizienz bieten auch die kommunalen Stadtwerke an. Insgesamt sind solche Beratungs- und Informationsangebote mittlerweile weit verbreitete Steuerungstechniken, um Individuen zu ermächtigen, sich selbst im Sinne konkreter klimapolitischer Normen und Werte als wissende und informierte Subjekte aktiv und verantwortungsbewusst z.B. beim Energieverbrauch zu steuern. Während mit dieser Art von Beratung konkret über einzelne Maßnahmen informiert wird, geht es bei klimapolitischen Kampagnen in erster Linie darum, klimapolitische Vorstellungen durch eingängige Plakate der breiten Gesellschaft zugänglich zu machen. So führt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie eine breit angelegte Informations-Kampagne mit dem Titel »Deutschland machtʼs effizient« durch. Dafür werden Plakate, Anzeigen und Banner genutzt, um klimapolitische Botschaften zu vermitteln und über Möglichkeiten energieeffizienten Handelns zu informieren. Mit dem Verweis auf »Deutsch-
43
Die Sächsische Energieagentur (SAENA) ist ein Unternehmen des Landes Sachsen und der Sächsischen Aufbaubank-Förderbank. Sie gilt als Kompetenz- und Beratungszentrum zu den Themen erneuerbare Energien, Energieversorgung und Energieeffizienz.
44
Die EnergieAgentur.NRW ist ein privates Unternehmen, welches im Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen zu Fragen der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien sowie zum Klimaschutz arbeitet. Das Land NRW hat 1990 die Energieagentur NRW und 1996 die »Landesinitiative Zukunftsenergien NRW« gegründet, die beide 2008 zur gemeinsamen Institution »EnergieAgentur.NRW GmbH« zusammengeführt wurden.
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land« wird dabei ein gemeinsamer Identifikationspunkt geschaffen, mit dem (fast schon patriotisch) suggeriert wird, dass ›wir als Deutsche‹ uns in unserem Alltag auf eine bestimmte Art und Weise verhalten – nämlich energieeffizient und damit umweltfreundlich und nachhaltig. Uggla bezeichnet dies auch als »green consumerism« (2016, 24). Klimaschutz wird damit nicht als Pflicht dargestellt, die umgesetzt werden muss, sondern Klimaschutz wird vielmehr als Teil der Lebensweise, der persönlichen Identität präsentiert. Sunstein (2011) bezeichnet solch ein Aufzeigen spezifischer sozialer Normen auch als nudge bzw. als Anstupser, mit dem suggeriert wird, dass ein bestimmtes Verhaltensmuster offensichtlich von der Mehrheit der Menschen in Deutschland umgesetzt wird. Solche Plakate wirken damit auf eine subtile Weise – obwohl keine Forderungen oder Verbote formuliert werden, etwas nicht zu tun, wird angenommen, dass die Bevölkerung die als erwünscht dargestellten Verhaltensweisen im Bestreben des ›dazu Gehörens‹ nachahmen und andere eher vermeiden. Interessant ist zudem, auf welche Art und Weise Menschen, die scheinbar energieeffizient handeln, auf den Plakaten dargestellt werden. Die beiden nachstehenden Bilder zeigen Beispiele der Kampagne „Deutschland macht`s effizient“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Die dargestellten Protagonisten sollen suggerieren, dass klimabewusst agierende Menschen Vorbilder und Helden unserer Gesellschaft sind. Vor allem sei es ‚cool‘ Energie einzusparen. Zudem zeigt das zweite Plakat bewusst keine Frau in der Küche, sondern einen Mann. Klimapolitische Kampagnen können somit auch dahingehend interpretiert werden, dass ein klima- und energiebewusstes Handeln mit alten, konservativen Sichtweisen bricht und stattdessen für Innovation und Zukunftsgerichtetheit steht. Abbildung 21: Kampagne des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie: »Deutschland machtʼs effizient«
Quelle: BMWi (2016)
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In Dresden wird die Ansprache und Aktivierung der Bürger*innen bislang als weniger relevante Strategie betrachtet, um das Handlungsfeld Umwelt bzw. Klimawandel zu bearbeiten. Zwar formulieren die städtischen Akteur*innen in den Interviews, dass die Sensibilisierung des Bewusstseins und damit die Ansprache der Bevölkerung grundsätzlich etwas Sinnvolles seien. Dennoch dominiert bislang eine deutliche Zurückhaltung im Umgang mit dieser Form der Steuerung gesellschaftlichen Verhaltens und die Skepsis, ob diese Techniken tatsächlich städtische oder zivilgesellschaftliche Akteur*innen motivieren könnten. Die Zurückhaltung wird auch hier mit Verweis auf die DDR-Geschichte und die dort verwurzelte Skepsis gegenüber Instrumenten, die vom Staat initiiert werden, begründet: »Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass nicht wenige Menschen in Ostdeutschland, in Dresden, kein sehr großes Vertrauen in die demokratischen Strukturen haben und auch kein sehr großes Vertrauen in die Politik insgesamt« (SPD Dresden, 18.10.2016).
Deshalb, so das anschließende Argument, haben »möglicherweise viele bei so, ich sag mal jetzt bewusst ›Staatskampagnen‹, noch so ungute Verknüpfungen […] zu der alten DDR-Zeit« (ebd. 18.10.2016). Während aus einer gouvernementalitätstheoretischen Perspektive Kampagnen gerade als Charakteristikum neoliberaler Gesellschaften gelten, in denen die Verantwortung vom Staat auf das Individuum verschoben wird, werden diese Instrumente hier stattdessen teilweise als staatliche Vorgabe interpretiert und tendenziell abgelehnt. Auch der umweltpolitische Sprecher der CDU erklärt: »Ich glaube, das braucht der Bürger nicht unbedingt, also das von oben anzuschieben« (CDU Dresden, 19.10.16). In diesem Zusammenhang sei auf Beobachtungen in soziologischen Studien verwiesen (Rehberg 2010; Rehberg 2016; Klose und Schmitz 2016), die argumentieren, dass sich der zunehmende Kontrollverlust des DDR-Regimes in den 1980er Jahren und die gleichzeitig steigende innere Überwachung der Bevölkerung durch die Institution der Staatssicherheit negativ auf die Wahrnehmung staatlicher Institutionen ausgewirkt haben (Rehberg 2016, 32). Die daraus resultierende Distanzierung der Bevölkerung gegenüber staatlichen Institutionen wurde dann nach der politischen Wende 1989 teilweise auch auf das parlamentarische System Deutschlands projiziert ebenso wie auf andere nicht-staatliche Formen der Steuerung und Einflussnahmen, die sich dann, wie Rehberg vermutet, in einer »Gewohnheit des Rückzuges und einer inneren Abwehr den politischen Verhältnissen gegenüber« (ebd. 2016, 32) widerspiegelt. Andererseits nimmt auch in Dresden die Bedeutung von Öffentlichkeitsarbeit zu. Auf den Internetseiten der Stadt gibt es mittlerweile umfangreiches Informa-
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tionsmaterial zum Klimawandel für die Bürger*innen (Landeshauptstadt Dresden 2018e). Der Klimaschutzstab beteiligt sich an Initiativen wie z.B. die »Grüne Stadt Dresden« (SZ-Online, 15.10.2013), mit der verschiedene städtische Unternehmen wie die Dresdner Verkehrsbetriebe, die Stadtwerke oder die Stadtreinigung Dresdner Haushalte beraten, wie sie ihren ökologischen Fußabdruck reduzieren könnten. Die ehemalige Leiterin der Lokalen Agenda erklärte dazu bereits vor einigen Jahren, Ziel ist es: »zu erkennen, dass jeder Einzelne selbst etwas bewirken kann. Wir wollen dieses Wissen weiterverbreiten und Menschen anregen, sich damit auseinanderzusetzen« (ebd. 15.10.2013). Wenngleich also im Kern der Klimapolitik Dresdens nicht die Aktivierung der Bevölkerung steht, so ist dennoch von gesellschaftlichen Initiativen und Unternehmen aus Engagement sichtbar, in dem sich die Logik des Empowerments der Bürger*innen widerspiegelt. Eine Kampagne, an der sich sowohl städtische Akteur*innen als auch Initiativen und Bürger*innen gleichermaßen beteiligen, ist das »Stadtradeln«45. Diese Kampagne wird vom Klima-Bündnis, einem europaweiten Städtenetzwerk, initiiert und als Wettbewerb gestaltet. In den teilnehmenden Städten treten Teams politischer Akteur*innen, Unternehmen, Vereine oder Schulklassen gegeneinander an. Das Team bzw. die Stadt, die in einem Zeitraum von drei Wochen die meisten Rad-Kilometer gefahren hat, gewinnt. Ziel der Kampagne ist es, Individuen nicht nur als informierte und verantwortliche Bürger*innen anzusprechen, sondern auch als aktive Menschen, die, angestoßen durch die Kampagne, dafür sensibilisiert werden sollen, dass sie selbst in der Lage seien, einen eigenen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Interessanterweise wurde die Kampagne »Stadtradeln« selbst durch ein internationales Zertifizierungsinstrument ausgezeichnet und erhielt 2015 den »National Energy Globe Award Germany«. Damit wird nicht nur klimapolitisches Engagement zwischen Städten verglichen, sondern auch Regierungstechnologien selbst werden einer Bewertung zugeführt, sodass gewissermaßen eine nochmalige Bestätigung erfolgt, dass diese Art des Verhaltens, aber auch diese Art der Regierung wirklich ›gut‹ seien. Eigene kommunale Kampagnen wurden in Dresden während der vergangenen 20 Jahre nicht initiiert, erst 2018 wird dieses Instrument genutzt, um das Thema Ressourcenschonung durch Mehrwegnutzungen in den Vordergrund zu rücken. Vor dem Hintergrund dessen, dass städtische Akteur*innen in Dresden stärker Umweltals Klimafragen priorisieren, verfolgt auch diese Kampagne in erster Linie das
45 Siehe unter: http://www.klimabuendnis.org/aktivitaeten/kampagnen/stadtradeln.html [9.6.2018].
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Ziel, einen Beitrag zum Umweltschutz und nicht dezidiert zum Klimaschutz zu leisten (Landeshauptstadt Dresden 2018a). Im Gegensatz zu Dresden spielt in Münster diese Art der normativen Steuerung eine ganz zentrale Rolle in der Stadtpolitik. Mittels Informationen, Beratungen und Kampagnen sollen Bürger*innen ermächtigt werden, die ›richtige‹ Entscheidung zu treffen, die aus städtischer Sicht den kommunalen und bundespolitischen Klimazielen entspricht. Solche durch die Stadt initiierten Kampagnen sind z.B. »40+20=2020«46, »Münster fährt ab – auf klimafreundliche Mobilität« oder »Münster packt ‘s«, mit denen klimapolitische Normen in konkrete Slogans übersetzt werden. Kampagnen wie der »Bürgerpakt für Klimaschutz« vermitteln nicht nur klimapolitische Normen, sondern werden teilweise auch mit dem Instrument der Selbstverpflichtung verbunden und schließen damit die Vertragslogik ein. So heißt es auf der Homepage der Stadt: »Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unterzeichnen eine Selbstverpflichtung, durch kleine Maßnahmen zum Klimaschutz beizutragen. Dazu überprüfen sie ihren persönlichen Alltag auf Möglichkeiten, Energie einzusparen. Gleichzeitig bemühen sie sich darum, Freunde, Bekannte oder Familie für den Bürgerpakt zu gewinnen« (Stadt Münster 2018).
Das Beispiel zeigt, wie stark Technologien der Selbstregulation in der Münsteraner Stadtpolitik verankert sind – die Bürger*innen werden nicht etwa von außen verpflichtet, sondern sie tun es selbst. Sie werden als so informiert und verantwortungsbewusst beschrieben, dass sie in ihrem Handeln gar keine äußere Kontrolle benötigten und sogar andere zu einem klimasensiblen Handeln auffordern. Es geht dabei also nicht nur um Klimaschutz, sondern auch um das Bild der Eigenverantwortung – die Bürger*innen sind selbst für die Gesellschaft, in der sie leben verantwortlich. Nicht der Staat wirkt in erster Linie auf die Gesellschaft ein, sondern die Bürger*innen selbst sollen es tun. Gerade in der Klimapolitik Münsters steht damit für städtische Akteur*innen das Ziel im Vordergrund, die Eigenverantwortung zu erhöhen. Gleichzeitig ist das Bild des besonders klimabewussten Bürgers auch ein zentrales Erzählmuster der Münsteraner Imagepolitik. Um dieses Bild aufrecht zu erhalten und die Bürger*innen in diesem Sinne immer wieder zu mobilisieren, wird eine Reihe weiterer Maßnahmen wie Onli-
46 Mit dieser Kampagne geht es darum »für den Klimaschutz den CO2-Ausstoß zu reduzieren – um 40 Prozent gegenüber 1990, bis zum Jahr 2020. Gleichzeitig soll der Anteil an erneuerbaren Energien in Münster auf 20 Prozent steigen. Die Mobilität ist ein wichtiger
Mosaikstein
im
Gesamtkonzept«.
Nähere
http://muensterfaehrtab.de/#after_section_1 [2.5.2018].
Informationen
unter:
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ne-Tools oder Pop-up-Werbung initiiert, mit denen die Bürger*innen zu klimabewussten und verantwortlich handelnden Akteur*innen gemacht werden sollen. Vor allem die Ansprache in den digitalen Medien zeigt hier, dass insbesondere junge Menschen adressiert werden. Insgesamt sollen klimapolitische Normen durch die permanente Präsenz zu einem fest verinnerlichten Bestandteil der eigenen Identität werden, sodass alle Bürger*innen unbedingt mitmachen und Teil dieser scheinbar besonders klimabewussten und engagierten Stadtgemeinschaft sein wollen. Gleichwohl gibt es in Münster auch Stimmen, die den starken Fokus auf Öffentlichkeitsarbeit und Kampagnen als zu »plakativ« (SPD Münster, 10.11.16) kritisieren. So konstruiere die Politik damit zwar das Bild einer klimabewussten Stadtgesellschaft, weitere wirkungsvolle Schritte werden jedoch nicht gegangen: »Aber dann fehlt das so 'n bisschen, dass man wirklich noch 'n Schritt weitergeht. Wir haben jetzt 'ne Art Konsens: ›ja, da muss was getan werden‹. Anfänge sind gemacht, aber wenn man sich jetzt das wirklich anguckt, was im Bereich Klimaschutz tatsächlich so passiert, was wir eigentlich machen müssten und wo wir hinmüssten, da sind wir eigentlich noch ganz am Anfang. Da muss noch viel, viel mehr kommen. […] Und da wird's Widerstand geben, natürlich. Und diesem Widerstand geht man, glaub ich, ‘n bisschen aus dem Wege« (Die Linke Münster, 4.11.16).
Die zahlreichen polyphonen Partikel lassen hier erkennen, wie der Sprecher einerseits dem Grundkonsens, es müsse etwas getan werden, zustimmt. Gleichzeitig wird jedoch die oftmals zitierte Vorbildrolle Münsters im Klimaschutz relativiert und stattdessen konstatiert, dass Münster mit Blick auf die gesetzten Klimaschutzziele »eigentlich noch ganz am Anfang« (ebd. 4.11.16) stehe. Dementsprechend werden weitere Maßnahmen über die zahlreichen kommunikativen Instrumente hinaus gefordert. Wie bereits angedeutet, wird die Logik, die Entscheidungsarchitektur von Individuen zu gestalten und damit Handlungspraktiken auf subtile, kaum merkliche Art und Weise zu lenken, auch als nudging bezeichnet (Bröckling 2017, 189; UBA 2016; 24; Sunstein und Thaler 2003; 2008). Das bedeutet, Informationen werden im Sinne der jeweiligen normativen Setzungen aufbereitet und dadurch die Aufmerksamkeit der Bürger*innen gelenkt. Dementsprechend stehen auch die Kampagnentitel »Münster packt ‘s«, »Münster fährt ab« oder »Münsteraner tun es« für machtvolle normative Zuschreibungen, mit denen sich jeder Bürger und jede Bürgerin Münsters identifizieren soll, um zu verinnerlichen, dass in Münster bestimmte Verhaltensweisen ›normal‹ und ›richtig‹ seien.
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Empowerment durch finanzielle Förderungen Auch Förderprogramme folgen der Logik, sowohl Städte als auch Unternehmen oder Bürger*innen zu handlungsfähigen Subjekten zu ermächtigen, indem ihnen durch finanzielle Zuschüsse Handlungspotenziale gegeben werden, Klimaschutzmaßnahmen umsetzen zu können. So wie Handlungsleitfäden oder Kampagnen normative Sichtweisen verkörpern, können auch Fördergelder als Strategien verstanden werden, die bestimmte Handlungspraktiken ermöglichen und andere nicht. Denn gefördert werden durch Bundesgelder nur Maßnahmen, die den klimapolitischen Vorstellungen der Bundesregierung entsprechen. Förderprogramme können entweder explizit oder implizit Maßnahmen finanziell unterstützen. So werden z.B. mit der Nationalen Klimaschutzinitiative kommunale Projekte in sozialen, kulturellen und öffentlichen Einrichtungen gefördert, mit denen Klimaschutzkonzepte erstellt oder Schulen und Kindergärten auf energiesparende LED-Lampen umgerüstet werden. Seit der Initiierung des Programms 2008 wurden bis Ende 2017 über 25.000 Projekte mit einem Fördervolumen von etwa 790 Millionen Euro unterstützt (BMU 2018). Mit dem Motto »Klima schützen – Kommunen fördern« (ebd. 2018) wirkt die Initiative der Bundesregierung nicht nur als Klimaschutzinstrument, sondern auch als Entwicklungsstrategie der Stadtentwicklung. Im dazugehörigen Imagefilm der Nationalen Klimaschutzinitiative47 werden explizit Individuen wie die Bürgermeisterin, der Rektor, die Pastorin oder Sportler angesprochen, die im gesellschaftlichen Leben oftmals in einer Vorbildrolle gesehen werden. Das heißt, die Verantwortung dafür, ob die Stadt oder das Quartier lebenswert ist, wird in die Hände des Einzelnen gelegt, wobei die städtische Lebensqualität mit Klimaschutz gleichgesetzt wird. Darüber hinaus bietet die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) als nationale Förderbank im Rahmen des CO2-Gebäudesanierungsprogramms des Bundes Förderungen an, die den energieeffizienten Neubau oder die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden subventionieren. Adressiert werden hier Bauherren, die beabsichtigen, den Energiebedarf ihres Neubaus stärker als gesetzlich in der Energieeinsparverordnung (EnEV) vorgeschrieben, zu reduzieren. Darüber hinaus wird auch der Kauf von hoch energieeffizienten Wohngebäuden finanziell unterstützt. Es gibt aber auch finanzielle Anreize wie die Städtebauförderung, mit der Bund und Länder gemeinsam die Kommunen bei der Quartiersentwicklung im
47 Verfügbar unter: https://www.klimaschutz.de/service/meldung/kommunaler-klimaschutz-neuer-film-des-skkk-stellt-kommunalrichtlinie-vor [7.5.18].
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Rahmen der Bund-Länder-Programme48 finanziell unterstützen. Grundlage dafür ist die Verwaltungsvereinbarung, mit der die Bundesregierung jährlich festlegt, wieviel finanzielle Mittel den einzelnen Programmen zur Verfügung stehen. Die Programme verfolgen allgemeine Ziele der Stadtentwicklung wie die Stärkung von Städten oder die Behebung städtebaulicher und sozialer Missstände. Wie sich die normativen Bewertungen dessen, was dabei als ›richtige‹ Strategie gilt, mit der diese Ziele erreicht werden sollen, ändern, zeigen auch die Forderungen, an die diese Mittelzuweisungen gekoppelt sind. Im Zuge der neuen Dynamik in der Klimapolitik, die in den Analysen der bundespolitischen Stadtentwicklungsdokumente ab 2007 sichtbar geworden ist (Kap. 6.1.3), wurde der Aspekt des Klimaschutzes nun auch in die Verwaltungsvereinbarung zur Städtebauförderung aufgenommen. In der Präambel wurde festgelegt, dass die Finanzhilfen des Bundes »unter Berücksichtigung des Klimaschutzes« (Bundesregierung 2007b) einzusetzen sind. 2012 hat die Bundesregierung diese Forderung nochmals um den Aspekt der Klimaanpassung erweitert und gefordert: »Die Stadtquartiere sollen unter Berücksichtigung des Klimaschutzes und der Klimaänderung an die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger angepasst werden« (2012, 2). Auf diese Weise ermöglicht es die Bundesregierung, dass städtische Akteur*innen nur dann Fördergelder für den Städtebau erhalten, wenn diese tatsächlich klimapolitisches Engagement nachweisen können. Klimaschutz wird auf diese Weise implizit gefördert. Damit sind städtische Entscheidungsträger*innen zwar theoretisch frei darüber zu entscheiden, ob sie diese Forderungen nach klimapolitischen Engagement erfüllen wollen und damit die Gelder in Anspruch nehmen oder nicht. Praktisch jedoch sind viele Städte auf diese Mittelzuweisungen des Bundes angewiesen, um Maßnahmen der Stadtentwicklung überhaupt durchführen zu können und damit auch ›gezwungen‹, sich mit klimapolitischen Strategien zu beschäftigen, egal welche Priorität sie diesen zuweisen. In der Praxis werden diese normativen Forderungen allerdings durch die Bewilligungsbehörden in den Landesministerien bzw. den Banken (Sächsische Aufbaubank bzw. NRW.Bank) unterschiedlich eingefordert, sodass auch an dieser Stelle Wechselwirkungen zwischen klimapolitischen Normen des Bundes und der Länder deutlich werden. Während bundespolitisch die Berücksichtigung
48 Dazu gehören folgende Programme: Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen (seit 1971); Städtebaulicher Denkmalschutz (1991); Soziale Stadt (1999); Stadtumbau (Ost 2002/West 2004); Aktive Stadt- und Ortsteilzentren (2008); Kleinere Städte und Gemeinden (2010), Zukunft Stadtgrün (2017). Nähere Informationen dazu unter: [3.5.2018].
http://www.staedtebaufoerderung.info/StBauF/DE/Home/home_node.html
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von Klimaschutzmaßnahmen formal eingefordert und die Städtebauförderung als normatives Instrument genutzt wird, um Klimaziele in die Entwicklungs- und Gestaltungsprozesse der Städte zu integrieren, messen die Landesministerien und Banken dem teilweise noch keine besondere Bedeutung bei und rücken die Rolle klimapolitischen Engagements in den Kommunen eher in den Hintergrund. Der Blick in die empirischen Kontexte zeigt dennoch, dass Fördermittel einen großen Einfluss auf die konkreten Entscheidungs- und Handlungspraktiken städtischer Akteur*innen haben können. So ermöglichen Fördermittel als Anreizinstrumente die Umsetzung klimapolitischer Maßnahmen, weil sie zum einen die finanziellen Handlungsmöglichkeiten städtischer Akteur*innen erweitern, die insgesamt begrenzt sind, denn, so wird argumentiert: »Wir sind zwar eine der reicheren Städte noch, aber wir sind auch kurz vor der Haushaltssicherung« (Die Linke Münster, 4.11.16). Zum anderen werden Fördermittel als »Anschub« verstanden, »damit dieses Bewusstsein sich ändert« (SPD Münster, 10.11.16). Das heißt, indem Förderprogramme Klimaschutz- bzw. Klimaanpassungsmaßnahmen in den Mittelpunkt rücken, soll sich die Aufmerksamkeit für die Relevanz von Klimaschutz sowohl im institutionellen als auch im privaten Handeln erhöhen. Mit Blick auf Dresden konstatieren städtische Akteur*innen jedoch zum Teil, dass ein nachhaltiger Anschub klimapolitischen Engagements in den vergangenen Jahren ausgeblieben sei und Klimaschutz stattdessen oftmals nur als »eine Art ›nice to have‹« verstanden wurde, »was man besonders dann gerne macht, wenn man Fördermittel kriegt« (Umweltbürgermeisterin Dresden, 1.8.17). Auch Nagorny-Koring kommt in ihrer Arbeit zu dem Ergebnis: »Die ökonomischen Anreize durch die unterschiedlichen Fördertöpfe sind oft ein gewichtiger Grund für Kommunen, aktiv zu werden. Kommunaler Klimaschutz als ›Trend‹ wurde daher stark von der Bundesregierung gesetzt und gestaltet« (2018, 44) insbesondere durch die Bereitstellung finanzieller Förderinstrumente. Die Logik des ökonomischen Anreizes von Förderinstrumenten, mit denen weniger von einer moralischen Verantwortung des Klimaschutzes ausgegangen wird, sondern vielmehr der ökonomische Mehrwert von Klimaschutzmaßnahmen für die Stadt, für ein Unternehmen oder auch für die Bürger*innen in den Mittelpunkt rückt, nutzen städtische Akteur*innen teilweise auch in ihren eigenen kommunalen Instrumenten. In Münster wurde 1997 ein Programm zur Förderung der Altbausanierung initiiert. Angesprochen werden damit Immobilienbesitzer*innen, die beabsichtigen durch Sanierungsmaßnahmen den Energiebedarf des Gebäudes auf ein Niveau zu reduzieren, welches unter den gesetzlichen Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV 2014) liegt. Konkret geht es dabei »nicht nur [um] die Verringerung des Energieverbrauches und die damit verbundene CO2-Reduzierung […], sondern auch die heimische Wirtschaft wird
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durch die vermehrte Bautätigkeit nachhaltig unterstützt« (Stadt Münster 2018a). Während in den 1990er Jahren unter dem Einfluss des Reaktorunglücks von Tschernobyl in erster Linie der moralische Wille, das Klima zu schützen, wahrgenommen wurde, rückte mit dem politischen Mehrheitswechsel von SPD und den Grünen zur CDU und der FDP die Bedeutung ökonomischer Vorteile von Klimaschutzmaßnahmen deutlich in den Vordergrund. Fördermittel tragen auf diese Weise dazu bei, Maßnahmen trotz geringer politischer Priorität durchzusetzen, weil sie nicht zulasten des eigenen städtischen Haushaltes gehen. So wurde zunächst von einigen Parteien in Dresden bei der Erstellung des Energie- und Klimaschutzkonzeptes gefordert, den Teil, der sich mit den Klimaschutzmöglichkeiten im Verkehr auseinandersetzt, zu streichen. Nur dadurch, dass dies zur Folge gehabt hätte, dass finanzielle Förderungen der Bundesregierung wieder zurückgenommen worden wären, konnte dieser Teil im Klimaschutzkonzept erhalten werden. Dementsprechend konstatiert der damalige umweltpolitische Sprecher der SPD: »Das Konzept [IEuKK] ist durch Fördermittel, ich will nicht sagen motiviert worden, aber der Prozess der Entstehung ist natürlich durch entsprechende Landes- und Bundesfördermittel stark unterstützt worden« (SPD Dresden, 18.10.16). Fördermittelzuweisungen bilden also auch eine wichtige Legitimationsgrundlage für städtische Akteur*innen, um Entscheidungen zugunsten klimapolitischer Ziele zu treffen, bei denen ansonsten möglicherweise Klimaaspekten weniger Beachtung beigemessen worden wäre. In Dresden wurde 1998 ebenfalls ein kommunales Förderprogramm zur energetischen Gebäudesanierung aufgelegt. Doch führte dies nicht zu dem initiierten Anreiz der Gebäudesanierung; die Gelder wurden von den Bürger*innen kaum abgerufen. Eine mögliche Ursache dafür sehen städtische Akteur*innen in den Entwicklungen nach der Wende. In dieser Zeit wurden in Dresden aufgrund des schlechten Bauzustandes vieler Gebäude (Kap. 6.2.1) weitreichende Aufwertungsmaßnahmen durchgeführt. Dementsprechend war die Sanierungsquote Ende der 1990er Jahre, im Gegensatz zu der in Münster, deutlich höher. Im Energie- und Klimaschutzkonzept der Stadt wird davon ausgegangen, dass 2013 50 % der Ein- und Zweifamilienhäuser und 80 % der Mehrfamilienhäuser bereits saniert sind (Landeshauptstadt Dresden 2013, 154). Das heißt, trotz finanzieller Zuschüsse und trotz dessen, dass die aktuellen Energiestandards deutlich anspruchsvoller sind als in den 1990er Jahren, wird aktuell eine erneute Gebäudesanierung aus wirtschaftlicher Perspektive als nicht sinnvoll bewertet, sodass auch die städtischen Entscheidungsträger*innen bislang keine weiteren Förderprogramme initiierten.
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Empowerment durch Mitsprache – Veranstaltungen als Regierungstechnik und Ort der Wissensproduktion Die bislang beschriebenen Regierungstechnologien knüpfen an konkrete Sichtweisen und Wissensordnungen um Klima an, während andere ausgeblendet und an den Rand des Sagbaren gerückt werden. Eine weitere zentrale Regierungstechnik der Klimapolitik, die ebenfalls der Logik des Empowerments der Bevölkerung folgt, ist die Durchführung von Veranstaltungen. Wie bereits angesprochen (vgl. Kap. 6.3.1), wird die Rolle der Bundesregierung in erster Linie darin beschrieben, »Plattformen für einen lebendigen Austausch« zu schaffen, um u.a. »beispielhafte Handlungs- und Lösungsansätze« (BMVBS 2009, 90) aufzugreifen und zu verbreiten. Konferenzen wie z.B. der jährliche Bundeskongress zur Nationalen Stadtentwicklungspolitik, Fachtagungen zur Diskussion von Ergebnissen aus Forschungsprojekten wie ImmoKlima oder auch Forschungswerkstätten wie zum neuen Forschungscluster »Grün in der Stadt« (BBSR 2017) kommt dabei ein wichtiger Stellenwert zu. So hat die Anzahl von Veranstaltungen, mit denen Themen um den Klimawandel adressiert werden, in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Das zeigt auch, dass Bedeutung und Relevanz des Austausches von Wissen keine Selbstverständlichkeit ist. Vielmehr wurde dies mit Blick auf Stadtentwicklungsprozesse erst zu etwas Wünschenswertem deklariert, wodurch städtische Entscheidungsträger*innen ebenso als kommunizierende und sich vernetzende Subjekte adressiert werden. Indem Kommunikationsräume geschaffen und etabliert werden, sollen auch die Meinungen städtischer Akteur*innen und Bürger*innen hörbar gemacht werden. Auf diese Weise sollen sie sich als angesprochen wahrnehmen und dazu ermuntert werden, sich selbst an politischen Prozessen der Diskussion um Klimawandel zu beteiligen. Doch finden auch Veranstaltungen nicht einfach statt, sondern können ebenfalls als Instrumente normativer Setzungen verstanden werden. Die Auswahl des Titels der Veranstaltung, das Setzen der Tagesordnung, die Einladung von Referent*innen sind wichtige Elemente, mit denen klimapolitische Normen gesetzt und auf den unterschiedlichen Veranstaltungsformaten wiederholt werden. An dieser Stelle wird die enge Verknüpfung von Techniken des Regierens und der Produktion von Wissen deutlich. Denn zum einen sind Veranstaltungen eine Strategie, mit der gesteuert wird, wie über Klima gesprochen wird und welche Problemlösungsmechanismen als ›erfolgversprechend‹ präsentiert werden, was also als ›wichtig‹ und ›relevant‹ für die Stadtentwicklung erachtet wird und welche Themen stattdessen hinunterfallen. Zum anderen lassen sie Räume entstehen, in denen vorherrschendes Wissen um Klimawandel auch infrage gestellt werden kann und in denen um die Deutungshoheit unterschiedlicher Sichtweisen gerungen wird. Diese Verbindung der Produktion von Wissensordnungen einer-
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seits und Fragen der Techniken des Regierens andererseits wird im Folgenden an zwei Beispielen von Veranstaltungen in Dresden verdeutlicht. Seit 2010 führt das Umweltamt einmal jährlich die Veranstaltungsreihe »4 Elemente – Dresdner Umweltgespräche« durch. Dabei werden umweltrelevante Themen nicht nur zur Information der Bevölkerung aufbereitet, sondern auch um aktuelle gesellschaftliche und politische Entwicklungen zu diskutieren. So wird z.B. im Veranstaltungsprogramm 2016 darauf hingewiesen, dass in Dresden die »CO2-Emissionen seit 2011 wieder an[steigen]« (Landeshauptstadt Dresden 2016a), was die Frage hervorrufe, ob die »Energiewende in der Sackgasse« (ebd. 2016a) sei. Ein Jahr später steht der Klimaschutz im Mittelpunkt der Veranstaltung und auch hier zeigen sich mit der Frage »Sind wir zu bequem und zu anspruchsvoll für die Energiewende?« (ebd. 2017) kritische Töne. Auf dem Veranstaltungsinformationsblatt heißt es dazu: »Dresden konnte seine Zielstellungen bislang nicht erfüllen. So stellt unter anderem der steigende Wärmeverbrauch die Klimaziele in Frage und auch die Nutzung von erneuerbaren Energien reicht nicht aus. Die Erweiterung der vorwiegend technischen Ansätze auf das Feld der eigenen Lebensweise erscheint somit unumgänglich, um die Klimaschutzziele bis zum Jahr 2050 kommunal wie national tatsächlich erreichen zu können. Die Lebensart wäre also ein weiterer Schlüssel für einen zukunftsfähigen Ressourcenverbrauch. Doch Wohlstand und Bequemlichkeit stellen sich scheinbar gegen Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Sollte sich eine Kommune auf dieses neue Handlungsfeld wagen? Wird es ohne Veränderung der eigenen Lebensweise einen erfolgreichen Klimaschutz geben können?« (Landeshauptstadt Dresden 2017).
Mit diesem Veranstaltungsblatt erklärt das Umweltamt den Bürger*innen, dass die bisherigen Maßnahmen in Dresden nicht ausreichend sind, um die eigenen klimapolitischen Ziele zu erfüllen, die mit dem Beitritt zum Klima-Bündnis 1994, aber auch mit dem Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept 2013 gesetzt wurden. Bislang gelten vor allem technische Lösungen wie die Produktion von Fernwärme durch Kraft-Wärme-Kopplung oder der hohe Anteil der Elektromobilität beim ÖPNV (Landeshauptstadt Dresden 2013, 22) als zentrale Strategien im Klimaschutz. Doch wird mit dieser Aussage die Annahme in den Raum gestellt, dass diese Maßnahmen allein nicht ausreichen würden. Vielmehr wird eine neue Strategie vorgeschlagen und zugleich als »unumgänglich« bewertet. Eine Strategie, die sich in erster Linie auf eine Veränderung der eigenen »Lebensweise« (Landeshauptstadt Dresden 2017) bezieht. Die sich hier andeutende Verschiebung im Umgang mit Klimaveränderungen zeigt sich auch in den eingeladenen Referenten: 2016 wurde Prof. Dr. Hurtado eingeladen, den Im-
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pulsvortrag der Veranstaltung zu halten. Prof. Dr. Hurtado leitet an der TU Dresden die Professur für Wasserstoff- und Kernenergietechnik und befürwortet insbesondere die Verwendung von Kernenergie zur Stromerzeugung. 2017 saßen Prof. Dr. Ekardt und Dr. Reusswig auf dem Podium. Prof. Dr. Ekardt leitet die Forschungsstelle »Nachhaltigkeit und Klimapolitik« in Leipzig und Berlin. Er beschäftigt sich insbesondere mit Fragen gesellschaftlicher Transformationen und sozialer Lernprozesse, Gerechtigkeit und Recht. Dr. Reusswig ist am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) tätig. Dort beschäftigt er sich u.a. im Reallabor »Klimaneutral Leben in Berlin« damit, wie es gelingen kann, dass Haushalte ihren CO2-Fussabdruck um mindestens 40 % reduzieren. Diese beiden Referenten rückten in ihren Vorträgen, im Gegensatz zur Rede Prof. Hurtados, die Notwendigkeit einer Wachstumsdebatte in den Vordergrund und argumentierten, dass Umweltherausforderungen wie der Klimawandel nicht allein durch eine effizientere Nutzung der Energie zu bewältigen seien. Stattdessen müsse ebenso darüber nachgedacht werden, inwiefern auch die Frage der Suffizienz, also der Genügsamkeit, eine stärkere Rolle spielen sollte: »Bislang führen rein technische Verbesserungen tendenziell dazu, dass trotz der so erzielten Effizienzsteigerungen unter dem Strich keine Energie eingespart wird, weil gleichzeitig das jeweilige Produkt häufiger vorkommt oder intensiver eingesetzt wird« (Ekardt 2016, 6). Wird bspw. jedes Auto für sich betrachtet, fährt dieses deutlich effizienter in seinem Energieverbrauch als noch vor zehn Jahren. Doch ist die Anzahl von 30.684.811 PKWs in Deutschland 1990 auf 46.474.594 im Jahr 2018 (KBA 2018) gestiegen, sodass der Effekt der Energieeinsparung insgesamt wieder aufgehoben wird. Das Umweltamt schafft mit dieser Veranstaltung also ein Instrument, mit dem es die Bürger*innen ermutigt und auffordert, die kommunalen Klimastrategien der Stadt gemeinsam kritisch zu diskutieren. Zum anderen gab es aber auch in den vergangenen Jahren in Dresden Veranstaltungen, auf denen klimapolitische Ziele und Strategien der Bundesregierung grundlegend kritisiert und abgelehnt wurden. Konkret führten die FDP Dresden und Sachsen in den vergangenen Jahren mehrere »Alternativkonferenzen« durch: eine »Alternative Klimakonferenz« mit dem Titel »Sind wir noch zu retten – zwischen Klimakatastrophe und Ökohysterie« (2012), die »Alternative Energiekonferenz – Zurück in die Steinzeit« (2012a) sowie die »Alternative Ökokonferenz – Ökowahn statt Umweltschutz« (2013). Die FDP bildete zwischen 2009 und 2014 gemeinsam mit der CDU die Landesregierung von Sachsen. Auf kommunaler Ebene stellt die FDP seit 2015 den Oberbürgermeister von Dresden. Mit den Veranstaltungen verfolgten sie das Ziel, »einen Kontrapunkt [zu] setzen« (FDP Sachsen 2012, 3) gegen den klimapolitischen »Mainstream«,
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um stattdessen alternative Sichtweisen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken. So heißt es: »Viele einzelne Maßnahmen ›gegen den Klimawandel‹ entpuppen sich bei näherer Betrachtung als eher kurios, symbolisch oder plakativ, meist alarmistisch und leider mehr und mehr als sinnlose Ökoschikane für die Bürger. […] Doch während eine schweigende Mehrheit resigniert den Kopf schüttelt, hat eine laute Minderheit Stück für Stück die vermeintliche Meinungsführerschaft in der öffentlichen Wahrnehmung übernommen« (ebd. 2012, 4).
Die FDP spricht demnach die vorherrschenden klimapolitischen Vorstellungen nur einer Minderheit zu, doch dominiert diese Minderheit die Klimapolitik in Deutschland. Die FDP Sachsen und Dresden sieht sich deshalb in der Rolle, Andersdenkende, die die bestehenden Klimaziele und -strategien ablehnen, zu Wort kommen zu lassen. Klimapolitik wird dabei mit »Ökoschikane« (ebd. 2012, 4) und dem Schüren von Ängsten (FDP Sachsen 2013, 4) gleichgesetzt. Eingeladen wurden ausschließlich klimaskeptische Redner*innen. Interessant sind dabei die immer wiederkehrenden Bezüge zur DDR in den Vorträgen. So konstatiert u.a. der Parteivorsitzende der FDP Dresden und Sachsen: »Denen, die nicht dem Ökodogma huldigen, die kritisch sind und hinterfragen, fehle es nur am richtigen Bewusstsein, heißt es oft aus dieser Ecke. Damit sind wir nicht mehr weit vom totalitären Meinungsmonopol in der DDR entfernt« (ebd. 2012a, 4). Die Klimapolitik der Bundesregierung wird damit als dogmatisch interpretiert, und die scheinbare Zurückweisung von Kritiker*innen wird mit dem totalitären Regime der DDR verglichen. Ähnlich argumentiert ein weiterer Redner der Veranstaltung: »Ich bin als Ossi, als Kind der DDR […] groß geworden […]. In Westdeutschland versteht das mancher nicht so richtig, wie wir 20 Jahre, nachdem wir Planwirtschaft, Sozialismus und Diktatur hinter uns gelassen haben, heute wieder in einer Uniformität, Gleichförmigkeit des Denkens angekommen sind, in dem ein Dogma nach dem anderen gepflegt wird« (ebd. 2012, 16).
Da alle Konferenzen in Dresden stattfanden, gingen die Redner*innen möglicherweise davon aus, mit typischen Identitätszuschreibungen des ›Ossis‹ und des ›uns nicht verstehenden Wessis‹ Zustimmung im Publikum herstellen zu können dafür, dass die heutige Bundespolitik als ›uniform‹ und ›dogmatisch‹ interpretiert werden müsse, insbesondere in der Klimapolitik. Doch nicht nur die FDP Sachsen und Dresden organisieren klimaskeptische Veranstaltungen, sondern
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auch die sächsische Staatsregierung. So wurden für eine gemeinsame Veranstaltungsreihe mit der TU Dresden Referent*innen in die Frauenkirche eingeladen, um über »Das Ende der Gewissheit« zu diskutieren. Einer der bekanntesten Klimaskeptiker Deutschlands – Fritz Vahrenholt (Vahrenholt und Lüning 2012) – erklärte dort dem Publikum: »›Ich habe eine gute Botschaft für Sie […], seit 14 Jahren gibt es keine Temperaturerhöhung mehr, jetzt kühlt sich zudem die Sonne ab, das heißt, die Temperatur wird weiter fallen. […] Der berühmte hockey stick – alles falsche Messungen‹« (Blasberg und Kohlenberg 2012). Das Bemerkenswerte daran ist, dass die CDU-dominierte Staatsregierung Sachsens mit Rednern wie Vahrenholt in den vergangenen Jahren klimaskeptischen Äußerungen eine öffentliche Bühne geboten hat und damit eine Sichtweise, die die bundespolitischen Klimaziele explizit ablehnt, unterstützte. Brunnengräber weist darauf hin, dass sich »[u]nter den parteipolitischen Klimaskeptikern […] die deutlichsten Aussagen über die möglichen Fehlsteuerungen durch ungerechtfertigte klimapolitische Maßnahmen zunächst in der FDP und der CDU« (Brunnengräber 2018, 282) finden. Das heißt, nicht nur in Dresden und Sachsen sind solche Äußerungen sichtbar. Gleichwohl zeigen sich diesbezüglich deutliche Unterschiede zwischen den Aussagen der Parteien in Nordrhein-Westfalen und Münster und denen in Sachsen und Dresden. Während in Sachsen und in Dresden CDU und FDP für eine skeptische Sichtweise auf die Klimapolitik der Bundesregierung stehen, stimmen in NRW alle Landesparteifraktionen dahingehend überein, dass Maßnahmen der Energiewende und des Klimaschutzes als sinnvoll und legitim anerkannt werden. Die FDP konstatiert als Angehörige der Opposition in der Legislaturperiode bis 2017: »Die FDP NRW bekennt sich zu den Zielen der Energiewende auf der Basis des Energiekonzeptes der Bundesregierung« (FDP NRW 2012) und auch die CDU betont: »Wir wollen die Herausforderungen des Klimawandels und der Klimaanpassung in NRW erfolgreich meistern« (CDU NRW 2015). Diese abweichenden Positionierungen der gleichen Partei in einzelnen Bundesländern demonstrieren, dass nicht nur in Münster und Dresden, sondern auch innerhalb der landespolitischen Diskurse von NRW und Sachsen unterschiedliche Räume des Sagbaren bestehen, die sich auch auf die konkreten Entscheidungs- und Handlungspraktiken der kommunalen Akteur*innen auswirken. Damit werden zwei zentrale Aspekte deutlich: Erstens wird sichtbar, dass Sichtweisen um Bedeutungen des Klimawandels nach wie vor umkämpft sind. Wenngleich ein vordergründiger Konsens um die Relevanz von Klimaschutz und Klimaanpassung dominiert, zeigen sich auch Praktiken, die sich den Klimastrategien der Bundesregierung explizit entgegenstellen. Diese Praktiken richten sich zum einen gegen vorherrschende Klimaziele wie z.B. den Ausbau erneuerbarer
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Energien. Darüber hinaus richten sie sich gegen die bestehenden Regierungstechnologien und stehen für den Wunsch, um mit Foucault zu sprechen, »not being governed quite so much‹« (2007, 45). Das zeigt sich z.B. auch in der Forderung der CDU Dresden, nationale Energie- und Klimaprogramme zurückhaltend und »mit Augenmaß« (2014, 7) umzusetzen. So stehen Technologien der Agency nicht nur für Regierungstechnologien, mit denen Individuen bzw. Institutionen im Sinne der vorherrschenden klimapolitischen Strategien angeleitet werden, sondern sie präsentieren ebenso Techniken, mit denen Individuen im Sinne alternativer Denkweisen regiert werden. Zugleich eröffnen sich dadurch Kommunikationsräume, in denen andere Meinungen gesagt und gehört werden sollen, die sich sowohl gegen die dominierenden Klimaziele, als auch die daran anknüpfenden Instrumente richten. Zweitens wurde bereits darauf hingewiesen, dass städtische Klimapolitiken nicht nur auf einer Maßstabsebene bzw. ›vor Ort‹ entstehen, sondern eingebettet sind in komplexe, sich wechselseitig beeinflussende Kommunikationsprozesse unabhängig von statistischen Grenzen. Dabei kommt auch den politischen Instanzen der Landesregierungen eine wichtige Rolle zu, denn dort werden bspw. Verordnungen wie das Landesklimaschutzgesetz NRW oder Konzepte wie das Klimaprogramm Sachsen erstellt, die wiederum wichtige normative Rahmungen für die Klimapolitik in den Kommunen bieten. Politische und Verwaltungsakteur*innen der Landesinstitutionen entscheiden zudem über inhaltliche Prioritätensetzungen bei Fördermittelzuweisungen, wie das Beispiel der Gründung der kommunalen Wohnungsgenossenschaft in Dresden zeigt oder über die Bewertung von Förderanträgen in der Städtebauförderung. Das heißt, auch die hier sichtbar werdenden unterschiedlichen Räume des Sagbaren bzw. des NichtSagbaren in Nordrhein-Westfalen und Sachsen beeinflussen die Debatten um Klimaziele und die Handlungsmöglichkeiten kommunalpolitischer Akteur*innen auf ganz unterschiedliche Art und Weise. 6.4.2 Technologien der Performanz Performanz-Technologien sind all jene Instrumente und Strategien, mit denen Fähigkeiten von Individuen oder Institutionen vergleichbar und kalkulierbar gemacht werden. Dazu gehören Zertifizierungsverfahren, die mittels Benchmarks und Leistungsindikatoren das klimapolitische Engagement von Kommunen, von Unternehmen und Bürger*innen öffentlichkeitswirksam gegenüberstellen. Verglichen wird z.B., wieviel CO2-Emissionen die einzelnen Städte ausstoßen, wie hoch der Anteil von erneuerbaren Energien an der Primärenergieerzeugung ist oder wie umfangreich das Radwegenetz und wie zahlreich die Elektrotankstellen
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sind. Auf diese Weise, so Haahr, sollen Individuen ein ganzheitliches Verständnis für Möglichkeiten des Klimaschutzes bekommen, um den moralischen und politischen Zielen tatsächlich entsprechen zu können: »agencies or professionals are subjected to a comprehensive ›gaze‹, a scrutiny of abilities to fulfil moral and political requirements« (Haahr 2004, 219). Power beschreibt bereits 1994 die enorme Zunahme von Auditierungsverfahren und erkennt darin ein neues Prinzip sozialer Organisation und Kontrolle, welches sich auch innerhalb der Klimapolitik als Regierungstechnologie etabliert, um Handlungspraktiken im Klimaschutz messbar und unter den Kommunen vergleichbar zu machen (Power 1994). Damit verbunden ist das Ziel, einen bestimmten Standard in der Umsetzung klimapolitischer Maßnahmen durchzusetzen. Die Logik des Vergleichens und miteinander Messens setzt sich in der Stadtentwicklung spätestens seit den 1980er Jahren durch. Ging es vorher in erster Linie darum, dass in den Städten die nationalstaatlichen Politiken verwaltet werden, rücken, wie bereits erwähnt, in den 1980er Jahren wirtschaftspolitische Rationalitäten in den Vordergrund. Damit wird auch in der Stadtentwicklung eine wettbewerbsorientierte Standortpolitik propagiert. Das heißt, auch Städte werden zunehmend als »Unternehmen« (Mattissek 2008, 11 f.) gedacht und folgen einer als notwendig artikulierten Wettbewerbsorientierung49. Neoliberalen Gesellschaften geht es dabei nicht nur darum, Markthemmnisse zu beseitigen, sondern stattdessen den Wettbewerb aktiv zu stimulieren und abzusichern, um zugleich Alleinstellungsmerkmale zu produzieren (Bröckling 2017, 180). Die Durchdringung neoliberaler Logiken umfasst mittlerweile nicht nur wirtschaftliche Handlungsbereiche, sondern auch das Soziale und Ökologische50. Das bedeutet, dass auch in der Klimapolitik Wettbewerbe, Best Practices und Benchmarks genutzt werden, um Menschen zu einem verantwortlichen und ökologisch bewussten Handeln anzuleiten. Dem zugrunde liegt die Logik der permanenten Selbstoptimierung, um im Wettbewerb zwischen den Individuen, aber auch zwischen den Städten bestehen zu können (vgl. z.B. Bröckling, Krasmann und Lemke 2000). Vergleichbarkeit durch Best Practices Es gibt zahlreiche Plattformen wie die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft »Klima, Energie, Mobilität – Nachhaltigkeit« oder »KLIMA-LOG – Gute Beispiele von Kommunen für Kommunen«, Broschüren wie die »Kommunalen Strategien
49 Eine Zäsur stellt hierfür die Rede des Bürgermeisters von Hamburg Klaus von Dohnanyi 1983 dar, der erstmals vom »Unternehmen Hamburg« sprach. 50 Für nähere Ausführungen zur Neoliberalisierung und Stadtpolitik siehe u.a. Brenner und Theodore 2002; Mattissek 2008; Schipper 2013.
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und Potenziale zum Klimawandel« (BMVBS 2010) oder die Modellprojekte der »Energetischen Sanierung von Großwohnsiedlungen« (BMVBS 2015) – all diese Projekte stehen für Best Practices, die Wege städtischer Klimapolitik vermitteln sollen, die in der Umsetzung als erprobt und funktionierend deklariert werden. Ebenso bringen Wettbewerbe wie »Kommunaler Klimaschutz« oder der »Deutsche Nachhaltigkeitspreis für Städte und Gemeinden« zahlreiche Best Practices hervor, mit denen insbesondere drei zentrale Ziele verfolgt werden: Erstens ermöglichen Modelle und Best Practices städtischen Akteur*innen auf bereits bestehende Strategien der Stadtentwicklung zurückzugreifen. In diesem Sinne können sie als Techniken des Politiklernens verstanden werden (vgl. z.B. Radaelli 2004). Damit folgen sie der Logik der Effizienz, das heißt, städtische Akteur*innen müssen nicht nach eigenen Lösungen suchen und sparen so Kosten und Arbeitszeit. Gerade vor dem Hintergrund der Forderungen einer möglichst effizient agierenden Verwaltung erscheinen diese Strategien als hilfreiche Stadtentwicklungsinstrumente (Nagorny-Koring 2018, 60). Verwaltungsmitarbeiter*innen, aber auch politische Akteur*innen werden damit nicht nur als verantwortliche Subjekte, sondern auch als lernfähige und lernende Akteur*innen adressiert. Zweitens erzählen Best Practice-Beispiele nicht nur Geschichten von ›guten‹ Stadtentwicklungsmaßnahmen, sondern von den ›besten‹. Mit dieser sprachlichen Rahmung werden die gezeigten Beispiele im Vergleich zu anderen möglichen Lösungsstrategien als die Maßnahmen kommunaler Stadt- und Klimapolitik schlechthin präsentiert. Drittens können insbesondere Best Practices als Regierungstechnologien verstanden werden, mit denen Politiken mobilisiert und verbreitet werden sollen. Denn sie sind z.B. zentraler Bestandteil von Leitfäden, die die Bundesregierung veröffentlicht und damit an zahlreichen Orten präsent. Zudem präsentieren städtische Akteur*innen ihre Beispiele auf Konferenzen oder zeigen vor Ort Akteur*innen aus anderen Kontexten ihre ›besten‹ Maßnahmen und bringen auch dadurch politische Ideen und Strategien auf den Weg. Bröckling erklärt mit Blick auf Erfolgsratgeber, dass diese »einen Raum des Sag- und Wissbaren« (2016, 10) definieren, der nicht nur Antworten auf die Frage gibt, »Was soll ich tun?«, sondern auch konkrete Anleitungen dazu »wie ich das, was ich tun soll, auch tun kann« (ebd. 2016, 10; Herv. i. Orig.). Auch die zahlreichen Best Practices in der Klimapolitik können als »Erfolgsratgeber« verstanden werden, die zum einen konkrete Vorstellungen und damit ein ganzes Set an klimapolitischen Normen und Werten vermitteln, die in der Stadtentwicklung berücksichtigt werden sollen. Zum anderen geben sie konkrete Strategien an die Hand, die zeigen sollen, wie Klimaziele ›erfolgreich‹ in die alltäglichen Praktiken städtischer Politik und Planung implementiert werden könnten. Deshalb
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werden in den bundespolitischen Stadtentwicklungsdokumenten auch städtische Entscheidungsträger*innen explizit aufgefordert, den Bürger*innen mithilfe von Modellprojekten und Best Practices konkrete Beispiele anzubieten, wie Energie eingespart oder wie ›klimafreundlich‹ gebaut werden könne: »Das Thema der energetischen Stadterneuerung muss allgegenwärtig für alle Akteure und die Bevölkerung präsent sein und die Akzeptanz und das Engagement für die Einbindung energetischer Aspekte auf allen Ebenen der Stadt gefördert werden. […] Durch die Darstellung von vorbildlichen Maßnahmen nimmt die Stadt ihre Vorbildfunktion für die Bürger wahr« (BMVBS 2011, 37).
Das Ziel bundespolitischer Klimapolitik besteht somit nicht darin, Menschen durch Verordnungen und Gesetze zu einem bestimmten Handeln zu zwingen. Vielmehr sollen Normen und Werte um den Klimaschutz immer wieder durch Beispiele und Modellprojekte präsent sein, um verinnerlicht und zur Grundlage des individuellen Handelns zu werden. Auf diese Weise werden Bürger*innen immer wieder als aktive und engagierte Subjekte angesprochen und politische und Verwaltungsakteur*innen zu Vorbildern der Gesellschaft erhoben. Vergleichbarkeit durch Wettbewerbe und Zertifizierungen Wettbewerbe und Zertifizierungen basieren meist auf konkreten Indikatoren, die kalkuliert und gemessen werden. Eine zentrale Rolle spielt dafür sowohl in der internationalen als auch in der bundespolitischen und kommunalen Klimapolitik das Bild des Einsparens von CO2. Es folgt zum einen einer scheinbar moralischen Pflicht, den individuellen ›Fußabdruck‹ möglichst zu minimieren. Gleichzeitig, so argumentieren Paterson und Stripple, folgt es der Logik des ›Miteinanderwetteiferns‹, des ›besser sein Wollen‹ als die anderen (2010, 22). Solche Wettbewerbe und Zertifizierungsverfahren spielen insbesondere in Münster im Umgang mit dem Klimawandel eine wichtige Rolle. So ist Münster 1997 und 2006 zur »Bundeshauptstadt im Klimaschutz« gekürt worden51; in den Jahren 2005, 2009, 2012 und 2015 wurde Münster mit dem European Energy Award (EEA) in Gold ausgezeichnet. Seit 2012 belegt die Stadt unter allen daran teil-
51 Der Wettbewerb wird vom Deutschen Umwelthilfe e. V. jährlich durchgeführt. Der Verein wurde 1975 gegründet und bezeichnet sich als politisch unabhängig. Im Wettbewerb werden folgende Handlungsfelder kommunaler Politik berücksichtig: Energiesparen, Green IT und energieeffizientes Büro, Energieerzeugung, Verkehr, Siedlungsgestaltung, Öffentlichkeitsarbeit und Finanzierung. Nähere Informationen dazu unter: https://www.duh.de/klimakommune/wettbewerb/ [7.5.2018].
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nehmenden europäischen Kommunen den ersten Platz. Der EEA ist ein weiteres Instrument zur Steuerung der Klimapolitik, der als »Qualitätsmanagement- und Zertifizierungsinstrument für kommunalen Klimaschutz«52 beschrieben wird. Die Teilnahme der Kommunen wird in beiden Bundesländern durch Landesmittel finanziell gefördert, in NRW werden etwa 70 % der Ausgaben übernommen und in Sachsen bis zu 80 % (vgl. Abb. 22). Abbildung 22: Karte der EEA-Kommunen in Nordrhein-Westfalen und Sachsen
Quelle: www.european-energy-award.de/kommunen/ [16.08.2018]
52 Genauere Informationen zum EEA unter: http://www.european-energy-award.de/ 86 [6.5.2018].
Klimapolitiken | 197
In Münster werden Zertifizierungen und Wettbewerbe in erster Linie als ein Beleg für die klimapolitischen Bemühungen und Erfolge der Stadt bewertet – sowohl nach innen gegenüber der Münsteraner Gesellschaft als auch nach außen im Vergleich zu anderen Städten. So wird bspw. beschrieben, dass sich die Stadt dann für die Teilnahme am EEA entschieden hat, als die gesellschaftliche und die politische Aufmerksamkeit für das Thema Klimaschutz in Münster 2005 abnahm. Der positive Nutzen von Auditverfahren wird hier darin gesehen, dass insbesondere die städtischen Akteur*innen motiviert und aktiviert werden, Klimaschutz in alle Handlungsbereiche der Stadtentwicklung zu integrieren, um dadurch auch im Vergleich zu anderen Kommunen positiv hervortreten zu können. Mit Blick auf die Bürger*innen wird argumentiert: »[W]enn man sich mal misst, dann entwickelt man Ehrgeiz. […] Die Menschen wollen irgendein äußeres Zeichen haben, das ist, als wenn man in der Kirche nur sitzt und auf die Erde guckt. Sondern nein, man muss sich beteiligen: mal aufstehen, hinknien, segnen, sich die Hände schütteln – ein bisschen Spiritualität ist das ja. Das braucht der Mensch und er braucht auch 'ne Belobigung, wenn er mal was Gutes getan hat« (CDU Münster, 3.11.16).
Die Teilnahme an Wettbewerben wird hier verglichen mit Spiritualität, das heißt, es geht also auch um einen gewissen ›Geist‹, der die Gesellschaft durchdringen soll. Das miteinander Vergleichen und sich Messen wird dabei als Anreiz gesehen, sich besonders anzustrengen. Die erhaltenen Auszeichnungen und Bewertungen sind ein wichtiger Teil der Image- und Standortpolitik der Stadt, dementsprechend nimmt Münster immer wieder an solchen Wettbewerben teil, denn das Bild der ›Vorreiterrolle‹ wird auf diese Weise immer wieder neu bestätigt und verfestigt. In Dresden wurde die Teilnahme am EEA bislang abgelehnt, wobei zwei Begründungsmuster sichtbar werden: Zum einen werden Wettbewerbe und Zertifizierungen zwar insofern als »sinnvolle« Technologien bewertet, als »dass sie eben zu Querdenken animieren und Mitarbeiter und Kolleginnen […] fordern, dort eben konzeptionell zu arbeiten, was sie so […] neben der Arbeit nicht tun würden« (Die Linke Dresden, 16.12.16). Doch werden die Möglichkeiten einer erfolgreichen Teilnahme gleichzeitig als begrenzt bewertet, weil bislang keine Projekte in Dresden entstanden seien, die als erfolgversprechend wahrgenommen werden. Wenn auch in Dresden bislang die politische Priorität des Klimaschutzes als gering bewertet wurde, so verweist dies dennoch auf ein grundlegendes Problem von Wettbewerben und Best Practices – nämlich die Frage, wie Praktiken überhaupt als die ›besten‹ identifiziert werden können. So kann in einer Kommune z.B. die Begrünung von Fassaden und Dächern als Best Practice gel-
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ten, während diese in anderen Städten seit vielen Jahren fester Bestandteil städtebaulicher Planungsprozesse ist und dementsprechend gar nicht als solches wahrgenommen und kommuniziert wird. Zum anderen dominiert unter den Befragten in Dresden insgesamt eine zurückhaltende Sichtweise gegenüber Wettbewerben und Zertifizierungsverfahren als politisches Instrument, sodass diese nicht als erfolgversprechende und relevante Strategien im Klimaschutz erachtet werden. Die Ausführungen in Kapitel 6.2.1 haben gezeigt, dass Klimaschutz im Vergleich zum Umweltschutz bislang eine deutlich geringere Priorität beigemessen und tendenziell als etwas Abstraktes und Lebensfernes wahrgenommen wird. Insofern erscheint es auch plausibel, dass in Dresden eben nicht Klimawettbewerbe und -zertifizierungsverfahren im Vordergrund stehen. Die wenigen Wettbewerbe, an denen die Stadt bislang teilnahm, richten sich dagegen stärker auf die Gestaltung der Umwelt. Das zeigt sich z.B. darin, dass Dresden 2012 am Bundeswettbewerb »Entente Florale – Gemeinsam aufblühen« teilgenommen und dort die Goldmedaille gewonnen hat (DNN 2012). In diesem Wettbewerb geht es insbesondere darum, die Grünflächen der Stadt zu pflegen und zu gestalten und knüpft damit an diskursive Rahmungen an, die Teil der städtischen Außendarstellung Dresdens sind. Zudem initiierte die Lokale Agenda Wettbewerbe, mit denen beispielhafte Projekte von Bürger*innen und Institutionen im Sinne von Best Practices für eine nachhaltige Entwicklung Dresdens ausgezeichnet wurden. Doch diese Logik des Vergleichens, Messens und Kalkulierens spiegelt sich nicht nur in den international und bundespolitisch ausgelobten Wettbewerben wider, sondern ist z.B. auch Bestandteil von Kampagnen wie »Münster packt ‘s! Der Bürgerpakt für Klimaschutz in Münster«. Geht es in Wettbewerben wie dem EEA in erster Linie um den Vergleich von Städten, adressieren die Mechanismen in den kommunalen Kampagnen dagegen unmittelbar das individuelle Verhalten. Durch den »Pakt«, den die Bürger*innen mit sich selbst eingehen, sollen sie angespornt werden, über den CO2-Ausstoß ihrer individuellen alltäglichen Handlungen nachzudenken und schon durch kleine Veränderungen CO2Emissionen reduzieren. Individuen werden auf diese Weise als kalkulierende und vergleichende Subjekte adressiert. Im Vergleich der beiden Städte wird deutlich, dass gouvernementale Techniken zwar etablierte Instrumente der Klimapolitik darstellen (Brand 2007), allerdings keinesfalls von allen Akteur*innen gleichermaßen als relevant und erfolgversprechend erachtet werden. Während Instrumente des interkommunalen Wettbewerbs und der Best Practices in Münster an die bestehenden Rationalitäten anknüpfen, mit denen Klimaschutz ein wichtiges Element der städtischen Imagepolitik bildet, erscheinen diese aus Sicht vieler Dresdner Akteur*innen
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nicht als relevant. Auch die Keyword-Analysen der Stadtratsdokumente zeigen deutliche Unterschiede darin, welche Begriffe in den Debatten von Dresden und Münster in Bezug auf Regierungstechnologien verwendet werden (Tab. 7). In Dresden sind Wörter typisch, die auf formelle Planungsinstrumente verweisen, die hauptsächlich durch das Baugesetzbuch zur Verfügung gestellt werden. In Münster dagegen dominieren gouvernementale Formen der Steuerung, vor allem Begriffe um Marketing nehmen einen prominenten Stellenwert ein. Tabelle 7: Ausgewählte Begriffe der Keyword-Analyse der Stadtratsdokumente Dresdens im Vergleich zu Münster Subkorpus ›Dresden‹ Begriffe
Subkorpus ›Münster‹ Frequenz (pro Mio.)
LogLikelihood
Frequenz (absolut)
Frequenz (pro Mio.)
Frequenz (absolut)
Erschließungsplan
344
482,44
60
54,85
360,60
Sanierungsgebiet
183
256,65
9
8,23
276,74
Umweltprüfung
240
336,59
63
57,59
199,83
Städtebaufördermittel
66
92,56
16
14,63
57,86
Rahmenplan
58
81,34
19
17,37
40,89
Marketing
3
4,21
126
115,18
103,56
Kooperation
13
18,23
121
110,61
60,28
Handlungskonzept
45
63,11
199
181,91
50,16
Stadtmarketing
3
4,21
73
66,73
53,58
Standards
6
8,41
68
62,16
37,77
Quelle: eigene Darstellung
Ebenso zeigt der Vergleich der Häufigkeiten von Wortformen zu Wettbewerb und Modellprojekt (vgl. Abb. 23), dass in den Münsteraner Stadtratsdebatten deutlich stärker Bezug auf diese Begriffe genommen wird als in Dresden.
200 | Klimapolitik in der Stadtentwicklung
Abbildung 23: Frequenzanalyse von Begriffen zu Wettbewerb und Modellprojekten in den Stadtratsdebatten von Münster und Dresden im zeitlichen Verlauf 53 0,9 0,8
relative Häufigkeit (in %)
0,7 0,6 0,5
Dresden
0,4
Münster
0,3 0,2 0,1 0,0 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015
Quelle: eigene Darstellung
Der Fokus klimapolitischer Maßnahmen in Dresden liegt stattdessen auf dem Ausbau und der ›Begrünung‹ des Fernwärmenetzes durch das Einspeisen erneuerbarer Energien. Dabei wird ein weiterer wichtiger Aspekt deutlich – die Verwobenheit techno-sozialer Arrangements, die an politische Entscheidungen anknüpfen, die in der Vergangenheit, oftmals unabhängig von klimapolitischen Zielsetzungen, getroffen wurden. Mit anderen Worten: Damalige Entscheidungen politischer Akteur*innen der DDR, aufgrund von Mangel an Gas und Erdöl Fernwärmenetze in den Städten zu errichten, beeinflussen auch heutige Diskurse um klimapolitische Strategien. So werden insbesondere die energietechnischen Infrastrukturen als Potenzial deklariert, CO2-Emissionen einzusparen und damit als Argument dafür angeführt, den klimapolitischen Fokus auf den weiteren Ausbau dieser Netze zu richten. Ein wichtiger Aspekt ist für städtische Akteur*innen Dresdens zudem die Kalkulierbarkeit und die Messbarkeit von klimapolitischen Maßnahmen. Während Effekte von Kampagnen als schwer nachvollziehbar wahrgenommen werden, wird mit Blick auf den weiteren Ausbau des Fernwärmenetzes argumentiert, das sind Dinge, »die wir direkt beeinflussen können und die wir auch […] einigermaßen direkt messen können« (Umweltbürgermeisterin Dresden, 1.8.2017) – nämlich z.B. über die Länge des Fernwärmenetzes, die Anzahl der an das Fernwärmenetz angeschlossenen Haushalte
53 Analysiert wurden die Lemmata zu *wettbewerb*, *marketing*, *kampagn*, *zertifizier* sowie *modellprojekt*, *best practice*, *pilot* und *leitfaden*.
Klimapolitiken | 201
oder der Höhe des Anteils erneuerbarer Energien an der Wärmeerzeugung der Stadt. Zugleich knüpft das technische Potenzial Dresdens an die Erzählungen über die Stadt als Wirtschafts- und Technologiestandort an, weshalb Technik von städtischen Akteur*innen auch als Brücke bewertet wird: Während Klimawandel und Klimaschutz oftmals als abstrakte, schwer greifbare Phänomene bewertet werden, erscheinen technische Lösungen lebensnaher und greifbarer. Das heißt, das Potenzial, die Gesellschaft für Fragen des Klimaschutzes und erneuerbarer Energien zu sensibilisieren, wird im Gegensatz zu Münster gerade nicht in der individuellen Ansprache gesehen. Akzeptanz und Bewusstsein für Klimawandel oder Energiewende sollen stattdessen durch technische Lösungen vorangetrieben werden. Anders ist es dagegen in Münster: Wenngleich auch dort technische Potenziale genutzt werden sollen, um CO2 zu reduzieren, steht dennoch die Aktivierung und die Ermächtigung der Gesellschaft zu klimaverantwortlichen Subjekten im Mittelpunkt der städtischen Klimapolitik. Denn im Gegensatz zu Dresden hat Münster bereits seit vielen Jahren klimapolitische Strategien in die kommunale Standort- und Stadtentwicklungspolitik integriert. Die Verwaltung verfügt dort, anders als in Dresden, über die entsprechenden Personalstrukturen und die Projekterfahrungen, sodass städtische Akteur*innen und Bürger*innen es als ›sinnvoll‹ und ›erfolgversprechend‹ erachten, Förderanträge zu stellen und sich für Wettbewerbe zu bewerben. Dementsprechend steht in Münster die Aufforderung »involving the people« (Umweltbürgermeister Münster, 8.11.16) für eine grundlegende Strategie, mit der insbesondere die Eigenverantwortung des Einzelnen in den Vordergrund gerückt wird. Doch wie bereits in Kapitel 6.2.4 angesprochen, folgen politische Entscheidungen über eine mögliche Teilnahme an Wettbewerben nicht immer ausschließlich den eigenen Prioritäten. Auch die Bundesregierung fordert Städte wie Münster explizit auf, sich an Programmen und Wettbewerben zu beteiligen. Ziel der Bundesregierung ist es, ausgewählte ›Leuchttürme‹ des kommunalen Klimaschutzes zu fördern, gewissermaßen die ›Best Practices‹ der ›Best Practices‹. Dabei geht es für die Bundesregierung aber auch darum, im Vergleich zu anderen Staaten Ergebnisse des bundespolitischen Klimaengagements zu präsentieren und im internationalen Wettbewerb als Vorbild zu erscheinen. Wettbewerbe und Zertifizierungen im Klimaschutz sind damit zwar gouvernementale Technologien, die städtische Entscheidungsträger*innen zum ›richtigen‹ Handeln anleiten sollen. Doch die Bundesregierung übt mit ihrer Erwartungshaltung einer Teilnahme der Städte an den bestehenden Programmen ebenso Druck aus.
202 | Klimapolitik in der Stadtentwicklung
6.5 ZUSAMMENFASSUNG DER EMPIRISCHEN ERGEBNISSE Im Folgenden werden die zentralen Erkenntnisse der empirischen Analysen der beiden Fallstädte noch einmal zusammengefasst, um die Frage zu beantworten, warum dem Klimawandel in städtischen Kontexten eine so unterschiedliche Bedeutung beigemessen wird. Die Ergebnisse zeigen, dass die bundespolitischen Modelle und Strategien zum Umgang mit dem Klimawandel nicht eins-zu-eins in kommunalpolitische Kontexte übertragen werden. Vielmehr wird am Beispiel von Münster und Dresden sichtbar, dass Politiken auf heterogene und vielschichtige Kontexte treffen. Grundsätzlich folgen beide Städte als Teil eines kapitalistischen Wirtschaftssystems einer ökonomischen Logik. Das heißt, die jeweils zur Verfügung stehenden finanziellen und personellen Ressourcen sind begrenzt. Dementsprechend folgen die Politiken beider Städte der Prämisse, diese Ressourcen möglichst effektiv und erfolgversprechend einzusetzen. Die hier anknüpfende Frage, ist, welche gesellschaftlichen Phänomene prioritär als zu lösende Probleme erachtet werden und welche Rolle Klimawandel dabei spielt. Das folgende Kapitel fasst die empirischen Ergebnisse anhand der drei untersuchten Fragekomplexe zusammen: 1) Problematisierungen und Sichtbarkeiten: In Dresden haben die städtischen Akteur*innen insbesondere die Transformationsprozesse der 1990er und 2000er Jahre als zentrale kommunalpolitische Herausforderung hervorgehoben, die aus den Umbrüchen der politischen Wende 1989 resultierten. Neben der Bewältigung des Stadtumbaus und der ökonomischen Inwertsetzung von Flächen wurde vor allem der Bewältigung der bestehenden Umweltprobleme große politische Bedeutung beigemessen. So sind es die zahlreichen umweltpolitischen »Baustellen« (SPD Dresden, 18.10.16) vor Ort, die als zentrale Ursache dafür beschrieben werden, dass die Priorität in den vergangenen Jahren auf lokalen Umweltmaßnahmen lag und dem globalen Klimaschutz politisch zunächst kaum Bedeutung beigemessen wurde. Gleichzeitig weisen die Aussagen auf Spannungsverhältnisse hin – sowohl zwischen Politik und Umweltverwaltung als auch zwischen den politischen Parteien – in denen gegenläufige und kritische Argumentationen hervortreten und im Gegensatz zur dominierenden Sichtweise ein stärkeres klimapolitisches Engagement fordern. Im Laufe der Zeit veränderten sich die Vorstellungen um die Relevanz des Klimawandels, sodass dieser deutlich in den Vordergrund politischer Aushandlungsprozesse gerückt ist. Die städtische Politik Münsters knüpft dagegen an ein breites gesellschaftliches Engagement im Umwelt- und Klimaschutz der 1980er Jahre an. Dabei problematisieren zunächst in erster Linie gesellschaftliche Initiativen den An-
Klimapolitiken | 203
stieg von CO2-Emissionen. Insbesondere das Reaktorunglück in Tschernobyl wird als Ereignis beschrieben, das einen starken Einfluss auf die Diskurse um Energieversorgung, aber auch um Klimapolitik hatte. Die politischen Entscheidungsträger*innen haben Klima als politisches Thema aufgegriffen, auch um sich innerhalb der Kommunalpolitik Münsters gegenüber anderen Parteien zu positionieren. In den folgenden Jahren etabliert sich der Klimawandel in den städtischen Diskursen als politisches Handlungsfeld – unabhängig von Regierungswechseln. Um das Jahr 2007 ist sowohl international als auch bundespolitisch eine neue Dynamik zu beobachten, die u.a. aus dem Erscheinen des SternReports, des 4. IPCC-Berichts und der Klimapakete der EU und der Bundesregierung resultierte. Das damit einhergegangene starke mediale, gesellschaftliche und politische Interesse – auch an der Münsteraner Klimapolitik – gilt als wichtiger Einflussfaktor dafür, dass sich Klimaschutz in den folgenden Jahren als zentraler Bestandteil der Image- und Standortpolitik Münsters verfestigt. Im Vordergrund steht dabei ebenso der globale Städtewettbewerb, in dem Münster erfolgreich gegenüber anderen Städten positioniert werden soll. Doch gibt es auch kritische Sichtweisen, die die bestehenden klimapolitischen Strategien Münsters ablehnen. Sie treten insbesondere dann hervor, wenn sich politische Entscheidungsträger*innen zwischen konkurrierenden Diskursen um Wohnungsbau, die Errichtung sozialer Infrastrukturen und Verkehrsgestaltung positionieren müssen. Allerdings scheinen diese Stimmen vor dem Hintergrund des starken Images der ›Vorreiterrolle‹ im Klimaschutz deutlich marginalisiert. 2) Verantwortungszuschreibungen: In den bundespolitischen Dokumenten wird die Aufforderung, die Klimaziele umzusetzen, sehr klar an die städtischen Akteur*innen sowie die Bürger*innen gerichtet. In den jeweiligen Kontexten werden diese Zuschreibungen jedoch nicht einfach übernommen. Die Auseinandersetzungen mit Rollen und Positionierungen erfolgen vielmehr innerhalb der konkreten Handlungsbereiche der politischen Systeme und der Verwaltungen. Die Begründungsmuster, mit denen Verantwortung sowohl angenommen, aber auch als eingeschränkt bewertet oder gar zurückgewiesen wird, ähneln sich in beiden Städten. Insbesondere ökonomische Zwänge und die teilweise fehlenden rechtlichen Instrumentarien begrenzen den städtischen Akteur*innen zufolge die Handlungsmöglichkeiten, Klimaziele in der Stadtentwicklung auch gegen politischen Widerstand durchzusetzen. Insbesondere Verwaltungsmitarbeiter*innen beschreiben sich hier selbst als abhängig von äußeren Rahmenbedingungen und den internen strukturellen Gegebenheiten. Doch können sie ebenso als machtvolle Akteur*innen verstanden werden, die sich ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten schaffen – um klimapolitische Ziele durchzusetzen, aber auch um politische Entscheidungen zu blockieren.
204 | Klimapolitik in der Stadtentwicklung
Deutliche Unterschiede zwischen den Städten zeigen sich mit Blick auf die Frage, welche Rolle Bürger*innen innerhalb der kommunalen Klimapolitik zugewiesen wird. In Dresden spielt die Bevölkerung bislang in der städtischen Klimapolitik eine sehr geringe Rolle. Einerseits dominiert ein Bild, was die Bürger*innen als wenig an Klimafragen interessiert erscheinen lässt. Städtische Akteur*innen gehen stattdessen davon aus, dass Bürger*innen die Verantwortung für die Umsetzung klimapolitischer Ziele in erster Linie bei der Verwaltung und der Politik sehen. Andererseits wird den Bürger*innen aber auch nur ein geringes Handlungspotenzial im kommunalen Klimaschutz zugeschrieben. In Münster dagegen gelten Bürger*innen im Klimaschutz als aktiv und interessiert. Dieses Bild des besonders umweltfreundlichen und engagierten Bürgers knüpft damit auch an das Erzählmuster der Stadt als ›Vorreiterin‹ im Klimaschutz an. In diesem Sinne wird Strategien, die die Bürger*innen zu klimawandelsensiblem Handeln anleiten sollen, in der Stadtentwicklungspolitik ein zentraler Stellenwert beigemessen. 3) Regierungstechnologien: Die Analysen haben gezeigt, dass es eine große Bandbreite an gouvernementalen Regierungstechnologien gibt, mit denen Klimapolitiken innerhalb der Gesellschaft normiert und normalisiert werden sollen. Diese Regierungstechnologien werden auf unterschiedlichen politischen Entscheidungsebenen formuliert. So gibt es z.B. europäische Zertifizierungsverfahren wie den »European Energy Award«, bundespolitische Anreizmechanismen wie die Städtebauförderung und es bestehen kommunal initiierte Regierungstechnologien wie die Kampagne »Münster packt ’s«. Die folgende Tabelle (Tab. 8) gibt eine Übersicht klimapolitischer gouvernementaler Regierungstechnologien, ohne dabei den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.
Klimapolitiken | 205
Tabelle 8: Formen und Herkunft gouvernementaler Regierungstechnologien in der Klimapolitik
EU (Parlament)
• •
Bund (Bundesministerien)
•
• • Kommunen (Stadtrat)
•
•
Technologien der Agency (Handlungsfähigkeit/ Empowerment) Europäische Förderprogramme (Strukturfonds) Finanzielle Förderungen Nationale Städtebauförderung KfW-Förderprogramme Informationen/Beratungen Berichte/Konzepte/ Kampagnen Handlungsleitfäden Konferenzen/Workshops Finanzielle Förderungen kommunale Förderungen Informationen/Beratungen Berichte/Konzepte/ Kampagnen Handlungsleitfäden Konferenzen/Workshops
Technologien der Performanz (Vergleichbarkeit/ Kalkulierbarkeit) • Zertifizierungsverfahren • Benchmark kommunaler Klimaschutz • Wettbewerbe • Best Practices/ Modellprojekte
• Wettbewerbe • Best Practices/ Modellprojekte
Quelle: eigene Darstellung
Technologien der Agency zielen darauf ab, die Kapazitäten und Möglichkeiten des Handelns zu steigern, sodass es wahrscheinlicher wird, dass Individuen und Institutionen sich an der Umsetzung klimapolitischer Ziele und Strategien beteiligen und politischen Entscheidungen zustimmen. Technologien der Performanz folgen der Logik, die Fähigkeiten von Individuen oder Institutionen vergleichbar und kalkulierbar zu machen. Mit Blick auf beide Städte wird deutlich, dass sich die Akteur*innen in Dresden und Münster verschieden zwischen diesen Regierungstechniken positionieren und damit unterschiedliche Handlungspraktiken in der Stadtentwicklung wirkmächtig werden. Während in Münster die Aktivierung und Ansprache der Bevölkerung im Mittelpunkt städtischer Klimapolitik steht, spielt dies in Dresden bislang eine untergeordnete Rolle. Zwar gibt es Angebote, mit denen sich Bürger*innen über
206 | Klimapolitik in der Stadtentwicklung
umwelt- und klimarelevante Themen informieren können und auch vereinzelt Kampagnen wie das »Stadtradeln« oder Wettbewerbe wie »Entente Florale«, mit denen die Stadtgesellschaft hinsichtlich eines umweltbewussten Handelns sensibilisiert werden soll. Doch positionieren sich städtische Akteur*innen gegenüber Wettbewerben oder der Erstellung von Best Practices allgemein sehr zurückhaltend. Während solche Anreizmechanismen aus einer neoliberalen Logik als Strategien bewertet werden, mit der die Verantwortung vom Staat in die Gesellschaft hinein verlagert wird, werden diese in Dresden dagegen teilweise als »Staatskampagnen« (SPD Dresden, 18.10.16) und damit als staatliche Bevormundungen wahrgenommen. Der Fokus klimapolitischer Maßnahmen in Dresden liegt stattdessen auf dem Ausbau und der ›Begrünung‹ des Fernwärmenetzes durch das Einspeisen erneuerbarer Energien. Darüber hinaus zeigen die Analysen, dass die bestehenden Regierungstechnologien nicht nur konkrete Handlungspraktiken der Umsetzung klimapolitischer Ziele steuern, sondern ebenso die Mobilisierung und die Zirkulation von politischen Modellen und Strategien. Gerade Konferenzen, aber auch Workshops oder Runde Tische werden häufig auch bei Förderprogrammen von den Mittelempfänger*innen eingefordert, um im internationalen oder deutschlandweiten Wissens- und Erfahrungsaustausch mit anderen Kommunen über durchgeführte Projekte, die Ergebnisse zu verbreiten. Auch Forschungsprogramme setzen oftmals eine regionen- und grenzüberschreitende Kooperation zwischen den Akteur*innen voraus und erwarten, dass diese ihre Projektergebnisse auf Konferenzen und Tagungen sowie in Berichten präsentieren bzw. entsprechende Veranstaltungen selbst durchführen. Insbesondere bei der Durchführung von Modellprojekten fordert die Bundesregierung, diese »bezüglich ihrem Vorbildcharakter zu präsentieren, um Anreize für eine breitenwirksame Umsetzung zu schaffen« (BMVBS 2001, XI). Damit wird deutlich, dass die Bundesregierung gerade finanzielle Steuerungsmechanismen der Bundesregierung dazu verwendet, vorherrschende Normen und Werte um Stadtentwicklung und Klimawandel zu verbreiten und auf diese Weise zu festigen. Solche Techniken der Verstetigung können einerseits dazu beitragen, dass bestimmte Sichtweisen als normale Realität angenommen und kaum noch hinterfragt werden. Gleichzeitig werden durch die Strategien der Kommunikation und Kooperation aber auch Kommunikationsräume hergestellt, in denen Wissen und Vorstellungen über Klimapolitik kritisch diskutiert, infrage gestellt und damit Ziele und Strategie auch wieder verändert werden.
7
Fazit und Ausblick
Deutschland hat sich als EU-Mitgliedstaat und Unterzeichner des KyotoProtokolls verpflichtet, die internationalen Klimaziele in nationale Programme umzusetzen. Dabei sieht sich die Bundesregierung in einer Vorreiterrolle und schreibt sich selbst eine besondere Verantwortung gegenüber dem Klimaschutz zu (BMUB 2016, 7). In den letzten Jahren sind zahlreiche strategische und rechtliche Instrumente wie Gesetze und Modellprojekte sowie verschiedene ökonomische Anreize wie Förderprogramme und Steuervergünstigungen entstanden, um Klimaziele in konkrete Maßnahmen umzusetzen. Dennoch konstatiert das Umweltbundesamt in einem Diskussionsbeitrag zum Klimaschutzplan 2050: »Die bisher beschlossenen und eingeleiteten Maßnahmen und Instrumente werden voraussichtlich nicht genügen, um das deutsche 40 %-THG [Treibhausgas]Minderungsziel bis 2020 zu erreichen. Um dieses Zwischenziel, insbesondere aber ein ambitioniertes Langfristziel zu erreichen, müssen anspruchsvollere klimapolitische Entscheidungen getroffen und erfolgreich umgesetzt werden« (UBA 2016b, 6). Städten wird bei der Umsetzung klimapolitischer Ziele »eine Schlüsselfunktion« (WBGU 2011, 14) attestiert. Dennoch gilt Klimaschutz »nicht als Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge« (BMUB 2016, 77), sondern als freiwillige Aufgabe kommunaler Politik. Zwar mahnte bereits 2009 das Bundesministerium für Städtebau, »[d]er Ruf geht jetzt also an die Städte« (BMVBS 2009b, 13). Seither hat die Bundesregierung Gesetze erlassen, die insbesondere die energetischen Anforderungen im Bausektor regulieren. Doch verbindliche Vorgaben im Baugesetzbuch als Grundlage der kommunalen Stadtentwicklung und eine deutliche Priorisierung des Klimaschutzes als kommunale Pflichtaufgabe haben bislang nicht stattgefunden. Auch der aktuelle Klimaschutzplan der Bundesregierung bis 2050 sieht lediglich vor, zu »prüfen, auf welche Weise es gelingen kann, dem Klimaschutz auch auf regionaler und lokaler Ebene noch ein höheres Gewicht zukommen zu lassen und wie die Kommunen bei eigenen Klimaschutzaktivitäten gestärkt werden können« (BMUB 2016, 77). Während also
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einerseits ambitionierte politische Klimaziele gesetzt wurden, besteht in vielen Städten weiterhin ein »Umsetzungsmanko« (Difu 2011, 70) im Klimaschutz. Die zahlreichen Best Practice-Beispiele und Leitfäden der Bundesregierung suggerieren zwar, dass erfolgreiche Klimapolitik allein durch Nachahmung und einfache Schritte zu erreichen sei, und auch die Internetseiten der Städte vermitteln mit zahlreichen Hinweisen auf Klimaschutzaktivitäten den Eindruck, die Städte in Deutschland seien äußerst aktiv im Klimaschutz bzw. der Klimaanapassung. In der Praxis lassen sich jedoch deutliche Diskrepanzen zwischen diskursiv formulierten politischen Leitlinien und tatsächlichen Handlungspraktiken feststellen. Dieses Spannungsverhältnis war Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit. Anknüpfend an die These, dass Strategien und Handlungsleitfäden nicht eins-zu-eins in Städte übertragen werden, stand folgende Leitfrage im Mittelpunkt der Analyse: Wie lässt sich erklären, dass klimapolitische Ziele und Maßnahmen trotz vordergründiger Zustimmung in städtischen Kontexten so unterschiedlich umgesetzt werden? Die Arbeit leistete damit drei wichtige Beiträge für die Debatten zum Umgang mit Klimapolitiken in Städten: Konzeptionell basiert die Arbeit auf dem theoretischen Rahmen der Diskursund Gouvernementalitätstheorie Foucaults sowie Konzepten der Urban Policy Mobility-Forschung. Damit wurde eine eigenständige, bislang wenig angewandte Herangehensweise entwickelt, um die Diskrepanzen zwischen politischen Zielvorstellungen und konkreten Entscheidungs- und Handlungspraktiken der Stadtentwicklung und Planung zu untersuchen. Bislang wurden Fragen der Implementierung von Klimazielen vor allem in anwendungsbezogenen und normativ ausgerichteten Governance-Studien bearbeitet. Diese adressieren die Fragen, wie die Steuerung und Organisation klimastrategischer Maßnahmen optimiert werden könnten. Im Gegensatz dazu erlaubt es dieser Zugang, die Unterschiede und Konflikte im Umgang mit Klimapolitiken in den Blick zu nehmen und die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Rationalitäten und Vorstellungen von Klimazielen, kontextspezifischen Problematisierungen der Stadtentwicklung und Formen der Fremd- und Selbststeuerung zu analysieren (vgl. Kap. 3). Die vorliegende Arbeit leistet damit auch einen theoretischen Beitrag zur Operationalisierung von Ansätzen der Urban Policy Mobility-Forschung. Obwohl diese Arbeiten bereits teilweise Begriffe der Diskurs- und Gouvernementalitätstheorie verwenden, findet eine differenzierte konzeptionelle Auseinandersetzung damit bislang kaum statt (für empirische Anwendungen siehe bspw. Robinson 2011; Söderström 2013). Der hier angewandte theoretische Rahmen betont, dass Politiken nicht nur vor Ort oder auf einer Maßstabsebene entstehen, sondern in unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Kontexten her-
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vorgebracht werden. Doch werden Politiken nicht einfach von einem Ort zum anderen transferiert, sondern als Bestandteil gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse verändern sie sich »entlang ihres Weges« (McCann 2011, 31). Durch die Verknüpfung mit Diskurs- und Gouvernementalitätstheorien war es möglich, diese Aushandlungsprozesse um Klima- und Stadtpolitiken in den Blick zu nehmen. Die unterschiedlichen Bewertungen von (Klima-)politiken konnten damit als Ergebnis kontextspezifischer, konkurrierender Wissensordnungen und daraus resultierender Machtbeziehungen erklärt werden (vgl. auch Mattissek und Sturm 2017). Methodisch operationalisiert die Arbeit die Frage der unterschiedlichen Umsetzung klimapolitischer Ziele durch eine Kombination aus quantitativen und qualitativen Verfahren der Diskursanalyse. Mit Blick auf bundes- und kommunalpolitische Diskurse der Stadtentwicklung zeigten quantitative Methoden der Korpuslinguistik, wie Bedeutungen und Wissen um Klimawandel über den Zeitraum von 1997 bis 2015 hergestellt wurden, wie sich dies in den einzelnen Kontexten unterscheidet und über die Zeit verändert hat. Auf der Ebene einzelner Äußerungen von Stadträt*innen und Mitarbeiter*innen der Stadtplanung und Umweltverwaltung in Expert*inneninterviews konnte die Aussagenanalyse die Heterogenität und Konflikthaftigkeit der Debatten um Klimawandel in den Blick nehmen und die Umkämpftheit von Sichtweisen zwischen sowie innerhalb der kommunalpolitischen Kontexte untersuchen. Fallbeispiele waren dafür die Städte Münster und Dresden. Als Dienstleistungsstädte mit einer wachsenden Bevölkerung weisen beide strukturelle Gemeinsamkeiten auf. In Bezug auf den Umgang mit den bundespolitischen Klimazielen zeigen sie jedoch deutliche Unterschiede (vgl. Kap. 4 und 5). Empirisch haben die Analysen gezeigt, dass bundespolitische Klimaziele und Strategien nicht eins-zu-eins in kommunale Politik umgesetzt werden. Am Beispiel von Münster und Dresden wurde herausgearbeitet, dass erstens kontextspezifische Problematisierungen in den jeweiligen Städten im Vordergrund stehen; dass zweitens städtische Akteur*innen ihre jeweiligen Handlungsräume innerhalb der kommunalen Klimapolitik unterschiedlich wahrnehmen. Drittens positionieren sie sich unterschiedlich gegenüber den Praktiken des Regierens (vgl. Kap. 6). Diese Ergebnisse werden im Folgenden in den Mittelpunkt gerückt und mit daran anknüpfenden Fragen für zukünftige Forschungen verbunden.
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7.1 KLIMAWANDEL IM SPANNUNGSFELD VON BUNDES- UND STADTPOLITIK Wissensordnungen und Problematisierungen Die Arbeit hat gezeigt, dass sich Wissensordnungen und Problematisierungen um Klimawandel und Stadtentwicklung in den unterschiedlichen Kontexten unterscheiden und dass sich diese im Laufe der Zeit verändern. Dabei ist deutlich geworden, dass sich ›Klima‹ als eigenes politisches Handlungsfeld innerhalb der Stadtentwicklungsdebatten aus dem Themenfeld ›Umwelt‹ differenziert hat. Während in den bundespolitischen Debatten Ende der 1990er Jahre in erster Linie über lokale Emissionen und Schadstoffbelastungen gesprochen wurde, trat ab 2007 der Begriff ›Klimawandel‹ neu in den Diskurs ein. Damit einher ging zum einen eine Verschiebung in der Perspektive vom Lokalen zum Globalen. Das heißt, es ging nicht mehr nur um Fragen lokaler Umweltverschmutzungen, sondern um Fragen der Verantwortung für globale Klimaveränderungen, aber auch um globale Rohstoffsicherheit und politische Unabhängigkeit von anderen Staaten. Zum anderen ist eine Dramatisierung in den diskursiven Bedeutungszuschreibungen von Klimaveränderungen erkennbar. Thematisiert wurden kaum mehr die Belastungen von Schadstoffen, sondern die Risiken, die mit dem Klimawandel für die Gesellschaft verbunden seien. An diese Verschiebungen in den Problematisierungen knüpfte die Bundesregierung unterschiedliche Strategien, um die veränderten Sichtweisen in konkrete Praktiken der Stadtentwicklung umzusetzen. Diese zeigten sich sowohl darin, städtische Entscheidungsträger*innen und Bürger*innen verstärkt als aktive und verantwortliche Akteur*innen zu adressieren als auch in unterschiedlichen Formen der Steuerung, um klimapolitische Maßnahmen zu initiieren und Akteur*innen zu einem ›klimawandelgerechten‹ Verhalten anzuleiten. Sichtbar geworden sind somit insbesondere die Wechselwirkungen zwischen den sich ändernden Wissensordnungen um Umwelt und Klima, den Problematisierungen des Klimawandels als Risiko sowie den daran anknüpfenden Techniken, mit denen das Handlungsfeld des Klimawandels bearbeitet werden soll. Mit Blick auf die untersuchten Städte Münster und Dresden ist deutlich geworden, dass internationale und bundespolitische Diskurse für die kommunalen Aushandlungsprozesse um Klima eine wichtige Rolle spielen. Vorstellungen um Bedeutung und Relevanz klimapolitischer Ziele und Strategien knüpfen darüber hinaus auch an kontextspezifische Problematisierungen an, aus denen unterschiedliche klimapolitische Entscheidungs- und Handlungspraktiken hervorgehen. Während in den Stadtentwicklungsdebatten der Bundesregierung Klimawandel ab 2007 als Handlungsfeld in den Vordergrund rückte, geschah dies in
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Münster bereits Ende der 1990er Jahre. Anknüpfend an ein starkes umweltpolitisches Engagement der Gesellschaft entwickelte sich der Klimawandel dort in den folgenden Jahren parteiübergreifend zu einem anerkannten Handlungsfeld der Stadtentwicklung. Die Dynamiken um das Jahr 2007 bewirkten, dass sich Klimapolitik noch stärker als wichtiger Baustein der kommunalen Image- und Standortpolitik manifestierte. Während in den 1990er Jahren zunächst insbesondere die Reduktion von Treibhausgasen im Vordergrund stand, um das globale Klima zu schützen, rückte nun zunehmend das Ziel in den Vordergrund, sich durch die Zuschreibung als aktive Klimaschutzkommune gegenüber anderen Städten abzugrenzen und zu positionieren. Im Gegensatz dazu haben politische Entscheidungsträger*innen in Dresden dem globalen Klimawandel zunächst kaum Bedeutung beigemessen. Im Vordergrund standen stattdessen lokale Boden-, Wasser- und Luftverschmutzungen, die als prioritär zu lösende Umweltprobleme deklariert wurden. Diese Probleme vor Ort sowie allgemein die Transformationsprozesse der 1990er Jahre führen städtische Akteur*innen als wichtiges Begründungsmuster an. Damit argumentieren sie, dass Herausforderungen jenseits der eigenen kommunalen ›Probleme‹ zunächst keine Rolle spielen konnten. Ein weiteres Argumentationsmuster zeigt sich in der Bewertung des globalen Klimawandels als ›abstraktes‹ und ›lebensfernes‹ Phänomen, womit im Gegensatz dazu städtische Akteur*innen den lokalen Umweltschutz als greifbarer und relevanter erachten. Die Herausdifferenzierung des Klimawandels als eigenständiges Politikfeld findet in Dresden erst in jüngster Vergangenheit statt (vgl. Kap. 6.2). Die genealogische Perspektive hat vor allem die Veränderungen von Bedeutungsmustern um Klima bzw. Klimapolitik sichtbar gemacht und verdeutlicht, dass die Unterschiedlichkeit von Denkweisen und Problematisierungen erst vor dem Hintergrund der jeweiligen historischen Entwicklungspfade, gesellschaftlichen Machtverhältnissen, Institutionen und Praktiken verstanden werden kann. Um die jeweiligen politischen Entscheidungen und Handlungspraktiken zu begründen und in einen zeitlichen und räumlichen Kontext zu bringen, spielen für städtische Akteur*innen sowohl in Münster als auch in Dresden Narrative historischer Entwicklungen eine wichtige Rolle. In diesen Narrativen kommt v. a. den unterschiedlichen politischen Sozialisationen der Stadtgesellschaften eine zentrale Bedeutung zu, um Differenzen in der Relevanz des globalen Klimawandels oder die unterschiedlichen Rollen von Bürger*innen innerhalb der Kommunalpolitik zu erklären. So wird darauf verwiesen, dass sich im demokratisch geprägten Münster der BRD in den 1980er Jahren ein starkes gesellschaftliches Engagement entwickelte, was als wesentliche Grundlage für heutige gesellschaftliche Initiativen bewertet wird. In Dresden dagegen erklären städtische Akteur*innen,
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dass Umweltpolitik in dieser Zeit faktisch nur auf dem Papier stattfand und gesellschaftliches Engagement für Umweltschutz im diktatorisch ausgerichteten Regime der DDR öffentlich kaum möglich war. Rollen- und Verantwortungszuschreibungen Die Analysen verdeutlichten in den jeweiligen Kontexten zudem Unterschiede in den Rollen- und Verantwortungszuschreibungen. In den bundespolitischen Dokumenten wird dem Bund in erster Linie die Rolle als Kommunikationsplattform zugeschrieben, die aktuelle Trends thematisiert und Akteur*innen zusammenbringt. Die Verantwortung der Umsetzung klimapolitischer Ziele schreibt das Bundesministerium für Städtebau (BMVBS) hingegen vor allem städtischen Akteur*innen und Bürger*innen zu. Daran knüpfte die Frage an, wie sich insbesondere die städtischen Entscheidungsträger*innen gegenüber diesen Rollenzuschreibungen positionieren und wie sie selbst ihre Handlungsspielräume innerhalb von Verwaltung und Politik wahrnehmen. In Münster und Dresden stimmen die städtischen Akteur*innen grundsätzlich zu, dass in den Kommunen Klimaschutz- bzw. Klimaanpassungsmaßnahmen umzusetzen seien. Gleichzeitig nehmen sie jedoch auch deutliche Grenzen in den konkreten Handlungsspielräumen von Kommunalpolitik und Verwaltung wahr. In den Begründungen dafür verweisen sie auf fehlende gesetzliche Regularien, die es ermöglichen könnten, auch gegen Widerstand Klimaziele durchzusetzen. Sie betonen die Begrenztheit finanzieller Mittel, da diese auf zahlreiche städtische Handlungsfelder verteilt werden müssten. Die Verantwortung für einen gelingenden Klimaschutz geben städtische Akteur*innen der Politik und Verwaltung somit in Teilen wieder an die Bundesregierung zurück, die für die entsprechenden Rahmenbedingungen Sorge tragen solle. Kommunale Akteur*innen bringen aber auch strukturelle Grenzen an, die sich insbesondere aus konkreten Vorschriften und unterschiedlichen Handlungsbefugnissen in den jeweiligen Zuständigkeitsbereichen von Politik und Verwaltung ergeben. Dabei werden auch hier die komplexen Beziehungen zu anderen Maßstabsebenen deutlich. Denn für die Umsetzung klimapolitischer Ziele spielt es nicht nur eine Rolle, welche Relevanz kommunale Akteur*innen klimapolitischen Strategien beimessen. Ebenso folgenreich ist es, welche Priorität dem Klimawandel innerhalb der Bundes- und der Landespolitik zukommt und wie dies in den jeweiligen Praktiken des Regierens wie z.B. in finanziellen Förderinstrumenten Eingang findet (vgl. Kap. 6.3). Deutliche Unterschiede zwischen den Städten zeigen sich insbesondere in zwei Punkten: Zum einen sehen politische Entscheidungsträger*innen in Dresden die Verantwortlichkeiten für den Klimaschutz bislang in erster Linie beim Bund bzw. der internationalen Staatengemeinschaft; eigene Handlungspotenziale
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gelten insgesamt als begrenzt. In Münster dagegen ist das Thema Klimaschutz so etabliert, dass politische Akteur*innen kommunale Handlungspotenziale kaum infrage stellen. Zum anderen zeigen sich unterschiedliche Vorstellungen in Bezug auf die Rolle der Bürger*innen. Im Gegensatz zu Dresden wird in Münster die Bevölkerung als im Klimaschutz aktiv und engagiert charakterisiert und städtische Entscheidungsträger*innen schreiben den Münsteraner Bürger*innen eine aktive und verantwortliche Rolle im Klimaschutz zu. In Dresden dagegen attestieren sie der Bevölkerung wenig Handlungsmöglichkeiten innerhalb der kommunalen Klimapolitik. Regierungstechnologien Daran knüpfte die Frage an, wie städtische Entscheidungsträger*innen die bestehenden Wissensordnungen um Klimawandel in konkrete Praktiken des Regierens umsetzen. Der Blick auf die bundespolitischen Debatten zeigte hier, dass die Bundesregierung gesetzliche Regularien geschaffen hat, die insbesondere energietechnische Aspekte wie die Energieverbrauchsstandards bei Gebäudeneubauten regulieren. Aus einer gouvernementalitätstheoretischen Perspektive zeigen sich jedoch vor allem gouvernementale Regierungstechniken, die Individuen nicht durch äußere Zwänge zu einem bestimmten Handeln bewegen sollen, sondern dadurch anleiten, dass bestimmte Vorstellungen um Klimawandel und Stadtentwicklung normalisiert und zu selbstverständlich erscheinenden Grundlagen des Handelns werden. Zum einen erfolgt dies durch Techniken der Agency (vgl. Kap. 6.4.1), die die Kapazitäten und Möglichkeiten des Handelns steigern sollen, sodass es wahrscheinlicher wird, dass städtische Akteur*innen und Bürger*innen sich an der Umsetzung klimapolitischer Ziele und Strategien beteiligen und politischen Entscheidungen zustimmen. In der deutschen Klimapolitik gehören insbesondere die zahlreichen Informationsangebote durch Berichte oder Handlungsleitfäden, Energieberatungen und Klimakampagnen dazu. Aber auch die Bereitstellung finanzieller Fördergelder zur Durchführung von Maßnahmen des Klimaschutzes oder der Klimaanpassung und Veranstaltungen, auf denen der Umgang mit den Klimazielen in Städten thematisiert wird, sollen dazu beitragen, informierte und wissende Akteur*innen im Klimaschutz hervorzubringen. Im Vordergrund steht hier also das ›Empowerment‹ der Bevölkerung. Darüber hinaus gibt es Techniken der Performanz, mit denen das Handeln der städtischen Akteur*innen vergleichbar und kalkulierbar gemacht wird (vgl. Kap. 6.4.2). Hierzu gehören Best Practices und Wettbewerbe, die städtische Klimaschutzpolitiken miteinander vergleichen und Zertifizierungsverfahren, die klimapolitische Aktivitäten anhand von Benchmarks bewerten.
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Insgesamt verweisen die zahlreichen Techniken der Individualisierung und Responsibilisierung auf eine Zunahme neoliberaler Praktiken der Klimapolitik (vgl. Kap. 6.4). Damit soll die Bevölkerung fossile Energieträger zwar effizienter nutzen, dennoch werden sie als Grundlage städtischer Infrastrukturen nicht infrage gestellt (Bauriedl 2018, 265). Doch zeigen die Analysen der Fallstädte Münster und Dresden, dass sich städtische Akteur*innen sehr unterschiedlich neoliberalen Regierungstechniken gegenüber positionieren. So gibt es in Münster zahlreiche Kampagnen, kommunale Fördergelder und Beratungen, mit denen die Bürger*innen als ›verantwortliche‹ Akteur*innen im Klimaschutz angesprochen werden. Die Aktivierung der ›Eigenverantwortung‹ gilt als zentrales Instrument der kommunalen Klimapolitik. In Dresden dagegen überwiegt eine deutliche Skepsis gegenüber solchen gouvernementalen Techniken. Der Fokus liegt dort stattdessen auf der Gestaltung technischer Systeme wie dem Fernwärmenetz. Diese Priorisierung technischer Lösungen begründen städtische Akteur*innen ebenfalls mit Verweisen auf historische Entwicklungen. Denn im Gegensatz zu Münster bzw. allgemein westdeutschen Städten gab es in der damaligen DDR in den 1970er Jahren politische Entscheidungen, die den umfangreichen Bau von Fernwärmenetzen anordneten. Der Ausbau dieser energietechnischen Infrastrukturen wird als zentrale Strategie der kommunalen Klimapolitik in Dresden bewertet. Aufgrund der angenommenen großen Wirkung für die Reduktion von CO2-Emissionen werden deshalb andere Strategien, mit denen insbesondere Bürger*innen in ihrem Verhalten angeleitet werden, als weniger relevant erachtet. Wenngleich historische Entwicklungspfade keinesfalls heutige politische Entscheidungen determinieren, so wird dennoch deutlich, dass politische Praktiken auch an vergangene Entscheidungen und Ereignisse anknüpfen. Die Analysen der kommunalen Klimapolitiken haben auch gezeigt, dass es in beiden Städten in der Politik ebenso wie in den Verwaltungen unterschiedliche Formen widerständiger und ablehnender Praktiken gibt. Diese richten sich gegen bestehende kommunalpolitische Strategien – um einerseits Ziele im Sinne der bundespolitischen Klimapolitik durchzusetzen, andererseits aber auch um die Umsetzung dieser Ziele zu blockieren. Solche Formen des Widerstands zeigen sich in subtilen Praktiken, in denen z.B. politische Beschlüsse auf einer Verwaltungsablage liegen geblieben sind, anstatt bearbeitet zu werden. Widerstand zeigte sich in der Dresdner Umweltverwaltung im Beharrungsvermögen und im Festhalten an Vorstellungen von Klimaschutz, die den dominierenden, den Klimawandel als wenig relevant erachtenden politischen Denkweisen entgegenstanden. Widerstand wurde aber auch sichtbar in der Initiierung von Kommunikationsräumen, in denen explizit klimaskeptische Sichtweisen in den Vordergrund
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gerückt und sowohl bundespolitische Klimaziele als auch -strategien abgelehnt wurden. Wenngleich die einzelnen Praktiken unterschiedliche Zielrichtungen ablehnen – entweder die als zu sehr oder die als zu wenig ambitioniert wahrgenommenen Klimaziele und Regierungstechniken – so folgen sie dennoch dem gemeinsamen Wunsch danach, »not to be governed like that, by that, in the name of those principles, with such and such an objective in mind and by means of such procedures, not like that, not for that, not by them« (Foucault 2007, 44).
7.2 STÄDTISCHE KLIMAPOLITIKEN IM KONTEXT NEOLIBERALER PRAKTIKEN Im Mittelpunkt dieser Arbeit stand die Frage, wie sich die teils grundlegenden Unterschiede in der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen in den städtischen Kontexten untersuchen und erklären lassen. Die Ergebnisse zeigen, dass die bestehenden Rationalitäten in den bundes- und in den kommunalpolitischen Kontexten auch an Debatten um die Neoliberalisierung von Klimapolitik anknüpfen. Im Mittelpunkt dieser Debatten steht die Kritik, dass es neben dem Klimaschutz vor allem um die »Konservierung von Wirtschafts- und Wohlstandsmodellen« (Bauriedl 2016, 11) geht. Auch die hier beobachteten klimastrategischen Stadtpolitiken folgen der Logik, Maßnahmen des Klimaschutzes in die bestehenden ökonomischen Mechanismen einzubetten, anstatt diese infrage zu stellen. Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden mit Blick auf anknüpfende Diskussionen drei Aspekte hervorgehoben. Dabei geht es erstens um die Kritik der zunehmenden Individualisierung und Responsibilisierung klimapolitischer Strategien; zweitens um die Kritik an der Dominanz technischer Lösungen. Drittens wird der Fokus auf die aufkommenden Debatten um Suffizienz gerichtet und auch diese im Kontext neoliberaler Denkweisen kritisiert. 1) Formen der Subjektivierung, die das Individuum in seinem Verhalten, seinen Denkweisen und Identitätszuschreibungen so formen, dass es sich im Sinne der vorherrschenden klimapolitischen Normen selbst führt, gelten in den theoretischen Debatten als charakteristisch für neoliberale Politiken (vgl. Kap. 6.4). So argumentieren bspw. Paterson und Stripple: »To operate by shaping and producing individuals as particular types of subjects (managing their carbon budgets, etc.) is precisely how power operates in neoliberalism« (2010, 359). Kritisiert wird, dass Subjekte scheinbar ›frei‹ in ihren Entscheidungen seien, sollen sie doch lediglich darüber informiert werden, wie z.B. bewusster mit Ressourcen umgegangen werden könne und welche Vorteile dies auch für sie hätte. Doch steuern und beschränken diese Techniken genau diese Freiheiten, indem Bür-
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ger*innen aufgefordert werden, ihren Lebensstil, ihre Konsumpräferenzen explizit im Sinne der jeweiligen klimapolitischen Sichtweisen zu gestalten. Die Responsibilisierung der Bevölkerung wird dabei als Ausdruck einer spezifischen Art des Regierens verstanden, nämlich als Form einer »grünen Gouvernementalität« (vgl. Bäckstrand und Lövbrand 2006; Rutherford 2007), mit der »environmental citizens« (Agrawal 2005) bzw. »green citizens« (Hobson 2013, 60) hervorgebracht werden sollen – Bürger*innen, die sich ressourcenschonend und CO2-einsparend verhalten. Daran anknüpfend sprechen Paterson und Stripple mit Blick auf den Klimawandel vom »conduct of carbon conduct«, wodurch Handlungen, mit denen CO2-Emissionen eingespart werden, wahrscheinlicher werden sollen als andere. Gemeint ist damit eine Art der Regierung, die durch bestimmte Formen des Wissens (z.B. um den CO2-Ausstoß), durch Technologien (z.B. Leitfäden, Beratungen), die zum Einsparen von Emissionen anleiten und einer bestimmten normativen Setzung, mit der ein »low-carbon lifestyle« als etwas Wünschenswertes deklariert wird, hervorgebracht wird (Paterson und Stripple 2010, 347). Dabei kritisieren sie, dass einerseits in den zahlreichen Debatten um Klimawandel betont wird, dieser sei ein ernstzunehmendes Phänomen und es müsse gehandelt werden. Andererseits suggerieren diese Weisen des Regierens, dass nur die »individuelle Trägheit und unzureichende kognitive Kompetenzen« (Bröckling 2017, 190) der Individuen es seien, die einer nachhaltigen Entwicklung entgegenstehen, nicht aber das auf permanentes Wachstum ausgerichtete Wirtschaftssystem selbst. 2) Doch nicht nur an Strategien der Individualisierung und Responsibilisierung knüpfen kritische Debatten an, sondern auch an die starke Fokussierung auf technische Lösungen im Klimawandel. So konstatiert Bauriedl, dass die Klimadebatte gekennzeichnet ist durch ein »modernisierungstheoretische[s] Entwicklungsparadigma, dessen Fortschrittsideal und Technologieoptimismus aus der Frühzeit der Industrialisierung stammen« (2015, 18). Dieser Logik folgend ist die Vision einer dekarbonisierten Wirtschaftsweise durch technologische Innovationen umsetzbar. Der Klimaschutz wird dabei argumentativ an das Versprechen positiver Effekte für Wertschöpfung gebunden – Ressourcenschonung und Wirtschaftswachstum sind dieser Sichtweise zufolge entkoppelt. Die Kritik an der einseitigen Ausrichtung des Klimaschutzes »as a purely technical matter of proper planning and design« (Braun 2005, 637) erfolgt auch deshalb, weil diese Entkoppelungsthese nicht belegt werden kann (Bauriedl 2015, 18). Auch in Münster als Fahrradstadt soll zukünftig der Anteil von E-Bikes deutlich zunehmen, um die hohe Anzahl an PKWs in der Stadt zu ersetzen. Was dabei nicht diskutiert wird, ist, dass der Ressourcenverbrauch, z.B. beim Abbau von Rohstoffen für die benötigten Batterien, lediglich in andere Länder verlagert
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wird. Das heißt, solche Maßnahmen reduzieren zwar tendenziell den CO2Ausstoß vor Ort, entlang der globalen Produktionskette bleiben die Umweltprobleme jedoch unverändert bestehen. Vor diesem Hintergrund erscheinen auch Wettbewerbe um die ›grünere‹ oder die ›klimafreundlichere‹ Stadt als Regierungstechnik im Klimawandel fraglich, sind doch Entscheidungs- und Handlungspraktiken vor Ort immer auch eingebettet in die globalen Prozesse des Abbaus von Rohstoffen, der Herstellung von Gütern und deren Transport. Debatten um die Verteilungsgerechtigkeit von Umweltbelastungen und den Konsequenzen von lokalen Emissionsreduktionszielen für andere Orte sind jedoch auch im Kontext der untersuchten Diskurse um Stadt- und Klimapolitik bislang nicht zu beobachten. 3) Vor dem Hintergrund der Kritik an der starken Ausrichtung technischorientierter Lösungen werden zunehmend Forderungen lauter, auch Aspekte wie Lebensstilveränderungen z.B. im Hinblick auf das Mobilitäts- und Konsumverhalten stärker in den Vordergrund der Debatten um klimapolitische Strategien zu rücken. Tatsächlich beginnen auch im Kontext der Stadtentwicklungen von Dresden und Münster entsprechende (erste) Diskussionen sichtbar zu werden (vgl. auch Kap. 6.4.1). So gibt es z.B. im aktuellen Konzept »Münster Klimaschutz 2050« (2017) erstmals ein eigenes Kapitel zum »[k]limaschonende[n] Lebensstil und Suffizienz« (ebd. 2017, 141). Dabei geht es darum, nicht mehr nur durch technische Lösungen den Ausstoß an Treibhausgasen zu reduzieren, sondern stattdessen die individuelle Lebensweise auf ein »klima- und ressourcenschonendes Verhalten« (ebd. 2017, 142) hin zu prüfen. Mit Blick auf den Wandel diskursiver Zuschreibungen um Klimawandel fallen dabei insbesondere zwei Aspekte auf: Ende der 1980er Jahre begannen sich mit dem BrundtlandBericht normative Werte um Umwelt von wachstumskritischen Sichtweisen hin zu marktkonformen und technologieorientierten Maßnahmen zu verschieben und eine neoliberale Logik der Optimierung und Effizienzsteigerung begann sich durchzusetzen. 30 Jahre später werden aktuell erneut diskursive Verschiebungen sichtbar. Zwar dominiert immer noch eine ökonomisch ausgerichtete Denkweise, doch beginnen andere normative Debatten wieder in den Vordergrund zu treten, in denen nun wieder stärker die eigene Lebensweise hinterfragt wird. Allerdings können diese Verschiebungen auch kritisch betrachtet werden: Sowohl in Dresden als auch in Münster werden in erster Linie die Verhaltensund Lebensweisen der Bürger*innen angesprochen; die Wirtschaftsweisen des Staates bleiben weiterhin außen vor. So heißt es: »Die Suffizienzstrategie für Münster setzt darauf, die Entscheidungsfreiheit der Bürger zu akzeptieren und sie über positiven Nutzen und konkrete Handlungsangebote zu einem bewussteren Umgang mit Ressourcen zu aktivieren« (Stadt Münster 2017, 141). Das
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heißt, auf der einen Seite werden Lösungen im Klimawandel zwar nicht mehr nur in einer effizienteren Gestaltung der Technik gesehen. Auf der anderen Seite fügt sich jedoch diese Strategie ebenso in eine neoliberale Denkweise ein. Die Verantwortung dafür, die Klimaziele zu erreichen, die Treibhausgase tatsächlich zu reduzieren wird weiterhin in die Hände der Individuen gelegt, die mit ihrem eigenen Verhalten und Handeln dafür sorgen sollen, dass sie von Klimafolgen verschont bleiben.
7.3 FORSCHUNGSIMPULSE Die hier gewonnenen Erkenntnisse leisten einen wichtigen Beitrag, um die Komplexität von Städten zu verdeutlichen, die sich in den Wechselwirkungen unterschiedlicher Rationalitäten sowohl zwischen verschiedenen Kontexten zeigt (Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik, Wissenschaft und Gesellschaft usw.) als auch innerhalb der jeweiligen Kontexte (politische Institutionen, Institutionen der Verwaltung, historische Entwicklungspfade, etablierte Praktiken, gesellschaftliches Engagement usw.). Für zukünftige Arbeiten werden daran anknüpfend drei Forschungsfelder hervorgehoben, die einen weiteren wichtigen Beitrag zu einer politisch-geographischen Stadtforschung und zur Frage des Umgangs mit dem Klimawandel leisten könnten: Im Feld der Klimapolitik spielen zahlreiche Formen von Materialität eine Rolle – sowohl mit Blick auf die Wetterereignisse, die in Form von Überschwemmungen oder Hitzewellen spürbar werden als in Bezug auf die Diskussionen um die Reduktion von CO2-Emissionen oder in Form der so häufig propagierten technischen Lösungen. Die vorliegende Arbeit hat mit Blick auf politische Aushandlungsprozesse herausgearbeitet, welche Relevanz und Bedeutung solchen Materialitäten diskursiv zugesprochen wurde. Gleichwohl blieb die Rolle von Materialitäten selbst mit ihren konkreten physikalischen Eigenschaften oder mit ihren Auswirkungen auf den physischen Raum unbeachtet. An dieser Stelle zeigen sich jedoch seit einigen Jahren auch in der Geographie vermehrt Diskussionen, die die materielle Verfasstheit der Gesellschaft stärker in den Vordergrund rücken. Wirklichkeit, so das Argument, ist nicht nur als sprachliches Konstrukt zu verstehen, »sondern als heterogenes Arrangement, in dem unterschiedliche Logiken – sprachliche, ökonomische, technische, biophysikalische, usw. – zusammenwirken« (Wiertz 2015, 21). Die theoretischen Ansätze der Science and Technology-Studies oder der Assemblage-Theorie können hier einen wichtigen Beitrag leisten, die Wechselwirkungen zwischen Diskursen, Räumen, Techniken oder Institutionen noch stärker in den Mittelpunkt zu rü-
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cken. Das Interesse richtet sich dann weniger darauf, »what something is, but in the qualities it develops and the effects it has through its interaction with other things, whether human or nun-human, organic or inorganic, material or discursive« (Moss, Becker und Gailing 2016, 51). Dieser Perspektive folgend werden technische Infrastrukturen und Systeme nicht einfach als Instrumente verstanden, mit denen Ziele umgesetzt werden. Das Vorhandensein technischer Möglichkeiten beeinflusst vielmehr ebenso die Art und Weise, wie kommunalpolitische Entscheidungsträger*innen ihre Handlungsräume oder den Erfolg klimapolitischer Strategien bewerten – »Technology is not something that we invent and employ as a means to an end: it shapes us as much as we shape it. With each device, and with each technological system, come new modes of ordering life« (Wakefield und Braun 2014, 6). In diesem Sinne kann Technik sowohl als »Bestandteil sozio-materieller Gefüge« (Wiertz 2015, 44) verstanden werden als auch als »Teil einer Regierungstechnik im Sinne Foucaults« (ebd. 2015, 44). Zweitens wurde mit dem hier gewählten Forschungsdesign der Fokus auf Diskurse gerichtet, die insbesondere von kommunalpolitischen Entscheidungsträger*innen und Mitarbeiter*innen der Verwaltung hervorgebracht wurden. Doch spielen nicht nur diese Akteur*innen für die Konstitution gesellschaftlicher Sichtweisen um Klimawandel eine Rolle, sondern auch Bürger*innen, zivilgesellschaftliche Initiativen und Unternehmen. Aus diesem Grund ist es ebenso wichtig herauszuarbeiten, wie diese sich zum einen gegenüber klimapolitischen Zielen und Strategien verorten und welche Handlungsmöglichkeiten sie selbst in Bezug auf Klimaschutz bzw. Klimaanpassung wahrnehmen. Zum andern stellt sich ebenso die Frage, inwiefern die Denkweisen und Positionierungen von Bürger*innen und Unternehmen die aktuelle Klimapolitik der Bundesregierung bzw. die der jeweiligen Städte prägen. Wie beeinflussen also Bürger*innen und Unternehmen durch ihr Engagement – oder auch Nicht-Engagement – klimapolitische Diskurse? Drittens ist mit Blick auf die politischen Diskurse deutlich geworden ist, dass sowohl in den bundes- als auch in den beiden kommunalpolitischen Debatten die grundlegende Prämisse einer auf Wachstum ausgerichteten Gesellschaft nicht mehr infrage gestellt wird. Das heißt, die städtischen Akteur*innen verorten sich zwar unterschiedlich innerhalb der jeweils bestehenden Diskurskonstellationen und sie positionieren sich unterschiedlich gegenüber den vorherrschenden Regierungstechnologien. Doch die grundsätzliche Ausrichtung (klima-)politischer Strategien auf technologische und marktkonforme Lösungen wird nicht diskutiert – eine Form von Politik, die in kritischen Wissenschaftsdebatten als »postpolitisch« diskutiert wird (Rancière 2006; Mouffe 2007; Žižek 2009). Postpolitisch meint in diesem Sinne, dass der »real-existierende Kapitalismus die
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einzig mögliche Gesellschaftsordnung ist« (Beveridge und Richter 2018) und somit politische Entscheidungen in erster Linie ökonomischen Interessen folgen. Doch zeigen sich in der Gesellschaft auch Praktiken, die sich versuchen den hegemonialen kapitalistischen und neoliberalen Logiken entgegenzustellen. So wird bspw. aktuell in Dresden die Eröffnung des Restaurants »Zur Tonne« vorbereitet, welches in erster Linie Lebensmittel verwendet, die Geschäfte in den Müll werfen wollten. Zwar basiert auch solch ein Restaurant auf Marktlogiken, dennoch wird mit der Verwendung dieser Art von Lebensmittels versucht, diese zu durchbrechen. Initiativen wie »Vamos e. V.« in Münster konzipieren unterschiedliche Bildungsangebote, die sich z.B. Stadtführungen aus einer konsumkritischen Perspektive widmen. Die vorliegende Arbeit hat sich mit widerständigen Praktiken politischer Akteur*innen und Verwaltungsmitarbeiter*innen beschäftigt. Doch haben die Analysen am Beispiel von Münster gezeigt, dass es in den 1980er und 1990er Jahren insbesondere gesellschaftliche Initiativen waren, die den Diskurs um Bedeutung des Klimawandels maßgeblich beeinflusst haben. Vor dem Hintergrund der anknüpfenden kritischen Debatten um Neoliberalismus, aber auch der Kritik an den Tendenzen einer »post-politischen Stadt« (Swyngedouw 2013) ist deshalb eine Analyse zivilgesellschaftlicher widerständiger Praktiken ebenso wichtig. Damit kann der Fokus dezidiert auf alternative gesellschaftliche Denkweisen sowie auf eine kritische Reflexion daran anknüpfender Praktiken gerichtet werden, die die bestehenden Ziele und Regierungstechniken der Klimapolitik infrage stellen. Die vorliegende Arbeit trägt dazu bei, die Komplexität kommunaler Politik in Deutschland allgemein bzw. von Klimapolitik im Besonderen zu verdeutlichen und ein vertieftes Verständnis dafür zu erlangen, dass (klima-)politische Ziele in den jeweiligen städtischen Kontexten auf unterschiedliche Rationalitäten und Problematisierungen treffen. Die Analysen zeigen, dass beide Städte ökonomischen Rationalitäten folgen. Gleichzeitig ist deutlich geworden, dass vor dem Hintergrund unterschiedlicher Entwicklungspfade und gesellschaftlicher Machtverhältnisse vielschichtige, heterogene Wissensordnungen wirkmächtig werden und sich städtische Akteur*innen sehr unterschiedlich gegenüber klimapolitischen Zielvorstellungen und Regierungsweisen positionieren. Das hier skizzierte Feld kommunaler Klimapolitik kann somit als ein Beispiel verstanden werden, das grundsätzlich dazu beiträgt, Kommunalpolitik besser zu verstehen und das hilft, die Frage zu beantworten, warum Städte mit vermeintlich denselben bundespolitischen Vorgaben so unterschiedlich umgehen.
Literatur
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Februar 2019, 246 S., kart. 24,99 €(DE), 978-3-8376-4474-6
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Smart City – Kritische Perspektiven auf die Digitalisierung in Städten 2018, 364 S., kart. 29,99 € (DE), 978-3-8376-4336-7 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4336-1 EPUB: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-4336-7
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Erloschene Liebe? Das Auto in der Verkehrswende Soziologische Deutungen 2018, 174 S., kart., zahlr. Abb. 19,99 € (DE), 978-3-8376-4568-2 E-Book: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4568-6 EPUB: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-4568-2
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Soziologie Gianna Behrendt, Anna Henkel (Hg.)
10 Minuten Soziologie: Fakten 2018, 166 S., kart. 16,99 € (DE), 978-3-8376-4362-6 E-Book: 14,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4362-0
Heike Delitz
Kollektive Identitäten 2018, 160 S., kart. 14,99 € (DE), 978-3-8376-3724-3 E-Book: 12,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3724-7
Anna Henkel (Hg.)
10 Minuten Soziologie: Materialität 2018, 122 S., kart. 15,99 € (DE), 978-3-8376-4073-1 E-Book: 13,99 €(DE), ISBN 978-3-8394-4073-5
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